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A. Messall, D. Löscher, C. Rohrbach (Hrsg.

)
Fachpflege Neonatologische und Pädiatrische Intensivpflege
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Anja Messall, Diana Löscher, Christiane
Rohrbach (Hrsg.)

Fachpflege
­Neonatologische und
Pädiatrische
­Intensivpflege
2. Auflage

Mit Beiträgen von: Christina Beck, Erlangen; Petra Brutscher, Datteln; Daniela Dapia Cao, Er-
langen; Marianne Düllmann, Essen; Lieselotte Eizenhöfer, Triefenstein; Yvonne Freitag, Berlin;
Anne Katrin Ganz, Herford; Maren Grabicki, Berlin; Tobias Hieckmann, Roßtal; Katja Knab,
Oberasbach; Dorothee Kollmann, Porta Westfalica; Katja von Maydell, Nürnberg; Stephanie
Möllmann, Lünen; Uta Münstermann, Vasselder Veldhunten (NL); Gabriele Oberhoff, Hattingen;
Stephanie Rist, Freudenberg; Christiane Rohrbach, Bochum; Monika Schindler, Ladenburg;
Michale Schroth, Möhrendorf; Heike Stasik, Herten; Ulrike Stein, Erlangen; Hannah Toensfeuer-
born, Hannover; Sabine Vogel, Erlangen; Renate Westreicher, Gössendorf (A); Robert Zimmer,
Hannberg
Zuschriften an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
E-Mail pflege@elsevier.de

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Die Erkenntnisse in der Pflege und Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfah-
rungen. Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk
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2. Auflage 2013
© Elsevier GmbH, München
Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH.

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Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint.

Planung: Martina Lauster, München


Lektorat und Redaktion: Bernd Hein, München
Projektmanagement: Karin Kühnel, München
Herstellung: Ute Landwehr-Heldt, Bremen
Satz: abavo GmbH, Buchloe/Deutschland; TnQ, Chennai/Indien
Druck und Bindung: Dimograf, Bielsko-Biała, Polen
Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm
Titelfotografie: Getty Images

ISBN Print 978-3-437-27101-4


ISBN e-Book 978-3-437-59222-5

Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com


Vorwort
„An diesen Orten, mit den bedrückenden Schatten, Zeigen wir doch als eine Art Lobbyisten der Kin-
dort wird intensiver gelebt, stärker gerungen und der (und auch Eltern), dass unser grund- und inten-
tiefer geliebt!“ sivpflegerisches Wissen und Können einen großen
[aus „Das Spezialkind“ von Gudrun Stoever] Stellenwert hat.
Jeder Mitarbeiter einer neonatologischen und/ Medizintechnik, Medikamente und ein gewisses
oder pädiatrischen Intensivstation kann diese Worte medizinisches Wissen sind natürlich nicht wegzu-
sehr stark nachempfinden und begegnet diesem „in- denken und fließen in die einzelnen Bereiche des
tensivem Leben“, dem „stärkeren Ringen“ und der Buches ein.
„tiefen Liebe“ immer wieder auf’s Neue. Die Entwicklung in der Intensivpflege und -medi-
So ist es, neben der hochspezialisierten Intensiv- zin schreitet sehr schnell voran und es gibt bestimmt
medizin, ganz besonders wichtig, unsere, zum Teil auch jetzt in diesem Moment neue Erkenntnisse,
sehr kleinen, Patienten pflegerisch optimal zu be- Methoden und Möglichkeiten. Alle Autoren haben
treuen und deren grundsätzliche Bedürfnisse nicht dennoch ihr Bestes gegeben, dieses Buch auf den
aus den Augen zu verlieren. neusten Stand zu bringen. Dafür möchten wir uns
Auch in der aktuellen Auflage von „Fachpflege ganz herzlich bedanken.
neonatologische und pädiatrische Intensivpflege“
war unser Augenmerk auf die Intensiv„PFLEGE“
und weniger auf die Intensiv„MEDIZIN“ gerichtet. Anja Messall und Diana Deutsch
Denn BEIDES kann das Outcome der Kinder ent- im Juni 2012
scheidend beeinflussen.
Glossar und Abkürzungen
A. Arterie BMI Bodymass-Index
ACS Akutes Koronarsyndrom BPD Bronchopulmonale Dysplasie
ACT Active clotting time (aktivierte Gerin- BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit
nungszeit) BSN Berner Schmerzscore für Neugeborene
ACVB Aortocoronarer Venenbypass BZ Blutzucker
ADH Antidiuretisches Hormon Ca2+ Kalzium
AEP Akustisch evozierte Potentiale CAPD Kontinuierliche ambulante Peritonealdia-
AF Atemfrequenz lyse
AHA American Heart Association CCT Kranielles Computertomogramm
AHV Atemhubvolumen Ch Charriére
AICD Automatischer implantierbarer Kardio­ chron. Chronisch
defibrillator chronotrop Steigerung der Herzfrequenz, Aktivierung
AIDS Acquired Immune Deficiency Syndrom Sympathikus
AK Antikörper CK Kreatinkinase
AMG Arzneimittelgesetz CK-MB Kreatinkinase vom Herzmuskeltyp
AMV Atemminutenvolumen Cl− Chlorid
ANS Atemnotsyndrom cm Zentimeter
ANV Akutes Nierenversagen cmH2O Zentimeter Wassersäule
AO Anordnung CMV- Cytomegalie-Infektion
AP Arterieller Druck Infektion
APRV Airway Pressure Release Ventilation CNPV Continuous negative pressure ventilation
ArbSchG Arbeitsschutzgesetz (kontinuierlicher negativer Atemwegs-
ARDS acute respiratory distress syndrome druck)
(akutes Lungenversagen) CNV Chronisches Nierenversagen
art. arteriell CO2 Kohlendioxid
Art. Arterie COPD Chronic Obstructive Pulmonary Disease,
AS Aminosäuren chronisch obstruktive Lungenerkrankung
ASE Atemstimulierende Einreibung CPAP Continuous positive airway pressure;
ASS Acetylsalicylsäure kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck
AT III Antithrombin III CPD Kontinuierliche Peritonealdialyse
AVK Arterielle Verschlusskrankheit CPP Zerebraler Perfusionsdruck
AVSD Atrioventrikulärer Septumdefekt CPR Kardiopulmonale Reanimation
AZ Allgemeinzustand CRP C-reaktives Protein
AZV Atemzugvolumen CT Computertomographie
BAA Bauchaortenaneurysma CTG Cardiotokogramm
bakt. bakteriell Cu Kupfer
bathmotrop Die Reizschwelle des Myokards beeinflus- CVVH Kontinuierliche venovenöse Hämofiltration
send d dies (lat.= täglich)
BB Blutbild δT (Delta T) Differenz zwischen zentraler und
BDK Blasendauerkatheter peripherer Temperatur
bds. beidseits DCM Dilatative Kardiomyopathie
BDSG Bundesdatenschutzgesetz diast. diastolisch
BE Broteinheit DIC dissaminated intravasal coagulation,
BE Base Excess (Basenüberschuss): Abweichung disseminierte intravasale Gerinnung
der Gesamtpufferbasen vom Normalwert (Verbrauchskoagulopathie)
BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Distribution Verteilung
Medizinprodukte DLTx Double Lungentransplantation
BGA Blutgasanalyse Dos. Dosierung
BGV Berufsgenossenschaftliche Vorschriften dPmax Index für kardiale Kontraktilität
Bili Bilirubin dromotrop Die Erregungsleitung des Herzens
BIPAP Biphasic Positive Airway Pressure: druck­- beeinflussend
kontrollierte Beatmung mit 2 Druckniveaus E. coli Escherichia coli
BLS Basic Life Support EBV Epstein-Barr-Virus
Glossar und Abkürzungen VII

ECMO Extrakorporale Membranoxygenierung; HK Herzkatheter


extrakorporale Lungenunterstützung Hkt. Hämatokrit
EEG Elektroenzephalogramm HLA-Antigen Histokompatibilitätsantigene
EK Erythrozytenkonzentrat HLM Herz-Lungen-Maschine
EKG Elektrokardiogramm HMV Herzminutenvolumen
EKZ Extrakorporale Zirkulation HNCM Hypertrophisch nicht-obstruktive
Elimination Ausscheidung; alle Prozesse, die im Kardiomyopathie
Rahmen der Verstoffwechslung zum HOCM Hypertrophisch-obstruktive Kardiomyo-
Unwirksamwerden eines Stoffes führen pathie
EMMV Extended Mandatory Minute Ventilation HR Herzrate
EP Evozierte Potentiale HRST Herzrhythmusstörungen
ERCP Endoskopische retrograde Cholangio- HSM Herzschrittmacher
Pankreatikographie HSV Herpes-simplex-Virus
Ery Erythrozyten HUS Hämolytisch-urämisches Syndrom
ES Extrasystole HVLP high-volume-low-pressure
ESV Endsystolisches Volumen Hyperkapnie/ paCO2 erhöht/erniedrigt
etCO2 Endexspiratorisches Kohlendioxid Hypokapnie
EVLW Extravasales Lungenwasser HZV Herzzeitvolumen
EZR Extrazellularraum i. c. intrakutan
Faeces Stuhlausscheidung I. d. R. In der Regel
FFP Fresh Frozen Plasma, gefrorenes i. m. Intramuskulär
Frischplasma i. o. Intraossär
FG Frühgeborenes i. v. Intravenös
FiO2 Inspiratorische O2-Fraktion IABP Intraaortale Ballongegenpulsation
FRC Funktionelle Residualkapazität ICP Intracranial Pressure (Hirndruck)
FSP Fibrinspaltprodukte ICR Interkostalraum; Zwischenrippenraum
GEDV Gesamtes enddiastolisches Volumen ID Innerer Durchmesser
GFP Gefrorenes Frischplasma (Fresh Frozen IE Internationale Einheit
Plasma) Ig Immunglobuline
GFR Glomeruläre Filtrationsrate IMV Intermittend mandatory ventilation
GIT Gastrointestinaltrakt Ind. Indikation
GKW Ganzkörperwäsche inotrop Die Kontraktilität des Myokards beeinflus-
GOT Glutamat-Oxalazetat-Transaminase send
GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase IPPV Intermittend positive pressure ventilation
gtt Tropfen (Beatmung mit intermittierend-positivem
gyn. Gynäkologisch Druck)
h Stunde IRDS Infant respiratory distress syndrome
HAES Hydroxyethylstärke. Wird als Blutplasma- IRV Inversed ratio ventilation
ersatzstoff verwendet ITBV Intrathorakales Blutvolumen
Hb Hämoglobin IZR Intrazellularraum
HbF Fetales Hämoglobin K Kalium
HCO3 Standardbikarbonat: Menge des Bikarbo- Kcal Kilokalorie
nats im Blut kg Kilogramm
HCV Hydrokolloidverband KG Körpergewicht
HDM Herzdruckmassage kgKG Kilogramm pro Körpergewicht
HELLP Schwere Verlaufsform der Praeeklampsie KH Kohlenhydrate
mit schwerer Leberfunktionsstörung: KHK Koronare Herzkrankheit
Hämolyse, erhöhten Leberenzymen, KI Kontraindikation
verminderter Thrombozytenzahl kJ Kilojoule
HF Herzfrequenz KOF Körperoberfläche
HFOV Hochfrequenzoszillationsbeatmung Kontext- Parameter für den Wirkungsverlauf eines
HFV High Frequency Ventilation sensitive Pharmakons nach Ende der Zufuhr
(Hochfrequenzventilation) Halbwertszeit
HI Herzinsuffizienz Kps. Kapsel
HIT Heparininduzierte Thrombozytopenie Krea Kreatinin
HIV Human immunodeficiency virus, humanes KUSS Kindliche Unbehagens- und Schmerzskala
Immundefizienzvirus l Liter
VIII Glossar und Abkürzungen

LA Linksartial O2 Sauerstoff
LAP Linker Vorhofdruck, Links-atrialer Druck OP Operation
LAS Lymphadenopathiesyndrom OPCAB Off-Pump Coronary Artery Bypass
LDH Laktatdehydrogenase p. o. Per os
Leukos Leukozyten paCO2 Kohlendioxiddruck im arteriellen Blut
Lj Lebensjahr(e) PAK Pulmonalarterienkatheter
LK Lymphknoten PAm Pulmonalarterienmitteldruck
LP Lumbalpunktion paO2 Arterieller Sauerstoffdruck
Lufu Lungenfunktion PAP Pulmonalarteriendruck
LWK Lendenwirbelkörper pAVK Periphere arterielle Verschlusskrankheit
MAD Mittlerer arterieller Druck PC HZV Pulskontrolliertes Herzzeitvolumen
MAP Mittlerer Atemwegsdruck (pressure) PCA patient controlled analgesia (patienten-
MARS Molecular Adsorbents Recirculating kontrollierte Analgesie)
System pCO2 CO2-Partialdruck
MAS Mekoniumaspirationssyndrom PCV pressure controlled ventilation (druckkon-
max. Maximal trollierte Beatmung)
mg Milligramm PCWP Pulmonalarterieller Verschlussdruck,
Min. Minute Wedgedruck
Miosis Engstellung der Pupillen PD Peritonealdialyse
MMC Meningomyelozele PDA Persistierender Ductus arteriosus
mmHg Millimeter Quecksilbersäule PDK Periduralkatheter
MMV Mandatory minute volume PEA Pulslose elektrische Aktivität
Mo. Monate pECLA Pumpless Extracorporeal Lung Assistent
MODS Multiorgandysfunktionssyndrom PEEP Positiver endexspiratorischer Druck
MOV Multiorganversagen PEG Perkutane endoskopische Gastroenterosto-
MPAP Mittlerer Pulmonalarteriendruck mie
MPG Medizinproduktegesetz Perspiratio Bezeichnet die nicht wahrnehmbare
MRSA Methicillin-resistente Staphylococcus- insensibilis Verdunstung über die Haut
aureus-Stämme Pharmako- Wirkungsmechanismus eines Arznei-
MRT Magnetresonanztomographie dynamik mittels
MS Magensonde Pharmako- Verlauf der Arzneimittelverteilung im
MTS Medizinischer Thrombosestrumpf kinetik Körper von der Aufnahme bis zur
N. Nervus Ausscheidung (Resorption-Distribution-
n. A. Nach Anordnung Elimination)
Na Natrium pH-Wert Konzentrationsbeschreibung der Wasser­
NaCl 0,9 % Natriumchloridlösung 0,9-prozentig; stoffionenkonzentration in einer Lösung
physiologische Kochsalzlösung Pinsp Inspiratorischer Spitzendruck; ist abhängig
NaHCO3 Natriumbikarbonat vom Inspirationsflow, von der Resistance
NAK Nabelarterienkatheter und der Compliance der Lunge
NEC Nekrotisierende Enterokolitis pO2 O2-Partialdruck
neg. Negativ postop. Postoperativ
NG Neugeborenes PPHN Persistierende pulmonale Hypertension
NIBP Non-invasive Blood-Pressure, nicht des Neugeborenen
invasive Blutdruckmessung PPI Protonenpumpeninhibitoren
NIV Noninvasive Ventilation präop. Präoperativ
NMH Niedermolekulares Heparin PRVC pressure regulated volume controlled
NNM Nebennierenmark (druckregulierte volumenkontrollierte
NNR Nebennierenrinde Beatmung)
NO Nitric oxyde, Stickstoffmonoxid PRIND Prolongiertes reversibles ischämisches
NPN Nitroprussidnatrium neurologisches Defizit
NRS Numerische Rangskala PSV pressure support ventilation (druckunter-
NSAID Non Steroidale Anti Inflammatory Drugs stützte Beatmung)
NSAR Nichtsteroidale Antirheumatika PTA Perkutane transluminale Angioplastie
NSTEMI Infarkt ohne ST-Hebungen PTT Partielle Thromboplastinzeit
NV Nierenversagen Resorption Aufnahme
NVK Nabelvenenkatheter respir. Respiratorisch
NW Nebenwirkung rezid. Rezidivierend
Glossar und Abkürzungen IX

RG Rasselgeräusche tcpCO2 Transkutane Messung des Kohlendioxid-


Rh Rhesusfaktor partialdrucks
RR Blutdruck nach Riva-Rocci TEE Transösophageale Echokardiografie
r-TPA Rekombinant Tissue Plasminogen TENS Transkutane elektrische Nervenstimula-
Activator tion
s. c. Subkutan Tex Exspirationszeit
s. l. Sublingual tgl. Täglich
s. o. Siehe oben Thrombos Thrombozyten
s. u. Siehe unten TIA Transitorisch ischämische Attacke
SAB Subarachnoidalblutung Tin Inspirationszeit
SaO2 Sauerstoffsättigung TK Thrombozytenkonzentrat
SDH Subdurales Hämatom TMP Transmembrandruck
Se Selen TTE Transthorakale Echokardiografie
Sek. Sekunde TX Organtransplantation
SEP Somatosensorische evozierte Potentiale TZ Thrombinzeit
Shivering Kältezittern u. U. Unter Umständen
SHT Schädel-Hirn-Trauma UFH Unfraktioniertes Heparin
SIDS Sudden infant death syndrome (plötzlicher UF-Rate Ultrafiltrationsrate
Kindstod) V. Vene
SIMV Synchronized intermittend mandatory v. a. Vor allem
ventilation, synchronisierte intermittieren- VAS Visuelle Analogskala
de maschinelle Beatmung VC Vitalkapazität
S-IPPV Sychronized intermittend (continous) VCV volume controlled ventilation (volumen-
positive pressure ventilation (synchroni- kontrollierte Beatmung)
sierte (kontinuierliche) Beatmung mit VES Ventrikuläre Extrasystole
intermittierend positivem Druck) VRS Verbale Rangskala
SIRS Systemic Inflammatory Response VSD Ventrikelseptumdefekt
Syndrome, Verbrennungsschock VSV volume support ventilation (volumen­
SLTx Single Lungentransplantation unterstützte Beatmung)
SM Schrittmacher VT Ventrikuläre Tachykardie
SO2 Sauerstoffsättigung Vv. Venae (Venen)
SPA Spinalanästhesie VW Verbandswechsel
SSW Schwangerschaftswoche Weaning Entwöhnung vom Beatmungsgerät
Std. Stunden W/O- Wasser-in-Öl-Emulsion
stdl. Stündlich Emulsion
SV Schlagvolumen WHO World Health Organization
SVES Supraventrikuläre Extrasystolen Wo. Wochen
SVR Systemischer Gefäßwiderstand z. B. Zum Beispiel
SVR Systemisch vaskulärer Widerstand z. T. Zum Teil
SVT Supraventrikuläre Tachykardie Zn Zink
syst. Systolisch ZNS Zentrales Nervensystem
Tbc Tuberkulose ZVD Zentraler Venendruck
TCD Transkranielle Dopplersonographie ZVK Zentraler Venenkatheter
Abbildungsnachweis L126 K. Dalkowski, Buckenhof
L138 M. Kosthorst, Borken
L157 S. Adler, Lübeck
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet L190 G. Raichle, Ulm
sich bei allen Abbildungen im Werk am Ende des L215 S. Weinert-Spieß, Neu-Ulm
Legendentextes in eckigen Klammern. Alle nicht L217 E. Schenk-Panic, München
besonders gekennzeichneten Grafiken und Abbildungen M205 P. Nydahl, Kiel
© Elsevier GmbH, München. M251 F. Kirsch, Schwäbisch Hall
M285 A. Messall, Zirndorf
A 300 Reihe Klinik- und Praxisleitfaden, Elsevier M290 H. Tönsfeuerborn, Hannover
GmbH, Urban & Fischer Verlag, München O553 Robert Zimmer, Erlangen
J747 D. Fichtner/T.Engbert, GraphikBureau, O591 U. Münstermann, Vasselder Veldhunten
Kroonsgard (NL)
J787 Colourbox.com R148 J. Hampton: EKG für Pflegeberufe, 1.Aufl.,
K115 A. Walle, Hamburg Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag
K307 S. Möller, Utting 2005
L106 H. Rintelen, Velbert V514 Nutricia GmbH, Erlangen
L107 M. Budowick, München
Inhaltsverzeichnis
1 Ethische Aspekte in der 4 Betreuungsübernahme . . . . . . . 37
Intensivpflege . . . . . . . . . . . . . . 1 4.1 Erstversorgung von Früh- und
1.1 Berufsethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . 37
1.1.1 Ethik-Kodex des ICN . . . . . . . . . . . . 2 4.2 Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
1.1.2 Ethik-Kodex der DGF . . . . . . . . . . . 2 4.2.1 Transport von Früh- und
1.2 Klinisches Ethik-Komitee . . . . . . . . 2 Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 39
1.3 Selbstbestimmungsrecht/­ 4.2.2 Transportarten . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Patientenautonomie . . . . . . . . . . . 5 4.3 Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.3.1 Aufnahme von Früh- und
2 Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.1 Standardhygienemaß­nahmen . . . . 7 4.3.2 Aufnahme von Kindern . . . . . . . . . . 43
2.2 Hygieneanforderungen bei
Punktionen und Injektionen . . . . . 9 5 Außerklinische
2.3 Hygienische Besonderheiten auf Intensivpflege . . . . . . . . . . . . . . 45
einer neonatologischen
Intensivstation . . . . . . . . . . . . . . . 11 6 Beobachtung des Kindes . . . . . . 53
2.4 Verhalten bei speziellen 6.1 Bewusstseinslage . . . . . . . . . . . . . 53
­Infektionskrankheiten . . . . . . . . . . 16 6.1.1 Bewusstseinsstadien . . . . . . . . . . . 53
6.1.2 Überwachung der
3 Psychosoziale Unterstützung Bewusstseinslage . . . . . . . . . . . . . . 53
von Kind und Eltern . . . . . . . . . . 19 6.2 Beobachtung der Atmung . . . . . . . 59
3.1 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . 19 6.2.1 Physiologische Atmung . . . . . . . . . . 59
3.1.1 Kommunikation in der 6.2.2 Pathologische Atmung . . . . . . . . . . 59
Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 6.2.3 Apnoeformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.1.2 Kommunikation von 6.2.4 Atemgeräusche . . . . . . . . . . . . . . . 61
Frühgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 21 6.3 Beobachtung der Temperatur . . . . 62
3.2 Psychosoziale Unterstützung der 6.3.1 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . 62
Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 6.3.2 Pflegerische Besonderheiten
3.2.1 Umgang mit der Angst des bei Hypothermie . . . . . . . . . . . . . . . 63
Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 6.3.3 Pflegerische Besonderheiten
3.2.2 Begleitung der Eltern . . . . . . . . . . . 22 bei Hyperthermie . . . . . . . . . . . . . . 64
3.2.3 Einbeziehen der Geschwister . . . . . 26 6.4 Palpation des Abdomens . . . . . . . . 65
3.2.4 Familien aus anderen 6.5 Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Kulturkreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 6.5.1 Schmerzbeobachtung . . . . . . . . . . . 67
3.2.5 Erleben vom Sterben und Tod des 6.5.2 Pflegerische Interventionen . . . . . . 67
Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 6.5.3 Medikamentöse Maßnahmen . . . . . 70
3.3 Für Wohlbefinden sorgen . . . . . . . 32 6.6 Flüssigkeitsbilanz . . . . . . . . . . . . . 70
3.3.1 Bedeutung des Umfelds . . . . . . . . . 32 6.7 Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.3.2 Einfluss der Pflegenden . . . . . . . . . 33 6.7.1 Elektrokardiogramm . . . . . . . . . . . . 71
3.3.3 Kängurumethode . . . . . . . . . . . . . . 33 6.7.2 Pulsoxymetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
3.3.4 Lärm auf der Intensivstation . . . . . . 34 6.7.3 Transkutane
Sauerstoffpartialdruckmessung . . . . 73
XII Inhaltsverzeichnis

6.7.4 Transkutane 8.2 Kinästhetik Infant Handling . . . . . 115


Kohlendioxidpartialdruckmessung . . 74 8.3 Frühmobilisation . . . . . . . . . . . . . . 119
6.7.5 Kapnometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 8.4 Lagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
6.7.6 Blutdruckmessung . . . . . . . . . . . . . 76 8.5 NIDCAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
6.7.7 Zentralvenöse Druckmessung . . . . . 79
6.7.8 Pulmonalarterielle 9 Prophylaxen . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Druckmessung . . . . . . . . . . . . . . . . 80 9.1 Dekubitusprophylaxe . . . . . . . . . . 133
6.7.9 Linksatriale Druckmessung . . . . . . . 81 9.1.1 Dekubitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
6.7.10 Intrakranielle Druckmessung . . . . . . 81 9.1.2 Prophylaktische Maßnahmen . . . . . 134
6.7.11 PiCCO-Katheter . . . . . . . . . . . . . . . 83 9.2 Atelektasen- und
Pneumonieprophylaxe . . . . . . . . . 139
7 Körperpflege . . . . . . . . . . . . . . . . 85 9.2.1 Atelektasen/Pneumonien . . . . . . . . 139
7.1 Spezielle Techniken in der 9.2.2 Prophylaktische Maßnahmen . . . . . 139
Intensivpflege . . . . . . . . . . . . . . . . 85 9.3 Kontrakturenprophylaxe . . . . . . . . 141
7.1.1 Haarwäsche im Bett . . . . . . . . . . . . 85 9.3.1 Kontrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
7.1.2 Mundpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 9.3.2 Prophylaktische Maßnahmen . . . . . 141
7.1.3 Nasenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9.4 Thromboseprophylaxe . . . . . . . . . . 141
7.1.4 Augenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 9.4.1 Thrombose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
7.2 Intimsphäre und Sexualität . . . . . . 91 9.4.2 Prophylaktische Maßnahmen . . . . . 142
7.3 Unterstützung bei der
Ausscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 92 10 Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
7.3.1 Miktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 10.1 Stillförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 145
7.3.2 Defäkation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 10.2 Künstliche enterale Ernährung . . . 150
10.3 Parenterale Ernährung . . . . . . . . . 156
8 Integration entwicklungs-
fördernder Maßnahmen . . . . . . 95 11 Pflege vor, während und
8.1 Basale Stimulation in der nach medizinischen
Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Interventionen . . . . . . . . . . . . . . 159
8.1.1 Grundlagen des Konzepts . . . . . . . . 95 11.1 Punktionen und Drainagen . . . . . . 159
8.1.2 Entwicklung der 11.1.1 Aszitespunktion und -drainage . . . . 159
Sinneswahrnehmung . . . . . . . . . . . 97 11.1.2 Pleurapunktion und -drainage . . . . 162
8.1.3 Ganzkörperwaschungen . . . . . . . . . 101 11.1.3 Perikardpunktion und -drainage . . . 166
8.1.4 Vestibuläre Wahrnehmung und 11.1.4 Liquorpunktion und -drainage . . . . 167
Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 11.1.5 Rickham-Kapsel-Punktion . . . . . . . . 170
8.1.5 Vibratorische Wahrnehmung und 11.1.6 Knochenmarkpunktion . . . . . . . . . . 170
Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 11.1.7 Wunddrainagen . . . . . . . . . . . . . . . 170
8.1.6 Olfaktorische und gustatorische 11.2 Transfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Wahrnehmung und Stimulation . . . 108 11.2.1 Blut und Blutderivate . . . . . . . . . . . 172
8.1.7 Schlucktraining . . . . . . . . . . . . . . . 110 11.2.2 Ablauf der Transfusion . . . . . . . . . . 174
8.1.8 Taktil-haptische Wahrnehmung und 11.2.3 Hämolytischer/nicht-hämolytischer
Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Zwischenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
8.1.9 Auditive Wahrnehmung und 11.3 Instrumentelle Harnableitung . . . . 176
Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 11.3.1 Transurethraler Blasenkatheter . . . . 176
8.1.10 Visuelle Wahrnehmung und 11.3.2 Suprapubischer Blasenkatheter . . . . 178
Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 11.3.3 Splint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
8.1.11 Autostimulation . . . . . . . . . . . . . . . 114 11.3.4 Urostoma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Inhaltsverzeichnis XIII

11.4 Zentralvenöse Katheter . . . . . . . . . 181 13.2.4 Zwerchfellhernie . . . . . . . . . . . . . . 237


11.4.1 Zentraler Venenkatheter . . . . . . . . . 181 13.2.5 Bronchopulmonale Dysplasie . . . . . 239
11.4.2 Nabelvenenkatheter . . . . . . . . . . . . 183 13.3 Kardiorespiratorische
11.4.3 Einschwemmkatheter . . . . . . . . . . . 183 Anpassungsstörungen . . . . . . . . . 240
11.5 Arterienkatheter . . . . . . . . . . . . . . 184 13.3.1 Persistierende pulmonale Hyper-
11.6 Implantierte venöse tension des Neugeborenen . . . . . . . 240
Dauerkatheter . . . . . . . . . . . . . . . . 186 13.3.2 Persistierender Ductus arteriosus
11.6.1 Partiell implantierte venöse ­ Botalli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
Dauerkatheter (Broviac/Hickman/ 13.4 Weitere Atemwegs-
­Permcath-Katheter) . . . . . . . . . . . . 186 erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . 243
11.6.2 Vollständig implantierte venöse 13.4.1 Status asthmaticus . . . . . . . . . . . . . 243
­Dauerkatheter . . . . . . . . . . . . . . . . 186 13.4.2 Cor pulmonale . . . . . . . . . . . . . . . . 244
11.7 Wundversorgung in der 13.4.3 Lungenkontusion . . . . . . . . . . . . . . 245
neonatologischen und pädiatrischen 13.4.4 Adult respiratory distress
Intensivpflege . . . . . . . . . . . . . . . . 188 syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
11.7.1 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . 188 13.4.5 Lungenödem . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
11.7.2 Spüllösungen und Antiseptika . . . . . 188 13.4.6 Aspiration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
11.7.3 Septische und aseptische 13.4.7 Pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Verbandswechsel . . . . . . . . . . . . . . 190 13.4.8 Pneumothorax . . . . . . . . . . . . . . . . 249
11.7.4 Materialkunde . . . . . . . . . . . . . . . . 190 13.5 Lungentransplantation . . . . . . . . . 250
11.7.5 Verbandtechniken . . . . . . . . . . . . . 192 13.5.1 Betreuung nach einer
11.7.6 Verbandempfehlungen . . . . . . . . . . 195 Lungentransplantation . . . . . . . . . . 251
11.8 Stomapflege . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 13.5.2 Immunsuppression . . . . . . . . . . . . . 254
13.5.3 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . 255
12 Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 13.6 Pflege eines ECMO-Patienten . . . . 256
12.1 Endotracheale Intubation . . . . . . . 203
12.1.1 Intubationsmaterial . . . . . . . . . . . . 203 14 Pflege bei kardiologischen
12.1.2 Ablauf und Assistenz bei und kardiovaskulären
der Intubation . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 261
12.1.3 Pflege des beatmeten Kindes . . . . . 208 14.1 Angeborene Herzfehler . . . . . . . . . 261
12.1.4 Beatmungsmuster . . . . . . . . . . . . . 215 14.1.1 Ductusabhängige Herzfehler . . . . . . 261
12.1.5 Entwöhnung vom Respirator . . . . . 224 14.1.2 Hypoxämischer Anfall bei
12.1.6 Trachealkanülen . . . . . . . . . . . . . . . 226 Fallot-Tetralogie . . . . . . . . . . . . . . . 262
14.1.3 Kardiomyopathien . . . . . . . . . . . . . 263
13 Pflege bei respiratorischen 14.2 Infektionserkrankungen des
Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 231 Herzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
13.1 Physikalische 14.2.1 Endokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
Atemunterstützung . . . . . . . . . . . . 231 14.2.2 Myokarditis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
13.1.1 Inhalationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 14.3 Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . 266
13.1.2 Sauerstofftherapie . . . . . . . . . . . . . 232 14.4 Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . 268
13.2 Neonatale 14.4.1 Kardioversion . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
Lungenerkrankungen . . . . . . . . . . 234 14.4.2 Extrasystolen . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
13.2.1 Infant respiratory distress 14.4.3 Tachykarde
syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . 270
13.2.2 Mekoniumaspiration . . . . . . . . . . . 236 14.4.4 Bradykarde
13.2.3 Wet-lung-syndrome . . . . . . . . . . . . 237 Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . 273
XIV Inhaltsverzeichnis

14.5 Herzschrittmachertherapie . . . . . . 274 16 Pflege bei nephrologisch-urolo-


14.5.1 Anschluss des gischen Erkrankungen . . . . . . . . 317
Herzschrittmachers . . . . . . . . . . . . . 275 16.1 Nierenersatztherapie . . . . . . . . . . . 317
14.5.2 Pflegerische Besonderheiten . . . . . . 276 16.2 Nierenerkrankungen . . . . . . . . . . . 322
14.6 Herzkatheteruntersu­chungen . . . . 277 16.2.1 Hämolytisch-urämisches Syndrom . . 322
14.7 Operationen mit und ohne 16.2.2 Nierenversagen . . . . . . . . . . . . . . . 322
Herz-Lungen-Maschine . . . . . . . . . 278 16.3 Nierentransplantation . . . . . . . . . . 324
14.7.1 Vorbereitung der postoperativen
Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 17 Pflege bei gastrointestinalen
14.7.2 Postoperative Maßnahmen . . . . . . . 280 Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 327
14.7.3 Kardiochirurgische Interventionen 17.1 Angeborene Fehlbildungen . . . . . . 327
ohne Herz-Lungen- 17.1.1 Ösophagusatresie . . . . . . . . . . . . . 327
Maschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 17.1.2 Duodenal- und
14.7.4 Kardiochirurgische Interventionen Dünndarmatresie . . . . . . . . . . . . . . 329
mit Herz-Lungen- 17.1.3 Omphalozele und Gastroschisis . . . 330
Maschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 17.1.4 Gallengangsfehlbildungen . . . . . . . 333
14.7.5 Fontan-Operation/totale 17.2 Erkrankungen beim Früh- und
cavopulmonale Anastomose Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . 334
(Glenn-Anastomose) . . . . . . . . . . . 287 17.2.1 Hypoglykämie des
14.7.6 Pulmonalhypertensive Krise . . . . . . 288 Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 334
14.7.7 Offener Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . 290 17.2.2 Nekrotisierende Enterokolitis . . . . . 334
14.8 Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 17.3 Weitere gastrointestinale
14.8.1 Kardiogener Schock . . . . . . . . . . . . 291 Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . 335
14.8.2 Hypovolämischer Schock . . . . . . . . 291 17.3.1 Lebererkrankungen . . . . . . . . . . . . 335
14.8.3 Septischer Schock . . . . . . . . . . . . . . 292 17.3.2 Akutes Abdomen . . . . . . . . . . . . . . 339
14.8.4 Anaphylaktischer Schock . . . . . . . . 292 17.3.3 Diabetisches Koma . . . . . . . . . . . . . 341
14.9 Chylothorax . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
14.10 Herztransplantation . . . . . . . . . . . 295 18 Pflege bei hämatologischen
Erkrankungen und systemischen
15 Pflege bei neurologischen Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 301 18.1 Erkrankungen beim Früh- und
15.1 Beobachtungsparameter . . . . . . . . 301 Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . . 343
15.2 Allgemeine Maßnahmen der 18.1.1 Hyperbilirubinämie . . . . . . . . . . . . . 343
neurologischen 18.1.2 Hydrops fetalis . . . . . . . . . . . . . . . . 344
Intensivpflege . . . . . . . . . . . . . . . . 304 18.2 Weitere Erkrankungen . . . . . . . . . 346
15.3 Neurologische Krankheiten 18.2.1 Disseminierte intravasale
und pflegerische Gerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . 306 18.2.2 Sepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
15.3.1 Meningomyelozele . . . . . . . . . . . . . 306 18.2.3 Meningokokkensepsis . . . . . . . . . . 348
15.3.2 Hirnblutungen . . . . . . . . . . . . . . . . 308 18.2.4 HIV-Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
15.3.3 Schädel-Hirn-Trauma . . . . . . . . . . . 310
15.3.4 Wachkoma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 19 Unfälle im Kindesalter . . . . . . . . 351
15.3.5 Hydrocephalus . . . . . . . . . . . . . . . . 313 19.1 Thermische Verletzungen . . . . . . . 351
15.3.6 Meningitis und 19.1.1 Ursachen, Einschätzung,
Enzephalitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Komplikationen, Zentren . . . . . . . . 351
15.3.7 Status epilepticus . . . . . . . . . . . . . . 315 19.1.2 Aufnahme des Patienten . . . . . . . . 355
Inhaltsverzeichnis XV

19.1.3 Krankenbeobachtung und 21.2 Berufliche Schweigepflicht . . . . . . 390


Körperpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 21.3 Dokumentationspflicht . . . . . . . . . 391
19.1.4 Verbandswechsel . . . . . . . . . . . . . . 359 21.4 Transplantationsgesetz . . . . . . . . . 392
19.1.5 Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 21.4.1 Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
19.1.6 Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 21.4.2 Entnahme und Übertragung von
19.1.7 Psychosoziale Aspekte . . . . . . . . . . 364 Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
19.2 Ertrinkungsunfall . . . . . . . . . . . . . 365 21.5 Transfusionsgesetz . . . . . . . . . . . . 393
19.3 Ingestionen und Intoxikationen . . 368 21.5.1 Anwendung von Blutprodukten . . . 393
19.3.1 Anamnese und 21.5.2 Dokumentationspflicht . . . . . . . . . . 394
Sofortmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . 368
19.3.2 Induziertes Erbrechen . . . . . . . . . . . 370 22 Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . 395
19.3.3 Magenspülung . . . . . . . . . . . . . . . . 371 22.1 Pulmonal wirksame
19.3.4 Giftnotrufzentralen . . . . . . . . . . . . . 372 Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . 395
19.3.5 Umgang mit suizidalen Patienten . . 373 22.2 Herz-Kreislauf-Medikamente . . . . 396
19.3.6 Antidotbehandlung . . . . . . . . . . . . 373 22.3 Sedativa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
22.4 Analgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
20 Notfall/Reanimation . . . . . . . . . 375 22.5 Relaxanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
20.1 Basismaßnahmen . . . . . . . . . . . . . 376 22.6 Diuretika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
20.1.1 Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
22.7 Medikamente zur Reanimation . . . 404
20.1.2 Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
22.8 Homöopathie . . . . . . . . . . . . . . . . 405
20.1.3 Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
20.2 Erweiterte
23 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
Reanimationsmaßnahmen . . . . . . 379
Normalwerte für
20.2.1 Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Laboruntersuchungen . . . . . . . . . . 409
20.2.2 Elektrotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 382
Klinische Chemie . . . . . . . . . . . . . . 410
20.2.3 Weiterführende Intensivtherapie . . . 384
20.3 Reanimation von Neugeborenen
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
und Säuglingen . . . . . . . . . . . . . . . 385
20.4 Notfallkoffer/-wagen/-rucksack . . . 386

21 Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . 389


21.1 Medizinproduktegesetz und
Medizinprodukte-
Betreiberverordnung . . . . . . . . . . . 389
21.1.1 Medizinproduktegesetz . . . . . . . . . 389
21.1.2 Medizinprodukte-
Betreiberverordnung . . . . . . . . . . . 389
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KAPITEL

1
Diana Löscher, Christiane Rohrbach

Ethische Aspekte in der


Intensivpflege

DEFINITIONEN
Ethik (griech.: ta ethika): „Die Sittenlehre“ (des Aristote- Das Wertesystem und die innere Haltung der Menschen
les); Disziplin der Philosophie; Wissenschaft vom morali- entwickeln sich innerhalb einer Kultur bzw. Gesellschaft
schen Handeln. und unterliegen einem stetigen Wandel. Was z. B. vor
200 Jahren noch „gute Sitte“ war, kann heute sittenwid-
rig sein.
Ethik sucht im Sinne des sittlich richtigen Handelns
eine Antwort auf die Frage: „Was sollen wir tun?“ Ethische Werte sind nicht naturgegeben, sondern
Ethisches Verhalten besteht somit aus der Verwirk- erschließen sich durch Sozialisation. Ohne dass es
lichung ethischer Werte. Diese Werte (z. B. Wert des dem Einzelnen bewusst sein muss, bestimmen die
Lebens, Willensfreiheit, Gerechtigkeit, Nächstenlie- kulturell verankerten Werte sein Handeln. Sie ord-
be, Weisheit, Tapferkeit, Selbstbeherrschung, Wahr- nen sich im Sinne einer Wertepyramide selbst. Die
haftigkeit, Treue, Vertrauen, Glaube) sind Werte der unbewusst verwirklichten Vitalwerte bilden die Ba-
inneren Haltung und des erstrebten sittlichen Ver- sis dieser Pyramide (z. B. Lebenswille, Nahrungs-
haltens in verschiedenen Lebenssituationen. Diese trieb, Geschlechtstrieb), an der Spitze der Pyramide
Maximen der Lebensführung leiten sich aus der findet sich der denkbar höchste Wert.
Verantwortung gegenüber anderen ab. Die für die Bundesrepublik Deutschland gültigen
Menschen beachten die Regeln und Normen sitt- ethischen Werte sind zum einen im Grundgesetz
lichen Verhaltens nicht nur deshalb, weil sie per Ge- verankert, zum anderen gründen sie auf der christli-
setz durchgesetzt werden können und bei Nichtein- chen Ethik, die Gottes Gebote anerkennt (exempla-
haltung Sanktionen drohen, sondern weil sie diese risch festgehalten durch die „Zehn Gebote“ und das
Regeln aus Überzeugung für gut und richtig erach- Wirken Jesu).
ten. Diese Erkenntnis kann nur die handelnde Per- In der Präambel zur Rahmen-Berufsordnung für
son selbst für sich erlangen. Nur aus dieser Erkennt- professionell Pflegende heißt es: „Die ethischen
nis heraus übernimmt sie Verantwortung für ihr Grundsätze der professionell Pflegenden basieren
Tun. auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch-
Als vernunftbegabtes Wesen hat der Mensch die land, das die Unantastbarkeit der Würde des Men-
Möglichkeit, sich bewusst (in Freiheit) für oder ge- schen festlegt.“ [1]
gen etwas zu entscheiden. Eine Entscheidung be- Häufig entzündet sich die Diskussion über ethi-
wusst treffen, das bedeutet aber auch, die Verant- sche Standpunkte an großen Themen, z. B. Hirntod,
wortung dafür zu übernehmen. Die persönliche Organtransplantation, Gentechnik, Bioethik. Für die
Freiheit zur Entscheidung ist sowohl eine Möglich- Praxis sind jedoch die alltäglichen Probleme ent-
keit als auch eine Pflicht, der sich der Mensch nicht scheidender. Jeder Mensch kennt sie aus eigenem
entziehen kann. Die Verantwortung ist das wichtigs- Erleben: „Die Einbrüche in die Privatheit des Patien-
te Zeichen ethischen Verhaltens. ten, die Halbwahrheiten und Lügen, die gebroche-
Im Gegensatz zur Rechtsprechung und den Geset- nen Versprechen, die großen und kleinen Freiheits-
zen, die lediglich regionale Geltung haben, gilt die beraubungen, der Mangel an Respekt, die Verletzung
Ethik grenzüberschreitend. Gesetze dienen der Ver- menschlicher Würde, die unangemessene Machtaus-
stärkung ethischer Auffassungen innerhalb eines übung, die verbalen und physischen Gewalttätigkei-
Staates oder einer Staatengemeinschaft. ten, das Mitansehen und Dabeistehen und das Weg-
2 1  Ethische Aspekte in der Intensivpflege

schauen, die Vertrauenseinbrüche, das Fehlerma- Im Jahr 2005 überarbeitete der Verband den Kodex
chen, die Gehorsamkeit aus Bequemlichkeit“. [2] erneut und verabschiedete ihn in der aktualisierten
Form (› Tab. 1.1). In der Präambel heißt es: „Un-
1 trennbar von Pflege ist die Achtung der Menschen-
rechte, einschließlich des Rechts auf Leben, auf
1.1  Berufsethik Würde und auf respektvolle Behandlung. Pflege
wird mit Respekt und ohne Wertung des Alters, der
Hautfarbe, des Glaubens, der Kultur, einer Behinde-
Patienten, die der intensivpflegerischen und inten- rung oder Krankheit, des Geschlechts, der sexuellen
sivmedizinischen Betreuung bedürfen, sind in be- Orientierung, der Nationalität, der politischen Ein-
sonderem Maße abhängig von einer verantwor- stellung, der ethnischen Zugehörigkeit oder des so-
tungsvollen Versorgung, die ethischen Grundsätzen zialen Status ausgeübt.“ [3]
verpflichtet ist. Sie sind aufgrund ihrer Erkrankung Dem ICN gehören 122 nationale Berufsverbände
oder ihres Alters häufig nicht in der Lage, die Ver- an, in denen weltweit Millionen Pflegende zusam-
antwortung für sich selbst zu übernehmen und ihre mengeschlossen sind. Deutschland ist in dieser Or-
Bedürfnisse oder Ängste auszudrücken. In der neo- ganisation durch den Deutschen Berufsverband für
natologischen und pädiatrischen Intensivpflege Pflegeberufe (DBfK) vertreten.
übernehmen meist die Eltern zunächst die Verant-
wortung für ihr Kind. Aufgrund der Erkrankung und
der daraus resultierenden Situation existenzieller 1.1.2  Ethik-Kodex der DGF
Bedrohung, ist es ihnen aber nur bedingt möglich,
diese Verantwortung in Akutsituationen vollständig Die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege
zu tragen. Sie sind auf Hilfe und Unterstützung des (DGF) hat in Anlehnung an die ethischen Prinzipien
therapeutischen Teams angewiesen. Vorübergehend des Philosophen Immanuel Kant Regeln für Intensiv-
übernimmt das Intensivpersonal in bestimmten Si- pflegende erarbeitet. Diese Regeln sollen als Grundla-
tuationen die Verantwortung und unterstützt da- ge für moralisches Handeln in der Intensivpflege die-
durch den Patienten und seine Angehörigen. nen. Gleichzeitig stellt dieser Ethik-Kodex das berufli-
Die Ethik-Kodices des Weltbundes der Kranken- che Selbstverständnis dar und untermauert die Auto-
schwestern und Krankenpfleger (International nomie der Intensivpflege. Auch der Ethik-Kodex der
Council of Nurses, ICN) und der Deutschen Fachge- DGF weist darauf hin, dass „Menschen in ihrer Ganz-
sellschaft für Intensivpflege (DGF) formulieren die heit aus physischen, psychischen und spirituellen Be-
Bedingungen für diese spezielle Aufgabe professio- dürfnissen sowie in ihren sozialen und kulturellen Be-
nell Pflegender. In ihnen sind allgemeine Grundsät- zügen lebend, betrachtet (werden). Sie erfahren Res-
ze und Verhaltensregeln festgelegt, die für Pflegende pekt, Zuwendung und Anteilnahme, unabhängig von
bindend sind. Sie stellen zweifelsfrei klar, dass Pfle- Alter, Geschlecht, nationaler der sozialer Herkunft,
gende die Verantwortung für ihr Handeln tragen. Hautfarbe, Religion oder politischen Anschauung.“ [4]

Ethische Entscheidungen können dem Einzelnen nicht


abgenommen werden.
1.2  Klinisches Ethik-Komitee

1.1.1  Ethik-Kodex des ICN Ethische Entscheidungen werden aufgrund der Ent-
wicklung in Medizin und Pflege immer vielfältiger.
Der Weltbund der Krankenschwestern und Kran- Ethik hängt zwar letzten Endes an den Entscheidun-
kenpfleger (International Council of Nurses, ICN) gen und Überzeugungen der Einzelnen, aber da
hat 1953 zum ersten Mal einen internationalen Menschen gemeinsam in Institutionen leben und ar-
Ethik-Kodex für professionell Pflegende aufgestellt. beiten, sollten ethische Entscheidungen von einer
1.2  Klinisches Ethik-Komitee 3

Tab. 1.1  Der ICN (International Council of Nurses) verabschiedete im Jahr 2005 diese überarbeitete Fassung des
Ethik-Kodex. (deutsche Übersetzung 2010)
Der ICN Ethik-Kodex für Pflegende enthält 4 Grundelemente, die den Standard ethischer Verhaltenswei-
se bestimmen. 1
1. Pflegende und ihre Mitmenschen
Die grundlegende berufliche Verantwortung der Pflegenden gilt dem pflegebedürftigen Menschen.
Bei ihrer beruflichen Tätigkeit fördert die Pflegende1 ein Umfeld, in dem die Menschenrechte, die Wertvorstellungen, die
Sitten und Gewohnheiten sowie der Glaube des Einzelnen, der Familie und der sozialen Gemeinschaft respektiert werden.
Die Pflegende gewährleistet, dass der Pflegebedürftige ausreichende Informationen erhält, auf die er seine Zustimmung
zu seiner pflegerischen Versorgung und Behandlung gründen kann. Die Pflegende behandelt jede persönliche Informati-
on vertraulich und geht verantwortungsvoll mit der Informationsweitergabe um.
Die Pflegende teilt mit der Gesellschaft die Verantwortung, Maßnahmen zugunsten der gesundheitlichen und sozialen
Bedürfnisse der Bevölkerung, besonders der von benachteiligten Gruppen, zu veranlassen und zu unterstützen. Die Pfle-
gende ist auch mitverantwortlich für die Erhaltung und den Schutz der natürlichen Umwelt vor Ausbeutung, Verschmut-
zung, Missachtung und Zerstörung.
2. Pflegende und die Berufsausübung
Die Pflegende ist persönlich verantwortlich und rechenschaftspflichtig für die Ausübung der Pflege, sowie für die Wah-
rung ihrer fachlichen Kompetenz durch kontinuierliche Fortbildung.
Die Pflegende achtet auf ihre eigene Gesundheit, um ihre Fähigkeit zur Berufsausübung nicht zu beeinträchtigen.
Die Pflegende beurteilt die individuellen Fachkompetenzen, wenn sie Verantwortung delegiert.
Die Pflegende achtet in ihrem persönlichen Verhalten jederzeit darauf, das Ansehen des Berufes hochzuhalten und das
Vertrauen der Bevölkerung in die Pflege zu stärken.
Die Pflegende gewährleistet bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit, dass der Einsatz von Technologie und die Anwen-
dung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse vereinbar sind mit der Sicherheit, der Würde und den Rechten der Menschen.
3. Pflegende und die Profession
Die Pflegende übernimmt die Hauptrolle bei der Festlegung und Umsetzung von Standards für die Pflegepraxis, das Pfle-
gemanagement, die Pflegeforschung und Pflegebildung.
Die Pflegende beteiligt sich an der Entwicklung beruflicher Kenntnisse, die auf Forschungsergebnissen basieren.
Über ihren Berufsverband setzt sich die Pflegende dafür ein, dass sichere, gerechte soziale und wirtschaftliche Arbeits-
bedingungen in der Pflege geschaffen und erhalten werden.
4. Pflegende und ihre Kolleginnen
Die Pflegende sorgt für eine gute Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen aus der Pflege und mit den Mitarbeitenden an-
derer Bereiche.
Die Pflegende greift zum Schutz des Einzelnen, der Familie und der sozialen Gemeinschaft ein, wenn deren Wohl durch
eine Pflegende oder eine andere Person gefährdet ist.
1
Zugunsten der besseren Lesbarkeit wurde im Text durchgehend die weibliche Form verwendet

Tab. 1.2  Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege (DGF).


Intensivpflegende und die Bevölkerung
Die/der Intensivpflegende ist primär den Menschen gegenüber verantwortlich, die Intensivpflege benötigen. Bei der Aus-
führung der Pflege fördert sie/er eine Umgehung, in der Wertvorstellungen, Gewohnheiten und Glauben der Einzelnen
berücksichtigt werden.
Die/der Intensivpflegende erkennt das Recht der Patienten auf Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstfürsorge
sowie deren individuelle Bedürfnisse an und begegnet ihnen mit Anteilnahme, Offenheit und Ernsthaftigkeit.
Die/der Intensivpflegende verteidigt das Recht der Patienten auf Privatsphäre, u. a. durch den Schutz vertraulicher Daten
gegenüber Personen, die diese Informationen nicht zur Behandlung benötigen, es sei denn, dass eine gerichtliche An-
ordnung dies erforderlich macht.
4 1  Ethische Aspekte in der Intensivpflege

Tab. 1.2  Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege (DGF). (Forts.)
Intensivpflegende und die Bevölkerung
Die/der Intensivpflegende erhält die persönliche Integrität der Patienten aufrecht, achtet auf die Einhaltung der Würde
1 des Menschen, beschützt Patienten vor unethischen oder illegalen Handlungen und ist bestrebt, diese berufliche Freiheit
in der Praxis zu etablieren.
Die/der Intensivpflegende vermeidet jeden Missbrauch durch die besondere Beziehung zu Patienten und des Zugangs zu
deren Eigentum und verweigert jedes angebotene Geschenk, welches als Beeinflussung zu bevorzugter Behandlung in-
terpretiert werden könnte.
Intensivpflegende und die Praxis
Die/der Intensivpflegende versorgt ihren/seinen Dienst mit Respekt vor der menschlichen Würde und der Einzigartigkeit
der Patienten, ohne von deren sozialen oder ökonomischen Status, persönlichen Eigenschaften oder des Wesens der Ge-
sundheitsprobleme beeinflusst zu sein.
Die/der Intensivpflegende zeigt einen kontinuierlich hohen Grad an Kompetenz. Kompetenz ist eine Mischung aus indivi-
duellem, professionellem Wissen, Urteilsvermögen, Wertvorstellungen und technischen sowie zwischenmenschlichen Fä-
higkeiten.
Die/der Intensivpflegende ist verpflichtet und verantwortlich für individuelle, professionelle Urteile und Handlungen, sie/
er ist der Advokat für die Rechte der Patienten. Sie/er achtet auf die Einhaltung ethischer Prinzipien hinsichtlich Pflege,
Diagnostik. Behandlung und Forschung.
Die/der Intensivpflegende erkennt Grenzen ihrer/seiner Kompetenz und weist in solchen Situationen die Übernahme von
Tätigkeiten zurück, solange sie/er nicht eingewiesen und als kompetent beurteilt worden ist, um den Patienten vor Scha-
den zu schützen.
Die/der Intensivpflegende informiert die zuständige Person oder Institution über jede Situation, in welcher der Patient
durch die Umgebung der Intensivpflege oder inadäquate Ressourcen gefährdet ist, oder die gegen die Sicherheitsstan-
dards spricht.
Intensivpflege und die Gesellschaft
Die/der Intensivpflegende nimmt an den Bemühungen der Profession teil, die Öffentlichkeit vor Fehlinformation oder
Fehlrepräsentation zu schützen und erhält so die Integrität des Berufsbildes.
Die/der Intensivpflegende unterstützt zusammen mit anderen Gruppen im Gesundheitswesen oder in der Kommune die
Gesundheitsbedürfnisse in der Öffentlichkeit.
Die/der Intensivpflegende vermeidet es, ihre/seine Qualifikation einseitig zur Förderung von Produkten einzusetzen, um
die Unabhängigkeit professioneller Beurteilung nicht zu beeinträchtigen.
Intensivpflegende und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die/der Intensivpflegende erhält kooperative Beziehungen zwischen Intensivpflegenden, Intensivmedizinern und anderen
Angehörigen der Berufe im Gesundheitswesen, Krankenhäusern und Einrichtungen, die Interesse für Intensivpflege re-
präsentieren, aufrecht.
Die/der Intensivpflegende behandelt Kolleginnen und Kollegen mit Gerechtigkeit, Einheitlichkeit, Glaubwürdigkeit, Ehrlich-
keit, Verlässlichkeit und Aufrichtigkeit und trägt individuell dazu bei, die Kollegialität im Gesundheitswesen zu verbessern.
Die/der Intensivpflegende gibt Wissen, Erfahrungen und Fachautorität an Kolleginnen und Kollegen weiter, um die pro-
fessionelle Kompetenz entsprechend der Bedürfnisse weiter zu entwickeln.
Intensivpflege und die Profession
Die/der Intensivpflegende spielt eine maßgebende Rolle bei der Bestimmung und Verwirklichung wünschenswerter Stan-
dards für die Intensivpflegepraxis und -weiterbildung.
Die/der Intensivpflegende nimmt an Aktivitäten teil, die zur weiterführenden Entwicklung des beruflichen Fachwissens
beitragen.
Die/der Intensivpflegende bemüht sich, den Berufsstand zu etablieren und Arbeitsbedingungen zu unterstützen, die ei-
ner qualitativ hochwertigen Intensivpflege dienlich sind.
Die/der Intensivpflegende informiert die zuständige Person oder Institution über jede gewissenhafte Beobachtung, die
für die professionelle Praxis relevant ist.
1.3  Selbstbestimmungsrecht/Patientenautonomie 5

gemeinsamen Überzeugung getragen sein. Das kli- Aufgaben eines Ethik-Komitees können sein:
nische Ethik-Komitee (KEK) setzt sich aus den im • ethische Leitbilder und Leitlinien für das gesamte
Krankenhaus Tätigen sowie Berufsgruppen zusam- Krankenhaus erstellen
men, die mit medizinischen und pflegerischen Fra- • Richtlinien in ethischen Fragen für häufig wie- 1
gen befasst sind. In dem Gremium sind Vertreter derkehrende Behandlungsentscheidungen erar-
verschiedener hierarchischer Ebenen der Berufs- beiten
gruppen vertreten. • grundsätzliche Orientierungen in speziellen ethi-
Das KEK ist formaljuristisch durch den Kranken- schen Fragen erstellen
hausträger einzusetzen und seine Mitglieder sind • Bearbeitung ethisch und rechtlich relevanter In-
von ihm zu berufen. Es bedarf einer Satzung bzw. formationen für alle Mitarbeiter des Kranken-
Geschäftsordnung, die von dem Gremium selbst un- hauses
ter juristischer Beratung zu erarbeiten ist und dann • Bekanntmachung der erarbeiteten ethischen Ori-
vom Krankenhausträger in Kraft gesetzt wird. entierungen
Die Aufgaben eines Ethik-Komitees sind weit zu • Fortbildungen in ethischer Urteilsbildung
fassen. Grundsätzlich können alle im Krankenhaus
auftretenden ethischen Probleme im KEK bespro-
chen werden, nicht nur Fragen des Wohlergehens
von Patienten. 1.3  Selbstbestimmungsrecht/
Das KEK wird in der Regel auf Anfrage und bera- Patientenautonomie
tend tätig. Es kann aber auch von sich aus die Initia-
tive ergreifen. Grundsätzlich kann das KEK von al-
len Mitarbeitern des Hauses, aber auch von Patien- Jeder Mensch besitzt das unantastbare Recht auf in-
ten, ihren Angehörigen, Bevollmächtigten und Be- dividuelle Wertvorstellungen, Wünsche und Ziele.
treuern angerufen werden. Pflegende respektieren dies, indem sie die Patienten
Ethisch relevante Probleme können z. B. sein: als rational denkende Individuen wahrnehmen. Da-
• Fortsetzung der Behandlung Sterbender zu gehört, dass sie Wünsche, Entscheidungen und
• Aufrechterhaltung der Lebensfunktion von ko- Prioritäten der Patienten als Maßgaben in ihre Be-
matösen Patienten, bei denen keine Aussicht auf treuung einbeziehen. Die Voraussetzung für freie
Besserung besteht Willensbildung ist ein Umfeld, das es den Patienten
• Reanimation oder Unterlassen der Reanimation ermöglicht, Entscheidungen ohne Zwang zu treffen.
ohne Kenntnis des Willens des Betroffenen Dieses Umfeld zu schaffen – besonders in Anbe-
• Abbruch einer Behandlung tracht einer existenziell bedrohlichen Erkrankung
• erzwungene Unehrlichkeit in Bezug auf die Prog- und mit notwendigen intensivtherapeutischer Inter-
nose bei Sterbenden, beispielsweise wenn sich El- ventionen – ist Aufgabe des therapeutischen Teams.
tern nicht wünschen, dass ihrem Kind die Dia­ Allein die Umgebung einer Intensivstation ist für
gnose und Prognose mitgeteilt wird. Es kann sich die meisten Patienten und deren Angehörige furcht-
auch um Zwänge innerhalb des therapeutischen erregend und kann sie in ihren Entscheidungen be-
Teams handeln, wenn z. B. Unstimmigkeiten be- einflussen. Gerade auf einer Intensivstation ist es die
züglich eines günstigen Zeitpunktes zur Progno- Aufgabe des Personals, Patienten und Angehörigen
sebesprechung mit den Angehörigen innerhalb Sicherheit zu vermitteln und ihre Autonomie zu för-
des Teams bestehen dern, zu schützen und evtl. wiederherzustellen. Um
• Verabreichung von Medikamenten unter Zwang selbstständig Entscheidungen treffen zu können, ist
Letztlich trägt der behandelnde Facharzt ethisch neben einer Sicherheit vermittelnden Umgebung
und juristisch die Verantwortung für die Entschei- auch unabdingbar, dass der Patient ausreichende In-
dungen, die Grundlage der medizinischen Behand- formationen in für ihn verständlicher Form erhält.
lungen sind. Deshalb kann das KEK nur eine bera- Leider fällt es dem Krankenhauspersonal oft schwer,
tende Funktion wahrnehmen. Seine Entscheidungen diese Patientenautonomie zu respektieren. Das Ver-
sind als Empfehlungen zu verstehen. hältnis zwischen dem therapeutischen Team und
6 1  Ethische Aspekte in der Intensivpflege

dem Patienten ist nicht selten von erheblicher Ab- LITERATUR


  1 Deutscher Pflegerat e. V. (Hrsg.): Rahmen-Berufsord-
hängigkeit gekennzeichnet. nung für professionell Pflegende. Berlin, 2004.
Besonders schwierig ist es, festzulegen, wer das   2 Schröck, R.: Zum moralischen Handeln in der Pflege, in:
1 Recht hat, Entscheidungen für einen schwerstkran- Pflege 8; S. 315–323, Kohlhammer Verlag, Stuttgart,
ken, pflegeabhängigen Patienten zu treffen. Unklar 1995.
ist häufig auch, auf welcher Grundlage diese Ent-   3 ICN: Ethik-Kodex für Pflegende, 2004. www.icn.ch
(letzter Zugriff: 20.12.2011)
scheidungen zu treffen sind.   4 Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege (Hrsg.):
Eltern haben bis zur Volljährigkeit der Kinder ein Ethische Regeln der Intensivpflegenden (Ethik Kodex,
umfassendes Sorgerecht und damit die Befugnis zur verabschiedet Frühjahr 1995) www.dgf-online.de/
Entscheidung und Vertretung in allen Angelegen- ethik-kodex (letzter Zugriff: 20.12.2011)
heiten. Unter dem Eindruck der schweren Erkran-   5 „Arbeitsgemeinschaft für Medizinische Ethik im Kran-
kenhaus“ des Konvents der Krankenhauseelsorger/in-
kung eines Kindes sind den Eltern verantwortungs- nen der „Evangelischen Kirche im Rheinland“: Klini-
volle Entscheidungen nur möglich, wenn die schon sches „Ethik-Komitee“ und „ethisches Konsil“ im
genannten Umstände zutreffen. Der Gesetzgeber hat Krankenhaus – Empfehlungen zur Einrichtung und Ar-
mit der rechtlichen Bindung an eine vorhandene Pa- beitsweise.
tientenverfügung nochmals die Bedeutung des   6 Dörpinghaus, S.; Rohrbach, C.; Schröter, B.: Ausbildung
in Situationen existentieller Bedrohung. Theoretische
Selbstbestimmungsrechts der Patienten unterstri- Analyse und Ergebnisse einer empirischen Studie. Ma-
chen. Prinzipiell können auch Kinder und Jugendli- buse Verlag, Frankfurt a. Main, 2002.
che eine Patientenverfügung verfassen, sofern sie   7 Jox, R. J. et al: Patientenverfügungen in der Pädiatrie,
einwilligungsfähig sind. Die Einwilligungsfähigkeit erschienen in Monatsschrift Kinderheilkunde, 12/2007,
ist im Gegensatz zur Geschäftsfähigkeit nicht an Al- Springer Verlag, Heidelberg.
  8 Millar, B.; Burnard, P. (Hrsg.): Intensivpflege – High-
tersgrenzen gebunden. Untersuchungen zeigen die tough und High-tech. Psychosoziale, ethische und pfle-
zunehmende Bedeutung der Patientenverfügungen georganisatorische Aspekte. Hans-Huber-Verlag, Bern,
in der Pädiatrie. 2002.
  9 Schischkoff, G.: Philosophisches Wörterbuch. Alfred-
Kröner-Verlag, Stuttgart, 1991.
10 Zegelin, A. (Hrsg.): Sprache und Pflege. Ullstein-Mosby-
Verlag, Berlin, 1997.
KAPITEL

2 Hygiene
2.1  Standardhygiene­ • Kontakt mit invasiv einzusetzenden Medizinpro-
maßnahmen dukten bzw. Arzneimitteln (z. B. Katheter, Vorbe-
Anja Messall reitung einer i. v.-Medikation)
• Kontakt mit nicht intakter Haut (z. B. Verbände,
Injektionen)
Die Standardhygiene schließt alle Maßnahmen ein, • Schleimhautkontakt (Augentropfen, Mundpflege,
die bei der Versorgung jedes Patienten zu berück- Absaugen)
sichtigen sind. Sie sind bei allen Patienten erforder- 3. Unmittelbar nach Kontakt zu potenziell infekti-
lich; nicht nur, wenn eine Besiedelung mit multire- ösem Material, z. B.:
sistenten Erregern nachgewiesen ist. • Schleimhaut (Mundpflege, Absaugen)
• nicht intakte Haut (Verbände)
Die zur Desinfektion geeigneten Wirkstoffe sind in klinik- • invasiv einzusetzenden Medizinprodukten (Blut-
spezifischen Hygieneplänen festgelegt. Aus diesem entnahme über Katheter, Wechsel von Sekretbeu-
Grund verzichtet dieses Werk auf die Nennung von Wirk- tel, Absaugen)
stoffen oder Handelsnamen. Eine Liste der gängigen Des- • Blut, Urin, Stuhl, Erbrochenes, andere Körperse-
infektionsmittel, ihrer erforderlichen Konzentration und krete
Einwirkzeit ist beim RKI zu finden. [1] 4. Nach Patientenkontakt, z. B.:
• Waschen
Händehygiene • klinische Tätigkeiten wie Puls/Blutdruckmes-
Die Händehygiene ist die wichtigste Grundlage der sung, Auskultieren, Palpieren
Prävention nosokomialer Infektionen. • nach dem Ausziehen der Handschuhe
5. Nach Verlassen der unmittelbaren Patienten-
Durchführung umgebung, ohne direkten Kontakt zum Patien-
• ausreichende Menge Händedesinfektionsmittel ten gehabt zu haben, z. B.:
in die trockenen Hände geben • direkter Kontakt mit Bett, Spritzenpumpen, Mo-
• Flüssigkeit gründlich verreiben, bis die Hände nitoren am Bettplatz, Beatmungsgerät
trocken sind • direkter Kontakt mit persönlichen Gegenständen
• Hände vollständig benetzen des Patienten
• Dauer 30 Sek. (abhängig vom jeweiligen Produkt;
Angaben des Herstellers beachten) Händewaschen mit Wasser und Seife
• Händewaschen ist weniger hautverträglich als die
Die 5 Indikationen der Händehygiene Händedesinfektion und daher nur bei grober
1. Bevor der Mitarbeiter den Patienten direkt be- Verunreinigung der Hände sowie möglicher
rührt, z. B.: Kontamination mit Clostridium difficile indi-
• Auskultieren ziert.
• Palpieren • Künstliche Fingernägel, Ringe, Schmuck oder
• vor dem Anlegen der Handschuhe Armbanduhren erschweren die Händehygiene,
2. Unmittelbar vor einer aseptischen Handlung, deshalb tragen Pflegekräfte sie während der Ar-
z. B.: beitszeit auf der Intensivstation nicht.
8 2  Hygiene

• beim Ablegen des Schutzkittels Kontamination


von Haut und Kleidung vermeiden
• vor dem Verlassen des Patientenzimmers PSA
ausziehen, entsorgen und Händedesinfektion
durchführen
• Schutzhandschuhe und Schutzkittel nicht bei
mehreren Patienten verwenden
2 • Bettplatz mit Schutzkittel/Plastikschürze nicht
verlassen

VORSICHT
Pflegekräfte wenden Händehygiene, Handschuhe, Schutz-
kittel, Masken, Augenschutz unter Berücksichtigung
der beabsichtigten Tätigkeit bzw. möglichen Exposition
Abb. 2.1  Besonders zu beachtende Hautareale bei der Hände-
desinfektion. [L157] an.

Hautschutz Die Entscheidung für die Anwendung von Maßnah-


Um die Haut vor Schädigung durch häufiges Wa- men, die über das Niveau der Standardhygiene hin-
schen bzw. Desinfizieren zu schützen, führen Pfle- ausgehen, treffen Pflegekräfte bereits vor dem mik-
gende regelmäßige Hautpflege mit Pflegemitteln robiologischen Erregernachweis, z. B. bei:
durch, die auf den individuellen Hauttyp abge- • Diarrhö mit vermuteter infektiologischer Genese
stimmt sind. Besonders erforderlich ist dies z. B. → Kontaktisolierung
nach der Arbeit und vor längeren Pausen. • Meningitis → Tröpfchenisolierung für 24 Std.
• Hautschutzmittel vor der Arbeit auftragen → ge-
ben einen gewissen Schutz vor Wasser und Hän-
Mund-Nasen-Schutz
dedesinfektionsmitteln
• Nur im Fall einer sichtbaren Kontamination mit Chirurgischer Mund-Nasen-Schutz
potenziell infektiösem Material Händewaschung • Chirurgische Masken verhindern die Freisetzung
und Händedesinfektion unmittelbar hintereinan- von infektiösen Aerosolen aus dem Atemtrakt
der durchführen des Trägers zum Schutz des Patienten. Sie müs-
sen gut sitzen und dicht am Gesicht anliegen.
Persönliche Schutzausrüstung • Schützen den Träger vor Erregern, die aerogen
übertragen werden, z. B. Meningokokken, Influ-
DEFINITION enza-Viren.
Persönliche Schutzausrüstung (PSA): Besteht aus • Beim Kontakt der Hände, insbesondere mit der
Haarhaube, Augenschutz (z. B. Schutzbrille), Mund-Na- Innenseite der Maske, kommt es zur Kontamina-
sen-Schutz, langärmeligem Kittel (ggf. flüssigkeitsdicht) tion der Hände mit potenziell pathogenen Kei-
und Einmalhandschuhen. Dient dem Eigenschutz der
Pflegekräfte und reduziert das Übertragungsrisiko über
men aus dem Nasen-Rachen-Raum. Deshalb
kontaminierte Bereichskleidung und keimbelastete Aero- Maske nicht herunterhängen lassen, sondern an-
sole. behalten oder ganz ablegen → nach Kontakt Hän-
de desinfizieren.

Allgemeine Regeln Masken Typ FFP 2 oder 3


Pflegekräfte legen die persönliche Schutzausrüstung • Schützen den Träger vor aerogen übertragbaren
beim Umgang mit allen Patienten an, wenn Kontakt Erregern. Z. B. Tuberkulosebakterien.
mit Blut, Körperflüssigkeiten, Sekreten oder Aus- • Sie müssen am Gesicht dicht anliegen, damit der
scheidungen zu erwarten ist. Träger ausschließlich durch den Filter atmet.
2.2  Hygieneanforderungen bei Punktionen und Injektionen 9

• Vollbartträger können sich damit nicht ausrei- • routinemäßiges Reinigen/Desinfizieren der Gerä-
chend schützen. te und Materialien nach Patientenwechsel
• für Geräteoberflächen und kleinere (Arbeits-)flä-
chen kann Alkohol verwendet werden → Materi-
Handschuhe
alverträglichkeit prüfen
• Reduktion des Übertragungsrisikos von Erregern • bei jedem Umgang mit Flächen- und Gerätedes-
auf Patienten und Personal infektionsmittel zum Selbstschutz Handschuhe
• Schutz des Personals vor Hepatitis B, C, HIV tragen 2
(durch Kontakt mit Blut und anderen Körperflüs- • Desinfektionsmittel-Lösungen mit kaltem Was-
sigkeiten) ser ansetzen, Dosierung und Einwirkzeit beach-
• Nach Kontamination sofort ausziehen, d. h.: ten (Herstellerangaben)
– zwischen der Versorgung verschiedener Pati- • Flächen ausreichend feucht abwischen
enten • Desinfektionslösungen nicht mischen
– nach bestimmten Tätigkeiten beim gleichen • keine Raumdesinfektion mit Formaldehyd
Patienten
– vor anderen Tätigkeiten (z. B. Dokumentation,
Telefonieren)
– Händedesinfektion nach dem Ausziehen der 2.2  Hygieneanforderungen bei
Handschuhe Punktionen und Injektionen
– Handschuhmaterial an die Tätigkeit anpassen

Regeln für Angehörige und Besucher: • Händedesinfektion vor Medikamenten- und Ma-
• in die Händehygiene einweisen terialvorbereitung
• Kittel sind nicht routinemäßig erforderlich • Arbeitsfläche wischdesinfizieren und sterile Ab-
• Notwendigkeit zusätzlicher Barrieremaßnahmen ist deckung vorbereiten, wenn sterile Materialien
entsprechend des jeweiligen Übertragungswegs fest- abgelegt werden müssen
zulegen, z. B. Mund-Nasen-Schutz bei Influenza oder • Medikamentenzubereitung zeitnah zur Applika-
Meningokokken, FFP2-Maske bei Tuberkulose
Für den Zutritt von Kindern gilt keine spezifische Alters-
tion
grenze. • Gummistopfen der Medikamenten- oder Infusi-
Entscheidungskriterien sind Compliance (Aufsicht) sowie onsflaschen vor dem Anstechen mit alkoholi-
Freiheit von floriden Infekten (auch bei Geschwisterkin- schem Desinfektionsmittel reinigen (nicht nötig
dern). bei Infusionsflaschen aus Kunststoff)
• Entnahme von Teilmengen aus Mehrdosisbehäl-
tern mit neuer Kanüle und Spritze, Kanülen nach
Flächendesinfektion Entnahme entfernen
• bei Entnahme über Mehrfachentnahmekanülen
Nach sichtbarer oder vermuteter Kontamination mit po- für jede Entnahme neue Spritze verwenden
tenziell infektiösem Material führen Pflegende sofort eine • Anbruchsdatum und Verwendungsdatum gut
Reinigung und Desinfektion der Flächen durch. sichtbar notieren
• regelmäßige Unterweisung der Mitarbeiter in hy-
gienische Arbeitstechniken
• Flächen: patientennah, Bedienoberflächen von • Sprüh- oder Wischdesinfektion (beides ist lt. RKI
Geräten, Flächen mit häufigem Handkontakt → 1 zulässig, Unterschiede in der Wirksamkeit gibt es
× pro Schicht nicht)
• Arbeitsfläche unmittelbar vor dem Richten von • Punktionsstelle nach Punktionen der Risikoklas-
i. v.-Medikamenten oder Verbandsmaterial se 1 und 2 mit keimarmen Wundschnellverband,
• Desinfektionsmittel nicht versprühen (Personal- bei Punktionen von Organen oder Körperhöhlen
schutz, zudem fehlt der Wischeffekt) mit sterilen Wundschnellverband abdecken [2]
10 2  Hygiene

Tab. 2.1  Hygienemaßnahmen bei Punktionen und Injektionen (laut RKI, modifiziert). [2]
Risikogrup- Punktionsart Tupferart* Abdeckung Schutzkleidung der Schutzkleidung
pen durchführenden der assistieren-
Person den Person
Risikogruppe 1 • s. c.-
und i. m.- • keimarm – – –
Injektion
• Blutabnahme (auch • keimarm – • keimarme Hand-
2 per Lanzette) schuhe
• i. v.-Injektion (peri- • keimarm – • keimarme Hand-
pher) schuhe
Risikogruppe 2 • s. c.-Punktion
(mit • steril – • keimarme Hand- • keine Assistenz
folgender Dauer- schuhe erforderlich
applikation)
• i. m.-Injektion
(Risi- • steril – • keimarme Hand- –
kopatient; Injektion schuhe
von Kortikoiden
oder gewebetoxi-
schen Substanzen)
• Shunt-Punktion zur • steril – • keimarme Hand-
Dialyse (autologer schuhe
Shunt)
• Punktion
einer • steril – • sterile Handschuhe
Portkammer
• Lumbalpunktion • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe –
(diagnostisch) oder Lochtuch
• Punktion
eines • steril – • sterile Handschuhe
Ommaya- oder • Mund-Nasen-Schutz
Rickham-Reservoirs (bei Punktion mit
Spritzenwechsel)
• Blasenpunktion (di- • steril – • sterile Handschuhe
agnostisch)
• Pleurapunktion, • steril – • sterile Handschuhe
Aszitespunktion • Mund-Nasen-Schutz
(diagnostisch)
Risikogruppe 3 • Beckenkammpunk- • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe –
tion, Amniozentese oder Lochtuch –
• Chorionzottenbiop-
sie
• Organpunktion • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe
(z. B. Niere, Leber, oder Lochtuch
Lymphknoten,
Milz, Schilddrüse)
• Anlageeiner sup- • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe
rapubischen Ablei- oder Lochtuch • Mund-Nasen-Schutz
tung
• Spinalanästhesie • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe • Mund-Nasen-
(Single shot), in- oder Lochtuch • Mund-Nasen-Schutz Schutz
trathekale Medika-
mentenapplikation
2.3  Hygienische Besonderheiten auf einer neonatologischen Intensivstation 11

Tab. 2.1  Hygienemaßnahmen bei Punktionen und Injektionen (laut RKI, modifiziert). [2] (Forts.)
Risikogrup- Punktionsart Tupferart* Abdeckung Schutzkleidung der Schutzkleidung
pen durchführenden der assistieren-
Person den Person
Risikogruppe 3 • Gelenkpunktion • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe • Mund-Nasen-
(diagnostisch bzw. oder Lochtuch • Mund-Nasen-Schutz Schutz bei Punkti-
mit Einzelinjek­ bei Punktion mit on mit Spritzen-
tion)* Spritzenwechsel wechsel 2
• Vorderkammer- • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe
punktion des Au- oder Lochtuch • Mund-Nasen-Schutz
ges mit intravitrea- bei Punktion mit
ler Medikamenten- Spritzenwechsel
gabe
Risikogruppe 4 • Anlage
von Bülau- • steril • steriles
Abdeck- • Mund-Nasen-Schutz • Mund-Nasen-
Drainage, Pleura- oder Lochtuch • OP-Haube Schutz
cath, Monaldi-Drai- • steriler langärmeli-
nage ger Kittel
• sterile
Handschuhe
• Periduralanästhe- • steril • steriles
Abdeck- • Mund-Nasen-Schutz • unsterile Hand-
sie/Spinalanästhe- oder Lochtuch • OP-Haube schuhe
sie mit Katheteran- • sterile Handschuhe • Mund-Nasen-
lage • steriler langärmeli- Schutz
• Anlage eines Peri- ger Kittel
duralkatheters zur
Schmerztherapie
• perkutane
endos- • steril • steriles
Abdeck- • sterile Handschuhe • unsterile
Hand-
kopische Gastros- oder Lochtuch • OP-Haube schuhe
tomie-Anlage • steriler langärmeli-
• Mund-Nasen-
(PEG) ger Kittel Schutz
• Mund-Nasen-Schutz • ggf. Einwegschür-
ze
Vor allen aufgeführten Punktionen, ggf. auch bei Zwischenschritten, ist eine hygienische Händedesinfektion erforderlich.
* Bei allen Punktionen kann die Hautantisepsis grundsätzlich auch durch alleiniges Einsprühen erfolgen. Sollen Tupfer verwen-
det werden, empfehlen sich die angegebenen Tupferqualitäten. Die vom Hersteller angegebene Einwirkzeit des Hautantisep-
tikums ist bei beiden Verfahren zu beachten. Vor der Punktion muss das Hautantiseptikum abgetrocknet sein.
Bei Punktionen, bei denen keine spezielle Einkleidung angegeben ist, ist das Tragen kurzärmeliger Kleidung empfohlen.
– = nicht erforderlich
* = Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (2008) „Hygienemaßnahmen bei intraartikulären Punk-
tionen und Injektionen“, AWMF-Leitlinie Nr. 029/006 (www.awmf.de)

Punktionen unter Ultraschallkontrolle 2.3  Hygienische


Kommt der Schallkopf mit der Punktionsstelle oder Besonderheiten auf einer
der Punktionsnadel in Berührung ist er mit einem neonatologischen
sterilen Überzug zu beziehen. Wird ein Katheter ein- Intensivstation
geführt, ist auch das Zuleitungskabel steril abzude-
cken. Für die Untersuchung ist steriles Ultraschall-
gel zu verwenden. Händehygiene › 2.1
Hygieneanforderungen an Besucher›  2.1
12 2  Hygiene

Kranke NG und FG, v. a. mit einem Geburtsge- Tab. 2.2  Auswahl von Merkmalen der geschwächten
wicht < 1.500 g, sind stark gefährdet, an einer noso- Infektionsabwehr von Neugeborenen mit einem Ge-
komialen Infektion zu erkranken. Die erforderliche burtsgewicht < 1.500 g. [3]
intensivmedizinische Betreuung begünstigt deren Haut und Schleimhäute
Entstehung durch die häufigen, meist invasiven Ein- • Nabelstumpf als Eintrittspforte und Nidus für die exo-

griffe. Ziel ist es daher, diese besonderen Patienten gene Besiedlung


• erhöhte Permeabilität und Verletzlichkeit der Haut
durch umfassende und korrekt ausgeführte Hygie­ • keine kolonialen Resistenzmechanismen von Haut und
2 ne­maßnahmen zu schützen. Schleimhaut
• eingeschränkte Wundheilung
Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen anatomische Begünstigung von Infektionsherden
• Beatmung und die dazu gehörenden Systeme, In- • fehlende oder verminderte Darmmotilitat, Mekonium-
halationszubehör und -lösungen (CPAP über na- verhalt bis zum Ileus
salen Tubus → Risiko für Sepsis mit gramnegati- • Atelektasen durch Surfactantmangel, eingeschränkte
ven Keimen ⇈) mucocilliare Clearance
• lokales oder generalisiertes Emphysem beim Frühgebo-
• intravasasale Katheter (z. B. Nabelvenenkatheter,
renen mit CLD1
Silastic®, periphervenöse Katheter, Nabelarteri-
enkatheter, periphere Arterienkatheter), durch: abnorme Zahl und Funktion der Granulozyten
• perinatale Neutropenie bei schwerer Gestose der Mut-
– Besiedelung der Insertionsstelle ter,
– Eingriffe an der Insertionsstelle ohne Hautan- • verminderte Granulozyten-Reserve, unzureichende re-
tiseptik aktive Mobilisierung (rasche Entwicklung einer Granu-
– Besiedelung des Katheterhubs lozytopenie bei erhöhtem Umsatz),
– Eingriffe am Katheterhub • verminderte Chemotaxis, Adhärenz und Phagozytose
– ZVK-Liegedauer > 10 Tage → Risiko für Sepsis Unreife der zellvermittelten spezifischen Immuni-
mit gramnegativen Keimen ⇈ tät
• Zubereitung und Applikation von Parenteralia • verminderte antigenspezifische T-Zell-Antwort, insbe-

• instrumentelle Harnableitung sondere der TCD4-Zellen


• verminderte zytotoxische Aktivität von NK-Zellen und
• Magensonde TCD8-Zellen
• antibiotische Vorbehandlung
Unreife der humoralen Immunität2
• Dexamethasontherapie • verminderte Aktivierung des Komplementsystems
• unzureichende Händedesinfektion • verminderte Komplementaktivität und Opsonierung
• mangelhafte Standards bei der Katheteranlage durch Komplement C3b
und -pflege • verzögerte Bildung spezifischer Antikörper (vorwiegend
• fehlende Standards für den Umgang mit Mutter- vom Typ IgM)
oder Formulamilch (bzw. unzureichende Umset- • verminderte Bildung bestimmter Antikörpersubklassen

zung der Richtlinien) [3] (z. B. IgG2)


• verminderte Bildung sekretorischer IgA (fehlende
Schleimhautprotektion)
Prävention • verminderte Bildung von Interleukinen und Interfero-
Grundsätzlich gelten alle Maßnahmen der Standard- nen
hygiene (› 2.1). 1
chronische Lungenerkrankung des Frühgeborenen (vor-
mals bronchopulmonale Dyplasie)
Bauliche Voraussetzungen 2
vor der 33. SSW geborene Kinder haben oft niedrige Im-
• kurze Distanz zwischen Kreißsaal und neonatolo- munglobulinspiegel. Maternales IgG wird etwa ab der
17. Schwangerschaftswoche aktiv über die Plazenta zum
gischer Intensivstation
Kind transportiert. Frühgeborene mit vielen Blutentnah-
• Spender für Handwaschlotion, Desinfektionsmit- men verlieren diesen Nestschutz rascher (Halbwertszeit
tel und Einmalhandtücher in jedem Raum vor- sonst ca. 20 Tage).
handen
• empfohlener Abstand zwischen Behandlungs-
plätzen mind. 2 m
2.3  Hygienische Besonderheiten auf einer neonatologischen Intensivstation 13

• Lagerungsmöglichkeiten zur Abgrenzung von be- Stethoskope


siedelten (unreinen) und desinfizierten (reinen) • patientenbezogene Stethoskope
Materialien und Gerätschaften vorhanden • Wischdesinfektion mit Alkohol nach jedem Ge-
• Pflegestützpunkt mit desinfizierbaren Tastaturen brauch
und Monitoren ausstatten
• Kühlschrank für kühl zu lagernde Medikamente Schutzkittel
vorhanden Schutzkittel sind zur Eindämmung bestimmter
• „Milchküche“ mit „Kühlschrank für Formula- übertragbarer Infektionserreger und generell bei der 2
nahrung und Gefrierschrank für Muttermilch“ Pflege des FG außerhalb des Inkubators patienten-
vorhanden [3] bezogen zu tragen. [3] Besucher müssen nicht
• Aufbereitungsraum für Inkubatoren und Beat- grundsätzlich einen Schutzkittel anlegen.
mungsgeräte vorhanden
• Personal- und Besucher-WC getrennt Aufbereitung von Inkubatoren mit geschlossenem
• Isolierungsmöglichkeiten für Kinder mit resis- Sterilwassersystem
tenten Keimen, sowie Kindern, die aus anderen • komplette Reinigung und Desinfektion des Inku-
infektionspräventiven Gründen isoliert werden bators vor jeder Neubelegung mit Sauerstoffab-
müssen (Raum mit Schleuse zum An- und Able- spaltern (falls das Material thermostabil ist, also
gen der Schutzkleidung und Entsorgung infektiö- eine Dampfsterilisation ermöglicht, ist dieses
sen Materials) vorhanden Verfahren vorzuziehen, sofern es die Klinik leis-
• Raum zur aseptischen Zubereitung von Medika- ten kann)
menten und Mischinfusionen mit „Werkbank • Entfernung von Biofilmen aus Kunststoffschläu-
entsprechend der LAF DIN 12980 Typ H“ vor- chen und das Abtöten von evtl. darin haftenden
handen [3] Krankheitserregern sicher gewährleisten
• bis zur Verwendung ist der Inkubator mind.
Anforderung an die Wasserqualität 1 Std. bei laufendem Motor zu belüften und in ei-
Die mikrobiologische Qualität der Wasserversor- nem abgetrenntem Bereich vor Kontamination
gung auf neonatologischen Intensivstationen muss zu schützen [3]
der Trinkwasserverordnung entsprechen. [4] Ist • Innenreinigung während des Betriebs erfolgt mit
dies nicht durchgehend sichergestellt, verwenden Trinkwasser (Trinkwasserverordnung einhalten)
Pflegekräfte für die Haut- und Schleimhautpflege bzw. mit sterilfiltriertem Wasser, dazu verwenden
der FG steriles oder sterilfiltriertes Wasser. [3] Dafür Pflegende für jeden Inkubator ein neues, keim­
sind die Enden der Wasserhähne mit Filtersystemen armes Tuch
zu versehen. • alle äußeren Handkontaktflächen inkl. Steuerung
Zur Herstellung von Kräutertee, die vorwiegend täglich wischdesinfizieren
zur Schleimhautpflege dienen, kochen Pflegekräfte • wöchentlicher Wechsel des Inkubators empfoh-
die Teeblätter ab und füllen den Sud in sterile, ver- len
schlossene Flaschen. Angebrochene Teeflaschen
sind nach jeder Schicht zu erneuern. Mikrobiologisches Monitoring
Eine generelle Empfehlung für ein mikrobiologi-
Raumlufttechnik sches Monitoring ohne Infektionsverdacht besteht
Empfehlenswert ist eine vollständige physiologische nicht. [3] Bei komplizierten Krankheitsverläufen
Klimatisierung. Luftauslässe der Inkubatoren sind mit multiplen Infektionen sollte 1 Mal pro Woche
mit HEPA (High Efficiency Particulate Airfilter) aus- ein mikrobiologisches Screening von Haut- und
zustatten, um „aerogene nosokomiale Transmissio- Schleimhäuten erfolgen.
nen“ zu vermeiden. [3]
Umgang mit Muttermilch
Das Abpumpen der Muttermilch (MM) erfolgt in ei-
nem separaten Raum (Stillzimmer), in dem desinfi-
14 2  Hygiene

zierbare Handkontaktflächen und Sitzbezüge vor- ser. [7] Die weitere Aufbereitung findet im Vapori-
handen sind. [3] Pflegekräfte leiten die Mütter an, sator statt. Die Lagerung erfolgt staubgeschützt und
zunächst eine gründliche Handreinigung und direkt trocken in einem geschlossenen Behältnis. [7]
vor dem Abpumpen eine Händedesinfektion durch- Die meisten Kliniken sind auf Einmalernährungs-
zuführen. sauger umgestiegen. Wenn verschiedene Flaschen-
Die Brustwarzen sind mit Trinkwasser und fri- systeme (z. B. Avent®, NUK First Choice®) vorhan-
schem Lappen oder Kompressen zu reinigen (cave: den sind, erfolgt die Aufbereitung wie bei Beruhi-
2 Trinkwasserverordnung [5]). Die abgepumpte MM gungssaugern. Abhängig von der Materialbeschaf-
ist in sterile Flaschen zu füllen. Pumpt die Mutter fenheit ist zu entscheiden, wie oft die Aufbereitung
daheim ab, darf sie die Kühlkette nicht unterbre- erfolgt.
chen, der Transport der Milch in die Klinik muss bei
4–6  °C erfolgen. Je nach Klinikstandard wird das Körperpflege
Abpumpset 1× tgl. (im Anschluss gründliche Reini- Die zur Körperpflege eingesetzten Pflegeutensilien
gung, Aufbereitung im Vaporisator und Aufbewah- und -mittel sind patientenbezogen zu verwenden.
ren im geschlossenen Behältnis) oder nach jedem [3]
Abpumpvorgang erneuert. Aufgrund der erhöhten Permeabilität und Ver-
Aufbewahrung letzlichkeit der Haut reduzieren Pflegende die Mani-
• 6–8 Std. bei Raumtemperatur pulationen auf das unbedingt nötige Minimum. [3]
• 72 Std. im Kühlschrank bei 4–6 °C
• ≤ 6 Monate bei Tiefkühlung von mind. −20 °C Haut- und Schleimhautantiseptik
Aufgetaute MM ist in einem geschlossenen Gefäß Aus toxikologischen Gründen ist eine Hautdesinfek-
bei 4 °C für 24 Std. lagerfähig. Nach dem Öffnen und tion bei Frühgeborenen mit Octenidin 0,1 % ohne
einer Lagertemperatur von 4 °C ist sie 12 Std. lang Phenoxyethanol empfohlen. [3] Da der Wirkstoff al-
verwendbar. Das Auftauen erfolgt bei Raumtempe- lein im Handel nicht erhältlich ist, stellt die Klinika-
ratur, im Wasserbad (37 °C) oder im Flaschenwär- potheke das entsprechende Produkt her.
mer. Ein Mikrowellengerät darf dafür nicht benutzt
werden. [5] [6] Nabelpflege
Mikrobiologisches Monitoring Pflegende versorgen den Nabelschnurstumpf mit
Eine grundsätzliche mikrobiologische Untersu- sterilen Kompressen. Nur bei einer Rötung erfolgt
chung der Muttermilch ist nicht erforderlich. Emp- nach einem Abstrich der Einsatz eines Hautantisep-
fohlen ist sie bei Infektionen im Gastrointestinal- tikums (› oben).
trakt oder bei nekrotisierender Enterokolitis. Beim
Auftreten einer Mastitis puerperalis und während Prävention einer beatmungsassoziierten
ihrer Behandlung verwerfen Pflegekräfte die Mut- Pneumonie
termilch nach dem Abpumpen. [3] Risikofaktoren für eine beatmungsassoziierte
Pneumonie (ventilator associated pneumonia/VAP):
Umgang mit Beruhigungssaugern/ • Tubus; verhinderter Hustenreflex, Reizung/Ver-
Ernährungssaugern letzung des Trachealepithels, mikrobieller Bio-
Beruhigungssauger sind mind. alle 24 Std. aufzube- film auf der Kunststoffoberfläche (Leitschiene für
reiten. Mikroaspirationen)
Sie sind jedoch grundsätzlich nicht für eine ma- • geringes Geburtsgewicht (häufiger Beatmung er-
schinelle Aufbereitung geeignet, da es zu Wasseran- forderlich)
sammlungen im Hohlraum des Sauger-Mundstü- • Beatmungsdauer
ckes kommen kann. [7] Die Entscheidung über das • bereits durchgemachte Infektionen
Vorgehen obliegt der jeweiligen Klinik. • niedriger Säuregehalt des Magensekrets, unreife
Nach Händedesinfektion und Anlegen keimarmer gastrointestinale Motorik, Sondenernährung [3]
Handschuhe reiben Pflegende den Sauger mit Salz Die beste Prävention der VAP ist die Vermeidung
ab und spülen ihn gründlich unter fließendem Was- einer endotrachealen Intubation. [3]. Vermutlich re-
2.3  Hygienische Besonderheiten auf einer neonatologischen Intensivstation 15

duziert eine Frühintubation mit anschließender Sur- Prävention katheterassoziierter Infektionen


factantgabe und nachfolgender Extubation die VAP- zentralvenöse Katheter › 6.7.6
Rate. arterielle Katheter › 6.7.7
Eine nichtinvasive Atemunterstützung ist grund- Nachweislich führt es zu einer signifikanten Re-
sätzlich vorzuziehen. duktion von katheterassoziierten Infektionen, wenn
Die Diskonnektion des Tubus vom Beatmungs- die Pflegekräfte den Systemwechsel am ZVK unter
gerät erfolgt mit keimarmen Handschuhen und un- streng aseptischen Bedingungen ausführen und dazu
ter Vermeidung einer externen Besiedelung. Pflege- sterile Handschuhe, Mund-Nasen-Schutz sowie ei- 2
kräfte beseitigen regelmäßig das Kondenswasser aus nen sauberen, patientenbezogenen Kittel tragen. Eine
den Schläuchen. Die meisten Kliniken verwenden zweite Pflegekraft sollte das Material anreichen. [3]
Einmalschlauchsysteme.
Mehrfach verwendbare Beatmungsschläuche Katheterhub
müssen thermisch desinfizierend aufbereitet oder Das Kontaminationsrisiko am Katheterhub lässt
sterilisiert und anschließend kontaminationssicher sich durch das Einwickeln in eine sterile Kompresse
gelagert werden. [3] Der Wechsel des Beatmungs- und die Vermeidung unnötiger Diskonnektionen re-
schlauchsystems erfolgt nicht öfter als alle 7 Tage. duzieren. Zudem soll der Katheter nicht ohne Pols-
Beatmungsfilter sind bei FG ≤ 1.500 g nicht erforscht terung auf der ungeschützten Haut des Kindes lie-
und können durch die Vergrößerung des Totraums gen. [3]
zu einer CO2-Retention führen. Eine Diskonnektion erfolgt nach Desinfektion mit
Das endotracheale Absaugen erfolgt unter asep- Ethanol 70 % ausschließlich mit sterilen Handschu-
tischen Bedingungen. Das für die Befeuchtung des hen. Blut oder Reste der Parenteralia entfernen Pfle-
Atemgases verwendete Aqua und das zum Anspülen gekräfte mit einem sterilen, desinfektionsmittelge-
verwendete NaCl 0,9 % (für jeden Absaugvorgang tränkten Tupfer.
frisch aufgezogen, keine Mehrfachentnahme aus In- Nach dem Ende der Diskonnektion erfolgt erneut
fusionsflaschen) muss steril sein. Ein Vorteil vom eine Desinfektion mit Ethanol 70 %.
geschlossenen Absaugsystem gegenüber dem offe-
nen Absaugen ist nicht erkennbar. Intervalle für Systemwechsel
Zum offenen Absaugen verwenden Pflegende ste- • Systemwechsel kristalliner Lösungen nicht häufi-
rile Handschuhe und sterile Absaugkatheter. ger als alle 72 Std.
Das geschlossene Absaugsystem ist alle 48 Std. zu • Systemwechsel der Lipidinfusion alle 24 Std.
wechseln. Nach jedem Absaugvorgang achten Pfle- • Systemwechsel der Blutprodukte alle 6 Std.
gende darauf, das System komplett von Flüssigkeit
zu befreien. In-line Infusionsfilter
Die Kinder sind intermittierend in Schräg- und Der Einsatz von In-line Infusionsfiltern ist zur Ver-
flacher Bauchlage zu positionieren, um eine gleich- meidung von katheterassoziierten Infektion nicht
mäßige Ventilation und Sekretdrainage zu erzielen. empfohlen. Studien haben keinen infektionspräven-
Zur Intubation ziehen alle Beteiligten nach der tiven Nutzen nachgewiesen. [3] Der Einsatz erfolgt
Händedesinfektion sterile Handschuhe an. Die ver- meist aus pharmazeutischen Gründen.
wendeten Materialien (Magillzange, Führungsstab,
Laryngoskopspatel) müssen zumindest desinfiziert
und kontaminationsfrei aufbewahrt werden, besser
ist es, sterile Instrumente zu verwenden. Ein Mund-
Nasenschutz kann das Kind zusätzlich vor respirato-
rischen Erregern schützen.
16 2  Hygiene

2.4  Verhalten bei speziellen Infektionskrankheiten


Tab. 2.3  Verhalten bei speziellen Infektionskrankheiten
Infektion mit Schutzkleidung Abfall- und Wäsche- Ausschleusen von im spezielle Maßnah-
entsorgung Zimmer benutzten men
Materialien
Noroviren/Rota- • erforderlich bei • Sammlung der Wäsche • Desinfektion der Mate- • Isolierung notwen-
2 viren Kontakt und des Abfalls im Zim- rialen vor Ausschleusen dig
[8] [9] • Schutzhandschuhe mer • viruzide Desinfektions- • Besucher dürfen
• Schutzkittel • Sack-in-Sack-Methode mittel einsetzen sich nicht in Ge-
• bei Gefahr der bei der Entsorgung • bei der Material- und meinschaftsräumen
Aero­solbildung, • Bett- und Leibwäsche Flächendesinfektion auf aufhalten
z. B. bei Erbrechen, als infektiöse Wäsche eine evtl. erforderliche
Mund-Nasen- kennzeichnen höhere Konzentration
Schutz • Vorgaben des AS 18 01 des Desinfektionsmit-
• viruzides Hände- 03 ist bei dem Abfall tels achten
desinfektionsmittel einzuhalten [14] • Geschirr in Spülmaschi-
ne reinigen
• im Zimmer nur geringe
„Vorratshaltung“
• alle Materialien entsor-
gen die im Anschluss
nicht wischdesinfizier-
bar sind
• evtl. vorhandene Vor-
hänge vor Belegung
des Zimmers entfernen
RSV • erforderlich bei • Sammlung der Wäsche • Desinfektion der Mate- • Isolierung neugebo-
[10] Kontakt und des Abfalls im Zim- rialen vor Ausschleusen rener und immun-
• Schutzhandschuhe mer • keine spezielle Anforde- supprimierter Pa­
• Schutzkittel • Sack-in-Sack-Methode rung an die Desinfekti- tienten
• Mund-Nasen- bei der Entsorgung onsmittel – übliche Pro- • Besucher dürfen
Schutz • Wäsche und Abfall kön- dukte sind ausreichend sich nicht in Ge-
nen im Krankenhaus • im Zimmer nur geringe meinschaftsräumen
normal entsorgt werden „Vorratshaltung“ aufhalten
• alle Materialien entsor-
gen die im Anschluss
nicht wischdesinfizier-
bar sind
• evtl. vorhandene Vor-
hänge vor Belegung
des Zimmers entfernen
CMV • erforderlich bei • Sammlung der Wäsche • Desinfektion der Mate- • Isolierung
Schwan-
Kontakt und des Abfalls im Zim- rialen vor Ausschleusen gerer sowie neuge-
• Schutzhandschuhe mer • keine spezielle Anforde- borener und immun-
• Schutzkittel • Sack-in-Sack-Methode rung an die Desinfekti- supprimierter Pati-
bei der Entsorgung onsmittel – übliche Pro- enten
• Wäsche und Abfall kön- dukte sind ausreichend
nen im Krankenhaus
normal entsorgt werden
2.4  Verhalten bei speziellen Infektionskrankheiten 17

Tab. 2.3  Verhalten bei speziellen Infektionskrankheiten (Forts.)


Infektion mit Schutzkleidung Abfall- und Wäsche- Ausschleusen von im spezielle Maßnah-
entsorgung Zimmer benutzten men
Materialien
Meningokokken • erforderlich bei • Sammlung der Wäsche • Desinfektion der Mate- • Isolierung
bis
[11] Kontakt und des Abfalls im Zim- rialen vor dem Aus- 24 Std. nach einer
• Schutzhandschuhe mer schleusen wirksamen Antibio-
• Schutzkittel • Sack-in-Sack-Methode • keine spezielle Anforde- tikatherapie 2
• Mund-Nasen- bei der Entsorgung rung an die Desinfekti-
Schutz • Wäsche als infektiös onsmittel – übliche Pro-
kennzeichnen dukte sind ausreichend
• Vorgaben des AS 18 01
03 ist bei dem Abfall
einzuhalten [14]
EHEC/HUS • erforderlich bei • Sammlung der Wäsche • Desinfektion der Mate- • Isolierung
[12] Kontakt und des Abfalls im Zim- rialen vor dem Aus- • Besucher dürfen
• Schutzhandschuhe mer schleusen sich nicht in Ge-
• Schutzkittel • Sack-in-Sack-Methode • keine spezielle Anforde- meinschaftsräumen
bei der Entsorgung rung an die Desinfekti- aufhalten
• Wäsche kann im Kran- onsmittel – übliche Pro-
kenhaus normal ent- dukte sind ausreichend
sorgt werden • im Zimmer nur geringe
• Vorgaben des AS 18 01 „Vorratshaltung“
03 ist bei dem Abfall • alle Materialien entsor-
einzuhalten [14] gen, die im Anschluss
nicht wischdesinfizier-
bar sind
• evtl. vorhandene Vor-
hänge vor Belegung
des Zimmers entfernen
MRSA • Erforderlich bei • Sammlung der Wäsche • Desinfektion der Mate- • Isolierung
[13] Kontakt und des Abfalls im Zim- rialen vor dem Aus- • Sanierung:
• Schutzhandschuhe mer schleusen – nasaler Befall
• Schutzkittel • Sack-in-Sack-Methode • keine spezielle Anforde- →Mupirocin®-
• Mund-Nasen- bei der Entsorgung rung an die Desinfekti- Nasensalbe 3 ×
Schutz • Wäsche und Abfall kön- onsmittel – übliche Pro- tgl.
nen im Krankenhaus dukte sind ausreichend – Hautbefall →
normal entsorgt werden • im Zimmer nur geringe 1 × tgl. Ganzkör-
„Vorratshaltung“ perwaschung und
• alle Materialien entsor- Haarwäsche mit
gen, die im Anschluss antiseptisch wir-
nicht wischdesinfizier- kenden Seifen
bar sind oder Lösungen
• evtl. vorhandene Vor- (mittlerweile gibt
hänge vor Belegung es antiseptische
des Zimmers entfernen Einmalwaschlap-
pen) sowie 1 ×
tgl. kompletter
Wäschewechsel
18 2  Hygiene

Tab. 2.3  Verhalten bei speziellen Infektionskrankheiten (Forts.)


Infektion mit Schutzkleidung Abfall- und Wäsche- Ausschleusen von im spezielle Maßnah-
entsorgung Zimmer benutzten men
Materialien
ESBL • erforderlich bei • Sammlung der Wäsche • Desinfektion der Mate- • Isolierung
Kontakt und des Abfalls im Zim- rialen vor dem Aus-
• Schutzhandschuhe mer schleusen
2 • Schutzkittel • Sack-in-Sack-Methode • keine spezielle Anforde-
• bei Gefahr der Ae- bei der Entsorgung rung an die Desinfekti-
rosolbildung • Wäsche und Abfall kön- onsmittel – übliche Pro-
Mund-Nasen- nen im Krankenhaus dukte sind ausreichend
Schutz normal entsorgt werden • im Zimmer nur geringe
„Vorratshaltung“
• alle Materialien entsor-
gen, die im Anschluss
nicht wischdesinfizier-
bar sind
• evtl. vorhandene Vor-
hänge vor Belegung
des Zimmers entfernen

LITERATUR   6. Sitzmann F.: Hygiene in der Intensivpflege – Infektions-


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hygiene/Kommission/Downloads/Neo__Rili,templateId griff 2.3.2012)
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rungen – Änderungen – Rechtstexte. Beuth Verlag, 12. www.rki.de/cln_160/nn_467482/DE/Content/Infekt/
Berlin, 2012. EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber__EHEC.
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milch_fuer_das_eigene_kind.pdf (Letzter Zugriff am lateId=raw,property=publicationFile.pdf/LAGA_Ent-
9.3.2012). sorg.pdf (Letzter Zugriff 2.3.2012)
KAPITEL

3 Psychosoziale Unterstützung
von Kind und Eltern
3.1  Kommunikation diesen Situationen tritt die Beziehungsebene in den
Diana Löscher Vordergrund. Bei länger dauernder intensivmedizi-
nischer Betreuung ist es deshalb wichtig, dass das
Pflegeteam dem Patienten und seinen Angehörigen
Kommunikation ist ein Grundbedürfnis des Men- eine feste Bezugsperson zur Verfügung stellt.
schen und setzt sich zusammen aus Prozessen des Eine weitere Grundregel der gelungenen Kommu-
Wahrnehmens, des Denkens, der Emotion und der nikation auf der Intensivstation ist der Gebrauch ei-
Motivation. Diese Interaktion zwischen Menschen ner einfachen und verständlichen Sprache. Die Auf-
erfolgt sowohl verbal als auch nonverbal. Das heißt, fassungsfähigkeit des Patienten und seiner Angehö-
Kommunikation umfasst mehr als nur den sprachli- rigen ist oft durch die Schwere der Erkrankung und
chen Austausch von Informationen. In ihr drücken durch therapeutische Maßnahmen eingeschränkt.
sich Beziehungen zwischen Menschen aus. Jedes Wort erhält Gewicht, jede unverständliche
oder mehrdeutige Äußerung kann große Angst aus-
lösen. Dieses Gefühl verstärkt sich, wenn die Mit-
3.1.1  Kommunikation in der Pflege glieder des professionellen Teams untereinander
über den Patienten sprechen, anstatt ihn in das Ge-
Die Kommunikation nimmt auf einer Intensivstati- spräch einzubeziehen. Der Gebrauch eines für den
on eine zentrale Rolle ein. Auf einer pädiatrischen Patienten unverständlichen, medizinischen Fachjar-
Intensivstation stellt sie hohe Anforderungen an das gons kann zusätzliche Ängste wecken.
Personal. Vom therapeutischen Team wird erwartet, Patienten und ihre Angehörigen haben ein ausge-
dass es auch in belastenden Situationen, sowohl in- prägtes Informationsbedürfnis bezüglich des aktuellen
nerhalb des therapeutischen Teams, als auch im Zu- Zustands, der therapeutischen Maßnahmen und der
sammenhang mit Patienten und Angehörigen, ange- Prognose. Dieses Bedürfnis wird jedoch häufig nur un-
messen und professionell kommuniziert. Eine Vor- zureichend befriedigt. Oft geben die Verantwortlichen
aussetzung dafür ist eine wertschätzende Haltung, Informationen in großer Eile. Aussagen, die Patienten
die schon mit der eigenen namentlichen Vorstellung von verschiedenen Mitgliedern des therapeutischen
und der namentlichen Ansprache des Patienten und Teams erhalten, sind nicht selten missverständlich
seiner Angehörigen beginnt. „Obwohl es sich nie- oder gar widersprüchlich. Dies verunsichert Patienten
mand gern eingesteht, jedem Menschen ist sein Na- und ihre Angehörigen. Die Ängste können sich in
me in gewisser Weise heilig. Wird sein Name verges- Misstrauen und Aggressionen äußern. Abhilfe schafft
sen, verwechselt oder verstümmelt, so trifft ihn dies hier die feste Bezugsperson, die z. B. jede noch so klei-
wie eine körperliche Verletzung. Dieses Gefühl ver- ne Maßnahme auf eine Weise erklärt, dass der Patien-
stärkt sich verständlicherweise noch in der Extrem- ten sie versteht. Dadurch lassen sich von vornherein
bzw. Ausnahmesituation der Intensivstation.“ [1] Missverständnisse reduzieren und Ängste verringern.
Die wertschätzende Grundhaltung stabilisiert die
Beziehungsebene. Patienten und nicht zuletzt ihre
Kommunikation auf der Intensivstation
Angehörigen befinden sich in einer Situation, die sie
als existenziell bedrohlich erleben. Die Angehörigen Patienten auf einer Intensivstation sind häufig in ih-
leiden häufig unter dem ungewissen Schicksal ihres ren verbalen Kommunikationsmöglichkeiten auf-
Verwandten sehr viel mehr als der Patient selbst. In grund ihres Alters (FG, NG, Kleinkinder), ihrer Kul-
20 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

tur (fremde Sprache) oder ihrer Krankheit (Intubati- Kind nicht in der Lage zu schreiben oder auf Tafeln
on/Beatmung) eingeschränkt. Entsprechend flexibel zu zeigen, vereinbaren Pflegende einfache Gesten,
und einfallsreich sollten Pflegende agieren. Beson- z. B. Augen schließen, blinzeln oder Hand drücken.
ders für das Gelingen von Pflegesituationen ist die
Kommunikation von zentraler Bedeutung. Abzuklä- Tab. 3.1  Signale von Frühgeborenen. [2]
ren ist auch, ob ein Kind Hilfsmittel wie Brille oder Signale mögliche Interpretation
Hörgeräte benötigt. plötzliche Veränderung • Kind
kommt mit seiner
Die nonverbale Kommunikation erfolgt häufig der Herzfrequenz Umgebung nicht zurecht
über Berührungen. Dieser unmittelbaren Kommuni- Tachykardie • Stress
kationsform kommt in der Intensivpflege eine beson- Bradykardie • Müdigkeit oder sehr tie-
dere Bedeutung zu. In kaum einem anderen Berufs- fer Schlaf
3 feld werden soziale Grenzen so selbstverständlich plötzliche Veränderung • Kind
reagiert ungünstig
überschritten. Pflegende setzen Berührungen bewusst des Blutdrucks auf seine Umgebung
ein, um Pflege überhaupt durchführen zu können, um (innerhalb festgelegter
Therapien anzuwenden oder um Kontakt aufzuneh- Grenzen)
men (›  8.1). Oftmals finden Berührungen jedoch Veränderung der Atmung
auch unbewusst oder unüberlegt statt. Die Patienten Tachypnoe • Aufregung oder Stress
können sich vielfach nicht gegen die Missachtung ih- Bradypnoe • tiefer
Schlaf, Entspan-
rer persönlichen Distanzzone zur Wehr setzen. nung und Zufriedenheit
Die Pflegenden vermitteln durch Berührung aber Veränderung der Hautfar- • Überforderung
nicht nur unterschiedliche Berührungsqualitäten. be von rosig zu marmo-
Auch Zuneigung, Abneigung, Ekel, Traurigkeit und riert bis blass-bläulich
Ängste spiegeln sich darin und vermitteln sich den Verhaltensänderungen
Patienten. Faust mit weißen Finger- • Anspannung
Kann das Kind verbale Äußerungen wahrnehmen knöcheln
und verarbeiten, sollten Pflegende eine altersent- gespreizte Finger • Unwohlsein und Anspan-
sprechende, kindgerechte aber nicht verniedlichen- nung
de Sprache verwenden. Die Kinder nehmen nonver- leicht geöffnete Hände • Wohlbefinden
bale Signale oft äußerst feinsinnig auf. Sie reagieren
angewinkelte Arme und • Abwehr
sehr sensibel auf Stimmlage und Lautstärke. Auch stark angezogene Beine
Ängste und Traurigkeit der Eltern übertragen sich
gebeugte, entspannte Kör- • Wohlbefinden
auf sie. Aktives Zuhören und Wertschätzung sind perhaltung
hier unerlässlich. Pflegende unterstützen alle Pflege-
Stirnfalten zwischen den • Unruhe, Angst oder
maßnahmen verbal. Sie sprechen das Kind persön- Augenbrauen Stress
lich an. Stellen Pflegende Fragen, formulieren sie
glatte Augenbrauenpartie • Entspannung
diese geschlossen, sodass sie mit einem „ja“ oder
schlaffe Wangen und • Müdigkeit
„nein“ zu beantworten sind. Kann das Kind spre-
schlaffes Kinn
chen, lassen Pflegende ihm ausreichend Zeit für die
Blick abwenden, Kopf weg- • Unbehagen und Stress
Antwort. Sie unterbrechen das Kind in keinem Fall.
drehen
Für nicht sprechfähige Patienten, z. B. aufgrund
Gähnen und Schluckauf • Müdigkeit oder Stress
einer Intubation oder Tracheotomie kann altersab-
hängig die schriftliche bzw. bildliche Kommunikati- Berührung des eigenen • Rückzug aus der Umge-
Körpers bung
on von großer Bedeutung sein. Dazu verwenden
Pflegende Tafeln, die durch Fingerhinweise auf Bil- Grimassieren • Schmerz

der, Sätze oder die Worte „ja“ und „nein“, die Ver- Lächeln mit geschlossenen • Wohlbefinden

ständigung deutlich erleichtern. Kann das Kind Augen


schrei­ben, bieten Pflegende einen gut festzuhalten- Schreien • Unmutsäußerung oder
den Stift und eine stabile Schreibunterlage an. Ist das Hunger
3.2  Psychosoziale Unterstützung der Familie 21

3.1.2  Kommunikation von der Erkrankung ihres Kindes meist sehr vertraut. Sie
Frühgeborenen haben bereits zahlreiche Erfahrungen in verschiede-
nen Institutionen des Gesundheitswesens gesam-
Da Früh- und Neugeborene noch nicht über eine melt und begegnen dem therapeutischen Team auf
Sprache auf höherer Abstraktionsebene verfügen, ist der Basis dieser Erfahrungen. Die Anerkennung der
es erforderlich, das Verhalten als Hinweis auf Be- hohen Kompetenz der Eltern im Umgang mit ihrem
dürfnisse, Vorlieben und Abneigungen zu deuten. Kind und seiner Erkrankung ist die Voraussetzung
Die sorgfältige Interpretation ermöglicht eine ent- für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung.
wicklungsfördernde Pflege (› Tab. 3.1). Eltern, deren Kind aus völliger Gesundheit heraus
schwer erkrankt, befinden sich primär in einer stär-
keren Abhängigkeit, da sie kaum auf pflegerische
und medizinische Erfahrungen zurückgreifen kön- 3
3.2  Psychosoziale nen. Ihre elterlichen Kompetenzen scheinen auf den
Unterstützung der Familie ersten Blick für die Bewältigung der Situation nicht
Stephanie Möllmann bedeutsam zu sein. Das bewusste Einbinden der El-
tern in das Geschehen trägt dazu bei, das Gefühl völ-
liger Fremdbestimmtheit zu mildern.
Die Notwendigkeit der intensivmedizinischen Be- Ähnlich verhält sich die Situation bei Eltern, de-
handlung eines Kindes stellt für die gesamte Familie ren Kind unmittelbar nach der Geburt intensivme-
eine existentiell bedrohliche Situation dar. Das be- dizinisch betreut werden muss. Erschwerend ist in
troffene Kind wird aus seinem vertrauten Umfeld dieser Situation, dass die Eltern erst am Beginn ihrer
gerissen, hat Schmerzen oder muss zumindest un- Elternschaft stehen. Zudem kann die Mutter durch
angenehme Maßnahmen erdulden. Es ist in seiner die räumliche Trennung und den aus der Entbin-
Bewegungsfreiheit eingeschränkt, kann sich eventu- dung resultierenden Einschränkungen nur in be-
ell nicht verständigen, hat Angst und kann die Welt, grenztem Umfang bei ihrem Kind sein. In einigen
die es nun umgibt, nicht verstehen. Es ist nicht in Fällen wird sie es erst Tage nach der Entbindung
der Lage, Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen, zum ersten Mal besuchen können. Der Vater steht
es erlebt sich als weitgehend fremdbestimmt. hier in der Rolle eines Mittlers zwischen Mutter und
Auch die Eltern erleben existentielle Ängste und Kind. Diese Rolle kann angesichts seiner eigenen
Sorgen. Sie müssen das Leben ihres Kindes fremden Ängste und Sorgen rasch zu einer Überforderung
Menschen anvertrauen und sind in ihrer elterlichen führen. Der Aufbau der Eltern-Kind-Bindung ist vor
Sorge zumindest teilweise fremdbestimmt. Schuld- dem Hintergrund dieser existentiell bedrohlichen
gefühle, den Ernst der Erkrankung nicht rechtzeitig Situation sehr schwierig.
erkannt zu haben oder das Gefühl, die Situation
schuldhaft mit verursacht zu haben, z. B. bei Unfäl-
len, können die Eltern darüber hinaus belasten. Ge- 3.2.1  Umgang mit der Angst des
schwisterkinder erleben, dass etwas Bedrohliches Kindes
geschehen ist, können dies aber eventuell aufgrund
ihres Alters noch nicht einschätzen. Auch sie verlie- Zentrales Moment im Umgang mit der Angst des
ren ihr vertrautes Umfeld und bedürfen in dieser Si- Kindes ist eine ehrliche Begegnung mit ihm. Sie er-
tuation eigentlich der besonderen Aufmerksamkeit möglicht den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses
ihrer Eltern. Ängste um die Gesundheit ihrer zu dem therapeutischen Team. Die Anwesenheit der
Schwester oder ihres Bruders belasten Geschwister- Eltern bedeutet für das Kind Sicherheit, Geborgen-
kinder ebenfalls. heit und Trost. Die Begleitung durch die Eltern sollte
Unabhängig von der individuellen familiären Si- immer möglich sein, z. B. bei der Visite oder der
tuation befinden sich die betroffenen Familien in Durchführung bestimmter Eingriffe (etwa Blutent-
unterschiedlichen Ausgangssituationen. Eltern nahmen, Sonografien), sofern die Eltern dies wün-
chronisch kranker oder behinderter Kinder sind mit schen.
22 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

Angst kann sich äußern durch • Waschungen mit beruhigenden ätherischen Ölen,
• Rückzug, Verschlossenheit, Schweigen beruhigende Wickel und Einreibungen (› 8.1.3)
• Abwehr, Unruhe, Weinen • Schutz der Kinder vor dem Erleben von Notfallsi-
• Tachykardie, Tachypnoe, Blutdruckanstieg, Bläs- tuationen und Behandlungssituationen, die bei
se, Schwitzen, Zittern anderen Patienten auftreten, z. B. durch räumli-
che Abschirmung (Rollos an Fenstern, Trenn-
Pflegende bedenken bei den klassischen Zeichen von wände), Ablenkung und Beschäftigung.
Angst stets, dass auch Schmerzen diese Symptome aus-
lösen können.
3.2.2  Begleitung der Eltern

3 Die Begegnung mit dem Kind ist durch die folgen- In der Begleitung der Eltern steht die einfühlsame
den Verhaltensweisen gekennzeichnet: Unterstützung bei der Bewältigung der Ängste und
• Die Angst des Kindes wird ernst genommen. Sorgen sowie die ehrliche und offene Information
• Fragen werden ehrlich und in verständlichen, und Beratung im Vordergrund. Sie bildet die Grund-
kindgerechten Worten beantwortet. lage für eine vertrauensvolle Beziehung. Dieses Ver-
• Es besteht Zeit für Gespräche, Zuwendung wird trauensverhältnis ist für die Eltern essenziell, denn
gegeben und Trost gespendet. sie befinden sich vor allem zu Beginn der Intensiv-
• Unangenehme Maßnahmen werden nicht ver- therapie in einem starken Abhängigkeitsverhältnis
harmlost, sondern dem Kind in verständlichen gegenüber dem therapeutischen Team. Sie vertrau-
Worten die Gründe, der Ablauf und die Dauer en ihr Kind fremden Menschen an und sind darauf
der geplanten Handlung erklärt. angewiesen, dass diese sich der damit verbundenen
• Das Kind kann sich Zeit nehmen und hat Einfluss Verantwortung bewusst sind.
auf den Ablauf der Handlung. Darüber hinaus sind die Eltern ebenso wie ihre
• Das Kind kann sicher sein, dass eine adäquate Kinder den belastenden Einflüssen, die auf einer In-
Analgesie erfolgt. tensivstation entstehen, schutzlos ausgesetzt. Auch
Maßnahmen, um Ängste zu mildern sind wenn sich der Gesundheitszustand ihres eigenen Kin-
• offene Besuchszeiten und nach Möglichkeit die des zumindest hinsichtlich der physischen Verfas-
Mitaufnahme eines Elternteils sung stabilisiert hat, werden Eltern täglich mit der
• Ermöglichung und Förderung der Besuche von primären Aufgabe der Intensivpflege konfrontiert,
Großeltern, Geschwistern und Freunden der Akutversorgung lebensbedrohlich erkrankter
• Berücksichtigung von Lebensgewohnheiten und Kinder. Eltern können sich dem nicht entziehen, zu-
Vorlieben, beispielsweise bei der Körperpflege, mal Intensivstationen räumlich oft sehr offen gestaltet
den Ernährungsgewohnheiten oder bei bevorzug- sind. Sie erleben, wie sich der Gesundheitszustand an-
ten Lagerungen derer Kinder akut verschlechtert, eventuell erleben sie
• Beibehaltung von Ritualen, z. B. das Vorlesen ei- auch, dass andere Kinder sterben. Eigene Ängste kön-
ner Geschichte oder das Hören einer bestimmten nen in diesen Momenten unvermittelt wieder aufbre-
Musik zum Einschlafen chen. Die räumlichen Bedingungen der Intensivsta­
• Gestaltung des Umfelds mit vertrauten Gegen- tion führen aber auch dazu, dass das „Familienleben“
ständen, z. B. mit Spielzeug, Kuscheltieren, Fotos, auf engstem Raum und weitgehend öffentlich und oh-
Büchern, einem CD-Spieler oder einer Uhr ne Schutz der Privatsphäre stattfindet. Dies ist gerade
• eigene Wäsche anziehen und Verwendung ver- für Familien sehr belastend, deren Kind über eine lan-
trauter Pflegeprodukte ge Zeit intensivmedizinisch betreut werden muss.
• Orientierung des Tagesablaufs an den Gewohn-
heiten des Kindes
Bewältigungsprozesse
– Ruhe- und Schlafphasen
– Essenszeiten Ein weiterer Aspekt der elterlichen Belastung ist die
– Zeiten zur Körperpflege Bewältigung der Erkrankung oder Behinderung des
3.2  Psychosoziale Unterstützung der Familie 23

Kindes. Für das Verstehen der elterlichen Situation fahr einer Überforderung der Eltern in physischer
seitens der Pflegenden können Phasen-Modelle, die wie psychischer Hinsicht. Schuldgefühle und die In-
diesen Bewältigungsprozess nachzeichnen, hilf- terpretation der Erkrankung oder Behinderung des
reich sein. [3] Mit Bezug auf die Bewältigung der Le- Kindes als eigenes Versagen können zu Depressio-
benskrise, die die Eltern chronisch kranker und be- nen führen. Das Unverständnis von Fachleuten an-
hinderter Kinder durchleben, charakterisiert Ger- gesichts dieser Reaktion der Eltern kann die emotio-
trude Bogyi die Phasen der damit verbunden Trauer­ nale Bewältigung weiter behindern.
arbeit in Anlehnung an das Phasenmodell der
Trauer von Verena Kast: [4] Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs
Die emotionale Akzeptanz der Erkrankung bzw. Be-
Phase des Nichtwahrhaben-Wollens hinderung des Kindes ist die Basis für das Erreichen
Mit der Eröffnung der Diagnose durch den Arzt ist dieser Phase. Die Eltern erleben eine neue Sicherheit 3
häufig keine eindeutige Prognose hinsichtlich des und sehen in ihrer Lebenssituation auch eine Berei-
Verlaufs der Erkrankung verbunden. Es wird allen- cherung im Sinne eines neuen Problem- und Werte-
falls eine mögliche Entwicklung aufgezeigt. Für die bewusstseins.
Eltern bedeutet dies neben dem Aufbrechen von Das Durchleben einer Phase ist nicht gleichbedeu-
wechselnden Gefühlen wie Angst, Verzweiflung, tend mit einem endgültigen Abschluss. Es besteht
Ohnmacht und Niedergeschlagenheit auch ein star- immer die Möglichkeit eines Zurückfallens in eine
kes Abwehrverhalten und Wut, ein „Nichtwahrha- bereits durchlebte Verarbeitungsphase oder eines
ben-Wollen“ der Realität. Dies führt häufig dazu, mehrfachen Wechsels zwischen den Phasen. Die Be-
dass Eltern die ursprüngliche Diagnose des Arztes wältigung der Erkrankung oder Behinderung ihres
ignorieren, sich auf eine oftmals sehr lange Suche Kindes ist für Eltern kein Prozess, den sie nur ein-
nach Spezialisten begeben und viele weitere Ärzte malig durchleben.
konsultieren. In dieser Zeit kommt es häufig zu Kon-
flikten mit den Fachleuten. Die Akzeptanz dieser
Rolle der Pflegenden
Phase als eine natürliche Reaktion der Eltern erhöht
das Verständnis für deren Aktivität. Die Gefahr ei- Pflegende können durch eine einfühlsame Beglei-
ner fortbestehenden Leugnung der Erkrankung oder tung dazu beitragen, dass Eltern diese Lebenskrise
Behinderung des Kindes und die damit verbundene bewältigen und eine vertrauensvolle Beziehung zum
Fixierung der Eltern in dieser Phase sind dennoch zu therapeutischen Team aufbauen. Eine elternbeja-
bedenken. hende Atmosphäre gibt ihnen das Gefühl, keine Be-
sucher, sondern die wichtigsten Personen für ihr
Phase der aufbrechenden Emotionen Kind zu sein.
Diese Phase steht in einem engen Wechselspiel mit
der vorangegangenen. Die sich immer wiederholen- Aspekte
de Konfrontation mit der Diagnose löst starke Ge- • Gefühle und Belange der Eltern ernst nehmen
fühle aus. Angst und Verzweiflung aber auch Wut • Eltern ehrlich und offen informieren, beraten
und enorme Aggressionen gegen die Ärzte, die die und anleiten
Diagnose stellen, können ebenso auftreten wie • Zeit für Elterngespräche einräumen
Scham- und Schuldgefühle, verbunden mit der Ge- • Eltern das Gefühl geben, auch weiterhin Verant-
fahr des sozialen Rückzugs. wortung für Kind übernehmen zu können und
Einfluss auf die Geschehnisse zu haben
Phase des Suchens und sich Trennens • Kompetenz der Eltern anerkennen und wert-
Mit der Kenntnisnahme der Erkrankung auf der ko- schätzen
gnitiven Ebene setzt häufig ein starker Aktionismus • Stärkung des Selbstvertrauens der Eltern
der Eltern ein. Sie veranlassen verschiedene Therapi- • Aspekte bei dem ersten Kontakt der Eltern mit
en und die Suche nach neuen Behandlungsmöglich- ihrem Kind:
keiten scheint unerschöpflich. Hier besteht die Ge- – namentliche Vorstellung
24 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

– Eltern vor Betreten der Station auf die Situati- • bei geplanten Aufenthalten auf der Intensivstati-
on vorbereiten, die sie erwartet on (Operation, Frühgeburt) den Eltern die Mög-
– Begleitung der Eltern zum Bett ihres Kindes lichkeit einer vorherigen Stationsbesichtigung er-
– Eltern Zeit für das Erfassen der Situation ge- öffnen
ben, dann behutsam alle Zu- und Ableitungen
und die erforderlichen Geräte in kurzen und
Situation der Eltern frühgeborener Kinder
verständlichen Worten erklären, die Eltern
nicht mit zu viel Informationen und Erklärun- Eltern frühgeborener Kinder befinden sich in einer
gen überfordern, sondern die Aufmerksamkeit besonderen Situation. Die mit der Schwangerschaft
auf das Kind lenken verbundene Freude, die Hoffnungen und Wünsche
– ein natürlicher Umgang der Pflegenden mit für das Kind werden den Eltern abrupt genommen.
3 dem Kind und die persönliche Ansprache des Der Vorstellung eines gesunden Neugeborenen steht
Kindes kann erste Hemmschwellen der Eltern nun ein sehr kleines, zerbrechlich wirkendes Baby
überwinden helfen gegenüber. Dies bedeutet für die Eltern zunächst ei-
– „Da sein“, auf Gesprächssignale wie „einen fra- nen großen Schock, Angst, Trauer und auch Ungläu-
genden Blick“ oder einen unvermittelt abge- bigkeit. Das Gefühlschaos, in dem sie sich befinden,
brochenen Satz reagieren und auf Fragen ver- und die Reaktionen auf diese emotionale Belastung
ständlich antworten sind für Angehörige und Freunde kaum nachvoll-
– Eltern erklären und zeigen, wie sie Körperkon- ziehbar und daher nur schwer zu teilen.
takt zu ihrem Kind aufnehmen können, die El-
tern dabei nicht bedrängen Eltern frühgeborener Kinder sind nahezu immer von
– Eltern ermutigen, mit ihrem Kind zu sprechen Schuldgefühlen belastet.
– Eltern Zeit geben, mit ihrem Kind allein zu
sein
– schriftliches Informationsmaterial anbieten, Mütter erleben Schuldgefühle vor allem hinsichtlich
das die Eltern zuhause nochmals durchlesen des „Versagens“, ein Kind normal austragen zu kön-
können (Grundriss der Station, Stationsab- nen und des Umstands, dass sie ihr Baby nicht allein
läufe, hygienische Hinweise, Telefonnum- versorgen können, sondern auf professionelle Hilfe
mern) angewiesen sind. Auch der Vater des Kindes kann
• Eltern so früh wie möglich in die Pflege einbezie- Schuldgefühle entwickeln angesichts seiner Rolle als
hen, dabei Hemmschwellen bedenken, die durch Beschützer von Mutter und Kind und dem „Versa-
einen sicheren und einfühlsamen Umgang der gen“ in diesem Punkt. Pflegende können bewusst
Pflegenden mit dem Kind abgebaut werden kön- dazu beitragen, die Belastung eines Beziehungsauf-
nen baues unter diesen schwierigen Umständen zu mini-
• Bezugspflege und feste Ansprechpartner für die mieren.
Eltern zur Verfügung stellen Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zu
• Eltern das persönliche Umfeld des Kindes gestal- den Eltern, die einfühlsame Pflege des Kindes, die
ten lassen frühe Einbindung der Eltern in die Pflege und die
• Lebensgewohnheiten des Kindes berücksichtigen, Förderung eines intensiven Körperkontaktes unter-
bei behinderten oder chronisch kranken Kindern stützen den Aufbau einer tragfähigen Eltern-Kind-
die gewohnten pflegerischen und therapeutischen Bindung und stärken das Selbstvertrauen der Eltern.
Maßnahmen und Abläufe beibehalten, z. B. das [5] [6] [7]
Anlegen von Schienen oder anderen Hilfsmitteln,
gewohnte Lagerungen
Anleitung der Eltern
• Vermittlung psychologischer oder seelsorgeri-
scher Hilfe und Begleitung Die Anleitung der Eltern, z. B. in der Übernahme
• Vermittlung von Selbsthilfegruppen oder Ge- pflegerischer oder therapeutischer Maßnahmen
sprächskreisen oder im Umgang mit speziellen Geräten, erfordert
3.2  Psychosoziale Unterstützung der Familie 25

ein strukturiertes Vorgehen. Insbesondere in Situa- Eltern ggf. den Transfer zur häuslichen Pflegesi-
tionen, in denen die Eltern diese Pflegemaßnahmen tuation leisten?
anschließend auch zu Hause durchführen müssen,
ist eine sorgfältige Planung erforderlich. Pflegende Beispiel
gliedern Anleitungssituationen in kurze Sequenzen,
Beim Erlernen des Umgangs mit Sauerstoff weisen Pfle-
z. B. bei der Verabreichung von Medikamenten. Un- gende die Eltern, deren Kind nur vorübergehend Sauer-
ter Umständen umfasst die Elternschulung auch ein stoff benötigt, in die Grundprinzipien ein, sodass sie bei-
komplexes Thema mit vielen Anleitungsabschnitten, spielsweise ihr Kind ohne Hilfe aus dem Bett nehmen
etwa bei der Vorbereitung auf eine Heimbeatmung. können. Eltern, deren Kind auch zu Hause sauerstoff-
pflichtig sein wird, erlernen darüber hinaus den Umgang
Beispiele für Anleitungssituationen mit einem Sauerstoffkonzentrator oder einem Flüssig­
sauer­stofftank.
• Stillen, Handling, Ganzkörperwäsche, Baden oder 3
entfaltende Massagen bei Früh- und Neugebore-
nen • Ist es sinnvoll, einzelne Handlungsschritte isoliert
• Durchführung einer speziellen Mundpflege vor Beginn der eigentlichen Handlung einzu-
• Umgang mit einem Überwachungsmonitor üben?
• Verabreichen von Sondennahrung, Legen einer • Kann das Erstellen einer Checkliste eine hilfrei-
Magensonde oder PEG-Pflege che Methode zur Wiederholung und Festigung
• Inhalationen und atemtherapeutische Maßnah- des Erlernten sein?
men
• Umgang mit Sauerstoff Beispiel
• Umgang mit einem Absauggerät, orales und na- Festhalten der einzelnen Schritte bei der Durchführung
sales Absaugen einer entfaltenden Massage oder Überprüfung und Vor-
• Tracheostomapflege, endotracheales Absaugen bereitung der Materialien bei einem Spaziergang mit ei-
und Wechsel der Trachealkanüle nem tracheotomierten Kind.

Vorüberlegungen
• Sind die Eltern dazu bereit, diese Maßnahmen zu • Wie viel Zeit steht für die Anleitungssituation zur
übernehmen? Äußern die Eltern von sich aus den Verfügung? Ist es sinnvoll, einen separaten Ter-
Wunsch oder das Interesse, die Maßnahmen zu min zu vereinbaren?
erlernen, oder ist dies eine zwingende Notwen-
digkeit, damit sie die häusliche Pflege ihres Kin- Gestaltung der Anleitungssituation
des übernehmen können? Wie kann das Kind auf • Ruhe und ausreichend Zeit sind die Grundvor-
die Anleitungssituation vorbereitet werden? aussetzungen. Das gesamte Team sollte daher
• Welche Kompetenzen haben die Eltern bereits über die geplante Anleitung informiert sein.
erworben? Wie ist die Lernsituation der Eltern? Wenn es in der aktuellen Situation absehbar ist,
Welche Voraussetzungen sind für das Verständ- dass die notwendige Zeit nicht zur Verfügung
nis des Lerninhaltes erforderlich? Benötigen die steht, erwägen Pflegende, ob die Verlegung des
Eltern beispielsweise theoretisches Wissen, um Termins für die Anleitung sinnvoll ist.
die Maßnahme durchführen zu können? Können • Vor Beginn der Anleitung vereinbaren Pflegende
sie dieses Wissen anhand von schriftlichem In- gemeinsam mit dem betreffenden Elternteil in ei-
formationsmaterial oder anderen Medien erar- nem Vorgespräch das Ziel der Anleitung und die
beiten? damit verbundenen Rollen: Sollen sich die Eltern
• Was sind die Bedingungen für die Durchführung die Handlung zunächst nur anschauen oder sol-
der Maßnahme? Sollen die Eltern die Maßnahme len sie selbst handeln? Sollen Fragen und Anmer-
unter den Voraussetzungen der stationären In- kungen gleich oder im Anschluss behandelt wer-
tensivpflege oder unter dem Blickwinkel der den? Muss der Ablauf der Handlung nochmals
häuslichen Pflegesituation erlernen? Können die theoretisch besprochen werden?
26 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

• Während der Anleitung: hält und sie erleben die Sorgen und Ängste ihrer El-
– Für eine ruhige und entspannte Atmosphäre tern. Eigene Ängste können sie unter diesen Um-
sorgen. ständen kaum äußern und bewältigen, mitunter
– Das Kind in Ruhe und kindgerecht auf die wollen sie die Eltern auch bewusst damit nicht zu-
Übernahme der Maßnahme durch die Eltern sätzlich belasten. Besonders belastend ist diese Situ-
vorbereiten. ation für Kinder, die ihren Bruder oder ihre Schwes-
– Keinen Zeitdruck vermitteln. ter nicht besuchen dürfen und daher beispielsweise
– Nach einzelnen Handlungssequenzen kurze ihr neugeborenes Geschwisterkind nur von Fotos
Pausen einhalten. kennen. Der Aufbau einer Beziehung zu dem Kind
– Ggf. dafür Sorge tragen, dass die Eltern die ist dadurch erschwert, Eifersucht und starke Tren-
Handlung gut beobachten können. nungsängste können die Folgen sein. Pflegende stre-
3 – Wenn die Eltern die Handlung ausführen, kon- ben, wenn es irgend möglich ist, Besuche der Ge-
zentrieren sie sich zunächst auf die einzelnen schwister auf der Intensivstation an.
Handlungsschritte. Die Beobachtung des Kin- Pflegende können als Vermittler
des und die Kommunikation treten dabei oft in • Geschwistern kindgerecht die Situation des Bru-
den Hintergrund. Es ist daher auch die Aufga- ders oder der Schwester erklären,
be der Pflegenden, das Kind in die Handlung • Kinder spielerisch in einfache Pflegehandlungen
einzubeziehen. einbeziehen, so dass diese das Gefühl haben, ih-
– Bei der Durchführung unangenehmer Maß- rem Bruder oder ihrer Schwester etwas Gutes tun
nahmen, beispielsweise beim Legen einer Ma- zu können, z. B. indem sie helfen, die Lippen oder
gensonde oder beim Absaugen, brechen Eltern die Haut einzucremen oder indem sie Materialien
gerade zu Anfang relativ häufig den Vorgang halten und anreichen,
ab, da die Hemmschwelle verständlicherweise • Kinder ermutigen, ihrem Bruder oder ihrer
sehr hoch ist und es die Eltern viel Überwin- Schwester etwas zu erzählen, vorzulesen oder
dung kostet, ihrem Kind diese unangenehme vorzusingen,
Maßnahme zuzumuten. In diesen Situationen • Körperkontakt zum Geschwisterkind fördern,
ermutigen Pflegende die Eltern, weisen auf • Fotos oder Hand- und Fußabdrücke anfertigen,
Fortschritte hin und informieren sie darüber, • Selbstgemalte Bilder von den Geschwistern am
dass andere Eltern diese Situation auch erleben Bett des Kindes aufhängen,
und sie im Verlauf dennoch bewältigen. • Material zur Beschäftigung der Geschwister zur
• Im Nachgespräch reflektieren Pflegende und El- Verfügung stellen, z. B. Buntstifte, Papier oder
tern die vermittelte Handlung erneut, planen wei- Bücher.
tergehende Lernziele und Anleitungen. Ein positi-
ves Feedback stärkt das Selbstvertrauen der Eltern.
• Anleitung und weiteres Vorgehen dokumentie- 3.2.4  Familien aus anderen
ren. Kulturkreisen

Die Begleitung von Familien aus anderen Kultur-


3.2.3  Einbeziehen der Geschwister kreisen stellt Pflegende vor besondere Herausforde-
rungen. Sprachliche Barrieren, ein anderes Ver-
Geschwister sind von der schweren Erkrankung ih- ständnis von Gesundheit und Krankheit, fremde
res Bruders oder ihrer Schwester in besonderer Wei- Gewohnheiten und unbekannte Rituale erschweren
se betroffen. Sie müssen mit ihren eigenen Bedürf- das Verstehen der individuellen familiären Situati-
nissen und Wünschen häufig zurückstehen und zu- on. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Ein-
gleich hohe Erwartungen erfüllen. Sie sollen Rück- stellung gegenüber anderen Kulturen und die be-
sicht nehmen und Verständnis für die Situation wusste Reflexion von Vorstellungen und Befangen-
haben. Sie erleben, dass ihr krankes Geschwister- heiten ist die Basis für die Begegnung mit Familien
kind mehr zeitliche und emotionale Zuwendung er- aus anderen Kulturkreisen. Voraussetzung für das
3.2  Psychosoziale Unterstützung der Familie 27

Verstehen der individuellen familiären Stiuation ist gen? Gibt es Bildkarten, die in der Fremdsprache
die gelungene Verständigung im gemeinsamen Ge- beschriftet werden können? Als Vorlage könnte
spräch. z. B. eine kopierte Bildtafel aus der „unterstützten
Vor dem Gespräch bedenken Pflegende grund- Kommunikation“ (› 3.1.2) dienen
sätzlich folgende Aspekte: • Welche Aspekte sollten mit der jeweiligen Über-
• Wie gut beherrschen das Kind und seine Eltern setzung schriftlich fixiert werden (z. B. Telefon-
die deutsche Sprache? Können sie die Sprache gut nummern, Erreichbarkeit)?
verstehen, sich aber selbst nur schwer ausdrü- • Welcher Religionsgemeinschaft gehört die Fami-
cken? Können sie lesen und schreiben? lie an? Welche Informationen haben die Pflegen-
• Ist es erforderlich, einen Dolmetscher zu dem Ge- den über die Besonderheiten des Kulturkreises
spräch hinzuzuziehen? Gibt es vertraute Perso- aus dem die Familie stammt? Gibt es beispiels-
nen im Umfeld der Familie, die diese Aufgabe weise spezielle Ernährungsgewohnheiten oder 3
übernehmen können? Sind diese in der Lage, Besonderheiten in der Körperpflege, die zu be-
schwierige Gesprächsinhalte zu übersetzen oder rücksichtigen sind?
werden sie selbst zu stark emotional betroffen Allgemeine Vorstellungen über die Besonderheiten
sein? einer bestimmten Religionsgemeinschaft können als
• Gibt es Informationsmaterial in der jeweiligen grobe Orientierung dienen (›  Tab. 3.2). Die tat-
Sprache? Können Bilder die anzusprechenden sächlichen Lebensgewohnheiten und Gebräuche der
Themen veranschaulichen? Eltern und des Kindes und die daraus resultierenden
• Ist es sinnvoll, in dem Gespräch bestimmte Zei- individuellen Bedürfnisse der Familie lassen sich
chen und Symbole zur Verständigung festzule- nur im Gespräch ermitteln. [8] [9]

Tab. 3.2  Besonderheiten verschiedener Religionsgemeinschaften.


Religion Tod und Krankheit Ernährung und Körperpflege
Islam • psychisches Leiden wird stark körperlich • Schweinefleisch ist nicht erlaubt, anderes
• Verbreitung: In erster Li- empfunden, körperliche Vorgänge haben Fleisch muss gemäß den islamischen Spei-
nie arabische Staaten in eine hohe Bedeutung sevorschriften geschlachtet sein
Nordafrika und im Na- • Todesstunde und Todesort sind von Gott • für Kinder, Schwangere, Frauen während
hen Osten, Türkei vorherbestimmt der Menstruation und Kranke gilt der Fas-
• Quelle der islamischen • am Tag des Jüngsten Gerichts wird Gott tenmonat Ramadan nicht verpflichtend
Lehre ist der Koran über alle Menschen richten, die „Gerette- • Reinheit von Körper und Seele sind un-
• unterschiedliche Grup- ten“ gelangen ins Paradies trennbar verbunden
pen, z. B. Sunniten, • Trauer wird offen gezeigt, streng gläubige • Baden wird als unhygienisch angesehen,
Schiiten, Aleviten Muslime versuchen sich evtl. auch zu be- die Reinigung erfolgt unter fließendem
herrschen, um keinen Unmut gegenüber Wasser
der Entscheidung Gottes zu zeigen
• Erdbestattung

Judentum • die Seele wird als unsterblich angesehen, • Schweinefleisch und Fische ohne Flossen
• Verbreitung: insbeson- jedoch keine einheitliche Vorstellungen oder Schuppen gelten als unrein und dürfen
dere Israel, sonst welt- vom Jenseits nicht gegessen werden; erlaubtes Fleisch
weit • starker Bezug zum Leben und Betonung muss nach jüdischen Speisevorschriften ge-
• Quelle der jüdischen des Diesseits schlachtet worden (koscher) sein. Bei or-
Lehre sind die Thora • Erdbestattung, Feuerbestattung grund- thodoxen Juden müssen sämtliche Nah-
und der Talmud sätzlich möglich rungsmittel koscher sein
• Fleisch- und Milchprodukte dürfen nicht zu-
sammen verzehrt werden. Orthodoxe Juden
trennen die gesamte Kücheneinrichtung in
milchig/nicht-milchig – diese Patienten dür-
fen u. U. Speisen aus einer nicht koscheren
Küche überhaupt nicht essen
28 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

Tab. 3.2  Besonderheiten verschiedener Religionsgemeinschaften. (Forts.)


Religion Tod und Krankheit Ernährung und Körperpflege
Buddhismus • Gesundheit liegt in der Eigenverantwor- • vieleBuddhisten sind Vegetarier, da sich
• Verbreitung: insbeson- tung des Menschen das Verbot des Tötens auf alle Lebewesen
dere Burma, Nepal, Sri • Krankheit und Leiden sind Folgen der Be- bezieht
Lanka, Thailand, Tibet, gierde nach weltlichen Genüssen und der • die Hauptmahlzeit wird abends gegessen
Japan eigenen Schwäche • möglicherweise Ablehnung von Schmerz-
• Grundlage des Buddhis- • Geister können Krankheiten und Fehlbil- mitteln, da die uneingeschränkte Wahrneh-
mus sind die vier edlen dungen verursachen mungsfähigkeit eine große Bedeutung hat
Wahrheiten Buddhas • Glaube an die Wiedergeburt und eine stu-
• unterschiedliche Schulen fenweise Annäherung an die Vollkom-
menheit, das Nirwana
3 • Feuerbestattung

Hinduismus • eigene Philosophie, die „Lehre vom Le- • Rindfleisch ist nicht erlaubt, ebenso keine
• Verbreitung: hauptsäch- ben“ (Ayurveda), beeinflusst die Medizin Nahrung, die Rindfleisch während der Zu-
lich Indien ebenso wie die Naturheilkunde und die bereitung berührt hat
• unterschiedliche Grup- Homöopathie • viele Hindus sind Vegetarier
pierungen • Gesundheit ist die Belohnung für die Ein- • strenge Gebote der Reinigung: Baden wird
haltung der Regeln, an einer Krankheit als unhygienisch angesehen, die Reinigung
trägt der Mensch eine Mitschuld erfolgt unter fließendem Wasser
• Glaube, dass das Leben in vier Abschnitte • strenge Sauberkeit bei der Essenszuberei-
gegliedert ist: eine Zeit der Erziehung, ei- tung
ne Zeit der Tätigkeit in der Welt, die Zeit • Ausspülen des Mundes vor und nach den
der Ablösung und die Zeit des Sterbens Mahlzeiten
und der Befreiung des Geistes • Neugeborene erhalten in den ersten Le-
• Glaube an die Reinkarnation benstagen nur Wasser, da das Kolostrum
• Feuerbestattung (Bestattung der Asche im als giftig angesehen wird
Ganges ist für Hindus wesentlich)

3.2.5  Erleben vom Sterben und Tod Die Begleitung einer Familie in dieser Lebenssitu-
des Kindes ation berührt immer auch die eigene Auseinander-
setzung mit dem Leben und dem Tod. Eine intensive
Das Sterben und den Tod ihres Kindes zu erleben, Begleitung der Familie kann Pflegende an die Gren-
bedeutet für die betroffene Familie eine Phase zen der Belastbarkeit bringen, zumal sie sich oft auf
stärkster emotionaler Belastung. Neben dem Verlust diese Aufgabe nicht ausreichend vorbereitet fühlen.
des Kindes und der damit verbundenen Bedeutung Ein einfühlsames Team bietet im Gespräch Hilfen,
des „Verlustes der Zukunft“ für die Eltern, spielen baut Belastungen ab und hilft, die empfundene Hilf-
bei allen Beteiligten, also auch beim therapeutischen losigkeit und Ohnmacht aufzufangen. Supervisionen
Team, Berührungsängste eine große Rolle. Dies mit tragen dazu bei, Situationen aufzuarbeiten, die
der gesellschaftlichen Tabuisierung des Themas Grenzen des eigenen Handelns zu akzeptieren und
„Sterben und Tod“ zu erklären, reicht nicht aus. An- den Umgang des Teams mit sterbenden Kindern zu
dere Aspekte, etwa die Institutionalisierung des reflektieren. In der Auseinandersetzung mit der ei-
Sterbens in Krankenhäusern, die Tatsache, dass genen Haltung zum Tod und den damit verbunde-
Menschen inzwischen durchschnittlich erst in der nen Gefühlen und Gedanken kann sich eine persön-
mittleren Lebensspanne erstmalig von einem Todes- liche Lebens- und Sterbephilosophie entwickeln, die
fall in der Familie betroffen sind oder der veränderte eine einfühlsame Begleitung der Familien ermög-
Umgang mit Toten sind ebenfalls Auslöser für Be- licht und zugleich den eigenen Bedürfnissen Rech-
rührungsängste. nung trägt.
3.2  Psychosoziale Unterstützung der Familie 29

Todesvorstellungen bei Kindern – geringe Angst vor dem Tod, häufiger Verstüm-
melungsängste
Die Reaktion von Kindern auf den Tod und das Ver- • Kinder bis zwölf Jahren
ständnis der Bedeutung des Todes hängt von der – erlangen das Bewusstsein dafür, dass sie selbst
Entwicklungsstufe des Kindes ab: [10] [11] auch einmal sterben müssen
• Kinder bis drei Jahren – haben ein großes sachliches Interesse am Tod
– haben überwiegend keine Vorstellung vom und suchen nach Erklärungen, stellen viele
Tod und keinen Bezug zur Zeit Fragen, z. B. warum der Mensch stirbt oder
– Bemerken durch die Veränderung ihrer Um- was danach mit ihm geschieht
welt, dass etwas Bedrohliches geschieht – nehmen eigene Gefühle der Trauer bewusst als
– Trennungsängste, Schlaf- und Essstörungen solche wahr
und regressives Verhalten sind mögliche Folgen • Jugendliche 3
– zwei- bis dreijährige Kinder begreifen den Tod – verdrängen während der Pubertät das Thema
als Abwesenheit des Verstorbenen und suchen Tod eher, weil viele andere Themen bereits
nach ihm emotional stark besetzt sind und die Entwick-
• Kinder bis sechs Jahren lung der eigenen Identität durch die Vorstel-
– entwickeln eine Vorstellung vom Tod, stellen lung des Todes gefährdet ist
sich ihn als einen Schlafzustand oder als eine – in der Auseinandersetzung mit dem Thema er-
lange Reise vor, halten den Tod nicht für end- langen philosophische und religiöse Deutungs-
gültig versuche eine hohe Bedeutung
– beobachten bewusst den Tod in der Natur, z. B. – haben in der Konfrontation häufig erhebliche
das Absterben der Pflanzen oder den Tod von eigene Todesängste
Insekten und anderen Tieren Lebensbedrohlich erkrankte Kinder setzen sich oft
– entwickeln ein Verständnis dafür, dass Men- sehr intensiv mit dem nahenden Tod auseinander,
schen in bestimmten Situationen sterben, z. B. so dass sie nicht nur ihre eigene Situation sehr deut-
alte Menschen, in Folge einer Gewalteinwirkung lich wahrnehmen, sondern auch die Haltung ande-
– drei- bis fünfjährige Kinder sehen graduelle rer Menschen, insbesondere der Eltern. Sie bemer-
Unterschiede im Tod, jemand kann „mehr ken, wenn ihre erwachsenen Bezugspersonen der
oder weniger stark tot sein“ Frage nach dem Tod ausweichen oder lediglich un-
– können sich aufgrund ihrer moralischen Ent- reflektierte Erklärungen und Versprechen abgeben.
wicklungsstufe für den Tod eines Menschen
verantwortlich fühlen: der Tod des anderen Im Gespräch mit einem Kind über den Tod sind offene
tritt infolge des eigenen Fehlverhaltens ein Fragen hilfreich, so dass das Kind mit Hilfe seiner Erzäh-
– benötigen in der Konfrontation mit dem Tod lungen Klarheit über die eigenen Vorstellungen erlangen
deutliche und kindgerechte Erklärungen, z. B. kann. Das Kind erwartet nicht, dass Erwachsene auf alle
dass der Körper kalt wird, Eintreten der Toten- Fragen eine Antwort haben, es wünscht sich, dass sie dem
starre, Veränderung der Hautfarbe; Kinder Gespräch nicht ausweichen. Wut, Aggression, Ängste und
depressive Phasen sind auch bei Kindern in der Auseinan-
können in dieser Phase ohne Verständnis der dersetzung mit dem bevorstehenden Tod und während
Situation große Ängste entwickeln, etwa bei der Konfrontation mit dem Unausweichlichen normal.
der Vorstellung eines Begräbnisses, wenn sie
davon ausgehen, dass der Tote noch etwas
spürt oder wieder aufwacht
Sterbe- und Trauerphasen (nach Kübler-
• Kinder bis zehn Jahren Ross)
– begreifen die Endgültigkeit des Todes
– erkennen, dass der Tod jeden treffen kann, Der Sterbeprozess lässt sich, ebenso wie die Trauer-
können sich jedoch nicht vorstellen, dass sie arbeit der Angehörigen, nicht schematisieren. Das
selbst oder jemand aus der Familie betroffen Phasen-Modell von Elisabeth Kübler-Ross ist für ein
sein könnte allgemeines Verständnis der Reaktionen und Ver-
30 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

haltensweisen hilfreich, auch wenn der Phasen­ terstützende Pflegemaßnahmen stehen bei der
ablauf im Einzelfall nicht eindeutig nachvollziehbar Pflege des sterbenden Kindes im Vordergrund.
sein muss. • Schaffung einer ruhigen Atmosphäre, ggf. die
• Erste Phase Möglichkeit einer Verlegung in ein ruhigeres
– Phase des Verleugnens, des Nichtwahrhaben- Zimmer mit dem Kind und den Eltern bespre-
Wollens und der Isolation chen.
– Leugnung des bevorstehenden Todes, Ableh- • Den Eltern eine kontinuierliche Anwesenheit er-
nung aller Anzeichen und Informationen, die möglichen, ihnen dabei aber keinen Druck oder
darauf hindeuten eine bestimmte Erwartungshaltung vermitteln.
– Schockzustand, in dem die Verleugnung als • Besuche von Geschwisterkindern, Freunden und
Selbstschutz dient anderen Angehörigen ermöglichen und beglei-
3 • Zweite Phase ten, der Wunsch des Kindes steht im Vorder-
– Phase der Auflehnung, Wut und Aggression grund, auch Zeiten des Alleinseins und der Ruhe
– Erkenntnis des bevorstehenden Todes ermöglichen, wenn das Kind das Bedürfnis da-
– Wut und Aggressionen gegenüber dem thera- nach hat.
peutischen Team, weil es dem Kind nicht mehr • Körperkontakt mit den Eltern ermöglichen, ih-
helfen kann nen das Kind auf den Arm geben bzw. das Kind
– Wut gegen sich selbst oder gegenüber der Fa- in ein großes Bett legen, sodass die Eltern sich
milie, unter der Vorstellung, dass etwas falsch dazulegen können.
gemacht oder versäumt wurde • Fragen des Kindes ehrlich und offen beantwor-
– Schuldgefühle und das Gefühl des Versagens ten; dabei berücksichtigen, inwieweit das Kind
• Dritte Phase über seinen Zustand informiert ist; zugeben,
– Phase des Verhandelns mit dem Schicksal wenn man Fragen nicht beantworten kann und
– Betroffene bestreiten den bevorstehenden Tod offene Fragen stellen „Ich weiß es nicht …, was
nicht mehr grundsätzlich, hoffen aber auf denkst du?“
Möglichkeiten, die Lebensspanne zu verlän- • Schmerzen erkennen, lindern und behandeln.
gern, z. B. durch alternative Therapiemethoden • Die pflegerischen Maßnahmen orientieren sich
– die gewonnene Zeit soll dem intensiven Erle- an der Steigerung des Wohlbefindens:
ben und der Erfüllung von Wünschen gewid- – atemerleichternde Maßnahmen
met sein – bedürfnisorientierte Lagerung
• Vierte Phase – Linderung von Übelkeit und Erbrechen
– Phase der Depressionen – Maßnahmen bei Obstipation oder Harnverhalt
– tief empfundene Trauer und Schmerz kenn- – Körperpflege entsprechend den Bedürfnissen
zeichnet diese Phase, die durch eine eventuelle und der Belastbarkeit
Verschlechterung des Zustands verstärkt wer- – Wunschkost, Mundpflege nach Bedarf
den kann – temperaturregulierende Maßnahmen
• Fünfte Phase – unterstützende Maßnahmen bei Schlafstö­
– Phase der Zustimmung rungen
– Betroffene nehmen den bevorstehenden Tod
an und akzeptieren ihn
Begleitung der Eltern
Diese Phasen folgen nicht immer linear aufeinander.
Viele Sterbende durchlaufen einzelne Phasen mehr- Die Bedürfnisse der Eltern in dieser Situation sind
fach, oder nur einmal und sehr kurz. [10] [12] individuell sehr unterschiedlich. Pflegende ermitteln
sie im Gespräch immer wieder neu. Grundsätzlich
versucht das Team, den Eltern ihre „Form der Be-
Begleitung des Kindes
gleitung“ zu ermöglichen.
• Die Begleitung des Kindes richtet sich nach sei- • für die Eltern da sein, ansprechbar sein, sich Zeit
nen aktuellen Bedürfnissen. Lindernde und un- nehmen, zuhören, Schweigen zulassen, Leid und
3.2  Psychosoziale Unterstützung der Familie 31

Trauer zulassen, dabei eigene Gefühle nicht un- meinsamen Erinnerungen beitragen, sie können le-
terdrücken diglich zuhören. Eine hilfreiche und wichtige Auf-
• Bedürfnisse der Eltern erkennen: ein Glas Was- gabe der Pflegenden ist es daher, solche Erinnerun-
ser oder eine Tasse Kaffee anbieten, evtl. etwas gen zu schaffen:
zu essen anbieten, Telefongespräche ermögli- • Fotos von dem Kind mit einer Sofortbildkamera
chen und einer normalen Kamera anfertigen
• psychologische oder seelsorgerische Begleitung • Hand- und Fußabdrücke aus Gips oder mit Hilfe
ermöglichen, sofern die Eltern dies wünschen eines Stempelkissens anfertigen, dazu evtl. selbst-
• Geschwisterkinder in die Situation einbeziehen, gestaltete Karten verwenden
ggf. ablenken und beschäftigen • eine Haarlocke, das Identifikationsbändchen, ei-
• Eltern einen intensiven Körperkontakt mit ihrem nen Beruhigungssauger oder ein Tuch, mit dem
Kind ermöglichen das Kind zugedeckt war, aufheben 3
• einfühlsamer Umgang mit dem Kind und das • wenn die Eltern diese Erinnerungsstücke zu-
Einbeziehen der Eltern in die Pflege zeigt den El- nächst ablehnen, diese sorgsam aufbewahren und
tern, dass ihr Kind auch weiterhin liebevoll und die Eltern darüber informieren, dass sie sie zu ei-
aufmerksam behandelt wird nem späteren Zeitpunkt abholen können (Aufbe-
• kulturelle und religiöse Rituale und Gebräuche wahrung der Fotos in der Akte)
ermöglichen, z. B. Nottaufe, Krankensalbung, Ge- • Eltern liebevoll auf besondere äußere Merkmale
bete, Gesang und Eigenarten des Kindes aufmerksam machen
• in der Sterbephase Alarmsysteme abstellen, ggf. • Eltern ermutigen, das Kind auf den Arm zu neh-
den Monitor ausstellen men
• körperliche Reaktionen erklären, z. B. die Verän- • Großeltern, Geschwistern und Freunden die
derung der Atmung oder der Hautfarbe Möglichkeit geben, das Kind kennen zu lernen
• nach Eintritt des Todes den Eltern die Möglich- • wenn das Kind stirbt, ohne dass die Mutter dabei
keit geben, den Abschied von ihrem Kind zu ge- sein kann, dem Vater die Möglichkeit eröffnen,
stalten: es ohne Zeiteinschränkung halten zu dür- das Kind zur Geburtsklinik bringen zu lassen und
fen, es waschen und anziehen zu können, es zu ggf. die Koordination und Absprache mit der Kli-
fotografieren, auf Wunsch eine Aufbahrung zu nik übernehmen, auf die Möglichkeit einer häus-
Hause ermöglichen lichen Aufbahrung hinweisen
• praktische Hinweise zu formalen Abläufen und • den Eltern einen weiteren Gesprächstermin in ei-
den erforderlichen Formalitäten geben nigen Wochen oder Monaten anbieten

Situation der Eltern früh- und Situation der Eltern hirntoter Kinder
neugeborener Kinder
Die Diagnose „Hirntod“ stellt eine besonders
Ein wichtiger Bestandteil in der Verarbeitung der schwierige und belastende Situation für die Eltern
Trauer ist die Erinnerung an den Verstorbenen. Das und auch für das therapeutische Team dar. Der irre-
Gespräch in der Familie und unter Freunden über versible und komplette Ausfall der Gehirnfunktio-
gemeinsame Erlebnisse mit dem Verstorbenen, das nen ist angesichts des unveränderten Aussehens des
Ansehen von Fotos oder Videoaufnahmen oder per- Kindes kaum be-greifbar: die Haut ist warm und ro-
sönliche Gegenstände sind Bestandteile dieser Erin- sig und das Herz schlägt unverändert. Bewegungen,
nerung. Eltern, die ihr Kind kurz nach der Geburt die durch spinale Reflexe entstehen, können verun-
verlieren, haben nur wenige gemeinsame Erlebnisse sichern und werfen Fragen nach der Diagnose
mit ihrem Kind, sie konnten es kaum kennen ler- „Tod“ und dem Umgang mit dem Kind auf. Nur in
nen. Die Erlebnisse sind zudem durch das Trauma der intensiven Auseinandersetzung mit diesem
der lebensbedrohlichen Erkrankung geprägt. Thema lässt sich eine tragfähige individuelle Hal-
Freunde und weitere Angehörige haben das Kind tung aufbauen, die eine sichere Begleitung der El-
womöglich nicht gesehen und können so keine ge- tern in dieser Situation ermöglicht. Erste Impulse
32 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

zur Reflexion der eigenen Haltung können folgende Bedeutung dieser Aufgabe sind hier eine zwingende
Fragen bieten: Voraussetzung.
• Wie begreife ich persönlich die Diagnose „Hirn- Die Versorgung des Kindes umfasst:
tod“? • das Abstellen aller Geräte
• Wie erleben es die Eltern, wenn ich mit dem Kind • das behutsame Entfernen von Elektroden, Son-
wie mit einem Lebenden spreche? Worüber kann den, Kathetern, Drainagen, Tubus, Pflasterresten
ich in dieser Situation mit dem Kind reden? Soll und ggf. Blutstillung, bei zuvor erhöhter Blu-
ich es wie gewohnt über mein Handeln informie- tungsneigung zentrale Katheter ggf. nur ver-
ren oder muss ich nun andere Worte finden? schließen
• Wie kann ich den Eltern erklären, dass ich das • ggf. die Versorgung von Wunden
Kind weiterhin pflege oder ihm Medikamente • Ermittlung und Dokumentation der Maße des
3 verabreiche? Kindes
• Bemerken es die Eltern, wenn ich nach „Lebens- • Ganzkörperwäsche oder Teilwäsche, ggf. Haar-
zeichen“ suche? Warum richte ich meine Auf- wäsche, Haare kämmen
merksamkeit darauf? • Dem Kind nach Wunsch persönliche Kleidung
• Bemerken die Eltern meine Unsicherheit oder anziehen und evtl. ein Lieblingsspielzeug in den
mein Erschrecken beim Auftreten spinaler Refle- Arm geben
xe? • das Kind in ein sauberes Bett legen, bei der Lage-
• Wie kann ich angesichts eigener ungelöster Fra- rung religiöse Bedürfnisse berücksichtigen (z. B.
gen die Eltern begleiten, ihre zweifelnden Fragen Falten der Hände), den Mund schließen und ggf.
beantworten und sie nicht zusätzlich verunsi- für einige Zeit eine kleine Rolle unter das Kinn le-
chern? gen
• Wie stehe ich zur der Frage einer Organspende? • Name des Kindes, Geburtsdatum und Sterbeda-
• Ist ein würdiges Sterben im Falle einer Explanta- tum und -uhrzeit sowie Maße des Kindes auf ei-
tion möglich? Ist das Kind nicht bereits gestor- nem Zettel notieren und am Körper fixieren
ben? • ggf. Aufbahrung

Versorgung des verstorbenen Kindes Vermutet der Arzt eine unnatürliche Todesursache, ver-
bleiben sämtliche Zugänge, Katheter und Drainagen bis
Eltern und Angehörige sollten die Möglichkeit ha- zur Obduktion im Körper des Kindes.
ben, über die weitere Versorgung des Kindes zu ent-
scheiden. Besonders bedeutsam ist dies bei Familien
aus anderen Kulturkreisen, die unter Umständen
strenge religiöse Vorschriften bei dem Umgang mit
Verstorbenen einhalten. 3.3  Für Wohlbefinden sorgen
Die Versorgung des verstorbenen Kindes ermög- Anja Messall
licht auch den Pflegenden, Abschied zu nehmen.
Vielen Pflegenden ist es ein Bedürfnis, diesen Ab-
schied in Ruhe gemeinsam mit den Eltern oder 3.3.1  Bedeutung des Umfelds
wenn diese es nicht wünschen, allein zu gestalten.
Unerfahrene Pflegende fühlen sich mit dieser Auf- Freundlich gestaltete Zimmer, vertraute Gegenstän-
gabe jedoch häufig überfordert. Ängste, das tote de, vertraute Rituale, Orientierungspunkte und eine
Kind zu berühren oder allein mit ihm in einem nach Möglichkeit ruhige Umgebung können den
Raum zu sein, sollten von den erfahrenen Pflegen- Heilungsverlauf maßgeblich unterstützen.
den erkannt und ernst genommen werden. Sie bie- Der Trend bei der Farbwahl in Patientenzimmern
ten Unterstützung an und versorgen das Kind ge- geht vom steril wirkenden Weiß, hin zu freundli-
meinsam mit den unerfahreneren Kollegen. Der chen, anregenden, belebenden oder beruhigenden
Rückhalt im Team und ein klarer Stellenwert der Farben. Empfehlenswert sind vor allem die Farben
3.3  Für Wohlbefinden sorgen 33

orange (stimulierend, Wärme und Gemütlichkeit Für die Pflegenden ist es sehr hilfreich, die Eigenhei-
ausstrahlend), gelb (stimmungsaufhellend, anre- ten des Kindes zu kennen, damit sie auch in kriti-
gend, belebend), grün, wobei gelbgrün günstiger schen Situationen zugewandt agieren und reagieren
wirkt als blaugrün (beruhigend, ausgleichend, können. Für das Kind bedeutet die Rücksichtnahme
strahlt Sicherheit und Geborgenheit aus), sowie auf seine Persönlichkeit zusätzliche Sicherheit, denn
ocker, sienna oder umbra (wärmend, dämpfend, be- es erkennt gewohnte Verhaltensmuster. Um diese
ruhigend). Türen und Fenster können zur besseren Informationen für alle Mitglieder des therapeuti-
Abgrenzung und Orientierung für den Patienten et- schen Teams zugänglich zu machen, empfiehlt es
was dunkler abgesetzt sein. Zwischen Wand und sich, einen Biografiebogen in die Dokumentation
Decken sollte nach Möglichkeit eine Trennung aufzunehmen, den die Eltern ausfüllen. Er gibt Aus-
durch eine Farbabgrenzung oder eine Bordüre erfol- kunft über Ess-, Schlaf- und Ausscheidungsgewohn-
gen, damit Kinder den Übergang besser unterschei- heiten sowie über das Lieblingskuscheltier, von den 3
den können. Eltern verwendete Beruhigungsrituale oder das
Pflegende animieren die Eltern, Bilder oder Poster Lieblingslied.
von zu Hause mitzubringen, die an Pinnwänden, Pflegende vermindern das Gefühl der Hilflosigkeit
Magnetstreifen, Bettgittern oder Halterungen ange- bei den Eltern, wenn sie sie in die Betreuung integ-
bracht werden können. Hängen die Bilder nah ge- rieren. Die Eltern spüren, dass sie gebraucht werden.
nug, kann das Kind auch Details erkennen. Pflegen- Die Pflegenden können den Eltern je nach Zustand
de wechseln die Motive regelmäßig, um dem Kind des Kindes gewisse Maßnahmen, z. B. Mundpflege,
abwechslungsreiche visuelle Reize zu bieten. Ebenso Sondieren überlassen und ihnen dabei zur Seite ste-
ist es möglich, Mobiles oder Poster an der Zimmer- hen.
decke zu befestigen. Aufgrund der vielen Kabel, Sonden und Draina-
Für das Wohlbefinden des Kindes ist es ebenso gen haben die Eltern zu Beginn des Aufenthaltes
wichtig, persönliche Dinge bei sich zu haben, z. B. auf der Intensivstation meist Angst, ihr Kind zu be-
Spielzeug, Kleidung mit dem Geruch des in der Fa- rühren. Pflegende können diese Angst verringern.
milie gebräuchlichen Waschmittels, Zahnpasta/ Ihre Aufmerksamkeit richtet sich nicht nur auf das
Zahnbürste und Waschzusatz. Kind und dessen Vitalparameter, sondern umfasst
Ein Kalender und eine Uhr können Schulkindern auch die Eltern-Kind-Begegnung. Pflegende den-
und Jugendlichen die zeitliche Orientierung erleich- ken daran, dass viele Eltern ihre Ängste nicht aus-
tern. sprechen, da sie unter dem Eindruck der unge-
wohnten Medizintechnik vermuten, dass jede Be-
rührung ihr Kind gefährden könnte. Oft trauen sie
3.3.2  Einfluss der Pflegenden sich nicht, die Pflegenden zu fragen, weil sie die Ar-
beitsabläufe nicht stören wollen. Oft hilft den El-
Bereits bei der Aufnahme entscheiden der einfühlsa- tern ein Gespräch mit den Pflegenden auf „neutra-
me Umgang mit dem Kind und die freundliche, ver- lem Boden“ diese Ängste auszusprechen, z. B. im
ständnisvolle Begegnung mit den Eltern, über deren Rahmen eines von einer Pflegeperson begleiteten
ersten Eindruck und Befinden. „Elterncafes“.
Vor allen in Notfallsituationen ist der Wunsch
nach einer optimalen Erstbegegnung meist eine Illu-
sion. Jedoch ist auch hier entscheidend, wie die Pfle- 3.3.3  Kängurumethode
genden im Anschluss an die hektische Aufnahme
oder nach einem kritischen Zwischenfall mit den El- Die Defizite in der körperlichen Entwicklung der
tern und dem Kind umgehen. Frühgeborenen erfordern fast immer eine ausge-
Bei der Durchführung pflegerischer Maßnahmen dehnte intensivmedizinische Behandlung, die Wo-
nehmen Pflegende durch eine exakte, altersgemäße chen oder gar Monate dauern kann. Daraus resul-
Aufklärung und einen möglichst ruhigen Ablauf tiert direkt nach der Geburt die Trennung des Kin-
dem Kind die Angst und vermindern seinen Stress. des von Mutter und Vater. Besonders die Mütter,
34 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

zusätzlich belastet durch die hormonelle Dysbalance mete oder mit Atemhilfe versorgte Kinder lagern
während der Zeit des Wochenbettes, leiden darun- Pflegende stets zu zweit um. Es empfiehlt sich, diese
ter, dass ihnen der normale Bonding-Prozess ver- Kinder senkrecht auf den Thorax der Mutter oder
wehrt ist. des Vaters zu legen und anschließend die Kabel und
Bei der Kängurumethode entsteht ein intensiver Schläuche sicher zu fixieren. Spontan atmende Kin-
Hautkontakt zwischen Eltern und Kind. Das Kind der liegen am besten direkt an einer der mütterli-
kann seine Eltern riechen und „schmecken“, es spürt chen Brüste, damit sie an der Brustwarze nuckeln
ihre Wärme und kann den vertrauten Herzschlag können. Die Dauer des Känguruing richtet sich nach
hören. Die Eltern-Kind-Beziehung erfährt eine enor- den Bedürfnissen von Eltern und Kind.
me Stärkung. Während dem Känguruing und auch
anschließend ist oft eine Besserung der Gesamtsitu-
3 ation des Kindes zu erkennen. Die Einstellungswerte 3.3.4  Lärm auf der Intensivstation
der Beatmung und Atemunterstützung können häu-
fig reduziert werden. Der Lärm auf der Intensivstation ist meist inter-
mittierend, hochfrequent, impulsbehaftet und vor
allem für die Patienten weder vorhersehbar noch zu
Voraussetzungen und Durchführung
beeinflussen. So entsteht eine massive und bisher zu
Bei der Vorbereitung zum Känguruing überprüfen wenig beachtete Belastung für Patienten und Pfle-
Pflegende, ob sich das Kind in einem stabilen Allge- gende.
meinzustand befindet. Bei Katecholamintherapie Lärm entsteht in erster Linie durch die verwende-
oder bei Beatmung mit hohen Inspirationsdrücken, ten Geräte und durch das Personal.
FiO2 oder hohem PEEP, empfiehlt es sich nicht, das Welche Lautstärke Patienten als störend emp-
früh- oder neugeborene Kind aus dem Inkubator zu finden, hängt sehr stark von ihrer psychischen
nehmen. und physischen Verfassung ab. Lärm kann zu ei-
Der richtige Zeitpunkt richtet sich nach dem Tag- ner Verschlechterung der Krankheitsbilder füh-
Nacht-Rhythmus und den Pflegerunden des Kindes, ren.
damit das Känguruing u. a. mit der Nahrungsauf- Vor allem Kinder sind dem sehr strukturlosen
nahme zusammenfällt. Lärmpegel einer Intensivstation hilflos ausgeliefert.
Die Mutter oder der Vater waschen sich und set- Um so viel Sicherheit wie möglich zu vermitteln und
zen sich dann mit freiem Oberkörper bequem auf die Angst vor den unerwarteten Geräuschen zu ver-
einen Stuhl, der auch eine Liegeposition ermöglicht. mindern, erklären Pflegende den Patienten vor al-
Dann legen die Pflegenden das Kind auf die Brust lem die besonders durchdringend angelegten
des jeweiligen Elternteils. Beim Känguruing trägt Alarmtöne der Überwachungsgeräte. Ist das Kind
das Kind eine Mütze und ist mit einer Windel oder wegen seines Alters oder gesundheitlichen Zustands
einem Fell bedeckt, damit es nicht auskühlt. Beat- nicht in der Lage, die Erklärungen zu verstehen, be-
ruhigen Pflegende durch nonverbale Signale, z. B.
Berührungen.

Zur Sensibilisierung des Lärmbewusstseins ist der Einsatz


einer Lärmampel empfehlenswert. Sie ist wie eine Ver-
kehrsampel aufgebaut und zeigt je nach Modell bei Laut-
stärken von:
• ca. 45 dB grünes Licht,
• ca. 55 dB gelbes Licht,
• ca. 60 dB rotes Licht.

Abb. 3.1  Kängurumethode. [K115]


3.3  Für Wohlbefinden sorgen 35

Möglichkeiten zur Lärmreduktion LITERATUR


  1. Geisler, L.: Arzt und Patient – Begegnung im Gespräch.
Kommunikation in der Intensivmedizin. Pharma Verlag,
• Anbringen einer Lärmampel Frankfurt a. Main, 1992.
• Schuhe mit weichen Sohlen   2. Schäper, A.; Gehrer, B.: Pflegeleitfaden Intensivpflege
• Gespräche nicht im Zimmer führen Pädiatrie. Urban & Fischer Verlag, München, 1999.
• Abwägung, ob ein lautes Rufen nach Kollegen   3. Hinze, D.: Väter und Mütter behinderter Kinder. Der
Prozess der Auseinandersetzung im Vergleich. Winter
nötig ist Verlg, Heidelberg, 1999.
• ruhiges Reden mit dem Patienten während der   4. Bogyi, G.: Trauerarbeit in Familien mit einem chronisch
Pflegerunde und wenn man sich im Zimmer be- kranken oder behinderten Kind. In: Lehmkuhl, Gerd
wegt, da vor allem bewusstseinsgestörte Kinder (Hg.): Chronisch kranke Kinder und ihre Familien.
Personen nicht orten können und evtl. Angst vor Quintessenz Verlag, München, 1996.
  5. Frenzel, C.: Frühgeborene: Der Familienalltag nach der 3
möglichen schmerzhaften Maßnahmen haben Krankenhausentlassung: Eine qualitative Studie zum
• alle Handlungen ruhig ausführen, z. B.: Alltagserleben der Eltern. Diplomica Verlag, Hamburg,
– Bettgitter langsam öffnen 2009.
– Handschuh- und Spritzenpackungen nicht im   6. Sparshott, M.: Früh- und Neugeborene pflegen. Stress-
Kopfbereich des Patienten öffnen und schmerzreduzierende, entwicklungsfördernde Pfle-
ge. Hans-Huber-Verlag, Bern, 2009.
– Trennen von z. B. aneinander gereihten Sprit-   7. Sarimski, K.: Frühgeburt als Herausforderung. Psycho-
zen, Absaugkathetern nicht im Patientenzimmer logische Beratung als Bewältigungshilfe. Schlütersche
– Materialien leise ablegen Verlagsgesellschaft, Hannover, 2000.
• Alarmlautstärke am Monitor evtl. reduzieren   8. Domenig, D.; Stauffer, Y.; Georg, J.: Transkulturelle
• sofortiges Reagieren auf Alarme oder Signale Pflegeanamnese. in: Domenig, Dagmar (Hrsg.): Trans-
kulturelle Kompetenz. Lehrbuchbuch für Pflege-, Ge-
• Koordinieren von pflegerischen, ärztlichen und sundheits- und Sozialberufe. Hans-Huber-Verlag, Bern,
physiotherapeutischen Maßnahmen, um dem 2007.
Kind ausreichende Ruhephasen zu ermöglichen   9. Neuberger, J.: Die Pflege Sterbender unterschiedlicher
• Hinweisschilder an der Zimmertür anbringen: Glaubensrichtungen. Ullstein & Mosby Verlag, Berlin,
Ruhezeit von … bis … 1995.
10. Glanzmann, G.; Bergsträßer, E.: Begleiten von sterben-
• Geräte bei Nichtgebrauch abschalten den Kindern und Jugendlichen. Anja Verlag, Schaffhau-
• nach Möglichkeit Türen schließen sen, 2001.
• Türstopper anbringen 11. Lohtrop, H.: Gute Hoffnung – jähes Ende. Kösel Verlag,
• nachts keine unnötigen Aufräum- und Auffülltä- München, 2000.
tigkeiten durchführen 12. Kübler-Ross, E.: Interviews mit Sterbenden. Knaur Vre-
lag, München, 1999.
13. Dörpinghaus, S.; Rohrbach, C.; Schröter, B.: Ausbildung
Tab. 3.3  Lärm auf der Intensivstation beeinträchtigt in Situationen existentieller Bedrohung. Theoretische
Patienten und Personal. Analyse und Ergebnisse einer empirischen Studie. Ma-
medizinische • Gehörschäden buse Verlag, Frankfurt a. Main, 2002.
Wirkungen • Kreislaufbelastung 14. Geißner, U.: Fallbuch Pflege, Kommunikation verste-
• Störungen im endokrinen System hen. Thieme Verlag, Stuttgart, 2006.
und im Elektrolythaushalt 15. Mahler, R.: Auf den Punkt gebracht – professionell
kommunizieren. Thieme Verlag, Stuttgart, 1999.
psychische • Stress
16. Nolting, H.-P.; Paulus, P.: Psychologie lernen. Eine Ein-
Wirkungen • Aggressivität
führung und Anleitung. Beltz Psychologie Verlags Uni-
• Reizüberflutung
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• Angst
17. Rosenthaler T., Fitzgerald, A.: Was haben sie? Was
• räumliche und zeitliche Orientie- fehlt ihnen? Springer Verlag, Wien, 2004.
rungsstörungen 18. Schulz von Thun, F.: www.schulz-von-thun.de (Letzter
soziale Wir- • lautes Sprechen, um Geräte zu Zugriff: 20.12.2011)
kungen übertönen 19. Watzlawick, P.; Beavin, J.; Jackson, D.: Menschliche
• seltenere Kontaktaufnahme zum Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien.
Patienten Hans-Huber-Verlag, Bern, 2000.
36 3  Psychosoziale Unterstützung von Kind und Eltern

20. Zegelin, A. (Hrsg.): Sprache und Pflege. Ullstein Mosby 26. Hoehl, M.; Kullick, P.: Kinderkrankenpflege und Ge-
Verlag, Berlin, 1997. sundheitsförderung. Thieme-Verlag, Stuttgart, 2002.
21. Alban, S.; Leininger, M.; Reynolds, C.: Multikulturelle 27. Schrader, D.; Schrader, N.: Intensiv 9, Lärm auf Inten-
Pflege. Urban & Fischer Verlag, München, 2000. sivstationen. Thieme-Verlag, Stuttgart, 2001.
22. Beutel, M.: Der frühe Verlust eines Kindes. Verlag für 28. Aktionskomitee Kind im Krankenhaus (AKIK-Bundes-
angewandte Psychologie, Göttingen, 1996. verband e. V.) www.akik.de (Letzter Zugriff:
23. Eckert, A.: Eltern behinderter Kinder und Fachleute. 20.12.2011)
Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn/Obb., 2002. 29. Ehgartner, C.: www.salk.at/DMS/2–20090120–
24. Fröhlich, A.: Die Mütter schwerstbehinderter Kinder. 13581042.pdf (Letzter Zugriff: 20.12.2011)
Schindle Verlag, Heidelberg, 1993.
25. Zernikow, B.: Palliativversorgung von Kindern, Jugend-
lichen und jungen Erwachsenen. Springer Verlag, Hei-
delberg, 2008.
3
KAPITEL

4 Anja Messall

Betreuungsübernahme
Grundausstattung eines Intensivplatzes • Notfallwagen nach Standard der Station bestückt
(› 20.4)
Alle Patientenzimmer einer Intensivstation sind mit
einer (klinikspezifischen) Grundausstattung verse-
hen. Bei Notfällen benötigt das Team zusätzlich nur
spezielle Gerätschaften für die Betreuung des Kin- 4.1  Erstversorgung von Früh-
des. Zur Grundausstattung gehören: und Neugeborenen
• Wand- oder Deckenanschlüsse für Sauerstoff,
Druckluft, Strom
• Monitor mit Möglichkeit zur EKG, SpO2-, nichtin- Notwendige Informationen von der Geburtsklinik
vasiven/invasiven Druckmessung, rektalen und › 4.2.1
zentralen Temperaturüberwachung, Atemfre- Die Erstversorgung eines Früh- oder Neugebo-
quenzmessung, sowie EtCO2 bzw. tcpO2/tcpCO2- renen ist von entscheidender Bedeutung für seine
Messung weitere Entwicklung. Deshalb ist sie optimal vorzu-
• EKG-Elektroden, Sättigungssensor, Thermome- bereiten und durchzuführen.
ter, evtl. Temperatursonde, Druckkabel, Kapno-
meter zur ETCO2- bzw. Zubehör zur tcpO2/tcp-
Material
CO2-Überwachung
• Sauerstoffanschluss mit Befeuchtung, Sauerstoff- Station
schlauch, Beatmungsbeutel und entsprechende • Transportinkubator und Notfallkoffer (› 20.4)
Masken überprüfen
• Absauganlage mit Absaugschlauch und Köchern • Transportmonitor/das entsprechende Zubehör,
mit verschiedenen Absaugkathetern z. B. SpO2-Sensor, RR-Manschette, EKG-Kabel auf
• NaCl 0,9 %-Ampullen zum evtl. Anspülen beim Funktionsfähigkeit überprüfen
Absaugen oder der intravenösen/intraarteriellen • Bei zu erwartender CPR: Medikamente zur Re-
Zugänge animation, Sedierung und Relaxierung, Material
• Beatmungsgerät mit altersentsprechenden Beat- zur Intubation, zum Legen einer peripheren Infu-
mungsschläuchen sion, zur Surfactantgabe
• mehrere Spritzenpumpen, 1–2 Infusionspumpen • Inkubatorplatz auf vollständige Ausstattung
• sterile und unsterile Handschuhe, Spritzen ver- überprüfen
schiedener Größen Sobald die Ankunft des Kindes gesichert ist:
• Je 1 Windel jeder Größe (Stationsstandard beach- • Einfüllen des Inkubatorwassers und Einstellung
ten) der Feuchte und Temperatur nach Stationsstandard
• Pflegeschalen mit verschiedenen Pflastern, Haut- • Check des Beatmungsgeräts (Voreinstellung
desinfektionsmittel, Pflasterlöser, pH-Indikator- übernimmt der Arzt)
stäbchen, (un-)sterilen Tupfern, Watteträgern, • Röntgenplatte zum Aufwärmen in den Inkubator
Verbandsmaterial, Mund- und Hautpflegemittel, legen
Cremes • Überwachungsmonitor konfigurieren
• Patientenkurven oder PC zur Dokumentation • transkutane Kombisonde kalibrieren und Moni-
• Abwurfsäcke für Müll und Schmutzwäsche tor in der Standby-Position belassen
38 4  Betreuungsübernahme

• zum Hautschutz unter der RR-Manschette: Stück • NaCl 0,9 % zum Anfeuchten des Tubus
eines Tg-Schlauchverbandes oder eine größere • Magillzange
Kompresse bereitlegen. • Laryngoskop mit geradem 0-er Spatel (bei Früh-
• Material zur Konakiongabe bereitstellen geborenen ≤600 g: Saling-Laryngoskop®)
• bei Verdacht auf Infektion: Laborröhrchen für • Pflaster zur Fixation des Tubus
Ohrabstrich, Magen- und Trachealsekret sowie Ist eine Surfactantgabe wahrscheinlich:
Maßband bereitlegen • Surfactanttubus
• bei einem Inkubator ohne Wiegefunktion zusätz- • Surfactant
lich entsprechende Waage bereitstellen • Magensonde zur Applikation ohne Intubation.

Kreiß- oder OP-Saal


Durchführung
Für die Erstversorgung ist eine offene Intensivpfle-
geeinheit mit externer Wärmezufuhr üblich. Zu Be-
ginn stellen Pflegende den Wärmestrahler auf volle Pflegende führen alle Maßnahmen ohne Hektik, jedoch
Leistung ein. zügig und für das Kind nachvollziehbar durch und achten
4 darauf, dass es möglichst durchgängig zugedeckt ist.

Wichtig ist die enge Koordination mit den Hebammen.


Die Wärmeeinheit sollte vorgeheizt vom neonatologi- Körpertemperatur regulieren
schen Reanimationsteam übernommen werden. Pflegende nehmen das Kind aus dem nassen Tuch
der Hebamme heraus und legen es seitlich in die of-
fene Intensivpflegeeinheit. Der kindliche Kopf ist
Zur Unterlage, zum Zudecken und Abtrocknen des dem Arzt zugewandt. Anschließend hüllen sie es mit
Kindes legen die Pflegenden 4–5 warme Windeln, den angewärmten Windeln ein und reiben es sanft
sowie eine Mütze (z. B. aus Tg-Schlauch) bereit. Sie trocken.
stellen den Transportmonitor gut sichtbar auf. Feuchte Tücher wechseln Pflegende sofort. Um
Außerdem ordnen die Pflegenden alle Materialien den Wärmeverlust zu reduzieren, setzen sie dem
der folgenden Liste übersichtlich und griffbereit an: Kind zusätzlich eine Mütze auf.
• funktionstüchtige Absaugeinrichtung inkl. Ab- Für den Transport wickeln Pflegende Kinder mit
saugschlauch mit passendem Absaugkatheter niedriger Körpertemperatur nicht in Folie, sondern
• Beatmungsgerät und Beatmungsbeutel mit pas- in warme Tücher, damit die Inkubatorwärme direkt
sender Maske, an O2-Anlage angeschlossenen zum Kind gelangt.
Sauerstoffschlauch
• Material zum Legen einer peripheren Infusion Atmung
(zum Spülen immer Glukose 5 % und als Infusi- Das Kind wird, nur wenn unbedingt nötig, oral ab-
onslösung anschließend Glukose 10 % verwen- gesaugt. Bei zähem Sekret empfiehlt sich für das Ab-
den, um eine Hypoglykämie zu vermeiden) saugen des Rachens ein großlumiger Absaugkathe-
• Medikamente zur Sedierung, Relaxierung und ter. Bei jedem Kind erfolgt die Sondierung des Ma-
Reanimation gens und der Nase mit einem dünnen Absaugkathe-
• unsterile Handschuhe für Arzt und Pflegende ter, um Fehlbildungen auszuschließen.
• zusätzliche Materialien für spezielle Krankheits-
bilder, z. B. Mekoniumaspiration (› 13.2.2), Nie zuerst die Nase absaugen, da dies eine tiefe Inspira-
Zwerchfellhernie (› 13.2.4), Omphalozele tion auslöst, die eine Aspiration zur Folge haben kann.
(› 17.1.3) Zudem schwillt die zarte Nasenschleimhaut sehr schnell
Ist eine Intubation wahrscheinlich: an, was die Spontanatmung beeinträchtigt (Kinder sind
• Tubus entsprechend der Größe des Kindes bis zum 5. Lebensmonat Nasenatmer) und eine Intuba­
(› 12.1.1) tion erschweren kann.
4.2  Transport 39

Zur Atemanregung reiben Pflegende den Rücken möglich, kurz in den Arm oder auf den Bauch der
des Kindes parallel zur Wirbelsäule oder massieren Mutter legen. Der Arzt informiert die Geburtshelfer
die Fußsohlen mit sanftem Druck. Bleibt die Spon­ und spricht mit den Eltern über die Notwendigkeit
tan­atmung des Kindes aus oder reicht sie nicht aus, der Verlegung auf die Intensivstation. Außerdem in-
kann ein kurzzeitiger Einsatz eines Perivent®, mit formiert der Arzt das Team der Intensivstation vor
fest eingestelltem PEEP oder auch der Einsatz des Beginn des Transportes über den Zustand des Kin-
Neopuff® mit druckkontrollierten Atemhüben eine des, damit dort die nötigen Vorbereitungen getrof-
Besserung erzielen. Bei unzureichender O2-Sätti- fen werden können.
gung kann über den Perivent® oder einen O2-
Schlauch dosiert Sauerstoff zugeführt werden.

Die normale postnatale Sauerstoffsättigung beträgt di- 4.2  Transport


rekt nach Geburt ca. 70 %, nach 2 Min. 74 %, nach 5
Min. 86 % und nach 10 Min. 92 %. [1]
4.2.1  Transport von Früh- und
Neugeborenen 4
Evtl. ist bei unzureichender Spontanatmung die An-
lage eines CPAP nötig. Das Transportteam (1 Pflegende und 1 Arzt pro
Bei ausbleibender Spontanatmung und einer Kind) übernimmt die Verantwortung für das Neu-
Herzfrequenz <100/Min., erfolgen die Anlage einer geborene. Ein ruhiger, koordinierter Handlungsab-
periphervenösen Infusion, Intubation und Beat- lauf und eine adäquate Einschätzung der Situation
mung. setzen qualifiziertes Personal voraus.

Kind nicht spontan über den Tubus atmen lassen. Der Vorbereitung
künstlich verlängerte Atemweg vergrößert den Totraum
erheblich. Der Neonatologe erfragt in der Geburtsklinik bei ei-
ner Risiko- bzw. Frühgeburt:
• Schwangerschaftswoche
Monitoring • geschätztes Gewicht
Sobald das Kind auf der Reanimationseinheit liegt, • evtl. Fehlbildungen
schließen die Pflegenden das Monitoring an. Wäh- • pränatale Probleme, z. B. Infektion der Mutter,
rend der gesamten Erstversorgung überwachen sie Anhydramnion, Plazentalösung oder Rhythmus-
außerdem Atemqualität, Hautfarbe und Motorik des störungen des Kindes
Kindes. • bisher durchgeführte Therapie, z. B. intrauterine
Nach Absprache mit dem Arzt sondieren die Pfle- Transfusion, Punktion von Ergüssen, Digitalisie-
genden den Magen und die Nase des Kindes, um rung der Mutter oder Lungenreifung
evtl. Fehlbildungen auszuschließen. Sie beachten, Bei Verlegung oder Geburt in einer auswärtigen Kli-
dass die Sonde einen Vagusreiz auslösen kann, der nik bestellen die Pflegenden einen Rettungswagen
eine Bradykardie hervorruft. Die Überwachung um- und organisieren das Reanimationsteam.
fasst außerdem (APGAR-Test):
• Atmung Material
• Hautfarbe
• Muskeltonus Für eine geplante Entbindung eines Risiko- oder
• Reflexe Frühgeborenen bereiten die Pflegenden Medika-
• Herzfrequenz mente zur Sedierung, Relaxierung und Reanimation
Wenn es der Zustand des Kindes erlaubt, bahnen sowie Materialien zum Legen einer peripheren Infu-
Pflegende in dieser Phase den Eltern-Kind-Kontakt sion, zur Intubation und evtl. einer Surfactantgabe
an, indem sie das Kind den Eltern zeigen und, wenn vor.
40 4  Betreuungsübernahme

• Überprüfung des Transportinkubators auf sive oder nichtinvasive Blutdruckmessung. Für


– ausreichende Füllung der O2- und Druckluft- langstreckige Transporte beatmeter Patienten
flaschen (› 13.1.2), kommt ein Transportrespirator, bei kurzstreckigen
– Batterieladung, Transporten ein Beatmungsbeutel zum Einsatz.
– vollständiges und dichtes Beatmungsschlauch- Pflegende überprüfen die O2-Flasche vorher auf ih-
system, ren Inhalt (Berechnung des Flascheninhaltes
– Funktionsfähigkeit des Beatmungsgeräts, › 13.1.2).
– Funktionsfähigkeit der Absauganlage, Das Transportteam führt das benötigte Material
– voreingestellte Inkubatortemperatur von in einem entsprechenden Notfallkoffer oder -ruck-
37 °C. sack mit. Dieser ist je nach Klinikstandard unter-
schiedlich ausgestattet, sollte aber grundsätzlich fol-
gende Materialen enthalten:
Durchführung
• Beatmungsmasken aller Kindergrößen
Die Mitglieder des Transportteams lagern das Kind • Laryngoskop, verschiedene Laryngoskopspatel,
in einem Nestchen im Inkubator. Während des Magillzangen und Führungsstäbe
4 Transportes gewährleisten sie die kontinuierliche • je zwei Tuben der Größen 2,0–7,0 mit und ohne
optische Überwachung des Patienten und führen Cuff
den Transport so ruhig und schonend wie möglich • verschiedene Guedeltuben, Mundkeil
durch. Erfolgt der Transport im Rettungswagen, • Beatmungsbeutel, Sauerstoffschlauch
schließt das Team den Inkubator an die im Wagen • Absaugkatheter unterschiedlicher Größe
vorhandene Gas- und Stromversorgung an. Für Ma- • Venenverweilkatheter unterschiedlicher Größe,
nipulationen am Patienten, z. B. Venenpunktion Intraossärkanülen unterschiedlicher Größe
oder Intubation, stoppt der Fahrer den Wagen. Vor • Verbindungsleitungen, Dreiwegehähne
Antritt des Transportes benachrichtigt das Team die • sterile Spritzen und Aufziehkanülen in ausrei-
neonatologische Intensivstation und gibt erste In- chender Menge
formationen über das Kind weiter. • Medikamente zur Sedierung, Analgesie, Relaxie-
rung und Reanimation
• Glukoselösungen in verschiedener Konzentrati-
4.2.2  Transportarten on, NaCl 0,9 %, Plasmaproteinlösungen
• Pflaster
Intrahospitaler Transport
Durchführung
Ein intrahospitaler Transport erfolgt zwischen ver- Das Transportteam besteht aus mindestens einem
schiedenen Abteilungen eines Krankenhauses und Pflegenden und einem Arzt. Die Pflegenden fixieren
dient in der Regel der stationsexternen Diagnostik in der Vorbereitung Tubus, Katheter, Drainagen, In-
oder Therapie. fusionen und Magensonde sicher und ordnen sie so
an, dass ein versehentliches Entfernen und Diskon-
Material nektieren möglichst verhindert wird.
Vorbereitung des Transportinkubators › 4.2.1 Bei spontan atmenden Patienten mit Pneumotho-
Je nach Alter des Kindes setzen Pflegende das Bett rax, ohne steriles, geschlossenes Einwegsystem z. B.
oder einen Transportinkubator ein. Sie entfernen al- Pleur-evac-System®, schließen Pflegende die Drai-
le unnötigen Lagerungshilfsmittel. nagen an ein Heimlichventil® und z. B. einen Magen­
Zur Überwachung des Kindes ist ein Transport- ablaufbeutel an. Dieses Einwegventil ermöglicht das
monitor vonnöten, den die Pflegenden zuvor auf sei- Entweichen von Luft und Flüssigkeit aus der Draina-
ne Funktionsfähigkeit überprüft haben. Bei stabilen ge und verhindert das Eindringen der Luft von au-
Kindern ist die Überwachung von SpO2 und Puls ßen. Bei spontan atmenden Patienten mit einem
ausreichend. Instabile Kinder benötigen zusätzlich Pleuraerguss, ohne steriles, geschlossenes Einweg-
eine kontinuierliche EKG-Ableitung und eine inva- system z. B. Pleur-evac®, Jackson-Pratt-Drainage®
4.2  Transport 41

mit Silikon-Reservoir, klemmen sie die Drainage ab eines erstversorgten Patienten in ein Krankenhaus
und verpacken sie steril. Ist der Patient kontrolliert der Maximalversorgung oder nach dort erfolgter
beatmet und besitzt keine Eigenatmung, genügt es, Stabilisierung in ein heimatnahes Krankenhaus.
die Drainage offen zu lassen und steril zu verpacken, Der Vorteil ist ein schonender und zügiger Trans-
da durch den erhöhten intrathorakalen Druck keine port. Ein RTH legt z. B. innerhalb einer Minute drei
Luft in den Pleuraspalt eindringen kann. Kilometer zurück, der Rettungswagen hingegen ei-
Die Pflegenden konfigurieren den Transportmo- nen Kilometer. Der RTH und die Learjets sind 24
nitor entsprechend der Vitalzeichen des Kindes und Std. einsatzbereit und in kurzer Zeit startklar. Im
befestigen ihn am Bett. Ebenso fixieren sie den RTH sowie im Learjet befinden sich ein Transport­
Transportrespirator oder eine transportable Sauer- respirator, ein Transportmonitor sowie O2- und
stoffflasche. Wichtige Infusionsgeräte befestigen Druckluftanschlüsse.
Pflegende am Bett oder einem Infusionsständer. Sie
stellen den Notfallkoffer und weiteres vorbereitetes Material
Material bereit. Die Pflegenden schreiben einen Pflegeverlegungsbe-
Die Pflegenden lagern das Kind sicher und schüt- richt oder füllen ein standardisiertes Pflegeprotokoll
zen es durch das Auflegen von Decken vor Wärme- aus. Zusätzlich geben sie die nötigen ärztlichen Un- 4
verlust. Das Transportteam führt den Transport so terlagen mit. Die Vorbereitungen gleichen denen
schonend wie möglich durch. Hier gilt jedoch die des intrahospitalen Transportes (siehe oben).
Regel: Qualität vor Schnelligkeit. Manipulationen Für einen Flugtransport sind Medikamentenfla-
am Patienten erfolgen während des Transportes schen aus Glas nicht geeignet. Sie könnten durch die
ausschließlich an gut beleuchteten Orten. Luftdruckveränderungen platzen. Das Transport-
team hält die benötigten Medikamente aufgezogen
bereit, da der Handlungsspielraum im Flugzeug
Interhospitaler Transport
oder Hubschrauber begrenzt ist.
Der interhospitale Transport gleicht in den meis-
ten Maßnahmen dem intrahospitalen Transport. Bei Patient
der Vorbereitung ziehen die Pflegenden bereits alle Wenn möglich, klären die Pflegenden das Kind al-
evtl. benötigten Medikamente in ausreichender tersentsprechend auf. Sie fixieren alle peripheren
Menge auf. Sie informieren das Kind altersentspre- oder zentralen Zugänge, Tubus, Sonden, Katheter
chend, lagern es sicher auf der Transportliege und und Drainagen sicher. Aufgrund der Luftdruckver-
befestigen Beatmungsgerät und Transportmonitor änderungen während des Fluges dürfen Sonden und
gut sichtbar und zugänglich. Alle notwendigen Un- Drainagen nicht abgeklemmt sein. Pflegende verse-
terlagen, inklusive eines Pflegeverlegungsberichtes, hen Drainagen mit einem Heimlich-Ventil und evtl.
sind mitzuführen. mit einem Magenablaufbeutel für das abfließende
Im Rettungswagen wird das Beatmungsgerät an Sekret.
die Gas- und Stromversorgung angeschlossen. Die Mit Hilfe einer Vakuummatratze lagern sie das
begleitende Pflegende oder der Arzt bleiben beim Kind sicher. Große Kinder erhalten einen Gehör-
Kind, um es kontinuierlich beobachten zu können schutz im Hubschrauber, kleinere Kinder bereits auf
und wenn nötig Maßnahmen einzuleiten. Sind in- Station eine Mütze, in die jeweils im Bereich der Oh-
tensivmedizinische Maßnahmen erforderlich, stoppt ren ein Wattestück eingelegt ist. Für alle Altersgrup-
der Fahrer den Wagen. pen eignen sich Ohrstöpsel.

