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S. Haas (Hrsg.

Prävention von Thrombosen und Embolien


in der Inneren Medizin
Möglichkeiten und Vorzüge von niedermolekularen Heparinen
S. Haas (Hrsg.)

Prävention
von Thrombosen
und Embolien
in der Inneren
Medizin
Möglichkeiten und Vorzüge
von niedermolekularen Heparinen

Mit 31 Abbildungen und 31 Tabellen

123
Sylvia Haas
Professor, Dr. med.
Institut für Experimentelle Onkologie
und Therapieforschung
Ismaninger Str. 22
81675 München
sylvia.haas@lrz.tum.de

ISBN 3-540-22563-3
Springer Medizin Verlag Heidelberg

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V

Vorwort

Venöse Thromboembolien gewinnen für internistische Patienten zunehmend an Bedeutung


und die medikamentöse Prophylaxe ist ein fester Bestandteil der konservativen Medizin.
Trotzdem sind noch Fragen zur Optimierung dieser präventiven Maßnahme offen. Eine
klinische relevante Frage ist beispielsweise wie das individuelle Thromboembolierisiko sich
als Summationseffekt aus dem sog. expositionellen, d.h. krankheitsbedingten Risiko und
aus den patientenbezogenen, prädisponierenden Risikofaktoren ergibt. Daraus ergeben
sich weitere Fragen hinsichtlich Art und Umfang prophylaktischer Modalitäten sowie zu
deren Effizienz bei verschiedenen Patientenpopulationen und wie die Nutzen-/Risikoab-
wägung bei einer routinemäßigen Anwendung von niedermolekularem Heparin vorge-
nommen werden kann. Ein besonderer Schwerpunkt dieser Monographie ist der Thematik
der Indikationsstellung einer adäquaten medikamentösen Prophylaxe gewidmet, sowie der
aus klinischen Studien ableitbaren Evidenz zu deren Durchführung bei nicht chirurgischen
Patienen. Zur Bearbeitung dieser komplexen Fragestellungen konnten ausgewiesene Exper-
ten gewonnen werden, die in jeweils untergliederten Kapiteln den gesamten Themenkreis
der Thromboembolieprophylaxe in der Inneren Medizin beleuchten. Hierzu zählen auch
einführende Abschnitte zur Epidemiologie und Pathophysiologie der venösen Thrombose,
sowie Beiträge zu derzeit noch ungeklärten spezifischen Fragestellungen, zur Thrombose-
prophylaxe bei längerer Reisedauer (insbesondere bei längeren Flugreisen) und zur Rolle
von niedermolekularen Heparinen als Überbrückung einer oralen Antikoagulation mit
Vitamin K Antagonisten. Auch die möglichen Auswirkungen der DRGs auf eine medika-
mentöse Thromboembolieprophylaxe werden besprochen. Dieses Buch ist eine aktuelle
Informationsquelle für Internisten und Allgemeinmediziner sowie für Ärzte in Ausbildung
und ist als Leitfaden für die medikamentöse Thromboseprophylaxe insbesondere mit nie-
dermolekularen Heparinen gedacht. Ein Fragenkatalog nach jedem Kapitelblock ermög-
licht dem Leser eine Selbstkontrolle des erarbeiteten Stoffes.
Die Kompetenz zahlreicher namhafter Autoren hat zum Gelingen dieses Buchprojek-
tes beigetragen. Der gesamten Co-Autorenschaft sei an dieser Stelle sehr herzlich für ihre
exzellenten Beiträge und die Mühe bei der prompten Verfassung der Manuskripte gedankt.
Mein aufrichtiger Dank gilt auch der Firma Sanofi-Aventis, ohne deren großzügige Unter-
stützung die Herausgabe dieses Buches nicht möglich gewesen wäre. Insbesondere Herrn
Dr. Carsten Kienitz darf ich für die kompetente Mitarbeit bei der Herausgabe dieses Buches
vielmals danken.
Zu besonderem Dank sind die Autoren der einzelnen Kapitel dem Springer Verlag für
die schnelle verlegerische Bearbeitung und Ausstattung dieser Monographie verpflichtet.
Die angenehme und kompetente Zusammenarbeit mit Herrn Thomas Günther wurde von
uns allen sehr geschätzt und ich erlaube mir, Herrn Günther im Namen aller Co-Autoren
hierfür sehr herzlich zu danken.
Wir wünschen uns eine rasche Verbreitung dieses Buches und hoffen, dass die vorlie-
gende Monographie allen, die sich mit thromboembolischen Erkrankungen bei internisti-
schen Patienten befassen, bei ihrer täglichen Arbeit von Nutzen sein möge.

München, im Januar 2005 Sylvia Haas


VI

Inhaltsverzeichnis

Teil I Teil III


Epidemiologie von Thrombosen Evidenzen für eine
und Embolien Thromboseprophylaxe
in der Inneren Medizin
1 Gesamtzahl von Thrombosen
und Embolien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 11 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 74

2 Häufigkeit von Thrombosen 12 Neuere Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79


und Embolien nach Fachgruppen . . . . . . 8
13 Aktuelle Studienergebnisse . . . . . . . . . . 84
3 Häufigkeit von Thrombosen und
Embolien nach Krankheitsbildern . . . . . 12 14 Prophylaxe bei nicht chirurgischen
Patienten aus Sicht eines Herstellers . . 89
4 Komplikationen und Spätfolgen . . . . . . 20

5 Sozialmedizinische und sozio- Teil IV


ökonomische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . 23 Risikoabschätzung in der Inneren
Medizin

Teil II 15 Expositionelle Risikofaktoren . . . . . . . . . 98


Pathophysiologie
16 Dispositionelle Risikofaktoren . . . . . . . 103
6 Gerinnungskaskade . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
17 Modelle zur Risikoabschätzung . . . . . . 108
7 Virchow-Trias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

8 Hereditäre Thrombophilie . . . . . . . . . . . . 45 Teil V


Ungeklärte Fragestellungen
9 Unterschiede in der Thrombogenese
in Chirurgie und Innerer Medizin . . . . . . 57 18 Das Problem der Immobilität . . . . . . . . 114

10 Thrombogenität verschiedener 19 Thromboseprophylaxe


Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 bei geriatrischen Patienten . . . . . . . . . . 117

20 Thromboseprophylaxe
bei Schlaganfallpatienten . . . . . . . . . . . 119
VII
Inhaltsverzeichnis

Teil VI Teil VIII


Reiseprophylaxe Zukünftige Entwicklungen

21 Welche Studiendaten gibt es? . . . . . . . 124 29 Prophylaxe bei Tumorpatienten . . . . . . 162

22 Risikostratifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 30 Auswirkungen der G-DRG’s


auf Prophylaxe und Therapie
23 Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 von Thrombosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Teil VII Teil IX


Niedermolekulare Heparine Anhänge
als Alternative bei Pausieren
einer oralen Antikoagulation I Leitlinien (Auszüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
– Bridging
II Lösungen zu den Aufgaben . . . . . . . . . 179
24 Die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
III Adressen von Fachgesellschaften/
25 Therapieoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

26 Welche Evidenzen für nieder-


molekulare Heparine gibt es? . . . . . . . . 142 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

27 Therapiealgorithmen . . . . . . . . . . . . . . . 147

28 Zulassungsstatus und damit


verbundene medikolegale Aspekte . . 152
VIII

Mitarbeiterverzeichnis

Herausgeber

Haas, Sylvia
Professor, Dr. med.
Institut für Experimentelle Onkologie
und Therapieforschung
Ismaninger Str. 22
81675 München
sylvia.haas@lrz.tum.de

Beitragsautoren

Bauersachs, Rupert Kienitz, Carsten


Priv.-Doz., Dr. med. Dr. rer. nat.
Medizinische Klinik IV Medical Marketing Manager
Max Ratschow Klinik für Angiologie Aventis Pharma Deutschland GmbH
Klinikum Darmstadt Ein Unternehmen der sanofi-aventis Gruppe
Heidelberger Landstraße 379 GE Innovation Praxis und Klinik
64297 Darmstadt Königsteiner Str. 10
rupert.bauersachs@klinikum-darmstadt.de 65812 Bad Soden
carsten.kienitz@aventis.com
Haas, Sylvia
Professor, Dr. med. Kribben, Andreas
Institut für Experimentelle Onkologie Priv.-Doz., Dr. med.
und Therapieforschung Universitätsklinikum Essen
Ismaninger Str. 22 Klinik für Hochdruck und Nierenkrankheiten
81675 München Hufelandstr. 55
sylvia.haas@lrz.tum.de 45122 Essen
andreas.kribben@uni-essen.de
Kemkes-Matthes, Bettina
Professor, Dr. med. Kröger, Knut
Justus-Liebig-Universität Priv.-Doz. Dr. med.
Medizinische Klinik IV Universitätsklinikum Essen
Zentrum für Innere Medizin Klinik und Poliklinik für Angiologie
Abteilung Hämatologie / Onkologie Hufelandstr. 55
Klinikstr. 36 45122 Essen
35385 Gießen knut.kroeger@uni-essen.de
Bettina.Kemkes-Matthes@
Innere.Med.Uni-Giessen.de
IX
Mitarbeiterverzeichnis

Landgraf, Helmut Linße, Burkhard


Professor, Dr. med. Medical Marketing Manager
Vivantes Klinikum im Friedrichshain Aventis Pharma Deutschland GmbH
Klinik für Innere Medizin Ein Unternehmen der sanofi-aventis Gruppe
– Angiologie und Hämostaseologie GE Innovation Praxis und Klinik
Zentrum für Gefäßmedizin Königsteiner Str. 10
Landsberger Allee 49 65812 Bad Soden
10249 Berlin burkhard.linsse@aventis.com
helmut.landgraf@vivantes.de
Lütkes, Peter
Lawall, Holger Dr. med.
Dr. med. Universitätsklinik Essen
SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach gGmbH Medizinisches Controlling und Qualitäts-
Abteilung für Innere Medizin management
Guttmannstr. 1 Hufelandstr. 55
76307 Karlsbad / Langensteinbach 45122 Essen
Holger.Lawall@kkl.srh.de peter.luetkes@
medizin.uni-essen.de
Lichtner, Sabine
Vennfelder Strasse 10 Müller-Nordhorn, Jacqueline
47805 Krefeld Dr. med.
s.lichtner@gmx.net Institut für Sozialmedizin,
Epidemiologie und
Lindhoff-Last, Edelgard Gesundheitsökonomie
Priv. Doz. Dr. med. Charité – Universitätsmedizin Berlin
Gefäßzentrum Luisenstr. 57
Schwerpunkt Angiologie / Medizinische Klinik I 10117 Berlin
Joh. Wolfg. Goethe Universitätsklinikum Frankfurt jacqueline.mueller-nordhorn@charite.de
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt / Main Willich, Stefan N.
lindhoff-last@em.uni-frankfurt.de Professor, Dr. med.
Institut für Sozialmedizin,
Linnemann, Birgit Epidemiologie und
Dr. med. Gesundheitsökonomie
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität Charité – Universitätsmedizin Berlin
Medizinische Klinik I, Angiologie Luisenstr. 57
Theodor-Stern-Kai 7 10117 Berlin
60590 Frankfurt / Main stefan.willich@charite.de
Birgit.Linnemann@kgu.de
I

Teil I Epidemiologie von Thrombosen


und Embolien

Kapitel 1 Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien –2

Kapitel 2 Häufigkeit von Thrombosen und Embolien


nach Fachgruppen –8

Kapitel 3 Häufigkeit von Thrombosen und Embolien


nach Krankheitsbildern – 12

Kapitel 4 Komplikationen und Spätfolgen – 20

Kapitel 5 Sozialmedizinische und sozioökonomische


Bedeutung – 23
1

Gesamtzahl von Thrombosen


und Embolien
Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich

Die tiefe Beinvenenthrombose beginnt in der Regel in den distalen Venen der Unterschen-
kel, von dort kann sie in die proximalen Venen der Oberschenkel aufsteigen und unter
Umständen eine Lungenembolie verursachen (Kearon 2003). Jedes dieser möglichen Sta-
dien kann symptomatisch oder asymptomatisch verlaufen, abhängig von dem Ausmaß
der Thrombose, der Ausbildung von Kollateralgefäßen und der Stärke des begleitenden
Gefäßverschlusses bzw. der Entzündungsreaktion. Die tiefe Beinvenenthrombose tritt
häufig als Komplikation bei stationären Aufenthalten auf, kann aber auch bei Patien-
ten außerhalb des Krankenhauses oder bei ansonsten gesunden Menschen vorkommen
(Lensing et al. 1999). Die tiefe Beinvenenthrombose und die Lungenembolie werden
als venöse thromboembolische Ereignisse (»venous thromboembolism«) zusammen-
gefasst.

Inzidenzraten

Die Epidemiologie der venösen Thromboembolien wurde in einer Übersichtsarbeit von


White (2003) beschrieben. Die Inzidenz der erstmalig aufgetretenen venösen thromboem-
bolischen Ereignisse, standardisiert für Alter und Geschlecht, liegt in dieser Zusammen-
fassung zwischen 71 und 117 pro 100.000. In einer Reihe von Studien wurde die Inzidenz
venöser thromboembolischer Ereignisse in unterschiedlichen Populationen untersucht
(Anderson et al. 1991; Silverstein et al. 1998; Kniffin et al. 1994; Tsai et al. 2002; Nordstrom
et al. 1992; White et al. 1998; Hansson et al. 1997).
Der Vergleich der Inzidenzraten in den einzelnen Studien wird durch ein unterschied-
liches diagnostisches Prozedere, auch bedingt durch die Entwicklung neuer diagnostischer
Verfahren im zeitlichen Trend, erschwert. So wurde in einigen Studien die Diagnose
mittels Phlebographie gesichert, während vor allem in neueren Studien zunehmend die
(Farb-)Dopplersonographie verwendet wurde. Auch die Einteilung der tiefen Beinvenen-
thrombose in möglich, wahrscheinlich oder definitiv variiert zwischen Studien. So defi-
nierten Silverstein et al. (1998) in ihrer Studie die definitive Beinvenenthrombose als eine
durch eine Phlebographie, Computertomographie oder Kernspintomographie gesicherte
oder pathologisch bestätigte Diagnose. Tsai et al. (2002) hingegen definierten die definitive
Beinvenenthrombose als eine durch Dopplersonographie, Phlebographie oder Computer-
Kapitel 1 · Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien
3 1

tomographie gesicherte Diagnose. ⊡ Tabelle 1.1 fasst die einzelnen Studien zu den Inzidenz-
raten einschließlich der verwendeten diagnostischen Methoden zusammen.
Anderson et al. (1991) ermittelten in ihrer bevölkerungsbasierten Untersuchung in
Worcester/USA mithilfe von Entlassungsdiagnosen die alters- und geschlechtsadjustierte
Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose und der Lungenembolie (107 pro 100.000) und
rechneten dann die Fälle für die USA hoch. Dabei ergaben sich für das Jahr 1986 für die
USA 257.972 venöse thromboembolische Ereignisse mit Krankenhausaufenthalt, davon
waren 171.178 erstmalige Episoden (115.726 tiefe Beinvenenthrombose, 55.452 Lungenem-
bolie). In der Untersuchung von Anderson et al. ergab sich ein exponentieller Anstieg der
Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse mit zunehmendem Alter sowohl bei
Männern als auch bei Frauen (⊡ Abb. 1.1).
Das relative Risiko für ein venöses thromboembolisches Ereignis betrug pro 10-Jahres-
Anstieg des Lebensalters 1,9. Der Anstieg der Inzidenz mit zunehmendem Lebensalter wird
konsistent in der Literatur beschrieben (White 2003). In der Untersuchung von Anderson
et al. (1991) fand sich ein erhöhtes Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses
für Männer im Vergleich zu Frauen, mit einem relativen Risiko von 1,4. In der Übersichts-
arbeit von White (2003) konnte kein eindeutiger Unterschied in der Inzidenz zwischen
Männern und Frauen in der Literatur gefunden werden.

600

Männer
Frauen
500

400
Inzidenz pro 100 000

300

200

100

0
5 15 25 35 45 55 65 75 >80
Alter (Jahre)
⊡ Abb. 1.1. Inzidenzraten von klinisch diagnostizierten venösen thromboembolischen Ereignissen pro 100.000
Einwohner nach Altersgruppen und getrennt für Männer und Frauen. (Mod. nach Anderson et al. 1991)
1
4

⊡ Tabelle 1.1. Inzidenzraten in unterschiedlichen Populationen von venösen thromboembolischen Ereignissen (VTE), d. h. Lungenembolie (LE) und tiefe Beinvenenthrombose
(TVT) kombiniert

Erstautor Jahr Setting/Population Design Fälle Diagnostik Inzidenz/Jahr


Letalität

Anderson et 1985–1986 Patienten mit TVT und/ Krankenhausbasiert Erstmalig TVT: Alters- und geschlechtsadjustiert:
al. 1991 oder LE (alle Altersgrup- Querschnittsstudie Rezidiv Phlebographie: 67% TVT/LE: 107/100.000
pen) Plethysmographie: 37% Erstmalige Episode:
Worcester, USA (16 Kli- Ultraschall: 5% TVT: 48/100.000
niken) LE: LE: 23/100.000
Angiographie: 13% Letalität LE: 12%
Perfusionsszintigraphie: 48%

Silverstein et 1966–2000 Patienten mit TVT und/ Krankenhausbasiert Erstmalig TVT: Alter- und geschlechtsadjustiert:
al. 1998 oder LE (alle Altersgrup- Querschnittsstudie Definitiv: 38% Erstmalige Episode:
pen) Wahrscheinlich: 8% TVT/LE: 117/100.000
Olmsted County, USA Möglich: 54% TVT: 48/100.000
LE+/- TVT: LE +/- TVT: 69/100.000
Definitiv: 48%
Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

Wahrscheinlich: 18%
Möglich: 34%

Kniffin et al. 1986–1989 Patienten mit TVT und/ Medicare-Mitglieder Erstmalig ICD-Codes für TVT oder LE 65–69 Jahre:
1994 oder LE (>65 Jahre) 5% Stichprobe Keine weiteren Angaben TVT: 180/100.000
USA Kohortenstudie LE: 130/100.000
Krankenhaus- oder 85–89 Jahre:
Ambulanzdiagnose TVT: 310/100.000
LE: 280/100.000
Letalität: LE 21%, TVT 3%
⊡ Tabelle 1.1. Fortsetzung

Erstautor Jahr Setting/Population Design Fälle Diagnostik Inzidenz/Jahr


Letalität

Tsai et al. 1987–1993 Patienten mit TVT und/ Bevölkerungsbasiert Erstmalig TVT: definitiv und wahr- ARICa Studie:
2002 oder LE (ARICa: 45-64; Zwei Kohorten: scheinlich TVT/LE: 110/100.000 Personenjahre
CHSb ≥65 Jahre) ARICa/CHSb Studien LE: definitiv CHSb Studie:
USA Krankenhausakten TVT/LE: 280/100.000 Personenjahre

Hansson et al. 1963–1993 Patienten mit TVT und/ Bevölkerungsbasiert Erstmalig Entlassungsdiagnosen Erstmalig:
1997 oder LE (Männer, 50–80 Kohortenstudie Rezidiv Totenscheine TVT: 138/100.000
Jahre) TVT: Phlebographie Nichttödliche LE 67/100.000
Göteborg, Schweden LE: Perfusionsszintigraphie Tödliche LE: 105/100.000
Erstmalig + Revidiv:
TVT: 182/100.000
Nichttödliche LE: 98/100.000
Tödliche LE: 107/100.000
Kapitel 1 · Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien

Alle VTE: 387/100.000 (Personen-


jahre)

Nordstrom et 1987 Patienten mit TVT (alle Krankenhausbasiert Erstmalig Phlebographie TVT:
al. 1992 Altersgruppen) Querschnittsstudie Rezidiv Männer: 155/100.000
Malmö, Schweden Frauen: 162/100.000

White et al. 1991–1994 Patienten mit TVT (> 8 Krankenhausbasiert Erstmalig Entlassungdiagnosen Alters- und geschlechtsadjustiert:
1998 Jahre) Querschnittsstudie idiopathi- Antikoagulation als Therapie Idiopathische TVTc:
5

Kalifornien, USA sche TVTc Weiß 230/100.000


Afroamerikanisch 293/100.000
Hispanisch 139/100.000
Asiatisch 60/100.000

aARIC
Atherosclerosis Risk in Communities, bCHS Cardiovascular Health Study, ICD International Classification of Diseases
cIdiopathische
Diagnose: Diagnose einer TVT mit mindestens drei Tagen Krankenhausaufenthalt ohne Tumorerkrankung oder Krankenhausaufenthalt in den letzten sechs Monaten
1
6 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

Zeitliche Trends
1
Die Inzidenz der Lungenembolie scheint insgesamt abzunehmen, wie eine Untersuchung
von Silverstein et al. (1998) ergab. In einer bevölkerungsbasierten retrospektiven Studie in
Olmsted County, Minnesota/USA, wurden die medizinischen Akten aller Patienten unter-
sucht, die in den 25 Jahren zwischen 1966 und 1990 entweder eine tiefe Beinvenenthrombo-
se oder eine Lungenembolie hatten. Die Inzidenz der Lungenembolie war in den letzten 15
Jahren etwa 45% niedriger als im Zeitraum davor. Dies galt sowohl für Männer als auch für
Frauen und in allen Altersgruppen. Im Gegensatz dazu blieb die Inzidenz der tiefen Bein-
venenthrombose bei Männern konstant, nahm bei Frauen, die jünger als 55 Jahre waren,
ab, und bei Frauen, die älter als 60 Jahre waren, zu.
⊡ Abbildung 1.2 zeigt die alters- und geschlechtsadjustierten Inzidenzraten venöser
thromboembolischer Ereignisse in den Jahren zwischen 1966 und 1990. Allerdings nahmen
im Zeitraum zwischen 1966 und 2000 auch die Autopsieraten ab, von 50–60% der Todes-
fälle in den 60er-Jahren auf 30–35% in den letzten Jahren. Hier lässt sich ein Rückgang in
der vollständigen Erfassung der durch venöse thromboembolische Ereignisse bedingten
Todesfälle nicht ausschließen. Kahn et al. (2004) kamen in ihrer Übersichtsarbeit dagegen
zur Schlussfolgerung, dass die jährliche Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse
in den letzten Jahren nicht abgenommen hätte.

250 alle VTE


LE (mit/ohne TVT)
TVT alleine

200
Inz ide nz pro 100 000

150

100

50

1965 1970 1975 1980 1985 1990


Jahr
⊡ Abb. 1.2. Alters- und geschlechtsadjustierte Inzidenz aller venösen thromboembolischen Ereignisse (VTE)
sowie der tiefen Beinvenenthrombose (TVT) alleine und der Lungenembolie (LE) (alleine oder mit TVT) bei Ein-
wohnern von Olmsted County, Minnesota, nach Kalenderjahr zwischen 1966 und 1990. (Mod. nach Silverstein
et al. 1998)
Kapitel 1 · Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien
7 1
Jahreszeitliche Variation

In einigen Studien wurde eine jahreszeitliche Variation im Auftreten venöser thromboem-


bolischer Ereignisse mit einer höheren Inzidenz in den Wintermonaten berichtet (Boulay
et al. 2001; White 2003). Weitere Studien zeigten dagegen entweder keine jahreszeitliche
Variation oder Gipfel im Auftreten sowohl im Frühjahr als auch im Sommer oder Herbst
(Stein et al. 2004). So untersuchten Stein et al. die Entlassungsdiagnosen unter Verwendung
von Daten des National Hospital Discharge Survey in den USA über einen Zeitraum von
21 Jahren. Dabei ergab sich weder eine jahreszeitliche Variation in Gegenden mit geringen
Temperaturschwankungen, z. B. den südlichen Regionen der USA, noch in Gegenden mit
hohen Temperaturschwankungen, z. B. dem Nordosten oder dem Mittleren Westen.
2

Häufigkeit von Thrombosen


und Embolien nach Fachgruppen
Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich

Venöse thromboembolische Ereignisse treten in den verschiedenen medizinischen Fach-


gruppen unterschiedlich häufig auf (Nicolaides et al. 2001). Die ⊡ Tabellen 2.1 bis 2.3
geben, basierend auf einer Zusammenfassung des Cardiovascular Disease Educational and
Research Trust und der International Union of Angiology, eine Übersicht über das Risiko
venöser thromboembolischer Ereignisse ohne medikamentöse Prophylaxe.

Chirurgie

Bei Patienten, die operativ versorgt werden, ist das Risiko eines venösen thromboemboli-
schen Ereignisses unterschiedlich hoch (⊡ Tabelle 2.1 und 2.2; Nicolaides et al. 2001). Es liegt
bei chirurgischen Patienten ohne medikamentöse Thromboseprophylaxe zwischen 9% bei
der transurethralen Prostatektomie und 51% beim elektiven Hüftgelenkersatz für eine tiefe
Beinvenenthrombose (⊡ Tabelle 2.1). In den ersten zwei Wochen nach der Operation ist das
Risiko am höchsten und bleibt während der folgenden zwei bis drei Monaten weiterhin
erhöht (Kearon 2003). Das Auftreten der postoperativen venösen thromboembolischen
Ereignisse hängt von der Art der Chirurgie ab, z. B. ist das Risiko nach einer Kniegelenken-
doprothese im Vergleich zum Hüftgelenkersatz am Anfang höher, fällt dann aber früher
wieder ab. Ungefähr die Hälfte der tiefen Beinvenenthrombosen beginnt intraoperativ, vie-
le davon lösen sich spontan auf. Das Risiko der Progression der tiefen Beinvenenthrombose
hängt von der Größe des Thrombus und dem Vorliegen persistierender Risikofaktoren,
z. B. einer längerfristigen Immobilisierung, ab. Für eine tödliche Lungenembolie ist das
Risiko in den drei bis sieben Tagen nach der Operation am höchsten.

Orthopädie

Bei Patienten mit Knie- und Hüftgelenkersatz, Hüftgelenkfrakturen und bei Patienten
mit Polytrauma liegt das Risiko ohne medikamentöse Prophylaxe bei etwa 50%. Mit einer
adäquaten medikamentösen Prophylaxe sinkt das Risiko auf etwa 5% und 20% (Caprini et
al. 2003). Insgesamt ist bei orthopädischen Operationen das Risiko eines venösen throm-
boembolischen Ereignisses etwa doppelt so hoch im Vergleich zu allgemein-chirurgischen
Eingriffen (Kearon 2003; Nicolaides et al. 2001).
Kapitel 2 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen
9 2

⊡ Tabelle 2.1 Häufigkeiten tiefer Beinvenenthrombosen (TVT) in der operativen Medizin ohne medikamen-
töse Prophylaxe. (Mod. nach Nicolaides et al. 2001)

Patientengruppen Studien [n] Patienten [n] TVT 95%-KI [%]

Allgemeinchirurgie, v. a. Abdominalchirurgie 54 4310 25% 24–26

Retropubische Prostatektomie 8 335 32% 27–37

Transurethrale Prostatektomie 3 150 9% 5–15

Gynäkologische Chirurgie:
Malignome 4 297 22 17–26
Benigne Erkrankungen 4 460 14 11–17

Elektiver Hüftgelenksersatz 17 851 51 48–54

Multiples Trauma 4 536 50 46–55

Kniegelenkendoprothese 7 541 47 42–51

Hüftgelenkfrakturen 16 836 45 41–48

Neurochirurgie 5 280 22 17–27

Rückenmarkverletzung 9 458 35 31–39

KI Konfidenzintervall, TVT tiefe Beinvenenthrombose.

⊡ Tabelle 2.2. Die Häufigkeit klinischer und tödlicher Lungenembolien ohne medikamentöse Prophylaxe
bei einigen Diagnosegruppen. (Mod. nach Nicolaides et al. 2001)

Patientengruppen Studien [n] Patienten [n] Lungenembolie [%] 95%-KI [%]

Klinische Lungenembolie

Allgemeinchirurgie 32 5091 1,6 1,3–2,0

Elektiver Hüftgelenkersatz 25 1436 4,0 3,0–5,1

Traumatische orthopädische 11 494 6,9 4,8–9,5


Chirurgie

Tödliche Lungenembolie

Allgemeinchirurgie 33 5547 0,9 0,6–1,1

Elektiver Hüftgelenkersatz 12 485 1,7 0,4–2,7

Oberschenkelhalsbruch 23 1195 4,0 3,0–5,3

KI Konfidenzintervall
10 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

Traumatologie

Venöse thromboembolische Ereignisse sind die dritthäufigste Ursache für Todesfälle im


2 Krankenhaus bei Traumapatienten und treten ohne medikamentöse Prophylaxe in etwa
50% der Fälle auf (Nicolaides et al. 2001; Rogers 2001). Auch bei Patienten, die mit subku-
tanem Heparin und/oder Kompressionsstrümpfen behandelt wurden, treten noch häufig
venöse thromboembolische Ereignisse auf (kombiniert 7–12%, nur Lungenembolie 2,3%)
(Rogers 2001). Geerts et al. (1994) führten bei 349 Traumapatienten, die keine medikamen-
töse Prophylaxe erhalten hatten, eine Phlebographie durch. Dabei hatten 58% der Patienten
eine distale Beinvenenthrombose und 18% eine proximale Beinvenenthrombose. Drei der
Patienten starben an einer massiven Lungenembolie, bevor eine Phlebographie durchge-
führt werden konnte. Nur drei der Patienten hatten die klinischen Symptome einer tiefen
Beinvenenthrombose. 50% der Patienten mit Verletzungen im Bereich des Gesichtes, des
Thorax oder des Abdomens, 62% der Patienten mit Rückenmarkverletzungen und 69% der
Patienten mit orthopädischen Verletzungen im Bereich der unteren Extremitäten hatten
eine tiefe Beinvenenthrombose.
⊡ Abbildung 2.1 zeigt die Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose in Abhängigkeit
von der Lokalisation der Verletzung. In der multivariaten Analyse wurden fünf unab-
hängige Risikofaktoren für eine tiefe Beinvenenthrombose ermittelt: zunehmendes Alter
(Odds Ratio 1,05 pro Lebensjahr; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,03–1,06), Bluttransfusion
(Odds Ratio 1,74; 95%-KI 1,03–2,93), chirurgische Intervention (Odds Ratio 2,30; 95%-KI
1,08–4,89), Fraktur des Femurs oder der Tibia (Odds Ratio 4,82; 95%-KI 2,79–8,33) und
Verletzung des Rückenmarks (Odds Ratio 8,59; 95% KI 2,92–25,28).

Gynäkologie

Das Risiko einer thromboembolischen Komplikation ist nach gynäkologischen Operatio-


nen ähnlich dem Risiko nach allgemeinchirurgischen Operationen. Es liegt bei Operationen
von benignen Erkrankungen deutlich unter dem Risiko bei malignen Erkrankungen (14%
vs. 22%; Nicolaides et al. 2001). Die Lungenembolie ist die häufigste Todesursache für
Todesfälle nach gynäkologischer Tumoroperation und ist für etwa 20% der perioperativen
Todesfälle bei Hysterektomie verantwortlich.

Innere Medizin

Internistische Erkrankungen wie Schlaganfall, Tumor, Herzinsuffizienz, chronisch respi-


ratorische Erkrankung, Lungenerkrankungen und Herzinfarkt sind ebenfalls mit einem
erhöhten Risiko eines venösen thromboembolischen Ereignisses verbunden (Nicolaides et
al. 2001; ⊡ Tabelle 2.3).
Die Inzidenzraten bei internistischen Patienten liegen zwischen 9% bei geriatrischen
Patienten und 56% bei Patienten nach Schlaganfall (⊡ Tabelle 2.3). Patienten mit einem
Herzinfarkt haben z. B. ein erhöhtes Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose, das mit
dem Risiko von chirurgischen Patienten mittleren Risikos vergleichbar ist (ca. 20% gesamt
und 2% symptomatisch; Simmons et al. 1973). Die Gesamtmortalität von internistischen
Patienten ist etwa 10% und einer von 10 Krankenhaustodesfällen ist durch eine Lungen-
Kapitel 2 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen
11 2

Gesicht,
Thorax oder untere
Abdomen Kopf Rückenmark Extremitäten

26/63 11/16 8/21 30/43 Gesicht,


Thorax oder
41% 69% 38% 70% Abdomen

20/51 6/12 20/26


Kopf
39% 50% 77%

17/25 19/26
Rückenmark
68% 73%

69/104 untere
66% Extremitäten

⊡ Abb. 2.1. Häufigkeiten der tiefen Beinvenenthrombose (TVT) bei Patienten mit Trauma in Abhängigkeit von der
Lokalisation der Verletzung. Die weißen Kästchen zeigen die Häufigkeiten der TVT bei einer Verletzung, die blauen
Kästchen die Häufigkeiten bei mehreren Verletzungen. (Mod. nach Geerts et al. 1994)

⊡ Tabelle 2.3. Häufigkeiten tiefer Beinvenenthrombosen in der Inneren Medizin ohne medikamentöse Pro-
phylaxe. (Mod. nach Nicolaides et al. 2001)

Patientengruppen Studien [n] Patienten [n] TVT 95%-KI [%]

Myokardinfarkt 4 180 22 16–28

Schlaganfall 8 380 56 51–61

Allgemein-internistische Patienten 2 110 17 10–24

Geriatrische Patienten (>65 Jahre) 1 131 9 5–15

KI Konfidenzintervall, TVT tiefe Beinvenenthrombose


12 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

embolie verursacht. In Studien mit Patienten mit allgemein internistischen Erkrankungen,


ohne Schlaganfall oder Myokardinfarkt, lag die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose
ohne medikamentöse Prophylaxe bei etwa 16% (95%-KI 13–19%; Geerts et al. 2001). Die
2 meisten der eingeschlossenen Patienten hatten entweder eine chronische Herzinsuffizi-
enz, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung oder eine Infektion. Bei Patienten mit
chronischer Herzinsuffizienz liegt die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose im Bereich
zwischen 15% und 40% (Haas 2003). Die Inzidenz der tödlichen Lungenembolie lag in einer
Untersuchung mittels Autopsie von 200 internistischen Patienten, die keine medikamen-
töse Prophylaxe erhalten hatten, bei 2,5% (Baglin et al. 1997). Durch die medikamentöse
Prophylaxe wurde die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose bei internistischen Patien-
ten auf Raten zwischen 4% und 9,5% reduziert (Geerts et al. 2001).

Intensivmedizin

Attia et al. (2001) führten eine systematische Übersichtsarbeit von Studien zur Inzidenz
der tiefen Beinvenenthrombose bei Patienten auf medizinischen und chirurgischen Inten-
sivstationen durch. Etwa 10–30% der Patienten auf den Intensivstationen entwickelten
innerhalb der ersten Woche nach Aufnahme auf die Intensivstation eine tiefe Beinvenen-
thrombose. Je nach Variation in den Patientencharakteristika lag die Inzidenz im Bereich
zwischen 22% und 80%.

Intermediäre Betreuungseinrichtungen

Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen, die nicht mehr in Akutkliniken versorgt


werden müssen, werden zum Teil in andere Einrichtungen wie z. B. Rehabilitationsklini-
ken oder spezielle Pflegeeinrichtungen verlegt. Dies betrifft vor allem ältere Patienten mit
Erkrankungen wie z. B. einem Schlaganfall, für die eine erhöhte Betreuung erforderlich ist.
In einer multizentrischen Querschnittsstudie in 36 Betreuungseinrichtungen in Frankreich
untersuchten Bosson et al. (2003) die Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose bei 852
Patienten, die älter als 64 Jahre waren. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 82 Jahren;
69% waren Frauen. Alle Patienten wurden mithilfe einer Dopplersonographie untersucht.
Von den Patienten erhielten 56% eine medikamentöse Prophylaxe: 31% hoch dosiertes nie-
dermolekulares Heparin, 24% niedrig dosiertes niedermolekulares Heparin, 0,7% unfrakti-
oniertes Heparin und 0,5% eine orale Antikoagulation. Bei 138 der Patienten (16%; 95%-KI
13–19%) lag eine tiefe Beinvenenthrombose vor. ⊡ Abbildung 2.2 zeigt die Häufigkeit der
tiefen Beinvenenthrombose in Abhängigkeit von der Art der Prophylaxe.
Die Häufigkeit der medikamentösen Prophylaxe nahm signifikant mit der Anzahl der
Risikofaktoren zu. In der multivariaten Analyse waren vorangegangene chirurgische Inter-
ventionen, eine vorübergehende oder dauerhafte Immobilisierung und eine chronische
Herzinsuffizienz signifikant mit der Gabe einer medikamentösen Prophylaxe assoziiert
(⊡ Tabelle 2.4). Patienten mit einer Tumorerkrankung oder einem vorausgegangenen Myo-
kardinfarkt erhielten dagegen signifikant weniger häufig eine medikamentöse Prophylaxe.
Einen signifikanten Einfluss hatte auch die jeweilige Betreuungseinrichtung.
Kapitel 2 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen
13 2

⊡ Tabelle 2.4. Multivariate Analyse der mit einer medikamentösen Prophylaxe assoziierten Faktoren bei
Patienten in 36 intermediären Betreuungseinrichtungen in Frankreich. (Mod. nach Bosson 2003)

Faktoren Patienten (n=852) Adjustierte Odds Ratio (95% KI) P-Wert

Operation 189 6,81 (4,26-10,88) <0,01

Immobilisierung:
Nein 441 1,00 (Referenz)
1–29 Tage 127 4,17 (2,48–7,01) <0,01
t30 Tage 284 3,19 (2,22–4,60) <0,01

Chronische Herzinsuffizienz 117 1,65 (1,02–2,67) 0,04

Tumor 83 0,49 (0,29–0,84) 0,01

Myokardinfarkt 26 0,39 (0,14–1,00) 0,05

KI Konfidenzintervall

25 20,8
20 17,1
13,8
15
TVT %

10,4
10

0
Keine Kompressions- Medikamentös Kombiniert
strümpfe

Art der Prophylaxe


⊡ Abb. 2.2. Häufigkeit der tiefen Beinvenenthrombose (TVT), diagnostiziert mit Dopplersonographie, in Abhän-
gigkeit von der durchgeführten Prophylaxe bei Patienten in 36 intermediären Betreuungseinrichtungen in Frank-
reich (Chi-Quadrat für Trend = 10,4; p <0,01). (Mod. nach Bosson et al. 2003)
3

Häufigkeit von Thrombosen


und Embolien nach Krankheitsbildern
Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich

Knie-/Hüftgelenkersatz und Hüftgelenkfraktur

Die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose liegt bei der Kniegelenkendoprothese ohne
medikamentöse Prophylaxe bei 47% (95%-KI 42–51%), beim Hüftgelenkersatz bei 51%
(95%-KI 48–54%) und bei der Hüftgelenkfraktur bei 45% (95%-KI 41–48%; ⊡ s. Tabelle 2.1).
Etwa 75% der tiefen Beinvenenthrombosen treten bei orthopädischen Operationen in
dem operierten Bein auf. Die Raten für eine proximale tiefe Beinvenenthrombose liegen
bei 15–20% bei einer Kniegelenkendoprothese, bei 25% beim Hüftgelenkersatz und bei
30% bei einer Hüftgelenkfraktur. Für den Hüftgelenkersatz liegt die Inzidenz der klinisch
manifesten Lungenembolie bei 4% (95%-KI 3,0–5,1%) und der tödlichen Lungenembolie
bei 1,7% (95%-KI 0,4–2,7%). Bei der Kniegelenkendoprothese wurde eine Inzidenz zwi-
schen 1,8% und 7% für eine Lungenembolie und zwischen 0,2% und 0,7% für eine tödliche
Lungenembolie berichtet (Geerts et al. 2001). Bei der Hüftgelenkfraktur liegt die Inzidenz
zwischen 4,3% und 24% für eine Lungenembolie und zwischen 3,6% und 12,9% für eine
tödliche Lungenembolie.
Unter Therapie mit Antikoagulanzien liegt die Inzidenz venöser thromboembolischer
Ereignisse deutlich niedriger (Geerts et al. 1994; Leclerc et al. 1998; White et al. 1998). In
Interventionsstudien, die verschiedene Antikoagulanzien untereinander oder gegen Pla-
zebo verglichen, lag die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose unter Therapie zwischen
14% und 30% (Geerts et al. 1994). Die Diagnose der tiefen Beinvenenthrombose war in den
Interventionsstudien mittels Phlebographie gesichert worden. In aktuellen Kohortenstu-
dien lag die Inzidenz unter antikoagulativer Therapie noch deutlich niedriger (Leclerc et
al. 1998). So untersuchten Leclerc et al. in einer Kohortenstudie 1984 Patienten nach Knie-
oder Hüftgelenkersatz. Bei 2,1% der Patienten nach Kniegelenkendoprothese trat während
der Prophylaxe ein venöses thromboembolisches Ereignis auf, bei 1,8% nach Abschluss der
Prophylaxe. Bei 2,1% der Patienten nach Hüftgelenkersatz trat während der Prophylaxe ein
venöses thromboembolisches Ereignis auf, bei 2,2% nach Abschluss der Prophylaxe. Die
durchschnittliche Dauer der Prophylaxe (Enoxaparin) betrug 9 Tage, der Krankenhausauf-
enthalt dauerte im Durchschnitt 12 Tage und der Beobachtungszeitraum 84 Tage. Ähnliche
Inzidenzraten fanden sich in der Studie von White et al. (1998), in der Entlassungsdaten
von 24.059 Patienten nach Kniegelenkendoprothese und 19.586 Patienten nach Hüftge-
lenkersatz untersucht wurden. Die Inzidenz für venöse thromboembolische Ereignisse
Kapitel 3 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien
15 3

lag hier bei 2,1% nach Kniegelenkendoprothese und bei 2,8% nach Hüftgelenkersatz. Hier
ereignete sich allerdings ein hoher Prozentsatz der Ereignisse erst nach Entlassung aus dem
Krankenhaus.

Tumorerkrankungen

Der Zusammenhang zwischen Tumorerkrankungen und einem erhöhten Risiko für venöse
thromboembolische Ereignisse ist häufig beschrieben worden (Sorenson et al. 1998; Geerts
et al. 2001; Lee u. Levine 2003; Deitcher 2003). Als pathogene Ursachen sind vor allem die
mit dem Tumor verbundene Hyperkoagulabilität und/oder die Therapie des Tumors mit
chirurgischen Interventionen, Chemotherapie oder Strahlentherapie verantwortlich. Die
Inzidenz der symptomatischen venösen thromboembolischen Ereignisse bei Tumorpati-
enten beträgt etwa 15%, mit einer Spannbreite der berichteten Inzidenzraten zwischen 4%
und 31% (Deitcher 2003). Das Risiko einer postoperativen tiefen Beinvenenthrombose nach
chirurgischen Interventionen von Patienten mit einer Tumorerkrankung liegt bei 36% und
ist damit zwischen 1,5- und 3,6fach höher als das postoperative Risiko bei Patienten ohne
Tumorerkrankung. Allerdings scheint das tatsächliche Risiko eines venösen thromboem-
bolischen Ereignisses deutlich höher zu liegen, da sich in Autopsien Raten von bis zu 50%
zeigen. Neben einer häufig geringen klinischen Symptomatik oder der fehlenden Spezifität
der Symptome kann auch eine Fehlinterpretation der Symptome als Tumor verursacht eine
mögliche Erklärung für diese Unterschätzung sein.
Die höchsten Inzidenzraten für venöse thromboembolische Ereignisse sind in einer
großen bevölkerungsbasierten Studie von Levitan et al. (1999) mit mehr als 7000 Medicare-
Patienten (>65 Jahre) bei Tumoren des Ovars, des Gehirns und des Pankreas beschrieben
worden. Als weitere Tumoren sind vor allem Tumoren des Magens und der Lunge sowie
Lymphome mit einer erhöhten Inzidenz von venösen thromboembolischen Ereignissen
assoziiert (Lee u. Levine 2003; Deitcher 2003). Allerdings ist auch die absolute Häufigkeit
der jeweiligen Tumorarten für das Auftreten eines venösen thromboembolischen Ereig-
nisses von Bedeutung. So waren die häufigen Tumoren der Lunge, des Kolons und der
Prostata in der Untersuchung von Levitan et al. (1999) für jeweils 21%, 18% und 17% der
Fälle verantwortlich. Das attributable Risiko in einer Population scheint daher für die häu-
figen Tumorarten am höchsten zu sein, auch wenn einzelne Tumorarten ein relativ höheres
Risikoverhältnis aufweisen.
Die venösen thromboembolischen Ereignisse können auch vor dem Tumor auftreten
und damit möglicherweise als Prädiktor dienen. Sorenson et al. (1998) führten eine natio-
nale dänische Studie durch, die Daten des Danish National Registry of Patients (1977–1992)
mit den Entlassungsdiagnosen von 99% der dänischen Krankenhäuser und des Danish
Cancer Registry verband. Die Autoren identifizierten 15.348 Patienten mit tiefer Beinven-
enthrombose und 11.305 Patienten mit Lungenembolie. Der Beobachtungszeitraum betrug
bei Patienten nach tiefer Beinvenenthrombose 6,1 Jahre und bei Patienten nach Lungenem-
bolie 3,6 Jahre. In der Kohorte nach tiefer Beinvenenthrombose trat bei 1737 Patienten ein
Tumor auf (erwartete Fälle nach Schätzung auf Basis nationaler alters-, geschlechts- und
lokalisationsadjustierter Inzidenzraten: 1372) und in der Kohorte nach Lungenembolie bei
730 Patienten (erwartete Fälle: 556). Damit ergab sich eine standardisierte Inzidenz-Ratio
(SIR) für einen Tumor von 1,3 nach einer tiefen Beinvenenthrombose (95%-KI 1,21–1,33)
und von 1,3 nach einer Lungenembolie (95%-KI 1,2–1,4). Das Risiko für einen Tumor war
16 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

4, 0 Tiefe Beinvenenthrombose
Lungenembolie
3, 5
Standardisierte Inzidenz Ratio

3, 0
3
2, 5

2, 0

1, 5

1, 0

0, 5

0, 0
. . . J. J. J.
M M M
6 12 24
5 10 10
-< < -< < ³
0 6- -< 2 5-
12
Beobachtungszeitraum
⊡ Abb. 3.1. Risiko des Auftretens eines Tumors nach einer tiefen Beinvenenthrombose oder einer Lungenembolie
in Abhängigkeit von der Länge des Beobachtungszeitraums. (Mod. nach Sorenson et al. 1998)

vor allem in den ersten sechs Monaten deutlich erhöht und sank dann auf 1,0 nach einem
Jahr ab (⊡ Abb. 3.1).
Im ersten Jahr nach dem venösen thromboembolischen Ereignis lag die SIR insgesamt
bei 2,1 (95%-KI 1,9–2,4) für Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose und bei 2,3 (95%-KI
2,0–2,7) für Patienten mit Lungenembolie (⊡ Tabelle 3.1).
Die starke Assoziation im ersten Jahr bestand mit einigen Tumorarten, vor allem
bei Tumoren des Pankreas, des Ovars, der Leber (primäres Leberzellkarzinom) und des
Gehirns. Von den Patienten, die im Laufe des Jahres nach einem thromboembolischen
Ereignis eine Tumorerkrankung diagnostiziert bekamen, hatten 40% bereits Fernmetasta-
sen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und 25% eine regionale Ausbreitung des Tumors.
Das Risiko eines Tumors lag bei rezidivierenden Episoden eines venösen thromboem-
bolischen Ereignisses bei 3,2 (95%-KI 2,0–4,8). Im ansteigendem Alter nahm die Bedeu-
tung eines venösen thromboembolischen Ereignisses als Prädiktor für einen Tumor ab.
Allerdings kamen andere Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen über die Bedeutung
von venösen thromboembolischen Ereignissen als Prädiktor für eine Tumorerkrankung
(Sorenson et al. 1998).
Bei Patienten mit Tumorerkrankungen zählt neben der tiefen Beinvenenthrombose
und der Lungenembolie auch die tiefe Thrombose der oberen Extremitäten in Zusam-
menhang mit zentralen Venenkathetern zu den venösen thromboembolischen Ereignissen
⊡ Tabelle 3.1. Standardisierte Inzidenz-Ratio (SIR) für bestimmte Tumorarten bei Patienten im Jahr nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund einer tiefen Beinvenen-
thrombose (TVT) oder Lungenembolie (LE). (Mod. nach Sorenson et al. 1998)

Art des Tumors Tiefe Beinvenenthrombose Lungenembolie


Beobachtete Fälle Erwartete Fälle SIR (95% KI) Beobachtete Fälle Erwartete Fälle SIR (95% KI)

Alle Tumoren 390 181,5 2,1 (1,9–2,4) 170 74,1 2,3 (2,0–2,7)

Stark assoziiert TVT und LE


Pankreas 35 5,8 6,0 (4,2–8,4) 9 2,4 3,8 (1,7–7,2)
Ovar 16 3,1 5,2 (2,9–8,3) 11 1,4 7,9 (4,0–14,4)
Leber, primär 6 1,9 3,2 (1,2–6,9) 5 0,8 6,3 (2,1–15,3)
Gehirn 10 3,3 3,0 (1,5–5,6) 7 1,4 5,0 (2,0–10,5)
Non-Hodgkin-Lymphom 10 3,5 2,9 (1,4–5,2) 4 1,4 2,9 (0,8–7,2)
Ösophagus 5 1,8 2,8 (0,9–6,6) 2 0,7 2,9 (0,3–10,4)
Niere 12 5,0 2,4 (1,2–4,1) 5 2,1 2,4 (0,8–5,6)
Kapitel 3 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien

Leukämie 11 4,4 2,5 (1,2–4,4) 3 1,8 1,7 (0,3–4,9)

Stark assoziiert TVT oder LE


Prostata 58 13,7 4,2 (3,2–5,5) 6 5,5 1,1 (0,4–2,4)
Uterus 10 3,4 2,9 (1,4–5,4) 1 1,5 0,7 (0,0–3,6)
Lunge 43 24,4 1,8 (1,3–2,4) 41 10,3 4,0 (2,9–5,4)

Schwach assoziiert
Magen 14 7,0 2,0 (0,7–3,3) 6 2,8 2,1 (0,8–4,6)
Kolon 26 16,3 1,6 (1,0–2,3) 13 6,5 2,0 (1,1–3,4)
Mamma 18 14,3 1,3 (0,7–2,0) 6 6,1 1,0 (0,4–2,2)
17

Blase 12 11,9 1,0 (0,5–1,8) 7 4,8 1,5 (0,6–3,0)


Rektum 6 9,1 0,7 (0,2–1,4) 6 3,7 1,6 (0,6–3,5)
Malignes Melanom 1 3,0 0,3 (0,0–1,9) 0 1,2 1,2 (0,0–3,1)

KI Konfidenzintervall
3
18 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

(Versio u. Agnelli 2003). Die Inzidenz der tiefen Venenthrombose liegt bei länger verwei-
lenden zentralen Venenkathetern klinisch zwischen 0,3% und 28% und in der Phlebogra-
phie zwischen 27% und 66%. Die Inzidenz der klinisch manifesten Lungenembolie liegt
bei Patienten mit tiefer Venenthrombose der oberen Extremitäten zwischen 15% und 25%,
allerdings ergaben Autopsien auch Raten bis zu 50%. Pathogenetische Faktoren sind die
3 Verletzung des Gefäßes bei Legen des Katheters, der venöse Rückstau durch den liegenden
Katheter und die mit dem Tumor verbundene Hyperkoagulabilität.
Der Verlauf von venösen thromboembolischen Ereignissen unterscheidet sich bei Pati-
enten mit einem Tumor deutlich von dem Verlauf bei Patienten ohne Tumor (Deitcher
2003). Patienten mit Tumorerkrankung haben häufiger eine proximale tiefe Beinvenen-
thrombose als Patienten ohne Tumorerkrankung (Prandoni et al. 1996). Ebenso zeigen sie
eine größere Ausprägung der Thrombose, eine stärkere klinische Verschlechterung trotz
antikoagulativer Therapie und eine geringere Verbesserung in der Phlebographie. Das Risi-
ko eines rezidivierenden venösen thromboembolischen Ereignisses ist bei Patienten mit
Tumorerkrankung etwa 2- bis 3fach erhöht (Prandoni et al. 1996; Heit et al. 2000; Hansson
et al. 2000; Prandoni et al. 2002; Bona et al. 1995; Hutten et al. 2000). Antineoplastische The-
rapie erhöht das Risiko eines Rezidivs bei Patienten mit Tumorerkrankung weiter (Deitcher
2003). Ebenso scheint während Phasen, in denen die International Normalized Ratio (INR)
trotz Antikoagulation unter 2 sinkt, bei Patienten mit Tumor im Vergleich zu Patienten
ohne Tumor eine deutlich höhere Revidizrate vorzuliegen (54 vs. 15, 9 Ereignisse pro 100
Patientenjahre; Hutten et al. 2000).

Schlaganfall

Patienten mit einem Schlaganfall und Lähmungen haben ohne medikamentöse Prophylaxe
ein hohes Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose in der gelähmten Extremität mit einer
Inzidenz von 56% (95%-KI 51–61%; ⊡ s. Tabelle 2.3; Nicolaides et al. 2001; Geerts et al. 2001).
Die Inzidenz der Lungenembolie liegt bei Patienten mit Schlaganfall zwischen 8% und 37%
(Gregory u. Kuhlemeier 2003). Das Risiko von Patienten mit einem Schlaganfall für eine
tiefe Beinvenenthrombose ist vor allem durch den veränderten Blutfluss in der gelähmten
Extremität erhöht. Auch kann es aufgrund der Lähmung schwierig sein, die Symptome der
tiefen Beinvenenthrombose richtig zu interpretieren. Das führt zu einer fehlenden oder
verspäteten Therapie mit einem erhöhten Risiko für eine Lungenembolie.
Bei Patienten unter medikamentöser Prophylaxe ist die Inzidenz venöser thromboem-
bolischer Ereignisse deutlich geringer (Geerts et al. 2001; Langhorne et al. 2000; Roth et al.
2001). In Interventionsstudien, die Patienten unter antikoagulativer Therapie mit Patienten
unter Plazebo verglichen, lag die Inzidenz in der Interventionsgruppe zwischen 10% und
24%. In aktuellen Kohortenstudien liegen die Inzidenzraten mit 2–4% für eine tiefe Bein-
venenthrombose und mit 1% für eine Lungenembolie noch geringer (Langhorne et al. 2000;
Roth et al. 2001). So wurden in einer prospektiven Studie von Langhorne et al. (2000) 311
konsekutive Patienten mit Schlaganfall über einen Zeitraum von 30 Monaten nachbeobach-
tet. Bei 2% (95%-KI 0–3%) der Patienten trat während des stationären Aufenthaltes eine
tiefe Beinvenenthrombose auf und bei 1% (95%-KI 0–2%) eine Lungenembolie. Allerdings
scheinen die tatsächlichen Inzidenzraten für venöse thromboembolische Ereignisse unter
medikamentöser Prophylaxe höher zu liegen als klinisch diagnostiziert. In einer Studie
wurde bei 421 Patienten nach einem Schlaganfall bei Aufnahme in die stationäre Rehabili-
Kapitel 3 · Häufigkeit von Thrombosen und Embolien
19 3

tation routinemäßig eine Dopplersonographie der Beinvenen durchgeführt (Pambianco et


al. 1995). Dabei fanden sich bei 14% der Patienten eine tiefe Beinvenenthrombose.
In einem retrospektiven Vergleich zwischen Patienten mit Schlaganfall thromboem-
bolischer und hämorrhagischer Ätiologie ergab sich eine höhere Inzidenz venöser throm-
boembolischer Ereignisse bei Patienten mit hämorrhagischen Schlaganfällen (Gregory u.
Kuhlemeier 2003). Bei den 1926 Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall ereigneten
sich in 37 Fällen (1,9%) eine tiefe Beinvenenthrombose und in acht Fällen (0,4%) eine
Lungenembolie. Bei den 15.599 Patienten mit thromboembolischen Schlaganfall ereigne-
ten sich in 74 Fällen (0,5%) eine tiefe Beinvenenthrombose und in 18 Fällen (0,1%) eine
Lungenembolie. Bei Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall wird häufig aufgrund des
Risikos der Vergrößerung des hämorrhagischen Areals keine medikamentöse Prophylaxe
durchgeführt.
Trotz der Effektivität der Antikoagulanzien in der Reduktion von Morbidität und Mor-
talität durch venöse thromboembolische Ereignisse sind weiterhin ungefähr 5–25% der frü-
hen Todesfälle nach einem Schlaganfall durch eine Lungenembolie verursacht (Geerts et al.
2001; Kelly et al. 2002). Da sich etwa die Hälfte der fatalen Lungenembolien als plötzlicher
Todesfall präsentiert und die meisten dieser Patienten keine klinischen Zeichen einer tiefen
Beinvenenthrombose aufweisen, sind die symptomatischen Lungenembolien vermutlich
nur die Spitze des Eisberges (Kelly et al. 2002).

Myokardinfarkt

Die Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose beträgt bei Patienten mit einem Myokardin-
farkt ohne medikamentöse Prophylaxe 22% (95%-KI 16–28%) (⊡ s. Tabelle 2.3; Nicolaides et
al. 2001; Geerts et al. 2001). In älteren Studien vor dem weit verbreiteten Einsatz der Throm-
bolyse und/oder weiterer antithrombotischer Therapien bei Patienten mit Myokardinfarkt
bewirkte die antikoagulative Therapie mit niedrig- oder hochdosiertem unfraktionierten
Heparin bereits eine deutliche Reduktion der Inzidenz der tiefen Beinvenenthrombose auf
4–7%. Die relative Risikoreduktion betrug bei niedrig dosiertem unfraktionierten Heparin
71% und bei hoch dosiertem unfraktionierten Heparin 86%. Ältere randomisierte Studien,
die eine kombinierte Therapie aus Heparin und oraler Antikoagulation mit entweder kei-
ner medikamentösen Prophylaxe oder einer niedrig dosierten Antikoagulation verglichen
hatten, zeigten analog eine deutliche Reduktion im Auftreten venöser thromboembolischer
Ereignisse bei Patienten mit intensivierter Therapie.
Der derzeitige Therapiestandard beim Myokardinfarkt mit einer Verbindung von
Heparin, Thrombozytenaggregationshemmern, Thrombolyse und/oder weiteren anti-
thrombotischen Substanzen führt dazu, dass die Prävention venöser thromboembolischer
Ereignisse als sekundäre Wirkung parallel erfolgt. Eine Reihe an Risikofaktoren für eine
tiefe Beinvenenthrombose sind häufig mit einem Myokardinfarkt assoziiert, z. B. zuneh-
mendes Alter, Bettruhe, venöser Rückstau aufgrund chronischer Herzinsuffizienz, sodass
der Myokardinfarkt noch nicht als unabhängiger Risikofaktor für ein venöses thromboem-
bolisches Ereignis etabliert ist.
4

Komplikationen und Spätfolgen


Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich

Venöse thromboembolische Ereignisse sind einer hohen Rate an Rezidiven und einer ins-
gesamt erhöhten Mortalität verbunden (Kearon 2003; White 2003; Geerts et al. 2001). Spät-
folgen sind das postthrombotische Syndrom und die chronisch-venöse Insuffizienz, die mit
einer eingeschränkten gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patienten verbunden sind.

Rezividierende Episoden

Das Risiko eines rezidivierenden thromboembolischen Ereignisses nach dem Absetzen


der Antikoagulation ist entscheidend davon abhängig, ob das initiale Ereignis mit einem
vorübergehenden oder persistierenden Risikofaktor assoziiert war (Kearon 2003). So liegt
das Risiko eines Rezidivs bei einem vorübergehenden Risikofaktor wie z. B. einer vorausge-
gangenen Operation nach dem Absetzen der Antikoagulation bei ca. 3%. Bei Patienten mit
einem persistierenden Risikofaktor wie z. B. einer Tumorerkrankung oder bei einer »idi-
opathischen« Thrombose ist das Risiko eines Rezidivs ca. 10%. Bestimmte biochemische
Anomalien sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines Rezidivs verbunden. Vor allem
das Antiphospholipidsyndrom zeigt ein etwa 2fach erhöhtes Risiko eines Rezidivs. Das
Risiko ist direkt nach dem Absetzen der Antikoagulation am höchsten, bleibt aber auch im
weiteren Verlauf kontinuierlich erhöht. Ohne Therapie haben etwa 50% der Patienten mit
symptomatischer proximaler tiefer Beinvenenthrombose oder Lungenembolie eine rezidi-
vierende Episode innerhalb von drei Monaten. Das Risiko eines Rezidivs ist nach proxima-
ler tiefer Beinvenenthrombose und Lungenembolie ähnlich hoch. Rezidivierende Episoden
treten nach einer Lungenembolie meist in Form ebenfalls einer Lungenembolie (ca. 60%
der Episoden) und nach einer tiefen Beinvenenthrombose in Form einer tiefen Beinven-
enthrombose (ca. 80% der Episoden). Daher ist die Mortalität durch ein rezidivierendes
venöses thromboembolisches Ereignis nach einer Lungenembolie etwa doppelt so hoch im
Vergleich zur tiefen Beinvenenthrombose. Im Vergleich zur proximalen tiefen Beinven-
enthrombose oder Lungenembolie haben distale tiefe Beinvenenthrombosen ein deutlich
geringeres Risiko eines Rezidivs. Innerhalb der ersten sechs Monate treten Rezidive bei
Patienten, die über einen kürzeren Zeitraum eine antikoagulative Therapie erhalten hatten,
meist im selben Bein auf, vermutlich aufgrund der Reaktivierung des initialen Thrombus.
Nach sechs Monaten können Rezidive auch die andere Seite betreffen, hier scheinen syste-
mische Faktoren eine größere Rolle als lokale Faktoren zu spielen.
Kapitel 4 · Komplikationen und Spätfolgen
21 4
Postthrombotisches Syndrom

Das postthrombotische Syndrom entsteht durch eine Schädigung der Venenklappen mit
venöser Insuffizienz und Ausbildung von Ödemen, Hypoxie und unter Umständen zu
Hautulzerationen. Das postthrombotische Syndrom ist eine häufige Komplikation nach
tiefer Beinvenenthrombose und entwickelt sich in 20–50% der Patienten innerhalb von
ein bis zwei Jahren nach symptomatischer tiefer Beinvenenthrombose (Kahn u. Ginsberg
2004). So zeigte sich in einer Kohortenstudie von Prandoni et al. (1996), dass bei Patienten
nach erster Episode einer symptomatischen tiefen Beinvenenthrombose die kumulative
Inzidenz des postthrombotischen Syndroms 17% nach 1 Jahr, 23% nach 2 Jahren, 28% nach
5 Jahren und 29% nach 8 Jahren betrug. Die Patienten waren dazu ermutigt worden, Kom-
pressionsstrümpfe zu tragen. Eine schwere Form mit Entstehung von venösen Ulzera tritt
bei etwa einem Viertel bis einem Drittel der Patienten mit postthrombotischem Syndrom
auf (Kahn u. Ginsberg 2004).
Als Hauptrisikofaktor für die Ausbildung eines postthrombotischen Syndroms gilt die
rezidivierende, ipsilaterale tiefe Beinvenenthrombose, die das Risiko etwa 6fach erhöht
(Kahn u. Ginsberg 2004). Rezidivierende tiefe Beinvenenthrombosen führen vermutlich
über eine Schädigung bereits angegriffener Venenklappen und eine zusätzliche Obstruk-
tion der Venen zum postthrombotischen Syndrom. Es gibt nur eine geringe Assoziati-
on zwischen dem Schweregrad der initialen Thrombose in der Phlebographie und der
Ausbildung eines postthrombotischen Syndroms. In einigen Studien war das Risiko bei
proximalen tiefen Beinvenenthrombosen höher als bei distalen, während die Lokalisation
der Thrombose in anderen Studien keine Rolle spielte. Unter Umständen können auch
asymptomatische tiefe Beinvenenthrombosen, die z. B. durch Screening entdeckt werden,
zu einem postthrombotischen Syndrom führen, allerdings sind die Ergebnisse verschiede-
ner Studien dazu kontrovers.
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist bei Patienten mit postthrombotischem
Syndrom deutlich reduziert (Beyth et al. 1995; Kahn et al. 2002). In einer Studie, die Patien-
ten sechs bis acht Jahre nach einer tiefen Beinvenenthrombose mit einem krankheitsüber-
greifenden Instrument zur Lebensqualität – dem SF-36 – untersuchte, hatten die Patienten
mit postthrombotischem Syndrom ein schlechteres Gesundheitsempfinden, eine stärker
reduzierte körperliche Funktionsfähigkeit und eine höhergradige Einschränkung der Rol-
lenfunktionen als Patienten ohne postthrombotisches Syndrom (Beyth et al. 1995). Eine
andere Studie, die einen krankheitsspezifischen Fragebogen einsetzte, zeigte ebenfalls eine
deutlich reduzierte gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten mit postthromboti-
schen Syndrom zwei Jahre nach einer tiefen Beinvenenthrombose (Kahn et al. 2002). Mit
zunehmendem Schweregrad des postthrombotischen Syndroms verschlechterten sich die
Werte für die Lebensqualität.

