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Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen

Frank Riehl

Fördern durch Pflege


bei schweren
Hirnschädigungen
Connected Care® Concept

Mit 95 Abbildungen
Frank Riehl
Frank Riehl Institut
Kronshagen
Deutschland

ISBN-13 978-3-642-30259-6 ISBN 978-3-642-30260-2 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2

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V

Geleitwort
Die neurologische Rehabilitation mit all ihren Chancen und Möglichkeiten ist derzeit wohl
die herausforderndste und spannendste Aufgabe in Medizin, Therapie und Pflege.

Gerade durch interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Rehabereiche erschließt sich in der


Neurologie dann auch der Erfolg für die Schwer- und Schwerstbetroffenen nach Schädelhirn-
verletzung.

Immer mehr bestätigen nun auch wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsarbeiten,


was in der Praxis bereits erkannt, getestet und erfolgreich praktiziert wurde.

jPioniere der Neurorehabilitation


Gerade in den Jahren des Aufbaus und des Umbruchs, von vormals eher negativ geprägter
Erwartung hin zu optimistisch-positivem Erfolg, waren und sind die »Pioniere der Neuro-
rehabilitation« die wahren Wegbereiter dieser neurologischen Rehabilitationskette.

Ein Mann der ersten Stunde und solch ein Pionier ist Frank Riehl, vom gleichnamigen
Institut.

jAktivierende Pflegetherapie
Zusammen mit unserem Verband »Schädel-Hirnpatienten in Not e. V.«, »Deutsche Wach-
komagesellschaft« und anderen Pionieren gaben wir uns nicht mit dem Auftrag »zustands-
erhaltender Pflege« zufrieden, sondern forderten für Patienten im Koma/Wachkoma mit
dem Krankheitsbild »apallisches Durchgangssyndrom« eine durchgängige positive Entwick-
lungsförderung mit einer aktivierenden Pflegetherapie.

jRecht auf Leben und Rehabilitation


Frank Riehl steht unserem Verband schon viele Jahre beratend, helfend und unterstützend
zur Seite. Für unsere Familienangehörigen und die Betroffenen ist er Vorbild und Hoffnung,
da er durch seine Ausbildung zum Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und als Kursleiter
»Basale Stimulation« in der Pflege, als Trainer für Kinästhetik, Anwender des Bobath-Kon-
zeptes und weiteren Konzepten in seiner Person Vieles vereint. Als zugelassener Sachverstän-
diger mit Arbeitsschwerpunkt »Betreuung und Förderung von Menschen mit erworbener
Hirnschädigung« ist Frank Riehl Pionier, Praktiker und Lehrer.

Armin Nentwig, Vorsitzender des Bundesverbandes Schädel-Hirnpatienten in Not e.V.


VI Geleitwort

j»Nie aufgeben«
Sein Entwicklungskonzept »Connected Care« und sein »teilhabe- und entwicklungsorien-
tiertes Modell« sind längst ein logischer und notwendiger Schritt in der Neuroreha.

Die Betroffenen verdanken Frank Riehl viel und wissen dies auch durch dieses Buch bestä-
tigt. Möge dies ein weiteres Signal geben, in der Neurorehabilitation nie aufzugeben!

Armin Nentwig, Amberg 2012


Bundesverband Schädel-Hirnpatienten in Not e. V. Deutsche Wachkomagesellschaft
VII

Vorwort
Seit über 25 Jahren arbeite ich mit größtenteils kritisch kranken Menschen. Nach der Zeit
meiner Tätigkeit auf Intensivpflegestationen mit dem Schwerpunkt innere Medizin, Neurolo-
gie und Neurochirurgie war besonders die Arbeit innerhalb der neurologischen Langzeitre-
habilitation prägend für die Entwicklung des »Connected Care Concept« ( C C C ) nebst
dem »teilhabe- und entwicklungsorientierten Betreuungsmodell« (TEPM).

Während der gesamten Zeit meiner beruflichen Tätigkeit steht die pflegende und fördernde
Begleitung von Menschen mit neurologischen Erkrankungen im Vordergrund meines Han-
delns. Bewusst habe ich mich entschieden, dass Vorwort zu nutzen, um mich bei den wich-
tigen und besonderen Menschen, die mein berufliches Handeln geprägt haben, zu bedanken.
Zu diesen Menschen gehören: Professor Andreas Fröhlich, Professorin Christel Bienstein,
Ulrike van Loosen, Patricia M. Davies, Walter Ullmer, Armin Nentwig, Kerstin Schlee, Hans
Sonderegger, der leider im Januar 2012 verstorben ist, und alle Betroffenen. Mein besonderer
Dank gehört Professor Dr. Dr. Franz Gerstenbrand, der mir in eindrucksvoller Weise gezeigt
hat, ein wichtiges Anliegen konsequent zu verfolgen.

Sie alle haben einen wesentlichen Anteil an meiner Arbeit, und sie haben mir geholfen, nicht
die Zustandserhaltung, sondern vielmehr die positive Entwicklungsförderung des Einzelnen
zum Ziel meines beruflichen Wirkens zu machen.

In dem nachfolgenden Gedicht in drei Strophen von Rainer Maria Rilke erkenne ich die
Lebenssituation von vielen schwerstbetroffenen Menschen im übertragenen Sinne wieder.
Diese Lebenssituation möchte das Konzept aktiv verändern.

Der Panther
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,


der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille


sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein (Rainer Maria Rilke 1902).
VIII Vorwort

Dieses Buch versteht sich als Beitrag in der Begleitung von Menschen mit schweren und
schwersten Störungen des zentralen Nervensystems. Es soll Betroffene, die Familie der Be-
troffenen, Pflegende, Therapeuten, Ärzte, Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes, der Kran-
kenversicherung und der einzelnen Kostenträger gleichermaßen ansprechen.

Frank Riehl
Kiel/Kronshagen, 2012

jDie Wahl der Worte


Worte sollen erklären, Worte sollen beschreiben und Worte werden geschrieben, dienen also
oftmals zur Information anderer am Förderprozess beteiligter Menschen. Worte müssen
wertschätzend sein und genau dieses sind sie in der täglichen Routine nicht immer. Bezeich-
nungen wie unter anderem »fertig machen«, »versorgen«, »er/sie ist heute schlecht« u. v. a. m.
finden sich nicht nur im Sprachschatz wieder, sondern werden auch in der Dokumentation
verewigt. Das gesprochene und das geschriebene Wort beeinflusst direkt und indirekt: Men-
schen werden »begleitet«, sie werden »umsorgt« und »ihre momentane Verfassung ist nicht
stabil«. In den Inhalten dieses Buches wird bewusst auf einige Bezeichnungen oder Wen-
dungen verzichtet bzw. werden dafür andere Benennungen gewählt. Dies soll an zwei Bei-
spielen deutlich gemacht werden: In den Texten wird nicht von der »Pflegekraft« gesprochen,
sondern ausschließlich von der »Pflegeperson«. Auch wird auf die Beschreibung »Wachko-
mapatienten« verzichtet, hierfür wird die Formulierung »Menschen mit schweren Störungen
des zentralen Nervensystems« gewählt.
IX

Zum Autor
Frank Riehl
Ausbildung zum Krankenpfleger – Klinikum Wuppertal-Barmen. Das Klinikum ist eine akademische Lehr-
einrichtung der Universität Witten-Herdecke. Fachweiterbildung zum Fachkrankenpfleger für Intensiv-
pflege – Heinrich-Heine-Universitätsklinik in Düsseldorf, Schwerpunkt Innere Medizin, Neurologie und
Neurochirurgie. 1984–1998 Intensivpflegestationen großer Universitätskliniken, Schwerpunkt Neurolo-
gie und Neurochirurgie. Seit 1994 Kursleiter für Basale Stimulation in der Pflege – Internationaler För-
derverein für Basale Stimulation (Kursleiternummer 53). Ausbildung zum Trainer für Kinästhetik bei der
Deutschen Gesellschaft für Kinästhetik in Berlin. IHK-anerkannter DIHT-Trainer – bundesweit aner-
kannter Dozent in der Erwachsenenbildung. Anwender des F.O.T.T. – Umgang mit Schluckbeeinträch-
tigung unterschiedlicher Genese. Anwender des Bobath-Konzepts; weitergebildet durch Pat Davies,
Werner Münz, Sigrid Tscharntke. Anwender des Konzepts »Intensivtherapeutisches Führen«; weiterge-
bildet durch Pat Davies (Italien) und Hans Sonderegger (Schweiz, jetzt Österreich). Zugelassener Sach-
verständiger bei den Sozialgerichten Lübeck und Kiel. Arbeitsschwerpunkt der letzten 15 Jahre ist die
Betreuung und Förderung von Menschen mit erworbener Hirnschädigung – davon 6 Jahre als verant-
wortlicher Pflegeexperte in der Phase F des Therapiezentrums Middelburg. Behindertenhilfe – Schwer-
punkt ist die Arbeit mit schwerst mehrfach behinderten jungen Erwachsenen in Tagesförderstätten.
Entwicklung des »teilhabe- und entwicklungsorientierten Betreuungsmodells« nach Frank Riehl. Ent-
wicklung des pflegetherapeutischen Konzepts »Connected Care Concept« nach Frank Riehl. Entwick-
lung der Pflegetherapie mit systemischem Ansatz nach Frank Riehl. Bildungspartner des MDK Nord und
des MDS e. V. Essen. Seit 2011 ist das Connected Care Concept in das Rahmenkonzept Phase F des
Landes Schleswig-Holstein als Qualifikationsmaßnahme eingebunden.
Inhaltsverzeichnis
1 Die Einzigartigkeit der neurologischen Rehabilitation
und Langzeitrehabilitation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Überleben nach einer schweren Schädigung des zentralen Nervensystems . . . . . . . . . 2
1.2 Neurologische Rehabilitation – das Phasenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2.1 Phasen der neurologischen Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.2 Langzeitpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.3 Identifikation der betroffenen Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.4 Bausteine der Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Das notwendige soziale Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3.1 Das tragende Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3.2 Ergänzende Bausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Das teilhabe- und entwicklungsorientierte Betreuungsmodell


nach Frank Riehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.1.1 Grundannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.1.2 Grundthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1.3 Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.1.4 Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.1.5 Mix der Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.1.6 Soziale Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.1.7 Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.1.8 Lebensweltorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.1.9 Adaptation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2 Begleiten, fördern und gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.3 Normalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.4 Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.4.1 Unbeabsichtigtes Lernen (inzidentelles Lernen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.4.2 Neuroplastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3 Das Connected Care Concept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15


3.1 Wahrnehmung und Sensibilität im Connected Care Concept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.1.1 Die Wahrnehmungsbeziehung am Beispiel der Körperwaschung –
einer Herausforderung an die Sinnessysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.1.2 Selbsterfahrung: Das taktil-kinästhetische Erleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.2 Der systemische Ansatz des Connected Care Concept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.3 Gesetz der kleinen wahrnehmbaren Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.4 Gestaltgesetze nach Wertheimer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.4.1 Gesetz der Prägnanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.4.2 Gesetz der Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.4.3 Gesetz der Ähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.4.4 Gesetz der Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.4.5 Gesetz der Geschlossenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.4.6 Gesetz der gemeinsamen Bewegung/
des gemeinsamen Schicksals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
XI
Inhaltsverzeichnis

3.4.7 Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21


3.5 Gestaltgesetze nach Stephen Palmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.5.1 Gesetz der gemeinsamen Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.5.2 Gesetz der Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.5.3 Gesetz der verbundenen Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

4 Das Sinnessystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
4.1 Die Entwicklung des Menschen: Keimzelle und Keimblätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.1.1 Entoderm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.1.2 Mesoderm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.1.3 Ektoderm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.2 Die Aufgaben des Sinnessystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.3 Körperorientierte Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.3.1 Tastsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.3.2 Schmerzsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
4.3.3 Lebenssinn bzw. Sinn der inneren Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
4.3.4 Eigenbewegungssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4.3.5 Gleichgewichtssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4.4 Soziale und zwischenmenschliche Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4.4.1 Geruchssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4.4.2 Geschmackssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4.4.3 Sehsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4.4.4 Wärmesinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.5 Geistige Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.5.1 Hörsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.5.2 Sprachsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.5.3 Gedankensinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.5.4 Personensinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.6 Der Homunkulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

5 Die Umfeldgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
5.1 Wahrnehmung durch Familie und pflegende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5.2 Vorschläge zur Raumgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

6 Das morgendliche Wecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

7 Körperpflege nach dem Connected Care Concept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43


7.1 Die wirkende Körperwaschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
7.1.1 Grundprinzipien der pflegerischen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
7.1.2 Wirkprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
7.1.3 Schwerpunkt Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
7.1.4 Schwerpunkt Ruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
7.1.5 Schwerpunkt Körperbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
7.1.6 Selbsterfahrung: Waschen der Arme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
7.2 Die wirkende Körperpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
7.2.1 Schwerpunkt Ruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
7.2.2 Selbsterfahrung: Pflege der Arme mit Lotion oder Öl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
7.3 Das Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
XII Inhaltsverzeichnis

7.3.1 Bad in der Wanne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51


7.3.2 Bad auf der Duschliege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
7.3.3 Bad im Bettbadesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
7.4 Das informierende Handbad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
7.5 Die fördernde Handmassage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
7.6 Das informierende Fußbad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

8 Die atemfördernde Position im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63


8.1 Atemqualität und Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
8.1.1 A-Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
8.1.2 Unterstütztes Sitzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
8.1.3 Lagerung mit besonderer Atemunterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
8.2 Regulation der Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
8.2.1 Die ateminformierende Einreibung (AIE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
8.2.2 Einsatz eines Bauchtuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
8.2.3 Bauch-Rücken-Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

9 Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
9.1 Markante Regionen und Körperinformationsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
9.1.1 Markante Regionen des menschlichen Körpers mit der Wirkung
auf Haltung und Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
9.1.2 Die Körperinformationsfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
9.1.3 Selbsterfahrung: Veränderung der Körperinformationsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
9.2 Einflussfaktoren auf die menschliche Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
9.3 Das Stehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
9.4 Das Pflegebett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
9.4.1 Das Bewegen im Bett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
9.4.2 Das informierende Material im Bett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
9.5 Das Bällebad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
9.6 Das Anziehen der Schuhe in liegender Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
9.7 Das Hinsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
9.7.1 Hinsetzen aus der Seitenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
9.7.2 Hinsetzen aus der Rückenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
9.8 Das Hinlegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
9.9 Der Körperkontakt bei Veränderung der Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
9.9.1 Die begleitende Berührung beim Verstellen des Bettes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
9.9.2 Die begleitende Berührung beim Fahren mit dem Rollstuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
9.10 Der Transfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
9.10.1 Der Transfer über den Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
9.10.2 Der Brückentransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
9.10.3 Der Notfalltransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
9.11 Das Sitzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
9.11.1 Sitzen im Bett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
9.11.2 Sitzen auf dem Bettrand mit personeller Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
9.11.3 Sitzen im Rollstuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
9.11.4 Sitzen im Sitzsack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
9.11.5 Sitzen und Bewegen im Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
9.12 Das Anziehen der Schuhe in sitzender Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
XIII
Inhaltsverzeichnis

9.13 Der Schulterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101


9.13.1 Schulter- und Handhalt im Liegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
9.13.2 Schulter- und Handhalt im Sitzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
9.14 Das Liegen auf dem Fußboden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

10 Schlucken und Schluckbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105


10.1 Physiologie des Schluckens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
10.1.1 Phase 1: Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
10.1.2 Phase 2: Präorale Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
10.1.3 Phase 3: Orale Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
10.1.4 Phase 4: Pharyngeale Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
10.1.5 Phase 5: Ösophageale Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
10.1.6 Phase 6: Reinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
10.1.7 Phase 7: Nachbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
10.2 Dysphagie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
10.2.1 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
10.2.2 Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
10.2.3 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
10.3 Die Schluckendoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
10.4 Einfluss der Hirnnerven auf das Schlucken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
10.5 Die Beobachtung durch die Pflegeperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
10.6 Erfahrungen eines Betroffenen mit Hirnschädigung
und ausgeprägter Dysphagie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
10.7 Pflege der Nasenöffnung und der Nasengänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

11 Therapeutische Mund- und Zahnpflege und die Nahrungsaufnahme . . . . . . 117


11.1 Grundprinzipien der Mund- und Zahnpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
11.2 Das assoziierende Prinzip der therapeutischen Mundpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
11.3 Regulation der Gesichts- und Halsmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
11.4 Die warme Kompresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
11.5 Nahrungsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
11.5.1 Der Bolus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
11.5.2 Gestaltung der Bolustemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
11.5.3 Gestaltung des Bolusgeschmacks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
11.5.4 Gestaltung des Bolusvolumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
11.5.5 Gestaltung der Bolusstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
11.6 Die PEG aus Sicht des CCC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
11.7 Der Kieferkontrollgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

12 Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
12.1 Trigo Therapiesysteme – ein Teil des DysThera-Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
12.1.1 Trigo Therapiesystem für den Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
12.1.2 Trigo Therapiesystem für den Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
12.1.3 Trigo Therapiesystem für den Rumpf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
12.1.4 Trigo Therapiesystem für die Schulter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
12.1.5 Trigo Therapiesystem für die Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
12.1.6 Trigo Therapiesystem für die A- Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
12.1.7 Wirksamkeit des DysThera-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
XIV Inhaltsverzeichnis

12.1.8 Interview mit einer Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142


12.2 Die Kniewelle – Hilfsmittel aus der Kinästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
12.3 Der Rollstuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
12.4 Das Trinkinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
12.5 Der Nasenpflegeabsaugkatheter NosoQuick: Anwenderbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
12.6 Der Dysphagielöffel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

13 Assessment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
13.1 Gestaltung einer gemeinsamen und entwicklungsorientierten Konferenz . . . . . . . . . . 152
13.2 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
13.2.1 Der sozio-, psychosomatische und motorische Analysebogen (SPM-A) . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
13.2.2 Anwendung des SPM-A: Assessment zur Darstellung von Eigenkompetenz
und Veränderungen im Entwicklungsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

14 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Bildungskonzept »Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen« . . . . . . . . . 172

Pflegetagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
1 1

Die Einzigartigkeit der


neurologischen Rehabilitation
und Langzeitrehabilitation
in Deutschland
1.1 Überleben nach einer schweren Schädigung
des zentralen Nervensystems – 2

1.2 Neurologische Rehabilitation – das Phasenmodell – 2


1.2.1 Phasen der neurologischen Rehabilitation – 3
1.2.2 Langzeitpflege – 4
1.2.3 Identifikation der betroffenen Menschen – 4
1.2.4 Bausteine der Förderung – 4

1.3 Das notwendige soziale Netzwerk – 5


1.3.1 Das tragende Netzwerk – 5
1.3.2 Ergänzende Bausteine – 6

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
2 Kapitel 1 · Die Einzigartigkeit der neurologischen Rehabilitation und Langzeitrehabilitation in Deutschland

Heute überleben eine zunehmende Zahl von Men- 1.1 Überleben nach einer schweren
1 schen schwere und schwerste Erkrankungen des Schädigung des zentralen
zentralen Nervensystems (ZNS). Die Möglich- Nervensystems
keiten der Akutmedizin haben sich gemäß den Er-
kenntnissen weiterentwickelt, die Rettungskette Die Lebenserwartung der Betroffenen nähert sich
wurde weiter optimiert, und die Medizintechnik an die »normale« Lebensspanne an. Zu bemerken
kann angepasste Hilfsmittel zur Verfügung stellen. ist, dass es sich bei den Betroffenen zumeist um
Im Gegensatz zu den Fortschritten auf den genann- jüngere Menschen handelt.
ten Sektoren wurde die langfristig ausgelegte Be- 4 Etwa jeder zweite Traumatisierte ist zwischen
gleitung von Menschen mit schweren Schädigungen 15 und 40 Jahren alt; ein Viertel der Betroffenen
des ZNS nicht im gleichen Maße ausgebaut, und befinden sich jenseits des 65. Lebensjahres.
diese Menschen benötigen im Besonderen eine auf 4 Jeder zehnte Betroffene ist ein Kind unter
Langfristigkeit ausgelegte Förderung und Wieder- 12 Jahren.
eingliederung (. Abb. 1.1).
Familien, die ihre schwerstneurologisch ge- Insgesamt werden es die nächsten Jahrzehnte zei-
schädigten Angehörigen zu Hause betreuen, gera- gen, inwieweit sich die veränderten Rahmenbedin-
ten oftmals an ihre Grenzen. Neben dem Betrof- gungen, wie die Reduzierung der mittleren Kran-
fenen selbst ist auch die gesamte Familie durch die kenhausverweilzeiten durch Implementierung der
Ereignisse tief traumatisiert. An dieser Stelle sind diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG), und der
professionelle Wegbegleiter nötig. Eine solche Weg- Umstand, dass längst nicht mehr jeder Schwerst-
begleitung ist eine qualitativ hochwertig arbeitende kranke mit einer schweren Störung des ZNS eine
vollstationäre Pflegeeinrichtung, denn nicht immer adäquate Frührehabilitation wahrnehmen kann,
ist eine Betreuung im häuslichen Umfeld möglich, auswirken werden.
auch wenn sie noch so wünschenswert wäre. Es liegen trotz der »fast normalen« Lebenser-
wartung zurzeit wenige verwertbare Erkenntnisse
» Viele versorgende Angehörige der Gruppe über die Langzeitentwicklung vor (länger als
schwerstneurologisch Geschädigter, die ihre
18 Monate nach Trauma oder Krankheitsbeginn).
Betroffenen selbst zu Hause betreuen, fühlen sich
heute mit der Arbeit überfordert und im Bereich
ambulanter Unterstützung unter den vor Ort 1.2 Neurologische Rehabilitation –
geltenden Bedingungen weitgehend im Stich das Phasenmodell
gelassen… Die Verlegung von Menschen aus der
betreffenden Gruppe nach Hause erfolgt leider
Im Mai 1996 fand im pfälzischen Maikammer eine
heute in einer nennenswerten Zahl von Fällen
Konferenz statt unter der Mitwirkung von:
nicht aus Gründen der entsprechenden Indikation,
4 Spitzenverbänden der Kranken- und Pflegekas-
sondern aus Ermangelung geeigneter stationärer
sen,
Einrichtungen. Die besonderen Qualitätserforder-
4 Rentenversicherern,
nisse – insbesondere im Blick auf den Bereich der
4 Unfallversicherern und Berufsgenossenschaf-
Langzeitrehabilitation – legen in vielen Fällen eine
ten,
entsprechend spezialisierte stationäre Lösung
4 der Medizinischen Dienste der Krankenversi-
nahe, die es allerdings erlauben sollte, der
cherungen,
Individualität Betroffener und den bestehenden
4 der Deutschen Vereinigung für die Rehabilita-
familiären Bindungen hinreichend Rechnung zu
tion Behinderter e. V.,
tragen (Deutsche Vereinigung für die Rehabilita-
4 des Bundesverbands Schädel-Hirnpatienten in
tion Behinderter e. V. 1996). « Not e. V.,
4 des Kuratoriums ZNS für Unfallverletzte mit
Schäden des zentralen Nervensystems e. V.,
1.2 · Neurologische Rehabilitation – das Phasenmodell
3 1

. Abb. 1.1 Das intensivtherapeutische Führen – Förderung mit Erfolgserlebnis. (Mit freundl. Genehmigung der Behinderten-
hilfe Hamburg)

4 BAR – Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabi- 4 C – weiterführende Rehabilitation (die Pa-


litation, tienten sind kooperativ und können intensiv
4 zahlreicher Teilnehmer mit erheblicher Fach- therapiert werden, müssen aber noch kurativ-
kompetenz medizinisch und mit hohem pflegerischem
mit dem Ziel, erstmals eine bundeseinheitliche Aufwand betreut werden),
»Empfehlung zur Rehabilitation und Pflege von 4 D – Rehabilitationsphase nach Abschluss der
Menschen mit schwersten neurologischen Schädi- Frühmobilisation (medizinische Rehabilitation
gungen – Standards der Langzeitbehandlung in der – Anschlussheilbehandlung im bisherigen
Phase F« zu verfassen. Sinne),
4 E – Rehabilitation nach Abschluss der medizi-
nischen Rehabilitation (nachfolgende ambu-
1.2.1 Phasen lante Rehabilitation und berufliche Wiederein-
der neurologischen gliederung),
Rehabilitation 4 F – Behandlungs-/Rehabilitationsphase (in
der dauerhaft unterstützende, betreuende und/
Die gesamte neurologische Rehabilitation umfasst oder zustandserhaltende Leistungen erforder-
folgende Phasen: lich sind, bei positiver Entwicklung besteht die
4 A – Akutbehandlung (Intensivstation oder pe- Möglichkeit, den Betroffenen in einer anderen
riphere Station eines Akut-Krankenhauses), Phase zu rehabilitieren),
4 B – Frührehabilitation (in der intensivmedizi- 4 G – Überleitungsphase (zunehmende Selbst-
nische Behandlungs- und Pflegemöglichkeiten ständigkeit innerhalb einer betreuten Wohn-
vorgehalten werden müssen), versorgung).
4 Kapitel 1 · Die Einzigartigkeit der neurologischen Rehabilitation und Langzeitrehabilitation in Deutschland

1.2.2 Langzeitpflege 4 Alltagsbegleitung durch therapeutische Aktivi-


1 täten folgender Disziplinen: Physiotherapie, Er-
Langzeitpflege im Kontext der vollstationären Pfle- gotherapie, Logopädie (hier ist besonders die
ge (vgl. staatlich anerkannte Fachweiterbildung für Behandlung der Dysphagien und das Tracheal-
Rehabilitation und Langzeitpflege des Landes kanülenmanagement zu nennen),
Schleswig-Holstein) betrifft Menschen mit 4 das kontinuierliche Prinzip der einheitlichen
schweren und schwersten Störungen des zentralen ärztlichen Versorgung.
Nervensystems. Folgende Diagnosen sind unter
der Beschreibung zusammengefasst:
4 Schädelhirntrauma, 1.2.3 Identifikation der betroffenen
4 hypoxische Hirnschädigung, Menschen
4 entzündliche Erkrankungen des zentralen Ner-
vensystems, Die Patientengruppe wird gebildet aus Menschen
4 Schlaganfall, nach neurologischen Akutereignissen (Schädel-
4 Morbus Parkinson, hirntraumen, zerebralen Sauerstoffmangelschäden,
4 multiple Sklerose, z. B. nach Herz-Kreislauf-Versagen), mit entzünd-
4 Demenz, lichen Erkrankungsprozessen wie Enzephalitis
4 Morbus Alzheimer u. a. oder Poliradikulitis, nach akuten zerebralen Gefäß-
schäden (insbesondere Schlaganfällen) oder mit
Aus der Maikammerkonferenz resultiert folgende Folgen chronischer Erkrankungen der hirnversor-
Definition für die vollstationäre Langzeitrehabilita- genden Gefäße, mit Schäden durch Tumoren oder
tion: Infektionen im ZNS-Bereich, mit neurologischen
Querschnittssyndromen oder mit chronisch-de-
» Unter der Phase F der neurologischen Rehabili- generativen Hirnerkrankungen. Entscheidend ist
tation wird die Behandlungs- und Rehabilitations-
nicht die ursächliche Schädigung, sondern deren
phase verstanden, in der dauerhaft unterstützen-
Folgeproblematik. Die Zielgruppe setzt sich dem-
de, betreuende und/oder zustandserhaltende
nach aus betroffenen Menschen mit körperlichen
Leistungen erforderlich sind. Zu diesen Leistungen
und geistigen Beeinträchtigungen unterschied-
können in Abhängigkeit von Befinden und
licher Ursache zusammen.
Bedarfslage der betroffenen Personen Grund- und
Durch schwere und schwerste neurologische
Behandlungspflege, ständige Beaufsichtigung,
Schädigungen erleben die betroffenen Menschen
medizinisch-diagnostische und medizinisch-
oftmals Beeinträchtigungen in ihrer Wahrneh-
therapeutische, psychodiagnostische und
mung, Bewegung, Interaktion mit anderen Per-
psychotherapeutische sowie heilpädagogisch-
sonen und in der Möglichkeit, den eigenen Körper
sozialtherapeutische Maßnahmen, Leistungen zur
in Beziehung zur festen Umwelt zu fühlen.
Unterstützung der schulischen, beruflichen und
sozialen Eingliederungen, Beratung und schließ-
lich betreute Wohnversorgung bis hin zum 1.2.4 Bausteine der Förderung
stationären Langzeitaufenthalt gehören (Deutsche
Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter e. V.
Folgende Bausteine umfasst die notwendige Förde-
1996). « rung in der vollstationären Langzeitrehabilitation:
Aus dem Inhalt der Maikammerkonferenz lassen 4 Integration in eine stabile Lebensgemeinschaft,
sich vier Grundprinzipien für die vollstationäre 4 Begleitung der Familien,
Langzeitrehabilitation ableiten: 4 teilhabe- und entwicklungsorientiertes Betreu-
4 die herausragende Rolle der Familien, ungsmodell und Pflegetheorie nach Frank
4 Alltagsbegleitung durch pflegetherapeutische Riehl,
Aktivitäten, 4 Pflegekonzept »Connected Care Concept«
(CCC) nach Frank Riehl,
1.3 · Das notwendige soziale Netzwerk
5 1
4 Pflege durch Personen mit besonderem Kennt- mitglieder können und sollen den Alltag selbst be-
nisstand – Pflegepraktiker mit Trainer- und Ex- stimmen und gestalten. Die Familien und die Be-
pertenkompetenz, troffenen bilden das Fundament für die Lebensge-
4 Pflege nach dem System der »Verantwortlich- meinschaft. Sie werden unterstützt von Pflegenden
keit« der direkten und beziehungsorientierten mit besonderem Wissen, von Therapeuten und
Pflege, Medizinern. Im Vordergrund stehen das pädago-
4 Logopädie, insbesondere im Hinblick auf die gische Begleiten und die professionelle Anleitung
Behandlung von Dysphagien und einem an- zu pflegetherapeutischen Handlungen. Das ge-
gepassten Trachealkanülenmanagement, aber meinsame Erleben des Tages hat Priorität, wobei
auch Sprachförderung, der Vita-Raum als Aktivitätsebene zu werten ist.
4 Sozialarbeit, Der Wissenstransfer findet mittels Seminaren,
4 Physiotherapie und Ergotherapie, praktischer Anleitung und gemeinsamer Arbeit
4 Medizin – die nach dem Katalog der Praxis- mit dem Betroffenen statt. Die dafür notwendige
besonderheiten arbeitet, Kontinuität wird durch die erforderliche wohnort-
4 ggfs. arbeits- und werktherapeutische Ansätze nahe vollstationäre Begleitung ermöglicht. Das
4 u. a. Motto »gemeinsames Erleben eines besonderen Le-
bensabschnittes« macht z. B. Übernachtungsmög-
Ein Ziel mit hoher Priorität ist die wohnortnahe lichkeiten, Gästezimmer und/oder Apartments
Möglichkeit der Begleitung, so dass die Einbezie- notwendig. Die Bewohnerzimmer (Einzelzimmer)
hung der Familien in intensiver Form möglich ist. sollen ausschließlich den Ruhephasen am Tag und
Das transdisziplinäre Netzwerk, wozu in erster Li- in der Nacht dienen, die Aktivzeiten finden im Vi-
nie die Integration der Familie durch eine aktive ta-Raum und außerhalb des Gebäudes statt. Gleich-
Mitbestimmung des Alltagsgeschehens und einer sam von großer Bedeutung sind die konstruktive
engen professionellen Begleitung und Schulung Einbindung der Pflege- und Krankenkassen und
von einzelnen Familienmitgliedern gehört. deren Bereitschaft zum gemeinsamen Erleben vor
E. A. Freeman misst den Familienmitgliedern Ort. Der Bundesverband für Schädel-Hirnpatien-
eine herausragende Rolle als Co-Therapeuten bei, ten in Not e. V. unterstützt tatkräftig und zu jeder
dies gilt insbesondere für die Aufwachphase nach Zeit.
einem Wachkoma. Keine andere Person im thera-
peutischen Team kann die Funktion der Familien-
angehörigen ersetzen (Freeman 1987). 1.3.1 Das tragende Netzwerk
Vorstellbar ist eine Haus- bzw. »Schicksalsge-
meinschaft«, in der jedes Mitglied am Leben ande- In einem möglichen Kerncurriculum für die neu-
rer partizipieren kann. Die Entstehung einer sol- rologische Rehabilitation spielt auch der Schwer-
chen gewünschten Gemeinschaft wird u. a. auch punkt »gut aussehen« eine herausragende Rolle.
durch ein spezielles Raumkonzept unterstützt. Beim »Gutaussehen« ist absolut darauf zu achten,
Nicht das Pflegezimmer steht im Vordergrund, dass keine Gelenkdeformitäten entstehen. Gut aus-
sondern vielmehr der »Vita-Raum«, in dem die sehen, auch gut angezogen sein, saubere Haare, ein
persönliche Geschichte jeder Person ihren Platz gepflegtes Äußeres sind bedeutende Faktoren.
findet. Er bildet das Zentrum der Wohn- und Pfle- Im Hinblick auf diesen Schwerpunkt muss über
gegemeinschaft. einen direkten räumlichen Bezug zur behandeln-
den Akutklinik und zur neurologischen Frühre-
habilitation nachgedacht werden. Da auch in die-
1.3 Das notwendige soziale sen Bereichen die Therapie und die professionelle
Netzwerk Pflege in einem 24-Stunden-Management arbeiten,
ist eine gemeinsame Basis hinsichtlich der Pflege-
Das notwendige soziale Netzwerk bestimmt das di- und Therapieinhalte und des Bildungsstandes un-
rekte und unmittelbare soziale Umfeld. Familien- erlässlich.
6 Kapitel 1 · Die Einzigartigkeit der neurologischen Rehabilitation und Langzeitrehabilitation in Deutschland

Wünschenswert ist eine direkte Anbindung


1 z. B. an die Neurologie/Neurochirurgie durch die
Implementierung eines »Facharztes für Neurologie
als Heimarzt«. Diese Anbindung würde eine Quali-
tätsentwicklung ungeahnten Ausmaßes hervor-
bringen. Der betroffene Mensch und seine Familie
würden unmittelbar von dieser Verbindung profi-
tieren.

1.3.2 Ergänzende Bausteine

Nach der Behandlung innerhalb der Phase A (Be-


handlung in der Klinik) und im Laufe der Zeit geht
der anfänglich akute Zustand in einen chronischen
Verlauf über. Frühzeitig wird die große Bedeutung
ergänzender Faktoren immer deutlicher. Neben der
Familie, den Angehörigen und Freunden kommt
den nachfolgenden Bereichen eine besondere Be-
deutung zu:
4 der Alltagsbegleitung durch pflegetherapeu-
tische Aktivitäten,
4 der Alltagsbegleitung durch therapeutische Ak-
tivitäten folgender Disziplinen:
4 Physiotherapie,
4 Ergotherapie,
4 Logopädie (hier ist besonders die Behandlung
der Dysphagien und das Trachealkanülenma-
nagement zu nennen),
4 dem kontinuierlichen Prinzip der einheitlichen
ärztlichen Versorgung. Hierdurch würde es al-
ler Wahrscheinlichkeit nach zu einer Reduzie-
rung der Gesamtkosten kommen, aber in erster
Linie könnten z. B. schmerzauslösende Kon-
trakturen und weitere krankheitsfördernde
Faktoren minimiert werden.

Die in den folgenden Kapiteln dargestellten Inhalte


werden den Betroffenen, ihren Familien und allen
am Prozess beteiligten Berufsgruppen eine un-
schätzbar große Hilfe in der Begleitung von allen
Menschen mit schweren Störungen des zentralen
Nervensystems sein.
7 2

Das teilhabe-
und entwicklungsorientierte
Betreuungsmodell
nach Frank Riehl
2.1 Definitionen – 8
2.1.1 Grundannahme – 8
2.1.2 Grundthesen – 9
2.1.3 Teilhabe – 10
2.1.4 Inklusion – 10
2.1.5 Mix der Einrichtungen – 10
2.1.6 Soziale Integration – 11
2.1.7 Autonomie – 11
2.1.8 Lebensweltorientierung – 11
2.1.9 Adaptation – 11

2.2 Begleiten, fördern und gestalten – 11

2.3 Normalisierung – 12

2.4 Lernen – 12
2.4.1 Unbeabsichtigtes Lernen (inzidentelles Lernen) – 12
2.4.2 Neuroplastizität – 13

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
8 Kapitel 2 · Das teilhabe- und entwicklungsorientierte Betreuungsmodell nach Frank Riehl

Das »teilhabe- und entwicklungsorientierte Be- erlebt. Hierdurch vergrößert sich die Möglichkeit
treuungsmodell« (TEPM) nach Frank Riehl ist ent- zur Teilhabe und zur Partizipation. In erster Linie
standen aus zahlreichen Empfindungen und Er- gilt es, vitale und vegetative Parameter zu stabilisie-
2 kenntnissen aus der Begleitung von Menschen mit ren wie Atmung (Atemfrequenz und Atemtiefe),
schweren und schwersten Störungen des zentralen Körpertemperatur, Kreislauf (Herzfrequenz und
Nervensystems. Das Modell steht in direktem Zu- Blutdruck), Gleichgewichtsempfindung, Bewe-
sammenhang mit den einzelnen Stationen meines gungsempfindung, Aspirationsschutz (Schutz vor
beruflichen Werdegangs. dem Verschlucken) und Schmerzfreiheit. Nachdem
Es beschreibt den notwendigen Rahmen zur die vitale und vegetative Stabilität erreicht ist, wer-
Förderung und Unterstützung der Menschen mit den durch die Gestaltung neuerlicher, passender
hohem pflegetherapeutischem Interventionsbedarf. und sinngebender Inhalte und Angebote weiter-
Dazu gehören in erster Linie Menschen mit führende Entwicklungsziele verfolgt.
schwersten neurologischen Schädigungen.
Mit seinem Namen »teilhabe- und entwick-
lungsorientiertes Betreuungsmodell« greift es eine 2.1 Definitionen
domänenübergreifende Erklärung auf, die allge-
mein anwendbar ist. Der Begriff »Modell« wird 2.1.1 Grundannahme
durch drei Merkmale gekennzeichnet:
4 Abbildung: Ein Modell ist immer ein Abbild Das Konzept orientiert sich an der folgenden
von etwas, eine beispielhafte Abbildung des Grundannahme:
Originals in seiner Komplexität.
> Jeder Mensch kann zu jedem Zeitpunkt
4 Verkürzung: Ein Modell erfasst nicht alle Be-
seines Lebens Lernangebote wahrnehmen –
schreibungen und Begründungen des Origi-
unabhängig der Schwere seiner zentralen
nals, sondern nur diejenigen, die dem Modell-
Störung! Infolgedessen ist jeder Mensch,
schaffer relevant erscheinen.
zu jedem Zeitpunkt seines Lebens,
4 Pragmatismus: Pragmatismus bedeutet Orien-
imstande zu lernen.
tierung am Nützlichen.
Jede direkte Handlung am Betroffenen stellt ein
Die Zuordnung wird durch die Fragen Für wen?, solches Lernangebot dar. Dazu gehört jede pflege-
Warum? und Wozu? relativiert. rische, therapeutische, pädagogische und ärztliche
Handlung. Jedes Lernangebot wird von dem be-
> Ein Modell zeichnet sich also durch
troffenen Menschen reflektiert und mit seinen in-
Abstraktion aus.
dividuellen Möglichkeiten verarbeitet und beant-
Der Mensch wird innerhalb des Modells mit all sei- wortet.
nen Möglichkeiten und Wünschen betrachtet. Es In der Begleitung von Menschen mit schweren
sieht den einzelnen Menschen als einzigartiges Er- Störungen des zentralen Nervensystems stehen die
gebnis der evolutionären Entwicklung. Das TEPM Beeinträchtigungen im Bereich der Wahrnehmung,
ist hinsichtlich der Zielsetzung in Phase 1 und Pha- der Bewegung, der Interaktion mit anderen Men-
se 2 aufgeteilt (. Abb. 2.1, . Abb. 2.2). schen und der Interaktion des Körpers mit der fes-
Es berücksichtigt die erforderliche vitale und ten und stabilen Umwelt im Vordergrund. Bedingt
vegetative Stabilität. Die Bereiche Wahrnehmung, durch die Dysregulation durch Störungen im Be-
Bewegung, Interaktion zwischen Personen und die reich der Informationsaufnahme und Informati-
Interaktion der einzelnen Person mit der festen onsverarbeitung ist eine dosierte Betreuung und
und real spürbaren Umwelt bedingen einander. Die eine individuelle Alltagsbegleitung unbedingt not-
Aufgabe lautet, dem Betroffenen die notwendigen wendig.
und unterstützenden Informationen anzubieten. Das Konzept zur Begleitung von Menschen
Ziel ist es, dass die betroffene Person die größtmög- mit schweren neurologischen Schädigungen ist in
liche Balance zwischen den einzelnen Bereichen Anlehnung an das TEPM nach Frank Riehl ent-
2.1 · Definitionen
9 2

. Abb. 2.1 Phase 1 des Betreuungsmodells

standen und orientiert sich an folgenden Phäno- 2.1.2 Grundthesen


menen:
4 die Umgebung sehen können, Aus der Grundannahme resultieren hinsichtlich
4 sich fühlen können, der Konzeptarbeit folgende handlungsorientierte
4 Schwerkraft empfinden können, Thesen:
4 mit der festen Umwelt interagieren können, 4 Der Mensch will sich wahrnehmen.
4 die Gerüche der Umgebung wahrnehmen kön- 4 Der Mensch will sich am Ort und im Raum be-
nen, wegen.
4 die Geräusche der Umgebung wahrnehmen 4 Der Mensch will mit anderen Menschen inter-
können, agieren.
4 orale Angebote schmecken können, 4 Der Mensch will im Informationsaustausch mit
4 orale Angebote schlucken können, seiner festen, spürbaren und stabilen Umwelt
4 den Körper im Gleichgewicht erleben können, sein.
4 den eigenen Körper berühren können, 4 Der Mensch will aufrecht stehen, sich gegen die
4 den Muskeltonus regulieren können, Schwerkraft aufrichten.
4 Raum-Lage-Sinn empfinden können, 4 Der Mensch will lernen.
4 sich am Ort oder im Raum fortbewegen kön-
nen
4 u. a.
10 Kapitel 2 · Das teilhabe- und entwicklungsorientierte Betreuungsmodell nach Frank Riehl

. Abb. 2.2 Phase 2 des Betreuungsmodells

2.1.3 Teilhabe 2.1.4 Inklusion

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Der Begriff Inklusion ist vom lateinischen »inclu-
im Jahr 2001 Teilhabe als das »Einbezogensein in sio« abgeleitet und bedeutet u. a. Einbeziehung,
eine Lebenssituation«. »Behinderung« bedeutet Einschluss, Dazugehörigkeit. Inklusion bedeutet
nach dieser Definition neben der medizinisch auch, unter zu schaffenden Bedingungen am Ar-
diagnostizierbaren »Schädigung« eine »Beeinträch- beitsleben oder am Leben in der Gesellschaft teil-
tigung der Teilhabe als Wechselwirkung zwischen nehmen zu können. Hierzu zählt sicherlich die
dem gesundheitlichen Problem einer Person und Barrierefreiheit, aber auch eine adäquate Rollstuhl-
ihren Umweltfaktoren«. Diese Definition trifft si- versorgung u. v. m.
cherlich auch oder gerade auf Menschen zu, die an
den Folgen einer schweren Störung des zentralen
Nervensystems leiden. Auch sie haben ein zum Teil 2.1.5 Mix der Einrichtungen
starkes mehrfaches Handicap erfahren und brau-
chen neben der hochqualifizierten Pflege auch För- Um eine umfassende Teilhabe zu gewährleisten,
derung hinsichtlich einer Wiedereingliederung, bieten sich neben Einrichtungen der neurolo-
um die elementaren Aspekte der Teilhabe zu erle- gischen Langzeitrehabilitation auch Sondereinrich-
ben und zu erfahren. tungen wie z. B. Werkstätten für behinderte Men-
2.2 · Begleiten, fördern und gestalten
11 2
schen oder Tagesförderstätten an. Der Besuch die- 4 Er will sich in Aufgaben bewähren und sie
ser speziellen Einrichtungen muss obligatorisch meistern.
sein. Im Moment ist Hamburg eines der wenigen 4 Er kann auch manchmal hinter seinen
Bundesländer, die diesem aussichtsreichen Modell Möglichkeiten und seinem Geschick
folgen. zurückbleiben.

Dies erfordert Einstellungen und Verhaltensweisen


2.1.6 Soziale Integration wie »kritisch sein«, »respektvoll sein«, »taktvoll
sein«, »notwendige Veränderung herbeiführen
Der Begriff Integration ist vom lateinischen »inte- wollen«, »konstruktiv und kreativ sein« und Wei-
gratio« abgeleitet und bedeutet u. a. Herstellung teres.
eines Ganzen, Erneuerung, Akzeptanz und seinen
Platz finden.
Integration beschreibt einen dynamischen, 2.1.9 Adaptation
andauernden und differenzierten Prozess des Zu-
sammenfügens und Zusammenwachsens. Dieser Adaptation ist abgeleitet von dem lateinischen Be-
Prozess besteht aus Annäherung, gegenseitiger griff »adaptare« (anpassen). Adaptation beschreibt
Auseinandersetzung, Kommunikation, Finden von die Möglichkeit des Menschen, sich auf wechselnde
Gemeinsamkeiten, Feststellen von Unterschieden Umwelt- und Umgebungsinformationen einzustel-
und der Übernahme gemeinschaftlicher Verant- len.
wortung zwischen den Personen.
> Die Begleitung von betroffenen Menschen
mit schweren neurologischen Schädigun-
2.1.7 Autonomie gen wird als ausgesprochenes Privileg
betrachtet.

Der Begriff Autonomie ist vom griechischen »auto- Das Modell sowie auch das im Folgenden vorge-
nomia« abgeleitet und bedeutet u. a. Selbstständig- stellte Konzept berücksichtigen den Bereich Pflege
keit, Willensfreiheit. und Wiedereingliederung gleichermaßen.
Autonomie ist z. B. die Fähigkeit des Menschen, Die Pflegepersonen und ihre Arbeit bilden das
sich als Wesen der Freiheit zu begreifen und aus Bindeglied in der Förderung. Sie sind Teil eines in-
dieser Freiheit zu handeln. terdisziplinär handelnden Begleitteams, in dessen
Mitte der Betroffene und seine Familie stehen.

2.1.8 Lebensweltorientierung
2.2 Begleiten, fördern und gestalten
Der Mensch findet sich in einer schon vorhande-
nen, schon vor ihm von anderen Menschen ge- Die fördernde und lehrende Begleitung und Pflege
prägten Welt vor. Hierdurch ergeben sich folgende braucht eine Struktur, die den Handelnden einen
Merkmale: Überblick ihrer Wirkung vermittelt. Das teilhabe-
4 Die Welt ist geprägt von bereits vorhandenen und entwicklungsorientierte Betreuungsmodell
und vorgegebenen Mustern. und das darauf aufbauende Connected Care Con-
4 Die Welt wird im alltäglichen Leben vermittelt, cept (CCC) haben die notwendigen pflegethera-
bestimmt von Varianten hinsichtlich des peutischen Interventionen in Bezug zu den Ge-
Raums, der Zeit, der Beziehung u. a. staltgesetzen gesetzt.
4 Der Mensch will sein Leben nach seinen Vor- Die Gestaltgesetze wurden u. a. von dem Psy-
stellungen gestalten: chologen Max Wertheimer (1880–1943) formu-
4 Er will seine Bedürfnisse erfüllen. liert. Ein Gestaltgesetz betrachtet und beschreibt
4 Er will seinen Träumen nachgehen. die Beziehung vom wahrgenommenen Einzelnen
12 Kapitel 2 · Das teilhabe- und entwicklungsorientierte Betreuungsmodell nach Frank Riehl

zum Ganzen. Das Entstandene ist gekennzeichnet für die Betreuung von Menschen mit schweren Stö-
durch Merkmale wie z. B. einfach, einheitlich, rungen des zentralen Nervensystems können und
gleichartig, unterschiedlich, gemeinsam u. a. Je an- dürfen nur eine vorübergehende Lösung darstellen.
2 gepasster ein Informationsangebot ist, umso wahr- Die Unterbringung in einem herkömmlichen Pfle-
scheinlicher ist die Wahrnehmung und Verarbei- geheim stellt für den schwerstbetroffenen Men-
tung der Information. schen in der Regel keine sinnvolle Lösung dar.
Die Gestaltgesetze beschreiben auch die Aus- Normalisierung heißt auch das gemeinsame Leben
wirkungen von Pflegehandlungen auf die betrof- innerhalb der liebenden Familie, unter der Beglei-
fenen Menschen. Aus den Gestaltgesetzen selbst tung von besonders ausgebildeten Personen.
lassen sich Zielsetzungen hinsichtlich der Konzep-
tion von Pflegehandlungen ableiten. Eine pflege-
rische Handlung muss so konzipiert sein, dass der 2.4 Lernen
betroffene Mensch das Informationsangebot z. B.
als »prägnant« oder »nah« erlebt. Unterschiedliche Lernwege beschreiben den indi-
viduellen oder kollektiven Erwerb von Methoden-
kompetenz, hierzu gehören u. a. geistige, körper-
2.3 Normalisierung liche, soziale Kenntnisse und Fähig- bzw. Fertig-
keiten. Lernen ist zudem ein Prozess, der zu einer
Das Normalisierungsprinzip besagt, dass das Leben Verhaltensänderung führt. Hinzu kommen Verän-
von Menschen mit schweren Störungen des zentra- derungen im Denken und Fühlen. Ursache dafür
len Nervensystems in allen Phasen so normal wie sind neue und ansprechende Erfahrungen, Ein-
möglich zu gestalten ist. sichten und ein durch die Wahrnehmung von Um-
Die acht Bereiche des Normalisierungskonzepts weltinformationen erzeugtes Verständnis.
nach Bengt Nirje. Thimm Walter (Hrsg.): Das Nor- Lernen ist eine Grundvoraussetzung dafür, mit
malisierungsprinzip. Ein Lesebuch zu Geschichte den Besonderheiten des Lebens und der Umwelt
und Gegenwart eines Reformkonzepts. Lebenshilfe interagieren zu können. Lernen bedeutet Bildung
Verlag Marburg 2005: und ermöglicht ein adäquates Reflexionsverhalten
4 normaler Tagesrhythmus, gegenüber der eigenen Person, einer fremden Per-
4 Trennung von Arbeit, Freizeit und Wohnen, son und gegenüber der Welt.
4 normaler Jahresrhythmus,
4 normale Erfahrungen im Ablauf des Lebens-
zyklus, 2.4.1 Unbeabsichtigtes Lernen
4 normaler Respekt vor dem Individuum und (inzidentelles Lernen)
dessen Recht auf Selbstbestimmung,
4 normale sexuelle Lebensmuster innerhalb der Der Mensch mit einer Schädigung des zentralen
jeweiligen Kultur, Nervensystems trifft auf dem Weg, ein therapeu-
4 normale ökonomische Lebensmuster und tisches Ziel zu erreichen, auf eine Vielzahl von
Rechte im Rahmen gesellschaftlicher Gegeben- begleitenden Informationen. Diese begleitenden
heiten, Informationen sind nicht primäres Suchziel. Den-
4 normale Umweltmuster und Standards inner- noch muss sich der betroffene Mensch auch mit
halb der Gemeinschaft. diesen Informationen kognitiv beschäftigen und
sich darauf einlassen. Auch wenn diese Begleitin-
Wünschenswert wäre gerade für die schwerstbe- formationen nicht das primäre therapeutische Ziel
troffenen Menschen die Möglichkeit, in gemein- darstellen, kann sich niemand gegen sie verschlie-
denahen Wohngemeinschaften zu leben. Hierzu ßen. Das entsprechende Lernangebot ergibt sich
gehören insbesondere die Voraussetzungen, am also nicht nur durch das Therapieziel, vielmehr
normalen Alltagsleben außerhalb des Wohnraums sind alle Aspekte einer Handlung für das Lernen
innerhalb der Gemeinde teilzunehmen. Zentren entscheidend.
2.4 · Lernen
13 2
2.4.2 Neuroplastizität

Die »neuronale Plastizität« beschreibt die Eigen-


schaft von Synapsen und Nervenzellen, sich gemäß
der Anforderungen, die an sie gestellt sind, zu ver-
ändern. Die ersten Erkenntnisse über das Phäno-
men veröffentlichte der Psychologe Hebb bereits
Mitte des 20. Jahrhunderts.
Der Begriff der »synaptischen Plastizität« be-
schreibt die Veränderung der Übertragungsstärke.
Das neurowissenschaftliche Wissen über Plastizität
könnte grundlegende Erkenntnisse über das Ler-
nen bedeuten. Die Dauer der Plastizität kann Teile
einer Sekunde bis hin zu mehreren Stunden betra-
gen. Es wird angenommen, dass diese Fähigkeit ein
Leben lang besteht. Die »kortikale Plastizität« be-
zeichnet die Eigenschaft des ganzen Gehirns und
nicht nur der Großhirnrinde. Funktionen müssen
nicht zwangsläufig statisch zugeordnet sein, die
Orte, an denen bestimmte Funktionen lokalisiert
sind, können wechseln.
Donald Hebb beschrieb die Regeln hinsichtlich
eines oder mehrerer neuronaler Netzwerke bzw.
die gemeinsame Entwicklung von Neuronenver-
bänden, die Synapsen gemeinsam nutzen (Hebb
1949).
> Je häufiger einzelne Neuronen miteinander
in Aktion sind, desto intensiver reagieren
sie aufeinander.

Allgemein gilt Hebb als der Wissenschaftler, der


erstmals die neuronale Plastizität beschrieben hat.
Bereits 1890 erkannte und beschrieb der Psycholo-
ge William James dieses Phänomen. Im Jahre 1896
folgte der Psychoanalytiker Sigmund Freud diesem
Ansatz.
15 3

Das Connected Care Concept


3.1 Wahrnehmung und Sensibilität
im Connected Care Concept – 16
3.1.1 Die Wahrnehmungsbeziehung am Beispiel der Körperwaschung –
einer Herausforderung an die Sinnessysteme – 16
3.1.2 Selbsterfahrung: Das taktil-kinästhetische Erleben – 17

3.2 Der systemische Ansatz des Connected Care Concept – 18

3.3 Gesetz der kleinen wahrnehmbaren Veränderung – 18

3.4 Gestaltgesetze nach Wertheimer – 19


3.4.1 Gesetz der Prägnanz – 19
3.4.2 Gesetz der Nähe – 19
3.4.3 Gesetz der Ähnlichkeit – 19
3.4.4 Gesetz der Kontinuität – 19
3.4.5 Gesetz der Geschlossenheit – 20
3.4.6 Gesetz der gemeinsamen Bewegung/
des gemeinsamen Schicksals – 20
3.4.7 Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie – 21

3.5 Gestaltgesetze nach Stephen Palmer – 22


3.5.1 Gesetz der gemeinsamen Region – 22
3.5.2 Gesetz der Gleichzeitigkeit – 22
3.5.3 Gesetz der verbundenen Elemente – 22

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
16 Kapitel 3 · Das Connected Care Concept

3.1 Wahrnehmung und Sensibilität 4 Atmung brodelt.


im Connected Care Concept 4 Die Vibrationen des Motors der Antidekubitus-
matratze sind kontinuierlich spürbar.
Der hirnverletzte Mensch kann sich nur in dem 4 Stimmen und Geräusche vor der Tür.
Maße entwickeln, wie die Umgebenden sich darauf 4 Schritte vor der Tür.
verstehen, adäquate und verarbeitungsfähige Infor- 4 Klopfen an der Tür.
3 mationen zu verfassen. Die Fähigkeit, wahrzuneh- 4 Der Türöffner wird bedient.
men, also Informationen aus der Umwelt aufzu- 4 Türe wird geöffnet, unter Umständen auch hör-
nehmen, diese zu verarbeiten und daraus relevante bar.
Handlungen zu gestalten, ist auch dem teilhabe- 4 Zugluft entsteht.
und pflegebedürftigen Menschen möglich. Dies gilt 4 Oft wird das Deckenlicht angemacht, der Licht-
nicht zuletzt für die Menschen, die durch schicksal- schalter klickt.
hafte Umstände an den Folgen einer schweren Stö- 4 Stimme im Raum.
rung des zentralen Nervensystems leiden. Ein Teil 4 Geräusche im Zimmer: das Fenster wird ge-
der diese Umgebenden sind pflegende Personen, schlossen, der Heizkörper wird angestellt, der
Therapeuten und Ärzte und – nicht zu vergessen – Heizkörper rauscht…
die Familien der Betroffenen. Die adäquate Beglei- 4 Geruch einer anderen Person im Raum.
tung und Förderung stellt eine Form von mora- 4 Badezimmertüre wird geöffnet und der Licht-
lischer Verpflichtung dar. Ein gesellschaftliches schalter klickt.
System ist nur so wertvoll wie seine Bemühungen 4 Geräusche im Bad: Utensilien zur Körperwa-
den schwächsten Mitgliedern gegenüber. schung werden bereitgestellt.
Im Kontext der entwicklungsorientierten För- 4 Die Waschtischarmatur wird geöffnet – Wasser
derung spielt neben der Entwicklung der Wahr- rauscht.
nehmungskompetenz ebenso die Entwicklung der 4 Wasser plätschert in der Waschschüssel.
Bewegung, der Interaktion zwischen Individuen 4 Zusätze werden dem Waschwasser zugeführt.
und der Interaktion zwischen dem Menschen und 4 Die Waschtischarmatur wird geschlossen.
seiner ihn umgebenden, spürbaren und realen Um- 4 Schritte im Bad.
welt eine tragende Rolle. 4 Schritte im Zimmer.
4 Waschschüssel wird am Bett platziert.
4 Geruch des Waschzusatzes im Raum.
3.1.1 Die Wahrnehmungsbeziehung 4 Stimme am Bett.
am Beispiel der Körperwaschung 4 Erhöhte Seitenteile des Bettes werden verstellt.
– einer Herausforderung 4 Erschütterungen am Bett.
an die Sinnessysteme 4 Stimme am Bett.
4 Bettdecke verlässt den Körper.
Einer Information folgt die Verarbeitung, und der 4 Der Körper friert und zittert.
Verarbeitung folgt die Handlung. Dieser Prozess, 4 Unterstützende Flächen (Kissen etc.) verlassen
oftmals als sensorischer Input und dadurch beein- den Körper.
flusster motorischer Output beschrieben, ist eine 4 Immer wieder steigt die Muskelspannung im
Quelle, auf die die Wirkung des CCC zurückzufüh- Körper.
ren ist. 4 und, und, und.
Am deutlichsten wird dieses Prinzip durch die
Beschreibung einer alltäglichen pflegerischen Bevor die Körperwaschung zu Ende ist, werden
Handlung – der Körperwaschung. Die Körperwa- noch sehr viele Ereignisse folgen. Diese Vielzahl an
schung wurde von uns vielerorts beobachtet und zum Teil ungezielten Informationen trägt nicht ge-
nachfolgend in kleine Handlungsschritte unter- rade zur inneren Ordnung bei.
teilt.
3.1 · Wahrnehmung und Sensibilität im Connected Care Concept
17 3
Endlich ist die alltägliche Körperwaschung 4 Informiert der Gegenstand zu jeder Zeit
überstanden, und die Wahrnehmungskanäle des gleich?
einzelnen Sinnessystems müssen erst einmal in der 4 Welche Informationen und Veränderungen
Lage sein, diese ungeheure Vielfalt an Informatio- können gesammelt werden, z. B. hinsichtlich
nen aufzunehmen, zu verarbeiten und daraufhin zu Temperatur, Material, Oberfläche, Form, Funk-
handeln. Dies ist nur eine Handlung, und viele wei- tion?
tere werden im Verlauf des Tages folgen. Schnell
enden Alltagssituationen jeglicher Art in eine Übung
Überforderung, die eine positive Entwicklung ne-
gativ beeinflussen. Die Intensivierung der Eigen- (Dauer 4 Minuten)
wahrnehmung und die damit verbundene Steige- 4 Person A sucht nun aus seiner Umgebung
rung der Sensibilität insbesondere bei pflegenden einen Gegenstand und legt diesen auf die
Personen, Therapeuten und Ärzten sind zwingend. Handfläche (Temperatur? Material?
Im Verlauf dieses Buches werden verschiedene An- Werden die Informationen im Laufe der
leitungen zur Selbsterfahrung eingeflochten. Zeit mehr oder weniger? u. a.)
4 Person A legt den Gegenstand in die Hand-
fläche und führt diesen dreidimensional
3.1.2 Selbsterfahrung: über die Handfläche.
Das taktil-kinästhetische 4 Person A nimmt den Gegenstand aus der
Erleben Hand und deponiert den Gegenstand so,
dass er von Person B nicht gesehen werden
Dies ist eine spielerische Interaktion. Zwei Per- kann.
sonen bilden eine Gruppe. Ab Person A beginnt die 4 Person B soll anhand der Spürinforma-
Übung. Person A schließt die Augen und legt die tionen den Gegenstand naturgetreu auf-
rechte oder linke Hand mit der Handfläche nach malen.
oben auf den Tisch. Die Augen bleiben geschlos-
sen, und die Hand bleibt die gesamte Zeit über be-
wegungslos liegen. Es soll während der gesamten
Zeit nicht gesprochen werden. Das am Ende der Übung entstehende Bild zeigt
Züge, die mit dem Original vergleichbar sind – eine
Übung bildhafte, komplette und dreidimensionale Darstel-
lung des Gegenstandes ist jedoch nahezu ausge-
(Dauer 4 Minuten) schlossen. Die zur Verfügung stehende Zeit reicht
4 Person B sucht nun aus seiner Umgebung nicht aus, um alle Informationen zu vermitteln bzw.
einen Gegenstand und legt diesen auf die zu erfassen.
Handfläche: Temperatur? Material? Werden Der Gegenstand verhält sich in der Hand so wie
die Informationen im Laufe der Zeit mehr der menschliche Körper im Bett liegend oder im
oder weniger? u. a. (. Abb. 3.1) Rollstuhl sitzend. Erst Bewegung ermöglicht Ver-
4 Person B legt den Gegenstand in die Hand- änderung und erlaubt der betroffenen Person, den
fläche und führt diesen dreidimensional eigenen Körper zu spüren und zu bewegen. Um-
über die Handfläche (. Abb. 3.2). gebungsfaktoren spielen hierfür eine wesentliche
4 Person B legt den Gegenstand erneut in Rolle. Je leichter der Gegenstand in der Hand oder
die Handfläche und schließt die Finger von je weicher der Untergrund unter dem Körper,
Person A um den Gegenstand (. Abb. 3.3). umso schneller reduziert sich die Information.
4 Person A darf nun selber den Gegenstand Wenn dem Menschen keine adäquaten und ver-
mit einer Hand erfühlen. Mit welchen Re- wertbaren Informationen zur Verfügung stehen, ist
gionen der Hand wird gefühlt? (. Abb. 3.4) er gezwungen, seine internen Quellen zu mobili-
sieren.
18 Kapitel 3 · Das Connected Care Concept

. Abb. 3.1 Spüren ohne Bewegung verändert die . Abb. 3.4 Eine Vorstellung der sinngebenden Umwelt
sensorische Informationsdichte kann Handlung erzeugen

3.2 Der systemische Ansatz


des Connected Care Concept

Das CCC folgt strikt einem systemischen Ansatz.


> Das Ergebnis eines jeden Angebots kann
nur so gut sein, wie das zuvor gemachte
Angebot war. Die Güte des aktuellen Ange-
bots bestimmt den möglichen Verlauf des
nachfolgenden Angebots.

Beispiel: Nur so gut, wie die Körperwaschung war,


kann der nachfolgende Transfer werden. Nur so
gut, wie der Transfer ist, kann das Sitzen im Roll-
. Abb. 3.2 Das geführte Spüren vermittelt dreidimensio-
stuhl werden.
nales Erleben
Die in den weiteren Kapiteln beschriebenen
Handlungen werden immer wieder in Bezug zum
systemischen Ansatz gestellt. Das Motto: »Alles ist
eins«.