Durchführung
Flugtransport
Bevor das Kind gelagert wird, kontrolliert das Trans-
Für den Flugtransport kommen vorwiegend Hub- portteam noch einmal alle Vitalparameter und saugt
schrauber und Learjets zum Einsatz. In der Intensiv- es, sofern nötig, endotracheal ab. Das Kind erhält
medizin findet diese Transportart meist während ggf. eine Sedierung, um Unruhe und Stress während
eines Sekundärtransports statt, d. h. zur Verlegung des Fluges zu mindern. Während des Transportes
42 4  Betreuungsübernahme

überwacht das Team das Kind kontinuierlich appa- genden im Einzelfall, welche Maßnahmen notwen-
rativ und klinisch. dig sind. Viele Routinetätigkeiten können zu einem
späteren Zeitpunkt erfolgen, z. B. die Messung des
Physikalische Einflüsse auf den Patienten Kopfumfangs und der Länge.
• Beschleunigungskräfte. Hohe Startgeschwindig- Günstig ist die Unterstützung durch eine zweite Pfle-
keiten reizen aufgrund der Schwerkraft und des gekraft, die für die Dokumentation verantwortlich ist.
Trägheitsmomentes die Blutverteilung und das
vegetative Nervensystem. Die Folgen können
Maßnahmen bei Ankunft auf der Station
Übelkeit, Schweißausbruch, RR-Abfall, Tachy-
kardie und ggf. Schmerzen bei Verletzungen sein. • Kind auf der vorbereiteten Waage wiegen und
• Lärm. Die Rotorblätter des RTH erzeugen Luft- anschließend in den Inkubator oder bei einem
schwingungen mit unterschiedlichen Frequen- Geburtsgewicht > 1.500 g in ein Wärmebett legen
zen. Der daraus resultierende Lärm kann bei wa- • ggf. Beatmungsgerät anschließen und darauf ach-
chen oder bewusstseinsgestörten Patienten zu ve- ten, dass die Heizung eingeschaltet und die Was-
getativen Störungen führen. serzufuhr geöffnet sind, um eine Beatmung mit
4 • Mechanische Schwingungen. Je nach Zahl der trockenem, kaltem Atemgas zu vermeiden
Rotorblätter und Geschwindigkeit entstehen me- • zur Überwachung EKG, RR und SpO2 sowie bei
chanische Schwingungen, die sich auf den Pati- respiratorischen Problemen eine transkutane
enten übertragen und Störungen des vegetativen Kombisonde anschließen. Die Häufigkeit der
Nervensystems oder Schmerzen bei traumati- Blutdruckmessung erfolgt nach klinikeigenem
schen Verletzungen verursachen. Die Lagerung Standard.
auf einer Vakuummatratze kann die Wirkung der
Schwingungen auf den Patienten dämpfen. Unter die RR-Manschette legen Pflegende zum Haut-
• Medizinische Probleme. Mit zunehmender Hö- schutz einen Tg-Schlauch oder eine Kompresse.
he fällt der Luftdruck und Luftansammlungen,
z. B. Pneumothorax, Magen, Infusionsflaschen
und der Cuff des Tubus, dehnen sich aus. Bei ab- • Körpertemperatur des Kindes ermitteln und an-
nehmender Höhe steigt der Luftdruck und die hand der gemessenen Werte die Inkubatortem-
Luftansammlungen verringern ihren Umfang. Es peratur wählen. Zur besseren Kontrolle des „Auf-
entsteht ein Vakuum. Deshalb achten Pflegende wärmens“ (max. 1 °C pro Std.) eignet sich eine
darauf, Drainagen und Magensonden nicht abzu- Temperatursonde, z. B. locker an die Haut im
klemmen und keine Glasflaschen zu verwenden. Windelbereich positioniert, Gestationsalter und
Das Transportteam passt die Füllung des Tubus- Reifezeichen bestimmen die Feuchte-Einstellung
Cuffs dem jeweiligem Luftdruck an (Ausnahme: des Inkubators
Verwendung des Lanz®-Systems). • Infusionslösung anschließen (meist Glukose
10 %) evtl. mit Ca-Glukonat® 10 % oder Amino-
säuren
• Konakion subkutan oder oral verabreichen (ge-
4.3  Aufnahme sunde NG 2 mg per os, NG mit besonderem Risi-
ko 1 mg per os, i. m. oder i. v., FG unter 2.500 g
0,4 mg/kg KG i. m. oder i. v.)
4.3.1  Aufnahme von Früh- und
Neugeborenen
Maßnahmen innerhalb der ersten 24
Stunden
Nach der Erstversorgung erfolgt die Aufnahme auf
der neonatologischen Intensivstation. Die Aufnah- • Bei Verdacht auf eine Infektion: vor der ersten
me geht zügig, aber ohne Stress für das Früh- oder Antibiotikagabe, Tracheal-, Magensekret, Ohrab-
Neugeborene vonstatten. Deshalb prüfen die Pfle- strich und evtl. Blutkultur entnehmen
4.3  Aufnahme 43

• Kopfumfang, Länge messen Der Einsatz weiterer Überwachungsmaßnahmen ist


• Blutdruck an allen 4 Extremitäten messen (Aus- von der Erkrankung des Kindes abhängig.
schluss einer Aortenisthmusstenose)
• Blut entnehmen Atmung
• ggf. Röntgenaufnahme des Thorax organisieren
(erfolgt in Kopfmittellage) • Ggf. Beatmung anschließen, auf eingeschaltete
• je nach Zustand des Kindes legen die Ärzte einen Heizung und geöffnete Wasserzufuhr achten, um
NVK, NAK oder eine Pleuradrainage an. eine kalte, trockene Beatmung zu vermeiden.
Nach der Aufnahme bestücken die Pflegenden den • Kind endotracheal und im NRR absaugen.
Notfallkoffer und den Transportinkubator. Der Trans- • Beatmungsschläuche ohne Zug auf den Tubus fi-
portrespirator wird mit einem neuen Beatmungs- xieren.
schlauchsystem versehen. Je nach der Menge der zu • Bremsen am Beatmungsgerät feststellen, um eine
erledigenden Arbeiten empfiehlt es sich unter Um- versehentliche Extubation zu vermeiden.
ständen, diese Maßnahmen an Kollegen zu delegieren.
Ausscheidung 4
4.3.2  Aufnahme von Kindern • Pleura-, Perikard- oder substernale Drainagen
mit einem Pflasterstreifen sicher fixieren, an-
Bei der Anmeldung eines Patienten erfragen Pfle- schließen, beschriften, Sog einstellen.
gende Patientennamen, Alter, bestehende Erkran- • Robinson- oder Redondrainagen mit einem
kung, spezielle Probleme, benötigte Medikamente, Pflasterstreifen fixieren; bei mehreren Drainagen
Dauertropfinfusionen und Atmungssituation. Nummerierung anbringen.
• Blasendauerkatheter mit geschlossenem Urin­
ablaufsystem verbinden, unter Blasenniveau
Monitoring
­hängen und ohne Schlaufenbildung befestigen.
• Wenn möglich, Patienten direkt nach dem Ein-
treffen auf der Station wiegen, um ein Ausgangs-
Dokumentation
gewicht zu ermitteln.
• Kind im Bett lagern. Die Pflegenden notieren alle Parameter in einer Pati-
• Mindestens mit EKG, RR und SpO2 an den Über- entenkurve. Sofern die Station über eine EDV-ge-
wachungsmonitor anschließen. stützte Dokumentation verfügt, geben sie die Daten
• Bei pulmonalen Erkrankungen: Säuglinge und in den Computer ein.
Neugeborene zusätzlich mit einer transkutanen
Kombisonde versehen, beatmete Kinder benöti- ZITIERTE LITERATUR
gen ggf. eine ETCO2-Überwachung. [1] Spielmann, S., Dissertation zum Thema: Normwerte der
postduktalen Sauerstoffsättigung bei reifen Neugebo-
• Körpertemperatur rektal messen. renen in den ersten 10 Lebensminuten, Hamburg 2010,
• Vorhandene Infusionen anschließen (ist kein ve- S. 23
nöser Zugang vorhanden, sollte er jetzt gelegt
werden). VERWENDETE LITERATUR
• Blutentnahmen und ggf. Röntgenaufnahme des Ellinger K., Denz C., Hinkelbein J., Lessing P., Intensivtrans-
Thorax veranlassen. port, Köln, Deutscher Ärzte Verlag 2010
• Bei einer postoperativen Aufnahme: Kontrolle
von Schmerzzeichen, Analgesierung veranlassen.
• Alarmgrenzen am Monitor einstellen.
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KAPITEL

5
Anne Katrin Ganz

Außerklinische
Intensivpflege
Die außerklinische Intensivpflege übernimmt in- sind – trotz dauerhafter Beatmungspflicht – nicht an
tensivpflegebedürftige Menschen (oft Kinder), wenn eine Intensivstation gebunden.
die Diagnose abgeschlossen ist, keine weiteren The- Technische Hilfsmittel, z. B. Heimbeatmungsge-
rapiemaßnahmen auf der Station erfolgen und die räte, mobile Absauggeräte und Überwachungsmoni-
Behandlungsmaßnahmen auch zu Hause durchge- tore, sind mittlerweile so dimensioniert, dass sie sich
führt werden können. Die Kinder können endlich in ohne großen Aufwand transportieren lassen. So
ihre vertraute Umgebung zurückkehren. können technikabhängige Kinder, etwa mit Beat-
Ambulante Intensivpflegedienste versorgen in- mungspflicht, ihre Wohnungen verlassen und z. B.
tensivpflichtige Patienten fachpflegerisch zu Hause. den Kindergarten, die Schule, ein Kino, ein Konzert
Das heißt, sie betreuen die Patienten in einem 1:1 besuchen. Erwachsene können zu ihrem Arbeits-
Pflegesystem – teilweise rund um die Uhr. platz gelangen und trotz ihrer Einschränkungen ad-
Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, äquat am Alltag teilnehmen.
arbeiten Intensivpflegedienste in enger Kooperation
mit zahlreichen Institutionen des Gesundheitssys-
Überleitung aus der Klinik in die häusliche
tems. Darin stehen Kliniken, niedergelassene Ärzte
Umgebung
sowie Hersteller oder Lieferanten von Medizintech-
nik und Hilfsmitteln in einem regen Austausch. Die- Zahlreiche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, be-
ses Netz kompetenter Ansprechpartner ermöglicht vor ein Intensivpatient in die häusliche Umgebung
es, Eltern und andere Angehörige durch Fachperso- übergeleitet werden kann. Die Grunderkrankung
nal schulen zu lassen. Dadurch lässt sich u. a. das muss ausreichend diagnostiziert sein und therapeu-
Modell der Rückzugspflege realisieren. Damit ist tische Maßnahmen müssen abgeschlossen sein. Zu-
die schrittweise Lösung der jeweiligen Versorgung dem sind stabile Vitalparameter Voraussetzung.
von der professionell organisierten Pflege gemeint. Besonders wichtig sind das Einverständnis der
Im Idealfall betreuen am Ende des Prozesses die An- Angehörigen sowie ihre Bereitschaft, ein Familien-
gehörigen des sozialen Umfelds (z. B. Familienmit- mitglied unter den Bedingungen häuslicher Inten-
glieder, Freunde, Bekannte) den Patienten, ohne sivpflege in die Wohnung aufzunehmen. Um sie auf
zwingend auf professionelle Unterstützung ange- diese Situation vorzubereiten, leisten Klinikmitar-
wiesen zu sein. beiter sowie Sozialtherapeuten und -arbeiter bereits
Für die Kinder bedeutet die Option der außerkli- vor der Entlassung aus der stationären Versorgung
nischen Intensivpflege, dass sie trotz ihrer schweren umfangreiche Aufklärungsarbeit. Das multidiszipli-
Erkrankung im familiären Umfeld wohnen können. näre Team nimmt Kontakt zu den vorhandenen
Kranke Kinder und Erwachsene benötigen für ihre Netzwerken auf und plant die Entlassung sowie die
Entwicklung und Genesung in besonderem Maße Weiterbetreuung in der außerklinischen Intensiv-
die Nähe ihrer Eltern und anderer Angehörigen. pflege.
Schwer erkrankte Kinder, die zuhause adäquat ver- Dieses Team erstellt einen dauerhaften Betreu-
sorgt sind, können das Familienleben erleben, sozia- ungsplan, der die komplexen medizinischen Bedürf-
le Kontakte pflegen oder neu aufbauen. nisse des Kindes umfasst. Die dauerhafte Kooperati-
Auf diese Weise steigert außerklinische Intensiv- on mit einem niedergelassenen Arzt, der über Erfah-
pflege die Lebensqualität der Patienten. Sie können rungen in Intensivmedizin verfügt, muss gewähr-
leichter am Alltag ihrer Familien teilnehmen und leistet sein.
46 5  Außerklinische Intensivpflege

Sind diese Voraussetzungen geschaffen, folgt die • Benennung des niedergelassenen Arztes, der für
Klärung der weiteren Betreuung des Kindes. Es gilt die weitere Behandlung des Kindes und bei Kom-
festzulegen, welcher ambulante Pflegedienst die plikationen zur Verfügung steht
Versorgung übernehmen wird. • weitere Therapien
Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu einem • bisher erfolgte oder noch erforderliche Anleitung
ambulanten Pflegedienst: der Angehörigen
• durch die Krankenversicherung des Patienten; Der Pflegedienst stellt seine Struktur und sein Tätig-
zwischen Leistungsträgern und Pflegediensten keitsfeld sowie das Pflegeteam vor und gibt Info-
bestehen häufig Kooperationsverträge Material sowie Kontaktdaten (z. B. Telefonnum-
• durch die behandelnde Klinik; oft verfügen Kran- mern, Mail-Adressen) an die Klinik und die Eltern
kenhäuser über langjährige Erfahrungen mit In- weiter.
tensivpflegediensten Die Eltern erhalten die Möglichkeit, Fragen zu
Die Pflegedienstleitung des ambulanten Pflegediens- stellen und ihre Ängste anzusprechen. Der Pflege-
tes erhält die Eckdaten des Kindes und das ange- dienst ist aufgerufen, die Bedenken und Sorgen
strebte Kontingent der Pflegestunden. ernst zu nehmen und in der künftigen Zusammenar-
beit sowie der Versorgungsplanung zu berücksichti-
Pflegerisches Erstgespräch gen.
Kann der Pflegedienst eine Übernahme in die Häus- Für das Pflegeteam und auch für den Medizin-
lichkeit gewährleisten (z. B. sollten Kostenübernah- techniker sind Informationen über die räumlichen
5 me und Personalbedarf geklärt sein), vereinbart er Voraussetzungen von großer Bedeutung. Die Ver-
einen Termin zum weiteren Informationsaustausch. treter des Pflegedienstes erörtern die baulichen Vor-
Das Erstgespräch findet idealerweise in der Klinik aussetzungen (z. B. ein eigenes Zimmer für das Kind,
und in ruhiger Atmosphäre statt. Bei diesem Termin Lagerungsraum für Hilfsmittel).
lernen sich der Pflegedienst und die betroffene Fa- Auch die weiteren Schritte der Übernahme in die
milie kennen. außerklinische Versorgung, z. B. Termine für Folge-
gespräche, Wohnungsbesichtigung, Hospitationen
Teilnehmer und Geräteeinweisungen sind zu besprechen.
Um alle Aspekte der häufig sehr komplexen Versor- Es ist wichtig, den Angehörigen schon in dieser
gungssituationen besprechen zu können, ist es emp- Phase einen ersten Eindruck davon zu vermitteln,
fehlenswert, Angehörige aller beteiligten Professio- welche Aufgaben auf sie zukommen, wie sich die
nen an dem Gespräch teilnehmen zu lassen. Das Pflegesituation zu Hause entwickeln könnte und
können z. B. sein: welche Rahmenbedingungen sie selbst erfüllen soll-
• Bezugspflegekraft der Klinik ten.
• Stationsarzt
• Sozialarbeiter Weitere Stationen des Überleitungsprozesses
• Eltern Kontaktaufnahme und Verhandlungen mit der
• Pflegedienstleitung des ambulanten Dienstes Krankenkasse erfolgen über die Pflegedienstleitung.
• Teamleitung/Überleitungskoordinator Sie sendet die Erstverordnung, den aktuellen Arzt-
• Medizintechniker, der die Betreuung der Heim- bericht und einen Kostenvoranschlag an die zustän-
geräte übernimmt dige Krankenkasse. Eine Ausnahme bilden Patien-
ten, die privat krankenversichert sind.
Eckpunkte des Erstgesprächs In Zusammenarbeit mit dem Klinikpersonal und
• Vorstellung der Anamnese evtl. den beteiligten Ärzten ist eine an den Bedürf-
• Festlegung des vorläufigen Entlassungstermins nissen des Patienten orientierte Hilfsmittelliste zu
• Erörterung des aktuellen Unterstützungsbedarfes erstellen. Eine sorgfältige Abschätzung des Bedarfs
und der erforderlichen Hilfsmittel und Medizin- verhindert gerade zu Beginn der Pflegesituation die
produkte für die häusliche Betreuung Notwendigkeit von Nachbestellungen.
5  Außerklinische Intensivpflege 47

Alle erforderlichen medizinischen Geräte und Der Pflegedienst nimmt (nach Entbindung von
Verbrauchsmaterialien müssen verordnet sein und der Schweigepflicht) Kontakt zur zuständigen Ret-
zum Entlassungstermin in ausreichender Menge zur tungsleitstelle auf und informiert sie über den Na-
Verfügung stehen. Damit dies gewährleistet ist, ist men, die Anschrift, Erkrankung und ggf. die Beat-
die Zusammenarbeit mit einen Hilfsmittelanbieter mungspflicht des Patienten. Diese Vorbereitung er-
erforderlich, der die Bestellung der Medizinproduk- möglicht im Notfall eine schnellere und koordinier-
te anhand der Hilfsmittelliste aufnimmt, sie liefert tere Aktion der Rettungskräfte. Die Information
und außerdem die medizinischen Geräte prüft, war- kann auch durch die Angehörigen erfolgen.
tet und bei Bedarf repariert. Teamleitung und Mitarbeiter des Pflegedienstes
Der Pflegedienst kontaktiert den weiterbehan- hospitieren vor der Entlassung des Kindes auf der
delnden Arzt vor Beginn der außerklinischen Ver- Intensivstation. Dadurch erhalten sie die Möglich-
sorgung, um das Tätigkeitsfeld vorzustellen. Der keit, die apparative Ausstattung des Patienten ken-
Arzt fordert mit dem Einverständnis der Angehöri- nen zu lernen, individuell notwendige Behandlungs-
gen von der behandelnden Klinik Informationen maßnahmen abzustimmen und die Pflegebeziehung
über das Kind, seine Grunderkrankung und den zu zu dem Kind anzubahnen.
erwartenden Arbeitsaufwand an. In diesem Zusam- Auch die Eltern werden von den Pflegefachkräf-
menhang sind auch mögliche Notfallsituationen so- ten auf der Station im Hinblick auf Heimbeatmung,
wie die entsprechenden Bewältigungsstrategien zu Reanimationsmaßnahmen, pflegerische Tätigkeiten
besprechen. und die Bedienung der medizinischen Geräte ange-
Ein weiteres Rundengespräch mit den Angehö- leitet. 5
rigen findet in ihrer häuslichen Umgebung statt. Die Der Entlassungstermin ist mit der Teamleitung
Pflegedienstleitung, die Teamleitung sowie ggf. der abzusprechen, sodass sie – als für die Versorgung
Überleitungskoordinator besuchen die Familie, um verantwortliche Pflegekraft – die ersten Dienste
eine vertrauensvolle Basis zu schaffen und sich ein übernehmen und neue Mitarbeiter patientenorien-
Bild von dem neuen Arbeitsumfeld machen zu kön- tiert anleiten kann. Ein individuelles Einarbeitungs-
nen. Hier haben die Angehörigen nochmals die konzept ermöglicht die adäquate Anleitung neuer
Möglichkeit, Fragen und Ängste zu formulieren. Die Mitarbeiter und einen reibungslosen Ablauf der au-
Mitarbeiter des Pflegedienstes besichtigen die ßerklinischen Intensivpflege. Die Teamleitung un-
Räumlichkeiten, um festzustellen, ob genügend terhält während des Entlassungsprozesses engen
Platz für Hilfsmittel, Pflegebett, Gerätetische, Doku- Kontakt zu den Hilfsmittelfirmen und koordiniert
mentation und weitere Utensilien vorhanden ist. einen reibungslosen Ablauf der Hilfsmittel- und Ge-
Die Angehörigen haben die Möglichkeit Regeln räteanlieferung. Sie übernimmt den Aufbau des
für den gemeinsamen Umgang zu Hause aufzustel- neuen Arbeitsplatzes nach den geltenden Hygiene-
len, die in der Zukunft von den Teammitgliedern richtlinien.
einzuhalten sind. Diese Regeln können im Laufe der Vor dem Entlassungstag erfolgt ein Hilfsmittel-
Zeit erneuert und überarbeitet werden. Sie dienen check. Teamleitung oder der Überleitungskoordina-
dazu, die Zusammenarbeit in der Häuslichkeit rei- tor kontrollieren anhand der Hilfsmittelliste, ob alle
bungslos zu gestalten und die Privatsphäre der verordneten Materialien und Geräte in ausreichen-
­Angehörigen zu wahren, obwohl sich ggf. rund um der Menge vorrätig sind und führen eine erste Be-
die Uhr eine Pflegefachkraft im Haushalt befinden standsaufnahme durch. Die Geräte werden auf ihre
wird. Funktionstüchtigkeit geprüft, Geräte mit Akku müs-
Die Angehörigen erhalten auch detaillierte Infor- sen aufgeladen sein.
mationen über das weitere Vorgehen und die Struk- Konnte auf der Station keine Geräteeinweisung
tur der Versorgung. Dazu gehören beispielsweise erfolgen, muss umgehend ein Schulungstermin für
Informationen über die Größe des Pflegeteams, Kos- alle Teammitglieder festgelegt werden. Die Einwei-
tenvoranschläge, Verhinderungspflege, zusätzliche sung wird nach der Medizinproduktebetreiber-Ver-
Betreuungsleistungen, Schü­ler­einsätze, Hospitatio- ordnung schriftlich dokumentiert. Die Angehörigen
nen, Pflegestufe, Kombileistung und Pflegegeld. und der zuständige niedergelassene Arzt können an
48 5  Außerklinische Intensivpflege

dieser Einweisung teilnehmen, um Unsicherheiten Beatmungsmuster in der außerklinischen


zu minimieren. Versorgung
Die Teamleitung steht den Eltern am Entlas- Auch wenn die Beatmungsgeräte für den außerklini-
sungstag zur Verfügung. Im Optimalfall befindet sie schen Gebrauch viel kleiner sind und deutlich über-
sich bereits vor Eintreffen des Kindes in der Woh- sichtlichere Funktionen aufweisen, ermöglichen sie
nung, um die ersten Stunden der außerklinischen inzwischen zahlreiche Beatmungsmuster und wer-
Betreuung übernehmen zu können. den damit nahezu allen Bedürfnissen der Patienten
Im Rahmen regelmäßiger Dienstbesprechungen gerecht.
erörtert das Team das aktuelle Befinden des Patien- • V(A)C: Volume (assisted) controlled ventilation
ten, erste individuelle Erfahrungen mit dem Kind = assistierte volumenkontrollierte Beatmung
und seinen Angehörigen sowie evtl. erforderliche (› 12.1.4)
Neuerungen. • APCV: Assisted pressure controlled ventilation =
Es ist erforderlich, ein pflegerisches Assessment assistierte druckkontrollierte Beatmung
(Informationssammlung und Einschätzung von (› 12.1.4)
Pflegeproblemen, Ressourcen, Pflegezielen) unter • SIMV: Synchronized intermittent mandatory
Einbeziehung der biografischen Informationen zu ventilation = synchronisierte intermittierende
erstellen und darauf die Maßnahmenplanung aufzu- mandatorische Beatmung (› 12.1.4)
bauen. • PSIMV: Pressure synchronized intermittent
mandatory ventilation = wie SIMV mit druck-
5 kontrollierter Beatmung, jedoch ohne Druckun-
Die außerklinische intensivpflegerische Betreuung redu-
ziert sich nicht auf die Pflege des Kindes. Ein wesentlicher terstützung (› 12.1.4)
Bestandteil ist auch der Informationsaustausch mit den • PSV: pressure support ventilation = druckunter-
Angehörigen sowie deren Anleitung und Beratung. stützte Beatmung (› 12.1.4)
• PS.Tv: Pressure support with guaranteed Tidal-
volumen = Druckunterstützende Beatmung mit
Aufbau eines außerklinischen
garantiertem Tidalvolumen (Atemzugvolumen)
Arbeitsplatzes
Aufgrund der sehr unterschiedlichen räumlichen
Zusammenarbeit zwischen Eltern und
Bedingungen in Privathaushalten lassen sich keine
Pflegekräften
allgemeingültigen Regeln für den Aufbau eines au-
ßerklinischen Arbeitsplatzes aufstellen. Die Zusammenarbeit zwischen Eltern, Patient und
Folgende Aspekte sind zu beachten: Pflegekräften in der ambulanten Kinderintensivpfle-
• gute Abwurfmöglichkeiten ge ist sehr anspruchsvoll. Sie soll sich in einer Balan-
• desinfizierbares Mobiliar ce zwischen Unterstützung, Hilfe, Anleitung und
• geringe Lagerhaltung im Kinderzimmer Entlastung bewegen.
• Einhaltung der Arbeitssicherheit Die Familie benötigt die Freiheit, ein normales
• Umsetzung ergonomischer Anforderungen (zur und selbstbestimmtes Leben nach eigenen Vorstel-
Entlastung der Pflegenden) lungen zu führen. Die ständige Anwesenheit einer
• gute Krankenbeobachtungsmöglichkeit Pflegekraft wirkt – trotz zwangsläufig wachsender
• Schutz der Intimsphäre des Kindes Vertrautheit zwischen den Beteiligten – als Fremd-
• gutes Raumklima körper, der die Rückzugsgebiete der betroffenen Fa-
Beim Umgang mit Lebensmitteln, Sondenkost, Me- milie blockieren kann.
dikamenten und Medizinprodukten sind die Regeln Deshalb ist es notwendig, in Pflegevisiten und Ge-
der Hygiene anzuwenden. sprächsrunden zu besprechen, wie das Pflegeteam
Medikamente und Desinfektionsmittel dürfen für die Zusammenarbeit unter Berücksichtigung von
das betreute Kind oder dessen Geschwister nicht zu- Zeitabläufen, Wünschen und Ritualen gestalten
gänglich sein (Intoxikationsgefahr). kann. Pflege im häuslichen Umfeld ist nicht mit ei-
nem Stationsalltag zu vergleichen. Die Pflegekräfte
5  Außerklinische Intensivpflege 49

nehmen eine Gastrolle im privaten Umfeld der Fami- Bewertung für den Sender der Nachricht nicht von
lie ein und unterliegen den Regeln, die von der Fami- vorn herein abschätzbar ist und außerdem von zahl-
lie aufgestellt worden sind. In stationären Institutio- reichen psychologischen Variablen abhängt, kann es
nen sind Tagesablauf und Strukturen vom System – insbesondere in Situationen mit hohem emotiona-
bestimmt und die Patienten müssen sich anpassen. len Druck – leicht zu Unstimmigkeiten kommen.
Eltern von intensivpflichtigen Kindern sind nach
einer Zeit Profis und verfügen über wertvolles Fach- Ein regelmäßiger Austausch zwischen Familie und Pflege-
wissen. Die Pflegekräfte leiten und begleiten sie kräften (Teamleitung und PDL) dient dem frühzeitigen
Stück für Stück, um ihnen Sicherheit im Umgang mit Auffangen und Bewältigen von Konflikten.
ihrem Kind zu geben. Die Pflegekräfte sind somit
professionelle Begleiter und Helfer, nicht aber Freun- Konflikte sind in der Zusammenarbeit zwischen
de der Familie. Diese Abgrenzung und die professio- Pflegekräften und Eltern unvermeidbar. Wichtig ist,
nelle Distanz sind oft schwierig zu wahren, da die wie die Beteiligten mit kritischen Situationen umge-
Teammitglieder viel Zeit in der Familie verbringen. hen. Zur Klärung können Gespräche beitragen, z. B.
Ist das Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz anlässlich von Pflegevisiten oder „runden Tischen“.
gestört, stellen sich häufig Probleme ein. Zuviel Nähe Die Strategie der „Ich-Du-Botschaften“ spielt
ist unprofessionell und beraubt Pflegekräfte der beim Austragen von Konflikten und beim Üben von
Möglichkeit, hilfreich zu sein. Eine zu große Distanz Kritik eine große Rolle. Die Ich-Botschaft zeigt die
hingegen beeinträchtigt die Pflegebeziehung zum eigene Position, ohne das Gegenüber anzugreifen.
Kind. Sowohl die Eltern als auch das pflegerische Du-Botschaften können verletzend wirken. 5
Team sollen sich ihrer Verpflichtung bewusst sein Zwischen Eltern und Pflegeteam muss ein Ver-
und ihre Grenzen klar definieren. Gegenseitige Ak- trauensverhältnis herrschen. Der Familie fällt es oft
zeptanz und ein respektvoller Umgang in beide Rich- sehr schwer, Hilfe von außen anzunehmen. Die El-
tungen bildet die Grundlage für die Kooperation. tern haben Angst um Ihre Privatsphäre, fühlen sich
als beobachtete Objekte und nicht mehr als Haus-
Pflege kann nur mit Abstand dauerhaft gut funktionieren herren. Der Umgang mit ständig wechselnden Pfle-
und nur mit Abstand ist Nähe gut. gekräften erschwert die Situation zusätzlich. Oft ent-
steht bei Pflegekräften der Eindruck, sie würden
kontrolliert und beobachtet.
Kommunikation und Konfliktbewältigung Die Mitglieder des pflegerischen Teams müssen
Gelungene Kommunikation zwischen allen Betei- sich ständig im Klaren sein, dass sie in die Intim-
ligten ist für eine erfolgreiche Pflegebeziehung und sphäre der Familie eindringen.
die erfolgreiche außerklinische Intensivpflege unab-
dingbar. Dazu müssen in erster Linie die Pflegekräf-
Besonderheiten bei der Ernährung
te (als professionelle Partner) Kommunikationsre-
geln kennen und in den täglichen Kontakten anwen- In der ambulanten Intensivpflege werden die meis-
den. Eine gute Orientierung bietet dafür das 4-Oh- ten Kinder, je nach Erkrankung, enteral über eine
ren-Modell nach Friedemann Schulz von Thun. Er Magensonde oder eine PEG ernährt. Die PEG stellt
ordnet jeder Botschaft vier Dimensionen zu: einen effizienten Nahrungszugang dar und bietet
• Selbstkundgabe z. B. folgende Vorteile:
• Sachebene • orale Nahrungsaufnahme kann ohne „Mengen-
• Appell zwang“ trainiert werden
• Beziehungsebene • störende „Schläuche“ in Gesicht und Rachen ent-
Selbst eine scheinbar neutral übermittelte Informa- fallen
tion kann bei Gesprächspartnern als höchst emotio- • Ausgleich eines Flüssigkeitsdefizits ist z. B. über
nal bewertetes Signal ankommen, je nachdem, wel- Nacht möglich
chem „Ohr“ der Informationsempfänger in diesem Essen soll Spaß machen, nicht zu viel Zeit in An-
Moment die höhere Bedeutung zumisst. Da diese spruch nehmen und für das Kind nicht zur Qual
50 5  Außerklinische Intensivpflege

werden. Oft entsteht durch orale Nahrungszufuhr merkmal. Durch die speziellen medizinischen Risi-
auch eine Aspirationsgefahr. kofaktoren der Kinder, und der damit einhergehen-
Der Weg dahin ist für viele Eltern nicht leicht. Die den hohen Infektionsgefährdung, steht das Hygiene-
Ernährung, das Essen eingeben, hat für sie häufig ei- regime im engen Zusammenhang mit dem
ne große symbolische Bedeutung. Nähren ermög- physischen und psychischen Schutz der Kinder.
licht Beziehung, Körperkontakt, Integration, es ist Das Hygieneregime erfolgt in Anlehnung an die
ein Geben und Nehmen, auf das die Eltern nicht ver- Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zur Infek-
zichten möchten. Oft ist es die letzte Intimität mit tionsprävention in Heimen und Krankenhäusern.
ihrem Kind. Eltern können es zudem nur schwer er- Der ambulante Bereich ist bei der Aufstellung der
tragen, dass die PEG ein „Loch“ im Bauch verursacht Richtlinien jedoch nur unzureichend bedacht wor-
und zur Anlage eine zusätzliche Narkose erfordert. den. Es ergeben sich viele Schwierigkeiten, wenn
Oft findet sich bei körperlich und geistig behinder- Pflegekräfte versuchen, die Empfehlungen in der
ten sowie chronisch kranken Menschen eine Mangel­ ambulanten Kinderintensivpflege zu verwirklichen.
ernährung. Die Folgen sind beeinträchtigte Lebens- Die individuellen Risiken eines Patienten bilden
qualität, Antriebslosigkeit, Wachstums-/Entwicklungs- die Grundlage für die Entscheidung zur Einführung
störungen, geschwächte Immunabwehr mit daraus re- spezifischer hygienischer Maßnahmen. Die Installa-
sultierender Infektionsanfälligkeit, verschlechterte tion verbindlicher Regeln erfolgt durch ein multi-
Wundheilung, gastrointestinale Probleme, verlängerte professionelles Team aus Pflegekräften, Hygiene-
Krankheitsphasen und Aggressivität (modifiziert nach fachkraft, Ärzten, Eltern und Gesundheitsamt.
5 Knorrek, 2001). [1] Die Deutsche Gesellschaft für Er- Einige zwingende Hygienemaßnahmen der au-
nährung (DGE) gibt in den „Referenzwerten für die ßerklinischen Intensivpflege:
Nährstoffzufuhr“ Richtlinien für eine bedarfsgerechte • hygienische Händedesinfektion [3] (RKI-Emp-
Energie- und Nährstoffzufuhr heraus. [2] fehlung zur Händehygiene und nach Standard­
Diese Werte gelten als Orientierungsgröße für die einreibemethode EN-Norm 1500)
Ernährung gesunder und durchschnittlich aktiver • Anwendung von Handschuhen
Kinder. Im Krankheitsfall müssen diese Empfehlun- • Hautpflege gem. Hautschutzplan
gen dem jeweiligen Körper- und Ernährungszustand • ausschließliche Verwendung von Desinfektions-
des Patienten angepasst werden. mittel der VAH-Liste (Verbund für angewandte
Chronisch kranke bzw. mangelernährte Kinder Hygiene)
erhalten spezielle Trink- und Sondennahrungen. • Erstellung eines individuellen Hygieneplans ge-
Kinder, die schlucken können, damit jedoch nicht mäß TRBA250 (Gliederung eines Hygieneplans);
ausreichende Mengen bewältigen, können auch pas- als Grundlage dafür können Onlineangebote eini-
sierte Kost über die Sonde erhalten. Die Konsistenz ger Gesundheitsbehörden dienen; mind. jährliche
ist so zu wählen, dass keine Gefahr eines Sondenver- Evaluierung des Rahmenhygieneplans für die
schlusses entsteht. ambulante Pflege (Plan muss allen Mitarbeitern
Die Einlaufgeschwindigkeit der Sondenkost lässt bekannt sein)
sich mithilfe einer Ernährungspumpe exakt einstel- Ärzte und Krankenkassen zeigen gelegentlich eine
len. Die Geräte helfen, ein zu schnelles Sondieren mangelnde Bereitwilligkeit, Desinfektionsprodukte
oder die Anwendung eines zu hohen Drucks zu ver- zu verordnen oder zu genehmigen. Dies kann zu
meiden. Damit lassen sich auch unerwünschte Fol- Problemen bei der Durchführung adäquater Desin-
gen der Sondenernährung vermeiden, z. B. Übelkeit, fektionsmaßnahmen führen. In solchen Fällen ist
Völlegefühl und Erbrechen. intensive Kommunikation und Hartnäckigkeit sei-
tens der Eltern und des Pflegedienstes notwendig.
Ggf. ist es sinnvoll, das Gesundheitsamt als Unter-
Hygieneregeln in der häuslichen
stützung hinzuziehen.
Versorgung
Überwiegend sind ambulante Kinderintensivpfle-
Die Infektionsprävention in der ambulanten Kin- gedienste zu Gast bei sehr gut geführten und saube-
derintensivpflege ist ein wesentliches Qualitäts- ren Haushalten. Das Hygieneempfinden einiger El-
5  Außerklinische Intensivpflege 51

Tab. 5.1  Beispiele für hygienische Maßnahmen der außerklinischen Intensivpflege: Desinfektion eines Absaugge-
räts.
WAS WANN WIE WER
Absaugbehälter • alle 6 Tage • entleeren (Schutzmaßnahmen) Pflegekräfte
(wieder verwendbar) • einlegen (Gigasept 4 % für 15 Min. oder
Gigasept 3 % für 30 Min.; Gebrauchsan-
weisung beachten)
• Filter nach Herstellerangaben wechseln

Absaugschlauch • alle 3 Tage • verwerfen Pflegekräfte


Absaugkatheter • nach Gebrauch • verwerfen Pflegekräfte
Spülflüssigkeitsbe- • 1× täglich • Wasser erneuern Pflegekräfte
hälter • Wischdesinfektion
(Incidin extra N 0,5 %
für 1 Stunde; Gebrauchsanweisung be-
achten)
Gerät (außen) • 1× täglich • Wischdesinfektion Pflegekräfte
• (Incidin extra N 0,5 %
für 1 Stunde; Ge-
brauchsanweisung beachten)

tern liegt aber unter dem allgemeinen Standard. gleitend mit den Hygienemaßnahmen vertraut zu
Pflegekräfte müssen dies akzeptieren, solange die machen. 5
Kinderversorgung oder der Mitarbeiterschutz nicht
beeinträchtigt sind. Ist dies der Fall, erfolgen intensi- Auch die ambulante Kinderintensivpflege ist zunehmend
ve Beratung und Hilfen, ggf. unter Einbeziehung des mit Problemkeimen wie MRE, MRSA, ESBL konfron-
behandelnden Arztes und des Gesundheitsamtes. tiert. In solchen Fällen ist das Hygieneregime um die per-
sönliche Schutzausrüstung zu erweitern. Vor Verlegung
und Transport des betroffenen Kindes erfolgt eine früh-
Die Ansicht, dass in der ambulanten Pflege weniger hygi-
zeitige Information der Zieleinrichtung.
enisch gearbeitet werden dürfe, weil weniger Problem-
Sowohl niedergelassene Kinderärzte als auch Kostenträ-
oder Krankenhauskeime vorhanden seien und das Kind
ger fordern Pflegedienste gelegentlich auf, Hygienestan-
sich an die häuslichen Keime adaptiert habe, ist ein My-
dards zu unterschreiten. Solche Verstöße gegen die Re-
thos.
geln verantwortungsbewusster Pflegepraxis darf ein
Pflegedienst nicht akzeptieren.
Das gesamte beatmungsassoziierte Equipment (z. B.
Schläuche, Maske, Inhalationsgerät, Beatmungsbeu-
tel, Atemgasklimatisierung, Trachealkanüle) ist ge- LITERATUR
mäß der produktspezifischen Herstellerangaben 1. Fortbildung Ernährungsberatung Enterale Ernährung in
der Pädiatrie von Nutricia: SS-Art.-Nr.9705614 2.T.06.10
und unter Berücksichtigung der entsprechenden
2. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Referenzwer-
RKI-Empfehlungen aufzubereiten. Die jeweilig an- te für die Nährstoffzufuhr, 1. A., 4. korrig. Nachdruck.
zuwendenden Verfahren sind ebenfalls im Hygie- Umschau Verlag, Bonn 2012
neplan erläutert. 3. RKI-Empfehlung zur Händehygiene und nach Standar-
Pflegekräfte beziehen die Eltern in sämtliche Tä- deinreibemethode EN-Norm 1500
4. www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeits-
tigkeiten des Hygienemanagements ein und leiten
stoffe/TRBA/pdf/TRBA-250.pdf;jsessionid=94F49A75B041
sie zu fachlich korrektem Handeln an. Auch die klei- ACB0391C9A86BE6CC3AF.1_cid246?__
nen Patienten sind altersgerecht und edukativ-be- blob=publicationFile&v=3 ; Anhang 4; Seite 41
      
KAPITEL

6 Anja Messall

Beobachtung des Kindes


6.1  Bewusstseinslage 6.1.2  Überwachung der
Bewusstseinslage
DEFINITION
Bewusstsein: Gesamtheit und Ausdruck aller empfun- Pflegerische Aspekte
denen psychischen Vorgänge. Bei klarem Bewusstsein
reagieren Menschen altersentsprechend auf Reize. Sie Die Bewusstseinslage des kranken Kindes ist aus
nehmen ihren Aufenthaltsort, die Zeit und sich selbst
wahr.
verschiedenen Gründen für die Pflegenden von Be-
deutung. Einerseits stellt sich bei einem Kind, das
bei vollem Bewusstsein ist, die Frage, inwieweit es
an Pflegemaßnahmen aktiv mitwirken kann oder
6.1.1  Bewusstseinsstadien möchte. Andererseits ist gerade in der Intensivpflege
zu bedenken, ob das Kind schmerzhafte oder unan-
Zu jedem Bewusstseinsstadium gehört ein beson- genehme Prozeduren bewusst erlebt. Einen dritten
deres Maß der Einschränkungen in der Wahrneh- Punkt stellen schließlich Komplikationen dar, mit
mung, eine scharfe Abgrenzung ist jedoch schwierig. denen bei zunehmender Bewusstseinseintrübung zu
Die Apathie ist das erste und leichteste Stadium rechnen ist. So birgt z. B. die Nahrungsaufnahme bei
der Bewusstseinseintrübung. Sie geht mit Müdigkeit eingeschränktem Bewusstsein die Gefahr einer As-
einher. Ein apathisches Kind ist jedoch noch an- piration.
sprechbar und orientiert. Es ist sowohl körperlich Gerade beim bewusstseinsgestörten Kind ist es
als auch geistig aktiv. Seine Handlungen und Denk- von besonderer Bedeutung, alle pflegerischen und
abläufe sind allerdings verlangsamt. Diese Verlang- medizinischen Maßnahmen altersentsprechend zu
samung ist auch für einen Außenstehenden deutlich erklären. Im Idealfall ist zudem eine Bezugsperson
erkennbar. des Kindes anwesend, die ihm Sicherheit und Ver-
Die Somnolenz ist von stärkerer Müdigkeit ge- trauen vermittelt. Da nicht genau festzustellen ist,
kennzeichnet. Das Kind ist jedoch durch Ansprache wie viel ein Kind vom Geschehen seiner Umwelt ver-
oder leichte Reize kurzzeitig erweckbar. Körperliche steht und verarbeitet, vermeiden es alle Mitglieder
Aktivitäten und Denkabläufe sind in diesem Stadi- des therapeutischen Teams sowie die Angehörigen,
um der Bewusstseinseintrübung bereits stark ver- am Bett über Diagnosen und Prognosen zu spre-
langsamt. chen. Eine Reduktion von Lärm und Helligkeit kann
Von Sopor spricht man bei einer schweren Be- das Wohlbefinden fördern. Bei pflegerischen Tätig-
wusstseinseintrübung. Das Kind ist desorientiert keiten, z. B. der Körperpflege, ist es wichtig, dem
und kann physiologische Vorgänge, z. B. die Darm- Kind seinen Körper erfahrbar zu machen. Eine Mög-
und Blasenentleerung, nicht kontrollieren. Nur lichkeit hierzu stellt die Basale Stimulation® dar
durch starke Reize ist es kurzzeitig erweckbar, die (› 8.1).
Schutzreflexe sind vermindert oder fehlen.
Die schwerste Form der Bewusstseinsstörung
Einschätzung der Bewusstseinslage
wird als Koma bezeichnet. Selbst durch erhebliche
Schmerzreize ist das Kind nicht erweckbar, eventu- Für die Einschätzung der Bewusstseinslage ist es
ell provozieren diese Reize jedoch undifferenzierte wichtig, die Fähigkeiten des Kindes im täglichen Le-
Reaktionen. ben zu kennen. Trübt das Kind erst nach längerem
54 6  Beobachtung des Kindes

Aufenthalt im Krankenhaus ein, sind den Pflegen- – Wie schätzen die Eltern die geistigen Fähigkei-
den diese Fähigkeiten zumindest teilweise bekannt. ten ihres Kindes im Vergleich zu Geschwis-
Ist die bewusstseinsklare Phase jedoch sehr kurz, tern/anderen Kindern ein?
oder erreicht das Kind die Klinik bereits in einem • Welche Fragen kann das Kind normalerweise be-
reduzierten Bewusstseinszustand, können die Pfle- antworten?
genden sein Verhalten nicht mit seinen regulären – seinen eigenen Namen nennen
Fähigkeiten vergleichen. In diesem Fall ist die Befra- – das eigene Alter nennen
gung der Eltern besonders hilfreich. Erst eine sorg- – Tageszeiten unterscheiden
fältige Anamnese ermöglicht den Pflegenden, die – Orte unterscheiden
Bewusstseinslage des Kindes genau zu beurteilen. – Namen der Familienmitglieder nennen
Schließlich sind Informationen über die motorische
Beispiel Entwicklung des Kindes von Bedeutung, um die Be-
wusstseinslage einzuschätzen. Diese Fragen zielen
Von einem fünfjährigen Kind, das einen vergleichsweise
geringen Wortschatz und eine sehr undeutliche Ausspra- vor allem in zwei Richtungen:
che haben kann, dürfen die Pflegenden keine klare Ant- • Bewegungsfähigkeit
wort auf die Frage nach dem Ort, an dem es sich befindet, – Liegt eine körperliche Behinderung vor?
erwarten. Pflegende, die die sprachlichen Fähigkeiten des – Kann das Kind seine Extremitäten bewegen?
Kindes nicht kennen, nehmen möglicherweise an, dass es Wie bewegt es sich fort? Kann es greifen?
eingetrübt sei, obwohl das Kind in seiner gewohnten Art • Koordination und neurologische Fähigkeiten
spricht.
– Wie reagiert das Kind, wenn es sich z. B. stößt?
Weint es oder reagiert es nicht auf den
Für die Feststellung der sprachlichen Entwicklung Schmerz?
ist es zunächst von Bedeutung, zu wissen, welche – Kann es frei sitzen?
6 Sprache das Kind spricht und versteht. Bei (drohen- – Kann es seine Kopfhaltung kontrollieren?
der) Eintrübung holen Pflegende daher in der Ana- Um eine Veränderung der Bewusstseinslage frühzei-
mnese insbesondere folgende Informationen von tig zu bemerken, kontrollieren die Pflegenden mind.
den Eltern ein: bei jeder Pflegerunde den Bewusstseinszustand. Im
• Wortschatz des Kindes Idealfall geschieht dies durch einen möglichst klei-
– Kann es allgemeinverständlich seine Wünsche, nen Personenkreis und in enger Zusammenarbeit
sein Befinden ausdrücken? mit den Eltern. Auf diese Weise lassen sich bereits
– Benutzt es eigene Ausdrücke? Wenn ja, wie geringe Veränderungen wahrnehmen.
lauten diese? Stellen die Pflegenden Bewusstseinsveränderun-
– Hat es eine bestimmte Gestik oder Mimik ent- gen oder auffällige vegetative Reaktionen, z. B. eine
wickelt, mit der es sich verständigt? erhöhte Herzfrequenz, Schwitzen oder kühle Extre-
• Aussprache des Kindes mitäten fest, informieren sie sofort den Arzt.
– Hat das Kind eine Sprachstörung, stottert es
oder „verschluckt“ es Silben? VORSICHT
– Spricht es in einem ortsfremden Dialekt, den Negative Reize zur Überprüfung des Bewusstseins, z. B.
die Pflegenden missverstehen könnten? regelmäßige Schmerzreize, fördern den Rückzug des Kin-
In engem Zusammenhang mit der sprachlichen des von seiner Außenwelt. Daher sind sie kritisch zu be-
trachten und nur unter strenger Indikationsstellung ein-
steht die geistige Entwicklung. Pflegende berück- zusetzen. Sedativa beeinflussen die Bewusstseinslage.
sichtigen daher in der Anamnese auch folgende Fra-
gen:
• Geistige Fähigkeiten des Kindes Glasgow Coma Scale
– Liegt eine geistige Behinderung oder Retardie- Die Glasgow Coma Scale (GCS) findet bei der Ver-
rung vor? laufsbeobachtung von Patienten mit einer Hirnschä-
– Besucht das Kind bereits einen Kindergarten digung oder zur Beurteilung des Bewusstseinszu-
oder eine Schule, ggf. eine Fördereinrichtung? stands Verwendung. Die Häufigkeit der Überprü-
6.1  Bewusstseinslage 55

fung richtet sich nach der Anordnung des Arztes Tab. 6.1  Glasgow Coma Scale (GCS).
und ist individuell auf das Kind abzustimmen. Die Bewusstseinsbereiche/Reaktion auf Punkt­
GCS gibt Aufschluss über Augenöffnung, motori- Reize zahl
sche Reaktion sowie die verbale Antwort. Bei der Augen öffnen
verbalen Antwort unterscheidet die GCS zwischen • spontanes Öffnen 4
Kindern im Alter von weniger bzw. mehr als 24 Mo- • Öffnen bei Ansprache 3
naten. Jeder Bereich fließt in die Punktwertung ein.
• Öffnen bei Schmerzreiz 2
Die Summe der Punkte ermöglicht die Einschätzung
• kein Öffnen der Augen 1
der Komatiefe.
Verbale Antwort
< 24 Lebensmonate
Glasgow Coma Scale
• Kontakt normal, verfolgt, lacht 5
• max. 15 Punkte
• Kontakt
inkonstant, lacht nicht (situations- 4
• 12–9 Punkte: mäßige Bewusstseinsstörung, (schläfrig
bezogen)
aber weckbar)
• 9–6 Punkte: soporös, semikomatös (Reaktion nur auf • zeitweise erweckbar 3
stärkste Stimuli; Intensivüberwachung erforderlich) • nicht erweckbar, Unruhe 2
• 5–3 Punkte: komatös, apallisch
• keine Kontaktaufnahme möglich 1
Eventuelle Analgosedierung und Beatmung beachten!
Erreicht das Kind weniger als 8 Punkte auf der Glasgow Verbale Antwort
Coma Scale (›  Tab. 6.1), ist eine Intubation mit an- > 24 Lebensmonate
schließender Beatmung zu erwägen. • verständliche Sprache 5
• verwirrt,
unzusammenhängendes Spre- 4
chen, desorientiert
Pupillenreaktion • inadäquate Sprache 3
In heller Umgebung sind die Pupillen eng. Sie erwei- 6
• unverständliche Laute 2
tern sich mit zunehmender Dunkelheit. Sie sind
• keine verbale Äußerung 1
gleich weit (isokor) und meistens rund. Die Pupil-
lenkontrolle ist ein fester Bestandteil der neurologi- Motorische Antwort
schen Überwachung. Hierzu überprüfen und be- • sofortige motorische Reaktion bei Auffor- 5
schreiben Pflegende die Pupillenweite, -form, -posi- derung
tion, eine eventuelle Pupillendifferenz, sowie die • Abwehr eines Schmerzreizes gezielt 4
konsensuelle Reaktion auf Licht. Moderne Glasau- • Abwehr eines Schmerzreizes ungezielt 3
gen sind zwar mit der Muskulatur verbunden, so- • auf
Schmerzreiz werden alle vier Extremi- 2
dass beim Betrachter der Eindruck von Augenbewe- täten gestreckt
gungen entsteht, aber eine Pupillenreaktion ist • keine motorische Reaktion auf Schmerzreiz 1
selbstverständlich nicht zu provozieren.
Pflegende beachten auch, dass einige Augenope-
rationen Veränderungen der Pupillenmotorik und Lichtreaktion
Pupillenform zur Folge haben. Eine gesunde Pupille verengt sich prompt bei Licht-
Nystagmus und Koordinationsstörungen weisen einfall und der Wahrnehmung einer Konvergenzbe-
auf eine Kleinhirnschädigung hin wegung. Konvergenz beschreibt die Reaktion der
Augen, wenn sie einen sich nähernden Gegenstand
Pupillenweite fixieren: beide Pupillen verengen sich und die Bulbi
Eine Pupille kann maximal eng, eng, mittelweit und drehen sich nach innen, zur Nase hin. Um die direk-
maximal weit sein. Zudem ist es von Bedeutung, ob te Lichtreaktion zu prüfen, richten Pflegende den
beide Pupillen die gleiche Weite aufweisen, d. h. ob Strahl einer Lampe seitlich auf die Pupille eines Au-
sie isokor sind. Bei einer Differenz der Pupillenweite ges, während sie das andere Auge mit der Hand ab-
zwischen rechtem und linkem Auge spricht man von schirmen, jedoch nicht abdecken. Dieses Vorgehen
einer Anisokorie. ermöglicht die Beurteilung der übereinstimmenden
56 6  Beobachtung des Kindes

(konsensuellen) Lichtreaktion beider Pupillen. Die tin®, Suprarenin®, Drogen wie Cannabis, LSD so-
Reaktion auf einen plötzlichen Lichteinfall kann wie die Intoxikation (IT) bzw. Inokulation (IO)
prompt oder träge sein bzw. vollständig fehlen. mit Giftpflanzen z. B. Stechapfel (IT, IO), Engels­
Eine träge Lichtreaktion kann auf einen erhöhten trompete (IO), Stechginster (IT), Goldregen (IT),
Hirndruck hinweisen. Bei komatösen Patienten ist Eibennadeln (IT), u. a. lösen u. U. eine Pupillener-
die Lichtreaktion ggf. stark verlangsamt oder sie fehlt. weiterung aus. Zudem kann eine Intoxikation mit
Weitere Ursachen für eine ein- oder beidseitig Methylalkohol oder CO zu einer Mydriasis füh-
fehlende Lichtreaktion können eine Läsion der Seh- ren.
nerven, eine Lähmung verschiedener Hirnnerven,
eine Mittelhirnläsion oder eine traumatische Schä-
digung des Auges sein. Mit zunehmender Komatiefe werden die Pupillen weiter,
anisokore Pupillen deuten auf eine zerebrale Läsion hin.
Pupillenerweiterung
Eine Pupillenerweiterung (Mydriasis) kann ver-
schiedene Ursachen haben. So löst z. B. die Schädi- Pupillenverengung
gung oder Lähmung des N. oculomotorius (für die Auch die Pupillenverengung (Miosis) kann ver-
Weit- bzw. Engstellung der Pupille zuständiger schiedene Ursachen haben. Infrage kommen eine
Hirnnerv), eine Pupillenerweiterung aus. Als Läh- Schädigung der zentralen Sympathikusbahn, z. B.
mungsursache kommen u. a. eine Hirnblutung oder beim Mittelhirnsyndrom oder dem Horner-Syn-
ein Hirnödem infrage. drom (Lidsenkung, Pupillenverengung und zurück-
gesunkener Augapfel durch Lähmung der glatten
VORSICHT Augenmuskulatur), Medikamente, z. B. Fentanyl®,
Stress oder Unruhe können ebenfalls eine Mydriasis her- Dipidolor® und Morphium, sowie eine Intoxikation
6 vorrufen. mit Alkylphosphaten, Muskarin, Risspilz, Schlafmit-
teln, Nikotin oder Alkohol.
Auch Medikamente wie Atropin (8 Std. anhal-
tend), Amphetamine, Antihistaminika, Dolan-

Tab. 6.2  Pupillenkontrolle: Aussehen und Größe der Pupillen und mögliche Ursachen.
Beschreibung Wacher Patient Komatöser Patient
beidseit mittelweit normale Pupillenform

Rechts mittelweit, links weit periphere N. okkulomotorius-Schädi- linksseitige Hirnblutung


gung oder lähmung, links

beidseits maximal eng Nikotin- oder Alkoholabusus, Opiate Schädigung oder Läh-
z. B. Fentanyl, Dormicum, Cholineste- mung der zentralen Sym-
rasehemmer, z. B. Prostigmin pathikusbahn

beidseits maximal weit Atropin, Tollkirschenintoxikation, Hirnödem, Hypoxie, Into-


Stress und Unruhe xikation

entrundet Infektionen des Innenauges, SHT, Operationen oder Fehlbildun-


gen am Auge
6.1  Bewusstseinslage 57

Pupillenform tion. Jede einseitige motorische Auffälligkeit gilt als


In der Regel ist die Pupille rund. Neben angebore- pathologisch. Auch vollständig fehlende Bewegun-
nen Fehlbildungen des Auges können entrundete gen, ein schlaffer Muskeltonus und fehlende Reflexe
Pupillen jedoch auch bei Verletzungen, Infektionen, sind als auffällig zu bewerten.
Mittelhirnläsion, Schädelhirntrauma oder nach Als Ursachen kommen eine Hirnstammschädi-
Operationen auftreten. gung und der Hirntod infrage.

Bulbusstellung Sensibilität
Die Beobachtung richtet sich auf die Stellung der
Bulbi zueinander (achsengerecht, Mittelstellung DEFINITION
oder divergent? › Tab. 6.3). Sensibilität: Fähigkeit zur Aufnahme und Verarbeitung
von Sinnesreizen. Zuständig für die Funktion sind die Sin-
nesrezeptoren des Nervensystems.
Überprüfung von Motorik und Sensibilität
Motorik Die Überprüfung der Sensibilität erfolgt durch das
Gesunde Bewegungsabläufe sind Setzen von Reizen. Hierbei ist es wichtig, mit leich-
• geordnet; eine Bewegung ist die Voraussetzung ten Reizen zu beginnen, denn reagiert das Kind be-
für die nächste reits auf diese in angemessener Weise, kann der Un-
• angepasst; eine Tasse wird z. B. anders gehoben tersucher ggf. auf stärkere Reize verzichten. Zudem
als eine schwere Truhe erschrickt das Kind bei leichten Reizen nicht so sehr
• zielgerichtet; z. B. beim Vorbeugen, um ein Ob- wie bei starken oder gar schmerzhaften Reizen. Die
jekt zu erreichen Pflegenden nehmen daher zunächst Kontakt mit
Motorische Störungen können sich in vielfältiger dem Kind auf, sprechen es leise an und berühren es
Weise äußern, sie bieten z. B. das Bild ungezielter vorsichtig, z. B. am Arm. Im Sinne der Basalen Si- 6
und unkoordinierter Bewegungsabläufe. Eine vor- mulation® (› 8.1) führen Pflegende auch „vorsich-
wiegende Streckung der Extremitäten kann auf eine tige“ Berührungen eindeutig aus, dass heißt, mit ei-
Mittelhirnläsion, Ponsläsion, ischämische Hirnschä- nem leichten Druck und großflächig. Reagiert das
digung oder ein hepatisches Koma hinweisen. Zur Kind nicht, so verstärken Pflegende die Intensität
übermäßigen Beugung der Extremitäten führen u. a. des Reizes. Sie sprechen lauter und üben einen ver-
eine Schädigung der Großhirnhemisphären oder ei- stärkten Druck bei der Berührung aus. Erhalten sie
ne stoffwechselbedingte Dämpfung der Hirnfunk­ keine Reaktion, steigern Pflegende die Intensität so

Tab. 6.3  Pupillenkontrolle: Bulbusstellung und mögliche Lokalisation der Schädigung.


Bulbusstellung Beschreibung Lokalisation der Schädigung
beidseits seitliche Bulbusstellung leichte Hirnstammschädigung

Bulbusstellung divergent schwere Hirnstammschädigung

Bulbi gerade, Pupillen weit, Lichtreaktion keine intakten Hirnstammfunktionen


dauerhaft negativ
kurzzeit negative Lichtreation Medikamentenwirkung

Bulbusstellung seitlich und nach oben, Pa- Bei Hirnblutung zur betroffenen Seite
tient schaut zum Blutungsherd
58 6  Beobachtung des Kindes

weit, bis das Kind entweder reagiert oder ein stärke- Beobachtung von Krampfanfällen
rer Reiz dem Kind schaden würde.
Neben der Ansprache und Berührung kommen Ein zerebraler Krampfanfall lässt sich in der Regel
auch thermische Reize wie die Berührung mit einem medikamentös unterbrechen. Aufgabe der Pflegen-
Eiswürfel oder leichte Schmerzreize infrage. Zur Be- den während des Krampfanfalls ist es, das Kind vor
urteilung der Reaktion auf Schmerzreize können Verletzungen zu schützen und den Verlauf des
auch ohnehin durchzuführende Maßnahmen, wie Krampfanfalls zu beobachten.
eine Blutentnahme (sofern sie ohne lokale Anästhe-
tika erfolgt), herangezogen werden. Auf diese Weise Beobachtungskriterien
setzen Pflegende das Kind möglichst wenigen In Abhängigkeit von der Anfallsart können die Kin-
Schmerzerlebnissen aus. Neben Hinweisen zur Be- der erspüren, wann ein Krampfanfall beginnt (Au-
wusstseinslage ermöglichen Schmerzreize Aussagen ra). Bei kleineren Kindern beobachten Pflegende
zur Lokalisation und Schweregrad einer zerebralen u. U. eine Eintrübung der Bewusstseinslage.
Schädigung. Für eine genaue Beurteilung ist entscheidend, an
welcher Extremität der Krampfanfall beginnt und
wie er sich ausbreitet.
Überprüfung von Reflexen
Krampfanfälle unterscheiden sich unter anderem
DEFINITION auch in der Bewegungsform. Im tonischen Krampf
Reflex: Unwillkürliche Reaktion auf die Reizung afferen- spannen sich verschiedene Muskeln stark an. Zit-
ter Nervenbahnen, die diese Informationen zum Rücken- ternde und stoßende Bewegungen deuten auf einen
mark und Gehirn weiterleiten. Der entsprechende Muskel klonischen Krampf hin. Myoklonische Krämpfe ge-
erhält über efferente Bahnen die Reflexantwort. hen mit blitzartigen Muskelzuckungen einher.
Die meisten Krampfanfälle sind mit vegetativen
6 Die Überprüfung von Reflexen dient in erster Linie Begleiterscheinungen vergesellschaftet, z. B. Speichel-
der Feststellung von geschädigten Nerven. Für die fluss, Nystagmus, Einnässen oder gar Zungenbiss.
Pflegenden steht jedoch die besondere Verletzlich-
keit des Patienten im Vordergrund. Diese ergibt sich Auf einem Anfallsprotokoll dokumentieren Pflegende
aus dem reduzierten Eigenschutz, der normalerwei- die Dauer des Anfalles, den genauen Verlauf und das
se durch die Reflexe gegeben ist. Verhalten des Kindes nach dem Anfall.
Zu unterscheiden sind Eigen- und Fremdreflexe.
Eigenreflexe heißen auch Muskeldehnungsreflexe.
Rezeptoren sowie Effektorgan sind in diesem Fall an Tab. 6.4  Relevante Fremdreflexe.
derselben Stelle lokalisiert. Der Untersucher löst die
Reflexe Reaktion auf Reiz
Reflexe durch kurzes, kräftiges Anschlagen der Seh-
ne mit einem Reflexhammer aus. Zu den Eigenrefle- Niesreflex • Reizung
der Nasenschleimhaut führt
zum Niesen
xen gehören z. B. Bizepssehnen-, Patellarsehnen-
und Achillessehnenreflex. Hustenreflex • nachReizung von Rezeptoren in Kehl-
kopf, Trachea, tieferen Atemwegen,
Fremdreflexe sind in physiologische und patho-
Brust- oder Zwerchfell und äußeren
logische Reflexe unterteilt. Zur Auslösung dieser Re- Gehörgang durch Sekret oder Fremd-
flexe streicht der Untersucher mit einer Nadel, ei- körper kommt es zum Husten
nem Stieltupfer oder einem Spatel über die Haut. Zu Schluck­ • Reflex
wird zu Beginn willkürlich
den physiologische Fremdreflexen gehören z. B. reflex durch die Weiterleitung des Speise-
Bauchhautreflex und Analreflex. Pathologische Re- breies in das Reflektorgebiet ausge-
flexe sind z. B. Babinski- und Oppenheimreflex. löst und findet dann unwillkürlich
Für die Pflegenden sind folgende Fremdreflexe re- statt
levant, besonders im Hinblick auf ihre Beeinträchti- Korneal- und • bei
Berührung von Kornea oder Kon-
gung unter Bewusstlosigkeit, Analgesie und Sedie- Konjunktiva­ junktiven mit einem Watteträger
rung (› Tab. 6.4). reflex kommt es zum Lidschluss
6.2  Beobachtung der Atmung 59

6.2  Beobachtung der Atmung 6.2.2  Pathologische Atmung

DEFINITION Pathologische Atemrhythmen können zu den ers-


Atmung: Gasaustausch zwischen Organismus und Um- ten Zeichen einer Erkrankung gehören. Zentrale Ur-
welt. Physische und psychische Faktoren können die At- sachen oder eine Veränderung der Atemmechanik
mung beeinflussen. verursachen die Störung des Atemzyklus.
Die jeweiligen Atemrhythmen unterscheiden sich
Bei Kindern treten nicht selten durch die anatomi- hinsichtlich Atemfrequenz, Atemtiefe und Thorax­
schen Besonderheiten des Respirationstrakts und exkursion.
die eingeschränkten Kompensationsmechanismen
Störungen der Atemfunktion auf. Aus diesem
Pathologische Atemrhythmen
Grund ist es wichtig, dass Pflegende umfangreiches
Wissen über physiologische und pathologische At- Die Cheyne-Stoke-Atmung ist von periodischer Zu-
mungsmuster besitzen. und Abnahme der Atemfrequenz und -tiefe gekenn-
zeichnet. Vereinzelt treten Atempausen ein. Dieser
Atemrhythmus kann physiologischerweise im Schlaf
6.2.1  Physiologische Atmung und als pathologisches Zeichen bei Frühgeborenen
mit unreifer Atemregulation, Kindern mit Schädi-
Atemfrequenz gung des oberen Hirnstamms, nach Vergiftungen
und bei einer schweren Herzinsuffizienz auftreten.
Die physiologische Atmung im Ruhezustand ist Von einer Biot-Atmung spricht man bei gleich-
gleichmäßig und frei von Anstrengung. Unter dem mäßiger, tiefer Atmung mit wiederkehrenden
Einfluss körperlicher Belastung vertiefen und be- Atempausen. Dieser pathologische Atemrhythmus
schleunigen sich die Atemzüge. Auch Stress und an- kann bei Frühgeborenen, bei Kindern mit Hirn- 6
dere auf dem Organismus einwirkende Reize bewir- stammschädigung, Hirnverletzung, Meningitis und
ken u. U. physiologischerweise eine beschleunigte nach Opiateinnahme vorliegen.
Atmung. Das Coma diabeticum ist die Ursache für eine
Die Atemfrequenz ist außerdem vom Lebensalter Kussmaulatmung. Durch tiefe und regelmäßige
abhängig. Atemzüge versucht das Kind, die bestehende Azido-
se respiratorisch auszugleichen.
Kurze, tiefe Atemzüge mit geöffnetem Mund, ver-
Atemtypen
einzelt auftretende, unterschiedlich lange Atempau-
Abdominalatmung sen und eine Mundbodenatmung sind Anzeichen
Das Zwerchfell übernimmt die Atmung. Dieser für eine Schnappatmung, die bei einer schweren
Atemtyp ist vorwiegend bei Neugeborenen und zentralen Hypoxie und im präfinalen Stadium auf-
Säuglingen zu finden. tritt.
Eine Hyperventilation ist vorwiegend durch psy-
Thorakalatmung chische Probleme bedingt. Durch eine sehr schnelle
Die Interkostalmuskulatur übernimmt ab dem späte-
ren Kleinkindalter hauptsächlich die Atemfunktion. Tab. 6.5  Physiologische Atemfrequenzen von Kindern
Für das frühe Kleinkindalter ist eine Mischform verschiedener Altersgruppen.
beider Atemtypen kennzeichnend. Altersgruppe Atemzüge/Min.
Frühgeborene 48–60
Neugeborene 40–50
Säuglinge 20–30
Kindergartenkinder 16–25
Schulkinder/Jugendliche 12–20
60 6  Beobachtung des Kindes

und flache Atmung kommt es zu einem starken Ab- Eine Orthopnoe ist die stärkste Form der Atem-
fall des paCO2 und aufgrund dessen zu einer Reduk- not, bei der das Kind eine aufrechte Körperhaltung
tion des Serumkalziums. Dies kann zu einer Hyper- (ortho = gerade) einnimmt, um die Atemhilfsmus-
ventilationstetanie mit Pfötchenstellung und Taub- kulatur optimal einsetzen zu können.
heitsgefühl in Händen und Füßen führen. Pflegende Das Blähen der Nasenflügel in der Inspiration
schaffen Abhilfe, indem sie den Patienten in eine Pa- wird als Nasenflügelatmung bezeichnet. Bei der
pier- oder Plastiktüte atmen lassen, deren Öffnung Mundbodenatmung senkt sich in der Inspiration
Mund und Nase bedeckt. Der Patient atmet auf diese der Mundboden. Beides führt zu einer Vergröße-
Weise CO2 zurück und der paCO2 steigt wieder in rung der Einatemwege.
den Normbereich. Die Schonatmung ist eine flache, tachypnoeische
Die Maschinenatmung tritt bei einer Fehlsteue- Atmung mit Seitendifferenz. Sie kann bei Thorax-
rung des Atemzentrums, z. B. durch Schädel-Hirn- schmerzen infolge eines Ergusses oder einer Pleuri-
Trauma, auf. Gekennzeichnet ist sie durch absolut tis auftreten.
gleichmäßige Atemzüge mit konstanter Atemtiefe. Einziehungen sind Zeichen einer verminderten
Unspezifische Reize beeinflussen diesen Atemrhyth- Dehnbarkeit (Compliance) der Lunge. Die Erzeu-
mus nicht. gung eines Unterdrucks im Thorax kompensiert die
verminderte Compliance. Zu beobachten sind inter-
kostale, juguläre, klavikuläre, sternale und epigastri-
Atemqualität
sche Einziehungen.
Eine gleichmäßige, ruhige, tiefe und geräuschlose
Atmung wird als Eupnoe bezeichnet.
Tachypnoe ist eine beschleunigte Atmung. 6.2.3  Apnoeformen
Bei der Bradypnoe ist die Atemfrequenz ernied-
6 rigt. DEFINITION
Die Dyspnoe ist eine erschwerte Atmung, bei der Apnoe: Atemstillstand infolge Lähmung oder Unreife
die gesamte Atemhilfsmuskulatur zum Einsatz des Atemzentrums.
kommt. Sie tritt in- und exspiratorisch auf.

Tab. 6.6  Pathologische Atemrhythmen Bei einer zentralen Apnoe fehlen Gasfluss und
Bezeichnung Atemmuster Atembewegungen. Zentrale Apnoen können durch
Normale Ruheatmung sanftes Anstoßen des Patienten oder festes Streichen
der Fußsohlen unterbrochen werden. Der Einsatz
einer nasalen CPAP-Maske kann eine Besserung er-
Kussmaul-Atmung zielen. Zur medikamentösen Unterstützung eignen
sich Theophyllin und Coffein, da sie eine Stimulation
des Atemzentrums bewirken (› Tab. 22.1).
Cheyne-Stokes-Atmung Die Ursachen einer zentralen Apnoe sind Frühge-
burtlichkeit, Hirnblutung, Meningitis, Krampfanfäl-
le, Elektrolyt- und Stoffwechselstörungen, Hyperbi-
lirubinämie und Temperaturinstabilität. Vorwie-
Schnappatmung
gend bei Kindern mit chronischen respiratorischen
Erkrankungen kann eine übermäßige O2-Gabe zur
Apnoe führen, da diese Kinder die Atmung weniger
Biot-Atmung über das paCO2 steuern, sondern über das paO2.
Sekretverlegung, nasal eingeführte Sonden, Fehl-
bildungen im Nasen-Rachen-Raum, O2-Nasenson-
den mit überhöhtem Flow und eine extreme Rekli-
nation des Kopfes können zu einer obstruktiven
6.2  Beobachtung der Atmung 61

Apnoe führen. Atembewegungen sind hierbei vor- Vesikuläratmen ist über allen Lungenabschnitten zu
handen, jedoch findet kein Gasfluss statt. Zur pflege- hören und in der Exspiration leicht abgeschwächt.
rischen und ärztlichen Prävention gehören u. a.: Das Bronchialatmen ist über der Trachea am lautes-
• bedarfsgerechtes, gründliches Absaugen des Na- ten und über den Hauptbronchien leiser. Es klingt in
sen-Rachen-Raums der In- und Exspiration fast gleich laut.
• korrekte Lagerung bei Fehlbildungen Trockene Rasselgeräusche (RG) entstehen durch
• angepasster O2-Flow über Nasensonden (Sauer- Schleimmembranen oder -fäden in den Bronchien.
stofftherapie › 13.1.2) Der Luftstrom versetzt diese Membranen in Schwin-
• rechtzeitige Operation bei Choanalatresie gungen und erzeugt so ein brummendes, pfeifendes
• evtl. orale Platzierung von Sonden oder giemendes Geräusch.
Sind die Bronchien mit dünnflüssigem Schleim
oder entzündlichem Exsudat gefüllt, hört der Unter-
6.2.4  Atemgeräusche sucher ein feuchtes RG. Das Strömen der Luft klingt,
als würde Luft in Wasser geblasen.
Der Untersucher führt die Auskultation in einem gut • Feinblasige RG: scharf, knackend, hervorgerufen
geheizten Raum durch. Die Pflegenden klären das durch Flüssigkeit in den Alveolen, z. B. bei Pneu-
Kind altersentsprechend über die bevorstehende Maß- monie und Lungenödem
nahme auf. Dies ist besonders bei bewusstseinsgetrüb- • Mittelblasige RG: leise, gurgelnd, hervorgerufen
ten Kindern sehr wichtig. Der Untersucher wärmt den durch Sekret in den Bronchiolen
Schallkopf des Stethoskops durch Reiben an. Kleidung • Grobblasige RG: laut, gurgelnd, hervorgerufen
und ein unvollständig aufgesetzter Schallkopf können durch Sekret in der Trachea und den Bronchien
Störfaktoren für eine korrekte Auskultation sein.
Grobblasige RG sind eine Indikation für endotracheales
Absaugen. 6
Lunge auskultieren
Die Lunge ist von dorsal, ventral, lateral und sym-
metrisch von den Lungenspitzen bis zum Zwerchfell Flüssigkeits- oder Luftansammlungen im Thorax,
auszukultieren. Spontanatmende Patienten fordert z. B. Pleuraerguss, Pneumothorax, Hämatothorax,
der Untersucher, soweit möglich, zu einer langsa- eine Pleuraschwarte sowie Atelektasen führen zu ei-
men und tiefen Atmung auf. Es kann hilfreich sein, nem abgeschwächten Atemgeräusch.
Kinder zu bitten, sich vorzustellen, dass sie einen Bei der erschwerten Entfaltung der Alveolen, z. B.
Luftballon aufblasen oder eine Kerze ausblasen. Bei durch Surfactantmangel oder zähes Sekret, entsteht
beatmeten Patienten führen Pflegende regelmäßig ein „Entfaltungsknistern“. Es kann bei jeder Form
zu jeder Pflegerunde die Auskultation im Hinblick der entzündlich veränderten Lunge auftreten, v. a.
auf folgende Fragen durch: über ungenügend belüfteten Lungenabschnitten.
• Ist die Lunge belüftet?
• Sind die Atemgeräusche seitengleich? Weitere Atemgeräusche
• Ist Sekret vorhanden?
Stridor
Pflegende hören die Lunge vor und nach dem endotra-
chealen Absaugen ab. So erkennen sie, welche Verände- DEFINITION
rungen durch den Vorgang hervorgerufen worden sind. Stridor: Pfeifendes Atemgeräusch, das durch eine Verle-
gung oder Verengung der Atemwege entsteht. Abhängig
von der Lokalisation der Stenose tritt er in- oder exspira-
Auskultierbare Atemgeräusche torisch auf.
Das normale Atemgeräusch ist ein Ergebnis der Ve-
sikuläratmung und dem Bronchialatmen. Die Ge- Bei einem inspiratorischen Stridor liegt eine Ver-
räusche begleiten den gesamten Atemzyklus. Das engung oder Verlegung der Atemwege oberhalb der
62 6  Beobachtung des Kindes

Bifurkation vor, z. B. bei Epiglottitis, Laryngitis, Tra- der Temperatur ist vorwiegend im Hypothalamus
cheitis, Laryngomalazie, Tracheomalazie, Ödem lokalisiert. Dieser Teil des Zwischenhirns steht über
nach allergischer Reaktion, konnatalem Stridor bei Reizbahnen mit inneren und äußeren Thermorezep-
weicher Epiglottis, Pierre-Robin-Syndrom, Makro- toren in Verbindung.
glossie und doppeltem Aortenbogen. Pflegende ermitteln die Temperatur intermittie-
Ein exspiratorischer Stridor entsteht durch Ver- rend rektal, axillar oder thympanal mit einem Di­
engung oder Verlegung der Atemwege unterhalb der gitalthermometer oder kontinuierlich mit einer
Bifurkation, z. B. bei Asthma bronchiale, Bronchitis Temperatursonde, die in den Blasen- oder den PA-
oder Pneumonie. Katheter integriert sein kann. Die Differenz bei
gleichzeitiger Messung von Körperkern- und Kör-
Husten perschalentemperatur gilt als indirektes Kriterium
für die Herzleistung.
DEFINITION
Husten: Reflektorisch oder willkürlich ausgelöster, star-
ker Exspirationsstoß, der Fremdkörper aus den Atemwe- Messung der Körperkerntemperatur
gen entfernt. Die kontinuierliche rektale Messung erfolgt mittels
einer Messsonde, die meist von einer Einmalhülle
• Stakkatohusten, Serie von 10–20 Hustenstößen, geschützt ist. Um die Gleitfähigkeit zu erhöhen, fet-
die mit einem lauten, ziehenden Inspirationsge- ten Pflegende die Sonde leicht ein und führen sie
räusch endet, z. B. bei Keuchhusten; ohne Inspi- vorsichtig, je nach Alter, 3–5 cm rektal ein. Bei unru-
rationsgeräusch bei Mukoviszidose higen Kindern fixieren Pflegende die Rektalsonde
• bellender Husten, verbunden mit rauer Stimme, am Oberschenkel. Mind. einmal pro Schicht sollten
z. B. bei Pseudokrupp Pflegende die Sonde für etwa 15 Min. aus dem Anus
6 • Reizhusten, trocken oder keuchend, z. B. bei La- entfernen und diesen genau inspizieren, da die Ge-
ryngotracheobronchitis fahr von Druckstellen besteht. Die Indikation einer
• feuchter Husten, produktiv (mit Sekretauswurf), kontinuierlichen rektalen Messung ist zu jeder Pfle-
z. B. bei Bronchitis oder Pneumonie gerunde erneut zu prüfen.
• unterdrückter Husten, zur Vermeidung von
Schmerzen, z. B. bei Rippenfrakturen, Pleuritis VORSICHT
oder Pneumonie Wegen des relativ harten Sondenmaterials verzichten
Pflegende bei Früh- und Neugeborenen auf die kontinu-
Pleurareiben ierliche rektale Temperaturmessung. Absolute Kontrain-
dikationen sind manifeste NEC oder NEC-Verdacht sowie
Sind die Pleurablätter entzündlich verändert (z. B. erhöhte Blutungsneigung.
bei Pleuritis), entsteht in- und exspiratorisch ein Ge-
räusch, das sich mit dem Knarren von Leder oder
dem Knirschen von Schnee vergleichen lässt. Über einen Silikon-Blasenkatheter mit Temperatur-
fühler ist die intravesikale Messung der Tempera-
tur möglich. Diese Methode ist für Intensivpatienten
sehr gut geeignet. Die Messkatheter sind jedoch erst
6.3  Beobachtung der ab einer Größe von 8 Charrière verfügbar.
Temperatur Bei der ösophagealen Methode platzieren Pfle-
gende eine entsprechende Sonde im unteren Drittel
des Ösophagus. Vor dem Anlegen bestimmen sie die
6.3.1  Temperaturmessung benötigte Einführtiefe der Sonde, indem sie den Ab-
stand von der Sternummitte zur Nasenspitze und
Der Körper reguliert seine Temperatur über die zum Ohrläppchen abmessen. Die Nasenwände pols-
Wärmeproduktion (z. B. durch Muskelbewegungen) tern Pflegende wegen der Dekubitusgefahr mit HCV
und die Wärmeabgabe über die Haut. Die Steuerung oder Schaumstoff.
6.3  Beobachtung der Temperatur 63

Zur Verlaufsbeurteilung wenden Pflegende bei einem Pa- Maßnahmen zum Aufwärmen
tienten immer die gleiche Messmethode an. Bei einer Körpertemperatur < 32 °C ist der Patient
durch Peritonealdialyse oder mittels extrakorpo-
raler Zirkulation intern zu erwärmen. Liegt die
Messung der Körperschalentemperatur
Hypothermie in einem Bereich > 32 °C, genügen
Mit einer an der Außenseite isolierten Klebeplatte die folgenden extern anzuwendenden Maßnah-
befestigen Pflegende die Messsonde an der Fußsohle men.
oder Handinnenfläche. Die Lokalisation der Sonde Pflegende heizen das Patientenzimmer auf und
ist mind. einmal pro Schicht, bei verringerter Haut- wärmen das Bett mit einer Wärmflasche, warmen
perfusion zu jeder Pflegerunde zu wechseln, da die Tüchern oder Kirschkernsäckchen vor. Das Kind
Gefahr von Druckstellen besteht. wird mit vorgewärmter Kleidung und Decken ver-
Bei FG und NG eignet sich das Einlegen einer pe- sorgt. Zusätzlich können Pflegende Wärmestrahler
ripheren Temperaturmesssonde in die Windel zur oder Wärmematten einsetzen.
Überwachung der Körperschalentemperatur und
damit zum schnelleren Erkennen von Temperatur- Haut sorgfältig inspizieren, da wegen der verminderten
veränderungen. Hautperfusion eine erhöhte Verbrennungsgefahr besteht.
Patienten so wenig wie möglich bewegen. Pflegende
achten darauf, die Geschwindigkeit des Aufwärmprozes-
6.3.2  Pflegerische Besonderheiten bei ses auf etwa 1 °C pro Std. zu begrenzen, da er durch
Hypothermie periphere Vasodilatation zum Blutdruckabfall führen
kann.
Die Hypothermie ist meist Folge einer Kälteexposi-
tion oder einer Wärmeregulationsstörung. Ein Ab- Interne Maßnahmen, wie Magenspülungen und
sinken der Körpertemperatur um 1  °C vermindert Einläufe mit 37 °C warmer Flüssigkeit (z. B. NaCl 6
den O2-Bedarf um 7 %. Der myokardiale O2-Bedarf 0,9 %) sowie die Gabe von 37 °C warmen Infusionen
kann infolge von Kältezittern um das 500-fache sei- können das Aufwärmen unterstützen.
nes Normwertes steigen.

Tab. 6.7  Hypothermiestadien. [1]


Grad Temperatur in °C Bezeichnung Symptome
1 37–34 Phase der Erregungssteigerung • Bewusstseinsklar
• RR ↓, Puls ↓
• Kältezittern
• Schmerzen
• Haut blass und kalt

2 34–30 Phase der Erregungsabnahme • Somnolenz


• keine Schmerzen
• Muskelstarre
• Bradykardie, Arrythmie, RR ↓
• arrhythmische Atmung
• < 33 °C: Bewusstseinstörungen

3 30–27 Phase der Lähmung • Koma


• kaum tastbarer Puls
• absolute Arrhythmie
• Atemfrequenz und Atemtiefe ↓, Apnoephasen
• keine Reflexe
• < 30 °C Bewusstlosigkeit

4 < 27 Phase des Scheintodes/Todes • keine Pupillenreaktion


• Atem- und Kreislaufstillstand
64 6  Beobachtung des Kindes

Tab. 6.8  Einteilung der Körpertemperatur zwischen Überwachung des Kindes


Hypothermie und Hyperpyrexie. Die Pflegenden überwachen EKG, RR, SpO2-Mes-
Bezeichnung Referenzwerte sung (z. B. am Ohr) sowie zentrale und periphere
Hypothermie ≤ 36,0 °C Temperatur kontinuierlich. Die niedrige Körper-
normale Temperatur 36,1–37,5 °C temperatur und das mögliche Kältezittern kann vor
subfebrile Temperatur 37,6–38,0 °C
allem bei der SpO2-Messung, der RR-Messung und
beim EKG „Zitter“-Artefakte auslösen.
febrile Temperatur 38,1–40,5 °C
Zusätzlich erfolgt beim intubierten Kind eine ET-
Hyperpyrexie ≥ 40,5 °C CO2-Überwachung.

Tab. 6.9  Reaktionen des Körpers auf Hypothermie VORSICHT


und Hyperthermie. Pflegende legen hypothermen Kindern keine Transkapno-
de bzw. Transoxode zur pO2/pCO2-Überwachung an. Bei
Hypothermie Hyperthermie niedriger Körpertemperatur liefern sie sehr ungenaue
• Elektrolytverschiebung • Sauerstoffverbrauch ↑ Messergebnisse und die Verbrennungsgefahr durch die
Blutzucker ↑, PaCO2 (gesamt, myokardial und Sensortemperatur ist erhöht.
­Produktion ↓, PaO2 ↓, zerebral)
Laktat ↑ • Hypovolämie
• postnataler Gewichtsver- • Herz-Kreislaufbelastung In der Aufwärmphase kann es zu Rhythmusstörun-
lust ↓ durch gesteigerten durch Tachykardie, -ar- gen und durch den sinkenden peripheren Wider-
Sauerstoff- und Energie- rhythmie stand zu einer relativen Hypovolämie mit Blut-
verbrauch • Schockgefahr
• Atemminutenvolumen ↓ • Kreislaufzentralisation
druckabfall kommen, sodass eine Rehydratation an-
• Atemstörungen durch • Tachypnoe gezeigt ist.
Surfactantinaktivierung • zerebrale Hyperperfusion Bei einem Kind, dessen Körpertemperatur unter
6 • Herz-Kreislauf-Belastung • Bewusstseinsstörung, 32 °C liegt, können Polyurie und Kältediurese auf-
• Herzrhythmusstörungen Desorientiertheit, Halluzi- treten. Pflegende erstellen deshalb mind. zweistünd-
bis zum Kammerflimmern nationen, Krämpfe, bei lich eine Flüssigkeitsbilanz.
bei KT ≤ 28 °C, Asystolie Temperaturen ≥ 41 °C Je nach ärztlicher Anordnung erfolgt die Kontrol-
bei KT ≤ 22 °C zerebrale Schädigung
• zerebrale Hypoperfusion • gerötetes Gesicht, glän-
le von Pupillenweite und -reaktion, Bewegungen
• Herabsetzung der zellulä- zende Augen, heiße und und Reflexen.
ren Immunabwehr meist trockene Haut am Eine verminderte Hautperfusion erfordert die La-
• veränderte Medikamen- Körperstamm, ggf. kühle gerung auf einer Antidekubitusmatratze. Pflegende
tenwirkung z. B. Abbau- Extremitäten (Symptom inspizieren den Hautzustand während jeder Pflege-
hemmung von Morphi- der Kreislaufzentralisati- runde.
nen und Heparin sowie on)
Wirkminderung von Ka- • trockene Mundschleim-
techolaminen, Relaxanzi- haut, Durst, Appetitlosig-
en und Antibiotika keit 6.3.3  Pflegerische Besonderheiten bei
• Wundheilungsstörungen • Diurese ↓, stark konzen- Hyperthermie
• renaler Blutfluss ↓, glo- tiert
meruläre Filtrationsrate • beim Frühgeborenen sind Hyperthermie entsteht u. a. durch eine Sollwertver-
↓, trotzdem gute Diurese die Auswirkungen noch stellung im Hypothalamus. Fieber ist die Folge un-
aufgrund einer gesteiger- schwerwiegender: Flüs- zureichender Wärmeabgabe oder einer Störung der
ten Natriumrückresorpti- sigkeitsverlust, Gewichts-
Wärmeregulation, z. B. durch Flüssigkeitsmangel,
on möglich verlust, Hypernatriämie
• Hirnschädigung durch durch hypertone Dehyd- Wärmestau, Infektion, Allergie, nach Operationen
hypothermes Hirnödem ratation (Wasserverlust oder durch Endotoxine.
bei Kreislaufinsuffizienz ohne entsprechenden
Verlust von Na), Hyperbi- Maßnahmen zur Fiebersenkung
lirubinämie, Apnoe, Mor- Pflegende entkleiden das Kind, bedecken es mit
talität leichtem Baumwollstoff und schützen es vor Zugluft.
6.4  Palpation des Abdomens 65

Bei starkem Schwitzen wechseln sie Bettwäsche und der Atmung und evtl. die kontinuierliche Messung
Kleidung, sobald sie feucht sind. Da aufgrund der der Körperkern- und Schalentemperatur. Bei Fie-
erhöhten Temperatur ein gesteigerter Flüssigkeits- berabfall und peripherer Vasodilatation kann durch
bedarf besteht, erfolgt je nach ärztlicher Anordnung eine relative Hypovolämie ein Blutdruckabfall auf-
eine zusätzliche orale oder parenterale Flüssigkeits- treten.
zufuhr. Mind. zu jeder Pflegerunde beurteilen Pflegende
Ganzkörperwaschungen mit Eukalyptus- oder die Bewusstseinslage und bilanzieren die Flüssig-
Pfefferminzzusatz (kühlender Effekt), Wadenwickel keitsaus- und einfuhr.
und die großflächige Auflage von feuchten, dünnen
Baumwollkompressen auf Körperstamm und Kopf
können fiebersenkend wirken.
Die Anwendung trockener Kälte erfolgt mittels 6.4  Palpation des Abdomens
Eiskrawatten oder Eisblasen. Pflegende legen sie auf
Bezirke mit großen, oberflächlich verlaufenden DEFINITION
Blutgefäßen, z. B. Leistenbeugen, Achselhöhlen. Palpation: Tastuntersuchung aller zugänglichen Körper-
regionen zur Feststellung von Temperatur, Abwehrspan-
nung, Elastizität, Druck- und Schmerzempfindlichkeit,
Pflegende legen Kühlaggregate nie auf die nackte Haut, Lage und Größe einzelner Körperorgane.
sondern umhüllen sie immer mit einem dünnen Tuch. An-
dernfalls wären lokale Kältetraumen und Erfrierungsver-
letzungen möglich. Eine häufige Inspektion der entspre- Für die Palpation des Abdomens ist eine völlige
chenden Körperregion ist unerlässlich. Bauchdeckenentspannung nötig. Die Pflegenden be-
reiten das Kind entsprechend auf die Untersuchung
Die Lagerung auf einer Kühlmatte, z. B. Variotherm® vor. Die Lagerung erfolgt auf dem Rücken, die Beine
oder einem Kühlkissen, sowie die Verwendung eines sind leicht angewinkelt. Sofern möglich, fordern die 6
Cooltouch® kann ebenfalls zur Temperatursenkung Pflegenden den Patienten zu einer ruhigen und
beitragen. Pflegende achten darauf, dass die Kinder gleichmäßigen Atmung durch den Mund auf. Die
nur mit dem Körperstamm auf der Kühlmatte lie-
gen. Um die Extremitäten vor verstärkter Vasokons-
triktion zu schützen, hüllen Pflegende sie z. B. in Tab. 6.10  Die Palpation der Abdominalregionen
(› Abb. 6.1) ergibt Hinweise auf Krankheiten.
Watte, Felle, Socken oder Handschuhe. Das Gerät ist
auf eine Temperatur einzustellen, die 5–7 °C unter Abdominalregion zugeordnete Krankheiten
der Körperkerntemperatur liegt. Quadrant A • Gallenkolik
• Lebererkrankung
Zusätzlich kann eine interne Kühlung durch küh-
le (Raumtemperatur) Magenspülungen oder Einläu- Periumbilikalre­ • Pankreatitis

fe erfolgen. gion B • Aortenaneurysma


• Nabelhernie
Die medikamentöse Therapie erfolgt durch fie- • Gastroenteritis
bersenkende Medikamente, z. B. Paracetamol, Ibu-
Quadrant C • Appendizitis
profen, Metamizol, oder durch eine neurovegetative • Erkrankungender inneren Ge-
Blockade, z. B. mit Dolantin®, Dipidolor®, Prome- schlechtsorgane oder der ablei-
thazin®, die die körpereigene Wärmeproduktion tenden Harnwege
und Gegenregulation bei Wärmeentzug hemmt. Quadrant D • Erkrankungen von Pankreas, Milz
Pflegende verabreichen die Medikamente nach Arzt­ oder der tief gelegenen Niere
anordnung, langsam und unter kontinuierlicher Quadrant E • Erkrankungen des absteigenden
Kreislaufkontrolle. Dickdarmes oder des Sigmadar-
mes
Überwachung des Kindes • Erkrankungen der inneren Ge-
Es erfolgt eine kontinuierliche EKG-Ableitung, eng- schlechtsorgane oder der Harn-
maschige RR-Kontrolle, SpO2-Messung, Kontrolle wege
66 6  Beobachtung des Kindes

Leber (Hepar)
Magen (Gaster)
rechter oberer linker oberer
Quadrant Quadrant

Colon transversum

Colon ascendens
Dünndarm
rechter unterer linker unterer
Quadrant Blinddarm (Caecum) Colon descendens Quadrant
Colon sigmoideum

Abb. 6.1  Einteilung des Abdomens in Quadranten und Zuordnung der in der Abdominalhöhle gelegenen Organe. [L190]

Palpation erfolgt in einem gut geheizten Raum und • sensorische Komponente: Übermittlung von Lo-
mit warmen Händen. Bevor der Untersucher mit der kalisation, Dauer und Intensität eines schmerz-
Palpation beginnt, macht er den Bauch für das Kind haften Reizes an das Gehirn
erfahrbar (› 8.1). Diese Maßnahme ist besonders • affektive Komponente: jeder Mensch fühlt und
bei bewusstseinsgestörten Kindern wichtig. verarbeitet Schmerzen individuell
6 Das Abdomen lässt sich zur besseren Beurteilung • vegetative Komponente: das vegetative Nerven-
in fünf Gebiete einteilen. Rund um den Nabel befin- system löst reflektorische Reaktionen auf den
det sich die Periumbilikalregion. Um diesen Bereich Schmerz aus, z. B. Übelkeit, Schweißausbruch
sind die vier Quadranten der Bauchdecke angeord- • motorische Komponente: Auslösung des Flucht-
net. und Schutzreflexes, z. B. der Betroffene zieht das
Schmerzen, erhöhte Druck- und Abwehrspan- entsprechende Körperteil aus der Gefahrenzone.
nung, veränderte Elastizität oder eine Wölbung des Schonbewegung oder -haltung helfen, den akuten
Abdomens können je nach Lokalisation auf be- Schmerz besser zu ertragen
stimmte Erkrankungen hinweisen.
Schmerztypen
Ein akuter Schmerz ist häufig das Ergebnis einer
6.5  Schmerz spezifischen, rasch identifizierbaren Gewebeschädi-
gung. Er ist zeitlich begrenzt, gut zu lokalisieren und
DEFINITION reversibel.
Schmerz: Unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, Chronische Schmerzen beginnen meist mit ei-
das mit aktuellen oder potenziellen Gewebeschädigun- nem akuten Ereignis, die Behandlung bringt je-
gen verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädi- doch keine nennenswerte Schmerzerleichterung.
gung beschrieben wird. [2]
Allerdings kann auch insuffizientes Schmerzma-
nagement (z. B. zu geringe Arzneimittelmengen,
falsch gewählte Zeitabstände) zur Chronifizierung
Schmerzkomponenten
der Schmerzen führen.
Vier Schmerzkomponenten treten gewöhnlich ge-
meinsam auf, wenn auch in unterschiedlich starker
Ausprägung.
6.5  Schmerz 67

6.5.1  Schmerzbeobachtung und Jugendlichen setzen Pflegende vor allem die


Numerische Rating-Skala (NRS › Abb. 6.3) ein.
Eine wichtige Aufgabe in der Intensivpflege ist die
Beobachtung schmerzhafter Zustände beim Kind so-
Faktoren, die das Schmerzerlebnis
wie die entsprechende Intervention.
beeinflussen
Das Kind erfährt schmerzhafte, unangenehme
und ungewohnte Reize, z. B. Hunger, Kälte, Wärme, Es ist sehr wichtig, möglichst viele negative Faktoren
Licht, Lärm, Nässe, Trockenheit, Druck, Berührung auszuschalten und positive zu schaffen.
durch fremde Personen und Schmerz. Hinzu kommt Um gute Ergebnisse zu erreichen, arbeiten Pfle-
der psychische Stress durch die Trennung von den gende eng mit den Eltern zusammen. Sie informie-
Eltern, der über vegetative Komponenten ebenfalls ren sich über die Vorlieben des Kindes und machen
Schmerzreaktionen auslösen kann. Jedes Kind emp- sie dem gesamten therapeutischen Team bekannt.
findet und äußert seine Schmerzen individuell. Ein möglichst geringer Personalwechsel, die fast un-
unterbrochene Anwesenheit eines Familienmitglie-
DEFINITION des, eine altersentsprechende Beschäftigung zur Ab-
Ziel ist es, Schmerzen nicht nur zu behandeln, sondern lenkung, der nötige Schlaf, Ruhephasen und die Ver-
auch vorausschauend zu vermeiden. meidung von Hektik beeinflussen das Schmerzemp-
finden positiv.
Schlaflosigkeit und Erschöpfung können sich ver-
Schmerzen erkennen
stärkend auf den Schmerz auswirken. Die Angst vor
Die Fähigkeit zur verbalen Äußerung ist vom Alter pflegerischen Maßnahmen, Traurigkeit, Alleinsein,
abhängig und kann durch Schreien, Wimmern, unruhige Umgebung und der Ärger über die eigene
Stöhnen oder gezielte Nennung von Lokalisation, Situation setzen die Schmerzschwelle herab, sodass
Intensität und Charakter der Schmerzen erfolgen. der Analgetikabedarf steigt. 6

Nonverbale Schmerzäußerungen
• Tachykardie, Hyper- oder Hypotonie 6.5.2  Pflegerische Interventionen
• beschleunigte, oberflächliche Atmung, bei Früh-
geborenen evtl. Apnoe und Bradykardie, Haut- Die Schmerzintervention ist davon abhängig, dass
blässe, Hautrötung, erweiterte Pupillen die Pflegenden die Schmerzursache erkennen. Pfle-
• Schweißausbrüche, Kaltschweißigkeit, periphere gerische Maßnahmen unterstützen durch Steige-
Kühle, Fieber rung des subjektiven Wohlbefindens die ärztliche
• Übelkeit, Erbrechen Therapie, können sie aber meist nicht ersetzen. Alle
• veränderte Mimik, unnatürliche oder verkrampf- Maßnahmen, die eine starke Belastung für das Kind
te Körperhaltung, Zittern darstellen, führen Pflegende zu zweit durch. Sie be-
reiten das Kind altersentsprechend auf alle Maßnah-
men vor.
Schmerzen einschätzen
Es gibt verschiedene Instrumente, die Pflegenden
Umgebung und Tagesablauf gestalten
helfen, Schmerzen bei einem Kind einzuschätzen.
Am schwierigsten gestaltet es sich bei Früh- und Bedeutung des Umfelds›  3.3.1
Neugeborenen sowie Säuglingen, wobei der Einsatz Sofern möglich, gestalten Pflegende in Zusam-
der Berner Schmerzskala (› Tab. 6.11) relativ gu- menarbeit mit den Eltern die Umgebung des Kindes
te Ergebnisse erzielt. Bei Kleinkindern und größeren und erstellen einen Tagesplan.
Kindern verwenden Pflegende, abhängig vom Alter, Sie lagern das Kind bequem und so, dass der
verschiedene Schmerzskalen. Für Kleinkinder eignet schmerzende Bereich entlastet ist. Je nach Alter und
sich die Smiley-Analog-Skala (SAS ›  Abb. 6.2) Ressourcen entscheidet das Kind selbst, ob das Zim-
oder die KUSS (› Tab. 6.12). Bei älteren Kindern mer hell oder abgedunkelt ist. Die Eltern sind soweit
68 6  Beobachtung des Kindes

möglich in die Pflege integriert. Sofern keine überge- nicht anwesend, ist es wichtig, sich Zeit für Gesprä-
ordneten Gründe dagegen stehen, berücksichtigen che, zum Zuhören, Mut machen und Trösten zu
die Pflegenden die Essens- und Getränkewünsche nehmen. In einigen Kliniken besteht die Möglich-
des Kindes. Altersgemäße Beschäftigungen, wie keit, dass Mitarbeiter des Kliniksbesuchsdienstes
Vorlesen, Musik hören, Basteln sowie die Schmuse- Kinder betreuen, deren Eltern nicht sooft zu Besuch
zeit mit den Eltern im Bett oder auf dem Schoß, tra- kommen können. Einen zusätzlichen positiven Ein-
gen entscheidend zur Reduktion des Schmerzemp- fluss auf das Schmerzerleben des Kindes hat die An-
findens bei, da sie die Aufmerksamkeit des Kindes wendung der Basalen Stimulation® (› 8.1).
auf einen anderen Bereich lenken. Sind die Eltern

Tab. 6.11  Berner Schmerzskala. [6]


Parameter 0 1 2 3 Zeit
und
Score
Schlaf ruhiger Schlaf oberflächlicher erwacht spontan kann nicht einschlafen
oder Phase phy- Schlaf mit Augen-
siologischer blinzeln
Wachheit
Weinen kein Weinen Kurze Weinphase vermehrtes Weinen (> vermehrtes und schrilles
(< 2 Min.) 2 Min.) Weinen (> 2 Min.)
Beruhigung keine Beruhigung < 1 Min. zur Beru- > 1 Min. zur Beruhi- > 2 Min. zur Beruhigung
notwendig higung nötig gung nötig nötig
Hautfarbe rosig gerötet leicht blass, evtl. mar- blass, marmoriert, zyano-
6 moriert tisch
Mimik Gesicht entspannt vorübergehendes vermehrtes Verkneifen dauerhaftes Verkneifen
Verkneifen des des Gesichts und Zit- des Gesichts und Zittern
Gesichts tern des Kinns des Kinns
Körperausdruck Körper entspannt vorwiegend ent- häufige Verkramp- permanente Verkramp-
spannt; kurze Ver- fung, aber auch Ent- fung
krampfung spannung möglich
Atmung normal und ruhig oberflächlich; Zu- oberflächlich; Zunah- oberflächlich und unregel-
(Ausgangswert) nahme der Fre- me der Frequenz um mäßig; deutliche Zunah-
quenz um 10–14 15–19 innerhalb von me der Frequenz um ≥ 20
innerhalb von 2 2 Min.; vermehrt tho- innerhalb von 2 Min.;
Min.; bzw. thora- rakale Einziehungen bzw. starke thorakale Ein-
kale Einziehungen ziehungen
kein Schmerz: 0–8 Punkte Schmerz: ≥ 9 Punkte total subjektive Indi­
katoren →
Herzfrequenz normal (Aus- Zunahme von 20 Zunahme von 20 Zunahme von 30 Schlä-
gangswert) Schlägen/Min. vom Schlägen/Min. vom gen/Min. vom Ausgangs-
Ausgangswert in- Ausgangswert inner- wert oder vermehrte Bra-
nerhalb von 2 Min. halb von 2 Min. ohne dykarie innerhalb von 2
mit Rückgang zum Rückgang zum Aus- Min.
Ausgangswert in- gangswert innerhalb
nerhalb von 2 Min. von 2 Min.
O2-Sättigung Senkung von Senkung von Senkung von 3–4,9 % Senkung von 5 % oder
0–1,9 % 2–2,9 % mehr
kein Schmerz: 0–10 Punkte total Gesamtskala →
Schmerz: ≥ 11 Punkte
6.5  Schmerz 69

Lokale Maßnahmen Schmerzen führen häufig zur Schonhaltung an


Extremitäten, sodass eine frühzeitige krankengym-
Nach Rücksprache mit dem Arzt führen Pflegende nastische Betreuung angezeigt ist.
Einreibungen und Massagen durch. Sie bewirken ei- Um die Schmerzbehandlung so effektiv wie mög-
ne bessere Durchblutung und somit eine schnellere lich zu gestalten, wurde vom Deutschen Netzwerk für
Wundheilung. Der Einsatz von trockener oder Qualitätsentwicklung in der Pflege ein Expertenstan-
feuchter Wärme und Waschungen mit beruhigen- dard Schmerzmanagement erstellt.
den ätherischen Ölen (Rücksprache mit dem Arzt)
können das Kind entspannen. Der Expertenstandard zum Schmerzmanagement kann
bestellt werden unter:
Tab. 6.12  KUSS-Schmerzskala. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in
der Pflege (DNQP)
Beobachtung Bewertung Punkt • E-Mail: dnqp@hs-osnabrueck.de
Weinen gar nicht 0 • Homepage: www.dnqp.de
Stöhnen, Jammern, Wimmern 1
Beobachtung Bewertung Punkt
Schreien 2
Maßnahmen
gar nicht bei FG und NG [8, 9] 0
Gesichtsaus­ entspannt, lächelnd 0
Beobachtung
Weinen
Bewertung Punkt
Stöhnen, Jammern, Wimmern 1
druck Mund verzerrt 1 • 
nicht-nutritives
Schreien Saugen 2
Mund und Augen grimassieren 2 • 
„facilitated
gar nicht tucking“ 0
Weinen Stöhnen,
entspannt,Jammern,
lächelnd Wimmern 1
0
Rumpfhal­ neutral 0
Gesichtsausdruck
• 
swaddling
Schreien
Mund verzerrt 2
1
tung unstet 1
• 
kangaroo-care
Mund und Augen grimassieren 2
• 
Saccharosegabe [3]
entspannt, lächelnd 0
Aufbäumen, KrümmenGesichtsausdruck
2 Mund
neutralverzerrt 1
0
Rumpfhaltung Mund
unstet und Augen grimassieren 2
1
Beinhaltung neutral 0 D E FAufbäumen,
I N I T I Krümmen
ON 6
2
strampelnd 1 Dosierung
neutral orale Glukose 0
tretend Rumpfhaltung
2 FG < 1.000 g: 1 × 0,1 ml pro Intervention 10
• Beiunstet
neutral
Aufbäumen,
strampelnd, Krümmen
tretend 2
motorische nicht vorhanden
Beinhaltung
0 • Bei FG > 1.000 g: 1 × 0,5 ml pro Intervention 1
an den Körper gezogen 2
Unruhe • Bei FG > 2.000 g: bis 4 × 0,5 ml pro Intervention; kein
mäßig 1 neutral 0
Beinhaltung Tageslimit (bei tretend
strampelnd, nüchternen FG und TG nicht öfter1 als
ruhelos 2 nicht vorhanden 0
motorische Unruhe 6-stündlich;
an 0,05 ml–2 ml
den Körper
mäßig gezogen20 % Saccharose sind 1 von
2
Addition der Punkte: internationalen
ruhelos Experten empfohlen) [3] 2
nicht vorhanden 0
motorische Unruhe mäßig
Addition der Punkte: 1
ruhelos 2

Addition der Punkte:

Abb. 6.2  Smiley-Analog-Skala. 1 2 3 4 5 6


[L106]
[0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]
1 2 3 4 5 6
keine stärkste
Schmerzen
[0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] vorstellbare
[10]
Schmerzen
keine stärkste
Schmerzen vorstellbare
Abb. 6.3  Numerische Rating-
Schmerzen
Skala. [L106]
70 6  Beobachtung des Kindes

6.5.3  Medikamentöse Maßnahmen Pflegende bestimmen die Urinausscheidung durch


das Abwiegen der Windel, den Blasenverweilkathe-
Eine medikamentöse Sedierung bei fehlender An- ter oder die Abmessung der Ausscheidungsmenge in
algesie kann zu schweren Unruhezuständen führen. der Urinflasche. Erbricht der Patient, fangen die
Umgekehrt steigern Angst und Unruhe das Pflegenden das Erbrochene nach Möglichkeit in ei-
Schmerzempfinden und erschweren die Schmerzbe- nem Gefäß auf und bestimmen danach die Menge in
handlung. Bei Kindern sollte keine intramuskuläre einem Messzylinder. Über die Haut abgegebene
Verabreichung erfolgen, da sie anschließend aus („ausgeatmete“) Flüssigkeit, Tracheal- und Rachen-
Angst vor einer erneuten Injektion u. U. ihre sekret sind nicht genau zu ermittelnde Größen, sie
Schmerzen leugnen (Analgetika › Tab. 22.4). lassen sich nur annähernd durch Schätzung bestim-
men. Zum Management einiger Erkrankungen und
Therapien (z. B. Hämofiltration) gehört die stündli-
che Erstellung der Bilanz, um zeitnah auf Schwan-
6.6  Flüssigkeitsbilanz kungen des Flüssigkeitshaushalts reagieren zu
­können. Bei der weitaus überwiegenden Zahl der Pa-
tienten errechnen die Pflegenden jedoch zweimal
Die Flüssigkeitsbilanz dient der Kontrolle des Was- täglich im Abstand von 8 Std. eine Zwischenbilanz.
serhaushalts und der Überwachung der Nierenfunk- Am Ende des dritten Achtstundenintervalls addie-
tion. Die Pflegenden dokumentieren Flüssigkeits- ren sie Ein- und Ausfuhr zur Gesamtbilanz des Ta-
einfuhr und -ausfuhr in der Patientenkurve. ges.

• positive Bilanz: Einfuhr > Ausfuhr


• negative Bilanz: Ausfuhr > Einfuhr
6 • ausgeglichene Bilanz: Einfuhr = Ausfuhr 6.7  Monitoring
Die angestrebte Flüssigkeitsbilanz hängt vom Krankheits-
bild ab.
Das apparative Monitoring auf einer Intensivsta­
Weitere Kriterien zur Feststellung des Flüssigkeits- tion umfasst zahlreiche Parameter. Für jeden Pa­tien­
haushalts des Kindes sind das Körpergewicht, der ten wird die optimale Kombination zuzüglich zur
Hautturgor, die Schleimhautfeuchte und die Vital- klinischen Überwachung festgelegt. Das Basismoni-
parameter, v. a. RR, HF und ZVD. toring (Standardmonitoring) umfasst die Mess­
Eine genaue Flüssigkeitsbilanzierung ist bei allen daten, die bei fast jeder Patientenüberwachung auf
Krankheitsbildern sinnvoll, besonders jedoch bei: einer Intensivstation erforderlich sind: EKG, SpO2-,
• Durchfall, Erbrechen, Diabetes insipidus RR- und Temperaturmessung sowie klinische At-
• Nierenfunktionsstörungen mung und Abdomen. Abhängig von der Erkrankung
• forcierter Diurese, z. B. bei Intoxikationen, Ver- bzw. dem Zustand des Patienten wird das Standard-
brennungen monitoring um die zusätzlich erforderlichen Para-
• Flüssigkeitsreduktion, z. B. bei Lungenödem, meter ergänzt.
Hirnödem, Herzinsuffizienz (› 14.3).

Tab. 6.13  Tolerable Grenzen für die Herzfrequenz.


Alter Wachzustand Schlafzustand
HF (pro Min.) NG 100–180 80–160
1 Wo.–3 Mo. 100–220 80–200
3 Mo.–2. Lj. 80–150 70–120
2.–10. Lj. 70–110 60–90
> 10 Lj. 55–90 50–90
6.7  Monitoring 71

6.7.1  Elektrokardiogramm EKG-Ableitungen

Die Pflegenden leiten das Elektrokardiogramm Brustwandableitung mit dreipoligem Kabel


(EKG) bei jedem Intensivpatienten kontinuierlich Die drei Ableitungselektroden sind mit den Farben
ab. Es zeigt die elektrische Aktivität des Herzens und Rot, Gelb, Schwarz (oder Grün) gekennzeichnet.
ermöglicht u. a. die Beurteilung von Herzfrequenz Platzierung der Elektroden:
und Herzrhythmus. • rote Elektrode – oberhalb der rechten Klavikula
Um Störungen rechtzeitig zu erfassen, stellen • gelbe Elektrode – oberhalb der linken Klavikula
Pflegende die Alarmgrenzen am Monitor altersent- • schwarze/grüne Elektrode – oberhalb der linken
sprechend ein. Durch Verbindung des Monitors mit Hüfte
einem Drucker lassen sich Arrhythmien aufzeich-
nen und besser beurteilen. Brustwandableitung mit fünfpoligem Kabel (nach
Wilson)
Das Fünf-Elektroden-System ermöglicht eine präzi-
Auffälligkeiten beim EKG
sere EKG-Überwachung. Es dient der Lokalisation
Mit Hilfe der Ableitung des EKGs beobachten Pfle- von Störungen im Reizleitungssystem und kommt
gende fortlaufend die Herzaktion und erkennen vor allem bei Patienten mit Herzerkrankungen oder
Auffälligkeiten der Herzfrequenz, Herzrhythmus- nach kardiochirurgischen Eingriffen zum Einsatz.
störungen sowie den Einfluss von Medikamenten Platzierung der Elektroden:
(› Tab. 22.2). • rote Elektrode – an der rechten Medioklavikular-
linie, direkt unterhalb der Klavikula
Zusätzlich zur Monitorüberwachung palpieren Pflegende
• gelbe Elektrode – an der linken Medioklavikular-
mind. einmal pro Schicht den Puls. Die ermittelte Puls- linie, direkt unterhalb der Klavikula
qualität gibt Aufschluss über die lokalen bzw. allgemei- • grüne Elektrode – zwischen dem 6. und 7. Inter- 6
nen Durchblutungsverhältnisse. Diese Maßnahme dient kostalraum auf der linken Medioklavikularlinie
auch der Überprüfung der Monitoranzeige. oder auf der linken Hüfte
• schwarze Elektrode – rechte Hüfte
• weiße Elektrode – Brustwandableitungen V1–6

rote gelbe
Elektrode Elektrode

weiße
Elektrode

V1 V2
schwarze grüne
V3
V4 V5 V6 Elektrode RF RA V LA LF Elektrode

Platzierung der Elektroden bei Platzierung der Elektroden für


Brustwandableitungen V2-Position mit 5-fachem Elektrodenkabel
• V1: Überprüfung der Entwicklung von
rechten Schenkelblöcken
• V4 und V5: Überwachung von ST-
Segmentveränderungen

Abb. 6.4  Fünfpoliges Kabel und Ableitungen – wird mit 3-poligem Kabel abgeleitet, so wird nur die rote, die gelbe und die
schwarze Elektrode (rechtes Bild) verwendet. [L157]
72 6  Beobachtung des Kindes

Fehlerquellen und Störungen Die apparative Überwachung der Atmung gibt keine Aus-
kunft über die Atemqualität, sodass die klinische Beob-
Fehlt die EKG-Kurve, überprüfen die Pflegenden zu- achtung durch das Pflegepersonal unerlässlich bleibt. Zu-
erst, ob sich der Zustand des Patienten verändert dem wirken sich oft Artefakte durch Bewegungen, falsche
Elektrodenposition oder überlagerte EKG-Impulse (Koinzi-
hat. Meist zeigt der Monitor auch andere Vitalpara-
denz-Alarm) störend aus. In diesen Fällen überprüfen die
meter an. Danach kontrollieren sie, ob das Kabel in- Pflegenden zunächst stets das System (siehe oben).
takt ist, fest in der Monitorbuchse steckt und die
Kabelteile ordnungsgemäß miteinander verbunden
sind. Sie überprüfen auch, ob die Klebestellen der
Elektroden gut haften und, sofern Elektroden mit 6.7.2  Pulsoxymetrie
Gel im Einsatz sind, ob das Elektrodengel feucht ist.
Ist kein offensichtlicher Defekt zu finden, tauschen Die Pulsoxymetrie misst mit Hilfe der Lichtabsorp-
sie das Messsystem abschnittsweise aus, bis die Kur- tionsmethode während der Systole annähernd die
ve erscheint. Sauerstoffsättigung (SpO2) im Kapillarsystem. Der
Ständige Artefakte und Alarme können durch ex­ Sensor besteht aus einer Diode, die Infrarotlicht in
treme Unruhe des Patienten entstehen. Auch hier verschiedenen Wellenlängen aussendet, und einem
sind die korrekte Anordnung der Elektroden sowie Detektor, der die durch das strömende Blut absor-
die Überwachung ihrer Funktionstüchtigkeit wichtig. bierte Lichtmenge bestimmt und das Ergebnis in ein
Falsch angeordnete Elektroden können bisweilen elektrisches Signal umwandelt. Voraussetzung für
starke Veränderungen im Kurvenverlauf erzeugen eine korrekte Messung ist die Registrierung der
und zu einer falschen Interpretation des EKG führen Pulswelle im Sensor.
(z. B. ST-Hebung, negative oder spitze p-Welle, ne- Das Verfahren beruht auf der Eigenschaft des Hä-
gative oder spitze t-Welle). moglobins, seine Farbe abhängig von der Sauer-
6 stoffbindung zu ändern. Sauerstoffreiches (oxyge-
niertes) Hämoglobin absorbiert weniger rotes Licht
Pflegerische Besonderheiten
als sauerstoffarmes (desoxygeniertes) Hämoglobin.
Pflegende wählen die Klebestellen der Elektroden
möglichst so, dass die Übertragung weder durch Be- Die Vorteile der Pulsoxymetrie liegen in der kontinuierli-
wegungsartefakte gestört ist, noch Atemexkursio- chen Information über die Sauerstoffsättigung des Blutes
nen des Thorax erfasst. Bevor sie die Elektroden auf- und im sofortigen Messbeginn nach Anlegen des Sensors
kleben, reinigen und trocknen sie die entsprechen- ohne vorherige Kalibration. Thermische Schädigungen
den Hautpartien. Ggf. ist auch eine Entfettung (z. B. der Haut treten nicht auf, da kein Erwärmen des Sensors
mit Alkohol) notwendig. Der Elektrodenwechsel er- nötig ist.
folgt mind. alle 72 Std. Wenn sie sich zu lösen begin-
nen, kann ein früherer Wechsel nötig sein.
Nachteile
Bei peripherer Kälte kann es aufgrund der periphe-
Überwachung der Atmung
ren Vasokonstriktion, der schlechten Perfusion und
Über zwei EKG-Elektroden zeichnet der Überwa- einer Anämie zur eingeschränkten Messgenauigkeit
chungscomputer während der Atembewegungen die kommen. Die Messung ist empfindlich gegenüber
Veränderung des transthorakalen Widerstandes auf Bewegungsartefakten. Wenn die Werte unter 60 %
(Impedanzmessung). fallen, ist die Genauigkeit der angezeigten Sauer-
Die Pflegenden stellen den Sensor entsprechend stoffsättigung fraglich. Der Einsatz von Fotothera-
sensibel ein, damit er sowohl tiefe als auch flache pieleuchten und Infrarotleuchten stört die kontinu-
Atemzüge ableitet. Bei apnoegefährdeten Kindern ierliche SpO2-Messung ebenso, wie direkte Sonnen-
oder zur zusätzlichen Überwachung beatmeter Pa­ einstrahlung auf den Sensor.
tienten aktivieren sie individuelle Alarmgrenzen für Die Geräte erkennen MetHb, COHb und HbF als
die Apnoezeit. oxygeniertes Hämoglobin. Dies führt zu einer falsch
6.7  Monitoring 73

hohen SpO2-Messung. Hyperoxien erfasst die Puls- Die Vorteile der tcpO2-Messung sind die kontinuierliche
oxymetrie nicht. und unblutige Überwachung des pO2 und die daraus re-
sultierende Reduktion von Blutgasanalysen.
VORSICHT
Bei zu langer Positionierung des Sensors an einer Stelle
oder bei Patienten mit empfindlicher Haut, z. B. Frühge- Nachteile
borenen, können Druckstellen auftreten. Bei guter Hautperfusion ist eine relativ lange Stabili-
sierungszeit von 5–10 Min. nötig, bis der Sensor an-
nähernd genaue Werte anzeigt. Die Reaktion auf tc-
Pflegerische Besonderheiten
pO2-Veränderungen bei verminderter Hautperfusi-
Die Pflegenden befestigen den Sensor bei Früh- und on ist stark verlangsamt, außerdem kommt es zu
Neugeborenen an Handteller, Daumengrundgelenk deutlichen Abweichungen zwischen paO2 und tc-
oder Mittelfuß und vermeiden zirkuläre Abschnü- pO2. Vor allem bei extrem kleinen Frühgeborenen
rungen. Bei größeren Patienten sind die Finger und und bei Patienten mit schlechter Hautperfusion ist
Zehen, ggf. auch Ohrläppchen und Nasenrücken zur die Gefahr von Rötungen bis zu Verbrennungen er-
Messung geeignet. Die Pflegenden bringen den Sen- heblich. Die Elektrodenmembran ist empfindlich
sor so an, dass sich Lichtquelle und Detektor gegen- und der Sensor verlangt häufige Kalibrationen.
überliegen. Zur hautschützenden Fixierung eignen
sich vor allem Klettmanschetten, spezielle Sätti-
Gründe für ungenaue Messergebnisse
gungsfixierungen oder eine selbsthaftende Mullbin-
de, z. B. Peha Haft®. Mind. einmal pro Schicht verän- • gestörte Mikrozirkulation, Kreislaufzentralisati-
dern Pflegende die Lokalisation des Sensors. Bei on, Herzvitien mit Zyanose oder Herzinsuffizienz
Früh- und Neugeborenen sowie Patienten mit emp- • ausgeprägte Ödeme der Haut
findlicher Haut empfiehlt sich der Positionswechsel • Hypothermie 6
zu jeder Pflegerunde. • Therapie mit Vasodilatatoren
Während der Fototherapie oder des Einsatzes • beschädigte, zerkratzte Elektrode
eines Infrarotheizstrahlers ist es von Vorteil, den • schlecht klebende Elektrode, Luft zwischen Haut
Sensor abzudunkeln (z. B. mit einer Klettman- und Elektrode
schette).
VORSICHT
VORSICHT Die Transoxode dient lediglich zur Überwachung der tc-
Patienten unter Sauerstoff- oder Beatmungstherapie be- pO2-Werte. Die gemessenen Werte sind durch eine BGA
nötigen enge Alarmgrenzen. zu überprüfen. Pflegende notieren die Vergleichswerte
wegen der Messverzögerung erst nach der Entnahme des
kapillaren bzw. arteriellen Blutes.

6.7.3  Transkutane
Sauerstoffpartialdruckmessung Eine Hyperoxie führt zu einem verminderten Ein-
sprießen von Gefäßen in die Retina. Bei Kindern mit
Zur kontinuierlichen transkutanen Messung des chronischen Atemwegserkrankungen kann die An-
Sauerstoffpartialdrucks (tcpO2) findet die Trans- passung an die Hyperkapnie beim Anstieg des PaO2
oxode Verwendung. Die auf 43–44 °C erwärmte zur Atemdepression führen.
Elektrode bewirkt eine lokale Hyperämisierung Durch eine Hypoxie können Stoffwechselstörun-
und misst den durch die Haut diffundierenden gen in Form von Azidose, Hypokalzämie, Hyper-
Sauerstoff. Im Allgemeinen besteht eine gute Ver- oder Hypoglykämie und Temperaturregulationsstö-
gleichbarkeit zwischen transkutanem und arteriel- rungen entstehen. Lang dauernde Hypoxie löst u. a.
lem pO2, bei Neugeborenen ist er nahezu iden- hypoxisch-ischämische Läsionen in Gehirn (Krämp-
tisch. fe, Hirnblutungen), Nieren (prä- und intrarenales
74 6  Beobachtung des Kindes

Nierenversagen), Darm (NEC, Perforationen) und von etwa ≥ 90 %. Aufgrund spezieller Eiweißketten
Lunge (PPHN, ANS) aus. nimmt HbF Sauerstoff besser auf. Bereits geringe
Anstiege der pO2-Werte führen zu starker Zunahme
der SaO2. HbF gibt den Sauerstoff allerdings schlech-
Pflegerische Besonderheiten
ter an das Gewebe ab.
Knochenvorsprünge, Gelenke, ausgeprägte Ödeme, Nach dem Wechsel der Elektrode dokumentieren
Narben oder Ekzeme sind keine optimalen Applika- Pflegende die angezeigten Werte erst nach Ende der
tionsorte für die Elektrode, da durch die dort vor- Anlaufzeit. Bei verminderter Hautperfusion verlän-
herrschende Minderdurchblutung falsche Messer- gert sich die Stabilisierungszeit, die Messgenauigkeit
gebnisse auftreten. nimmt ab.
Die Pflegenden kalibrieren die Elektrode alle 4–6
Std. Bevor sie die Elektrode fixieren, bringen sie eine
Transmitterlösung auf (Aqua dest. oder spezielle Lö- 6.7.4  Transkutane
sung je nach Sondentyp). Anschließend kleben Pfle- Kohlendioxidpartialdruckmessung
gende die Elektrode luftfrei auf die ggf. entfettete
Haut. Die Transkapnode dient der kontinuierlichen Mes-
sung des transkutanen Kohlendioxidpartialdrucks
VORSICHT (tcpCO2) bei Früh- und Neugeborenen sowie älteren
Luft, die unter der Elektrode verbleibt, verursacht falsch Säuglingen. Üblich ist der Einsatz von Kombigerä-
hohe tcpO2-Werte. ten die gleichzeitig tcpO2 und tcpCO2 messen. Die
Kriterien der Handhabung entsprechen aus diesem
Es empfiehlt sich, die Elektrode erst nach den Pflege- Grund denen der Transoxode (› 6.7.3). Je nach Ge-
maßnahmen am Kind zu wechseln, um eine konti- rät erwärmen die Pflegenden die Elektrode auf eine
6 nuierliche Überwachung bei belastenden pflegeri- Temperatur von 41–45 °C. Der Mittelwert von 43 °C
schen Maßnahmen, z. B. Trachealtoilette, zu ge- hat sich bei der Überwachung des tcpCO2 bei Neuge-
währleisten. borenen und auch bei älteren Patienten bewährt.
Die Pflegenden wechseln den Messort nach spätes- Durch die Hyperämisierung der Haut fällt der trans-
tens 6 Std., da besonders bei verminderter Hautperfu- kutan gemessene pCO2 höher aus als der arterielle
sion die Verbrennungsgefahr erhöht ist. Meist ent- pCO2. Die meisten Geräte zur transkutanen Mes-
steht im Bereich der Sonde ein leichtes Erythem. Auch sung des pCO2 korrigieren dies jedoch automatisch.
eine Reduktion der Elektrodentemperatur ist zur Ver- Eine Blutgasanalyse eignet sich ebenfalls zur Über-
meidung von thermischen Hautverletzungen möglich. prüfung der Differenz.
Das Auftreten von Tachykardie, Herzrhythmus-
VORSICHT störungen und Blutdrucksteigerung lassen sich auf
Je niedriger die Elektrodentemperatur gewählt ist, desto eine Hyperkapnie zurückführen. Ausgeprägte Hy-
größer ist die Differenz des Messwerts zum arteriellen perkapnie kann zu Somnolenz, Koma, Muskelklonie
pO2. und evtl. Krämpfen führen. Durch den gesteigerten
Blutfluss ist die Haut hyperkapnischer Kinder meist
Die Pflegenden stellen die Alarmgrenzen individuell stark gerötet.
nach Rücksprache mit dem Arzt und unter Berück- Eine Hypokapnie kann Tetanie, Krampfanfälle
sichtigung der arteriellen pO2-Vergleichswerte ein. und zerebrale Minderperfusion mit hypoxisch-isch-
Referenzwerte für Alarmgrenzen: ämischen Schädigungen hervorrufen.
• Frühgeborene unter Sauerstofftherapie:
­30–50 mmHg
Alarmgrenzen
• Neugeborene unter Sauerstofftherapie:
­40–60 mmHg • Pflegende stellen die Alarmgrenzen stets patien-
Durch das HbF erreichen Früh- und Neugeborene tenorientiert und nach Rücksprache mit dem
trotz niedriger tcpO2-Werte oft eine normale SpO2 Arzt ein.
6.7  Monitoring 75

• Angestrebt sind Werte eines Lungengesunden, meten Patienten ist eine kontinuierliche paCO2-Mes-
d. h. 35–45 mmHg. sung möglich.
• Bei Lungenerkrankungen, z. B. BPD (broncho- Bei gesunden Kindern „shunten“ 1–5 % (max.
pulmonale Dysplasie), sind auch höhere tcpCO2- 7 %) des HZV an der Lunge vorbei, d. h. dieser Anteil
Werte tolerabel, sofern sie metabolisch kompen- des Blutes nimmt nicht am alveolären Gasaustausch
siert sind. teil. Schon unter physiologischen Bedingungen liegt
der tatsächliche paCO2 1–2 mmHg über dem mit
dem Kapnometer gemessenen Wert. Vergrößert
6.7.5  Kapnometrie sich die Shuntfunktion unter pathologischen Bedin-
gungen, z. B. durch Kurzschlussverbindungen im
Mit der Kapnometrie lässt sich das endexspiratori- Herzen oder in Gefäßen, weichen die gemessenen
sche CO2 (EtCO2) kontinuierlich nicht-invasiv über Werte noch weiter von dem tatsächlichen paCO2 ab.
Infrarot-Spektroskopie messen. Das Gerät zeigt
gleichzeitig die Atemfrequenz an. Am Monitor er-
Möglichkeiten der EtCO2-Messung
scheinen die Werte digital und in Form einer CO2-
Verlaufskurve, dem Kapnogramm. Ist die Messküvette direkt zwischen Tubus und Beat-
Bei Lungengesunden entspricht die endexspirato- mungssystem angebracht, spricht man von einer
risch gemessene CO2-Konzentration der alveolären Hauptstrommessung. Die Vorteile dieser Methode
CO2-Konzentration. Da zwischen den Alveolen und bestehen in der Messgenauigkeit und der kurzen
dem Blut ein Gleichgewicht der Gase herrscht, ent- Ansprechzeit. Verschmutzte oder feuchte Messkü-
spricht der ETCO2 dem arteriellen pCO2. Bei beat- vetten führen u. U. zu einer Unterbrechung der Mes-

pCO2 6
mmHg P4
P3

P1 P2 P5
pCO2
mmHg

Abb. 6.5  Kapnogramm. [L157]


1) Die Strecke P1–P2 bezeichnet den Beginn des Exspirationsvorgangs, bei dem sich das obere Totraumvolumen der Atemwege
entleert. In diesem Bereich entspricht die CO2-Konzentration der Inspirationsluft (praktisch Null). P1–P2 verläuft auf der Basislinie
des Kapnogramms. Die Strecke P2–P3 bildet die Phase ab, in der zunehmend Luft aus den unteren Toträumen des Respirations-
trakts entweicht. Sie weist aufgrund der Vermischung mit alveolären Luftanteilen eine steigende CO2-Konzentration auf. Die Strecke
P3–P4 zeigt die Exspiration des alveolären Gases. Hier findet sich ein leicht ansteigendes Plateau. Den Endpunkt dieser Strecke stellt
der Punkt 4 dar, an dem der endexspiratorische CO2-Partialdruck (EtCO2) erreicht ist. Er stellt annähernd den arteriellen PCO2 dar.
Die Strecke P4–P5 entspricht der Inspirationsphase. Durch den raschen Einstrom von CO2-freier Atemluft fällt die Kurve steil ab.
2) Pulmonale Probleme, z. B. eine Obstruktion, führen zum Verschwinden des Plateaus und einem langsameren Kurvenanstieg.
76 6  Beobachtung des Kindes

sung oder zu falschen Ergebnissen. Der Nachteil der Tab. 6.14  Kurvenveränderungen im Kapnogramm
Hauptstrommessung liegt in der Erhöhung des und ihre Ursachen. (Forts.)
Atemwegswiderstandes durch die Küvette. Kurvenverände­ Ursachen
Da die Messküvette relativ schwer ist und den rung
Tot­raum erhöht, findet sie bei Früh- und Neugebo- Grundlinie nicht • Kondenswasser in der Leitung
renen selten Anwendung. bei Null • Rückatmung von CO2
Im Nebenstromverfahren saugt das Analysege- fehlendes • Diskonnektion
rät über einen patientennah eingesetzten Adapter Kapnogramm • Respiratordefekt
kontinuierlich einen Teil der Ausatemluft an. Der • Monitordefekt
• Tubusobstruktion
Adapter ist auch für Früh- und Neugeborene gut ge-
eignet, da er ein geringes Totraumvolumen und ein fehlendes Pla­ • bei
Kindern: Gefahr der alveolä-
geringes Gewicht hat. Hohe Beatmungsfrequenzen teau ren Minderperfusion (Beatmung
überprüfen)
bzw. Tachypnoe des Patienten bei niedriger Beat-
mungsfrequenz verursachen eine zeitverzögerte
Anzeige und eine geringere Aussagekraft der Werte.
Pflegerische Besonderheiten
Verlegen Flüssigkeitstropfen das Lumen der Gas-
leitung, zeigt das Gerät falsche Messwerte an. Deshalb Die Pflegenden kalibrieren das Kapnometer je nach
achten Pflegende darauf, den Adapter so anzubrin- Herstellerempfehlung in regelmäßigen Abständen.
gen, dass der Abgang der Leitung nach oben zeigt. Sie stellen die Alarmgrenzen unter Berücksichtigung
Erfolgt die Beatmung mit Flow-Geräten, kann die der mittels BGA gemessenen pCO2-Werte ein. Ist
Kapnometrie verfälscht sein. Bei der Hochfrequenz- der Einsatz des Kapnometers bei Neugeborenen nö-
Oszillationsbeatmung ist sie aufgrund zu kleiner Ti- tig, empfiehlt es sich, eine Neonatalküvette mit Tot­
dalvolumina nicht einsetzbar. raumverkleinerung zu benutzen. Verschmutzte und
6 feuchte Messküvetten sind auszutauschen.
Interpretation des Kapnogramms

Tab. 6.14  Kurvenveränderungen im Kapnogramm


6.7.6  Blutdruckmessung
und ihre Ursachen.
Kurvenverände­ Ursachen DEFINITION
rung Blutdruck: Druck des Blutes auf die Wände der Gefäße
EtCO2-Abfall • verschlechterte Lungenperfusion des Körper- und Lungenkreislaufs. Die umgangssprach-
oder steigende und verminderte alveoläre Venti- lich verwendete Bezeichnung „Blutdruck“ bezieht sich
Differenz zum lation, z. B. durch Sekretstau in meist auf den arteriellen Druck, dessen Werte regelge-
paCO2 den Alveolen (gestörtes Ventila- recht in Herzhöhe und gegen den Atmosphärendruck zu
tions-/Perfusionsverhältnis) messen sind. Die Messung umfasst den systolischen, dia-
• eingeschränkte alveolo-kapilläre stolischen und mittleren Druck.
Diffusion, z. B. beim Lungenödem
(gestörtes Ventilations-/Diffu­
sionsverhältnis)
Das Herzzeitvolumen, das intravasale Blutvolumen
• Zunahme arteriovenöser Shunts und der Gefäßwiderstand können den Blutdruck
Mäßiger EtCO2- • Leck im Beatmungssystem
z. T. erheblich beeinflussen.
Abfall • Atemwegsobstruktion • Die Normwerte des Blutdrucks sind altersabhän-
• zunehmende Auskühlung des gig.
­Patienten • Invasiv und nicht-invasiv gemessene Blutdrücke
• Tubusfehllage sind in der Regel nicht identisch. Unter Normal-
Abflachung des • pulmonale Obstruktion bedingungen beträgt der Unterschied zum Man-
Plateaus und schettendruck 8–16 mmHg, kann aber je nach
langsamer Kur­ hämodynamischer Situation auf 25–30 mmHg
venanstieg steigen.
6.7  Monitoring 77

Nicht-invasive Blutdruckmessung • Hautveränderungen (z. B. Wunde),


• Paresen.
Verfahren zur nicht-invasiven Blutdruckmessung:
palpatorisch, auskultatorisch, dopplersonografisch VORSICHT
und oszillometrisch. Bei dialysepflichtigen Patienten messen Pflegende den
Bei Kindern mit niedrigen RR-Werten lässt sich Blutdruck niemals am Cimino-Shunt-Arm. Der Druck
bei der palpatorischen und auskultatorischen Me- kann zu starken Schmerzen, falsch niedrigen diastoli-
schen Werten und einem Shuntverschluss durch Throm-
thode der Puls oft nicht tasten, sodass die Blutdruck- bosierung führen.
Überwachung hier oszillatorisch, z. B. mit dem Di-
namap® erfolgt. Der Manschettendruck übersteigt
bei der Oszillationsmethode (wie auch bei der aus- Weichen bei einer Messung die Werte ohne ersicht-
kultatorischen Messung) den systolischen Blutdruck lichen Grund erheblich von den bisherigen Ergeb-
und unterbindet den Blutfluss in den Arterien. So- nissen ab, empfiehlt es sich, vor der Einleitung the-
bald durch das Ablassen der Luft der Manschetten- rapeutischer Maßnahmen, ein- bis zweimal nachzu-
druck auf das Niveau des Gefäßinnendrucks sinkt messen.
und das Blut beginnt, wieder durch die Arterie zu Sind häufige automatische Messungen notwen-
strömen, empfängt das Gerät die Amplituden der dig, legen Pflegende die Manschette mehrmals pro
pulsatorischen Druckschwankungen und zeigt sie Schicht an eine andere Extremität, um der Gefahr
digital an. von Durchblutungsstörungen vorzubeugen. Zum
Hautschutz legen sie einen faltenfrei und eng anlie-
Pflegerische Besonderheiten genden Schlauchverband unter die Manschette.
Die für den Patienten optimale Manschettengröße
beträgt:
Invasive Blutdruckmessung 6
• 2/3 der Länge des Oberarmes/-schenkels
• Oberarm-/schenkelumfang (in cm) × 0,6–1,2 Die invasive oder direkte arterielle Blutdruckmes-
Um exakte Daten zu gewinnen, achten Pflegende da- sung ist durch die Verbindung einer arteriell liegen-
rauf, die Manschette korrekt anzulegen. Der Arm den Kanüle mit einem Druckaufnehmer (elektrome-
bzw. das Bein, an dem die Messung erfolgt, liegt ru- chanischer Wandler) möglich. Das Messverfahren
hig und auf Herzhöhe. Pflegende vermeiden Man- beruht darauf, dass der arterielle Druck sich über ei-
schettenmessungen an Extremitäten mit ne Flüssigkeitssäule auf die Membran im Druckauf-
• Infusionszugängen, über die kontinuierlich Me- nehmer überträgt. Der Sensor leitet die Druck-
dikamente fließen, schwankungen als elektrische Signale kontinuierlich
• arteriellen Zugängen, an den Monitor weiter, wo sie als fortlaufende
• Behinderungen des venösen Rückflusses (Öde- Druckkurve erscheinen.
me),

Tab. 6.15  Blutdrucknormalwerte. [4]


diastolischer RR (mmHg) MAD systolischer RR (mmHg)
Neugeborenes 30–48 40–60 50–83
3 Mo. 37–60 45–75 80–110
6 Mo. 43–63 50–90 80–110
1–3 J. 46–79 50–100 80–113
4–6 J. 47–79 55–95 80–115
7–10 J. 52–83 60–90 83–122
11–13 J. 58–88 65–95 95–136
14–16 J. 55–77 65–95 100–127
78 6  Beobachtung des Kindes

Die invasive Blutdruckmessung ist bei instabilen Kreis- mmHg


laufverhältnissen, beim Einsatz vasoaktiver Medikamente 200

und bei häufigen Blutgasanalysen notwendig.


150

Die Vorteile der invasiven Blutdruckmessung liegen 100


in der kontinuierlichen, genauen Darstellung des ar-
teriellen Drucks. Sie ermöglicht es, hämodynami- 50

sche Störungen schnell zu erkennen und deren The-


rapie optimal zu überwachen. Die invasive Blut- 0
Normal Schleuderzacke Dämpfung
druckmessung gestattet ebenfalls die direkte Über- zu lange Zuleitung Luftblase
Ursachen bei 18-G-Kanüle Lagerung
wachung der hämodynamischen Wirkung von in der A. radialis weicher Schlauch
Blutgerinnsel
Herzrhythmusstörungen. Abknickung

Die Bestandteile der invasiven arteriellen Druck-


messung sind: Abb. 6.6  Arterielle Druckkurve. [L157]
• Druckaufnehmer
• Verstärker Messsystem und Druckaufnehmer erfolgt. Der re-
• arterielle Kanüle gelmäßige Wechsel beugt dem Keimeintrag in das
• Schlauchsystem arterielle Gefäßsystem vor.
• Monitor Das System der invasiven arteriellen Druckmes-
• Dauerspülung (evtl. heparinisiert) sung ist mit Luer-Lock-Anschlüssen versehen, über
die eine Blutentnahme aus der Arterie erfolgen
Pflegerische Besonderheiten kann. Daraus resultiert das Risiko einer versehentli-
Um genaue Messergebnisse zu erzielen, positionie- chen intraarteriellen Injektion. Um diese Gefahr zu
6 ren Pflegende den Druckaufnehmer in Höhe des Re- vermindern, kennzeichnen Pflegende die arteriellen
ferenzpunktes. Als Referenzpunkt für alle invasiv Drucksysteme stets mit Etiketten mit der Aufschrift
gemessenen Werte (AP, ZVD, PAP, LAP) gilt die „Arterie“ und verwenden für die Anschlüsse rote
Herzhöhe ungefähr im Bereich der Einmündung der Verschlussstopfen. Im Unterschied dazu sind venö-
Vv. cavae in den rechten Vorhof. [5] se Zugänge mit blauen Verschlussstopfen markiert.
Zur Ermittlung der korrekten Höhe teilen Pfle- Pflegende verbinden die Eintrittsstelle des arteri-
gende den Abstand zwischen Matratzenoberkante ellen Katheters steril.
und Sternum des liegenden Patienten in fünf gleich
große Abschnitte. Der Referenzpunkt befindet sich, Fehlerquellen bei der Messung
von der Matratzenoberkante aus betrachtet, am Fehlt plötzlich die Druckkurve auf dem Monitor,
Übergang des dritten zum vierten Fünftel. überprüfen Pflegende folgendes:
Zum Nullabgleich öffnen die Pflegenden den • Wie geht es dem Patienten?
Dreiwegehahn des Messsystems zum umgebenden • Wie sieht das EKG-Bild aus?
atmosphärischen Druck, der dann als Nullwert die • Ist der nicht-invasive Blutdruck messbar?
Basis für die folgende Messung bildet. Dieser Ab- • Sind periphere und zentrale Pulse tastbar?
gleich findet mind. einmal pro Schicht und nach je- Ist eine lebensbedrohliche Situation des Patienten
dem Lagewechsel des Patienten statt. ausgeschlossen, beginnen Pflegende mit der tech-
Die Messleitung zwischen dem Kind und dem nischen Fehlersuche. Hierbei kontrollieren sie sys-
Druckwandler ist starr und so kurz wie möglich, da- tematisch sämtliche Bestandteile des Messsys-
mit die arteriellen Druckschwankungen die Memb- tems, von der Arterienkanüle bis zum Monitor.
ran des Sensors ungedämpft erreichen und die Mes- Sind keine offensichtlichen Defekte zu finden, tau-
sung korrekte Werte ergibt. schen die Pflegenden abschnittsweise das Mess-
Klinikeigene Standards legen die Zeiträume fest, system aus, bis die Druckkurve am Monitor erneut
nach denen jeweils der Austausch von Spüllösung, erscheint.
6.7  Monitoring 79

Komplikationen Tab. 6.16  Veränderte Kurvenverläufe bei der invasi-


ven Druckmessung und ihre Ursachen.
• Blutungen bei Diskonnektion oder Leckagen des Kurvenverän­ Ursachen
Schlauchsystems, Hämatome derungen
• Thrombosen, Luftembolien, Infektion gedämpfte • Luftblasen, Blutkoagel im Schlauch-
• Arterienspasmus bis zur Ischämie der betreffen- Druckkurve system
• wandständige Kanülenspitze
den Extremität mit notwendiger chirurgischer
• zu weiches Schlauchsystem
Intervention
• falscher Referenzpunkt, fehlerhaf-
• Gangrän nach versehentlicher intraarterieller In- ter Nullabgleich
jektion • Leckage im Verbindungssystem
• „spastisches Gefäß“ (v. a. bei Arte-
rie)
6.7.7  Zentralvenöse Druckmessung • Bewegungsartefakte
• defekter Transducer
• Abknicken des Schlauchsystems
Der zentralvenöse Druck (ZVD) ermöglicht Aussa-
gen über die Funktion des rechten Herzens, über das zu hohe Druck­ • zu langes Schlauchsystem
werte evtl. mit • fehlerhafter Nullabgleich
zirkulierende Blutvolumen und den zentralen
„Schleuder­ • Referenzpunkt zu niedrig gewählt
Venentonus. Er wird auch durch den intrathoraka- zacke“
len Druck und durch die Obstruktion zentraler Ve-
fehlende • Fehllage des Katheters
nen beeinflusst. Bei mehrlumigen ZVK ermitteln Druckkurve • Thrombosierung der Katheterspitze
Pflegende den ZVD stets über den distalen (endstän- • Abknicken des Katheters
digen) Schenkel, da dessen Öffnung an der Spitze • geschlossenes Messsystem
des ZVK liegt.
Die Messung erfolgt entweder hydrostatisch mit 6
einer Wassersäule (cm H2O) oder elektronisch über
einen Druckwandler (mmHg).
Für die Messgenauigkeit sind ein korrekt gewähl- a c v
ter Referenzpunkt und der Nullabgleich entschei-
dend. Die Durchführung der zentralvenösen Druck- Abb. 6.7  ZVD-Kurve. [L157]
messung entspricht der bei invasiver Blutdruckmes-
sung. Eingriffen, lässt sich ebenfalls durch eine ZVD-Mes-
sung besser überwachen.
• Normwert für den ZVD (bei nicht beatmeten Patien-
ten): 4–10 mmHg Veränderungen des ZVD
• Umrechnungsfaktor Quecksilbersäule zu Wassersäule:
1 mmHg = 1,36 cm H2O Zu einem Anstieg des ZVD führen u. a.:
• Hypervolämie
Indikationen
• Herzbeuteltamponade
• Rechtsherzinsuffizienz
Die ZVD-Messung wird zur Überwachung und Steu- • Lungenembolie
erung des Volumenstatus bei Störungen des Flüssig- • intrathorakale Drucksteigerung (z. B. durch
keitshaushalts, z. B. durch septischen, hypovolämi- PEEP, Pneumothorax)
schen Schock, Verbrennung und Niereninsuffizienz, • gesteigerter Venentonus (z. B. bei Katecholamin-
eingesetzt. gabe)
Eine beeinträchtigte Myokardfunktion, z. B. bei Ein Abfall des ZVDs wird bei Hypovolämie und Ga-
Herzinsuffizienz oder nach kardiochirurgischen be von Vasodilatatoren beobachtet.
80 6  Beobachtung des Kindes

6.7.8  Pulmonalarterielle
Druckmessung
a

Die pulmonalarterielle Druckmessung (PAP) kann b


mit Hilfe eines intraoperativ gelegten Druckmesska-
theters oder mit einem Swan-Ganz-Katheter® (Bal- c
lonkatheter) erfolgen (›  Abb. 6.8 a). Mit einem
Swan-Ganz-Katheter® lassen sich der pulmonale Ka-
pillarverschlussdruck, das HZV und der ZVD direkt d
bestimmen. Die gemischt-venöse Blutentnahme rechter rechter Wedge-
Vorhof Ventrikel Pulmonalarterie Position
und Sättigung ermöglichen Aussagen über arterio-
venöse Sauerstoffdifferenz, HZV und intrapulmona- Abb. 6.8  Pulmonalis-Katheter. [L190]
le Rechts-Links-Shunts.
stimmen und die Wirksamkeit der Therapiemaß-
nahmen (› unten) zu überwachen.
Anhaltswerte
Die PAP-Messung ist ebenso bei schweren, pro-
trahierten Schockzuständen, ausgeprägten Verbren-
Normwerte der pulmonalarteriellen Druckmes­ nungen und ARDS vorteilhaft.
sung
• PAPSYS 15–28 mmHg
• PAPDIA 5–16 mmHg
Pflegerische Besonderheiten und
• PAPM 9–17 mmHg Überwachung
Die Handhabung der PAP-Messung gleicht grund-
6 Der pulmonalarterielle Druck verändert sich bei Er- sätzlich der bei invasiver Blutdruckmessung
krankungen der Lungengefäße, bei erhöhter Lun- (›  6.7.6). An den PA-Katheter können Medika-
genperfusion durch intrakardiale Shunts (z. B. mente zur Senkung des pulmonalen Gefäßwider-
AVSD, VSD) und bei chronischem Hochdruck in standes (z. B. Flolan®) angeschlossen werden.
den Lungenkapillaren und Lungenvenen, im linken War bereits präoperativ eine pulmonale Hyperto-
Vorhof oder in beiden Abschnitten, z. B. durch Mit- nie vorhanden, besteht die Gefahr, dass es auch nach
ralstenose oder -insuffizienz. der operativen Korrektur zu pulmonalen Druckan-
stiegen oder sogar zu pulmonalen Krisen kommt. Alle
belastenden pflegerischen Maßnahmen können zu
Indikationen
Veränderungen des PAP führen. Besonders wichtig
Nach kardiochirurgischen Operationen von Herz- ist es, das Verhältnis von mittlerem pulmonalarteriel-
fehlern mit pulmonalem Hochdruck ist die Messung lem Druck (MPAP) und mittlerem arteriellem Druck
des PAP von großer Bedeutung. Die kontinuierliche (MAP) zu beachten. Steigt der MPAP auf das Niveau
Messung ermöglicht es, PAP-Anstiege sofort zu er- des MAP, besteht die Gefahr der verminderten bzw.
kennen, ihr Verhältnis zum arteriellen Druck zu be- fehlenden Lungendurchblutung, sowie verminderten

30 mmHg

20

10

5 10 15 20 25 30 Sek.
Abb. 6.9  Druckkurven (Wedge-
Kurve). [L190]
6.7  Monitoring 81

linksventrikulären Füllung und einem stark vermin- Der Chirurg führt den LA-Katheter intraoperativ di-
derten HZV (pulmonalhypertensive Krise › 12.7.6). rekt in den linken Vorhof ein, fixiert ihn durch eine
Pflegende verbinden die Eintrittsstelle des Kathe- Tabaksbeutelnaht und leitet ihn perkutan aus.
ters steril. Die klinikeigenen Standards regeln Häu-
figkeit und Durchführung des Verbandwechsels.
Indikationen
Voraussetzungen für das Entfernen des PA-Ka-
theters: • Aorten- oder Mitralklappenveränderungen
• normaler Gerinnungsstatus • koronare Herzerkrankungen mit Funktionsstö-
• gekreuzte Blutkonserve vorhanden rung des linken Ventrikels
• funktionierende Thorax- bzw. substernale Drai-
nage
Pflegerische Besonderheiten und
Bei gleichzeitig liegendem linksatrialem (LA)-Kathe-
Überwachung
ter ist zwischen dem Entfernen beider Zugänge ein
Abstand von 4–6 Std. einzuhalten. Das Ziehen des Die Pflege gleicht grundsätzlich der bei invasiver
Katheters erfolgt ausschließlich durch den Arzt. Die Blutdruckmessung (›  6.7.6). Es ist möglich, über
Höhe des Druckgradienten gibt Aufschluss über die den LA-Katheter Katecholamine oder Inotropika zu
Herz- und Klappenfunktion. Nach dem Entfernen applizieren.
besteht die Gefahr von Nachblutungen und einer Pflegerische Aufgabe ist die Beobachtung des Ver-
Herzbeuteltamponade. Tachykardie, Blutdruck-Ab- hältnisses von LAP zu ZVD. Beide Werte sollten im
fall, Kaltschweißigkeit und Erbrechen sind erste An- Normbereich liegen. Akute Abweichungen der Wer-
zeichen für eine Tamponade. Sobald Pflegende diese te (≥ 5 mmHg) können bei einer Volumenüberlas-
Anzeichen bemerken, informieren sie den Arzt, da- tung des linken Ventrikels auftreten.
mit er therapeutische Maßnahmen einleiten kann. Der Zeitpunkt zur Entfernung des LA-Katheters
hängt von der Stabilität der hämodynamischen Situ- 6
ation ab. Liegt gleichzeitig ein PA-Katheter, sollten
Komplikationen
zwischen der Entfernung beider Zugänge 4–6 Std.
• supraventrikuläre und ventrikuläre Herzrhyth- Zeitabstand gewahrt sein. Diese Katheter zieht stets
musstörungen der Arzt. Voraussetzungen:
• Knotenbildung an der Katheterspitze • normaler Gerinnungsstatus
• Ballonruptur beim Swan-Ganz-Katheter, Lungen- • gekreuzte Blutkonserve vorhanden
infarkt, Gefäßruptur • durchgängige substernale Thoraxdrainage (nach
• beim intraoperativ gelegten PA-Katheter: Kathe- kardiochirurgischem Eingriff)
terabriss (erfordert eine operative Entfernung),
Blutung, Perikardtamponade
Komplikationen
• Infektion
• Luftembolie, Embolie, Thrombenbildung • Luftembolie der Koronar- und Hirnarterien (luft-
freies Schlauchsystem verwenden und durch den
Arzt anschließen lassen)
6.7.9  Linksatriale Druckmessung • Thrombosierung und Embolisierung (kontinuier-
liche Heparinspülung)
Die linksatriale (im linken Vorhof vorgenommene) • Blutungen, Herztamponade nach Katheterentfer-
Druckmessung gibt Auskunft über den Füllungs- nung (pulmonalarterielle Druckmessung › 6.7.8)
druck des linken Herzens und dient als Anhaltswert
für die linksventrikuläre Vorlast.
6.7.10  Intrakranielle Druckmessung
Normwert der linksatrialen Druckmessung
Die intrakranielle Druckmessung (ICP) dient als
4–12 mmHg
Grundlage zur Errechnung des zerebralen Perfu­
82 6  Beobachtung des Kindes

sionsdrucks und dem frühzeitigen Erkennen von Einflussgrößen auf den ICP
­in­trakraniellen Druckanstiegen, z. B. durch SHT,
Hirnödem und Hirntumoren. • Osmotherapeutika, Diuretika
Die gleichmäßigen Schwankungen der Druckkur- • Barbituratkoma (reduziert den Hirnstoffwechsel)
ve am Monitor sind atemabhängig und pulssyn- • Entlastung durch Ablassen von Liquor über die
chron, der Überwachungscomputer errechnet einen Ventrikeldrainage
Mittelwert. • operative Dekompression (Entfernung des Kno-
Zur Messung des intrakraniellen Drucks stehen chendeckels)
verschiedene Methoden zur Verfügung (›  Abb. • Reduktion des arteriellen Blutdrucks
6.9). Referenzpunkt ist das Foramen Monroi (Ver- • kontrollierte Hypothermie
bindung zwischen Seitenventrikel und III. Hirnvent- • 30°-Oberkörperhochlagerung.
rikel) ungefähr in Höhe der Ohrmuschel des liegen-
den Patienten.
Zerebraler Perfusionsdruck
Der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) errechnet sich
Ventrikeldruckmessung
aus der Differenz zwischen mittlerem arteriellem
Durch ein frontales Bohrloch schiebt der Neuro- Blutdruck (MAP) und intrakraniellem Druck (ICP).
chirurg einen Kunststoffkatheter in einen der Sei-
tenventrikel. Der Katheter erhält anschließend epiduraler subdurale
Druckaufnehmer Schraube
über ein Messsystem Verbindung zum Druckauf-
ventrikulärer
nehmer. Parenchymdruck
Druck

• Vorteil: Liquorabnahme zu diagnostischen und


therapeutischen Zwecken ist möglich.
6 • Nachteile: erhöhte Infektionsgefahr. Bei generali-
sierter Hirnschwellung kann das Einführen des
Katheters schwierig sein.

Druckbereiche des ICP


Abb. 6.10  Methoden der Hirndruckmessung. [L106]
Referenzwerte der intrakraniellen Druckmessung
• 0–15 mmHg: normal
alpha
• 15–30 mmHg: leicht erhöht
• 30–50 mmHg: stark erhöht
• 50–80 mmHg: extrem erhöht mit Gefahr der Hirn-
stammeinklemmung
beta
• 80–100 mmHg: Einklemmungszeichen
• >100 mmHg: irreversibles Versagen des Hirnstamms

Ein kurzfristiger Anstieg des ICP, z. B. beim Husten, ist delta
physiologisch. Pathologische Hirndruckerhöhungen lie-
gen erst vor, wenn der Normwert längere Zeit überschrit-
ten ist. ICP beim SHT-Patienten nie isoliert, sondern im-
mer im Zusammenhang mit dem zerebralen Perfusions-
druck (siehe unten) betrachten. theta 100 µV

Abb. 6.11  ICP-Kurve. [L157]


6.7  Monitoring 83

Referenzwerte des zerebralen Perfusionsdrucks Berechnung der Werte) sowie des extravasalen Lun-
• Säuglinge ≥ 40 mmHg genwassers (EVLW) möglich.
• Kinder ≥ 50 mmHg Nach Kalibration der Pulskontur können Pflegen-
CPP = MAP - ICP de das Pulskontur-Herzzeitvolumen (PCHZV), die
Herzrate (HR), das Schlagvolumen (SV), die Schlag-
volumenvariation (SVV), den arteriellen Druck
Die Hirndurchblutung unterliegt einer Autoregula- (AD), den systemisch-vaskulären Widerstand (SVR)
tion, die von CPP, MAP und HZV unabhängig ist. und den Index für die kardiale Kontraktilität
Erst wenn der MAP über- oder unterschritten wird, (dPmax) kontinuierlich überwachen.
kommt es zu einer verminderten oder gesteigerten Der PiCCO-Katheter kommt bei Patienten zum
Hirnperfusion. Die Autoregulation kann durch zere- Einsatz, bei denen die Anlage technisch möglich ist
brale Schädigungen aufgehoben oder gestört sein. Je und die ein erweitertes kardiovaskuläres und volu-
nach Höhe des CPP kann es zur Mangeldurchblu- metrisches Monitoring benötigen.
tung mit nachfolgender Hirnschädigung oder, bei zu
starker Durchblutung, zum ICP-Anstieg kommen,
Thermodilution
der ebenfalls eine Schädigung des Gehirns verursa-
chen kann. Zur Durchführung der transpulmonalen Thermodi-
lution sind ein zentralvenöser Katheter sowie ein
Um eine ausreichende Perfusion des Gehirns zu gewähr- arterieller Thermodilutionskatheter, der in einer
leisten, strebt der Arzt bei neurochirurgischen Patienten größeren, herznahen Arterie liegt, erforderlich. Zu
einen CPP von mind. 50 mmHg, bei NG und Säuglingen Beginn der Messung erfolgt die Eingabe von u. a.
von mind. 30 mmHg an. Körpergewicht und -größe, zentralvenösem Druck
und Sensortyp. Diese Parameter bilden die Basis für
die Berechnung der Werte. 6
Zur Injektion wird auf 8 °C gekühltes NaCl 0,9 %
6.7.11  PiCCO-Katheter verwendet. Das Volumen richtet sich nach der Ge-
brauchsanleitung. Nach der Injektion registriert der
Das Kunstwort PiCCO ist vom englischen Begriff Thermodilutionskatheter den intravasalen Tempe-
pulse contour cardiac output (Pulskontur-Herzzeit- raturverlauf. Aus den Werten errechnet der Compu-
volumen) abgeleitet. Das System kombiniert zwei ter eine Thermodilutionskurve, die auf dem Monitor
Messsysteme. Mit Hilfe der Thermodilution ist das erscheint und aus der das HZV („Area under the
intermittierende Monitoring von Herzzeitvolumen curve“) errechnet wird. Aus der Thermodilutions-
(HZV), des globalen enddiastolischen Volumens kurve lassen sich außerdem die mittlere Durch-
(GEDV), des intrathorakalen Blutvolumens (durch gangszeit des Injektates (MTt) und die Abfallzeit der
Thermodilutionskurve (DSt) ermitteln. Diese Para-
meter sind zur Berechnung des GEDV und somit
Tab. 6.17  Ursachen für steigenden und fallenden ze-
von EVLW und ITBV erforderlich.
rebralen Perfusionsdruck.
Anstieg des CPP (Erwei­ Abfall des CPP (Kon­
terung der Hirngefäße) traktion der Hirngefä­ Pulskonturanalyse
durch ße) durch
• paCO2 ≥ 40 mmHg • paCO2 ≤ 35 mmHg
Zur Ermittlung des Kalibrationsfaktors für die Puls-
• paO2 ≤ 50 mmHg • paO2 ≥ 90 mmHg konturanalyse ist die Bestimmung des transpulmo-
• Fieber • niedrige Körpertempera- nalen Herzzeitvolumens mittels Thermodilution er-
• Alkalose tur forderlich. Nach der Kalibration lassen sich das HZV
• Medikamente, z. B. Per- • Azidose durch die Herzfrequenz und die Fläche unter der
linganit, Adalat • Medikamente,z. B. Tra- aortalen Druckkurve kontinuierlich berechnen,
• Schmerzen,Angst panal, Mannitol ebenso wie die oben genannten Parameter.
84 6  Beobachtung des Kindes

ZITIERTE LITERATUR VERWENDETE LITERATUR


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tensivpflege, München, Elsevier Verlag 2004 Sparshott M., Früh- und Neugeborene pflegen. Stress- und
  [6] Cignacco & Stoffel, Frauenklinik INSELSPITAL 2001 schmerzreduzierende, entwicklungsfördernde Pflege,
Bern, Huber Verlag 2009 
http://apps.who.int/rhl/reviews/cd001069.pdf

6
KAPITEL

7 Anja Messall

Körperpflege
7.1  Spezielle Techniken in der Vorbereitung und Durchführung
Intensivpflege
Vor Beginn der Haarwäsche:
• Katheter, Sonden, Tubus, Beatmungs- und Drai-
7.1.1  Haarwäsche im Bett nagenschläuche sicher fixieren
• Kind nach Möglichkeit altersentsprechend auf-
Die Haarwäsche trägt zum allgemeinen Wohlbefin- klären und auf den Rücken lagern
den des Intensivpatienten bei. Allerdings ist sie meist • Kopf-Schulter-Bereich erhöht lagern oder kindli-
eine große Belastung für das Kind. Aus diesem Grund chen Kopf so platzieren, dass er über das Kopfen-
führen Pflegende die Haarwäsche stets zu zweit durch. de des Bettes hinausragt
• Handtuch als zusätzlichen Nässeschutz unter den
Kopf des Kindes, ein zweites in Griffweite legen
Material
• Augen und Ohren des Kindes z. B. mit einem
Am besten eignet sich eine aufblasbare Haarwaschwan- Waschlappen vor dem Wasser schützen
ne mit breitem Auflagerand. Ist diese nicht vorhanden, • bei Verwendung einer Haarwaschwanne Wasserre-
verwenden Pflegende eine Waschschüssel. Außerdem servoir mit warmem Wasser füllen. Steht eine sol-
legen sie zwei bis drei Handtücher, Haarshampoo (wenn che Wanne nicht zur Verfügung, stellen Pflegende
möglich, das patienteneigene), Kamm und Fön bereit. das Wasser in einem zusätzlichen Gefäß bereit
Durchführung:
Bei instabilen Patienten stark saugfähige Unterlagen • Eine Pflegende hält den Kopf des Patienten, die an-
(z. B. supersaugfähige Pampers) unterlegen und mit mög- dere feuchtet die Haare an, wäscht sie mit Sham-
lichst wenig Wasser und Shampoo arbeiten. poo und spült sie anschließend gründlich aus.
• Richtung des Haarwuchses beachten; Massage in
diese Richtung wirkt beruhigend, entgegengesetz-
te Bewegungen wirken belebend (Basale Stimula-
tion® › 8.1).

Abb. 7.1  Haarwäsche im Bett.


[L157]
86 7  Körperpflege

• Nach der Wäsche Haare nicht rubbeln, da die ein sensibles Organ mit multiplen Aufgaben ist, das
schnellen Bewegungen v. a. bei einem bewusst- in verschiedenen Lebensbereichen seine Bedeutung
seinsgetrübten Kind als ungezielte Informationen hat: verbale und nonverbale Kommunikation, Nah-
ankommen. Stattdessen Haare mit einem Hand- rungsaufnahme und Verdauung, Aussehen, Zärtlich-
tuch bedecken und anschließend trocken fönen. keit und Sexualität. Das „Biotop“ Mundhöhle ist von
Milliarden Keimen der physiologischen Flora besie-
delt. Der Mund gehört zu den sensibelsten Körperre-
7.1.2  Mundpflege gionen und zählt zu den Intimzonen des Menschen.
Speziell für Kinder, die sich noch in der oralen Phase
Indikationen (nach Freud) befinden, ist die Mundhöhle ein zent-
rales Lustorgan. Fehlende oder eingeschränkte Nah-
Jeder intubierte, parenteral ernährte und immun- rungsaufnahme vermindert die Perfusion des Zahn-
supprimierte Patient bedarf einer sorgfältigen fleisches und somit die Speichelproduktion. Dies be-
Mundpflege, die ihn vor Schäden und Komplikatio- günstigt die Entstehung von bakteriellen Infektionen
nen bewahrt. Hierbei ist zu beachten, dass der Mund und Mykosen.

Pflegeprobleme im Mundbereich

Tab. 7.1  Pflegeprobleme im Bereich des Mundes und dazu passende Maßnahmen.
Problem Mundpflegetechnik und -lösungen
Hyposalivation (verminderter Speichelfluss) • Dexpanthenollösung
• Selbstreinigungskraft der Mundhöhle ↓ • Glandosane®
• Auftreten von Erosionen, Ulzerationen und Infektionen Zur Anregung der Speichelsekretion:
• Mundschleimhaut kann unter Einsatz von O2-Nasen- • Zahnfleisch mit Finger oder Watteträger zwischen 2. und
sonden oder -brillen, beim nasalen CPAP oder nach 3. Molar massieren (Ausgang Ohrspeicheldrüse)
Operationen im Mundbereich austrocknen → vor allem • ätherisches Zitronenöl, tropfenweise auf das Kopfkissen
bei massivem Zungenödem mit unvollständigem oder den Schlafanzug geben
7 Mundschluss
Hypersalivation (verstärkter Speichelfluss) • Salbeitee oder -tinktur
• z. B. unter Wirkung von Phenobarbital oder Ketamin • Rathania- oder Myrrhetinktur
• Gefahr von Mikroaspirationen bei vermindertem oder
fehlendem Schluckreflex
Parotitis (sehr schmerzhafte Schwellung im Bereich des • Maßnahmen sowohl zur Prophlaxe und Therapie geeignet
Oberkiefers vor dem Ohr) • (siehe Hyposalivation)
• mögliche Ursache ist eine fehlende Kautätigkeit
• Kieferklemme (Trismus) möglich

Soor • Salbeitee oder -tinktur (prophylaktisch)


• weiße, fleckige Beläge auf Mundschleimhaut oder Zun- • Kamilletee oder -tinktur
ge, die sich nicht entfernen lassen • Antimykotika, z. B. Daktar-Mundgel®, Ampho-moronal®,
• meist durch Candida albicans verursacht Nystatin-Suspension®
• tritt besonders häufig während Antibiotikagabe auf • zur
Prophylaxe Mundschleimhaut intakt, sauber und feucht
halten
Aphthen (schmerzhafte Schleimhautdefekte) • Salbeitee(nur so lang bis Heilung einsetzt, sonst Zerstö-
• verursachen ein „brennendes“ Gefühl rung der Mundflora möglich)
• entstehen v. a. bei Immunsuppression, Zytostatika-Ga- • Kamilletee oder -tinktur
be, Vitamin B2-Mangel sowie idiopathisch • Melissetee oder -tinktur
• Hexetidin®

Rhagaden (kleine Hauteinrisse) • Lavendel-,


Arnika-, Spitzwegerich-, Ringelblumen- oder
• z. B. durch ein schlecht platziertes Tubuspflaster bei Thymiantinktur
oraler Intubation, durch Dehydratation, Eisenmangel
7.1  Spezielle Techniken in der Intensivpflege 87

Tab. 7.1  Pflegeprobleme im Bereich des Mundes und dazu passende Maßnahmen. (Forts.)
Problem Mundpflegetechnik und -lösungen
Stomatitis • Salbeitee
• entzündete, gerötete, schmerzende und ulzeröse • Kamilletee
Mundschleimhaut • Myrrhetinktur
• Hexetidin®

Mundpflegelösungen
• unerwünschte Wirkungen nach längerer Anwen-
Salbeitee dung: Geschmacksveränderungen, Allergien,
• entzündungshemmend, gerbend, sekretionshem- Schleimhautverätzungen, Zahnverfärbungen
mend, desinfizierend
• kann bei längerem Gebrauch Mundschleimhaut Glyzerin, Zitronenstäbchen
stark austrocknen • bindet Wasser und entzieht Mundschleimhaut
• nicht als Monolösung verwenden Feuchtigkeit
• Zitrone regt Speichelproduktion zwar an, Glyze-
Pfefferminztee rin bindet jedoch produzierte Flüssigkeit
• antiemetisch durch leichte Anästhesie der Ma- • enthaltene Zitronensäure greift Zahnschmelz an,
genschleimhaut aggressiver als natürliche Zitrone
• wirkt Gärungsprozessen im Magen-Darm-Trakt
entgegen Glandosane®
• regt Gallenfluss und -entleerung an • künstlicher Speichel ohne unerwünschte Wir-
• wirkt schwach antiseptisch, krampflösend und kungen
sehr erfrischend • unangenehmer Geschmack daher eher die aro-
matisierte Version mit Zitrone verwenden und
Kamillentee im Kühlschrank lagern
• entzündungshemmend, krampfstillend, wund-
heilend, granulationsfördernd 7
Durchführung
• geeignet bei onkologischen Patienten mit gestör-
ter Magen-Darm-Flora Vor der Mundpflege:
• Mundhöhle mit Spatel und Lampe inspizieren,
Fencheltee um einen Ausgangsbefund zu erheben
• appetitanregend, verdauungsfördernd, harntrei- • wenn nötig, Sekret aus dem Nasen-Rachen-Raum
bend, schleimlösend, krampflösend, mild abführend (NRR) absaugen, um Mikroaspirationen zu ver-
• bei langer (≥ 3 Monate) und überdosierter An- hindern
wendung können enthaltene Gerbstoffe Darm- • wenn möglich, Kind zur Mundpflege in eine auf-
blutungen auslösen rechte Sitzposition bringen
Zur Durchführung:
Dexpanthenol-Lösung • Erhält das Kind seine Nahrung über eine Sonde,
Enthält Pantothensäure, ein Vitamin, das als Co- erfolgt die Mundpflege während der Mahlzeit, da-
Enzym an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist mit das Kind die positive orale Stimulation im Zu-
und die Epithelisierung des Gewebes fördert. sammenhang mit der Nahrungszufuhr erlebt. Dies
unterstützt auch die Erreichung von pflegerischen
Hexetidin-Lösung Fernzielen, z. B. das Trinken aus der Flasche.
• desinfiziert und vermindert die Keimzahl im • Früh- und Neugeborene erhalten z. B. während
Mund- und Rachenraum des Sondierens einen mit Pflegelösung oder Nah-
88 7  Körperpflege

rung befeuchteten Beruhigungssauger oder Wat- Mundpflege bei erhöhter Blutungsneigung


teträger zum Lutschen. Ist die Zahl der Thrombozyten auf 20000/μl oder we-
• Alle Bereiche der Mundhöhle mit einem in der niger gesunken, verwenden Pflegende keine Zahn-
Pflegelösung getränkten Watteträger auspinseln bürste, da sie leicht Mundschleimhautblutungen
→ möglich ist auch die Verwendung einer Péan- hervorrufen kann. Bei der Inspektion der Mundhöh-
Klemme, die vollständig mit einem Tupfer um- le üben Pflegende lediglich einen ganz leichten Spa-
hüllt ist. teldruck auf die Zunge aus und führen die Mund-
• Eine um den Finger gewickelte Kompresse eignet pflege vorsichtig mit Wattestäbchen durch.
sich auch im Sinne der Basalen Stimulation®
(› 8.1) denn so spüren die Pflegenden die
Zähneputzen beim intubierten Patienten
Strukturen der Mundhöhle und können den auf-
gewendeten Druck ideal dosieren → Gefahr be- Pflegende führen die Zahnpflege bei intubierten
achten, dass v. a. bewusstseinsgestörte Patienten Patienten nach Möglichkeit zu zweit durch.
u. U. zubeißen. Sie klären das Kind altersentsprechend auf und
lagern seinen Oberkörper erhöht. Vor der Zahnpfle-
VORSICHT ge saugen Pflegende das Sekret aus dem Nasen-Ra-
Pflegende benutzen wegen der erheblichen Verletzungs- chen-Raum ab und blocken den Tubuscuff (sofern
gefahr niemals Gummi-Mundkeile zur Mundpflege. Als vorhanden) kurzfristig dicht. Eine Pflegekraft führt
Alternative eignen sich zusammengerollte Mullbinden. einen großlumigen Katheter möglichst tief in den
Rachen, ohne einen Würgereiz auszulösen, hält den
• Borken und Krusten lassen sich leichter entfer- unter Sog stehenden Katheter in dieser Position und
nen, wenn sie ca. 30 Min. zuvor mit Bepanthen®- beobachtet den Patienten. Sollte sich der Kiefer nicht
Salbe, Butter oder Rosenhonig bestrichen wurden. öffnen lassen, massieren die Pflegenden die Wan-
genmuskulatur und beklopfen sie leicht in Höhe des
Mundpflege bei verdrahtetem Kiefer und Zähnen Kiefergelenks. Es kann eine Weile dauern, bis sich
mit Brackets die Kiefermuskulatur entspannt.
Hier bietet der Einsatz einer Munddusche Vorteile. Sie Die zweite Pflegekraft putzt nun die Zähne mit ei-
7 reinigt die Zähne, massiert das Zahnfleisch und hemmt ner weichen Zahnbürste und benutzt dazu mög-
die Zahnsteinbildung. Pflegende wägen die Verwen- lichst die patienteneigene Zahnpasta. Die Zahnbürs-
dung einer Munddusche genau ab, denn der Wasser- te ist gemäß der „Rot-Weiß-Technik“ einzusetzen,
strahl spült, v. a. bei unsachgemäßer Anwendung, Teile das heißt, der Bürstenkopf bewegt sich ausschließ-
des Zahnbelags unter das Zahnfleisch. Wegen der lich vom Zahnfleisch ausgehend über die Zähne.
Keimbelastung können sich daraus Entzündungen ent- Pflegende achten darauf, das Zahnfleisch sanft zu
wickeln. Bei beatmeten Patienten blocken Pflegende massieren und spülen danach den Mund mit einer
den Tubus vor der Mundpflege mit der Munddusche Spritze und Pflegelösung aus. Bei Aspirationsgefahr
und saugen während der Maßnahme sowie anschlie- ist es ratsam, die Zähne mit ungesüßtem Tee zu rei-
ßend die Duschflüssigkeit aus dem Rachen ab. Nach nigen.
dem Entblocken saugen sie endotracheal ab. Die Verwendung von Saugzahnbürsten (z. B. von
Hat der Kieferorthopäde dem Kind Brackets (am Medline®, Tapmed® oder Kimberley-Clark®) er-
Zahn festgeklebte Befestigungselemente einer Zahn- leichtert die Mundpflege für die Pflegenden und ist
spange) angelegt, benutzen Pflegende eine Interden- für den Patienten angenehmer, da der zusätzlich be-
talzahnbürste, um die Zahnzwischenräume zu reini- nötigte Absaugkatheter wegfällt.
gen. Zum Schutz der Wangentaschen vor Rhagaden Nach dem Zähneputzen entblocken Pflegende den
und Druckschäden durch Brackets oder Verdrah- Tubus, das Sekret läuft aus der „Jammerecke“ ober-
tungen, modellieren Pflegende handwarme Wachs- halb des Cuffs ab und lässt sich endotracheal absau-
streifen auf die hervorstehenden Metallteile. Sie ver- gen. Anschließend cremen Pflegende die Lippen mit
wenden farbiges Zahnwachs und dokumentieren die Salbe oder patienteneigenem Fettstift ein. Bei oral in-
Zahl der Streifen (Aspirationsgefahr). tubierten Patienten untersuchen sie den Mundraum
7.1  Spezielle Techniken in der Intensivpflege 89

auf Druckstellen, Rhagaden oder Schwellungen und VORSICHT


fixieren den Tubus in einer veränderten Position neu. Bei Rhinoliquorrhö, z. B. nach Schädelbasisfraktur, nicht
nasal absaugen. Aufsteigende Infektionen vermeiden:
Naseneingang nur mit steriler Kompresse abwischen und
sterile Kompresse vorlegen.
7.1.3  Nasenpflege

Das Ziel der Nasenpflege ist eine saubere, borken- Pflegende führen den Katheter vorsichtig und ohne
freie Nase mit intakter Mikrozirkulation und gesun- Sog in den unteren Nasengang ein. Sie vermeiden sto-
der, rosiger sowie feuchter Schleimhaut. Die Nase ist chernde Bewegungen und versuchen keinesfalls, even-
vor Schäden geschützt, die durch Druck oder Zug tuell auftretende Hindernisse zu überwinden. An-
von Tubus und Magensonde ausgelöst sein können. schließend aktivieren sie den Sog und befreien die Na-
Die Indikation zur Nasenpflege besteht bei allen se bzw. den Rachen von Sekret. Unter anderem bei
nasal und oral intubierten Kindern sowie bei Kin- Kindern mit nasalem CPAP bilden sich häufig fest sit-
dern mit nasalen Sonden, z. B. Magen- und Sauer- zende Borken im NRR, die schwierig abzusaugen sind.
stoffsonden, transösophagealem Schrittmacher oder In diesem Fall spülen Pflegende die Nasenschleimhaut
bei einer Rhinoliquorrhö. z. B. mit Bepanthen®-Lösung oder NaCl 0,9 %. Dazu
führen sie einen dünnen Absaugkatheter ohne Sog
weit über ein Nasenloch ein, aktivieren erst dann den
Material
Sog und träufeln mittels einer 1 ml-Spritze einige Trop-
Pflegende bereiten bei Bedarf zum Absaugen des fen Spüllösung in die Nase. Dieses Vorgehen weicht
NRR einen dünnen Absaugkatheter und unsterile das borkige Sekret auf, es löst sich und lässt sich beim
Handschuhe vor. Außerdem legen sie Watteträger, Abfließen in hintere Teile des NRR leicht absaugen.
evtl. Kompressen, eine Pflegelösung z. B. Dexpan-
thenol-Lösung und ggf. einen dünnen Hydrokolloid- Diese Spülung nehmen Pflegende nur unter bestehendem
verband zum Hautschutz bei nasalen Sonden bereit. Sog und mit möglichst geringer Menge Spülflüssigkeit
vor, um eine Aspiration zu vermeiden.
Frühgeborene sind wegen ihrer mangelnden Immunab-
wehr steril abzusaugen. Vorsorglich überprüfen Pflegende die Fixierung des 7
Tubus oder der Atemunterstützung und erneuern
Durchführung diese, wenn nötig. Zudem positionieren sie die Beat-
Für das Absaugen des NRR gilt eine sehr enge Indi- mungsschläuche oder die Schläuche zur Atemunter-
kationsstellung. Pflegende saugen auf keinen Fall stützung so, dass möglichst geringe Zug- und Scher-
routinemäßig ab. kräfte auf die Nase wirken. Ist die Haut des Kindes

Keilförmig Tubuspflaster
geschnittener HCV®

Keil wird nach


innen geklebt

Abb. 7.2  Hydrokolloidverband Tubus


unter einem Tubuspflaster. [L157]
90 7  Körperpflege

sehr empfindlich oder zeigen sich bereits Rötungen, lenkontrolle unterbleiben kann. Dexpanthenol-Sal-
empfiehlt es sich, die Nasenflügel mit Hautschutz be bildet einen nicht blickdurchlässigen Film auf
(z. B. Cavilon®-Lolly) und einem Hydrokolloidver- dem Augapfel. Ihr Vorteil liegt in der lang anhalten-
band zu versorgen. Er reduziert die Scherkräfte, die den Feuchtigkeitswirkung. Pflegende bringen die
bei Manipula­tionen und Bewegungen des Tubus Salbe etwa alle 6–8 Std. in den Bindehautsack ein.
entstehen und schützt die Haut vor Schäden, die Augengel, z. B. Vidisic®-Gel, Corneregel®, Thilo-
durch häufige Pflasterwechsel auftreten können. Der Tears®, Coliquifilm®, sind Tränenersatzgele mit ho-
Hydrokolloidverband bleibt so lange auf dem Na- her Viskosität. Sie bilden einen lang haftenden
sensattel, bis er sich ablöst oder nicht mehr erforder- Schutzfilm und halten die Horn- und Bindehaut lan-
lich ist. Pflegende kleben das Tubuspflaster auf den ge feucht. Die Anwendung der Gele erfolgt 3–5× täg-
Hydrokolloidverband. Auch bei bereits vorhande- lich. Sie lassen sich aber aufgrund ihrer sehr guten
nem Nasendekubitus finden Hydrokolloidverbände Verträglichkeit auch häufiger anwenden. Augengele
Verwendung, da sie die Wundheilung unterstützen. beeinträchtigen bei korrekter Anwendung ebenfalls
Bei Nasenbluten und Schwellungen der Nasen- vorübergehend die Sehleistung des Patienten. Die
schleimhaut können Pflegende statt Nasentropfen Möglichkeit zur Pupillenkontrolle bleibt allerdings
auch kaltes NaCl 0,9 % tropfenweise verabreichen. erhalten, weil die Gele transparent sind.
Augentropfen, z. B. Vidisept-N®-AT, Liquifilm-
AT®, sind großmolekulare Tränenflüssigkeiten mit
7.1.4  Augenpflege physiologischem pH-Wert, die bakteriostatisch, fun-
gistatisch und mild desinfizierend wirken, ohne die
Indikationen Gefäße zu verengen.
Die Augentropfen bilden einen Schutzfilm, der die
Bei unvollständigem Lidschluss oder seltenem bis Sehleistung nicht beeinträchtigt, gut verträglich ist
fehlendem Lidschlag sind die Augen des Intensivpa- und den die Patienten als angenehm empfinden. Bei
tienten von Austrocknung, Hornhautulzerationen trockenen Augen, Reizungen durch Rauch, Staub
und Infektionen bedroht. Ziel der Augenpflege ist oder Licht, sowie Erosionen der Hornhaut träufeln
es, Schäden vorzubeugen, um dem Patienten das un- Pflegende 3–5 × täglich, bei Bedarf häufiger, jeweils
7 eingeschränkte Sehvermögen zu erhalten. einen Tropfen in den Bindehautsack.
Auch bei einem hirntoten Patienten, der zur Or-
ganspende freigegeben ist, führen Pflegende die Au- Uhrglasverbände oder feuchte Kompressen begünstigen
genpflege sorgfältig durch. Da die Augen in der Rei- die Entstehung von Infektionen (feucht-warme Kammer)
henfolge der Explantation meist ganz am Ende ste- und sind deshalb nicht zu empfehlen.
hen, empfiehlt es sich, vor der Abfahrt in den OP
noch einmal Augensalbe zu applizieren, um die
Durchführung
Hornhaut nicht zu gefährden.
Pflegende führen die Augenpflege mind. einmal pro
Schicht durch, bei verklebten Augen auch häufiger.
Material
Dazu feuchten sie sterile Kompressen mit zimmer-
Zur Augenpflege verwenden Pflegende körperwar- warmem NaCl 0,9 % oder Ringer-Lösung an. Für das
mes NaCl 0,9 % oder Ringer-Lösung. Zur Spülung zweite Auge verwenden sie eine neue Kompresse.
ziehen sie die Lösung in einer Spritze auf oder geben Bei geschlossenem Auge wischen sie über das Lid
sie für die normale Augenpflege auf eine Kompresse. zur Nasenwurzel hin. Anschließend wischen sie mit
Zur Vermeidung einer Hornhautaustrocknung einer trockenen sterilen Kompresse nach. Sie wie-
bei inkomplettem Lidschluss sind u. a. folgende Au- derholen diesen Vorgang so lange, bis die Verkrus-
gensalben, -gele oder -tropfen geeignet: tungen beseitigt sind.
Dexpanthenol-Augensalbe. Nur verwenden, Die Verabreichung von Augensalbe ist nur bei un-
wenn das Kind nicht auf seine Sehkraft angewiesen, zureichendem Lidschluss notwendig. Pflegende ge-
also sediert/relaxiert ist und die regelmäßige Pupil- ben dazu einen 0,5–1 cm langen Salbenstrang in den
7.2  Intimsphäre und Sexualität 91

unteren Bindehautsack. Passive Lidbewegungen un- • Artikel 16 (Schutz der Intimsphäre)


terstützen die Verteilung der Salbe über den Augapfel. – (1) Kein Kind darf willkürlichen oder rechts-
widrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine
VORSICHT Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftver-
Nie mit der Tubenspitze die Hornhaut berühren. Der Kon- kehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen
takt könnte das Auge schädigen, führt aber in jedem Fall seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden.
zu einer Kontamination der Tube. – (2) Das Kind hat Anspruch auf rechtlichen
Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträch-
Um eine therapeutisch sinnvolle Tropfengröße bei tigungen.
der Applikation von Augentropfen und -gelen zu er- Die „Charta für Kinder im Krankenhaus“, verab-
zielen, halten Pflegende die Tube senkrecht über das schiedet 1988 durch die 1. Europäische Konferenz
Auge. Eine zu große Tropfenmenge übersteigt das „Kind im Krankenhaus“ in Leiden (Niederlande),
Fassungsvermögen des Bindehautsacks. Die über- formuliert die Rechte der Kinder ebenfalls eindeutig:
schüssige Flüssigkeit würde unter dem Lid hervor- • Artikel 10
treten und die Wimpern verkleben. – Kinder sollen mit Takt und Verständnis be-
handelt werden, und ihre Intimsphäre soll je-
Augenspülung derzeit respektiert werden.
Augenspülungen sind in den meisten Fällen über- Ein lässiger Umgangston und eine Missachtung des
flüssig. kindlichen Schamgefühls erreichen das Gegenteil
Falls trotzdem die Indikation besteht, lagern Pfle- der Absicht. Unter diesen Umständen fühlt das Kind
gende den Kopf seitlich und schützen das untere Au- sich nicht ernst genommen.
ge mit einer Kompresse vor Kontamination. An- Der Schutz der Intimsphäre beginnt bereits bei
schließend spreizen sie die Augenlider mit zwei Fin- der genauen, altersgemäßen Information über alle
gern und träufeln einige Tropfen warmes NaCl 0,9 % Maßnahmen, die geplant sind.
vorsichtig und ohne Druck in das Auge, sodass die Ist es nötig, das Kind zu entkleiden, z. B. bei der
Flüssigkeit zum inneren Lidwinkel fließt. Danach Urin- und Stuhlentleerung, der Pflege des Blasen-
schließen sie die Lider und reinigen das Auge von verweilkatheters oder bei der Durchführung eines
außen nach innen, indem sie mit einer Kompresse Einlaufs, bitten Pflegende alle Personen aus dem 7
zur Nasenwurzel hin streichen. Zimmer. Sie schützen das Kind durch einen Rollo
oder eine Trennwand vor den Blicken anderer Besu-
cher. Dies gilt für wache wie beatmete und analgose-
dierte Kinder gleichermaßen.
7.2  Intimsphäre und Sexualität Bei sämtlichen Tätigkeiten entkleiden Pflegende das
Kind nur so weit wie nötig. Nicht in die Pflege einbezo-
gene Körperpartien decken sie mit Tüchern ab. Sofern
Jeder Mensch verfügt über ein individuelles Körper- möglich, übernehmen größere Kinder die Genitalpfle-
und Schamgefühl. ge selbst. Pflegende können die Eltern in diesen sensib-
Bereits mit fünf Jahren beginnen Kinder, ein Ge- len Teil der Körperhygiene einbeziehen. Zur Wahrung
fühl für ihre Intimsphäre zu entwickeln und wollen der Intimsphäre beachten Pflegende vor allem die
sich u. U. nicht in Gegenwart Fremder ausziehen. Grundsätze verschiedener Kulturen und Religionen.
Die Pflegenden respektieren diese vom Kind gesetz- Mit Beginn der Pubertät verändert sich der Körper
ten Grenzen in vollem Umfang. Ist das Kind nicht in des Jugendlichen aufgrund hormoneller Einflüsse.
der Lage, seine Wünsche zu äußern, übernehmen Die Umwelt betrachtet sie schon als Erwachsene, in
Pflegende und Angehörige den Schutz seiner Intim- der Familie und in der Klinik behandelt man die Ju-
sphäre. Sie orientieren sich dabei an den anamnes- gendlichen häufig jedoch noch als Kinder. Dies führt
tisch erhobenen, individuellen Gewohnheiten. möglicherweise zu Identifikationsproblemen. Zwar
In der Kinderrechtskonvention der Vereinten benötigen kranke Jugendliche meist dasselbe Maß an
Nationen ist festgelegt: Zuwendung und Streicheleinheiten wie kleinere Kin-
92 7  Körperpflege

der, doch gleichzeitig sehnen sie sich danach, als Er- (Stuhlentleerung). Auch ohne orale oder enterale
wachsene akzeptiert zu sein. Pflegende benötigen Nahrungsaufnahme ist Stuhlgang zu erwarten.
deshalb erhebliche Sensibilität, um die jeweils richti- Pflegende befragen die Eltern in der Anamnese
ge Dosis von Distanz und Zuwendung zu finden. zur Stuhlfrequenz, bisher aufgetretenen Problemen
und deren Therapie.
Sie kontrollieren den Stuhlgang hinsichtlich Men-
ge, Beschaffenheit, Farbe, Beimengungen und Ge-
7.3  Unterstützung bei der ruch und dokumentieren die Befunde.
Ausscheidung Ebenso achten sie auf eine regelmäßige Stuhlent-
leerung, da ein zu stark gefüllter Darm wegen des
beeinträchtigten Wohlbefindens durchaus zu Prob-
7.3.1  Miktion lemen, z. B. der Atmung und des Kreislaufs, führen
kann.
Die pflegerische Unterstützung der Miktion (Bla- Zur Unterstützung der spontanen Defäkation
senentleerung) ist durch Klopfmassage und physi- können Pflegende oder die Angehörigen eine
kalische Reize möglich. Bei der Klopfmassage be- Bauchmassage durchführen.
klopfen Pflegende die Bauchdecke zwischen Sym- Sie ist bei Blähungen, Bauchkrämpfen, Obstipati-
physe und Nabel synchron zur Herzfrequenz leicht on und reduzierter Darmperistaltik angezeigt.
mit den Fingern. Meist führt dies bei gefüllter Bla- Voraussetzungen für die Effektivität der Bauch-
se zur reflektorischen Entleerung. Allerdings massage sind ausreichend Zeit und eine ruhige Um-
kommt es vor, dass der Erfolg etwa 10 Min. verzö- gebung.
gert eintritt. Pflegende lagern das Kind zur Bauchmassage in
leichter Oberkörperhochlage auf den Rücken und
VORSICHT winkeln seine Knie an. Abhängig von seiner Körper-
Harnblase keinesfalls ausdrücken, da unsachgemäßes größe massieren sie mit den Fingerspitzen oder der
Vorgehen ein hohes Verletzungsrisiko der Blasenschleim- gesamten Hand.
haut sowie der Bauchorgane birgt. Außerdem kann die- Alle folgenden Massageschritte jeweils 6×, den
7 ses Vorgehen einen Vagusreiz auslösen oder den Reflux
von Urin ins Nierenbecken verursachen.
gesamten Ablauf 2× durchführen.
• Hand liegt rechts neben dem Nabel und massiert
entsprechend des Dickdarmverlaufs im Uhrzei-
Physikalische Reize: gersinn um den Nabel.
• Bei gefüllter Blase feucht-kühle Kompresse für • Beide Beine zum Bauch führen, 6 Sek. halten und
kurze Zeit auf die Bauchdecke legen dann strecken.
• Bei Kindern >6 Jahren einen feuchten Lappen auf • Linke Hand zeichnet einen vollen Kreis um den
den Bauch legen, der mit Eukalyptusöl (verdünnt Nabel, die Rechte gleichzeitig einen von links
im Verhältnis 1:1 mit Trägeröl, z. B. Sonnenblu- nach rechts weisenden Halbmond.
me, Weizenkeim, Jojoba) beträufelt ist • Knie zum Bauch führen und die Beine im Uhrzei-
• Hand des Kindes für 10 Min. in lauwarmes Was- gersinn kreisen lassen.
ser halten • Beine im Wickelgriff halten und entweder den
• Geräusch von fließendem Wasser herstellen (z. B. Unterarm, wie ein „Nudelholz“, über den Bauch
Wasserhahn laufen lassen) rollen oder mit der Hand Schaufelbewegungen
ausführen.
• „Lotussitz“: die Sohle eines Fußes liegt jeweils an
7.3.2  Defäkation der Innenseite des gegenüberliegenden Ober-
schenkels, die Unterschenkel liegen parallel zuei-
Durch die Immobilität und die häufige oder dauer- nander; dieses „Paket“ Richtung Bauch drücken,
hafte Analgosedierung kommt es bei Intensivpatien- kurz halten und wieder öffnen, Beine befinden
ten sehr häufig zu Problemen bei der Defäkation sich abwechselnd vorn bzw. hinten.
7.3  Unterstützung bei der Ausscheidung 93

Während der Massage halten Pflegende stets den • Darmrohr unter leichten Drehbewegungen je
Kontakt zum Patienten, indem sie die Hand, die eine nach Größe des Kindes 2–10 cm tief einführen;
Bewegung beendet hat, erst dann vom Körper ent- Darmrohr niemals gegen einen Widerstand vor-
fernen, wenn die andere Hand ihre Ausgangsposi­ wärts schieben
tion eingenommen hat.
Einlauf
VORSICHT
Über dem Sonnengeflecht (vegetatives Nervengeflecht, Bringt die Anlage des Darmrohrs nicht den er-
Fasern des N. vagus), also im Bereich der Magengrube, wünschten Erfolg, ist u. U. ein Einlauf angezeigt.
jeglichen Druck vermeiden. Er regt die Darmperistaltik durch Druck, Menge,
Temperatur und die chemische Zusammensetzung
Die Wirkung der Massage lässt sich durch Aromaöle der verabreichten Flüssigkeit an.
unterstützen, z. B. Kümmel, Fenchel (stark verdünnt Zum Einlauf eignet sich körperwarmes NaCl 0,9 %
in Trägeröl, z. B. Sonnenblume, Weizenkeim, Jojoba), (Menge ›  Tab. 7.2). Bei größeren Kindern setzen
Weleda-Bäuchlein-Öl®. Bei Früh- und Neugeborenen die Pflegenden der Flüssigkeit ggf. Glyzerin zu.
ist die Anwendung ätherischer Öle nicht zulässig. Die Pflegenden klären das Kind altersentspre-
Bäuchlein-Öl® ist speziell für Babys hergestellt. Die chend auf und lagern es auf die linke Seite.
Massage dauert etwa 10 Min. Während dieser Zeit
beobachten die Pflegenden das Kind, um beurteilen Durchführung
zu können, ob es eher ruhig oder unruhig reagiert. • Darmrohr einfetten, z. B. mit Vaseline oder Be-
Eine Fußreflexzonenmassage zur Anregung der panthen-Salbe®, darauf achten, dass die Öffnun-
Defäkation wird nur von speziell ausgebildeten Per- gen frei bleiben
sonen durchgeführt. • Einmalhandschuhe anziehen, um Kontaminatio-
Führen die genannten Maßnahmen nicht zum ge- nen zu vermeiden
wünschten Erfolg, haben die Pflegenden die Mög- • Darmrohr unter leichten Drehbewegungen je
lichkeit, ein Darmrohr zu legen und bei weiterem nach Größe des Kindes 2–10 cm tief einführen.
Ausbleiben der Defäkation ein Klistier oder einen Darmrohr niemals gegen einen Widerstand vor-
Einlauf zu verabreichen. Bei diesen Maßnahmen be- wärts schieben 7
achten sie den Schutz der Intimsphäre und des kind- • Flüssigkeit applizieren
lichen Schamgefühls. • nach Entfernen des Darmrohrs Gesäßfalte zu-
sammendrücken, um eine angemessene Verweil-
dauer der Flüssigkeit im Darm zu sichern
Darmrohr
• Erfolg der Maßnahme evtl. mit Bauchmassage
Die Einlage eines Darmrohrs kann den Enddarm unterstützen
von Kot und Darmgasen entlasten. Pflegende ver- • Zur Dokumentation entleerte Menge wiegen und
wenden weiche und flexible Darmrohre und bemes- das Gewicht der applizierten Flüssigkeit abziehen.
sen ihre Größe nach der Körpergröße des Kindes und
der Indikation. Sie klären das Kind altersentspre-
chend auf und lagern es mit angewinkelten Beinen Tab. 7.2  Benötigte Flüssigkeit für einen Einlauf je
auf die linke Seite. Zum Schutz der Bettwäsche dient nach Alter des Kindes. Es eignet sich körperwarmes
eine flüssigkeitsundurchlässige Einmalunterlage. NaCl 0,9 %.
Alter benötigte Flüssigkeits-
Durchführung menge
• Darmrohr einfetten, z. B. mit Vaseline oder Be- FG 5–10 ml
panthen-Salbe®; darauf achten, dass die Öffnun-
NG 10–20 ml
gen frei bleiben
Säugling 30–50 ml
• Einmalhandschuhe anziehen, um Kontaminatio-
nen zu vermeiden Klein-/Schulkind 100–300 ml
94 7  Körperpflege

Klistier mulation durch ein erhöhtes Stuhlvolumen, das


durch die Wasserretention aus dem Darm entsteht,
Die Durchführung entspricht der des Einlaufs. Klis- andererseits eine direkte Darmstimulation durch die
tiere führen durch den meist hohen Anteil an Zu- Instillation der Flüssigkeit und eine Anregung der
cker- oder Mineralstoffen zum Wasserentzug aus Peristaltik.
der Darmwand und somit zur Verflüssigung des Laxanzien ziehen rasch einen Gewöhnungseffekt
Kots. Mikroklistiere enthalten eine kleine Menge ab- nach sich und eignen sich nur zu einem kurzfristi-
führender Flüssigkeit. Pflegende verabreichen das gen Einsatz.
Klistier körperwarm.
VERWENDETE LITERATUR
Unterstützende Maßnahmen Augustin, M.; Schmiedel, V.: Praxisleitfaden Naturheil-
kunde. 2. Auflage, Jungjohann Verlagsgesellschaft, Ne-
Die frühzeitige Mobilisation des Kindes unterstützt ckarsulm, 1994
seine Fähigkeit zur Eigenaktivität und fördert die www.akik.de (Letzter Zugriff 27.12.2011)
Darmtätigkeit. Zusätzlich achten Pflegende auf aus- www.kinderpolitik.de/bibliothek/content/index.html?a=/
bibliothek/content/3_1.htm (Letzter Zugriff 27.12.2011)
reichende Flüssigkeitszufuhr. Vor allem bei Kindern Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpfle-
vor und nach kardiochirurgischen Eingriffen ist dies ge. Gustav Fischer, Lübeck/Stuttgart/Jena/Ulm, 1998.
allerdings meist nur schwer möglich. Die Gabe von Schäper, A.; Gehrer, B. (Hrsg.): Pflegeleitfaden Intensiv-
Laxanzien bewirkt einerseits eine indirekte Darmsti- pflege Pädiatrie. Urban & Fischer, München/Jena, 1999.

7
KAPITEL
Integration

8 entwicklungsfördernder
Maßnahmen
8.1  Basale Stimulation® in der Sie konzentriert sich vor allem auf die Förderung,
Pflege Pflege und Begleitung von Menschen in krisenhaften
Uta Münstermann Lebenssituationen, in denen der einzelne Mensch in
seinen Möglichkeiten deutlich einschränkt oder von
dauerhafter Behinderung bedroht ist. [1]
Intensivpflichtige Kinder fordern Pflegende im be- Dies betrifft im Besonderen Kinder und Jugendli-
sonderen Maße. Kinder, die frühzeitig auf die ele- che auf einer Intensivstation. FG und NG sind dabei
mentaren intrauterinen Erfahrungen verzichten aufgrund ihrer unzureichenden Hirnreife auf Pfle-
mussten ebenso, wie Kinder und Jugendliche, die gende, Betreuende und Eltern angewiesen, die ihnen
aufgrund lebensbedrohlicher Situationen erhebliche Bedingungen schaffen Entwicklung zu erfahren. Je-
Einschränkungen in ihrer Entwicklung erfahren. Sie der Mensch hat in allen Lebensphasen individuelle
benötigen umso mehr eine pflegerische Unterstüt- Bedürfnisse. Dazu gehören Sicherheit, Geborgen-
zung und Begleitung. Die Implementierung entwick- heit, Gesundheit, Beziehung, Partnerschaft, Bildung,
lungsfördernder Konzepte ist dabei unabdingbar. Entwicklung, Beschäftigung, Ruhe und Aktivität.
Der Sonderpädagoge Andreas Fröhlich entwickel- Diese stimmen mit den zentralen Bedürfnissen jedes
te bei seiner pädagogischen Arbeit mit geistig und Patienten überein und stehen im Zentrum pflegeri-
körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen in scher Interventionen. Die Wichtigkeit und Wertig-
den 70-er Jahren das Konzept der Basalen Stimula- keit dieser einzelnen Bedürfnisse ist individuell.
tion®. Er stellte fest, dass diese Kinder trotz ihrer Be- Bienstein und Fröhlich beschreiben dies in den
hinderung erlebnis- und wahrnehmungsfähig sind. Zentralen Zielen:
Zehn Jahre später knüpfte die Krankenschwester • Leben erhalten und Entwicklung erfahren
Christel Bienstein erste Kontakte zu Andreas Fröh- • das eigene Leben spüren
lich und gemeinsam begannen sie, die Basale Stimu- • Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen
lation® in die Pflege zu übertragen. Elementare Be- • den eigenen Rhythmus entwickeln
dürfnisse schwerstkranker Menschen standen nun • Außenwelt erfahren
im Vordergrund, individuell entwickelte Pflegean- • Beziehung aufnehmen und Begegnung gestalten
gebote ermöglichten eine professionelle Bereuung. • Sinn und Bedeutung geben
Das Konzept „Basale Stimulation®“ befindet sich in • das eigene Leben gestalten
einem stetigen Entwicklungsprozess und ist als pfle- • Autonomie leben und Verantwortung übernehmen
getherapeutisches Konzept in pädagogischen, thera- Basal stimulierende Angebote unterstützen das Kind
peutischen und pflegerischen Arbeitsgebieten fest sich zu orientieren, bieten Möglichkeiten zur Entde-
integriert. ckung eigener Fähigkeiten; Angebote, die es ihm er-
möglichen das eigene Leben zu spüren und somit
Entwicklung zu erfahren.
8.1.1  Grundlagen des Konzepts
Basale Stimulation® hat zum Ziel, Menschen elementare
Basale Stimulation® umfasst die individuelle Begeg- Sinneserfahrungen zu ermöglichen, die Einschränkungen
nung, sowie die vertrauensvolle und sicherheitsver- in ihrer Bewegung, Erlebnis- und Wahrnehmungsaktivität
mittelnde Beziehung zum Kind. sowie der Kommunikation erfahren.
96 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Dies erfordert von den Pflegenden: den und anfassen, also „begreifen“. Stetig sind sie
• Fähigkeit, die momentane Lebens- und Leidens- auf der Suche nach taktilen und vor allem oralen Er-
situation des intensivpflichtigen Kindes zu erfas- fahrungen. Damit sie diese erleben können, benöti-
sen gen sie zum einen die Fähigkeit, sich zu bewegen,
• Sensibilität, eine geeignete kommunikative Ebene zum anderen Mitmenschen, die die Umwelt durch
zu finden Bewegung erfahrbar machen. Bewegung ist die Vor-
• Fachwissen und Kreativität, um Angebote zu ent- aussetzung für Kommunikation und Wahrneh-
wickeln, die die Wahrnehmungsaktivität des ein- mungsentwicklung. [2]
zelnen Kindes unterstützen Menschen, die in ihrer Bewegungsmöglichkeit
Eine entwicklungsfördernde und sicherheitsvermit- und somit in ihrer Erlebnis- und Wahrnehmungsfä-
telnde Pflege setzt zudem eine wohlwollende Bezie- higkeit reduziert sind und somit im kommunikati-
hung, ein Kennenlernen voraus, denn jeder Mensch ven Bereich Einschränkungen erleben, können
bringt individuelle Erfahrungen und Möglichkeiten durch Basale Stimulation® Förderung erfahren. Be-
mit in den Dialog. Die Wahrnehmungsfähigkeit, die sonders Kinder, die intensivmedizinischer Behand-
Bewegungsaktivität und die kommunikativen Fähig- lung bedürfen, sind häufig Einschränkungen der ge-
keiten des Kindes können somit erst erfasst werden. nannten Lebensäußerungen ausgesetzt. Um negati-
Dem Kind können nun Angebote über seine ihm zur ve Folgen für ihre Entwicklung zu minimieren bzw.
Verfügung stehenden Sinne gemacht werden, die es zu verhindern, sind basal stimulierende Angebote
unterstützen, sich im Hier und Jetzt zu spüren. gerade in der pädiatrischen Intensivpflege unab-
Gerade in der Pflege intensivpflichtiger Kinder dingbar.
sind solche Angebote unverzichtbar. Orientierung, Die Wahrnehmung der Kinder differenziert sich
Beziehung, Sicherheit und Stabilität wirken Angst, im Laufe ihrer Entwicklung durch Bewegungen und
Verunsicherung und Schmerz entgegen. kommunikative Erfahrungen, denn im Gehirn ver-
Die betreuenden Personen bilden ein multidiszip- schalten sich die Neuronen vor allem in den ersten
linäres Team, d. h. die Zusammenarbeit zwischen Lebensjahren und bilden schließlich ein dichtes
Eltern, Pflegenden, Ärzten, Physiotherapeuten, Sozi- Netz. Das Maß der Vernetzung hängt von der Stimu-
alarbeitern, Laborassistenten und Stationsassisten- lation durch die Umwelt ab, nicht aber von der Grö-
ten ist von elementarer Bedeutung. ße oder dem Gewicht des Gehirns. [3]
Es gilt, die Besonderheit der fetalen Hirnreifung
Alle Überlegungen, Planungen und Angebote erfolgen zu berücksichtigen, um Schäden und Entwicklungs-
individuell und unter Berücksichtigung der kindlichen und störungen zu minimieren, die auch durch Überrei-
8 familiären Ressourcen. zung und Überforderung entstehen können.