Prognose

Die Mortalität ist nach einem venösen thromboembolischen Ereignis deutlich erhöht
(Kearon 2003; Kniffin et al. 1994). So zeigten Kniffin et al. (1994) in ihrer Studie bei Medi-
care-Mitgliedern im Alter über 65 Jahren eine intrahospitale Mortalität von 21% nach
einer Lungenembolie und von 3% nach einer tiefen Beinvenenthrombose. Die Mortalität
nach einem Jahr lag bei einer Lungenembolie bei 39% und bei einer tiefen Beinvenen-
22 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

thrombose bei 21%. Kearon (2003) fasste in seiner Übersichtsarbeit die Mortalitätsraten
zusammen und berichtete, dass ungefähr ein Viertel der Patienten nach einer Lungenem-
bolie innerhalb eines Jahres versterben. Während allerdings die Mehrheit der Todesfälle
innerhalb eines Monats durch eine tödliche Lungenembolie verursacht sind, sind nur
20% der Todesfälle innerhalb eines Jahres auf ein Rezidiv einer Lungenembolie zurück zu
führen. Hier sind die meisten Todesfälle durch die Grunderkrankung, z. B. eine Tumor-
erkrankung oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedingt. Insgesamt haben zwar Patienten
mit Lungenembolie eine erheblich höhere intrahospitale Mortalität als Patienten mit tiefer
4 Beinvenenthrombose, aber nach dem ersten Monat gleicht sich die Mortalität zu einem
großen Teil an.
5

Sozialmedizinische
und sozioökonomische Bedeutung
Jacqueline Müller-Nordhorn, Stefan N. Willich

Die Kosten der venösen thromboembolischen Ereignisse und ihrer Komplikationen sind
beträchtlich (Caprini et al. 2003; Bergqvist et al. 1997). In einer schwedischen retrospekti-
ven Studie wurden 257 Patienten mit einer tiefen Beinvenenthrombose und 241 alters- und
geschlechtsgematchte Kontrollen ohne tiefe Beinvenenthrombose verglichen. Nach 15 Jah-
re waren 35% der Patienten mit und 57% der Kontrollen ohne tiefe Beinvenenthrombose
am Leben. Bei den Patienten ereigneten sich 242 Komplikationen und bei den Kontrollen
25 ähnliche Ereignisse. Die geschätzten Kosten der Behandlung sowohl der primären
tiefen Beinvenenthrombose als auch der postthrombotischen Komplikationen betrugen
$ 10.368,–. Davon entfielen etwa 60% auf das primäre Ereignis ($ 6083,–) und 40% auf die
postthrombotischen Komplikationen ($ 4285,–).
Caprini et al. (2003) berechneten mithilfe eines gesundheitsökonomischem Markov-
Modells die geschätzten Kosten der Versorgung für Komplikationen der tiefen Beinven-
enthrombose nach Patienten nach Hüftgelenkersatz für die USA. Unter Verwendung
veröffentlichter Daten zu Inzidenz und Prognose nach tiefer Beinvenenthrombose wurde
der natürliche Verlauf simuliert und die Inanspruchnahme medizinischer Ressourcen
berechnet. Auf Basis der Literatur wurden erfolgte medizinische Leistungen (Einheiten)
für ein postthrombotisches Syndrom geringen/mittleren und höheren Schweregrades ange-
nommen. Die Anzahl der beanspruchten Einheiten wurde dann mit den Kosten pro Einheit
multipliziert. Dabei ergaben sich folgende Kosten pro Jahr und Patient für jede der gezeig-
ten Komplikationen: postthrombotisches Syndrom geringen und mittleren Schweregrades
$ 839,– im ersten Jahr und $ 341,– in den folgenden Jahren, postthrombotisches Syndrom
höheren Schweregrades $ 3817,– im ersten Jahr und $ 1677,– in den folgenden Jahren, tiefe
Beinvenenthrombose $ 3798,– und Lungenembolie $ 6604,–. Die mittleren diskontierten
Lebenszeitkosten der Komplikationen der tiefen Beinvenenthrombose beliefen sich damit
auf geschätzte $ 3069,– (95%-KI $ 2091–4279,–).
Im Hinblick auf die hohen Kosten der venösen thromboembolischen Ereignisse und
ihrer Komplikationen gewinnt die Frage der Kosteneffektivität der zur Verfügung stehen-
den antikoagulativen Therapie zunehmend an Bedeutung. Gould et al. (1999) evaluierten
die Kosteneffektivität der niedermolekularen Heparine im Vergleich zu unfraktioniertem
Heparin in der Behandlung der tiefen Beinvenenthrombose. Unter Verwendung eines
entscheidungsanalytischen Modells wurde eine Kosten-Effektivitäts-Analyse durchgeführt.
Die Daten zur klinischen Effektivität basierten auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, die
24 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

⊡ Tabelle 5.1. Ergebnisse der Kosten-Effektivitäts-Analyse zum Vergleich der Therapie der tiefen Beinvenen-
thrombose zwischen niedermolekularem und unfraktioniertem Heparin. (Mod. nach Gould et al. 1999)

Variable Niedermolekulares Unfraktioniertes Differenz


Heparin Heparin

Initiale Therapiekosten $ 3638,– $ 3402,– 236

Kosten früher Komplikationen $ 520,– $ 664,– –144

Kosten später Komplikationen $ 2368,– $ 2346,– 22


5
Zukünftige Versorgungskosten
für Langzeit-Komplikationen $ 19.990,– $ 19.949,– 41

Gesamtkosten $ 26.516,– $ 26.361,– 155

Lebenserwartung 9,429 Jahre 9,406 Jahre 0,022

Qualitätsadjustierte Lebensjahre 7,998 Jahre 7,978 Jahre 0,020

Inkrementelle Kosten-
Effektivität, $/Lebensjahr 6910

Inkrementelle Kosten-Effektivität,
$/Qualitätsadjustiertes Lebensjahr 7820

11 randomisierte Interventionsstudien zum Vergleich niedermolekulares vs. unfraktionier-


tes Heparin eingeschlossen hatten (Gould et al. 1999). Die Kosten während der stationären
Behandlung beliefen sich auf $ 26.516,– für niedermolekulares Heparin und auf $ 26.361,–
für unfraktioniertes Heparin. ⊡ Tabelle 5.1 zeigt die Kosten für die initiale Therapie und die
Therapie der Komplikationen im Vergleich sowie die inkrementellen (zusätzlichen) Kosten
durch niedermolekulare Heparine pro gewonnenem Lebensjahr und qualitätsadjustiertem
Lebensjahr.
Die inkrementelle Kosteneffektivität für niedermolekulare Heparine betrug $ 6910,–
pro gewonnenem Lebensjahr und $ 7820,– pro gewonnenem qualitätsadjustiertem Lebens-
jahr. Damit liegen die inkrementellen Kosten niedermolekularer Heparine deutlich unter
den inkrementellen Kosten, die für andere medizinische Therapien und Interventionen
bezahlt werden. In einer Sekundäranalyse wurde die Annahme untersucht, dass 30% der
Patienten niedermolekulares Heparin ambulant erhalten würden und 25% bereits nach
dem 3. Tag entlassen werden könnten. Damit lagen die Kosten für niedermolekulare Hepa-
rine mit $ 25.599,– bereits unter den Kosten für unfraktioniertes Heparin mit $ 26.361,–,
sodass keine inkrementellen Kosten durch niedermolekulare Heparine entstehen würden.
Diese wären damit sowohl in ihrer klinischen Effektivität überlegen als auch kosten-
sparend.
Eine Untersuchung aus Deutschland zur Kosteneffektivität der niedermolekularen
Heparine in der Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse kam zu einem ähnlichen
Ergebnis (Szucs u. Schramm 1999) Die aus der gesellschaftlichen Perspektive berech-
Kapitel 1–5 · Fragen
25 1–5

neten Kosten zeigten einen deutlichen Vorteil für niedermolekulare Heparine. In einer
hypothetischen Kohorte von 10.000 Patienten ergab sich über die Reduktion venöser
thromboembolischer Ereignisse durch niedermolekulare Heparine eine Einsparung von
967 Arbeitstagen bzw. € 103.700,– und 130,9 Lebensjahren in der Allgemeinchirurgie und
von 5308 Arbeitstagen bzw. € 569.250,– und 784,4 Lebensjahren in der orthopädischen
Chirurgie. Aus Sicht der Krankenhäuser würde die Einsparung durch niedermolekulare
Heparine € 398.050,– pro 10.000 Patienten in der Allgemeinchirurgie und € 1.005.150,– in
der Orthopädie betragen. Eine aktuelle deutsche Studie ergab, dass Patienten nach
Kniegelenkendoprothese oder Hüftgelenkersatz im Durchschnitt für eine Dauer von 38
Tagen (±16) eine parenterale Antikoagulation erhielten (McBride et al. 2004). Von den
309 Patienten erhielten 9% nach Beendigung der parenteralen Antikoagulation eine orale
Antikoagulation, für eine mittlere Dauer von 38 Tagen (±21). Dabei betrugen die mittleren
Kosten für die parenterale Antikoagulation € 61,– (±20) und waren damit weniger als 1%
der Krankenhauskosten. Die Kosten für die orale Antikoagulation nach Entlassung belie-
fen sich auf € 91,– (±84).
Aufgrund der hohen Krankheitsbelastung durch venöse thromboembolische Ereignisse
sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft erscheint eine adäquate Prophylaxe
von Thrombosen und Embolien entscheidend. Für die medikamentöse Prophylaxe ist
neben der Frage der Effektivität in der Vermeidung des Auftretens venöser thromboembo-
lischer Ereignisse für die Zukunft auch die Frage der Kosteneffektivität entscheidend.

Fragen zu Kapitel 1–5: Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

Kapitel 1: Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien


1. Eine Reihe von Studien hat die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse in
verschiedenen Populationen untersucht. In welchem Bereich liegen die ermittelten, für
Alter und Geschlecht standardisierten, Inzidenzraten pro 100.000?
A. zwischen 27 und 45 pro 100.000
B. zwischen 71 und 117 pro 100.000
C. zwischen 130 und 175 pro 100.000
D. zwischen 191 und 236 pro 100.000
E. zwischen 250 und 298 pro 100.000

2. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse
in der Bevölkerung deutlich an. Wie viel beträgt das relative Risiko pro 10-Jahres-Anstieg
des Lebensalters?
A. 1,1
B. 1,3
C. 1,5
D. 1,7
E. 1,9


26 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

Kapitel 2: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen


3. Bei Patienten, die operativ versorgt werden, ist das Risiko eines venösen thromboemboli-
schen Ereignisses unterschiedlich hoch. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko ohne
medikamentöse Prophylaxe am höchsten?
A. Bei Patienten nach elektivem Hüftgelenksersatz
B. Bei Patienten nach gynäkologischen Operationen
C. Bei Patienten nach allgemeinchirurgischen Operationen
D. Bei Patienten nach retropubischer Prostatektomie
E. Bei Patienten nach neurochirurgischen Operationen

4. Internistische Erkrankungen sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines venösen
thromboembolischen Ereignisses verbunden. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko
ohne medikamentöse Prophylaxe am höchsten?
A. Bei Patienten nach Myokardinfarkt
B. Bei allgemeinmedizinischen Patienten
C. Bei geriatrischen Patienten
D. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz
E. Bei Patienten nach Schlaganfall

Kapitel 3: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern


5. Venöse thromboembolische Ereignisse können auch vor einem Tumor auftreten und
damit als Prädiktor dienen. Welche Tumorart ist besonders stark mit dem Auftreten einer
tiefen Beinvenenthrombose assoziiert?
A. Magen
B. Malignes Melanom
C. Blase
D. Pankreas
E. Mamma

6. Unter medikamentöser Prophylaxe ist die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereig-


nisse deutlich geringer als ohne medikamentöse Prophylaxe. In welchem Bereich liegt die
Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse nach Knie- oder Hüftgelenksersatz bei
medikamentöser Prophylaxe in Kohortenstudien?
A. 0% bis unter 5%
B. 5% bis unter 10%
C. 10% bis unter 15%
D. 15% bis unter 20%
E. 20% bis unter 25%


Kapitel 1–5 · Fragen
27 1–5

Kapitel 4: Komplikationen und Spätfolgen


7. Venöse thromboembolische Ereignisse sind mit einer hohen Rate an Rezidiven und einer
insgesamt höheren Mortalität verbunden. Welche Aussage zu Rezidiven venöser throm-
boembolischer Ereignisse ist richtig?
A. Rezidive treten nach einer tiefen Beinvenenthrombose meist in Form einer Lungen-
embolie auf.
B. Das Risiko eines Rezidivs ist nach einer Lungenembolie höher als nach einer tiefen
Beinvenenthrombose.
C. In den ersten sechs Monaten treten Rezidive einer tiefen Beinvenenthrombose meist
im anderen Bein auf.
D. Die Mortalität durch ein Rezidiv ist nach einer Lungenembolie etwa doppelt so hoch
im Vergleich zur tiefen Beinvenenthrombose.
E. Distale tiefe Beinvenenthrombosen haben im Vergleich zu proximalen Beinvenen-
thrombosen ein deutlich höheres Risiko eines Rezidivs.

8. Eine mögliche Spätfolge einer tiefen Beinvenenthrombose ist das postthrombotische


Syndrom. Welcher gilt als der Hauptrisikofaktor für die Ausbildung eines postthromboti-
schen Syndroms?
A. Proximale tiefe Beinvenenthrombose
B. Hoher Schweregrad der initialen tiefen Beinvenenthrombose
C. Rezidivierende, ipsilaterale tiefe Beinvenenthrombose
D. Asymptomatische tiefe Beinvenenthrombose
E. Rezidivierende Lungenembolien

Kapitel 5: Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung


9. Die Kosten der tiefen Beinvenenthrombose und ihrer Komplikationen sind beträchtlich.
Dabei verursacht sowohl das primäre Ereignis Kosten als auch die postthrombotischen
Komplikationen. Welcher prozentuale Anteil an den Gesamtkosten (primäres Ereignis
plus Komplikationen) entsteht in etwa durch die postthrombotischen Komplikationen?
A. 10% der Kosten
B. 20% der Kosten
C. 40% der Kosten
D. 50% der Kosten
E. 70% der Kosten

10. In einer Kosten-Effektivitäts-Analyse wurde der Einsatz von niedermolekularem und


unfraktioniertem Heparin in der Therapie der tiefen Beinvenenthrombose verglichen. Die
Daten zur klinischen Effektivität basierten auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, die 11
randomisierte Interventionsstudien eingeschlossen hatte. Welche inkrementellen (zusätz-
lichen) Kosten ergaben sich aufgerundet (in US-Dollar) durch den Einsatz von niedermo-
lekularem im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin pro gewonnenem Lebensjahr?
A. ca. $ 1000,–
B. ca. $ 3000,–
C. ca. $ 5000,–
D. ca. $ 7000,–
E. ca. $ 9000,–
28 Teil I · Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

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II

Teil II Pathophysiologie

Kapitel 6 Gerinnungskaskade – 32

Kapitel 7 Virchow-Trias – 40

Kapitel 8 Hereditäre Thrombophilie – 45

Kapitel 9 Unterschiede in der Thrombogenese


in Chirurgie und Innerer Medizin – 57

Kapitel 10 Thrombogenität verschiedener


Krankheitsbilder – 59
6

Gerinnungskaskade
B. Linnemann, E. Lindhoff-Last

Dem Gerinnungssystem kommen physiologischerweise zwei gegensätzliche Aufgaben zu.


Durch ständige Antikoagulation wird einerseits die kontinuierliche Blutströmung auf-
rechterhalten, andererseits muss bei einer Gefäßverletzung die Gerinnung möglichst rasch
einsetzen und sich auf den Ort der Gefäßverletzung beschränken, um einen Blutverlust
möglichst gering zu halten und den Kreislauf unbehindert aufrechtzuerhalten. Sowohl
exzessive Blutungen als auch intravaskuläre Thrombosen und Embolien sind in der Regel
Ausdruck einer Störung des hämostaseologischen Gleichgewichts. Die Diagnostik und The-
rapie von Patienten mit Blutungen oder Thrombosen erfordert daher eine gewisse Kenntnis
der Physiologie und Pathophysiologie der Hämostase.
Die Blutgerinnung (Hämostase) wird ausgelöst, sobald das Endothel eines Gefäßes
durch ein Trauma, eine Operation oder eine Erkrankung geschädigt wird und subendothe-
liale Strukturen mit Bestandteilen des Blutes in Kontakt treten. Der Vorgang kann unterteilt
werden in eine primäre und eine sekundäre Komponente. Die primäre Hämostase umfasst
eine reflektorische nervös und humoral vermittelte Vasokonstriktion, durch die die Blut-
zufuhr im Verletzungsbereich gedrosselt wird. Gleichzeitig kommt es zur Bildung eines
primären Thrombus, der zunächst überwiegend aus Thrombozyten besteht. Diese adhärie-
ren am freigelegten Kollagen des Subendothels, aggregieren miteinander und verschließen
primär die Wunde. Diese Vorgänge laufen innerhalb von Sekunden ab und sind von großer
Bedeutung bei der Begrenzung eines Blutverlustes aus Kapillaren, kleinen Arteriolen und
Venolen. Die Phase der sekundären Hämostase umfasst die Verfestigung des primären
Thrombus durch ein Netzwerk aus Fibrin und erfordert die Bildung von Thrombin durch
das plasmatische Gerinnungssystem. Diese Abläufe benötigen einige Minuten und sind
wichtig zur Verhinderung von Blutungsrezidiven nach einer Verletzung. Die Vorgänge
der primären und sekundären Hämostase sind eng miteinander verwoben. Beispielsweise
beschleunigen aktivierte Thrombozyten die plasmatische Gerinnung, während Thrombin
wiederum die Thrombozytenaggregation stimulieren kann.
Mit der Bildung eines Thrombus werden reaktiv auch Gerinnungsinhibitoren und das
fibrinolytische System aktiv. Während Erstere das Ausmaß der Fibrinbildung begrenzen,
wird die Auflösung des Thrombus durch Fibrinolyse eingeleitet. Bleibt ein Thrombus über
mehrere Tage bestehen, so wird er zunehmend refraktär gegen einen fibrinolytischen
Abbau. Es kommt zu strukturellen Veränderungen: Glatte Muskelzellen und Fibroblasten
proliferieren und wandern aus dem Subendothel in den Thrombus ein, seine Oberfläche
wird von Endothelzellen überwachsen. Im Thrombus können neue kapillare Blutgefäße
Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
33 6

⊡ Abb. 6.1. Phasen der Gefäßwandverletzungsreaktion (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von AstraZeneca
GmbH, Wedel)

⊡ Tabelle 6.1. Grundreaktionen der Hämostase

Primäre Hämostase Sekundäre Hämostase Fibrinolyse und Gefäßregenerierung

Vasokonstriktion Plasmatische Gerinnung Fibrinolyse


Bildung von Thrombin/Fibrin

Thrombozytenaktivierung Modifizierung des Thrombus Re-Endothelialisierung


Adhäsion, Aggregation Fibrinvernetzung Thrombusorganisation
Thrombusstabilisierung Entzündung, Fibrose, Rekanalisierung

▼ ▼ ▼

Thrombozytenaggregat Thrombozytenaggregat Regenerierung


instabil, reversibel stabil, fibrinvernetzt

aussprießen, wodurch schließlich der Blutfluss durch den Thrombus zumindest teilweise
wieder hergestellt wird (⊡ Abb. 6.1, ⊡ Tabelle 6.1).
Im Folgenden sollen die einzelnen Komponenten des Hämostasesystems genauer
betrachtet werden.

Gefäßwand

Dem Endothel kommen wichtige regulierende Aufgaben innerhalb des Hämostasesystems


zu. Unter physiologischen Bedingungen gewährleistet es eine kontinuierliche Blutströ-
mung durch Freisetzung von Prostazyklin zur Hemmung der Thrombozytenaggregation
sowie durch Bildung des endogenen Heparinoids Heparansulfat, das die plasmatische
34 Teil II · Pathophysiologie

⊡ Tabelle 6.2. Synthese pro- und antithrombotischer Faktoren im Gefäßendothel

Prothrombotische Endothelfaktoren Antithrombotische Endothelfaktoren

von-Willebrand-Faktor vWF Tissue Factor Pathway Inhibitor TFPI

Tissue Factor TF (Thromboplastin, Faktor III) Heparansulfatproteoglykan HSPG

Faktor V Tissue Type Plasminogen Activator tPA

Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 PAI-1 Stickstoffmonoxid NO

Platelet Activating Factor PAF Prostaglandin PGI2

6 High-molecular-weight-Kininogen (HMWK) ADPase

Rezeptoren für HMWK, Tenase, Prothrombinase, Thrombomodulin TM


Faktor IX, vWF, Fibrinogen

Protein S
Rezeptoren für uPA, tPA, Fibrinogen, Protein C

Gerinnung hemmt. Daneben wird Tissue Plasminogen Activator (tPA) freigesetzt, der die
Fibrinolyse aktiviert. Die Endothelzellen stellen zudem eine Barriere zwischen dem Suben-
dothel und dem Blut dar. Im Verletzungsfall ist diese aufgehoben, und durch den Kontakt
von Substanzen aus dem subendothelialen Bereich mit Blutbestandteilen kommt es zur
Gerinnungsaktivierung. Subendotheliales Kollagen induziert vermittelt über den von-Wil-
lebrand-Faktor die Plättchenadhäsion und anschließend die Plättchenaggregation. Dane-
ben wird Tissue Factor aus verletzten Gewebszellen wie Makrophagen, Fibroblasten und
Muskelzellen freigesetzt, der parallel die plasmatische Gerinnung startet (⊡ Tabelle 6.2).

Thrombozyten

Die Adhäsion von Thrombozyten an subendotheliale Matrixproteine wie Kollagen, Fibro-


nektin oder Laminin wird durch spezifische Glykolproteine auf der Thrombozytenmem-
bran vermittelt, von denen der Rezeptor des von-Willebrand-Faktors der wichtigste ist.
Dieser ist ein Komplex aus drei Glykoproteinen, dem GPIb, GPIX und GP V. Durch Inter-
aktion mit subendothelial gebundenem von-Willebrand-Faktor adhärieren Thrombozyten
an die verletzte Gefäßwand.
Es resultiert eine Aktivierung der Thrombozyten, wodurch gerinnungsaktive Membran-
phospholipide von innen nach außen gekehrt werden und damit die Matrix für die plasma-
tischen Gerinnungsprozesse bilden. Der Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor erfährt im Rahmen
der Aktivierung eine Konformationsänderung, die eine Bindung von Fibrinogen ermög-
licht. Fibrinogen vermittelt die Thrombozytenaggregation, indem es nebeneinanderliegende
Thrombozyten über GPIIb/IIIa-Rezeptoren miteinander verbindet. Sekundär kommt es
zur Freisetzung von Thromboxan A2, Adenosindiphosphat (ADP), Serotonin und plätt-
chenaktivierendem Faktor (PAF), die die Thrombozytenaggregation fördern. Mit Einsatz
Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
35 6

⊡ Abb. 6.2. Thrombozytenadhäsion und -aggregation

der sekundären Hämostase und Aktivierung der plasmatischen Gerinnung wird schließlich
Thrombus-assoziiertes Fibrinogen durch Thrombin in Fibrin überführt (⊡ Abb. 6.2).

Plasmatische Gerinnung

Am Ende der plasmatischen Blutgerinnung steht die Bildung eines festen Fibrinthrombus,
der die Wundfläche bzw. Endothelläsion abdeckt. Die plasmatische Gerinnung ist cha-
rakterisiert durch eine sequenziell ablaufende enzymatische Reaktionsfolge, bei der jeder
Gerinnungsfaktor zunächst als inaktives Proenzym vorliegt und nach seiner Aktivierung
den nächsten Faktor aktiviert, indem er bestimmte Fragmente proteolytisch abspaltet. Die
Gerinnungsfaktoren sind in der Regel Serinproteasen.
Der plasmatische Gerinnungsablauf kann auf zwei Wegen gestartet werden:
 Bei der extrinsischen Aktivierung kommen Blutbestandteile in Kontakt mit suben-
dothelial gebildetem Tissue Factor (TF). Die intakte Endothelschicht als funktionelle
Barriere zwischen Blut und extravaskulärem Gewebe verhindert physiologischerweise
den Kontakt von Tissue Factor mit den im Plasma vorliegenden Gerinnungsfaktoren.
Erst bei einer Endothelläsion kommt es zur Bindung von Tissue Factor an aktivierten
Faktor VII, und der resultierende Komplex (sog. »extrinsischer Faktor-X-Aktivator-
Komplex«) aktiviert im weiteren die Gerinnungsfaktoren IX und X. Faktor IX selbst
kann ebenfalls Faktor X aktivieren, eine Reaktion, die durch Faktor VIII als Kofaktor
noch beschleunigt wird (⊡ Abb. 6.3; Mann 2003).
 Die intrinsische Aktivierung erfolgt unter Beteiligung der Faktoren des sog. Kontakt-
systems, zu denen der Faktor XII (Hageman-Faktor), das Präkallikrein (PK) und das
High-Molecular-Weight-Kininogen (HMWK) gezählt werden. Faktor XII wird dabei
an negativ geladene Oberflächen – in der Regel makromolekulare Strukturen wie z. B.
Endotoxin – gebunden, was zu seiner Aktivierung führt (sog. Kontaktaktivierung).
Faktor XIIa spaltet als Komplex mit Präkallikrein und HMWK den Faktor XI und leitet
so die intrinsische Gerinnung ein. Zusätzlich werden dem Faktor XIIa auch profibri-
nolytische Eigenschaften zugeschrieben. Es konnte gezeigt werden, dass Faktor XIIa
ein direkter Plasminogenaktivator ist (Braat et al. 1999). Während man früher davon
ausging, dass die Aktivierung von Faktor XII am Anfang der intrinsischen Gerinnung
36 Teil II · Pathophysiologie

steht, konnte kürzlich gezeigt werden, dass eine Gerinnungsaktivierung auf intrinsi-
schem Weg auch ohne Faktor XII möglich ist. Diese kommt auch zustande, wenn an
Endothelzellen gebundenes Präkallikrein in Gegenwart von HMWK aktiviert wird. Der
aktivierte Faktor XI aktiviert Faktor IX zu Faktor IXa, der zusammen mit Faktor VIIIa
den sog. »intrinsischen Tenasekomplex« bildet (Kitchens 2002).

Sowohl der extrinsische als auch der intrinsische Weg münden in einer Aktivierung des
Faktors X. Faktor Xa allein ist lediglich in der Lage, geringe Mengen von Prothrombin in
Thrombin umzuwandeln. Erst durch die beiden durch Thrombin aktivierten Kofaktoren
Faktor V und Faktor VIII kommt es zu einer starken Beschleunigung der Gerinnungsvor-
gänge. Einerseits bildet aktivierter Faktor VIII zusammen mit aktiviertem Faktor IX den
sog. »intrinsischen Tenasekomplex«, der wesentlich mehr Faktor X umsetzt als Faktor IXa
6 allein oder der »extrinsische Tenasekomplex« (TF-Faktor VIIa). Über 90% der Faktor-X-
Aktivierung sind auf diesen Weg zurückzuführen. Bei Abwesenheit von Faktor VIII oder
IX fällt daher die Gerinnungsantwort auf eine Endothelläsion wesentlich schwächer aus. Es
resultiert das Krankheitsbild der Hämophilie A bzw. Hämophilie B.
In der Endstrecke der Gerinnung bildet Faktor Xa mit Faktor Va auf aktivierten
Thrombozytenoberflächen den Prothrombinasekomplex, der Prothrombin in Thrombin
umwandelt. Der Prothrombinasekomplex ist hinsichtlich der Thrombinaktivierung etwa
300.000fach stärker wirksam als Faktor Xa allein. Thrombin spaltet dann lösliches Fibrino-
gen in Fibrin. Die Fibrinmonomere lagern sich spontan zu unlöslichen Polymeren zusam-
men und werden schließlich durch thrombinaktivierten Faktor XIII kovalent verknüpft.
Das Resultat ist ein irreversibler Gerinnungsthrombus.

⊡ Abb. 6.3. Plasmatische Gerinnung


Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
37 6
Physiologische Inhibitoren der Gerinnung

Den Gerinnungsaktivatoren stehen die physiologischen Gerinnungsinhibitoren gegenüber.


Im Wesentlichen sind es drei Systeme, die regulierend bzw. inhibierend in die Gerinnungs-
kaskade und Fibrinbildung eingreifen. Dazu gehören der Tissue Factor Pathway Inhibitor
(TFPI), das Protein-C-System und das Antithrombin. Physiologischerweise stehen Aktiva-
toren und Inhibitoren im Gleichgewicht.
Der Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) ist ein Lipoprotein-assoziiertes Plasmapro-
tein und wichtigster Inhibitor der extrinsischen Gerinnung. Er wird von Endothelzellen frei-
gesetzt und bei der Bildung von Faktor Xa wirksam. TFPI blockiert die TF-FVIIa-abhängige
Bildung der Faktoren IXa und Xa. Dem extrinsischen Tenasekomplex aus Tissue Factor und
Factor VIIa kommt somit die Funktion eines primären und temporären Auslösers der Gerin-
nungsreaktion zu, der durch TFPI wieder abgeschaltet wird (Mann 2003; Nesheim 2003).
Ein weiterer wichtiger Gerinnungsinhibitor ist das Antithrombin (AT). Beim Antithrombin
handelt es sich um ein Glykoprotein, das überwiegend in der Leber synthetisiert wird. Es in-
hibiert die meisten prokoagulatorischen Serinproteasen der Gerinnungskaskade, hauptsäch-
lich jedoch Thrombin und Faktor Xa. In geringerem Ausmaß werden auch die Faktoren IXa,
XIa, XIIa, Kallikrein und Plasmin in ihrer Aktivität gehemmt. Die Bindung von Antithrombin
an Thrombin erfolgt kovalent, die entstehenden Thrombin-AT-Komplexe (TAT-Komplexe)
werden schließlich über die Leber eliminiert. Die Bildung von TAT-Komplexen wird durch
die Gegenwart kleiner Mengen von Heparin oder Heparansulfat mehr als 1000fach beschleu-
nigt. Antithrombin bindet an Heparin über eine spezifische Pentasaccharidsequenz. Für die
Hemmung von Faktor Xa ist diese Pentasaccharidkette ausreichend, hingegen erfordert die
Thrombinhemmung die Bildung eines trimolekularen Komplexes unter Brückenbildung von
Antithrombin, Thrombin und Heparin. Hierfür muss das Heparinmolekül eine Kettenlänge
von minimal 18 Saccharid-Einheiten aufweisen, die die spezifische Pentasaccharidsequenz
enthält. Nach Bildung des TAT-Komplexes verliert Antithrombin seine Affinität für Heparin,
sodass dieses aus dem Komplex dissoziiert und weitere Antithrombinmoleküle binden kann.
Auf diesem Mechanismus beruht die Wirkung von Heparin als indirekt wirkendes Antiko-
agulans in der antithrombotischen Therapie. Eine analoge physiologische Bedeutung und
Wirkung hat das auf Endothelzellen exprimierte Heparansulfat (Kottke-Marchant 2002a).
Im Weiteren wird der Gerinnungsablauf durch Thrombomodulin, Protein C und Pro-
tein S verzögert bzw. lokal begrenzt. Thrombomodulin (TM) ist ein membranständiger
Thrombinrezeptor. Durch Bindung an diesen Rezeptor verliert Thrombin seinen prokoa-
gulierenden Effekt und erhält die Fähigkeit, Gerinnungsinhibitoren zu aktivieren. Darüber
hinaus kann es jetzt rascher durch Antithrombin gebunden und inaktiviert werden. Der
Komplex aus Thrombomodulin und Thrombin aktiviert im Plasma zirkulierendes Pro-
tein C. Aktiviertes Protein C wiederum bewirkt die Proteolyse und damit Inaktivierung
der Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa an der Oberfläche von Phospholipiden bzw. an der
Oberfläche aktivierter Thrombozyten und blockiert somit die Bildung des Prothrombina-
sekomplexes und letztlich die Umwandlung von Prothrombin in Thrombin. Dieser Vor-
gang wird beschleunigt durch Kofaktoren wie Protein S. Die Thrombomodulin-vermittelte
Aktivierung von Protein C durch Thrombin stellt somit einen negativen Rückkopplungs-
mechanismus dar, durch den die Thrombinbildung inhibiert wird. Dieser Mechanismus ist
abhängig von der Gegenwart von Thrombomodulin auf dem intakten Gefäßendothel und
bewirkt so eine Begrenzung des Gerinnungsprozesses auf den Ort einer Endothelläsion. Die
physiologische Bedeutung dieser Prozesse wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt,
38 Teil II · Pathophysiologie

⊡ Abb. 6.4. Physiologische Inhibitoren der Gerinnung

dass ein Mangel an Protein C oder Protein S bzw. eine verminderte Empfindlichkeit gegen
aktiviertes Protein C (APC-Resistenz) mit einer erhöhten Rate thromboembolischer Ereig-
nisse einhergeht (Esmon 2003; Kottke-Marchant 2002b).
Die Regulation des Thrombomodulin-Protein-C-/-S-Mechanismus durch Zytokine und
Komplementfaktoren weist auf eine enge Verknüpfung zwischen Gerinnungssystem und
Immunsystem hin. So bewirken z. B. Interleukin-1E und Tumor-Nekrose-Faktor D eine
Down-Regulation der Thrombomodulinexpression, woraus eine verminderte Protein-C-
Aktivität resultiert. Dies könnte einen Mechanismus darstellen, über den das erhöhte Risiko
für Thromboembolien bei akuten und chronischen entzündlichen Erkrankungen erklärt
werden kann. Andererseits scheint aktiviertes Protein C auch antiinflammatorische Eigen-
schaften zu haben. In Tiermodellen wurde durch Infusion von APC die Ausschüttung von
TNF-D durch aktivierte Monozyten vermindert, ein Effekt, der möglicherweise durch direk-
te Bindung von APC an einen spezifischen Monozytenrezeptor vermittelt wird. Es gibt erste
Hinweise darauf, dass sich durch therapeutischen Einsatz von aktiviertem Protein C bei
schweren septischen Krankheitsbildern die Letalität senken lässt (Bernard 2001; ⊡ Abb. 6.4).

Fibrinolytisches System

Das fibrinolytische System kontrolliert das Ausmaß der Fibrinbildung und bewirkt die Auflö-
sung des fibrinvernetzten Thrombus. Ähnlich wie die Gerinnungskaskade wird auch die fib-
rinolytische Aktivität durch das Verhältnis pro- und antifibrinolytischer Faktoren bestimmt.
Die wichtigsten Faktoren des fibrinolytischen Systems sind das Plasminogen und der Tissue-
Type-Plasminogen-Aktivator (tPA). Nach Aktivierung von Plasminogen zu Plasmin bewirkt
dieses die proteolytische Spaltung von Fibrin in Fibrinspaltprodukte. Die Umwandlung des
im Plasma in inaktiver Form vorkommenden Plasminogens zu Plasmin erfolgt durch den
Tissue-Type Plasminogen-Aktivator (tPA) bzw. den Urokinase-Type-Plasminogen-Aktiva-
tor (uPA). tPA wird in aktiver Form von Endothelzellen sezerniert und ist hauptsächlich für
die Plasminaktivierung verantwortlich. uPA wird im Gegensatz zu tPA als inaktive Vorstufe
Kapitel 6 · Gerinnungskaskade
39 6

überwiegend in nichtendothelialen Zellen produziert. Eine proteolytische Aktivierung von


uPA erfolgt durch Plasmin selbst oder in Abhängigkeit von Faktor XII via Kallikrein. Aus
dem Endothel stammt auch der wichtigste Inhibitor des tPA, der Plaminogenaktivatorinhi-
bitor PAI-1. Ein weiterer Plasmininhibitor ist der thrombinaktivierbare Fibrinolyseinhibitor
(TAFI), der eine wichtige Stellung zwischen Gerinnung und Fibrinolyse einnimmt. Er wird
durch steigende Thrombinkonzentrationen aktiviert und bewirkt durch Hemmung der Fib-
rinolyse eine Stabilisierung des Fibringerinnsels (Nesheim 2003; ⊡ Abb. 6.5).
Gerinnung und Fibrinolyse laufen auch im gesunden Organismus ständig ab. Dabei
stehen prokoagulatorische und antikoagulatorische Faktoren im Gleichgewicht. Erst bei
Überwiegen eines Systems kommt es zum Auftreten von Krankheitsbildern, die mit Blu-
tungen oder Thrombosen einhergehen (⊡ Abb. 6.6).

⊡ Abb. 6.5. Fibrinolyse (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von AstraZeneca GmbH, Wedel)

Faktoren Prothrombin Inhibitoren


Gerinnungsfaktoren Antithrombin
Phospholipide Protein C + S
Kalziumionen Tissue Factor Pathway Inhibitor

Thrombin

Gerinnung Antikoagulation

⊡ Abb. 6.6. Physiologisches Gleichgewicht der Gerinnung


7

Virchow-Trias
B. Linnemann, E. Lindhoff-Last

Virchow beschrieb bereits 1856 drei Faktoren, die er als wesentlich für die Thromboseent-
stehung ansah und die unter dem Begriff der Virchow-Trias zusammengefasst werden.
Dabei handelt es sich um Veränderungen der Gefäßwand, der Blutströmung und der
Zusammensetzung des Blutes. Mit der Identifizierung thrombophiler Hämostasestörun-
gen, die entweder mit einer erhöhten Plasmaaktivität von prokoagulatorischen Faktoren
oder einer Funktionseinschränkung von Gerinnungsinhibitoren verbunden sind, wird
insbesondere der Hyperkoagulabilität heutzutage bei der venösen Thromboseentstehung
eine zunehmende Bedeutung beigemessen. Man muss aber davon ausgehen, dass nicht ein
einzelner Faktor, sondern mehrere Faktoren zusammenkommen müssen, um die Genese
einer venösen Thrombose zu erklären (⊡ Abb. 7.1).

Veränderungen der Gefäßwand

Alle Gefäße, sowohl die arteriellen als auch die venösen, haben einen ähnlichen dreischich-
tigen Wandaufbau aus Intima, Media und Adventitia. Die wichtigsten zellulären Bestand-
teile der Gefäßwand sind die Endothelzellen und die glatten Muskelzellen. Die glatten
Muskelzellen der Media und die bindegewebigen Bestandteile mit ihrem längs-, quer- und
zirkulärgespannten Fasernetz sind von entscheidender Bedeutung für den Gefäßtonus.
Durch sie wird im arteriellen Gefäßsystem der periphere Widerstand reguliert und im
venösen Gefäßsystem die Anpassung an wechselnde Blutvolumina ermöglicht.
Die Endothelzellen stellen die Barriere dar zwischen Intravasal- und Extravasalraum.
Sie verhindern normalerweise den Kontakt gerinnungsaktiver Substanzen des Blutes mit
denen des Subendothels, aus dem eine Gerinnungsaktivierung resultieren würde. Daher
sind sie ideal positioniert, um regulierend in lokale Gerinnungsvorgänge einzugreifen. Zur
Aufrechterhaltung der Blutströmung synthetisiert das Endothel unter anderem eine Reihe
antithrombogener Substanzen. Zu diesen gehören das Prostazyklin, das Heparansulfat und
der Tissue Plasminogen Activator. Während Prostazyklin, ein Stoffwechselprodukt des
Arachidonsäurestoffwechsels, hemmend auf die Thrombozytenaggregation wirkt, besteht
die Wirkung von Heparansulfat in einer Hemmung der plasmatischen Gerinnung. Wie
Heparin bindet auch Heparansulfat an Antithrombin und verstärkt dessen gerinnungsin-
hibierende Wirkung. Der Tissue Plasminogen Activator hingegen ist einer der wichtigsten
Fibrinolyseaktivatoren. Ein weiterer Mechanismus, über den das Endothel antikoagulato-
Kapitel 7 · Virchow-Trias
41 7

Veränderungen
der Blutzusammen-
setzung

Virchow-
Trias

Veränderungen Veränderungen
der Blutströmung der Gefäßwand

Rudolf Virchow 1821–1902

⊡ Abb. 7.1. Pathogenese der Thrombose – Virchow-Trias

rische Wirkung entfaltet, ist die Interaktion von Thrombomodulin mit Thrombin. Throm-
bomodulin als membranständiger Thrombinrezeptor der Endothelzellen bindet Thrombin
und verändert so dessen Substratspezifität. An Thrombomodulin gebundenes Thrombin ist
nicht länger in der Lage, Fibrinogen zu spalten, sondern aktiviert jetzt Protein C. Zusam-
men mit seinem Kofaktor Protein S bildet aktiviertes Protein C an der Endotheloberfläche
einen katalytisch aktiven Komplex, der die Faktoren Va und VIIIa inaktiviert.
Außer den genannten Faktoren ist noch ein Schutzfilm aus Glykoproteinen, die sog. Gly-
kokalyx, für die Thrombinresistenz des intakten Endothels verantwortlich. Dies bedeutet,
dass im normalen Zustand auf der Endothelzelloberfläche die antikoagulatorischen Reak-
tionen überwiegen, sodass der freie Blutfluss gewährleistet ist, im stimulierten Zustand als
Reaktion auf eine Endothelläsion überwiegen jedoch prokoagulatorische Eigenschaften.
Eine Endothelläsion führt zur Freilegung von kollagenhaltigem subendothelialen Gewe-
be. Vermittelt über von-Willebrand-Faktor und spezifische Glykoproteine auf der Thrombo-
zytenoberfläche kommt es zur Thrombozytenaggregation. Hingegen aktiviert die Bindung
von Tissue Factor (Gewebsthromboplastin) an zirkulierenden Faktor VII a die plasmatische
Gerinnung. Infolge der Gerinnungsaktivierung kommt es zur Ausbildung eines Thrombus.
Verschiedene Faktoren bzw. Mechanismen können zu einer Ablösung oder Schädigung
von Endothelzellen führen. An erster Stelle sind hier mechanische Alterationen infolge von
Traumata und chirurgischen Eingriffen zu nennen, wobei nicht nur das direkte zerstörende
Gewebstrauma eine Rolle spielt. Insbesondere bei Eingriffen an den unteren Extremitäten
erhöht eine Tourniquet-Dauer von mehr als 60 min das Thromboserisiko deutlich. Es wur-
de daher postuliert, das auch eine hypoxische und metabolische Schädigung des Gefäßen-
dothels thrombogen wirkt. Chemische und immunologische Schädigungen des Endothels
werden angenommen bei Entzündungen (Phlebitis, Infektion, Sepsis), Hyperlipidämie,
Nikotinabusus und Transplantatabstoßungen. Im arteriellen Gefäßsystem gelten außerdem
Strömungsturbulenzen an stenosierenden Plaques oder Bifurkationen und erhöhter Scher-
stress als Ursachen für Mikroläsionen des Endothels, auf die sich konsekutiv ein Thrombus
auflagern kann.
42 Teil II · Pathophysiologie

Veränderungen der Blutströmung

Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes begünstigen ebenfalls die


Thromboseentstehung. Neben der Strömungsverlangsamung bis hin zur Stase gelten auch
Strömungsturbulenzen, wie sie an Gefäßaufzweigungen, an Passagehindernissen, an defek-
ten Venenklappen oder bei lokalen Gefäßerweiterungen (Aneurysma, Varizen) auftreten,
als thrombogen. Es wird angenommen, dass der turbulente Blutfluss lokal das Endothel
schädigt, was eine Gerinnungsaktivierung auslöst. Verwirbelungen haben außerdem eine
Zerstörung des plasmatischen Randflusses in den Gefäßen zur Folge. Auf diese Weise kom-
men vermehrt zelluläre Blutbestandteile mit dem Gefäßendothel in Kontakt, wodurch sich
die Wahrscheinlichkeit ihrer Anlagerung an Endothelläsionen erhöht. Dieser Mechanismus
wird vor allem für die Entstehung arterieller Thrombosen über atherosklerotischen Plaques
verantwortlich gemacht.
Häufigste Ursachen für eine Strömungsverlangsamung im venösen Gefäßsystem sind
der Ausfall der Muskelpumpe infolge Bettlägerigkeit, Extremitätenparesen oder Immobili-
7 sierung von Extremitäten nach Trauma durch gelenküberschreitende Verbände sowie der
generelle Blutstau infolge einer Herzinsuffizienz. Eine Verlangsamung des Blutstroms tritt
auch auf bei lokalen Gefäßerweiterungen (Aneurysma, Varikosis) oder Kompression von
Gefäßen (»Reisethrombose« durch Abknicken der V. poplitea bei beengter Sitzhaltung).
Ebenso nimmt bei einer Erhöhung der Blutviskosität (z. B. im Rahmen von Exsikkose,
Polyglobulie, Paraproteinämie) die Strömungsgeschwindigkeit im Gefäßsystem ab. Die
pathogenetische Bedeutung einer Strömungsverlangsamung oder Stase wird auch daran
deutlich, dass über 90% der Thrombosen im Einzugsgebiet der V. cava inferior lokalisiert
sind. Becken- und Beinvenenthrombosen treten zudem in 60–70% der Fälle auf der linken
Seite auf, was durch die Kompression und Abflussbehinderung der V. iliaca communis
sinistra durch die überkreuzende A. iliaca communis dextra erklärt wird. Von besonderer
Bedeutung scheint dabei eine fibröse Intimaproliferation des Gefäßes (»Beckensporn«) zu
sein, die bei etwa 20% der Erwachsenen zu finden ist. Bei der chronisch venösen Insuffi-
zienz auf dem Boden eines postthrombotischen Syndroms oder einer primären Varikosis
tritt ebenfalls eine lokale Strömungsverlangsamung auf.
Eine lokale Strömungsverlangsamung bzw. Stase hat eine Agglutination von Erythro-
zyten, eine Aggregation von Thrombozyten, eine Hypoxämie von Endothelzellen und auch
der subendothelialen Strukturen zur Folge. Hypoxisch bedingt kommt es zu einer Auflo-
ckerung des Endothelzellverbands und Steigerung der Gefäßwandpermeabilität. Es werden
endotheliale Strukturen exponiert, an die sich Thrombozyten anlagern, und außerdem pro-
koagulatorische Faktoren freigesetzt. Folge ist die Entstehung eines Gerinnungsthrombus.

Veränderungen der Zusammensetzung des Blutes

An der Thrombogenese sind sowohl die zelluläre als auch die plasmatische Gerinnung betei-
ligt. Veränderungen der Thrombozytenfunktion sowie eine Verschiebung des Gleichgewichts
zwischen plasmatischen Gerinnungsaktivatoren und -inhibitoren können die Thromboge-
nität des Blutes erhöhen. Einen großen Stellenwert nehmen hier die angeborenen Throm-
bophilien ein wie z. B. die APC-Resistenz oder die Prothrombinmutation. Auf sie wird in
Kap. 8 näher eingegangen. Das Vorhandensein von Kälteagglutininen oder Kryoglobulinen
kann Thrombosen auslösen, diese betreffen hauptsächlich die Mikrostrombahn. Auslöser ist
Kapitel 7 · Virchow-Trias
43 7

in diesem Fall eine Kälteexposition, die antikörperbedingt zu einer Agglutination von Eryth-
rozyten oder Präzipitation von Immunglobulinen führt. Eine erhöhte Blutviskosität erhöht
ebenfalls die Thrombogenität des Blutes. Dies ist der Fall bei einem Anstieg des Hämatokrit
im Rahmen einer Hypovolämie (Exsikkose) oder einer Paraproteinämie beim Plasmozytom.
Bei Polyglobulie, Thrombozytose und myeloproliferativen Erkrankungen ist die Viskosität
aufgrund einer Vermehrung der zellulären Blutbestandteile erhöht.

Pathomorphologie der Thrombose

Unter einer Thrombose versteht man eine intravitale, intravasale, lokalisierte Gerinnung
von Blutbestandteilen. An der Entstehung von Thrombosen sind sowohl die zelluläre als
auch die plasmatische Gerinnung beteiligt. Beide Systeme sind eng miteinander verzahnt.
So kann z. B. die Adhäsion von Thrombozyten am Ort einer Endothelläsion die plasmati-
sche Gerinnung einleiten. Andererseits werden Thrombozyten schon durch geringe Men-
gen Thrombin aktiviert.
Je nachdem, ob die zelluläre oder plasmatische Gerinnung bei der Thrombogenese über-
wiegen, unterscheidet man pathomorphologisch im Wesentlichen zwei Thrombusarten:
 Abscheidungsthrombus (thrombozytenreich, arterielle Thrombose),
 Gerinnungsthrombus (fibrinreich, venöse Thrombose; ⊡ Abb. 7.2).

Der Abscheidungsthrombus ist in der Regel thrombozytenreich. Er entsteht im strömenden


Blut durch Adhäsion und Aggregation von Thrombozyten an einem primären Endothel-
defekt (z. B. arteriosk lerotische Läsion). Die aktivierten Thrombozyten setzen Faktoren
frei, die die plasmatische Gerinnung aktivieren, sodass sich über dem primären Plätt-
chenthrombus Fibrin abscheidet. In den Maschen des Fibrinnetzes verfangen sich auch
Erythrozyten und Leukozyten. Durch den in den Blutstrom hineinragenden Thrombus
entstehen Strömungsturbulenzen mit der Folge weiterer Episoden von Plättchen-, Fibrin-
und Blutzellabscheidung.

Arterieller Thrombus Venöser Thrombus


Thrombozytenthrombus Fibrinreicher Thrombus
Veränderung der Gefäßwand Veränderung von Blutströmung
Therapie: Thrombozyten- und -zusammensetzung
aggregationshemmung Therapie: Hemmung der plasmati-
schen Fibrinbildung

Thrombozyt

Fibrin

⊡ Abb. 7.2. Pathogenese der Thrombose


44 Teil II · Pathophysiologie

Abscheidungsthromben haben also eine primäre Gefäßwandschädigung zur Vorausset-


zung und können sich nur aus dem strömenden Blut entwickeln. Sie haften in der Regel fest
an der Gefäßwand und füllen oft nicht das gesamte Lumen aus. Diese Form der Thrombose
entwickelt sich überwiegend im arteriellen Gefäßsystem auf dem Boden einer vorbeste-
henden Gefäßerkrankung und findet sich am häufigsten bei der Atherosklerose. Arterielle
Thrombosen entstehen bevorzugt an rupturierten atherosklerotischen Plaques. Die Plaque-
ruptur legt das thrombogene Subendothel frei, das mit Thrombozyten und Gerinnungs-
faktoren reagiert. Die lokale Thrombusbildung kann zur einer partiellen oder kompletten
Okklusion des Gefäßes führen. Auch periphere Embolien sind möglich. Als Folge tritt eine
Gewebsischämie auf. Da es sich bei arteriellen Thrombosen um Thrombozytenthromben
handelt, sind Thrombozytenfunktionshemmer besonders effektiv in der Prävention.
Der Gerinnungsthrombus ist fibrin- und erythrozytenreich. Wesentlicher pathogene-
tischer Faktor ist hier die Strömungsverlangsamung (Stase). Im nichtzirkulierenden Blut
entwickelt sich eine Hypoxie mit konsekutiver Freisetzung von gerinnungsaktivierenden
Substanzen aus den Thrombozyten. Die Aktivierung der plasmatischen Gerinnung führt
7 zur Bildung eines homogenen Thrombus, der zunächst von einem eher lockeren und unge-
ordneten Fibrinnetz zusammengehalten wird, in das korpuskuläre Blutbestandteile (über-
wiegend Erythrozyten) eingeschlossen sind. Durch Fibrinretraktion nimmt das Volumen
des Thrombus ab, er kann frei im Gefäßlumen flottieren. Dabei können sich Teile loslösen
und als Embolus verschleppt werden (»ein Gerinnungsthrombus entsteht in der Windstille,
ein Windhauch trägt ihn davon«). Im Gegensatz zum Abscheidungsthrombus entsteht der
Gerinnungsthrombus vereinfacht ausgedrückt aus einer stagnierenden Blutsäule. Er füllt
häufig das Gefäßlumen komplett aus, haftet jedoch nicht fest an der Gefäßwand, was mit
einer erhöhten Emboliegefahr einhergeht.
Die Mehrzahl der venösen Thrombosen sind Gerinnungsthromben. Sie entstehen zu
über 90% in den unteren Extremitäten, oftmals nach vorangegangener Immobilisation.
Venöse Thrombosen können asymptomatisch verlaufen oder aber zu Gefäßentzündung,
schmerzhafter Extremitätenschwellung und Lungenembolie führen. Da die Aktivierung der
plasmatischen Gerinnung der wichtigste Pathomechanismus ist, sind Heparine und Cuma-
rinderivate besonders effektiv in der Prävention und Behandlung venöser Thrombosen.
Neben Abscheidungs- und Gerinnungsthrombus unterscheidet man noch gemischte
Thromben, die aus Anteilen von Abscheidungs- und Gerinnungsthromben bestehen. Die
parietalen Thromben in Aneurysmata und großen Gefäßen weisen häufig eine Schichtung
aus Abscheidungs- und Gerinnungsthromben auf. Hyaline Thromben sind hingegen das
morphologische Äquivalent einer Verbrauchskoagulopathie, bei der Mikrothromben in
kleinen Gefäßen vorliegen, bestehend aus zerfallenen Thrombozyten und Fibrin. Sie haben
ein homogen-gläsernes (hyalines) Aussehen.
8

Hereditäre Thrombophilie
B. Linnemann, E. Lindhoff-Last

Den angeborenen thrombophilen Gerinnungsstörungen kommt heute eine große klini-


sche Bedeutung zu. An das Vorliegen einer hereditären Thrombophilie sollte insbeson-
dere gedacht werden, wenn sich eine venöse thromboembolische Komplikation vor dem
60. Lebensjahr manifestiert, wenn es sich um spontane, besonders schwerwiegende oder
rezidivierende Ereignisse handelt, eine atypische Lokalisation vorliegt oder in der Famili-
enanamnese Thromboembolien beschrieben werden. Bei Frauen mit habituellen Spontan-
aborten sollte ebenfalls eine hereditäre Thrombophilie in Betracht gezogen werden.
Wird unter diesen Gesichtspunkten nach thrombophilen Gerinnungsstörungen gefahn-
det, so lässt sich in bis zu 50% der untersuchten Patienten ein hereditärer Defekt nach-
weisen. Die venösen Thrombosen können bei Vorliegen einer thrombophilen Störung
spontan auftreten, häufig sind sie jedoch getriggert durch zusätzliche Risikofaktoren
wie Schwangerschaft, Traumata, operative Eingriffe, entzündliche Erkrankungen oder
Immobilisation. In der Regel ist eine thrombophile Gerinnungsstörung nicht die alleinige
Ursache einer Thrombose, vielmehr handelt es sich bei der Thrombogenese um ein multi-
faktorielles Geschehen, bei dem verschiedene Risikofaktoren zusammenwirken. Auch bei
risikoinduzierten Thrombosen kann daher eine Thrombophilie mitursächlich beteiligt sein
(⊡ Abb. 8.1).

⊡ Abb. 8.1. Venöse Thrombose – multifakto-


rielles Geschehen
46 Teil II · Pathophysiologie

⊡ Tabelle 8.1. Häufigkeiten thrombophiler Störungen in der Normalbevölkerung sowie bei Patienten mit
venöser Thrombose

Gerinnungsstörung Prävalenz Normal- Relatives Thrombosen


bevölkerung [%] Risiko Anteil [%]

Faktor-V-Leiden (heterozygot) G1691A 5 7 19–40

Prothrombinmutante (heterozygot) G20210A 3 3 7–16

Persistierend erhöhter Faktor VIII 11 5 25

Faktor-V-Leiden (homozygot) 0,02 50–100 3

Protein-C-Mangel 0,3 4 4–5

Protein-S-Mangel 0,03–0,13 2–10 2–4

Antithrombinmangel 0,1 4–8 1,5–3


8 Antiphospholipidsyndrom ? ? ? 2–10

Im Folgenden wird ein Überblick über die etablierten thrombophilen Risikofaktoren


gegeben. Am häufigsten finden sich bei Patienten mit venösen Thromboembolien eine Fak-
tor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz), eine Prothrombinmutation oder eine persistie-
rende Faktor-VIII-Erhöhung. Bei Letzterer konnte bislang keine Veränderung im Genotyp
nachgewiesen werden, jedoch wird ein Erbgang zumindest bei einem Teil der Patienten ver-
mutet. Mangelzustände physiologischer Gerinnungsinhibitoren wie Antithrombin, Protein
C und Protein S erhöhen ebenfalls das Thromboserisiko. Für andere Veränderungen wie
die Hyperhomozysteinämie ist die Bedeutung für das venöse Thromboembolierisiko noch
nicht abschließend geklärt. Antiphospholipidantikörper treten nur selten hereditär auf, sie
sind in der Regel erworben (⊡ Tabelle 8.1).

APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Mutation)

Die häufigste Ursache einer hereditären venösen Thrombose ist die Resistenz von Faktor
Va gegen aktiviertes Protein C (APC-Resistenz). Protein C ist eine Serinprotease, die phy-
siologisch den Faktor Va spaltet und so als Gerinnungsinhibitor der Blutgerinnung entge-
gen wirkt. Der APC-Resistenz liegt in etwa 95% der Fälle eine Punktmutation im Gen des
Gerinnungsfaktors V (Austausch von Arginin durch Glutamin in Position 506 des Faktor-
V-Gens) zugrunde, wodurch der Faktor Va unempfindlich wird für die Wechselwirkung
mit aktiviertem Protein C (APC). Diese Mutation wird nach dem Entdeckungsort in den
Niederlanden als Faktor-V-Leiden-Mutation bezeichnet. Aber auch andere Mutationen
des Faktor-V-Gens, eine Schwangerschaft, die Einnahme oraler Kontrazeptiva, das Vor-
handensein von Antiphospholipidantikörpern und eine erhöhte Aktivität von Faktor VIIIa
haben Einfluss auf die APC-Sensitivität und gehen mit einem erhöhten Thromboserisiko
einher (Dahlbäck 2004).
Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
47 8

Bei thrombotischen Komplikationen ohne erkennbaren Risikofaktor wird in 20–40%


der Fälle eine pathologische Resistenz gegen aktiviertes Protein C gefunden. Im Vergleich
dazu liegt die Prävalenz der heterozygoten APC-Resistenz in der europäischen Gesamt-
bevölkerung bei etwa 3–7%. Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant. Etwa 10% der
Personen mit einer Faktor-V-Mutation sind homozygot. Diese Form bedingt ein etwa 50-
bis 100fach erhöhtes Thromboserisiko, bei der heterozygoten Form ist das relative Risiko
etwa 7fach erhöht. Bei der heterozygoten Form haben etwa 30% der Patienten eine venöse
Thrombose vor dem 50. Lebensjahr erlitten, bei der homozygoten Form manifestieren
sich die thromboembolischen Ereignisse früher. Der homozygote Defekt ist allerdings mit
einem deutlich niedrigeren Thromboserisiko assoziiert als die homozygoten Defekte von
Antithrombin, Protein C oder Protein S, bei denen oft bereits im Neugeborenenalter das
Krankheitsbild der Purpura fulminans auftritt. Bei Frauen mit APC-Resistenz steigt das
Thromboserisiko deutlich an durch eine hormonelle Kontrazeption. Während die alleinige
Einnahme von Kontrazeptiva das Thromboserisiko 4- bis 8fach je nach Präparat erhöht,
bedeutet das zusätzliche Vorliegen einer APC-Resistenz eine 35fache Erhöhung des rela-
tiven Risikos. Man nimmt an, dass orale Kontrazeptiva die Wirkung von APC zusätzlich
herabsetzen können. Heterozygote Merkmalsträgerinnen einer APC-Resistenz haben bei
Einnahme oraler Kontrazeptiva eine APC-Ratio im Bereich von Frauen mit homozygotem
Defekt (Press et al. 2002). Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Faktor-V-Leiden-
Mutation auch mit einem erhöhten Risiko für rezidivierende Aborte und Schwanger-
schaftskomplikationen einhergehen kann (Lindhoff-Last 2004). Des Weiteren wurden bei
nierentransplantierten Patienten mit APC-Resistenz häufiger akute Abstoßungsreaktionen
und kürzere Transplantatüberlebenszeiten beobachtet. Histologisch fand man bei diesen
Patienten Zeichen einer Vaskulitis und fibrinoide vaskuläre Nekrosen.
Zum funktionellen Nachweis einer APC-Resistenz wird die aktivierte partielle Throm-
boplastinzeit (aPTT) einmal ohne Zusatz von APC und einmal mit Zusatz von APC
gemessen. Im Falle einer APC-Resistenz ist die durch APC bewirkte Verlängerung der
Gerinnungszeit weniger stark ausgeprägt als in einer normalen Plasmaprobe bei Gesunden.
Die Berechnung der APC-Ratio erfolgt als Verhältnis aus beiden Gerinnungszeiten. Bei
Gesunden liegt die APC-Ratio in den meisten Testsystemen >2, bei heterozygoten Merk-
malsträgern zwischen 1,3 und 2,0 und bei Homozygoten <1,3.
Bei Vorliegen einer APC-Resistenz entstehen vorwiegend venöse Thrombosen. Sie tre-
ten in ca. 60% spontan auf, während sie sich in etwa 40% im Zusammenhang mit exogenen
Risikofaktoren wie Schwangerschaft, Geburt, Einnahme oraler Kontrazeptiva, Operation
oder Immobilisation entwickeln. Insbesondere atypische Thrombosen wie Sinusvenen-
thrombosen treten gehäuft bei APC-Resistenz sowie bei der Prothrombinmutation unter
zusätzlicher hormoneller Kontrazeption auf (Press et al. 2002). Die Frage, ob das Rezidiv-
risiko für venöse Thromboembolien bei Vorliegen einer heterozygoten Faktor-V-Leiden-
Mutation erhöht ist, ist bislang nicht geklärt. Die Datenlage in der Literatur ist diesbezüg-
lich nicht eindeutig.
Nicht selten findet man bei Patienten mit einer APC-Resistenz eine Kombination mit
anderen hereditären Defekten wie der Prothrombinmutation (etwa 10% der Fälle) oder
Mangelzuständen an Antithrombin, Protein C oder Protein S. Personen mit mindestens
zwei genetischen Defekten haben nicht nur ein besonders hohes Thromboembolierisiko.
Sie werden in der Regel auch in jüngerem Alter symptomatisch. Die Kombination der
beiden häufigsten Defekte, der APC-Resistenz und der Prothrombinmutation, bedingt ein
etwa 20fach erhöhtes Thromboserisiko.
48 Teil II · Pathophysiologie

Prothrombinmutation G20210A

Hierbei handelt es sich um eine Punktmutation in einer nichttranslatierten Region des


Prothrombingenes (Position 20210 GoA). Diese Region des Gens ist an der Regulation der
Genexpression beteiligt und wird nicht in eine Aminosäuresequenz umgesetzt. Die Mutation
ist verbunden mit einer Akkumulation von Messenger-RNA und gesteigerter Prothrombin-
synthese. Es resultiert ein um etwa 30% höherer Prothrombinspiegel im Plasma, der wahr-
scheinlich für das erhöhte venöse Thromboserisiko verantwortlich gemacht werden kann.
Die Prävalenz der Mutation in heterozygoter Form in der normalen Population wird auf
etwa 2–3% geschätzt. In selektierten Kollektiven mit Thrombosepatienten findet man die
Mutation in 7–16% der Fälle. Das Thromboserisiko von Defektträgern ist ca. 3fach höher
als von Personen ohne Mutation. Es gibt inzwischen auch Einzelfallbeschreibungen, bei
denen die Mutation in homozygoter Form nachgewiesen wurde und die schwere throm-
boembolische Komplikationen erlitten haben. Auch tritt die Prothrombinmutation nicht
selten in Kombination mit anderen hereditären Thrombophilien auf, insbesondere mit der
häufigen Faktor-V-Leiden-Mutation. Während der alleinige Nachweis einer heterozygoten
Prothrombinmutation nur gering das Thromboserisiko erhöht, so ist das Risiko für Rezi-
8 divthromben bei Vorliegen von Kombinationsdefekten deutlich erhöht.
Der Nachweis der Prothrombinmutation erfolgt in der Regel direkt mittels Genanalyse
(PCR). Zwar liegt die Prothrombinaktivität im Plasma von Merkmalsträgern der Prothrom-
binmutation höher als in einem Kontrollkollektiv, es ist aber nicht möglich, aus der Bestim-
mung der Prothrombinaktivität im Plasma Rückschlüsse auf das Vorliegen der Mutation zu
ziehen (McGlennen u. Key 2002).