3.3 Gesetz der kleinen


wahrnehmbaren Veränderung

Das CCC berücksichtigt in seiner inhaltlichen


Struktur unterschiedliche Erkenntnisse wie z. B.
das »Weber-Fechner-Gesetz«.
Bereits 1834 bemerkte der Physiologe und Ana-
. Abb. 3.3 Eigenbewegung und Erforschen tom Ernst Heinrich Weber, dass eine Information
3.4 · Gestaltgesetze nach Wertheimer
19 3
an das Sinnessystem eine veränderte Intensität auf- 3.4 Gestaltgesetze nach Wertheimer
weisen muss, um als eine Veränderung registriert
zu werden (differenzielle Wahrnehmbarkeits- 3.4.1 Gesetz der Prägnanz
schwelle; englisch: »just noticeable difference«
= gerade noch wahrnehmbarer Unterschied). jDefinition
Es werden bevorzugt Gestalten wahrgenommen,
> Bei Veränderung der Intensität einer Infor-
die sich von anderen durch ein bestimmtes Merk-
mation gilt: Je größer der ursprüngliche
mal abheben. Jede Figur wird so wahrgenommen,
Reiz ist, desto größer muss auch das Aus-
dass sie in einer möglichst einfachen Struktur re-
maß der physikalischen Veränderung sein,
sultiert (= »gute Gestalt«).
um beim ZNS einen gerade wahrnehm-
baren Unterschied hervorzurufen. jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung
Das zum Erreichen der Wahrnehmbarkeitsschwel- Beispiel: Bewegungsübergänge und Lagerung, ein-
le erforderliche Ausmaß der Veränderungen be- deutig nachvollziehbare Bewegungen und eindeu-
trägt z. B.: tig informierende Körperinformationsflächen.
4 Tastsinn: etwa 3% des Hautdrucks,
4 Helligkeitssehen: etwa 1–2% der Lichtstärke,
4 Geschmack: Anstieg der Konzentration um 3.4.2 Gesetz der Nähe
10–20%.
jDefinition
Die Anleitung zur Selbsterfahrung, das taktile-kin- Elemente mit geringen Abständen zueinander wer-
ästhetische Erleben, wurde bereits in 7 Abschn. den als zusammengehörig wahrgenommen.
3.1.2 dargestellt. Wird nun der Gegenstand in der
Hand schwerer gemacht, so muss die relative Ge- jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung
wichtszunahme ungefähr 2% betragen, um den Beispiel: Körperkontakt halten, Körperbezug zur
Unterschied wahrzunehmen. Ein Gegenstand mit spürbaren Umwelt aufbauen (. Abb. 3.5).
einem Gewicht von 50 g muss um 1 g schwerer
werden, damit der Unterschied spürbar wird. Ent-
sprechend muss 5000 g Gewicht um 100 g wachsen, 3.4.3 Gesetz der Ähnlichkeit
um als schwerer wahrgenommen zu werden. Beim
Tragen ist es leicht, den Unterschied zwischen 5 jDefinition
und 5,5 kg wahrzunehmen, aber es ist wesentlich Einander ähnliche Elemente werden eher als zu-
schwerer, den Unterschied zwischen 25 und 25,5 kg sammengehörig erlebt als einander unähnliche.
festzustellen.
Ein weiteres Beispiel: In einem Raum, der von jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung
30 Glühbirnen beleuchtet wird, bemerkt man den Beispiel: Angebote in der Art und Weise konzipie-
Ausfall von 2 Birnen, während dies bei einem ren, dass neue Inhalte nicht zu neu und alte Inhalte
Raum, der durch 60 Glühbirnen oder mehr be- nicht zu gleich sind.
leuchtet wird, unmöglich ist.
Die Erlebniswelt der Menschen mit einer
schweren Schädigung des zentralen Nervensystems 3.4.4 Gesetz der Kontinuität
muss besonders sensibel und gezielt mit fördernden
Inhalten gefüllt werden. Jedes einzelne Angebot jDefinition
muss für den betroffenen Menschen verwertbar ge- Reize, die eine Fortsetzung vorangehender Reize zu
staltet werden. Einen Anhalt bieten die nachfol- sein scheinen, werden als zusammengehörig ange-
genden Gestaltgesetze nach Max Wertheimer und sehen.
Stephen Palmer (Sarris 1995; Palmer 1999).
20 Kapitel 3 · Das Connected Care Concept

. Abb. 3.5 Gestaltgesetz der Nähe. (Mit freundl. Genehmigung von Frau Knigge)

jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung


Beispiel: Angebote wiederkehrend anbieten; sie Beispiel: Handlungen in sich logisch und vollendet
bieten die Möglichkeit, wiedererkannt zu werden anbieten (. Abb. 3.7).
(. Abb. 3.6).

3.4.6 Gesetz der gemeinsamen


3.4.5 Gesetz der Geschlossenheit Bewegung/des gemeinsamen
Schicksals
jDefinition
Linien, die eine Fläche umschließen, werden unter jDefinition
sonst gleichen Umständen leichter als eine Einheit Zwei oder mehrere sich gleichzeitig in eine Rich-
aufgefasst als diejenigen, die sich nicht zusammen- tung bewegende Elemente werden als eine Einheit
schließen (Katz 1969). oder Gestalt wahrgenommen.
3.4 · Gestaltgesetze nach Wertheimer
21 3

. Abb. 3.6 Gestaltgesetz der Kontinuität. (Mit freundl. Genehmigung von Senator Senioreneinrichtungen)

jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung 3.4.7 Gesetz der fortgesetzt


Beispiel: Transfer als gemeinsamer Weg vom Bett durchgehenden Linie
in den Rollstuhl. Hierbei den Körper wiederkeh-
rend über seine feste und spürbare Umgebung in- jDefinition
formieren. Auch wenn der betreuenden Person Linien werden immer so gesehen, als folgten sie
durch die körperliche Arbeit warm wird, kann der dem einfachsten Weg. Kreuzen sich zwei Linien, so
zu betreuende Mensch trotzdem frieren. gehen wir nicht davon aus, dass der Verlauf der
Linien an dieser Stelle einen Knick macht.
22 Kapitel 3 · Das Connected Care Concept

. Abb. 3.7 Prinzip der Geschlossenheit. (Mit freundl. Genehmigung von Frau Knigge)

jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung 3.5.2 Gesetz der Gleichzeitigkeit


Beispiel: Gestaltung eines adäquaten visuellen
Raumes beim Bewegen, Lagern und Transfer jDefinition
(. Abb. 3.8). Elemente, die sich gleichzeitig verändern, werden
als zusammengehörig empfunden.

3.5 Gestaltgesetze jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung


nach Stephen Palmer Beispiel: Nicht nur der Betroffene muss sich inner-
halb von Angeboten verändern, auch die begleiten-
3.5.1 Gesetz der gemeinsamen Region de Person unterliegt Veränderungen in diesem
Prozess (. Abb. 3.9).
jDefinition
Elemente in abgegrenzten Gebieten werden als zu-
sammengehörig empfunden. 3.5.3 Gesetz der verbundenen
Elemente
jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung
Beispiel: Hierbei bekommt Bett, Zimmer, Wohn- jDefinition
bereich eine ganz neue Bedeutung. Verbundene Elemente werden als ein Objekt emp-
funden.

jBezug zur pflegetherapeutischen Handlung


Beispiel: Transfer via Rutschbrett vom Bett in den
Rollstuhl.
3.5 · Gestaltgesetze nach Stephen Palmer
23 3

. Abb. 3.8 Wenige und klare Informationen ermöglichen die Orientierung. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)

. Abb. 3.9 Das gemeinsame Erleben von alltäglichen Ereignissen. (Mit freundl. Genehmigung von Herrn Walter Ulmer)
25 4

Das Sinnessystem
4.1 Die Entwicklung des Menschen:
Keimzelle und Keimblätter – 26
4.1.1 Entoderm – 26
4.1.2 Mesoderm – 26
4.1.3 Ektoderm – 26

4.2 Die Aufgaben des Sinnessystems – 26

4.3 Körperorientierte Sinne – 27


4.3.1 Tastsinn – 27
4.3.2 Schmerzsinn – 28
4.3.3 Lebenssinn bzw. Sinn der inneren Ordnung – 28
4.3.4 Eigenbewegungssinn – 29
4.3.5 Gleichgewichtssinn – 29

4.4 Soziale und zwischenmenschliche Sinne – 30


4.4.1 Geruchssinn – 30
4.4.2 Geschmackssinn – 30
4.4.3 Sehsinn – 30
4.4.4 Wärmesinn – 31

4.5 Geistige Sinne – 31


4.5.1 Hörsinn – 31
4.5.2 Sprachsinn – 32
4.5.3 Gedankensinn – 32
4.5.4 Personensinn – 32

4.6 Der Homunkulus – 32

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
26 Kapitel 4 · Das Sinnessystem

4.1 Die Entwicklung des Menschen: 4 Gefäße,


Keimzelle und Keimblätter 4 Mesothel der Eingeweide,
4 Nebennierenrinde,
In den drei Keimblättern – Entoderm, Mesoderm 4 Milz,
und Ektoderm – nimmt die Entwicklung von un- 4 Bindegewebe,
terschiedlichen Strukturen und unterschiedlichem 4 Harnblase,
Gewebe ihren Anfang. Aus den verschiedenen Ge- 4 Pleura,
weben heraus entwickeln sich die einzelnen Organ- 4 Perikard,
4 systeme des Menschen. Ein Organsystem kann 4 Peritoneum,
auch seinen Ursprung in verschiedenen Keimblät- 4 hormonproduzierende Drüsen wie Eierstock,
tern haben. Hoden, Brustdrüsen und Nebennieren.

Dem mittleren Keimblatt bzw. den entsprechenden


4.1.1 Entoderm Organen und Häuten wird das Kleinhirn und Teile
vom Großhirnmarklager zugeordnet.
Aus dem inneren Keimblatt – dem Entoderm – bil-
den sich die Epithelien folgender Organe:
4 Mittelteil des Magens, 4.1.3 Ektoderm
4 Verdauungstrakt (ausgenommen Mundhöhle
und After) inklusive seiner Drüsen, Das Ektoderm ist das obere oder erste Keimblatt.
4 Teil der Leber, Es ist die außen liegende Zellschicht. Aus dem Ek-
4 Pankreas, toderm bilden sich folgende Strukturen:
4 Schilddrüse, 4 Haut (Cutis),
4 Thymus, 4 Nervensystem,
4 Atmungstrakt, Teil der Lunge, 4 Sinnesorgane,
4 Prostata, 4 Koronararterien und -venen.
4 Gebärmutterschleimhaut,
4 Harnblase, Dem äußeren Keimblatt bzw. den entsprechenden
4 Harnröhre. Organen wird die Großhirnrinde zugeordnet.

Dem inneren Keimblatt bzw. den entsprechenden


Organen wird das Stammhirn zugeordnet. 4.2 Die Aufgaben
des Sinnessystems

4.1.2 Mesoderm Die Aufgaben des Sinnessystems bzw. der Sinnes-


organe liegen darin, die Informationen der Umwelt
Das Mesoderm ist das mittlere Keimblatt. Die Me- und die Informationen aus dem eigenen Körper zu
sodermzellen entstehen beim Menschen in der registrieren. Die Rezeptoren der Sinnesorgane neh-
3. Entwicklungswoche. Aus dem Mesoderm bilden men Veränderungen wahr, und diese Informatio-
sich folgende Strukturen: nen werden nachfolgend in Nervenerregung umge-
4 Skelett und Muskeln des Rumpfs, wandelt. Diese Impulse werden über übergeordnete
4 Lederhaut, Unterhautbindegewebe, Zentren ins zentrale Nervensystem weitergeleitet
4 Nieren, bis zur letztendlichen Verarbeitung in der Groß-
4 Keimdrüsen mit Ausführungsgängen außer hirnrinde. Im weiteren Verlauf wird deutlich, dass
Geschlechtszellen, das komplexe Sinnessystem einerseits auf die Um-
4 glatte Muskulatur, welt und andererseits auf die Wahrnehmung von
4 Herz, Prozessen aus dem Inneren des Körpers ausgerich-
4 Blutzellen, tet ist.
4.3 · Körperorientierte Sinne
27 4
Das CCC beruht auf einer erweiterten Betrach- und an den Lippen sind sie besonders zahlreich,
tung des Sinnessystems. Nicht allein die 5 mit äu- und an anderen Regionen wie z. B. dem Rumpf
ßeren Sinnesorganen verbundenen Sinne werden sind sie weniger zahlreich. Tritt die Information
betrachtet, sondern vielmehr die 12 Sinne nach der periodisch auf, so kommt es zu einer Vibrations-
anthroposophischen Sinneslehre. Zusätzlich wird empfindung.
der Schmerzsinn mit aufgenommen. In der Anthro- Der Tastsinn ermittelt die Art und Weise des
posophie werden die 12 Sinne in drei Kategorien Kontaktes mit der festen, stabilen und spürbaren
aufgeteilt. Die Betrachtung der Sinne erfolgt hier in Umwelt. Kontinuierlich erfolgt eine Rückmeldung
Anlehnung an die anthroposophische Sichtweise: über die Orientierung im Raum und über die
4 körperorientierte Sinne: Orientierung zu anderen Personen. Der Tastsinn
4 Tastsinn, signalisiert den Kontakt mit Personen und/oder
4 Schmerzsinn, Umwelt, aber auch Veränderung. Den entspre-
4 Lebenssinn, chenden Rezeptoren ist es möglich, Druck und Wi-
4 Eigenbewegungssinn, derstand zu erfassen. Die tastende Haut signalisiert
4 Gleichgewichtssinn; die Abgrenzung zwischen dem menschlichen Kör-
4 soziale und zwischenmenschliche Sinne: per »innen« und der Umwelt »außen«. Von Lebens-
4 Geruchssinn, beginn an hat einerseits die Möglichkeit zu tasten
4 Geschmackssinn, und andererseits Berührungen zu empfinden einen
4 Sehsinn, außerordentlichen Stellenwert. Genau genommen
4 Wärmesinn; gewinnt diese Tatsache bereits während der Ent-
4 geistige Sinne: wicklungszeit im Mutterleib zunehmend an Bedeu-
4 Hörsinn, tung. Zuerst wird das Tasten erlernt, und daraufhin
4 Sprachsinn, wird das Getastete gelernt mit dem Ziel, diese
4 Gedankensinn, Erkenntnisse in Beziehung zu bestimmten Hand-
4 Personensinn. lungen und Bedeutungen zu setzen. Mit zuneh-
mendem Alter und damit mit zunehmender
Erkenntnis werden Fähig- und Fertigkeiten ent-
4.3 Körperorientierte Sinne wickelt, ertastete Gegenstände als Werkzeuge zu
benutzen; dazu gehören u.a. Besteck, Türöffner,
4.3.1 Tastsinn Schreib- und Malutensilien, Zahnbürste, die Bedie-
nung von Instrumenten u. v. m.
Die Rezeptoren der Haut können folgende Infor- Die Tastrezeptoren werden nach zwei Kriterien
mationen aufnehmen: eingeteilt:
4 Berührung, 4 dem Adaptationsverhalten auf konstanten
4 Druck, Druck an behaarten und unbehaarten Hautare-
4 Erschütterung, alen (langsam, mittelschnell, sehr schnell) und
4 Schmerz, 4 der Informationsart wie Intensität und Druck,
4 Kälte und Wärme. Geschwindigkeit, Beschleunigung.

Ein Areal von 1 cm2 Haut verfügt über eine gewisse jEinteilung der Tastrezeptoren
Anzahl von Rezeptoren. Durchschnittlich liegen nach Adaptationsverhalten
2 Wärme-, 13 Kälte-, 25 Druck- und 200 Schmerz- 4 Unbehaarte Haut:
rezeptoren in der Haut. Die Intensität der Informa- 4 langsam – Intensitätsdetektor (Druck):
tion an die Haut bestimmt entweder eine Berüh- – Merkel-Zelle,
rungs- oder Druckempfindung. Diese Empfindung – Ruffini-Körperchen,
kommt durch die Information der Tastpunkte 4 mittelschnell – Geschwindigkeitsdetektor
zustande. Diese Tastpunkte kommen am Körper in (Berührung):
unterschiedlicher Dichte vor. An den Fingerspitzen – Meissner-Körperchen,
28 Kapitel 4 · Das Sinnessystem

4 sehr schnell – Beschleunigungsdetektor Übung


(Vibration):
– Pacini-Körperchen. Die Spitzen beider Instrumente sind ganz nah
4 Behaarte Haut: zusammen und werden auf verschiedenen
4 langsam – Intensitätsdetektor (Druck): Hautregionen aufgesetzt. Diese Regionen
– Tastscheibe, können sein: die Innenseite des Unterarmes,
– Ruffini-Körperchen, der obere Rückenbereich, die Bauchdecke.
4 mittelschnell – Geschwindigkeitsdetektor Zusammengefasst können viele Bereiche des
4 (Berührung): Körpers für die Selbsterfahrung genutzt
– Haarfollikel-Rezeptor, werden. Bei jedem erneuten Aufsetzen der
4 sehr schnell – Beschleunigungsdetektor Instrumente wird der Abstand der Spitzen
(Vibration): zueinander vergrößert. Durch ein Signal wird
– Pacini-Körperchen (Born u. Heinrichs dann die Übung beendet, wenn die Person
1993). beide Spitzen als Einzelinformation spürt.
Die Instrumente werden sanft auf die Haut
jEinteilung der Tastrezeptoren aufgesetzt.
nach Informationsart
4 Drucksensoren (Intensitätsdetektoren):
4 Merkel-Zellen, Tastscheiben: Eindrucktiefe
und Dauer einer mechanischen 4.3.2 Schmerzsinn
Information,
4 Ruffini-Körperchen: Dehnung der Haut Wenn die Intensität einer Information einen be-
4 Berührungssensoren (Geschwindigkeitsdetek- stimmten Wert überschreitet, kann diese eine
toren): Schmerzempfindung auslösen. Der menschliche
4 Sensoren der Haarfollikel: Körper wird über diese Schmerzempfindung von
Bewegungsgeschwindigkeit der Haare, einem schädigenden Einfluss in Kenntnis gesetzt.
4 Meissner-Körperchen: Informationen an Unterschieden werden der Körperschmerz (soma-
die Haut, tischer Schmerz) und der Eingeweideschmerz (vis-
4 Vibrationssensoren (Beschleunigungsdetekto- zeraler Schmerz). Der Körperschmerz wird zudem
ren): in einen Oberflächen- und einen Tiefenschmerz
4 Pacini-Körperchen: Vibrationsinformation unterteilt. Die Ursache für eine Schmerzempfin-
in Haut, Unterhaut, Sehnen, Muskeln, dung ist entweder eine Störung des Gewebestoff-
Knochenhaut, Gelenkkapseln. wechsels oder eine Gewebeschädigung.

Selbsterfahrung: Diskrimination
von Tastinformationen 4.3.3 Lebenssinn bzw. Sinn
Diese Übung soll das räumliche Auflösungsvermö- der inneren Ordnung
gen der Haut durch Zweipunktdiskrimination ver-
deutlichen. Der Sinn der inneren Ordnung realisiert kontinu-
Material: abgestumpfter Stechzirkel oder ierliche Rückmeldungen über Organ- und Funkti-
2 Zahnstocher (Holz oder Plastik). onsstabilität. Höchstes Ziel ist die Erkenntnis »mir
geht es gut« oder »es ist alles in Ordnung«. In dieser
Phase erhalten wir keine Rückmeldung vom Orga-
nismus. Erst wenn die inneren Parameter außer-
halb bestimmter Grenzwerte liegen, erhält der
Mensch die Rückmeldung, dass etwas nicht stimmt.
Jegliche Bemühungen seitens der betreuenden Per-
sonen von Menschen mit schweren Störungen des
4.3 · Körperorientierte Sinne
29 4
zentralen Nervensystems müssen zum Ziel haben, 4 Hautsensoren:
durch die jeweiligen Angebote eine vitale und vege- 4 Dehnung der Haut,
tative Stabilität zu erzeugen. Dies ist eine Voraus- 4 Stauchung der Haut.
setzung dafür, dass sich durch eine positive Emp- 4 Informationsqualitäten des Eigenbewegungs-
findungswahrnehmung eine lernende Erkenntnis- sinns:
wahrnehmung aufbauen kann. Lernende Angebote 4 Stellungssinn,
haben nur dann einen Sinn, wenn sie sich von der 4 Bewegungssinn,
Intensität her an der vorherrschenden vitalen und 4 Kraftsinn.
vegetativen Stabilität orientieren. Bedeutung hat
dieses für alle Alltagshandlungen, z. B. hinsichtlich Alle gesammelten Informationen dienen der Ori-
der Sitzzeit, die der Mensch im Rollstuhl verbringt. entierung innerhalb der räumlichen Umwelt, und
Diese Sitzzeit darf sich keinesfalls durch die organi- sie vermitteln zusammen mit dem Gleichgewichts-
satorischen Abläufe ergeben, sondern muss viel- sinn das Körperschema.
mehr enden, bevor der Mensch seine vitalen und Eine vermittelte Bewegung ist erst dann eine
vegetativen Grenzen erreicht. Die Zeit des Sitzens lernende Bewegung, wenn der betroffene Mensch
kann nicht jeden Tag gleich sein, oftmals ergeben die Bewegung spürt. Es folgt die Erkenntnis, dass
sich Zeiten von 20 Minuten oder weniger. z. B. nicht die Lagerung selbst das primär Wertvolle
ist, sondern vielmehr der spürbare Bewegungsweg/
der Bewegungsübergang, der zur Lagerung führt.
4.3.4 Eigenbewegungssinn Insbesondere im Bereich der spürbaren Bewegung-
sangebote spielt die Zeit eine wesentliche Rolle und
Folgende Informationen werden durch den Eigen- muss ebenfalls unter dem Motto stehen »Wahrneh-
bewegungssinn vermittelt: mung braucht Zeit und zwar so viel Zeit, wie der
4 die Lage im Raum und die Stellung des gesamt- betroffene Mensch braucht um wahrzunehmen«!
en Körpers bzw. einzelner Körperteile, Sollte die Bewegungssituation eine Über- bzw. Un-
4 die Bewegungsrückmeldung der Gliedmaßen terforderung darstellen, wird eine entsprechende
im Raum durch Muskel-, Gelenk- und Haut- und unmittelbare Rückmeldung über Atmung und
sensoren. Hierzu zählen gleichermaßen aktive Muskelspannungszustand erfolgen.
und passive Bewegungen.

Es handelt sich jeweils um eine mechanische Ein- 4.3.5 Gleichgewichtssinn


flussnahme auf die Rezeptoren.
Folgende Sensoren und Informationen sind an Der Gleichgewichtssinn erlaubt uns, aufrecht zu
der Bewegungsrückmeldung beteiligt: sein und uns dementsprechend am Ort und/oder
4 Sensoren in den Gelenken (Gelenknerven): im Raum fortzubewegen. Im Gleichgewicht zu sein
4 durch mechanosensitive Sensorkörperchen heißt aber auch, ein intaktes inneres Lot zu besit-
ähnlich der Pacini- u. Ruffini-Körperchen zen. Diese Grunderkenntnisse fallen besonders im
der Haut, Bezug auf den Kopf auf – beim Versuch, aus der
4 durch freie Nervenendigungen im liegenden Position heraus den Kopf zu heben, spü-
Gelenkgewebe. ren wir merklich sein nicht unerhebliches Gewicht;
4 Über Gelenksensoren übermittelte Informatio- in aufrechter Körperhaltung hingegen fällt es nicht
nen: spürbar auf. Jede Einschränkung der Mobilität ver-
4 Geschwindigkeit der Veränderung der ändert auch die Anforderungen an das Gleichge-
Gelenkstellung, wicht. In liegender Position hat bereits die Lagever-
4 Winkelstellung der Gelenke. änderung eines einzelnen Fingers eine große Wir-
4 Sensoren im muskulären Apparat: kung.
4 Muskelspindeln,
4 Golgi-Sehnenorgane.
30 Kapitel 4 · Das Sinnessystem

4.4 Soziale und 4 Körperpflege beginnt nicht im Gesicht!


zwischenmenschliche Sinne 4 Mundpflege beginnt nicht im Gesicht!
4 Bei schluckbeeinträchtigten Menschen erfolgt
4.4.1 Geruchssinn das Anreichen von Getränken und Nahrung
ausschließlich durch Menschen mit besonde-
Beim Riechen werden chemische Stoffe in kom- ren Kenntnisständen!
plexer Art wahrgenommen. Das Riechen muss in
seinem interaktiven Zusammenspiel mit dem Der Mundraum in all seinen besonderen Struktu-
4 Schmecken betrachtet werden. Der Geruchssinn ist ren ermöglicht ein sensorisches Erleben und stellt
bereits zum Zeitpunkt der Geburt komplett entwi- ein anspruchsvolles motorisches und koordinato-
ckelt. Das Schmecken ergibt sich zu einem großen risches Setting dar. Geschmack wird über die Sin-
Prozentsatz durch die Riechkompetenz. neszellen in den Geschmacksknospen ermöglicht.
Geruchsmoleküle lagern sich an den entspre- Die Geschmacksknospen kommen in großer Zahl
chenden Rezeptoren an, und die dadurch übertra- im Mundraum (Zunge) vor, vereinzelt sind sie je-
gene Information wird über den Riechnerv weiter- doch auch an der Epiglottis des Kehlkopfes, am
geleitet. Diese Moleküle werden durch den Luft- weichen Gaumen und an der Rachenwand zu fin-
strom der Ein- und Ausatmung in Bewegung ge- den. Eine Besonderheit der Geschmacksknospen
bracht und werden auf die Rezeptoren verteilt. Der sind die kleinen Geschmackssporen. Geschmacks-
Riechnerv ist der allerkürzeste zentrale Hirnnerv, sporen sind kleine Öffnungen im umgebenden Epi-
und er leitet die Informationen ohne synaptische thelgewebe, durch die die geschmackserregenden
Unterbrechung weiter. Das Riechen gehört zu den Moleküle an die Sinneszellen gelangen. Umgebende
stärksten Erinnerungsauslösern. Die entsprechen- Drüsen setzen Flüssigkeit frei, die die Geschmacks-
den Informationen werden als Inhalt des Gedächt- knospe umspült und die Geschmacksmoleküle
nisses im Hippocampus eingespeichert. Durch ein wieder auswäscht. Der Geschmackssinn hat ver-
gezieltes Riechtraining sind einzelne Menschen in schiedene Bedeutungen:
der Lage, mehrere Tausend Gerüche zu identifizie- 4 Kontrolle der Nahrung,
ren. Aber nicht nur die Identifikation von Gerü- 4 Lustgewinn,
chen ist entscheidend, sondern auch die Verbin- 4 Wohlbefinden,
dung des Geruchs mit einem speziellen Ereignis, 4 Auslösen von Reflexeigenschaften: Speichel,
z. B. Rauch und Feuer, Essen und Hunger, Fisch Magensaftsekretion, Brechreiz u. a.
und Hafen, Spekulatius und Weihnachten u. v. m.
Diese Assoziationen werden von Emotionen be- Der Schmecksinn muss immer in Zusammenhang
gleitet. Lernangebote, die von einer positiven Emo- zum Geruchssinn betrachtet werden. Zudem ist
tion begleitet sind, können schneller und nachhal- der Mund ebenfalls ein Atemweg.
tiger gelernt werden.

4.4.3 Sehsinn
4.4.2 Geschmackssinn
Die Linse des Auges ermöglicht die Wahrnehmung
Der Geschmackssinn bezeichnet die Fähigkeit zu von Farbabstufungen abhängig von der Helligkeit.
schmecken. Keine andere Region des menschlichen Zum Erkennen von Formen folgt das Auge den
Körpers ist reicher an Sensoren als der Mundraum. Umrandungen von Personen und Gegenständen.
Nicht nur die hohe Anzahl an Sensoren macht ihn Lernen und Erfahrung macht es dem Menschen
einzigartig, sondern auch die Tatsache, dass es sich möglich, die Größe, die Entfernung und den Sinn
um einen definierten Intimbereich des Menschen des Gesehenen visuell wahrzunehmen.
handelt. Umso bedeutender ist die Umgangsform Der Niederländer M. C. Escher demonstriert
z. B. im Kontext Pflege. An dieser Stelle sollen nur mit seinen Grafiken und Skulpturen auf eindrucks-
3 Besonderheiten angesprochen werden: volle Weise, dass die optische Wahrnehmung ge-
4.5 · Geistige Sinne
31 4
täuscht werden kann. Dies kann besonders leicht auch mit einem erhöhten Sauerstoff- und Energie-
am Beispiel eines Schachspieles gezeigt werden. Be- verbrauch. Thermorezeptoren für Kälte sind eher
finden wir uns in Augenhöhe mit dem Spielbrett, so an der Oberfläche und die Sensoren für Wärme
wirkt die nahe Spielfigur relativ größer als die ferne eher in der Tiefe angeordnet. Sensoren für Kälte
Figur, und erst wenn wir die Figuren in Beziehung sind 10-mal häufiger als die Sensoren für Wärme.
zu ihrer direkten Umgebung betrachten, wissen
wir, dass sie gleich groß sind.
Dieses Phänomen hat für die Gestaltung von 4.5 Geistige Sinne
Bewegungsangeboten eine herausragende Bedeu-
tung. Menschen mit einer schweren Störung des 4.5.1 Hörsinn
zentralen Nervensystems werden durch pflegende
Personen bewegt und brauchen die Möglichkeit, Der Hörsinn kann sich nicht gegenüber der Um-
den Raum visuell abzutasten. Einschränkungen im welt verschließen. Der betroffene Mensch fühlt und
Sehsinn verändern die Eigenbewegung, den Span- hört die Geräusche seiner Umgebung. Hirnverletz-
nungszustand in der Muskulatur, die Bewegung- te Menschen erleben oftmals eine relative Isolation
sangebote und die Bewegungsempfindung. Dem aus dem Alltag, und dieser Umstand selbst verän-
Betroffenen die Zeit zu geben, sich auf dem Bewe- dert das Hören nochmals. Die Menschen werden
gungsweg visuell zu orientieren und in Ruhe seine einerseits schreckhaft und andererseits hellhörig.
Umgebung zu betrachten, verändert die Möglich- Ada van der Star schreibt
keit zur Bewegung grundlegend. Die Veränderung
der Körperhaltung und der Position im Raum er-
» Geräusche, die nicht in einen Zusammenhang
gebracht werden können, wirken bedrängend.
lauben dem Betroffenen, die einzelnen Umge-
So auch monotone technische Geräusche… Solche
bungsmerkmale in Beziehung zueinander zu be-
Geräusche werden in den Ohren immer stärker. Sie
trachten.
bilden ein akustisches Gittergefängnis, in dem die
Seele nicht mehr schwingen kann… Der Hörraum
4.4.4 Wärmesinn bekommt einen ausgeprägten Stellenwert für den
isolierten Menschen. Wenn die Außenwelt
schweigt, kann es in der Seele still werden. Aus der
Die Empfindung von Wärme und Kälte dient der
Stille tauchen neue Dimensionen auf (van der Star
Wärmeregulation und somit der Regulation der
Körpertemperatur. Bedeutsam ist nicht die Wahr-
«
2001, S. 64ff ).

nehmung einer absoluten Temperatur, sondern Alle Geräusche aus der Umwelt haben für den Be-
vielmehr die Wahrnehmung von Temperaturunter- troffenen einen Stellenwert, und keine Handlung
schieden. Physikalisch betrachtet ist Wärme eine durch die pflegende Person sollte unbedacht erfol-
Erscheinungsform von Energie. Formen der Wär- gen. Die Achtsamkeit, mit der die Zimmertüre
meempfindung können sowohl die innere Körper- geschlossen oder der Fallschutz am Bett herabge-
temperatur als auch die wohlige seelische und die lassen wird, ist von großer Bedeutung. Durch die
begeisterungsausgelöste geistige Wärme sein. Not- gesteigerte Schreckhaftigkeit erklärt es sich, warum
wendig ist es, dass der Mensch seine Körpertempe- der Betroffene nicht mit plötzlichen und lauten Ge-
ratur stabil auf einem Wert zwischen 36,5–37,5° räuschen konfrontiert werden darf. Pflegende Per-
Celsius zu halten. Wirkende Strategien sind z. B. sonen werden innerhalb ihrer Ausbildung zum
Variationen der Kleidung, das Anpassen der kör- »Vielsprechen« angehalten. Für Menschen, die kei-
perlichen Aktivitäten u. a. In extremen Situationen ne kognitiven Einschränkungen haben, mag dies
beeinflusst starke Unterkühlung, aber auch hohes gut sein, für Menschen mit einer schweren Störung
Fieber unseren Bewusstseinszustand. Eine von des zentralen Nervensystems eher nicht. Es gibt
außen sichtbare Veränderung ist das Ausbilden von eine Zeit zum Sprechen und es gibt eine Zeit zum
Gänsehaut. Dieses Phänomen geht mit einer er- Handeln. Der betroffene Mensch soll die Berüh-
höhten muskulären Aktivität einher und somit rungen während einer wirkenden Körperwaschung
32 Kapitel 4 · Das Sinnessystem

fühlen können, und an dieser Stelle würde die > Gelingt es den Akteuren durch die
gleichzeitige Belegung eines weiteren Wahrneh- Gestaltung von passenden Angeboten,
mungskanals den gesamten Prozess stören. die Persönlichkeitsausbildung zu unter-
stützen?

4.5.2 Sprachsinn
4.6 Der Homunkulus
Der Sprachsinn hilft uns, die Sprache selbst wahr-
4 zunehmen. Er hilft uns, einen Eindruck hinsicht- Der Homunkulus (Karte des Körpers) stellt die ent-
lich der Stimmung, der Kraft und der Herkunft des sprechenden Lokalisationsfelder der Großhirnrin-
Gegenübers zu bekommen. Die wohlklingende de dar. Er repräsentiert bildhaft die efferenten und
Sprache ist ein wahrer Schatz für das Seelenleben afferenten Nervenfasern der einzelnen Sinneszel-
eines Menschen. Der »wohltemperierte« Ton und len, die in Kontakt mit der Großhirnrinde stehen.
die bewusste Wahl der Worte sind besonders im Der Homunkulus zeigt die projizierte Körperober-
Dialog mit der Familie und dem Betroffenen zwin- fläche auf die Hirnrinde (nach dem Neurochir-
gend. Die Möglichkeit zu einem gepflegten Ge- urgen Wilder Graves Penfield 1891–1976). Die kor-
spräch ist oftmals der Schlüssel für den Austausch. tikale Darstellung ist nicht starr, sondern plastisch,
An dieser Stelle sei an sinnvolle und »haltungsver- und dies ist die Grundlage dafür, dass sich Wahr-
ändernde« Rituale erinnert, hierzu gehört ein klin- nehmungsfelder insbesondere nach dem Ausfall
gender Morgengruß oder ein klingendes Morgen- von Sinnesinformationen verändern können.
lied. In der bildhaften Darstellung sind die Regionen
des menschlichen Körpers gemäß ihrer Wahrneh-
mungskompetenz unterschiedlich dominant abge-
4.5.3 Gedankensinn bildet. Zu diesen dominanten Regionen mit einer
großen Anzahl an Rezeptoren zählen besonders:
Der Gedankensinn ermöglicht nicht zuletzt das 4 Gesicht,
Sprachverständnis. Aber nicht die Sprache infor- 4 Lippen/Mundraum,
miert den Gedankensinn, auch Mimik und Kör- 4 Hände,
persprache sprechen unsere Gedanken an. Der Ge- 4 Finger (besonders der Daumen),
dankensinn braucht die Wahrheit, die Sensibilität 4 Füße,
und die Empathie. 4 Zehen.

4.5.4 Personensinn

Hierbei steht die Wahrnehmung einer anderen Per-


son im Vordergrund. Hat diese Person die Mög-
lichkeit, frei zu entscheiden, hat sie einen freien
Willen? Nachdenken hilft, einen freien Willen zu
verfeinern. Ermöglichen die fördernden Angebote
und die Wahl des Ortes, dass der Mensch mit einer
schweren Störung des zentralen Nervensystems
eine Grundlage für größtmögliche Autonomie er-
lebt? Letztendlich profitiert der Personensinn von
einem geweckten Interesse. Daraus entwickelt sich
eine zentrale Frage des CCC:
33 5

Die Umfeldgestaltung
5.1 Wahrnehmung durch Familie
und pflegende Personen – 34

5.2 Vorschläge zur Raumgestaltung – 35

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
34 Kapitel 5 · Die Umfeldgestaltung

Der Gestaltung des gesamten Lebensumfeldes Übung


kommt eine tragende Bedeutung zu. Einerseits
muss das Umfeld den betroffenen Menschen adä- 4 Legen Sie sich auf den Fußboden.
quat informieren, andererseits soll es auch einen 4 Legen Sie sich auf den Rücken. Arme und
Lebensraum für die Familie, aber auch einen Ar- Beine befinden sich neben dem Körper
beitsraum für die pflegenden Personen darstellen. bzw. liegen nebeneinander.
Der Mensch mit schweren Störungen des zen- 4 Die Körperhaltung kann noch kurz ver-
tralen Nervensystems hat nicht selten Probleme ändert werden – dann bewegungs- und
mit der visuellen Wahrnehmung von Räumen und wortlos liegen bleiben.
Details. Leider sind die Einschränkungen des Seh- 4 Fixieren Sie für einige Minuten einen Punkt
vermögens nur selten erschöpfend diagnostiziert.
5 an der Zimmerdecke.

5.1 Wahrnehmung durch Familie 4 Was kann ich, ohne den Kopf zu bewegen, von
und pflegende Personen meinem eigenen Körper sehen?
4 Was kann ich, ohne den Kopf zu bewegen, vom
Auch wenn die Räumlichkeiten auf die Besucher Raum, der mich umgibt, sehen?
eher klein wirken, sind sie für den Betroffenen oft- 4 Wie verändert sich der Punkt an der Decke?
mals viel zu groß. Die notwendigen Veränderungen
und Anpassungen beginnen im direkten Umfeld, jSelbsterfahrung: Begleitetes Gehen
dem Bett. Räumliche Begrenzungen nach oben und mit reduzierten visuellen Möglichkeiten
zu den Seiten sind elementar und ermöglichen dem
betroffenen Menschen den Rückzug und die leich- Übung
tere visuelle Wahrnehmung etwaiger Verände-
rungen auf kurze Distanzen (. Abb. 5.1, . Abb. 4 Sie brauchen eine zweite Person, die Sie
5.2). In vielen Situationen hat die aktive Raumver- führt und für Ihre Sicherheit sorgt.
kleinerung einen direkten Einfluss auf die Atmung, 4 Benutzen Sie eine Brille, deren Gläser mit
den Muskeltonus, den Schlaf-Wach-Rhythmus einer milchigen Folie abgeklebt sind. Die
u. v. m. Für das Verstehen dieses Umstandes ist es Brille soll Ihnen die Möglichkeit geben,
sehr hilfreich, dass die Mitglieder der Familie und Umrisse und Veränderungen der Lichtver-
die pflegenden Personen sich in die einzelnen Posi- hältnisse wahrzunehmen.
tionen und Lagen des Betroffenen begeben. 4 Bleiben Sie bei dieser Übung zur Selbst-
erfahrung nicht nur in geschlossen Räu-
jSelbsterfahrung: Liegen auf dem Boden men, sondern gehen Sie auch ins Freie.
Für dieses Erleben gibt es kleine, aber eindrucks-
volle Übungen zur Selbsterfahrung.
4 Wie entwickeln sich die anderen Sinnessysteme
– Riechen, Fühlen, Hören etc.?
4 Wie verändert sich Ihr Muskeltonus?
4 Wie verändern sich Ihre Motorik und das Be-
wegungsausmaß?
4 Wie verändert sich Ihre Bewegungsgeschwin-
digkeit?
4 Wie ausgeprägt ist Ihre Orientierung?
4 Wodurch wurde Ihnen Sicherheit oder Unsi-
cherheit vermittelt?
5.2 · Vorschläge zur Raumgestaltung
35 5

. Abb. 5.1 Raumverkleinerung vergrößert das Gefühl von Sicherheit. (Mit freundl. Genehmigung von Senator Senioren-
einrichtungen)

jBettumrandung
> Für den Alltag bedeuten die Erkenntnisse:
Wahrnehmung schafft Sicherheit – Sicher- Dies kann entweder durch einen ansprechenden
heit, die der Betroffene braucht, um Vorhang oder durch ein »Moskitonetz« hergestellt
Erkenntnisse gewinnen zu können. werden (. Abb. 5.1). Es muss gewährleistet sein,
dass besonders in der Anfangsphase das umge-
bende Material transparent ist. Durch den transpa-
5.2 Vorschläge zur Raumgestaltung renten Stoff hat der betroffene Mensch die Mög-
lichkeit, nach außen zu schauen, und die betreuen-
Bei der Gestaltung des direkten Umfeldes ist die den Menschen haben die Möglichkeit, nach innen
Kreativität aller Beteiligten gefragt. Konkret zu schauen – trotzdem besteht die eindeutige visu-
könnten sich folgende Angebote und Gestaltungen elle Abgrenzung. Innerhalb von Institutionen ist
ergeben: darauf zu achten, dass es sich bei den verwendeten
36 Kapitel 5 · Die Umfeldgestaltung

. Abb. 5.2 Ein funktioneller Raum mit gestalterischen Elementen. (Mit freundl. Genehmigung von Senator Senioreneinrich-
tungen)

Stoffen um schwer entflammbares Material han- Verlauf und mit zunehmender Erfahrung können
delt. Viele Stoffe sind gut zu färben, und somit kann bewegliche Angebote hinzukommen. Decken und
das erzeugte visuelle Umfeld farblich verändert Wände stellen eine gut zu nutzende Projektionsflä-
werden. Auch diejenigen, die mit ihrem Rollstuhl che dar. Sie können für Farbprojektionen z. B.
die Gemeinschaftsräume besuchen, brauchen auch durch eine Mathmos-Lampe oder für Diaprojekti-
in diesen Räumen die nötige Rückzugsmöglichkeit. onen genutzt werden. Mathmos-Lampen bewegen
Ein »Moskitonetz« bietet auch dem im Rollstuhl und erwärmen im Inneren der Lampe farbige Gel-
oder dem im Sitzsack Sitzenden einen Platz. scheiben, so dass sich das projizierte Bild mit jeder
Bewegung der Gelscheiben verändert. Diaprojek-
jDecken und Wände tionen werden oftmals von den Familien als »Erin-
Decken und Wände können mittels Aktionsfeldern nerungsreise« genutzt, der Betroffene braucht je-
einen vollkommen anderen Charakter erhalten. So doch unter Umständen länger Zeit, um den Inhal-
können z. B. Blumengitter mit wechselndem Inhalt ten der Bilder folgen zu können. Auch hierbei ist
angeboten werden. Sie bieten die Gelegenheit, Ori- weniger meistens mehr. Der Anteil der gespro-
entierungsmerkmale wie z. B. Informationen über chenen Worte sollte besonders zu Beginn nur einen
die vorherrschende Jahreszeit anzubieten. Am An- kleinen Umfang betragen, auf diesem Wege kann
fang sollte jedoch mit wenigen und eindeutigen In- sich der Betroffene auf die visuellen Informationen
formationen gearbeitet werden. Die Informations- konzentrieren. Auch eine Berührung kann ein Bild
quellen sind anfangs statisch, und erst im weiteren begleiten.
5.2 · Vorschläge zur Raumgestaltung
37 5
jBeleuchtung
Eine besondere Bedeutung hat die Beleuchtung des
Raumes. Auf Lampen, die ihr Licht direkt in die
Augen des Betroffenen scheinen lassen, sollte prin-
zipiell verzichtet werden. Indirekte Beleuchtungs-
quellen sind sehr viel passender, aber auch diese
können in Glasscheiben unerwünschte Spiege-
lungen erzeugen. Mittlerweile bietet die Industrie
vielerlei Möglichkeiten für eine abwechslungsreiche
und wohltuende Beleuchtung. Durch eine entspre-
chend angepasste Lichtgestaltung nimmt die Mög-
lichkeit des betroffenen Menschen, seine Augen zu
öffnen, zu.
Durch die entsprechende Gestaltung des Le-
bensraumes steigern sich bei allen Beteiligten die
Bereitschaft und der Wunsch, diesen Raum zu be-
treten.
Die wünschenswerten Veränderungen bezie-
hen sich jedoch nicht nur auf das Zimmer des be-
troffenen Menschen. Die Gestaltung aller Räum-
lichkeiten fördert nicht zuletzt die Möglichkeit zur
Entwicklung.
39 6

Das morgendliche Wecken

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


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40 Kapitel 6 · Das morgendliche Wecken

Um seitens der pflegenden Personen den Tag zu be- Rand der Decken, die mehrere farbige Leucht-
ginnen, braucht es detaillierte Informationen der in stoffröhren in sich tragen. Durch diese fernbe-
der Nacht arbeitenden Personen. Der Bericht von dienbaren Lampen ist es möglich, dass das Licht
der Nacht ist eine wesentliche Entscheidungshilfe, im Raum einen variierbaren Ton erhält.
wie der Vormittag gestaltet werden kann. Nicht zu- 4 Rituale: Zwingend ist die Implementierung von
letzt dieser Bericht entscheidet mit darüber, welche Ritualen, die dem Betroffenen eine höhere
wirkende Körperpflege oder welche anderen Akti- Wahrscheinlichkeit der Wiedererkennung er-
vitäten dem Betroffenen angeboten werden. möglicht. Angefangen von der verbalen Form
Die Art und Weise des Weckens hat für betrof- der Ansprache, über die orientierende Berüh-
fene Menschen eine zentrale Bedeutung. Der Über- rung bis hin zu Klängen.
gang von der Ruhe zur Aktivität muss so gestaltet 4 Orientierende Berührung: Dabei wird in Ab-
sein, dass der Betroffene dieser elementaren Verän- sprache mit dem Betroffenen und/oder der Fa-
derung folgen kann. milie des Betroffenen eine Erstberührungsregi-
6 Folgende Grundprinzipien sind dabei zu be- on festgelegt. Dies können z. B. die Schulter, das
achten: Brustbein oder der Bauch sein. Wichtig ist es,
4 Anpassung der Körperinformationsflächen: dass die Region für die orientierende Berüh-
die lagerungsunterstützenden Materialien kör- rung so nah wie möglich am Körperstamm ist.
perorientiert anpassen und niemals unkontrol- 4 Bett: Eine sehr schöne Methode, den Tag und
liert verändern oder entfernen (. Abb. 6.1). somit die Aktivitäten einzuleiten, ist das Wen-
4 Langsamkeit: Jegliche Veränderungen im di- den des Kopfkissens und der Bettdecke. Die
rekten Umfeld oder am Betroffenen selbst müs- Wärme der Nacht wird gegen die Kühle des
sen die Möglichkeit zur Nachvollziehbarkeit Tages getauscht. Von großer Wichtigkeit ist es,
aufweisen. dass die Bettdecke im Laufe der Aktivitäten
4 Geräusche: Die Veränderungen werden immer reduziert, aber nicht vollständig entfernt wird.
mit Geräuschen einhergehen, jedoch sollten die
entstehenden Geräusche so unaufdringlich wie
möglich sein. Die Zimmertür wird leise ge-
Ziele des Weckens
schlossen, die Stimme hat eine moderate Laut-
stärke, und sollte der Fallschutz am Bett herun- 4 Nachvollziehbarkeit
tergestellt werden, so passiert dies mit der nöti- 4 Erleben von Langsamkeit
gen Vorsicht. 4 Sinnhaftigkeit in der Überleitung von der
4 Licht: Das Anstellen der Deckenbeleuchtung Nacht in den Tag
stellt eine so intensive Veränderung dar, dass 4 Wiedererkennung
viele Betroffene sehr negativ auf diesen Um- 4 Tonusregulation
stand reagieren. Die Augen müssen sich infolge 4 Erzeugen einer positiven Erkenntniswahr-
der Lichteinwirkung schließen, der Muskelto- nehmung
nus steigt, die Atemfrequenz steigt usw. – insge- 4 Vermittlung von innerer Ordnung und
samt eine eher ungünstige Entwicklung. Alter- emotionaler Stabilität
nativ zur Deckenleuchte sollte ausschließlich
mit indirekten Lichtquellen gearbeitet werden.
Hierzu gehören sicherlich Nachttischlampen
oder Deckenfluter. Der Einsatz von kontinuier-
lich heller werdenden Lichtquellen (z. B. Ener-
gyLight der Firma Philips) ist ebenfalls eine
günstigere Methode.
Eine besonders schöne Lichtgestaltung bieten
Lichtquellen, die unterschiedliche Farben zu-
lassen. Es handelt sich dabei um Leuchten am
Das morgendliche Wecken
41 6

. Abb. 6.1 Die unter Druck zurückgerollte Decke vermittelt zusätzliche körperliche Struktur und signalisiert eine Verände-
rung
43 7

Körperpflege nach
dem Connected Care Concept
7.1 Die wirkende Körperwaschung – 44
7.1.1 Grundprinzipien der pflegerischen Handlung – 44
7.1.2 Wirkprinzipien – 45
7.1.3 Schwerpunkt Aktivität – 45
7.1.4 Schwerpunkt Ruhe – 46
7.1.5 Schwerpunkt Körperbild – 47
7.1.6 Selbsterfahrung: Waschen der Arme – 48

7.2 Die wirkende Körperpflege – 49


7.2.1 Schwerpunkt Ruhe – 49
7.2.2 Selbsterfahrung: Pflege der Arme mit Lotion oder Öl – 50

7.3 Das Baden – 50


7.3.1 Bad in der Wanne – 51
7.3.2 Bad auf der Duschliege – 51
7.3.3 Bad im Bettbadesystem – 53

7.4 Das informierende Handbad – 53

7.5 Die fördernde Handmassage – 54

7.6 Das informierende Fußbad – 59

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


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44 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

7.1 Die wirkende Körperwaschung der Körperwaschung wirken. Ein weiterer wich-
tiger Grund besteht darin, dass die Bereitschaft der
7.1.1 Grundprinzipien pflegenden Person zur Reduktion von körperlicher
der pflegerischen Handlung Distanz wächst. Die Körperwaschung beeinflusst
einerseits vitale und vegetative Prozesse und stellt
Folgende Grundgedanken prägen die gültigen andererseits ein intensives Lernangebot dar. Wäh-
Prinzipien hinsichtlich einer wirkenden Körperwa- rend der Körperwaschung entsteht eine positive
schung. Die Körperwaschung selbst wird als inter- Empfindung und somit steigt die Möglichkeit zum
aktive Handlung betrachtet, wobei in erster Linie Erkennen an.
Informationen ausgetauscht werden, denn nicht
bei jeder Körperwaschung steht die Reinigung im jWähle als Ausgangsposition
Vordergrund. zur Körperwaschung im Bett
die Seitenlage
jStelle einen kontinuierlichen Körperkontakt Leider wird die Körperwaschung im Bett häufig in
sicher der Rückenlage angeboten. Dies wirkt sich ausge-
7 Bei der Beobachtung von Körperwaschungen fällt sprochen negativ auf die Entwicklungsmöglich-
auf, dass der Kontakt zum Betroffenen unzählige keiten eines Menschen mit schweren Störungen der
Male aufgenommen und abgebrochen wird und zentralen Nervensystems aus – z. B. steigt der mus-
dies in einer Geschwindigkeit, der der Betroffene in kuläre Spannungszustand an, die Gefahr der Aspi-
der Regel nicht folgen kann. Schnelle und häufige ration wächst, das Becken ist stark gebeugt, die Ad-
Veränderungen können schnell eine überfordernde duktion der unteren Extremitäten nimmt zu, die
Situation erzeugen. Der Mensch mit schweren Stö- gesamten Bewegungsmöglichkeiten sind reduziert.
rungen des zentralen Nervensystems kann dieser Durch die Entscheidung, einen betroffenen Men-
Situation nur mit seinen Möglichkeiten begegnen schen in eine adäquate 90°-Lage zu bringen, verän-
und drückt dies oft mit einem Anstieg der Muskel- dern sich viele dieser negativen Erscheinungen.
spannung und/oder mit einem Anstieg der Atem- Eine Körperwaschung in dieser Seitenlage eröffnet
arbeit aus. dem Betroffenen viele positive Veränderungen –
z. B. wird der Körper anders gespürt, alle Extremi-
jBeginne die Körperwaschung täten gewinnen an Beweglichkeit, der Unterkiefer
nicht im Gesicht bzw. am Kopf hat die Möglichkeit, seine Haltung zu verändern,
Die Gesichtsregion ist ausgesprochen empfin- der untere Rückenbereich bis zu den Knien kann
dungsstark, und dies gilt besonders für den äuße- als geführte Waschregion entdeckt werden. Die As-
ren Mundraum und für die Nasenpartie. Eine ini- pirationsgefahr nimmt sofort ab.
tiale Berührung dieser Räume geht oftmals mit
einem Anstieg des Muskeltonus der Gesichtsmus- jStelle sicher, dass der Körper soweit
kulatur und einer Überstreckung des Kopfes ein- wie möglich zugedeckt ist
her. Der Mundraum wird eng, und der Erfolg der Der Mensch ist ein Wärmewesen, und Wärme ist
nachfolgenden therapeutischen Mundpflege oder für ihn ein wichtiges Gut. Der Wärmesinn muss,
jeglicher Mundpflege, Essen und Trinken scheint besonders während und nach der Körperwaschung,
fraglich. adäquat informiert werden. Unnötiger Wärmever-
lust ist unbedingt zu vermeiden, die damit verbun-
jFühre die Intimpflege und den Wechsel dene Wärmeerzeugung bedeutet einen nicht uner-
der Inkontinenzmaterialien heblichen Energieaufwand. Die Kälteeinwirkung
vor der Körperwaschung durch hat einen ungünstigen Einfluss auf den Muskel-
Die therapeutische Körperwaschung verfolgt Ziele. tonus und nachfolgende Angebote wie Bewegung,
Sie will klare Strukturen vermitteln und verarbei- Lagerung, Transfer, Schlucken u. a. werden unnötig
tungsfähige Informationen anbieten. Die integrierte erschwert.
Intimpflege wird störend auf den gesamten Prozess
7.1 · Die wirkende Körperwaschung
45 7
jErkläre vor und nach der Waschung chende Gelenkregion als außerordentlich wichtig
und spreche nicht während betrachtet wird. Die wirkenden Körperwaschungen
Es kommt immer auf die Zielsetzung an. Erfolgt die intensivieren die externe Informationsdichte und
Körperwaschung als primäres, taktiles und kinäs- unterstützen den Betroffenen, seine inneren Syste-
thetisches Wahrnehmungsangebot, so weicht das me zu regulieren. Selbst sehr komplexe Systeme wie
Wort der Handlung. Das Angebot an die entspre- z. B. der intrazerebrale Druck oder das kardiovas-
chenden Wahrnehmungskanäle orientiert sich an kuläre System können positiv auf die Informati-
den Verarbeitungsmöglichkeiten des betroffenen onen reagieren. Im Rahmen eines erweiterten Mo-
Menschen. Das Sprechen ist oftmals der Grund für nitorings zur Hirndruckmessung (z. B. Camino-
Überforderung, denn die Worte müssen nicht nur Sonde) fällt auf, dass der Druckwert tendenziell
gehört, sondern der Inhalt muss verstanden und niedriger wird. Durch die Einflussnahme auf die
verarbeitet werden. Weniger ist mehr! inneren Systeme scheint die Stabilisierung der vi-
talen und vegetativen Bereiche so groß zu sein, dass
jEntferne bitte nie das Kopfkissen auch eine positive Beeinflussung des Blutdrucks
Zu keinem Zeitpunkt wird das Kopfkissen aus dem und der Herzfrequenz reproduzierbar zu beobach-
Bett entfernt, vielmehr findet eine ständige und be- ten ist. Eigene Beobachtungen unterstützen diese
gleitende Anpassung des Kissens statt. Ist z. B. das Bewertung.
Kissen beschmutzt, wird es nahtlos gegen ein neues
> Das daraus resultierende Motto muss lau-
getauscht.
ten: Pflege wirkt!
jReduziere bei der Körperwaschung In den verschiedenen klinischen und vollstatio-
die Lagerungskissen nur partiell nären Bereichen der neurologischen Rehabilitation
Lagerungskissen begleiten den Betroffenen auch (Phase A–F) sollten besonders drei Formen der in-
während der Körperwaschung. Die Kissen gewähr- tensiven Körperwaschung ihre Anwendung fin-
leisten eine notwendige Körperinformation. Ver- den:
änderungen finden bewusst und unter dem Aspekt 4 die wirkende Körperwaschung mit dem
der Adaptation statt. Kissen werden reduziert und Schwerpunkt Ruhe,
nicht primär entfernt. 4 die wirkende Körperwaschung mit dem
Schwerpunkt Aktivität,
4 die wirkende Körperwaschung mit dem
7.1.2 Wirkprinzipien Schwerpunkt Körperbild.

> Die Körperwaschung ist ein direktes Emp- Die Wirkprinzipien sind bei allen drei Waschungen
findungsangebot an die Haut und somit ähnlich. Für den intensivmedizinischen Behand-
auch an das zentrale Nervensystem. Be- lungszeitraum sollte festgelegt werden, dass wir-
achte dabei: Wahrnehmung braucht Zeit – kende Körperwaschungen zu einem möglichst frü-
und zwar so viel Zeit, wie der Betroffene hen Zeitpunkt implementiert werden. Der Raum,
benötigt, um wahrzunehmen. in dem das Angebot stattfindet, ist reich an Atmo-
sphäre. Der handlungsbezogene Dialog zwischen
Während einer wirkenden Köperwaschung wird dem Betroffenen und der pflegenden Person wird
der hirnverletzte Mensch mit einer Vielzahl von In- aufgebaut. Bereits vor der Waschung sollte der In-
formationen konfrontiert. Der Körper des Betrof- halt für die Zeit nach der Waschung feststehen.
fenen wird intensiv berührt, bewegt und hinsicht-
lich seiner Lage im Raum verändert. Jeder Einfluss
auf die betroffene Person beeinflusst auch den Ver- 7.1.3 Schwerpunkt Aktivität
lauf der gesamten Handlung. Das CCC bewertet
die Wirkung von gewählten Waschzusätzen als Während der gesamten Zeit der Waschung sollten
eher gering, während der Druck auf eine entspre- die Grundprinzipien der Körperwaschung gültig
46 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

sein und eingehalten werden. Folgende Fragen be-


einflussen die tägliche Entscheidung, ob eine wir- 4 Für die wirkende Körperwaschung mit dem
kende Körperwaschung mit dem Schwerpunkt Ak- Schwerpunkt Aktivität bietet sich ein
tivität indiziert ist: Waschzusatz mit Zitrusextrakt an, dieses
4 Wie war die Qualität der nächtlichen Ruhe? kann Zitrone oder Orange sein.
Wenn der betroffene Mensch während der 4 Allergien müssen im Vorfeld ausgeschlos-
Nacht dokumentierte Ruhephasen hatte, kann sen werden.
eine wirkende Körperwaschung mit dem 4 Um eine Verbindung zwischen Körper-
Schwerpunkt Aktivität in Betracht gezogen stamm und den Händen und Füßen herzu-
werden! stellen, beginnt der erste Schritt entweder
4 Wie ist der momentane Spannungszustand in- an den Schultern oder den Hüften. An den
nerhalb der Muskulatur? Bei hoher Muskel- Händen bzw. Füßen angekommen, verläuft
spannung sollte auf eine wirkende Körperwa- die zukünftige Waschrichtung konsequent
schung mit dem Schwerpunkt Aktivität ver- gegen die Haarwuchsrichtung.
zichtet werden! 4 Für das Waschen werden bevorzugt Frot-
7 4 Welche Werte zeigen die vitalen Systeme? Bei teestrümpfe, besser noch Baumwollhand-
hohen Werten von Atemfrequenz, Herzfre- schuhe benutzt.
quenz und Blutdruck sollte von einer wirken- 4 Das Abtrocknen erfolgt in der gleichen
den Körperwaschung mit dem Schwerpunkt Richtung wie das Waschen.
Aktivität abgesehen werden! 4 Eine geprüfte Wärmelampe über dem Bett
4 Welche Aktivität soll nach der Waschung ange- kann den Wärmeverlust eindämmen.
boten werden?

Vorgehen bei der wirkenden 7.1.4 Schwerpunkt Ruhe


Körperwaschung mit dem
Schwerpunkt Aktivität Während der gesamten Zeit der Waschung sollten
4 Die wirkende Körperwaschung mit dem die Grundprinzipien der Körperwaschung gültig
Schwerpunkt Aktivität wird mit einer Was- sein und eingehalten werden. Folgende Fragen
sertemperatur von 45°Celsius durchge- beeinflussen die tägliche Entscheidung, ob eine
führt. wirkende Körperwaschung mit dem Schwerpunkt
4 Die Temperatur wird mittels Badethermo- Ruhe indiziert ist:
meter bestimmt. 4 Wie war die Qualität der nächtlichen Ruhe?
4 In einer kleinen Thermoskanne befindet Wenn der betroffene Mensch während der
sich heißes Wasser. Nacht dokumentierte Unruhe- oder Wachpha-
4 Um die Temperatur des Waschwassers zu sen hatte, muss eine wirkende Körperwaschung
halten, kann das Wasser bei Bedarf in die mit dem Schwerpunkt Ruhe angeboten wer-
Schüssel geschüttet werden. den!
4 Die Waschschüssel ist mit einem Handtuch 4 Wie ist der momentane Spannungszustand in-
oder mit Aluminiumfolie isoliert, wodurch nerhalb der Muskulatur? Bei hoher Muskel-
eine Temperaturabgabe an die Umgebung spannung muss eine wirkende Körperwaschung
reduziert wird. mit dem Schwerpunkt Ruhe durchgeführt wer-
4 Dem Waschwasser wird ein gebrauchsferti- den!
ger Badezusatz beigefügt. 4 Welche Werte zeigen die vitalen Systeme? Bei
6 hohen Werten von Atemfrequenz, Herzfre-
quenz und Blutdruck muss eine wirkende Kör-
perwaschung mit dem Schwerpunkt Ruhe an-
geboten werden!
7.1 · Die wirkende Körperwaschung
47 7
4 Welche Aktivität soll nach der Waschung ange- 7.1.5 Schwerpunkt Körperbild
boten werden? Vorbereitung auf ein bestimm-
tes Therapieangebot oder Tagesangebot. Auch bei dieser Waschung sollten die Grundprin-
zipien der Körperwaschung gültig sein und einge-
halten werden. Folgende Fragen beeinflussen die
Vorgehen bei der wirkenden tägliche Entscheidung, ob eine wirkende Körper-
Körperwaschung mit dem waschung mit dem Schwerpunkt Körperbild indi-
Schwerpunkt Ruhe ziert ist, wie sie z. B. bei betroffenen Menschen mit
4 Die wirkende Körperwaschung mit dem einer Hemiplegie in Folge einer Hirnschädigung
Schwerpunkt Ruhe wird mit einer Wasser- erforderlich ist:
temperatur von 45°Celsius durchgeführt. 4 Wie war die Qualität der nächtlichen Ruhe?
4 Die Temperatur wird mittels Badethermo- Wenn der betroffene Mensch während der
meter bestimmt. Nacht dokumentierte Unruhephasen hatte,
4 In einer kleinen Thermoskanne befindet sollte über zusätzliche Information wie z. B. ein
sich heißes Wasser. Geruchsangebot von Melisse nachgedacht wer-
4 Um die Temperatur des Waschwassers zu den. Vielleicht bietet sich nach einem entspre-
halten, kann das Wasser bei Bedarf in die chenden Lagewechsel ein erneutes Ruheange-
Schüssel geschüttet werden. bot an.
4 Die Waschschüssel ist mit einem Handtuch 4 Wie ist der momentane Spannungszustand in-
oder mit Aluminiumfolie isoliert, wodurch nerhalb der Muskulatur? Bei einseitig hoher
eine Temperaturabgabe an die Umgebung Muskelspannung muss vor der Körperwa-
reduziert wird. schung bewegungsorientiert reguliert werden.
4 Dem Waschwasser wird ein gebrauchsferti- Lagewechsel mit »neuen« Körperinformatio-
ger Badezusatz beigefügt. nen u. a.
4 Für die wirkende Körperwaschung mit dem 4 Welche Werte zeigen die vitalen Systeme? Bei
Schwerpunkt Ruhe bietet sich z. B. Melisse hohen Werten von Atemfrequenz, Herzfre-
oder Lavendel als Waschzusatz an. quenz und Blutdruck sollte vor einer wirken-
4 Allergien müssen im Vorfeld ausgeschlos- den Körperwaschung mit dem Schwerpunkt
sen werden. Körperbild ein entsprechendes atemförderndes
4 Die wirkende Körperwaschung mit dem Angebot gemacht werden! Lagewechsel, atem-
Schwerpunkt Ruhe beginnt jeweils am informierende Einreibung u. v. m.
Rumpf. Bei allen weiteren Schritten verläuft 4 Welche Aktivität soll nach der Waschung ange-
die Waschrichtung konsequent mit der boten werden?
Haarwuchsrichtung.
4 Für das Waschen werden bevorzugt Frot-
teestrümpfe, besser noch Baumwollhand- Vorgehen bei der wirkenden
schuhe benutzt. Körperwaschung mit dem Schwerpunkt
4 Das Abtrocknen erfolgt in der gleichen Körperbild
Richtung wie das Waschen. 4 Die wirkende Körperwaschung mit dem
4 Eine geprüfte Wärmelampe über dem Bett »Schwerpunkt Körperbild« wird mit einer
kann den Wärmeverlust eindämmen. Wassertemperatur von 45°Celsius durch-
4 Nach der Waschung kann dem Betroffenen geführt.
ein wiederholtes Schlafangebot gemacht 4 Die Temperatur wird mittels Badethermo-
werden, sonst stattfindende Therapien meter bestimmt.
müssen inhaltlich angepasst oder auf ei- 4 In einer kleinen Thermoskanne befindet
nen späteren Zeitpunkt des Tages verscho- sich heißes Wasser.
ben werden. 6
48 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

nes zentralen Nervensystems benötigt nach der


4 Um die Temperatur des Waschwassers zu Körperwaschung meist eine Ruhepause. Die Pau-
halten, kann das Wasser bei Bedarf in die sen können für kleine Informationsangebote ge-
Schüssel geschüttet werden. nutzt werden. Die Körperwaschung mündet am
4 Die Waschschüssel ist mit einem Handtuch Ende in einer bestimmten Lage im Raum, und jetzt
oder mit Aluminiumfolie isoliert, wodurch können kleine Angebote an den Betroffenen ge-
eine Temperaturabgabe an die Umgebung richtet werden. Vielleicht passt ein Riech- oder
reduziert wird. Hörangebot in die Situation. Durch ein spezielles
4 Dem Waschwasser wird ein gebrauchsferti- Angebot ist es dem Betroffenen vielleicht möglich,
ger Badezusatz beigefügt. eine Sinnhaftigkeit darin zu erkennen.
4 Für die wirkende Körperwaschung mit dem > Aufgrund der gesammelten positiven
»Schwerpunkt Körperbild« entscheidet die Erfahrungen werden innerhalb des CCC
Vigilanz über den Zusatz: bei eingeschränk- bevorzugt gebrauchsfertige Wasch- und
ter Wachheit z. B. Zitrone und bei ausge- Badezusätze der Firmen Weleda oder
prägter Wachheit z. B. Melisse. Wahrnehmbar eingesetzt.
7 4 Allergien müssen im Vorfeld ausgeschlos-
sen werden.
4 Die Waschrichtung verläuft von der weni-
ger betroffenen Körperseite hin zur stärker
7.1.6 Selbsterfahrung: Waschen
betroffenen Körperseite. Sensorische Qua-
der Arme
litäten werden auf die mehr betroffene Sei-
te transportiert. Die Übung dient dem intensiven Erleben einer
4 Auch bei der wirkenden Körperwaschung pflegerischen Handlung und soll ihre Wirkung und
mit dem Schwerpunkt Körperbild wird mit Einflussnahme hinsichtlich einer positiven Emp-
unterschiedlichem Druck bearbeitet. Be- findungswahrnehmung, z. B. durch Berührung,
sonders an den verbindenden Gelenken Haltung, Lagerung, Wasser- und Raumtemperatur,
wird der Druck für einen Moment intensi- verdeutlichen. Für diese Übung brauchen Sie eine
viert. zweite Person.
4 Die pflegende Person steht nicht automa-
tisch an der stärker betroffenen Körper- Übung
seite des Patienten. Entscheidend für die
Bestimmung der Position der pflegenden 4 Material: Decke, kleines Kopfkissen,
Person ist das Gesichtsfeld der betroffenen Waschschüssel, Badethermometer, Alufo-
Person, auch wenn dies bedeutet, dass die lie, 2 Handtücher, 1 Paar Frotteestrümpfe
pflegende Person an der weniger betrof- oder 2 Waschhandschuhe.
fenen Seite ihren Platz findet.
4 Person A liegt auf dem Boden.
4 Für das Waschen werden bevorzugt Frot-
4 Person B kniet neben Person A und hält
teestrümpfe, besser noch Baumwollhand-
über sein Knie den Kontakt zum Körper
schuhe benutzt.
4 Das Abtrocknen erfolgt in der gleichen von Person A.
Richtung wie das Waschen. 4 Der rechte Arm wird mit der Haarwuchs-
4 Eine geprüfte Wärmelampe über dem Bett richtung und der linke Arm gegen die
kann den Wärmeverlust eindämmen. Haarwuchsrichtung gewaschen.
4 Wasche die Extremitäten dreidimensio-
nal – wasche mit beiden Händen.
Nicht immer scheint es sinnvoll, der Körperwa-
6
schung einen Transfer folgen zu lassen. Besonders
der Mensch mit einer schwersten Schädigung sei-
7.2 · Die wirkende Körperpflege
49 7

Übung (Forts.) geboten. Bei der Körperpflege wird statt des Was-
sers eine geeignete Hautpflegesubstanz benutzt.
Zur Anwendung kommen die
4 Mache an den Gelenken (Schulter, Ellen-
4 wirkende Körperpflege mit dem Schwerpunkt
bogen, Handgelenk usw.) eine Pause und
Ruhe,
gebe spürbaren Druck auf die Gelenke.
4 wirkende Körperpflege mit dem Schwerpunkt
4 Beachte besonders die Finger und die Aktivität,
Fingerkuppen. 4 wirkende Körperpflege mit dem Schwerpunkt
4 Wenn das Handling mit dem Handtuch Körperbild.
schwierig ist, benutze ebenfalls Frottee-
strümpfe oder einen Föhn. Besonders als begleitendes Angebot am Abend und
4 Decke die gewaschenen Regionen nach in der Nacht ist die wirkende Körperpflege mit dem
dem Abtrocknen warm zu. Schwerpunkt Ruhe geeignet.