Wahrnehmung, Kommunikation, Habituation


Bewegung
In Eigenerfahrung kann jeder die Folgen von Bewe-
Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung gungsinaktivität erleben. Körpergefühl und Körper-
stehen in engem Zusammenhang und sind nicht selbstbild verschieben sich bereits nach zwanzigmi-
voneinander zu trennen. Die Wahrnehmungsfähig- nütigem Liegen derart, dass der Proband seine Kör-
keit ist für Menschen selbstverständlich. Sie ist ein pergrenzen nicht mehr deutlich wahrnimmt. Die
aktiver Prozess und führt dazu, dass Menschen sich Teilnehmer solcher Übungen fühlen sich überwie-
ihrer selbst und ihrer körperlichen Möglichkeiten gend dick, unförmig und kalt. Sie empfinden Druck
bewusst sind. Durch sie sind Menschen in der Lage, und Schmerz an den Auflagepunkten. Einige berich-
sich mit ihrer Umwelt auseinander zu setzen, diese teten von einer Verschmelzung mit der Auflageflä-
zu verstehen, das heißt allgemein: zu kommunizie- che.
ren. Eine Reizsituation die sich nicht verändert, wird
Besonders Kinder sind von Natur aus neugierig immer undifferenzierter. Sie reduziert sich auf grobe
und wissbegierig. Sie möchten ihre Umwelt erkun- Wahrnehmung wie Druck, Temperatur, Schmerz-
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 97

reiz. Dieses Phänomen wird als Habituation (Ge­ Für viele intensivpflichtige Kinder ist dieser Pro-
wöhnung) bezeichnet. [3] zess nicht selten mit Abwehr und Schmerz verbun-
den. Taktile Reize in Verbindung mit Bewegungsim-
Verminderte Bewegung schränkt die Wahrnehmung ein pulsen empfinden sie häufig als unerträglich. Sie
und reduziert die Kommunikationsfähigkeit. verunsichern und führen nicht selten zu Spastiken
und Opisthotonus.
Eine angemessene Möglichkeit zur Mobilisation
Durch Bewegungsaktivität aktualisiert der Mensch und Anbahnung von Bewegungsaktivitäten kann die
seine körperlichen Möglichkeiten fortlaufend. Ist Verteilung des taktilen Reizes auf den gesamten
diese nun eingeschränkt, reduziert sich die Wahr- Körper sein. Dazu bewegen Pflegende das Kind mit
nehmung, die aktive Differenzierungsfähigkeit der gesamten Unterlage. Dadurch minimieren sie
nimmt ab. Das Körperselbstbild verändert sich. Dies Stress bzw. Abwehr und vermitteln Sicherheit.
kann Persönlichkeitsveränderungen, Veränderun- Konzepte wie Bobath® und Kinästhetik/Kinaest-
gen der Identität und des Verhaltens, bis hin zu phy- hetics® (› 8.2) sind unter basal stimulierenden As-
sischem Rückzug und Isolierung zur Folge haben. pekten gut in die Versorgung integrierbar.
[3]
Die reduzierte Auseinandersetzung mit sich selbst
und der Umwelt beeinflusst zudem die körperbezo- 8.1.2  Entwicklung der
gene und räumliche Orientierung. Der Betroffene Sinneswahrnehmung
kann sich nicht differenziert spüren. Es kommt zu
einer langsam zunehmenden Gewöhnung (degene- Vom Augenblick der Entstehung entwickelt sich der
rierende Habituation). Diese Habituation kann in Mensch durch die aktive Auseinandersetzung mit
allen Wahrnehmungsfeldern auftreten. Im somati- seinem intrauterinen Umfeld und wird mit indivi-
schen Bereich spüren die Patienten z. B. nicht mehr, duellen genetischen Faktoren und körperlichen Fä-
dass sie auf Falten, Salbenverschlüssen oder Moni- higkeiten geboren.
torkabeln liegen. Druck-, Temperatur- sowie Erfahrungen im kommunikativen Bereich sowie
Schmerzempfinden reduzieren sich ebenfalls. Die in der Bewegungs- und Wahrnehmungsaktivität
Patienten integrieren den Gegenstand in ihr Körper- prägen den Menschen intrauterin und für sein ge-
bild. Ein Dekubitus kann die Folge sein. samtes Leben. Intrauterin werden diese Erfahrun-
gen bereits gespeichert und können dem Menschen
Habituation und Bewegungsaktivität sind vor allem bei in den einzelnen Lebenssituationen wieder erfahr-
der Positionierung, Lagerung und Mobilisation des Pati- bar gemacht werden. Die somatischen, vestibulären 8
enten zu berücksichtigen. und vibratorischen Erfahrungen bilden hierbei die
basalen Grundlagen. Auch die orale, olfaktorische,
auditive, taktil-haptische und visuelle Wahrneh-
Um die Lage der Kinder und Jugendlichen zu verän- mung prägt das Kind.
dern, die unter schwersten Einschränkungen leiden,
ist das Wissen über individuelle Wahrnehmungs- Das Beispiel der „Umarmung“ macht deutlich, wie ele-
und Bewegungsmöglichkeiten unabdingbar. Ebenso mentar die sensorische Basis in fast jedem Menschen
sind die Lieblingslagen sowie Positionen, die Schutz verankert ist. Beinahe jeder kennt diese tröstende, tief
vermitteln (z. B. Embryonalhaltung, Nestlagerung), beruhigende Geste, die ein Urgefühl weckt und beinahe
zu berücksichtigen. Eine Lagerung auf weichen Ma- jeder kann es auch anderen Menschen vermitteln.
terialien schafft eher Entspannung, jedoch geht die Indem jemand einen anderen umarmt, gibt er ihm körper-
liche Begrenzung, d. h. somatische Informationen. Wenn
Orientierung des Menschen über seinen Körper eher der Umarmende dabei summt oder mit tiefer, tröstender
verloren. Dies provoziert geistige Orientierungslo- Stimme spricht, vermittelt er vibratorische Informationen.
sigkeit, die bis zu Persönlichkeits- und Identitätsver- Sachtes Wiegen erzeugt vestibuläre Informationen.
zerrungen reichen kann.
98 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Über diese zugewandte nonverbale Kommunikation Die Haut ist ein Medium der Kommunikation.
vermitteln sich Halt und Sicherheit, Vertrauen und Über sie stellen Menschen Kontakt zwischen sich und
Stabilität, Nähe und Wohlwollen. Der dabei entste- ihrer Umgebung her. Sie bildet aber auch eine Gren-
hende Kontakt ist Basis einer sicherheitsvermitteln- ze, mit deren Hilfe sich Kontakte beenden lassen. Die
den und vertrauensvollen Beziehung. Art der Berührungen und die Erfahrungen jedes Ein-
Basale Stimulation® knüpft an vorgeburtliche Er- zelnen im Bereich der somatischen Wahrnehmung
fahrungen im somatischen, vestibulären und vibra- prägen das Körperbewusstsein und das Selbstbe-
torischen Wahrnehmungserleben an. Alle basal sti- wusstsein. Frühe Erfahrungen von Berührung beglei-
mulierenden Angebote unterstützen die Patienten, ten einen Menschen durch sein gesamtes Leben. Hier
in den ihnen zur Verfügung stehenden Sinnesberei- besitzen Pflegende eine hohe Verantwortung.
chen unter Berücksichtigung ihrer elementaren und
individuellen Fähigkeiten. „Berührt, gestreichelt und massiert zu werden, das ist
Nahrung für das Kind.
Nahrung, die genauso wichtig ist, wie Mineralien, Vita-
Somatische Wahrnehmung und mine und Proteine.
Stimulation Nahrung, die Liebe ist.
Die somatische Wahrnehmung bezieht sich auf den Wenn ein Kind sie entbehren muss, will es lieber sterben.
Und nicht selten stirbt es.“ [5]
gesamten menschlichen Körper und umfasst die
Wahrnehmung der Körperoberfläche (Oberflächen­
sensibilität) über die Haut, die Tiefensensibilität so- Die Hände Pflegender sind ein kommunikatives Me-
wie die Wahrnehmung über Muskeln und Gelenke dium und vermitteln einem Kind Informationen in
(Propiozeption). Jedes ungeborene Kind ist von Form von Berührungen, z. B.:
Fruchtwasser umgeben. Die Gebärmutterwand bil- • Kraft
det eine Begrenzung, die das Kind seine Körpergren- • Druck
ze, sowie das Umfeld spüren lässt. Ebenso nehmen • Struktur
die Ungeborenen Temperatur und Druckverände- • Temperatur
rungen über die Haut wahr. • Emotionen
Die Haut ist das größte Wahrnehmungsorgan. Die Hände Pflegender senden aber nicht nur Signale,
Pflegerische Angebote, z. B. Ganzkörperwa- sie empfangen auch Informationen, indem sie z. B.
schung, kommunikative Entfaltungsmassage oder das Befinden des Kindes erfassen.
die umgrenzende Lagerung, können hier anknüp- Gerade Kinder in intensivpflegerischen Abteilun-
8 fen. Diese Berührungs- und Bewegungsangebote gen erfahren aufgrund der pflegerisch und therapeu-
können dem Kind helfen, seinen Körper zu spüren. tisch notwendigen Maßnahmen unzählige und häufig
Darüber hinaus vermitteln sie Aktivität, Entspan- negative Berührungen, z. B. Blutentnahme, Absaugen.
nung, körperliche Nähe und Geborgenheit. Diese Berührungen unterliegen selten festgeleg-
ten Regeln. Einige sind angekündigt, andere nicht,
manche erfolgen geplant und gewollt, andere spon-
tan oder zufällig. Die Kinder sind ihnen wehrlos aus-
Visuell gesetzt.
Das Bewusstsein der Möglichkeiten, die in den
Taktil
Händen liegen, strukturierte und für das Kind nach-
Auditiv
vollziehbare Berührungen auszuführen, schaffen die
Voraussetzung, eine vertrauensvolle und sicher-
Oral Olfaktorisch heitsvermittelnde Beziehung zum Kind aufzubauen.

Somatisch Vestibulär Vibratorisch


Pflegende denken immer daran, dass sie eine Persönlich-
keit berühren, die Respekt verdient.
Abb. 8.1  Basale Grundlagen. [O591]
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 99

Allen pflegerischen Handlungen muss eine patien- Körpers festgelegt, an denen sie niemand berühren
tengerechte Information vorausgehen, die dem Kind darf.
eindeutig vermittelt „Ich möchte mit dir in Kontakt Vorlieben und Bedürfnisse können sich grundle-
treten“. Die rein verbale Ansprache ist für bewusst- gend sowie innerhalb von Stunden verändern und
seinseingeschränkte Kinder häufig nicht ausrei- besitzen auf einer Intensivstation keine dauerhafte
chend. Die Kontaktaufnahme mittels der Hände und Gültigkeit. Die Pflegenden erfassen deshalb täglich
die Qualität der Berührung spielen eine entschei- die aktuellen Bedürfnisse des einzelnen Kindes.
dende Rolle. Das zentrale Ziel der Pflegenden ist die Vermitt-
lung von Rhythmus und Sicherheit.
Initialberührung und Verabschiedungsberührung Dazu gehört ein individuelles Begrüßungsritual,
Für Erwachsene des abendländischen Kulturkreises die Initialberührung. Hand, Arm und Schulter bie-
ist die Begrüßung per Handschlag ein selbstver- ten sich zur Kontaktaufnahme an. Im Umgang mit
ständliches Ritual. Sie entspricht der Höflichkeit. intensivpflichtigen Kindern, die unter Einschrän-
Die Hand gilt Erwachsenen als öffentliche Körperre- kungen ihrer Bewegungs- und Wahrnehmungsfä-
gion und eine dort stattfindende Berührung unter- higkeit leiden, ist eine körpernahe Initialberührung
liegt nur geringen Restriktionen. sinnvoll. Ein Berührungsbeginn am Körperstamm
Die Einteilung des Körpers in Areale unterschied- oder dem vorderen Thorax hat sich nicht bewährt,
licher Privatheit verändert sich im Laufe des Lebens. da die Kinder evtl. schon viele negative und lebens-
Menschen nehmen je nach Alter ihren Körper sehr bedrohliche Erfahrungen in diesem Bereich gemacht
unterschiedlich wahr und sind darauf angewiesen, haben, z. B. aufgrund kardio-respiratorischer Prob-
dass das jeweilige Gegenüber diese Bedürfnisse res- leme, Langzeitbeatmung oder einer Reanimation.
pektiert. Sie empfinden Berührungen am Körperstamm häu-
Bienstein und Fröhlich beschreiben in ihrem fig als bedrohlich. Eine Begrüßung am hinteren Teil
Buch „Basale Stimulation in der Pflege“, dass Babys des Thorax dagegen nehmen einige Kinder positiv
und Kleinkinder das Recht auf Körperkontakt ein- an.
fordern. Sie benötigen Sicherheit und Vertrauen. Bei FG bietet sich die Kontaktaufnahme über den
Im Kindergarten- und Schulalter äußern Kinder Kopf oder die Füße an. Intrauterin sind die Kinder
ihre veränderten Bedürfnisse oft durch stark ausge- im permanenten kommunikativen Wahrnehmungs-
prägte Berührungen, etwa Schubsen und Rempeln. und Bewegungsaustausch mit ihrer Mutter, indem
Mit Eintritt in die Pubertät erhalten körperliche sie z. B. mit ihren Füßen gegen die Uteruswand tre-
Kontakte eine verbale Dimension. In dieser Phase ten.
geben Jugendliche die Hand oft zögerlich und ohne Neben der Begrüßung, die dem Kind Aktivität an- 8
großen Druck. kündigt, ist auch die eindeutige Verabschiedung es-
Neben dem Alter nehmen Religion, Kultur und senziell. Pflegende signalisieren mit einer unmiss-
der familiäre Umgang mit Nähe und Distanz einen verständlichen Abschiedsgeste, dass vorerst keine
enormen Stellenwert bei der Entwicklung der Be- weiteren Maßnahmen geplant sind und die erholsa-
rührungsgewohnheiten ein. Pflegende beachten die- me Schlafphase beginnen kann. Sie vermitteln auch
se Aspekte in der individuellen Pflegeplanung. damit Ruhe und Sicherheit.
Hilfreich ist hier die Erstellung einer biografi- Sinnvoll ist es, die Form der Initialberührung in
schen Anamnese unter Berücksichtigung von: der Planung und Dokumentation zu fixieren. Somit
• Alter und Entwicklungsalter (Ressourcen) ist gewährleistet, dass alle Personen, die mit und an
• Kultur, Religion dem Kind pflegerische, therapeutische und diagnos-
• familiärer Umgang mit Intimität, Nähe und Dis- tische Tätigkeiten ausüben, das Begrüßungs- und
tanz Verabschiedungsritual berücksichtigen.
• Umgang mit Freunden und Verwandten Bei der Erarbeitung eines Tagesplanes achten
Ebenso wichtig ist es, die Berührungszonen heraus- Pflegende darauf, dem Patienten einen Rhythmus
zufinden. Wer darf den Patienten wann, wo und wie von Aktivität und Ruhe bzw. Tag und Nacht zu ver-
berühren? Manche Menschen haben Zonen ihres mitteln.
100 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Dies erreichen sie u. a. durch: Berührungen, die taktile Abwehr hervorrufen kön-
• Verwendung eines indirekten Nachtlichts am Pa- nen:
tientenplatz • Sondenpflaster oder gelöste Elektrode festdrü-
• Abdunkeln des Patientenplatzes, z. B.: cken
– Inkubator mit einem Tuch abdecken • Auge öffnen, um Augentropfen zu verabreichen
– Bett mit Himmel für NG und KK • Wechseln der SaO2-Sonde
– große Decken, Schlaufengardinen oder ein • Schleifen eines zu großen Handtuches an der
Bettlaken über Patientenaufrichter legen Haut beim Abtrocknen
Das Öffnen der Abdeckung kündigt Aktivität an, das • achtlos in das Bett gelegte, bzw. an und auf den
Schließen verdeutlicht die anstehende Ruhephase. Bauch des Kindes gestellte Verpackung (z. B. ei-
Der Tagesplan in Blickhöhe und unmittelbarer Nähe nes sterilen Handschuhs, eines Absaugkatheters)
zum Patientenbett dient als Erinnerungshilfe. Neben
der Festlegung der Initialberührung und des Begrü- Pflegende bahnen alle geplanten Maßnahmen an.
ßungsrituals enthält er alle planbaren Pflegemaßnah-
men. Dies schafft Rhythmus und Sicherheit, ebenso
wie feste Bezugspersonen und wenig Personalwechsel. Zum Anbahnen eignet sich u. a. die taktile Bewusst-
Pflegende halten die festgelegten Ruhephasen ein, so- machung. Pflegende geben dazu dem Kind z. B.
fern der Zustand des Patienten dies erlaubt. Waschlappen, Sonde, Zahnbürste oder Elektroden
Intensivpflichtige Kinder müssen eine Vielzahl zunächst in die Hand.
von Berührungen, zudem von zahlreichen unter- Die Pflegeaktivitäten werden für das Kind nach-
schiedlichen Personen über sich ergehen lassen. vollziehbar gestaltet. Pflegende kündigen das Ange-
Pausen gibt es beinah nicht. bot verbal als auch nonverbal an. Neben der Initial-
berührung eignet sich u. a. das taktile Bewusstma-
Pflegende berücksichtigen, dass Frühgeborene durch- chen, z. B. Waschlappen zunächst an der Hand spü-
schnittlich 130-mal in 24 Stunden berührt werden, was ren lassen. Gleiches gilt für andere Gegenstände,
eine Gesamtzeit von 3,7–4,3 Stunden bedeutet. Die z. B. Sonden, Zahnbürste, Elektroden.
meisten Störungen gingen hier von Pflegenden und Hilfs-
Beim Wechsel der SaO2 Sonde kann eine flächige
personal aus. [6]
Berührung, z. B. zum Fuss, dem Kind Aktivität, Ori-
entierung und Sicherheit vermitteln.
Berührungsqualität, taktile Abwehr und Pflegende unterbrechen den Körperkontakt wäh-
Anbahnung von Maßnahmen rend der Pflege möglichst nicht. Falls dies doch erfor-
8 Flächige Berührungen und tragende Angebote, z. B. derlich sein sollte, ist der Handkontakt an der Stelle,
Waschen des Beins mit gleichmäßigem und kons- an der er unterbrochen wurde, durch einen anderen
tantem Druck, vermitteln dem Kind die eigene Kör- Gegenstand (z. B. Spielzeug, Handtuchrolle) zu erset-
perform und geben ihm das Gefühl von Sicherheit zen. An dieser Stelle beginnen Pflegende erneut,
und Angenommensein. Punktuell, plötzlich und wenn sie die unterbrochene Handlung fortsetzen.
flüchtig ausgeführte Berührungen können taktile Viele intensivpflichtige Kinder sind in ihrer
Abwehr hervorrufen. Diese kann sich durch Spastik, Wahrnehmungsfähigkeit so sehr eingeschränkt,
Veränderungen von Atmung und Herzaktivität so- dass sie Berührungen von zwei unterschiedlichen
wie allgemeinem Rückzug äußern. Personen verunsichert und sie dies als bedrohlich
Pflegende beachten, dass das Gesicht hochemp- empfinden. Deshalb berührt möglichst nur eine
findlich ist, weil seine Haut mit vielen Tastkörper- Pflegekraft das Kind.
chen ausgestattet ist.
Ausstreichungen
VORSICHT Gerade morgens spüren Menschen ihre Körper nur
Stress und Schmerz führen zu Abwehr und Rückzug und bedingt. Um die Müdigkeit zu vertreiben recken und
wirken somit der positiven Entwicklung des Patienten strecken sie sich. Nicht selten begleitet Gähnen diese
entgegen. ersten Bewegungen nach dem Aufwachen. Kinder
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 101

mit Einschränkungen der Bewegungsaktivität kön- – Wie? (Ist dem Kind Waschen oder Duschen
nen dies nur bedingt ausführen. Um ihnen einen vertrauter?)
ersten Eindruck ihrer körperlichen Möglichkeiten – Womit? (z. B. Waschhandschuhe, Kinder-
zu vermitteln, kann das Ausstreichen entlang der schwämme, Zusätze)
Körperkonturen sinnvoll sein, z. B. verbunden mit – Wer? (darf waschen, darf mit im Raum sein?)
dem Entfernen der Decke und dem Druck an Füßen – Musik oder andere Unterhaltung während der
und Kopf. Die Kinder erfahren „Dies bin ich, dies Körperpflege z. B. Radio, Kassette?
sind meine körperlichen Möglichkeiten“, „Hier en- Was zu Hause oder gestern noch Gültigkeit hatte,
det mein Körper.“ kann heute hinfällig sein. Eine Anamnese ist unab-
dingbar, ersetzt aber nicht die Beobachtung der ak-
Umgrenzende Lagerung tuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten des Kindes
Lagerungsschlangen können so gelegt werden, dass in der momentan stattfindenden Interaktion.
sie den gesamten Körper des Kindes umgrenzen. Ein Grundsätzlich beachten Pflegende die Aspekte
darüber gespanntes Tuch oder eine Bettdecke geben der Berührungsqualität. Ist mit einem Waschhand-
Begrenzung bei Bewegung, vermitteln einen taktilen schuh kein entsprechendes Ergebnis zu erzielen,
Reiz und machen Körperkonturen spürbar. Schlaf- verwenden sie zwei Waschhandschuhe oder Wasch-
und Strampelsäcke für Kinder bis 6 Jahre sowie spe- läppchen.
zielle Einschlagdecken für FG (z. B. Toffels®, Snugg- Außerdem gilt:
les®) nutzen ebenfalls die Bewegungsaktivität der • Nur eine Person wäscht.
Kinder. Die Sicherheit spendende Hülle aus unter- • Alle Pflegeutensilien befinden sich in Reichwei-
schiedlichen Materialien vermittelt Halt und wirkt te, um unnötige Unterbrechungen zu vermeiden.
beruhigend. • Je häufiger Pflegende einen Körperteil bewusst
waschen, desto intensiver spürt das Kind die Be-
rührung. Sie wiederholen deshalb Berührungen
8.1.3  Ganzkörperwaschungen üblicherweise 1–4-mal, richten sich jedoch nach
dem Befinden des Patienten.
Primär dient die Ganzkörperwaschung (GKW) der • Pflegende halten die Symmetrie der Berührun-
Reinigung. Hygienische Aspekte stehen nach wie vor gen ein. Dies gilt besonders für die Extremitäten.
im Vordergrund, jedoch messen Pflegende inzwi- Durch eine Verschiebung der Körpermitte kön-
schen den individuellen Bedürfnissen der Kinder ei- nen Wahrnehmungsstörungen entstehen. Das
ne höhere Bedeutung zu. Kind nimmt dann seine Körperhälften bezüglich
Aufgrund hygienischer Vorschriften beginnen Temperaturempfinden, Bewegungsfähigkeit und 8
viele Pflegende mit der Waschung des Gesichtes. Die Schwere unterschiedlich wahr.
Berücksichtigung der Wahrnehmungsaktivitäten • Keine Gespräche mit anderen Personen während
des Patienten und das Wissen, dass das Gesicht der GKW. Die Aufmerksamkeit ist ganz auf das
hochsensibel ist, machen dieses Vorgehen zu einem Kind gerichtet.
pflegerischen Fehlgriff. Diese Art der GKW ruft bei • Verbale Begleitung beim Waschen minimieren
einem in der Wahrnehmung reduzierten Patienten bzw. den Bedürfnissen des Kindes anpassen. Es
Abwehr hervor. Sie verfehlt die Ziele der Förderpfle- soll sich ganz auf das Waschen und das Nachspü-
ge: Stärkung der Eigenwahrnehmung, Aufmerksam- ren seines Körpers konzentrieren können.
keit und der Ressourcen des Kindes. • Bei älteren Kindern Kopf etwas unterlagern, da-
Pflegende berücksichtigen in der Planung: mit sie die Waschung auch visuell aufnehmen
• Anamnese und nachvollziehen können.
– Wann? (Uhrzeit der Grundpflege, vertrauter • Ein festgelegter Ablauf schafft Rhythmus für
Rhythmus und Rituale, z. B.: Wann hat sich das Kind und ist gerade im Lernprozess für Pfle-
das Kind daheim die Zähne geputzt?) gende hilfreich. Pflegende planen die Abfolge der
– Wo? (gewohnter Ort der Pflegehandlungen, Waschung dennoch individuell bzw. überlassen
z. B. Badezimmer, Wickelkommode) diese Entscheidung dem Kind. Im Sinne der Ba-
102 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Zielgruppe
Kinder, deren Körpergefühl sich nach zentral redu-
ziert hat, bzw. verloren gegangen ist. Häufig inten-
sivpflichtige Kinder, die in den Bewegungsmöglich-
keiten und somit in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit
eingeschränkt sind. Die entfaltende Ganzkörper-
waschung dient der primären Körpererfahrung. Sie
ist daher die Methode der Wahl für FG und NG.

Material
• 2 Waschhandschuhe (Fäustlinge, Söckchen für
Neugeborene)
• wegen des kleinen Thorax von Frühgeborenen,
evtl. eine Kompresse als Waschlappen verwenden

Wassertemperatur und Zusätze


Abb. 8.2  Allgemeine Haarwuchsrichtung. [M205] • 37 °C oder etwas wärmer → wichtig: Waschhand-
schuhe kühlen beim Auswringen um 10 °C ab,
salen Stimulation® beginnen Pflegende körper- Wassertemperatur bei ca. 42 °C optimal
nah, z. B. am Thorax oder an der Schulter. • grundsätzlich anfangs auf Zusätze verzichten, da
die Art der Waschung entscheidend ist, nicht der
Zusatz
Vorbereitung
• warme, angemessene Raumtemperatur Mögliche Reihenfolge
• für ruhige Atmosphäre sorgen Brustkorb
• Richten der benötigten Utensilien • Waschhandschuhe flächig einsetzen, je nach Grö-
• patientengerechte Information ße des Kindes beide Hände mittig neben das Ster-
• Herstellen eines Sinnzusammenhanges, z. B. num legen.
– akustisch: Wasserplätschern beim Füllen der • Zeit zum „Erspüren“ geben.
Waschschüssel • Entlang des Rippenverlaufs gleichzeitig mit bei-
– taktil-haptisch: Waschlappen und Wasser er- den Händen nach außen waschen.
8 fahrbar machen • Die erste Hand legt sich nach der Waschbewe-
Im Rahmen der Basalen Stimulation® in der Pädiat- gung an die Ausgangsposition, dann erst rückt
rie sind folgende Formen der Ganzkörperwaschun- die andere nach, damit der Kontakt zum Kind
gen gebräuchlich: nicht abbricht.
• entfaltende GKW • Bei FG flächig vom Thorax bis Bauch waschen,
• beruhigende GKW evtl. Bauch im Uhrzeigersinn.
• belebende GKW Diagonale
• Neurophysiologische GKW • Mit einer Hand von der vorderen Schulter zum
• basal stimulierende GKW gegenüberliegenden unteren Rippenbogen strei-
• geführte GKW chen, dann setzt die andere Hand sich in Bewe-
gung. Dieser Ablauf hat sich bei NG bewährt, da
sie die embryonale Haltung verstärkt.
Entfaltende Ganzkörperwaschung
• Die eigentliche entfaltende GKW enthält eine dia-
Ziel gonale Waschrichtung von der Flanke zur Schul-
Unterstützung und Förderung der Körperwahrneh- ter. Sie ist bei Kindern mit Spastiken und Opis­tho­
mung. tonus angezeigt. Verstärken Pflegende die Kinder
in ihrer Körperposition, bedeutet das für sie Ak-
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 103

zeptanz und eine Lockerung der Muskulatur setzt Wassertemperatur und Zusätze
eher ein. Siehe entfaltende Ganzkörperwaschung oben
Bauch
• Kreisförmig waschen, dem Darmverlauf folgend. Durchführung
Arme Reihenfolge:
• Schulter umfassend bis zum Handgelenk wa- Bei dieser Waschung folgen Pflegende der Haar-
schen. wuchsrichtung. Mögliche Reihenfolge: Brust, Bauch,
• Handinnenfläche, dann jeden Finger einzeln, mit Arme, Hände, (Gesicht), Beine, Füße und Rücken.
etwas Druck an den Fingerspitzen waschen. (Gesicht) Pflegende beziehen die Reinigung des Ge-
Beine sichtes sowie die Gesäß- und Genitalpflege entspre-
• Oberschenkel umfassend bis zum Fußgelenk wa- chend den Bedürfnissen des Patienten ein.
schen.
• Fußsohle evtl. nur halten, Zehen einzeln wa- Belebende Ganzkörperwaschung
schen.
Rücken Ziel
• Quer (zur Längsachse, Wirbelsäule) und entge- Unterstützt das Körpergefühl, wirkt aktivierend und
gengesetzt waschen. fördert die Wachheit der Kinder. Geeignet für schläf-
• Längs, rechts und links an der Wirbelsäule ent- rige, hypotone sowie bewegungsarme Kinder. Die
lang waschen. belebende Ganzkörperwaschung ist primär nicht
• FG flächig vom Nacken bis zum Steiss waschen für Früh- und Neugeborene geeignet.
Gesicht
• Am Haaransatz von außen langsam zur Mitte Material
streichen. • strukturreiche, eher härtere Waschlappen,
• Die Waschung des Gesichts bauen die Pflegenden Schwämme
situativ in den Ablauf ein oder sie waschen es am • Frotteehandtuch
Ende bzw. nach der Mahlzeit (bei älteren Kin-
dern). Wassertemperatur und Zusätze
Sollte leicht unter der Körpertemperatur des Patien-
ten liegen, sofern die Gefahr einer raschen Ausküh-
Beruhigende Ganzkörperwaschung
lung besteht, lässt sie sich auch mit Wasser vermei-
Ziel den, das etwas wärmer ist als die Körpertemperatur.
Fördert das Körpergefühl und hilft bei Unruhezu- 8
ständen, Einschlafproblemen, Angst und Stresssym- Durchführung
ptomen, z. B. vor Operationen. • Bewegungen gegen die Haarwuchsrichtung
Die beruhigende Ganzkörperwaschung orien- • Beginn an den Fingern bis hin zum Sternum oder
tiert sich an der Haarwuchsrichtung, da Berührun- der Schulter
gen, die mit der Haarwuchsrichtung erfolgen, vom
Kind intensiver wahrgenommen werden, aber auch VORSICHT
beruhigen. Blutdruck kontinuierlich beobachten. Der systolische
Druck erhöht sich meist um 10–20 mmHg. Bei hirndruck-
gefährdeten Patienten ist diese Form der Waschung kon-
Tröstet jemand mittels Berührung, so streichelt er übli- traindiziert. [7]
cherweise langsam mit der Haarwuchsrichtung am Kopf
und den Rücken hinunter.
Neurophysiologische GKW
Material Ziel
• 2 weiche Waschhandschuhe Fördert die Wahrnehmung der plegischen Seite und
verdeutlicht die Körpermitte.
104 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Durchführung Die Reihenfolge passen die Pflegenden dem Kind


• Pflegende stehen auf der betroffenen Seite. an. Sie können auch nach dem Ablauf der anderen
• Beginn an der nicht betroffenen Seite, umfassend Waschungen vorgehen.
und ohne abzusetzen zur plegischen Seite hin wa-
schen.
Geführte Ganzkörperwaschung
• Vorsicht beim Waschen von Fingern und Zehen,
ebenso bei der Reizung von Kniekehlen, Fußge- Fördert und unterstützt die verbliebene Aktivität
wölben, Fußballen, Ellenbeugen und Handinnen- und somit die Selbstständigkeit des Kindes. Das
flächen, da eine erhöhte Neigung zur Spastizität Kind beginnt mit den Waschbewegungen und führt
besteht. Falls sie einsetzen sollte, waschen Pfle- sie fort, so weit es kann. Die Pflegenden greifen die
gende, wenn überhaupt, im Gegenmuster zu den Bemühungen auf und unterstützen sie. So können
Spasmen. [8] sie jede Eigenaktivität spüren und fördern. Das Erin-
Je nach Hirnbeteiligung und Verarbeitungsfähigkeit nerungsvermögen erhält Impulse. Pflegende binden
des Patienten entscheiden Pflegende individuell, ob Elemente der anderen Waschungen ein.
sie diese Form der Waschung anbieten. Gerade älte-
re Kinder empfinden sie oft als unangemessen. Hin-
Baden
zu kommt die Frustration über den Wahrneh-
mungs- und Bewegungsverlust bzw. den Ausfall der Baden, die Bewegungserfahrung im Wasser, knüpft
Funktionen. Pflegende sind in diesen Fällen zur Kre- an vorgeburtliche Erfahrungen an. Beim Baden kön-
ativität aufgerufen. Ein „Autorennen“ mittels Hand- nen Pflegende Bewegungen des Kindes aufnehmen
schuhen, Tennissocken, Igelbällen oder Massagerol- und forcieren. Einerseits kann dies die Bewegungs-
len kann eine Möglichkeit zur Anregung der Wahr- aktivität des Kindes fördern, andererseits eine tiefe
nehmungs- und Bewegungsaktivität sein, sofern die Entspannung vermitteln.
Maßnahmen die Fähigkeiten des Patienten berück- Kinder, deren Körperwahrnehmung reduziert ist,
sichtigen. benötigen nicht selten vor dem Bad somatische An-
regung, z. B. in Form von Ausstreichen des gesamten
Körpers, dem Bewusstmachen der Kleidung beim
Basal stimulierende Ganzkörperwaschung
Ausziehen, einer Babymassage.
Ziel Ohne diese Hilfe sind sie nicht in der Lage, eine
Fördert die Aufmerksamkeit sowie die taktile Diffe- Grenze zwischen dem Medium Wasser und ihrer
renzierungsfähigkeit des Patienten. Haut (Körpergrenze), d. h. sich selbst, wahrzunehmen.
8 Bei aktiven und unruhigen Kindern hat sich zu-
Material (Auswahl) sätzlich ein Einwickeln in eine Sanitaswindel und
• Frotteewaschlappen ein langsames Gleiten ins Wasser bewährt. Die Kin-
• Handschuhe mit Struktur der spüren dann eine sanfte Hülle, die ihnen Halt
• Duschschaum und Sicherheit vermittelt.
• weiches Tuch zum Abtrocknen (Molton) Während des Bades benötigen manche Kinder ei-
• Sanitaswindel, Seidentuch, Socken, Igelbälle, nen leichten Druck auf den Thorax, z. B. mittels
Bürsten zum Nachmodellieren des gesamten Waschlappen, der Sicherheit vermittelt und zusätz-
Körpers. lich die Wärme hält. (Gerade Frühgeborene bekom-
men leicht Auftrieb mit dem Bauch. Da immer nur
Durchführung an den Massen Druck ausgeübt wird, d. h. an den
Da diese Waschung vom Kind hohe Aufmerksam- knöchernen Teilen des Körpers, bieten sich der Tho-
keit erfordert, wenden Pflegende sie auf der Inten- rax oder das Becken an.)
sivstation in isolierter Form selten an. Sinnvoller ist Trotz aller Vorsicht, die Pflegende anwenden,
es, Teile daraus mit den Prinzipien der anderen Wa- empfinden viele Intensivpatienten mit Herz-Lun-
schungen zu kombinieren. gen-Erkrankungen Angst und Atemnot beim Baden.
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 105

Auf Zusätze verzichten Pflegende beim Bad weit- • Kind im Sinne der Entfaltung belebend und beru-
gehend. Bei älteren Kindern können sie ggf. durch higend abtrocknen.
eigene Pflegeprodukte an vertraute Gerüche an-
knüpfen. Diese geben ein Gefühl der Vertrautheit. Je
Duschen
nach Indikation können z. B. Zusätze wie Zitronen-
(belebend) und Lavendelbademilch (beruhigend) Bei älteren Patienten ist das Duschen dem Baden in
individuell angewendet werden. der Regel vorzuziehen. Hilfsmittel wie z. B. ein
Duschwagen mit großer Auflagefläche oder ein der
Sinngebende Zusammenhänge und Körpergröße entsprechendes Handtuch, welches auf
patientengerechte Information das Kind gelegt wird, bietet neben dem Intimschutz
Pflegende entkleiden das Kind möglichst in der Nä- eine schützende Hülle, modelliert die Körpergrenze
he der Badewanne. Die Möglichkeit, das Wasser rau- nach und gibt einen somatischen Reiz mittels Tem-
schen zu hören, bereitet das Kind auch akustisch auf peratur und Gewicht.
das Bad vor. Eine taktile Einstimmung geben Pfle- Für Kinder, die den taktilen Reiz beim Waschen
gende, indem sie Hände und Füße mit Wasser be- bereits als schmerzhaft empfinden, kann es ausrei-
netzen. chend sein, das Gewicht des nassen Handtuchs und
ein evt. leichtes Streichen über das nasse Handtuch
Durchführung zu spüren. Zudem verhindert das Handtuch ein zu
• Kind über die Seite auf den Arm des Pflegenden schnelles Auskühlen.
in sitzende Position mit Blickrichtung zum Was- Ein Abduschen des Kindes vermittelt ihm zusätz-
ser drehen, die Hände unterstützen dabei den lich seine Körpergrenze, ebenso ein Abtrocknen
Brust- und Beckenbereich. nach entfaltend, belebend oder beruhigend Prinzipi-
• Wasser mit den Füßen erspüren lassen und lang- en. Pflegende integrieren diese nach individuellen
sam hineinsetzen bzw. -drehen. Bedürfnissen des Kindes. Belebende oder beruhi-
• Füße behalten Kontakt zum Wannenrand und gende Elemente können ebenfalls bei der Haarwa-
geben Halt. schung eingebunden werden.
• Dem Kind die Möglichkeit geben, sich zu öffnen
und von der sitzenden in die liegende Position zu
Kommunikative Entfaltungsmassage
wechseln.
• Das Kind ist nun in der Lage, aufgrund der ver- Die kommunikative Entfaltungsmassage dient der
änderten Schwerkraft seine Bewegungsmöglich- systematischen Körperanregung zur Ausdifferenzie-
keit zu entdecken, z. B. durch Druck der Füße ge- rung des Körperschemas und ist somit ein Angebot 8
gen den Wannenrand. Einige Kinder benötigen zur Unterstützung und Förderung der somatischen
in dieser Phase nur eine leichte Unterstützung Wahrnehmung (primäre Körpererfahrung). Zudem
des Hinterkopfes. ist es eine Möglichkeit zur intensiven nonverbalen
• Durch leichten Druck gegen den Hinterkopf oder Kommunikation. Unruhige und motorisch aktive
den hinteren Thorax geben Pflegende dem Kind Kinder können Ruhe und Entspannung erfahren.
den Impuls, sich zu setzen. Motorisch hypotone Kinder entdecken ihren Körper
• Pflegende unterstützen das Kind während des und ihre Bewegungsmöglichkeiten neu.
Sitzens im Brust- und Gesäßbereich.
• Kind sitzend aus der Wanne nehmen und auf das Vorbereitung
Handtuch setzen. Pflegende optimieren die Raumtemperatur und sor-
• Mit dem Handtuch umhüllen und über die Seite gen für eine ruhige Atmosphäre. Sie legen alle Mate-
in eine liegende Position drehen. rialien bereit, um unnötige Unterbrechungen und
• Das Handtuch bietet eine schützende Hülle. Das Unruhe zu vermeiden. Massageöl oder -milch (W/O-
Kind erhält die Möglichkeit, dem Bad eine kurze Emulsion) erhöhen die Gleitfähigkeit der Hände.
Zeit nachzuspüren. Entspannende, harmonisierende oder belebende
106 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Zusätze können nach Absprache mit Fachleuten in Hand neben das Brustbein. Dann streichen beide
das Massageöl gegeben werden. Hände erneut mit gleich bleibendem Druck und
Rhythmus den Rippenverlauf entlang.
Grundsätzliches • Eine Hand streicht von der kindlichen Schulter
• Körperangebote erfolgen nicht unmittelbar nach zur gegenüberliegenden oder von der Flanke zur
einer Mahlzeit, da der relativ hohe Druck der gegenüberliegenden Schulter, z. B. bei Kindern
Massagebewegungen auf den Körper Übelkeit mit Spastiken und Opisthotonus. Ist eine Flanke
und Erbrechen provozieren kann. (Schulter), erreicht, setzt sich die andere Hand in
• Saugfähige Unterlage verwenden oder benutzen, Bewegung.
da die Kinder häufig Wasser lassen. • Bauchregion dem Darmverlauf folgend massie-
• Altersentsprechende und detaillierte Information ren (Uhrzeigersinn).
über die anstehende gemeinsame Aktivität geben, • Oberarm umfassend, d. h. mit ein oder zwei Hän-
z. B. an Milch/Öl riechen lassen. den den Arm entlang bis zum Handgelenk mas-
• Nur in eine Richtung, sowie nicht auf- und ab- sieren.
steigend massieren, um Angst und Verunsiche- • Hand und Handinnenfläche bis zu jedem einzel-
rung zu vermeiden. nen Finger massieren.
• Massage mit rhythmischen Bewegungen und • Leichter Druck auf die einzelne Fingerkuppe ver-
konstantem Druck ausführen (Berührungsquali- mittelt „Hier endest Du“.
tät). • Oberschenkel umfassend bis zu den Fußgelenken
• Anzahl der Massagebewegungen individuell an- ausstreichen.
passen, bei FG und NG ist es eher ein Eincremen • Fußsohle ggf. nur halten, jede Zehe einzeln mas-
mit 1–5-maliger Wiederholung, bei älteren Kin- sieren.
dern wird ca. 10-mal (max. 15-mal) wiederholt. • Am Rücken arbeiten die Hände entgegengesetzt
• Massagebewegungen an allen Extremitäten gleich quer zur Längsachse (Wirbelsäule) von oben
häufig wiederholen, um einer Asymmetrie entge- nach unten. Anschließend den Rücken rechts
gen zu wirken. und links der Wirbelsäule längs bis zum Gesäß
massieren, bei FG und NG flächig mit einer Hand
Positionen vom Nacken bis zum Gesäß.
• auf dem Wickeltisch in Rückenlage • Kopf behutsam halten, mit dem Daumen vorsich-
• auf dem Schoß des Pflegenden (intensiviert den tig von der Nasenwurzel über Stirn und Augen-
Informationsaustausch bezüglich Wahrneh- braue, vom Nasenbein zum Jochbein, über die
8 mung, Kommunikation und Bewegung) Oberlippe und über Stirn und Schläfe bis zum
• auf der Spielmatte (Kind liegt auf den Beinen des Kinn streichen.
Massierenden)
Pflegende verzichten während der Massage weitge-
hend auf verbale und andere akustische Stimuli, um 8.1.4  Vestibuläre Wahrnehmung und
dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich auf das Stimulation
„Tun“ zu konzentrieren und in sich hineinzuhor-
chen. Intrauterin kann sich das Ungeborene im Frucht-
wasser leicht bewegen, sich drehen, sowie sich den
Durchführung Lageveränderungen der Mutter anpassen. Diese Im-
• Hände rechts und links mittig neben das Brust- pulse regen sein Gleichgewichtsorgan an. Ist das
bein legen und das Kind die Berührung spüren Kind geboren, sind diese vorgeburtlichen Erfahrun-
lassen. gen prägend. Das Kind kann sich in Bewegung er-
• Langsam am Rippenverlauf nach außen strei- fahren, Lageveränderungen nachvollziehen und Ori-
chen. Damit der Kontakt zum Kind erhalten entierung über sich und seine Lage im Raum wahr-
bleibt, legt sich erst die eine, dann die andere nehmen.
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 107

Hier knüpfen Angebote wie sanftes Schaukeln auf Das Kind nimmt bereits im Mutterleib den müt-
dem Arm, Tragen im Tragetuch oder andere Bewe- terlichen Herzschlag, das Blutrauschen der Baucha-
gungsangebote an. orta, Darmgeräusche und Atmung in Form sanfter
Das vestibuläre System ist eng mit dem visuellen Vibrationen wahr. Kinder hüpfen, stolpern, beklop-
und dem kinästhetischen System verbunden. Kinder fen ihren Thorax, während sie Brumm-Töne von
benötigen diese Reize (Beschleunigung- und Dreh- sich geben. Sie machen Musik mittels Vibration und
bewegung) in besonderem Maß und können sie verschaffen sich so vibratorische Impulse.
schneller verarbeiten als Erwachsene. Sie hüpfen, Angebote über die Röhrenknochen vermitteln
machen Dreh- und Kreisspiele (z. B. Flugzeug, „Rol- primär älteren Kindern, ein Gefühl des Körperinne-
le vorwärts“), so oft hintereinander, dass Erwachse- ren, der Körpertiefe, der Stabilität und des Zusam-
nen längst schwindelig würde. menhalts.
Verharrt ein Mensch, z. B. aufgrund längeren Lie-
gens, in einer Position, verliert er die Fähigkeit,
Möglichkeiten für die Pflege
rasch auf eine veränderte Körperposition zu reagie-
ren. Der Patient hat Probleme, sich zu orientieren Vibration der Beine vermittelt das Gefühl, dass da
oder Entfernungen abzuschätzen. etwas ist, was einen trägt:
• sich hinter das Kind hocken, singen, summen
Setzt in der Phase der Habituation eine plötzliche, vesti- oder erzählen
buläre Stimulation ein (z. B. Handling, Positionierung • Rollstuhl, Buggy und Kinderwagen fahren
oder selbst der Einsatz einer Wechseldruckmatratze), • mit den Händen vibrieren
kann es zu Überempfindlichkeitsreaktionen, z. B. Schwin- • Stimmgabel
del, Übelkeit bis hin zu Erbrechen und einem Kreislaufkol- • Angebote mittels kleiner Massagegeräte oder ei-
laps kommen. ner elektrischen Zahnbürste stimulieren die Röh-
renknochen, die Tiefensensibilität, das Träger-
system Skelett
Möglichkeiten für die Pflege
• bei FG und NG wird z. B. die Hand der Pflegen-
• regelmäßiger Lagerungswechsel (bereits minima- den, zwischen Kind und Massagequelle eingesetzt
le Veränderungen der Körperposition bzw. Kopf- → Vibration trifft weniger intensiv auf den Kör-
bewegungen stimulieren das vestibuläre System) per und verteilt sich
• Hängematte, FG und NG erfahren neben dem • Känguruing – sachte Schwingungen durch müt-
vestibulären Reiz eine Unterstützung in ihrer terliche Stimme (Bezugsperson) und ihren Herz-
Embryonalhaltung. schlag knüpfen an vorgeburtliche Erfahrungen an 8
• leichtes Schwingen in einem Handtuch, Decke, → Vibrationen werden über Muskeln ins Körper-
z. B. auf dem Weg zur Waage innere geleitet und dadurch spürbar → Nähe, Ge-
• Patientenlift borgenheit, Stabilität und Sicherheit werden ver-
• Wiegeschale mittelt (› 3.3.3)
• Känguru-Methode bei Frühgeborenen Um taktile Abwehr zu vermeiden, gehen alle Aktivi-
• Kinderwagen und Wiege täten vom Kind aus.
Das Kind kann sein Körperinneres spüren. Stabi-
lität wird vermittelt. Audiorhythmische Angebote,
8.1.5  Vibratorische Wahrnehmung wie das Hören von Kinderrreimen begleitet von
und Stimulation sachtem Klopfen auf den Körper, regen zudem die
Sprachentwicklung an.
Neben der somatischen und vestibulären gehört die Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse und benö-
vibratorische Wahrnehmung zur Basis der sensori- tigt individuelle Angebote. Der eine Mensch reagiert
schen Entwicklung und ist tief im Menschen veran- mit Erhöhung des Muskeltonus, andere reagieren
kert. mit Muskelentspannung.
108 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Mit Vibrationsangeboten beginnen Pflegende in Vor der gezielten olfaktorischen Anregung erfra-
der Peripherie. Sie lassen die Wirbelsäule dabei aus. gen Pflegende u. a. Essensvorlieben und Pflegemit-
Bei Kindern mit Herzerkrankungen und Gerin- tel. Das Kopfkissen der Eltern, Bettdecke, Schmuse-
nungsstörungen ist Vibration kontraindiziert. Kin- tuch oder Plüschtiere vermitteln ein Grundgefühl
der mit Atelektasen und Pneumonien sind, wenn der Sicherheit. Der Geruch hält allerdings nur etwa 4
überhaupt, nur an den Extremitäten oder nach ärzt- Tage an.
licher Anordnung zu vibrieren. Neugeborene erkennen den Geruch der Mutter
Nach heutigem Wissensstand wirkt die Vibration bereits nach 45 Stunden. [10] Als olfaktorischer Reiz
schleimlösend und bei muskulären Verspannungen für FG und NG eignen sich Nachthemden, Stilleinla-
entspannend. Auch Kinder, die das Wahrneh- gen mit etwas Muttermilch oder ein getragenes Tuch
mungsvermögen ihrer Haut verloren haben, können der Mutter. Dies gleich bleibende Geruchsangebot
häufig Vibrationen empfinden. vermittelt ein tiefes Urgefühl, d. h. Vertrauen und Si-
cherheit.
VORSICHT FG und NG können gut riechen. Sie reagieren auf
Die Wirkung einer längeren, regelmäßigen Anwendung Düfte, z. B. Parfüm, Händedesinfektionsmittel, Ni-
auf das Knochenwachstum ist nur unzureichend bekannt. kotin, mit Grimassieren. Daher sollten Pflegende
Die Angebote sind daher nicht zur Langzeittherapie ge- solche Expositionen vermeiden bzw. auf die korrek-
eignet.
te Einwirkzeit achten.
Düfte können mit einem Trauma verbunden sein,
andererseits verändern Traumen im Kopfbereich
8.1.6  Olfaktorische und gustatorische möglicherweise die Vorlieben für Geruch und Ge-
Wahrnehmung und Stimulation schmack. Grundsätzlich soll dem Kind die aktuelle
Situation über die Sinne vermittelt werden, z. B.
Riechen (olfaktorisch) und Schmecken (gustato­ Nahrung riechen (es gibt etwas zu essen), Massageöl
risch) sind sehr sinnliche Erfahrungen. Bereits im riechen (ich werde berührt).
Mutterleib kann das Ungeborene Fruchtwasser
schmecken, zudem werden die Riechzellen im
Orale Wahrnehmung und Stimulation
Mund- und Nasenbereich angeregt.
Geruch und Geschmack gehören zu den ältesten Bereits im Mutterleib berührt sich das Kind im
Reizen. Sie eröffnen dem Menschen weite Teile der Mundbereich, es lutscht am Daumen. Es kann seinen
sozialen Kommunikation, ermöglichen Nahrungs- Mund spüren und trainiert bereits ab der 10.–11.
8 aufnahme und helfen, ungünstige ökologische Um- SSW das Schlucken und ab der 18.–25. SSW das Sau-
weltbedingungen (z. B. Vergiftung, Brand) zu mei- gen. Sonografisch zeigt sich, dass zum Ende der Fe-
den. [9] Sie erfüllen somit eine Schutzfunktion. Ge- talzeit bereits eine deutliche Erhöhung der Schluck-
rüche sind tief im Gedächtnis verankert. Sie können frequenz erkennbar ist. Dies ist vor allem auf die
Erinnerungsauslöser sein und Erinnerungen, Asso- Entwicklung des Geschmacksinnes zurück zu füh-
ziationen und Emotionen freisetzen, z. B.: ren. [11] Eine frühe orale Stimulation und (sofern
• Zimt und Lebkuchen = Weihnachten möglich) Ernährung bei FG ist wichtig, da diese Kin-
• Kaffeeduft = Frühstück der nur verkürzte interuterine Erfahrungen sam-
• Chlor = Schwimmbad meln konnten.
Gerüche können aber auch negative Gefühle provo- Nahrungsaufnahme verschafft ein Sättigungsge-
zieren, z. B. lässt der typische Geruch einer Zahn- fühl, befriedigt aber auch das Bedürfnis nach oralen
arztpraxis die Erinnerung an einen Bohrer entste- Berührungen. Kinder bis zum 2. Lebensjahr benut-
hen, der den Zahn berührt. Ein Versuch mit Kinder- zen ihren Mund, um die Umwelt zu begreifen und
gartenkindern zeigte, dass sie das T-Shirt, das ihre Objekte zu erkunden. Dies bedeutet für das Kind Be-
eignene Mutter in der Nacht getragen hatte, aus ei- schäftigung und spielerisches Lernen, es kann darü-
nem Stapel herausschnüffeln konnten. ber Orientierung erfahren.
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 109

Das Saugen und Lutschen vermittelt zudem eine gen, künstlichen Ernährung ist eine PEG sinnvoll,
tiefe Beruhigung und Zufriedenheit. Pflegende kön- weil sie den orofazialen Trakt unberührt lässt.
nen FG und NG diese Erfahrung durch Lagerungen
ermöglichen, die kindliche Hand-Mundmotorik för- Durchführung
dern. Auch das Anbieten eines Schnullers ist hier • alters- und kindgerechte Lagerung gewährleisten
hilfreich. (Aspirationsgefahr!)
Nicht nahrungsbezogenes Saugen (nonnutritives – Opisthotonus vermeiden
Saugen) fördert zudem die Gewichtszunahme des – Seitenlage oder Oberkörperhochlage mit physio-
Frühgeborenen, erleichtert die orale Nahrungsauf- logischer Kopfneigung nach vorn ermöglichen
nahme und reduziert motorische Unruhezustände. das Herauslaufen der Nahrung aus dem Mund
Insgesamt machen Kinder, die in dieser Form be- • Riechen der Nahrung ermöglichen
schäftigt sind, einen stabileren psychischen Ein- • Sensibilisierung des Gesichtsbereichs durch:
druck. [12] – Halten des Kopfes, langsames Streichen über
Der Bereich um den Mund und an der Zungenspit- Stirn, Schläfen bis zum Mund, Spitzmund for-
ze ist aufgrund seiner hohen Dichte an Rezeptoren cieren und Entspannung vermitteln
ein empfindsames Tastorgan. Jedes unangemessene – Verdeutlichung der Mimik durch Knautschen
Eindringen in die Mundhöhle kann bei Patienten ne- von Stirn und Kinn und anschließender Ent-
gative Reaktionen, z. B. Abwehr und Resignation, spannung
hervorrufen. Eine individuelle, sicherheitsvermit- Die Einbeziehung der Patientenhand ist hierbei
telnde und trostgebende Begleitung durch z. B. Be- sinnvoll, damit sich das Kind selbst begreifen und
rührung und Zusprache ist unabdingbar. Alle Maß- spüren kann. Zusätzlich unterstützt dies die Hand-
nahmen müssen für das Kind nachvollziehbar ange- Mund-Koordination. Ein Umfahren des Mundes,
kündigt und entwicklungsgemäß gestaltet werden. evtl. mit Nahrung, kann die Bereitschaft fördern, ihn
zu öffnen. Bei Früh- und Neugeborenen lässt sich so
Ziele der Such-, Saug- und Schluckreflex auslösen.
• Bewusstmachen des oralen Bereichs und Wahr- • Vibration des Jochbeins mittels
nehmungsförderung – Händen, Fingern
• Umfeld erfahren – Zahnbürste, Rasierapparat bei älteren Kindern
• Bewegungsabläufe des Kindes unterstützen, z. B. – Eltern, die mit dem Kind Wange an Wange
Saug-, Kau- und Schluckfunktion kauen
• Aktivierung des Wachheitsgrades • Sensibilisierung des Mundinnenraums durch
Orale Stimulation dient primär nicht der Mundpfle- – Massieren der Kau- bzw. Zahnleisten mit Hilfe 8
ge und ist mit dieser nicht zu verwechseln. Ein ge- des Patientenfingers, Fingerlingen oder
zieltes Kautraining fördert jedoch die Speichelsekre- Schaumstoff- und Wattestieltupfern
tion und berührt somit die Parotitisprophylaxe. Die – Einsatz von Nahrung (später)
Informationen von Eltern, die Anamnese und die
Beobachtungen unter Berücksichtigung von Ge- VORSICHT
schmacks-, bzw. Essensvorlieben, Ritualen, Ort und Die Zungenspitze ist hochsensibel. Angebote im Mundin-
Lage, Essenszeiten und Dauer, sind in der Pflegepla- nenraum beginnen deshalb am seitlichen Zungenrand.
Als Nahrungsträger eignen sich z. B. Wattestäbchen,
nung zu berücksichtigen. Es hat sich als sinnvoll er-
Schnuller, Sauger. Eine Stimulation von Zunge und Gau-
wiesen, orale Angebote zu den Mahlzeiten anzubie- men wägen Pflegende unter Berücksichtigung des Zu-
ten. Der sinngebende Zusammenhang von oraler stands des Patienten ab.
Aktivität und Fülle im Bauch vermittelt das Gefühl Bei FG und NG sowie Säuglingen berücksichtigen Pfle-
der Sättigung und Normalität. gende die mögliche Keimbesiedlung aufgrund von Milch-
Sonden, nasal wie oral, Tubus und Tracheostoma nahrungen (ausgenommen Muttermilch). Alternativ las-
beeinflussen den Geruchs- und Geschmackssinn so- sen sich verschiedene Teesorten und stilles Mineralwas-
wie die Sensibilität des Mundraums. Zur langfristi- ser einsetzen.
110 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

8.1.7  Schlucktraining Pflegerische Maßnahmen


Marianne Ahndorf Die Möglichkeiten des Schlucktrainings unterschei-
den sich je nach Alter und Allgemeinzustand des
Physiologischer kindlicher Schluckakt Kindes. Bei allen Altersgruppen ist die Sicherstel-
Das kindliche Schlucken unterscheidet sich in we- lung der notwendigen Schutzreflexe vor dem eigent-
sentlichen Punkten vom Schlucken im Erwachse- lichen Schlucktraining von zentraler Bedeutung.
nenalter. Dies ist vor allem auf die unterschiedlichen Neben einem suffizienten Schluckreflex ist ein siche-
Strukturen und die, beim Kind noch nicht komplett rer Husten- und Würgereflex notwendig.
ausgereifte, Sensibilität zurückzuführen. Der Schluckreflex wird im hinteren Bereich der
In den ersten Lebensjahren durchläuft das Kind Mundhöhle ausgelöst. Zur Überprüfung des Schlu-
eine komplexe Entwicklung im Bereich Essen und ckens dient der Kieferkontrollgriff. Hierzu legen
Trinken, bei der sich Form und Größe der anatomi- Pflegende ohne Druck 2–3 Finger auf Kehlkopfhöhe
schen Strukturen, „des Mundbereichs, des Larynx, des Patienten untereinander. Schluckt der Patient,
der Trachea, der Lunge, des Pharynx und Ösopha- ist eine Hebung des Kehlkopfes fühlbar.
gus sowie der Speiseröhre“ verändern. [13] Ein wei- Vor Beginn eines gezielten oralen Ess- und
terer Faktor ist die Entwicklung der Mundmotorik, Schlucktrainings ist eine klinische und bei Bedarf
vom Saugen und Schlucken über das Essen mit dem apparative Schluckdiagnostik durch einen Logopä-
Löffel zum Kauen und Trinken aus dem Becher. Da- den, Phoniater oder Schlucktherapeuten erforder-
bei ist zu beachten, dass die Koordination von At- lich.
mung und Schlucken keine angeborene Fähigkeit Liegt abschließend kein Verdacht auf eine Aspira-
ist, sondern mit Änderung der Konsistenz neu er- tion vor (im Besonderen auf eine stille Aspiration
lernt werden muss. [13] [14] ohne Schutzreflexe), beginnen die Pflegenden nach
Rücksprache mit dem Therapeuten das Ess- und
Pathologischer Schluckvorgang Schlucktraining.
Pathologische Schluckvorgänge bezeichnet man Voraussetzung für ein Schlucktraining ist eine al-
als Dysphagie. Dysphagie ist die fehlende Fähigkeit, tersentsprechend adäquate Lagerung bzw. Sitzposi-
Speisen zu verzehren, also eine „Störung des Es- tion. Die Körperhaltung ist für die Nahrungsaufnah-
sens“. [15] me wichtig, da nur bei guter Positionierung ein
Die wichtigsten pathologischen Symptome sind: funktionelles Gleichgewicht unterstützend wirken
[16] kann. Kay Coombes beschreibt in ihrem Konzept der
• Leaking (Entgleiten) – unkontrolliertes Entglei- FOTT (Therapie des facio-oralen Trakts) besonders
8 ten des Bolus nach anterior aus dem Mund, oder den Zusammenhang zwischen der Kopfhaltung und
nach posterior in den Rachenraum der Beckenstellung. Ein großes Kind nimmt dazu ei-
• Pharyngeales Pooling (Auffangen) – prädegluti- ne sichere und aufrechte Sitzhaltung ein. Die Füße
tives Auffangen von Bolusteilen im Rachen, vor haben Bodenkontakt und die Pflegenden unterstüt-
Auslösung des Schluckreflexes zen die Kopfhaltung, wenn erforderlich, in Mittel-
• Residuen (Reste oral, laryngeal bzw. pharyngeal) stellung oder leicht nach vorn gekippt. Säuglinge
– postdeglutitiv im Rachen, Mundraum oder werden in einer halb liegenden Position auf dem
Kehlkopf verbleibende Teile der Nahrung Schoß der fütternden Person oder z. B. in einem Still-
• Penetration – prä-, intra- oder postdeglutitives kissen gelagert. Die Position soll dem Kind Halt und
Eindringen von Fremdsubstanzen, entweder in Sicherheit vermitteln. Das Ess- und Schlucktraining
die Nase (nasale Penetration) oder in den Kehl- kann nach Anleitung von den Eltern übernommen
kopfeingang, oberhalb der Stimmlippen (laryn­ werden. Das Füttern durch eine bekannte Person för-
geale Penetration) dert in vielen Fällen die Compliance des Kindes.
• Aspiration – prä-, intra- oder postdeglutitives Die Auswahl der Nahrungsmittel richtet sich
Eindringen von Fremdsubstanzen unterhalb der nach den Gewohnheiten des Kindes und den Emp-
Stimmlippen; bedrohlichste Folge der Dysphagie fehlungen der Therapeuten. Milch oder Milchpro-
dukte sind zu vermeiden, da diese das Risiko für eine
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 111

Aspirationspneumonie erhöhen. Bei großen Kin- Eine nasogastrale Magensonde löst oft negative
dern wird das Schlucken zunächst mit Wackelpud- Reize aus und behindert die orale Ernährung. Zur
ding oder speziellen amylaseresistenten, angedick- langfristigen künstlichen Ernährung ist daher die
ten Speisen getestet. Bei FG und NG wird vorzugs- Anlage einer PEG sinnvoll. Sie kann beim Aufbau
weise Muttermilch (evtl. auch angedickt) verwendet. der oralen Ernährung unterstützend wirken.
Ist das Essen von wackelpuddingartigen Konsis- Negative Stimulationen, z. B. Absaugen, Tracheal-
tenzen problemlos, können größere Kinder nach ih- kanüle, anatomische Veränderungen im Aerodiges-
ren Vorlieben und Gewohnheiten gefragt werden. tivbereich, haben Einfluss auf die Ernährungssitua-
Pflegende bevorzugen starke Geschmacksreize und tion, sodass die orale Ernährung evtl. vorüberge-
kalte Nahrung, da sie die orale Wahrnehmung unter- hend pausiert werden muss, um einer späteren Füt-
stützen. In der Neonatologie sollte auf starke Ge- teraversion vorzubeugen.
schmacksreize verzichtet werden. Hier bietet sich die
Verwendung von verschiedenen kalten Teesorten an. Kauanregung
Pflegende unterstützen die Bewegungen des Kin- Kausäckchen
des nur bei Bedarf. In Absprache mit einem Ergo- Ziel ist es, dem Kind das Spüren von Struktur,
therapeuten kann eine Adaptation des Bestecks (z. B. Konsistenz, Geruch, Geschmack und Temperatur zu
weicher Löffel, Strukturlöffel, anatomisch geformter ermöglichen. Bevor Pflegende Angebote in der
Griff) oder des Tellers (z. B. hoher Rand) erfolgen. Mundhöhle machen, sind die Anbahnung der Akti-
Kinder, die lange nicht gegessen haben, bekommen vitäten im Mundbereich und eine gute, sichere Posi-
zunächst eine geringe Nahrungsmenge mit einheitli- tionierung des Kindes erforderlich.
cher Konsistenz angeboten. Eine Mischung der Kon- • Nahrung zerkleinern, in einen gut angefeuchte-
sistenzen kann u. U. ein zu schnelles Eintreten von ten TG-Schlauch oder eine Mullkompresse legen
Boli fördern, sodass eine zu späte Triggerung des und sicher verpacken.
Schluckreflexes ein Abgleiten des Bolus über den La- • Nahrungsmenge und Größe des Säckchens ent-
rynx in die Trachea ermöglicht. Ohne Hustenreflex sprechen der Mundgröße, da Kinder bereits klei-
kann dies zur Aspiration führen. ne Dinge, z. B. Nahrungsreste, im Mund als groß
Bei der Verabreichung von Flüssigkeiten ist große wahrnehmen.
Vorsicht geboten. Sie haben eine kürzere orale Ver- • Nahrungspäckchen in die Wangentasche, bzw.
weildauer, sodass der Schluckreflex schneller auszu- auf die Kaufläche platzieren → Beachte: Säckchen
lösen ist, um sie zu bewältigen. Zur Vorbeugung von außen festhalten.
können Pflegekräfte Flüssigkeiten andicken. Die • Leichte Drehbewegungen des Säckchens und aus-
langsamere Flussgeschwindigkeit und kleine Men- reichend Zeit (max. 15 Min.) ermöglichen besse- 8
gen (zunächst max. 1 TL) unterstützen die Kinder re Wahrnehmung.
bei der Aufnahme. Flüssigkeiten sind günstigerwei- Fruchtsauger
se aus einem gewohnten Gefäß zu reichen. Fruchtsauger gibt es in einigen Drogeriemärkten
Strohhalme, Schnabeltassen, kleine Becher oder zu kaufen. Ein kleines Säckchen kann mit Frucht-
ein Löffel können die Flüssigkeitsaufnahme erleich- stückchen gefüllt und einem Sicherheitsverschluss
tern. Das Trinken mit einem Strohhalm oder aus ei- verschlossen werden. Ein Handgriff ermöglicht das
ner Schnabeltasse setzt jedoch einen guten Mund- Festhalten, ggf. gemeinsam mit der Hand des Pati-
schluss voraus. Kohlensäurehaltige Getränke sind enten, sowie ein Führen des kindlichen Arms zum
zunächst zu vermeiden. Mund. Dies unterstützt zudem die Hand-Mund-Ko-
Die olfaktorische und visuelle Wahrnehmung der ordination.
Speisen unterstützt die orale Vorbereitungsphase.
Falls möglich, die Nahrung vor den Augen der Kin- Tipp: Obst zerkleinern und mit entsprechendem Mus ins
der zubereiten (Freude auf das Essen; Wasser läuft Säckchen füllen oder dieses mit entsprechendem Frucht-
im Mund zusammen, d. h. der Körper stellt sich auf saft durchtränken.
Nahrungsaufnahme ein).
112 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

8.1.8  Taktil-haptische Wahrnehmung Eigenaktivität der Kinder, z. B. durch Atem, in Bewegung
und Stimulation gebracht werden. Die Kinder sammeln dadurch taktile Er-
fahrungen und können etwas bewirken.
Das Ungeborene spürt über seine Handflächen und
Fußsohlen die Begrenzung der Gebärmutterwand.
Diese Erfahrungen werden über den Tastsinn ge- 8.1.9  Auditive Wahrnehmung und
speichert. Die Fähigkeit des Tastens ist wichtig, da- Stimulation
mit das Kind sein Umfeld begreifen und erspüren
kann. Mit zunehmendem Schwangerschaftsalter kann das
Die zahlreichen Tastkörperchen in der Haut er- Kind auch Geräusche und Stimmen über sein Gehör
möglichen die taktile Wahrnehmung. Eine beson- wahrnehmen.
ders hohe Dichte der Rezeptoren befindet sich an Die auditive Wahrnehmung ermöglicht es dem
der Fußsohle und im Handteller, hier vor allem an Menschen, Töne, Geräusche und Klänge wahrzu-
den Fingerspitzen. nehmen und zu verarbeiten. Sie ist die grundlegende
Im Säuglings- und Kleinkindalter ist allerdings Funktion zur Sprachentwicklung und damit zur ver-
der Mundbereich mit der größten taktilen Wahr- balen Kommunikation.
nehmungsfähigkeit ausgestattet. Mit ihrer Hilfe ist eine akustische Raumerken-
Die taktile Wahrnehmung umfasst die Sensibilität nung und Orientierung möglich. Das Hören ist für
für Berührung, Temperatur und Schmerz. Sie dient intensivpflichtige Kinder, die ihre Augen meist ge-
der Erkundung von Objekten. Gerade Säuglinge be- schlossen halten, der Sinn, mit dem sie primär die
nötigen die Hand-Mund-Koordination, um ihre Reize aus der Umgebung wahrnehmen. Ist der visu-
Umwelt zu begreifen. Mithilfe dieser beiden Körper- elle Sinn ausgeschaltet, nimmt der Mensch akusti-
teile erspüren sie Form, Struktur, Temperatur und sche Reize intensiver wahr. Aufgrund der sehr un-
Gewicht der Gegenstände in ihrer Umgebung. strukturierten Geräuschkulisse einer Intensivstati-
Je älter die Kinder werden, desto mehr dominiert on, die aus permanentem Stimmengewirr, unbe-
der visuelle Sinn und überdeckt die taktil erlangten kanntem Piepsen und einer insgesamt hohen
Informationen. Lautstärke besteht, interpretieren Kinder ihre Um-
gebung nicht selten fehlerhaft. FG werden abrupt
unphysiologischen Reizen ausgesetzt, z. B. Monitor­
Möglichkeiten für die Pflege
alarmen, die ihre auditive und allgemeine Entwick-
Taktiles Begreifen von Waschlappen, Zahnputzbe- lung massiv einschränken.
8 cher, Kleidungsstücken bzw. allen Gegenständen, Die Ohren lassen sich im Unterschied zu den Au-
mit denen Pflegende das Kind berühren, schafft ei- gen nicht ohne Hilfsmittel verschließen. Menschen
nen ersten Zugang zu den geplanten Handlungen. können sich musikalischer Dauerberieselung sowie
Das taktile Erkunden von z. B. Sondenpflastern, anderen Geräuschquellen nicht einfach entziehen.
Verbänden und des eigenen Körpers vermittelt Sicher- Als Auswege bleiben ihnen der Rückzug und ein
heit und erleichtert das Begreifen von Situationen. schwindendes Interesse, das Umfeld wahrzuneh-
men, bzw. in Kommunikation zu treten. Zur Sensi-
Spielzeug und Lagerungsmaterialien mit unterschiedli- bilisierung von pflegerischem, ärztlichen Personal
chem Härtegrad und Struktur animieren Kinder zur Bewe- und Eltern eignet sich eine Lärmampel (› 3.3.6).
gung und Beschäftigung.
• rau, kühl, glatt wirkt aktivierend, macht neugierig und
motiviert das Kind, sich zu bewegen Möglichkeiten für die Pflege
• weich, warm, wohlig, flauschig verschafft das Gefühl,
Geräuschangebote
sich gehen lassen, ruhen oder schlafen zu können (Ha-
bituation berücksichtigen)
Die Imitation von Meeresrauschen und Wellenbe-
Beispiel für stark eingeschränkte Kinder (Mobile): Rettungs- wegung sowie des Herzschlags sollen das Kind an
folie in kleine Streifen geschnitten, kann durch minimale den Blutfluss erinnern, den sie intrauterin gehört
8.1  Basale Stimulation® in der Pflege 113

haben. Einige Kinder reagieren darauf positiv. Zu matösen Patienten empfiehlt. Bei diesem Konzept
beachten ist jedoch, dass FG nicht ohne Grund zu singen die Pflegenden während der Einatmung und
früh zur Welt kamen. Der Uterus bildet nicht immer lassen bei der Ausatmung ggf. einen etwas tieferen
ein beschützendes, wohliges Nest, die Kinder haben Ton entstehen. Sie berücksichtigen die anschließen-
nicht selten Schmerz, Stress und Todesangst erfah- de Atempause. Für viele Kinder mit einer Wahrneh-
ren. Ein sinnvoller Rhythmus im Tagesablauf, dar- mungseinschränkung ist das Hören von Schallwel-
auf abgestimmte Pflegetätigkeiten und der intensive len nicht besonders attraktiv. Bei diesen Kindern
Kontakt zu den Eltern (Känguruen) geben meist empfehlen sich Vibrationsangebote (› 8.1.5).
mehr Sicherheit und Stabilität, als die Geräuschimi-
tation.
8.1.10  Visuelle Wahrnehmung und
Umgebungsgeräusche von Zuhause Stimulation
Pflegende können dem Kind vertraute Geräusche
von daheim mittels Kassette vorspielen. Dies kann Der visuelle Sinn bündelt Informationen anderer
positive Effekte, aber auch Fehlinterpretationen er- Sinne und bringt Situationen in einen angemesse-
zielen. Das Kind befindet sich im Krankenhaus und nen Zusammenhang. NG sind bereits in der Lage,
dies muss es auch erfahren, um bestimmte Umstän- Umrisse von z. B. Augen, Nase, Mund zu sehen, Ge-
de in der Umgebung richtig einordnen zu können. sichtsausdrücke nachzuahmen und im Gedächtnis
Erinnerungen und Geräusche von Zuhause sind nur zu speichern. Allgemein können sie in einer Entfer-
sinnvoll, wenn ein Angehöriger da ist, der weiterge- nung von 25–40 cm am besten sehen. [17]
hende Informationen vermitteln kann. FG sind eher kurzsichtig und sehen in einem Ab-
stand von ca. 10 cm scharf. Diesen Abstand nehmen
Geschichten vorlesen Eltern, z. B. beim Füttern, intuitiv ein. Schnell diffe-
Kann eine gute Möglichkeit sein, z. B. an das Ein- renziert sich im Säuglingsalter die Wahrnehmung
schlafritual anzuknüpfen. von Abstand, Entfernung, Formen und Farben. Die
Sehschärfe nimmt zu.
Musikkassette/Hörspiel/Radio In Krankenhäusern herrscht nicht selten ein
Musik oder Hörspiele sind häufig eng mit Emotio- Überangebot an visuellen Reizen. Kinder können
nen und Situationen verknüpft. Dabei kann es sich dies als Bedrohung empfinden. Besonders zurück-
sowohl um Ruhe, als auch Bewegung und Aktion haltend sind Pflegende in Bezug auf z. B. übergroße
handeln. Eine genaue Beobachtung ist notwendig, Kuscheltiere im Inkubator, Aufklebern, Pflegeuten-
da Musik oder Geschichten möglicherweise Erinne- silien auf Inkubatoren oder zu tief hängenden Mobi- 8
rungen auslösen, die das Kind u. U. nicht entspre- les über dem Kopfende.
chend verarbeiten kann. Trotz ausgedehnter Anam- Für Kinder in zunehmendem Alter verringern
nese kennen Pflegende nur selten die Erinnerungen, sich meist die visuellen Angebote im Krankenhaus.
die an bestimmten Musikstücken hängen. Deshalb Vor allem Wände und Deckengestaltung sind noch
sind sie kaum in der Lage, spezifische Reaktionen zu wenig in die visuelle Stimulation eingebunden
korrekt zu interpretieren. (› 3.3.1).
Auch im visuellen Bereich kann eine Habituation
Singen eintreten und zu Wahrnehmungsstörungen führen.
Nehmen Pflegende das Kind dabei auf den Schoß, Bei langem Starren an eine weiße Decke, z. B. im Co-
erhält es zusätzlich zum akustischen Reiz auch eine ma vigile, kommt es nicht selten zu Fehlinterpretati-
leichte Vibration. Ein intensiver kommunikativer onen. So nehmen Kinder z. B. Lüftungsschächte aus
Austausch ist somit möglich. Im Rahmen der Mu- Metall als Leitern wahr, die sich langsam auf sie zu
siktherapie nach Nordoff und Robbins ist das Singen bewegen. Grüne und gelbe Punkte erhalten die Be-
im Atemrhythmus eine Form der Kontaktaufnahme, deutung von Männchen und die feinen Löcher einer
die sich gerade bei bewusstseinsgetrübten und ko- Kassettendecke beginnen, wie Käfer zu krabbeln.
114 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Möglichkeiten für die Pflege schlagen, tiefe Laute von sich geben oder mit dem
Kopf gegen Wand, Boden oder Bettgitter stoßen. Ih-
• kontrastreiche Gegenstände in Form und Farbe ren visuellen Sinn stimulieren Kinder, wenn sie sich
mit klarer, nicht reflektierender Struktur z. B. fest auf ihre Augäpfel drücken.
(Schwarz, Weiß und Rot werden früh wahrge- Es handelt sich um selbst entwickelte Techniken
nommen) und Fähigkeiten, mit deren Hilfe Kinder sich in ei-
• Kuscheltiere in alters- und entwicklungsgemäßen nem Wahrnehmungsfeld, das sie als eingeschränkt
Abstand (minimal 10–40 cm) erleben, selbst Reize setzen. Das Verhalten kann für
• Mobiles an der Seite oder am Bettende Pflegende ein Zeichen sein, intensivere basal stimu-
• Fotos nach Möglichkeit vergrößert und als lierende Angebote für die entsprechenden Wahr-
Schwarzweiß-Abzüge nehmungsbereiche in die Pflege zu integrieren.
• Poster, Bilder, Drachen, Flugzeuge individuell Gerade im vestibulären Bereich schaukeln sich die
und patientengerecht an Wänden und Decke Kinder nicht selten in Trance und klinken sich aus
• Schwarzlicht können auch Kinder mit starker vi- dem Umweltgeschehen aus. Sie benötigen den Rück-
sueller Wahrnehmungsstörung (sogar nahezu zug, um Ruhe zu finden. Die rhythmischen Bewe-
Blinde) wahrnehmen gungen erhalten die Funktion von Ritualen zum Ein-
• Inkubatorabdeckung, Betthimmel, Moskitonetz, schlafen und zur Stressbewältigung. Eine Unterbre-
Schlaufengardinen am Patientenaufrichter ange- chung bzw. das Angebot pflegerischer Aktionen ist
bracht, ermöglichen Rückzugsbereich, Verdunke- in diesen Momenten nicht immer sinnvoll. Pflegen-
lung, Lärmdämpfung und verstärken Struktur de minimieren die Verletzungsgefahr und beobach-
von Ruhe und Aktivität ten genau, ob eine tatsächliche Autoaggression vor-
• reflektierende Symbole, wie Sterne aus Pappe liegt.
oder Plastik an Abdeckung oder Bett
• Wechsel von Tag und Nacht durch entsprechen- LITERATUR
de Lichtverhältnisse signalisieren   1. Fröhlich, A. 07/08. Auf: www.basale-stimulation.de/
konzept. Zugriff 20. Juni 2012
• Uhr/Kalender bei Schulkindern in Sichtbereich →   2. Zimmer, R.: Handbuch der Sinneswahrnehmung. Her-
zeitliche Orientierung möglich der Verlag, Freiburg, 2012
• Aufrichten/veränderte Körperposition erweitern   3. Bienstein, C.; Fröhlich. A.: Basale Stimulation in der Pfle-
Blickwinkel und dienen der räumlichen Orientie- ge. Verlag selbstbestimmtes Leben, Düsseldorf, 1991
rung   4. Bienstein, C.; Fröhlich, A.: Basale Stimulation in der
Pflege. Die Grundlagen. Kallmeyersche Verlagsbuch-
• eigene Kleidung und vertraute Gegenstände (z. B. handlung, Seelze-Velber, 2004
8 Haarbürste, Zahnbürste, Bettwäsche, Kuscheltie-   5. Leboyer, F.: Sanfte Hände. Kösel Verlag, München, 2004
re) vermitteln Trost und Sicherheit   6. Sparshott. M.: Früh- und Neugeborene pflegen, Stress-
und schmerzreduzierende, entwicklungsfördernde Pfle-
ge. 2. Auflage Verlag Hans Huber, Bern, 2009.
  7., 8. Nydahl, P.; Bartoszek, G.: Neue Wege in der Pflege
8.1.11  Autostimulation Schwerstkranker. 4. Auflage, Urban & Fischer, Mün-
chen/Jena, 2008
Autostimulation betrifft alle Sinnesbereiche. Pfle-   9. Pickenhain, L.: Basale Stimulation – Neurowissen-
gende missdeuten sie nicht selten als krankhaftes, schaftliche Grundlagen. Verlag selbstbestimmtes Le-
unerwünschtes Verhalten und diagnostizieren Au- ben, Düsseldorf, 1998
10. Morris, D.: Babywatching – die Körpersprache des Ba-
toaggression und Hospitalismus. Somatische Zei- bys. Heyne, München, 1995
chen sind Beißen, Schlagen, sowie rhythmisches 11. Arvedson, J. C.; Brodsky, L.: Pediatric Swallowing and
Streicheln. Um sich vestibulär zu stimulieren, schau- Feeding – Assessment and Management – Second Edi-
keln die Kinder in sitzender Position oder im Vier- tion. New York: Singular Pub, 2002
füßlerstand vor und zurück oder rollen in Seitenlage 12. Pinelli e. a.: How rewarding can a pacifier be? A syste-
matic review of nonnutritive sucking in preterm infants;
mit Kopf und Oberkörper hin und her. Neonatal Network 2000 Vortrag: Developmental care –
Kinder führen sich vibratorische Reize zu, indem entwicklungsfördernde Konzepte, Kalber, A.; Kühn, T.:
sie Gegenstände abklopfen, auf den eigenen Thorax Vivantes Perinatalzentrum Berlin, Datteln 2011
8.2  Kinästhetik Infant Handling 115

13. van den Engel-Hoek, L.: Fütterstörungen – Ein Ratge- gen die Schwerkraft zu stemmen. Dabei benötigt es
ber für Ess- und Trinkprobleme bei Kleinkindern.
Schulz-Kirchner Verlag, Idstein, 2008
Hilfe.
14. Morris, S.; Klein M. D.: Mund und Eßtherapie bei Kin- Das Programm des „Kinästhetik Infant Handling“
dern – Entwicklung, Störung und Behandlung orofazia- ist ein Lernmodell und vereinigt die folgenden Kon-
ler Fähigkeiten. Urban&Fischer Verlag, München, Jena, zepte. Es fördert Kinder, gemäß ihrer Fähigkeiten, in
2001 jeder Phase der Bewegungsentwicklung.
15. Prosiegel, M.; Weber S.: Dysphagie: Diagnostik und
Therapie – Ein Wegweiser für kompetentes Handeln.
Springer Verlag, 2008 Interaktion
16. Bartholome, G.; Schröter-Morasch, H.: Schluckstörun-
gen – Diagnostik und Rehabilitation. Urban&Fischer In diesem Konzept geht es um Sinnessysteme und
Verlag, München, 2010 die unterschiedlichen Kanäle der Vermittlung, wie
17. Sparshott, M.: Früh- und Neugeborene pflegen, Stress-
und schmerzreduzierende, entwicklungsfördernde Pfle-
sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen.
ge. 2. Auflage, Verlag Hans Huber, Bern, 2009 Die geistige Entwicklung des NG, FG oder Säug-
lings ist eng mit der körperlichen Entwicklung ver-
netzt. Interaktion zur Bewegungsunterstützung fin-
det vorwiegend über Berührung statt. Diese Art der
Kommunikation verstehen sie am besten, denn ein
8.2  Kinästhetik Infant Handling NG kann zwar hören, aber der Sinn der Worte er-
Petra Brutscher schließt sich ihm nicht.
Das innere sensorische System entspricht dem ki-
nästhetischen Sinn. Dabei handelt es sich um die
Kinästhetik entstand aus dem Tanz. Tanz ist Har- Wahrnehmung, die aus dem Menschen selbst
monie zwischen zwei Partnern. So ist es auch in Kin- kommt. Dieses System, z. B. der Vestibularapparat
ästhetik: die Pflegenden orientieren sich an den Fä- im Innenohr oder die Rezeptoren in Muskeln und
higkeiten des Kindes und berücksichtigen dessen Gelenken, registriert Bewegungsveränderungen. Mit
Ressourcen. Die Bezeichnung Kinästhetik kombi- seiner Hilfe erfahren Menschen, wo sie sich im
niert die griechischen Wörter kiniesis (Bewegen) Raum befinden, ob sie z. B. liegen oder stehen.
und aisthesis (Empfindung). Wichtig ist es, dass Pflegende stets gleichzeitig
Frank Hatch entwickelte ein Konzept, das Metho- mit dem Kind in eine gemeinsame Interaktion tre-
den vermittelt, Bewegung besser zu verstehen, um ten. Erst dies fördert seine weitere Entwicklung opti-
tänzerische Fähigkeiten und die Körperhaltung zu mal.
optimieren. 8
Ende der 1970-er Jahre entwickelten Lenny Mai- Beispiel Windelwechsel
etta (Child-Development-Forscherin) und Frank
Bei der unreflektierten Form des Windelwechsels nimmt
Hatch ein professionelles Programm, um Eltern in der Erwachsene die Füße des Kindes in die Hand, zieht
der Interaktion über Berührung und Bewegung mit die Beine und das Gesäß in die Höhe und wechselt die
ihren NG zu unterstützen. Sie nannten es „Baby Windel. An diesem Prozess kann sich das Kind nicht aktiv
Tipps“. 1984 entstand daraus das „Kinästhetik In- beteiligen. Es wird bewegt und hat keine Möglichkeit,
fant Handling“. Diesem Konzept liegen Erkenntnis- das Bewegungsmuster nachzuvollziehen. Einseitige Akti-
se der Kinästhetik-Kurse, der Feldenkraismethode, vität prägt den gesamten Vorgang.
Das Kind verliert die Kontrolle über den eigenen Körper,
der Entwicklungspsychologie und der humanisti-
es verliert die Orientierung. Desorientierung erhöht die
schen Psychologie zugrunde. Körperspannung. So erleben es Pflegende häufig, dass
Ein Neugeborenes muss sich nach der Geburt völ- Kinder mit Schreckreaktionen reagieren, die sich in Form
lig umorientieren. Intrauterin schwimmt es im von Mororeflexen ausdrücken. Aber auch das vestibuläre
Fruchtwasser, einem Medium, das Bewegungen er- Sinnessystem wird stark überfordert, so kommt es oft zu
leichtert. Nach der Geburt ist es gezwungen, sich ge- Übelkeit, Spucken und Erbrechen.
116 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Der Windelwechsel nach kinästhetischen Prinzipien ist ein


gleichzeitig gemeinsamer Prozess. Der Erwachsene hilft
dem Baby, seine Bewegung zu organisieren. Er dreht es
langsam mit Zug und Druck an unterschiedlichen Körper-
teilen von einer Seite zur anderen. Das Gewicht verlagert
sich jeweils auf die andere Seite. So ist das Baby aktiv am
Bewegungsablauf beteiligt und verliert zu keiner Zeit die
Kontrolle über das Geschehen. Außerdem regt die Dre-
hung den Darm an und begünstigt die Stuhlausscheidung.

Funktionale Anatomie
Das Konzept unterscheidet drei große Körperberei-
che:
• Muskeln und Knochen
• Bewegungsräume und Körperteile Abb. 8.3  Körperproportionen. [L157]
• Körperorientierung
Die Knochen geben dem Körper Stabilität. Ihre harte
Konsistenz ist an vielen Körperpunkten zu tasten. Die höchste Stelle bei einem Menschen ist der Schei-
Die Muskeln hingegen sind weich und geben Beweg- tel, die tiefste ist die Spitze der längsten Zehe. Dieses
lichkeit. Durch ihr Zusammenspiel können Men- Selbstbild bleibt von Lagewechseln unbeeinflusst.
schen sich aufrecht halten und bewegen. Egal ob ein Mensch aufrecht steht oder einen Kopf-
Körperteile oder Massen, also Kopf, Brustkorb, stand macht, in seiner Wahrnehmung ist der Schei-
Arme und Beine, machen das Hauptgewicht des tel stets die höchste Stelle. Die Körpermitte befindet
Körpers aus. Der Mensch nutzt sie, um mit der Um- sich in Höhe der Hüftgelenke. In dieser Ebene findet
gebung in Kontakt zu treten. Bewegungs- oder Zwi- die Körperbeugung statt.
schenräume (Hals, Schultergürtel, Taille, Hüftge- Die Vorderseite des Körpers stellt die eher weiche,
lenke) sind flexible Bereiche, die zwischen zwei Kör- verletzliche Seite dar. Zu ihr gehören Gesicht, Brust,
perteilen liegen. Sie ermöglichen das Bewegen der Bauch, die Innenseiten von Oberschenkeln und Ar-
Körperteile einzeln oder in Beziehung zueinander. men sowie Waden und Fußsohlen. Hier befindet
Für das Handling ist vor allem die Unterschei- sich vorwiegend Beugemuskulatur. Die hintere Seite
dung in Körperteile und Bewegungsräume essenzi- des Körpers ist eher hart, knöchern und übernimmt
8 ell. Während der Kontakt an Körperteilen Bewegung die Schutzfunktion. Sie ist die Seite, an der Men-
unterstützt und ermöglicht, blockiert Berührung an schen Berührung leichter zulassen können. Sie zieht
Bewegungsräumen die Beweglichkeit. sich vom Hinterkopf über den Rücken, die Außen-
Die Zahl der Bewegungsräume bzw. Körperteile ist seiten von Oberschenkel und Armen, hin zu Schien-
bei Erwachsenen und Kindern identisch. Im Hinblick beinen und Fußrücken.
auf Größe, Proportionen und Gewichtsverteilung In diesem Bereich ist hauptsächlich die Streck-
sind sie jedoch sehr unterschiedlich. Bei einem Baby muskulatur zu finden.
ist der Kopf im Vergleich zum Körper sehr viel Diese Aufteilung in Vorder- bzw. Rückseiten sind
schwerer als bei einem Erwachsenen, dessen Gewicht nicht räumlich zu sehen, weil sie dann verwirrend
stärker auf Brustkorb, Becken und Beine verteilt ist. wäre. Die Aufteilung ist von der funktionalen Seite
Pflegende beachten die Größenverhältnisse, um zu betrachten. Bei Positionswechseln hat immer ei-
Kinder unterschiedlichen Alters in ihren Fähig­ ne Rückseite Kontakt zur unterstützenden Fläche.
keiten optimal zu unterstützen. Um sich im Raum Schon Embryos nehmen vorwiegend mit ihrer
zu orientieren, brauchen Menschen Informationen, Rückseite Kontakt zum Uterus auf. Auch Erwachse-
z. B.: ne schützen ihre Vorderseite durch diese embryona-
• Wo ist oben und unten? le Haltung, z. B. wenn sie sich ducken, um einem
• Wo ist vorne und hinten? tätlichen Angriff zu entgehen.
8.2  Kinästhetik Infant Handling 117

Menschliche Bewegung

Erwachsene bewegen sich anders als Kinder, aber


auch ihnen fallen Bewegungen im Wasser leichter
als außerhalb. Der Fetus führt intrauterin spiralige
Bewegungen aus. Dieses Bewegungsmuster behalten
gesunde Kinder nach der Geburt bis ca. zum zweiten
Lebensjahr bei. Da es aber wesentlich anstrengender
ist, sich gegen die Schwerkraft zu bewegen, benöti-
gen Kinder nach ihrer Geburt Unterstützung.
Erwachsene dagegen bewegen sich vorwiegend pa-
rallel. Dazu bedarf es einer größeren Anstrengung und
Körperspannung. Leider bewegen Pflegende oftmals
kleine Kinder ebenfalls nach einem parallelen Muster.
Meist steckt die Annahme dahinter, sie müssten in
ständigem Blickkontakt mit ihnen bleiben. Oft liegt es
auch daran, dass das kindliche Gewicht so gering ist. a b
Auch ohne Mithilfe und sogar gegen ihre Intention
Abb. 8.4  Der kindliche Körper. [L107]
lassen sich kleine Kinder leicht heben und bewegen.
a) Massen und Zwischenräume
Doch dadurch verlieren die Kinder die Kontrolle über b) Skelettstruktur
ihren Körper und die Orientierung. Sie bekommen
Angst, ihre Körperspannung nimmt zu. Dies schränkt selbst dann, wenn Menschen scheinbar in völliger
ihre Bewegungsmöglichkeiten ein. Das ist vergleich- Ruhe verharren.
bar mit einer Situation innerhalb einer verbalen Inter-
aktion zweier Erwachsener in der einer in einer Spra- Selbstversuch
che kommuniziert, die der Andere nicht beherrscht. Um zu verstehen, wie die permanenten Bewegungsmus-
Werden die Kinder schwerer, suchen Pflegende ter wirken, sollten Pflegende sich Zeit für ein Experiment
ganz automatisch nach einer für sie schonenderen gönnen: Sie nehmen eine bequeme, stehende Stellung
Art, sie zu bewegen. ein, schließen die Augen und verharren so einige Zeit. Es
dauert nicht lange, bis sie feststellen, dass sie nicht kom-
plett ruhig stehen, sondern dass der Körper leicht hin und
Beispiel Windelwechsel her schwingt. Um den aufrechten Stand zu ermöglichen, 8
Bei einem NG benötigen Pflegende lediglich drei Finger, führt der Körper ständige Korrekturbewegungen aus. Sie
um das Kind an den Füßen hochzuziehen und die Windel durchlaufen den gesamten Körper und übertragen das
zu wechseln. Derselbe Vorgang bei einem Jugendlichen Gewicht von unten nach oben oder umgekehrt.
mit schwerer Mehrfachbehinderung gestaltet sich ganz
anders. Er lässt sich nicht an den Beinen nach oben zie-
hen, denn dafür fehlt den Pflegenden sowohl die Kraft als Die Transportbewegungen verändern die Beziehung
auch der Hebel. Also drehen sie ihn automatisch von einer der Bewegungsräume zueinander und wirken so auf
Seite auf die andere – und sind beim kinästhetischen
den gesamten Körper.
Prinzip angelangt.
Erst das Zusammenspiel der zwei Bewegungsar-
ten ermöglicht menschliche Bewegung. Legt man
Haltungs- und Transportbewegungen sind zwei diese Erkenntnisse zugrunde, ergibt sich Folgendes:
grundlegende Elemente der menschlichen Bewe- • Hypertone Kinder brauchen Unterstützung der
gung und gewissermaßen die Bausteine für die Aus- Transportbewegungen. Pflegende leisten diese
führung aller Aktivitäten. Menschen könnten diese Hilfe, indem sie z. B. das Becken leicht aber in
Bewegungstypen fühlen. Sie tun es aber in der Regel schneller Folge drehen. So lassen sich Spastiken
nicht, obwohl der Einfluss ständig vorhanden ist – lösen oder entschärfen.
118 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

• Hypotone Kinder dagegen brauchen Unterstüt- • Einbein-Kniestand


zung bei den Haltungsbewegungen. Pflegende • Einbeinstand
helfen hier vor allem durch die Stabilisierung der • Zweibeinstand
Körperteile bei Transfers. Bei den Grundpositionen unterscheidet man zwi-
schen Handlungs- und Transportbewegung. Bei der
Rückenlage, dem Schneidersitz, dem Einbein-Knie-
Anstrengung
stand und dem Einbeinstand hat das Kind die Hände
Unter Anstrengung ist die Kommunikation über frei um eine Handlung vornehmen zu können. Die
Zug und Druck zu verstehen. Beim Zug entfernt sich Bauchlage, der Vierfüßlerstand und der Zweibein-
das Gewicht vom Kontaktpunkt, beim Druck nähert stand eignen sich besser zur Fortbewegung.
es sich ihm. Über die durch Zug und Druck entste- In den meisten Fällen liegen kleine Kinder auf
hende Spannung ist es möglich, gegenseitige Infor- dem Rücken, dem Bauch oder in der Seitenlage.
mationen wie Bewegungsrichtung, Zeitablauf oder Wenn sie sich in diesen Positionen auf einer flachen
Kraftaufwand direkt miteinander auszutauschen. Unterlage befinden, erfahren sie kaum Bewegungs-
Eine wechselseitige, gemeinsame Beziehung ent- unterstützung. Dadurch steigt ihre innere Span-
steht. nung. Äußere Zeichen dafür sind Unruhe und stei-
Durch Zug und Druck geben Pflegende die An- gende Herzfrequenz. In diesen Lagen können sich
weisung für eine spiralige Bewegung. Dazu platzie- bestehende Schmerzen verstärken, schlafende Kin-
ren sie die Hände so am Körper des Kindes, dass sie der wachen u. U. auf.
sich auf zwei Körperseiten verteilen, z. B. am rechten
Brustkorb und am linken Beckenkamm. Über diese Wenn Pflegende Kinder bewegungsunterstützend lagern,
Position der Kontaktflächen unterstützen sie die spi- fördern sie ihre Entwicklung. Sie beachten dabei, Lage-
ralige Drehbewegung von der linken auf die rechte rungshilfsmittel ausschließlich unter die Massen zu geben
Seite. Befinden sich die Hände nur auf einer Körper- und Bewegungsräume nicht zu blockieren.
seite des Kindes, entsteht Zug oder Druck und es er-
folgt eine parallele Drehbewegung zur Seite.
Umgebung
Um den Bedarf an Kraft abzuschätzen, verschaf-
fen sich Pflegende einen Eindruck von dem zu bewe- Aus kinästhetischer Sicht ist zwischen der materiel-
genden Patienten, bevor sie mit ihm in eine Berüh- len, physikalischen und personellen Umgebung zu
rungs-Beziehung treten. Die visuelle Erwartung ist unterscheiden. Häufig wird übersehen, dass auch
allerdings enorm hoch und beeinflusst den Muskel- Menschen selbst für andere Menschen einen Teil der
8 tonus und die Körperspannung des Pflegenden. Umgebung bilden.
Doch oft irren die Augen. Auch ein kräftig gebauter Jeder erwachsene, gesunde Mensch hat eigene
Mensch kann durchaus beweglich sein. Vorstellungen von der Umgebung in der er sich
wohl fühlt. Außerdem nimmt er beinahe ständig
Veränderungen an ihr vor: liegt er im Bett unbe-
Menschliche Funktion
quem, rückt er seine Kissen zurecht oder dreht sich
Vertreter von Kinästhetik betrachten menschliche auf die andere Seite.
Funktionen als zweckgebundene Bewegungen. Kranke Kinder oder FG/NG sind dazu oft nicht in
Sie unterscheiden sieben Grundpositionen, die der Lage. Pflegende versuchen, selbst eine Intensiv-
sich durch die Organisation des Gewichts definieren. station so angenehm wie möglich zu gestalten
Sie dienen als Mittel, die Verteilung des Gewichts zu (› 8.1.10). Nachts schalten sie die grelle Neonbe-
analysieren und zu unterstützen. leuchtung ab und bedecken die Inkubatoren mit Tü-
Die sieben Grundpositionen sind: chern (›  8.1.2). Die Kinder erhalten Nestchen in
• Rückenlage ihre Betten und liegen auf unterschiedlichen Unter-
• aufgestützte Bauchlage lagen. Die Känguru-Methode setzt sich zunehmend
• Schneidersitz durch und Pflegende beziehen die Eltern so früh wie
• Vierfüßlerstand möglich in die Pflege ein.
8.3  Frühmobilisation 119

Sehr unreife Frühgeborene werden vorwiegend • Wie stehe ich?


auf dem Bauch gelagert. Dabei ist es wichtig, darauf • Wie ist mein Muskeltonus?
zu achten, dass die Arme richtig gelagert sind. Sie • Stehe ich unter Zeitdruck?
dürfen keinesfalls im Schultergelenk nach hinten • Was kann ich verändern?
außen rotiert werden. Es bietet sich eine Lagerung Es bietet sich in jedem Fall an, einen Kinästhetik-
auf einem Steg an, auf dem die Arme in eine physio- Grundkurs zu besuchen. Die eigenen Erfahrungen
logische Position, ähnlich wie in der Embryonalhal- unter der Anleitung eines Trainers geben eine klare
tung, gebracht werden. Der Kopf ist leicht nach vor- Antwort auf die Fragen: Wie hilft Kinästhetik dem
ne unten geneigt und so kommt es nicht zu einem Patienten und auch mir?
Ophistotonus. Die Beine können an den Bauch gezo-
gen werden und die Füße bekommen eine Unter- Nützliche Hinweise für Tranfers
stützung durch Hilfsmittel. • Gewicht rollen, führen oder verschieben, nicht
In dem Konzept Umgebung spielt die Lagerung heben.
eine große Rolle. (› 8.4) Weiche Unterlagen, in die • Pflegende arbeiten mit entspannten Muskeln.
der Patient einsinkt, hemmen die Beweglichkeit. • Beine nicht durchdrücken sondern beweglich las-
Feste Unterlagen dagegen fördern und unterstützen sen. Gebeugte Knie entlasten den Rücken.
Bewegung. Die Anwendung von Kinästhetik Infant Handling
Schließlich ist alles Bewegung, auch die Atmung. • beinhaltet die Umsetzung der sechs Konzepte
Lagern Pflegende z. B. FG, die noch zu Apnoen nei- • fördert Kinder gemäß ihrer Fähigkeiten in jeder
gen, atmungsunterstützend, wählen sie auf keinen Phase der Bewegungsentwicklung
Fall eine weiche Matratze. Bewegung braucht Wi-
derstand. LITERATUR
Manchmal genügt eine minimale Änderung der 1. Citron, I.: Kinästhetisch handeln in der Pflege, 2. A. Thie-
me Verlag, Stuttgart, 2004.
Lagerung, um einem Kind Schmerzen zu nehmen. 2. Institut für Kinästhetik IfK AG: Kinaesthetics Infant Hand-
Unterstützung von Körperteilen, die den Druck auf ling. Script für Teilnehmer Grundkurs Kinästhetik von
schmerzhafte Areale vermindert, führt das Gewicht Hatch/Maietta.
von den Problembereichen weg. Die Reduzierung 3. Maietta, F.; Hatch, L.: Kinaesthetics Infant Handling, 2. A.
der gesamten Körperspannung kann den Schmerz Verlag Hans Huber, Bern, 2010.
4. Maietta, F.; Hatch, L; Schmidt, S.: Kinästhetik. DBfK-Ver-
ebenfalls lindern. lag, Eschborn, 2005.
5. Bauder-Mißbach, H.: Kinästhetik in der Intensivpflege, 2.
• Pflegende lagern gesunde Neugeborene völlig ohne A. Schlütersche, Hannover, 2006
Hilfsmittel und informieren Eltern über eine sichere 8
Schlafumgebung!
• FG und NG, die beim Transfer zur Waage nicht nur
hochgenommen und abgelegt werden, sondern denen 8.3  Frühmobilisation
die Pflegenden zuerst eine aufrechte, sitzende Position
Anja Messall
ermöglichen, bevor sie sie auf der Waage in die lie-
gende Stellung bringen, zeigen deutlich weniger
Schreckreaktionen.
Im Sinne einer aktivierenden Pflege beginnen Pfle-
gende so früh wie möglich, die Eigenaktivitäten des
Beim Handling älterer und schwererer Patienten Kindes zu fördern. Frühmobilisation erhält und
profitieren die Pflegenden selbst durch das kinästhe- stärkt die Aktivität der Muskulatur, die Beweglich-
tische Prinzip, denn wegen der menschengerechten keit der Gelenke bleibt erhalten. Kinder verharren
Bewegungsführung ist der Aspekt des rückenscho- vor allem aus Angst vor Schmerzen in der von Ihnen
nenden Arbeitens gewissermaßen ein unausweichli- gewählten Schonhaltung und bedürfen einer starken
cher Bestandteil der Methode. Motivation von außen. Säuglinge und Kleinkinder
Pflegende sollten immer auch sich selbst bei der tun sehr bald alles, was ihnen tatsächlich möglich
Arbeit überprüfen und reflektieren: ist. So kann es vorkommen, dass sich ein Säugling
120 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

trotz Thoraxdrainagen selbstständig auf den Bauch tion und in den jeweiligen Gelenkachsen. Dies erfor-
dreht, da er diese Position gewöhnt ist. dert genaue Kenntnisse der Anatomie und Physiolo-
Pflegende ermitteln die Ressourcen und Gewohn- gie von Skelett und Muskeln.
heiten des Kindes und integrieren sie in die Mobili- Pflegende bewegen Extremitäten von proximal
sation. Zu Beginn formulieren sie Ziele für ihre nach distal. Befindet sich der Kopf des Kindes in
Maßnahmen. Flexion oder Extension, beeinflusst dies den Mus-
Möglichkeiten der Frühmobilisation: keltonus des gesamten Körpers. Starker Druck auf
• Physiotherapie den Hinterkopf kann zu einer Tonussteigerung
• passive und aktive Bewegungsübungen führen. Pflegende vermeiden deshalb, den kindli-
• Lagerungen, die die Eigenbewegungen des Kin- chen Kopf mit einem Griff an diese Stelle zu bewe-
des ermöglichen und unterstützen gen. Um eine Lageveränderung zu erzielen, strei-
chen sie mit sanftem Druck am Rücken Richtung
Kopf entlang. Ein Gegenhalt am Sternum kann hel-
Passive Mobilisation
fen, eine überstreckte Position in die Mitte zurück-
Bei fehlender oder verminderter Eigenaktivität er- zubringen.
folgt die Mobilisation des Kindes eher passiv. Bereits Bei allen Übungen beobachten Pflegende stets Vi-
durch einen regelmäßigen Lagerungswechsel erzie- talzeichen, Schmerzzeichen, Mimik und Hautfarbe.
len Pflegende eine Mobilisation und schaffen eine
Ausgangsposition für die Bewegung der Extremitä- Pflegende führen passive Mobilisation nie gegen einen
ten. So bestimmt z. B. die Lage des Oberschenkels Widerstand durch.
bzw. Oberarmes die Bewegung des Knie- bzw. Ellen-
bogengelenks und die Lage des Unterarmes bzw.
-schenkels die Bewegung des Hand- bzw. Fußge-
Aktive Mobilisation
lenks.
Aktive Mobilisation fördert die Eigenaktivität des
Vor Beginn der Mobilisation sprechen Pflegende die Kindes unter Einbeziehung seiner Ressourcen.
Übungen mit den Physiotherapeuten ab. Schmerzen behindern die aktive Mobilisation, des-
halb achten Pflegende auf angemessene Analgesie-
rung vor Beginn der Maßnahme. Sie sichern Infusio-
Pflegende achten bei den passiven Bewegungsübun- nen, Drainagen, Beatmungsschläuche und alle wei-
gen darauf, dass alle Abläufe den normalen Bewe- teren Zu- und Ableitungen. Es empfiehlt sich, die
8 gungsspielraum der Extremitäten nicht überschrei- Mobilisation in die Pflegerunden zu integrieren, um
ten. Ziel ist es, die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten dem Kind Ruhezeiten zu ermöglichen.
und Kontrakturen zu vermeiden. Pflegende bewegen Die Pflegenden informieren das Kind altersent-
die Gelenke ausschließlich entsprechend ihrer Funk- sprechend und achten darauf, dass es während der

Liegen auf der


betroffenen Seite
Nestlagerung

Liegen auf der


weniger betroffenen
Seite
Abb. 8.5  Patientenlagerung bei
Hemiplegie. [L157]
8.4  Lagerungen 121

gesamten Zeit den Sichtkontakt zur Bezugsperson Rückenlage


halten kann. Auch der ununterbrochene Körperkon-
takt, z. B. durch Handhalten oder Umarmung, ver- Die Rückenlage ist in flacher Position, aber auch mit
mittelt Sicherheit. In einigen Phasen der Mobilisati- erhöhtem Oberkörper (30–45°) möglich.
on ist die Einbeziehung einer zweiten Person (Pfle-
gende oder Angehörige) sinnvoll. Beim Sitzen an der Durchführung
Bettkante kann diese weitere Bezugsperson sich z. B. • Kopf mittig und achsengerecht oder leicht auf die
Rücken an Rücken zum Kind setzen, sodass es Halt Seite legen und durch Lagerungshilfsmittel un-
erfährt. terstützen.
Während der Mobilisation beobachten Pflegende • Kopf, Nacken und Schultern mit einem Kissen
kontinuierlich die Vitalparameter, das Aussehen unterpolstern. Ausnahme: Früh- und Neugebore-
und die verbalen oder nonverbalen Äußerungen des ne, Säuglinge und Kinder nach Herzoperationen
Kindes. (bis 3 Tage nach Thoraxverschluss) erhalten kein
Zur aktiven Mobilisation gehören Kissen.
• Aufsetzen im Bett, • Oberarme etwa 30° abduzieren, Unterarme im
• Kuscheln auf dem Arm der Eltern, Ellenbogengelenk anwinkeln und leicht erhöht
• Sitzen an der Bettkante, lagern. Pflegende achten darauf, dass der Ellen-
• Sitzen auf einem Stuhl, bogen frei bleibt bzw. weich unterpolstert ist.
• Stehen, • Hände in Pronationsstellung bringen, Handge-
• ggf. Gehversuche. lenke leicht überstrecken.

VORSICHT
Kindern mit zerebralen Bewegungsstörungen niemals
8.4  Lagerungen feste Objekte in die Hände legen, da dies zur Tonusstei-
gerung führen kann.
Anja Messall

• Hüfte gerade und in Mittelstellung lagern.


Lagerungen fördern Wohlbefinden, Eigenbewegung • Kniegelenke abwechselnd gestreckt und gebeugt
und Wahrnehmung des Kindes. Regelmäßige Wech- mit Unterpolsterung lagern. Dabei Oberschenkel
sel der Körperposition unterstützen überdies die Se- seitlich abstützen, um eine „Froschhaltung“ der
kretmobilisation, Lungenperfusion bzw. -ventilati- Beine zu vermeiden. Die Fersen liegen frei bzw.
on, Magen-Darm-Passage sowie den Hautstoffwech- weich. 8
sel und sie verhindern Dekubiti. • Weiches Kissen an die Fußsohlen legen, sodass
Die Lagerungsart richtet sich nach dem Befinden sie ungefähr im 90°-Winkel liegen.
des Kindes. Pflegende berücksichtigen seine Wün-
sche, Bedürfnisse und Gewohnheiten. Sofern Vorlie-
ben nicht bekannt bzw. noch nicht ausgebildet sind,
orientieren sie sich an den altersentsprechenden,
physiologischen Haltungen, z. B. lagern sie ein Früh-
oder Neugeborenes in typischer Beugeposition, be-
quem und sicher. Nach dem Umlagern beobachten
Pflegende noch eine Weile Mimik, Gestik und Kör-
perhaltung des Kindes, um herauszufinden ob die
gewählte Lagerung wohltuend wirkt. Sofern mög-
lich, befragen sie es nach seinem Befinden. Ein Lage-
rungswechsel erfolgt je nach Haut- und Allgemein-
zustand alle 2–4 Std. Auf vielen Stationen gelten für
die Lagerung verpflichtende Standards. Abb. 8.6  Rückenlage. [M285]
122 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Fußknöchel frei liegen und die Füße mit einem


Kissen abgestützt sind.
Variationen bei der Lagerung der Arme sind locker
gestreckte Lagerung, Lagerung am Abdomen und
kurzzeitige Lagerung über dem Kopf.

Bauchlage
Das Kopfteil des Bettes ist flach gestellt. Bei Kindern
mit Atemproblemen können Pflegende auch das
komplette Bett in Schräglage bringen. Sie unterla-
gern den Kopf nicht, platzieren aber Kissen unter
Abb. 8.7  30°-Seitenlage. [M285] den Brustkorb, das Becken und die Unterschenkel.
Die Arme lagern sie gebeugt neben den Kopf.
Eine Erhöhung des Oberkörpers erhöht den Druck
auf das Gesäß und macht ein häufigeres Umlagern
135°-Bauchlage
erforderlich.
Das Becken liegt bei der Oberkörperhochlage im Durchführung
„Bettknick“, was zum Auftreten von Scherkräften • Kind wie bei der stabilen Seitenlage auf zwei Kis-
führen kann. sen oder eine zusammengelegte Bettdecke dre-
hen. Verwenden die Pflegenden Kissen, befindet
sich eins unter Kopf und Oberkörper und das
30°-Seitenlage
zweite unter dem oberen Bein.
Die 30°-Seitenlage kann flach oder mit leicht erhöh- • Arm der erhöhten Seite umgreift Kissen oder
tem Kopfteil erfolgen. Pflegende achten darauf, dass Bettdecke, sodass der Unterarm auf dem Bett zu
der Kopf die Verlängerung der Wirbelsäule bildet, das liegen kommt.
Kind also achsengerecht liegt und die Durchblutung • Oberes Bein etwa in einem 90°-Winkel über Kis-
der Halsgefäße gewährleistet bleibt. Sie unterstützen sen oder Bettdecke legen, wobei der Unterschen-
den Rücken des Kindes mit Lagerungshilfsmitteln. kel auf der Matratze ruht.
• Kopf auf Kissen oder Decke legen, falls nötig, am
Durchführung Hinterkopf abstützen.
8 • Frei liegende Schulter leicht nach hinten nehmen • Unten liegenden Arm gestreckt am Körper la-
und die unter dem Körper liegende Schulter vor- gern.
sichtig ein Stück nach vorn und unten ziehen. • Unten liegendes Bein gestreckt mit minimal er-
• Unten liegenden Oberarm etwa 30° abduzieren, höhtem Unterschenkel lagern.
Unterarm zum Körper hin anwinkeln und leicht
erhöhen.
Schiefe Ebene
• Oben liegenden Arm ebenfalls zum Körper hin
anwinkeln und auf ein Kissen oder am Körper la- Die Pflegenden legen eine zusammengerollte De-
gern. cke unter die Längsseite der Matratze, wodurch ein
• Ellenbogen liegen frei oder weich, beide Unterar- Teil der Matratze um 15–20° erhöht ist. Das Ge-
me in Pronationsstellung bringen. wicht des Körpers verlagert sich somit auf die tie-
• Hände locker geöffnet lagern. fer liegenden Körperteile. Diese Lagerung fördert
• Untere Hüfte leicht nach vorn ziehen und ge- die Durchblutung der belasteten und die Lungen-
streckt lagern. belüftung der entlasteten Körperhälfte. Die Verla-
• Unteres Bein liegt gestreckt oder gebeugt; oberes gerung der Druckpunkte senkt das Dekubitusrisi-
Bein nach vorn beugen und evtl. geneigt auf ein ko ohne großen Aufwand wesentlich. Die einfache
Kissen legen. Pflegende achten darauf, dass die Handhabung dieser Lagerung empfiehlt sich be-
8.4  Lagerungen 123

sonders für die Nacht, da die Manipulation den


Patienten bei hohem therapeutischem Nutzen nur
minimal stört.

Königsstuhllagerung
Die Bezeichnung Königsstuhllagerung stammt von
Maria Adam, Lehrerin für Gesundheits- und Kran-
kenpflege in Graz.

Indikationen Abb. 8.8  Königsstuhllagerung. [L157]


• Kinder mit gestörter Körperwahrnehmung
• bei Dekubitusgefahr zur Schonung des Sakralbe-
reichs und der Fersen
• Verbesserung der Oberkörper- und Beinstabilität
im Sitzen und Liegen
• erhöhte Körperspannung
• nach Operationen, die eine längerfristige Rücken-
lage erfordern
Für diese Lagerung rollen Pflegende ein Handtuch
oder eine Bettdecke längs zusammen und positio-
nieren sie mittig unterhalb des Sitzbeinhöckers. Die
möglichst gleichlangen Enden führen sie seitlich des Abb. 8.9  Nussschalenlagerung. [L157]
Körpers nach oben, modellieren sie eng am Rumpf
sowie unter den Schultern und schieben sie bis unter • Pflegende platzieren zwei zusammengerollte Bett-
das Kissen. Das enge Anmodellieren am Körper er- decken oder Handtücher rechts und links vom
möglicht eine verbesserte Körperwahrnehmung. Kind unter dem Laken, beginnend am Kopf bis zu
Eine weitere zusammengerollte Bettdecke oder den Fußsohlen. Sie spannen das Betttuch mit ei-
ein Handtuch ist unterhalb der Füße zu platzieren ner Hand und schieben die Rolle mit der anderen
und an den Unterschenkeln nach oben zu führen. Hand fest an den Körper des Kindes. Bei den
Beide Enden sind unter den Kniekehlen zusammen- Kniekehlen führen sie die Rolle etwas nach innen,
zuführen. Ein Handtuch oder ein schmales Kissen um eine leichte Beugung der Beine zu erzielen. 8
zwischen den Beinen verbessert die Körperwahr- An den Fußenden führen sie die Decken zusam-
nehmung zusätzlich. men. Auch bei dieser Lagerung kann ein Hand-
tuch oder ein kleines Kissen zwischen den Beinen
die Körperwahrnehmung zusätzlich verbessern.
Nussschalenlagerung
Entwickelt und erprobt wurde die Nussschalenlage-
VATI-Lagerungen
rung 1998 von Johann Rannegger auf der neurologi-
schen Intensivstation der Landesnervenklinik Graz. DEFINITION
VATI-Lagerungen: Sie basieren auf dem Prinzip der
Indikation Hohllagerung und können sowohl in Flach- als auch in
• Verlust der Körperwahrnehmung und -orientie- Oberkörperhochlage erfolgen.
rung
• Dekubitusprophylaxe Für VATI-Lagerungen (außer der I-Lagerung) be-
• „Durchgangssymptomatik“ nötigt man zwei Kissen, die zu „Schiffchen“ geformt
• nach Lumbalpunktion sind. Die Position der Kissen ist aus Abb. 8.10 er-
• SHT sichtlich. Bei allen Lagerungen ist eine zusätzliche
124 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Unterstützung des Kopfes erforderlich. Die Anwen- Trendelenburg-Lagerung


dungsdauer darf aufgrund der erhöhten Dekubitus-
gefahr 20 Min. nicht überschreiten. Die Trendelenburg-Lagerung (auch Schocklage­
rung genannt) ist bei akutem Kreislaufversagen in-
V-Lagerung diziert, sofern es mit einer zentralen Hypovolämie
Die V-Lagerung fördert durch die Dehnung der einhergeht. Ein positiver Effekt für das Schlagvolu-
oberen Lungenabschnitte die Belüftung dieser Lun- men und den Blutdruck ist laut einer Studie nur für
genbereiche. In der V-Lagerung liegen Hals und 7 Min. gegeben. [1]
Wirbelsäule frei. Durch den Druck im Sakralbereich Die Pflegenden lagern die Beine des Kindes er-
ist allerdings die Dekubitusgefahr dort erhöht. höht, um den venösen Rückfluss zum Herzen und
somit die kardiale Vorlast zu erhöhen (ZVD). Um
A-Lagerung diese Lage zu erreichen, geben sie Kissen unter die
Unter dem Einfluss der A-Lagerung dehnt sich der Beine oder stellen das Bett in die Trendelenburg-
untere Bereich der Lunge, wodurch sich die Belüf- Position. Bei vielen Krankenhausbetten lässt sich
tung verbessert. Auch hierbei ist die Wirbelsäule ent- dazu das Fußteil erhöhen die gesamte Längsachse in
lastet, da sie ab der Höhe des 4. Halswirbels frei liegt. Kopftieflage bringen.

T-Lagerung VORSICHT
Die T-Lagerung fördert die Atmung durch eine Bei Kopfverletzungen mit Blutungen, erhöhtem Hirn-
Dehnung des gesamten Brustkorbs im Mediastinal- druck, Lungenblutungen sowie beim kardiogenen Schock
bereich. Sie dient auch der Dekubitusprophylaxe, (› 14.8.1) ist die Trendelenburg-Lagerung kontraindi-
ziert.
sofern Schulter und unterer Rippenrand gefährdet
sind.
Cardiac-Lagerung
I-Lagerung
Die I-Lagerung verbessert die Belüftung aller Lun- Die Cardiac-Lagerung ist bei Kindern mit Herzin-
genabschnitte. suffizienz, Myo- und Endokarditis sowie nach eini-
gen kardiochirurgischen Eingriffen (z. B. Glenn-
Anastomose, Fontan-Operation) angezeigt. Ziele der

8 Belüftung der Belüftung der


oberen Lungenabschnitte Lungenspitzen

Abb. 8.10  V, A, T und I-Lagerung. [L157]


8.4  Lagerungen 125

• Begrenzungen schaffen, Körperselbstwahrneh-


mung fördern
• Sicherheit, Geborgenheit und „Nestwärme“ ver-
mitteln
• Körpertiefen und -breiten positiv beeinflussen,
z. B. die Kopfform
• Hyperaktivität durch Begrenzungen eindämmen

3-Stufen-Oberkörperhochlagerung
Für diese Lagerung benötigen Pflegende 1–2 Baum-
wollwindeln. Eine Windel ist so zu falten, dass
Abb. 8.11  Cardiac Lagerung. [L106] „3 Stufen“ entstehen (› Abb. 8.12). Anschließend
drehen Pflegende die Windel um bzw. bedecken sie
Lagerung sind die Vorlast- und Nachlastsenkung, mit einer zweiten Baumwollwindel, damit das Kind
die daraus resultierende Entlastung des Herzens so- nicht auf den Übergängen der Stufen liegt. Die Stu-
wie die Erhöhung des Herzzeitvolumens. fen entsprechen von oben nach unten der Länge
Pflegende bringen das Kind auf dem Rücken mit von Kopf, Thorax, Gesäß und Beinen. Umgrenzt
30–45° erhöhtem Oberkörper in eine sitzende Posi- wird das Kind in Rücken- bzw. Seitlage mittels
tion. Dies kann, wenn möglich, durch eine entspre- längs gerolltem Badetuch, einer Windel oder einem
chende Verstellung des Betts erfolgen oder durch Corpomed®-Kissen.
eine Schrägstellung der Bettebene und die Unter-
polsterung der Knie und Oberschenkel. Um im letz- Seitlage
teren Fall ein Abrutschen des Kindes zu vermeiden, Die Seitlage (› Abb. 8.13) lässt sich mithilfe einer
platzieren die Pflegenden im Beckenbereich eine La- längs gefalteten Baumwollwindel oder (bei größeren
gerungsrolle. Kindern) mit einem Badetuch durchführen. Kopf
und Hals liegen frei, sodass dem Kind Eigenbewe-
Frühgeborenenlagerungen
Das zu früh geborene Kind gerät aus der gedämpf-
ten, von Flüssigkeit umspülten Situation im Uterus
unvermittelt in ein Milieu mit völlig entgegengesetz-
ten Bedingungen. Das Ambiente im Inkubator ist 8
trocken, laut, hell, reizintensiv und thermisch relativ
stabil. Diese Umgebung bietet dem Kind keine idea-
len Voraussetzungen, eigene Bewegungen zu üben. Abb. 8.12  3-Stufen-Oberkörperhochlagerung [L157]
Frühgeborene verfügen nur über geringe bis gar kei-
ne Muskelspannung und können sich kaum gegen
die Schwerkraft bewegen. Hieraus ergibt sich ein Be-
wegungs- und Übungsdefizit, das die typische
„Frühchenhaltung“ zur Folge hat. Zudem fehlt die
körperlich-emotionale Verbindung zur Mutter. Dies
ist für Mutter und Kind sehr belastend.

Ziele
• Bewegung der Extremitäten zur Körpermitte und
-achse ermöglichen
• Förderung der Stützaktivität gegen die Unterlage
• Eigenaktivität des Kindes fördern Abb. 8.13  Seitlage. [L157]
126 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

gung in diesem Bereich möglich ist. Das oben liegen-


de Bein und der Arm sind mithilfe eines zusammen-
gerollten Handtuchs, einer Windel oder einem
Corpomed®-Kissen zu unterstützen.

Bauch-Seitlage
Die Bauch-Seitlage (› Abb. 8.14) lässt sich mithilfe
einer längs gefalteten Baumwollwindel oder bei grö-
ßeren Kindern mit einem Badetuch durchführen.
Pflegende positionieren den Kopf achsengerecht zum
Körper, um eine Einengung von Blutgefäßen und Tra- Abb. 8.14  Bauch-Seitlage. [L157]
chea zu vermeiden. Sie achten darauf, dass keine
übermäßige Beugung des Kopfes nach vorn bzw. hin- rungen. Leidet das Kind unter besonders zähem Se-
ten besteht. Die Bewegung von Kopf, Hals und Ar- kret, lassen die Pflegenden es vor den Drainagelage-
men soll erhalten bleiben. Umgrenzt ist das Kind in rungen mit NaCl 0,9 % inhalieren. Bei Säuglingen
Rücken- bzw. Seitlage von einem längs gerollten Ba- bietet es sich an, die Lagerungen auf dem Schoß vor-
detuch, einer Windel oder einem Corpomed®-Kissen. zunehmen. Die Pflegenden entscheiden darüber mit
Rücksicht auf das Befinden des Patienten.
Nestlagerung
Kissen, z. B. Corpomed®, zusammengerollte Decke, Unterlappendrainage
Handtuch oder Windel begrenzen bei dieser Lage- • apikal
rung in Rücken- oder Seitenlage den gesamten Kör- – Kind auf den Bauch lagern; Gesäß durch Un-
per. Als Lagerungshilfsmittel eignen sich u. a. mit terlegen eines Kissens erhöhen
warmem Wasser gefüllte, latexfreie Handschuhe. • anterior basal
Durchführung – Kind auf den Rücken lagern, Knie mit einem
• Rückenlage: Kopf und Rücken liegen auf der Un- Kissen unterstützen und das gesamte Bett in
terlage, das Kissen umschließt den Kopf. leichte Kopftieflage bringen
• Arme ab Schulterhöhe unterpolstern, um Eigen- • lateral basal
bewegung zur Körpermitte zu ermöglichen. – Kind liegt in steiler Rechts- bzw. Linksseitenla-
• Beine angewinkelt auf das Kissen legen, sodass ge, wobei die Hüfte mit einem Kissen unter-
Ober- und Unterschenkel auf dem Kissen oder ei- stützt und das gesamte Bett in eine leichte
8 nem zusätzlichen Lagerungshilfsmittel ruhen. Kopftieflage gestellt ist
• Seitliche Unterstützung der Knie vermeidet das • posterior basal
Abduzieren der Beine. – gleicht der apikalen Drainage, jedoch nimmt
• Füße weich gegenlagern. das Kind eine leichte Kopftieflage ein
• medial basal
– Kind liegt auf der rechten Seite mit einem Kis-
Drainagelagerungen
sen unter der Hüfte und in leichter Kopftieflage
Drainagelagerungen (›  Abb. 8.15) fördern den
Sekretabfluss aus den Bronchialsegmenten durch Mittellappendrainage
die Einwirkung der Schwerkraft. Mithilfe von Kon- • medial und lateral
taktatmen und Vibrationen verstärken Pflegende die – Lagerung in einer 45°-Linksseitenlage, Unter-
Effektivität der Lagerungen. stützung des Rückens durch Kissen, leichte
Drainagelagerungen lassen sich etwa 3–4× täglich Kopftieflage
für ca. 15–20 Min. je Position durchführen (Kopf-
tieflage deutlich kürzer, sofern das Kind sie tole- Linguladrainage
riert). Die Pflegenden bringen die Kinder weder vor • superiorer und inferiorer Bronchus
noch unmittelbar nach der Mahlzeit in diese Lage- – leichte Rechtsseitenlage in Kopftieflage
8.4  Lagerungen 127

Apikale Oberlappen-Drainage Mediale-laterale Mittellappen-Drainage


‣ Hinteres oberes Segment (Oberkörper ca. 45° nach
‣ Hinterer Bronchialbereich links gedreht)

30 cm 35 cm

Anteriore Oberlappen-Drainage Lateral-basale Unterlappen-Drainage


‣ Vordere Segmente ‣ Äußeres Segment
‣ Vorderer Bronchialbereich ‣ Seitlich unterer Bronchialbereich

45 cm

Posteriore Oberlappen-Drainage Apikale Unterlappen-Drainage


‣ Äußeres und hinteres Segment ‣ Spitzensegmente
‣ Hinterer Bronchialbereich

Abb. 8.15  Drainagelagerungen. [L215]

ZITIERTE LITERATUR
Oberlappendrainage [1] www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7069801 (Letzter Zugriff 8
• apikal am 29.12.2011)
– Kind mit dem Oberkörper erhöht lagern und
VERWENDETE LITERATUR
entsprechend der betroffenen Bronchialseg- Maletzki W.; Stegmayer-Petry, A.: Klinikleitfaden Pflege.
mente leicht nach vorn (posteriore apikale München, Elsevier Verlag 2008
Segmente) bzw. leicht nach hinten geneigt la- Marx B., Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpflege, Lübeck,
gern (anteriore apikale Segmente) Stuttgart, Jena, Ulm, Gustav Fischer Verlag 1998
• anterior Kolster B.; Ebelt-Paprotny, G.: Leitfaden Physiotherapie,
München, Elsevier Verlag 2008
– flache Rückenlage mit unterlagerten Knien Schäfer S. et al.: Fachpflege Beatmung – Überwachung und
• posterior Pflege des beatmeten Patienten. 3. Auflage, Elsevier Ver-
– Kind in 135°-Bauchlage auf die rechte Seite lag, München, 2011
(rechten Arm nach hinten ausstrecken) bzw. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7069801 (Letzter Zugriff
auf die linke Seite (linken Arm nach hinten am 29.12.2011)
Schnedl M. E.: www.salk.at/DMS/2–20090120–14294579.
ausstrecken) lagern pdf (Letzter Zugriff am 29.12.2011).
Rannegger J., www.basale.at/system/anypage/index.
php?opnparams=BT0CMlIzUTM
128 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

8.5  NIDCAP®
Stephanie Rist

DEFINITION
NIDCAP® (newborn individualized developmental care
and assessment programm): Programm zur individuellen
entwicklungsfördernden Pflege und Einschätzung des
Neugeborenen.

Abb. 8.16  Die Hirnentwicklung des menschlichen Fötus.


NIDCAP® wurde von der deutschstämmigen Neuro- [L157]
psychologin Heideliese Als erstmals 1982 in einer
Bostoner Klinik in den USA eingeführt und seither Pränatale Entwicklung des Gehirns
vielfach anhand von Studien überprüft. Um den Effekt von entwicklungsfördernder Pflege
Durch die Spezialisierung auf dem Gebiet der zu verstehen, ist die Kenntnis einiger Bedingungen
Neonatologie in den 1960-er Jahren verbesserten der Hirnentwicklung erforderlich.
sich die Überlebenschancen für Frühgeborene Das Gehirn des Fötus wächst zwischen der ­23.–40.
enorm. Schwangerschaftswoche rapide.
Man stellte jedoch fest, dass die Folgeprobleme In der 24. SSW wiegt das Gehirn des Fötus nur ca.
einer Frühgeburt weiterhin bestanden und sich auch 70 g, zum Geburtstermin etwa 350 g. Aufgrund die-
die Prognose der Kinder nicht besserte. Die For- ser raschen Entwicklung und dem damit verbunde-
schungsgruppe um Heideliese Als entwickelte das nen erhöhten Hirnstoffwechsel haben FG einen ge-
Konzept NIDCAP® aus dieser Erkenntnis und auf- steigerten Energiebedarf. In der 23. SSW ist die
grund des Wunsches, Entwicklungsstörungen und Oberfläche des Gehirns noch glatt, im EEG ist nur
Folgeschäden bei den Patienten zu vermindern bzw. eine sehr geringe Aktivität nachzuweisen, die fast ei-
zu vermeiden. ner Nulllinie gleicht. [6] Bis zur 40. SSW bilden sich
Die Untersucher erfassten bei ehemaligen Früh- die typischen Gyri und Sulci (Erhebungen und Ver-
geborenen (z. T. ohne direkte Zeichen einer neurolo- tiefungen der Hirnoberfläche).
gischen Schädigung bei der Entlassung): In dieser Zeit wandern Milliarden Neuronen in
• Seh- und Hörschäden die Hirnrinde. In der 23. SSW haben schon fast alle
• mentale Retardierung Neuronen ihren Platz in der Hirnrinde gefunden
• Sprachschwierigkeiten und beginnen, sich zu vernetzen. Es entstehen Syn-
8 • Schulprobleme, Verhaltensstörungen und Stö- apsen. Gleichzeitig beginnt auch die Myelinisierung
rungen im Sozialverhalten [1] [2] der Nervenfasern. Eine Fett-Eiweißschicht legt sich
Kinder die nach den Regeln des NIDCAP® versorgt um die Oberflächen der Nervenfasern. Sie beschleu-
wurden, profitierten durch: nigen die Nervenleitungsgeschwindigkeit, also die
• weniger körperliche und mentale Entwicklungs- Übertragung von Reizen.
störungen [3] Die Entwicklung des Gehirns (Plastizität) ist von
• eine geringere Beatmungsdauer, weniger sauer- vielen Faktoren abhängig. Zu Beginn der Hirnent-
stoffpflichtige Tage wicklung entsteht eine Massenproduktion von Neu-
• einer rascher einsetzenden oralen Ernährung, ronen. Sie sind nötig, um den Aufbau zu unterstüt-
Entwöhnung von der Ernährungssonde zen. Ist der Aufbau bestimmter Areale abgeschlos-
• kürzerem Krankenhausaufenthalt sen, beginnt die Zerstörung der Neurone die nur für
• Anstieg von Gewicht, Länge und Kopfumfangs- den Aufbau benötigt wurden. Diesen Vorgang nennt
daten bei der Entlassung man Apoptose.
• Geringeres Erkrankungsrisiko für IVH, BPD, Die Hirnentwicklung ist von äußeren Reizen und
NEC und ROP [1] [4] [5] weniger von genetischer Prägung abhängig.
8.5  NIDCAP® 129

In den Wachstumsphasen sind bestimmte Reize Einfluss von Licht


erforderlich, damit sich das Hirn entwickelt. Diese
Reize erhält ein Kind im Mutterleib. Das Licht der Intensivstation hat direkten Einfluss
Auf der Intensivstation aber entfallen viele von auf die physiologische Stabilität und die Funktion
ihnen. Ein Beispiel hierfür ist die Wachstumshal- des zentralen Nervensystems eines frühgeborenen
tung, die ein Kind im Uterus einnimmt, und in der Kindes. So erleben FG negativ stimulierende Effekte
die Extremitäten zur Mittellinie des Körpers hin durch Licht und Lautstärke intensiv. Durch die Er-
flektiert sind. höhung des Stresspegels verstärken sie Apnoen und
Im Gegensatz dazu verhindert eine Lagerung in führen zu Unregelmäßigkeiten der Herzfrequenz,
„Froschhaltung“ diese Flexion der Extremitäten und des Blutdrucks und der Gewichtszunahme.
entzieht dem Kind wichtige Reize, die das Gehirn Die American Academy of Pediatrics empfiehlt,
zum Wachstum „erwartet“. dass die Lichtintensität auf einer neonatologischen
Entfällt ein erwarteter Reiz, kann der Entwick- Intensivstation im Durchschnitt nicht mehr als 600
lungsschritt der dadurch verpasst wurde, nicht lux betragen sollte, zur adäquaten visuellen Beob-
nachgeholt werden. Die nicht genutzten Neurone achtung sollte sie nicht höher als 1.000 lux liegen. Im
unterliegen der Apoptose. Durchschnitt wurden auf Neugeborenenintensivsta-
Grundsätzlich funktioniert die Apoptose nach tionen allerdings 1.488 lux gemessen. Auch fanden
dem Prinzip „Use it or lose it“. Faktoren, die solch Untersucher heraus, dass die für die Hirnentwick-
eine ungewollte Apoptose steigern, sind: Schmerz, lung so wichtigen REM-Schlafphasen unter dem
Stress, Froschhaltung, Sedativa, Mangelernährung, Einfluss starken Lichts in niedrigerer Frequenz vor-
Reizüberflutung, hohe Lichtintensität, hoher Ge- kommen. [8] [9]
räuschpegel, fehlende soziale Stimulation. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sich die Be-
Die Reize einer Intensivstation führen also zu ei- leuchtung der Station während der Wachphasen
ner veränderten funktionellen und feinstrukturellen dimmen lässt und dass während der Schlafzeiten
Organisation des Gehirns. [7] Dunkelheit sichergestellt ist. Auf das kindliche Auge
darf nur indirektes Licht fallen. Falls eine Beurtei-
Wenn Pflegende die Hirnentwicklung unterstützen, för- lung bei intensiven Lichtverhältnissen nötig ist,
dern sie das kognitive und psychosoziale Outcome der schirmen Pflegende die Augen des Kindes unter al-
Versorgung von Frühgeborenen. len Umständen gut ab. Die Abschirmungen der
Nachbarbettplätze vor Licht, wie es z. B. durch Pho-
totherapie entsteht, muss unbedingt gewährleistet
Das Umfeld hat starken Einfluss auf die Entwicklung sein. Sie gelingt z. B. durch Inkubator-Cover. Zur Be- 8
des FG-Gehirns. FG müssen erst lernen, sich von Sti- urteilung richten Pflegende punktuelle Lichtquellen
mulationen anregen zu lassen, ohne sie mit körperli- ein, die andere Kinder so wenig wie möglich erfas-
cher Dekompensation zu beantworten. Wenn die sen.
Einrichtung damit beginnt, die Stimuli zu reduzie-
ren, z. B. Versorgungen, Prozeduren, Geräuschpegel, Zählungen zeigen, dass ein FG/NG auf der Intensivstation
Lichtverhältnisse, kann das Kind darin unterstützt bis zu 134× in seinem Schlaf unterbrochen wird. Deshalb
werden, effektiver mit physiologischen Anforderun- kommt neben der Lichtreduktion die Bündelung der Maß-
gen und Gegebenheiten zurechtzukommen. Wenn nahmen auf einen Zeitpunkt, an denen das Kind wach ist,
Energie erhalten bleibt, beginnt das FG an Gewicht besondere Bedeutung zu. [4] [10]
zuzunehmen.
Das Kind lernt, erregende Stimuli aus der Umwelt
Einfluss von Lärm
zu regulieren, während es gleichzeitig die Stabilität
seiner Atmung und seines vegetativen Systems auf- Frühgeborene Kinder sind durch ihre Unreife be-
rechterhalten kann. [1] sonders verletzlich gegenüber den Effekten von
Lärm. Die arterielle Sauerstoffsättigung nimmt bei
lauten Umgebungsgeräuschen signifikant ab. Hohe
130 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

Geräuschpegel oder -spitzen machen das frühgebo- Ruhephasen gibt das Kind − nicht das Personal −
rene Kind zu einem Risikopatienten für lärmindu- vor. Planbare Interventionen erfolgen im Wachzu-
zierte Hörschäden. Das gesamte Mobiliar und stand des Kindes. Ziele der Pflegenden sind ein Mi-
Equipment muss leise bewegt werden, quietschende nimum an Stressreaktionen des autonomen Sys-
Reifen sind zu ölen, Inkubatortüren und Klappen tems, eine stabile Selbstregulation und eine rasche
vorsichtig und leise zu schließen. Im Patientenzim- Erholung des Kindes von Stressreizen.
mer dürfen keine Radios laufen. Monitoralarme Die Selbst- oder Eigenregulation beschreibt die
sind auf die leisestmögliche Alarmlautstärke (nur Fähigkeit des Kindes, seine Körperfunktionen im
bei zentraler Monitoranlage möglich), Telefone auf Gleichgewicht zu halten und so besser in der Lage zu
die leisesten Klingeltöne, wenn möglich auf Vibrati- sein, sich selbst zu beruhigen und zu trösten. Dazu
onsalarm zu stellen. Visiten finden nicht am Bett- gehören z. B. das Stemmen der Hände und Füße ge-
platz statt. Für Elterngespräche sollte ein separater gen einen Widerstand, das Greifen und Festhalten
Raum zur Verfügung stehen. an Gegenständen, Fingern, Kabeln und Tuben, so-
wie das Heranführen der Hände zum Mund und das
VORSICHT Saugen an ihnen.
Der Inkubator reduziert die Lautstärke nur bedingt, z. T. Mit Hilfe der folgenden fünf Subsysteme beurteilt
verstärkt er sogar verschiedene Geräusch durch den Hall- ein NIDCAP®-Spezialist das Verhalten des Kindes.
effekt. Diese Systeme regulieren das Verhalten und zeigen
Stress oder Überforderung genauso wie Ausgegli-
chenheit und Selbstkontrolle:
Einfluss von Schmerzen
• autonomes System: Hautfarbe, Herzfrequenz,
Schmerzen steigern beim FG die Apoptose zum fal- Atemmuster, Ausscheidung, Verdauung, autono-
schen Zeitpunkt. me Lautäußerungen und Bewegungen (z. B. un-
Die efferenten Bahnen des nozizeptiven Systems willkürliches Seufzen und Zuckungen)
eines FG sind nicht vollständig ausgebildet, die affe- • motorisches System: Muskeltonus, Körperhal-
renten jedoch schon. Dass heißt, ein frühgeborenes tung, Mimik, Gestik
Kind kann Schmerzen in voller Stärke wahrnehmen, • System der Bewusstseinsstadien: Schlaf- und
aber die Schmerzhemmung durch Ausschüttung en- Wachphasen, Schreien
dogener Opiate funktioniert noch nicht adäquat. • Aufmerksamkeit und Integration: verschiedene
Frühgeborene Kinder reagieren daher sensibler auf Stadien der Aufmerksamkeit bis hin zu Aufre-
Schmerzen und spüren sie intensiver als z. B. Er- gung und die Stabilität der Aufmerksamkeit
8 wachsene. • Selbst- oder Eigenregulation Das Aneinander-
fassen der Hände und Füße, das Greifen nach Ge-
genständen und ein animierter Gesichtsausdruck
Ressourcen erkennen und fördern
sind beispielsweise Zeichen für ein ausgegliche-
Das Verhalten des Kindes ist als nonverbale Kom- nes Verhalten, während Klonien, Finger spreizen
munikation zu verstehen und erlaubt Rückschlüsse und ein starrer Gesichtsausdruck deutliche
auf seinen Zustand und die Hirnentwicklung. Ein Stress­signale sind. [11] [12]
Kind bewegt sich z. B. auf einen Reiz zu, wenn er
zum richtigen Zeitpunkt kommt und in seiner Stär- Unterstützende Maßnahmen
ke dem Entwicklungsstand des Kindes entspricht. Es Das Ziel der Lagerung ist die Unterstützung der
bewegt sich davon weg, wenn der Reiz zu einem fal- Selbstregulation. Dabei achten Pflegende auf die Fle-
schen Zeitpunkt kommt oder zu komplex ist. xion aller Extremitäten zur Körpermitte hin. Dies ist
Dreh- und Angelpunkte des Konzepts NIDCAP® am besten in Seitenlage zu erzielen. Das Zusammen-
sind das Verständnis und die entsprechende Reakti- führen der Hände und Füße vor dem Körperstamm
on von Team und Angehörigen auf die Verhaltens- darf nicht durch Lagerungshilfsmittel verhindert
sprache des Kindes. Die Bezugspersonen stimmen werden. Alle Manipulationen am Kind, z. B. das Le-
Interaktion und Umfeld sensibel auf das Kind ab. gen auf die Waage, erfolgen bevorzugt in Seitenlage.
8.5  NIDCAP® 131

Dies kann optimalerweise sogar in einem Lage- on. Die Hände der Pflegenden verlassen den Körper
rungsmittel wie dem Toffel® oder dem Snuggle® ge- erst, wenn sich das Kind beruhigt hat. Wird es nach
schehen. Denn besonders Routinehandlungen, wie Beenden der Unterstützung unruhig, erfährt es er-
das Wiegen, fügen dem Kind Stress zu. neuten Trost. Studien haben gezeigt dass Kinder, die
Pucken/Swaddling während des endotrachelen Absaugens und der ka-
Durch das Pucken/Swaddling (Einwickeln) sol- pillären Blutentnahme mit Facilitated Tucking un-
len Bewegungen grundsätzlich begrenzt, aber nicht terstützt wurden, eine signifikante Reduktion der
verhindert sein. Das Kind kann gegen Begrenzungen Herzfrequenz, eine kürzere Schreidauer und längere
fassen und drücken → Selbstregulation. Schlafphasen im Anschluss zeigten. [13]
Nonnutritives Saugen
Von einem dauerhaften und zu engen Pucken ist abzura- Nonnutritives Saugen (nicht an Ernährung ge­
ten, da dem Kind die Möglichkeit zur Entwicklung durch bundenes Saugen) gehört zum normalen Verhalten
Bewegung genommen und Fehlstellungen gefördert wer- und somit zu den zu erwartenden Reizen des Kindes
den können. ab der 20. SSW. Es führt zu einer cholinergen Stimu-
lation, sowie einem vagalen Effekt, der eine tiefe,
Seitenlage gleichmäßige Atmung unterstützt und den venösen
Die Seitenlage bietet dem Kind die beste Mög- Rückfluss fördert.
lichkeit zur Selbstregulation, da es mit geringer Nonnutritives Saugen hat sich als analgetisches
Muskelkraft die Extremitäten zur Körpermitte be- Hilfsmittel in der Neonatologie, vor allem in Verbin-
wegen kann. Es liegt so in der Embryonalstellung. dung mit Saccharose 30 %, bewährt. Pflegende geben
Bauchlage sie 2–3 Minuten vor der Intervention in Verbindung
Die Bauchlage erleichtert die Atmung und ver- mit einem Beruhigungssauger.
bessert die Sauerstoffsättigung. Weitere positive Ef- Die Kombination beider Methoden ermöglicht ei-
fekte sind ein Rückgang von Apnoen und Bradykar- ne effektive Schmerzminderung.
dien, eine Unterstützung der Magendarmfunktion Unterstützung der Eltern-Kind-Geschwister-Be-
und längere Schlafphasen. Auch die Bauchlage er- ziehung
möglicht die Flexion der Extremitäten, indem man Die Eltern-Kind-Beziehung muss zu jeder Zeit
das Kind beispielsweise auf einen Steg lagert, und im Mittelpunkt stehen. Pflegende beziehen deshalb
vermeidet somit eine Froschhaltung mit der Gefahr die Eltern in alle Bemühungen um das Kind ein. Die
von Fehlstellungen. soziale Stimulation durch den Kontakt mit den El-
Rückenlage tern setzt positive Reize und fördert die Hirnent-
Die Rückenlage erfordert die Positionierung der wicklung des Kindes. 8
Extremitäten zur Körpermitte hin. Ein FG hat noch Zahlreiche Hilfsmittel fördern die Eltern-Kind
nicht die Muskelkraft, um seine Extremitäten selbst- Bindung:
ständig dorthin zu bewegen. Auch hier vermeiden • Baby-Watch-Kameras werden über den Betten
Pflegende eine Froschhaltung. Liegen die Extremitä- der Kinder angebracht und die Eltern können da-
ten abgespreizt vom Körper, kann sich die wichtige rüber ihr Kind auch von zu Hause aus sehen. Dies
Hand-Mund-Koordination nicht entwickeln. Der fördert v. a. die Beziehung von Vater und Ge-
Kopf ist in Mittelstellung unterstützend zu lagern. schwistern zum FG oder kranken NG, da ihnen in
Facilitated Tucking der Regel wenige Besuche beim Kind möglich
Facilitated Tucking ist eine gute Möglichkeit zur sind. Die Kameras übertragen nur Bilder, keinen
Stressminimierung, z. B. bei Blutentnahmen. Pfle- Ton und man kann sie manuell ausschalten,
gende bringen das Kind in Seiten- oder Bauchlage wenn eine Übertragung bestimmter Situationen
und halten Kopf, Arme und Beine mit sanftem unangebracht ist. Die Eltern können über einen
Druck zur Mittellinie. Diese Stellung ist während der Link im Internet das Bild der Kamera aufrufen.
Intervention beizubehalten und solange weiterzu- Manche Kliniken ermöglichen es auch Müttern,
führen, bis das Kind sich beruhigt hat. Pflegende un- die auf der Intensivstation liegen, ihr Kind über
terstützen und trösten das Kind bei jeder Interventi- einen Monitor zu sehen.
132 8  Integration entwicklungsfördernder Maßnahmen

• Frühchentagebücher können Eltern, Pflegenden LITERATUR


  1. VandenBerg, K. A.: Basic competencies to begin deve-
und evtl. auch Ärzte führen. Sie ermöglichen eine lopmental care in the intensive care nursery (1993). In:
bessere Information über den Verlauf des Inten- Infants and Young Children 6, 52–59
sivaufenthaltes und das Festhalten dieser Erinne-   2. Schothorst, P. F.: Developmental Impact of Neonatal
rungen. Diese helfen den Eltern, sich auf bereits Stress. A Neuropsychiatric Study of Neonatal Intensive
gemachte Fortschritte zu besinnen, wenn es ein- Care Unit Graduates at Schoolage. 1990.
  3. van der Pal, S. M.: The Leiden Developmental Care Pro-
mal weniger schnell vorangeht. jekt. Effekts of Developmental Care on Behavior and
• Koffer für Geschwisterkinder enthalten eine Quality of Life of very preterm infants and parental and
Puppe, die das Geschwisterkind auf der Neonato- staff experiences. Leiden; Amsterdam. Leiden Universi-
logie darstellen soll. Sie ist mit Monitorkabeln, ty Press. 2007.
Magensonde, Flasche mit Frühchensauger, Pam-   4. Altimier, L. B.; Eichel, M.; Warner, B.; Tedeschi, L.;
Brown, B.: Developmental Care, Changing the NICU
pers und Snuggle® ausgestattet. Sie soll den El- physically and behaviorally to promote patient outco-
tern ermöglichen, den Geschwistern die Situation mes and contain costs. 2004. In: Neonatal Intensive
zu erklären und sie hilft Kindern, sich mit der Si- Care 17 (2), ­35–39
tuation auseinanderzusetzen. Die Wichtigkeit der   5. Als, H.; Gilkerson, L.; Duffy, F. H.; McAnulty, G. B.; Bu-
Familienzusammenführung ist unumstritten, ehler, D. M.; VandenBerg, K.; Sweet, N.; Sell, E.; Parad,
R. B.; Ringer, S. A.; Butler, S. C.; Blickman, J. G.; Jones,
denn das Kind verbringt nur einen Bruchteil sei- K. J.: Three-Center, randomized, Controlled trial of indi-
nes Lebens im Krankenhaus, den Großteil jedoch vidualized developmental care for VLBW preterm in-
in seiner Familie. fants: Medical, neurodevelopmental, parenting and ca-
regivin effects. 2003. In: Developmental and Behavioral
NIDCAP® Ausbildung Pediatrics 24(6), 399–408
  6. Frank, C.; Linderkamp, O.; Pohlandt, F.: Frühgeborene
Um NIDCAP® einzuführen, muss pro neonatologi- optimal ernähren und pflegen. Kirchheim Verlag,
scher Station mindestens ein NIDCAP®-Spezialist Mainz, 2005.
ausgebildet werden. Diese Ausbildung dauert, je   7. Schott, C.; Verveur, D.; Ziesenitz, V.; Linderkamp, O.:
nach persönlichem Tempo, ungefähr zwei Jahre. Die Den Weg in ein Leben ohne Behinderung bahnen.
Schulungsinhalte beziehen sich v. a. auf Verhaltens- 2006. In: Pflegezeitschrift 11, 685–688.
  8. Mutschler, E.; Schaible, H. G.; Vaupel, P.: Anatomie,
beobachtung und Einschätzung des Entwicklungs- Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. Wissen-
standes des Kindes. Auch der Umgang mit Instru- schaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2007.
menten zur Verhaltensbeobachtung sowie der rich-   9. Kenner, C.; McGrath, J. M.: Developmental Care of
tige Umgang mit dem Kind zur Entwicklungsförde- Newborn and Infant. A Guide For Health Professionals.
rung gehören dazu. Der NIDCAP®-Ausbilder Elsevier Verlag, USA, 2004.
8 10. Als, H.: A synactive model of neonatal behavioral orga-
begleitet den Prozess der Einführung auf der Station, nisation: Framework for assessment of neurobehavioral
der meist ca. fünf Jahre dauert. Er umfasst ggf. Um- development in the premature infant and for support if
bauten, Schulung des Personals und organisatori- infants and parents in the neonatal intensive care envi-
sche Änderungen. Die Einführung von entwick- ronment. 1986. In: Physical and Occupational Therapie
lungsfördernder Pflege in den Händen einer unge- in Pediatrics 6, 3–55
11. Huppertz, C.; Gharavi, B.; Schott, C.; Linderkamp, O.:
schulten Person jedoch birgt das Risiko einer Über- Individuelle, entwicklungsfördernde Pflege basierend
behütung der Kinder. NIDCAP® sollte nicht ohne auf dem Newborn Individualized Developmental Care
die Schulung und professionelle Begleitung durch- and Assessment Program (NIDCAP®). 2006. In: Die Kin-
geführt werden. derkrankenschwester (9) 24, 359–364.
12. Salzburger-Landeskliniken: www.salk.at/4451.html
(Letzter Zugriff am 29.12.2011)
13. Kinderklinik Datteln: www.kinderklinik-datteln.de/vort-
raegepdf/Herber.S._
Roth.B.Schmerzmanagement%20in%20der%20Neona-
tologie%20als_1.pdf (Letzter Zugriff am 29.12.2011)
KAPITEL

9 Diana Löscher, Christiane Rohrbach

Prophylaxen
DEFINITION hung eines Dekubitus sicher verhindern lässt. Zu
Prophylaxe: Maßnahme zur Vorbeugung von Erkran-
kungen und Vermeidung von Folgeerkrankungen und
dieser Gruppe gehören Patienten, deren gesundheit-
Komplikationen. liche Situation (z. B. bei akuter kardio-pulmonaler
Instabilität) es nicht erlaubt, konsequent die zur De-
kubitusprophylaxe erforderlichen Maßnahmen ein-
zusetzen. Hinzu kommen u. a. Patienten, die wegen
ihrer Grunderkrankung oder der Einnahme von Me-
9.1  Dekubitusprophylaxe dikamenten unter Durchblutungsstörungen leiden,
die die Wirkung der prophylaktischen Maßnahmen
deutlich beeinträchtigen. [3]
9.1.1  Dekubitus Intensivpatienten sind aufgrund ihrer Immobili-
tät und ihrer häufig stark verminderten peripheren
DEFINITION Durchblutung ebenfalls als Risikopatienten anzu-
Dekubitus (Druckgeschwür): Läsion der Haut und tiefer sehen. Lang anhaltender Druck gilt als Hauptursa-
gelegener Gewebeschichten aufgrund chronischer, loka- che für die Entstehung eines Dekubitus bei Kin-
ler Druckwirkung. dern. [2]

Ursächlich für einen Dekubitus scheinen die Kom-


Besonders gefährdete Körperstellen
bination eines länger anhaltenden Drucks (> 25
mmHg) auf ein Hautareal sowie das Auftreten von Grundsätzlich kann sich an jeder Körperstelle so-
Reibung und Scherkräften zu sein. Diese Faktoren wohl in sitzender als auch in liegender Position ein
schädigen die Haut und das darunter liegende Ge- Dekubitus bilden. Körperstellen, an denen Knochen
webe und führen dort zu einer Mangeldurchblu- direkt unter einem dünnen Unterhautfettgewebe lie-
tung. Nährstoffe und Sauerstoff gelangen nicht mehr gen sind jedoch besonders prädisponiert. Bei Neuge-
in adäquater Menge in das betroffene Gebiet und der borenen und Kleinkindern zeigt sich besonders der
Abtransport der Stoffwechselabbauprodukte reicht Hinterkopf als gefährdet, bei größeren Kindern der
nicht mehr aus. In der Folge übersäuert das Gewebe Sakralbereich. An dritter Position sind Dekubiti an
und stirbt langsam ab. den Fersen anzutreffen. [2]
Die Dekubitusprophylaxe hat einen besonderen
Stellenwert, da es sich um ein Thema von hoher ge-
Risikofaktoren
sundheitspolitischer Relevanz handelt. Laut Exper-
tenschätzungen sind etwa 2–10 % der Kranken- Langanhaltender Druck gilt als Hauptursache für die
hauspatienten von Dekubitalulzera betroffen. [1] Entstehung eines Dekubitus bei Kindern. Durch Rei-
Für Patienten zwischen 0–18 Jahren bewegen sich bung und Scherkräfte kommt es zusätzlich zu ober-
die Zahlen im Bereich um 7 %. [2] Die Therapie der flächlichen Hautdefekten. Krankheitsbedingte Mo-
Dekubitalulzera verursacht in Deutschland Kosten bilitätsstörungen und fehlende Sensibilität stellen
in Milliardenhöhe. beim Intensivpatienten wichtige Risikofaktoren dar.
Eine effiziente Dekubitusprophylaxe gilt im Allge- Weitere Risikofaktoren sind Lähmungen, arterielle
meinen als ein Messinstrument pflegerischer Quali- Hypertonie, Sedierung, Katecholaminapplikation
tät, obwohl sich nicht bei allen Patienten die Entste- und Ödeme. Auch medizinische Geräte oder Instru-
134 9  Prophylaxen

mente, die in direktem Kontakt mit dem Körper des kos bei Neugeborenen gibt es die Neonatal Skin
Kindes stehen, z. B. Sonden, Katheter, Pulsoximeter, Risk Assessment Scale for Predicting Skin
aber auch Schienen und Verbände können das Auf- Breakdown (NSRAS). Eine Modifikation der Bra-
treten eines Dekubitus begünstigen. [2] den Q Skala stellt die „Starkid Skin Scale“ dar. Be-
urteilt werden sechs Items: Mobilität/Aktivität,
sensorische Wahrnehmung, Feuchtigkeit, Rei-
Risikoeinschätzung
bung/Scherkräfte, Ernährung, Hautdurchblutung
Um das Dekubitusrisiko eines Patienten objektiv und Oxygenierung. Die Bewertung erfolgt wie bei
und standardisiert einschätzen zu können, ist zu- der „Braden Q Scale“ mit Punkten von 1–4, wobei
sätzlich zur klinischen Beurteilung die Anwendung eine niedrige Gesamtsumme für ein hohes, eine
von Risikoskalen unerlässlich. Es existieren Skalen hohe Gesamtsumme für ein niedriges Dekubitusri-
mit unterschiedlichen Schwerpunkten und für un- siko spricht. Die „Glamorgan Scale“ bezieht in die
terschiedliche Patientengruppen. Am häufigsten Einschätzung des Dekubitusrisikos 11 Faktoren,
verwenden Pflegende die Braden-Skala, gefolgt u. a. Immobiliät und „Dinge die auf die Haut drü-
von der modifizierten Norton-Skala. Eine Weiter- cken“, ein. Entwickelt wurde sie nach Analyse em-
entwicklung der Braden-Skala für den pädiatri- pirischer Daten aus 12 Krankenhäusern in Groß-
schen Bereich ist die „Modified Braden Q Scale“, britannien. [2]
mit deren Hilfe sich bei Patienten im Alter von 21 Zur klinischen Beurteilung gehört die regelmäßi-
Tagen bis 6 Jahren das Dekubitusrisiko einschät- ge Inspektion der Haut, hier besonders der individu-
zen lässt. Für die Einschätzung des Dekubitusrisi- ell gefährdeten Körperstellen. Pflegende dokumen-
tieren sowohl die standardisierte Risikoeinschät-
Tab. 9.1  Dekubitusstadien. [4] zung mittels Skala als auch das klinische Bild.
Grade Symptome
Grad 1 Persistierende umschriebene Hautrötung, evtl.
Ödembildung, Verhärtung, Überwärmung 9.1.2  Prophylaktische Maßnahmen
Grad 2 oberflächliche Hautdefekte mit Ödem- und
Blasenbildung, nach konsequenter Druckent- Die wichtigsten prophylaktischen Maßnahmen zur
lastung und Wundbehandlung kommt es zur Verminderung des Dekubitusrisikos bestehen in der
vollständigen Ausheilung ohne Narbenbildung Reduktion des Auflagedrucks, der Vergrößerung der
Grad 3 Verlust aller Hautschichten und Schädigung Auflagefläche sowie der Vermeidung von Scherkräf-
oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die ten. Bei den Maßnahmen handelt es sich lediglich
bis auf die darunter liegende Faszie reichen um Empfehlungen. Aussagekräftige Studien zur De-
kann, narbige Ausheilung bei einer Druckent-
lastung und effektivem Wundmanagement
kubitusprävention bei Kindern liegen bisher nicht
vor.
Grad 4 Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter
Zerstörung, Gewebenekrose oder Schädigung
9
von Muskeln, Knochen und unterstützenden Mobilisation und Lagerung
Strukturen (Sehnen, Gelenkkapsel)
Um die Druckverweilzeit zu verkürzen (Bewegung =
Druckentlastung), erstellen Pflegende einen indivi-
duellen Mobilisationsplan. Die Frequenz der Lage-
veränderungen richtet sich nach dem medizinischen
Zustand und dem Wohlbefinden des Patienten so-
wie den Ergebnissen der Hautinspektion. Die lange
Zeit favorisierten Lagerungswechsel in zweistündli-
chen Intervallen ließen sich wissenschaftlich nicht
begründen. Gesichert ist jedoch, dass immobile Pa­
Abb. 9.1  Dekubitusgefährdete Hautstellen. [L106] tienten eher zu Dekubitalulzera neigen. Zusätzliche
9.1  Dekubitusprophylaxe 135

Mikrolagerungen scheinen sinnvoll, da Menschen bei einer permanent gefüllten Kopfkammer zu einer
auch im Alltag niemals sehr lange in einer Position besonderen Gefährdung des Hinterkopfes kommen
verharren, sondern regelmäßig Lageveränderungen kann. [2]
vornehmen. [5] Die dauerhafte Anwendung von Weichlagerungs-
Grundsätzlich kommen alle Lagerungspositionen matratzen ist jedoch nicht unproblematisch. Sie
in Frage. Pflegende achten darauf, länger dauernden kann zu Bewegungsdefiziten führen, da jede Bewe-
Druck auf Knochenvorsprünge zu vermeiden und gung aufgrund des mangelnden Widerstands der
die Reibungs- und Scherkräfte möglichst gering zu Auflagefläche einen erhöhten Kraftaufwand erfor-
halten. In Rückenlage bieten sich die V- und A-Lage- dert. Ebenso kommt es zu einer Veränderung des
rung (›  8.4) zur Druckentlastung an. Bei diesen Körperschemas.
Lagerungen bleibt das Os sacrum frei. Pflegende be- Zu den in der Pädiatrie und Neonatologie häufig
achten, dass bei allen Formen der Freilagerung ge- verwendeten Fellen liegen nur wenige Studien vor.
fährdeter Körperstellen der Auflagedruck an den In einer Arbeit (künstliche Felle versus natürliche
aufliegenden Stellen erhöht ist. Felle) wurde gezeigt, dass die Benutzung natürlicher
Für seitliche Positionen hat sich die 30°-Lagerung Schaffelle zu einer Reduktion von Reibung und
als günstig erwiesen, da hierbei die Knochenvor- Scherkräften führte, aber nicht zur Reduktion des
sprünge relativ wenig belastet sind und sich der Auflagedrucks. [5]
Druck auf eine große Körperfläche verteilt. Ebenfalls Pflegende achten insbesondere darauf, dass die
günstig ist die 135°-Lagerung. Aus dieser ist ein Kinder nicht auf Sonden, Kathetern, Überwachungs-
Wechsel in die Bauchlage mit geringer Belastung des kabeln oder anderen medizintechnischen Gerät-
Patienten möglich (› 8.4). schaften liegen. Die Unterlage und Kleidung soll frei
Eine sitzende Position ist mit einem höheren von Falten und Unebenheiten sein. Auf druckredu-
Druck auf das Gesäß verbunden und erfordert häufi- zierenden Hilfsmitteln werden die Laken nicht ge-
gere Positionswechsel. Untersuchungen haben erge- spannt, weil dies zu einem erhöhten Auflagedruck
ben, dass das Sitzen in Stühlen mit Armlehnen und führt. Sofern möglich, verzichten Pflegende darauf,
gesenkter Rückenlehne sowie mit erhöhten Unter- zusätzliche Textilien unter das Kind zu legen.
schenkeln druckentlastender wirkt. Eine zur Seite Um das Dekubitusrisiko durch z. B. Sonden oder
geknickte oder heruntergerutschte Sitzposition eig- Tuben zu verringern, können Pflegende die gefähr-
net sich nicht, da in diesen Positionen höhere deten Hautstellen mit Hydrokolloidplatten abde-
Druckbelastungen und Scherkräfte auftreten. [5] cken. Eine absolute Sicherheit gegen Dekubitus bil-
den Hydrokolloidverbände jedoch nicht. Die Senso-
ren des Pulsoximeters sind alle 3–4 Std. zu wechseln,
Druckreduzierende Hilfsmittel
bei Bedarf häufiger. [2]
Zur Unterstützung der Lagerungen bieten zahlrei-
che Hersteller druckreduzierende Hilfsmittel (z. B.
Hautpflege 9
Spezialbetten, Matratzen, Gelmatten, Kissen, Felle)
an. Die Produkte ersetzen aber in keinem Fall die Alle Maßnahmen der Hautpflege dienen der Erhal-
konsequente Umsetzung eines Bewegungsplanes zur tung und Förderung der Gewebetoleranz. Die meis-
Druckentlastung. ten Risikoskalen enthalten den Aspekt Inkontinenz
Die Lagerung auf Schaumstoffmatratzen wird für als einen Faktor für die Entstehung von Druckulze-
Risikopatienten nicht empfohlen. Für diese Patien- ra. Inkontinenz allein verursacht jedoch keinen De-
ten stehen Wechseldruckmatratzen oder Luftkissen- kubitus. Die Hautfeuchtigkeit bzw. Nässe kann zu
betten zur Verfügung. [6] Für die Anwendung bei einer Mazeration der Haut führen, und erst sie er-
Kindern ist auf die passende Kammergröße und die höht das Dekubitusrisiko. Entsprechend richten
Position der Drucksensoren in Relation zum Kind Pflegende alle Maßnahmen der Hautpflege darauf
zu achten. Des weiteren ist darauf zu achten, dass es aus, Mazerationen zu verhindern.
136 9  Prophylaxen

Zur Hautpflege finden Pflegemittel Verwen- Massagen, besonders über Knochenvorsprüngen,


dung, die das physiologische Hautmilieu aufrecht- hyperämisierende Salben und Kälte-Wärme-An-
erhalten. Für Waschungen verwenden Pflegende wendungen sind als durchblutungsfördernde Maß-
überwiegend klares Wasser. Diesem setzen sie nur nahmen ungeeignet. In Studien ließ sich die Un-
bei starker Verschmutzung waschaktive, flüssige wirksamkeit dieser Maßnahmen nachweisen. [5]
Substanzen (meist mit rückfettenden Komponen-
ten) zu. Trotzdem spülen Pflegende die Haut nach
Ernährung
der Anwendung dieser Zusätze mit klarem Wasser
nach. Im Anschluss an ein Reinigungsbad setzen Die Entstehung eines Dekubitus lässt sich durch eine
Pflegende Wasser-in-Öl-Emulsionen ein, um tro- ausreichende und ausgewogene Ernährung nicht
ckene und gespannte Haut geschmeidig zu halten. verhindern. Ein Zusammenhang zwischen der Ent-
Je trockener die Haut ist, desto höher sollte der stehung von Dekubitalulzera und der Ernährung
Fettanteil des Produkts sein. [7] Fetthaltige wird bisher nur angenommen, ließ sich durch Studi-
Cremes sind besonders für die Anwendung im en aber nicht belegen. Die Ernährung sollte den
Windelbereich ungeeignet. Sie schützen die Haut Empfehlungen der „Deutschen Gesellschaft für Er-
nicht vor Urin und Stuhl, sondern führen zu einem nährung“ folgen und altersgerecht zusammenge-
Feuchtigkeits- und Wärmestau und beeinträchti- stellt sein. Zur Wundheilung unerlässlich ist eine
gen die feuchtigkeitsableitende Wirkung der Win- ausreichende Zufuhr von Eiweißen, Vitaminen und
deln. Mineralstoffen. [5]

Tab. 9.2  Braden Q Skala. [8]


Einschätzung des Dekubitus-Risikos bei Kindern unter 5 Jahren1 – Modifizierte Braden Q Scale – Vander-
bilt Universitätskinderklinik Nashville2
1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte Punktzahl
Mobilität 1. vollständige 2. stark 3. leicht 4. nicht
Fähigkeit, die Immobilität eingeschränkt eingeschränkt eingeschränkt
Position des führt nicht die ge- führt gelegentlich führt oft, jedoch ge- führt oft große
Körpers insge- ringste Positionsän- geringfügige Posi- ringfügige Positionsän- Positionsverän-
samt oder der derung des Körpers tionsänderungen derungen des Körpers derungen ohne
Gliedmaßen zu oder einzelner Glied- des Körpers oder oder einzelner Glied- Unterstützung
verändern maßen ohne Hilfe einzelner Gliedma- maßen aus aus
aus ßen aus, ist aber
unfähig, den Kör-
per selbstständig
zu drehen
Aktivität 1. Bettlägerigkeit 2. an Lehnstuhl/ 3. Geht gelegent- 4. alle Patien-
9 Ausmaß der kann/darf das Bett Sessel/Roll- lich ten,
körperlichen nicht verlassen stuhl gebunden geht tagsüber gele- die zu jung sind,
Aktivität Fähigkeit, ein we- gentlich, aber nur sehr um laufen zu
nig zu gehen, ist kurze Strecken, mit können oder
eingeschränkt oder ohne Hilfe. Ver- Geht oft – tags-
oder nicht vorhan- bringt die meiste Zeit über wenigstens
den. Kann das Ei- jeder Schicht im Bett zweimal außer-
gengewicht nicht oder im Stuhl halb des Zim-
tragen und/oder mers und we-
braucht Hilfe sich nigstens einmal
in den Lehnstuhl, alle zwei Std. in-
Sessel oder Roll- nerhalb des Zim-
stuhl zu setzen mers
9.1  Dekubitusprophylaxe 137

Tab. 9.2  Braden Q Skala. [8] (Forts.)


Einschätzung des Dekubitus-Risikos bei Kindern unter 5 Jahren1 – Modifizierte Braden Q Scale – Vander-
bilt Universitätskinderklinik Nashville2
1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte Punktzahl
sensorische 1. vollständig aus- 2. Stark einge- 3. wenig einge- 4. nicht einge-
Wahrneh- gefallen schränkt schränkt schränkt
mung Unfähigkeit, auf reagiert nur auf reagiert auf verbale reagiert auf ver-
Fähigkeit, Reize Schmerzreize zu re- schmerzhafte Rei- Aufforderungen, kann bale Aufforde-
durch Berüh- agieren (auch nicht ze. Kann Unbeha- aber nicht immer Un- rungen. Hat kei-
rung, passive durch Stöhnen, Zu- gen weder durch behagen oder die Not- ne sensorischen
Lageverän-de- rückzucken, Greifen). Stöhnen noch wendigkeit des Positi- Defizite, die die
rung, z. B. einer Ursache: herabge- durch Unruhe mit- onswechsels mitteilen Fähigkeit,
Gliedmaße, Vib- setzte Wahrneh- teilen oder Schmerz oder
rationen, mungsfähigkeit (bis oder es liegen wenige Stö- Unbehagen zu
Schmerz, Tem- zur Bewusstlosigkeit) über mehr als die rungen der sensori- empfinden und
peratur wahrzu- oder Sedierung Hälfte des Körper schen Wahrnehmung mitzuteilen, her-
nehmen und zu oder liegen Störungen vor, die die Fähigkeit, absetzen
verarbeiten Fähigkeit des der sensorischen Schmerz oder Unbeha-
Schmerzempfindens Wahrnehmung vor, gen zu empfinden, in
über den größten die die Fähigkeit, ein oder zwei Glied
Anteil der Kör- Schmerz oder Un- maßen herabsetzen
peroberfläche herab- behagen zu emp-
gesetzt finden, herabsetzen
Nässe 1. ständig feucht 2. sehr feucht 3. gelegentlich 4. selten
Ausmaß, in die Haut ist ständig die Haut ist oft, feucht feucht
dem die Haut feucht durch aber nicht ständig die Haut ist gelegent- die Haut ist
der Nässe Schweiß, Urin und feucht. Bettlaken lich feucht, Wäsche- meistens tro-
(Schweiß, Urin) Drainageflüssigkeit. müssen mind. alle wechsel ist etwa alle cken. Windel-
ausgesetzt ist Feuchte wird jedes 8 Std. gewechselt 12 Std. erforderlich wechsel routine-
Mal festgestellt, werden mäßig, Laken-
wenn der Patient be- wechsel nur alle
wegt oder gedreht 24 Std. erforder-
wird lich
Reibung und 1. erhebliches 2. bestehendes 3. mögliches Prob- 4. kein auftre-
Scherkräfte Problem Problem lem tendes Prob-
Reibung ent- Spastik, Kontraktur, braucht mittlere bewegt sich schwach lem
steht, wenn die Juckreiz oder Unruhe bis maximale Un- oder benötigt geringe ist fähig, sich
Haut über das verursachen fast terstützung beim Hilfe. Während des Po- während des Po-
Bettlaken ständiges Herumwer- Positionswechsel. sitionswechsels schleift sitionswechsels 9
schleift, Scher- fen, Umsichschlagen Vollständiges An- die Haut etwas über vollständig anzu-
kräfte entste- und Reiben heben ohne über Laken, Stuhl, Kopfstüt- heben, bewegt
hen, wenn sich die Laken zu rut- zen oder anderes Zu- sich in Bett und
Haut und an- schen ist nicht behör. Behält die Stuhl unabhän-
grenzende möglich. Rutscht meiste Zeit relativ gut gig und hat aus-
Oberflächen der im Bett oder Stuhl die Position in Stuhl reichend Mus-
Knochen gege- oft nach unten oder Bett, rutscht aber kelkraft, um sich
nenander ver- und braucht oft gelegentlich herab während des Po-
schieben maximale Hilfe, sitionswechsels
um in die Aus- zu heben. Erhält
gangsposition zu in Stuhl oder
gelangen Bett jederzeit ei-
ne gute Position
aufrecht
138 9  Prophylaxen

Tab. 9.2  Braden Q Skala. [8] (Forts.)


Einschätzung des Dekubitus-Risikos bei Kindern unter 5 Jahren1 – Modifizierte Braden Q Scale – Vander-
bilt Universitätskinderklinik Nashville2
1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte Punktzahl
Ernährung 1. sehr schlecht 2. nicht ausrei- 3. ausreichend 4. sehr gut
allgemeines Er- keine orale Ernäh- chend erhält flüssige Nah- nimmt eine nor-
nährungsver- rung und/oder nur erhält flüssige rung oder Sondenkost, male Ernährung
halten klare Flüssigkeitszu- Nahrung oder die eine für das Alter ein, die genü-
fuhr, oder intravenö- Sondenkost/intra- ausreichende Menge gend Kalorien
se Flüssigzufuhr über venöse Ernährung, an Eiweiß und Minera- für das Alter ent-
mehr als 5 Tage die eine für das lien enthält hält. Isst bei-
oder Alter nicht ausrei- oder spielsweise fast
Eiweißzufuhr < chende Menge an isst mehr als die Hälfte jede Mahlzeit
2,5 mg/dl Kalorien und Mi- jeder Mahlzeit. Isst ins- vollständig auf.
oder neralien enthält gesamt 4 oder mehr Lehnt nie eine
isst nie eine vollstän- oder fleischhaltige und ei- Mahlzeit ab. Isst
dige Mahlzeit. Isst Eiweißzufuhr < weißhaltige Portionen im Allgemeinen
selten mehr als die 3 mg/dl oder isst täglich. Lehnt gele- 4 und mehr Por-
Hälfte der angebote- selten eine voll- gentlich eine Mahlzeit tionen täglich,
nen Mahlzeit. Ei- ständige Mahlzeit ab, nimmt aber Ergän- die Fleisch oder
weißzufuhr beträgt und allgemein nur zungskost zu sich, so- Milchprodukte
nur 2 fleischhaltige die Hälfte der je- fern sie angeboten enthalten. Isst
Portionen oder weils angebote- wird gelegentlich zwi-
Milchprodukte täg- nen Portion. Ei- schen den Mahl-
lich. Trinkt wenig weißzufuhr um- zeiten. Braucht
Flüssigkeit. Erhält fasst nur 3 fleisch- keine Nahrungs-
keine Ernährungser- haltige Portionen ergänzungskost
gänzungskost oder Milchproduk-
te täglich. Gele-
gentlich wird Nah-
rungsergänzungs-
kost zu sich ge-
nommen
Gewebe- 1. extrem gefähr- 2. gefährdet 3. ausreichend 4. sehr gut
durchblu- det Normotonie, Sau- Normotonie, Sauer- Normotonie,
tung und Sau- Hypotonie, MAP = erstoffsättigung stoffsättigung bei Sauerstoffsätti-
erstoffversor- Mittlerer Arterieller bei < 95 %, Hä- < 95 %, Hämoglobin gung > 95 %,
gung Blutdruck < 50 moglobin bei < bei < 10 mg/dl, kapil- Hämoglobin nor-
mmHg, < 40 mmHg 10 mg/dl, kapilläre läre Wiederauffüllzeit mal, kapilläre
9 beim Neugeborenen Wiederauffüllzeit etwa 2 Sek., Serum-pH Wiederauffüllzeit
oder bei > 2 Sekunden, normal < 2 Sek.
der Patient toleriert Serum pH < 7,40
keinen Positions-
wechsel
Gesamtbewertung
geringes Risiko: scores 23–28
mittleres bis hohes Risiko: scores 7–23
1
Für Kinder ab dem 6. Lebensjahr wird empfohlen, die Braden Skala für Erwachsene zu verwenden
2
Modifizierte Braden Q Scale – Vanderbilt Universitätskinderklinik Nashville; online zu beziehen über www.mc.vanderbilt.
edu/learning-center/publist.html
9.2  Atelektasen- und Pneumonieprophylaxe 139

9.2  Atelektasen- und 9.2.2  Prophylaktische Maßnahmen


Pneumonieprophylaxe
Atemunterstützende Maßnahmen

9.2.1  Atelektasen/Pneumonien Jede Form der Bewegung, die mit körperlicher Be-
lastung des Patienten einhergeht, führt zunächst zu
DEFINITION einer Vertiefung bzw. Intensivierung der Atmung.
Atelektase: Mangelhaft oder nicht belüfteter Lungen- Somit ist die Mobilisation des Patienten eine wich-
abschnitt. tige prophylaktische Maßnahme. Auf der Intensiv-
Pneumonie: Entzündung des Lungenparenchyms; häu- station sind die Mobilisationsmöglichkeiten jedoch
figste tödlich verlaufende Infektionserkrankung in den häufig aufgrund der Gesamtsituation des Patienten
Industrieländern.
eingeschränkt. Während der Krankheitsphase, in
der die Ressourcen deutlich vermindert sind, bie-
Pneumonien zählen neben den Infektionen der ab- ten sich passive atemunterstützende Maßnahmen
leitenden Harnwege zu den häufigsten nosokomia- zur Prophylaxe an. Sobald der Zustand des Patien-
len Infektionen. Zu den Zielen aller prophylakti- ten es zulässt, geben Pflegende aktiven atemunter-
schen Maßnahmen gehören die Verbesserung der stützenden Übungen den Vorzug. Eine wichtige
Ventilation, die Vermeidung einer Sekretanhäufung Voraussetzung aller atemunterstützenden Maß-
in den Atemwegen und die Vermeidung von Aspira- nahmen ist die weitgehende Schmerzfreiheit des
tionen. Um Sekretanhäufungen zu vermeiden, ach- Patienten.
ten Pflegende u. a. auf eine ausreichende Flüssig-
keitszufuhr. Aktive Maßnahmen
Pflegende regen nichtbeatmete Patienten (sofern Al-
ter und Zustand es zulassen) zum tiefen Durchat-
Ursachen
men an. Je nach Alter kann dies auch spielerisch er-
• Minderbelüftung der Lunge folgen, z. B. durch Wattepusten, Luftballon aufbla-
• oberflächliche Atmung (Schonatmung) sen, Seifenblasen machen, Singen, Rufen. Nicht ge-
• unzureichende Sekretmobilisation eignet ist diese Form der Atemunterstützung bei
• Aspiration Patienten mit einem Emphysem, da sie Rupturen
• Infektion der Emphysemblasen verursachen kann. [9] Die An-
• unzureichende Befeuchtung der Atemwege wendung der Lippenbremse forciert die Exspiration.
Die Ausatmung erfolgt dabei gegen die leicht ge-
schlossenen Lippen. Um die Eigenaktivität zu för-
Risikopatienten
dern, eignen sich auch hier spielerische Übungen,
• Intensivpatienten z. B. Federn wegpusten, Wasser in einem Glas mit
• beatmete Patienten einem Strohhalm zum Sprudeln bringen. 9
• Patienten mit Lungenerkrankungen Die Kontaktatmung bietet eine gute Möglich-
• Patienten mit Herzerkrankungen keit, die Vertiefung der Atmung zu erreichen. Die
• Patienten nach Operationen an Thorax oder Ab- vertiefte Atmung führt zu Volumenschwankungen
domen in den Alveolen, wodurch sich das Sekret lockert
• bettlägerige Patienten und über Bronchien und Trachea abgeleitet wird.
• immobile Patienten Zur Kontaktatmung legen Pflegende (je nach Alter
• Patienten mit Schonatmung und Körpergröße des Patienten) die Finger oder die
• aspirationsgefährdete Patienten (z. B. durch Be- Handflächen auf die Rippen oder die Flanke des Pa-
wusstlosigkeit, Sedierung, Schluckstörungen, Er- tienten. Zunächst erfühlen sie die Atembewegun-
nährungssonden, Apoplex) gen, das heißt, die Finger oder Hände folgen der
• abwehrgeschwächte Patienten Ein- und Ausatmung ohne Druck. Sobald die Pfle-
140 9  Prophylaxen

genden sich auf den Atemrhythmus eingestimmt Inhalationen


haben, folgen sie der Inspirationsbewegung passiv
und erhöhen während der Exspiration den Auflage- Ziel der Inhalation ist die Verbesserung der Sekreto-
druck. [10] lyse. Voraussetzung dazu ist immer auch die ausrei-
Bevor Pflegende Patienten zum Husten auffor- chende Flüssigkeitszufuhr (sofern keine Kontraindi-
dern, stellen sie die weitgehende Schmerzfreiheit si- kationen vorliegen). Inhalationen optimieren die
cher. Nach Operationen leiten sie die Patienten an, Anfeuchtung der Atemluft und damit der Atem-
mit den Händen einen Gegendruck auf die OP- wegsschleimhäute. Dies regt die Selbstreinigungs-
Wunde auszuüben, um die Schmerzen zu lindern, kräfte der Atemwege an und reduziert die Besiede-
die durch den Hustenstoß entstehen. Eine sitzende lung durch Krankheitserreger. Zudem dient die In-
Position mit leicht vorgebeugtem Kopf erleichtert halation der Behandlung von obstruktiven Lun-
das Abhusten. [10] generkrankungen und entzündlichen Prozessen.
Medikamente, die der Patient inhaliert, sollten sich
Passive Maßnahmen möglichst in allen Bereichen der Atemwege vertei-
Zu den passiven Maßnahmen gehören atemunter- len. Um auch die unteren Bronchialastverzweigun-
stützende Lagerungen (› 8.4x), atemstimulierende gen zu erreichen, dürfen die inhalierten Partikel
Einreibungen, Inhalationen mit NaCl 0,9 % (evtl. mit nicht größer als 3–5 μm sein. Kommt statt eines mit
Zusatz von Sekretolytika, z. B. Mucosolvan®), Vibra- Druckluft oder Sauerstoff betriebenen Geräts ein Ul-
tionsmassagen mit den Händen oder einem Vibrati- traschallvernebler zur Anwendung, lässt sich eine
onsgerät (z. B. Vibrax®) und das Abklopfen mit der Tröpfchengröße von 0,3–3 μm erzielen. Die verne-
Hand. belte Wassermenge ist bei diesen Geräten wesentlich
höher und die Partikel gelangen in tiefere Lungenab-
schnitte. Zur optimalen Aufnahme des Medikaments
atmet der Patient möglichst langsam und tief. [9]
Bei der Aufbereitung der Inhaliergeräte achten
Pflegende darauf, Reste der Inhalationsflüssigkeit
vollständig zu beseitigen, da von ihnen ein erhöhtes
Infektionsrisiko ausgeht.

Die hygienisch einwandfreie Aufbereitung der Inhalati-


onsgeräte bildet die Basis der Infektionsprophylaxe.

a
Vibrationsmassage/Abklopfen
9 Die Sekretlösung mittels Abklopfen oder Vibrati-
onsmassage erfolgt in Kombination mit den Lage-
rungsdrainagen. Sowohl Vibrationsmassage als auch
Abklopfen versetzen den Brustkorb in Schwingun-
gen, wodurch sich festsitzendes Sekret in den Atem-
wegen löst. Die Effektivität ist nicht davon abhängig,
ob Pflegende die Vibrationen von peripher nach
zentral oder von unten nach oben durchführen, son-
dern davon, dass das gelöste Sekret in den Haupt-
bronchus gelangen kann. Um dies zu erreichen, un-
b terstützen Pflegende die Vibration durch Drainage-
lagerungen. Durch die Kombination beider ist es
Abb. 9.2  Dehnlagerungen. [K307] möglich, das Sekret abzuhusten oder abzusaugen.
9.4  Thromboseprophylaxe 141

Sowohl bei der Vibrationsmassage als auch beim 9.3.2  Prophylaktische Maßnahmen
Abklopfen sparen Pflegende die Wirbelsäule, das
Sternum und die Nierengegend aus. Sie führen die Ein interdisziplinärer Behandlungsplan hilft, Kon-
Maßnahmen 2–3-mal täglich für eine Dauer von ca. trakturen zu vermeiden. Dazu gehört besonders die
3 Min. durch. enge Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeuten,
Ergotherapeuten und Pflegenden. Gemeinsam erar-
beiten die Angehörigen dieser Berufsgruppen einen
individuell abgestimmten Pflege- und Behandlungs-
9.3  Kontrakturenprophylaxe plan für den Patienten. In der Regel setzen sich die
Maßnahmen aus Lagerungen (›  8.4) und einem
Mobilisationsplan zusammen. Lagerungen verhin-
9.3.1  Kontrakturen dern die Entstehung von Kontrakturen nicht, sie
können jedoch schweren Fehlstellungen vorbeugen.
DEFINITION Die Mobilisation umfasst passive, aktiv-assistierte
Kontraktur: Durch Muskelverkürzung hervorgerufene und aktive Bewegungsübungen. In der Intensivpfle-
Funktions- und Bewegungseinschränkung der Gelenke. ge überwiegen häufig die passiven und die aktiv-as-
sistierten Maßnahmen. Bei allen Mobilisations-
übungen bewegen die Pflegenden und Therapeuten,
Kontrakturen entstehen durch Verkürzungen der sofern keine Kontraindikationen vorliegen, die Ge-
Muskeln, Bänder und Sehnen, bei Gelenkkapsel- lenke in ihrem maximalen Bewegungsspielraum. Ist
schrumpfungen und Verwachsungen der Gelenkflä- der Patient aufgrund seiner Erkrankung nicht in der
chen, die jeweils durch sehr unterschiedliche Ursa- Lage, aktiv mitzuarbeiten, bewegen Pflegende und
chen bedingt sind. Therapeuten die Gelenke mehrmals täglich passiv
Kontrakturen können reversibel sein, führen aber durch. Aktiv-assistierte Übungen erfordern, dass
im Endstadium zu einer völligen Gelenkversteifung. der Patient in der Lage ist, auf Anweisung bestimm-
Ziel der Kontrakturenprophylaxe ist die Erhaltung te Muskelgruppen zu kontrahieren. Die Physiothe-
der Beweglichkeit oder eine funktionell richtige Stel- rapeuten und Pflegenden unterstützen den Patien-
lung der Gelenke. ten, sodass er nicht das gesamte Gewicht der Extre-
Zu unterscheiden sind: mität halten muss. Außerdem achten sie darauf, die
• Beugekontrakturen Bewegungen korrekt und vollständig auszuführen.
– Fixierung des Gelenks in Beugestellung Die aktiven Bewegungsübungen unternimmt der
– Streckung ist nicht möglich Patient selbstständig. Sofern nötig, geben Pflegende
• Streckkontrakturen dabei korrigierende verbale Anweisungen. [11]
– Fixierung des Gelenks in Streckstellung
– Beugung ist nicht möglich
• Abduktionskontrakturen 9
– Fixierung des Gelenks in abgespreizter Hal- 9.4  Thromboseprophylaxe
tung
• Adduktionskontrakturen
– Abspreizen ist nicht möglich 9.4.1  Thrombose
Besondere Gefährdung besteht bei
• Patienten mit Erkrankungen des ZNS DEFINITION
• Lähmungen aufgrund fehlender Nervenimpulse Thrombose: Verengung oder Verschluss eines Gefäßes
• Bewusstseinsstörungen durch ein Blutgerinnsel.
• entzündlichen Gelenkserkrankungen
• falscher Lagerung
• Schonhaltung Die Gefahr einer Thrombose besteht prinzipiell bei
• langer Ruhigstellung (z. B. Gipsverband). allen immobilen Patienten (Ausfall der Muskelpum-
142 9  Prophylaxen

pe). Ursächlich für eine Thrombose sind ein verlang- • Beine aufstellen
samter Blutfluss sowie Veränderungen im Gefäßsys- • Gesäß anheben
tem und der Blutviskosität. Bis vor wenigen Jahren • Oberschenkelmuskulatur anspannen
galt die Thrombosegefahr im Kindesalter als inexis- Kann der Patient aufgrund seines Alters oder seiner
tent. Neuere Studien belegen jedoch, dass auch für Erkrankung die Übungen nicht aktiv und selbst-
Kinder die Gefahr einer Bein- oder Beckenvenen- ständig ausführen, initiieren die Pflegenden die
thrombose besteht, wenn ihre Bewegungsfähigkeit prophylaktischen Bewegungsabläufe. Sie erreichen
eingeschränkt ist. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist z. B. das Senken der Füße durch leichten Druck auf
auch für sie eine umfassende Prophylaxe erforder- die Fußsohle. Da Druck immer einen Gegendruck
lich. Dazu gehören die medikamentöse Therapie mit auslöst, versucht der Patient daraufhin automa-
niedermolekularem Heparin und begleitende phy- tisch, den Fuß zu senken. Leichter Druck auf den
siotherapeutische Maßnahmen. [12] [13] Fußrücken führt entsprechend zu einem Anheben
des Fußes.
Medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe
Symptome
(MTPS) komprimieren die oberflächlichen Beinve-
• Schmerzen im Bereich der Venen, Waden und nen, was dazu führt, dass das venöse Blut mit er-
Fußsohlen höhter Geschwindigkeit zum Herzen zurück fließt.
• Rötung, Überwärmung, Schwellung und Schwe- MTPS sind indiziert, solange der Patient die Mus-
regefühl an der betroffenen Extremität kelpumpe nicht ausreichend betätigen kann. Dies
• Belastungsschmerz ist besonders bei liegenden, immobilen Patienten
der Fall.
Sie sind erst dann überflüssig, wenn der Patient
9.4.2  Prophylaktische Maßnahmen soweit mobilisiert ist, dass er seine Muskelpumpe
mehrmals täglich aktivieren kann, z. B. indem er
Ziel der prophylaktischen Maßnahmen ist die Ver- kurze Wegstrecken gehend zurücklegt. Bis dahin
besserung des venösen Rückstroms in den tiefen sollte er die MTPS Tag und Nacht tragen. MTPS
Beinvenen und die Hemmung der intravasalen Ge- erreichen ihre volle Wirksamkeit nur, wenn sie
rinnung. Dies lässt sich durch eine Erhöhung des korrekt sitzen. Bei der Auswahl der richtigen Grö-
Muskeltonus und durch eine medikamentöse Pro- ße beachten Pflegende die Herstellerangaben.
phylaxe erreichen. Zunächst lagern Pflegende die Pflegende ziehen dem Patienten die Strümpfe an,
Beine zur Verbesserung des venösen Rückstroms solange er liegt und die Beinvenen entstaut sind. Sie
leicht erhöht (ca. 20°). Sie achten darauf, die Gefäße achten darauf, dass die Strümpfe faltenfrei sitzen,
in den Kniekehlen und in den Leisten nicht abzukni- da sie andernfalls Einschnürungen verursachen.
cken. Im Rahmen der Körperpflege streichen sie die Auch der korrekte Sitz an der Ferse ist zu gewähr-
Beine herzwärts aus. Dies fördert (kurzzeitig) den leisten. Stehen passende MTPS nicht zur Verfü-
9 venösen Rückstrom. gung, versehen Pflegende die Beine alternativ mit
Um den Muskeltonus in den Beinen zu erhöhen, einem Kompressionsverband. Zur Thrombosepro-
bieten sich aktive oder passive Bewegungsübungen phylaxe genügt es meist, die Binden-Touren vom
an. Die Art der Übungen ist von der aktuellen Situa- Fuß bis zum Knie zu führen. Wenn möglich, geben
tion und dem Alter des Patienten abhängig. Es soll- Pflegende jedoch den MTPS den Vorzug. [11] In
ten nur Übungen zur Anwendung kommen, die den der Literatur ist empfohlen, bei Kindern ab Einset-
Patienten nicht zu sehr anstrengen. zen der Pubertät, dem 12. Lebensjahr, einem Kör-
Zu den Prophylaxe-Übungen gehören: pergewicht von >  40 kg oder einem BMI > 25 mit
• Füße kreisen der Thromboseprophylaxe zu beginnen. Bisher fehlt
• Füße heben und senken es an klinischen Studien, die die Wirksamkeit der
• Zehen krallen prophylaktischen Maßnahmen bei Kindern bele-
• Zehen auseinander spreizen und anspannen gen.
9.4  Thromboseprophylaxe 143

ZITIERTE LITERATUR dicting pressure ulcer risk in pediatric patients – The


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2. Auflage, Osnabrück, 2004. Praxishandbuch für Pflegende. Verlag Hans Huber,
  2. Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pfle- Bern, 2000.
ge (Hrsg.): Literaturanalyse zur Dekubitusprophylaxe 10. Schäper, A.; Gehrer, B.: Pflegeleitfaden – Intensivpfle-
bei Kindern. 2009. ge Pädiatrie. Elsevier Verlag, München, 1999.
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der Pflege. 2002. VERWENDETE LITERATUR
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on – Evidenzbasierte Leitlinie des Wissensnetzwerkes ge. Thieme, Stuttgart/New York, 2008.
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textversion, 2001 skin breakdown in neonates. School of Nursing and
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Pflege-Ratgeber. Dekubitusprophylaxe – Hautpflege. eve&;db=PubMed&list_uids=9423386&dopt=Abstract
www.dekubitus.de/dekubitusprophylaxe-hautpflege. Latasch, L.; Knipfer, E. (Hrsg.): Anästhesie, Intensivmedizin,
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Original: Quigley, S. M.; Curley MAQ: Skin integrity in Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpflege.
the pediatric population and managing pressure ulcers. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 1998.
Journal of Pediatric Nurses 1(1), 7–18 Curley, Martha
AQ: Razmus, Joy; Roberts Kathryn; Wypij, David: Pre-

9
This page intentionally left blank

     
KAPITEL

10 Ernährung
10.1  Stillförderung Saugen des Kindes stimuliert Ausschüttung →
Daniela Dapia Cao Prolaktinrezeptoren an der milchbildenden Zelle
werden besetzt → frühzeitige und häufige Stimula­
tion durch Anlegen des Kindes oder Abpumpen. Es
Muttermilch (MM) ist die erste Wahl, wenn es um regelt Milchbildung und -menge bis zum Einsetzen
die Ernährung eines Säuglings geht. Von der opti­ der Laktogenese und der Bildung von reifer Mutter­
malen Zusammensetzung der Nährstoffe, der leich­ milch.
ten Verdaulichkeit und den enthaltenen antiinfek­ Oxytocin (reguliert Milchspendereflex/Milchfluss)
tiösen Stoffen profitieren besonders kranke und zu Ausschüttung durch Stimulation an der Mamille
früh geborene Kinder. MM von Frauen mit einer oder direkten Hautkontakt zum Kind z. B. durch
Frühgeburt, unterscheidet sich in den ersten vier Känguruen oder Bonding.
Wochen post partum (pp) von der MM der Frauen, Eine entspannte Atmosphäre und Brustmassagen
die ein reifes Neugeborenes zur Welt bringen. vor dem Stillen/Abpumpen wirken positiv; Stress,
Die Pretermmilch ist auf die besonderen Nah­ Schmerzen und Ängste der Mutter (Adrenalin
rungsanforderungen des FG abgestimmt und ist un­ hemmt kurzzeitig die Wirkung von Oxytocin) dage­
ter anderem gekennzeichnet durch: gen negativ auf den Milchspendereflex und Milch­
• höheren Proteingehalt fluss.
• doppelten Zellgehalt an z. B. IgA, Laktoferrin, Ly­
sozym (höherer Immunschutz)
Abpumpen von Muttermilch
• höheren Gehalt an Enzymen
• leicht erhöhten Fettgehalt
• höhere Konzentration von mittel- und langketti­ Primäres Ziel ist eine durchgehende Versorgung des FG
gen Fettsäuren oder des kranken NG mit MM. Das Abpumpen der MM
Aufgrund des unreifen Saugmusters benötigen FG ist für die Mutter oftmals ein aktiver Beitrag zur Gene­
sung ihres Kindes. Der Mutter obliegt die Entscheidung,
für das „Erlernen“ des Stillens unterschiedliche Zeit­ ob und wie lang sie abpumpen möchte.
räume, u. a. abhängig vom gesundheitlichen Zu­
stand, dem Krankheitsverlauf und der Gestations­
woche des Kindes. Pumpbeginn
Verständnis für die emotional belastende Situati­ Der optimale Zeitpunkt liegt innerhalb der a) ersten
on der Mutter, eine einfühlsame Integration der El­ 6 Std. bis spätestens b) 12 Std. pp. Die Geburtshilfe­
tern in den Pflegealltag des Kindes (ggf. Unterbrin­ station übernimmt die Anleitung der Mutter zu die­
gung in der Klinik), sowie die Weitergabe von situa­ sem Zeitpunkt.
tionsrelavanten Stillinformationen, bilden eine gute • Gewinnung des Kolostrum mit der Hand (Kolos­
Grundlage, für die Mutter-Kind-Beziehung und das trummassage) → je nach Gesundheitszustand mit
Stillen. dem Abpumpen beginnen
• Abpumpen zur ausreichenden Stimulation erfor­
derlich, evtl. Kolostrum davor per Hand gewinnen
Stillrelevante Hormone und ihre Wirkung
Kolostrum (Vormilch) wird in den ersten 5 Tagen
auf die Muttermilch
pp. gebildet und ist u. a. reich an Immunglobulinen
Prolaktin („reguliert Milchbildung/-menge“) und Proteinen. Es fördert das Wachstum des Lakto­
146 10  Ernährung

bazillus bifidus (grampositive Besiedlung des Dar­ • Entspannte Atmosphäre, z. B. Musik hören
mes). Es ist von dickflüssiger Konsistenz und durch • Intimsphäre der Mutter wahren
Betacarotine typisch gelblich bis orange. • Richtige Größe der Abpumphaube im Verhältnis
zur Größe der Mamille wählen
Die erste Nahrung, die das FG optimalerweise erhält, ist • Sogstärke richtig wählen → Pumpen soll nicht
Kolostrum. schmerzhaft sein

Blut in der Muttermilch (Rusty pipe Syndrom): In den ers­


Pumpfrequenz und Dauer ten Tagen pp kann es zu kleine Rupturen im Milchgang­
In den ersten Tagen pp empfiehlt es sich, mind. system der Brust kommen. Die Milch kann jedoch ohne
7–8  × in 24 Std. zu pumpen, um eine adäquate Bedenken gefüttert werden! Bei länger andauernden
Milchmenge aufzubauen. Das doppelseitige Abpum­ Blutungen sollte eine Abklärung erfolgen.
pen mit einer Dauer von 15 Min. pro Pumpvorgang
ist aufgrund der Zeitersparnis zu empfehlen. Ebenso
Stillen des FG/NG
kann wechselseitig für eine Dauer von 20–30 Min.
pro Pumpvorgang gepumpt werden. Hierbei wird Stillbeginn
abwechselnd rechts und links in einem Rhythmus Ob und ab welchem Zeitpunkt ein FG in der Lage ist,
von 5–7 Min., 3–5 Min. und 2–3 Min. gepumpt. gestillt zu werden, hängt von mehreren Komponen­
Später genügt eine Pumpfrequenz von mind. 5–6 × ten ab, z. B.:
in 24 Std. Bei Rückgang der Milchmenge kann die • Gestationswoche des Kindes
Pumpfrequenz erhöht, bei zu viel Milch kann sie re­ • gute Koordination von Atmung, Saugen und
duziert werden. Um den 14. Tag pp. sollte idealer­ Schlucken (circa ab der 32 SSW)
weise eine Milchmenge von mind. 500–800 ml oder • stabile kardiorespiratorische Funktion bei der
mehr in 24 Std. erreicht werden. Nahrungsaufnahme
• Allgemeinzustand und Saugbereitschaft des Kin­
Hygiene des
• Handhygiene vor den Pumpen Trinkt das FG an der Brust, ist die Stilldauer indivi­
• Reinigung der Brust vor dem Pumpen mit Aqua duell zu entscheiden. Die fehlende Nahrungsmenge
dest. wird zugefüttert oder sondiert.
• sterile Flaschen verwenden
• Pumpset nach jedem Gebrauch mit heißem Was­ Die Gabe von Hintermilch (Muttermilch, die gegen Ende
ser u. Spülmittel auswaschen eines Pumpvorganges gewonnen wird und deren fettrei­
• bei Risikokindern und VLBW-FG ist die Sterilisa­ cher sich an der Oberfläche absetzender Anteil gefüttert
tion des Pumpsets vor bzw. nach jedem Gebrauch wird) mit einer höheren Fettkonzentration ist besonders
oder die Verwendung eines neuen Abpumpset für FG/NG mit schlechter Gewichtszunahme geeignet. [1]
(Einwegpumpset) bei jedem Pumpvorgang emp­
fohlen
Muttermilch, die man nicht unmittelbar nach dem Unterstützung der Mutter
Pumpen verabreicht, ist in einem beschrifteten Be­ • entspanntes, bequemes Sitzen ermöglichen (z. B.
10 hälter (Name des Kindes, Datum, Uhrzeit) gekühlt bequemer Stuhl mit Armlehnen, Stillkissen, Fuß­
aufzubewahren oder einzufrieren. schemel)
• evtl. kleines Kissen für den Lendenbereich, auf
Tipps zum Abpumpen freie Beweglichkeit im Schultergürtelbereich ach­
• Häufigen Hautkontakt zum Kind ermöglichen ten
• Brustmassage oder Wärmeanwendung vor dem • Getränk bereitstellen
Abpumpen • ruhige Atmosphäre schaffen, evtl. Trennwand
• Abpumpen am Patientenbett oder mit Bild des aufstellen
Kindes • evtl. Anwesenheit einer Pflegekraft
10.1  Stillförderung 147

Stillpositionen men, nach Kaiserschnitt, bei Frauen mit großen


FG, bei denen Stillen noch nicht möglich ist Brüsten und Kindern mit Infusionen am Kopf.
Häufiger und ausgedehnter Hautkontakt (Kängu­ Modifizierte Wiegehaltung/Frühchenhaltung
ruen, Bonding) mit der Mutter, nicht nur zwischen, Die Mutter stützt das FG mit ihrem Arm über die
sondern auch während der Nahrungsgaben, (z. B. gesamte Länge des Rückens und führt es mit der an
enterale Ernährung über Magensonde), ist für FG der Schädelbasis liegenden Hand zur Brust. Mit der
und NG, die aufgrund ihres gesundheitlichen Zu­ freien, brustnahen Hand kann sie die Brust im C-
stands noch nicht in der Lage sind, gestillt zu wer­ Griff halten und das Erfassen der Mamille mit genü­
den, eine Vorbereitung für das späteren Stillen. Über gend Brustgewebe unterstützen (› Abb. 10.3).
diesen frühen Kontakt mit der mütterlichen Brust, Aufrechte Position
ihr Berühren, vorsichtiges Lecken an der Mamille Je nach Gestationsalter lässt sich die aufrechte Po­
und einzelnen Saugbemühungen, sammelt das FG sition mit der Rücken- und Wiegehaltung kombinie­
notwendige Erfahrungen für das spätere Trinken an ren, wobei Kopf und Oberkörper höher als die Beine
der Brust. Für erste Stillversuche, bei denen die Nah­ gelagert sind.
rungsaufnahme noch nicht so sehr im Vordergrund
steht, kann es hilfreich sein, das FG an der weichen,
leicht entleerten Brust das Saugen üben zu lassen.
Sie können die Brust und das Brustgewebe auf diese
Weise leichter erfassen. Die Gefahr der Aspiration
durch zu schnellen Milchfluss ist verringert.
Neben der Wiegehaltung haben sich folgende Po­
sitionen für FG als effektiv erwiesen, da sie Rumpf­
bereich, Kopf und Nacken gut stützen und so eine
günstige Ausgangssituation schaffen.
Rückenhaltung
Die Mutter stützt das FG mit ihrem Arm über die
gesamte Länge des Rückens und an der Schädelbasis
(› Abb. 10.2). Die Beine des Kindes liegen seitlich
in leicht gebeugter Haltung nahe am Körper der
Mutter und weisen zum Rücken.
Diese Position ist gut geeignet z. B. für FG, schläf­ Abb. 10.2  Rückenhaltung. [L157]
rigen Kindern, Kindern mit Saug-und Trinkproble­

10

Abb. 10.1  Stillposition eines NG mit Sauerstoffbrille. [L157] Abb. 10.3  Modifizierte Wiegenhaltung. [L157]
148 10  Ernährung

• evtl. Auslösen des Milchspendereflexes bzw. Still­


hütchen mit etwas MM füllen
• Stillhütchen nach jedem Gebrauch mit heißem
Wasser und Spülmittel ausspülen (Milchreste
sorgfältig entfernen) und sterilisieren

Alternative Zufütterungsmethoden
Anwendung bei:
• Säuglingen und FG, die nicht in der Lage sind, ih­
re gesamte Nahrungsmenge an der Brust zu trin­
ken
Abb. 10.4  Der C-Griff unterstützt das Kind beim Saugen an • medizinischen Indikationen (z. B. Hypoglykämie,
der Brust. [L157] geringe Gewichtszunahme)
• geringer Milchproduktion der Mutter (Maßnah­
men zur Milchsteigerung einleiten)
Diese Position ist gut geeignet z. B. für schläfrige • Trennung von Mutter und Kind (z. B. OP der
Kindern, FG, Kinder mit respiratorischen Proble­ Mutter)
men, mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, mit Down-
Syndrom und bei zu viel Milch und starken Milch­ VORSICHT
spendereflex. Vor der Anwendung alternativer Fütterungsmethoden
muss die Einweisung durch eine Fachkraft erfolgen, um
Fehler in der Durchführung zu vermeiden. Die Wahl der
C-Griff (›  Abb. 10.4), DanCer-Hold sowie Brust- Fütterungsmethode muss dem gesundheitlichen Zustand
kompression können zur Unterstützung, z. B. für saug­ des FG/NG entsprechend gewählt werden. Die folgende
schwache, hypotone Kinder, mit den einzelnen Stillposi­ Auflistung dient der Information und ist nicht als Anlei­
tionen kombiniert werden. tung gedacht.