Antithrombinmangel

Der hereditäre Antithrombinmangel wird in der Regel autosomal-dominant vererbt. In der


Literatur sind verschiedene Genmutationen bis hin zur Deletion beschrieben. Grundsätzlich
zu unterscheiden sind der Typ-I-Mangel mit einer Verminderung von Antithrombin um
etwa 50%, der mit einer entsprechenden Aktivitätsminderung einhergeht (quantitativer
Defekt), und der Typ-II-Mangel, bei dem die Menge des gebildeten Antithrombins zwar nor-
mal, die Aktivität jedoch wegen einer abnormen Molekülstruktur vermindert ist (qualitati-
ver Defekt). Die Antithrombinaktivität im Plasma liegt in diesem Fall meist zwischen 35 und
70%. Bei nur gering erniedrigter Aktivität (70–80%) sollte hingegen die Diagnose eines here-
ditären Antithrombinmangels in Frage gestellt werden, solange erworbene Ursachen nicht
ausgeschlossen sind. In diesen Fällen scheint das Thromboserisiko nicht erhöht zu sein.
Dem Antithrombinmangel vom Typ II liegt in der Regel eine Mutation am reaktiven
Zentrum oder an der Heparinbindungsstelle zugrunde. Der Typ I kommt häufiger vor als
der Typ II. Der hereditäre Antithrombinmangel ist selten und kommt in der Normalbevöl-
kerung mit einer Häufigkeit von etwa 0,1–0,2% vor. Bei Patienten mit venösen Thrombo-
sen werden Prävalenzen von 1–2% berichtet. Bei heterozygoten Merkmalsträgern treten
venöse Thrombosen in 70% der Fälle vor dem 35. Lebensjahr auf. Ein homozygoter Defekt
ist extrem selten und in der Regel bereits in der Neonatalperiode letal aufgrund schwerer
Thromboembolien.
Vom angeborenen Antithrombinmangel sind erworbene Mangelzustände abzugrenzen.
Eine verminderte Synthese findet sich bei Lebererkrankungen, ein erhöhter Verbrauch bei
Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
49 8

Verbrauchskoagulopathien. In diesen Fällen sind auch die prokoagulatorischen Faktoren


reduziert. Auch eine längerfristige Heparinbehandlung in höherer Dosis kann, ebenso wie
ein frisches thromboembolisches Ereignis, zu einem Verbrauch von Antithrombin führen.
Allerdings fallen die Antithrombinspiegel unter Heparintherapie selten unter 50–60%. Ein
renaler bzw. enteraler Verlust von Antithrombin ist pathogenetisch bedeutsam bei Throm-
bosen, die im Rahmen eines nephrotischen Syndroms bzw. bei exsudativer Enteropathie
entstehen (Willeke et al. 2002; Kottke-Marchant u. Duncan 2002).

Protein-C-Mangel

Protein C ist ein Vitamin-K-abhängiges Gerinnungsprotein, das in der Leber synthetisiert


wird, ebenso wie sein Kofaktor-Protein S. Protein C ist neben Antithrombin einer der wich-
tigsten Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung. Um als Serinprotease antikoagulatorisch
wirksam zu werden, bedarf es der Aktivierung durch an Thrombomodulin gebundenes
Thrombin. Aktiviertes Protein C spaltet und inaktiviert damit die als Kofaktoren wirksa-
men Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa. Protein S beschleunigt die Wirkung von aktivier-
tem Protein C und hat in dessen Abwesenheit keine antikoagulatorische Wirksamkeit. Ein
Mangel an Protein C geht mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien einher.
Die häufigsten Manifestationen sind die tiefe Beinvenenthrombose und die Lungenem-
bolie. Thrombosen mit atypischer Lokalisation sind ebenfalls beschrieben und können
Mesenterialvenen, Pfortader, Nierenvenen, Sinusvenen oder retinale Venen betreffen. Der
hereditäre Protein-C-Mangel wird in der Regel autosomal-dominant vererbt. Für das Prote-
in-C-Gen sind etwa 200 (!) Polymorphismen und Mutationen beschrieben, sodass der diag-
nostische Nachweis nicht über einen einzelnen Gendefekt möglich ist. Der Nachweis eines
Protein-C-Mangels erfolgt daher in der Regel über die Messung der Protein-C-Aktivität. Es
werden analog zum Antithrombinmangel zwei Formen unterschieden:
 Typ I mit einer Verminderung des Antigens und der Aktivität (quantitativer Defekt)
und
 Typ II mit einer Aktivitätsminderung bei normaler Antigenkonzentration.

Im letzteren Fall wird ein dysfunktionelles Protein gebildet (qualitativer Defekt). Der Typ
I ist häufiger als der Typ II; es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass sich die beiden Typen
bezüglich der Manifestation von Thrombosen unterscheiden.
Die homozygote Form des Protein-C-Mangels verursacht eine schwere Thrombosenei-
gung. Die Protein-C-Aktivität liegt in diesen Fällen <1%. Homozygote Merkmalsträger wer-
den bereits im Neugeborenenalter klinisch auffällig durch schwere Thromboembolien bis
hin zur Purpura fulminans. Ein heterozygoter Protein-C-Mangel, der mit einer etwa 50%igen
Aktivitätsminderung einhergeht, lässt sich bei 3–5% der Patienten mit venösen Thrombosen
nachweisen. Bis zum 40. Lebensjahr haben durchschnittlich 50% der heterozygoten Merk-
malsträger ein thrombotisches Ereignis erlitten (Kottke-Marchant u. Comp 2002).
Die Thromboseneigung beim heterozygoten Protein-C-Mangel ist abhängig vom Ver-
erbungsmodus. Sie ist bei autosomal-dominantem Erbgang hoch. Die Prävalenz dieser
Form in der Bevölkerung wird auf 1:16.000 geschätzt. Das thromboembolische Ereignis
tritt oft nicht spontan auf, sondern muss getriggert werden. Risikofaktoren sind operative
Eingriffe, Immobilisation, Schwangerschaft oder die Einnahme oraler Kontrazeptiva. Beim
autosomal-rezessiven Vererbungsmodus hingegen ist die Häufigkeit venöser Thrombosen
50 Teil II · Pathophysiologie

im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht erhöht. Die Prävalenz dieser Form in der Bevöl-
kerung wird mit 0,2–0,4% angegeben.
Vom hereditären Protein-C-Mangel sind erworbene Mangelzustände abzugrenzen, wie
sie bei Lebererkrankungen mit Synthesestörung (z. B. Leberzirrhose), bei frischen Throm-
bosen, erhöhtem Verbrauch im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie oder Sepsis und
bei Vitamin-K-Mangel bzw. unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (Cumarinen)
auftreten können. Die Synthese von Protein C ist Vitamin-K-abhängig. In der Einleitungs-
phase einer Cumarinbehandlung fallen Protein C und Faktor VII aufgrund der kürzeren
Halbwertszeit schneller ab als die anderen Faktoren des Prothrombinkomplexes, sodass
vorübergehend ein Zustand der Hyperkoagulabilität besteht. Insbesondere bei präexisten-
tem Protein-C-Mangel kann es daher in der Initialphase einer Cumarintherapie zu throm-
boembolischen Komplikationen oder gar einer Cumarinnekrose kommen. Bei einer Cuma-
rinbehandlung sinkt die Protein-C-Konzentration auf Werte von 40–50% ab, die Aktivität
liegt jedoch noch um ein Drittel bis ein Viertel tiefer, da bei der immunchemischen
Bestimmung auch inaktive PIVKA-Proteine (»proteins induced by vitamin-K absence«)
mitbestimmt werden (Willeke et al. 200; Kottke-Marchant u. Comp 2002).

8
Protein-S-Mangel

Protein S, ein Kofaktor des Protein C, wird von der Leber und dem Gefäßendothel gebildet.
Ein Mangel ist ebenfalls mit thromboembolischen Ereignissen assoziiert. Etwa 40% des
Proteins liegen in freier Form, 60% an das Komplementbindungsprotein C4BP gebunden
vor. Nur freies Protein S ist als Kofaktor im Protein-C-Mechanismus antikoagulatorisch
wirksam und liegt bereits primär in seiner aktiven Form vor. Durch Komplexbildung mit
Protein C wird die Proteolyse und Inaktivierung der Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa
beschleunigt. Bei einem heterozygoten Protein-S-Mangel treten gehäuft thromboemboli-
sche Ereignisse auf. Lungenembolien, tiefe Venenthrombosen und oberflächliche Throm-
bophlebitiden sind die häufigsten Manifestationen. Thrombophlebitiden werden bei etwa
50% der Betroffenen beobachtet. Ein homozygoter Protein-S-Mangel führt in der Regel
schon in der Neonatalperiode zu schweren thromboembolischen Ereignissen oder zur letal
verlaufenden Purpura fulminans. Zur Häufigkeit des Protein-S-Mangels in der Normalbe-
völkerung liegen keine konkreten Zahlen vor. In einem Kollektiv schottischer Blutspender
lag die Prävalenz <0,2%. Bei Personen mit heterozygotem Protein-S-Mangel ist das Risiko
für venöse Thromboembolien 2- bis 10fach erhöht.
Bestimmt werden können das Gesamtprotein S, das freie Protein S und die Protein-
S-Aktivität. Der Nachweis erfolgt wie beim Antithrombin- und Protein-C-Mangel primär
über eine Aktivitätsmessung. Beim hereditären Mangel werden drei Typen unterschieden:
 Typ I: Verminderung der Gesamtprotein-S-Konzentration und der Aktivität aufgrund
einer Synthesestörung,
 Typ II: Verminderung der Protein-S-Aktivität bei normalem Gesamt- und freiem Pro-
tein S aufgrund eines dysfunktionellen Proteins,
 Typ III: Verminderung von freiem Protein S und der Aktivität.

Unterschiede bezüglich der venösen Thromboseneigung bestehen nicht zwischen diesen


drei Typen. Erworbene Mangelzustände resultieren aus einer Behandlung mit Vitamin-
K-Antagonisten (Cumarinderivaten), sind aber auch während einer Schwangerschaft
Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
51 8

und unter Hormontherapie (orale Kontrazeption, postmenopausale Hormonsubstitution)


nachweisbar. Die Bildung von Autoantikörpern gegen Protein S ist beschrieben für Infek-
tionen (HIV, Varizellen) und das Antiphospholipidsyndrom. Lebererkrankungen bewir-
ken nur einen mäßigen Abfall von Protein S, die disseminierte intravasale Gerinnung geht
in der Regel mit normalen Werten einher (Willeke et al. 2002; Rezende et al. 2004).

Persistierende Faktor-VIII-Erhöhung

Erhöhte Faktor-VIII-Werte werden bei Patienten mit venösen Thrombosen in einer Häu-
figkeit von 20–40% gefunden im Vergleich zu etwa 10% in der gesunden Normalbevölke-
rung. Familienuntersuchungen deuten darauf hin, dass die Höhe des Faktor-VIII-Spiegels
genetisch determiniert ist, allerdings war die Suche nach Faktor-VIII-Genvarianten, die mit
erhöhten Faktor-VIII-Spiegeln einhergehen, bislang erfolglos.
Es ist auch noch nicht geklärt, auf welche Weise ein erhöhter Faktor VIII ein erhöhtes
Thromboserisiko vermittelt. Der Faktor VIII wird überwiegend in der Leber synthetisiert
und in der Zirkulation durch von-Willebrand-Faktor (vWF) stabilisiert. Nach Aktivierung
durch Thrombin dissoziieren Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor. Der aktivierte Fak-
tor VIII bildet einen Komplex mit Faktor IXa, der im weiteren die Aktivierung des Faktors
X beschleunigt. Dieser geht in den Prothrombinasekomplex mit ein. Der aktivierte Faktor
VIII ist somit insbesondere für den intrinsischen Weg der Gerinnungsaktivierung von
Bedeutung. Möglicherweise erklärt sich das mit erhöhten Faktor-VIII-Spiegeln einherge-
hende Thromboserisiko aber auch durch eine verminderte APC-Sensitivität. Es konnte
gezeigt werden, dass bei höheren Faktor-VIII-Spiegeln die Antwort auf aktiviertes Protein
C geringer ausfällt, ohne dass eine Faktor-V-Leiden-Mutation nachweisbar ist.
Von-Willebrand-Faktor und die Blutgruppe sind wichtige Determinanten des Faktor-
VIII-Spiegels. Es findet sich eine positive Korrelation von vWF- und Faktor-VIII-Spiegeln.
Die Blutgruppeneigenschaften A und B gehen zusätzlich mit höheren vWF- und FVIII-Spie-
geln einher als die Blutgruppe 0. Die höchsten Spiegel haben Personen mit der Blutgruppe
AB (⊡ Tabelle 8.2). Die Faktor-VIII-Spiegel steigen mit zunehmendem Alter an. Auch
Body-Mass-Index, Blutzuckerspiegel, Insulin, Fibrinogen und Triglyzeride scheinen posi-
tiv mit den Faktor-VIII-Spiegeln zu korrelieren (Kamphuisen et al. 2001). Bei Frauen mit
hormoneller Kontrazeption sind die Faktor-VIII-Spiegel signifikant höher als bei Frauen,

⊡ Tabelle 8.2. Faktor-VIII-Konzentration und Blutgruppe als VTE-Risikofaktoren. (Nach Press et al. 2002)

Faktor-VIII-Aktivität (IU/dl) Relatives Risiko

<100 1

100–124 2,3

125–149 3,0

>150 4,8

Blutgruppe A, B, vs. 0 1,5


52 Teil II · Pathophysiologie

die keine Hormonpräparate einnehmen (Schmitt et al. 2004). Nur eine persistierende Fak-
tor-VIII-Erhöhung geht mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen einher. Eine
vorübergehende Faktor-VIII-Erhöhung ist möglich im Rahmen jeder Akut-Phase-Reaktion
und lässt sich vor allem bei akutem Stress, akuten Thrombosen, Infektionen, entzündlichen
Erkrankungen, Malignomen, Leber- und Nierenerkrankungen, Hyperthyreose und in der
Schwangerschaft sowie nach Operationen nachweisen. Fällt im Rahmen eines Thrombophi-
lie-Screenings ein erhöhter Faktor-VIII-Spiegel auf, so sollte dieser Befund etwa 2 Monate
später nochmals kontrolliert werden. Eine persistierende Erhöhung von Faktor VIII bedeu-
tet ein etwa 5fach erhöhtes Thromboembolierisiko. Das Rezidivrisiko nach thrombemboli-
schem Erstereignis bei persistierender Faktor-VIII-Erhöhung wird mit 25–50% angegeben
(Kamphuisen et al. 2001; Chandler et al. 2002).

Seltene Thrombophilien

Die Dysfibrinogenämie ist eine seltene thrombophile Störung. Es sind weltweit nur einige
Hundert Familien mit hereditärer Dysfibrinogenämie bekannt. Bei der Dysfibrinogenämie
8 wird ein strukturell defektes Fibrinogenmolekül synthetisiert. Nur 20% der betroffenen Per-
sonen weisen eine Thromboseneigung auf, 25% hingegen zeigen eine Blutungsneigung und
55% sind asymptomatisch. (Hayes 2002). Auch für Erhöhungen der Faktoren I (Fibrinogen),
IX und XI ist ein Ansteigen des venösen Thromboembolierisikos beschrieben (CHandler et
al. 2002). So führt eine Hyperfibrinogenämie mit Spiegeln >5 g/l zu einer Verfünffachung
des Thromboserisikos. Für die Faktoren IX und XI wird ein nur geringer Einfluss auf das
Thromboserisiko angenommen. Erst kürzlich wurde ein Zusammenhang zwischen ernied-
rigten Faktor-XII-Spiegeln mit einem gehäuftem Auftreten venöser Thrombosen beschrie-
ben. Bei ausgeprägtem Faktor-XII-Mangel ist in In-vitro-Systemen die Gerinnbarkeit des
Blutes gehemmt, was zu einer Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) führt.
In vivo führt der Faktor-XII-Mangel aber nicht zu einer erhöhten Blutungsneigung. Ein Po-
lymorphismus (46CoT) im Faktor-XII-Gen hat Einfluss auf die Faktor-XII-Serumspiegel.
Bei homozygoter Ausprägung (T/T-Genotyp) sind die Faktor-XII-Serumspiegel signifikant
niedriger als beim C/C- oder C/T-Genotyp. Das venöse Thromboserisiko scheint bei diesen
Patienten signifikant erhöht zu sein (Kitchens 2002; Tirado et al. 2004). Eine abschließende
Bewertung lässt die derzeitige Datenlage nicht zu. Zu den selteneren hereditären Gerin-
nungsdefekten, die mit einem erhöhten Thromboserisiko in Verbindung gebracht werden,
zählen Störungen der Fibrinolyse wie der Plasminogenmangel, die verminderte Freisetzung
von Tissue Plasminogen Activator (t-PA) und erhöhte Aktivitäten von Plasminogenaktivato-
rinhibitor (PAI) (Brandt 2002). Ihre Bestimmung hat bis jetzt keinen Eingang in die Routine-
diagnostik gefunden. Zum einen fehlt eine Standardisierung der Testverfahren, zum anderen
liegen noch zu wenige oder widersprüchliche Daten für eine abschließende Bewertung vor.

MTHFR-Mutation/Hyperhomozysteinämie

Homozystein wird via Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR) Vitamin-B12-abhän-


gig in Methionin bzw. via Cystation-E-Synthetase (CBS) Vitamin-B6-abhängig in Zystein
überführt. Erhöhte Homozysteinspiegel finden sich somit hereditär bei einem Defekt der
MTHFR oder der CBS. Die Bestimmung des Plasmaspiegels erfolgt nüchtern aus EDTA-
Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
53 8

Blut, das unmittelbar nach der Blutentnahme gekühlt und möglichst innerhalb einer Stunde
verarbeitet werden sollte. Bei Unterbrechung der Kühlkette und längeren Transportzeiten
sind die Ergebnisse nicht zu verwerten, da Homozystein in vitro aus Erythrozyten freigesetzt
wird und dadurch falsch zu hohe Homozysteinspiegel gemessen werden. Frauen weisen
in der Regel niedrigere Homozysteinspiegel auf als Männer. Eine leichte Hyperhomozys-
teinämie findet man bei 5–15% der Bevölkerung. Eine Variante des MTHFR-Gens führt in
diesen Fällen bereits zur Hyperhomozysteinämie, wenn die Folsäurespiegel in den niedrig
normalen Bereich abfallen. Die Homozysteinspiegel normalisieren sich in der Regel unter
Folsäuresubstitution. Selten sind Gendefekte im MTHFR-Gen, die zu schwerem MTHFR-
Mangel und zum Krankheitsbild der Homozystinurie führen. Häufige erworbene Ursachen
einer Hyperhomozysteinämie sind neben Vitaminmangel (Vitamin B12, Vitamin B6, Folsäu-
re) eine eingeschränkte Nierenfunktion und eine hypothyreote Stoffwechsellage. Während
die Hyperhomozysteinämie mit einer erhöhten Rate an ischämischen kardio- und zerebro-
vaskulären Komplikationen einhergeht (Press et al. 2002), wird die Assoziation mit venösen
Thrombosen kontrovers diskutiert. Die Datenlage ist für eine abschließende Beurteilung
nicht ausreichend (Key u. McGlennen 2002; The Homocystein Studies Colloboration 2002).

Antiphospholipidsyndrom (APS)

Dieses Syndrom ist gekennzeichnet durch das Vorliegen von Antiphospholipidantikörpern


(APLA). Dabei handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Antikörpern (meist IgG und
IgM, selten auch IgA), die mit Epitopen negativ geladener gerinnungsaktiver Phospholipide
und Proteine reagieren. Bei den anionischen Phospholipiden handelt es sich vor allem um die
gerinnungswirksamen Phospholipide Phosphatidylserin, Phosphatidylethanolamin sowie
um das weniger gerinnungswirksame Cardiolipin (Barthels u. von Depka 2003). Am besten
untersucht sind Lupusantikoagulans (LA) und Anticardiolipin-Antikörper (ACLA). Die
Antikörper sind in der Regel erworben, nur in etwa 10% der Fälle treten sie hereditär auf.
Für Anticardiolipin-Antikörper hat das E2-Glykoprotein I (E2-GPI) als Kofaktor eine
wichtige pathophysiologische Bedeutung, da einige ACLA nur unter Vermittlung dieses
Kofaktors an Cardiolipin binden. Unter dem Begriff des Lupusantikoagulans wird eine
Vielzahl verschiedener Antikörper subsummiert, die gegen anionische Phospholipide
gerichtet sind. Kofaktor bei einigen dieser Antikörper ist Prothrombin. Charakteristisch
für die Lupusantikoagulanzien ist die Komplexbildung mit Prothrombin und damit die
Verbindung zum Prothrombinasekomplex der Gerinnungskaskade (Barthels u. von Depka
2003). Der Terminus Lupusantikoagulans wurde gewählt, da dieses Phänomen in bis zu
einem Drittel aller Patienten mit systemischen Lupus erythematodes auftritt. In In-vitro-
Testsystemen führen diese Antikörper zu einer Verlängerung der plasmatischen Gerin-
nung, indem sie die für den Ablauf der Gerinnungskaskade notwendigen Phospholipide
abfangen, die im Reagenzglas aber nur in begrenzter Zahl vorhanden sind. In vivo kommt
diesem Effekt keine Bedeutung zu, da hier immer genügend Phospholipide auf Zellmem-
branen zur Verfügung stehen. Es besteht daher trotz (in vitro) messbarer aPTT-Verlänge-
rung eine Hyperkoagulabilität und keine Blutungsneigung.
Der Nachweis von Lupusantikoagulanzien erfolgt mittels phospholipidabhängigen
Gerinnungstests, die eine Verlängerung der Gerinnungszeit erfassen. Hingegen werden für
den Nachweis von Antikörpern gegen Cardiolipin bzw. E2-Glykoprotein I immunologische
Testverfahren eingesetzt (RIA, ELISA), die die Reaktivität mit Phospholipiden oder phos-
54 Teil II · Pathophysiologie

pholipidbindenden Proteinen erfassen. Da das Antigen im VDRL-Test zur Luesdiagnostik


Cardiolipin ist, kann bei Patienten mit Antiphospholipidantikörpern eine falsch-positive
Luesreaktion auftreten. Bei Verdacht auf APS müssen sowohl ACLA als auch LA bestimmt
werden, da diese jeweils einzeln, aber auch kombiniert vorkommen können.
Der genaue Pathomechanismus der Gerinnungsstörung ist noch nicht vollständig auf-
geklärt. Es gibt mehrere Hypothesen für die zellulären und molekularen Mechanismen der
Thromboseentstehung bei Vorhandensein von APLA. Zum einen binden Antiphospholi-
pidantikörper an Endothelzellen, was die vermehrte Expression von Adhäsionsmolekülen,
Zytokinen und Prostaglandinen zur Folge hat. APLA können auch die Funktion phospho-
lipidbindender Proteine beeinflussen, die an der Regulation der Gerinnung beteiligt sind.
Obwohl bislang wenig über die Funktion von E2-Glykoprotein I bekannt ist, wird vermutet,
dass die physiologische Funktion in der Maskierung von zytoplasmatischen Phospholipi-
den liegt, woraus ein antikoagulatorischer Effekt resultiert. Gegen E2-Glykoprotein I lassen
sich beim APS Antikörper nachweisen, die einen wichtigen diagnostischen Marker dar-
stellen. Ob den Anti-E2-Glykoprotein-I-Antikörpern auch selbst eine pathophysiologische
Bedeutung zukommt, ist noch unklar. Es sind außerdem mehrere Mechanismen beschrie-
ben, in denen APLA mit regulatorischen Funktionen von Prothrombin, Protein C und
8 Tissue Factor interferieren (Levine et al. 2002). Unklar bleibt weiterhin, welche zellulären
Phospholipide und phospholipidbindenden Proteine die wesentlichen Zielantigene beim
Antiphospholipidsyndrom darstellen.
Während das primäre APS ohne weitere Systemerkrankungen familiär gehäuft auftritt
und mit den HLA-Typen DR4 und DR7 assoziiert ist, manifestiert sich das sekundäre APS
im Rahmen von Autoimmunerkrankungen, wie dem systemischen Lupus erythematodes
(SLE), dem Sjögren-Syndrom oder der rheumatoiden Arthritis sowie bei Infektionen (z. B.
HIV, HCV, Lues, Malaria) oder unter Medikamenteneinnahme (z. B. Thiazide, Phenothiazi-
ne, Hydralazin, Captopril). Das APS tritt gelegentlich auch als Erstmanifestation eines SLE
auf. Antiphospholipidantikörper können auch bei Neoplasien sowie in Zusammenhang mit
großen Operationen auftreten. Die Entwicklung von klinischen Symptomen, vereinbar mit
einem APS, ist bei diesen Patienten jedoch selten.
Das Antiphospholipidsyndrom tritt typischerweise mit folgenden klinischen Manifes-
tationen auf:
 venöse und/oder arterielle Thrombosen,
 Thrombozytopenie (meist 50.000–100.000/µl),
 wiederholte (t3) Spontanaborte oder Frühgeburten.

Um die Diagnose eines APS stellen zu können, muss mindestens ein klinisches Kriterium
(vaskuläre Thrombose oder Schwangerschaftskomplikation) vorliegen bei gleichzeitigem
Nachweis von Antikardiolipinantikörpern und/oder Lupusantikoagulans (⊡ Tabelle 8.3).
Die Antikörper müssen dabei eine Persistenz von mehr als 6 Wochen aufweisen (Wilson et
al. 1999). In etwa 80% der Fälle sind Frauen betroffen. An ein Antiphospholipidsyndrom
sollte differentialdiagnostisch gedacht werden bei Patienten mit rezidivierenden spontanen
Thrombosen, bei einem Schlaganfall im Alter unter 50 Jahren sowie bei rezidivierenden
Aborten oder früher schwerer Präeklampsie. Bei nachgewiesenen APL-Antikörpern sollte
die Suche nach antinukleären (ANA) und anti-DNA-Antikörpern folgen, um einen syste-
mischen Lupus erythematodes auszuschließen.
Häufig werden erhöhte APL-Antikörperspiegel im Blut spontan ohne erkennbare
Grunderkrankung gefunden. Es scheint eine familiäre Disposition für Antiphospholipidan-
Kapitel 8 · Hereditäre Thrombophilie
55 8

⊡ Tabelle 8.3. Diagnosekriterien des Antiphospholipidsyndroms. (Nach Wilson et al. 1999)

Klinische Kriterien Laborchemische Kriterien

Venöse und/oder arterielle Thrombosen Antikardiolipinantikörper (mittlere


oder hohe Titer von IgG- oder IgM-
Antikörpern)

Schwangerschaftskomplikationen: Lupusantikoagulans positiv


Spontanabort (t3) vor der 10. SSW
Tod (t1) eines normal entwickelten Fötus nach der 10. SSW
Frühgeburt (t1) eines normal entwickelten Kindes vor der 34. SSW

Für die Diagnose eines APS sollten ein klinisches und ein laborchemisches Kriterium vorliegen. Der Antiphospho-
lipidantikörpertest muss in mindestens 2 Untersuchungen im Abstand von 6 Wochen positiv sein.

tikörpersyndrome zu geben. Die Prävalenz leicht erhöhter APLA-Titer wird mit 2–5% in
der gesunden Normalbevölkerung angegeben. Die Prävalenz steigt mit höherem Lebensal-
ter. Bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes lassen sich in 12–34% der Fälle
Antiphospholipidantikörper nachweisen. Die Inzidenz von thrombotischen Ereignissen
bei Patienten mit APLA beträgt etwa 2 Ereignisse pro 100 Patientenjahre. Grundsätzlich
können Thrombosen in allen Gefäßen und in jedem Organsystem auftreten.
Die meisten thrombotischen Ereignisse bei APS betreffen das venöse System. Am häu-
figsten kommen tiefe Beinvenenthrombosen mit und ohne Lungenembolien vor. Venöse
Thrombosen mit atypischer Lokalisation wie z. B. der zerebralen Sinusvenen oder visze-
raler Venen (z. B. Budd-Chiari-Syndrom) sollten differentialdiagnostisch an das Vorliegen
eines APS denken lassen und eine entsprechende Diagnostik nach sich ziehen. Bei sponta-
nen venösen Thrombosen ohne erkennbaren Risikofaktor werden APLA in 2–10% der Fälle
gefunden. Das Risiko für venöse Thromboembolien ist bei Nachweis von Antikardiolipi-
nantikörpern etwa 2fach, bei Lupusantikoagulans etwa 5- bis 10fach erhöht.
Arterielle Thrombosen betreffen häufig das ZNS, wobei Ischämien im Stromgebiet der
A. cerebri media und Sehstörungen im Sinne einer Amaurosis fugax am häufigsten sind.
Insbesondere bei jungen Patienten mit apoplektischen Insulten sollte immer auch an ein
APS gedacht werden. Hier finden sich in 20–50% APLA, bei älteren Patienten in 10–20% der
Fälle. Patienten mit zerebralen Ischämien aufgrund eines APS sind meist jünger als 50 Jahre.
Bei jungen Schlaganfallpatienten mit APLA ist das Risiko eines erneuten Schlaganfalls ca. 8-
mal höher als bei Patienten ohne APLA. Durch wiederkehrende zerebrale Ischämien kann es
früh im Verlauf der Erkrankung zu einer vaskulären Demenz kommen. Mesenteriale Ischä-
mien und Myokardinfarkte können auf ein APS zurückzuführen sein. Auch Fälle steriler
Endokarditiden sind für das APS in bis zu 38% beschrieben (Hojnik et al. 1996). Verschlüsse
peripherer Arterien mit nachfolgender Gangrän sind eher selten. Rezidivierende Sponta-
naborte (in drei oder mehr aufeinander folgenden Schwangerschaften) sind ein häufiges
Phänomen bei APS. Antiphospholipidantikörper können bei diesen Frauen in einer Häu-
figkeit von etwa 5–15% nachgewiesen werden. Die Aborte entstehen teilweise in der Folge
einer Plazentainsuffizienz auf dem Boden thrombotischer Gefäßverschlüsse. Aber auch eine
Störung der Invasion des Trophoblasten und der Hormonproduktion sind möglich.
Obwohl die Thrombozytopenie häufig bei einem APS zu finden ist, sind Blutungskom-
plikationen selten. Als Ursache für die Thrombozytopenie werden einerseits eine Induktion
56 Teil II · Pathophysiologie

⊡ Tabelle 8.4. Klinische Assoziationen mit APL-Antikörpern (British Society for Haematology 2000)

Primäres APS Manifestation als

Ohne Hinweis auf Grunderkrankung Venöse Thromboembolie


Arterielle Thrombosen (v. a. Hirninfarkte)
Sterile Endokarditis mit Embolien
Rezidivierende Aborte (t3)

Sekundäres APS Manifestation bei

Bei rheumatischen Erkrankungen und Kollagenosen Systemischer Lupus erythematodes


Rheumatoide Arthritis
Sklerodermie
Morbus Behcet
Arteriitis temporalis
Sjögren-Syndrom
Psoriasisarthropathie
Andere

8 Bei akuten und chronischen Infektionen Virale Erkrankungen, z. B. HIV, Varizellen,


Hepatitis C
Bakterielle Erkrankungen, z. B. Syphilis
Parasitäre Erkrankungen, z. B. Malaria

Bei lymphoproliferativen Erkankungen Malignes Lymphom


Paraproteinämie

Bei Einnahme von Medikamenten Phenothiazine


Procainamid
Phenytoin
Chinidin
Hydralazin

Bei anderen Erkrankungen Autoimmunthrombozytopenie


Autoimmunhämolytische Anämie
Sichelzellanämie
i.v.-Drogenabusus
Livedo reticularis
Guillain-Barré-Syndrom

der Thrombozytopenie durch Antikörper gegen thrombozytäre Antigene mit konsekutiver


Gerinnungsaktivierung und peripherem Plättchenverbrauch und andererseits eine Anti-
körperbindung an Endothelzellen mit konsekutivem Verlust der antikoagulatorischen
Eigenschaften vermutet.
Sehr selten ist ein katastrophales Antiphospholipidsyndrom (CAPS). Definiert ist das
CAPS als Manifestation des APS an drei oder mehr Organsystemen. Infolge einer dis-
seminierten Thrombenbildung kommt es zum Multiorganversagen. Die Letalität dieses
Krankheitsbildes ist hoch. Histologisch wird bei Patienten mit klinischer Manifestation
eines CAPS eine Thrombosierung der kleineren Gefäße (Mikrothrombosen) anstatt des
typischen Befalls der größeren Gefäße gefunden. Die Ursache dieses fulminanten Krank-
heitsbildes ist bisher unklar.
9

Unterschiede in der Thrombogenese


in Chirurgie und Innerer Medizin
B. Linnemann, E. Lindhoff-Last

Die Kenntnisse über den relativen Stellenwert der einzelnen pathogenetischen Faktoren der
Virchow-Trias (s. Kap. 7) in der Thrombogenese verschiedener Krankheitsbilder sind auch
heute noch unzureichend. Grundsätzlich gilt, dass die Entstehung venöser Thrombosen in
der Regel nicht einem Faktor zugeordnet werden kann, sondern dass es sich in der Regel
um ein komplexes, multifaktorielles Geschehen handelt.
Das Thromboserisiko hospitalisierter Patienten wird größtenteils durch die akute
Erkrankung bestimmt. In den chirurgischen Disziplinen ist dies in der Regel der operative
Eingriff selbst. Pathophysiologisch steht die operationsbedingte Aktivierung der Blutge-
rinnung im Vordergrund, deren Ausmaß mit der Schwere des Gewebetraumas korreliert.
Die Angaben über die Häufigkeit venöser Thrombosen bei Patienten ohne Thromboembo-
lieprophylaxe liegen je nach Eingriff zwischen 20 und 80% (Nicolaides et al. 2001; Geerts et
al. 2001). Mit einem besonders hohen perioperativen Thromboserisiko sind große abdomi-
nelle Operationen, orthopädische Eingriffe an den unteren Extremitäten, Polytraumata und
neurochirurgische Operationen behaftet (⊡ Tabelle 9.1).
Hauptverantwortlich für die Gerinnungsaktivierung ist die mechanische Gefäßwand-
schädigung durch das Gewebstrauma. Thrombogene Substanzen des Subendothels kommen
in Kontakt mit Bestandteilen des zirkulierenden Blutes und aktivieren die Gerinnung. Einer-
seits vermittelt vor allem der von-Willebrand-Faktor eine Adhäsion und Aktivierung von
Thrombozyten. Andererseits initiiert der Kontakt von subendothelial vorhandenem Tissue
Factor mit im Blut zirkulierenden Faktor VIIa die plasmatische Gerinnung. Aufgrund des
unterschiedlichen Gehalts an Tissue Factor in den verschiedenen Geweben ist das Thrombo-
serisiko abhängig von dem Organsystem, an dem der operative Eingriff vorgenommen wur-
de. In der postoperativen Phase kommt es im Rahmen einer Akut-Phase-Reaktion vermittelt
über Zytokine wie Interleukin-1 und Tumor-Nekrose-Faktor D zu einem Anstieg prokoagu-
latorischer Faktoren und Hemmung der Fibrinolyse. Regelmäßig kann man nach größeren
chirurgischen Eingriffen einen Anstieg von Fibrinogen, Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor
und Plaminogen-Aktivator-Inhibitor nachweisen. Zytokine sind auch für eine verminderte
Thrombomodulinexpression und konsekutiv für eine verminderte Protein-C-Aktivierung
verantwortlich. Das Überwiegen prokoagulatorischer Faktoren erklärt zum Teil das in den
ersten Wochen nach einer Operation gesteigerte Thromboserisiko.
Daneben hat die postoperative Immobilisierung nach größeren Operationen und
vor allem Eingriffen an den unteren Extremitäten Einfluss auf das Thromboserisiko. Die
Immobilisierung mit Ausfall der Wadenmuskelpumpe hat eine Verlangsamung der Blut-
58 Teil II · Pathophysiologie

⊡ Tabelle 9.1. Risikokategorien für chirurgische Patienten. (Aus Encke et al. 2003)

Risikokategorie Distale Proximale Tödliche


TVT TVT LAE

Hohes Risiko Allgemeinchirurgische und urologische Ope- 40–80% 10–30% 1–5%


rationen bei Patienten >40 Jahre und früherer
TVT oder LE; ausgedehnte Becken- oder Bauch-
chirurgie bei Karzinom; größere orthopädische
Eingriffe an den unteren Extremitäten

Mittleres Risiko Allgemeinchirurgische Operationen bei 10–40% 2–10% 0,1–0,7%


Patienten >40 Jahre mit OP-Dauer >30 min
oder <40 Jahre mit oraler Kontrazeption

Niedriges Risiko Unkomplizierte Operationen bei Patienten <10% <1% <0,1%


<40 Jahre ohne zusätzliche Risikofaktoren;
kleinere Eingriffe (<30 min) bei Patienten
>40 Jahre ohne zusätzliche Risikofaktoren

9
strömung vor allem in den unteren Extremitäten zur Folge. Auch die Wahl des Anästhesie-
verfahrens ist von Bedeutung für die Entstehung postoperativer Venenthrombosen. Ein-
griffe mit rückenmarksnahen Anästhesieverfahren (Periduralkatheter, Spinalanästhesie)
oder Lokalanästhesie gehen mit einem signifikant niedrigeren Risiko für venöse Thrombo-
sen einher als Operationen unter Intubationsnarkose.
Hinzu kommen prädisponierende Begleitumstände wie höheres Lebensalter, in der
Vergangenheit abgelaufene Thromboembolien, thrombophile Gerinnungsstörungen, mali-
gne Grunderkrankung, eine Hormonbehandlung, Adipositas oder Varikosis. Je mehr Risi-
kofaktoren ein Patient auf sich vereint, desto höher ist das individuelle Thromboserisiko.
Die Häufigkeit venöser Thrombosen bei hospitalisierten internistischen Patienten ohne
Thromboembolieprophylaxe wird mit durchschnittlich 30% angegeben. Es bestehen jedoch
starke Unterschiede in Abhängigkeit vom akuten Krankheitsbild. Wie bei den chirurgischen
Patienten wird das individuelle Thromboserisiko ebenfalls durch prädisponierende Begleit-
umstände mitbestimmt. Für die Pathogenese venöser Thrombosen in der Inneren Medizin
spielen Gewebsverletzungen bzw. Endothelläsionen keine große Rolle. Hier sind vielmehr
Veränderungen der Blutströmung und der Blutzusammensetzung für die Thrombogenese
von Bedeutung. Ein verlangsamter Blutfluss findet sich generalisiert bei Immobilisierung
oder fortgeschrittener Herzinsuffizienz. Auch eine lokale Strömungsverlangsamung, wie sie
beispielsweise in varikös erweiterten Gefäßen vorkommt, kann die Entstehung von Throm-
bosen begünstigen. In den letzten Jahren wird einer gesteigerten Gerinnbarkeit des Blutes ein
zunehmender Stellenwert in der Pathogenese von Thrombosen eingeräumt. Eine Hyperko-
agulabilität kann durch eine erhöhte Aktivität von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren
oder eine verminderte Fibrinolyse bedingt sein. Die entsprechenden Störungen sind entweder
angeboren oder erworben. Die angeborenen Thrombophilien wurden bereits ausführlich in
Kap. 8 dargestellt. Nachfolgend wird auf die Thrombogenität einiger internistischer Krank-
heitsbilder eingegangen, bei denen erworbene Gerinnungsstörungen hauptverantwortlich
für die pathophysiologischen Abläufe der Thromboseentstehung gemacht werden.
10

Thrombogenität verschiedener
Krankheitsbilder
B. Linnemann, E. Lindhoff-Last

Venöse Thrombosen treten bei hospitalisierten internistischen Patienten mit einer Häu-
figkeit von etwa 16–54% auf. Das Risiko ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkran-
kung und ist insbesondere erhöht bei malignen Tumorerkrankungen, bei fortgeschrittener
Herzinsuffizienz (NYHA-Stadien III-IV), bei akuten systemischen Infektionen und Sepsis
und bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie der Colitis ulcerosa oder dem Morbus
Crohn. Auch eine terminale Niereninsuffizienz mit Dialysepflichtigkeit und ein nephroti-
sches Syndrom gehen mit einem gesteigerten Thromboserisiko einher. Eine vorbestehende
Adipositas und Varikosis prädisponieren ebenfalls zu venösen Thrombosen (Geerts et al.
2001). Ein bedeutsamer Risikofaktor ist auch das Lebensalter. Während Thrombosen im
Alter zwischen 25 und 35 Jahren mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 30 pro 100.000
Personen auftreten, beträgt die jährliche Inzidenz bei über 70-jährigen Personen 300–500
pro 100.000 Personen. Folglich kommt es im Laufe des Lebens zu einer mehr als Verzehnfa-
chung des venösen Thromboembolierisikos (White 2003). Im Folgenden wird auf spezielle
Pathomechanismen einzelner Krankheitsbilder eingegangen, bei denen gehäuft venöse
Thrombosen auftreten.

Maligne Erkrankungen

Venöse Thromboembolien sind eine häufige Komplikation maligner Erkrankungen.


Bereits 1865 wies Trousseau auf die Assoziation von Tumorkrankheiten und venösen
Thrombosen hin. Bei Vorliegen eines Malignoms ist das Thromboserisiko 2- bis 10fach
erhöht. Das Risiko des einzelnen Patienten ist abhängig von Tumorart, Tumorstadium
und Therapieform. Ausgedehnte Tumorprozesse können durch Kompression der umge-
benden Strukturen zu einer venösen Abflussbehinderung führen. Tumoroperationen sind
grundsätzlich von einem höheren Thromboserisiko begleitet als andere Operationen,
insbesondere wenn es sich um ausgedehnte abdominal-chirurgische Operationen handelt.
Eine verlängert (über 4 Wochen) durchgeführte postoperative medikamentöse Prophylaxe
senkt das Thromboserisiko bei Tumorpatienten signifikant (Rasmussen 2002). Auch eine
parenterale Ernährung, Transfusionen oder die Applikation von Chemotherapeutika über
ZVK oder Port-System erhöhen das Thromboserisiko von Tumorpatienten. Symptomati-
sche thrombotische Komplikationen kommen dabei in 0,3–28,3% der Fälle vor. Häufiger
noch findet man bei Entfernung des Katheters eine Manschette aus Fibrin und Kollagen
60 Teil II · Pathophysiologie

um den Katheter herum, die nicht nur die Entstehung von Thrombosen, sondern auch
von Infektionen und septischen Komplikationen begünstigt (Verso u. Agnelli 2003). Die
Entstehung der Katheterthrombosen ist in der Regel multifaktoriell. Der Endothelschaden
durch die Gefäßpunktion, die Beeinflussung der Blutströmung durch den im Gefäßlumen
platzierten Katheter und die tumorassoziierte Hyperkoagulabilität sind hier von Bedeu-
tung (Verso u. Agnelli 2003). Die Applikation von Chemotherapeutika oder eine lokale
Strahlenbehandlung schädigen das Endothel zusätzlich. Auch eine Hormonbehandlung
(z. B. Tamoxifen bei Mammakarzinom) steigert das Risiko venöser Thrombosen. Alter,
Immobilisation und andere Komborbiditäten sind zusätzliche Risikofaktoren wie bei auch
bei Patienten ohne Tumoren. Die Prävalenz venöser Thrombosen bei Karzinompatienten
liegt zwischen 5 und 60% in Abhängigkeit von der Tumorart (Sutherland et al. 2003). Die
stärkste Assoziation mit venösen Thrombosen zeigen das Pankreaskarzinom, das Ovari-
alkarzinom und maligne Hirntumoren. Berücksichtigt man zusätzlich die Prävalenz der
verschiedenen Malignome, so findet man in Zusammenhang mit venösen Thrombosen
am häufigsten Mamma-, Kolon- und Bronchialkarzinome (Lee u. Levine 2003). Aufgrund
des erhöhten Thromboserisikos werden heutzutage eine individuelle Risikoeinschätzung
und ggf. eine medikamentöse Thromboseprophylaxe in Risikosituationen als indiziert
angesehen.
Bei maligner Grunderkrankung sind proximale und Mehretagenthrombosen häufiger
als bei Patienten ohne Malignom. Auch Komplikationen wie eine Progression der Throm-
bose trotz adäquater Behandlung oder tödliche Lungenembolien sind bei Karzinompa-
tienten häufiger. Zudem liegt das Rezidivrisiko nach thromboembolischem Erstereignis
10 bei Tumorpatienten etwa 3fach höher im Vergleich zu Patienten ohne Malignom (Lee u.
Levine 2003). Das Auftreten thrombotischer Komplikationen deutet insgesamt auf eine
ungünstige Prognose des weiteren Krankheitsverlaufs hin. Oft liegt in diesen Fällen ein
fortgeschrittenes oder metastasiertes Tumorstadium vor (Sorensen et al. 2000; Bura et al.
2004; Lee 2003). Ein thromboembolisches Ereignis tritt jedoch nicht nur als sekundäre
Komplikation bei Tumorerkrankungen auf, sondern kann auch Erstmanifestation einer
malignen Erkrankung sein. Insbesondere bei idiopathischen Thrombosen, rezidivieren-
den oder beidseitigen Thrombosen, einer Thromboselokalisation im Oberschenkel- oder
Beckenbereich und bei einem Patientenalter über 50 Jahre sollte auch an die Möglichkeit
einer malignen Grunderkrankung gedacht werden (Bura et al. 2004). Bei idiopathischer
Thrombose besteht eine etwa 10%ige Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten Jahre
an einem Malignom zu erkranken, wobei das Risiko innerhalb der nächsten 6–12 Monate
am größten ist. Aus diesem Grund sollten anlässlich einer idiopathischen Venenthrom-
bose auch ein Tumor-Screening durchgeführt bzw. die empfohlenen Krebsvorsorgeun-
tersuchungen aktualisiert werden. Ob ein solches Screening und eine frühzeitige Thera-
pie die Prognose der Patienten zu verbessern vermag, ist jedoch umstritten (Sutherland
et al. 2003).
Tumorassoziierte Hämostasestörungen sind in über 90% der Tumorpatienten nach-
weisbar. Diese können eine Blutungsneigung bei Tumorpatienten, aber auch ein erhöhtes
Thromboserisiko mit sich bringen. Eine vermehrte Thromboseneigung wird erklärt durch
eine von Tumorzellen vermittelte Gerinnungsaktivierung. Verschiedene Pathomechanis-
men sind hier von Bedeutung:
 Thrombozytenaktivierung: Tumorpatienten weisen oft eine mäßige Thrombozytose
auf. Auch lassen sich erhöhte Marker der Thrombozytenaktivierung nachweisen wie
PF4, CD62 und CD63 (Lee 2002). Es ist bekannt, dass Tumorzellen regelmäßig Mem-
Kapitel 10 · Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
61 10

branglykolipide in das Gefäßsystem abgeben, die eine Thrombozytenaktivierung und


-aggregation auslösen. Diese Vorgängen sind auch von Bedeutung bei Metastasie-
rungsvorgängen: Eine Aggregation von Thrombozyten um Tumorzellen herum behin-
dert normale Abwehrmechanismen des Körpers gegen Tumorzellen und erleichtert
zusätzlich durch von den aktivierten Thrombozyten ausgeschiedene Wachstumsfak-
toren Vorgänge wie Migration in andere Gewebe sowie die Angiogenese in Tumor und
Metastasen.
 Expression inflammatorischer Zytokine: Im Rahmen von Tumorerkrankungen werden
vermehrt inflammatorische Zytokine (z. B. IL-1, TNF-D, VEGF) durch aktivierte Makro-
phagen und T-Zellen freigesetzt als Reaktion auf tumorspezifische Antigene, Immun-
komplexe und Endotoxine. Neben der Vermittlung von Inflammation haben diese auch
Einfluss auf das Hämostasesystem. Sie induzieren beispielsweise die Expression von
Tissue Factor, aktivieren Thrombozyten und setzen die Protein-C-Aktivität herab, Letz-
teres durch verminderte Expression von Thrombomodulin und Protein-C-Rezeptoren
auf der Endothelzelloberfläche. Im Rahmen der induzierten Akute-Phase-Antwort sind
auch Fibrinogen und Faktor VIII erhöht. Es resultiert eine erhöhte Thrombogenität des
Blutes. Zusätzlich haben die Zytokine Einfluss auf Endothelfunktion, Tumorzellwachs-
tum und Metastasierung (Lee 2002).
 Produktion von sog. Tumorprokoagulanzien: Tissue Factor (TF), der primäre Initiator
der extrinsischen Gerinnungskaskade, wird physiologischerweise von Fibroblasten
der vaskulären Adventitia gebildet. Bei verschiedenen Malignomen hingegen wird
Tissue Factor auch von Makrophagen und Endothelzellen exprimiert. Tissue Fac-
tor weist Homologien zu Mitgliedern der Zytokin-Rezeptor-Superfamilie auf. Es
wird daher vermutet, dass vermehrt ausgeschüttete Zytokine wie Interleukin-1 und
Tumor-Nekrose-Faktor-D diese »aberrante« Expression von Tissue Factor induzie-
ren. Mit der vermehrten Expression von Tissue Factor steigt das Thromboserisiko
von Tumorpatienten. Als weiteres Tumorprokoagulans gilt der sog. Faktor-X-Akti-
vator (Cancer Procoagulant CP), eine Zysteinprotease, die ausschließlich in malignen
oder embryonalen Geweben exprimiert wird und physiologischerweise beim Erwach-
senen nicht nachweisbar ist. Cancer Procoagulant vermag Faktor X in Abwesenheit
von Faktor VII direkt zu aktivieren. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Cancer
Procoagulant zusätzlich auch eine Thrombozytenaktivierung auslöst (Sutherland et
al. 2003; Lee 2002).

Ausdruck der beschriebenen tumorassoziierten Hyperkoagulabilität sind laborchemische


Veränderungen wie Thrombozytose, erhöhte Spiegel von Gerinnungsfaktoren (Fibrinogen,
Tissue Factor, Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor) und erhöhte Aktivitätsmarker der
plasmatischen Gerinnung wie Prothrombinfragmente 1+2 sowie Thrombin-Antithrombin-
Komplexe (TAT) (Lee 2002). Auch Fibrinabbauprodukte wie D-Dimere als Hinweis für
eine reaktiv gesteigerte Fibrinolyse sind nahezu regelmäßig nachweisbar. Die Konzentra-
tion dieser Marker korreliert zudem häufig mit dem Ausbreitungsstadium des jeweiligen
Tumors (Sutherland et al. 2003).
Nach heutigem Kenntnisstand spielt die Aktivierung der Blutgerinnung durch den
Tumor nicht nur bezüglich des Thromboserisikos, sondern auch bei Tumorwachstum und
Metastasierung eine wesentliche Rolle. Die einzelnen Pathomechanismen sind noch nicht
im Detail bekannt. Eine Schlüsselrolle spielen dabei das Thrombin und der Tissue Factor.
Beide sind nicht nur Bestandteil der plasmatischen Gerinnungskaskade, sondern fördern
62 Teil II · Pathophysiologie

Inflammatorische Faktoren

Angiogenese

Extrinsische Patient Gerinnung Tumor


Faktoren

Metastasierung

Prokoagulatorische Faktoren

⊡ Abb. 10.1. Mechanismen der Thrombogenese bei Tumorpatienten. (Nach Lee 2002)

zusätzlich die Angiogenese, Tumorwachstum und Metastasierung. So spielt Tissue Factor


10 eine Rolle in der zellulären Signalübertragung und ist durch Stimulation der Expression
von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) für die Angiogenese von Bedeutung
(Sutherland et al. 2003; Lee 2002). Thrombin bindet an seinen Rezeptor PAR-1 (proteaseak-
tivierbarer Rezeptor), induziert einerseits die vermehrte Expression von Tissue Factor und
ermöglicht andererseits über Adhäsionsfaktoren wie Selektine und Integrine die Migration
von Zellen durch die endotheliale Barriere von Gefäßen – eine unabdingbare Vorausset-
zung für eine Metastasierung (⊡ Abb. 10.1).

Sepsis und Infektion

Eine Aktivierung der Blutgerinnung ist ein häufiges Phänomen bei schweren systemischen
Infektionen. In Folge treten gehäuft thrombotische Komplikationen auf. Diese können sich
als venöse Thrombosen oder im Extremfall auch als disseminierte intravasale Gerinnung
(DIC) manifestieren. Nahezu regelhaft sind bei septischen Patienten Marker einer erhöh-
ten Gerinnungsaktivität nachweisbar. Über die Häufigkeit venöser Thromboembolien bei
Infektionen und Sepsis finden sich kaum Angaben in der Literatur. Bei internistischen
intensivmedizinischen Patienten ohne Thromboembolieprophylaxe werden venöse Throm-
bosen durchschnittlich in etwa 30% der Fälle gefunden. Ein erhöhtes Thromboserisiko ist
unter anderem für Patienten mit HIV-Infektion (Fultz et al. 2004), Malaria (Hemmer et al.
1991) und schwere Fälle von Mykoplasmenpneumonie (Mulder u. Spierings 1987) beschrie-
ben. Bei Patienten mit HIV-Infektion kann es bei 10–50% der Fälle zu einem erworbenen
Mangel an Protein C und/oder Protein S kommen, der ursächlich sehr wahrscheinlich an
der erhöhten Thromboseinzidenz dieser Patienten beteiligt ist (Erbe et al. 2003). In einer
Fallkontrollstudie ließ sich bei Patienten mit venöser Thromboembolie häufiger eine Sero-
Kapitel 10 · Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
63 10

positivität für Chlamydia pneumoniae nachweisen (Emmerich 2002). Auch gibt es Berichte
über das Auftreten von Thromboembolien in Zusammenhang mit akuten Zytomegalievi-
rus-(CMV-)Infektionen. Nur in einem Teil dieser Fälle lag zusätzlich eine Immundefizienz
vor infolge einer HIV-Infektion oder einer Behandlung mit Immunsuppressiva nach Trans-
plantation (Bauduer et al. 2003; Kazory et al. 2004).
Neben systemischen Infektionen können auch lokale Infektionen zu thrombotischen
Komplikationen prädisponieren. Hier sind vor allem die tiefen, oft septischen Venen-
thrombosen bei i.v.-Drogenabusus anzuführen. Am häufigsten ist die V. femoralis commu-
nis betroffen, oftmals findet sich in diesem Bereich zusätzlich eine Weichteilinfektion bzw.
Abszedierung. Häufigster Erreger in diesen Fällen ist Staphylococcus aureus. Schwerwie-
gende Komplikationen sind septische Embolien und Endokarditis (Fäh et al. 2002).
Neben einer allgemeinen Gerinnungsaktivierung im Rahmen lokaler oder systemi-
scher Infektionen sind eine Immobilisierung der Patienten, eine generelle Verlangsa-
mung des Blutflusses infolge peripherer Vasodilatation und Hypotension sowie eine
eventuelle parenterale Ernährung und Medikamentenapplikation über zentralvenöse
Katheter für die Thrombogenese von Bedeutung. Das Ausmaß der Gerinnungsaktivierung
ist von der Intensität der Entzündung direkt abhängig. Das C-reaktive Protein (CRP)
als Marker der Akut-Phase-Reaktion zeigt eine positive Korrelation mit Markern der
Gerinnungsaktivierung, zu denen die Thrombin-Antithrombin-Komplexe (TAT) und die
Prothrombinfragmente 1+2 gehören. Als Ausdruck einer Akut-Phase-Antwort finden sich
in der Regel erhöhte Spiegel von Fibrinogen, Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor.
Außerdem wird vermehrt Tissue Factor exprimiert. Einerseits vermag CRP in Monozyten
rezeptorabhängig die Synthese von Tissue Factor zu induzieren. Andererseits können
Endothelzellen und aktivierte Monozyten auf ihrer Oberfläche Tissue Factor exprimieren,
wenn sie durch Endotoxin, bakterielle Peptidoglykane oder inflammatorische Zytokine
wie TNF-D, IL-1 oder IL-6 aktiviert werden (Bernard et al. 2001). Tissue Factor ist der
Initiator der extrinsischen plasmatischen Gerinnung. Ausgelöst durch Endotoxin, kommt
es außerdem zu einer Kontaktaktivierung des intrinsischen Gerinnungssystems, an der
Faktor XII und High-molecular-weight-Kininogen beteiligt sind. Auf der anderen Seite
sind physiologische Gerinnungsinhibitoren wie Antithrombin und Protein C bei Sepsis
vermindert nachweisbar. Die Ursache hierfür ist in einer verminderten Lebersyntheseleis-
tung, einem Verlust in den Extravasalraum infolge gesteigerter Gefäßpermeabilität sowie
einem erhöhten Verbrauch zu sehen. Außerdem inhibieren Zytokine wie TNF-D und IL-1
die Expression von Thrombomodulin in Endothelzellen, was einen Abfall von aktiviertem
Protein C zur Folge hat. Ein Abfall von Antithrombin oder von aktiviertem Protein C ist
mit einer ungünstigeren Prognose assoziiert. Inzwischen konnte gezeigt werden, dass die
Substitution von aktiviertem Protein C bei einer Sepsis die Letalität senken kann und dies
unabhängig vom auslösenden Erreger (PROWESS-Studie; Bernard et al. 2001). Während
sich in der Frühphase der Sepsis eine gesteigerte Fibrinolyse durch vermehrte Freisetzung
von Tissue-type Plaminogen-Aktivator (tPA) nachweisen lässt, kommt es im weiteren,
vermittelt über Zytokine und Thrombin, zu einer vermehrten Freisetzung von Plasmino-
genaktivatorinhibitor 1 (PAI-1) und thrombinaktivierbarem Fibrinolyseinhibitor (TAFI).
Folge ist eine Hemmung der Fibrinolyse.
Zusammenfassend führen vor allem die Endotoxinämie und die Freisetzung inflamm-
atorischer Zytokine zu einer Aktivierung des Hämostasesystems. Es resultiert eine erhöhte
Thrombogenität mit vermehrtem Auftreten thrombotischer Komplikationen bei systemi-
schen Infektionen und Sepsis.
64 Teil II · Pathophysiologie

Chronisch-entzündliche Erkrankungen

Nicht nur akute Infektionen, wie oben ausgeführt, sondern auch chronisch-entzündliche
Krankheitsbilder sind mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen behaftet. Eine
vermehrtes Auftreten von Thrombosen wurde für die Colitis ulcerosa bereits 1936 beschrie-
ben (Bargen u. Baker 1936; Hüppe et al. 1988). Die Prävalenz thromboembolischer Ereignis-
se bei Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung wird mit 6,2% angegeben.
Das Risiko ist damit etwa 3,6fach höher als bei gesunden Kontrollpersonen (Miehsler
et al. 2004). Die erhöhte Thrombogenität wird vor allem auf den Einfluss inflammatori-
scher Zytokine wie Tumor-Nekrose-Faktor-D und Interleukin-1 auf das Hämostasesystem
zurückgeführt. Diese induzieren unter anderem eine vermehrte Expression von Tissue
Factor auf Endothelzellen und aktivierten Monozyten. Außerdem wird die Expression von
Thrombomodulin auf der Oberfläche von Endothelzellen inhibiert mit der Folge eines
Abfalls von aktiviertem Protein C. Daneben kann eine Hyperhomozysteinämie zu einem
erhöhten Thromboserisiko beitragen. Eine Hyperhomozysteinämie findet sich gehäuft bei
Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung und ist vermutlich durch einen
Mangel an Folsäure und anderen Vitaminen bedingt. Es konnte gezeigt werden, dass sich
die erhöhte Homozysteinspiegel durch Gabe von Folsäure, Pyridoxin (Vitamin B6) und
Cobalamin (Vitamin B12) senken lassen (Cattaneo et al. 1998). Ob eine solche Substitution
Einfluss auf das Thromboserisiko hat, ist jedoch unklar. Für die rheumatoide Arthritis (RA)
ist ebenfalls ein erhöhtes Thromboserisiko beschrieben, insbesondere in Assoziation mit
dem Vorhandensein von Antikardiolipinantikörpern, die bei der RA in etwa 15% der Fälle
10 auftreten (Seriolo et al. 1999; Merkel et al. 1996). Zusätzlich finden sich häufig erniedrigte
Protein-S-Spiegel. Die Prävalenz venöser Thromboembolien bei RA wird in der Literatur
mit 3,8% angegeben (MIehsler et al. 2004). Eine Assoziation von Antiphospholipidanti-
körpern mit einem erhöhten Thromboserisiko findet sich auch bei Kollagenosen wie dem
systemischen Lupus erythematodes. Hier sind sowohl der Nachweis von Lupusantikoagu-
lans als auch der Nachweis von Antikardiolipinantikörpern mit einem deutlich erhöhten
Thromboserisiko assoziiert (Somers et al. 2002).

Herzinsuffizienz

Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist das Risiko sowohl für arterielle als auch für venöse
Thromboembolien erhöht. Bislang lag das Hauptaugenmerk hauptsächlich auf den arteri-
ellen Thromboembolien. Es wird aber geschätzt, dass etwa 16% aller Patienten mit einer
Herzinsuffizienz in den Stadien NYHA III-IV auch venöse thromboembolische Komplika-
tionen erleiden (Geerts et al. 2001). In einer Autopsiestudie wurden bei Patienten mit dila-
tativer Kardiomyopathie in nahezu 40% der Fälle abgelaufene Lungenembolien gefunden
(Roberts et al. 1987). In einer retrospektiven Fallkontrollstudie zeigte sich, dass ambulante
herzinsuffiziente Patienten ein etwa 2,6fach erhöhtes Thromboembolierisiko im Vergleich
zu Patienten mit normaler linksventrikulärer Funktion aufweisen. Je schwerer die Herzin-
suffizienz und je niedriger die Ejektionsfraktion, desto höher ist das venöse Thromboem-
bolierisiko (Howell et al. 2001).
Pathophysiologisch von Bedeutung sind einerseits eine Verlangsamung der Blutfluss-
geschwindigkeit, andererseits Verwirbelungen an sog. Rezirkulationszonen wie Venen-
klappen, Gefäßgabelungen oder Kalibersprüngen. Die Herzinsuffizienz geht außerdem
Kapitel 10 · Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
65 10

mit einer Hyperkoagulabilität einher, die sich im Wesentlichen durch eine endotheliale
Dysfunktion erklären lässt. Das im Endothel synthetisierte NO wirkt ebenso wie Prosta-
zyklin antiaggregatorisch auf Thrombozyten und hat zusätzliche vasodilatierende Eigen-
schaften. Eine Endotheldysfunktion geht zum einen mit verminderter NO-Synthese und
erhöhter Thrombogenität des Endothels einher, zusätzlich lassen sich erhöhte Endothelin-
und Angiotensin-II-Spiegel nachweisen. Beide sind starke Vasokonstriktoren, erhöhen
den peripheren Widerstand und drosseln die Perfusion der Peripherie. Bei Patienten
mit Herzinsuffizienz sind außerdem erhöhte Spiegel für von-Willebrand-Faktor (vWF)
und Fibrinogen nachweisbar. Der vWF ist ein im Subendothel lokalisierter Mediator
der Thrombozytenaktivierung. Durch Bindung an den thrombozytenständigen Rezeptor
(GPIb/V/IX) erfolgt die Thrombozytenadhäsion und -aktivierung. Darüber hinaus führen
auch proinflammatorische Zytokine, wie der häufig im Plasma chronisch herzinsuffi-
zienter Patienten nachgewiesene Tumor-Nekrose-Faktor-D, zu einer Aktivierung der
plasmatischen Gerinnung. Die Thrombogenität erhöht sich zusätzlich bei Vorliegen einer
hereditären Thrombophilie.
Neuere Studien (MEDENOX, PRINCE) konnten zeigen, dass bei Patienten mit einer
fortgeschrittenen Herzinsuffizienz (NYHA-Stadien III und IV) eine Prophylaxe mit nie-
dermolekularem Heparin das erhöhte Thromboembolierisiko signifikant senken kann.
Inzwischen wird eine Thromboembolieprophylaxe sowohl in einem europäischen Consen-
sus Statement (Nicolaides et al. 2001) als auch von der 6. Consensus Conference der ACCP
(Geerts et al. 2001) zumindest für stationär behandlungsbedürftige Patienten mit einer
Herzinsuffizienz empfohlen.

Nephrotisches Syndrom

Das nephrotische Syndrom ist definiert durch das Auftreten einer Proteinurie >3,5 g
pro 1,73 m² Körperoberfläche in 24 h, einer Hypoalbuminämie, von Ödemen und einer
Hyperlipidämie. Es tritt im Rahmen von primären Glomerulonephritiden auf, aber auch
sekundär bei anderen Glomerulopathien, wie sie im Rahmen von Kollagenosen, Vasku-
litiden, Malignomen, einer Amyloidose oder einem Diabetes mellitus vorkommen. Das
nephrotische Syndrom geht mit einer besonders hohen Thromboseinzidenz einher. Bei
Erwachsenen wird eine Häufigkeit thromboembolischer Komplikationen von bis zu 40%
angegeben (Orth u. Ritz 1998). Am häufigsten finden sich Nierenvenenthrombosen (bei der
membranösen GN in 20–30% der Fälle) sowie Thrombosen in den Becken- und Beinvenen.
Nur ein Teil dieser Patienten ist symptomatisch. Wesentlich seltener hingegen sind arte-
rielle Thrombosen (Lee et al. 2000). Sie sind aber wegen ihrer möglichen schweren klini-
schen Folgen wie Myokardinfarkt und Hirninfarkt von besonderer Bedeutung. Die erhöhte
Thromboseneigung wird auf einen Zustand der Hyperkoagulabilität zurückgeführt. Diese
ist bedingt durch erhöhte Spiegel von Fibrinogen, Faktor V und Faktor VIII, einen Mangel
an Antithrombin (aufgrund eines renalen Verlustes), eine erhöhte Thrombozytenzahl und
-aggregation, eine erhöhte Blutviskosität infolge Hypovolämie und eine Hypoalbuminämie
(Orth u. Ritz 1998; Lee et al. 2000). Zusätzlich haben immunologische Vorgänge im Glo-
merulum selbst einen Einfluss auf die Gerinnung. Aus diesem Grund treten Nierenvenen-
thrombosen besonders häufig bei Patienten mit einer membranösen oder fokal-segmental
sklerosierenden Glomerulophritis auf (Sester et al. 1998). Neben der Hyperkoagulabilität
erhöhen der Einsatz von Diuretika und Glukokortikoiden, eine krankheitsbedingte Immo-
66 Teil II · Pathophysiologie

bilisierung und die Verwendung von Venenkathetern das Thromboserisiko (Lee et al.
2000). Die genauen Pathomechanismen sind bis heute nicht vollständig geklärt. Bei der
Behandlung thrombotischer Komplikationen sind bevorzugt Cumarinderivate einzuset-
zen. Beim Einsatz von Heparinen ist zu beachten, dass bei einem Antithrombinmangel die
Heparinwirkung abgeschwächt sein kann.