Bewerten Sie anschließend Ihre Erfahrung für die 7.2.1 Schwerpunkt Ruhe
nachfolgenden Punkte:
4 Wassertemperatur, Folgende Fragen beeinflussen die tägliche Entschei-
4 Raumtemperatur, dung, wann und warum eine wirkende Körperpfle-
4 Druckauswirkung, ge angeboten werden soll:
4 nachhaltiges Empfinden der Arme, 4 Wie ist die motorische Situation des Betrof-
4 gefühlte Körperhaltung. fenen?
4 Was soll der Betroffene nach dem Angebot ma-
> Die Körperwaschung ist ein direktes Emp- chen?
findungsangebot an die Haut und das ZNS. 4 Wie ist der momentane Spannungszustand in-
Beachte dabei: Wahrnehmung braucht Zeit nerhalb der Muskulatur?
– und zwar so viel Zeit, wie der Betroffene 4 Wie verhalten sich die vitalen Systeme?
benötigt, um wahrzunehmen. Bereits für
Menschen, deren Wahrnehmungskompe-
tenzen »normal« sind, ist die Wirkung auf Besonderheiten der wirkenden
den Arm spürbar, für den Menschen mit Körperpflege
einer schweren Schädigung des zentralen 4 Das Hautöl oder die Lotion wird vor der
Nervensystems ist die Erfahrung umso Anwendung angewärmt.
intensiver und stellt eine unmittelbare 4 Kleine Flaschen entsprechend der Tages-
Entwicklungshilfe dar. portion können sehr gut in Fläschchenwär-
mern (für Babyfläschchen) warm gehalten
werden. Besonders wegen der Temperatur-
7.2 Die wirkende Körperpflege kontrolle ist der Fläschchenwärmer sehr
geeignet.
> Die Körperpflege ist ebenfalls ein direktes 4 Vor dem Auftragen des Öls auf die Haut
Empfindungsangebot an die Haut und muss eine Tropfenprobe durchgeführt wer-
somit auch an das zentrale Nervensystem. den. Mit dieser Probe wird verhindert, dass
zu warmes Öl oder Lotion auf die Haut der
Die wirkende Körperpflege ist genau wie die wir- betroffenen Person aufgetragen wird.
kende Körperwaschung eine gezielte Information 4 Die Richtungen, in denen die Haut einge-
an den hirnverletzten Menschen. Die wirkende rieben wird, entsprechen denen der wir-
Körperpflege wird entsprechend den gleichen kenden Körperwaschungen.
Wirkprinzipien wie auch die Körperwaschung an-
50 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

> Aufgrund der gesammelten positiven > Die Körperpflege ist ebenfalls ein direktes
Erfahrungen werden innerhalb des CCC Empfindungsangebot an die Haut und das
bevorzugt gebrauchsfertige Wasch- und zentrale Nervensystem. Es wird nicht nur
Badezusätze der Firma Weleda oder Wahr- die Empfindung positiv beeinflusst, son-
nehmbar eingesetzt. dern auch Muskeltonus und Atemfrequenz.

7.2.2 Selbsterfahrung: Pflege 7.3 Das Baden


der Arme mit Lotion oder Öl
Die Bedeutung des Vollbades wird von mehreren
Die Übung dient ebenfalls dem intensiven Erleben Seiten betrachtet. Einerseits verfolgt das Baden das
einer pflegerischen Handlung und soll auch ihre Ziel der Hygiene und Sauberkeit, andererseits wird
Wirkung und Einflussnahme hinsichtlich einer po- das Bad innerhalb des CCC als sensorisches Ange-
sitiven Empfindungswahrnehmung verdeutlichen. bot mit mehrfach förderndem Ansatz betrachtet.
Für diese Übung brauchen Sie eine zweite Person. Die unterschiedlichsten Informationen gelangen
7 zum Menschen mit schweren Störungen des zen-
Übung tralen Nervensystems. Das Wasser übt einen spür-
baren Druck auf den Körper aus, Differenzen zwi-
4 Material: Decke, kleines Kopfkissen, Haut- schen Raumtemperatur und Wassertemperatur
lotion/Pflegeöl. sind spürbar, körperliche Informationen werden
vermittelt, die Beleuchtung und der Geruch des
4 Person A liegt auf dem Boden.
Raumes werden gestaltet u. a. Der Transfer in die
4 Person B kniet neben Person A und hält
Badewanne ist einer der seltenen Transfers, der
über sein Knie den Kontakt zum Körper
mittels Patientenlifter durchgeführt wird. Bei die-
von Person A. ser äußerst unsicheren Transportmethode ist akri-
4 Der rechte Arm wird mit der Haarwuchs- bisch auf permanenten Körperkontakt zwischen
richtung und der linke Arm gegen die der pflegenden Person und dem Betroffenen zu
Haarwuchsrichtung mit Lotion oder Pfle- achten. Das Fahren und das Verstellen des Lifters
geöl eingerieben. werden durch eine spürbare Berührung begleitet.
4 Pflege die Extremitäten dreidimensio- Nachfolgend werden die Besonderheiten eines
nal – berühre mit beiden Händen gleich- Bades
zeitig. 4 in der Wanne,
4 Mache an den Gelenken (Schulter, Ellen- 4 auf der Duschliege und
4 im Bettbadesystem
bogen, Handgelenk usw.) eine Pause und
beschrieben.
gebe spürbaren Druck auf die Gelenke.
4 Beachte besonders die Finger und die
Fingerkuppen. Allgemeine Vorbereitungen für das Baden
4 Decke die gepflegte Region nach dem 4 Zugluft vermeiden.
Einreiben warm zu. 4 Wassertemperatur mittels Badethermome-
ter bestimmen.
4 Keine Deckenbeleuchtung.
Bewerten Sie anschließend Ihre Erfahrung für die 4 Eruieren, ob das Bad in der Wanne,
nachfolgenden Punkte: Duschliege oder Bettbadesystems stattfin-
4 Raumtemperatur, den muss.
4 Druckauswirkung, 4 Für einen gewärmten Raum sorgen.
4 nachhaltiges Empfinden der Arme, 6
4 gefühlte Körperhaltung.
7.3 · Das Baden
51 7
einen spürbaren Druck. Zudem hält es ebenso die
4 Für gewärmte Hand- und Badetücher sor- Körpertemperatur. Das Abtrocknen selbst findet
gen. ebenfalls im Badezimmer statt. Um die Kälteemp-
4 Utensilien, die eingesetzt werden sollen, findung zu reduzieren, bietet sich eine deckenmon-
bereitlegen. tierte oder mobile Wärmelampe an. Nach dem Ver-
4 Schwimmkragen und zusätzliche Mate- lassen der Badewanne muss besonders dafür ge-
rialien zum Schutz des Tracheostoma und sorgt werden, dass die Haut nicht mit Gänsehaut
der Trachealkanüle. auf die Temperaturveränderungen reagiert. Fern
4 Materialien um die PEG, den suprapubi- vom Wasser bietet es sich an, insbesondere die
schen Katheter oder einen Port wasser- behaarten Körperregionen trockenzuföhnen. Auf
dicht zu verbinden. diesem Wege wird schmerzhaftes Abtrocknen ver-
hindert, und der Körper erhält ein thermisches
Informationsangebot.

7.3.1 Bad in der Wanne 7.3.2 Bad auf der Duschliege

Vor dem eigentlichen Bad sollte für eine informa- Duschliegen werden umgangssprachlich oft als
tionsreiche und stimmungsvolle Atmosphäre im »blaue Lagune« bezeichnet. Wenn die Gestaltung
Raum gesorgt werden. Von Kerzen, speziellen des Duschbades stimmig ist, kann dieses Angebot
Riechangeboten, Einsatz der Mathmos-Lampe, äußerst produktiv sein. Perspektivisch muss die 90-
Unterwasserbeleuchtung bis zu Lebensmittelfarbe Grad-Seitenlage als Ausgangslage auf der Duschlie-
zum Färben des Wassers ist alles denkbar. Bei der ge das Ziel sein.
Gestaltung muss jedoch auch darauf geachtet wer- Beim Duschen auf der Liege friert der Betrof-
den, dass das sensorische Informationsangebot we- fene besonders schnell, und die Haut reagiert mit
der eine Über- noch Unterforderung erzeugt. Gänsehaut. Aus diesem Grund muss gewährleistet
Wie bereits erwähnt, kann der Transfer ggf. mit werden, dass alle Regionen des Körpers in kurzen
dem Badelifter stattfinden. In den meisten Fällen Abständen ein wärmendes Wasserangebot erhal-
verlässt der Betroffene die Auflage nicht. Das Ab- ten. Gänsehaut und Kälteeinwirkung müssen unter
senken der Auflage muss langsam und mit beglei- allen Umständen verhindert werden. Neben der
tender Berührung durchgeführt werden. Der erste angespannten Stoffwechsellage wird der Muskelto-
Halt kann oberhalb des Wasserspiegels erfolgen. nus mit einer reflektorischen Erhöhung reagieren.
Der hirnverletzte Mensch ist mit einem groß- Durch den Verschluss des Ablaufs der Duschliege
zügig dimensionierten Badetuch bedeckt. Zur in- kann der Wasserspiegel auf eine Höhe von 10–
tensiven Information der Körperlichkeit wird das 15 cm steigen. Auch durch den geringen Anstieg
Wasser mit einem Farbroller mit Druck auf den des Wasserspiegels verändert sich der Umgebungs-
Körper aufgetragen (. Abb. 7.1). Wenn die Ver- druck, der auf die betroffene Person wirkt, und der
mittlung von verändertem Schwerkraftempfinden angestiegene Wasserspiegel wärmt zumindest ei-
das therapeutische Ziel ist, taucht die Auflage so nen Teil des Körpers.
weit ein, dass der Körper des betroffenen Menschen Der Anteil von Bewegungsübergängen und
frei schwimmt. Bei diesem speziellen Angebot Veränderungen der Körperhaltung ist auf der
muss die gesamte Zeit über der Kopf und der Hals- Duschliege wesentlich höher als in der Badewanne.
bereich der betroffenen Person manuell, mittels Unter Zuhilfenahme von wasserdichten Lagerungs-
Halten gesichert werden. kissen kann die einzelne Position des Betroffenen
Bevor der Körper das Badewasser verlässt, wird adäquat unterstützt werden. Der Transfer kann via
er mit einem großen Badetuch bedeckt. Zum einen selektiven Bewegungsübergängen oder liegend
wird durch das Abdecken die Intimsphäre gewahrt, über ein Rutschbrett durchgeführt werden.
zum anderen vermittelt das nasse und warme Tuch
52 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

. Abb. 7.1 Für die intensive körperliche Wahrnehmung wird das Wasser mittels Farbroller mit spürbarem Druck aufgetra-
gen. (Mit freundl. Genehmigung der Senator Senioreneinrichtungen)
7.4 · Das informierende Handbad
53 7
7.3.3 Bad im Bettbadesystem In diesem Zusammenhang wird oftmals der Begriff
»Kontraktur« verwendet. Diese Kontraktur wird in
Es gibt Menschen mit einer schweren Schädigung erster Linie mit zu wenig Bewegung in Verbindung
des zentralen Nervensystems, für die beide zuvor gebracht. Eingeschränkte Bewegung und Bewe-
beschriebene Methoden nicht geeignet sind. Der gungsangebote sind jedoch nur ein Aspekt ihrer
Bedarf an körperinformierenden Flächen ist bei Entstehung, ein weiterer Gesichtspunkt ist eben-
den genannten Menschen besonders groß. Die not- falls von Bedeutung: In Folge einer schweren Stö-
wendigen Unterstützungen können weder inner- rung des zentralen Nervensystems nimmt nicht
halb der Badewanne noch auf der Duschliege gege- nur die Möglichkeit zur Bewegung ab, sondern es
ben werden. Beim Baden im Bett liegt der betrof- kommt auch zu einem eklatanten Mangel an exter-
fene Mensch auf einem wasserdichten Laken, wel- nen Informationsangeboten. Wenn dem Betrof-
ches in das Bett eingespannt wird. Das »Badelaken« fenen nicht mehr genügend und passende externe
wird nach oben umgeschlagen und mit Haltezwin- Informationen zur Verfügung stehen, ist er ge-
gen an Kopf- und Fußende befestigt. Variable Zu- zwungen, seine internen Informationsquellen zu
und Ableitungen fürs Wasser machen das System nutzen und dies bedeutet einen hohen Spannungs-
vielerorts anwendbar. zustand in der Muskulatur und eine Grenzbewe-
Einer der vielen Vorteile ist die Möglichkeit, gung in Richtung Gelenkentstellung. Wir benutzen
körperinformierende Flächen in Form von Kissen unsere Hände fortwährend, und sie sind nur in ein-
zwischen Badelaken und Matratze zu platzieren, zelnen Schlafphasen ohne Bewegung. Die Hände
um so dem Betroffenen die Voraussetzung zur To- sind ein Zentrum unserer Handlungen, sie spielen
nusregulation und damit einer intensiveren Kör- im Arbeitsleben und im Freizeit- und Familienle-
perwahrnehmung zu bieten. Alle Kissen inklusive ben eine entscheidende Rolle. Durch eine schwere
des Trigo Therapiesystems bleiben der betroffenen neurologische Erkrankung ändert sich zum Teil
Person erhalten. Über ein leistungsfähiges Pum- von einer Sekunde zur anderen alles. Eine Hand
pensystem kann das Wasser abgepumpt werden. oder beide Hände können oft nicht mehr an der
Bleibt die Pumpe ausgeschaltet, steigt der Wasser- Tagesgestaltung teilhaben. Für die Rückgewinnung
spiegel an, und auf diesem Wege kann dem hirn- von Funktionen ist die intakte Haltung und Beweg-
verletzten Menschen das Erlebnis eines Bades mit lichkeit von größtem Interesse.
all seinen sensorischen Informationen angeboten
> Ziel aller Angebote muss es sein, dass ei-
werden. Egal für welche Methode sich die pflegende
nerseits das externe Informationsangebot
Person entscheidet, wesentlich ist, dass dem betrof-
verdichtet wird und andererseits die Bewe-
fenen Menschen eine angemessene Ruhepause in
gungsangebote den allgemeinen Prin-
einem Sinn gebenden Umfeld ermöglicht wird.
zipien der »normalen Bewegung« folgen.
Angebote müssen in erster Linie für den
7.4 Das informierende Handbad betroffenen Menschen einen Sinn erge-
ben. Wenn diese Vermittlung nicht gelingt,
wird sich an der Haltung der Hände nichts
Fest geschlossene Hände stellen die pflegenden
ändern lassen.
Personen sehr oft vor große Probleme. In fixierter
Haltung befindliche Hände sind in ihrer Funktion Passive Bewegungsangebote haben bei der Vermitt-
massiv eingeschränkt. Folgende Probleme kommen lung nur eine eingeschränkte Bedeutung. In der
neben der funktionellen Einschränkung hinzu: Praxis ist häufig zu beobachten, dass weiche Ge-
4 Schmerzen, genstände wie z. B. Mullbinden, Waschlappen
4 Deformationen, insbesondere der Fingerge- u. v. m. in die Handfläche gelegt werden. Auch die-
lenke, se Maßnahme stellt nicht unbedingt ein erfolg-
4 starke und für den Betroffenen unangenehme reiches Angebot dar. Wenn an diesem Angebot
Geruchsentwicklung, festgehalten wird, sollte zumindest dafür Sorge ge-
4 Sensibilitätsstörungen. tragen werden, dass die Hand in Abständen unter-
54 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

schiedliche Materialien kennenlernen kann. Ein


ausgesprochen effektives Lernangebot für die Hand innenfläche nimmt im Verlauf der
ist das spürbare Handbad. Waschung zu (. Abb. 7.3, . Abb. 7.4).
Bevor das Handbad durchgeführt wird, muss 4 Die Waschrichtung verläuft konsequent im
die Ausgangsposition des Betroffenen evaluiert Uhrzeigersinn von außen nach innen.
werden. Sind die Arme weder in gebeugter noch in 4 Die Handlung wird wie alle anderen auch
gestreckter Haltung fixiert, ist die sitzende Position dreimal wiederholt.
am Waschbecken im Bad eine mögliche Ausgangs- 4 Nachfolgend werden die Fingerzwischen-
haltung. Unter Umständen kann das Handbad im räume gewaschen. Der Handwaschlappen
Rollstuhl sitzend auch in einer Waschschüssel an- oder der Frotteestrumpf wird von innen
geboten werden. Gerade bei stark herabgesetztem nach außen durch den jeweiligen Finger-
Muskeltonus ist an dieser Stelle besonders auf eine zwischenraum gezogen.
adäquate Schulterprävention zu achten. Nicht jeder 4 Jeder einzelne Finger wird beginnend am
Mensch mit einer schweren Schädigung des zentra- 5. Finger vom Grundgelenk bis zur Finger-
len Nervensystems kann am Waschbecken sitzend kuppe modellierend gewaschen.
7 die Handwaschung erfahren. Besonders wenn sich 4 Die Hand wird aus dem Wasser genommen
die Arme über einen erhöhten Spannungszustand und in gleicher Weise wie beim Waschen
in einer Beugung halten müssen, ist die Seitenlage abgetrocknet.
eine geeignete Lagerung. Die Waschschüssel kann 4 Nun wird die Hand in gleicher Art ein
ihren Platz vor dem Oberkörper einnehmen, so zweites Mal gewaschen.
dass der oben liegende Arm bzw. Hand gewaschen 4 Nachdem die Hand wieder das Wasser ver-
werden können. lassen hat, wird sie nicht abgetrocknet,
Außer der Waschschüssel werden folgende Ma- sondern auf ein trockenes Tuch gelegt, um
terialien gebraucht: nachfolgend geföhnt zu werden.
4 Badethermometer, 4 Bevor der Föhn eingesetzt wird, muss die
4 Waschzusatz, Waschschüssel beiseite gestellt werden,
4 Handwaschlappen oder Frotteestrumpf, oder der Betroffene verlässt den Platz am
4 kleines Handtuch, Waschbecken. Erst wenn kein direkter Kon-
4 Föhn, takt mehr zur Waschschüssel oder Wasch-
4 Hautöl. becken besteht, kann die Hand geföhnt
4 Waschzusätze mit Lavendel oder Melisse unter- werden.
stützen die Wirkung des Handbades (. Abb. 4 Beim Föhnen liegt die Hand des Betrof-
7.2). fenen in der Hand der pflegenden Person,
um Verbrennungen zu verhindern
(. Abb. 7.5).

Vorgehen beim informierenden


Handbad
4 Zu Beginn der Handwaschung haben ther-
mische Informationen eine untergeord- 7.5 Die fördernde Handmassage
nete Bedeutung. Das Wasser hat eine Tem-
peratur von 32°Celsius. Die fördernde Handmassage stellt eine sinnvolle
4 Nachdem die Hand den ersten, behut- Ergänzung zum Handbad dar. Die Haltung, der
samen Kontakt mit dem Wasser hatte, wird Muskeltonus und die Bewegungsmöglichkeit der
vorsichtig der Erstkontakt zur Handinnen- Hände wird sich durch das Handbad positiv verän-
fläche hergestellt. Der Druck in die Hand- dert haben. Die primären Ziele sind die Förderung
6 der Sensibilität, Motorik und Koordination einzel-
ner Bewegungsverläufe durch eine Intensivierung
7.5 · Die fördernde Handmassage
55 7

. Abb. 7.2 Für das informierende Handbad sollten wenn möglich hochwertige Pflegeprodukte benutzt werden

. Abb. 7.3 Während des Handbades findet eine intensive Mobilisierung und Strukturgebung statt
56 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

. Abb. 7.4 Besonders im Handinnenflächenbereich wird mit spürbarem Druck gearbeitet. Schmerzen dürfen dabei nicht
verursacht werden

. Abb. 7.5 Erst zum Schluss wird der thermale Einfluss genutzt. Eine kontinuierliche Evaluierung der Temperatur muss
gewährleistet sein
7.5 · Die fördernde Handmassage
57 7
der sensorischen Informationslage. Um eine größe- gende Person nimmt eine sitzende Position ein und
re Nachhaltigkeit der erzielten Effekte zu erreichen, vermittelt wiederkehrend nach einzelnen Arbeits-
sollte nach dem Handbad das Angebot der för- schritten Druckinformationen ans Becken im Sinne
dernden Handmassage folgen. einer gespürten Interaktion des Körpers mit seiner
Die Handmassage ist ebenfalls eine Vorberei- Umgebung.
tung auf Sinn gebende Aktivitäten wie z. B. Beim Sitzen im Rollstuhl muss primär der Kon-
4 einen Trinkbecher halten, takt zum Boden hergestellt werden. An dieser Stelle
4 das geführte Zubereiten einer Nahrung, sei nochmals eindringlich darauf hingewiesen, dass
4 interaktives Angebot einer therapeutischen die Füße der betroffenen Person nicht auf den Fuß-
Mund- und Zahnpflege u. v. m. rasten, sondern auf dem Erdboden bzw. auf einem
stabilen Fußpodest ihre Position finden. Durch an-
Die fördernde Handmassage begegnet den bereits gepasste Körperinformationsflächen kann die
beschrieben Problemen wie Möglichkeit zum Sitzen erweitert werden. Die Im-
4 Schmerzen, plementierung eines Trigo Therapiesystems vor
4 Deformationen, insbesondere der Fingerge- dem Rumpf des hirnverletzten Menschen gibt dem
lenke, Körper den nötigen Halt und bietet den Armen ei-
4 starker und für den Betroffenen unangenehmer ne spürbare Ablagefläche.
Geruchsentwicklung, Die Auswahl der benötigten Hautöle muss be-
4 Sensibilitätseinschränkungen. wusst getroffen werden. Einerseits ist auf die Hoch-
wertigkeit des Öls zu achten, und andererseits ist
Vor dem Angebot der fördernden Handmassage die Dosiermöglichkeit der kostenintensiven Öle
muss die Raumposition der betroffenen Person in von großer Bedeutung. Das CCC arbeitet in der
Abhängigkeit von der nachfolgenden Aktivität be- Regel mit speziellen Ölen der Firma Wahrnehmbar.
stimmt werden. Bei dem Menschen mit einer Einzelne Öle und die Dosierflasche sind zum Teil
schweren Schädigung des zentralen Nervensystems aus dem Konzept heraus entstanden. Auch bei der
bieten sich zum einen die Seitenlagerung und zum Durchführung der fördernden Handmassage ist
anderen das Sitzen im Rollstuhl an. In beiden Posi- auf eine effektive Schulterprävention zu achten.
tionen kann ein Folgeangebot an den Betroffenen Das Öl muss körperwarm sein.
gerichtet werden, ebenso eine Lagerung mit ange- Folgende Materialien werden benötigt:
passten Körperinformationsflächen. Ein qualitativ 4 therapeutisches Öl in der Pumpdosierflasche,
gutes Hautöl ist die Grundvoraussetzung für die 4 kleines Handtuch,
Handmassage. Alle sichtbaren anatomischen Struk- 4 Handtuch (Handgelenkzügel).
turen werden informiert. Jede passende und wahr-
nehmbare Information hilft, den Muskeltonus zu
regulieren. Besonders die Funktionsförderung der Vorgehen bei der fördernden
feinen und kleinen Details des einzelnen Fingers Handmassage
können Handlungen ermöglichen. Je früher die 4 Beide Hände der pflegenden Person arbei-
Handmassage beginnt, umso beweglicher bleibt ten zugleich an der Hand des Betroffenen.
der Unterarm. Jederzeit werden die Körperinfor- 4 Zuerst wird die weniger betroffene Hand
mationsflächen angepasst. Die Hand der betreuen- eingeölt.
den Person verliert zu keinem Zeitpunkt den Kon- 4 Nachdem der Handrücken den ersten be-
takt. Die erzeugte Veränderung ist unmittelbar und hutsamen Kontakt mit dem warmen Öl
zeitnah sichtbar (. Abb. 7.6, . Abb. 7.7, . Abb. hatte, sichert eine Hand der pflegenden
7.8). Person die Haltung der betroffenen Hand,
Bevorzugt wird auch an dieser Stelle die Seiten- während die andere Hand das Öl am Hand-
lage in 90 Grad. Obligatorisch ist die adäquate Ge- gelenk beginnend bis zum Ellenbogen auf
staltung der Körperinformationsflächen und des 6
Trigo Therapiesystems unter dem Kopf. Die pfle-
58 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

. Abb. 7.6 Die Handmassage ermöglicht intensives Spüren

. Abb. 7.7 Die Handmassage stellt eine stabilisierende Handlung dar


7.6 · Das informierende Fußbad
59 7

. Abb. 7.8 Der Hand muss zu jedem Zeitpunkt ein sicherer Halt gegeben werden

die Außenseite des Unterarms mit Druck 4 Die Hand wird nun mit der Handinnenflä-
aufträgt. Am Ellenbogen angekommen, che nach oben gelagert. In dieser Position
streicht die Hand entlang der Innenseite wiederholen sich die einzelnen Arbeits-
des Unterarms wieder hinunter bis zum schritte.
Handgelenk. 4 Die fördernde Handmassage endet wieder-
4 Dieses Angebot und alle folgenden wie- um mit einem dreimaligen Ausstreichen
derholen sich dreimal. des Unterarmes und der Hand.
4 Nachfolgend fädeln die Hände der pfle- 4 Die zweite Hand folgt unmittelbar.
genden Person in die betroffene Hand ein
und beginnen jeweils mit dem Daumen,
den Handrücken in kreisenden Bewe-
Durch das Handbad und durch die Handmassage
gungen einzuölen.
ist die Hand vorbereitet, eine kleine sinnvolle In-
4 Es folgt jeder einzelne Finger. Am fünften
formation angeboten zu bekommen.
Finger beginnend, werden alle Finger mit
kreisenden Bewegungen modellierend ein-
geölt, und bei allen Fingern wird besonde-
7.6 Das informierende Fußbad
rer Wert auf die Berührung der Fingerkup-
pe gelegt (. Abb. 7.9).
Neben den fest verschlossenen Händen sind beson-
6 ders die Füße in Spitzfußstellung ein besonderes
Problem. In fixierter Haltung befindliche Füße sind
in ihrer Funktion ebenfalls massiv eingeschränkt.
60 Kapitel 7 · Körperpflege nach dem Connected Care Concept

. Abb. 7.9 Die Modellierung jeder einzelnen Region bringt Klarheit

Am schwerwiegendsten ist die Tatsache, nicht mehr hen, ist er ebenfalls gezwungen, seine internen In-
oder nur noch eingeschränkt stehen zu können. In formationsquellen zu nutzen, was einen hohen
diesem Zusammenhang muss ebenfalls erwähnt Spannungszustand in der Muskulatur und eine
werden, dass der Betroffene sein Körpergewicht Grenzbewegung in Richtung Gelenkentstellung be-
nur noch begrenzt auf die Gelenke der unteren Ex- deutet. Unsere Füße tragen uns von einem Ort zum
tremitäten wirken lassen kann. Somit ist die Mög- anderen, sie ermöglichen uns eine umfangreiche
lichkeit, auf den Haltungstonus einzuwirken, nur Mobilität. Schon kleine Einschränkungen, z. B. ei-
noch in Ansätzen möglich. ne »Blase« durch neue Schuhe, verändern unser
Neben diesen Handicaps kommen weitere Ein- Gangbild komplett, die Bewegungen werden lang-
schränkungen hinzu: samer und der Bewegungsablauf ist nicht mehr flie-
4 Schmerzen, ßend. Für die Rückgewinnung von Funktionen ist
4 Deformationen, insbesondere der Sprungge- die intakte Haltung und Beweglichkeit von größ-
lenke, des Mittelfußes und der Zehen, tem Interesse.
4 massive Einschränkungen in der Mobilität, Einer der Ansätze zur Förderung muss sein, das
4 Sensibilitätsstörungen. externe Informationsangebot so zu intensivieren,
dass die Aktivierung der internen Informations-
Auch in diesem Zusammenhang wird oftmals der quellen nicht mehr in dem Maße nötig ist. Bei der
Begriff »Kontraktur« verwendet, und die Proble- Mobilitätsförderung der Füße ist die Berücksichti-
matik ist ähnlich wie bei den Händen. Im Verlauf gung der einzelnen Aspekte der »normalen Bewe-
kommt es auch bei den Füßen zu einem eklatanten gung« die Grundvoraussetzung. Angebote müssen
Mangel an externen Informationsangeboten. Wenn in erster Linie für den betroffenen Menschen einen
dem Betroffenen nicht mehr genügend und pas- Sinn ergeben. Sobald wir die Arbeit mit den Füßen
sende externe Informationen zur Verfügung ste- aufnehmen, muss bereits zu Beginn klar sein wel-
7.6 · Das informierende Fußbad
61 7
che Handlung dem Fußbad folgen soll. Primäres
Ziel muss das Stehen und in der Folge das Gehen Personen auf einer Höhe befinden. Die
sein. Das spürbare Fußbad bedeutet an dieser Stel- pflegende Person bringt das Knie des Be-
le, dass dem betroffenen Menschen effektive Lern- troffenen hinter seine Schulter und richtet
inhalte angeboten werden. Bevor das Fußbad sich mit dem Bein auf.
durchgeführt wird, muss die Ausgangsposition des 4 Der Druck auf die Fußsohle nimmt im Ver-
Betroffenen evaluiert werden. Das Fußbad kann in lauf der Waschung zu. Die Waschrichtung
sitzender und liegender Position angeboten wer- verläuft konsequent im Uhrzeigersinn von
den. Soll das Fußbad z. B. im Rollstuhl sitzend innen nach außen.
durchgeführt werden, so ist darauf zu achten, dass 4 Die Handlung wird wie alle anderen auch
ein Fuß nach dem anderen gebadet wird. Sollte der dreimal wiederholt.
Betroffene klinische Zeichen einer Hemiparese zei- 4 Der Spannbereich wird von den Zehen in
gen, so wird mit dem Fuß der weniger betroffenen Richtung Sprunggelenk und der Achilles-
Körperseite begonnen. sehnenbereich von der Wade in Richtung
Für das Fußbad werden folgende Materialien Ferse ausgestrichen.
benötigt: 4 Nachfolgend werden die Zehenzwischen-
4 quadratische oder rechteckige Waschschüssel, räume gewaschen. Der Frotteestrumpf
4 Badethermometer, wird von unten nach oben durch den je-
4 Waschzusatz, weiligen Zehenzwischenraum gezogen.
4 2 Frotteestrümpfe, 4 Jede einzelne Zehe wird beginnend an der
4 2 Handtücher (klein und groß), 5. Zehe vom Grundgelenk bis zur Zehen-
4 Föhn, spitze modellierend gewaschen.
4 Hautöl, 4 Der Fuß wird aus dem Wasser genommen
4 angewärmte Wollstrümpfe. und in gleicher Weise wie beim Waschen
4 Waschzusätze mit Lavendel oder Melisse unter- abgetrocknet.
stützen die Wirkung des Fußbades. 4 Nun wird der Fuß in gleicher Art ein
zweites Mal gewaschen.
4 Nachdem der Fuß ein weiteres Mal das
Vorgehen beim informierenden Fußbad Wasser verlassen hat wird er nicht abge-
4 Zu Beginn der Fußwaschung haben ther- trocknet, sondern auf ein trockenes Tuch
mische Informationen eine untergeord- gelegt, um nachfolgend geföhnt zu wer-
nete Bedeutung. Das Wasser hat eine Tem- den.
peratur von 35 Grad Celsius. 4 Bevor der Föhn eingesetzt wird, muss die
4 Die pflegende Person trägt an beiden Hän- Waschschüssel beiseite gestellt werden.
den einen Frotteestrumpf. Erst wenn kein direkter Kontakt mehr zur
4 Nachdem der Fuß den ersten behutsamen Waschschüssel besteht, kann der Fuß tro-
Kontakt mit dem Wasser hatte, wird vor- ckengeföhnt werden.
sichtig der Erstkontakt zum gesamten Fuß 4 Beim Föhnen liegt der Fuß des Betroffenen
und zur Fußsohle hergestellt. in der Hand der pflegenden Person, um
4 Wird das Fußbad im Bett liegend angebo- Verbrennungen zu verhindern.
ten, wird dieses am günstigsten über die
gebeugte Haltung des Beines eingeleitet.
Das entsprechende Bein wird aufgestellt,
die pflegende Person setzt sich mit Blick- Das spürbare Fußbad ist eine geeignete Vorberei-
richtung an das Fußende so neben die be- tung für das nachfolgende Stehen, den Transfer via
troffene Person, dass sich die Hüften beider Rutschbrett mit Gewichtsbelastung der Füße, das
6 geführte »Gehen« im Rollstuhl und vieles anderes
mehr.
63 8

Die atemfördernde Position


im Raum
8.1 Atemqualität und Lagerung – 64
8.1.1 A-Lagerung – 64
8.1.2 Unterstütztes Sitzen – 64
8.1.3 Lagerung mit besonderer Atemunterstützung – 66

8.2 Regulation der Atmung – 68


8.2.1 Die ateminformierende Einreibung (AIE) – 68
8.2.2 Einsatz eines Bauchtuchs – 69
8.2.3 Bauch-Rücken-Atmung – 73

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
64 Kapitel 8 · Die atemfördernde Position im Raum

8.1 Atemqualität und Lagerung schn. 12.1). Ausgangsposition hierbei ist die Lage
auf dem Rücken, für die man sich nur in Ausnah-
Die Atemmechanik und der damit verbundene mesituationen entscheiden sollte. In einer dre-
Gasaustausch gehört zu unseren lebenssichernden henden und beugenden Bewegung wird der Ober-
Funktionen. Menschen mit schweren Störungen körper aufgerichtet. Auf dem Weg zum Aufrichten
des zentralen Nervensystems machen nicht selten kann eine kleine Rast auf dem Ellenbogen eingelegt
durch Variationen in der Atmung auf Verände- werden. Das Aufrichten sowie auch alle anderen
rungen in weiteren Bereichen aufmerksam. Eine Bewegungen sollten von Langsamkeit begleitet
veränderte Atmung weist unter Umständen auf ge- sein. Das Trigo Therapiesystem unterstützt die
steigerte Konzentration, physiologische Prozesse, Schultern, den Schultergürtel, die Flanken und
körperliches Unwohlsein, emotionale Verfassung, bildet somit die seitliche Begrenzung für den knö-
Krankheit, Schmerz, Freude, Hunger, Durst und chernen Thorax. Teile der Wirbelsäule, insbeson-
vieles Weitere hin. Eine gute und regulierte Atmung dere im Bereich der Brustwirbelsäule, finden darü-
zeugt auch von Wohlbefinden. ber eine schonende Ruheposition. Wie auch beim
Insbesondere die Lage und Haltung des Betrof- Hinsetzen wird der betroffene Mensch über eine
fenen im Raum hat großen Einfluss auf die Atem- drehende Bewegung wieder zum Liegen gebracht.
qualität. Angestrebt werden muss eine adäquate, Mit dieser Methode werden das Gewicht und die
atemfördernde und atemunterstützende Lagerung Form des Oberkörpers auf dem Hilfsmittel zen-
8 an jedem Ort (. Abb. 8.1). Jeder Lagewechsel im triert. Diese besondere Lagerungsmethode unter-
Bett verändert einerseits die Belüftung und ande- stützt die Atmung, die Haltung und die Fähigkeit
rerseits die Durchblutung der einzelnen Lungenab- zum Schlucken des Betroffenen auf spezielle
schnitte. Eine wesentliche und mitentscheidende Weise.
Voraussetzung ist ein Pflegebett, das die entspre-
chenden Eigenschaften zur Förderung der Atmung
besitzt. Bei der Wahl des Bettes ist darauf zu achten, 8.1.2 Unterstütztes Sitzen
dass das Rückenteil eine Länge hat, die das Aufset-
zen mit Beugung im Hüftbereich und nicht im Eine besondere Form der A-Lagerung kann dem
Brustwirbel- bzw. Lendenwirbelsäulenbereich ge- Menschen mit schweren Störungen des zentralen
stattet (. Abb. 8.2). Wünschenswert ist die Mög- Nervensystems durch das unterstützte Sitzen am
lichkeit zur Mehrfachverstellung an verschiedenen Bettende angeboten werden. Um diese Position im
Bereichen des Bettes. Sollten diese minimalen An- Raum einzunehmen, stehen verschiedene Trans-
forderungen nicht erfüllt sein, kommt es beim An- fermethoden zur Verfügung. Sie kann entweder
heben des Kopfteils des Bettes oftmals zu Verän- durch einen »Australischen Lifter«, den »Gesäß-
derung des intraabdominalen Drucks mit gleich- gang« oder den direkten Transfer aus dem Rollstuhl
zeitiger Beeinträchtigung der Atemvolumina. vorbereitet werden. Das Bett kann für diesen unter-
Kompensatorisch zu dieser Beeinträchtigung steigt stützten Sitz an der Wand stehen, die Wand stellt
die Atemfrequenz, und dies hat nicht selten einen bei diesem Sitz das Rückenteil dar. Insbesondere
negativen Einfluss auf die Schluckkompetenz. In- bei Betroffenen, die nur über eine Teilstabilität und
tegriert werden können verschiedene Lagerungs- Haltefunktion des Kopfes verfügen, ist diese Lage
unterstützungen. geeignet. Eine weitere Möglichkeit stellt das Frei-
stehen des Bettes dar mit der oberen Bettbegren-
zung als Rückenteil. Erforderlich ist entweder die
8.1.1 A-Lagerung Kopfhaltefunktion oder das Halten und Stabilisie-
ren des Kopfes durch die betreuende Person mithil-
Bei der A-Lagerung beschreibt der Buchstabe das fe des hinteren Kieferkontrollgriffs. Gerade diese
Aussehen des entsprechenden Trigo Therapiesys- Möglichkeit ist geeignet, um kleine geführte Tätig-
tems für die Atemförderung und für die Regulation keiten, Essen, Trinken, therapeutische Mund- und
des Muskelspannungszustandes (. Abb. 8.3, 7 Ab- Zahnpflege u. a. anzubieten. Die unteren Extremi-
8.1 · Atemqualität und Lagerung
65 8

. Abb. 8.1 Stabile Haltung ermöglicht die Raumveränderung. (Mit freundl. Genehmigung von Frau Knigge)
66 Kapitel 8 · Die atemfördernde Position im Raum

. Abb. 8.2 Die Schrägstellung des Bettes und die sitzende Position haben einen positiven Einfluss auf Atmung, Schlucken,
Sehen und Interaktion. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)

täten dürfen gerne während dieser Zeit gestreckt Bei Erkrankten mit einer Halbseitensymptoma-
oder im Schneidersitz gelagert werden. tik spiegelt das Augenscheinliche nicht das gesamte
Problem wider. Gesehen wird meist eine Betroffen-
heit von Arm, Bein und Gesichtsmuskulatur; das
8.1.3 Lagerung mit besonderer Sprechen und das Sprachverständnis kann in Mit-
Atemunterstützung leidenschaft gezogen sein. Aber nicht nur die be-
schrieben Einschränkungen können vorliegen, oft-
Zu den im Folgenden beschriebenen Lagerungen mals ist auch die Bauchmuskulatur in einem Maße
sei an dieser Stelle angemerkt, dass jede Lagerung eingeschränkt, dass dadurch bedingt die Atemleis-
eine Veränderung der Atmung erzeugt. Seitenlage- tung eingeschränkt ist. Eine mögliche Folge ist der
rungen haben im Leben einer betroffenen Person Anstieg der Gefahr einer Pneumonie. Die Atmung
eine besondere Stellung, sie werden an jedem Tag kann durch eine leichte Erhöhung des extraabdo-
mehrfach angeboten. minalen Drucks positiv beeinflusst werden. Durch
ein mit in die Seitenlagerung integriertes Trigo
> Der Lagewechsel an sich ist eine Förderung
Therapiesystem (als Bauchunterstützung bzw.
der Atmung. Umso wichtiger ist es, dass
Bauchgurt) lässt sich eine direkte Förderung der
eine größtmögliche Vielfalt von unter-
Atmung und die Umverteilung der Atemluft gestal-
schiedlichen Lagerungsmethoden in den
ten (7 Abschn. 12.1). Das Einbringen des Trigo The-
Alltag der Betroffenen Einzug hält.
rapiesystems bezieht sich jedoch nicht nur auf die
Die Effektivität kann durch unterschiedliche Ver- Seitenlage, auch beim Sitzen auf einem Stuhl oder
änderungen gesteigert werden. Rollstuhl bietet sich diese Veränderung an. Eine
8.1 · Atemqualität und Lagerung
67 8

. Abb. 8.3 Das »Trigo Therapiesystem für die A-Lagerung« unterstützt die Gesamtregulation besonders. (Mit freundl.
Genehmigung von Familie Brodersen)
68 Kapitel 8 · Die atemfördernde Position im Raum

der die Atmung am effektivsten beeinflussenden im Sitzen kann situationsbedingt die beste Position
Lagerungen ist die Bauchlage. ermittelt werden.
Die Atemfrequenz und der Atemrhythmus ha- In folgenden sitzenden Positionen ist eine
ben eine besonders große Wirkung auf das Schlu- ateminformierende Einreibung möglich:
cken. Das Schlucken findet in der Zeit zwischen 4 Auf dem Matratzenrand sitzend: Bei dieser Po-
Ein- und Ausatmung statt. sition steht entweder ein Tisch oder eine Person
vor dem Betroffenen. Steht eine Person vor dem
> Besonders bei Betroffenen mit einer Beein-
betroffenen Menschen, so kann die ateminfor-
trächtigung des Schluckvorgangs sind die
mierende Einreibung auch von dieser Arbeits-
Regulierung und die Rhythmisierung der
position angeboten werden.
Atmung entscheidend. Dies bedeutet, dass
4 Im Rollstuhl sitzend: Hierbei sitzt der Betrof-
die atemfördernde Lagerung und die Re-
fene nach vorne gebeugt und legt den Oberkör-
gulierung der Atemfrequenz eine zwin-
per z. B. auf einem Tisch ab. Einige Rollstühle
gende Vorbereitung auf das Essen, Trinken,
bieten zudem die Möglichkeit, dass das Rück-
die logopädische Therapie oder die thera-
enteil des Rollstuhls mit wenigen Handgriffen
peutische Mundpflege ist.
komplett entfernt werden kann. Als Lagerungs-
hilfe können »Packs«, also feste Schaumstoff-
blöcke, eingesetzt werden. Insbesondere bei
8 8.2 Regulation der Atmung Menschen, deren primäre Haltung sich im
Sinne der vermehrten Streckung entwickelt hat,
Auffälligkeiten beim Atmen weisen oftmals auf Un- bietet sich diese eher gebeugte Haltung an.
regelmäßigkeiten und Besonderheiten hin. 4 Auf dem Stuhl sitzend: Dies ist eine der güns-
Folgende Angebote, welche die Atemfunktio- tigsten Ausgangspositionen. Die Sitzfläche ist
nen unterstützen können, spielen im klinischen, stabil, die Beckenhaltung kann entsprechend
vollstationären oder häuslichem Bereich eine be- verändert werden, und der Tisch, der vor dem
sondere Rolle: Betroffenen steht, bietet eine ausgesprochen
4 ateminformierende Einreibung (AIE), feste und somit spürbare Ablagefläche.
4 Einsatz eines Bauchtuches,
4 Bauch-Rücken-Atmung, Es sollte sehr darauf geachtet werden, dass der Kopf
4 Lagerungsangebote (7 Kap. 9). des Betroffenen so gelagert wird, dass die Atemwe-
ge frei sind und dass der Kopf auf einem Frottee-
handtuch liegt. Das Handtuch kann den eventuell
8.2.1 Die ateminformierende herauslaufenden Speichel aufnehmen.
Einreibung (AIE) Um die erwartenden Effekte zu erzeugen, ist
nicht allein die Ausgangsposition entscheidend,
Bei dieser Form der Einreibung geht es in erster Li- vielmehr muss die Gestaltung der gesamten Situa-
nie um die Information des hirnverletzten Men- tion für den Betroffenen, aber auch für die durch-
schen. Mit der ateminformierenden Einreibung führende Person passend sein. Für die Gesamtge-
soll dem betroffenen Menschen eine anhaltgebende staltung spielen die Beleuchtung, der Geruch, die
Referenzerfahrung zur Verfügung gestellt werden. Temperatur und die Geräuschkulisse des Raums
Veränderungsfähig sind Atemfrequenz, Atemzug- eine wesentliche Rolle. Eingerieben wird im günsti-
volumen, Körpergefühl, Muskeltonus und Körper- gen Fall mit warmem Mandel- oder Walnussöl. In
haltung. Die ateminformierende Einreibung be- kleinen Kunststoffflaschen abgefüllt (Tagesration)
ginnt mit der Betrachtung der Körperhaltung. Sie lässt sich das Öl praktisch in Flaschenwärmern auf
kann im Liegen, aber auch im Sitzen angeboten die gewünschte und benötigte Temperatur bringen.
werden. Wird die ateminformierende Einreibung Zusätzliche olfaktorische Informationsquellen kön-
im Liegen durchgeführt, so ist eine 135°- oder nen hilfreich sein. Elektrische Duftlampen sind
Bauchlage am besten geeignet. Für die Einreibung eine Möglichkeit, Duftstoffe in einem Raum zu
8.2 · Regulation der Atmung
69 8
installieren. Vor und nach der Einreibung wird die
Atemfrequenz ermittelt, beide Werte nach Beendi- 4 Nicht allein die kreisende Berührung unter-
gung der Handlung dokumentiert. stützt die Atmung. Jede Phase der einzel-
Die primäre Körperhaltung entscheidet darü- nen Kreise wird mit einem spürbaren Druck
ber, wie die ateminformierende Einreibung begin- begleitet. Bei der Ausatmung üben Dau-
nt. Ist die Haltung gestreckt, so wird der Rücken zu men (1. Finger) und Zeigefinger (2. Finger)
Anfang 2-mal von unten nach oben mit deutlich den Druck aus, und bei der Einatmung
spürbarem Druck eingerieben. Ist sie eher gebeugt, wechselt der Druck und wird mit den Fin-
so beginnt die ateminformierende Einreibung mit gern 3- bis 5-mal ausgeübt (. Abb. 8.4).
einem zweimaligen Ausstreichen des Rückens von 4 Wenn beide Hände im unteren Thoraxbe-
oben nach unten. Dieser Teil der ateminformie- reich angekommen sind, wird die erste
renden Einreibung signalisiert den Beginn und Hand erneut zum Schultergürtel geführt,
wird zum Schluss des gesamten Angebots wieder- die zweite Hand folgt, und die atemorien-
holt. Der Körperkontakt zu der betroffenen Person tierten Kreise beginnen erneut.
wird während der gesamten Einreibung sicherge- 4 Die Fläche des Rückens eines erwachsenen
stellt. Maßgebend für die Geschwindigkeit der Ein- Menschen bietet Platz für 3–4 Kreise
reibung ist das Atemtempo der durchführenden (. Abb. 8.5).
Person. Durch die Orientierung an einer »norma-
len« Atmung sollen dem Betroffenen Referenzwerte
angeboten werden, denen er folgen kann. Die Dauer der Einreibung wird durch die zu Verfü-
gung stehende Zeit bestimmt. Vor der Einreibung
muss bereits eine konkrete Vorstellung davon ent-
Vorgehen bei der ateminformierenden wickelt werden, was nach der Handlung passieren
Einreibung soll. Vielleicht ist die ateminformierende Einrei-
4 Nachdem der Rücken initial 2-mal ausge- bung die Einleitung für eine Ruhephase oder die
strichen wurde, beginnen beide Hände der notwendige Vorbereitung auf eine nachfolgende
handelnden Person im Schultergürtelbe- Handlung extra- und intraoral wie z. B. Essen,
reich mit der Einreibung. Trinken, therapeutische Mund- und Zahnpflege,
4 Die Grenze zwischen rechtem und linkem warme Kompresse u. v. m.
Rücken bildet die Wirbelsäule. Da die ge-
samte Einreibung mit relativem Druck aus-
geführt wird, ist darauf zu achten, dass die 8.2.2 Einsatz eines Bauchtuchs
Wirbelkörper und insbesondere die Dorn-
fortsätze nicht mit in die Einreibung einbe- Die Atemluft sucht und findet innerhalb der Atem-
zogen werden. organe den Weg des geringsten Widerstandes, sie
4 Während der Ausatmung streichen beide verteilt sich z. B. in Rückenlage in die vorderen
Hände entlang der Wirbelsäule ein Stück oberen Bereiche – den so genannten ventralen Re-
weit nach unten. gionen. Die erworbene Lagerungskompetenz des
4 Zu Beginn der Einatmung werden die Hän- Menschen mit schweren Störungen des zentralen
de kreisförmig nach außen oben geführt. Nervensystems reicht vielleicht für eine Lagerung
Bei dieser Bewegung wird das Anheben auf dem Bauch noch nicht aus. Trotzdem kann die
des knöchernen Thorax unterstützt. Diese Wirkung der Bauchlage in Ansätzen durch Imple-
hebende Bewegung ist das Signal für den mentierung eines Bauchtuchs erzeugt werden. Das
Betroffenen, einzuatmen. Tuch kann in allen Lagerungsformen, einschließ-
4 Der Kreis schließt sich, und es beginnt er- lich jeder Form der Seitenlage und A-Lagerung,
neut die Phase der Ausatmung. mit eingebracht werden.
6 Als Bauchtuch kann idealerweise ein Bade-
handtuch benutzt werden. Das Tuch wird so in-
70 Kapitel 8 · Die atemfördernde Position im Raum

. Abb. 8.4 Die Streichrichtung und der sich verändernde Druck der Hände unterstützen die Ein- und Ausatmung. (Mit
freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)

. Abb. 8.5 Die ateminformierende Einreibung


8.2 · Regulation der Atmung
71 8

. Abb. 8.6 Einsatz eines Bauchtuchs zur Atemregulation. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)

. Abb. 8.7 Ergebnis nach Einsatz eines Bauchtuchs. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)

tegriert, dass der extraabdominale Druck leicht er- Das Bauchtuch erzeugt in Kombination mit den
höht wird. Durch die Zunahme dieses Drucks ver- Ventilations- und Perfusionsveränderungen, be-
teilt sich die Atemluft in Regionen, die meist min- dingt durch die Lagerung, auch eine Veränderung
derbelüftet sind. Zu diesen Regionen gehören ins- und Verbesserung des Gasaustausches. Eine Regu-
besondere die hinteren unteren Abschnitte, die so- lation der Atmung wird oftmals erreicht (. Abb.
genannten posterobasalen Regionen (. Abb. 8.6). 8.7). Zusätzlich zum Bauchtuch kann besonders in
72 Kapitel 8 · Die atemfördernde Position im Raum

. Abb. 8.8 Eine der intensivsten Formen der Interaktionen zwischen Personen. (Mit freundl. Genehmigung von Herrn Walter
Ullmer)
8.2 · Regulation der Atmung
73 8
Seitenlage ein vor den Bauch gelegtes Lagerungs- Die zur Verfügung stehende Zeit regelt die Dauer
kissen für eine weitere Verbesserung und Regula- des Angebots. Sollten medizintechnische Geräte
tion der Atmung sorgen. wie z. B. ein Messgerät zur Bestimmung der Sauer-
stoffsättigung vorhanden sein, lässt sich unmittel-
bar die Wirkung der beschriebenen Maßnahmen
8.2.3 Bauch-Rücken-Atmung erkennen. Die Sättigung, die Atemfrequenz, das
Atemvolumen und die Herzfrequenz werden sich
Bei der Bauch-Rücken-Atmung handelt es sich um verändern.
eine sehr effektive Unterstützung der Atemfunk-
tion. Die Bauch-Rücken-Atmung ist eine besonders
körpernahe Form der Pflegetherapie, und deshalb
ist das Angebot prädestiniert, von einzelnen Fami-
lienmitgliedern übernommen zu werden. Aus-
gangsposition kann das Sitzen im Bett sein, wobei
die handelnde Person hinter der betroffenen Per-
son sitzt. Das Rückenteil des Pflegebettes ist dem-
nach das Rückenteil z. B. der pflegenden Person.
Dem betroffenen Menschen wird in eine stabile
und komfortable Sitzposition geholfen. Für die La-
gerung der unteren Extremitäten bietet sich einer-
seits der Langsitz oder ein kompletter oder ange-
deuteter Schneidersitz an, wobei beide Knie von
der Seite ein »Bahnhofskissen« angeboten bekom-
men. Der Kopf des Betroffenen findet an der Schul-
ter der handelnden Person seinen Platz (. Abb.
8.8).