Stillhütchen Zufüttern an der Brust


Die Studie von Clum und Müller hat nachgewiesen, Kann mittels einer Spritze mit entsprechendem Auf­
dass FG mit einem Stillhütchen teilweise mehr satz (Feeder) oder einer Magensonde, die bündig mit
Milch tranken als ohne. Negative Auswirkungen, der Mamillenspitze abschließt und seitlich in den
wie eine Verkürzung der Stilldauer, haben sich nicht Mundwinkel des Kindes führt, erfolgen. Während
gezeigt. Es gelang den Untersuchern nicht, die Wirk­ das Kind saugt, lässt sich so Muttermilch zufüttern.
samkeit vollständig zu erklären. Nach Angaben bei­ Indikationen sind saugschwache, kranke NG, medi­
der Autoren wäre es möglich, dass der negative zinisch notwendige Zufütterung und FG ab der 32.
Druck im Stillhütchen die Mamille selbst dann in ei­ SSW.
ner günstigen Position hält, wenn es dem Kind nicht
möglich ist, gut zu saugen. [2] [3] Zufüttern mit der Spritze
10 Der Einsatz eines Stillhütchens erfolgt trotzdem Unterlippe des Kindes vorsichtig mit dem Konus
nur nach gegebener Indikationsstellung. der Spritze berühren, bis es den Mund öffnet und
Umgang mit dem Stillhütchen die Zunge nach vorn bringt. Muttermilch langsam
• Wahl der richtigen Größe in den Mund träufeln, jedoch nie direkt aus der
• vor Aufsetzen mit warmen Wasser anfeuchten, Spritze saugen lassen. Diese Möglichkeit kommt bei
leicht dehnen, Schaft zurückrollen und aufsetzen FG zur Gabe von Kolostrum, bei medizinischer Not­
• Kind mit Nase an Aussparung anlegen (es nimmt wendigkeit und bei saugschwachen NG zur Anwen­
den Geruch der Mutter wahr) dung.
10.1  Stillförderung 149

Becherfütterung und SoftCup • Finger liegt mit Kuppe nach oben gerade auf der
Das Kind befindet sich gut gestützt in aufrechter Zunge, Ober- und Unterlippe sind ausgestülpt
Haltung auf dem Schoß. Der Becher ruht auf der Un­ • Pausen des Kindes akzeptieren (keine Zwangsfüt­
terlippe des Kindes und ist so weit gekippt, dass die terung), keinen Druck auf Lippen oder Gaumen
Muttermilch die Zunge berührt. Das Kind soll nun ausüben
aktiv die Milch vom Becher lecken. • Anleitung der Eltern (Fingerfeeding sollte haupt­
sächlich nur durch die Eltern ausgeführt werden)
VORSICHT
Muttermilch nicht in den Mund fließen lassen.
Maßnahmen zur Unterstützung des
Stillens und Abpumpens
Die Indikation besteht bei medizinisch notwendiger
Zufütterung, saugschwachen, kranken NG, FG ab Brustkompression
der 32 SSW, zur oralen Medikamentengabe und bei Brustkompression eignet sich bei saugschwachen,
Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. müden FG/NG. Sie unterstützt und erleichtert
Bei FG/NG, die eine erhöhte Neigung zur Aspira­ Milchtransfer während des Stillens (Kind gelangt
tion zeigen, eine andere Art der alternativen Fütte­ leichter an die Milch). Die Brust dabei im C-Griff mit
rungsmethoden wählen. leichtem Druck zum Brustkorb halten, Gewebe sanft
spreizen und Brust komprimieren (Brustkompressi­
Brusternährungsset on halten).
Die Anwendung des Brusternährungssets ähnelt Sobald das Kind aufhört zu saugen, Brustkom­
im Ablauf dem Zufüttern an der Brust mittels einer pression lösen, neu komprimieren und Kompressi­
Magensonde. Allerdings ist der Milchfluss beim on halten, wenn es zu saugen beginnt (Vorgang wäh­
Brusternährungsset ausschließlich durch das Sau­ rend des Stillens solange wie nötig wiederholen).
gen des Kindes zu beeinflussen. Das Brusternäh­
rungsset ist zur Langzeitanwendung geeignet. Diese Brustmassage
Methode kommt bei kranken oder saugschwachen Brustmassage (z. B. nach Plata Rueda) bezeichnet
NG, bei Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, eine kurze Massagetechnik, die vor dem Stillen oder
mit Herzfehlern, mit Gedeihstörung sowie bei medi­ Pumpen angewendet werden kann. Sie lockert u. a.
zinisch notwendiger Zufütterung, bei mangelndem das Brustgewebe, erhöht den Milchtransfer und sti­
Brustdrüsengewebe bzw. ungenügender Milchpro­ muliert die Oxytocinausschüttung.
duktion zur Anwendung. Die Brust ruht zwischen den Händen (eine Hand
liegt am Brustansatz, die andere stützt sie von un­
Fingerfeeding ten).
Das Fingerfeeding zählt zu den therapeutischen Die Massierende verschiebt die Handflächen sanft
Maßnahmen und ist keine routinemäßige Zufütte­ gegeneinander und massiert die Brust kurz mit
rungsmethode anstelle der Flaschenfütterung. Bei leichtem Druck. Dann nimmt sie die Brust seitlich
FG unter der 36 SSW sollte sie aufgrund des weichen zwischen die Handflächen und wiederholt den Vor­
Gaumens nicht angewandt werden. Mittels eines gang. Mit den Fingerspitzen streicht sie sanft vom
Fingerfeeders oder einer Magensonde, die seitlich Brustansatz bis zur Mamille. Die Mutter neigt sich
am Finger (sollte zur Größe des Mundes vom Kind leicht nach vorn und schüttelt die Brust leicht, um 10
passen) befestigt ist, appliziert man Nahrung paral­ das Brustgewebe zu lockern. Anschließend beginnt
lel zum Saugrhythmus des Kindes, während es am sie mit dem Anlegen oder Abpumpen.
Finger saugt. Brustkompression und Brustmassage sollte sanft
Wichtig: erfolgen und keine Schmerzen verursachen.
• Handhygiene; kurze Fingernägel, um Verletzun­
gen zu vermeiden C-Griff
• Kind gut gestützt in einer halb aufrechten Posi­ Der C-Griff stützt die Brust während des Stillens.
tion Brust seitlich umfassen, wobei der Daumen oben
150 10  Ernährung

und die restlichen Finger unterhalb der Brust liegen   9. American Academy of Pediatrics. Work group on
breastfeeding. Breastfeeding and the use of human
und diese stützen. Die Finger sind weit genug von milk. Pediatrics 1997; 100: 1.035–1.039.
der Mamille entfernt (circa 2–3 cm), um das FG/NG 10. Lawrence R. A.: Breastfeeding support benefits very
beim Trinken nicht zu stören (› Abb. 10.4). low-birth-weight infants. Arch PediatrAdolesc Med
Große und schwere Brüste lassen sich z. B. mit ei­ 2001; 155: 543–544.
nem kleinen zusammengerollten Handtuch zusätz­
lich stützen.

DanCer-Hold 10.2  Künstliche enterale


Bei Saug- und Trinkproblemen (z. B. FG, hypotone Ernährung
Kinder) bildet die Mutter mit Daumen und Zeigefin­ Heike Stasik
ger ein „U“ und hilft dem Kind mit leichtem Wan­
gendruck beim Saugen an der Brust.
Das Wort „künstlich“ bezieht sich auf den von der
Internetadressen natürlichen Ernährung abweichenden Zufuhrweg,
wenn das Kind nicht essen kann, will oder darf. Da­
• BDL-Berufsverband Deutscher Laktationsberaterinnen
e. V. (IBCLC): www.bdl-stillen.de (für Fachpersonal bei ist die enterale von der parenteralen Ernährung
und Eltern mit Hinweisen zur Stillberatungssuche in zu unterscheiden. Während das Kind bei der entera­
Deutschland) len Ernährung die Nährstoffe über eine Ernährungs­
• Europäische Laktationsberaterinnen Allianz (ELACTA; sonde erhält, gelangen sie bei der parenteralen Er­
Dachverband der Europäischen Landesverbände der nährung unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts
Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC) www.velb.org intravenös in den Körper. Da die enterale Ernährung
(mit Informationen über Ausbildungsgängen zur Still­
die physiologischere Form der Nahrungszufuhr dar­
beraterin, Fortbildungen und Krankenhausschulungen)
stellt und eine Erhaltung der Darmschleimhaut be­
wirkt, ist sie bei Kindern mit funktionstüchtigem
LITERATUR Gastrointestinaltrakt zu bevorzugen.
  1. Clum, D.; Primomo, J.: Use of a silicone nipple shild
with premature infants. J Hum Lact 1996; 12 (4): 287–
290. Indikationen
  2. Meier, P.; Brown, L. P.; Hurst, N. M.; Spatz, D.; • Pädiatrie
Engstrom, J. L.; et al.: Nipple shilds for preterm infants:
effect on milk intake and duration of breastfeeding. J – Stoffwechselerkrankungen (z. B. Mukoviszi­
Hum Lact 2000, 16 (2): 115–120. dose)
  3. Biancuzzo, M.: Stillberatung, Mutter und Kind professi- – zerebrale Schädigungen
onell unterstützen. Elsevier Verlag, München, 2005. – körperliche/geistige Behinderungen
  4. Both, D.; Frischknecht, K.: Stillen Kompakt – Atlas zur – Gedeih- und Wachstumsstörungen
Diagnostik und Therapie in der Stillberatung. Elsevier
Verlag, München, 2007. • Psychiatrie: Essstörungen (z. B. Anorexia nervo­
  5. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): sa)
Stillen und Muttermilchernährung, Grundlagen, Erfah- • Onkologie
rungen und Empfehlungen.gesundheitsförderung Kon- – Tumorkachexie
10 kret Band 3 BZgA, Köln, 2001. – Stenosen im Mund-Rachen-Raum
  6. Mohrbacher, N.; Stock, J.: Handbuch für die Stillbera-
tung, (Breastfeeding Answer Book-deutsch) – Stillende – Ösophaguskarzinome
Mütter fachlich kompetent und einfühlsam begleiten. • Neurologie: Kau- und Schluckstörungen bei
La Leche Liga Deutschland e. V., München, 2002. frühkindlichen Behinderungen oder Schädel-
  7. Wilson-Clay, B. #; Hoover, K. #.: The Breastfeeding At- Hirn-Traumen
las, 4th edition. BWC/KH Joint Venture, Manchaca, Te- • Gastroenterologie
xas, 2008.
  8. Verband Europäischer Laktationsberaterinnen (Hrsg.): – Morbus Crohn, Colitis ulcerosa
Laktation und Stillen. Titelthema: Stillen auf der Inten- – Zöliakie
sivstation. (Ausgabe 2/2010, 23. Jahrgang) – Kurzdarmsyndrom
10.2  Künstliche enterale Ernährung 151

• Chirurgie stände zwischen Mundwinkel und Ohrläppchen so­


– große operative Eingriffe wie von dort bis zur Sternumspitze bzw. auch hier
– Gesichtsfrakturen bei älteren Kindern zu einem imaginären Punkt in
der Mitte zwischen Sternum und Nabel. [3]
Die Spitze der Ernährungssonde kann entweder
Kontraindikationen
im Magen (gastral), Zwölffingerdarm (duodenal)
• Ileus oder Dünndarm (jejunal) platziert sein. Vorwiegend
• Dünndarm-Atonie erfolgt die Platzierung gastral.
• schwere akute Pankreatitis
• Peritonitis PEG
• gastrointestinale Blutungen
• nicht beherrschbarer Durchfall oder Erbrechen [1] Die perkutane endoskopisch kontrollierte Gastros­
tomie wurde 1980 von Ponsky und Gauderer in den
USA als Fadendurchzugsmethode entwickelt. In
Wahl des Sondierungsverfahrens
Deutschland wurde sie von Keymling vervollkomm­
Die Wahl des Sondierungsverfahrens erfolgt auf­ net. Mittlerweile ist die PEG auch in der Pädiatrie
grund der Indikation. Entscheidend sind: etabliert. [4]
• voraussichtliche Dauer der Ernährungstherapie Bei Kindern mit Langzeiternährung ist anstelle
• Allgemein- und Ernährungszustand des Patien­ einer beeinträchtigenden PEG-Sonde die Implanta­
ten tion eines Buttons (› Abb. 10.9) eine Alternative.
• anatomische Besonderheiten (z. B. nach Operati­ Die Standardmodelle erfordern allerdings eine
onen) [2] vorherige endoskopische Anlage einer PEG. Nach
Insbesondere die Wahl des Sondenmaterials ist von ca. vier Wochen reizlosem Stomakanal kann auf ein
der Dauer der Ernährungstherapie abhängig. Bei der
Auswahl der richtigen Sonde beachten Pflegende stets oral Sternumspitze
die Herstellerangaben. Die zur kurzzeitigen Ernäh­
rung verwendeten Magensonden bestehen häufig aus
PVC (Polyvinylchlorid). Diesen Sonden ist ein Weich­
macher zugesetzt, der sich innerhalb kurzer Zeit her­
auslöst. Dadurch ändert sich die Beschaffenheit der
Sonde, sie wird hart und spröde. Die Anwendung die­
ser Sonden gilt als obsolet. Sonden zur Langzeitan­
wendung bestehen aus Silikonkautschuk oder Poly­
urethan. Diese Stoffe sind über mehrere Wochen Abb. 10.5  Abmessung der Sondenlänge (oral und nasal). [L157]
(transnasale/orale Sonden) biostabil und bleiben flexi­
bel (perkutane Sonden sogar Monate bzw. Jahre). [1]

Sondenlage
Ernährungssonden lassen sich nasoenteral, oroente­ 10
ral oder perkutan (siehe PEG) applizieren. Das Ab­
messen der nasal zu legenden Magensonde erfolgt
durch die Bestimmung des Abstandes von der Nase
zum Ohrläppchen und dann entlang der Konturen
von Kinn und Hals zur Sternumspitze, bzw. bei älte­
ren Kindern zu einem imaginären Punkt in der Mit­
te zwischen Sternum und Nabel. Bei der oral zu ap­
plizierenden Magensonde gilt die Summe der Ab­ Abb. 10.6  Gastrale und jejunale Sondenlage. [L157]
152 10  Ernährung

Zweitsystem (Button, GastroTube › Abb. 10.7) ge­ Kostaufbau


wechselt werden. Empfehlenswert ist eine erste Flüssigkeitssubstitu­
tion frühestens 4 Std. nach der PEG-Anlage. Bei kom­
Button plikationsloser Applikation der Flüssigkeit kann die
Das Hauptmerkmal eines Buttons ist, dass er außen Gabe einer bilanzierten Diät beginnen. Die Nah­
keinen Schlauchfortsatz besitzt. Er hat einen Ballon rungszufuhr lässt sich stufenweise über 3–4 Tage stei­
als Rückhaltemechanismus, der mit NaCl 0,9 % oder gern. Die Zufuhr über eine Ernährungspumpe ist rat­
sterilem Wasser über ein seitliches Ventil zu füllen ist. sam, Pflegende beginnen mit einer langsamen Zu­
Die Nahrung kann mit einem Winkeladapter an ein fuhrgeschwindigkeit. Verträgt das Kind die Nahrung,
normales Überleitungssystem angeschlossen werden. steigern sie in den folgenden Tagen die Zufuhrrate
Vorteile: Kosmetisch ist der Button wesentlich und die Nahrungsmenge kontinuierlich. Sollten je­
attraktiver und bei sehr aktiven Kindern, die an der doch nach der Erhöhung der Zufuhrrate Komplikati­
Sonde ziehen, aus pflegerischer Sicht interessant. onen auftreten, z. B. Durchfall oder Erbrechen, redu­
Nachteile: Die Materialermüdung des Ballons zieren Pflegende die Applikationsgeschwindigkeit.
macht es notwendig, dass in der Regel nach einigen Während der Aufbauphase reicht die Nährstoffzu­
Monaten der Button gewechselt werden muss. Da fuhr mittels Sondennahrung unter Umständen nicht
sich der Stomakanal innerhalb von Stunden schlie­ aus, sodass die fehlenden Nährstoffe auf dem paren­
ßen kann, ist es sinnvoll, wenn der Patient mit ei­ teralen Weg zu verabreichen sind. [2]
nem passenden Ersatz-Button ausgestattet ist. Steht
kein neuer Button zur Verfügung, kann das alte Sys­
Sondennahrung
tem in das Stoma eingeführt und mit Pflaster fixiert
werden. Die Sondennahrung ist eine Weiterentwicklung der
„Astronautenkost“ aus den 1960-er Jahren. Man un­
Innerhalb von 4–6 Wochen können 1–2 ml Flüssigkeit terscheidet zwischen hochmolekularen und nieder­
aus dem Ballon in den Magen diffundieren. Aus diesem molekularen Sondennahrungen.
Grund ist es empfehlenswert, den Füllungszustand des
Ballons im Abstand von vier Wochen zu überprüfen.

Pflege
• Hautpartie um das Stoma täglich mit warmen
Wasser und milder Seife reinigen und anschlie­
ßend trocknen.
• Button täglich um 360° drehen, um die Beweg­
lichkeit im Stomakanal zu erhalten und Hautirri­
tationen und Druckulzera zu vermeiden.
• Stoma routinemäßig auf Rötungen, Schwellun­ Abb. 10.7  GastroTube in schematischer Darstellung. [V514]
gen und Granulationsgewebe kontrollieren.
• Button vor und nach jeder Nahrungs- und Medi­
PEG gastral/
kamentenapplikation mit Wasser über eine 20 ml PEG gastral Button
intestinal
10 Luer-Spritze durchspülen.
• Auch vorübergehend nicht verwendete Button
einmal täglich mobilisieren und spülen. [5]
• GastroTube
Der GastroTube hat ebenso einen Ballon als Rück­
haltemechanismus. Durch das kurze Sondenstück
ist er bedeutend unattraktiver als der Button und
wird in der Pädiatrie wesentlich seltener eingesetzt
(› Abb. 10.7). Abb. 10.8  Perkutane Sondenlagen. [L157]
10.2  Künstliche enterale Ernährung 153

In hochmolekularer Nahrung liegen die Nähr­ eignet sich hochmolekulare Nahrung. Liegen Ein­
stoffe in natürlicher Form vor. Zur Verdauung und schränkungen vor, ist eine niedermolekulare Nah­
Resorption dieser Nahrung muss das Kind über eine rung einzusetzen. Anschließend beurteilt der behan­
ausreichende Sekretion von Enzymen und eine ge­ delnde Arzt den Stoffwechsel des Kindes. Liegen
nügend große Resorptionsfläche verfügen. weitgehend normale Parameter vor, wird Standard­
In niedermolekularer Nahrung liegen die Nähr­ nahrung eingesetzt. Falls der Stoffwechsel patholo­
stoffe in vorverdauter Form vor. Anstelle von Prote­ gisch verändert ist, kommt stoffwechseladaptierte
inen enthält sie Aminosäuren, die der Darm sofort Nahrung zur Anwendung.
resorbiert.
Indikationen für die Verabreichung niedermole­ • normokalorische Sondennahrungen: 1 kcal/ml
kularer Nahrung: • hochkalorische Sondennahrungen: 1,2–1,5 kcal/ml
• chronisch entzündliche Darmerkrankungen
• ausgedehnte Dünndarmresektion
• Kostaufbau nach langfristiger parenteraler Er­ Der Flüssigkeitsbedarf hängt vom Allgemeinzu­
nährung [2] stand, der Grunderkrankung (z. B. Aszites, Ödeme,
Die Auswahl der geeigneten Sondennahrung richtet Niereninsuffizienz, Dialysetherapie, Herzinsuffizi­
sich zunächst nach der Verdauungsleistung des Kin­ enz), der Mobilität und Aktivität des Kindes (z. B.
des. Ist der Gastrointestinaltrakt funktionstüchtig, starkes Schwitzen, erhöhte Atemtätigkeit) sowie
Ausnahmesituationen (z. B. Fieber, Diarrhö) ab. Der
Flüssigkeitsanteil in der Sondennahrung beträgt im
Durchschnitt 80 ml pro 100 ml. [2]
Sicherheitsstopfen
Zur Flüssigkeitssubstitution setzen Pflegende be­
Bauchdecke vorzugt kohlensäurearmes Mineralwasser ein, da die
Keimbelastung in Tees nachweislich höher ist. An
Teesorten verabreichen Pflegende, wenn überhaupt,
Rückflussventil nur Fenchel-, Kamillen-, Pfefferminz- oder Kräuter­
Radiologisch tees. Früchtetees oder Fruchtsäfte sind kontraindi­
darstellbarer Konus
ziert, denn diese säurehaltigen Getränke können eine
Magen
Ausflockung der Sondennahrung verursachen, die
zur Verstopfung der Sonde führt. Schwarzer Tee ver­
Abb. 10.9  Button-System. [2] [L157] färbt das Sondenmaterial rasch und eignet sich aus

Verdauungsleistung

weitgehend normal eingeschränkt

Stoffwechsel 10

weitgehend pathologisch
normal verändert

Standardnahrung stoffwechseladaptierte niedermolekulare


Nahrung Spezialnahrung
Abb. 10.10  Wahl der geeigne­
ten Sondennahrung. [L157]
154 10  Ernährung

Tab. 10.1  Täglicher Energie- und Flüssigkeitsbedarf • Vorteile


bei sondenernährten Kindern, Jugendlichen und jun- – einfache Handhabung
gen Erwachsenen in Anlehnung an die Referenzwerte – geschlossenes System
der DACH. [2] • Nachteile
Altersgruppen Gesamtwasser- Energie (kcal) – ständige Einlaufkontrolle notwendig
aufnahme (ml) – häufig gastrointestinale Beschwerden bei un­
0–4 Monate 680 480–700 beabsichtigt rascher Zufuhr
4–12 Monate 1.000 480–700
1–4 Jahre 1.300 1.000–1.100 Pumpenapplikation
4–7 Jahre 1.600 1.400–1.800 Die Ernährungspumpe fördert innerhalb einer defi­
7–10 Jahre 1.800 1.700–1.900 nierten Zeit eine definierte Menge an Sondennahrung.
10–13 Jahre 2.150 2.000–2.300
• Vorteile
– exakte Einstellung der Zulaufgeschwindigkeit
13–15 Jahre 2.450 2.200–2.700
möglich
15–19 Jahre 2.800 2.500–3.100 – langsamer Kostaufbau möglich
– Vermeidung von Unverträglichkeiten
diesem Grund nicht. Empfehlenswert ist die Flüssig­ – bei Störungen (z. B. Okklusionen) akustische
keitssubstitution direkt nach der Nahrungsgabe, da Alarmfunktion
sie die Ernährungssonde gleichzeitig spült. Nah­ • Nachteile
rungsreste, die in der Sonde verbleiben, können – relativ hohe Materialkosten
ebenfalls Sondenverstopfungen verursachen. – Abhängigkeit von technischen Geräten
– Schulung und Einweisung des Kindes und der
Eltern vor Entlassung in die häusliche Versor­
Applikationstechniken
gung notwendig
Bolusapplikation
Mittels Bolusapplikation verabreichen Pflegende
Verbandswechsel
die Sondennahrung portionsweise per Spritze. Die­
ses Verfahren ist nur einsetzbar, wenn die Sonde im Der Verbandswechsel ist nach Anlage der PEG zu­
Magen liegt. nächst täglich notwendig. Nach etwa 10 Tagen ge­
• Vorteile nügt bei reizlosen Wundverhältnissen der Wechsel
– kostengünstig (geringer Materialbedarf) zwei- bis dreimal wöchentlich. Wenn die Wunde
– einfache Handhabung, schnell zu erlernen auffällig ist, inspizieren Pflegende sie häufiger. Ein
• Nachteile Verband ist nach Abheilung nicht zwingend not­
– hoher Zeitaufwand (bei Jugendlichen max. wendig. Das Kind darf baden oder duschen.
250 ml in mind. 20 Min. bei Kleinkindern ent­ • Material
sprechend langsamer) – Einmalhandschuhe
– erhöhte Gefahr der bakteriellen Verunreini­ – sterile Einmalhandschuhe
gung (durch vermehrten Kontakt der Sonden­ – Abwurfbeutel
nahrung mit der Luft und den Materialien) – sterile Kompressen
10 – Hautdesinfektionsmittel
Schwerkraftapplikation – NaCl 0,9 % (zum Entfernen von Verkrustungen)
Zur Schwerkraftapplikation hängen Pflegende ein – Fixierpflaster
Flaschen-, Beutel- oder EasyBag-System an einen • Vorbereitung
Infusionsständer. Durch den Höhenunterschied ent­ – Hände waschen und desinfizieren, Einmal­
steht ein Gefälle, die Nahrung fließt der Schwerkraft handschuhe anziehen
folgend ein. Über eine Rollklemme am Schlauchsys­ – alten Verband entfernen und abwerfen
tem lässt sich die Tropfgeschwindigkeit, wie beim – Hände erneut desinfizieren und sterile Einmal­
Infusionsprinzip, regulieren. handschuhe anziehen
10.2  Künstliche enterale Ernährung 155

• Durchführung
– Fixierung an der Halteplatte öffnen und sie so
weit zurückziehen, dass sich der Wundbereich
sorgfältig reinigen lässt
– Wundbereich mit einer von Hautdesinfekti­
onsmittel getränkten Kompresse von innen
nach außen reinigen
– Sonde desinfizieren und Pflasterreste vorsich­
tig von der Haut und der Sonde entfernen
– Sonde vorsichtig etwa 1–2 cm vorschieben und
mit einer ca. ¼-Drehung nach rechts und links
drehen, um die Freigängigkeit der inneren
Halteplatte zu gewährleisten und zu verhin­
dern, dass sie ins Niveau der Magenschleim­
haut einwächst
– innere Halteplatte bis zum spürbaren Wider­
stand anziehen (bei zu starkem Zug Gefahr
von Drucknekrosen)
– sterile Schlitzkompresse zwischen Haut und
Halteplatte legen
– äußere Halteplatte zurückschieben und Bügel
verschließen
– Halteplatte mit einer sterilen Kompresse abde­
cken und mit Stretchpflaster fixieren
– ein zusätzlicher Pflasterstreifen auf der Bauch­
decke dient als Zügel und verhindert, dass die
Sonde unter Zug gerät
• Nachsorge
– Materialien entsorgen
– Dokumentation des Verbandswechsels und
der Beobachtungen

Hygienische Aspekte
• vor dem Umgang mit Sondennahrung Hände wa­
schen und desinfizieren
• Überleitsysteme nicht länger als 24 Std. verwen­
den (bei Sondennahrung)
• angebrochene Flaschen im Kühlschrank lagern
(mit Datum, Uhrzeit und Namen des Kindes be­ 10
schriften) und maximal 24 Std. aufbewahren
• Ernährungssonde nach jeder Nahrungsgabe spü­
len, damit keine Reste in der Sonde verbleiben
• vorübergehend unbenutzte Sonde täglich spülen
• Sondennahrung nicht direkter Sonnenbestrah­
lung aussetzen. Eine höhere Temperatur führt zu
schnellerem Keimwachstum und zum Verderben
Abb. 10.11  Verbandswechsel an einer PEG. [L157] der Nahrung
156 10  Ernährung

• Ernährungspumpe samt dazugehörigem Ständer LITERATUR


1. Fresenius/Kabi: Leitfaden Praxis der enteralen Ernährung.
in regelmäßigen Abständen säubern 2003
• die äußeren Anschlüsse können mit der Zeit un­ 2. Kalde, S.; Kolbig, N.; Vogt M. (Hrsg.): Enterale Ernährung.
ansehnlich werden; in regelmäßigen Abständen Elsevier Verlag, München, 2002
wechseln 3. Hoehl, M.; Kullik, P.: Kinderkrankenpflege und Gesund-
heitsförderung, 2. A. Thieme Verlag, Stuttgart, 2002
(2. Auflage)
Medikamentengabe über Sonden 4. Grund, K. E.; Mentges, D.; Dormann, A.; Gebhardt, D.:
Pflegeleitfaden Perkutane Sonden. Fresenius/Kabi, 2004
Um Medikamente über eine Ernährungssonde ap­ 5. Fresenius/Kabi: Medikamentengabe über Sonde. 2009
plizieren zu können, sind sie meistens durch Mör­ 6. Brandstätter, M.: Roos-Liegemann, B.: Künstliche Ernäh-
sern oder Auflösen sondengängig zu machen. Dies rung bei Kindern. Elsevier, Urban & Fischer, München,
2005
ist für viele Medikamente keine bestimmungsgemä­
ße Anwendung, hieraus ergeben sich häufig Unsi­
cherheiten.

Grundregeln zur Medikamentengabe 10.3  Parenterale Ernährung


• Alle Medikamente getrennt voneinander zerklei­ Diana Löscher, Christiane Rohrbach
nern und verabreichen, Sonde nach jeder Medi­
kamentenapplikation mit mindestens 20 ml Was­
ser spülen. Im Gegensatz zur enteralen Ernährung gelangen bei
• Feste Arzneimittel erst unmittelbar vor der Gabe der parenteralen Ernährung alle erforderlichen
zerkleinern. Nährstoffe unter Umgehung des Magen-Darm-
• Medikamente niemals in die Sondennahrung ge­ Trakts intravenös in den Körper. Um die Komplika­
ben. tionsrate so gering wie möglich zu halten, ist eine
• Abklärung, ob die eingesetzten Medikamente zur frühzeitige enterale Ernährung, zunächst als teil­
Sondenapplikation geeignet sind (der Inhalt ma­ parenterale Ernährung, und schließlich als vollstän­
gensaftresistenter Kapseln eignet sich z. B. nicht dig enterale Ernährung anzustreben. Eine minimale
zur Verabreichung durch eine gastral liegende enterale Ernährung verkürzt die Zeit bis zum kom­
Sonde). [6] pletten Nahrungsaufbau und die Krankenhausver­
weildauer. [1]

Tab. 10.2  Häufige pflegerische Komplikationen im Zusammenhang mit Ernährungssonden.


Komplikation Ursachen Maßnahmen
Sondenver- • Sonde nicht regelmäßig gespült • vorsichtiger Versuch, die Sonde zu spülen
stopfung • Nahrung und Medikamente gemischt oder gleichzei­ • bei größeren Kindern: über eine Spritze ei­
tig appliziert nige ml Cola applizieren, einwirken lassen
• Zufuhr von Fruchtsäften, Früchtetees und ggf. erneuter Spülversuch
• gemeinsame Applikation verschiedener Medikamente
• Medikamente unzureichend zerkleinert

10 Diarrhö • Sondennahrung zu schnell, zu kalt oder in zu großen • langsamer Kostaufbau und langsame Ap­
Mengen verabreicht plikation der Sondennahrung
• Sondennahrung ist verdorben • Sondennahrung hat bei der Verabreichung
• medikamentöse Ursachen (z. B. Antibiotika) mind. Zimmertemperatur
• Lageveränderung der Sonde • Reste im Kühlschrank aufbewahren
• Überleitsysteme alle 24 Std. wechseln

Aspiration • Dislokation der Sonde • Kontrolle der Sondenlage


• Magenentleerungsstörungen • Kontrolle der Magenentleerung
• Oberkörper während der Applikation und
ca. 1 Std. danach um 30° hochlagern
10.3  Parenterale Ernährung 157

Zu den Komplikationen der parenteralen Ernäh­ mit der Lipidemulsion verabreicht werden, da sie
rung gehören lokale und systemische Infektionen, die Adsorption an Plastik und die Bildung von Per­
Venenthrombosen sowie Stoffwechselkomplikatio­ oxiden in der Lipidemulsion reduzieren. [1] Glukose
nen bei fehlerhafter Nährstoffzufuhr (z. B. Fettleber 5 % eignet sich gut als Trägerlösung für Medikamen­
als Folge einer zu hohen Kohlenhydratzufuhr). te. Welche Lösungen mit welchen Medikamenten
Intravenös zugeführte Nahrungskomponenten kompatibel sind, ist den Herstellerangaben zu ent­
sind: nehmen. Bei ungeklärten Fragen ist eine Absprache
• Kohlenhydrate mit der Apotheke ratsam.
• Aminosäuren
• Fette Während der Zufuhr von Aminosäuren ist auf eine ausrei­
• Elektrolyte chende Applikation von Kohlenhydraten zu achten, da
• Vitamine der Körper die Aminosäuren bei unzureichender Energie­
• Spurenelemente zufuhr als Energieträger verstoffwechselt.
Zu unterscheiden sind die totale parenterale Ernäh­
rung (vollständig intravenöse Ernährung) und die Die Verwendung fertiger Infusionslösungen birgt
partielle parenterale Ernährung (intravenöse und ein geringeres Risiko für Dosierungsfehler und Kon­
enterale Ernährung). tamination. Sie eignen sich zur kurzfristigen oder
Die große Spannbreite der pädiatrischen Patien­ zur partiellen parenteralen Ernährung. Kinder er­
ten stellt eine besondere Herausforderung bei der halten in der Regel eine individuelle parenterale Er­
Durchführung der parenteralen Ernährung dar. Der nährung in Form von Mischinfusionen. Die Zusam­
Flüssigkeits- und Nährstoffbedarf orientiert sich am mensetzung ist auf die spezifischen Bedürfnisse zu­
Reifegrad und Alter, sowie an der klinischen Situa­ geschnitten und jederzeit problemlos den krank­
tion des Patienten. Die parenterale Infusionstherapie heitsbedingten Veränderungen anzupassen.
bedarf der ärztlichen Anordnung. Der Infusionsbe­ Besonders sinnvoll ist der Einsatz individuell zu­
darf wird in der Regel für 24 Std. berechnet. Die par­ sammengestellter Lösung dann, wenn eine länger­
enterale Ernährung kann sowohl über eine periphe­ fristige parenterale Ernährung erforderlich ist, z. B.
re Verweilkanüle als auch über einen zentralvenösen bei:
Katheter erfolgen. Infusions- und Spritzenpumpen • Kurzdarmsyndrom
gewährleisten die kontinuierliche Verabreichung. • Fettstoffwechselstörungen
• Leberinsuffizienz
• Niereninsuffizienz
Infusionslösungen
In der Regel bestehen Kohlenhydratlösungen aus Zubereitung von Mischinfusionen
Glukose in unterschiedlicher Konzentration. Die In Deutschland regelt das Arzneimittelgesetz die Zu­
Verabreichung von Glukoselösungen bis zu einer bereitung der parenteralen Ernährung im Kranken­
Konzentration von 12,5 % ist über periphere Ver­ haus und stellt diese in die Verantwortung eines
weilkanülen möglich, sofern keine weiteren osmola­ Pharmazeuten. Für den unmittelbaren Verbrauch
ritätssteigernden Substanzen zugesetzt werden. [1] bestimmte Lösungen (innerhalb von 24 Std.) kann
Bei älteren Kindern und Jugendlichen ist eine lang­ die Herstellung durch den Arzt oder Assistenzperso­
fristige totale parenterale Ernährung oft nur über nal erfolgen. [1] Die Zubereitung von Mischinfusio­ 10
einen ZVK möglich, da eine bedarfsdeckende Nah­ nen erfolgt unter streng aseptischen Bedingungen in
rungszufuhr mittels Kohlenhydraten einer Nähr­ einer Laminar-Airflow-Einheit. Mehrflaschensyste­
stoffdichte bedarf, die mit hoher Osmolarität einher­ me sollten aufgrund höherer Kosten und des höhe­
geht. Übersteigt sie den Wert von 800 mosmol/l, ren Fehlerrisikos vermieden werden. Auf der Station
können in der Peripherie Gefäßirritationen entste­ überwacht der verordnende Arzt die Herstellung. Er
hen. Fettemulsionen hingegen lassen sich sehr gut trägt zudem die Verantwortung für die Anwendung
periphervenös applizieren, da sie eine niedrigere Os­ der Infusion. Unter dem Aspekt einer möglichst si­
molarität aufweisen. Vitamine sollten zusammen cheren Zubereitung, besonders im Hinblick auf
158 10  Ernährung

mögliche Inkompatibilitäten, sollte die Zubereitung stellen des Infusionssystems (z. B. beim Infusions­
von Mischinfusionslösungen in der Apotheke erfol­ wechsel, bei der Medikamentenverabreichung) ste­
gen. ril.

Umgang mit Infusionen LITERATUR


Die Infusionsflaschen bzw. Mischbeutel sind korrekt 1. DGEM: Leitlinie parenterale Ernährung. 2007. www.
dgem.de/parenteral.htm (Letzter Zugriff am 29.12.2011)
zu beschriften (Inhaltsstoffe, Datum, Patientenna­ 2. Hoehl, M.; Kullik, P. (Hrsg.): Kinderkrankenpflege und
me). Pflegende überprüfen regelmäßig die korrekte Gesundheitsförderung. Thieme Verlag, Stuttgart, 2008
Infusionsgeschwindigkeit und den Zustand der Lö­ 3 Parenterale Ernährung bei Kindern – Hinweise für das
sungen (u. a. auf Trübung, Ausflockung und Farb­ Pflegepersonal: www.uni-due.de/apotheke/ (Letzter Zu-
veränderungen). Sie handhaben die Konnektions­ griff am 29.12.2011)

10
KAPITEL Anja Messall

Pflege vor, während und

11 nach medizinischen
Interventionen
11.1  Punktionen und das gewonnene Punktat gemäß den Anforderungen
Drainagen der jeweiligen Untersuchung und versenden es in
das entsprechende Labor.

Allgemeine pflegerische Maßnahmen


Allgemeine hygienische Maßnahmen
Medizinische Interventionen sind oft schmerzhaft, • Vor Kontakt mit aseptischen Materialien Hände
belastend und können große Ängste auslösen. Durch desinfizieren (› 2.1)
eine altersgemäße Information über den bevorste- • Materialien auf vorher desinfizierten Arbeitsflä-
henden Eingriff lassen sich diese Ängste zumindest chen vorbereiten
teilweise abbauen. Für jede medizinische Interventi- • Pflegende, auf der Position des „Springers“, sowie
on benötigt der Arzt die Einverständniserklärung alle weiteren im Raum befindlichen Personen, le-
der Eltern. Im Notfall kann er sie nachträglich ein- gen Haube und Mundschutz an
holen. • Arzt sowie Pflegende, die in direkten Kontakt
Das betreuende Team ist bestrebt, die Anwesen- zum Kind treten, legen Mundschutz, Haube, ste-
heit der Eltern, vor allem bei kleineren Kindern zu rilen Kittel und sterile Handschuhe an
ermöglichen, bis die Wirkung einer eventuell not- • Desinfektion des Hautareals mittels Wischdesin-
wendigen Sedierung oder Lokalanästhesie eintritt. fektion (oder Sprühdesinfektion) → auf ausrei-
Eine ausreichende Sedierung, ggf. Analgosedierung, chende Einwirkzeit des Desinfektionsmittels
reduziert die Schmerzen und den durch sie ausgelös- (Herstellerangaben) und einen optimalen Schutz
ten Stress. der umliegenden Haut (v. a. bei Früh- und Neu-
Pflegende erhöhen die Zimmer- oder Inkubator- geborenen) achten
temperatur bzw. setzen eine Wärmelampe ein und • bei Maßnahmen unter sterilen Bedingungen rei-
schützen das Kind zusätzlich vor Wärmeverlust. chen Pflegende Materialien steril an
Bei FG/NG legen sie sterile Kompressen um die • Fixierung von Kathetern und Drainagen an der
Punktionsstelle, um ein komplettes Aufkleben des Eintrittsstelle nur mit sterilem Material
Lochtuches auf der Haut zu vermeiden. • Gazeverband der Eintrittsstelle nur bei Kindern
Zur Überwachung des Kindes leiten Pflegende die Schmerzen äußern können, eher Folienver-
kontinuierlich das EKG ab, messen den Blutdruck bände verwenden [1] [2]
engmaschig und schließen eine SpO2-Messung an.
Zusätzlich überwachen sie die Atmung und das Be-
wusstsein. 11.1.1  Aszitespunktion und -drainage
Während der ärztlichen Intervention dokumentie-
ren Pflegende die Vitalparameter, verabreichte Me- DEFINITION
dikamente, pflegerische und ärztliche Maßnahmen, Aszites: Ansammlung freier Flüssigkeit in der Bauchhöhle.
sowie bei Punktionen und Drainagenanlage die Men-
ge, Farbe und Konsistenz des Punktats engmaschig.
Ist eine laborchemische Untersuchung des Punk- Aszites tritt als Komplikation auf bei
tats erforderlich, bereiten sie Untersuchungsröhr- • Herz-, Lungen- und Nierenkrankheiten,
chen und Anforderungsscheine vor. Sie asservieren • portaler Hypertonie,
160 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

• Erniedrigung des kolloidosmotischen Drucks • entzündlichen Bauchfellerkrankungen,


durch Hypoalbuminämie, z. B. bei Hydrops feta- • Natrium- und Wasserretention bei sekundärem
lis, nephrotischem Syndrom und Eiweißverlust- Hyperaldosteronismus.
syndrom,

Tab. 11.1  Punktionsort sowie Material und Lagerungen für verschiedene Punktionen und Drainageanlagen.
Produktionsart Material Lagerung
Punktionsort
Aszitespunktion und -drai- • Medikamente zur Analgosedierung • mit leicht erhöhtem Oberkörper
nage • Volumenersatzmittel (z. B. Ringer-Lösung, auf dem Rücken
zwischen mittlerem und unterem NaCl 0,9 %, Voluven®, Humanalbumin 5 %) • rechte Beckenseite erhöhen, um
Drittel der Linie zwischen Nabel • Lokalanästhetikum die intraperitoneale Flüssigkeit
und Spina iliaca anterior superior • Injektionsnadel und Spritze für die Lokalanäs- nach links Richtung Punktions-
thesie stelle zu verlagern
• Abdecktuch
• Kompressen
• Verbandsmaterial
Zur Punktion:
• Punktionskanüle
• kurzer Infusionsschlauch
• Dreiwegehahn
• 10- oder 20-ml-Spritzen
• Nierenschale oder Messbecher
Zur Drainage:
• Drainage z. B. Pigtail®-Katheter
• Ablaufsystem z. B. Silikon-Reservoir mit Ver-
bindungsschlauch zum Pigtail®-Katheter
Pleurapunktion Zur Punktion: sitzend:
Pneumothorax: • Medikamente zur Analgesie und Sedierung • Arm an der zu punktierenden
im 2.–3. Interkostalraum • Volumenersatzmittel (z. B. Humanalbumin Seite über dem Kopf fixieren
Pleuraerguss: 5 %, Voluven®, Ringer-Lösung, NaCl 0,9 %) • größere Kinder ggf. über eine
• Lokalanästhetikum Stuhllehne gebeugt sitzen lassen
im 4.–5. Interkostalraum
• Injektionsnadel und Spritze für die Lokalanäs- liegend:
Bülaudrainage: thesie • Rücken- oder Seitlagerung
in der mittleren oder hinteren • Abdecktuch
Axillarlinie im 4.–6. Interkostal- • altersentsprechende Punktionskanüle
raum • kurzer Infusionsschlauch
• Dreiwegehahn
• 20-ml-Spritze
• Nierenschale
• Kompressen und Verbandsmaterial

Monaldidrainage: Zur Drainage:


im 2.–3. Interkostalraum in der • evtl. Skalpell
Medioklavikularlinie • evtl. kleine, gebogene Klemme
• Drainage mit Trokar oder Pigtail®-Katheter
• Test, ob Trokar gleitfähig ist, wenn nicht, z. B.
Silikonspray oder NaCl 0,9 % verwenden
11 • Drainagesystem mit entsprechendem Verbin-
dungsschlauch
• evtl. Nahtmaterial und Nadelhalter
• Fixiermaterial
11.1  Punktionen und Drainagen 161

Tab. 11.1  Punktionsort sowie Material und Lagerungen für verschiedene Punktionen und Drainageanlagen.
(Forts.)
Produktionsart Material Lagerung
Punktionsort
Perikardpunktion und -drai- • Medikamente zur Analgesie, Sedierung • Kind auf den Rücken lagern
nage • Volumenersatzmittel (z. B. Humanalbumin • um eine optimale Dehnung der
unterhalb des Processus xipho­ 5 %, Voluven®, Ringer-Lösung, NaCl 0,9 %) Interkostalräume zu erzielen,
ideus in Richtung Herz • Reanimationsmedikamente (› 20.2.1) den Arm der zu punktierenden
• Lokalanästhetikum Seite nach oben lagern und dort
• komplettes Intubationszubehör (› 12.1.1) sicher mit einer Klettmanschette
und Defibrillator patientennah stellen fixieren
• Injektionsnadel und Spritze für die Lokalanäs-
thesie
• steriles Abdecktuch
• Punktionskanüle (18 G oder 20 G) oder ein
Pigtail®-Katheter
• 5- und 10-ml-Spritzen
• kurze Infusionsleitung
• Dreiwegehahn
• Ablaufsystem zum dauerhaften Drainieren
• sterile Kompressen, Verbandsmaterial
• Nahtbesteck, evtl. Nadelhalter und Faden
• Nierenschale
• Fixiermaterial

Liquorpunktion/Lumbal- • Medikamente zur Analgosedierung • sitzend


punktion • evtl. Lokalanästhetikum • liegend in Embryonalhaltung
meist in der Medianlinie zwi- • Spritze und Injektionsnadel zur Lokalanästhesie
schen 2. und 3. oder 3. und 4. • Spinalkanüle
Dornfortsatz der Lendenwirbel- • Kompressen und Pflaster
säule Zur Druckmessung:
• kurze Infusionsleitung
• Maßband zum Ermitteln der Liquorsteighöhe
Rickham-Kapsel-Punktion • Punktionskanüle, z. B. Butterfly 26 G • aufdem Rücken lagern und den
Rickham-Kapsel • steriles Auffanggefäß mit Milliliter-Graduie- Kopf in Mittelstellung halten
rung, z. B. 20-ml-Spritze, deren Konus mit ei- • Arme fixieren
ner Verschlusskappe versehen ist
• Fixiermaterial
• zur Hirndruckmessung: kurze Infusionsleitung
und Maßband
Knochenmarkspunktion • Injektionsnadel,Spritze und Medikament zur • je
nach Punktionsort Rücken-,
Spina iliaca anterior oder poste- Lokalanästhesie Seit- oder Bauchlage
rior superior • Knochenmarkspunktionskanüle
• mehrere Objektträger
• sterile Tupfer
• Pflaster

Indikationen 11
Die Aszitespunktion kann diagnostisch, zur zytolo- zur Entlastung des intraabdominellen Drucks bei
gischen und mikrobiologischen Untersuchung, z. B. Zwerchfellhochstand mit Dyspnoe und Spannungs-
bei Leberzirrhose, Peritonitis, und therapeutisch, gefühl, erfolgen.
162 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Vorbereitung • Schock durch hohen Volumenverlust


• Peritonitis
Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1
Benötigtes Material und Lagerung› Tab. 11.1
Bevor die Punktion stattfindet, erfolgt eine Mes- 11.1.2  Pleurapunktion und -drainage
sung des Bauchumfangs und eine Kennzeichnung
der Punktionsstelle. Die Pflegenden fordern den Pa- Indikationen
tienten vor der Punktion auf, die Blase zu entleeren,
um sie vor Verletzung zu schützen. Die diagnostische Punktion der Pleura dient der
Gewinnung von Pleurasekret, z. B. für eine zytologi-
sche und mikrobiologische Untersuchung.
Durchführung
Zur Aspiration von Sekret oder Luft aus dem
Pflegekräfte verabreichen Medikamente zur Sedie- Pleuraraum, z. B. bei Pneumothorax, Hämatothorax,
rung und Analgesie. Der Arzt injiziert das Lokalan- Pleuraempyem oder Pleuraerguss, führt der Arzt ei-
ästhetikum und punktiert auf der linken Seite des ne therapeutische Punktion oder Drainagenanlage
Unterbauches zwischen dem mittleren und unte- durch. Das Ziel ist, durch die Druckentlastung eine
ren Drittel der Linie zwischen Nabel und Spina ili- Lungenentfaltung und somit eine Atemerleichte-
aca anterior superior. Er verbindet die Punktions- rung für den Patienten zu erreichen. Die therapeuti-
kanüle mit der kurzen Infusionsleitung und dem sche Punktion kann außerdem zur Instillation von
Dreiwegehahn. Bei großer Aszitesmenge besteht Medikamenten und zur Entlastung eines Span-
durch den Volumenverlust und die intraabdomi- nungspneumothorax eingesetzt werden.
nelle Druckentlastung die Gefahr eines raschen
HZV-Abfalls, deshalb ist die Flüssigkeit langsam
Drainageformen
und fraktioniert abzulassen. Falls nötig, ordnet der
Arzt die Resubstitution des Volumens an. Bülau-Drainage: Zum Drainieren eines Ergusses
Ist zu erwarten, dass Aszites z. B. aufgrund einer punktiert der Arzt in der mittleren oder hinteren
portalen Hypertension oder einer massiven Herzin- Axillarlinie im 4.–6. Interkostalraum und schiebt
suffizienz erneut auftritt, legt der Arzt meist einen den Drain nach hinten oben oder hinten unten vor.
Pigtail®-Katheter ein, fixiert ihn mit sterilen Pflaster-
streifen und deckt ihn mit einem Pflasterschnellver-
band ab. Nach der Entfernung des Katheters versor-
Soganschluss
gen Pflegende die Punktionsstelle mit einem Kom- Schlauch
pressionsverband. zum
Patienten

Nachsorge
250 1400 2500
CC CC CC
230 25
cm
1300 2400

Manometer-
H2O
210
1200 20
190

Zur Überprüfung der Effektivität der Aszitespunkti-


2300

kammer
1100
15
170 1000 2200

on bzw. -drainage erfolgt einmal pro Schicht eine


10
150
2100

auffüllen
5

Bauchumfangsmessung. Pflegende beobachten die 130

110
900 2000

bis zur Linie


Menge, Farbe und Konsistenz der Aszitesflüssigkeit,
800 1900

90
1800

überprüfen den Verband auf der Eintrittsstelle sowie


700
70
600 1700
50

die Fixierung einer evtl. angelegten Drainage und 30


500
1600
auffüllen
400

dokumentieren sämtliche Befunde.


20 2
10
300
1500 1 bis zur 2
11
5

Sammelkammern Wasserschloss
Komplikationen
Abb. 11.1  Steriles, geschlossenes Einwegsystem (hier Pleur-
• Verletzung von Darm, Milz, Harnblase, Blutgefä- evac-System®) mit Wasserkammer, Saugkontrollkammer und
ßen Sammelkammer. [L157]
11.1  Punktionen und Drainagen 163

Druckluftanschluss Einwegsystem
Pflegende schließen das System an die Druckluftver-
sorgung an. Zu Beginn füllen sie das Wasserschloss
und die Sogstärkekammer mit der vorgegebenen
Menge Aqua ad injectionem.

VORSICHT
An ein Pleur-evac-System® mit zwei Anschlüssen werden
auf keinen Fall zwei Pleuradrainagen gleichzeitig ange-
Vorlage- schlossen.
flasche Patient
Filter

An einen Pigtail®-Katheter oder eine Jackson-Pratt-


Drainage schließen Pflegende mithilfe eines Verbin-
Saugkontrollflasche Sekretsammelflasche
dungsschlauches ein Silikonreservoir (› Abb. 11.3)
an. Es kann sowohl mit als auch ohne Sog verwendet
Abb. 11.2  Drei-Flaschen-System. [L157] werden. Dieses handliche Drainagesystem ermög-
licht eine optimale Mobilisierung des Patienten.
Monaldi-Drainage: Zum Absaugen von Luft oder
Sekret punktiert der Arzt in der Medioklavikularli-
Vorbereitung
nie im 2.–3. Interkostalraum und schiebt den Drain
nach oben zur Pleurakuppel vor. Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1
Benötigtes Material und Lagerung › Tab. 11.1
Mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung ermittelt
Drainagesysteme
der Arzt die genaue Lokalisation des Ergusses und
Drei-Flaschen-System (Bülau-Drainage) schätzt seine Größe ab.
• 1. Flasche: Sammlung des drainierten Sekrets
• 2. Flasche: Wasserschloss, vermeidet den Rück- Durchführung
strom von Luft in den Pleuraspalt
• 3. Flasche: Regulierung der Sogstärke durch die Vor Beginn der Punktion verabreichen Pflegekräfte
Eintauchtiefe des Steigrohrs oder durch die Höhe Medikamente zur Analgesie und Sedierung. Der
der Wassersäule Arzt punktiert die vorher ausgewählte Stelle und

11

Abb. 11.3  Pigtail®-Katheter, Si-


likonreservoir und Verbindungs-
schlauch. [L157]
164 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

schließt Verbindungsleitung und Dreiwegehahn an Pleurablätter einen Hustenreiz beim Patienten aus-
die Punktionskanüle an. Um eine unnötige Kreis- lösen.
laufbelastung des Kindes zu vermeiden, zieht er Bei länger bestehendem Erguss besteht die Gefahr
den Erguss fraktioniert ab. Nach erfolgreicher des Blutdruckabfalls während der Punktion, weil das
Punktion wird die Punktionsstelle mit einem Dach- HZV durch die Volumenveränderung kurzzeitig
ziegelverband versorgt (› Abb. 11.4). sinkt. In diesem Fall erfolgt die Substitution von Vo-
Eine Drainage legt der Arzt nach ausreichender lumenersatzmitteln.
Analgosedierung an. Die Technik der Anlage hängt
vom verwendeten Drainagesystem ab. Bei einem
Nachsorge
Pigtail®-Katheter reicht eine Punktion und Dilata­
tion aus, bei einem Drain mit Metalltrokar ist eine Pflegende setzen die kontinuierliche Überwachung
vorherige Hautinzision und evtl. eine Spreizung der von EKG, Blutdruck und SpO2 nach der Punktion
Einstichstelle mit einer schmalen gebogenen Klem- fort. Bei Säuglingen empfiehlt sich außerdem die
me nötig. Pflegende konnektieren den vorbereiteten Überwachung der Atmung durch eine transkutane
Verbindungsschlauch und das Drainagesystem mit pO2 und pCO2-Sonde.
dem Drain und achten darauf, dass das Sekret lang- Nach einer Pleurapunktion erfolgt die Lagerung
sam abfließt. Sie fixieren die Drainage zusätzlich mit des Kindes, zur Atemerleichterung, auf der punk-
einem Pflastersteg. tierten Seite und mit erhöhtem Oberkörper.
Im Anschluss an die Punktion können die Lun- Die Pflegenden kontrollieren den Verband auf
genentfaltung und das Aneinanderlegen der beiden Nachblutung oder austretende Ergussflüssigkeit.
Pflegende wechseln den Verband alle 24–48 Std., bei
Austritt von Sekret nach Bedarf. Sie reinigen die
Seitenansicht Austrittsstelle, wenn nötig, mit NaCl 0,9 % oder ver-
sorgen sie bei Rötung und Infektion mit der hausüb-
1. 2. 3. 4. Pflasterstreifen
lichen antiseptischen Lösung.
Schmerzen an der Austrittsstelle oder durch die
Drainage selbst können zu einer oberflächlichen At-
mung führen. Meist bessert sich die Atmung durch
Sicht von oben ausreichende Analgesie. Zu jeder Pflegerunde hören
Pflegende den Thorax ab und überprüfen so die gleich-
mäßige Lungenbelüftung. Klingt das Atemgeräusch
über einem Areal abgeschwächt, ist davon auszuge-
Überlappung hen, dass die Drainage nicht effektiv fördert (Kontrolle
von Drainage und Ablaufsystem siehe unten).

Abb. 11.4  Dachziegelverband. [L157]

liegend Durch Armhochlagerung


streckt sich der Interkostal-
bereich und ermöglicht die
Punktion in den Pleuraspalt

11

Abb. 11.5  Lagerung zur Pleurapunktion und -drainage. [L157] Abb. 11.6  Strecken des ICR. [L157]
11.1  Punktionen und Drainagen 165

Ein Flüssigkeitsspiegel im Drainageschlauch, der luftdichte Versorgung der Austrittsstelle mit Folien-
entweder von abgelaufenem Pleurasekret oder NaCl verband. Zusätzlich erhöhen Pflegende die Sogstär-
0,9 % gebildet wird, ermöglicht die engmaschige ke nach Anweisung des Arztes.
Überprüfung, ob die Drainage Luft fördert. Falls mehrere Drainagen gleichzeitig liegen, wäh-
Ist der Transport eines Kindes mit Pleuradrainage len Pflegende für alle dieselbe Sogstärke, um eine
erforderlich und kein geschlossenes Einwegsystem Mediastinalverschiebung zu vermeiden.
angeschlossen, bringen Pflegende bei einem Pneu-
mothorax bzw. -erguss ein Heimlichventil® an, um
Entfernung der Pleuradrainage
den Abfluss des Pleurasekretes zu ermöglichen und
ein Ansaugen von Luft zu vermeiden. Bei stabiler Respiration, geringer Sekretmenge, Drai­
nageninsuffizienz, sowie nach Ausschluss eines Pneu­
mothorax entfernt der Arzt die Drainage. Dazu benötigt
Kontrolle von Drainage und Ablaufsystem
er Desinfektionsmittel, unsterile Handschuhe, Nahtbe-
Am Bett des Kindes deponieren Pflegende zwei steck, evtl. Nahtmaterial, Pflaster und Kompressen.
Klemmen je Pleuradrainage in Griffweite, damit sie Pflegende klären das Kind altersentsprechend auf
im Falle einer Diskonnektion das Drainagesystem und verabreichen Medikamente zur Analgosedie-
sofort abklemmen können. Diese Maßnahme ist bei rung nach ärztlicher Anordnung, um Stress und
druckkontrolliert beatmeten Kindern ohne Spontan­ Schmerzempfinden zu reduzieren.
atmung nicht notwendig. Der Arzt löst den Verband und evtl. vorhandene
Mindestens zu jeder Pflegerunde unterstützen Haltefäden und desinfiziert das Wundgebiet. Er
Pflegende die Durchgängigkeit der Drainage. Dazu oder die Pflegekraft bildet um die Austrittstelle eine
stehen ihnen zwei Techniken, das „Melken“ und das Hautfalte und zieht die Drainage unter Sog und
„Ausstreifen“, zur Verfügung. Beim „Melken“ pres- (wenn möglich) in der Exspiration, da sonst die Ge-
sen Pflegende die Drainageleitung rhythmisch zu- fahr der Luftaspiration durch die Drainageaustritt-
sammen und bewegen dabei das Sekret in Richtung stelle besteht.
Ablaufsystem. Eine spezielle Rollenklemme ermög- Bei vorhandener Tabaksbeutelnaht wird die
licht beim „Ausstreifen“ das Komprimieren und De- Hautfalte zusammengedrückt, und der Faden zuge-
komprimieren auch längerer Schlauchabschnitte mit zogen und verknotet.
gleichmäßigem Sog. Bei starker Koagelbildung ist es Bei Drainagen ohne Naht oder zusätzlich bei Ver-
unter Umständen nötig, die Drainage auszusaugen sorgung mit einer geschlossenen Tabaksbeutelnaht
(Perikarddrainage › 11.1.3). erfolgt die Fixation der Nahtränder mittels Wund-
Mindestens einmal pro Schicht überprüfen Pfle- nahtstreifen. Danach legen Pflegende ggf. eine mit
gende die Sogstärke und regulieren sie bei Bedarf Polyvidonjod-Salbe oder Polyhexanidgel bestriche-
neu. Sofern nötig, füllen sie Aqua dest. in die Saug- ne Kompresse zum luftdichten Verschluss auf die
kammer nach, damit der Flüssigkeitspegel möglichst Wunde und versorgen sie mit einem Druckverband.
konstant bleibt. Das Schlauchsystem darf weder ab- Mit einer anschließenden Röntgenaufnahme kon-
knicken noch durchhängen, da ein Sekretstau die trolliert der Arzt, ob sich ein Pneumothorax gebildet
Sogleistung der Drainage blockieren würde. hat.
Pflegende setzen das vorher durchgeführte Moni-
VORSICHT toring fort und beobachten das Kind insbesondere
Leckagen im Ablaufsystem können durch fehlenden oder hinsichtlich seiner Atmung. Bei Atembeschwerden
zu niedrigen Sog zur Lufteinsaugung bei jeder spontanen führen sie, evtl. unter Einsatz von Analgetika, ein re-
Inspiration und folglich zum Pneumothorax bzw. Hautem- gelmäßiges Atemtraining (›  9.2.2) mit Hilfe der
physem führen und sind unbedingt auszuschließen. 11
Physiotherapeuten durch (z. B. Kontaktatmen, Was-
serblubbern oder Watte pusten). Die Pflegenden for-
Pflegende kontrollieren das Areal um die Austritts- dern das Kind zum Husten auf und unterstützen es,
stelle zu jeder Pflegerunde hinsichtlich einer Em- indem sie zur Schmerzlinderung die flache Hand mit
physembildung. Bei positivem Befund erfolgt die leichtem Druck auf den Verband legen.
166 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Durchführung

Nachdem der Arzt die Lokalanästhesie gesetzt hat,


punktiert er unter Ultraschallsicht das Perikard. Er
schließt ein geschlossenes Ablaufsystem an die
Punktionskanüle an, um das fraktionierte Abziehen
des Ergusses ohne weitere Manipulationen an der
Kanüle zu ermöglichen (› Abb. 11.1).
Drainage Bei länger bestehendem Erguss droht durch die
vom Kind weg kurzfristige Verminderung des HZV ein massiver
ausstreichen
Blutdruckabfall. Deshalb ist darauf zu achten, den
Erguss langsam zu entleeren. Ggf. ist es notwendig,
Volumen bzw. kreislaufstabilisierende Medikamen-
te zu verabreichen.

Nachsorge

Abb. 11.7  Technik des „Melkens“. [L157] Nach Punktion oder Drainagenanlage legen Pflegen-
de einen sterilen Verband an und überprüfen ihn
stündlich auf Nachsickern von Blut oder Ergussflüs-
Komplikationen
sigkeit. Der Verbandswechsel findet alle 24–48 Std.
• Pneumo-, Hämatothorax statt, bei Verschmutzung häufiger. Die Anlage einer
• Infektion der Punktionsstelle Drainage erfordert eine sichere Fixierung der Ablei-
• Hautemphysem tung. Pflegende kontrollieren das System während
• Verletzung der Interkostalgefäße, -nerven jeder Pflegerunde. Liegt eine Perikarddrainage, rich-
• Lungenverletzung ten Pflegende das Kind nicht steil auf, um eine Per-
• Leckage, Fistelbildung foration des Herzmuskels zu vermeiden.
• Kreislaufbelastung durch zu schnelles Ablassen Das Auffanggefäß bei Perikarddrainagen ohne
des Ergusses Sog bringen Pflegende unter Patientenniveau an. Sie
wechseln oder diskonnektieren es lediglich bei Be-
darf und unter sterilen Bedingungen. Bei Perikard-
11.1.3  Perikardpunktion und drainagen mit Sog erfolgt die Einstellung der
-drainage Sogstärke nach Anordnung des Arztes. Pflegende
überprüfen sie zu jeder Pflegerunde.
Indikationen Die Durchgängigkeit der Drainage ist zu jeder
Pflegerunde zu kontrollieren.
Konservativ nicht therapierbarer Perikarderguss,
z. B. im Rahmen von Entzündungen, bei progredien-
Drainage aussaugen
ter Rechtsherzinsuffizienz, nach Operationen, bei
Malignomen und Sepsis. Bei einer Abflussstörung durch Koagelbildung oder
vor dem Ziehen der Drainage kann das Aussaugen
des Systems nötig sein. Diese Maßnahme führen
Vorbereitung
zwei Pflegende unter sterilen Bedingungen durch.
11 Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1 Eine Pflegekraft desinfiziert und diskonnektiert
Benötigtes Material und Lagerung › Tab. 11.1 die Drainage und das ableitende System. Die zweite
Vor einer Perikardpunktion oder -drainage muss Pflegekraft schneidet den passenden Absaugkathe-
ein gekreuztes Erythrozytenkonzentrat bereitgestellt ter an der Spitze schräg ab, um eine großflächige
werden. Saugung zu erzielen und führt ihn unter Sog in die
11.1  Punktionen und Drainagen 167

Drainage so tief wie möglich ein. Danach zieht sie Komplikationen


den Katheter unter Sog zurück. Die erste Pflegekraft
konnektiert die Drainage mit dem Ablaufsystem • Herz-Kreislauf-Versagen durch zu schnelles Ab-
und reguliert die Sogstärke. lassen des Ergusses
• bei Perforation eines Ventrikels (Zeichen: RR-
und SpO2-Abfall, Bradykardie) Katheter unbe-
Drainage ziehen
dingt belassen und, wenn möglich, Versuch der
Der Arzt entfernt die Drainage bei geringer Sekret- operativen Intervention unter Reanimationsbe-
menge nach sonographischer Kontrolle und bei ent- dingungen
sprechender klinischer Situation. Pflegende decken • Herzrhythmusstörungen (Maßnahmen: EKG-
die Eintrittstelle mit einem sterilen Verband ab und und RR-Überwachung, Antiarrhythmika, ggf.
überprüfen sie regelmäßig auf Nachblutungen. Kardioversion)
Die intraoperativ eingelegte Perikarddrainage
bleibt mind. 48 Std. liegen, bei liegenden Druck-
messkathetern bis 6 Std. nach deren Entfernung. 11.1.4  Liquorpunktion und -drainage
Je nach Drainageart benötigt der Arzt zur Entfer-
nung Desinfektionsmittel, Nahtbesteck, Nahtmate- Liquorpunktion
rial oder Wundnahtstreifen, einen sterilen Wund-
schnellverband, sterile Kompressen und unsterile DEFINITION
Handschuhe. Liquor (cerebrospinalis): Gehirn-Rückenmark-Flüssig-
Vor der Maßnahme informieren Pflegende das keit, die physiologischerweise klar, farblos, eiweißarm
Kind altersentsprechend und analgosedieren es und fast zellfrei ist. Im Gehirn (Plexus choroidei) gebildet,
nach Arztanordnung. zirkuliert sie im Ventrikelsystem und um das Rückenmark.
Sie dient dem mechanischen Schutz des ZNS.
Nach der Erhöhung des Drainagensogs desinfi-
ziert der Arzt die Austrittsstelle und entfernt die Fi-
xierung und Haltefäden. Er bildet eine Hautfalte um Zur Liquorpunktion (Lumbalpunktion) sticht der
die Austrittsstelle, die er während und nach dem Arzt eine Kanüle in Höhe der Lendenwirbelsäule in
Entfernen der Drainage in derselben Position hält. den Subarachnoidalraum ein.
Ist die Eintrittstelle mit einer Tabaksbeutelnaht ver- Eine diagnostische Punktion gibt u. a. Aufschluss
sehen, wird der Faden nach Entfernen der Drainage über zytologische und mikrobiologische Fragen bei
fest zugezogen und verknotet. Zum Verschluss von Verdacht auf z. B. Meningitis oder Enzephalitis. The-
Drainagenaustrittsstellen ohne Faden dienen Wund- rapeutisch erfolgt die Punktion zur intrathekalen
nahtstreifen. Anschließend versorgen Pflegende die Verabreichung von Medikamenten und zur Spinal-
Wunde je nach Klinikstandard luftdicht mit einer anästhesie.
sterilen Kompresse und ggf. Polyvidon-Salbe, Poly-
hexanidgel oder einem anderen luftdichten Ver- VORSICHT
band. Bei massiv erhöhtem Hirndruck und Stauungspapille be-
Pflegende kontrollieren den Verband zu jeder steht akute Lebensgefahr durch Einklemmung des Hirn-
Pflegerunde auf Nachblutung oder Durchfeuchtung. stammes mit nachfolgendem Atem- und Herzstillstand. Eine
Stauungspapille schließt der Arzt deshalb vor der Liquor-
punktion stets durch eine Augenhintergrundspiegelung aus.
VORSICHT Zeichen der Einklemmung:
Besteht der Verdacht auf eine Herzbeuteltamponade bei • Kopfschmerzen
liegender Perikarddrainage (z. B. bei Perikarditis, nach • Übelkeit, Erbrechen
Herzoperationen), ist die sofortige Aspiration des Ergus- • Mydriasis, verlangsamte oder fehlende Lichtreaktion 11
ses mit einer Spritze bzw. das Aussaugen des Drainage- der Pupillen, Seitendifferenz der Pupillengröße, ent-
schlauches notwendig. Bleiben diese Maßnahmen ohne rundete Pupillen
Erfolg, ist eine kurzzeitige Herz-Druck-Massage indiziert • Bewusstseinseintrübung
oder gar eine Notfall-Thorakotomie.
168 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

• Hemiparesen, Streck- und Beugebewegungen, erhöh- Nachbereitung


ter Muskeltonus Nach der Punktion lagern Pflegende das Kind für 24
• Atemstörungen Std. flach, andernfalls können Kopfschmerzen auf-
• Tachykardie, später Bradykardie
treten. Sie kontrollieren den Kompressionsverband
• Hypertonus, später Hypotonus
während jeder Pflegerunde auf Durchfeuchtung mit
Blut oder Liquor und die Umgebung der Punktions-
Vorbereitung stelle auf die Entstehung eines Liquorkissens.
Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1
Benötigtes Material und Lagerung › Tab. 11.1
Liquordrainage
Vor der Punktion bestimmen Pflegende den Blut-
zucker, um einen Vergleichswert zum Liquorzucker Zur externen Liquorableitung führt der Neurochir-
zu gewinnen. Dies ermöglicht zum einen die Unter- urg intraoperativ oder im Rahmen eines Kurzein-
scheidung zwischen bakterieller oder viraler Beteili- griffs unter Lokalanästhesie bzw. in Kurznarkose
gung und zum anderen zeigt es die Ausprägung der über ein Bohrloch in der Schädelkalotte einen Sili-
Erkrankung. konkatheter in das Ventrikelsystem des Gehirns ein.

Durchführung Indikationen
Sofern beim Kind möglich, erfolgt die Punktion in • Raumfordernde Prozesse (Hirntumor, Abszess)
sitzender Position, sonst liegend. • Intrakranielle Druckentlastung bei Schädel-Hirn-
Intensivpatienten punktiert der Arzt meist in lie- Trauma
gender Position. Zu diesem Zweck bringen Pflegen- • Hirnödem
de das Kind in eine Embryonalstellung und halten es • Intrathekale Chemotherapie
so, bis die Maßnahme beendet ist. • Hydrocephalus vor dauerhafter Anlage eines im-
Die Pflegekraft hält das Kind von vorn und beugt plantierten Shunts
seinen Rücken, indem sie mit einem Arm den Hals • Shuntinfektion bei Hydrozephalus
und mit dem anderen die Knie von hinten um- • Shuntokklusion durch hohes Liquoreiweiß bei
schlingt und nach vorn in Beugehaltung bringt. Bei Meningitis
intubierten und beatmeten Patienten achten Pflegen- • Shuntokklusion durch blutigen Liquor bei post-
de darauf, dass der Tubus sicher fixiert ist und die hämorrhagischem Hydrozephalus
Beatmungsschläuche genügend Spielraum haben.
Nach der Hautdesinfektion erfolgt die Punktion Material
zwischen 3. oder 4. LWK. Das Schlauchsystem besteht aus einer Tropfkammer
Bei Verdacht auf Einklemmung während der mit Messband, einem Antirückflussventil und steri-
Punktion instilliert der Arzt sofort 10 ml NaCl 0,9 % ler Öffnung zur Atmosphäre (sodass Sog oder Ge-
über die Kanüle in den Spinalkanal. gendruck vom Auffangbeutel her nicht möglich
Ist während der Liquorpunktion eine Messung des sind), einem Auffangbeutel mit Luer-Lock-An-
Hirndrucks geplant, wird unter sterilen Bedingun- schluss zur Verbindung mit einem Druckmesssys-
gen eine Infusionsleitung an die Spinalkanüle kon- tem und Gleitklemmen.
nektiert. Die gemessene Steighöhe des Liquors in der
Infusionsleitung entspricht dem Hirndruck in cm Pflegerische Besonderheiten
H2O. Besonderheiten im Umgang mit der externen Ventri-
keldrainage › 15.1
Die Hirndruckmessung ergibt nur bei ruhigen Patienten Die Pflegenden schließen den Patienten an das
11 verwertbare Daten. Ggf. ist es notwendig, das Kind zu Grundmonitoring (› Kap. 14) und eine kontinuier-
sedieren. liche ICP/CPP-Messung (›  6.7.10) an. Dazu ver-
binden sie das Liquordrainagesystem mit einem
Nach Entfernung der Spinalkanüle legen Pflegende ei- Druckaufnehmer. Zur Überwachung gehört auch die
nen Kompressionsverband über der Einstichstelle an. neurologische Beurteilung, mind. einmal pro Schicht
11.1  Punktionen und Drainagen 169

(›  6.1), die Kontrolle des Liquors hinsichtlich veau der Mittellinie des Patientenkopfes entspricht.
Menge und Farbe und die Inspektion der Punktions- Referenzpunkt ist das Foramen monroi (Verbindung
stelle im Bezug auf eine evtl. Leckage (sichtbar durch zwischen Seitenventrikel und III. Hirnventrikel) unge-
ein Liquorkissen oder Liquorfluss aus der Eintritts- fähr in Höhe der Ohrmuschel des liegenden Patienten.
stelle des Drains). Bei erhöhter Körpertemperatur ist Der Nullpunkt des Liquorableitungssystems kann
an eine Infektion im Drainagenverlauf zu denken. variieren: Bei den gebräuchlichen Tropfkammersys-
Nach der Drainagenanlage treten häufig Schmer- temen entspricht der Nullpunkt dem Übergang der
zen auf, die unbedingt durch eine ausreichende An- Leitung in die Tropfkammer, also der Stelle, von der
algesie zu vermeiden sind. Zusätzlich kann vor pfle- der Tropfen fällt. Bei Beutelsystemen entspricht der
gerischen Interventionen, z. B. endotrachealem Ab- Nullpunkt in der Regel dem Übergang von der Lei-
saugen, eine Sedierung notwendig sein, um ICP- tung zum Beutel. Der Arzt gibt bei der Übernahme
Spitzen zu vermeiden. aus dem OP die genaue Höhe des Nullpunktes über
Die Pflegenden lagern das Kind mit leicht erhöh- Ventrikelniveau an.
tem Oberkörper. Bei einem Lagerungswechsel und Eine exakte Mengenbestimmung des ablaufenden
bei Manipulationen am Kind schließen Pflegende Liquors ist bei Auffangbeuteln nicht möglich. Genauer
das Ableitungssystem (nach Rücksprache mit dem ist die Mengenbestimmung anhand der beiliegenden
Arzt), da es durch die Unruhe zum Anstieg des Messskala, die Pflegende parallel zur Tropfkammer
Hirndrucks und damit zu einer Liquorüberdrainage aufhängen, wobei je nach benutztem Ablaufsystem
kommen kann. Die Pflegenden öffnen die Ableitung z. B. 1 cm des Messbandes 1,2 ml Liquor in der Tropf-
erst, wenn sie die vorgeschriebene Tropfhöhe über kammer entsprechen (Herstellerangaben beachten).
Ventrikelniveau wiederhergestellt haben. Pflegende wechseln durchfeuchtete Luftfilter am
Symptome erhöhten Hirndrucks: Ablaufsystem unter sterilen Bedingungen sofort, da
• Kopfschmerz sie zu einer Abflussbehinderung aufgrund der feh-
• Brady- oder Tachykardie lenden Entlüftung führen können.
• Krampfanfälle, erweiterte, evtl. lichtstarre und Die Eintrittsstelle des Katheters ist alle 48 Std. neu
entrundete Pupillen zu verbinden, bei Verschmutzung entsprechend häu-
• vorgewölbte Fontanelle figer.
• Bewusstseinseintrübung
• Erbrechen Um eine Verwechslung der Luer-Lock-Anschlüsse des Li-
• Apnoe oder Cheyne-Stoke-Atmung quordrainagesystems mit denen des venösen Zugangs zu
Symptome bei Liquorüberdrainage: vermeiden, markieren Pflegende alle Dreiwegehähne
• Hypotonie, Tachykardie deutlich.
• Apnoe
• Bewusstseinseintrübung
• eingesunkene Fontanelle Komplikationen
• Ablaufen blutigen Liquors • Verstopfung des Katheters durch Blutkoagel oder
Hirngewebe: kontinuierlicher ICP-Anstieg, ggf.
VORSICHT Ausfall der Messkurve
Pflegende lagern einen Patienten mit externer Liquorab- • Infektionen durch unsterile Handhabung
leitung niemals in Kopftieflage und achten darauf, dass er • Dislokation des Katheters bei unzureichender Fi-
nicht auf dem Drainagensystem liegt (Gefahr der Abkni- xation
ckung des Ventrikelkatheters, Dekubitusgefahr).
• Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbre-
chen
Die ICP-Messung erfolgt entweder kontinuierlich • Rückenmarkschädigung, Nerven- und Gefäßver- 11
oder zu jeder Pflegerunde, damit Pflegende einen letzung durch Fehlpunktion mit Lähmungser-
Druckanstieg rechtzeitig erkennen. In der ärztlichen scheinungen
Anordnung ist die Höhe der Tropfkammer über Vent- • Hirnstammeinklemmung bei erhöhtem Hirn-
rikelniveau in cm angegeben, wobei das Ventrikelni- druck oder durch zu hohen Liquorverlust
170 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

11.1.5  Rickham-Kapsel-Punktion Eine Knochenmarkpunktion wird z. B. bei Ver-


dacht auf eine Knochenmarkserkrankung, eine
Die Rickham-Kapsel dient der temporären Liquor- Stoffwechselerkrankung sowie zur Gewinnung einer
entlastung bei erhöhtem Hirndruck durch perkuta- Knochenmarksspende durchgeführt.
ne Punktion. Der Neurochirurg implantiert die Kap-
sel subkutan. Sie lässt sich (ggf. auch erst zu einem
Vorbereitung
späteren Zeitpunkt) mit einem internen Drainage-
system verbinden. Die erste postoperative Punktion Benötigtes Material und Lagerung › Tab. 11.1
kann nach 48–72 Std. erfolgen. Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1
Die Rickham-Kapsel wird bei FG mit einem Ge-
wicht ≤2500 g eingesetzt, bis eine Implantation einer
Durchführung
ventrikulo-peritonealen oder ventrikulo-atrialen Li-
quordrainage möglich ist. Je nach Ultraschallbefund, Nach der Analgosedierung und der Injektion des Lo-
klinischer Symptomatik und Kopfumfangkurve lässt kalanästhetikums erfolgen die Punktion des Knochen-
sich die Kapsel mehrmals am Tag punktieren. marks und das Aspirieren von Knochenmark. Pflegen-
de streichen das Punktat auf Objektträgern aus und
bereiten es zur weiteren Untersuchung vor. Nach Ent-
Durchführung
fernung der Knochenmarkpunktions­kanüle versorgen
Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1 sie die Punktionsstelle mit einem Druckverband.
Ist die Rickham-Kapsel nicht mit einem geschlos-
senen System verbunden, kann der Arzt auch Liquor
abziehen, indem er die Kapsel punktiert. 11.1.7  Wunddrainagen
Nach der Hautdesinfektion punktiert der Arzt die
Kapsel und schließt eine kurze Infusionsleitung zur Indikationen
Hirndruckmessung an.
Pflegende bringen das sterile Auffanggefäß unter- • Ableitung von Wundsekret und Blut aus Körper-
halb des Ventrikelniveaus an und legen die Infusi- höhlen und Operationsgebieten
onsleitung hinein, damit Liquor abtropfen kann. • Vermeidung von Hämatom- und Serombildung
Nach Ablauf der entsprechenden Liquormenge ent-
fernt der Arzt die Kanüle und legt einen sterilen
Drainageformen
Kompressionsverband an.
Die Pflegenden kontrollieren postoperativ den Redon-Drainage
Verband zu jeder Pflegerunde auf Nachblutung oder Die Redon-Drainage liegt meist im Muskel- oder
Durchfeuchtung und wechseln in ggf. bzw. entfernen Subkutangewebe und ist an ein halboffenes Draina-
sie ihn bei reizlosen Wundverhältnissen nach 48 Std. gesystem mit nicht regulierbarem Vakuumsog ange-
schlossen. Wenn der Sog nachlässt (z. B. bei Gefäß-
füllung zu 2⁄3) oder bei versehentlicher Diskonnekti-
11.1.6  Knochenmarkpunktion on von Schlauch und Auffanggefäß, wechseln Pfle-
gende die Redonflasche. Dazu klemmen sie den
DEFINITION Drainagenschlauch distal ab, desinfizieren die Kon-
Knochenmark: Zelluläre Substanz in der Spongiosa von nektionsstelle und ziehen (oder schrauben) das ge-
Röhrenknochen, Rippen, Sternum, Schädel sowie Wurzel-
brauchte Ableitungssystem ab. Liegen mehrere
knochen der Hand und des Fußes. Zu unterscheiden sind
weißes Knochenmark (Medulla ossium flava, Fettmark) Drainagen in einer Wunde, klemmen Pflegende vor
11 und rotes Knochenmark (Medulla ossium rubra). Der An- dem Wechsel einer Flasche alle Drainagen ab. Nach
teil weißen Knochenmarks steigt im Alter. Das rote Kno- dem Wechsel öffnen sie das Vakuum zunächst bei
chenmark ist physiologisch der einzige Ort des Körpers, der gewechselten Flasche, danach bei den anderen.
an dem Blutbildung stattfindet. Dort sind die Blutstamm- Pflegende lösen die Klemme einer frischen Re-
zellen zu finden. donflasche sehr langsam, da bei rasch einsetzendem,
11.1  Punktionen und Drainagen 171

hohem Sog starke Schmerzen auftreten. Anschlie-


ßend dokumentieren sie den Vorgang.
Der Arzt (oder die Pflegenden) entfernen die Re-
don-Drainage meist am 2.–3. postoperativen Tag,
sofern die geförderte Sekretmenge deutlich nachge-
lassen hat.
Komplikationen
• Stau des Wundsekretes in der Wundhöhle durch
Verklebungen oder Koagelbildung im Schlauch-
system
• Infektionsgefahr durch Unterbrechung des Sys-
tems beim Wechsel des Auffanggefäßes
• versehentliche Diskonnektion mit Kontaminati-
on des Drainageschlauches
• Wundheilungsstörungen Redon-Drainage

Robinson-Drainage Robinson-Drainage
Die Robinson-Drainage ist eine geschlossene Se-
kretableitung bei der eine Trennung von Drainage- Abb. 11.8  Redon- und Robinson-Drainage. [L157]
schlauch und Auffangbeutel nicht möglich ist. Sie
funktioniert nach dem Schwerkraftprinzip (Heber- • Mazeration des umgebenden Gewebes bei großer
Prinzip) und liegt meist intraperitoneal, direkt im ablaufender Sekretmenge
Wund- oder Anastomosenbereich. Hohe Blut- und • Dislokation durch Manipulationen
Sekretverluste über diese Drainage können z. B. auf
eine postoperative Nachblutung oder eine Anasto-
Pflegerische Besonderheiten
moseninsuffizienz hinweisen.
Der Arzt zieht die Robinsondrainage zunächst an Das Grundmonitoring umfasst EKG, RR, SpO2, At-
und entfernt sie dann definitiv. mung und Temperatur. Hoher Flüssigkeitsverlust
Sekretstau im Wundhöhlenbereich durch Verkle- über die Drainagen kann zu RR-Abfall, Tachykardie,
bung oder Koagelbildung im Schlauchsystem sind Schmerzen und Fieber führen.
mögliche Komplikationen. Pflegende fixieren die Drainagen mit Hilfe eines
Pflastersteges sicher am kindlichen Körper. Sie ach-
Offene Drainage ten darauf, dass nach Möglichkeit kein Pflaster an
Eine offene Drainage legt der Chirurg bei Wunden einer Extremität klebt. Bewegungen könnten eine
mit dickflüssiger Sekretabsonderung ein. Sie führt Dislokation der Drainage und damit Abflussstörun-
das Wundsekret nach außen in einen Verband oder gen und Schmerzen hervorrufen. Die Pflegenden be-
einen selbstklebenden Ablaufbeutel, z. B. Coloplast®. festigen die Auffanggefäße der Drainagen unter dem
Beispiele offener Drainagen sind der Penrose-Drain Körperniveau des Patienten sowie ohne Knick und
(dünner Latexschlauch mit Gazestreifen im Lumen), Zug am Bett.
Easy-Flow-Drain (flacher Rillendrain aus Kunst-
stoff) oder der Wellenkatheter. Der Arzt zieht die VORSICHT
Drainage, je nach Wundheilung und Sekretion, Liegt das Kind in einem Gitterbett, befestigen Pflegende
schrittweise über mehrere Tage. die Drainagegefäße nicht an den Seitengittern. Das Herun-
Komplikationen terlassen der Bettgitter könnte zur Dislokation oder gar zu 11
einer unbeabsichtigten Entfernung der Drainage führen.
• Erhöhte Infektionsgefahr an der Drainagenaus-
trittsstelle oder über die Drainage nach innen
• Ungenügende Sekretableitung mit Sekretstau im Nach der Übernahme des Patienten vom OP-Perso-
Wundgebiet nal beschriften Pflegende die Auffanggefäße mit ge-
172 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

nauer Bezeichnung der Drainage und markieren das Tab. 11.2  Kompatibilitätstabelle für Erythrozytenkon-
Sekretvolumen im Beutel oder in der Flasche, um die zentrate (Universal-/Notfallkonzentrat; rh-neg.) und
nachlaufende Menge sicher beurteilen zu können. Fresh Frozen Plasma (Universal-/Notfallplasma; AB).
Sie beobachten das Sekret hinsichtlich Menge, Kon- Majorkompatibilität für Erythrozytenkonzentrate
sistenz, Farbe und ggf. Geruch, dokumentieren die Patient/ Blutgruppen
Befunde und berücksichtigen die Mengen in der Blutprodukt
Flüssigkeitsbilanz (› 6.6). Blutgruppe A B 0 AB
Regelmäßig unterstützen Pflegende den Ablauf Patient
des Sekretes durch Ausstreichen der Drainage. Sie Blutgruppe A und 0 B und 0 0 AB, A, B
kontrollieren den Verband über der Drainagenaus- EK und 0
trittsstelle auf Nachblutung und Sekretaustritt. So- Minorkompatibilität für Fresh Frozen Plasma
fern die Wunde reizlos ist, entfernen sie den Verband Patient/ Blutgruppen
nach 24 Std. Erscheint sie gerötet, reinigen Pflegende Blutgruppe
das Areal mit NaCl 0,9 %, desinfizieren es und ver- Blutgruppe A B 0 AB
binden die Drainage erneut steril. Kurzfristiges Ab- Patient
klemmen kann bei Lagerungswechseln das Zurück- Blutgruppe AB und A AB und B AB, A, B AB
laufen von Sekret aus dem Drainagesystem in das Plasma und 0
Wundgebiet verhindern.
Bei offenen Drainagen wird die umgebende Haut
mit einem Hydrokolloidverband, Stomahesivplatte Blutkonservierung
oder -paste versorgt, ggf. auch mit einem Stomabeu- Der Zusatz von Stabilisatoren und eine Kühlung
tel. Dies dient dem Schutz gegen aggressives Wund- zwischen 2–6  °C in einem erschütterungsfreien
sekret. Alle 24 Std. oder bei Durchfeuchtung ist der Kühlschrank macht Blut und Blutprodukte haltbar.
Verband zu wechseln. Die Konservierung verzögert den Alterungspro-
zess des Blutes. Am häufigsten findet ein CPD-Sta-
bilisator Verwendung. Er enthält Zitratpuffer, Nat-
riumdihydrogenphosphat, Glukose und Adenin
11.2  Transfusion und hält den pH-Wert der Konserve bei 7,1–7,2
und verbessert somit die Haltbarkeit der Konser-
ve. Die Kühlkette gilt als unterbrochen, wenn die
11.2.1  Blut und Blutderivate Konserve auf 10  °C erwärmt ist. Bei einer Lage-
rung der Konserve in Raumtemperatur ist diese
Die Blutgruppe ist ein lebenslang bestehendes Erb- Temperatur in 20 Min. erreicht. Dies berücksichti-
merkmal. Die auf der Erythrozytenmembran befind- gen Pflegende, wenn sie z. B. intraoperativ nicht
lichen Antigene ermöglichen die Einteilung der benötigte Blutkonserven aus dem OP ohne Kühlta-
Blutgruppen. sche oder Styroporbox auf die Intensivstation mit-
Derzeit sind 20 Blutgruppensysteme gebräuchlich, geben.
die 600 Blutgruppen unterscheiden. Von wesentli-
cher Bedeutung in der klinischen Routine sind das Bestrahlung von Blutprodukten
AB0-System, das Rhesus-System und das Kell-Sys- Eine Bestrahlung von ~ 30 Gy Gamma-Strahlen
tem. verhindert die Übertragung von vermehrungsfähi-
• AB0-System: 4 Phänotypen (A, B, AB und 0) gen, immunkompetenten Lymphozyten auf ggf.
• Rh-System: ca. 30 verschiedene Antigeneigen- immunkomprimierte Kinder während der Transfu-
11 schaften, die bekanntesten sind C, c, E, e, D, d. sion.
Ob das Kind Rhesus-positiv (D) oder Rhesus-ne- Indikation ist eine Stammzell- oder Knochen-
gativ (d) ist, hängt allein vom Merkmal D ab marktransplantation, Immunsuppression nach wei-
• Kell-System: 2 Antigeneigenschaften, K (Kell-po- teren Transplantationen, schwere Immundefekte
sitiv) und k (Kell-negativ). und Frühgeburtlichkeit.
11.2  Transfusion 173

Alterungsbedingte Veränderungen des Bei der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten


konservierten Blutes achten Ärzte auf die Übereinstimmung von Blut-
Die Stabilisatoren verzögern den Alterungsprozess gruppen, Rh-Faktor und Kell-Antigen. Vor der
des Blutes zwar, doch sie unterbinden ihn nicht. Transfusion ordnet der Arzt einen Antikörpersuch-
Deshalb verändert sich der Inhalt einer Blutkonser- test an und unmittelbar vorher sind Kreuzprobe und
ve ständig. Bedside-Test zwischen Patientenblut und Konser-
• Lebensdauer der Erythrozyten sinkt, nach 21 Ta- venblut durchzuführen.
gen sind in der Konserve nur noch 70 % der Aus- Pflegende erwärmen die Konserve bei Zimmer-
gangserythrozyten intakt temperatur und versehen sie mit einem Transfusi-
• Granulozyten bleiben ca. 24 Std. erhalten onssystem, in das ein 170–200-μm-Filter integriert
• Thrombozytenzahl sinkt, nach 6 Std. sind noch ist. Nicht benötigte Erythrozytenkonzentrate lagern
50–70 %, nach 24–48 Std. nur noch 5–10 % der sie, ohne die Kühlkette zu unterbrechen, in einem
Ausgangsmenge verfügbar erschütterungsfreien Kühlschrank oder senden sie
• Gerinnungsfaktoren, außer Faktor V und Faktor umgehend in die Blutbank zurück. Benötigt der Pati-
VIII, sind in konserviertem Blut stabil ent nur eine kleine Menge Blut, empfiehlt es sich, bei
• Kalium strömt aus der Zelle, Natrium in die Zel- der Blutbank nur einen Teil einer Hauptkonserve
le. Das führt zu einem extrazellulären Kaliuman- (500 ml), z. B. in einem Baby-Beutel (50 ml), zu be-
stieg stellen.
• pH-Wert sinkt
• nach einer Woche Lagerung steigt der Ammoni- Thrombozytenkonzentrat
akgehalt, daher Vorsicht bei nieren- oder leberin- Zur Gewinnung von Thrombozytenkonzentraten
suffizienten Empfängern sind zwei Verfahren gebräuchlich:
• mehrmalige Zentrifugation einer Vollblutkonserve
• Thrombozytapherese. Diese Methode isoliert be-
Blutpräparate
reits bei der Spende die Thrombozyten und führt
Erythrozytenkonzentrat die anderen Blutbestandteile in den Kreislauf des
Die Erythrozyten lassen sich durch die Zentrifugati- Spenders zurück
on einer Vollblutkonserve und das Abpressen des Die Aufbewahrung von Thrombozytenkonzentraten
Plasmas gewinnen. Um gewaschene Erythrozyten zu erfolgt bei 22 °C (±2 °C) unter ständiger Bewegung
erhalten, spülen die Mitarbeiter einer Blutbank die der Konserve, um ein Verklumpen der Thrombozy-
Zellen sechsmal mit NaCl 0,9 % und fügen anschlie- ten zu vermeiden. Nach Anforderung der Konserve
ßend einen Stabilisator hinzu. Vor der endgültigen ist eine schnelle Verabreichung erforderlich, um ei-
kühlen Lagerung der Konserve erfolgt eine Leukozy- ne optimale Thrombozytenausbeute zu erzielen.
tendepletierung, die eine Reduktion der Immunisie- Auch Thrombozytenkonzentrate werden vor der La-
rungen gegen Leukozytenantigene erzielt und die gerung leukozytendepletiert.
Qualität des Erythrozytenkonzentrates entscheidend Der Arzt verabreicht das Konzentrat AB0- und
verbessert. Rh-identisch über einen 170–230-μm-Filter.
Der Einsatz der Erythrozytenkonzentrate hilft, ei-
ne Volumenüberladung bei der Transfusion zu ver- Fresh Frozen Plasma
meiden, denn ein Erythrozytenkonzentrat hat die- Unmittelbar nach einer Vollblutspende separiert das
selbe Sauerstoffbindungskapazität wie eine Vollblut- Blutlabor das Plasma durch Zentrifugation vom Voll-
konserve, jedoch mit 2/3 weniger Plasmagehalt. blut. Das so gewonnene Plasma ist reich an Gerin-
Weitere Indikationen sind: nungsfaktoren und frei von zellulären Bestandteilen.
• Autoimmunerkrankungen Ebenso ist eine direkte Gewinnung von Plasma durch 11
• Allergie gegen Fremdplasma Plasmapherese möglich. Bei mind. −30 °C lässt sich
• chronische Anämie eine Plasmakonserve maximal 5 Jahre lagern.
• chronische Herzinsuffizienz Die Ärzte verabreichen ausschließlich blutgrup-
• schwere Leberfunktionsstörungen pengleiches Fresh Frozen Plasma/FFP (Universal-
174 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

plasma AB). Zunächst ist die Konserve in einem Anti-A Anti-B Anti-AB Blutgruppe
Wasserbad (besser im Mikrowellenerwärmer) auf
A
37 °C zu erwärmen, bevor sie über einen 170–230-μm-
Filter transfundierbar wird.
B
Die optimale Wirkungszeit als Gerinnungspräpa-
rat beträgt beim FFP maximal 2 Std.
AB
Plasmapräparate
0
Die Industrie gewinnt Plasmapräparate aus einem
Spenderpool. Sie lassen sich blutgruppenunabhän-
gig einsetzen. Zur Verfügung stehen Präparate, die Abb. 11.9  Bedside-Testkarte zur Blutgruppenbestimmung
unmittelbar vor der Transfusion. [L 157]
als Kurzinfusion zu verabreichen sind, z. B. Albu-
minlösungen 5 und 20 %, Plasmaproteinlösungen
und Immunglobuline. wärmer auf 35–37 °C. Ist weder ein peripherer noch
ein zentraler Zugang vorhanden, bereiten sie die Ma-
Gerinnungspräparate terialien zum Legen einer peripheren Infu­sion vor.
Gerinnungspräparate sind meist durch mehrmali-
ge Fraktionierung und andere spezielle Verfahren VORSICHT
aus gepooltem Frischplasma hergestellt. Zur Verfü- Über einen Silastic-Katheter® sollte, außer im absoluten
gung stehen z. B. Faktor VIII, Faktor XIII und Pro- Notfall, keine Transfusion stattfinden, da es zur Okklusi-
thrombinkomplex (PPSB). on des Lumens kommen kann.

Transfusionsfilter Der Arzt vergleicht den Konservenbegleitschein mit


Ein Transfusionsfilter hat die Aufgabe, die im Kon- dem Konservenetikett, überprüft die Identität des
servenblut enthaltenen Mikroaggregate aus gealter- Empfängers und führt einen Bed-Side-Test durch.
ten und zerfallenen Thrombozyten und Leukozyten Vor dem Richten der Transfusion desinfizieren
zurückzuhalten. Lt. der Richtlinie der Bundesärzte- Pflegende die Hände und die benötigte Arbeitsfläche.
kammer werden für alle Konserven Makrofilter mit Zur Transfusion schließen Pflegende ein System
einer Porengröße von 170–230 μm verwendet. Das mit entsprechendem Filter an die Konserve an.
verwendete Transfusionssystem darf maximal 6 Std.
verwendet werden. VORSICHT
Transfusionen sind eine nicht delegierbare Aufgabe des
Arztes. Die Assistenz der Pflegenden beschränkt sich auf
11.2.2  Ablauf der Transfusion die Vorbereitung der Konserve und die Überwachung des
Patienten.
Vor jeder Bluttransfusion ordnet der Arzt verschie-
dene Untersuchungen an, um eine Unverträglich- Überwachung
keitsreaktion zu vermeiden. Dazu gehört die Bestim- Die Pflegenden messen den Blutdruck während der
mung von AB0-Blutgruppe, Rhesus-Faktor und ersten Stunde viertelstündlich und für die restliche
Kell-Antigen sowie Antikörpersuchtest und Kreuz- Zeit der Transfusion halbstündlich, sie leiten das
probe. Unmittelbar vor der Transfusion führt er den EKG kontinuierlich ab oder überprüfen den Puls im
Bedside-Test durch, um sicherzugehen, dass die Rhythmus der Blutdruckkontrollen.
Konserve nicht auf der Station verwechselt wurde. Zusätzlich beobachten sie Hautfarbe, Atmung,
11 Temperatur und Urinausscheidung des Kindes, um
einen Transfusionszwischenfall rechtzeitig zu be-
Pflegerische Besonderheiten
merken.
Die Pflegenden erwärmen die Blutkonserve etwa 30 Nach der Transfusion bewahren Pflegende den
Min. bei Raumtemperatur oder notfallmäßig im Blut- Konservenbeutel mit etwas Restblut für evtl. Kont-
11.2  Transfusion 175

rolluntersuchungen 24 Std. im erschütterungsfreien 11.2.3  Hämolytischer/nicht-


Kühlschrank bei +1 bis +10  °C auf. Sie vermerken hämolytischer Zwischenfall
Transfusionszwischenfälle, weitere Auffälligkeiten
sowie den Verlauf der Transfusion im Transfusions- Man unterscheidet hämolytische und nicht-hämo-
protokoll und heften das Formular in der Patienten- lytische Transfusionszwischenfälle.
kurve ab. Darin ist auch die Menge des transfundier- Die Ursache des hämolytischen Transfusionszwi-
ten Blutes oder Blutderivates exakt dokumentiert. schenfalles ist die versehentliche Transfusion blut-
gruppenungleichen Blutes. Ursachen für einen nicht-
hämolytischen Transfusionszwischenfall:
Aufgaben des Arztes
• Fieberreaktion auf im Blutpräparat enthaltene
Der Arzt legt das Transfusionsprotokoll mit Namen Pyrogene
und Blutgruppe des Empfängers, Blutgruppe des • Reaktion auf bakterielle Verunreinigung des
Spenders, Konservennummer, Transfusionsmenge Blutpräparats
und -geschwindigkeit, Namen des transfundieren- • allergische Reaktion auf im Blutpräparat enthal-
den Arztes und der überwachenden Pflegenden an. tene Fremdeiweiße
Dann verbindet er das von der Pflegekraft vorbe- Die Therapie des nicht-hämolytischen Transfu­
reitete Transfusionssystem mit entsprechendem Fil- sionszwischenfalles besteht in der sofortigen Beendi-
ter mit dem peripheren oder zentralen Zugang. gung der Transfusion und der Verabreichung von
Kortikosteroiden. Weitere Reaktionen behandelt der
VORSICHT Arzt symptomatisch.
Blut- und Blutderivate dürfen nicht parallel zu hyper- Um die Ursache für den Zwischenfall zu klären
osmolaren Infusions- oder Medikamentenlösungen, Fett- muss Probenmaterial sowie der verschlossenen
lösungen oder hypotonen Lösungen gegeben werden Konservenbeutel inklusive des Transfusionsbeste-
(Hämolyse).
ckes aufbewahrt werden. Der transfundierende Arzt

°C

Temperatur steigt,
Kopf-, Brust- und Schüttelfrost
Gliederschmerzen und
entlang der Transfusionsvene

Somnolenz,
Mydriasis
Tachypnoe

Transfusions-
zwischenfall
Übelkeit,
Nierenversagen, Erbrechen
hämolytischer Urin

Haut- und
Blutdruckabfall, Gesichtsrötung 11
Tachykardie,
anaphylaktischer Schock

Abb. 11.10  Übersicht der Symptome eines Transfusionszwischenfalls. [L157]


176 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

kontaktiert unverzüglich das zuständige tranfusi- 11.3  Instrumentelle


onsmedizinische Labor und dokumentiert alle auf- Harnableitung
getretenen Symptome, sowie die eingeleitete Thera-
pie.
11.3.1  Transurethraler
Therapie und pflegerische Besonderheiten beim Blasenkatheter
hämolytischen Transfusionszwischenfall
Ein transurethraler Blasenverweilkatheter kommt
VORSICHT für die exakte Flüssigkeitsbilanzierung, bei Blasen-
Sofortiger Stopp der Transfusion. Intravenösen Zugang entleerungsstörungen, nach Operationen sowie bei
belassen. Säuglingen und Kleinkindern zur Gewinnung eines
24-Stunden-Sammelurins zum Einsatz.
Treten die Symptome eines Transfusionszwi-
schenfalles auf (› Abb. 11.10), überwachen Pfle-
Kontraindikationen
gende EKG, Blutdruck, SpO2, ZVD und die Atmung
nach Anweisung des Arztes engmaschig. Sie kont- • Urethritis
rollieren Bewusstsein, Pupillenreaktion und Haut- • Harnröhrenstriktur, -verletzung, -tumor
farbe regelmäßig. Die Pflegenden achten darauf, • Penisverletzung, -verbrennung
ob das Kind Schmerzen angibt und verabreichen • Priapismus
bei Bedarf auf Anordnung des Arztes ein Analgeti- • erhöhtes Risiko katheterbedingter Komplikatio-
kum. Es erfolgt eine genaue Bilanzierung der Ein- nen
und Ausfuhr, die Beurteilung von Menge und Far-
be des Urins und die Kontrolle des OP-Gebietes
auf evtl. Nachblutungen, sowie bei liegenden Drai- Material
nagen die Überwachung der Menge und des Aus-
sehens des ablaufenden Sekretes. Aufgrund der häufig auftretenden Harnröhrenstrik-
Therapie turen und der Gefahr einer Latexallergie bzw. deren
Der Arzt versucht durch Erhöhung der Infusions- Ausbildung verwendet man vorwiegend Silikonka-
menge und die Gabe von Katecholaminen, hyper- theter. Diese können bis zu 4 Wochen in situ bleiben.
osmolaren Lösungen sowie Diuretika, die Diurese zu Pflegende wählen den Blasenkatheter entspre-
forcieren. Er alkalisiert den Urin mittels Natriumbi- chend der Größe des Kindes und der Größe des
karbonat i. v., um die durch den Zellzerfall entste- Harnröhreneingangs aus.
hende Harnsäure zu neutralisieren. Kommt es zu
Oligo- bzw. Anurie, Hyperkaliämie und Anstieg des VORSICHT
Serumkreatinins, ist eine Hämofiltration notwendig. Katheter nicht mit NaCl 0,9 % blocken, da das Salz zur
Zusätzlich setzt der Arzt Medikamente, z. B. Kortiko- Arrosion des Materials führen kann.
steroide, Antihistaminika und Calciumglukonat
10 % ein. Zur neuerlichen Kontrolle ordnet er eine
Pflegerische Besonderheiten
weitere Kreuzprobe des nicht verbrauchten Transfu-
sionsblutes an. Nach der Fixation des Katheters, ohne Zug auf Penis
Komplikationen bzw. Schamlippen, sowie in der Blase, befestigen
• akutes Nierenversagen Pflegende das Ablaufsystem unter Blasenniveau und
• disseminierte intravasale Koagulation ohne Schlaufenbildung am Bett. Sie lagern den Bla-
11 (DIC) [6] senkatheter so, dass kein Dekubitus an der Auflage-
stelle entstehen kann.
11.3  Instrumentelle Harnableitung 177

Pflegende reinigen die Kathetereintrittstelle sowie Nach dem Ablassen des Urins aus dem Beutel
den Katheter bei der täglichen Körperpflege mit desinfizieren Pflegende die Ablasslasche und schie-
Wasser und Seifenlotion. Sie tragen dazu unsterile ben sie in die Schutzhülle zurück.
Handschuhe. Eine Hautdesinfektion ist nicht erfor- Beim Umbetten oder beim Transport des Patien-
derlich. ten verbleibt das sterile Ablaufsystem unter Blasen-
Die Entnahme von Urin für mikrobiologische Un- niveau. Alternativ klemmen Pflegende das System
tersuchungen erfolgt ausschließlich aus der dafür ab (Dauer beachten), um einen Rückfluss des Urins
vorgesehenen patientennahen Entnahmestelle am in die Blase und damit das Risiko eines Harnwegin-
Drainagesystem. fekts zu vermeiden.
Bei Kontamination des Ablaufsystems durch Dis- Zu jeder Pflegerunde kontrollieren Pflegende die
konnektion ist der Wechsel umgehend erforderlich. Eintrittsstelle des Katheters sowie Urinmenge und

Tab. 11.3  Die pflegerischen Aufgaben bei der Durchführung des Harnblasenkatheterismus.
Art des Katheters transurethraler Blasenverweilkatheter suprapubischer Blasenverweilkatheter
Material • wasserdichte Unterlage • sterile Handschuhe
• Katheterset • Mundschutz, Haube und steriler Kittel
falls kein Katheterset vorhanden: • steriler Tisch mit: Lochtuch, Kompressen,
• unsterile Handschuhe Cystofix-Set, Kanüle und 2-ml-Spritze zur
• sterile Handschuhe Lokalanästhesie, Nahtmaterial, Skalpell
• sterile Kompressen und Pflasterschnellverband
• Schleimhautdesinfektionsmittel z. B. Octenidin • Hautdesinfektionsmittel
• Abfallbehälter, evtl. Nierenschale • Lokalanästhetikum
• Blasenkatheter • geschlossenes, steriles Urinablaufsystem
• anästhesierendes, steriles Gleitmittel • Leukoplast® oder bei Latexallergie Fixo-
• sterile Spritze und Aqua ad injektionem zur Blo- mull®
ckung des Katheters
• Leukoplast® oder bei Latexallergie Fixomull®
• sterile Pinzette
• geschlossenes, steriles Urinablaufsystem

Lagerung • Rückenlage,
mit leicht, gespreizten, angewin- • flache Rückenlagerung mit angewinkelten
kelten Beinen Knien
Durchführung • altersgemäße Aufklärung • altersgemäße Aufklärung
• unsterile Handschuhe anziehen und Schleim- • Unterbauch rasieren
haut mehrmals desinfizieren; (Einwirkzeit: 1 • Vorher Blase (sofern möglich) auf natürli-
Min.) Wischrichtung: von der Harnröhrenöff- chem Weg, andernfalls durch retrograde
nung ausgehend Flüssigkeitsinstillation gut füllen
• letzte Kompresse belassen • Kurznarkose
• sterile Handschuhe anziehen • Haut desinfizieren
• einige Tropfen anästhesierendes Gleitgel auf die • Abdecken mit Lochtuch
Harnröhrenöffnung träufeln; Einwirkzeit beachten • Einlegen und Fixieren des Katheters durch
• Probeblockung (Ballon block- und entblockbar?) den Arzt
• Katheter von einem assistierenden Pflegenden • sterilen Verband anbringen
anreichen lassen, in das Gleitmittel eintauchen • Urinablaufsystem konnektieren
und anschließend einführen
• fließt Urin ab, Katheter weitere 1–2 cm vorschie-
ben, um Blockung in der Urethra zu vermeiden
• Blocken mit der auf dem Katheter angegebenen
11
Menge Aqua
• Katheter bis zum Widerstand zurückziehen
• Ablaufsystem konnektieren
178 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

-aussehen. Treten Veränderungen an der Eintritt- – Katheteroberfläche bildet einen idealen Haft-
stelle auf, ist die Entfernung des Katheters angezeigt. grund für Mikroorganismen (Bildung eines
Falls dies nicht möglich ist, können Pflegende zu- Biofilms)
nächst Maßnahmen ergreifen, die in Tab. 11.4 auf- – Septikämien
geführt sind. • Erosionen des Urothels durch den Blasendauer-
katheter
Entfernung des Blasenkatheters – Bildung von Schleim und Fibrin, welches um
Pflegende bereiten das Kind altersentsprechend auf den Katheter und in dessen Lumen haftet
die Entfernung des Katheters vor und lagern es auf – Einnistung von Bakterien mit und ohne Urea-
den Rücken. Sie stellen einen Abfallbehälter, eine ste- seproduktion
rile Spritze und unsterile Handschuhe bereit. Nach – Steinbildung
Lösung der Pflasterfixation heben sie mit der sterilen • Herauslösung von Weichmachern, Stabilisatoren
Spritze die Blockung des Katheters auf, indem sie das und anderen Zusätzen durch Harn und Sekrete
Aqua abziehen. – häufig toxische Wirkung
Weil stets Flüssigkeit durch die Membran des • Kristallablagerungen (Inkrustierungen) an In-
Blockballons diffundiert, enthält er meist nicht mehr nen- und Außenflächen des Katheters
dieselbe Menge Aqua, die bei der Anlage instilliert – Blockierung der Katheteraugen und des Lu-
wurde. mens möglich
Nach Entfernen des Katheters reinigen Pflegende
das Genitale.
Komplikationen
Sollte die erste Miktion nach einigen Stunden aus-
bleiben, können Pflegende versuchen, die spontane • Infektion
Ausscheidung anzuregen. • Stenosierung der Urethra durch Dekubitus
Lässt das Kind trotz dieser Maßnahme keinen • Verletzung von Harnröhre oder Blase
Urin, ist Rücksprache mit dem Arzt zu halten. • Sprengung der Harnröhrenklappen

VORSICHT
Eukalyptusöl exakt dosieren, da es Hautverbrennungen 11.3.2  Suprapubischer Blasenkatheter
verursachen kann. Bei Früh- und Neugeborenen sowie
Säuglingen ist Eukalyptusöl kontraindiziert. Bei der suprapubischen Blasenpunktion führt der
Arzt einen Verweilkatheter perkutan oberhalb der
Probleme Symphyse in die Blase ein. Die Anlage erfolgt, wenn
Probleme des transurethralen Katheterismus eine längerfristige Urinableitung bei neurogenen
• Behinderung des Sekretabflusses aus den ureth- oder obstruktiven Blasenentleerungsstörungen,
ralen Anhangsdrüsen nach Operationen im Urogenitalbereich und bei hä-
• Entstehung einer mukopurulenten Membran morrhagischer Zystitis erforderlich ist.
(Leitschiene und Nährboden für Bakterien)
Kontraindikationen
Tab. 11.4  Pflegerische Interventionen bei pathologi- • Gerinnungsstörungen
schen Veränderungen an der Eintrittstelle des Blasen- • Dermatitiden im Punktionsbereich
katheters.
• nicht exakt identifizierbare Harnblase
Pathologische Interven- Pflegerische Interven­ • Verwachsungen im Unterbauch (Voroperationen)
11 tion tion
• Ileus, Aszites, Peritonitis, Anus praeter, Darmfistel
Schwellung von Eichel Kühlende Umschläge mit • Gravidität
oder Schamlippen NaCl 0,9 %
• extravesikale Raumforderungen im kleinen Be-
Hautläsionen Bepanthen-Salbe® cken
11.3  Instrumentelle Harnableitung 179

Abb. 11.11  Anlage einer supra- a b


pubischen Blasendrainage. [L190]

Pflegerische Besonderheiten
• Sicherung des postoperativen Urinabflusses z. B.
Pflegende verbinden die Eintrittstelle für 24 Std. An- nach Nierensteinentfernung, Ureterotomie, Nie-
schließend ist sie täglich mit Wasser und Seifenlotion renbeckenplastik oder Antirefluxplastik
zu reinigen und auf Entzündungen und Hautgranulo- • prophylaktische Sicherung des
me zu kontrollieren. Kommt es bei erweitertem Stich- Urinabflusses
kanal zum Ausfluss von Urin, schützen Pflegekräfte Bleibt die Schienung längere Zeit liegen, führt der
die umliegende Haut mit einem Hydrokolloidverband. Arzt etwa alle drei Monate einen Wechsel durch, um
Verunreinigungen, Verwachsungen und Verkrus-
tungen zu vermeiden.
Komplikationen
Direkt im Anschluss an die Anlage fördert der
• Infektionen Splint meist leicht blutig tingierten Urin. Für kurze
• Verstopfung des Katheters (Maßnahme: evtl. An- Zeit kommt es zum häufigen und etwas schmerzhaf-
spülen, Spüllösung nach Anordnung des Arztes) ten Wasserlassen. Ebenso können Schmerzen auf
der betroffenen Nierenseite auftreten, da der Urin
anfangs in das Nierenbecken zurückfließt. Pflegende
11.3.3  Splint achten auf eine bedarfsgerechte Analgesie und evtl.
Spasmolyse (z. B. Buscopan®).
Ein Splint oder Doppel-J-Katheter dient der Harn- Kinder mit eingelegten Splinten erhalten zur In-
leiterschienung. Es handelt sich hierbei um Plastik- fektionsprophylaxe dauerhaft eine niedrig dosierte
röhrchen, die meist einen Durchmesser von 7 Ch. Antibiose. Ein Reflux in das Nierenbecken ist immer
haben und die der Arzt in einen oder beide Harnlei- vorhanden, nimmt aber mit längerer Liegedauer des
ter einlegt, um die Urinpassage sicherzustellen. Zur Splints vom Volumen her ab.
Fixierung in Blase bzw. Nierenbecken sind an den
Enden „Pigtails“ angebracht. Die Anlage eines
Komplikationen
Splints findet entweder im Rahmen einer Zystosko-
pie unter Durchleuchtung oder intraoperativ statt. • Lageveränderung bzw. Herausrutschen der
Schiene 11
Indikationen • Harnleiterverletzung
• Urinabflussstörungen, z. B. durch Tumore, Uroli- • Harnleiterabriss
thiasis oder Ureterstrikturen • Infektion, Urosepsis
180 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

schnellen Zugriff zum Stoma gewährleistet. Je nach


klinikinternem Standard ist auch eine andere Ver-
Niere sorgung des Urostomas möglich, das therapeutische
Nierenbecken
Team zieht zur Auswahl Stomatherapeuten zu Rate.

Pflegerische Besonderheiten
Die Pflegenden entscheiden in Zusammenarbeit mit
Splint Stomatherapeuten, Eltern und Kind über die Art des
Versorgungssystems und berücksichtigen dabei die
Erfordernisse der späteren Selbstversorgung. Das
zweiteilige Versorgungssystem bietet den Vorteil,
dass die Basisplatte bei gutem Sitz belassen werden
kann und nur der Beutel zu wechseln ist. Zur An-
Blase
wendung kommt bei diesem System ein Urostomie-
beutel mit Rücklaufsperre und Ablasshahn.

Material
• sterile Kompressen (nach Neuanlage und bis 21
Tage danach), die Hälfte davon mit NaCl 0,9 %
Abb. 11.12  Splint. [L157]
angefeuchtet
• unsterile Handschuhe
11.3.4  Urostoma • Schere, evtl. Einmalrasierer
• durchsichtige Folie zur Herstellung einer Schab-
Vor der Anlage eines Urostomas zeichnet der Uro- lone für die Basisplatte
loge die zukünftige Austrittsstelle unter Beachtung • Nierenschale
von Kleidungsgewohnheiten und einer optimalen • Pinzette für die Splinte
Zugänglichkeit des Stomas bei der zukünftigen • Abfallbehälter
Selbstversorgung auf dem Unterbauch des Patienten • vorbereitetes Versorgungssystem
an. Das Stoma sollte nicht an knöchernen Vorsprün-
gen, Narben, Falten, Leiste, Taille und Bestrahlungs- Durchführung
gebieten platziert sein. Pflegende heben das Versorgungssystem vorsichtig
Aus dem Urostoma läuft aufgrund der genutzten von oben nach unten ab und halten dabei die Haut
Darmperistaltik dauerhaft Urin, der eine sehr ag- fest, um Läsionen zu vermeiden. Sie fassen die Splin-
gressive Wirkung auf die umliegende Haut ausübt. te nach der Ablösung des oberen Randes der Versor-
gung mit der Pinzette, um eine Dislokation zu ver-
hindern. Für die Zeit der Versorgung legen Pflegen-
Postoperative Versorgung
de die Enden der Splinte in einer Nierenschale ab
Im Stoma sind zur postoperativen Schienung der und beobachten, ob sie Urin fördern. Sie decken das
Harnleiter Splinte eingelegt. Ihre Liegedauer legt der Stoma sofort ab, da permanent Urin nachläuft. An-
Urologe fest. Bei der Stomaversorgung achten Pfle- schließend reinigen sie das Stoma mit befeuchteten
gende auf die sichere Fixierung der Schienen und (NaCl 0,9 %) und trockenen Kompressen. Nachdem
vermeiden jede Lageveränderung. das Stoma gut getrocknet ist, bringen Pflegende das
11 Noch im OP schließt der Operateur ein einteiliges neue System rasch auf. In den ersten postoperativen
Versorgungssystem an. Bleibt dieses System dicht, Wochen kann sich das Stoma durch den Rückgang
findet der erste Wechsel am 3.–4. postoperativen des Wundödems deutlich verkleinern, sodass vor je-
Tag statt. Anfangs ist eine einteilige Versorgung mit der Versorgung eine neue Schablone anzufertigen
herausnehmbarem Fenster sinnvoll, die einen ist.
11.4  Zentralvenöse Katheter 181

Pflegende beginnen mit der Anleitung des Kindes/ Nach Punktion der Vene schiebt der Arzt den Kathe-
der Eltern erst nach Entfernung der Splinte. [3] [4] [7] ter direkt über die Kanüle oder über einen Draht
(Seldingertechnik) vor.
Die Indikationen für die Anlage eines ZVK sind
eine voraussichtlich längerfristige parenterale Er-
11.4  Zentralvenöse Katheter nährung, die Zufuhr von hochosmolaren Lösun-
gen, die Verabreichung spezieller Medikamente
und deren bessere Steuerung, häufige Blutentnah-
11.4.1  Zentraler Venenkatheter men, sowie die Notwendigkeit einer ZVD-Mes-
sung.
Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1
Lagerung, Material und Besonderheiten der Durchfüh-
Pflegerische Besonderheiten
rung bei Anlage zentralvenöser Katheter › Tab. 11.4
Ein zentraler Venenkatheter (ZVK) ist ein Ver- Nach erfolgreicher Anlage schließen Pflegende je
weilkatheter, dessen distales Ende der Arzt in Höhe nach Klinikstandard Infusionslösungen an alle vor-
der Einmündung der V. cava superior in den rechten handenen Schenkel des ZVK an.
Vorhof positioniert. Man unterscheidet Einlumen- Der Umgang mit dem ZVK erfolgt steril. Pflegen-
und Mehrlumenkatheter. Häufigste Punktionsorte: de beachten:
• V. femoralis • Händedesinfektion vor jeder Manipulation am
• V. jugularis interna oder externa ZVK
• V. subclavia • Verwendung eines neuen Verschlusskonus (blau)
• V. cephalica nach jeder Diskonnektion
• V. basilica • Minimierung der Konnektionsstellen
Tab. 11.5  Lagerung, Material und Besonderheiten der Durchführung bei Anlage zentralvenöser Katheter.
Art des Katheters Lagerung/Material/Besonderheiten bei der Durchführung
ZVK Lagerung (abhängig vom Punktionsort):
(zentralvenöser Ka- • V. subclavia: Kopf tief lagern, Schulterblätter z. B. mit Handtuch unterpolstern, Kopf zur Ge-
theter) genseite drehen, während des Vorschiebens Kopf zur Mitte drehen
• V. jugularis: Kopf tief lagern, Schulterblätter mit 1–2 größeren Handtüchern unterpolstern, so-
dass der Hals gestreckt ist, Kopf zur Gegenseite drehen
• V. femoralis: Gesäß unterpolstern und Hüftgelenk überstrecken

Material:
• Lagerungshilfsmittel
• OP-Lampe
• großes steriles Lochtuch oder Abdecktuch mit Fenster „Windowsheet“
• sterile Kompressen
• sterile 2- oder 5-ml-Spritzen
• Aufziehkanüle
• Spitze kleine Schere
• chirurgische Pinzette
• Skalpell
• ZVK-Set
• Verbandmaterial und evtl. Nahtmaterial
• NaCl 0,9 % bzw. Glukose 5 % bei Frühgeborenen
• ggf. Lokalanästhetikum und Medikamente zur Analgosedierung 11
• Hautdesinfektionsmittel
• Infusionslösung

Besonderheiten bei der Durchführung:


• Thorax-Röntgenaufnahme
zur Lagekontrolle erforderlich
182 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Tab. 11.5  Lagerung, Material und Besonderheiten der Durchführung bei Anlage zentralvenöser Katheter. (Forts.)
Art des Katheters Lagerung/Material/Besonderheiten bei der Durchführung
NVK Lagerung:
(Nabelvenenkatheter) • flache Rückenlage
Material:
(siehe ZVK)
zusätzlich auf dem sterilen Tisch:
• Nabelbändchen
• Skalpell
• anatomische Pinzette
• Knopfsonde
• ein- bzw. mehrlumiger kontrastgebender NVK
• Nahtmaterial
• Verbandmaterial

Besonderheiten bei der Durchführung:


• Pflegekräfte
– Nabelklemme mit Pflaster an der Inkubatordecke fixieren, sodass Nabel gerade, jedoch nicht
unter Zug steht
• Arzt
– Nabelbändchen ca. 1–1,5 cm oberhalb des Hautnabels anbringen
– Nabelschnur glatt durchtrennen
– Nabelvene mit Knopfsonde sondieren und Katheter einführen
– Katheterposition per Röntgenaufnahme kontrollieren
– evtl. NVK am Nabelschnurstumpf festnähen
Silastic® Lagerung:
Patient entsprechend dem Punktionsort lagern (siehe ZVK)
Material:
• Mundschutz, Haube, steriler Kittel, sterile ungepuderte Handschuhe
• Hautdesinfektionsmittel
• Glukose 5 %
• zweigeteiltes Lochtuch
• Kompressen
• 2-ml-Spritzen
• Aufziehkanüle
• kleine, spitze Schere
• spitze anatomische Pinzette
• Silastic®-Katheterset
• Verbandmaterial
• Röntgenplatte
• Infusionslösung

Besonderheiten bei der Durchführung:


• Kontrolle
mittels Röntgenaufnahme

• Minimierung der Diskonnektionshäufigkeit Pflegende den alten Verband, desinfizieren die


• sofortige Entfernung von Blut aus dem Infusions- Eintrittstelle mit Octenidin, überprüfen die Fixati-
system durch Freispülen on und erneuern sie nötigenfalls. Sie dokumentie-
11 Die Verwendung von Transparentverbänden ist ren die Markierung des ZVK am Hautniveau (gibt
der von Gazeverbänden vorzuziehen, da sie eine Aufschluss über die Länge des Katheters im Gefäß-
bessere Beurteilung der Eintrittsstelle ermögli- lumen und ermöglicht es, Dislokationen zu erken-
chen. Ein steriler Verbandswechsel erfolgt nach 7 nen), Verbandswechsel und die dabei erhobenen
Tagen, bei Nachblutungen sofort. Dazu entfernen Befunde.
11.4  Zentralvenöse Katheter 183

Bei einer Rötung oder Schwellung der Eintrittstel- • das Desinfektionsmittel kann bei Frühgeborenen
le sowie einer Perforation des Katheters ist sofort zu Hautreizungen bis zu Nekrosen führen, deshalb
der Arzt zu informieren. Dieser entscheidet über das Desinfektion auf ein möglichst kleines Areal be-
weitere Vorgehen. schränken und die Haut unter dem sterilen Tuch
Lipidlösungen und die dazugehörigen Systeme mit Frotteelappen oder Kompressen schützen
sind alle 24 Std., Infusionssysteme aller anderen In-
fusionen spätestens alle 72 Std. bis hin zur Konnek-
Pflegerische Besonderheiten
tionsstelle des Katheters zu wechseln.
Zentraler Venenkatheter › 11.4.1
Alle 48 Std. führen Pflegende einen sterilen Ver-
Komplikationen
bandswechsel durch. Bei feuchtem, kontaminiertem
• Infektion durch unsterile Handhabung oder stark durchgeblutetem Verband sofort. Dazu
• Supraventrikuläre Extrasystolen bei Katheter- entfernen sie den alten Verband, desinfizieren die
Fehllage (nach Röntgenkontrolle zieht der Arzt Einstichstelle mit Octenidin, kontrollieren die Fixati-
den Katheter zurück) bis hin zu lebensbedrohli- on und erneuern sie, wenn nötig. Pflegende bringen
chen Rhythmusstörungen, z. B. Kammerflim- je nach hausinternem Standard einen Verband in
mern und darauf folgendem Exitus letalis Form eines „Sandwiches“ an, um die Klebefläche an
• Thrombosen, Thrombophlebitis der Haut zu minimieren. Dies gilt besonders bei sehr
• Verletzung von Nerven unreifen Frühgeborenen mit empfindlicher Haut. So-
• Infusothorax (regelmäßige Kontrolle der Kathe- lange der Nabelvenenkatheter liegt, lagern Pflegende
terumgebung) das Kind nicht auf den Bauch. Zu jeder Pflegerunde
• Gefäßperforation kontrollieren sie die Beine hinsichtlich Durchblu-
• Katheterembolie durch Abriss des Katheterendes tung, Hautfarbe und Temperatur sowie den Rücken
(Entfernung des Teilstücks durch Herzkatheteri- und die Katheterumgebung auf Perfusionsstörungen.
sierung oder Thorakotomie, evtl. mit Anschluss Zur Entfernung des Katheters ist die Fixierung zu
an die Herz-Lungen-Maschine) lösen und der Katheter vorsichtig und ohne ruckar-
• Pneumo- und Hämatothorax tige Bewegung zu ziehen. Anschließend legen Pfle-
• Lungenverletzung, Lungenfistel gende einen sterilen Verband an, den sie mind. zu
jeder Pflegerunde auf Nachblutungen kontrollieren.

11.4.2  Nabelvenenkatheter
Komplikationen
Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1 • Infektionen durch unsterile Handhabung
Lagerung, Material und Besonderheiten der Durchfüh- • Blutverlust durch Diskonnektion
rung bei Anlage zentralvenöser Katheter › Tab. 11.4 • Sondierung der Nabelarterie (Kontrolle mittels
Einen Nabelvenenkatheter (NVK) führt der Arzt Blutgasanalyse)
über die Nabelvene ein und platziert dessen distales • Perforation des Lebergewebes
Ende in der V. cava inferior. Die Katheterisierung • Pfortaderthrombose mit anschließender portaler
der Nabelvene ist max. bis zum 10. Lebenstag mög- Hypertension bei Fehllage des Katheters
lich. Bis dahin halten Pflegende bei geplanter Kathe-
terisierung die Nabelvene mit sterilen, mit NaCl
0,9 % getränkten Kompressen feucht, um einer Mu- 11.4.3  Einschwemmkatheter
mifizierung des Nabelstumpfes vorzubeugen.
Indikationen siehe ZVK (› 11.4.1). Allgemeine hygienische Maßnahmen › 11.1 11
Bei der Anlage sind folgende Dinge zu beachten: Lagerung, Material und Besonderheiten der Durchfüh-
• nur Octenidin verwenden rung bei Anlage zentralvenöser Katheter › Tab. 11.4
• beim Aufsprühen des Desinfektionsmittels kühlt Der Silastic®-Katheter ist ein Einschwemmka-
das Kind stark aus theter aus Silikon, der vorwiegend bei Früh- und
184 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Neugeborenen sowie Säuglingen als zentraler Zu- 11.5  Arterienkatheter


gang Verwendung findet. Der Arzt positioniert die
Katheterspitze in der V. cava inferior am Eingang
zum rechten Vorhof. Mögliche Punktionsorte: Ein Arterienkatheter ist eine Verweilkanüle in ei-
• Venen der Ellenbeuge nem arteriellen Gefäß. Die häufigsten Punktionsorte
• V. saphena interna in der Pädiatrie sind
• V. jugularis externa • A. radialis,
• V. temporalis • A. femoralis,
Die Indikationen für einen Einschwemmkatheter • Nabelarterie.
gleichen denen eines ZVKs (› 11.4.1). Die Indikationen für einen Arterienkatheter sind
die kontinuierliche Blutdruckmessung, gehäufte
Blutgasanalysen und Angiographie.
Pflegerische Besonderheiten
Die verwendete Spüllösung darf keine Glukose
Zentraler Venenkatheter › 11.4.1 enthalten. Der Zusatz von Heparin 1E/ml Spüllö-
Die Verwendung von Transparentverbänden ist sung wird empfohlen.
der von Gazeverbänden vorzuziehen, da sie eine bes-
sere Beurteilung der Eintrittsstelle ermöglichen. Ein
Pflegerische Besonderheiten
steriler Verbandswechsel erfolgt nach 7 Tagen, bei
Nachblutungen sofort. Sofern möglich, stellen Pflegende die Extremität ru-
Über einen Einschwemmkatheter sind wegen sei- hig und decken sie nicht zu, da nach der Punktion
ner weichen Konsistenz und der erhöhten Okklusi- Blutungen und Spasmen auftreten können. Beson-
onsgefahr keine Blutentnahmen, Bluttransfusionen ders bei einem Femoralarterienkatheter sind die ge-
sowie die Messung des zentralen ­Venendrucks mög- naue Beobachtung und eine korrekte Reaktion auf
lich. Spätestens alle 72 Std. sind die Infusionssysteme Perfusionsänderungen des Beines entscheidend, da
bis hin zur Konnektionsstelle zu wechseln. die Durchblutung der abhängigen Extremität allein
Bei einer Rötung oder Schwellung der Eintrittstel- von dieser Arterie abhängt. Die Kontrolle der Durch-
le sowie einer Perforation des Katheters ist sofort blutung von Hand oder Fuß kann durch die Kontrol-
der Arzt zu informieren. Dieser entscheidet über das le des Pulses, der Temperatur sowie durch das An-
weitere Vorgehen. bringen des SpO2-Sensors an der jeweiligen Extremi-
tät erfolgen. Pflegende achten besonders auf
Bei Einschwemmkathetern der Fa. Vygon muss der Me-
Schmerzäußerungen des Patienten.
tallstift vollständig in der blauen Verschraubung ver-
schwinden, da sonst eine Perforation des Katheters mög- • Istdie Umgebung der Punktionsstelle weiß oder zya-
lich ist. Pflegende umhüllen diese Verschraubung mit notisch-marmoriert und kalt, weist das auf eine Perfu-
sterilen Kompressen und fixieren sie außerhalb des Ver- sionsstörung hin. Es erfolgt eine sofortige Information
bands. des Arztes, der über das weitere Vorgehen entschei-
det.
• Zur Vermeidung versehentlicher intraarterieller Injekti-
Komplikationen onen kennzeichnen Pflegende den Arterienverband
mit der roten Aufschrift „Arterie“ und verwenden rote
• Thrombophlebitis Dreiwegehähne und Verschlusskappen für das System.
• Infektion durch unsterile Handhabung
• Blutverlust bei versehentlicher Diskonnektion
• Okklusion des Katheters durch Medikamenten­ Die Verwendung von Transparentverbänden ist der
11 inkompatibilität von Gazeverbänden vorzuziehen, da sie eine bessere
• Hautreizung/Nekrosenbildung durch Desinfek­ Beurteilung der Eintrittsstelle ermöglichen. Ein ste-
tionsmittel riler Verbandswechsel erfolgt nach 7 Tagen, bei
• Einwachsen des Katheters oder Abriss beim Ent- Nachblutungen sofort. Dabei kontrollieren Pflegende
fernen (dann operative Entfernung notwendig) die Eintrittsstelle auf Entzündung, Hämatome sowie
11.5  Arterienkatheter 185

Nekrosen und dokumentieren die Befunde. Mind. • Thrombosierung mit nachfolgender Perfusions-
einmal pro Schicht sowie bei jeder Lageveränderung störung
des Kindes führen sie einen Nullabgleich des Druck- • Infektion bei unsteriler Handhabung
aufnehmers durch. • rascher und erheblicher Blutverlust nach verse-
Vor der Entfernung des Arterienkatheters aspi- hentlicher Diskonnektion
rieren Pflegende zunächst Blut aus dem Katheter, • Hämatome
um Thromben an der Katheterspitze zu entfernen. • Nekrosen durch versehentliche Medikamen-
Nachdem der Katheter entfernt ist, komprimieren teninjektion
sie den Einstich mind. 5 Min. lang und versorgen • Verlust der Extremität
ihn nach dieser Zeit mit einem nicht zirkulären
Druckverband. Innerhalb der nächsten 24 Std.
Nabelarterienkatheter
überprüfen sie die Durchblutung und den Puls der
betreffenden Extremität mind. zweimal pro Schicht. Die Katheterisierung der Nabelarterie ist nur in den
ersten 24 Lebensstunden möglich. Der Arzt verwen-
det dazu einen speziellen, röntgendichten Nabelar-
Komplikationen
terienkatheter (NAK).
• Luft im Infusionssystem oder Luftinjektion (Em-
bolie)

Tab. 11.6  Pflegerische und ärztliche Aufgaben bei der Anlage arterieller Katheter.
Art des Katheters Material Lagerung Durchführung
Arterienkatheter • Kompressen • Radialarterienkatheter: Pflegende:
• 2-ml-Spritzen Handgelenk in Supinati- • Patienten entsprechend der Punktionsstel-
• Aufziehkanüle onsstellung überstre- le lagern und fixieren
• ggf. Nahtmaterial cken und unterpolstern • Haut desinfizieren
• Arterienkatheter • Femoralarterienkathe- • Verband anlegen
• Verbandsmaterial ter: Gesäß unterpolstern • Druckmesseinheit anschließen
• Hautdesinfektions- und Hüftgelenk über- • Nullabgleich durchführen
mittel strecken; Punktionsare- Arzt:
• NaCl 0,9 % al evtl. rasieren • bei Radialarterienkatheter Allen-Test
• Druckmesseinheit, • bei sehr unruhigen Pati- durchführen: Patient ballt, wenn möglich,
Druckleitungen enten: zur Punktion Ar- die Hand zur Faust; beide Arterien kompri-
• Monitorkabel
und me und Beine in ein mieren bis die Hand blass wird, Ulnaris
-modul Handtuch einwickeln, freigeben und Hautfarbe der Hand beob-
Punktionsstelle bleibt achten, bei rosiger Hand in 5 Sek. darf die
zugänglich Radialis punktiert werden, bei 10 Sek. Re-
perfusionszeit nicht
• Information des Patienten
• ggf. Kurznarkose
• Punktion und Fixierung des Katheters

Nabelarterien- Material siehe NVK, flache Rückenlage Pflegerische/ärztliche Aufgaben siehe NVK,
katheter zusätzlich: zusätzlich:
• Nabelarterienkathe- Pflegende:
ter • Druckmesseinrichtung anbringen und mit
• Druckmesseinheit dem Monitorkabel und Monitor verbinden
• Monitorkabel und • Nullabgleich durchführen
11
-modul Arzt:
• Infusionslösung • bei Katheterisierung beider Nabelgefäße:
• starre, kurze, luftlee- mit der Nabelarterie beginnen, da sie bei
re Infusionsleitung Manipulationen am Nabel zur Spastizität
neigt
186 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Pflegerische Besonderheiten stales Ende nach außen geleitet. Die häufigsten Anlage-
Nabelvenenkatheter › 11.4.2 orte sind die V. subclavia und die V. jugularis interna.
Pflegende kennzeichnen das System des Nabelar-
terienkatheters durch die rote Aufschrift „Arterie“ Eine Sonderform des partiell implantierten venösen Dau-
und die Verwendung von roten Dreiwegehähnen erkatheters stellt der Permcath®-Katheter dar. Er wird im
und Verschlussstopfen, um versehentliche intraarte- Hinblick auf eine längerfristige Hämofiltration oder -dia-
rielle Injektionen zu vermeiden. Sie kontrollieren lyse angelegt.
die Extremitäten und den Rücken, vor allem im Len-
denbereich und seitlich der Wirbelsäule, mind. ein-
mal pro Schicht auf Perfusionsstörungen. Zur zu- Indikationen
sätzlichen Überwachung der Perfusion der unteren Langfristiger zentralvenöser Zugang für:
Extremitäten dient die SpO2-Messung an den Füßen. • Infusionstherapie
Zum Entfernen den Katheter langsam bis kurz • Zytostase
vor die Austrittstelle zurückziehen und vollständig • Transfusionen
entfernen, wenn die Pulsation nachlässt, um eine ar- • Schmerzbehandlung
terielle Nachblutung zu vermeiden. Das Auflegen ei- • parenterale Ernährung
nes Gelita®-Tampons oder einer suprareningetränk- • Plasmapherese
ten, sterilen Kompresse auf den Nabel kann Nach- • medikamentöse Dauertherapie
blutungen verhindern, da sie eine Verengung der
Nabelarterie herbeiführen. Treten trotz dieser Maß- Pflegerische Besonderheiten
nahmen Nachblutungen auf, kann eine Naht erfor- Bei der Bedienung des Broviac/Hickman-Katheters®
derlich sein. Pflegende bringen einen sterilen Ver- achten Pflegende auf Einhaltung der Sterilität. We-
band an, den sie in den folgenden 24 Std. mind. zwei- gen der kurzen Tunnelung liegt die Infektionsgefahr
mal pro Schicht auf Nachblutungen kontrollieren. bei diesem Kathetertyp deutlich höher, als bei voll-
ständig implantierten venösen Dauerkathetern.
Komplikationen Pflegende wechseln den Verband spätestens nach
Nabelvenenkatheter › 11.4.2 72 Std. (› 11.4.1). Sofern ein Folienverband aufge-
• NEC klebt ist und der Befund unauffällig bleibt, genügt
• prärenales Nierenversagen ein Wechsel im Abstand von sieben Tagen.
• Gangrän der unteren Extremitäten durch Min- Die Konnektionsstellen sind mit trockenen, steri-
derperfusion [7] len Kompressen zu versorgen. Blutverschmutzun-
gen auf dem Katheter entfernen Pflegende zuvor mit
Octenidin (Octenisept®).
Klinikinterne Standards regeln, ob während einer
11.6  Implantierte venöse Infusionspause, in der der Katheter unbenutzt bleibt,
Dauerkatheter ein Heparin- (100 E/ml NaCl 0,9 %) oder ein kombi-
nierter Antibiotika/Heparinblock zu setzen ist.
Bei geblocktem Katheter ziehen Pflegekräfte die
11.6.1  Partiell implantierte venöse Blockung vor erneuter Nutzung ab und spülen den
Dauerkatheter (Broviac/Hickman/ Katheter mit NaCl 0,9 %. [7]
Permcath-Katheter®)

Der Arzt platziert implantierte Venendauerkatheter 11.6.2  Vollständig implantierte


11 meist unter Lokalanästhesie operativ in ein zentralve- venöse Dauerkatheter
nöses Gefäß. Diese Katheter dienen vorwiegend zur
Langzeittherapie. Das proximale Ende liegt in einer Ein vollständig implantierter venöser Dauerkathe-
zentralen Vene. Der anschließende Teil des Katheters ter (Portsystem) besteht aus Portkammer und Port-
ist über eine kurze Strecke subkutan getunnelt, sein di- katheter, die komplett ins Subkutangewebe des Pati-
11.6  Implantierte venöse Dauerkatheter 187

enten implantiert sind. Die Portkammer ist aus Titan bleiben. Vor einer Injektion, Infusion, Transfusion
gearbeitet, sie kann, je nach Ausführung, mit Silikon ist der Katheter mit 10–20 ml NaCl 0,9 % zu spülen,
überzogen sein. Der Arzt fixiert die Injektionskam- um die Durchgängigkeit zu gewährleisten. Zur Injek-
mer meist an der Brustwand oder am Rippenbogen tion dürfen die Spritzen nicht weniger als 10 ml Vo-
und platziert das proximale Ende des Silikonkathe- lumen haben, da kleinere Spritzen leichter einen
ters in einer zentralen Vene, seltener intraarteriell. Überdruck im System verursachen und ihre Verwen-
Das distale Katheterende ist mit der Injektionskam- dung die Gefahr von Rupturen des Kathetermaterials
mer verbunden, die an der Seite, die der Hautoberflä- steigert. Die maximale Infusionsgeschwindigkeit be-
che zugewandt ist, eine durchstichfähige, selbstver- trägt 500 ml/h. Um Inkompatibilitäten zu vermei-
schließende Membran trägt und so einen problemlo- den, spülen Pflegende den Katheter jeweils zwischen
sen Zugang ins zentrale Gefäßsystem ermöglicht. zwei unterschiedlichen Injektions- bzw. Infusionslö-
Der große Vorteil des Port ist die einfache Hand- sungen mit 10 ml NaCl 0,9 %. Bei Zeichen einer Ok-
habung und das geringe Infektionsrisiko. Außerdem klusion unterbrechen sie die Injektion/Infusion so-
schont die Verwendung des Katheters die periphe- fort und informieren den Arzt zur Ursachenklärung.
ren Gefäße, da er bei komplikationslosem Verlauf Bei längerer Infusionstherapie über eine Huber-
bis zu fünf Jahre lang in situ liegen kann. Nadel® fixieren Pflegende das System sicher und
versorgen die Einstichstelle mit einem sterilen Ver-
band (üblicherweise ein transparenter Verband;
Pflegerische Besonderheiten
Wechselintervall liegt bei 7 Tagen). Die Nadel ist
Zur Injektion in den Port verwenden Pflegende eine spätestens nach acht Tagen zu wechseln. Bei geröte-
Punktionskanüle mit speziellem Schliff, die ein Aus- ter oder nachblutender Einstichstelle verwenden
stanzen von Silikonteilchen und somit eine unnötige Pflegende einen sterilen Pflasterschnellverband.
Beschädigung der Membran der Portkammer ver- Nach der Entfernung der Portnadel desinfizieren
hindert. Diese Kanülen sind in zweifacher Ausfüh- Pflegende die Eintrittsstelle und decken sie anschlie-
rung erhältlich. Zur Injektion verwenden Pflegende ßend für 3–4 Std. mit einem sterilen Verband ab.
den geraden, zur Infusionstherapie den abgewinkel- Nach dem Abheilen des letzten Einstichs ist kein
ten Typ (Huber-Nadel®). weiterer Verband nötig. Während der Infusionspausen
Vor der Punktion empfiehlt sich die Versorgung spülen Pflegende (nach Abziehen des Heparinblocks)
der Punktionsstelle mit einem Lokalanästhetikum das System in vierwöchigen Intervallen mit 10 ml NaCl
(z. B. Emla-Salbe®), da die Punktion schmerzhaft ist. 0,9 % und blocken das Katheterlumen anschließend
Pflegende desinfizieren das über der Portkammer erneut mit einer Heparinlösung (siehe oben). [7]
liegende Hautareal mit dem hausüblichen Präparat.
Sie verbinden die Punktionsnadel, etwa für eine In- LITERATUR
fusion, mit einem Dreiwegehahn und spülen beide 1. Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensiv-
pflege. Gustav Fischer, Lübeck/Stuttgart/Jena/Ulm,
mit NaCl 0,9 %, um Luftleere zu erzeugen. Zur Punk- 1998.
tion legen Pflegende oder der Arzt nach erfolgter 2. Schäper, A.; Gehrer, B. (Hrsg.): Pflegeleitfaden Intensiv-
Händedesinfektion sterile Handschuhe an und ach- pflege Pädiatrie. Urban & Fischer, München/Jena,
ten auf eine kontaminationsfreie Punktion. Nach Lo- 1999.
kalisation der Injektionskammer hält man sie zwi- 3. Strohmaier, W.: Pflege in der Urologie. Kohlhammer Ver-
lag, Stuttgart, 2002.
schen Daumen und Zeigefinger. Wenn möglich, for- 4. Sökeland J.; Rübben H.: Urologie. Thieme-Verlag, Stutt-
dern Pflegende das Kind auf, tief einzuatmen und gart, 2007.
kurz die Luft zu halten. Anschließend punktieren sie 5. www.bundesaerztekammer.de/downloads/RiliHaemothe-
durch Haut und Portmembran bis zum Boden der rapie2010.pdf (Letzter Zugriff am 26.2.2012).
Kammer. Wurde nach der letzten Punktion ein He- 6. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesund- 11
heitsschutz 1999 42:806–809 © Springer-Verlag 1999:
parinblock gesetzt, ist dieser zuerst abzuziehen. Der www.rki.de/cln_162/nn_201414/DE/Content/Infekt/Kran-
Heparinblock (100 IE Heparin auf 1 ml NaCl 0,9 %) kenhaushygiene/Kommission/Downloads/Harnw__Rili,te
ist nach Abschluss der Injektionen/Infusionen ein- mplateId=raw,property=publicationFile.pdf/Harnw_Rili.
zubringen und kann 4–6 Wochen im Katheter ver- pdf (Letzter Zugriff am 26.2.2012).
188 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

7. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesund- Eine Fotodokumentation ergänzt den schriftlichen


heitsschutz 2002 45:907–924; DOI 10.1007/s00103-002-
0499-8:www.rki.de/cln_153/nn_201414/DE/Content/­
Befund. Dazu bedarf es der Einwilligung der Eltern.
Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/Ge- Das Foto sollte immer im gleichen Winkel und Ab-
faesskat__Rili,templateId=raw,property=publicationFile. stand zur Wunde angefertigt werden. Ein Papierli-
pdf/Gefaesskat_Rili.pdf (Letzter Zugriff am 26.2.2012). neal mit dem Datum der Aufnahme und den Initia-
len des Patienten vervollständigen das Bild.

11.7  Wundversorgung in der 11.7.2  Spüllösungen und Antiseptika


neonatologischen und
pädiatrischen Intensivpflege Zu jedem Verbandswechsel gehört das Spülen der
Robert Zimmer Wunde, mit dem Ziel, Zelltrümmer, Bakterien, Bio-

Tab. 11.7  Wundassessment – was muss dokumen-


Basis der Versorgung chronischer Wunden ist der tiert werden.
im März 2008 unter der Leitung von Frau Dr. Panfil Was wird do- Beschreibung und Beispiele
erschienene Expertenstandard „Die Pflege von kumentiert
Menschen mit einer chronischen Wunde“. Medizinische Erkrankung, Art der Wunde und Schwe-
Dieser behandelt jedoch zum Großteil Wunden, Diagnose regradeinteilung, z. B.
die hauptsächlich in der Pflege erwachsener Men- • Dünndarmileus
schen vorkommen, z. B. der diabetische Fuß. Zur Ver- • Wundinfektion an der Laparotomie-

sorgung beispielsweise eines Dekubitus ist er auch auf wunde


pädiatrischen Intensivstationen von Bedeutung. Wundklassifi- beispielsweise:
kation • Dekubitus und deren Gradeinteilung
nach European Pressure Ulcer Adviso-
ry Panel (EPUAP)
11.7.1  Dokumentation • Schweregrad einer Verbrennung
• Lokalisation der Gewebeschichten bei
Warum muss dokumentiert werden? einer Wundheilungsstörung
Schmerzen zur Einschätzung von Schmerzen
Eine Wunddokumentation erfolgt aus diesen Grün- › 6.5.1
den: Wundgeruch ja oder nein
• Rechtliche Absicherung: Im Falle eines Rechts- Exsudat Farbe und Geruch, Menge
streites gilt eine vollständige Wunddokumentati- Ernährungszu- Festlegen des Ernährungszustands des
on als Nachweis der durchgeführten Arbeit. Was stand Patienten
nicht dokumentiert ist, gilt als nicht gemacht! Rezidivzahl ja oder nein, wie oft?
• Nachweis der Wirtschaftlichkeit: Die Behandlung
Wunddauer Tage seit Bestehen der Wunde
von Wunden ist anspruchsvoll und mit Kosten ver-
bunden. Durch ein Dokument wird objektiv der Wundlokalisa- Einzeichnen der Wunde in ein Wundlo-
tion kalisationsdiagramm
Einsatz von Wundtherapeutika, Wundauflagen und
der Behandlungserfolg oder Misserfolg beschrieben. Wundgröße längste Länge und längste Breite, Erfas-
sen von Wundtaschen
• Nachweis des Behandlungserfolges
Wundrand Beläge, Nekrosen
Wundumge- Mazerationen, Entzündungen, Allergi-
11 Was muss dokumentiert werden? bung en, Pilzerkrankung
Wundassessment › Tab. 11.7 Wundgrund Beschreibung der Wundheilungsphase,
Sichtung von Nekrosen, Sehnen, Knochen
Wunden werden in einem speziellen Wunddokumenta­ Entzündungs- Rötung, Schwellung, Bewegungsein-
tionsbogen dokumentiert. zeichen schränkung
11.7  Wundversorgung in der neonatologischen und pädiatrischen Intensivpflege 189

film (in Kombination mit chirurgischem Débride- Bewährte Spüllösungen


ment), Verbandstoffreste und andere Fremdstoffe
zu entfernen. Bleiben diese Stoffe in der Wunde, stö- Besteht eine Wundinfektion (oder der Verdacht),
ren sie die Wundheilung. Die Spüllösung muss farb- setzen Pflegekräfte ein Antiseptikum mit einem um-
los, steril und physiologisch sein. Sie darf nicht zyto- fassenden Wirkspektrum ein. Es muss farblos und
toxisch wirken (› Tab. 11.10). darf nicht resorbierbar, zelltoxisch, schmerzauslö-
send oder allergisierend sein. Lokalantibiotika sind
Tab. 11.8  Beispiel einer gelungenen Wunddokumen- wegen möglicher allergischer Reaktionen, möglicher
tation. Lücken im Wirkspektrum und der Bildung resisten-
Was wird dokumentiert Beispiel ter Keime obsolet. Der Einsatz von PVP-Jod ist bei
Medizinische Diagnose: Wundheilungsstörung nach Säuglingen und Kleinkindern sehr kritisch zu sehen.
Dünndarmresektion Gründe sind neben Schmerzen, systemische Neben-
Wundklassifikation: subkutane Wundheilungs- wirkungen (z. B. Schilddrüsenüberfunktion), seltene
störung allergische Reaktionen und die Verfärbungen des
Schmerzen: 0 Wundbetts. Bei Kontakt von Jod mit Eiter, Blut oder
Wundgeruch: nein Wundexsudat kann es zu einer Aufhebung der anti-
Exsudat: serös, 20 ml in 24h septischen Wirkung kommen (Eiweißfehler).
Ernährungszustand: gut
Rezidivzahl: kein Rezidiv
Bewährte Wundantiseptika
Wunddauer: Wunde besteht seit 14 Tagen
Wundlokalisation: die Wunde wird in einer Tab. 11.10  Wundantiseptika und ihre Eigenschaften.
bestehenden menschlichen [1]
Skizze eingetragen
Antisep- Verwend- Hinweise
Wundgröße: 7 × 2 cm, 4 cm unterminiert tikum barkeit
Wundrand: sauberer granulierender Octeni- • 3 Jahre • kein Einsatz in Wundhöh-
Wundrand din-Lsg. len, aus der die Lösung nicht
Wundumgebung: reizlos 0,1 % ungehindert abfließen kann
Wundgrund: Granulationsgewebe (Gefahr: Nekrosenbildung)
• nicht unter Druck anwenden
Entzündungszeichen: keine • ideal zum Desinfizieren von
Kathetereinstichstellen, Ope-
rationsnähten oder Wunden
Tab. 11.9  Wundspüllösungen und ihre Eigenschaften. • Einwirkzeit beträgt 1 Min.
Spüllösung Verwendbarkeit Hinweise Polyhe- • bis
8 • kein Einsatz im Bereich
NaCl 0,9 % • nach Anbrechen • kleine Wunden → xanid ­Wochen von Knorpel oder Gelen-
Ringer-Lö- des Gebindes 24 kleine Gebinde ken
sung Std. • Kunststoffknick- • ideal für textile antiseptische
• beim Symbol der ampullen mit 10– Verbände
2 auf der Verpa- 20 ml verwenden • für Polyhexanid gibt es keine
ckung, ist die offizielle Zulassung in der
restliche Spüllö- Neonatologie
sung sofort zu • Einwirkzeit 20 Min.
verwerfen Silber- • SiehePa- • Einsatz gezielt und bis zum
Spüllösun- • je nach Produkt • ideale
Lösung präpa- ckungs- Abklingen der Infektion im
gen auf Oc- bis zu 8 Wochen wegen der lan- rate beilage Wundbett 11
tenidin- gen Haltbarkeit • Infekte im Gewebe der Wund-
oder Polyhe- umgebung können damit
xanidbasis nicht behandelt werden
190 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

11.7.3  Septische und aseptische Durchführung


Verbandswechsel • Hände desinfizieren
• unsterile Handschuhe anziehen
Die Wundversorgung erfolgt mit sterilen Materiali- • alten Verband entfernen
en und unter strengen hygienischen Bedingungen • tiefer liegende Tamponaden oder Verbandsstoffe
(› Kap. 2). mit steriler Pinzette beseitigen
Jede Wunde ist aseptisch zu behandeln, da eine • Inspektion des alten Verbandes auf beispielswei-
Keimbesiedelung die Wundheilung behindert. se Art und Menge des Sekrets, Blutbeimengun-
Wichtig ist eine sinnvolle Reihenfolge der Verbands- gen, Geruch
wechsel. Ist ein Verbandswechsel bei mehreren Pa­ • Handschuhe verwerfen, hygienische Händedes­
tienten erforderlich, versorgen Pflegekräfte zuerst infektion, neue unsterile Handschuhe anziehen
aseptische, dann kontaminierte und kolonisierte, • Wundreinigung mittels Spüllösung oder ggf. An-
danach septische und zum Schluss Wunden mit Pro- tiseptika je nach Wundzustand und ärztlicher
blemkeimen, z. B. MRSA/VRE. Anordnung:
aseptische und kontaminierte Wunden von innen
Vorbereitung nach außen, septische Wunden von außen nach
• Material auf flächendesinfiziertem Tablett oder innen reinigen
Beistelltisch vorbereiten • gereinigte Wunde inspizieren
• Abfallbehälter bereitstellen • Handschuhe verwerfen und hygienische Hände-
• Fenster und Türen schließen desinfektion
• Schutzunterlage unter zu versorgendes Körperteil • Wundversorgung entsprechend der Wundhei-
legen lungsphase nach ärztlicher Anordnung und Fi-
• Schutzkleidung oder eine Einmalschürze anlegen xierung des Verbandes
• Händedesinfektion und Anlegen von unsterilen • Dokumentation des Verbandswechsels und
Handschuhen Wunddokumentation
Zur Nachbereitung gehören das Entsorgen des Ab-
Bei aufwändigen Verbandswechseln reicht eine zweite falls, der Einmalinstrumente oder das Aufbereiten
Pflegekraft das Material an. Zur Anwendung kommt das der wieder verwendbaren Instrumente.
„Non-touch-Prinzip“ mit unsterilen Handschuhen und Pflegekräfte wischdesinfizieren die Arbeitsflächen
sterilen Instrumenten. und beachten die persönliche Hygiene. [2]

11.7.4  Materialkunde

Tab. 11.11  Produktbeispiele von Verbänden und Hinweise zur Anwendung. [3]
Verbandart Indikation Aufbau und Eigenschaften Hinweise zur Anwendung
Hydrogele • Befeuchtung
von • bestehen aus Wasser und Gelbild- • autolytische Wundreinigung durch kör-
trockenen Wun- nern pereigene Proteasen (Enzyme)
den und autolyti- • Wasser dringt in Nekrose ein und be- • passender Sekundärverband wichtig →
sche Wundreini- feuchtet sie muss 24 Std. halten, damit körpereige-
gung • können geringe Mengen Wundexsu- ne Enzyme wirken
dat einlagern • können bis zu 3 Tage in der Wunde
verbleiben, wenn der Sekundärverband
dies zulässt
11 • Sekundärverband z. B. Folie, Hydrokollo-
ide oder Polyurethan-Schaumverbände
11.7  Wundversorgung in der neonatologischen und pädiatrischen Intensivpflege 191

Tab. 11.11  Produktbeispiele von Verbänden und Hinweise zur Anwendung. [3] (Forts.)
Verbandart Indikation Aufbau und Eigenschaften Hinweise zur Anwendung
Alginate • mittelstark
bis • aus wirkstofffreien Calcium-Alginat- • locker in Wundhöhlen oder Wund­
stark exsudieren- Fasern taschen einlegen
de Wunden, • Verbandsstoff und Wundexsudat tau- • nicht stopfen
Wunden mit Fib- schen Kalziumionen des Alginats ge- • beim Gelieren des Verbandstoffes
rinbelägen gen Natriumionen des Wundexsudats ­Nekrosenbildung möglich
• Alginat saugfähig
• dadurch ist die Aufnahme von Kei-
men und Wunddetritus neben über-
schüssigem Wundexsudat möglich
• wegen des Calciumanteils blutstillend

Hydrofaser- • mittelstark
und • aus Natrium-Carboxymethylcellulose • Sekundärverband ist erforderlich, außer
verbände stark exsudieren- • Exsudataufnahme sehr rasch bei Versiva XC®
de Wunden • Verband kann über Wundrand gelegt
werden, da das Exsudat nur vertikal
aufgenommen wird (Wundrand ist
geschützt)
• hält Wunde feucht, Verkleben mit
Wunde nicht möglich
hydro­ • schwach exsu- • Polymer in das Gelbildner eingebettet • Kontraindikationen:
kolloide dierende Wun- sind – infizierte Wunden
Verbände den (z. B. Deku- • Gelbildner gehen bei Kontakt mit – Pilzinfektionen
bitus, Spalthaut- Wundexsudat in Gel über – ischämische Ulcera
entnahmestellen, • Gel hält Wunde feucht und warm – freiliegende Sehnen oder Knochen
Verbrennungen • Wunden granulieren sehr gut in die- – Verbrennungen 3 Grades
bis Grad 2a, Ver- sem idealen Wundmilieu • kalt gelagerter Verband klebt schlecht
sorgung von pri- • beim Abnehmen des Verbandes ist • Verband atraumatisch durch Überdeh-
mär heilenden Verkleben der Wunde mit Wundver- nen abnehmen
Wunden) band nicht möglich • im Einzelfall Mazerationen des Wund-
randes durch Gelbildung möglich →
Wundrandschutz (z. B. Cavilon®)
Schäume • mittelstark
und • aus Polyurethan • Kontraindikationen:
stark exsudieren- • nicht- oder selbsthaftende Verbände – trockene Wunden
de Wunden, z. B. • durch Struktur dieses Verbandes füllt – infizierte Wunden
Dekubitalulzera, er sich mit Wundexsudat und hält • exsudiert die Wunde weniger, besteht
sekundär heilen- den Kontakt zur Wunde die Gefahr des Verklebens der Wunde
de Wunden und • Abdruck der Wunde entsteht mit dem Schaumverband. Dann ist die
Spalthautentnah- • ideales Wundmilieu durch gespei- Umstellung auf ein geeignetes Produkt
mestellen chertes Wundexsudat nötig (z. B. einen hydrokolloiden Ver-
• schützen vor Verkeimung band)
• wasserdampfdurchlässig • silikonbeschichtete Verbände garantie-
ren atraumatischen Verbandswechsel
Wund­ • Abdeckungvon • wirkstofffreioder mit Medikamenten • keine
antibiotikahaltigen Produk-
distanz­ Wunden nach imprägniert te verwenden
gitter Operationen • Baumwolle, perforierte Polyurethan-
oder Traumen folien oder Viskose
• trennen Verband von Wunde 11
• hydrokolloid, mit Salben oder Silikon
erhältlich
• Einsatz bei Vakuumtherapie zwischen
Wunde und PU-Schwamm
192 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Tab. 11.11  Produktbeispiele von Verbänden und Hinweise zur Anwendung. [3] (Forts.)
Verbandart Indikation Aufbau und Eigenschaften Hinweise zur Anwendung
Vakuum­ • subkutane • offenporigerPolyvinylalkohol- oder • Kontraindikationen:
therapie Wundheilungs- Polyurethanschwamm – direktes Versiegeln auf Gefäße oder
störungen abdo- • durch Polyurethanfolie wird Wundge- Darm
mineller und tho- biet abgeschlossen – Versiegeln maligner Wunden
rakaler Wunden, • mittels Pumpe Unterdruck von 50– • Vorteile:
Dekubitalulzera 200 mmHg im Versiegelungssystem – sicherer Schutz der Wunde
• Fixierung von – vollständiges Absaugen von Wund-
Mashgraftplasti- sekreten
ken – Stimulation einer raschen Bildung
• Vorbereitung ei- von gut durchblutetem Granulations-
ner Wunde zur gewebe
Sekundärnaht • wochenlanges Versorgen einer Wunde
oder plastischen mit der Vakuumtherapie stellt eine
Deckung Ausnahme dar

11.7.5  Verbandtechniken

Verbandtechniken mit hydrokolloiden


Verbänden

Fingerverband (Sandwichverband)
Niedriggradige Verbrennungen (bis Grad 2a) wer-
den u. a. mit Flammazine® mehrmals täglich ver-
sorgt. Befindet sich die Verbrennung an den Fin-
gern, können alternativ ab dem zweiten Tag nach
der Verletzung hydrokolloide Verbände zur Anwen-
dung kommen. Die Sandwichtechnik ist sehr ein- Abb. 11.13  Finger auf hydrokolloiden Verband legen. [O553]
fach (› Abb. 11.13, › Abb. 11.14). Der Verband
kann mehrere Tage in situ bleiben.

Atraumatisches Entfernen eines hydrokolloiden


Verbands
Oft ist das Entfernen eines hydrokolloiden Verbands
oder von Folien mit Schmerzen für den Patienten
verbunden. Um dies zu verhindern, wird der Ver-
band überdehnt (› Abb. 11.15). Durch das Über-
dehnen zerbricht dessen Matrix, Der Verband lässt
sich so atraumatisch entfernen.

Verbandtechniken mit Schaumverbänden


Abb. 11.14  Hydrokolloiden Verband um den Finger legen
11 Die Indikation von Schaumverbänden sind vor allem und überstehendes Material auf ca. 5 mm kürzen. [O553]
nässende Wunden. Diese befinden sich oft an anato-
misch schwer zu versorgenden Stellen, beispielsweise gen Verbandtechniken, die die Anwendung von
Fingerzwischenräume, an Gelenke oder der Ferse. Schaumverbänden auch an schwer zu versorgenden
› Abb. 11.16, › Abb. 11.17 und › Abb. 11.18 zei- Stellen erleichtern.
11.7  Wundversorgung in der neonatologischen und pädiatrischen Intensivpflege 193

Abb. 11.15  Überdehnen eines hydrokolloiden Verbands zum Abb. 11.16  Versorgung von Fingerzwischenräumen, Verband
atraumatischen Entfernen. [O553] entsprechend einschneiden. [O553]

Abb. 11.17  Versorgung einer Ferse, Kleberänder anmodellie- Abb. 11.18  Versorgung eines Gelenks. [O553]
ren. [O553]

Verbandtechniken mit der


Vakuumversiegelung

Mit der Vakuumversiegelung versorgt man unter-


minierte Wunden (› Abb. 11.19). Folgende Hand-
lungsschritte sind nötig:
• Wundtiefe erfassen und Wundzustand dokumen-
tieren
• Wunde mit NaCl 0,9 % spülen
• Hautschutzplatte um die Wunde kleben; alterna-
tiv Opsite®-Folie verwenden Abb. 11.19  Unterminierte Narbe. [O553]
• Schwamm entsprechend der Wundgröße unter
sterilen Bedingungen zuschneiden und mit steri- lie dicht abschließt. Ein zweiter Schwamm auf
len Pinzetten in die Wunde einbringen (› Abb. dem Versiegelungsgebiet bietet der Vakuumplat- 11
11.20) te (Trac pad) Platz (› Abb. 11.21)
• Ring aus Stomapaste (alternativ Gelstreifen ver- • Vor dem Aufkleben der Vakuumplatte (Trac
wenden) um die Hautschutzplatte legen, damit Pad), Folie in der Größe des Trac Pads einschnei-
die für die Vakuumversiegelung notwendige Fo- den. Dann die Folie über Schwamm und Haut-
194 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

schutzplatte und über den Stomapastenring kle- • Vakuumpumpe anschließen (› Abb. 11.25):
ben (› Abb. 11.22) Schlauch des Trac Pads mit dem Schlauch des Se-
• Unter dem Einschnitt der Folie einen ca. 2 €-Stück kretbehälters verbinden. Sog der Vakuumpumpe
großen Kegel in den Schwamm schneiden, um das nach Arztanordnung einstellen (bei der gezeigten
Trac Pad anlegen zu können (› Abb. 11.23, Wunde betrug der Sog 125 mmHg)
› Abb. 11.24). Ist die Aussparung zu klein, mel- • Achtung: Die Klemmen am Schlauch müssen of-
det die Vakuumpumpe Blockadealarm fen sein

Abb. 11.20  Einbringen des Schwamms in die unterminierte Abb. 11.21  Stomapaste um die Hautschutzplatte aufbringen
Wunde. [O553] und zweiten Schwamm auflegen. [O553]

Abb. 11.22  Die Folie wird über den Schwamm geklebt und Abb. 11.23  In den zweiten Schwamm wird durch die Folie …
hinter dem Stomapastenring luftdicht verschlossen. [O553] [O553]

11

Abb. 11.24  … ein kegelförmiges Stück (ca. 2 € groß) ausge- Abb. 11.25  Fertiger Verband mit angeschlossener Vakuum-
schnitten. [O553] pumpe. [O553]
11.8  Stomapflege 195

11.7.6  Verbandempfehlungen   4. Danzer, S.: Chronische Wunden. Kohlhammer-Verlag,


Stuttgart, 2011.
Tab. 11.12  Empfehlungen für die Versorgung ver-
VERWENDETE LITERATUR
schiedener Wundarten.
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege:
Wundzu- Empfehlung Verbandstoffe Die Pflege eines Menschen mit einer chronischen Wunde
stand (Sonderdruck). 2008
infizierte • Polyhexanid-Verbände 3 × tgl. www.salk.at/DMS/2–20091102–160627.pdf Letzter Zugriff
nässende • Vakuum-Instillationstherapie mit Poly- 11.3.2012
Wunde hexanid
• antibakterielle Alginate

infizierte • kühlende antiseptische Verbände (3 ×


schwach tgl.) mit
nässende – Polyhexanid 11.8  Stomapflege
Wunde – Octenidin Christina Beck
• Vakuum-Instillationstherapie mit Poly-
hexanid DEFINITION
primär hei- • textiler Verband, Verbandswechsel 1 Stoma (griech. stoma = Mund, Mündung, Öffnung; Plu-
lende Wun- × tgl. ral Stomata): Chirurgisch hergestellte (Körper-)öffnung
de • bei immunsupprimierten Patienten zur Ausleitung von Stuhl (Enterostomie) oder Urin (Uros-
oder neben Stomata: Verwendung ei- tomie).
nes hydrokolloiden Verbands
nässende • textile Verbände 3 × tgl.
Die Bezeichnungen Ileo- oder Kolostomie (z. B. As-
sekundär • Alginate oder Hydrofaser (Verbands-
cendo-, Transverso-, Sigmoidostomie) geben Auf-
heilende wechsel nach Exsudation alle 2–4 Tage)
Wunden • Schäume(Verbandswechsel alle 2–3 schluss darüber, welcher Darmabschnitt ausgeleitet
Tage) wurde.
oberfläch- • textile Verbände 3 × tgl.
Ein Stoma kann endständig (einlumig) oder dop-
lich nässen- • Alginate oder Hydrofaser
(Verbands- pelläufig (zweilumig) angelegt werden (›  Abb.
de Wunden wechsel alle 2–4 Tage) 11.25) und temporär (vorübergehend) oder perma-
• Schäume (Verbandswechsel alle 2–3 nent (dauerhaft) erforderlich sein.
Tage)
schwach • Wunddistanzgitterverbände und Kom-
nässende pressen 1 × tgl.
Indikationen
Wunden • hydrokolloide Verbände Ein temporäres Stoma dient dem Schutz der Anasto-
Saubere, • Hydrogele in Kombination mit einer mosen. Anastomosen entstehen:
trockene Wundauflage • nach Korrektur angeborener Fehlbildungen z. B.
Wunden • textile feuchte Verbände
– anorektaler Malformation (ARM)
Wunden mit • Hydrogele in Kombination mit textilen – Blasenekstrophie/Epispadie-Komplex (BEEC)
Belägen bei Verbänden (1 × tgl. Verbandswechsel) – Dysganglionose, Aganglionose (Morbus
wenig bis • Hydrogele in Kombination mit Schäu-
mäßiger Ex- men alle 2–3 Tage Verbandswechsel
Hirschsprung)
sudation • Vakuumtherapie nach chirurgischem • nach chirurgischer Intervention bei
Débridement – Nekrotisierender Enterokolitis (15.2.2)
– chronisch entzündlicher Darmerkrankung,
z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, familiäre,
ZITIERTE LITERATUR
  1. Panfil, E. M.; Schröder, G.: Pflege von Menschen mit adenomatöse Polypose (FAP)
chronischen Wunden. Hans-Huber-Verlag, Bern, 2010. Weiterhin kann eine Stomaanlage auch „Zeitge- 11
  2. Protz, K.: Moderne Wundversorgung. Elsevier Verlag, winn“ bedeuten. Gerade sehr kleinen, unreifen oder
München, 2011. schwachen Kindern kann so die Möglichkeit gege-
  3. Hallern von, B.: Kompendium Wundbehandlung. Verlag ben werden, sich bis zur eigentlichen Operation zur
für medizinische Publikationen, Stade, 2010.
Korrektur der Fehlbildung zu entwickeln.
196 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Endständiges Stoma im Doppelläufiges Stoma im


Bereich des Dünndarms Bereich des querverlaufenden
(Illostomie) Dickdarms (Transversostomie)

Endständiges Stoma im Doppelläufiges Stoma im


Bereich des Blinddarms Bereich des Dickdarmendes
(Zökostomie) (Sigmoidostomie), auch als
endständiges Stoma
möglich

Endständiges Stoma Doppelläufiges Stoma

Abb. 11.26  Endständiges und


doppelläufiges Stoma. [L190]

Eine solche, „protektive Stomaanlage“ wird fast immer det darüber, ob ein offener (Ausstreifbeutel) oder
doppelläufig angelegt. Seltener werden zwei endständi- geschlossener (Kolostomiebeutel) Verwendung fin-
ge, voneinander getrennte Stomata ausgeleitet. det.
Bei Urostomien ist ein Urostomiebeutel mit inte-
grierter Rücklaufsperre obligat.
Ein „Überlauf-Stoma“ nach Bishop Koop dient der
Entlastung des Magen-Darm-Trakts. Mögliche Indi- VORSICHT
kationen sind: Früh- bzw. Neugeborene mit Kolostomien setzen meist
• Gastroschisis dünnen Stuhl (Muttermilchstuhl) ab.
• Omphalozele
• Mekoniumpropf-Syndrom Transparente und hautfarbene Beutel
Eine permanente Stomaanlage kann eine kurative
Maßnahme bei neurogenen Blasen- und/oder Für den Klinikalltag haben sich transparente Ver-
Darmentleerungsstörungen sein, als Folge von sorgungssysteme bewährt, da sie die Beobachtung
• Spina bifida der Stomaschleimhaut und der Ausscheidung er-
• Multipler Sklerose leichtern. Zu Hause entscheiden die Eltern bzw. der
• Wirbelsäulentrauma Patient darüber ob die Versorgung transparent oder
Eine palliative (lindernde) Stomaanlage kann eine hautfarben (blickdicht) sein soll.
Maßnahme bei raumfordernden onkologischen Er-
krankung sein.
Ein- oder zweiteilige Systeme

Permanente Stomaanlagen erfolgen i. d. R. endständig. Ein einteiliges System besteht aus einem „Beutel“
mit integriertem Hautschutz. Ein zweiteiliges Sys-
tem hat einen separater Hautschutz (Basisplatte)
und einen „Beutel“.
Auswahl der Versorgung Ob ein ein- oder zweiteiliges System erforderlich
11 ist, entscheidet neben dem Hautzustand, Größe, Ent-
Ausstreif- und geschlossene Beutel wicklung und Bewegungsdrang des Kindes. Dreht
sich ein Säugling in Bauchlage, ist ein einteiliges Sys-
Die Art der Darmstomaanlage (Ileo-, Kolostoma), tem zu bevorzugen da es flexibler und anschmiegsa-
v. a. aber die Konsistenz der Ausscheidung entschei- mer ist. Um eine gesunde, körperliche Entwicklung
11.8  Stomapflege 197

des Kindes zu gewährleisten, sollte seine Bewegung ausscheidungsfreien/-armen Zeit für Ruhe und Ge-
möglichst wenig eingeschränkt werden. Muss der lassenheit während des Versorgungswechsels und
Zugang zum Stoma jederzeit möglich sein (z. B. um sind somit entscheidend für eine optimal angebrach-
den Darm zu spülen oder mit Stuhl zu befüllen, bei te und gut haftende Versorgung.
vorliegendem Prolaps) empfiehlt sich ein zweiteili-
ges System. Nicht zuletzt spielen Komplikationen
Material
bzw. Besonderheiten, z. B. nahe gelegene Drainagen,
Narben, Unebenheiten der Bauchdecke eine ent- • ca. 5 weiche, saugfähige Vlieskompressen (da-
scheidende Rolle bei der Auswahl der korrekten von 3 mit angewärmtem NaCl 0,9 % oder Aqua
Versorgung. angefeuchtet); im häuslichen Bereich genügt die
Verwendung von Leitungswasser in Trinkwasser-
Tragedauer qualität
Einteilige Systeme haben eine Tragedauer von ein,
höchstens zwei Tagen. Die Basisplatte eines zweitei- VORSICHT
ligen Systems haftet ca. 3–4 Tage. Der Beutel wird Feuchttücher eignen sich nicht, denn sie enthalten meist
aus hygienischen Gründen täglich erneuert. Aktiv- rückfettende Substanzen und schränken die Haftung der
kohlefilter sind spätestens nach dieser Zeit erschöpft Basisplatte ein. Auch Taschentücher, Toilettenpapier
oder Zellstoff sind ungeeignet da sie fusseln und somit
und somit wirkungslos. eine sichere Haftung des Hautschutzes verhindern.

Die Zusammensetzung des Hautschutzmaterials be-


stimmt die maximale Tragedauer eines Systems. Wenn • unsterile Handschuhe
Pflegekräfte eine Basisplatte täglich wechseln, für die ei- • Messkarte oder individuelle Schablone (siehe An-
gentlich eine Tragedauer von 3–4 Tagen vorgesehen ist, fertigen einer Schablone)
verursachen sie nicht nur unnötige Kosten, sondern kön- • Schere, wasserfester Stift/Kugelschreiber
nen parastomale Hautirritationen hervorrufen, da die In- • Abwurf (z. B. Nierenschale); beim Versorgungs-
haltsstoffe der Basisplatte eine stärkere Adhäsion im
Vergleich zu einem einteiligen System aufweisen.
wechsel im Stehen kann in Slip geklemmte Müll-
Wird andererseits ein einteiliges System zu lange belas- tüte als Abwurf dienen
sen, erschöpft sich der Hautschutz und die Haut kommt • frisches Versorgungssystem
in Kontakt mit der Ausscheidung. Das kann insbesondere • ggf. Hilfsmittel, z. B. Hautschutzring
bei aggressivem Stuhl in kürzester Zeit zu schmerzenden,
nässenden Hautirritationen führen. Wichtig ist zu wissen,
dass sich der Hautschutz von innen nach außen auflöst. Durchführung
Bei zu langer Tragedauer kann die Versorgung zwar noch
dicht sein, der Hautschutz direkt um das Stoma sich aber VORSICHT
bereits aufgelöst haben. Ist der Hautschutz nicht mehr • Versorgung stets von oben nach unten vorsichtig lösen
gegeben oder eine Versorgung undicht muss sie sofort • Pflasterlöser nur bei Bedarf und nicht auf wunder Haut
gewechselt werden. verwenden (Allergiegefahr)

Ein Blick auf die Rückseite der Versorgung gibt Auf-


schluss über die Dichtigkeit.
Versorgungswechsel • Sorgfältige Reinigung der parastomalen Haut und
Schleimhaut
Physiologischerweise setzt die Urinausscheidung di-
rekt mit der Zufuhr von Flüssigkeit ein. Der gastro- Darmstomata kreisrund von außen nach innen, Urosto-
cholische Reflex löst die Stuhlausscheidung ca. 30 mata von innen nach außen reinigen.
11
Min. nach der Nahrungsaufnahme aus. Eine warme
Umgebungstemperatur, die gute Vorbereitung aller
benötigten Pflegematerialien, ein Trösterchen wie • Abtrocknen der Haut durch leichtes Abtupfen
Schnulli oder Schnuffeltuch sorgen neben einer mit Vlieskompressen
198 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Tab. 11.13  Beurteilung undichter Basisplatten. In den ersten 4–6 Wochen nach Stomaanlage
Problem mögliche Ursachen verringert sich der Stomadurchmesser um bis zu
Hautschutz kom- • max. Tragedauer erreicht 40 %.
plett aufgebraucht • Ausscheidung sehr flüssig Zudem verändert das Wachstum des Kindes die
• übermäßiges Schwitzen des Größe des Stomas. Sie muss daher regelmäßig kon-
Kindes? trolliert und die Versorgung entsprechend ange-
• unzureichende Abdichtung passt werden.
Unterwanderung an • störende
Hautfalte, Narbe Den Originalpackungen der Stomahilfsmittel lie-
einzelnen Stellen oder Drainage gen Lochkarten bzw. Papierschablonen zur Ermitt-
lung des korrekten Stomadurchmessers bei.
• Versorgung passgenau und faltenfrei von unten Bei den Herstellern können Pflegekräfte Plastik-
nach oben anbringen (adhäsive Wirkung der Ba- schablonen oder Messschieber anfordern. Ist das
sisplatte verstärkt sich durch Wärme, deshalb Stoma nicht gleichmäßig rund, empfiehlt es sich,
nicht zu kühl lagern und vorher anwärmen) eine individuelle Schablone anzufertigen.
Pflegekräfte bringen den Beutel so an, dass das Ab-
laufen des Stuhlgangs jederzeit gewährleistet ist. Bei Material
vorwiegend liegenden Kindern seitlich (nicht zu • stabile Folie, z. B. Klarsichthülle, Folienverpa-
steil auf ca. 5–7 Uhr) bzw. bei mobilen Kindern ckung von Sterilgut oder Kompressen
nach unten. Stomabeutel dürfen nicht geknickt un- • wasserfester Stift, Schere (am besten leicht abge-
ter der Kleidung liegen. Ausstreifbeutel sind zu ver- rundet)
schließen. Windel locker über der Versorgung oder • Markierung der Folie mit „oben“, „12 Uhr“ oder
darunter schließen, Reiben der Versorgung vermei- „Kopf “
den. Ein Body kann die Versorgung zusätzlich fixie-
ren. Durchführung
• Folie entsprechend auf das Stoma auflegen oder
vorhalten
Dokumentation
• Umrisse des Stomas mit wasserfesten Stift nach-
In der Patientendokumentation notieren Pflegekräf- zeichnen
te den Zustand der Schleimhaut, der parastomalen • Schablone ausschneiden. Schablonen aus Plas-
Haut und die Ausscheidung. Zur Beurteilung peri­ tik sind sehr scharfkantig. Um Verletzungen
stomaler Hautläsionen eignet sich die S. A. C. S.®- der Schleimhaut auszuschließen dürfen sie zur
Methode. [OnlineTutorial; 1] Größenkontrolle allenfalls vor das Stoma gehal-
Die Dokumentation der genauen Stomalokalisati- ten, niemals aber über das Stoma gezogen wer-
on, des aktuellen Stomadurchmessers, verwendeter den.
Hilfsmittel und Zubehörs sowie Hinweise auf evtl. • Beutel bzw. Platte mit Schablone darunter pas-
Besonderheiten bei der Pflege oder im Umgang mit send festhalten und umdrehen
dem Kind und den Angehörigen erleichtert den • Ausschnitt übertragen und anschließend aus-
nachfolgenden Pflegenden die Arbeit. schneiden. Um Verletzungen der Schleimhaut zu
vermeiden, sollten Pflegekräfte die Schnittkanten
mit dem Finger etwas glätten
Anfertigen einer Schablone
Die Versorgung soll das Stoma dicht verschließen, Bei einem einteiligen System ist es wichtig, den Beutel so
um Hautirritationen zu vermeiden. Sie darf nicht auf die Schablone zu legen, wie er später am Kind sitzen
11 einengen, damit eine gute Durchblutung gewährleis- soll (leicht schräg, Ablauf tief). Die Schablone ist zusätz-
tet ist und Abschnürungen verhindert werden. Bei lich mit Handzeichen und dem Datum der Anfertigung zu
einer optimal angepassten Versorgung ist keine freie beschriften.
Haut um das Stoma zu sehen.
11.8  Stomapflege 199

Hilfsmittel

Tab. 11.14  Mögliche Bestandteile einer Stomaversorgung.


Produkt Verwendung Hinweise
Hautschutzringe, -streifen • Abdichtung • alkoholfrei
• Ausgleichung von Unebenheiten • feuchtigkeitsbindend
• zuschneid- oder modellierbar

Hautschutzpaste • Abdichtung • Pasten,die Alkohol enthalten, sind für


(mit und ohne Alkohl) • Ausgleichen von Unebenheiten Kinder nicht geeignet (alkoholfrei ist
­Eakin® Paste)
Hautschutzfilm (Lolly, Spray, • Schutzbarriere
gegen Flüssigkeit, • bilden Hautschutzbarriere für 72 Stunden!
Tücher) Haftstoffe, Exsudat • teilweise alkoholhaltig (alkoholfrei sind Si-
z. B. Silesse®, Cavilon® lesse®, Cavilon®)
• Silesse®
entfernt auch Rückstände des
Hautschutzmaterials schonend
Pflasterlöser • schmerzfreies Ablösen der Versor- • gründlich abwaschen, um Haftung nicht
z. B. Niltac®, Dermasol® gung einzuschränken
• kann brennendes Gefühl auf der Haut er-
zeugen
Adhäsivpulver • absorbiert Feuchtigkeit nässender Lä- • Mittel der Wahl bei nässenden Defekten
z. B. Stomahesive®, Adapt® sionen • Überschuss entfernen

Kapseln zum Eindicken des • zum Eindicken des Stuhlgangs • meist keine Erstattung durch Krankenkas-
Stuhlgangs sen
z. B. Diamonds®, SGX®

Komplikationen
• Stomafistel. Kommt v. a. bei chronischen ent-
Häufige Komplikationen eines Stomas und die ent- zündlichen Darmerkrankungen vor, z. B. Morbus
sprechenden Maßnahmen werden in › Tab. 11.15 Crohn.
aufgezeigt. • Stomablockade. Die Verstopfung tritt überwie-
Weitere mögliche Komplikationen sind: gend bei Ileostomieträgern auf, die zu viel faser-
• Stomanekrose. Tritt vor allem postoperativ auf- haltige Lebensmittel verzehren und unzurei-
grund zu großzügiger Freipräparierung (Mobili- chend kauen.
sation) des Darmes auf. Auch wenn das Stoma • Parastomaler Abszess. Aufgrund einer intraope-
unter zu großer Spannung eingenäht wurde, rativ erfolgten Infektion oder durch mangelnde
kann eine Schleimhautnekrose entstehen. Zu er- Stomahygiene verursacht.
kennen an der dunklen Verfärbung der Schleim- • Pseudoepitheliale Hyperplasie. Aufgequollene,
haut. Kann Teile oder ganzes Stoma betreffen. hypergranulierende, warzenförmige parastomale
Sofortige Arztinformation!!! Haut als Spätkomplikation bei häufig undichter
• Stomablutung. Leichtere Stomablutungen sind Versorgung.
als physiologisch zu betrachten. Als Komplika­ • Urinkristallbildung. Nur bei Urostomien. Bei
tion treten sie meist im Zusammenhang mit Ge- häufig undichter Versorgung können sich
rinnungsstörungen oder bei palliativ versorgten scharfkantige Urinkristalle auf der Haut bil-
Patienten auf. Blutung kann meist durch Auf­ den.
drücken von kühlen, feuchten Kompressen ge- • Stomahernie. Der Bauchdeckenbruch entsteht 11
stoppt werden! durch Bindegewebsschwäche, deutliche Ge-
• Stomastenose. Entsteht durch eine zu eng ange- wichtszunahme oder zu schweres Heben.
legte Öffnung oder durch narbiges Abheilen para­
stomaler Hautirritationen.
200 11  Pflege vor, während und nach medizinischen Interventionen

Tab. 11.15  Stomakomplikationen und entsprechende Maßnahmen.


Komplikation Symptome/ Therapie/Maßnahmen Mögliche pflegerische Ursa-
und Ursache Aussehen che
toxisches Kon- Erythem • passgenaue, dichte Versorgung • Istder Versorgungsausschnitt
taktekzem (Rötung) • nässende Hautstellen mit Hautschutzpuder passend?
(undichte Versor- • evtl. näs- trocknen (überschüssiges Puder entfernen) • Ablaufen des Stuhlgangs ge-
gung aufgrund ag- send • regelmäßiger Versorgungswechsel währleistet?
gressiver Ausschei- • meist scharf- • ggf. zusätzliche Abdichtung mit alkoholfreier • Sitzt der Beutel leicht schräg?
dung, z. B. bei Ileo­ kantig, auf Hautschutzpaste oder -ring • Sitzt die Windel zu straff?
stomie) undichte • Wurde die Versorgung regel-
Stelle be- mäßig gewechselt
grenzt • Schwitzt das Kind übermäßig?
• Schmerzen • Kommt die parastomale Haut
mit rückfettenden Pflegepro-
dukten in Kontakt, z. B.
Feuchttüchern, Badezusatz,
Haarshampoo?
mechanisch be- • länger an- • sanftes Ablösen der Versorgung von oben • Warum wird die Versorgung
dingte Hautirri- haltende nach unten so häufig gewechselt?
tation Rötung • bei intakter Haut Verwendung von Pflasterlö- • Haftet eine zweiteilige Versor-
(zu häufiger Ver- • evtl. näs- sern gung weniger lang als 3–4
sorgungswechsel; sende, offe- • Hautschutz mit Hautschutzfilm Tage, ist zu überlegen, auf ein
übermäßige, un- ne Hautde- • nässende Hautstellen mit Hautschutzpuder einteiliges System umzustei-
sanfte Reinigungs- fekte trocknen gen (hautschonend)
maßnahmen) • Wechselintervall überprüfen

Stomaprolaps • Stomadau- • auf Schleimhautdurchblutung (Farbe) achten


(unzureichende Fi- erhaft mehr • bei Minderperfusion der Schleimhaut: soforti-
xierung des Dar- als 5 cm ge Information des Kinderchirurgen
mes; zu große Fas- über Haut- • Ausscheidung beobachten
zienlücke; erhöhter niveau • konservativ (durch den Arzt)
abdomineller – Reposition des Darmes (vorher Kind beruhi-
Druck, z. B. durch gen, Bauchdecke entlasten)
Schreien und Wei- • operativ
nen des Kindes, – bei Inkarzerationsgefahr
Husten, Tumor) – bei verminderter Schleimhautdurchblutung
– ungünstiger Versorgungsmöglichkeit
Retraktion • Stoma unter • sehr flexible, anschmiegsame Versorgung (Ein-
(Darm auf Zug, Hautniveau, teiler)
z. B. nach Durch- trichterför- • ggf. sternförmig einschneiden (zusätzlich mit
zugs-OP bei Anala- mige Einzie- alkohlfreier Paste abdichten)
tresie; fehlender hung • konvexe Versorgung
Halt bei weicher • Herstellung einer Konvexität mittels Ring (Adapt)
Bauchdecke) • ggf. operative Korrektur

Ödem • nassglän- • postoperatives Stomaödem bildet sich nach • Stomaversorgung zu eng aus-
(postoperativ „nor- zende, ge- ca. 4–8 Tagen zurück geschnitten?
mal“; venöse Rück- spannte • Versorgung passgenau (nicht zu eng) anlegen
fluss-/Zirkulations- Schleim- • regelmäßige Anpassung des Stomaausschnitts
11 störung bei zu en- haut, gla- notwendig
ger Faszienlücke; sig, blasen- • ggf. mit feuchten Kompressen kühlen (Ver-
abdominale Druck- förmig, prall dunstungskälte)
erhöhung bei Peri-
tonitis oder Karzino-
sen; Eiweißmangel)
11.8  Stomapflege 201

Tab. 11.15  Stomakomplikationen und entsprechende Maßnahmen. (Forts.)


Komplikation Symptome/ Therapie/Maßnahmen Mögliche pflegerische Ursa-
und Ursache Aussehen che
Mykose • sattelitenar- • tgl. Versorgungswechsel • WurdenWaschlappen zur
(meist Befall mit tig verstreu- • bei zweiteiliger Versorgung für Dauer von ca. Reinigung verwendet?
Candida albicans; te weiße 4 Wochen auf einteiliges System umsteigen
häufig durch Feuch- Stippchen, • trockene, dichte Versorgung
tigkeit, z. B. im In- juckend, • hygienisches Vorgehen
kubator; im Som- z. T. nässend • Antimykotika mind. 1× tgl. lokal und ggf. sys-
mer durchs Schwit- • unregelmä- temisch (oral) (unbedingt 2 getrennte Fläsch-
zen; Immunschwä- ßig be- chen verwenden)
che; unsachgemäße grenzte, • keine Creme sondern wässrige Lösung nach
Reinigung, z. B. mit schuppende Packungsbeilage verwenden
Waschlappen) Ränder

LITERATUR UND LITERATURTIPPS Die Hersteller haben häufig sehr informative Internetauftrit-
1. S. A. C. S.®-Tutorial: www.convatec.de/de/cvtde-sacsins- te und eine kostenlose, telefonische Beratungshotline für
tru/cvt-portallev1/0/detail/0/3659/9540/sacstrade.html Pflegepersonal. Beispiele:
(Letzter Zugriff am 1.3.2012). www. coloplast.de
2. Esch, M.: Stomatherapie. Beratung – Anleitung – Pflege. www.convatec.de
Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 2005. www.dansac.de
3. Stoll-Salzer, E.; Wiesinger G.: Stomatherapie. Grundlagen www.eakin.de
und Praxis. Thieme Verlag, Stuttgart, 2004. www.hollister.com
4. Boelker, T.; Webelhuth, W.: durch dick und dünn. Das www.stomacare.bbraun.de
Buch für Stomapflege und Harnableitung. Schmücker
Verlag, Menden, 2003.

11
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KAPITEL

12 Tobias Hieckmann

Beatmung
12.1  Endotracheale Intubation 12.1.1  Intubationsmaterial

DEFINITION Tubusgröße und -einführtiefe


Intubation: Einbringen eines Tubus über Nase oder Die Tubusgröße ist abhängig von Alter und Größe
Mund in die Trachea, d. h. nasotracheal bzw. orotracheal. des Kindes. Die Größenangabe erfolgt nach dem In-
nendurchmesser (I. D.) in mm. Je kleiner der Innen-
durchmesser ist, desto größer ist der Atemwegswi-
Indikationen
derstand.
• R eanimation
• G lasgow Coma Scale ≤7 Als Anhaltspunkt für die Tubusgröße bei Kindern ab zwei
• A temwegsobstruktion durch Epiglottitis, Granu- Jahren kann folgende Formel verwendet werden:
lome, Zysten
• S tatus asthmaticus Innendurchmesser in mm = (16 + Alter in Jahren) ÷ 4
• B eatmung bei Operationen Bei Kindern unter zwei Jahren gilt der Durchmesser des
• A teminsuffizienz, z. B. bei Pneumonie, ARDS Kleinfingers des Kindes als Anhaltspunkt für die Tubusgröße.
• S chutz vor Aspiration bei Magenspülung
• n eurologische Störungen, z. B. SHT, Status epi-
lepticus, Hirnödem im Initialstadium Endotrachealtuben
• E ntlastung bei Herzinsuffizienz, Herz-Kreislauf- Der Außendurchmesser ist von der Dicke des Tu-
Versagen busmaterials abhängig und stets in Charrière (Ch)
• S ekretentfernung, z. B. Mukoviszidose, Atelekta- angegeben (1 Ch. = 1⁄3 mm).
sen

Abb. 12.1  Materialien zur Intu-


bation. Zusätzlich zu den abgebil-
deten Materialien werden immer
auch Anästhetika und Notfallme-
dikamente sowie eine funktions-
fähige Absauganlage mit ver-
schieden dicken Absaugkathetern
bereitgestellt. [M251]
204 12  Beatmung

Tab. 12.1  Orale und nasale Intubation im Vergleich. oralen Tuben ist ab der Zahnreihe und bei nasalen
Vorteile Nachteile Tuben ab dem Nasenloch zu messen. Die Tubusspit-
orale In- • schnelle
Intubation, • schlechte Tole- ze liegt 2 cm unterhalb des Kehldeckels in Höhe der
tubation z. B. in Notfallsituatio- ranz des Tubus ACHTUNG:
medialen EndenSanserife
der ClaviculaDisplay Formeln sind 0,5 b
(Tracheamitte).
nen oder für Kurznar- • schwierige FBk 1,0 Sp.
kosen Mundpflege 68 mm
Berechnung der Einführtiefe bei oraler Intubation:
• bei SHT und Mittelge-
Display Formeln sanserif 2.–14. Lebensjahr, oral in cm ab Zahnleiste =
sichtsverletzungen ist
nur die orale Intuba­ Alter
hmen muss ein Vielfaches von 10,5 pt hoch sein. + 12
tion erlaubt 2
unten sollten im Idealfall 5,25 pt Weißraum sein,
mal 10,5 pt.nasale In- • sichere Fixierung
werden vertikalschwierigere
• 
Display-Formeln und Bei nasalen Tuben rechnet der Intubierende 20 % hinzu.
tubation • leichtere Durchfüh- Technik, oft nur
horizontal
rung der Mundpflegezentriert.
kleinlumiger
• bessereToleranz des Tubus möglich
Tubus, daher für • Risiko einer Si- Cuff
Langzeitintubierte ge- nusitis (ältere Tuben mit Cuff setzt der Arzt üblicherweise erst bei
eignet Kinder) erhöht Kindern ab 8 Jahren ein. Für besondere Indikatio-
• Druckläsionen
nen stehen auch blockbare Tuben ab einem Innen-
an der Nasen-
schleimhaut
durchmesser von 3,5 mm zur Verfügung.
• Förderung no- Eine regelmäßige Kontrolle des Cuffdrucks ist
sokominaler In- notwendig. Sollte der Cuffdruck über einen länge-
fektionen ren  Zeitraum höher als der Kapillardruck (etwa
25  mmHg) liegen, kann er Perfusionsstörungen in
Die Einführtiefe des Tubus ist vom Alter und der der Trachealschleimhaut verursachen. Bei Cuffdrü-
Größe des Kindes abhängig. Die Einführtiefe bei cken unter 25 mmHg ist noch eine ausreichende

Tab. 12.2  Eigenschaften verschiedener Endotrachealtuben.


Tubus Anwendung Beschreibung Besonderheit
Trachealtuben
Oxford-Non- • orotracheale Intubation • rechtwinklig gebogen • hoher Cuffdruck erforderlich
Kinking-Tu- • Einsatz bei Routinenarkosen • steifes Material, Abknicken nicht
bus möglich
Woodbridge- • orotracheale Intubation • latexbeschichtete Metallspirale • Verletzungsgefahrbei naso-
Tubus • Einsatz im HNO-Bereichund • Abknicken oder Kompression trachealer Intubation
bei Operationen mit speziellen nicht möglich
Lagerungen • Blockmanschette

Magill-Tubus • naso-oder orotracheale Intu- • 45° angeschrägte Spitze bei ora- • mit
oder ohne Blockman-
bation lem Tubus schette
• nasaler Tubus; an der Spitze flö-
tenschnabelartig geformt
• dünnwandiger Weichgummi oder
Kunststoff
Bronchialtuben
Carlens-Tu- • Intubation des linken Haupt- • Weichgummi • zwei
Blockmanschetten zur
bus bronchus Blockung in Trachea und
• Einsatz in der Thoraxchirurgie linkem Hauptbronchus
White-Tubus • Intubation des rechten Haupt- • Weichgummi • zwei
Blockmanschetten zur
bronchus Blockung in Trachea und
12 • Einsatz in der Thoraxchirurgie rechtem Hauptbronchus
12.1  Endotracheale Intubation 205

Perfu­sion vorhanden. Um eine ausreichende Perfu- hältnisse bei der Intubation verbessert. Unmittelbar
sion der Schleimhaut zu gewährleisten, entblocken vor der Intubation konnektieren Pflegende Hand-
Pflegende den Cuff mind. einmal pro Schicht für ei- griff und Spatel. Zwischen zwei Intubationsversu-
nige Zeit. Zuvor saugen sie das Sekret ab, das sich chen achten sie darauf, dass der Spatel eingeklappt
vor dem Cuff angesammelt hat. ist, die Lichtquelle somit erlischt. Sie reichen das La-
Pflegende überprüfen den Cuffdruck mind. ein- ryngoskop so an, dass der Spatel zum Kind zeigt.
bis zweimal pro Schicht mit einem Cuffdruck-Ma-
nometer, z. B. Cuffwächter®. Steht dieser nicht zur Spatel
Verfügung, erfolgt die Kontrolle der Blockung aus- Gerade Spatel
kultatorisch oder durch die Gegenüberstellung von Bei der Benutzung eines geraden Spatels, z. B. Fo-
inspiratorischem und exspiratorischem Tidalvolu- regger, Guedel oder Miller, führt der Intubierende
men. die Spatelspitze hinter die Epiglottis (bei NG und
KK, da Kehlkopf und Kehldeckel höher liegen) und
VORSICHT zieht das Laryngoskop nach vorn in Griffrichtung.
Ein zu hoher Innendruck des Cuffs verursacht eine Min- Hierbei besteht die Gefahr der Epiglottisverletzung.
derdurchblutung der Schleimhaut und kann Trachealste- Gebogene Spatel
nosen zur Folge haben. Der gebogene Spatel, z. B. Macintosh, ist der
Zungenform angepasst. Der Intubierende platziert
High volume-low pressure Cuff ihn vor dem Kehldeckel. Bei Zug nach schräg oben
Der High volume-low pressure Cuff (Großvolu- (ventral/kranial) stellt sich der Kehldeckel auf. Die
men-Niederdruck-Ballon) verfügt über eine vergrö- Gefahr der Zahnverletzung ist hoch. Die seitliche
ßerte Auflagefläche, wodurch er sich mit weniger Schienung des Spatels schiebt die Zunge nach links
Druck an die Wand der Trachea anlegt. Zwischen und ermöglicht eine bessere Sicht. Ein leichter
Cuff und dem außerhalb liegenden Ausgleichs-Bal- Druck von außen auf den Kehldeckel unterstützt
lon besteht eine Verbindung. Falls eine Lageverän- dessen Aufrichtung.
derung des Kopfes das Lumen der Trachea einengt, Für extrem kleine Frühgeborene ist der Saling­
gibt der Cuff Luft in den äußeren Ballon ab und sein spatel geeignet. Er ist mit einer Schraubarretierung
Anlagedruck bleibt kontinuierlich unter 25 mmHg. an einem speziellen Handgriff zu befestigen. Im
Der äußere Ballon besteht aus einer Innen- und ei- Handgriff befindet sich eine Lichtquelle.
ner Außenhülle. Die Größe des Außenballons ändert
sich beim Befüllen mit Luft nicht. Die Haut des inne- Intubationszange
ren Ballons sollte nach der Befüllung noch etwa 1 cm Die Intubationszange ist eine Hilfe zum Vorschie-
vom Außenballon entfernt sein, um den Austausch ben des Tubus durch den Kehlkopf in die Trachea.
von Luft zu ermöglichen. Es sind auch Trachealtu- Die Form der Zange, z. B. Magillzange, ist der Anato-
ben erhältlich, die den Manschettendruck automa- mie des Nasenrachenraums angepasst. Weil die ge-
tisch unter dem Kapillardruck halten, z. B. das Lanz- riffelte Zangenspitze den Cuff perforieren kann,
System®. greift der Intubierende den Tubus oberhalb des
Cuffs. Die abgerundeten Spitzen der Zangenbran-
Laryngoskop chen schützen vor Verletzungen.
Das Laryngoskop besteht aus einem Handgriff und Bei extrem kleinen Frühgeborenen kann der Intu-
einem Spatel. Der Handgriff ist mit einer Warm- bierende auch eine Kniepinzette als Intubationszan-
oder Kaltlichtquelle ausgestattet, die die Sichtver- ge verwenden.

Tab. 12.3  Größeneinteilung der geraden Laryngoskopspatel und ihre Anwendung.


00 0 1 2 3 4
extrem kleine Früh- Frühgeborene Neugeborene und Kleinkinder Kinder Erwachsene große Erwachsene
geborene 12
206 12  Beatmung

Tab. 12.4  Größeneinteilung der gebogenen Laryngos-


Gebogener kopspatel und ihre Anwendung.
Spatel,
Spitze liegt 1 2 3 4
vor Epiglottis
Neugeborene und Kinder Erwachsene große Er-
Kleinkinder wachsene

dicht. Bei Masken mit Maskenwulst ist für den luft-


Epiglottis dichten Abschluss ein geringer Auflagedruck ausrei-
chend.