Terminale Niereninsuffizienz

Blutungskomplikationen bei chronischer Niereninsuffizienz sind seit längerem bekannt.


Eine gestörte Thrombozytenfunktion, die nur teilweise durch Hämodialyse korrigiert wer-
den kann, wird in erster Linie für Blutungskomplikationen verantwortlich gemacht. Aber
auch eine Hyperkoagulabilität kann bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz
bestehen und zu thromboembolischen Komplikationen prädisponieren. Die Prävalenz
von tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien wird für chronisch niereninsuffizi-
ente Patienten mit 12–22% angegeben. Etwa 6% aller Todesfälle im stationären Bereich
bei niereninsuffizienten Patienten sind auf eine Lungenembolie zurückzuführen. Häufig
sind auch Thrombosen im Bereich des Hämodialyseshunts, wobei das Risiko bei synthe-
tischen Grafts höher ist als bei nativen Shunts. Endothelschäden bei Shuntanlage, durch
turbulenten Blutfluss und infolge häufiger Gefäßpunktionen sowie eine mit der Hämodi-
alyse assoziierte Thrombozytenaktivierung sind Trigger für neointimale Proliferation und
Thromboseentstehung. In einer Untersuchung an Patienten mit Shuntthrombosen konnten
10 Lungenembolien szintigraphisch in 35–59% der Fälle verifiziert werden, wovon ein Groß-
teil asymptomatisch blieb.
Das normale Endothel sezerniert eine Reihe von Faktoren, die antikoagulatorisch
wirken, wie Prostazyklin, Stickstoffmonoxid, Tissue Plasminogen Aktivator (TPA), und
exprimiert Heparansulfat und Thrombomodulin auf seiner Oberfläche. Eine Endothel-
schädigung geht mit einer vermehrten Freisetzung von von-Willebrand-Faktor (vWF) und
konsekutiver Thrombozytenaktivierung einher. Außerdem werden vermehrt Plasminogen
Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1) und Tissue Factor freigesetzt, was eine Aktivierung der
plasmatischen Gerinnung zur Folge hat. In neueren Arbeiten ließ sich für Patienten mit
fortgeschrittener Niereninsuffizienz eine endotheliale Dysfunktion nachweisen. Der endo-
thelialen Dysfunktion wird vor allem eine Rolle bei der Pathogenese der Atherosklerose
und arterieller thrombotischer Komplikationen zugeschrieben.
Bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz lassen sich Marker einer akti-
vierten Gerinnung nachweisen wie Fibrinogen, D-Dimere, Prothrombinfragmente 1 und
2, Thrombin-Antithrombin-Komplexe (TAT). Da diese Marker im Vergleich von Dialyse-
zu Nichtdialysepatienten erhöht sind, wird vermutet, dass die Dialyseprozedur zu einer
Gerinnungsaktivierung führt. Neben erhöhten thrombotischen Markern sind auch Marker
einer gesteigerten Fibrinolyse wie TPA und Plasmin-Antiplasmin-Komplexe (PAP) erhöht.
Häufig ist die Aktivität von Protein C bei Patienten mit Niereninsuffizienz herabgesetzt.
Eine Erhöhung inflammatorischer Parameter wie Tumor-Nekrose-Faktor-D (TNF-D) oder
Interleukin-6 (IL-6) kann ebenfalls nachgewiesen werden und zum erhöhten Thromboem-
bolierisiko beitragen (Casserly u. Dember 2003).
Kapitel 10 · Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder
67 10
Hämatologische Erkrankungen

Blutungen und Thrombosen sind häufige Komplikationen myeloproliferativer Erkrankun-


gen. Sie kommen bei etwa zwei Dritteln der betroffenen Patienten vor (Bermejo et al. 2004).
Die Polycythaemia vera und die essentielle Thrombozytose gehen mit einem erhöhten
Risiko für venöse Thromboembolien (Lungenembolie, tiefe Beinvenenthrombose, Visze-
ralvenenthrombose) und arterielle Thrombosen (Schlaganfall, Myokardinfarkt, peripherer
arterieller Verschluss) einher (Bachleitner-Hofmann et al. 2003), während das Thrombose-
risiko für die chronisch myeloische Leukämie als gering eingeschätzt wird (Bermejo et al.
2004). Für die Entstehung von Thrombosen werden einerseits eine erhöhte Blutviskosität
infolge der vermehrten zellulären Blutbestandteile verantwortlich gemacht, was Verände-
rungen der Blutströmung zur Folge hat. Zusätzlich lassen sich auch eine Thrombozytenak-
tivierung und -funktionsstörung nachweisen. Eine Studie zur Thrombozytenfunktion bei
myeloproliferativen Erkrankungen fand am häufigsten eine verminderte Aggregation in
In-vitro-Tests auf Agonisten wie ADP und Epinephrin. Außerdem konnten eine erhöhte
Sekretion von alpha- und lysosomalen Granula sowie eine vermehrte Expression von Fib-
rinbindungsstellen auf dem GPIIb/IIIa-Komplex nachgewiesen werden als Zeichen einer
gesteigerten Thrombozytenaktivität (Bermejo et al. 2004). Bei der Polycythaemia vera
konnte unlängst eine gesteigerte Thromboxansynthese nachgewiesen werden. Die throm-
boxanabhängige Thrombozytenaktivierung ist in Folge gesteigert. Eine Behandlung mit
Acetylsalicylsäure (100 mg/Tag) kann das arterielle und venöse Thromboembolierisiko von
Patienten mit Polycythaemia vera signifikant senken (Landolfi et al. 2004). Zum Einsatz
von oralen Antikoagulanzien in der Sekundärprävention thrombotischer Ereignisse bei
Polycythaemia vera existieren kaum Daten in der Literatur. In einer retrospektiven Analyse
eines kleinen Patientenkollektivs konnte gezeigt werden, dass das Rezidivrisiko für throm-
botische Komplikationen trotz OAK hoch zu sein scheint (Bermejo et al. 2004).
Bei der essentiellen Thrombozytose kommen neben einem erhöhten Thromboserisiko
auch vermehrt Blutungskomplikationen vor infolge einer gestörten Thrombozytenfunk-
tion. Die Prävalenz thrombotischer Ereignisse bei Patienten mit essentieller Thrombozy-
tose wird mit etwa 50% angegeben (Schafer 2004). Ob auch eine sekundäre oder reaktive
Thrombozytose das Thromboserisiko erhöht, ist umstritten. Patienten mit essentieller
Thrombozytose weisen häufig einen gestörten Arachidonsäuremetabolismus bzw. eine
abnorme Antwort auf Agonisten auf. Bei Patienten mit Thrombose und Thrombozytose
konnte neben einer Thrombozytenaktivierung in szintigraphischen Untersuchungen auch
ein erhöhter Thrombozytenumsatz mit verkürzter Lebensdauer nachgewiesen werden
(Rinder et al. 1998). Ähnlich wie Erythrozyten weisen junge Thrombozyten einen erhöhten
RNA-Gehalt auf (retikuläre Thrombozyten). Der Anteil retikulärer Thrombozyten kann
mittels Durchflusszytometrie bestimmt werden. Aus tierexperimentellen Untersuchungen
weiß man, das retikuläre Thrombozyten funktionell am aktivsten sind. Ein erhöhter Anteil
weist auf einen gesteigerten Thrombozytenumsatz hin. Bei Patienten mit Thrombozyto-
se und Thrombose ist der Anteil retikulärer Thrombozyten höher als bei Patienten mit
Thrombozytose ohne Thrombose oder bei Gesunden. Der erhöhte Thrombozyten-Turno-
ver scheint ein Prädiktor für das Auftreten von Thrombosen zu sein. Durch niedrigdosierte
Acetylsalicylsäure lassen sich bei Patienten mit Thrombozytose der Thrombozytenumsatz
und das Thromboserisiko wirkungsvoll senken (Schafer 2004; Rinder et al. 1998).
68 Teil II · Pathophysiologie

Fragen zu Kapitel 6–10: Pathophysiologie

Kapitel 6: Gerinnungskaskade
1. Welche der folgenden Reaktionen wird der sekundären Hämostase zugerechnet?
A. Vasokonstriktion
B. Thrombozytenaggregation
C. plasmatische Gerinnung
D. Fibrinolyse
E. Thrombusorganisation

2. Welcher der folgenden Faktoren gehört nicht zu den physiologischen Gerinnungsinhibi-


toren?
A. Antithrombin
B. Protein C
C. Protein S
D. Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI)
E. Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1)

Kapitel 7: Virchow-Trias
3. Welcher der unter dem Begriff der Virchow-Trias zusammengefassten Faktoren ist für
die Entstehung venöser Thrombosen am wichtigsten?
A. Veränderung der Blutströmung
B. Veränderung der Blutzusammensetzung
C. Veränderung der Gefäßwand
D. Bei der Thrombogenese handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, sodass
nicht ein einzelner Faktor, sondern mehrere zusammenkommen müssen, um die Ent-
stehung einer venösen Thrombose zu erklären.
E. Keine der Antworten trifft zu.

4. Welche Aussage trifft für die venöse Thrombose nicht zu?


A. Der venöse Thrombus ist ein sog. Gerinnungsthrombus.
B. Der venöse Thrombus ist in der Regel thrombozytenreich.
C. Eine Strömungsverlangsamung ist ein wesentlicher pathogenetischer Faktor.
D. Venöse Thrombosen können asymptomatisch verlaufen.
E. Venöse Thrombosen gehen mit einem hohen Embolierisiko einher.

Kapitel 8: Hereditäre Thrombophilie


5. Welche der folgenden Aussagen trifft zu?
A. Die Einnahme oraler Kontrazeptiva bedeutet für Frauen mit APC-Resistenz eine etwa
35fache Risikoerhöhung für venöse Thrombose.
B. Die Prothrombinmutation hat einen etwa um 30% erniedrigten Prothrombinspiegel
zu Folge.


Kapitel 6–10 · Fragen
69 6–10

C. Der Antithrombinmangel ist die häufigste hereditäre thrombophile Gerinnungsstö-


rung.
D. Beim Protein-C-Mangel besteht die Therapie in einer Vitamin-C-Substitution.
E. Die Protein-S-Spiegel sind während einer Schwangerschaft erhöht.

6. Welcher Befund gehört nicht zu den Kriterien, die ein Antiphospholipidsyndrom defi-
nieren?
A. arterielle Thrombose
B. venöse Thrombose
C. Thrombozytopenie
D. wiederholte Spontanaborte
E. Nachweis von Lupusantikoagulans

Kapitel 9: Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie


und Innerer Medizin
7. Welche Aussagen zum postoperativen Thromboserisiko trifft nicht zu?
A. Postoperativ kommt es im Rahmen einer Akut-Phase-Reaktion zytokinvermittelt zu
einer Gerinnungsaktivierung.
B. Das Thromboserisiko ist besonders hoch bei orthopädischen Eingriffen an den unte-
ren Extremitäten.
C. Das Thromboserisiko ohne Thromboembolieprophylaxe liegt in Abhängigkeit vom
chirurgischen Eingriff zwischen 20 und 80%.
D. Zu den wirksamen Maßnahmen der Thromboembolieprophylaxe gehören Kranken-
gymnastik und Frühmobilisation.
E. Eingriffe in Rückenmarksanästhesie gehen mit einem höheren Thromboserisiko ein-
her als Operationen unter Intubationsnarkose.

8. Welches ist kein prädisponierender Risikofaktor für venösen Thrombosen?


A. In der Vergangenheit abgelaufene Thromboembolie
B. Thrombozytopenie
C. Thrombophilie
D. Thrombozythämie
E. Herzinsuffizienz

Kapitel 10: Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder


9. Bei idiopathischer Venenthrombose beträgt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächs-
ten Jahre an einem Malignom zu erkranken ...
A. 0,1%
B. 1,0%
C. 10%
D. 50%
E. 100%


70 Teil II · Pathophysiologie

10. Welche der folgenden Aussagen zur Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III und IV trifft
nicht zu?
A. Das Risiko für arterielle Thromboembolien ist erhöht.
B. Das Risiko für venöse Thromboembolien ist erhöht.
C. Eine endotheliale Dysfunktion bedingt eine Hyperkoagulabilität.
D. Eine medikamentöse Thromboembolieprophylaxe senkt das Thromboserisiko nach-
weislich.
E. Je höher die Ejektionsfraktion, desto höher das Thromboserisiko.

Literatur zu Teil II (Kapitel 6–10)

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III

Teil III Evidenzen für eine


Thromboseprophylaxe
in der Inneren Medizin

Kapitel 11 Historische Entwicklung – 74

Kapitel 12 Neuere Ansätze – 79

Kapitel 13 Aktuelle Studienergebnisse – 84

Kapitel 14 Prophylaxe bei nicht chirurgischen


Patienten aus Sicht eines Herstellers – 89
11

Historische Entwicklung
K. Kröger

Die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe wurde über lange Jahre vorwiegend in


den operativen Fächern diskutiert. So gibt es eine Vielzahl von Studien, die schließlich zu
anerkannten Konzepten der Thromboseprophylaxe geführt haben. In den nichtoperativen
Fächern gewann das Thema Thromboseprophylaxe scheinbar erst in den letzten 10 Jahren
an Bedeutung. Dies ist um so mehr unverständlich, da die ersten Studien zur Thrombose-
prophylaxe in der Inneren Medizin ebenfalls bereits Ende der sechziger Jahre des letzten
Jahrhunderts publiziert wurden.
Mit der 1958 beschriebenen Möglichkeit, menschliche Eiweiße mit radioaktivem 125Jod
zu markieren, wurde wenig später der Radiofibrinogentest eingeführt (McFarlane 1958).
Durch die Verwendung des markierten Fibrinogens war es erstmals möglich, die Throm-
busentstehung im Körper bereits im Frühstadium zu detektieren. 1971 erschienen relativ
zeitgleich mehrere Studien an Patienten mit Herzinfarkt ohne antikoagulative Therapie, die
bei 30–40% aller Patienten mit einem akuten Infarkt eine Fibrinogenanreicherung in den
Unterschenkel beschrieben (Maurer et al. 1971; Negus et al. 1968; Murray et al. 1970). Diese
Fibrinogenanreicherung wurde als Hinweis auf eine Thrombusbildung gewertet. Mehr als
50% dieser Thrombosen traten bereits in den ersten 72 h nach Infarktmanifestation auf und
weniger als 25% nach mehr als 6 Tagen (Maurer et al. 1971). Proximale Thrombusbildungen
wurden nur in Einzelfällen und fulminante Lungenembolien im Zusammenhang mit den
Fibrinogenanreicherungen im Unterschenkel überhaupt nicht beobachtet. Als Risiko für eine
Thrombusbildung wurden eine vorbestehende Varikosis und ein komplizierter Krankheits-
verlauf beschrieben. Der bereits frühe Beginn der Thrombusentwicklung in den ersten Stun-
den wurde schon damals kritisch diskutiert, stand er doch im Widerspruch zur Beobachtung,
dass die Thromboseinzidenz mit der Liegedauer ansteigt. Dies führte zu der Vermutung, dass
die Immobilisation nur den Verlauf der durch das Infarktereignis induzierten Thrombusbil-
dung durch Apposition nach proximal modifiziert (Maurer et al. 1971). Bis dahin hatte man
angenommen, dass der Hauptursprungsort der Thrombosen die Ileofemoralvenen waren.
Untersuchungen mit dem Radiofibrinogentest zeigten schon damals, dass das Throm-
boserisiko bei Infarktpatienten mit dem Alter ansteigt. Dieses Ergebnis stand in Überein-
stimmung mit Studien an operierten Patienten, die bereits 1969 ein Patientenalter über 70
Jahre als Risikofaktor für eine Thrombose einstuften (Flanc et al. 1969). Als Ursache für die
Altersabhängigkeit der Thrombusbildung wurden Veränderungen der arteriellen Perfusion
aufgrund der hohen Komorbidität mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
und altersassoziierten Veränderungen des Gerinnungssystems vermutet (Cooperberg u.
Teitelbaum 1960). Auch die Varikosis wurde als Risikofaktor herausgestellt.
Kapitel 11 · Historische Entwicklung
75 11

Obwohl die Ergebnisse der Radiofibrinogenuntersuchungen z. T. phlebographisch und


autoptisch betätigt wurden, betrachtete man die hohe Thrombosefrequenz, die sich daraus
ergab, bereits früh mit Skepsis (Jung et al. 1975). Spätere Untersuchungen zeigten, dass
der Radiofibrinogentest zwar eine hohe Sensitivität insbesondere für Unterschenkelvenen-
thrombosen hat, aber nur eine geringe Spezifität (Bergqvist u. Bergentz 1990). Blutungen,
Entzündungen, Muskeltraumen, Ödeme, Arthritiden und Ulzerationen führen ebenfalls
zu einer Mehranreicherung. Die absoluten Thrombosezahlen der Studien, bei denen der
Radiofibrinogentest benutzt wurde, sind daher als zu hoch anzusehen. Die grundsätzlichen
aus diesen Studien abgeleiteten Aussagen zum Thromboserisiko haben aber bis heute ihre
Gültigkeit behalten. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts galt die Phlebographie
als sensitivste und spezifischste Methode zum Nachweis einer Beckenbeinvenenthrombose.
Allerdings wurde bei dieser Methode darauf hingewiesen, das eine Unterscheidung frischer
und älterer Thrombosen und postthrombotischer Residuen nur eingeschränkt möglich ist.
Die hohe Anzahl positiver Befunde der Radiofibrinogentests und eine zu hohe embolie-
bedingte Mortalität erhöhten das Interesse an Prophylaxemaßnahmen. Erste Versuche zur
Förderung des venösen Rückstroms aus den Unterschenkelmuskeln mittels elektrischer
Stimulation (Nicolaides et al. 1972) und intermittierender pneumatischer Kompression
(Hills et al. 1972) waren bekannt. Wegen der Aufwendigkeit der Methoden blieben sie
bis heute in Deutschland von geringer praktischen Bedeutung. Die Frühmobilisation zur
Thromboseprophylaxe wurde in den nichtoperativen Fächern bereits 1976 für Patienten
mit Myokardinfarkt herausgestellt. Eine Mobilisation innerhalb der ersten drei Tage nach
Infarkt reduzierte im Vergleich zu einer fünftägigen Bettruhe die Wahrscheinlichkeit eines
positiven Radiofibrinogentests signifikant (Miller et al. 1976). Von 29 frühmobilisierten
Patienten hatten nur 2 und von 8 spätmobilisierten Patienten 5 einen Mehranreicherung (p
<0,01). Inwieweit das Ziel, das Thromboserisiko zu reduzieren, Anlass für die Veränderun-
gen im Therapiekonzept des Herzinfarktes waren bleibt unklar.
Bereits gegen Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts war zur Thrombose-
prophylaxe nach größeren operativen Eingriffen in den chirurgischen Fächern die dreimal
tägliche Applikation von 5000 I.E. eines unfraktionierten Heparins etabliert. Zuvor waren
in einer der ersten großen internationalen Studien zur Thromboseprophylaxe an 4121
Patienten im Alter über 40 Jahre die Vorteile der Heparinprophylaxe nachgewiesen worden
(Kakkar 1975). Im Vergleich zu Plazebo konnten in der Heparingruppe die durch Autopsie
bestätigten Lungenembolietoten von 16 auf 2 und die durch den Radiofibrinogentest nach-
gewiesenen Thrombosen von 24,6% auf 7,7% gesenkt werden.
Aber auch in den nichtoperativen Fächern gab es erste Empfehlungen zur Thrombose-
prophylaxe. F.G. Riedler, der Leitende Arzt für Hämatologie im schweizerischen Luzern,
publizierte 1977 eine Übersicht über die aktuelle Literatur. Er beklagte schon damals, dass
zur Thrombosehäufigkeit bei internistischen Patienten keine gleichgroßen Statistiken vor-
lagen, wie für chirurgische Patienten (Riedler 1977). Ein Problem, das die Umsetzung der
Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin bis heute erschwert. Seine Ausführungen
bezogen sich auf 13 Studien an Herzinfarktpatienten mit zusammen 397 Patienten, einer
Studie mit verschiedenen Patienten (n=40; Gallus et al. 1973) und einer Studie an High-
risk-Patienten (n=10; Flury u. Rohner 1977). Er schloss, dass
 die Thrombosehäufigkeit bei internistischen Patienten mit 30% vergleichbar mit der
Thrombosehäufigkeit chirurgischer Patienten sei,
 die Häufigkeit der Lungenembolie mit 26% bzw. 36% in medizinischen bzw. chirurgi-
schen Patientengruppen als gleich hoch angenommen werden kann,
76 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

 eine orale Antikoagulation der Infarktpatienten zur Thromboseprophylaxe bei syste-


matisch durchgeführtem Radiofibrinogentests die Thrombosehäufigkeit von 53% auf
11% reduziert,
 eine Zusammenfassung von fünf kleinen Studien an internistischen Patienten mit 223
Patienten ohne und 65 Patienten mit Heparinprophylaxe zeigte, dass das Thromboseri-
siko von 29,6% auf 3,1% gesenkt werden kann.

Seine Empfehlungen zur Thromboseprophylaxe sind in ⊡ Tabelle 11.1 wiedergegeben. Dar-


über hinaus stellte er schon 1977 fest, dass die subkutane Heparingabe nicht an ein Spital
gebunden sei, sondern sowohl vom Arzt als auch vom Patienten über längere Zeit hinweg
auch zu Hause durchgeführt werden kann (Riedler 1977).
Eine weitere Analyse der Literatur zur Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin
erschien 1981 von R. Stiegler und U.F. Gruber, paradoxerweise aus dem Department für
Chirurgie der Universität Basel. Sie analysierten 14 randomisierte Studien an Patienten aus
nichtoperativen Fächern. In der Diskussion schreiben die Autoren:
»Zuverlässige Kriterien, die das Thromboserisiko eines Patienten bestimmen ließen,
gibt es nicht. Deshalb scheint eine generelle Prophylaxe bei gefährdeten Patienten auch in
der inneren Medizin sinnvoll. Eine solche Prophylaxe soll einfach durchführbar sein, weni-
ge Kontraindikationen haben und wenige Komplikationen verursachen«.
Zum damaligen Zeitpunkt war die orale Antikoagulation, die noch am ersten Tag der
Aufnahme ins Krankenhaus unter gleichzeitiger intravenösen Gabe von 40.000 I.E. Hepa-
rin mit 20 mg Warfarin begonnen wurde, die gebräuchlichste Form der Prophylaxe in der

11 ⊡ Tabelle 11.1. Indikationen für die medikamentöse Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin.
(Nach Riedler 1977)

Krankheitsbild Thromboseprophylaxe

Vorbestehende Thrombosen (Embolieprophylaxe) Heparin in voller Dosierung gefolgt von oraler


Antikoagulation

Langzeitprophylaxe nach Lungenembolie Orale Antikoagulation

Frühphase nach Herzinfarkt Orale Antikoagulation


Low-dose-Heparin

Dekompensierte Herzinsuffizienz Orale Antikoagulation


Low-dose-Heparin

Mitralvitien mit Vorhofflimmern Orale Antikoagulation

Künstliche Herzklappen Orale Antikoagulation


plus Aggregationshemmer

Allgemeine Bettlägerigkeit Orale Antikoagulation


Low-dose-Heparin

Thromboseprophylaxe während der Schwangerschaft 1. Trimenon: Heparin


bis 3 Wochen vor Termin: orale Antikoagulation
letzte 3 Wochen: Heparin
Kapitel 11 · Historische Entwicklung
77 11

Schweiz. Diese Form der Prophylaxe hatte sich insbesondere beim akuten Infarkt bewährt.
Bezogen auf die Low-dose-Prophylaxe bei internistischen Patienten kommt die Analyse
nicht zu schlüssigen Ergebnissen, wobei die Autoren wiederum die unzureichende Daten-
lage beklagen.
Die erste systematische Untersuchung zum Nutzen einer generellen Heparinprophyla-
xe am allgemein-internistischen Patientengut erschien 1982 (Halkin et al. 1982). An 1358
konsekutiven Patienten der medizinischen Abteilung eines Akutkrankenhauses in Israel
wurde die Wirkung von zweimal täglich 5000 I.E Heparin untersucht. Nach Ausschluss zuvor
definierter Kontraindikationen erhielten alle aufgenommen Patienten mit gerader Patien-
tennummer die Prophylaxe und alle Patienten mit ungerader Patientennummer dienten als
Kontrolle. Um einen unerwünschten Einfluss durch die Patientenselektion abhängig von den
Kontraindikationen auszuschließen, wurden bei der Analyse alle Patienten mit gerader (669,
davon 411 mit Heparin), und alle Patienten mit ungerader Nummer berücksichtigt. Die Mor-
talität lag in der Patientengruppe unter Heparinprophylaxe mit 7,8% signifikant niedriger als
in der Kontrollgruppe mit 10,9%. Der Unterschied nahm mit der Länge des Krankenhaus-
aufenthaltes kontinuierlich zu (p=0,025). Insgesamt konnte die Mortalität durch Heparin um
31,1% reduziert werden. Die Autoren folgerten, dass eine Low-dose-Heparinprophylaxe bei
allen immobilisierten internistischen Patienten, die kein Blutungsrisiko haben, indiziert sei.
1992 erschien eine Arbeit zur Thromboseprophylaxe von J.H. Beer, Leiter des Throm-
boselabors der Medizinischen Klinik der Universität Bern. Sektionsdaten der in der eigenen
Klinik Verstorbenen, hatten ergeben, dass der Anteil an Lungenembolien bei den Verstor-
benen ohne Thromboseprophylaxe in den chirurgischen Fächern bei 50% und in den medi-
zinischen Fächern bei 45,6% lag (Havig 1977). Seine sich daraus ableitenden Empfehlungen
zur Thromboseprophylaxe bei internistischen Erkrankungen sind in der folgenden Über-
sicht aufgeführt. Auf eine Differenzierung der Grunderkrankung oder der Risikofaktoren
nach Schweregraden wurde nicht gesondert eingegangen. So heißt es in der Diskussion:
»Die Dauer der Prophylaxe sollte der Phase der verminderten Mobilität angepasst und
unter Umständen zu Hause weitergeführt (und überwacht!) werden, zumal nur die Spital-
aufenthalte, kaum aber die Phasen der Thrombosegefährdung laufend kürzer werden.«

Indikationen für die medikamentöse Thromboseprophylaxe


in der Inneren Medizin. (Nach Beer 1992)
 Internistische Erkrankung
 Malignome (besonders Adenokarzinome)
 Manifeste Herzinsuffizienz
 Schwere obstruktive Pneumopathie
 Nephrotisches Syndrom
 Entzündliche Darmerkrankungen,
 Chronische Infekte
 Diabetes mellitus I
 Selten:
– Polycythaemia vera
– Paroxysmale nächtliche Hämoglobulinurie
– Homozysturie
– Lupus erythematodes mit Lupusantikoagulans
78 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

In Hinblick auf die Einführung der DRGs und der heutigen Diskussion um die optimale
Dauer der Thromboseprophylaxe hat diese vor mehr als zehn Jahren formulierte Forde-
rung nichts an Aktualität und Weitsicht verloren.
Trotz dieser bereits seit langen Jahren bestehenden und begründeten Empfehlungen zur
Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin wurde ihre Handhabung kontrovers disku-
tiert. Daten der Universität Nimwegen zeigten, dass im klinischen Alltag das Thrombose-
risiko internistischer Patienten gering war (Schuurman et al. 2000). So wurden von 1992
bis 1996 6332 Patienten internistisch betreut und nur 39 (0,6%) erlitten eine Thrombose.
Von diesen 39 Patienten hatten 24 eine maligne Grunderkrankung. Daraus errechneten die
Autoren für Patienten mit maligner Grunderkrankung ein Thromboserisiko von 2,7%. Die
Sinnhaftigkeit einer generellen Thromboseprophylaxe bei allen internistischen Patienten
wurde von den Autoren damit in Frage gestellt. Andererseits kann ein solches retrospektiv
analysiertes Register die Ergebnisse zur Reduktion der Mortalität durch eine flächende-
ckende Prophylaxe, die 1982 von Halkin publiziert wurden, nicht widerlegen.

11
12

Neuere Ansätze
K. Kröger

Die Einführung neuer Heparinderivate und der wachsende Qualitätsanspruch, Throm-


bosen mit potentiell tödlicher Lungenembolie auch bei internistischen Patienten zu ver-
hindern, machten weitere Studien notwendig. Dabei handelt es sich zum Teil um Zulas-
sungsstudien und zum Teil um Studien, die sich auf besondere Risikogruppen konzen-
trierten.

HESIM: Heparin Study in Internal Medicine

In einer doppelblinden randomisierten multizentrischen Studie an 1968 Patienten wurde


die Gabe des niedermolekularen Heparins Nadroparin in einer Dosierung von 36 mg ein-
mal täglich mit der 3-mal täglichen Injektion von 5000 I.E. des unfraktionierten Heparins
Calciparin verglichen. Die Studie wurde initiiert und strukturiert, um die Gleichwertigkeit
des niedermolekularen Heparins Nadroparin für eine 10-tägige Prophylaxe zu belegen. Um
die Verblindung zu wahren, wurden bei den Patienten, die das niedermolekulare Heparin
erhielten, zusätzlich zwei Plazebospritzen verabreicht. Primärer Endpunkt war die Inzidenz
einer proximalen Thrombose, dokumentiert durch wiederholte Kompressionssonographi-
en (Harenberg et al. 1996).
Einschlusskriterien waren ein Alter zwischen 50 und 80 Jahren und eine erwartete
Immobilisation von 10 Tagen und mehr. Als zusätzliche Risikofaktoren waren gefordert:
Tumor, Adipositas, Varikosis, Hormonsubstitution, Thrombozytose über 450.000/Pl, Fib-
rinogen über 500 mg/dl, Z. n. Thrombose, Z. n. Herzinfarkt oder Schlaganfall oder eine
peripherer arterielle Verschlusskrankheit. Ausschlusskriterien waren insbesondere Risiken
für Blutungen und die Gerinnung beeinflussende Medikamente. Alle Patienten wurden bei
Einschluss und zwischen dem 8. und 11. Tag sonographisch untersucht. Bei klinisch sym-
ptomatischen Patienten wurden zusätzliche Untersuchungen durchgeführt. Bei positiven
Sonographiebefunden wurde die Thrombose phlebographisch bestätigt.
Insgesamt wurde nur bei 4 Patienten mit Calciparin und bei 6 Patienten mit Nadroparin
eine Thrombose nachgewiesen. Dieser Unterschied galt als nicht signifikant verschieden.
Lungenembolien wurde in 3 Fällen in jeder Gruppe beobachtet. Schwere Blutungen traten
in der Calciparingruppe bei 4 und in der Nadroparingruppe bei 5 Patienten auf. Die nied-
rige Rate an Thrombosen dieser Studie ist auffallend und wurde damit begründet, dass nur
80 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

proximale Thrombosen berücksichtigt wurden. Nur für proximale Thrombosen war die
Sensitivität der Kompressionssonographie ausreichend, um als Untersuchungsverfahren
für die Studie zugelassen zu werden.

PRIME: Thromboembolism Prophylaxis in Internal Medicine with Enoxaparin

Die PRIME Studie wurde von 1991 bis 1993 durchgeführt. In der Einleitung der Publi-
kation wird angeführt, dass plazebokontrollierte Studien zur Thromboseprohylaxe bei
internistischen Patienten aus ethischen Gründen nicht mehr vertretbar seien. Ziel dieser
doppelblinden randomisierten multizentrischen Studie war es, die Gleichwertigkeit einer
Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin einmal täglich und einer Prophylaxe mit 3-mal tägli-
cher Gabe von 5000 I.E Calcium-Heparin bei immobilisierten internistischen Patienten
zu belegen. Um die Blindung zu wahren, wurden auch in der Enoxaparingruppe täglich 3
Subkutanspritzen verabreicht, von denen jedoch 2 nur isotone Mannitollösung enthielten
(Lechler et al. 1996).
Einschlusskriterien waren eine Immobilisation für mindestens 7 Tage und ein zusätzli-
cher Risikofaktor: Alter >60 Jahre, Tumor, Adipositas, Z. n. Thrombose, Herzinsuffizienz
NYHA III–IV, Extremitätenparese, Hemi- oder Paraplegie oder schwerer Infekt. Neben
anderen Ausschlusskriterien führten Antiaggreganzien bzw. nichtsteriodale Antiphlogisti-
ka innerhalb der letzten sieben Tage zum Ausschluss. Eine solche Komedikation wurde bei
späteren Studien nicht mehr berücksichtig. Alle Patienten wurden bei Einschluss und nach
Ablauf der 7 Tage sonographisch gescreent. Bei klinisch symptomatischen Patienten wur-
den zusätzliche Untersuchungen durchgeführt. Bei positiven Sonographiebefunden wurde
die Thrombose phlebographisch bestätigt.
Während der 7 Tage traten in der Enoxaparingruppe nur eine Thrombose (0,2%) und in
der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin 6 thrombembolische Ereignisse (2 Thrombosen,
12 2 Thrombosen mit Lungenembolie, 2 Lungenembolien, 1,4%) auf. Somit konnte die Gleich-
heit der Studienarme sicher belegt werden. Das Signifikanzniveau für Überlegenheit der
Enoxaparingaben wurde nicht erreicht. Dafür war die Studie auch nicht konzipiert. Schwe-
re Blutungen wurden in der Calcium-Heparingruppe bei 9 und in der Enoxaparingruppe
bei 2 Patienten beobachtet.
Obwohl in dieser Studie der Anteil von Tumorpatienten mit etwa 14% deutlich höher
als in der HESIM-Studie war, fiel auch hier die niedrige Rate an Thrombosen auf. In der
Diskussion der Arbeit wird die mangelnde Sensitivität der Sonographie für Thrombosen
bei asymptomatischen Patienten als eine Ursache für die niedrige Thromboserate ange-
geben.

EMSG: Enoxaparin in Medicine Study Group

Diese doppelblinde randomisierte multizentrische Studie an 442 älteren bettlägerigen


Patienten untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von 20 mg Enoxaparin einmal
täglich im Vergleich zu 5000 I.E. eines unfraktionierten Heparins 2-mal täglich. Primäre
Endpunkte der Studie waren das Auftreten einer Thrombose im Radiofibrinogentest, der
täglich durchgeführt wurde, und eine klinisch symptomatische Lungenembolie (Bergmann
u. Neuhart 1996).
Kapitel 12 · Neuere Ansätze
81 12

Die Inzidenz der Thrombose betrug 4,8% in der Enoxaparingruppe und 4,6% in der
Heparingruppe. Relevante Blutungen wurden in der Enoxaparingruppe 1-mal und in der
Heparingruppe 2-mal beobachtet. Durch die Verwendung des Radiofibrinogentests war die
Thromboserate in dieser Studie im Vergleich zu den anderen Studien höher.

HPSG: Heparin Prophylaxis Study Group

Diese offene randomisierte multizentrische Studie untersuchte an 19.751 konsekutiven


Patienten im Alter über 55 Jahre, die auf sechs Infektionsstationen in Schweden eingewie-
sen wurden waren, den Nutzen einer Heparinprophylaxe. 5776 Patienten erhielten zweimal
täglich 5000 I.E. eines unfraktionierten Heparins subkutan und wurden mit 5917 Patienten
verglichen, die keine Prophylaxe erhielten. Die Prophylaxe wurde bis zur Entlassung, aber
maximal für 3 Wochen appliziert. Primärer Endpunkt war die autoptisch verifizierte Lun-
genembolie (Gardlund 1996).
Die Anzahl von Lungenembolien mit 15 in der Heparingruppe und 16 in der Kon-
trollgruppe unterschied sich nicht, wohl aber der Zeitpunkt ihres Auftretens. Berechnet
man den Zeitpunkt in Tagen nach stationärer Aufnahme und gibt ihn als Median wieder,
so traten die tödlichen Lungenembolien in der Kontrollgruppe nach 12,5 (10–20) Tagen
und in der Heparingruppe nach 28 (24–36)Tagen auf (p=0,007). Diese Verschiebung des
Ereigniszeitpunktes entspricht relativ genau den 3 Wochen Heparinprophylaxe. Auch die
Anzahl der nichttödlichen thrombembolischen Ereignisse unterschied sich signifikant mit
70 in der Heparingruppe zu 116 in der Kontrollgruppe (p=0,0012).
Obwohl die Studie signifikante Ergebnisse hinsichtlich der Vermeidung tödlicher
Lungenembolien und nichttödlicher thrombembolischer Ereignisse zeigte, schlossen die
Autoren in ihrer Diskussion, dass eine generelle Heparinprophylaxe in größeren Gruppen
von nicht chirurgischen Patienten nicht indiziert sei.

Nadroparin Prevention Study

In dieser Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Nadroparin im Vergleich zu
Plazebo bei 221 beatmeten Patienten mit akut dekompensierter chronisch obstruktiver
Lungenerkrankung untersucht. Die Studie wurde von 1992 bis 1995 in Frankreich durch-
geführt. Warum die Studie jedoch erst im Jahre 2000 publiziert wurde, bleibt unklar. Aus-
schlusskriterien waren alle blutungsgefährdenden Organveränderungen wie z. B. Ulcera
ventriculi oder zerebrale Veränderungen (Fraisse et al. 2000).
Im Gegensatz zu anderen Studien zur Thromboseprophylaxe wurde Nadroparin in
dieser Studie in körpergewichtsadaptierter Dosis appliziert (45–70 kg: 3800 anti-Xa-Ein-
heiten; 71–110 kg: 5700 anti-Xa-Einheiten). Die Prophylaxedauer betrug maximal 21 Tage.
Primärer Endpunkt war die Inzidenz tiefer Venenthrombosen, die durch regelmäßige
Ultraschalluntersuchungen während der Studie und durch eine Phlebographie am Ende des
Studienzeitraums verifiziert wurden.
Die Thromboseinzidenz war in der Nadroparingruppe mit 15,5% deutlich niedriger als
mit 28,2% in der Plazebogruppe (p=0,045). Schwere Blutungen traten bei 6 Patienten der
Nadroparingruppe bzw. 3 Patienten der Plazebogruppe auf, was sich statistisch als nicht
verschieden errechnete. Fulminante Lungenembolien wurden nicht beobachtet, auch nicht
82 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

in der Plazebogruppe. Die Autoren weisen daraufhin, dass danach auch nicht systematisch
gesucht wurde.

Metaanalyse zur Prävention venöser Thromboembolien bei internistischen


Patienten unter Berücksichtigung der obigen Studien

Im Jahr 2000 erschien eine Metaanalyse zum Thema Thromboseprophylaxe bei internisti-
schen Patienten mit unfraktioniertem bzw. niedermolekularem Heparin. Publiziert wurde
sie von P. Mismetti aus dem Institut für Klinische Pharmakologie der Universität Lyon,
Frankreich. Neben den zuvor beschriebenen Studien wurden einige weitere Studien, die als
primären Endpunkt die Thromboseinzidenz hatten und die Thrombosen mittels Radiofi-
brinogentest, Sonographie oder Phlebographie dokumentierten, berücksichtigt. Studien,
die überwiegend Patienten mit akuten Infarkt oder Apoplex eingeschlossen hatten, blieben
unberücksichtigt (Mismetti et al. 2000).
Zusammen wurden in der Metaanalyse Daten von 15.095 Patienten analysiert. Bei
internistischen Patienten konnte eine Heparinprophylaxe im Vergleich zu einer Kontroll-
gruppe ohne Prophylaxe das Risiko für eine Thrombose bzw. eine klinisch manifeste Lun-
genembolie um 56% bzw. 58% reduzieren (p>0,01), ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen
(⊡ Tabelle 12.1).
Weitere neun Studien verglichen die Wirksamkeit von unfraktioniertem Heparin
gegenüber niedermolekularem Heparin an insgesamt 4669 Patienten. Signifikante Unter-
schiede, bezogen auf die Rate an Thrombosen bzw. Lungenembolien und die Mortalität,
ergaben sich nicht (⊡ Tabelle 12.2). Das Risiko für größerer Blutungen war jedoch unter
niedermolekularen Heparinen um 52% niedriger (p=0,0049).
Die Studien zeigten, dass das Risiko für eine Thrombose bei internistischen Patienten
ohne Heparinprophylaxe bei 19% lag. Damit war nach Einschätzung der Autoren das
12 Thromboserisiko für internistische Patienten vergleichbar mit dem chirurgischer Patienten
(Collins et al. 1988; Leizorovicz et al. 1992), aber niedriger als das Risiko bei orthopädischen
Operationen (Nurmohamed et al. 1992). Andererseits wurde auch herausgestellt, dass das
Thromboserisiko nur durch die systematische Suche nach Thrombosen so hoch war. Die
meisten Thrombosen waren klinisch asymptomatisch und auf distale Venen beschränkt.
Auch wenn dies die klinische Wertigkeit der Thrombosezahlen etwas schmälert, so konnte
doch gleichzeitig das Risiko klinisch relevanter Lungenembolien um 50% gesenkt werden.
Außerdem wiesen die Autoren darauf hin, dass man die Ergebnisse nicht auf alle internisti-
schen Patienten verallgemeinern dürfte und für spezifische Subgruppen die Risiko-Nutzen-
Beziehung detailliert erarbeitet werden muss.
⊡ Tabelle 12.1. Übersicht über die randomisierten und kontrollierten Studien zum Nutzen einer Heparinprophylaxe bei internistischen Patienten. (Nach Mismetti et al. 2000)

Studie TVT LE Tod Blutungen


Ereigniszahl/Patientenzahl Ereigniszahl/Patientenzahl Ereigniszahl/Patientenzahl Ereigniszahl/Patientenzahl
Heparin Kontrolle Heparin Kontrolle Heparin Kontrolle Heparin Kontrolle

Belch et al. 1981 2/50 13/50 0/50 2/50 – – 0/50 0/50


Cade et al. 1982 15/154 15/80 – – – – 0/154 0/80
Kapitel 12 · Neuere Ansätze

Dahan et al. 1986 4/132 12/131 0/135 3/135 1/135 6/135 1/135 3/135
Ibara-Perez et al. 1988 1/33 12/46 0/39 3/46 – – 4/39 0/46
Bergmann et al. 1996 – – 10/1230 17/1244 124/1230 128/1244 – –
Gardlund et al. 1996 – – 34/5917 74/5917 304/5776 333/5917 14/5776 6/5917
Fraisse et al. 2000 13/84 24/85 0/108 0/113 18/108 17/113 6/108 3/113
Total 35/453 76/392 44/7338 99/7505 447/7249 484/7409 25/6262 12/6341
Anteil 7,7% 19,4% 0,6% 0,13% 0,6% 0,65% 0,4% 0,2%

⊡ Tabelle 12.2. Übersicht über die randomisierten und kontrollierten Studien zum Vergleich einer Prophylaxe mit unfraktioniertem Heparin und niedermolekularem Heparin
bei internistischen Patienten. (Nach Mismetti et al. 2000)

Studie TVT LE Tod Blutungen


Ereigniszahl/Patientenzahl Ereigniszahl/Patientenzahl Ereigniszahl/Patientenzahl Ereigniszahl/Patientenzahl
Heparin Kontrolle Heparin Kontrolle Heparin Kontrolle Heparin Kontrolle

Poniewierski et al. 1981 – – 0/100 0/100 1/100 0/100 – –


Aquino et al. 1982 1/49 1/50 0/49 0/50 1/49 2/50 0/49 2/50
Harenberg et al. 1986 3/84 4/82 – – 3/84 1/82 0/84 1/82
83

Forette et al. 1988 4/146 3/149 0/146 1/149 6/146 7/149 0/146 4/149
HESIM 1996 6/726 4/710 5/810 6/780 23/810 9/780 5/810 4/780
APTE 1996 0/129 1/127 – – 8/129 8/127 1/129 4/127
PRIME 2000 1/477 4/482 0/477 4/482 7/477 11/482 2/477 9/482
EMSG 1996 9/207 10/216 1/216 0/223 7/216 8/223 1/216 2/223
PRINCE 1996 19/239 22/212 1/239 1/212 28/332 30/333 1/332 1/333
Total 48/2057 49/2028 7/2037 12/1996 84/2343 76/2326 10/2243 27/2226
12
13

Aktuelle Studienergebnisse
K. Kröger

Der Gedanke, die Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin nicht auf alle internistischen
Patienten zu übertragen, sondern den Effekt für spezifische Risikogruppen zu überprüfen,
wurde für weitere Studien aufgegriffen. Hierbei galt das Interesse den Hochrisikopatienten.

MEDENOX: Medical Patients with Enoxaparin

Die MEDENOX-Study wurde 1996 begonnen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde beklagt,
dass die Häufigkeit venöser Thrombosen bei internistischen Patienten noch weitgehend
unbekannt und der Nutzen eines routinemäßigen Einsatzes einer medikamentösen Throm-
boseprophylaxe im internistischen Patientengut nur unzureichend belegt war. Ziel der
MEDENOX-Studie war es daher, die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse im internis-
tischen Patientengut zu untersuchen und gleichzeitig den Nutzen und die Sicherheit zweier
Prophylaxeregime (20 mg und 40 mg Enoxaparin) zur Vorbeugung tiefer Beinvenenthrom-
bosen und Lungenembolien zu sichern (Samama 1999).
In diese doppelblinde randomisierte und plazebokontollierte Studie wurden insgesamt
1102 Patienten eingeschlossen. Eingeschlossen wurden Patienten mit einem Krankenhaus-
aufenthalt aufgrund einer akuten internistischen Erkrankung wie Herzinsuffizienz NYHA
III und IV oder einer akuten nichtbeatmungspflichtigen Atemwegserkrankung. Patienten
mit einer akuten Infektion, rheumatischen Erkrankung, (einschließlich akuter Lumboi-
schialgie, Arthritis, Wirbelsäulenkompression), oder Dickdarmerkrankung wurden einge-
schlossen, wenn ein weiterer Risikofaktor vorlag. Als Risikofaktoren definiert waren: Alter
>75 Jahre, Tumor, vorausgehende Thrombose, BMI >30 für Männer und >28,5 für Frauen,
Varikosis, Hormonersatztherapie sowie chronische Herz- oder Atemwegserkrankungen.
Verglichen wurde die Wirkung von 20 mg und 40 mg Enoxaparin einmal täglich mit Pla-
zebo. Die prophylaktische Enoxaparingabe begann spätestens 24 h nach Randomisierung
und wurde während des Krankenhausaufenthaltens für 6–14 Tage fortgesetzt. Die Nachbe-
obachtung dauerte zwischen 83–110 Tage und erfolgte zum Teil telefonisch (⊡ Abb. 13.1).
Das Studiendesign unterschied zwischen einem thromboembolischen Ereignis innerhalb
der ersten 14 Tage (primärer Endpunkt) und der ersten 110 Tage (sekundärer Endpunkt).
Eine Bildgebung zur Dokumentation der Thrombosen (Phlebographie; falls diese nicht
möglich: Sonographie) wurde systematisch zu den jeweiligen Zeitpunkten bei 866 Patienten
durchgeführt. Bei klinischem Lungenembolieverdacht wurde ebenfalls eine entsprechende
Kapitel 13 · Aktuelle Studienergebnisse
85 13

Randomisierung

Enoxaparin Enoxaparin
Plazebo
1-mal 20 mg 1-mal 40 mg
n= 371
n= 364 n=367

6–14 Tage stationäre Behandlung


Beidseitige Phlebographie

83–110 Tage Follow-up


klinische oder telefonische Nachfrage

⊡ Abb. 13.1. Aufbau der Studienarme in der MEDENOX-Studie

Diagnostik (Szintigraphie, CT, Angiographie, Autopsie) eingeleitet. Blutungen wurden als


bedeutsam eingestuft, wenn sie intrakranial oder retroperitoneal auftraten, sie tödlich oder
transfusionspflichtig waren oder einen HB-Abfall von mehr als 2 g/dl verursachten.
Überraschenderweise zeigte nur die Dosierung von 40 mg Enoxaparin einen signifikan-
ten Effekt. Bis zum 14. Tag wurden in dieser Gruppe 16 (5,5%) und in der Plazebogruppe 43
(14,9%) thromboembolische Ereignisse gesichert. Bis zum 110. Tag. traten weitere 8 throm-
bembolische Ereignisse auf. Dabei handelte es sich bei 4 Patienten um tödliche Lungenem-
bolien, die im Zeitraum von 3–8 Wochen nach Ende der Heparinprophylaxe eintraten.
Die 40-mg-Enoxaparindosis gilt im chirurgischen Bereich als die Hochrisikodosis für
Patienten mit sehr hohem Thromboserisiko. Also interpretierte man die Ergebnisse der
MEDENOX-Studie dahingehend, dass internistische Risikopatienten mit chirurgischen
Hochrisikogruppen vergleichbar sind. Dass bei internistisch schwer kranken Patienten
die niedrigste Prophylaxedosis nicht ausreichend sein könnte, wurde auch schon in der
Nadroparin Prevention Study angenommen. Daher wurde bei den beatmeten Patienten mit
akut dekompensierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung ebenfalls eine körperge-
wichtsadaptierte Dosierung zur Prophylaxe gewählt (⊡ Abb. 13.2).

PRINCE I/II: Thromboembolism Prevention in Cardiac or Respiratory Disease


with Enoxaparin

In dieser offenen randomisierten multizentrischen Studie wurden der Effekt und die
Sicherheit einer Prophylaxe mit Enoxaparin gegenüber einer Prophylaxe mit unfraktio-
niertem Heparin bei 665 Patienten mit schwerer Herz- oder Ateminsuffizienz untersucht
(Kleber et al. 2003). In der Begründung zu dieser Studie heißt es, dass trotz der Empfehlung
einer Internationalen Konsensus-Konferenz aus dem Jahre 1997, den Nutzen der nieder-
86 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

p=0,0002

16 Placebo
Enoxaparin 20 mg
Enoxaparin 40 mg
12
RRR = 63 %
Patienten (%)

p=0,037
8

RRR = 65 %
4

0
Alle Thrombosen Proximale Thrombosen

⊡ Abb. 13.2. Ergebnisse der MEDENOX-Studie

molekularen Heparine für definierte medizinische Krankheitsbilder zu untersuchen, solche


Studien immer noch fehlten.
Es wurde daher gezielt der Nutzen einer 10-tägigen Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin
mit einer Prophylaxe mit 3-mal täglich 5000 I.E eines unfraktionierten Heparins verglichen.
13 Primärer Endpunkt war die Rate thrombembolischer Ereignisse bis Tag 1 nach Erhalt der
Prophylaxe. Bei allen Patienten mit erhöhten Werten einer Kombination aus Fibrino-
monomer- und D-Dimer-Test wurde nach Ablauf der Prophylaxephase eine beidseitige
Phlebographie durchgeführt. Bei symptomatischen Patienten wurde die phlebographische
Diagnostik entsprechend früher eingeleitet. Die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse
in der Enoxaparingruppe war bei den auswertbaren Patienten 8,4% und in der Gruppe mit
unfraktioniertem Heparin 10,4%. Diese Ergebnisse bedeuteten eine Gleichwertigkeit der
Prophylaxeregime. Die Rate der sekundären Endpunkte (Tod, Blutungen und Nebenwir-
kungen) lag für Enoxaparin mit 45,8% signifikant niedriger als bei der Gruppe mit unfrak-
tioniertem Heparin mit 53,8% (p=0,44; ⊡ Abb. 13.3).

PREVENT: Prevention of Recurrent Venous Thromboembolism

Der Nutzen der niedermolekularen Heparine wurde überwiegend in Studien untersucht,


die phlebographisch nachgewiesene Thrombosen als Endpunkte hatten. Der größte Teil
der Thrombosen waren aber asymptomatische Unterschenkelvenenthrombosen, deren
klinische Relevanz umstritten ist, heißt es in der Begründung für diese Studie. Daher wurde
Kapitel 13 · Aktuelle Studienergebnisse
87 13

Randomisierung

Heparin Enoxaparin
3-mal 5000 I.E. 1-mal 40 mg
n=333 n=332

6–12 Tage stationäre Behandlung


Beidseitige Phlebographie bei routinemäßig durchgeführtem
positivem Fibrinmonomer- oder D-Dimer-Test ⊡ Abb. 13.3. Aufbau der Studien-
arme in der PRINCE-Studie

die Prevent-Studie so angelegt, dass als primärer Endpunkt nur Ereignisse wie klinisch rele-
vante proximale Thrombosen, fatale oder nichtfatale Lungenembolien und der plötzliche
Tod stehen (Leizorovicz et al. 2003).
Die Prevent-Studie ist eine randomisierte doppelblinde multizentrische Studie an 3706
hospitalisierten internistischen Patienten mit erhöhtem Thromboserisiko bei der der Nutzen
von 5000 I.E. Dalteparin über 14 Tage gegen Plazebo getestet wurde. In Kenntnis der Ergeb-
nisse der MEDENOX-Studie wurde mit 5000 I.E. Dalteparin bewusst eine hohe Prophylaxe-
dosis gewählt und auf den Vergleich mit niedrigeren Dosen verzichtet. Die häufigsten Grün-
de für die Hospitalisierung waren eine dekompensierte Herzinsuffizienz, eine akute Atem-
wegserkrankung oder eine Infektion. Zwei Drittel der Patienten waren älter als 75 Jahre.
Die Thrombosen werden am 21. Tag durch eine Kompressionssonographie aller Pati-
enten, die nicht vorher symptomatisch wurden, ausgeschlossen bzw. nachgewiesen. Die
Inzidenz primärer Endpunkte war 2,77% (42/1518) in der Dalteparingruppe und 4,96%
(73/1473) in der Plazebogruppe (p=0,0015). Die Anzahl proximaler Thrombosen war in
der Dalteparingruppe ebenfalls niedriger mit 29 versus 60. Große Blutungen wurden bei 9
(0,49%) Patienten mit Dalteparin und 3 (0,16%) Patienten in der Plazebogruppe dokumen-
tiert (p=0,15).

ARTEMIS: Fondaparinux vs. Placebo for VTE Prophylaxis in Medical Ill Patients

Das Pentasaccharid Fondaparinux, als neue Substanzklasse, wurde ebenfalls hinsichtlich


seiner prophylaktischen Wirkung bei internistisch erkrankten Patienten untersucht. Ziel
dieser randomisierten, plazebokontrollierten und doppelblinden Studie an 849 Patienten
im Alter t60 Jahre war es, Daten zur Effektivität und Tolerabilität von Fondaparinux bei
internistischen Patienten zu gewinnen.
Eine endgültige Publikation der Ergebnisse liegt noch nicht vor. Aus ersten publizierten
Abstracts ist zu entnehmen, dass als ein Einschlusskriterium eine erwartete Bettruhe von
wenigstens 4 Tagen notwendig war. Die Randomisierung erfolgte innerhalb der ersten
48 h nach stationärer Aufnahme. Die Patienten erhielten für 6–14 Tage entweder 2,5 mg
Fondaparinux subkutan oder ein Plazebo und wurde über 32 Tage nachbeobachtet. Primä-
rer Endpunkt war ein venöses thrombembolisches Ereignis bis zum 15. Tag, das entweder
durch entsprechende klinische Symptome oder durch die routinemäßig durchgeführte
Phlebographie auffiel.
88 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

In der Plazebogruppe betrug die Rate an thrombembolischen Ereignissen 10,5% und in


der Fondaparinuxgruppe 5,6% (p=0,029). Die Inzidenz größerer Blutungen war in beiden
Gruppen mit 0,2% gleich. Die Mortalität am 32.Tag betrug für Fondaparinux 3,3% und für
das Plazebo 6%, ohne dass dieser Unterschied signifikant war.

Zusammenfassung

Die Gesamtsicht der Literatur zur Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin führt zu
folgenden Ergebnissen:
 Patienten mit internistischen Erkrankung haben ein erhöhtes Thromboserisiko. Dieses
bezieht sich aber überwiegend auf akut erkrankte immobilisierte Patienten und Tumor-
patienten. Die Bedeutung dieses Risikos wird durch die hohe Anzahl von internisti-
schen Patienten mit chronischen Erkrankungen oder diagnostischen Routineeingriffen
im klinischen Alltag bisher weitgehend verdrängt.
 Lässt man ältere Studien auf der Basis des Radiofibrinogentests außer Acht, variiert das
Risiko abhängig von der untersuchten Patientengruppe für alle Thrombosen zwischen
– 14,9% (MEDENOX) und 28% (Nadroparin Prevention Study), 10,5% (ARTEMIS)
und für eine klinisch relevante Thrombose zwischen
– 2% (HPSG) und 4,9% (PREVENT).
 Eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin bzw. Pentasaccharid reduziert das
Thromboserisiko für alle Thrombosen unabhängig von ihrer Symptomatik auf
– 5,5% (MEDENOX), 10,4% (PRINCE), 15,5% (Nadroparin Prevention Study), 5,6%
(ARTEMIS)
und für eine klinisch symptomatische Thrombose auf
– 0,2% (PRIME), 0,5% (HESIM), 1,2% (HPSG), 0,3% (MEDENOX), 2,77% (PREVENT).
 Obwohl es einzelne Studien zu anderen Präparaten gibt, ist von den niedermolekularen
Heparinen bisher nur Enoxaparin zur Thromboseprophylaxe bei internistischen Pati-
enten zugelassen. Grundlage für diese Zulassung bildeten insbesondere die MEDENOX-
13 und die PRINCE-Studie.
14

Prophylaxe bei nicht chirurgischen


Patienten aus Sicht eines Herstellers
C. Kienitz und B. Linße

Schon seit den siebziger Jahren gibt es Hinweise, dass nicht nur chirurgische, sondern auch
nicht chirurgische Patienten in gewissen Risikosituationen durch venöse Thromboemboli-
en gefährdet sind, jedoch mangelte es lange Zeit an aussagekräftigen Studien. Nicht zuletzt
wurde die Durchführung klinischer Studien dadurch erschwert, dass es bei nicht chirur-
gischen Patienten keinen exakt definierbaren Startpunkt für den Beginn eines thromboti-
schen Geschehens gibt und die thromboseauslösenden Faktoren wesentlich vielfältiger sind
als in der Chirurgie, was eine genaue Beschreibung der gefährdeten Patienten zusätzlich
erschwert. So blieben viele Fragen unbeantwortet, bis neuere Studien an klar definierten
Patientenpopulationen mit prospektiv erfasstem Risikoprofil eine bessere Kategorisierung
von nicht chirurgischen Patienten ermöglichten.
Einen wesentlichen Beitrag zur Bestimmung der Inzidenz venöser Thromboembolien
bei nicht chirurgischen Patienten hat die MEDENOX-Studie (Samama et al. 1999) geleistet,
die darüber hinaus noch folgende Fragen beantworten kann:
1. Kann das Thromboserisiko durch eine medikamentöse Prophylaxe gesenkt werden?
2. Mit welcher Substanz kann die Thromboserate verringert werden?
3. Welche Dosierung ist zu verabreichen?

Die MEDENOX-Studie war vom Pharmakonzern Rhone-Poulenc-Rorer, der heutigen


Sanofi-Aventis, initiiert worden. Rhone-Poulenc-Rorer verfügte als Hersteller des nieder-
molekularen Heparins Enoxaparin bereits über einschlägige Erfahrungen im Bereich der
peri- und postoperativen Thromboembolieprophylaxe, sodass es nahe lag, diese Substanz
mit dem Vorteil der compliancefreundlichen täglichen Einmalgabe auch bei nicht chirur-
gischen Patienten zu untersuchen. Die Vorteile von niedermolekularem Heparin gegenüber
unfraktioniertem Heparin sind nachfolgend nochmals aufgelistet:
 hohe Bioverfügbarkeit von >90%, u. a. aufgrund einer wesentlich geringeren unspezifi-
schen Plasmaeiweißbindung,
 gut vorhersagbare antikoagulatorische Wirksamkeit ohne nennenswerte intraindividu-
elle Schwankungen,
 Wegfall eines Gerinnungsmonitorings wie bei unfraktionierten Heparinen üblich
(lediglich eine Thrombozytenkontrolle sollte durchgeführt werden),
 längere Halbwertszeit,
 geringere Nebenwirkungsrate (u. a. allergische Reaktionen, HIT II, Osteoporose bei
Langzeitanwendung).
90 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

In der MEDENOX-Studie wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedener Enoxa-


parindosierungen in einem doppelblinden, prospektiven, randomisierten und plazebokon-
trollierten Design untersucht. Diese Studie hatte auch wegweisenden Charakter in Bezug
auf das Design neuerer Studien zu dieser Thematik wie der PREVENT- (Leizorovicz 2003)
und der ARTEMIS-Studie (Cohen 2003).
Parallel zu MEDENOX wurde die PRINCE-Studie (Kleber et al. 2003) initiiert, die eben-
falls bei einem definierten internistischen Patientengut die Wirksamkeit einer prophylakti-
schen Hochrisikodosierung Enoxaparin (40 mg), diesmal aber im Vergleich zu einem ande-
ren aktiven Regime, nämlich unfraktioniertem Heparin, untersuchte. Die Studien wurden
in Kap. 13 eingehend besprochen und sollen hier nicht im Detail wiederholt werden.
Als Fazit aus den Studienergebnissen konnten die oben gestellten Fragestellungen wie
folgt beantwortet werden:
1. Eine medikamentöse Thromboseprophylaxe kann die Thromboseinzidenz bei akut
erkrankten nicht chirurgischen Patienten signifikant senken. Ohne medikamentöse
Prophylaxe haben diese Patienten ein Thromboserisiko von ca. 15%.
2. Enoxaparin erwies sich für die medikamentöse Prophylaxe als gut geeignet.
3. Um bei nicht chirurgischen Patienten eine ausreichende Wirkung zu erzielen, muss
eine prophylaktische Hochrisikodosierung (entsprechend Enoxaparin 40 mg) einge-
setzt werden. Eine niedrigere Dosierung (Enoxaparin 20 mg), wie sie sich z. B. in der
Allgemeinchirurgie als wirksam erwiesen hat, ist bei diesen Patienten unzureichend.

Die günstigen Ergebnisse der MEDENOX- (Samama et al. 1999) und PRINCE-Studien (Kle-
ber et al. 2003) sowie einer weiteren supportiven Studie an Schlaganfallpatienten (Hillbom
et al. 2002) führten im Frühjahr 2000 zur Zulassung der Hochrisikoprophylaxedosierung
von Enoxaparin 40 mg zur Thromboembolieprophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten.
Wörtlich heißt es zu diesem Anwendungsgebiet in der Zulassung:
»Primärprophylaxe tiefer Venenthrombosen bei nicht chirurgischen Patienten mit
mittlerem oder hohem thromboembolischen Risiko bei akuten schweren internistischen
Erkrankungen (Herzinsuffizienz NYHA III bzw. IV, Infektionen, respiratorischen Erkran-
kungen), die eine weitgehende Immobilisation zur Folge haben.«
Bisher ist Enoxaparin das erste und einzige niedermolekulare Heparin, das für diese
14 Indikation in Deutschland zugelassen ist.
Obwohl inzwischen weitere Studien zum Einsatz verschiedener Antithrombotika bei
nicht chirurgischen Patienten durchgeführt wurden und die Datenlage sich somit in den
letzten Jahren erheblich verbessert hat, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch
viele Fragen zu dieser Thematik unbeantwortet sind. Als Vorreiter seitens der pharma-
zeutischen Industrie in diesem Indikationsfeld sieht sich die Firma Sanofi-Aventis auch
weiterhin in der Verantwortung, durch Forschungsprojekte und Studien zur Beantwortung
ungeklärter Fragen beizutragen. Im Folgenden werden einige der aktuellen Projekte kurz
vorgestellt, die dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn dienen und ggf. die Ableitung
zukünftiger therapeutischer Behandlungsstrategien erlauben.