Vorgehen bei der Bauch-Rücken-Atmung


4 Die handelnde Person führt ihre Arme nach
vorne und ergreift beide Handgelenke des
Betroffenen. Mit dieser Haltung kann die
pflegende Person z. B. die Arm- und Schul-
terstellung verändern, wodurch sich eben-
falls die thorakale Atemfähigkeit verändern
wird.
4 Die handelnde Person atmet dann über
ihre Bauchregion in den Rückenbereich des
Betroffenen.
4 Atmung und Körperhaltung verändern
sich. Binnen kürzester Zeit ist zu beobach-
ten, dass der hirnverletzte Mensch das
Atemangebot vollständig übernehmen
kann.
75 9

Bewegung
9.1 Markante Regionen und Körperinformationsflächen – 76
9.1.1 Markante Regionen des menschlichen Körpers mit der Wirkung
auf Haltung und Bewegung – 76
9.1.2 Die Körperinformationsfläche – 76
9.1.3 Selbsterfahrung: Veränderung der Körperinformationsflächen – 77

9.2 Einflussfaktoren auf die menschliche Bewegung – 78

9.3 Das Stehen – 79

9.4 Das Pflegebett – 81


9.4.1 Das Bewegen im Bett – 82
9.4.2 Das informierende Material im Bett – 82

9.5 Das Bällebad – 82

9.6 Das Anziehen der Schuhe in liegender Position – 85

9.7 Das Hinsetzen – 85


9.7.1 Hinsetzen aus der Seitenlage – 86
9.7.2 Hinsetzen aus der Rückenlage – 86

9.8 Das Hinlegen – 89

9.9 Der Körperkontakt bei Veränderung der Umwelt – 89


9.9.1 Die begleitende Berührung beim Verstellen des Bettes – 89
9.9.2 Die begleitende Berührung beim Fahren mit dem Rollstuhl – 91

9.10 Der Transfer – 91


9.10.1 Der Transfer über den Stand – 91
9.10.2 Der Brückentransfer – 92
9.10.3 Der Notfalltransfer – 92

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
9.11 Das Sitzen – 93
9.11.1 Sitzen im Bett – 93
9.11.2 Sitzen auf dem Bettrand mit personeller Unterstützung – 94
9.11.3 Sitzen im Rollstuhl – 96
9.11.4 Sitzen im Sitzsack – 96
9.11.5 Sitzen und Bewegen im Stuhl – 100

9.12 Das Anziehen der Schuhe in sitzender Position – 101

9.13 Der Schulterhalt – 101


9.13.1 Schulter- und Handhalt im Liegen – 101
9.13.2 Schulter- und Handhalt im Sitzen – 103

9.14 Das Liegen auf dem Fußboden – 103


9.1 · Markante Regionen und Körperinformationsflächen
77 9
9.1 Markante Regionen mit Einschränkungen der Beweglichkeit einher-
und Körperinformationsflächen geht.
Auf dem Rücken liegend folgen die MR der
9.1.1 Markante Regionen Schwerkraft:
des menschlichen Körpers 4 Der Kopf, die Schultern, die Hände, das Becken
mit der Wirkung auf Haltung und die Füße drücken in Richtung der Unter-
und Bewegung lage. Das Brustbein verändert seine Lage nach
vorne oben.
Die markanten Regionen, nachfolgend »MR« ge- 4 Es entsteht erheblicher Zug auf den Kehlkopf.
nannt, werden in unterschiedlichen Konzepten be- 4 Flüssigkeiten fließen mit einer relativ hohen
schrieben und finden dort ihre Berücksichtigung. Fließgeschwindigkeit in den Rachen.
Innerhalb des CCC werden die Regionen in ihrer 4 Die visuelle Umgebungswahrnehmung ist ein-
Wechselwirkung mit der Schwerkraft betrachtet. geschränkt.
Dabei handelt es sich um folgende Regionen: 4 Der Unterkiefer bewegt sich ebenfalls in Rich-
4 Kopf, tung der Unterlage.
4 Schultern, 4 Die Zunge fällt nach hinten.
4 Brustbein, 4 Die Schultern fallen nach hinten in Richtung
4 Hände, der Unterlage, das Brustbein verändert seine
4 Becken, Lage nach vorne oben, und die Arme begegnen
4 Füße. dieser Situation mit einer gebeugten Haltung
und gleichzeitigem Anpressen an den Oberkör-
Verändert sich die Stellung einzelner MR, so be- per.
wirkt die jeweilige Veränderung entweder einen 4 Das Becken kippt nach hinten in eine verstärkte
vermehrten Streck- oder Beugeauftrag. Diese Ver- Beugung und bewirkt, dass die Beine sich an-
änderungen werden in der Regel durch Bewegung nähern und die Fußstellung nach innen gerich-
bzw. Schwerkraftwirkung ausgelöst. tet ist. Mit der Zeit zeigen auch die Beine eine
zunehmende Beugehaltung.
jDie Schwerkraft
Unter Schwerkraft versteht man die Kraft, die auf Mit jeder Bewegung und mit jedem Lagewechsel
einen Körper in einem Schwerefeld wirkt. Sie be- verändern sich die Auswirkungen der Schwerkraft
wirkt damit beispielsweise, dass Gegenstände dem auf die MR. Die Lage mit der folgeschwersten Ver-
Eigengewicht folgend zu Boden fallen. Sie setzt sich änderung in der Haltung und Bewegung ist die un-
aus der durch die Gravitation bewirkten Anzie- reflektierte Rückenlage. Die 30°-Lagerung erzeugt
hungskraft und der durch die Rotation bewirkten ein ähnliches Bild wie die Rückenlage, nur in einer
Zentrifugalkraft zusammen. Die Schwerkraft auf leicht veränderten Form.
der Erdoberfläche nennt man Erdanziehung.
Das CCC beschäftigt sich mit den Auswir-
kungen der Schwerkraft auf den menschlichen 9.1.2 Die Körperinformationsfläche
Körper und seiner Haltung im Raum. Zu jedem
Zeitpunkt beeinflusst die Schwerkraft das sensible Alle Flächen, mit denen der Körper eines hirnver-
Gefüge von Körperhaltung und Bewegung. letzten Menschen in Kontakt steht, werden als Kör-
Bei erhaltenden normalen Bewegungsmöglich- perinformationsfläche (KIF) bezeichnet. Dies kön-
keiten fällt die Wirkung der Schwerkraft kaum auf. nen sein:
Auf den Körper von Menschen mit einer schweren 4 Matratze,
Störung des zentralen Nervensystems ist die Wir- 4 Lagerungskissen,
kung der Schwerkraft erheblich. Alle MR des 4 Schuhe,
Körpers folgen dieser Kraft und verursachen 4 Trigo Therapiesysteme,
bestimmte Haltungsveränderungen, die oftmals 4 unterstützende Person,
78 Kapitel 9 · Bewegung

4 Tisch, leistet sein, dass spätestens alle 7 Tage eine aktuelles


4 Stuhl, Monitoring, z. B. mittels Braden-Skala, durchge-
4 Waschbecken/Türe usw. führt wird. Sobald der Einsatz des Systems nicht
mehr gerechtfertigt ist, sollte es unter engmaschiger
Die Körperinformationsflächen haben direkten Hautbeobachtung gegen ein informativeres Ma-
Einfluss auf den Muskeltonus und somit auch auf tratzensystem ausgetauscht werden.
die Körperhaltung. Besonders sensibel reagieren
> Jede Veränderung in der Raumlage ver-
Menschen mit einer schweren Schädigung des zen-
ändert auch die körperinformierenden
tralen Nervensystem auf die Ab- und Zunahme
Flächen. Jedes Bewegungsangebot muss
von Körperinformationsflächen. Die Körperinfor-
mit diesem Wissen erfolgen.
mationsflächen müssen so intensiv sein, dass der
Betroffene seinen Muskeltonus bestmöglich ein-
stellen kann. Aber nicht nur die Fläche beeinflusst 9.1.3 Selbsterfahrung:
den Muskeltonus und die Körperhaltung, sondern Veränderung der
auch die Festigkeit der Umgebung. Auch bei der Körperinformationsflächen
Wahl der Umgebung steht die Qualität der exter-
nen Information an erster Stelle. Während dieser Übungen können Sie die Verände-
rungen durch die sich verändernden Körperinfor-
mationsflächen kennenlernen. Finden Sie heraus,
Die Bedeutung der wie sich der Spannungszustand in der Muskulatur
9 Körperinformationsfläche: Leitsätze in unterschiedlichen Haltungen verändert.
4 Das Kopfkissen ist eine Körperinformations-
fläche und wird nicht ersatzlos aus dem Übung
Bett entfernt.
4 Lagerungskissen werden bei einem Lage- 4 Das Liegen im Bett:
wechsel nicht entfernt, sondern allenfalls 4 in Rückenlage,
reduziert und neu angepasst. 4 auf der Seite mit ausgestreckten
4 Je kleiner die Körperinformationsfläche, Beinen,
umso höher muss der Muskeltonus anstei- 4 auf der Seite mit angewinkelten
gen. Beinen,
4 Je größer und angepasster die Körperinfor- 4 in Bauchlage.
mationsfläche, desto größer der Einfluss 4 Das Sitzen:
auf die Regulation hinsichtlich Haltung 4 auf dem Matratzenrand,
und Muskeltonus. 4 auf dem Stuhl (Sitz auf der gesamten
4 Je härter die Körperinformationsfläche, Sitzfläche),
umso dichter sind die Informationen, die 4 auf dem Stuhl (Sitz auf der vorderen
der Körper des Betroffenen erfährt. Kante der Sitzfläche),
4 Je weicher die Körperinformationsfläche, 4 im Rollstuhl mit Fußrasten,
desto niedriger ist der externe Informa- 4 im Rollstuhl mit festem Kontakt zum
tionsfluss. Boden.
4 Das Stehen:
4 vor dem Bett auf beiden Füßen,
In diesem Zusammenhang wird innerhalb des CCC 4 auf einem Bein,
der unreflektierte Einsatz einer Antidekubitusmat- 4 auf den Zehenspitzen,
ratze sehr kritisch betrachtet. Bei Menschen mit 4 auf einer Zehenspitze,
einer schweren Schädigung des zentralen Nerven- 4 auf weichem Grund, z. B. einer
systems, bei denen aufgrund klinischer Merkmale Matratze.
ein solches System eingesetzt wird, muss gewähr-
9.2 · Einflussfaktoren auf die menschliche Bewegung
79 9
9.2 Einflussfaktoren auf 4 Adaptiv: Die Bewegungsangebote sind an die
die menschliche Bewegung jeweilige Situation angepasst. Die Anpassung
erleichtert dem Betroffenen die Nachvollzieh-
Der wohl wichtigste Einflussfaktor ist die Orientie- barkeit.
rung an den allgemeinen Prinzipien der normalen 4 Räumlich, zeitlich: Bewegungsangebote orien-
Bewegung. tieren und koordinieren sich an Raum und Zeit.
Die Merkmale der normalen Bewegung sind: Beides muss für den Betroffenen passend sein.
4 Bewegung ist zu einem hohen Prozentsatz au- Je langsamer das Bewegungsangebot, desto
tomatisiert. eher hat es einen Lerneffekt.
4 Bewegung verfolgt immer ein Ziel.
4 Bewegung verfolgt immer eine größtmögliche Die Bewegungsmöglichkeit und das Bewegungs-
Ökonomie. ausmaß sind von vielen Faktoren abhängig. Die
4 Bewegung verfolgt immer eine Adaptation. Stimmigkeit aller Faktoren bestimmen das Hand-
4 Bewegung verfolgt immer eine Koordination lungs- und Lernpotenzial.
zu Raum und Zeit.
jFaktoren der Beweglichkeit
Die Bewegungsangebote an den Menschen mit ei- 4 Vitale und vegetative Stabilität: Die Stabilität
ner schweren Schädigung des zentralen Nervensys- des vegetativen Nervensystems kann durch
tems müssen beinhalten, dass in einzelnen Bewe- passende Handlungen unterstützt werden. Be-
gungsmodulen oder Bewegungsketten eine größt- wegungsmaß und Bewegungsdauer müssen auf
mögliche Autonomie erzeugt wird. Sehr oft sind die Situation einer betroffenen Person abge-
lange Zeiträume notwendig, um zunehmende Be- stimmt sein. In vielen Situationen werden z. B.
wegungsräume zu erzeugen. Die Grundlage für Sitzzeiten in einem Rollstuhl maßlos übertrie-
diese Bewegungsgrundlage ist die konsequente Be- ben. Das Sitzen im Rollstuhl sollte fein beob-
rücksichtigung der oben genannten Merkmale: achtet und vor der Erschöpfungsgrenze sinnvoll
4 Automatisiert: Zur Automatisierung von ein- verändert werden. Nicht selten wird der Erfolg
zelnen Bewegungen und Bewegungsabläufen der Arbeit über die Dauer des Sitzens definiert,
bedarf es einer Vielzahl von wiederkehrenden und dies bedeutet meist das Sitzen über Stun-
Angeboten. Hierbei gilt »Neues nicht zu neu« den. Menschen mit einer schweren Schädigung
und »Altes nicht zu gleich«. In letzter Konse- des zentralen Nervensystems können in der Re-
quenz geht es darum, dass kleine, aber wahr- gel nicht stundenlang sitzen.
nehmbare Veränderungen in Bewegungsange- 4 Zeit: Die entsprechenden Angebote hinsicht-
boten integriert werden. lich Bewegung brauchen Zeit und zwar so viel
4 Zielführend: Einzelne Bewegungsangebote Zeit wie nötig!
müssen für den Betroffenen ein sinngebendes 4 Bewegungsempfindung: Es geht in erster Li-
Ziel ergeben. Die passive Bewegung z. B. der nie nicht darum, betroffene Menschen zu be-
Schuler, des Arms, der Hand und Finger verän- wegen, sondern darum, sie so zu bewegen, dass
dert vielleicht kurzfristig die Haltung, führt je- sie sich in Bewegung fühlen und empfinden
doch nur selten zu einem nachhaltigen Lernen. können. Jedes Bewegungsangebot ist ein thera-
In erster Linie geht es darum, dass der hirnver- peutisches Angebot.
letzte Mensch nicht der Bewegung halber be- 4 Sensomotorische Kontrolle: Wahrnehmung
wegt wird, sondern vielmehr darum, dass er ist eine Grundvoraussetzung für die Bewegung,
sich in Bewegung fühlt und ein spürbares Ziel und die Bewegung ist eine Grundvoraussetzung
erreicht. für die Wahrnehmung.
4 Ökonomisch: Bewegungen nehmen den direk- 4 Umfeld: Die Bereitschaft, entsprechende Be-
ten Weg. Die Konzeption von Bewegungsange- wegungsangebote anzunehmen, hängt auch
boten muss gewährleisten, dass die Kraftres- von der Gestaltung des Umfeldes ab. Ein Um-
sourcen des betroffenen Menschen ausreichen. feld, in dem Menschen gerne leben und andere
80 Kapitel 9 · Bewegung

gerne arbeiten, beeinflusst die Handlungen po- durch Druck informiert. Physikalisch ist der Druck,
sitiv. den ein Mensch insbesondere auf seine unteren
4 Rahmenbedingungen: Materialien wie Roll- Gelenke ausübt, im Stehen am stärksten. Aus dieser
stuhl und alle anderen benötigten Dinge müs- Tatsache lässt sich leicht ableiten, dass das oberste
sen vorhanden sein. Ziel hinsichtlich der Haltung im Raum das Stehen
4 Soziale Beziehung: Bewegung ist eine direkte ist. Viele Menschen mit einer schweren Schädigung
Form der Beziehung. Sie muss u. a. von Sicher- des zentralen Nervensystems können nicht frei ste-
heit, Zuverlässigkeit, Empathie geprägt sein. hen. Nicht selten verhindern »Spitzfüße« eine in-
4 Schwerkraft: Ohne die Schwerkraft zu berück- tensivere Arbeit in diese Richtung. Die Absicht,
sichtigen, ist eine bewegungsorientierte Arbeit dem Betroffenen vermehrt Stehangebote zu ma-
nicht möglich. chen, muss mit dem behandelnden Arzt bespro-
4 Sinnhaftigkeit: Bewegung muss für den betrof- chen werden, wobei die Fragen nach Einschrän-
fenen Menschen einen Sinn ergeben, das Ende kungen im Herz-Kreislauf-System und nach einer
einer Bewegung muss eine spürbare Handlung eventuellen Osteoporose im Mittelpunkt stehen.
sein. Eine Bewegung in Verbindung mit einer Um das Stehen zu ermöglichen, steht den handeln-
spürbaren und nachvollziehbaren Handlung ist den Personen eine Reihe von Hilfsmitteln zur Ver-
der Lernsockel für weitere positive Entwick- fügung:
lung. 4 Orthesen – informative Orthetik zur Niveau-
4 Schmerzfreiheit: Die Behandlung von Schmer- anpassung bei Spitzfüßen(. Abb. 9.1, . Abb.
zen hat oberste Priorität und gehört in die Hän- 9.2).
9 de von anerkannten Schmerztherapeuten. Die 4 Dorsale Beinschienen mit gewickelten Schie-
Therapiegrundlage ist das weltweit evaluierte nen zum gehaltenen Stehen, langsame Anbah-
Schema der WHO. Für jeden Betroffenen soll- nung mit Hilfe einer höhenverstellbaren Be-
ten zu bestimmten Zeiten detaillierte Schmerz- handlungsbank.
tagebücher geführt werden. 4 Stehbrett – besonders für die Anfänge ein sehr
4 Gleichgewicht: Menschen werden gehalten, geeignetes System. Über die Möglichkeit, den
gestützt, die Lage im Raum wird verändert und Stellwinkel zu bestimmen, kann das Stehen
dann kommt irgendwann der Moment, wo der schrittweise angebahnt werden. Auch bei dieser
betroffene Mensch imstande ist, seinen Kopf Methode kann es zu einer Kreislaufbelastung
oder seinen Oberkörper zu halten. Mitunter kommen, besonders bei einem Stellwinkel von
dauern die notwendigen Prozesse, die diese 30–40 Grad. Die Beobachtung und die Erhe-
Entwicklung möglich machen, Wochen, Mo- bung entsprechender Parameter sind unerläss-
nate, Jahre oder Jahrzehnte, und doch ist jeder lich. Aber nicht nur der Weg nach oben ist be-
Betroffene in der Lage, positive Entwicklungen sonders zu begleiten, auch auf dem Weg zurück
im Bereich der Bewegung oder vielleicht der muss der Oberkörper des Betroffenen durch
Eigenbewegung zu machen. eine leichte Drehbeugebewegung gehalten wer-
den.
4 Standy-Stehhilfe.
9.3 Das Stehen 4 Therapeutisches Laufband – hierbei trägt der
Betroffene ein Gurtgeschirr. Nach oben können
Der Muskeltonus bezeichnet die Höhe der vorherr- nun Gewichte (bis ca. 70–80 kg) abgenommen
schenden Grundspannung im Muskelsystem. Der werden. Ein geführtes und gewichtsreduziertes
Muskeltonus ist zwar kontinuierlich vorhanden, Gehen auf dem Laufband ist möglich.
aber nicht immer gleich hoch. Die Regulation und
Anpassung des Spannungszustands initiiert einer- Nicht alle betroffenen Menschen können ein Steh-
seits das Gehirn und andererseits die Stellungs- angebot erhalten. Verschiedene Komplikationen
sinnrezeptoren (Muskulatur, Sehnen und Gelenk- können das Angebot verzögern oder verhindern.
flächen). Die Stellungssinnrezeptoren werden Dazu gehören:
9.3 · Das Stehen
81 9

. Abb. 9.1 Langsame Anbahnung zum Stehen mit Hilfe informierender Orthesen

4 einsetzende Schmerzen, > Alle Angebote und Handlungen verändern


4 Spitzfüße, die weder eine Orthesenversorgung die Muskelspannung, und besonders
oder die Modellierung auf einem Vakuumkis- gestaltete Lernsituationen haben einen
sen zulassen, ausgesprochen positiven Einfluss auf die
4 fortgeschrittene Osteoporose, Muskelspannung.
4 medizinische Gründe: kardiovaskuläre Ein-
schränkung u. a. Bei der Arbeit mit dem CCC werden bezüglich der
Einflussnahme auf den Haltungstonus folgende
Sollte das Stehen (noch) nicht möglich sein, so gilt Faktoren vor dem Bewegungsangebot betrachtet:
als Merksatz: 4 Lage im Raum: In welcher Ausgangsposition
befindet sich der Betroffene?
> Stehen kann nicht jeder! – Gehen ist besser
4 Wie ist die Qualität und Größe der Körperin-
als Stehen, Stehen ist besser als Sitzen,
formationsflächen?
Sitzen ist besser als Liegen, die Seitenlage
4 Wie wirkt die Schwerkraft auf die Haltung?
ist besser als die Rückenlage.
4 Die Richtung: Bekommt der Betroffene pas-
Der Muskeltonus muss eine bestimmte Spannungs- sende Informationen hinsichtlich der Bewe-
qualität haben, um den Körper fortzubewegen. Die gungsrichtung?
Spannung muss einerseits so hoch sein, dass sich 4 Systemischer Ansatz: Sind die vorher gemach-
der Körper gegenüber der Schwerkraft aufrichtet, ten Angebote im Sinne des sensorischen Inputs
und andererseits muss sie niedrig genug sein, um geeignet, um die bestmögliche Bewegung und
den Köper am Ort oder im Raum zu bewegen. Haltung im Sinne des motorischen Outputs zu
erreichen?
82 Kapitel 9 · Bewegung

. Abb. 9.2 Die Orthesen ermöglichen, dass die Füße flächig Spürinformationen erhalten

9.4 Das Pflegebett 4 Das Pflegebett muss über ein verlängertes Kopf-
bzw. Rückenteil verfügen, welches verhindert,
Die Bedeutung des Pflegebetts ist ein leidiges The- dass der Oberkörper beim Hochstellen des
ma, welches wiederkehrend diskutiert wird. Inner- Kopfteils im Bereich der Brust- und Lenden-
halb des CCC stellt das Pflegebett einen bedeu- wirbelsäule einknickt, wodurch die Atemleis-
tenden Ruhe-, Wahrnehmungs- und Bewegungs- tung abnimmt.
raum dar. Aus den langjährigen Erfahrungen hat 4 Das Pflegebett muss über eine fünffache Ver-
sich folgendes Anforderungsprofil an ein geeig- stellmöglichkeit der Liegefläche verfügen. Da-
netes Pflegebett herausgestellt: durch kann einerseits eine aufrechte Sitzposi-
4 Ein Pflegebett braucht ein geeignetes Matrat- tion eingenommen werden, andererseits kann
zensystem. Die Matratze muss einerseits die das Pflegebett zusätzlich in die »Anti-Trende-
nötigen Informationen an den Körper geben, lenburg’sche Lage« gebracht werden. Beides
und andererseits muss das System drohende kombiniert ergibt eine mögliche Ausgangsposi-
Druckschäden der Haut verhindern. Eine hoch- tion zur Einnahme von Nahrung und Flüssig-
wertige Matratzenauflage, z. B. Trigo Therapie- keiten.
system für den Körper, wäre wünschenswert. 4 Die Höhenverstellbarkeit muss als tiefsten Wert
4 Die meisten verwendeten Pflegebetten sind 23–25 cm erreichen. Zum einen bedeutet dies
elektrisch verstellbar. Der Antrieb darf nur mit einen adäquaten »Fallschutz«, und zum ande-
dezenten Motorengeräuschen arbeiten. ren kann über verschiedene Transferarten ein
Liegen auf dem Boden ermöglicht werden.
9.5 · Das Bällebad
83 9
4 Der Seitenschutz (Bettgitter) muss im Bettge- 4 Körperinformationsfläche: Alle Materialien
stell integriert werden können. Konventionelle stellen eine Körperinformationsfläche dar. Vor
Bettgitter stellen eine nicht unerhebliche Be- einem Lagewechsel werden die Kissen nie weg-
hinderung des Sitzens auf dem Matratzenrand genommen, sondern allenfalls reduziert und
dar. Die Oberschenkel drücken mit viel Ge- neu angepasst.
wicht von oben auf die Bettgitter, dies ist 4 Kissen: Die Füllungsmaterialien bestimmen
schmerzhaft, und die Gefahr einer Fraktur im den Informationscharakter.
Bereich des Oberschenkels kann nicht gänzlich 4 Kleidung: Auch Kleidung ist ein adäquates In-
ausgeschlossen werden. Bei Menschen mit ei- formationsmittel. Menschen mit einer schweren
ner schweren Schädigung des zentralen Ner- Schädigung tragen prinzipiell Tages- bzw.
vensystems ist Osteoporose ein großes Thema. Nachtkleidung.
4 Das Pflegebett muss über ein Bremssystem ver-
fügen, welches zentral bedient werden kann.
9.5 Das Bällebad

9.4.1 Das Bewegen im Bett Dieses Angebot ist Vielen aus dem Bereich der sen-
sorischen Integration bekannt. Auch innerhalb der
Bewegungen zum Lagewechsel werden selektiv und primären Pflege im häuslichen oder vollstationären
mit intensiver Körperinformation angeboten Bereich muss das Bällebad ebenfalls angeboten
(. Abb. 9.3): werden. Diese Erfahrung stellt ein besonderes sen-
4 Hochbewegen im Bett, sorisches Erlebnis dar und auch hierbei bestimmt
4 Drehen auf die Seite mit »Bahnhofskissen« und das sensorische Angebot die motorischen Voraus-
Rückenkissen, setzungen mit. Das Bällebad ist eine Bereicherung
4 Bewegen eines Beines, und fördert das Gleichgewicht auf eine ganz spe-
4 Bewegen zur Bettseite. zielle Weise.
Zur Anwendung kommen zwischen 500 und
1000 Bälle, wobei das Gewicht des einzelnen Balls
9.4.2 Das informierende Material kaum spürbar ist. Erst das gespürte Gewicht vieler
im Bett Bälle ergibt eine nachvollziehbare Information. Die
große Anzahl der Bälle führt zu einer intensiven
Jegliches Umweltmaterial, mit dem der Betroffene körperlichen Erfahrung. Unter den Bällen liegend
in Kontakt kommt, wird als informierendes Mate- wird jegliche Eigenbewegung, jede Haltungs- und
rial bezeichnet. Die unterschiedlichen Qualitäten Tonusveränderung unmittelbar reflektiert (. Abb.
der Materialien informieren den Körper des Be- 9.6). Es ist darauf zu achten, dass die Bälle aus hygi-
troffenen auf unterschiedliche Art und Weise enischen Gründen nur in ein frisch bezogenes Bett
(. Abb. 9.4). gefüllt werden. Der betroffene Mensch wird vor
4 Kopfkissen: Das Kopfkissen informiert den diesem Angebot gewaschen und angezogen. Die
Kopf und muss modellierbar sein. Kunststoffbälle haben keine Perforation und kön-
4 Matratze: Durch die Wahl der Matratze wird nen somit mit flüssigem Desinfektionsmittel des-
der informierende Umgebungsdruck beein- infiziert werden. Dies passiert am besten in einer
flusst. Badewanne.
4 Bettdecke: Die normale Bettdecke kann eben- Das Bällebad kann an verschiedenen Orten an-
falls über das Gewicht bestimmt werden. Sollte geboten werden:
der Spannungszustand der Muskulatur zu hoch 4 innerhalb eines Rahmens aus mit Kunststoff
sein, bietet sich eine Sanddecke aus Neopren bezogenen Schaumstoffblöcken,
an. Durch die Sanddecke wird die dreidimens- 4 innerhalb des Pflegebettes,
ionale Information an den Körper verdichtet 4 in der Badewanne.
(. Abb. 9.5).
84 Kapitel 9 · Bewegung

9 . Abb. 9.3 Bei jeder Bewegung ist das Maß der Eigenbewegung zu integrieren. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam
Holzmann)

. Abb. 9.4 Selbst kleine unterstützende Flächen helfen, die Liegesicherheit zu erhöhen und den Muskeltonus zu senken
9.5 · Das Bällebad
85 9
Die erste Variante ist meist innerhalb von pädago-
gischen Einrichtungen (z. B. Kindergärten) oder in
Tagesförderstätten der Wiedereingliederungshilfe
zu finden. Die zweite und dritte Variante sind als
Anwendungsbereiche für den häuslichen und voll-
stationären Bereich sehr geeignet.

Vorgehen beim Bällebad im Pflegebett


4 Das Bettlaken wird nach oben umgeschla-
gen und mittels Holzzwingen am Kopf-
und Fußende fixiert.
4 Bevor die Bälle ins Bett eingebracht wer- . Abb. 9.5 Therapiesanddecke. (Mit freundl. Genehmigung
den, wird dem Betroffenen eine A- oder V- von Kerstin Schlee)
Lagerung angeboten und das Kopfteil des
Bettes wird nachfolgend erhöht. Die Erhö-
hung des Kopfteils verhindert, dass die Bäl-
le ins Gesicht des Betroffenen rollen. Dieses
Ereignis kann zu so großer Irritation bei
dem betroffenen Menschen führen, dass
dieser mit der Erhöhung seines Muskelto-
nus reagiert.
4 Sobald sich die Bälle im Bett befinden, kön-
nen die pflegenden Personen beobachten,
wie der Betroffene mit dieser Veränderung
umgeht. Weiterhin können sie die Bälle mit
ihren Händen leicht nach unten drücken
und diese gleichzeitig in Bewegung brin-
gen.
4 Ein weiteres förderndes Instrument ist die
Integration einer Lichtquelle. Hierfür bietet
sich eine Kaltlichtquelle an. Sie wird unter
die Bälle gelegt, woraufhin die Bälle in ih-
ren Farben erstrahlen.
4 Um die Bälle aus dem Bett zu entfernen,
wird das Laken an einer Ecke gelöst, so
dass die Bälle in einen Sack gefüllt werden
können. Auch kann eine kleine Kunststoff-
schüssel zum Entfernen der Bälle einge-
setzt werden.

Das gleiche Angebot kann in der Badewanne erfol-


gen mit dem Unterschied, dass eine wesentlich grö-
ßere Anzahl von Bällen benutzt werden kann. Die
Bälle werden alternativ zum Wasser angeboten. . Abb. 9.6 Jede Bewegung und jede Veränderung im
Das Angebot erfolgt in der Regel seltener in der Ba- Muskelspannungszustand wird durch die Therapiebälle
dewanne als im Bett. rückgemeldet
86 Kapitel 9 · Bewegung

9.6 Das Anziehen der Schuhe bereits im Bett angezogen, dieses kann sich zu
in liegender Position einem späteren Zeitpunkt verändern. Hierbei steht
nicht nur der Positionswechsel im Vordergrund,
Bei Menschen mit einer schweren Schädigung wer- sondern vielmehr die Frage, wie dieser Bewegungs-
den die Schuhe in der Regel im Liegen angezogen. übergang gestaltet werden kann, um das vestibuläre
Beim Anziehen der Schuhe im Sitzen wird durch System, den Muskeltonus und die Nachvollziehbar-
Anheben eines Beines die Körperinformationsflä- keit positiv zu beeinflussen. Das eigentliche Sitzen
che nach unten um 50% reduziert. Dies überfordert auf dem Matratzenrand ist im Grunde genommen
den betroffenen Menschen oft sehr. nur ein Zwischenergebnis, wesentlich interessanter
und entscheidender ist der Weg dorthin bzw. was
danach passiert. Vor dem Hinsetzen muss sich die
Vorgehen beim Anziehen der Schuhe pflegende Person darüber im Klaren sein, dass der
in liegender Position bevorstehende Positionswechsel von einer Redu-
4 Ausgangsposition kann eine Rückenlage- zierung der körperinformierenden Flächen beglei-
rung im Sinne einer A-Lagerung sein. tet wird. Alle Schritte müssen in einer Langsamkeit
4 Ein Bein wird unter der Berücksichtigung passieren, die dem Betroffenen die Möglichkeit
aller Bewegungsmerkmale aufgestellt. eröffnet, sich in Bewegung zu fühlen und die ein-
4 Die pflegende Person sitzt in Hüfthöhe zelnen Schritte sinngebend miteinander zu verbin-
neben dem Betroffenen im Bett. den.
4 Die pflegende Person beugt sich nach vor- Die verbleibenden Körperinformationsflächen
9 ne, bringt das Knie des Betroffenen hinter müssen dem Betroffenen die bestmögliche Infor-
seine Schulter und richtet sich gemeinsam mation zur Verfügung stellen. Hierfür sind fol-
mit dem Bein der betroffenen Person auf. gende Belange entscheidend:
Das Bein erhält einen Beugeauftrag, der 4 Kissen: Alle Kissen bleiben dem Betroffenen
Fuß löst sich von der Matratze und die pfle- erhalten – die KIF in Form von Kissen, die bis
gende Person kann mit beiden Hände den jetzt indiziert waren, bleiben am Körper der be-
Schuh anziehen. troffenen Person. Sie werden ausschließlich re-
duziert und nicht plötzlich entfernt.
4 Sitztiefe: auf welcher Länge haben die rück-
Diese Haltung ist prädestiniert dafür, weitere wärtigen Anteile der Oberschenkel den Kon-
Handlungen in einem regulierten Zustand anzu- takt mit der Sitzfläche?
bieten: 4 Unterstützung am Rücken: Die Information
4 Anziehen der Strümpfe, an den Körper kann personell oder materiell
4 Fußbad, verdichtet werden – personell durch eine Per-
4 Nagelpflege, son, die den Rücken großflächig informiert,
4 Mobilisation der einzelnen Fußregionen u. a. oder materiell z. B. durch einen Sitzsack oder
einen großen Schaumstoff-Pack, der sich im
Nach dem Hinlegen werden dem Betroffenen die Rücken der betroffenen Person befindet.
Schuhe in gleicher Art und Weise wieder ausgezo- 4 Stabilität an den Füßen: Bedingt durch unge-
gen. Bei Bedenken hinsichtlich der Hygiene kann eignete Pflegebetten erreichen die Füße der Be-
eine Unterlage eingesetzt werden. troffenen oftmals nicht flächig den Erdboden.
Durch den Einsatz eines stabilen und rutsch-
sicheren Fußpodests kann die KIF intensiviert
9.7 Das Hinsetzen werden.
4 Stabile Umwelt nach vorne: Genauso bedeu-
Dem Lagewechsel vom Liegen zum Sitzen kommt tend wie die KIF am Rücken ist ein orientie-
eine besondere Bedeutung zu. Grundsätzlich wer- rungsgebendes Angebot nach vorne. Ein sta-
den die Schuhe mittels einer angepassten Methode biler Tisch bietet eine wunderbare Möglichkeit,
9.7 · Das Hinsetzen
87 9
die Information an Körper, Raum- und Lage- lichkeiten und drückt sich mit dem weniger betrof-
verständnis zu vergrößern. fenen Arm von der Matratze ab.
4 Sicherung des Kopfes: Bei mangelnder Kopf-
haltekontrolle ist die sichernde, stabilisierende
und haltgebende Arbeit mit dem Kopf elemen- 9.7.2 Hinsetzen aus der Rückenlage
tar.
Bei vielen Menschen mit einer schweren Störung
Mitentscheidend für das Gelingen dieses Arbeits- des zentralen Nervensystems ist die Seitenlage als
schrittes ist die Körperhaltung der pflegenden Per- Vorbereitung zum Aufsetzen nicht unbedingt ge-
son gegenüber der betroffenen Person. Zum Zeit- eignet, sie brauchen mehr umgebende Informati-
punkt des Hinsetzens muss die pflegende Person onen und ein prinzipiell langsameres Vorgehen.
ihre Position unterhalb des Augenniveaus des Be- Der betroffene Mensch wird unter Berücksichti-
troffenen eingenommen haben. Sollte die pflegende gung der Gesamtsituation mittels selektiver Bewe-
Person stehen, verleiten wir den hirnverletzten gungsübergänge in die Rückenlage gebracht, natür-
Menschen aufgrund der gegenseitig gewünschten lich wird die Haltung des Kopfs permanent durch
sozialen Beziehung dazu, den markanten Bewe- ein Trigo Therapiesystem unterstützt. Schrittweise
gungspunkt Kopf nach hinten zu strecken, um in wird ein diagonales Liegen im Bett angeboten, da-
Augenkontakt zu kommen. Diese Bewegung des bei erfolgen die Bewegungsschritte des Beckens
Kopfes nach hinten bewirkt oftmals eine Gesamt- entweder in drehender Bewegung oder mittels An-
streckung des Oberköpers mit einhergehender und heben des gesamten Beckens und des Oberkörpers
ungünstiger Haltung des Oberkörpers. Ein Sitzen unter Anpassung und Einbeziehung der markanten
wird dadurch schnell unmöglich. Das Pflegebett Bewegungspunkte (. Abb. 9.8).
wird vor dem Hinsetzen in die niedrigste Position
eingestellt (. Abb. 9.7).
Die Ausgangslage vor dem Hinsetzen kann die Vorgehen beim Hinsetzen
Seitenlage in 90 Grad oder die Rückenlage sein. aus der Rückenlage
4 Das Kopfkissen wird wiederkehrend ange-
passt, damit erhält der Oberkörper die nö-
9.7.1 Hinsetzen aus der Seitenlage tige Unterstützung, um in einer angedeu-
teten gedrehten Haltung zu liegen.
Vorstellbar ist diese Ausgangsposition für Men- 4 Das Kopfteil des Pflegebettes wird durch
schen mit einer Halbseitensymptomatik infolge Körperkontakt begleitet und höher ge-
eines Schlaganfalls. Sie eignet sich für einen Men- stellt. Dieser Schritt muss unter Umständen
schen, der die Aktivität aktiv unterstützen kann. mehrfach wiederholt werden.
Der betroffene Mensch wird unter Berücksichti- 4 Nach jeder Veränderung einer Körperregi-
gung der Schulter- und Armposition auf die mehr on wird der zugeordneten Beckenseite ei-
betroffene Körperseite positioniert. Nachfolgend ne Druckinformation angeboten.
kommt es zum Angebot von selektiven Bewegungs- 4 Nach dieser Information kommt es zu einer
übergängen, bis der Betroffene seine Position am Lageveränderung einer Körperregion der
Matratzenrand gefunden hat. Auf dem gesamten gegenüberliegenden Körperhälfte, einher-
Weg wird das Trigo Therapiesystem nach jeder Ver- gehend wiederum mit einer Druckinforma-
änderung angepasst und neu modelliert. Die pfle- tion an Becken.
gende Person befindet sich vor dem Hinsetzen in 4 Diese wechselhaften Schritte können sich
kniender Haltung vor dem Bett. Die Beine finden bis Ende der Handlung wiederholen.
den Weg nach außen, und dem Oberkörper wird 4 Das nahe am Matratzenrand liegende Bein
bei gleichzeitigem spürbarem Druck auf das Be- wird schrittweise nach außen geführt, wo-
cken eine drehende und beugende Bewegung ange- 6
boten. Gleichzeitig nutzt der Betroffene seine Mög-
88 Kapitel 9 · Bewegung

. Abb. 9.7 Beim Hinsetzen ist das Pflegebett in die niedrigste Einstellung gebracht. Der Druck auf das Becken leitet die
Aufrichtung des Oberkörpers ein und lässt die unmittelbare Umgebung spürbar sein

Auf dem Matratzenrand sitzend können dem hirn-


bei der Fuß auf einem Fußpodest zum Ste- verletzten Menschen geeignete Angebote gemacht
hen kommt. Das Kopfteil des Pflegebettes werden:
ist dabei anzupassen. 4 Die Oberbekleidung sollte, wenn möglich, oh-
4 Über die bewegungseinleitende Verände- nehin ausschließlich im Sitzen anzogen werden.
rung der markanten Bewegungspunkte am Findet das Anziehen im Sitzen statt, wirkt die
Oberkörper und gleichzeitigem Druck aufs Schwerkraft bewegungsfördernd, wird das An-
Becken kommt der Oberkörper mittels ziehen der Oberbekleidung im Bett angeboten,
einer Drehbeugebewegung nach oben ist der Einfluss der Schwerkraft bewegungsstö-
und kann ggf. auf dem Ellenbogen gestützt rend.
ruhen. 4 Im Liegen müssen die entsprechenden Regio-
4 Die Lage der Beine wird selektiv angepasst. nen wie Kopf, Arme oder Rumpf gegen die
4 Schrittweise kommt die betroffene Person Schwerkraft bewegt werden. Dies löst in der
in den Sitz. Die Körperinformationsflächen Regel einen hohen Muskelspannungszustand
werden angepasst, z. B. durch Sitzkorrektur aus, der wiederum viele nachfolgende Ange-
des Beckens mittels des Schinkengangs. bote beeinträchtigt.
4 Die pflegende Person befindet sich auch 4 Das Sitzen auf dem Matratzenrand ist eine ge-
bei diesem Transfer in kniender Haltung eignete Ausgangsposition, um eine positive
vor dem Bett. orale Erfahrung in Form von Essen, Trinken
oder einer therapeutischen Mund- oder Zahn-
pflege zu machen.
9.7 · Das Hinsetzen
89 9

. Abb. 9.8 Die ersten Schritte des diagonalen Aufstehens mit einem Bein voraus
90 Kapitel 9 · Bewegung

4 Das Hinsetzen muss für den Betroffenen nach- 4 Sitztiefe: Die Sitztiefe und die Fläche des Kon-
vollziehbar und plausibel sein. Umso leichter takts zur Matratze wird umfangreicher.
fällt es ihm, das Hinsetzen z. B. mit dem Aufste- 4 Unterstützung am Rücken: Auch beim Hinle-
hen in Verbindung zu bringen. gen können personelle oder materielle Infor-
mationen an den Körper erforderlich sein.
4 Stabilität an den Füßen: Das Fußpodest be-
9.8 Das Hinlegen gleitet auch den gesamten Verlauf des Hin-
legens.
Das Hinlegen ist für den Gesamtverlauf genauso 4 Stabile Umwelt nach vorne: Als Ausgangspo-
ausschlaggebend wie das Hinsetzen. Grundsätzlich sition für das Hinlegen oft geeignet. Die Schritte
werden die Schuhe mittels einer angepassten Me- können auch bei schwerstbetroffenen Men-
thode in der Regel erst im Bett ausgezogen. Auch schen kleiner werden, je passender die Umge-
dieses kann sich zu einem späteren Zeitpunkt ver- bungshilfe ist.
ändern. Inhalte wie Regulation des vestibulären 4 Sicherung des Kopfes: Bei mangelnder Kopf-
Systems, des Spannungszustands der Muskulatur, haltekontrolle ist die sichernde, stabilisierende
die Sinnhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit sind und haltgebende Arbeit mit dem Kopf elemen-
entscheidend für den Bewegungsablauf. Neben der tar.
Festlegung der Inhalte ist die Bestimmung des Zeit-
punktes wesentlich. Der Mensch mit einer schweren
Störung des zentralen Nervensystems darf seine 9.9 Der Körperkontakt
9 Belastbarkeitsgrenze nicht überschreiten. Sollte bei Veränderung der Umwelt
dies doch passieren, werden Prozesse wie Hinlegen
und nachfolgend Lagewechsel sehr viel schwieriger
> Der Körper der hirnverletzten Person sollte
sein.
niemals ohne eine gleichzeitige Berührung
Auch beim Hinlegen sind die einzelnen Weg-
durch die pflegende Person bewegt wer-
punkte das Interessante und Entscheidende. Vor
den.
dem Hinlegen muss sich die pflegende Person dar-
über im Klaren sein, dass auch dieser Positions- Beim Bewegen im Bett oder beim Transfer ist dies
wechsel von einer Veränderung der KIF begleitet selbstverständlich, aber auch bei Bewegung des
wird. Alle Schritte müssen ebenfalls in einer Lang- Körpers im Raum muss die begleitende Berührung
samkeit passieren, die dem Betroffenen die Mög- gewährleistet sein.
lichkeit gibt, einzelne Schritte als sinnhaft zu erken-
nen. Beim Hinlegen verringern sich die KIF nicht,
sondern sie verdichten sich. Die adäquate Anpas- 9.9.1 Die begleitende Berührung
sung der KIF während des Hinlegens ermöglicht beim Verstellen des Bettes
dem Betroffenen, die Handlung als informativ und
schutzgebend zu erleben. Die Trigo Therapiesyste- Jegliche Verstellung des Bettes oder einzelner Sek-
me, das Ruhen auf dem Ellbogen, die Seitenlage im tionen des Bettes muss mit einem Körperkontakt
Bett, das Kissen vor dem Bauch u. v. m. bieten die begleitet werden (. Abb. 9.10). Nicht nur die Ver-
wesentlichen KIF beim Hinlegen (. Abb. 9.9). stellung der Betthöhe muss begleitet werden, son-
Die verbleibenden Körperinformationsflächen dern auch die Verstellung des Kopf- und Fußteils
müssen dem Betroffenen die bestmögliche Infor- und das Absenken und Heraufziehen der seitlichen
mation zur Verfügung stellen. Hierfür sind fol- Fallschutze. Für den Kontakt bietet sich das Ster-
gende Belange entscheidend: num an. Dieser Bereich ist körpernah und gibt dem
4 Kissen: Alle nötigen Kissen kehren wieder zu- betroffenen Menschen die Möglichkeit zu spüren.
rück – die KIF in Form von Kissen, die bis jetzt
indiziert waren, kommen zurück zum Körper
der betroffenen Person.
9.9 · Der Körperkontakt bei Veränderung der Umwelt
91 9

. Abb. 9.9 Beim schrittweisen Hinlegen kann jederzeit auf Körperinformationsflächen zurückgegriffen werden.
(Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)
92 Kapitel 9 · Bewegung

9
. Abb. 9.10 Jede Veränderung im Raum, ob im Bett oder Rollstuhl, wird mit einem kontinuierlichen Kontakt zum Körper der
betroffenen Person begleitet. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)

9.9.2 Die begleitende Berührung 4 Duschliege – Behandlungsliege,


beim Fahren mit dem Rollstuhl 4 Behandlungsliege – Stehbrett,
4 Rollstuhl – Stehbrett,
Jegliche Veränderung der Sitzposition und jede 4 u. v. a.
Fahrt mit dem Rollstuhl muss mit einem Körper-
kontakt begleitet werden. Insbesondere beim Fah-
ren mit dem Rollstuhl kann über Berührungsdruck 9.10.1 Der Transfer über den Stand
ein Wechsel der Fahrtrichtung angezeigt werden.
Hinsichtlich des Fahrens ist nicht nur die begleiten- Für den Transfer über den Stand muss der Betrof-
de Berührung von großer Bedeutung, sondern fene über einige Leistungsmerkmale verfügen.
auch die Fahrgeschwindigkeit. Diese muss immer Menschen, die aufgrund eines Schlaganfalls eine
betont langsam angeboten werden. Für den Kon- Hemiplegie zurückbehalten haben, sind zu einem
takt bietet sich der Schulterbereich an. bestimmten Zeitpunkt ihrer Entwicklung prädes-
tiniert, den Transfer über den Stand angeboten zu
bekommen. Als Voraussetzung dafür muss das we-
9.10 Der Transfer niger betroffene Bein in der Lage sein, Anteile des
Körpergewichts zu übernehmen, das Handling und
Folgende Transferwege können angeboten werden: die Unterstützung des mehr betroffenen Beins wird
4 sitzender Transfer auf dem Bett, durch die pflegende Person gewährleistet. Der Ab-
4 Bett – Rollstuhl, lauf des Transfers über den Stand wird nachfolgend
4 Bett – Toilettenstuhl, aus Sicht der pflegenden Person beschrieben:
4 Toilettenstuhl – Duschliege,
9.10 · Der Transfer
93 9
9.10.2 Der Brückentransfer
Vorgehen beim Transfer
über den Stand Der Transfer findet unter Einsatz eines Rutsch-
4 Das Hinsetzen aus liegender Position und brettes statt. Das Rutschbrett wird nicht mit der In-
der Sitz auf dem Matratzenrand ist die tention des Rutschens angeboten, sondern stellt ein
wichtigste Voraussetzung für den nachfol- intermittierendes Angebot einer spürbaren Umge-
genden Transfer. bung dar. Wenn möglich findet der Brückentrans-
4 Die pflegende Person verändert die unter- fer ohne Gefälle z. B. zwischen Bett und Rollstuhl
stützende Fläche bewusst. statt. Der Brückentransfer ist innerhalb der Arbeit
4 Beide Knie der pflegenden Person unter- mit dem CCC ein bevorzugter Transfer. Er ermög-
stützen das mehr betroffene Bein in Knie- licht eine variable Gestaltung der einzelnen Trans-
höhe. ferschritte. Auch über eine horizontale Fläche kann
4 Die Knie der pflegenden Person vermeiden eine Fortbewegung im Raum initiiert werden. Ent-
den knöchernen Kontakt. scheidend für den Erfolg des Transfers ist die inter-
4 Die Körpergewichte der betroffenen Per- mittierende intensive Körperinformation nach je-
son werden bewusst verändert. dem Schritt. Durch den sicheren Sitz auf dem Brett
4 Die Hände der pflegenden Person befin- können, unterstützt durch die entsprechenden Ge-
den sich am Körper des Betroffenen, eine wichtsverlagerungen, die Beine bzw. Füße bewegt
Hand am rückwärtigen Thorax und die und neu gestellt werden.
zweite Hand unter dem Gesäß der betrof-
fenen Person, so dass der Sitzbeinhöcker in
9.10.3 Der Notfalltransfer
der Handfläche ruht.
4 Die Stellung der Hände bleibt auch im
Stand. Es gibt bestimmte Ereignisse oder Situationen, bei
4 Nachdem sich der Betroffene an das Ste- denen der Transfer z. B. vom Rollstuhl ins Bett
hen adaptiert hat, verlagert die pflegende möglichst schnell und ohne körperliche Anstren-
Person das Körpergewicht der betroffenen gungen für den Betroffenen durchgeführt werden
Person wechselnd auf das weniger und muss. Diese Transferformen sind als passive Trans-
mehr betroffene Bein. fers zu bewerten. Der betroffene Mensch muss da-
4 Das mehr betroffene Bein macht den ers- bei kaum eine Eigenleistung aufbringen.
ten Schritt in dem Moment, in dem das
jKnietransfer
Körpergewicht des Betroffenen auf dem
weniger betroffenen Bein ruht. Der Knietransfer ist ein sitzender Transfer. Dabei
werden ein oder beide Beine der betroffenen Per-
son über den Oberschenkel der ebenfalls sitzenden
Person gelegt. Die pflegende Person führt seine
Der Erfolg dieses Transfers ist in erster Linie von Beine zusammen und gibt damit den Beinen des
der angepassten Organisation des Umfelds abhän- Betroffenen den nötigen Halt (. Abb. 9.12). Der
gig. Die Entscheidung, an welcher Seite sich der Transfer wird über die Gewichtsverlagerungen ein-
Rollstuhl, Stuhl oder die Toilette befindet, ist be- geleitet. Der Kopf und der Oberkörper des Betrof-
wusst zu treffen. Als sicherndes und unterstüt- fenen werden in eine gebeugte Haltung gebracht,
zendes Hilfsmittel kann insbesondere beim stehen- wodurch dem Becken Gewicht abgenommen wird.
den Transfer vom Bett in den Rollstuhl das Trans- Durch die Gewichtsabnahme entwickelt sich die
ferbrett dienen, die damit gestaltete Brücke kann Möglichkeit zur Bewegung. Wie bei jedem Transfer
bei Bedarf als Ruhestation genutzt werden. wird die Gesamtstrecke nicht mit einem Schritt zu-
rückgelegt. Durch Implementierung eines festen
Kissens zwischen Bett und Rollstuhl oder die Ver-
94 Kapitel 9 · Bewegung

. Abb. 9.11 Die Motivation zum Nutzen des Transferbrettes ist nicht das Rutschen, sondern vielmehr der schrittweise
Transfer mit wiederkehrenden und spürbaren Informationen der stabilen Umwelt

wendung eines Rutschbrettes wird eine »Brücke« des eigenen Körpers dar. Sitzmöglichkeiten können
gebaut. dem betroffenen Menschen an den unterschied-
Einzelne Transferstrecken sind selten größer als lichsten Orten angeboten werden, und dafür stehen
15–20 cm und das Becken des betroffenen Men- dem CCC eine Vielzahl von Bewegungswegen zur
schen nimmt nach jedem Schritt wieder Kontakt Verfügung.
mit der Unterlage auf. Stück für Stück findet der
Ortswechsel statt. Es ist zwingend darauf zu achten,
dass der Ortswechsel mit einer Langsamkeit pas- 9.11.1 Sitzen im Bett
siert, um dem hirnverletzten Menschen die Mög-
lichkeit zu eröffnen, dem Angebot zu folgen. Um Das Bett, in dem der hirnverletzte Mensch liegt,
den Halt und das Sicherheitsgefühl des Betroffenen muss eine Vielzahl von Verstellmöglichkeiten auf-
zu vergrößern, wird während des gesamten Trans- weisen. In konventionellen Pflegebetten schafft das
fers das Trigo Therapiesystem für den Rumpf vor Hochstellen des Kopfteils nur eine unzureichende
dem Bauch platziert. Voraussetzung zum Sitzen. Ein Sitzen im Bett ist
jedoch nicht nur durch das hochgestellte Kopfteil
möglich.
9.11 Das Sitzen Ausgesprochen fördernde Sitzpositionen sind
das Sitzen am Kopfende, das Sitzen im Schneider-
Das Sitzen stellt für den Betroffenen eine erweiterte sitz mit personeller Unterstützung und das Sitzen
Wahrnehmungsmöglichkeit der Schwerkraft und bei hochgestelltem Kopfteil mit personeller Unter-
9.11 · Das Sitzen
95 9

. Abb. 9.12 Der Knietransfer gehört zu den passivsten Transferarten und wird nur in Ausnahmesituationen angewandt.
(Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)

stützung. Das Sitzen am Kopfende kann über eine 9.11.2 Sitzen auf dem Bettrand
atemunterstützende Kissenlagerung unterstützt mit personeller Unterstützung
werden (. Abb. 9.13).
Mögliche Bewegungswege können der Gesäß- Ein freies Sitzen auf dem Matratzenrand ist für
gang oder der »australische Lifter« sein. Der Ge- viele Menschen mit einer schweren Schädigung des
säßgang findet schrittweise durch Gewichtsver- zentralen Nervensystems nicht möglich. Ist das
lagerung im Beckenbereich statt und der austra- Hinsetzen erfolgt, benötigt der Betroffene in der
lische Lifter muss mit zwei Personen unterstützt Regel personelle Unterstützung auch im Rücken
werden. (. Abb. 9.14).
96 Kapitel 9 · Bewegung

. Abb. 9.13 Die Wand hinter dem Bett kann unter Zuhilfenahme des Trigo Therapiesystems für die A-Lagerung zu einer sehr
stabilisierenden und informierenden räumlichen Hilfe werden. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)
9.11 · Das Sitzen
97 9

. Abb. 9.14 Schaumstoff-Packs sind sinnvolle Hilfen, wenn es um die informative Gestaltung des direkten Umfeldes geht

9.11.3 Sitzen im Rollstuhl die Füße eine ausgeprägte Innenrotation erfahren,


wobei sich die dadurch bedingte ungünstige Hal-
Nicht angepasste Rollstühle können sich ausge- tung bis zum Kopf weiterleitet. Betrachtet man den
sprochen ungünstig auf den Muskeltonus und die Standardrollstuhl von der Seite, fällt auf, dass die
Körperhaltung des Betroffenen auswirken (. Abb. Radachsen räumlich gesehen weit hinter den Sitz-
9.15). Insbesondere bei hirnverletzten Menschen beinhöckern stehen. Dies erschwert eine autonome
mit einer Halbseitensymptomatik finden sich oft- Fortbewegung via Radbewegung wesentlich.
mals »Standardrollstühle«. Diese Form des Roll-
stuhls macht in der Regel keinen Sinn. Die diversen
Problemzonen des Rollstuhls erzeugen bei dem 9.11.4 Sitzen im Sitzsack
Betroffenen eine Vielzahl von Problemen. Das Sitz-
tuch lässt die Hüften nach innen rotieren, der Be- Der Bedarf an Unterstützung und an notwendiger
troffene rutscht nach vorne, und das Becken be- informativer Umgebung beeinflusst die Auswahl
findet sich in einer ausgeprägten Beugehaltung, des Sitzinstrumentes mit. Für betroffene Menschen,
wodurch die Beine eine vermehrte Adduktion und die einen hohen Bedarf an körperinformierender
98 Kapitel 9 · Bewegung

. Abb. 9.15 Das gute Sitzen im Rollstuhl unter Berücksichtigung der möglichen Sitzzeit eröffnet eine andere Erlebniswelt.
(Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)
9.11 · Das Sitzen
99 9
Umgebung haben, scheint die Anwendung eines 4 Halbhoher Sitz:
Sitzsacks einen sehr positiven Einfluss zu haben. 4 Angebote der warmen Kompresse,
Der Sitzsack kann nicht nur im Raum, sondern 4 Durchführung einer therapeutischen
auch im Bett angeboten werden (. Abb. 9.16). Mundpflege unter bestimmten
Die Lagerung im Sitzsack kann für verschie- Voraussetzungen,
dene Handlungsangebote geeignet sein. Prädesti- 4 Durchführung einer therapeutischen
niert ist das Sitzen für das Anreichen von Essen, Zahnpflege unter bestimmten
Trinken sowie für die Durchführung einer thera- Voraussetzungen,
peutischen Mund- und Zahnpflege u. v. a. Beson- 4 Angebot einer schluckstörungsorientierten
ders Menschen mit schwersten Störungen des zen- logopädischen Therapie in der
tralen Nervensystems reagieren ausgesprochen Anbahnungsphase,
positiv auf diese Sitzlagerung. Durch das feste und 4 extra- und intraorale Angebote,
formbare Inlet erfährt der Betroffene ein ausge- 4 wirkende Handmassage,
sprochen informierendes Sitzen. Die externen In- 4 Körperwaschung,
formationen nehmen zu, und der Haltungstonus 4 Gesichtsmassage,
kann sich zu regulieren beginnen. Durch diese Re- 4 Ruheposition u. a.
gulation nehmen Bewegungsfähigkeiten seitens des 4 Liegende Position (Seitenlage):
Betroffenen zu. Neben dem Muskeltonus verän- 4 Angebote der warmen Kompresse,
dern sich auch die Atmung und die Schluckkompe- 4 Durchführung einer therapeutischen
tenz. Die positiven Veränderungen stellen sich Mundpflege unter bestimmten
meist dann ein, wenn die Umgebung für den be- Voraussetzungen,
troffenen Menschen spürbarer wird. 4 Durchführung einer therapeutischen
Der Sitzsack muss so stabil positioniert werden, Zahnpflege unter bestimmten
dass er nur minimal seine Form verändert, sobald Voraussetzungen,
der betroffene Mensch in den Sitzsack transferiert 4 extra- und intraorale Angebote,
wird. Entweder wird der Sack in eine Zimmerecke 4 wirkendes Handbad,
gestellt oder in ein besonderes Sitzgestell. Durch 4 wirkende Handmassage,
unterschiedliche Falttechniken nimmt der Sitzsack 4 Körperwaschung,
seine gewünschte Form ein. Die Varianten der La- 4 Atemförderung,
gerung im Sitzsack eignen sich für verschiedene 4 Ruheposition u. a.
Angebote: 4 Bananenform:
4 Hoher Sitz: 4 Ruheposition,
4 Anreichen von Nahrung, 4 Körperwaschung,
4 Anreichen von Trinken, 4 Einflussnahme auf die Beinhaltung u.a.
4 Angebote der warmen Kompresse,
4 Durchführung einer therapeutischen Der Transfer in den Sitzsack kann vom Bett, aus
Mundpflege, dem Rollstuhl heraus oder über den Stand durch-
4 Durchführung einer therapeutischen geführt werden. Die größtmögliche Praktikabilität
Zahnpflege, wird durch den Rutschbretttransfer erzielt. Auch
4 Angebot einer schluckstörungsorientierten bei diesem Einsatz des Rutschbrettes ist die Motiva-
logopädischen Therapie, tion nicht das möglichst unkomplizierte Rutschen,
4 extra- und intraorale Angebote, vielmehr ermöglicht es einen langsamen Transfer
4 wirkendes Handbad, in vielen kleinen Schritten. Nach jedem Transfer-
4 wirkende Handmassage, schritt kehrt der Betroffene zurück zu einer spür-
4 Körperwaschung, baren Umgebung.
4 Ankleiden des Oberkörpers u. a. Der Sitzsack findet auch im Bett seine Anwen-
dung. Er kann die Funktion der Matratze überneh-
men, der Sitzsack liegt dann auf der Matratze. Das
100 Kapitel 9 · Bewegung

. Abb. 9.16 Der Sitzsack bietet eine große modellierbare Fläche und kann eine funktionsunterstützende Haltung erzeugen.
(Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)
9.11 · Das Sitzen
101 9
Hinlegen ist bei sehr weit herunter fahrbaren Bet- 4 Welche zusätzlichen spürbaren Umweltinfor-
ten gut möglich, bei herkömmlichen Betten wird mationen werden benötigt (Tisch, Wand etc.)?
die Positionierung nur mittels Patientenlifter 4 Muss ein Fußpodest hinsichtlich der Erdver-
durchführbar sein. Auch dieser Liftertransfer stellt bundenheit angeboten werden?
eine absolute Ausnahme dar. Durch die spürbare, 4 Welche spürbare und bewegte Handlung folgt?
informierende und feste Liegefläche kommt es be-
sonders während außerklinischer Beatmungen zu Viele Fragen und Antworten werden im Laufe der
einer atemorientierten Reflexion. Bei jedem Atem- Handlung hinzukommen.
zug kommt es zu einer körperlichen Information. Um den Betroffenen beim Zurückrutschen im
Von der Seitenlagerung bis zum Sitzen im Bett ist Stuhl zu unterstützen, bietet sich zum einen das
alles möglich. »Beckengehen« durch entsprechende gegenläufige
Wenn der Betroffene eine sitzende Position auf Gewichtsverlagerung oder zum anderen der Ein-
dem Matratzenrand einnimmt, kann der Sitzsack satz der »Kniewelle« an. Durch die Kniewelle kann
als modellierbare Körperinformationsfläche den das Zurücksetzen halbhoch oder stehend angebo-
Rücken des Betroffenen unterstützen. Gleichzeitig ten werden. Bei der halbhohen Variante ist es der
kann er der pflegenden oder behandelnden Person pflegenden Person möglich, der betroffenen Person
als Sitzinstrument dienen. Dieses Arrangement gegenüberzusitzen.
macht eine besonders produktive extra- und intra- Wird das Sitzen mit personeller Unterstützung
orale Arbeit durch Einsatz des hinteren Kieferkon- geplant, stellt die pflegende Person ein Bein hinter
trollgriffes möglich. Bei dieser Arbeitssequenz hat den hirnverletzten Menschen, so dass der Unter-
der betroffene Mensch einen stabilen Tisch als schenkel Kontakt mit dem Rücken der betroffenen
Stütz- und Sicherungsinstrument vor sich stehen. Person hat. In dieser Position kann mittels eines
hinteren Kieferkontrollgriffes das Essen und Trin-
ken unterstützt werden, wobei die Schulterpartie
9.11.5 Sitzen und Bewegen im Stuhl der pflegenden Person einen adäquaten Einfluss
auf die Kopfhaltung des Betroffenen hat. Der hinter
Das Sitzen im Stuhl stellt eine sehr fördernde Posi- dem Becken stehende Fuß der pflegenden Person
tion im Raum dar. Es kommt zu zusätzlichen Trans- kann nach abgeschlossener Spürinformation die
fersituationen, und der Transfer an sich wird inner- entsprechende »Körperweltinformation« geben.
halb des CCC als förderndes pflegetherapeutisches Neben dem aktiven Sitzen ist auch ein kleines
Angebot betrachtet. Ruheangebot an die betroffene Person zu gestalten.
Sobald es die Gesamtsituation des betroffenen Der Oberkörper des Betroffenen kann dabei nach
Menschen zulässt, sollte das Sitzen im Stuhl ein fes- vorne auf einer Tischplatte ruhen, wobei der Kopf
ter Bestandteil des pflegetherapeutischen Angebots auf einem Pack liegen kann. Diese Haltung ermög-
werden. Mögliche Transferwege in den Stuhl wer- licht, dass sich Sekrete aus dem Mundraum der
den an anderer Stelle beschrieben. Sitzt der Betrof- Schwerkraft entsprechend entleeren können. Da
fene nach einem geeigneten und angepassten Packs in der Regel einen Bezug aus Kunstleder auf-
Transfer im Stuhl, kann die benötigte, unterstüt- weisen, ist zwingend darauf zu achten, dass die ent-
zende Informationsfläche bestimmt werden. sprechende Gesichtshälfte bzw. die Stirnpartie auf
Für die Bestimmung der Fläche benötigen fol- einem Baumwolltuch zu liegen kommt. Ebenfalls
gende Fragen eine Antwort: ist diese nach vorne liegende Position wunderbar
4 Wie viel Körperinformationsfläche ist nötig, für das Angebot einer therapeutischen Mund- bzw.
damit der betroffene Mensch seinen Span- Zahnpflege geeignet.
nungszustand in der Muskulatur so weit wie Das Sitzen im Stuhl ist für bestimmte Angebote
möglich regulieren kann? dem Sitzen im Rollstuhl vorzuziehen. Innerhalb
4 Wird das Sitzen im Stuhl mit oder ohne perso- von vollstationären Einrichtungen können diese
nelle Unterstützung angeboten? Angebote gut von der Familie begleitet werden.
102 Kapitel 9 · Bewegung

9.12 Das Anziehen der Schuhe


in sitzender Position 4 Wenn der Fuß und das Sprunggelenk
nicht genügend Halt und Stabilität ha-
Das Anziehen der Schuhe in sitzender Position be- ben, muss das Sprunggelenk durch die
deutet für den Betroffenen oftmals ein Handlungs- Anlage einer Kurzzugbinde gestützt wer-
angebot, welches mit zum Teil extremer Unsicher- den. Die Kurzzugbinde wird in sitzender
heit und Instabilität der Körperhaltung verbunden Position über den Schuh gewickelt. Sie
ist. Sitzt ein betroffener Mensch mit schwerer Stö- wird nicht nur bei herabgesetztem Mus-
rung des zentralen Nervensystems auf dem Matrat- keltonus angewendet, sondern auch bei
zenrand, ist dies meist schon schwierig genug, und zu hohem Tonus. Ist der Tonus niedrig,
nun wird zum Anziehen des Schuhs ein Fuß vom stützt die Binde, ist der Tonus zu hoch,
Boden gelöst. Das Lösen des Fußes von der Erde erzeugt die Kurzzugbinde eine Zunahme
bedeutet, dass die körperinformierende Fläche der der externen Information.
Füße um 50% reduziert wird. Diese Reduktion er-
fordert eine vollkommen andere und umfassendere
Fähigkeit, den Körper zu halten und den Muskelto- Für das Ausziehen der Schuhe gelten dieselben all-
nus innerhalb kurzer Zeit anzupassen. gemeinen Prinzipien. Auch hierbei ist die Berück-
Für die Durchführung dieser alltäglichen sichtigung des systemischen Ansatzes entschei-
Handlung gibt es einige Besonderheiten zu beach- dend. Die Ergebnisqualität des An- oder Auszie-
ten: hens der Schuhe beeinflusst unmittelbar die nach-
9 folgenden Handlungen. Im einen Fall kann dadurch
der Transfer optimiert werden, im anderen Fall
Vorgehen beim Anziehen der Schuhe wird das Hinlegen positiv beeinflusst.
in sitzender Position
4 Bevor die Schuhe angezogen werden, müs-
sen das Becken, der Rumpf und der Kopf 9.13 Der Schulterhalt
eine stabile Position eingenommen haben.
Wenn nötig, befindet sich eine zweite Per- 9.13.1 Schulter- und Handhalt
son im Rücken der betroffenen Person und im Liegen
vermittelt zusätzliche körperinformierende
Flächen. Der stabile Sitz kann auch durch Menschen mit einer schweren Schädigung des
das rückwärtige Einbringen eines Sitzsacks zentralen Nervensystems haben aufgrund eines
erzeugt werden. herabgesetzten oder erhöhten Spannungszustands
4 Das Gewicht muss über das Becken auf die große Probleme, eine oder beide oberen Extremi-
gegenüberliegende Seite verlagert wer- täten zu halten. Insbesondere beim Angebot einer
den, um den entsprechenden Fuß vom Seitenlage (90 Grad und mehr) kommt es oftmals
Boden lösen oder das Bein bewegen zu zu der Situation, dass der obere Arm nebst der
können. Auch hier gilt das allgemeine Schulter nach vorne fällt. Dies beeinträchtigt nicht
Prinzip »Punctum fixum schafft Punctum nur die Haltung der beschriebenen oberen Extre-
mobile«. mität, sondern bewirkt auch, dass der thorakale
4 Das Bein wird während der Handlung nicht Raum kleiner wird, wodurch das Atemvolumen
gestreckt, es wird in gebeugter Haltung tendenziell abnimmt. Die Einflussnahme auf die
bewegt. Die Streckung und die Vorwärts- Atemleistung muss konsequent positiv beeinflusst
bewegung des Beines würden auch einen werden, da der hirnverletzte Mensch mit einer
zunehmenden Streckauftrag an den Ober- Halbseitensymptomatik ohnehin ein erhöhtes Risi-
körper richten. ko der Entstehung einer Pneumonie hat, darf dieses
6 durch eine ungünstige Lagerung nicht noch größer
werden. Der adäquate Halt der Schulter kann mit-
9.13 · Der Schulterhalt
103 9

. Abb. 9.17 Einfach und wirkungsvoll. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)

tels eines implementierten Tuchs (ein Badehand- Sollte eine schwerwiegende Schädigung des zentra-
tuch ist bestens geeignet) hergestellt werden. len Nervensystems vorliegen, können die beschrie-
Das Badehandtuch verhindert, dass der Arm benen Angebote ebenfalls für eine positive Verän-
und auch die Schulter der Schwerkraft folgen. Ne- derung sorgen. Besonders bei Armen, die durch
ben dem Schulterschutz sollten gleichzeitig auch einen hohen Spannungszustand in gebeugter
die Hand und das Handgelenk stabilisiert werden. Haltung gehalten werden, kann der Schulterhalt
Diese Stabilisierung kann mit einem Handtuch er- eine ansatzweise regulierte Armhaltung erzeugen
zeugt werden. (. Abb. 9.17).
Aber nicht nur bei Menschen mit einer Halb-
seitensymptomatik ist dieses Vorgehen indiziert.
104 Kapitel 9 · Bewegung

. Abb. 9.18 Liegen auf dem Fußboden. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)

9.13.2 Schulter- und Handhalt im Sitzen für das Liegen auf dem Boden an (. Abb. 9.18). Auf
dem Boden und an den umliegenden Wänden be-
Auch der im Rollstuhl sitzende betroffene Mensch finden sich Matten. Das Liegen auf dem Boden er-
kann von den Interventionen profitieren. Der möglicht der betroffenen Person einerseits, seinen
Schulter- und Handhalt kann ein- oder beidseitig eigenen Körper intensiv wahrzunehmen und ande-
angelegt werden. Der beidseitige Schulterhalt ver- rerseits durch baldigen Kontakt mit den festen
ändert die Haltung beider oberer Extremitäten, Wänden sein Bewegungsmaß zu erleben. Jegliche
und der Handhalt verhindert, dass es gerade wäh- an die Umgebung gerichtete Informationssuche
rend des Sitzens zu einer Fließbehinderung im Be- wird beantwortet. Eine positive Verhaltensände-
reich der Blut- und Lymphgefäße kommt. rung stellt sich in der Regel bald ein.
Beide Angebote können ein informierendes
Handbad oder die fördernde Handmassage nach-
haltiger gestalten, so dass im weiteren Tagesablauf
die Arme und Hände eine sinngebende geführte
Interaktion erleben können.