Beatmungsbeutel
Beatmungsbeutel finden für die künstliche Beat-
mung von Kindern aller Altersstufen Verwendung.
Ihre Größe richtet sich nach dem Gewicht des Pati-
enten. Der Beutel sollte mit einem Druckbegren-
Abb. 12.2  Intubation und Blick auf aufgeladenen Kehldeckel.
[L157, L190] zungsventil oder einem Druckmanometer versehen
sein, das sich öffnet und überschüssiges Beatmungs-
Führungsstäbe gas in die Atmosphäre ausströmen lässt, sobald das
Der Intubierende fädelt den Tubus gelegentlich auf Kind durch zu hohe Inspirationsdrücke gefährdet
einen Führungsstab (Mandrin) , um ihn zu verstei- ist. Zur zusätzlichen O2-Zufuhr lässt sich ein O2-
fen und die orotracheale Intubation zu erleichtern. Schlauch an den Beatmungsbeutel anschließen. Die
Er kann den Tubus mithilfe des Führungsstabes Kombination mit einem Reservoir ermöglicht die
nach Bedarf zurechtbiegen. Bei reinen Metallfüh- Erhöhung der O2-Konzentration während der Beu-
rungsstäben besteht hohe Verletzungsgefahr, sie telbeatmung auf nahezu 100 %.
dürfen deshalb nicht aus der Tubusspitze herausra-
gen. In der Regel kommen Führungsstäbe aus gum- Pharyngealtubus
mibeschichtetem, verformbarem Metall zur Anwen- Pharyngealtuben kommen zum Einsatz, um die
dung. Pflegende geben bei der Vorbereitung der In- oberen Luftwege freizuhalten. Sie verhindern, dass
tubation Gleitmittel (z. B. Silikonspray) auf den Füh- der Zungengrund nach hinten fällt und dadurch den
rungsstab, damit er sich nach der Intubation Kehlkopf verlegt.
problemlos aus dem Tubus entfernen lässt.
Nach dem Einbringen des Führungsstabes in den Oropharyngealtubus nach Guedel
Tubus biegt der Intubierende den herausragenden • n icht bei wachen Kindern aufgrund des ständi-
hinteren Teil um und vermeidet so, dass er den Stab gen Würgereizes (Aspirationsgefahr)
während der Platzierung versehentlich über das Tu- • innen hohl (Absaugen des Nasen-Rachen-Raums
busende hinausschiebt. durch den Tubus möglich)
• T ubuslänge = Abstand zwischen Mundwinkel
VORSICHT und Ohrläppchen
Bei nasalen Intubationen ist der Führungsstab streng • Z usammenbeißen der Zähne nicht möglich
kontraindiziert. • T ubus mit Spitze in Richtung Gaumen zeigend
einführen → wenn Tubus ca. zur Hälfte in der
Beatmungsmaske Mundhöhle, mit 180°-Drehung in richtige Lage
Beatmungsmasken müssen aus weichem Material bringen
bestehen, durchsichtig (Sichtbarkeit evtl. Erbre-
chens), sowie latexfrei sein und ein geringes Tot­ Nasopharyngealtubus nach Wendl
raumvolumen haben. Der Beatmende wählt sie ent- • ü ber die Nase in den Rachen einzuführen
sprechend dem Alter und der Größe des Kindes. Die • T ubuslänge = Abstand von der Nasenwurzel bis
12 passende Maske umschließt Mund und Nase luft- zum Ohrläppchen
12.1  Endotracheale Intubation 207

• T ubusgröße = Formel endotracheale Tubusaus- Tab. 12.5  Größeneinteilung der Guedel-Tuben und
wahl ihre Anwendung.
• V orteil: Würgereiz nicht so stark wie beim Gue- 00–0 1–2 2–3 3–4 4–5
deltubus Früh- und Kinder Jugendli- Frauen Männer
• K ontraindikation: bei Rhinoliquorrhö weitere Neugeborene che
Verletzungsgefahr des Gehirns
falsch falsch richtig

12.1.2  Ablauf und Assistenz bei der


Intubation

Vorbereitung des Materials


Pflegende bereiten das Material griffbereit für die
Intubation entsprechend dem Alter des Kindes vor
und testen es auf Funktionstüchtigkeit.
Abb. 12.3  Schnüffelstellung. [L157]
Material
• L aryngoskop und Spatel
• I ntubationszange (z. B. Magillzange) Arzt kann jetzt die Sonde nasal vor bzw. in die Tra-
• B eatmungsmaske und -beutel (verbunden mit ei- chea platzieren und darüber den Tubus vorschieben.
nen O2-Wandanschluss)
• T uben (jeweils auch eine Nummer kleiner und Vorbereitung des Kindes
größer) Vor einer elektiven Intubation klärt der Arzt Kind
• S tethoskop und Eltern über die Maßnahme auf. Das Monitoring
• a ngewärmtes NaCl 0,9 % während und nach der Intubation umfasst EKG
• S pritzen (Systolenton am Monitor laut stellen), SpO2 und RR-
• H autschutzmaterial und Pflaster Messung. Bei Früh- und Neugeborenen sowie Säug-
• s terile und unsterile Handschuhe lingen kann zusätzlich eine transkutane Kombison-
• funktionstüchtige Absaugvorrichtung mit zwei de zur pO2- und pCO2-Kontrolle sinnvoll sein. Zur
Absaugkathetern, ein großer für Nasen-Rachen- Applikation der Medikamente legt der Arzt eine Ve-
Raum (NRR), ein kleinerer für den Tubus nenverweilkanüle an. Vor der elektiven Intubation
• funktionstüchtiges Beatmungsgerät bleibt das Kind je nach Alter zwischen 2–6 Std.
Medikamente (in Standarddosierungen aufziehen) nüchtern. Die Pflegenden saugen den restlichen Ma-
• S edierung: z. B. Diazepam, Midazolam oder Eto- geninhalt direkt vor der Intubation ab. Diese Maß-
midat nahme ist v. a. bei Notfallintubationen von großer
• R elaxierung: z. B. Vecuroniumbromid Bedeutung, um das Risiko einer Aspiration zu mini-
• A nalgesie: z. B. Fentanyl, Ketamin mieren. Pflegende entkleiden den Oberkörper des
• g gf. Parasympatolytikum: z. B. Atropin bei Va- Kindes. Sie lagern Säuglinge und Kleinkinder auf
gusblockade dem Rücken in Schnüffelstellung und größere Kin-
• N aCl 0,9 % zum Vor- und Nachspritzen der mit leicht überstreckten Kopf. Dabei ist es hilf-
• N otfallmedikamente reich, bei Säuglingen und Kleinkindern die Schul-
Erwartet der Arzt Schwierigkeiten bei der Intubati- tern mit kleinen Handtüchern zu unterlagern. FG
on, legen Pflegende zusätzlich einen Führungsstab und NG sind vor Auskühlung zu schützen, z. B.
oder einen Absaugkatheter bereit, um den Tubus durch eine Wärmelampe.
„auffädeln“ zu können. Beim „Auffädeln“ schiebt
der Arzt die Magensonde oder den Absaugkatheter Durchführung
(ohne Ansatzstück) durch den Tubus vor. Das unte- Pflegende saugen NRR und Magen des Kindes ab
re Ende ragt mehrere cm aus dem Tubus heraus. Der und legen anschließend einen neuen Absaugkathe-
12
208 12  Beatmung

ter bereit. Der Arzt testet, ob sich das Kind gut mit
dem Beutel beatmen lässt. Gelingt das Bebeuteln
trotz vollständiger Abdichtung der Maske nicht,
probiert er während der manuellen Beatmung vor-
sichtig verschiedene Kippstellungen des Kopfes aus.
Lässt sich das Kind mit dem Beutel gut beatmen,
werden Sedativa, Muskelrelaxanzien (außer bei Epi-
glottitis) und ggf. Analgetika appliziert. Es ist für
den Intubationsablauf hilfreich, wenn Pflegende
dem Arzt zur Orientierung die Überwachungspara-
meter regelmäßig ansagen oder durch einen laut ge-
Abb. 12.4  Esmarch-Handgriff. [L190]
stellten Sättigungspulston akustisch übermitteln.

VORSICHT Komplikationen
Bei Frühgeborenen wegen des Retinopathierisikos Hyper- • I ntubation nicht möglich
oxien vermeiden. • e inseitige Intubation, Intubation des Ösophagus
• A spiration von Mageninhalt
Mithilfe der Maskenbeatmung wird das Kind prä- • V erletzung der Zähne oder Zahnleisten
oxygeniert. Pflegende stellen den O2-Fluss am Flow- • B lutung und Ödembildung
meter auf etwa 10–15 l/Min. ein. Die Intubation er- • I nfektionen
folgt durch den Arzt. Die Pflegekraft assistiert, in- • K reislaufreaktionen: Bradykardie, Herzstillstand
dem sie Tubus, Laryngoskop und Intubationszange • T ubusobstruktion, z. B. durch Schleim, Abkni-
anreicht. ckung oder Cuffhernie
Das Vorschieben des Tubus mit evtl. Drehung • V erletzung der Trachealschleimhaut (kann zu
oder ein leichter Druck auf den Kehlkopf (Cricoid- Langzeitschäden, z. B. Trachealstenosen, führen)
druck) durch die Pflegekraft nach Anordnung des • P neumothorax
Arztes kann die Intubation erleichtern. • L aryngospasmus
Unter Beutelbeatmung erfolgt die Überprüfung • V erletzung der Epiglottis
der Tubuslage vor dem Fixieren des Tubus. Der Arzt
schließt durch Auskultation der Lunge und des Ma-
gens sowie durch Beobachtung von SpO2, HF, Haut- 12.1.3  Pflege des beatmeten Kindes
kolorit und Thoraxexkursionen eine einseitige oder
versehentlich ösophageale Intubation aus. Die maschinelle Beatmung nimmt dem Kind weitge-
Liegt der Tubus korrekt, bringt die Pflegekraft hend die Möglichkeit der selbstbestimmten At-
Pflaster zur Fixierung an und konnektiert das Kind mung. Es erfährt, dass dieser Vorgang von anderen
an das Beatmungsgerät. Im Anschluss saugt die Pfle- Menschen kontrolliert und gesteuert ist. Zusätzlich
gekraft das Kind endotracheal ab. bemerkt das Kind den Verlust der Sprache und da-
Zur Dekompression des Magens wird eine Ma- mit der Fähigkeit, seine Wünsche und Bedürfnisse
gensonde angelegt, die bei Luftansammlung im Ma- unmittelbar zu äußern.
gen hoch und bei vermehrtem Magensekret tief und Diese Situation erzeugt Angst und ein starkes Ab-
offen hängt. Zur endgültigen Kontrolle und der Do- hängigkeitsgefühl. Das Kind empfindet den Tubus
kumentation der Tubuslage ordnet der Arzt ein Tho- als störenden Fremdkörper, der die Trachea bei je-
rax-Röntgen an. Um eine eindeutige Beurteilung zu der Bewegung reizt und zu vermehrtem Hustenreiz
ermöglichen, liegt das Kind während des Röntgens führt. Manipulationen am Tubus oder dem Beat-
in Kopfmittellage. Unmittelbar nach der Intubation mungsgerät lösen Erstickungsängste aus.
und ca. weitere 30 Min. später wird eine Blutgasana- Hinzu kommt die Kreislaufbelastung aufgrund
lyse durchgeführt. des verminderten venösen Rückstroms zum Herzen.
12
12.1  Endotracheale Intubation 209

Die Pflegenden erleichtern dem Kind durch gute • b ei hohen Beatmungsdrücken (≥30 mbar) in
Beobachtung sowie eine, auf dessen Befinden abge- Kombination mit einer vorgeschädigten Lunge
stimmte, einfühlsame und patientenorientierte Pfle- (z. B. bei Zwerchfellhernie, ARDS)
ge die Zeit der Beatmung.
• a lle Maßnahmen altersgemäß ankündigen und Tubuspflege
anbahnen
• N otwendigkeit des Absaugens genau prüfen Zu Beginn und am Ende der Versorgungsrunde
• I ntegration der Basalen Stimulation® (› 8.1) in überprüfen Pflegende die Tubusmarke und -größe
die tägliche Pflege und dokumentieren den Befund. Bei oral liegenden
• G ewohnheiten des Kindes berücksichtigen und Tuben gilt die Markierung in cm ab der Zahnreihe,
nach Möglichkeit den Tagesablauf danach ein- bei nasaler Intubation ab der Außenkante des Na-
richten senflügels. Pflegende achten auf die sichere Fixie-
• U mgebung gestalten (› 3.3.1) rung des Tubus. Gegebenenfalls verabreichen sie
• K ommunikationsmöglichkeiten anbieten, z. B. dem Kind zur Fixierung einen Bolus des angeordne-
geschlossene Fragen formulieren, sodass das ten Sedativums.
Kind mit Kopfschütteln oder -nicken antworten Pflegende platzieren die Beatmungsschläuche so,
kann, Kommunikationstafeln verwenden, größe- dass sie weder Zug noch Druck auf den Tubus und
re Kinder ihre Wünsche aufschreiben lassen. damit auf die Nase ausüben. Sie befestigen die Beat-
mungsschläuche keinesfalls an beweglichen Teilen
des Bettes. Außerdem achten sie darauf, den Schläu-
Monitoring
chen genug Spiel zu lassen, um eine Extubation bei
Pflegende überwachen bei beatmeten Kindern kon- abrupten Kopfbewegungen des Kindes zu vermei-
tinuierlich EKG, SpO2, ETCO2, bei FG und NG tcp- den. Bei der Fixierung der Beatmungsschläuche ist
CO2 und tcpO2 sowie in regelmäßigen Abständen es auch notwendig, ein Gefälle der Schläuche vom
den Blutdruck. Kind zur Wasserfalle anzulegen (günstigerweise Be-
Die Dokumentation und Kontrolle der Beat- atmungsschläuche mit Schlauchheizung verwen-
mungsparameter sowie ein Vergleich der eingestell- den), um Aspirationen durch evtl. im Beatmungs-
ten Werte mit den Messwerten (z. B. BGA) erfolgt schlauch vorhandenes Kondenswasser zu vermei-
alle 3–4 Std. Zur Beurteilung der Ventilation führen den.
Pflegende alle 3–4 Std. eine Auskultation durch Schließt der Tubus die Trachea nicht luftdicht ab
(› 6.2.4). und strömt Luft während der Inspiration nach au-
Beim relaxierten Kind achten Pflegende auf eine ßen, sprechen Pflegende von einem Tubusleck. Es ist
angemessene Sedierung. Das Kind erlebt andernfalls hörbar oder auskultatorisch mit dem Stethoskop zu
alle an ihm durchgeführten Handlungen bewusst erkennen. Zur kurzfristigen Überbrückung können
und hört Gespräche in seiner Nähe, ohne sich mit- Pflegende in diesem Fall den Rachenraum austam-
teilen zu können. ponieren bzw. bei geblockten Tuben den Cuffdruck
Ein Indikator für eine ausreichende Sedierung im vertretbaren Rahmen (›  12.1.1) erhöhen. Ist
sind u. a. die Pupillengröße, HF und RR. das Tubusleck so groß, dass der Patient keine ausrei-
Weil die Tiefe der Sedierung, sowie die Wahrneh- chende Menge Atemluft erhält, ist eine Umintuba­
mungsfähigkeit des Kindes nur schwer einzuschät- tion nötig. Ein kleines Tubusleck bläht häufig den
zen sind, verhalten sich Pflegende stets so, als sei das Magen, der dann durch eine hoch und offen hängen-
Kind bei vollem Bewusstsein. de Magensonde zu dekomprimieren ist.
Um die Nase durch häufigen Pflasterwechsel vor
Indikationen zur Relaxierung Haut- und Schleimhautläsionen zu schützen, brin-
• I ntubation gen Pflegende (sofern möglich) einen Hydrokolloid­
• A usschaltung der „Bauchpresse“ nach Operatio- verband (HCV) zum Hautschutz an. Dazu schnei-
nen im Abdominalbereich (z. B. Gastroschisis, den sie aus der Platte ein Dreieck in Größe der Nase
Omphalozele) zu. Sie schlagen die Spitze des Kegels etwa 0,5 cm am 12
210 12  Beatmung

Naseneingang nach innen ein und fixieren den Rest • k eine Thoraxexkursionen zu erkennen und Lunge
der Klebefläche auf der Nase (› Abb. 7.2). Der Ein- auskultatorisch nicht belüftet
satz eines Hautschutzfilmes z. B. Cavilon® im Gebiet • m
 anuelle Beatmung per Beatmungsbeutel nicht
der folgenden Tubusfixierung trägt ebenfalls zum möglich
Hautschutz bei.
Pflegende entblocken Tuben mit Cuff zu jeder Maßnahmen
Versorgungsrunde. Die Dauer richtet sich nach der Bei Verdacht auf eine Tubusobstruktion informie-
Toleranz des Kindes und den Vitalparametern. Vor ren Pflegende sofort den Arzt und ziehen eine zweite
der Entblockung saugen Pflegende den NNR des Pflegekraft hinzu, die ggf. die Umintubation vorbe-
Kindes ab, damit während der Zeit, in der die Tra- reitet.
chea nicht vom Cuff abgedichtet ist, kein oder nur Der Arzt entfernt den Tubus sofort und führt die
wenig Sekret in die Lunge fließt. Nach der Entblo- Beatmung mit dem Beutel weiter. Die Umintubation
ckung saugen Pflegende das Kind endotracheal ab folgt den Regeln einer herkömmlichen Intubation
(Trachealtoilette). Ziel ist es, infektiöses Sekret aus (siehe oben).
dem NRR, das eventuell beim Entblocken in die Ist das Tubuslumen nicht vollständig, sondern
Lunge läuft, sofort zu entfernen. nur teilweise verlegt, besteht die Möglichkeit, den
Pflegende entnehmen auf Anordnung des Arztes Tubus durch Spülungen mit NaCl 0,9 % und endo-
Trachealsekret unter sterilen Kautelen zur mikro- trachealem Absaugen von dem Sekret zu befreien.
biologischen Untersuchung. Sie führen die Mund- Dazu ist meist ein mehrmaliges Spülen und Saugen
und Nasenpflege nach hausinternen Standards erforderlich. Die isotonische Kochsalzlösung ist da-
durch (› 7.1.2). zu mit Hilfe des Beatmungsgeräts oder des Beat-
mungsbeutels und 3–4 Inspirations-Hüben zu instil-
lieren.
Tubusobstruktion
Eine Ansammlung von Sekret im Tubus kann zu ei- VORSICHT
ner Verlegung des Lumens führen. In diesem Fall ist Bei Kindern in reduziertem Allgemeinzustand besteht bei
eine sofortige Umintubation erforderlich. Tubusobstruktionen die Gefahr eines Herz-Kreislauf-Still-
standes, der eine Reanimation erforderlich macht.
VORSICHT
Die Tubusobstruktion ist immer ein akuter Notfall, der
rasches, ruhiges und gezieltes Handeln erfordert. Um ei- Atmung
nen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, bittet die Pflegende beobachten das Atemmuster des Kindes,
Pflegekraft, die für das Kind verantwortlich ist, einen Kol-
legen, die Assistenz zu übernehmen.
um festzustellen, ob es die eingestellte Beatmungs-
form toleriert. Unter regelgerechter Beatmung he-
ben und senken sich beide Thoraxhälften gleichmä-
Symptome ßig.
• b ei volumenkontrollierter Beatmung gibt die Bei auffälligem Atemmuster informieren Pflegen-
obere Druckgrenze am Beatmungsgerät bei je- de den Arzt. Dieser auskultiert den Thorax, ändert
dem Atemzug Alarm, ohne dass ein Beatmungs- daraufhin evtl. die Beatmungsform oder das -mus-
schlauch abgeknickt ist oder das Kind hustet ter, prüft nochmals die korrekte Tubuslage bzw. for-
• T idalvolumen sinkt dert eine Röntgenaufnahme des Thorax an, auf de-
• T ubus lässt sich mit Absaugkatheter nicht son- ren Basis er weitere Therapiemaßnahmen anordnen
dieren kann. Durch Abtasten des Thorax erkennen Pflegen-
• K ind wird evtl. unruhig, hat Atemnot, SpO2-Ab- de ein evtl. vorhandenes Hautemphysem. Bei Kin-
fall, EtCO2- oder tcpCO2-Anstieg dern mit Sekretproblemen oder Atemwegsobstruk-
• e vtl. Herzrhythmusstörungen, Bradykardie und tionen können Pflegende ein Inhalationsgerät in das
Blutdruckabfall Beatmungssystem integrieren.
12
12.1  Endotracheale Intubation 211

Lagerung businnendurchmessers nicht und die Länge ent-


spricht mind. der Tubuslänge.
Intubierte Kinder lassen sich innerhalb ihrer Tole- Ein zu großer Katheter erzeugt in der Lunge einen
ranzgrenzen in jeder Position lagern. Bei Kindern zu hohen Sog und kann die Gefahr einer Atelekta-
mit pulmonalen Problemen fördert der regelmäßige senbildung verursachen.
Wechsel zwischen Bauch- und Rückenlage das Ven- Vor allem bei sehr instabilen Patienten, sehr ho-
tilations-Perfusions-Verhältnis und dient der Se- hen Beatmungsparametern und einer HFOV benut-
kretmobilisation. Besonders bei den Lagerungs- zen Pflegende ein geschlossenes Absaugsystem
wechseln vermeiden Pflegende jeden Zug, Druck (› Abb. 12.5).
oder Hebelwirkung des Beatmungssystems auf den
Tubus. Bei allen Lagerungsmaßnahmen achten sie Vorbereitung des Materials
darauf, dass im Kopf- bzw. Halsbereich möglichst • intakte Absaugvorrichtung mit verstellbarem Sog
wenige Manipulationen (starke Überstreckung oder (FG, NG sowie Säuglinge mit 0,2 mbar; größere
Drehung nach rechts bzw. links) stattfinden, da dies Kinder mit 0,4 mbar)
ein Verrutschen des Tubus oder Cuffs auslösen und • A bsaugschlauch evtl. mit Fingertip
zu Gewebeschädigungen führen kann. • s terile Absaugkatheter
• A qua dest. oder Desinfektionslösung zum Durch-
spülen des Absaugsystems nach dem Absaugvor-
Ernährung
gang
Eine enterale Ernährung erfolgt bei intubierten Kin- • z um Anspülen angewärmtes NaCl 0,9 % steril in
dern möglichst frühzeitig über eine Magensonde eine Spritze aufziehen
oder PEG/PEJ. Pflegende bieten FG und NG wäh- • u nsterile und sterile Einmalhandschuhe
rend des Sondierens einen Beruhigungssauger an, • S tethoskop
um den Saug- und Schluckreflex zu erhalten oder zu • B eatmungsbeutel mit altersentsprechender Mas-
trainieren (› 8.1.6). ke
• S auerstoffschlauch und Flowmeter zur O2-Gabe
über Beatmungsbeutel
Ausscheidung
• e vtl. Gleitmittel für Absaugkatheter bereitstellen,
Bei einer Beatmung mit PEEP-Werten ≥5 mbar ist z. B. Silko-Spray®
der renale Blutfluss reduziert. Es kommt zu einer ve-
nösen Abflussstauung und gesteigerter ADH-Sekre- Vorbereitung des Kindes
tion mit rückläufiger Ausscheidung. Zur genauen Je nach Stationsregelung besprechen Pflegende mit
Flüssigkeitsbilanzierung ist ggf. ein Blasendauerka- den Eltern, ob sie während des Absaugvorgangs bei
theter erforderlich. ihrem Kind bleiben möchten oder nicht. Sie auskul-
tieren beide Lungenseiten, um die Notwendigkeit
des Absaugens festzustellen und klären das Kind al-
Endotracheales Absaugen
tersgemäß über die bevorstehende Maßnahme auf
Das Ziel des endotrachealen Absaugens ist es, Se- bzw. bahnen die Maßnahme an (› 8.1.2).
kret aus der Lunge zu entfernen, um die Atemwege Pflegende lockern das Sekret zusätzlich durch In-
freizuhalten und Infektionen sowie Atelektasen zu halationen, Vibrationsmassagen und die Anwen-
verhindern. dung von Drainagelagerungen.
Die Pflegenden führen den Absaugvorgang steril Ggf. ziehen sie eine Assistenz hinzu. Zur Vermei-
und für den Patienten so schonend wie möglich aus. dung von Unruhephasen, z. B. nach operativer Kor-
Sie saugen nur nach strenger Indikationsstellung ab. rektur einer Omphalozele/Gastroschisis, bei pulmo-
Pflegende kultieren dazu bei jeder Pflegerunde die naler Hypertension oder offenem Thorax, sedieren
Lunge aus (›  6.2.4). Der Absaugkatheter soll aus sie, nach Rücksprache mit dem Arzt, das Kind be-
weichem, durchsichtigem und knickfestem Kunst- reits vor dem Absaugvorgang, evtl. ist eine Analgesie
stoff bestehen. Die Größe überschreitet 1/2 des Tu- oder auch Relaxierung nötig. 12
212 12  Beatmung

Pflegende erhöhen zur Präoxygenierung die Beat- • A


 bsaugkatheter fest konnektieren
mungsparameter nach Anordnung des Arztes. • D
 iskonnektionsalarm am Beatmungsgerät unter-
drücken und ggf. die Heizung auf „Stand by“ stel-
Durchführung len
• ist mit Husten des Kindes zu rechnen, Thorax mit • V erpackung des sterilen Handschuhs öffnen und
einem Handtuch oder einer Stoffwindel abde- sterilen Handschuh anziehen
cken, um ausgehustetes Sekret abzufangen • s terile Seite der Handschuhverpackung unter den
• H ändedesinfektion Tubus legen, damit sie für das Schlauchsystem als
• a ufgezogenes NaCl 0,9 % griffbereit legen Ablage dienen kann
• A bsauggerät kontrollieren, korrekte Sogstärke • A bsaugkatheter aus der Verpackung nehmen
einstellen

Tab. 12.6  Verschiedene Typen von Absaugkathetern und ihre Handhabung.


Kathetertyp Eigenschaften und Handhabung
herkömmliche • Sogbegrenzung an der Absauganlage
Absaugkathe- • Katheter ohne Sog gemäß Absaugmuster einführen und mit Sog unter leichten Drehbewegungen
ter absaugen
• Nachteil dieser Katheter ist die Gefahr der Carina-Verletzung beim Einführen des Katheters (aus
diesem Grund möglichst nicht zum endotrachealen Absaugen benutzen)
Luftkissenka- • kein
Ansaugen der Trachealschleimhaut möglich (Katheter besitzt große Seitenaugen am Kathete-
theter, z. B. rende)
Aero-Flo® oder • Katheter mit Sog einführen, damit sich das atraumatisch wirkende Luftkissen bilden kann
Gentle-Flo® • Sogbegrenzung an der Absauganlage nicht nötig
• Einführen des Katheters ist schonender je stärker der Sog ist
• Luftkissenkatheter ohne Sogunterbrechung herausziehen
• verkürzte Absaugdauer bei gleicher Saugleistung und Sekretmenge, da der Absaugvorgang schon
während des Einführens beginnt
geschlossenes › Abb. 12.5
Absaugsystem

Katheter mit Spülansatz Schutzhülle

zum Beatmungsgerät

Katheter mit Maßeinheit


5 – 25 cm
Fenster zum Erkennen der
Absaugmarkierung

Tubuskonnektor

Tubus des Kindes

Kontrollventil

Absaugschlauch-Ansatz mit Schutzkappe Abb. 12.5  Geschlossenes Ab-


12 saugsystem. [M285]
12.1  Endotracheale Intubation 213

• T ubus vom Beatmungsgerät diskonnektieren und Komplikationen


Tubus mit unsteriler Hand unterhalb des Kon- • H erzrhythmusstörungen, Bradykardie oder Asys-
nektors halten tolie, v. a. bei längeren Absaugvorgängen
• T ubus bei Bedarf mit angewärmten NaCl 0,9 % • ü bermäßiger Sog (z. B. durch zu hohes Absaugka-
anspülen (Menge richtet sich nach Tubusgröße; theterlumen) kann Erstickungsängste und retro­
so sparsam wie möglich einsetzen) sternale Wundschmerzen provozieren
• L uftkissenkatheter unter Sog einführen und un- • H ypoxämie, Atemstillstand, Bronchospasmus
ter Sog herausziehen → Drehbewegungen nicht • B rech- oder Hustenreiz mit Aspirationsgefahr
nötig, da Luftkissenkatheter genügend Seitenlö- • A telektasen
cher besitzt • I nfektionen
• T ubus mit Beatmungsgerät konnektieren und auf • P erforationen
korrekte Funktion prüfen • e ntzündliche Infiltrationen der Schleimhaut
• V italparameter kontrollieren • E rosionen, Ulzerationen und Hämorrhagien
• N RR absaugen, zuerst Mund, dann Nase • S ekretansammlung im Tubusinneren mit folgen-
• H andschuh über zusammengerollten Katheter der Tubusobstruktion
stülpen und entsorgen
• A bsaugschlauch mit Spüllösung durchspülen Trachealtoilette mit geschlossenem
• für jeden Absaugvorgang neuen Absaugkatheter
Absaugsystem
verwenden
• L unge auskultieren und je nach Befund den Ab- Das geschlossene Absaugsystem ist als fester Be-
saugvorgang wiederholen standteil in das Beatmungssystem integriert. Pfle-
• T ubuslage und Thoraxexkursion nochmals über- gende können das System ohne hygienische Nachtei-
prüfen le 48 Std. belassen. Sobald sich in den Spülansätzen
• H ände desinfizieren Beläge zeigen oder Feuchtigkeit in der Schutzhülle
• B eatmung nach Möglichkeit zügig auf Ausgangs- niederschlägt, wechseln Pflegende das System sofort.
werte reduzieren
Indikationen
Der Absaugvorgang darf nicht länger als 10 Sek. dauern. • Ö
 sophagusatresie mit postoperativer Fistel
• O
 szillationsbeatmung

Wenn Bradykardien oder Sättigungsabfälle auftre-


Tab. 12.7  Vor- und Nachteile der Verwendung eines
ten, beenden Pflegende den Absaugvorgang schnell. geschlossenen Absaugsystems.
Sie beurteilen das Sekret hinsichtlich Menge, Farbe,
Vorteile Nachteile
Konsistenz und Geruch und dokumentieren Sekret-
• ununterbrochene Beatmung • komplexes System,
befund, Belastbarkeit des Kindes und die Beat-
gewährleistet, bei Beatmung bewirkt eine gewis-
mungsparameter während der Trachealtoilette sorg- mit PEEP geringer PEEP-Ver- se Hebelwirkung,
fältig. lust bei Verwendung im
• geringe Kontaminationsgefahr Inkubator teilweise
Künstlicher Hustenstoß für Patient und Anwender, nachteilig
Zur Sekretmobilisation können Pflegende einen Schutz vor Kreuzinfektionen • Arbeiten mit dem
• geringer Zeitaufwand im Ver- unhandlichen Sys-
künstlichen Hustenstoß erzeugen. Dazu blähen sie
gleich zur herkömmlichen Me- tem ist anfangs ge-
die Lunge per Beatmungsbeutel mit einem hohen
thode wöhnungsbedürftig
Tidalvolumen und lassen anschließend den Beutel • geringe SaO2-Abfälle • Sekretbeurteilung
schlagartig los. Der hohe exspiratorische Flow er- • Vorgang ist allein auszuführen durch das relativ
zeugt einen Sog, durch den der künstliche Husten- • Absaugen bei speziellen Lage- weit entfernte Kont-
stoß entsteht. Dieser Vorgang bewirkt eine Beförde- rungen möglich rollventil erschwert
rung des Trachealsekrets in größere Bronchien oder • reduzierter Verbrauch von Ein-

die Trachea, von wo es leicht abzusaugen ist. wegmaterial 12


214 12  Beatmung

• B eatmung mit hohem PEEP oder hohem Pinsp


• v erminderte Belastbarkeit
• T bc
• H IV-Infektion

Vorbereitung
• v or dem ersten Einsatz: Katheter abmessen und
Farbmarkierung dokumentieren
• v or dem Anschluss an das Kind: Absaugkontroll- Trach-Care-System am T- bzw. Y-Stück mit
ventil drücken, um die gewünschte Saugleistung Tubus und Beatmungsschläuche konnektieren,
am Vakuum einzustellen (Sog der Absauganlage Spülansatz nach oben geschlossen lagern
ca. 0,3–0,4 mbar)
• S ystem steril zwischen Tubuskonnektor und Be-
atmungssystem integrieren und am Kontrollven-
til den farbigen Tagesaufkleber in geschlossener
Position anbringen, damit der nächste fällige
Wechsel des Systems ersichtlich ist
• s onstige Vorbereitung wie beim konventionellen
Absaugen (siehe oben)

Bei instabilen Kindern an der HFOV nach Rücksprache mit Über Spülansatz NaCl 0,9% instillieren
dem Arzt evtl. vor dem Absaugen mittleren Atemwegs­
druck (MAP) um 2 mbar erhöhen.

Durchführung
• H ändedesinfektion
• 5 –10 ml NaCl 0,9 % in steriler Spritze bereit legen
• A bsaugvorrichtung und Sog kontrollieren, Ab-
saugschlauch mit Anschlussstutzen des Kontroll-
Ansatzstück mit einer Hand halten und mit der
ventils verbinden anderen den Katheter einführen
• b ei Bedarf über Spülansatz NaCl 0,9 % instillie-
ren, dabei Ansatzstück leicht nach oben halten,
damit NaCl 0,9 % nicht in Beatmungsschläuche
zurückläuft
• M it einer Hand Ansatzstück am Tubus festhalten,
mit der anderen den Katheter zügig einführen,
dabei Schutzhülle nach hinten abstreifen, da sie
sonst einen Plastikwulst bildet, der das Vorschie-
ben des Katheters blockiert
• m it Absaugen erst beginnen, wenn Katheter bis Beim Zurückiehen des Katheters mit Sog
zur gewünschten Farbmarkierung eingeführt ist, Ansatzstück festhalten. Danach Katheter spülen.
Sog durch das Drücken des Kontrollventils akti-
vieren Abb. 12.6  Absaugen mit dem Trachcare®-System (Fa. Ken-
dall). [L157]
• K atheter herausziehen, bis Katheterende „Park-
position“ erreicht (schwarze Markierung unter-
halb des blauen Spülansatzes) → bläht sich die (Katheter wieder etwas einführen, und die Luft
12 Schutzhülle auf, ist er zu weit zurückgezogen aus der Hülle in Richtung Fingertip streifen, sie
12.1  Endotracheale Intubation 215

kann sich dort über ein „One-Way-Ventil“ ent- • F unktionieren alle Alarmsysteme optisch und
leeren) akustisch?
• K atheter über Spülansatz mit ca. 2 ml NaCl 0,9 % • I st der Messwert der O2-Konzentration identisch
spülen, dabei Ansatzstück nach unten halten, da- mit der Einstellung? (Tolerable Abweichung ±
mit Spülflüssigkeit nicht in den Tubus läuft 6 %)
• R estflüssigkeit mit etwas Luft aus dem Spülansatz • M
 echanisches Überdruckventil auf z. B. 30 mbar
entfernen einstellen.
• K ontrollventil verschließen und mit Schutzkappe
versehen Die letzte Kontrolle des Beatmungsgeräts liegt in der Ver-
• S ystem seitlich neben dem Beatmungssystem ab- antwortung des Arztes.
legen
Die Nachsorge erfolgt entsprechend der konventio-
nellen Methode.
Das Vorschieben und Zurückziehen des Katheters 12.1.4  Beatmungsmuster
erfordert Erfahrung, um unnötigen Zug am Tubus
zu vermeiden. Zur Entnahme von Trachealsekret IMV/IPPV
konnektieren Pflegende einen Auffangbehälter an
das Kontrollventil und saugen wie beschrieben ab. Bei dieser kontrollierten Beatmungsform IMV (in-
termittend mandatory ventilation), IPPV (intermit-
tend positive pressure ventilation) verabreicht das
Vorbereitung des Respirators
Gerät eine fest eingestellte Frequenz mit einem be-
Vor jeder Inbetriebnahme überprüfen Pflegende das grenzten Druck und einer definierten Inspirations-
Beatmungsgerät auf seine korrekte Bestückung und zeit.
seine Funktionstüchtigkeit. Hierzu geben die jewei- Das Kind kann in der Exspirationszeit auf PEEP-
ligen Herstellerfirmen Checklisten heraus. Generell Niveau spontan atmen, wobei aber keine Synchroni-
sind jedoch alle Geräte auf folgende Ausstattung und sation mit den vom Gerät gelieferten Atemhüben
Funktion zu prüfen. möglich ist (kein Trigger). Die IPPV unterscheidet
sich von der IMV-Beatmung nur durch die höhere
Ausstattung Frequenz, bei der reflektorisch eine Spontanatmung
• S chlauchsystem vollständig? meist nicht mehr möglich ist.
• G röße des Schlauchsystems beachten, da die Sys-
teme ein unterschiedliches kompressibles Volu- Pflegerische Besonderheiten
men aufweisen Pflegende kontrollieren stets die Einstellung der
• S chlauchsystem passend für die Beatmungsform? oberen Druckgrenze. Ein Problem kann auftreten,
(z. B. kurze, starre Schläuche für HFOV) sobald das Kind spontan die Exspiration einleiten
• K ommt der Respirator mit Inhalationsoption zur möchte, das Gerät jedoch gleichzeitig seinen kont-
Anwendung? rollierten Hub verabreicht, sodass der Spitzendruck
• I st das Befeuchtungssystem vollständig und gefährlich ansteigt. Dieser gefährliche Druckanstieg
funktionstüchtig? kann auch beim Husten des Kindes am Respirator
entstehen (Pneumothoraxgefahr).
Funktion
• B aut das Gerät den maximalen Spitzendruck auf? S-IPPV
Stimmt der eingestellte Spitzendruck mit dem
Messwert überein? Das Beatmungsgerät verabreicht bei dieser assistier-
• I st das Schlauchsystem dicht? Test: Lange Inspi- ten Beatmungsform S-IPPV (synchronized intermit-
rationszeit bei druckbegrenzter/druckkontrollier- tend [continous] positive pressure ventilation) eine
ter Beatmung einstellen (Gerät muss gewünsch- fest eingestellte Frequenz mit einem begrenzten
ten Spitzendruck halten). Druck und einer definierten Inspirationszeit. 12
216 12  Beatmung

Das Gerät kann jeden Atemhub synchronisiert Patienten ermöglicht, weitere volumenkontrollierte
verabreichen und beantwortet jeden Trigger des Pa- Atemzüge auszuführen.
tienten mit einem synchronisierten und kontrollier- Diese Beatmungsform kommt meist bei lungen-
ten Atemhub. gesunden und älteren Kindern zur Anwendung, z. B.
zur postoperativen Nachbeatmung.
Pflegerische Besonderheiten
Es besteht die Gefahr der Hyperventilation, da das Pflegerische Besonderheiten
Gerät mit einer für den Patienten ausreichenden Der Arzt stellt die obere Druckgrenze etwa 5 mbar
Frequenz beatmet. Das Kind kann aber mit jedem über dem Spitzendruck ein, um bei einer Ver-
Trigger einen zusätzlichen Atemhub anfordern. schlechterung der Lungencompliance oder bei einer
Pflegende überwachen daher den pCO2 des Kindes Obstruktion der Lunge bzw. des Tubus, einem mög-
und die AMV-Grenzen des Respirators. lichen Anstieg des Spitzendrucks rechtzeitig entge-
gen zu wirken. Eine Hyperventilation ist ebenfalls
möglich, da die Maschine jeden Trigger mit einem
SIMV
Atemhub beantwortet. Pflegende beachten daher
Bei dieser assistierten Beatmungsform SIMV (syn- v. a. die Alarmgrenzen für das exspiratorische Minu-
chronized intermittend mandatory ventilation) ver- tenvolumen.
abreicht das Gerät eine garantierte Mindestfrequenz
(SIMV-Frequenz) an kontrollierten Atemhüben (je
Druckkontrollierte Beatmung (PCV)
nach Respirator volumen- oder druckkontrolliert
bzw. druckbegrenzt), die das Kind antriggern kann. Bei dieser Beatmungsform verabreicht das Gerät ei-
Zwischen diesen Atemhüben hat das Kind die Mög- ne garantierte Mindestfrequenz an druckkontrol-
lichkeit, ohne Unterstützung des Geräts spontan auf lierten Atemhüben. Das eingestellte inspiratorische
PEEP-Niveau zu atmen. Das Gerät liefert dafür einen Druckniveau bleibt immer gleich. Das erforderliche
exspiratorischen Basisflow. Sollte das Kind in einem Tidalvolumen ist von der Compliance der Lunge ab-
SIMV-Zyklus nicht triggern, erhält es den eingestell- hängig und somit variabel. Das bedeutet: konstanter
ten SIMV-Hub kontrolliert vom Gerät. Diese Beat- Druck bei akzelerierendem Volumen. Zusätzlich
mungsform setzt der Arzt zur Entwöhnung des Kin- kann der Arzt eine Triggerschwelle einstellen, die es
des vom Respirator ein. dem Patienten ermöglicht, weitere druckkontrollier-
te Atemhübe anzufordern. Bei dieser Beatmungs-
Pflegerische Besonderheiten form ist die Einstellung eines Atemminutenvolu-
Pflegende überwachen und dokumentieren Spon­tan­ mens unmöglich.
atmung und Atemrhythmus des Kindes, um einer- Diese Beatmungsform kommt vorwiegend bei
seits die SIMV-Frequenz schrittweise reduzieren lungenkranken Patienten zum Einsatz, z. B. bei
und andererseits Erschöpfungszeichen erkennen zu ARDS als „inverse ratio ventilation“, aber auch bei
können. Tubusleckagen, die durch druckkontrollierte Beat-
mung zu kompensieren sind (Beatmungsparameter
und ihre klinische Relevanz siehe unten). Auch
Volumenkontrollierte Beatmung (VCV)
SHT-Patienten, bei denen ein konstantes intrathora-
Bei dieser Beatmungsform verabreicht das Gerät ei- kales Druckniveau erwünscht ist, um die Verände-
ne garantierte Mindestfrequenz an volumenkontrol- rungen des ICP durch einen evtl. schwankenden
lierten Atemhüben mit eingestellter Inspirations- mittleren Atemwegsdruck so gering wie möglich zu
dauer und Pausenzeit. Das eingestellte Tidalvolu- halten, beatmet der Arzt häufig druckkontrolliert.
men bleibt immer gleich, der aufgebaute Spitzen-
druck ist von der Compliance der Lunge abhängig Pflegerische Besonderheiten
und somit variabel. Das bedeutet: konstantes Volu- Um Veränderungen der Lungencompliance frühzei-
men bei akzelerierendem Druck. Zusätzlich kann tig zu erfassen, ist die regelmäßige Kontrolle der ge-
12 der Arzt eine Triggerschwelle einstellen, die es dem messenen Tidalvolumina bzw. des exspiratorischen
12.1  Endotracheale Intubation 217

Minutenvolumens erforderlich. Die Alarme des ex- Patient spontan auf PEEP-Niveau atmen, wobei er
spiratorischen Minutenvolumens sind eng einge- zu jedem spontanen Atemhub eine Druckunterstüt-
stellt. Besonders bei der „inverse ratio ventilation“ zung erhält. Wenn der Patient in einem SIMV-Zyk-
mit PEEP, d. h. die Inspirationszeit ist größer oder lus nicht triggert, erhält er nur die volumenkontrol-
gleich der Exspirationszeit, kann es durch den ho- lierten SIMV-Hübe. Es empfiehlt sich, auf die Ein-
hen intrathorakalen Druck zum Abfall des HZV stellung einer inspiratorischen Pausendauer zu ver-
kommen und damit zu einer schlechteren Durch- zichten (SIMV siehe oben).
blutung in der Niere.
Pflegerische Besonderheiten
Manche Kinder reagieren beim Umschalten von
Druckregulierte volumenkontrollierte
kontrollierter auf synchronisierte Beatmung mit ei-
Beatmung (PRVC)
ner Tachypnoe („Hecheln“) und Unruhe, eine Sedie-
Bei dieser Beatmungsform verabreicht das Gerät ei- rung kann erforderlich sein. Eine fortdauernde Ta­
ne garantierte Mindestfrequenz an volumenkontrol- chy­pnoe ist möglicherweise ein Zeichen, dass die
lierten Atemhüben, die es druckreguliert abgibt. Das eingestellten Parameter nicht ausreichen. Der Arzt
Gerät führt zunächst einige Testatemhübe aus, mit kann versuchen, durch die Erhöhung der Unterstüt-
denen es die Compliance der Lunge misst. Anhand zung des Kindes (mittels Erhöhung der Druckunter-
dieser Messungen ermittelt es den niedrigstmögli- stützung oder die Erhöhung der SIMV-Frequenz) ei-
chen Druck für das gewünschte Tidalvolumen, so- ne suffiziente Beatmungssituation zu erreichen. Weil
dass es jeden einzelnen Atemhub mit einem vorher das Kind v. a. in der Spontanatmungsphase seine
ermittelten konstanten Druck verabreichen kann. Atemmuskulatur trainiert, achten Pflegende beson-
Bei Änderungen der Compliance passt sich das Ge- ders auf Erschöpfungszeichen. Lässt sich die Druck-
rät den neuen Bedingungen an und verändert das unterstützung schrittweise zurücknehmen und wird
Druckniveau automatisch, um immer den niedrigs- die Druckunterstützung überflüssig, kann der Arzt
ten erforderlichen inspiratorischen Spitzendruck die SIMV-Frequenz, abhängig vom Alter, langsam
aufzubauen. Bei dieser Beatmungsform ist eine Pau- reduzieren und eine Extubation vornehmen.
sendauer nicht wirksam.
SIMV (druckkontrolliert) mit
Pflegerische Besonderheiten
Druckunterstützung (PCV-SIMV mit DU)
Der Arzt stellt die obere Druckgrenze mindestens 5
mbar über dem tatsächlichen Spitzendruck ein, da Bei dieser assistierten Beatmungsform verabreicht
das Gerät andernfalls geringere Drücke als erforder- das Gerät eine garantierte Mindestfrequenz druck-
lich aufbauen und der Patient kein konstantes Tidal- kontrollierter Atemhübe, die das Kind antriggern
volumen erhalten würde. Nach jeder Diskonnektion kann. Zwischen diesen Atemhüben kann der Patient
des Beatmungssystems, z. B. beim Absaugen, startet spontan auf PEEP-Niveau atmen, wobei er zu jedem
das Gerät erneut Testatemhübe zur Complianceer- spontanen Atemhub eine Druckunterstützung er-
mittlung. Bei niedriger Beatmungsfrequenz lässt hält. Wenn der Patient in einem SIMV-Zyklus nicht
sich zum schnelleren Erreichen des eingestellten Ti- triggert, erhält er nur die druckkontrollierten SIMV-
dalvolumens die manuelle Inspiration 2–3-mal aus- Hübe.
lösen.
Pflegerische Besonderheiten
SIMV (volumenkontrolliert) und Druckunterstüt-
SIMV (volumenkontrolliert) mit
zung siehe oben
Druckunterstützung (VCV-SIMV mit DU)
Bei dieser assistierten Beatmungsform verabreicht
Druckunterstützte Beatmung (PSV)
das Gerät eine garantierte Mindestfrequenz volu-
menkontrollierter Atemhübe, die das Kind antrig- Bei der druckunterstützten Beatmung handelt es
gern kann. Zwischen diesen Atemhüben kann der sich um eine reine Spontanatmungsform. Das Kind 12
218 12  Beatmung

atmet auf PEEP-Niveau und erhält bei jedem Trigger dem PEEP und der obere Beatmungsdruck (meist P2)
eine Druckunterstützung. Die gewünschte Druckun- dem Inspirationsdruck Pinsp. Die Frequenz des Wech-
terstützung ist einzustellen. Das erreichte Tidalvolu- sels wird am Beatmungsgerät eingestellt. Es ist darauf
men ist von der Compliance der Lunge abhängig zu achten, dass ein ausreichendes Atemminutenvolu-
und somit variabel. Mit zunehmender respiratori- men für das Kind erreicht wird. Bei zu hohem AMV
scher Aktivität reduziert der Arzt die Druckunter- wird das obere Druckniveau schrittweise nach unten,
stützung langsam, bis eine reine CPAP-Atmung vor- bei zu niedrigem AMV schrittweise nach oben gere-
liegt bzw. der Patient extubationsfähig ist. gelt. Zum Weanen werden Frequenz und oberes
Druckniveau reduziert. Wenn nötig, besteht die Mög-
Pflegerische Besonderheiten lichkeit, einen inspiratorischen Hilfsdruck (ASB) ein-
Da keine garantierte Atemfrequenz für das Kind zustellen, den das Kind antriggern kann. Während
vorgegeben ist, überprüfen Pflegende die Atemkapa- der gesamten Zeit hat das Kind die Möglichkeit,
zität engmaschig. Die untere Alarmgrenze des exspi- spontan zu atmen. Der Vorteil des BIPAP besteht in
ratorischen Minutenvolumens ist knapp unter dem der Zusammenfassung mehrerer Beatmungsformen
erwünschten Mindestvolumen einzustellen. Um in einem Verfahren (IMV, SIMV, CPAP). Bei obstruk-
rechtzeitig eine Hyperventilation zu erkennen und tiven Lungenerkrankungen, z. B. Asthma oder COPD,
zu vermeiden, ist auch die obere Alarmgrenze des ist aufgrund der meist wechselnden Compliance der
exspiratorischen Minutenvolumens knapp einzu- Lunge und den oft erforderlichen hohen Beatmungs-
stellen. Meist ist ein Apnoealarm nach 15 Sek. im drücken von BiPAP Abstand zu nehmen.
Gerät selbst aktiviert und nicht von außen einstell-
bar. Einige Beatmungsgeräte schalten bei einer über
Continuous positive airway pressure
die eingestellte Apnoezeit hinausgehenden Apnoe in
eine kontrollierte Beatmungsform um. Bei der continuous positive airway pressure-At-
mung (CPAP) handelt es sich um eine reine Spon­
tanatmung auf PEEP-Niveau. Am Gerät lassen sich
Volumenunterstützte Beatmung (VSV)
PEEP, Flow und FiO2 einstellen. Der PEEP bewirkt
Bei der volumenunterstützten Beatmungsform han- einen Atelektasenschutz und erhöht die funktionelle
delt es sich ebenfalls um eine Spontanatmungsform. Residualkapazität, der Flow stimuliert die Inspirati-
Das Kind atmet auf PEEP-Niveau und erhält bei je- on des Patienten. Die Surfactantausschüttung in den
dem Trigger eine Volumenunterstützung. Das ge- belüfteten Alveolen wird unterstützt. Der CPAP ist
wünschte inspiratorische Minuten- und Tidalvolu- entweder über einen endotrachealen oder nasopha-
men wird eingestellt. Der inspiratorische Spitzen- ryngealen Tubus zu verabreichen. Beim binasalen
druck ist von der Compliance der Lunge abhängig CPAP finden kleine Prongs, wenige Zentimeter in
und somit variabel. Die Einstellung der oberen beide Nasenlöcher eingeführt, oder nasale Masken
Druckgrenze ist unbedingt erforderlich, um zu hohe Verwendung. Pflegende schließen sie an ein eigens
Spitzendrücke frühzeitig zu erkennen. Der Arzt re- dafür vorgesehenes System an.
duziert die Volumenunterstützung nach und nach, Indikationen für den Einsatz des CPAP sind z. B.
bis eine CPAP-Atmung vorliegt bzw. der Patient ex- • E ntwöhnung nach Langzeitbeatmung
tubationsfähig ist. • A NS 1 bei Früh- und Neugeborenen
• r espiratorische Anpassungsstörung
Pflegerische Besonderheiten • A temunterstützung nach der Extubation
Druckunterstützte Beatmung (PSV) siehe oben Die O2-Gabe sollte beim nasalen CPAP 40 % nicht
überschreiten, da bei höherem O2-Bedarf üblicher-
weise die Indikation zur Beatmung besteht.
BIPAP
BIPAP (Biphasic positive airway pressure) ist eine Mononasaler CPAP
druckkontrollierte Beatmung mit 2 Druckniveaus. Beim „nasalen CPAP“ wählen Pflegende zunächst
12 Der untere Beatmungsdruck (meist P1) entspricht die passende Tubusgröße. Bei zuvor intubierten Pa-
12.1  Endotracheale Intubation 219

tienten ist entweder die identische Größe oder der Der hohe Flow führt zu einer verstärkten Aus-
um eine halbe Größe kleinere Tubus geeignet. Faust- trocknung der Schleimhäute. Zu jeder Pflegerunde
regel für Patienten, die zuvor nicht intubiert waren: inspizieren Pflegende die Mund- und Nasenhöhle
der passende CPAP-Tubus hat etwa die Größe des und feuchten sie im Anschluss an die Maßnahme
kleinen Fingers des Patienten. mit Pflegelösungen (z. B. Tee, Dexpanthenollösung)
Dann messen Pflegende die Distanz zwischen an. Die Lösung eignet sich außerdem zur Entfer-
Ohrläppchen und Nasenspitze und subtrahieren da- nung von zähem Sekret.
von einen Zentimeter. Der Tubus ist bis zu dieser
Länge über ein Nasenloch einzuführen. Beim endotrachealen CPAP ist zu bedenken, dass die To-
Alternativ kann der Arzt die korrekte Tubusposi- traumventilation v. a. bei Frühgeborenen sehr hoch ist,
tion erreichen, indem er den Larynx mit einem La- und die Exspiration ausschließlich über den Tubus erfol-
ryngoskop einstellt und den Tubus unter Sicht bis gen kann. Daher ist dieser zu kürzen.
oberhalb des Kehlkopfes vorschiebt. Die Pflegenden
dokumentieren die ermittelte Tubusmarke. Atmung
• P flegerische Aspekte bei der Physiotherapie- und
Binasaler CPAP Versorgungsrunde:
Die Auswahl der Prongs bzw. der Nasenmaske rich- – Hustet das Kind spontan oder nach Stimulation?
tet sich nach der Größe der Nasenlöcher bzw. der – Hat es Stimme?
Nase des Kindes. Passend dazu ist jeweils eine mit- – Wie belastbar ist es? (Bradykardie oder SpO2-
gelieferte Mütze zu wählen, um das System zu fixie- Abfall nach Tubusentfernung?)
ren. Anschließend schließen die Pflegenden den – Wie ist das Sekret beschaffen?
Prong bzw. die Maske an das CPAP-System an. – Wie hoch ist der O2-Bedarf ohne Tubus bzw.
Meist ordnet der Arzt die binasale CPAP-Beatmung bei Belastung?
mit 4 l/Min. Flow, 4 mbar PEEP und bedarfsorien- – Wie ändern sich Atemmuster, Hautkolorit und
tierter O2-Einstellung an. die periphere Temperatur?
• B ei FG und NG im Inkubator gleiche O2-Konzen-
CPAP mit Frequenz tration wie am CPAP einstellen, um beim Ziehen
Bei FG und NG können mono- bzw. binasaler CPAP des nasalen Tubus durch das Kind selbst (bzw.
zusätzlich mit einer Druck- und einer Frequenzein- durch die Pflegekraft) SpO2-Abfälle zu vermeiden
stellung ausgestattet werden. Hierbei ist zu beach- Lagerung
ten, dass ähnliche Komplikationen wie bei der NIV Da die Kinder aufgrund des hohen Flows im Ra-
auftreten können, v. a. Probleme im Magendarmbe- chen häufig Luft „schlucken“, können Blähungen
reich. entstehen. Die Bauch- oder leichte Oberkörperhoch-
Der Arzt wählt meist einen etwas höheren Flow lage begünstigen das Entweichen der Luft. Dies ent-
und einen Pin zwischen 10–15. Bei höheren Drü- lastet das Zwerchfell und erleichtert die Atmung.
cken treten häufig zu starke Leckagen auf bzw. öff- Ernährung
nen die Patienten den Mund und eine effektive NIV Eine Überblähung des Magens kann zu Ernäh-
ist nicht mehr möglich. Optimal ist es für die Patien- rungsstörungen führen. Pflegende hängen die Ma-
ten, wenn die eingestellte Frequenz auf das Atem- gensonde hoch und lassen sie offen, damit Luft ent-
muster synchronisiert werden kann. weichen kann. Um eine bessere Verträglichkeit der
Nahrung zu erzielen, können sie die Menge jeder
Pflegerische Besonderheiten [5] Einzelportion reduzieren und die Zahl der Mahlzei-
Mundschluss und Mundschleimhaut ten erhöhen. Bauchmassage, Fußreflexzonenmassa-
Um den PEEP-Verlust zu reduzieren, sind Pfle- ge oder die Anlage eines Darmrohrs tragen bei Ver-
gende bestrebt, den Mund des Kindes zu schließen. dauungsproblemen zur Entlastung bei.
Dies lässt sich z. B. durch die Gabe eines Beruhi- Hautpflege
gungssaugers erreichen. Ggf. können sie zur Kom- Vor allem bei binasalen CPAP-Systemen ist eine
pensation auch den Flow etwas erhöhen. sehr gute Hautpflege durchzuführen. HCV® sind ein 12
220 12  Beatmung

wichtiges Hilfsmittel. Sie werden einerseits auf dem Die Masken und Helme müssen an die jeweilige
Nasenrücken angewendet, zwischen Oberlippe und Kopf- und Gesichtsgröße angepasst sein, um eine
Naseneingang, sowie im Bedarfsfall auf dem Wan- ausreichende Dichtigkeit zu erzielen.
genknochen (je nach Fixierungssystem). Ergänzend
ist die Haut mit Dexphanthenolcreme zu pflegen Indikationen
oder mit einem Hautschutzfilm z. B. Cavilon® zu • C hronisch obstruktive Lungenerkrankung
versorgen. (COPD)
Komplikationen • A kute respiratorische Insuffizienz (ARI)
• T ubusobstruktion durch Sekret • K ardial bedingtes Lungenödem
• Ü berblähung des Magen-Darm-Trakts durch ho- • E ntwöhnung von der Beatmung (Weaning)
hen Flow (CPAP bei NEC-Verdacht kontraindi- • S chlafapnoesyndrom
ziert) • P erioperative Phase
• S chleimhautverbrennung, -austrocknung bei zu • A kute Dekompensation der chronisch erschöpf-
hoher Heizungstemperatur/Flow ten Atempumpe bei Muskeldystrophie, Kypho­
• H autläsionen oder Dekubitus an der Nase skoliose
• P EEP kann Exspiration behindern → verminder-
tes AMV → CO2-Akkumulation → respiratorische Kontraindikationen (nach H. Burchardi)
Azidose (Maßnahme: PEEP ↓) • K oma oder nicht beherrschbarer Verwirrtheits-
• e xtraalveoläre Gasansammlungen wie Emphy- zustand (wenn nicht durch Hyperkapnie bedingt)
sem, Pneumomediastinum, Pneumothorax, • S chwere Kooperationsprobleme
Pneumoperikard • A kute lebensbedrohliche Hypoxie
• H erz- oder Atemstillstand
• H ämodynamische Instabilität
Noninvasive Ventilation [4]
• E rhöhte Gefahr der Regurgitation und Aspiration
Unter noninvasiver Ventilation (NIV) versteht sowie Schluckstörungen
man die Atemunterstützung oder Beatmung unter • I leus, GI-Blutungen, kürzlich abdominelle OP
Umgehung eines endotrachealen Tubus. Heutzutage • H indernisse in den oberen Atemwegen (z. B. Tu-
wird vorwiegend die Positiv Pressure Ventilation mor, Verletzung)
(PPV) eingesetzt, die mithilfe einer Maske durchge- • B ronchoskopisch nicht korrigierbare Sekretre-
führt wird. Die Vorteile der NIV bestehen in einer tention
verbesserten Akzeptanz des Patienten, verminder-
tem Infektionsrisikos, Schonung der Atemwege, Abbruch- und Intubationskriterien
besserer verbaler Kommunikation und normaler Die Abbruch- bzw. Intubationskriterien liegen na-
Nahrungszufuhr. he zusammen. Unter Umständen ist eine rasche In-
Als Erfolg der NIV ist zu werten, wenn der primä- tubation nötig.
re Verlauf innerhalb der ersten zwei Std. nach Anle- Abbruchkriterien
gen der Beatmung positiv ist. Dabei ist vor allem die Ein Abbruch erfolgt, wenn der Patient sich respi-
Tendenz entscheidend. Es ist nicht zu erwarten, dass ratorisch verschlechtert.
sich in diesen Zeitraum bereits Normalwerte errei- • F iO2 bedarf steigt über 0,5
chen lassen. Ganz konkret werden arterieller pCO2, • a rterieller pCO2 ⇊ pH-Wert ⇊
Oxygenierung (SpO2 > 90 %), Atemfrequenz, Herz- Schwere Kooperationsprobleme des Kindes, eine
frequenz und der Allgemeinzustand überwacht. progrediente Bewusstseinsverschlechterung, sowie
Bei der noninvasiven Ventilation kommen ver- nicht beherrschbare Maskenprobleme sind weitere
schiede Masken oder Helme zum Einsatz: Abbruchkriterien. Probleme im Verdauungstrakt,
• N asenmasken/Nasen-Mundmasken z. B. nicht mehr beherrschbare Aerophagie (Luftver-
• G esichtsmasken schlucken mit Magenaufblähen) oder eine starke
• C PAP-Helme bei Patienten, die keine Masken to- Aspiration von Nahrung, führen ebenso zur Beendi-
12 lerieren gung der NIV.
12.1  Endotracheale Intubation 221

Intubationskriterien Der MAP beeinflusst die Oxygenierung, d. h. je mehr Al-


Hauptkriterien für eine Intubation sind veolen geöffnet sind, desto größer ist der Gasaustausch.
• A temstillstand Die Amplitude und Frequenz wirken auf die Ventilation,
• A pnoen gefolgt von Eintrübung des Patienten bis d. h. je höher die Amplitude und je niedriger die Fre-
quenz, desto größer sind das Tidalvolumen und die CO2-
zur Schnappatmung
Elimination.
• s tarke Unruhe mit der Notwendigkeit zur Sedie-
rung
• B radykardien Indikationen
• K reislaufinstabilität • A NS
• e inige der Abbruchkriterien • Z werchfellhernie
Leckagen stellen häufig Probleme dar. Diese können • P PHN
bei Masken z. B. durch Ernährungssonden entste- • s chwere Pneumonie
hen, die unter dem Maskenrand durchlaufen. Für • M ekoniumaspiration
diese Fälle bieten Maskenhersteller kleine Kunst- • B arotrauma unter konventioneller Beatmung
stoffstege an, die unter den Maskenrand gelegt wer- • H ypoplasien
den und über die Sonde geführt werden können. Die
Beatmungsgeräte können geringe Leckagen kom- Komplikationen
pensieren. • L ungenemphysem (pO2 ↓, SpO2 ↓, pCO2, HZV
Pflegerisch zeigen sich ähnliche Probleme wie bei ↓, RR ↓, HF↑)
Anwendung eines binasalen CPAP (siehe oben) • B lutdruckabfall

Pflegerische Besonderheiten
Hochfrequenzoszillationsbeatmung
Neben der regelmäßigen Kontrolle der Vitalparame-
Die Hochfrequenzoszillationsbeatmung (HFOV) ter achten Pflegende auf eine mögliche Spontanat-
ist eine Beatmungsform, bei der das Beatmungsgerät mung des Kindes. Vor allem bei hohen MAP-Wer-
das Atemgas in Schwingungen versetzt. Die Fre- ten ist ein Gegenpressen durch das Kind zu verhin-
quenz ist in Hz (Hertz) angegeben (1Hz = 60 dern, evtl. ist dazu eine Sedierung notwendig. Sollte
Schwingungen/Min.). Während bei der konventio- die seitengleiche leichte Thoraxvibration abnehmen,
nellen Beatmung in der Inspirationsphase hohe denken Pflegende an eine Tubusdislokation oder
Spitzendrücke auf die Alveolen wirken, herrscht bei -obstruktion. Das endotracheale Absaugen erfolgt
der HFOV während der In- und Exspiration ein na- mit einem geschlossenen Absaugsystem. Beim Ein-
hezu konstanter Druck in den Alveolen = mittlerer satz der HFOV als Rescue-Therapie, also nach der
Atemwegsdruck (MAP). Durch den konstanten konventionellen Beatmung, ist häufiger eine Trache-
Atemwegsdruck und die geringen Volumenschwan- altoilette notwendig, da unter der HFOV eine ver-
kungen in der In- und Exspiration bleiben die Alve- stärkte Sekretolyse entstehen kann. Um einen
olen offen. Um Druck- und Schwingungsverluste zu Druckverlust des MAP zu vermeiden, erhöhen Pfle-
vermeiden, sind die Schlauchsysteme für diese Beat- gende ihn nach Rücksprache mit dem Arzt vor dem
mungsform kurz, starr und glatt. Absaugen um 2–3 mbar. Der Einsatz des geschlosse-
nen Absaugsystems behindert den Flow des Exspira-
Prinzip tionsgases nicht wesentlich, d. h. der pCO2-Wert des
Der Mechanismus der HFOV beschränkt sich nicht Kindes steigt nicht an.
allein auf den Gasaustausch im Bereich der moleku- Wichtig ist regelmäßiges Umlagern (Seiten-, Rü-
laren Ebene (Diffusion und Konvektion), wie bei ei- cken- und Bauchlage), um eine bessere Perfusion
ner herkömmlichen Beatmung. Mit dem Austausch und Ventilation aller Lungenabschnitte zu errei-
des geringen Tidalvolumens bei der HFOV, das teil- chen. Die Lagerung des Kindes ist durch die starren,
weise kleiner ist als der anatomische Totraum des kurzen Schlauchsysteme erschwert, v. a. im Inkuba-
Kindes, wäre bei den konventionellen Methoden tor. Wenn möglich, legen Pflegende das Kind auf ei-
keine effektive Beatmung möglich. ne offene Wärmeeinheit. 12
222 12  Beatmung

Während der Therapie ist der Patient kontinuier- ausreichende Oxygenierung zu gewährleisten. Die
lich einer erheblichen Geräuschkulisse durch das Inspirationszeit kann maximal 80 % des Atemzyklus
Beatmungsgerät ausgesetzt. Durch gezielte akusti- betragen, die restlichen 20 % sind für die Exspiration
sche und taktile Stimulationen während der Pflege- notwendig (IRV siehe unten).
maßnahmen geben Pflegende dem Kind konkrete Die Exspirationsphase soll eine vollständige Aus-
Anregungen. In den Ruhephasen dämpfen sie die atmung gewährleisten. Wird das Atemzeitverhältnis
eintönigen Geräusche durch Wattepolster an den zwischen I:E umgekehrt (von 1:1 bis maximal 4:1),
Ohren und ein Mützchen. Eine Auskultation zur Er- lässt sich eine verbesserte Oxygenierung bei schwe-
mittlung der Lungenbelüftung lässt sich nur wäh- ren Lungenschäden (z. B. ARDS) erreichen. Dieses
rend einer Unterbrechung der HFOV durchführen. Beatmungsmuster bezeichnet man als inverse ratio
Dazu muss der Patient in der Lage sein, spontan zu ventilation (IRV). Wegen der erheblichen Beein-
atmen bzw. Pflegende beatmen ihn manuell mit dem trächtigung der Herz-Kreislauf-Funktion bedarf sie
Beatmungsbeutel. Sekret ist auch während einer lau- einer strengen Indikationsstellung. Oft sind hierbei
fenden HFOV hörbar. Katecholamine zur Kreislaufunterstützung notwen-
dig.
Durch die starke Verkürzung der Exspirationszeit
Beatmungsparameter und ihre klinische
kann es zu einer unvollständigen Ausatmung mit
Relevanz
stufenweisem Anstieg des endexspiratorischen
Die maschinelle Beatmung enthält zahlreiche Risi- Drucks kommen („air trapping“-Phänomen mit er-
ken für den Patienten. Um Komplikationen recht- höhter Kreislaufbelastung durch Behinderung des
zeitig zu erkennen, ist eine kontinuierliche und ge- venösen Rückstroms).
schulte Überwachung notwendig. Dies erfordert die
Kenntnis der Beatmungsparameter und ihre Aus- Überblähte Lunge langsam während des Zeitraums eini-
wirkungen auf den menschlichen Organismus. ger Herzaktionen entblähen. Plötzliches Entblähen verur-
Die Oxygenierung ist beeinflusst durch: sacht einen massiven Abfall des intrathorakalen Drucks
• F iO2 und des pulmonalen Gefäßwiderstandes, dadurch sinkt
• I nspirationszeit Vorlast des linken Ventrikels und mit ihr der Blutdruck.
• P EEP
• P insp Inspiratorischer Spitzendruck
Die Ventilation und CO2-Elimination ist abhängig Der inspiratorische Spitzendruck (Pinsp) ist abhän-
von: gig vom Inspirationsflow, von der Resistance und
• P insp der Compliance der Lunge. Der Druckanstieg ist
• B eatmungsfrequenz umso steiler, je größer der Inspirationsflow und je
• P EEP kleiner die Compliance sind.
• I nspirationszeit Bei druckbegrenzter oder druckkontrollierter Be-
• a usreichender Exspirationszeit atmung kann das Gerät nur den eingestellten Beat-
mungsdruck aufbauen. Das von den pulmonalen
Atemzeitverhältnis Widerständen abhängige Tidalvolumen ist daher va-
Das Atemzeitverhältnis ist durch die Einstellung riabel. Volumengesteuerte Beatmungsformen ver-
Inspirationszeit (Tin) zu Exspirationszeit (Tex) be- abreichen ein konstantes Tidalvolumen. Compli-
stimmt. Normalerweise stehen sich In- und Exspira- anceveränderungen führen zu Änderungen des ins-
tion (I:E) in einem Verhältnis von 1:2 gegenüber. piratorischen Spitzendrucks.
Die Länge der Inspirationszeit hängt vom Alter
(Früh- und Neugeborene: 0,3–0,5 Sek., Kleinkinder Positiv endexspiratorischer Druck (PEEP)
≥0,5 Sek.), Erkrankung und Beatmungsmuster ab. Der Atemwegsdruck sinkt am Ende der Exspiration
Die Inspirationszeit ist so zu wählen, dass der Pa­ nicht auf 0, sondern das Beatmungsgerät hält ihn auf
tient das benötigte Tidalvolumen erhält, um eine einem positiven Druckniveau.
12
12.1  Endotracheale Intubation 223

Angestrebte PEEP-Einstellung = Best-PEEP. Erzielt maxi- Ein hoher MAD reduziert das HZV und damit die
male Gewebeoxygenierung bei geringstem FiO2. Sauerstofftransportkapazität.

Wirkungen und Risiken


Überwachung des Beatmungsgerätes
• E rhöhung der funktionellen Residualkapazität
• R eduktion des intrapulmonalen Rechts-Links- Bei der Überwachung des Beatmungsgeräts achten
Shunts (Erhöhung des pO2) Pflegende auf verschiedene Aspekte:
• E röffnung der Atelektasen und Vermeidung eines • A larmgrenzen einstellen und regelmäßig kontrol-
Alveolarkollapses lieren
• v ermindertes HZV durch • s terilen Umgang mit Schlauchsystem gewährleis-
– Stauung des venösen Rückstromes (ZVD↑) ten, System steril zusammenbauen, bei jeder Dis-
– erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstand konnektion Ansätze steril ablegen
(PAP↑) • F unktionsfähigkeit des Befeuchters sicherstellen
– myokardialer Blutfluss ↓, Verlagerung des • K ondenswasser regelmäßig entleeren, da Feuch-
­Intraventrikularseptums tigkeit im Beatmungssystem ein ideales Milieu
– neurale und humorale Depression des linken für Keime bildet
Ventrikels • S chlauchsysteme mit integrierter Schlauchheizung
• z erebraler Perfusionsdruck ↓ durch erhöhten in- bevorzugen, damit kein Kondenswasser anfällt
trakraniellen Druck und vermindertes HZV • B eatmungsschläuche sowie ggf. die Bakterienfil-
• v eränderter renaler Blutfluss, Wasserretention als ter regelmäßig nach hausinternen Standards
Kompensationsmechanismus des Körpers, um wechseln
den verminderten venösen Rückstrom zum Her- • B eatmungsschläuche vor Zug und Diskonnektion
zen auszugleichen sichern
• r eduzierter intestinaler und hepatischer Blutfluss
• Ü berblähung der gesunden Alveolen und Erhö- Blähen der Lunge
hung des physiologischen Totraums
• e rhöhte Gefahr eines Barotraumas: Pneumotho- Die manuelle oder maschinelle Inspiration erfolgt
rax, -mediastinum, -perikard, Hautemphysem möglichst synchron zur Inspiration des Patienten. Zu
starkes oder zu rasches Blähen führt zur Hyperven-
Inspiratorische Sauerstoffkonzentration tilation und vermindert evtl. den Atemantrieb des
Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration Patienten. Bei fehlender Spontanatmung stellt der
(FiO2) ist so hoch zu wählen, dass der Körper des Pa- Arzt die Beatmungsfrequenz altersentsprechend ein.
tienten einen normalen Sauerstoffpartialdruck er-
reicht. Indikationen
Wirkungen und Risiken • v erringerte Belastbarkeit während und nach der
• R eduktion des pulmonalen Gefäßwiderstandes Trachealtoilette
bei pO2 ≥90 mmHg und somit Gefahr der Lun- • R eanimation
genüberflutung • p lötzliche respiratorische Verschlechterung
• p ulmonale Sauerstofftoxizität bei Konzentratio- • p ulmonalhypertensive Krisen
nen ≥50 %. Es kommt zu Lungenveränderungen • S pontanatmung über den Tubus
mit Verdickung der Alveolarmembranen, intersti-
tiellem und interaalveolärem Ödem, Atelektasen Maschinelles Blähen
• F rühgeborenenretinopathie Das maschinelle Blähen der Lunge ist dem manuel-
len vorzuziehen. Die Betätigung der Taste „manuelle
Mittlerer Atemwegsdruck Inspiration“ am Beatmungsgerät löst einen Atemhub
Der mittlere Atemwegsdruck (MAD) berechnet aus. Dieser ist durch die eingestellten Beatmungspa-
sich aus PEEP, Inspirationszeit, Pinsp, Druckplateau rameter, z. B. Pinsp, PEEP, FiO2 oder Inspirationsdau-
und Exspirationszeit und wirkt auf den pO2. er genau definiert. Das unkontrollierte Blähen kann 12
224 12  Beatmung

besonders bei Frühgeborenen zu einem Pneumotho- obachtung der Thoraxexkursionen. Die Pflegenden
rax führen. sagen dem ausführenden Arzt die Überwachungspa-
rameter regelmäßig an.
Manuelles Blähen
Zum manuellen Blähen der Lunge verwendet man Komplikationen
einen Beatmungsbeutel mit Überdruckventil und • B eatmung des Magens
PEEP-Aufsatz. Bei Sauerstoffbedarf konnektieren • A spiration
Pflegekräfte den Beutel mit einem, am O2-Flowme- • P neumothorax
ter angebrachten Verbindungsschlauch. Der O2-Be- • I nsuffiziente Beatmung
darf des Kindes richtet sich nach der SpO2.

12.1.5  Entwöhnung vom Respirator


Maskenbeatmung
Die Maskenbeatmung ist eine künstliche Beatmung Extubation
mit Hilfe einer Beatmungsmaske und eines Beat-
mungsbeutels. Eine Extubation ist nach Möglichkeit immer sorg­
fältig zu planen und vorzubereiten. Der Arzt oder
Indikationen die Pflegekraft versuchen, einen günstigen Zeit-
• P räoxygenierung vor einer Intubation punkt im Tagesablauf zu wählen, d. h. nicht unmit-
• m anuelles Überblähen der Lunge bei FG zur telbar vor einem Schichtwechsel, nicht während
Atem­erleichterung ­einer Stressphase und auch nicht unbedingt nachts.
• p lötzlicher Atemstillstand Die Verfügbarkeit eines weiteren Arztes, der im
­Falle einer Reintubation helfen könnte, ist von Vor-
Material teil.
Für die Maskenbeatmung benötigen Pflegende ei- Günstig ist die Extubation am Ende einer „klei-
nen altersgemäßen Beatmungsbeutel bei FG und NG nen“ Versorgungsrunde und nach Möglichkeit in
mit Druckmessung oder -begrenzung, eine altersge- bereits endgültiger Lagerungsposition, um dem
mäße Beatmungsmaske, einen O2-Flowmeter mit Kind anschließend Ruhe zu gönnen.
Sauerstoffschlauch, eine funktionstüchtige Absaug- Die Extubation führen eine erfahrene Pflegekraft
vorrichtung mit entsprechenden Absaugkathetern oder ein Arzt durch.
sowie unsterile Handschuhe.
Voraussetzungen
Durchführung • a usreichende Spontanatmung
Das Kind mittels EKG, SpO2 und RR-Messung über- • g eringer Beatmungsbedarf, d. h. FiO2 ≤40 %,
wachen. Pflegende stellen den Systolenton am Mo- niedrige Frequenz und Pinsp, assistierende Beat-
nitor laut. Sie saugen in jedem Fall vor der Maßnah- mungsform mit ausreichendem Spontanat-
me den Mageninhalt ab. mungsanteil
• K ind ist beim endotrachealen Absaugen gut be-
VORSICHT lastbar, hustet beim Absaugen oder spontan
Füllt sich der Magen während der Maskenbeatmung mit • s tabile Hämodynamik
Luft, kann es zu einem Reflux des Mageninhaltes kom-
men. Unter Umständen aspiriert das Kind. Komplikationen
• A spiration → Kind war nicht nüchtern/nicht ab-
Wenn nötig, erhält das Kind eine Sedierung. Pfle- gesaugt?
gende unterlagern die Schultern bei Säuglingen und • A telektase → Tubus während der Exspiration ge-
KK, größere Kinder lagern sie mit leicht überstreck- zogen?
tem Kopf. Die Effektivitätskontrolle der Beatmung • S chleimhaut- oder Trachealverletzungen durch
12 erfolgt durch Auskultation, SpO2-Kontrolle und Be- nicht entblockten Cuff
12.1  Endotracheale Intubation 225

• K ehlkopfschwellung (Symptome: inspiratorischer • m


 it dem Beatmungsbeutel über den noch liegen-
Stridor, Atemnot, Zyanose, Apnoe, Bradykardie, den Tubus, synchron zur Spontanatmung des
tritt besonders häufig bei Frühgeborenen auf) Kindes, 2–3 Atemhübe zum Blähen und Oxyge-
nieren der Lunge verabreichen
Vorbereitung des Kindes • T ubus während der Inspiration ziehen
• v or elektiver Extubation: Kind 4–6 Std. nüchtern • ü ber das Nasenloch, in dem der Tubus lag, Sekret
lassen absaugen, um die häufig dahinter sitzenden
• I nfusionsmenge erhöhen Schleimpfröpfe zu entfernen
• K ind altersentsprechend über die bevorstehende • N RR absaugen
Maßnahme aufklären • g gf. Nasentropfen und nach Bedarf des Kindes O2
• L agerung mit erhöhtem Oberkörper. Bei Früh- mittels Vernebler, O2-Sonde oder -brille verabrei-
und Neugeborenen hat sich die Lagerung auf chen
dem Bauch (z. B. Hängebauchlage oder Bauchla-
gerung auf einem Steg) als sehr vorteilhaft erwie- Pflege und Überwachung nach der Extubation
sen In der ersten Zeit nach der Extubation die Atmung
• t ranskutane pO2- und pCO2-Messsonde noch- hinsichtlich Frequenz, Einziehungen, Nasenflügeln
mals kalibrieren und neu kleben und Atemgeräuschen (z. B. Stridor) überwachen.
• k urz vor der Extubation: endotracheal, NRR und Pflegende führen nach Bedarf atemerleichternde La-
Magen absaugen gerungen oder Inhalationen durch. Bei der Überwa-
• z ur Dekompression des Magens Magensonde chung der Vitalparameter gilt auch der Temperatur
hoch und offen hängen ein Augenmerk. Die periphere und zentrale Tempe-
Vor allem bei FG/NG ist meist eine zusätzliche ratur des Kindes kann bei großer Anstrengung und
Atemstimulation erforderlich, dies kann durch die Stress sinken, aber auch steigen. Fieber ist entspre-
i. v.-Gabe von Theophyllin (oder der oralen Gabe chend zu therapieren, da es den O2-Bedarf erhöht.
von Coffein) erfolgen. Eine Veränderung der Bewusstseinslage, z. B. eine
vermehrte Schläfrigkeit, kann ein Hinweis auf einen
Vorbereitung des Materials pCO2-Anstieg durch eine insuffiziente Atmung sein.
• funktionierende Absauganlage mit altersgemä- Beim Hautkolorit achten Pflegende auf Zeichen ei-
ßen Absaugkathetern ner zentralen Zyanose, die auf ein pulmonales Prob-
• B eatmungsbeutel mit altersentsprechender Mas- lem hinweisen kann, z. B. zyanotisches Nasen-
ke verbunden mit einer Sauerstoffanlage Mund-Dreieck, livide Mundschleimhaut.
• R eintubationsbesteck und die dafür nötigen Me- Blässe, marmorierte Haut, Kaltschweißigkeit und
dikamente periphere Zyanose sind Zeichen von Stress oder ei-
• je nach Standard und Bedarf: ggf. Nasentropfen, ner insuffizienten Herzleistung.
O2-Vernebler oder eine O2-Nasensonde/-brille Nach ca. 30 Min. ist eine BGA durchzuführen.
bzw. Materialien für eine Atemunterstützung • S ymptome bei Hyperkapnie: vermehrte Haut-
mittels CPAP durchblutung (meist zuerst im Bereich der Wan-
Nach Langzeitbeatmung, bei bekannter Tracheoma- gen erkennbar), Kaltschweißigkeit, Somnolenz,
lazie, bei BPD, bei zuvor schwieriger Intubation so- Koma durch CO2-Narkose, arterielle Vasodilata-
wie häufig bei Kindern mit Trisomie 21 ist mit ei- tion, ICP-Anstieg, venöse Vasokonstriktion,
nem Stridor bzw. Obstruktion zu rechnen. In diesen Herzrhythmusstörungen, Azidose, Hyperkaliä-
Fällen stellen Pflegende zusätzlich ein Inhaliersys- mie
tem mit den entsprechenden Medikamenten bereit. • S ymptome bei Hypokapnie: verminderte Haut-
durchblutung, Blässe, Somnolenz, Koma, evtl.
Durchführung „Pfötchenstellung“, arterielle Vasokonstriktion,
• T ubuspflaster befeuchten und vorsichtig entfer- v. a. zerebral (Hirnperfusion ↓), venöse Vasodila-
nen tation (HZV ↓, RR ↓), Herzrhythmusstörungen,
• T ubus mit Cuff entblocken Alkalose, Hypokaliämie 12
226 12  Beatmung

Im weiteren Verlauf ist eine sorgfältige Physiothera- Durchführung der Tracheostoma-Anlage


pie unabdingbar, um das Sekret zu mobilisieren, At-
elektasen vorzubeugen und eine Erschöpfung zu Die Anlage eines Tracheostomas erfolgt in Intubati-
verhindern. onsnarkose. Es ist zwischen konventionellen und
Durch eine gute Mund- und Nasenpflege halten plastischen Tracheostomata sowie, je nach Anlage-
Pflegende die Schleimhaut des Kindes intakt, damit ort, zwischen oberer, mittlerer und unterer Tra-
sie ihre Aufgabe als „Anfeuchter“ der Atemluft opti- cheotomie zu unterscheiden. Beim konventionellen
mal erfüllen kann. Tracheostoma öffnet der Arzt den Wundkanal im
Wenn das Kind respiratorisch stabil ist, beginnen Subkutangewebe und vernäht die entstandene
Pflegende nach 4–6 Std. mit der enteralen Ernäh- Wunde nicht. Beim plastischen Tracheostoma ver-
rung. Dann wird auch die ggf. erhöhte Infusions- näht er die Wundfläche mit Haut oder einem her-
menge reduziert. ausgeklappten Trachealwandfenster. Das Stoma er-
hält mittels dieser Technik eine glatte und über-
Kriterien zur Reintubation sichtliche Form. Eine Koniotomie führt der Arzt
• d er CO2-Wert steigt über das tolerable Maß, d. h. vorwiegend in Notfallsituationen durch, bei denen
das Kind entwickelt eine respiratorische Azidose eine Intubation nicht möglich ist. Dazu öffnet er mit
ohne Aussicht auf eine rasche Erholung und einem Skalpell die Trachea zwischen Schild- und
trübt ein Ringknorpel.
• m aximaler Einsatz der Atemhilfsmuskulatur,
Einziehungen, Nasenflügeln, Mundbodenat-
Pflegerische Besonderheiten
mung, steigender O2-Bedarf und eine abfallende
zentrale sowie periphere Temperatur Nach der Anlage des Tracheostomas überwachen
• E rschöpfungszeichen Pflegende das Kind mittels EKG, RR, SpO2, EtCO2
• m assiver inspiratorischer und exspiratorischer oder tcpCO2 und tcpO2. Sie schließen es an das vor-
Stridor, der sich nach Inhalation nicht bessert bereitete Beatmungsgerät an.
und zur Atemnot führt Sie ergänzen die übliche Ausstattung des Inten-
• e xzessive Sekretbildung mit folgender Obstruk­ sivplatzes (› Kap. 4) durch
tion der Atemwege • e ntsprechende Trachealkanüle
• A uftreten von Atelektasen • w eitere Trachealkanülen (eine Nummer größer
• A bfall des HZV mit Tachykardie, RR ↓, periphe- und kleiner)
re Temperatur ↓, marmoriertem Hautkolorit, • T ubus in der Größe der liegenden Trachealkanüle
Blässe, Kaltschweißigkeit • S chere
• T rachealspreizer
• H ydrokolloidverband zum notfallmäßigen Ab-
12.1.6  Trachealkanülen dichten des Stomas

Trachealkanülen werden aus unterschiedlichen


Materialien, in unterschiedlichen Größen, mit und
ohne Cuff, sowie mit und ohne Sprechventil angebo-
ten.

Indikationen
• E rschwerte oder nicht mögliche endotracheale
Intubation bei mechanischen Hindernissen wie
Tumoren, Stenosen oder traumatischen Hinder-
nissen, z. B. Kehlkopfverletzungen Abb. 12.7  Trachealkanüle mit high volume low pressure-Cuff.
12 • L angzeitbeatmung [L157]
12.1  Endotracheale Intubation 227

• M etalline®-Schlitzkompressen erfasst die exakte Lage der Kanüle. Die Pflegenden


• s terile Kompressen dokumentieren die Kanülengröße und die Kanülen-
Zum Fixieren der Kanüle benutzen sie das beigefüg- marke.
te Halteband oder ein Stück tg®-Schlauch.
Tracheostomapflege
Postoperative Versorgung Die Tracheostomapflege erfolgt mind. einmal täg-
Nach Anlage des Tracheostomas benötigen die Kin- lich im Anschluss an die GKW. Bei Bedarf, z. B. bei
der für ca. drei Tage eine dauerhafte Analgesie. Pfle- sehr starker Sekretproduktion, kann sie häufiger nö-
gende inspizieren das Tracheostoma im Rahmen der tig sein, um das Stoma trocken und sauber zu halten.
Tracheostomapflege mindestens einmal pro Schicht • H ändedesinfektion
und achten insbesondere auf Nachblutungen oder • K ind altersgemäß informieren und endotracheal
Schwellungen. Eine Röntgenaufnahme des Thorax absaugen (› 12.1.3)

Tab. 12.8  Trachealkanülen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihres Anwendungsspektrums.
Kanülentypen Indikationen Vorteile Nachteile
Silberkanüle • infizierte Stomata • sterilisierbar • starr, schwer
• ältere Patienten • Tragedauer über Monate bis Jahre • verursacht Ulzera und Gra-
• für Tumor-Patientenals • mit Sprechventil nulome
Platzhalter oder bei Blu-
tungsgefahr
Tracoe-Kanüle • langzeittracheotomierte • weich, besteht aus PVC • empfindliches Material
Patienten • individuelle Anpassung möglich • sehr sorgfältige Pflege
• für Tumor-Patienten als • Tragedauer bis zu einem Jahr wichtig
Platzhalter
Mediplast-Kanü- • beatmete Patienten • Material PVC-frei • Sprechventil sitzt sehr fest
le • sauerstoffabhängige Pa- • Sprechkanüle • Gefahr der Obstruktion
tienten • Kanüle und Adapter einzeln erhältlich durch Sekret
• Tragedauer 6–12 Monate

Tracheoflex-Ka- • beatmete Patienten • weich, aus PVC • Absaugschwierigkeiten


nüle • kurzzeittracheotomierte • mit Drahtskelett wegen des 90°-Winkels
Patienten • mit Niederdruckcuff
• Ersttracheotomie • Tragedauer bis zu 3 Monaten
Tracheoflex- • Sprechkanülefür kurz- • leichte Handhabung
Kurzkanüle zeittracheotomierte Pati- • leichte Pflege
enten • vielfältige Ausstattung
wie Adapter
für künstliche Nase, Hustenkappe
und Plastikmembran
optimierte Kin- • besonders für Säuglinge • Material aus PVC
derkanüle geeignet • keine Drahtspirale
• Adapteransatz steht vor
• als Sprechkanüle mit Perforation ein-
setzbar
Silikon-Kanüle • laryngektomierte
Patien- • Sprechkanüle • kein Sprechventil einsetz-
ten mit Provox-Prothese • weich und kurz bar (Patient muss beim
• gut hautverträglich Sprechen Kanüle zuhalten)
• Tragedauer 6–12 Monate • gute Fixierung nötig

Shiley-Kanüle • starr, starke Krümmung


• Ulkusgefahr

Portex-Kanüle • in kleinen Größen erhältlich 12


228 12  Beatmung

• m
 it Lagerungshilfsmitteln unter den Schulter- • V erletzungen durch unvorsichtiges Arbeiten
blättern Kopf leicht überstrecken, um den Hals • K anülenfehllage, z. B. subkutan (Hautemphysem)
zugänglich zu machen • D ruckulzera, Granulome
• u nsterile Handschuhe anlegen • T racheoösophagealfistel
• a lten Tracheostoma-Verband und Halteband ent-
fernen Kanülenwechsel
• s terilen Handschuh über die „Arbeitshand“ zie- Trachealkanülen sind in regelmäßigen Zeitabstän-
hen; Kanüle mit der anderen Hand halten den (Angaben des Herstellers beachten) zu wech-
• a lternativ statt des Handschuh eine sterile Pinzet- seln, da die Materialien nur begrenzte Zeit voll ein-
te oder sterile Watteträger verwenden satzbereit sind.
• R einigung mithilfe von sterilen Kompressen, die Eine Kanülenfehllage, defektes Material oder eine
mit NaCl 0,9 % (oder evtl. Octenisept®) befeuch- Kanülenobstruktion erfordern ggf. einen sofortigen
tet sind Kanülenwechsel.
• S toma mit sterilen Kompressen trocknen Vorbereitung des Kindes
• S toma auf Rötung, Infektion, Druckulzerationen • P flegende informieren das Kind altersentspre-
und die korrekte Lage der Kanüle inspizieren chend, saugen im NRR und endotracheal ab
• M etalline®-Schlitzkompresse und Haltebändchen • L agerung erfolgt wie bei der Tracheostomapflege
anbringen Durchführung
• B efunde und Maßnahme dokumentieren Ein Kanülenwechsel erfolgt immer durch zwei
Pflegende. Den ersten Wechsel nach der Anlage
Das Halteband muss den sicheren Halt der Kanüle ge- führt der Arzt durch.
währleisten. Um Druckstellen, Hautläsionen und gestau- • H ändedesinfektion, Anlegen von unsterilen
te Jugularvenen zu vermeiden, legen es Pflegende nicht Handschuhen
zu eng an. Faustregel: Zwei Finger haben zwischen Hal- • C uff der neuen Kanüle unter sterilen Bedingun-
teband und Hals Platz. gen auf Funktionstüchtigkeit überprüfen und
evtl. die Marke einstellen
Bei Verwendung eines tg®-Schlauchverbands ver- • n eue Kanüle ggf. mit Instillagel®, NaCl 0,9 % oder
meiden Pflegende eine versehentliche Lockerung Silikonspray gleitfähig machen
des Bändchens durch Verknoten mit Positionierung • v orhandenen Tracheostoma-Verband entfernen
des Knotens auf dem Flansch (flügelförmige Halte-
vorrichtung an der Kanüle).
Komplikationen
• N achblutungen bei frisch angelegtem Stoma
Spekulum
• I nfektionen des Tracheostomas und der Lunge
Spritze

Trachealkanüle
Cuffdruckmesser

a b c d

Abb. 12.8  Fehllage einer Trachealkanüle. [L157] Lokalanästhetikum


a) Lumen verlegt durch Carina oder Trachealwand Einführhilfe Halteband
b) Kanülenverschluss durch Sekret
c) Kanüle abgeknickt
12 d) Intubation einseitig, meistens rechts Abb. 12.9  Material für einen Trachealkanülenwechsel. [L157]
12.1  Endotracheale Intubation 229

• H andschuhwechsel Komplikationen
• liegende Kanüle entblocken, vom Beatmungsge- • K anülenfehllage
rät diskonnektieren und herausziehen • S pO2-Abfall mit Bradykardie
• n eue Kanüle zügig, jedoch vorsichtig einführen • V erletzungen durch unvorsichtiges Arbeiten
und mit dem Beatmungsgerät konnektieren
LITERATUR
1. Schäfer, S.; Kirsch, F.; Scheuermann, G.; Wagner, R.:
Zum leichteren Einführen setzen Pflegende die Kanüle Fachpflege Beatmung, 5. A. Elsevier Verlag, München,
quer zur Trachea an und platzieren sie mit einer 90°-Dre- 2008.
hung. Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpflege.
Gustav Fischer, Lübeck/Stuttgart/Jena/Ulm, 1998.
3. Schäper, A.; Gehrer, B. (Hrsg.): Pflegeleitfaden Intensiv-
• K anüle in die korrekte Lage bringen und blocken pflege Pädiatrie. Elsevier Verlag, München, 1999.
4. Hennig-Seck, B.; Linderkamp, O. et al.: Einsatz der Hydro-
• T racheostomapflege durchführen (siehe oben) kolloidplatte zur hautschonenden Fixierung eines nasalen
• e rneute endotracheale Absaugung Tubus bei Rachen-CPAP. http://archiv.ub.uni-heidelberg.
• s ämtliche Parameter vor, während und nach dem de/volltextserver/volltexte/2002/2457/pdf/Rachen-CPAP-
Wechsel, Befunde sowie die Maßnahme selbst Studie.pdf (Letzter Zugriff am 3.1.2012)
dokumentieren 5. Infos zur noninvasiven Ventilation: http://www.intensiv-
careunit.de/niv.html (Letzter Zugriff am 3.1.2012)

12
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KAPITEL

13 Pflege bei respiratorischen


Erkrankungen
13.1  Physikalische Auf Grund unterschiedlicher Partikelgröße vari-
Atemunterstützung iert die Effizienz der Inhalation von Gerät zu Gerät.
Hannah Tönsfeuerborn Es kommen verschiedene Mengen Inhalat in den
unteren Atemwegen an.
• Dosieraerosol (MDI): 5–15 %
13.1.1  Inhalationen • MDI + Spacer: 10–15 % (bei Säuglingen mit BPD
nur ca. 1 %)
Inhalationen könne sowohl bei spontan atmenden • Utraschallvernebler: 5–15 % (bei Säuglingen eher
als auch beatmeten Patienten durchgeführt werden. < 2 %)
Zum Einsatz kommen: • Aerosolgenerator: 15 %
• Bronchodilatatoren (β-Agonisten, z. B. Salbut­ • Druckluft- oder Jetvernebler: 5–15 % (bei spon-
amol) tan atmenden Säuglingen eher < 1 %)
• Anticholinergika (Ipratropiumbromid) Wichtig ist die genaue Einhaltung des angeordneten
• Steroide (Budesonid) Mischungsverhältnisses von Medikament und ver-
• Antibiotika (Tobramycin, Amphotericin) ordneter Trägerlösung, da sich mit zunehmender
• Mucolytica (Acetylcystein) Inhalationsdauer der Wasseranteil durch Verduns-
• Vasodilatatoren (Iloprost) tung reduziert, wobei die Konzentration des Wirk-
Inhaliert werden Aerosole, also Mischungen aus fes- stoffes gleich bleibt oder steigt. Dies kann bei länge-
ten oder flüssigen Schwebeteilchen in einem Gas rer Inhalation zum Hustenreiz führen. Zudem kön-
oder Gasgemisch. nen pH- und Osmolaritätsveränderungen eine Bron-
Die Deposition des Aerosols in den Atemwegen chokonstriktion auslösen, z. B. wenn sich die Menge
ist abhängig von der Art der Applikation, der der Basislösung verändert.
Feuchte im Schlauchsystem, dem Durchmesser des
Endotrachealtubus, der Größe der Aerosolpartikel
Applikationsformen
und der Entfernung des Inhalationssystems zum
Tubus. • Pulverinhalator = DPI (dry powder inhaler) (0,4–
Um Patienten auf der Intensivstation mit inhala- 6 μm)
tiv verabreichten Medikamenten zu versorgen, ste- • MDI (0,5–6 μm)
hen folgende Systeme zur Verfügung: • Vernebler (Tröpfchengröße 0,5–5 μm)
• Dosieraerosol = MDI (metered dosed inhaler) – Düsenaerosol (Druckluft)
• Pulverinhalator = DPI (dry powder inhaler) nicht – Ultraschall-Aerosol (0,5–3 μm)
geeignet für beatmete Patienten – Membranvernebler (2,5–>5 μm)
• Düsenvernebler – Aerosolgenerator (ca. 3 μm)
• Aerosolgenerator
• Ultraschallvernebler Verabreichung von Dosieraerosolen (MDI) beim
Entscheidend für die Effizienz der Inhalation ist die beatmeten Patienten
Partikelgröße des Aerosols. Um in die Alveolen ge- Bei Bedarf saugen Pflegende den Patienten vor der
langen zu können, dürfen die Partikel nicht größer Inhalation endotracheal ab. Sie schütteln das Dosie-
als 5 μm sein. Für den Einsatz im Bronchialbereich raerosol sorgfältig und wärmen es etwas in der
sind Partikelgrößen bis 35 μm möglich. Hand, bevor sie es auf den Inhalationsadapter oder
232 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

den Spacer setzen. Kommt statt aktiver Atemgaskli- • Notfallsituationen (Hypovolämie, Kardiomyopa-
matisierung ein HME-Filter zur Anwendung, ist die- thie, Anaphylaxie, Sepsis)
ser vor der Inhalation zu entfernen. Die Medika- • pulmonale Hypertension
13 mentenapplikation erfolgt in der Inspiration. Zwi- • CO-Intoxikation
schen den einzelnen Hüben warten Pflegende 15
Sek. Steroide verabreichen sie stets zuletzt.
Unerwünschte Wirkungen
Inhalation mit Düsenvernebler, Aerosolgenerator Toxizität und unerwünschte Wirkungen sind ab-
und Ultraschallvernebler hängig von der inspiratorischen O2-Konzentration
Bei Bedarf saugen Pflegende den Patienten vor der und der Dauer der Einwirkung.
Inhalation endotracheal ab. Sie füllen das Medika- • Schädigung der Alveolen bei Hyperoxie durch
ment wie angeordnet in die Verneblerkammer und Sauerstoffradikale
bauen den Vernebler in den Inspirationsschenkel • interstitielles und intraalveoläres Ödem
des Beatmungssystems ein (HME-Filters entfernen). • intraalveoläre Blutungen
Den Verneblerzyklus am Beatmungsgerät starten. • Absorptions-Atelektasen
Findet eine externe Flowquelle Verwendung, sind • Schädigung der Gefäßendothelzellen der Retina
Tidalvolumen und Inspirationsdruck am Beat- bei Früh- und Neugeborenen durch freie Sauer-
mungsgerät evtl. anzupassen. stoffradikale
Pflegende überwachen das Kind während der In- • Gefahr der bronchopulmonalen Dysplasie
halation auf Hustenreiz, Atemverhalten und -fre- • vor allem bei Kindern mit chronischer Hyperkap-
quenz sowie alle weiteren Vitalparameter. Treten nie führt ein übermäßiges O2-Angebot zur Atem-
Probleme auf, brechen sie die Inhalation ab. depression, da sie die Atmung nicht über den
pCO2 sondern über den pO2 steuern
• plötzliche Gaben von hochdosiertem Sauerstoff
13.1.2  Sauerstofftherapie („Sauerstoffdusche“) können bei älteren Neuge-
borenen zur Atemdepression bis hin zur Apnoe
Sauerstoff ist ein Medikament. Dosis und Applikati- führen
onsweg unterliegen der ärztlichen Anordnung. Wie • erhöhtes Risiko einer Lungenfibrose bei Patien-
jedes Medikament kann auch Sauerstoff uner- ten unter Bleomycin-Therapie und Patienten mit
wünschte Wirkungen entfalten, z. B. Retinopathie Paraquat-Intoxikation (Pflanzenschutzmittel)
bei Frühgeborenen, pulmonale Sauerstofftoxizität • Vorsicht ist geboten bei Kindern mit duktusab-
bei Patienten mit Antioxidanzienmangel der Lunge, hängiger Zirkulation und angeborenen Herzfeh-
Überflutung der Lunge bei Kindern mit Rechts- lern mit singulärem Ventrikel
Links-Shuntvitien durch vasodilatatorische Wirkung
auf die Lungenkapillaren und Abnahme des Ateman-
Applikationsformen
triebs bei Patienten mit chronischer Lungenerkran-
kung und Adaptation an hohe CO2-Spiegel. Nasensonde/Nasenkanüle (low-flow-System)
Der Sauerstoff ist stets angefeuchtet und ggf. auch • Nasenkanülen (etwa 0,5–1 cm vorschieben)
angewärmt zu verabreichen. Pflegende kontrollieren • dünnlumige Nasensonde (Einführtiefe: Abstand
und dokumentieren Vitalparameter, klinisches Bild, Nase/Ohr : 2)
Blutgaswerte sowie die Dosierung des Sauerstoffes • größere Kinder erhalten Nasensonden mit
während der Therapie fortlaufend. Schaumstoffansatz zum Polstern und Abdichten
(werden in der Regel schlecht toleriert, Fremd-
körpergefühl in der Nase)
Indikationen
• maximale Sauerstoffkonzentration 30–40 % (bei
• arterielle Hypoxie (SpO2 abhängig von Baseline- einem Flow von ca. 6 l/Min.)
Sättigung des Patienten) • inspiratorische O2-Konzentration ist abhängig
• Verteilungsstörungen vom Atemminutenvolumen
13.1  Physikalische Atemunterstützung 233

• Gefahr der Magenüberblähung Venturi-Sauerstoffmaske (high-flow-System)


• Gefahr der Blutung durch Verletzung der Nasen- • Maske mit genormter Dosiereinrichtung (24 %,
schleimhaut 28 %, 35 %, 40 %)
• Gefahr des Laryngospasmus bei zu tiefem Vor- • inspiratorische O2-Konzentration ist unabhängig 13
schieben der Nasensonde vom AMV, solange es die Gasflusskapazität des
Systems nicht übersteigt
Pflege
• Kind vor dem Legen der Nasensonde altersge- Sauerstoffvernebler
mäß informieren • Flowmeter mit Befeuchtung und eventuell einer
• sichere Fixierung der Sonde Heizung
• Wechsel des Nasenloches einmal pro Schicht, • dient der Sauerstoffverabreichung sowie der Se-
Wechsel der Sonde einmal täglich bzw. bei Ver- kretverflüssigung
schmutzung • Sauerstoffkonzentration mittels Regler einstellbar
• Reizung und Austrocknung der Nasenschleim-
haut möglich, sorgfältige Nasenpflege erforder- Sauerstofftrichter
lich (› 7.1.3). • Trichter mit Sauerstoffanschluss vor das Gesicht
des Kindes legen
Sauerstoffbrille (low-flow-System) • Nachteil: Gesichtsfeld des Kindes stark einge-
• doppelläufiger Kunststoffschlauch mit oder ohne schränkt
Schaumstoffansatz für beide Nasenlöcher • erreicht nur eine geringe Sauerstoffkonzentration
• wirkungsvoller als Nasensonde, da Sauerstoffga- (∼ 30 %), Trichter finden daher nur noch selten
be über beide Nasenlöcher möglich (nur bei Na- Anwendung
senatmern und mit Schaumstoffansatz, sonst ho-
her O2-Verlust, da die Ausflussstutzen nicht tief Inkubator
genug in der Nase sitzen) • über das Belüftungssystem des Inkubators lässt
• maximale Sauerstoffkonzentration 30–50 % sich Sauerstoff zuführen
• maximaler Flow 2–3 l (Herstellerangaben beach- • maximale Konzentration 60 %.
ten)
Umgang mit Sauerstoffflaschen
Pflege
• Reizung und Austrocknung der Nasenschleim- VORSICHT
haut möglich, sorgfältige Nasenpflege erforder- Pflegende achten darauf, Gasflaschen nicht vollständig
lich (› 7.1.3). zu leeren, sondern einen Restdruck von mindestens 0,5
bar zu belassen. So vermeiden sie, dass keimbelastete
Sauerstoffmaske (high-flow-System) Luft in die Flaschen eindringt. Komplett geleerte Flaschen
sind vor der Wiederbefüllung aufwändig zu reinigen und
• umschließt Nase und Mund des Kindes dicht mit einem thermischen Verfahren aufzubereiten. Bei Fla-
(Kinder mit Atemnot tolerieren die Maske gele- schen mit Restfüllung genügt eine erneute Befüllung oh-
gentlich nicht) ne weitere hygienische Maßnahmen.
• maximale Sauerstoffkonzentration bei einfacher
Maske 40–45 % (bis ca. 60 % bei einem Flow von
12 l/Min.); bei Maske mit Reservoirbeutel 60– • Sauerstoffflaschen ausschließlich mit zugelasse-
65 % (70 % bis theoretisch 100 % bei dichtem Sitz) nen Druckminderern (nach EN 738) sowie den
dafür vorgesehenen (Original-)Dichtungen und
Pflege metallischen Verbindungselementen (Kennzeich-
• Sitz der Maske regelmäßig überprüfen nung „öl- und fettfrei“ beachten) benutzen
• auf Druckstellen im Bereich des Maskenrandes • Ventile nur von Hand betätigen und langsam öffnen
achten (regelmäßige geringfügige Positionsände- • Ventilöffnung und Handrad vom Körper weg
rungen helfen, Dekubiti zu vermeiden) halten
234 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

• Ventile (auch mit angeschlossenem Druckminde- gen in Monitoring, Lagerung, Ernährung und Aus-
rer) geschlossen halten, solange kein Sauerstoff scheidungskontrolle. Die Pflege erfolgt, je nach ak­
fließen soll tuellem Gewicht, in einem Doppelwandinkubator mit
13 • Flaschen gegen Um- oder Herabfallen sichern der Möglichkeit der O2-Zufuhr.
(z. B. mit Ketten und Bügeln)
• Flaschen in sicherer Entfernung von brennbaren
Stoffen und an einem gut durchlüfteten Ort lagern 13.2.1  Infant respiratory distress
• Erwärmung über 50 °C unbedingt vermeiden syndrome
• Kennzeichnung an Sauerstoffflaschen (Prägung,
Aufkleber, Farbmarkierung) nicht beschädigen, DEFINITION
verändern oder beseitigen (Flaschenkappe von Infant respiratory distress syndrome (IRDS/Atem-
Sauerstoffflaschen ist mit weißer Farbe gekenn- notsyndrom): Primärer Surfactantmangel. Aus diesem
zeichnet) Grund sind davon vorwiegend Frühgeborene < 35. SSW
• beschädigte Flaschen (z. B. Ventil-, Brand-, me­ betroffen.
chanische Schäden) keinesfalls benutzen; beschä-
digte Flasche kennzeichnen, Lieferanten informie-
Symptome
ren
• Transport ausschließlich mit zugelassenem Ven- Kinder mit IRDS fallen meist durch Tachydyspnoe,
tilschutz (z. B. Flaschenkappe) und mit ausrei- Nasenflügeln, exspiratorisches Stöhnen und ein
chender Sicherung gegen Verrutschen oder Um- deutlich abgeschwächtes Atemgeräusch auf. Zusätz-
herrollen lich zeigen sie Kreislaufinstabilität, Hyperkapnie,
• Sauerstoffflaschen, die für den Notfall bereitste- Hypoxie und evtl. eine Zyanose.
hen, täglich auf ihren Restinhalt überprüfen
Komplikationen
Bestimmung des Flascheninhalts
• bronchopulmonale Dysplasie (› 13.2.5)
Restinhalt = Rauminhalt der Flasche × bar • persistierender Ductus ateriosus Botalli
(› 13.3.2)
• Beispiel: Rauminhalt der Flasche = 10 l
• Angezeigte bar = 50
• nekrotisierenden Enterokolitis (› 15.2.2)
• 10 × 50 = 500 • Pneumothorax (› 13.4.8)
• Die Flasche enthält 500 l Gas. • Hirnblutung des Neugeborenen (› 15.3.2)
Die mögliche Verwendungsdauer des Restinhaltes hängt • periventrikuläre Leukomalazie
von der zu verabreichenden Menge in l/Min. ab. • persistierende pulmonale Hypertension des Neu-
• Beispiel: Restinhalt = 500 l geborenen (› 13.3.1)
• Zu verabreichende Menge = 2 l/Min.
• 500 l : 2 l = 250
Der Flascheninhalt reicht 250 Min. lang für eine kontinu- Pflegerische Besonderheiten
ierliche Gabe von 2 l/Min. aus.
Zusätzlich zum Grundmonitoring (› Kap. 14) be-
treuen Pflegende das Kind mittels Minimal Hand-
ling, um Stressphasen und eine sich evtl. daraus ent-
wickelnde Hyperkapnie zu vermeiden. Folgen der
13.2  Neonatale Hyperkapnie sind respiratorische Azidose und die
Lungenerkrankungen Hemmung der Surfactantbildung.
Katja von Maydell Die im Grundmonitoring enthaltene Temperatur-
messung erhält bei diesen Kindern einen zusätzli-
chen Stellenwert, da Temperaturschwankungen zu
Bei der Pflege von NG zeigen sich für die verschiede- einem erhöhten Sauerstoffverbrauch führen können
nen pulmonalen Erkrankungen Übereinstimmun- und unbedingt zu vermeiden sind.
13.2  Neonatale Lungenerkrankungen 235

Stressphasen vermeiden Lungenbelüftung begünstigt die Entstehung von At-


• Minimal Handling elektasen. Ein Surfactantmangel kann primär durch
• Absaugen nur unter strenger Indikationsstellung Unreife und Frühgeburtlichkeit entstehen. Sekundär
• anfangs keine Physiotherapie entsteht er durch die Komplikationen der Frühge- 13
burtlichkeit, z. B. Hypoxie, Hypothermie, Azidose,
Infektion und Beatmungspflicht. Ein Schock kann
Die Sekretbildung ist in den ersten 24 Std. nur ge- ebenfalls einen Surfactantmangel auslösen.
ring, sodass der NRR nur nach strenger Indikations- In diesen Fällen ist die exogene Zufuhr von Sur-
stellung abgesaugt wird. Pflegende lagern das Kind factant möglich.
zur Atemerleichterung in Bauch-Seitlage, Bauchlage Es stehen künstliche, z. B. Exosurf®, und natürli-
auf einem Steg oder in Hängebauchlage (› 8.4). che Präparate, z. B. Curosurf® (aus Schweinelun-
Kommt es zu einer respiratorischen Verschlech- gen), Alveofact®, Survanta® (aus Rinderlungen), zur
terung, eignet sich in der Frühphase des IRDS der Verfügung.
Einsatz von Nasen-, Bubble-CPAP oder HighFlow- Aktuell sind verschiedene Möglichkeiten der Sur-
Therapie, um die Atmung zu unterstützen. Ein factantverabreichung üblich. Um eine Verabrei-
­Anstieg des pCO2 im Verlauf und eine unzureichen- chung des Surfactants in nur eine Lungenseite zu
de Spontanatmung erfordern eine Intubation und vermeiden, kontrolliert der Arzt vor der Surfactant-
Be­atmung. Bei ausgeprägtem IRDS empfiehlt sich gabe die richtige Tubuslage mittels Röntgen-Thorax.
zur  Lungenprotektion der Einsatz einer HFOV Es empfiehlt sich, ca. 10–15 Min. vor der geplan-
(› 12.1.4). ten Applikation nochmals endotracheal abzusaugen.
Auch während dieser Phase prüfen Pflegende die Die Überwachung des Kindes erfolgt durch EKG,
Notwendigkeit von Absaugvorgängen sehr kritisch. Blutdruck, SpO2-Messung und transkutaner pO2 und
Sie machen die Trachealtoilette unter anderem von pCO2-Messung.
der Auskultation der Lunge und raschen pCO2-An-
stiegen abhängig. Eine ausreichende (aber nicht Applikation über Magensonde in den Tubus
übermäßige) Präoxygenierung soll Hypoxien beim • Magensonde unter sterilen Bedingungen auf Tu-
Kind vermeiden. buslänge kürzen (Referenztubus verwenden)
Vor allem beim Einsatz eines Nasen-CPAP kann • körperwarmes Surfactant entsprechend der ange-
es aufgrund eines geblähten Abdomens zu Verdau- gebenen Dosierung steril in eine Spritze aufziehen
ungsstörungen kommen. Durch das Hochhängen • Der Arzt appliziert das körperwarme Surfactant
der geöffneten Magensonde sowie eine rechtzeitige mit Hilfe einer Pflegekraft (Diskonnektion und
Darmmobilisation durch warme Leibwickel, Bauch- Konnektion des Beatmungsgeräts)
massagen, Darmrohr und Einläufe lassen sie sich
vermindern. Bei schlechtem Allgemeinzustand er- Applikation über Magensonde bei spontanatmen-
folgt der Nahrungsaufbau sehr vorsichtig, gelegent- den Kindern mit CPAP
lich setzt der Arzt die enterale Ernährung ab. • körperwarmes Surfactant entsprechend der ange-
gebenen Dosierung steril in eine Spritze aufzie-
hen; Spritze mit einer Magensonde konnektieren
Surfactanttherapie
• der Arzt führt die Magensonde mit Hilfe eines
Zur Therapie des IRDS verwenden Ärzte häufig Sur- Laryngoskops und einer Magillzange endotrache-
factant. Bei unreifen Kindern kann dies prophylak- al ein und appliziert das Surfactant
tisch, bei manifestem IRDS therapeutisch erfolgen.
Die Typ-II-Pneumozyten bilden ab der 24. SSW Applikation über Surfactanttubus
Surfactant. Es setzt die Oberflächenspannung der • körperwarmes Surfactant entsprechend der ange-
Alveolen herab und verhindert somit in der Exspira- gebenen Dosierung steril in eine Spritze aufzie-
tion einen Alveolenkollaps. Der Mangel an Surfac- hen
tant vermindert die Lungencompliance und die • der Arzt appliziert das Surfactant über den Medi-
funktionelle Residualkapazität. Die mangelhafte kamentenkanal des Tubus
236 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Unerwünschte Wirkungen grün verfärbt, zeigt erst die Inspektion des Kehlkop-
Während der Verabreichung kann es zu SpO2-Abfäl- fes, ob die Gefahr einer Mekoniumaspiration be-
len und Bradykardien sowie zu Tubusobstruktionen steht. Hat das Kind bereits Mekonium aspiriert, ist
13 kommen. Weitere mögliche unerwünschte Wirkun- es blass und hat eine Zyanose. Eine Atemdepression
gen sind Blutdruckabfall und Veränderung der zere- mit Stöhnen, Tachydyspnoe, evtl. Bradykardie und
bralen Perfusion. Hypertonie sind zu beobachten.
Nach der Verabreichung kann aufgrund eines sin-
kenden Lungengefäßwiderstandes und einem dar-
Komplikationen
aus resultierenden Links-Rechts-Shunt über den
persistierenden Ductus arteriosus Botalli ein Blut- • Pneumothorax (› 13.4.8)
druckabfall auftreten. Steigt das pCO2 rasch, wächst • PPHN (› 13.3.1)
die Gefahr einer gesteigerten Hirndurchblutung. • hypoxisch-ischämische Enzephalopathie
Verbessern sich die respiratorischen Parameter • nekrotisierende Enterokolitis (› 15.2.2)
(tritt ggf. sehr rasch ein) kann der Arzt die evtl. vor- • disseminierte intravasale Gerinnung (› 18.2.1)
handene Beatmung reduzieren. Beatmungsparame- Die weitere Überwachung und Pflege ist darauf aus-
ter und Vitalparameter inklusive tcpO2 und tcpCO2 gerichtet, diese Komplikationen zu vermeiden bzw.
sowie die durchgeführten BGA vor und nach der Ga- sie rechtzeitig zu erkennen.
be des Surfactant sind zu dokumentieren.
Ein endotracheales Absaugen erfolgt nach Mög-
Erstversorgung
lichkeit nicht vor dem Ablauf von 6 Std., spätestens
aber nach 12–24 Std. Nach Roos, Grenel-Boroviczé- Besteht der Verdacht auf eine Mekoniumaspiration,
ny und Proquitté ist das endotracheale Absaugen dürfen weder Beutelbeatmung noch sonstige atem-
ohne Anspülen auch früher erlaubt. [1] Bei der Aus- stimulierende Maßnahmen erfolgen. Die erste Maß-
kultation treten häufig Rasselgeräusche durch das nahme ist die Entfernung des Mekoniums aus Ra-
Surfactant auf. Sie haben jedoch keine klinische Be- chen und Magen, um weitere Aspirationen zu ver-
deutung. Ein sofortiges Absaugen ist nur dann nötig, meiden. Dazu stellt der Arzt sofort den Kehlkopf mit
wenn die Sauerstoffsättigung fällt und der pCO2 dem Laryngoskop ein und inspiziert ihn. Wenn Me-
steigt, da dies auf eine Tubusobstruktion hinweisen konium sichtbar ist, saugt er die Trachea primär mit
kann. einem dicklumigen Katheter ab. Danach erfolgt die
Intubation und eine Bronchiallavage mit angewärm-
ter NaCl-Lösung 0,9 % z. B. mit Hilfe eines Mekoni-
13.2.2  Mekoniumaspiration umabsaugers, bis nur noch klare Spülflüssigkeit ab-
zusaugen ist. Zu häufiges Absaugen kann allerdings
Die Mekoniumaspiration tritt vorwiegend bei über- zur Auswaschung von Surfactant führen. Wenn kein
tragenen Neugeborenen auf. Eine Asphyxie ist Aus- Mekonium sichtbar ist, ist der Patient primär nicht
löser für den intrauterinen Abgang von Mekonium. intubationspflichtig. Bei anhaltender Bradykardie
Dann besteht die Gefahr, dass das Kind es mit den erfolgt eine Kreislaufstabilisierung. Sofern noch
ersten Atemzügen aspiriert. Als Folge der Bronchial- nicht geschehen, intubiert und beatmet der Arzt das
obstruktion durch Mekonium können Atelektasen, Kind zu diesem Zweck. Es erhält ggf. Suprarenin®
Emphyseme und eine „sterile“ chemische Pneumo- endotracheal.
nitis entstehen.
Pflegerische Besonderheiten
Symptome
Monitoring › Kap. 14
Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist nicht gleich be- Treten Hypoxieschäden auf, zeigen sie sich vor al-
deutend mit Mekoniumaspiration. Ist das Kind mit lem in Brady- und Tachykardie sowie RR-Schwan-
Mekonium verschmiert und die Finger- und Zehen- kungen. Aus diesem Grund bevorzugt der Arzt eine
nägel, sowie Haut und Nabelschnur sind gelblich- invasive Blutdruck- und ggf. eine ZVD-Messung.
13.2  Neonatale Lungenerkrankungen 237

Die SpO2-Überwachung erfolgt an Hand und Fuß der eine Asphyxie des Kindes können ein Wet-lung-
rechten Seite gleichzeitig, da Unterschiede an den Syndrom zur Folge haben.
Extremitäten die Entstehung einer PPHN ankündi-
gen. Zeichen dafür sind ebenso SpO2-Abfall und 13
Symptome
pCO2-Anstieg. Zur Prophylaxe einer PPHN wird der
pCO2, soweit dies bei einer evtl. schweren Lungen- Beim Kind sind nach der Geburt Tachydyspnoe,
schädigung mit vertretbaren Beatmungsparametern Stöhnen, SpO2-Abfälle mit O2-Bedarf sowie ein er-
möglich ist, zwischen 30–35 mmHg gehalten. Der höhter pCO2 im Blut zu beobachten.
Arzt versucht, den pH-Wert des Blutes im alkali-
schen Bereich zu halten.
Pflegerische Besonderheiten
Krampfanfälle sowie Auffälligkeiten im Bewe-
gungs- und Reaktionsmuster des Kindes können Neben dem engmaschigen Monitoring (› Kap. 14)
Hinweise auf eine hypoxische Hirnschädigung sein der oben genannten Parameter erfolgt eine O2-Zu-
(› 6.1.2). fuhr über den Inkubator, O2-Vernebler oder über
Die Beatmung erfolgt nach Möglichkeit mittels eine O2-Nasensonde bzw. -brille. Atemunterstützen-
HFOV. Ist dies nicht möglich, wählt der Arzt einen de Lagerungen (›  8.4) und Drainagelagerungen
möglichst niedrigen Druck, einen PEEP von ≤4 helfen, die Atmung zu erleichtern. Evtl. ist der Ein-
mbar, hohe Frequenz und anfänglich 100 % O2, um satz von Nasen- oder Bubble-CPAP bzw. HighFlow-
Hypoxien zu vermeiden. Bei den regelmäßigen Therapie nötig.
gründlichen Trachealtoiletten können zusätzliche
Vibrationen evtl. weitere Mekoniumpartikel in der
Lunge lösen. Drainagelagerungen tragen zusätzlich 13.2.4  Zwerchfellhernie
zum optimalen Abtransport dieser Partikel bei
(› 8.4). DEFINITION
Um ein instabiles Kind nicht zusätzlich zu belas- Zwerchfellhernie: Vorwölbung des Bauchfells als
ten, ist es ratsam zu zweit oder mit einem geschlos- Bruchsack in den Pleuraraum.
senen Absaugsystem z. B. Trachcare® abzusaugen
(› 12.1.3). Gute Präoxygenierung, Hyperventilati- Das Zwerchfell entwickelt sich aus drei Anlagen, die
on sowie zusätzliche Sedierung und evtl. Analgesie von vorn, hinten und seitlich zusammenwachsen.
vor dem Absaugvorgang helfen, Stress zu vermeiden Bei einer Entwicklungshemmung können Teile des
und Hypoxien vorzubeugen. Eine Extubation kann Dünn- und Dickdarmes, der Leber und der Milz in
bei guter Spontanatmung und stabilen respiratori- den Thorax gelangen. Dort beeinträchtigen sie die
schen Parametern erfolgen. Entwicklung der betroffenen Lungenhälfte und ver-
Wenn das Abdomen keine Auffälligkeiten zeigt, drängen das Herz auf die Gegenseite. Der Zwerchfell-
beginnen Pflegende nach der Anlage einer Magen- defekt befindet sich in etwa 70 % der Fälle links und
sonde frühzeitig mit der Ernährung. bei etwa 1–2 % der Betroffenen beidseitig. In 50 %
der Fälle liegen weitere Malformationen vor. [2]

13.2.3  Wet-lung-syndrome
Symptome
DEFINITION Bei der Zwerchfellhernie treten intestinale Begleit-
Wet-lung-Syndrom: Verzögerte Resorption der fetalen fehlbildungen gehäuft auf. Eine Malrotation des
intrapulmonalen Flüssigkeit. Dadurch ist eine vorüberge- Darmes ist immer vorhanden.
hende pulmonale Anpassungsstörung bedingt. Die jeweilige Ausprägung der Symptome hängt
vom Ausmaß der Organverlagerung in den Thorax
Überhöhte Flüssigkeitszufuhr bei der Mutter, Sectio und vom entwickelten, funktionstüchtigen Lungen-
caesarea, eine sehr kurze Austreibungsperiode und gewebe ab. Bei einem ausgeprägten Befund zeigt
238 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

sich sofort nach der Geburt ein akuter Verfall mit Kinder. Laut Mann und Baenziger erfolgt bei der PP-
Zyanose und Bradykardie. Ansonsten sind Tachy­ HN auch unter permissiver Hyperkapnie nach 2–20
dyspnoe, die zunimmt, wenn das Kind schreit oder Tagen eine ausreichende Senkung des pulmonalen
13 trinkt, und eine anhaltende Zyanose zu beobachten. Gefäßwiderstandes. [3]
Die Herztöne sind bei linksseitiger Hernie auskul- Zur Lungenprotektion eignet sich der Einsatz ei-
tatorisch auf der rechten, die Darmgeräusche auf der ner HFOV, aber auch hier mit max. Mitteldruckwer-
linken Thoraxseite zu hören. Das Abdomen ist auf- ten von ≤ 16 cmH2O und einer Amplitude von max.
grund der fehlenden Darmanteile im Bauchraum 35–45 cmH2O. [1]
kahnförmig eingefallen. Zur frühzeitigen Erkennung einer beginnenden
PPHN messen die Pflegenden die SpO2 an der rech-
ten Hand und am rechten Fuß (prä- und post­duktal).
Pflegerische Besonderheiten
Während der Pflegerunde und vor jedem Absaug-
Erstversorgung › 4.1 vorgang achten sie auf eine ausreichende Analgesie,
Die Erstversorgung im Kreißsaal ist in der Regel Sedierung und Präoxygenierung. Schonendes Ab-
gut planbar, da die Zwerchfellhernie durch die prä- saugen durch Verwendung eines geschlossenen Sys-
partalen Ultraschalluntersuchungen bereits bekannt tems, z. B. Trachcare®, oder Absaugen zu zweit kann
ist. Die Versorgung erfolgt auf einer mit warmen unnötigen Stress beim Kind und damit PPHN-be-
Tüchern vorbereiteten Reanimationseinheit. Ist die günstigende Faktoren vermeiden. Bei einem rapiden
Atmung insuffizient, intubiert der Arzt rasch und SpO2-Abfall, pCO2-Anstieg und Bradykardie schließt
ohne zuvor eine Maskenbeatmung durchzuführen. der Arzt einen Pneumothorax aus.
Er vermeidet auf diese Weise eine Überblähung des Die Immobilität des Kindes kann leicht zu einem
Magen-Darm-Trakts. Sie könnte Herz und Lunge Dekubitus führen. Pflegende lagern es deshalb auf
zur Gegenseite verdrängen, die Entwicklung eines Schaumstoff oder einer Antidekubitusmatratze. Sie
Low cardiac output begünstigen sowie die erforder- erhöhen den Oberkörper um 30°, um ein Herabsin-
liche Operation durch den luftgefüllten Magen- ken der in den Thorax verlagerten Organe zu erzie-
Darm-Trakt erschweren. len.
Anschließend ist der Mageninhalt mit einem Die Ernährung erfolgt ausschließlich parenteral,
großvolumigen Katheter abzusaugen. Zur Dekom- die Magensonde ist regelmäßig auf Durchgängigkeit
pression des Magens ist eine großlumige Magenson- zu prüfen und wird tief und offen als Ablaufsonde
de zu legen. Zum Transport in die Kinderklinik la- gelagert. Um das Volumen der in den Thorax verla-
gert das Erstversorgungsteam das Kind auf die be- gerten Darmschlingen zu reduzieren, bekommt das
troffene Lungenseite und mit einem um 30° erhöh- Kind baldmöglichst rektale Einläufe
ten Oberkörper, um eine optimale Belüftung der
gesunden Lunge zu erzielen. Postoperative Pflege
Pflegende behalten das präoperative Monitoring bei
Präoperative Pflege und ergänzen es, sofern notwendig, durch eine
Monitoring › Kap. 14 ZVD-Messung und invasive Blutdruckmessung. Die
Es ist das Ziel, das Kind zu stabilisieren, damit es Überwachung der SpO2 an der rechten Hand und
rasch operiert werden kann. Der Arzt strebt zur Pro- dem rechten Fuß, der angestrebte pCO2-Wert (30–
phylaxe einer PPHN einen pCO2 zwischen 30–35 35 mmHg) und die Vorgabe des alkalischen Blut-pH
mmHg und einen Blut-pH-Wert im alkalischen Be- bleiben bestehen. Mind. zu jeder Pflegerunde beur-
reich an (› 13.3.1). Die Beatmungsparameter soll- teilen Pflegende das Abdomen hinsichtlich Umfang,
ten dabei aber unbedingt in einem vertretbaren Rah- Bauchdeckenspannung, Perfusion, Hautkolorit, Ve-
men bleiben, der Beatmungsdruck <30 mbar, die nenzeichnung, Darmgeräuschen und Schmerzemp-
Atemfrequenz normal, PEEP mit 2 mbar eher ge- findlichkeit. Bei der Analgesie ist eine Balance zwi-
ring. Zu hohe Beatmungsdrücke und hohe Frequen- schen der Effektivität der Schmerzbekämpfung und
zen steigern das Risiko einer bleibenden Lungen- einem möglichst geringen Einfluss auf die Magen-
schädigung und verschlechtern das Outcome der Darm-Peristaltik zu finden.
13.2  Neonatale Lungenerkrankungen 239

Eine lange postoperative Beatmungszeit ist auf- schreitender peribronchiolärer und interstitieller
grund der Lungenhypoplasie nicht ungewöhnlich. Fibrose. Im Endstadium sind die Alveolen waben-
Ein Zwerchfellhochstand kann die Beatmung außer- förmig umgebaut und es kann zu einer pulmonalen
dem erschweren. Er ist auf die operative Verlage- Hypertonie mit folgender Rechtsherzinsuffizienz 13
rung der Darm-, Leber- und Milzanteile in den Ab- kommen (Cor pulmonale › 13.4.2).
dominalraum zurückzuführen. Der Arzt versucht, Risikofaktoren sind Unreife, Atemnotsyndrom,
das präoperative Beatmungsmuster beizubehalten. Beatmung mit hohen Inspirationsdrücken und O2-
Ist dies nicht möglich, kann eine Hochfrequenzoszil- Konzentrationen, persistierender Ductus arteriosus
lation indiziert sein. pCO2-Anstiege sind tolerabel, botalli, Pneumothorax, Pneumonie und Infektion.
solange der Blut-pH nicht beeinflusst wird. Es gilt, sie so weit wie möglich zu vermeiden.
An die im OP angelegte Pleuradrainage, die auf
der Seite der Lungenhypoplasie liegt, schließen Pfle-
Prävention
gende maximal einen Sog von 2–5 cm H2O an. Bei
einem höheren Sog besteht die Gefahr einer Media­ • pränatale Kortikosteroideinnahme der Mutter
stinalverschiebung oder eines Pneumothorax der • frühzeitiger Einsatz von Surfactant
hypoplastischen Lunge. • Koffeinverabreichung zur Prophylaxe und Thera-
Durch häufiges seitliches Umlagern beugen Pfle- pie der FG-Apnoen bereits ab dem 3. LT
gende Atelektasen und einer Pneumonie vor. Sie • moderne Beatmungsstrategien:
beugen die Beine des Kindes im Hüftgelenk, um die – lungenprotektive konventionelle Beatmung
Bauchdeckenspannung zu reduzieren. (Pinsp ↓, FiO2 ↓) oder HFOV (besseres Out-
Sobald sich die Menge des Magensekrets aus der come in aktuellen Studien nicht belegt)
Magenablaufsonde reduziert und das Kind Stuhl ab- – initialer Einsatz von CPAP bzw. frühzeitige Ex-
setzt, beginnen Pflegende (nach Absprache mit dem tubation mit anschließendem CPAP
Operateur) die orale Flüssigkeitszufuhr. – permissive Hyperkapnie
Einläufe nach Anordnung des Arztes fördern • Therapie einer evtl. Ureaplasma urealyticum-In-
Ausscheidung und Verdauung. fektion [4]
Ein erster Verbandswechsel erfolgt nach Bedarf,
spätestens aber nach 24 Std. Pflegende verbinden die
Symptome
OP-Wunde trocken und steril und dokumentieren
ihre Befunde. Die Kinder sind chronisch hyperkapnisch, tachyp-
noeisch, zeigen Rasselgeräusche und Sättigungs-
schwankungen, deren Auslöser Bronchospasmen
13.2.5  Bronchopulmonale Dysplasie sind. In den Jahren danach treten pulmonale Infekte
sowie rezidivierende obstruktive Bronchitiden und
DEFINITION asthmaartige Zustände auf. Die statomotorische
Bronchopulmonale Dysplasie (BPD): Unumkehrbarer Entwicklung und das Längenwachstum sind beein-
Umbau des Lungengewebes, der mit einer Zerstörung der trächtigt.
Alveolen einhergeht. Bei der BPD besteht eine langfristi-
ge Sauerstoffabhängigkeit bis über die 36. SSW und ein
auffälliger Röntgenbefund. Komplikationen
• Cor pulmonale (› 13.4.2)
Die bronchopulmonale Dysplasie tritt hauptsäch- • Rechtsherzinsuffizienz (chronisch)
lich bei beatmeten Frühgeborenen auf. • Gefahr von Bradykardie und Hypotonie
In der Frühphase besteht ein interstitielles und
intraalveoläres Ödem. Die Alveolen sind mit eiweiß-
Pflegerische Besonderheiten
reichem Exsudat gefüllt, das sich organisiert und
durch fibröses Gewebe ersetzt wird. Es zeigt sich Die Pflege bei Kindern mit BPD ist auf die Sympto-
weiterhin eine unspezifische Bronchiolitis mit fort- me und die Prophylaxe ausgerichtet. Die medika-
240 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

mentöse Therapie erfolgt individuell auf das Kind Form einer Obstipation auf. Bauchmassagen und
abgestimmt. Kinder, die nur schwer vom Beat- Laktosezusatz in der Nahrung schaffen häufig Er-
mungsgerät zu entwöhnen sind, können von einer leichterung.
13 kurzzeitigen Kortikosteroidgabe profitieren. Häufig Reicht dies nicht aus, kann die regelmäßige Ver-
ist eine O2-Zufuhr über den Klinikaufenthalt hinaus abreichung von Miniklistieren nötig sein.
erforderlich. Die angestrebten SpO2-Werte betragen
dabei 93–98 %. Kinder mit BPD haben ein großes Ri-
Entlassung
siko, an einer RSV-Infektion zu erkranken und er-
halten aus diesem Grund eine Impfung. Die oft be- Die bronchopulmonale Dysplasie ist eine sehr lang-
stehende pulmonale Hypertension erfordert eine wierige Erkrankung, die von den Pflegenden in ho-
entsprechende Therapie (Digitialis, Diuretika, Anti- hem Maße Einfühlungsvermögen und Geduld erfor-
koagulantien, O2, sowie je nach Schweregrad Bosen- dert.
tan, Sildenafil, Iloprost). [3] Es ist wichtig, die Eltern frühzeitig in die Pflege
Eine von den Physiotherapeuten durchgeführte einzubeziehen, um ihnen das Annehmen der Krank-
Atemgymnastik ist Bestandteil der Therapie der heit, den Umgang mit ihrem Kind und eventuellen
BPD. Dazu gehören Vibrationsmassage zur Sekret- Notsituationen zu erleichtern.
lockerung und Drainagenlagerungen zur Sekreteli- Die Eltern müssen häufig nach der Entlassung ih-
minierung aus den Alveolen sowie exspirationsför- res Kindes auch zu Hause die O2-Therapie, die Vib-
dernde Übungen. Pflegende beobachten das Atem- ration und das Absaugen, evtl. sogar über eine Tra-
muster hinsichtlich Frequenz, Tiefe und Atemnot- chealkanüle, fortführen, daher ist ein umfangreiches
zeichen. Wenn eine O2-Zufuhr erfolgt, bedenken Training bereits in der Klinik erforderlich.
Pflegende, dass Kinder mit BPD und chronischer Pflegende informieren die Sozialdienste frühzei-
Hyperkapnie ihre Atmung hauptsächlich über die tig. Diese übernehmen die Beschaffung der benötig-
O2-Rezeptoren steuern. Aus diesem Grund ist eine ten Geräte und stellen ggf. den Kontakt zu einem
übermäßige Zufuhr von reinem Sauerstoff, z. B. bei ambulanten Pflegedienst her (› Kap. 5).
einem Bronchospasmus mit SaO2-Abfall, zu vermei-
den. Die O2-Rezeptoren melden in diesem Fall „vol-
le“ Sättigung. Somit stellen die Betroffenen die At-
mung reflektorisch ein. 13.3  Kardiorespiratorische
Wenn eine Atemwegsobstruktion auftritt, kann Anpassungsstörungen
der Arzt Bronchodilatatoren, z. B. Ipratropiumbro- Katja von Maydell
mid, Salbutamol und Steroide (z. B. Pulmicort®, Sa-
nasthmyl®) zur Inhalation anordnen.
Häufig gestaltet sich die Ernährung schwierig. Da 13.3.1  Persistierende pulmonale
durch die Atemarbeit ein erhöhter Energiebedarf be- Hypertension des Neugeborenen
steht, ist eine hochkalorische Ernährung notwendig.
Die orale Nahrungszufuhr ist durch die vielen negati- DEFINITION
ven oralen Erfahrungen des Kindes (Absaugen des Persistierende pulmonale Hypertension des Neu-
NRR) oft erschwert, daher prüfen Pflegende die Indi- geborenen (PPHN): Lungengefäßwiderstand fällt beim
kation des Absaugens stets kritisch. Evtl. ist die Anlage Neugeborenen postpartal nicht ab, die fetale Blutzirkula-
einer PEG erforderlich. Mit ihr erzielen Pflegende ein tion bleibt erhalten.
effektiveres Ernährungstraining (Ess- und Schluck-
training) sowie normale Voraussetzungen für die Mo- Die Folge einer persistierenden pulmonalen Hy-
bilität des Kindes. Eine Flüssigkeitsreduktion dient pertension des Neugeborenen ist die Minderdurch-
der Vermeidung eines interstitiellen Lungenödems. blutung der Lunge aufgrund eines Rechts-Links-
Durch die ausgeglichene oder leicht negative Bi- Shunts über den Ductus arteriosus Botalli und das
lanz treten meist Stuhlausscheidungsprobleme in Foramen ovale.
13.3  Kardiorespiratorische Anpassungsstörungen 241

Symptomatisch zeigen sich eine Zyanose, Tachy- Abfall können auf einen Anstieg des Lungengefäß-
und Dyspnoe sowie eine ausgeprägte Unruhe des widerstandes hinweisen.
Patienten. Durch eine Hypoxie kann es zu neurologischen
Auffälligkeiten, z. B. Krampfanfällen, kommen 13
(› 6.1.2).
Ursachen
Wenn Umfang, Bauchdeckenspannung, Schmerz-
• Hypoxämie, Azidose, Polyglobulie empfindlichkeit und Venenzeichnung sowie Perfusi-
• Lungenerkrankungen, z. B. Mekoniumaspiration, on des Abdomens erhöht sind, denkt der Arzt diffe-
IRDS, Pneumothorax rentialdiagnostisch stets an eine NEC (› 15.2.2).
• chronische intrauterine Hypoxie und Azidose Aufgrund der verminderten Kreislaufverhältnisse
• Fehlbildungen, z. B. Zwerchfellhernie, Hydrops und der Medikamentenzufuhr, z. B. Inotropika,
fetalis, Potter-Sequenz Prostazykline und Analgosedierung, ist eine konti-
• Herzfehler, z. B. Mitralklappenobstruktion, totale nuierliche Überwachung von ZVD und arteriellem
Lungenvenenfehleinmündung Blutdruck ebenso wie eine genaue Flüssigkeitsbilanz
• Sepsis nötig. Ziel der Therapie ist, den Lungengefäßwider-
• Hypoglykämie stand zu senken. Tab. 13.1 zeigt dazu die geeigneten
• Stress Maßnahmen.
Das regelmäßige Umlagern des Patienten in Rü-
cken-, Seiten- und Bauchlage unterstützt diese The-
Diagnostik
rapie und erleichtert die Belüftung aller Lungenbe-
Der Arzt kann den Hyperoxietest durchführen. Da- zirke.
bei führt er dem Patienten 100-prozentigen Sauer- Die Lagerung auf Schaumstoff, Gelkissen oder
stoff zu. Bei einer PPHN kommt es zum Anstieg der Antidekubitusmatratzen vermeidet Dekubiti.
SpO2 an den oberen Extremitäten und gleich blei- Nach einer primär parenteralen Ernährung be-
bender SpO2 an den unteren Extremitäten. ginnen Pflegende bei stabilen Kreislaufverhältnissen
und unauffälligem Abdomen mit einem vorsichtigen
Nahrungsaufbau. Eine Stressulkusprophylaxe kann
Komplikationen
notwendig sein.
• Pneumothorax (› 13.4.8)
• Nierenversagen (› 16.2.1)
• Herzinsuffizienz (› 14.3) 13.3.2  Persistierender Ductus
• Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC arteriosus Botalli
› 18.2.1)
• nekrotisierende Enterokolitis (NEC › 15.2.2). Der Ductus arteriosus Botalli ist eine fetale Gefäß-
verbindung zwischen dem distalen Aortenbogen
und der Pulmonalarterie. Nach der Geburt kommt
Pflegerische Besonderheiten
es während der ersten Atemzüge oder unter Beat-
Monitoring › Kap. 14 mung zu einem Anstieg des pO2 und zu einem Abfall
des pCO2. Die Diffusion von O2 in das Blut setzt in
Die SpO2-Messung erfolgt an der rechten oberen und un- der Gefäßwand des Ductus arteriosus Botalli Brady-
teren Extremität. Bei einer PPHN ist sie meist an den obe- kinin frei. Bradykinin führt zur Kontraktion der Ge-
ren höher als an den unteren Extremitäten. fäßmuskulatur und somit zum Ductusverschluss.
Verschiedene Faktoren können dem Verschluss
entgegenwirken und zum Krankheitsbild des persis-
Ist das Shuntvolumen über das Foramen ovale hoch, tierenden Ductus arteriosus Botalli (PDA) führen:
können obere und untere SpO2 übereinstimmen. Der • Hypoxie
Ductus arteriosus Botalli versorgt die unteren Extre- • Frühgeburtlichkeit
mitäten mit venösem Blut. pCO2-Anstieg und SpO2- • Gabe von Minprog (Prostaglandin E1)
242 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Tab. 13.1  Maßnahmen zur Senkung des Gefäßwider- ne erhöhte Blutdruckamplitude zeigt. Die SpO2-Wer-
standes in der Lunge. te sollen beständig zwischen 92–98 % liegen, um ein
Beatmung Trachealtoilette ausreichendes O2-Angebot zu gewährleisten. Pfle-
13 • Hyperventilation mit pCO2 • gründliche Trachealtoi- gende beurteilen das Abdomen zu jeder Pflegerunde
zwischen 30–35 mmHg lette, Vermeidung eines hinsichtlich Umfang, Bauchdeckenspannung, Ve-
• pO2 40–70 mmHg und pCO2-Anstiegs durch nenzeichnung, Hautkolorit, Darmgeräuschen und
SaO2 > 80 % Sekretverlegung Schmerzempfindlichkeit.
• Medikamenteninfusion, • Kinder vor der Tracheal-
Meist ordnet der Arzt eine ausgeglichene oder
z. B. Flolan® (Prostazyklin toilette gut präoxyge-
senkt Lungengefäßwider- nieren und ggf. analgo-
leicht negative Bilanz an. Furosemidgaben steigern
stand) sedieren die Prostaglandinsynthese und sind deshalb zu ver-
• NO-Beatmung, ECMO, meiden.
HFOV Wenn der Arzt den Verdacht auf eine nekrotisie-
rende Enterokolitis hat oder starke Verdauungspro-
• erhöhte Prostaglandinsynthese durch Furosemid- bleme auftreten, ist eine parenterale Ernährung an-
gabe gezeigt. Der Arzt reduziert die Flüssigkeitszufuhr.
• überhöhte Flüssigkeitszufuhr
Pflegerische Besonderheiten nach
Symptome operativem Ductusverschluss
Die Symptome treten meist erst nach 2–3 Tagen auf, Aufgrund des nun erhöhten systemischen Wider-
wenn der Lungengefäßwiderstand abgefallen ist. Ein standes kann der linke Ventrikel in seiner Funktion
erstes klinisches Zeichen sind meist SpO2-Schwan- beeinträchtigt sein. Dies erfordert eine kontinuierli-
kungen. Aufgrund des Verlustes der Windkessel- che Überwachung des Kreislaufs und evtl. den Ein-
funktion der Aorta stellen sich Differenzen zwischen satz von Katecholaminen.
systolischem und diastolischem Blutdruck dar. Die Periphere Hypothermie, Blutdruckanstieg, Ta-
Patienten kühlen bei Manipulationen rasch aus. Pe- chykardie und weite Pupillen können auf Schmerzen
ripher sind hebende Pulse tastbar, der Patient wird oder Volumenmangel hinweisen.
zunehmend tachykard. Bei sehr großem PDA kann Die Extubation ist möglichst rasch anzustreben.
es durch den erhöhten pulmonalen Blutfluss sehr Probleme bei der Entwöhnung können aufgrund ei-
rasch zu einer Atmungsverschlechterung kommen, ner Kompression der Lunge während der Operation
sodass eine Intubation indiziert sein kann. auftreten.
Die diastolische Minderdurchblutung des Magen- Um das OP-Gebiet in den ersten 24 Std. zu entlas-
Darm-Trakts verursacht meist Verdauungsproble- ten, lagern Pflegende das Kind auf Schaumstoff und
me, die durch vermehrte Magenreste und stark ge- wechseln zwischen Rechtsseiten- und Rückenlage.
blähtes, teilweise sogar abwehrgespanntes, glänzen- Es besteht weiterhin die Gefahr einer nekrotisie-
des Abdomen gekennzeichnet ist. In diesem Fall renden Enterokolitis, weil der Magen-Darm-Trakt
schließt der Arzt eine NEC (›  15.2.2) aus. Eine nach der OP einen erhöhten Blutfluss zu bewältigen
weitere Folge der diastolischen Minderdurchblu- hat (vor der OP reduzierter Blutfluss). Aus diesem
tung ist das Auftreten einer Oligurie und im Grund erfolgt die erste Nahrungszufuhr frühestens
schlimmsten Fall eines prärenalen Nierenversagens nach 24–48 Std. mit Tee, Glukose 5 % oder Malto-
(› 6.2.1). dextrin in 2–3-stündlichen Intervallen.
Pflegende berücksichtigen das Pleurasekret in der
Bilanz und dokumentieren sein Aussehen. Sie
Pflegerische Besonderheiten bei
schließen einen Sog von 5 cmH2O an die Pleura­
konservativer Therapie
drainage an, um Mediastinalverschiebungen zu
Entscheidet sich der Arzt für eine konservative The- ­vermeiden. Fördert die Drainage ≤  1 ml/kg  KG/
rapie, beobachten Pflegende zunächst sorgfältig die 12 Std., kann der Arzt sie entfernen (nach frühestens
EKG-Ableitung und den RR, weil das Kind meist ei- 24 Std.).
13.4  Weitere Atemwegserkrankungen 243

Falls die Wunde noch nicht mit einem Hydrokollo- gen. Die Überwachung des CO2 nehmen Pflegende
idverband (HCV) versorgt ist, führen Pflegende nach bei beatmeten Kindern mithilfe einer endexspirato-
24 Std. den ersten Verbandswechsel durch. Sie versor- rischen CO2-Messung (EtCO2) vor. Sie gibt Auf-
gen die Wunde mit einem HCV oder Pflasterschnell- schluss über die CO2-Konzentration im Blut und die 13
verband. Abhängig von der Auswahl des Verband­ Ausprägung intrapulmonaler oder intrakardialer
materials erfolgen die weiteren VW im Abstand von Rechts-Links-Shunts.
24 Stunden bis einer Woche. Pflegende dokumentie- Dabei gilt: je größer die Differenz zwischen paCO2
ren Aussehen und Größe der Wunde sorgfältig. und EtCO2, umso größer das Shuntvolumen.

Medikamentöser Verschluss des Ductus


13.4.1  Status asthmaticus
Neben dem operativen Verschluss des PDA besteht
auch die Möglichkeit, ihn mit Hilfe von Indometacin DEFINITION
i. v. oder Ibuprofen i. v. zu verschließen. Eine früh- Status asthmaticus: Dicht hintereinander folgende
zeitige Diagnostik sowie ein rascher Therapiebeginn Asthmaanfälle, die auch in einen dauerhaften Anfall
erhöhen die Erfolgsaussichten dieser Maßnahme. münden können.
Bei frühgeborenen Kindern unter 1.500 g Geburtsge-
wicht beträgt die Verschlussrate hier etwa 75 %. Ne- Ausgelöst durch Allergien, Infekte, Medikamenten-
benwirkungen der Medikamentengabe zeigen sich wirkung oder durch körperlich-psychische Belas-
in einem vorübergehenden antidiuretischen Effekt tung kommt es beim Asthmaanfall zur Ausschüt-
(bei Ibuprofeneinsatz geringer), einer verminderten tung von Histamin und Entzündungsmediatoren.
zerebralen, renalen und intestinalen Durchblutung Dies führt zum Bronchospasmus, Schleimhautödem
und einer Thrombozytopenie. Pflegende überwa- und zur vermehrten Sekretbildung mit Verlegung
chen daher Urinausscheidung, Neurologie sowie der Atemwege. Überblähte und atelektatische Berei-
Stuhlausscheidung (Blutauflagen) engmaschig. Bei che liegen dicht nebeneinander.
bereits vorhandener NEC bzw. aktiver Blutung oder Der pO2-Abfall bei gleichzeitigem pCO2-Anstieg
Niereninsuffizienz verzichtet der Arzt auf den Ein- verursacht eine pulmonale Vasokonstriktion mit
satz von Indometacin i. v. oder Ibuprofen i. v. Die Rechtsherzbelastung.
Verabreichung der Medikamente erfolgt meist in Bleibt ein Asthmaanfall trotz adäquater Therapie
mehreren Gaben als Kurzinfusionen. über Stunden bis Tage bestehen, sprechen Pflegende
vom Status asthmaticus. Dieses Krankheitsbild ist
lebensbedrohlich.

13.4  Weitere Symptome


Atemwegserkrankungen
Katja von Maydell • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, z. B. juguläre,
interkostale, epigastrische Einziehungen
• Nasenflügeln
Monitoring › Kap. 14 • Dyspnoe
Bei der Pflege von Kindern oder Jugendlichen mit • Orthopnoe mit verlängertem und angestrengtem
respiratorischen Erkrankungen stimmen Monito- Exspirium
ring, Lagerung, Ernährung und Ausscheidungskont- • Husten
rolle sowie ein großer Teil der Krankenbeobachtung • Zyanose
überein. Je nach Krankheitsbild sind zusätzlich spe- • Angst, Unruhe
zifische pflegerische Maßnahmen notwendig. • Bewusstseinseintrübung
Bei älteren Patienten kann die regelmäßige Tem- • Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz
peraturkontrolle axillär, rektal oder aurikulär erfol- • vermindertes Atemgeräusch („silent lung“)
244 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Pflegerische Besonderheiten Medikamentöse Unterstützung


• Sauerstoff
Wenn das Kind spontan atmet, zielen die Pflege- • Inhalation von β2-Mimetika (z. B. Salbutamol)
13 maßnahmen darauf ab, ihm die Atmung zu erleich- • Applikation von Glukokortikoiden (Methylpred-
tern und Unruhe sowie Angstzustände zu vermei- nisolon, Prednisolon)
den. • Versuch der Inhalation von Anticholinergika
(z. B. Ipratropiumbromid)
Spontan atmende Kinder • Theophyllin („loading dose“, dann DTI)
Pflegende führen angefeuchteten Sauerstoff über ei- • Magnesiumsulfat [5]
ne Nasensonde, -brille oder einen Vernebler zu. Bei
Kindern mit chronischer Hypoxämie ist ein übermä- Intubierte Patienten
ßiges O2-Angebot zu vermeiden, da sie ihren Atem- Ein Asthma-Score-Wert von ≥ 7 und ein pCO2 über
antrieb über den pO2 steuern und nicht über den 65 mmHg erfordert eine Intubation und Beatmung.
pCO2. Vibrationsmassagen können die Sekretlocke- Durch die verschlechterte Lungencompliance
rung unterstützen. Atemübungen, wie das Ausat- beim Status asthmaticus erfordert die Beatmung
men gegen einen Widerstand, Lippenbremse und meist hohe Inspirationsdrücke (cave: Pneumotho-
die Gähn-Schnüffel-Atmung können eine Besserung raxgefahr). Daraus ergibt sich folgendes Beatmungs-
erzielen. [4] muster: AF ↓, Pinsp ↑, I:E = 1:3 bis 1:5, PEEP niedrig
Eine Dyspnoe führt häufig zu massiver Unruhe, halten. Höhere pCO2-Werte werden toleriert (per-
die wiederum den Zustand weiter verschlechtern missive Hyperkapnie).
kann. Zeigen alternative Methoden zur Beruhigung
des Kindes (z. B. ruhiges, koordiniertes Arbeiten der
Pflegenden, Aufsetzen des Patienten zur Atemer- 13.4.2  Cor pulmonale
leichterung, Einbeziehen der Eltern, beruhigende
Ausstreichung) keinen Erfolg, ist meist eine leichte DEFINITION
Sedierung erforderlich. Sedativa erhöhen allerdings Cor pulmonale: Reaktion des Herzens auf akute oder
die Gefahr des insuffizienten Abhustens und des Se- chronische Drucksteigerung im pulmonalen Kreislauf
kretverhalts und begünstigen das Auftreten von durch Erkrankungen der Lunge.
Atemdepression oder sogar einer Apnoe.
Fast immer bevorzugt der Patient eine sitzende Dem Cor pulmonale gehen meist parenchymatöse
Position, die seine Atmung erleichtert. Hierzu dient Lungenerkrankungen voraus, z. B. bronchopulmo-
auch der Kutschersitz, in dem der Patient den Ober- nale Dysplasie, Mukoviszidose, Lungengefäßobst-
körper in sitzender Position nach vorn beugt und die ruktionen, Asthma bronchiale, Thoraxfehlbildun-
Arme auf ein ins Bett gestelltes Esstablett oder auf gen. Eine Lungenembolie kann zu einem akuten Cor
die Knie stützt. pulmonale führen.

Tab. 13.2  Asthma-Score nach Wood (Tabelle aus Am J Dis Child 123 [3]: 227–8 1972).
0 1 2
paO2 70–100 bei Raumluft ≤ 70 bei Raumluft ≤ 70 bei 40 % O2
Zyanose fehlt bei Raumluft bei 40 % O2
Atemgeräusch normal ungleich vermindert bis fehlend
Einsatz der Atemhilfsmuskulatur fehlt mäßig maximal
exspiratorisches Giemen fehlt mäßig deutlich
Bewusstseinslage normal vermindert oder agitiert Koma
Bewertung:
• ≥
5 Punkte = drohende Ateminsuffizienz
• ≥
7 Punkte + pCO2 65 mmHg = Ateminsuffizienz
13.4  Weitere Atemwegserkrankungen 245

Neben einer Tachydyspnoe, begleitet von einer Beatmete Patienten


Zyanose, Husten (evtl. blutig), Thoraxschmerzen Bei zunehmender Ateminsuffizienz kann eine Intu-
und Schweißausbruch, sind außerdem ein pO2-Ab- bation und Beatmung erforderlich sein. Der Arzt
fall und pCO2-Anstieg, zunehmende Müdigkeit und strebt möglichst bald eine synchronisierte Beat- 13
Bewusstseinstrübung zu beobachten. Die Zeichen mungsform und die Entwöhnung von der maschi-
der Rechtsherzinsuffizienz (› 14.3) stellen sich in nellen Beatmung an. Vibrationsmassagen helfen,
einer Halsvenenstauung, erhöhtem ZVD, einer Stau- das meist zähe Trachealsekret während der regelmä-
ungsleber, Ödemen, überproportionaler Gewichts- ßigen Trachealtoilette zu lockern. Hierbei achten
zunahme, Aszites, evtl. einer Tachykardie sowie ei- Pflegende darauf, den Patienten zu präoxygenieren
ner Hypotonie dar. und angemessen zu sedieren.

Medikamentöse Unterstützung
Pflegerische Besonderheiten
Inhalation mit β2-Mimetika (z. B. Salbutamol), so-
Monitoring › Kap. 14 wie mit Anticholinergika (z. B. Ipratropiumbromid)

Spontan atmende Patienten


Ebenso wie bei Kindern mit Status asthmaticus gilt 13.4.3  Lungenkontusion
es, Stresssituationen zu vermeiden (› 13.4.1). Bei
SpO2 ≤90 % führen Pflegende dem Kind erwärmtes DEFINITION
und angefeuchtetes O2 zu. Sie überprüfen die Not- Lungenkontusion: Thoraxkompression, mit multiplen
wendigkeit der Sauerstoffgabe mind. stündlich, da Einblutungen in das Lungenparenchym und einem inter-
das Kind bei chronischer Hypoxämie die Atmung stitiellen Lungenödem → Entstehen von Atelektasen.
über die O2-Rezeptoren steuert, sodass eine über-
höhte O2-Zufuhr atemdepressiv wirkt. Folgen einer Lungenkontusion können Pleuraer-
Inhalationen erfolgen je nach Grundkrankheit. güsse und eine generalisierte, unkontrollierte Ent-
Anleitung zur Atemerleichterung durch Lagerungen zündungsreaktion sein. In schweren Fällen vermin-
(z. B. Oberkörperhochlage, Kutschersitz), Atemtech- dert sich die funktionelle Residualkapazität, ein
niken (z. B. Lippenbremse) und spezielle Husten- Rechts-Links-Shunt entsteht. Meist sind Unfälle die
techniken (z. B. „huffing“ = kräftiges Aushauchen Ursache der Lungenkontusion. Sie ist häufig mit an-
ohne Schließen der Glottis) durch einen Physiothe- deren Organverletzungen kombiniert, z. B. an Leber,
rapeuten fördern das Kind u. a. bei einer effektiven Milz, Herz und Niere.
Exspiration. [5] Die Lungenkontusion zeigt sich in Form einer Ta-
Bei den Blutgasanalysen ist ein normaler pH- chydyspnoe, die bis zur schweren Ateminsuffizienz
Wert und nicht ein normaler pCO2-Wert entschei- mit Zyanose führen kann. In der Regel fördern die
dend, da die Kinder mit chronischer respiratorischer Patienten blutiges Sputum oder Trachealsekret und
Insuffizienz meist an einen hohen pCO2 adaptiert sind tachykard.
sind.
Pflegende setzen gezielt Lagerungen ein, die v. a.
Pflegerische Besonderheiten
die Lungenareale dehnen und eine gute Belüftung
ermöglichen, z. B. V- und A-Lagerung. Sie lagern Pflegende erfassen die Schmerzen des Kindes und
den Oberkörper erhöht und winkeln die Beine an, führen in Absprache mit dem Arzt eine ausreichen-
um die Bauchdeckenspannung zu reduzieren und de Schmerztherapie durch.
damit die Zwerchfellbeweglichkeit zu verbessern
(› 8.4). Atmung
Kinder mit einem Cor pulmonale benötigen eine Bei einer leichten Beeinträchtigung genügen oft eine
ausreichende Kalorienzufuhr, denn sowohl Unter- O2-Gabe und das Anfeuchten der Atemluft. Bei
als auch Übergewicht verschlechtert die Symptome schwerem Verlauf stellt der Arzt die Indikation zur
und somit die Prognose. Intubation großzügig. Die Beatmung erfolgt mit ei-
246 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

nem PEEP zwischen 5–10 mbar. Zum Absaugen ist höhter Totraumventilation und die Zunahme des
aufgrund des hohen PEEPs und Beatmungsdrucks druckkontrollierten intrapulmonalen Rechts-Links-
der Einsatz eines geschlossenen Absaugsystems er- Shunts.
13 forderlich, um einen Druckverlust zu vermeiden Bei Kindern mit einem ARDS zeigen sich Tachy­
(› 12.1.3). dyspnoe, Zyanose, erhöhter O2-Bedarf (um paO2
> 70 mmHg aufrechtzuerhalten) sowie eine Rechts-
Lagerung herzinsuffizienz (› 14.3).
Zur Atemerleichterung lagern Pflegende das Kind
mit erhöhtem Oberkörper, wobei sie jede Dehnung
Komplikationen
des Thorax vermeiden. Ebenso können eine Abduk-
tion und Innenrotation der Arme Schmerzen verur- • Pneumonie (› 13.4.7)
sachen. Die Zwerchfellatmung lässt sich durch das • Lungenfibrose
Anwinkeln der Beine und einer somit reduzierten • Cor pulmonale (› 13.4.2)
Bauchdeckenspannung verbessern. Regelmäßiges • Low cardiac output
Umlagern und die Anwendung einer Bauch- bzw. • Infektionen
135°-Bauchlage fördern die Rekrutierung der ge- • Multiorganversagen
schädigten Alveolarbereiche.
Pflegerische Besonderheiten
13.4.4  Adult respiratory distress Zur Überwachung eines Kindes mit ARDS ist, zu-
syndrome sätzlich zum Grundmonitoring (› Kap. 14), meist
eine arterielle Blutdruckmessung, ZVD, ETCO2 und
DEFINITION eine intermittierende Überwachung der Blutgase er-
Adult respiratory distress syndrome (ARDS): Akute forderlich. Der paO2 wird, soweit möglich, bei 75
respiratorische Insuffizienz. mmHg gehalten.
Da oft eine Beatmung mit hohen Beatmungsdrü-
cken notwendig ist, setzen Pflegende ein geschlosse-
Verschiedene Erkrankungen, z. B. Ertrinkungsun- nes Absaugsystem ein und präoxygenieren das Kind
fall, Sepsis, Pneumonie, Poly- und Schädel-Hirn- vor jedem Absaugvorgang ausreichend. Durch Vib-
Trauma, können im Rahmen eines Schockgesche- rationsmassagen in den verschiedenen Drainagela-
hens Gefäßmediatoren freisetzen, die eine erhöhte gerungen unterstützen sie die Lockerung des Se-
Permeabilität der Lungengefäße bewirken. krets. Evtl. erfolgt der systemische oder inhalative
Einsatz von Sekretolytika. Eine Surfactantgabe kann
kurzfristig Erfolg bringen.
ARDS-Stadieneinteilung
Die Lagerung wechselt alle 3–4 Std. zwischen Rü-
• Exsudatives Stadium: die Gefäßpermeabilität der cken-, Seit- und Bauchlage. Dies verbessert das Ven-
Lungengefäße ist gestört; dadurch tritt eiweißrei- tilations-/Perfusionsverhältnis aller Lungenbezirke,
che Flüssigkeit in das Lungengewebe ein den Gasaustausch und vermindert die intrapulmo-
• Fibroproliferative: bindegewebiger Umbau der nalen Rechts-Links-Shunts. Intermittierend erhö-
Lunge hen Pflegende den Oberkörper um 30–45°, um
• Spät- oder Endstadium: generalisierte Lungenfib- durch das Absenken des Zwerchfelles die Atmung
rose mit u. a. Verdickung der alveolokapillären zu erleichtern und den venösen Rückfluss zu min-
Membran, die Alveolen sind zum Teil irreversibel dern. [7]
geschädigt Der Einsatz eines Rotationsbetts ermöglicht scho-
Die drei Stadien laufen dabei parallel ab. [6] nende Lagewechsel und dient der Dekubitusprophy-
Folgen sind die Verlängerung der Diffusionsstre- laxe. Ist kein Rotationsbett vorhanden, legen Pfle-
cke durch das Exsudat mit erschwertem Gasaus- gende das Kind auf Schaumstoff oder eine Antideku-
tausch, Verschlechterung der Compliance mit er- bitusmatratze und lagern es regelmäßig um.
13.4  Weitere Atemwegserkrankungen 247

Zur exakten Flüssigkeitsbilanz empfiehlt sich die Bei leichtem Verlauf des Lungenödems beginnen
Anlage eines Blasendauerkatheters. Der Arzt strebt sie mit der O2-Gabe über Nasensonde, -brille oder
eine ausgeglichene oder leicht negative Bilanz an. -vernebler, um eine ausreichende Oxygenierung zu
Meist sind dazu Diuretika erforderlich, z. B. Furose- erreichen. 13
mid oder Spironolacton. Eine positive Bilanz führt Um den O2-Verbrauch niedrig zu halten, beruhi-
zu einer Zunahme des Lungenödems. gen sie den Patienten bei Unruhe rasch oder sedie-
ren ihn (Arztanordnung).
Bei Verschlechterung oder schwerem Verlauf ist
13.4.5  Lungenödem meist eine Intubation und Beatmung notwendig.
Vor dem Absaugen präoxygenieren Pflegende den
DEFINITION Patienten und verabreichen ggf. einen Bolus des an-
Lungenödem: Vermehrung der extravasalen Flüssigkeit geordneten Sedativums. Zum schonenden Absaugen
in der Lunge. verwenden sie ein geschlossenes Absaugsystem. Der
Arzt wählt einen PEEP von 6–10 mbar, um die in der
Das Lungenödem kann verschiedene Ursachen ha- Lunge vorhandene Flüssigkeit in die Kapillaren zu
ben: verdrängen und einen erneuten Flüssigkeitsaustritt
• erhöhter Kapillardruck, z. B. bei Hypervolämie, zu vermeiden. Die Beatmung des Patienten erfolgt
überhöhter Flüssigkeitszufuhr, Linksherzinsuffi- druckkontrolliert oder druckreguliert/volumenkon-
zienz und Mitralstenose trolliert.
• Permeabilitätssteigerung der Kapillaren, z. B. bei Pflegende lagern den Oberkörper zur Atemer-
Sepsis, gesteigerter Ausschüttung von Histamin leichterung um 45° erhöht.
und Katecholaminen, Überdosierung von Opia- Meist strebt der Arzt eine negative Flüssigkeitsbi-
ten, Hypnotika oder Sedativa und toxischer Arz- lanz an. Dazu erhält das Kind meist Diuretika. In
neimittelwirkung Einzelfällen ist das Bilanzziel nur mit Hilfe einer Hä-
• Kombination beider Ursachen, z. B. bei ARDS, mofiltration zu erreichen.
Sauerstofftoxizität, Rauchvergiftung und Inhala-
tion toxischer Gase, Ertrinkungsunfall, Lungen-
blutung und Hydrops fetalis 13.4.6  Aspiration

Symptome DEFINITION
Aspiration: Einsaugung von flüssigem oder festem Ma-
• Tachydyspnoe, Stauungshusten, zentrale Zyanose terial in die Atemwege → Verlegung möglich → Atemflä-
mit peripherer Blässe che und Gasaustausch reduziert.
• „Asthma cardiale“, Tachykardie
• Unruhe, Angst Zur Aspiration führen häufig z. B. Magensaft, Sekret
• auskultatorisch bei leichtem Lungenödem Knis- aus Nasen- und Rachenraum, feste oder flüssige
tern und bei ausgeprägtem Lungenödem feinbla- Nahrung, Erdnüsse, Wasser und Fremdmaterial
sige Rasselgeräusche (u. a. kleine Spielzeugteile, Perlen). In 80 % der Fälle
• fleischwasserfarbenes, schaumiges Sputum oder ist die rechte Lungenseite betroffen.
Trachealsekret
Symptome
Pflegerische Besonderheiten
• plötzlich auftretende Tachydyspnoe mit Stridor
Zur besseren Beurteilung des intravasalen Volu- • Hustenanfälle
mens setzen die Pflegenden zusätzlich zum Grund- • Zyanose
monitoring (› Kap. 14) die kontinuierliche ZVD- • Thoraxasymmetrie
Messung ein. • ein- oder beidseitig vermindertes Atemgeräusch
248 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Pflegerische Besonderheiten • Interstitielle Pneumonie: Alveolar- und Binde-


gewebe betroffen
Monitoring › Kap. 14 • Segmentpneumonie: ein Lungensegment befal-
13 Pflegende kontrollieren das Sputum oder Tra­ len
cheal­sekret des Patienten besonders sorgfältig auf
Bestandteile des aspirierten Materials.
Symptome
Der Arzt entfernt Fremdkörper bronchoskopisch.
Er führt die Bronchoskopie in Kurznarkose durch, Symptomatisch zeigt sich die Pneumonie durch eine
z. B. mit Midazolam, Etomidate oder Propofol. Ver- Tachydyspnoe, ein vermindertes Atemgeräusch,
einzelt ist es notwendig, Patienten kurze Zeit nach- grobblasige RG, Husten, exspiratorischen Stridor
zubeatmen, bis sie das volle Bewusstsein wiederer- und hohes Fieber. Bei einer Pleurabeteiligung
langt haben. kommt es meist zu Schmerzen während der Einat-
Bei der regelmäßigen und gründlichen Tracheal- mung. Die Symptome einer Viruspneumonie sind
toilette präoxygenieren Pflegende das Kind ausrei- meist geringer ausgeprägt.
chend und verabreichen ihm einen Bolus des ange-
ordneten Sedativums. Um eine Infektion durch das
Pflegerische Besonderheiten
Aspirat und einen Sekretstau zu vermeiden, sind re-
gelmäßige Vibrationsmassagen und intensive Phy- Monitoring › Kap. 14
siotherapie, v. a. auch nach Extubation, notwendig. Pflegende versuchen, Unruhephasen, die zur Ver-
Bei schwerer Ateminsuffizienz kann eine längere Be- stärkung der Atemnot führen können, unbedingt zu
atmungszeit erforderlich sein. vermeiden. Gegebenfalls setzen sie hierfür nach Arz-
Pflegende lagern das Kind abwechselnd in Rü- tanordnung Sedativa ein.
cken-, Seit- und Bauchlage, um evtl. minderbelüfte- Atemgymnastik, evtl. unterstützt durch einen
te, atelektatische Lungenabschnitte zu entfalten. Die Physiotherapeuten, und ausreichende Frischluftzu-
Vibrationsmassagen lassen sich in den verschiede- fuhr erleichtern die Atmung. Die Zufuhr von ange-
nen Drainagelagerungen (› 8.4) durchführen. feuchtetem und erwärmtem O2, Vibrationsmassa-
gen und Inhalationen mobilisieren Sekret und ver-
mindern die Atemnot.
13.4.7  Pneumonie Sollte massive Atemnot, begleitet von SpO2-Abfäl-
len und pCO2-Anstiegen, auftreten, ist eine Intubati-
DEFINITION on und Beatmung erforderlich. Vor der Trachealtoi-
Pneumonie: Entzündung des Lungengewebes, hervor- lette ist das Kind gut zu präoxygenieren. Das erste
gerufen durch Bakterien, Viren, Pilze oder eine allergi- Trachealsekret asservieren Pflegende für mikrobio-
sche/toxische Schädigung. Die Keimübertragung ge- logische Untersuchungen.
schieht auf aerogenem oder hämatogenem Wege. Pflegende lagern den Oberkörper erhöht und die
Beine angewinkelt, um die Bauchdeckenspannung
zu vermindern und eine verbesserte Zwerchfellbe-
Pneumonieformen
weglichkeit zu erzielen. Die Arme können leicht ad-
Ätiologie duziert und angewinkelt liegen, um eine Dehnung
• Primär: Krankheit beginnt aus völliger Gesund- der Interkostalmuskulatur zu ermöglichen. Zur
heit Dehnung der Lungenareale eignen sich die V-, A-
• Sekundär: eine bereits bestehende Infektion und T-Lagerung (› 8.4).
greift auf das Lungengewebe über Im Akutstadium ist auf eine enterale Ernährung
zu verzichten. Jedoch denken Pflegende in jedem
Morphologie Stadium der Erkrankung an eine ausreichende Flüs-
• Lobärpneumonie: ein Lungenlappen befallen sigkeitszufuhr, da der Flüssigkeitsverlust über die
• Bronchopneumonie: mehrere Lungenlappen be- Lunge sehr hoch ist. Säuglinge erhalten bei Bedarf
teiligt die Nahrung über eine Sonde, um ihnen die Atemar-
13.4  Weitere Atemwegserkrankungen 249

beit abzunehmen und eine Aspirationsgefahr zu • asymmetrische Thoraxexkursionen, wobei sich


mindern. die betroffene Seite weder hebt noch senkt
• hypersonorer Klopfschall
Unter Umständen kann es vor allem bei einer Staphylo- • blasses bis zyanotisches Hautkolorit 13
kokkenpneumonie zu einem Pleuraempyem kommen, • Bradykardie, Hypotonie
das die Anlage einer Pleuradrainage oder eine chirurgi- • Atemgeräusch auf der betroffenen Seite vermin-
sche Revision erforderlich macht. dert
• bei massivem Pneumothorax: Schocksymptoma-
tik
13.4.8  Pneumothorax • bei Frühgeborenen beobachtet der Arzt während
einer Diaphanoskopie ein rötliches Aufleuchten
DEFINITION der gesamten betroffenen Thoraxhälfte
Pneumothorax: Ansammlung von Luft im Pleuraspalt.
Die betroffene Lungenhälfte kollabiert zumindest teilwei-
se. Pflegerische Besonderheiten
Bei einem kleinen Pneumothorax, z. B. Mantelpneu-
Beim Spannungspneumothorax ermöglicht der De- mothorax, können eine O2-Gabe über Nasensonde,
fekt über einen Ventilmechanismus bei der Inspira- -brille oder -vernebler zur Resorption des Pneumo-
tion das Ansaugen von Luft in den Pleuraspalt, die in thorax sowie ein engmaschiges Monitoring ausrei-
der Exspiration nicht entweichen kann. Die Folge ist chen. Ist die Atmung jedoch massiv beeinträchtigt,
ein Druckanstieg im Pleuraspalt, der Lungenkollaps ist die Anlage einer Pleuradrainage notwendig.
der betroffenen Seite und eine Mediastinalverschie- Pflegende lagern das Kind mit erhöhtem Ober-
bung. Die großen Gefäße können abknicken und es körper auf die betroffene Seite, sofern dort keine
kommt zum Kreislaufschock. Diese Situation ist le- Drainage liegt.
bensbedrohlich.
LITERATUR
1. Roos, R.; Genzel-Boroviczény, O.; Proquitté, H.: Check-
Ursachen liste Neonatologie. 176 4. Auflage. Thieme, Stuttgart,
2010.
• Spontanruptur von Alveolen (meist bei großen, 2. Roos, R.; Genzel-Boroviczény, O.; Proquitté, H.: Checklis-
hageren Menschen nach kurzzeitiger körperli- te Neonatologie. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart, 2010.
cher Belastung) 3. Mann, C.; Baenziger, O.: Die Behandlung des Neugebore-
• Bei beatmeten Patienten: kontrollierte Beatmung, nen mit angeborener zwechfellhernie. Schweizer Medi-
zin-Forum 2007; 7: 438–439
zu kurze Exspirationszeit, hoher PEEP, „Air- 4. Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatri-
Trapping“, Tubusfehllage sche Intensivmedizin; AWMF-Leitlinien-Register Nr.
• ZVK-Anlage 024/014 Entwicklungsstufe 2 + IDA
• Pneumonien, z. B. Staphylokokkenpneumonie 5. Hartmann, U.: Zusammenfassung: Husten-Helfen-Beat-
(› 13.4.7) men. Universitätsklinik Essen 04/08
6. Oczenski, W.: Atmen – Atemhilfen. Atemphysiologie und
• Neuanlage einer Pleuradrainage (auch Pleura­ Beatmungstechniken, 8. A. 406–407. Thieme, Stuttgart,
drainagen, die bereits länger liegen und nicht 2008.
funktionstüchtig sind, stellen ein Risiko dar) 7. Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatri-
• Mukoviszidose sche Intensivmedizin; AWMF-Leitlinien-Register Nr.
• Lungenverletzungen 006/087 Klasse S1
8. Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatri-
• Mekoniumaspiration (› 13.2.2) sche Intensivmedizin; AWMF-Leitlinien-Register Nr.
024/021 entwicklungsstufe: 2 + IDA
9. Obladen, M.; Maier, R. F.: Neugeborenenintensivmedizin.
Symptome Evidenz und Erfahrung. 8. Auflage. Springer, Berlin Hei-
• Schmerzen auf der betroffenen Seite delberg, 2011.
• plötzlich einsetzende Atemnot
250 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

13.5  Lungentransplantation len Betreuung, da sich die Patienten sowohl wäh-


Hannah Tönsfeuerborn rend der Wartezeit als auch nach erfolgter Trans­
planta­tion mit einem möglicherweise ungewissen
13 Outcome und den ethischen Fragen um Organ­
Weltweit erfolgten in den vergangenen Jahren insge- spende und Transplantation auseinander setzen
samt ca. 20.000 Lungentransplantationen, davon müssen.
mehr als 3.500 in Deutschland. Derzeit beträgt die Ferner legen die Behandelnden dem Patienten
durchschnittliche Wartezeit auf ein Spenderorgan in nahe, sich während der Wartezeit körperlich mög-
Deutschland ca. 12–24 Monate. lichst fit zu halten und immer erreichbar zu sein.
Die Dauer der Wartezeit ist durch das Angebot an
Spenderorganen bestimmt.
Grunderkrankungen
Gerade für kleine Patienten sind Zeiträume von
• CF (cystische Fibrose) über einem Jahr keine Seltenheit.
• idiopathische pulmonale Hypertension
• idiopathische Lungenfibrose Transplantationsbezogene Voruntersuchungen
• obliterative Bronchiolitis • Blutabnahmen: Blutgruppe und Untergruppen,
• primäres Emphysem (α1-Antitrypsinmangel) HLA-Typisierung, komplettes Blutbild, Gerin-
• Sarkoidose nung, Leber- und Nierenfunktionsparameter, Ge-
• fixierte pulmonale Hypertonie bei korrigierbaren samteiweiß, Kreatininclearance
Herzfehlern und guter Herzfunktion • Virusantikörperbestimmungen: HIV, CMV, HSV,
• pulmonale arteriovenöse Missbildungen EBV, Hepatitis B und C
• sonstige Indikationen, z. B. ARDS • Infektionsstatus
• Lunge: Lungenfunktionsuntersuchungen, Blut-
gasanalyse, Thoraxröntgen, Thorax-CT, Ventila-
Indikationen
tions-Perfusions-Szintigraphie
• Monoorganversagen der Lunge • Herz-Kreislauf: EKG, Echokardiographie, evtl.
• Ausschöpfung aller konventionellen Therapie- Herzkatheteruntersuchung
möglichkeiten • HNO-Status
• rasche Progredienz der Grunderkrankung • körperliche Untersuchung: Größe, Gewicht,
• zunehmender Sauerstoffbedarf mit Einschrän- Thoraxumfang (gemessen in Höhe der Mamillen
kung der Mobilität und gravierender Abnahme und des Rippenbogens)
der Lebensqualität
• Lebenserwartung < 12–18 Monate Transplantationsmöglichkeiten
Lungentransplantationen werden als
Kontraindikationen
• Single Lungentransplantation (SLTx),
• Multiorganversagen • Double Lungentransplantation (DLTx),
• systemische Infektionen • in Kombination mit der Transplantation des Her-
• maligne Erkrankungen zens (HLTx) durchgeführt.
• Kachexie/Adipositas
• aktive Hepatitis B oder C, Tbc Schnittführung und Drainagenanlage
• minimal invasive Technik (MIC) mittels zwei
Vorbereitung auf die Transplantation
kleiner lateralen Thorakotomien in Höhe 5. ICR
Ein multiprofessionelles Team übernimmt neben und thorakoskopischer Anlage der Anastomosen
der rein „technischen“ Aufklärung der Patienten von links unterhalb der Clavicula
und ihrer Eltern auch die Begleitung der Familie. • „Schmetterlingsschnitt“ bei DLTx → bilaterale
­Besonderes Gewicht liegt dabei auf der psychosozia- transsternale Thorakotomie in Höhe des 5. ICR
13.5  Lungentransplantation 251

• Schnittführung bei SLTx → laterale Thorakotomie niert wie möglich durchführen zu können, legt das
in Höhe des 5. ICR (Clamp-Shell-Inzision) Team die Aufgaben vorher fest, um ein lückenloses
• Drainagen → je Seite 2 Thoraxdrainagen Monitoring und die zeitnahe Erfassung und Doku-
mentation von eventuell auftretenden Veränderun- 13
gen zu ermöglichen. Ist das Team genötigt, die
13.5.1  Betreuung nach einer Überwachung der Vitalparameter einzeln vom
Lungentransplantation Transportmonitor zu übernehmen, sagt eine Pfle-
gende den jeweils zu übernehmenden Parameter
Übernahme des Patienten laut an, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Telefonische Ankündigung des Patienten eine Pflegerische Besonderheiten


halbe Stunde vor Übernahme. Monitoring
• Wie viele und welche Zugänge hat der Patient?
• Welche Druckmessungen sollen postoperativ erfolgen?
Das Monitoring nach Lungentransplantation um-
• Welche Medikamenten-Perfusoren laufen mit welcher fasst die kontinuierliche Messung von:
Geschwindigkeit? • EKG (Frequenz und Rhythmus)
• Bestanden intraoperative Probleme? • arteriellem Druck
• Wie ist die Beatmungssituation? • pulmonalarteriellem Druck
• zentralem Venendruck
• peripherer Sauerstoffsättigung (Pulsoxymetrie)
Vorbereitung des Bettenplatzes • endexspiratorischem CO2
Grundausstattung Intensivplatz für einen beatmeten • NO- und NO2-Konzentration
Patienten › Kap. 4 • Körpertemperatur
Zusätzlich: • stündlicher Urinausscheidung
• Vakuumanschluss für Drainagensog • stündlichen Drainageverlusten (Hinweis auf
• NO (Füllungszustand der Gasflasche? System kom- Nachblutungen)
plett einsatzbereit montiert und angeschlossen?) • MAD (Maß für die Organperfusion) im altersent-
• PAP-Monitoring über Swan-Ganz- oder Pulmo- sprechenden Normbereich halten
naliskatheter • ZVD 8–10 mmHg
• evtl. Messung des intravasalen Lungenwassers • PAP 10–20 mmHg
mittels PiCCO-Katheter • Beobachtung der Arterienkurve auf:
• endexspiratorische CO2-Messung. – Arterienswing als Hinweis auf Volumenmangel
– Breite der einzelnen Druckwelle als Hinweis
Beginn des stationären Monitorings auf das ausgeworfene Volumen
Die Patientenübernahme erfolgt mit zwei Pflegen- – Regelmäßigkeit der Druckwellen als Hinweis
den und einem Arzt. Um die Aufnahme so koordi- auf evtl. auftretende Arrhythmien

Tab. 13.3  Aufgaben des multiprofessionellen Teams bei der postoperativen Übernahme eines lungentransplantier-
ten Patienten auf der Intensivstation.
1. Pflegekraft 2. Pflegekraft Arzt
• Pulsoxymeter anschließen • Drainagen anschließen (Sog) und • NO-Konzentration einstellen
• NIBP messen (Oberarm) mit Pflastersteg fixieren • Beatmungsgerät anschließen
• EKG kleben, Systolenton laut stellen • Ureofix ablesen und befestigen • arteriellen Druck anschließen
und
• Infusionen an ZVK und periphere Zu- • Magensonde auf Ablauf hängen abgleichen
gänge anschließen • Protokoll führen • PA-Katheter anschließen und abglei-
• Katecholamine immer überlappend • Temperatursonde einbringen chen
umhängen (lassen) • Blutprodukte übernehmen • Blutentnahme inklusive BGA
• arteriellen Zugang auf Schiene fixieren • Röntgen anfordern
252 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Beatmung, Bronchialtoilette und Atemtraining, das wie ein Trichter geformt ist. In
Sekretmobilisation dem Trichter befindet sich eine Kugel, die den Ausa-
Die Beatmung erfolgt druckkontrolliert. Sie wird je temweg versperrt. Entsprechender Druck bei der
13 nach den Werten von BGA, SpO2 und endexspirato- Ausatmung hebt die Kugel an und erzeugt Oszilla­
rischem CO2 gesteuert. Der mögliche Anstieg des tionen, die die Wahrnehmung der transplantierten
pulmonalen Gefäßwiderstandes lässt sich durch die Lunge verbessern.
Anwendung einer NO-Beatmung (MetHb-Kontrol-
len notwendig) oder einer Inhalationstherapie mit Bilanzierung
Iloprost senken. Pflegende dokumentieren und bilanzieren die Ein-
Eine zügige Entwöhnung des Kindes von der Be- fuhr von kristalloiden und kolloidalen Lösungen so-
atmung ist anzustreben. Ist eine längere Beatmungs- wie die Ausfuhr von Urin, Drainagensekret u. a.
zeit zu erwarten, erwägt der Arzt eine Tracheotomie. stündlich. Unter Berücksichtigung einer ausreichen-
Pflegende führen die Bronchialtoilette atrauma- den Nierenfunktion strebt man eine ausgeglichene
tisch und unter besonderer Schonung der Anasto- bis leicht negative Bilanz an. Dies verhindert ein
mosen durch. Dazu verwenden sie graduierte Ab- Lungen- bzw. ein Reperfusionsödem (durch ein Ka-
saugkatheter, z. B. geschlossene Systeme oder Aero- pillarleck nach extrakorporaler Zirkulation). Je nach
flow-Katheter. Blut- und Eiweißverlusten und in Abhängigkeit von
Sobald wie möglich beginnt die Mobilisation. Un- den Laborparametern erfolgt die Substitution ent-
ter stabilen hämodynamischen Verhältnissen begin- sprechender Ersatzpräparate. Pflegende achten dar-
nen Pflegende mit Lagerungsdrainagen (›  8.4) auf, dass ausschließlich Präparate zur Anwendung
und Vibrationsmassagen (› 9.2.2) zur Sekretmo- kommen, die CMV-negativ und bestrahlt sind.
bilisation. Sie fordern das Kind regelmäßig zum
Husten auf, da ihm durch die Denervierung der Infektionsprophylaxe und Hygiene
Hustenreiz fehlt. Physiotherapeuten führen die Die Antibiotikaprophylaxe erfolgt nach Hausstan-
Atemtherapie durch. Dabei erlernt das Kind, sein dard bis zum Vorliegen der mikrobiologischen Er-
verändertes Körpergefühl mit der transplantierten gebnisse intraoperativer Abstriche von Spender-
Lunge therapeutisch zu nutzen und evtl. die autoge- und Empfängerbronchialsystem. Bei CF-Kindern
ne Drainage anzuwenden. führt der Arzt zusätzlich eine pseudomonaswirksa-
Eine Inhalationstherapie dient der Pilz- und me Therapie entsprechend dem letztem Antibio-
Pneumonieprophylaxe sowie evtl. der Senkung des gramm durch. Die CMV-Prophylaxe erfolgt eben-
pulmonalen Gefäßwiderstandes. falls nach Hausstandard. Zur Pilzprophylaxe inha-
Nach Extubation und Entfernung der Thoraxdrai- lieren die Kinder mit Amphotericin B (3 × 10 mg),
nagen setzen Pflegende einen Flutter zur Verbesse- bis kein Aspergillus spp. in der bronchoalveolären
rung der Wahrnehmung der neuen Lungen ein. Lavage mehr anzüchtbar ist (3–6 Monate postopera-
Beim Flutter handelt es sich um ein Gerät zum

Auslass

Kugel
Kunststofftrichter
ausgeatmete Luft

Abb. 13.1  Patient nach DLTx mit ZVK, Schleuse und einge-
führtem PAK, PEG und zwei Thoraxdrainagen (zwei Drainagen
wurden bereits entfernt). [M285] Abb. 13.2  Flutter. [M290]
13.5  Lungentransplantation 253

tiv). Eine Pneumocystisprophylaxe mit Cotrimoxa- Die Pflegenden beobachten die Eintrittsstellen in
zol 3 Tage/Woche p. o. (z. B. Fr., Sa., So.) bleibt le- Hinblick auf Infektionszeichen, dokumentieren die-
benslang erforderlich. se und informieren den Arzt. Ein bakteriologisches
Bei allen am Kind durchzuführenden Maßnah- Monitoring erfolgt nur auf Anordnung des Arztes. 13
men halten Pflegende die hygienischen Grundprin-
zipien strikt ein. Personal und Besucher mit Infekten Lagerung und Mobilisation
der Atemwege tragen einen Mund-Nasen-Schutz, Alle Maßnahmen erfolgen unter Berücksichtigung
wenn sie mit dem transplantierten Kind in Kontakt der hämodynamischen Situation des Kindes und un-
treten. Bei der Einteilung beachtet die verantwortli- ter Schonung des Sternums. Bei lagerungsabhängi-
che Pflegekraft die Keimsituation auf der Station, da gen Ventilationsstörungen oder bei Auftreten eines
eine Einzelbetreuung des Kindes meist nicht mög- Reperfusionsödems empfiehlt sich die 135°-Bauch-
lich ist. lage zur Verbesserung des Gasaustausches. Pflegen-
Pflegende wechseln die Bettwäsche zur Reduktion de streben zur Prophylaxe von Dekubiti, Kontraktu-
opportuner Keime täglich und verwenden für die ren, Thrombosen und Pneumonien eine frühzeitige
Körperpflege gefiltertes oder destilliertes Wasser. Mobilisierung an (› Kap. 9).
Während und nach der Akutphase bringen die Zum Muskelaufbau und -erhalt erfolgt ein geziel-
Pflegenden das Kind zur Vermeidung von Kreuzin- tes Training (z. B. Bettfahrrad).
fektionen in einem Einzelzimmer unter.
Ernährung
Mundpflege Der Aufbau der enteralen Ernährung erfolgt so früh
Mundpflege › 7.1.2 wie möglich, um die Darmflora zu erhalten und ei-
Um eine eventuell auftretende Pneumonie durch nen Abbau der Muskulatur zu vermeiden. Die Ver-
Mikroaspiration zu vermeiden, erfolgen Mundpfle- abreichung von Pankreasenzympräparaten bei CF-
ge und Soor- und Parotitisprophylaxe nach Haus- Patienten erfolgt zur Mahlzeit und zur Einnahme
standard. von ölhaltigen Medikamenten (z. B. Sandimmun®
Mind. einmal pro Schicht untersuchen Pflegende optoral)
die gesamte Mundschleimhaut des transplantierten Da Immunsuppressiva die Entwicklung von Stoff-
Kindes hinsichtlich Läsionen, Ödemen (aufgrund wechselstörungen fördern, kann es nach der Trans-
von Pilzinfektionen und Kortikosteroidbehand- plantation häufiger zum Auftreten von Diabetes
lung), Soor, Parotitis und Zahnfleischwucherungen. mellitus oder zu einer Hyperlipidämie kommen.
Ist das Kind oral intubiert, verlegen Pflegende Dann ist eine gängige Diabetes mellitus/Hyperlipid­
einmal pro Schicht den Tubus in den kontralatera- ämie-Diät angezeigt.
len Mundwinkel, um Haut- und Schleimhautläsio- Allgemein empfiehlt sich ausgewogene, vitamin-
nen zu vermeiden. reiche Kost ohne weitere Maßgaben. Wichtig ist eine
Mundschleimhaut und Zahnfleisch sind mind. ausreichende Flüssigkeitszufuhr, da viele Medika-
einmal pro Schicht zu pflegen, um Zahnfleischwu- mente über die Nieren ausgeschieden werden.
cherungen durch die Ciclosporintherapie zu vermei- Zumindest im ersten halben Jahr sollten die Pa­
den. In den ersten Monaten nach der Transplantati- tienten folgende Lebensmittel meiden:
on benutzen Pflegende eine weiche Einmalzahn- • rohe, nicht gebackene oder geröstete Nüsse, da
bürste zur Mundpflege, um Schleimhautverletzun- ein Schimmelpilzbefall möglich ist. Nutella ist er-
gen zu vermeiden. Sie instruieren das Kind, die laubt
Mundpflege selbstständig durchzuführen. • Schimmelkäse
• Rohmilch und Rohmilchprodukte
Zugänge und Drainagen • nicht durchgegartes Fleisch, rohe Wurst, rohes
Der Verbandswechsel erfolgt unter sterilen Bedin- Mett
gungen. Die Häufigkeit richtet sich nach dem Haus- • roher Fisch, z. B. Sahnehering, Sushi
standard. Verunreinigte oder durchnässte Verbände • rohe oder weich gekochte Eier und Speisen, die
wechseln Pflegende umgehend. mit ungegarten Eiern zubereitet werden
254 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

• Softeis, offenes Eis aus der Eisdiele ranz. Die Immunsuppression soll so gering wie
• rohe Salate, ungewaschenes, ungeschältes Gemü- möglich sein, damit das Immunsystem seine eigent-
se und Obst lichen Aufgaben, z. B. die Erkennung und Beseiti-
13 Für die Zubereitung der Speisen sind ausschließlich gung von Bakterien, Viren, Pilzen und Tumorzellen,
frische Produkte zu verwenden. Speisereste nicht noch erfüllen kann. Außerdem sollen die zur Im-
länger als 24 Std. im Kühlschrank aufbewahren und munsuppression notwendigen Medikamente den
vor dem Verzehr gut erwärmen. Patienten so wenig wie möglich beeinträchtigen.
Trotz der Entwicklung neuer Medikamente und ver-
besserter Überwachungsmöglichkeiten ist es bisher
13.5.2  Immunsuppression nicht gelungen, die „ideale“ Immunsuppression
durchzuführen, die einerseits die Funktion des
Ziel der Immunsuppression ist die Unterdrückung transplantierten Organs erhält und andererseits den
der Abwehrreaktion des Körpers bis zu einem Grad, Empfänger nicht beeinträchtigt. Der Einsatz und die
der einen Funktionsverlust des transplantierten Or- in Frage kommenden Kombinationen von immun-
gans verhindert. Den Zustand einer fehlenden Ab- suppressiv wirkenden Medikamenten unterliegen
stoßungsreaktion bezeichnet man als Immuntole- dem jeweilig aktuellen Hausstandard.

Tab. 13.4  Immunsuppressiva und ihre Wirkungen.