AT-HOME-Studie

Bei der so genannten AT-HOME-Studie handelte es sich um eine Querschnittuntersu-


chung des Thromboserisikoprofils akut erkrankter nicht chirurgischer Patienten unter
Kapitel 14 · Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten
91 14

Beteiligung von mehreren Hundert Hausarztpraxen in Deutschland. Unter den Bedin-


gungen der ambulanten Versorgung im Praxisalltag wurde das Thromboserisikoprofil
von ca. 1000 internistischen Hausbesuchspatienten erfasst und der Risikokonstellation
der stationär behandelten Patienten aus der MEDENOX-Studie gegenüber gestellt. Dar-
über hinaus wurde dokumentiert, in welcher Situation der behandelnde Hausarzt eine
Thromboembolieprophylaxe für erforderlich hielt. Damit wird diese Studie nach ihrer
Auswertung einen wichtigen Beitrag zur Versorgungsforschung in Deutschland liefern, da
zum ersten Mal systematisch der Risikostatus und die aktuelle Versorgungssituation von
Hausbesuchspatienten hinsichtlich Thromboserisiko und Thromboembolieprophylaxe
erhoben worden sind.
Die Datensammlung der AT-HOME-Studie ist erst kürzlich abgeschlossen worden,
sodass die Publikation der endgültigen Ergebnisse für das erste Halbjahr 2005 erwartet
wird.

EXCLAIM

EXCLAIM steht für Extended Clinical prophylaxis in Acutely Ill Medical patients und soll
die Frage nach der optimalen Dauer einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe
bei nicht chirurgischen Patienten beantworten. Nachdem MEDENOX gezeigt hatte, dass eine
Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin über im Mittel 10 Tage bei dem definierten Patientengut
zu einer relativen Reduktion des Thromboserisikos um 63% führt, stellte sich in Analogie
zu chirurgischen Hochrisikopatienten die Frage, ob eine über den stationären Aufenthalt
hinaus verlängerte Prophylaxe die Thromboseinzidenz noch weiter senken kann.
Bei EXCLAIM handelt es sich um eine doppelblinde, randomisierte, plazebokontrol-
lierte Studie, in die 5800 Patienten weltweit eingeschlossen werden. Dabei werden Patien-
ten, die die Einschlusskriterien erfüllen, zunächst über ca. 10 Tage mit 40 mg Enoxaparin
behandelt und danach randomisiert einer 28-tägigen Weiterbehandlung mit Enoxaparin 40
mg oder mit Plazebo zugewiesen. Zum Ende des Beobachtungszeitraumes bzw. bei Throm-
boseverdacht auch eher, erfolgt eine Kontrolle mittels Ultraschalluntersuchung. Mit den
Ergebnissen dieser Studie wird 2005 gerechnet.

PREVAIL

PREVAIL ist eine offene, randomisierte Studie, die das Ziel hat, die Wirksamkeit und
Sicherheit von Enoxaparin im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin bei Patienten mit
akutem ischämischen Schlaganfall zu untersuchen. Diese Patienten haben ein besonders
hohes Thromboserisiko, waren aber aus den Prophylaxestudien der Inneren Medizin aus-
geschlossen, sodass hier noch dringender Untersuchungsbedarf besteht. Das Problem der
medikamentösen Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten wird in Kap. 20 noch
eingehender behandelt werden.
Über diese Projekte hinaus engagiert sich Sanofi-Aventis im Bereich der ärztlichen
Fortbildung und der Öffentlichkeitsarbeit, um insgesamt die Sensibilität für das häufig
unterschätzte Krankheitsbild der venösen Thromboembolie bei nicht chirurgischen Pati-
enten zu schärfen und so zu einer optimierten Versorgung zum Wohl der Betroffenen
beizutragen.
92 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

Fragen zu Kapitel 11–14: Evidenzen für eine Thromboseprophylase


in der Inneren Medizin

Kapitel 11: Historische Entwicklung


1. Erste Studien zur Häufigkeit von Thrombosen bei nicht chirurgischen Patienten erfolgten
auf der Basis welcher Methode?
A. Sonographie
B. Phlebographie
C. Szintigraphie
D. Computertomographie
E. Kernspintomographie

2. Die Häufigkeit von Thrombosen bei Patienten mit einem akuten Herzinfarkt, ermittelt mit
dem Radiofibrinogentest, lag bei:
A. 10%
B. 20%
C. 40%
D. 70%
E. 100%

3. Was stimmt zu folgender Feststellung? »Die subkutane Heparingabe ist nicht an ein Spital
gebunden, sondern kann sowohl vom Arzt als auch vom Patienten über längere Zeit hin-
weg auch zu Hause durchgeführt werden.«
A. Die Aussage ist falsch.
B. Die Aussage ist überholt.
C. Die Aussage wurde erstmals im Jahre 2000 gemacht.
D. Die Aussage vor mehr als 25 Jahren macht.
E. Die Aussage gilt nur für niedermolekulare Heparine

Kapitel 12: Neuere Ansätze


4. Welche Aussagen zu der Häufigkeit von Thrombosen in Studien stimmen?
A. Die Thromboserate wird nur von dem getesteten Präparat bestimmt.
B. Die Thromboserate ist unabhängig von den Risikofaktoren der Patienten.
C. Die Thromboserate ist abhängig von der eingesetzten Methode zum Nachweis der
Thrombosen.
D. Die Thromboserate bei stationär behandelten Patienten hängt nur von der Aufnah-
mediagnose ab.
E. Bei der Bewertung der Thromboseraten muss man berücksichtigen, ob es sich um
symptomatische Thrombosen handelt oder um asymptomatische.
Richtig sind:
A. nur A
B. nur C
C. nur D und E
D. nur C und E
E. alle Aussagen

Kapitel 11–14 · Fragen
93 11–14

5. Eine Metaanalyse von sieben Studien an mehr als 15.000 Patienten zur Wirkung eine
Heparinprophylaxe bei internistischen Patienten, die zwischen 1981 und 2000 publiziert
wurden, ergab folgendes Ergebnis!
A. Eine Heparinprophylaxe macht keinen Sinn.
B. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Throm-
bose bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie um mehr als 50% reduziert.
C. Eine Heparinprophylaxe erhöht das Blutungsrisiko deutlich.
D. Ein Heparinprophylaxe soll wegen des hohen Risikos einer »heparininduzierten
Thrombozytopenie« nicht durchgeführt werden.
E. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Throm-
bose bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie nur mehr 10% reduziert.

6. Welche Kontrollen sind bei einer Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin bei internis-
tischen Patienten notwendig?
A. Thrombozytenkontrolle
B. aPTT-Kontrolle
C. antiXA-Kontrolle
D. Kontrolle der Blutungszeit
E. Rumple-Leede-Test

Kapitel 13: Aktuelle Studienergebnisse


7. Welche Aussage zur MEDENOX-Studie ist falsch?
A. Die MEDENOX-Studie untersuchte den Nutzen und die Sicherheit zweier Prophylaxe-
regime (20 mg und 40 mg Enoxaparin) zur Vorbeugung tiefer Beinvenenthrombosen
und Lungenembolien.
B. Die MEDENOX-Studie ist eine doppelblinde randomisierte und plazebokontollierte
Studie an insgesamt 1102 Patienten.
C. Einschlusskriterien für die MEDENOX-Studie waren akute internistische Erkrankungen
und weitere Risikofaktoren.
D. Die MEDENOX-Studie zeigte, dass 40 mg Enoxaparin das Risiko für eine thromboem-
bolisches Ereignis signifikant senken konnten.
E. Die MEDENOX-Studie führte dazu, dass bei stationärer Behandlung heute alle inter-
nistischen Patienten grundsätzlich eine Prophylaxe mit einem niedermolekularen
Heparin erhalten.

8. Welche Aussage zur PRINCE-Studie ist falsch?


A. In dieser offenen randomisierten multizentrischen Studie wurde der Effekt und die
Sicherheit einer Prophylaxe mit Enoxaparin gegenüber einer Prophylaxe mit unfrakti-
oniertem Heparin bei 665 Patienten mit schwerer Herz- oder Ateminsuffizienz unter-
sucht.
B. Es wurde gezielt der Nutzen einer 10-tägigen Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin mit
einer Prophylaxe mit 3-mal täglich 5000 I.E eines unfraktionierten Heparins verglichen.
C. Die PRINCE-Studie wurde wegen der Vielzahl der Nebenwirkungen vorzeitig abge-
brochen.


94 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

D. Bei allen Patienten mit erhöhten Werten einer Kombination aus Fibrinomonomer- und
D-Dimer-Test wurde nach Ablauf der Prophylaxephase eine beidseitige Phlebographie
durchgeführt.
E. Die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse in der Enoxaparingruppe war bei den
auswertbaren Patienten 8,4% und in der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin 10,4%.
Diese Ergebnisse bedeuteten eine Gleichwertigkeit der Prophylaxeregime.

9. Welche Aussage zu Fondaparinux ist falsch?


A. Fondaparinux ist ein Pentasaccharid.
B. Pentasaccharide sind bei der Prophylaxe thrombembolischer Ereignisse im internisti-
schen Patientengut den niedermolekularen Heparinen deutlich überlegen.
C. Die ARTEMIS-Studie ist eine randomisierte, plazebokontrollierte und doppelblinde
Studie zur Effektivität und Tolerabilität von Fondaparinux bei internistischen Patienten.
D. In der ARTEMIS-Studie erhielten die Patienten entweder 2,5 mg Fondaparinux subku-
tan oder ein Plazebo.
E. Pentasaccharide binden über Antithrombin an Faktor Xa.

Kapitel 14: Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht


eines Herstellers
10. Welches war die erste große, doppelblinde, prospektive, randomisierte, plazebokontrol-
lierte Studie zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe an einem exakt definier-
ten, nicht chirurgischen Patientengut?
A. MEDENOX
B. PRINCE
C. PREVENT
D. ARTEMIS

11. Wie hoch ist die phlebographisch gesicherte Gesamtthromboserate bei nicht chirurgi-
schen Patienten ohne eine adäquate medikamentöse Thromboembolieprophylaxe?
A. ca. 5%
B. ca. 10%
C. ca. 15%
D. ca. 20%

12. Welches Studienprojekt soll klären, inwieweit auch nicht chirurgische Patienten von einer
verlängerten medikamentösen Thromboembolieprophylaxe profitieren?
A. AT-HOME
B. EXCLAIM
C. PREVAIL
Kapitel 11–14 · Literatur
95 11–14
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96 Teil III · Evidenzen für eine Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin

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IV

Teil IV Risikoabschätzung
in der Inneren Medizin

Kapitel 15 Expositionelle Risikofaktoren – 98

Kapitel 16 Dispositionelle Risikofaktoren – 103

Kapitel 17 Modelle zur Risikoabschätzung – 108


15

Expositionelle Risikofaktoren
S. Haas

Venöse Thromboembolien stehen fachübergreifend im Fokus der klinischen Praxis und


eine routinemäßige Thromboembolieprophylaxe ist seit mehreren Jahrzehnten fester
Bestandteil der chirurgischen Patientenversorgung. Die Indikationsstellung und Wahl der
Prophylaxeform erfolgt in Abhängigkeit vom individuellen Risikoprofil des Patienten, das
durch Kombination von expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren bestimmt
wird. Ob und inwieweit eine derartige Risikoabschätzung auch auf internistische Patienten
übertragen werden kann, soll nachfolgend näher erörtert werden. Dieses Kapitel beschäf-
tigt sich mit der aus klinischen Studien ableitbaren Evidenz des Thromboserisikos bei
verschiedenen Krankheitsbildern (expositionelles Risiko).
Eine Untersuchung des Risikoprofils von Patienten mit objektiv nachgewiesenen
Thrombosen wurde von Samama et al. im Rahmen der so genannten Sirius-Studie durch-
geführt. Diese französische multizentrische Fallkontrollstudie umfasste 1272 ambulante
internistische Patienten, die wegen einer Thrombose behandelt wurden (⊡ Tabelle 15.1).
Die Autoren unterscheiden »intrinsische« von »triggernden« Risikofaktoren und haben die
jeweilige Odds Ratio (OR) für das Entstehen einer venösen Thromboembolie berechnet.
Als triggernde Faktoren haben Schwangerschaft (OR 11,4), übermäßig starke körperliche
Anstrengung oder Weichteilverletzung (OR 7,59), Verschlechterung des Allgemeinzustan-

⊡ Tabelle 15.1. Sirius-Studie: Triggernde (expositionelle) Risikofaktoren für venöse Thrombosen


(Samama 2000)

Risiko-/Triggernde Faktoren OR (95%-KI)

Schwangerschaft 11,41 (1,40–93,29)

Übermäßige körperliche Anstrengung oder Weichteiltrauma 7,59 (2,95–19,53)

Verschlechterung des Allgemeinzustandes 5,75 (2,20–15,01)

Bettlägerigkeit oder Immobilisierung im Rollstuhl 5,61 (2,30–13,67)

Langstreckenreise (ohne nähere Angaben) 2,35 (1,45–3,80)

Infektionserkrankungen 1,95 (1,31–2,92)

KI Konfidenzintervall.
Kapitel 15 · Expositionelle Risikofaktoren
99 15

des (OR 5,75), Bettlägerigkeit oder Immobilisation im Rollstuhl (OR 5,61), Langstreckenrei-
se (OR 2,35) und Infektionskrankheiten (OR 1,95) zur Thromboseentstehung beigetragen.
Die genannten Odds Ratios sind jedoch mit Vorbehalt zu beurteilen, da eine ambulante
Thrombosebehandlung zur Zeit der Durchführung der Sirius-Studie wesentlich seltener als
heutzutage erfolgte und die Studie deshalb möglicherweise andere Patientenpopulationen
widerspiegelt (Samama 2000).
Hinsichtlich der Bewertung des Stellenwerts verschiedener Erkrankungen als Thrombo-
serisikofaktor (expositionelles Risiko) sind plazebokontrollierte Studien am aufschlussreichs-
ten. Die aus einigen prospektiven Studien ableitbare Evidenz wird nachfolgend diskutiert.

Expositionelles Risiko

Thromboserisiko bei Herzerkrankungen

Myokardinfarkt. In einigen früheren Studien wurden tiefe Beinvenenthrombosen bei


Patienten mit Herzinfarkt mit einer Inzidenz von 17–34% festgestellt (Emerson u. Marks
1977; Handley 1972; Warlow et al. 1973), jedoch ist wegen des mittlerweile routinemäßi-
gen Einsatzes von hochpotenten Thrombozytenfunktionshemmern, Antikoagulanzien und
Thrombolytika fraglich, inwieweit diese Zahlen derzeit noch Gültigkeit haben.
Herzinsuffizienz. Die Arbeitsgruppen von Kierkegaard et al. (1987) und Belch et al. (1981)
ermittelten Thrombosehäufigkeiten von 20 bzw. 26% bei Patienten mit Herzinsuffizienz.
Die aufschlussreichsten Daten können jedoch jüngeren Studien entnommen werden, insbe-
sondere der MEDENOX-Studie (Samama et al. 1999), die auch nach verschiedenen Schwe-
regraden der Herzinsuffizienz unterscheidet. Detaillierte Darstellungen der Häufigkeiten
für Herzinsuffizienz NYHA III und IV sind in ⊡ Tabelle 15.2 aufgelistet.

⊡ Tabelle 15.2. Häufigkeit venöser Thromboembolien bei verschiedenen Schweregraden der Herzinsuffi-
zienz in der MEDENOX-Studie (Samama et al. 1999)

Akute medizinische Erkrankung Plazebo

Patienten mit VTE Häufigkeit von VTE


[n/N] [%]

Herzinsuffizienz 14/96 14,6

NYHA-Grad III 9/73 12,3

NYHA-Grad IV 5/23 21,7

Akute respiratorische Erkrankung 20/153 13,1

Akute Infektiona 24/155 15,5

Infektion oder respiratorische Erkrankunga 13/79 16,5

Rheumatische Erkrankunga 6/29 20,7

Entzündliche Darmerkrankunga 0/1 0

aplus
weitere disponierende Risikofaktoren. VTE venöse Thromboembolie
100 Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren

Thromboserisiko bei akuten respiratorischen Erkrankungen

Auch für diese Patientenpopulation sind aus der MEDENOX-Studie wertvolle Erkenntnisse
zum Thromboserisiko ableitbar. Bei Patienten, die wegen einer akuten respiratorischen
Insuffizienz ins Krankenhaus aufgenommen und unter strikter Bettlägerigkeit behandelt
werden, muss ohne prophylaktische Maßnahmen mit einer Thrombosehäufigkeit von 13%
gerechnet werden (Samama et al. 1999). Unter Intensivbehandlung mit Beatmung steigt
das Risiko auf 18% (Fraisse et al. 2000). Im Vergleich zur schweren Herzinsuffizienz ist
der Stellenwert akuter respiratorischer Erkrankungen als Risikofaktor für das Entstehen
venöser Thromboembolien jedoch geringer einzustufen, was nicht nur aus den Daten der
MEDENOX-Studie abgeleitet werden kann, sondern auch aus der PRINCE-Studie hervor-
geht, in der diese beiden Patientenpopulationen mit zuvor festgelegter Stratifizierung und
Randomisierung eingeschlossen wurden (Kleber et al. 2003).

Thromboserisiko bei aktiven malignen Erkrankungen

Bei Patienten mit malignen Erkrankungen werden Thromboseraten bis zu 60% beschrie-
ben, wobei die Zahlen bei verschiedenen Karzinomtypen und Behandlungsregimen sehr
unterschiedlich sein können (Sutherland et al. 2003; Otten et al. 2000; Clarke-Pearson et
al. 1984; Marras et al. 2000). Insbesondere chemotherapeutische Maßnahmen können das
Thromboserisiko signifikant erhöhen (Levine et al. 1988; Saphner et al. 1991).

Neurologische Erkrankungen

Das Thromboserisiko ist bei Patienten mit Schlaganfall, insbesondere bei Vorliegen von
Paresen, besonders hoch. Aus gepoolten Daten verschiedener Studien lässt sich eine Häu-
figkeit venographisch nachgewiesener Thrombosen von 55% ableiten, was zur generellen
Empfehlung prophylaktischer Maßnahmen und deren weit verbreitetem Einsatz geführt
hat (Geerts et al. 2001; Nicolaides et al. 2001).

Andere internistische Erkrankungen

Unter dem Begriff »andere internistische Erkrankungen« (»other medical conditions«)


15 werden in der Literatur verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst, die als Ein-
schlusskriterien in klinische Studien definiert waren. Wegen vergleichbarer Definitionskri-
terien sind in diesem Zusammenhang die Daten aus drei plazebokontrollierten Studien am
aufschlussreichsten. Als mustergültiges Protokoll galt hierbei die MEDENOX-Studie, in die
Patienten mit folgenden Erkrankungen eingeschlossen wurden (Samama et al. 1999):
 Herzinsuffizienz (NYHA Grad III–IV) oder
 akute respiratorische Insuffizienz oder
 eine der nachfolgenden Diagnosen in Kombination mit einem oder mehreren prädefi-
nierten dispositionellen Risikofaktoren:
– akute Infektion,
– entzündliche Darmerkrankung,
– akute rheumatische Erkrankung,
– akute Lumbalgie, Ischialgie oder Wirbelsäulenkompression,
– akuter Myokardinfarkt.
Kapitel 15 · Expositionelle Risikofaktoren
101 15
14.9%
16
% Venöse Thromboembolien

43/288
14
12 10.5%
10 34/323
8
4.96%
6
73/1473
4
2
0
PREVENT ARTEMIS MEDENOX

⊡ Abb. 15.1. Venöse Thromboembolien unter Placebo in PREVENT, ARTEMIS und MEDENOX (Cohen et al. 2003;
Leizorovicz et al. 2004; Samama et al. 1999)

In die PREVENT- und ARTEMIS-Studie wurden Patienten mit gleichen Einschlusskriteri-


en eingeschlossen (Leizorovicz et al. 2004); die jeweils für die Plazebogruppe ermittelten
Thrombosehäufigkeiten sind in ⊡ Abb. 15.1 graphisch dargestellt.
Zum Verständnis der unterschiedlichen Thrombosezahlen zwischen PREVENT und
den beiden anderen Studien ist die Kenntnis des unterschiedlichen Thrombosenach-
weises von Bedeutung. In der ARTEMIS- und MEDENOX-Studie wurden alle Patienten
mittels beidseitiger Phlebographie untersucht, wogegen zum Thrombosenachweis bzw.
-ausschluss in der PREVENT-Studie die Kompressionssonographie eingesetzt wurde. Mit
der in der PREVENT-Studie angewandten Technik der Kompressionssonographie werden
ausschließlich proximale Thrombosen diagnostiziert, die mittels Phlebographie in der
MEDENOX-Studie in einer Häufigkeit von 6,6% und damit in ähnlicher Häufigkeit wie in
PREVENT nachgewiesen wurden.

Risikokategorien gemäß expositionellem Risiko

In der nordamerikanischen Konsensuserklärung des American College of Chest Physi-


cians wurden verschiedene internistische Krankheitsbilder drei abgestuften Risikokate-
gorien zugeordnet, die nachfolgend in ⊡ Tabelle 15.3 zusammengefasst sind (Geerts et al.
2001).
Nicht in allen Fällen kann die Eingruppierung der verschiedenen Krankheitsbilder in
die entsprechenden Risikokategorien aus der in ⊡ Tabelle 15.4 angegebenen Thrombosein-
zidenzen nachvollzogen werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zahlen teilweise
aus kleineren Studien resultieren, die den heutigen Anforderungen eines biometrischen
Designs nicht mehr genügen würden. Unter diesem Aspekt ist verständlich, dass die Ein-
gruppierung der schweren Erkrankungen mit intensivmedizinischer Behandlung in die
Gruppe des hohen Risikos primär nach medizinischem Konsens und nicht nach wissen-
schaftlicher Evidenz erfolgte.
102 Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren

⊡ Tabelle 15.3. Risikokategorien gemäß expositionellem Risiko (Geerts et al. 2001)

Hohes Risiko Mittleres Risiko Niedriges Risiko

Schlaganfall mit Parese Myokardinfarkt Infektion/akut entzündliche Erkran-


kung ohne strikte Bettlägerigkeit

Akut dekompensierte chro- Herzinsuffizienz Zentralvenöse Katheter oder Port-


nisch obstruktive Lungen- NYHA III + IV Systeme (in gewissen Situationen auch
erkrankungmit Beatmung mittleres oder sogar hohes Risiko)

Sepsis Akut dekompensierte


chronisch obstruktive Lungen-
erkrankung ohne Beatmung

Schwer erkrankte Patienten Infektion/akut entzündliche


mit intensivmedizinischer Erkrankungen mit strikter Bettruhe
Behandlung

⊡ Tabelle 15.4. Thromboseinzidenzen bei verschiedenen Krankheitsbildern ohne prophylaktische Maß-


nahmen (Geerts et al. 2001)

Internistische Erkrankungen Thromboseinzidenz [%]

Allgemein-internistische Erkrankungen 10–26

Schlaganfall 11–75

Myokardinfarkt 16–34

Herzinsuffizienz 15–40

Schwere internistische Erkrankungen mit intensivmedizinischer Behandlung 29–32

Fazit
15
In Analogie zu chirurgischen Patienten, deren expositionelles Thromboserisiko durch Art
und Umfang des chirurgischen Eingriffs bzw. erlittenen Trauma definiert wird, kann auch
bei nicht chirurgischen Patienten ein expositionelles Risiko definiert werden.
Das expositionelle Risiko von nicht chirurgischen Patienten ist durch Art und Ausmaß
einer akuten Erkrankung geprägt, wogegen Übergänge von Exposition zu Disposition
durchaus möglich sind.
Im Vergleich zu chirurgischen Patienten ist jedoch bei nicht chirurgischen Patienten die
Trennschärfe zwischen expositionellem und dispositionellem Risiko geringer, was für die
Abschätzung des Thromboserisikos nach klinischen Gesichtspunkten im klinischen Alltag
jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt.
16

Dispositionelle Risikofaktoren
S. Haas

In Analogie zu chirurgischen Patienten werden in der neueren Literatur auch für inter-
nistische Patienten zwei verschiedene Determinanten des individuellen Thromboserisikos
beschrieben; dabei werden expositionelle bzw. auslösende von dispositionellen bzw. prä-
disponierenden Risikofaktoren unterschieden. Erstere werden durch den Verlauf einer
akuten Erkrankung bestimmt und Letztere beinhalten das Basisrisiko des Patienten, das
angeboren oder erworben sein kann.
Die Evidenz verschiedener Risikokonstellationen kann prinzipiell aus unterschiedli-
chen Studienarten abgeleitet werden:
 aus Kohortenstudien,
 aus Untersuchungen an Patienten mit manifesten Thromboembolien und nachfolgen-
den Erhebungen verschiedener Risikofaktoren sowie
 aus plazebokontrollierten Studien zur primären Thromboembolieprophylaxe mit post
hoc durchgeführten Risikoanalysen.

Dispositionelle Risikofaktoren

In der bereits in Kap. 15 erwähnten SIRIUS-Studie wurden als intrinsische (dispositionelle)


Risikofaktoren anamnestisch bekannte Thromboembolien, venöse Insuffizienz, chroni-
sche Herzinsuffizienz, Adipositas mit einem BMI >30, aufrechter Stand >6 h/Tag und eine
Anamnese mit mehr als drei Schwangerschaften (bei insgesamt 325 untersuchten Frauen)
beschrieben, wobei sich eine anamnestisch bekannte Thromboembolie mit einer OR von
15,6 als gewichtigster Risikofaktor herausstellte (⊡ Tabelle 16.1). Dies reflektiert auch die
klinische Erfahrung, dass eine früher erlittene Thrombose bei geringfügigem Auslöseme-
chanismus zum Rezidiv einer Thromboembolie führen kann.
Aus heutiger Sicht erscheint diese Liste dispositioneller Risikofaktoren unvollstän-
dig, da sie keine Angaben zum Stellenwert des Alters und zu verschiedenen Faktoren
der Thrombophilie enthält. Außerdem sind weitere konsensusbasierte Risikofaktoren
unberücksichtigt, wobei die Trennschärfe zwischen expositionellem und dispositionellem
Risiko bei Vorliegen chronischer Krankheitsbilder manchmal unklar ist. Dies betrifft bei-
spielsweise maligne Erkrankungen, die im aktiven Stadium als akuter Triggermechanismus
für eine venöse Thromboembolie angesehen werden können, bei chronischem Verlauf oder
nach abgeschlossener Behandlung jedoch mehr den Kriterien eines prädisponierenden
104 Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren

⊡ Tabelle 16.1. Sirius-Studie: Intrinsische (dispositionelle) Risikofaktoren für venöse Thrombosen


(Samama 2000)

Risikofaktoren (intrinsische Faktoren) OR (95%-KI)

Anamnestisch bekannte VTE 15,6 (6,77–35,89)

Venöse Insuffizienz 4,45 (3,10–6,38)

Chronische Herzinsuffizienz 2,93 (1,55–5,56)

Adipositas 2,39 (1,48–3,87)

Aufrechter Stand (>6 Stunden/Tag) 1,85 (1,12–3,06)

Anamnese >3 Schwangerschaften 1,74 (1,06–2,87)

KI Konfidenzintervall, VTE venöse Thromboembolie

Risikofaktors entsprechen. Gedanklich kann man davon ausgehen, dass der Stellenwert
einer malignen Erkrankung als expositionelles Risiko durch das Ausmaß einer tumoras-
soziierten Hämostasestörung geprägt ist, wie z. B. Thrombozytenaktivierung, Expression
inflammatorischer Zytokine und Produktion von so genannten Tumorprokoagulanzien.
Näheres hierzu ist ausführlich in Kap. 10 beschrieben. Auch bei der chronischen Herzinsuf-
fizienz und dem nephrotischen Syndrom handelt es sich um Krankheitsbilder, die generell
das Basisrisiko des Patienten erhöhen, denen bei Änderung des Krankheitsverlaufs jedoch
ebenso der Stellenwert eines expositionellen Risikofaktors zugeschrieben werden kann.

Stellenwert des Alters als Thromboserisikofaktor

Die Bedeutung des Alters als Risikofaktor steigt mit zunehmendem Lebensalter durch Ver-
schiebungen der Balance im Hämostasepotential und eventuell bedingt durch eine stetige
Zunahme von erworbenen Risikofaktoren.

 Pathogenese der Thrombose im Alter


 Gefäßwandveränderungen
 Faktor I n, Faktor V n, Faktor VIII n
16  Antithrombin (AT) p
 Plasminogenaktivator Inhibitor (PAI) n
 Viskosität von Blut und Plasma n
 Mobilität p
 Multimorbidität n

Bereits im Jahr 1991 wurde von Anderson et al. im Rahmen einer epidemiologischen Unter-
suchung (The Worcester DVT Study) eine exponentielle Zunahme des Thromboserisikos
mit einem Alter ab ca. 60 Jahren beschrieben. Die Inzidenzen venöser Thromboembolien
sind für jede Lebensdekade in ⊡ Abb. 16.1 graphisch dargestellt.
Kapitel 16 · Dispositionelle Risikofaktoren
105 16
Inzidenzen pro 100.000 in der Bevölkerung

300

250 TVT
LE
200

150

100

50

0
0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 >80

Alter (Jahre)

⊡ Abb. 16.1. Zunahme von venöser Thromboembolien mit dem Alter (Anderson et al. 1999)

2,5
TVT
2 LE
RelativesRrisko

1,5

0,5

0
65-69 70-74 75-79 80-84 85-89
Alter (Jahre)

⊡ Abb. 16.2. Relative Risikoerhöhung mit zunehmendem Alter

Auch Kniffin et al. (1994) haben eine relative Risikoerhöhung für venöse Thrombo-
embolien mit Zunahme des Alters beschrieben (⊡ Abb. 16.2). Insbesondere die Gefahr der
Lungenembolie ist bei älteren Patienten stark erhöht.

Stellenwert verschiedener Formen der Thrombophilie


als Thromboserisikofaktor

Auf die besondere Rolle verschiedener Formen der Thrombophilie wurde in Kap. 8 bereits
ausführlich eingegangen. In ⊡ Tabelle 16.2 sind die an Thrombosepatienten ermittelten
Häufigkeiten denjenigen der Allgemeinbevölkerung ohne Thrombosenachweis tabellarisch
gegenüber gestellt. Obwohl es keine aus prospektiv kontrollierten Studien ableitbaren
Daten zum exakten Stellenwert des jeweiligen Thrombophiliefaktors als unabhängiger
Thromboserisikofaktor bei verschiedenen Erkrankungen gibt, ist es medizinischer Kon-
sens, dass diese Faktoren das Thromboserisiko in gewissen Risikosituationen zusätzlich
erhöhen. Man also davon ausgehen, dass bei Vorliegen eines oder mehrerer Thrombophi-
106 Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren

⊡ Tabelle 16.2. Häufigkeiten verschiedener Thrombophiliefaktoren in der Allgemeinbevölkerung und bei


Patienten mit Thrombosen. (Mod. nach Laffen u. Tuddenham 1998)

Thrombophiliefaktor Häufigkeit bei Patienten Häufigkeit in der


mit Thrombosen [%] Allgemeinbevölkerung [%]

Protein-C-Mangel 2,1 0,3

Antithrombinmangel 1,1 0,2

Protein-S-Mangel 2,2 0,2

Hyperhomozysteinämie 10 4,8

Erhöhte Prothrombinspiegel 6,2 2,3

Faktor-V-Leiden-Mutation 20 4

Erhöhte Faktor-VIII-Spiegel 25 11

Hyperfibrinogenämie 15 8

liefaktoren die Schwelle zur Manifestation einer Thrombose gesenkt wird. Dies gilt insbe-
sondere für jüngere Patienten ohne zuvor erlittene Thrombose, da bei älteren Patienten
angenommen werden kann, dass eine Thrombose bei Vorliegen dieser Faktoren schon
früher in Erscheinung getreten wäre.

Dispositionelles (prädisponierendes) Thromboserisiko bei Patienten


mit akuten internistischen Erkrankungen

Wie bereits erwähnt, wird das Basisrisiko für venöse Thromboembolien durch verschiede-
ne beim Patienten vorhandene, prädisponierende Umstände definiert. Eine Post-hoc-Ana-
lyse der Medenox-Studie lieferte auch für die Bedeutung und Bewertung der Basisrisiken
wichtige Erkenntnisse, insbesondere hinsichtlich Wirksamkeit einer medikamentösen
Prophylaxe mit einmal täglich 40 mg Enoxaparin (Alikhan et al. 2003). Bei der Auswer-
tung der Wirksamkeit nach vorhandenen, prädisponierenden Risikofaktoren zeigte sich
für Patienten, die älter als 75 Jahre waren und 40 mg Enoxaparin erhielten, eine signifi-
kante Risikominderung der VTE um 78% im Vergleich zu Plazebo (p=0,0001). Für den
Risikofaktor Immobilität, definiert als selbständige Gehstrecke von <10 m am Tag 10 r 4
Tage, konnte ebenfalls die VTE-Rate in der 40-mg-Enoxaparingruppe signifikant um 56%
16 gesenkt werden (p=0,02). Für den Risikofaktor venöse Thromboembolie in der Anamnese
betrug die Senkung 51% verglichen mit Plazebo, was allerdings statistisch nicht signifikant
war, und für Patienten mit Varikosis konnte eine Risikoreduktion von 76% erreicht wer-
den (p=0,05). Ein besonders hohes relatives Thromboserisiko haben Patienten mit einer
chronisch respiratorischen bzw. chronischen Herzinsuffizienz. Bei diesen Patienten betrug
die Risikosenkung unter 40 mg Enoxaparin jeweils signifikant 74% verglichen mit Plazebo
(p=0,005, p=0,04; ⊡ Abb. 16.3). Bei Patienten mit aktivem Krebs in der Vorgeschichte zeigte
die Auswertung eine Senkung der VTE-Rate um 50% in der Hochdosisgruppe verglichen
mit Plazebo (p=0,4). Bei Patienten mit Adipositas (BMI t30 kg/m2 für Männer; BMI
t28,6 kg/m2 für Frauen) ergab sich eine Risikosenkung von 51% für die 40-mg-Enoxapa-
ringruppe im Vergleich zu Plazebo (p=0,3).
Kapitel 16 · Dispositionelle Risikofaktoren
107 16

Chronisch Chronische
Alter VTE- respiratorische Herz-
Risikoreduktion durch Enoxaparin 40 mg (%)

> 75 Jahre Immobilität Anamnese Insuffizienz* insuffizienz


0,0

RRR RRR RRR RRR RRR


-25,0 - 78 % - 56 % -51 % -74 % -74 %

p = 0,0001 p = 0,02 p = n.s. p = 0,005 p = 0,04


-50,0

-75,0

* pO2 < 65 %
-100,0

⊡ Abb. 16.3. Subgruppenanalyse der MEDENOX-Studie hinsichtlich Wirksamkeit von einmal täglich Enoxaparin
40 mg aufgetrennt nach verschiedenen dispostionellen Risikofaktoren. (Mod. nach Alikhan et al. 2003)

In einer univariaten Analyse des prädisponierenden Risikoprofils der MEDENOX-


Patienten wurden die nachfolgend aufgelisteten Faktoren als unabhängige Risikofaktoren
identifiziert:
 höheres Lebensalter (>75 Jahre),
 Malignom,
 venöse Thromboembolie in der Anamnese.

Die Ergebnisse sind in ⊡ Tabelle 16.3 zusammengefasst.

Fazit

Prädisponierende Risikofaktoren können das individuelle Thromboserisiko internistischer


Patienten erhöhen.
Ob sich das Risiko bei Vorliegen mehrerer Faktoren additiv oder multiplikativ erhöht,
kann aufgrund der verfügbaren Datenlage jedoch nicht entschieden werden.

⊡ Tabelle 16.3. Risikofaktoren und VTE-Risiko in MEDENOX: univariate Analyse (Alikhan et al. 2004)

Risikofaktor RR 95%-KI p

Weibliches Geschlecht 1,20 0,83–1,73 0,38

Alter >75 1,51 1,03–2,20 0,04

Malignom 1,74 1,13–2,68 0,02

Anamnestische VTE 1,84 1,15–2,94 0,02

Adipositas 1,04 0,68–1,60 0,97


Varizen 1,34 0,91–1,97 0,18

KI Konfidenzintervall, VTE venöse Thromboembolie


17

Modelle zur Risikoabschätzung


S. Haas

Im klinischen Alltag ist wünschenswert, das individuelle Risiko des Patienten einfach, aber
trotzdem möglichst präzise abschätzen zu können. Diesem Wunsch entsprechend wurden
zahlreiche Modelle und Schemata entwickelt, die eine Indikationsstellung zur Thromboem-
bolieprophylaxe erleichtern sollten, wegen entweder zu komplexer oder zu vereinfachter
Darstellung bisher jedoch kaum Anwendung in der Praxis gefunden haben.
Unter der Annahme, dass nur schwer erkrankte Patienten stationär behandelt werden
und die überwiegende Mehrzahl dieser Patienten vermutlich von einer Prophylaxe profitie-
ren würde, wird von einem Expertengremium in USA eine stark vereinfachte Risikoabschät-
zung propagiert. Demnach wird empfohlen, prinzipiell alle Patienten unter dem Aspekt der
Indikation für eine Prophylaxe zu screenen und diese bei Vorliegen von Risikofaktoren
und nicht bestehender Kontraindikation auch durchzuführen (DVT FREE Consensus Panel
2003; http://www.thrombosis-consult.com/VTED%20Pathway%20rev%204.pdf).
In Deutschland wurde im Rahmen einer interdisziplinären Fachplattform ein einfa-
ches, visuell schnell erfassbares Risikoschema entwickelt, das eine rasche Risikoerfassung
nach klinischen Gesichtspunkten ermöglicht (s. ⊡ Abb. 17.1, Risikoschema zur Erfassung
des individuellen Risikolevels). Das Risikoschema zeigt nach Studienlage und klinischer
Expertise gewichtete Risikoklassen von Akutrisiken (expositionelles Risiko), denen gewich-
tete Risikoklassen von Basisrisiken (prädisponierende Risikofaktoren) gegenübergestellt
wurden (Lutz et al. 2002). Bei den Akutrisiken handelt es sich um Risikofaktoren, die durch
die akute Erkrankung oder deren Behandlung entstehen, wohingegen bei den Basisrisiken
Risikofaktoren erfasst werden, die der Patient ohne den Eintritt der akuten Krankheit
bereits aufweist.
Im Gegensatz zu den operativen Fächern, in denen die Risikoklasseneinteilung in
»hoch«, »mittel« und »niedrig« auch unterschiedliche Heparindosierungen erfordert, ist
diese Einteilung bei internistischen Patienten nicht sinnvoll, weil hier allein die Hochrisi-
kodosierung von Heparin und niedermolekularem Heparin als wirksame Prophylaxe ange-
sehen werden kann. Aus diesem Grund wurde für das Risikoschema die zweidimensionale
Betrachtung gewählt, da die therapeutische Konsequenz stets gleich bleibt: Es handelt sich
also um eine Ja- oder Nein-Entscheidung.
Die Akutrisiken der Klassen 2 und 3 erfordern nach Studienlage eine medikamentöse
Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Die Klasse 1 führt erst dann zu einer Indika-
tion, wenn weitere Risikofaktoren aus den Basisrisiken additiv hinzukommen. Unabhängig
von dieser Empfehlung ist es dem Arzt überlassen, auf Grund besonderer Umstände die Indi-
Kapitel 17 · Modelle zur Risikoabschätzung
109 17
Risikoschema zur Erfassung des individuellen VTE-Risikos

5 Ischämischer Apoplex mit Parese Hohes . . .


5 Akut dekompens. COPD mit 3
Beatmung

5 Myokardinfarkt
5 Herzinsuffizienz NYHA III + IV
5 Akut dekompens. COPD ohne Beatmung 2
GESAMTRISIKO
AKUTRISIKO

5 Sepsis
5 Infektion/akut entzündliche Erkrankung
mit nahezu vollständiger Immobilisierung

5 Infektion/akut entzündliche Erkrankung


mit nicht vollständiger Immobilisierung
5 Infusion venenschädigender Lösungen 1
bei ZVK oder Port

5 Kein Akut-Risiko 0
Niedriges. . .
0 1 2 3

5 Kein Basis- 5 Exsikkose 5 Alter > 65 Jahre 5 Thrombophilie


Risiko 5 Polyglobulie oder 5 Schwangerschaft 5 VTE in Eigenanamn
Thrombozytose 5 Orale Kontrazeption 5 Florides Malignom
5 Stammvarikosis 5 Nephrot. Syndrom
5 VTE in Familie 5 Myeloprol. Syndrom ODER:
5 Hormonersatz- 5 Ž 3 Risiken aus 1
ODER: 5 Ž 2 Risiken aus 2
therapie
5 Adipositas 5 2 Risiken aus 1

BASISRISIKO
⊡ Abb. 17.1. Abschätzung der Indikation zu einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe in Abhängigkeit
von Akutrisiken und Basisrisiken bei internistischen Patienten

kationsstellung abweichend vorzunehmen. Der Vorteil dieses Schemas ist, dass es auch zur
Abschätzung des Thromboserisikos bei der Beratung von Patienten hinsichtlich der Gefahr
einer so genannten Reisethrombose verwendet werden kann. Die Akutrisikoklasse 0 ent-
spräche dem temporär durch die Reiseumstände bedingten Risiko (langes Sitzen in beengter
Sitzhaltung) und im Falle einer Basisrisikoklasse 3 (Vorhandensein besonders gewichtiger
prädisponierender Risikofaktoren) wäre eine medikamentöse Prophylaxe ratsam.
Die Arbeitsgruppe von Cohen et al. (2003) hat ein ähnliches Risikoschema zur Erfas-
sung des individuellen Thromboserisikos vorgestellt, das sich lediglich von dem oben
genannten durch eine Differenzierung von evidenz- und konsensbasierten Risikofaktoren
unterscheidet. Als evidenzbasierte Risikofaktoren wurden aus der Kategorie des expositio-
nellen Risikos folgende Faktoren identifiziert:
 ischämischer Apoplex mit Parese,
 akut dekompensierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit und ohne
Beatmung,
 Herzinsuffizienz NYHA III und IV,
 Sepsis,
 aktive maligne Erkrankung,
 nahezu vollständige Immobilisierung bei akuter Infektion oder akut entzündlicher
Erkrankung (z. B. Darm oder Gelenke).
110 Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren

Evidenzbasierte prädisponierende Risikofaktoren waren:


 Alter >75 Jahre,
 bekannte Thrombophilie,
 venöse Thromboembolie in der Eigenanamnese,
 maligne Erkrankung in der Anamnese,
 venöse Thromboembolie in der Familienanamnese.

Dieses Risikoschema basiert auf einer 3u3-Feldertafel und führt prinzipiell zu einer ähn-
lichen Aussage wie die in Abb. 1 gezeigte 4u4-Feldertafel (⊡ Abb. 17.2). Der Vorteil dieses
Schemas liegt in der einfacheren Erfassung der Akutrisiken und der daraus ableitbaren
Konsequenz einer Indikation zur medikamentösen Prophylaxe. Patienten mit einem evi-
denzbasierten Akutrisiko fallen automatisch in die Kategorie des hohen Risikos, was eine
Indikation zur medikamentösen Prophylaxe bedeutet.

Fazit

Das individuelle Thromboserisiko nicht chirurgischer Patienten ist definiert als Summe aus
expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren.
Die aus mehreren randomisierten Studien ableitbare Evidenz eines erhöhten Thrombo-
serisikos ist für zahlreiche internistische Erkrankungen gesichert.
Mit Zunahme des Basisrisikos sinkt die Schwelle der Manifestation einer venösen Throm-
boembolie bei entsprechender Exposition.

Risikoschema zur Erfassung des individuellen VTE-Risikos


Ischämischer Apoplex mit Parese •
Akut dekompens. COPD (mit/ohne Beatmung) •
Akut-Risiken

Akuter Myokardinfarkt •
Herzinsuffizienz NYHA III + IV • Hohes
Sepsis •
Aktive Krebserkrankung unter Therapie • Gesamtrisiko
Nahezu vollständige Immobilisierung
bei akuter Infektion • , bei akuter Entzündung •
(z.B. Darm, Gelenke)
Nicht vollständige Immobilisierung
Akut-Risiken

bei fieberhaften Infekten


bei fieberhafter Entzündung

Liegender ZVK
Infusion venenaggressiver Lösungen
bei Port

Bei jeder Mobilitätseinschränkung des internis-


tischen Patienten sollte routinemäßig anhand der
Basisrisiken das VTE-Risiko bestimmt werden: je höher Niedriges Gesamtrisiko
das Basisrisiko, desto großzügiger die Indikations-
17 stellung!
Bekannte Thrombophilie •
Alter > 75 Jahre •
Exsikkose Schwangerschaft / p.p. VTE in Eigenanamnese •
Polyglobulie Orale Kontrazeption Tumor i.d. Anamnese •
COPD: chronisch obstruktive Lungenerkrankung Thrombozytose VTE in Familienanamnese •
Nephrot. Syndrom
Stammvarikose
Myeloprol. Syndrom
ZVK: zentraler V enenkatheter Hormonersatztherapie
Adipositas
VTE: venöse Thromboembolie Alter > 60 Jahre Addition der Einzelrisiken
• : Evidenz-basiert
Basisrisiken

⊡ Abb. 17.2. Abschätzung der Indikation zu einer medikamentösen Thromboembolieprophylaxe in Abhängigkeit


von Akutrisiken und Basisrisiken bei internistischen Patienten. (Mod. nach Cohen et al. 2003)
Kapitel 15–17 · Fragen
111 15–17

Fragen zu Kapitel 15–17: Risikoabschätzung

Kapitel 15: Expositionelle Risikofaktoren


1. Was sind expositionelle Risikofaktoren?
A. Risikofaktoren, die im Laufe des Lebens erworben werden
B. Angeborene Risikofaktoren
C. Risikofaktoren, die durch Art und Umfang einer Erkrankung charakterisiert sind.
D. Risikofaktoren, die nach Abklingen einer akuten Erkrankung nicht mehr vorhanden sind.

2. Welche der nachfolgenden Erkrankungen sind aus Studien ableitbar mit einem erhöhten
Thromboembolierisiko assoziiert?
A. Sepsis
B. Akute respiratorische Erkrankungen mit Beatmung
C. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV
D. Schlafapnoe Syndrom
E. Pericholecystitis

Kapitel 16: Dispositionelle Risikofaktoren


3. Was sind prädisponierende (dispositionelle) Risikofaktoren?
A. Patientenbezogene Risikofaktoren, die dauerhaft das Risiko für thromboembolische
Komplikationen erhöhen.
B. Angeborene oder erworbene Defekte im Gerinnungssystem (Thrombophilie)
C. Hohes Lebensalter
D. Anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien

4. Welche der nachfolgenden Faktoren sind prädisponierende Risikofaktoren für eine venöse
Thromboembolie?
A. Faktor V Leiden Mutation
B. Metabolisches Syndrom
C. Protein C Mangel
D. Arterielle Verschlusskrankheit
E. Anamnestisch bekannte Thrombose

Kapitel 17: Modelle zur Risikoabschätzung


5. Welche der nachfolgenden Situationen erhöhen insgesamt das Risiko für venöse Thrombo-
embolien?
A. Diabetes mellitus
B. Erhöhtes Lebensalter
C. Rauchen
D. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV
E. Akute respiratorische Erkrankung mit strikter Bettlägerigkeit

6. Wie kann man das individuelle Thromboserisiko abschätzen?


A. Durch komplexe Berechnungen der Summe aller Risikofaktoren
B. Durch Kombination von expositionellen und prädisponierenden Risikofaktoren nach
klinischen Gesichtspunkten
C. Durch entsprechende Labordiagnostik
D. Durch Addition verschiedener Risikofaktoren und Multiplikation mit verschiedenen
Risikoindices
112 Teil IV · Expositionelle Risikofaktoren

Literatur zu Teil IV (Kapitel 15–17)

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V

Teil V Ungeklärte Fragestellungen

Kapitel 18 Das Problem der Immobilität – 114

Kapitel 19 Thromboseprophylaxe
bei geriatrischen Patienten – 117

Kapitel 20 Thromboseprophylaxe
bei Schlaganfallpatienten – 119
18

Das Problem der Immobilität


H. Lawall

Die Grundlage für die Beurteilung des Thromboserisikos ist unverändert die Pathophy-
siologie im Sinne der Virchow-Trias. Das Zusammenspiel von Blutfluss, Gefäßwand und
Zusammensetzung des Blutes ermöglicht die Betrachtung einer konkreten klinischen
Situation und erlaubt die Erkennung bestehender Einzelrisiken. Für die Beurteilung des
gesamten thrombembolischen Risikos eines Patienten ist es erforderlich, neben den expo-
sitionellen krankheitsbezogenen Risiken auch die patientenbezogenen prädisponierenden
Risiken zu bestimmen. Im Gegensatz zu den operativen Gebieten ist die Datenlage für nicht
chirurgische Patienten weniger gesichert und die Thrombembolieprophylaxe oft nicht
durch ausreichend große Studien belegt.
In der postoperativen Phase fällt die Entscheidung zur Thromboseprophylaxe im
Allgemeinen leicht, bei internistischen Patienten ist die Indikation oft schwer und nur
pragmatisch zu treffen. Pathophysiologisch kommt es auch bei Immobilisation internisti-
scher Patienten zur venösen Stase und damit zur Beeinträchtigung des venösen Blutflusses.
Gemäß der bereits zitierten Virchow- Trias liegt damit ein Hauptrisiko zur Entstehung
einer venösen Thrombembolie vor. Potenziert wird dieses krankheitsbedingte Risiko
Immobilisation noch durch das Vorliegen weiterer individueller prädisponierender und
krankheitsbezogener Risiken.
Allerdings ist der Grad der Immobilisation und damit das Risiko bei konservativen
Patienten nicht eindeutig definiert. So ist unklar, welchen Zeitraum die Immobilisation
umfassen muss und wie ausgeprägt die fehlende Bewegung der unteren Extremitäten zu
bewerten ist.
Uneinigkeit herrscht darüber, ob nur die vollständige Bettruhe oder auch bereits die
Teilmobilisation mit dem kurzen Gang ins Bad oder auf die Toilette beziehungsweise die
Teilmobilisation im Rollstuhl als Hauptrisiko einzustufen ist. Sicherlich führt die fehlende
Betätigung der Muskelvenenpumpe der unteren Extremitäten zur venösen Stase. Der Fak-
tor Bettlägrigkeit alleine begründet aber noch keine medikamentöse Thromboseprophyla-
xe (Lutz 2001).
Der Zustand der Immobilisation ist ein möglicher Faktor für eine Thrombose, konnte
aber bislang für konservative Patienten nicht durch überzeugende Studien als alleiniger
Risikofaktor festgemacht werden. Kommt zur Immobilisation allerdings noch eine akute
Erkrankung hinzu oder bedingt eine akute Erkrankung eine mehrtägige Bettruhe, steigt das
Risiko einer venösen Thromboembolie deutlich an. Klinisch ist es vielmehr bedeutsam, wie
aktuell die Bettlägrigkeit auftritt.
Kapitel 18 · Das Problem der Immobilität
115 18

Bei einer bleibenden Parese nach 4 Wochen oder bei einem dauerhaft bettlägerigen
Pflegepatienten wird die Indikation zur medikamentösen Thromboseprophylaxe nur dann
zu stellen sein, wenn eine weitere akute Erkrankung auftritt, die den venösen Rückfluss
verlangsamt oder die Gerinnungsbereitschaft des Blutes erhöht.
Deshalb findet sich in diesen Fällen in nahezu allen Modellen zur Risikostratifizierung
bei nicht chirurgischen Patienten die Immobilisation als Risikofaktor für eine venöse
Thromboembolie.
Lutz und Haas (2002) haben in einem Risikoschema zur Erfassung des individuellen
Thromboserisikos die Immobilisation zu den Akutrisiken gezählt und dabei zwischen
nahezu vollständiger und nicht vollständiger Immobilisation unterschieden.
Allerdings wurde der Begriff der Immobilisation nicht präzise definiert und besonders
die Bezeichnung »nicht vollständige Immobilisation« erlaubt einen weiten Spielraum.
So bleibt die Ausprägung der Bettlägerigkeit unklar. Die Autoren betonen aber den
Zusammenhang der Immobilisation mit akuten Krankheitsbildern, die zu einer ent-
sprechenden Risikoeinstufung führen. Die vollständige Immobilisation bei einer akuten
internistischen Erkrankung (z. B. Infektion, dekompensierte Herzinsuffizienz) fällt in dem
vorgestellten Schema in die Risikoklasse 2 und bedarf einer medikamentösen Thrombo-
seprophylaxe. Im Rahmen der Akutrisiken führt die nicht vollständige Immobilisation zu
einem niedrigen Gesamtrisiko und bedarf zunächst keiner medikamentösen Thrombose-
prophylaxe.
In der Stellungnahme der Sixth ACCP Consensus Conference on Antithrombotic
Therapy wird die Immobilisation bei internistischen Patienten nur im Zusammenhang
mit akuten Erkrankungen aufgeführt (Geerts et al. 2001). Sie führt hier ebenfalls zu einer
deutlichen Risikoerhöhung.
In einer Übersichtsarbeit unterstreicht Vaitkus (2004) diese Zusammenhänge und stellt
klar heraus, dass aufgrund der vorliegenden schmalen Datenbasis die Immobilisation allei-
ne zunächst nicht eine sichere Indikation zur medikamentösen Prophylaxe darstellt.
Kommen bei bettlägerigen Patienten jedoch akute internistische Erkrankungen hinzu,
sollte eine adäquate medikamentöse Prophylaxe durchgeführt werden. Hier liegen für die
niedermolekularen Heparine die meisten Erfahrungen und die besten Daten vor.
Zwei klinische randomisierte Studien untersuchten bei akut erkrankten internistischen
Patienten die Wirksamkeit von niedermolekularen Heparinen gegenüber Plazebo bzw.
unfraktioniertem Heparin. Die Indikation zur Thromboseprophylaxe wurde in beiden
Studien durch die Bettlägerigkeit festgelegt. Dabei zeigte sich in der plazebokontrollierten
Studie von Dahan et al. (1986) eine eindrucksvolle Reduktion der Inzidenz tiefer Beinven-
enthrombosen unter Enoxaparin (3% vs. 9,1% unter Plazebo) bei vergleichbarer Blutungs-
rate.
Harenberg et al. (1990) verglichen bei bettlägerigen internistischen Patienten die Wir-
kung von Certoparin und unfraktioniertem Heparin. Bei vergleichbarer Thrombosereduk-
tion waren die Blutungskomplikationen unter dem unfraktionierten Heparin signifikant
häufiger.
Ob die verlängerte Bettlägerigkeit ein erhöhtes venöses Thromboembolierisiko birgt,
wurde jüngst in einer Kohortenstudie analysiert (Gatt et al. 2004). Bei über 3 Monate
dauerhaft bettlägerigen, alten Patienten in Alters- und Pflegeheimen wurde die klinisch
nachweisbare Rate an tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien ermittelt und mit
der Anzahl thromboembolischer Ereignisse bei mobilen älteren Bewohnern der Altenheime
verglichen.
116 Teil V · Ungeklärte Fragestellungen

Dabei zeigte sich in beiden Gruppen eine vergleichbar niedrige Inzidenz klinisch rele-
vanter venöser Thromboembolien (13,9 bzw. 15,8 pro 1000 Patientenjahre) und für die
immobilisierten Patienten ergab sich kein erhöhtes Thromboserisiko. Zusammenfassend
konnte in dieser Arbeit bei chronisch bettlägerigen alten Patienten in Alten- und Pflegehei-
men im Vergleich zu mobilen Bewohnern der Altenheime kein erhöhtes Risiko festgestellt
werden.
Eine dauerhafte oder längerfristige medikamentöse Thromboseprophylaxe kann auf-
grund der vorliegenden Studien bei alten und immobilen bzw. pflegebedürftigen Patienten
nicht generell abgeleitet werden. Bettruhe länger als 3 Tage wird in einer Übersicht auch als
weniger relevanter Risikofaktor mit einer Odds Ratio kleiner 2 für das Auftreten von tiefen
Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien bewertet (Anderson u. Spencer 2003).
Unter Berücksichtigung der Begleitrisiken oder Akuterkrankung handelt es sich bei der
Indikation zur medikamentösen Thromboseprophylaxe stets um eine Individualentschei-
dung (Diehm u. Lawall 2002).
Darüber sollten allerdings die allgemeinen Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe
nicht aus dem Auge verloren werden. Die frühzeitige Mobilisierung und die Kompressions-
behandlung fördern den venösen Rückstrom, führen zur Beschleunigung des Blutflusses in
den tiefen Venen und tragen so zur Risikoreduktion bei.

18
19

Thromboseprophylaxe bei geriatrischen


Patienten
H. Lawall

Mit höherem Lebensalter wird die venöse Thromboembolieprophylaxe zu einem zentralen


Punkt in der Behandlung internistischer Patienten. Das Thromboserisiko steigt ab der 2.
Lebenshälfte sprunghaft an und verdoppelt sich ab dem 60. Lebensjahr für jede Dekade
(Anderson et al. 1991).
Aufgrund der Erhöhung einiger Gerinnungsfaktoren sowie des Rückgangs von Anti-
thrombin besteht bei alten Menschen eine Neigung zur Hyperkoagulabilität, die durch
akute Krankheitsbilder und Immobilität noch verstärkt wird. Gerade die Multimorbidität
alter Patienten wirkt sich in diesem Zusammenhang oft fatal aus, da die kardiopulmonale
Reservekapazität im Alter eingeschränkt ist.
In einer Studie wurde bei Aufnahme in eine Akutgeriatrie aufgrund eines routinemäßig
durchgeführten Lungenszintigramms bei 12% der Patienten eine asymptomatische Lunge-
nembolie nachgewiesen. In einer weiteren Untersuchung konnten Bressolette et al. (2001)
bei 18% aller internistischen Patienten, die älter als 80 Jahre waren, zum Aufnahmezeit-
punkt im Krankenhaus eine tiefe Beinvenenthrombose diagnostizieren.
Zahlreiche Studien belegen den Einfluss des Lebensalters auf die Inzidenz thrombo-
embolischer Ereignisse (Anderson et al. 1991; Hansson et al. 1997; Silverstein et al. 1998).
Während bei Kindern, Jugendlichen und jüngeren Menschen die Thromboseinzidenz sehr
niedrig ist, steigt sie mit dem zunehmenden Lebensalter deutlich an. In einer schwedischen
Studie wurde die Wahrscheinlichkeit, eine venöse Thromboembolie zu erleiden, für Män-
ner zwischen dem 50. und 80. Lebensjahr mit 10,7% berechnet (Nordström et al. 1992).
Bei geriatrischen Patienten mit internistischen akuten Erkrankungen fanden Dahan et al.
(1986) eine tiefe Beinvenenthrombose in 9%.
Die wichtigsten epidemiologischen Studien zu dieser Fragestellung sind in ⊡ Tabelle 19.1
aufgelistet.
Anderson zählt das Alter zu den wesentlichen zusätzlichen Risikofaktoren, die das
Thromboembolierisiko erhöhen. In einer großen epidemiologischen Studie an 1231 Pati-
enten fand er bei 88,5% der Patienten ein höheres Lebensalter (Anderson u. Spencer 2003).
Auf dem Boden einer akuten Erkrankung oder Verletzung steigt bei höherem Lebensalter
über 40 Jahre das Thromboserisiko.
Auch die Frühmortalität venöser Thromboembolien ist eng mit dem Lebensalter asso-
ziiert, da multimorbide alte Patienten eine deutlich reduzierte Kompensationsfähigkeit der
kardialen und pulmonalen Funktionen aufweisen (Wehling et al. 2002).
118 Teil V · Ungeklärte Fragestellungen

⊡ Tabelle 19.1. Lebensalter und Inzidenz venöser Thromboembolien

VTE-Inzidenz VTE-Inzidenz
50–59. Lj. 70–79. Lj.

Anderson 1991 62/100.000 Menschen 316/100.000 Menschen

Hansson 1997 132/100.000 Menschen 522/100.000 Menschen

Silverstein 1998 135/100.000 Menschen 440/100.000 Menschen

Ab wann das Alter einen Risikofaktor für eine Blutung darstellt, wird in der Literatur
uneinheitlich beurteilt. Unstrittig steigt die Blutungswahrscheinlichkeit bei älteren Pati-
enten unter oraler Antikoagulation. Mit einem Alter über 70 Jahre fand sich auch eine
Zunahme der Blutungskomplikationen unter Heparin. Deshalb muss bei alten Menschen
die Entscheidung zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe individuell unter
Berücksichtigung der zugrunde liegenden und auslösenden Thromboserisiken und Blu-
tungsrisiken getroffen werden. In einer größeren Studie bei älteren bettlägerigen internis-
tischen Patienten konnte unter unfraktioniertem und niedermolekulare Heparin eine zu
vernachlässigende Rate an schweren Blutungskomplikationen beobachtet werden (Berg-
mann et al. 1996).
Zusammengefasst muss bei älteren mobilen Patienten ohne auslösende Risikofaktoren
keine medikamentöse Prophylaxe mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin
durchgeführt werden. Dies gilt auch für alte Menschen in Pflege- und Altersheimen.
Das kalendarische Lebensalter an sich ist noch keine Indikation zur Thrombosepro-
phylaxe. Tritt jedoch bei alten Menschen eine akute behandlungsbedürftige internisti-
sche Erkrankung auf, die mit einer erhöhten Thrombosewahrscheinlichkeit einhergeht,
muss diesem Risiko Rechnung getragen werden. Hier besteht die Indikation zur venösen
Thromboembolieprophylaxe, insbesondere bei zusätzlicher Immobilität. Aufgrund der
Metaanalyse von Mismetti et al. (2000) zur venösen Thromboembolie Prophylaxe bei inter-
nistischen Patienten liegen die besten Daten für niedermolekulare Heparine vor.

19
20

Thromboseprophylaxe
bei Schlaganfallpatienten
H. Lawall

Der Schlaganfall ist in Deutschland immer noch die dritthäufigste Todesursache nach Herz-
infarkt und malignen Erkrankungen und tritt typischerweise bei älteren Patienten auf.
Die bei Schlaganfallpatienten häufig auftretende Hemiplegie oder Parese der unteren
Extremitäten führt infolge der Immobilität bzw. Stase zu häufigem Auftreten venöser
Thromboembolien.
Bereits 1972 konnten Warlow et al. eine asymptomatische tiefe Venenthrombose in
der gelähmten Extremität in 60% bei Schlaganfallpatienten finden, wogegen sich im nicht
gelähmten Bein nur zu 7% eine tiefe Venenthrombose nachweisen ließ. Diese Häufung der
tiefen Beinvenenthrombose ohne Thromboembolieprophylaxe konnte in den folgenden
Jahren wiederholt bestätigt werden, sodass von einem Gesamtrisiko von 40–60% in der
betroffenen Extremität ausgegangen werden muss. Deshalb weisen Lutz und Haas (2002)
zurecht darauf hin, dass ein ischämischer Insult mit Parese/Plegie der unteren Extre-
mitäten bereits ohne Vorliegen von weiteren Basisrisiken eine Thromboseinzidenz von
über 10% aufweist und deshalb eine medikamentöse Thromboseprophylaxe indiziert ist.
Internistische Patienten mit akutem ischämischen Insult und Hemiplegie/Parese zählen
zur Hochrisikogruppe für das Auftreten einer venösen Thromboembolie und in allen inter-
nationalen und nationalen Empfehlungen wird zusätzlich zu den nichtmedikamentösen
Basismaßnahmen eine medikamentöse Prophylaxe mit Heparin empfohlen (Geerts et al.
2001; Nicolaides et al. 2000).
Für eine Thrombembolieprophylaxe bei Patienten mit akutem ischämischen zerebralen
Insult ist die Überlegenheit von niedermolekularem Heparinen gegenüber unfraktionier-
tem Heparin in 2 Studien belegt (Hillbom et al. 2002). Dies gilt allerdings nicht für einen
längeren Zeitraum bei hemiplegischen Patienten.
Über die Auswirkung auf das neurologische Defizit sind allerdings noch keine Aussagen
möglich.
In einer großen Studie (International Stroke Trial, IST, 1997) wurde der Einsatz von
ASS, in Kombination mit Heparin, Heparin allein oder Plazebo überprüft. Die primären
Endpunkte (Mortalität innerhalb von 14 Tagen, Mortalität und schwere Behinderung nach
6 Monaten) waren weder unter ASS noch unter Heparin verändert. Bei Betrachtung der
sekundären Endpunkte zeigte sich unter anderem jedoch, dass die Lungenembolierate
unter Heparin signifikant niedriger war. Erkauft wurde diese Risikominderung durch eine
etwas größere Anzahl hämorrhagischer Infarzierungen. Diese Beobachtung konnte von
Hillbom et al. (2002) in der bereits oben angeführten Studie bestätigt werden. Allerdings
120 Teil V · Ungeklärte Fragestellungen

waren diese hämorrhagischen Transformationen nicht von klinischer Bedeutung und unter
Enoxaparin signifikant geringer als unter unfraktioniertem Heparin. Trotzdem sollte bei
Patienten mit akutem ischämischen Insult in der Frühphase der Behandlung wiederholt
die Klinik und der morphologische CT-Befund zur Therapiefindung mit herangezogen
werden.
Zusammenfassend gilt für Patienten mit akutem ischämischen Insult und Hemiplegie,
dass neben den Basismaßnahmen (Kompressionsstrümpfe, Frühmobilisation und Reha-
bilitation) niedermolekulare Heparine zur venösen Thromboembolieprophylaxe indiziert
sind. Die Dauer der Anwendung ist noch unklar, für den Zeitraum der akuten stationären
Behandlung sollte sie unter Berücksichtigung der aktuellen Blutungsrisiken jedoch durch-
geführt werden.