9.14 Das Liegen auf dem Fußboden

Der Transfer auf den Boden kann z. B. mittels eines


Kniesitzes eingeleitet werden. Besonders Zimmer-
ecken bieten sich nach vorangegangener Gestaltung
105 10

Schlucken
und Schluckbeeinträchtigung
10.1 Physiologie des Schluckens – 106
10.1.1 Phase 1: Vorbereitung – 106
10.1.2 Phase 2: Präorale Phase – 107
10.1.3 Phase 3: Orale Phase – 107
10.1.4 Phase 4: Pharyngeale Phase – 107
10.1.5 Phase 5: Ösophageale Phase – 108
10.1.6 Phase 6: Reinigung – 108
10.1.7 Phase 7: Nachbereitung – 108

10.2 Dysphagie – 109


10.2.1 Ursachen – 109
10.2.2 Folgen – 109
10.2.3 Häufigkeit – 110

10.3 Die Schluckendoskopie – 110

10.4 Einfluss der Hirnnerven auf das Schlucken – 111

10.5 Die Beobachtung durch die Pflegeperson – 111

10.6 Erfahrungen eines Betroffenen mit Hirnschädigung


und ausgeprägter Dysphagie – 113

10.7 Pflege der Nasenöffnung und der Nasengänge – 114

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
106 Kapitel 10 · Schlucken und Schluckbeeinträchtigung

Beim Schluckvorgang geht es neben dem Transport auch immer in Verbindung mit kommunika-
der einzelnen Elemente auch um den adäquaten tiven Merkmalen zu betrachten.
Schutz der Atemorgane. Die zunehmende Druck- 4 Nutzen einer neurophysiologischen und anato-
information des Zungengrunds löst im weiteren mischen Möglichkeit: Zum Beispiel haben die
Verlauf das eigentliche Schlucken aus. Dieser Vor- gesamten zentralen Hirnnerven mehr oder we-
gang ist unwillkürlich und wird als Schutzreflex niger Einfluss auf die Fähigkeit, sich mit Nah-
bezeichnet. Bei der Bestimmung der täglichen rung und Flüssigkeiten zu versorgen.
Schluckfrequenz werden Werte zwischen 600 und 4 Angstfreiheit: Entspanntheit, sich im Klaren
2000 Schluckvorgängen ermittelt, an denen neben sein, dass Schlucken nicht zum Handicap wird.
verschiedenen zentralen Hirnnerven eine Vielzahl 4 Konsistenz und Aussehen der Nahrung: Das
von Muskelgruppen beteiligt ist. Die Abstimmung Auge isst mit! Die Bereitschaft, etwas zu essen
der 50 Muskelpaare der einzelnen Systeme wie steigt mit der Erfahrung und dem Aussehen.
Mundraum, Nasen-Rachen-Raum, Rachen, Kehl- 4 Hunger: In Momenten des Hungers geben An-
kopf, Kehlkopfdeckel, Speiseröhre und Magen wird teile des Organismus Hinweise auf diesen Zu-
durch verschiedene Zentren, z. B. im Hirnstamm, stand.
koordiniert. Die Häufigkeit des Schluckens redu- 4 Umfeld: Es ist nicht egal, an welchem Platz wir
ziert sich aus physiologischen Gründen während essen und trinken.
der Schlafphasen. 4 Gestaltung der Schluckphasen: Alle Phasen der
Das Schlucken von Nahrung und Flüssigkeiten Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme können
gehört zu den automatisierten und reflektorischen berücksichtigt werden.
Fähigkeiten. Das Essen und Trinken sichert nicht
nur unser Überleben, sondern bedeutet auch Freu-
10 de, Genuss, Lust und vieles mehr. In der Regel 10.1 Physiologie des Schluckens
macht sich der einzelne Mensch Gedanken darü-
ber, was er isst, aber nicht darüber, wie er schluckt. In vielen Beschreibungen des Schluckvorgangs
Für ein problemloses Essen, Trinken und Schlu- wird von drei Phasen gesprochen. Das CCC be-
cken braucht der Mensch eine intakte Sensibilität, trachtet das Schlucken bzw. die Schluckbeeinträch-
Motorik und Koordination innerhalb der mitwir- tigung im Zusammenhang mit anderen Systemen
kenden Funktionsbereiche. Darüber hinaus gehört und gliedert den Vorgang in sieben Phasen. Im
ein intaktes Gesamtsystem bestehend aus unter- Vordergrund steht die Nahrungs- und Flüssigkeits-
schiedlichen komplexen Handlungen zu der aufnahme bei Menschen mit schweren und
Grundvoraussetzung für eine störungsfreie Versor- schwersten Störungen des zentralen Nervensys-
gung mit Nahrung und Getränken. Dieses System tems. Neben den Phasen des physiologischen
beinhaltet folgende Bereiche : Schluckens sind zwei weitere Phasen eine entschei-
4 Atmung: Sie muss rhythmisch und koordiniert dende Bedeutung.
sein. Durch eine Veränderung der Atemfre-
quenz wird gleichzeitig der Zeitraum fürs
Schlucken mit verändert. 10.1.1 Phase 1: Vorbereitung
4 Körperhaltung: Sie adaptiert sich permanent
und stellt sich auf die jeweiligen Umstände ein. Insbesondere bei Menschen mit einer schweren
4 Beweglichkeit: Selbst mundferne Regionen stel- Schädigung des zentralen Nervensystems sind die
len sich durch Bewegungs- und Haltungsverän- einzelnen Angebote, die sie vor dem Essen und
derungen auf neue Situationen ein. Trinken erleben, mitentscheidend. Die Qualität
4 Koordination zwischen Augen, Hand und dieser Angebote schafft zum Teil die Vorausset-
Mund. zungen zum Schlucken. Zu diesen Angeboten zäh-
4 Psychosoziale Aspekte: Das Essen und Trinken len alle Informationen von der Körperwaschung
in der Gemeinschaft kann ein ausgesprochen über den einzelnen Lagewechsel bis hin zum Trans-
belebendes Ereignis sein. Essen und Trinken ist fer und der Sitzkorrektur im Rollstuhl.
10.1 · Physiologie des Schluckens
107 10
Die nachfolgenden vier Phasen haben für jeden 10.1.3 Phase 3: Orale Phase
Menschen eine große Bedeutung.
In dieser Phase werden die Tätigkeiten zusammen-
gefasst, die ablaufen, wenn sich die Nahrung im
10.1.2 Phase 2: Präorale Phase Mundraum befindet.
4 Veränderungen der Muskelspannung.
In dieser Phase werden die Tätigkeiten zusammen- 4 Intensivierung der Bewegung von Kiefer, Wan-
gefasst, die direkt vor der eigentlichen Aufnahme gen, Hals, Nase, Ohren.
von Nahrung und Flüssigkeiten eine Rolle spielen: 4 Der Rumpf richtet sich auf, und der Kopf nimmt
4 Die einzelnen Schritte zum Herstellen der Nah- eine angedeutete Beugehaltung ein.
rung. 4 Die Nahrung wird durch Zusatz von Speichel
4 Der Augenkontakt zur Nahrung oder zum Ge- zum einem Speisebrei geformt.
tränk; Veränderungen werden verfolgt. 4 Verschiedene Enzyme und enzymatische Ab-
4 Die Körperhaltung verändert sich und passt läufe greifen ein.
sich den Aufgaben entsprechend an. Um den 4 Der Bolus wird auf die Zunge zentriert, dabei
Oberkörper entsprechend der Anforderung formt sich die Zuge zu einer »Rinne«.
bewegen und halten zu können, wird die er- 4 Die Lippen werden komplett geschlossen. Der
forderliche Stabilität über den Fußkontakt zur Verschluss verhindert, dass Luft mit eingezogen
Erde und dem Beckenkontakt zur Sitzfläche wird, so dass Teile des Bolus aus dem Mund
hergestellt. fließen könnten.
4 Die Gesichtsmuskulatur begleitet das Ganze – 4 Die Zunge drückt den Bolus an das harte Gau-
das Gesicht hat eine ausgeprägte Mimik. mendach.
4 Die Bewegung des Oberkörpers und des Kopfes 4 Die Zunge transportiert in wellenförmiger Be-
nach vorne und hinten. wegung den Bolus nach hinten.
4 Der Augenkontakt zu der sich nähernden Auf- 4 Der Kopf nimmt als Vorbereitung auf das
gabe. Diese visuelle Begleitung ist wichtig, um Schlucken eine leichte Beugehaltung ein.
den Kieferöffnungswinkel und die Mundform
zu bestimmen. jZiele der 3. Phase
4 Je nach Nahrung stößt die Zunge zwischen den 4 Der Bolus wird verändert und angepasst.
Lippen nach vorne und befeuchtet Teile der 4 Eine Vielzahl von Bewegungen wird initiiert.
Lippen. Auf diesem Weg wird sichergestellt, 4 Der Bolus wird zentriert und transportiert.
dass, falls Krümel entstehen, diese auf den an- 4 Das Schlucken wird vorbereitet.
gefeuchteten Lippen haften bleiben.
4 Der Mund öffnet sich dem Angebot entspre- Innerhalb des »normalen« Schluckens entsteht ein
chend. Bolusvolumen von 5–20 ml. Diese Menge ist als
4 Nach dem Abbeißen bestimmt ein erneuter Schluckangebot für einen hirnverletzten und
Augenkontakt die Menge, die sich im Mund schluckgestörten Menschen entschieden zu groß.
befinden soll und vergleicht sie mit den senso-
rischen Informationen aus dem Mundraum.
10.1.4 Phase 4: Pharyngeale Phase
jZiele der 2. Phase
4 Vorbereitung auf die Nahrungsaufnahme, In dieser Phase wird der größtmögliche Schutz für
4 Inspektion der Nahrung, die oberen und unteren Atemwege aufgebaut.
4 Funktionsaufbau, Durch den Verschluss der Mundkommunikation
4 Einleitung der Verdauung, zum Nasenraum und durch die Verschlussmecha-
4 Vorbereitung auf das Abbeißen. nismen im Bereich des Kehlkopfes werden die ent-
sprechenden Barrieren aufgebaut. Durch eine wei-
108 Kapitel 10 · Schlucken und Schluckbeeinträchtigung

tere Funktion wird die Ohrtrompete geweitet, und jZiele der 5. Phase
es kommt zu einem Druckausgleich. 4 Transport,
4 Nach der Einatmung stoppt die Atmung. 4 Energie liefern,
4 Der hintere Nasen-Rachen-Raum wird durch 4 Ernährung und Flüssigkeitszufuhr wird sicher-
das weiche Gaumensegel komplett verschlos- gestellt,
sen. 4 Stoffwechsel,
4 Nahrung wird in den Rachen transportiert. 4 Sättigungsgefühl.
4 Der Bolus baut einen mechanischen Kontakt
zur hinteren Rachenwand auf.
4 Der Lippenschluss und der Verschluss des Na- 10.1.6 Phase 6: Reinigung
sen-Rachen-Raums bleibt bestehen.
4 Rumpf und Kopf in Flexionshaltung. Nach dem der Bolus in den Magen übergegangen
4 Erster Verschluss: Durch die Aktivität des Zun- ist, beginnt die Zunge im Mundraum und an den
gengrunds senkt sich der Kehldeckel, und der Zähnen verbliebene Nahrungsreste zu sammeln. Je
Zugang zur Trachea wird verschlossen. nach Menge muss wiederum geschluckt, also nach-
4 Zweiter Verschluss: Der Verschluss der Stimm- geschluckt werden.
lippen – die Stimmlippen nähern sich an.
4 Dritter Verschluss: Die Larynxelevation – der
Kehlkopf hebt sich um bis zu 2 cm und adap- 10.1.7 Phase 7: Nachbereitung
tiert die Kehlkopföffnung mit dem Kehldeckel.
4 Der obere Schließmuskel der Speiseröhre öffnet Die gewissenhafte Nachsorge nimmt innerhalb des
sich, und der Bolus wird aktiv in die Speiseröh- Ernährungsprozesses bei Menschen mit schweren
10 re eingespritzt. und schwersten Störungen des zentralen Nerven-
systems einen besonderen Raum ein. Diese Phase
jZiele der 4. Phase ist geprägt durch den systemischen Ansatz:
4 Bolustransport, 4 Sitzzeit und Sitzposition bestimmen,
4 Schutz vor dem Eindringen des Bolus in die 4 Mundinspektion,
Nasengänge, 4 therapeutische Mundpflege,
4 Schutz vor Aspiration, 4 Mundspülung,
4 Schlucken. 4 Zahnpflege,
4 Hände waschen etc.

10.1.5 Phase 5: Ösophageale Phase Je stressfreier der einzelne Schluckakt für den Be-
troffenen war, umso produktiver und fördernder
4 Der Schließmuskel der Speiseröhre schließt kann das nachfolgende Informationsangebot wer-
sich. den.
4 Die Atemwege öffnen sich wieder und die Aus- Von besonderer Bedeutung im Kontext zum
atmung setzt ein. Schlucken ist die Atmung bzw. die Koordination
4 Die Nahrung wird in der Speiseröhre transpor- zwischen Atmung und Schlucken. Der zeitliche
tiert. Ablauf ist für eine störungsfreie Gestaltung des
4 Der Transport wird durch die Peristaltik unter- Schluckens entscheidend. Während der pharynge-
stützt. Für Menschen mit einer Schädigung des alen Phase stoppt die Atmung nach dem Einatmen.
zentralen Nervensystems wird der Transport Durch das Einatmen herrscht innerhalb der At-
zusätzlich durch die Schwerkraft unterstützt. mungsorgane ein relativer Überdruck. Sollte es
4 Übergang der Nahrung in den Magen. zum Verschlucken kommen, wird dieser positive
Druck dem Hustenstoß genügend Energie bieten,
um das Verschluckte wieder aus den unteren Atem-
wegen herauszukatapultieren.
10.2 · Dysphagie
109 10
10.2 Dysphagie 10.2.2 Folgen

10.2.1 Ursachen Folgende drei Leitsymptome treten oftmals in Ver-


bindung miteinander auf:
Das Problem der Schluckbeeinträchtigung wird 4 Dehydration (unzureichende Flüssigkeitszu-
oftmals unterschätzt. Besonders neurologische fuhr),
Schädigungen gehen in ihrem Verlauf oftmals mit 4 Malnutrition (Ernährungsdefizit),
einer Dysphagie einher. Menschen mit folgenden 4 Aspiration (Eindringen von Speichel, Flüssig-
neurologischen Diagnosen können diese Beein- keiten und Nahrung in die unteren Atemwe-
trächtigung ausbilden: ge).
4 Schädelhirntrauma,
4 Apoplex, Die Komplikationen durch unerkannte oder unbe-
4 Schädigung des Gehirns infolge einer Hypoxie, handelte Dysphagie vergrößern das Risiko von se-
4 Läsionen von bestimmten Hirnnerven – z. B. kundären Erkrankungen und direkter vitaler Ge-
periphere Lähmung des Nervus fascialis (Ge- fährdung bis hin zum Tod.
sichtsnerv), Im Zustand nach Apoplex mit einhergehender
4 multiple Sklerose (MS), Dysphagie zeigen 65% aller Betroffenen ein signifi-
4 Morbus Parkinson, kantes Ernährungsdefizit. Dieses provoziert eine
4 amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Vielzahl weiterer negativer Prozesse, die Depressi-
4 Guillain-Barré-Syndrom (GBS), on des Immunsystems und dadurch eine Zunahme
4 Myasthenia gravis (MG), von Infektionen, das Nachlassen der Funktionen
4 Morbus Alzheimer, von Nerven und Muskeln und eine dadurch be-
4 Demenz, dingte Zunahme der Dysphagie sowie eine Zunah-
4 Spätfolgen innerhalb des Vollbildes von AIDS me von respiratorischen und kardialen Problemen
4 und weitere. bis hin zur Zunahme von Dekubitalulzerationen.
Bei Menschen, die in einer vollstationären Ein-
Aber auch bei anderen medizinischen Diagnosen richtung leben und 5% ihres Körpergewichts in
kann es zu einer Beeinträchtigung des Schluckens einem Monat verloren hatten, steigt das Risiko, in-
kommen: nerhalb eines Jahres zu versterben, um das Vier-
4 bei Erkrankungen innerhalb der Hals-Nasen- fache.
Ohren-Heilkunde z. B. durch ein Tumorleiden, Die folgenreichste Komplikation ist die Pneu-
4 bei Trägern von geblockten Trachealkanülen, monie infolge einer Aspiration. Sie ist die zweit-
4 durch Funktionsschädigungen infolge einer häufigste nosokomiale – also im Krankenhaus oder
Strahlentherapie, Pflegeheim erworbene – Infektion. Sie macht etwa
4 als Auswirkung einer medikamentösen Thera- 13–48% aller Infektionen in vollstationären Pflege-
pie z. B. mit Psychopharmaka. einrichtungen aus. Etwa 20% der Menschen, die an
einem Schlaganfall erkrankt sind, sterben inner-
Bei der Dysphagie kann jede Schluckaktivität zum halb des ersten Jahres an den unmittelbaren Folgen
Verschlucken führen. Viele Menschen, auf die eine einer Aspirationspneumonie. Selbst in den Folge-
oder mehrere Erkrankungen bzw. Spätfolgen zu- jahren versterben weitere 10–15% an dieser Kom-
treffen, kennen das Phänomen des Verschluckens, plikation.
welches meist durch einen entsprechenden Hus- Es wird vermutet, dass die Zahl bei Menschen
tenstoß endet. Einige Formen der Dysphagie füh- mit schwersten Störungen des zentralen Nerven-
ren jedoch zu stillen Aspirationen. Der Betroffene systems wesentlich höher liegt. Diese Menschen
erleidet dabei intermittierend oder permanent As- haben einen besonders hohen Leidensdruck. Jeder
pirationen durch kleine Mengen an Nahrung, Flüs- Löffel Essen oder jeder Schluck Trinken bedeutet
sigkeiten oder Speichel. für sie eine existenzielle Grenzerfahrung. Auf der
einen Seite wird Essen und Trinken als Merkmal
110 Kapitel 10 · Schlucken und Schluckbeeinträchtigung

der Normalität betrachtet, und auf der anderen Sei- Bei Personen, die einen Schlaganfall erlitten ha-
te kann eine Unachtsamkeit den Betroffenen vital ben, wird das gesamte Problem besonders deutlich.
gefährden. Referenzen und weiterführende Litera- Eine klinisch manifestierte Dysphagie wird bei bis
tur finden sich in Raschke und Müller 2004. zu 50% der Betroffenen diagnostiziert, wobei sich
wiederum ca. 50% der Diagnostizierten zum Teil
nicht hörbar verschlucken. Mit der Implementie-
10.2.3 Häufigkeit rung des CCC und den damit erlangten Erfah-
rungen und Erkenntnissen in verschiedenen Fach-
Die Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diä- einrichtungen wächst jedoch die Vermutung, dass
tetik e. V. in Bad Aachen gab einige der folgenden die Anzahl der Betroffenen wesentlich höher ist.
Zahlen bekannt: Es wird davon ausgegangen, dass
etwa 7% der gesamten Bevölkerung in Deutschland
unter einer Schluckbeeinträchtigung leiden. Dies 10.3 Die Schluckendoskopie
bedeutet, dass ca. 6 Mio. Menschen betroffen sind.
Besonders auffällig ist zudem die hohe Zahl der äl- Die Schluckendoskopie wird zur Diagnostik einer
teren Menschen, die eine altersbedingte Schluckbe- Schluckstörung durchgeführt. Das Phänomen der
einträchtigung haben. Etwa 45% aller über 75-Jäh- Schluckstörung ist innerhalb der neurologischen
rigen, bei denen eine der in 7 Abschn. 10.2.1 ge- Langzeitrehabilitation in einem großen Umfang
nannten Erkrankungen häufiger auftritt und sich präsent. Viele der betroffenen Menschen mit
manifestiert, haben dieses Störungsbild. Diese Son- schweren und schwersten Störungen des zentralen
derform wird als Presbyphagie bezeichnet. Sie wird Nervensystems leiden an dieser Komplikation. Der
forciert durch die Abnahme der sensorischen und gewonnenen Erfahrung nach ist der überwiegende
10 sensitiven Möglichkeiten. Auch Menschen mit Anteil der hirnverletzten Menschen, die in einer
einer schweren oder schwersten Schädigung des entsprechenden Facheinrichtung leben, davon be-
zentralen Nervensystems können mit zuneh- troffen. Wiederkehrende Pneumonien aufgrund
mendem Alter zusätzlich diese altersbedingte Ein- von Aspiration sind oftmals die unmittelbare Fol-
schränkung erfahren. ge.
Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Eva- Neben den klinischen Untersuchungsverfahren
luierung der Schluckbeeinträchtigten in vollstatio- durch die Neurologie und Logopädie spielt die En-
nären Pflegeeinrichtungen gelegt, eine Übersicht doskopie eine bedeutende Rolle. Die Untersuchung
findet sich in Raschke und Müller 2004. Untersu- selbst stellt in der Regel eine relativ geringe Belas-
chungen in Nordamerika ergaben, dass 53–74% tung für den betroffenen Menschen dar. Der ge-
der Bewohner in vollstationären Pflegeeinrich- samte Verlauf der Untersuchung wird parallel auf
tungen an einer Dysphagie leiden, und eine weitere einem Bilddatenträger dokumentiert. Das Schluck-
Untersuchung zeigte auf, dass die Untersuchung endoskop verfügt über eine Kaltlichtquelle ohne
von 82 von 100 Personen im Alter zwischen 60 und zusätzlichen Arbeitskanal, und daraus resultiert die
102 Jahren ergab, dass 55% eine Dysphagie hatten, Notwendigkeit, dass eine komplette Absauganlage
jedoch nur bei 22% das Problem bekannt war. Bei bereitsteht.
Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, Für die Durchführung einer aussagekräftigen
liegt die Zahl je nach Ausmaß der Substanzdefekte Laryngoskopie befindet sich der Betroffene in sit-
zwischen 14 und 71%. Eine Untersuchung in zender Position. Zur Vorbereitung wird die Ober-
Schweden ergab sogar, dass 80% aller Schlaganfall- fläche eines Nasenganges mittels Spray anästhesiert.
patienten, die in vollstationären Pflegeeinrich- Nach Ablauf der Einwirkzeit wird das Endoskop
tungen leben, eine Dysphagie haben. Es wird dar- unter Sicht in den Nasengang eingebracht und bis
auf hingewiesen, dass die Schluckstörung in der oberhalb des Kehlkopfes vorgeschoben. Der erste
Anamnese eine zum Teil untergeordnete Rolle ein- Sichtbefund wird erhoben und je nach Befund wird
nimmt. die Untersuchung abgebrochen oder weitergeführt.
10.5 · Die Beobachtung durch die Pflegeperson
111 10
Ist die Weiterführung der Endoskopie indiziert, 4 N. olfactorius,
werden unterschiedliche Schluckangebote gereicht. 4 N. opticus,
Die möglichen Konsistenzen sind flüssig, breiför- 4 N. oculomotorius,
mig oder fest. Um eine saubere Abgrenzung gegen- 4 N. trochlearis, N. trigeminus, N. abducens,
über Speichel darstellen zu können, werden die N. facialis,
einzelnen Angebote mit grüner Lebensmittelfarbe 4 N. vestibulocochlearis, N. glossopharyngeus,
eingefärbt. N. vagus,
Der wesentliche Nachteil der Endoskopie ergibt 4 N. accessorius,
sich aus der Tatsache, dass das Schlucken selbst 4 N. hypoglossus.
nicht visualisiert werden kann. Beurteilt wird die
Gegebenheit vor und nach dem Schlucken, gegebe- Die Analyse der sieben Phasen verdeutlicht, dass
nenfalls macht der Betroffene durch Husten auf ein die Beeinträchtigung eines zentralen Hirnnervs
mögliches Verschlucken aufmerksam. Bei einer eine relative Einschränkung mit sich bringt.
Großzahl der Menschen mit schweren und schwers- Das Riechen, das Sehen, die Augen- und Pupil-
ten Störungen des zentralen Nervensystems fehlt lenbewegung, die Sensibilität des Gesichts, die Mi-
das Husten trotz abgelaufener Aspiration. Dieser mik, das Hören, das Gleichgewicht, das Schlucken,
Umstand macht es erforderlich, dass vor und die Verdauung, die Stimmlippenöffnung, die Kopf-
3 Stunden nach der Untersuchung die Körpertem- und Schulterbeweglichkeit und die Zungenbewe-
peratur des Betroffenen bestimmt wird. Der unmit- gung sind allesamt benötigte Fähigkeiten. Kommt
telbare Anstieg der Körpertemperatur in den sub- es zu einer Einschränkung z. B. des Riechens, wird
febrilen Bereich kann auf ein Aspirationsgeschehen sich dadurch das Essen und Trinken spürbar verän-
hinweisen. dern. Diese Beeinträchtigung kann einerseits durch
Bei tracheotomierten Menschen besteht zusätz- eine Einschränkung des I. Hirnnervs entstehen
lich eine besondere Möglichkeit zur Schluckendos- oder andererseits durch ein Defizit in der Pfle-
kopie. Für diesen besonderen Einsatz wurde eine geleistung »Nasenpflege«.
spezielle Trachealkanüle entwickelt, die mit einem
Cuff und 3 Wechselseelen ausgestattet ist. Eine der
Seelen verfügt über einen Arbeitskanal für das En- 10.5 Die Beobachtung
doskop. Diese besondere Kanüle ermöglicht eine durch die Pflegeperson
Schluckendoskopie mit Sicht auf den unteren Be-
reich der Stimmlippen, wodurch auch die kleinste Die Arbeit mit dem Connected Care Concept för-
Aspirationsmenge erkannt werden kann. dert die Beobachtungskompetenz bei der pfle-
In der Regel benötigen die Betroffenen eine ad- genden Person. Mitunter fällt eine Dysphagie erst
äquate schluckstörungsorientierte logopädische durch eine besonders detaillierte und vielfältige Be-
Langzeitbehandlung. Im Verlauf der neurologi- obachtung auf. Wir unterscheiden die Beobach-
schen Langzeitrehabilitation sollte die umfang- tungen nach:
reiche Dysphagiediagnostik in sinnvollen Abstän- 4 direkten Hinweisen auf eine Dysphagie,
den wiederholt werden. 4 indirekten Hinweisen auf eine Dysphagie,
4 Anzeichen für eine Presbyphagie.

10.4 Einfluss der Hirnnerven Die nachfolgend aufgeführten Hinweise können


auf das Schlucken den weiteren Förderweg entscheidend mitprägen.
Die Beobachtung von Menschen mit schweren Stö-
Insbesondere durch die Leistungsmerkmale, die rungen des zentralen Nervensystems, besonders
ein Mensch während aller Phasen des Schluckens wenn keine aussagekräftige bildgebende Diagnos-
erfüllen muss, fällt auf, dass alle zentralen Hirnner- tik durchgeführt wurde, ist von elementarer Bedeu-
ven mehr oder weniger intensiv an der Gestaltung tung. Das Beobachtete muss der Inhalt der täg-
mitwirken: lichen Verlaufsberichte sein. Die abzuleitenden
112 Kapitel 10 · Schlucken und Schluckbeeinträchtigung

Konsequenzen können weitreichend sein und ge- 4 Erhebliche Zahn- und Prothesenprobleme.
hen von einer Erweiterung der schluckstörungs- Schmerzen oder veränderte Druckverhältnisse
orientierten Therapie bis hin zum erforderlichen durch fehlende Prothesen können das Essen
Monitoring des Sauerstoffgehaltes im Blut. und Trinken erheblich erschweren.
4 Hoher Spannungszustand in der Gesichts-, be-
> Jeder hirnverletzte Mensch kann infolge
sonders in der Wangenmuskulatur.
seiner Erkrankung oder Verletzung eine
4 »Rot anlaufen«.
Dysphagie ausbilden.
4 Schwitzen.
4 Angst und ablehnendes Verhalten beim Essen
jDirekte Hinweise auf eine Dysphagie und Trinken.
4 Prädestinierte Diagnosen. 4 Atemgeräusche, Sekrete in einzelnen Lungen-
4 Hängender Mundwinkel. bereichen können auskultiert oder auch über
4 Systemisch erhöhter Muskeltonus. die Hand gefühlt werden.
4 Einschränkungen der Zungenbewegung auf- 4 Atemnot nach dem Essen oder Trinken.
grund von hohem oder niedrigem Tonus. 4 Zentrale Zyanose (Lippen, Ohrläppchen).
4 Austritt von Flüssigkeit aus einem oder beiden 4 »Wet voice«, auch nach dem Husten oder Räus-
Nasenlöchern in Verbindung mit dem Schlu- pern wird die Stimme nicht klar.
cken. 4 Rezidivierende Lungenentzündungen.
4 Auge bzw. Augen tränen in Verbindung mit
dem Schlucken. jIndirekte Hinweise auf eine Dysphagie
4 Speichelfluss aus dem Mund. Bei diesen Hinweisen kann der Grund eine Dys-
4 Speichelansammlung im Bereich der Wangen, phagie aber auch andere Ursachen haben.
10 besonders in Seitenlage. 4 Nahrungsverweigerung: Eine Schwerpunktbe-
4 Direktes Verschlucken an Nahrung, Flüssigkeit obachtung muss sich in den Tagesberichten wi-
oder Speichel. derspiegeln. Vielleicht ist Unwohlsein oder Ma-
4 Verschlucken und Husten, besonders beim La- genschmerz der Grund für die Ablehnung. Eine
gewechsel von einer auf die andere Seite. »verstopfte« Nase kann ausreichen, um den Be-
4 Durch die Veränderungen im Muskeltonus und troffenen dazu zu bringen, ein Nahrungsange-
durch die Einwirkung von Schwerkraft erzeugte bot abzulehnen.
Kopfhaltung in vermehrter Streckung oder 4 Gewichtsverlust: Bei dem Verdacht auf eine
Beugung. Dysphagie muss in kurzen Intervallen (einmal
4 Nicht adäquat »abgeklebte« Tracheostomaöff- pro Woche) der Verlauf des Körpergewichts be-
nung. Beim Atmen und beim Husten werden stimmt werden.
Mischwege benutzt. Der Hustenstoß wird we- 4 Häufiges Hüsteln: Kann auch durch einen Vi-
niger effektiv, und die Atmung erzeugt Irritatio- rusinfekt ausgelöst sein.
nen dadurch, dass sie über verschiedene Wege 4 Häufiges Räuspern: Kann auch auf Hals-
erfolgt. schmerzen hindeuten.
4 Trachealkanüle, besonders geblockte Kanüle. 4 Ablehnende Körperhaltung: Kann auch Aus-
4 Eingeschränkte Larynxelevation. Zum Beispiel druck von Emotionen sein.
durch eine ungeeignete Lagerung kann der Zug 4 Atemgeräusche: Vielleicht ist die Ursache eine
auf den Kehlkopf so groß werden, dass sich die- Erkältung.
ser nur noch ungenügend heben und senken 4 Fieber: Kann auch durch eine Blasenentzün-
kann. dung verursacht sein.
4 Nahrungsreste im Mundraum, an den Zähnen, 4 Motorische Unruhe: Vielleicht ist die Sitzzeit
in den Wangentaschen und/oder im Bereich im Rollstuhl zu lang gewählt.
des Gaumendachs. 4 Zyanose: Kann viele andere Erkrankungen als
4 Angeborene Handicaps, z. B. Gaumenspalte. Ursachen haben.
10.6 · Erfahrungen eines Betroffenen mit Hirnschädigung und ausgeprägter Dysphagie
113 10
4 Schwitzen: Vielleicht ist die Kleidung zu warm 10.6 Erfahrungen eines Betroffenen
gewählt. mit Hirnschädigung
4 Bewusstseinstrübung: Kann auch durch einen und ausgeprägter Dysphagie
niedrigen Blutdruck ausgelöst sein.
4 »Wet voice«: Vielleicht infolge einer Entzün- Hinsichtlich der Bedeutung und Auswirkungen
dung im Rachenbereich. (auch der psychosozialen) einer Dysphagie wurden
4 Reduzierter Allgemeinzustand. die Äußerungen eines 52-jährigen Betroffenen, der
4 Pneumonien: Vielleicht aufgrund der Immobi- einen rechtsseitigen Hirninfarkt infolge einer Ope-
lität. ration an einem zerebralen Gefäßaneurysma erlit-
4 Veränderungen im Blutbild: Entzündungszei- ten hatte, über einen Zeitraum von 3 Monaten do-
chen (Leukozyten, C-reaktives Protein, Blut- kumentiert. Die Möglichkeit zur verbalen Kommu-
körperchensenkung). nikation ist bei dem Patienten erhalten, oft wirkt er
4 Röntgendiagnostik: Auffälligkeiten im Thorax- jedoch unkonzentriert und zerstreut. Sichtbar ist
Röntgen, CT oder MRT. eine linksseitige Hemiparese mit ausgeprägter
Apraxie und Störung der räumlichen Wahrneh-
Zum Teil können vielerlei Gründe die Hinweise er- mung. Ferner wurde eine ausgeprägte neurogene
zeugen, aber sie können auch auf eine Dysphagie Dysphagie diagnostiziert. Während der Akutbe-
hindeuten. Aus diesem Grund müssen alle Beob- handlung wurde eine perkutane endoskopische
achtungen zusammengetragen werden, um sie in- Gastrostomie (PEG) gelegt. Zum Zeitpunkt der
nerhalb des therapeutischen Teams zu bewerten. Sammlung von Äußerungen wurde die Nahrungs-
Anzeichen für eine Presbyphagie und Flüssigkeitszufuhr über die Sonde reduziert
4 Verspätetes Schlucken, und der orale Anteil intensiviert. Seit mehr als
4 verlängerte Öffnungszeit der unteren Atem- 2 Jahren ist der Betroffene in logopädischer Be-
wege, handlung und wurde zweimal im Verlauf schlu-
4 degenerative Veränderungen der Kiefer- ckendoskopiert. Der Betroffene macht gute Ent-
gelenke, wicklungsfortschritte und befindet sich in der er-
4 Demenz, weiterten Schlucklernphase. Nahrungsangebote
4 Zahn- und Prothesenprobleme, erfolgen im Moment ausschließlich über die Logo-
4 Geschmacksirritationen, pädie.
4 Reduktion der Geruchswahrnehmung,
4 fehlender Lippenschluss, jEssenz der Gedanken
4 Tremor, Nachfolgend sind einige Gedanken des Betroffenen
4 Störung der Feinmotorik, bezüglich Essen und Trinken aufgeführt:
4 trockene Schleimhäute, 4 Es ist mir so peinlich, wenn ich plötzlich husten
4 Dehydration, muss und mir dabei Essen oder Trinken aus
4 Mobilitätsgrenzen, dem Mund fällt.
4 inadäquate Lage im Raum, 4 Im Grunde schmeckt mir das Essen nicht.
4 Veränderungen der Ösophagusschließmuskel, 4 Ich habe große Angst zu essen und zu trinken,
4 allgemeine Unruhe in Verbindung mit der Angst vor dem Ersticken.
Nahrungsaufnahme, 4 In einem Restaurant würde ich nicht essen und
4 chronische Verdauungsstörungen, nichts trinken, die Hemmungen sind zu groß,
4 Dyspnoe, und ich weiß nicht, ob sie jemals weniger wer-
4 altersbedingte herabgesetzte Sensibilität, den.
4 altersbedingte reduzierte Motorik, 4 Es gibt Momente, da komme ich mir wie ein
4 altersbedingte verminderte Koordination. Säugling vor. Besonders dann, wenn Fremde
mir den Mund abwischen.
4 Wenn ich nicht gut sitze, wird alles noch viel
schwerer für mich. Am besten kann ich etwas
114 Kapitel 10 · Schlucken und Schluckbeeinträchtigung

10.7 Pflege der Nasenöffnung


und der Nasengänge

Sowohl die Nasenöffnung als auch der einzelne Na-


sengang brauchen sehr intensive Fürsorge. Inner-
halb der praktischen Arbeit hat meiner Erfahrung
nach die Pflege der Nasenöffnungen und der Na-
sengänge häufig keine besondere Bedeutung. Lei-
der wird die Nase insgesamt nicht mit der erforder-
lichen Aufmerksamkeit betreut. Dabei sollten die
gesamte Nase und ihre Funktionen aus vielerlei
Gründen in den Vordergrund unseres Handelns
gestellt werden.
Die Nase dient als Atemweg, ermöglicht das
Riechen und ist damit sehr eng mit dem Schme-
. Abb. 10.1 Der Nasenpflegeabsaugkatheter »NosoQuick«. cken verbunden. Die Zellstruktur der Riechinseln
(Mit freundl. Genehmigung der Firma Heimomed Heinze hat eine größtmögliche Ähnlichkeit mit den Hirn-
GmbH)
zellen. Der Mensch forscht mit den Funktionen der
Nase nach verdorbenem Essen, nimmt Warnzei-
essen, wenn ich in einem normalen Stuhl sitze chen – z. B. giftige Aerosole – auf, woraufhin wei-
und nicht in meinem Rollstuhl. tere Schritte eingeleitet werden, und wirkt positiv
4 Wenn die Lärmbelästigung im Raum zu groß auf die Qualität der Atemluft ein. Die Atemluft, die
10 wird, kann ich mich nicht aufs Essen, Trinken durch den Nasen-Rachen-Raum strömt, wird er-
und Schlucken konzentrieren. wärmt, gereinigt und befeuchtet.
4 Ich habe mich vor einiger Zeit noch oft ver-
> Nasenpflege ist demnach einerseits
schluckt.
eine aktive Wahrnehmungsförderung
4 Meine Frau sagt auch oft zu mir »Du musst ein
und andererseits eine aktive Atem-
wenig essen«, aber es macht mir keinen Spaß.
förderung.
4 Wissen Sie eigentlich, wie anstrengend das ist?
Besonders muss ich auf meinen Kopf achten. Die Nase hat eine sehr feine Berührungsempfin-
Wenn ich ihn ein wenig mehr auf die Brust dung und muss daher mit größtmöglicher Sorgfalt
nehme, ist das Schlucken einfacher. berührt werden. Leider wird Nasensekret noch im-
4 Ich hab die Hoffnung fast aufgegeben, jemals mer mittels Absaugkathetern, die bis in die Tiefe
wieder selbstständig leben zu können. vorgeschoben werden, aus den Nasengängen ge-
4 Was die anderen Menschen von mir denken … saugt. Im anderen Extremfall werden allenfalls die
4 Das kann ich meiner Frau nicht antun… äußeren Nasenöffnungen gereinigt. Das CCC ord-
net die Bedeutung der Nasenpflege als »sehr hoch«
Mitunter wurde die Verzweiflung des Betroffenen ein.
in diesen Kommentaren sehr deutlich. Vielfach Über Jahre wurde eine Lösung entwickelt – der
stand nicht das bewegungsorientierte Handicap im NosoQuick, Modell Frank Riehl (. Abb. 10.1). Ge-
Vordergrund, sondern vielmehr die Bewältigung meinsam mit der Firma Heimomed aus Kerpen
der »kleinen« Alltagsaufgaben wie essen, trinken, wurde die Innovation (neben vielen anderen) reali-
soziale Kontakte pflegen usw. Der Patient brauchte siert. Bei dem NosoQuick handelt es sich um einen
nach dieser Zeit noch weitere 8 Monate der Be- Nasenpflegeabsaugkatheter. Der Katheter bzw. die
handlung und pflegetherapeutischen Unterstüt- Katheterspitze mit der weichen und formbaren Oli-
zung, um nicht mehr über die PEG ernährt zu wer- ve wird nicht in die Nasengänge vorgeschoben,
den. Flüssigkeiten werden weiterhin via PEG ange- sondern verschließt lediglich eine vordere Nasen-
boten. öffnung. Sog wird intermittierend hergestellt und
10.7 · Pflege der Nasenöffnung
115 10

a b

. Abb. 10.2 a–c Anwendungsanleitung. (Mit freundl.


c Genehmigung der Firma Heimomed Heinze GmbH)

das kontaminierte Sekret wird bis in die Tiefe ent- Risiko einer Aspirationspneumonie, infolge einer
fernt. Sobald der Anteil der Nasenatmung zu- absteigenden Infektion, ist besonders bei hirnver-
nimmt, kommt es zu einer sichtlichen Regulation letzten Menschen groß, und dieses Risiko kann
der Atmung (. Abb. 10.2). durch eine Reduzierung der Sekrete positiv beein-
Die Bereitschaft des Menschen mit schwerer flusst werden.
und schwerster Störung des zentralen Nervensys- Durch verschiedene neurologische Erkrankun-
tems, sich bei vorhandener Nasenatmung den gen, z. B. ALS, entwickelt sich bei den Betroffenen
Mund therapeutisch pflegen zu lassen, steigt an. Bei ein immens hoher Leidensdruck. Ein vermehrter
erhaltener oraler Nahrungs- und Flüssigkeitsauf- Sekretfluss aus der Nase verursacht, dass sich die
nahme wird die Möglichkeit zu schlucken besser. erkrankte Person aus dem gesellschaftlichen Leben
Dies resultiert nicht zuletzt durch die Regulation zurückzieht. Die Selbstanwendung des NosoQuick
der Geruchs- und Geschmackswahrnehmung. Das ist leicht zu erlernen (7 Kap. 12).
117 11

Therapeutische Mund-
und Zahnpflege
und die Nahrungsaufnahme
11.1 Grundprinzipien der Mund- und Zahnpflege – 118

11.2 Das assoziierende Prinzip


der therapeutischen Mundpflege – 121

11.3 Regulation der Gesichts- und Halsmuskulatur – 122

11.4 Die warme Kompresse – 122

11.5 Nahrungsaufnahme – 123


11.5.1 Der Bolus – 123
11.5.2 Gestaltung der Bolustemperatur – 124
11.5.3 Gestaltung des Bolusgeschmacks – 124
11.5.4 Gestaltung des Bolusvolumens – 125
11.5.5 Gestaltung der Bolusstruktur – 126

11.6 Die PEG aus Sicht des CCC – 127

11.7 Der Kieferkontrollgriff – 127

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
118 Kapitel 11 · Therapeutische Mund- und Zahnpflege und die Nahrungsaufnahme

Die therapeutische Mund- und Zahnpflege ist ein Schmerzereignis erlebt, müssen die Lippen vor der
besonderes, mehrmals täglich wiederkehrendes eigentlichen Mund- und Zahnpflege eingecremt
Angebot. Innerhalb des CCC ist die Mundpflege werden. Neben Anisbutter stehen weitere akzep-
auch hygienisch motiviert. Jedoch betrachtet das table Lippenpflegestifte zur Verfügung.
Konzept noch weitere Belange. Die Mund- und
Zahnpflege stellt in Bezug auf die pflegetherapeu- jIntensive Angebote an den Mund
tische Begleitung von Menschen mit schweren Stö- Die Mund- und Zahnpflege stellt ein intensives An-
rungen des zentralen Nervensystems eine besonde- gebot dar – besonders dann, wenn eine orale Zu-
re Herausforderung dar. Veränderungen von Hal- fuhr von Speisen und Getränken noch nicht mög-
tung und Muskeltonus sowie Handicaps im Erken- lich ist. Die Gabe von Sondenernährung muss im
nen von Handlungen bzw. einzelnen Handlungs- Verlauf von passenden und fördernden Informa-
schritten stellen die pflegenden Personen mitunter tionen begleitet werden.
vor scheinbar unlösbare Aufgaben. Aber gerade die
Arbeit am und im Mund ist von elementarer Be- jDer Patient kann am ehesten
deutung. Der Mund ist einerseits ein erkennendes durch positive Angebote »lernen«
und andererseits ein handelndes Organ und eine Wiederkehrende positive Empfindungen am und
definierte intime Zone. Der Mundinnenraum ist im Mund ermöglichen dem Patienten die Ausbil-
reich an Rezeptoren und ausgesprochen empfind- dung von positiven Erkenntniswahrnehmungen.
lich. Wenn wir die Mund- und Zahnpflege betrach-
ten, so steht fest, dass diese Handlungen mitent- jDie Mundpflege beginnt nicht im Gesicht
scheidend sind dafür, wie z. B. die nachfolgende oder am Mund
Nahrungsaufnahme gestaltet werden kann. Sie Für viele Betroffene ist die Mundpflege eine Stress-
können Nachfolgendes also möglich oder unmög- situation. Die Bereitschaft, den Mund zu öffnen, ha-
lich machen. Die therapeutische Mund- und Zahn- ben eine große Zahl der Betroffenen nicht, dies mag
pflege bei hirnverletzten Menschen sollte aus- einerseits an den vielen negativen Erfahrungen lie-
11 schließlich von Personen durchgeführt werden, die gen, die sie während der klinischen und vollstatio-
diesbezüglich über spezielle Kenntnisse verfügen nären Aufenthalte gemacht haben und andererseits
(. Abb. 11.1). lässt die Muskelspannung das Öffnen des Mundes
Nachfolgend werden einige Prinzipien näher vielleicht noch nicht zu. Um beides zu relativieren,
beschrieben, die dem Handelnden helfen sollen, ist es zwingend, dem Mundraum mit größtem Re-
der therapeutischen Mund- und Zahnpflege eine spekt zu begegnen. Vor der eigentlichen Mundar-
gewisse Struktur zu geben. beit finden die ersten Berührungen fern vom Ge-
sicht, z. B. in der Schulter- oder Nackenregion, statt.
Beobachtend, abwartend und langsam tasten sich
11.1 Grundprinzipien der Mund- die pflegenden Personen an den Mund heran.
und Zahnpflege
jNutze die motorischen Triggerpunkte
jDie Hände sprechen bei der Mund- und Zahnpflege
Besonders bei der Mundpflege ist es wichtig, dass Die Triggerpunkte befinden sich an unterschiedli-
die pflegenden Personen mit Bedacht unterschied- chen Stellen der Gesichtspartie. Die spürbare Berüh-
liche Wahrnehmungskanäle nutzen. Reduziere die rung dieser Punkte ermöglicht dem Betroffenen,
Sprache und die Umgebungsgeräusche für den seine Spannung in der Muskulatur anzupassen.
Moment auf das Wesentliche.
jNutze den olfaktorischen Zugangsweg
jVor der therapeutischen Mund- Verbinde zwei Angebote und informiere zuerst die
und Zahnpflege werden die Lippen gepflegt Geruchswahrnehmung und dann erst die Ge-
Damit keine Verletzungen an den Lippen und schmackswahrnehmung (. Abb. 11.2, 7 Abschn.
Mundwinkeln entstehen und der Betroffene kein 11.2).
11.1 · Grundprinzipien der Mund- und Zahnpflege
119 11

. Abb. 11.1 Der Inhalt eines Mundpflegesets besteht aus Kinderzahnbürste, Zungenreiniger, flüssiger Zahnpasta
(z. B. Theramed liquid), Vlieskompressen und dem Logo-Spoon

. Abb. 11.2 Vor dem Schmecken kommt das Riechen


120 Kapitel 11 · Therapeutische Mund- und Zahnpflege und die Nahrungsaufnahme

jDie pflegende Person bereitet jBiete eine adäquate Lagerung an und stelle
ihre Hände vor eine physiologische Atmung sicher
Für den betroffenen Menschen sind die pflegenden Das Aufsetzen im Bett stellt in den meisten Situa-
Personen oftmals wenig vertraut und fremd. Um tionen keine sinnvolle und fördernde Position zur
für den hirnverletzten Menschen nicht zu unver- Mund- und Zahnpflege dar. Viele der eingesetzten
traut zu sein, sollte die handelnde Person ihre Hän- Pflegebetten ermöglichen zwar, dass der betroffene
de mit einer Handcreme, die dem Betroffenen be- Mensch eine halbsitzende Position einnimmt, sie
kannt ist, eincremen. beeinflussen jedoch die Haltung so, dass sich die
Voraussetzungen für den Atemapparat äußerst ne-
jDie betreuenden Personen sollten so selten gativ verändern. Das Atemzugvolumen wird durch
wie möglich wechseln die geänderten Drucke kleiner. Gleichzeitig erhöht
Die Mundpflege ist auch etwas Intimes. Die ent- sich die Atemfrequenz, der einzelne Atemzyklus
sprechenden Personen, die dem Betroffenen die wird kürzer und somit der Zeitraum für das Schlu-
Mundpflege anbieten, sollten vertraut und bekannt cken kleiner. Eine sehr prekäre Situation wird er-
sein. Die Zuständigkeit für hirnverletzte Menschen zeugt. Empfohlen wird auch an dieser Stelle die
sollte aus diesem und anderen elementaren Grün- 90°-Lagerung, das aufrechte Sitzen im Stuhl/Roll-
den nicht wechseln. stuhl oder das unterstützte Sitzen am Kopfende des
Benutze so wenig Fremdmaterialien wie mög- Bettes.
lich im Mund
Alles was von außen kommt, birgt in sich die jWähle die Zahnbürste bewusst aus
Gefahr, für den Betroffenen fremd zu sein. Fol- Eine wesentliche Voraussetzung für eine passende
gendes betrachtet das CCC kritisch bzw. lehnt ab: und als wohltuend empfundene Zahnpflege ist die
4 das Mundauswischen mit Hilfe einer Klemme, Wahl der geeigneten Zahnbürste. Fest steht, dass die
4 das Benutzen von Beißkeilen, Zahnbürste mit herkömmlich großem Borstenkopf
4 die Mundraumreinigung mittels pflaumen- viel zu groß und damit ungeeignet ist. Von der An-
11 großer Tupfer, wendung elektrischer Zahnbürsten sieht das Kon-
4 die Benutzung von »scharfen« Tinkturen und zept in der Regel ab. Die multiplen und zum Teil
Flüssigkeiten, nicht zielgerichteten Informationen sorgen gerade
4 das unreflektierte Absaugen im Mundraum, bei hirnverletzten Menschen für ein handlungsbe-
4 wenn die Mundpflege von häufig wechselnden zogenes Orientierungsproblem. Bei vielen betrof-
Personen durchgeführt wird, fenen Menschen war der Spannungsanstieg in der
4 das schnelle Arbeiten u. a. Muskulatur reproduzierbar zu beobachten. Es ste-
hen viele weitere Möglichkeiten zur Verfügung:
jFühre die Mund- und Zahnpflege 4 Putztrainer (mit Gummi armierte Putzköpfe),
nie in Rückenlage durch 4 Kinderzahnbürsten,
Bewege den Betroffenen in eine Position, in der die 4 Fingerzahnbürsten (. Abb. 11.3),
Gefahr der zurücklaufenden Flüssigkeit minimiert 4 3D-Zahnbürsten (besonders gut im Fachbe-
wird. Oftmals ist es genau diese Flüssigkeit, an de- reich der Gerontopsychiatrie einzusetzen).
nen sich der Mensch mit einer schweren Schädi-
gung des zentralen Nervensystems verschluckt und jTeile den Mund in Quadranten ein
die er aspiriert. Die therapeutische Mund- und Um die erforderlichen Strukturen zu schaffen, soll-
Zahnpflege wird konsequent in 90°-Seitenlage oder te die Mundöffnung in Quadranten eingeteilt wer-
im aufrechten Sitzen angeboten. Auf diesem Wege den. Jeder Quadrant wird mit einer Ziffer belegt,
wird sichergestellt, dass im Mund befindliche Flüs- die therapeutische Mund- und Zahnpflege kann
sigkeit der Schwerkraft folgend aus dem Mund lau- nun in einer festgelegten Reihenfolge angeboten
fen kann. werden. Die Wiedererkennung seitens des Betrof-
fenen ist groß. Idealerweise befindet sich ein ent-
sprechender Vermerk im Lebensraum der betrof-
11.2 · Das assoziierende Prinzip der therapeutischen Mundpflege
121 11

. Abb. 11.3 Einsatz der Fingerzahnbürste, um ihre eigenen taktil-kinästhetischen Möglichkeiten zu nutzen. Das Ausleuch-
ten des Mundraums muss fester Bestandteil des täglichen Handelns sein

fenen Person, in der Dokumentation findet sich der 4 Sie sollte nur sehr dezent schäumen (Misch-
entsprechende Querverweis. konsistenz).
4 Sie sollte, wenn möglich, keine Schlemmkreide
jPutze die Zähne von hinten nach vorne enthalten (kann eine trockene Mundschleim-
und von rot nach weiß haut erzeugen).
Zu der strukturellen Arbeit gehört auch die Metho- 4 Sie sollte sich im Wasser (Zahnputzbecher)
de, nach der die Zähne geputzt und die Kiefer in- schnell auflösen. Die Zahnpasta wird nicht auf
formiert werden. Die Informationen müssen ein- die Borsten der Zahnbürste gegeben, stattdes-
deutig und damit leicht zu verarbeiten sein. Strikt sen wird sie im Wasser aufgelöst.
wird ein schnelles Hin und Her vermieden. Die
Zähne werden gemäß den Quadranten mit einem
Strich von hinten nach vorne und von rot nach 11.2 Das assoziierende Prinzip
weiß gereinigt. der therapeutischen Mundpflege

jEs werden keine trockenen Gegenstände Das assoziierende Prinzip der therapeutischen
und Materialien in den Mundraum eingeführt Mundpflege versetzt den Menschen mit einer
Alles was in den Mundraum eingebracht wird, wie schweren Schädigung des zentralen Nervensystems
z. B. der behandelnde Finger mit Kompresse, die in die Lage, Zusammenhänge zu erkennen. Sobald
Zahnbürste, der Zungenreiniger u. a., muss zuvor die Zusammenhänge innerhalb der für den Betrof-
in einem Glas mit indifferent temperierten Wasser fenen spürbar und real sind, kann der Betroffene
nass gemacht werden. die Möglichkeit ausbauen, einzelne Hypothesen
auszubilden. Das CCC sieht die Bedeutung der the-
Zahnpasta Die verwendete Substanz sollte folgende rapeutischen Mundpflege nicht nur in der för-
Anforderungen erfüllen: dernden Arbeit mit dem Mund, sondern bezieht
122 Kapitel 11 · Therapeutische Mund- und Zahnpflege und die Nahrungsaufnahme

auch immer die Wirkungen der Geruchswahrneh- 4 Warme Kompresse um den Unterkiefer.
mung mit ein. 4 Kieferkontrollgriff.
Die therapeutische assoziierte Mundpflege be- 4 Therapeutische Einreibung des Gesichtes: Hier-
ginnt mit einem Riechangebot. Mittels Duftvertei- bei werden Stirn, Augenbrauen, Nasenwurzel,
ler wird z. B. der Duft von Orangen angeboten. Der Wangenpartie, seitliche Augenpartie, Nasenrü-
hirnverletzte Mensch braucht mitunter einen län- cken, Mundpartie und Kinnpartie mobilisiert
geren Zeitraum, bis zu 2–3 Minuten, um das Ange- und informiert.
bot auch annehmen zu können. Auch hier sei noch 4 Tragen einer Mütze als Wärmeisolation, insbe-
einmal eindringlich daran erinnert, dass die Aus- sondere in der Nacht bietet sich das Tragen ei-
gangsposition des Betroffenen zur Mundpflege ent- ner Baumwollmütze an.
weder die 90°-Seitenlage oder das aufrechte Sitzen
im Stuhl oder Rollstuhl ist.
Erst nach der benötigten Zeit des Riechange- 11.4 Die warme Kompresse
botes wird nun der Zugang zum Mund angebahnt.
Mit dem Informieren der motorischen Trigger- Erkrankungsbedingt veränderte Verhältnisse sind
punkte (in der Linie zwischen Kiefergelenk und oftmals auch im gesamten Gesichtsbereich zu be-
Mundwinkel und um die Ober- und Unterlippe obachten. Besonders wenn es um Mund- und
herum), dem Angebot des informierenden und un- Zahnpflege und um Essen und Trinken geht, ist der
terstützenden Kieferfunktionsgriffs, einer adä- Muskeltonus in Gesicht und Unterkiefer von groß-
quaten Mobilisierungssequenz der Gesichtsmusku- er Bedeutung. Die betroffene Muskulatur benötigt
latur, einer weiteren Information zur festen, sta- äußere Informationen zur Regulation. Ein solches
bilen und spürbaren Umgebung oder der warmen Informationsangebot ist die Anwendung der war-
Kompresse stehen viele unterschiedliche Möglich- men Kompresse. Das entsprechende Angebot be-
keiten zur Verfügung. Ist der respektvolle und ginnt jedoch nicht innerhalb des Gesichts, sondern
wertschätzende Weg in den Mundraum gefunden, in angemessener Entfernung wie etwa dem Schul-
11 beginnt ein kleines und zum Geruchsangebot pas- terbereich. Prinzipiell beginnt keine Handlung im
sendes orales Angebot. Orangengeruch und nach- Gesichtsraum. Die warme Kompresse kann in lie-
folgend Orangengeschmack lassen aus dem Ange- gender oder sitzender Position angeboten werden
bot der therapeutischen Mundpflege eine nachvoll- mit dem Ziel, dass die Mundpartie nach der Hand-
ziehbare Information werden. lung ein sinngebendes Erlebnis bekommt. Dies
könnte eine therapeutische Mundpflege oder ein
intraorales Informationsangebot im Sinne eines
11.3 Regulation der Gesichts- Kausäckchens sein.
und Halsmuskulatur

In erster Linie ist die Frage des Kopfkissens zu be- Anlegen der warmen Kompresse
rücksichtigen. Bei Regulationsschwierigkeiten im 4 Die warme Kompresse wird mittels eines
Bereich der Gesichts- und Halsmuskulatur sollte es Frotteetuches und mit warmem Wasser
zur Anwendung des Trigo Therapiesystems kom- hergestellt.
men, das dem Kopf einen Gewichtsanteil abnimmt 4 Das Wasser muss schon deutlich warm
und ihn in eine gebeugte Haltung bringt. sein, so dass ein Temperaturtest an der In-
Neben dem Kopfkissen stehen weitere Ange- nenseite des Unterarmes der betreuenden
bote zur Verfügung, um die entsprechenden Mus- Person zwingend ist.
kelgruppen zu informieren: 4 Die Kompresse wird von Ohr zu Ohr unter-
4 Wechselhafte Haltungen. halb des Kinnes angelegt und wird mit
4 Kleine Bewegungsangebote des in den Händen flächigem Druck an die Wangen und der
der pflegenden Person liegenden Kopfes. Kinnpartie angedrückt (. Abb. 11.4).
11.5 · Nahrungsaufnahme
123 11

. Abb. 11.4 Die warme Kompresse wird mit Druck im Bereich der Wange und Unterkiefer aufgelegt. Es muss sichergestellt
sein, dass die Temperatur der feuchten Kompresse nicht zu hoch ist. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)

Das Empfinden wechselhafter Drucke, das Nach- 11.5 Nahrungsaufnahme


formen anatomischer Strukturen und das Entde-
cken von Bewegungsräumen können mögliche Er- 11.5.1 Der Bolus
gebnisse des Angebots sein. Die Erfahrung eines
kompletten Mundschlusses kann gemacht werden. Als Bolus wird die Menge an Nahrung und Flüssig-
Die Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme können keit bezeichnet, die sich innerhalb des Mundraums
verbessert und eine Zunahme der Kauaktivitäten befindet und nachfolgend geschluckt werden muss.
beobachtet werden. Die warme Kompresse wird Der Bolus verfügt über Attribute, die darüber ent-
auch als Vorbereitung zur therapeutischen Mund- scheiden, ob der Mensch mit schweren Störungen
und Zahnpflege eingesetzt. Die Ausgangslage bei des zentralen Nervensystems mit einer neurogenen
diesem Angebot ist entweder die 90°-Seitenlage Dysphagie das Angebot an Nahrung und/oder
oder das Sitzen im Rollstuhl. Integriert werden Flüssigkeit schlucken kann. Diese Attribute ent-
kann dieses Angebot innerhalb der Rasur eines be- scheiden darüber, welche sensorische Information
troffenen Menschen mit schweren Störungen des er vermittelt und wie die Information die Bewe-
zentralen Nervensystems. gung der entsprechenden Muskeln initiiert und ko-
ordiniert. Aber nicht nur Nahrung und Flüssig-
keiten vermitteln sensorische Informationen – alles
was in die Mundhöhle eingebracht wird, auch wenn
es nicht geschluckt werden kann, gehört dazu:
124 Kapitel 11 · Therapeutische Mund- und Zahnpflege und die Nahrungsaufnahme

Zahnbürste, Utensilien zur Mundpflege, Zahner- Die sensorische Informationsdichte der einzelnen
satz u. a. Im folgenden Abschnitt wird jedoch in Flüssigkeiten ist unterschiedlich. Die wenigsten In-
erster Linie auf die Besonderheiten des Essens und formationen erhalten die Rezeptoren durch das zim-
Trinkens eingegangen. mertemperierte Wasser, bei dem sehr warmen Was-
Der Bolus verfügt über verschiedene Eigen- ser sind die Informationen bereits reicher und bei
schaften: dem sehr kalten Wasser sind sie am intensivsten.
4 Temperatur,
> Dem Mundraum angereichte Nahrung und
4 Geschmack,
Flüssigkeit muss der Spürbarkeit halber
4 Volumen,
deutlich warm oder deutlich kalt sein. Dieses
4 Struktur.
gilt auch für die Flüssigkeiten, die zur thera-
peutischen Mundpflege eingesetzt werden.
Die Gestaltung, Anpassung und Veränderung die-
ser Eigenschaften ist bei hirnverletzten Menschen jHandlungsanregungen
mit einer Dysphagie zwingend erforderlich. Die 4 Flüssigkeiten werden nicht im Umfeld der be-
einzelnen Eigenschaften gestalten das »normale« troffenen Person deponiert, sie lagern im Kühl-
Essen und Trinken zu einem sensorischen Erlebnis. schrank oder in Thermoskannen.
Da jeder Dysphagie eine Beeinträchtigung der Sen- 4 Getränke werden nur in der Menge in ein
sorik und/oder Motorik und/oder Bewegungs- Trinkgefäß gefüllt, welches der hirnverletzte
koordination zugrunde liegt, ist ein kreatives, fein- Mensch in einer Sitzung auch trinken kann.
fühliges und behutsames Vorgehen beim Gestalten 4 Handelsübliches Geschirr stellt die Temperatur
und Anreichen von Essen und Trinken obligato- nicht sicher, das Essgeschirr muss über die Fä-
risch. higkeit verfügen, das Essen warm oder kalt zu
Zum besseren Verständnis wird jede Bolus- halten.
eigenschaft mit einer kurzen Übung zur Selbster- 4 Es wird grundsätzlich nur die Menge aufgefüllt,
fahrung verdeutlicht. die der Betroffene auch beherrschen kann.
11
11.5.2 Gestaltung 11.5.3 Gestaltung
der Bolustemperatur des Bolusgeschmacks

jSelbsterfahrung jSelbsterfahrung

Übung Übung

4 Auf einem Tisch stehen 3 Trinkgefäße. Auf einem Tisch stehen vier kleine Teller.
4 In das erste Gefäß wird sehr warmes Was- Auf den Tellern befinden sich in überschau-
ser eingefüllt, das zweite Gefäß wird mit barem Umfang Nahrungsmittel verschiedener
zimmertemperiertem Wasser zur Hälfte ge- Geschmacksrichtungen:
füllt und in das dritte Gefäß füllen Sie sehr 4 ein Stück Vollmilchschokolade,
kaltes Wasser mit Eiswürfeln. 4 ein saurer Hering,
4 Nehmen Sie zuerst vorsichtig eine spür- 4 ein Stück Grapefruit,
bare Menge aus dem ersten Gefäß in den 4 ein kleines Stück Brot mit Butter und Kräu-
Mund, prüfen Sie die Informationsdichte tersalz.
und schlucken die Flüssigkeit hinunter.
Führen Sie die gleichen Schritte mit der Nun können die Nahrungsmittel nacheinander
Flüssigkeit des zweiten und dritten Ge- gegessen werden, gerne auch mit geöffnetem
fäßes durch. Mund und schmatzend.
11.5 · Nahrungsaufnahme
125 11
Jede Geschmacksrichtung bedeutet eine andere 11.5.4 Gestaltung
und neue Information. Hinsichtlich der Häufigkeit des Bolusvolumens
ist besonders in vollstationären Einrichtungen die
Geschmacksrichtung »süß« dominant und dies in jSelbsterfahrung
allen erdenklichen Varianten von der obligato-
Übung
rischen hellen Milchsuppe bis hin zur dunklen
Milchsuppe mit Schokoladengeschmack. Erfah-
4 Für diese Selbsterfahrung werden 1 Becher
rungen und Erlebnisse im Mundraum müssen so
Jogurt, 1 Esslöffel und 1 Teelöffel benötigt.
abwechslungsreich wie möglich sein. Menschen
4 Befüllen Sie den Esslöffel maximal und
mit schweren Störungen des zentralen Nervensys-
nehmen Sie nachfolgend die gesamte
tems brauchen für ihre sensorische Entwicklung
Menge in den Mund.
das Angebot aller Geschmacksrichtungen. Selbst
4 Nachdem die erste Portion herunterge-
wenn die betroffenen Menschen oral keine Nah-
schluckt wurde, folgt nun die Menge eines
rung oder Flüssigkeiten zu sich nehmen dürfen, so
maximal gefüllten Teelöffels.
sind nach Klärung und Absprachen orale Informa-
4 Zum Abschluss füllen Sie den Teelöffel
tionsangebote im Sinne von gefüllten Kausäckchen
nur zur Hälfte, auch die Menge wird ge-
oder Ähnlichen möglich. Der Mund als handelndes
schluckt.
und wahrnehmbares Organ braucht die Form der
»Entwicklungshilfe«, um die bestmöglichen Erfah-
rungen zu machen – dies alles in einer stressfreien
Umgebung. Einerseits werden die Mengen als unterschiedlich
empfunden, und andererseits ist die Schluckfre-
> Der Mundraum braucht ein reiches
quenz, die aufgebracht muss, von der Menge ab-
Informationsangebot an alltäglichen
hängig. Die Menge des maximal beladenen Esslöf-
Erlebnissen und dies durch Hände,
fels füllt den gesamten Mundraum, sie verteilt sich
die das Angebot gestalten wollen.
diffus und bedarf des mehrfachen Nachschluckens.
Bis zu 5-mal muss geschluckt werden, um das Vo-
jHandlungsanregungen lumen aus dem Mundraum zu entfernen. Der Löf-
4 Das Angebot der therapeutischen Mundpflege fel selbst wird innerhalb des Mundraumes als »rie-
muss abwechslungsreich gestaltet werden. Auch sig« empfunden. Auch die Menge des maximal ge-
kann z. B. mit einer salzigen Brühe zur entspre- füllten Teelöffels füllt große Teile des Mundraums
chenden Tageszeit ein orales Angebot innerhalb aus, und es muss ebenfalls bis zu 3-mal geschluckt
der Mundpflege konzipiert werden. werden. Der zur Hälfte befüllte Teelöffel transpor-
4 Orale Angebote mit einer Vielzahl von Ge- tiert genau die Menge, die am leichtesten beherrscht
schmacksrichtungen geben Struktur. werden kann. Das Volumen kann auf der Zunge
4 Der Mund ist ein »Schatz« und muss genauso zentriert und nachfolgend mit einem Schluck über
behandelt werden. den Rachen in Speiseröhre und Magen transpor-
tiert werden.
> Die Nahrung wird nicht mit einem
Esslöffel, sondern mit einem Teelöffel
angereicht. Die Menge der angereichten
Nahrung darf bei einem Menschen mit
schweren Störungen des zentralen
Nervensystems das Volumen eines zur
Hälfte gefüllten Teelöffels nicht über-
schreiten.
126 Kapitel 11 · Therapeutische Mund- und Zahnpflege und die Nahrungsaufnahme

jHandlungsanregungen Abnehmen der Nahrung verlässt der Löffel wieder


4 Das Volumen entscheidet darüber, ob der be- gerade die Mundhöhle.
troffenen Mensch sicher schlucken kann. Die Konsistenzen informieren den Mundraum
4 Es sollten keine »Schnabelbecher« für das An- in ganz unterschiedlicher Weise. Flüssigkeiten be-
reichen von Getränken benutzt werden nötigen die meisten Fähigkeiten seitens des Betrof-
4 Es werden nur kleine Löffel verwendet. Esslöffel fenen. Aber auch Brei und feste Nahrung haben
finden keine Verwendung. ihre Tücken. Der Druck mit dem Löffel auf die
4 Die Nahrung befindet sich im vorderen Teil des Zunge vermittelt Form und Struktur. Die »Rinnen-
Löffels, wodurch dem hirnverletzten Menschen haltung« der Zunge entspricht der physiologischen
das Abnehmen der Nahrung erleichtert wird. Haltung der Zunge, um den Bolus im Mundraum
zu zentrieren.