Wirkstoff und Wirkmechanismus Unerwünschte Wirkungen Besonderheiten
Handelsname
Ciclosporin • vermindert
T-Zell-Akti- • Tremor • Einnahme nach Möglichkeit mit dem-
(Sandimmun® vierung und Proliferati- • Hirsutismus selben Getränk, jedoch nicht mit
oproral) on • Sehstörungen Grapefruitsaft
• Nephrotoxizität • ölige Substanz, bei Verabreichung
• Hypertonus über die Magensonde Spritze mehr-
• Zahnfleischhypertrophie fach „nachspülen“
• keine plastikhaltigen Gegenstände,
z. B. Strohhalme, Becher, zur Applika-
tion verwenden
Tacrolimus • vermindert
T-Zell-Akti- • Nephrotoxizität • am besten mit Wasser, auf keinen
(z. B. Prograf®) vierung und Proliferati- • Hypertonus Fall mit Grapefruitsaft einnehmen
on • Hyperglykämie • 1 Std. vor oder 2 Std. nach dem Essen
einnehmen
Mycophenolat- • inhibiert Purinsynthese • Erbrechen • nicht
gleichzeitig mit Antazida ein-
Mofetil • blockiert Lymphozyten- • Durchfälle nehmen
(z. B. CellCept®) proliferation • Leukopenie
• Thrombozytopenie

Kortikosteroide • blockieren
Zytokintran- • Steroiddiabetes
skription und -sekreti- • gastrointestinale Blutungen
on durch Makropha- • Wundheilungsstörungen
gen • Gewichtszunahme
• Wachstumsverzögerung
• Osteoporose

ATG (Anti-T- • Elimination


von Lym- • Anaphylaxie
Lymphozyten- phozyten durch Lyse • Nierenfunktionsstörungen
Globuline) und Opsonierung, ge-
folgt von Phagozytose
durch Makrophagen
13.5  Lungentransplantation 255

Pflegerische Besonderheiten 13.5.3  Komplikationen

Pflegende achten im Umgang mit immunsuppressi- Reperfusionsödem


ven Medikamenten immer auf ihren Selbstschutz 13
und tragen Handschuhe. • Auftreten: 8–48 Std. nach Freigabe der Blutzirku-
Die Verabreichung der Medikamente erfolgt in lation im Transplantat als Folge von Konservie-
verordneter Dosis genau nach Therapieschema und rung, Ischämie und Reperfusion des Organs wäh-
unter täglicher Spiegelkontrolle. Da ein Großteil der rend der OP
Medikamente lebenslang einzunehmen ist, erfolgt • Symptome: Abnahme des Gasaustausches, Ver-
eine frühzeitige Einweisung des Kindes in den eigen- ringerung der Compliance, Anstieg des pulmona-
verantwortlichen Umgang mit den Medikamenten. len Gefäßwiderstandes, evtl. ARDS
Erhält das Kind in der ersten postoperativen Pha- • Therapie: Erhöhung von FiO2, PEEP und inspira-
se Ciclosporininfusionen, werden diese nur über ei- torischem Spitzendruck, NO-Beatmung zur Sen-
nen gekennzeichneten Zugang verabreicht. Pflegen- kung des pulmonalen Gefäßwiderstandes,
de kennzeichnen den Zugang, um falsche Werte 135°-Bauchlagerung, evtl. bronchoskopische Sur-
durch Blutabnahmen zur Spiegelbestimmung über factantgabe, negative Bilanzierung
diesen Zugang zu verhindern. Um unerwünschte • Prognose: bei leichteren Formen Rückbildung
Wirkungen zu vermeiden, halten sie eine Infusions- nach wenigen Tagen möglich, Gefahr der bakteri-
dauer von mind. 4 Std. ein. ellen Superinfektion, schwere Verlaufsformen bis
hin zur Retransplantation möglich
Oral verabreichtes Ciclosporin immer mit derselben Flüs-
sigkeit verabreichen, um Spiegelschwankungen zu ver- Nachblutungen
meiden. Da Ciclosporin eine hohe Affinität zu Plastik hat,
verwenden Pflegende dafür keine Strohhalme oder Plas- • Auftreten: besonders nach HLM-OP und ausge-
tikbecher. dehnten Pleurolysen
• Symptome: Hb-wirksame Blutung mit Draina-
Von Grapefruit, Grapefruitsaft und Johanniskraut genverlusten von mehr als 100–200 ml/Std.
wird abgeraten, da sie die Resorption von Ciclospo- • Therapie: Erhöhung des intrathorakalen Drucks
rin negativ beeinflussen. mittels PEEP, Substitution von Blutprodukten
Grundsätzlich sind beim Umgang mit allen Im- und gerinnungsfördernden Substanzen, ggf. ope-
munsuppressiva die Vorschriften der Beipackzettel rative Revision
zu berücksichtigen.
Abstoßung
Kurze Wartezeiten auf der Transplantationsliste, man-
gelnde Aufklärung bzw. die unzureichende Verarbeitung • hyperakute Abstoßung: Auftreten sofort nach der
der Situation durch den Patienten führen unter Umstän- Transplantation mit unmittelbarem Transplan-
den zu: tatversagen durch zytotoxische Antikörper. Heu-
• Motivationslosigkeit bis hin zu depressiver Verstim- te selten, da sich zytotoxische Antikörper vor der
mung durch „zu lange dauernde“ Genesung OP bestimmen lassen
• Panik durch Erleben eines anderen Körpergefühls, be-
sonders nach Anlage einer Tracheostomie
• akute Abstoßung: tritt häufig innerhalb des ers-
• Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung zur ten halben Jahres nach der Transplantation auf;
Transplantation ist bei frühzeitiger Diagnose meist erfolgreich zu
• Therapieverweigerung behandeln
Unter solchen Bedingungen sind Zusammenarbeit und • chronische Abstoßung (Bronchiolitis obliterans):
Absprachen im multiprofessionellen Team gefordert, um schleichender Verlust der Organfunktion über
den Heilungs- und Rehabilitationsprozess nicht zu ge- Monate nach der Transplantation mit bislang un-
fährden.
zureichenden Therapieoptionen
256 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Abstoßungstherapie 13.6  Pflege eines ECMO-


• hochdosierte Gabe von Steroiden Patienten
• evtl. Antikörpergabe (ATG) Monika Schindler
13 • evtl. Plasmapherese
• evtl. Umstellung der Immunsuppression bei
chronischer Abstoßung Die ECMO-Technik stellt eine Alternative in der Be-
• evtl. Retransplantation handlung bei schweren respiratorischen Krisen der
Patienten aller Altersgruppen dar. Hierzu zählen bei
NG die PPHN-assoziierten Krankheitsbilder, z. B.
Insuffizienzen und Strikturen der
Mekoniumaspirationssyndrom, Lungenhypoplasie,
Bronchusanastomose
kongenitale Zwerchfellhernie, Pneumonie sowie
• Teildehiszenzen mit extrabronchialem Sepsis und Asphyxie. Bei älteren Kindern und Er-
Luftaustritt auch in das Mediastinum durch In- wachsenen gehören das ARDS (adult respiartory dis-
fektion oder Ischämie und Nekrosebildung im tress syndrome) unterschiedlicher Genese (Pneumo-
Anastomosengebiet nie, Sepsis, Polytrauma, Aspiration, Inhalations­
• Ausbildung von fibrosierenden Stenosen nach trauma) zu den Indikationen.
Abheilung möglich In kardiochirurgischen Abteilungen findet ECMO
zur Kreislaufunterstützung häufig z. B. bei Myokardi-
Überwachung und Therapie tis, erfolglosem Weaning nach Eingriffen mit der Herz-
• engmaschige bronchoskopische Kontrollen nach Lungen-Maschine oder Bridging to Transplant statt.
Diagnosestellung ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung)
• auf Ausbildung eines Hautemphysems achten entwickelte sich aus dem Konzept der Herz-Lungen-
• Therapie der Stenosen mittels Stentimplantation Maschinen und eignet sich zum passageren Ersatz
oder bronchoskopischer Laserung der Lungen- und Herzfunktion. Während der Be-
handlungszeit (ca. 1–30 Tage) an der ECMO kann
Nachbehandlung sich die Lunge erholen.
Die Betreuung des Kindes findet auch nach Verlassen der
Intensivstation im multiprofessionellen Team statt. Es Funktion des Systems
führt eine Frührehabilitation zur Rückkehr in das „norma-
le“ Leben mit intensiver psychosozialer Unterstützung Mithilfe eines Membranoxygenators erfolgt die Oxy-
der ganzen Familie durch. genierung des Blutes unter Umgehung der Lunge.
Regelmäßige Nachuntersuchungen erfolgen in Abspra- Zur Herstellung des Kreislaufs legt der Arzt unter
che mit der betreuenden Transplantationsambulanz und sterilen Bedingungen Katheter ein.
in Koordination mit dem behandelnden Kinderarzt.
Die Methode lässt sich in veno-venöser (v/v)
Technik als pulmonaler Support oder veno-arteriel-
ler (v/a) Technik pulmonaler und cardialer Support
LITERATUR
1. Schröder, K. (Hrsg.): Organtransplantation. Für Pflegeper-
durchführen. In der Regel erfolgt die Kanülierung
sonal in der Anästhesie-, OP- und Intensivpflege. Thieme beim Neugeborenen über die V. jugularis und die A.
Verlag, Stuttgart, 2000. carotis bei v/a-Technik oder die V. jugularis bei der
2. Largiadèr, F.: Checkliste Organtransplantation. Checklis- v/v-Technik. Bei älteren Kindern gehört auch die V.
ten der aktuellen Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart, femoralis zu den Kanülierungsgefäßen.
1999.
3. Bundesverband der Organtransplantierten e. V.: www.
Das Blut fließt aus dem rechten Vorhof über den
bdo-ev.de venösen Teil des Systems durch die Rollerpumpe in
4. International Society for Heart and Lung Transplantation: die Membranlunge. Das Gerät führt das arterialisier-
www.ishlt.org te Blut über den Wärmetauscher zum Kind zurück.
5. Eurotransplant International Foundation: www.euro- Zur Aufrechterhaltung eines Extrakorporalkreis-
transplant.org
6. Deutsche Stiftung Organtransplantation: www.dso.de
laufs ist der Einsatz von Heparin unabdingbar. Am
Schlauchsystem befinden sich verschiedene Senso-
13.6  Pflege eines ECMO-Patienten 257

ren zur Überwachung sowie ein Blasenfänger. Sie • Hämolyse


helfen, Komplikationen zu vermeiden und frühzeitig • Infektionen
zu erkennen. Probleme des Systems:
Die ECMO ermöglicht einen direkten Kreislauf- • Thromben 13
support, die Beherrschbarkeit schwerer kardio-res- • Oxygenatorversagen
piratorischer Störungen und eine hohe Sauerstoffzu- • Pumpenversagen
fuhr. Problematisch bleiben die direkte Beeinflus- • Systemruptur
sung der Hirndurchblutung und der direkte Ein- • Kanülenprobleme
strom von Partikeln, Thromben oder Gasblasen in
die arterielle Blutzirkulation.
Neben dem Einsatz der klassischen Rollerpumpe Pflegerische Besonderheiten
setzt man die Technik mit der Zentrifugalpumpe
immer häufiger ein. Die Versorgung eines Kindes an der ECMO erfordert
in den verschiedenen Phasen sehr unterschiedliche
Eintrittskriterien Neonatologie pflegerische Handlungen und verlangt von den Pfle-
• paO2 < 40mmHg für mehr als 2 Std. (akute genden ein hohes Maß an Erfahrung und Flexibili-
­Hypoxie) tät. Auf Grund der vielseitigen Komplikationsrisiken
• akute Verschlechterung mit Kreislaufproblemen ist eine kontinuierliche Betreuung durch einen Arzt
oder schwerwiegender Azidose und eine Pflegekraft zu gewährleisten.
• hohes Mortalitätsrisiko (<80 %)
Vorbereitung zur Übernahme eines
Eintrittskriterien Pädiatrie
Patienten
• slow entry: anhaltendes Lungenversagen über
längere Zeit (Tage) Die Vorbereitung des Patientenplatzes ist nach ei-
• fast entry: ELS bei akutem Lungenversagen mit nem festen Schema geregelt. Neben der allgemeinen
Hypoxie; paO2 < 60 mmHg über 6 Std./ Intensivplatzausstattung bereiten Pflegende die me-
< 50 mmHg über 2 Std. dikamentöse Therapie vor. Dazu installieren sie das
komplette System der Infusionsleitungen und lassen
Kontraindikationen sämtliche Medikamente in der korrekten Applikati-
• Gestationsalter < 34 Wochen oder Geburtsge- onsgeschwindigkeit vorlaufen, um beim Umhängen
wicht < 1.800 Gramm einen kontinuierlichen Fluss gewährleisten zu kön-
• schwere Gerinnungsstörung oder unkontrollierte nen. Sie stellen zusätzlich zum konventionellen Be-
Blutung atmungsgerät ein Gerät zur Hochfrequenzoszillation
• intrazerebrale Blutung > Grad 2 bereit und installieren sämtliche Geräte für eine NO-
• nicht korrigierbare Herzfehlbildung oder andere Applikation.
letale Fehlbildung Zusätzlich ergänzen Pflegende den Patientenplatz
• Hinweis auf irreversible Hirnschädigung um die ECMO-Maschine und die benötigten OP-
• irreversible Lungenschädigung mit Beatmungs- Materialien. Blut- und Blutbestandteile (EK, TK,
zeiten > 10–14 Tage FFP) sind in ausreichender Menge verfügbar zu hal-
ten. Um eine ECMO durchführen zu können, ist der
Arzt verpflichtet, die Einverständniserklärung der
Komplikationen
Eltern einzuholen.
ECMO ist eine sehr invasive Methode und birgt ein Zur Vorbereitungsphase gehört auch die genaue
hohes Komplikationsrisiko. Aufteilung ärztlicher und pflegerischer Aufgaben.
Probleme des Kindes: Während der Aufnahme eines ECMO-Kindes ar-
• intrakranielle und andere Blutungen beiten in der Regel zwei Pflegende zusammen.
258 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Überwachung und Dokumentation Da es sich in der Regel um kreislaufdeprimierte


Patienten handelt, kann die periphere Durchblutung
Die Überwachung und Dokumentation umfasst die vermindert sein. Ödembildung am ersten ECMO-
13 üblichen Parameter (HF, SpO2, art. Blutdruck, tcp- Behandlungstag mit positiven Bilanzen ist während
CO2, tcpO2) einer intensivpflegerischen Überwa- der Adaptation an den Extrakorporalkreislauf zu be-
chung, darüber hinaus die Überwachung und Doku- obachten. Besonderes Augenmerk gilt der Blut-
mentation des ECMO-Kreislaufs. druckamplitude.
Die Pflegeübernahme erfolgt im Rahmen eines Pflegende legen Watteverbände um kühle Extre-
Standards nach den Aspekten: mitäten. Die periphere Durchblutung ändert sich
• Patient meist, sobald sich die Oxygenierung stabilisiert hat.
• Monitoring Nach Kanülenanlage kann es am rechten Arm zu ei-
• Beatmung ner Störung des venösen Rückstroms kommen, die
• ECMO-System sich durch marmorierte und livide verfärbte Haut
• zusätzliche Kontrollmaßnahmen sowie eine Stauung zeigen kann. Die Dokumentati-
Die Temperatursteuerung erfolgt in erster Linie on erfolgt im Vergleich zur anderen Extremität.
über den externen Wärmetauscher, deshalb ist eine Häufig geht die venöse Stase innerhalb weniger Tage
engmaschige Temperaturüberwachung notwendig. zurück.
Häufig sind die Kinder aus therapeutischen Grün- Pflegende kontrollieren die Kanülen- und Draina-
den (Asphyxie) hypotherm zu halten. Andererseits geneintrittstellen regelmäßig auf Blutungen und do-
stellt der Ausfall des Wärmeaustauschers eine be- kumentieren die Befunde. Die Bilanzierung der Ein-
kannte Komplikation dar, unter dessen Einfluss die und Ausfuhr findet stündlich statt, Pflegende be-
Körpertemperatur des Kindes wegen des großen ex- rücksichtigen die Verluste durch Drainagen und
trakorporalen Blutsystems schnell fallen kann. Die Blutungen. In der Regel ist eine Kontrolle des Kör-
Kinder liegen in der Regel in einer servoregulierten pergewichts während der ECMO nicht möglich.
Pflegeeinheit, deren Sensoren die Pflegenden zur Die neurologische Beurteilung hat einen besonde-
perkutanen Temperaturüberwachung am Körper ren Stellenwert, da sie Aufschluss über eine intra-
anbringen. Wärmestrahler können zur peripheren kranielle Blutung geben kann. Pflegende überwa-
Überwärmung führen. Vorteilhaft für eine kontinu- chen und dokumentieren Pupillenreaktion, Be-
ierliche Temperaturüberwachung ist eine im Blasen- wusstsein und Bewegungsmuster regelmäßig. Ände-
katheter integrierte Temperatursonde. Rektale Son- rungen der Motorik können auf Krampfanfälle
den sind zurückhaltend einzusetzen, um ein Deku- hinweisen.
bitalgeschwür zu vermeiden. Während der ECMO gewährleistet der Arzt eine
adäquate Analgosedierung des Kindes. Motorische

Wärmetauscher

Arterieller Teil
Brücke
(Kurzschluss-
möglichkeit bei
Air CO2 O2 Komplikationen) Venöser Teil
Membran-
oxygenator

Rollerpumpe
Abb. 13.3  ECMO-System. [L157]
13.6  Pflege eines ECMO-Patienten 259

Unruhe, die eine Fehllage der Kanülen oder Rück- ca. 20 % des initialen Bedarfes. Nach weiteren 24 Std.
flussprobleme im System verursachen kann, macht erfolgt die Dekanülierung.
eine Relaxierung nötig. Analgosedierung und Rela- Nach der Dekanülierung und Rekonstruktion von
xierung beeinträchtigen die neurologische Überwa- Vene und Arterie ist meist für 3 Tage eine strenge 13
chung. Kopfmittellage erforderlich, um einen besseren
Wundschluss zu erzielen. Hierzu erhalten die Kin-
der zusätzlich zur Analgosedierung Muskelrelaxan-
Pflegerische Besonderheiten
zien und die Pflegenden reduzieren ihre Maßnah-
Die Applikation von Infusionen und Medikamenten men auf das „Minimal Handling“. Die stressreduzie-
findet unter sterilen Kautelen statt. Durch die Inva- rende Pflege soll Blutdruckspitzen und die Mittella-
sivität der Maßnahmen stehen die Kinder unter ei- ge Zug an den Nähten vermeiden.
nem erhöhten Infektionsrisiko. Dekubitus- und Kontrakturenprophylaxe fin-
Die Kathetereinstrittstellen neigen im Rahmen den in besonderer Weise Berücksichtigung. Zudem
der Heparinisierung zu Nachblutungen. Die Sicker- ist aufgrund der beeinträchtigten Bewegung, Wahr-
blutungen können Schorf entstehen lassen, den Pfle- nehmung und Kommunikation die Anwendung von
gende in der Regel während der Wundinspektion Elementen der Basalen Stimulation® und von Ki-
regelmäßig abtragen, um saubere Wundverhältnisse naestetics® von immenser Bedeutung.
zu erhalten. Sie desinfizieren die Kanülen- und Drai- Die Betreuung durch Physiotherapeuten erfolgt
nageeintrittstellen regelmäßig. möglichst frühzeitig. Sie wenden leichte Vibrations-
Da durch die Heparinisierung eine erhöhte Blu- massagen, Ausstreichungen, gezielte Lagerungsdrai-
tungsneigung besteht, gelten für intramuskuläre In- nage und die Prophylaxe bzw. Therapie von Kon-
jektionen außerordentlich enge Indikationsgrenzen. trakturen an.
Der Arzt verzichtet während der Heparinisierung Die Bronchialtoilette erfolgt nach strenger Indika-
auf periphere Venenpunktionen, kapilläre Blutent- tionsstellung (cave: Blutungsgefahr) mit einem ge-
nahmen, sowie das Entfernen von Kathetern und schlossenen Absaugsystem. Die Verwendung von
Drainagen. Gentle Flo®-Absaugkathetern beim oralen und nasa-
Die Lagerung erfolgt auf Weichlagerungsmatrat- len Absaugen verhindert blutende Schleimhautver-
zen oder energetisch betriebenen Matratzen in letzungen.
Kopfmittelstellung, um den venösen Abfluss nicht Um den Kindern möglichst lange, stressarme Ru-
zu behindern. Je nach Zustand (atelektatische oder hephasen zu gönnen, koordinieren die Pflegenden
dystelektatische Lungenbezirke) besteht die Not- alle pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen
wendigkeit, das Kind umzulagern. Lagewechsel, ins- sorgfältig. Hierzu gehören u. a.: Sonografie, Rönt-
besondere die Bauchlagerung, bergen ein hohes Ri- gen, EEG, Umintubation, Surfactantapplikation,
siko von Kanülenkomplikationen. Zur Durchfüh- Einläufe.
rung arbeiten mehrere Pflegende zusammen. Lage- Die Assistenz und Dokumentation bei operativen
wechsel finden in der Regel in 12-stündigem Eingriffen (Kanülierung und Dekanülierung), die
Rhythmus statt. Sie entfallen bei stark blutenden Ka- Bereitstellung der benötigten OP-Materialien (z. B.
nüleneintrittsstellen. Achsengerechte Lagerungen Tisch, ECMO-Sieb, Kanülen, Nahtmaterial, Silikon-
oder punktuelle Druckentlastungen, z. B. durch das zügel) sowie die Vorbereitung und Nachbereitung
Unterlegen von sehr kleinen Handtüchern unter die des Patienten obliegen ebenfalls den Pflegenden.
Matratze, sind leichter durchzuführen, risikoärmer Eine weitere Hauptaufgabe bei der Betreuung von
und deshalb vorzuziehen. Nach der Lagerung muss ECMO-Patienten liegt in der Überwachung und
darauf geachtet werden, dass kein Zug auf die Kanü- den spezifischen Tätigkeiten an der ECMO:
len entsteht. • Routinekontrollen bei der Patientenübernahme
• Überwachung und Bedienung der ECMO-Geräte
Weaning (Rollerpumpe, Wärmetauscher, Sweep-Gas, EC-
Bei Stabilisierung der pulmonalen und kardialen Si- MO-Flow, Kontrolle des Systems, Überwachung
tuation beginnt die Reduktion des ECMO-Flows auf der Drücke im System, Heparintherapie)
260 13  Pflege bei respiratorischen Erkrankungen

Kontrolle Patient
• Blutungen
13 • Druckstellen
Physiotherapie • neurologischer Status
(Lungenkonditionierung)
Bronchialtoilette
Lagerungstherapie Eingeschränkte
Grundpflege beachten:
heparinisierter Patient

Sichtkontrolle 0 210 160


ECMO-System

O2
Dokumentation:
• Beatmungsparameter
• Blutgase
• Blutchemie
• Druckverhältnisse im Bypass
• ACT-Werte Steuerung Heparindosis
• ECMO-Parameter
• Vitalparameter Assistenz bei allen diagnostischen und
• Reaktion des Kindes therapeutischen Maßnahmen

Abb. 13.4  Pflegerische Tätigkeiten während der ECMO. [L157]

• Blutentnahmen (BGA kindarteriell, systemarte­ zialdienst oder Familienberater kann hilfreich sein.
riell, systemvenös, ACT, Blutbild, Elektrolyte, Es ist ein Ziel der pflegerischen Betreuung, die El-
Laktat, sonstige Parameter) tern so bald als möglich in die Pflege ihres Kindes zu
• hygienisches Vorgehen am ECMO-System mit integrieren. Zu ihrer Unterstützung ist die Ausarbei-
routinemäßiger Reinigung tung eines stationsinternen Elterninformationsblat-
• Kontrolle und Auffüllen von ECMO-Zubehör tes geeignet, das Ihnen hilft, Fragen zu formulieren
sowie mit Pflegenden und Ärzten zu sprechen.
Bei allen pflegerischen Handlungen steht die Patientensi-
cherheit an erster Stelle, alle Pflegenden sollen das Not- WEITERFÜHRENDE LITERATUR
1. Schaub, J. (Hrsg.): Extrakorporale Membranoxigenierung,
fallmanagement bei Komplikationen beherrschen.
Handbuch für Ärzte und Intensiv-Pflegepersonal. Mann-
heim, 2010.
Elternbetreuung 2. http://surgery.med.umich.edu/pediatric/research/section/
ecmo.shtml (Letzter Zugriff: 12.1.2012)
Die Eltern befinden sich in der Regel in einer Aus- Tschaut, R. (Hrsg.): Extrakorporale Zirkulation in Theorie
nahmesituation und benötigen besondere Unter- und Praxis. Papst Verlag, Lengerich, 2005.
3. www.elso.med.umich.edu/Guidelines.html (Letzter Zu-
stützung, um den Krankheitsverlauf ihres Kindes griff: 12.1.2012)
verarbeiten zu können. Wegen der Invasivität der 4. Feindt, P.: Empfehlungen zum Einsatz und zur Verwen-
Maßnahme bereiten Arzt und Pflegende die Eltern dung der Herz-Lungen Maschine (Kap. 15) in Münch, F.:
sorgfältig auf den Anblick ihres Kindes vor. Bei prä- Extrakorporale Membranoxigenierung – Spezifikation
natal bekannten Befunden können die Eltern vor der und Einsatz in der Pädiatrie, Steinkopf Verlag, Darmstadt,
2006.
Geburt die Station und das betreuende Team ken-
nen lernen. Unterstützung durch Psychologen, So­
KAPITEL
Pflege bei kardiologischen

14 und kardiovaskulären
Erkrankungen
Bei der Betreuung herzkranker Kinder sind die Beob- • Hautturgor hinsichtlich Ödembildung bzw. Elas-
achtungen der Pflegekräfte hinsichtlich Aussehen und tizitätsverlust beurteilen
Verhalten der Patienten von großer Bedeutung. Mit
der folgenden Check-Liste können Pflegekräfte schnell
und effektiv Zustand und Herzleistung eines Kindes
14.1  Angeborene Herzfehler
beurteilen. Je mehr Punkte zutreffen, desto bedrohli-
Maren Grabicki, Yvonne Freitag
cher ist das Befinden des Patienten (› Tab. 14.1).
Das verwendete Monitoring hängt vom klini-
schen Bild des Kindes ab. Der Zustand eines herzkranken Kindes kann sich
z. B. durch Herzrhythmusstörungen oder eine pul-
monale Hochdruckkrise plötzlich massiv ver-
Grundmonitoring 1 (stabiles Kind)
schlechtern. Die Kinder und ihre Eltern befinden
• kontinuierliche EKG-Ableitung sich in einer Extremsituation. Sie benötigen deshalb
• kontinuierliche SpO2-Messung eine sichere und behutsame Behandlung, nicht zu-
• Atemüberwachung letzt, weil sie die Diagnose „Herzfehler“ als perma-
• intermittierende Blutdruckmessung nente vitale Bedrohung empfinden.
• 4–8-stündliche Temperaturmessung, bei Tempe-
raturproblemen entsprechend häufiger
• Flüssigkeitsbilanzierung; 2 mal täglich Gewichts- 14.1.1  Ductusabhängige Herzfehler
kontrolle
• Hautturgor hinsichtlich Ödembildung bzw. Elas- DEFINITION
Ductusabhängige Herzfehler: Die ausreichende Durch-
tizitätsverlust beurteilen
blutung der Lungen oder des großen Kreislaufes ist nur
unter der Voraussetzung eines auch postpartal bestehen-
Grundmonitoring 2 (instabiles Kind) den offenen Ductus arteriosus (Botalli) gewährleistet.

• kontinuierliche EKG-Ableitung
• SpO2-Messung Zeichen des Ductusverschlusses bei:
• ZVD • ductusabhängiger Lungendurchblutung
• arterieller Blutdruck – rasche Entwicklung einer schweren Zyanose
• evtl. Überwachung des LAP und PAP mit Atemnot
• 4-stündliche Temperaturmessung oder konti­ – in der Blutgasanalyse niedrige pO2- und SaO2-
nuierliche rektale oder zentrale und evtl. periphere Werte
Temperaturüberwachung – dekompensierte metabolische Azidose (akute
• bei beatmeten Kindern kontinuierliche ETCO2 Lebensgefahr)
oder tcpO2/tcpCO2-Überwachung zur besseren • ductusabhängigem großem Kreislauf
Steuerung der Beatmung (wenn möglich) – abnehmende Urinproduktion
• zur Kontrolle der Übereinstimmung von endex- – abnehmende RR-Amplitude
spiratorisch, transkutan oder arteriell gemesse- – kardiogener Schock
nen Werten täglich mind. zwei Blutgasanalysen Normalerweise verschließt sich der Ductus Botalli
• kontinuierliche Flüssigkeitsbilanzierung postpartal durch Muskelkontraktionen. Um ihn of-
262 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Tab. 14.1  Kriterien zur pflegerischen Beurteilung des tonie ist meist durch den erhöhten Links-Rechts-
Herzzeitvolumens (HZV). Shunt über den Ductus bedingt oder durch den Ver-
Merkmal Symptome bei niedrigem HZV lust des peripheren Gefäßtonus.
Hautfarbe • blass,
grau, fahl, marmoriert, zyanotisch Unter der PgE1-Therapie tritt bei den Kindern ei-
(generalisiert oder akrozyanotisch) ne erhöhte Geräusch- und Berührungsempfindlich-
Perfusion • peripher
kühl, kaltschweißig, vermehrtes keit auf. Pflegerisch ist aus diesem Grund auf eine
Schwitzen am Hinterkopf ruhige, leicht abgedunkelte Umgebung und ein ent-
14 Temperatur • Fieber sprechendes Minimal Handling zu achten.
• ΔT (Differenz
zwischen zentraler und pe- Es kann zur erhöhten Krampfbereitschaft kom-
ripherer Temperatur) ≥ 5 °C, periphere men.
Temperatur ≤ 30 °C Ist das Kind extrem zittrig, schließt der Arzt eine
Nierenfunk- • Oligurie
(Mindesturinmenge 1 ml/kg/ Hypoglykämie und -kalzämie mittels entsprechen-
tion Std.), Anurie der Labortests aus.
Bewusstsein • unruhig, jammernd, somnolent, komatös Häufig setzen die Kinder gelblich-schleimige,
Pulsqualität • schwachfühlbarer Puls mit hoher Fre- flüssige Stühle ab, die sich bei Reduktion der Dosis
quenz, peripher nicht tastbar (Pulsoxy- oder nach Absetzen des Medikaments normalisie-
metrie versagt) ren. Eine sorgfältige Hautpflege des Gesäßes ist un-
Blutdruck • erniedrigt, per Manschette nicht messbar bedingt erforderlich, da die Stühle meist sehr ag-
ZVD • zu hoch gressiv sind. Blutungen, Thrombozytopenie, dissi-
• zu niedrig minierte intravasale Gerinnung (DIC ›  18.2.1)
und Nierenversagen sind sehr seltene Nebenwir-
fen zu halten, setzen Ärzte zur Verhinderung dieser kungen.
Kontraktionen das Medikament Prostaglandin E1 Bei einer Prostaglandin E1-Gabe über mehrere
(Minprog®) ein. Wochen können sich anhaltendes Fieber und Perio-
stabhebungen entwickeln, die die Berührungsemp-
Beim Einsatz von PgE1 (Minprog®) kommt es gehäuft zu findlichkeit zusätzlich steigern.
Apnoen oder Hypoventilation. Diese können plötzlich Außerdem kommt es zu einer vaskulären Fragili-
auftreten und erfordern deshalb eine kontinuierliche tät. Pflegende legen dann besonderes Augenmerk
Atemüberwachung. Ist es notwendig, das Kind im oder auf periphere Zugänge.
außerhalb des Krankenhauses zu transportieren, führt
das Team einen Beatmungsbeutel, Sauerstoff, eine Mas-
ke sowie die entsprechenden Überwachungsgeräte mit.
14.1.2  Hypoxämischer Anfall bei
Fallot-Tetralogie
Die meist auftretenden Erytheme zeigen sich u. a. in
einer lividen Verfärbung der Akren und Augenlider, DEFINITION
die oft auch am stärksten von der Ödembildung be- Fallot-Tetralogie: Kombiniertes Vitium mit Pulmo-
troffen sind. nalstenose (1), Rechtsherzhypertrophie (2), hoch sitzen-
Alle 3–4 Std. erfolgt eine Temperaturkontrolle, dem Ventrikelseptumdefekt (3) (VSD) und einer über dem
um das für PgE1 typische Fieber rechtzeitig erken- VSD „reitenden“ Aorta (4) (Nummerierung › Abb. 14.1)
nen und eine entsprechende Therapie einleiten zu
können. Dabei verzichten Ärzte möglichst auf die Da die Lunge wegen der Pulmonalstenose vermin-
Gabe von Paracetamol, da dies in den Prostaglan- dert durchblutet ist und ein Rechts-Links-Shunt
dinstoffwechsel eingreifen. über den VSD besteht, sind die Patienten zyanotisch.
Pflegende leiten die Herztätigkeit kontinuierlich Säuglinge mit diesem Krankheitsbild haben ein er-
mit einem EKG ab und messen intermittierend den höhtes Risiko, einen hypoxämischen Anfall zu erlei-
Blutdruck, um evtl. auftretende Herzrhythmusstö- den. Hierbei kommt es zu plötzlicher Unruhe, Hy-
rungen und deren hämodynamische Wirkung sowie perventilation und Zyanose, ausgelöst durch einen
eine Hypotonie zu erkennen. Die Ursache der Hypo- akuten Spasmus des Ausflusstrakts der rechten
14.1  Angeborene Herzfehler 263

oder Morphin, um die meist vorhandene Hyperven-


tilation und Unruhe zu beenden und damit das Risi-
ko eines Krampfanfalls zu senken und evtl. die Mus-
kelkontraktion im Ausflusstrakt zu unterbrechen.
Zur Erhöhung des Volumenangebots für den rech-
① ten Ventrikel ist eine Volumengabe notwendig.

Eine versehentliche Luftinjektion ist unbedingt zu vermei-


14
den, alle venösen Zugänge sind daher mit Luft-/Bakteri-
enfilter zu versehen (Luft fließt über den rechten in den
④ linken Ventrikel und in die Aorta bzw. Kopfgefäße).

③ Der Einsatz eines Beta-Blockers (z. B. Dociton®)


hemmt den Einfluss der Katecholamine auf die β1-
Rezeptoren am Herzen und senkt die Kontraktilität

des Myokards. In der Folge löst sich der Spasmus
des rechten Ausflusstrakts. Außerdem sinkt die
Herzfrequenz.

Abb. 14.1  Fallot-Tetralogie (Beschreibung der Nummern sie- Eine bessere Steuerung der β1-Blockade lässt sich mit
he Definition). [L157] Esmolol (Brevibloc®) erreichen, da dieser Wirkstoff eine
sehr viel kürzere Halbwertszeit hat.
Herzkammer. Bewusstlosigkeit, Krampfstatus und
bleibende neurologische Schäden aufgrund der Hy-
poxie können die Folge dieses Anfalls sein.
Beim „Pink“-Fallot besteht eine nur gering ausge- 14.1.3  Kardiomyopathien
prägte infundibuläre Pulmonalstenose, ein VSD und
eine Rechtsherzhypertrophie, jedoch eine kaum DEFINITION
überreitende Aorta, wodurch die Lungenperfusion Kardiomyopathie: Primäre Erkrankungen des Herz-
nur gering beeinträchtigt ist und die Kinder nicht muskels. Die Ursachen und Gründe sind meist genetisch
zyanotisch sind. bedingt oder sind Teil einer allgemeinen Systemerkran-
kung. Sie sind keine Reaktion auf mechanische Störun-
gen (Hypertonus, KHK oder Herzklappenerkrankung). Es
Pflegerische Besonderheiten kann zur Hypertrophie oder Dilation der Herzmuskels
kommen, wobei es hier zu mechanischen oder elektro-
Grundmonitoring siehe oben physiologischen Funktionseinschränkungen kommt.
Tritt ein hypoxämischer Anfall auf, verabreichen Kardiomyopathien enden meist tödlich oder führen zu
die Pflegenden O2 über eine Nasensonde. Ver- Behinderung bedingt durch Herzversagen.
schlechtert sich die Spontanatmung zunehmend,
kann eine Intubation und Beatmung erforderlich
sein. Man unterscheidet nach funktionellen Gesichts-
Die Pflegenden winkeln die Beine des Kindes an punkten:
und pressen sie gegen den Bauch, größere Kinder • hypertrophisch-obstruktive Kardiomyopathien
fordern sie auf, in eine Hockerstellung zu gehen. (HOCM)
Diese Maßnahmen reduzieren über die periphere • hypertrophisch nicht-obstruktive Kardiomyo-
Widerstandserhöhung den Rechts-Links-Shunt und pathien (HNCM)
steigern damit die Lungenperfusion. Der Arzt ord- • dilatative Kardiomyopathien (DCM)
net eine Sedierung an, z. B. mit Diazepam-Rectiole® • restriktive Kardiomyopathien
264 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Hypertrophisch-obstruktive sowie systolische Funktionsstörung des linken oder


Kardiomyopathie beider Ventrikel. Im Zuge der dilatativen Kardio-
myopathie (DCM) schwindet die Fähigkeit der
Eine hypertrophisch-obstruktive Kardiomyopa- Herzmuskelzellen, sich während des Herzschlages
thie (HOCM) ist meist vererbt. zusammenzuziehen.
Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer Hyper- Die Folge ist eine eingeschränkte Kontraktilität
trophie der Muskelzellen (vorwiegend linksventri- des Herzens. Zu unterscheiden sind primäre und se-
14 kulär) in einer oder allen Wandschichten. Die hy- kundäre Form der DCM.
pertrophischen Veränderungen sind meist in der
Nähe der Herzklappe lokalisiert und führen deshalb Ursachen
zu einer verengten Ausflussbahn und einer Behinde- Ursachen der primären Form sind bisher unbe-
rung der Pumpfunktion des Herzens, wodurch Blut kannt.
in die Lungenvenen zurück gestaut wird und Atem- Ursachen der sekundären Form:
not hervorruft. Der Ventrikel füllt sich aufgrund sei- • infektiös
ner reduzierten Dehnbarkeit während der Diastole – Coxsackie-Viren, Influenza, Adenovirus
unzureichend. Im Bereich des hypertrophen Ventri- – Bakterien (z. B. Typhus, Scharlach, Diphtherie,
kels kommt es zu einer lokalen Minderperfusion der Streptokokken, septische Prozesse)
Innenschicht und damit zu einer regionalen Abnah- – Protozoen (Toxoplasmose)
me der Kontraktilität (Fokusbildung). – Parasiten (Echinokokken, Trichinen)
Neben den Belastungseinschränkungen kommt es • nicht infektiös
häufig zu HRST mit Synkopen, die hauptsächlich bei – Kollagenosen
körperlicher Anstrengung auftreten. Oft führt diese – Sarkoidose (Systemerkrankung/Granulombe-
zum plötzlichen Herztod. fall der Organe)
– Kawasaki-Syndrom (fieberhafte Erkrankung
mit Lymphadenopathie)
Hypertrophisch-nichtobstruktive
• metabolisch
Kardiomyopathie
– Vitamin- und Spurenelementmangel
Der Unterschied der hypertrophisch-nichtobstruk- – Diabetes mellitus
tiven Kardiomypopathie (HNCM) zur HOCM liegt – endokrinologisch (Thyreotoxikose, Myxödem)
in der fehlenden linksventrikulären Einengung. Die • toxisch
Pumpleistung ist durch die verminderte Dehnbar- – Alkohol
keit des Ventrikels und die geringe Füllung während – Chemotherapie
der Diastole beeinträchtigt. – Kobalt, Blei
– Kokain
Symptome Weitere Ursachen werden aufgeteilt in infiltrative,
• belastungsabhängige Angina pectoris genetische und sonstige Ursachen.
• Leistungsminderung
• systolisches Herzgeräusch Symptome
• Ermüdungserscheinungen • allgemeine Schwäche
• Luftnot • leichte Ermüdbarkeit
• Schwindel • Atembeschwerden
• Präsynkopen/Synkopen • Ödeme
• ventrikuläre Arrhythmien • HRST in Form von Vorhofflimmern und ventri-
kulären Tachykardien
• Angina pectoris
Dilatative Kardiomyopathie
• Halsvenenstauung
Häufigste Form der Herzmuskelerkrankungen. • im EKG Erregungsrückbildungsstörungen (nega-
Deutliche Vergrößerung der Vorhöfe und Kammern tives T in Brustwandableitungen und Q-Welle)
14.2  Infektionserkrankungen des Herzens 265

Pflegerische Besonderheiten und Therapie Ein besonderes Risiko tragen Kinder mit
• rheumatischem Fieber,
Je nach klinischem Zustand folgen die Pflegenden • angeborenen und erworbenen Herzfehlern,
dem Standard des Grundmonitorings 1 bzw. 2 (siehe • Klappenersatz,
oben). Sie führen alle Maßnahmen so schonend wie • Immunsuppression.
möglich durch, wenn nötig nehmen sie die Maßnah- Bei der Endokarditis besiedeln die Erreger das Endo-
men zu zweit vor. Bei Unruhezuständen des Kindes kard und die Herzklappen infolge einer Sepsis. Be-
versuchen Pflegende, mittels alternativer Maßnah- sonders häufig ist die linke Herzseite betroffen. Die 14
men (z. B. beruhigende Ausstreichung, begrenzende auslösenden Erreger sind meist α-hämolysierende
Lagerung, Massagen) sowie die Einbeziehung der Streptokokken, seltener Staphylokokken oder Ente-
Eltern Beruhigung zu erzielen. Bringen diese Maß- rokokken. Diese Keime zerstören die Klappen und
nahmen nicht den gewünschten Erfolg, ist eine bilden Auflagerungen (Erreger, Entzündungszellen,
leichte Sedierung erforderlich. Dabei ist zu beachten, thrombotisches Material) am Endokard.
dass es nicht zu einer unerwünschten Hypotonie
kommt. Pflegende gehen nach dem Prinzip „So we- Symptome
nig wie möglich, so viel wie nötig“ vor. • hohes Fieber
Mit einer leichten Oberkörperhochlage erzielen • Tachykardie
Pflegende die Senkung von Vor- und Nachlast. • Trinkschwäche
Die medikamentöse Therapie der HOCM und der • vermehrtes Schwitzen
HNCM erfolgt mit Verapamil bzw. β-Blockern oder • Petechien
Amiodaron. Bei der DCM setzt der Arzt Digitalis, • Osler-Knötchen (rotblau, linsengroß und
Diuretika (Vorlastsenkung), ACE-Hemmer (Nach- schmerzhaft, v. a. an den Fingern und Zehen)
lastsenkung) und niedrigdosiert β-Blocker ein. Anti- • Hämaturie
koagulanzien vermindern die Gefahr der Thromben- Die Diagnostik erfolgt mithilfe der Echokardiogra-
bildung. phie, allgemeinen Blutuntersuchungen und Entnah-
me einer bzw. mehrerer Blutkulturen.

Pflegerische Besonderheiten und Therapie


14.2  Infektionserkrankungen
des Herzens Grundmonitoring siehe oben
Maren Grabicki, Yvonne Freitag Kinder mit Endokarditis halten strenge Bettruhe
ein, um jede körperliche Anstrengung zu vermeiden.
Es besteht die Gefahr, dass sich ein Teil der Auflage-
14.2.1  Endokarditis rungen löst und zu einer Embolie führt. Die Pflegen-
den stimmen ihre Maßnahmen auf den jeweiligen
DEFINITION Zustand des Kindes ab und führen sie schonend
Endokarditis: Entzündung der Innenhaut des Herzens, durch. Wenn nötig, verabreichen sie O2.
häufig an den Klappen lokalisiert, vor allem an ihrem Die wichtigste Maßnahme ist die antibiotische
Schließungsrand. Therapie. Sobald durch Nachweis der Erreger in der
Blutkultur die Diagnose gesichert bzw. der Verdacht
Eine Endokarditis kann nicht-infektiöse oder infek- erhärtet ist, beginnt der Arzt eine hochdosierte anti-
tiöse Ursachen haben. biotische Therapie (z. B. mit Penicillin und einem
Zu den nicht-infektiösen Ursachen zählen z. B. Aminoglykosid).
rheumatisches Fieber, Autoimmunerkrankung und Entscheidend bei Kindern mit Risikoerkrankun-
Endomyokardfibrose. gen ist die Endokarditisprophylaxe. Dazu gehören
Als Erreger der infektiösen Endokarditis kommen sorgfältige Zahn- und Mundpflege, ggf. Zahnsanie-
vorwiegend Bakterien infrage, seltener Viren oder rung sowie eine ausgiebige Haut- und Nagelpflege.
Pilze. Die Indikationen für eine gezielte Endokarditispro-
266 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

phylaxe sind im Herzpass vermerkt (z. B. vor zahn- Bettruhe mit erhöhtem Oberkörper ein. Dies erzielt
ärztlichen Operationen, bei bakteriellen Infektionen). sowohl eine Vor- als auch eine Nachlastsenkung am
Herzen.
Schonende Physiotherapie und Sekretmobilisa­
14.2.2  Myokarditis tion unterstützen die Atmung. Bei SaO2 ≤ 90 % ver-
abreichen Pflegende dem Kind O2. Eine Intubation
DEFINITION und Beatmung kann wegen erschwerter Spontanat-
14 Myokarditis: Herzmuskelentzündung sehr unterschiedli- mung erforderlich sein.
cher Genese, z. B. Mitreaktion auf entzündliche systemi- Pflegende stellen einen Speiseplan mit vielen klei-
sche Erkrankungen (u. a. Stoffwechsel- oder Skelettmuske- nen Nahrungsportionen auf. Sofern nötig, legen sie
lerkrankungen), Infektionen, Kollagenosen, Sarkoidosen. eine Ernährungssonde, um die Anstrengung bei der
Nahrungsaufnahme gering zu halten. Ist die orale
Die Diagnostik erfolgt mithilfe der Echokardiogra- Nahrungsaufnahme möglich, berücksichtigen Pfle-
phie, allgemeinen Blutuntersuchungen und Entnah- gende die Wünsche des Kindes bei der Auswahl des
me einer bzw. mehrerer Blutkulturen. Die sichere Essens.
Diagnose erfolgt durch eine Herzmuskelbiopsie im Zur Vorlastsenkung verordnet der Arzt Diuretika.
Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung. Zum Monitoring der Therapie sind eine Flüssig-
keitsbilanzierung und die sorgfältige Beobachtung
Ursachen des Hautturgors erforderlich.
Auslöser sind meist Viren (z. B. Coxsackie-B oder Als zusätzliche Medikamente kommen Antiar-
Influenza). Die Myokarditis kann auch als Begleiter- rhythmika beim Auftreten von Herzrhythmusstö-
scheinung bei Infektionskrankheiten (z. B. Masern, rungen (HRST) zum Einsatz.
Windpocken, Mumps, Röteln) auftreten. Durch die Myokarditis kann das Herz so stark ge-
schädigt werden, dass es zu einem chronischen
Symptome Herzversagen kommt.
• Tachykardie mit ST-Hebung Die Herztransplantation ist gelegentlich die letzte
• Tachy- und Dyspnoe Therapieoption.
• Extrasystolie Zur Überbrückung der Wartezeit auf ein neues
• grau-zyanotisches Hautkolorit Organ stehen für die Patienten in Herzzentren pneu-
• Hepatomegalie matisch pulsatile Kinderkunstherzen (Berlin Heart
• Perikarditis Excor) oder andere Herzkreislaufunterstützungssys-
• Perikarderguss teme zur Verfügung. Im günstigsten Fall kann es zur
Aufgrund der Myokarditis sinkt die Pumpleistung vollständigen Erholung des Herzens während dieser
des Herzens, die Ventrikel sind dilatiert. Überbrückungszeit kommen, sodass eine Trans-
Im Röntgenbild zeigt sich eine Kardiomegalie. In plantation nicht mehr nötig ist.
der Echokardiographie ist eine stark herabgesetzte
Kontraktilität zu erkennen.
Die EKG-Veränderungen sind unspezifisch. In
der Regel kommt es zu Erregungsrückbildungsstö- 14.3  Herzinsuffizienz
rungen, verlängerter AV-Überleitungszeit, ST-Sen- Maren Grabicki, Yvonne Freitag
kung und abgeflachter oder negativer T-Welle.
DEFINITION
Herzinsuffizienz: Unfähigkeit des Herzens, die für die
Pflegerische Besonderheiten und Therapie Versorgung des Körpers notwendige Menge Blut zu be-
Abhängig vom klinischen Zustand des Kindes wen- fördern. Herzinsuffizienz kann entweder unter Belastung
den Pflegende die Prinzipien des Grundmonitorings oder bereits in Ruhe Symptome verursachen und bezogen
1 oder 2 (siehe oben) an. auf das linke oder rechte Herz bzw. auf beide Kammern
Zur Entlastung des Herzens und zur Vermeidung (globale Herzinsuffizienz) auftreten. Zu unterscheiden
körperlicher Anstrengung hält das Kind strenge sind akute und chronische Formen.
14.3  Herzinsuffizienz 267

Im Säuglings- und Kindesalter sind die Ursachen ei- • fleischwasserfarbenes, schaumiges Trachealse-
ner Herzinsuffizienz überwiegend Herz- und Ge- kret
fäßfehler sowie Herzrhythmusstörungen mit zu • kaltschweißigkeit, Blässe, Zyanose
schneller oder zu langsamer Schlagfolge.
Vitien, bei denen eine Querverbindung (Shunt) Komplikationen
zwischen dem Körper- und dem Lungenkreislauf • kardiogener Schock
vorliegt, führen meist zu einer Mischform (Rechts- • Kreislaufstillstand
und Linksherzinsuffizienz) der Insuffizienz (z. B. • Pneumonie 14
beim Single Ventricle).
Pflegerische Besonderheiten
Ziel aller pflegerischen Maßnahmen ist eine Entlas-
Rechtsherzinsuffizienz
tung des Herzens und die Vermeidung eines gestei-
Bei einer Rechtsherzinsuffizienz kommt es zur De- gerten O2- und Energieverbrauches. Hierzu sind ei-
kompensation des rechten Herzens und einem ne ruhige Umgebung und die Koordination aller
nachfolgenden Rückstau des venösen Blutes in den pflegerischen und ärztlichen Interventionen not-
Körperkreislauf durch chronische (z. B. Cor pulmo- wendig. Führen alternative Maßnahmen (z. B. beru-
nale) oder akute Druck- und Volumenerhöhung im higende Ausstreichungen, begrenzende Lagerung,
Lungenkreislauf (z. B. pulmonaler Hochdruck). Massagen) bei unruhigen Kindern nicht zur Ent-
spannung, ist eine Sedierung notwendig. Dabei ist
Symptome besondere Vorsicht geboten, da es schnell zu einer
• Tachydyspnoe Dekompensation kommen kann.
• Husten und respiratorische Azidose Pflegende überwachen das meist instabile Kind
• Blässe, periorale Zyanose beim Trinken („blaues nach den Prinzipien des Grundmonitorings 2 (siehe
Munddreieck“), Akrozyanose, kühle Extremitä- oben).
ten Mit Hilfe von Medikamenten versucht der Arzt,
• Schwitzen, v. a. am Hinterkopf die Herzkraft zu steigern und die Vorlast (Furose-
• Müdigkeit, Trinkschwäche mid) und Nachlast (z. B. ACE-Hemmer) zu senken.
• hoher ZVD mit gestauten Jugularvenen, Hepato- Die korrekte Verabreichung der angeordneten Me-
megalie, Pleuraerguss, evtl. Aszites dikamente ist die Aufgabe der Pflegenden.
• Ödeme an Hand- und Fußrücken, Augenlidern, Zur Verbesserung und Erhaltung der Spontanat-
Unterschenkeln, Flanken mung führen Pflegende eine schonende, aber gründ-
• Herzrhythmusstörungen, Tachykardie liche Sekretmobilisation und Physiotherapie durch.
• Oligurie Das Kind erhält O2, um das Sauerstoffangebot zu er-
höhen. Ist die Spontanatmung extrem erschwert,
erfolgen Intubation und Beatmung.
Linksherzinsuffizienz
Bei der Lagerung erhöhen Pflegende den Ober-
Akute oder chronische Linksherzinsuffizienz kann körper deutlich, um die Zwerchfellaktivität zu ver-
durch eine arterielle Hypertonie bei nierenkranken bessern, die Vorlast und somit den ZVD zu senken.
Kindern, nach Herzoperationen oder bei Kardio- Flüssigkeitsrestriktion und Diuresesteigerung zie-
myopathien auftreten. Durch den Volumen- und len darauf, die Flüssigkeitsbilanz negativ zu halten.
Druckanstieg im linken Vorhof und in den Lungen- Die sorgfältige Flüssigkeitsbilanz schließt eine tägli-
venen entwickelt sich ein Lungenödem. che Gewichtskontrolle ein. Nimmt die Urinmenge
im Rahmen einer Nierenfunktionsstörung deutlich
Symptome ab und verschiebt sich die Flüssigkeitsbilanz erheb-
• Atemnot, auch in Ruhe, mit Tachydyspnoe, Hy- lich ins Positive, sodass Vorlast und der ZVD stei-
perkapnie und respiratorischer Azidose gen, erwägt der Arzt eine Nierenersatztherapie.
• rasselndes Atemgeräusch, Nasenflügeln, Einzie- Die Ernährung erfolgt nach Möglichkeit enteral.
hungen, Husten Hochkalorische Nahrung, die Pflegende in mehreren
268 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

kleinen Mahlzeiten über eine Sonde verabreichen, Das Hauptaugenmerk bei der Krankenbeobach-
hält die Belastung des Kindes so niedrig wie möglich tung gilt der Kontrolle der indirekten Kriterien eines
und verschafft ihm ein ausreichendes Energieange- adäquaten Herzzeitvolumens (siehe oben).
bot mit geringer Flüssigkeitsmenge. Kommt es durch Je nach HRST bereiten Pflegende sich auf einen
die hochkalorische Nahrung zur Obstipation, mobi- Notfall vor, d. h. sie stellen den Defibrillator patien-
lisieren Pflegende den Darm mittels feuchtwarmer tennah bereit und überprüfen die Vollständigkeit
Bauchwickel, Bauchmassagen und evtl. Einläufen. der Reanimations-Medikamente im Notfallwagen.
14

Allgemein gilt: je schwächer die Herzfunktion, desto we-


14.4  Herzrhythmusstörungen niger toleriert das Kind die HRST.
Diana Löscher
DEFINITION Artefakte im Rahmen des EKG-Monitorings
Herzrhythmusstörungen (HRST): Störungen der Herz-
schlagfolge hinsichtlich Frequenz und Regelmäßigkeit
• Schwankende Nulllinie
aufgrund einer Irritation (chemisch, mechanisch) oder ei- – Ursachen: lockere oder ausgetrocknete Elekt-
ner organischen Schädigung des Reizleitungssystems. Sie roden
lassen sich in Reizleitungs- und Reizbildungsstörungen – Maßnahmen: neue Elektroden aufkleben
einteilen. Je nach Frequenz lassen sind bradykarde und • Elektrische Störung
tachykarde Herzrhythmusstörungen zu unterscheiden. – Ursachen: Überlagerung durch Wechselstrom,
z. B. in der Nähe elektrischer Leitungen oder
Ursachen von Herzrhythmusstörungen können Geräte
Elektrolytstörungen (v. a. Kalium), BGA-Störungen, – Maßnahmen: Erdung, Filter und Elektrokabel
Medikamente, mechanische Interventionen (ZVK), überprüfen, Kabel möglichst fern von Wech-
kardiale Erkrankungen (z. B. Myokarditis), chirurgi- selstromleitungen führen, Elektroden nach
sche Eingriffe oder angeborene Fehlbildungen des Hautentfettung tauschen
Leitungssystems sein. • Muskelzittern
Nicht alle HRST bedürfen einer Therapie. Zur Ein- – Ursachen: Zittern des Patienten z. B. durch
schätzung der HRST klärt der Arzt folgende Fragen: Angst, Morbus Parkinson, Kälte
• Besteht eine Grunderkrankung, z. B. Herzfehler? – Maßnahmen: warme Decke, Beruhigung, ggf.
• Ist die HRST kreislaufwirksam? dem Kind während der EKG-Beurteilung etwas
• Wie häufig tritt die HRST auf? in die Hand geben, entspannte und bequeme
• Lässt sich das Auftreten, z. B. durch Belastung, Lagerung sicherstellen
provozieren?
• Wie lange dauert die HRST? Kommt es zur spon-
tanen Rückbildung? 14.4.1  Kardioversion

Pflegerische Besonderheiten DEFINITION


Kardioversion: Beseitigung einer akuten Herzrhyth-
Die Überwachung des Kindes erfolgt nach dem Prin- musstörung mittels eines Elektroschocks durch ein statio-
zip des Grundmonitorings 1 (siehe oben), jedoch näres, mobiles oder implantierbares Gerät.
mit einer 5-poligen EKG-Ableitung. Kinder mit
HRST fühlen sehr oft starke Angst oder gar Panik, Im Gegensatz zur Defibrillation erfolgt bei der Kar-
die zu einer Dekompensation führen können. Vor dioversion die Energieabgabe synchron zur R-Za-
allem bei größeren, wachen Kindern sind aus die- cke der Herzaktion. Sie führt zu einer Depolarisati-
sem Grund ein ruhiges, souveränes Auftreten und on der Vorhof- und Kammermuskulatur und un-
die (sofern möglich) ununterbrochene Anwesenheit terbricht z. B. Reentry-Tachykardien. Die Trigge-
einer Bezugsperson sehr wichtig. rung durch den QRS-Komplex verhindert ein
14.4  Herzrhythmusstörungen 269

R-auf-T-Phänomen, bei dem ein elektrischer Im- Nach erfolgreicher Kardioversion setzen Pflegen-
puls in die erregbare Phase der Kammermuskula- de die kontinuierliche EKG-Überwachung fort. Sie
tur einfällt und ein Kammerflimmern auslösen cremen die Thoraxhaut ein, z. B. mit Bepanthen-Lo-
kann. tio®, da die Kardioversion leichte Verbrennungen
verursachen kann.
Vorbereitung und Durchführung
Pflegende überwachen das Kind nach den Prinzipien 14.4.2  Extrasystolen 14
des Grundmonitorings 1 (siehe oben), jedoch mit
einer 5-poligen EKG-Ableitung. Vor der Maßnahme DEFINITION
klären sie das Kind, soweit möglich, altersgemäß Extrasystolen (ES): Vorzeitig einfallende Aktion inner-
auf. halb des normalen Erregungsverlaufs am Herzmuskel.
Im bereitstehenden Notfallwagen halten Pflegen-
de Medikamente zur Reanimation und Materialien
zur Intubation vorrätig. Sie achten darauf, dass die Extrasystolen sind die häufigsten Rhythmusstörun-
verwendeten Geräte für den Einsatz während der gen im Kindesalter. Treten sie vereinzelt auf, sind sie
Kardioversion zugelassen sind. Da eine Kardiover- meist harmlos. [1] Extrasystolen können alle Areale
sion durchaus schmerzhaft ist, erfolgt eine ange- des Herzens betreffen. Die Pulswelle bei ES zeigt sich
messene Analgosedierung. Ein Faktor, der für die stets schwächer als bei einem normalen Herzschlag,
Dosierung der Analgosedierung zu berechnen ist, da durch den vorzeitigen Einfall nicht genügend Zeit
sind die bei größeren Kindern vorherrschenden für die Füllung der Ventrikel bleibt. Deshalb können
Angst- und Erregungszustände durch die bestehen- mehrere aufeinander folgende ES einen Blutdruck-
den HRST. abfall provozieren.
Erhält das Kind kontinuierlich Digitalis, ordnet
der Arzt vor der Kardioversion Lidocain® an, um
Supraventrikuläre Extrasystolen
dem Risiko einer Herzmuskeldepression und der
Entstehung von ventrikulären HRST zu begegnen. Supraventrikuläre Extrasystolen (SVES) entstehen
Für die Kardioversion verwendet man meist Kle- im Vorhof. Im EKG zeigt sich häufig eine vorzeitig
bepads, da sie auch eine Überwachungsfunktion be- einfallende P-Welle mit nachfolgend schlankem
sitzen. Kommen die herkömmlichen Paddles zum Kammerkomplex. Die P-Welle kann auch mit der
Einsatz, schließen Pflegende das EKG-Kabel des De- vorangehenden T-Welle verschmelzen und ist häu-
fibrillators an die Elektroden auf dem kindlichen fig anders konfiguriert als die P-Welle der Nor-
Thorax an. Sie stellen die entsprechende Energie- malschläge, z. B. negativ statt positiv.
stärke am Gerät ein, aktivieren den Synchronmodus
und geben ausreichend Elektrodengel auf die Padd-
les. Die Energiemenge unterliegt der ärztlichen An-
ordnung und beträgt für die erste Kardioversion Vorhof-
Extrasystole
1–2  J/kg  KG. Die Pflegenden lagern das Kind mit
entkleidetem Oberkörper flach auf den Rücken. Vor AV-Extrasystole
(obere)
der Auslösung der Kardioversion informiert der
AV-Extrasystole
ausführende Arzt die Anwesenden, damit sie umge- (untere)
hend vom Bett zurücktreten. Interponierte
Bleibt die Kardioversion erfolglos, wischen die ventrikuläre
Extrasystole
Pflegenden das Elektrodengel von der Haut des Kin-
des, um eine Gelbrücke und somit die Ableitung der Kompensierte
ventrikuläre
Energie über die Hautoberfläche zu vermeiden. An- Extrasystole
schließend führt der Arzt eine erneute Kardiover­
sion durch. Abb. 14.2  Extrasystolen. [L157]
270 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Auslöser von SVES sind u. a. Elektrolytstörungen, 14.4.3  Tachykarde


Überlastung der Vorhöfe, z. B. bei der Mitralstenose, Herzrhythmusstörungen
Myokarditis und Operationen im Bereich der Vor-
höfe. Sinustachykardie

Auch ein zu tief positionierter ZVK oder Silastic®-Katheter, DEFINITION


dessen Spitze das Endokard mechanisch reizt, kann SVES Sinustachykardie: Anstieg der Zahl der Herzaktionen,
14 hervorrufen. Zum Ausschluss ist ein Röntgen-Thorax indi- die dem regulären Verlauf der Reizleitung folgen, über
ziert. den alters- und situationsentsprechenden Normwert.

Eine Therapie ist meist nicht erforderlich. Evtl. er- Das EKG zeigt eine normale Abfolge von P, QRS und
kannte Ursachen, z. B. ein zu tief reichender ZVK T, der Abstand zwischen den einzelnen Schlägen ist
oder Elektrolytstörungen, beseitigt der Arzt. SVES jedoch verkürzt.
können Vorläufer für supraventrikuläre Reentry- In der Pädiatrie treten Sinustachykardien häufig
Tachykardien im Rahmen eines Wolff-Parkinson- auf. Mögliche Ursachen dafür sind Fieber, Schmer-
White-Syndroms (WPW) sein, deshalb überwa- zen, Stress, kardiale und respiratorische Insuffizienz,
chen Pflegende das EKG und den Blutdruck eng- Anämie, Volumenmangel und Medikamente (z. B.
maschig und informieren den Arzt über sämtli- Theophyllin oder Katecholamine).
che Auffälligkeiten. Bei Kindern mit bekanntem
WPW-Syndrom stellen Pflegende Medikamente Früh- und Neugeborene erreichen Herzfrequenzen über
gegen die Rhythmusstörungen und den Defibrilla- 200/Min., v. a. wenn sie zur Atemunterstützung Theo-
tor bereit. phyllin erhalten.

Ventrikuläre Extrasystolen
Um bei einer kompensierten Sinustachykardie früh-
Ventrikuläre Extrasystolen (VES) sind vorzeitig zeitig eine beginnende Dekompensation zu erken-
einfallende Schläge, die ihren Erregungsursprung in nen, kontrollieren Pflegende den Blutdruck engma-
den Kammern haben. Im EKG zeigen sich vorzeitig schig.
einfallende, verbreiterte QRS-Komplexe ohne eine Die Therapie der Sinustachykardie liegt in der Ur-
vorangehende P-Welle und mit einer anschließen- sachenbehandlung. Eine medikamentöse Interventi-
den kompensatorischen Pause. on ist meist nicht erforderlich.
Die Auslöser für VES können eine Myokarditis,
Digitalisüberdosierung oder Herzoperationen sein,
Supraventrikuläre Tachykardie
die das Reizleitungssystem in Mitleidenschaft zie-
hen. DEFINITION
VES, besonders in Salven (ab drei bzw. fünf VES), Supraventrikuläre Tachykardie (SVT): Plötzlich auf-
sind oft die ersten Zeichen einer lebensbedrohli- tretendes „Herzrasen“ mit Frequenzen von 150–280/
chen Kammertachykardie und deshalb immer ernst Min. (teilweise ≥300/Min.). Der Ursprung dieser Erregung
zu nehmen. Pflegende lassen das Kind nicht unbe- liegt oberhalb der Ventrikel, also im Sinusknoten, im Vor-
hof oder im AV-Knoten.
aufsichtigt, kontrollieren nach dem Eintreten der
Salve sofort den Blutdruck und informieren den
Arzt. Bei vereinzelt auftretenden VES mit klarer Ur- Für die häufigste Form, die paroxysmale supravent-
sache ist eine Behandlung meist nicht erforderlich. rikuläre Tachykardie, sind ein abrupter Beginn und
Treten die VES in Salven auf, zieht der Arzt die Gabe evtl. ein spontanes Ende charakteristisch. Die Dauer
von Lidocain, Propafenon oder Amiodaron in Erwä- eines Anfalls kann wenige Sek. bis Std. betragen. Oft
gung. treten vorher SVES auf.
14.4  Herzrhythmusstörungen 271

Bleiben die physikalischen Maßnahmen ohne Erfolg,


Normale Frequenz ist eine medikamentöse Therapie anzustreben. [1]

Therapie
Sinusknotentachykardie
• Medikamentengabe i. v.
• transösophageales Overdrive-pacing (› 14.5.1)
• Kardioversion
Abb. 14.3  Sinustachykardie. [A300] 14
Tritt eine SVT gehäuft auf, fragen Pflegende das Kind
oder seine Eltern, was in diesen Fällen bisher geholfen
Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie hat. Manche Kinder haben eigene Strategien entwickelt,
um die SVT zu beenden, z. B. einen Luftballon aufblasen.

Junktionale ektope Tachykardie


Abb. 14.4  Supraventrikuläre, paroxysmale Tachykardie. [A300]
DEFINITION
Im EKG zeigen sich schlanke Kammerkomplexe Junktionale ektope Tachykardie: Rhythmusstörung,
mit und ohne P-Wellen, die aufgrund der hohen deren Steuerungszentrum in der Region zwischen His-
Frequenz nicht immer sicher zuzuordnen sind. Bündel und Vorhof lokalisiert ist.
Auslöser für eine SVT können z. B. Unruhe/Ab-
wehr oder auch ein Neuroblastom sein. Viele Patien-
ten mit paroxysmalen supraventrikulären Tachykar- Die junktionale ektope Tachykardie (JET) tritt bei
dien weisen ein WPW-Syndrom auf. Bei Säuglingen Kindern sehr selten auf, und wenn, dann meist nach
ist eine „Stressfrequenz“ über 220/Min. eher un- Herzoperationen, z. B. Fallot-Korrektur, Fontan-
wahrscheinlich. Oft ist kein Auslöser erkennbar. Operation oder Korrektur eines AVSD, wenn bereits
Für das Kind ist entscheidend, wie lange der An- eine instabile Kreislaufsituation besteht. Die JET
fall dauert, wie hoch die Frequenz steigt, wie alt es ist kann eine instabile Kreislaufsituation dramatisch
und ob eine kardiale Grundkrankheit vorliegt. verschlechtern. Es ist deswegen außerordentlich
wichtig, sie sofort zu erkennen: Im EKG sehen Pfle-
Pflegerische Besonderheiten gende bei einer Herzfrequenz um 180/Min. schlanke
Die Pflegenden schließen das Grundmonitoring für Kammerkomplexe mit eingestreuten, langsamen P-
ein stabiles Kind an, jedoch mit einer 5-poligen Wellen, die zu den Kammerkomplexen keine feste
EKG-Ableitung (siehe oben). Sie beobachten das Beziehung haben. Die JET hat ohne adäquate Be-
Kind sorgfältig und achten besonders auf evtl. Herz- handlung eine hohe Letalitätsrate.
insuffizienzzeichen (›  14.3). Sofern noch nicht
vorhanden, legt der Arzt einen venösen Zugang. Die Pflegerische Besonderheiten
Pflegenden stellen Medikamente zur Reanimation, Pflegende kühlen die Kinder mit Hilfe einer Kühl-
Defibrillator und Intubationsbesteck patientennah matte auf 34–35 °C Kerntemperatur, da diese Tem-
bereit. Zunächst versucht der Arzt, die supraventri- peratur die Tachykardie zwar nicht unterbricht, ihre
kuläre Tachykardie durch physikalische Maßnah- Frequenz jedoch oft entscheidend verlangsamt.
men mit Vagusreiz zu beseitigen, z. B. mittels: Während dieser therapeutischen Maßnahme achten
• Auflegen eines Eisbeutels für die Dauer von 20– Pflegende unbedingt auf eine ausreichende Analgo-
15 Sek. auf Gesicht und Stirn sedierung und Dekubitusprophylaxe. Zudem ist es
• Spateldruck auf die Zunge für 10–15 Sek. wichtig, die Extremitäten warm zu halten.
• Trinken von Eiswasser Medikamentös therapiert der Arzt mit z. B. Amio-
• Absaugen des NRR daron oder Propafenon.
272 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Vorhofflattern und -flimmern


Vorhofflattern

DEFINITION
Vorhofflattern: Sehr schnelle, regelmäßige Vorhoferre-
gungen mit einer Frequenz von 250–400/Min., die meist
nur im Verhältnis von 2:1, 3:1 oder 4:1 überleiten, sodass Absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern
daraus eine normale bis erhöhte Kammerfrequenz resul-
14 tiert.
Vorhofflimmern: Sehr schnelle, unkoordinierte Vorho-
ferregungen mit einer Frequenz von 400–600/Min., die
eine absolute Arrhythmie der Kammeraktionen hervorru- Abb. 14.5  a) Vorhofflattern. b) Vorhofflimmern. [A300]
fen.

Kammertachykardie

Vorhofflimmern und Vorhofflattern sind im Kin-


desalter eher selten zu beobachten. In Fällen mit le-
bensgefährlich schneller Überleitung der Vorhofflat-
terwellen auf die Kammern ist eine sofortige Kardio- Abb. 14.6  Ventrikuläre Tachykardie. [A300]
version (› 14.4.1) indiziert. Bei weniger dramati-
schen Verläufen erwägt der Arzt zunächst eine Maßnahmen
medikamentöse Therapie. Alle Maßnahmen erfolgen in Reanimationsbereit-
schaft.
• wenn nicht vorhanden, venöser Zugang (Arzt)
Ventrikuläre Tachykardie
• transthorakale Kardioversion mit 1–2 J/kg KG
DEFINITION • Amiodaron-Kurzinfusion
Ventrikuläre Tachykardie: Herzrhythmusstörung, deren • ggf. Einsatz eines transösophagealen Herzschritt-
Ursprung in den Tawara-Schenkeln oder dem Myokard machers
liegt. • bei Kammerflimmern: Defibrillation

VORSICHT
Die Kammertachykardie ist ein Notfall. Kammerflattern und -flimmern
DEFINITION
Kammerflattern: Frequenz 200–300/Min. mit einer
Bei der ventrikulären Tachykardie (VT) entstehen
gewissen Regelmäßigkeit der Herzaktionen.
Frequenzen von 140–180/Min. P-Wellen und QRS- Kammerflimmern: Frequenz ≥300/Min. mit unkoordi-
Komplexe haben keine feste Beziehung zueinander nierten Kammerkontraktionen ohne hämodynamische
und die QRS-Komplexe sind verbreitert. Ventrikulä- Effizienz (faktischer Herzstillstand).
ren Tachykardien liegt häufig eine schwere Herzer-
krankung zugrunde. Sie können auch nach Herzope-
rationen, bei Digitalisintoxikationen, Azidosen, Hy- Kammerflattern
poxie und Elektrolytstörungen auftreten. [1] Erste
Hinweise auf eine drohende VT sind VES und ein
sich verschlechternder Allgemeinzustand des Kin-
des. Die Folge der VT ist ein zu niedriges HZV, das
Kammerflimmern
innerhalb kürzester Zeit zur Bewusstlosigkeit, zum
Kammerflimmern und zum kardiogenen Schock
führt. Dies gilt besonders für Kinder mit schwerer
kardialer Grundkrankheit. Abb. 14.7  a) Kammerflattern. b) Kammerflimmern. [A300]
14.4  Herzrhythmusstörungen 273

Die seltensten Rhythmusstörungen im Kindesalter wird und das HZV zur Aufrechterhaltung des Kreis-
sind Kammerflimmern und Kammerflattern. [1] laufs ausreicht.
Auslöser sind z. B. ein schweres low cardiac output, Bei Überdosierung von Digitalis verordnet der
eine mechanische Reizung bei Herzkatheterisierung Arzt ein Digitalis-Antidot, bei einer β-Blocker-
oder Herzoperationen und Intoxikationen wie Digi- Intoxikation ist Glukagon indiziert. Nach Operatio-
talis-Überdosierung oder Succinylcholin-Gabe. nen im Bereich der Vorhöfe, z. B. bei ASD oder Fon-
Während des Kammerflatterns fällt das HZV rapi- tan-Operation, kann es zu einem kompletten oder
de, es entstehen eine metabolische Azidose sowie ein teilweisen Funktionsverlust des Sinusknotens kom- 14
Schock mit Atemstillstand und Bewusstseinsverlust. men. Die Unterbrechung der Leitung zwischen Si-
Unbehandeltes Kammerflattern kann schnell in nus- und AV-Knoten führt ebenso wie der Sinusstill-
Kammerflimmern übergehen. Als Sofortmaßnahme stand zur Bradykardie. Fehlen die P-Wellen, spricht
beginnen Pflegende mit der kardiopulmonalen Re- man von einem AV-Rhythmus.
animation, bis die Defibrillation stattfindet. Zur
Umwandlung von feinem in grobes Kammerflim-
AV-Block
mern ordnet der Arzt vor oder nach erfolgloser Defi-
brillation Adrenalin an. Dies kann die Erfolgsaus- DEFINITION
sichten einer Defibrillation erhöhen. Die medika- Atrioventrikulärer Block (AV-Block): Störung in der
mentöse Therapie, z. B. mit Amiodaron, leitet der Weiterleitung der elektrischen Impulse auf der Höhe des
Arzt bereits während der Reanimation ein. AV-Knotens. Verursacht eine verzögerte Erregungslei-
tung zwischen Vorhöfen und Kammern in unterschiedli-
cher Ausprägung, auch eine vollständige Blockade ist
möglich.
14.4.4  Bradykarde
Herzrhythmusstörungen
AV-Block I. Grades: PQ-Zeit, d. h. die Überleitungs-
Sinusbradykardie zeit vom Vorhof auf die Kammer, ist verlängert.
• AV-Block II. Grades Typ-I: die PQ-Zeit verlängert
DEFINITION sich mit jedem Herzschlag, bis schließlich nach
Sinusbradykardie: Frequenz des Sinusrhythmus fällt einem P der QRS-Komplex ausfällt, danach be-
unter den altersentsprechenden Normwert. Das EKG ginnt der nächste Herzschlag wieder mit einer
zeigt eine normale Abfolge von P, QRS und T, wobei der kürzeren PQ-Zeit.
Abstand zwischen den einzelnen Schlägen verlängert ist. • AV-Block II. Grades Typ-II: generell nur jeder 2.,
3. oder 4. P-Welle folgt ein QRS-Komplex, hierbei
Nicht pathologische Sinusbradykardien finden sich kann die PQ-Zeit normal sein und ist stets kons-
bei gut trainierten Sportlern, auch schon bei Kin- tant.
dern sowie unter Digitalis- oder β-Blocker-Therapie. • AV-Block III. Grades: Vorhöfe und Kammern
Pathologisch tritt eine Sinusbradykardie z. B. bei er- schlagen völlig unabhängig voneinander. Die P-
höhtem Hirndruck, Hyperbilirubinämie und Hypo- Welle „wandert“ durch das EKG: Die Kammer-
thyreose auf. frequenz, entscheidende Frequenz für ein ad-
Eine medikamentöse Therapie ist meist nicht er- äquates HZV, ist stark erniedrigt.
forderlich, wenn die Grunderkrankung behandelt Auslöser für eine AV-Blockierung im Kindesalter
sind z. B. kardiochirurgische Eingriffe, Infektionen
(z. B. Myokarditis), medikamentöse Therapie mit
Digitalis oder β-Blockern (z. B. Dociton®), Scharlach
oder Masern. Ein AV-Block III. Grades kann auch
angeboren sein, z. B. bei intrauterinem Übertritt der
Abb. 14.8  Sinusbradykardie. [A300] Antikörper des Lupus erythematodes.
274 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

AV-Block I. Grades

Vorhoferregung

AV-Block II. Grades, Typ I (Wenckebach)


14

Ausfall

AV-Block II. Grades, Typ II (Mobitz II)

AV-Block III. Grades Abb. 14.9  a) AV-Block I. Grades.


b) AV-Block II. Grades, Typ Wen-
ckebach.
c) AV-Block II. Grades, Typ Mo-
bitz.
d) AV-Block III. Grades. [A300]

Pflegerische Besonderheiten und Therapie ein, implantiert der Arzt v. a. beim AV-Block III.
Die Überwachung folgt dem Prinzip des Grundmo- Grades einen Herzschrittmacher.
nitorings beim stabilen Kind (siehe oben). Die Pfle-
genden verwenden jedoch eine 5-polige EKG-Ab­
leitung und überwachen den RR engmaschig. Es
treten z. T. sehr niedrige Kammerfrequenzen auf, 14.5  Herzschrittmachertherapie
z. B. bei Säuglingen um 50/Min. und bei Schulkin- Diana Löscher
dern um 30/Min. Pflegende beobachten sorgfältig
die Bewusstseinslage und möglicherweise auftreten-
de Schwindelanfälle. Indikationen für den Einsatz eines Herzschrittma-
chers (HSM) sind bradykarde Herzrhythmusstörun-
Im Gefolge eines AV-Blocks können Adam-Stokes-Anfäl- gen, die ein vermindertes HZV zur Folge haben. Für
le auftreten. Die HRST kann zur zerebralen Minderdurch- einen zeitlich begrenzten HSM-Einsatz stehen ver-
blutung mit Hypoxie und kurzer Bewusstlosigkeit oder zu schiedene Typen eines temporären HSM zur Verfü-
Krampfanfällen führen. Solche Anfälle sind auch Jahre gung:
nach einer Fallot-, VSD- oder CAVC-Korrektur möglich. • epimyokardialer HSM: Der Arzt vernäht die
Bereits ein einziger Adam-Stokes-Anfall ist eine Indikati- HSM-Drähte intraoperativ am Vorhof- oder Ven-
on zur Anlage eines Herzschrittmachers.
trikelmyokard. Man unterscheidet Einkammer-
systeme, die Atrium oder Ventrikel stimulieren
Zur Frequenzsteigerung kann der Arzt Alupent® und Zweikammersysteme, die Atrium und Vent-
als DTI verordnen. Liegt eine extreme Bradykardie rikel stimulieren.
vor, ist ein temporärer Herzschrittmacher indiziert. • transösophagealer HSM: Der Arzt schiebt die
Dies kann zum einen nach ausreichender Analgesie HSM-Sonde in den Ösophagus vor, bis sie hinter
trans­thorakal oder transvenös unter Bildwandler- dem linken Vorhof liegt. Von dort aus stimuliert
kontrolle (› 14.5) erfolgen. Tritt keine Besserung sie das Herz.
14.5  Herzschrittmachertherapie 275

• transthorakaler HSM: Die Elektroden kleben auf • M = multifunktionale Programmierbarkeit


dem Thorax und stimulieren das Herz durch die • R = Frequenzmodulation (der SM passt sich dem
Thoraxwand. Patienten an, z. B. beim Sport)
Da die externe Stimulation dem absoluten Notfall • P = Pacing, antitachykarde Funktion
vorbehalten ist, ist bei Einsatz des HSM über einen • S = Schock (Defibrillation, Kardioversion)
längeren Zeitraum, Kindern ab etwa 4 Jahren ein
endokardialer HSM, bei kleineren Kindern ein Die Bedeutungen der wichtigsten Einstellungen
HSM mit epimyokardialen Elektroden zu implan- • VVI 14
tieren. – 1. V = Ventrikel, d. h. der HSM gibt seinen Im-
puls an den Ventrikel ab, Einstellung in Volt
– 2. V = Ventrikel, d. h. der HSM erkennt im
14.5.1  Anschluss des Ventrikel Eigensignale des Patienten. Die Ein-
Herzschrittmachers stellung der Sensibilitätsschwelle, ab der er das
Signal erkennen soll, erfolgt in Millivolt
Auf der pädiatrischen Intensivstation kommen bei – 3. I = Inhibiert, d. h. der HSM blockiert die Im-
kardiochirurgischen Kindern am häufigsten tempo- pulsabgabe, solange der Patient über Eigensig-
räre epikardiale HSM zum Einsatz. Das Anschlie- nale verfügt
ßen der SM-Drähte an den HSM ist Aufgabe des Weitere Einstellungsmöglichkeiten:
Arztes. Postoperativ überprüft der Arzt das Sensing, • AAI
d. h. die Wahrnehmung der Eigensignale des Her- – Stimulation und Sensing erfolgen am Vorhof.
zens durch den HSM sowie dessen Funktionstüch- Verfügt der Patient über Eigensignale, bleibt
tigkeit. der SM-Impuls blockiert.
Bei stabilem Sinusrhythmus des Patienten bleibt • DDD
der HSM aus- oder auf der „Demand-Stellung“ ein- – Das „D“ steht für „dual“ (Vorhof und Kam-
geschaltet. Hierbei legt der Arzt eine Alarmgrenze mer). Hierbei überwacht der HSM die Vorhöfe
fest. Unterschreitet die Herzfrequenz diesen Wert, und Kammern (Sensing-Funktion). Bei ent-
aktiviert sich der HSM und gibt einen Impuls. sprechendem Ausfall stimuliert das Gerät ent-
weder den Vorhof, einen oder beide Ventrikel
(nach festgelegter Verzögerungszeit). Treten
Einstellung des Herzschrittmachers
Eigensignale des Kindes auf, bleiben Vorhof-
Die Wirkungsweise des Herzschrittmachers lässt und Kammerstimulation blockiert.
sich am ICHD-Code (internationaler Code für die • AOO, VOO, DOO
Wirkungsweise eines Schrittmachers) ablesen: – Die Stimulation erfolgt über Vorhof bzw. Kam-
• 1. Buchstabe = Ort der Stimulation mer. Der HSM verfügt nicht über die Funktion,
• 2. Buchstabe = Ort der Wahrnehmung Eigensignale des Kindes zu registrieren und
• 3. Buchstabe = Betriebsart blockiert deshalb seine Impulse nicht. Die Sti-
• 4. Buchstabe = Programmierbarkeit mulation erfolgt starrfrequent. Treten Eigensi-
• 5. Buchstabe = Funktionen gnale des Herzens auf, droht ein R-auf-T-Phä-
Schrittmachercode nomen (› unten).
• V = Ventrikel • Overdrive pacing
• A = Atrium – V. a. bei supraventrikulärer Tachykardie kann
• D = Dual (A+V) der Arzt versuchen, die Tachykardie mittels
• O = Sensing entfällt, d. h. SM stimuliert ohne Overdrive pacing zu unterbrechen. Hierzu
Rücksicht auf Herzeigenaktion stellt er die Stimulationsfrequenz 20–30 Schlä-
• T = Triggerung (R-Zacken getriggert) ge über die Frequenz der Tachykardie und
• I = Inhibition, Impulsabgabe wird unterdrückt, startet diese Hochfrequenzstimulation für
wenn der SM Herzeigenaktionen erkennt 2–3 Sek. oder länger. Nach dem Ausschalten
• P = bifunktionale Programmierbarkeit der Overdrive-Stimulation übernimmt der Si-
276 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

nusknoten manchmal die reguläre Herzfüh- und verabreichen ein systemisches Antazidum
rung. (nach Arztanordnung).

Dokumentation der Herzschrittmacher-Einstellung


Die Dokumentation der HSM-Einstellung nach Pri- 14.5.2  Pflegerische Besonderheiten
märeinstellung bzw. nach Veränderungen nimmt
der Arzt vor. Er notiert Arbeitsmodus, Frequenz, Fixierung der Herzschrittmacher-Drähte
14 Impulsstärke in Volt, Impulsbreite, Empfindlich- und -Sonde
keitsstufe in mV sowie ggf. die Verzögerungszeit bei
sequentiellen Schrittmachern. Pflegende verbinden die Austrittstellen der epikardi-
alen HSM-Drähte postoperativ steril und fixieren sie
Komplikationen mittels Pflastersteg am kindlichen Körper. Bei gu-
R-auf-T-Phänomen: Nach der Kontraktion des tem Gerinnungsstatus verwenden sie einen transpa-
Ventrikels sind die Herzmuskelfasern eine kurze renten Hydrokolloidverband.
Zeit lang unempfindlich für elektrische Impulse. Transösophageale HSM-Sonden fixieren Pflegen-
Während dieser Periode, der Refraktärzeit, repola- de mit Pflaster freihängend am Nasenflügel. Dislo-
risieren sich die Muskelfasern und kehren in den kationen sowie ein versehentliches Herausrutschen
Ruhezustand zurück. Die ventrikuläre Refraktär- sind unbedingt zu vermeiden. Am Naseneingang
zeit tritt in der ersten Hälfte der T-Zacke auf dem markieren Pflegende die Sonde mit einem wasser-
EKG ein. Während dieser vulnerablen Phase, die festen Stift oder einem schmalen Pflasterstreifen
ca. 30 ms dauert, ist das Herz besonders leicht er- und dokumentieren die Marke. Außerdem kontrol-
regbar und neigt zum Kammerflimmern. Eine elek- liert der Arzt die Lage der Sonde röntgenologisch.
trische Stimulation in dieser Zeit, z. B. durch HSM Wenn ein transthorakaler HSM über 24 Std. in
oder Defibrillation, kann ein Kammerflimmern Betrieb ist, kontrollieren Pflegende die Haut unter
auslösen. den Klebeelektroden auf Verbrennungen und pfle-
Ösophagusulkus bei transösophagealem HSM: gen sie entsprechend (z. B. mit Bepanthensalbe®).
Der Einsatz des transösophagealen HSM ist nur im Dieser Schrittmachertyp kommt jedoch nur äußerst
Notfall indiziert. Die transösophageale Sonde sollte selten für diesen Zeitraum zum Einsatz. Er ist für
nicht länger als 24–48 Std. liegen bleiben, da die Sti- Notfälle reserviert, um die Zeit bis zur Anlage eines
mulation Schmerzen verursachen kann und nach transvenösen SM zu überbrücken. Nach Absprache
spätestens 2 Tagen mit einem Ösophagusulkus zu mit dem Arzt und in seiner Anwesenheit können
rechnen ist. Es kann schlimmstenfalls zu einer Öso- Pflegende die Klebestellen in regelmäßigen Abstän-
phagusperforation führen. Deshalb legen Pflegende den geringfügig verändern. Sie achten darauf, dass
eine Magensonde, führen eine pH-Kontrolle durch das Kind während der transthorakalen Schrittma-
chertherapie angemessen analgosediert ist.

EKG- und Blutdruck-Monitoring


Pflegende stellen am EKG-Modul des Monitors die
Pacer-Erkennung ein, sodass Schrittmacherimpulse
entsprechend mit einem „P“ oder einem ähnlichen
mit R-auf-T-Phänomen:
Symbol gekennzeichnet sind. In der EKG-Linie er-
scheinen unter dem Einfluss der Schrittmacherakti-
vität typische „Spikes“, die den Impuls markieren.
Pflegende stellen die Alarmgrenzen sehr eng ein, da-
mit sie einen Schrittmacherausfall oder eine tachy-
karde HRST sofort erkennen und die Therapie ohne
Abb. 14.10  R-auf-T-Phänomen. [R148] Zeitverlust beginnt. Der Überwachungsmonitor
14.6  Herzkatheteruntersuchungen 277

muss also über eine Schrittmachererkennung verfü- 14.6  Herzkatheterunter­


gen, wenn er für Schrittmacherpatienten geeignet suchungen
sein soll. Diana Löscher
Unmittelbar nach der Anlage eines HSM sowie
nach Veränderungen der Einstellungen überwachen
Pflegende den Blutdruck engmaschig. Blutdruckan- Herzkatheteruntersuchungen dienen der Diagnos-
stiege können auf Schmerzen hinweisen. Fallen am tik und Therapie von Herz- und Gefäßerkrankun-
EKG einzelne, mehrere oder alle Kammerkomplexe gen. Als Zugangsweg kommen beim Neugeborenen 14
aus, ist entweder der HSM-Output zu niedrig oder es die Nabelvene und die Nabelarterie; bei größeren
liegt eine Elektrodendislokation vor. Um die Gefah- Kindern die V. bzw. A. femoralis in Frage. Alternativ
rensituation zu überbrücken, ist der Einsatz eines können auch die V. jugularius, V. subclavia oder
transthorakalen HSM bzw. die Herzdruckmassage axillaris verwendet werden. Der Arzt punktiert das
erforderlich. Gefäß und schiebt den Katheter über eine Schleuse
bis zum Herzen vor. Über diesen Katheter erfolgen
Haut, Perfusion Druck- und Sättigungsmessungen zur Berechnung
Eine kühle Peripherie mit flachem Puls, starkes der hämodynamischen Parameter, Angiokardiogra-
Schwitzen oder ein grau-marmoriertes Hautkolorit phien und ggf. weitere Interventionen.
deuten auf ein vermindertes HZV hin. Starke Zu-
ckungen der Skelettmuskulatur des Patienten wei-
Vorbereitung zur Untersuchung
sen darauf hin, dass der Output zu hoch eingestellt
ist. • Nahrungskarenz nach ärztlicher Anordnung
• Prämedikation nach ärztlicher Anordnung
Herzschrittmacher- und Batteriewechsel • Blut für großes BB, Elektrolyte, Gerinnung,
Bei Übernahme des Kindes kontrollieren Pflegende, Kreuzblut und ggf. zur Blutgruppenbestimmung
ob eine Ersatzbatterie griffbereit ist. Sie informieren entnehmen
sich darüber, wie der Wechsel auszuführen und wie • gekreuzte Blutkonserve bereitstellen
das Gehäuse zu öffnen ist. Fragen, die geklärt sein • zyanotische und kritisch kranke Kinder zuvor auf
sollten: der Intensivstation intubieren und beatmen
• Sind zum Batteriewechsel/zur Öffnung des Geräts Als Komplikationen der Herzkatheteruntersuchung
Werkzeuge notwendig? können Nachblutungen, Infektionen, Herzrhythmus-
• Zeigt der HSM eine schwache Batterie mit störungen, Perforationen, Kontrastmittelunverträg-
Alarmsignalen an? lichkeiten und Thrombosen auftreten. Bei Herzkathe-
• Leuchtet in diesem Fall ein Kontrolllämpchen terinterventionen wie Ballondilatation, Stent-, Coil-
oder geht der HSM in einen anderen, energiespa- oder Schirmchen-Implantation treten Komplikatio-
renden Arbeitsmodus, z. B. von VVI zu VOO, nen z. T. bereits im Herzkatheter-Labor auf. Pflegende
über? beachten bei der Nachsorge die erhöhte Nachblu-
Sofern es notwendig ist, die Batterie während der tungsgefahr, da der Arzt zu diesen Maßnahmen
kontinuierlichen Funktion des HSM zu wechseln, Schleusen mit einem größeren Lumen (8–10 Fr.) ver-
halten Pflegende am besten einen zweiten HSM mit wendet. Nach der Perforation eines Gefäßes kann sich
der gleichen Einstellung bereit und konnektieren ein Perikarderguss entwickeln. Jedes neu hinzutreten-
den Ersatzschrittmacher. Dadurch gewinnen sie de Krankheitszeichen, z. B. Bauch-, Brustschmerzen,
Zeit, die Batterien des ursprünglichen Geräts in Ru- Bewusstseinsstörungen, Doppelbilder, erfordert eine
he zu tauschen. sofortige ärztliche Untersuchung.

Für den Batteriewechsel am Herzschrittmacher halten Vorbereitung zur Übernahme


Pflegende Notfallmedikamente bereit (Notfallwagen che-
cken). Für die Übernahme eines beatmeten Kindes aus
dem Herzkatheter-Labor sind zusätzliche Vorberei-
278 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

tungen des Patientenplatzes nötig. Aufgrund der Ist nach der Katheterisierung eine rasche kardio-
meist bestehenden Hypothermie halten Pflegende chirurgische Intervention indiziert, bleibt das Kind
angewärmte Decken, Kleidung und Felle bereit. bis zum OP-Termin intubiert, ansonsten erfolgt die
Zum Transport vom Herzkatheter-Labor zur Station Extubation so früh wie möglich.
benötigt das Transportteam eine tragbare O2-Fla- Der Arzt ordnet strenge Bettruhe für 12–24 Std.
sche mit entsprechendem Anschlussschlauch, ein an. Die Lagerung erfolgt, sofern möglich, auf dem
Pulsoxymeter, Beatmungsbeutel, Maske und einen Rücken mit leicht erhöhtem Oberkörper. Besonder-
14 Notfallrucksack. heiten gelten für die Lagerung des Beines, an dessen
Traten während der Untersuchung Komplikatio- Seite die Punktion stattfand. Nach einem arteriellen
nen auf, z. B. Kreislaufstillstand oder Herzrhyth- Herzkatheter lagern Pflegende das Bein flach, um
musstörungen, ordnet der Arzt zusätzliches Monito- die Perfusion des Gewebes zu verbessern. Nach einer
ring und weitere medikamentöse Therapie gemäß venösen Herzkatheteruntersuchung lagern sie es er-
der individuellen Situation an. Die Pflegenden holen höht, um den venösen Rückfluss zu erleichtern und
vor der Übernahme entsprechende Anweisungen Abflussstörungen zu vermeiden.
beim Herzkatheter-Personal ein. Bei komplikationslosem Verlauf kann der Kost-
aufbau 4–6 Std. nach Extubation vorsichtig begin-
nen. Den Wundverband belassen Pflegende nach
Pflegerische Besonderheiten
venösen Herzkatheteruntersuchungen für 24 Std.,
Zur Überwachung folgen die Pflegenden den Prinzi- nach arterieller Punktion für 48 Std. Ein zirkulärer
pien des Grundmonitorings für ein stabiles Kind Verband ist absolut kontraindiziert, da er die Perfu-
(siehe oben). Zusätzlich schließen sie bei beatmeten sion der Extremität beeinträchtigen kann. Bleibt die
Kindern eine endexspiratorische oder transkutane Schleuse liegen, versorgen Pflegende sie mit einem
CO2-Messung an. Je nach Punktionsart erfolgt zur sterilen Verband.
Thromboseprophylaxe nach der Herzkatheterunter-
suchung eine zeitlich begrenzte Heparinisierung. LITERATUR
Zu jeder Pflegerunde, bei Auffälligkeiten entspre- 1. Lewalter, Th.; Lüderitz, B.: Herzrhythmusstörungen, Dia­
gnostik und Therapie. Springer Verlag, Heidelberg, 2010.
chend häufiger, überwachen Pflegende das Bein, auf 2. Apitz, J.: Pädiatrische Kardiologie. Steinkopff-Verlag,
dessen Seite die Punktion erfolgte, hinsichtlich Per- Darmstadt, 2002.
fusion, Hautfarbe, Puls und Temperatur. Sie verglei- 4. Löscher, D.: Herzordner der Kinderintensivstation Erlan­
chen es mit dem nicht betroffenen Bein und doku- gen. (unveröffentlicht), 2008.
mentieren die Befunde. 5. Keck, E. W.; Hausdorf, G.: Pädiatrische Kardiologie, 5. A.
Urban & Fischer Verlag 2002.
• arterielle Punktion (Bein ist kühl, blass, evtl. 6. Schuster, H. P.; Trappe, H. J.: EKG-Kurs für Isabell. Thieme
leicht gestaut) Verlag, Stuttgart, 2005.
Pulse kontrollieren, zum Monitoring Pulsoxy­
meter am Zeh und ggf. Temperatursonde an der
Fußsohle anbringen, Bein in Watte einpacken,
sowie flach oder tief lagern, evtl. Druckverband
lockern 14.7  Operationen mit und
• venöse Punktion (Bein ist zyanotisch, marmo- ohne Herz-Lungen-Maschine
riert, kühl, gestaut) Maren Grabicki, Yvonne Freitag
Bein in Watte und warme Felle einpacken, hoch-
lagern, ggf. Temperatursonde an der Fußsohle
anbringen Patienten mit angeborenen Herzfehlern und Ano-
Die Pflegenden kontrollieren die Kathetereintritt- malien der großen Gefäße erhalten überwiegend ei-
stelle hinsichtlich einer Nachblutung oder Häma- ne operative Versorgung in einem Herzzentrum.
tombildung. Bei auffälliger Blässe des Kindes Zeitpunkt und Umfang einer solchen Korrektur-
schließt der Arzt eine innere Blutung in das kleine oder Palliativoperation legt der Kinderkardiologe
Becken aus. gemeinsam mit dem Kardiochirurgen fest.
14.7  Operationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine 279

Voraussetzung für die operative Korrektur nahezu nahmen während des tief hypothermen Kreislauf-
aller Herzfehler ist der Einsatz der Herz-Lungen-Ma- stillstandes (regionale Perfusion).
schine (›  Abb. 14.11). In Abhängigkeit von der
Komplexität der Operation kann der Einsatz der Hy-
pothermie sinnvoll sein. Viele Operationen sind je- 14.7.1  Vorbereitung der
doch inzwischen in Normothermie möglich. Die Hy- postoperativen Maßnahmen
pothermie (die Kardiotechnik verringert die Körper-
kerntemperatur auf 32–16 °C) dient der Reduktion Für die postoperative Überwachung bereiten Pfle- 14
des O2-Verbrauchs und aller Stoffwechselvorgänge gende den Bettenplatz gemäß der Prinzipien des
sowie der Myokardprotektion im Rahmen des kar- Grundmonitorings für ein instabiles Kind vor (siehe
dioplegischen Herzstillstands. oben). Nach einer OP, bei der die Herz-Lungen-Ma-
Die Herz-Lungen-Maschine übernimmt die Auf- schine (HLM) eingesetzt wurde, benötigen Patien-
gaben von Herz und Lunge und ermöglicht dem ten ggf. zusätzliche Druckmessungen, z. B. LAP, PAP
Chir­urgen während des kardioplegischen Herzstill- oder den PICCO.
stands den freien Zugang zum offenen Herzen. Heut- Erfolgt die Dokumentation über einen patienten-
zutage sind Operationen mit komplettem Kreislauf- nahen Computer, geben sie alle bekannten Patien-
stillstand seltener notwendig. tendaten ins System ein und überprüfen die Konfi-
Während der extrakorporalen Zirkulation fließt guration.
das Blut mit nonpulsatilem Flusscharakter durch die
Gefäße (ohne Pulswellen).
Material
Der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine kann zu
postoperativen Komplikationen führen. Ursachen Nach der Vorbereitung des Monitorings und einer
sind: sinnvollen Positionierung der dazugehörigen Kabel
• unphysiologischer Kontakt des Blutes mit überprüfen Pflegende den Notfallwagen auf Voll-
Fremdoberflächen, insbesondere durch den aus- ständigkeit und achten dabei insbesondere auf Re-
geprägten Blut-Luft-Kontakt infolge der Kardio- animationsmedikamente und Volumenersatzmittel
tomiesaugung sowie durch den Kontakt mit den (Glukose 5 %, NaCl 0,9 %, Humanalbumin 5 %). De-
Kunststoffoberflächen des extrakorporalen Sys- fibrillator und Thorakotomieset sollten in der Nähe
tems wie Oxygenator, Filter und Schlauchsystem stationiert sein.
der Herz-Lungen-Maschine, führt zur Aktivie-
rung des Immunsystems (SIRS) Pflegende bringen genügend Spritzenpumpen am Patien-
• unphysiologische Extreme, z. B. Hypothermie, tenplatz an und ordnen sie gut zugänglich. Sie bereiten
Haemodilution, Malperfusion oder Stauungspro- nach ärztlicher Anordnung Infusionen und ggf. Spülun-
bleme infolge Fehlpositionierung der arteriellen gen für die Druckmesskatheter vor und geben sie je nach
oder venösen Kanülen Anforderung inklusive der Spritzenpumpen in den OP mit.
• unerwünschte Reaktion auf Arzneimittel oder Diese Maßnahme macht ein postoperatives Umstecken
der Medikamenteninfusionen überflüssig und vermeidet
Blutprodukte somit eine zusätzliche Belastung des Kindes.
• Hämolyse infolge des Einflusses der Kardioto-
miesaugung, der mechanischen Blutpumpen und
der Scherkräfte in Schlauchsystem sowie den Ka- Pflegende bestücken ein altersentsprechendes Beat-
nülen mit Auswirkungen von extremen positiven mungsgerät mit Beatmungsschläuchen und über-
oder negativen Druckkonstellationen (Sog) prüfen seine Funktion. Sie bereiten die Drainagen-
Das Risiko der Nebenwirkungen steigt mit zuneh- systeme vor und installieren sie.
mender Bypassdauer und längerer Ischämiezeit des Vorzubereiten ist auch ein vorgewärmtes Bett
Herzens. (d. h. abgeklemmte Aorta, keine Koronar- bzw. ein Wärmebett (bei Früh- und Neugeborenen
perfusion). Diese Auswirkungen sind abhängig von sowie kleineren Säuglingen). Zur Dekubitusprophy-
protektiven Maßnahmen, z. B. Güte der Myokard- laxe ziehen Pflegekräfte eine Antidekubitusmatratze
protektion, Temperatur sowie zusätzlichen Maß- ein. Um unnötiges Umlagern auf der Intensivstation
280 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

arterielle Linie

Luftdetektor Filter

14 Kardioplegie Klemme für Kardio-


plegielösung

CPG-Linie

Blutersatzstoffe
O2 Sauger
BGA
Kardiotomie-
CO2 reservoir Med.

Oxygenator/
Wärmetauscher

Haupt-Linie

Abb. 14.11  Funktionsprinzip der Herz-Lungen-Maschine. [L157]

zu vermeiden, sollte das OP-Team die Patienten be- Rhythmusstörungen, Herzschrittmachereinsatz, Blu-
reits im OP in die vorbereiteten Betten legen. tungen, Flüssigkeitsbilanz, Elektrolyte, derzeit lau-
Beim Transport des Patienten (z. B. für die Wege fende Infusionen und Beatmungsparameter ein.
zwischen Intensivstation und OP), statten Pflegende
das Bett zusätzlich aus mit: Aufnahme des Patienten
• Transportmonitor Eine Übernahme des Kindes aus dem OP erfolgt im-
• O2-Flasche mer durch zwei Pflegekräfte und einen Arzt.
• Beatmungsbeutel/Maske Für einen reibungslosen Ablauf arbeiten Arzt und
• Reanimationsmedikamenten/Volumenersatzmit- Intensivpflegende in dieser Phase besonders zügig
tel und koordiniert zusammen.
• Intubationsbesteck Der Anästhesist übergibt das Kind an das Inten-
• Defibrillator siv-Team am Bett.
Im folgenden Modus (› Tab. 14.2) ist die Pflege-
kraft, die das Kind betreut, als „Erste Pflegekraft“
14.7.2  Postoperative Maßnahmen bezeichnet, die assistierende Pflegekraft als „Zweite
Pflegekraft“.
Das OP-Team meldet den Patienten telefonisch etwa Die Arbeitsschritte erfolgen parallel, sie sind hier
30 Min. vor Verlegung auf der Station an. Während jedoch der Übersichtlichkeit halber nacheinander
dieses Telefonats holen Pflegende Informationen beschrieben. Die Aufnahme sollte nicht länger als
über den Operationsverlauf, evtl. Komplikationen, eine halbe Stunde dauern.
14.7  Operationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine 281

Invasive arterielle Blutdruckmessung tent, sicher und zugewandt auftreten. Die für das
Pflegende unterlassen nichtinvasive Blutdruckmessungen Kind zuständige Pflegekraft stellt sich den Eltern mit
an dem Arm, der mit einem arteriellen Zugang versehen Namen vor und beantwortet alle Fragen, die in ihren
ist, da dies zu fehlerhaften Ergebnissen der invasiven Kompetenzbereich fallen, mit einfachen und ver-
Blutdruckmessung führt und sich je nach Häufigkeit der ständlichen Sätzen.
Manschettenkompression Perfusionsstörungen in der Ex- Pflegende achten vor allem darauf, Eltern nicht mit
tremität entwickeln können. Fachtermini zu überfordern. Viele Laien erwarten be-
Nach Absprache mit dem Arzt können Pflegende eine 14
spastische Arterie anspülen (Lidocain 1 % in einer Ver-
reits vor dem ersten Kontakt mit dieser Ausnahmesi-
dünnung 1:10 mit NaCl 0,9 %). Anschließend vermeiden tuation, dass sie keine nachvollziehbaren Erklärungen
sie sämtliche Manipulationen, bis sich die Arterie erholt erhalten werden und blockieren sich selbst. Auch die
hat. emotionale Anspannung hemmt das Verständnis.
Zeigt der Monitor keine Kurve an, kontrollieren Pflegende Deshalb ergeben sich viele Fragen erst bei den folgen-
den Zustand der arteriellen Kanüle. Häufig ist sie unter den Besuchen und es kann notwendig sein, bereits er-
dem Verband abgeknickt. Die Kanüle wird zusätzlich mit klärte Sachverhalte erneut zu erläutern. Unmittelbar
einem Pflastersteg fixiert.
Der Arm mit dem arteriellen Zugang sollte durch eine
nach der Operation wünschen sich die meisten Eltern
Schiene ruhig gestellt werden. „nur“ die Gewissheit, dass ihr Kind da ist, es ihm gut
geht und dass es sorgfältige Betreuung erfährt.

Betreuung der Eltern


Sobald das Kind an das Monitoring angeschlossen, 14.7.3  Kardiochirurgische
stabil und zugedeckt ist, bitten die Pflegenden die Interventionen ohne Herz-Lungen-
Eltern ins Zimmer. Der Arzt informiert sie über den Maschine
Operationsverlauf und die aktuelle Situation. Häufig
reagieren Eltern beim Anblick ihres beatmeten Kin- Ductusligatur › 13.3.2
des geschockt, sind ängstlich und fühlen sich hilflos. Die Ligatur des Ductus arteriosus Botalli, die Be-
Es dauert eine Weile, bis sie sich an die Kabel, die seitigung der Aortenisthmusstenose und die Anlage
schrillen Monitoralarme und die technische Umge- eines Blalock-Taussig-Shunts sind die typischen
bung gewöhnt haben. Deshalb ist es vor allem beim Korrektur- und Palliativoperationen, die Herzchir-
ersten Kontakt wichtig, dass die Pflegenden kompe- urgen ohne den Einsatz der HLM durchführen.

Tab. 14.2  Zwei Pflegende und ein Arzt koordinieren ihre Aufgaben während der postoperativen Aufnahme eines
kardiochirurgisch versorgten Kindes auf der Intensivstation.
Erste Pflegekraft Zweite Pflegekraft Arzt
• EKG-Elektroden kleben und EKG-Ka- • Drainagenmit Pflastersteg fixieren, anschlie- • Beatmungsgerät an-
bel anschließen ßen, markieren und Sogstärke prüfen schließen und Alarmgren-
• Entfernen der alten EKG-Elektroden • Magensonde tief und offen hängen zen einstellen
• Pulsoxymeter umkleben (Dekubiti • Urinablaufbeutel leeren (Bilanz beginnt auf der • ggf. linksatrialen (LA)
und Verbrennungen vermeiden) Station neu) und pulmonalarteriellen
• Infusionen in Perfusorhalterungen • Dokumentation durchführen (Tubus, Zugänge, (PA)-Katheter anschlie-
umhängen Drainagen, Beatmung, Pupillenreaktion, Perfu- ßen (Nullabgleich)
• Blutdruckmessungen soren, Schrittmachereinstellungen) • Schrittmacherdrähte mit
• (Art/ZVD) anschließen, Nullabgleich • Springertätigkeiten dem Herzschrittmacher
• Temperatursonden platzieren und fi- • Röntgenthoraxaufnahme anfordern verbinden, Sensing und
xieren • bei kalten Extremitäten: Wattesocken oder Stimulation des Geräts
• Assistenz beim Röntgen (Lagekont- Wollsocken anziehen überprüfen
rolle des ZVK und des Tubus) • Blutentnahme aus der Arterie (nach Rückspra-
• Alarmgrenzen am Monitor einstellen che mit dem Arzt)
• BGA, BB, Gerinnung, Chemie, Laktat, ZVS, ggf.
ACT
282 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Aortenisthmusstenose Die Lagerung erfolgt auf dem Rücken oder in


Rechtsseitenlage mit leicht erhöhtem Oberkörper.
Pflegende folgen für die Überwachung dem Prinzip Pflegende vermeiden die Linksseitenlage wegen der
des Grundmonitorings für instabile Kinder (siehe vorhandenen Pleuradrainage und der OP-Naht.
oben). Meist liegen zwei Arterienkatheter, einer in Da der Darm nach der Korrektur der Aortenisth-
der A. femoralis, der andere in der A. radialis rechts, musstenose durch die präoperative Minderperfusi-
um evtl. Blutdruckunterschiede erkennbar zu ma- on geschädigt sein kann bzw. durch den postopera-
14 chen. Einmal täglich messen Pflegende den Blut- tiv erhöhten Blutfluss belastet ist, beginnen Pflegen-
druck an allen vier Extremitäten, um den Opera­ de nach 4–6 Std. mit einem minimalen (5 ml/Std.)
tionserfolg zu belegen. Die meist vorliegende arte­ Nahrungsaufbau zum Magenschutz und um dem
rielle Hypertonie erfordert den Einsatz von Antihy- Zottenabbau im Darm entgegenzuwirken.
pertensiva. Erst nach 24 Std. ist ein vollständiger Nahrungs-
Dabei ist auf Schmerzzeichen zu achten, da die la- aufbau anzustreben.
terale OP-Wunde bzw. die Pleuradrainage große Diese Kinder haben ein erhöhtes Risiko an einer
Schmerzen verursacht, die ebenfalls zur Hyperten­ NEC zu erkranken.
sion führen können (Schmerzskalen › 6.5.1). Pflegende achten insbesondere auf eine ausrei-
Eine adäquate Schmerztherapie oder die bereits chende Urinausscheidung, da die postoperative
intraoperativ erfolgende Einlage eines lokalen Blutflussänderung zu einer Nierenfunktionsstörung
Schmerzkatheters ist daher nötig. führen kann.
Nach der Korrektur der Aortenisthmusstenose Pflegende belassen den Wundverband für mind.
beobachten Pflegende die Beine hinsichtlich Perfu­ 48 Std. Günstig ist die Versorgung der OP-Naht mit
sion, Hautkolorit und Bewegungsfähigkeit. einem Hydrokolloidverband, da er eine unkompli-
zierte Beurteilung der Wunde ermöglicht.
VORSICHT
Durch die passagere Unterbrechung des Blutflusses in der
Aorta descendens kann es in seltenen Fällen infolge der Shunt-Operationen
operativen Korrektur einer Aortenisthmusstenose zur Die Anlage eines extrakardialen Shunts ist ein Ein-
Querschnittslähmung kommen. Deshalb achten Pflegen-
de unbedingt auf die postoperative Bewegungsfähigkeit
griff, der das Überleben des Kindes bis zur endgülti-
der Extremitäten und dokumentieren ihre Befunde. gen Korrekturoperation ermöglicht. Herzchirurgen
legen solche Shunts am häufigsten zwischen der
Aorta oder den von ihr abzweigenden Gefäßen und
Verläuft die postoperative Phase komplikationslos, der Pulmonalarterie bzw. den Pulmonalarterienäs-
ist die Extubation so früh wie möglich anzustreben. ten an. Die Überwachung der Kinder erfolgt nach
Aufgrund einer intraoperativen Kompression der dem Prinzip des Grundmonitorings für ein instabi-
linken Lungenseite kann es postoperativ zu Atelek- les Kind (siehe oben).
tasen oder Dystelektasen kommen, was zu einer
verminderten Belastbarkeit bei der Trachealtoilette Komplikationen
und zur längeren Beatmungsabhängigkeit führen • SAP ↓ MAP ↓ und ZVD ↓: zu großer Shunt oder
kann. intravasaler Volumenmangel, hohe Volumenga-
Die Entfernung der Pleuradrainage sollte so früh ben nötig; dadurch: erhöhtes Risiko der Entste-
wie möglich angestrebt werden, um dem Patienten hung von Pleuraerguss, Perikarderguss, Aszites,
die Atmung zu erleichtern und eine Schonatmung Lungenüberflutung und Ödemen
zu vermeiden. • SpO2 ↓: Indiz
– für Shuntverschluss wegen Thrombosierung,
Bei Frühgeborenen ist die Extubation aufgrund der pul- – Abknicken des Shunts,
monalen Unreife meist nicht so schnell möglich. Häufig – für zu kleinen Shunt,
steigt der Beatmungsbedarf postoperativ sogar. – für einseitige Lungenperfusion durch intraope-
rative Dislokation der Pulmonalarterie.
14.7  Operationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine 283

• CO2 ↓: Indiz Pulmonal


– für zu großen Shunt, der eine Lungenüberflu- • Aufgrund der postoperativen Immobilität sowie
tung zur Folge hat, wenn die Beatmung nicht Schmerzen mit nachfolgender Schonatmung
als Ursache in Betracht kommt. Meist finden kann eine unzureichende Sekretelimination zu
sich zusätzliche Zeichen der Herzinsuffizienz Atelektasen und Pneumonie führen. Ziel ist des-
mit hohem SaO2 über 90 % halb, mittels Physiotherapie unter guter Analge-
– eiweißreiche Drainagenflüssigkeit aus der be- sie eine optimale Drainage des Sekrets zu errei-
troffenen Thoraxhälfte: erster Hinweis auf ei- chen. 14
nen „schwitzenden“, d. h. undichten Shunt • Ein Chylothorax infolge einer Verletzung kleine-
rer Lymphgefäße kann zu einer zusätzlichen Be-
Pflegerische Besonderheiten einträchtigung der Atmung führen.
Pflegende kontrollieren insbesondere den Heparin- • Die Verletzung des N. phrenicus bedingt eine
Perfusor. Er läuft stets allein über einen separaten Zwerchfellparese, die die Entwöhnung von der
Zugang, um Boligaben zu vermeiden. Beatmung erschweren kann. Ist dies der Fall,
Je nach Gerinnungsstatus und Blutungsmenge kann eine operative Raffung des Zwerchfells er-
des Patienten ordnet der Arzt postoperativ die He- forderlich sein.
parinisierung des Patienten an, um eine Thrombo- • ARDS kann auftreten.
sierung des Shunts zu verhindern. Das bedeutet al-
lerdings eine erhöhte Blutungsneigung. Pflegende Renal
überprüfen regelmäßig die Verbände auf Nachblu- • Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen weist
tungen. Beim endotrachealen Absaugen ist besonde- eine rasch auftretende Ödembildung mit erhöh-
re Vorsicht vonnöten. tem Volumenbedarf u. U. auf ein „Capillary-
Leak-Syndrom“ hin.
• Postoperativ können Niereninsuffizienz bzw.
14.7.4  Kardiochirurgische akutes Nierenversagen auftreten und eine Nie-
Interventionen mit Herz-Lungen- renersatztherapie nötig machen.
Maschine
Zerebral
Komplikationen • Zerebrale Komplikationen entwickeln sich
(durch ein erheblich verringertes Herzzeitvolu-
Kardial men mit unzureichender Hirnperfusion) massive
Nach Operationen in der Nähe des Reizleitungssys- Hypertonie, hypoxische Zustände, tiefe Hypo-
tems des Herzens können HRST auftreten. Sie kön- thermie und postoperative Hyperthermie. Häufig
nen durch das Wundödem oder intraoperative Ver- lässt sich eine sichere Ursache nicht ermitteln.
letzungen des Reizleitungssystems ausgelöst wer- Zeichen einer zerebralen Komplikation sind
den. • weite, lichtstarre Pupillen (einseitig oder beid-
Bei einem Wundödem setzt der Arzt Kortiko­ seits),
steroide und, bis zum Abklingen der vorliegenden • anhaltende Bewusstseinstrübung,
Rhythmusstörungen, einen temporären HSM ein. • Krämpfe sowie Streck- und Beugesynergien.
Durch pathologische Frequenzänderungen, eine
verminderte Myokardkontraktilität oder eine Herz-
Pflegerische Besonderheiten
beuteltamponade kommt es zum Abfall des HZV. Je
nach intra- und postoperativer Flüssigkeitszufuhr EKG-Überwachung
kann eine Hypo- oder Hypervolämie (ZVD beach- HRST können postoperativ durch ein lokales Wun-
ten) entstehen. Um dies zu vermeiden, erstellen dödem sowie durch Elektrolytveränderungen auf-
Pflegende die Flüssigkeitsbilanz sorgfältig und klä- treten. Der Arzt ordnet entsprechende Medikamen-
ren das gewünschte Bilanzierungsziel ab. te zum Ausgleich der Elektrolytveränderungen an
284 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Rechte A. carotis Linke A. carotis


Rechte
A. subclavia
1
Linke A. subclavia
Rechte 2
Pulmonal- 3
arterie (PA)
Linke Pulmonal-
arterie (PA)
14 Obere
Hohlvene Pulmonal-
arterienstamm
Rechter Linker Vorhof
Vorhof 4

Linke Kammer

Untere
Hohlvene

Rechte Kammer

1 Modifizierter Blalock-Taussig-Shunt, Shuntverbindung von Subclavia und


Pulmonalarterie (PA) mittels Prothese
2 Blalock-Taussig-Shunt, meist rechte A. subclavia wird auf die rechte
PA aufgesetzt, hier nur zur besseren Darstellung links
3 Aortopulmonaler oder auch zentraler Shunt mittels Prothese zwischen Aorta
und PA-Stamm
4 Sano-Shunt, Verbindung mittels Prothese zwischen PA-Stamm und
rechtem Ventrikel Abb. 14.12  Verschiedene Shunt-
Formen. [L157]

und reduziert das Wundödem durch die Gabe von ausscheidung zu bewerten. Ist die Urinproduktion
z. B. Solu-Decortin®. Nach Operationen im Bereich zu gering, so ist, wenn kein Volumenmangel zu-
des Reizleitungssystems, z. B. bei Vorhofseptumde- grunde liegt, meist der Blutdruck zu erhöhen. Um-
fekt, AVSD, AV-Kanal oder Fontan-OP ist ebenfalls gekehrt lassen sich niedrigere Drücke tolerieren,
mit Herzrhythmusstörungen zu rechnen. wenn der Patient gut ausscheidet, also die Nieren-
Treten Arrhythmien auf, achten Pflegende auf de- perfusion ausreicht.
ren hämodynamische Wirksamkeit. Sinkt der Blut- Kommt es zu akutem Blutdruckabfall mit sehr
druck, informieren sie den Arzt, der die entspre- niedrigem ZVD, können Pflegende als Erstmaßnah-
chende Therapie einleitet. me bis zum Eintreffen des Arztes das Bett des Pati-
Das EKG gibt Aufschluss über die Art der Rhyth- enten in vorübergehende Kopftieflage stellen sowie
musstörungen, daher ist es sinnvoll, ein externes die Leber unterhalb des Rippenbogens komprimie-
EKG-Gerät an den Patienten anzuschließen, um neu ren. Durch diese Maßnahme pressen sie zusätzliches
auftretende Rhythmusstörungen ohne Zeitverzöge- Volumen Richtung Herz und steigern den Blutdruck
rung aufzeichnen zu können. kurzfristig.

Überwachung des arteriellen Blutdrucks VORSICHT


Beim arteriellen Blutdruck ist besonders der Mittel- Ist es nötig, die Leber auf Grund des schlechten Blut-
druck (MAD) von Bedeutung, da er ein relativer Pa- drucks zu komprimieren, achten Pflegende darauf, dass
rameter für die Organperfusion ist. Der Arzt gibt die sie diesen Druck nur langsam reduzieren, da es bei plötz-
entsprechenden Blutdruckgrenzen vor. Die Höhe licher Entlastung der Leber zu einem rapiden Blutdruck-
des Blutdrucks ist stets in enger Beziehung zur Urin- abfall kommen kann.
14.7  Operationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine 285

ZVD- und LAP-Überwachung zündliche Prozesse in Gang setzt, ohne dass eine In-
Die Normwerte für den ZVD liegen bei 4–10 mmHg fektion vorliegt. Dieses Fieber ist energisch zu be-
und für den LAP bei 4–12 mmHg. Weichen die Wer- kämpfen, da es den O2-Verbrauch des Herzens er-
te mehr als 5 mmHg vom Normbereich ab, infor- höht.
mieren Pflegende umgehend den Arzt. Zur Temperaturmessung bringen Pflegende ent-
weder eine Messsonde in den After ein oder verwen-
VORSICHT den einen speziellen Blasenkatheter mit eingearbei-
Der Anstieg des ZVD bzw. LAP weist auf eine Volumen- teter Temperatursonde. Ggf. kleben Pflegende eine 14
überladung des rechten bzw. linken Ventrikels oder eine Messsonde für die Körperschalentemperatur an die
Störung der Kontraktilität hin. Fußsohle.
Die Differenz zwischen zentraler und peripherer
Ein Abfall des LAP bei steigendem ZVD ist kritisch, Temperatur (ΔT) sollte nicht über 5 °C betragen und
weil eine pulmonalhypertensive Krise vorliegen die Körperschalentemperatur sollte nicht unter 30 °C
kann. Bei jedem venösen Druckanstieg denken Pfle- sinken. Bei einer Zentralisation als Folge eines zu ge-
gende an die Möglichkeit eines Perikardergusses. Sie ringen HZV kühlt die Peripherie aus, während die
überprüfen die Drainagen sofort auf ihre Durchgän- zentrale Temperatur steigt, sodass das ΔT oft deut-
gigkeit und informieren den Arzt, der einen Ultra- lich mehr als 5 °C beträgt.
schall durchführt. Um das ΔT bei kühler Peripherie zu senken, zie-
hen Pflegende dem Kind „Strümpfe“ aus Watte bzw.
PAP-Überwachung Frotteesocken an oder legen warme Windeln, die sie
Der PAPm (Pulmonalarterienmitteldruck) liegt nor- im Wärmeschrank erwärmt haben, an die Extremi-
malerweise bei 9–17 mmHg und ist v. a. bedeutsam täten.
für Kinder mit pulmonaler Hypertonie, z. B. bei Bei tachykarden Herzrhythmusstörungen kann es
AVSD (AV-Kanal) und VSD. Diesen Patienten droht notwendig sein, die Körperkerntemperatur mit der
eine pulmonalhypertensive Krise, die unbehandelt Kühlmatte auf 35–34 °C zu senken. Hierbei führen
innerhalb von Sekunden zum Tod führen kann. Der Pflegende eine besonders sorgfältige Dekubituspro-
PAP sollte stets unter halbsystemischem Druck lie- phylaxe durch, da die direkte Kühlung leicht zu
gen, das heißt MAD:PAP <2 Hautschäden führen kann.
Auch scheinbar sedierte Kinder können unbe- Auf ausreichende Analgosedierung ist zu achten,
merkt „pressen“ und damit einen PAP-/LAP- und da eine Kühlung sehr unangenehm ist.
ZVD-Anstieg provozieren. Daher ist es besonders Bei Kühlung der zentralen Temperatur unter 34 °C
wichtig, bei einem unerklärlichen Anstieg der Para- ist eine zusätzliche Relaxierung zur Vermeidung von
meter die Bauchdecke des Patienten auf Festigkeit Muskelzittern notwendig.
zu überprüfen. Gegebenenfalls ordnet der Arzt eine
Bolusrelaxierung an. Pupillenkontrolle
Zur rechtzeitigen Erkennung eines Hirnödems oder
Bei allen Druckparametern ist darauf zu achten, dass das einer Hirnblutung kontrollieren Pflegende die Pupil-
Kind ruhig liegt, nicht presst, und der Druckabnehmer lenmotorik im Abstand von 3 Std. Diese Maßnahme
(Statham) auf der richtigen Position (unteres Thoraxdrit- dient außerdem der Überwachung von Analgesie
tel) geeicht ist. und Sedierung (› 6.1.2).

Überwachung der Atmung


Temperatur-Überwachung Die Extubation ist meist im Laufe der ersten post-
Die Kinder kommen häufig unterkühlt aus dem OP, operativen 24 Std. möglich. Ausnahmen bilden Kin-
obwohl schon dort Maßnahmen zur Aufwärmung der mit pulmonaler Hypertonie, nach Reanimation
beginnen. Meist entsteht im Anschluss Fieber, da die oder mit Hirnödem, bei denen der Arzt die Beat-
extrakorporale Zirkulation die Leukozyten schädigt, mung als therapeutisches Instrument mind. 48 Std.
was zur Freisetzung von Pyrogenen führt und ent- fortführt.
286 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Während der Operation beatmet der Anästhesist Pflegende beurteilen das Abdomen regelmäßig
mit trockenem, kaltem Atemgas, wodurch Obstruk- hinsichtlich Umfang, Bauchdeckenspannung, Peris-
tionen und Atelektasen entstehen können. Selbst die taltik, Perfusion, Druck- und Schmerzempfindlich-
Verwendung von „künstlichen Nasen“ erzielt nur keit. Nach lang andauernder Analgosedierung und
eine maximale Atemgastemperatur von 32 °C mit Katecholaminzufuhr besteht bei fehlenden Darmge-
entsprechender Befeuchtung. Die bronchiale räuschen und eingeschränktem Nahrungstransport
Schleimproduktion kann in den ersten Tagen be- der Verdacht auf einen paralytischen Ileus, der einer
14 trächtlich sein, vor allem, wenn die Lungendurch- Abklärung bedarf.
blutung durch die Operation gegenüber dem prä-
operativen Befund deutlich zunimmt. Manchmal ist Überwachung der Ausscheidung
das Trachealsekret blutig, da bei längerer Bypass- Thoraxdrainagen
dauer kleine Lungenblutungen auftreten können Das Drainagensekret ist zu Beginn blutig und
oder die Schleimhäute bei der Intubation geringfü- wird bei komplikationslosem Verlauf serös. Die
gig verletzt wurden. Aufgabe der Pflegenden ist die Gewährleistung der
In seltenen Fällen zeigen Zyanose, steigender O2- Drainagendurchgängigkeit. Eine Nachblutung aus
Bedarf und Azidose die Entwicklung einer „Schock- den Drainagen kann aufgrund der extrakorpora-
lunge“ (ARDS) als Folge der Membranschädigung len Zirkulation auftreten, da es dabei zum erhöh-
durch die HLM an. ten Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und zur
Nach der Extubation gilt der Sekretmobilisation mechanischen Schädigung der Thrombozyten
und der Physiotherapie ein besonderes Augenmerk kommt. Pflegende denken daran, vor allem die
(› 8.4). Dazu gehört die körperliche Mobilisation. substernale Drainage engmaschig zu kneten oder
Vor diesen Maßnahmen ist auf eine ausreichende zu „melken“, um einen Perikarderguss zu vermei-
Analgesierung zu achten. Dies vermeidet auch die den.
schmerzbedingte Schonatmung.
VORSICHT
Lagerung Bei hohen Blutverlusten über die Drainagen besteht der
Sternotomierte Kinder halten in den ersten drei Ta- Verdacht auf eine intraoperative Gefäßverletzung. Pfle-
gen eine Rückenlage oder achsengerechte Seitenla- gende denken auch an eine Nahtinsuffizienz im OP-Ge-
biet. Beide Komplikationen können eine Rethorakotomie
gerung ein. Diese Stellungen schützen den frisch erforderlich machen.
operierten Thorax vor zu großer Belastung und ver-
meiden so ein instabiles Sternum. Bei Kindern, die
beatmet, analgosediert und ggf. relaxiert sind, ist ei- Pflegende ermitteln und dokumentieren die Menge
ne sorgfältige Dekubitusprophylaxe erforderlich des Drainagensekretes. Dabei ist auch die Beurtei-
(› 9.1). Spezielle Lagerungen sind bei einer pulmo- lung von Farbe und Konsistenz des Sekretes von
nalen Krise, nach Fontan-Operation und bei offe- Bedeutung. An allen Thoraxdrainagen ist der glei-
nem Thorax notwendig (› 8.4). che Sog einzustellen, um eine Sogdifferenz und die
Gefahr einer Mediastinalverschiebung zu vermei-
Ernährung den.
Die enterale Ernährung beginnt bei komplikations- Bei einer Sekretmenge unter 1 ml/kg  KG inner-
losem Verlauf 6–8 Std. nach der Operation. Pflegen- halb von 12 Std. erwägt der Arzt, die Drainage zu
de ernähren beatmete oder herzinsuffiziente Kinder entfernen.
über die Magensonde.
Bei guter Verträglichkeit erhält das Kind mehrere Urinausscheidung
kleine Portionen Nahrung in angemessenen Abstän- Schon während der Aufnahme des Kindes achten
den. Dabei ist nicht die Kalorienzufuhr entschei- die Pflegenden auf die Urinmenge, da eine Polyurie
dend, sondern der Schutz von Magen- und Darm- zum Volumenmangel mit nachfolgendem Blut-
schleimhaut.
14.7  Operationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine 287

druckabfall, Tachykardie und SpO2-Abfall führen 14.7.5  Fontan-Operation/totale


kann. Je nach Abschlussbilanz der HLM und der ge- cavopulmonale Anastomose (Glenn-
wünschten Flüssigkeitsbilanz ordnet der Arzt die Anastomose)
Gabe von Volumen an.
Die Mindesturinmenge beträgt 2 ml/kg  KG/h,
DEFINITION
wobei auf die Einfuhrmenge (Volumengabe, Perfu- Glenn-Shunt-Operation (klassisch): Trennung der
soren) geachtet werden sollte. Pflegende bestim- rechten Pulmonalarterie vom Truncus pulmonalis und
men die Urinmenge stündlich, bis der Urinkatheter Verbindung mit der rechten Seite der V. cava superior; 14
nach Rücksprache mit dem Arzt gezogen werden Unterbrechung der Verbindung zwischen der V. cava su-
kann. perior und dem rechten Vorhof. Somit fließt das Blut aus
Pflegende stellen stets einen Zusammenhang der oberen Körperhälfte in die rechte Pulmonalarterie.
­zwischen der Urinproduktion, der Entwicklung des Bidirektionaler (modifizierter) Glenn-Shunt: Unter-
brechung der Verbindung zwischen V. cava superior und
Blutdrucks und der Flüssigkeitszufuhr her. Meist dem rechten Vorhof; Anastomose mit der rechten A. pul-
strebt der Arzt nach Operationen mit HLM eine Mi- monalis, ohne diese vom Truncus pulmonalis abzulösen.
nusbilanz an. Fontan-Operation: Konnektion der oberen Hohlvene
Tritt eine Niereninsuffizienz auf, setzt er bei aus- mit der A. pulmonalis und der unteren Hohlvene über
reichendem Volumenstatus frühzeitig Diuretika an einen intrakardialen Tunnel im rechten Vorhof oder einen
(Bolusgaben oder Dauerperfusor). extrakardialen Tunnel an die rechte Pulmonalarterie un-
Als zusätzliche Option können die Hämofiltration ter Ausschluss des rechten Ventrikels und der Entfernung
des Vorhofseptums.
(› 16.1) oder eine Peritonealdialyse (› 16.1) ein-
gesetzt werden, um den Patienten vor Überwässe-
rung, schweren Elektrolytentgleisungen und toxi- Notwendig wird diese Operation bei
schen Metaboliten zu schützen. • Trikuspidalatresie,
• univentrikulärem Herzen,
Stuhlgang • hypoplastischem linken Ventrikel (HLHS).
Bei fehlenden Darmgeräuschen und Verdacht auf Meistens geht der totalen cavopulmonalen Anasto-
einen Ileus verzichten Pflegende darauf, Bauchmas- mose eine Glenn-Anastomose voraus, bei der der
sagen und Einläufe durchzuführen. Sie benachrich- Chirurg nur die obere Hohlvene an die Pulmonalar-
tigen unverzüglich den Arzt. terie anschließt. Da der rechte Ventrikel somit nicht
Bleibt der Stuhlgang postoperativ länger als für die Lungenperfusion verfügbar ist, ermöglichen
48  Std. aus und sind Darmgeräusche vorhanden, andere Mechanismen den Blutfluss durch die Lunge.
versuchen Pflegende, die Stuhlentleerung mittels Zum einen trägt die diastolische Erschlaffung des
Bauchmassagen, Einläufen und Vibrationen im linken Ventrikels als Saugpumpe und zum anderen
Steißbeinbereich anzuregen. Eine zusätzliche die Spontanatmung durch den inspiratorischen Un-
Maßnahme stellt die Fußreflexzonenmassage terdruck zur Lungenperfusion bei.
durch eine darin ausgebildete Physiotherapeutin
dar. Pflegerische Besonderheiten
Die Überwachung des Kindes folgt dem Prinzip des
Magensonde Grundmonitorings 2 (siehe oben). Pflegende beob-
Die Magensonde bleibt für ca. 12–24 Std. (nach achten das EKG hinsichtlich HRST, da es durch die
Korrektur einer Aortenisthmusstenose evtl. für Manipulationen im Gebiet des Reizleitungssystems
48 Std.) tief und offen hängen. Vor jeder Nahrungs- zu atrialen Rhythmusstörungen kommen kann. Ei-
gabe aspirieren Pflegende den Magenrest und beur- nen ungünstigen Einfluss auf das Herzzeitvolumen
teilen ihn nach Menge, Farbe und Beimengungen. haben tachykarde Rhythmusstörungen, da sie eine
Darüber hinaus bestimmen sie den pH-Wert im Ma- unzureichende enddiastolische Füllung verursachen.
gen. Bei einem pH-Wert von 1 informieren sie den Der Arzt therapiert einen niedrigen Blutdruck in
Arzt, der ggf. ein Antazidum zur Ulkusprophylaxe diesem Fall soweit wie möglich mit Volumengabe,
anordnet. da der Einsatz von Katecholaminen einen Anstieg
288 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

von Herzfrequenz und Lungengefäßwiderstand be- ration kann dieser erhöhte PAP bestehen bleiben
wirken kann. Sind HRST Auslöser des niedrigen und schwerwiegende Probleme verursachen. Die
Blutdrucks, verordnet der Arzt Antiarrhythmika. große Gefahr liegt in der Entstehung einer „pulmo-
Der ZVD entspricht nach einer totalen cavopulmo- nalhypertensiven Krise“.
nalen Anastomose (TCPA) dem PAP, da der Herz­
chirurg die Hohlvene mit der Pulmonalarterie ver­ Durch den schlagartig einsetzenden Anstieg des Lungen-
bindet. Insofern sind Werte zwischen 10–16 mmHg zu gefäßwiderstandes (durch Spasmen der kleinsten arteri-
14 tolerieren. Ein höherer ZVD kann zum Rückstau in die ellen Gefäße) kommt es zum plötzlichen Anstieg des PAP
venösen Gefäße und allen Problemen einer Rechts- (PAm ≥ MAD).
herzinsuffizienz führen. Gleichzeitig steigt das Risiko
eines Hirnödems, da bei einem hohen ZVD auch der Dieser Widerstand
ICP ansteigt und somit keine ausreichende Hirnperfu- • erschwert den Bluteinstrom in die Lunge (An-
sion möglich ist. Folglich kann es zur Ischämie des Ge- stieg des PAP),
hirns kommen. Pflegende kontrollieren in diesem Fall • verursacht die Überdehnung des rechten Ventri-
die Pupillenmotorik engmaschig. kels (ZVD-Anstieg),
Nach der Operation lagern Pflegende die Kinder • zieht eine Bradykardie nach sich,
mit mindestens 45° erhöhtem Oberkörper auf den • verursacht den rapiden Abfall des arteriellen
Rücken, um die Vor- und Nachlast des Herzens zu Drucks (MAD ⇊),
senken. Zudem werden die Knie mit einer Knierolle • senkt die SaO2 massiv.
unterstützt (Cardiac-Lagerung › Abb. 8.11). In der Folge kann der Patient innerhalb weniger Mi-
Eine rasche Extubation ist anzustreben, wenn nuten an einem akuten Low cardiac output verster-
möglich erfolgt sie noch im OP. ben (› Abb. 14.13).
Für die Beatmung wählt der Arzt einen niedrigen Bei Patienten mit einem entsprechenden Herzfeh-
PEEP und eine relativ kurze Inspirationszeit, um die ler schwemmt der Arzt einen Swan-Ganz-Katheter
Erhöhung des pulmonalen Widerstands aufgrund über eine intravenöse Schleuse in die Pulmonalarte-
des erhöhten intrathorakalen Drucks und somit eine rie ein. Außerdem kann der Chirurg intraoperativ
verminderte Sogwirkung des linken Ventrikels zu einen Pulmonaliskatheter legen. Der Katheter dient
vermeiden. Die meist hohe Zahl der Thoraxdraina- der postoperativen Diagnostik des pulmonalen Hy-
gen und die damit verbundenen Schmerzen beein- pertonus.
trächtigen oft die Spontanatmung, sodass eine aus- Auslöser für eine pulmonalhypertensive Krise
reichende Analgesie erforderlich ist. können Hypoxämie, Hyperkapnie, Azidose, Stress
Pflegende ersetzen die hohen Drainagenverluste und Hypo- bzw. Hyperthermie sein.
nach Arztanordnung und unter ZVD-Kontrolle mit
eiweißhaltigen Lösungen, z. B. HA 5 % oder FFP. Der Die wichtigste Maßnahme ist die Prophylaxe einer pulmo-
Arzt strebt eine positive Flüssigkeitsbilanz an. nalhypertensiven Krise.
Kommt es zur Ausbildung eines Aszites, messen Um dies zu erreichen, beatmet man die Kinder lange un-
Pflegende mind. einmal pro Schicht den Bauchum- ter leichter Hyperventilation. Der paCO2-Wert soll zwi-
fang und beurteilen zu jeder Pflegerunde die Darm- schen 30–35 mmHg bleiben und der paO2 zwischen
geräusche. Zur Entlastung des Zwerchfells bringen 100–120 mmHg, um eine zusätzliche Senkung des Lun-
gengefäßwiderstands zu erreichen.
Pflegende das Kind in eine fast sitzende Position.

Die Entstehung einer Azidose ist unbedingt zu ver-


14.7.6  Pulmonalhypertensive Krise meiden. Bei einer bereits bestehenden Azidose ver-
ordnet der Arzt frühzeitig Pufferlösungen, um den
Patienten mit einer hämodynamisch relevanten Blut-pH im Normbereich bis leicht alkalisch zu hal-
Verbindung zwischen großem und kleinem Kreis- ten. Zur Vermeidung von Schmerzen und Unruhe-
lauf, z. B. VSD, CAVSD, können eine pulmonale Hy- zuständen während der Nachbeatmung ordnet der
pertonie entwickeln. Auch nach der Korrekturope- Arzt eine Analgosedierung in Form einer DTI an,
14.7  Operationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine 289

z. B. mit einer Fentanyl/Midazolam-Mischung, er- dinieren, dass das Kind ausreichend lange und un-
gänzt ggf. durch Bolusrelaxierung. unterbrochene Ruhephasen hat.
Die Pflegenden sind für die korrekte Verabreichung
der angeordneten Medikamente verantwortlich.
Pflegerische Besonderheiten
Intravenöse Medikamente, z. B. Ilomedin® zur
Die Überwachung des Kindes folgt dem Prinzip des Senkung des PAP, können an den Swan-Ganz-Ka-
Grundmonitorings 2 (siehe oben) Besonderes Au- theter angeschlossen werden, um ihre Wirkung zu
genmerk ist auf die Parameter zu richten, die eine optimieren. (cave: diese Medikamente können einen 14
pulmonalhypertensive Krise ankündigen. Dazu ge- systemischen MAD-Abfall bewirken.) Zudem kann
hören in erster Linie: ZVD, PAP, LAP ↓ und MAD ↓. Nifidipin sublingual verabreicht werden.
Bei einer hypertensiven Krise kommt es zum An- Fällt der PA-Druck durch die genannten Maßnah-
stieg der Herzfrequenz und zum Abfall der Sauer- men nicht, ordnet der Arzt die Beimengung von
stoffsättigung. Stickstoffmonoxid (NO) in die Beatmung an. Dieses
PAP und MAD sind also nicht isoliert zu betrach- Gas senkt selektiv den Lungengefäßwiderstand.
ten. Nur bei einem gleichzeitigen Anstieg von ZVD Alternativ stehen auch inhalative Prostazykline
und einem Abfall der SpO2 ist von einer pulmonalhy- zur Verfügung, z. B. Ventavis®. Dabei ist zu beach-
pertensiven Krise zu sprechen, andernfalls können ten, dass hierfür spezielle Ultraschallvernebler zu
bei einem Anstieg des PAP auch eine Katheterfehlla- verwenden sind.
ge oder andere Ursachen vorliegen.
Die Pflegenden gestalten die Umgebung des Kin- Atmung
des möglichst ruhig. Sie achten außerdem auf ad- Das endotracheale Absaugen stellt eine der belas-
äquate Analgesie, um dem Kind die größtmögliche tendsten Maßnahmen für das Kind dar. Hierbei
Ruhe und Sicherheit zu vermitteln. kann es zu Hypoxämie, Hyperkapnie, Azidose und
Um Stress für das Kind zu vermeiden sind pflege- Stress kommen. Um dies zu vermeiden, überprüfen
rische und ärztliche Maßnahmen zeitlich so zu koor- Pflegende vor der Maßnahme die Analgesie, indem

Pulmonalhypertensive Krise
ZVD/PAP ⇈, MAD ⇊, SO2⇊

FiO2 sofort 1,0 Analgesie


pCO2-Reduktion mit hochfrequenter Sedierung
Ambu-Beutel-Beatmung Relaxierung

Keine Besserung Keine Besserung

Reanimation

Besserung (auch stabile Besserung (auch stabile Besserung (auch stabile


Parameter) oder Stabilisierung? Parameter) oder Stabilisierung? Parameter) oder Stabilisierung?

pCO2 30–35 mmHg


Daueranalgosedierung
Prostazyklin (Flolan®)
Nifedipin (Adalat®)
NO-Beatmung
Iloprost®-Inhalation

Abb. 14.13  Maßnahmen bei einer pulmonalhypertensiven Krise. [L157]


290 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

sie die Pupillen hinsichtlich Weite und Bewegungen sedierung ist erforderlich, um Schmerzen bei Bewe-
sowie die Mimik des Kindes kontrollieren. Nach gungen im Thoraxbereich, Gegenatmen und Pressen
Arztanordnung verabreichen sie Boli der laufenden zu vermeiden. In manchen Kliniken erfolgt eine re-
Analgosedierung/Relaxierung. Pflegende präoxyge- gelmäßige Muskelrelaxierung. Bei der Beatmung ist
nieren das Kind mit 100 % O2. Bei erhöhtem endex- evtl. ein höherer Flow notwendig, da der intrathora-
spiratorischem oder transkutanem CO2 hyperventi- kale Gegendruck deutlich reduziert ist.
lieren sie es in Absprache mit dem Arzt. Die substernale Drainage fördert fast immer Luft,
14 Ein schnelles, effizientes und damit schonenderes da die Wundränder des Epigard®-Patches nicht luft-
Absaugen erzielen sie mithilfe der Anwendung eines dicht schließen. Abhilfe schafft ein Folienverband, den
geschlossenen Absaugsystems (› 12.1.3) oder füh- der Chirurg noch im OP aufbringt. Thoraxdrainagen
ren die Bronchialtoilette generell mit der Unterstüt- und Mediastinaldrainagen sind grundsätzlich über
zung einer zweiten Pflegekraft durch. zwei getrennte Sogeinheiten anzuschließen. Ein unge-
Während des Absaugens und unmittelbar danach hinderter Abfluss sollte durch regelmäßiges „Melken“
achten Pflegende auf das Verhältnis von PAP und gewährleistet werden. Die Pflegenden beobachten und
MAD. Kommt es zu einem Anstieg des PAP bei dokumentieren die Höhe der Membran, um Zeichen
gleich bleibendem oder fallendem MAD, hyperven- einer Tamponade rechtzeitig zu erkennen.
tilieren Pflegende das Kind sofort mit 100 % O2 und
verständigen den Arzt. Verbandswechsel
Das offene Sternum ist mit einem sterilen Folienver-
band versorgt. Ein VW erfolgt bei massiver Nach-
14.7.7  Offener Thorax blutung oder nach 48 Std. durch den Chirurgen.
Während des Verbandswechsels schließen Pfle-
Erwartet der Herzchirurg nach der Operation ein gende Fenster und Türen und bitten alle nicht betei-
ausgeprägtes Myokardödem, verdrahtet er das Ster- ligten Personen aus dem Zimmer. Die Pflegekraft
num nicht, sondern deckt die OP-Wunde mit Epi- entfernt mit unsterilen Handschuhen vorsichtig den
gard® ab. Hierdurch erhält das Myokard die Mög- Pflaster- oder Folienverband. Der Chirurg reinigt
lichkeit, sich trotz des Ödems ausreichend zu kon- unter sterilen Bedingungen die Wundränder mit Oc-
trahieren, da die Thoraxwand keinen Gegendruck tenisept® oder Braunol®. Anschließend bringt er ei-
verursacht. Im Falle einer Reanimation kann der nen neuen Folienverband auf. In der Regel ist das
Chirurg schnell eine interne Herzdruckmassage Ödem nach 2–3 Tagen abgeklungen und der Herz-
durchführen. chirurg kann das Sternum problemlos verschließen.

Pflegerische Besonderheiten
Durch den offenen Thorax kommt es oft zu einer 14.8  Schock
Thermolabilität daher sollte die Pflege eines Säug- Diana Löscher
lings mit offenem Thorax in einer offenen Wärme-
einheit mit einer Antidekubitusmatratze und der DEFINITION
Möglichkeit der Wärmezufuhr von unten und oben Schock: Dekompensation des Kreislaufs. Es kommt zur
erfolgen. Größere Patienten sollten in Wechsel- Kreislaufzentralisation, die zur bevorzugten Durchblutung
druckbetten mit Wärmezufuhrmöglichkeit gelagert von Gehirn, Lunge und Herz führt. Der Abfall des arteriellen
Blutdrucks stört die Mikrozirkulation und verursacht eine
werden. Bei der Übernahme aus dem OP betten Pfle- Unterversorgung der Zellen mit Sauerstoff und Substraten.
gekräfte das Kind vorsichtig um, da der Thorax sehr Der zelluläre Sauerstoffmangel führt zur Energiegewinnung
instabil ist. Sie lagern das Kind flach auf den Rücken über anaerobe Glykolyse, wobei sich saure Metabolite an-
in 30° Oberkörperhochlagerung und sorgen für in- häufen (eine Laktatazidose entsteht). Mit dem sinkenden
termittierende Druckentlastung durch wechselseiti- pH-Wert des Blutes reduziert sich auch die periphere Vaso-
ge Unterlagerung der Anti-Dekubitus-Matratze mit konstriktion und das zuvor zentralisierte Blutvolumen „ver-
kleinen Handtuchrollen. Eine angemessene Analgo- sackt“ in der Peripherie (dekompensierter Schock).
14.8  Schock 291

Typische Organschäden durch einen Schock sind 30° erhöht und die Beine tief. Damit erzielen sie eine
z. B. die „Schocklunge“ (ARDS), die „Schocknieren“ Vor- und Nachlastsenkung und somit eine Herzent-
und generalisiert das Multiorganversagen (MOV). lastung. Zu Beginn entspricht die Überwachung
dem Prinzip des Grundmonitorings für ein stabiles
VORSICHT Kind (› oben). Je nach klinischem Zustand erwei-
Jeder Schock bedeutet akute Lebensgefahr. tern Pflegende das Monitoring durch eine Messung
des ZVD und des arteriellen Blutdrucks. Bei ausrei-
chender Spontanatmung erhält das Kind O2 über ei- 14
Allgemeine Symptome
ne Nasensonde. Verschlechtert sich die Spontanat-
• blasse, marmorierte, kühle und feuchte Haut; ei- mung, erfolgen Intubation und Beatmung. Unruhe
ne Rekapillarisierungszeit (RZ) >1 Sek. spricht kann eine bestehende Herzinsuffizienz negativ be-
für Zentralisation einflussen und ist unbedingt zu vermeiden. Bringen
• ΔT 7–10 °C alternative Maßnahmen (›  14.3) nicht die ge-
• Tachykardie mit flachem Puls (Kompensation für wünschte Ruhe, ist es sinnvoll, das Kind zu sedieren.
vermindertes HZV)
• Tachydyspnoe (Versuch, die Azidose respirato- Therapie
risch zu kompensieren und O2-Gehalt zu stei-
gern) Die medikamentöse Therapie verfolgt das Ziel, die
• niedriger Blutdruck mit kleiner Amplitude Vor- und Nachlast zu senken und die Kontraktilität
• Oligurie bis Anurie des Herzens zu verbessern. Dies erreicht der Arzt
• anfangs Unruhe, Angst und Panik, dann zuneh- durch die Gabe von Furosemid zur Verbesserung
mende Bewusstseinstrübung bis zur Bewusstlo- der Diurese (Vorlastsenkung), Vasodilatatoren
sigkeit (Nachlastsenkung) und inotropen Medikamenten
(Kontraktilitätssteigerung). Eventuell auftretende
HRST therapiert er mit Antiarrhythmika und ggf.
14.8.1  Kardiogener Schock durch eine elektrische Therapie. Eine metabolische
Azidose ist mit Natriumbikarbonat, bei hohen pa-
Auslöser eines kardiogenen Schocks sind z. B. Ta- CO2-Werten mit TRIS-Puffer zu korrigieren. Die
chyarrhythmien, akute Herzinsuffizienz, Perikard- Pflegenden sind für die korrekte Verabreichung der
tamponade, Spannungspneumothorax, pulmonalhy- Medikamente nach Anordnung durch den Arzt ver-
pertensive Krise oder die PPHN des Neugeborenen. antwortlich.

Symptome
14.8.2  Hypovolämischer Schock
Die Zeichen des kardiogenen Schocks entsprechen
in erster Linie den allgemeinen Schocksymptomen. Auslöser eines hypovolämischen Schocks sind
Bei einer Rechtsherzinsuffizienz steigt der ZVD, die Blut- und Plasmaverluste oder auch eine Volumen-
Jugularvenen sind gestaut und die Leber ist vergrö- verschiebung von intravasal nach extravasal, z. B.
ßert. Eine Linksherzinsuffizienz führt zu einem An- bei großflächigen Verbrennungen, Ileus, Polyurie,
stieg des LAP, brodelndem Atemgeräusch, zur Ta- Gastroenteritis.
chykardie und Hypotonie. Die Kinder sind dys- und Es treten die allgemeinen Schocksymptome auf.
orthopnoeisch und leiden unter extremer Angst. Die Pflegenden bringen das Kind in eine Schock-
lagerung (Trendelenburg-Lage ›  8.4), um durch
die damit erzielte künstliche Erhöhung des Blutvolu-
Pflegerische Erstmaßnahmen
mens die Durchblutung der wichtigsten Organe auf-
Die Erstmaßnahmen bei einem kardiogenen Schock recht zu erhalten. Für die Überwachung gilt das
unterscheiden sich von denen bei anderen Schock- Grundmonitoring 1, ergänzt ggf. durch die Anlage
formen. Die Pflegenden lagern den Oberkörper um eines ZVKs mit ZVD-Messung (siehe oben). An ers-
292 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

ter Stelle steht die Substitution von Volumen. Je • sinkendes HZV


nach Ursache verordnet der Arzt kristalloide Lösun- • pulmonaler Gasaustausch verschlechtert sich zu-
gen, z. B. NaCl 0,9 % und Ringer-Lösung, oder kollo- nehmend, CO2
idale Lösungen, wie Blut, Plasma, Humanalbumin • Endotoxine aktivieren das Gerinnungssystem
oder HAES. Die Pflegenden führen eine sorgfältige (DIC, die Gerinnsel erschweren die Gewebeperfu-
Flüssigkeitsbilanz, um eine Hypervolämie zu ver- sion zusätzlich)
meiden. • ausgelöst durch die DIC kommt es zum erhöhten
14 Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und somit
zur Verbrauchskoagulopathie (Haut-, Schleim-
14.8.3  Septischer Schock haut- und evtl. Hirnblutungen)
• grau-blasses, extrem marmoriertes Hautkolorit
Der septische Schock ist durch ein massives Kapil- (klinisches Bild erinnert an „Leichenflecken“)
larleck gekennzeichnet. Es entsteht, wenn während • Δ ≥ 5 °C
einer Bakteriämie Endotoxine ins Gefäßsystem ge-
langen und dort über freigesetzte Mediatoren die
Pflegerische Besonderheiten und Therapie
Permeabilität der Membranen erhöhen. Die Folgen
sind der Austritt intravasaler Flüssigkeit in das In- • Die Therapie ist von der Klinik des Kindes abhän-
terstitium, generalisierte Ödeme sowie ein intrava- gig. Im „warmen“ Schock ist ggf. eine konservati-
saler Volumenmangel. Zusätzlich entstehen arterio- ve Therapie mit Antibiotika, Volumenzufuhr und
venöse Shunts, über die weder ein Gasaustausch Stressreduktion möglich.
noch ein Abtransport von Stoffwechselprodukten • Kommt es zum Übergang in den „kalten“ Schock,
stattfinden. Es kommt zum hypoxischen Zellstoff- sind Intubation und Beatmung indiziert. Es er-
wechsel und in dessen Folge zur anaeroben Glykoly- folgt die Anlage eines ZVK und die Entnahme ei-
se mit Ausbildung einer Laktatazidose. ner Blutkultur zum Erregernachweis.
• Unter ZVD-Kontrolle ordnet der Arzt großzügig
Volumen in Form von NaCl 0,9 %, Ringer-Lösung
Symptome
und ggf. kolloidalen Lösungen an. Noch bevor ein
„Warmer Schock“ Erregernachweis und das dazugehörige Antibio-
In der Anfangsphase versucht der Körper, die Min- gramm vorliegen, beginnt der Arzt mit einer an-
derfunktionen zu kompensieren (hyperdyname tibiotischen Therapie.
Phase des septischen Schocks): • Hält die Schocksymptomatik an, kann eine Kate-
• Tachykardie, um das HZV zu steigern cholaminzufuhr und somit eine arterielle Druck-
• zunächst normale Blutdruckwerte, dann Abfall messung erforderlich sein. Zeigt das Kind Symp-
des arteriellen Blutdrucks durch den intravasalen tome einer DIC, ordnet der Arzt eine Dauerhepa-
Volumenmangel sowie eine große Blutdruck- rinisierung in geringer Dosierung an und verab-
amplitude reicht ggf. AT III.
• Fieber, ΔT ≤ 5 °C • Bei unklarem Fokus der Sepsis ist eine Lumbal-
Bei Früh- und Neugeborenen treten oft nur unspezi- punktion erforderlich.
fische Zeichen, z. B. Hypothermie, Apnoe, Magen-
reste, aufgetriebenes Abdomen oder marmoriertes
Hautkolorit auf. Die Kinder sehen „schlecht“ aus 14.8.4  Anaphylaktischer Schock
und sind „irgendwie auffällig“.
Auslöser eines anaphylaktischen Schocks ist der
„Kalter Schock“ Kontakt mit einem Antigen oder Allergen (z. B.
Sind die anfänglichen Kompensationsmechanismen Röntgenkontrastmittel, Medikamente, Blutderivate,
ausgereizt, reagiert der Körper mit einer ausgepräg- Latex), der zur Freisetzung von Histaminen aus den
ten Vasokonstriktion (hypodyname Phase des septi- Mastzellen führt. Histamine bewirken eine Permea-
schen Schocks): bilitätsstörung der Zellmembranen und somit Was-
14.9  Chylothorax 293

seraustritt aus der Zelle (Ödembildung). Die Folge gen an, z. B. Humanalbumin 5 %. Außerdem erfolgt
ist ein intravasaler Volumenmangel bei Vasodilata- die Gabe von Kortison, um eine Stabilisierung der
tion der Gefäße. Zellmembranen zu erzielen, die Spasmolyse zu un-
terstützen und der allgemeinen Ödembildung entge-
genzuwirken. Theophyllin erweitert die Bronchien,
Symptome
verbessert die mukoziliäre Clearance und lindert die
• in- und exspiratorischer Stridor, Bronchospas- Atemnot. Zur Stressreduktion dienen ggf. Sedativa.
mus, Dyspnoe, Lungenödem mit blutig-schaumi- 14
gem Trachealsekret (Atemnot, Zyanose)
• Blutdruckabfall, Tachykardie
• Juckreiz, Urtikaria, Rötungen, Quaddeln 14.9  Chylothorax
• Quincke-Ödem: Larynx- und Lidödem Diana Löscher

Pflegerische Besonderheiten und Therapie DEFINITION


Chylothorax: Ansammlung von Lymphe in einer oder
Die vordringlichste Maßnahme ist die sofortige Un- beiden Pleurahöhlen.
terbrechung des Kontaktes mit dem Allergen, soweit
es bekannt ist. Besteht der Verdacht auf einen ana-
phylaktischen Schock, ohne dass in der Anamnese Die Lymphe tritt durch einen angeborenen Defekt,
eine Allergie angegeben ist, überprüft der Arzt alle die Verletzung kleiner Lymphgefäße bei Operatio-
mit dem Kind in Berührung kommenden Medika- nen im Thoraxbereich oder durch entzündliche Pro-
mente, Materialien u. a. hinsichtlich ihrer allergisie- zesse aus.
renden Wirkung. Eine sofortige Beendigung der Zu-
fuhr des mutmaßlichen Auslösers, ist unabdingbar.
Symptome
Die Symptome eines anaphylaktischen Schocks kön-
nen sich innerhalb von Minuten verstärken. Deshalb • Tachydyspnoe, Zyanose
ist die Anlage eines intravenösen Zugangs dringlich, • bei Punktion oder liegender Thoraxdrainage:
falls dieser noch nicht vorhanden ist. Die Applika­tion – vor Nahrungsbeginn: gelbes, klares Pleurase-
von Sauerstoff ist empfohlen. Bei schwerwiegenden kret
pulmonalen Reaktionen kann eine Intuba­tion und – nach Nahrungsaufnahme: milchig-trübes, ge-
die Gabe von 100 % Sauerstoff notwendig sein. In sel- ruchloses und sehr viel Pleurasekret
tenen Fällen, etwa bei einem ausgeprägten Larynx-
ödem, lässt sich die Oxigenierung nur über eine Ko-
Diagnostik
niotomie oder Nottracheotomie mit anschließender
Beatmung sicherstellen. Ist die Ausprägung des ana- • Laboranalyse des Punktats oder des Drainagense-
phylaktischen Schocks massiv (Stadium IV), ist meist kretes sowie eine parallele Serumanalyse
eine kardiopulmonale Reanimation (›  20.1) not- • Gabe von Methylenblau über die Magensonde.
wendig. Pflegende lagern das Kind im Anschluss auf Tritt der blaue Farbstoff nach ca. 1 Std. über die
den Rücken und mit leicht erhöhtem Oberkörper. Bei Pleuradrainage aus, liegt ein Chylothorax vor
länger dauernder Reanimation erfolgt eine entspre-
chende Lagerung und Pflege (› 20.2.3).
Therapie
Folgende Medikamente haben sich in der Therapie
des anaphylaktischen Schocks bewährt: Adrenalin Primäres Ziel ist die Entfernung des Chylus aus den
(inhalativ, intratracheal, i. m., s. c., i. v.), Antihistami- Pleurahöhlen durch Punktion oder über eine Drai-
nika (Fenistil®), Glukokortikoide und Volumen. Der nage.
Arzt ordnet diese entsprechend an. Zum Ausgleich Die Therapie kann konservativ in erster Linie mit
der meist vorhandenen intravasalen Hypovolämie fettfreier bzw. -armer oder totaler parenteraler Er-
ordnet der Arzt Volumen in Form kolloidaler Lösun- nährung erfolgen. Bringen diese Maßnahmen nicht
294 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

den erwünschten Erfolg (eher selten), ligiert der nährung erfolgt zunächst hochkalorisch parenteral.
Arzt den Ductus thoracicus mittels Fibrinverkle- Die enterale Nahrungszufuhr beginnt mit einem
bung. Wichtig ist der ausreichende Ersatz der über Tee-Tag, anschließend verabreichen Pflegende ext-
den Chylus verlorenen Substanzen, z. B. durch Im- rem fettarme Nahrung oder Flaschennahrung mit
munglobuline oder Eiweiß. Durch ihren Verlust ist mittelkettigen Triglyzeriden (MCT) über circa 10
die Infektionsgefahr erhöht. Tage. Sind die Drainagenverluste deutlich rückläu-
fig, beginnen Pflegende langsam mit der normalen
14 Ernährung.
Pflegerische Besonderheiten
Da langkettige Fettsäuren den Lymphfluss weiter
Da ein Chylothorax meist im Anschluss an eine steigern und so den Chylothorax unterhalten, sind
Herzoperation mit Sternotomie auftritt, behalten kurz- und mittelkettige Fettsäuren zu bevorzugen.
Pflegende das postoperative Monitoring bei. Zusätz- Sie werden direkt in der Leber resorbiert, ohne neu-
lich zur Flüssigkeitsbilanzierung widmen sie ihre en Chylus zu bilden. Hierdurch reduzieren sich Vo-
Aufmerksamkeit der Überwachung des Hauttugors lumen und Fettgehalt des Pleurasekrets.
und führen möglichst 1–2-tägig eine Gewichtskont- Ab dem Nahrungsbeginn beobachten Pflegende
rolle durch. das Pleurasekret hinsichtlich Menge, Aussehen und
Bei Symptomen wie Fieber, entzündete Katheter- Konsistenz. Wird es unter der Ernährung mit MCT
und Drainageneintrittsstellen und Verbrennungen erneut trübe und milchig, ordnet der Arzt eine wei-
durch transkutane pO2/pCO2-Sonden schließt der tere Phase parenteraler oder MCT-freier Ernährung
Arzt eine Infektion aus bzw. beginnt rechtzeitig, sie an. Tritt keine Besserung ein, erwägt der Arzt die
zu therapieren. Die Drainage kann erhebliche chirurgische Intervention.
Schmerzen bereiten, deshalb achten Pflegende auf Nach einer einmaligen Punktion legen Pflegende
verbale und nonverbale Schmerzäußerungen des über der Punktionsstelle einen Dachziegelverband
Kindes und geben ihre Beobachtungen an den Arzt an. Die Drainageneintrittsstellen bleiben frei, damit
weiter. die Pflegenden sie zu jeder Pflegerunde kontrollie-
Aufgrund des vorhandenen Pleurasekretes und ren können, ebenso wie die Fixierung der Draina-
der liegenden Drainagen kommt es meist zu einer gen.
beeinträchtigten Atmung, die wirkungsvoll durch Lange liegende Drainagen können zu Mazeratio-
eine Physiotherapie unter ausreichender Analgesie nen des umliegenden Gewebes führen. Dies bedenkt
zu unterstützen ist. Evtl. ist eine Sauerstoffgabe nö- der Arzt vor dem Ziehen der Drainage, da in diesem
tig. Um eine Okklusion der Drainagen durch den Fall die Tabaksbeutelnaht beim Verknoten ausrei-
meist hohen Eiweißanteil im Sekret und seinen ßen kann und somit ein sicherer Thoraxverschluss
Rückstau zu vermeiden, kneten oder „melken“ Pfle- nicht gewährleistet ist. Deshalb ist vor dem Ziehen
gende die Drainagen mind. alle 4 Std. In demselben des Drainagenschlauches eine Kontrolle der Naht
Intervall kontrollieren sie das Sekret hinsichtlich indiziert, bei Bedarf legt der Arzt sie neu an.
Menge und Aussehen und dokumentieren sämtliche
Befunde. VERWENDETE LITERATUR
Sofern keine Eigenaktivität vorhanden ist, lagern www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/061–025_S2_Akut­
therapie_anaphylaktischer_Reaktio­
Pflegende die Kinder mit erhöhtem Oberkörper und nen_04–2007_04–2011_01.pdf (Letzter Zugriff am
führen regelmäßig Umlagerungen auf die Seite 16.1.2012)
durch. Nach der Punktion des Ergusses erfolgt die www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/079–001l_S2k_Sep­
Lagerung zunächst auf der betroffenen Seite. sis_Leitlinientext_01.pdf (Letzter Zugriff am 16.1.2012)
Im Punktat enthaltene Triglyzeride, Cholesterin, Biewer, E. S. et al.: Chylothorax after surgery on congenital
heart disease in newborns and infants – risk factors and
Erythrozyten und Elektrolyte substituiert der Arzt efficacy of MCT-diet, 2011.
entsprechend den Blutwerten des Kindes. Die Er-
14.10  Herztransplantation 295

14.10  Herztransplantation Die präoperative Vorbereitung umfasst:


Yvonne Freitag, Maren Grabicki • Abführmaßnahmen
• Grundpflege
• Ganzkörperrasur (elektrischer Rasierer → gerin-
Indikationen gere Verletzungsgefahr)
Die Herztransplantation ist indiziert bei hochgra- • Waschung mit Octenisept®
diger Einschränkung der Herzfunktion und bei Er- In der Klinik erhält das Kind dann intravenöse Zu-
krankungen des Herzens mit terminaler Herzinsuffi- gänge für die Narkoseeinleitung und damit die erste 14
zienz, z. B.: und „hochdosierte“ Immunsuppression, die Induk-
• erworbenen Herzerkrankungen, z. B. Kardiomyo- tionstherapie mit Methylprednisolon und einem
pathien, Myokarditis (Entzündung des Herzmus- Antikörper, z. B. Basiliximab (Simulect®) oder in
kels), Erkrankungen der Herzklappen Ausnahmefällen Thymoglobin® (polyclonaler Thy-
• angeborenen, komplexen Herzfehlern, z. B. hypo- mozyten-Antikörper). Zusätzlich erhält der Patient
plastisches-Linksherz-Syndrom (HLHS), univen- oral einen Calcineurininhibitor (z. B. Ciclosporin A
trikuläre Herzen, dilatative Kardiomyopathien oder Tacrolimus).
• primären Herztumoren Diese initiale Therapie dient der Verhinderung
Nach Ausschöpfung aller pharmakologischen und der akuten Abstoßung des neuen Organs.
konventionell kardiochirurgischen Therapien bleibt Pflegekräfte bereiten die Medikamente auf der
die Herztransplantation neben der Implantation eines Station vor und geben sie in den OP mit.
Assist-Systems die zurzeit einzige Therapieoption.
Vorbereitung des Patientenzimmers
Vorbereitung zur Herztransplantation
Die Pflege eines herztransplantierten Kindes erfolgt, Nach der Grundreinigung des Zimmers erfolgt die
wenn möglich, in einem Einzelzimmer, da seine Ab- Aufrüstung mit Pflegeutensilien und Wäsche. Pfle-
wehrkräfte durch die Immunsuppression extrem gende überprüfen Monitor, Absaugung, Perfusoren,
geschwächt sind. Besucher sind verpflichtet, dem Sogdrainage, Sauerstoffanschluss und Beatmungs-
Hygienestandard der Klinik angepasst, unsterile Kit- gerät auf Vollständigkeit und Funktion. Sie stellen
tel, Handschuhe und Mund-Nasen-Schutz überzu- einen externen Schrittmacher sowie die üblichen,
ziehen. postoperativ benötigten Medikamente und Infusi-
Bei Einzelversorgung des Patienten sind für das onslösungen im Zimmer bereit, um die ununterbro-
Personal Handschuhe und Mund-Nasen-Schutz chene Anwesenheit einer Pflegekraft unmittelbar
ausreichend. Bei Betreuung in Mehrbettzimmern, nach der Operation zu gewährleisten. Zusätzlich be-
ist zusätzlich eine Kittelpflege empfohlen. reiten sie Dokumentationsunterlagen, Krankenakte,
Blutentnahmematerialien, Patienten- und Laboreti-
VORSICHT ketten vor.
Personen mit einem viralen oder bakteriellen Infekt dür- Die Ankündigung des Transports des Kindes vom
fen das Zimmer eines herztransplantierten Patienten nur Operationssaal auf die Intensivstation erfolgt durch
nach Absprache mit dem behandelnden Arzt betreten die anästhesiologische Abteilung sowie die Informa-
(gilt auch für andere Organtransplantationen).
tion über den klinischen Zustand des Kindes.

Vorbereitung des Kindes Übernahme des Kindes aus dem OP


Nach Meldung durch Eurotransplant, dass ein pas- Ein Team der Intensivstation, bestehend aus einem
sendes Spenderherz zur Verfügung steht, benach- Facharzt und zwei Pflegenden, nehmen das Kind –
richtigt der Arzt die Eltern und ggf. auch das Kind vorschriftsmäßig gekleidet, mit Mund-Nasen-Schutz
persönlich oder telefonisch über das Organangebot. und Handschuhen – in Empfang (› Tab. 14.3).
Sechs Stunden vor der OP sollte das Kind, wenn Das postoperative Röntgenbild gibt Aufschluss
möglich, keine feste Nahrung mehr zu sich genom- über die Größe des Herzens, die Lungenbelüftung,
men haben. evtl. vorhandene Pleuraergüsse, die Tubuslage und
296 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

die Lage der zentralvenösen Katheter. Je nach Be- Pflegerische Besonderheiten bei der
fund gibt der Arzt Anweisung zur Korrektur der La- Immunsuppressionstherapie
ge des Tubus.
Lageveränderungen von zentralvenösen Zugän- Immunsuppressionstherapie › 13.5.2
gen erfolgen nur durch den Arzt. Die Hauptprobleme nach einer erfolgreichen Org-
Im weiteren Verlauf gilt initial und bis zur hämo- antransplantation sind Infektionen und die Gefahr
dynamischen Stabilisierung „Minimal Handling“. der Abstoßung durch das Immunsystems des Emp-
14 fängers.
Monitoring Ziel ist es, die immunologische Abwehr durch die
Pflegende überwachen postoperativ folgende Vital- Gabe von Immunsuppressiva, unter weitgehender
parameter: Vermeidung unerwünschter Wirkungen herabzu-
• SpO2 setzen. Die Therapie beginnt bereits präoperativ und
• Herzfrequenz – die Eigenfrequenz des Spender- ist lebenslang fortzusetzen.
herzens kann vor allem unter Sedierung für eini- Die Verabreichung der Medikamente erfordert
ge Tage langsamer sein. In diesem Fall ist der höchste Sorgfalt.
Einsatz eines Schrittmachers indiziert, um ein Bis zur oralen Verträglichkeit sind die Immun-
optimales Herzfrequenzniveau und Herzzeitvolu- suppressiva i. v. zu verabreichen. Je nach Körperge-
men zu erreichen wicht und Bilanz sollten Pflegekräfte Ciclosporin A
• zentralvenöser Druck (ZVD): Ziel ist ein Wert in mind. 30 ml Flüssigkeit (z. B. NaCl 0,9 %) auflösen
< 10 mmHg. Der ZVD ermöglicht Aussagen über und als Infusion über 4–6 Std. verabreichen.
den intravasalen Flüssigkeitszustand und die In der ersten Zeit erfolgt eine tägliche Ciclosporin
Rechtsherzfunktion. Der rechte Ventrikel des A-Spiegelkontrolle.
Spenderherzens ist nicht druckadaptiert, muss je- Ein zu hoher Ciclosporin A-Spiegel führt zu (zere-
doch postoperativ meistens gegen einen erhöhten braler) Krampfneigung der Patienten und mögli-
pulmonalen Gefäßwiderstand arbeiten. Gefahr: cherweise zu akutem Nierenversagen.
Akutes Rechtsherzversagen und akute Rechts- Ein zu niedriger Spiegel führt zu Abstoßungsreak-
herzdilatation; Rechtsherzmonitoring und eine tionen.
pulmonale Nachlastsenkung sind unbedingt er-
forderlich (Hyperventilation, Behandlung mit Induktionstherapie
Ilomedin® oder einer NO-Inhalations-Therapie) Direkt nach der Operation ist zusätzlich zu der intra-
• Dauer der Analgosedierung hängt vom pulmona- operativen Therapie noch eine Fortführung der In-
len Widerstand des Empfängers und der Funkti- duktionstherapie notwendig.
on des Spenderherzens ab Meistens erfolgen noch 1–2 Gaben von spezi­
• arterieller Blutdruck wird gesteuert durch NTG fischen Antikörpern (Simulect oder ATG) in den
und Adrenalin Perfusor. Das denervierte Herz ersten postoperativen Tagen. Diese sind unter Be-
zeigt ein anderes Ansprechen auf das vegetative rücksichtigung der aktuellen Medikamentenemp-
Nervensystem, daher sollte präferenziell die Gabe fehlungen, in genauem zeitlichem Schema sowie
von direkten β1 und β2 Symphatomimetika, z. B. nach besonderer ärztlicher Rücksprache (Menge,
Adrenalin, erfolgen. Noradrenalin ist zu vermei- Verdünnung, Medium, Dauer) zu verabreichen.
den Bei der Verabreichung der Antikörper bedenken
• Diurese – angepasstes Volumenmanagement Pflegende stets das Risiko einer allergischen Reak­
(Ciclosporin A wirkt nierentoxisch). Eine konti- tion, daher darf z. B. zu dem Zeitpunkt der Verabrei-
nuierliche Ausscheidung von 2–3 ml/kg/h mit ei- chung keine erhöhte Temperatur vorliegen oder
ner Negativbilanz ist anzustreben gleichzeitige Verabreichung anderer allergener Sub-
• Temperatur zentral/peripher stanzen (wie z. B. Bluttransfusion) erfolgen.
• Zur Abstoßungsdiagnostik kann ein Zwei-Kam- In den ersten Tagen wird auch eine hochdosierte
mer-Schrittmacher implantiert werden Kortisontherapie verabreicht, die zu spezifischen
(› 14.10, siehe IMEG) Nebenwirkungen führen kann, z. B. Hyperglykämie,
14.10  Herztransplantation 297

Hypertonus. Nach wenigen Tagen stellt der Arzt die- (oder das Kind selbst) eine sorgfältige Mundpflege
se Therapie auf ein Kortisonreduktionsschema um. (z. B. mit Kamillentee) oder eine Zahnpflege mit ei-
Die Nebenwirkungen sind dennoch nicht auszu- ner weichen Zahnbürste durch (Vermeidung von
schließen. Zahnfleischverletzungen). Im Anschluss erhält das
Kind ein Antimykotikum, z. B. Amphomoronal®-
Die Kontrolle des Ciclosporin A-Spiegels erfolgt niemals Suspension. Die Nagelpflege erfolgt während des
aus dem ZVK-Schenkel, an dem Ciclosporin A appliziert Klinikaufenthaltes ausschließlich mit der Nagelpfei-
wurde, da es sonst zu verfälschten (hohen) Ciclosporin le (Verletzungsgefahr). 14
A-Werten kommen kann. Um dies zu vermeiden, kenn-
zeichnen Pflegende den Ciclosporin A-Schenkel stets. Umgang mit zentralvenösen Zugängen
Die Spiegelkontrolle erfolgt immer vor der Medika­men­ Der Kontakt erfolgt nur nach Händedesinfektion
ten­gabe, sofern dies nicht explizit anders angeordnet
ist.
und mit unsterilen Handschuhen. Bei der Verwen-
Weiterhin achten Pflegende darauf, die Immunsuppres­ dung von Transparentverbänden wechseln Pflegen-
sion erst nach Aktualisierung der Dosis (durch den zu- de den Verband wöchentlich.
ständigen Arzt) zu verabreichen.
Beatmung
Das Wechselintervall der Beatmungsschläuche ist
Ciclosporin A möglichst rasch auf orale Gaben um- vom verwendeten System und den benutzten Filtern
stellen. Es ist erforderlich, sie stets zur gleichen Ta- abhängig. Empfohlen sind geschlossene Absaugsys-
geszeit, zu Beginn der Mahlzeit, mit stets derselben teme. Pflegende beobachten die Beschaffenheit des
Flüssigkeit zu verabreichen. abgesaugten Sekretes sorgfältig (z. B. Farbe, Konsis-
Ciclosporin A gibt man ausschließlich aus Glas- tenz) und dokumentieren die Befunde exakt.
oder Porzellangefäßen, da der Wirkstoff an Kunstof- Bei Auffälligkeiten nehmen sie eine Probe des Tra-
fen haften bleibt. chealsekrets zur mikrobiologischen Untersuchung
Erbricht der Patient nach der Medikamentenga- ab.
be, erfolgt, je nach Menge des Erbrochenen und Ist der Allgemeinzustand des Kindes stabil, strebt
Zeitabstand zur Medikamentengabe, eine Nachdo- der Arzt eine frühe Extubation und Mobilisation des
sierung nach Arztanordnung. Patienten an.
Folgende Ziele sind anzustreben, um für den Pa­
tienten den gewohnten Lebensablauf schnell wieder
herzustellen und die Infektionsgefahr zu minimie- Tab. 14.3  Zwei Pflegende und ein Arzt koordinieren
ren: ihre Aufgaben während der postoperativen Übernah­
• Zeitnahe Extubation me eines herztransplantierten Kindes auf einer Inten­
• Mobilisation sivstation.
• Oraler Kostaufbau Pflegekraft I und Arzt Pflegekraft II
• Orale Medikamentengabe • Monitor, Beatmungs- • Dokumentation von Vital-
• Rasche Entfernung der zentralvenösen und arte- system, Sogdrainage und Beatmungsparametern,
riellen Zugänge anschließen Zugängen, Ausscheidung,
• Verlegung auf die Normalstation • Kontrolle von Zugän- Infusionen und anderen Be-
gen und Infusionen sonderheiten
• Überprüfung des • Benachrichtigung der Rönt-
Körperpflege
Hautzustands mit be- genabteilung zur Anferti-
Zur Vermeidung von Infektionen durch Bakterien sonderem Augenmerk gung einer Thoraxübersicht
und Pilze aus dem Leitungswasser, erfolgt die Ent- auf Hinterhaupt, Rü- • erste Blutgasanalyse auf der
nahme von Wasser ausschließlich über ein Pall cken und Steiß Station
Aquasafe® Filtersystem. Dieses System ist wöchent- • Anfertigung eines • Abnahme von post OP La-
lich zu wechseln. Ein Wäschewechsel erfolgt nach EKGs bor (Chemie, BB, Gerin-
• transthorakales Echo nung, Laktat)
Bedarf. Nach jeder Mahlzeit führen die Pflegenden
298 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

Abstoßung • echokardiografisch fallen eine verminderte Funk-


Hyperakute, humorale Abstoßung tion des transplantierten Organs auf (Zeichen ei-
• Tritt unmittelbar nach der Transplantation auf. ner höhergradigen Rejektion)
• Verursacht durch zytotoxische Antikörper, die • Perikard-/Pleuraerguss
durch Gabe von Blutprodukten oder Fremdsubs- • IMEG-Verlauf (Abfall der Spannung als Zeichen
tanzen hervorgerufen werden können. der myokardialen Schwellung)
• Sind vor Transplantation entstanden (Antikör- • niedrige Immunsuppression (Medikamenten-
14 perkonzentration HLA-AK gegen das Transplan- spiegelverlauf)
tat) bei inkomplettem „Matching“. Durch eine Herzkatheteruntersuchung mit Biopsie
• Führt häufig zur frühen Transplantatdysfunktion. gibt kann der Arzt eine bestehende akute Abstoßung
Akute zelluläre Abstoßung klar diagnostizieren. Dabei sollten auch immer die
• Kommt häufiger vor. Antikörper (Antikörpersuchtest) im Blut zum Aus-
• Kann trotz Immunsuppression jederzeit auftre- schluss einer humoralen Abstoßung bestimmt wer-
ten, das Risiko ist in den ersten Wochen nach den.
Transplantation erhöht.
• Zytotoxische T-Lymphozyten infiltrieren das Intramyokardiales Elektrogramm
Transplantat und zerstören die Myozyten des
Herzmuskels. Für die Bestimmung des intramyokardialen Elektro-
Unklares Organversagen gramms (IMEG) platziert man üblicherweise zwei
• Tritt sehr selten auf. epikardiale Elektroden auf dem rechten und linken
• Ursache ist häufig ein vorgeschädigtes Transplan- Ventrikel und verbindet sie mit einem Zwei-Kam-
tat durch eine z. B. protrahierte Ischämie wäh- mer-Schrittmacher. Damit lassen sich Spannung
rend des Transports oder der Transplantation. und Herzfrequenz registrieren und der Schrittma-
cher kann auch eine Kammer (RV) stimulieren.
Erkennung von Abstoßungsreaktionen Die Implantation des IMEG-Schrittmachers er-
Die Gefahr der Abstoßung (Rejektion) ist im ersten folgt während der Transplantation. Bei Patienten
Jahr nach HTX am größten. nach Kunstherzexplantation erfolgt sie ca. 3 Wochen
Unspezifische Hinweise auf eine Abstoßungsreak- postoperativ.
tion: In der Nacht (um psychische und physische Ein-
• Veränderung des Trinkverhaltens, Trinkschwä- flüsse zu minimieren) sind die Spannungen mit ei-
che (bei Säuglingen und Kleinkindern) ner entsprechenden Abweichung für jeweils LV und
• Erbrechen RV sowie die Herzfrequenz zu messen. Dies ge-
• Rhythmusstörungen, z. B. Extrasystolen, Tachy- schieht über eine Antennenspule, die der Patient
kardien, Bradykardien abends über das Schrittmacheraggregat auflegt. Ein
• Auffälligkeiten im EKG in Form von Verände- Abfall der Spannung und ein Anstieg der Herzfre-
rungen der Amplitudengröße quenz um mehr als 20 % gilt als Zeichen einer Absto-
• vermehrtes Schwitzen ßung, bedingt durch die myokardiale Schwellung.
• Unruhe/unerklärliches Schreien Die Auswertungszentrale kann die gesammelten
• Mattigkeit, Abgeschlagenheit oder auch Nachlas- Daten morgens per Telefonleitung abrufen und be-
sen der Leistungsfähigkeit, Kopfschmerzen werten.
• allgemeines körperliches Unwohlsein, z. B. abdo- Bei Überschneidung der Herzfrequenz (Anstieg)
minelle Schmerzen durch die Vergrößerung von und der Spannungsamplitude (Abfall) muss der Pa-
Leber und Milz tient zur Echokardiographie einbestellt werden, so-
• Fieber fern nicht z. B. ein Infekt die IMEG-Veränderungen
• tachypnoeische oder dyspnoeische Atmung erklärt. In jedem Fall ist eine ärztliche Rücksprache
• allgemeine Zeichen der Herzinsuffizienz, wie erforderlich.
Vergrößerung der Leber und deutliche Ödeme
(Gewichtszunahme)
14.10  Herztransplantation 299

14

Abb. 14.14  Schema einer mög­


lichen IMEG Abstoßungsüberwa-
chung. [L157]

Das Alltagsleben mit • Rauchen ist streng kontraindiziert. Der Patient


Immunsuppressionstherapie meidet Räume, in denen geraucht wird.

Wesentliche Voraussetzungen für die Betreuung zu


Körperpflege
Hause sind geeignete Wohnverhältnisse und ein an-
gepasstes Verhalten der Familie. Eine gründliche und regelmäßige Körperhygiene ist
für Transplantierte eine Selbstverständlichkeit. Da-
zu können die Kinder übliche Pflegemittel benutzen.
Häusliches Umfeld
Fingernägel dürfen in den ersten Monaten nach der
• Der Patient benötigt nicht in jedem Fall ein eige- Transplantation nur gefeilt und nicht geschnitten
nes Schlafzimmer, es sollte aber eine Separations- werden, um eine Infektion durch Hautverletzungen
möglichkeit während Infektionserkrankungen zu vermeiden.
bestehen. Besonders wichtig sind außerdem die Zahn- und
• Teppiche sollen, wenn möglich, entfernt, zumin- Mundpflege (Risiko einer Gingivahyperplasie durch
dest aber gründlich gereinigt sein. Immunsuppressiva). Die jungen Patienten oder de-
• Topfpflanzen sind zu entfernen oder auf Hydro- ren Eltern inspizieren morgens und abends den
kultursteine umzustellen, da Blumenerde Schim- Mund- und Rachenraum. Zur Vorbeugung einer
melpilze enthält, die den Immunsupprimierten Pilzinfektion nehmen sie für etwa 3 Monate ein An-
gefährden können. timykotikum ein. Bei Zahnarztbesuchen muss der
• Kontakt zu Tieren/Haustieren, die unter tierärzt- behandelnde Arzt sich mit der Klinik in Verbindung
licher Kontrolle stehen, ist für transplantierte Pa- setzen, um ggf. eine Antibiose nach einer Behand-
tienten nicht mehr kontraindiziert, sollte aber im lung festzulegen.
ersten halben Jahr nach Transplantation vermie-
den werden.
Zwischenmenschliche Kontakte
• Die Haltung von Tieren in der Wohnung ist im
ersten Jahr nach Transplantation untersagt. Das transplantierte Kind kann sich ohne Mund-Na-
• Von Katzenhaltung ist wegen der Gefahr der sen-Schutz in seiner Umgebung bewegen. Ausnah-
Übertragung von Toxoplasmose abzuraten. men sind der Aufenthalt in größeren Menschenan-
• Nach Kontakt mit Tieren besteht die Pflicht zur sammlungen, Krankenhäusern und Arztpraxen. Das
Händedesinfektion. Kind vermeidet unbedingt den Kontakt zu infektiö-
300 14  Pflege bei kardiologischen und kardiovaskulären Erkrankungen

sen Personen. Wenn ärztlicherseits keine Einwände Es empfiehlt sich, Besuche beim Kinderarzt früh
bestehen, kann das Kind Sport treiben. genug anzumelden, um den Kontakt mit infektiösen
Der Besuch von Kindergarten oder Schule ist Kindern zu vermeiden.
rasch möglich. In den ersten zwei Jahren nimmt das Kind in ein-
Impfungen sind frühestens 6 Monate nach Trans- bis sechswöchigem Abstand ambulante Untersu-
plantation möglich und sollten immer mit dem be- chungstermine wahr. Das zeitliche Fenster hängt
handelnden Kinderkardiologen abgesprochen wer- von den Schwankungen und der Verträglichkeit der
14 den. Immunsuppression ab. Danach ist es möglich, dass
Lebendimpfstoffe dürfen nach der Transplantati- die Ärzte – je nach Klinikstandard – die Abstände
on allerdings nicht mehr verwendet werden. auf drei Monate verlängern.
Parallel sind die Daten kontinuierlich zur Aus-
wertung an die IMEG Datenbank zu übermitteln.
Ernährung
Falls es zu Auffälligkeiten kommt, informiert die
Für die Ernährung gelten folgende Regeln: Klinik die Patienten darüber.
• Obst oder Gemüse müssen gründlich gewaschen Die Entscheidung, ob der Patient in der Klinik
werden. Sie können dann auch roh und unge- vorstellig werden muss oder der Besuch beim Kin-
schält verzehrt werden. Eine Ausnahme stellt ro- derkardiologen ausreicht, erfolgt nach Rücksprache
hes Beerenobst dar, auf das die Patienten im ers- mit dem Arzt.
ten Jahr nach Transplantation verzichten sollten. Treten fieberhafte Erkrankungen auf, besteht
• Fisch und Fleisch nur komplett durchgegart möglicherweise nicht eine Abstoßung, sondern ein
(auch kein Hack oder Mett) verzehren. Infekt. Bei Fieber ist in jedem Fall ein Arzt zu kon-
• Ei nur komplett gegart/gekocht/gebacken (Sal- sultieren.
monellen-Risiko) essen. Bei Gastroenteritis oder der Gabe von Antibiotika
• Keine Grapefruit-Produkte (erhöht den Ciclospo- empfiehlt sich eine vorzeitige Medikamentenspie-
rin A-Spiegel unkontrolliert) verwenden. gelkontrolle um mögliche Medikamenteninteraktio-
• Keine Nahrungsmittel essen, denen Schimmel- nen zu erkennen.
pilzkulturen zugesetzt sind (z. B. Camembert).
• Keine Nüsse/Müsli mit Nüssen (Risiko der Es ist wesentlich, die Eltern detailliert über die Zeichen
Schimmelpilzinfektion) essen. einer Abstoßung zu unterrichten, damit sie jede Reaktion
• Pfeffer aus Mühlen ist strikt kontraindiziert. des Körpers in diese Richtung erkennen und sich um eine
• Nur abgepacktes Speiseeis verwenden. frühzeitige Behandlung kümmern können.
• Keine Rohmilch-Produkte (z. B. Mozzarella,
Schafskäse) essen.
LITERATUR
Deutsches Herzzentrum Berlin: www.dhzb.de (letzter Zu­
Allgemeines griff am 16.1.2012)

• Die Medikamentendosierung und -einnahme


setzt absolute Gewissenhaftigkeit voraus.
• Keine Einnahme von Medikamenten, die nicht
mit dem behandelnden Arzt besprochen sind
(Wechselwirkungen beachten).
• Die Immunsuppression ist nur in Absprache mit
dem Transplantationszentrum zu ändern.
In den letzten Tagen vor der Entlassung von der Sta-
tion schulen Pflegekräfte Eltern und Kinder (je nach
Alter des Kindes) in der Medikamentengabe und Be-
reitstellung. Zur Festigung dient die Zeit in der
Reha-Klinik.
KAPITEL

15
Gabriele Oberhoff und Lieselotte Eizenhöfer

Pflege bei neurologischen


Erkrankungen
15.1  Beobachtungsparameter Als Indikation zur Messung des invasiven Hin­
drucks gelten:
• SHT (GCS 7–8)
Besonders auf Intensivstationen hat die neurologi­ • Hirntumoren
sche Beurteilung eine besondere Bedeutung, da viele • Intrakranielle Blutung
Krankheitsbilder sekundär eine Beeinträchtigung • Diagnostische Zwecke
der Bewusstseinslage verursachen. Für die Kontrolle Mittels Hirndrucksonde lässt sich der ICP kontinu­
neurologischer Parameter stehen sowohl konserva­ ierlich ventrikulär, subarachnoidal, epidural oder im
tive als auch invasive Instrumente zur Verfügung. Parenchym ableiten.
Bei der ventrikulären Druckmessung (die häufigs­
Überwachung der Bewusstseinslage te im Kindesalter) besteht die Möglichkeit, Liquor
• Glasgow Coma Scale (› Tab. 6.1) zu drainieren und somit den Hirndruck zu senken.
• Pupillenkontrolle, inklusive Kontrolle der Bul­ Das sofortige Eingreifen bei einer Hirndrucksteige­
busstellung (› 6.1.2) rung vermeidet häufig eine weitere Druckschädi­
• Muskeltonus, Motorik, Streckmechanismen → gung des Gehirns.
meist Schädigung des Mittelhirns oder der obe­
ren Brücke, Beugemechanismen → Schädigung Symptome einer Hirndruckerhöhung
im Bereich der Großhirnhemisphären Die Symptome einer Hirndruckerhöhung können
allgemein, aber auch sehr spezifisch sein. Dazu gehö­
ren: Übelkeit/Erbrechen, Unruhe, Kopfschmerzen,
Invasive Hirndruckmessung
arrhythmische Atmung/Apnoen, Nackensteifigkeit/
› 6.7.10 Opistotonus, vorgewölbte/gespannte/pulsierende
Als invasive Kontrollinstrumente dienen die Mes­ Fontanelle, klaffende Schädelnähte, Krampfneigung,
sung des intrakraniellen Druck (ICP, Hirndrucks, Blutdruckabfall, Arrhythmie/Bradykardie, Augen­
der Liquordruck, der im Ventrikelsystem in Höhe symptomatik (Sehstörungen, Sonnenuntergangsphä­
des Foramen Monroi herrscht). nomen, Strabismus, Nystagmus), Pupillenverände­
Den Hirndruck benötigt man u. a., um den zerebra­ rung (Stauungspapille, Sehnervatrophie), Wesens­
le Perfusionsdruck (CPP), der Druck, der für eine aus­ veränderung, neurologische/motorische Ausfälle,
reichende Versorgung des Hirngewebes mit Sauer­ Sprachstörungen und Bewusstseineintrübung.
stoff und Substrat notwendig ist, zu errechnen:
CPP = Mittlerer arterieller Blutdruck (MAD) – ICP
Pflegerische Besonderheiten und Überwachung
• Oberkörper des Kindes 30° erhöht lagern
Eine adäquate Hirnperfusion findet bei einem CCP • Kopf in Mittelstellung (Sicherung des venösen
von 40–50 mmHg (altersabhängig auch höher) statt. Abflusses) mit regelmäßiger Druckpunktverlage­
Weitere Einflussfaktoren der zerebralen Durch­ rung
blutung innerhalb der Autoregulationsgrenzen sind • kontinuierliche Beobachtung der Hirndruckkur­
das arterielle pCO2, das arterielle pO2, die Körper­ venform (cave: Blutdruck und Atmung beeinflus­
temperatur, die Blutviskosität, Schmerzen/Stress so­ sen die Hirndruckkurve)
wie der Hirnstoffwechsel. • regelmäßige Dokumentation der Hirndruckwerte
302 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

• Druckspitzen bei pflegerischen Maßnahmen re­ Indikationen


gistrieren und adäquat reagieren, z. B. Maßnah­ • Raumfordernde Prozesse (Hirntumor, Hirnabs­
me unterbrechen zess, intrakranielle Blutung, SHT)
• vor Manipulationen, die Hirndruckspitzen her­ • Passagere Maßnahme zur Liquorableitung bei
vorrufen können (z. B. Lagerungswechsel, Ab­ Hydrozephalus vor Shuntimplantation (Liquor
saugmanöver), kurz wirkende Sedativa nach ärzt­ blutig; Glukose oder Eiweißgehalt zu hoch)
licher Anordnung verabreichen • Hirndrucksteigerung bei Infektion mit stark er­
höhtem Liquoreiweiß
VORSICHT • Fehlbildung
Husten; Pressen und z. B. Abknicken der V. jugularis er- • Zur kurzzeitigen intrathekalen Medikamentengabe
höhen den ICP.
15 Pflegerische Besonderheiten
• Manipulationen am Messsystem vermeiden Die Überwachung des Kindes umfasst das Grund­
• Katheter-/Sondeneintrittsstelle regelmäßig inspi­ monitoring (› Kap. 14), ICP, CPP, GCS, Pupillen­
zieren, Befunde dokumentieren kontrolle und einen Schmerzscore (› 6.5).
• Verbandswechsel unter sterilen Kautelen (Ein­
trittsstelle vor Kontamination schützen) VORSICHT
• nach Anordnung mikrobiologische Untersu­ Eine Sicherung und regelmäßige Kontrolle des Druckab-
chung des Liquors veranlassen nehmers ist unerlässlich. Bei einer Plazierung der Tropf-
• auf ausreichende Analgosedierung achten kammer unter dem Ventrikelniveau besteht die Gefahr
der Überdrainage! (Ventrikelniveau entspricht Mittellinie
(Schmerz- u. Stress-Score) des Kopfes).
• wenn ICP-Werte langfristig erhöht → Arzt informie­ Unterdrucksymptome:
ren → Analgosedierung überprüfen → ggf. Beat­ • Eingesunkene Fontanelle, überlappende Schädelnähte;
mungsparameter erhöhen (Hyperventilation) → Schlitzventrikel im Ultraschall
ICP-senkende Medikamente (z. B. Trapanal) verab­ • Kopfschmerzen, Erbrechen
• Volumenmangelschock anfangs mit Tachykardie und
reichen.
Wenn keine Besserung eintritt → Rücksprache mit Hypotonie, dann Bradykardie und Hypotonie
• Halonierte Augen
dem Neurochirurgen, bildgebendes Verfahren →
evtl. OP (z. B. dekrompressive Kraniektomie; falls
noch nicht vorhanden externe Ventrikeldrainage Die Ventrikeldrainage bleibt in der Regel geöffnet.
anlegen), evtl. Katecholamintherapie (CCP) Die Anordnung zur Öffnung sowie zur angestrebten
• Nach dem Entfernen der Sonde auf Nachblutun­ Liquormenge gibt der Arzt bzw. NCH. Pflegende
gen achten klemmen sie ab, wenn das Kind phasenweise sehr
unruhig ist, hustet oder presst. Auch zu Lagerungs­
Pflegemaßnahmen aller Art können eine Steigerung des wechseln, bei Transporten und für etwa 30 Min.
Hirndrucks verursachen. Pflegende überprüfen alle ge- nach einer intrathekalen Medikamentengabe ist die
planten Aktionen stets auf ihre Notwendigkeit und stel- Drainage verschlossen.
len vor allem bei unangenehmen Manipulationen eine • Pflegende kontrollieren die Punktionsstelle regel­
ausreichende (Analgo-)Sedierung sicher. Um unnötige mäßig auf Leckagen (z. B. Liquorkissen, Liquor­
Hirndruckspitzen zu vermeiden, planen Pflegende den fluss neben der Drainage) und Infektionszeichen
Tagesablauf exakt und unter dem Aspekt, das Kind so
weit wie möglich zu schonen (optimal Handling).
• Liquormenge dokumentieren, bilanzieren
(Normwerte: NG 300 ml/d → ca. 12 ml/h; Kinder
500 ml/d → ca. 20 ml/h) und bei abweichender
Externe Ventrikeldrainage Menge Arzt informieren
• Elektrolytkontrollen und ggf. -substitution bei
DEFINITION
hoher Liquormenge (Elektrolytverlust beachten)
Externe Ventrikeldrainage: Vorübergehende Liquo-
rableitung zur intrakraniellen Druckentlastung. • Beurteilung des Liquors auf Menge; Aussehen
und Beschaffenheit (blutig, serös, eitrig, trüb)
15.1  Beobachtungsparameter 303

• Kind flach oder mit leicht erhöhtem Oberkörper Diagnostik


lagern (ICP Anstieg → 30°-Oberkörperhoch- und Die Bundesärztekammer hat im Jahr 1982 Empfeh­
Kopfmittellage) → Lagerung auf Drainagesystem lungen zur Feststellung des Hirntods formuliert, an­
unbedingt vermeiden (Gefahr der Abknickung; schließend aktualisiert und 1998 im Rahmen der
Dekubitusgefahr) Vorgaben für das Transplantationsgesetz (› 21.4)
• Durchgängigkeit der Drainage gewährleisten → in Richtlinien festgelegt.
„knick- und zugfreie“ Schlauchführung (Beob­ Der behandelnde Arzt leitet die Maßnahmen zur
achtung: abnehmende Drainagemenge?) Hirntoddiagnostik erst ein, wenn eine akute schwere
• Durchfeuchtete Luftfilter sofort auswechseln → primäre (strukturelle) Hirnschädigung (z. B. SHT,
Abflussbehinderung bei fehlender Entlüftung Blutungen; Infarkt; Tumore) oder sekundäre (meta­
• Auf Hirndruckzeichen achten (siehe oben) bolische) Hirnschädigung (z. B. Hypoxie; prolon­
Alle Manipulationen an der externen Ventrikeldrai­ gierte Schocksituation; kardialer Kreislaufstillstand) 15
nage (›  Abb. 15.1) sind unter streng aseptischen vorliegt. Andere Ursachen, die eine tiefe Bewusstlo­
Kautelen durchzuführen. Verbandswechsel erfolgen sigkeit und den Ausfall sämtlicher Hirnstammrefle­
steril. Pflegende begrenzen die Zahl der Diskonnek­ xe auslösen können, müssen ausgeschlossen sein.
tionen des Systems und gehen dabei nach den Dazu gehören:
Grundsätzen der Sterilität vor. • Intoxikationen
Die Komplikationen einer externen Ventrikeldrai­ • Sedierung durch Medikamente
nage sind Infektion (Fieber), versehentliche Diskon­ • Primäre Hypothermie
nektion und ein möglicher Verschluss der Drainage. • Kreislaufschock
• Koma durch endokrine und metabolische Ent­
gleisungen oder Sepsis
Hirntoddiagnostik
Die Reihenfolge der Hirntoddiagnostik ist zwingend
vorgeschrieben:
Die irreversiblen Anzeichen des Hirntodes sind aus natur- • Erstens: Erfüllung bestimmter Voraussetzungen
wissenschaftlich-medizinischer Sicht der Nachweis für • Zweitens: Feststellung der klinischen Symptome
den Tod eines Menschen. • Drittens: Nachweis der Irreversibilität der Aus­
fälle

Nullpunkt

Tropfkammer
Überlaufskala

Auffangbeutel
0-Punkt-Einstellung
Transducer

3-Wege-Hahn für
Liquorentnahme
oder Antibiotikagabe

Transducer, wird am
Bett fixiert Kabel
Klemmen zum verschließen zum Monitor
Abb. 15.1  Aufbau einer externen (z.B. bei Transport)
Ventrikeldrainage. [L157]
304 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

Laut Gesetz nehmen zwei Ärzte die klinischen Un­ phie); v. a. bei infratentorieller Hirnschädigung
tersuchungen unabhängig voneinander vor und pro­ und bei Kindern unter 2 Jahren nötig
tokollieren (standardisiertes Protokoll) die Ergeb­
nisse getrennt. Sie müssen für diese Untersuchun­ Beobachtungszeitraum
gen qualifiziert sein, verfügen also über mehrjährige Der zeitliche Abstand der zwei klinischen Untersu­
Erfahrung in der Intensivbehandlung von Kindern chungen eines Hirntoten ist abhängig vom Ent­
mit schweren Hirnschädigungen. Die diagnostizie­ wicklungszustand des Gehirns und damit vom Al­
renden Ärzte dürfen nicht an einer eventuell geplan­ ter des Kindes. Bei Frühgeborenen <37 Schwanger­
ten Organentnahme oder -transplantation beteiligt schaftswochen sind die Hirntodkriterien nicht an­
und auch nicht von einem Arzt weisungsabhängig wendbar.
sein, der an einer Organentnahme oder -transplan­
15 tation beteiligt ist, die auf diese Untersuchung folgt.

Kriterien der klinischen Untersuchungen 15.2  Allgemeine Maßnahmen


• Koma der neurologischen
• Hirnstamm-Areflexie Intensivpflege
• Pupillenreaktion
• okulozephaler Reflex (Puppenkopf-Phänomen)
• Kornealreflex Monitoring
• Trigeminusreiz • Grundmonitoring der Vitalparameter
• Würgreflex (Pharyngeal- und Trachealreflex) • Arterielle Druckmessung zur Kreislaufkontrolle
• Ausfall der Spontanatmung (Apnoetest) (wichtigstes Kriterium ist der MAD)
• Apparative Zusatzdiagnostik (EEG, transkranielle • ZVD-Messung
Doppler-Sonografie, Hirnperfusionsszintigra­

Klinische Hirntodkriterien erfüllt

Frühgeborene Reife Neugeborene Säuglinge Kleinkinder


< 37 SSW (0–28 Tage) (29–365 Tage) (366–730 Tage)

Kriterien nicht Beobachtungszeit1 Beobachtungszeit1


anwendbar 72 Stunden 24 Stunden

und

Isoelektrisches Akustische evozierte Transcranielle Hirn-


oder oder oder
EEG2 Potentiale2 Doppler-Sonographie2 Szintigraphie3

1
unabhängig von der Ursache
2
bei erster und zweiter Untersuchung
3
nur bei zweiter Untersuchung

Abb. 15.2  Hirntoddiagnostik im Kindesalter. [L157, 3]


15.2  Allgemeine Maßnahmen der neurologischen Intensivpflege 305

• ICP-Messung, um einen Anstieg des Hirndrucks Arztes. Die neurologische Beurteilung ist bei rela­
festzustellen → regelmäßig CPP berechnen xierten Patienten nur mit ausreichendem Monito­
(› 6.7.10) ring, z. B. ICP-Messung, EEG und evtl. AEP gewähr­
• Neurologische Beurteilung mittels Glasgow Coma leistet.
Scale Minimal Handling, um Hirndruckanstiege zu ver­
• Pupillen alle 30 Min. auf Weite, Lichtreaktion, meiden. Ggf. vor Manipulationen am Kind, nach
Isokorie und Bulbusstellung kontrollieren (bei Rücksprache mit dem Arzt z. B. bolusweise Thiopen­
unvollständigem Lidschluss die Hornhaut des tal oder Etomidat zur Sedierung verabreichen
Kindes mit künstlichem Tränenersatz in Form
von Tropfen, Salbe oder Gel vor Austrocknung Trachealtoilette
schützen) Das Absaugen erfolgt nach einer ausreichenden Prä­
• Überwachung des EtCO2 oxygenierung und nur nach strenger Indikations­ 15
• Kontrolle des paO2 und paCO2 durch regelmäßige stellung mithilfe eines geschlossenen Absaugsys­
arterielle Blutgasanalysen tems. Der Kopf des Kindes verbleibt in Mittelstel­
– paCO2 Normwert: 35–40 mmHg lung.
– paCO2 ≤ 25mmHg bewirkt durch Engstellung
der Kapillaren eine verminderte Hirnperfusion Lagerung/Mobilisation
– paCO2 ≥ 35 mmHg bewirkt eine Weitstellung Der Oberkörper wird 30° erhöht und der Kopf in
der Kapillaren, was eine gesteigerte Hirnperfu­ Mittelstellung gelagert, um eine venöse Abflussstau­
sion und einen erhöhten ICP zur Folge hat ung zu verhindern. Alle Lagewechsel erfolgen ach­
– paO2 um 100 mmHg ist für eine ausreichende sengerecht, um den freien Abfluss über die Jugular­
Oxygenierung (auch für minderdurchblutete venen zu gewährleisten. Aufgrund der begrenzten
Hirnareale) notwendig Lagerungsmöglichkeiten sind eine gute Dekubitus­
• Bei externer Liquorableitung, Liquor auf Menge, prophylaxe sowie eine Thromboseprophylaxe erfor­
Blutbestandteile und Aussehen beurteilen derlich (›  9.1, 9.4). Die Physiotherapie beginnt
– kontinuierlich zentrale und periphere Messung möglichst frühzeitig.
der Temperatur zur Beurteilung zentraler
Temperaturregulationsstörungen und der Ernährung
Kreislaufsituation Das Kind erhält eine Magensonde, die zur Dekom­
– Hyperthermie steigert zerebralen Sauerstoff­ pression des Magens tief und offen hängt. Es erfolgt
verbrauch (Normaltemperatur anstreben) eine regelmäßige Kontrolle des Magen-pH-Wertes,
– frühzeitiger Einsatz von Antipyretika und zu­ um frühzeitig eine Stressulkusprophylaxe einleiten
sätzlich physikalische Maßnahmen (› 6.3.3) zu können. Bei Schädelbasisfrakturen ist das Sondie­
– Hypothermie: langsame, gut überwachte Er­ ren der Nase kontraindiziert. (Gefahr aufsteigender
wärmung (z. B. mittels Warmtouch®; Extremi­ Infektionen) Die Ernährung erfolgt anfangs hochka­
täten mit synthetischer Watte einwickeln) lorisch parenteral, so bald wie möglich jedoch ente­
– Die periphere Temperaturmessung am Kopf ral (altersentsprechende Sondennahrung erforder­
gibt Aufschluss über Perfusion des Schädels → lich). Kommt es im Verlauf zu Ernährungsproble­
deutlich niedrigere Temperatur am Kopf im men, die eine längerfristige Sondenernährung erfor­
Vergleich zur Köperkerntemperatur weist auf dern, zieht der Arzt die Anlage eines Gastrostomas
schlechte Prognose und evtl. Hirntod hin oder einer Duodenalsonde in Erwägung.
• altersgerechter Schmerz- und Stressscore (auch
um Sedierungstiefe zu dokumentieren) → auf Ausscheidung
ausreichende Analgesie und Sedierung zur Sen­ Pflegekräfte überwachen die Urinausscheidung mit­
kung des ICP achten, evtl. Daueranalgosedierung tels Blasendauerkatheter und Bilanz. Sie streben ei­
z. B. mit Fentanyl® und Dormicum® ne ausgeglichene oder leicht negative Bilanz an.
Eine Relaxierung darf nur bei strenger Indikation • Überwässerung vermeiden
erfolgen und unterliegt der Anordnungspflicht des • Hautturgor beobachten
306 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

• Liquorverluste über die Liquoraußenableitung Komplikationen


mitbilanzieren (› Abb. 15.1)
• Wundinfektionen
Bei Austritt klarer Flüssigkeit aus Nase oder Ohr ermög- • Nahtinsuffizienz
licht ein Glukose-Stix den Ausschluss oder die Bestäti- • vesikouretraler Reflux, chronische Harnwegsin­
gung einer Liquorrhö (Glukosegehalt im Liquor liegt zwi- fektionen
schen 40–90 mg/dl). • Hydrozephalus
• Krampfanfälle
Die Daueranalgosedierung verringert die Darmperi­ • Kontrakturen
staltik. Bei Ausbleiben eines regelmäßigen Stuhl­
gangs regen Pflegende die Darmmotilität mit NaCl
15 Erstversorgung im Kreißsaal
0,9 %-Einläufen oder Klysmen an.
Wünschenswert ist die Entbindung per Sectio caesa­
rea. Die Maßnahme zielt vor allem darauf, eine Rup­
tur oder eine Infektion der Zele zu vermeiden.
15.3  Neurologische
Krankheiten und pflegerische Kinder mit Meningomyelozele benötigen von Beginn an
Besonderheiten eine latexfreie Pflege.

Postnatale Maßnahmen
15.3.1  Meningomyelozele
• Mundschutz; sterile Handschuhe
DEFINITION • sofortige Seitenlage auf steriler Unterlage, um
Meningomyelozele (Myelomeningozele, MMC): Neu- Druck auf die Zele bzw. ihr Abknicken zu vermei­
ralrohrdefekt mit Spaltfehlbildung der Wirbelsäule und den
der Dura meist im Lumbalbereich, durch die sich die an- • Abstriche
deren Rückenmarkshäute und das Rückenmark vorwöl- • Abdecken der Zele mit sterilen, feuchtwarmen
ben. [2]
Kompressen (NaCl 0,9 %) und einem sterilen Fo­
Durch den Spalt tritt häufig Liquor aus. Betroffene Organ-
systeme sind ZNS, Muskelsystem, ableitende Harnwege lienhandschuh oder Foliensack
und Darm. Der Schweregrad der Erkrankung richtet sich • Rückenlage nur, falls eine Intubation erforderlich
nach der Läsionshöhe und dem Ausmaß der assoziierten wird. Schutz der Zele durch Unterpolsterung,
Fehlbildungen. Einsatz einer Schaumstoffmatratze mit Loch im
Zelenbereich oder einer Person mit sterilen
Handschuhen
Als Begleitfehlbildung einer Meningomyelozele fin­ • Kind zum Transport in Bauchlage bringen, Be­
det sich in den meisten Fällen ein Hydrozephalus, cken unterpolstern, sodass die Zele den höchsten
der durch eine Aquäduktstenose oder ein Arnold- Punkt bildet, um den Austritt von Liquor zu ver­
Chiari-Syndrom bedingt sein kann. hindern bzw. zu verringern [2]

Symptome Präoperative Pflege


Je nach Lokalisation zeigen die Kinder typische Fehl­ • Überwachung der Vitalparameter mit regelmäßi­
haltungen. Die Beine sind im Kniegelenk gestreckt ger Temperatur- und Kreislaufkontrolle, da über
und im Hüftgelenk gebeugt. Es kommt zu partiellen die Zele Wärme und Flüssigkeit verloren gehen
oder totalen Lähmungen der unteren Extremitäten • Unruhe und Schreien vermeiden, da dabei evtl.
(z. B. Klumpfüße), des Beckenbodens, der Bauch­ vermehrt Liquor austritt
wand, des Anorektums und der Blase. • kinderneurochirurgisches Konsil organisieren
15.3  Neurologische Krankheiten und pflegerische Besonderheiten 307

Wundversorgung lich zum Standardmonitoring achten Pflegende be­


• Zele feucht halten und unter sterilen Kautelen sonders auf Hirndrucksymptome, die durch eine
versorgen: sterile Tupfer zusammengerollt um Abflussbehinderung des Liquors entstehen können.
die Zele legen, sterilen Folienhandschuh darauf Sie messen den Kopfumfang weiterhin einmal täg­
legen und den Rand umkleben, damit sich eine lich. [1] Regelmäßige Temperaturkontrollen sind
eigenständige feuchte Kammer bildet ebenfalls erforderlich, da zentrale Temperaturregu­
• tcpCO2, tcpO2 und SpO2 überwachen, da bei ei­ lationsstörungen auftreten können.
nem vorliegenden Arnold-Chiari-Syndrom
Apnoeanfälle auftreten können Lagerung
• auf Hirndrucksymptome achten Für zehn Tage lagern Pflegende die Kinder konse­
• Kopfumfang messen; Beurteilung der Fontanelle quent auf dem Bauch → Dauerlagerung: Knie-Ellen­
und der Schädelnähte bogen-Lage auf weichem Kissen mit relativ gestreck­ 15
• auf Hirnstammfunktionsstörungen achten (z. B. ten Beinen, Füße gut polstern, z. B. auf wassergefüll­
Apnoen, schwache Stimme, schlechtes Trinken, ten Handschuhen lagern, Füße in Nullstellung über­
Schluckstörungen, Stridor) hängen lassen oder in Dorsalschienen fixieren, Kopf
• Bewegungsmuster der unteren Extremitäten auf­ regelmäßig umlagern. Die Hüfte unterpolstern, um
grund möglicher Lähmungserscheinungen beur­ eine Spannung der OP-Naht zu vermeiden. [2] Die
teilen weitere Lagerung erfolgt nach Angabe der Neurochi­
• Entleerung von Blase und Darm beobachten – rurgen. Ist eine vorzeitige Rückenlage erforderlich,
Stuhl und Urin dürfen die Zele nicht verschmut­ soll das Kind auf einer Schaumstoffunterlage mit ei­
zen (bei Jungen evtl. Urinbeutel kleben). Liegt ei­ ner entsprechenden Aussparung liegen. Aufgrund
ne Blasenlähmung vor, ist ein Harnverhalt mög­ der eingeschränkten Lagerungsmöglichkeiten ist ei­
lich, der mit einer Überlaufblase oder Restharn ne gute Dekubitusprophylaxe erforderlich. Vor al­
einhergeht. Bei Harnverhalt katheterisieren, Die lem gelähmte Körperpartien (Sensibilitätsverlust)
Bauchwandlähmung führt zu Stuhlentleerungs­ weich lagern. Besonders gefährdet sind die Kniege­
störungen, die häufig abführende Maßnahmen, lenke und die Füße.
z. B. Einläufe oder Klysmen, erforderlich machen Die Pflegenden beobachten und dokumentieren
• Liquorverluste über die MMC soweit wie möglich die Spontanmotorik des Kindes. Eine frühzeitige
mitbilanzieren Physiotherapie dient u. a. der Kontrakturenprophy­
• bei Sensibilitätsstörungen an den Füßen dort kei­ laxe. Eine orthopädische Behandlung ist z. B. bei
ne Infusion legen. Ist die Indikation dafür zwin­ Klumpfuß, Hakenfuß, Wirbelsäulen- und Hüftge­
gend, erfordert der Zugang sorgfältige Überwa­ lenksdeformationen sowie Hüftgelenksluxationen
chung hinsichtlich einer Para-Infusion einzuleiten.