Fragen zu Kapitel 18–20: Ungeklärte Fragestellungen

Kapitel 18: Das Problem der Immobilität


1. Was ist richtig?
A. Die Immobilität ist alleine ein Grund zur medikamentösen Thromboseprophylaxe
B. Bei Vorliegen einer akuten systemischen Entzündung bei bettlägerigen Patienten
besteht die Indikation zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe.
C. Der Grad und die Ausprägung der Immobilität ist für internistische Patienten genau
definiert.

2. Welche Aussagen treffen zu?


A. Bei bettlägerigen Patienten im Altersheim und länger zurückliegendem Schlaganfall
mit Immobilität liegt im Vergleich zu anderen Altersheimbewohnern ein deutlich
erhöhtes Thromboserisiko vor.
B. Bei alten immobilen Patienten besteht generell die Indikation zur medikamentösen
Thromboseprophylaxe.
C. Bei bettlägerigen älteren Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen konnte
durch den Einsatz von niedermolekularen Heparinen eine signifikante Reduktion der
Inzidenz tiefer Beinvenenthrombosen festgestellt werden.
D. Die Immobilisation gilt nach den geltenden Empfehlungen als weniger relevanter
Risikofaktor für das Auftreten venöser Thromboembolien.

Kapitel 19: Thromboseprophylaxe bei geriatrischen Patienten


3. Welche Aussage trifft zu?
A. Das Lebensalter hat keinen Einfluss auf das Auftreten von tiefen Beinvenenthrom-
bosen.
B. Es besteht nur eine geringe Assoziation von Lebensalter und der Inzidenz venöser
Thromboembolien.
C. Ab dem 60. Lebensjahr ist das Thromboserisiko signifikant erhöht.
D. Das Lebensalter zählt nicht zu den Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose.
20 ▼
Kapitel 18–20 · Literatur
121 18–20

4. Welche Aussagen sind falsch?


A. Das Lebensalter hat auf die Frühmortalität venöser Thromboembolien keinen Ein-
fluss.
B. Das Thromboserisiko und das Blutungsrisiko unter Antikoagulation ist bei alten Men-
schen deutlich erhöht.
C. Aufgrund des höheren Lebensalters und des damit verbundenen Thromboserisikos
bedürfen ältere Patienten im Krankenhaus immer einer medikamentösen Thrombo-
seprophylaxe.
D. Ohne auslösende Risikofaktoren muss bei älteren Patienten keine medikamentöse
Thromboseprophylaxe durchgeführt werden.

Kapitel 20: Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten


5. Welche Angaben sind richtig?
A. Schlaganfallpatienten haben immer ein erhöhtes Thromboserisiko.
B. Die nichtmedikamentöse Thromboembolieprophylaxe ist bei Schlaganfall ausrei-
chend.
C. Schlaganfallpatienten mit einer Hemiplegie/-parese der Beine profitieren von der
zusätzlichen Gabe eines NMH zur venösen Thromboembolieprophylaxe.
D. Schlaganfallpatienten zählen zur Hochrisikogruppe für das Auftreten einer venösen
Thromboembolie.

6. Was ist falsch?


A. ASS ist ausreichend zur Prophylaxe tiefer Beinvenenthrombosen.
B. Aussagen über die neurologische Beeinträchtigung sind auch durch die Gabe von
NMH nicht möglich.
C. Die Antikoagulation mit Heparin führt zu einer gering erhöhten Anzahl hämorrhagi-
scher Infarzierungen.
D. Unter Behandlung mit Enoxaparin konnten in Studien weniger hämorrhagische Ein-
blutungen beobachtet werden als unter Therapie mit unfraktioniertem Heparin.

Literatur zu Teil V (Kapitel 18–20)

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vein thrombosis and pulmonary embolism. The Worcester DVT Study. Arch Intern Med 151: 933–938
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Diehm C, Lawall H (2002) Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin. Internist 43: 47–52
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bedridden patients? Results of a historical-cohort study. Thromb Haemost 91: 538–543
122 Teil V · Ungeklärte Fragestellungen

Geerts WH et al. (2001) Prevention of venous thromboembolism. Chest 119: 132–175


Hansson PO et al. (1997) Deep vein thrombosis and pulmonary embolism in the general population. Arch Intern
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Wehling et al. (2002) Empfehlungen zur Thromboembolieprophylaxe bei internistischen Patienten im Alter. Inter-
nist 43: 1134–1147
VI

Teil VI Reiseprophylaxe

Kapitel 21 Welche Studiendaten gibt es? – 124

Kapitel 22 Risikostratifizierung – 129

Kapitel 23 Maßnahmen – 131


21

Welche Studiendaten gibt es?


H. Landgraf

Einführung

Obwohl sie kein kein eigenständiges Krankheitsbild ist, hat sich der Begriff der »Reise-
thrombose« im allgemeinen, auch medizinischen Sprachgebrauch, durchgesetzt. Bezeich-
net wird damit eine Thrombose, die im Zusammenhang mit einer längeren Reise und einer
gewissen Immobilität auftritt (Nissen 1997; Partsch et al. 2001; Riedel u. Bohanes 2002;
Schobersberger et al. 2002). Die Zeitspanne des Auftretens einer derartigen Thrombose
nach einer Reise wird unterschiedlich angegeben. Nachvollziehbar sind Zeiträume von 2–4
Wochen, darüber hinausgehende Angaben erscheinen weniger realistisch.
Während zu der im Zusammenhang mit einer Flugreise entstandenen Thrombose
relativ viel Literatur existiert, gibt es weniger Literatur zu Thrombosen, die bei Reisen mit
bodengebundenen Transportmitteln auftreten. Die Ursachen für diese Diskrepanz sind
unklar.

Datenlage

Bis etwa Ende des vorigen Jahrhunderts waren Publikationen über das Auftreten von Rei-
sethrombosen bzw. speziell Flugreisethrombosen überwiegend Fallbeschreibungen bzw.
pathophysiologisch orientierte Untersuchungen (Cruickshank et al. 1988; Eklof et al. 1996;
Homans 1954; Landgraf et al. 2001; Ledermann u. Keshavarzian 1983; May u. Mignon 1981;
Sarvesvaran 1986; Symington u. Stack 1977).
Epidemiologische Untersuchungen, die aufgrund der relativ geringen Inzidenz dieser
Erkrankung eigentlich nur Fallkontrollstudien sein können (Kohortenstudien würden zu
hohe Probandenzahlen erfordern), sind erstmals in den Jahren 1999 und 2000 publiziert
worden. Im Folgenden werden die wichtigsten in den letzten Jahren publizierten Studien
zu diesem Thema kurz beschrieben.
Ferrari et al. (1999) untersuchten Patienten eines Krankenhauses in der Nähe eines
Pariser Flughafens. 160 Patienten mit einer Thrombose wurden 160 Kontrollpatienten, die
im gleichen Zeitraum wegen Brustschmerz, Hochdruck oder Synkope aufgenommen wor-
den waren, gegenübergestellt. In der Gruppe der Fälle hatten 39 (24,4%) eine längere Reise
unternommen (durchschnittliche Dauer 5,7 Stunden), während es in der Kontrollgruppe
Kapitel 21 · Welche Studiendaten gibt es?
125 21

nur 12 (7,5%) waren. Insgesamt 9 (5,6%) Patienten aus der Thrombosegruppe hatten eine
Flugreise hinter sich gebracht, für die Kontrollgruppe gibt es hierzu keine Angaben. Für alle
Reisen ergab sich damit eine Odds Ratio von 3,9 (CI 1,9–8,4).
Samama (2000) fand in einer Untersuchung zu Risikofaktoren für tiefe Venenthrom-
bosen bei ambulanten Patienten bei 494 Fällen und 494 Kontrollen einen Prozentsatz
von Langstreckenreisen von 12,6% in der Fall- und 6,3% in der Kontrollgruppe. Daraus
errechnete sich eine Odds Ratio von 2,35 (CI 1,45–3,8). In dieser Studie, die als Multicenter-
Fallkontrollstudie mit 624 Allgemeinärzten angelegt war, wurden die Thrombosepatienten
mit den Kontrollen alters- und geschlechtsentsprechend gematcht, wobei jedem Thrombo-
sepatienten der erste Patient, der sich mit einer Virusgrippe oder einem nasopharyngealen
Syndrom nach dem Einschluss eines Thrombosepatienten vorstellte, als Kontrolle zuge-
ordnet wurde.
Das Design einer Fallkontrollstudie von Krajenhagen und Mitarbeitern (2000) erscheint
am ehesten geeignet, einen Bias bei der Rekrutierung zu vermeiden. In diese Studie wurden
alle Patienten aufgenommen, die unter dem Verdacht auf ein thromboembolisches Ereig-
nis untersucht wurden. Von den insgesamt 788 in die Studie aufgenommenen Personen,
hatten 186 eine Thrombose und wurden als Fälle den 602 untersuchten Personen, die keine
Thrombose hatten, gegenübergestellt. Der Anteil der Thrombosepatienten, die eine Lang-
streckenreise absolviert hatten, betrug 4,8%, bei den Kontrollen waren es 7,1%. Der Anteil
der Flugreisenden in beiden Gruppen war mit jeweils 2,2% gleich, allerdings waren die
absoluten Anzahlen mit 4 bzw. 13 Langstreckenflugreisenden sehr niedrig. Die aus diesen
Daten errechnete Odds Ratio betrug für alle Reisen 0,7 (CI 0,3–1,4) für Flugreisen 1,0 (CI
0,3–3,0).
In einer prospektiven Studie untersuchten Scurr et al. (2001) 231 Flugpassagiere vor
Antritt und nach einer Flugreise, die innerhalb von 6 Wochen Flugreiseabschnitte von
mind. 2-mal 8 Stunden umfasste. Von diesen trugen 115 Kompressionsstrümpfe Klasse
1 bis zum Knie, während 116 keine Strümpfe trugen. Die Untersuchungen umfassten
einen D-Dimer-Test sowie eine Duplexsonographie der tiefen Beinvenen. Zwölf der
116 Passagiere ohne Strümpfe entwickelten eine symptomfreie tiefe Venenthrombose
der Wadenvenen, während in der Gruppe der mit Kompressionsstrümpfen reisenden
Passagiere keine tiefe Venenthrombose festgestellt wurde, jedoch vier oberflächliche
Thrombophlebitiden. Aus den erhobenen Daten ergibt sich eine Thrombosehäufigkeit
von 10%, allerdings für asymptomatische – in der Arbeit auch nicht näher beschriebene
– Wadenvenenthrombosen.
In einer ebenfalls prospektiven Arbeit mit einem ähnlichen Design untersuchten
Schwarz und Mitarbeiter (2003) das Auftreten von Venenthrombosen bei insgesamt 964
Passagieren nach längeren Flügen (t8 Stunden) und 1213 nicht reisenden Probanden.
Ausgeschlossen waren Patienten, die mit Antikoagulanzien behandelt worden waren oder
die Kompressionsstrümpfe trugen. Prüfparameter waren das Auftreten ultrasonographisch
feststellbarer Wadenmuskelthrombosen und tiefe Venenthrombosen, symptomatische
Lungenembolien und Tod. In der Gruppe der Flugpassagiere traten 27 Thrombosefälle auf
(2,8%), während dies bei den Kontrollen nur 12-mal der Fall war (1%). 20 Passagiere (2,1%)
und 10 Kontrollen (0,8%) hatten eine isolierte Wadenmuskelvenenthrombose, wohingegen
7 Passagiere (0,7%) und 2 Kontrollen (0,2%) eine tiefe Venenthrombose hatten. Eine sym-
ptomatische Lungenembolie wurde bei einem Passagier mit tiefer Venenthrombose gefun-
den. Alle Passagiere, die ein thromboembolisches Ereignis entwickelten, hatten zumindest
einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Venenthrombose (Alter >45 Jahre, erhöhter
126 Teil VI · Reiseprophylaxe

Body-Mass-Index). Das Follow-up über 4 Wochen erbrachte keine weiteren thromboem-


21 bolischen Ereignisse. Aus den genannten Zahlen errechnet sich für alle thrombembolischen
Ereignisse eine Odds Ratio von 2,83 (CI 1,46–5,49). Für die isolierte Wadenmuskelvenen-
thrombose beträgt die Odds Ratio 2,52 (CI 1,2–5,26), und für tiefe Venenthrombosen 4,4
(CI 1,04–18,62) (26).
Unter dem Titel »Venous thrombolism from air travel: The Lonflit-Study« wurde von
der Gruppe um Belcaro eine mehrteilige Studie publiziert. Im ersten Teil wurden 355 Perso-
nen mit einem niedrigen Risiko für die Entwicklung eines thrombembolischen Ereignisses
389 Personen mit einem hohen derartigen Risiko gegenübergestellt (Belcaro et al. 2001).
Beide Gruppen hatten eine im Durchschnitt 12,4 Stunden dauernde Flugreise absolviert.
Eine innerhalb von 24 Stunden nach der Landung durchgeführte Ultraschalluntersuchung
der unteren Extremitäten ergab bei den Patienten mit niedrigem Risiko keine tiefe Venen-
thrombose, bei den Hochrisikopatienten jedoch in 11 Fällen (2,8%).
Im zweiten Teil der Studie wurden 833 Passagiere mit einem hohen Risiko für throm-
boembolische Ereignisse in 2 Gruppen geteilt. Eine Gruppe erhielt Kompressionsstrümpfe
und wurde aufgefordert, sich aktiv zu bewegen und ausreichend Flüssigkeit zu sich zu neh-
men, während die andere als Kontrollgruppe diente. Bei den Ultraschalluntersuchungen
der unteren Extremität fand sich bei 0,24% der Passagiere aus der Interventionsgruppe eine
tiefe Venenthrombose, während dies bei 4,5% der Kontrollpersonen der Fall war (Belcaro
et al. 2001).
Im dritten Teil der Studie (Lonflit 3) wurden Hochrisikopatienten untersucht, die ent-
weder Aspirin 400 mg täglich in den Tagen vor sowie am Tag des Fluges oder Enoxaparin
1000 Einheiten/kg Körpergewicht subkutan kurz vor dem Flug oder keine Prophylaxe
erhalten hatten. Keine der Gruppen trug Kompressionsstrümpfe. Während in der Enoxa-
parin-Gruppe keine Thrombosen auftraten, war dies in 3,6% in der Aspirin-Gruppe und in
4,8% in der Plazebogruppe der Fall. Ein großer Anteil der Thrombosen war asymptoma-
tisch (Cesarone et al. 2002).
Eine retrospektive Analyse behandlungsbedürftiger Lungenembolien bei der Ankunft
auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle zeigte eine Korrelation mit der im Flugzeug
zurückgelegten Entfernung. Während bei Distanzen von unter 2500 km (entsprechend
ca. 3 Stunden Flugzeit) praktisch keine Embolien auftraten, waren bei den Passagieren,
die mehr als 10.000 km geflogen waren, Lungenembolien mit einer Inzidenz von 4,77/1
Mio. festzustellen. Asymptomische bzw. gering symptomatische Lungenembolien, die
nicht zur Vorstellung kamen, wurden dabei nicht berücksichtigt. Die Gesamtrate der
(ausgeprägt symptomatischen) Lungenembolien betrug 0,4/Mio. Passagiere (Lapostolle
et al. 2001).
In einer prospektiven Studie aus Neuseeland wurden 878 Flugpassagiere mit einem
niedrigen bis mittleren Risiko für ein thromboembolisches Ereignis untersucht. Alle
Teilnehmer dieser Studie reisten zumindest 10 Stunden mit einer mittleren Gesamtdauer
der Flugreise von 39 Stunden. Untersuchungen nach dem Flug erfolgten innerhalb von
72 Stunden, 2 Wochen nach der Rückkehr sowie als Telefonkontakt 3 Monate nach der
Reise. Insgesamt 112 Passagiere entwickelten positive D-Dimere nach der Rückkehr
oder eine hohe klinische Wahrscheinlichkeit für ein thromboembolisches Ereignis oder
beides. Bei diesen 112 Passagieren erfolgte eine Ultraschalluntersuchung der unteren
Extremitäten bzw. eine CT-Pulmonalis-Angiographie. Insgesamt 9 der 112 untersuchten
Passagiere hatten ein venöses thromboembolisches Ereignis, davon 4 eine Lungenem-
bolie und 5 eine tiefe Venenthrombose. Die Frequenz der venösen Thromboembolien
Kapitel 21 · Welche Studiendaten gibt es?
127 21

betrug dabei 1% (9 von 878, CI 0,5–1,9). Eine Kontrollgruppe wurde nicht untersucht
(Hughes et al. 2003).
Kelman und Mitarbeiter untersuchten die zeitlichen Beziehungen zwischen Langstre-
ckenflugreisen und venöser Thromboembolie. Sie prüften dazu die Unterlagen von 5408
Patienten, die in den Jahren 1981–1999 in West-Australien mit einer venösen Thrombo-
embolie ins Krankenhaus eingewiesen worden waren und korrelierten diese Daten mit
den Ankunftsdaten internationaler Flüge (Kelman et al. 2003). Sie stellten dabei fest, dass
das Risiko einer venösen Thromboembolie nur 2 Wochen nach einer Langstreckenflug-
reise erhöht war. Das relative Risiko für australische Bürger betrug 4,17 (CI 2,94–5,40),
außerdem wurde ein »Healthy-traveller-Effekt« (»Reisende sind überwiegend gesund«)
beobachtet, vor allem für australische Bürger. Zusammenfassend stellen die Autoren fest,
dass das jährliche Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden, um über 12% steigt, wenn
ein Langstreckenflug jährlich unternommen wird. Das durchschnittliche Risiko, an einer
venösen Thromboembolie, die im Zusammenhang mit einem Flug steht, zu versterben,
ist aber doch sehr gering, verglichen mit dem Risiko, durch einen Autounfall zu Tode zu
kommen.
Das individuelle Todesrisiko durch eine flugbedingte venöse Thromboembolie für
Patienten mit vorbestehenden gesundheitlichen Einschränken ist jedoch wahrscheinlich
größer als das durchschnittliche Risiko von einem Todesfall auf 2 Mio. ankommende Flug-
passagiere (Kelman et al. 2003).

Wertung der verfügbaren Daten

Mit Ausnahme der von Scurr und Mitarbeiter vorgelegten Studie, die eine sehr hohe Inzi-
denz von Wadenvenenthrombosen zum Ergebnis hatte und die z. T. sehr kritisch beurteilt
wurde (Bauersachs u. Landgraf 2001; Hirsh u. O´Donnell 2001; Riedel u. Bohanes 2002),
weisen alle kontrollierten Studien entweder auf ein Fehlen oder auf einen zahlenmäßig
nur geringen Zusammenhang zwischen der Entwicklung einer Venenthrombose und einer
langen (Flug-)Reise hin. Außerdem gibt es eine Reihe von Hinweisen darauf, dass vor allem
Patienten mit vorbestehenden Risikofaktoren während einer solchen Reise eine Thrombose
entwickeln bzw. gefährdet sind, dies zu tun (Belcaro et al. 2001; Kelman et al. 2003; Kesteven
u. Robinson 2001; Schwarz et al. 2003).
An den meisten beschriebenen Studien kann Kritik geäußert werden. Bei den Studien
von Ferrari und Samama ist die Auswahl der Kontrollkollektive möglicherweise problema-
tisch. Die Studie von Krajenhagen, die ein konsequentes Design hat, bei dem ausschließ-
lich Patienten mit einer Symptomatik für eine Thrombose aufgenommen wurden, ist in
Bezug auf Reisen nicht prospektiv angelegt. Eine überzeugend angelegte Studie ist die von
Schwarz und Mitarbeitern, in der 984 Passagiere prospektiv vor und nach einer langen
Flugreise untersucht wurden. Allerdings ist auch hier bei der Rekrutierung der Probanden
bzw. auch des Kontrollkollektivs ein Bias möglich, da es sich um Teilnehmer handelt, die
über eine Medienaktion rekrutiert wurden, was immer die Gefahr in sich trägt, dass beson-
ders gesundheitsbewusste Probanden an einer derartigen Studie teilnehmen.
Nichtkontrollierte Studien, wie die neuseeländische Studie, ergeben lediglich einen Hin-
weis darauf, dass bei einem bestimmten Prozentsatz der Reisenden, hier etwa 1%, mit einer
Thrombose zu rechnen ist. Da aber auch hier das Kollektiv ähnlich wie in der Arbeit von
Schwarz rekrutiert wurde, kann damit keine allgemein gültige Aussage getroffen werden.
128 Teil VI · Reiseprophylaxe

Fazit
21
Fasst man die genannten Daten mit aller Vorsicht zusammen, so ergibt sich momentan
folgendes Bild:
Langstreckenflugreisen im Flugzeug sind per se nicht sonderlich gefährlich, zu einer
Thrombose zu führen, ebenso wenig Langstreckenreisen mit anderen Verkehrsmitteln.
Andererseits treten während dieser Reisen Thrombosen auf, z. T. auch mit der Folge einer
tödlichen Lungenembolie. Betroffen scheinen in erster Linie Patienten zu sein, die schon
ein Risiko für die Entwicklung einer Venenthrombose bzw. einer Lungenembolie in sich
tragen. Dementsprechend kann neben der Empfehlung eines – ganz allgemein gesprochen
– vernünftigen Verhaltens auf einer Reise, es nur sinnvoll sein, die Passagiere zu identi-
fizieren, die ein erhöhtes Risiko haben, während der zusätzlichen »Risikosituation Lang-
streckenreise«, eine Thrombose zu entwickeln, und diese auch gezielt einer Prophylaxe
zuzuführen (Bauersachs u. Landgraf 2001).
22

Risikostratifizierung
H. Landgraf

Unter der Vorstellung, dass das Gesamtrisiko für die Entwicklung einer Thrombose bei
Flugpassagieren unterschiedlich ausgeprägt und eine generelle medikamentöse Prophy-
laxe weder medizinisch noch ökonomisch zu vertreten ist, ist eine Risikostratifizierung
notwendig.
Diese Risikostratifizierung muss die verschiedenen, bereits bestehenden Risikofaktoren
des Flugpassagiers erfassen und diese in einem Zusammenhang mit dem begrenzt einwir-
kenden Risikofaktor »Langstreckenreise« bringen.
Hier sind in der Literatur mehrere Vorschläge gemacht worden, die vom Prinzip her
diese Voraussetzungen berücksichtigen.
Während auf einem Expertentreffen in Berlin 2001 (Landgraf et al. 2002) die Empfeh-
lung lautete, individuell Häufung und Bedeutung der einzelnen Risikofaktoren zu beurtei-
len, was Erfahrung im Umgang mit diesen Fragestellungen erfordert, kam im Juni 2001 ein
Expertenmeeting, initiiert von den angiologischen und phlebologischen Fachgesellschaften
Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, zu einer mehr schematischen und damit auch
einfacher anzuwendenden Einteilung in verschiedene Risikogruppen. Diese sind nach
verschiedenen Risikofaktoren definiert, eine Prophylaxe ist damit relativ einfach durchzu-
führen (Partsch et al. 2001).
Es werden drei Gruppen unterschieden:
 Gruppe 1 – niedriges Risiko: Jede vielstündige Reise in vorwiegend sitzender Position
bedingt bei Reisenden, die ansonsten keine in den weiteren Risikogruppen angeführten
persönlichen Risikofaktoren haben ein niedriges Risiko.
 Gruppe 2 – mittleres Risiko: Zusätzlich zu einer längeren Reisedauer sind gegeben
– Schwangerschaft oder postportale Phase oder mindestens zwei der nachfolgend auf-
geführten Faktoren:
– Alter über 60 Jahre,
– klinisch relevante Herzerkrankung,
– nachgewiesene Thrombophilie/familiäre Thromboseneigung,
– große Varizen, chronisch venöse Insuffizienz,
– Ovulationshemmer/postmenopausale Hormonersatztherapie,
– Adipositas mit einem BMI von >30,
– Exsikkose.
130 Teil VI · Reiseprophylaxe

 Gruppe 3 – hohes Risiko: Zusätzlich zur längeren Reisedauer sind gegeben:


– anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien (auch länger zurückliegend),
– manifeste maligne oder sonstige schwere Erkrankungen,
22 – gelenkübergreifende Ruhigstellung der unteren Extremitäten,
– kurz zurückliegender operativer Eingriff mit hohem Thromboserisiko.

Diese Zusammenstellung erfolgte aufgrund der in der Literatur zu diesem Zeitpunkt (Juni
2001) verfügbaren Daten zu thromboembolischen Risikofaktoren. Eine Evaluation dieser
Risikofaktoren im Hinblick auf ihre Bedeutung bei langen Reisen ist bisher nicht erfolgt.
23

Maßnahmen
H. Landgraf

Die auf der in Kap. 22 erwähnten Konsensuskonferenz empfohlenen Maßnahmen stellen


ebenfalls, wie die Risikostratifizierung, den aktuellen Kenntnisstand zum Zeitpunkt dieser
Konferenz dar. Änderungen im Hinblick auf verbesserte Therapiemöglichkeiten oder ande-
re Erkenntnisse müssen natürlich berücksichtigt werden (Partsch et al. 2001).
Die empfohlenen Maßnahmen richten sich nach der in dem jeweiligen Einzellfall beste-
henden Risikokonstellation. Selbstverständlich kann oder muss sogar im Einzelfall von
den hier aufgeführten Empfehlungen abgewichen werden, die ärztliche Entscheidung bzw.
Empfehlung hat immer individuell zu erfolgen. Auch kann nicht genug betont werden, dass
die hier vorgestellten Daten auf sog. Expertenmeinung beruhen und nicht durch wissen-
schaftliche Studien abgesichert sind.
Dies gilt insbesondere auch für den Einsatz von Medikamenten, die in dieser Indikation
unzureichend untersucht sind, hier vor allem für den Einsatz von Acetylsalicylsäure, die
immer wieder als Mittel zur Verhinderung von Thrombosen – auch auf Flugreisen – emp-
fohlen wird, was aufgrund der Datenlage nicht nachzuvollziehen ist. Auch der Einsatz von
Heparinen beruht auf Analogieschlüssen zu der Thromboseprophylaxe bei internistischen
Risikopatienten, allerdings sind für diese Medikamente die Effektivität und Sicherheit in
der Prophylaxe der tiefen Venenthrombose bei internistischen Patienten gut belegt.
Im Einzelnen werden folgende Maßnahmen empfohlen:
 Gruppe 1 – niedriges Risiko:
Allgemeine Maßnahmen:
– Bewegungsübungen, z. B. Fußwippen; isometrische Übungen; im Auto: wiederholte
Pausen einlegen und einige Schritte gehen;
– ausreichende Flüssigkeitszufuhr (jedoch Zurückhaltung bei Alkohol);
– Zurückhaltung beim Gebrauch von Sedativa und Hypnotika (Cave »regungsloses«
Sitzen).
Allgemeine Bemerkung: Die Reisethrombose ist eine Sitzthrombose und Aufstehen
daher eine logische Prophylaxemaßnahme.
 Gruppe 2 – mittleres Risiko:
Allgemeine Maßnahmen:
– (s. Gruppe 1);
– Wadenstrümpfe im Druckbereich der Kompressionsklasse 1;
– bei Patienten mit venöser Insuffizienz medizinische Kompressionsstrümpfe je nach
Indikation;
132 Teil VI · Reiseprophylaxe

– Im Einzelfall, z. B. bei Schwangerschaft oder Thrombophilie, kann niedermolekulares


Heparin gegeben werden (s. Gruppe 3).
 Gruppe 3 – hohes Risiko:
Allgemeine Maßnahmen:
– (s. Gruppe 1);
23 – Kompression (s. Gruppe 2);
– niedermolekulares Heparin: subkutane Applikation knapp vor Reiseantritt;
– vor jeder Reise mit erhöhtem Thromboserisiko (Definition s. oben), bei Rundreisen
daher evtl. 1-mal täglich;
– Hochrisikodosierung (in Analogie zur Prophylaxe bei internistischen Risikopatien-
ten).

In jedem Fall sollte, wie bereits ausgeführt, eine individuelle Beratung des Patienten erfol-
gen, auch sollten Notwendigkeit und Dringlichkeit der Reise beurteilt werden. So kann das
Verschieben einer Reise bzw. der Verzicht auf eine mit einer Gefährdung einhergehenden
Reise ein sinnvolles Vorgehen im Falle eines Risikopatienten sein.
Die Anforderungen an das ideale Antithrombotikum bzw. optimale Antikoagulans in
diesem Zusammenhang sind hoch: Neben einer hohen Effektivität und Sicherheit sollten
eine einfache Applizierbarkeit und eine gute Steuerbarkeit vorliegen.
Die heute verfügbaren und auch z. T. in der Thromboseprophylaxe von internistischen
Erkrankungen zugelassenen niedermolekularen Heparine erfüllen diese Anforderungen in
großem Umfang, weswegen sie zum jetzigen Zeitpunkt als die Prophylaxemedikation der
Wahl angesehen werden müssen (Bauersachs et al. 1998; Samama et al. 1999).
Medikamente in oraler Darreichungsform, die genauso effektiv und nebenwirkungsarm
sind, sind derzeit nicht zugelassen. Möglicherweise wird sich hier in den nächsten Jahren
eine Änderung ergeben.

Fragen zu Kapitel 21–23: Reiseprophylaxe

Kapitel 21: Welche Studiendaten gibt es?


1. Nach der derzeitigen Datenlage führt bei einem gesunden Reisenden eine vielstündige
(Flug)-Reise zu einer
A. geringen
B. mittelgroßen
C. sehr großen
D. keinen
Zunahme des Risikos ein thromboembolisches Ereignis zu erleiden.

2. Vorbestehende Thromboserisikofaktoren spielen für die Entwicklung einer


(Flug)-Reisethrombose
A. eine wichtige
B. keine
Rolle.

Kapitel 21–23 · Literatur
133 23

Kapitel 22: Risikostratifizierung


3. Eine normale Schwangerschaft wird im Hinblick auf das Thromboserisiko bei langen
Reisen betrachtet als
A. geringes Risiko
B. mittleres Risiko
C. hohes Risiko

4. Zu den Risikofaktoren, die ein hohes Thromboserisiko mit sich bringen, zählen
A. eine nachgewiesene Thrombophilie
B. familiäre Thromboseneigung
C. Alter über 60
D. anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien (auch länger zurückliegend)

Kapitel 23: Maßnahmen


5. Der Effekt einer medikamentösen Prophylaxemaßnahme zur Verhinderung von
Reisethrombosen ist
A. eindeutig nachgewiesen
B. nicht belegt, sondern beruht auf Analogschlüssen bzw. Expertenmeinungen

6. Prophylaxemaßnahme der Wahl bei hohem Thromboserisiko bei einer vielstündigen


Reise ist die Gabe von
A. Thrombozytenfunktionshemmern
B. niedermolekularem Heparin
C. unfraktioniertem Heparin
D. Rosskastanienextrakt

Literatur zu Teil VI (Kapitel 21–23)

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VII

Teil VII Niedermolekulare Heparine


als Alternative bei Pausieren
einer oralen Antikoagulation
– Bridging

Kapitel 24 Die Problematik – 136

Kapitel 25 Therapieoptionen – 138

Kapitel 26 Welche Evidenzen für niedermolekulare


Heparine gibt es? – 142

Kapitel 27 Therapiealgorithmen – 147

Kapitel 28 Zulassungsstatus und damit verbundene


medikolegale Aspekte – 152
24

Die Problematik
R.M. Bauersachs

Allein in den Vereinigten Staaten werden über 1 Million Patienten mit Vorhofflimmern
langfristig mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) behandelt (Dunn et al. 2003) und eine
vergleichbare Zahl mit künstlichen Herzklappen. Wegen einer venösen Thromboembolie
(VTE) steht etwa ein weiteres Drittel unter einer Langzeitantikoagulation. Gleichzeitig
sind aber, gerade bei dem älteren Patientenkollektiv, immer wieder interkurrente Eingriffe
erforderlich. Über die Jahre ist damit mit Tausenden von Eingriffen zu rechnen, bei denen
sich die Problematik einer Unterbrechung der oralen Antikoagulation (OAK) stellt. Es
handelt sich dabei vor allem um zahnärztliche Eingriffe, Punktionen und Operationen an
Gelenken, Kataraktoperationen oder Endoskopien mit oder ohne Biopsie.
Obwohl es sich also um ein sehr häufiges klinisches Problem handelt, das mit einem
erheblichen Risiko vergesellschaftet sein kann, auch im Hinblick auf neu auftretende
Thromboembolien oder Blutungen, liegen überraschenderweise bislang keine randomisier-
ten Studien mit klinischen Endpunkten zu dieser Fragestellung vor. Der betreuende Arzt
wird daher oft von der wissenschaftlichen Datenlage alleine gelassen.
Die Sekundärprophylaxe mit VKA ist eine höchst effiziente Therapie (⊡ Tabelle 24.1):
Die Risikoreduktion durch diese Maßnahme beträgt bei der akuten VTE oder bei der
Rezidivthrombose 80%, beim nichtvalvulärem Vorhofflimmern 66%, beim mechanischen
Herzklappenersatz etwa 75% und bei der akuten arteriellen Embolie 66% (Kearon u. Hirsh
1997; Schulman 2003). Eine Unterbrechung dieser hoch effizienten Therapie setzt die Pati-
enten einem erhöhten thromboembolischen Risiko aus, wobei zu berücksichtigen ist, dass
durch den operativen Eingriff selbst ein zusätzliches thromboembolisches Risiko entsteht.
Andererseits besteht während der Eingriffe ein Risiko für Blutungen, das bei einer posto-
perativen Antikoagulation mit intravenös angewendetem unfraktionierten Heparin (UFH)
auf etwa 3% geschätzt wird (Kearon u. Hirsh 1997).
Die wichtigsten Patientengruppen, die von dieser Problematik betroffen sind, sind Pati-
enten mit Herzklappenersatz, Vorhofflimmern und Patienten nach abgelaufener venöser
Thromboembolie. Aufgrund der Datenlage, die sich bislang vor allem aus Fallzusammen-
stellungen ergibt, besteht für manche klinische Situationen noch kein klarer Konsensus
über das präoperative Management von Patienten unter Langzeitantikoagulation. In den
aktuellen Konsensusempfehlungen des American College of Chest Physicians (Hirsh et al.
2001) wird die periprozederale Überbrückung der Antikoagulation (»Bridging«) mit einem
Evidenzgrad 2B-C eingestuft (»Risiko/Nutzen-Abwägung unklar, zumeist basierend auf
Beobachtungsstudien, schwache Empfehlung«). Eine zusätzliche Herausforderung ergibt
Kapitel 24 · Die Problematik
137 24

⊡ Tabelle 24.1. Thromboembolierisiko bei verschiedenen Erkrankungen und die Risikoreduktion durch
orale Antikoagulation (OAK). (Mod. nach Kearon u. Hirsh 1997; Schulman 2003).

Erkrankung Thromboembolien Risiko mit Relative


ohne OAK [%/Jahr] OAK [%/Jahr] Risikoreduktion
durch OAK [%]

Mitralklappenersatz 22 2–4 85

Mechanische Herzklappen 9 0,5–4 50–95

Bioprothese 5–6 ca. 0,5 ca. 90


(erste 3 Monate) (erste 3 Monate)

Akute venöse Thromboembolie 40 8 80


(1. Monat)

Akute arterielle Embolie (1. Monat) 15 5 66

Rezidiv-VTE 15 3 80

VTE (2.–3.Mon) 10 2 80

Nichtvalvuläres Vorhofflimmern 12 4 66
und Z.n. Schlaganfall

Nichtvalvuläres Vorhofflimmern 4-8 1,5–2 66

Mitralvitium im Sinusrhythmus 8 2 75

sich durch die Tatsache, dass unter den Veränderungen des Deutschen Gesundheitssystems
die stationäre Verweildauer weiter deutlich verkürzt wird, sodass die präoperative stati-
onäre Überwachung und Einstellung einer Antikoagulation mit intravenös appliziertem
Heparin zunehmend vermieden wird und ein wirtschaftlicher Druck für eine ambulant und
subkutan anwendbare Antikoagulation während der Bridging-Phase entsteht.
Die folgende Zusammenstellung ist ein Versuch, die gegenwärtig verfügbaren Daten
zusammenzutragen, die für ein periprozedurales Bridging vorliegen. Damit sollen im
beschriebenen Spannungsfeld von häufiger klinischer Fragestellung, begrenzter wissen-
schaftlicher Datenlage und Arzneimittelzulassung sowie wirtschaftlichen Zwängen mög-
lichst konkrete Empfehlungen für ein möglichst sicheres und effektives Management dieser
Patienten abgeleitet werden.
25

Therapieoptionen
R.M. Bauersachs

Morbidität und Mortalität bei unterbrochener oraler Antikoagulation

Für die Beurteilung des Risikos einer OAK-Unterbrechung und der Frage ob und, wenn
ja, welche Ersatzantikoagulation eingesetzt werden soll, muss einmal der fehlende Schutz
durch die OAK (s. Kap. 24, ⊡ Tabelle 24.1, Spalte »Risikoreduktion durch OAK«) mit
potenzieller Fallmortalität und -morbidität bei eintretendem Ereignis berücksichtigt
werden, wie auch das ggf. durch die alternative Antikoagulation entstehende Blutungs-
risiko.
Für die VTE ist von einer Fallmortalität von 6% auszugehen (Kearon u. Hirsh 1997) und
weitere 2% hätten während der OAK-Unterbrechung mit schweren Langzeitfolgen zu rech-
nen. Darüber kann es in 3–13% nach erneuter Lungenarterienembolie zu einer chronischen
pulmonalen Hypertonie kommen (Pengo et al. 2004).
Die Konsequenzen einer arteriellen Thromboembolie sind vergleichsweise noch
schwerer, da etwa 20% dieser Episoden tödlich verlaufen und 40% in eine schwere per-
manente Schädigung münden (Anonymous 1993, 1994; Caplan et al. 1983; Anderson et
al. 1994).

Blutungsrisiko bei periinterventioneller alternativer Antikoagulation

Die alternative Antikoagulation, die beim Bridging eingesetzt wird, dürfte vor dem Eingriff
kein erhöhtes Blutungsrisiko darstellen, sofern sie nicht zusätzlich zu einer noch therapeu-
tischen OAK verabreicht wird. Dagegen kann eine noch vorhandene Restaktivität des Anti-
thrombotikums während des Eingriffs das Blutungsrisiko erhöhen, wie auch eine zu frühe
Wiederaufnahme der Antikoagulation nach dem Eingriff, wenngleich das Ausmaß dieses
Blutungsrisikos bis dato nicht genau quantifiziert ist: Ein hohes Blutungsrisiko von 11%
wurde für die ersten fünf Tage einer i.v.-Heparintherapie beschrieben (Hull et al. 1999), das
Risiko für schwere Blutungen dürfte in einer Größenordnung von 1–6% liegen (Dunn et
al. 2003). Ungefähr 3% der Episoden von schweren postoperativen Blutungen sind tödlich,
aber die meisten Patienten kommen zu einer Restitutio ad integrum, obwohl in bis zu 50%
dieser Fälle eine Reoperation erforderlich wird (Kakkar et al. 1993). Selten – ungefähr in
1–2% – können permanente Schäden resultieren.
Kapitel 25 · Therapieoptionen
139 25

Aus den oben dargestellten Annahmen für Blutungs- und Thromboemboliemorbidität


und -mortalität soll das integrale Risiko für das Auftreten eines schweren oder tödlichen
Schadens bei der Anwendung von intravenösem UFH als alternatives Antikoagulans 2 Tage
vor und 2 Tage nach der Operation abgeschätzt werden (nach Kearon u. Hirsh 1997): Bei
Patienten mit akuter oder Rezidiv-VTE wird zusätzlich ein 100fach erhöhtes VTE-Risiko
durch den operativen Eingriff selbst veranschlagt. Bei der Abschätzung des absoluten
Risikos wird ein lineares Thromboembolierisiko für die ersten 30 Tage unterstellt, sodass
sich ein Risiko von einem Absolutprozent für jeden Tag ohne Antikoagulation kalkulie-
ren lässt. Ein möglicher Rebound-Effekt oder eine Gerinnungsaktivierung, die das Risiko
noch deutlich erhöhen könnten, werden dabei nicht berücksichtigt (s. unten). Das Risiko
wird umso geringer, je länger die VTE zurückliegt, sodass zwei bis drei Monate nach
VTE bei einer kurzen Unterbrechung der OAK mit einem deutlich niedrigeren Thrombo-
embolierisiko gerechnet werden kann. Bei der Abschätzung der Risiken für Patienten mit
Vorhofflimmern oder mechanischen Herzklappen wird in der zitierten Arbeit (Kearon u.
Hirsh 1997) lediglich die jährliche Inzidenzrate ohne Antikoagulation auf ein Tagesrisiko
zurückgerechnet. Zusätzliche Risikoindikatoren, wie z. B. Spontanechos, Vorhofgröße,
kardiovaskuläre Risikofaktoren oder die Dynamik einer Gerinnungsaktivierung, bleiben
dabei völlig unberücksichtigt. Die Berechnung bezieht sich auf eine viertägige Pause, wie sie
bei Absetzen von Warfarin für eine Operation unter günstigen Bedingungen erreicht wird;
bei der Anwendung von Phenprocoumon (Marcumar oder Falithrom) sind auf Grund der
längeren Halbwertszeit wesentliche längere Zeitspannen zu überbrücken, sodass sich das
gesamte Risiko (dritte Spalte in ⊡ Tabelle 25.1) auch für die Indikationen Vorhofflimmern
und mechanische Herzklappen durchaus zu Gunsten das Bridgings verschieben können.

⊡ Tabelle 25.1. Thromboembolische Ereignisse sowie geschätzte Gesamtmorbidität bei Überbrückung


einer insgesamt 4-tägigen präoperativen und postoperativen Unterbrechung der oralen Antikoagulation.
(Nach Kearon u. Hirsh 1997)

Indikation Verhinderte Thrombo- Durch Bridging verhinderter


embolische Ereignisseb Tod oder schwerer Schaden
(absolut %) (absolut %)

Akute venöse Thromboembolie – Monat 1 72 5,6

Venöse Thromboembolie – Monat 2 + 3 13 0,9

Rezidiv-VTE 3 0,1

Vorhofflimmern 0,02 a

a
Vorhofflimmern mit vorausgegangener 0,04
Thromboembolie

Mechanische Herzklappen 0,04 a

Arterielle Thromboembolie im Monat 1 0,60 0,3

aRechnerischErhöhung der Mortalität und Morbidität durch Bridging; bunter Annahme einer zusätzlichen
100fachen Erhöhung des VTE-Risikos durch den Eingriff (Kearon u. Hirsh 1997); VTE venöse Thromboembolie
140 Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

Optionen beim Bridging der oralen Antikoagulation

Grundsätzlich bestehen folgende Möglichkeiten zum Management der Antikoagulation bei


interkurrenten Eingriffen:
 die ununterbrochene Fortsetzung der OAK während des Eingriffes;
 die ersatzlose Unterbrechung der OAK für den Zeitraum des Eingriffes;
 eine Unterbrechung der OAK und Ersatz durch unfraktionierten Heparin (UFH) oder
 durch niedermolekulares Heparin (NMH).

25 Ununterbrochene Fortsetzung der OAK

Bei einer Fortsetzung der OAK oder geringfügigem Absenken der INR innerhalb des thera-
peutischen Bereichs ist nicht von einer Erhöhung des Thromboembolierisikos auszugehen.
Dieser Variante muss das situationsbezogene Blutungsrisiko gegenübergestellt werden
und sie eignet sich daher nur für Eingriffe, die ein niedriges Blutungsrisiko aufweisen
(s. Kap. 27).

Ersatzlose Unterbrechung der OAK

Ein Verzicht auf die OAK kommt für diejenigen Indikationen in Betracht, die ein niedriges
Thromboembolierisiko aufweisen. Ein Versuch, dieses Thromboembolierisiko gegen das
Blutungsrisiko einer alternativen Antikoagulation abzuwägen, wird in ⊡ Tabelle 25.1 unter-
nommen.

Unfraktioniertes Heparin (UFH)

Aufgrund der variablen Wirksamkeit muss UFH engmaschig durch ein Gerinnungsmoni-
toring (APTT) überwacht und entsprechend dosiert werden. In mehreren Studien wurde
gezeigt, dass dies nur bei einem Bruchteil der Patienten suffizient und sicher gelingt (Topol
et al. 1994). Da die intravenöse Gabe von UFH einen stationären Aufenthalt erfordert,
wurde untersucht, ob eine APTT-adjustierte s.c.-Applikation von UFH möglich ist (Hirsch
et al 1996). Die Studie zeigte eine inakzeptable Einstellungsqualität, sodass die Autoren zu
dem Schluss kommen, dass die s.c.UFH-Therapie nicht für einen breiteren Einsatz geeignet
sei. Der Einsatz von UFH erfordert daher i.d.R. einen stationären Aufenthalt. Dennoch ist
auch unter i.v.-UFH die Einstellungsqualität im Vergleich zu NMH häufig unbefriedigend
(Omran et al. 2003). Eine Nutzen-Risiko-Abwägung für den Einsatz von UFH beim Bridging
einer oralen Antikoagulation wird in ⊡ Tabelle 25.1 vorgenommen.

Unterbrechung der OAK und Ersatz durch NMH

NMH hat sich im Verlauf der letzten Dekade in der Prophylaxe und Therapie der Thrombo-
embolie gegenüber dem UFH durchgesetzt, da es eine Reihe von Vorteilen bietet: Die Wirk-
zeit ist länger, die Eiweißbindung geringer, und die Bioverfügbarkeit insbesondere auch bei
Kapitel 25 · Therapieoptionen
141 25

s.c.-Gabe höher sowie die therapeutische Wirksamkeit reproduzierbarer, sodass eine fixe
Dosierung ohne Laborkontrolle möglich ist. Die Häufigkeit der heparininduzierten Throm-
bozytopenie ist unter NMH seltener als unter UFH (Warkentin et al. 1995), sodass wegen
des sehr niedrigen HIT-Risikos eine Thrombozytenkontrolle bei internistischen Patienten
nicht nötig zu sein scheint (Greinacher 2003) Durch die 1- bis 2-mal tägliche Anwendung
ohne Notwendigkeit zum Gerinnungsmonitoring ergeben sich hier wesentliche Vortei-
le, die das NMH gegenwärtig als optimale Möglichkeit zum Bridging unter ambulanten
Bedingungen erscheinen lassen. Nicht unterschätzt werden darf jedoch bei den NMH die
Gefahr einer Kumulation bei bestehender Niereninsuffizienz, weswegen die diesbezügli-
chen Warnhinweise, insbesondere bei längerfristiger Anwendung in therapeutischer oder
halbtherapeutischer Dosierung beachtet werden müssen (Bauersachs 1998).
26

Welche Evidenzen für niedermolekulare


Heparine gibt es?
R.M. Bauersachs

Einsatz bei der akuten Therapie und der Sekundärprophylaxe


der venösen Thromboembolie

Bei der akuten Therapie der VTE ist die Effektivität und Sicherheit von NMH im Vergleich
zu UFH mittlerweile durch zahlreiche Studien belegt. In Metaanalysen zeigt sich eine
Überlegenheit bezüglich des Blutungsrisikos und der Gesamtmortalität (van Den Belt et al.
2000). Daher stellt NMH in zunehmendem Maße die Standardtherapie der VTE dar.
In der Sekundärprophylaxe von Rezidivthromboembolien haben sich NMH in mehre-
ren Studien bewährt; ein aktueller Cochrane- Review belegt, dass NMH (meist in halbthera-
peutischer Dosis) eine den VKA vergleichbare Effektivität zeigt, bei gleichzeitig signifikant
überlegener Sicherheit (van der Heijden et al. 2002). Auf Grund dieser Vorteile wird heute
bereits in einem erheblichen Prozentsatz eine Sekundärprophylaxe mit NMH durchgeführt,
nach spanischen Registerdaten bei Thrombosen der oberen Extremität in fast 50% (Arce-
lus et al. 2003). In der Sekundärprophylaxe nach VTE wurden NMH in unterschiedlichen
Dosierungen eingesetzt. Enoxaparin (Clexane) wurde 1-mal tgl. 40 mg eingesetzt (Pini et
al. 1994), während Nadroparin (Fraxiparin) in einer halbtherapeutischen Dosis mit VKA
verglichen wurde (Lopaciuk 1997). In der Sekundärprophylaxe von VTE bei Tumorpati-
enten wurde sowohl Enoxaparin (Meyer et al. 2002) wie auch Dalteparin (Fragmin) (Lee et
al. 2003) in einer dreivierteltherapeutischen Dosis NMH verwendet, und es zeigte sich eine
Überlegenheit im Vergleich zu VKA (Lee et al. 2003). Tinzaparin (Innohep) wurde in thera-
peutischer Dosis zur längerfristigen Sekundärprophylaxe eingesetzt (Pineo u. Hull 2003).

Niedermolekulares Heparin bei Vorhofflimmern:


Akute Phase vor und nach Kardioversion

In der ACE-Studie (Stellbrink et al. 2004) wurde Enoxaparin bei Patienten mit Vorhofflim-
mern vor und nach einer Kardioversion verglichen mit i.v.-UFH, gefolgt von VKA. Sowohl
für diejenigen Patienten, bei denen die Kardioversion nach einer 3-wöchigen Antikoagu-
lationsphase ohne vorherige TEE durchgeführt wurde wie auch bei denjenigen Patienten,
die vorab eine TEE-Untersuchung erhielten und bei fehlendem Thrombusnachweis sofort
kardiovertiert wurden, sowie bei denjenigen, die bei Thrombusnachweis eine 3-wöchige Anti-
koagulation erhielten, war das NMH der Standardtherapie mit UFH und Phenprocoumon
Kapitel 26 · Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es?
143 26

mindestens ebenbürtig. Eingesetzt wurde dabei eine therapeutische Dosis von 2-mal täglich
1 mg/kg Enoxaparin für 3–8 Tage, gefolgt von einer fixen Dosis von 2-mal 40 mg bei Pati-
enten <65 kg und 2-mal 60 mg täglich bei Patienten >65 kg. Bei 496 Patienten traten in der
Enoxaparin-Gruppe insgesamt 2 schwere Blutungen auf, dagegen 6 schwere Blutungen in der
UFH/VKA Gruppe (n.s.). Die Zahl der leichten Blutungen waren gleich, die Zahl der gesam-
ten embolischen Ereignisse betrug 2 unter Enoxaparin und 4 unter UFH/VKA (n.s.). die
Gesamtzahl an Endpunkten war unter Enoxaparin 7 im Vergleich zu 15 unter UFH/VKA (n.s.).
Diese Studie belegt, dass in der Akutphase vor Kardioversion die alternative Antikoagula-
tion mit s.c.-NMH mindestens so sicher und effektiv ist wie die bisherige Standardtherapie.

Evidenz für das Bridging bei Patienten mit Vorhofflimmern


oder mechanischen Herzklappen

In einer Bridging-Studie (EASE-Studie, Omran et al. 2003) wurde als Ersatzendpunkt der
Zeitraum bis zum Eintreten einer effektiven Gerinnungshemmung analysiert: Konsekutive
Patienten mit Vorhofflimmern und/oder Klappenprothesen, die eine Langzeit-OAK erhiel-
ten und bei denen eine Herzkatheteruntersuchung geplant war, erhielten randomisiert ent-
weder eine therapeutische Dosis von Enoxaparin subkutan oder UFH i.v. Nach Absetzen der
OAK wurde ab einer INR <1,5 die Intervention durchgeführt. Für das UFH wurde als Gerin-
nungsparameter die APTT, für Enoxaparin der Anti-Faktor-Xa-Spiegel täglich gemessen.
Der Zeitraum bis zum Eintreten einer suffizienten Gerinnungshemmung war mit Enoxa-
parin signifikant kürzer als mit UFH (1,1 vs. 3,7 Tage, p <0,01). Der Prozentsatz von Tagen
mit einer effektiven Gerinnungshemmung während des gesamten perioperativen Zeitraums
war in der Enoxaparin-Gruppe signifikant höher als in der UFH-Gruppe (93% vs. 53,7%,
p <0,0001). Dies Studie lässt die Schlussfolgerung zu, dass mittels Enoxaparin bei chronisch
antikoagulierten Patienten mit Herzklappenprothesen und/oder Vorhofflimmern rascher
und dauerhafter eine effektive Gerinnungshemmung erreicht wird als mit UFH.
Montalescot et al. (2000) untersuchten in einer vergleichenden, nichtrandomisierten Stu-
die 208 konsekutive operierte Patienten mit Einfach- oder Doppelklappenersatz. Sie erhiel-
ten postoperativ entweder eine subkutane Antikoagulation mit UFH oder NMH. Am 2. Tag
der Heparinbehandlung waren lediglich 9% der Patienten mit UFH im therapeutischen
Bereich, während 87% der Patienten mit NMH im Zielbereich von 0,5–1,0 IU/ml lagen.
Johnson und Turpie (1999) evaluierten den ambulanten Einsatz von NMH bei 515
langzeitantikoagulierten Patienten, davon 209 mit mechanischem Herzklappenersatz. Die
Patienten erhielten im Mittel 5-mal vor dem Eingriff eine therapeutische Dosis von 2-mal
1 mg/kg Enoxaparin oder Dalteparin 2-mal 100 Anti-Xa-Einheiten/kg täglich. Die letzte
Dosis wurde 12 h vor dem Eingriff appliziert, und erneut 8–24 h nach dem Eingriff ange-
setzt, bis eine therapeutische INR erreicht wurde. Bei 515 Patienten gab es keine thrombo-
embolischen Komplikationen, zwei schwere Blutungen und 17 kleinere Blutungen.
Berdague (⊡ Tabelle 26.1) evaluierte Enoxaparin, Nadroparin und Dalteparin unmittelbar
postoperativ nach Ersatz von Mitralklappen oder kombinierten Aorten- und Mitralklappen.
Bei 110 Patienten kam es in einem Fall (0,9%) zu einem Schlaganfall und zu 5,4% Blutungs-
komplikationen und einer Todesrate von 5,3%, von denen nach Angaben der Autoren keine
in Bezug zu NMH stand. Ferreira et al. (2003) evaluierten Enoxaparin und Nadroparin bei 20
Patienten mit mechanischem Herzklappenersatz über 10 + 7 Tage: Im mittleren Verlauf von
3,6 Monaten traten keine thromboembolischen Ereignisse oder Todesfälle auf.
144 Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

Der Einsatz von Heparin bei Patienten mit mechanischen Herzklappen stellt sicher
unter den genannten Indikationen die schwierigste dar: Dies zum einen, da hier die Zahl
der dokumentierten Fälle am geringsten ist (s. ⊡ Tabelle 26.1), zum anderen, weil die
mechanischen Herzklappen eine hohe Thrombogenität aufweisen, die auch bei relativ
kurzer Unterbrechung der Antikoagulation zur Thrombenbildung führen (Kearon u. Hirsh
1997) könnte, was in der oben ausgeführten Abschätzung (s. Kap. 25, ⊡ Tabelle 25.1, Omran
et al. 2003) vielleicht nicht adäquat repräsentiert wird. Daher könnte hier das Erreichen

⊡ Tabelle 26.1. Klinische Studien, die die Wirksamkeit von niedermolekularem Heparin als Bridging-Thera-
pie untersucht hatten. (Nach Jafri 2004)

26 Indikation NMH Dosis n Literatur

Mechanische Herzklappen Nadroparin 3075 IU, 1-mal tgl. 21 Kodayifci 1997

Mechanische Herzklappen-OP Dalteparin 100 IU/kg, 2-mal tgl. 110 Berdague 1999
Enoxaparin 100 IU/kg, 2-mal tgl.
Nadroparin 100 lU/kg, 2-mal tgl.

Mechanische Herzklappen, AA Enoxaparin 1 mg/kg, 2-mal tgl. 20 Spandorfer 1999

Mechanische Herzklappen Enoxaparin 30 mg, 2-mal tgl. 60 Galla 2000

Mechanische Herzklappen-OP Enoxaparin 1 mg/kg, 2-mal tgl. 208 Montalescot 2000


Nadroparin 87 IU/kg, 2-mal tgl.

Kardioversion AA Dalteparin 200 IU/kg, 1-mal tgl. 242 Roijer 2000

Mechanische Herzklappen, Dalteparin 200 IU/kg, 1-mal tgl. 24 Tinmouth 2000


AA, VTE

Mechanische Herzklappen, Dalteparin 5000 IU, 1-mal tgl. 47 Wilson 2001


AA, VTE 200 IU/kg, 1-mal tgl.
120 IU/kg, 2-mal tgl.

Mechanische Herzklappen, Dalteparin 100 lU/kg, 2x tgl. 515 Johnson 2001


AA, VTE Enoxaparin 1 mg/kg, 2x tgl.

Schlaganfall Dalteparin 100 IU/kg, 2-mal tgl. 21 Nutescu 2001


Enoxaparin

Mechanische Herzklappen, AA Enoxoparin 1 mg/kg, 2-mal tgl. 32 Omran 2004

Mechanische Herzklappen Enoxoparin 1 mg/kg, 2-mal tgl. 82 Ferreira 2003

AA, Kardioversion Enoxoparin 1 mg/kg, 2-mal tgl.


(3–8 Tage),
dann:
2-mal 40 mg (<65 kg)
2-mal 60 mg (>65 kg) 216 Stellbrink 2004

AA Absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern; VTE venöse Thromboembolie


Kapitel 26 · Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es?
145 26

einer kontinuierlichen Gerinnungshemmung eine wesentlichere Rolle spielen, als bei Pati-
enten mit Vorhofflimmern oder nach VTE, sodass möglicherweise eine 1-mal tägliche Gabe
von NMH bei mechanischem Herzklappenersatz nicht ausreichen könnte.
⊡ Tabelle 26.1 zeigt, dass mittlerweile eine Vielzahl von veröffentlichten, Peer-reviewed-
Studien oder Kohortendaten über den Einsatz von NMH zum Bridging bei Herzklappen-
patienten vorliegen (Dunn et al. 2003; APPCR Panel and Scientific Round Table 2002; Jafri
2004), die dokumentieren, dass NMH sowohl eine effektive wie auch eine sichere Antikoa-
gulation gewährleistet.

Antikoagulation in der Schwangerschaft

Vitamin-K-Antagonisten in der Schwangerschaft

Der Einsatz von VKA ist während der gesamten Schwangerschaft mit erheblichen fetalen
Risiken vergesellschaftet. VKA gehen mit charakteristischen Embryopathien einher und
können in bis zu zwei Drittel der Fälle teratogene Wirkungen aufweisen. Darüber hinaus
sind ZNS-Abnormalitäten und Ophthalmopathien in jedem Trimester in einer Häufigkeit
von ca. 3–5% beschrieben worden (Stevenson et al. 1980). Die Zeit zwischen der 6. und
10. Gestationswoche scheint dabei die gefährlichste Phase darzustellen, während die ersten
6 Wochen der Gestation ein relativ sicheres Intervall für VKA sein sollen. Wenn man jedoch
die Halbwertzeit von 7 Tagen des in Deutschland überwiegend verwendeten Phenprocou-
mon berücksichtigt, bedeutet dies, dass auch nach Absetzen die Substanz noch über sechs
Wochen hinaus im Körper verbleiben kann. Obwohl einige Empfehlungen vorliegen, dass
im zweiten Trimester VKA wieder angewendet werden könnten, sollten wegen der oben
genannten Nebenwirkungen VKA, soweit möglich, während der gesamten Schwangerschaft
vermieden werden (Toglia u. Weg 1996; Lindhoff-Last et al. 2000; Greer 2004).

Heparinanwendung in der Schwangerschaft

Da die Heparinmoleküle nicht plazentagängig sind, werden sie als sicher für den Feten
eingestuft. Bezüglich der maternalen Nebenwirkungen ist insbesondere die Osteoporose
zu nennen. In einer prospektiven randomisierten Studien konnte gezeigt werden dass nach
Heparinbehandlung in der Schwangerschaft die Knochendichte unter UFH signifikant
niedriger war als unter NMH (Pettila et al. 2002). In der Schwangerschaft werden NMH seit
über 15 Jahren angewendet, und in der Literatur sind über 1000 Fälle dokumentiert (Lind-
hoff-Last et al. 2000; Lepercq et al. 2001).

Effektivität

Es gibt zahlreiche Hinweise, dass NMH für die Prophylaxe und Therapie von VTE in der
Schwangerschaft mindestens so sicher und effektiv wie UFH ist. Bei über 1000 schwange-
ren Frauen mit erhöhtem Thromboembolierisiko, die mit NMH behandelt wurden, traten
0,6–1,3 VTE und etwa 3% schwere Blutungen auf (Lepercq et al. 2001; Sanson et al. 1999);
diese Blutungsraten liegen im Bereich von normalen Schwangerschaften.
146 Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

Der Einsatz von NMH bei schwangeren Patienten mit mechanischem Herzklappener-
satz wird noch kontrovers diskutiert (Groce et al. 2002). Es wurden Fälle von Therapiever-
sagen mit – sogar tödlichen – Klappenthrombosen beschrieben, wobei jedoch in einigen
Fällen subtherapeutische Anti-Xa-Spiegel dokumentiert wurden. In einer eigenen Serie
wurden acht schwangere Frauen in einer therapeutischen Dosis von NMH behandelt, mit
vierwöchentlichem Monitoring der Anti-Xa-Aktivität (Bauersachs u. Lindhoff-Last 2003).
Die Antikoagulation war bezüglich thromboembolischer Ereignissen komplikationslos;
bemerkenswert war allerdings, dass es in über einem Drittel ab der 32. Woche zu einer
schweren Herzinsuffizienz im Rahmen einer Schwangerschaftskardiomyopathie kam (Bau-
ersachs u. Lindhoff-Last 2003). Neben der suffizienten Antikoagulation ist also eine enge
kardiologische Betreuung dieser Patienten unverzichtbar.
Bei begrenzter Datenlage sind daher unter sorgfältiger Nutzen/Risikoabwägung und
26 ausführlicher Aufklärung der Patientinnen folgende Alternativen möglich:
1. Absetzen von VKA, sobald die Schwangerschaft bekannt ist (regelmäßige Schwanger-
schaftstests!) und Ersatz mit einer therapeutischen Dosis von NMH bis zur Entbindung.
Präkonzeptionell wäre ein Umsetzen von Phenprocoumon auf Warfarin wegen der
kürzeren Halbwertszeit empfehlenswert.
2. Absetzen von VKA, sobald die Schwangerschaft bekannt ist, und Überbrückung mit
NMH, wie unter 1. beschrieben; erneutes Umsetzen auf Warfarin ab dem zweiten Tri-
menon bis zum Ende der Schwangerschaft, wo erneut auf NMH für die Entbindungspe-
riode umgesetzt wird.

Bei der Alternative einer kontinuierlichen Antikoagulation mit Warfarin, die möglicher-
weise für die Mutter bezüglich der Verhinderung von Thromboembolien am sichersten
wäre, muss auf das hohe fetale Risiko hingewiesen werden; damit wird diese Alternative
allgemein nicht empfohlen (Lindhoff-Last et al. 2000).
Die langfristige subkutane Anwendung von UFH kann wegen der schlechten Einstell-
barkeit und dem variablen Heparinbedarf in der Schwangerschaft und hohem Osteoporo-
serisiko ebenfalls nicht empfohlen werden.
27

Therapiealgorithmen
R.M. Bauersachs

Spezifische Eingriffe

Zahneingriffe

Zahneingriffe sind ein sehr häufiges Problem für Patienten, die eine Langzeit-OAK erhalten.
Häufig wird aus Furcht vor Blutungen die OAK für den Eingriff unterbrochen, obwohl nur
wenige Fälle von schweren Blutungsereignissen nach Zahneingriffen unter therapeutischer
OAK dokumentiert sind (Wahl 2000). Andererseits sind thromboembolische Komplikati-
onen – zum Teil sogar tödlich – mehr als dreimal häufiger zu beobachten, wenn die OAK
unterbrochen wird (Wahl 2000). Nach 2014 Eingriffen bei 774 Patienten unter fortlaufender
OAK im therapeutischen INR-Bereich kam es in 1,6% zu Blutungsereignissen, die nicht mit
lokalen Maßnahmen gestillt werden konnten. Schwere Blutungen traten unmittelbar nach
12 h (0,6% bei 2014 Eingriffen) auf: 8 der 12 Episoden waren assoziiert mit subtherapeuti-
schen INR-Werten während des Eingriffes.
Dagegen hatten 493 Patienten, bei denen die OAK für insgesamt 542 Prozeduren
unterbrochen wurde, 1% thromboembolische Komplikationen, davon 80% tödlich (Wahl
2000). Unter einer Nutzen-Risiko-Abwägung erscheint es sinnvoll, Zahneingriffe unter
therapeutischer Antikoagulation durchzuführen, wobei durch kurzzeitiges Absenken der
INR innerhalb des therapeutischen Bereiches, z. B. durch 2-tägige Pause von Phenprocou-
mon, das Blutungsrisiko minimiert sein sollte. Lediglich für größere Eingriffe und mehrere
Zahnextraktionen mit erhöhtem Blutungsrisiko soll ein Absenken der INR auf 1,5 erfolgen.
Im Falle von lokalen Blutungen können Tranexamsäure- oder Epsilonaminocapronsäure-
Spülungen eingesetzt werden. Unabdingbar ist eine vorherige Verständigung über den
Ablauf mit dem Zahnarzt oder Kieferchirurgen. Bei Herzklappenpatienten darf die Endo-
karditisprophylaxe in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden.