11.5.5 Gestaltung der Bolusstruktur > Die passende Konsistenz kann nur durch
eine klinische und bildgebende Diagnostik
jSelbsterfahrung bestimmt werden. Das geeignete Instru-
ment zum Anreichen der Nahrung oder der
Übung Flüssigkeit ist entscheidend und schützt
den Betroffenen vor eventuellen Aspira-
Folgende Konsistenzen werden gegessen und tionen.
getrunken:
4 flüssig – z. B. ein Getränk, jHandlungsanregungen
4 breiförmig – z. B. eine kleine Menge
4 Eine entsprechende apparative Diagnostik (z. B.
pürierter Nahrung,
Schluckendoskopie) sollte vor dem ersten Es-
4 fest – z. B. ein kleines Brotstück.
sen und Trinken durchgeführt werden.
4 Gegebenenfalls sollte eine weitere Endoskopie
11 Nachfolgend werden Veränderungen der Kon-
als Verlaufskontrolle stattfinden.
sistenzen vorgenommen z. B. mittels der Zuga-
4 Die weiterführende Diagnostik durch einen
be von Andickungsmitteln bei der Flüssigkeit
schluckstörungsorientiert arbeitenden Logopä-
und dem Brei. Das Brotstück wird nicht nur ein-
den sollte obligatorisch sein.
seitig, sondern beidseitig z. B. mit Kräuterkäse
4 Das therapeutische Team legt fest, durch wen
beschmiert.
die oralen Angebote verabreicht werden.

Für die adäquate Konzeption des Anreichens von


Insgesamt sollte Butter sehr zurückhaltend verwen- Nahrung und Flüssigkeiten bedarf es jedoch neben
det werden, da Butter den hinteren Rachenraum der Berücksichtigung von Bolustemperatur, -ge-
und die Kehlkopfregion nur begrenzt informiert. schmack, -volumen und -struktur noch weiterer
Diese konsequente Zurückhaltung gilt auch für das Gestaltungsmerkmale. Vorrangig zu nennen ist
Mischen von Konsistenzen. Dies betrifft z. B. das hier die Körperhaltung der betroffenen Person so-
Zumischen von Saucen oder anderen Flüssigkeiten wie die Haltung der pflegenden Person gegenüber
zu püriertem Essen, aber auch für Mineralwasser, dem Betroffenen. Das Anreichen von Nahrung im
das mit Kohlensäure versetzt ist. Bett ist unter der Berücksichtigung ganz bestimm-
Bei der Bolusstruktur wird neben der Konsis- ter Lagerungsmerkmale möglich, z. B. beim
tenz noch eine weitere Besonderheit betrachtet. 4 Sitzen am Kopfende,
Der kleine Löffel selbst kann eine therapeutische 4 Sitzen auf dem Matratzenrand mit Unterstüt-
Wirkung haben. Nachdem er gerade in den zung durch einen Sitzsack.
Mundraum eingeführt wurde, sollte er mit spür-
barem Druck nach unten die Zunge informieren
und sie unterstützen, eine »Rinne« zu bilden. Zum
11.7 · Der Kieferkontrollgriff
127 11
11.6 Die PEG aus Sicht des CCC 4 Die Gefahr, auf dem PEG-Schlauch zu liegen
und einen Dekubitus auszubilden, ist ausge-
Die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) schlossen.
wird für eine adäquate Nahrungs- und Flüssigkeits- 4 Der Button kann in zeitlichen Abständen ge-
zufuhr dringend gebraucht. Insbesondere bei Men- wechselt werden.
schen mit einer schweren Schädigung des zentralen
> Das Abdecken der Region zwischen Haut
Nervensystems sollte die Entscheidung zur Anlage
und äußerer Halteplatte mit einer einge-
einer PEG sehr frühzeitig getroffen werden. Die
schnittenen Vlieskompresse ist bei jeder
Möglichkeit zur Ernährung und Flüssigkeitsgabe
Sonde obligatorisch.
über eine PEG reduziert den Druck auf alle Beteili-
gten erheblich. Einerseits wird der betroffene
Mensch nicht durch umfangreiche Schluckange-
bote überfordert, und andererseits eröffnet sich für 11.7 Der Kieferkontrollgriff
das gesamte therapeutische Team die Möglichkeit,
dem Betroffenen durch fördernde Angebote posi- Über einen flächigen oder 3-Punkt-Griff kann dem
tive Erfahrungen am und im Mundraum zu ver- Unterkiefer die nötige Unterstützung bei der Bewe-
mitteln. Dieses Procedere ist notwendig, um vor gung vermittelt werden. Neben der Bewegung kön-
den ersten Nahrungs- und Flüssigkeitsangeboten nen die Kieferstellung, das Öffnen oder Schließen
die Sensibilität, Motorik und Koordination positiv des Mundes, die Zungenmotorik und die Bereit-
zu beeinflussen. schaft zur therapeutischen Mund- und Zahnpflege
positiv beeinflusst werden. Der Kieferkontrollgriff
> Bei liegender PEG müssen sich die Bemü-
gibt dem Unterkiefer den nötigen Halt und die Un-
hungen um den Mundraum durch alle betei-
terstützung, Funktionen aufzubauen. Durch ein
ligten pflegenden Personen intensivieren.
ansprechendes Setting kann das Schlucken einge-
Jeder hirnverletzte Mensch mit einer neurogenen leitet werden.
Dysphagie benötigt eine PEG zur Sicherstellung Zur Anwendung kommen der vordere und der
seiner regelrechten Stoffwechselaktivität. Diese Sta- hintere Griff. Beim vorderen Kieferkontrollgriff
bilität ermöglicht und eröffnet neue Förder- und (. Abb. 11.5) liegt der Kopf des Betroffenen z. B.
Lernwege für den Betroffenen. Eine Ausgewogen- auf einem höhenverstellbaren Trigo Therapiesys-
heit und Balance aller Stoffwechselaktivitäten wird tem für den Kopf oder er lehnt an der Kopfstütze
innerhalb des CCC als Voraussetzung für eine er- eines Rollstuhls.
folgreiche und nachhaltig wirkende neurologische Beim hinteren Kieferkontrollgriff sitzt der Be-
Langzeitrehabilitation betrachtet. Der gesamte Pro- troffene ohne Rückenunterstützung im Rollstuhl
zess darf nicht wissentlich negativ beeinflusst wer- oder auf einem Stuhl oder Hocker (. Abb. 11.6).
den. Der Kieferkontrollgriff eignet sich bei folgenden
Die entsprechende Sonde (PEG oder perkutane Anwendungsgebieten:
endoskopische Jejunostomie – PEJ) wird während 4 zur Durchführung einer therapeutischen
einer Gastroskopie gelegt und bedarf nachfolgend Mund- und Zahnpflege,
einer besonderen Pflege. Bei den meisten hirnver- 4 während der Nahrungsaufnahme,
letzten Menschen wird eine herkömmliche Sonde 4 zur Gestaltung einzelner Schluckphasen – z. B.
mit einem entsprechenden Zuleitungsschlauch ge- Mundschluss herstellen, Kopfhaltung korrigie-
legt. Hierbei muss einerseits auf das Abknicken des ren u. a.,
Schlauches und andererseits auf die Vermeidung 4 zur Mundinspektion nach der Nahrungsauf-
von Druckstellen geachtet werden. nahme.
Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, 4 zur Regulation der Gesichtsmuskulatur.
sollte der Einsatz eines »Buttons« statt einer PEG- 4 zum Ausstreichen der Wangen z. B. zur Entlee-
Sonde diskutiert werden. Dieser Button bietet meh- rung von Speichel.
rere entscheidende Vorteile:
128 Kapitel 11 · Therapeutische Mund- und Zahnpflege und die Nahrungsaufnahme

. Abb. 11.5 Der vordere Kieferkontrollgriff. (Mit freundl. Genehmigung von Herrn Walter Ullmer)

11

. Abb. 11.6 Der hintere Kieferkontrollgriff. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)
11.7 · Der Kieferkontrollgriff
129 11

Beim Kieferkontrollgriff zu beachten


4 Eigene Hände waschen.
4 Eigene Hände mit der Gesichtscreme des
Betroffenen eincremen.
4 Nur geruchs- und geschmacksneutrale
Handschuhe verwenden.
4 Im Bett muss das Kopfkissen dem Kopf des
Betroffenen die nötige Stabilität geben.
4 Im Sitzen die Kopfhaltung des betroffenen
Menschen unterstützen.
4 Spürbaren Druck übertragen, der Druck
darf jedoch nicht schmerzhaft sein.
131 12

Hilfsmittel
12.1 Trigo Therapiesysteme –
ein Teil des DysThera-Konzepts – 132
12.1.1 Trigo Therapiesystem für den Körper – 133
12.1.2 Trigo Therapiesystem für den Kopf – 133
12.1.3 Trigo Therapiesystem für den Rumpf – 133
12.1.4 Trigo Therapiesystem für die Schulter – 133
12.1.5 Trigo Therapiesystem für die Hand – 140
12.1.6 Trigo Therapiesystem für die A- Lagerung – 140
12.1.7 Wirksamkeit des DysThera-Systems – 140
12.1.8 Interview mit einer Betroffenen – 142

12.2 Die Kniewelle – Hilfsmittel aus der Kinästhetik – 142

12.3 Der Rollstuhl – 147

12.4 Das Trinkinstrument – 147

12.5 Der Nasenpflegeabsaugkatheter NosoQuick:


Anwenderbericht – 147

12.6 Der Dysphagielöffel – 149

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
132 Kapitel 12 · Hilfsmittel

12.1 Trigo Therapiesysteme – 4 Sekretschutz,


ein Teil des DysThera-Konzepts 4 Trigo Therapiesystem für den Rumpf,
4 Trigo Therapiesystem für die Schulter,
Trigo Therapiesysteme sind ein Teil des »DysThe- 4 Flüssigkeitsschutz,
ra-Konzepts« – eines zukunftsorientierten Systems 4 Trigo Therapiesystem für die Hand,
von innovativen Therapiemitteln zur Förderung 4 Flüssigkeitsschutz,
von Menschen mit einer schweren Schädigung des 4 Trigo Therapiesystem für die A-Lagerung,
zentralen Nervensystems. Es ist das Resultat jahre- 4 Logo-Spoon,
langer praktischer Arbeit mit hirnverletzten Men- 4 NosoQuick,
schen und setzt sich aus den Begriffen »Dysphagie« 4 Swally-Ice.
und »Therapie« zusammen. Die innovativen Thera-
piemittel unterstützen erfolgreich die pflegerische Die Trigo Therapiesysteme zeichnen sich durch be-
und therapeutische Begleitung. Häufig ist festzu- sondere Eigenschaften aus:
stellen, dass z. B. die Funktion »sicher schlucken 4 Sie sind hergestellt aus druckentlastendem
können« einerseits oft beeinträchtigt ist und an- SAF-Schaum.
dererseits die Folgen und die Bedeutung für den 4 Die Form modelliert sich individuell an.
Betroffenen mit einer schweren Schädigung des 4 Sie sind für Allergiker geeignet.
zentralen Nervensystems nicht selten unterschätzt 4 Sie haben einen flüssigkeitsabweisenden Be-
werden. Eine derartige Funktionseinschränkung ist zug.
fast immer mit einem enormen Leidensdruck ver- 4 Sie können in der haushaltsüblichen Waschma-
bunden. Erschwerend kommt hinzu, dass neben schine gewaschen werden.
den neurologischen Ursachen für eine Dysphagie 4 Sie sind geeignet für den Wäschetrockner.
im weiteren Verlauf, insbesondere bei älteren Be- 4 Sie zeichnen sich durch einen hohen Hygiene-
troffenen, altersdegenerative Veränderungen die standard aus.
gesamte Situation ungünstig beeinflussen. Das Pro-
blem der Dysphagie kann nur auf Basis einer kon- jIndikationen
tinuierlichen und interdisziplinären Zusammen- Nachfolgende medizinische Diagnosen sind prä-
12 arbeit aller Beteiligten bearbeitet werden. Die The- destiniert für die Implementierung von DysThera-
rapiemittel unterstützen die Bereiche Wahrneh- Therapiemitteln:
mungsförderung, Bewegungsförderung, Interakti- 4 Schädelhirntrauma,
onsförderung zwischen Personen und die Interak- 4 hypoxischer Hirnschaden,
tionsförderung zwischen der Person und ihrer 4 Apoplex,
spürbaren Umwelt. Elementare Funktionen werden 4 multiple Sklerose,
sich durch die adäquate Förderung dieser Bereiche 4 Morbus Parkinson,
positiv entwickeln. DysThera ist nicht nur eine 4 Demenz,
Sammlung von Therapiemitteln, sondern ein kom- 4 amyotrophe Lateralsklerose,
plexes und dynamisches System, welches ständig 4 Chorea Huntington,
erweitert und überarbeitet wird. Besonders inner- 4 Myasthenia gravis,
halb der pflegerischen und therapeutischen Inter- 4 Schwerst-/Mehrfachbehinderung,
ventionen bei Menschen mit einer schweren Schä- 4 Anlage eines Tracheostomas mit und ohne Tra-
digung des zentralen Nervensystems nehmen die chealkanüle,
Therapiemittel eine herausragende Stellung ein. 4 Menschen, die klinisch und außerklinisch beat-
met werden,
jBestandteile des DysThera-Systems 4 weitere neurologische und kritische Erkran-
Das DysThera-Konzept beinhaltet folgende Ele- kungen.
mente:
4 Trigo Therapiesystem für den Körper,
4 Trigo Therapiesystem für den Kopf,
12.1 · Trigo Therapiesysteme – ein Teil des DysThera-Konzepts
133 12
12.1.1 Trigo Therapiesystem 12.1.3 Trigo Therapiesystem
für den Körper für den Rumpf

Das Trigo Therapiesystem für den Körper wird zur Dieses Therapiesystem kann in besonderer Weise
sensomotorischen Förderung als Liegeflächenauf- unterstützen. In Seitenlage unterstützt das Trigo
lage angeboten. Sie modelliert die aufliegende Kör- Therapiesystem für den Rumpf die Liegestabilität
perregion und verdichtet damit die Information an und erhöht dezent den extraabdominalen Druck,
den Körper. Diese sensorische Information bewirkt wodurch sich die Atemluft in den Lungen umver-
die Reduktion von Muskelspannung und erweitert teilt (. Abb. 12.4). Die Respiration wird spürbar
die Bewegungsräume. Ein positiver Einfluss wirkt unterstützt, und die Betroffenen berichten von ei-
auf Muskeltonus, Lagerung, Bewegungsübergänge. ner spürbaren Atemerleichterung bei tendenziell
Die Umwelt wird spürbarer und die Propriozeption sich positiv verändernder Atemfrequenz. Im Sitzen
steigt. Die Liegeflächenauflage ist dreigeteilt und (Rollstuhl oder Stuhl) kann das Trigo Therapiesys-
mit einem speziellen Stoffbezug versehen. Die tem für den Rumpf die Funktion der Lenden- oder
einzelnen Segmente sind waschbar (. Abb. 12.1, Brustwirbelsäule unterstützen, die Sitzhaltung und
. Abb. 12.2). die Sitzqualität deutlich verbessern, wobei gleich-
zeitig die Atem-Schluck-Koordination steigt und
die Aspirationsgefahr sinkt. Des Weiteren kann das
12.1.2 Trigo Therapiesystem System als Sitzunterstützung angeboten werden –
für den Kopf die positive Einflussnahme auf die Hüftstellung
und der erzeugte Rutschschutz bewirken das stabile
Das Trigo Therapiesystem für den Kopf wird als und funktionsunterstützende Sitzen im Stuhl, Roll-
Hilfe unter dem Kopf positioniert, und das Unter- stuhl und auch im Bett (. Abb. 12.5, . Abb. 12.6,
legen findet mittels selektiver Bewegungsübergän- . Abb. 12.7, . Abb. 12.8).
ge des Kopfes, des Rumpfes und der oberen Extre-
mitäten statt. Die spezielle Form, das spezielle Ma-
terial und die spezielle höhenverstellbare Funktion 12.1.4 Trigo Therapiesystem
unterstützen die Kopfhaltung in besonderer Weise. für die Schulter
Dem Kopf werden auf diesem Wege Gewichte ab-
genommen, und er wird in eine funktionsunter- Besonders in Seitenlage und im Sitzen ist die Stabi-
stützende Haltung gebracht (. Abb. 12.3). Dieses lisierung der Schulterhaltung von herausragender
ist umso wichtiger, da die Schwerkraft permanent Bedeutung. Das Trigo Therapiesystem für die
wirkt und der Kopf dadurch einen kontinuierlichen Schulter wird zum Schutz des jeweiligen Schulter-
Extensionsauftrag erhält. Zahlreiche Funktionsein- gelenks, zur Aufrechterhaltung der physiologischen
schränkungen sind durch diesen Umstand begrün- Atemfunktion und zur Förderung der Liegesicher-
det. Die Folgen sind nicht nur die Überstreckung heit eingesetzt (. Abb. 12.9). In Seitenlage oder in
des Kopfes , sondern zusätzlich die negative Ein- sitzender Position bekommt die entsprechende
flussnahme auf die Funktion des Schluckens, die Schulter durch das Trigo Therapiesystem für die
hohe Aspirationsgefahr, erschwerter Mundschluss, Schulter die notwendige Haltung unterstützt. Die
die negative Beeinflussung der Atemfunktion, die Schulter kann nur noch bedingt der Schwerkraft
Einschränkung des visuellen Wahrnehmungsfeldes, folgen. Über diesen Anwendungsbereich hinaus
Schmerzen, die Auswirkungen auf die gesamte Be- kann das Trigo Therapiesystem für die Schulter
wegung und der zum Teil erhebliche Sekretstau im auch als atemunterstützender »Rumpfgurt« in die
Bereich des Mundes und des Nasen-Rachen- Lagerung integriert werden (. Abb. 12.10). Zusätz-
Raumes. Durch die optionale Möglichkeit der stu- lich kann der waschbare Sekretschutz genutzt wer-
fenlosen Höhenanpassung kann eine permanente den.
Optimierung der Kopfhaltung gewährleistet wer-
den. Zusätzlich kann der waschbare Sekretschutz
in Seitenlage genutzt werden.
134 Kapitel 12 · Hilfsmittel

12

. Abb. 12.1 Die unebene Oberfläche und das spezielle Material umschmeicheln die aufliegende Körperregion und
intensivieren das Spüren. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)
12.1 · Trigo Therapiesysteme – ein Teil des DysThera-Konzepts
135 12

. Abb. 12.2 Trigo Therapiesystem für die Schulter – auch zur Lagestabilisierung für die untere Extremität. (Mit freundl.
Genehmigung von Miriam Holzmann)

. Abb. 12.3 Eine harmonische und regulierende Haltung des Rumpfes und Kopfes. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam
Holzmann)
136 Kapitel 12 · Hilfsmittel

12

. Abb. 12.4 Zur Steigerung der Liegestabilität. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)
12.1 · Trigo Therapiesysteme – ein Teil des DysThera-Konzepts
137 12

. Abb. 12.5 Das fußwärtige Rutschen wird verhindert. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)

. Abb. 12.6 Die Haltung der unteren Extremitäten wird durch die Form des Therapiesystems unterstützt. (Mit freundl.
Genehmigung von Miriam Holzmann)
138 Kapitel 12 · Hilfsmittel

. Abb. 12.7 Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten unterstützen auch das Empfinden von Körpergrenzen. (Mit freundl.
Genehmigung von Miriam Holzmann)

12

. Abb. 12.8 Trigo Therapiesystem für den Rumpf – auch zur Information anderer Körperregionen. (Mit freundl. Genehmi-
gung von Miriam Holzmann)
12.1 · Trigo Therapiesysteme – ein Teil des DysThera-Konzepts
139 12

. Abb. 12.9 Die Schulter wird stabilisiert und die Respiration positiv unterstützt. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam
Holzmann)

. Abb. 12.10 Eine weitere Anwendungsmöglichkeit zur Unterstützung der Atmung und des Sprechens. (Mit freundl.
Genehmigung von Miriam Holzmann)
140 Kapitel 12 · Hilfsmittel

12.1.5 Trigo Therapiesystem 4 sensorische Informationsaufnahme/Proprio-


für die Hand zeption,
4 Muskeltonus/Bewegung,
Fehlstellungen der Hände sind im besonderen Ma- 4 Ernährung/Essen und Trinken u. v. a. m.
ße einschränkend. Viele taktil-kinästhetische Mög-
lichkeiten und Funktionen können dadurch nicht jAuswirkungen auf die Körperhaltung
mehr im vollen Umfang wahrgenommen werden. 4 Verminderte Extension des Kopfes.
Die Funktionen der Hände der Betroffenen müssen 4 Der Kopf erhält einen Beugeauftrag.
durch besondere pflegerische und therapeutische 4 In Seitenlage wird die Lateralflexion des Kopfes
Maßnahmen unterstützt werden – hier besonders verhindert.
geeignet sind die wirkende Handmassage und das 4 Folgeprozesse wie Hinsetzen, Transfer, Sitzen
wirkende Handbad. Das Trigo Therapiesystem für im Stuhl/Rollstuhl werden positiv beeinflusst.
die Hand erzeugt eine Handhaltung, die die Durch- 4 Positiver Einfluss auf die gesamte Körperhal-
blutung der Hand ungehindert aufrechterhält und tung (Rumpf, obere Extremitäten usw.).
die Funktionsaufnahme der Hand fördert (. Abb.
12.11). Zusätzlich kann der waschbare Sekretschutz jAuswirkungen auf Schlucken
genutzt werden. und Kehlkopffunktion
4 Der haltungsbedingte Zug auf den gesamten
Kehlkopfapparat lässt deutlich nach, infolge
12.1.6 Trigo Therapiesystem dessen der Kehlkopf die notwendige und phy-
für die A- Lagerung siologische Elevation zum Schlucken durch-
führen kann.
Fehlender Halt und fehlende Unterstützung im Be- 4 Die Funktion des Schluckens wird deutlich bes-
reich des Kopfes, des Schultergürtels und der Flan- ser.
ken begünstigen die Entstehung von Fehlhaltungen, 4 Annäherung an einen kompletten Lippen- bzw.
hohem Muskeltonus sowie Atemeinschränkungen Mundschluss.
und Schluckbeeinträchtigungen. Das Trigo Thera- 4 Positiver Einfluss auf den Kehlkopfverschluss
12 piesystem für die A-Lagerung stabilisiert die Lage beim Schlucken.
des gesamten Rumpfes und des Schulterbereichs 4 Residuen um den Kehlkopf wird entgegenge-
und reduziert gleichzeitig einen eventuell auftre- wirkt.
tenden Druck auf den oberen Anteil der Wirbel- 4 Voraussetzung für Mundpflege und intraorale
säule (7 Kap. 8, . Abb. 8.3). In Verbindung mit dem Stimulation.
Therapiesystem für den Kopf stellt es eine thera- 4 Für ein professionelles Trachealkanülenmana-
peutische Einheit dar und fördert die Funktion des gement.
Schluckens.
jAuswirkungen auf Atmung und Sekret
4 Die gesamte Atemfunktion wird positiv unter-
12.1.7 Wirksamkeit stützt.
des DysThera-Systems 4 Die Aspirationsgefahr sinkt.
4 Das Sekret im Mund und Nasen-Rachen-Raum
Eine positive Veränderung im Bereich der Regula- kann in Seitenlage ungehindert abfließen – ein
tion, Förderung und Funktionszunahme konnte Sekretstau wird verhindert.
durch die Implementierung des DysThera-Systems 4 Das Sekretaufkommen wird spürbarer und
in nachfolgenden Bereichen beobachtet werden: kann besser geschluckt werden.
4 Körperhaltung, 4 Bei Tracheotomierten wird der Zug auf die Tra-
4 Schlucken und Kehlkopffunktion, chealkanüle verhindert.
4 Atmung und Sekret,
4 Kommunikation,
12.1 · Trigo Therapiesysteme – ein Teil des DysThera-Konzepts
141 12

. Abb. 12.11 Durch das Therapiesystem für die Hand wird die erzeugte Sensibilität mit Nachhaltigkeit unterstützt. (Mit
freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)
142 Kapitel 12 · Hilfsmittel

jAuswirkungen auf die Kommunikation 12.1.8 Interview mit einer Betroffenen


4 Zunahme des Atemvolumens zur Verbesserung
der Stimmbildung durch optimierten Anblase- Nach dem erfolgreichen Einsatz der Therapiemittel
druck aus den Lungen auf die Stimmlippen. wurde Miriam Holzmann über die von ihr wahrge-
4 Möglichkeit zur Wahl einer Trachealkanüle mit nommenen Veränderungen befragt. Ihre Kom-
Sprechaufsatz. mentare sind in dem nachfolgenden Interview
4 Steigerung der Vigilanz. dokumentiert (. Abb. 12.12)
4 Haltungsregulation für das Sprech- und Stimm-
training.
12.2 Die Kniewelle –
jAuswirkungen auf die sensorische Hilfsmittel aus der Kinästhetik
Informationsaufnahme/Propriozeption
4 Die visuelle Raumwahrnehmung wird größer. Die Kniewelle ist ein in der Anwendung einfaches
4 Die Möglichkeit zum Kommunikationsaufbau Hilfsmittel. Sie ist vor Jahren von einem befreunde-
nimmt zu. ten Kinästhetiktrainer entwickelt worden. Primär
4 Schmerzreduktion und Schmerzprävention war die Kniewelle als Aufsteh- und Stehhilfe konzi-
können sich einstellen. piert worden. Ihre Vorzüge sind jedoch viel zahl-
4 Das Schlafverhalten wird günstig beeinflusst. reicher. Während der Arbeit mit dem CCC kristal-
lisierten sich die nachfolgenden Anwendungsge-
jAuswirkungen auf Muskeltonus/Bewegung biete der Kniewelle heraus:
Die Liege- und Lagerungshilfen regulieren den 4 Hinstellen von betroffenen Menschen mit her-
Muskeltonus und fördern dadurch die Möglich- abgesetzter Funktion,
keiten, bewegt zu werden bzw. sich selber bewegen 4 Stehhilfe zwecks Gewichtsverlagerung auf die
zu können. unteren Extremitäten,
4 Aufrichten des gesamten Körpers,
jAuswirkungen auf die Ernährung/ 4 Regulation des Haltungstonus,
Essen und Trinken 4 Positionierung und Lagekorrektor der sitzen-
12 4 Positive Veränderung und Entwicklung des den Person,
Ess- und Trinkverhaltens. 4 Positionierung und Lagekorrektur der liegen-
4 Positiver Einfluss auf das gesamte sensorische den Person,
Informationsangebot. 4 An- und Auskleiden der Hose.
4 Schluckunterstützende und erleichternde Posi-
tion/Haltung. Neben den fördernden Aspekten und den Vorteilen
4 Optimierte Berücksichtigung der 7 Schluck- für den Menschen mit schweren Störungen gibt es
phasen. auch für die pflegenden Personen einen erheblichen
Vorteil. Der notwendige Einsatz der Körperkräfte
jZielgruppe kann sehr ökonomisch gestaltet werden. Die ein-
4 Patienten im Krankenhaus (Neurologie, innere zelnen Bewegungsabläufe und Bewegungsübergän-
Medizin, Chirurgie, Geriatrie, HNO u. a.), ge mit der Kniewelle werden als gemeinsame Inter-
4 Betroffene mit schweren Störungen des zentra- aktion und als Dialog betrachtet (. Abb. 12.13).
len Nervensystems,
4 Patienten in der Intensivpflege,
4 Bewohner aller vollstationären Pflegeeinrich-
tungen,
4 Betroffene, die zu Hause die notwendige Pflege
und Therapie erhalten,
4 Schmerzpatienten,
4 Menschen mit Handicap.
12.2 · Die Kniewelle – Hilfsmittel aus der Kinästhetik
143 12
jInterview
Interview mit Miriam Holzmann am 23.07.2011

Frage 1: Miriam, wie geht es Dir heute?

. Abb. 12.12 a–g Interview. (Mit freundl. Genehmigung von Miriam Holzmann)
144 Kapitel 12 · Hilfsmittel

Frage 2: Du hattest heute einen Fototermin und hast die Möglichkeit gehabt
die neuen Dysthera Trigo-Therapiesysteme kennen zu lernen. Wie hat Dir der
Tag gefallen?

12
d

Frage 3: Du hast das Trigo-Therapiesystem für den Kopf angewendet erlebt!


Hat Dein Kopf stabil gelegen und konntest Du dabei leichter Schlucken?

e
12.2 · Die Kniewelle – Hilfsmittel aus der Kinästhetik
145 12
Frage 4: Hast Du insgesamt bequem gelegen und haben sich Deine Muskeln
entspannen können?

Frage 5: Hast Du Dich mit den Trigo-Therapiesystemen sicher gefühlt und


wie hat sich Dein Atmen verändert?

Liebe Miriam, vielen Dank für die tolle Zusammenarbeit. Du bist toll!
146 Kapitel 12 · Hilfsmittel

12

. Abb. 12.13 Viele sonst so anstrengende Bewegungen können durch die Benutzung der Kniewelle für beide Seiten
erleichtert werden. (Mit freundl. Genehmigung von Kerstin Schlee)
12.5 · Der Nasenpflegeabsaugkatheter NosoQuick: Anwenderbericht
147 12
12.3 Der Rollstuhl 12.4 Das Trinkinstrument

Der Rollstuhl ist ein wesentliches Instrument, wel- Unter keinen Umständen sollte ein »Schnabelbe-
ches Leben, Teilhabe und Entwicklung aktiv unter- cher« als Trinkgefäß verwendet werden. Die Nut-
stützt. Besonders für Menschen mit einer schweren zung dieses Bechers zwingt den hirnverletzten
Störung des zentralen Nervensystems kommen Menschen, seinen Kopf in gestreckte Haltung zu
nichtangepasste Rollstühle nicht in Frage. Der Roll- bringen, um den Inhalt des Bechers in den Mund
stuhl ist für den Betroffenen das Fahrinstrument, zu bekommen und zu trinken. Geeignet sind in
welches den fördernden Kontakt zur äußeren Welt bestimmten Situationen sogenannte Nasenaus-
möglich macht. schnittsbecher.
Ein nicht genau passender Rollstuhl kann die Der Ausschnitt in der Becherwand dient als
nachfolgenden Probleme erzeugen bzw. aufrechter- Raum für die Nase in dem Moment, wenn der Be-
halten und forcieren: cher angehoben wird. Der Ausschnitt ermöglicht
4 Probleme in der Haltung im dem Betroffenen, seinen Kopf in gebeugter Haltung
4 Kopfbereich, zu lassen, um die physiologische Voraussetzung
4 Rumpfbereich, fürs Schlucken zu optimieren.
4 Bereich der oberen Extremitäten,
4 Beckenbereich,
4 Bereich der unteren Extremitäten; 12.5 Der Nasenpflegeabsaugkatheter
4 Probleme in der Muskelspannung, NosoQuick: Anwenderbericht
4 Kontrakturen,
4 Dekubiti, Der NosoQuick-Nasenpflegeabsaugkatheter kam
4 negative Einflussnahme auf die Atemfunktion, bei einer 47-jährigen Bewohnerin mit amyotropher
4 Unterstützung neurogener Dysphagien, Lateralsklerose zur Anwendung. Die Bewohnerin
4 Schmerzzustände (bei keinem Menschen auf befand sich in einem Fachzentrum für neurolo-
dieser Welt dürfen vermeidbare Schmerzen er- gische Langzeitrehabilitation.
zeugt werden!). Wir sahen eine Bewohnerin im Endstadium
ihrer Erkrankung mit den typischen Symptomen:
jAnforderungen an den Rollstuhl Schluckstörung, Störungen des Sprechens, Paresen,
Ein angepasster Rollstuhl sollte folgende Eigen- Untergewicht durch die vermehrte Muskelatrophie
schaften haben: und das Nahrungsdefizit. Eine ausreichende At-
4 angepasste Sitztiefe, mung war vorhanden. Aufgrund der Schwäche von
4 angepasstes Rückenteil, Mund-, Gesichts- und Nackenmuskulatur litt die
4 Kopfstütze, ggf. Head-Support, wenn der Kopf Bewohnerin an einer ausgeprägten Überprodukti-
nicht gehalten werden kann, on von Speichel und damit auch verbundener star-
4 Sitzfläche mit Schlittenfunktion, ker Sekretion aus dem Nasenraum. Die verbale
4 Tauschkissen »Vacuform« zur Herstellung ei- Kommunikation war eingeschränkt. Die Beant-
ner körperinformierenden Sitzfläche, wortung von Ja/Nein-Fragen war nur durch Lautie-
4 Lumbalkissen, ren möglich.
4 Zentralbremse, Schon im Vorfeld hatte sich die Bewohnerin ge-
4 Kippschutz nach hinten, gen eine Versorgung mit einer PEG und gegen eine
4 Fallschutz nach vorne, Beatmungstherapie ausgesprochen.
4 Verstellmöglichkeit des Rückenteils und In diesem Falle vorrangig war die aufmerksame
Kantelung der Sitz- und Rückenfläche Versorgung und Hinwendung, um sie möglichst
(. Abb. 12.14), lange am täglichen Leben teilhaben zu lassen.
4 feines und stilvolles Aussehen. Die übermäßige Sekretion aus dem Mund- und
Nasenraum stellte für die Bewohnerin eine starke
Belastung dar. Das Sekret konnte nicht geschluckt
148 Kapitel 12 · Hilfsmittel

12

. Abb. 12.14 Intelligente Systeme sorgen dafür, dass die Sitz- und Rückenflächen dynamisch verändert werden können
12.6 · Der Dysphagielöffel
149 12

. Abb. 12.15 Der Nasenausschnittsbecher aus Porzellan

werden, was einen erheblichen Leidensdruck er- spürte nach den Absaugvorgängen eine deutliche
zeugte. Steht die Nase wegen erhöhter Sekretion Erleichterung und konnte dadurch olfaktorische
oder Verstopfung nicht für die Luftzirkulation zur Angebote annehmen.
Verfügung, kommt es zu einer deutlichen Abnah- Die Nasenpflege steht im Allgemeinen nicht
me der Sinneswahrnehmung im Bereich des Rie- besonders hoch in der Prioritätenliste von Pfle-
chens und Schmeckens. Absteigende Infektionen genden. Eine optimierte Nasenpflege ist jedoch die
finden ihren Ausgangsort oftmals in der Nasenre- Grundvoraussetzung für eine verbesserte Geruchs-
gion nebst ihren Höhlen. Durch die Anwendung und Geschmackswahrnehmung. Das Ess- und
des Nasenpflegeabsaugkatheters kann nicht nur die Trinkverhalten kann positiv beeinflusst werden, die
Sinneswahrnehmung optimiert werden, sondern Mundpflege wird eine günstige Entwicklung neh-
auch die Pneumonierate sinken. men. Der Nasenpflegeabsaugkatheter hat uns sehr
Neben der medikamentösen Therapie zur Re- dabei unterstützt, die entsprechenden Vorausset-
duzierung der Sekretion setzten wir den Noso- zungen zu schaffen. Darüber hinaus wird damit das
Quick-Nasenpflegeabsaugkatheter zum Absaugen Trachealkanülenmanagement um ein weiteres ad-
des Sekretes aus dem Nasenraum ein. Diese speziell äquates Hilfsmittel erweitert.
zur Nasenpflege entwickelten Katheter sind 45 cm
lang und lassen sich an alle üblichen Absaugein-
heiten adaptieren. Der Durchmesser beträgt CH 12. 12.6 Der Dysphagielöffel
Die Spitze des Saugers hat eine spezielle Form, wel-
che sich optimal an die anatomischen Verhältnisse In 7 Abschn. 11.5 wurde auf die Benutzung eines
anpasst und dadurch die äußere Nasenöffnung ver- Teelöffels hingewiesen. Herkömmliche kleine Löf-
schließt. Perforationen an der Ansatzstelle verhin- fel haben eine zum Teil nur angedeutete Bodenwöl-
dern, dass zu viel Sog aufgebaut werden kann. bung, wodurch der Zunge nicht im erforderlichen
Die Anwendung der Sauger wurde durch die Maße die »Rinnenformung« vermittelt werden
Bewohnerin als angenehm empfunden. Sie ver- kann. Auch für das Abnehmen der Nahrung ist der
150 Kapitel 12 · Hilfsmittel

. Abb. 12.16 Der Löffel bietet einer definierten Menge Nahrung Platz, und der gewölbte Boden hilft der Zunge, sich in
Rinnenform zu bewegen. (Mit freundl. Genehmigung der Firma Heimomed Heinze GmbH)

konventionelle kleine Löffel wenig geeignet. Die


Ränder des Löffels sind meist scharfkantig und be-
reiten dem betroffenen Menschen oftmals ein un-
angenehmes Gefühl – insbesondere dann, wenn
der notwendige Lippenschluss mittels Kieferkont-
rollgriff hergestellt wurde. Aus der Arbeit mit dem
CCC resultiert die Innovation des Dysphagielöffels.
12 Der Dysphagielöffel hat eine der Rinnenbildung
der Zunge angeglichene Bodenwölbung und eine
kleine Mulde auf der Oberseite, die die aufladbare
Menge auf das geeignete Bolusvolumen begrenzt.
Durch die Implementierung der Mulde und die
Gestaltung der Oberseite besitzt der Dysphagielöf-
fel keine scharfkantigen Ränder (. Abb. 12.16). Der
Löffel ist in zwei Größen verfügbar. Die kleinere
Version ist einerseits für Kinder und anderseits für
Menschen mit vermindertem Kieferöffnungswin-
kel entwickelt worden.
151 13

Assessment
13.1 Gestaltung einer gemeinsamen
und entwicklungsorientierten Konferenz – 152

13.2 Dokumentation – 153


13.2.1 Der sozio-, psychosomatische
und motorische Analysebogen (SPM-A) – 153
13.2.2 Anwendung des SPM-A: Assessment zur Darstellung
von Eigenkompetenz und Veränderungen
im Entwicklungsstatus – 155

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
152 Kapitel 13 · Assessment

13.1 Gestaltung einer gemeinsamen jPersonenkreis


und entwicklungsorientierten Teilnehmende Personen sind:
Konferenz 4 der Betroffene mit seiner Familie,
4 der Moderator,
Grundsätzlich gilt, dass in definierten Abständen 4 die Pflegedienstleitung,
wiederkehrende gemeinsame und entwicklungs- 4 die für den Betroffenen verantwortliche pfle-
orientierte Konferenzen organisiert und durchge- gende Person,
führt werden. Dies gilt nicht nur für vollstationäre 4 die Therapeuten, die mit der betroffenen Per-
Fachpflegeeinrichtungen der Phase F, sondern ins- son in direktem Kontakt stehen, z. B. Logopä-
besondere auch für jeden Pflegeprozess, der im die, Physiotherapie, Ergotherapie u. a.,
häuslichen Bereich durchgeführt wird. 4 der Hausarzt,
4 die Küchenleitung (wenn die betroffene Person
jStruktur oral Getränke oder Nahrung zu sich nimmt),
Jährlich sollten 2–3 Konferenzen für jeden und mit 4 der gesetzliche Betreuer.
jedem Betroffenen stattfinden. Die entsprechende
Jahresplanung sollte gemeinsam mit der Familie jInhalte
des Betroffenen, seinen Angehörigen oder Freun- 4 Ausdruck der Tagesberichte: Pflege und Thera-
den erstellt werden. Erfahrungsgemäß muss ein pie, Filterzeitraum 2 Wochen.
Zeitfenster von ca. 30 Minuten pro Konferenz ein- 4 SPM-A (die aktuelle und Verlaufserhebung).
geplant werden. Für die einzelne Konferenz wird 4 Planungselemente werden mittels Mindmap-
aktuell eine Erst- bzw. Folgeerhebung mit dem ping dokumentiert (anhand dieser Aufzeich-
SPM-Analysebogen (SPM-A, 7 Abschn. 13.2) ange- nung findet die entsprechende Anpassung der
fertigt. Gesamtplanung statt).
4 Integrierte Planung der Therapeuten (die Pla-
jRaum nung der Therapeuten sollte in der Pflegedoku-
Die entwicklungsorientierte Konferenz findet be- mentation integriert sein).
wusst in dem Fachbereich statt. Der Raum als sol-
cher sollte einige Voraussetzungen erfüllen wie z. B. jZiele
gute Lichtverhältnisse und gutes Raumklima, ge- 4 Positive Einflussnahme auf die objektive Pfle-
13 nügend Sitzmöglichkeiten und entsprechende Spei- geeinstufung durch den Medizinischen Dienst
sen und Getränke. Auf diesem Wege wird die Wert- der Krankenversicherungen (MDK),
schätzung gegenüber den Beteiligten unterstrichen. 4 aussagekräftige Zeiterfassung,
Ein Schild mit der Aufschrift »Bitte nicht stören« 4 Darstellung der Prozessteilnehmer,
befindet sich von außen an der Eingangstür zum 4 Erstellung der SPM-A der Gesamtentwicklung,
Konferenzraum. 4 Erkenntnis hinsichtlich des aktuellen Entwick-
lungsstandes,
jAblauf 4 Optimierung des Förderangebotes und der Pla-
Jeder Anwesende erhält eine Tischvorlage. Inhalt nungsinhalte,
der Tischvorlage ist der SPM-A-Bogen mit den ent- 4 größtmögliche Transparenz gegenüber
sprechenden Netzdiagrammen der Gesamtauswer- 4 der Familie,
tung. Für jede Konferenz wird eine Teilnehmerliste 4 dem Hausarzt,
mit Zeitangaben erstellt. Zu klären ist, dass die ent- 4 den Therapeuten,
wicklungsorientierte Konferenz als Sonderleistung 4 dem gesetzlichen Betreuer,
innerhalb der zukünftigen Pflegesatzvereinbarung 4 der Heimaufsicht,
als fester Bestandteil verhandelt werden kann. Die 4 dem MDK,
Konferenz wird durch prozessbegleitende Personen 4 den Kostenträgern.
moderiert.
13.2 · Dokumentation
153 13
13.2 Dokumentation 4 die Gerüche der Umgebung wahrnehmen kön-
nen,
13.2.1 Der sozio-, psychosomatische 4 die Geräusche der Umgebung wahrnehmen
und motorische Analysebogen können,
(SPM-A) 4 orale Angebote schmecken können,
4 orale Angebote schlucken können,
Der sozio-, psychosomatische und motorische 4 den Körper in Gleichgewicht erleben können,
Analysebogen wird im weiteren Verlauf mit der 4 den eigenen Körper berühren können,
Abkürzung SPM-A beschrieben. Der SPM-A ist 4 Muskeltonus regulieren können u. v. a. m.
Teil des Assessments innerhalb der neurologischen
Langzeitrehabilitation, der die Entwicklungen des Die speziellen pflegetherapeutischen Informations-
Betroffenen transparent macht. Der Analysebogen angebote sollen dem betroffenen Menschen die
wurde über Jahre parallel zum Gesamtkonzept zur Unterstützung geben, die entsprechenden Eigen-
Begleitung von Menschen mit schweren Störungen kompetenzen auszuweiten. Die Analyse arbeitet
des zentralen Nervensystems entwickelt und ist in nur initial mit der Bewertung »Ja« oder »Nein«. In
Anlehnung an das teilhabe- und entwicklungsori- den Folgeanalysen wird jeweils die Veränderung
entierte Betreuungsmodell (TEPM) nach Frank der entsprechenden Eigenkompetenzentwicklung
Riehl entstanden. Der SPM-A ist ein EDV-Pro- ermittelt. Die Ersterhebung wird zur ersten ent-
gramm, welches über jeden PC bearbeitet werden wicklungsorientierten Konferenz erhoben, im wei-
kann. teren Verlauf wird sie jeweils zur vierteljährlich
Die sozio-, psychosomatische und motorische stattfindenden Folgekonferenz neu erarbeitet. Bei
Analyse der Gesamtentwicklung (SPM-A-Bogen) den einzelnen Konferenzen setzt sich der Ge-
ist eine Ergänzung zur täglichen Dokumentation sprächskreis aus folgenden Personen zusammen:
(. Abb. 13.1). Sie dient als Informationsspeicher 4 dem betroffenen Menschen,
und stellt den Prozessverlauf dar. Die Dokumenta- 4 Interessensvertretern aus der Familie oder
tion wird für die jeweilige Neuerhebung ausgewer- Freundeskreis der betroffenen Person,
tet. 4 der primäre Bezugspflegeperson (moderiert die
Hierbei handelt es sich um eine Fragensamm- Konferenz mittels Mindmapping),
lung, die alle 3–6 Monate durch zwei Personen 4 den Therapeuten aus
überarbeitet wird. Zum einen dient sie der Ein- 4 Physiotherapie,
schätzung der Entwicklung und zum anderen wer- 4 Ergotherapie,
den damit Prozesse für den entsprechenden Gut- 4 Logopädie,
achter z. B. des Medizinischen Dienstes der Kran- 4 Musiktherapie,
kenversicherungen oder Kostenträger wesentlich 4 der verantwortlichen Pflegedienstleitung,
transparenter. Gerade hinsichtlich der permanen- 4 Medizinern.
ten Diskussionen über Therapieleistungen ist das
transparente Handeln von großer Bedeutung. Die Konferenz endet jeweils mit der Frage an den
Alle fördernden Ansätze des Konzepts orientie- Betroffenen und/oder seine Familie »Welche Wün-
ren sich an den vielfältigen Phänomenen der sche haben Sie für die nächsten 3 Monate, und was
menschlichen Wahrnehmung, Bewegung, Interak- können wir Ihnen anbieten, damit Sie sich sicher
tion zwischen Personen und der Interaktion zwi- und adäquat begleitet fühlen?«
schen der Person und ihrer stabilen Umwelt, z. B.: Die sozio-, psychosomatische und motorische
4 die Umgebung sehen können, Analyse der Gesamtentwicklung betrachtet die in
4 sich fühlen können, der folgenden Übersicht genannten Bereiche.
4 Schwerkraft empfinden können,
4 mit der festen Umwelt interagieren können,
154 Kapitel 13 · Assessment

13
. Abb. 13.1 Anwendungshilfe
13.2 · Dokumentation
155 13
13.2.2 Anwendung des SPM-A:
Beurteilte Bereiche im SPM-A Assessment zur Darstellung
von Eigenkompetenz
4 Alltagskompetenz:
und Veränderungen
4 Essen, Trinken und Schlucken
im Entwicklungsstatus
4 Körperpflege und Ausscheidung
4 An- und Ausziehen
jÜberblick
4 Motorik:
4 Sitzen Die Entwicklungsdarstellung ist eine in Excel hin-
4 Bewegungsübergänge/Transfer terlegte Anwendung zur Visualisierung der Ent-
4 Bewegen im Raum wicklungsmerkmale in verschiedenen Kategorien
4 Stehen/Gehen (. Abb. 13.2). Insgesamt besteht sie aus drei Sek-
4 Kopfbewegung tionen:
4 Lagerung und Bewegungsübergänge 4 Sektion 1: Kategorien
annehmen können Alle relevanten Einzelkompetenzen finden ihre
4 Wachheit, Ruhen und vegetative Stabilität: Aufteilung in insgesamt 9 Kategorien. Jede Ein-
4 Vegetative Stabilität wie Herzfrequenz, zelkompetenz wird durch eine Frage dargestellt
Atemfrequenz, Atemtiefe, Schwitzen und die jeweilige Antwort wird mittels eines
etc. Zahlenwertes hinterlegt.
4 Wachheit und Ruhen 4 Sektion 2: Einzelauswertung
4 Verarbeitung von gespürten Informatio- Jede einzelne Kategorie kann solitär ausgewer-
nen: tet werden und die verknüpfte grafische Dar-
4 Interaktion zwischen Körper und seiner stellung visualisiert die Einzelauswertung.
real spürbaren Umgebung 4 Sektion 3: Gesamtauswertung
4 Verhalten bei pflegerischen Angeboten Die Gesamtauswertung erfolgt über die Dar-
4 Akzeptanz gegenüber stellung in einer Übersichtsgrafik. Die ermit-
Raumlageveränderung telten Ergebnisse sind wegweisend für die Pla-
4 Verarbeitungs- und Verständigungsmög- nung der zukünftigen Förderangebote.
lichkeiten
jKategorien
4 Aktive Verständigung
4 Passive Verständigung Die SPM-A-Entwicklungsdarstellung ist in die
4 Sozialanpassung nachfolgenden 9 Kategorien aufgeteilt.
1. Essen, Trinken und sicher Schlucken
(. Abb. 13.3)
2. Körperpflege und Ausscheidung
Die sozio-, psychosomatische und motorische (. Abb. 13.4)
Analyse der Gesamtentwicklung soll aufzeigen, 3. An- und Ausziehen
welche Veränderung der Eigenkompetenzen er- (. Abb. 13.5)
zeugt werden konnten. Diese Erfahrungen machen 4. Verarbeitung und Verständigung
es möglich, dass die jeweiligen Angebote verändert (. Abb. 13.6)
bzw. intensiviert werden können. 5. Verständigung aktiv und passiv
(. Abb. 13.7)
6. Lagerung, gespürte Informationen
(. Abb. 13.8)
7. Sitzen, Transfer, Bewegen im Raum
(. Abb. 13.9)
8. Wachheit, Ruhe, vegetative Stabilität
(. Abb. 13.10)
9. Assessment
156 Kapitel 13 · Assessment

13 . Abb. 13.2 Stammdaten

In der einzelnen Kategorie sind Fragen hinterlegt entsprechenden Tagesdokumentation vorgenom-


– insgesamt 100. Die einzelne Frage ist positiv for- men werden. Liegen keine Handicaps in Einzelbe-
muliert und dient der Einschätzung der jeweiligen reichen vor, wird bei der Relevanz ein »Nein« frei-
Kompetenz der betroffenen Person. Hat die betrof- geschaltet.
fene Person hinsichtlich einer Frage z. B. ein kom- In der linken Spalte wird die Ersterhebung vor-
pensiertes Handicap wird sie mit 2 für »ja« bewer- genommen und in der rechten Spalte die Zweit-
tet. Ist die entsprechende Funktion nicht immer erhebung. Bei Mehrfacherhebungen (3. und 4., 5.
einzuleiten, wird sie mit 1 für »teilweise« bewertet, und 6. usw.) wird jeweils die Datei neu geöffnet, aus
und liegt in dem entsprechenden Bereich ein mo- der 1. Erhebung wird die 3. Erhebung und aus der
mentan verhinderndes Handicap, wird die entspre- 2. Erhebung die 4. Erhebung.
chende Frage mit 0 für »nein« bewertet. Liegen Die einzelnen Kategorien sind Gegenstand und
keinerlei Einschränkungen in der entsprechenden Grundlage der Förder- und Pflegeplanung und die-
Kategorie vor, muss nur die Kategorieübersicht mit nen zudem der Verlaufsevaluation. Das Feld »Be-
dem Zahlenwert 2 beantwortet werden. merkung« kann frei beschrieben werden und dient
Die Bewertung der einzelnen Frage kann also der Dokumentation besonderer Ereignisse.
erst nach einer intensiven Beobachtung nebst der
Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein
Nr. Kriterium: Essen & Trinken =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

1 kann selbstständig essen und trinken 0 0 Gleich

2 kann Nahrung selbst mundgerecht portionieren 0 0 Gleich


13.2 · Dokumentation

3 kann Besteck zum Mundführen 0 0 Gleich

4 kann Besteck selbst in den Mund stecken 0 0 Gleich

5 kann Nahrung vom Besteck abnehmen 0 0 Gleich

6 kann feste Nahrung kauen 0 0 Gleich

7 kann Brei schlucken 0 2 Zunahme

8 hustet nicht beim Essen 0 2 Zunahme

9 Kehlkopf bewegt sich auf- und abwärts beim Schlucken 0 2 Zunahme

10 Nahrung wird nicht mit der Zunge herausgedrückt 0 2 Zunahme

11 kann Zunge frei im Mund bewegen 1 Bewegung nach Vorne und Hinten 2 Zunahme

12 Lippenschluss komplett; Nahrung wird im Mund behalten 0 1 Zunahme

13 kann selbstständig Trinkgefäß zum Mund führen 0 0 Gleich

14 kann Flüssigkeit schlucken 0 2 Zunahme

15 hustet nicht beim Trinken 0 2 Zunahme

16 kann Berührung der Triggerpunkte (Mund, Lippen) zulassen 0 2 Zunahme

17 kann Berührung von Mund/Lippen zulassen 0 2 Zunahme

18 akzeptiert Druckimpuls auf der Zunge 0 2 Zunahme


157

19 kann Zahn- und Prothesenpflege zulassen 0 2 Zunahme

. Abb. 13.3 Essen und Trinken


13
13
158

Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein


Nr. Kriterium: Körperpflege & Ausscheidung =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

21 kann Körperpflege selbstständig übernehmen 0 0 Gleich

22 kann Gesicht pflegen 0 0 Gleich

23 kann Körperpflege an Oberkörper und Armen übernehmen 0 0 Gleich

24 kann Körperpflege im Intimbereich übernehmen 0 0 Gleich


Kapitel 13 · Assessment

25 kann das Bett zur Körperpflege verlassen 0 2 Zunahme

26 kann Handlungsablauf am Waschbecken koordinieren 0 0 Gleich

27 kann sich abtrocknen 0 0 Gleich

28 kann Angebot therapeutischer Körperpflege annehmen 0 2 Zunahme

29 nimmt Körperpflege in Seitenlage an 0 2 Zunahme

30 reagiert auf Körperpflege mit Tonusregulation 0 2 Zunahme

31 kann während der KP Eigenbewegungen ausbauen 0 2 Zunahme

32 kann Ausscheidung selbstständig regulieren 0 0 Gleich

33 kann den Bedarf des Toilettengangs mitteilen 0 0 Gleich

34 kann sich vor Toilettenbenutzung ausziehen 0 0 Gleich

35 kann sich auf die Toilette setzen 0 0 Gleich

36 kann sich selbstständig abputzen 0 0 Gleich

37 kann die Toilettenspülung benutzen 0 0 Gleich

38 kann sich nach Toilettenbenutzung anziehen 0 0 Gleich

. Abb. 13.4 Körperpflege und Ausscheidung


Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein
Nr. Kriterium: An- und Ausziehen =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

39 kann sich selbstständig an- und ausziehen 0 0 Gleich

40 unterstützt An- und Ausziehen durch Eigenbewegung 0 2 Zunahme


13.2 · Dokumentation

41 kann einzelne Kleidungsstücke an- bzw. ausziehen 0 0 Gleich

42 kann Verschlüsse an Kleidung öffnen bzw. schließen 0 0 Gleich

43 kann Reihenfolge beim Anziehen nachvollziehen 0 0 Gleich

44 stellt Kleidung selbst zusammen 0 0 Gleich

45 berücksichtigt dabei die Witterung 0 0 Gleich

46 benutzt den Kleiderschrank 0 0 Gleich


159

. Abb. 13.5 An- und Ausziehen


13
13
160

Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein


Nr. Kriterium: Verarbeitung und Verständigung =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

47 Reaktion auf Kommunikationsangebote selbstständig u. adäquat 0 0 Gleich

48 kann auf visuelle Angebote reagieren 0 2 Zunahme

49 kann Aktivitäten mit dem Blick folgen 0 2 Zunahme

50 kann Gegenstände im Raum betrachten 0 2 Zunahme


Kapitel 13 · Assessment

51 kann Gegenstände auf Bildkarten erkennen 0 2 Zunahme

52 betrachtet Gegenstände in der Hand 0 2 Zunahme

53 kann kurzzeitig mit dem Blick fixieren 0 2 Zunahme

54 reagiert auf Raumverkleinerung 0 2 Zunahme

55 bewegt den Kopf in Richtung von Geräuschquellen 0 2 Zunahme

56 öffnet oder schließt die Augen bei auditiven Angeboten 0 0 Gleich

57 auf Musik folgt Bewegung 0 0 Gleich

58 kann auf einem Instrument Töne erzeugen 0 2 Zunahme

59 steigert oder vertieft die Atmung bei olfaktorischen Angeboten 0 2 Zunahme

60 bewegt den Kopf zur Geruchsquelle hin 0 2 Zunahme

61 kann gezielt Gegenstand aus einem Krabbelsack ziehen 0 0 Gleich

62 kann Gegenstände ertasten 0 0 Gleich

63 betrachtet Gegenstände in der Hand 0 0 Gleich

. Abb. 13.6 Verarbeitung und Verständigung


Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein
Nr. Kriterium: aktive / passive Verständigung =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

64 Keine Einschränkungen in der aktiven Verständigung 0 0 Gleich

65 kann Fragen formulieren 0 0 Gleich


13.2 · Dokumentation

66 spricht deutlich 2–3 Worte 0 0 Gleich

67 kann Zweiwortkombinationen anwenden 0 0 Gleich

68 spricht »Einwortsätze«, um Bedürfnisse mitzuteilen 0 0 Gleich

69 kann mit Körpersprache / Gesten antworten 2 2 Gleich

70 kann Töne als Zeichen des Wohl- / Unwohlbefindens erzeugen 2 2 Gleich

71 kann Töne, Silben, Worte bzw. Mundbewegungen nachahmen 0 0 Gleich

72 Keine Einschränkungen in der passiven Verständigung 0 0 Gleich

73 hört erzählten Geschichten zu 0 0 Gleich

74 kann Raumangaben folgen (rechts, links, usw.) 0 2 Zunahme

75 kann den Sinn einzelner Worte verstehen 0 2 Zunahme

76 fühlt sich angesprochen (verbal, nonverbal) 0 2 Zunahme

77 kann einfache körpersprachliche Signale verstehen 0 2 Zunahme

78 kann wechselseitigen sozialen Kontakt eingehen 0 0 Gleich

79 kann Berührung und Lageveränderung akzeptieren 0 2 Zunahme

80 kann in basalen, kommunikativen Kontakt treten 0 2 Zunahme

81 kann sich mit »ich« bezeichnen 0 0 Gleich


161

. Abb. 13.7 Aktive und passive Verständigung


13
13
162

Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein


Nr. Kriterium: Lagerung / gespürte Information =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

82 Nimmt selbstständig adäquate Lageveränderungen vor 0 0 Gleich

83 selektive Bewegung ist möglich 0 2 Zunahme

84 kann 30 Grad Lagerung mit angepasster USF annehmen 0 2 Zunahme

85 kann 90 Grad Lagerung mit angepasster USF annehmen 0 2 Zunahme


Kapitel 13 · Assessment

86 kann 135 Grad Lagerung mit angepasster USF annehmen 0 2 Zunahme

87 kann Bauchlagerung annehmen 0 0 Gleich

88 braucht keine zusätzlichen Körper-Welt-Informationen 0 0 Gleich

89 kann einzelne Handlungsschritte in Eigenregie übernehmen 0 0 Gleich

90 kann mit Tonusregulation auf geführte Aktivität reagieren 0 2 Zunahme

91 kann einzelne Inhalte verknüpfen und mit GFA aktiv unterstützen 0 0 Gleich

92 kann eine feste Umgebung akzeptieren 0 2 Zunahme

. Abb. 13.8 Lagerung und gespürte Information


Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein
Nr. Kriterium: Motorik im Sitzen und Transfer =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

93 Kann Sitzposition selbstständig einnehmen und halten 0 0 Gleich

94 kann im Bett sitzen 0 2 Zunahme


13.2 · Dokumentation

95 kann auf dem Matratzenrand sitzen 0 2 Zunahme

96 kann im Stuhl / Rollstuhl sitzen 2 2 Gleich

97 kann mit angepasster USF sitzen (bis 15 bzw. 30 Min.) 0 2 Zunahme

98 Kann Bewegungsübergänge selbstständig gestalten 0 0 Gleich

99 kann Muskeltonus der Situation anpassen 0 2 Zunahme

100 kann sich beim Umsetzen halten und stützen 0 0 Gleich

101 kann über den Stand transferiert werden 0 0 Gleich

102 kann im halbhohen Transfer umgesetzt werden 0 0 Gleich

103 kann im tiefen Transfer umgesetzt werden 0 0 Gleich

104 Transfer mit maximaler Entlastung ist möglich 2 2 Gleich

105 kann sich selbstständig frei in allen Räumen bewegen 0 0 Gleich

106 kann mit Unterstützung (personell / materiell) gehen 0 0 Gleich

107 kann mit Hilfsmitteln (Standy, Schienen) ca. 15 Min. stehen 0 0 Gleich

108 kann den Rollstuhl selbstständig benutzen 0 0 Gleich

109 kann die Tür öffnen 0 0 Gleich

110 kann Treppen auf- und absteigen 0 0 Gleich

111 Kann den Kopf halten und frei bewegen 0 1 Zunahme


163

112 Kann Bewegung mittels Kopfbewegung einleiten 0 2 Zunahme

113 Kopf ist in Ruhe / Aktivität nicht haltungsfixiert 0 2 Zunahme

114 Kopfhaltung und -bewegung ist beeinflussbar 0 2 Zunahme

. Abb. 13.9 Motorik, Sitzen und Transfer


13
13
164

Ja Teilw. Nein Ja Teilw. Nein


Nr. Kriterium: Wachheit, Ruhe vegetat. Stabiltät =2 =1 =0 Bemerkung =2 =1 =0 Entwicklung

115 Schlaf- und Wachrhythmus orientieren sich an Tag u. Nacht 0 1 Zunahme

116 Schlafphasen am Tag sind kleiner als in der Nacht 0 2 Zunahme

117 kann mehr als 5 Stunden in der Nacht schlafen 2 2 Gleich

118 kann über längere Zeit aktiv sein (>60 min.; 15–60 min.; weniger als 15 min.) 0 2 Zunahme
Kapitel 13 · Assessment

119 kann selbstständig essen und trinken 0 1 Zunahme

120 kann feste Nahrung kauen 0 2 Zunahme

121 kann Brei schlucken 0 2 Zunahme

122 hustet nicht beim Essen 0 2 Zunahme

. Abb. 13.10 Wachheit, Ruhe, vegetative Stabilität


13.2 · Dokumentation
165 13

. Abb. 13.11 Gesamtauswertung

jEinzelauswertung Die Gesamtauswertung vermittelt einen Über-


Jede einzelne Kategorie kann solitär grafisch aus- blick über die vitale und vegetative Stabilität und
gewertet werden. Die Auswertung wird via Netz- über die Lebensweltorientierung, die Autonomie,
diagramm dargestellt, die entsprechenden Verbin- die Normalität, die Sicherheit und über das Ler-
dungslinien der Ersterhebung werden in Schwarz nen.
und die Verbindungslinien der Zweiterhebung in Alle abzuleitenden Inhalte sind wissensgebun-
Blau dargestellt. Auf einen Blick zeigen sich Be- den und machen eine kontinuierliche praktische
reiche, die einer besonderen Fürsorge und Auf- Einführung notwendig.
merksamkeit benötigen

jGesamtauswertung
In der Gesamtauswertung werden alle Kategorien
mit ihrer Überschrift zusammengefasst und gra-
fisch über ein Netzdiagramm dargestellt. Auch die
Gesamtauswertung wird hinsichtlich der Erst-,
Zweit- und aller weiteren Erhebungen farbig darge-
stellt; die entsprechenden Verbindungslinien der
Ersterhebung werden in Schwarz und die Verbin-
dungslinien der Zweiterhebung in Blau dargestellt.
Es zeigen sich auf einen Blick die besonderen För-
derbereiche, und die an der Pflege beteiligten Per-
sonen bekommen einen Überblick über ihr nach-
haltiges und wirkendes Handeln (. Abb. 13.11).
167 14

Fazit

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
168 Kapitel 14 · Fazit

Nur wenn es uns Pflegenden gelingt, Angebote der bezogene Handeln zweier oder mehrerer Per-
»spürbar und bewegt« zu gestalten, ist es dem Men- sonen oder die Wechselbeziehung zwischen Hand-
schen mit einer schweren Schädigung möglich, sei- lungspartnern.
ne Kompetenzen hinsichtlich einer situationser- Menschen mit signifikanten Hirnverletzungen
zeugten Teilhabe zu erweitern. erleben oftmals Einschränkungen in ihrer kogni-
Letztendlich beruht ein Großteil der neurolo- tiven Organisation und Struktur, aber auch der
gischen Langzeitrehabilitation auf der physiolo- Umweltorientierung. Das Gehirn nimmt die ent-
gischen Basis der Informationskette, in der die sen- sprechenden Veränderungen als Information auf,
sorischen Informationen den motorischen Output um sie nachfolgend zu verarbeiten. Die Informati-
beeinflussen. onen werden vom Gehirn u. a. registriert, bewertet,
Alle bislang angesprochenen Bereiche dienen geordnet, verglichen, analysiert und gespeichert.
in erster Linie der Gestaltung der sensorischen In- Im Falle der kognitiven Beeinträchtigung ist es
formationen. Diese Angebote arbeiten mit den fol- zwingend notwendig, gespürte Informationswege
genden Grundthesen: zu intensivieren.
4 Unterschiedlichste Wahrnehmungsangebote Spürbare Informationen haben prinzipiell et-
führen nur in Verbindung mit gespürter und was mit Entfernung zu tun. In diesem Zusammen-
bewegter Information zu einer Ausweitung der hang werden Begriffe wie »Nähe« und »Distanz«
Integrationserfahrung. benutzt. Werden z. B. zwei Gegenstände betrachtet,
4 Dabei müssen die Umweltinformationen real, so stellt sich ihre Beziehung zueinander als »ge-
also spürbar und konkret werden. Es folgt eine trennt« oder »zusammen« dar. Dies trifft auch auf
Auseinandersetzung mit den Ursachen und die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt zu,
Wirkungen – daraus resultiert das Handeln. und bevor die Umwelt für den Menschen spürbar
4 Die Grundvoraussetzung für die Entwicklung wird, muss hinsichtlich der räumlichen Beziehung
einer positiven Erkenntniswahrnehmung ist aus »getrennt« »zusammen« werden.
das Erleben von positiven Empfindungen. Diese Veränderung erlaubt der Person, in Inter-
aktion mit dem Gegenstand zu treten. Um die Dis-
jZiel: Verbesserung und Reorganisation tanz zu reduzieren, erfolgt eine annähernde Bewe-
von Gehirnleistungen gung, die als Grundlage eine gewisse Spannung in
der Muskulatur benötigt. Die Haut der betroffenen
> Durch konsequente Förderung und durch
Person erreicht durch die Bewegung einen anderen
die Berücksichtigung der allgemeinen
Punkt der Umwelt und spürt einen relativen Wi-
Rehabilitationsprinzipien können neue
derstand. Dieser Widerstand ist ein Bewegungs-
14 Verknüpfungen im Gehirn entstehen, die
ergebnis und leitet nachfolgend die Entspannung
nachfolgend nutzbar gemacht werden
innerhalb der Muskelspannung ein.
müssen. Entwicklungsförderung im Be-
Die Informationssuche wird begleitet von fol-
reich der Wahrnehmung, der Bewegung,
genden Fragen:
der Interaktion zwischen Personen und der
4 Welche Handlung erlebe ich zurzeit?
Interaktion zwischen der betroffenen Per-
4 Was für einen Sinn verfolgt diese Handlung?
son und ihrer Umwelt ist hinsichtlich der
4 Wie ist zum Zeitpunkt der Handlung meine
kognitiven Neustrukturierung existenziell.
Position im Raum?
Menschen mit einer schweren Schädigung des zen- 4 Habe ich bei der Handlung spürbaren Kontakt
tralen Nervensystems wollen passende Angebote zur meiner Umwelt?
erleben, und sie sind permanent auf der Suche nach
geeigneter und informativer Interaktion. Interakti- Nachdem die Handlung für den Betroffenen infor-
on bezeichnet im Kontext der Förderung von hirn- mativ war, ist er in der Lage, zu erkennen, zu lernen
verletzten Menschen das wechselseitige Aufeinan- und zu wissen.
dereinwirken von Akteuren und einfachen bzw.
komplexen Systemen. Interaktion ist das aufeinan-
Fazit
169 14
jDie Entdeckung der Langsamkeit
Jedes Handlungsangebot einer intensiven körper-
lichen Information verfolgt folgende Ziele:
4 körperorientierte Informationssuche,
4 Spüren der realen und stabilen Umwelt,
4 Nachvollziehbarkeit,
4 Langsamkeit,
4 Organisation und Verarbeitung von Informa-
tionen,
4 Einleitung einer geplanten und zielgerichteten
Bewegung,
4 Regulation des Muskeltonus,
4 Aufbau eigener Handlungsstrategien
4 u. a.
> Diese Ziele werden durch die Methode zur
Körperinformation unterstützt. Bewe-
gungen sind vom Ausmaß eher klein, die
Bewegungen finden im diagonalen Wech-
sel statt, nach jedem kleinen Informations-
angebot erfolgt eine spürbare Kleinstbe-
wegung am Becken verbunden mit einem
signifikanten Druck.