Lagerung Ernährung
Die Bauchlage beibehalten. Die Pflege erfolgt in ei­ Bei ausreichenden Darmgeräuschen ist ein zügiger
nem Doppelwandinkubator, bzw. offenen Pflegein­ oraler Nahrungsaufbau anzustreben (auf Schluckin­
heit, um Wärme- und Flüssigkeitsverluste über die suffizienz achten → Arnold-Chiari-Malformation).
Zele zu vermeiden. Aufgrund von Sensibilitätsstö­ Die Nahrungsaufnahme ist durch die Bauchlage er­
rungen sind die Kinder dekubitusgefährdet. Pflegen­ schwert. Zur Unterstützung der Darmentleerung fü­
de lagern sie ihrem Risiko entsprechend auf druck­ gen Pflegende der Nahrung ggf. Lactose bei.
reduzierenden Unterlagen.
Ausscheidung
Bei anhaltenden Blasenentleerungsstörungen kathe­
Postoperative Pflege
terisieren Pflegende die Blase regelmäßig.
Monitoring Aufgrund der neurologischen Ausfälle kann es bei
Das postoperative Monitoring unterscheidet sich der Stuhlentleerung zur Inkontinenz oder Obstipati­
kaum von den präoperativen Maßnahmen. Zusätz­ on kommen. Der Inkontinenz liegt eine Parese des
308 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

Analsphinkters zugrunde. Die Obstipation ist durch Therapie


die Bauchwandlähmung und eine verminderte bzw. Als Therapie stehen die osteoklastische (Chirurg
fehlende Darmperistaltik bedingt. Abführende Maß­ entfernt einen Teil des Schädelknochens und fügt
nahmen, z. B. Klysmen, können erforderlich sein. ihn erst in einer zweiten Sitzung wieder ein) oder os­
Pflegende achten darauf, dass das Kind regelmäßig, teoplastische (Chirurg fügt den Schädelknochen am
(mind. alle 3 Tage) abführt. Ende der OP wieder ein) Kraniotomie zur Verfü­
gung. [4]
Wundversorgung
Bei komplikationslosem OP-Verlauf erfolgt der erste
Epidurales Hämatom
Verbandswechsel nach 24 Std. durch den Neurochi­
rurgen. Pflegende decken die Wunde steril und tro­ DEFINITION
15 cken ab und kontrollieren das Wundgebiet hinsicht­ Epidurales Hämatom: Einblutung zwischen der Dura
lich Nachblutungen, Liquoraustritt und -polster, mater und dem Schädelknochen, bedingt durch eine Ver-
Hautnekrosen und Unterhauthämatome. [1] Ein re­ letzung der A. meningea media.
gelmäßiges Ausstreichen der Haut in Richtung Zele
führt zu einer besseren Durchblutung des häufig un­
ter Spannung stehenden Wundgebietes. Symptome
• kurzer Bewusstseinsverlust unmittelbar nach
Pflegende achten insbesondere auf Infektionszeichen dem Trauma
(Meningitis). • symptomfreies Intervall mit normalem Bewusst­
seinszustand; nach Min. – Std. erneuter Bewusst­
seinsverlust
• auf der Blutungsseite erweiterte, u. U. auch licht­
15.3.2  Hirnblutungen starre Pupille
• Bulbusstellung beider Augen in Richtung des
Die häufigste Ursache für eine Hirnblutung ist ein Blutungsherdes, Paresen und Krämpfe der Ge­
Schädel-Hirn-Trauma. genseite
• Cheyne-Stokes-Atmung
• Bradykardie
Subdurales Hämatom
DEFINITION Therapie
Subdurales Hämatom: Einblutung zwischen harter Die Behandlung besteht in einer osteoplastischen
(Dura mater) und weicher Hirnhaut (Arachnoidea). Schädeltrepanation mit sofortiger Ausräumung des
Hämatoms. [1]

Man unterscheidet das akute und das chronische


Intrazerebrales Hämatom
subdurale Hämatom. Die Symptome der akuten
Subduralblutung sind ausgeprägter. DEFINITION
Intrazerebrales Hämatom: Einblutung direkt in die
Symptome Hirnsubstanz infolge einer Verletzung von Hirnvenen
• Erbrechen oder -arterien.
• Fieber
• Kopfschmerzen Der Ort des intrazerebralen Hämatoms bestimmt
• plötzlicher oder langsamer Bewusstseinsverlust, die Ausprägung der Symptome und der nachfolgen­
Krampfanfälle den Ausfälle. Die Blutungen können in die Ventrikel
• Hemiparese einbrechen. [4]
• Gedeihstörung
15.3  Neurologische Krankheiten und pflegerische Besonderheiten 309

Therapie Risikofaktoren
Die operative Therapie ist von der Blutungslokalisa­ • Asphyxie mit Reanimation
tion abhängig. Oberflächennahe oder leicht zu errei­ • wechselnder zerebraler Blutfluss (Beatmung,
chende Blutungen sind gut operationsfähig. [4] PDA, PEEP)
• Hypothermie
• Hyperkapnie, Hypokapnie
Subarachnoidalblutung
• Hypoxie bzw. rascher Wechsel zwischen Hypoxie
DEFINITION und Hyperoxie
Subarachnoidalblutung (SAB): Einblutung aufgrund • Blutdruckschwankungen, z. B. durch Volumen­
der Ruptur eines erworbenen oder angeborenen Hirnar- gaben und Katecholamininfusionen
terienaneurysmas. • Infusion von hyperosmolaren Lösungen, z. B. Na­
triumbikarbonat 15
Die Subarachnoidalblutung tritt meist aus völliger • Infektion
Gesundheit heraus auf. [4] • Transfusion von Blutprodukten

Symptome Symptome
• plötzlich beginnender, vernichtender Kopf­ • subakuter Verlauf mit veränderter Bewusstseins­
schmerz lage, reduzierten Spontanbewegungen, Muskel­
• Schwindel hypotonie
• schrilles Schreien, Erbrechen • Apnoen, SpO2-Schwankungen
• Nackensteife, Opisthotonus, Krämpfe • zentral bedingte Bradykardien, Blutdruckabfall
• Bewusstlosigkeit • Temperaturinstabilität
• metabolische Azidose
Therapie • Hämatokritabfall
Clipping-Operation (Abklemmen des Aneurysmas • Krampfanfälle
mit einer speziellen, im Körper verbleibenden Mik­ • blasses Hautkolorit
roklemme). [4] • vorgewölbte Fontanelle
• Hypotonus
Peri- und intraventrikuläre Hirnblutung des
Therapie
Frühgeborenen
Die Therapie besteht in der Vermeidung der Ursa­
DEFINITION chen, d. h. hauptsächlich in der Stressvermeidung.
Peri- und intraventrikuläre Hirnblutung: Komplika- Zu den prophylaktischen Maßnahmen gehören:
tion in der Behandlung Frühgeborener, sie sind beim un- • Minimal Handling
reifen, noch in der Entwicklung befindlichen Gehirn ty- • Aufrechterhaltung der zerebralen Durchblutung
pisch. Besonders häufig sind Frühgeborene <30 SSW • Mittellagerung in der ersten Lebenswoche bei ex­
betroffen.
trem kleinen FG
• achsengerechte Lagerung (30°-Oberkörperhoch­
Ein Großteil der Hirnblutungen bei Frühgeborenen lagerung, Rücken- oder Seitenlage)
entstehen bis zum 3. Lebenstag. • engmaschige Blutdruckkontrollen
Die Klassifizierung erfolgt anhand von Ultra­ • Vermeidung einer Hyperkapnie in den ersten Le­
schalluntersuchungsbefunden. benstagen
• Grad 1: subependymale Blutung • synchronisierte Beatmung
• Grad 2: < 50-prozentige Füllung der Seitenventrikel • objektivierte Schmerzbeurteilung durch
• Grad 3: Füllung > 50 %, Erweiterung beider Sei­ Schmerz- u. Stress-Score → Dokumentation und
tenventrikel (mit hämorrhagischer Infarzierung) adäquates Handeln
310 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

Pflegerische Besonderheiten Gradeinteilung


Um die Risikofaktoren so gering wie möglich zu hal­ • SHT 1. Grades: Gehirnerschütterung mit oder
ten, vermeiden Pflegende sämtliche Stressoren so ohne kurze Bewusstlosigkeit; anschließend häufig
weit möglich. Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Kopf­
Stresszeichen bei Frühgeborenen: schmerz, retrograde Amnesie
• Weinen, Grimassieren, Gesichter schneiden, Zu­ • SHT 2. Grades: anhaltende Bewusstlosigkeit bis
kneifen der Augen zu einer Stunde nach dem Geschehen, Hirnkon­
• Husten, Niesen oder Gähnen tusion
• Schluckauf, Würgen, Erbrechen • SHT 3. Grades: länger als eine Stunde anhaltende
• gespreizte Finger – sternförmige Hand Bewusstlosigkeit, mehrere Tage Bewusstseinsstö­
• Tremor, Aufschrecken, Zittern rung; instabile Vitalfunktionen; Hirnkontusion;
15 • extreme Schlaffheit oder gesteigerte Aktivität Hämatome (epidural, subdural). [2]
(heftige Bewegungen der Gliedmaßen) Die Primärversorgung eines Kindes mit SHT sollte
• Apnoen oder sehr unregelmäßige Atmung in einer pädiatrisch/neurochirurgischen Ambulanz
• Veränderung des Hautkolorits (blass, marmo­ stattfinden. Dort lassen sich die Begleitverletzungen
riert, grau, blau). [5] und das Maß der Hirnschädigung am besten fest­
stellen. [7] Besonders wichtig: Ausschluss einer
Minimal (Optimal) Handling HWS-Fraktur (Pflege › 15.2).
• koordiniertes und prioritätsbezogenes Arbeiten Beim SHT 2. Grades ist eine Monitorüberwa­
• Absprache mit anderen Berufsgruppen chung indiziert, bei einem SHT 3. Grades die Be­
• Tag-Nacht-Rhythmus ermöglichen handlung auf einer Intensivstation unerlässlich.
• Vermeidung von Licht, Lärm und Kälte
• Schmerzen vermeiden, bzw. lindern DEFINITION
• Absaugen nur bei Bedarf [6] (mit geschlossenem Diabetes insipidus: Durch das Trauma kann es zu einer
System) Schädigung des Hypothalamus kommen, die einen Mangel
an antidiuretischem Hormon (ADH) zur Folge hat. Ein
ADH-Mangel führt zur Polyurie mit einem Anstieg der Os-
molarität im Serum, einer Hypernatriämie, einem Abfall der
15.3.3  Schädel-Hirn-Trauma Osmolalität und des spezifischen Gewichts des Urins. In der
Regel therapiert der Arzt einen ADH-Mangel mit Minirin®.
DEFINITION Das Medikament wird nasal oder intravenös appliziert.
Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Kopfverletzungen mit Ge- Nach der Gabe kann die Ausscheidung stark rückläufig
hirnbeteiligung und Bewusstseinsstörung. sein. Sorgfältige Überwachung des Flüssigkeitshaushalts,
der Serumelektrolyte, Serum- u. Urinosmolarität und des
spezifischen Gewichts des Urins sind unerlässlich.
Ursachen eines Schädel-Hirn-Traumas sind bei
Säuglingen und Kleinkindern besonders Stürze vom
Komplikationen
Wickeltisch, aus dem Kinderwagen oder Bett, vom
Klettergerüst beim Spielen sowie Misshandlungen. Akuter ICP-Anstieg
Bei Schulkindern kommen SHT vor allem nach Un­ • Symptome (› 15.1)
fällen im Straßenverkehr vor. [1] – ICP ↑ evtl. RR ↓ und HF ↓
– Evtl. CPP ≤ 50 mmHg
– veränderte Pupillen zum Vorbefund, evtl. weit
Einteilungen der Schädel-Hirn-Traumen
und keine Lichtreaktion
• geschlossenes SHT: Dura mater ist unverletzt • Maßnahmen
• offenes SHT: Dura mater ist verletzt – Arzt informieren
• geschlossenes SHT mit offener Fraktur: Dura ma­ – Kind mild hyperventilieren, evtl. Beutelbeat­
ter ist unverletzt, offene Fraktur. [1] mung mit 100 % O2
15.3  Neurologische Krankheiten und pflegerische Besonderheiten 311

– falls vorhanden, Liquoraußenableitung vor- – Atemstörungen


sichtig öffnen – Herz-Kreislauf-Versagen
– ausreichend sedieren und analgesieren • Maßnahmen
– ICP-senkende Medikamente verabreichen, z. B. – sofortige Bildgebung unter Information der
Trapanal® Neurochirurgie
– ggf. Katecholamingabe zur Herzkreislaufunter­ – ggf. (z. B. bei Blutungen) sofortige neurochir­
stützung und um einen CPP > 50 mmHg zu er­ urgische Intervention
halten
– evtl. Gabe eines Osmotikums, z. B. Mannitol Mittelhirnsyndrom
Mannitol (z. B. Mannit®) ist ein osmotisches Diure­ Bei einem Mittelhirnsyndrom liegt eine Hirnein­
tikum und kommt bei schweren Schädel-Hirn-Trau­ klemmung im Tentoriumschlitz vor.
men zum Einsatz, weil es eine Senkung des ICP be­ • Symptome 15
wirkt. Durch seine Hyperosmolarität wechselt Was­ – erhöhter Muskeltonus, evtl. Streckkrämpfe al­
ser, hauptsächlich aus den gesunden Hirnanteilen, ler Extremitäten
in das Gefäßsystem. Die Hypervolämie führt bei in­ – Unruhe
takter Autoregulation zu einem ICP-Abfall unter – Divergenz der Augäpfel
gleich bleibendem zerebralem Blutfluss (CBF). Ist – evtl. weite Pupillen ohne Lichtreaktion (zu­
die Autoregulation gestört, erhöht sich der CBF und nächst verzögert, meist asymetrisch)
eine Hirndrucksenkung bleibt evtl. aus. Der Arzt – Erlöschen von Reflexen, z. B. Kornealreflex
führt die Mannitol-Therapie aus diesem Grund • Maßnahmen
möglichst nur unter kontinuierlicher ICP-Messung – Ursache beseitigen, z. B. erhöhter ICP, Hirn­
durch. Ein „Rebound-Phänomen“ liegt vor, wenn blutung
das Mannitol aufgrund einer gestörten Gefäßperme­
abilität, Autoregulation und der bestehenden Hy­ Bulbärhirnsyndrom
pervolämie ins Hirngewebe übergeht. Wasser tritt Hirneinklemmung in das Foramen occipitale mag­
dann aus dem Gefäßsystem, verstärkt das Hirnödem num.
und führt zu einer Steigerung des ICP. • Symptome
– Ausfall der Spontanatmung und Spontanmoto­
VORSICHT rik
Häufige oder therapieresistente ICP-Anstiege erfordern – Abfall von HF, RR und Temperatur
evtl. eine Dekompression durch Schädeltrepanation. Die – weite, lichtstarre Pupillen, fehlender Korneal­
knochenlose Stelle ist wie eine künstliche Fontanelle zu reflex
betrachten. Der Spannungszustand gibt qualitativ Aus-
kunft über den Hirndruck. Die Trepanation bedeutet ein
– schlaffer Muskeltonus
höheres Verletzungsrisiko bei Manipulationen oder Lage- – Hirntod
rungsfehlern. • Maßnahmen siehe Mittelhirnsyndrom

Weitere Komplikationen
Einklemmung • Krampfanfälle
Akuter ICP-Anstieg siehe oben • Meningitis
Raumfordernde Prozesse, z. B. Blutungen oder • Hydrocephalus
Schwellungen, können zur Verschiebung von Hirn­ • apallisches Syndrom
gewebe und zur Einklemmung des Hirnstammes ins • Hirntod
Foramen magnum führen.
• Symptome Hinweise auf drohenden Funktionsverlust des
– Bewusstlosigkeit Hirnstamms
– Streckstellung der Extremitäten • weite lichtstarre Pupillen
– träge Lichtreaktion der Pupillen, maximal enge • Körpertemperatur kontinuierlich über 40 °C
oder weite Pupillen
312 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

• Strecksynergismen aller vier Extremitäten 35–40 mmHg (Normo – bis allenfalls diskrete Hy­
• Blutdruckanstieg → später Abfall perventilation) zur Hirnödemprophylaxe (steuerbar
• fehlender Husten-/Schluckreflex über Frequenz oder den inspiratorischen Druck).
• Tachykardie→ dann Bradykardie
Druckkontrollierte Beatmung erfolgt bei gesunder
• fehlende Reaktion der HF auf Schmerzreize
Lunge. Auf eine optimale Oxygenierung ist zu ach­
Maßnahme: sofortige Information des Neurochirurgen
ten: paO2 > 60 mmHg, SaO2 > 90 %.
Hirnödem
Aufwachphase
DEFINITION
Hirnödem: Flüssigkeitsansammlung im Hirngewebe als Die Kinder entwickeln häufig ein ausgeprägtes
Folge einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke oder der Durchgangssyndrom. Um die Entzugssymptomatik
15 Blut-Liquor-Schranke. [1] nach Langzeitsedierung zu minimieren, beginnt der
Arzt parallel zum Ausschleichen der Sedativa mit ei­
ner Clonidintherapie.
Die Ursachen des Hirnödems können vasogener, Vor der Extubation sollten die Schutzreflexe
zytotoxischer oder interstitieller Genese sein. (Würgreflex, Schluckreflex) vorhanden sein (Vor­
Beim vasogenen Ödem kommt es durch eine Stö­ sicht bei Hirnnerven- und Stimmbandparesen).
rung der Blut-Hirn-Schranke zu einem Gefäßleck Pflegende versorgen die Kinder nach dem Kon­
mit Flüssigkeitsaustritt ins Interstitium. Durch den zept der basalen Stimulation (› 8.1) Wichtig ist es,
nachfolgend behinderten venösen Rückstrom steigt die Angehörigen einzubeziehen und eine aussage­
der intrazerebrale Druck. Die Minderdurchblutung kräftige Pflegeanamnese zu erstellen (›  6.1.2,
erzeugt eine Ischämie im geschädigten Parenchym. › Kap. 3). Begleitend erhalten die Patienten Phy­
Ursachen für ein vasogenes Ödem können z. B. sio- und Ergotherapie. Die Verlegung in eine Rehak­
Hirntumoren, Hirnabszesse, Enzephalitiden, intra­ linik ist möglichst rasch anzustreben.
zerebrale Blutungen oder Gefäßmissbildungen sein.
Beim zytotoxischen Ödem kommt es durch man­
gelnde oder fehlende Sauerstoffversorgung zu einer 15.3.4  Wachkoma
Störung des Na+/K+-Pumpenmechanismus mit An­
stieg des extrazellulären Kaliums und einem Natri­ DEFINITION
um- und Wassereinstrom in die Zelle. Das intrazel­ Wachkoma (apallisches Syndrom): Andauerndes Koma,
luläre Kalzium steigt, eine Vasokonstriktion mit fol­ bei dem die Vitalfunktionen erhalten sind. Obwohl der
gender Ischämie entsteht. Ursachen für ein zytotoxi­ Patient „wach“ zu sein scheint, ist er nicht in der Lage,
sches Ödem können z. B. ischämische Hirninfarkte, bewusst gesteuerte Reaktionen zu zeigen. Es liegt eine
funktionale Trennung zwischen Hirnmantel und Hirn-
Hypoxien oder Enzephalitiden sein.
stamm vor. [2]
Das interstitielle Hirnödem geht mit einem ver­
mehrten Liquoreinstrom einher, z. B. beim Hydro­
cephalus (Pflege › 15.2). [1] Das Wachkoma ist die Folge einer schweren Hirn­
schädigung, z. B. durch ein SHT oder eine schwere
Enzephalitis. Das apallische Durchgangssyndrom
Besonderheiten bei der Beatmung
kann völlig defektfrei ausheilen. Auch beim schwe­
Eine Beatmung mit hohem PEEP (positive endexspi- ren apallischen Syndrom besteht die Chance, eine
ratory pressure) ist bei SHT-Patienten kontraindi­ Remissionsstufe oder gar eine vollständige Rehabili­
ziert. Durch die Erhöhung des endexspiratorischen tation zu erreichen. Deshalb haben alle pflegerisch-
Drucks steigt der intrathorakale Druck, wodurch therapeutischen Maßnahmen die Förderung und
sich der venöse Rückstrom zum rechten Herz ver­ Aktivierung des Patienten zum Ziel und beginnen
mindert. Der Hirndruck steigt, da der erhöhte zent­ zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Die Erfolgsaus­
rale Venendruck den venösen Rückfluss aus dem sichten schwinden mit zunehmender Dauer des
Gehirn behindert. Anzustreben ist ein paCO2 von Syndroms.
15.3  Neurologische Krankheiten und pflegerische Besonderheiten 313

Die Pflege und Behandlung eines Apallikers erfor­ Pflegende saugen den NRR bei eingeschränktem
dert Kooperation und enge Absprache mit vielen Schluckreflex zur Aspirationsprophylaxe bedarfs­
anderen Berufsgruppen, z. B. Physiotherapeuten, weise ab und lagern den Kopf seitlich. Sie schützen
Logopäden, Ergotherapeuten. Vor allem aber bezie­ die Augen des Patienten vor starker Sonnenein­
hen Pflegende die Eltern in den Betreuungs- und strahlung (fehlender Lidschluss). [2]
Förderungsprozess ein. Zur vestibulären Stimulation und zur Dekubitus­
prophylaxe sind regelmäßige Lagerungswechsel er­
forderlich. Pflegende können alle Lagerungen nut­
Symptome
zen. Zur Aspirationsprophylaxe lagern sie den Ober­
• normale Atmungs- und Herz-Kreislauf-Funktion körper bevorzugt leicht erhöht bzw. stellen die ge­
• keine Spontanäußerung, keine emotionale Kon­ samte Längsachse des Bettes schräg, sodass der Kopf
taktfähigkeit auf einem höheren Niveau liegt als die Beine. Die 15
• keine Blickfixation, Pupillenreaktion auf Licht ist Verwendung druckreduzierender Unterlagen hängt
erhalten vom Dekubitusrisiko des Patienten ab. Die physio­
• Schlaf- und Wachrhythmus vorhanden, aber un­ therapeutische Betreuung ist frühzeitig anzustreben.
regelmäßig. Schlafphasen setzen unmittelbar
nach Belastung des Kindes ein, sodass u. U. in der
Nacht lange Wachphasen auftreten 15.3.5  Hydrocephalus
• wenig spontane Bewegungen, häufig Streckspas­
men oder Fixierung der Extremitäten in Beuge­ DEFINITION
stellung Hydrocephalus: Entsteht durch ein Missverhältnis zwi-
• Schluckreflex ist vorhanden, kann jedoch einge­ schen Liquorproduktion und -resorption (z. B. durch eine
schränkt sein (vermehrter Speichelfluss) Abflussstörung im Ventrikelsystem). Die resultierende Er-
• orale Mechanismen wie Kauen, Saugen, Schmat­ weiterung der Liquorräume führt während der Wachs-
tumsphase zur Vergrößerung des Schädels.
zen, Zähneknirschen und Gähnen möglich
• evtl. Krampfaktivitäten
Ursachen
Komplikationen
• erworben: z. B. nach Hirnblutungen, Entzündun­
• Aspiration gen (Meningitis), Stenosen, Tumoren
• Kachexie und mangelnde Infektabwehr begünsti­ • angeboren: z. B. bei Fehlbildungen (Dandy-Wal­
gen das Auftreten von Pneumonien, Harnwegsin­ ker-Syndrom, Arnold-Chiari), nach pränatalen
fekten und Dekubiti Infektionen (u. a. Toxoplasmose, Zytomegalie,
• Thrombose Röteln), pränatalen Blutungen oder einer intra­
uterinen Hypoxie und Gewebeuntergang (Hydro­
cephalus e vacuo)
Pflegerische Besonderheiten
Pflegende setzen das Konzept der Basalen Stimulati­
Symptome
on® (›  8.1) ein, um die Wahrnehmungsfähigkeit
des Kindes zu fördern. Hierzu erstellen sie einen • vorgewölbte, gespannte Fontanelle, klaffende
Pflegeplan, in dem alle fördernden Maßnahmen Schädelnähte, vermehrte Kopfvenenzeichnung
festgelegt sind. • Missverhältnis: großer Hirnschädel, kleiner Ge­
Pflegende beobachten und dokumentieren die Re­ sichtsschädel → Zunahme des Kopfumfangs
aktionen auf die einzelnen Maßnahmen sorgfältig. • Sonnenuntergangsphänomen
Sie vermeiden ein Überangebot von Stimulationen • Stauungspapille (Sehstörungen)
und Reizen. Die Gewohnheiten des Kindes werden • Teilnahmslosigkeit, neu auftretende Koordinati­
durch eine detaillierte Pflegeanamnese erfasst und onsstörungen
in den Pflegeplan integriert. • bradykardie, arterielle Hypertonie
314 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

• Hirndruckzeichen, z. B. Erbrechen, Krampfanfäl­ • Überdrainage von Liquor


le, Nackensteife, Opisthotonus, Berührungsemp­ • Liquorzyste [1]
findlichkeit, Apnoeanfälle, schrilles Schreien und
Wesensveränderungen, Schmerzzeichen
Pflegerische Besonderheiten
Bei Kindern, deren Schädelnähte noch nicht ge­
schlossen sind, kann das Hirn dem zunehmenden Monitoring
Druck bis zu einem gewissen Grad ausweichen, so­ • täglich Kopfumfang (in zwei Ebenen) messen
dass die typischen Hirndruckzeichen verspätet auf­ und Dokumentation auf einer Schädelwachs­
treten. Bei älteren Kindern steht die Hirndrucksym­ tumskurve
ptomatik im Vordergrund. • Fontanelle kontrollieren, ob vorgewölbt oder ein­
gesunken. Schädelnähte beobachten, ob klaffend
15 Diagnostik oder überlappend
– Kopfumfang; Fontanelle • nach Implantation einer Liquordrainage auf evtl.
– Ultraschall des Schädels mit Messung der Ven­ Über- oder Unterfunktion des Ventils achten
trikelweite (engmaschige Verlaufskontrolle) – Überfunktion: stark eingesunkene Fontanelle,
– evtl. MRT Überlagerung der Schädelnähte, halonierte
– Augenhintergrund Augen, Erbrechen, Volumenmangelschock, in
– LP der CT zeigen sich Schlitzventrikel
– Serologie (Toxoplasmose, Zytomegalie) – Unterfunktion: Hirndrucksymptomatik
– Zytomegalievirusnachweis im Urin (PCR) – Überprüfung des Ventils: Pumpe muss sich
– Ausschluss assozierter Fehlbildungen (Herz, leicht eindrücken lassen [2]
Abdomen) • postoperativ auf ausreichende Analgesie achten
• Fieber kann postoperativ (im adäquaten Abstand
Therapie zur Operation) auf Shuntinfektion hinweisen
Die Therapie besteht in der Behandlung der Grund­
erkrankung. Es erfolgt eine frühzeitige neurochirur­ Lagerung
gische Versorgung → operative Anlage eines Ablei­ Zur Dekubitusprophylaxe (› 9.1) lagern Pflegende
tungssystems, z. B. externe Ventrikeldrainage, vent­ den Kopf auf einer weichen Unterlage oder einer
rikulo-peritonealer Shunt oder ventrikulo-atrialer Antidekubitusmatratze. Postoperativ legen Pflegen­
Shunt. [2] de den Kopf nicht auf die Seite, in die das Schlauch­
Bei FG ≤ 2.500 g oder zu hohem Blut- und Eiweiß­ system implantiert ist. Stattdessen lagern sie das
gehalt des Liquors legt der Chirurg ein Rickhamre­ Kind zunächst flach und achsengerecht (Einklem­
servoir (z. B. bei posthämorrhagischem Hydroce­ mungsgefahr bei zu schnellem Abfluss) bzw. nach
phalus) an. Arztangabe z. B. in leichte Kopftieflage bei Überdrai­
nage während der OP.
Die Eltern sind frühzeitig in die Pflege einzubezie­
Komplikationen
hen und entsprechend anzulernen (Pflegende geben
• Ventilsepsis Hinweise auf Selbsthilfegruppen).
• Okklusion des Ventrikelkatheters
• Ventrikel- oder subdurale Blutung [1]
• Diskonnektion der Bestandteile des Silikon­ 15.3.6  Meningitis und Enzephalitis
schlauchsystems. Die Diskonnektion kann zu ei­
ner subkutanen Liquoransammlung (Liquorkis­ DEFINITION
sen) führen. Es zeigt sich eine ödematöse Schwel­ Meningitis: Infektion und Entzündung der Leptome-
lung im Bereich des Silikonschlauchsystems. ninx. Sie entsteht meist infolge einer Infektion durch Bak-
Pflegende überprüfen seinen Verlauf regelmäßig terien (z. B. durch Streptokokken, E. coli, Haemophilus
• Liquorabflussstörung durch Längenwachstum influenza, Pneumokokken, Staphylokokken), Viren (z. B.
des Kindes durch ECHO-Viren, Coxsackieviren), wesentlich seltener
15.3  Neurologische Krankheiten und pflegerische Besonderheiten 315

durch Pilze, Protozoen oder Parasiten; hämatogen (über Therapie


meningeale Blutgefäße) oder transdural (nach neurochir-
urgischen Eingriffen, SHT). • Antibiotika
Enzephalitis: Entzündung der Hirnsubstanz. Sie kann • Antikonvulsiva, Sedierung bei Bedarf
sich aus einer Meningitis entwickeln (Meningoenzephali-
tis), aber auch ein eigenständiges Krankheitsbild darstel-
• Beatmung bei Atemregulationsstörungen
len. Die Enzephalitis entsteht meist viral durch RNA-Viren
(z. B. Masern-, Mumps-, Röteln-, Influenza-, Enteroviren) Pflegerische Besonderheiten
oder DNA-Viren (z. B. Herpes-, Adenoviren).
• Temperatur engmaschig kontrollieren
• bei Kopfschmerzen (erkennbar z. B. durch Unru­
Der Verlauf der viralen Meningitis ist im Vergleich he, Tachykardie und Hypertonie) für ausreichen­
zur bakteriellen eher mild. Die virale Meningitis ist de Analgesie sorgen 15
sehr häufig mit einer Enzephalitis kombiniert. • Minimal Handling
• bei desorientierten Patienten das Verletzungsrisi­
Symptome ko möglichst gering halten, z. B. durch abgepols­
Die Frühsymptome der Meningitis sind unspezifisch terte Bettgitter, keine harten Spielzeuge im Bett
(je jünger das Kind desto unspezifischer): [2]
• Verschlechterung des Allgemeinzustands, Tem­ • nach Lumbalpunktion flache Rückenlage (zur
peraturschwankungen, grau-blasses Hautkolorit, Vermeidung des Postpunktionssyndroms)
marmorierte Haut, verminderte Mikrozirkulation • Umweltreize vermeiden → ruhiger, abgedunkel­
• Bewegungsarmut, Berührungsempfindlichkeit, ter Raum
Hypotonus der Muskulatur • körperumgrenzende Lagerung (› 8.4)
• Trinkunlust, Erbrechen
• Zyanose, Tachypnoe, Dyspnoe, Apnoeanfälle
• Tachykardie, Bradykardie 15.3.7  Status epilepticus
• Fieber, Kopfschmerzen
Spätsymptome sind: DEFINITION
• schrilles Schreien Status epilepticus: Anfallsdauer länger, als dies bei
• gespannte Fontanelle Anfällen des gleichen Typs üblich ist. Länger als 5 Min.
• Opisthotonus bei tonisch-klonischen Anfällen, oder länger als 20 Min.
• Krampfanfälle [2] bei fokalen Anfällen/Absencen. [8]
Die Symptome der Enzephalitis sind ähnlich wie bei
der Meningitis: In der Regel Fieber, Kopfschmerzen, Alle Formen epileptischer Anfälle können zu einem
und neurologische Symptome (Desorientiertheit, Status epilepticus führen.
Persönlichkeitsveränderungen, fokale oder generali­
sierte Krampfanfälle, neurologische Ausfallerschei­
Symptome
nungen oder Vigilanzstörungen)
• fokale oder generalisierte tonisch-klonische An­
fälle
Komplikationen
• respiratorische Veränderungen wie Röcheln mit
Bei der bakteriellen Meningitis kommt es häufiger und ohne Zyanose, Apnoen [1]
zu Komplikationen als bei der viralen Meningitis • Tachykardie, Hypertonie
und der Enzephalitis. • orale Automatismen, z. B. Schmatzen, Speichel­
• Entwicklung eines Hydrocephalus fluss
• Hörstörungen • Nesteln
• Epilepsie • Bewusstseinseintrübung bis Bewusstseinsverlust,
• zerebrale und statomotorische Behinderung abnorme Augenbewegungen (sehr selten: weite,
316 15  Pflege bei neurologischen Erkrankungen

lichtstarre Pupillen → eher an Hirnstammein­ • Umweltreize durch ruhigen, abgedunkelten


klemmung denken; Trapanal?) Raum reduzieren
• Enuresis und Enkopresis • 30°-Seitenlage zur Aspirationsprophylaxe bei ver­
• Fieber, Schweißausbruch mehrten Speichelfluss
• wenn möglich: Extremitäten in Funktionsstellung
lagern, Muskelkloni jedoch nicht mit Gewalt lö­
Komplikationen
sen
• Aspirationspneumonie • orale Antikonvulsiva nur bei enteraler Ernährung
• Hirnödem ohne Verdauungsprobleme
• organische Hirnschäden
• Verletzungen LITERATUR
15 • hypoxisches Multiorganversagen   1. Schäper, A.; Gehrer, B. (Hrsg.): Pflegeleitfaden – Inten-
sivpflege Pädiatrie. Elsevier Verlag, München, 1999.
  2. Kühl et al. (Hrsg.): Klinikleitfaden Kinderkrankenpflege.
Therapie Elsevier Verlag, München, 2003.
  3. Osterhage, J.: Der Hirntod – Definition, Ursachen, Diag-
Das primäre Ziel der Therapie ist das Durchbrechen nostik. In: Thieme Intensiv. 12. Jg., S. 111, 2004.
des Status epilepticus mit antikonvulsiver Medikati­   4. Wigger, T.; Knipfer, E.: Pflegeleitfaden Anästhesie-/In-
tensivpflege. Elsevier Verlag, München, 1998.
on unter Aufrechterhaltung der kardiorespiratori­   5. Sparshott, M.: Früh- und Neugeborene pflegen. Stress-
schen Funktion. und schmerzreduzierende, entwicklungsfördernde Pfle-
ge. Verlag Hans Huber, Bern, 2000.
  6. Brandis, H.; Teising, D.: Neonatologische und pädiatri-
Pflegerische Besonderheiten sche Intensivpflege. Springer-Verlag, Berlin, 1997.
  7. Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensiv-
• pünktliche Medikamentengabe und evtl. Kontrol­ pflege. Elsevier Verlag, München, 1998.
le unerwünschter Wirkungen der Medikamente   8. Wolf, M.; Rona, S.; Krägeloh-Mann, I.: Therapie des
• genaue Beobachtung der Krampfanfälle hinsicht­ Status epilepticus. In: Monatszeitschrift für Kinderheil-
lich Ablauf, Dauer, Lokalisation und Art (Proto­ kunde 2011.159. 732–738. DO 10.1007/s00112–011–
koll) 2393–7, Online publiziert: 15. Juli 2011, Springer-Ver-
lag, Heidelberg, 2011
• Krämpfe können Muskelschmerzen verursachen   9. Jöhr, M.: Kinderanästhesie. Elsevier Verlag, München,
→ für ausreichende Analgesie sorgen 2001.
• regelmäßige Blutzuckerkontrollen wegen mögli­ 10. Obladen, M.: Neugeborenenintensivpflege – Grundla-
cher Hyperglykämie und evtl. folgender Hypo­ gen und Richtlinien. Springer Verlag, Heidelberg, 2002.
glyk­ämie 11. Osterhage, J.: Der Hirntod – Definition, Ursachen, Diag-
nostik. In: Thieme Intensiv. 12. Jg., S. 111, 2004.
• Hautkolorit auf Ikterus überprüfen 12. Teising, D.; Jipp, H.: Neonatologische und pädiatrische
Intensivpflege. Springer-Verlag, Heidelberg, 2009.
Viele Antikonvulsiva werden über die Leber verstoffwech- 13. Ullrich, l.; Stolecki, D.; Grünewald, M.: Intensivpflege
selt. Ein Ikterus weist auf ein beginnendes Leberversagen und Anästhesie, 2.A. Thieme Verlag, Stuttgart, 2010.
hin. Evtl. ist die Umstellung der medikamentösen Thera-
pie erforderlich.

• vermehrter Speichelfluss → Absaugen des NRR


• Guedeltubus zur Gewährleistung der Atmung bei
zurückgefallener Zunge, Bewusstseinslage be­
rücksichtigen, bei zu wachen Patienten besteht
Aspirationsgefahr
• Schutz vor Verletzungen durch Abpolstern des
Bettes, weiche Lagerungshilfsmittel wählen
• Kind sichern, aber nicht festhalten [2]
KAPITEL

16
Ulrike Stein

Pflege bei nephrologisch-


urologischen Erkrankungen
16.1  Nierenersatztherapie Stoffe vom Ort der höheren zum Ort der niedrigeren
Konzentration statt.

Als Nierenersatztherapie bezeichnet man alle Be- Hämofiltration


handlungsverfahren, die bei akuter oder chronischer Der Hämofilter entzieht dem Blut mit Hilfe eines über
Niereninsuffizienz die ausgefallenen Funktionen der eine Pumpe angelegten Druckgradienten nach dem
Niere übernehmen. Grundsätzlich sind extrakorpo- Prinzip der Konvektion Flüssigkeit. Durch den trans-
rale und nicht-extrakorporale Dialyseverfahren zu membranösen Fluss gehen ebenfalls membrangängi-
unterscheiden. ge Stoffe ins Dialysat über, jedoch deutlich geringere
Mengen niedermolekularer Substanzen. Durch Anle-
gen einer Substitutionslösung (Diluat) vor oder
Extrakorporale Dialyseverfahren nach dem Dialysator erhöht sich der Blutfluss, sodass
Giftstoffe noch effektiver entfernt werden können.
Die Blutreinigung erfolgt mittels Stoffaustausch
über eine semipermeable Membran innerhalb eines Hämodiafiltration
Dialysators. Durch Kombination von Hämofiltration und Hämo-
dialyse können sowohl nieder- wie auch mittelmole-
Hämodialyse kulare Stoffe gleichzeitig eliminiert werden, da Dif-
Nach dem Prinzip der Diffusion findet mit Hilfe ei- fusion und Konvektion parallel laufen.
nes Konzentrationsgradienten zwischen Blut und Auf Intensivstationen erfolgt die extrakorporale
Dialyselösung, die einander entgegen fließen, der Behandlung der akuten oder terminalen Nierenin-
Austausch membrangängiger, niedermolekularer suffizienz mittels kontinuierlicher veno-venöser
Hämodiafiltration (CVVH).

arterielle Druck- Heparinspritze Druckmessung P2


messung P1

vom
Patienten Blut-
eingang
arterielle Blutpumpe
Dialysat-
Quetschklemme
ausgang
Dialysator

Dialysat-
venöse
eingang
Quetschklemme
Blut-
zum ausgang
Patienten
Abb. 16.1  Prinzip einer Hämo- venöse Luftfalle venöse Druckmessung P3
dialyse. [L107]
318 16  Pflege bei nephrologisch-urologischen Erkrankungen

Steuerung
Infusions- Substitutions-
Erwärmung pumpe lösung

Ultrafiltrat

Venöse Druck-
überwachung
Bilanzierung
Luftdetektor
Hämofilter
Klemme
Flusskammer

Unterdruck-
Überwachung Blutleck- Filtrations-
arteriell Blutpumpe detektor Pumpe

Stopfen
Heparin- Abb. 16.2  Prinzip einer Hämofil-
Zufuhr
tration. [L217]

16
16 3
1
2 4 5
14 15 AUS

17

10
EIN
8 7 6

11
9 12
13

1. Unterdrucküberwachung arteriell 9. Substituatanschluss Postdilution


2. Blutpumpe 10. Substituatanschluss Prädilution
3. Heparinzufuhr 11. Dialysierflüssigkeitsfilter
4. Arterielle Luftfalle 12. Dialysierflüssigkeitsfilter
5. Dialysator 13. Substituationspumpe
6. venöse Luftfalle mit Drucküberwachung 14. Blutleckdetektor
7. Luft- und Farbüberwachung 15. Dialysatpumpe
8. Klemme 16. Ultrafiltrationspumpe Abb. 16.3  Prinzip einer Hämo-
17. Dialysatbilanzierung
diafiltration. [L217]

Indikationen Das Schlauchsystem besteht aus einem distalen


• Urämie und proximalen Anschluss. Das distale Lumen wird
• Hypervolämie auch als arterielles Lumen bezeichnet und fördert
• Hyperkaliämie das Blut vom Patienten zum Dialysator. Hier befin-
det sich auch der Zugang für die Heparin-Infusion,
Zugangswege und Systemfunktion die zur Antikoagulation des Blutes erforderlich ist.
Eine CVVH macht vor Beginn die Anlage eines zwei- Die Heparindosierung richtet sich nach dem ge-
lumigen zentral-venösen Katheters erforderlich. Am wünschten Grad der Antikoagulation und wird mit
häufigsten legt der Arzt einen großlumigen, eher Hilfe der ACT (activated clotting time) reguliert. Ist
kurzen und starren Shaldon-Katheter in die V. fe- der Blutfluss im distalen Lumen behindert und wer-
moralis oder V. jugularis interna. Ist eine CVVH län- den die eingestellten arteriellen Grenzen über- bzw.
gerfristig nötig oder handelt es sich um Patienten unterschritten, erfolgt ein akustischer und optischer
mit schwieriger Gefäßsituation, kann die operative Alarm. Der Blutfluss ist unterbrochen.
Anlage eines permanenten ZVK (Permeath®) erfor- Das proximale (venöse) Lumen fördert das Blut
derlich sein. Die Spitze wird vor dem rechten Vorhof unter Passage eines Detektors zurück zum Patien-
platziert, die Austrittstelle liegt unterhalb des rech- ten. Erkennt dieser Detektor z. B. Luft, Fremdkörper
ten Schlüsselbeins. Durch die Tunnelung reduziert oder Koagel, erfolgt ein akustischer und optischer
sich das Risiko einer Katheterinfektion. Alarm. Die Blutpumpe stoppt. Die venöse Schlauch-
16.1  Nierenersatztherapie 319

klemme unterhalb des Detektors schließt automa- hochzulagern. Bei Anurie entfernen Pflegende den
tisch. Sind die eingestellten venösen Grenzen über- Dauerkatheter aus der Harnblase, da er eine Ein-
bzw. unterschritten, erfolgt ein akustischer und op- trittspforte für Mikroorganismen bei fehlendem
tischer Alarm. Die Blutpumpe stoppt ebenfalls. Nutzen für den Patienten darstellt.
Am Detektor befindet sich zusätzlich eine An- Häufig gestalten sich die Einhaltung der strengen
schlussmöglichkeiten für Infusionen. Bettruhe und der Umgang mit der katheterbeding-
ten, starken Bewegungseinschränkung schwierig.
Komplikationen Um diese Probleme zu minimieren, haben sich die
• Hypovolämie mit arterieller Hypotonie Anwesenheit einer Bezugsperson und eine altersge-
• Thrombose, Thrombembolie rechte Beschäftigung als hilfreich erwiesen. In Ein-
• Erhöhte Blutungsneigung zelfällen ist eine Sedierung erforderlich.
• Hypothermie Eine optimale Lagerung zur Dekubitus- und Kon-
• Herzrhythmusstörungen durch rasche Elektrolyt- trakturprophylaxe ist unerlässlich. Bei Kathetern in
verschiebungen der V. jugularis interna achten Pflegende auf die
• Lungenembolie Vermeidung eines Schiefhalses. Die orale Flüssig-
• Dysäquilibriumsyndrom keitszufuhr findet unter Berücksichtigung verordne- 16
– Definition: Störung der Balance der gelösten ter Einfuhrbeschränkungen statt. Die Mahlzeiten
Substanzen durch rasche Konzentrationsver- entsprechen der Diätverordnung.
änderungen während der Dialyse
– Folgen: zentral-nervöse Nebenwirkungen wie
Kopfschmerzen, Unruhe, Übelkeit, Krampfan- Nicht-extrakorporale Dialyseverfahren
fälle bis zum Koma
Kontinuierliche Peritonealdialyse
Überwachung
• EKG- und ZVD-Monitoring, SpO2, engmaschige Bei der kontinuierlichen Peritonealdialyse (CPD)
RR-Messungen, Überwachung der Atemfre- erfolgt der Stoffaustausch nach dem Prinzip der Dif-
quenz, Körpertemperatur, des Körpergewichts fusion zwischen Dialyseflüssigkeit und dem Kapil-
(1× täglich während der Dialysepausen), Be- larsystem des Peritoneums. Das Peritoneum wirkt
wusstsein als semipermeable Membran. Es ist durchlässig für
• Flüssigkeitsbilanz unter Berücksichtigung vor- Stoffwechselgifte, Wasser und kleine Eiweißmolekü-
handener Eigenausscheidung le, nicht jedoch für Blutzellen.
• je nach zugrunde liegender Erkrankung: neurolo-
gische Beurteilung mit Hilfe der GCS und Pupil- Indikationen
lenkontrolle • Chronisches Nierenversagen
• Akutes Nierenversagen
Dokumentation • Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie bei
Mindestens stündlich und zusätzlich bei Verände- blutungsgefährdeten Patienten, z. B. nach kardio-
rungen der Einstellungen dokumentieren Pflegende chirurgischen Eingriffen
alle relevanten Messwerte. Beginn und Ende der
CVVH und alle gemessenen ACT-Werte sind zeit- Zugangswege und Systemfunktion
nah zu dokumentieren. Stündlich erfolgt die Doku- Vor Beginn der CPD ist die operative Anlage eines
mentation der Ultrafiltratmenge. Peritonealdialysekatheters (Tenckhoff-Katheter) er-
forderlich. Alternativ kann die Anlage eines Stilett-
Pflegerische Besonderheiten katheters in Seldinger-Technik erfolgen.
Alle 48 Std. erfolgt die Kontrolle der Katheterein- Sowohl Einlauf als auch Auslauf der Dialyselösung
trittstelle. Bei Katheter in der V. femoralis achten erfolgen mittels Schwerkraft. Die Dauer des aus Ein-
Pflegende an der Extremität auf Zeichen einer venö- lauf, Verweildauer und Auslauf bestehenden Zyklus
sen Stauung. Das Bein ist bei Zeichen einer Stauung bestimmt der Arzt. Er verordnet auch die Menge der
320 16  Pflege bei nephrologisch-urologischen Erkrankungen

Dialyseflüssigkeit. Der Einlauf erfolgt durch Anheben


der unter dem Dialysatbeutel befindlichen Vorlauf-
kammer um ca. 40 cm über Patientenniveau. Der Aus-
lauf erfolgt durch Senken der Vorlaufkammer vor dem CAPD2 CAPD1

Dialysatbeutel um ca. 10 cm unter Patientenniveau.


Für Patienten mit Körpergewicht > XX kg erfolgt Klemme Klemme Klemme
die CPD über ein automatisches Peritonealdialyse-
gerät (Cycler). Hierbei erfolgen Dauer und Zahl der
Zyklen und der Wechsel der Spülflüssigkeit automa- Einlauf-
system
tisiert nach einem vom Nephrologen vorgegebenen

Einlaufsystem
und programmierten Protokoll.

Lösungen für die CPD


Die Dialyselösungen unterscheiden sich hinsichtlich Lösungs-
ihres Glukosegehaltes und damit in ihrer Osmolari- wärmer Klemme
16 tät. Sie sind in der Regel kaliumfrei. Mineralsalze Patienten-
Klemme anschluss
wie Natrium, Kalzium, Magnesium und Chlorid
Drainage-
sind in isotoner Konzentration enthalten. system Klemme
Auslaufsystem
• CAPD 2 = 1,50 % = 358 mosml/l (Auslauf-
• CAPD 3 = 2,30 % = 401 mosml/l zylinder)
• CAPD 4 = 4,25 % = 511 mosml/l Klemme
Gelegentlich sind Zusätze notwendig, die die Pfle-
genden zumischen:
• Kalium, je nach Serum-Kaliumkonzentration
• Bikarbonat, um saure Stoffwechselprodukte zu
D
ra eut
in el

neutralisieren
B

ag
e-

• Antibiotika bei Peritonitis

Komplikationen Abb. 16.4  Prinzip der Peritonealdialyse, oft auch als Hirschge-
• Blutzuckerschwankungen durch Resorption eines weih bezeichnet (siehe Text). [1] [L157]
Teiles der Glukose aus der Dialyselösung
• Peritonitis, Katheterinfektion • Blutzuckerkontrollen nach ärztlicher Anordnung
• Okklusion des Katheters durch Verwachsungen • Kontrolle des Abdomens hinsichtlich Bauchde-
oder durch Gewebepartikel ckenspannung, Umfang, Venenzeichnung und
• Dislokation des Katheters Darmgeräusche
• Hypotonie bei Hypovolämie, Hypertonie bei Hy- • Flüssigkeitsbilanz unter Berücksichtigung vor-
pervolämie handener Eigenausscheidung
• Eiweißverlust
• Dysäquilibrium-Syndrom Dokumentation
Pflegende führen das Dialyseprotokoll stündlich. Es
Überwachung umfasst Art der Dialyselösung, Angabe zugesetzter
• EKG- und ZVD-Monitoring, SpO2, engmaschige Lösungen oder Medikamente, Zyklusdauer (Ver-
RR-Messungen, Überwachung der Atemfre- weildauer, Auslaufzeit), Menge der Dialyseflüssig-
quenz, Körpertemperatur, des Körpergewichts keit, des Dialysats und der Ultrafiltrationsflüssigkeit
(1× täglich) und Bewusstseinslage (Differenz zwischen Auslauf- und Einlaufmenge).
• je nach zugrunde liegender Erkrankung neurolo- Die regelmäßige Inspektion und Beurteilung der
gische Beurteilung mit Hilfe von GCS und Pupil- Kathetereintrittstelle und der Verbände erfolgt im
lenkontrolle Abstand von 48 Std. (› Tab. 16.1, Tab. 16.2).
16.1  Nierenersatztherapie 321

Pflegerische Besonderheiten tems darf nur nach Rücksprache mit dem Nephrolo-
gen unter streng sterilen Bedingungen erfolgen.
Eine ausreichende Analgesie sollte besonders nach
Neuanlage des Dialysekatheters oder bei Infektion
Ernährung
der Kathetereintrittstelle oder des Peritoneums ge-
währleistet werden. Eine atemerleichternde Lage- Der Nephrologe erstellt in Zusammenarbeit mit den
rung ist bei Beeinträchtigung der Ventilation durch Diätassistenten einen individuellen Diätplan. Die
Zwerchfellhochstand unter Verweilen der Dialyselö- Ernährung sollte hochkalorisch und eiweißreich
sung wichtig. Seitliche Lagewechsel können Ein- sein. Meist sind mehrere kleine Mahlzeiten für den
und Auslauf erleichtern. Die Diskonnektion des Sys- Patienten verträglicher.

Tab. 16.1  Exit-Site Score zur Beurteilung eines liegenden Katheters zur Peritonealdialyse.
Zeichen Punkte
Schwellung 0 (keine) 1 (leicht) 2 (stark)
Kruste 0 1 (< 0,5 cm) 2 (> 0,5 cm)
16
Rötung 0 1 (< 0,5 cm) 2 (> 0,5 cm)
Druckdolenz 0 1 (leicht) 2 (stark)
Sekretion 0 1 (serös) 2 (eitrig)
Bei einem Exit-Site Score ab 3 kann, ab 5 muss ein Antibiotikum verabreicht werden.

Tab. 16.2  Modifizierter Exit-Site Score (ESS).


Exit-Site-Score Merkmale Therapie Pflege
®
ESS 0 • unauffälliger Austritt • keine oder Pflege mit Octenisept • 2-tägiger Verbandswechsel
(VW)
ESS 1–3 • Rötung ≤ 5 mm • keine oder Pflege mit Octenisept® • täglicher VW
• feste Kruste • mikrobiologischerNasenab-
• keine Sekretbildung strich und Resitensbestimmung
ESS 4–5 • Rötung ≥ 10 mm • mikrobiologischer
Abstrich mit Re- • täglicher VW und Kontrolle
• kein Schmerz sistenzbestimmung • gründliche Körperpflege
• wenig bzw. etwas gelbli- • Pflege mit Octenisept® • körperliche Schonung
ches Sekret • Katheterbadewanne • häufiger duschen als gewohnt
• kleines Granulom • evtl. Sanierung der Nase mit Tru-
rixinsalbe®
• ESS ≥ 5 Antibiotikagabe

ESS 6–7 • Rötung ≥ 10 mm • mikrobiologischer Abstrich mit Re- • täglicher VW und Kontrolle
• reichlich Sekretaustritt sistenzbestimmung • täglich duschen
• Kruste • Pflege mit Octenisept® • Dialysatkontrolle
• evtl. eitrig • Katheterbadewanne mit 3 Min. • häufige ambulante Vorstellung
• Schmerz Einwirkzeit • körperliche Schonung
• zwingende Antibiotikatherapie • genaue Dokumentation z. B.
Fotos
ESS 8–10 • eitrig-blutige
Entzün- • wie bei Score 6–7 • wie bei Score 6–7
dung • jedoch: stationäre Aufnahme und
• Gefahr der Tunnelinfekti- evtl. Explantation des Katheters
on und einer Peritonitis
322 16  Pflege bei nephrologisch-urologischen Erkrankungen

16.2  Nierenerkrankungen Hygienemaßnahmen


Um die Gefahr einer Übertragung der Infektion zu
verhindern, müssen an HUS erkrankte Patienten
16.2.1  Hämolytisch-urämisches isoliert untergebracht werden.
Syndrom Die Versorgung erfolgt mit Kittel- und Hand-
schuhpflege, ein Hinweis darauf ist deutlich sichtbar
DEFINITION am Eingang des Patientenzimmers anzubringen.
Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS): Eine durch Die Entsorgung von Restmüll und Schmutzwä-
Shiga-Toxin (Verotoxin) produzierende, durch E. coli sche erfolgt in speziell gekennzeichneten Abfallsä-
ausgelöste Erkrankung. Die Infektion erfolgt meist durch cken. Wenn möglich, bieten Pflegende Getränke und
den Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Das HUS ist die Mahlzeiten in Einweggeschirr an.
häufigste Ursache für akutes Nierenversagen und einer
Nierenersatztherapie im Kindesalter
Spezielle Pflege
Bei Anurie ist nach Rücksprache mit dem Arzt die
Symptome Entfernung des Dauerkatheters aus der Harnblase
16 • schwere, oft blutige Durchfälle zu erwägen, da er eine Eintrittspforte für Infektio-
• Erbrechen nen ohne praktischen Nutzen für den Patienten dar-
• Bauchschmerzen stellt.
• Fieber Je nach Bewusstseinslage und Grad der körperli-
• blasses Hautkolorit durch hämolytische Anämie chen Schwäche oder Bewegungseinschränkung ist
• Thrombozytopenie auf eine den Bedürfnissen des Patienten angepasste
• Oligurie, Anurie, Makrohämaturie Lagerung zu achten. Bei Neigung zu Druckstellen
Der Nachweis eines durch E. coli ausgelösten HUS und dem Unvermögen, sich ausreichend häufig
erfolgt mittels Erregernachweis aus dem Stuhl und selbst umzulagern, ist an eine Lagerung auf einer
serologischem Nachweis von Verotoxin. Antidekubitusmatratze zu denken.
In Absprache mit dem Arzt und der Diätassistenz
Alle Patienten mit durch bakterielle Infektion erworbe- beginnt so früh wie möglich der enterale Kostauf-
nem HUS sind beim Gesundheitsamt meldepflichtig. bau. Dabei ist es besonders wichtig, auf spezielle
Wünsche des Patienten einzugehen und ihn in eine
möglicherweise notwendige Diät einzubeziehen.
Komplikationen Problematisch gestaltet sich häufig der Umgang
• Arterielle Hypertonie mit der notwendigen Beschränkung der täglichen
• Chronische Niereninsuffizienz Flüssigkeitsmenge, die vom Patienten oral aufge-
• Neurologische Symptome wie Bewusstseinsein- nommen werden darf. Hier erweisen sich die Anwe-
trübung, zerebrale Krampfanfälle senheit einer Bezugsperson und altersgerechte Be-
• Pankreatitis schäftigung als hilfreich.
• Leberinsuffizienz Nur in Ausnahmefällen sollte eine medikamentö-
• Herzinsuffizienz se Ruhigstellung erfolgen.

Überwachung
• EKG, SpO2, engmaschige Blutdruckmessung 16.2.2  Nierenversagen
• ZVD, Atemfrequenz
• Körpertemperatur DEFINITION
• Bewusstseinslage mittels GCS und Pupillenkont- Nierenversagen (NV): Teilweiser oder totaler Funkti-
rollen onsverlust der Niere.
• Eigenurinausscheidung und Flüssigkeitsbilanz
• 1× tgl. Gewichtskontrolle (evtl. Dialysepause nut-
zen)
16.2  Nierenerkrankungen 323

Tab. 16.3  Lokalisationen und Ursachen der Störun- Symptome


gen, die zu einem Nierenversagen führen können. • Oligurie oder Anurie
Formen des Nierenversagens • Ödeme bei Hypervolämie
Lokalisation Ursachen • Arterielle Hypertonie
prärenales Nierenversagen • Ateminsuffizienz bei Lungenödem oder Kuss-
maul-Atmung bei metabolischer Azidose
Beim prärena- • Nierenarterienthrombose oder -embo-
len NV liegt ei- lie • Bewusstseinseinschränkungen
ne Störung der • Minderdurchblutung der Niere durch • Gewichtszunahme
zuleitenden Hypovolämie z. B. bei • ggf. Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durch-
Blutgefäße – Gastroenteritis fall
oder der Orga- – Verbrennung • Dehydratation bei prärenalem NV: stehende
ne vor, die der – Blutungen Hautfalten, halonierte Augen, eingefallene Fonta-
Niere vorge- • Flüssigkeitsverschiebung bei einer
nelle
schaltet sind. Sepsis aufgrund eines Kapillarlecks
• Herzinsuffizienz, Low cardiac output • Pruritus (Juckreiz infolge trockener Haut bei Uri-
kämie)
renales Nierenversagen
16
Beim renalen • Glomerulonephritis, Pyelonephritis
NV ist das • HUS
Komplikationen
Nierengewebe • angeborene Nierenmissbildungen • Lungenödem, Hirnödem
direkt geschä- • Asphyxie • Krampfanfälle
digt. • Schock • Herzinsuffizienz
postrenales Nierenversagen • Herzrhythmusstörungen
Das postrenale • kongenitale Missbildungen, z. B. Ure- • hypertensive Krise
NV entsteht terabgangsstenose, Harnröhrenklappe
durch Störun- • Tumoren Überwachung
gen im Bereich • Verletzungen • EKG, SpO2, engmaschige Blutdruckmessung
der ableiten- • Blasenfunktionsstörungen, z. B. neu- • ZVD, Atmung
den Harnwege. rogene Blase • Bewusstseinslage mittels GCS und Pupillenkont-
rollen
• Eigenurinausscheidung und stündliche Flüssig-
Man unterscheidet akutes und chronisches Nieren- keitsbilanz
versagen. • 1× tgl. Gewichtskontrolle (evtl. Dialysepause nut-
zen)
Ursachen
Akutes Nierenversagen Spezielle Pflege
• Mangeldurchblutung, z. B. durch Blut- oder Flüs- Die Kinder sind durch die vorhandenen Ödeme ver-
sigkeitsverluste im Rahmen eines Unfalls oder stärkt dekubitusgefährdet. Pflegende lagern sie alle
nach kardiochirurgischen Eingriffen 2–3 Std. um und regen sie an, eigenständig Lage-
• toxische Ursachen, z. B. zugeführte Stoffe wie An- rungswechsel durchzuführen. Die Oberkörperhoch-
tibiotika oder Kontrastmittel lage dient der Atemerleichterung (› 8.4)
• Einschränkung der Herzfunktion Mehrmals täglich mobilisieren die Pflegenden das
• Multiorganversagen, z. B. im Rahmen einer Sep- Kind zur Prophylaxe von Kontrakturen und zur För-
sis derung der Ödemrückbildung aktiv (› 9.3).
Bei der Körperpflege cremen die Pflegenden die
Chronisches Nierenversagen meist trockene und juckende Haut (aufgrund der
• angeborene Funktionsstörungen der Niere, z. B. Hyperurikämie), mit einer rückfettenden Lotion.
chronische Glumerolonephritis, chronische Pye- Im Akutstadium erfolgt je nach Zustand des Kin-
lonephritis des eine teilweise oder vollständige parenterale Er-
• Diabetes mellitus nährung. Um die beim prärenalen NV bestehende
324 16  Pflege bei nephrologisch-urologischen Erkrankungen

Hypovolämie auszugleichen, ordnet der Arzt eine • ZVD, Atmung


entsprechende Therapie an. Beim renalen und post- • Bewusstsein mittels GCS und Pupillenkontrollen
renalen NV erfolgt ggf. eine Flüssigkeitsrestriktion. • Urinausscheidung → stündliche Flüssigkeitsbi-
lanz
Um den Kindern bei sehr geringer Flüssigkeitsmenge ei- • 1 × tgl. Gewicht, wenn Kind mobilisierbar
nen maximalen Erfrischungseffekt zu bieten, frieren Pfle- • Drainagenverluste
gende das gewünschte Getränk zu Eiswürfeln, die sie den
Kindern einzeln zum Lutschen geben.
Komplikationen
Sobald es der körperliche Zustand des Patienten zu- • Infektionen, hervorgerufen durch Immunsup-
lässt, beginnt ein enteraler Kostaufbau in Absprache pression, z. B. CMV-Pneumonie, Pilzinfektionen,
mit der Diätassistenz. Sie berücksichtigt neben nie- EBV, HIV, Parasiten
renfunktionsbedingeten Verordnungen ggf. auch • Lungenödem, Hirnödem
Patientenwünsche. • Nierenvenenthrombose
• Anastomoseninsuffizienz
16 • frühe Abstoßungsreaktionen
• frühe Wundheilungsstörungen
16.3  Nierentransplantation • Herzinsuffizienz, Pleura-, Perikarderguss, Aszites

VORSICHT
Um die Ergebnisse einer Nierentransplantation bei Pflegende legen die Blutdruckmanschette nicht an den
Kleinkindern zu verbessern, strebt der Arzt in der Arm, der die Cimino-Fistel trägt. Einerseits verursacht der
Vorbereitung meist ein Körpergewicht zwischen Druck auf die Fistel Schmerzen, andererseits besteht bei
länger einwirkendem Druck erhöhte Thrombosegefahr.
10–15 kg an.

Indikationen Spezielle Pflege


• irreversible, chronische Niereninsuffizienz mit Unmittelbar postoperativ erfolgt eine gründliche In-
der Notwendigkeit einer dauerhaften Nieren­ spektion und anschließende Dokumentation des
ersatztherapie (z. B. durch Glomerulonephritis, OP-Gebietes und aller operativ angelegten Katheter
Pyelonephritis, HUS) und Drainagen.
Auf ausreichende Analgesie ist zu achten.
In den ersten 12 Std. des postoperativen Aufent-
Kontraindikationen
haltes erfolgt mindestens 2-stündlich eine Kontrolle
• nicht-kurativ behandelbare bösartige Erkrankung aller liegenden Drainagen hinsichtlich Menge und
• klinisch manifeste Infektionskrankheit Beschaffenheit der Sekrete.
• schwer wiegende zusätzliche Grunderkrankung Alle 48 Std. erfolgt eine Inspektion der Eintritt-
(Herz- und Gefäßerkrankung, Lebererkrankung, stellen aller Katheter und Drainagen und einmal pro
Lungenerkrankung) Schicht werden alle Wundverbände kontrolliert und
Die Patienten befinden sich im Rahmen einer Nie- bei Verunreinigung gewechselt.
rentransplantation größtenteils erst zur postoperati- Die Flüssigkeitszufuhr erfolgt nach einem vom
ven Versorgung auf der Intensivstation. Nephrologen festgelegten Einfuhr-Ausfuhr-Regime.
Stündlich ist die Ausfuhrmenge zu ermitteln und die
Einfuhrmenge entsprechend anzupassen. Der Arzt
Überwachung
ist über starke Schwankungen der stündlichen Urin-
• EKG, SpO2, kontinuierliche arteriell Blutdruck- portionen zu unterrichten und sofort zu informie-
messung (im Verlauf regelmäßige nichtinvasive ren, wenn der Patient die von ihm bestimmte stünd-
Blutdruckmessung) liche Mindesturinausscheidung unterschreitet.
16.3  Nierentransplantation 325

Die Lagerung erfolgt abdomenentlastend und ate- Der enterale Kostaufbau beginnt bei komplika­
merleichternd. Eine Lagerung auf das Transplantat tionslosem Verlauf zügig nach Rücksprache mit
ist unbedingt zu vermeiden. dem Arzt und der Diätassistenz unter Einbeziehung
In den ersten postoperativen Tagen ist auf Grund persönlicher Wünsche des Patienten.
von schmerzbedingter Immobilität mit einem er-
höhten Dekubitusrisiko zu rechnen. Mind.
Immunsuppressiva
3–4-stündlich erfolgt ein Umlagern zur Entlasten
der Druckpunkte. Beim vital bedrohten, instabilen Immunsuppression › 13.5.2
Patienten ist die Lagerung auf eine Antidekubitus-
matratze zu erwägen. Bei stabilen Patienten erfolgt ZITIERTE UND VERWENDETE LITERATUR
nach ausreichender Analgesie eine frühzeitige Mobi- 1. Schäper, A.; Gehrer, B. (Hrsg.): Pflegeleitfaden Intensiv-
pflege Pädiatrie. Elsevier Verlag, München, 1999.
lisation. Breuch, G. (Hrsg.): Fachpflege Dialyse, 4. A. Elsevier Verlag,
Bei liegender Magensonde verabreichen Pflegen- München, 2008.
de Immunsuppressiva von Anfang an oral. Kommt Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpflege.
es postoperativ zu Übelkeit und Erbrechen, ist der Elsevier Verlag, München, 1998.
Arzt darüber zu informieren und die Magensonde Schärer, K.: Pädiatrische Nephrologie. Springer Verlag, Hei- 16
delberg, 2002.
ist tief und offen zu platzieren. Der Applikationsweg
oral verordneter Medikamente ist mit dem Arzt neu
zu besprechen.
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KAPITEL

17 Pflege bei gastrointestinalen


Erkrankungen
17.1  Angeborene Präoperative Pflege
Fehlbildungen
Anja Messall Im Kreißsaal saugen die Mitglieder des Erstversor-
gungsteams den Nasenrachenraum des Neugebore-
nen gründlich ab, da es seinen Speichel nicht schlu-
17.1.1  Ösophagusatresie cken kann.

DEFINITION Eine Sondierung des Magens ist bei Ösophagusatresie


Ösophagusatresie: Angeborener Verschluss der Spei- nicht möglich.
seröhre. Meistens mit Fistelgang vom unteren Blindsack
zur Trachea.
Das Monitoring umfasst eine kontinuierliche EKG-
Ableitung und SpO2-Messung sowie eine intermittie-
Symptome
rende Kontrolle von RR, Atemfrequenz und -mus-
• m ütterliches Hydramnion ter. SpO2-Schwankungen, PCO2-Anstieg, Tachydys-
• v ermehrter Speichelfluss pnoe und Apnoe können eine Folge der gehäuft auf-
• H usten und Niesen tretenden Aspirationen sein.
• z unehmende Dyspnoe und Zyanose Maskenbeatmung und Rachen-CPAP sind kont-
Eine tracheoösophageale Fistel kann zur Blähung raindiziert, da das Risiko einer Magenüberblähung
des Magens führen (Gefahr der Aspirationspneumo- besteht. Pflegende lagern den Oberkörper des Kin-
nie bei Reflux von Magensekret durch erhöhten Ma- des in Linksseiten- oder Bauchlage um 45° erhöht,
gendruck). um dem Reflux von Magensaft in die Trachea vorzu-
beugen.
Eine kontinuierliche Sekretabsaugung erfolgt mit
Komplikationen
einer großlumigen Schlürfsonde im oberen Blind-
• P erforation des Blindsacks sack. Die empfohlene Sogstärke liegt bei 30–35 cm
• A nastomosenleck: Symptome sind Tachykardie, H2O. Die Sonde bleibt bis zur OP liegen. Sie wird
Fieber und erhöhte Sekretmenge; ggf. Re-Opera- über die Nase, bzw. wenn nicht zu vermeiden über
tion nötig den Mund vorsichtig bis zum Widerstand vorge-
• g astroösophagealer Reflux schoben, 0,5–1 cm zurückgezogen und fixiert. Liegt
• R ezidiv der tracheoösophagealen Fistel die Sonde oral kommt es zu einer erhöhten Speichel-
• N arbenstenose, die der Chirurg über den Reh- sekretion.
beinfaden bougiert oder pneumatisch dilatiert Eine ausreichende Kalorien- und Flüssigkeitszu-
• P neumonie, Atelektasen; vermeidbar durch ange- fuhr ist erforderlich, der Sekretverlust ist zu beachten.
messene Physiotherapie Die Darmreinigung erfolgt durch Einläufe mit
• W undinfektion, Nachblutung warmem NaCl 0,9 %.
• A spiration Ist eine Beatmung erforderlich, kann über die tra-
• T racheomalazie cheoösophageale Fistel eine Überblähung des Ma-
gens mit nachfolgender Aspiration entstehen. Meist
deckt jedoch der Tubus die Fistel ab.
328 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

a b c d e f

Abb. 17.1  Formen der Ösophagusatresie nach Vogt. [L106]


a) Anlage der Speiseröhre als solider Strang, Typ-I.
b) Kurzer oberer und unterer Blindsack mit großer Distanz ohne Fistel, Typ-II.
c) Trachealfistel zum oberen Blindsack, Typ-III-a.
d) Trachealfistel zum unteren Blindsack, Typ-III-b.
e) Trachealfistel zum oberen und unteren Blindsack, Typ-III-c.
f) H-Fistel.

17 Die Therapie besteht aus einer Primäranastomose Zur Beatmung wählt der Arzt einen möglichst ge-
der Ösophagusstümpfe und ggf. einem Fistelver- ringen Inspirationsdruck und einen niedrigem PEEP
schluss. Intraoperativ legt der Chirurg eine Magen- sowie eine hohe Frequenz, um ein Fistelrezidiv zu
sonde zur Schienung der Anastomose, die bis zum vermeiden.
Kontroll-Breischluck in situ verbleibt. Eine frühzeitige Extubation ist anzustreben. Dazu
Besteht eine hohe Spannung an der Anastomose erfolgt jedoch eine strenge Indikationsstellung, da
oder ist eine solche primär nicht möglich, legt der ein erneutes Intubieren die Überstreckung des Kopf-
Chirurg ein Gastrostoma an. es erfordert und die Gefahr einer Anastomosende-
hiszenz besteht.
Steht die Anastomose unter hoher Spannung, la-
Postoperative Pflege
gern Pflegende den Kopf ausschließlich achsenge-
Zur postoperativen Übernahme bereiten Pflegende recht und nicht überstreckt. In diesen Fällen ist eine
eine offene Intensiveinheit und eine Thoraxsaugung Daueranalgosedierung erforderlich.
vor. Sie behalten die Maßnahmen des präoperativen Pflegende kennzeichnen die zur Schienung geleg-
Monitorings bei und ergänzen sie ggf. durch eine ar- te Magensonde deutlich und fixieren sie sicher. Nach
terielle und zentralvenöse Druckmessung. einer versehentlichen Entfernung der Magensonde
Eine ausreichende Analgesie ist selbstverständ- ist eine Neuanlage absolut kontraindiziert (cave:
lich. Perforationsgefahr).
Zum endotrachealen Absaugen führen Pflegende Ab dem 2. postoperativen Tag beginnen Pflegen-
den Katheter lediglich bis zum Ende des Tubus ein, da de nach Rücksprache mit dem Arzt mit der Ernäh-
die Manipulationen der Katheterspitze an der Wand rung über die Magensonde oder das Gastrostoma.
der Trachea ein Fistelrezidiv verursachen können.
Die Verwendung eines geschlossenen Absaugsystems Während der Phase der enteralen Ernährung beobachten
ermöglicht die exakte Kontrolle der Absaugtiefe. Pflegende das Kind engmaschig auf Zeichen eines Reflu-
Das Absaugen des NRR erfolgt je nach Speichelse- xes. Eine im Jejunum platzierte Ernährungssonde blo-
kretion. Auch hier gilt es, den Katheter nicht zu tief ckiert die Entleerung der Magensäure in den Darm. Der
einzuführen, um eine Anastomosendehiszenz zu gastrale Reflux lässt sich mittels Kontrastmittel röntgeno-
vermeiden. logisch darstellen bzw. ausschließen.
17.1  Angeborene Fehlbildungen 329

Der Arzt ordnet orale Ernährung erst an, nachdem • g alliges Erbrechen innerhalb der ersten 24 Std.
die problemlose Magen-Darm-Passage röntgenolo- postpartal
gisch gesichert ist. • M
 ekoniumabgang bei hoher Lokalisation der At-
Bei zu erwartender Stenose des Ösophagus legt resie vor der Papilla Vateri möglich
der Chirurg prophylaktisch ein Gastrostoma an. Es • O
 berbauch aufgetrieben, Unterbauch dagegen
dient direkt postoperativ der Dekompression des kahnförmig eingefallen, da eine Belüftung des
Magens und später der enteralen Ernährung Darmes und dessen Entfaltung nicht möglich
(› 10.2). sind
An die rechtsseitig liegende Pleuradrainage • g gf. peristaltische Wellen im Oberbauch
schließen Pflegende meist einen Sog von 5 cm H2O • b ei der Duodenalatresie: sonografisch und rönt-
an (Anordnung des Chirurgen beachten). Der Arzt genologisch darstellbares Doppelblasenphäno-
zieht die Drainage nach dem Kontroll-Breischluck. men (double bubble)
Pflegende verbinden die Operationswunde tro- Im Kreißsaal legt das Erstversorgungsteam zur Aspi-
cken und steril. Der erste Verbandswechsel erfolgt rationsprophylaxe und zur Dekompression des Ma-
frühestens 24 Std. postoperativ. gens eine dicklumige Magenablaufsonde. Eine Mas-
kenbeatmung ist zu vermeiden.
Die Therapie besteht aus einer operativen Korrek-
17.1.2  Duodenal- und tur, bei der der Chirurg die Atresie, Stenose oder
Dünndarmatresie Membran entfernt und eine End-zu-End-Anasto-
mose oder ein doppelläufiges Enterostoma (Ileosto- 17
DEFINITION ma) anlegt. Zur parenteralen Ernährung ist ein ZVK
Duodenal- und Dünndarmatresie: Hemmungsmiss- notwendig. Die Nachbeatmung ermöglicht eine aus-
bildungen. reichende Analgosedierung.

Komplikationen
Bei der Duodenalatresie besteht entweder eine in-
nere Membran bei erhaltener Darmwand oder ein • D
 uodenalatresie: Aspirationspneumonie, hypo-
Pankreas anulare, das das Duodenum ringförmig chlorämische Alkalose
einengt. Der Verschluss kann ober- oder unterhalb • D
 ünndarmatresie: Volvulus, Darmperforation,
der Papilla Vateri lokalisiert sein. Die Erkrankung ist Ateminsuffizienz mit Zwerchfellhochstand, Aspi-
häufig mit Begleitfehlbildungen oder Chromoso- rationspneumonie.
menanomalien verbunden, v. a. Trisomie 21 (Down
Syndrom).
Präoperative Pflege
Die Dünndarmatresie bezeichnet einen angebo-
renen Verschluss des Darms. Sie entsteht meist Die Pflegenden überwachen EKG und SpO2 kontinu-
durch schwere, intrauterin ablaufende Baucher- ierlich sowie intermittierend RR, Atemfrequenz und
krankungen, z. B. Volvulus. Durch den erheblichen -muster. Durch Aspirationen können SpO2-Schwan-
Kalibersprung zwischen dem stark dilatierten Blind- kungen, PCO2-Anstiege, Apnoen, Bradykardien und
sack vor der Atresie und dem aboralen Dünndarm Tachydyspnoen auftreten.
verzichten Chirurgen häufig auf die Primäranasto- Aufgrund des reichlich abfließenden Magense-
mose und legen stattdessen ein Stoma an oder raffen kretes kann es zu Elektrolytverschiebungen kom-
das dilatierte Segment. Extraintestinale Fehlbildun- men, die durch Substitution auszugleichen sind. Re-
gen sind selten. gelmäßige Blutgasanalysen ermöglichen die recht-
zeitige Erkennung und Therapie von Veränderungen
im Säure-Basen-Haushalt. Zu jeder Pflegerunde be-
Symptome
urteilen Pflegende das Abdomen hinsichtlich Um-
• H
 ydramnion, da das Kind intrauterin nicht genü- fang, Bauchdeckenspannung, Perfusion, Venen-
gend Fruchtwasser schlucken kann zeichnung und Darmperistaltik. Gelegentlich sind
330 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

bei der Dünndarmatresie die Darmschlingen als di- Drainagenverluste und bilanzieren sie. Hohe Flüs-
cke Walzen durch die Bauchdecke sicht- und tast- sigkeitsmengen sind ggf. zu ersetzen.
bar. Zur Darmentlastung verabreichen Pflegende Die Anregung der Darmperistaltik kann durch
Einläufe, z. B. mit NaCl 0,9 %. Einläufe nach ärztlicher Anordnung und Lagerungs-
Die Ernährung erfolgt vollständig parenteral. wechsel erfolgen. Zu jeder Pflegerunde überprüfen
Pflegende bevorzugen die Seiten- oder Bauchlage bei Pflegende die Darmgeräusche und achten auf Stuhl-
erhöhtem Oberkörper. Sie beugen einer Magenüber- gang. Hat der Chirurg ein Ileostoma angelegt, füh-
blähung und Aspiration vor. ren Pflegende die entsprechenden Pflegemaßnah-
men durch.
Der erste Verbandswechsel findet bei Bedarf, spä-
Postoperative Pflege
testens jedoch nach 24 Std. statt. Die Pflegenden be-
Nach der OP setzen Pflegende die präoperative urteilen die Operationsnaht hinsichtlich Überwär-
Überwachung fort. Bei beatmeten oder respirato- mung, Rötung, Schwellung und Nachblutung, ver-
risch instabilen Kindern legen sie zusätzlich eine binden sie trocken und steril oder lassen reizlose
transkutane Kombisonde zur pO2- und pCO2-Mes- Wunden offen.
sung an. Die Beurteilung des Bauches zu den Pflege- Drainageneintrittstellen und -fixierungen sind
runden führen sie ebenfalls fort. Kühle Extremitä- engmaschig zu kontrollieren.
ten, weite Pupillen und Blutdruckanstieg können ei-
ne unzureichende Analgesierung anzeigen. Nach
17 Arztanordnung verabreichen Pflegende eine ange- 17.1.3  Omphalozele und Gastroschisis
messene Analgesie, deren Dosierung so gewählt ist,
dass sie die Darmperistaltik so wenig wie möglich DEFINITION
beeinträchtigt (› 22.4). Omphalozele: Bruch der Baucheingeweide in die Na-
Der Arzt strebt eine frühzeitige Extubation an und belschnurbasis. Der aus Amnionepithel und Peritoneum
verzichtet danach auf nasale CPAP-Beatmung, um bestehende Bruchsack kann Leber- und Darmanteile ent-
eine flowbedingte Magen- und Darmüberblähung zu halten (›  Abb. 17.2). Die Erkrankung ist häufig mit
anderen Fehlbildungen assoziiert.
vermeiden.
Gastroschisis (Paromphalozele): Bauchwanddefekt, der
meist rechts neben dem intakten Nabel liegt (›  Abb.
Postoperativ können schmerzbedingte Hypoventilation 17.3). Die nach außen prolabierten Organe wie Magen,
und Apnoe auftreten. Darm, Blase, Uterus oder Eileiter sind nicht von einer
schützenden Membran bedeckt. Begleitfehlbildungen
sind selten.
Zur Unterstützung der Atmung lagern Pflegende
den Oberkörper des Kindes hoch. Sie winkeln seine Erstversorgung im Kreißsaal
Beine an, um die Bauchdeckenspannung zu reduzie- Wünschenswert ist die Entbindung per Sectio.
ren. Ein regelmäßiger, seitlicher Lagerungswechsel • Reanimationseinheit vorbereiten
beugt Atelektasen vor und regt die Darmperistaltik – auf optimale Wärmezufuhr achten
an. – bereitlegen: sterile Plastiktüte, sterile Handschuhe,
Die Magenablaufsonde verbleibt in situ, Pflegen- Magensonde
• Kind versorgen
de überprüfen regelmäßig ihre Durchgängigkeit. Die
– sofort in Rechtsseitenlage bringen, um eine Vena-
enterale Ernährung erfolgt nach Rücksprache mit cava-Kompression mit folgendem Low Cardiac Out-
dem Arzt. Nach einer Primäranastomose bleibt das put, zu vermeiden
Kind mind. fünf Tage lang nüchtern. Hat der Chir- – über Gastroschisis oder Omphalozele, aufgrund der
urg ein Ileostoma angelegt, kann der Nahrungsauf- hohen Infektionsgefahr, sterile Plastiktüte stülpen
bau meist am zweiten postoperativen Tag beginnen. und mit Fixomull® fixieren
Die Kontrolle der Urinausscheidung erfolgt über – Zug auf die Darmwurzel vermeiden (Durchblutungs-
einen Blasenkatheter. Pflegende kontrollieren die störungen und Einrisse möglich)
17.1  Angeborene Fehlbildungen 331

– Darmtorsion lösen (Ischämiegefahr) • D


 armpassagestörungen: Subileus, Ileus (v. a. bei
– bei respiratorischer Insuffizienz: Magen absaugen Gastroschisis)
und primäre Intubation • V
 olvulus durch pathologischen Mesenterialan-
– keine Maskenbeatmung, um Magen-Darm-Trakt satz (v. a. bei Gastroschisis)
nicht zu überblähen → erschwert durch aufgeblähte
Darmschlingen die OP
• I nfektionen: Peritonitis, Abszess
– großlumige Magensonde zur Dekompression und • N ierenversagen durch Nierenvenenkompression
Aspirationsprophylaxe legen und offen lassen • Z werchfellhochstand durch erhöhten intraabdo-
minellen Drucks
Therapie
• H
 ypoglykämien beim Exomphalo-Makroglossie-
Gigantismus-Syndrom (EMG)
Die Therapie erfolgt durch eine OP. Kleine Defekte
verschließt der Chirurg direkt, für große Defekte
Präoperative Pflege
verwendet er Implantate, z. B. Goretex®-Patch oder
eine Schusterplastik. Die Überwachung der Kinder erfolgt mittels konti-
Intra- und postoperativ ist eine Messung des Bau- nuierlicher EKG-Ableitung und SpO2-Messung, so-
chinnendrucks möglich. Bei einem Bauchinnen- wie intermittierender Kontrolle von RR, Atemfre-
druck von ≥ 20 cm H2O ist die Darmdurchblutung quenz und -muster. Kreislaufprobleme können auf-
um 20–40 % vermindert, die Beatmungssituation grund des hohen Wärme- und Flüssigkeitsverlustes
gestaltet sich problematisch. über den Defekt auftreten.
Um eine ausreichende Analgosedierung zu er- Da die venösen Bauchgefäße komprimiert sein 17
möglichen, ist eine Nachbeatmung indiziert. Eine können, achten Pflegende auf die Durchblutung und
Relaxierung dient der Entspannung der Bauchdecke. den venösen Abfluss der unteren Extremitäten (Ca-
Die Ernährung erfolgt parenteral über einen ZVK. va-Kompressions-Syndrom).
Die Pflegenden versorgen das Kind in einem Dop-
pelwandinkubator oder besser einer offenen Inten-
Komplikationen
sivpflegeeinheit, legen es auf die rechte Seite und la-
• intrauterine Darmstrangulationen, Ischämie des gern seinen Oberkörper 30° hoch. Ggf. unterlagern
Darms sie den Bruchsack, um Zug an der Darmwurzel zu
• T orsion des Darms

Abb. 17.2  Omphalozele (links)


und Gastroschisis (rechts) [M285]
332 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

vermeiden. Zur Dekubitusprophylaxe (› 9.1) ver- Die Magensonde ist mind. 24 Std. (meist jedoch
wenden Pflegende eine Antidekubitusmatratze. deutlich länger) tief und offen zu platzieren. Bei gu-
Zur exakten Flüssigkeitsbilanzierung empfiehlt ter Darmperistaltik und nach dem ersten Absetzen
sich die Anlage eines Blasendauerkatheters. Die Ma- von Stuhl beginnen Pflegende nach Arztanordnung
genablaufsonde bleibt in situ. Pflegende beziehen die enterale Ernährung mit Nahrung. Verträgt das
das ablaufende Magensekret in die Bilanz ein und Kind die Flüssigkeit gut, beginnt der vorsichtige
ersetzen es nach Arztanweisung. Zur Darmreini- Nahrungsaufbau.
gung verabreichen sie wiederholt Einläufe mit NaCl Nach Rücksprache mit dem Arzt regen Pflegende
0,9 %. die Magen-Darm-Passage an, indem sie regelmäßige
Pflegende belassen die Tüte über dem Bruchsack Seitenwechsel ausführen und Darmrohre legen oder
und erneuern sie nur bei Bedarf (Infektionsprophy- Einläufe verabreichen. Pflegende überprüfen eng-
laxe). Die Wundabdeckung per Tüte ist vorteilhaft, maschig die Urinausscheidung, da ein Rückgang der
da das transparente Material den Pflegenden eine Urinmenge Hinweis auf eine verminderte Nieren-
uneingeschränkte Begutachtung des Darmes v. a. be- perfusion sein kann.
züglich Ischämiezeichen gestattet. Bei Direktverschluss des Defekts ist eine trockene,
sterile Versorgung der Operationswunde mit einem
leichten Stützverband, z. B. elastische Mullbinde,
Postoperative Pflege
ausreichend. Bei größeren Defekten implantiert der
Pflegende ergänzen die präoperative Überwachung Chirurg Materialien wie Dura, Goretex® oder ein
17 durch eine transkutane Kombisonde. Ggf. führen sie Vicrylnetz. Die oberflächliche Dura nimmt nach ei-
zusätzlich eine venöse, arterielle und intraabdomi- niger Zeit eine schwarze Färbung an und stößt sich
nelle Druckmessung durch. Der hohe intraabdomi- ab, der Defekt granuliert und epithelisiert. Die tiefe
nelle Druck und der damit verbundene Zwerchfell- Duraschicht wandelt sich in kollagenes Narbenge-
hochstand können zu pulmonalen Beeinträchtigun- webe um.
gen führen. Pflegende halten die sichtbare Dura mit warmem
Eine ausreichende Analgosedierung ist wichtig, NaCl 0,9 % feucht. Sie verwenden keinesfalls Desin-
da Schmerzen u. a. den intraabdominellen Druck er- fektionsmittel, da die Wirkstoffe die Dura zerstören
höhen. Pflegende beobachten das Abdomen regel- können.
mäßig hinsichtlich Bauchumfang, Perfusion, Ve-
nenzeichnung, Hautkolorit und Darmgeräusche. Schusterplastik
Bei einer Beatmung mit hohem PEEP (>5 mbar) Der Einsatz der Schusterplastik erfolgt vorwiegend
empfiehlt sich die Verwendung eines geschlossenen bei größeren Defekten oder einem großen Anteil an
Absaugsystems. Wegen des erhöhten Bauchinnen- außerhalb des Bauches liegenden Darms. Dabei näht
drucks und der notwendigen Analgosedierung ist der Chirurg einen sterilen Klarsichtbeutel mithilfe
eine frühzeitige Extubation meist nicht möglich. eines Rings an die Bauchwand und verschließt ihn
steril. Der Beutel ist über dem Kind (das auf dem
Nach der Extubation verzichtet der Arzt auf die Anord- Rücken liegt) locker aufzuhängen. Durch die
nung einer nasalen CPAP-Beatmung, da sie den Magen Schwerkraft und eine schrittweise Verkleinerung
durch den kontinuierlichen Flow überblähen kann. des Beutellumens sinken die Darmanteile in das Ab-
domen und die Bauchwand kann geschlossen wer-
den.
Die Pflegenden lagern den kindlichen Oberkörper Pflegerische Besonderheiten
zur Atemunterstützung hoch und winkeln die Beine Aufgrund der erforderlichen Rückenlage des
an, um die Bauchdeckenspannung zu reduzieren. Kindes gestaltet sich die unerlässliche Dekubitus-
Ein regelmäßiger seitlicher Lagerungswechsel un- prophylaxe oft schwierig. Pflegende lagern das
terstützt die Atelektasenprophylaxe. Kind auf einer kliniküblichen Antidekubitusmat-
17.1  Angeborene Fehlbildungen 333

Symptome

• p ostpartal verlängerter Ikterus mit Anstieg des


direkten Bilirubins im Laufe der 2.–3. Lebenswo-
che
• a cholischer Stuhl aufgrund der fehlenden oder
verminderten Gallenfarbstoffe
• d unkelbrauner Urin aufgrund der Bilirubinaus-
scheidung über die Niere
• L ebervergrößerung
• e rhöhte Leberwerte

Therapie
Die Therapie bei intrahepatischen Gallengangsfehl-
bildungen erfolgt konservativ und symptomatisch.
Die einzige operative Möglichkeit ist die Lebertrans-
plantation (›  17.3.1). Extrahepatische Gallen-
gangsfehlbildungen lassen sich ganz oder teilweise
operativ korrigieren (Operation nach Kasai). 17
Abb. 17.3  Schusterplastik. [M285]
Pflegerische Besonderheiten
ratze. Zudem führen sie Mikrolagerungen durch,
z. B. durch häufig wechselnde Unterlagerung der Die Überwachung erfolgt mit EKG, SpO2-Messung,
Matratze an verschiedenen Positionen → nicht er- RR-Kontrollen und 3–4-stündlicher Temperatur-
forderlich beim Einsatz einer Wechseldruckmat- kontrolle. Bei stark beeinträchtigter Leberfunktion
ratze. ist die Blutungsneigung der Kinder stark erhöht. Ta-
Ein Zug auf die Bauchwand des Kindes ist unter chykardie, Blutdruckabfall und Blässe können Hin-
allen Umständen zu vermeiden. weis auf eine akute Blutung sein. Zu jeder Pflegerun-
Am Nahtrand tritt häufig eine seröse Exsudation de inspizieren Pflegende sämtliche Katheterein-
auf, die mit locker aufgelegten, sterilen Kompressen trittsstellen, OP-Wunden sowie die Mundschleim-
aufgenommen wird. haut hinsichtlich frischer Blutungen. Sie achten
Die Darmanteile werden zu jeder Pflegerunde auch auf Blutbeimengungen im Urin, Magensekret
hinsichtlich der Perfusion überwacht. und Stuhl. Einmal pro Schicht messen Pflegende den
Bauchumfang und überprüfen das Abdomen auf
Bauchdeckenspannung, Venenzeichnung, Perfusion
17.1.4  Gallengangsfehlbildungen und Schmerzempfindlichkeit.
Da die stark vergrößerte Leber oder später der As-
DEFINITION zites meist unangenehm und schmerzhaft sind, la-
Gallengangsfehlbildungen: Angeborene Dysplasien gern Pflegende die Kinder auf dem Rücken oder seit-
der intra- oder extrahepatischen Gallengänge. lich mit angewinkelten Knien, um die Bauchdecken-
• intrahepatisch: Gallengangshypoplasie, arterio-he- spannung zu reduzieren.
patische Dysplasie, segmentale oder diffuse Gallen- Die orale Ernährung erfolgt mit MCT-Nahrung.
gangsdysplasie.
• extrahepatisch: Gallengangsatresie, Gallengangs-
Für die Pflege der meist sehr trockenen Haut eig-
stenose, Choledochuszyste. nen sich Wasser-in-Öl-Lotionen und rückfettende
Waschzusätze.
334 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

17.2  Erkrankungen beim Früh- Trinkschwachen Kindern legen sie eine Magenson-
und Neugeborenen de. Je nach Blutzuckerwerten fügen sie der Milch
Anja Messall Maltodextrin bei, da der darin enthaltene längerket-
tige Zucker den Blutzuckerwert langsamer ansteigen
und sinken lässt. Gestillte Säuglinge können das
17.2.1  Hypoglykämie des Maltodextrin auch vor ihrer Frauenmilchmahlzeit
Neugeborenen erhalten.

DEFINITION
Hypoglykämie des Neugeborenen: Nüchternblutzu- 17.2.2  Nekrotisierende Enterokolitis
cker < 45 mg %.

DEFINITION
Ursachen Nekrotisierende Enterokolitis (Enterocolitis necroti-
cans neonatorum, NEC): Vor allem auf Intensivstationen
• U
 nreife der endokrinen Organe beim Früh- und beobachtete Enterokolitis, die meist Frühgeborene, sel-
Neugeborenen ten auch Neugeborene betrifft. Vor der Ausbildung der
• d iabetische Mutter physiologischen Flora siedeln sich fakultativ pathogene
• a ngeborene Stoffwechseldefekte (z. B. Fettab- Keime im Darm an, deren Toxine die Mukosa zerstören.
baustörung)
17 • m
 angelhafte Zufuhr von Nahrung oder Infusi- Risikofaktoren
onslösung
• N
 esidioblastose • h yperosmolare Nahrung und Medikamente
• p ersistierender Ductus arteriosus Botalli
• H ypotension, Hypoxie, Azidose
Symptome, Diagnose und Therapie
• N abelgefäßkatheter
• s chrilles Schreien
• Z ittern, Krämpfe Symptome
• A pathie, Zyanose, blasse Haut
• A pnoe, Tachypnoe, Hypotonie, Hypothermie • z u Beginn: unspezifische Störungen des Allge-
Meist verläuft die Hypoglykämie in diesem Alter je- meinzustands, z. B. zentrale und periphere Tem-
doch symptomlos. peraturschwankungen, gehäuft auftretende
Die Diagnose erfolgt zunächst mit Hilfe eines Apnoeanfälle, Bradykardien, zunehmende pul-
Blutzuckerstix und dann genauer über die Labor- monale Verschlechterung
kontrolle in Form eines Blutzucker-Tagesprofils. • a bdominelle Veränderungen (können sehr viel-
Pflegende verabreichen nach Arztanordnung Glu- seitig und unterschiedlich ausgeprägt sein):
kose als Bolus oder kontinuierlich intravenös. – Zunahme der im Magen verbleibenden Nah-
rungsreste
– gallig verändertes Magensekret durch den
Pflegerische Besonderheiten
Rückstau
Es erfolgt das Standardmonitoring bestehend aus – ggf. Erbrechen
Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung und Körpertem- • A bdomen: glänzend, gespannt, rötlich-livide ver-
peratur. Am Anfang sind tägliche Gewichtskontrol- färbt, stärker vaskularisiert
len indiziert. • t astbare Darmsteifungen
Der Arzt legt die Häufigkeit der engmaschigen • v erstärkte Berührungsempfindlichkeit
Nüchternblutzuckerkontrolle detailliert fest. • v ermehrte Flatulenz
Pflegende verabreichen den Kindern die Nahrung • s chleimig-blutige Stühle
über den Tag verteilt in acht bis zwölf Portionen. • b lassgrau marmoriertes Hautkolorit
17.3  Weitere gastrointestinale Erkrankungen 335

Therapie Bei der Trachealtoilette beatmeter Kinder beachten


die Pflegenden die verminderte Belastbarkeit.
Sobald der Verdacht auf eine NEC besteht, setzt der Die Lagerung des Kindes erfolgt in Oberkörper-
Arzt die orale bzw. enterale Nahrung ab und ordnet hochlage mit angewinkelten Beinen. So erzielen
eine parenterale Ernährung an. Soweit nicht vorhan- Pflegende eine Entlastung der Bauchdecke und eine
den, legen Pflegende dem Kind eine dicklumige Ma- verbesserte Zwerchfellbeweglichkeit. Je nach Zu-
gensonde, die tief und offen hängt, um den Magen stand des Kindes lagern sie es regelmäßig seitlich
zu dekomprimieren und eine Aspiration zu verhin- um.
dern. Das Kind erhält Antibiotika. Kommt es auf- Nach Abklingen der Symptome erfolgt ein extrem
grund des schlechten Allgemeinzustands zu einer vorsichtiger Nahrungsaufbau mit hypoosmolarer
Dekompensation von Atmung und Kreislauf, erfolgt Nahrung, z. B. Alfare®.
die Intubation und Beatmung sowie eine Stabilisie-
rung des Kreislaufs. LITERATUR
Falls sich unter der konservativen Therapie nicht Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpflege.
Elsevier Verlag, München, 1998.
innerhalb weniger Tage Heilung einstellt oder der Schäper, A.; Gehrer, B. (Hrsg.): Pflegeleitfaden Intensivpfle-
Zustand verschlechtert, zieht der Arzt einen Chirur- ge Pädiatrie. Elsevier Verlag, München, 1999.
gen hinzu. In der Regel legt er ein Enterostoma an.
Um ein Kurzdarmsyndrom zu vermeiden, erfolgt
meist nur eine Resektion der gangränösen Darmab-
schnitte und nach wenigen Tagen eine Second- 17
Look-Operation zur evtl. Nachresektion. Lässt sich 17.3  Weitere gastrointestinale
das Kurzdarmsyndrom nicht vermeiden, ist der ora- Erkrankungen
le Nahrungsaufbau erheblich erschwert und das Ulrike Stein
Kind in seiner Entwicklung beeinträchtigt.

17.3.1  Lebererkrankungen
Komplikationen
• S tenosen, Strikturen Leberzirrhose
• K urzdarmsyndrom
• P erforation des Darms, Peritonitis DEFINITION
• B auchwandphlegmone Leberzirrhose: Umbauprozess der Leber, bei dem Zell-
• S epsis, Schock, DIC untergang, Reaktion auf den Zelluntergang und Regene-
ration parallel ablaufen und zum Umbau der gesamten
Leberarchitektur führen.
Pflegerische Besonderheiten
Wegen der progredienten Kreislaufinsuffizienz über- Während dieses Prozesses kommt es zur Kompri-
wachen Pflegende EKG, SpO2 und möglichst den inva- mierung und Verdrängung von Blutgefäßen und
siv gemessenen Blutdruck kontinuierlich. Atemmus- Gallengängen.
ter und -frequenz sowie die Temperatur sind engma- Praktisch alle progressiven Lebererkrankungen
schig intermittierend zu überwachen. Zum zusätzli- münden letztlich in eine Zirrhose.
chen Monitoring der Atmung oder Beatmung
verwenden sie transkutane pO2- und pCO2-Sonden. Ursachen
• G allengangsmalformationen (Gallengangsatresie,
VORSICHT Choledochuszyste)
Die Temperaturmessung erfolgt keinesfalls rektal, da alle • E rkrankungen infektiöser Ursache (Hepatitiden,
rektalen Manipulationen streng kontraindiziert sind. HSV-Infektion, CMV-Infektion, neonatale Sepsis)
336 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

• S toffwechselerkrankungen (zystische Fibrose, Bei Schmerzen lagern Pflegende das Kind entlas-
Morbus Wilson, Glycogenspeichererkrankungen, tend und verabreichen Analgetika nach ärztlicher
Galaktosämie, Hämochromatose) Verordnung.
• E rkrankungen toxischer Ursache (Pilzvergiftun- Wegen der reduzierten Immunabwehr der Pati-
gen, parenterale Ernährung, Malnutrition, hepa- enten mit Leberzirrhose achten Pflegende sowie
totoxische Medikamente) alle anderen beteiligten Berufsgruppen streng auf
• A utoimmunerkrankungen die Einhaltung aller Hygienerichtlinien, um den
• v askuläre Erkrankungen Patienten vor nosokomialen Infektionen zu schüt-
zen.
Symptome
• M üdigkeit, Schwäche Portale Hypertension und
• A ppetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen
Ösophagusvarizen
• G ewichtsverlust
• I kterus und Juckreiz Durch einen vermehrten Pfortaderblutfluss und den
• H epatosplenomegalie daraus resultierenden erhöhten Gefäßwiderstand
• C aput medusae (verstärkte Venenzeichnung der kommt es zu Erhöhung des Drucks im Pfortadersys-
Bauchwand) tem.
Als Folge entstehen durch die Ausbildung von
Komplikationen Kollateralgefäßen zwischen Pfortader- und System-
17 • G erinnungsstörungen, disseminierte intravasale kreislauf Ösophagus-, seltener Magen- und rektale
Gerinnung (DIC) Varizen.
• A szites, Ödeme Ösophagusvarizenblutungen entstehen durch
• p ortale Hypertension, Ösophagusvarizen Perforation der Gefäßwand.
• h epatische Enzephalopathie Sie stellen eine akute vitale Bedrohung dar und
• b akterielle Infektionen infolge Immunschwäche sind die häufigste Ursache für Morbidität und Leta-
• h epato-renales und -pulmonales Syndrom lität bei Kindern mit einer chronischen Leberer-
krankung.
Überwachung und Dokumentation
• E KG- und Blutdruck, SpO2 Ursachen
• A tmung, Körpertemperatur und Bewusstseinsla- • p rähepatisch: Pfortaderthrombose, Nabelvenen-
ge unter Dokumentation der Glasgow Coma Scale katheter, thrombophile Grunderkrankung, arte-
(GCS › Tab. 6.1) rioportaler Shunt (selten)
• P upillenkontrolle • intrahepathisch: chronische Lebererkrankungen,
Leberzirrhose
Spezielle Pflege • p osthepathisch: Budd-Chiari-Syndrom, Pericar-
Da die Leber Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren ditis constrictiva (selten)
synthetisiert, kommt es bei einer Funktionsein-
schränkung häufig zu Gerinnungsstörungen. Des- Symptome
halb ist die Beobachtung des Kindes hinsichtlich • B luterbrechen
Blutungszeichen oder der Zunahme bereits vor- • T eerstuhl; bei schneller Darmpassage blutiger
handener Blutungen sofort an den Arzt weiter zu Stuhl
geben.
In Absprache mit den behandelnden Ärzten und Komplikation
der Diätassistenz erhält der Patient eine auf seine • A spiration
persönlichen Bedürfnisse und seine Grunderkran- • D IC
kung abgestimmte Ernährung. • h ypovolämischer Schock
17.3  Weitere gastrointestinale Erkrankungen 337

Überwachung und Dokumentation Nase


• E KG- und Blutdruck, SpO2
• A tmung, Körpertemperatur und Bewusstseinsla-
ge unter Dokumentation der Glasgow Coma Scale Zugang zum Zugang zum
(GCS) Ösophagus- Magenballon
• P upillenkontrolle ballon
• U rinausscheidung und evtl. Blutverluste
Spezielle Pflege Zugang zur
Parallel zur Kreislaufstabilisierung führt der Arzt ei- Magensonde
ne endoskopische Sklerosierung durch.
Ist eine rasche endoskopische Blutstillung nicht Ösophagus
möglich, kann die mechanische Kompression des
blutenden Gefäßes mittels Sengstaken-Blakemore-
Sonde erfolgen. Ösophagusballon
(50 – 100 ml)
Die Sonde hat 3 Lumina (Magenballon, Ösopha-
gusballon, Zugang als Magensonde zum Drainieren Magenballon
des Magens). (100 – 150 ml)
Nach Anlegen der Sonde durch den Arzt blocken
Pflegende den Magenballon je nach Größe des Kin- 17
des mit bis zu 150 ml Luft und fixieren so die Sonde. Sondenöffnungen
Anschließend muss der Magen blutleer gespült wer- im Magen
den, da die Gefahr der Tamponade durch große
Mengen koagulierten Blutes besteht.
Die Blockung des Ösophagusballons erfolgt unter
ständiger Manometerkontrolle. Der Druck sollte
max. 45 mmHg betragen, um eine unnötig hohe Ge-
webekompression zu vermeiden. Abb. 17.4  Funktionsprinzip der Sengstaken-Blakemore-Son-
Der optimale Ballondruck, vom Arzt festgelegt, ist de. Über die Zugänge zum Ösophagus- und Magenballon wer-
von den Pflegenden mind. alle 15 Min. mittels Ma- den diese bis zu einem Volumen bis 150 ml bzw. 250 ml aufge-
füllt. Über die Zugänge zu Ösophagus und Magen fließen Blut
nometer zu überprüfen und gegebenenfalls zu korri- und Sekret ab. [L126]
gieren. Die Dokumentation dieser Maßnahmen er-
folgt lückenlos und zeitnah.
Bei sistierender Blutung ist eine 6-stündliche Ent- Komplikationen einer Sengstaken-Blakemore-
blockung des Ösophagusballons für ca. 5 Min. zu Sonde
empfehlen. • D ruckulzera am Naseneingang
Da dem Kind das Schlucken nicht möglich ist, un- • Ö sophagusulzera, Ösophagusruptur, Ösophagitis
terstützen Pflegende es bei der Entfernung von Se- • S ekretaspiration
kret und Speichel aus Mund und Nase. • laryngeale Obstruktion mit Ateminsuffizienz bei
Nach 24 Std. erfolgt bei weiterhin sistierender Dislokation der Sonde
Blutung das Entblocken des Ösophagusballons. Da-
nach bleibt die Sonde für weitere 24 Stunden liegen.
Lebertransplantation
Im Anschluss erfolgt die vorsichtige Entfernung der
Sonde. Die Lebertransplantation ist eine weit verbreitete
kurative Therapie bei akutem und chronischem Le-
VORSICHT berversagen.
Sehr häufig treten durch das Entfernen der Sonde erneut Stetig verbessern sich die Transplantationsergeb-
Blutungen auf. nisse in Hinblick auf Überleben und auf die Lebens-
338 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

qualität. Dazu tragen chirurgische Techniken, ver- • T emperatur


besserte immunsuppressive Therapie und größere • intermittierend:
Erfahrungen der betreuenden Teams bei. • U rinausscheidung
Bei Kindern hat sich die Lebersegmenttransplan- • D rainagenverluste
tation durchgesetzt. Diese Transplantationstechnik • B ewusstseinslage mittels Pupillenkontrolle und
eröffnet die Möglichkeit zur Lebendspende (in der GCS
Regel von einem Elternteil).
Vorteile einer Lebendspende sind die im Bedarfs- Komplikationen
fall schnelle Verfügbarkeit des Transplantates, die • p rimäres Transplantatversagen
optimale Planbarkeit des operativen Eingriffs und • p rimäre Nahtinsuffizienz oder Stenose im Be-
die deutlich reduzierten Risiken transportbedingter reich der anastomosierten Blutgefäße oder Gal-
Gewebeschäden des Spenderorgans. Ein Nachteil ist lengänge
die Operation des Spenders mit all ihren Operations- • Th
 rombose der Leberarterie
risiken. • E rhöhtes Infektionsrisiko auf Grund der Immun-
suppression
Indikationen • c hronische Abstoßung mit daraus resultierendem
• G allengangsatresie, biliäre Zirrhose nach erfolg- Transplantatversagen
ter Kasai-Operation (Hepatoporto-Enterostomie) • u nerwünschte Wirkungen der Immunsuppessiva
• intrahepatische Cholestase bei familiären Choles-
17 tasesyndromen Spezielle Pflege
• A llagille-Syndrom Besonders in der frühen postoperativen Phase ach-
• n eonatale Hepatitis ten Pflegende engmaschig auf Zeichen einer Nach-
• a kutes Leberversagen blutung.
• m etabolische Erkrankungen, z. B. Morbus Wil- Stündlich überprüfen und dokumentieren sie alle
son, Tyrosinämie, Harnstoffwechselstörungen Drainagen hinsichtlich Sekretmenge und -beschaf-
wie Ornithin-Transcarbamylase/OTC-Defekt fenheit. Dabei ist zu bedenken, dass besonders Kin-
der nach Lebertransplantation verstärkt zu Blutun-
Kontraindikationen gen aus den interkostalen Gefäßen neigen.
• u nkontrollierte systemische Infektionen (Sepsis) Eine frühzeitige enterale Ernährung ist anzustre-
• m etastasierendes hepatozelluläres Karzinom ben. Dafür erfolgt die Erstellung eines Ernährungs-
• e xtrahepatische Malignomerkrankungen mit we- plans in Absprache mit dem Kind, dem Arzt und der
niger als 2 Jahren Rezidivfreiheit nach abge- Diätassistenz unter besonderer Berücksichtigung
schlossener kurativer Behandlung der Immundefizienz.
Auch schwerwiegende Begleiterkrankungen, z. B. Nach erfolgreicher Extubation lagern Pflegende
pulmonale Hypertonie, Herzerkrankungen, Alko- das Kind atemunterstützend und führen nach ärztli-
hol- und Drogenabusus oder schwere neurologische cher Verordnung eine adäquate Schmerztherapie
Erkrankungen, können in hohem Maße operations- durch.
risikorelevant und somit zur Kontraindikation wer- Die Verabreichung der Immunsuppressiva
den. (› 13.5.2) erfolgt pünktlich nach ärztlicher Anord-
nung.
Überwachung und Dokumentation Auf Grund der medikamentenbedingten Immun-
kontinuierlich: defizienz erfordert die Versorgung lebertransplan-
• E KG tierter Kinder besondere hygienische Standards:
• A tmung • D
 ie Unterbringung erfolgt in einem Einzelbe-
• SpO2 handlungszimmer unter Umkehrisolation.
• E tCO2 • W
 ährend der Patientenversorgung tragen alle
• Z VD Mitarbeiter im Patientenzimmer Mundschutz,
• invasiver Blutdruck Handschuhe, Schutzkittel und Haube zum Zweck
17.3  Weitere gastrointestinale Erkrankungen 339

der Schutzisolierung bis zum 28. Tag postopera- Ileus


tiv.
• D ie Verbandswechsel erfolgen einmal täglich un- DEFINITION
ter aseptischen Bedingungen. Sollten Blutungen Ileus: Unterbrechung der Darmpassage infolge einer
auftreten, erneuern Pflegende die Verbände um- mechanischen Verengung des Darmlumens (mechani-
gehend. scher Ileus) oder einer Darmlähmung (paralytischer
Unmittelbar nach der Extubation beginnt das Kind Ileus).
unter Anleitung des Pflegepersonals mit einem al-
tersgerechten Atemtraining, um das Risiko pulmo- Ursachen
naler Infektionen zu verringern. Eine frühzeitige mechanischer Ileus:
Mobilisation dient der Dekubitus- und Thrombose- • O bstruktion durch z. B. angeborene Stenose oder
prophylaxe. Atresie, Fremdkörper wie Mekoniumpfropf und
Nach der Lebertransplantation kann der Patient Gallensteine, Tumoren, Strikturen
eine leichte Form eines akuten organischen Psycho- • S trangulation durch z. B. Verwachsungen, Volvu-
syndroms (Durchgangssyndrom, Funktionspsycho- lus, Invagination
se) entwickeln. Hierbei können eine Reihe unspezifi- paralytischer Ileus:
scher psychischer Störungen zeitlich begrenzt auf- • E ingestellte Darmperistaltik auf Grund einer Er-
treten. Sie bilden sich in der Regel innerhalb von krankung, z. B. Peritonitis, Pankreatitis, nach
Stunden bis Tagen zurück. operativen Eingriffen oder durch eine Opiatthe-
Zu den Symptomen gehören: rapie 17
• ä ngstliche oder depressive Verstimmung
• A ntriebsstörung Symptome
• S chlafstörung • Ü belkeit, Erbrechen
• g roße innere oder körperliche Unruhe • k ein Stuhlgang
• G edächtnisschwäche • b ei schweren Verläufen Stauung des Dünn-
Patienten mit diesen Störungen bedürfen besonde- darminhalts in den Magen (Miserere) bis hin
rer Beobachtung und Zuwendung. zum kotigen Erbrechen
• a ufgetriebenes Abdomen, Meteorismus, Abwehr-
spannung der Bauchdecke
17.3.2  Akutes Abdomen • V olumenmangel
• s tarke Schmerzen bei mechanischem Ileus
DEFINITION • fehlende Darmgeräusche und weniger starke
Akutes Abdomen: Sammelbezeichnung für akut ein- Schmerzen beim paralytischen Ileus
setzende, schwere abdominelle Symptome, die eine ra-
sche Diagnostik und häufig eine notfallmäßige chirurgi- Komplikationen
sche Intervention erforderlich machen. • D armperforation
• D urchwanderungsperitonitis
Die Leitsymptome des akuten Abdomens sind ab- • h ypovolämischer Schock
dominelle Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und er-
höhte Bauchdeckenspannung. Beim Neugeborenen Überwachung und Dokumentation
und bei Säuglingen zeigt sich das Abdomen häufig • E KG- und Blutdruck, SpO2
aufgetrieben und gerötet. Diese Symptome können • A tmung, Körpertemperatur und Bewusstseinsla-
von Fieber, Blässe und Bewusstseinsstörungen be- ge unter Dokumentation der Glasgow Coma Scale
gleitet sein. (GCS)
Häufige Ursachen im Kindesalter sind Appendizi- • P upillenkontrolle
tis, Peritonitis und Ileus. • U rinausscheidung
340 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

Spezielle Pflege Peritonitis


Pflegende veranlassen für das Kind sofort eine DEFINITION
strikte Nahrungskarenz. Zur Entlastung des Ma- Peritonitis: Entzündung des Peritoneums infolge infek-
gen-Darm-Trakts wird eine großlumige Magen­ tiöser Prozesse (eitrige Peritonitis) oder organischer Sub-
ablaufsonde zur Drainage des Magensekretes ge- stanzen (nicht-eitrige Peritonitis).
legt.
Unstillbare Übelkeit und Erbrechen können nach Ursachen
ärztlicher Verordnung mit antiemetischen Medika- primäre Ursachen:
menten behandelt werden. • L eberzirrhose
Eine medikamentöse Schmerztherapie ist beson- • n ephrotisches Syndrom
ders sorgfältig abzuwägen, da Analgetika die Symp- • P eritonealdialyse
tome der Erkrankung verschleiern und somit ein • p eritoneale Metastasen
frühzeitiges Erkennen einer Verschlechterung ver- • h ämatogen bakteriell
hindern können. sekundäre Ursachen:
• D armperforation
Mechanischer Ileus • A ppendixperforation
Ein mechanischer Ileus erfordert in der Regel eine • U lkusperforation
frühzeitige Laparotomie zur Beseitigung des me- • a bdominelles Trauma
chanischen Hindernisses. Eine Invagination als • iatrogene Perforation bei PEG, Polypenentfer-
17 Ursache kann erfolgreich konservativ mit Hilfe ei- nung
nes sonographiegesteuerten Einlaufs behandelt • I nfektion eines VP-Shunts
werden.
Symptome
Paralytischer Ileus • a kutes Abdomen (› oben)
Zur Stimulation der Darmmotorik und möglichst • F ieber
raschen Darmentleerung beim paralytischen Ileus • T achypnoe
verabreichen Pflegende Klysmata oder Hebe-Senk- • a bwehrgespanntes, druckdolentes Abdomen
Einläufe. • w enige bis fehlende Darmgeräusche
Diese Maßnahmen stellen einen schwerwiegen- • Ü belkeit, Erbrechen
den Eingriff in die Intimsphäre dar und müssen da- • F acies abdominalis: tiefliegende halonierte Au-
her unter Wahrung der persönlichen Würde erfol- gen, spitze Nase
gen. Eine ausführliche Aufklärung des Kindes im
Vorfeld ist obligat. Komplikationen
Eine medikamentöse Anregung der Darmmotorik • p aralytischer Ileus
ist ärztlich zu verordnen. • s eptischer Schock
Je nach Schmerztoleranz des Patienten kann eine • A bszess
Bauchmassage erfolgen. Auch häufiges Umlagern • im Verlauf Briden, mechanischer Ileus
des Patienten wirkt sich günstig auf die Anregung
der Darmperistaltik aus und kann schmerzlindernd Überwachung und Dokumentation
sein. • E KG- und Blutdruckmonitoring, SpO2
Auch postoperativ gelten die oben genannten • A tmung, Körpertemperatur und Bewusstseinsla-
pflegerischen Besonderheiten. Pflegende berück- ge unter Dokumentation der Glasgow Coma Scale
sichtigen bei ihren Maßnahmen, dass das Abdomen (GCS)
trotz Entlastung häufig noch gespannt und berüh- • P upillenkontrolle
rungsempfindlich ist. • U rinausscheidung
17.3  Weitere gastrointestinale Erkrankungen 341

Spezielle Pflege • D ehydratation


Bei Peritonitis ist eine Peritonealdialyse umgehend • S omnolenz, Koma
auszusetzen und auf eine Hämodialyse auszuwei- • P olyurie
chen. • Ü belkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust
Pflegende verabreichen nach ärztlicher Verord- • S chläfrigkeit, Muskelschwäche
nung eine adäquate Schmerzmedikation. • P seudoperitonitis diabetica
Weitere pflegerische Besonderheiten bei einer Pe-
ritonitis unterscheiden sich nicht von denen bei Komplikationen
akutem Abdomen durch Ileus (› oben). • h ypovolämischer Schock
• H irnödem durch rasche Rehydratation bei hyper-
osmolarer Dehydratation. Dies ist besonders zu
17.3.3  Diabetisches Koma Beginn der Insulintherapie in der ersten Phase
der Behandlung durch engmaschige Kontrollen
DEFINITION der Vigilanz zu beachten. Als hinweisende Sym­
Diabetisches Koma: Stoffwechselentgleisung mit Stö- pto­me treten Kopfschmerzen, Eintrübung bis zum
rung des Bewusstseins durch die Folgen eines relativen Koma sowie Störung der Pupillenreaktion auf.
oder absoluten Insulinmangels. • H erzrhythmusstörungen als Folge einer Elektro-
lytentgleisung (Hyper-/Hypokaliämie, Hypo-/Hy-
Beim relativen Insulinmangel kann die Insulinse- pernatriämie)
kretion verzögert oder eingeschränkt sein. Die Insu- • L ungenödem, myokardiale Insuffizienz 17
linempfindlichkeit des Gewebes ist vermindert.
Ein absoluter Insulinmangel entsteht durch die Überwachung und Dokumentation
Zerstörung der insulinproduzierenden Inselzellen • E KG- und Blutdruck, SpO2
des Pankreas. Auslösende Faktoren sind Autoanti- • K örpertemperatur, Bewusstseinslage unter Do-
körper, genetische Disposition, virale Infektionen kumentation der Glasgow Coma Scale (GCS)
und Umwelteinflüsse. • P upillenkontrolle
• U rinausscheidung und Bilanzierung
• B Z (engmaschig) nach ärztlicher Anordnung
Ketoazidotisches Koma
• A temtiefe und -frequenz, Atemgeruch (Azeton)
DEFINITION Pflegerische Besonderheiten
Ketoazidotisches Koma: Insulinmangel führt zu meta-
bolischer Azidose und Anhäufung von Ketonkörpern, die
Die Therapie zum Ausgleich der Stoffwechsellage er-
durch eine gesteigerte Lipolyse verursacht sind. folgt nach ärztlicher Anweisung.
Abweichungen der Blutzuckermesswerte von vor-
her festgelegten Grenzen und Vigilanzschwankun-
Ein ketoazidotisches Koma kommt bei Typ-I-Dia- gen sind dem Arzt unverzüglich mitzuteilen.
betes vor. Bei Bewusstlosigkeit und erloschenen Schutzrefle-
xen, z. B. Schluckreflex oder Lidschlussreflex, über-
nehmen Pflegende das Absaugen von Speichel und
Ursachen
bringen bei inkomplettem Lidschluss Augensalbe ein.
• E rstmanifestation des Diabetes mellitus Typ-I Die Pflegenden lagern das Kind atemerleichternd
• I nsulinunterdosierung, erhöhter Insulinbedarf und reduziert bei abdominellen Schmerzen die
bei Infekten oder nach Operationen Bauchdeckenspannung mit Hilfe einer Knierolle.
• D
 iätfehler Die Ernährung und Flüssigkeitssubstitution sowie
die Insulinzufuhr erfolgt ausschließlich parenteral.
Symptome Zur Entlastung des Magendarmtrakts oder bei ab-
• A zetongeruch in der Ausatemluft dominellen Symptomen erfolgt die Anlage einer
• t iefe Azidoseatmung (Kussmaul-Atmung) Magenablaufsonde.
342 17  Pflege bei gastrointestinalen Erkrankungen

LITERATUR
1. Brömme, W.; Lietz, R.; Bennek, J. (Hrsg.): Handbuch der 4. Larsen, R. (Hrsg): Anästhesie und Intensivmedizin für die
Kinderintensivmedizin. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, Fachpflege. Springer Verlag, Heidelberg, 2007.
2003. 5. Latasch, L.; Knipfer, E.: Anästhesie, Intensivmedizin, In-
2. Knipfer, E.; Kochs, E. (Hrsg): Klinikleitfaden Intensivpfle- tensivpflege. Elsevier Verlag, München, 2004.
ge, 4.A. Elsevier Verlag, München, 2008. 6. Rodeck, B.; Zimmer, K. P.: Pädiatrische Gastroenterologie,
3. Kühl, P. et al. (Hrsg.): Klinikleitfaden Kinderkrankenpfle- Hepatologie und Ernährung, Springer Verlag, Heidelberg,
ge. Elsevier Verlag, München, 2003. 2008.

17
KAPITEL
Pflege bei hämatologischen

18 Erkrankungen und
systemischen Infektionen
18.1  Erkrankungen beim Früh- Symptome
und Neugeborenen • Ikterus
Katja von Maydell • Nahrungsverweigerung oder Trinkschwäche
• Apnoen
• Übererregbarkeit oder Somnolenz
18.1.1  Hyperbilirubinämie • Schrilles Schreien
• Hypertonus
In den ersten 5–7 Lebenstagen zeigen fast alle Neu- • Krampfanfälle, schwere Muskelrigidität, Opistho-
geborenen einen physiologischen Ikterus. Bei un- tonus.
komplizierten Fällen (z. B. Gestationsalter ≥ 38+0
Wochen, kein Hämolysehinweis) beträgt ab einem
Phototherapie
Lebensalter von 72 Std. die Phototherapiegrenze
20 mg/dl (340 μM). Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer
Bei Neugeborenen mit einem Gestationsalter < 38 Phototherapie zur Bilirubineliminierung trifft der
Wochen wird für die Berechnung der Photothera- Arzt. Die Infusion von Humanalbumin kann zu ei-
piegrenze (mg/dl) vom aktuellen Gestationsalter (in ner verbesserten Bilirubinbindung beitragen.
Wochen) der Wert 20 abgezogen.
Bei einem positiven Coombs-Test sinkt die Gren- Durchführung
ze zusätzlich um 2 mg/dl. Bei der Phototherapie finden spezielle blaue Leucht-
Um der Dynamik des Anstiegs Rechnung zu tragen, stoffröhren mit einer Wellenlänge von 460 nm Ver-
wird vor einem Alter von 72 Std. eine weitere Aben- wendung. Der Blaulichtanteil bewirkt eine Um-
kung der Phototherapiegrenze um 2 mg/dl (35 μM) wandlung der Bilirubinmoleküle in eine wasserlösli-
pro Tag empfohlen. [1] che Form, die ohne Konjugierung ausgeschieden
werden kann.
Ursachen Vor der Inbetriebnahme der Lampe lesen Pflegen-
• Sepsis (Bilirubinanstieg durch Hämolyse) de die aktuelle Betriebsstundenzahl ab, da die Röhren
• Unreife nach einer Laufzeit von 1.000 Std. zu wechseln sind.
• Hypoxie Das Kind legen sie in einen Inkubator oder ein
• Vermehrter Erythrozytenabbau wegen verkürzter Wärmebett und entkleiden es. Die Windel sollte
Lebensdauer des HbF möglichst klein sein. Für die Vermeidung von Netz-
• Geburtstraumatische Hämatome hautschäden, legen Pflegende dem Kind eine ent-
• Morbus hämolyticus neonatorum sprechende Schutzbrille an.
• Niedrige Serumeiweißkonzentration Je nach Hersteller variiert die Distanz, die zwi-
• Verminderte Aktivität der Glukoronyltransferase schen Lampe und Kind einzuhalten ist. Meist be-
durch Unreife der Leber, dies führt zu einer ein- trägt sie 40 cm. Unterschreiten Pflegende diese Vor-
geschränkten Bilirubinkonjugierung gabe, kann das Kind Verbrennungen erleiden. Um
• Verminderte Darmpassage durch Fehlbildungen eine optimale Strahlungswirkung zu gewährleisten,
• Medikamentenwirkung (z. B. Koffein, Chloram- lagern sie das Kind parallel zur Lampenachse.
phenicol) Während der Phototherapie erfolgt ein regelmä-
• Galaktosämie, Hypothyreose ßiger Lagerungswechsel alle 3–4 Stunden [2], um
344 18  Pflege bei hämatologischen Erkrankungen und systemischen Infektionen

die Bestrahlung aller Körperregionen sicherzustel- BEACHTE!


len. Am besten geeignet sind Bauch- und Rückenla- Medikamentenspiegel sinken durch Blutaustausch ab.
ge, da sie dem Licht große Hautareale aussetzen.
Während der Phototherapie ist die Verwendung
von fetthaltigen Cremes kontraindiziert, da sie zum Komplikationen
Wärmestau führen können. Zur Versorgung des Kin- • Embolie, Thrombose
des und wenn die Eltern da sind, schalten Pflegende • Herzrhythmusstörungen
jeweils die Lampe aus und nehmen die Schutzbrille ab. • Elektrolytentgleisungen
Es ist auch möglich, Bestrahlungskissen zu verwenden • Hypothermie

Austauschtransfusion
Pflegerische Besonderheiten
Eine Austauschtranfusion erfolgt mit einem geeig-
neten Erythrozytenkonzentrat gemischt mit geeig- Das Monitoring erfolgt mittels EKG und SpO2, da
netem FFP. Dabei wird die 3-fache Blutmenenge des bei Kindern mit Hyperbilirubinämie gehäuft apnoe-
Kindes ausgetauscht. bedingte Bradykardien auftreten. Pflegende überwa-
Die Indikationen sind u.a. eine Hyperbilirubinä- chen die Temperatur des Kindes während der Pho-
mie und eine Anämie bei Hydrops fetalis. totherapie alle 2–3 Std. Bei bekannten Temperatur-
problemen kann eine kontinuierliche Messung per
Vorbereitung Sonde notwendig sein. Zu jeder Pflegerunde unter-
• Grundmonitoring 1, zusätzlich rektale Tempera- suchen die Pflegenden die Haut des Kindes hinsicht-
turmessung lich Rötungen (erstgradige Verbrennung) und ande-
• Bestellung des Austauschblutes rer Veränderungen. Kleine rote Papeln, die über den
• Falls noch kein zentraler Zugang vorhanden ist, gesamten Körper verteilt sind, deuten auf ein Exan-
18 Materialien zur NVK -Anlage NVK thema toxicum (Lampenexanthem) hin.
• Reanimations-/ Notfallwagen bereitstellen Aufgrund einer stark erhöhten Bilirubinkonzent-
• Steril vorbereiteter Instrumententisch mit großem ration kann es zu neurologischen Auffälligkeiten
sterilen Lochtuch und Austauschset von z.B. (gesteigerte Unruhe und Motorik) bis hin zu
­Vygon [3] Krampfanfällen kommen.
• Kind wenn nötig nach ärztlicher Anordnung se- Bei längerer Bestrahlungsdauer ist die Defäka­
dieren tions­frequenz aufgrund einer transitorischen Lakto-
• Auf ausreichende Wärmezufuhr achten seintoleranz meist erhöht und das Kind setzt wässri-
• Blutentnahmeröhrchen für vorherige und ab- ge, spritzende Stühle ab. Pflegende achten auf aus-
schließende Blutuntersuchung reichende Flüssigkeitszufuhr.
Das Bilirubin färbt den Urin meist bierbraun.
Durchführung Einläufe mit NaCl 0,9 % oder Glukose 5 % können
Das angewärmte Blut/FFP-Gemisch wird in Portio- die Bilirubinausscheidung über den Darm beschleu-
nen von nigen und eine Rückresorption des Bilirubins ver-
• „NG ≥ 2500g → 20ml meiden.
• FG 1500g–2500g → 10ml
• FG ≤ 1500g → 5ml“ [2]
mit einer „Austauschgeschwindigkeit von 2ml/kg- 18.1.2  Hydrops fetalis
KG/min“ [2] ausgetauscht.
Alle 5 Minuten wird die Konserve geschwenkt, um DEFINITION
ein Ablagern der Erythrozyten zu verhindern. Das in Hydrops fetalis: Flüssigkeitsansammlung und generali­
den Blutkonserven verwendete Citrat (unterbindet sierte Ödeme in einer oder mehreren Körperhöhlen, z. B.
Gerinnung) bindet die Calziumionen im Blut. Aus Pleuraspalt, Perikard, Peritoneum, wodurch Ateminsuffi­
diesem Grund ist eine Calciumglukonat 10%-Gabe zienz, Herzinsuffizienz und pralles Abdomen (aufgrund
eines Aszites) auftreten.
von „2ml/ 100ml Austauschblut“ [4] erforderlich.
18.1  Erkrankungen beim Früh- und Neugeborenen 345

Ursachen heizbare Reanimationseinheit. Bei ausgeprägten Ergüs-


sen und Ateminsuffizienzzeichen intubiert und beat-
• Herzinsuffizienz (z. B. fetale Rhythmusstörun- met der Arzt das Kind sofort. Im Anschluss legt er einen
gen) durch kompensatorische Erhöhung des periphervenösen Zugang (bei ausgeprägtem Krank-
Herzzeitvolumens bei Anämie zur Aufrechterhal- heitsbild einen NAK sowie einen doppellumigen NVK).
tung der O2-Versorgung, Herzvitium, Kardio- Die folgende Behandlung richtet sich nach der Kreis-
myopathie, intrauteriner Verschluss des Foramen laufsituation des Kindes. Ggf. ist eine Kreislaufstabili-
ovale sierung mit Hilfe von Katecholaminen oder eine Reani-
• Hypoproteinämie, z. B. bei Nierenvenenthrombo- mation erforderlich. Bei ausgeprägter Anämie trans-
se und angeborener Nephrose fundiert der Arzt die vorbereitete Blutkonserve.
• Anämie, z. B. bei fetomaternaler oder fetofetaler Wenn nötig, punktiert der zweite Arzt parallel zu
Transfusion und Morbus hämolyticus neonato- den laufenden Maßnahmen die Pleuraergüsse und
rum, Blutungen den Aszites. Er lässt das Sekret fraktioniert ab, um
• Infektionen, z. B. Lues, Toxoplasmose, Zytomega- die Kreislaufbelastung zu minimieren.
lie, Parvovirus B 19, Röteln, Herpes Zur Dekompression des Magens legen Pflegende
• Chylothorax, Zwerchfellhernie eine Magensonde, deren Ende unterhalb des Kör-
• Missbildungen von Leber und Galle perniveaus zu fixieren ist und offen bleibt.
• Stoffwechselerkrankungen Nach der Stabilisierung der Vitalfunktionen erfolgt
• Chromosomenanomalie die Verlegung des Kindes auf die Intensivstation.
• Diagnostik: Echokardiographie, Sonografie,
Röntgen-Thorax und ggf. Babygramm
Komplikationen
• Blutentnahme: BB, Blutgruppe mit Coombs-
• NEC (› 15.2.2) Test, Gerinnung, Serumeiweiß, Elektrolyte, Le-
• IRDS (› 13.2.1) ber- und Nierenwerte, konnatale Infektionen und 18
• Pneumothorax Chromosomenanalyse
• „Low cardiac output“
Therapie
Primärversorgung
• Beatmung mit hohem PEEP (Lungenödem)
Meist decken bereits die pränatalen Ultraschallun- • Flüssigkeitsrestriktion
tersuchungen den Hydrops fetalis auf. Die Entbin- • Kreislaufstabilisierung durch Katecholamine und
dung erfolgt per Sectio caesarea. Volumen
• Bluttransfusionen, evtl. Gerinnungsfaktoren sub-
Reanimationseinheit vorbereiten stituieren
• Reanimationsmedikamente und Material für Intuba­
• Diuretika
tion, Infusion, NVK und NAK, Pleura- und Aszites­ • Behandlung der Grunderkrankung, z. B. Blut-
punktion, bereitlegen (Reanimation › 20) austausch, antiarrhythmische Therapie
• Blut vorbereiten: 0-Erythrozytenkonzentrat, Rh-Faktor
negativ
• Sectio planen, mind. zwei Ärzte und eine Pflegekraft
Pflegerische Besonderheiten
halten sich bereit Die Pflege von Patienten mit einem Hydrops fetalis
• Punktionsbestecke für Pleura- und Aszitesdrainage
erfolgt in einer offenen Intensiveinheit mit der Mög-
richten
• Magensonde vorbereiten
lichkeit zur externen Wärmezufuhr. Vorsichtiges
Handling ist erforderlich.
Zum Monitoring gehört wegen drohender Brady-
Durchführung kardien und Arrhythmien die kontinuierliche Ablei-
Das Erstversorgungsteam lagert den Säugling auf vor- tung des EKGs. Die Messung des RR und ZVD er-
gewärmte Windeln und eine von oben und unten be- folgt kontinuierlich invasiv. Die Pflegenden kontrol-
346 18  Pflege bei hämatologischen Erkrankungen und systemischen Infektionen

lieren die Körpertemperatur während der ersten Flüssigkeitsrestriktion. Bei stabilen Kreislaufver-
Zeit mittels einer Messsonde. hältnissen bauen Pflegende die Ernährung vorsich-
tig mit häufigen kleinen Mahlzeiten auf.
Ödeme vergrößern die Körperoberfläche. Die Folge ist ein Um eine bessere Beurteilung der Urinausschei-
vermehrter Wärmeverlust. dung zu ermöglichen, legen Ärzte/Pflegende einen
transurethralen Blasenkatheter. Angestrebt ist eine
ausgeglichene oder leicht negative Bilanz, die evtl.
Da die vorhandenen Ödeme sehr schmerzhaft sind, nur durch den Einsatz von Diuretika zu erreichen ist.
achten Pflegende auf eine ausreichende Analgesie. Die Haut des Patienten ist aufgrund der Ödeme
Zu jeder Pflegerunde beurteilen Pflegende das und die dadurch verminderte Hautperfusion sehr
Abdomen hinsichtlich Umfang, Bauchdeckenspan- empfindlich. Pflegende vermeiden deshalb, Pflaster
nung, Perfusion, Venenzeichnung und Schmerz- direkt auf die Haut zu kleben. Zum Schutz der Haut
empfindlichkeit, da die meist schlechte Kreislaufsi- eignen sich Hydrokolloidplatten, auf denen die nöti-
tuation die NEC-Gefahr erhöht (› 15.2.2). gen Fixierungen sicher anzubringen sind. Intakte
Zusätzlich sind die Beatmung und der Säure-Ba- Hautfalten versorgen Pflegende mit trockenen Tup-
sen-Haushalt mittels SpO2, pO2, pCO2 sowie regel- fern, offene Hautfalten mit Salbengaze.
mäßigen Blutgasanalysen kontinuierlich zu überwa-
chen. LITERATUR
1. Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatri-
sche Intensivmedizin; AWMF-Leitlinien-Register Nr.
Verminderte Hautperfusion erschwert die Messung dieser 024/007 Entwicklungsstufe: 2k + IDA
Parameter. Evtl. führen Pflegende die SpO2-Messung am 2. Roos, R.; Genzel-Boroviczény, O.; Proquitté, H.: Checklis-
Ohrläppchen durch. Statt dem tcpCO2 kann alternativ das te Neonatologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2010
ETCO2 bestimmt werden (cave: Totraumvergrößerung). 3. http://www.vygon.de/Produkte/Neonatologie-Paediatrie/
18 Hierbei gilt allerdings die Einschränkung: Ein Lungen­ Nabelkatheter/Komplett-Set-zur-Blutaustausch-
ödem führt zu einer längeren Diffusionsstrecke. Dadurch Transfusion/%28downloads%29/prospekte/#content
atmet der Säugling weniger CO2 ab und es entstehen (letzter Zugriff 3.6.2012)
falsch niedrige Werte. 4. Obladen, M.; Maier, R. F.: Neugeborenenintensivmedizin.
Evidenz und Erfahrung. Springer Verlag, Heidelberg, 2011.

Die Beatmung erfolgt mit einem PEEP zwischen


5–10 mbar (Lungenödem › 13.4.5).
Vor der Trachealtoilette präoxygenieren Pflegende 18.2  Weitere Erkrankungen
das Kind und achten auf ausreichende Analgosedie- Ulrike Stein
rung. Da der Druckverlust bei der Diskonnektion vom
Beatmungsgerät zu hoher Kreislaufbelastung führen
würde, benutzen sie ein geschlossenes Absaugsystem. 18.2.1  Disseminierte intravasale
Die Lagerung erfolgt auf einer Schaumstoff- oder Gerinnung
Gelmatratze. Zur Dekubitusprophylaxe lagern Pfle-
gende das Kind regelmäßig um. Führt das häufige DEFINITION
Umlagern zu einer starken Kreislaufbelastung, ist es Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC): Gerin­
ebenso möglich, durch wechselseitiges Unterlegen nungsstörung mit Verbrauch von Thrombozyten und Ge­
(z. B. eines kleinen Handtuchs) unter die Matratze in rinnungsfaktoren (Verbrauchskoagulopathie).
kurzen Zeitabständen eine Druckentlastung zu er-
reichen. Bei Aszites oder anderen abdominellen Pro-
Ursachen
blemen lagern Pflegende die Beine angewinkelt, um
die Bauchdeckenspannung zu reduzieren. • Infektionen (z. B. durch Meningokokken, Pneu-
Die Magenablaufsonde hängt tief und offen. Zu mokokken), Sepsis
Beginn erfolgt eine vollständige parenterale Ernäh- • Schock bei Verbrennung
rung unter Einhaltung der vom Arzt vorgegebenen • Toxikose
18.2  Weitere Erkrankungen 347

• Kontakt mit Fremdoberflächen, z. B. beim Ein- 18.2.2  Sepsis


satz der Herz-Lungen-Maschine (Aktivierung des
fibrinolytischen Systems, Verbrauch und Denatu- DEFINITION
rierung der Thrombozyten) Sepsis: Eine den ganzen Körper betreffende Entzün­
• Transfusionsreaktion dungsreaktion nach einer Infektion durch Mikroorganis­
• Intoxikationen men bzw. deren Toxine.
• hämolytisch-urämisches Syndrom
Die Symptome der Sepsis sind vielfältig und v. a. bei
Symptome Neugeborenen nicht immer typisch. (› unten). Die
Bei Kindern mit einer DIC kommt es zur gestörten Keime und Toxine können primär hämatogen oder
Mikrozirkulation, Blutdruckabfall, Tachykardie und von einem Infektionsherd aus streuen. Unbehandelt
Schock. Klinisch fallen klein- bis großfleckige Haut- führt eine Sepsis rasch zum Schock mit Multiorgan-
und Schleimhautblutungen auf. Im Verlauf kommt versagen.
es zum Multiorganversagen. Durch zerebrale Blu- Faktoren, die das Entstehen einer Sepsis begünsti-
tungen oder Ischämie können neurologische Symp- gen, sind z. B. Immunsuppression, Frühgeburtlich-
tome, z. B. Bewusstseinseintrübung, fokale Krampf- keit, Verbrennungen, Operationen oder Anlage zen-
anfälle und fokale neurologische Defizite auftreten. traler Zugänge. Besondere Probleme stellen nosoko-
miale Infektionen dar.
Komplikationen
Symptome
• Hirnblutung • Tachykardie, Bradykardie, Herzinsuffizienz, arte-
• Lungenblutung rielle Hypotonie
• Nierenversagen • Tachydyspnoe, Apnoe, Sättigungsschwankungen
• hypovolämischer Schock • Temperaturschwankungen, Fieber, stark vermin- 18
• Leberversagen derte periphere Perfusion, verzögerte Rekapillari-
sierung
• blass-fahles, marmoriertes Hautkolorit, periorale
Pflegerische Besonderheiten
Zyanose, Petechien
Während der Low-Dose-Heparinisierung ist die • Desorientiertheit, Unruhe, Apathie, zerebrale
Überwachung von Kreislaufparametern, Flüssig- Krampfanfälle
keitsbilanz, Blutungszeichen und Vigilanz erforder- • Trinkunlust, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Durch-
lich. Das Monitoring des Kindes erfolgt mit einer fall, Verdauungsprobleme, fehlende Darmgeräu-
kontinuierlichen EKG-Ableitung, SpO2-Messung, in- sche
termittierender Blutdruck- und Temperaturkontrol- • verlängerter Ikterus bei Neugeborenen, metaboli-
le sowie der Überwachung von Atemmuster und sche Azidose, Blutzuckerschwankungen
-frequenz. Die Haut und Schleimhäute werden hin- Nach ärztlicher Anordnung gewinnen Pflegende
sichtlich petechialer Blutungen, Hämatomen und verschiedene Abstriche und Sekrete für die mikro-
sonstiger Veränderungen überwacht. biologische Untersuchung und assistieren bei der
Auf eine Hämaturie sowie rektalen Blutabgang ist Anlage von Blutkulturen. Besteht der Verdacht auf
zu achten. Eine adäquate Schmerztherapie und ggf. ein septisches Geschehen, sind vom Arzt verordnete
Sedierung sind einzuleiten. Medikamente, v. a. Antibiotika, unverzüglich zu ver-
abreichen.
Risiken für die Zunahme von Hautblutungen sind zu mi­
nimieren, z. B. durch geeignete Lagerung, durch Wechsel Komplikationen
der Manschettenlokalisation für die Blutdruck-Messun­ • septischer Schock
gen, vorsichtige Mundpflege, Vermeidung rektaler Mani­ • Niereninsuffizienz
pulationen, atraumatische Trachealtoilette mit dem Ein­ • Herz-Kreislauf-Insuffizienz
satz eines geschlossenen Absaugsystems. • Ateminsuffizienz, ARDS
348 18  Pflege bei hämatologischen Erkrankungen und systemischen Infektionen

• DIC Ist das Abdomen unauffällig, erhält das Kind vor-


• Leberinsuffizienz sichtig enterale Kost.
• Multiorganversagen Bei zunehmenden Motilitätsstörungen, verblei-
• Pankreatitis benden Speiseresten im Magen und krankhaft ver-
ändertem Abdomen (›  17.3.2) wird eine Mage-
Überwachung nablaufsonde gelegt und parenterale Ernährung in-
• EKG, SpO2, engmaschige oder kontinuierliche diziert, bis sich der Befund sich bessert.
Blutdruckmessung, Überwachung von Atemmus-
ter und -frequenz, kontinuierliche Überwachung
der Körpertemperatur mittels rektaler oder intra- 18.2.3  Meningokokkensepsis
vesikaler Messsonde
• Überwachung der Urinausscheidung mittels Bla- DEFINITION
sendauerkatheter → Flüssigkeitsbilanz Meningokokkensepsis: Inflammatorische Reaktion
• Abdomen hinsichtlich Bauchdeckenspannung, des gesamten Organismus auf eine Infektion mit Neisse­
Umfang, Perfusion, Hautkolorit und Darmge- ria meningitidis.
räuschen überwachen → bei auffälligem Befund
rektale Manipulationen vermeiden, Stuhl auf blu- Bereits der Verdacht auf eine Infektion mit Neisseria
tige Beimengungen kontrollieren meningitidis erfordert bei der Einlieferung des Pa­
• stündliche Kontrolle des Bewusstseins (› 6.1.2) tienten ein rasches und gezieltes Handeln. Aufgrund
des fulminanten Verlaufs sind Zeitverluste unbe-
dingt zu vermeiden. Die Therapie erfolgt vor der
Spezielle Pflege
Dia­gnosesicherung.

18 VORSICHT Ursachen
Vor allem bei Frühgeborenen kann eine Sepsis sehr
schnell zur Ausbildung einer NEC und zum Multiorgan­
• Übertragung der Erreger via Tröpfcheninfektion
versagen führen. • begünstigende Faktoren nach Kontakt: gleichzei-
tiger Virusinfekt des oberen Respirationstrakts,
angeborene oder erworbene Immundefizienz
Pflegende versorgen Neugeborene mit großen Tem- oder Komplementdefekte, Splenektomie
peraturschwankungen zur besseren Temperaturre-
gulation in einer offenen Wärmeeinheit. Zusätzli- Symptome
cher Stress ist unbedingt zu vermeiden → Minimal • Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit
Handling (but not Minimal Care) • Übelkeit, Erbrechen
Ist ein sichtbarer Infektionsherd vorhanden, z. B. • Gelenk- und Muskelschmerzen
Abszess, OP-Naht, inspizieren Pflegende ihn mind. • Säuglinge: Fieber, unspezifische Symptome wie
einmal pro Schicht und versorgen ihn entsprechend Apathie, Unruhe, Nahrungsverweigerung oder
der ärztlichen Anordnung. Den dabei erhobenen Be- Berührungsempfindlichkeit
fund dokumentieren sie detailliert. • Tachykardie, Bradykardie
Alle hygienischen Vorschriften gelten nicht nur • Tachydyspnoe, Sauerstoff-Sättigungsschwankun-
für die Pflegenden, sondern auch für die Angehö­ gen
rigen aller anderen Berufsgruppen und die Besu- • Arterielle Hypotonie
cher. • Periphere Perfusionsstörungen mit verzögerter
Die Lagerung erfolgt patientenorientiert. In der Rekapillarisierung
Akutphase ist darauf zu achten, dass der Patient gut • Blass-fahles, marmoriertes Hautkolorit
einzusehen ist (auf unnötige Lagerungshilfsmittel • Morbilliforme, makuläre Hauterscheinungen,
verzichten). Bei auffällig verändertem Abdomen ist rasch an Anzahl zunehmende Petechien bis hin
Bauchlagerung kontraindiziert. zu nekrotisierenden Hämorrhagien
18.2  Weitere Erkrankungen 349

Komplikationen HIV-Infektion-Verlauf
• septischer Schock Nach der CDC-Klassifikation sind die klinischen Kate-
• myokardiales Versagen, Herz-Kreislauf-Stillstand gorien A–C zu unterscheiden (www.hivleitfaden.de).
• Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom
• disseminierte intravasale Gerinnung Kategorie A
• akutes Nierenversagen • akute, primäre HIV-Infektion
• Lungenödem • persistierende Lymphadenopathie
• Hirnödem • asymptomatische HIV-Infektion
• ARDS
Kategorie B
Spezielle Pflege Nicht-AIDS-definierende Krankheiten, die auf eine
Die Pflege von Kindern mit einer Meningokokken- Störung der zellulären Immunabwehr hinweisen.
sepsis gleicht der Pflege von Kindern mit DIC
(› 18.2.1) und Sepsis (› 18.2.2). Kategorie C
• AIDS-definierende Erkrankungen
Hygiene • Pneumocystis carinii-Pneumonie
Bis 24 Std. nach Therapiebeginn gelten erkrankte Pa- • disseminierte CMV-Infektion
tienten als infektiös und sind isoliert unterzubringen. • HIV1-Enzephalopathie (vorwiegend 1.–3. Le-
bensjahr)
VORSICHT • HIV1-Kardiomyopathie (ältere Kinder)
Zum Eigenschutz tragen alle Kontaktpersonen bei Betre­
ten des Zimmers Kittel, Handschuhe und Mund-Nasen-
Schutz. Spezielle Pflege
Die Pflegenden betreuen ein an AIDS erkranktes 18
Der Krankheitsverdacht sowie die Erkrankung und Kind nach den Regeln der Umkehrisolation, um es
der Tod durch Neisseria meningitidis sind dem Ge- vor zusätzlichen Infektionen zu schützen.
sundheitsamt zu melden. Vor dem Umgang mit HIV-kontaminierten Kör-
Alle ungeschützten engen Kontaktpersonen erhal- perflüssigkeiten legen Pflegende Handschuhe an.
ten eine antibiotische Prophylaxe mit Rifampicin. Mund-Nasen-Schutz und Schutzbrillen sind nur
bei voraussichtlicher Aerosolbildung, z. B. bei einer
Intubation, erforderlich.
18.2.4  HIV-Infektion Zum Eigenschutz ist es sinnvoll, für intubierte
Kinder ein geschlossenes Absaugsystem zu verwen-
DEFINITION den. Die Behältnisse für Laborproben sind mit dem
HIV-Infektion: Das HIV (human immunodeficiency vi- Hinweis „infektiös“ zu versehen.
rus) gehört zur Familie der Retroviren. Eine Infektion führt Die pflegerischen Maßnahmen richten sich nach
nach meist mehrjähriger Inkubationszeit zu AIDS (acqui- Art und Schweregrad des Krankheitsbildes.
red immunodeficiency syndrom). • sämtliche Besucher und alle Mitglieder des thera-
peutischen Teams führen vor dem Betreten des
Die HIV-Infektion erfolgt durch direkten Kontakt Patientenzimmers eine hygienische Händedesin-
mit kontaminierten Körperflüssigkeiten über poten- fektion durch
zielle Eintrittspforten wie frische, noch blutende • tägliche intensive Wischdesinfektion der Umge-
Wunden in Schleimhäuten, Stiche mit kontaminier- bung des Kindes
ten Nadeln, Bluttransfusionen sowie prä- oder peri- • Ernährung je nach Ausprägung der Erkrankung
natal von der infizierten Mutter auf das Kind. Post- und Schwere der Immundefizienz nach ärztlicher
natal ist eine Übertragung von HI-Viren über die Anordnung und in Absprache mit der Diätassis-
Muttermilch möglich. tenz
350 18  Pflege bei hämatologischen Erkrankungen und systemischen Infektionen

Psychische Betreuung • danach eine mit Antiseptikum getränkte Kom-


presse für etwa 10 min auf der Verletzung fixie-
Für die Pflegenden ist bei der Versorgung HIV-posi- ren, bei Bedarf erneut tränken
tiver Kinder die psychische Betreuung der gesamten
Familie wichtig. Betroffene Kinder sind häufig psy- Kontamination von geschädigter oder entzündlich
chisch stark belastet durch veränderter Haut
• das Bewusstsein, an einer tödlichen Erkrankung • gründliches Waschen mit Wasser und Seife
zu leiden, • anschließend Abreiben der kontaminierten Flä-
• soziale Isolierung, weil Freunde und Bekannte che und deren Umgebung mit reichlich Hautanti-
evtl. Angst vor einer Ansteckung haben, septikum
• Schuldgefühle der Eltern wegen der von ihnen
verursachten Infektion. Kontamination der Augen
Oft befinden sich die Kinder aus diesen Gründen in • Augenspülung mit reichlich Ringer- oder Koch-
einer depressiven Stimmungslage. Die Pflegenden salzlösung oder Wasser
bahnen eine kontinuierliche psychologische Betreu-
ung der Familie an. Neben einer altersgerechten Kontamination der Mundhöhle
Form der Diagnosemitteilung und ebenfalls alters- • aufgenommenes Material sofort ausspucken
entsprechenden Hinweisen auf ein verantwortliches • 4–5-malige gründliche Mundspülung mit Wasser
Sexualverhalten ist das Ziel die Erziehung der Kin- • Nach der Erstversorgung ist unverzüglich die für
der zur Selbstständigkeit und das Aufzeigen von eine HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP) zu-
Möglichkeiten der Krankheits- und Therapieakzep- ständige Dienststelle aufzusuchen. Die besten Er-
tanz. gebnisse der PEP sind bei einem Beginn inner-
Die Pflegenden vermitteln den Betroffenen ggf. halb von 2 bis max. 24 Std. nach Exposition zu
18 den Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe, z. B. über erwarten. Eine PEP, die > 72 Std. nach Exposition
die Deutsche AIDS-Hilfe e. V. (www.aidshilfe.de). erfolgt, ist nicht empfohlen.
• Eintrag ins Unfallbuch
Pflegende lassen bei der Versorgung von Kindern, die an • Betriebsarzt informieren
einer gesellschaftlich stigmatisierten Erkrankung leiden, • HIV-, Hepatitisantikörpertest am Tag des Ereig-
extreme Sorgfalt bei der Wahrung der Menschen- und nisses zum Nachweis eines negativen Antikörper-
Patientenrechte sowie beim Schutz der Intimsphäre wal­ status
ten. Informationen dringen nicht über den engen Kreis • regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Verlauf
des therapeutischen Teams hinaus. Deshalb verzichten zu definierten Zeitpunkten [4]
sie z. B. darauf, an der Zimmertür Schilder anzubringen,
die Hinweise auf die Art der Erkrankung geben.
LITERATUR
1. Kramer, A. et al.: Hygiene. Elsevier Verlag, München,
2005.
Verhalten bei Verletzungen des Personals 2. Marx, B. (Hrsg.): Klinikleitfaden Pädiatrische Intensivpfle-
mit HIV-kontaminiertem Material ge. Elsevier Verlag, München, 1998.
3. Schäper, A.; Gehrer, B. (Hrsg.): Pflegeleitfaden Intensiv-
Stich- und Schnittverletzungen pflege Pädiatrie. Elsevier Verlag, München, 1999.
• Blutung hervorrufen oder Blutung durch Drü- 4. Deutsche AIDS-Gesellschaft: www.daignet.de/site-con-
tent/hiv-therapie/leitlinien-1/Leitlinien%20zur%20postex-
cken und Auspressen der oberhalb der Verlet- positionellen%20Prophylaxe%20der%20HIV-Infektion.
zung liegenden Gefäße verstärken pdf (Letzter Zugriff am 19.1.2012)
• anschließend antiseptische Spülung mit Betasep-
tic oder, falls nicht verfügbar, mit anderem Haut­
antiseptikum auf Ethanolbasis
KAPITEL

19 Unfälle im Kindesalter
Unfälle gehören im Kindesalter zu den häufigsten Je nach Art und Dauer der Einwirkung kommt es zu
Ursachen von Erkrankungen und Todesfällen. Pro Gewebeschäden, die in Ausdehnung und Tiefe stark
Jahr erleiden in Deutschland ca. 300 Kinder einen variieren. Im Kindesalter ist das Verletzungsmuster
tödlichen Unfall, von den 1,7 Mio. behandlungs- sehr unterschiedlich und altersabhängig. Bei Klein-
pflichtigen Unfallverletzungen mussten ca. 200.000 kindern stehen Verbrühungen im Vordergrund.
Kinder aufgrund einer schweren Verletzung im Diese entstehen meist durch das Herunterziehen
Krankenhaus stationär behandelt werden. [1] von Behältnissen mit heißer Flüssigkeit, z. B. Töpfe.
Nicht selten sind auch Stürze in Badewannen mit
heißem Wasser. Bei älteren Kindern sind Verletzun-
19.1  Thermische Verletzungen gen durch Feuerzeuge und feuergefährliche Gegen-
Renate Westreicher stände häufiger. In den Sommermonaten kommt es
zu schweren Grillunfällen.
Thermische Verletzungen stehen im Kindesalter in
der Unfallstatistik an dritter Stelle. Jedes Jahr müs-
Einschätzung des Verletzungsausmaßes
sen in Deutschland ca. 30.000 Kinder wegen Brand-
verletzungen behandelt werden. Ca. 6.000 Kinder Für die Versorgung brandverletzter Kinder ist die
erleiden so schwere thermische Verletzungen, dass Einschätzung des Verletzungsausmaßes von großer
sie einer stationären Behandlung bedürfen. [2]. Der Bedeutung. Sie ergibt sich aus der Berechnung der
Altersgipfel liegt im Kleinkindalter, Verletzungen betroffenen Körperoberfläche, der Tiefenbeurtei-
mit heißen Flüssigkeiten überwiegen. Jungen sind lung, der Schwere der Verbrennungskrankheit so-
häufiger betroffen als Mädchen. wie ihrer Komplikationen.

Berechnung der betroffenen Körperoberfläche


19.1.1  Ursachen, Einschätzung, Die Ausdehnung der Verletzung wird in Prozent der
Komplikationen, Zentren verbrannten Körperoberfläche (VKO) angegeben.
Zu ihrer Bestimmung zieht der Arzt die für Kinder
Ursachen modifizierte Neunerregel (› Abb. 19.1) heran.

• Thermische Ursachen Eine einfache und schnelle Möglichkeit zur Berechnung


– Verbrennungen, z. B. offenes Feuer der betroffenen VKO stellt die Handflächenregel dar.
– Verbrühungen, z. B. heißes Wasser Die Handfläche des Patienten – einschließlich der Finger
– Kontaktverbrennungen, z. B. heiße Herdplatte, – entspricht 1 % der Körperoberfläche. Je nachdem, wie
Propangasherde oft die Handfläche des Kindes in die VKO passen würde,
• Nicht thermische Ursachen bestimmt sich das prozentuale Ausmaß der VKO.
– chemisch, z. B. Laugen oder Säuren
– elektrisch, z. B. Haushaltsstrom Tiefenbeurteilung
– toxisch, z. B. Lyell-Syndrom (Syndrom der ver- Die Tiefenausdehnung von Verbrennungen ist in ei-
brühten Haut mit blasiger Ablösung der Epi- ner vierstufigen Skala erfasst, deren zweiter Grad
dermis infolge einer allergisch-toxisch beding- zusätzlich unterteilt ist. Mit der Software „BurnCase
ten Reaktion auf Medikamente) 3D“ ist es möglich, Verbrennungswunden im 3-D-
352 19  Unfälle im Kindesalter

18 + 18
= 36
9 9

18 + 18 14
= 36
1

9 9
9 9 18 + 18 18
= 36

9 9
9 9
8+8 8+8
= 16 = 16 7+7 7+7
= 14 = 14

Erwachsener Kind Säugling


Abb. 19.1  Neunerregel, alters-
entsprechend modifiziert. [L157]

Modell darzustellen. Die verbrannte Körperoberflä- Die Kapillaren füllen sich nach Druckeinwirkung
che kann bis zu einer Genauigkeit von einem Quad- nur mäßig oder gar nicht. Die geschädigte Haut
ratzentimeter berechnet werden. Außerdem lassen ist sehr starr, die tief sitzenden Haare sowie Fin-
sich Fotos der Verletzungen am Modell zuordnen ger- und Fußnägel sind fest. Durch die teilweise
und archivieren. Eine Farbskala ermöglicht die Be- Zerstörung der sensiblen Nervenendigungen ist
urteilung der Tiefenausdehnung der Verbrennungs- die Schmerzempfindung herabgesetzt. Die Hei-
wunden. lungsdauer beträgt 14–21 Tage. Bei Spontanhei-
• Grad 1: Epidermis ist geschädigt. Es kommt zu lung bilden sich hypertrophe Narben. Zur Ver-
Hautrötung, leichter Schwellung und Schmerzen ringerung der Narben ist bei großflächigen Ver-
19 im betroffenen Gebiet. Die Heilungsdauer beträgt letzungen eine Hauttransplantationen erforder-
ca. 3–6 Tage, und schließt mit einer vollständigen lich.
Wiederherstellung der ursprünglichen Verhält- • Grad 3: Vollständige Zerstörung der Epidermis,
nisse ab. Dermis und Subkutis. Durch die Zerstörung der
• Grad 2a (oberflächlich dermal): Epidermis ist sensiblen Nervenendigungen empfindet der Pati-
vollständig, Dermis ist teilweise zerstört. Die ent keinen Schmerz in diesem Gebiet. Die Haut
Haut ist gerötet und geschwollen, es bilden sich ist weiß und teilweise braunschwarz verfärbt. Der
Blasen, die Kapillaren sind geschädigt. Der Wundgrund ist trocken und denaturiert – eine
Wundgrund ist nass, Haare und Nägel sind fest. erneute Durchblutung ist unmöglich, Haare und
Die Verletzung geht mit starken Schmerzen ein- Nägel fallen aus.
her; in der Regel ist sie nach ca. 7–14 Tagen • Grad 4: Entspricht der Verbrennung 3. Grades,
spontan verheilt. Der ursprüngliche Hautzu- zusätzlich sind jedoch auch tiefer liegende Struk-
stand ist wieder hergestellt, eventuell verändert turen wie Knochen, Sehnen und Muskeln betrof-
sich jedoch die Pigmentierung des betroffenen fen. Die Prognose ist von der Flächen- und Tie-
Areals. fenausdehnung sowie dem Alter des Patienten
• Grad 2b (tief dermal): Epidermis und Dermis abhängig.
sind vollständig zerstört. Es bilden sich Blasen,
die zum Teil prall gefüllt oder durch Druck zer- Am Unfallort überschätzen Ersthelfer oft die Ausdehnung
rissen sind. Der Wundgrund ist feucht und er- einer thermischen Verletzung, die Tiefenwirkung hinge-
scheint weißlich mit wolkig rotweißen Flecken. gen unterschätzen sie oft.
19.1  Thermische Verletzungen 353

Ab einer Flächenausdehnung von 10–15 % ist der Ge-


Haar- Schweißdrüse
samtorganismus gestört und eine intensivmedizinische follikel
Behandlung erforderlich. [3] Die Symptome sind unter Talgdrüse

dem Begriff „Verbrennungskrankheit“ zusammenge-


fasst.
Epidermis

Verbrennungskrankheit Korium

Phase 1 – Schock und exsudative Phase (1.–3. Tag) Unterhaut-


fettschicht
Aufgrund der lokalen Kapillarschädigung und syste-
Faszien und
mischen Freisetzung vasoaktiver Substanzen ist die Muskel

Gefäßpermeabilität erhöht, es kommt zum Wasser- Grad I Grad IIa Grad IIb Grad III

verlust in das Interstitium. Daraufhin entsteht ein


massives, generalisiertes Ödem mit intravasalem Abb. 19.2  Tiefenwirkung von Verbrennungen. [L106]
Wasser-, Elektrolyt- und Proteinverlust. Erschwe-
rend treten der Wasserverlust über die Wunden (Ex- nach intravasal setzt ein. Diese geht mit Hypervolä-
sudation) und die Verdunstung hinzu. mie und kardialer Belastung einher. Das Herzschlag-
volumen verdoppelt sich nahezu.
Berechnung des Wasserverlustes Durch die katabole Stoffwechselsituation mit ver-
stärkter Glukoneogenese, Insulinresistenz und Pro-
Der Wasserverlust in das Interstitium beträgt ca. 2 ml/%
VKO/kg/d. teinkatabolismus ist der Kalorienverbrauch erhöht;
Ein 12 kg schweres Kind mit einer Verbrennungsfläche auch bei ausreichender Kalorienzufuhr baut der Or-
von 5 % der Körperoberfläche (KOF) verliert pro Tag: ganismus körpereigenes Fett und Proteine ab. Als
• 2 ml × 5 % × 12 kg = 120 ml Flüssigkeit durch Was- Folge der Schockniere entsteht eine Polyurie. Das In-
serverlust in das Interstitium fektionsrisiko steigt durch die posttraumatische Im-
• Der Wasserverlust über Verdunstung beträgt ca.
munsuppression stark. Ausgedehnte Wundnekrosen
1,5 ml/% VKO/kg/d
bilden einen idealen Nährboden für eine Keimbesie-
Dasselbe Kind verliert pro Tag: 19
• 1,5 ml × 5 % × 12 kg = 90 ml Flüssigkeit durch Ver-
delung. Eine Sepsis im Anschluss an die Wundinfek-
dunstung tion ist nicht selten und führt oft zu einem letalen
• Der Wasserverlust über die Wunden beträgt ca. Ausgang.
0,7 ml/% VKO/kg/d Komplikationen
Dasselbe Kind verliert pro Tag: • Hypovolämischer Schock
• 0,7 ml × 5 % × 12 kg = 42 ml Flüssigkeit über die
• Septischer Schock
Wunden
Insgesamt verliert das Kind aufgrund der Verbrennung
• Verbrauchskoagulopathie
etwa 252 ml Flüssigkeit täglich. • Anämie
• Lungenödem, Hirnödem
• Pneumonie, ARDS
Eine reaktive Vasokonstriktion und die erhöhte Blut- • Stressulkus
viskosität aufgrund der intravasalen Hypovolämie • Chronische Niereninsuffizienz
führen zur Störung der Mikrozirkulation mit peri- • Toxic shock syndrom
pherer Minderperfusion und metabolischer Azidose. • Multiorganversagen
Es entsteht der Verbrennungsschock (Systemic In-
flammatory Response Syndrome, SIRS) mit Schock- Phase 3 – chronische Phase (ab der 2. Woche)
niere, -leber, ARDS und Verbrauchskoagulopathie. Die Stoffwechsellage stabilisiert sich nur mäßig. Die
anhaltende Fehlregulation des Stoffwechsels und der
Phase 2 – resorptive Phase (2.–9. Tag) vermehrte Energie- und Proteinbedarf hält die kata-
Ab dem 2.–3. Tag normalisiert sich die Gefäßperme- bole Situation aufrecht. Außerdem führen schlechte
abilität. Die Rückresorption der Ödemflüssigkeit Kreislaufverhältnisse, Anämie und posttraumatische
354 19  Unfälle im Kindesalter

Immunsuppression zu Wundheilungsstörungen. Im Vorraum mit Schleuse. Im Vorraum lagern Pflegen-


weiteren Verlauf schrumpfen Muskeln und Gelenk- de die für den Patienten notwendigen Materialien.
kapseln, die Narben- und Keloidbildung setzt ein. Alle Zimmer verfügen über eine technische Ausstat-
tung zur separaten Regulation von Raumtemperatur
und Luftfeuchtigkeit. Mit Hilfe der Laminar-Air-
Zentren für Schwerbrandverletzte
flow-Technik versorgen Pflegende die Patienten
Ob eine Behandlung in einem Zentrum für Schwer- nach den Regeln der Umkehrisolation: Im Patien-
brandverletzte notwendig ist, lässt sich mittels der tenzimmer herrscht ein Überdruck, das heißt, das
Klassifizierung der American Burn Association System führt dort kontinuierlich gefilterte Luft zu.
(ABA) beurteilen. Sie entweicht über die Schleuse, in der ein Unter-
Die ABA gibt folgende Kriterien für die Verlegung druck herrscht. Der so entstehende Luftstrom führt
in ein Zentrum für Schwerbrandverletzte an: vom Patienten fort und soll den aerogenen Keimein-
• betroffene Körperoberfläche bei Säuglingen und trag in das Patientenzimmer verhindern.
Kleinkindern ≥ 10 %; ab dem Schulkindalter ≥ Zur weiteren Keimreduktion sind sämtliche Räu-
15 % VKO me so ausgebaut, dass sie eine problemlose Scheuer-
• Ort der Verletzung: Gesicht, Hände, Füße, Geni- Wisch-Desinfektion ermöglichen. Die Patienten-
tal- und Analbereich, große Gelenke zimmer sollten den Pflegenden genügend Raum zur
• Verletzungstiefe 2.–3. Grades Platzierung aller erforderlichen Geräte und zum ste-
• Stromverletzungen rilen Arbeiten bieten. Empfohlen ist eine Grundflä-
• chemische Verletzungen che von 30 m2. [4] Spezialbetten für brandverletzte
• Inhalationstraumata Kinder sind selten erforderlich. In der Regel entspre-
Vorerkrankungen, z. B. Gastroenteritis, respiratori- chen höhenverstellbare Intensivbetten den Erfor-
sche Infekte dernissen. Anstelle einer regulären Matratze ver-
Sind die Kriterien erfüllt, erfragt der behandelnde wenden Pflegende mehrere Lagen Schaumstoff. Die-
Arzt bei der zentralen Anlaufstelle für die Vermitt- se gewährleisten einen ausreichenden Abfluss der
lung von Betten für Schwerbrandverletzte das Wundsekrete und stellen gleichzeitig eine Maßnah-
nächste freie Bett. me zur Dekubitusprophylaxe dar.
19
Die zentrale Anlaufstelle in Hamburg steht für die Ver- Personelle Voraussetzungen
mittlung von Betten für Schwerbrandverletzte unter den Die Versorgung schwer brandverletzter Kinder stellt
Telefonnummern 040/428 51 39 98 und 040/428 51 39 hohe Anforderungen an das therapeutische Team.
99, der Faxnummer 040/428 51 42 69 sowie der Mailad- Zu den allgemeinen Bedingungen in der Intensiv-
resse leitstelle@feuerwehr.hamburg.de rund um die Uhr pflege kommt eine enorme physische Belastung hin-
zur Verfügung.

Rahmenbedingungen
Neben den allgemeinen Richtlinien für die Ausstat-
tung von Intensivstationen sind für die Betreuung Filter Filter
Überdruck
Schwerbrandverletzter besondere bauliche, techni-
sche und personelle Aspekte zu beachten.
Ein Zentrum für Schwerbrandverletzte bildet eine Schleuse Gereinigte Luft

in sich geschlossene Einheit. Sie sollte über einen ei- Unterdruck

genen OP und einen speziellen Aufnahme- bzw.


Schockraum verfügen, dessen Ausstattung einem
OP entspricht. Um Kreuzinfektionen zu vermeiden,
ist der Personenverkehr auf ein Minimum be-
schränkt. Daher sind die Patientenzimmer streng
voneinander getrennt und besitzen je einen eigenen Abb. 19.3  Laminar-Airflow-Einheit. [L157]
19.1  Thermische Verletzungen 355

zu. Alle Beteiligten sind wechselnden Raumtempe- • Intubationsmaterial, Beatmungsgerät und ggf.
raturen zwischen 24–36 °C ausgesetzt. Durch die Narkosegerät
sterile Schutzkleidung über der Bereichskleidung • chirurgische Instrumente, z. B. Pinzetten, Sche-
und die schwere körperliche Arbeit mit den Patien- ren, Skalpelle, um Blasen abzutragen, Hautseg-
ten, z. B. aufwändiges Lagern, Anlegen von großflä- mente zu entfernen und um Entlastungsschnitte
chigen Verbänden, erreicht der Kalorien-, Wasser- (Escharotomie) anzulegen
und Elektrolytbedarf des Personals höhere Werte als • bei Gesichtsverletzungen: Lidhaken zur augen-
auf anderen Intensivstationen. [5] ärztlichen Untersuchung
Zur bestmöglichen Versorgung der Kinder und • bei Kopfverletzungen: sterile Einmalrasierer zur
ihrer Familien ist die Behandlung durch ein inter- Rasur
professionelles Team unerlässlich. Hierzu gehören • Abstrichmedien
neben erfahrenen Pflegenden und Ärzten auch Phy- • Fotoapparat zur Wunddokumentation
sio- und Ergotherapeuten, Psychologen, Sozialarbei- • Material für Magensonde und Blasenkatheter
ter, Erzieher und Lehrer. Gegenstände im Vorraum:
• sterile Pflegekittel, Mund-Nasen-Schutzmasken,
Hauben, sterile Handschuhe
19.1.2  Aufnahme des Patienten • Medikamente, z. B. Analgetika, Antibiotika, Seda-
tiva
Ist die Verlegung eines schwer brandverletzten Kin- • Verbandwagen, Notfallwagen und -medikamente
des in ein Zentrum vereinbart, stimmen die notfall-
mäßig versorgende Klinik oder der Notarzt am Un-
Erstversorgung
fallort die Erstversorgung des Kindes und den weite-
ren Transport mit dem Schwerbrandverletztenzent- Die Erstversorgung durch den Notarzt sowie der
rum ab. Folgende Informationen sind bereits vor Transport sollten möglichst unter aseptischen bzw.
Eintreffen des Kindes hilfreich: antiseptischen Bedingungen erfolgen. Bei der statio-
• Alter des Patienten nären Aufnahme des Kindes verschafft sich das the-
• Unfallzeitpunkt, -ort, -hergang rapeutische Team mit Hilfe der Übergabe durch den
• Ausdehnung der Verletzung (%/VKO), Verbren- begleitenden Notarzt einen Überblick über die Situ- 19
nungstiefe ation. Günstig sind standardisierte Formulare, die
• Art der Verletzung einen schnellen, strukturierten Informationsfluss
• Begleitverletzungen, z. B. Inhalationstrauma, ermöglichen und die weitere Versorgung erleich-
Frakturen tern. Die Übergabe sowie das Formular geben den
• aktuelle Situation des Patienten, z. B. Beatmung Pflegenden folgende Informationen:
• voraussichtliche Ankunft des Patienten • Unfallhergang
• Komplikationen (z. B. Inhalationstrauma)
• bisherige Infusionstherapie
Zimmer und Materialien vorbereiten
• Analgesie
Unter Berücksichtigung der oben genannten An- Eine Ganzkörperuntersuchung gibt einen weiteren
gaben bereiten Pflegende Zimmer und Materialien Überblick über den Versorgungsbedarf. Sie ermög-
vor. licht den Ausschluss oder die Manifestation von Be-
• Raumtemperatur (24–36 °C) und Luftfeuchtig- gleitverletzungen, z. B. Frakturen, Schädel-Hirn-
keit (40–60 Vol. %) situationsgerecht einstellen Trauma, stumpfes Bauchtrauma, Thoraxverletzun-
• frisch desinfiziertes Bett mit steriler Schaumstoff- gen. Häufig ist es notwendig, weitere Spezialisten
auflage hinzuzuziehen, z. B. einen Augenarzt oder einen
• Materialien für venöse und arterielle Zugänge so- Chirurgen zur Anlage einer Escharotomie.
wie Infusionslösungen, z. B. Ringer-Laktat Die Überwachung entspricht dem Standard-Mo-
• Standard-Monitoring (› Kap. 14) nitoring (Kap.›  14) einer Intensivstation. Beson-
• Betten- oder Lifterwaage deres Augenmerk gilt dem Blutdruck (›  6.7.6),
356 19  Unfälle im Kindesalter

Anmeldung eines schwerbrandverletzten Kindes

Datum: Uhrzeit: Unfallzeitpunkt:

Anmeldende Klinik: Notarzt:

Tel.:

Alter: männlich weiblich

Art der Verletzung: Verbrühung Verbrennung

Elektrounfall Chemikalien

Ausdehnung: I° %KO Lokalisation der Verletzungen:

II° %KO

III° %KO

19
Begleitverletzungen:

Intubation: oral nasal Beatmung: ja nein

Transport: RTW Hubschrauber

Voraussichtliche Ankunft:

Abb. 19.4  Aufnahmebogen. [L157]


19.1  Thermische Verletzungen 357

dem ZVD (› 6.7.7) und der Ausscheidung (› 5.5), Wenn notwendig legt der Arzt Entlastungsschnit-
die Stabilisierung der Vitalfunktionen steht im Vor- te (Escharotomie) an. Unter einer Escharotomie ist
dergrund. Der Arzt legt möglichst großlumige venö- ein Hautschnitt zu verstehen, der die Durchblutung
se Zugänge (peripher oder zentral) an. Die Infusi- des Gewebes unter einer starren, verschorften Ober-
onstherapie gehört neben der Analgesie und Sedie- fläche verbessern soll. Besonders bei zirkulären Ver-
rung – sofern noch nicht vom Notarzt durchgeführt letzungen an den Extremitäten achten die Pflegen-
– zu den wichtigsten Erstmaßnahmen auf der Stati- den in der Akutphase auf die Durchblutung. Ödeme,
on. Die Ermittlung des Körpergewichts ist für die die sich unter starrem Verbrennungsschorf bilden,
weitere Therapie unerlässlich. Nach Blutabnahmen, können zur Druckerhöhung mit Kompression von
Wundabstrichen, Einlage einer Magensonde und ei- Nerven und Gefäßen führen. Dadurch entstehen Stö-
nes Blasenkatheters mit Temperatursonde, folgen rungen, denen durch einen Entlastungsschnitt thera-
die Wundversorgung und Lagerung des Patienten. peutisch zu begegnen ist. Für die Escharotomie spal-
tet der Chirurg den lederartigen Verbrennungsschorf
bis in die Subkutis. Bei tiefer reichenden Verbren-
Wundversorgung
nungen kann auch die Spaltung der Muskellogen
Liegt das Alter des Kindes >5 Jahre und umfasst die (Fasziotomie) zur Verhinderung eines Kompart-
VKO < 10 %, erhält der Patient eine ambulante Ver- mentsyndroms (Funktionsstörung in einem ge-
sorgung und Analgetika. Ausnahmen stellen Verlet- schlossenen Muskelkompartiment) erforderlich sein.
zungen an den Genitalien oder anderen sehr Die frühe Escharotomie dient dazu, eine spätere
schmerzhaften Stellen dar. Amputation von Gliedmaßen zu verhindern.
Die Versorgung findet unter sterilen Bedingun- Zirkuläre Thoraxverletzungen können zu einer
gen statt, nach dem Débridement wird ein Dermi- massiven Einschränkung der Thoraxbeweglichkeit
sersatz aufgelegt. Zum Schutz der Wunde legt das führen. Auch hier kann eine Escharotomie erforder-
behandelnde Team einen gut sitzenden und saugfä- lich sein, um die Atmung bzw. Beatmung zu ge-
higen Kompressenverband an, da die Wunden stark währleisten.
sezernieren können. Die Kontrollen der Wunden er- Die Blutung während der Escharotomie stillt der
folgen bis zur Abheilung ambulant jeden 3.–5. Tag. Chirurg meist mittels Elektrokoagulation. Bei wei-
Pflegende geben den Eltern ein Informationsblatt terhin bestehenden Sickerblutungen legt er eine 19
für das Verhalten bei Fieber, Durchfall und Erbre- blutstillende Substanz (Hämostyptikum) in den
chen nach Hause mit. Schnitt ein oder deckt die Wunde mit Kompressen
Bei großflächigen Verletzungen, Verletzungen an ab, die in NaCl 0,9 % getränkt sind. Bei Bedarf legen
sehr schmerzempfindlichen Stellen oder sehr klei- die Pflegenden zudem einen leichten Kompressions-
nen Patienten erfolgt die Wundversorgung in einer verband an. Sie belassen die Hämostyptika in der
Analgosedierung oder in Narkose. Die Verbände Escharotomie, halten die Kompressen ständig feucht
sind unter sterilen Bedingungen im dafür vorgese- und wechseln sie bei jeder Wundversorgung.
hen OP zu lösen, ggf. nimmt der Arzt einen Wundab- Der Arzt nimmt die Wundinspektion vor, er ent-
strich ab. Es folgt die mechanische Reinigung (Dé- scheidet über die weitere Wundbehandlung.
bridement) der Wunden mit sterilen Kompressen.
Polyhexanid (Lavasept®) ist das Desinfektionsmittel
Geschlossene Wundbehandlung
der Wahl, es stimuliert die Wundheilung und wirkt
nicht zytotoxisch. [6] Isotone Kochsalzlösung oder Die Wunden sind mit Fettgaze oder Dermisersatz
Ringer-Lösung dienen lediglich der Spülung der (Omiderm®, Suprathel®, Acticoat®), sterilen Kom-
Wunden, ihre keimreduzierende Wirkung ist deut- pressen und einem Watte-Schutzverband abzude-
lich geringer. Die Applikation von NaCl 0,9 % ist zu- cken. Er dient der Aufnahme der Wundflüssigkeit.
dem schmerzhaft. Vorteile der geschlossenen Wundbehandlung:
Beim Débridement entfernt man Blasen mit fes- • geringerer pflegerischer Aufwand, da der Ver-
tem Abwischen oder mit Hilfe feiner Handbürsten bandswechsel nach der 1. Kontrolle am nächsten
oder Schwämmen. Tag, nur jeden 3. Tag notwendig ist
358 19  Unfälle im Kindesalter

• frühzeitige Möglichkeit zur Mobilisation fördert Urinausscheidung. Die stündliche Urinmenge be-
die Selbstständigkeit des Patienten trägt im Idealfall 1–2 ml/kg  KG. Im Gefolge einer
Nachteile der geschlossenen Wundbehandlung: umfangreichen Muskelzerstörung steigt das spezifi-
• Wunden sind nicht jederzeit beurteilbar sche Gewicht des Urins. Bei unzureichender Urin-
• Evtl. Bildung feuchter Kammern produktion besteht die Gefahr, dass das freigesetzte
• Bildung von „Keimstraßen“ bei durchfeuchteten Myoglobin die Nierentubuli verschließt.
Verbänden aufgrund erheblicher Exsudation Zeichen eines Volumenmangels:
• Verbandswechsel belasten den Patienten stark • Oligurie, Anurie
• erniedrigter ZVD
Bei Fieber, Durchfall und Erbrechen sind die Verbands- • Tachykardie
wechsel sofort durchzuführen. • Hypotonie
• Unruhe
• Durst
• Hyperthermie
19.1.3  Krankenbeobachtung und • Krämpfe bis hin zum Koma
Körperpflege In der resorptiven Phase (›  19.1.1) beobachten
Pflegende die Patienten besonders hinsichtlich einer
Krankenbeobachtung drohenden Überwässerung. Zeichen einer Überwäs-
serung:
Neben der regulären intensivpflegerischen Kran- • erhöhter ZVD
kenbeobachtung und dem Monitoring erfordert die • große Blutdruckamplitude
Versorgung schwer brandverletzter Kinder zusätzli- • Polyurie
che Maßnahmen. Wegen der großen Wundflächen • periphere Ödeme (aufgrund der Verletzungen oft
und der dadurch entstehenden Verdunstungskälte nur bedingt aussagekräftig)
überwachen Pflegende die Körpertemperatur konti- • Zeichen eines Lungenödems
nuierlich. Bei ausgedehnten Verletzungen ist die Ge- • Bewusstseinsstörungen
fahr der Unterkühlung erheblich. Liegen Verletzun- • neuromuskuläre Übererregbarkeit aufgrund ei-
19 gen der Extremitäten vor, überprüfen Pflegende die nes Hirnödems
Fuß- und Handpulse sowie die Nagelbett- und Ze-
henfarbe engmaschig. Die Überwachung der Durch- Atmung
blutung mittels Sauerstoffsättigungs-Sensoren an Die Atmung eines schwer brandverletzten Kindes
den Fingern bzw. Zehen ist sinnvoll. bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Bei zirkulären
Bei der Anlage von Gefäßzugängen lassen sich Hals- und Thoraxverletzungen kann sie stark einge-
Areale, die von den Verbrennungen betroffen sind, schränkt sein. Grund hierfür sind Einschnürungen
häufig nicht umgehen. Somit gilt der Fixierung der der oberen Atemwege und die Einschränkung der
Katheter ein besonderes Augenmerk. Da auf der ver- Thoraxbeweglichkeit.
letzten Haut keine Pflaster zum Einsatz kommen, Bei thermischen Verletzungen durch einen Ge-
näht der Arzt die Gefäßkatheter an. Die Pflegenden bäudebrand ist stets ein Inhalationstrauma in Be-
überwachen die Flüssigkeitssubstitution mittels tracht zu ziehen, da das Feuer unspezifische Reiz-
ZVD-Messung (› 6.7.7), arterieller Blutdruckmes- stoffe (z. B. Ammoniak, Chlorwasserstoffe) oder
sung (› 6.7.6) und Bilanzierung der Urinausschei- spezifische Giftgase (z. B. Kohlenmonoxid, Blausäu-
dung (› 6.6). Auch die entsprechenden Laborpara- re) freigesetzt haben kann.
meter geben Hinweise. In der exsudativen Phase Die Leitsymptome eines Inhalationstraumas sind:
(› 19.1.1) sind die Patienten besonders durch ei- • Verbrennungen im Kopf- und Halsbereich
nen relativen Volumenmangel gefährdet. Die Pfle- • verbrannte Lippen, Nasenöffnung, Mund-
genden beachten daher insbesondere Symptome, die schleimhaut
auf eine Schockniere hindeuten. Ein Blasendauerka- • Ruß im Sputum
theter dient der kontinuierlichen Überwachung der • Heiserkeit
19.1  Thermische Verletzungen 359

• Husten flächentherapeutika nur kurzzeitig auf der Wunde


• Stridor verbleiben und die Keimzahl entsprechend gering-
• Dyspnoe gradig reduzieren. Findet die Wundreinigung im
• Tachykardie Duschbad statt, waschen Pflegende die Patienten
• Kopfschmerzen mit gefiltertem Wasser und ohne Zusatz von Desin-
• Bewusstseinsstörung, Krämpfe fektionsmitteln. Zur sachgerechten Dokumentation
des Heilungsverlaufs ist es unerlässlich, die Wunden
regelmäßig zu fotografieren.
Körperpflege
Ziele der Wundreinigung und Oberflächenthera-
Die Beteiligung der Eltern bei der Körperpflege kann peutika sind die Keimverminderung und damit die
sehr hilfreich sein. In der Regel führen Pflegende die Infektionsprophylaxe. Die Keimbesiedelung der
Körperpflege zweimal täglich durch. Da alle Mani- Wundflächen lässt sich jedoch nicht vollständig ver-
pulationen für das Kind sehr belastend sind, ent- hindern. Pflegende streben vielmehr an, die Keim-
scheiden die Pflegenden situativ, welche Maßnah- zahl so gering zu halten, dass keine systemische In-
men sie zu welchem Zeitpunkt durchführen. Die fektion entsteht. Entsprechend versorgen sie zuerst
großen Wundflächen bieten Keimen eine optimale die Flächen mit der geringsten Kontamination. Um
Eintrittspforte, Infektionen beeinflussen die Progno- Kreuzkontaminationen zu vermeiden, verwenden
se deutlich negativ. Daher ist es wichtig, alle Maß- sie für jede Wundregion neue Instrumente und
nahmen unter sterilen Kautelen durchzuführen. Handschuhe. Heilt die Verletzung spontan aus oder
Während der gesamten Versorgung tragen die Pfle- ist eine Deckung der zerstörten Haut notwendig,
genden einen sterilen Kittel, sterile Handschuhe, plant das Team die Operation nach dem 1.–3. Ver-
Haube und Mund-Nasen-Schutz. Die nicht betroffe- bandswechsel.
nen Körperregionen reinigen sie mit einer milden,
desinfizierenden Lösung. Dabei achten Pflegende
Wundabdeckung
darauf, eine Keimverschleppung, besonders aus der
Analregion, zu vermeiden. Die weiteren Verbands- Nach der Reinigung decken die Pflegenden die
wechsel die in Narkose durchgeführt werden, lassen Wunde mit antimikrobiell wirkenden Oberflächen-
es zu, dass die Körperpflege bei der Wundreinigung therapeutika ab. Diese sollten ein breites Wirkspekt- 19
auf der dafür vorgesehenen Badewanne erfolgt. rum gegen grampositive sowie gramnegative Keime
besitzen. Zu den am häufigsten verwendeten Lokal-
therapeutika gehören Sulfadiazin-Silber (z. B. Flam-
19.1.4  Verbandswechsel mazine®) Cerium-Silbersulfadiazin (durch die An-
bindung des Silbersulfadiazins an Ceriumnitrat soll
Der behandelnde Arzt und die Pflegenden beurteilen es eine 2–8-mal stärkere antimikrobielle Wirkung
die Wunden dreimal wöchentlich in Analgosedie- haben). [4]
rung oder Narkose im OP oder dem dafür vorgese- Sulfadiazin-Silber besitzt ein breites Wirkungs-
henen Behandlungsraum nach der Wundreinigung spektrum und durchdringt den Wundschorf gut. Es
hinsichtlich Aussehen, Größe, Belägen, Perfusion, verursacht kaum Schmerzen, die Patienten empfin-
Granulation, Blutungen, Spannung und Sekretion. den es als kühlend und schmerzlindernd. Nachteilig
Sie dokumentieren die Ergebnisse exakt. Meist ord- ist die Bildung eines grüngrauen Belags durch Exsu-
net der Arzt zweimal pro Woche Wundabstriche an. dat, der die Wundbeurteilung erschwert, da er leicht
Pflegende entnehmen sie nach der Wundreinigung, mit Eiter zu verwechseln ist. [4]
jedoch bevor sie erneut Antibiotika aufgetragen ha- Bei großflächigen Wunden verwendet man Der-
ben, da antimikrobiell wirkende Oberflächenthera- misersatzstoffe, silberhaltiges Acticoat, Suprathel
peutika das Ergebnis verfälschen würden. [4] (Milchsäurebasis), Fettgaze, die Silber enthält oder
Die zur Wundreinigung verwendeten milden An- mit einem Antibiotikum versetzt ist.
tiseptika verfälschen das Ergebnis nur sehr geringfü- Ein Abrutschen des Lokaltherapeutikums bei
gig, da sie im Gegensatz zu den antibiotischen Ober- stark nässenden Wunden lässt sich durch das Aufle-
360 19  Unfälle im Kindesalter

gen einer sterilen Fett-/Silikongaze unterbinden. Im hinzu. Unter Umständen ist es notwendig, Lidhaken
weiteren Verlauf verhindert die Fettgaze das Verkle- zur Augenpflege einzusetzen.
ben der Wunde mit dem Verband, da die Wunden in
den ersten Stunden stark sezernieren, verwenden Nase und Ohren
Pflegende gut saugendes steriles Verbandsmaterial. Bei thermischen Verletzungen des Kopfes sind Schä-
digungen von Nase und Ohren häufig. Obschon die
Gesichtshaut gut durchblutet und weitgehend rege-
Gesichtsverletzungen
nerationsfähig ist, bilden sich an Nase und Ohren
Die sichere Fixierung von Endotrachealtuben ist bei schnell Nekrosen. Die Haut schützt und ernährt das
Gesichtsverletzungen extrem schwierig. Es ist nicht Knorpelgerüst von Ohren und Nase. Ist sie jedoch
möglich, die Tuben durch Pflaster zu befestigen. verletzt, besteht die Gefahr, dass Knorpelareale frei
Die Fixierung lässt sich jedoch mit sterilen Mullbin- liegen. Es drohen Austrocknung und Nekrose des
den oder einer Tubusfixierschiene durchführen, Knorpels, im weiteren Verlauf können daraus
dies ist allerdings weniger sicher. Hinzu kommt die schwerwiegende Entstellungen resultieren. [4]
Gefahr einer Gewebeabschnürung, da gerade in den Um eine Austrocknung der Nase zu vermeiden,
ersten Tagen eine massive Ödembildung eintritt. bringen Pflegende nach der Reinigung mit einem
Gegebenenfalls näht der Arzt den Endotrachealtu- sterilen Watteträger eine geeignete Nasensalbe in
bus daher bei nasotrachealer Intubation an das Na- die Nasenlöcher ein. Von außen bestreichen sie die
senseptum. Nase mit dem Lokaltherapeutikum. Um ein „Abrut-
Die gesamte Gesichtshaut ist sehr gut durchblutet schen“ der Salbe zu vermeiden, legen die Pflegenden
und ist somit weitgehend regenerationsfähig. Die Fettgaze auf.
pflegerische Versorgung stellt jedoch hohe Anforde- Die Pflege der Ohren entspricht der Nasenpflege.
rungen an das Personal; sehr behutsames Vorgehen Pflegende legen eine kleine, sterile Kompresse in den
ist unabdingbar. Die Pflegenden vermeiden eine zu- Gehörgang und verhindern so, dass das Lokalthera-
sätzliche Traumatisierung des Gewebes bei der peutikum in den äußeren Gehörgang sickert.
Wundreinigung, da jede Epithelläsion unter Nar- Um Sekundärnekrosen zu vermeiden, achten die
benbildung ausheilt. [4] Pflegenden darauf, dass die verletzte Haut über Oh-
19 ren und Nase ständig mit dem Lokaltherapeutikum
Augen bedeckt ist. Im Zuge der offenen Wundbehandlung
Thermische Verletzungen des Augapfels sind auf- cremen sie die Wunde erneut ein, sobald die Salbe
grund des Lidschlussreflexes eher selten. Bei schwe- geschmolzen oder durch Kopfbewegungen abgerie-
ren Gesichtsverbrennungen kann es jedoch zu Au- ben ist.
genlidnekrosen und Narbenkontrakturen kommen.
Eventuell ist ein Lidschluss anschließend nicht mehr Mund und Lippen
möglich. Die thermische Verletzung und die damit einherge-
Ein sorgfältiger Schutz des Auges vor Austrock- hende Ödembildung können den Zugang zur Mund-
nung ist unbedingt erforderlich. Dazu setzen Pfle- höhle zunächst behindern. Eine sorgfältige Mund-
gende künstliche Tränen oder Augensalbe ein. Je pflege ist jedoch unabdingbar, da die Keimflora im
nach Befund ordnet der Arzt auch therapeutische Mund- und Rachenraum zu septischen Komplikati-
Salben oder Tropfen an. Zur Reinigung der Augen onen führen kann. Zur Keimreduktion reinigen Pfle-
verwenden Pflegende Watteträger und Kompressen, gende die Mundhöhle mit Octenisept®, aufgrund des
die mit Ringer-Lösung oder NaCl 0,9 % getränkt bitteren Geschmacks ist dies jedoch relativ unange-
sind. nehm. In den ersten Tagen genügt es ggf., die Mund-
Wegen der massiven Ödembildung sind die Pati- höhle mit einem z. B. in Hexoral®-Lösung getränk-
enten in den ersten Tagen oft nicht in der Lage, die ten, sterilen Watteträger auszuwischen. Aufgrund
Augen zu öffnen. Zu dieser sehr belastenden Ein- der guten Durchblutung der Schleimhäute und den
schränkung der Wahrnehmung treten unangeneh- nach Verbrennungen nicht seltenen Gerinnungsstö-
me und teils schmerzhafte pflegerische Maßnahmen rungen, kommt es mitunter zu massiven Blutungen.
19.1  Thermische Verletzungen 361

quasi als biologischen Verband. Fremdhauttrans-


plantate werden nur dann notwendig, wenn keine
eigene Haut zur Verfügung steht. Nur aufgrund der
beeinträchtigten Immunabwehr ist die „Einheilung“
von Fremdhaut vorübergehend möglich. Nach etwa
drei Wochen beginnt eine Abstoßungsreaktion. Tie-
rische Fremdhaut ist in Form von Folienverbänden
(z. B. Biobrane®) verfügbar.
Vielversprechend ist die Verwendung von in vitro
gezüchteten Keratinozytentransplantaten. Bei gerin-
gerer Narbenbildung erzielt ihr Einsatz zufrieden-
Abb. 19.5  Schnittführung für eine Escharotomie. [L157] stellendere kosmetische Ergebnisse. [7] [8] Die Me-
thode ist sehr aufwändig und nur kommt nur in
Dies lässt sich auch durch ein behutsames Vorgehen großen Zentren zur Anwendung.
nur bedingt vermeiden. Nach dem Abklingen der Als Spalthauttransplantate bezeichnet man Ge-
Ödeme führen Pflegende die Mund- und Zahnpflege webe, die aus der Epidermis und oberflächlichen
wie üblich durch. [4] Anteilen der Dermis bestehen. Sie enthalten ausrei-
Auch an den Lippen entstehen oft starke Blutun- chend lebensfähige Zellen. Die Läsion, die bei der
gen. Die Pflegenden reinigen die Lippen mit Ringer- Spalthautentnahme entsteht, ist mit einer zweitgra-
Lösung oder NaCl 0,9 %. Um ein Austrocknen zu digen thermischen Schädigung (›  19.1.1) ver-
vermeiden, achten sie auf die sorgfältige Abdeckung gleichbar und entspricht einer tiefen Schürfwunde.
der Lippen, z. B. mit Bepanthen®-Augen- und Na- Als Spenderareal kommt insbesondere bei Kin-
sensalbe. dern der behaarte Kopf (nach Entfernung des
Haupthaares) in Betracht. Aus der relativ dicken
Kopfhaut kann in kurzen Intervallen mehrfach hin-
Hauttransplantation
tereinander Haut entnommen werden, ohne dass
Die frühe Entfernung der Nekrosen (Frühnekrekto- sichtbare Narben zurückbleiben. Weitere mögliche
mie), möglichst in Verbindung mit einem endgülti- Entnahmestellen sind Oberschenkel und Rücken. 19
gen Verschluss der Wunde durch autologe Spalt- Bei der Entnahme dünner Spalthaut verbleiben
hauttransplantate, senkt die Morbidität und Letali- normalerweise keine Narben, oft wird die Haut le-
tät schwer verbrannter Kinder signifikant. [7] [8] diglich etwas grobporig. Kinder neigen an den Ent-
Die Komplikationsrate bei Verbrennungen sinkt, nahmestellen allerdings – besonders nach Mehrfa-
die frühzeitige Spalthauttransplantation führt zu äs- chentnahme – zur Keloidbildung. Bei tieferer Ent-
thetisch und funktionell guten Ergebnissen. [6] nahme können Narben entstehen, die bei einer In-
Bei Verbrühungen im Kindesalter empfehlen De- fektion der Entnahmestelle zur überschießenden
sai et al. ein weniger aggressives Vorgehen. In ihrer Ausprägung neigen. Bei komplikationslosem Hei-
prospektiven, randomisierten Studie kamen sie zu lungsverlauf ist eine Hautentnahme am Spender-
dem Schluss, dass „eine konservative Therapie der hautbezirk etwa alle 10–14 Tage möglich.
frühzeitigen Wundexzision deutlich überlegen ist, Die Entnahme von Vollhauttransplantaten ist
denn erst nach 7–10 Tagen deklarieren sich die Ver- nur in geringem Maße möglich, da meist nicht genü-
brühungen in ihrer endgültigen Tiefe“. [7] [8] gend Spenderhautbezirke zur Verfügung stehen.
Chirurgen verwenden dazu überwiegend die Haut
Transplantatarten der Leistenbeugen. Vollhauttransplantate sind meist
Zu unterscheiden sind Eigen- und Fremdhaut- für die Deckung von Wunden im Gesicht und an den
transplantate. Während die Eigenhauttransplanta- Händen nötig.
tion der endgültigen Deckung des Defektes dient, Um die Oberfläche der Transplantate zu vergrö-
setzen Chirurgen die Fremdhaut (menschlich oder ßern, stellen Chirurgen häufig ein Mesh graft her.
tierisch) zur temporären Wundabdeckung ein – Dieses Maschen- oder Gittertransplantat (meist aus
362 19  Unfälle im Kindesalter

Spalthaut) kann Defekte im Verhältnis von 1:1,5 bis Haut ist sehr wichtig, da diese in den nächsten Mo-
1:3 bzw. 1:6 decken. Die „gemeshten“ Transplantate naten ihre Aufgabe sein wird. Pflegende beachten
haften oft besser auf dem Wundgrund, da das auch die psychische Komponente, da Eltern in die-
Wundsekret durch die Gitterlöcher abfließt. Der ser Zeit die Wunden zum ersten Mal sehen bzw. be-
Nachteil des Mesh graft besteht darin, dass die Git- wusst wahrnehmen.
terstruktur nach der Einheilung des Transplantates
sichtbar bleibt. Mesh graft findet daher aus kosmeti-
schen Gründen im Gesicht nie und an den Händen 19.1.5  Lagerung
nur selten Anwendung. [4]
Die Lagerung schwer brandverletzter Patienten er-
Transplantatpflege fordert besondere Kenntnisse und stellt hohe Anfor-
Pflegende stellen frisch transplantierte Wundflächen derungen an die Pflegenden. Besondere Lagerungs-
für ca. 5 Tage ruhig. Sie vermeiden vor allem Zug- techniken dienen der Minimierung von Ödemen
und Scherkräfte. Sofern keine Infektionszeichen vor- und der Reduktion von Kontrakturen. Die Lagerung
liegen, nehmen der Chirurg und die Pflegenden am schwer brandverletzter Kinder ist deutlich schwieri-
5. postoperativen Tag den ersten Verbandswechsel in ger als die Lagerung Erwachsener. Häufig ist es
Analgosedierung oder in Narkose, vor. Kleine Sero- schwer oder gar unmöglich, die Notwendigkeit be-
me und Hämatome unter den Transplantaten sind zu stimmter Maßnahmen zu erklären und diese konse-
punktieren, da sie die Haftung der Transplantate am quent durchzuführen. Diese diffizile Situation erfor-
Wundgrund beeinträchtigen. Falls möglich, werden dert von den Pflegenden ein hohes Maß an Einfüh-
Klammern und Nähte, mit denen das Transplantat lungsvermögen und viel Phantasie bei der Suche
intraoperativ fixiert wurde, entfernt. nach Lösungen.
Anschließend führen die Pflegenden die Trans- Die Pflegenden entwickeln ein Lagerungsschema,
plantatpflege täglich durch. Pflegende säubern die das der individuellen Situation sowie den Bedürfnis-
Ränder und die Oberfläche mit feuchten Kompres- sen des Patienten entspricht und je nach Krankheits-
sen und entfernen vorhandene Blutkrusten. Die Ab- verlauf zu verändern ist. Bei der offenen Wundbe-
deckung der Transplantate erfolgt mit steriler Fett- handlung und Lagerung auf Schaumstoff legen Pfle-
19 gaze und einem leichten Kompressions- bzw. gende die Patienten auch auf die verletzte Körper-
Schutzverband. Sind die Transplantate eingeheilt partie. Bei Verletzungen am Rücken führen z. B. die
und frei von Infektionszeichen, cremen Pflegende Atembewegungen zu einem „ständigen Débride-
sie mit Fettsalbe und behandeln sie offen weiter. Bei ment“, indem sie zu einer Verschiebung der Wund-
mobilen Kindern ist es sinnvoll, auch in dieser Phase fläche auf dem Schaumstoff führen und somit die
einen leichten Schutzverband anzulegen. Wunde permanent von totem Gewebe reinigen.
Die intraoperativ angelegten Verbände an den Die Lagerung des Kindes beginnt direkt nach der
Entnahmestellen belassen Pflegende für ca. 5 Tage, Erstversorgung. Pflegende lagern die Extremitäten
sofern keine Infektionszeichen vorliegen. Eine früh- zur Ödemreduktion hoch. Als Lagerungshilfen eig-
zeitige Entfernung kann zur Zerstörung des sich neu nen sich sterile Schaumstoffkeile.
bildenden Epithels und damit zur Defektheilung Bei Verletzungen an Kopf und Hals bringen Pfle-
führen. Nach dem beschriebenen Zeitraum nehmen gende den Oberkörper zur Ödemreduktion in eine
Pflegende den Verband an der Entnahmestelle vor- 30°-Hochlage und überstrecken den Kopf zur Kon-
sichtig ab, ggf. mit Hilfe eines Bades. Bei einer unge- trakturprophylaxe leicht, z. B. indem sie die Schul-
störten Wundheilung hat sich darunter eine ge- terblätter unterpolstern oder eine Nackenrolle un-
schlossene, rosige Epitheldecke gebildet. Pflegende terlegen.
versorgen die geschlossenen Wundflächen mit Fett- Spezielle Lagerungstechniken vermeiden lokale
salbe und Gaze bis zur vollständigen Abheilung. Sie Nervenläsionen, zudem wirken sie der Entstehung
beachten, dass die Entnahmestelle oft sehr schmerz- von Kontrakturen an großen Gelenken entgegen. Oft
empfindlich ist, was die Mobilisation erschweren sind diese Lagerungspositionen nur mit Hilfe von
kann. Die Einbindung der Eltern in die Pflege der Schienen durchführbar.
19.1  Thermische Verletzungen 363

30° 45°–60°
Abduktion, Extension
Außenrotation

Supination 90°

Abb. 19.7  „Intrinsic-plus“-Stellung der Hand. [L157]

Streckstellung
160°–180°
In dieser Position sind die kleinen Seitenbänder der
Fingergelenke angespannt (› Abb. 19.7). Bei einer
Streckung in den Grundgelenken würden die Kolla-
20° teralbänder erschlaffen und bei längerer Ruhigstel-
Dorsalflexion
90° lung kontrahieren. Die dadurch entstehenden Bewe-
gungseinschränkungen lassen sich nur unter größ-
tem Aufwand rückgängig machen.