Ophthalmologische Eingriffe

Eingriffe am Auge gehen nur mit minimalem Blutverlust einher, möglicherweise mit der
Ausnahme von Lid- und Orbitaoperationen. Der häufigste Eingriff dürfte die Kataraktope-
ration sein, die unter therapeutischer Antikoagulation ohne signifikante Blutungskompli-
kationen durchgeführt werden konnte (McCormick et al. 1999). Beschrieben waren dabei
148 Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

auch Glaskörperoperationen, Trabekulektomien, Linsenimplantate und Biopsien. Aller-


dings ist über Blutungen in die Vorderkammer und subkonjunktivale Blutungen berichtet
worden (Hall et al. 1988; Carter u. Miller 1998; Robinson u. Nylander 1989). Für Patienten
mit Netzhauteingriffen wird in der Regel eine Unterbrechung der OAK empfohlen, damit
es nicht zu Einblutungen kommt, wie auch bei Patienten, die eine retrobulbäre Anästhesie
benötigen.

Gastrointestinale Endoskopie

Das Blutungsrisiko nach einer Schleimhautbiopsie erscheint niedrig, solange keine zusätzli-
chen hämorrhagischen Diathesen vorliegen. Allerdings kann es nach einer endoskopischen
Sphinkterotomie in 2,5–5% zu Blutungen kommen (Van Os et al. 1999). Zu berücksichtigen
ist vor allem die verzögert auftretende Blutung nach endoskopischer Sphinkterotomie,
Koloskopie oder Polypenentfernung, sodass die Antikoagulation nach diesen Prozeduren
27 nicht unmittelbar wieder aufgenommen werden sollte (Van Os et al. 1999). In einer retro-
spektiven Auswertung waren bei 171 Endoskopien mit niedrigem Blutungsrisiko (z. B.
Gastroskopie) unter fortlaufender OAK keine thromboembolischen oder Blutungsereig-
nisse aufgetreten, genauso wenig wie bei unterbrochener OAK bei Prozeduren mit hohem
Blutungsrisiko, z. B. Polypektomie (Jafri 2004).

Prostataeingriffe

Für die transurethrale Laseroperation der Prostata unter laufender Antikoagulationsthera-


pie liegen nur kleine Fallstudien vor, in denen diese als sicherer Eingriff beurteilt wird (Parr
et al. 1989). Ein Bridging einer OAK bei konventioneller transurethraler Prostatasektion
mit periprozeduraler Heparingabe wurde in kleineren Serien beschrieben (Chakravarti u.
MacDermott 1998).

Abdominalchirurgie

Trotz der häufigen Problematik eines abdominellen Eingriffes unter OAK gibt es hierfür
keine größere Datenbasis (Jafri 2004). Man muss davon ausgehen, dass bei größeren abdo-
minal-chirurgischen Eingriffen ein erhöhtes Blutungsrisiko unter OAK besteht, sodass in
der Regel hier eine Unterbrechung empfohlen wird (Rustad u. Myrhe 1963).

Neurochirurgische Eingriffe und rückenmarksnahe Anästhesie

Neurochirurgische Eingriffe unter OAK sind besonders problematisch, weswegen eine


Normalisierung der INR nach Absetzen der OAK vor solchen Eingriffen empfohlen und
die OAK erst später nach der Operation wieder angesetzt wird. Daher werden wegen des
Risikos von intrakraniellen oder spinalen Blutungen physikalische Prophylaxemethoden
oder Vena-cava-Filter empfohlen (Jafri 2004).
Kapitel 27 · Therapiealgorithmen
149 27
Herzkatheteruntersuchungen und -Interventionen

In einer prospektiven und randomisierten Untersuchung von UFH und NMH beim
Bridging einer Dauerantikoagulation für elektive Herzkatherisierung kam es bei keinem
der 68 Patienten zu einer schwerwiegenden Blutung oder einem thromboembolischen
Ereignis (Omran et al. 2003); es kam in 19% zu größeren Hämatomen. Unter UFH entwi-
ckelte ein Patient ein Aneurysma spurium. In einer schwedischen Studie wurde bei 3 von
50 antikoagulierten Patienten ein operationpflichtiges Hämatom beobachtet (Radegran u.
Jyrala 1979). Es traten keine thromboembolischen Ereignisse auf.

Schrittmacherimplantationen und Defibrillatoreingriffe

Bei 150 ambulanten Schrittmacheroperationen waren 37 Patienten unter einer laufenden


OAK: Etwa 5% der Patienten unter Warfarin und ca. 2% ohne OAK hatten wundbezogene
Blutungskomplikationen, die aber keine weitere Behandlungskonsequenz erforderten. Bei
49 Patienten, die ein Bridging mit i.v.-UFH erhielten (Beginn 6–12 h post-OP) entwickelte
sich in 20% ein Schrittmachertaschenhämatom, im Vergleich zu 4% der Patienten, die
postoperativ lediglich Warfarin erhielten.

Dermatologische Eingriffe

Eine retrospektive Analyse von 653 Patienten nach Hautoperationen (Jafri 2004) beinhaltet
auch 127 Patienten unter Warfarin. Patienten mit Resektionsoperation unter laufender
Warfarinbehandlung hatten in 33% mäßige bis schwere Wundkomplikationen (4 von 12),
dagegen nur 2% (1 von 40) Patienten, bei denen die Warfarintherapie unterbrochen wor-
den war; bei 102 Kontrollen kam es zu keiner einzigen Wundkomplikation.

Nutzen und Risikoabwägung für Operationen und interventionelle Eingriffe


(nach Dunn et al. 2003)

Trägt man die veröffentlichten Berichte über ein periprozedurales Bridging zusammen,
so kam es bei etwa 2000 Eingriffen in 1,6% zu thromboembolischen Ereignissen, ein-
schließlich sieben Schlaganfällen. Diese Rate ist etwa zehnmal höher (Dunn et al. 2003)
als die rein rechnerische Rate (s. Kap. 25, ⊡ Tabelle 25.1, Warkentin et al. 1995) bei nicht-
antikoagulierten Patienten und hohem thromboembolischen Risiko. Legt man die beob-
achtete Rate an Schlaganfällen (0,4%) zugrunde und die bekannte Risikoreduktion durch
suffiziente Antikoagulation, so ließe sich durch das Bridging ein Schlaganfall pro 333
Patienten verhindern (Dunn et al. 2003). Die Blutungsrate für die postoperative Periode
wird für größere Operationen mit 2–4% und für Interventionen mit 0–2% eingeschätzt;
in dieser Analyse wird allerdings eine lediglich zweitägige postoperative Überbrückung
angenommen, was auf die deutsche Verhältnisse mit Phenprocoumon nicht direkt über-
tragbar ist.
150 Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

Therapiealgorithmen

Im Falle eines hohen thromboembolischen Risikos bei Langzeitantikoagulation und


geplantem Eingriff mit erhöhtem Blutungsrisiko werden in der amerikanischen Literatur
Algorithmen zum Bridging von Vitamin-K-Antagonisten beschrieben (Dunn et al. 2003;
Schulman 2003; Jafri 2004). Die englischsprachige Literatur bezieht sich dabei ausschließ-
lich auf den Einsatz von Warfarin.
In der Regel wird Warfarin 4–6 Tage vor dem geplanten Eingriff abgesetzt, und etwa 2–4
Tage später wird die Therapie mit NMH eingeleitet, das i. d. R. 12–24 h vor dem Eingriff
wieder abgesetzt wird. Etwa 12–24 h nach dem Eingriff (»wenn die Hämostase eingesetzt
hat«) wird die Therapie mit NMH wieder begonnen. Alternativ wird auch die stationäre
Aufnahme des Patienten 2–4 Tage präoperativ für eine therapeutische i.v.-Gabe von UFH
oder die ambulante Anwendung von s.c.-UFH angegeben (Jafri 2004). Die therapeutische
Gabe von i.v.-UFH wird postoperativ solange fortgesetzt, bis wieder eine therapeutische
INR erreicht wird. UFH wird dabei etwa frühestens 12 h postoperativ wieder eingesetzt.
27 Bei der Anpassung dieser Algorithmen an deutsche Verhältnisse (⊡ Abb. 27.1) muss
bedacht werden, dass Phenprocoumon im Vergleich zu Warfarin eine wesentlich längere
Halbwertszeit aufweist (105–144 h im Vergleich zu 36–42 h bei Warfarin). Dies macht ein
deutlich früheres Absetzen von Phenprocoumon erforderlich. Berücksichtigt werden muss
auch der erhebliche Einfluss, den eine Antibiotikaeinnahme im Zusammenhang mit einer
Endokarditisprophylaxe bei Herzklappenpatienten auf die INR haben kann: So kann eine
bereits subtherapeutische INR von 1,5 unter Antibiotikagabe durchaus innerhalb kurzer
Zeit wieder in den therapeutischen Bereich ansteigen.
Die in der Überbrückungsphase verwendete Dosis des NMH richtet sich dabei im
Wesentlichen nach der Höhe des Thromboembolierisikos: Bei hohem Risiko, z. B. mecha-
nische Herzklappen, kürzliche VTE oder zusätzlichen Risikofaktoren, wird eine volle

Einstellung einer überlappenden Antikoagulation vor OP


Tag 1 2 3 4 5 6 (OP) 7 8 9

Marcumar Pause Pause Pause Pause Pause 2 2 2 2

INR 3,1 2,6 2,2 1,7 1,4 1,2 1,5 1,9 2,4

NMH ()
(ca. 7 30 / ca. 1800 ) gewicht. gewicht. gewicht. gewicht. gewicht. gewicht.

Blutungskontrolle + + + + + + + + +

Auskultation + + + + + + + + +

⊡ Abb. 27.1. Unterbrechung einer oralen Antikoagulation mit Phenprocoumon für einen geplanten Eingriff: Sche-
matische Darstellung des Algorithmus für ein Bridging mit niedermolekularem Heparin (nach Omran et al. 2003).
Die NMH-Gabe am Vorabend der Operation erscheint nur bei sehr hohem Thromboembolierisiko unverzichtbar;
sie könnte zu signifikanten NMH-Spiegeln während der OP mit erhöhtem Blutungsrisiko führen
Kapitel 27 · Therapiealgorithmen
151 27

Hohes Risiko Niedriges Risiko

Vorhofflimmern mit Herzinsuffizienz Vorhofflimmern ohne


und / oder anderen Risikofaktoren andere Risikofaktoren
Mechanischer Klappenersatz Z.n. Thrombose / Embolie > 3 Monate
Biologischer Klappenersatz
Thrombophilie
Frische Thrombose / Embolie

Therapeutische überlappende halbtherapeutische


Antikoagulation überlappende Antikoagulation

Gewichtsadaptiert therapeutische
Dosierung

⊡ Abb. 27.2. Risikostratifzierung für die alternative Antikoagulation: therapeutische Dosierung von NMH bei
hohem Risiko, halbtherapeutische Dosis bei mittlerem Thromboembolierisiko. (Nach Omran et al. 2003)

therapeutische Dosis von NMH eingesetzt, bei niedrigeren Risiko, z. B. chronischen Vor-
hofflimmern, Sekundärprophylaxe der VTE, wird eine halbtherapeutische Dosis verwendet
(⊡ Abb. 27.2).
Bislang wurden weder bei internationalen noch deutschen Übersichten logistische
Probleme ausreichend gewürdigt, z. B. bei der präoperativen ambulanten INR-Diagnostik:
Es ist zu berücksichtigen, dass bei einem geplanten Bridging die INR auch während des
Wochenendes subtherapeutisch werden kann, sodass zu diesem Zeitpunkt die alternative
Antikoagulation unverzüglich angesetzt werden muss. Hierfür muss eine tägliche INR-
Kontrolle mit kurzfristiger Ergebnismitteilung gewährleistet sein. Daher empfiehlt sich bei
ambulantem Bridging, Eingriffe nicht für montags zu planen, und – wegen des Manage-
ments möglicher Nachblutungen – ist auch der Freitag kein idealer Termin für elektive
Eingriffe. Sollte zum geplanten Eingriffstermin die INR nicht weit genug abgefallen sein,
ergeben sich unter Umständen zusätzliche organisatorische Probleme, wie z. B. Absetzen
vom OP-Plan oder Wiederholung der Endokarditisprophylaxe, was durchaus auch für ein
früheres Absetzen der OAK mit längerem Bridging sprechen kann.
28

Zulassungsstatus und damit verbundene


medikolegale Aspekte*
R. Bauersachs

Bei der Unterbrechung einer Langzeitantikoagulation für einen geplanten Eingriff befinden
sich die betreuenden Ärzte in einem medikolegalen Dilemma:
Einerseits besteht bei ersatzloser Unterbrechung der OAK ein erhöhtes Thromboembo-
lierisiko, andererseits ist der einzige Ersatz der OAK, der auch in der ambulanten Versor-
gung praktikabel ist, nämlich der durch NMH, nicht offiziell zugelassen.
Im Gegensatz dazu hat UFH eine arzneimittelrechtliche Zulassung, die formal auch das
Bridging mit umfasst. Das liegt daran, dass das Arzneimittelrecht und sein Zulassungsbe-
griff rein formal zu betrachten sind. Entscheidend ist der Wortlaut der Zulassung, nicht,
wie es zu dieser Zulassung gekommen ist und welche Daten dahinter stehen. In diesem
Sinne hat UFH eine umfassende »Altzulassung« für die Prophylaxe und Therapie von
Thromboembolien und damit auch für Indikationen, die formal nicht in Studien überprüft
wurden, wie, z. B. Einsatz bei Bridging; selbst für die Standardindikationen wurde UFH
meist nicht nach heutigen »Good-Clinical-Practice«- und »Evidence-Based-Medicine«-
Standards untersucht.
Die subkutane Anwendung von UFH kann aufgrund der Literaturdaten nicht als Stan-
dard bezeichnet werden. Damit wäre aufgrund der Altzulassung das unfraktionierte Hepa-
rin intravenös gegeben die einzig »zugelassene« und dem medizinischen Standard entspre-
chende Bridging-Option, die aber wegen der intravenösen Gabe die stationäre Aufnahme
des Patienten über mehrere Tage erforderlich macht. Zudem zeigen zahlreiche Studien,
dass die Einstellungsqualität der Antikoagulation unter i.v.-Regime deutlich schlechter ist
als mit NMH.
NMH hat pharmakologische Vorteile im Vergleich zu UFH und wurde in zahlreichen
Fällen erfolgreich als Antikoagulans bei Bridging-Situationen eingesetzt. Trotzdem muss
wegen der oben dargestellten Betrachtungsweise des Arzneimittelrechts die Anwendung
von NMH in einer therapeutischen Dosis zur Behandlung und Sekundärprophylaxe von
Thromboembolien rein formal als »Off-label-Use« beurteilt werden. Eine andere Frage
ist die, ob es sich dabei »nur« um einen solchen »Off-Label-Use« handelt oder ob dieser
Einsatz darüber hinaus als nicht ausreichend durch Daten oder langjährige Erfahrung

* Herrn Dr. med. Dr. jur. Rainer Erlinger sei für wertvolle Hinweise und Ergänzungen bei der Erstellung dieses
Kapitels gedankt.
Kapitel 28 · Zulassungsstatus und damit verbunden Aspekte
153 28

gesichert angesehen werden muss. In letzterem Fall stellt dieser Einsatz dann, auch wenn
die Bezeichnung verwundern mag, einen Heilversuch im juristischen Sinne dar, mit gründ-
licher Abwägung von Für und Wider jenseits des Standards. Für den Einsatz von NMH ist
das derzeit nicht abschließend zu beurteilen. Er befindet sich gegenwärtig auf dem Weg
zum »Standard«, da er in den zahlreichen internationalen Konsensusdokumenten als
Standardprozedur beschrieben und auch in deutschsprachigen »Standardlehrbüchern« der
internistischen Therapie das Bridging mit NMH dargestellt wird (z.B. Schinzel 2004). Dies
gilt vor allem für den Einsatz bei der Sekundärprophylaxe der venösen Thromboembolie
und dem chronischen Vorhofflimmern.
Unterschiedliche Ansichten bestehen vor allem noch immer über den Einsatz von NMH
zur Antikoagulation bei mechanischen Herzklappen (Dunn et al. 2003; Leyh et al. 2003),
insbesondere in der Schwangerschaft. Vor zwei Jahren wurde in den USA die Packungs-
beilage von Lovenox® (Enoxaparin) mit dem Warnhinweis versehen, dass der Einsatz zur
Prophylaxe bei Herzklappenpatienten nicht empfohlen wird (Groce et al. 2002). Anlass war
ein Therapieversagen bei zwei schwangeren Patientinnen mit Herzklappenersatz; bei bei-
den Patienten war die Dosis in der Schwangerschaft nicht angepasst worden, und in beiden
Fällen wurden subtherapeutische Spiegel von Anti-Xa gemessen.
Die meisten NMH sind in der Schwangerschaft zwar nicht mehr streng kontraindiziert,
aber auch nicht offiziell zugelassen; andererseits besteht eine explizite Kontraindikation für
Phenprocoumon während der gesamten Schwangerschaft.
Für die Praxis bedeutet das: Entscheidend in dieser unklaren Situation ist die offene und
ausführliche Information des Patienten über die Problematik der Bridging-Situation sowie
über den Einsatz eines in dieser Indikation nicht explizit zugelassenen Medikamentes, die
über die sonst übliche Patientenaufklärung bei Heilverfahren und dem Einsatz von Medi-
kamenten hinausgehen muss. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand,
dass der Einsatz außerhalb der offiziellen Zulassung erfolgt.
Ohnehin muss der Patient sehr genau über das reale Thromboembolie- und Blu-
tungsrisiko während eines interkurrenten Eingriffes aufgeklärt werden; die Indikation zu
einem solchen Eingriff muss hinterfragt sowie erneut überprüft und die verschiedenen
Therapieoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen müssen mit dem Patienten ausführlich
erörtert werden (s. Checkliste ⊡ Tabelle 28.1). Hilfreich sind hier Aufklärungsbögen, die
aber das ausführliche Aufklärungsgespräch nicht ersetzen können, was besonders für
diese Situation gilt.
Darüber hinaus ist im nichtstationären Bereich zu beachten, dass nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR
36/00) sich die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung im Regelfall nur
auf die Anwendung im zugelassenen Anwendungsgebiet erstreckt. Eine Ausnahme gilt nur
für schwerwiegende Erkrankungen, für die keine andere Therapie verfügbar ist und bei
denen aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffen-
den Präparat ein Behandlungserfolg zu erzielen ist. Der Off-Label Use von Medikamenten
im Bereich der GKV ist daher mit Risiken in Hinsicht auf Regresse der Krankenkassen
behaftet.
Da andererseits damit ein kostenintensiverer stationärer Aufenthalt vermieden wird,
ist dem Autor bislang kein Regressanspruch in dieser speziellen Situation bekannt ge-
worden.
154 Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

⊡ Tabelle 28.1. Check-Liste zum Bridging

;Hinterfragung der Indikation zur oralen Antikoagulation (nach sorgfältiger Beurteilung


der Krankengeschichte)
;Abschätzung des Thromboembolierisikos
;Indikationsüberprüfung des Eingriffs (ggf. Verschieben auf späteren Zeitpunkt?)
;Abschätzung des Blutungsrisikos des Eingriffs (ggf. Rücksprache mit dem Operateur)
;Endokarditisprophylaxe?

Wahl der Bridging-Option:


;Fortsetzen der OAK ohne Unterbrechung
;Absenken der INR
;Ersatzlose Unterbrechung der OAK
;Ersatz durch halbtherapeutische NMH-Gabe
;Ersatz durch volltherapeutische NMH-Gabe
;intravenöse UFH-Gabe unter stationären Bedingungen

;Zeitliche Planung des Eingriffs (INR-Monitoring am Wochenende?)


;Ausgangsblutbild einschließlich Hb und Thrombozytenzahl, Kreatinin (Abschätzung der
Kreatinin-Clearance)
;Festlegung und Einhaltung des Injektionsintervalls präoperativ
28
Postoperativ: Hämostase erzielt?
;Lokale blutstillende Maßnahmen?
;Wiederbeginn der alternativen Antikoagulation
;Bei sichergestelltem postoperativen Verlauf Wiederbeginn der oralen Antikoagulation
;Zeitnahes Absetzen der alternativen Antikoagulation bei Erreichen des vorgegebenen INR-Bereichs
;Untersuchung des Patienten auf Blutungszeichen oder thromboembolische Komplikationen
;Aufklärung des Patienten
;Dokumentation der geplanten und durchgeführten Maßnahmen

Fragen zu Kapitel 24–28: Niedermolekulare Heparine als Alternative


bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

Kapitel 24: Die Problematik


1. Wo besteht das höchste Thromboembolierisiko ohne wirksame orale Antikoagulation
(5 Auswahlmöglichkeiten)?
A. nichtvalvuläres Vorhofflimmern und Z. n. Schlaganfall
B. nichtvalvuläres Vorhofflimmern
C. Mitralvitium im Sinusrhythmus
D. Bio-Herzklappe
E. Kunstklappe in Aortenposition
F. Kunstklappe in Mitralposition
G. VTE 1. Monat
H. VTE 2. bis 3. Monat
I. VTE nach 3. Monat
J. Rezidiv-VTE
K. Z. n. arterieller Embolie (1. Monat)

Kapitel 24–28 · Fragen
155 24–28

2. Wie hoch ist die Risikoreduktion durch Antikoagulation bei thromboembolischen


Erkrankungen (z. B. bei der akuten VTE, bei der Rezidivthrombose, beim nichtvalvulärem
Vorhofflimmern, beim mechanischen Herzklappenersatz und bei der akuten arteriellen
Embolie)? (1 Antwort)
A. praktisch 100%
B. >90%
C. 66–80%
D. auf etwa die Hälfte
E. auf etwa ein Drittel

Kapitel 25: Therapieoptionen


3. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei
hohem Thromboembolierisiko empfohlen?
A. ununterbrochene OAK
B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches
C. ersatzloses Absetzen
D. i.v.-UFH (stationär)
E. s.c.-UFH (ambulant)
F. s.c.-NMH (stationär/ambulant)

4. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation


bei mittlerem Thromboembolierisiko empfohlen?
A. ununterbrochene OAK
B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches
C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5
D. ersatzloses Absetzen
E. i.v.-UFH (stationär)
F. s.c.-UFH (ambulant)
G. s.c.-NMH (stationär/ambulant)

5. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei
niedrigem Thromboembolierisiko empfohlen?
A. ununterbrochene OAK
B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches
C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5
D. ersatzloses Absetzen
E. i.v.-UFH (stationär)
F. s.c.-UFH (ambulant)
G. s.c.-NMH (stationär/ambulant)

Kapitel 26: Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es?


6. Einsatz bei der akuten Therapie der venösen Thromboembolie
A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen
B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse
C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen
Schwächen.
D. Beobachtungsstudien
E. Konsensusempfehlungen
F. Expertenmeinungen

156 Teil VII · Niedermolekulare Heparine als Alternative bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

7. Einsatz bei der Sekundärprophylaxe der venösen Thromboembolie


A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen
B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse
C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen
Schwächen.
D. Beobachtungsstudien.
E. Konsensusempfehlungen
F. Expertenmeinungen

8. Niedermolekulares Heparin in der Schwangerschaft


A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen
B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse
C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen
Schwächen.
D. Beobachtungsstudien.
E. Konsensusempfehlungen
F. Expertenmeinungen

Kapitel 27: Therapiealgorithmen


9. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit hohem Thrombo-
embolierisiko in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR)
empfohlen:
A. gar kein niedermolekulares Heparin.
B. prophylaktische Dose
C. halbtherapeutische Dosis
D. ¾-therapeutische Dosis
E. Volle therapeutische Dosis

10. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit mittlerem Thrombo-
embolie-risiko in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR)
empfohlen:
A. gar kein niedermolekulares Heparin.
B. prophylaktische Dose
C. halbtherapeutische Dosis
D. ¾-therapeutische Dosis
E. Volle therapeutische Dosis

11. Bei welchen Eingriffen ist eine fortgesetzte OAK (oder kurzfristige Absenkung innerhalb
des therapeutischen Bereich) möglich?
A. Zahneingriffe
B. kleinere ophthalmologische Eingriffe
C. gastrointestinale diagn. Endoskopie
D. Prostataeingriffe
E. Abdominalchirurgie
F. neurochirurgische Eingriffe und rückenmarksnahe Anästhesie
1. in der Regel möglich
2. im Einzelfall möglich
3. in der Regel nicht möglich

Kapitel 24–28 · Literatur
157 24–28

Kapitel 28: Zulassungsstatus und damit verbundene medikolegale Aspekte


12. Was soll mit dem Patienten vor einer Überbrückung der OAK mit NMH besprochen
werden?
A. Thromboembolierisiko
B. Blutungsrisiko
C. Nutzen-Risiko-Abwägung
D. Zulassungsstatus NMH
E. Alternativen
F. Schriftliche Einverständniserklärung

13. Wann soll NMH nicht angewendet werden?


A. heparininduzierte Thrombozytopenie
B. Lupus-Antikoagulans
C. Niereninsuffizienz
D. Schwangerschaft
E. Gleichzeitige Gabe von ASS

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VIII

Teil VIII Zukünftige Entwicklungen

Kapitel 29 Prophylaxe bei Tumorpatienten – 162

Kapitel 30 Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe


und Therapie von Thrombosen – 166
29

Prophylaxe bei Tumorpatienten


B. Kemkes-Matthes

Einleitung

Seit Trousseaus Zeiten ist bekannt, dass maligne Erkrankungen ein schwerwiegender Risi-
kofaktor für thromboembolische Komplikationen sind. Bei ca. 10% der Tumorpatienten
werden thromboembolische Komplikationen klinisch diagnostiziert, bei Autopsiestudien
von Karzinompatienten wurden in bis zu 50% der Fälle Thrombosen und/oder Embolien
beschrieben. Die Differenz der beiden Zahlen belegt, wie häufig thromboembolische Ereig-
nisse bei Tumorpatienten nicht oder falsch diagnostiziert werden.
Die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen bei Tumorpatienten ist sowohl von
Tumortyp und -stadium als auch von therapeutischen Maßnahmen abhängig. Während
thromboembolische Komplikationen bei Patienten mit Pankreas-, Bronchial- oder Ovarial-
karzinom sehr häufig beobachtet werden, sind Thrombosen bei Patienten mit Ösophagus-
karzinom, Leukämien oder Lymphomen eher selten (Svendson u. Karwinski 1989; Baron et
al. 1998; Rickles u. Edwards 1983).
Die Ursachen thromboembolischer Komplikationen beim Tumorpatienten sind vielfältig
(Kemkes-Matthes 1997): Bei einzelnen Patienten können z. B. große Lymphome im Abdo-
minalraum direkt zur Kompression großer Gefäße und in der Folge zum thrombotischen
Verschluss führen. Bei nahezu allen Tumorpatienten kommt es zur Aktivierung des Gerin-
nungssystems mit konsekutiver Generierung von Thrombin. Thrombin fungiert nicht nur
als Schlüsselenzym der plasmatischen Gerinnungskaskade, sondern gilt darüber hinaus
als potentester Thrombozytenaktivator und hat wesentlichen Einfluss auf die Expression
von Adhäsionsmolekülen: Thrombozyten translozieren unter Stimulation durch Throm-
bin insbesondere Selektin auf die Thrombozytenoberfläche. Bei Endothelzellen – und in
ähnlicher Form auch bei Tumorzellen – kommt es auf der Zelloberfläche zur Expression
der Adhäsionsmoleküle P- und E-Selektin, ICAM-1 und VCAM-1. Die Expression dieser
Adhäsionsmoleküle wiederum bewirkt, dass »Rolling« und »Adhäsion« von Tumorzellen
an der Endothelzelloberfläche ermöglicht wird, und es schließlich zur Migration durch die
Endothelzellbarriere kommen kann (⊡ Abb. 29.1).
Somit kann durch Aktivierung des Gerinnungssystems bei Tumorpatienten nicht nur
die hohe Inzidenz thromboembolischer Komplikationen erklärt werden, sondern es wird
auch klar, dass ein enger Zusammenhang zwischen Gerinnungsaktivierung und Metasta-
sierungspotential besteht.
Kapitel 29 · Prophylaxe bei Tumorpatienten
163 29
Cancer – Procoagulant
Gerinnungsaktivierung
Tissue Factor

Endotoxin, TNF a, IL 1ß

Thrombogene Endotheloberfläche,
Adhäsionsmoleküle

Endothel
a Tumorzelle

Tumorzelle

Adhäsionsmoleküle

b Endothel

⊡ Abb. 29.1a,b. Gerinnungsaktivierung bei Tumorpatienten. Tumorzellen generieren gerinnungsaktive Substanzen


und Zytokine, die am Endothel zu Ausbildung einer thrombogenen Oberfläche führen. Die Expression von Adhäsions-
molekülen an der Zelloberfläche ermöglicht Migration durch die Endothelzellbarriere und damit die Metastasierung

Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten

Patienten mit malignen Erkrankungen haben ein im Vergleich zum Nichttumorpatienten


deutlich erhöhtes Risiko, thromboembolische Komplikationen zu erleiden. So kommt es
nach großen operativen Eingriffen bei Tumorpatienten signifikant häufiger zu tödlichen
Lungenembolien als bei Nichttumorpatienen. Darüber hinaus erleiden Tumorpatienten
häufiger Thromboserezidive (Hutten et al. 2000). Der alleinige Nachweis einer malignen
Erkrankung im einzelnen Patienten ist nach den bisher verfügbaren Daten jedoch noch
keine ausreichende Begründung für eine »automatische« und evtl. dauerhafte gerinnungs-
hemmende Behandlung. Wenn jedoch zusätzliche Risikofaktoren wie z. B. chirurgische
Eingriffe oder Chemotherapie bei Patienten mit hoher Tumorlast (s. folgende Übersicht)
hinzukommen, bietet sich eine medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermole-
kularem Heparin (NMH) an. Vorteil der Prophylaxe mit NMH im Vergleich zu unfraktio-
niertem Heparin (UFH) ist, dass durch hohe Bioverfügbarkeit sichere Wirkspiegel erreicht
werden, nur eine 1-mal tägliche Gabe notwendig ist und das Nebenwirkungsprofil deutlich
günstiger ausfällt als das von UFH: Blutungskomplikationen sind seltener, die Osteoporo-
segefährdung bei Langzeitanwendung deutlich geringer und das Auftreten von HIT Typ II
(heparininduzierter Thrombozytopenie) extrem selten. NHM beim Tumorpatienten sollte
164 Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen

– entsprechend dessen hoher Thrombosegefährdung – in Hochrisikodosierung gegeben


werden (The ENOXACAN Study group 1997).

Indikationen zur Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten


(nach Lutz et al. 2001)
 Sichere Indikationen
– Chirurgische Eingriffe
– Zentralvenöser Zugang stationär
– Venöser Port bei laufender Chemotherapie
– Beginn Chemotherapie mit hoher Tumorlast
– Immobilisation und hohe Tumorlast
– Strahlentherapie im Beckenbereich
– Z. n. Thromboembolie
 Wahrscheinliche Indikationen
– Kleinere Eingriffe (ZVK-Anlage, Portimplantation
– Stationäre Aufnahme, unabhängig vom Aufnahmegrund
– Liegender Port nach vorangegangenem Verschluss
 Zu hinterfragende Indikationen
29 – Immobilisation als alleiniger Risikofaktor
– Terminales Stadium
– Langfristige Prophylaxe bei venösem Port
– Chemotherapie
– Antihormonelle Therapie

Neben der Dosierung hat auch die Dauer der NMH-Prophylaxe beim Tumorpatienten
– ähnlich wie bei Patienten nach Eingriffen an den großen Gelenken – erheblichen Einfluss
auf die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen: Es konnte gezeigt werden, dass
prolongierte, 4-wöchige postoperative Gabe sowohl von 40 mg Enoxaparin (Bergqvist et
al. 2002) als auch von 5000 IU Dalteparin (Rasmussen et al. 2003) die Inzidenz thrombo-
embolischer Komplikationen bei Tumorpatienten von 12 auf 4% bzw. von 10 auf 2% im
Vergleich zu 1-wöchiger NMH- und anschließender Plazebogabe senken konnte.
Insbesondere bei Langzeitbehandlung von Tumorpatienten mit gerinnungshemmen-
den Substanzen muss das u. U. individuell erhöhte Blutungsrisiko bedacht werden – indu-
ziert z. B. durch Faktorenmangel bei ausgedehnter Lebermetastasierung, Thrombozytope-
nie durch Knochenmarkinfiltration oder Chemotherapie oder auch durch exulzerierend
wachsende Tumoren. Bergqvist u. Burmark (1995) zeigten jedoch bereits 1995, dass beim
Tumorpatienten eine Verdoppelung der postoperativen Prophylaxedosis von 2500 auf
5000 IE Dalteparin täglich nicht zu einer Erhöhung des Blutungsrisikos führt. Darüber
hinaus konnte im Rahmen der so genannten »CLOT-Studie« (Bergqvist u. Burmark 1995)
gezeigt werden, dass NMH beim Tumorpatienten in der Sekundärprophylaxe nach throm-
boembolischen Komplikationen günstiger ist als eine orale Antikoagulation mit Warfarin:
Nach 1-monatiger Behandlung mit 200 IU Dalteparin/kg KG 1-mal tgl. s.c. und anschlie-
ßend 150 IU Dalteparin/kg KG über 5 Monate traten weniger Thromboserezidive auf als
in der mit Warfarin (Ziel INR 2,5) behandelten Vergleichsgruppe (9% gegenüber 17%).
Bezüglich schwerwiegender Blutungskomplikationen ergaben sich keine Unterschiede.
Kapitel 29 · Prophylaxe bei Tumorpatienten
165 29
»Tumortherapie« durch Gerinnungshemmung?

Erste Versuche, Tumorausbreitung durch Gerinnungshemmung zu beeinflussen, wurden


bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts unternommen: Görner konnte bereits 1930 zei-
gen, dass mit Heparin inkubiertes Tumorgewebe erheblich im Wachstum gehemmt wird.
Seitdem sind diverse Studien mit verschiedenen gerinnungshemmenden Medikamenten
bei Tumorpatienten durchgeführt worden, die aber bzgl. Beeinflussung der Überlebenszeit
kontroverse Ergebnisse erbrachten.
Mit Einführung der niedermolekularen Heparine (NMH) ergaben sich erste Hinweise
auf einen möglichen Überlebensvorteil von mit NMH behandelten Tumorpatienten: Nach-
trägliche Auswertungen von Vergleichsstudien zwischen unfraktioniertem (UFH) und
NMH zur Thrombosetherapie zeigten einen Überlebensvorteil von mit NMH behandelten
Tumorpatienten, die wegen tiefer Beinvenenthrombose in die betreffenden Studien einge-
schlossen worden waren. Hettiarachchi et al. (1999) werteten daraufhin 9 Thrombosethe-
rapiestudien nachträglich aus und konnte zeigen, dass – mehr oder weniger zufällig einge-
schlossene – Tumorpatienten, die mit NMH behandelt worden waren, einen Überlebens-
vorteil gegenüber den mit UFH behandelten Tumorpatienten hatten. Die erste prospektive
Studie zu dieser Fragestellung stammt von der Arbeitsgruppe von Tempelhoff aus dem Jahr
2000 und belegt, dass Frauen mit Mamma- oder Ovarialkarzinom, die postoperativ über 7
Tage eine Thromboseprophylaxe mit dem niedermolekularen Heparin Certoparin erhiel-
ten, ein verbessertes Langzeitüberleben (Tag 650) zeigten im Vergleich zu Patientinnen, die
UFH erhalten hatten. Bei Auswertung nach 1050 Tagen war allerdings nur noch ein Benefit
für Ovarialkarzinompatientinnen nachweisbar.
Die Begründung dafür, dass Heparin nicht nur die Inzidenz thromboembolischer Kom-
plikationen verringern, sondern darüber hinaus auch Tumorwachstum und Progression
beeinflussen kann, liegt in dessen, über die reine Gerinnungshemmung hinausgehenden
Eigenschaften: So kann Heparin Zelladhäsion, Zellwachstum und -migration wie auch die
Angiogenese hemmen. Die P-Selektin-vermittelte Interaktion von Plättchen mit Tumorzel-
len sowie Heparanase, ein für die Membranpenetration und damit für die Metastasierung
wichtiges Enzym, wird durch Heparin ebenfalls inhibiert.
Die stärkere Hemmwirkung von niedermolekularem Heparin (NMH) auf das Tumor-
wachstum erklärt sich aus unterschiedlichen Eigenschaften von NMH und unfraktioniertem
Heparin (UFH): Die Substanzen unterscheiden sich u. a. durch unterschiedliche Affinität
zu Oberflächenrezeptoren und Selektinen, vermehrtes Potential zur Angiogenesehemmung
von NMH sowie unterschiedlich starke Hemmwirkung auf Heparanase.
Die vielfältigen dargestellten Heparinwirkungen geben Hoffnung, dass in Zukunft
durch die Gabe von NMH nicht nur die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen
beim Tumorpatienten gesenkt, sondern darüber hinaus auch das Überleben verlängert
werden kann.
30

Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe


und Therapie von Thrombosen
P. Lütkes, S. Lichtner, A. Kribben

Thrombosen als medizinischer und gesundheitsökonomischer Risikofaktor

Thrombosen sind aufgrund ihrer Häufigkeit und ihres Gefährdungspotentials ein wesent-
licher medizinischer Risikofaktor. Aufgrund der nicht seltenen Koinzidenz von Throm-
bosen mit internistischen Erkrankungen (z. B. im Rahmen maligner Erkrankungen) sowie
als Komplikationsgefahr bei chirurgischen Erkrankungen stellen sie einen komplizieren-
den Faktor bei der Behandlung von Patienten mit einer breiten Palette von Grunderkran-
kungen dar.
Prävention, Diagnostik und Therapie von Thrombosen erfolgen unter großem perso-
nellen und apparativen Aufwand. Die wichtigsten Komplikationen stellen sowohl akut (z. B.
Lungenembolie) als auch chronisch (z. B. postthrombotisches Syndrom) eine medizinische
Herausforderung mit der Notwendigkeit der Nutzung erheblicher Ressourcen (z. B. Inten-
sivmedizin) dar. Auch die Prophylaxe mit unfraktioniertem oder niedermolekularen Hepa-
rin stellt als Standardmaßnahme im Krankenhaus einen wesentlichen Kostenfaktor dar.
Die Besonderheiten und Schwierigkeiten bei der angestrebten leistungsgerechten Ver-
gütung durch das DRG-Fallpauschalensystem lassen sich anhand der Thrombose besonders
gut aufzeigen. Die Umstellung des Krankenhausfinanzierungssystems von Tagessätzen auf
DRG-Fallpauschalen führt zu einem Paradigmenwechsel im deutschen Gesundheitswesen
(⊡ Abb. 30.1).
Die Vergütung nach Fallpauschalen fördert ein prozessorientiertes Denken unter
Berücksichtigung der Gesamtkosten eines Falles. Dabei spielt eine differenzierte Bewer-
tung nicht nur der Sach-, sondern vor allem der Personalkosten eine Rolle, da diese den
mit Abstand größten Kostenanteil im Krankenhaus ausmachen. Bei Eintreten einer Kom-
plikation während eines stationären Aufenthaltes (z. B. Auftreten einer Thrombose) führt
die Verlängerung des Aufenthaltes zwar zu einer Steigerung der Kosten bei der bisherigen
Vergütung nach Tagessätzen aber auch zu einer Steigerung der Erlöse. Bei der fallbezoge-
nen Vergütung nach DRG ist die Aufenthaltsdauer des individuellen Falles innerhalb weiter
Grenzen nicht mehr erlöswirksam. Damit ist eine Verlängerung des Aufenthaltes durch
Auftreten einer Komplikation nur noch kosten-, aber nicht mehr erlössteigernd (Bundes-
ministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung 2004). Die Annahme, dass durch ein
fallbezogenes Vergütungssystem auch prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung von
Komplikationen verstärkt durchgeführt werden, liegt zwar nahe, konnte aber bisher wis-
senschaftlich nicht belegt werden.
Kapitel 30 · Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie
167 30
Erlöse (E) Kosten (E)
8000 8000

Tagessatz
7000 7000

6000 6000
Kosten

5000 5000

4000 4000
DRG
3000 3000

2000 2000

1000 1000

0 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Verweildauer
(Tage)

⊡ Abb. 30.1. Krankenhausvergütung nach Tagessätzen und DRG-Fallpauschalen. Die bisherige Krankenhaus-
vergütung nach Tagessätzen beinhaltet eine lineare Beziehung von Verweildauer und Erlösen. Bei einem ange-
nommen Kostenverlauf mit starkem Anstieg in der ersten Phase eines Aufenthaltes und dann kumulativ weiter
steigenden Kosten wird die Gewinnzone (definiert als Erlöse oberhalb der Kosten) bei einer Vergütung nach
Tagessätzen im Bereich der langen Verweildauer erreicht. Dieses Prinzip wird bei der Fallpauschalenvergütung
umgekehrt.

DRG-gerechte Kodierung der Thrombose und der Thromboseprophylaxe

Im DRG-System wird auf Grundlage der in der Patientenakte und den Arztbriefen vor-
handenen Informationen die medizinische Nomenklatur (z. B. Phlebothrombose linker
Unterschenkel) in die Diagnose- und Prozeduren-Klassifikationen übersetzt (Institut für
das Entgeltsystem im Krankenhaus, InEK 2003).
Die DRG-Bewertung eines Behandlungsfalles beruht dabei ausschließlich auf den
kodierten Informationen. Deshalb wird eine stattgehabte, aber nicht dokumentierte Throm-
bose bei der Bewertung berücksichtigt.
Die vom DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information)
herausgegebene deutsche Version des ICD-10 für das Jahr 2004 heißt ICD-10 GM Version
2004, wobei GM für »German Modifikation« steht (DIMDI 2003a). Mit dieser Klassifikation
wird beispielsweise die tiefe Beinvenenthrombose mit I80.2 »Thrombose, Phlebitis und
Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten« kodiert. Die individu-
elle Ausprägung, Seitenlokalisation und weitere differenzierte Informationen gehen bei der
Kodierung mit dieser Klassifikation bewusst verloren (⊡ Tabelle 30.1).
Bei jedem Diagnosekode gibt der führende Buchstabe das Kapitel der ICD-10 GM Ver-
sion 2004 (z. B. »I« für Krankheiten des Kreislaufsystems) an. Nach dem Buchstaben für
das Kapitel folgt eine zweistellige Zahl, die die Krankheitsgruppe repräsentiert (z. B. »80«
168 Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen

⊡ Tabelle 30.1. Kodierung venöser Thrombosen

Kode Lokalisation der Thrombose, Phlebitis oder Thrombophlebitis CC-Relevanz

I80.0 Oberflächliche Gefäße der unteren Extremitäten Ja

I80.1 V. femoralis Ja

I80.2 Sonstige tiefe Gefäße der unteren Extremitäten Ja

I80.3 Untere Extremitäten, nicht näher bezeichnet, einschließlich Embolie


und Thrombose von Gefäßen der unteren Extremität o. n. A. Ja

I80.8 Sonstige Lokalisationen Nein

I80.9 Nicht näher bezeichnete Lokalisation Nein

für sonstige venöse Embolien oder Thrombosen). Nach einem Punkt wird der Kode durch
eine weitere Ziffer spezifiziert (z. B. »2« für die Lokalisation der Thrombose in sonstigen
tiefen Gefäßen der unteren Extremität). Findet sich in der Auflistung die zu kodierende
Diagnose bzw. die Lokalisation der Thrombose nicht wieder, wird mit einer ».8« (»Sonsti-
ge Lokalisationen«) als letzter Stelle kodiert. Liegen keine genauen Informationen zu der
30 Erkrankung vor (ist also z. B. nur bekannt, dass der Patient eine Thrombose hatte, aber
nicht die Lokalisation), wird ».9« (für »nicht näher bezeichnet«) kodiert. Die Häufigkeit
der Angabe des Kodes 9 gibt einen Hinweis auf die Dokumentationsqualität, da klinische
Informationen wie die Lokalisation einer Thrombose entsprechend verschlüsselt werden
sollten. Der Anteil von ».9«-Diagnosen sollte daher möglichst gering sein, kann allerdings
aus klassifikationstechnischen Gründen niemals Null betragen.
Die Kodes für Thrombosen mit bekannter Lokalisation (I80.0 bis I80.3) sind schwere-
gradbewertet, d. h. sie können bei der Kodierung als Nebendiagnose über ihre CC-Werte
(Comorbidity and Complication-Wert) die medizinische Fallschwere (Patient Clinical
Complexity Level – PCCL) erhöhen. Diese höhere Fallschwere kann zu einer Erhöhung des
Erlöses führen. Im Gegensatz dazu beeinflussen die unspezifischen Kodes I80.8 und I80.9
die medizinische Fallschwere und damit die Erlöse nicht. Beim ICD-10 GM Version 2005
werden sich die Kodes für die Thrombosen nicht verändern (DIMDI 2004).
Diagnostische und therapeutische Maßnahmen werden mit dem Prozedurenkatalog
OPS-301 kodiert (DIMDI 2003b). Die vom DIMDI herausgegebene deutsche Version des
OPS-301 heißt OPS-301-GM-Version 2004. Auch hier entsteht durch die Klassifikation
ein gewollter Informationsverlust. Beispielsweise wird eine diagnostische Koronarangio-
graphie unabhängig von der Zeitdauer und Anzahl der untersuchten Gefäße mit 1–275.0
(offizieller Kodetext »Koronarangiographie ohne weitere Maßnahmen«) kodiert. Weil der
OPS-301 keine Kodes für die Verschlüsselung von präventiven Maßnahmen enthält, kann
die Thromboseprophylaxe nicht explizit kodiert werden. Die einzige Möglichkeit ist die
Nutzung einer »Analogziffer«, d. h. des Diagnosekodes Z29.8 »Sonstige näher bezeichnete
prophylaktische Maßnahmen«. Anhand der Kodes kann bei der Bewertung des Behand-
lungsfalls daher nicht unterschieden werden, ob es sich um eine Prophylaxe der Thrombo-
se, Pneumonie oder einer anderen Komplikation handelt.
Kapitel 30 · Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie
169 30
Diagnostik der Thrombose

Im offiziellen OPS-301 Version 2004 gibt es keine Kodes für laborchemische Maßnahmen
einschließlich der Bestimmung von D-Dimeren, INR und aPTT. Auch die Durchführung
von sonographischen Maßnahmen kann nicht kodiert werden. Für die Erweiterung der
Kodierungsmöglichkeiten wurde ein nichtamtlicher Erweiterungskatalog des OPS-301 ein-
geführt. In diesem Katalog finden sich Kodes für die native Sonographie (»3–00q.1« Sono-
graphie der Blutgefäße der Extremitäten – Vene) und die Duplexsonographie der Extre-
mitätenvenen (»3–02c.1« Duplexsonographie der Blutgefäße der Extremitäten – Vene)
enthält. Für Fälle, die mit einer farbkodierten Duplexsonographie nicht geklärt werden
können, kann die Phlebographie mit dem Kode 3–613 »Phlebographie der Gefäße einer
Extremität«, bei zusätzlicher Darstellung des Abflussbereiches mit 3–614 kodiert werden.

Auswirkungen von Thrombosen auf die DRG-Erlöse

Thrombosen können je nach Zeitpunkt des Auftretens und der Grunderkrankung des
Patienten die Erlöse unterschiedlich beeinflussen. Dabei wird unterschieden zwischen dem
Auftreten einer Thrombose vor oder während eines stationären Aufenthaltes einerseits und
dem Auftreten im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung andererseits.
Die vor oder während eines stationären Aufenthaltes entstandene Thrombose führt bei
richtiger Kodierung mit Angabe der Lokalisation in der Regel zu einer Erhöhung des PCCL-
Wertes. Ausnahmen sind Behandlungsfälle multimorbider Patienten mit Nebendiagnosen,
die zu einer maximalen Fallschwere von 4 PCCL-Punkten führen. Die Erhöhung des PCCL
kann in Abhängigkeit von der Grunderkrankung des Patienten und den durchgeführten
Maßnahmen zu einer Veränderung des Erlöses führen, wenn die entsprechende Basis-DRG
zu den DRG-Fallpauschalen gehört, die über PCCL-Werte beeinflusst werden.
Patienten mit instabiler Angina pectoris werden, falls keine invasiven Maßnahmen
durchgeführt werden, in die Basis-DRG F72 »Instabile Angina pectoris« klassifiziert. Falls
keine weiteren Nebendiagnosen dokumentiert wurden, berechnet sich eine Fallschwere von
0 PCCL-Punkten und es erfolgt eine Eingruppierung in die DRG F72B »Instabile Angina
pectoris ohne äußerst schwere oder schwere CC«. Diese DRG weist die niedrigste Bewer-
tungsrelation innerhalb der Basis-DRG F72 auf. Bei einem Basisfallwert von € 3000,– ergibt
sich für eine Verweildauer zwischen 3 und 12 Tagen ein Erlös von € 1734,– für den gesam-
ten Aufenthalt.
Tritt während des Aufenthaltes eine Thrombose auf und wird diese nicht nur behandelt,
sondern auch dokumentiert, erhöht sich die Fallschwere auf 3 PCCL-Punkte. Dies führt zu
einer Eingruppierung in die F72A »Instabile Angina pectoris mit äußerst schweren oder
schweren CC« mit einem höheren Erlös von € 2613,–.
Bei multimorbiden Patienten verliert die Thrombose allerdings ihren Einfluss auf den
Erlös. Dies wird deutlich an dem Patienten mit instabiler Angina und diabetischem Fuß-
syndrom, bei dem durch diese Begleiterkrankung bereits die höchstmögliche Fallschwere
innerhalb der Basis-DRG erreicht wird (F72A). Da Thrombosen gerade bei solchen Patien-
ten häufig und deren Behandlung besonders aufwändig ist, ist ein Anreiz zur Vermeidung
solcher Komplikationen, aber auch zu einer Selektion dieser Patienten gegeben.
Für bestimmte Maßnahmen wie die PTCA bei akutem Myokardinfarkt oder Durchfüh-
rung einer Knie-TEP sieht das DRG-System keine Erlösdifferenzierung nach Begleiterkran-
170 Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen

⊡ Tabelle 30.2. Einfluss der Thrombose auf den DRG-Erlös

Klinisches Beispiel Ohne Thrombose Mit Thombose


DRG Erlös [€] DRG Erlös [€]

Instabile Angina pectoris F72B 1734,– F72A 2613,–

Instabile Angina pectoris bei einem Patienten mit F72A 2613,– F72A 2613,–
diabetischem Fußsyndrom

Myokardinfarkt mit PTCA F10Z 5277,– F10Z 5277,–

Offen chirurgische Cholezystektomie H07B 4356,– H07B 4356,–

Offen chirurgische Cholezystektomie mit postoperativer H07B 4356,– H07A 7338,–


Wundheilungsstörung

Knie-TEP I04Z 8661,– I04Z 8661,–

kungen oder Komplikationen vor. Deshalb erhöht eine Komplikation wie die Thrombose
bei diesen Fällen den Erlös nicht (⊡ Tabelle 30.2).
Am Beispiel der offen chirurgischen Cholezystektomie lässt sich zeigen, dass die Throm-
bose allein bei einem Teil der DRGs den Erlös nicht beeinflussen. Erst die Kombination
mit weiteren Begleiterkrankungen oder Komplikationen führt zu einer Eingruppierung in
30 die höher bewertete DRG H07A. Der Unterschied in der Gewichtung der Thrombose bei
der Angina pectoris und der Cholezystektomie erklärt sich durch einen unterschiedlichen
Schwellenwert. Bei der F72 führt bereits ein PCCL-Wert von 3 in die höchst bewertete DRG
F72A, während dies bei der H07 erst bei einem PCCL-Wert von 4 der Fall ist.
Die Abrechnungsregeln des G-DRG-Systems sehen vor, dass Wiederaufnahmen wegen
Komplikationen nicht gesondert abgerechnet werden dürfen, sondern mit dem ursprüngli-
chen Aufenthalt zusammenzufassen sind (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung 2004). Wird beispielsweise ein Patient nach Knie-TEP am 19. postoperativen Tag
entlassen und wegen einer tiefen Beinvenenthrombose 6 Tage später in dem gleichen Kran-
kenhaus wieder aufgenommen, greift die sogenannte Wiederaufnahmeregel und der zweite
Aufenthalte kann nicht gesondert abgerechnet werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers
soll so ein ökonomisch motiviertes Fallsplitting oder eine zu frühe Entlassung noch vor
Ausbehandlung der Erkrankung vermieden werden. In der Praxis kann dies allerdings dazu
führen, dass Qualitätsmängel im ambulanten Bereich oder eine mangelnde Compliance zu
einer »Gewährleistungspflicht« des Krankenhauses unabhängig von der dort erbrachten
Behandlungsqualität führen.
Da im Einzelfall der Einfluss der Thrombose auf den Erlös nicht vorhersehbar ist, ist
eine Erlössicherung nur durch eine vollständige und korrekte Dokumentation möglich. Aus
Gründen der medizinischen Dokumentationsqualität wird sowieso generell empfohlen, die
Kodierung nicht von einer möglichen Beeinflussung der Erlöse abhängig zu machen [6].
Die Dokumentationsqualität der Kodierung der Thrombosen ist allerdings in der der-
zeitigen Praxis unzureichend. So zeigt sich in den vom DRG-Institut InEK veröffentlichten
Daten für das DRG-System 2004, dass Thrombosen nur äußerst selten verschlüsselt wurden
(InEK 2003). Beispielsweise gehört die Thrombose bei der Knie-TEP (DRG I04Z mit 8584
kalkulierten Fällen; ⊡ Abb. 30.2) nicht zu den 20 am häufigsten angegebenen Nebendiag-
Kapitel 30 · Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie
171 30

⊡ Abb. 30.2. Klinisches Profil der DRG I04Z Knie-TEP (Ersatz des Kniegelenkes und Replantation am Kniegelenk).
Das im G-DRG-Browser veröffentlichte klinische Profil stellt die medizinischen und administrativen Eckdaten für
jede DRG des Fallpauschalensystems 2004 dar. Für die DRG I04Z können die Gesamtzahl der kalkulierten Fälle
sowie die Verteilung von Alter, Geschlecht, Aufenthaltsdauer und medizinischer Fallschwere entnommen werden.
Ausgewählt wurde die Auflistung der Nebendiagnosen mit der deren absoluter und relativer Häufigkeit

nosen. Da die E14.90 als zwanzigste Nebendiagnose mit 318 Fällen in einer Häufigkeit von
0,77% vorkommt, wurden Thrombosen nur in maximal 0,77% der Fälle kodiert. In der
klinischen Realität sind Thrombosen wesentlich häufiger (s. Kap. 1 – Epidemiologie), daher
kann dies nur mit einer mangelhaften Dokumentationsqualität in den kalkulierenden
Krankenhäusern erklärt werden. Auswirkungen dieser mangelnden Datengrundlage ist,
dass die teurere Subgruppe der Patienten mit Thrombose vom DRG-Institut nicht identifi-
ziert werden konnte. Eine Erlösdifferenzierung wurde damit verhindert. Dies widerspricht
dem Prinzip von DRG-Systemen, den Erlös nach Fallschwere zu differenzieren.

Fazit

Krankenhäuser wollen in einem fallpauschalierenden DRG-Systems medizinische Leistungen


zu möglichst geringen Kosten erbringen. Dies setzt Anreize zur Vermeidung von Komplika-
tionen, da Investitionen in prophylaktische Maßnahmen in aller Regel kostengünstiger sind
als die Therapie der entsprechenden Komplikationen. Theoretisch kann ein DRG-System so
einen qualitätssteigernden Effekt entfalten. Allerdings besteht die Gefahr, neben der Ver-
meidung von Komplikationen auch Patientenselektion zu betreiben. Dies betrifft vor allem
multimorbide Patienten mit unvermeidlich erhöhtem Thromboserisiko, da insbesondere bei
diesen Patienten das Auftreten einer Thrombose häufig nicht zu einer Erlössteigerung führt.
172 Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen

Fragen zu Kapitel 29–30: Zukünftige Entwicklungen

Kapitel 29: Prophylaxe bei Tumorpatienten


1. Die Aktivierung des Gerinnungssystems bei Patienten mit malignen Erkrankungen
beeinflußt
A Das Thrombose Risiko
B Tumorwachstum und Metastasierung
C Die Expression von Adhäsionsmolekülen

2. Thrombose-Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin


A Muss bei allen Tumorpatienten gegeben werden
B Ist beim Tumorpatienten in niedrig-Risiko Dosierung ausreichend
C Beeinflußt die Angiogenese

Kapitel 30: Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie


von Thrombosen
3. Wie können Thrombosen, Thromboseprophylaxe sowie diagnostische und therapeuti-
sche Maßnahmen kodiert werden?
1 Thrombosen können wahlweise mit der ICD-9 oder ICD-10 verschlüsselt werden,
je nachdem, ob sie ambulant oder stationär aufgetreten sind
2 Für die Überarbeitung der Klassifikationen ist das DIMDI zuständig
3 Jede mögliche Lokalisation einer Thrombose kann auch kodiert werden.
4 Eine spezifische Kodierung der Thromboseprophylaxe ist mit der Prozedurenklassifi-
kation OPS-301 problemlos möglich
5 Der ICD-Kode Z29.8 »Sonstige näher bezeichnete prophylaktische Maßnahmen« ist
eine »Analogziffer« für die Kodierung prophylaktischer Maßnahmen.
A Alle Antworten sind richtig
B Alle Antworten sind falsch
C Nur 2,3 und 5 sind richtig
D Nur 2 und 5 sind richtig
E Nur 1 und 5 sind richtig

4. Bei welchen Patientengruppen führen Thrombosen typischer weise nicht zu einer Verän-
derung der Erlöse für stationäre Behandlungen?
1 Thrombosen sind immer erlöswirksam, wenn sie korrekt verschlüsselt werden.
2 Die DRG-Logik berücksichtigt automatisch das Ausmaß der Therapie
3 Ein Großteil der DRGs wird nicht weiter differenziert und es findet keine Bewertung
der Nebendiagnosen statt (Z-DRGs), deshalb können Thrombosen auch nicht immer
erlöswirksam werden
4 Der Erlös für multimorbide Patienten mit vielen Begleiterkrankungen kann durch
Thrombose-Kodes nicht beeinflusst werden, falls bereits der höchstmögliche PCCL-
Schweregrad von 4 erreicht wurde.
A Alle Antworten sind richtig
B Nur 1 und 3 sind richtig
C Nur 3 und 4 sind richtig
D Nur 2 und 4 sind richtig
E Alle Antworten sind falsch

Kapitel 29–30 · Literatur
173 29–30

5. Welche Auswirkungen auf Patienten mit Thrombose können aufgrund der spezifischen
Anreize eines DRG-Fallpauschalensystems erwartet werden?
1 Erhofft werden qualitätssteigernde Effekte, wie sie z.B. durch konsequente Prophyla-
xe oder andere Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen eintreten könnten.
2 Es liegen zahlreiche positive Erfahrungen zur Förderung qualitätssichernder Maßnah-
men durch DRG-Einführung in anderen Ländern vor.
3 Neben den gewünschten Effekten können auch wesentlich nachteiligere Auswirkun-
gen wie Patientenselektion zu befürchten sein.
4 Da Vergütungssysteme kaum Einfluss auf medizinische Strukturen haben, ist auch
keine Veränderung in der Therapie von Thrombosen oder Durchführung von Thromo-
boseprophylaxe zu erwarten
A Nur 1 ist richtig
B Nur 2 und 3 sind richtig
C Nur 4 ist richtig
D Nur 2 und 3 sind richtig
E Nur 1 und 3 sind richtig

Literatur zu Teil VIII (Kapitel 29–30)

Baron JA, Gridley G, Weiderpass E, Nyren O, Linet M (1998) Venous thromboembolism and cancer. Lancet 351:
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Bergqvist D, Agnelli G, Cohen AT, Eldor A, Nilsson PE, Le Moigne-Amrani A, Dietrich-Neto F, for the ENOXACAN II
Investigators (2002) Duration of prophylaxis against venous thromboembolism with enoxaparin after surgery
for cancer. NEJM 346: 975–980
Bergqvist D, Burmark US (1995) Low molecular heparin started before surgery as prophylaxis against deep vein
thrombosis: 2500 against 5000 Xa units in 2070 patients. Br J Surg 82: 496–501
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2004) Verordnung zum Fallpauschalensystem für
Krankenhäuser für das Jahr 2004 (Fallpauschalenverordnung 2004 – KFPV 2004), darin enthalten der G-DRG
Fallpauschalenkatalog 2004
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI – 2003a): Internationale Statistische
Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision Version 2004 – ICD-10 GM
Version 2004
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI – 2004): Internationale Statistische
Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision Version 2005 – ICD-10 GM
Version 2005
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI – 2003b): Operationen- und Prozedu-
renschlüssel nach § 301 SGB-V. Version 2004 einschl. Erweiterungskatalog – OPS-301 Version 2004
Görner A (1930) The influence of anticlotting agents on transplantation and growth of tumor tissue. J Lab Clin Med
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Hutten BA, Prins MH, Gent M, Ginsberg J, Tijssen JG, Buller HR (2000) Incidence of recurrent thromboembolic and
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Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) (2003a): Deutsche Kodierrichtlinien – Allgemeine und speziel-
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tion für das G-DRG System 2004, www.g-drg.de, letzter Zugriff Dezember 2003)
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Kribben A, Lütkes P, Schmidt A et al. (2004) Kodierleitfaden Nephrologie 2004. Schüling, Münster
174 Teil VIII · Zukünftige Entwicklungen

Lee AYY, Levine MN, Baker RI et al. (2003) Low-molecular-weight heparin versus a coumarin for the prevention of
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IX

Teil IX Anhänge

Anhang I Leitlinien (Auszüge) – 176

Anhang II Lösungen zu den Aufgaben – 179

Anhang III Adressen von Fachgesellschaften/


Organisationen – 195
AI

Anhang I:
Leitlinien (Auszüge)

Empfehlungen auch bei internistischen Patienten in bestimmten Risikosituationen eine


Thromboembolieprophylaxe durchzuführen haben bereits in einigen Leitlinien Ihren
Niederschlag gefunden. Im Folgenden sind diese Leitlinien aufgelistet und die Zitate der
entsprechenden Passagen wiedergegeben.

Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) 2000

H. Partsch, W. Blättler (2000) Leitlinien zur Thromboembolie-Prophylaxe. Phlebologie 29:


106–113
Zitat (s. Seite 113, Abschnitt »Andere internistische Erkrankungen«):
»Erhöhtes Thromboserisiko besteht auch bei bettlägerigen Patienten mit kardialer Dekom-
pensation, Infektionen, kritisch kranken Patienten auf Intensivstationen, bei akuter
Beinmlähmung, Koma, Malignom, Nephrose, entzündlichen Darmerkrankungen, früherer
Thromboembolie, bei Thrombophilie, Polyzytämie, Cor pulmonale, myeloproliferativen
Erkrankungen, Hyperhomozysteinämie und Morbus Behcet. Besonders gefährdet sind
adipöse, über siebzigjährige Patienten, die schon einen Herzinfarkt, oder eine Thrombo-
embolie gehabt haben. Niedrig dosiertes Heparin und niedermolekulares Heparin scheinen
gleich wirksam. Eine orale Antikoagulation (INR 2,0–2,5) ist zu überlegen.
Es wurde gezeigt, dass bei schwerkranken, internistischen Patienten, die tägliche Injek-
tion von einer für den Hochrisikobereich zugelassenen NMH-Dosierung das Thromboseri-
siko signifikant reduziert, wogegen kein Unterschied zwischen der niedrigeren Dosierung
dieses Präparates und Placebo besteht. Thromboseprophylaxestrümpfe und intermittieren-
de pneumatische Kompression sind effektive Zusatzmaßnahmen.
Obwohl das Thromboembolierisiko mit zunehmendem Alter ansteigt, ist eine routi-
nemäßige Prophylaxe ausschließlich aufgrund des Alters bei geriatrischen Patienten ohne
zusätzliche Risiken nicht generell zu rechtfertigen.«
Anhang I · Leitlinien (Auszüge)
177 AI
International Consensus Statement 2001

A.N. Nicolaides et al. (2001) Prevention of venous thromboembolism. International Consen-


sus Statement: Guidelines compiled in accordance with the scientific evidence. International
Angiology 20: 1–37
Zitat (s. Seite 18 f, Abschnitt »Recommendations for other generel medical patients«):
»These include patients with acute medical illnesses such as heart failure, chronic respi-
ratory disease, or severe chest infection as well as critically ill patients.
Prophylactic low dose subcutaneous unfractionated heparin or high-dose LMWH
prophylaxis are grade A recommendations in these general medical patients with disease-
related risk factors and/or additional patient-related risk factors (grade A recommenda-
tion).
Two large randomized and double-blind controlled studies have provided strong evi-
dence that chronic respiratory disease and congestive heart failure significantly increase
predisposition to DVT. Single daily doses of high-dose LMWH have proven to be most
effective for prophylaxis in these patients and is a Grade A recommendation.
There are no reported trials of mechanical methods of prophylaxis such as GEC or IPC
in medical patients. Although there is no reason to believe that such methods would be less
effective than in surgical patients, further studies are needed before evidence based recom-
mendations can be made.
While the risk of VTE increases with age, age of more than 65 years does not in itself
constitute sufficient risk to merit routine prophylaxis in medical geriatric patients in the
absence of other risk factors.«

Leitlinie des American College of Chest Physicians (ACCP) 2004

W.H. Geerts et al. (2004) Prevention of venous thromboembolism. The Seventh ACCP Confe-
rence on Antithrombotic and Thrombolytic Therapy. Chest 126: 338S–400S
Zitat (s. Seite 378S, Punkt 6.0 »Medical Conditions«, Unterpunkt 6.0.1):
»In acutely ill medical patients who have been admitted to the hospital with congestive
heart failure or severe respiratory disease, or who are confined to bed and have one or more
additional risk factors, including active cancer, previous VTE, sepsis, acute neurologic
disease, or inflammatory bowel disease, we recommend prophylaxis with LDUH (Grade
1A) or LMWH (Grade 1A).«

Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)/Berufsverband


Deutscher Internisten (BDI) 2003

DGIM/BDI (2003) Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin – Leitlinien.
Urban & Fischer, München
Zitat s. Seite 1 f., Kap. 11: Thromboseprophylaxe, Abschnitt E: Erkrankungen der Gefäße:
»Der Nutzen einer primäre Thromboseprophylaxe in bestimmten Risikosituationen ist
unbestritten.
... Im internistischen Krankengut sind Patienten mit Myokardinfarkt und schwerer
Herzinsuffizienz, zerebralem Insult mit Hemiplegie, bestimmten Malignomen, myelo-
178 Teil IX · Anhänge

proliferativen Krankheiten sowie schweren Infektionen besonders gefährdet (Empfeh-


lungsgrad A). Als dispositionelle Risikofaktoren gelten darüber hinaus vorausgegangene
venöse Thromboembolien, hereditäre oder erworbene thrombophile Hämostasedefekte,
Schwangerschaft und Postpartalperiode, Alter (>50 Jahre), Adipositas, Therapie mit oder
Blockade von Sexualhormonen, chronische Herz- oder Lungenerkrankungen, venöse
Insuffizienz. Das individuelle Thromboserisiko erhöht sich, wenn Risikofaktoren in Kom-
bination vorliegen.
... Zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe stehen unfraktionierte (UF-) und
niedermolekulare (NM-) Heparine, Fondaparinux, Danaparoid, Hirudin sowie Vitamin-K-
Antagonisten zur Verfügung.
... Zur Thromboembolieprophylaxe außerhalb der operativen Fächer insbesondere in
der Inneren Medizin sind gegenwärtig nur UFH und ein NMH (Enoxaparin) zugelassen.
Die jeweils eingesetzte Dosis und die Applikationszeitpunkte der Medikamente zur medi-
kamentösen Thromboembolieprophylaxe richten sich dabei nach dem jeweils zugelassenen
Dosierungschema; die Dauer der medikamentösen Thromboembolieprophylaxe richtet
sich nach den individuellen Risikofaktoren.«

AI
A II

Anhang II:
Lösungen zu den Aufgaben

Fragen zu Kapitel 1–5: Epidemiologie von Thrombosen und Embolien

Kapitel 1: Gesamtzahl von Thrombosen und Embolien


1. Eine Reihe von Studien hat die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse in ver-
schiedenen Populationen untersucht. In welchem Bereich liegen die ermittelten, für Alter und
Geschlecht standardisierten, Inzidenzraten pro 100.000?
… A. zwischen 27 und 45 pro 100.000
; B. zwischen 71 und 117 pro 100.000
… C. zwischen 130 und 175 pro 100.000
… D. zwischen 191 und 236 pro 100.000
… E. zwischen 250 und 298 pro 100.000

2. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz der venösen thromboembolischen Ereignisse
in der Bevölkerung deutlich an. Wie viel beträgt das relative Risiko pro 10-Jahres-Anstieg des
Lebensalters?
… A. 1,1
… B. 1,3
… C. 1,5
… D. 1,7
; E. 1,9

Kapitel 2: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Fachgruppen


3. Bei Patienten, die operativ versorgt werden, ist das Risiko eines venösen thromboembolischen
Ereignisses unterschiedlich hoch. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko ohne medikamen-
töse Prophylaxe am höchsten?
; A. Bei Patienten nach elektivem Hüftgelenksersatz
… B. Bei Patienten nach gynäkologischen Operationen
… C. Bei Patienten nach allgemeinchirurgischen Operationen
… D. Bei Patienten nach retropubischer Prostatektomie
… E. Bei Patienten nach neurochirurgischen Operationen
180 Teil IX · Anhänge

4. Internistische Erkrankungen sind ebenfalls mit einem erhöhten Risiko eines venösen thrombo-
embolischen Ereignisses verbunden. Bei welcher Patientengruppe ist das Risiko ohne medika-
mentöse Prophylaxe am höchsten?
… A. Bei Patienten nach Myokardinfarkt
… B. Bei allgemeinmedizinischen Patienten
… C. Bei geriatrischen Patienten
… D. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz
; E. Bei Patienten nach Schlaganfall

Kapitel 3: Häufigkeit von Thrombosen und Embolien nach Krankheitsbildern


5. Venöse thromboembolische Ereignisse können auch vor einem Tumor auftreten und damit als
Prädiktor dienen. Welche Tumorart ist besonders stark mit dem Auftreten einer tiefen Beinven-
enthrombose assoziiert?
… A. Magen
… B. Malignes Melanom
… C. Blase
; D. Pankreas
… E. Mamma

6. Unter medikamentöser Prophylaxe ist die Inzidenz venöser thromboembolischer Ereignisse


deutlich geringer als ohne medikamentöse Prophylaxe. In welchem Bereich liegt die Inzidenz
venöser thromboembolischer Ereignisse nach Knie- oder Hüftgelenksersatz bei medikamentö-
ser Prophylaxe in Kohortenstudien?
; A. 0% bis unter 5%
… B. 5% bis unter 10%
… C. 10% bis unter 15%
A II … D. 15% bis unter 20%
… E. 20% bis unter 25%

Kapitel 4: Komplikationen und Spätfolgen


7. Venöse thromboembolische Ereignisse sind mit einer hohen Rate an Rezidiven und einer ins-
gesamt höheren Mortalität verbunden. Welche Aussage zu Rezidiven venöser thromboemboli-
scher Ereignisse ist richtig?
… A. Rezidive treten nach einer tiefen Beinvenenthrombose meist in Form einer Lungenembo-
lie auf.
… B. Das Risiko eines Rezidivs ist nach einer Lungenembolie höher als nach einer tiefen Bein-
venenthrombose.
… C. In den ersten sechs Monaten treten Rezidive einer tiefen Beinvenenthrombose meist im
anderen Bein auf.
; D. Die Mortalität durch ein Rezidiv ist nach einer Lungenembolie etwa doppelt so hoch im
Vergleich zur tiefen Beinvenenthrombose.
… E. Distale tiefe Beinvenenthrombosen haben im Vergleich zu proximalen Beinvenenthrom-
bosen ein deutlich höheres Risiko eines Rezidivs.
Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
181 A II

8. Eine mögliche Spätfolge einer tiefen Beinvenenthrombose ist das postthrombotische Syndrom.
Welcher gilt als der Hauptrisikofaktor für die Ausbildung eines postthrombotischen Syndroms?
… A. Proximale tiefe Beinvenenthrombose
… B. Hoher Schweregrad der initialen tiefen Beinvenenthrombose
; C. Rezidivierende, ipsilaterale tiefe Beinvenenthrombose
… D. Asymptomatische tiefe Beinvenenthrombose
… E. Rezidivierende Lungenembolien

Kapitel 5: Sozialmedizinische und sozioökonomische Bedeutung


9. Die Kosten der tiefen Beinvenenthrombose und ihrer Komplikationen sind beträchtlich. Dabei
verursacht sowohl das primäre Ereignis Kosten als auch die postthrombotischen Komplikatio-
nen. Welcher prozentuale Anteil an den Gesamtkosten (primäres Ereignis plus Komplikationen)
entsteht in etwa durch die postthrombotischen Komplikationen?
… A. 10% der Kosten
… B. 20% der Kosten
; C. 40% der Kosten
… D. 50% der Kosten
… E. 70% der Kosten

10. In einer Kosten-Effektivitäts-Analyse wurde der Einsatz von niedermolekularem und unfrakti-
oniertem Heparin in der Therapie der tiefen Beinvenenthrombose verglichen. Die Daten zur
klinischen Effektivität basierten auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, die 11 randomisierte
Interventionsstudien eingeschlossen hatte. Welche inkrementellen (zusätzlichen) Kosten erga-
ben sich aufgerundet (in US-Dollar) durch den Einsatz von niedermolekularem im Vergleich zu
unfraktioniertem Heparin pro gewonnenem Lebensjahr?
… A. ca. $ 1000,–
… B. ca. $ 3000,–
… C. ca. $ 5000,–
; D. ca. $ 7000,–
… E. ca. $ 9000,–

Fragen zu Kapitel 6–10: Pathophysiologie

Kapitel 6: Gerinnungskaskade
1. Welche der folgenden Reaktionen wird der sekundären Hämostase zugerechnet?
… A. Vasokonstriktion
… B. Thrombozytenaggregation
; C. plasmatische Gerinnung
… D. Fibrinolyse
… E. Thrombusorganisation
182 Teil IX · Anhänge

2. Welcher der folgenden Faktoren gehört nicht zu den physiologischen Gerinnungsinhibitoren?


… A. Antithrombin
… B. Protein C
… C. Protein S
… D. Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI)
; E. Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1)

Kapitel 7: Virchow-Trias
3. Welcher der unter dem Begriff der Virchow-Trias zusammengefassten Faktoren ist für
die Entstehung venöser Thrombosen am wichtigsten?
… A. Veränderung der Blutströmung
… B. Veränderung der Blutzusammensetzung
… C. Veränderung der Gefäßwand
; D. Bei der Thrombogenese handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, sodass nicht
ein einzelner Faktor, sondern mehrere zusammenkommen müssen, um die Entstehung
einer venösen Thrombose zu erklären.
… E. Keine der Antworten trifft zu.

4. Welche Aussage trifft für die venöse Thrombose nicht zu?


… A. Der venöse Thrombus ist ein sog. Gerinnungsthrombus.
; B. Der venöse Thrombus ist in der Regel thrombozytenreich.
… C. Eine Strömungsverlangsamung ist ein wesentlicher pathogenetischer Faktor.
… D. Venöse Thrombosen können asymptomatisch verlaufen.
… E. Venöse Thrombosen gehen mit einem hohen Embolierisiko einher.

A II Kapitel 8: Hereditäre Thrombophilie


5. Welche der folgenden Aussagen trifft zu?
; A. Die Einnahme oraler Kontrazeptiva bedeutet für Frauen mit APC-Resistenz eine etwa
35fache Risikoerhöhung für venöse Thrombose.
… B. Die Prothrombinmutation hat einen etwa um 30% erniedrigten Prothrombinspiegel zu
Folge.
… C. Der Antithrombinmangel ist die häufigste hereditäre thrombophile Gerinnungsstörung.
… D. Beim Protein-C-Mangel besteht die Therapie in einer Vitamin-C-Substitution.
… E. Die Protein-S-Spiegel sind während einer Schwangerschaft erhöht.

6. Welcher Befund gehört nicht zu den Kriterien, die ein Antiphospholipidsyndrom definieren?
… A. arterielle Thrombose
… B. venöse Thrombose
; C. Thrombozytopenie
… D. wiederholte Spontanaborte
… E. Nachweis von Lupusantikoagulans
Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
183 A II
Kapitel 9: Unterschiede in der Thrombogenese in Chirurgie und Innerer Medizin
7. Welche Aussagen zum postoperativen Thromboserisiko trifft nicht zu?
… A. Postoperativ kommt es im Rahmen einer Akut-Phase-Reaktion zytokinvermittelt zu einer
Gerinnungsaktivierung.
… B. Das Thromboserisiko ist besonders hoch bei orthopädischen Eingriffen an den unteren
Extremitäten.
… C. Das Thromboserisiko ohne Thromboembolieprophylaxe liegt in Abhängigkeit vom chirur-
gischen Eingriff zwischen 20 und 80%.
… D. Zu den wirksamen Maßnahmen der Thromboembolieprophylaxe gehören Krankengym-
nastik und Frühmobilisation.
; E. Eingriffe in Rückenmarksanästhesie gehen mit einem höheren Thromboserisiko einher als
Operationen unter Intubationsnarkose.

8. Welches ist kein prädisponierender Risikofaktor für venösen Thrombosen?


… A. In der Vergangenheit abgelaufene Thromboembolie
; B. Thrombozytopenie
… C. Thrombophilie
… D. Thrombozythämie
… E. Herzinsuffizienz

Kapitel 10: Thrombogenität verschiedener Krankheitsbilder


9. Bei idiopathischer Venenthrombose beträgt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten
Jahre an einem Malignom zu erkranken ...
… A. 0,1%
… B. 1,0%
; C. 10%
… D. 50%
… E. 100%

10. Welche der folgenden Aussagen zur Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III und IV trifft nicht zu?
… A. Das Risiko für arterielle Thromboembolien ist erhöht.
… B. Das Risiko für venöse Thromboembolien ist erhöht.
… C. Eine endotheliale Dysfunktion bedingt eine Hyperkoagulabilität.
… D. Eine medikamentöse Thromboembolieprophylaxe senkt das Thromboserisiko nach-
weislich.
; E. Je höher die Ejektionsfraktion, desto höher das Thromboserisiko.
184 Teil IX · Anhänge

Fragen zu Kapitel 11–14: Evidenzen für eine Thromboseprophylase


in der Inneren Medizin

Kapitel 11: Historische Entwicklung


1. Erste Studien zur Häufigkeit von Thrombosen bei nicht chirurgischen Patienten erfolgten auf
der Basis welcher Methode?
… A. Sonographie
… B. Phlebographie
; C. Szintigraphie
… D. Computertomographie
… E. Kernspintomographie

2. Die Häufigkeit von Thrombosen bei Patienten mit einem akuten Herzinfarkt, ermittelt mit dem
Radiofibrinogentest, lag bei:
… A. 10%
… B. 20%
; C. 40%
… D. 70%
… E. 100%

3. Was stimmt zu folgender Feststellung? »Die subkutane Heparingabe ist nicht an ein Spital
gebunden, sondern kann sowohl vom Arzt als auch vom Patienten über längere Zeit hinweg
auch zu Hause durchgeführt werden.«
… A. Die Aussage ist falsch.
… B. Die Aussage ist überholt.
… C. Die Aussage wurde erstmals im Jahre 2000 gemacht.
A II ; D. Die Aussage vor mehr als 25 Jahren macht.
… E. Die Aussage gilt nur für niedermolekulare Heparine

Kapitel 12: Neuere Ansätze


4. Welche Aussagen zu der Häufigkeit von Thrombosen in Studien stimmen?
… A. Die Thromboserate wird nur von dem getesteten Präparat bestimmt.
… B. Die Thromboserate ist unabhängig von den Risikofaktoren der Patienten.
… C. Die Thromboserate ist abhängig von der eingesetzten Methode zum Nachweis der
Thrombosen.
… D. Die Thromboserate bei stationär behandelten Patienten hängt nur von der Aufnahmedia-
gnose ab.
… E. Bei der Bewertung der Thromboseraten muss man berücksichtigen, ob es sich um symp-
tomatische Thrombosen handelt oder um asymptomatische.
Richtig sind:
… A. nur A
… B. nur C
… C. nur D und E
; D. nur C und E
… E. alle Aussagen
Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
185 A II
5. Eine Metaanalyse von sieben Studien an mehr als 15.000 Patienten zur Wirkung eine Heparin-
prophylaxe bei internistischen Patienten, die zwischen 1981 und 2000 publiziert wurden, ergab
folgendes Ergebnis!
… A. Eine Heparinprophylaxe macht keinen Sinn.
; B. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Thrombose
bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie um mehr als 50% reduziert.
… C. Eine Heparinprophylaxe erhöht das Blutungsrisiko deutlich.
… D. Ein Heparinprophylaxe soll wegen des hohen Risikos einer »heparininduzierten Throm-
bozytopenie« nicht durchgeführt werden.
… E. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Prophylaxe wird das Risiko für eine Thrombose
bzw. eine klinisch manifeste Lungenembolie nur mehr 10% reduziert.

6. Welche Kontrollen sind bei einer Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin bei internistischen
Patienten notwendig?
; A. Thrombozytenkontrolle
… B. aPTT-Kontrolle
… C. antiXA-Kontrolle
… D. Kontrolle der Blutungszeit
… E. Rumple-Leede-Test

Kapitel 13: Aktuelle Studienergebnisse


7. Welche Aussage zur MEDENOX-Studie ist falsch?
… A. Die MEDENOX-Studie untersuchte den Nutzen und die Sicherheit zweier Prophylaxere-
gime (20 mg und 40 mg Enoxaparin) zur Vorbeugung tiefer Beinvenenthrombosen und
Lungenembolien.
… B. Die MEDENOX-Studie ist eine doppelblinde randomisierte und plazebokontollierte Studie
an insgesamt 1102 Patienten.
… C. Einschlusskriterien für die MEDENOX-Studie waren akute internistische Erkrankungen
und weitere Risikofaktoren.
… D. Die MEDENOX-Studie zeigte, dass 40 mg Enoxaparin das Risiko für eine thromboemboli-
sches Ereignis signifikant senken konnten.
; E. Die MEDENOX-Studie führte dazu, dass bei stationärer Behandlung heute alle internistischen
Patienten grundsätzlich eine Prophylaxe mit einem niedermolekularen Heparin erhalten.

8. Welche Aussage zur PRINCE-Studie ist falsch?


… A. In dieser offenen randomisierten multizentrischen Studie wurde der Effekt und die
Sicherheit einer Prophylaxe mit Enoxaparin gegenüber einer Prophylaxe mit unfraktio-
niertem Heparin bei 665 Patienten mit schwerer Herz- oder Ateminsuffizienz untersucht.
… B. Es wurde gezielt der Nutzen einer 10-tägigen Prophylaxe mit 40 mg Enoxaparin mit einer
Prophylaxe mit 3-mal täglich 5000 I.E eines unfraktionierten Heparins verglichen.
; C. Die PRINCE-Studie wurde wegen der Vielzahl der Nebenwirkungen vorzeitig abgebrochen.
… D. Bei allen Patienten mit erhöhten Werten einer Kombination aus Fibrinomonomer- und
D-Dimer-Test wurde nach Ablauf der Prophylaxephase eine beidseitige Phlebographie
durchgeführt.
… E. Die Häufigkeit thrombembolischer Ereignisse in der Enoxaparingruppe war bei den aus-
wertbaren Patienten 8,4% und in der Gruppe mit unfraktioniertem Heparin 10,4%. Diese
Ergebnisse bedeuteten eine Gleichwertigkeit der Prophylaxeregime.
186 Teil IX · Anhänge

9. Welche Aussage zu Fondaparinux ist falsch?


… A. Fondaparinux ist ein Pentasaccharid.
; B. Pentasaccharide sind bei der Prophylaxe thrombembolischer Ereignisse im internistischen
Patientengut den niedermolekularen Heparinen deutlich überlegen.
… C. Die ARTEMIS-Studie ist eine randomisierte, plazebokontrollierte und doppelblinde Studie
zur Effektivität und Tolerabilität von Fondaparinux bei internistischen Patienten.
… D. In der ARTEMIS-Studie erhielten die Patienten entweder 2,5 mg Fondaparinux subkutan
oder ein Plazebo.
… E. Pentasaccharide binden über Antithrombin an Faktor Xa.

Kapitel 14: Prophylaxe bei nicht chirurgischen Patienten aus Sicht


eines Herstellers
10. Welches war die erste große, doppelblinde, prospektive, randomisierte, plazebokontrollierte
Studie zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe an einem exakt definierten, nicht-
chirurgischen Patientengut?
; A. MEDENOX
… B. PRINCE
… C. PREVENT
… D. ARTEMIS

11. Wie hoch ist die phlebographisch gesicherte Gesamtthromboserate bei nicht chirurgischen
Patienten ohne eine adäquate medikamentöse Thromboembolieprophylaxe?
… A. ca. 5%
… B. ca. 10%
; C. ca. 15%
… D. ca. 20%
A II
12. Welches Studienprojekt soll klären, inwieweit auch nicht chirurgische Patienten von einer
verlängerten medikamentösen Thromboembolieprophylaxe profitieren?
… A. AT-HOME
; B. EXCLAIM
… C. PREVAIL

Fragen zu Kapitel 15–17: Ungeklärte Fragestellungen

Kapitel 15: Expositionelle Risikofaktoren


1. Was sind expositionelle Risikofaktoren?
… A. Risikofaktoren, die im Laufe des Lebens erworben werden
… B. Angeborene Risikofaktoren
; C. Risikofaktoren, die durch Art und Umfang einer Erkrankung charakterisiert sind.
; D. Risikofaktoren, die nach Abklingen einer akuten Erkrankung nicht mehr vorhanden sind.
Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
187 A II

2. Welche der nachfolgenden Erkrankungen sind aus Studien ableitbar mit einem erhöhten Thrombo-
embolierisiko assoziiert?
; A. Sepsis
; B. Akute respiratorische Erkrankungen mit Beatmung
; C. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV
… D. Schlafapnoe Syndrom
… E. Pericholecystitis

Kapitel 16: Dispositionelle Risikofaktoren


3. Was sind prädisponierende (dispositionelle) Risikofaktoren?
; A. Patientenbezogene Risikofaktoren, die dauerhaft das Risiko für thromboembolische
Komplikationen erhöhen.
; B. Angeborene oder erworbene Defekte im Gerinnungssystem (Thrombophilie)
; C. Hohes Lebensalter
; D. Anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien

4. Welche der nachfolgenden Faktoren sind prädisponierende Risikofaktoren für eine venöse
Thromboembolie?
; A. Faktor V Leiden Mutation
… B. Metabolisches Syndrom
; C. Protein C Mangel
… D. Arterielle Verschlusskrankheit
; E. Anamnestisch bekannte Thrombose

Kapitel 17: Modelle zur Risikoabschätzung


5. Welche der nachfolgenden Situationen erhöhen insgesamt das Risiko für venöse Thrombo-
embolien?
… A. Diabetes mellitus
; B. Erhöhtes Lebensalter
… C. Rauchen
; D. Akute Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV
; E. Akute respiratorische Erkrankung mit strikter Bettlägerigkeit

6. Wie kann man das individuelle Thromboserisiko abschätzen?


… A. Durch komplexe Berechnungen der Summe aller Risikofaktoren
; B. Durch Kombination von expositionellen und prädisponierenden Risikofaktoren nach
klinischen Gesichtspunkten
… C. Durch entsprechende Labordiagnostik
… D. Durch Addition verschiedener Risikofaktoren und Multiplikation mit verschiedenen
Risikoindices
188 Teil IX · Anhänge

Fragen zu Kapitel 18–20: Ungeklärte Fragestellungen

Kapitel 18: Das Problem der Immobilität


1. Was ist richtig?
… A. Die Immobilität ist alleine ein Grund zur medikamentösen Thromboseprophylaxe
; B. Bei Vorliegen einer akuten systemischen Entzündung bei bettlägerigen Patienten besteht
die Indikation zur medikamentösen Thromboembolieprophylaxe.
… C. Der Grad und die Ausprägung der Immobilität ist für internistische Patienten genau
definiert.

2. Welche Aussagen treffen zu?


… A. Bei bettlägerigen Patienten im Altersheim und länger zurückliegendem Schlaganfall mit
Immobilität liegt im Vergleich zu anderen Altersheimbewohnern ein deutlich erhöhtes
Thromboserisiko vor.
… B. Bei alten immobilen Patienten besteht generell die Indikation zur medikamentösen
Thromboseprophylaxe.
; C. Bei bettlägerigen älteren Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen konnte
durch den Einsatz von niedermolekularen Heparinen eine signifikante Reduktion der Inzi-
denz tiefer Beinvenenthrombosen festgestellt werden.
; D. Die Immobilisation gilt nach den geltenden Empfehlungen als weniger relevanter Risiko-
faktor für das Auftreten venöser Thromboembolien.

Kapitel 19: Thromboseprophylaxe bei geriatrischen Patienten


3. Welche Aussage trifft zu?
… A. Das Lebensalter hat keinen Einfluss auf das Auftreten von tiefen Beinvenenthrombosen.
… B. Es besteht nur eine geringe Assoziation von Lebensalter und der Inzidenz venöser
A II Thromboembolien.
; C. Ab dem 60. Lebensjahr ist das Thromboserisiko signifikant erhöht.
… D. Das Lebensalter zählt nicht zu den Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose.

4. Welche Aussagen sind falsch?


; A. Das Lebensalter hat auf die Frühmortalität venöser Thromboembolien keinen Einfluss.
… B. Das Thromboserisiko und das Blutungsrisiko unter Antikoagulation ist bei alten Men-
schen deutlich erhöht.
; C. Aufgrund des höheren Lebensalters und des damit verbundenen Thromboserisikos bedür-
fen ältere Patienten im Krankenhaus immer einer medikamentösen Thromboseprophylaxe.
… D. Ohne auslösende Risikofaktoren muss bei älteren Patienten keine medikamentöse
Thromboseprophylaxe durchgeführt werden.

Kapitel 20: Thromboseprophylaxe bei Schlaganfallpatienten


5. Welche Angaben sind richtig?
… A. Schlaganfallpatienten haben immer ein erhöhtes Thromboserisiko.
… B. Die nichtmedikamentöse Thromboembolieprophylaxe ist bei Schlaganfall ausreichend.
; C. Schlaganfallpatienten mit einer Hemiplegie/-parese der Beine profitieren von der zusätz-
lichen Gabe eines NMH zur venösen Thromboembolieprophylaxe.
; D. Schlaganfallpatienten zählen zur Hochrisikogruppe für das Auftreten einer venösen
Thromboembolie.
Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
189 A II

6. Was ist falsch?


; A. ASS ist ausreichend zur Prophylaxe tiefer Beinvenenthrombosen.
… B. Aussagen über die neurologische Beeinträchtigung sind auch durch die Gabe von NMH
nicht möglich.
… C. Die Antikoagulation mit Heparin führt zu einer gering erhöhten Anzahl hämorrhagischer
Infarzierungen.
… D. Unter Behandlung mit Enoxaparin konnten in Studien weniger hämorrhagische Einblu-
tungen beobachtet werden als unter Therapie mit unfraktioniertem Heparin.

Fragen zu Kapitel 21–23: Reiseprophylaxe

Kapitel 21: Welche Studiendaten gibt es?


1. Nach der derzeitigen Datenlage führt bei einem gesunden Reisenden eine vielstündige
(Flug)-Reise zu einer
; A. geringen
… B. mittelgroßen
… C. sehr großen
… D. keinen
Zunahme des Risikos ein thromboembolisches Ereignis zu erleiden.

2. Vorbestehende Thromboserisikofaktoren spielen für die Entwicklung einer


(Flug)-Reisethrombose
; A. eine wichtige
… B. keine
Rolle.

Kapitel 22: Risikostratifizierung


3. Eine normale Schwangerschaft wird im Hinblick auf das Thromboserisiko bei langen
Reisen betrachtet als
… A. geringes Risiko
; B. mittleres Risiko
… C. hohes Risiko

4. Zu den Risikofaktoren, die ein hohes Thromboserisiko mit sich bringen, zählen
… A. eine nachgewiesene Thrombophilie
… B. familiäre Thromboseneigung
… C. Alter über 60
; D. anamnestisch bekannte venöse Thromboembolien (auch länger zurückliegend)
190 Teil IX · Anhänge

Kapitel 23: Maßnahmen


5. Der Effekt einer medikamentösen Prophylaxemaßnahme zur Verhinderung von
Reisethrombosen ist
… A. eindeutig nachgewiesen
; B. nicht belegt, sondern beruht auf Analogschlüssen bzw. Expertenmeinungen

6. Prophylaxemaßnahme der Wahl bei hohem Thromboserisiko bei einer vielstündigen


Reise ist die Gabe von
… A. Thrombozytenfunktionshemmern
; B. niedermolekularem Heparin
… C. unfraktioniertem Heparin
… D. Rosskastanienextrakt

Fragen zu Kapitel 24–28: Niedermolekulare Heparine als Alternative


bei Pausieren einer oralen Antikoagulation

Kapitel 24: Die Problematik


1. Wo besteht das höchste Thromboembolierisiko ohne wirksame orale Antikoagulation
(5 Auswahlmöglichkeiten)?
; A. nichtvalvuläres Vorhofflimmern und Z. n. Schlaganfall
… B. nichtvalvuläres Vorhofflimmern
… C. Mitralvitium im Sinusrhythmus
… D. Bio-Herzklappe
… E. Kunstklappe in Aortenposition
; F. Kunstklappe in Mitralposition
A II ; G. VTE 1. Monat
… H. VTE 2. bis 3. Monat
… I. VTE nach 3. Monat
; J. Rezidiv-VTE
; K. Z. n. arterieller Embolie (1. Monat)

2. Wie hoch ist die Risikoreduktion durch Antikoagulation bei thromboembolischen Erkrankungen
(z. B. bei der akuten VTE, bei der Rezidivthrombose, beim nichtvalvulärem Vorhofflimmern, beim
mechanischen Herzklappenersatz und bei der akuten arteriellen Embolie)? (1 Antwort)
… A. praktisch 100%
… B. >90%
; C. 66–80%
… D. auf etwa die Hälfte
… E. auf etwa ein Drittel
Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
191 A II
Kapitel 25: Therapieoptionen
3. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei hohem
Thromboembolierisiko empfohlen?
; A. ununterbrochene OAK
; B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches
… C. ersatzloses Absetzen
; D. i.v.-UFH (stationär)
… E. s.c.-UFH (ambulant)
; F. s.c.-NMH (stationär/ambulant)

4. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei mittlerem
Thromboembolierisiko empfohlen?
… A. ununterbrochene OAK
; B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches
; C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5
… D. ersatzloses Absetzen
; E. i.v.-UFH (stationär)
… F. s.c.-UFH (ambulant)
; G. s.c.-NMH (stationär/ambulant)

5. Welche Möglichkeiten werden für die Überbrückung der oralen Antikoagulation bei niedrigem
Thromboembolierisiko empfohlen?
… A. ununterbrochene OAK
… B. kurzzeitige Absenkung der INR innerhalb des therapeutischen Bereiches
; C. Unterbrechung der OAK und Absenkung der INR in einen Bereich um 1,5
; D. ersatzloses Absetzen
… E. i.v.-UFH (stationär)
… F. s.c.-UFH (ambulant)
; G. s.c.-NMH (stationär/ambulant)

Kapitel 26: Welche Evidenzen für niedermolekulare Heparine gibt es?


6. Einsatz bei der akuten Therapie der venösen Thromboembolie
; A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen
; B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse
… C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen.
… D. Beobachtungsstudien
… E. Konsensusempfehlungen
… F. Expertenmeinungen

7. Einsatz bei der Sekundärprophylaxe der venösen Thromboembolie


; A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen (bei Tumorpatienten)
; B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse
; C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen Schwächen.
… D. Beobachtungsstudien.
… E. Konsensusempfehlungen
… F. Expertenmeinungen
192 Teil IX · Anhänge

8. Niedermolekulares Heparin in der Schwangerschaft


… A. mehrere randomisierte Studien mit konsistenten Ergebnissen
… B. Cochrane-Review mit aussagekräftiger Metaanalyse
; C. randomisierte Studien mit inkonsistenten Ergebnissen oder methodischen
Schwächen.
; D. Beobachtungsstudien.
; E. Konsensusempfehlungen
; F. Expertenmeinungen

Kapitel 27: Therapiealgorithmen


9. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit hohem Thromboembolierisiko
in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR) empfohlen:
… A. gar kein niedermolekulares Heparin.
… B. prophylaktische Dose
… C. halbtherapeutische Dosis
… D. ¾-therapeutische Dosis
; E. Volle therapeutische Dosis

10. Welche Dosen von NMH werden beim Bridging bei Patienten mit mittlerem Thromboembolie-
risiko in den Tagen vor dem Eingriff (bei nicht mehr therapeutischer INR) empfohlen:
… A. gar kein niedermolekulares Heparin.
… B. prophylaktische Dose
; C. halbtherapeutische Dosis
… D. ¾-therapeutische Dosis
… E. Volle therapeutische Dosis

A II 11. Bei welchen Eingriffen ist eine fortgesetzte OAK (oder kurzfristige Absenkung innerhalb des
therapeutischen Bereich) möglich?
1. in der Regel 2. im Einzel- 3. in der Regel
möglich fall möglich nicht möglich
A. Zahneingriffe ; … …
B. kleinere ophthalmologische Eingriffe ; … …
C. gastrointestinale diagn. Endoskopie ; … …
D. Prostataeingriffe … … ;
E. Abdominalchirurgie … … ;
F. neurochirurgische Eingriffe und … … ;
rückenmarksnahe Anästhesie

Kapitel 28: Zulassungsstatus und damit verbundene medikolegale Aspekte


12. Was soll mit dem Patienten vor einer Überbrückung der OAK mit NMH besprochen werden?
; A. Thromboembolierisiko
; B. Blutungsrisiko
; C. Nutzen-Risiko-Abwägung
; D. Zulassungsstatus NMH
; E. Alternativen
… F. Schriftliche Einverständniserklärung (wünschenswert)
Anhang II · Lösungen zu den Aufgaben
193 A II
13. Wann soll NMH nicht angewendet werden?
; A. heparininduzierte Thrombozytopenie
… B. Lupus-Antikoagulans
; C. Niereninsuffizienz
… D. Schwangerschaft
… E. Gleichzeitige Gabe von ASS

Fragen zu Kapitel 29–30: Zukünftige Entwicklungen

Kapitel 29: Prophylaxe bei Tumorpatienten


1. Die Aktivierung des Gerinnungssystems bei Patienten mit malignen Erkrankungen beeinflußt
; A Das Thrombose Risiko
; B Tumorwachstum und Metastasierung
; C Die Expression von Adhäsionsmolekülen

2. Thrombose-Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin


… A Muss bei allen Tumorpatienten gegeben werden
… B Ist beim Tumorpatienten in niedrig-Risiko Dosierung ausreichend
; C Beeinflußt die Angiogenese

Kapitel 30: Auswirkungen der G-DRG’s auf Prophylaxe und Therapie


von Thrombosen
3. Wie können Thrombosen, Thromboseprophylaxe sowie diagnostische und therapeutische
Maßnahmen kodiert werden?
1 Thrombosen können wahlweise mit der ICD-9 oder ICD-10 verschlüsselt werden, je nach-
dem, ob sie ambulant oder stationär aufgetreten sind
2 Für die Überarbeitung der Klassifikationen ist das DIMDI zuständig
3 Jede mögliche Lokalisation einer Thrombose kann auch kodiert werden.
4 Eine spezifische Kodierung der Thromboseprophylaxe ist mit der Prozedurenklassifika-
tion OPS-301 problemlos möglich
5 Der ICD-Kode Z29.8 »Sonstige näher bezeichnete prophylaktische Maßnahmen« ist eine
»Analogziffer« für die Kodierung prophylaktischer Maßnahmen.

… A Alle Antworten sind richtig


… B Alle Antworten sind falsch
… C Nur 2,3 und 5 sind richtig
; D Nur 2 und 5 sind richtig
… E Nur 1 und 5 sind richtig
194 Teil IX · Anhänge

4. Bei welchen Patientengruppen führen Thrombosen typischer weise nicht zu einer Veränderung
der Erlöse für stationäre Behandlungen?
1 Thrombosen sind immer erlöswirksam, wenn sie korrekt verschlüsselt werden.
2 Die DRG-Logik berücksichtigt automatisch das Ausmaß der Therapie
3 Ein Großteil der DRGs wird nicht weiter differenziert, es findet keine Bewertung der Neben-
diagnosen statt (Z-DRGs), damit können Thrombosen auch nicht immer erlöswirksam werden
4 Multimorbide Patienten mit vielen Begleiterkrankungen können, falls sie bereits den höchst-
möglichen PCCL-Schweregrad von 4 erreicht haben, durch Thrombose-Kodes nicht weiter
beeinflusst werden

… A Alle Antworten sind richtig


… B Nur 1 und 3 sind richtig
; C Nur 3 und 4 sind richtig
… D Nur 2 und 4 sind richtig
… E Alle Antworten sind falsch

5. Welche Auswirkungen auf Patienten mit Thrombose können aufgrund der spezifischen Anreize
eines DRG-Fallpauschalensystems erwartet werden?
1 Erhofft werden qualitätssteigernde Effekte, wie sie z.B. durch konsequente Prophylaxe oder
andere Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen eintreten könnten.
2 Es liegen zahlreiche positive Erfahrungen zur Förderung qualitätssichernder Maßnahmen
durch DRG-Einführung in anderen Ländern vor.
3 Neben den gewünschten Effekten können auch wesentlich nachteiligere Auswirkungen wie
Patientenselektion zu befürchten sein.
4 Da Vergütungssysteme kaum Einfluss auf medizinische Strukturen haben, ist auch keine Ver-
änderung in der Therapie von Thrombosen oder Durchführung von Thromoboseprophylaxe
zu erwarten
A II … A Nur 1 ist richtig
… B Nur 2 und 3 sind richtig
… C Nur 4 ist richtig
… D Nur 2 und 3 sind richtig
; E Nur 1 und 3 sind richtig
A III

Anhang III:
Adressen von Fachgesellschaften/
Organisationen

Arbeitgemeinschaft der Wissen- Deutsche Gesellschaft für Gefäß-


schaftlichen Medizinischen chirurgie (DGG)
Fachgesellschaften (AWMF) Geschäftsstelle
Internet: http://www.awmf.org Langenbeck-Virchow-Haus
Luisenstr. 58/59
Berufsverband Deutscher Internisten 10117 Berlin
e.V. (BDI) Tel.: 0 30/28 00 43 90
Geschäftsstelle Fax: 0 30/28 00 43 99
Schöne Aussicht 5 Internet: http://www.gefaesschirurgie.de
65193 Wiesbaden
oder Deutsche Gesellschaft für Innere
Postfach 15 66 Medizin e.V. (DGIM)
65005 Wiesbaden Geschäftsstelle
Tel.: 06 11/1 81 33-0 Haus der Internisten
Fax: 06 11/1 81 33-50 Schöne Aussicht 1
E-Mail: info@bdi.de 65193 Wiesbaden
Internet: http://www.bdi.de/bdi/content/ Tel.: 06 11/2 05 80 40 - 42/ - 43
index.jsp Fax: 0611/2 05 80 40 - 46
Sektion Angiologie: E-Mail: info@dgim.de
Internet: http://www.bdi.de/bdi/content/ Internet: http://www.dgim.de
010/030/015/index.jsp
Deutsche Gesellschaft für Phlebologie
Deutsche Gesellschaft für Angiologie, (DGP)
Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. Sekretariat
(DGA) Lippestr. 9-11
Sekretariat 26548 Norderney
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Tel.: 0 49 32/8 05-4 20
Fetscherstr. 74 Fax: 0 49 32/8 05-3 77
01307 Dresden Internet: http://members.aol.com/
Tel.: 03 51/4 58-36 59 dgphome/dgpd1.htm
Fax: 03 51/4 58-43 59
Internet: http://www.dgangiol.de/
196 Teil IX · Anhänge

Deutsche Gesellschaft für Ultraschall Gesellschaft für Thrombose und


in der Medizin e.V. (DEGUM) Hämostaseforschung (GTH)
Geschäftsstelle Geschäftsstelle
Ellerstr. 9 Paul-Gerhardt-Allee 42
53119 Bonn 81245 München
Tel.: 02 28/9 76 61 31 Tel.: 089 / 82088658
Fax: 02 28/9 76 61 32 Fax: 089 / 82088659
E-Mail: Geschaeftsstelle@degum.de E-Mail: mail@gth-online.org
Internet: http://www.degum.de/degum/ Internet: http://www.gth-online.org
Home/

Deutsche Liga zur Bekämpfung von Gefäß-


krankheiten e.V.
Postfach 4038
69254 Malsch b. Heidelberg
Tel.: 07253 / 26228
Fax: 07253 / 278160
E-Mail: info@deutsche-gefaessliga.de
Internet: http://www.deutsche-gefaessliga.de

A III
Sachverzeichnis

– orale (s. OAK) 136–154


A Antiphospholipidantikörper / -syndrom
(s. APS) 53–56
Abdominalchirurgie, Unterbrechung der oralen Antithrombin 37
Antikoagulation (OAK) 148 Antithrombinmangel, Thrombophilie 48–49
ACCP (American College of Chest Physicians) Antworten zu den Aufgaben / Fragen
2001, Leitlinien (Auszüge) 177 (Anhang II; s. auch Fragen) 179–194
ACLA, Anticardiolipin-Antikörper, APS 53 APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Mutation),
Adipositas, dispositionelle Risikofaktoren Thrombophilie 46–47
104 Apoplex, ischämischer mit Parese, expositio-
Alter nelle Risikofaktoren 109
– geriatrische Pateinten, Thromboseprophy- APS (Antiphospholipidantikörper / -syndrom),
laxe 117–118 Thrombophilie 53–56
– Stellenwert als dispositioneller Thrombose- – Anticardiolipin-Antikörper (ACLA) 53
risikofaktor 104, 110 – Antiphospholipidantikörper 53
Adressen von Fachgesellschaften / Organisati- – Diagnosekriterien 55
onen (Anhang III) 195–196 – katastrophales (CAPS) 56
American College of Chest Physicians (ACCP) – klinische Assoziationen (Übersicht) 56
2001, Leitlinien (Auszüge) 177 – Lupusantikoagulans (LA) 53
Anästhesie, rückenmarknahe, Unterbrechung – primäre APS 54
der oralen Antikoagulation (OAK) 148 – Schwangerschaftskomplikation 54
Anhänge 176–196 – sekundäres APS 54
– Anhang I (Leitlinien / Auszüge; s. dort) – Thrombose
176–178 – – arterielle 55
– Anhang II (Lösungen zu den Auf- – – venöse 54–55
gaben) 179–194 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftli-
– Anhang III (Adressen von Fachgesellschaften / chen Medizinischen Fachgesellschaften
Organisationen) 195–196 (AWMF) 195
Anticardiolipin-Antikörper (ACLA) 53 ARTEMIS, Prophylaxe mit Pentasaccharid
Antikoagulation 87–88, 90
– alternative 138 Abscheidungsthrombus 43
198 Sachverzeichnis

DGG (Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie),


B Adresse / Koordinaten 195
DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere
BDI (Berufsverband Deutscher Internisten) e.V. Medizin e.V., Leitlinien (Auszüge) 177–178
– Adresse / Koordinaten 195 – Adresse / Koordinaten 195
– Leitlinien (Auszüge) 177–178 DGP (Deutsche Gesellschaft für Phlebologie)
Beinvenenthrombose, tiefe 2–3, 9–15 – Adresse / Koordinaten 195
– Häufigkeit 9, 11 – Leitlinien (Auszüge) 176
Betreuungseinrichtungen, intermediäre, venöse DRG-Fallpauschalensystem 166–171
Thromboembolie 12 – Auswirkungen des G-DRG-System 2004
Blutströmungsveränderungen, Virchow- (Übersicht) 171
Trias 42 – DRG-Erlöse 169–170
Blutzusammensetzung, Veränderungen, – DRG-gerechte Kodierung der Thrombose und
Virchow-Trias 42–43 Thromboseprophylaxe 167–168
»bridging« (s. OAK / orale Antikoakula-
tion) 136–154
E
C EMSG, Prophylaxe mit niedermolekularem
Heparin (NMH) 80–81
Enoxaparin 14, 29, 80–96, 106–107, 112, 115,
CAPS (katastrophales APS) 56
120–121, 126, 134, 142–159, 164, 173–174,
Certoparin 115, 165, 174
178, 185, 189
Checkliste zum »bridging« 154
Entzündung, Thrombogenese 64
Chirurgie / chirurgische Patienten 58
– chronisch entzündliche Erkrankungen 64
– Thrombogenese 58
EXCLAIM, Prophylaxe mit niedermolekularem
– venöse Thromboembolie 8
Heparin (NMH) 91
Cumarinnekrose 50

F
D
Fachgesellschaften / Organisationen, Adressen
Dalteparin 87, 96, 112, 142–155, 158, 164, 174 (Anhang III) 195–196
Defibrillatoreingriffe, Unterbrechung der oralen Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz),
Antikoagulation (OAK) 149 Thrombophilie 46–47
DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall Faktor-VIII-Erhöhung, persistierende, Thrombo-
in der Medizin e.V.), Adresse / Koordi- philie 51–52
naten 196 fibrinolytisches System 38–39
dermatologische Eingriffe, Unterbrechung der Fragen zu den Themen:
oralen Antikoagulation (OAK) 149 – Lösungen zu den Aufgaben (Anhang II)
Deutsche Liga zur Bekämpfung von Gefäß- 179–194
krankheiten e.V., Adresse / Koordinaten 196 – Teil I (Epidemiologie von Thrombosen und
DGA (Deutsche Gesellschaft für Angiologie / Embolien) 25–27
Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V.), Leitlinien – – Gesamtzahl von Thrombosen und
(Auszüge) 195 Embolien 25
Sachverzeichnis
199 B–H

– – Häufigkeit von Thrombosen und Embolien – – DRG-Fallpauschalensystem 172–173


nach Fachgruppen 26 – – Prophylaxe bei Tumorpatienten 172
– – Häufigkeit von Thrombosen und Embolien Fondaparinux 87–88, 94–95, 178, 186
nach Krankheitsbildern 26
– – Komplikationen und Spätfolgen 27
– – Sozialmedizinische und sozioökonomische
Bedeutung 27
G
– Teil II (Pathophysiologie) 68–70
– – Gerinnungskaskade 68 gastroenterologische Eingriffe, Unterbrechung
– – Thrombogenität verschiedener Krankheits- der oralen Antikoagulation (OAK) 148
bilder 69–70 Gefäßendothel 34
– – Thrombophilie, hereditäre 68–69 Gefäßwand / -veränderungen
– – Unterschiede in der Thrombogenese in – Hämostase 33
Chirurgie und Innerer Medizin 69 – Virchow-Trias 40
– – Virchow-Trias 68 geriatrische Patienten, Thrombose-
– Teil III (Evidenzen für eine Thromboseprophy- prophylaxe 117–118
laxe in der Inneren Medizin) 92–94 Gerinnung 35–38
– – aktuelle Studienergebnisse 93–94 – Inhibitoren 37–38
– – historische Entwicklung 92 – – Antithrombin 37
– – neuere Ansätze 92–93 – – Protein-C-System 37
– – Prophylaxe bei nicht chirurgischen – – Thrombomodulin 37
Patienten aus Sicht eines Herstellers – – »tissue factor pathway inhibitor« 37
94 – Prothrombinasekomplex 36
– Teil IV (Risikoabschätzung) 111–112 Gerinnungsaktivierung
– – dispositionelle Risikofaktoren 111 – extrinsische Aktivierung 35
– – expositionelle Risikofaktoren 111 – intrinsische Aktivierung 35
– – Modelle zur Risikoabschätzung 111 – Tumorpatienten 163
– Teil V (ungeklärte Fragestellungen) Gerinnungskaskade 32–39
120–121 Gerinnungsthrombus 44
– – geriatrische Patienten 120–121 GTH (Gesellschaft für Thrombose und
– – Immobilität 120 Hämostaseforschung), Adresse /
– – Schlaganfallpatienten 121 Koordinaten 196
– Teil VI (Reiseprophylaxe) 132–133 Gynäkologie, venöse Thromboembolie 10
– – Maßnahmen 133
– – Risikostratifizierung 133
– – Studiendaten 132
– Teil VII (NMH bei Unterbrechung einer oralen
H
Antikoagulation / OAK) 154–157
– – Evidenzen für NMH 155–156 hämatologische Erkrankungen, Thrombo-
– – Problematik 154–155 genese 67
– – Therapiealgorithmen 156 Hämostase 32–34
– – Therapieoptionen 155 – Gefäßwand 33
– – Zulassungstatus und medikolegale – Grundreaktionen 33
Aspekte von NMH 157 – Phasen (Übersicht) 33
– Teil VIII (zukünftige Entwicklungen) – primäre 32
172–173 – sekundäre 32
200 Sachverzeichnis

– Thrombozyten 34 International Consensus Statement 2001,


– tumorassoziierte Hämostasestörungen Leitlinien (Auszüge) 177
(s. dort) 60 ischämischer Apoplex mit Parese, expositionelle
Heparin Risikofaktoren 109
– niedermolekulares (s. NMH) 23, 79–87,
89–91, 152
– unfraktioniertes (s. UFH) 24, 81–83, 152
Herzerkrankungen, expositionelle Risiko-
K
faktoren 99
Herzinsuffizienz Kardioversion, Unterbrechung der oralen
– chronische, dispositionelle Risikofak- Antikoagulationen (OAK) 142, 144
toren 104 katastrophales APS (CAPS) 56
– Thrombogenese 64–65 Knie- und Hüftgelenkersatz, venöse Thrombo-
Herzkatheteruntersuchungen und -Inter- embolie 14–15
ventionen, Unterbrechung der oralen Komplikationen und Spätfolgen, venöse
Antikoagulation (OAK) 149 Thromboembolie 20–22
Herzklappenersatz, Unterbrechung der oralen Kosteneffektivität
Antikoagulation (OAK) 136, 143–145 – niedermolekulares Heparin (NMH) 23–24
Herzschrittmacherimplantationen, Unter- – unfraktioniertes Heparin (UFH) 24
brechung der oralen Antikoagulation
(OAK) 149
HESIM, Prophylaxe mit niedermolekularem
Heparin (NMH) 79
L
HPSG, Heparinprophylaxe 81
Hüftgelenkfraktur / -ersatz, venöse Thrombo- LA (Lupusantikoagulans), APS 53
embolie 14–15 Langstreckenreisen 125, 128
Hyperhomozysteinämie / MTHFR-Mutation, – expositionelle Risikofaktoren 98
Thrombophilie 52–53 – Wadenmuskelthrombosen 125
Leitlinien / Auszüge (Anhang I) 176–178
– ACCP (American College of Chest
Physicians) 2001 177
I – BDI (Berufsverband Deutscher Inter-
nisten) 177–178
Immobilisation 114–116 – DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere
Infektion und Sepsis, Thrombogenese Medizin) 177–178
(s. auch Sepsis) 62–64 – DGP (Deutsche Gesellschaft für Phlebo-
– chronisch entzündliche Erkrankungen logie) 176
64 – International Consensus Statement
– systemische Infektion 63 2001 177
Innere Medizin / internistische Patienten Literatur zu den Themen:
– Thromboembolie, venöse 10 – Teil I (Epidemiologie von Thrombosen und
– Thrombogenese 58 Embolien) 25–27
– Thrombose- / Thromboembolie-Prophylaxe – Teil II (Pathophysiologie) 70–72
(s. Prophylaxe) 76–77, 83, 117–118 – Teil III (Evidenzen für eine Thromboseprophy-
Intensivmedizin, venöse Thromboembolie laxe in der Inneren Medizin) 95–96
12 – Teil IV (Risikoabschätzung) 112
Sachverzeichnis
201 I–O

– Teil V (ungeklärte Fragestellungen) 121 nephrotisches Syndrom, Thrombogenese


– – geriatrische Patienten 121 65–66
– – Immobilität 121 neurochirurgische Eingriffe, Unterbrechung der
– – Schlaganfallpatienten 121 oralen Antikoagulation (OAK) 148
– Teil VI (Reiseprophylaxe) 133–134 neurologische Erkrankungen, expositionelle
– Teil VII (NMH bei Unterbrechung einer oralen Risikofaktoren 100
Antikoagulation / OAK) 157–159 Niereninsuffizienz, terminale, Thrombo-
– Teil VIII (zukünftige Entwicklungen) genese 66
173–174 NMH (niedermolekulare Heparine) 23
– – DRG-Fallpauschalensystem 173–174 – als Alternative bei Pausierung einer
– – Prophylaxe bei Tumorpatienten oralen Antikoagulation »bridging«
173–174 (s. auch OAK) 136–154
Lösungen zu den Aufgaben / Fragen – Kosteneffektivität 23–24
(Anhang II; s. auch Fragen) 179–194 – Prophylaxe (s. dort) 79–83, 89–91
Lungenembolie 3, 14 – Tumorpatienten, Überlebensvorteil mit
– Häufigkeit 9 NMH 165
– Inzidenz 5 – Unterbrechung der oralen Antikoagulanzien
Lupusantikoagulans (LA), APS 53 (s. OAK) 142–146, 152

M O
maligne Erkrankungen, aktive OAK (orale Antikoakulation) 136–154
– dispositionelle Risikofaktoren 107, 110 – NMH (niedermolekulare Heparine) als
– expositionelle Risikofaktoren 100 Alternative bei Pausierung einer OAK
– Thrombogenese 59–62 »bridging« 136–154
MEDENOX, Prophylaxe mit niedermole- – Unterbrechung der OAK 136–145
kularem Heparin (NMH) 84–85, 89–90 – – Checkliste zum »bridging« 154
medikolegale Aspekte, Unterbrechung der – – ersatzlose 140
OAK 152–154 – – medikolegale Aspekte 152–154
Mortalität, venöse Thromboembolie 21–22 – – Morbidität und Mortalität 138
MTHFR-Mutation / Hyperhomozysteinämie, – – NMH (niedermolekulares Heparin)
Thrombophilie 52–53 140–146, 152
Myokardinfarkt – – – Ersatz durch NMH 140
– akuter, expositionelle Risikofaktoren 109 – – – Evidenzen für NMH 142–146
– venöse Thromboembolie 19 – – Risiko
– – – hohes 151
– – – niedriges 151
– – – Nutzen und Risikoabwägung für
N Operationen und interventionelle
Eingriffe 149
Nadroparin 79, 81–82, 85, 88, 95, 112, 142–144 – – Therapiealgorithmen 147–151
Nadroparin Prevention Study, Prophylaxe – – – Abdominalchirurgie 148
mit niedermolekularem Heparin (NMH) – – – Defibrillatoreingriffe 149
81–82 – – – dermatologische Eingriffe 149
202 Sachverzeichnis

– – – gastroenterologische Eingriffe 148 PREVENT, Prophylaxe mit niedermolekularem


– – – Herzkatheteruntersuchungen und -Inter- Heparin (NMH) 86–87, 90
ventionen 149 PRIME, Prophylaxe mit niedermolekularem
– – – Herzklappenersatz 136, 143–145 Heparin (NMH) 80
– – – Herzschrittmacherimplantationen 149 PRINCE I/II, Prophylaxe mit niedermolekularem
– – – Kardioversion 142, 144 Heparin (NMH) 85–85
– – – neurochirurgische Eingriffe 148 Prophylaxe / Thromboembolieprophylaxe
– – – ophthalmologische Eingriffe 147–148 74–91, 117–118, 124–130, 162–165
– – – Prostataeingriffe 148 – DRG-gerechte Kodierung 167–168
– – – rückenmarknahe Anästhesie 148 – Empfehlungen 76
– – – Schwangerschaft 145–146 – geriatrische Patienten 117–118
– – – venöse Thromboembolie 136 – mit Heparin
– – – Vorhofflimmern 136, 142–145 – – NMH (niedermolekulares Heparin) 79–87,
– – – Zahneingriffe 147 89–91
– – UFH (unfraktioniertes Heparin) 140, 152 – – – AT-HOME-Studie 90–91
– ununterbrochene Fortsetzung der OAK – – – EMSG 80–81
140 – – – EXCLAIM 91
Operationen und interventionelle Eingriffe – – – HESIM 79
– Abdominalchirurgie 148 – – – internistische Patienten (Übersicht)
– Einstellung einer überlappenden Antikoagu- 83
lation vor OP (Übersicht) 150 – – – MEDENOX 84–85, 89–90
– Herzklappenersatz 136, 143–145 – – – Nadroparin Prevention Study 81–82
– neurochirurgische Eingriffe 148 – – – nicht chirurgische Patienten, Hersteller-
– Nutzen und Risikoabwägung 149 sicht 89–91
– Prostataeingriffe 148 – – – PREVAIL 91
– rückenmarknahe Anästhesie 148 – – – PREVENT 86–87
ophthalmologische Eingriffe, Unterbrechung – – – PRIME 80
der oralen Antikoagulation (OAK) 147–148 – – – PRINCE I/II 85–86
Organisationen / Fachgesellschaften, Adressen – – UFH (unfraktioniertes Heparin) 81–83
(Anhang III) 195–196 – – – HPSG 81
Orthopädie, venöse Thromboembolie 8, – – – internistische Patienten (Übersicht)
14–15 83
– Knie- und Hüftgelenkersatz 14–15 – – – Metaanalyse 82
– historische Entwicklung 74–78
– Indikationen in der Inneren Medizin (Über-
sicht) 76–77
P – mit Pentasaccharid 87
– – ARTEMIS 87–88, 90
Pentasaccharidprophylaxe (s. Prophylaxe) – Reisethrombose (s. dort) 124–132
87–88 – Schlaganfallpatienten 119–120
Pflege- und Altersheime, Thromboemboliepro- – Tumorpatienten (s. dort) 162–165
phylaxe 118 Prostataeingriffe, Unterbrechung der oralen
Phenprocoumon 139, 142–150, 153 Antikoagulation (OAK) 148
postthrombotisches Syndrom 21–22 Protein-C
PREVAIL, Prophylaxe mit niedermolekularem – Mangel, Thrombophilie 49–50
Heparin (NMH) 91 – System 37
Sachverzeichnis
203 P–T

Protein-S – – Myokardinfarkt, akuter 109


– Mangel, Thrombophilie 50–51 – – neurologische Erkrankungen 100
– System 37 – – respiratorische Erkrankungen, akute 100
Prothrombinasekomplex 36 – – Schwangerschaft 98
Prothrombinmutation G20210A, Thrombo- – – Sepsis 109
philie 48 – – SIRIUS-Studie 98
Risikokategorien gemäß expositionellem
Risiko 101–102
– Übersicht 102
R Risikoschema zur Erfassung des individuellen
VTE-Risikos 109, 115
Reisethrombose 124–132 Risikostratifizierung, Reisethrombose 129–130
– Datenlage 124–128 rückenmarknahe Anästhesie, Unterbrechung
– Langstreckenreisen (s. dort) 125, 128 der oralen Antikoagulation (OAK) 148
– Maßnahmen 131–132
– Risikostratifizierung 129–130
– Thromboseprophylaxe 131–132
respiratorische Erkrankungen
S
– akute (expositionelle Risikofaktoren) 100
– chronische (dispositionelle Risikofak- Schlaganfall, venöse Thromboembolie 18–19,
toren) 107 119–120
rezidivierende Episoden, venöse Thrombo- – Prophylaxe 119–120
embolie 20 Schwangerschaft
Risikoabschätzung 90–91, 98–107 – expositionelle Risikofaktoren 98
– AT-HOME-Studie 90–91 – Komplikation 54
– Modelle zur 108–110 – Unterbrechung der oralen Antikoagulation
Risikofaktoren (OAK) 145–146
– dispositionelle 103–107 Sepsis und Infektion
– – Adipositas 104 – expositionelle Risikofaktoren 109–110
– – akute internistische Erkrankungen 106 – Thrombogenese (s. auch Infektion) 62–64
– – Alter, Stellenwert als Thromboserisiko- SIRIUS-Studie
faktor 104 – dispositionelle Risikofaktoren 103
– – Herzinsuffizienz, chronische 104 – expositionelle Risikofaktoren 98
– – Malignom 107 sozialmedizinische und sozioökonomische
– – respiratorische Erkrankungen, chroni- Bedeutung 23–25
sche 107 Spätfolgen, venöse Thromboembolie 20–22
– – SIRIUS-Studie 103
– – Thrombophilie 105
– – Varizen 107
– – VTE, anamnestisch bekannte 104
T
– expositionelle 98–102, 109
– – andere internistische Erkrankungen 100 Thromboembolie
– – Apoplex, ischämischer mit Parese 109 – Beinvenenthrombose, tiefe (s. dort) 2–3, 9–11
– – Herzerkrankungen 99 – Prophylaxe (s. dort) 74–91, 117–118,
– – Langstreckenreise 98 124–130, 162–165
– – maligne Erkrankungen, aktive 100 – venöse (s. dort) 2–25, 89, 104, 118, 136
204 Sachverzeichnis

Thrombogenese 57–67 Tumorerkrankungen / Tumorpatienten 15–18,


– chirurgische Patienten 58 162–165
– hämatologische Erkrankungen 67 – Gerinnungsaktivierung 163
– Herzinsuffizienz 64–65 – Inzidenz thromboembolischer Komplikati-
– internistische Patienten 58 onen 162
– maligne Erkrankungen 59–62 – Therapie durch Gerinnungshemmung 165
– Mechanismen (Übersicht) 62 – Thromboseprophylaxe 163–165
– Niereninsuffizienz, terminale 66 – Überlebensvorteil mit NMH 165
– nephrotisches Syndrom 65–66 – Ursachen thromboembolischer Komplikati-
– Sepsis und Infektion (s. dort) 62–64 onen 162
Thrombomodulin 37 – venöse Thromboembolie 15–18
Thrombophilie 45–56 Tumorkoagulanzien 61
– Antithrombinmangel 48–49
– APC-Resistenz (Faktor-V-Leiden-Muta-
tion) 46–47
– dispositionelle Risikofaktoren 105, 110
U
– Häufigkeiten 46
– persistierende Faktor-VIII-Erhöhung 51–52 UFH (unfraktioniertes Heparin) 24, 81–83, 152
– Protein-C-Mangel 49–50 – Kosteneffektivität 24
– Protein-S-Mangel 50–51 – Prophylaxe (s. dort) 81–83
– Prothrombinmutation G20210A 48 – Unterbrechung der oralen Antikoagulanzien
– seltene 52–56 (s. OAK) 136–146, 152
– – Antiphospholipidsyndrom (s. APS)
53–56
– – MTHFR-Mutation / Hyperhomozystein-
ämie 52–53
V
Thrombose 43–44
– APS (Antiphospholipidsyndrom) 54–55 Varizen, dispositionelle Risikofaktoren 107
– – arterielle Thrombosen 55 venöse Thromboembolie 2–22, 89, 104
– – venöse Thrombosen 55 – Beinvenenthrombose, tiefe (s. dort) 2–3, 9–11
– Abscheidungsthrombus 43 – Betreuungseinrichtungen, intermediäre 12
– DRG-Fallpauschalensystem 166–171 – Chirurgie 8
– Gerinnungsthrombus 44 – Gynäkologie 10
– Inzidenz 102 – Hüftgelenkfraktur 14–15
– Lebensalter und Inzidenz 118 – Innere Medizin 10
– multifaktorielles Geschehen (Übersicht) 45 – Intensivmedizin 12
Thrombozyten, Hämostase 34, 60–61 – Inzidenz 2, 4–5
Tinzaparin 142, 158 – jahreszeitliche Variation 7
»tissue factor pathway inhibitor« 37 – Knie- und Hüftgelenkersatz 14–15
Traumatologie, venöse Thromboembolie 10 – Kosten 23
– Hüftgelenkfraktur 14–15 – Mortalität 21–22
tumorassoziierte Hämostasestörungen / Throm- – Myokardinfarkt 19
bozytenaktivierung 60–61 – Orthopädie 8
– Expression inflammatorischer Zytokine 61 – Pflege- und Altersheime, Thromboembo-
– Produktion von sog. Tumorkoagulanzien 61 lieprophylaxe 118
– Thrombozytenaktivierung 60 – postthrombotisches Syndrom 21–22
Sachverzeichnis
205 U–Z

– Prophylaxe (s. dort) 76–77, 83, 117–118 – Veränderungen der Zusammensetzung des
– rezidivierende Episoden 20 Blutes 42–43
– Risiko Vorhofflimmern, Unterbrechung der oralen
– – anamnestisch bekannte dispositionelle Antikoagulation (OAK) 136, 142–145
Risikofaktoren 104
– – relatives 3
– Risikoschema zur Erfassung des individuellen
W
VTE-Risikos 109, 115
– Schlaganfall 18–19, 119–120 Wadenmuskelthrombosen 125
– sozialmedizinische und sozioökonomische Warfarin 76, 139, 146, 149–150, 157–158, 164
Bedeutung 23–25
– Traumatologie 10
– Tumorerkrankungen 15–18
– Unterbrechung der oralen Antikoagulation
Z
(OAK) 136
Virchow-Trias 40–44, 68, 114 Zahneingriffe, Unterbrechung der oralen Anti-
– Veränderungen der Blutströmung 42 koagulation (OAK) 147
– Veränderungen der Gefäßwand 40 Zytokine, inflammatorischer, Expression 61

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