Das Informationsangebot eröffnet eine spürbare


Kontaktebene zwischen Körper und Umwelt und
dies vergrößert und ermöglicht gleichsam eine prä-
gende Interaktion. Sinnvolle Interaktionen ermög-
lichen dem Betroffenen neue Ideen und stärken das
Selbstbewusstsein. Das Ausbilden von Ideen hängt
von der Qualität, der Langsamkeit und von der Se-
lektion der Information ab.
171

Serviceteil
Bildungskonzept »Fördern durch Pflege
bei schweren Hirnschädigungen« – 172

Pflegetagebuch – 176

Literatur – 196

Stichwortverzeichnis – 197

F. Riehl, Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen,


DOI 10.1007/978-3-642-30260-2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
Bildungskonzept »Fördern durch Pflege
bei schweren Hirnschädigungen«

Das Folgende ist ein Auszug aus dem Konzept des 4 Gemeinsames Schicksal: Zwei oder mehrere
Frank Riehl Instituts für angewandte Pflegetherapie sich gleichzeitig in eine Richtung bewegende
(. Abb.) für die neurologische Langzeitrehabilita- Elemente werden als eine Einheit oder Gestalt
tion von Menschen mit schweren und schwersten wahrgenommen.
Schädigungen des ZNS der Phasen B, C und F un-
ter dem Aspekt der Wiedereingliederung. jErläuterungen zur Weiterbildung
zur Pflegepraktikerin/zum Pflegepraktiker
jElementarbereiche mit Experten- und Trainerkompetenz
Folgende Elementarbereiche finden Einzug in die Die Weiterbildung ist in 3 Phasen eingeteilt.
inhaltliche Arbeit: 4 Phase 1: Praxisbegleitung der entsprechenden
4 Prägnanz: Es werden bevorzugt Gestalten Pflegepersonen innerhalb der Einrichtung.
wahrgenommen, die sich von anderen durch 4 Schwerpunkt hierbei werden die Bereiche
ein bestimmtes Merkmal abheben. Wahrnehmung, Bewegung, Interaktion
4 Nähe: Elemente, die zusammengeführt sind, Person/Person und Interaktion Person/
werden als zusammengehörig wahrgenommen, Umwelt sein.
d. h. gespürt. 4 Dieses Vorgehen stellt sicher, dass die
4 Ähnlichkeit: Einander ähnliche Elemente wer- Pflegepersonen bereits jetzt in Ansätzen
den eher als zusammengehörig erlebt als mit- über das notwendige pflegetherapeutische
einander unähnliche. Elementarwissen verfügen und dieses von
4 Kontinuität: Informationen, die eine Fortset- Beginn an anwenden. In der 1. Phase ist die
zung vorangegangener Informationen zu sein gemeinsame Arbeit mit den entsprechen-
scheinen, werden als zusammengehörig ange- den Bewohnern und ihren Familien
sehenen. entscheidend. Eine mehrstündige Intro-
4 Geschlossenheit: Linien, die eine Fläche um- duktion der Angehörigen im Sinne einer
schließen, werden unter sonst gleichen Um- Einführungsveranstaltung muss vor
ständen leichter als eine Einheit aufgefasst als Beginn der eigentlichen Weiterbildung
diejenigen, die sich nicht zusammenschließen erfolgen.
(Katz 1969)
173
Bildungskonzept »Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen«

4 Dauer der Begleitung pro Teilnehmer jSeminarkonzept


(TN): 1–2 Tage mit je 8 Unterrichtsstun-
Zielsetzung: Die TN lernen das rehabilitative und
den. Durch frühzeitige Dienstplanung
fördernde Pflegetherapiekonzept
können im Idealfall mehrere Mitarbeite- nach Frank Riehl kennen und
rinnen und Mitarbeiter an einem Tag können es in die Pflegepraxis
erreicht werden. integrieren. Sie wissen um die
4 Räumlichkeiten: Für einzelne Arbeits- Bedeutung und die Notwendigkeit,
Menschen mit hohem Interven-
sequenzen wird ein repräsentativer
tionsbedarf, pflegetherapeutisch zu
Unterrichtsraum im Hause benötigt. betreuen. Die Kompetenz zur
4 SPM-A des einzelnen Bewohners: Im Verflechtung einzelner Konzepte
Vorfeld wird für jeden an der Fortbildung hat oberste Priorität.
teilnehmenden Bewohner eine relevante
Zielgruppe: Personen aus den Bereichen
SPM-Analyse angefertigt. Die Erhebung Kranken- und Altenpflege, Physio-
erfolgt zum Ende der Weiterbildung erneut und Ergotherapie, Logopädie,
und zeigt insgesamt die positive Kompe- Heilerziehungspfleger, Erzieher,
tenzentwicklung auf. Zeitkalkulation Pflegeassistenten u. a. mit gutem
theoretischem Wissensstand. Eine
beträgt etwa 2 Unterrichtseinheiten (UE)
weitere Zielgruppe können
pro Bewohner. Pflegepersonen der neurologischen
4 Phase 2: Pflegepraktikerin/Pflegepraktiker mit und neurochirurgischen Intensiv-
Trainer- und Expertenkompetenz nach dem pflegestation und der neurolo-
Connected Care Concept (CCC) gischen Frührehabilitation sein.

4 Die Fortbildung zum Pflegepraktiker Gruppengröße: 16–20 TN


vermittelt den Teilnehmern einerseits das
Praxisbegleitung: Die Inhalte der einzelnen
erforderliche theoretische Fachwissen und
Seminartage werden in die
andererseits eine hohe Handlungskompe- Pflegepraxis übertragen. Jeder
tenz in der Betreuung von Menschen mit 3. Seminartag wird von den TN und
Hirnverletzung. Die Teilnehmer erhalten den betroffenen Menschen
die nötigen Kompetenzen, Pflegehand- gemeinsam erlebt. Dieser Tag wird
begleitet und reflektiert. Jedem
lungen mit pflegetherapeutischen Inhalten
Seminarblock folgt eine Zeit mit
zu konzipieren, durchzuführen und zu gezielten Praxisaufgaben, zwischen
evaluieren. den einzelnen Seminaren muss ein
4 Rahmenbedingungen: siehe Phase 1. Pflegetagebuch verfasst werden.
4 Phase 3: Nach Abschluss der Weiterbildungs- Für die Praxistage muss eine
schriftliche Einverständniserklärung
bildungsmaßnahme sollte es im Idealfall zu ei-
des Betroffenen, der Angehörigen
ner kontinuierlichen Praxisbegleitung kom- oder des Betreuers vorliegen.
men.
Teamcoaching: Für mehrere Seminarblöcke ist die
4 Hierbei lassen sich auch sehr schön
Seminargestaltung mit 2 Dozenten
Schulungen für Familien der Betroffenen notwendig. Dies gilt auch für die
integrieren. abschließende Leistungsüberprü-
4 Dauer: 1–2 Tage pro TN. fung.
4 Hieraus könnte sich ein ganz besonderes
Qualitätsmanagement entwickeln.
4 Rahmenbedingungen: siehe Phase 1.
174 Bildungskonzept »Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen«

Grobziele: Die Teilnehmer Leistungsüber- Zum Ende der Fortbildung erfolgt


– kennen das Leitkonzept prüfung: eine Bewohnervorstellung mit einer
»Connected Care Concept« vom TN erstellten Förder- und
– kennen das Konzept zur Betreuungsplanung. Teile des
»Wahrnehmungsförderung« Geplanten werden im Rahmen
– kennen das Konzept für einer praktischen Überprüfung
»normale Bewegung« gesichtet. Hierbei gilt die
– kennen das Konzept zur Prüfungsarbeit, mit Bewohnern, als
»Förderung auf neurophysiolo- Grundlage. Die Fortbildung endet
gischer Basis« mit einem vom Frank Riehl Institut
– kennen das Konzept »Intensiv- anerkannten Zertifikat.
therapeutisches Führen« Das Pflegetagebuch ist Teil der
– kennen das Konzept »Dysphagie Prüfung.
– Schluckbeeinträchtigung und
die erforderliche Handlungskom- Seminardauer: 288 UE, plus 32 UE »außerklinische
petenz« Beatmung«. Module mit je
– kennen das Konzept »Trachealka- 3 Unterrichtstagen, ein Modul mit
nülenmanagement und Atmen« 5 UE. 1 Modul pro Monat.
– kennen Konzepte zur Moderation Gesamtdauer 12 Monate, zzgl. der
und Präsentation Praxisbegleittage. Die UE der
– kennen die Richtlinien für den Phasen 1 und 2 sind darin nicht
Umgang mit sprach- und enthalten.
sprechgestörten Menschen
Räumlichkeiten Repräsentativer Unterrichtsraum
– kennen den Umgang mit
und Materialien: mit entsprechender Ausstattung.
fördernden Hilfsmitteln und
Dazu gehören Overhead-Projektor,
erlangen die Kompetenz des
Beamer, Flipchart, Moderations-
Hilfsmittelbeauftragten
wände, Moderatorenkoffer,
– können die einzelnen Konzepte
Pflegebetten, Lagerungsmate-
anwenden
rialien, Rollstühle usw. Eine
– können Inhalte der einzelnen
entsprechende Liste der Materialien
Konzepte verflechten und in eine
wird zur Verfügung gestellt.
konkrete Pflegesituation
einbringen Dozenten: Frank Riehl
– können pflegefachliche Kerstin Schlee – staatlich
Handlungen nach dem neuesten anerkannte Logopädin
pflegewissenschaftlichen Stand
fachgerecht durchführen
– kennen das teilhabe- und jSeminarmodule
entwicklungsorientierte
Bildungsmodule von jeweils dreitägiger Dauer:
Betreuungsmodell nach Frank
Riehl und können danach 1. Wahrnehmungsförderung (Teil 1)
handeln 2. Wahrnehmungsförderung (Teil 2)
– kennen die Grundlagen der 3. Bewegungsförderung (Teil 1)
Betreuung mit systemischem 4. Bewegungsförderung (Teil 2)
Ansatz nach Frank Riehl
5. Essen, Trinken, sicher Schlucken
– können eine Prozessplanung
erstellen und sie evaluieren 6. Die spürbare Umwelt erleben
– können andere Mitarbeiter 7. Außerklinische Beatmung nebst Trachealkanü-
anleiten und begleiten lenmanagement (5 Seminartage)
– können Betroffene und ihre 8. Hilfsmittelbeauftragter
Familien anleiten und begleiten
9. Moderation und Präsentation
– kennen das System »Primary-
Assisstant« 10. Kommunikationsstörungen
– kennen die Prinzipien zum 11. Refresher
adäquaten Umgang mit 12. Prüfungssequenz
beatmungspflichtigen Menschen
175
Bildungskonzept »Fördern durch Pflege bei schweren Hirnschädigungen«

jWirkung der Fortbildung 4 objektive Einstufung der Pflegebedürftigkeit,


Die Pflegepraxis zeigt, dass wahrgenommene Fort- 4 Lernmöglichkeiten,
bildungen für kurze Zeit ein Feuer entfachen, dieses 4 Kostensenkung innerhalb der Versorgung nach
jedoch unter bestimmten Umständen schnell wie- SGB V,
der erlischt. Das Problem ist dabei die Verschwen- 4 Schaffung weiterführender Fördermöglich-
dung der Möglichkeiten. Mir ist durchaus bewusst, keiten,
dass die Arbeitsinhalte traditionelles Pflegewissen 4 Steigerung der Sinnhaftigkeit für die betrof-
kritisch hinterfragen. Die Erfolge in der Betreuung fenen Menschen und für die einzelnen Pflege-
von Menschen mit höchstem Unterstützungsbedarf personen,
geben der Arbeit jedoch Recht. Das Pflegekonzept 4 aktive Reduzierung der Kosten im Gesund-
ist eng mit dem teilhabe- und entwicklungsorien- heitswesen.
tierten Betreuungsmodell nach Frank Riehl ver-
bunden und folgt dem systemischen pflegethera- Die Umsetzung des Konzeptes bedeutet einerseits
peutischen Ansatz. Dieser besagt, dass eine pflege- viel Arbeit, andererseits ist schon jetzt zu beobach-
rische Handlung, z. B. therapeutische Körperpflege, ten, dass die positive Entwicklung der betroffenen
auch Bereiche wie psychomotorische Kontrolle, Menschen ausgesprochen umfangreich ist, die Ar-
Gleichgewicht, Umgebung, soziale Beziehung, beitszufriedenheit der Pflegepersonen steigt und
Schwerkraft und weitere direkt und nachhaltig mit dass die Personalausfallszeiten geringer werden.
verändert. Ebenfalls ist eine geringe Fluktuation zu vermuten.
Die konsequente Umsetzung des Konzeptes er-
reicht reproduzierbar eine Weiterentwicklung des jVoraussetzungen zur Umsetzung des CCC
betroffenen Menschen und seiner Familie, der ein- Die Frage nach den notwendigen Voraussetzungen
zelnen Pflegeperson und einer gesamten Pflegeins- zur Umsetzung bzw. Einführung des CCC stellt
titution. Die entsprechende Arbeit hat nicht die sich der wissenschaftlichen Begleitforschung. Je-
Zustandserhaltung als primäres Ziel, sondern viel- doch können bereits jetzt aufgrund der Erfah-
mehr die aktive Prozessumkehr. rungen der letzten 5 Jahre einige Voraussetzungen
Folgende Effekte sind bei betroffenen Men- genannt werden:
schen erreichbar: 4 Die Absicht, das Konzept einzuführen, ist eine
4 Förderung der Wahrnehmung, Grundsatzentscheidung, die im ersten Schritt
4 Förderung der Bewegungskompetenz, durch die Trägerschaft einer Institution erfol-
4 Förderung der Interaktionsfähigkeit zwischen gen muss. Die verantwortlichen Personen wer-
Person und Person, den über alle zu erwartenden Veränderungen
4 Förderung der Interaktionsfähigkeit zwischen aufgeklärt.
Person und Umwelt, 4 Die Sicherstellung einer kontinuierlichen und
4 Schaffung fördernder Bedingungen für die Be- praxisorientierten Fortbildung und einer per-
troffenen und ihrer Familie, sonenorientierten Anleitung muss gegeben
4 Beendigung der Isolation, sein.
4 Beendigung der zumeist erzeugten Immobili- 4 Das Bildungskonzept folgt dem Top-down-
tät, Prinzip, somit gehören Mitarbeiterinnen und
4 Hypothesenbildung, Mitarbeiter des Qualitätsmanagements, die
4 Tonusregulation, Einrichtungsleitung, die Pflegedienstleitung
4 Förderung der zielgerichteten Eigenbewegung, und die Wohnbereichs- bzw. Stationsleitungen
4 Verminderung von sekundären Komplikatio- zu der ersten Gruppe, die das komplette Kon-
nen wie Kontrakturen, Dekubitus, Pneumonien zept in Theorie und Praxis kennenlernt.
insbesondere der Aspirationspneumonien etc., 4 Die Bereitschaft zum kontinuierlichen Control-
4 adäquate und effektive Nutzung von Hilfsmit- ling muss gegeben sein.
teln, 4 Die Dokumentation kann angepasst werden.
4 Verringerung von Krankenhausbehandlungen,
Pflegetagebuch

Zu jeder Weiterbildung im CCC gehört das Verfas- Daraus ergab sich ein Aufenthalt in einer Klinik für
sen eines den Verlauf widerspiegelnden Pflegetage- Neurochirurgie und danach 10 Wochen frühreha-
buchs. Die Teilnehmerin hat das nachfolgende bilitative Behandlung.
Pflegetagebuch während der Seminarzeit von Insgesamt wurden 54 Pflegetage dokumentiert.
9 Monaten geschrieben. Die einzelnen Angebote, 28 Tage werden nachfolgend genauer beschrieben
die die betroffene Person erhalten hat, wurden um (Pflegetagebuch erstellt durch Sabine Romig, Leite-
neue Lerninhalte erweitert und nachfolgend umge- rin des Qualitätsmanagements Senator Senioren-
setzt. einrichtungen Kiel).
Wie sich der Verlauf darstellt, zeigen die SPM-
jBiographische Daten A in 7 Kap. 13.
Die Bewohnerin lebte laut Aussage ihrer Stief-
schwester 7 Jahre mit ihrem Lebensgefährten zu- jPflegetag 1: 18. Januar 2007, 8:30–10:00 Uhr
sammen. Sie hat 3 Kinder, wovon eines jedoch be- Beim Betreten des Zimmers war die Bewohnerin
reits im Kindesalter verstorben ist. Sie hatte eine bereits wach, und es spielte leise Musik aus dem
Vorliebe für Kaffee und Bier, hörte gerne Musik Radio. Die Anwesenheit der pflegenden Person
und liebte Tiere. wurde durch Links-rechts-Bewegung des Kopfes
auf dem Kopfkissen und durch Bewegungen mit
jDiagnoseblatt den Armen registriert. Beim Zurückrollen der
Frau B., geb. 17.01.1970 Bettdecke konnte die pflegende Person Verwunde-
Medizinische Diagnosen: rung bei der Bewohnerin feststellen, die sie in
4 Polytrauma bei Verkehrsunfall am 02.04.2005 Angst umwandelte, erkennbar durch stöhnende
4 Traumatische Subarachnoidalblutung (SAB) Laute seitens der zu pflegenden Person. Während
4 Ischämischer Hirninfarkt rechts parietal bei der gesamten Körperpflege jedoch war Entspan-
Vasospasmen nung und Wohlbefinden zu beobachten. Der an-
4 Entlastungskraniektomie bei Hirnödem fängliche Strecktonus in den Armen und der beid-
4 Ventrikulo-peritonealer (VP-)Shunt bei Hydro- seitige Faustschluss lösten sich mit zunehmender
cephalus internus Waschung. Der Strecktonus in den Beinen konnte
4 Stumpfes Bauchtrauma mit Blasenruptur allerdings nicht reguliert werden. So blieb er auch
4 Offene Schenkelhalsfraktur links nach der Körperpflege bestehen. Die Seitenlage, die
4 Tibiaschaftfraktur rechts angestrebt wurde, konnte auch mit Hilfe von Kis-
4 Offene Tibiakopf- und Fibulaköpfchenfraktur sen nicht stabilisiert werden, da sich die Bewohne-
links rin ständig wieder zurückdrehte. Aufgrund dessen
4 Querfortsatzfraktur Lendenwirbelkörper war die Durchführung der ateminformierenden
(LWK) beidseitig Einreibung (AIE) erschwert. Des Weiteren konnte
4 Unterkieferfraktur links die Mundpflege nicht durchgeführt werden. Ein
4 Engwinkelglaukom beidseitig Reinigen der Mundhöhle und der Zähne mittels
4 Nicht klassifizierbare Kommunikationsstörung Watteträger und Zahnbürste war nicht möglich.
4 Neurogene Dysphagie Während der therapeutisch beruhigenden Körper-
4 PEJ-Anlage (für Nahrung und Flüssigkeit) pflege fiel auf, dass die Bewohnerin abgeführt hat.
Nach der Durchführung wurde ihr Oberkörper
Therapien: wieder angekleidet, wobei sie nicht in der Lage, war
4 2-mal wöchentlich Physiotherapie mitzuhelfen. Im Anschluss an die Pflege schlief die
4 2-mal wöchentlich Logopädie Bewohnerin ein und machte auf die pflegende Per-
son einen entspannten Eindruck. Während der Be-
177
Pflegetagebuch

handlung wurden einige störende Faktoren sicht- Bettkante, befanden sich beide Arme im regulier-
lich: Das Antidekubitus-(AD-)System macht bei ten Tonus und konnten bis auf Höhe des Sternums
starker Belastung, d. h. bei Bewegungen im Bett, angewinkelt werden. Der anschließende Rücken-
unangenehme Geräusche. Des Weiteren lassen sich transfer wurde mit viel KIF und Rumpfrückenun-
die Bettgitter und das höhenverstellbare Kopfteil terstützung durch eine zweite Pflegeperson durch-
ebenfalls nicht geräuschlos bewegen. Circa 2 Stun- geführt, mit dem Ziel einer 90°-Seitenlagerung
den nach der therapeutischen Anwendung erhielt nach rechts. Es folgte erneut eine 30-minütige Ru-
die Bewohnerin eine physiotherapeutische Be- hephase für die Bewohnerin.
handlung, wobei der zuständige Therapeut äußerte, Für die visuelle Wahrnehmung während dieser
dass die Bewohnerin recht müde wirkte. Allerdings Lagerungsposition wurde ein buntes Halstuch an
habe es bereits auch Zeiten gegeben, in denen sie dem Bettgitter befestigt. Des Weiteren wurde ein
überhaupt nicht zu wecken gewesen ist. großes persönliches Foto von der Bewohnerin in
Blickrichtung positioniert. Als die behandelnden
jPflegetag 4: 7. Februar 2007, 9:30–13:00 Uhr pflegenden Personen nach der Ruhepause wieder
In dieser Sitzung wurde die Bewohnerin mit viel in das Zimmer der Bewohnerin kamen, stellten sie
Körperinformationsfläche (KIF) aus der Rücken- fest, dass sie das private Foto fixierte und anlächel-
lage in die 90°-Seitenlagerung nach links gebracht. te. In der rechtsseitigen Lagerung wurde schließ-
Ein Aufstellen beider Beine war möglich, wobei die lich, mit einem leicht erhöhten Kopfteil, die intra-
Füße allerdings keine Fußbelastung aufbauen orale Stimulation mit Kaffee, verbunden mit einem
konnten. Eine Intimpflege war für die Bewohnerin olfaktorischem Angebot (Kaffeepulver) durchge-
notwendig, da diese abgeführt hatte. Während der führt. Die Bewohnerin nahm das Aroma des Kaf-
Umlagerung und der Versorgung reagierte sie zu- feepulvers sofort wahr und akzeptierte die intra-
dem mit Gänsehaut, so dass nach den Maßnahmen orale Stimulation. Der Erfolg der Maßnahme zeigte
eine 30-minütige Ruhephase eingelegt wurde. sich durch schmatzende Mundbewegungen und
Nach der Pause wurde die Bewohnerin mit viel weit geöffnete Augen. Danach wurde sie wieder mit
KIF aus der linken Seitenlagerung in die rechte ge- viel KIF in die 90°-Seitenlagerung gebracht und
dreht. Ziel dabei war es, dass sie auf der Bettkante erhielt für die visuelle Wahrnehmung erneut das
sitzen konnte. Während dieser Umlagerung regu- bunte Halstuch sowie das persönliche Foto, welches
lierte sich der Tonus in den Beinen, Füßen und Ar- in ihrem Blickfeld positioniert wurde.
men. Für die Fußsohlen-KIF wurde ein Stuhl an
das Bett gestellt und dieses in die höchstmögliche jPflegetag 5: 8. Februar 2007, 9:00–12:00 Uhr
Einstellung verstellt. Beim Aufsetzen erhielt die Die Bewohnerin wurde mit viel KIF aus der Rü-
Bewohnerin von einer weiteren pflegenden Person ckenlage in die 90°-Seitenlagerung nach links ge-
eine Rumpfrückenunterstützung. Eine adäquate dreht. Das Aufstellen beider Beine war gut möglich,
Kopfkontrolle konnte jedoch nicht eigenständig wobei die Füße keinerlei Fußbelastung aufbauen
aufgebaut werden. Durch ein Wegrutschen der konnten. Im Anschluss wurde eine 30-minütige
Fußsohlen-KIF wurde zweimal eine einschießende Ruhephase eingehalten.
Streckspastik ausgelöst. In der Zeit, in der die Be- Es folgte eine Intimpflege, da die Bewohnerin
wohnerin auf der Bettkante saß, erhielt sie ein in- mittlerweile abgeführt hatte. Anschließend wurde
differentes Handbad, erst an der linken und danach sie erneut mit viel KIF aus der linken Seitenlage-
an der rechten Hand. Es war zu erkennen, dass sich rung in die rechte Lagerung gedreht, mit dem Ziel,
der Faustschluss beider Hände löste. Die Bewohne- die therapeutische Körperpflege durchführen zu
rin machte Versuche, mit den Händen zu greifen können. Während der Umlagerung regulierte sich
und etwas festzuhalten. Nach dem indifferenten der Tonus in Beinen, Füßen und Armen. Ebenso
Handbad wurde eine Bauch-Rücken-Atmung reagierte die Bewohnerin während Umlagerung
durchgeführt, die nach Erachten der pflegenden und auch Waschung mit Gänsehaut. In der Zeit, in
Person von der Bewohnerin als sehr positiv emp- der die Körperpflege durchgeführt wurde, seufzte
funden worden ist. Während des Sitzens auf der die Bewohnerin mehrere Male laut und tief, wel-
178 Pflegetagebuch

ches bei der pflegenden Person den Anschein ver- bilität gegeben. Die Bewohnerin rutschte nicht weg
mittelte, dass sie entspannt war. Im Anschluss an und infolgedessen entstand kein Strecktonus im
die Körperpflege wurden auch in dieser Pflegesit- Körper. Die zweite pflegende Person, die den Rü-
zung eine intraorale Stimulation mit Kaffee und ein cken der Bewohnerin unterstützte, brummte und
olfaktorisches Angebot mit Kaffeepulver durchge- schaukelte während der Maßnahme. Ein weiterer
führt. Auch dieses Mal konnte beobachtet werden, Erfolg zeigte sich dadurch, dass die Bewohnerin
dass die Bewohnerin dieses sehr genossen hat. Da- zeitweise eine gute Kopfkontrolle und Stabilität
nach wurde sie komplett im Bett angekleidet und aufbauen konnte. Wenn die Kontrolle fehlte, erhielt
mit viel KIF in die 90°-Seitenlagerung nach links sie Unterstützung. Als die pflegende Person ein
gelagert. Für die visuelle Wahrnehmung wurde oder zwei Mal während des Körperschaukelns zum
wieder ein persönliches Foto in Blickrichtung posi- Stillstand kam, wiegte sich die Bewohnerin sehr
tioniert. Für die akustische Wahrnehmung wurde langsam für kurze Zeit weiter. Im Anschluss daran
eine Spieluhr eingesetzt. Nach Lagerung und Pflege wurde die Mundpflege durchgeführt und die Be-
wurden einige Maßnahmen vorgenommen: Zum wohnerin wieder angekleidet. Dann wurde sie mit
einen wurden die geschlossenen Inkontinenzslips viel KIF in die 30°-Seitenlagerung links gebracht.
in anatomische Vorlagen mit Netzhose oder Schlüp- Im Folgenden wurde ein olfaktorisches, gustato-
fer gewechselt. Zur Mobilisation im Bett sowie risches und ein akustisches Angebot gegeben. Wäh-
Rollstuhl erhält die Bewohnerin einen Beinkathe- rend dieser Pflegesitzung wurden positive Beob-
terbeutel. Des Weiteren wurde das AD-System ent- achtungen gemacht. Während des gesamten Pflege-
fernt, und ein PEG-Überwachungsgerät wurde am vorgangs war der Tonus in Beinen, Füßen, Armen
Fußende des Bettes positioniert. Ebenso wurde ei- und Körper reguliert. Des Weiteren wirkte die Be-
ne tägliche Kontrolle der Körpertemperatur ange- wohnerin entspannt und verfolgte aufmerksam die
ordnet (Feststellung von Aspiration). Aktivitäten innerhalb ihres Umfeldes. Die Fuß-
und zeitweilige Kopfstabilität waren ein weiterer
jPflegetag 7: 22. Februar 2007, kleiner Fortschritt in der Therapie. Zudem wurde
9:00–12:00 Uhr ein Wochenplan erstellt und im Zimmer aufge-
Das Ziel dieser Pflegesitzung war die Durchfüh- hängt, in dem die wöchentlichen Anwendungen
rung der beruhigenden therapeutischen Grund- mit der jeweiligen Uhrzeit vermerkt sind.
pflege inklusive Fußbad in sitzender Position auf
der Bettkante. jPflegetag 9: 7. März 2007, 9:00–11:30 Uhr
Zuerst wurde die Bewohnerin mit viel KIF aus Das Ziel dieser Sitzung war die Durchführung der
der Rückenlage in die 30°-Seitenlagerung rechts ge- beruhigenden therapeutischen Grundpflege in sit-
bracht. Auch hierbei war das Aufstellen beider Bei- zender Position auf der Bettkante mit anschlie-
ne gut möglich. Ein Erfolg zeigte sich darin, dass ßender Durchführung eines Schluckauftrages mit
zum ersten Mal Fußstabilität auf der Rutschmatte Bitterschokolade.
aufgebaut werden konnte. Nach dem Lagerungs- Zu Beginn wurde die Bewohnerin mit viel KIF
wechsel wurde ein auditives Angebot mittels einer aus der Rückenlage in die 30°-Seitenlagerung rechts
Spieluhr gegeben, und es wurde eine 20-minütige gelagert und erhielt eine einstündige Ruhepause.
Ruhepause eingehalten. Nach der Pause wurde sie mit Hilfe einer weiteren
Nach Beendigung der Ruhepause wurde der pflegenden Person, welche ihr Rückenunterstüt-
Genitalbereich gereinigt. Im Anschluss an die Rei- zung gewährleistete, auf die Bettkante gesetzt.
nigung wurde die Bewohnerin mit viel Körperin- Hierbei wurde die Fußstabilität durch einen
formationsfläche an die Bettkante transferiert. Wie Schaumstoffklotz aufgebaut. Die Bewohnerin hatte
in der vorherig beschriebenen Pflegesitzung wurde während der gesamten Maßnahme keinerlei Kopf-
auch dieses Mal von einer weiteren pflegenden Per- stabilität. Sie war sehr schläfrig, und eine ständig
son eine Rückenunterstützung gewährleistet. Die vorhandene Gänsehaut wurde festgestellt. Der To-
Füße wurden durch eine Bank stabilisiert. Wäh- nus war nur selten in Regulation vorzufinden. Nach
rend des gesamten Waschvorgangs war die Fußsta- der Waschung wurde die Bewohnerin mit viel KIF
179
Pflegetagebuch

in die 30°-Seitenlagerung gebracht und die Maß- Nachdem die 20 Minuten verstrichen waren,
nahme mit einen auditiven Angebot beendet. Es erfolgte der Rücktransfer aus dem Rollstuhl in das
folgte eine Ruhephase von 30 Minuten. Nach der Bett. Im Folgenden wurde das intensivtherapeu-
zweiten Pause wurde die Bewohnerin im Bett mit- tische Führen durchgeführt, welches wie folgt ab-
tels A-Lagerungs-Unterstützung in die aufrechte gelaufen ist: Der Reißverschluss eines Kulturbeutels
Sitzposition gebracht. Sie erhielt ein gustatorisches wurde aufgezogen. Die Cremedose wird entnom-
und olfaktorisches Angebot. Danach wurde, durch men und der Deckel der Dose geöffnet. Die Creme
die Schluckexpertin Kerstin Schlee, mit Bitterscho- wird auf den Handrücken gestrichen. Anschlie-
kolade ein Schluckauftrag erteilt. Die Bewohnerin ßend wird die Hand mit der Creme zum Gesicht
war weiterhin sehr müde, hat zwischenzeitlich je- geführt. Hierbei konnte der Arm der Bewohnerin
doch geschluckt und geschmatzt und zeitweise die bis zu 20 cm an das Gesicht geführt werden. Das
Augen weit geöffnet. Im Anschluss wurde sie wie- Gesicht wird dabei nicht eingecremt. Nach dem
der mit viel KIF in die 30°-Seitenlagerung rechts Führen des Armes, wird die Creme auf beiden
gelagert und die Maßnahme mit einem akustischen Handrücken verteilt und einmassiert. Anschlie-
Angebot (Spieluhr) beendet. ßend wird die Dose wieder mit dem Deckel ver-
schlossen, mit der linken Hand gegriffen, um sie
jPflegetag 14: 18. April 2007, 9:00–12:30 Uhr der pflegenden Person am Bett zu überreichen. Der
An diesem Pflegetag war das Ziel ein Transfer aus Aufbau von Eigenaktivität im rechten Arm wurde
dem Bett in den Rollstuhl mit Hilfe eines Rutsch- durch Auf-und-ab-Bewegungen gefördert. Wäh-
brettes und anschließendem intensivtherapeutisch rend des intensivtherapeutischen Führens war die
geführtem Angebot. Vorab erhielt die Bewohnerin Bewohnerin sehr aufmerksam und schien an der
eine beruhigende therapeutische Grund- und In- Aktivität interessiert zu sein. Erfreulich war die
timpflege und wurde danach in die 30°-Seitenlage- Tatsache, dass sie nach Verschließen der Creme-
rung links gebracht. Im Anschluss wurde eine 45- dose diese für einen Augenblick halten konnte. Des
minütige Pause eingelegt. Weiteren waren bei der Durchführung einige Kom-
Vor dem Lagerungswechsel erhielt die Bewoh- petenzsteigerungen zu beobachten. Der Tonus
nerin ein intraorales Angebot mit Orangensaft, während der Bewegungsübergänge konnte gut re-
welches mit dem Finger durchgeführt wurde. Sie guliert werden. Außer bei aufkommenden Blä-
ging währenddessen nicht aus dem Kontakt heraus. hungen konnte keine einschießende Spastik festge-
Stattdessen machte sie schmatzende Geräusche mit stellt werden. Ebenso war das Anstellen beider Bei-
leichten Kaubewegungen. Ebenso wurde ein ne fast vollständig und ohne Beugedefizit möglich.
Schluckvorgang ausgelöst. Anschließend wurde sie Beide Beine befanden sich in Abduktion, wodurch
mit Bewegungsübergängen in die Rückenlage ge- die Beckenstellung verändert wurde. Der linke Arm
bracht. Sie wurde mit Strümpfen und einer langen der Bewohnerin konnte in gebeugtem Zustand bis
Hose bekleidet und dann mit Bewegungsübergän- zu 20 cm vor das Gesicht geführt werden. Der rech-
gen in die 30°-Seitenlagerung rechts gedreht. Es te Arm konnte in Abduktion zum Thorax bis unter
folgte eine weitere Pause von 30 Minuten. den Rippenbogen bewegt werden. Eine Steigerung
Aus der vorliegenden Seitenlagerung wurde die der Vigilanz bei Aktivitäten ist deutlich erkennbar.
Bewohnerin zurück in die Rückenlage gebracht. Bei Veränderungen der horizontalen oder vertika-
Nun wurden ihr ihre Schuhe angezogen. Die Füße len Körperpositionen zeigt die Bewohnerin jedoch
sowie die Fußknöchel wurden jeweils mit einer eine Störung im vestibulären System durch einen
Zugbinde stabilisiert. Aus der Rückenlage erfolgte leichten Nystagmus.
schließlich wieder die 30°-Seitenlagerung rechts,
und mit Rückenunterstützung einer weiteren pfle- jPflegetag 16: 30. April 2007, 10:00–11:30 Uhr
genden Person wurde die Bewohnerin auf die Bett- In dieser Sitzung sollte ein Hand- und Fußbad in
kante transferiert. Von dort aus erfolgte der Trans- sitzender Position auf der Bettkante durchgeführt
fer über das Rutschbrett in den Rollstuhl. Es folgte werden. Vorab erhielt die Bewohnerin eine In-
eine weitere Pause von 20 Minuten. timpflege und wurde dann in die Rückenlage ge-
180 Pflegetagebuch

bracht. Anschließend folgte eine Pause von 20 Mi- vor ihr ihre Schuhe angezogen wurden, wurden die
nuten. Mit Bewegungsübergängen wurde sie Fußknöchel beidseitig für eine bessere Stabilität
schließlich in die 30°-Seitenlagerung links gebracht bandagiert. Anschließend wurde sie mit Bewe-
und erhielt eine intraorale Stimulation mit kaltem, gungsübergängen in die 30°-Seitenlagerung rechts
rotem Traubensaft. Während der Durchführung gedreht und für das Aufsetzen auf der Bettkante
schmatzte die Bewohnerin und konnte den vorbereitet. Das Aufsetzen, mit Rückenunterstüt-
Schluckauftrag ausführen. Zeitweise ging sie durch zung durch eine weitere pflegende Person, war pro-
Wenden des Kopfes aus dem Kontakt heraus. Da- blemlos möglich. Während dieser Durchführung
nach wurde eine weitere Pause von 20 Minuten waren die Beine und Arme sehr gut beweglich. Es
eingelegt. bestand eine gute Tonusregulation im gesamten
Im Anschluss erfolgte mit Bewegungsübergän- Körper, und die Bewohnerin war sehr aufmerksam.
gen die 30°-Seitenlagerung rechts mit der Vorberei- Nach dem Transfer saß sie entspannt im Rollstuhl.
tung zum Sitzen auf der Bettkante. Währenddessen Ihre Arme konnten gut auf einem Kissen auf den
zeigte die Bewohnerin keinen Strecktonus. Die Ar- Oberschenkeln angewinkelt werden. Ihre Füße hat-
me und Beine waren gut beweglich. Das Aufsetzen, ten einen guten Halt auf den Fußrasten (unter die
mit gegebener Rückenunterstützung durch eine Füße wurden Keile in Form von Büchern platziert,
weitere pflegende Person verlief problemlos. Es um die KIF zu erhöhen). Die Anprobe für ein ge-
folgte das Hand- und Fußbad. Hierbei zeigte die eignetes Kopfstützsystem konnte erfolgreich durch-
Bewohnerin Wohlbefinden, war sehr aufmerksam geführt werden. Durch die vorherrschenden Um-
und wach. Zeitweise wurde die Durchführung je- gebungsgeräusche wurde die Bewohnerin abge-
doch von ihr unterbrochen, da einige Bauchkrämp- lenkt, saß allerdings weiterhin entspannt im Roll-
fe (Blähungen) auftraten. In diesen Momenten ging stuhl. Um ihr die Wartezeit zu erleichtern, holte die
sie in einen Strecktonus über. Die Fußstabilität pflegende Person eins von den hauseigenen Meer-
wurde aufgehoben, und es musste vermehrt eine schweinchen und ließ die Bewohnerin, mit thera-
neue Entspannung aufgebaut werden. Im Fol- peutischer Führung, das Tier tasten, streicheln und
genden wurde die Bewohnerin wieder mit Bewe- in den Armen halten. Sie war sehr aufmerksam,
gungsübergängen in die 30°-Seitenlagerung links hatte die Augen weit geöffnet und nahm Blickkon-
gelagert. Zum Abschluss erhielt sie ein akustisches takt zu dem Tier auf. Zeitweise hob sie den Kopf
sowie visuelles Angebot mit einer Spieluhr und und nahm Blickkontakt zur pflegenden Person auf,
einem persönlichem Foto. Daraufhin wirkte die die sich an ihrer rechten Seite befand. Einige Male
Bewohnerin sehr entspannt und schlief kurze Zeit schaute sie auch zur linken Seite, wobei sie die Bil-
später ein. Während der Umlagerung waren keine der an der Wand betrachtete. Anschließend wurde
Störungen im vestibulären System zu erkennen und die Bewohnerin über das Rutschbrett zurück aus
während der Bewegungsübergänge war eine gute dem Rollstuhl in ihr Bett transferiert und in die
Tonusregulation erkennbar. 30°-Seitenlagerung links gebracht. Die Bewohnerin
wirkte sehr müde, aber entspannt, und zum Ab-
jPflegetag 17: 7. Mai 2007, 14:00–17:00 Uhr schluss erhielt sie ein auditives Angebot mit einer
Wieder war ein Transfer mit dem Rutschbrett, wel- Spieluhr.
ches sich vor der Bettkante befindet, in den Roll- Bei der Auswahl der Kopfstütze wurde sich für
stuhl das Ziel. Während des Sitzens im Rollstuhl das Modell der geschwungenen Form entschieden,
sollte die Anprobe für ein therapeutisches Kopf- da diese die Abstützung am Hinterhaupt verlaufen
stützsystem, evtl. Head Support, durchgeführt wer- lässt. Die Ohren liegen frei und somit wird die aku-
den. Vorab erhielt die Bewohnerin eine Intimpflege stische Wahrnehmung nicht eingeschränkt. Um die
und wurde dann in die 30°-Seitenlagerung links ge- zeitweise laterale Kopffixierung zu verhindern,
bracht. Nach der Umlagerung wurde eine Pause wird zusätzlich eine Seitenpolsterhalterung in Hö-
von 20 Minuten eingehalten. he der rechten Schläfe in das Kopfstützsystem in-
In Rückenlage gebracht, wurde schließlich der tegriert.
Unterkörper der Bewohnerin angekleidet, und be-
181
Pflegetagebuch

jPflegetag 19: 21. Mai 2007, 14:00–17:00 Uhr Rollstuhl zurück ins Bett transferiert und wurde
Die Bewohnerin sollte mit dem Rutschbrett von dort schließlich in die 30°-Seitenlagerung links ge-
der Bettkante in den Rollstuhl transferiert werden. bracht. Sie wirkte nicht müde, war entspannt und
Während des Sitzens sollte dann ein professioneller erhielt zum Abschluss ein akustisches Angebot mit
Haarschnitt durchgeführt werden. Vorab erhielt die einer Spieluhr.
Bewohnerin in der linksseitigen 30°-Seitenlage-
rung eine intraorale Stimulation mit gekühltem jPflegetag 21: 1. Juni 2007, 14:00–16:00 Uhr
Orangensaft. Nach den Prinzipien der therapeu- In dieser Sitzung war das Ziel eine Bauchmassage
tischen Mundpflege wurde diese Maßnahme mit im Bett unter Verwendung eines »Vier-Winde-
dem Finger durchgeführt. Mit Bewegungsübergän- Öls«. Die Bewohnerin erhielt eine A-Lagerung, und
gen wurde sie anschließend in die 30°-Seitenlage- die Bauchmassage wurde durchgeführt. Während
rung rechts gebracht, und eine Pause von 20 Minu- der Maßnahme war sie wieder sehr aufmerksam,
ten wurde eingelegt. verfolgte alle Handlungen mit den Augen, und es
Nach der Pause wurde die Bewohnerin in die hatte den Anschein, dass sie über die Massage et-
Rückenlage gebracht und ihr Unterkörper ange- was verwundert war. Es folgte eine Pause von
kleidet. Um die Fußgelenke wurden zur Stabili- 20 Minuten.
tätsunterstützung Stützverbände angelegt. Im An- Dann erhielt die Bewohnerin ein olfaktorisches
schluss erfolgte mit Bewegungsübergängen wieder Angebot mit Kaffeemehl und eine intraorale Sti-
die 30°-Seitenlagerung rechts und eine Vorberei- mulation mit heißem Kaffee. Zusätzlich bekam sie
tung zum Aufsetzen auf die Bettkante. Dieses war, danach noch einen Kausack mit Bitterschokolade,
mit Rückenunterstützung durch eine weitere pfle- den sie bis auf einen kleinen Rest lutschte. Nach Er-
gende Person, problemlos möglich. Die Bewohne- achten der pflegenden Person ging sie schließlich
rin zeigte keinerlei Störung im vestibulären System. bewusst aus dem Kontakt mit dem Kausack heraus.
Nach dem Transfer in den Rollstuhl saß die Bewoh- Im Anschluss wurde die Bewohnerin in die 30°-
nerin dort entspannt. Ihre Arme konnten gut auf Seitenlagerung gebracht und erhielt zum Abschluss
einem Kissen auf den Oberschenkeln angewinkelt ein akustisches und visuelles Angebot mit der üb-
werden. Die Füße jedoch rutschten zeitweise von lichen Spieluhr und dem persönlichen Foto. Der
den Fußrasten herunter. Da die Friseurin zu die- Tonus war während der gesamten Durchführung
sem Zeitpunkt noch nicht eingetroffen war, ist die in Regulation, und die Bewohnerin wirkte entspan-
pflegende Person mit der Bewohnerin im Rollstuhl nt. Die Bauchmassage wurde am 4. Juni erneut wie-
langsam durch den Wohnbereich gefahren. Am derholt, mit dem Erfolg, dass die Bewohnerin kurze
Meerschweinchenkäfig wurde eine Pause eingelegt. Zeit später abführen konnte. Am 5. Juni wurde die
Als die Meerschweinchen in ihrem Käfig quiekten, Bauchmassage nach dem Abführen durchgeführt,
umherliefen und im Stroh raschelten, nahm die Be- um Blähungen und Bauchkrämpfe zu lindern.
wohnerin Blickkontakt zu den Geräuschen auf. Bis
die Friseuse kam, hielt die Pflegeperson sich mit jPflegetag 22: 13. Juni 2007, 8:30–11:30 Uhr
der Bewohnerin in ihrem Büro auf. Sie verfolgte In dieser Sitzung wurden mehrere Ziele angestrebt.
das Geschehen dort mit ihren Augen. Während der Es sollte eine beruhigende therapeutische Körper-
Handlungen der Friseurin war die Bewohnerin pflege, ein therapeutisches Führen beim Ankleiden
sehr aufmerksam und wach. Zeitweise konnte sie des Oberkörpers, ein Rutschbretttransport in den
Kopfstabilität aufbauen. Sie war durch die Ge- Rollstuhl und anschließendes Kaffeekochen unter
räusche, die sich in unmittelbarer Nähe ihrer Oh- therapeutischer Führung durchgeführt werden.
ren und um den Kopf herum abspielten, keineswegs Die Bewohnerin wurde in der Rückenlage in
schreckhaft. Ebenso ging sie nicht aus dem Kontakt Sitzposition gebracht und ausgekleidet. Während
heraus, als die pflegende Person ihr vorsichtig die der Körperpflege war sie sehr aufmerksam, ver-
abgeschnittenen Haarreste aus dem Gesicht und folgte alle Aktivitäten mit den Augen und seufzte
Nacken abbürstete. Anschließend wurde die Be- mehrere Male. Der Tonus war in Regulation, so
wohnerin wieder über das Rutschbrett aus dem dass auch die Pflege unter den Achseln und das
182 Pflegetagebuch

Reinigen des Gesichts gut möglich waren. Im An- jPflegetag 23: 25. Juni 2007, 10:00–12:00 Uhr
schluss wurde die Mundpflege mit einer Kinder- In dieser Sitzung sollte die beruhigende therapeu-
zahnbürste durchgeführt, wobei die Bewohnerin tische Körperpflege, ein therapeutisches Führen
nicht aus dem Kontakt herausging. Anschließend beim Ankleiden des Oberkörpers, ein Rutschbrett-
legte sich die pflegende Person seitlich zu der Be- transfer in den Rollstuhl und eine anschließende
wohnerin ins Bett. Sie hat dann mit der Hand der Spazierfahrt im Sonnenschein durch den Garten
Bewohnerin das T-Shirt am Bettrand angefasst, da- stattfinden.
mit sie erstmals Kontakt zu dem Stoff aufbauen Zu Beginn wurde die Bewohnerin mit Bewe-
konnte. Dann haben sie das T-Shirt gemeinsam auf gungsübergängen und viel KIF in die Rückenlage
die Brust der Bewohnerin gezogen. Die pflegende gebracht und erhielt anschließend eine orale Sti-
Person hat schließlich mit beiden Händen der Be- mulation mit gekühltem Johannisbeersaft. Die
wohnerin das T-Shirt etwas auseinander gezogen Körperpflege wurde dann in sitzender Position im
und hoch gehalten, damit sie es betrachten konnte. Bett durchgeführt. Während der gesamten Aktivi-
Anschließend wurde das T-Shirt gemeinsam auf täten war die Bewohnerin aufmerksam und im To-
dem Oberkörper so positioniert, dass ein Hineing- nus reguliert. Das therapeutische Führen, in Form
leiten mit den Armen zu den Ärmelöffnungen vom Anziehen des T-Shirts, wurde mit abwech-
möglich war. Nach jeder Aktivität hat die pflegende selnder Körperwelt und in kleinen Schritten durch-
Person in kleinen Schritten Körperwelt auf das Be- geführt. Hierbei machte die Bewohnerin bis zum
cken gegeben. Aufgrund der Stellung, welche die Überstreifen des T-Shirts über den Kopf gut mit.
pflegende Person im Bett einnahm, konnte die Mi- Das weitere Anziehen musste dann jedoch von der
mik der Bewohnerin nicht erkannt werden. Die pflegenden Person übernommen werden. Beim
Arme und Hände waren jedoch gut beweglich und Rutschbretttransfer konnte die Bewohnerin mit
der Muskeltonus entspannt. Im Anschluss sind bei- Rückenunterstützung gut von der Bettkante in den
de mit den Händen und Armen durch das T-Shirt Rollstuhl transferiert werden. Anschließend wur-
und durch die Ärmelöffnungen geglitten. Sie konn- den beide Füße zur besseren Stabilität bandagiert.
ten jeweils den Ärmelstoff an den gegenüberlie- Während des Spaziergangs im Garten war die Be-
genden Armen bis zu den Ellbogen hochschieben. wohnerin sehr wach. Auf Geräusche reagierte sie
An diesem Zeitpunkt musste das therapeutische mit Blickkontakt und einer Kopfbewegung zur Ge-
Führen abgebrochen werden, da die Bewohnerin räuschquelle. Im Anschluss an den Spaziergang
plötzlich einen erhöhten Muskeltonus aufwies, auf- blieb die Bewohnerin noch im Rollstuhl sitzen, und
grund von zeitweise auftretenden Bauchkrämpfen. es wurde leise Musik eingeschaltet. Um den zeit-
Es dauerte eine ganze Zeit, bis die Bewohnerin wie- weise starken Bauchkrämpfen der Bewohnerin ent-
der entspannt war. Die pflegende Person übernahm gegenzuwirken, wurde die Sondenkost, erstmal zur
anschließend das weitere Ankleiden von T-Shirt, Probe, von stark fetthaltiger, vorverdauter Kost auf
Hose, Strümpfen und Schuhen. Da die Bewohnerin ballaststoffreiche Kost umgestellt. Gleichzeitig er-
immer wieder Phasen von einschießenden Bauch- hielt sie eine neue Sondenkostpumpe, die geräusch-
krämpfen mit Tonuserhöhung bekam, fiel der Ent- los arbeitet. Zur Unterstützung der Darmtätigkeit
schluss, den Rutschbretttransfer und das geführte soll noch eine Besprechung mit dem Arzt über die
Kaffeekochen nicht durchzuführen. Stattdessen er- Gabe von Movicol erfolgen. Die Möglichkeit, der
hielt die Bewohnerin eine Bauchmassage, mit dem Bewohnerin bei ihren zeitweiligen Bauchkrämpfen
Erfolg, dass sie sich entspannte und einschlief. ein Buscopan-Suppositorium zu verabreichen, um
Nach der Schlafpause erhielt sie noch eine intra- festzustellen, ob eine organische Erkrankung vor-
orale Stimulation mit heißem Kaffee und wurde liegt oder ob es sich um Verwachsungen handelt,
dann auf die Seite gelagert. Unmittelbar danach wurde mit dem Arzt bereits abgeklärt. Allerdings
schlief sie ein. Der Tonus war am gesamten Körper wurde die Maßnahme noch nicht durchgeführt. Ei-
reguliert. nige Veränderungen konnten in dieser Sitzung fest-
gestellt werden. Die Bewohnerin reagiert auf Kör-
perweltgabe und viel KIF sofort mit einer Tonus-
183
Pflegetagebuch

entspannung. Mittlerweile kann sie zudem zwi- pflegenden Personen in das Bett gelegt. Im Bett
schen zwei Gegenständen den Blickkontakt wech- konnte dann ganz langsam mit Bewegungsüber-
seln. Die Mundpflege ist durch die Anwendung der gängen und abwechselnder Körperweltgabe eine
fazio-oralen Trakt-Therapie (FOTT) wesentlich Regulierung des Tonus wiederhergestellt werden.
leichter geworden. Die Bewohnerin geht nicht Mit viel KIF wurde sie dann in die rechte Seitenla-
mehr so häufig aus dem Kontakt heraus. gerung gebracht, woraufhin sie sofort einschlief.

jPflegetag 24: 2. Juli 2007, 10:00–14:00 Uhr jPflegetag 26: 24. Juli 2007, 11:00–13:00 Uhr
Das Ziel in dieser Pflegesitzung war ein intensiv- Ziel war die Anregung der Eigenwahrnehmung, die
therapeutisches Führen in Seitenlage, welches das Wahrnehmungsförderung und die Regulierung des
Entnehmen einer Cremedose aus einem Kultur- erhöhten Muskeltonus durch eine beruhigende
beutel und das Eincremen der Wangenseite bein- therapeutische Körperpflege in sitzender Position
halten sollte. im Bett, durch ein indifferentes Handbad und
Als die pflegende Person das Zimmer der Be- durch Kiefernwickel mit heißen Kompressen. Des
wohnerin betrat, bemerkte sie, dass mit dieser et- Weiteren sollte die Eigenbewegung durch Tonus-
was nicht in Ordnung war. Sie befand sich in einem regulation, durch selektive, kleinschrittige Bewe-
erhöhten Tonus, war völlig verschwitzt und hatte so gungsübergänge im Bett gefördert werden mit an-
stark abgeführt, dass eine umfangreiche Intimpfle- schließendem Transfer mit einem Rutschbrett vom
ge und die Reinigung des gesamten Bettes notwen- Bett in den Rollstuhl.
dig waren. Mit langsam ausgeführten Bewegungs- Zu Beginn lag die Bewohnerin in der Seitenlage
übergängen und abwechselnder Körperweltgabe und wurde von der pflegenden Person mit einer
wurde die Intimpflege durchgeführt und die Be- Initialberührung an der rechten Oberarmseite be-
wohnerin ging währenddessen langsam in einen grüßt. Mit viel KIF und Spürinformationen wurde
regulierten Tonus über. Die Ausscheidungsaktivität die Bewohnerin in die Rückenlage bewegt. Sie er-
war sehr anstrengend für die Bewohnerin. Sie hielt eine unterstützende A-Lagerung mit Rutsch-
wirkte müde und abgespannt. Da die pflegende bremse und wurde in die sitzende Position ge-
Person einen Matratzenwechsel vornehmen muss- bracht. Nun konnte die therapeutische Körperpfle-
te, wurde die Bewohnerin angekleidet und an- ge durchgeführt werden. Während der gesamten
schließend mit dem Rutschbrett und Rückenunter- Maßnahme befand sie sich in einem regulierten
stützung durch eine weitere pflegende Person in Tonus, war aufmerksam und verfolgte die Aktivi-
den Rollstuhl transferiert. Während des Transfers täten mit den Augen. Das anschließende Eincre-
war sie in einem regulierten Tonus, konnte eine gu- men des Körpers schien von ihr genossen zu wer-
te Fußstabilität aufbauen und halten und verfolgte den. Mehrere Male seufzte sie. Nach der Körper-
ebenfalls alle Aktivitäten mit den Augen. Nachdem pflege wurde ein indifferentes Handbad durchge-
das Bett gereinigt, die Matratze getauscht und die führt, wobei die Hände währenddessen völlig ent-
Bettwäsche neu aufgezogen war, saß die Bewohne- spannt und gut beweglich waren. Zur Aktivierung
rin noch eine weitere Stunde im Rollstuhl. Als die der Wahrnehmung bekam die Bewohnerin jedes
pflegenden Personen zum Rücktransfer wieder das Kleidungsstück, bevor es angezogen wurde, zum
Zimmer betraten, war die Bewohnerin trotz Be- Fühlen und zum Riechen gereicht (taktil-haptische
ckengurtfixierung aus der Sitzposition schräg nach und olfaktorische Wahrnehmung). Während des
vorne gerutscht. Zudem befand sie sich in einem Ankleidens war der Tonus reguliert, und es machte
Strecktonus, war kaltschweißig, hatte leichten Spei- den Anschein, dass die Situation von der Bewohne-
chelschaum um den Mund herum und zitterte am rin erkannt wurde. Nach Beendigung des Anklei-
Körper. Den Symptomen nach zu urteilen, hatte sie devorgangs wurde die Bewohnerin mit langsamen
einen ihrer Krampfanfälle erlitten. Sie wurde dies- Bewegungsübergängen und Körperweltgabe auf
mal ohne Rutschbrett aus dem Rollstuhl transfe- die linke Seite und in Richtung Bettkante bewegt,
riert, da eine Tonusregulation in diesem Zustand um das Sitzen an der Bettkante vorzubereiten. In
nicht möglich gewesen wäre. Sie wurde von zwei dieser Position erhielt sie eine extraorale Stimula-
184 Pflegetagebuch

tion durch das Auflegen eines warmen Tuches im Rutschbretttransfer vom Bett in den Rollstuhl sollte
Wangenbereich. Dies wurde zweimal hintereinan- das Gleichgewichtsgefühl verbessern. Wie auch be-
der durchgeführt. Danach wurde eine Pause für reits in der vorherigen Sitzung sollte durch ein the-
15 Minuten eingelegt. rapeutisches Führen (Bürsten der Haare mit einer
Beim Aufrichten zum Sitzen auf der Bettkante Haarbürste) die Spür- und Wahrnehmungsinfor-
erhielt die Bewohnerin Rückenunterstützung durch mationen gestärkt werden. Eine weitere Wahrneh-
eine weitere pflegende Person. Der Tonus blieb re- mungsförderung sollte das geführte Aufziehen und
guliert und die nötige Fußstabilität wurde auf dem Abspielen einer Spieluhr darstellen.
Fußhocker aufgebaut. Anschließend erfolgte der Anfangs befand sich die Bewohnerin in der Rü-
Transfer über das Rutschbrett in den Rollstuhl. Die ckenlage und wurde von der pflegenden Person mit
Position musste mit dem Schinkengang noch kor- einer Initialberührung an der rechten Oberarmsei-
rigiert werden. Auch während dieser Aktivität ver- te begrüßt. Eine taktile Spürinformation erfolgte
blieb der Tonus in Regulation. Zur Unterstützung durch Abrollen der Bettdecke. Nach Senken des
der KIF wurde noch ein dreieckiges Kissen auf dem Bettkopfteils wurde die Bewohnerin mit klein-
Schoß der Bewohnerin platziert und die Enden in schrittigen Bewegungsübergängen in Rückenlage
die Seiten des Rollstuhls gedrückt. Für eine bessere zum Kopfende gebracht. Anschließend erhielt sie
Stabilität und Tonusregulation wurden die winkel- eine unterstützende A-Lagerung mit Rutschbremse
verstellbaren Fußstützen der Fußstellung der Be- und wurde in die Sitzposition gebracht. Nach drei-
wohnerin angepasst. Da diese im Tonus so gut re- maligem Setzen der Triggerpunkte wurde die
guliert war, im Rollstuhl saß und eine gute Armbe- Mundpflege mit einer Zahnbürste durchgeführt.
weglichkeit zeigte, bürsteten die pflegende Person Die Bewohnerin ging mehrmals aus dem Kontakt
und die Bewohnerin durch intensivtherapeutisches heraus. Es war ersichtlich, dass das Zähneputzen
Führen gemeinsam die Haare. Die Bewohnerin be- ihr unangenehm war. Danach führte die pflegende
kam den Auftrag, die Bürste vom Nachttisch zu Person die beruhigende therapeutische Körperpfle-
fühlen und zu greifen. Dann wurde die Bürste zu ge durch. Während der Maßnahme war die Bewoh-
ihrem Körper bewegt. Gemeinsam wurde zuerst nerin sehr aufmerksam und im Tonus reguliert.
die linke Haarseite gebürstet, wobei sich die Bürste Anschließend wurde die Bewohnerin angekleidet.
in der linken Hand befand. Dann wechselten sie die Jedes Wäschestück konnte sich die Bewohnerin,
Position der Bürste zur rechten Hand und bürste- unter Führen, von der Bettkante zum Oberkörper
ten im Anschluss die rechte Haarseite. Die Bewoh- holen. Sie führte es zur Nase und reichte es der pfle-
nerin machte hierbei einen erstaunten Eindruck, genden Person, damit sie es ihr anziehen konnte.
konnte aber dennoch gut mithelfen. Zum Abschluss Daraufhin wurde die Bewohnerin in die Seitenlage
verblieb die Bewohnerin noch für etwa eine Stunde auf der Bettkante gelagert, um so den bevorstehen-
im Rollstuhl, wirkte entspannt und schlief später den Transfer vorzubereiten. Mit Hilfe einer wei-
ein. teren pflegenden Person wurde die Bewohnerin
langsam auf die Bettkante gesetzt. Danach folgte
jPflegetag 28: 20. August 2007, der Transfer über das Rutschbrett in den Rollstuhl.
11:00–13:00 Uhr Während des Transfers wirkte die Bewohnerin sehr
In dieser Sitzung wurden mehrere Ziele gesetzt: Die entspannt, konnte die Fußstabilität gut aufbauen,
Eigenbewegung sowie die Tonusregulation sollte und ihre Gelenke waren passiv gut beweglich. Im
gefördert werden. Eine Körperentspannung sollte Rollstuhl wurde eine nötige Sitzkorrektur mit dem
durch eine beruhigende therapeutische Körper- Schinkengang durchgeführt. Um der Bewohnerin
pflege in Rückenlage erfolgen. Die Wahrnehmungs- eine weitere KIF anzubieten, wurde ein dreieckiges
förderung im Mund- und Rachenbereich sollte Kissen vor ihrem Bauch platziert.
durch eine therapeutische Zahnpflege mit einer Mit dem Rollstuhl wurde sie an den Tisch her-
Kinderzahnbürste erfolgen. Durch selektive, klein- angeführt, auf dem sich die Haarbürste befand. Mit
schrittige Bewegungsübergänge im Bett wurde eine der linken Hand geführt, wurde die Haarbürste zu-
Förderung der Eigenbewegung angestrebt. Ein erst taktil wahrgenommen, anschließend gegriffen
185
Pflegetagebuch