Abb. 19.6  Lagerung bei thermischen Verletzungen. [L157]


19.1.6  Ernährung
Positionierung
Im Verlauf der Verbrennungskrankheit kommt es
• Auslagerung der Arme im Schultergelenk um 90° zum Hypermetabolismus (Stressstoffwechsel, Post-
in Außenrotation, Hochlagerung 15–20° (hori- aggressionsstoffwechsel, Katabolie) mit Abbau von
zontale Adduktion) in Supination Eiweiß und Fett durch vermehrte Katecholamin-
• Lagerung der Ellenbogengelenke in 180°-Streck- und Kortikosteroidausschüttung. Diese Phase ist
stellung von gehemmter Insulinproduktion und vermehrter
• Lagerung der Hüften (ohne Außenrotation) und Glukagonausschüttung bei insuffizienter Glukose-
Kniegelenke in Streckstellung (160°–180°) nutzung gekennzeichnet. 19
• Spreizung der Beine um ca. 20° (Vermeidung von Der gesteigerte Stoffwechsel, ein erheblicher Ka-
Adduktionskontrakturen) lorienbedarf durch die erhöhte Wasserverdunstung
• Lagerung der Füße in Dorsalflexion [9] (›  19.1.1) von etwa 580 kcal/l sowie der Energie-
Bei thermischen Verletzungen der Hände behindern und Proteinbedarf des wachsenden kindlichen Or-
Ödeme die Beweglichkeit der Fingergelenke erheb- ganismus erfordern eine hochkalorische, eiweißrei-
lich. che Kost sowie die Substitution von Vitaminen und
Innerhalb von 24 Std. kommt es zur Streckung Spurenelementen. [10] Bei Patienten mit kleinflä-
der Grundgelenke und Beugung der Mittelgelenke. chigen thermischen Verletzungen ist eine normale
Es besteht die Gefahr einer Versteifung. Pflegende eiweißreiche Kost ausreichend.
wirken ihr mit der „Intrinsic-plus“-Stellung entge- Eine enterale Ernährung ist bereits 6–8 Std. nach
gen (siehe unten). Ohne Schienenversorgung lässt dem Unfall anzustreben, um die Integrität der
sich diese Stellung jedoch kaum realisieren. Geeig- Darmschleimhaut zu erhalten. [7] [8] Kinder mit
net sind Thermoplast-Schienen, die die Hände in der großflächigen Verletzungen benötigen anfangs
gewünschten Position fixieren. meist eine Nahrungszufuhr über Magensonde oder
PEG. Bei Magenatonie erfolgt die Ernährung über
eine Duodenalsonde.
„Intrinsic-plus“-Stellung
Ein wichtiger Parameter zur Überwachung der
• Handgelenk leicht überstreckt Ernährungssituation ist die Ermittlung des Körper-
• Beugung der Grundgelenke um ca. 60° gewichts. Ziel ist es, das vor dem Unfall vorhandene
• Streckung der Mittel- und Endgelenke Gewicht (± 5 %) aufrecht zu erhalten. [7] [8] Eine
364 19  Unfälle im Kindesalter

Stressulkusprophylaxe erfolgt in der Regel mit Ci- gekennzeichnet. Der Unfall mit seinen verheerenden
metidin, Ranitidin oder Sulcrafat. [10] Folgen ist durch nichts ungeschehen zu machen. Am
Zur Berechnung des Energiebedarfs brandverletz- Anfang stehen oft unrealistische Hoffnungen und
ter Kinder stehen verschiedene Formeln zur Verfü- Vorstellungen bezüglich des Therapieerfolgs, die
gung, sie geben den Energiebedarf pro Tag an. Die zum Scheitern verurteilt sind. Schon während der
verbrannte Körperoberfläche (VKO) ist dabei von Intensivbehandlung sind das Kind, seine Angehöri-
Bedeutung: Nach der in Deutschland am häufigsten gen/Bezugspersonen und auch das therapeutische
verwendeten Formel benötigt ein brandverletztes Team großen Belastungen ausgesetzt. Die Situation
Kind zusätzlich zu seinem täglichen Grundbedarf des Kindes und seiner Bezugspersonen ist geprägt
von 40–60 kcal/kg KG zusätzlich 40 kcal pro Prozent durch Schmerzen, Angst, Ohnmacht, Schuldgefühle
verbrannter Körperoberfläche. [11] und nicht selten Wut. Es ist davon auszugehen, dass
die seelischen Verwundungen ausgeprägter sein
Beispiel werden, je länger die Genesung dauert. Das Ausmaß
ist unter anderem abhängig vom Lebensalter, der
Ein fünfjähriges Kind wiegt 20 kg. Die Brandverletzung
betrifft 50 % seiner Körperoberfläche. Biografie und der aktuellen sozialen Situation. Die
Dies ergibt folgende Rechnung: Tatsache, dass bei schweren thermischen Traumen
nicht von einer vollständigen Genesung auszugehen
ist, belastet die Situation zusätzlich. Die Stigmatisie-
rung durch zurückbleibende Narben, der potenzielle
Der tägliche Kalorienbedarf des Kindes liegt also bei Funktionsverlust von Händen, Armen oder Beinen,
3.000 kcal
werfen Fragen zur weiteren Lebensführung und Le-
bensqualität auf.
Bei den Eltern stehen häufig Schuldgefühle im
Offene Wundbehandlung
Vordergrund. Ca. 85 % der Unfälle erfolgen im
Der Patient ist auf sterilem Schaumstoff (z. B. Ligasa- Kleinkindalter in direkter Anwesenheit eines Eltern-
no®) gelagert. Die Wunden sind mit Fettgaze und teils. [12] Die Eltern-Kind-Beziehung ist im Hinblick
antimikrobiellen Oberflächentherapeutika abge- auf mögliche körperliche und psycho-soziale Spät-
19 deckt. folgen von existenzieller Bedeutung. Die Umgebung,
Vorteile der offenen Wundbehandlung: das Personal und die erforderliche Therapie wirken
• Wunden sind jederzeit gut beurteilbar bedrohlich. Das Personal und die Eltern sind, be-
• geringere Schmerzen bei der Wundversorgung, dingt durch die Bereichskleidung, nur an wenigen
da keine Verbände von den Wunden zu lösen sind äußeren Merkmalen (Brille, Augenfarbe, Körpergrö-
• Versorgung ist weniger pflegeintensiv, da zeitauf- ße) und der Stimme zu identifizieren. Es ist nur be-
wendige Verbände entfallen grenzt möglich, dem Kind die Angst vor der unge-
• Weniger Nährböden für Feuchtkeime, z. B. Pseu- wohnten Umgebung zu nehmen.
domonaden Die Einbeziehung der Eltern beginnt nach Mög-
Nachteile der offenen Wundbehandlung: lichkeit schon während der Intensivbehandlung. Die
• relative Immobilität des Patienten aktive Teilhabe ermöglicht es den Eltern, eine ver-
• hohe Thermolabilität durch Verdunstungskälte antwortliche Rolle einzunehmen, die ihnen von Be-
• „Abrutschen“ der Lokaltherapeutika bei anfangs ginn an einen festen Platz im Rehabilitationskonzept
starker Exsudation der Wunden, Versorgung da- zuweist. Dieses Vorgehen trägt dazu bei, u. a. Schuld-
her mindestens zweimal täglich gefühle und Versagensängste abzubauen. Die ersten
Reaktionen der Eltern beeinflussen entscheidend das
Verhalten des Kindes. Ist das Kind am Anfang noch
19.1.7  Psychosoziale Aspekte kooperativ, folgen Phasen von Aggression, Depressi-
on und Resignation. Auch die Eltern durchleben die-
Ein schweres thermisches Trauma ist sowohl durch se Phasen. Ihre Schuldgefühle, Hilflosigkeit und Vor-
Verletzungen körperlicher als auch psychischer Art wurfshaltung führen zu einer zusätzlichen Belastung
19.2  Ertrinkungsunfall 365

des therapeutischen Teams. Die psychologische Be-   2. Paulinchen e. V. – Initiative für brandverletzte Kinder:
www.tag-des-brandverletzten-kindes.de/fileadmin/
treuung sollte frühzeitig beginnen und ist mit der TDBK/Pressemitteilungen/PM_TDBK_31_08_2011.pdf
Entlassung des Kindes nicht abgeschlossen. Zur Be- (Letzter Zugriff am 19.1.2012)
wältigung dieser emotional stark befrachteten Situa-   3. Zellweger, G.: Die Behandlung der Verbrennungen –
tion benötigen alle beteiligten Personen ein Höchst- Praktische Hinweise für Diagnose, Therapie, Rehabilita-
maß an Zeit, Geduld und Verständnis. [12] tion. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 1985.
  4. Grabosch, A.; Günnewig, M.: Die Pflege des Brandver-
Die Intensivtherapie, zu der eine entsprechende letzten. Springer Verlag, Heidelberg, 1991.
Analgosedierung gehört, hindert das Kind zunächst   5. Günnewig, M.: Die Brandverletzung – Pflegerische As-
daran, seine veränderte Situation bewusst wahrzu- pekte, krankengymnastische und ärztliche Behand-
nehmen und zu verarbeiten. Die Einschätzung ist lung und Therapie des brandverletzten Patienten.
bei älteren Kindern häufig stark phantasieüberla- www.pflegenet.com/wissen/lehrbuch/brandverlet-
zung.html
gert, die Ereignisse wirken deshalb noch bedrohli-   6. Köfner, C.: Die Besonderheiten der Pflege und Überwa-
cher. chung Schwerbrandverletzter. In: Journal für Anästhe-
Reduzieren sich die Wirkungen der Sedativa und sie und Intensivbehandlung, 2/1996: www.pabst-pub-
Analgetika, reagiert das Kind auf sein verändertes lishers.de/Medizin/med%20Zeit schriften/jai/1996–2/
Äußeres und es ist in die Lage versetzt, das Unfallge- art-59.html
  7. Trop, M.: Das brandverletzte Kind. Teil I. In: Monats-
schehen zu verarbeiten. Säuglinge und Kleinkinder schrift Kinderheilkunde. Springer Verlag, Heidelberg,
akzeptieren die Veränderungen meist schnell. Mit (150) 2002, S. 1.238–1.251.
zunehmendem Alter kann sich dieser Prozess jedoch   8. Trop, M.: Das brandverletzte Kind. Teil II. In: Monats-
problematischer gestalten. [7] [8] schrift Kinderheilkunde (150), Springer Verlag, Heidel-
berg, 2002, S. 1.408–1.422.
  9. Richard, R.; Staley, M.: Burn Care and Rehabilitation –
Selbsthilfegruppen Principles and Practice. F. A. Davis Company, Philadel-
Paulinchen e. V. – Initiative für brandverletzte phia, 1994.
Kinder: www.paulinchen.de und www.paulinchen.at 10. Carvajal, H.; Parks, D.: Burns in Children – Pediatric
Burn Management. Boca Raton, Chicago, 1988.
Feuerball – Elternverein für brandverletzte Kin-
11. Haße, W. (Hrsg.): Verbrennungen im Kindesalter. Gus-
der und Jugendliche: www.feuerball.at
tav Fischer Verlag, Stuttgart, 1990.
12. Dorfmüller, M.: Probleme im Umgang mit Verbren-
nungspatienten. In: Intensiv 4, 1996, S. 24–31.
19
Die Wiedereingliederung in Familie und Alltag fällt
den Patienten in Abhängigkeit vom Alter, dem Aus-
sehen und den Bewegungseinschränkungen zum
Teil schwer. Professionelle Hilfe erhalten betroffene 19.2  Ertrinkungsunfall
Familien in fortlaufender psychologischer Betreu- Stephanie Möllmann
ung und durch Selbsthilfegruppen. Sozialarbeiter
entlasten die Eltern durch die Organisation häusli- Ertrinkungsunfälle zählen zu den häufigsten und
cher Hilfe, damit sie ihr Kind regelmäßig besuchen folgenschwersten Unfällen im Kindesalter. Betrof-
und unterstützen können. fen sind v. a. Kinder im Vorschulalter. Die Tatsache,
dass Kleinkinder das Schwimmen noch nicht be-
Neben der psychologischen Betreuung des Kindes und herrschen, steht dabei nicht im Vordergrund.
seiner Bezugpersonen gilt die Aufmerksamkeit auch der Schon sehr flache Gewässer, z. B. ein Gartenteich
psychischen Betreuung des Personals. Das Angebot re- oder ein kaum gefülltes Gefäß (z. B. Wassertrog),
gelmäßiger Supervisionen oder Balint-Gruppen sollte stellen eine erhebliche Gefahrenquelle dar, denn
selbstverständlich sein. kleine Kinder reagieren häufig bereits auf das Ein-
tauchen in kaltes Wasser mit einer reflektorischen
Apnoe und einer extremen Bradykardie mit peri-
LITERATUR
  1. BAG Mehr Sicherheit für Kinder e. V.: www.kindersi- pherer Vasokonstriktion (diving-reflex), sodass sie
cherheit.de/html/basisdaten2009.html (Letzter Zugriff nicht mehr in der Lage sind, sich aufzurichten und
am 19.1.2012) selbst zu retten.
366 19  Unfälle im Kindesalter

Die Unterscheidung zwischen Beinahe-Ertrin- Hypothermie stehen die klinischen Folgen gegen-
kungsunfall und Ertrinkungsunfall ist veraltet. Man über, insbesondere Herzrhythmusstörungen sowie
bezeichnet jeden Vorgang als Ertrinkungsunfall, bei neurologische, metabolische und endokrinologische
dem durch Eintauchen der Atemwege in Flüssigkeit Störungen.
eine respiratorische Beeinträchtigung resultiert – Die Prognose lässt sich anhand des neurologi-
unabhängig davon, ob der Patient Folgeschäden er- schen Status bei Aufnahme abschätzen, er kann je-
leidet oder nicht. doch durch Analgosedierung und Hypothermie nur
eingeschränkt aussagekräftig sein.
Kinder mit einem Glasgow-Coma-Score > 9 ha-
Pathophysiologie
ben gute Chancen auf eine vollständige Genesung,
Das Eintauchen in das Wasser löst eine Apnoe aus. bei Werten von 5–8 ist ein Überleben wahrschein-
Auf das Eindringen von Wasser im Bereich von Pha- lich, jedoch meist mit neurologischen Folgeschäden.
rynx und Larynx reagiert der Körper mit einem re- Ausschlaggebend für eine gute Prognose ist die un-
flektorischen Laryngospasmus. In dieser Phase ver- mittelbare und effektive primäre Reanimation am
schluckt das Kind größere Mengen Wasser, aspiriert Unfallort. [1] [2]
sie jedoch nicht. Eine Aspiration ist erst nach Lö-
sung des Laryngospasmus möglich, meist infolge
Erstversorgung
der eintretenden Bewusstlosigkeit und dem Ausfall
der Schutzreflexe. Das Wasser dringt dann durch Die Erstversorgung am Unfallort umfasst die Ber-
weitere Atemzüge bzw. passiv in die Atemwege ein, gung und kardiopulmonale Reanimation des Kindes
oder das Kind aspiriert es während des Erbrechens (› Kap. 20).
von Mageninhalt. Aus der ständigen Vermischung
von Luft und Wasser resultiert eine starke Schaum- Besonderheiten der Reanimation
bildung. Bei ausgeprägtem Diving-Reflex ist die periphere
Unterschiede in der Aspiration von Süß- und Pulskontrolle oft nicht möglich, sodass die Diagnose
Salzwasser sind entgegen früherer Annahmen kli- eines Herzstillstands erschwert sein kann. Eine be-
nisch nicht relevant. Im Vordergrund stehen die sondere Gefährdung liegt in der Gefahr des Erbre-
19 Folgen der Aspiration: die Gasaustauschfläche wird chens mit nachfolgender Aspiration. Deshalb sau-
durch die Flüssigkeit in den Alveolen reduziert, die gen die Ersthelfer nach der Intubation den Magen­
Auswaschung und Denaturierung des Surfactants inhalt ab und legen eine großlumige Magenablauf-
führt zur Atelektasenbildung. Permeabilitätsstörun- sonde.
gen führen zum Lungenödem. Die Folge sind intra- Vor der Intubation führt eine Entleerung des Ma-
pulmonale Shunts und die Gefahr der Entstehung gens oft zum Erbrechen und ist daher kontraindi-
eines ARDS (› 13.4.4). ziert. Eine Hypothermie unter 30 °C kann eine Re-
Die klinischen Folgen sind Azidose, Hypoxie und animation unmöglich machen, sodass die Ersthelfer
Hyperkapnie sowie daraus resultierende zerebra- bereits am Unfallort Maßnahmen zur Erwärmung
le,  renale und gastrointestinale Schädigungen und des Kindes einleiten (Entfernung der nassen Klei-
Störungen des Herz-Kreislauf-Systems und ande- dung, Einhüllung in wärmende Decken). Der Trans-
rer  ­Organsysteme (Gerinnungssystem, endokrino- port des Kindes in die Klinik ist ggf. unter Reanima-
logisches System). Das Maß der Hypothermie tionsbedingungen notwendig.
hängt  vorrangig von der Temperatur des Wassers
ab, generell kühlen kleinere Kinder durch die gerin-
Aufnahme und Erstversorgung des Kindes
gere Körpermasse im Verhältnis zur Körperoberflä-
che und den verhältnismäßig großen Kopf rascher • Reanimationsmaßnahmen fortsetzen
aus. • Beatmung fortführen (FiO2 100 %, erhöhter
Das Schlucken und die Aspiration von kaltem PEEP)
Wasser bewirkt zudem eine innere Kühlung. Den • Monitoring: EKG, Atmung, RR, SpO2, EtCO2,
möglicherweise zerebroprotektiven Faktoren einer Temperatursonde (z. B. rektal, vesikal)
19.2  Ertrinkungsunfall 367

• Kontrolle des Bewusstseins: Pupillenreaktion, • ZVD-Messung zur Beurteilung des intravasalen


Glasgow Coma Scale (› Tab. 6.1) Volumens und der erforderlichen Flüssigkeits-
• Infusionstherapie fortführen, Medikamente an- substitution
schließen • Beobachtung und Beurteilung der Kreislaufsitua-
• Temperaturkontrolle (Thermometer mit erweite- tion (periphere Durchblutung, Hautfarbe, Haut-
ter Skala ab 21 °C verwenden) temperatur, Hautkolorit)
• Blutgaskontrolle, ggf. bereits weitere Blutentnah- • kontinuierliche SpO2-Messung, evtl. Probleme
men der Messung durch periphere Vasokonstriktion
• Erwärmung des Kindes bis zur angestrebten Ziel- (Messstelle in Watte einwickeln, arterielle Blut-
temperatur (ggf. Hypothermiebehandlung) gasanalyse)
– Wärmestrahler, Zimmertemperatur anheben • EtCO2-Messung (angestrebter CO2 30–35 mmHg)
– Wärmematte und Warm-Packs vorsichtig ein- • kontinuierliche Temperaturmessung nach Mög-
setzen (Verbrennungsgefahr) lichkeit über eine im Blasenkatheter integrierte
– Atemgastemperatur kontinuierlich anpassen Sonde, ansonsten über eine rektale Sonde, ggf.
(max. 2 °C über Körpertemperatur) periphere Temperaturmessung
– Anwärmen der Infusionslösung (max. 2 °C • engmaschige neurologische Beurteilung: Pupil-
über Körpertemperatur) lenreaktion, Glasgow Coma Scale (› Tab. 6.1)
– Bei Körpertemperaturen < 30 °C: Magenspü- • Beobachtung und Beurteilung des Abdomens,
lung und Einläufe mit warmer, isotoner Lö- Beurteilung und Bilanzierung des Magenrestes
sung, Peritonealdialyse, extrakorporale Zirku- (Gefahr Stressulkus)
lation • Beobachtung und Beurteilung der Urin- und
• Ggf. ZVK, Blasenkatheter, Magenablaufsonde an- Stuhlausscheidung, Bilanzierung 4–6-stündlich
legen
• Röntgen-Thorax Beobachtung der Atmung
Die Pflegenden und Ärzte nehmen in dieser Phase • Pflege des beatmeten Kindes (› 12.1.3)
meist zum ersten Mal Kontakt mit den Eltern auf • endotracheales Absaugen nur nach strenger Indi-
und sehen sich der Aufgabe gegenüber, sie über den kation, geschlossenes Absaugsystem verwenden,
Zustand des Kindes zu informieren. vor Beginn präoxygenieren 19
Zu beachten ist: • erstes Trachealsekret zur mikrobiologischen Un-
• Eltern befinden sich in einer existentiell bedrohli- tersuchung gewinnen
chen Situation.
• Schuldgefühle und Selbstvorwürfe können zu Temperaturregulation
Schuldzuweisungen (Vorwurf einer Verletzung • Fortführung des Aufwärmens: Temperaturan-
der Aufsichtspflicht, auch gegenüber anderen Be- stieg max. ½–1 °C pro Std. (cave: Kreislaufbelas-
gleitpersonen) führen. tung, Herzrhythmusstörungen)
• Verzweifelte Anklagen richten sich ggf. auch ge- • vorsichtiges Handling, um das Vermischen der
gen das therapeutische Team (Vorwurf, „nicht al- kalten Schalentemperatur mit der wärmeren
les rechtzeitig getan zu haben“, Vorwürfe an die Kerntemperatur zu vermeiden (Gefahr „after
Ersthelfer, Notarzt). drop“)
• Maßnahmen bei einer Körpertemperatur von
max. 34 °C beenden (Gefahr der Hyperthermie
Pflegerische Besonderheiten
mit Erhöhung des Stoffwechsels und Sauerstoff-
Monitoring verbrauchs)
• Atmung, EKG (auf Herzrhythmusstörungen ach- • Hyperthermie vermeiden (Erhöhung des Sauer-
ten) stoffverbrauchs, zytotoxisches Hirnödem), ggf.
• möglichst kontinuierliche arterielle Blutdruck- physikalische Maßnahmen
messung, ansonsten engmaschige manuelle Blut- • ggf. milde therapeutische Hypothermie über 48–
druckkontrollen 72 Std. (hirnprotektiver Effekt)
368 19  Unfälle im Kindesalter

Prophylaxen 19.3  Ingestionen und


• Hirnödemprophylaxe: Intoxikationen
– 30°-Oberkörperhochlage Stephanie Möllmann
– achsengerechte Lagerung (Kopf in Mittelstel-
lung, achsengerechter Lagerungswechsel)
– Überwachung der Infusionstherapie und Me- DEFINITION
dikamentengabe (Flüssigkeitsrestriktion, ggf. Intoxikation: Organschädigung oder Allgemeinerkran-
Sedierung, Analgesie, ggf. Fortführen einer kung nach der Aufnahme eines Giftes, unabhängig von
Steroid-Therapie, ggf. Therapie mit Mannitol) der Art der Giftaufnahme. Im Kindesalter ist eine Intoxi-
• Dekubitusprophylaxe (› 9.1) kation überwiegend Folge einer Ingestion, d. h. der Auf-
nahme eines Stoffes über den Magen-Darm-Trakt.
• Kontrakturenprophylaxe (› 9.3)
• Pneumonieprophylaxe (› 9.2)
Ingestionen zählen zu den häufigsten Unfällen im
Ernährung Kindesalter. Sie verlaufen in der Mehrzahl der Fälle
• Magenablaufsonde glimpflich, entweder weil die eingenommene Subs-
• Kontrollen des Magen-pH-Werts (Gefahr eines tanz ungefährlich war oder weil frühzeitig geeignete
Stressulkus, evtl. medikamentöse Prophylaxe) Maßnahmen eingeleitet wurden. Betroffen sind v. a.
• frühzeitige orale Ernährung, zu Beginn kleine Kinder zwischen 1–5 Jahren. Der Altersgipfel liegt
und häufige Mahlzeiten (vorausgegangene Min- bei etwa 2 Jahren, denn in diesem Alter begreifen
derperfusion des Magen-Darm-Trakts reduziert Kinder ihre Umwelt wesentlich auch über den Mund.
die Nahrungsverträglichkeit) Hinzu kommen Neugierde und Verwechslungen sei-
tens der Kinder (z. B. interpretieren sie die Medika-
Frührehabilitation mente in der Tasche der Großmutter als Süßigkei-
• enge Begleitung und Betreuung der Eltern, früh- ten), aber auch Verwechselungen seitens der Erwach-
zeitige Integration und Übernahme von Pflege- senen (z. B. versehentlich falsche Medikamentenga-
maßnahmen durch die Eltern anstreben, z. B. be). Bei Jugendlichen stehen Alkoholintoxikationen
Mundpflege, Cremen der Lippen oder Vergiftungen in suizidaler Absicht im Vorder-
19 • frühzeitig Besuch von Geschwisterkindern er- grund, letztere führen deutlich häufiger zu schwer-
möglichen wiegenden Intoxikationen. [1]
• ausführliche Pflegeanamnese als Basis für eine
individuelle, an dem Konzept der Basalen Stimu-
lation® orientierten Pflege, sie bezieht sich u. a. 19.3.1  Anamnese und
auf bevorzugte Speisen und Getränke (Mundpfle- Sofortmaßnahmen
ge), Lieblingsmusik, vertraute Gerüche (› 8.1)
• frühzeitige Mobilisation und Physiotherapie Anamnese
(› 8.4)
Der Erstkontakt erfolgt überwiegend telefonisch.
LITERATUR Folgende Informationen sind zur Einschätzung der
1. Brömme, W.: Ertrinkungsunfälle. In: Brömme, W.; Lietz, Situation wichtig:
R.; Bennek, J. (Hrsg.): Handbuch der Kinderintensivmedi-
zin. Thieme Verlag, Stuttgart, 2002. • Wer? (Alter und Gewicht des Kindes)
2. Gries, A.: Notfallmanagement bei Beinahe-Ertrinken und • Was? (z. B. Pflanze, Medikamente)
akzidenteller Hypothermie. In: Der Anästhesist (11) Sprin- • Wann? (gesicherter oder vermuteter Zeitpunkt)
ger 50, 2001, S. 887–898. • Wie viel? (gesicherte oder vermutete Menge)
3. Boos, K; Guericke, H.: Ertrinkungsunfälle. In: Kretz, F. J.; • Wie? (oral, kutan, per inhalationem, rektal, pa-
Beushausen, T.; Ure, B. M.; Roth, B. (Hrsg.): Kinder Not-
fall-Intensiv. Elsevier Verlag, München, 2010. renteral)
• Warum? (akzidentiell, suizidal)
• Welche Maßnahmen wurden bisher getroffen?
• Symptome?
19.3  Ingestionen und Intoxikationen 369

Die Anamneseerhebung ist häufig schwierig, da Er- Diagnostik


wachsene das Kind zum Zeitpunkt des Unfalls meist
nicht beobachtet haben. So können die Anrufer oft • klinische Untersuchung: Vitalfunktionen, neuro-
nur die Situation beschreiben, in der sie das Kind logische Untersuchung, Beurteilung des Abdo-
aufgefunden haben, z. B.: es spielte mit der Tablet- mens, Schmerzerhebung, Hinweise auf besonde-
tenpackung und hatte eine Tablette im Mund. re Veränderungen der Haut, der Schleimhäute,
Häufig sind daher die eingenommene Menge der Augen oder der Ausatemluft
ebenso wie der Zeitpunkt der Einnahme nur schwer • Labordiagnostik: Blutbild, Elektrolyte, Blutgas-
zu präzisieren. Zudem befinden sich die Eltern bzw. analyse, Blutzucker, Leber- und Gerinnungswer-
die betreuenden Personen in einer Ausnahmesitua- te, Kreatinin, Harnstoff, ggf. toxikologische Un-
tion. Angst und Schuldgefühle können dazu führen, tersuchung von Magensaft, Blut oder Urin sowie
dass sie die Situation dramatisieren, übertreiben weitere Untersuchungen in Abhängigkeit von der
oder auch bagatellisieren. Noxe (z. B. Medikamentenspiegel, HbCO-Bestim-
Wenn das Ereignis nicht sicher als ungefährlich mung)
einzustufen ist, rät der Arzt den Eltern, das Kind in
die Klinik zu bringen bzw. einen ärztlich begleiteten
Pflegerische Besonderheiten
Transport oder Rettungswagen zu organisieren (so-
fern bereits Symptome bestehen). Generell ist es Die pflegerisch und medizinisch indizierten Maß-
wichtig, die Anrufer darauf hinzuweisen, dass sie nahmen sind von der Schwere und dem Verlauf der
Proben der eingenommenen Substanz (z. B. Medika- Intoxikation sowie der Art und Menge der einge-
mentenschachtel, Pflanzenzweig mit Blättern, Blü- nommenen Substanz abhängig und lassen sich nicht
ten und Beeren) zur Diagnosesicherung in die Klinik pauschalisieren.
mitbringen. Der Arzt kontaktiert, sofern es sich nicht sicher
um ein unbedenkliches Ereignis handelt, meist eine
Giftnotrufzentrale (› Tab. 19.1). Er erhält von dort
Sofortmaßnahmen
Informationen hinsichtlich des zu erwartenden Ver-
• Bei oraler Aufnahme keine Milch anbieten (er- laufs und Empfehlungen zum diagnostischen und
höht die Resorption fettlöslicher Substanzen), therapeutischen Vorgehen. 19
kein Erbrechen auslösen, wenn möglich Wasser Anhand der Informationen, die die Pflegenden
trinken lassen und Aktivkohle verabreichen. dann vom Arzt erhalten, lassen sich spezielle pflege-
• Bei Einnahme ätzender Substanzen zur Verdün- rische Maßnahmen ableiten, z. B. engmaschige
nung reichlich Wasser trinken lassen, keine Neu- Temperatur- und Blutzuckerkontrollen bei Alko-
tralisationsversuche, keine kohlesäurehaltigen holintoxikation (Gefahr der Hypothermie und Hy-
Getränke, kein Erbrechen auslösen. poglykämie).
• Bei rektaler Applikation (z. B. bei Verwechslung
von Suppositorien) falls vorhanden Klistier ver-
Medizinische Maßnahmen
abreichen.
• Bei Kontakt mit Gasen oder Dämpfen Kleidung Bei mittelschweren und schweren Intoxikationen
des Patienten entfernen und Haut abwaschen sind die folgenden Maßnahmen indiziert:
(Selbstschutz beachten, z. B. bei Mund-zu-Mund- • Sicherung der Vitalfunktionen, ggf. O2-Zufuhr,
Beatmung). Intubation und Beatmung, Kreislaufstabilisie-
• Bei Hautkontamination Kleidung entfernen und rung
Haut und Haare mit reichlich Wasser und Seife • Beobachtung und Beurteilung der Vitalzeichen
reinigen. • Monitoring: EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung,
• Bei Verätzungen der Augen sofortiges Spülen des Blutdruck, ggf. Temperatur, ETCO2, ZVD
betroffenen Auges unter fließendem Wasser, ggf. • Beobachtung und Beurteilung der neurologi-
mit einem wiederholt ausgewrungenem, feuch- schen Situation
tem Tuch (Konsil: Augenarzt). • Bilanzierung
370 19  Unfälle im Kindesalter

Maßnahmen zur primären Giftentfernung innerhalb von 60 Min. nach Ingestion sinnvoll. Der
• Gabe von Aktivkohle Versuch, das Erbrechen durch mechanische Stimu-
• induziertes Erbrechen durch Gabe von Sirup Ipe- lation der Rachenhinterwand auszulösen, birgt er-
cacuanha (Brechwurzel › 19.3.2) hebliche Verletzungsgefahren und führt meist nur
• Magenspülung (› 19.3.3) zu einem unvollständigen Ergebnis. Das Anbieten
einer Kochsalzlösung als Emetikum ist obsolet, da
Verabreichung von Aktivkohle eine lebensbedrohliche NaCl-Intoxikation die Folge
sein kann.
• Die frühzeitige Aktivkohlegabe stellt die wichtigste
und effektivste Maßnahme zur primären Giftentfer-
nung dar. VORSICHT
• Aktivkohle bindet innerhalb von Minuten große Men- Bereits geringe Mengen Kochsalz können bei kleinen Kin-
gen Gift bereits im Magen und verhindert so seine Re- dern toxische Wirkung entfalten. Folgende Dosen gelten
sorption. als letal:
• Aktivkohle bindet sehr viele Substanzen, nicht jedoch • Säugling: ein gestrichener Teelöffel
Säuren, Laugen, Alkohole, Glykole, Kohlenwasserstof- • Kleinkind: ein gehäufter Teelöffel
fe, Schwermetalle und Borsäure.
• Dosierung bis 1 g/kg KG, mind. den 10-fachen Über-
schuss zum Gift, bei vollem Magen eher höher dosie- Die Gabe von Apomorphin als Emetikum ist auf-
ren. [1] grund der erheblichen Nebenwirkungen (Bewusst-
• Aktivkohle ist nicht wasserlöslich, zur Anwendung seinsstörungen, Atemdepression, Hypotension) im
kommt eine Suspension (mit Wasser oder Saft), die Kindesalter nur in seltenen Ausnahmen und bei ent-
während der Einnahme mehrfach umzurühren ist, da- sprechender Erfahrung in der Technik der Verabrei-
mit sie bestehen bleibt.
chung indiziert.
• Wenn das Kind die Aktivkohle nicht trinkt, erwägt der
Arzt eine Sondierung, in diesem Fall ist die Aspirati- Im Kindesalter ist daher Sirup Ipecacuanha (Ipe-
onsgefahr zu bedenken. cac-Sirup) das Mittel der Wahl, um Erbrechen aus-
• Aktivkohle ist nicht toxisch, als Nebenwirkung kann zulösen. Voraussetzung ist, dass zuvor keine Aktiv-
bei wiederholten Gaben Obstipation auftreten. kohle gegeben wurde, da der Sirup durch die Aktiv-
kohle gebunden würde.
19
Maßnahmen zur sekundären Giftentfernung
Kontraindikationen
• wiederholte Gabe von Aktivkohle zur Adsorption
bereits resorbierter und erneut in den Darm dif- Aufgrund erhöhter Aspirationsgefahr, bei:
fundierter Substanzen bei gleichzeitiger Unter- • Störungen der Atmung und abgeschwächten oder
brechung eines enterohepatischen Kreislaufs und fehlenden Schutzreflexen
ggf. Gabe von Laxanzien zur Beschleunigung der • Bewusstseinsstörungen bzw. Bewusstlosigkeit
Darmpassage • Krampfbereitschaft bzw. Krampfanfällen
• Antidotbehandlung (› 19.3.6) • Säuglinge ≤ 9 Monate
• Hämoperfusion (› 16.1) • Einnahme schäumender Substanzen
• Hämodialyse (› 16.1) • aufgrund schwerer Lungenschäden im Falle einer
• Plasmapherese Aspiration nach der Einnahme organischer Lö-
• in seltenen Fällen forcierte Diurese (cave: Gefahr sungsmittel
schwerer Elektrolytstörungen) • aufgrund einer erneuten Schleimhautschädigung
durch das Erbrechen bei Einnahme von Säuren
oder Laugen (ggf. mit weicher Magensonde ab-
19.3.2  Induziertes Erbrechen ziehen)
Grundsätzlich schätzt der Arzt ab, welche Sympto-
Die Auslösung von Erbrechen zur primären Giftent- me bis zum Wirkungseintritt nach 15–30 Minuten
fernung ist bei entsprechender (seltener) Indikation auftreten können.
19.3  Ingestionen und Intoxikationen 371

Anwendung von Sirup Ipecacuanha • Dem Kind etwas Flüssigkeit zum Spülen des
Mundes anbieten.
Das im Ipecac-Sirup enthaltende Emetin und Ce- • Unterstützende Maßnahmen bei anhaltender
phaelin führen zu einer direkten Reizung des Brech- Übelkeit.
zentrums, das Emetin reizt darüber hinaus die Ma-
genschleimhaut. Das Erbrechen tritt in über 90 %
der Fälle innerhalb von 15–30 Minuten ein. 19.3.3  Magenspülung

VORSICHT Eine Magenspülung ist nur in wenigen Fällen erfor-


Kein reines Ipecacuanha-Fluidextrakt verwenden (hoch- derlich. Indiziert ist sie bei der Aufnahme hochtoxi-
toxisch), sondern nur den daraus hergestellten Sirup Ipe- scher Substanzen und wenn das induzierte Erbre-
cacuanha. chen erfolglos bzw. kontraindiziert ist. Das Ereignis
sollte nicht länger als eine Stunde zurückliegen.
Häufige unerwünschte Wirkungen (bis zu 15 %)
sind wiederholtes Erbrechen und Übelkeit, Durch- Indikationen zur Intubation vor Magenspülung
fälle, Lethargie und Benommenheit sowie Aspirati-
• Ateminsuffizienz
onspneumonien auch bei bewusstseinsklaren Kin- • abgeschwächte oder aufgehobene Schutzreflexe
dern. • Bewusstseinsstörungen, Bewusstlosigkeit
• Ingestion organischer Lösungsmittel oder Mineralöl-
Dosierung produkte
• 1–2 Jahre: 10–15 ml Bei der Abwägung einer Intubation bedenkt der Arzt den
• 2–3 Jahre: 20 ml Zeitfaktor und schätzt ab, welche Symptome in den fol-
genden 30–60 Min. auftreten können.
• ≥3 Jahre/Jgdl./Erw.: 20–30 ml

Material
Material
• Ipecac-Sirup und Spritze zum Abmessen
• Reichlich Tee oder Saft • Monitoring: EKG, SpO2, Blutdruckmessung
• Eimer • Material zum Anlegen einer Infusion und zur 19
• Versandröhrchen zur Probennahme Blutentnahme, Infusionslösung
• Handtücher oder Einmalunterlagen für Kind und • Absaugung und Zubehör
Eltern • ggf. Materialien zur Intubation
• Handschuhe und Kittel zum Selbstschutz • großlumiger Magenschlauch (Durchmesser ent-
• Sitzgelegenheit für Kind und Eltern spricht etwa dem eines altersentsprechenden Tu-
• evtl. Spielzeug oder Bilderbücher zur Ablenkung bus, Innendurchmesser mindestens 9–11 mm),
des Kindes damit Nahrungsreste und die eingenommenen
Substanzen (z. B. Tabletten, Dragees) den
Durchführung Schlauch passieren können
• Dem Kind die abgemessene Menge Ipecac-Sirup • Gleitgel
(unbedingt Haltbarkeit überprüfen) und reichlich • Mundkeil, ggf. Guedeltubus
Flüssigkeit verabreichen. • Pflaster
• Kind während des Erbrechens unterstützen, eine • graduierter Trichter mit Zuleitung, Klemme
Probe des Erbrochenen entnehmen. • 50-ml-Spritzen
• Tritt kein Erbrechen ein, kann nach 20 Min. bzw. • Spülflüssigkeit
nach Anordnung nochmals die Hälfte der Dosie- – körperwarmes NaCl 0,9 % verwenden, kein
rung nachgegeben werden. Bleibt ein Erbrechen Wasser (Gefahr einer lebensbedrohlichen
weiterhin aus, Magenspülung durchführen. Wasserintoxikation)
• Nach dem Erbrechen: Kind hinsichtlich Reakti- – Einzelspülmenge: 5–10 ml/kg KG, maximal
onsfähigkeit und Allgemeinzustand beobachten. 300–500 ml
372 19  Unfälle im Kindesalter

• graduiertes Auffanggefäß, Eimer • Die ein- und auslaufende Menge nach Möglich-
• Versandröhrchen keit bilanzieren. Dazu Spülflüssigkeit zunächst in
• Kittel, Handschuhe, Einmalunterlagen ein graduiertes Auffanggefäß geben und anschlie-
• benötigte Medikamente, z. B. Aktivkohle ßend in den Eimer laufen lassen.
• Material zur Dokumentation • Beim Einlaufen der Flüssigkeit darauf achten,
dass eine Restflüssigkeitssäule im System bleibt,
um das Ablaufen zu erleichtern; evtl. ist ein Mel-
Vorbereitung
ken des Schlauches erforderlich, wenn größere
• Wache und ansprechbare Patienten über die ge- Essensreste ihn verschließen.
planten Maßnahmen und den Ablauf altersge- • Während der Magenspülung Patienten sorgfältig
recht informieren, älteren Kindern erklären, wie beobachten und beruhigen, da die Kinder oft einen
sie mithelfen können, warum sie während der starken Würgereiz verspüren und evtl. erbrechen.
Spülung kaum sprechen können und evtl. Signale • Patienten nach der Spülung aufsetzen bzw. den
vereinbaren. Oberkörper hochlagern, ggf. Medikamente über
• Patienten an die Überwachung anschließen. den Magenschlauch verabreichen und Magen-
• Anlegen der Infusion, ggf. Medikamentengabe schlauch durchspülen.
(Atropin ist wegen seiner Wirkung auf den Ma- • Magenschlauch abklemmen und ziehen.
gen-Darm-Trakt umstritten und wird nur bei zu-
sätzlicher Intubation empfohlen).
Nachsorge
• Ggf. bei der Intubation und Beatmung assistie-
ren. • Patienten beruhigen, etwas Flüssigkeit zum Spü-
• Magenschlauch abmessen und markieren. len des Mundes anbieten und Vitalfunktionen er-
neut kontrollieren, anschließend für eine ruhige
Umgebung sorgen, da die Kinder meist sehr er-
Durchführung
schöpft sind.
• Magenschlauch gleitfähig machen und einführen. • Die weitere Überwachung und Pflege ist vom Zu-
• Reste des Mageninhaltes abziehen und zur ggf. stand des Kindes und der Art der Ingestion ab-
19 erforderlichen toxikologischen Untersuchung hängig.
verwahren. • Material aufbereiten, Maßnahme dokumentieren.
• Magenschlauch sicher fixieren bzw. festhalten;
bei intubierten Patienten einen Guedeltubus ein-
Komplikationen
führen; bei wachen Kindern einen Mundkeil als
Beißschutz verwenden (cave: Würgreiz). • Verletzungen der Speiseröhre und des Magens
• Patienten auf die linke Seite lagern (möglichst ge- • Aspirationspneumonie
ringer Druck auf den Pylorus) und, sofern keine • Laryngospasmus
Kontraindikationen bestehen, in 15°-Kopftieflage • konjunktivale Blutungen
bringen. • Herzrhythmusstörungen
• Trichter mit der Spülflüssigkeit entlüften, abklem-
men und anschließen, Trichter in Kopfniveau hal-
ten und Flüssigkeit einfüllen, dann den Trichter 19.3.4  Giftnotrufzentralen
etwa 30–50 cm über Kopfniveau heben und die
Flüssigkeit langsam einlaufen lassen, die Flüssig- Die Telekom hat für Giftnotrufzentralen bundes-
keit nach kurzer Verweildauer im Magen ablaufen weit die Rufnummer 19240 mit der entsprechenden
lassen, indem der Trichter unter Kopfniveau ge- Vorwahl reserviert, die meisten Zentren haben sich
bracht wird. diesem System angeschlossen. › Tab. 19.1 enthält
• Ersten Spülvorgang mit der Hälfte der Flüssigkeit die Giftnotrufzentralen in Deutschland, die mit
durchführen, danach mit der errechneten Menge Stern gekennzeichneten Zentren haben einen pädia-
spülen, bis die Spülflüssigkeit klar zurückkommt. trischen Schwerpunkt.
19.3  Ingestionen und Intoxikationen 373

Tab. 19.1  Giftnotrufzentralen in Deutschland und im Dieser wird auch die ersten klärenden Gespräche
deutschsprachigen Ausland. mit dem Kind und den Eltern führen.
Stadt Rufnummer Der erste Kontakt des Kindes mit den Eltern nach
Berlin* Tel. 0 30/192 40 dem Ereignis kann unter Umständen sehr schwierig
Bonn* Tel. 02 28/192 40 sein, da die Eltern meist Teil des Konfliktes sind. Der
Besuch sollte daher unter Begleitung erfolgen.
Erfurt Tel. 03 61/73 07 30
Freiburg* Tel. 07 61/192 40
Göttingen Tel. 05 51/192 40 Pflegerische Besonderheiten
Homburg* Tel. 0 68 41/192 40 Die Kinder bedürfen einer zugewandten und liebe-
Mainz Tel. 0 6131/1 92 40 oder 23 24 66 vollen Betreuung. Vorwürfe oder wiederholte Fra-
München Tel. 0 89/1 92 40 gen nach den Ursachen verstärken die seelische Not.
Nürnberg Tel. 09 11/3 98 24 51 oder 3 98 26 65 Beginnt das Kind von sich aus ein Gespräch über sei-
Deutschsprachiges Ausland ne Probleme und die Ursachen des Suizidversuchs,
zeigen Pflegende durch aufmerksames Zuhören,
Österreich 00 43/1/4 06 43 43 (Wien)
dass sie die Aussagen ernst nehmen und akzeptie-
Schweiz 00 41/44/2 51 51 51 (Zürich)
ren. Pflegende enthalten sich aller Ratschläge und
* Giftnotzentralen mit pädiatrischem Schwerpunkt versuchen nicht, die oft existentiellen Probleme im
schnellen Zugriff zu lösen. Auch eine Verharmlo-
sung der Situation („Es wird schon wieder werden“;
19.3.5  Umgang mit suizidalen „So schlimm ist das doch nicht“) sind zu vermeiden.
Patienten Auswege aus seiner Lebenskrise findet das Kind un-
ter psychologischer Begleitung, die seine eigene
Vergiftungen in suizidaler Absicht betreffen v. a. Kraft stärkt.
Mädchen im Alter von 15–17 Jahren. In diesen Fäl- In der Akutphase ist eine Einzelbetreuung erfor-
len liegen deutlich häufiger schwere Intoxikationen derlich. Pflegende lassen das Kind nicht allein. Sie
vor, da die Menge der eingenommenen Substanzen dokumentieren sorgfältig alle Beobachtungen und
höher ist und zudem häufig verschiedene Wirkstoffe Signale, die sich aus Gesprächen ergeben. 19
kombiniert sind, z. B. Arzneimittel mit Alkohol. [1]
Magenspülungen sind in diesem Zusammenhang
daher wesentlich häufiger notwendig als bei Patien- 19.3.6  Antidotbehandlung
ten im Kleinkindalter. Eine Magenspülung wird in
dieser Situation oft als extrem traumatisierend Eine gezielte Antidotbehandlung ist nur bei weni-
wahrgenommen, viele Jugendliche wehren sich mit gen Giften möglich. Einzelne Antidote wirken sehr
aller Kraft dagegen. unterschiedlich. Sie können die Resorption des Gif-
Die Ursachen eines Suizidversuches sind vielfäl- tes verhindern, die Bildung nichttoxischer Komple-
tig. Konflikte mit den Eltern, Trennung oder Schei- xe ermöglichen oder direkt die Stoffwechselvorgän-
dung der Eltern, Schulprobleme, Leistungsdruck ge und körpereigenen Entgiftungsmechanismen be-
oder Liebeskummer können auslösende Faktoren einflussen. Der Einsatz bedarf einer strengen Indika-
sein. Sie können einen Hilferuf an die Umwelt be- tionsstellung, da einzelne Antidote zum Teil schwer
deuten, aber auch Ausdruck einer Depression sein. wiegende unerwünschte Wirkungen hervorrufen.
Die Abgrenzung fällt dem Team einer Kinderinten- Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über die
sivstation häufig schwer, es ist ratsam, möglichst wichtigsten Antidote. [1] [2]
früh einen Kinderpsychologen hinzuzuziehen.
374 19  Unfälle im Kindesalter

Tab. 19.2  Antidote (Auswahl) und ihre Wirkung. Tab. 19.2  Antidote (Auswahl) und ihre Wirkung. (Forts.)
Freiname (Handels- Indiziert bei Vergiftung Freiname (Handels- Indiziert bei Vergiftung
name) durch name) durch
N-Acetylcystein Paracetamol, Acrylnitril, Methylenblau Methämoglobinämie
­ ethacrylnitril, Methylbromid
M Naloxon-HCL Opiate
Atropinsulfat Alkylphosphaten und insektizi- Natriumsulfat (als Bariumchlorid, Bleisalze
den Carbamaten ­Laxans)
Calciumglukonat Flusssäure Natriumthiosulfat Blausäure, Blausäuresalze
Carbo medicinalis/­ Adsorbens (› 19.3.1) (nach Gabe von 4-DMAP)
Aktivkohle Obidoxim-HCL Alkylphosphate, nicht bei
Deferoxamin ­(Desferal®) Eisen ­(Toxogonin®) ­Carbamaten
Diazepam Chloroquin D-Penicillamin Kupfer, Blei, Zink, Gold, Queck-
Digitalis-Antitoxin Digitalis silber
Dimercaptopropansul- Akute oder chronische Vergif- Physostigminsalicylat Atropin und andere Anticho-
fat (DMPS) tung durch organische oder an- (Anticholium®) linergika
organische Quecksilbersalze Phytomenadion Cumarinderivate
und -dämpfe, Arsen, Kobalt, ­(Vitamin K)
Kupfer, Gold; akute Vergiftungen Pyridoxin-HCL Isoniazid, Crimidin, Hydrazin
mit Chrom, Antimon; chronische ­(Benadon®)
Vergiftungen mit Blei, Silber
Silibinindihydrogensuc- Amanitin (z. B. Knollenblätter-
Dimethylaminophenol Blausäure, Blausäuresalze cinat (Legalon SIL®) pilze)
(4-DMAP®)
Toloniumchlorid (Tolui- Methämoglobinbildner
Eisen(III)- Thallium, Cäsium dinblau®)
hexacyanoferrat(II),
Berliner Blau
Ethanol Methanol, Ethylenglykol
LITERATUR
Ethylendiamintetraace- Blei, Chrom, Eisen, Kobalt,
19 1. von Mühlendahl, K. E.; Oberdisse, U.; Bunjes, R.;
tat, CaNa2-EDTA Kupfer, Mangan, Nickel, Pluto-
Brockstedt, M. (Hrsg.): Vergiftungsunfälle im Kindesalter.
nium, Quecksilber, Thorium, Thieme Verlag, Stuttgart, 2003.
Zink 2. von Mühlendahl, K. E.: Vergiftungsunfälle. In: Brömme,
Flumazenil (Anexate®) Benzodiazepine W.; Lietz, R.; Bennek, J. (Hrsg.): Handbuch der Kinderin-
Folsäure unterstützend bei Methanol, tensivmedizin. Thieme Verlag, Stuttgart, 2002.
Ameisensäure 3. Illing, S.: Vergiftungen. In: Kretz, F. J.; Beushausen, T.;
Ure, B. M.; Roth, B. (Hrsg.): Kinder Notfall-Intensiv. Else-
Glukagon Betarezeptorenblocker vier Verlag, München, 2010.
KAPITEL

20 Hannah Tönsfeuerborn

Notfall/Reanimation
Die Ursachen eines kardiorespiratorischen Versa- Beurteilung an Hand des BLS-Algorithmus
gens im Kindesalter unterscheiden sich auf Grund Der BLS-Algorithmus (basic life support) standar-
anatomischer und (patho-)physiologischer Beson- disiert die Maßnahmen der Reanimation. Er umfasst
derheiten von den Ursachen eines Herz-Kreislauf- folgende Schritte (› Abb. 20.8, › Abb. 20.12):
Stillstands bei Erwachsenen. • auf die eigene Sicherheit und die des Kindes
Im Gegensatz zu dem im Erwachsenenalter auf- ­achten
tretenden plötzlichen Herztod (primärer Herzstill- • akustische Stimulation des Kindes durch Anspre-
stand) liegt beim kindlichen Herz-Kreislauf-Versa- chen und Setzen eines akustischen Reizes
gen meist eine Hypoxie auf Grund eines respiratori- • „Schrei“ nach Hilfe, ungezielt und ohne das Kind
schen Versagens vor. zu verlassen
Inadäquate Oxygenierung und Kreislaufversagen • „stripping“: Oberkörper des Kindes freimachen,
führen sekundär zu einer meist bradykarden Rhyth- um es beurteilen zu können
musstörung und schließlich zum Herzstillstand (se- • Beurteilung der Atmung nach Positionierung des
kundärer Herzstillstand). Kopfes, Freimachen der Atemwege (› Abb.
20.1), Inspektion der Mundhöhle (evtl. sichtbares
Sekret oder Nahrungsreste mit großlumigem Ka-
Erkennen des kritisch kranken Kindes
theter und ausreichend Sog entfernen); Überprü-
Bei Kindern bis zur Pubertät sind die funktionelle fung der Atmung durch „sehen – hören – fühlen“
Residualkapazität der Lunge, die muskulären und für nicht länger als 10 Sek.
myokardialen Kraftreserven und die Glykogende- • atmet das Kind nicht, erfolgt initial eine Beat-
pots deutlich geringer ausgeprägt als bei Erwachse- mung mit 5 Hüben
nen. Deshalb dekompensieren Kinder schneller als • Beurteilung von Kreislaufzeichen (Hauttempera-
Erwachsene. tur, Rekapillarisierungszeit, Hautfarbe) und Tas-
Da die Erkennung solcher Situationen von vitaler ten des Pulses an einer großen Arterie (A. carotis
Bedeutung ist, frischen Pflegende ihre Kenntnisse oder femoralis beim Kind, A. brachialis oder fe-
über Prävention und Basismaßnahmen der Reani- moralis beim Säugling) für nicht länger als 10 Sek.
mation regelmäßig auf und trainieren die Abläufe in
diesen Situationen.

Informationsportale
• European Resuscitation Council: www.erc.edu
• Schweiz: www.resuscitation.ch
• Österreich: www.arc.or.at
• Deutschland
– German Resuscitation Council: www.grc-org.de
– Deutscher Rat für Wiederbelebung im Kindesalter:
www.dr-wiki.de
– Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische In-
tensivmedizin: www.gnpi.de
Abb. 20.1  Öffnen der Atemwege beim Kleinkind. [L157]
376 20  Notfall/Reanimation

Das kontinuierliche Monitoring auf der Intensivsta- posterioren Thoraxdurchmessers) im Wechsel


tion erleichtert die Erkennung eines drohenden mit 2 Beatmungen (5 Wiederholungen ent-
Herz-Kreislauf-Stillstandes, es ersetzt jedoch die sprechen einem Zyklus, der 1 Min. dauern
manuelle Überprüfung nicht. sollte)
– kurze erneute Beurteilung und Versicherung,
Schnelle Beurteilung nach dem ABC-Schema ob evtl. weiterführende Hilfe angefordert wur-
de, dabei die „ now-flow-Phase“ (Durchblu-
(ERC-Leitlinien 2010):
• Atemwege öffnen
tung der Koronarien in der Diastole) so kurz
– Sind die Atemwege sicher und frei? wie irgend möglich halten (Verbesserung des
– Bestehendes Risiko der Verlegung? Outcomes)
– Sind die Atemwege verlegt? Lautes Zählen der Zyklen erleichtert allen Beteilig-
• Beurteilung der Atmung ten den zeitlichen Überblick im Ablauf des Algorith-
– Atemfrequenz mus zu behalten.
– Tidalvolumen
Nach der ersten Reanimationsminute erfolgen die
– Thoraxexkursionen
– Geräusche (Stridor, Stöhnen) erweiterten Maßnahmen laut Algorithmus.
– Atemarbeit
– Nasenflügeln
– Einsatz von Atemhilfsmuskulatur 20.1.1  Atmung
– Einziehungen
– paradoxe Atmung Ist das Kind bewusstseinseingeschränkt, kann es zu
– Oxygenierung
einer Verlegung der Atemwege durch die Kombinati-
– Blässe/Zyanose
– periphere Sauerstoffsättigung on von Flexion der HWS, Erschlaffung der Kiefer-
• Cirkulation muskulatur, Verrutschen der Zunge gegen die hintere
– Herzfrequenz Pharynxwand und Kollaps des Hypopharynx kom-
– Blutdruck men. Einfaches Vorziehen des Unterkiefers oder Posi-
– periphere Perfusion tionieren des Kopfes und Anwenden das Esmarch-
– Rekapillarisierungszeit (RKZ) Handgriffs (›  Abb. 20.2) sind effektive Manöver,
– Hautfarbe und -temperatur
den Atemweg zu öffnen und offen zu halten.
– Pulsqualität zentral/peripher
– Vorlast Eventuell vorhandenes Sekret entfernen Ersthel-
– gestaute Halsvenen fer mit einem großlumigen Absaugkatheter (cava:
– gestaute Leber zu tiefes Absaugen kann über einen Vagusreiz zu
20 – feuchte Rasselgeräusche (Auskultation) Bradykardie führen).
Der Einsatz eines oropharyngealen Tubus
(› 12.1.1) unterstützt das Freihalten der Atemwe-
ge. Der Abstand zwischen Mitte der Lippen und Kie-
20.1  Basismaßnahmen

• Kind auf eine harte Unterlage lagern (Reanimati-


onsbrett, Kopf- oder Fußteil großer Betten sind
ggf. als Reanimationsbrett verwendbar); bei poten-
ziell Schädel-Hirn-Verletzten bzw. Wirbelsäulen-
verletzten nur achsengerechte Drehbewegungen
• Positionieren des Kopfes und Öffnung der Atem-
wege (› Abb. 20.1)
• unverzüglicher Start der Basismaßnahmen:
– 15 Thoraxkompressionen (Druckpunkt unte-
re Sternumhälfte, Drucktiefe ⅓ des antero- Abb. 20.2  Esmarchhandgriff. [L106]
20.1  Basismaßnahmen 377

Tab. 20.1  Schemata für Herzdruckmassage und Ven-


tilation (in der Notfallmedizin spricht man nur im
Kreißsaal vom Neugeborenen, um die Abläufe so ein-
fach wie möglich zu strukturieren).
Altersgruppe Verhältnis von Kompres-
sion und Ventilation
Neugeborene (Kreißsaal) 3× Kompression : 1× Venti-
lation
Säuglinge und Kinder bis 15× Kompression : 2× Venti-
zur Pubertät lation

Tab. 20.2  Verschiedene Größen der Guedeltuben und


ihre Verwendung.
Größe 00–0 1–2 2–3 3–4 4–5
Alter FG/NG Kinder Jugendliche Frauen Männer
Abb. 20.3  Mund-zu-Mund-Beatmung. [L157]
ferwinkel gilt als Orientierungshilfe für die Größe
des Guedeltubus (› Tab. 20.2). Zum Einführen öff- ter besteht, beginnt unverzüglich die Beatmung. Bei
nen Pflegende den Mund und führen den Tubus in Kindern und Jugendlichen überstreckt der Ausfüh-
die Richtung ein, in der er zu liegen kommen soll, rende dazu leicht den Kopf. Neugeborene und Säug-
damit er anschließend der anatomischen Form der linge lagert er in Neutralstellung („Schnüffelposition“).
hinteren Rachenhöhle folgt. Auf diese Weise ver-
meiden sie Verletzungen der empfindlichen kindli- Regelgerechte Thoraxexkursionen sind ein Kriterium für
chen Mundschleimhaut und des weichen Gaumens. ausreichende Beatmung und Tidalvolumina.

Gefahren und Fehler


Stehen keine Hilfsmittel zur Verfügung, setzt das Re-
• ineffektives Absaugen durch kleinlumigen Ab- animationsteam bei Säuglingen und Kleinkindern
saugkatheter, falsche Sogstärke, zu tiefes bzw. eine Mund-zu-Mund/Nase-Beatmung (›  Abb.
nicht ausreichend tiefes Absaugen 20.3), bei größeren Kindern eine Mund-zu-Mund-
• zu starkes Überstrecken des Halses vor dem Ab- bzw. Mund-zu-Nase-Beatmung ein.
saugen (kann zur Aspiration führen) 20
• zu lang gewählter Guedeltubus (kann Arrhythmi- Maskenbeatmung
en durch Vagusreiz, Laryngospasmen, Verlegung
der Atemwege und Brechreiz auslösen) Pflegende wählen Beatmungsmaske und Beatmungs-
• zu kurz gewählter Guedeltubus (kann zu Druck- beutel altersentsprechend. Dabei ist eine durchsichti-
stellen auf der Zunge und dem Zungengrund ge Maske von Vorteil, da sie die kontinuierliche Be-
­sowie zu Verlegung der Atemwege durch Verschie- obachtung des Mundes und der Nase zulässt (z. B.
bung der Zunge in Richtung Rachenraum führen) Erbrechen). Für Kinder stehen Masken in den Grö-
• unsachgemäße Anwendung des Guedeltubus ßen 00, 0, 1, 2 in runder Form, in den Größen 0, 1, 2
(führt zur Traumatisierung, z. B. von Zunge, Gau- in Rendell-Baker-Form (kleinerer Totraum) sowie
men, Kiefer) für Jugendliche und Erwachsene anatomisch geform-
te Masken in den Größen 3, 4 und 5 zur Verfügung.
Der Beatmungsbeutel sollte mit einem Reservoir aus-
20.1.2  Beatmung gestattet und der Flow auf 10–15 l eingestellt sein, um
eine Beatmung mit 100 % O2 zu ermöglichen. Die
Stellt das Reanimationsteam fest, dass der Atemstill- günstigste Position des Durchführenden ist hinter
stand auch nach dem Freimachen der Atemwege wei- dem Kopf des Patienten (› Abb. 20.4, › Abb. 20.5)
378 20  Notfall/Reanimation

• Gefahr der Bulbusschädigung durch zu festen


Maskendruck bei zu großer Maske
• Barotrauma durch zu hohen Beatmungsdruck
• Regurgitation und Aspiration von Mageninhalt
durch Überblähung des Magens

20.1.3  Zirkulation

Das sichere Tasten eines Pulses gelingt im Notfall


nicht immer. Daher achtet das Reanimationsteam
bei der Beurteilung des Kreislaufs besonders auf all-
Abb. 20.4  Atemspende mit Maske beim Kind. [L157]
gemeine Kreislaufzeichen (z. B. Rekapillarisierungs-
zeit, Hauttemperatur, Hautfarbe, Bewegung, Hus-
ten). Bei Säuglingen tasten Ersthelfer den Puls an
der A. brachialis oder A. femoralis, bei Kindern an
der A. carotis oder A. femoralis.
Bei einer Herzfrequenz < 60 und fehlenden Kreis-
laufzeichen beginnen sie mit der Herzdruckmassa-
ge.
Die Herzdruckmassage wirkt durch eine aktive
Herzkompression (Vorwärtsstrom des Blutes) und
einen Thoraxpumpmechanismus (Druckunterschied
zwischen arteriellem und venösem extrathorakalem
Gefäßsystem), die Dekompression ist passiv. Unter
Abb. 20.5  Atemspende mit Maske beim Säugling. [L157] dem Druck baut sich eine minimale Kreislauffunkti-
on auf (etwa ein Drittel des normalen Herzzeitvolu-
Häufig versuchen die Beatmenden, den falschen Sitz der mens).
Maske durch eine schnellere Frequenz oder Zuhalten des
Überdruckventils auszugleichen. Besser ist es, die Maske
neu zu positionieren. Lokalisation des Druckpunktes
20 Der korrekte Druckpunkt liegt an der unteren Ster-
Bei hohen Beatmungsdrücken gelangt Luft in den numhälfte.
Magen. Dies führt zu Magenüberblähung, dem Risi-
ko des Erbrechens und nachfolgender Aspiration.
Durchführung der Herzdruckmassage
Das Sellick-Manöver dient dazu, eine Magenüber-
blähung und damit den Reflux und Aspiration von • Neugeborene und Säuglinge (› Abb. 20.6)
Mageninhalt zu verhindern. – beide Hände umfassen den Thorax, die Dau-
men drücken das Sternum Richtung Wirbel-
• Zur Sicherung der Atemwege strebt der reanimierende säule (2-Daumen-Technik)
Arzt in der Regel eine frühzeitige Intubation an. – mit zwei Fingern Sternum Richtung Wirbel-
• Die Notfallintubation ist immer eine OrotrachealeIntu- säule drücken (Zweifingertechnik)
bation. • Kinder (› Abb. 20.7)
– Handballen einer oder beider Hände (ausrei-
chend hohen mittleren arteriellen Blutruck er-
Gefahren und Fehler
zeugen) im Verlauf der Körperachse auf das
• Leckage durch unsachgemäß platzierte Beat- Sternum aufsetzen und Richtung Wirbelsäule
mungsmaske drücken, die Finger der Hand dabei ­anheben
20.2  Erweiterte Reanimationsmaßnahmen 379

Ist das Kind nicht an ein dauerhaftes Monitoring


angeschlossen, kontrollieren Pflegende nach fünf
Kompressions-Ventilations-Zyklen erstmals die Vi-
talfunktionen (nach etwa 1 Min.). Weitere Effektivi-
tätskontrollen folgen in fünfminütigem Abstand.
Die Erfolgskontrolle während der Reanimation ge-
schieht durch das Tasten des Pulses in der Leiste
und Beurteilung der Vitalzeichen des Kindes.

Gefahren und Fehler


• Ineffektive Herzdruckmassage durch unsachge-
Abb. 20.6  Herzdruckmassage beim Säugling. [J747]
mäße Lagerung
• Irreversible Hirnschädigung durch einen verzö-
gerten Beginn der Wiederbelebung
• Schädigung des Schwertfortsatzes und Organver-
letzungen durch einen zu tief gewählten Druck-
punkt oder Verlassen des Druckpunktes bei der
CPR
• Organverletzungen oder ineffektive Herzdruck-
massage durch unsachgemäße Drucktiefe
• Ausfall des Minimalkreislaufs durch Unterbre-
chung der Herzdruckmassage von mehr als 5 Sek.
• Schnelle Ermüdung des Helfers durch unsachge-
mäße Technik
Abb. 20.7  Herzdruckmassage beim Kind. [J747]

Regeln für die Herzdruckmassage


20.2  Erweiterte
In der Druckphase hält der Reanimierende seine Ar- Reanimationsmaßnahmen
me gestreckt und bringt die Schultern senkrecht
über den Druckpunkt, um das Gewicht des Oberkör- 20
pers zu nutzen. In der Entlastungsphase nimmt der 20.2.1  Medikamente
Thorax seine Ausgangsstellung ein, ohne dass die
Hand des Reanimierenden den Druckpunkt verlässt. Die am häufigsten eingesetzten Medikamente wäh-
Der Thorax ist nach jeder Kompression vollständig rend einer Reanimation sind Sauerstoff und Adrenalin.
vom Druck zu entlasten. Druck- und Entlastungs- Adrenalin (Epinephrin):
phase sind gleich lang. • Dosis: 0,1 ml/kg (1 : 10.000) i. v., i. o. (e. t.) alle
Kompressions-Ventilations-Verhältnis beim nicht 3–5 Min.
intubierten Kind: • Wirkung:
• 3 : 1 (Neugeborene) – Steigerung der kardialen Pumpfunktion
• 15 : 2 (Säuglinge und Kinder) – Steigerung der Herzfrequenz
Bei intubierten Kindern ist eine zeitliche Trennung – Steigerung des peripheren Gefäßwiderstandes
von Kompression und Ventilation zu empfehlen, – Steigerung des Sauerstoffverbrauchs des Herz-
wenn die Ventilation (Elemination des CO2) Proble- muskels
me bereitet. Die „no-flow-phase“ für die Koronarien Natriumbikarbonat kommt nur nach Blutgasanalyse
ist so kurz wie möglich zu halten. in Abhängigkeit von der Ausprägung einer metabo-
380 20  Notfall/Reanimation

Keine Reaktion?
Schrei nach
Hilfe
Atemwege öffnen
Sehen, hören, fühlen

Beatmung
5 Atemhübe

Circulation
Puls?

Beginn CPR 15:2

Rhythmuskontrolle

Schockbar Nicht schockbar


(VF/pulslose VT) (PEA/Asystolie)

Während CPR:
• Umkehrbare Ursachen* beseitigen
• Elektrodenkontakt und -position
prüfen
Einzelschock • Versuchen/sichern: i.v./i.o. Zugang,
4 J/kg or AED Luftwege und Sauerstoff
• Ununterbrochene Kompressionen,
wenn Atemwege gesichert sind
(endotracheal intubiert)
• Adrenalingabe
(alle 3–5 Minuten)
• Amiodarone/Atropin/Magnesium
in Betracht ziehen

20 Unverzüglich fortfahren Unverzüglich fortfahren


CPR 15:2 CPR 15:2
für 2 Minuten für 2 Minuten

* Umkehrbare Ursachen
4H 4T
Hypoxie Spannungspneumothorax (Tension Pneu)
Hypovolämie Tamponade (Herzbeutel-)
Hypo-/Hyperkaliämie/Metabolic Toxine Abb. 20.8  Algorithmus für er-
Hypothermie Thromboembolie weiterte Maßnahmen bei Kreis-
laufstillstand. [L157]

lischen Azidose oder bei prolongierter Reanimation tracheal (LEAN: Lidocain, Epinephrin, Atropin,
bei Versagen der anderen Medikamente zur Anwen- Naloxon) verabreichen.
dung. • Nach der Applikation injizieren der Arzt oder die
Die Zufuhr der Medikamente erfolgt über einen Pflegenden zur besseren Verteilung des Medika-
venösen, zentralvenösen oder im Notfall über einen ments 5–10 ml 0,9-prozentige Kochsalzlösung.
intraossären Zugang. Bis zur erfolgten Anlage des • Zum Volumenersatz ordnet der Arzt isotone
Zugangs lassen sich einige Medikamente auch intra- (z. B. NaCl 0,9 %, Ringer-Lösung 20 ml/kg) an.
20.2  Erweiterte Reanimationsmaßnahmen 381

Tuberositas tibiae

Vorderkante
Tibia

90° zur medialen


Tibia-Oberfläche
a b

Abb. 20.9  Intraossäre Punktionstechnik. [L157 (links), M290 (rechts)]

Intraossäre Punktion
Durchführung
Die intraossäre Punktion ist der Zugang der ersten • korrekte Punktionsstelle aufsuchen
Wahl unter Reanimationsbedingungen. Sie sollte • Haut desinfizieren
immer angewandt werden, wenn es innerhalb der • Lokalanästhesie bis zum Periost (bei Kindern mit
ersten Min. (max. 3 Versuche) nicht gelingt, einen erhaltenem Bewusstsein)
venösen Zugang zu etablieren. • Immobilisation des Beines (cave: Selbstschutz;
Zwei Nadeltypen stehen zur Verfügung: Bein nicht direkt unter dem Punktionsbereich
• Trokarnadeln zur manuellen Anlage halten)
– NG–6 Monate: 18G • Nadel in die Haut einstechen
– Sgl.–Kleinkinder: 16G • Vorschieben der Nadel in einem 90° Winkel unter
– Kinder (> 18 Monate): 14G sanftem Druck und Hin- und Herdrehen. Bei
• automatisierte Anlagesysteme mit Nadeln ver- Durchtritt durch den Kortex ist ein Widerstands-
schiedener Größe (ähnlich einem Akkubohr- verlust spürbar. Die Nadel sollte je nach Größe
schrauber › Abb. 20.9b) des Kindes ca. 0,5–2 cm tief eindringen
Alternativ kann das Reanimationsteam Knochen- • Nach Entfernung des Trokars Drei-Wege-Hahn an-
marks- und Lumbalpunktionskanülen benutzen. schließen. Die Lagekontrolle erfolgt durch Aspira-
tion von Blut, sowie Gabe von isotoner Kochsalzlö-
Punktionsort sung. Es soll keine Schwellung des subkutanen
• < 6 Jahre: vorn medial 2–3 cm distal der Tubero- Fettgewebes auftreten. Notwendige Blutlaborent-
sitas tibiae nahmen, sowie Kreuzprobe sollen vor der Gabe 20
• > 6 Jahre: mediale Fläche der Tibia 3 cm oberhalb von Flüssigkeiten oder Medikamenten durchge-
des Malleolus medialis oder Femur 3 cm oberhalb führt werden, ohne diese jedoch zu verzögern
des lateralen Condylus • Flüssigkeitsgabe zunächst als Bolus
• Die Injektion oder Infusion in die Markhöhle
Material kann schmerzhaft sein, daher sollte beim nicht-
• sterile Unterlage, Desinfektionsmittel, sterile bewusstlosen Patienten eine Analgesie mit der
Handschuhe ersten Bolusgabe erfolgen
• Material zum Unterpolstern des Beins • Bei korrekter Lage in der Markhöhle sitzt die Na-
• Punktionskanülen: intraossäre Injektionsnadeln, del relativ stabil. Sie ist jedoch zusätzlich zu fixie-
Knochenmarkpunktionskanülen ren
• Spritzen Die Beobachtung der Punktionsstelle zur Beurtei-
• kurze Infusionsleitung mit Dreiwegehahn, zu- lung von eventuell auftretenden extraossären Infusi-
sätzlich ein Dreiwegehahn oder Dreiwegehahn- onen ist sicherzustellen.
bank (gleichzeitige Volumengabe und Medika- Die Kanüle sollte so lange wie nötig aber so kurz
mentenapplikation) wie möglich liegen. Die empfohlene maximale Ver-
• Fixiermaterial weildauer beträgt 24 Std.
382 20  Notfall/Reanimation

Nach Entfernung der Kanüle legen Pflegende ei- • Supraventrikuläre Tachykardie mit instabilen
nen Druckverband an. In der Folgezeit achten sie auf Kreislaufverhältnissen
Nachblutungen und Infektionszeichen. CPR:
• Asystolie
Intraossäre Medikamenten- und Infusionsverab-
• Pulslose elektrische Aktivität (PEA)
reichung
• Alle Medikamente und Infusionslösungen können in Vorbereitung und Durchführung
gleicher Dosierung und Konzentration wie intravenös
verabreicht werden. Die Überwachung einer Defibrillation erfolgt mittels
• Die intraossäre Punktion führt zu einem verbesserten sicherer EKG-Ableitung, SpO2-Sensor und engma-
Reanimationsablauf und behindert die CPR-Maßnah- schiger RR-Messung (3–5-minütlich, bzw. invasive
men für gewöhnlich nicht. Druckmessung).
Pflegende achten darauf, dass die verwendeten
Geräte für den Einsatz während der Defibrillation
Komplikationen zugelassen sind (› 21.1.1).
• sekundäre Dislokation der Nadel Die Größe der Defibrillator-Paddles ist abhängig
• Infektionen, z. B. Osteomyelitis vom Alter des Kindes.
• Fett- und Knochenmarkembolien (< 0,1 %)
• Fraktur an der Punktionsstelle
• Gewebenekrosen oder Kompartmentsyndrom in-
folge Nadelfehllage

20.2.2  Elektrotherapie

Im Rahmen einer Reanimation kann die Elektro-


therapie in Form einer Defibrillation(asynchrone
Depolarisation der Myokardzellen) oder Kardiover-
sion (synchronisierte Depolarisation) zum Einsatz
kommen.
Weit verbreitet und auch in die Leitlinien aufge-
20 nommen ist der Gebrauch eines automatisierten
externen Defibrillators (AED › Abb. 20.11). Nach
Anlage der Klebeelektroden analysiert eine Software
den vorliegenden Rhythmus und entscheidet, ob ei-
ne Schockabgabe (manuell) ausgelöst werden soll
oder mit der CPR fortzufahren ist. Akustische An-
weisungen und Piktogramme erleichtern die An-
wendung. Mit jedem Anfordern oder Gebrauch ei-
nes AEDs ist ein Notruf auszulösen.

Indikation
Defibrillation:
• Kammerflimmern
• VentrikuläreTachykardie ohne Puls
Kardioversion: Abb. 20.10  Hinweisschild auf einem AED. [oben M290, un-
• Ventrikuläre Tachykardie mit Puls ten J787]
20.2  Erweiterte Reanimationsmaßnahmen 383

• Säuglinge und Kleinkinder: ca. 4,5 cm Durchmes- Ultraschallgel (schlechte Leitfähigkeit), kochsalzgetränk-
ser te Tupfer (variable Leitfähigkeit mit dem Risiko von Kurz-
• Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene: ca. schlüssen zwischen den Paddles) und alkoholgetränkte
8 cm Durchmesser Tupfer (Verbrennungsrisiko) verwenden Pflegende nicht
für die Defibrillation.
Die entsprechende Energiestärke für die Defibrillati-
on ist entweder am Gerät oder an den Paddles einzu-
stellen. • Die Paddles sind rechts unterhalb des Schlüssel-
• Die Verwendung von Klebe-Paddles ist die si- beins und links in Höhe der vorderen Axillarlinie
cherste Applikationsmethode mit minimaler Un- aufzusetzen.
terbrechung der CPR für die Defibrillation. • Stehen für kleine Kinder nur große Pads zur Ver-
• Wenn das Defibrillationsgel für manuelle Paddles fügung, können sie auf dem Thorax und auf dem
während der Thoraxkompressionen verschmiert Rücken platziert werden.
wird, kann es beim nächsten Schock zu einem • Die Energie für die Defibrillation beträgt 4J/kg,
Kurzschluss kommen. Ferner kann sich das Gel für die Kardioversion 0,5–1J/kg für den ersten
aufladen, die Leitfähigkeit vermindern und die Versuch und 2J/kg für jeden weiteren.
EKG-Analyse fälschlicherweise eine Asystolie an- • Unmittelbar nach der Defibrillation führt das
zeigen. Diese Phänomene sind bei selbstkleben- Team die CPR für 2 Min. fort, bevor eine erneute
den Pads nicht zu beobachten. Rhythmusbeurteilung stattfindet.

20

Abb. 20.11  Algorithmus Arrhyth-


mie im Kindesalter. [M290]
384 20  Notfall/Reanimation

Besonderheiten bei Kindern mit Zum Monitoring gehören EKG, SpO2, engmaschi-
Herzfehlern und nach kardiochirurgischen ge RR-Messung (besser invasive arterielle Druck-
Eingriffen messung), ZVD und zentrale sowie periphere Tem-
peraturmessung. Die Pflegenden überwachen die
Trikuspidalinsuffizienz, Pulmonalstenose, Beatmung zusätzlich mit einer EtCO2-Messung und
pulmonale Hypertonie überprüfen sie durch regelmäßige Blutgasanalysen.
Bei Kindern, die an einer Trikuspidalinsuffizienz, Im Anschluss an die Reanimation kann es zu
Pulmonalstenose oder pulmonaler Hypertonie lei- Herzrhythmusstörungen bzw. einem erneuten Still-
den, führt die konventionelle Herzdruckmassage zu stand kommen (z. B. aufgrund von Elektrolytentglei-
einer Regurgitation des Blutes aus dem rechten Ven- sungen oder der noch instabilen Hämodynamik).
trikel in den rechten Vorhof. Die Pflegenden halten das Kind durch z. B. eine
Die Reanimierenden erhöhen in solchen Fällen Kühlmatte normotherm oder für mind. 24 Std. leicht
die Effektivität der Herzdruckmassage durch die si- hypotherm (32–34 °C), da eine Hyperthermie zu ei-
multane Kompression von Bauch und Thorax. Diese nem gesteigertem O2-Verbrauch und Rhythmusstö-
Maßnahme steigert den Druck im rechten Vorhof rungen führen kann. Trotzdem wird die therapeuti-
und vergrößert den Blutfluss durch die Lunge. sche Hypothermie im Kindesalter weder empfohlen
noch abgelehnt. Nach einer Phase der milden Hypo-
Mitralinsuffizienz thermie soll die anschließende Erwärmung langsam
Liegt eine Mitralinsuffizienz vor, führt die konven- mit 0,25–0,5 °C/Std. erfolgen.
tionelle Herzdruckmassage zu einer Regurgitation Im Rahmen der neurologischen Überwachung
des Blutes aus dem linken Ventrikel in den linken kontrollieren Pflegende zu Beginn die Pupillomoto-
Vorhof. rik in 30-minütigem Abstand.
Die simultane Kompression des Thorax und Ven-
tilation mit dem Beatmungsbeutel erhöht den in- Nach der Gabe von großen Mengen Adrenalin können
trathorakalen Gegendruck und vergrößert den Blut- die Pupillen für einige Zeit weit und lichtstarr sein.
fluss in die Aorta.

Fontan- oder Glenn-Operation, Modifikationen Der Arzt wählt die Beatmungsparameter für das
dieser Techniken Kind so, dass es einen paCO2 von 30–35 mmHg und
Hierbei führt die konventionelle Herzdruckmassage einen paO2 von 100 mmHg erreicht. Hyperkapnie
zu einer Regurgitation des Blutes in das venöse Ge- und Hypoxie steigern die Hirnperfusion und somit
20 fäßsystem. die Gefahr eines Hirnödems. Vor jedem endotrache-
Die Reanimierenden steigern die Effektivität der alen Absaugvorgang präoxygenieren die Pflegenden
Herzdruckmassage durch eine simultane Thorax- das Kind und verabreichen ggf. Analgetika und Se-
und Abdomenkompression oder eine alternierende dativa.
bzw. simultane Ventilation mit Thorax- und Abdo- Sie lagern das Kind in 30°-Oberkörperhochlage
menkompression. und achten darauf, dass der Kopf entsprechend zur
Körperachse liegt, um einen guten Rückfluss über die
Jugularvenen zu gewährleisten. Die Verwendung ei-
20.2.3  Weiterführende ner Antidekubitusmatratze vermeidet Läsionen, die
Intensivtherapie wegen der meist noch verminderten Hautperfusion
und der Immobilität leichter entstehen. Zusätzlich
Nach erfolgreicher Reanimation ist es notwendig, streben die Pflegenden in kurzen Zeitabständen Dru-
die Überwachung und Therapie auf der Intensivsta- ckentlastungen und -verlagerungen an, indem sie z. B.
tion fortzusetzen. ein kleines Handtuch unter wechselnde Körperparti-
Die Pflegenden und der Arzt kontrollieren die Do- en legen (Mikrolagerung). Alle Maßnahmen sind stets
kumentation auf Vollständigkeit und unterzeichnen im Hinblick auf die vitale Bedrohung des Patienten in
sie. dieser Situation zu sehen und an die Gegebenheiten
20.3  Reanimation von Neugeborenen und Säuglingen 385

anzupassen. Pflegemaßnahmen „nach Standard“ sind mung. Nur ca. 2/1.000 Neugeborenen brauchen
in diesem Zeitraum kritisch zu hinterfragen. mehr Unterstützung als Wärmen, Trocknen und Sti-
mulieren. Dem behandelnden Intensivteam sollten
vorhersehbare postpartale Probleme bekannt sein
(› 4.1).
20.3  Reanimation von Direkt nach der Geburt hüllt die Hebamme das
Neugeborenen und Säuglingen Neugeborene in trockene Tücher, das Team beur-
teilt Muskeltonus, Hautkolorit, Atmung und Herz-
frequenz. Liegt nach ca. 30 Sek. die Herzfrequenz
Ziel der Erstversorgung des Neugeborenen ist die <100/Min., zeigt das Kind Schnappatmung oder ei-
Stabilisierung der Herz-Kreislauf-Funktion und At- ne Apnoe, ist sein Kopf zu positionieren, die Atem-

Neugeborenenreanimation

Geburt

Atmen oder Schreien?


Guter Muskeltonus? Routineversorgung
Reifgeborenes? Wärmen, Trocknen
ja
Klares Fruchtwasser?
nein
Hautkolorit?
Wärmen
Atemwege öffnen*
30 s.
Trocknen, Stimulieren, Positionieren Bei persistierender
Wenn nötig absaugen Zyanose
Sauerstoffvorlage
erwägen
Simultane Erfassung von Atmung,
Herzfrequenz und Hautkolorit

Apnoe oder Herzfrequenz < 100/min


20

Überdruckbeatmung*
30 s.
Initial 5 prolongierte Beatmungen

Herzfrequenz < 60/min

30 s. Beatmung effektiv?*
Thoraxkompressionen: Beatmungen 3:1

Herzfrequenz < 60/min

Thoraxkompressionen und Beatmungen


Abb. 20.12  Algorithmus für die fortführen
Reanimation von Neugeborenen. Adrenalin-/Volumengabe erwägen
*Intubation erwägen
[M290]
386 20  Notfall/Reanimation

wege frei zu machen (erst den Mund und dann die bei Neugeborenen 120/Min., das Kompressions-
Nase absaugen) und mit dem Beatmungsbeutel und Ventilations-Verhältnis liegt bei 3 : 1 (› 20.1.3).
Raumluft unter Sättigungskontrolle zu beatmen. Zur Infusionstherapie versorgt der Arzt das Kind
Um die Entfaltung der Lungen zu erleichtern ver- mit einem peripheren Zugang oder einem Nabelve-
abreichen die Reanimierenden die ersten 5 Beat- nenkatheter. Die Pflegenden kontrollieren den Blut-
mungshübe als Blähhübe (Halten des Inspirations- zucker und gewährleisten eine engmaschige Blutgas-
drucks über jeweils 2–3 Sek.). überwachung.
Steigt die Herzfrequenz nach etwa 30 Sek. Beat- Vor dem Transport ist die kardiorespiratorische
mung auf einen Wert >100/Min., kann das Neuge- Situation des Kindes zu stabilisieren oder so weit zu
borene in der Regel spontan atmen. Liegt die Herz- verbessern, dass eine Verlegung mit geringem Risi-
frequenz unter 60/Min., ist die Indikation für eine ko möglich ist. Der Arzt informiert die Eltern über
Intubation und die externe Herzdruckmassage gege- den Zustand ihres Kindes, ggf. erhalten sie die Gele-
ben. Die Frequenz der Herzdruckmassage beträgt genheit zu einem kurzen Kontakt.

Tab. 20.3  Akzeptable präduktale Sauerstoffsättigung


(SpO2). [3]
2 Min. 60 % 20.4  Notfallkoffer/-wagen/
3 Min. 70 % -rucksack
4 Min. 80 %
5 Min. 85 %
Um bei Notfällen die wichtigsten Materialien griff-
10 Min. 90 % bereit zu haben, empfiehlt es sich, einen Notfallkof-

Tab. 20.4  Übersicht über den Inhalt eines Notfallwagens/-koffers/-rucksacks.


Intubationszubehör Sonstiges Material für venöse und arterielle
Zugänge
• Laryngoskopgriff • Spritzen und Kanülen in unter- • Venenverweilkanülen verschiedener
• Laryngoskopspatel schiedlicher Größe Größen
– gerade 0, 1, 2 • Stethoskop, Taschenlampe • ZVK- und Arterienset sowie entspre-
– gebogen 1, 2, 3 • sterile und unsterile Handschuhe chende Katheter
• Magillzangen verschiedener Größen • Hautdesinfektionsmittel (Kindernotfallkoffer/-wagen)
• je Größe zwei Endotrachealtuben • Ampullensäge • NVK- und NAK-Sets sowie entspre-
20
blockbar/nichtblockbar • Nahtmaterial, Nadelhalter, Nahtbe- chende Katheter (Früh- und Neuge-
• Guedeltuben in verschiedenen Grö- steck borenen-Notfallkoffer/-wagen)
ßen • Kompressen, Pflaster • Dreiwegehähne
• Tubuskonnektoren • Skalpell, Schere • diverse Infusionsleitungen
• zwei Mundkeile • Abnabelungsset
• Ersatzbirnen und -batterien je nach • Material zur Pleurapunktion
Laryngoskop • Magensonden
• Beatmungsbeutel groß und klein • Thermometer zum Messen der Kö-
• Beatmungsmasken aller Größen pertemperatur (Früh- und Neuge-
borenen-Notfallkoffer)
Infusionslösungen Medikamente Sauerstoff- und Absaugzubehör
• Glukoselösungen in verschiedenen • Notfallmedikamente • Sauerstoffflasche und -schlauch
Konzentrationen • Sedativa • Sauerstoffsonden und -brillen in
un-
• NaCl 0,9 % • Analgetika terschiedlichen Größen
• Aqua ad inj. • Naloxon • Absaugkatheter in verschiedenen
• Plasmaproteinlösung (Infusionszube- • Anexate Größen
hör) • Atropin • Absaugschlauch
20.4  Notfallkoffer/-wagen/-rucksack 387

fer bzw. -wagen zu installieren. Pflegende können Während einer Reanimation agieren zwei Team-
diese mobilen Einheiten ohne Schwierigkeiten zum mitglieder direkt am Kind. Zwei weitere überneh-
Patienten bringen. Der Inhalt des Koffers oder Wa- men die Bereitstellung der Medikamente und die
gens ist schriftlich zu definieren (Standardisierung). Beschaffung benötigter Materialien, Medikamente
Verschiedene Hersteller bieten fertig gepackte Not- und die Dokumentation. Günstigerweise teilt die
fallkoffer und -rucksäcke nach DIN-Normen an. Pflegende, die unmittelbar am Kind arbeitet, die
Aufgaben namentlich zu. Alle, die an der Reanima­
• Nach jedem Gebrauch neu bestücken tion beteiligt sind, bleiben bei der ihnen zugeteilten
• Einmal pro Monat Verfallsdaten des Inhalts kontrollie- Aufgabe, solange sie die Maßnahmen effektiv durch-
ren führen können. Ist ein Wechsel notwendig, erfolgt
• Dokumentation mit Namen und Datum unterzeichnen dieser nach Ansage ohne große Unterbrechung der
kardiopulmonalen Reanimation (CPR). Nur so ist
ein koordinierter und zügiger Ablauf möglich. Alle
Betreuung der Eltern
Personen, die nicht unmittelbar an der Reanimation
Bei der Reanimation genießt die Patientenversor- teilnehmen, verlassen das Zimmer und betreuen die
gung oberste Priorität. Nicht selten aber stehen die anderen Patienten der reanimierenden Kollegen
Eltern hilflos und verzweifelt vor der Tür oder warten mit.
in einem anderen Zimmer auf Nachricht. Pflegende, Zeitnah zum Geschehen dokumentieren Pflegen-
die nicht an der Reanimation beteiligt sind, können de folgende Parameter des Kindes:
die Eltern in dieser Zeit unterstützen. Sofern mög- • Zeitpunkt des Herz-Kreislaufstillstandes und/
lich, führen sie die Eltern in einen ruhigen Raum und oder Atemstillstandes
geben ihnen die Möglichkeit, zu telefonieren. • Vitalparameter
Es ist ein Teil des Betreuungsauftrages Pflegender, • Reanimationsverlauf und -dauer
für die Eltern da zu sein. Dazu stellen sich die Pfle- • Basismaßnahmen, erweiterte Maßnahmen, z. B.
genden zunächst namentlich vor. Während des Ge- Medikamentenapplikation
spräches halten sie Blickkontakt und beobachten das • Volumensubstitution
Verhalten der Eltern aufmerksam, damit sie auf de- • Zustand des Kindes
ren Signale entsprechend reagieren können, z. B. Nach erfolgter Reanimation füllen die Pflegenden
Mutter oder Vater in den Arm nehmen, wenn sie den den Notfallplatz oder -wagen auf und überprüfen al-
Eindruck gewinnen, dass die Eltern körperlichen le Materialien und Geräte auf Funktionstüchtigkeit
Halt benötigen. Pflegende fragen die Eltern außer- sowie Vollständigkeit.
dem, ob sie die Anwesenheit bestimmter Personen Für alle Beteiligten ist es sehr hilfreich, im unmit- 20
wünschen, z. B. Geistliche der entsprechenden Religi- telbaren Anschluss an die Reanimation ein Reflexi-
on, Seelsorger, eigene Eltern oder Freunde. Wenn die onsgespräch zu führen. In diesem Rahmen ist es
Eltern in der entsprechenden Verfassung sind, bieten möglich, gute Leistungen hervorzuheben, konstruk-
Pflegende ein Gespräch über die Notfallsituation an. tive Kritik zu üben und Schwachstellen im Ablauf
und der Koordination aufzudecken.
Auch ethische Aspekte (z. B. Beendigung der Re-
Organisation einer Reanimation und
animation, Reanimationsdauer, Ablauf im Hinblick
ethische Aspekte
auf die Anamnese des Kindes, Einbeziehen der El-
Da eine Reanimation immer eine Stresssituation tern, Weiterbetreuung der Eltern) finden in einem
darstellt, müssen der stationsinterne Ablauf und die solchen Gespräch ihren Platz und sollten verbalisiert
Zuständigkeiten sowie die Ausstattung des Notfall- werden.
platzes oder -wagens standardisiert sein. Allen Pfle-
genden und Ärzten auf der Station muss das Verhal- LITERATUR
ten in solchen Notfallsituationen bekannt sein, dazu 1. http://pediatrics.aappublications.org/content/125/6/
e1340.full.pdf+html (Letzter Zugriff am 20.1.2012)
dient u. a. ein regelmäßiges Reanimationstraining.
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KAPITEL

21 Rechtliche Aspekte
21.1  Medizinproduktegesetz 21.1.2  Medizinprodukte-
und Medizinprodukte- Betreiberverordnung
Betreiberverordnung
Diana Löscher, Christiane Rohrbach Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MP-
BetreibV) gilt für das Errichten, Betreiben, Anwen-
den und Instandhalten von Medizinprodukten nach
21.1.1  Medizinproduktegesetz § 3 des Medizinproduktegesetzes (§ 1 MPBetreibV).
Betreiber eines Medizinprodukts ist in der Regel der
Das Medizinproduktegesetz (MPG) regelt die Her- Träger des Krankenhauses. Der Betreiber stellt dem
stellung, das Inverkehrbringen, das Aufstellen und Anwender, meist dem ärztlichen und pflegerischen
die Erstinbetriebnahme von Medizinprodukten. Das Personal, das Medizinprodukt zur Verfügung. Ne-
Gesetz wurde 1994 ausgefertigt und zuletzt am ben den allgemeinen Anforderungen (§ 2 MPBe-
24. Juli 2010 geändert. Das MPG setzt die EG-Richt- treibV) regelt diese Verordnung insbesondere die
linien 93/42/EWG (Medizin-Produkte) und 90/385/ Anwenderpflichten (§ 2 und § 5 MPBetreibV). Dazu
EWG (aktive implantierbare medizinische Geräte) gehört zunächst, dass Medizinprodukte nur gemäß
in nationales Recht um. ihrer Zweckbestimmung entsprechend errichtet, be-
Diese einheitlichen Regeln sollen auch den freien trieben, angewendet und in Stand gehalten werden
Warenverkehr innerhalb des europäischen Wirt- dürfen. Die Zweckbestimmung ergibt sich aus der
schaftsraums (EWR) ermöglichen. Ein Medizin­ Kennzeichnung des Produkts und aus der Ge-
produkt, das in einem Land des EWR zugelassen brauchsanweisung. Außerdem dürfen Medizinpro-
wurde, kann ohne nationale Prüfung in einem dukte „… nur von Personen errichtet, betrieben,
­an­deren Mitgliedsstaat vertrieben werden (CE- angewendet und in Stand gehalten werden, die dafür
Kennzeichnung/Communauté Européene erforder- die erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Er-
lich). fahrung besitzen“ (§ 2, (2) MPBetreibV). [1]
Außerdem soll das Gesetz die ordnungsgemäße Für alle Medizinprodukte mit einem erhöhten Ge-
Herstellung, die Leistungsfähigkeit und die Gewähr- fährdungsgrad ist zudem eine Einweisung in den
leistung der technischen und medizinischen Sicher- Umgang erforderlich. Dazu gehören alle Geräte, die
heit und damit den Schutz von Patienten, Anwen- in Anlage 1 (siehe unten) der Medizinprodukte-Be-
dern und Dritten gewährleisten (§ 1 MPG). [1] treiberverordnung genannt sind. Die Einweisung
Die Pflegenden kennen die Vorschriften des MPG des Anwenders ist durch den Hersteller, einer vom
und setzen diese in ihrer täglichen Praxis um. Als di- Hersteller befugten Person oder einer vom Betreiber
rekte Anwender tragen sie die Verantwortung beim beauftragten Person durchzuführen. Die vom Be-
Einsatz eines Medizinprodukts. treiber beauftragte Person muss vom Hersteller oder
Der § 37 des MPG ermächtigt das Bundesministe- von einer Person, die im Einvernehmen mit dem
rium für Gesundheit, die Umsetzung der europäi- Hersteller handelt, in die sachgerechte Handhabung
schen Richtlinien durch Rechtsverordnungen zu ge- und Anwendung anhand der Gebrauchsanweisung
währleisten. So trat z. B. Mitte 1998 die Verordnung sowie sicherheitsbezogener Informationen und In-
über das Errichten, Betreiben und Anwenden von standhaltungshinweise eingewiesen worden sein
Medizinprodukten, die Medizinprodukte-Betreiber- (§ 5 MPBetreibV). [1] Die vom Betreiber beauftragte
verordnung in Kraft (› 21.1.2). Person kann dann angewiesen werden, den Anwen-
390 21  Rechtliche Aspekte

der in den sachgerechten und sicheren Umgang mit diesem Datum durch den Anwender nicht mehr
dem Medizinprodukt einzuweisen. eingesetzt werden.
• Vor der Anwendung eines Medizinprodukts hat
Anlage 1 der MPBetreibV sich der Anwender von dem ordnungsgemäßen
• Nichtimplantierbare aktive Medizinprodukte zur Zustand und der Funktionsfähigkeit des Medi-
– Erzeugung und Anwendung elektrischer Ener- zinprodukts zu überzeugen.
gie zur unmittelbaren Beeinflussung der Funk- • Von Seiten des Anwenders besteht Meldepflicht
tion von Nerven und/oder Muskeln bzw. der bei jeder Funktionsstörung, jeder Änderung der
Herztätigkeit einschließlich Defibrillatoren Merkmale oder Leistungen sowie jeder Unsach-
– intrakardialen Messung elektrischer Größen gemäßheit der Kennzeichnung oder der Ge-
oder Messung anderer Größen unter Verwen- brauchsanweisung des Medizinprodukts.
dung elektrisch betriebener Messsonden in Im Gegensatz zur ehemals geltenden MedGV nimmt
Blutgefäßen bzw. an freigelegten Blutgefäßen das MPG auch den Anwender von Medizinproduk-
– Erzeugung und Anwendung jeglicher Energie ten in die Verantwortung. Gemäß § 40 und § 41
zur unmittelbaren Koagulation, Gewebezerstö- MPG kann auch der Anwender mit einer Freiheits-
rung oder Zertrümmerung von Ablagerungen strafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe
in Organen belegt werden, sofern er gegen die Vorschriften ver-
– unmittelbaren Einbringung von Substanzen stößt. [1]
und Flüssigkeiten in den Blutkreislauf unter
potenziellem Druckaufbau, wobei die Substan-
zen und Flüssigkeiten auch aufbereitete oder
speziell behandelte körpereigene sein können, 21.2  Berufliche Schweigepflicht
deren Einbringen mit einer Entnahmefunktion Diana Löscher, Christiane Rohrbach
direkt gekoppelt ist
– maschinellen Beatmung mit oder ohne Anäs-
thesie Die berufliche Schweigepflicht ist in verschiedenen
– Diagnose mit bildgebenden Verfahren nach Gesetzestexten, Vorschriften, Richtlinien und Ver-
dem Prinzip der Kernspinresonanz trägen verankert. Es gelten:
– Therapie mit Druckkammern • Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) [1]
– Therapie mittels Hypothermie • § 203 des Strafgesetzbuches (StGB) [1]
• Außerdem: • standesrechtliche Schweigepflicht der Berufsord-
– Säuglingsinkubatoren nungen der Ärztekammern (Berufspflicht)
– externe aktive Komponenten aktiver Implantate • vertragliche Schweigepflicht (Behandlungsver-
(zu § 5 Abs. 1 und 2; § 6 Abs. 1; § 7 Abs. 1) [1] trag)
• arbeits- und beamtenrechtliche Schweigepflicht
21 Anwenderpflichten (Arbeitsverträge, Tarifverträge)
• Der Anwender darf das Medizinprodukt nur ent- • Datenschutzgesetze von Bund und Ländern [1]
sprechend seiner Zweckbestimmung anwenden. • kirchliche Datenschutzregelungen
• Der Anwender muss die erforderliche Ausbil- • Sozialgesetzbuch (SGB X) [1]
dung, Kenntnis und Erfahrung besitzen (Geräte- Die große Zahl der Regelungen, die sich mit der be-
einweisung). ruflichen Schweigepflicht befassen, unterstreicht die
• Der Anwender muss prüfen, ob die Kombination gesellschaftliche Bedeutung des Schutzes der unge-
des Zubehörs mit einem Gerät bzw. die Geräte- fährdeten Intimsphäre des Menschen. Sie ist als
kombination zulässig sind. selbstständiges Rechtsgut anerkannt.
• Geräte, die sicherheitstechnischen und messtech- Die Schweigepflicht gilt für Angehörige bestimm-
nischen Kontrollen unterliegen, sind mit einer ter Berufsgruppen gemäß § 203 StGB. [1] Sie stellt
Plakette versehen, auf der der Zeitpunkt der die Einhaltung des besonderen Vertrauensverhält-
nächsten Prüfung vermerkt ist. Sie dürfen nach nisses zwischen Patienten/Klienten und Ärzten,
21.3  Dokumentationspflicht 391

Zahnärzten, Psychologen, Apothekern, Pflegenden • Der Patient selbst entbindet mit seiner Einwilli-
sowie Angehörigen anderer Heilberufe, bei denen gung den Arzt und die Angehörigen der Gesund-
die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung heitsberufe von der Schweigepflicht.
eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, sicher. • Die Zustimmung zur Weitergabe von Informatio-
Die Schweigepflicht gilt auch für Auszubildende und nen innerhalb des therapeutischen Teams ergibt
Studierende der genannten Berufsgruppen. sich durch schlüssiges Verhalten. Der Patient hat
Die Verletzung der Schweigepflicht in Form einer dabei nicht ausdrücklich von der Schweigepflicht
unbefugten Offenbarung kann einen Freiheitsentzug entbunden, seine Zustimmung ergibt sich aus
bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich zie- seinem Verhalten und den daraus gefolgerten
hen. Vergehen gegen § 203 StGB werden nur auf An- Umständen.
trag bestraft. Verstöße gegen die Schweigepflicht • Aufhebung der Schweigepflicht durch gesetzliche
verfolgt der Staat nicht von sich aus. Das heißt, die Anzeige- und Meldepflichten, z. B. Gesetz zur Be-
geschädigte Person muss zunächst bei der Staatsan- kämpfung von Geschlechtskrankheiten, Bundes-
waltschaft eine Anzeige mit einem konkreten Ver- seuchengesetz.
dachtsmoment erstatten. • „Rechtfertigender Notstand“ (§ 34 StGB): z. B.
Offenbart ist ein Geheimnis, sobald ein Dritter, der Verteidigung in einem strafrechtlichen Verfah-
nichts mit der Behandlung zu tun hat, Kenntnis da- ren, Mitteilung an die zuständigen Stellen über
von erhält. Die Weitergabe von Informationen über eine festgestellte Kindesmisshandlung, Mittei-
den Patienten innerhalb des therapeutischen Teams lung der Kenntnisse über eine verübte Straftat,
entspricht nicht dem Tatbestand einer unbefugten Mitteilung an die Hinterbliebenen eines verstor-
Offenbarung. Bereits eine Verwahrung der Kranken- benen Patienten.
akten, die Personen außerhalb des therapeutischen • Mitteilung an das Gesundheitsamt, wenn die
Teams den Zugriff auf die vertraulichen Informatio- Personenberechtigten minderjähriger Behinder-
nen ermöglicht, kann jedoch eine Offenbarung ge- ter ärztliche Behandlungsmaßnahmen nicht
genüber Dritten darstellen. Sofern keine Zustim- durchführen lassen oder solche Maßnahmen
mung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist diese vernachlässigen (Bundessozialhilfegesetz/
Offenbarung unbefugt. Gegenüber dem Patienten BSHG). [1]
selbst besteht keine Schweigepflicht (und auch kein
Schweigerecht). Die Schweigepflicht gilt über den
Tod hinaus und somit ist eine Entbindung von der
Schweigepflicht nach dem Tod nicht möglich. 21.3  Dokumentationspflicht
Diana Löscher, Christiane Rohrbach
Geheimnisse im Sinne des § 203 StGB
• Name des Patienten und die Tatsache seiner Behand-
lung Die Dokumentationspflicht ergibt sich aus ver-
• Tatsachen, die nur einem geschlossenen Personenkreis schiedenen gesetzlichen und standesrechtlichen 21
bekannt sind und die aufgrund des Willens des Patien- Grundlagen. Sowohl pflegerisches als auch medizi-
ten aus verständlichen Gründen geheim zu halten sind nisches Personal ist rechtlich verpflichtet, die Pflege
• Äußerungen des Patienten, Untersuchungsbefunde, und Behandlung des Patienten zu dokumentieren.
Röntgenaufnahmen, OP-Protokolle usw. (unabhängig Somit ist die Dokumentation nicht nur als „Ge-
von der Art der Speicherung)
dächtnisstütze“ und Nachweis geleisteter Tätigkei-
ten anzusehen, sondern sie dient ebenfalls der Erfül-
lung der Rechenschaftspflicht und der Beweissiche-
Befreiung von der Schweigepflicht
rung.
Die Befreiung von der Schweigepflicht lässt eine Auch im Rahmen gesetzlich geforderter qualitäts-
straffreie Offenbarung zu. Sie ist unter folgenden Be- sichernder Maßnahmen (SGB V § 137) ist sie uner-
dingungen gegeben: lässlich. [1]
392 21  Rechtliche Aspekte

Rechtliche Grundlagen Akteneinsicht

• Für Pflegende: festgelegt in § 3 Abs. 2 des deut- Jeder Patient hat das Recht, seine Krankenakte ein-
schen Krankenpflegegesetzes (1.1.2004 zuletzt zusehen. Dieses Einsichtsrecht bezieht sich jedoch
geändert durch Art. 7 G v 24.7.2010 BGBl. S. 983) nur auf den dokumentationspflichtigen, objektiven
[1] und in § 3 Abs. 4 der Rahmen-Berufsordnung Sachverhalt und medizinische Feststellungen. Der
für professionell Pflegende (4.1.2004; erstellt vom Patient kann auch eine Kopie der relevanten Auf-
Deutschen Pflegerat e. V.) bzw. § 5 des GuKG zeichnungen verlangen.
(Österreich) [2]
• Für Ärzte: festgelegt in § 10 der Berufsordnung Archivierung der Krankengeschichte
für deutsche Ärztinnen und Ärzte (Muster MBO-
Ä 1997 in der Fassung der Beschlüsse des 114. Nach Behandlungsabschluss ist der Krankenhaus-
Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel) [3] träger verpflichtet, die Krankengeschichte sicher
Die Dokumentationspflicht ist auch eine Neben- aufzubewahren. Dies gilt auch für die Krankenge-
pflicht aus dem Krankenhausbehandlungsvertrag. schichte verstorbener Patienten. Soweit keine ande-
„Der Patient hat gegenüber Arzt und Krankenhaus ren gesetzlichen Vorschriften eine längere Aufbe-
grundsätzlich auch außerhalb eines Rechtsstreites wahrungsfrist verlangen, sind die Aufzeichnungen
Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Kran- für mindestens 10 Jahre zu archivieren. Aufgrund
kenunterlagen, soweit sie Aufzeichnung über objek- der zivilrechtlichen Verjährungspflicht von 30 Jah-
tive physische Befunde und Berichte über Behand- ren empfiehlt es sich, besonders wenn während der
lungsmaßnahmen betreffen.“ (BGH, Urteil vom Behandlungsdauer Komplikationen aufgetreten
23.11.82 – Az.: VI ZR 222/79; NJW, 1983, S. 328f). sind, die Krankenunterlagen entsprechend länger zu
verwahren.
Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet
Umfang der Dokumentation
der Krankenhausträger die Krankengeschichte unter
Die Dokumentation erfolgt in einem Umfang, der es Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen.
erlaubt, einen Überblick über alle diagnostischen,
therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen zu
erhalten. Insbesondere werden alle Besonderheiten
und Abweichungen vom Standardverlauf dokumen- 21.4  Transplantationsgesetz
tiert. Die Dokumentation erfolgt zeitnah und um- Stephanie Möllmann
fasst objektive Sachverhalte. Subjektive Wertungen
können jedoch auch Bestandteil der Dokumentation
sein. Üblicherweise umfasst die pflegerische Doku- Das Transplantationsgesetz vom 4. September
mentation den prozessualen Ablauf der pflegeri- 2007 regelt die Spende, Entnahme und Übertragung
21 schen Versorgung (Krankenpflegeprozess). Die aus- von Organen oder Geweben. Blut und Blutbestand-
führenden Pflegenden versehen die Dokumentation teile sind davon ausgenommen (§ 1). [1]
mit Datum, Uhrzeit und Unterschrift (Handzei-
chen).
21.4.1  Organspende
Inhalt der pflegerischen Dokumentation
Hat der Verstorbene zu Lebzeiten seine Einwilligung
• Pflegebedürfnisse oder Verweigerung der Organspende schriftlich do-
• subjektives Befinden des Patienten kumentiert, ist diese Entscheidung bindend. Liegt
• pflegerische Krankenbeobachtung keine schriftliche Erklärung vor, befragt der behan-
• Verlaufsbeschreibung delnde Arzt die nächsten Angehörigen des Verstor-
• durchgeführte pflegerische Maßnahmen benen oder eine von ihm schriftlich benannte Ver-
• Wirkung der pflegerischen Maßnahmen trauensperson nach dem mutmaßlichen Willen des
21.5  Transfusionsgesetz 393

Verstorbenen. Nächste Angehörige in diesem Sinne • Die Koordinierungsstelle wacht über die Einhal-
sind in der Rangfolge der Aufzählung: Ehegatte oder tung aller Bestimmungen zur Entnahme, Ver-
eingetragener Lebenspartner, volljährige Kinder, El- mittlung und Übertragung von Organen (§ 11).
tern bzw. Sorgeberechtigte, volljährige Geschwister • Die Vermittlungsstelle ist letztlich für die Ver-
und Großeltern. Grundsätzliche Voraussetzung ist, mittlung der Organe zuständig (§ 12). Sie soll ge-
dass der Angehörige in den vergangenen zwei Jahren währleisten, dass die beteiligten Ärzte den nach
persönlichen Kontakt zu dem Verstorbenen hatte. dem medizinischen Stand der Wissenschaft ge-
Gleichrangig mit den nächsten Angehörigen sind an- eigneten Empfänger auswählen und zudem die
dere Personen, die mit dem Verstorbenen in einer Kriterien der Dringlichkeit beachten. [1]
engen persönlichen Verbundenheit standen (z. B. Deutschland hat sich, ebenso wie andere europäi-
nichteheliche Lebenspartner). Sollte der nächste An- sche Länder, zu diesem Zweck der Stiftung Euro-
gehörige nicht erreichbar sein, kann der Arzt den transplant im niederländischen Leiden angeschlos-
rangnächsten Angehörigen befragen. Bei mehreren sen (www.eurotransplant.org).
gleichrangigen Angehörigen ist es ausreichend, wenn Die Organentnahme ist nur durch Ärzte zulässig.
einer von ihnen die Zustimmung zur Organspende Bei der Organentnahme und allen damit verbunden
gibt, sofern keiner der anderen diese ausdrücklich Maßnahmen ist die Würde des Organspenders zu
ablehnt. In diesem Fall ist die Ablehnung bindend, wahren, dies schließt die Übergabe zur Bestattung in
auch wenn andere gleichrangige Angehörige ihre Zu- einem würdigen Zustand ausdrücklich ein (§ 6). [1]
stimmung zur Organspende geben (§ 3 und § 4). [1] Darüber hinaus enthält das Gesetz umfangreiche
Die Organspende einer lebenden Person unter- Regelungen hinsichtlich der Dokumentationspflicht
liegt umfangreichen und eng gefassten Bestimmun- und des Datenschutzes, um alle Schritte im Zusam-
gen. Neben der grundsätzlichen Bedingung, dass der menhang mit einer Organentnahme und -übertra-
Spender volljährig und einwilligungsfähig ist, sind gung kontrollierbar zu machen.
die medizinischen Voraussetzungen (z. B. Indikati-
on, Beurteilung des Risikos für den Spender) und
insbesondere die Pflicht zur Aufklärung des Spen-
ders (z. B. Beratung durch zwei Ärzte, Beurteilung 21.5  Transfusionsgesetz
der Freiwilligkeit durch eine unabhängige Kommis- Stephanie Möllmann
sion) geregelt (§ 8). [1]
Mit Blick auf die unverändert stagnierende Be-
reitschaft, Organe zu spenden, enthält das Gesetz Das Transfusionsgesetz (Gesetz zur Regelung des
darüber hinaus Bestimmungen zur Aufklärung der Transfusionswesens) vom 28. August 2007 enthält
Bevölkerung über die Möglichkeit einer Organspen- neben den hier beschriebenen Bestimmungen zur
de (§ 2). [1] Anwendung von Blutprodukten und zur Dokumen-
tationspflicht weitere Regelungen, z. B. zur Blut-
spende und zum Meldewesen. 21
21.4.2  Entnahme und Übertragung
von Organen
21.5.1  Anwendung von
Die Vermittlung von gespendeten Organen ist orga- Blutprodukten
nisatorisch durch drei unabhängige Instanzen gere-
gelt. Jedes Krankenhaus, das Bluttransfusionen durch-
• Transplantationszentren sind eigens für diesen führt, ist verpflichtet, ein System der Qualitätssiche-
Vorgang zugelassene Krankenhäuser. Sie führen rung einzurichten (§ 15). [1] Es umfasst die Festle-
die Wartelisten und entscheiden über die Auf- gung der Qualifikation und der Aufgaben der Perso-
nahme eines Patienten auf die Warteliste. Diese nen, die mit der Anwendung von Blutprodukten
Zentren unterliegen umfangreichen Maßnahmen betraut sind sowie Grundsätze für die patientenbe-
zur Qualitätssicherung (§ 10). zogene Qualitätssicherung (z. B. Überwachung der
394 21  Rechtliche Aspekte

Transfusion, Dokumentation, Maßnahmen bei un- • Patientenidentifikationsnummer oder entspre-


erwünschten Wirkungen). Zudem ist ein Arzt zu chende, eindeutige Angaben zu der behandelten
benennen, der für alle transfusionsmedizinischen Person (Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse)
Aufgaben verantwortlich ist (transfusionsverant- • Chargennummer
wortliche Person). Darüber hinaus ist für jede Ab- • Pharmazentralnummer oder die Bezeichnung des
teilung, in der Blutprodukte angewendet werden, Präparats, Name oder Firma des pharmazeuti-
ein in der Transfusionsmedizin erfahrener Arzt zu schen Unternehmers sowie Menge und Dosie-
bestellen (transfusionsbeauftragte Person). rung
Die Anwendung von Blutprodukten ist eine nicht • Datum und Uhrzeit der Anwendung
delegierbare ärztliche Tätigkeit, die zudem nur je- Dabei ist sicherzustellen, dass die Daten anschlie-
nen Ärzten vorbehalten ist, die ausreichende Erfah- ßend patienten- und produktbezogen nutzbar sind.
rung in dieser Tätigkeit vorweisen können. Die Be- Diese Vorschrift soll gewährleisten, dass jederzeit
rechtigung zur Anwendung von Blutprodukten zurückzuverfolgen ist, welches Produkt ein Patient
schließt ein: erhalten hat, aber auch welche Patienten ein be-
• Anforderungen an die Identitätssicherung stimmtes Produkt einer Charge erhalten haben (be-
• vorbereitende Untersuchungen deutsam bei der Rückverfolgung von Infektionen).
• Technik der Anwendung Die erforderliche Dokumentation ist an das Pfle-
• Maßnahmen zu Aufklärung und Einwilligung (§ gepersonal oder an das Personal des Labors delegier-
13) [1] bar. Die Verantwortung für die Dokumentation ob-
liegt jedoch dem behandelnden Arzt.

21.5.2  Dokumentationspflicht LITERATUR


1. www.gesetze-im-internet.de (Letzter Zugriff am
19.1.2012).
Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, jede Anwen- 2. www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bund
dung von Blutprodukten oder Plasmaproteinen zu esnormen&;Gesetzesnummer=10011026 (Letzter Zugriff
dokumentieren. Dies umfasst die Aufklärung und am 19.1.2012).
Einwilligungserklärung, ggf. das Ergebnis der Blut- 3. Bundesärztekammer (Hrsg.): www.bundesaerztekammer.
gruppenbestimmung, die durchgeführten Untersu- de/page.asp?his=1.100.1143#II (Letzter Zugriff am
19.1.2012).
chungen sowie die Darstellung von erwünschten 4. Deutscher Pflegerat e. V. (Hrsg.): www.deutscher-pfleger-
und unerwünschten Wirkungen. Darüber hinaus at.de/dpr.nsf/3F6CE4D95D84F8EDC12572B9003A1EF2/$
sind folgende Angaben zu dem angewendeten Blut- File/Rahmenberufsordnung.pdf (Letzter Zugriff am
produkt/Plasmaprotein zu dokumentieren: 19.1.2012).

21
KAPITEL

22 Medikamente
22.1  Pulmonal wirksame Medikamente
Tab. 22.1  Pulmonal wirksame Medikamente.
Wirkstoff und Han- Wirkungen unerwünschte Wirkun- Besonderheiten
delsname gen (› Tabellenende)
(nur häufige dargestellt)
Ipratropiumbromid • bronchodilatierend • 1/2/3/4/5/12 • mit NaCl 0,9 % nach Anordnung
z. B. Atrovent® • Wirkungseintritt bei verdünnen
Einzeldosis: akuten Beschwerden • nach Anbruch 10 Wochen halt­
2 gtt/3kgKG (max. 20 gtt) erst 30–60 Min. nach bar
mit NaCl 0,9 % vernebeln Inhalation
(bis zu 6× tgl.)
Salbutamol • bronchodilatierend • 1/2/12/20/32 • wie Atrovent® (› oben)
z. B. Sultanol® • fördert Surfactantfrei- • Sultanol forte®/Sultanol Fertig­
Einzeldosis: setzung inhalat lichtgeschützt 3 Mo.
1 gtt/Lebensjahr/ED oder • nahezu
sofortiger Wir- • SultanolInhalationslösung licht­
1 gtt/3kgKG mind. 2–3 kungseintritt geschützt 4 Wo.
gtt, max. 10 gtt
Acetylcystein • Viskosität
von vorhan- • nicht mit anderen Medikamenten
z. B. Fluimucil® denem, zähem Schleim gemeinsam verabreichen
↓ • bei respiratorischer Verschlechte-
rung, sofortiger Abbruch der Be-
handlung mit Acetylcystein
• kann Wirkung von Glyzeroltrinit-
rat (Nitroglyzerin) verstärken
• geöffnete Injektionslösung unter
aseptischen Bedingungen
24 Std. bei 2–8 °C haltbar
Ambroxolhydrochlorid • sekretolytisch und se- • 9 • keine Mischung mit anderen In-
z. B. Mucosolvan® kretomotorisch jektionslösungen
• Viskosität des Sekretes • Saft/Inhalat/Tropfen nach An­
↓ bruch 6 Monate
• aktiviert Flimmerepithel • Injektionslösung sofort verwenden
• stimuliert Surfactantbil- • Infusionslösung 12 Std. ver­
dung wendbar
Budesonid • dämpft Hyperreagibili- • 3/4/33 • geöffnete
Behältnisse lichtge­
z. B. Pulmicort® tät des Bronchialsys- schützt und max. 12 Std. aufbe­
tems auf exogene Reize wahren
• Sekretproduktion ↓
• entzündliche Erschei-
nungen z. B. Ödem ⇊
• Effekt von β2-
Sympathikomimetika ⇈
396 22  Medikamente

Tab. 22.1  Pulmonal wirksame Medikamente. (Forts.)


Wirkstoff und Han- Wirkungen unerwünschte Wirkun- Besonderheiten
delsname gen (› Tabellenende)
(nur häufige dargestellt)
Cromoglicinsäure • hemmt Freisetzung von • 3/5/6/15/34 • Vorinhalation von
z. B. Intal® Entzündungsmediatoren • Reflexbronchokonstrikti- β-Sympathomimetikum kann Re-
die aufgrund einer Anti- on flexbronchokonstriktion verhin-
gen-Exposition auftreten dern
• Mastzellstabilisation • Inhalationslösung sofort verwen­
• wirkt an allen Schleim- den
häuten • Aerosol bis Ablauf Haltbarkeit

Theophyllin-Natrium- • Relaxation der glatten • 1/2/11/12/13/ • vorzugsweise in NaCl 0,9 % ver-


glycinat Bronchialmuskulatur • 14/15/16/17/2021/22/30 abreichen
z. B. Bronchoparat® und der Pulmonalgefä- • Lösung sofort verwenden
ße (a)
• mukoziliäre Clearance
⇈ (b)
• Hemmung der Freiset-
zung von Mediatoren
aus Mastzellen und an-
deren Entzündungszel-
len (c)
• Verstärkung der Zwerch-
fellbeweglichkeit (d)
• positiv inotrop und
chronotrop (e)
Terbutalinsulfat siehe Theophyllin-Natri- • 1/15/20/21/28/32/36 • Lösung sofort verwenden
z. B. Bricanyl® umglycinat a, b
Reproterolhydrochlorid siehe Theophyllin-Natri- • 1/17/20/32/37 • Lösung sofort verwenden
z. B. Bronchospasmin® umglycinat a, b, c, e
Dornase alfa Viskosität des Sekretes • nicht mit anderen Inhalaten mi-
Pulmozyme® ⇊, durch Aufspaltung der schen
im Sekret enthaltenen ex- • sofort verwenden
trazellulären DNA
Liste der unerwünschten Wirkungen:
Kopfschmerzen (1), Schwindel (2), Husten (3), Rachenirritationen (4), Mund- und Rachentrockenheit (5), Bronchospas-
mus (6), Atemnot (7), Obstipation (8), Diarrhö (9), Bauchschmerzen (10), Erbrechen (11), Übelkeit (12), verstärkte Diure-
se (13), allergische Reaktionen (14), Haut- und Schleimhautreaktionen (15), Juckreiz (16), Unruhe, Nervosität (17), De-
pression (18), Verhaltensstörung (19), Tremor (20), Tachykardie (21), Arrhythmie (22), Mydriasis (23), Miosis (24), Hä-
matome (25), Thyreotoxikose (26), Stomatits (27), Urtikaria (28), Fieber (29), Hypotonie (30), Hypertonie (31), Palpitati-
onen (32), Mundsoor (33), Gastroenteritis (34), Elektrolytverschiebungen (35), Krampfanfall (36), Muskelkrämpfe (37)

22

22.2  Herz-Kreislauf- genden zuständig sind. Um fachgerecht und sicher


Medikamente mit diesen Medikamenten umzugehen, verfügen
Pflegende über ein solides Wissen über:
• Wirkung und (pflegerelevante) Nebenwirkungen,
Besonders kardiochirurgische Kinder unterliegen Kompatibilität
der Behandlung mit zahlreichen Medikamenten, für • Zubereitungsart, geeignete Infusionssysteme
deren Anwendung in erheblichem Maße die Pfle- • Medikamentendosierung
22.2  Herz-Kreislauf-Medikamente 397

• Applikationsmodus, -ort und -zeit Infusionswechsel


• Haltbarkeit der Präparate
Bei katecholaminabhängigen Patienten ist beson-
ders das Umstecken der Infusionen mit Risiken ver-
Katecholamininfusionen bunden, da bereits geringgradige Dosisschwankun-
gen zu schwerwiegenden Blutdruckabfällen oder
Katecholamininfusionen konnektieren Pflegende -anstiegen führen können. Deshalb beachten Pfle-
an den distalen Schenkel des ZVK, da dessen Öff- gende die folgenden Richtlinien:
nung direkt vor der Einmündung in den rechten • Medikamenteninfusionen fortlaufend hinsicht-
Vorhof liegt. Laufen diese Infusionen über den pro- lich der in der Spritze vorhandenen Flüssigkeits-
ximalen oder medialen Schenkel des ZVK, kann es menge kontrollieren und rechtzeitig neue Infusi-
zum diskontinuierlichen Medikamentenfluss durch onslösung zubereiten.
Anliegen des Katheters an der Gefäßwand kommen. • Neu hergerichtete Perfusorspritze in einen Paral-
Die Verwendung einer Dreiwegehahnbank ermög- lelperfusor einspannen und mit der gleichen För-
licht den Anschluss weiterer Katecholamine an den- dergeschwindigkeit, wie die bereits laufende In-
selben ZVK-Schenkel. fusion starten.
• Nach etwa 10 Min. hat die Spritzenpumpe einen
VORSICHT konstanten Druck aufgebaut und die neue Infusi-
Pflegende beachten, dass die Änderung der Flussge- on lässt sich zügig an den Dreiwegehahn der vor-
schwindigkeit einer einzelnen Infusion auch zur Flussre- herigen Infusion anschließen.
duktion der anderen Infusionen an diesem Schenkel • Trotz eines raschen Umsteckens der Infusion
führt.
können Dosisschwankungen entstehen. Pflegen-
de reduzieren die Häufigkeit der Wechsel, indem
Besonders wichtig ist die genaue Beschriftung des sie die voraussichtliche Infusionsmenge für 24
katecholaminführenden ZVK-Schenkels und der Std. aufziehen.
Perfusorspritze, um versehentliche Bolusgaben zu
vermeiden. Solange Katecholamine laufen, erfolgt • inotrop: die Herzkraft betreffend
u. a. eine kontinuierliche 5-polige EKG-Ableitung • chronotrop: die Frequenz betreffend
und eine engmaschige Blutdruckmessung, ggf. • dromotrop: die Erregungsleitungsgeschwindigkeit
durch eine intraarterielle Drucksonde. betreffend
• bathmotrop: die Erregbarkeit betreffend

Tab. 22.2  Herz-Kreislauf-Medikamente.


Wirkstoff, Handelsname Wirkungen unerwünschte Wir- Applikation
und Dosierung kungen
Adrenalin • stimuliert α- und β-Rezeptoren • HRST • i. v.
(Bolus/DTI), e. t. (ver-
z. B. Suprarenin® • positiv inotrop und chronotrop • erhöht peripheren Wi- dünnen!), i. m., intraossär
1 Ampulle = 1 : 1.000 à • wandelt feines in grobes Kam- derstand durch Vaso- oder im Notfall intrakardi-
1 ml = 1 mg merflimmern um und erleich- konstriktion al
ED 0,01–0,03 mg/kg KG i. v. tert die Defibrillation • periphere Kühle, Min- • DTI über ZVK 22
DTI: • stabilisiert die Mastzellmemb- derperfusion der Haut • nicht mit alkalischen Me-
beginnend mit 0,1 μg/kg/ ran und reduziert die Histami- • in hohen Dosen gestör- dikamenten kompatibel
min nausschüttung te Pupillomotorik (wei- • DTI mit Glukose 5 % oder
• Glukogenolyse ↑ te, lichtstarre Pupillen) NaCl 0,9 % 24 Std. haltbar
• BZ ↑ • Minderdurchblutung
von Niere und Darm
• schwere Nekrosen bei
paravenöser Infusion
398 22  Medikamente

Tab. 22.2  Herz-Kreislauf-Medikamente. (Forts.)


Wirkstoff, Handelsname Wirkungen unerwünschte Wir- Applikation
und Dosierung kungen
Noradrenalin • stimuliert α-Rezeptoren • vermindert die Nieren- • DTI über ZVK
z. B. Arterenol® 1 Ampulle • gering positiv inotrop perfusion (Urinproduk- • nicht kompatibel mit alka-
1 : 1.000 à 1 ml = 1 mg • erhöht den peripheren Gefäßwi- tion überwachen) lischen Lösungen
DTI: derstand durch Vasokonstriktion • Nachlaststeigerung • DTI mit Glukose 5 % und
beginnend mit 0,1 μg/kg/ • steigert die Koronarperfusion (kontraindiziert beim NaCl 0,9 % 24 Std. haltbar
min • vermindert
Mesenterial- und Low-cardiac-output)
Nierendurchblutung
Dopamin • β1-Stimulation, positiv inotrop • ventrikuläre Arrhythmi- • DTI über ZVK
1 Ampulle à 5 ml zu 50 mg und chronotrop en • nicht mit alkalischen
Me-
oder 200 mg • α-Stimulation (Vasokonstrikti- • SVES dikamenten kompatibel
DTI: on) • Tachykardie • DTI mit Glukose 5 % oder
4–10 μg/kg/Min. NaCl 0,9 % 24 Std. haltbar
Dobutamin • positiv inotrop und chronotrop • nichtmit alkalischen Me-
z. B. Dobutrex® • β-Agonist dikamenten kompatibel
DTI: • peripherer Gefäßwiderstand ↓ • DTI mit Glukose 5 % oder
5–10 μg/kg/Min. NaCl 0,9 % 24 Std. haltbar
Orciprenalin • wirkt auf die β1- und β2- • i. v.(Bolus/DTI) zentral
z. B. Alupent® Rezeptoren an Herz und Bron- oder periphervenös
1 Ampulle à 1 ml = 0,5 mg chien • oral
Einzeldosis: • positiv inotrop, chronotrop • als Infusion nicht mit alka-
10 μg/kg und dromotrop lischen Lösungen kompati-
DTI: • bronchodilatierend bel
0,1 μg/kg/Min. • Einsatz vorwiegend bei Brady-
arrhythmien
Milrinon • Phosphodiesterasehemmer • supraventrikuläre und • nichtmit alkalischen Me-
z. B. Corotrop® (verhindert Abbau von cAMP, ventrikuläre HRST dikamenten kompatibel
Aufsättigung mit 50 μg/kg dadurch Anstieg des intrazel- • Verkürzung der AV- • DTI mit Glukose 5 % oder
über 10 Min., dann DTI: lulären Kalziums und der Myo- Überleitungszeit NaCl 0,9 % 24 Std. haltbar
0,5 μg/kg KG/Min. kardkontraktilität) • Thrombopenie
• positiv inotrop und vasodila-
tierend
• verbesserte diastolische Füllung

Glyzeroltrinitrat • relaxiert
vorwiegend die glatte • Kopfschmerzen • Nichtmit PVC- und PU-In-
z. B. Perlinganit® Gefäßmuskulatur, → Koro- • Hypotonie fusionsleitungen infundie-
DTI: nararterien und systemische • Tachykardie ren, da sonst erheblicher
0,2 μg/kg/Min. Gefäße (Vorlast- und Nach- • MetHb-Bildung Wirkungsverlust eintreten
lastsenkung) kann
Nitroprussamidnatrium • Dilatation der großen Arterien • Schwindel, Erbrechen, • aufgelöstes Konzentrat hat
z. B. Nipruss® (Nachlastsenkung) Schwächegefühl rotbraune Färbung und darf
22 DTI: • wirkt dilatierend an der glat- • Tachykardie erst nach Weiterverdünnun-
0,2 μg/kg/min ten Muskulatur der präkapillä- • Nitroprussid-Na+ wird gausschließlich mit Glukose
Verdopplung bis zum ge- ren Arteriolen und venösen zu Cyanid abgebaut, 5 %, verwendet werden
wünschten Blutdruckniveau Kapazitätsgefäße dadurch Gefahr einer • zur Vermeidung einer Cya-
Cyanidvergiftung. nidintoxikation parallele
Symptome: Gabe einer 1-prozentigen
– hellrotes, venöses Blut Natriumthiosulfatlösung im
– Laktatanstieg, meta- Verhältnis 1 : 10 über einen
bolische Azidose separaten venösen Zugang
(Packungsbeilage beachten)
22.3  Sedativa 399

Tab. 22.2  Herz-Kreislauf-Medikamente. (Forts.)


Wirkstoff, Handelsname Wirkungen unerwünschte Wir- Applikation
und Dosierung kungen
– verminderte O2-­
Aufnahme
– HRST
– Koma, Krämpfe
– MetHb-Bildung
Adenosin • kurzfristiger
völliger Block der • Gesichtsröte • Defibrillator bereitstellen
z. B. Adrekar® AV-Überleitung • Dyspnoe • kontinuierliche EKG-Über-
0,1 mg/kg KG weiter in Ab- • Übelkeit wachung
ständen von 1–2 Min. auf • Schwindel • nach
Applikation Infusi-
0,2–0,3 und max. 0,35 mg/ • Brustschmerz onsleitung sofort mit 10 ml
kg KG steigern NaCl 0,9 % spülen
Amiodaronhydrochlorid • Verlängerung der Repolarisati- • Corneaablagerungen • über einen separaten
z. B. Cordarex® on • Hypo- oder Hyperthyre- Schenkel des ZVK infun-
Einzeldosis: 5 mg/kg KG • geringe β-Blockade und da- ose dieren, bei peripherer Infu-
DTI: 10–20 mg/kg/d durch gering negativ inotrop • Transaminasenerhö- sion starke Vaskulitis
hung • nur mit Glukose 5 % mi-
• Lungenfibrose schen
• Sinusknotenbradykar-
die bis zum Sinuskno-
tenstillstand
• Vaskulitis
• Übelkeit, Erbrechen,
Schwindel

22.3  Sedativa

Tab. 22.3  Sedativa.


Wirkstoff, Handelsname und Wirkungen unerwünschte Wirkungen Besonderheiten
Dosierung
Midazolam • Benzodiazepin- • Überempfindlichkeitsreaktion bis • Antidot Flumace-
z. B. Dormicum® derivat zum anaphylaktischen Schock nil (Anexate®), zur
i. v. 6 Mon.–5 Jahre: • stark sedierend • Agitiertheit, Hyperaktivität, Ag- Narkoseeinleitung
• Anfangsdosis: 0,05–0,1 mg/kg und schlafindu- gressionen, Halluzinationen und zur intravenösen
• Gesamtdosis: ≤6 mg zierend • Abhängigkeit Bolusgabe bei Kin-
i. v. 6–12 Jahre: • angst- und • Kopfschmerzen, Schwindel dern ≤ 6 Mon. nicht
• Anfangsdosis: 0,025–0,05 mg/kg krampflösend • Übelkeit, Erbrechen, Obstipation empfohlen
• Gesamtdosis: ≤10 mg • anterograde Am- • Hautausschlag, Urtikaria • DTI langsam steigern
22
rektal ≥6 Mon.: nesie • v. a. bei Patienten mit Ateminsuf- • Injektionslösung so-
• 0,3–0,5 mg/kg fizienz oder beeinträchtigter Herz- fort verwenden
DTI ≤ 32. SSW: funktion: • verdünnte Lösung 24
0,5 μg/kg/Min. – Atemdepression, Atemstillstand, Std. bei Raumtempe­
DTI ≥ 32. SSW: Dyspnoe, Laryngospasmus ratur stabil oder 3d
• 1 μg/kg/Min. – Hypotonie, Bradykardie, Herz- bei 5 °C
DTI ≥ 6 Mon.: stillstand
• 1–2 μg/kg/Min.
400 22  Medikamente

Tab. 22.3  Sedativa. (Forts.)


Wirkstoff, Handelsname und Wirkungen unerwünschte Wirkungen Besonderheiten
Dosierung
Phenobarbital • Barbiturat • Schwindel, Kopfschmerz, Ataxie, • Injektionslösung so­
z. B. Luminal® • sedierend,hypno- Agitiertheit fort verwenden
i. v.: tisch, antikonvul- • Hypotonie
• 3–4 mg/kg KG siv und höherdo- • Atemdepression
siert narkotisch • Leberfunktionsstörungen

Chloralhydrat • sedierend, hypno- • Benommenheit, Kopfschmerzen, • verstärkte


Antiko-
Sedierung: tisch bzw. narko- Schwindel agulantienwirkung
• 10–30 mg/kg/ED alle 6–8 Std. p. o. tisierend • paradoxe Reaktionen (Hyperakti-
tiefe Sedierung: • schwach antikon- vität),
• 30–100 mg/kg/ED unter Monito- vulsiv • milde Atemdepression
rüberwachung p. o. • Verwirrtheit
Tageshöchstdosis: • Schlafstörungen
• 300 mg/kg/d

Promethazin • sedierend • Mundtrockenheit, Sekreteindi-


z. B. Atosil® • hypnotisch ckung
Einzeldosis: • antiemetisch • Hypotonie, Tachykardie
• 0,1–0,5–1 mg/kg i. v. oder p. o. • Miktionsstörungen, Obstipation
• oder 1 gtt/kg/ED • Erregungsüberleitungsstörungen
• Atemdepression
• Verwirrtheitszustände, allgemeine
Unruhe
Diazepam • Benzodiazepin • verlängerte Reaktionszeit • Antidot
Flumace-
z. B. Valium® • spannungs-, erre- • Konzentrationsstörungen nil (Anexate®)
Einzeldosis: gungs- und • Verwirrtheit und Benommenheit • Theophyllin (› oben)
• 0,05–0,3 mg/kg KG alle 2–4 Std. angstdämpfend (auch am Folgetag) in niedriger Dosierung
• max. 0,6 mg/kg in 8h • sedierend
und • Schwindelgefühl, Kopfschmerzen hebt Wirkung von
rektal: hypnotisch • anterograde Amnesie Dia­zepam auf
• ≤ 15 kg: 5 mg • Ataxie • Injektionslösung
• ≥ 15 kg: 10 mg ­sofort verwenden
Lorazepam • Benzodiazepinde- • Müdigkeit, Benommenheit Antidot Flumacenil
z. B. Tavor®, Laubeel®, Tolid® rivat • Muskelschwäche (Anexate®)
Einzeldosis: 0,5 mg/kg alle 4–8 Std. • spannungs-, erre- • lichter Blutdruckabfall
p. o. oder i. v. gungs- und • Schwindel, Ataxie, Verwirrtheit,
angstdämpfend Depression
sedierend und • Atemdepression
hypnotisch • Abhängigkeit

Gammahydroxy-buttersäure • angstlösend • Übelkeit, Erbrechen Antidot Physostig-


(GHB) • schlafinduzierend • Bradykardie, Hypo- oder Hypertonie min (Anticholium®)
z. B. Somsanit® • Myklonien
22 DTI: • zerebrale Krampfanfälle
10–20 mg/kg/h • Hypernatriämie, Hypokaliämie,
metabolische Alkalose
Thiopental • schlafinduzierend • Atemdepression • veränderte Pupillo-
z. B. Trapanal® • sedierend • Bronchokonstriktion motorik
• HZV ↓, Kontraktilität
↓, RR ↓, • nicht mit anderen In-
HF ↑ fusionslösungen lau-
• kann bei Überdosierung Nulllini- fen lassen
en-EEG hervorrufen • als Infusion nur mit
NaCl 0,9 % herstellen
22.4  Analgetika 401

22.4  Analgetika
Tab. 22.4  Analgetika.
Wirkstoff, Handelsna- Wirkungen unerwünschte Wirkungen Besonderheiten
me und Dosierung
Paracetamol z. B. ben- • reduziert
leichte bis • Antidot: Fluimicil
u-ron®, Perfalgan® mittelstarke Schmer- • bei schwerer NI und LI Dosis
Einzeldosis: zen und Fieber verringern und Dosisinter-
• 10–15 mg/kg vall verlängern
• max. Tagesdosis • Saft nach Anbruch 6 Mona­
60 mg/kg te haltbar
• Perfalgan sofort verwenden
• Paracetamol-Infusionslö­
sung
– 6 Std. bei RT
– 24 Std. bei 2–8 °C
Ibuprofen • reduziert leichte bis • Sodbrennen, Bauchschmerzen, • kann Wirkung von Diuretika
z. B. Ibuprofen CT-Kin- mittelstarke entzün- Übelkeit, Erbrechen und Antihypertensiva beein-
dersaft®, Dolormin für dungsbedingte • Blähungen, Diarrhö, Obstipation trächtigen
Kinder®, Nurofen® Schmerzen, Schwel- • geringfügige Magen-Darm-Blut- • Kombination Ibuprofen,
Einzeldosis: lungen und Fieber verluste ACE-Hemmer, β-­Rezep­to­
• 7–10 mg/kg • reduziert Prostaglan- ren­blocker kann zu Nieren-
• max. Tagesdosis dinsynthese → Einsatz insuffizienz führen
30 mg/kg bei medikamentöser • Saft nach Anbruch 12 Mo­
Therapie des persistie- nate haltbar
renden Ductus botalli
Ketoprofen • reduziert
akute mäßig • Übelkeit, Erbrechen • verdünnteLösung 24 Std.
z. B. Sympal®, Gabrilen® bis starke Schmerzen bei 2–8 °C haltbar
Metamizol • reduziert
akute oder • Arzneimittelexanthem • Tropfen nach Anbruch
z. B. Novalgin®, Nova- chronische starke • Hypotension 12 Monate
minsulfon® Schmerzen und hohes • Injektionslösung sofort ver­
Einzeldosis: Fieber wenden
10 mg/kg
Esketamin • reduziertstarke • lebhafte Träume bzw. Albträume • Albträume können durch
z. B. Ketanest S® Schmerzen • Übelkeit, Erbrechen, (Hypersali- kombinierte Gabe von Ben-
Einzeldosis: • anästhesierend vation) zodiazepinen reduziert wer-
1–2 mg/kg • Sehstörungen, Schwindel, moto- den
Aufrechterhaltung bei rische Unruhe • Injektionslösung sofort ver­
Bedarf mit halber Initial- • Gefahr eines Laryngospasmus, wenden
dosis ca. alle 10–15 Atemdepression
Min. • Hypertonie, Tachykardie
DTI: • ⇈ Gefäßwiderstand im Pulmo-
2 mg/kg/h nalkreislauf 22
Tramadol • Opioid • Schwindel • Antagonist: Naloxon
z. B. Tramal® • reduziert mäßige bis • Kopfschmerzen, Benommenheit
Einzeldosis starke Schmerzen • Übelkeit, Erbrechen, Obstipation
0,5–1–(1,5) mg/kg • 0,1-fache analgeti-
DTI: sche Potenz im Ver-
0,2 mg/kg/h gleich zu Morphin
402 22  Medikamente

Tab. 22.4  Analgetika. (Forts.)


Wirkstoff, Handelsna- Wirkungen unerwünschte Wirkungen Besonderheiten
me und Dosierung
Piritramid • Opioid • Tachykardie, Hypotonie Antagonist: Naloxon
z. B. Dipidolor® • reduziert starke bis • Stupor, Schwindel, Somnolenz • unter aseptischen Bedin­
Einzeldosis: stärkste Schmerzen • Übelkeit, Erbrechen gungen verdünnte Lösung
0,05–0,1 mg/kg i. v. • 0,7 fache analgeti- • Atemdepression, Atemstillstand bei RT 72 Std. haltbar
sche Potenz im Ver-
gleich zu Morphin
Fentanyl • Opioid • Überempfindlichkeitsreaktionen • Antagonist: Naloxon
Einzeldosis: • reduziert kurzwirksam • Freisetzung von ADH • bei Absetzen nach längerer
1–2–5–10 μg/kg starke bis stärkste • Benommenheit, Schwindel, er- Therapie mit Fentanyl ist ein
DTI: Schmerzen höhter Hirndruck, Verwirrtheit, Entzugssyndrom möglich
0,02 μg/kg/Min. • sedierend zentrale Dämpfung • unter aseptischen Bedin­
• 100-fach potenter als • Miosis, Sehstörungen gungen verdünnte Lösung
Morphin • Bradykardie, Herzrhythmusstö- für 24 Std. bei RT haltbar
rungen, Hypotonie, periphere
Vasodilatation, orthostatische
Regulationsstörungen
• vorübergehender Atemstillstand,
postoperative Atemdepression
• Übelkeit, Erbrechen, Obstipation
• Muskelrigidität, insbesondere
Thorax mit atmungshemmender
Wirkung
• Harnretention

Remifentanil • Opioid • Rigidität der Skelettmuskulatur • Antagonist: Naloxon


z. B. Ultiva® • reduziert kurzwirksam • Bradykardie, Hypotonie • bei Absetzen nach längerer
DTI: stark bis stärkste • akute Atemdepression, Atem- Therapie mit Remifentanil
0,5–1 μg/kg/Min. Schmerzen stillstand ist ein Entzugssyndrom
• 200-fach potenter als • Übelkeit, Erbrechen möglich
Morphin • Juckreiz (Pruritus) • unter aseptischen Bedin­
• postoperatives Frösteln gungen verdünnte Lösung
• Harnretention für 24 Std. bei RT haltbar
Sufentanil • Opioid • Tremor, Schwindel, Kopfschmerz • Antagonist: Naloxon
z. B. Sufenta® • reduziert kurzwirksam • Tachykardie, Hypo- oder Hyper- • unter aseptischen Bedin­
NG, KK und Kinder ≤ 3J.: starke bis stärkste tonie gungen verdünnte Lösung
5–15 μg/kg KG Schmerzen • Erbrechen, Übelkeit für 24 Std. bei RT haltbar
≤ 12 Jahre: • (vorwiegende Anwen- • Muskelzuckung
5–20 μg/kg KG dung in der Anästhe- • Harnverhalt
sie)
• 500–1000-fach po-
tenter als Morphin
22 Morphin • Opioid • Kopfschmerzen, Schwindel. Stim- • Antagonist: Naloxon
Einzeldosis: • reduziert
starke und mungsveränderungen • unter aseptischen Bedin­
0,05–0,1 mg/kg stärkste Schmerzen • Schlaflosigkeit, Denkstörungen, gungen verdünnte Lösung
DTI: Wahrnehmungsstörungen, Hallu- für 24 Std. bei RT haltbar
0,01–0,1 mg/kg/Std. zinationen, Verwirrtheit
• Erbrechen, Appetitlosigkeit
• Miktionsstörungen
• Schwitzen, Überempfindlichkeits-
reaktionen der Haut
22.6  Diuretika 403

22.5  Relaxanzien
Tab. 22.5  Muskelrelaxanzien.
Wirkstoff, Handelsname Wirkungen unerwünschte Wirkun- Besonderheiten
und Dosierung gen
Vecuroniumbromid • kurzwirksames nicht- • selten zu beobachten • Antagonist: Neostigmin
z. B. Norcuron® depolarisierendes • lähmt die Atemmuskulatur, des-
Einzeldosis: Muskelrelaxans halb vorher Sedativa/Hypnotika
0,1 mg/kg i. v. verabreichen
DTI: • Injektionslösung nach Zubereitung
0,1 mg/kg/Std. für 24 Std. bei 2–8 °C haltbar
Pancuroniumbromid • langwirksames nicht- • selten zu beobachten • Antagonist: Neostigmin
z. B. Pancuronium® depolarisierendes • Injektionslösung sofort verwenden
Einzeldosis: Muskelrelaxans
0,08–0,1 mg/kg i. v.
Suxamethoniumchlorid langwirksames depola- • Muskelfaszikulation • aufgrund der Depolarisation keine
z. B. Lysthenon® 1 % risierendes Muskelrela- • postoperative Muskel- Antagonisierung möglich
Einzeldosis: xans schmerzen • Injektionslösung sofort verwenden
1–1,5 mg/kg i. v. • allergische
Reaktionen
an der Injektionsstelle

22.6  Diuretika
Tab. 22.6  Diuretika.
Wirkstoff und Han- Wirkungen unerwünschte Wirkungen Besonderheiten
delsname
Furosemid • diuretisch • Elektrolytverlustedurch die ge- • unter
aseptischen Be­
z. B. Lasix® steigerte Diurese dingungen verdünnte
Einzeldosis: • Hypovolämie mit RR-Abfall Lösung für 24 Std.
0,5–1 mg/kg i. v. • evtl. Exanthem bei RT haltbar
1–2 mg/kg p. o. • Risiko eines PDA erhöht
max. Tagesdosis: • Hörstörungen
10–15 mg/kg
Etacrynsäure diuretisch, jedoch etwas anderer • Elektrolytverlustedurch die ge-
z. B. Hydromedin® Wirkmechanismus als bei Furose- steigerte Diurese
mid, daher oft noch wirksam, • Hypovolämie mit RR-abfall
wenn Furosemid versagt
Hydrochlorothiazid • diuretisch • Störungen im Flüssigkeits- und
z. B. Esidrix® • RR-Senkung Elektrolythaushalt (K, Na, Mg, Cl
⇊, Ca, Glukose, Serumlipide, 22
Harnsäure ⇈)
• Magen-Darm-Beschwerden
• Appetitlosigkeit
• Glukosurie
404 22  Medikamente

22.7  Medikamente zur Reanimation


Tab. 22.7  Medikamente zur Reanimation.
Indikation Dosierung Applikationsform
Adrenalin z. B. Suprarenin® 1 : 1.000 (1 mg/ml)
• Asystolie Kinder ≤ 8 Jahre
• Bradyarrhythmie • 0,01 mg/kg Kg (= 0,1 ml/kg KG einer 1 : i. v. oder intraossär
10.000-Lösung) endotracheal
• 0,1 mg/kg KG (= 0,1 ml/kg KG einer 1 :
1.000-Lösung) in 3–5 ml NaCl 0,9 % intravenös oder intraossär
• bei Erfolglosigkeit alle 3–5 Min. wiederholen
• Ggf. dann 0,1–0,2 mg/kgK G (0,1–0,2 ml/
kg KG einer 1 : 1.000-Lösung)
Kinder > 8 Jahre
• 1 mg (10 ml einer 1 : 10.000) Lösung (20 ml i. v. oder intraossär
NaCl 0,9 % nachspritzen) endotracheal
• 2–2,5 mg (2–2,5 ml einer 1 : 1.000-Lösung)
in 5–10 ml NaCl 0,9 % intravenös
• bei Erfolglosigkeit alle 3–5 Min. wiederholen
• Ggf. bis 0,2 mg/kg KG (0,2 ml der 1 :
1.000-Lösung)
Atropin
• symptomatische Bradykardie • 0,02 mg/kg KG • i. v., endotracheal
• AV-Block II. und III. Grades • mind. 0,1 mg/kg KG • intraossär

Natriumhydrogenkarbonat 8,4 %
• Ausgleich der Azidose • 8,4-prozentige Lösung 1:1 mit Aqua verdün- • i. v.
nen • intraossär
• 4,2-prozentige Lösung pur verabreichen (nie gemeinsam mit Katechola-
• Menge abhängig von der Blutgasanalyse minen geben, da es sonst zu
deren Wirkungsverlust kommen
kann; möglichst zentral verab-
reichen wegen Nekrosegefahr)
Calciumglukonat 10 %
• Hypokalzämie • 0,5–1 ml/kg KG • intravenös
• Hyperkaliämie
• Intoxikation mitCa-Antagonisten
(z. B. Adalat®)
• elektromechanische Entkoppelung

Amiodaronhydrochlorid
z. B. Cordarex®
22 • tachykarde supraventrikuläre und • 5 mg/kg KG innerhalb von drei Min. • intravenös als Bolus oder
ventrikuläre Rhythmusstörungen Kurzinfusion
• nur mit Glukose 5 % mischen

LITERATUR
1. www.toxcenter.de/chemie-notfall/ (Letzter Zugriff am 3. www.rote-liste.de (Fachinformationen) (Letzter Zugriff
19.1.2012) am 19.1.2012).
2. Wigger, D.; Stange, M.: Medikamente in der Pädiatrie: In-
klusive Neonatologie/Intensivmedizin. Elsevier Verlag,
München, 2006.
22.8  Homöopathie 405

22.8  Homöopathie • Bei einer Heilreaktion (Erstverschlimmerung)


Katja Knab Mittel zunächst absetzen, bis die Reaktion voll-
ständig überwunden ist.
Homöopathische Mittel werden eine ½ Std. bzw.
Einführung kurz vor den Mahlzeiten eingenommen. Die Globuli
Die Homöopathie wurde vor mehr als 200 Jahren lässt man bei der Trockengabe entweder auf der
von Samuel Hahnemann (1755–1843) begründet. Zunge oder in der Wangentasche langsam zergehen.
Nach einer homöopathischen Anamnese durch eine Bei der verklepperten Anwendung gibt man die Lö-
hierfür ausgebildete Pflegekraft oder einen Arzt, er- sung mittels Plastiklöffel oder Spritze in die Wan-
hält der Patient gemäß der Ähnlichkeitsregel („simi- gentasche.
lia similibus curentur“) eine homöopathische Arz-
nei, deren Arzneimittelbild dem Beschwerdebild Dosierungsbeispiel von Ferrum phosphoricum C30 zur
ähnlich ist. Bei NG und Kindern erfolgt die Verab- Schleimmobilisierung bei Infekten der oberen Luftwege:
reichung in Form der „Globuli“ in entsprechender • 1. Tag Trockengabe von je 3 Globuli im Abstand von
Potenz einmalig trocken oder verkleppert über meh- ca. 8 Std. vor den Mahlzeiten
rere Tage. • 2. Tag Beginn der verklepperten Gabe; hierzu 5 Glo-
buli in 100 ml Wasser lösen und 5 TL über den Tag
verteilt verabreichen
Anwendung in der Klinik • 3. Tag 4 TL …
Die Homöopathie kann als Akuttherapie bei ver- • 4. Tag 3 TL …
schiedenen Erkrankungen während eines stationä- • 5. Tag 2 TL …
ren Aufenthaltes in der Klinik angewendet werden. • letzter Tag der Therapie 1 TL am Tag einnehmen
Eine konstitutionelle Therapie hingegen ist nur nach oder verabreichen
einer vor dem Aufenthalt erfolgten homöopathi- Sind die Symptome dann noch nicht vollständig ver-
schen Therapie mit ausführlicher Anamneseerhe- schwunden, sollte der Therapeut kontaktiert werden, um
das weitere Procedere abzusprechen.
bung sinnvoll.
Die homöopathische Therapie erfolgt begleitend
zu den bewährten, schulmedizinischen Maßnah- Krankheitsbilder
men. Eine vorherige, ggf. schriftliche Absprache und Je weniger homöopathisch ausgebildete Kräfte es auf
Einverständnis durch die Eltern ist unabdingbar. einer Station gibt, desto wichtiger ist die Festlegung
von Krankheitsbildern, die homöopathisch thera-
Potenzen piert werden sollen bzw. in Absprache mit der Kli-
Hahnemann erfand ab ca. 1810 die Methode zur nik- und Stationsleitung therapiert werden dürfen.
Herstellung von C-Potenzen (Centesimalpotenzen). Bei FG und NG sind häufige Indikationen zur ho-
Dies bedeutet eine Verdünnung der Ursubstanz mit möopathischen Begleittherapie Meteorismus, Ikte-
1 : 100 plus 10 Schüttelschläge. C30 bedeutet 30 Po- rus, Unruhe, Entzugssymptome nach Analgosedie-
tenzierungsschritte nach dem Verfahren für C-Po- rung oder mütterlichem Abusus, Hautveränderun-
tenzen. C-Potenzen werden heute noch am häufigs- gen und gastro-ösophagealer Reflux. Bei intensiv-
ten verwendet. Dazu gehören die Potenzen der pflichtigen Kindern jenseits des 1. Lj. sind es Fieber,
Kent-Reihe: C6, C12, C30, C200, C1000. Im Klini- Pneumonie, Schmerzen nach Operationen, Wund-
kalltag findet die C30-Potenz den meisten Zuspruch. heilungsunterstützung oder Verbrennungen. Die 22
Indikationen entsprechen den Schwerpunkten der
Einnahmeregeln Klinik.
• Homöopathische Mittel so oft wie nötig und so
selten wie möglich verabreichen. Erstverschlimmerung
• Je akuter und ernsthafter eine Krankheit ist, desto Je genauer ein homöopathisches Mittel passt und je
häufiger ist die Mitteleinnahme zu wiederholen. höher die eingenommene Potenz ist, desto häufiger
• Wenn sich Krankheitssymptome deutlich bessern, kommt es zur Erstverschlimmerung. Dabei wer-
homöopathische Mittel nicht mehr einnehmen. den die Beschwerden kurz nach der Einnahme des
406 22  Medikamente

Tab. 22.8  Mögliche homöopathische Ansätze (in Anlehnung an das homöopathische Repetitorium).
Beispiel mögliche Homöo- vorherrschende Symptome
pathika
zähes Sekret Kalium bichromicum • wertvoll bei dickem, gelbem, fädenziehendem Sekret
Hydrastis canadensis • ähnliche Symptome wie Kalium, aber Sekret bereits beginnend blutig
Mercurius solubilis • eitriges,
grünliches Sekret, dick belegte Zunge mit Zahneindrücken, Speichel-
fluss und nächtliches Schwitzen
Hepar sulfuris • schmerzhafte,
berührungsempfindliche Sinusitis mit gelber, stinkender „Rotz-
nase“, Kinder sind sehr kälteempfindlich, besonders bei unbedecktem Kopf
Medorrhinum • zähes, grünes Sekret
Silicea • bei zierlichen, leicht fröstelnden Kindern
Thuja • Neigung zu gelben oder grünen Nasensekreten
Wundbehand- Calendula • speziell
für Schürfwunden, Platzwunden, Wunden mit angerissenen Rändern,
lung die zur Infektion neigen, großflächige Wunden, schlecht heilende Wunden
Carbolicum acidum • verschmutzte
oder tiefe Wunden, Risswunden, angeschwollenes Wundgebiet,
Knochenbruch, juckende Wundschmerzen
Hamamelis • Prellungen,
Wunden mit Hämorrhagie, fördert die Wundheilung, lindert
Schmerzen, gut gegen Blutergüsse, gegen schmerzhafte Thrombose, Ulkusbil-
dung
Hypericum • Stich-
und Splitterwunden, Nervenverletzungen, Bisswunden, Schmerzen im
Wundgebiet
Staphisagria • glattrandige
Schnittwunden, auch nach chirurgischen Eingriffen, bei langsamer
Heilungstendenz, Verletzungen mit scharfkantigen Gegenständen
Obstipation Kalzium carbonicum • geeignet
bei kräftigen, runden und zufriedenen Babys und Kindern, Schweiß-
neigung am Kopf und Nacken, häufig kalte, feuchte Füße, Entwicklung ist et-
was verzögert
Alumina • zarte, empfindliche Kinder, Stuhl geht schwer ab, erfordert starkes Pressen
Opium • fehlender
Stuhl, häufig Erbrechen wegen der Verstopfung. Harte, schwarze
Kotballen (Skyballa)
Plumbum • Bauchkoliken bei extremer Verstopfung, Bauch ausladend und hart
unruhiger Belladonna • plötzlicher Beginn, plötzliches Ende
Säugling • rotes, heißes Gesicht, kalte Extremitäten, weite Pupillen.
• Kopf ins Kissen gebohrt
• krampfartige Bauchschmerzen um Nabel
• Verschlimmerung durch Berührung, Erschütterung, Liegen

Chamomilla • verzweifelt und außer sich vor Schmerzen


• ärgerliche Reizbarkeit, mag keine Berührung
• eine Wange rot, die andere blass, Finger im Mund, Kopfschweiß
• Besserung durch Herumtragen, Schaukeln, Bewegung
22
Nux vomica • nachts verstopfte Nase
• zorniges Schreien durch Trinkschwierigkeiten wegen verstopfter Nase
• hastiges Trinken, Blähungskoliken
• Verschlimmerung durch Liegen auf dem Rücken, v. a. nach Mitternacht

Kalzium phosphori- • zarte, schwächliche, untergewichtige Säuglinge, unzufrieden


cum • drehen sich hin und her, Reizbarkeit mit Verlangen getragen zu werden
• Milchunverträglichkeit; grünliche, übel riechende Durchfälle
• Verlangen nach Abwechslung
22.8  Homöopathie 407

Tab. 22.8  Mögliche homöopathische Ansätze (in Anlehnung an das homöopathische Repetitorium). (Forts.)
Beispiel mögliche Homöo- vorherrschende Symptome
pathika
Unterstützung Carbo vegetabilis • schwächlich, schlechter Ernährungszustand
bei Entzugs- • übel riechender Stuhl, massiv geblähter Bauch, besser durch Blähungsabgang
symptomen • kalte Unterschenkel und Füße, kalter Schweiß

Kephalhäma- Arnica • posttraumatischeSchwellung, Berührungsempfindlichkeit, Kopfschmerzen,


tom Schreckhaftigkeit; Bluterguss und Schwellung
Icterus neona- Aconitum • Schockunter der Geburt, Herausgerissen werden, plötzliche Abkühlung, peri-
torum natale Komplikationen, Sectio
Chamomilla • gequält wirkende Neugeborene
Nux vomica • Nach Behandlung der Mutter mit Wehenmittel, Sedativa oder Narkotika
Phosphorus • starker Bezug zu Lebererkrankungen; hämolytischer Ikterus
kindliche Arsenicum album • ängstliches,
gereiztes Kind, hat Furcht beim ins Bett gehen, Schlafstörungen,
Schlafstörun- besonders zwischen Mitternacht und 3 Uhr durch z. B. Träume, Ängste, Unru-
gen he, Zähneknirschen; Verlangt nach der Nähe der Eltern
Coffea • Kind
findet nicht zur Ruhe, z. B. wenn das Erlernte am Abend noch im Kopf
umher geht. Mischung aus Übermüdung und Munterkeit, kann die Gedanken
nicht abschalten
Cypripedium pube- • bewährt
bei anhaltender Tag-Nacht-Rhytmusstörung, Kind macht Nacht zum
scens Tage, möchte mitten in der Nacht z. B. spielen, singen
Nux vomica • reizbare
Kinder, neigen zu Zornausbrüchen. Weinen und Sprechen im Schlaf,
Erwachen häufig zwischen 2 und 4 Uhr; Schlafstörungen durch Sorgen oder
Ärger; träumen häufig z. B. von Schulproblemen, Streitereien
Pulsatilla • spätes,
schwieriges Einschlafen, langes Ausschlafen morgens. Pulsatilla-Kinder
sind anhänglich-ängstlich und gefühlvoll, daher Trennungsängste beim Zubett-
gehen, Bedürfnis nach Geborgenheit in der Nacht, Kinder sprechen oder wei-
nen im Schlaf
Sulfur • umtriebige,
durchsetzungsfähige Kinder, sie sind abends munter (Nachtmen-
schen), haben ein geringes Schlafbedürfnis. Häufiges Erwachen nach Mitter-
nacht, Hitzegefühl, deckt sich gerne ab, besonders an den Füßen oder schläft
nackt

VORSICHT
homöopathischen Mittels zunächst schlimmer, be- Eine Verschlimmerung der Symptome kann außer einer
vor sie dann wie erhofft langsam besser werden. Erstverschlimmerung auch eine echte Verschlimmerung
Diese Erstverschlimmerung ist aus homöopathi- der Krankheit sein, weshalb sie nicht ausnahmslos als
scher Sicht ein gutes Zeichen, sofern sie nur wenige gutes Zeichen zu werten ist.
Stunden anhält und keine bedrohlichen Formen an-
nimmt.
Sie deutet darauf hin, dass der Körper das Mittel Wirkungsminderung bzw. -unterstützung 22
„erkennt“ und seine Selbstheilungskräfte aktiviert, Wirkungsminderung möglich durch:
um die Krankheit zu bekämpfen. Während der Erst- • Kaffee, schwarzen bzw. grünen Tee
verschlimmerung erfolgen keine weiteren Gaben des • alkoholische Getränke
homöopathischen Mittels. • Rauchen
Zur Aufhebung des Mittels, z. B. bei starker Erst- • aufputschende, beruhigende oder anderweitig
verschlimmerung, kann man Kampfer oder Menthol psychisch verändernde Substanzen
verabreichen, z. B. durch Gabe von Pfefferminztee • Kampfer, Menthol oder andere ätherische Öle
oder Kampfer in Zahnpasta. • mentholhaltige Zahnpasta und Kaugummi
408 22  Medikamente

Wirkungsunterstützung durch: • Therapie nur nach Aufklärung von Erziehungsbe-


• ausgewogene Ernährung rechtigten und betreuendem medizinischem Per-
• ausreichend Vitamine, Mineralien und Frisch- sonal, um Beobachtung der Wirkungen und un-
kost in der Ernährung erwünschten Wirkungen zu gewährleisten und
• regelmäßige körperliche Bewegung damit optimale homöopathische Therapie zu er-
• regelmäßigen und ausreichenden Schlaf möglichen

Wichtige Aspekte Diskussion


• Behandlung von FG ab Gewicht ≥1500 g bzw. ab Richtig angewendet ist die Homöopathie eine gute
der 30. SSW Ergänzung zur Schulmedizin und sollte auch auf der
• bei NG und FG keine Potenzen über C30 Kinderintensivstation unterstützend eingesetzt wer-
• Behandlung von intensivpflichtigen Kindern und den.
NG erst, wenn Krankheitsbild geklärt und Stabili- In Zukunft sollten klinische Studien durchgeführt
sierung nicht durch Erstverschlimmerung ge- werden, um die Wirksamkeit der Homöopathie zu
fährdet ist belegen und das Vorurteil gegenüber den „Zucker-
• homöopathische Behandlung nur durch medizi- kügelchen“ zu entkräften.
nisches Personal mit entsprechender Zusatzaus-
bildung LITERATUR
• genaue, nachvollziehbare und exakte Dokumen- 1. Pfeiffer, H.; Drescher, M.; Hirte, M.: Homöopathie in der
Kinder und Jugendmedizin. Elsevier Verlag, München,
tation der Verabreichung und ggf. auftretender 2007.
Nebenwirkungen bzw. einer Erstverschlechte- 2. Hirte, M.: Differenzierung homöopathischer Kindermittel.
rung Elsevier Verlag, München, 2008.
3. Scheiwiller-Muralt, E.: Homöopathie bei akuten Erkran-
kungen und Notfällen. Elsevier Verlag, München, 2010.

22
KAPITEL

23 Anhang
Normalwerte für Laboruntersuchungen
Michael Schroth

Hämatologie

Rotes Blutbild

Alter Hämoglobin fetales Hämoglobin Erythrozyten Retikulozyten Hämato­


(g/dl) (HbF) (% Hb) (Mio/μl) (‰ Erys) krit (%)
1.–3. LT 14,5–22,5 70–95 4,0–6,0 15–65 45–67
7. LT 12–22 51–68 4,4–5,9 5–15 36–66
2. Monat 9–14 11–33 2,7–4,9 3–15 28–42
3.–6. 9,5–13,5 0,2–12 3,1–4,5 5–16 29–41
Monat
2–9 11–15 < 1,3 4,0–5,3 3–15 35–47
­Jahre
10–14 12,4–15,8 4,5–5,7 3–15 38–49
Jahre
Erwach- 12,1–17,9 4,0–6,0 3–15 38–54
sene

Weißes Blutbild (manuelle Differenzierung)

Parameter Säuglinge Kinder Erwachsene


Leukozyten (Gesamtzahl) (103/μl) 9–15 8–12 4–9
neutrophile (%) 25–65 30–75 40–75
stabkernige (%) 0–10 0–10 3–5
segmentkernige (%) 25–65 25–65 50–70
eosinophile (%) 1–7 1–5 2–4
basophile (%) 0–2 0–1 0–1
Monozyten (%) 7–20 1–6 2–6
Lymphozyten (%) 20–70 25–50 25–40
410 23  Anhang

Gerinnung und Thrombozyten

Parameter Neugebore­ Kinder Erwachsene Erwachsenenwerte


ne/Säuglinge erreicht nach:
Quick-Test 40–100 70–100 70–100 1–4 Wochen
(%)
PTT (Sek.) 30–54 25–41 27–40 6 Monaten
Fibrinogen 170–300 260–380 160–400 bei Geburt
(mg/dl)
Antithrombin 40–85 80–120 80–130 6 Monaten
III (%)
Thrombozyten 100–350 175–375 160–350
(103/μl)
Blutungszeit 2–7
(Min.)
D-Dimere < 0,5
(mg/l)

Klinische Chemie

Elektrolyte (in der Regel Serum)

Parameter Neugeborene/Säuglinge Kinder Erwachsene


Natrium (mmol/l) 129–147 132–145 135–145
Chlorid (mmol/l) 93–112 95–111 95–108
Chlorid (Schweiß) (mmol/l) 2,5–22,1 0–31,5 1,5–38,3
Osmolalität (mosm/kg) 275–312 253–294 260–296
Kalium (mmol/l) 3,6–6,1 3,7–5,8 3,1–5,2
Kalzium (gesamt) (mmol/l) 1,8–2,80 2,0–2,7 2,1–2,6
Kalzium (ionisiert) (mmol/l) 1,1–1,5 1,2–1,3 1,2–1,3
Magnesium (mmol/l) 0,85–1,15 0,7–1,05 0,6–1,1
Phosphat (mmol/l) 1,6–3,1 0,9–1,6 1,1–2,0

Glukose, oraler Glukosetoleranztest, Galaktose (Serum, Vollblut)

Parameter Säuglinge, Kinder und Erwachsene


Galaktose (mg/dl) < 7,4
23 Glukose (Vollblut, nüchtern) (mg/dl) 40–60 (Frühgeborene)
Glukose (Vollblut, nüchtern) (mg/dl) 40–90 (Neugeborene)
Glukose (Vollblut, nüchtern) (mg/dl) 60–90 (Säuglinge)
Glukose (Vollblut, nüchtern) (mg/dl) 60–100 (Kinder)
  Klinische Chemie 411

Glucosetoleranztest (orale Gabe von 2 g/kg Oligosaccharide)


nach 1 Std. < 150 mg/dl
nach 2 Std. < 130 mg/dl

Retentionsparameter (Nierenwerte, Serum)

Parameter Neugeborene/Säug­ Kinder Erwachsene


linge
Harnstoff-N (mg/dl) 10–20 6–21 6–24
Kreatinin (mg/dl) 0,1–1,2 0,2–0,7 0,6–1,2

Harnstoff – Stickstoff (BUN) nicht gleich Harnstoff gesamt


Entzündungsparameter, Immunglobuline (Serum)
Parameter Neugeborene/Säuglinge Kinder Erwachsene
BSG (mm/h) 1–2 9–12 3–8
CrP (mg/l) < 10 <5 <5
IgG (g/l) 7–20 4–13 7–18
IgM (g/l) nicht nachweisbar 0,5–2,0 0,5–2,2
IgA (g/l) 0,1–0,7 0,2–1,3 0,4–2,4

Leber – und Pankreaswerte (Serum)

Parameter Neugeborene/Säuglinge Kinder Erwachsene


alkalische Phosphatase (U/l) 115–590 125–580 50–190
Bilirubin (direkt) (mg/dl) < 1,2 < 0,3
Bilirubin (gesamt) (mg/dl) 2–6 (1. LT) 6–12 (2. LT) 4–16 (3.– 0,1–0,8 0,1–1,3
5. LT)
Cholinesterase (kU/l) 3,5–8,5
γ-GT (U/l) 14–163 3–17 5–30
GOT (ASAT) (U/l) 6–38 5–22 5–17
GPT (ALAT) (U/l) 4–32 5–21 5–19
LDH (U/l) 200–840 130–340 120–240
α-Amylase (U/l) < 50
Lipase (U/l) < 80

23
412 23  Anhang

Stoffwechselparameter/-produkte (in der Regel Serum)

Parameter Neugeborene/Säug­ Kinder Erwachsene


linge
Ammoniak (N-μg/dl) 51–245 41–82 24–65
CK (gesamt) (U/l) 17–136 16–94 10–80
CK-MB 4–8
(% Gesamt-CK)
Eiweiß (gesamt) (g/l) 45–69 46–73 59–80
Harnsäure (mg/dl) 0,6–5,5 1,1–5,5 1,9–5,9
Laktat (mg/dl) 8,1–16,2
Eisen (μg/dl) 36–183 36–157 43–186
Ferritin (μg/dl) 90–770 250–950 160–770
Transferrin (mg/dl) 100–250 200–400 200–400

Eiweißelektrophorese (Serum)

Parameter Neugeborene/Säuglinge Kinder Erwachsene


Albumin (g/l) 33–45 37–52 40–53
α1-Globulin (g/l) 1–3 2–4 2–5
α2-Globulin (g/l) 4–8 5–10 4–9
β-Globulin (g/l) 4–8 6–11 9–13
γ-Globulin (g/l) 4–17 5–20 10–20

Blutgasanalyse (arteriell)

Parameter direkt nach 5–10 Min. nach 1 Std. nach danach


­Geburt ­Geburt ­Geburt
pH 7,11–7,36 7,09–7,30 7,21–7,38 7,35–7,45
paO2 (mmHg) 8–24 33–75 55–80 83–108
paCO2 (mmHg) 27–40 27–41 35–45 35–45
Base Excess −1bis −2 −7 bis −1 −3 bis +3 −3 bis +3
(mmol/l)

Urinanalytik

Parameter Normalwert
Status
Erythrozyten < 5/μl (normal) 5–10/μl (verdächtig) > 10/μl (möglicherweise pathologisch)
23
Leukozyten < 20/μl (normal) 20–50/μl (verdächtig) > 50/μl (möglicherweise pathologisch)
pH 5,0–7,0
Glukose < 100 mg/d/1,73m2
  Klinische Chemie 413

tubuläre Funktion
Natrium 0,5–4,9 mmol/kg/d
fraktionelle Nat- < 1,2 %
riumexkretion
Kalzium 1–2 mmol/l
Kupfer 5–120 μmol Kupfer/mol Kreatinin
Phosphat 0,1–0,6 g/l
tubuläre Phosphat- > 90 %
rückresorption
Eiweiß < 150 mg/d/1,73m2
Albumin < 17 mg/l
renale Funktion/Filtration
Kreatinin 8–15 mg/kg/d
Kreatininclearance 39–62 ml/Min./1,73m2 (Neugeborene) 53–104 ml/Min./1,73m2 (Säuglinge) 124–
149 ml/Min./1,73m2 (Kinder)
Harnstoff-N 0,15–4,0 g/d (Säuglinge) 8–20 g/d (Kinder)
Osmolalität < 600 mosm/l 200–1.300 mosm/kg

Steuerungstabelle zur Prophylaxe der Frühgeborenen-Osteopathie


< 0,28 < 2,92 Ca- und P-Zufuhr erhöhen
2,92–8,0 Ca-Zufuhr erhöhen
> 8,0 Ca-Zufuhr erhöhen
0,28–1,13 < 2,92 P-Zufuhr erhöhen
2,92–8,0 Normalbefund
> 8,0 Kontrolle, evtl. P-Zufuhr mindern
> 1,13 < 2,92 P-Zufuhr erhöhen
2,92–8,0 24 Std. Ca-Ausscheidung, evtl. Ca-Zufuhr mindern
> 8,0 Kontrolle, evtl. Ca- und P-Zufuhr mindern

Liquoranalytik

Parameter Neugeborene Kinder


Status
Zellzahl (Zellen/μl) < 22 <5
Glukose (% der Blutglukose) 45–80 45–80
Differentialdiagnostik
Albumin (mg/dl) 10–17 11–35
23
Eiweiß (gesamt) (mg/dl) 15–150 10–50
Laktat (mg/dl) 8–25 8–25
414 23  Anhang

Parameter Normal­ eitrige virale Meningitis tuberkulöse Meningitis


befund ­Meningitis
Druck (Punkti- kein erhöht mäßig erhöht mäßig erhöht
on)
Aussehen klar trüb klar klar (Spinngewebsgerinnsel)
Eiweiß Siehe Norm- erhöht leicht erhöht mäßig erhöht
werte
Zucker Siehe Norm- erniedrigt normal oder leicht stark erniedrigt
werte erhöht
Zellen Siehe Norm- > 300/μl 20–300/μl 20–300/μl
werte
Erreger-Diag- keine Ausstrich bzw. Serum Titer bzw. mikroskopisch bzw. PCR
nostik Grampräparat PCR

23
Index 415

Index

α-Amylase  414 Assessment, pflegerisches  48 ––Duschen  105


γ-GT  414 Asthma bronchialis  244 ––Entfaltungsmassage, kommunika-
Aszitespunktion  159 tive  105
A Atelektase, Prophylaxe  139 ––Ganzkörperwaschung bei
AB0-System  172 Atemgeräusche  61 ­Hemiplegie  103
Abdomen ––Entfaltungsknistern  61 ––Ganzkörperwaschung  101
––akutes  339 ––Husten  62 ––Ganzkörperwaschung, basal
––Palpation  65 ––Pleurareiben  62 ­stimulierende  104
––Quadranten  66 ––Rasseln  61 ––Ganzkörperwaschung,
Abdominalatmung  59 ––Stridor  61 ­belebende  103
Abklopfen  140 Atemnotsyndrom  234 ––Ganzkörperwaschung, beruhi-
Absaugen, endotracheales  211 Atemstimulation, Flutter  252 gende  103
Absaugkatheter  212 Atemunterstützung, physika- ––Ganzkörperwaschung, entfal-
Absaugsystem, geschlossenes  212 lische  231 tende  102
Abstoßung  255, 298 Atemwegsdruck, mittlerer  223 ––Ganzkörperwaschung,
Abwehr, taktile  100 Atemzeitverhältnis  222 ­geführte  104
Acetylcystein  395 ATG  254 ––Grundlagen  97
Adenosin  399 Atmung ––Habituation  96
Adrekar®  399 ––Einziehungen  60 ––Initialberührung  99
Adrenalin  397, 404 ––Normwerte Frequenz  59 ––Kauanregung  111
––Notfall  379 ––pathologische  59 ––Lagerung, umgrenzende  101
Adult respiratory distress ––physiologische  59 ––Taktile Abwehr  100
­syndrome  246 ––Qualität  60 ––Wahrnehmung, auditive  112
Aktivkohle  370, 374 ––Rhythmus  59 ––Wahrnehmung, olfakto-
Alginat  191 ––Typen  59 rische  108
Alupent®  398 ––Überwachung  59 ––Wahrnehmung, orale  108
Ambroxolhydrochlorid  395 ––Verletzung, thermische  358 ––Wahrnehmung, taktil-hap-
Amiodaronhydrochlorid  399, 404 Atresie tische  112
Ammoniak  414 ––Dünndarm  329 ––Wahrnehmung, vestibuläre  106
Angehörige  9 ––Duodenum  329 ––Wahrnehmung, vibratorische  107
––Hygiene  9 ––Ösophagus  327 ––Wahrnehmung, visuelle  113
––Rundengespräch  47 Atrioventrikulärer Block  273 ––Zielgruppe  96
Angst Atropin  404 Bauchlagerung  122
––Eltern  22 Atropinsulfat  374 Bauchmassage  92
––kindliche  21 Atrovent®  395 Beatmung  203
Anisokorie  55 Aufnahme ––Absaugen, endotracheales  211
Anleitung, Eltern  24 ––Früh- und Neugeborene  42 ––druckkontrollierte  216
Anpassungsstörung, kardiorespira- ––Kind  43 ––druckunterstützte  217
torische  240 Augenpflege  90 ––Entwöhnung  224
––Ductus arteriosus Botalli, persistie- Augenspülung  91 ––Maske  224
render  241 Außerklinischer Arbeitsplatz  48 ––Monitoring  209
––Hypertension des Neugeborenen, Ausscheidung  92 ––Parameter  222
persistierende pulmonale  240 Ausstreichung  100 ––PEEP  222
Antidotbehandlung  373 Austauschtransfusion  344 ––Pflege  208
Antiseptikum  188 Autostimulation  114 ––Reanimation  376
Apathie  53 AV-Block  273 ––Tubuspflege  209
Aphthen  86 ––Überwachung Gerät  223
Apnoe  60 B ––volumenkontrollierte  216
Apoptose  128 Baden  104 ––volumenunterstützte  218
APVC  48 Basale Stimulation®  95 Beatmungsbeutel  206
ARDS  246 ––Ausstreichung  100 Beatmungsmaske  206
Arterenol®  398 ––Autostimulation  114 Beatmungsmuster  215
Arterienkatheter  184 ––Baden  104 ––außerklinisches  48
Aspiration  247 ––Berührungsqualität  100 ––CPAP  218
416 Index

––druckkontrolliert  216 Buddhismus  28 ––offene  171


––druckunterstützt  217 Budesonid  396 ––Perikard  166
––Mischformen  217 Bülau-Drainage  162 ––Pleura  162
––volumenkontrolliert  216 Bulbusstellung  57 ––Redon  170
––volumenunterstützt  218 Button  152 ––Robinson  171
Becherfütterung  149 ––Wunde  170
Bedside-Test  174 C Druck
Berliner Blau  374 Calciumglukonat  374, 404 ––Kurvendarstellung  82
Berufsethik  2 Cardiac-Lagerung  124 ––linksatrialer  81
––Kodex DGF  3 Cellcept®  254 ––intrakranieller  81
––Kodex ICN  3 C-Griff  148, 149 ––Normwert  81
Beruhigungssauger, Hygiene  14 Cheyne-Stoke-Atmung  59 ––Normwerte  80
Berührung  98 Chlorid  414 ––pulmonalarterieller  80
Berührungsqualität  100 Chylothorax  293 ––Referenzpunkt  82
Betreuungsplan  45 Ciclosporin A  254 ––Referenzwerte  82
Betreuungsübernahme  37 CK  414 Du-Botschaft  49
Bewältigungsprozess  22 Cordarex®  399 Ductus arteriosus Botalli, persistie-
Bewegung, spiralige  117 Corotrop®  398 render  241
Bewusstseinslage  53 Cor pulmonale  244 Dünndarmatresie  329
––Einschätzung  53 CPAP  218 Duodenalatresie  329
––Glasgow Coma Scale  54 Cromoglicinsäure  396 Duschen  105
––Pupillenreaktion  55 Dysplasie
––Schmerzreiz  54 D ––bronchopulmonale  239
––Stadien  53 Dachziegelverband  164 ––Gallengänge  333
––Überwachung  53 DanCer-Hold  150 Dyspnoe  60
Bilirubin  414 Darmrohr  93
Biografiebogen  33 Defäkation  92 E
Biot-Atmung  59 Deferoxamin  374 ECMO  256
BIPAP  218 Defibrillation  382 ––Komplikationen  257
Blasenkatheter  176 Dekubitus  133 ––Patientenübernahme  257
––Entfernung  178 ––Braden Q Skala  136 Eigenreflex  58
––Pflege  177 ––Hautpflege  135 Einlauf  93
––suprapubischer  178 ––Hautstellen, gefährdete  134 Einschwemmkatheter  183
BLS-Algorithmus  375 ––Hilfsmittel, druckreduzierende    Eisen  414
Blutbild 135 Eisen(III)-hexacyanoferrat(II)  374
––rotes  409 ––Prophylaxe  134 Eiweiß  414
––weißes  409 ––Risikoeinschätzung  136 Eiweißelektrophorese  414
Blutdruck  76 ––Stadieneinteilung  134 EKG
––Kurvendarstellung  78 Diabetes insipidus  310 ––Ableitung  71
Blutdruckmessung  76 Dialyse, extrakorporale  317 ––Artefakte  268
––invasive  77 Diazepam  374 ––Überwachung  71
––nicht-invasive  77 DIC  346 EKG-Monitoring  71
––Referenzpunkt  78 Dienstbesprechung  48 Elektrogramm, intramyokardiales   
Blutgasanalyse  414 Digitalis-Antitoxin  374 298
Blutkonservierung  172 Dimercaptopropansulfat  374 Elektrolyte  414
Blutpräparate  173 Dimethylaminophenol  374 Eltern  22
Bolusapplikation  154 Dobutamin  398 ––Anleitung  24
BPD  239 Dobutrex®  398 ––Begleitung  22
Braden Q Scale  136 Dokumentationspflicht  391 ––Betreuung Reanimation  387
Bricanyl®  396 ––Wundversorgung  188 ––Bewältigungsprozess  22
Bronchoparat®  396 Dopamin  398 ––Känguru-Methode  33
Bronchopneumonie  248 D-Penicillamin  374 ––Kind, frühgeborenes  24
Bronchospasmin®  396 Drainagelagerung  126 ––Kind, hirntotes  31
Broviac-Katheter®  186 Drainagen  159 Endotrachealtuben  203
Brusternährungsset  149 ––Ausstreifen  165 Enterale Ernährung  150
Brustkompression  148, 149 ––Liquor  168 Enterokolitis, nekrotisierende   
Brustmassage  149 ––Lokalisation  160 334
––Melken  166 Entfaltungsknistern  61
Index 417

Entfaltungsmassage, kommunika- Fencheltee  87 Glyceroltrinitrat  398


tive  105 Ferritin  414 GOT  414
Entlastungsschnitte  357 FFP  173 GPT  414
Entlassungstermin  47 Fiebersenkung  64 Grundhaltung, wertschätzende  19
Entwicklung Fingerfeeding  149 Guedel-Tuben  207
––geistige  54 Fingerverband  192
––motorische  54 Flächendesinfektion  9 H
––sprachliche  54 Flugtransport  41 Haarwäsche  85
Enzephalitis  314 ––Einflüsse, physikalische  42 Habituation  96
Epinephrin  379 Fluimicil®  395 Haltung, embryonale  116
Erbrechen, induziertes  370 Flumazenil  374 Hämatokrit  410
Ernährung  145 Flüssigkeitsbilanz  70 Hämatom
––Bolusapplikation  154 Flutter  252 ––epidurales  308
––Dekubitusprophylaxe  136 Folsäure  374 ––intrazerebrales  308
––enterale  49 Fremdreflex  58 ––subdurales  308
––Intensivpflege, ambulante  49 Fresh Frozen Plasma  173 Hämodialyse  317
––künstliche enterale  150 Frühchenhaltung  147 Hämofiltration  317
––Lungentransplantation  253 Frühchentagebuch  132 Hämoglobin  410
––parenterale  156 Frühgeborene Hämolytischer Zwischenfall  175
––PEG  151 ––Aufnahme  42 Händehygiene  7
––Pumpenapplikation  154 ––Erstversorgung  37 Händewaschen  7
––Schwerkraftapplikation  154 ––Hirnblutung  309 Handflächenregel  351
––Sondennahrung  152 ––Känguru-Methode  33 Handschuhe  9
––Sondierungsverfahren  151 ––Kommunikation  21 Harnableitung, instrumentelle   
––Verletzung, thermische  363 ––Signale  20 176
Ernährungssonde  151 ––Situation der Eltern  24 ––Splint  179
Erstgespräch, pflegerisches  46 ––Sterben  31 ––Urostoma  180
Erstverschlimmerung, Homöopa- ––Transport  39 Harnsäure  414
thie  405 Frühgeborenenlagerung  125 Harnstoff  414
Erstversorgung ––Nestlagerung  126 Hautantiseptik  14
––Atmung  38 Frühmobilisation  119 Hautpflege, Dekubitusprophylaxe   
––Körpertemperatur  38 ––Mobilisation, aktive  120 135
––Material  37 ––Mobilisation, passive  120 Hautschutz  8
––Monitoring  39 Führungsstab  206 Hauttransplantation  361
Ertrinkungsunfall  365 Furosemid  403 ––Hautpflege  362
––Pflege  367 Heimbeatmung  45
Erythrozyten  410 G Heparinblock  187
Erythrozytenkonzentrat  173 Gallengangsfehlbildungen  333 Herz
ESBL  51 Ganzkörperwaschung ––Extrasystolen  269
Escharotomie  357 ––Basale Stimulation®  101 ––Medikamente  396
Ethanol  374 Gastroschisis  330 Herzdruckmassage  378
Ethik  1 GastroTube  152 ––Besonderheiten  384
––Beruf  2 GCS  55 Herzfrequenz  70
––Kodex DGF  3 Gehirnentwicklung, pränatale  128 Herzkatheter  277
––Kodex ICN  3 Geräteeinweisung  47 Herzrhythmusstörung  268
––Komitee, klinisches  5 Geräuschangebot  112 ––bradykarde  273
Ethylendiamintetraacetat  374 Gerinnung ––tachykarde  270
Exit-Site Score  321 ––disseminierte intravasale  346 Herzschrittmacher  274
Externe Ventrikeldrainage  302 ––Normwerte  410 ––Anschluss  275
Extrasystolen  269 Gerinnungspräparate  174 ––Batteriewechsel  277
Extubation  224 Geschlossenes Absaugsystem  212 ––Einstellung  275
––Überwachung  225 Geschwister  26 ––Monitoring  276
Giftentfernung  370 ––Pflege  276
F Giftnotrufzentralen  373 Herztransplantation  297
Facilitated Tucking  131 Glasgow Coma Scale  55 HFOV  221
Familie Glaubersalz  374 Hickman-Katheter  186
––Begleitung  22 Glucagon  374 High volume-low pressure
––psychosoziale Unterstützung  21 Glukose  414 Cuff  205
418 Index

Hilfsmittel Immunsuppression  254 K


––Check  47 ––Bedingungen, häusliche  299 Kalium  414
––druckreduzierendes  135 ––Medikamente  254 Kalzium  414
Hinduismus  28 ––Pflege  296 Kamillentee  87
Hirnblutung  308 Implantierte venöse Dauerkatheter    Kammerflattern  272
––peri- und intraventrikuläre  309 186 Kammerflimmern  272
Hirndruck, erhöhter  169 IMV  215 Kängurumethode  33
Hirndruckmessung  301 Induktionstherapie  296 Kanülenwechsel  228
Hirnödem  312 Infant Handling  115 Kapnometrie, Kurvendarstel-
Hirnstammeinklemmung  167 Infant respiratory distress lung  75
Hirntod ­syndrome  234 Kardioversion  268
––Diagnostik  303 Infektion Katecholamininfusionen  397
––Situation der Eltern  31 ––katheterassoziierte  15 Katheter
HIV-Infektion  349 ––nosokomiale  12 ––arterieller  184
––Verletzungen des Personals  350 ––Pflege  18 ––Heparinblock  187
Hochfrequenzoszillationsbeat- Infusionslösungen  157 ––Hygiene  15
mung  221 Ingestion  368 ––implantierte  186
Homöopathie  405 Inhalation  140, 231 ––Nabelarterie  185
––Erstverschlimmerung  405 Inhalationstrauma  358 ––Nabelvene  183
Hormon, stillrelevantes  145 Initialberührung  99 ––suprapubischer  178
HSM  274 Injektion, Hygiene  9 ––transurethaler  176
Husten  62 Inkubator ––zentralvenöser  181
Hustenstoß, künstlicher  213 ––Aufbereitung  13 Kauanregung  111
Hydrocephalus  313 ––Halleffekt  130 Kausäckchen  111
Hydrofaserverband  191 Intensivpflege, außerklinische  45 Kell-System  172
Hydrogel  190 Intensivstation Kieferverdrahtung, Mundpflege   
Hydrokolloidverband  190 ––Aufnahme  37 88
Hydrops fetalis  344 ––Farbwahl  32 Kinästhetik  115
Hygiene ––Geschwister einbeziehen  26 ––Anatomie, funktionelle  116
––ambulante Intensivpflege  50 ––Kommunikation  19 ––Anstrengung  118
––Angehörige  9 ––Lärm  34 ––Bewegung, menschliche  117
––Beruhigungssauger  14 Interventionen, medizinische    ––Bewegungsräume  116
––Katheter  15 159 ––Funktion, menschliche  118
––Körperpflege  14 Intimsphäre  91 ––Interaktion  115
––Muttermilch  13 Intoxikation  368 ––Körperteile  116
––Punktionen und Injektionen  9 ––Anamnese  368 ––Umgebung  118
––Standardmaßnahmen  7 ––Antidotbehandlung  373 Kind
––Wasser  13 ––Erbrechen, induziertes  370 ––Ängste  21
Hyperbilirubinämie  343 ––Magenspülung  371 ––Aufnahme  43
––Austauschtransfusion  344 ––Sofortmaßnahmen  369 ––Sterben und Tod  28
––Phototherapie  343 Intrakranielle Druckmessung  81 Klistier  94
Hyperkapnie  74 Intrinsic-plus-Stellung  363 Klopfmassage  92
Hyperpyrexie  64 Intubation  203 Knochenmarkpunktion  170
Hypersalivation  86 ––Assistenz  207 Kohlendioxidpartialdruckmessung,
Hypertension, persistierende ––Intubationswege  204 transkutene  74
­pulmonale  240 ––Material  203 Kolostrum  145
Hyperthermie  64 Intubationszange  205 Koma  53
Hyperventilation  59 Invasive Hirndruckmessung  301 ––andauerndes  312
Hypoglykämie  334 IPPV  215 ––diabetisches  341
Hypokapnie  74 Ipratropiumbromid  395 ––Einschätzung  55
Hyposalivation  86 IRDS  234 ––ketoazidotisches  341
Hypothermie, Maßnahmen  63 ––Surfactant Kommunikation  19
––Therapie  235 ––Frühgeborene  21
I Islam  27 ––Intensivstation  19
Ich-Botschaft  49 ––Regeln  49
ICN Ethik-Kodex  3 J Konflikt, Bewältigung  49
Ileus  339 Judentum  27 Königsstuhllagerung  123
Index 419

Koniotomie  226 Laryngoskop  205 Milrinon  398


Kontaktatmung  139 ––Spatel  205 Miosis  56
Kontraktur, Prophylaxe  141 ––Spatelgrößen  205 MMC  306
Körperpflege  101 Lasix®  403 Mobilisation
––Verletzung, thermische  359 LDH  414 ––aktive  120
Körpertemperatur Lebertransplantation  337 ––Dekubitusprophylaxe  134
––Kerntemperatur  62 Leberzirrhose  335 ––passive  120
––Messung, intravesikale  62 Leukozyten  410 Monaldi-Drainage  163
––Messung, ösophageale  62 Licht, Einfluss  129 Monitoring  70, 251
––Messung, rektale  62 Linksatriale Druckmessung  81 Monozyten  410
––Referenzwerte  64 Lipase  414 Motorik  57
––Schalentemperatur  63 Liquor, Normwerte  409 MRE  51
––Überwachung  62 Liquordrainage  168 MRSA  51
Kortikosteroide  254 Liquorpunktion  167 Mucosolvan®  395
Kostaufbau  152 Liquorrhö  306 Mundbodenatmung  60
Krampfanfälle Lobärpneumonie  248 Mund-Nasen-Schutz  8
––Anfallsprotokoll  58 Lungenblähen  223 Mundpflege  86, 253
––Status epilepticus  315 Lungenerkrankung, neonatale    ––Blutungsneigung, erhöhte   
––Überwachung  58 234 88
Kreatinin  414 ––Dysplasie, bronchopulmonale    ––Brackets  88
Kreatininclearance  409 239 ––Durchführung  87
Kübler-Ross  29 ––IRDS  234 ––intubierter Patient  88
Kulturkreise, verschiedene  26 ––Mekoniumaspiration  236 ––Kiefer, verdrahteter  88
Künstliche Ernährung  150 ––Wet-lung-syndrome  237 ––Munddusche  88
Kussmaulatmung  59 ––Zwerchfellhernie  237 Mundpflegelösung  87
Lungenkontusion  245 Muttermilch  145
L Lungenödem  247 ––Abpumpen  145
Lagerung  121 Lungentransplantation  250 ––Hygiene  13
––30°-Seitenlage  122 ––Immunsuppression  254 Mycophenolat-Mofetil  254
––135°-Bauchlage  122 ––Infektionsprophylaxe  252 Mydriasis  56
––A-Lagerung  124 ––Monitoring  251 Myelomeningozele  306
––Bauchlage  122 Lymphozyten  410
––Cardiac-Lage  124 N
––Dekubitusprophylaxe  134 M Nabelarterienkatheter  185
––Drainagelagerungen  126 Magenspülung  371 Nabelpflege  14
––Ebene, schiefe  122 Magnesium  414 Nabelvenenkatheter  183
––Frühgeborenenlagerung    Mandrin  206 N-Acetylcystein  374
125 Mannitol  311 Naloxon-HCL  374
––I-Lagerung  124 Maschinenatmung  60 Nasenflügelatmung  60
––Intrinsic-plus-Stellung  363 Maske, Mund-Nasen-Schutz  8 Nasenkanüle  232
––Königsstuhl  123 Maskenbeatmung  224 Nasenpflege, Rhinoliquorrhö   
––Nest  126 ––Reanimation  377 89
––Nussschale  123 Medikamente  395 Nasensonde  232
––Rückenlage  121 ––herz-kreislaufaktive  396 Natrium  414
––T-Lagerung  124 ––immunsupprimierende  254 Natriumhydrogenkarbonat 8, 4 %   
––Trendelenburg  124 ––Reanimation  405 404
––umgrenzende  101 Medizinprodukte-Betreiberverord- Natriumsulfat  374
––V-Lagerung  124 nung  389 Natriumthiosulfat  374
––Verletzung, thermische  362 Medizinproduktegesetz  389 Nestlagerung  126
LA-Katheter  81 Mekoniumaspiration  236 Neugeborene
Laktat  414 Meningitis  314 ––Aufnahme  42
Laminar-Airflow-Technik    Meningokokkensepsis  348 ––Erstversorgung  37
354 Meningomyelozele  306 ––Hypoglykämie  334
Lärm  34 Mesh graft  361 ––Reanimation  385
––Einfluss  129 Methylenblau  374 ––Sterben  31
––Reduktion  35 Mikroaspirationen  87 ––Transport  39
––Wirkung  35 Miktion  92 Neunerregel  352
420 Index

Nicht-hämolytischer Zwischenfall    Physostigminsalicylat  374 ––Pleura  162


175 Phytomenadion  374 ––Rickham-Kapsel  170
NIDCAP®  128 PiCCO-Katheter  83 Pupillenerweiterung  56
––Ausbildung  132 Plasmapräparate  174 Pupillenreaktion  55
––Subsysteme  130 Pleuradrainage  162 Pupillenverengung  56
Nierenersatztherapie  317 ––Entfernung  165 Pyridoxin-HCL  374
––Peritonealdialyse, kontinuier- ––Überwachung  165
liche  319 Pleurapunktion  162 R
Nierentransplantation  324 ––Lagerung  164 Rasselgeräusche  61
––Immunsuppression  325 ––Nachsorge  164 Raumlufttechnik  13
––Indikationen  324 Pleurareiben  62 Reanimation  375
––Komplikationen  324 Pleur-evac-System®  162 ––ABC-Schema  376
Nierenversagen  322 Pneumonie  139, 248 ––Beatmung  377
Nipruss®  398 ––beatmungsassoziierte  14 ––Elternbetreuung  387
Nitroprussamidnatrium  398 ––interstitielle  248 ––Kreislaufzirkulation  378
NIV  220 ––Prophylaxe  139 ––Maskenbeatmung  377
Noradrenalin  398 Pneumonieprophylaxe  139 ––Medikamente  379, 405
Notfall  375 ––Inhalation  140 ––Neugeborene und Säuglinge   
Notfallkoffer  386 ––Maßnahmen, atemunterstüt- 385
Notfallrucksack  386 zende  139 ––Notfallkoffer/ -wagen/ -ruck-
Notfallwagen  386 Pneumothorax  249 sack  386
Nussschalenlagerung  123 Polyhexanid  189 ––Organisation  387
NVK  183 Portkatheter  186 ––Parameter, kindliche  387
PPHN  240 ––Punktion, intraössäre  381
O Prävention, Hygiene  7 Rechtsgrundlagen  389
Obidoxim-HCL  374 Pretermmilch  145 ––Dokumentationspflicht  391
Octenidin  189 Prograf®  254 ––Transfusionsgesetz  393
Omphalozele  330 Prolaktin  145 ––Transplantationsgesetz  392
Orciprenalin  398 Prong  218 Redon-Drainage  170
Organspende  392 Prophylaxe  133 Reflexe, Überwachung  58
Orthopnoe  60 ––Abklopfen  140 Reintubation  226
Osmolalität  414 ––Atelektase  139 Reperfusionsödem  255
Ösophagusatresie  327 ––Dekubitus  133 Reproterolhydrochlorid  396
Ösophagusvarizenblutung  336 ––Kontraktur  141 Respiratorentwöhnung  224
Oxytocin  145 ––Pneumonie  139 Retikulozyten  410
––Thrombose  141 Rhagaden  86
P ––Vibrationsmassage  140 Rhesus-System  172
Parenterale Ernährung  156 PSA  8 Rhinoliquorrhö, Nasenpflege  89
Paromphalozele  330 PSIMV  48 Rickham-Kapsel  170
Parotitis  86 PS.Tv  48 Robinson-Drainage  171
PEEP  222 PSV  48 Rückenhaltung  147
PEG  49, 151 Pucken  131 Rückenlagerung  121
––Kostaufbau  152 Pulmicort®  395 Rückzugspflege  45
––Verbandswechsel  154 Pulmonalarterielle Druckmes- Rusty pipe Syndrom  146
Perfusionsdruck, zerebraler    sung  80
82, 305 Pulmonalis-Katheter  80 S
Perikardpunktion  166 Pulskonturanalyse  83 Salbeitee  87
Peritonealdialyse, kontinuier- Pulsoxymetrie  72 Salbutamol  395
liche  319 Pumpenapplikation  154 Sandimmun® oproral  254
––Dialyselösungen  320 Punktionen  159 Sandwichverband  192
Peritonitis  340 ––Aszites  159 Sauerstoff
Perlinganit®  398 ––Hygiene  9 ––Applikationsformen  232
Permcath-Katheter  186 ––intraössäre  381 ––Flaschen  233
Persönliche Schutzausrüstung  8 ––Knochenmark  170 ––Inkubator  233
Pfefferminztee  87 ––Liquor  167 ––Therapie  232
Pharyngealtubus  206 ––Lokalisation  160 Sauerstoffbrille  233
Phosphat  414 ––Perikard  166 Sauerstoffkonzentration, inspirato-
Phototherapie  343 rische  223
Index 421

Sauerstoffmaske  233 Somnolenz  53 T


Sauerstoffpartialdruckmessung, Sondenernährung  152 Tachykardie
transkutane  73 ––Applikationstechniken  154 ––junktionale ektope  271
Sauerstofftherapie, Inkubator    ––Hygiene  155 ––supraventrikuläre  270
233 ––Komplikationen  156 ––ventrikuläre  272
Sauerstoffvernebler  233 ––Medikamentengabe  156 Tacrolimus  254
Saugen, nonnutritives  131 Sondierungsverfahren  151 Temperaturmessung  62
Säuglinge, Reanimation  385 Soor  86 Tenckhoff-Katheter  319
Schädel-Hirn-Trauma  310 Sopor  53 Terbutalinsulfat  396
––Diabetes insipidus  310 Spitzendruck, inspiratorischer    Theophyllin-Natriumglycinat  396
––Einteilung  310 222 Thermodilution  83
Schaumverband  190 Splint  179 Thiopental  400
Schlucktraining  110 Spüllösung  188 Thoraxatmung  59
Schmerz Standardhygiene  7 Thrombose  141
––Äußerung, nonverbale  67 Status asthmaticus  243 ––Prophylaxe  142
––Einfluss  130 Status epilepticus  315 ––Prophylaxestrümpfe  142
––Intervention, pflegerische  67 Sterbebegleitung, Eltern  30 Thrombozyten  410
––Komponenten  66 Sterben  28 Thrombozytenkonzentrat  173
––Maßnahmen  69 ––Phasen  29 Tod  28
––Skalen  67 Stillen  145 ––Früh- und Neugeborene  31
––Typen  66 ––Beginn  146 ––Situation der Eltern  31
––Überwachung  67 ––Brustmassage  149 ––Versorgung Kind  32
Schmerzskala ––C-Griff  148, 149 ––Vorstellung, kindliche  29
––Berner  68 ––DanCer-Hold  150 Toloniumchlorid  374
––KUSS  69 ––Förderung  145 Trachealkanülen  226
Schnappatmung  59 ––Positionen  147 Trachealtoilette
Schnüffelstellung  207 ––Zufütterung  148 ––Absaugsystem, geschlos-
Schock  290 Stillhütchen  148 senes  213
––anaphylaktischer  292 Stimulation ––Absaugung, konventionelle  211
––hypovolämischer  291 ––auditiv  112 Tracheostoma
––kardiogener  291 ––olfaktorische  108 ––Anlage  226
––septischer  292 ––orale  108 ––Kanülenwechsel  228
Schonatmung  60 ––somatische  98 ––Pflege  227
Schusterplastik  332 ––taktil-haptische  112 Transferrin  414
Schutzkittel  13 ––vestibuläre  106 Transfusion  172
Schweigepflicht  390 ––vibratorische  107 ––Bedside-Test  174
Schwerkraftapplikation  154 ––visuelle  113 ––Blutkonservierung  172
Segmentpneumonie  248 Stoma  195 ––Blutpräparate  173
Seitenlagerung  122 ––Pflege  195 ––Dokumentationspflicht  394
Selbstbestimmungsrecht  5 ––Versorgung  196 ––hämolytischer Zwischenfall  175
Sensibilität  57 Stomatitis  87 ––Kompatibilitätstabelle  172
Sepsis  347 Stomaversorgung ––Konservenalterung  173
––Meningokokken  348 ––Bestandteile  199 ––Rechtsgrundlage  393
Sexualität  91 ––Komplikationen  156 Transfusionsfilter  174
Silastic®-Katheter  183 ––Schablone  198 Transfusionsgesetz  393
Silberpräparat  189 ––Tragedauer  197 Transkapnode  74
Silibinindihydrogensuccinat    Stridor  61 Transkutane Kohlendioxidpartial-
374 Subarachnoidalblutung  309 druckmessung  74
SIMV  48, 216 Sultanol®  395 Transkutane Sauerstoffpartialmes-
Singen  113 Swaddling  131 sung  73
Sinusbradykardie  273 Syndrom Transplantation
Sinustachykardie  270 ––apallisches  312 ––Immunsuppression  254
S-IPPV  215 ––hämolytisch-urämisches    ––Leber  337
SIRS  353 322 ––Lunge  250
Sirup Ipecacauanha  371 ––Rusty pipe  146 ––Niere  324
SoftCup  149 Systemic Inflammatory Response ––Rechtsgrundlage  392
Somatische Wahrnehmung  98 Syndrome  353 Transplantationsgesetz  392
422 Index

Transport V W
––Flug  41 V(A)C  48 Wachkoma  312
––Früh- und Neugeborene  39 Vakuumtherapie  192 Wahrnehmung
––interhospitaler  41 VATI-Lagerungen  123 ––auditive  112
––intrahospitaler  40 Venendruck, zentraler  79 ––olfaktorische  108
––Material  39 ––Kurvendarstellung  79 ––orale  108
––Vorbereitung  39 ––Normwert  79 ––somatische  98
Transurethraler Blasenkatheter    Venenkatheter, zentraler  181 ––taktil-haptische  112
176 Ventilation, noninvasive  220 ––vestibuläre  106
Trapanal®  400 Ventrikeldrainage, externe  302 ––vibratorische  107
Trauerphasen  29 Ventrikeldruckmessung  82 ––visuelle  113
Trendelenburg-Lagerung  124 Verband Wasser, Hygiene  13
Tubusfixierung  209 ––Finger  192 Wedge-Kurve  80
––Verletzung, thermische  360 ––hydrokolloider  191 Wendl-Tuben  206
Tubusobstruktion  210 ––Schaum  191 Wet-lung-syndrome  237
Tubuspflege  209 Verbandswechsel  190 Wiegehaltung, modifizierte  147
Verbrennungen  351 Wohlbefinden  32
U Verbrennungsgrade  352 ––Einfluss Pflegende  33
Überleitungsprozess  46 Verbrennungskrankheit  353 ––Umfeld  32
––in die häusliche Umgebung  45 Verbrennungsschock  353 Wunddistanzgitter  191
Überwachung Verbrühungen  351 Wunddrainagen  170
––Atemgeräusche  61 Verletzung, thermische  351 Wunde
––Atmung  59 ––Atmung  358 ––Antiseptikum  188
––Bewusstseinslage  53 ––Aufnahme  355 ––Arten  195
––Blutdruck  76 ––Ausmaß  351 ––Spüllösung  188
––Druck, intrakranieller  81 ––Ernährung  363 ––Vakuumtherapie  192
––Druck, linksatrialer  81 ––Erstversorgung  355 ––Versorgung  188
––Druck, pulmonalarterieller  80 ––Escharotomie  357 Wundversorgung  188
––Flüssigkeitsbilanz  70 ––Gesichtsbeteiligung  360 ––Verletzung, thermische  359
––Körperkerntemperatur  62 ––Gradeinteilung  352
––Körperschalentemperatur  63 ––Hauttransplantation  361 Z
––Krampfanfälle  58 ––Krankenbeobachtung  358 Zentraler Venenkatheter  181
––Motorik und Sensibilität  57 ––Lagerung  362 Zentralvenöse Katheter  181
––PiCCO-Katheter  83 ––Laminar-Airflow-Technik  354 Zentrum für Schwerbrandverletzte   
––Reflexe  58 ––Tubusfixierung  360 354
––Schmerz  67 ––Wasserverlust  353 Zufütterung  148
––Sensibiliät  57 ––Wundversorgung  359 ZVK  181
––Zentralvenöse Druckmessung  79 Vibrationsmassage  140 Zwerchfellhernie  237
Überwässerung  358 Volumenmangel  358
Umgebung  118 Vorhofflattern  272
Urin, Normwerte  414 Vorhofflimmern  272
Urostoma  180
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