und langsam in Richtung Kopf geführt. Dann wur- im Bett zu erreichen, wollte die pflegende Person
de die linke Haarseite, soweit es die Armbeweglich- die Bewohnerin mit kleinschrittigen Bewegungs-
keit erlaubte, gebürstet. Die linke Hand wurde dann übergängen zum Kopfende befördern. Durch das
mit der Bürste auf das Kissen vor dem Bauch be- Senken des Kopfteils allerdings ging die Bewohne-
wegt. Anschließend erfolgte die Führung der rech- rin in einen starken Strecktonus über. Somit war es
ten zur linken Hand. Die rechte Hand nahm die nicht möglich, sie mit kleinschrittigen Bewegungs-
Haarbürste taktil wahr, übernahm sie und wurde übergängen zum Kopfende zu bewegen. Mit Hilfe
anschließend langsam zum Kopf geführt. Dort einer weiteren pflegenden Person wurde die Be-
wurde die Haarseite gebürstet. Nach Beendigung wohnerin anschließend mit den schonenden Bewe-
des Bürstvorgangs wurde die Bürste wieder lang- gungsübergängen im »Wellengang« zum Kopfende
sam in Richtung Tisch geführt und abgelegt. Die befördert. Mit der Bettdeckenrolle wurde der Be-
Bewohnerin war während des intensiven Führens wohnerin KIF an den Körperseiten gegeben, und
konzentriert und sehr wach. Im Folgenden wurde durch eine Handtuchrolle wurde zusätzlich eine
ein gemeinsamer Versuch vorgenommen, die Spiel- Rutschbremse unter dem Gesäß platziert. So wurde
uhr aufzuziehen. Die Bewohnerin behielt die spie- die Bewohnerin in die sitzende Position im Bett ge-
lende Uhr in den Händen und erhielt somit ein bracht. Daraufhin reagierte sie mit einschießender
akustisches und taktil-haptisches Angebot. Tonuserhöhung, wodurch keine Maßnahmen
durchgeführt werden konnten. Aus dieser Situation
jPflegetag 29: 26. August 2007, heraus wurde der Ablaufplan geändert.
8:30–11:30 Uhr Mit langsamen und kleinschrittigen Bewe-
Das Vorhaben in dieser Sitzung war die Förderung gungsübergängen wurde die Bewohnerin in die
der Eigenwahrnehmung und der Tonusregulation, rechte Seitenlagerung gebracht. Nach dreimaligem
die Wahrnehmungsförderung im Mund- und Ra- Setzen der Triggerpunkte wurde eine intraorale Sti-
chenbereich, die Förderung eines physiologischen mulation mit gekühltem Orangensaft auf der lin-
Schluckaktes und Verhinderung einer Aspiration ken Seite durchgeführt. Der Oberkörper wurde auf
durch extra- und intraorale Stimulation in sitzen- der linken Seite entkleidet und die beruhigende
der Position im Bett. Eine Körperentspannung soll- therapeutische Körperpflege wurde mit Lavendelöl
te durch eine beruhigende therapeutische Körper- im Waschwasser durchgeführt. Anschließend wur-
pflege in Rückenlage hervorgerufen werden. Die de die Körperseite eingecremt. Der Tonus regulier-
Eigenbewegung der Bewohnerin sollte durch selek- te sich nicht und die Bewohnerin ging kurzzeitig in
tive, kleinschrittige Bewegungsübergänge im Bett eine einschießende Tonuserhöhung über. Danach
erreicht werden. Durch einen Transfer über den wurde die Bewohnerin auf die linke Seite gelagert
Tisch vom Bett in den Rollstuhl wollten die pfle- und nach dreimaligem Setzen der Triggerpunkte
genden Personen das Gleichgewichtsgefühl der Be- wurde die intraorale Stimulation rechtsseitig durch-
wohnerin stärken. Zur Förderung der Spür- und geführt. Die rechte Seite wurde schließlich entklei-
Wahrnehmungsinformation sollten durch ein the- det und auch dort wurde dann die beruhigende
rapeutisches Führen die Haare der Bewohnerin mit therapeutische Pflege durchgeführt und die Kör-
einer Haarbürste gebürstet werden. perseite danach eingecremt. Im Anschluss wurde
Zu Beginn der Sitzung bemerkte die pflegende die Bewohnerin mit einem frischen T-Shirt ange-
Person, dass sich die Bewohnerin in einem erhöh- kleidet, welches ihr zuvor, zwecks einer taktilen
ten Muskeltonus befand. Das Becken war in Flexi- Wahrnehmung, über die Hand geführt wurde. Da-
on. Aufgrund dessen fand man beide Beine in Ad- nach wurde sie in die Rückenlage mit erhöhtem
duktion, die Füße in Supination und die Arme im Kopfteil gebracht und die linke Körperseite ange-
Beugedefizit vor. Die Bewohnerin wurde mit einer kleidet. Da sich die Bewohnerin weiterhin im er-
Initialberührung an der rechten Oberarmseite be- höhtem Tonus befand und die einschießende To-
grüßt, wodurch sie aufmerksam wurde. Die Bettde- nuserhöhung eine Reaktion auf ihre Bauchkrämpfe
cke wurde abgerollt, und eine taktile Spürinforma- vermuten ließ, machte die pflegende Person zwei
tion wurde gegeben. Um die richtige Sitzposition hintereinander folgende heiße Kieferkompressen,
186 Pflegetagebuch

um die Zungen- und Kaubewegungen aufzubauen saft durch. Im Anschluss an die Stimulation wurde
und um die Muskulatur zu lockern. Nach einer die Bewohnerin entkleidet und die beruhigende
Pause von 30 Minuten wurde eine Bauchmassage therapeutische Körperpflege durchgeführt. Im be-
mit dem »Vier-Winde-Öl« durchgeführt. Während reitstehenden Waschwasser befand sich wieder La-
dieser Durchführung half eine weitere Person, die vendelöl. Die Bewohnerin war sehr aufmerksam
während der Massage die sich im Beugedefizit be- und verfolgte die Handlungen mit ihren Augen. Im
findlichen Armen der Bewohnerin aus dem Massa- Anschluss an die Waschung hat die pflegende Per-
gebereich anhob. Die Handtücher verblieben auf son die Bettdecke wieder zum Oberkörper hochge-
dem Bauchbereich der Bewohnerin, und die Bett- rollt. Der Oberkörper wurde von einem Badehand-
decke wurde zur Spürinformation von den Füßen tuch abgedeckt. Danach wurde mit Hilfe einer wei-
zum Oberkörper hochgerollt. Seit der Mittagszeit teren pflegenden Person das aufblasbare Kopf-
befand sich die Bewohnerin dann in einem regu- waschbecken unter dem Kopf der Bewohnerin
lierten Zustand. platziert. Bevor die Haare mit dem Wasser getränkt
wurden, bekam die Bewohnerin eine taktile Infor-
jPflegetag 30: 3. September 2007, mation, indem sie einen nassen Waschlappen mit
8:00–11:30 Uhr der Wassertemperatur in die Hand bekam. Somit
In dieser Sitzung wurden einige Ziele gesetzt. Zum konnten die Haare langsam nass gemacht werden.
einen sollte die Wahrnehmung im Mund- und Ra- Sie wurden shampooniert, und die Haarspülung
chenbereich gefördert werden. Ebenso sollte der konnte gut durchgeführt werden. Während der
physiologische Schluckakt gefördert und die Aspi- Durchführung blieb die Bewohnerin im Tonus re-
ration durch eine intraorale Stimulation in sitzen- guliert und zeigte eine große Aufmerksamkeit. Im
der Position im Bett verhindert werden. Der Kör- Folgenden wickelte die pflegende Person ein Hand-
per sollte durch eine beruhigende therapeutische tuch um die Haare und gab der Bewohnerin eine
Körperpflege in Rückenlage gewährleistet werden. kurze Ruhepause von 15 Minuten.
Die Förderung der Wahrnehmung und des Wohl- Nachdem die Haare etwas frottiert wurden, gab
befindens sollte durch eine Haarwaschung und an- die pflegende Person der Bewohnerin den Föhn zur
schließendes Trockenföhnen, in sitzender Position, taktilen Wahrnehmung in die Hand und gemein-
erfolgen. Durch selektive, kleinschrittige Bewe- sam schalteten sie den Föhn ein. Damit die Bewoh-
gungsübergänge im Bett sollte die Eigenbewegung nerin die Temperatur wahrnehmen konnte, wur-
gefördert und der Tonus reguliert werden. Ebenso den ihr die Hände geföhnt. Der Weg des Föhns
wie in der vorherigen Sitzung sollte das Gleichge- führte über den Arm und die Außenschulter zu
wichtsgefühl der Bewohnerin in dieser Sitzung den Haaren. Die Haare wurden geföhnt und ge-
ebenfalls durch einen Tischtransfer vom Bett in kämmt, bis sie trocken waren. Währenddessen
den Rollstuhl gestärkt werden. schloss die Bewohnerin die Augen und schien die
Zu Beginn der Pflegesitzung lag die Bewohne- Durchführung zu genießen. Nachdem die Haare
rin auf der linken Seite und wurde von der pfle- getrocknet waren, wurde die Bewohnerin erneut
genden Person mit einer Initialberührung an der angekleidet. Jedes Kleidungsstück, auch die Schuhe,
rechten Oberarmseite begrüßt. Durch das Abrollen wurden ihr vorher zur taktilen Wahrnehmung in
der Bettdecke wurde eine taktile Spürinformation die Hand gegeben. Nach dem Ankleiden wurde die
gegeben. Mit kleinschrittigen Bewegungsübergän- Bewohnerin mit kleinschrittigen Bewegungsüber-
gen wurde die Bewohnerin in die Rückenlage ge- gängen auf die linke Körperseite und in Richtung
bracht. Mit einer Kissenrolle um den Körper her- Bettkante befördert, um den Transfer vorzuberei-
um wurde eine KIF gegeben. Mit einer Handtuch- ten. Zur Rückenunterstützung legte sich die pfle-
rolle als Rutschbremse unter dem Gesäß wurde sie gende Person mit ins Bett, und gemeinsam setzten
schließlich in die sitzende Position gebracht. Nach sie sich auf die Bettkante. Die pflegende Person ver-
dreimaligem Setzen der Triggerpunkte, beginnend suchte im Anschluss, die Bewohnerin in die
auf der rechten Seite, führte die pflegende Person Rumpfbeugung nach vorne und zum Tisch zu beu-
die intraorale Stimulation mit gekühltem Orangen- gen. Obwohl sie Druck in der Kontaktzone Becken
187
Pflegetagebuch

nach unten gab und die Bewohnerin auch auf dem maßnahme selbst zurückzukehren: Das Kopfteil
Fußpodest vollflächigen Bodenkontakt hatte, konn- des Pflegebettes wurde heruntergestellt, das Nest
te sie nicht so weit über den Tisch geführt werden, entfernt, und die Bewohnerin wurde mit Hilfe ei-
dass ein Transfer möglich gewesen wäre. Letztend- ner weiteren pflegenden Person in Wellenbewe-
lich ging sie kurzzeitig in einen erhöhten Tonus gungen ans Kopfende befördert. Als Rutschbremse
über, und so wurde ein normaler Rutschbretttrans- wurde ein Handtuch unter das Gesäß der Bewoh-
fer mit Rückenunterstützung in den Rollstuhl nerin platziert, und anschließend wurde sie in die
durchgeführt. Im Rollstuhl wurde die Sitzposition sitzende Position gebracht. Die Kissenrolle wurde
schließlich mit dem Schinkengang korrigiert. Zum anschließend wieder als Nest um die Bewohnerin
Schluss erhielt die Bewohnerin dann noch KIF gelegt. Das anschließende Auskleiden des Ober-
durch ein dreieckiges Kissen vor dem Bauch, wel- körpers gestaltete sich schwierig, da die Bewohne-
ches auf ihren Oberschenkeln platziert wurde. Sie rin sehr verschwitzt war. Beide Arme waren im er-
machte daraufhin einen entspannten Eindruck auf höhten Tonus, der allerdings während der Wa-
die pflegenden Personen. schung in einen regulierten Tonus überging. Die
Bewohnerin war während der Maßnahme sehr auf-
jPflegetag 31: 5. September 2007, merksam und fixierte das Geschehen mit ihren Au-
8:00–11:30 Uhr gen. Als die pflegende Person zum linken Arm hin-
Das Ziel war eine beruhigende therapeutische überging, drehte die Bewohnerin den Kopf nach
Ganzkörperpflege in sitzender Position im Pflege- links und beobachtete das Vorgehen weiter. Nach
bett. Die Wahrnehmung sollte gefördert und der der Oberkörperwaschung wurde die Zahnpflege
Tonus in eine Regulation gebracht werden. Zudem durchgeführt, welche von der Bewohnerin mit Un-
war die Easy-Day-Massage und eine AIE geplant, behagen gewürdigt wurde. Zeitweise drehte sie sich
welche aus zeittechnischen Gründen nicht durch- aus dem Kontakt heraus. Ebenfalls machte sie zeit-
geführt wurde. weise schmatzende Geräusche. Nach der Mundhy-
Zu Beginn der therapeutischen Pflege wurde giene wurden der Oberkörper und das Gesicht ein-
die Bewohnerin von der Pflegeperson mit einer gecremt. Ebenso wurde ihr Oberkörper mit einem
Initialberührung am rechten Oberarm begrüßt. frischen T-Shirt angekleidet. Beim Ankleiden war
Die Bewohnerin war in einem wachen Zustand die Bewohnerin sehr beweglich. Während der ge-
und befand sich in der Nest-Lagerung. Auffällig samten Maßnahme wurde von Seiten der pfle-
war der angespannte Strecktonus in beiden Armen. genden Person, indem sie mit ihrem Bein stetig
Weiterhin negativ auffällig war, dass sie mit dem Kontakt zur Hüfte der Bewohnerin hielt, ständiger
Kopf von ihrem Kissen gerutscht war. Das Kissen Körperkontakt gehalten. Im Anschluss erhielt die
hatte ebenfalls nicht die geeignete Form. Des Wei- Bewohnerin eine Pause von 15 Minuten.
teren lag die Bewohnerin zu tief im Bett. Nachdem Nach der Pause wirkte die Bewohnerin sehr
die pflegende Person all das bemerkt hat, wurde das entspannt. Eine weitere pflegende Person über-
Kissen in die richtige Position gebracht, um den nahm die Beinwaschung. Die Bewohnerin war
Kopf zu stützen. Im Anschluss wurde die Bettdecke währenddessen aufmerksam, mit den Beinen aller-
vom Körper zu den Füßen abgerollt, um eine tak- dings in einem erhöhten Tonus, der sich beim drei-
tile Information zu geben. Zuvor hatte die pfle- maligen Waschen und dem anschließendem Ein-
gende Person den Aromastreamer mit Lavendelöl cremen etwas lockerte. Zwischenzeitlich hatte die
eingeschaltet, um die Bewohnerin auf die thera- Bewohnerin Bauchkrämpfe und ging in einen
peutische Körperpflege mit Lavendel einzustim- Strecktonus über und stöhnte laut. Die pflegende
men. Die pflegende Person hatte hierzu eine Was- Person hielt weiterhin Körperkontakt zu ihr und
serschüssel mit 45° warmem Wasser gefüllt. Die legte ihre Hand mit leichtem Druck auf ihren Un-
Schüssel wurde zwecks Isolierung mit Aluminium- terbauch. Die Krämpfe erstreckten sich über einen
folie umwickelt. Außerdem hatte sich die pflegende Zeitraum von ca. 10 Minuten. Dann entspannte
Person die von ihr benötigten Therapieutensilien in sich die Bewohnerin wieder und befand sich in
greifbarer Nähe zurechtgelegt. Um zur Therapie- einem regulierten Tonus. Mit viel KIF und lang-
188 Pflegetagebuch

samen Bewegungsübergängen wurde sie schließ- war die Bewohnerin über die Hälfte hinaus aus dem
lich in die Rechtslagerung gebracht. Die zweite Sitzsack gerutscht. Die Beine und Arme waren im
pflegende Person führte dann die Easy-Day-Massa- Strecktonus, und die Bewohnerin zeigte sich kalt-
ge in der Seitenlage durch. Die Bewohnerin lag sehr schweißig. Daraufhin wurde sie mit zwei pfle-
entspannt und wirkte aufmerksam, kam aber zeit- genden Personen wieder in die sitzende Position
weise wieder in den Strecktonus des zu behandeln- gebracht. Der Transfer zurück in das Bett wurde im
den Armes. Der linke Arm war entspannter und Anschluss vorbereitet. Er gestaltete sich sehr
dort konnte die Bewohnerin die Massage gut an- schwierig, da das Bett in maximaler Tiefstellung
nehmen. Im Anschluss war sie sehr entspannt, und immer noch ca. 10–15 cm höher war als der Sitz-
ebenso zeigten sich keine Bauchkrämpfe mehr. sack. Eine zweite pflegende Person setzte sich hin-
Zum Ende hin wurde noch eine intraorale Stimula- ter die Bewohnerin und nahm sie auf den Schoß.
tion, in der Seitenlage, mit kaltem Fruchtsaft durch- Schritt für Schritt, sehr langsam, wurde die Bewoh-
geführt. Hierauf fing die Bewohnerin an zu schmat- nerin unter zeitweilig starkem Einsatz von Kraft
zen. Zum Abschluss erhielt die Bewohnerin ein über das Rutschbrett zurück in das Bett transferiert.
audiovisuelles Angebot durch eine Spieluhr und Die Bewohnerin konnte nun in die 30°-Linkslage-
ein persönliches Foto, welches sie mit großen Au- rung gebracht werden. Sofort nach Beendigung
gen fixierte. Mit einer Initialberührung verabschie- schlief die Bewohnerin ein.
dete sich die pflegende Person von ihr.
jPflegetag 38: 5. Dezember 2007,
jPflegetag 34: 24. September 2007, 15:00–16:30 Uhr
11:00–13:00 Uhr Das Ziel war eine therapeutische Körperpflege, die
In dieser Sitzung war der Transfer von der Bettkan- im Sitzen auf der Bettkante zur Wahrnehmungsför-
te in den Sitzsack das Ziel. derung und Eigenbewegung durchgeführt werden
Die Bewohnerin lag angekleidet auf dem Bett. sollte. Hinzu kam ein therapeutisches Führen beim
Sie befand sich in der Rückenlage. Die pflegende Kämmen der Haare mit einer Haarbürste.
Person zog der Bewohnerin die Schuhe an. An- Zwei pflegende Personen betraten das Zimmer
schließend wurde die Bewohnerin mit kleinschrit- der Bewohnerin, und von einer pflegenden Person
tigen Bewegungsübergängen in die 30°-Rechtslage- wurde die Bewohnerin mit einer Initialberührung
rung gedreht und für das Aufsetzen auf die Bett- am rechten Oberarm begrüßt. Diese lag in der Sei-
kante vorbereitet. Das Aufsetzen mit Rückenunter- tenlagerung links und wirkte entspannt. Wie schon
stützung einer zweiten pflegenden Person war pro- in den vorherigen Sitzungen wurde auch dieses Mal
blemlos. Die Bewohnerin war aufmerksam, schaute der Aromastreamer mit Melisse angestellt, um die
mit großen Augen herum und zeigte keinen Nys- Bewohnerin auf die therapeutische Körperpflege
tagmus. Der Transfer in den Sitzsack über das einzustimmen. Durch ein Abrollen der Decke wur-
Rutschbrett erfolgte mit zwei pflegenden Personen de eine taktile Spürinformation gegeben. Im An-
und war gut durchführbar. Die Bewohnerin saß schluss wurde die Bewohnerin mit viel KIF und in
sehr entspannt, interessiert und aufmerksam im kleinschrittigen Bewegungsübergängen erst in die
Sitzsack. Sie hatte fast mit dem ganzen Fuß Boden- Rückenlage und dann in die Seitenlagerung rechts
kontakt. Mit einem dreieckig geformtem Federkis- gebracht, um sie für das Sitzen auf der Bettkante
sen auf ihrem Oberschenkel erhielt die Bewohnerin vorzubereiten. Das Aufsetzen auf die Bettkante mit
zusätzlich eine KIF. Ihre Unterarme ruhten ent- Hilfe einer zweiten pflegenden Person war pro-
spannt auf dem Kissen. Um den Kopf in Flexion zu blemlos durchführbar. Die Bewohnerin hatte einen
bringen, erhielt die Bewohnerin ein kleines Na- guten Fußkontakt auf der Fußbank, die vor dem
ckenkissen. Nach einer halben Stunde schaute die Bett positioniert wurde. Die zweite pflegende Per-
pflegende Person nach der Bewohnerin. Sie saß son gab der Bewohnerin KIF von vorne, so dass
sehr entspannt. Zudem hatte sie zeitweise die Au- sich die andere pflegende Person hinter der Bewoh-
gen geschlossen und immer noch Bodenkontakt nerin ins Bett setzen konnte, um sie zu halten und
mit beiden Füßen. Eine weitere halbe Stunde später um ebenfalls KIF zu geben. Von der zweiten pfle-
189
Pflegetagebuch

genden Person wurde die therapeutische Körper- Zu Beginn der Sitzung lag die Bewohnerin in
pflege durchgeführt. Hierbei war die Bewohnerin der Seitenlage rechts. Ihr Kopf war überstreckt. Das
entspannt und aufmerksam, mit den Händen je- dreieckige Federkissen lag nicht gut. Der Oberkör-
doch in einem erhöhten Tonus. Beide pflegenden per befand sich in Rotation nach hinten, die Beine
Personen hatten das Gefühl, dass die Bewohnerin und Arme im Strecktonus. Die Bewohnerin wurde
bemerkte, dass eine fremde pflegende Person die mit einer Initialberührung am rechten Oberarm
Waschung durchführte. Sie wirkte verwundert und begrüßt. Sie hatte starken Speichelfluss. Die pfle-
dennoch aufmerksam. Bei der linken Hand löste gende Person entfernte den Speichel mit einem an-
sich die Spannung während der Maßnahme. Zwi- gefeuchteten Tupfer aus der rechten Wangentasche
schenzeitlich kam die Bewohnerin leicht in einen und richtete dreieckig geformte Federkissen neu.
Strecktonus, und die eine pflegende Person begann Eine taktile Spürinformation wurde durch das Ab-
mit ihr zu schaukeln. Die Bewohnerin entspannte rollen der Bettdecke vermittelt. Die Bettrolle wurde
sich, und gemeinsam atmeten sie im gleichen entfernt und die Bewohnerin wurde in die Rücken-
Rhythmus. Nach dem Eincremen und Ankleiden lage gebracht. Nach Gabe von Körperwelt auf dem
legte sich die pflegende Person gemeinsam mit der Beckenkamm wurde die Bewohnerin mit lang-
Bewohnerin seitlich ins Bett. Schließlich wurde sie samen Bewegungsübergängen in die sitzende Posi-
mit viel KIF, Bewegungsübergängen und Körper- tion gebracht. Es erfolgte eine unterstützende A-
weltgabe in die Rückenlage befördert. Sie erhielt Lagerung, und es wurde eine Rutschbremse unter
eine Deckenrolle als KIF und wurde in die sitzende dem Gesäß angebracht. Die pflegende Person setzte
Position gebracht. Die Beine konnten problemlos sich zu der Bewohnerin ins Bett und führte als Ers-
in den Schneidersitz geführt werden. Eine taktile tes eine Gesichtsmassage durch, um die Spannung
Spürinformation wurde durch Aufrollen der Bett- zu nehmen. Zeitweilig konnte die Bewohnerin dies
decke gegeben. Im Anschluss wurde der Bewohne- auch gut annehmen. Bei der therapeutischen Kör-
rin die Bürste in die rechte Hand gereicht. Gemein- perpflege war sie sehr aufmerksam und entspannte
sam wurde die Bürste über die linke Hand zum sichtlich. Am Ende der Maßnahme war ein regu-
Kopf geführt. Gemeinsam kämmten sie den Pony lierter Tonus vorhanden. Die pflegende Person hol-
und die rechte Kopfseite. Mit Unterstützung gab te nun die geöffnete Cremedose und hielt sie der
die Bewohnerin die Bürste zurück. Sie holte einmal Bewohnerin zum Riechen unter die Nase und legte
tief Luft und prustete durch Nase und Mund. Zum sie dann vor sie auf die Bettdecke. Sie führte die
Abschluss erhielt die Bewohnerin als akustisches rechte Hand der Bewohnerin zu der Dose und ließ
Angebot eine Spieluhr, die sie mit beiden Händen ihre Finger in die Creme eintauchen. Dann führte
festhielt, und hatte somit noch eine taktil-haptische sie die rechte Hand zum linken Arm und gemein-
Spürinformation. Mit einer Initialberührung am sam cremten sie den Unterarm und die Handober-
rechten Oberarm verabschiedete sich die pflegende fläche ein. Anschließend nahm die pflegende Per-
Person von der Bewohnerin. Diese war immer son die linke Hand und führte sie in der gleichen
noch wach und aufmerksam und verfolgte das Ver- Weise zur Cremedose. Wieder gemeinsam cremten
lassen mit den Augen. sie den rechten Arm und die rechte Hand ein. Die
Bewohnerin war sehr aufmerksam, sehr konzent-
jPflegetag 40: 18. Dezember 2007, riert und fixierte zeitweise, jedenfalls dem Anschein
10:00–12:00 Uhr nach, die Cremedose.
Das Ziel an diesem Pflegetag war die Durchfüh- Nach dem Ankleiden wurde die Bewohnerin
rung einer therapeutischen Körperpflege im Sitzen mit langsamen, kleinschrittigen Bewegungsüber-
im Bett zur Wahrnehmungsförderung und eine To- gängen in die Seitenlagerung links gebracht. Wäh-
nusregulation. Des Weiteren sollte eine Förderung rend der ganzen Maßnahme waren keine Bauch-
der Spür- und Wahrnehmungsinformation durch krämpfe erkennbar und dadurch war sie sehr ent-
ein therapeutisches Führen gewährleistet werden. spannt. Anschließend erhielt sie als visuelles Ange-
Ebenso sollten die Hände und die Unterarme mit bot ein persönliches Foto, welches sie mit großen
Hautcreme eingecremt werden. Augen ansah. Sie wirkte zufrieden und lag sehr ent-
190 Pflegetagebuch

spannt. Die Verabschiedung erfolgte mit einer Ini- melnde Flüssigkeit schlucken. Nach mehrmaligem
tialberührung. Als die pflegende Person nach Schlucken wurde das Kausäckchen entfernt, um
15 Minuten nochmals ins Zimmer kam, war die der Bewohnerin etwas Zeit zu geben, die restliche
Bewohnerin eingeschlafen. Flüssigkeit zu schlucken. Nach 5 Minuten wurde
der Vorgang wiederholt. So konnte die Bewohnerin
jPflegetag 41: 3. Januar 2008, das ganze Stück Bitterschokolade auflutschen, wo-
14:30–16:00 Uhr bei sie jedes Mal gut abschlucken konnte. Der Kehl-
An diesem Pflegetag wurde das Ziel gesetzt, die kopf bewegte sich auf- und abwärts. Dabei wurden
Wahrnehmung im Mund zu fördern. Die Zungen- keine Anzeichen eines Verschluckens deutlich.
bewegung sollte aufgebaut und Schluckaufträge er- Während der Maßnahme war die Bewohnerin sehr
teilt werden. Dies sollte mittels einer intraoralen aufmerksam und befand sich in einem regulierten
Stimulation mit heißem Kaffee und anschlie- Tonus. Im Anschluss wurde eine Pause von 30 Mi-
ßendem Kauen auf einem Kausäckchen, das mit nuten eingelegt.
Bitterschokolade gefüllt war, erfolgen. Die Spür- Nach der Beendigung der Pause wollte die pfle-
und Wahrnehmungsinformation sollte durch ein gende Person gemeinsam mit der Bewohnerin die
therapeutisches Führen mit einer Haarbürste ge- Haare kämmen. Diese bemerkte jedoch, dass die
fördert werden. Bewohnerin mit ihren Armen in einem erhöhten
Zu Beginn der Maßnahmen lag die Bewohne- Tonus war und so die Durchführung eines thera-
rin in der Seitenlage links und machte einen ent- peutischen Führens nicht möglich war. An dieser
spannten Eindruck. Die Begrüßung erfolgte mit Stelle entschloss sich die pflegende Person, zuerst
einer Initialberührung an der rechten Oberarmsei- eine Easy-Day-Massage durchzuführen. Die Easy-
te. Zudem erfolgte eine taktile Spürinformation Day-Massage wurde von der Bewohnerin gut ange-
durch das Abrollen der Bettdecke. Mit langsamen nommen. Sie verfolgte das Geschehen mit weit ge-
Bewegungsübergängen und Unterstützungsfläche öffneten Augen, entspannte sich und befand sich
wurde die Bewohnerin in die Rückenlage gelagert. nach Beendigung der Maßnahme in einem regu-
Anschließend erhielt sie eine unterstützende A-La- lierten Tonus.
gerung mit einem Handtuch als Rutschbremse. So Nach der Massage konnte nun auch das thera-
wurde sie in die sitzende Position gebracht. Bevor peutische Führen durchgeführt werden. Hierzu
die intraorale Stimulation durchgeführt wurde, holte die pflegende Person, die immer noch im Bett
wurde zweimal eine heiße Kieferkompresse ange- neben der Bewohnerin saß, gemeinsam mit der
legt, da die Bewohnerin einen angespannten Ge- rechten Hand der Bewohnerin die Haarbürste, die
sichtsausdruck zeigte. Nach den Kieferkompressen zuvor in Bauchhöhe auf die Bettdecke gelegt wor-
war das Gesicht der Bewohnerin weich und sie den war. Die Bürste wurde in Kopfhöhe geführt
führte die Mundbewegungen durch. Die vorhe- und so wurden der Pony und die rechte Haarseite
rigen Falten zwischen den Augenbrauen hatten sich gebürstet. Dann wurde die Hand in die Mitte
entspannt. Nach anschließendem dreimaligem Set- (Bauchhöhe) geführt, wobei die Bürste nun in die
zen der Triggerpunkte wurde die intraorale Stimu- linke Hand gegeben wurde. Wieder wurde sie in
lation mit heißem Kaffee durchgeführt. Hierbei Kopfhöhe geführt, und die linke vordere Seite wur-
ging die Bewohnerin zeitweise aus dem Kontakt de gebürstet. Ebenso wie bei der rechten Hand
heraus, schmatzte und konnte abschlucken. Ihr wurde dann die linke Hand auch wieder auf Bauch-
Kehlkopf bewegte sich auf- und abwärts. höhe zur Hand der pflegenden Person geführt. Die-
Anschließend legte die pflegende Person ein se nahm die Bürste entgegen, bedankte sich bei der
Stück Bitterschokolade in ein Mullsäckchen, feuch- Bewohnerin und lobte sie zudem noch. Daraufhin
tete dieses an und nach Setzen der Triggerpunkte wirkte die Bewohnerin sehr entspannt und war
konnte sie der Bewohnerin das Säckchen zwischen weiterhin aufmerksam.
die Lippen schieben und langsam in den Mund ein- Zum Abschluss der Durchführung erhielt die
führen. Die Bewohnerin lutschte mit laut schmat- Bewohnerin ein visuelles Angebot mit einer Sechs-
zenden Geräuschen und konnte die sich ansam- farbenlampe, bei der sich die Farben langsam ver-
191
Pflegetagebuch

ändern. Kurzfristig konnte die Bewohnerin diesen übergängen auf den Rücken gelagert wurde. Um sie
Farbwechsel verfolgen und schlief dann ein. In der von dort in die sitzende Position zu bringen, wurde
Position, in der sich die Bewohnerin befand, ver- der Vorgang durch eine Deckenrolle unterstützt.
blieb sie auch, da sie sehr entspannt wirkte. Die Die Bewohnerin jedoch bekam Bauchkrämpfe. Sie
Verabschiedung erfolgte wieder mit einer Initial- stöhnte stark und befand sich in einem erhöhten
berührung. Tonus. Zudem gingen Winde ab. Der Zustand ent-
spannte sich daraufhin wieder und die Bewohnerin
jPflegetag 43: 16. Januar 2008, konnte nun im Nest gelagert und aufgesetzt wer-
8:15–11:15 Uhr den. In dieser Position konnte die Mund- und
Dieser Pflegetag gestaltete sich wieder in Form Zahnpflege durchgeführt werden. Nach dreima-
eines Praxistages. Die Aufgaben waren die Durch- ligem Setzen der Triggerpunkte konnten die Zähne
führung einer therapeutischen Körperpflege, einer auf der rechten Seite problemlos mit einer Kinder-
Mundpflege und des Zähneputzens, einer intra- zahnbürste geputzt werden. Auf der linken Seite
oralen Stimulation, einer Erteilung eines Schluck- allerdings war es erkennbar, dass das Zähneputzen
auftrages mit Hilfe eines Kausäckchens und die der Bewohnerin unangenehm war. Sie drehte sich
Durchführung eines therapeutischen Führens in aus dem Kontakt heraus. Zudem stellte sich ein
Form des Anschaltens eines CD-Players. Dies sollte leichtes Zahnfleischbluten ein. Der sich angesam-
mit dem Ziel der Tonusregulation, der Wahrneh- melte Speichel wurde mit einem feuchten Tupfer
mungsförderung, der Förderung der Kau- und aus den Wangentaschen entfernt. Anschließend
Zungenbewegung und der daraus resultierenden wurde eine intraorale Stimulation mit kaltem
Wahrnehmungsförderung im Mund, des Ausfüh- Fruchtsaft durchgeführt. Dieses war der Bewohne-
rens des Schluckauftrages, der Förderung der Spür- rin ebenfalls unangenehm. Später erkannte die
und Wahrnehmungsförderung und mit dem Ziel pflegende Person, dass sie nicht bedacht hatte, dass
des Aufbaus der Eigenbewegung durchgeführt wer- der kalte Fruchtsaft nach dem Zahnfleischbluten
den. eventuell ein Brennen im Zahnfleisch auslöst. Nach
Die Bewohnerin lag in der Seitenlage links in der Mund- und Zahnpflege wurde eine kleine Pau-
ihrem Pflegebett. Die pflegende Person begrüßte se eingelegt.
sie wie gewohnt mit einer Initialberührung an der In dieser Pause bereitete die pflegende Person
rechten Oberarmseite. Ebenso wie gewohnt erfolgte das Kausäckchen mit einem Frucht-Sahne-Bonbon
eine taktile Spürinformation durch das Abrollen vor. Nach der Pause und nachdem das Kausäck-
der Bettdecke. Mit langsamen Bewegungsübergän- chen angefeuchtet wurde, wurde dieses an die Lip-
gen und KIF wurde die Bewohnerin erst auf den pen der Bewohnerin geführt und im Folgenden
Rücken gelagert. So konnten im Anschluss daran konnte es in ganz kleinen Schritten in den Mund
die notwendigen Vorbereitungen für das Sitzen auf eingeführt werden. Hierbei war die Bewohnerin
der Bettkante getroffen werden. Das Aufsetzen er- sehr aufmerksam und mit weit geöffneten Augen
folgte, wie schon in den Pflegetagen zuvor, mit Hil- fing sie an zu schmatzen. Ebenso konnte sie mehr-
fe einer zweiten pflegenden Person. Diese befand mals abschlucken. Das Kausäckchen wurde ent-
sich während der Maßnahme, zur Stabilisation, am fernt, um der Bewohnerin die Möglichkeit zu ge-
Rücken der Bewohnerin. Der Vorgang konnte pro- ben, auch die Restflüssigkeit abzuschlucken. Der
blemlos durchgeführt werden. Im Folgenden konn- Vorgang wurde dann noch zweimal wiederholt. Je-
te die therapeutische Körperpflege begonnen wer- des Mal konnte die angesammelte Flüssigkeit gut
den. Während der Maßnahme war die Bewohnerin geschluckt werden. Eine weitere, diesmal etwas län-
sehr entspannt und aufmerksam. gere Pause von 20 Minuten wurde eingelegt.
Nach dem Eincremen, nachdem die therapeu- Als die pflegende Person nach Beendigung der
tische Körperpflege beendet wurde, und dem An- Pause wieder das Zimmer der Bewohnerin betrat,
kleiden legte sich die zweite pflegende Person mit wirkte diese sehr entspannt. Sie lag mit weit geöff-
der Bewohnerin gemeinsam in das Pflegebett, wo neten Augen im Bett und fixierte ihren Betthim-
die Bewohnerin mit kleinschrittigen Bewegungs- mel. Die pflegende Person lagerte sie nun auf die
192 Pflegetagebuch

linke Seite, um das therapeutische Führen mit dem das Sitzen auf der Bettkante vorbereitet. Mit Hilfe
CD-Player einzuleiten. Der CD-Player wurde so einer zweiten pflegenden Person konnten das Auf-
ans Bett gestellt, dass die Beine und der Bauch Be- setzen sowie der folgende Rutschbretttransfer in
rührung zu ihm hatten. Die pflegende Person setzte den Stuhl problemlos durchgeführt werden. Mit
sich hinter den Rücken der Bewohnerin mit ins dem Schinkengang wurde die Bewohnerin in die
Bett und gewährleistete so einen ständigen Körper- richtige Sitzposition gebracht. Mit beiden Füßen
kontakt zu ihr. Mit kleinschrittigen Bewegungen hatte sie Kontakt auf dem Fußpodest. Zur Unter-
versuchte die pflegende Person, die Hände, ab- stützung und als Informationsfläche wurde ein
wechselnd links und rechts, dem CD-Player näher dreieckiges Federkissen auf ihren Oberschenkeln
zu führen. Zwischendurch gab sie immer Körper- platziert. Die zweite pflegende Person konnte nun
welt auf dem oben liegenden Beckenkamm. Die den Tisch vor die Bewohnerin schieben, damit das
Körperweltgabe sollte eine Spürinformation geben, therapeutische Führen mit der Entnahme einer
und letztendlich wollten sie Musik ertönen lassen. Cremedose aus dem Kulturbeutel und dem Eincre-
Auch während dieser Maßnahme war die Bewoh- men der Hand durchgeführt werden konnte. Die
nerin sehr aufmerksam und hatte ihre Augen weit andere pflegende Person hob die Arme der Bewoh-
geöffnet. Als die Musik schließlich ertönte, erschien nerin an, um sie auf dem Tisch zu positionieren.
es, als würde die Bewohnerin die Quelle der Töne Danach waren die Bewohnerin und die ausführen-
suchen. Während des therapeutischen Führens wa- de pflegende Person wieder alleine im Zimmer. Als
ren einmal Bauchkrämpfe erkennbar, die sich aber die Kamera eingeschaltet wurde, fiel der Kopf der
schnell wieder legten. Die ganze Maßnahme wurde Bewohnerin in Extension. In diesem Moment war
mit einer Videokamera aufgezeichnet. Im An- es der pflegenden Person nicht möglich, Unterstüt-
schluss wurde die Bewohnerin in der Seitenlage zung zu geben. Das therapeutische Führen begann.
links belassen. Sie erhielt ein rotes und gelbes Tuch Es beinhaltete das Heranziehen der Kulturtasche,
als visuelle Information, welche an ihrem Bettvor- das Öffnen des Reißverschlusses, das Entnehmen
hang befestigt wurden. Am Ende der Sitzung er- und Befühlen der Cremedose und das Eintauchen
folgte die Verabschiedung wieder mit einer Initial- der Finger in die Creme sowie das anschließende
berührung. Eincremen der Hände. Das Öffnen der Cremedose
Die Videoaufzeichnung wurde von der ausfüh- wurde von der pflegenden Person übernommen.
renden Person als störend empfunden, da diese Die einzelnen Sequenzen wurden abwechselnd
sich unter Druck gesetzt fühlte. Dies äußerte sich rechts und links und in langsamen Schritten durch-
darin, dass sie etwas ungeduldig war. Sie wollte geführt. Während der gesamten Maßnahme war
mehr erreichen, als an diesem Tag überhaupt mög- die Bewohnerin wach, sehr aufmerksam, hatte die
lich gewesen wäre. Im Nachhinein gesehen, konnte Augen weit geöffnet und befand sich in einem re-
sie die Aufzeichnung jedoch auch als positiv aner- gulierten Tonus.
kennen, da es ihr so möglich war zu sehen, was sie Störend war, dass es die Positionierung der Be-
eventuell hätte anders bzw. besser machen können. wohnerin am Tisch nicht zuließ, Körperwelt zu
empfangen. Zusätzlich erschwerend war die Höhe
jPflegetag 46: 4. Februar 2008, des Tisches. Obwohl die pflegende Person die Ar-
14:30–16:00 Uhr me der Bewohnerin bereits mit Handtüchern un-
Die Bewohnerin lag bekleidet auf dem Bett, als die terstützt hat, kam sie mit den Ellenbogen nicht auf
pflegende Person das Zimmer betrat. Mit einer Ini- die Tischplatte. Es sollte überlegt werden, in den
tialberührung wurde die Bewohnerin begrüßt. nächsten Sitzungen ein festes Kissen auf den Stuhl
Diese war wach und wirkte sehr entspannt. Das zu legen, um den Sitz zu erhöhen, oder das thera-
Zimmer wurde für die pflegetherapeutische Inter- peutische Führen im Bett durchzuführen. Durch
vention vorbereitet. Sie positionierte eine Kamera Aufzeichnen des Führens war es möglich zu sehen,
auf dem Nachttisch, um das geplante therapeu- was hätte besser gemacht werden können, und dass
tische Führen aufzuzeichnen. Der Bewohnerin es, trotz Fehlern, der Bewohnerin gefallen hatte.
wurden die Schuhe angezogen und sie wurde für
193
Pflegetagebuch

j17. Februar bis 16. März 2008 des durch eine intensivtherapeutische Mundpflege.
In diesem Zeitraum konnten aufgrund einer Noro- Die Eigenbewegung der Bewohnerin und die To-
Virus-Welle keine Maßnahmen durchgeführt wer- nusregulation sollten durch selektive, kleinschrit-
den. tige Bewegungsübergänge im Bett gefördert wer-
den. So sollte es, was die Hände betrifft, ebenfalls
jPflegetag 48: 4. April 2008, 11:00–12:15 Uhr durch ein indifferentes Handbad und die Easy-
Die Bewohnerin wurde zu Beginn der Sitzung mit Day-Massage erfolgen. Die Wahrnehmung im tak-
einer Initialberührung am rechten Oberarm be- til-haptischen Bereich sollte durch eine Spieluhr
grüßt und die pflegende Person stellte den Aroma- gefördert werden.
streamer mit Melisse, zur Einstimmung, ein. Zudem Zu Anfang des Pflegetages lag die Bewohnerin
legte sie sich eine Waschschüssel mit 32° warmem auf der linken Seite. Sie wurde mit einer Initialbe-
Wasser, Handtücher, Waschlappen und einen Föhn, rührung an der rechten Oberarmseite begrüßt. Das
mit dem Ziel eines indifferenten Handbades, bereit. dreieckig geformte Federkissen wurde gerichtet, da
Mit kleinschrittigen Bewegungsübergängen wurde sich der Kopf der Bewohnerin leicht in Extension
die Bewohnerin in die sitzende Position gebracht. befand. Eine zweite Kraft führte nach Setzen der
Hierbei wurde ein zusammengerolltes Handtuch als Triggerpunkte die intraorale Stimulation mit ge-
Rutschbremse unter dem Gesäß platziert. Mit einer kühltem Fruchtsaft auf der rechten Seite durch. Dies
Deckenrolle, welche um den Körper gelegt wurde, konnte die Bewohnerin gut zulassen. Im Folgenden
konnte KIF gegeben werden. Die pflegende Person wurde ihr eine taktile Spürinformation durch das
stellte nun die Waschschüssel ins Bett und setzte Abrollen der Bettdecke gegeben. Mit kleinschrit-
sich neben die Bewohnerin, um Kontakt zu halten. tigen Bewegungsübergängen lagerte die pflegende
Das Handbad erfolgte. Der anfängliche Faustschluss Person die Bewohnerin in die 90°-Seitenlage rechts,
konnte nach dem zweiten Waschen mit anschlie- um die intraorale Stimulation auf der linken Seite
ßendem Föhnen der Hände beidseitig gelöst wer- durchführen zu können. Die Bewohnerin konnte
den. Nach dem indifferenten Handbad wurde die dies erst nach dem dritten Mal annehmen und fing
Easy-Day-Massage mit angewärmtem Mandelöl dann an zu schmatzen. Nach der intraoralen Stimu-
vorgenommen. Dieses schien die Bewohnerin zu lation wurde die Bewohnerin für das Aufsetzen auf
genießen. Sehr aufmerksam verfolgte sie die Maß- der Bettkante vorbereitet. Der Transfer auf die Bett-
nahme. Die Finger der rechten Hand konnten durch kante konnte problemlos durchgeführt werden. Die
die Easy-Day-Massage komplett gelöst werden. An Bewohnerin befand sich im regulierten Tonus, ihr
der linken Hand blieben der Daumen und der klei- Kopf befand sich in Flexion und die Füße hatten bis
ne Finger jedoch noch in Beugeposition. zum Mittelfuß Bodenkontakt auf der Fußbank. Die
zweite pflegende Person gab der Bewohnerin von
jPflegetag 50: 9. April 2008, 8:30–11:00 Uhr vorne KIF mit ihrem eigenen Körper, so dass sich
An diesem Pflegetag wurden zahlreiche Ziele ge- die andere pflegende Person hinter die Bewohnerin
setzt. Es sollte eine Wahrnehmungsförderung im ins Bett setzen konnte, um ihr KIF im Rücken zu
Mund- und Rachenbereich erfolgen. Des Weiteren geben. Im Anschluss hieran entkleidete die helfende
sollte eine intraorale Stimulation in der 90°-Seiten- pflegende Person den Oberkörper der Bewohnerin
lagerung durchgeführt werden, um den Tonus zu und führte die beruhigende therapeutische Körper-
regulieren. Eine therapeutische Körperpflege sollte pflege mit Melisse durch. Hierbei war die Bewohne-
der Bewohnerin eine Körperentspannung gewähr- rin sehr aufmerksam und verfolgte die Handlungen
leisten. Durch ein adäquates Sitzen auf der Bett- mit den Augen. Sie lehnte währenddessen ihren
kante sollte das Gleichgewicht gefördert werden. Kopf an den Kopf der im Rücken KIF gebenden
Zudem sollte neben der Wahrnehmungsförderung pflegenden Person. Leicht schaukelten sie zusam-
im Mundbereich auch der Tonus im Mund- und men hin und her, woraufhin die Bewohnerin einen
Kieferbereich reguliert werden. Dazu kamen das entspannten Eindruck machte.
Ziel der Erhaltung einer intakten Mundschleim- Im Anschluss daran führte die helfende pfle-
haut sowie die Erhaltung eines guten Zahnzustan- gende Person, die schon bereits die therapeutische
194 Pflegetagebuch

Körperpflege durchgeführt hatte, ein Fußbad Ebenso befand sie sich in einem regulierten Tonus.
durch, wobei die Bewohnerin leicht in einen erhöh- Die Verabschiedung erfolgte wieder mit einer Ini-
ten Tonus kam. Dieser allerdings ging zügig wieder tialberührung.
in den regulierten über. Nach dem Fußbad führte
die oben KIF gebende pflegende Person eine AIE jPflegetag 51: 17. April 2008, 11:15–13:45 Uhr
durch. Hierbei konnte die Bewohnerin zweimal Bevor die pflegende Person mit ihrem Programm
durch Prusten kräftig die Luft abstoßen. Nach der begann, hatte die Bewohnerin bereits eine Körper-
AIE wurde der Oberkörper der Bewohnerin wieder pflege erhalten. Sie wurde mit der Initialberührung
angekleidet. Langsam legte sich eine der pflegenden begrüßt und in kleinschrittigen Bewegungsüber-
Personen mit der Bewohnerin in die Seitenlage ins gängen und mit Körperweltgabe von der Seitenlage
Bett. Mit kleinschrittigen Bewegungsübergängen in die Rückenlage befördert, um ihr die Hose und
wurde sie nun in die Rückenlage gebracht und an Schuhe anzuziehen. Danach wurde sie für das Auf-
das Kopfende befördert. Sie erhielt zudem eine sitzen auf der Bettkante vorbereitet. Dieses konnte
Rutschbremse in Form einer Handtuchrolle unter problemlos durchgeführt werden. Es zeigten sich
ihr Gesäß sowie eine Deckenrolle als KIF um den keine Störungen im vestibulären System. Ebenfalls
Körper gelegt und wurde dann in die sitzende Posi- erhielt die Bewohnerin KIF am Rücken. Die Füße
tion gebracht. Durch ein Aufrollen der Bettdecke hatten Kontakt auf der Fußbank vor dem Bett. Nun
wurde wieder eine taktile Spürinformation gege- transferierte die handelnde pflegende Person die
ben. Danach wurde nach viermaligem Setzen der Bewohnerin mit einem Nachsetzen der Füße über
Triggerpunkte die therapeutische Mundpflege das Rutschbrett in den Stuhl. Hier wurde eine gute
durchgeführt. Die Bewohnerin konnte dies gut zu- Sitzposition durch das Anwenden des Schinken-
lassen. Ebenso auf der linken Seite, die bisher emp- gangs erreicht. Zusätzlich zur KIF erhielt die Be-
findlicher schien als die andere. Der Mund war ge- wohnerin ein dreieckig geformtes Federkissen auf
öffnet und die Bewohnerin ging nicht aus dem die Oberschenkel und konnte so gut ihre Arme po-
Kontakt heraus. Dies war für beide Seiten ein posi- sitionieren. Die zweite pflegende Person unterstütz-
tives Erlebnis. Nach der therapeutischen Mund- te den Kopf der Bewohnerin, und so konnte die
pflege erhielt die Bewohnerin eine Pause von andere pflegende Person das gesetzte Ziel des
15 Minuten. Haareschneidens durchführen. Währenddessen
Eine Beobachterin führte im Anschluss an die war die Bewohnerin aufmerksam und befand sich
Pause ein indifferentes Handbad durch, wobei die in einem regulierten Tonus. Nach Beendigung der
Hände allerdings im Faustschluss verblieben. Nach Maßnahme fühlte die Bewohnerin sich kaltschwei-
dem indifferenten Handbad wurde die Easy-Day- ßig an. Aufgrund dessen sahen die pflegenden Per-
Massage mit angewärmtem Mandelöl durchge- sonen von einer AIE ab und transferierten die Be-
führt. Beide Hände öffneten sich für eine kurze Zeit wohnerin über das Brett zurück in ihr Bett. Dort
und gingen dann wieder in einen leichten Faust- setzten Bauchkrämpfe ein. Die Bewohnerin wurde
schluss über. Während der ganzen Maßnahme war seitlich am Thorax unterstützt. Hierdurch schien
die Bewohnerin sehr aufmerksam und beobachtete sie entspannen zu können. Die Krämpfe hielten für
das Geschehen. Im Anschluss an die Massage wur- ca. 1 Minute an, und die Bewohnerin wirkte er-
de die Bewohnerin von der pflegenden Person mit schöpft. Sie wurde danach mit kleinschrittigen Be-
kleinschrittigen Bewegungsübergängen in die 90°- wegungsübergängen und viel KIF in die 90°-Links-
Seitenlage rechts gebracht, und in Form einer De- lagerung gebracht. Daraufhin schlief sie ein und
ckenrolle wurde eine KIF gegeben. Ganz entspannt befand sich in einem regulierten Tonus. Die pflegen-
lag sie so in reguliertem Tonus. Zum Abschluss den Personen gaben ihr eine halbstündige Pause.
wurde ihr eine Spieluhr gereicht, die sie mit ihrer Als sie das Zimmer nach der Pause wieder be-
linken Hand umschloss. Somit war zum Ende der traten, war die Bewohnerin wach und fixierte ihren
Sitzung auch noch eine taktil-haptische Spürinfor- Bettvorhang. Nachdem alles für die geplante Haar-
mation gegeben. Während der gesamten Maßnah- wäsche vorbereitet war, wurde die Bewohnerin in
men war die Bewohnerin wach und aufmerksam. die Rückenlage gebracht, erhielt KIF, und die Haar-
195
Pflegetagebuch

wäsche wurde durchgeführt. Zur olfaktorischen Stuhl transferiert. Eine Korrektur der Sitzposition
Wahrnehmung wurde ihr das Shampoo unter die wurde mittels Schinkengang erreicht, so dass der
Nase gehalten. Die Bewohnerin schaute sehr auf- Stuhl anschließend an den Tisch geschoben werden
merksam und konnte dann die Wäsche sichtlich konnte. Dort erhielt die Bewohnerin ein Fußpodest
genießen. Zudem wirkte sie entspannt. Vorhande- mit einem kleinen Hirsekissen. Sie hatte Anti-
ne Borken an der betroffenen Seite am Kopf konn- Rutsch-Socken an und konnte so einen guten Kon-
ten zum Teil gut entfernt werden. Anschließend takt halten. Das Hirsekissen passte sich dem leich-
wurden die Haare frottiert, welches der Bewohne- ten Spitzfuß der Bewohnerin an, so dass sie voll-
rin nicht gefiel. Sie kam zeitweise in einen erhöhten ständig Kontakt mit den Füßen auf der Unterfläche
Tonus. Die Beine befanden sich im Strecktonus. hatte. Die pflegende Person stellte ihr Bein hinter
Nach einer Körperweltgabe war der Tonus wieder die Bewohnerin auf den Stuhl, um eine leichte Beu-
reguliert. Bevor die Haare geföhnt werden konnten, gung nach vorne – Flexion des Oberkörpers – zu
wurde der Föhn mit warmer Luft zur Wahrneh- erreichen. In dieser Position konnte das therapeu-
mung und Spürinformation über die Unterarme tische Führen begonnen werden. Gemeinsam hol-
der Bewohnerin geführt. Diese war sehr aufmerk- ten sie das Brett, die Paprika und das Messer und
sam und schien den Föhn mit den Augen zu fixie- zerschnitten das Gemüse. Die pflegende Person
ren. So konnte sie das Trocknen der Haare gut an- hielt der Bewohnerin ein Stück Paprika unter die
nehmen. Nach der Haartrocknung wurde die Be- Nase zur olfaktorischen Wahrnehmung. Hierbei
wohnerin mit kleinschrittigen Bewegungsübergän- schien es, als würde sie die Paprika wiedererken-
gen in die 90°-Seitenlage rechts gelagert. Sie war nen. Ebenso im gustatorischen Bereich. Hier setzte
sehr weich in ihren Bewegungen und ebenso sehr starker Speichelfluss ein. Die Bewohnerin war sehr
entspannt. Durch das Aufrollen der Bettdecke wur- aufmerksam und befand sich in einem regulierten
de ihr zudem eine taktil-haptische Spürinformation Tonus. Anschließend führte eine zweite pflegende
gegeben. Als akustisches Angebot erhielt die Be- Person gemeinsam mit der Bewohnerin das vorbe-
wohnerin eine Spieluhr, die sie mit der rechten reitete Kausäckchen zum Wasserglas und tauchte es
Hand umschloss, und hatte so eine zusätzliche tak- zur Anfeuchtung ein. Das Säckchen wurde dann
til-haptische Spürinformation. Wie gewohnt wurde zum Mund der Bewohnerin geführt und in diesen
die Bewohnerin mit einer Initialberührung verab- auch eingeführt. Die Bewohnerin fing daraufhin an
schiedet. zu lutschen, konnte zweimal zubeißen und gut ab-
schlucken. Sie war sehr aufmerksam, kam beim
jPflegetag 53: 22. April 2008, 11:00–12:15 Uhr Abschlucken mit dem Kopf hoch und hatte kurz-
Die Eigenbewegung und Stabilisation des Gleich- zeitig Kopfstabilität. Im Anschluss konnte der
gewichts sollte durch einen Knietransfer gefördert Transfer mit dem Rutschbrett zurück ins Bett
werden. Ebenso sollte die Eigenbewegung sowie durchgeführt werden. Mit viel KIF wurde die Be-
die Tonusregulation durch eine taktile Spürinfor- wohnerin im Bett in die 90°-Seitenlage gebracht.
mation mit einem Hirsekissen auf dem Fußpodest Der Knietransfer zu Beginn der Sitzung funk-
gefördert werden. Eine Förderung der Eigenbewe- tionierte nicht gut. Der Oberkörper der Bewohne-
gung, der Wahrnehmung und der Spürinformation rin konnte nicht weit genug in Flexion gebracht
sollte durch ein therapeutisches Führen in Form werden. Dies ging zwar mit Hilfe einer zweiten Per-
vom Zerschneiden einer Paprika erfolgen. Die För- son problemloser, trotzdem fühlte sich die vorwie-
derung der Wahrnehmung im olfaktorischen und gend handelnde pflegende Person unsicher. Das
gustatorischen Bereich sowie der Aufbau der Zun- Rutschbrett ist für die Bewohnerin die bessere
gen- und Kiefermotorik und der Aufbau der Wahl. Positiv war das Hirsekissen auf dem Fuß-
Schluckkompetenz sollten durch das Verwenden podest, welches sich der Neigung der Füße gut an-
eines Kausäckchens mit Paprika erfolgen. passte. Ebenso hatte die Bewohnerin durch ihre
Zu Beginn der Maßnahmen wurde die Bewoh- Socken einen guten Halt. Sie hatte eine gute Spür-
nerin mit dem Knietransfer und Unterstützung information bei vollständigem Kontakt auf dem
durch eine zweite pflegende Person vom Bett in den Kissen.
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sification of Functioning, Disability and Health (ICF).
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197 A–H

Stichwortverzeichnis

Brückentransfer 93 Fließgeschwindigkeit 77
A Bundesverband für Schädel- Flüssigkeit 107, 120
Hirnpatienten in Not e. V. 5 Föhnen 54
Adaptation 11 Förderung 2
Aktivität 45 Fremdmaterialien 120
A-Lagerung 64 Fußbad 59
Alltagsbegleitung 8 C Fußpodest 101
Analyse 153
Antidekubitusmatratze 78 Cuff 111
Apoplex 109
Aspiration 44, 109 G
Aspirationsgefahr 133
Aspirationspneumonie 115 D Gänsehaut 31
Aspirationsschutz 8 Gedankensinn 32
Assessment 155 Dehydration 109, 113 Geruchssinn 30
Atemfrequenz 68, 133 Deutsche Vereinigung für die Geruchswahrnehmung 122
Atemqualität 64 Rehabilitation Behinderter e. V. 2 Geschmackssinn 30
Atemrhythmus 68 Distanz 168 Gesicht 118
Atmung 34, 64 Druck 169 Gestaltgesetz 11, 19
Aufstehen 90 Dysphagie 4, 109, 123 Gewichtsverlagerung 93
Autonomie 11 Dysphagielöffel 150 Gleichgewicht 80
Dysregulation 8 Gleichgewichtssinn 29
DysThera 132 Grundthesen 168

B
Baden 50 E H
– auf der Duschliege 51
– im Bettbadesystem 53 Eigenbewegungssinn 29 Halbseitensymptomatik 87
– in der Wanne 51 Eigenkompetenz 153 Haltung 64
Bällebad 83 Ein- und Ausatmung 30 Handbad 53, 140
Bauch-Rücken-Atmung 73 Einreibung, ateminformierende 68 Hände 140
Bauchtuch 69 Elementarbereiche 172 Handfläche 17
Becken 77 Empfindungswahrnehmung 29 Handinnenfläche 59
Behandlungsphase 3 Entwicklung 13 Handlung, pflegetherapeutische 19
Beleuchtung 37 Entwicklungshilfe 125 Handmassage 54
Bettumrandung 35 Entwicklungsstatus 155 Handrücken 57
Beugeauftrag 77 Erkenntniswahrnehmung 29 Haut 27
Bewegung 8 Ernährung 108 Hemiplegie 92
Bewegungsempfindung 79 Ersterhebung 156 Hilfsmittel 64
Bewegungsfähigkeit 99 Essen 44 Hinlegen 90
Bewegungsübergänge 51, 133 Essgeschirr 124 Hinsetzen 86
Bewertung 156 Extremitäten 66 Hörangebot 48
Bewohnerzimmer 5 Hörsinn 31
Beziehung 11 Husten 112
Bildungskonzept 171 Hustenstoß 108
Bolus 107, 123 F
– Eigenschaft 124
– Geschmack 124 Fachwissen 173
– Struktur 126 Familie 175
– Temperatur 124 Farbroller 51
– Volumen 125, 150 Fingerzahnbürste 120
198 Stichwortverzeichnis

Lernangebot 8
I Lichtquelle 40 P
Liegeflächenauflage 133
Informationssuche 104 Liegen auf dem Boden 104 PEG 114, 127
Inklusion 10 Lippen 107 Peristaltik 108
Input, sensorischer 16 Logopädie 113 Personensinn 32
Integration 11 Logo-Spoon 132 Pflegebett 73, 82
Interaktion 8 Pflegehandlung 12
Phänomene 31, 153
Phasenmodell 3
M Pneumonie 66, 109
J Praxisbegleitung 172
Magen 108 Presbyphagie 113
Jahresplanung 152 Maikammer-Konferenz 2
Mathmos-Lampe 51
Matratzenrand 68, 95
MDK 152 Q
K Mischkonsistenz 121
Modell 8 Quadrant 120
Kehldeckel 108 Motorik 54, 127 Qualitätsmanagement 6, 173
Kehlkopf 107 Mundpflege 44, 118
– Funktion 140 Mundpflegeset 119
Kieferkontrollgriff, hinterer 101 Mundraum 30, 106
Kieferöffnungswinkel 150 Mundschluss 127 R
Kinderzahnbürste 120 Muskeltonus 34, 40
Knietransfer 93 Räuspern 112
Kniewelle 101, 142 Regulationsschwierigkeiten 122
Kommunikation 11, 142 Rehabilitationsphase 3
Kompresse, warme 122 N Riechen 30
Konferenz 152 Rinnenhaltung 126
Kontraktur 53 Nachhaltigkeit 57 Rollstuhl 29, 97, 147
Koordination 54, 127 Nachvollziehbarkeit 86 Ruhe 45
Kopfhaltekontrolle 90 Nähe 168 Ruheposition 99
Körperbild 45 Nahrung 99, 107 Rumpf 133
Körpergewicht 92 – Aufnahme 123, 125 – Gurt 133
Körperhaltung 29, 140 – Defizit 147 Rutschbrett 93
Körperinformationsfläche 53, 57, 77 Nase 114
Körperkontakt 44, 90, 91 Nasenausschnittsbecher 147
Körperpflege 49 Nasengang 114
Körperregion 87, 133 Nasenpflegeabsaugkatheter 114, 147 S
Körpersprache 32 Nasen-Rachen-Raum 106, 140
Körperwaschung 16, 44 Nervensystem 19 Schädelhirntrauma 4
Netzdiagramm 165 Schlaganfall 109
Neurologie 6 Schluckbeeinträchtigung 109
Neuroplastizität 13 Schlucken 106, 120
L Normalisierungsprinzip 12 Schluckendoskopie 110, 126
NosoQuick 114, 147 Schluckkompetenz 64
Lagewechsel 83, 142 Schluckphasen 127, 142
Langsamkeit 64, 169 Schmecken 30
Langzeitpflege 4 Schmerzempfindung 28
Langzeitrehabilitation O Schnabelbecher 147
– Grundprinzipien 4 Schneidersitz 94
– vollstationäre 4 Oberkörper 77 Schuhe anziehen 86, 102
Lebenssinn 28 Organisation 168 Schulterhalt 102,133
Lebensspanne 2 Organsystem 26 Schwerkraft 9, 77
Lebensweltorientierung 11 Output, motorischer 16 Sehsinn 30
Leidensdruck 132 Seitenlage 44
Stichwortverzeichnis
199 I–Z
Seitenlagerung 66
Sekretschutz 133 V
Sensibilität 17, 127
– Störung 53, 60 Veränderung 19
Sinnessystem 26 Verarbeitungsmöglichkeit 45
Sinnhaftigkeit 80 Verhaltensänderung 12
Sitzen 57, 64, 94 Verschlucken 108
Sitzinstrument 101 Vita-Raum 5
Sitzqualität 133
Sitzsack 36, 99
Sondenernährung 118
Speichel 68 W
Speiseröhre 108
SPM-A 152 Wahrnehmbarkeitsschwelle 19
– Kategorien 155 Wahrnehmung 8
Sprachsinn 32 – visuelle 30, 34
Spüren 169 – Kanal 32, 118
Stabilität – Kompetenz 49
– vegetative 79 Wangentasche 112
– vitale 79 Wärmeisolation 122
Stehen 80, 142 Wärmesinn 31
– Hilfsmittel 80 Wärmeverlust 44
Strategisch Behaviorale Therapie (SBT) Waschschüssel 54
105, 131 Wasser 85
Stresssituation 118 Wassertemperatur 46
Stuhl 120 Wechselwirkung 77
Swally-Ice 132 Wecken 40
Wegbegleiter 2
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
10
T
Tastsinn 27
Teelöffel 125 Z
Teilhabe- und entwicklungsorientiertes
Betreuungsmodell (TEPM) 8 Zahnpasta 121
Therapiemittel 132 Zahnpflege 57, 118
Trachealkanüle 111, 149 Zunge 107, 126
Tracheostoma 132 – Motorik 127
Transfer 18, 21, 92 Zweiterhebung 156
Transport 108
Trigo Therapiesystem 53, 57, 66, 87,
132
– für die A-Lagerung 140
– für die Hand 140
– für den Kopf 133
– für den Körper 133
– für den Rumpf 94, 133
– für die Schulter 133
Trinken 44

U
Umfeld 34
Umweltinformation 11

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