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Streitgespräch

Jean: Guten Tag, mein Name ist Jean. Ich bin heute hier, um Sie von der Todesstrafe zu
überzeugen. Diese Ansicht ist in meinem Menschenbild konsequent. Es beruht auf der
Annahme, dass Menschen gute Wesen sein können, die bei falscher Geleitung schlimme,
falsche Dinge tun können. Um dies zu verhindern gilt es, Menschen, die Straftaten begehen,
angemessen zu bestrafen, um sicherzustellen, dass sie und andere Menschen keinen Profit in
ihren Straftaten sehen, sondern die darauf folgende Strafe.

Camus: Hallo. Ich heiße Albert Camus und bin französischer Philosoph. Meiner
Meinung nach ist die Todesstrafe ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, welches von
keinem der Befürworter mit Vernunftgründen gerechtfertigt werden kann. Außerdem
vertrete ich die Meinung, dass Menschen ihrem Wesen nach nicht gut sind, sicherlich gibt
es bessere und schlechtere Menschen, jedoch keinen einzigen komplett unschuldigen.
Niemand hat das Recht, das Leben der anderen zu ändern oder über dieses zu bestimmen,
solange diese noch leben, denn nur der Tod selbst (Sterben durch Alter oder
Krankheiten, ...) darf entgültig über das Schicksal entscheiden. Zusätzlich bedeutet das,
dass alle Menschen gewisse Grundrechte haben sollten, die von Staaten und deren
Bewohnern geschützt und eingehalten werden müssen.

Jean: Ich denke, dass die Todesstrafe der bestmögliche Weg ist, Gerechtigkeit zu schaffen
und zwar gegenüber Menschen, die mehrmals nach schweren Straftaten und folgenden
Verurteilungen rückfällig geworden sind und keine er Aussicht auf Besserung haben. Auch ist
es wichtig für Angehörige der Opfer in Ruhe über ihren Verlust trauern zu können und ihn zu
verarbeiten.

Camus: Sie sprechen von Gerechtigkeit, ich aber denke, dass die Todesstrafe weder dem
Täter, noch dem Opfer eine Hilfe ist. Es ist lediglich ein Produzent zusätzlichen Leidens.
Wäre Ihre Aussage korrekt, könnte man, um nach einem Mord Gerechtigkeit zu
schaffen, einen weiteren Mord begehen; das ist moralisch höchst verwerflich und falsch.

Jean: Sie meinen, das Leid würde durch die Todesstrafe vermehrt, dies kann beim Täter
verhindert werden, indem Todesstrafen zeitnah (nach dem Urteil) angeordnet werden, auch
wird bei Tätern, die garantiert rückfallig würden, Leid in der Gesellschaft vermindert, da
diese keine weitere Straftat erleiden muss. Zusätzlich wäre die Alternative zu der Todesstrafe
das restliche Leben im Gefängnis zu verbringen, was neben hohen Ausgaben auf Kosten der
Allgemeinheit auch ein leidvolles Leben im Gefängnis (für die Täter) bedeuten würde.

Camus: Sie meinen, es wäre richtig, Menschen aus Zweckmäßigkeit zu töten, um etwa
Kosten zu sparen? Man kann doch nicht einfach Menschen mit Unterstüzung des
Gesetzes ermorden lassen, weil man es für zweckmäßig hält! Es ist bei Verurteilungen
immer damit zu rechnen, dass Fehler passieren, was im Falle der Todesstrafe schlicht
inakzeptabel wäre, da unschuldige Menschen ermordet würden; so würden Fehler auf
Seiten des Gerichts akzeptiert werden, auf Seiten des Täters aber mit Höchststrafe
bestraft. Das geschiet dadurch, dass der Täter für seine Fehler ermordet wird (diese
Fehler werden also nicht akzeptiert), bei Fehlern auf richterlicher Seite würden
irreversible Fehlurteile jedoch restlos hingenommen werden.

Jean: Statistisch gesehen kommen Unrechtmäßigkeiten vor Gericht relativ selten vor, bei der
Todesstrafe, die im Übrigen in äußerst seltenen, besonderen Fällen ausgesprochen würde,
wären diese Unrechtmäßigkeiten quasi unmöglich, da die 100%-ige Schuld aufgrund der
mehrfachen schweren Rückfälligkeit feststünde.
Camus: Aber denken Sie mal darüber nach! Wenn man einen Menschen wegen
Unrechtmäßigkeit, aus sogenannter "Gerechtigkeit" tötet, nimmt man ihm die letzte
Chance zur Wiedergutmachung, die meines Erachtens ein grundlegendes
Menschenrecht sein sollte. Zudem muss eine richterliche Person die 100%-ige Schuld
feststellen, dies ist allerding nicht im nötigen Maße möglich, da kein Mensch sich selbst
(oder von anderen) zum absoluten Richter der Unschuld erheben kann; es ist ja
niemand zu 100% unschuldig.

Jean: Ihre Überlegungen sind rein theoretisch und beschäftigen sich nicht mit den realen
Folgen auf die Gesellschaft. Es hat einfach ab einem gewissen Zeitpunkt keinen Sinn mehr,
davon auszugehen, dass jemand sich bessern wird, wenn er nach vielfacher Entlassung
schwer rückfällig war (jedes mal). Es ist nicht richtig einem Menschen auf Kosten der
Allgemeinheit jedes mal, trotz feststehender Aussichtslosigkeit, neue Chancen zu gewähren
und erwartete Opfer in Kauf zu nehmen. Das wird auch bei der Bevölkerung extrem negative
Auswirkungen haben, zum Beispiel Angst und Vertrauensverlust in den Staat. Zusätzlich
hätte eine Todesstrafe nicht nur eine starke symbolische Bedeutung (die hier eher
nebensächlich, aber dennoch nicht zu unterschätzen ist), sondern auch eine abschreckende
Wirkung, sowohl gegen momentane, als auch gegen zukünftige Täter.

Camus: Die Abschreckung, von der Sie sprechen, betrifft laut meiner Informationslage
nicht die richtigen Menschen respektive Täter. Die, die mit der Todesstrafe bestraft
würden, haben derartig unerschrockene Gemüter, dass eine solche Abschreckung nicht
bei ihnen wirkt, sondern lediglich diese, welche ohnehin keine schwere Straftat
begangen hätten. Wenn sie eine Straftat begehen denken sie nicht darüber nach, was sie
für eine Strafe erhalten könnten, sondern wie sie es schaffen, nicht erwischt zu werden.
Um eine Abschreckung zu erzeugen wäre somit ein besseres Gelingen der Behörden zu
erreichen, damit Täter aus Angst, erwischt zu werden, von ihren Vorhaben absehen.
Außerhalb dieser Diskussion möchte ich anmerken, dass die größte Gefahr gar nicht
von Einzeltätern respektive Individuen ausgeht, sondern - wie man in der Geschichte
unzählige Male erlebt hat - von Staaten respektive den Menschen, die die Macht über
diese Staaten für sich beanspruchen.

Die kursiv gedruckten, unterstrichenen Abschnitte stellen die Zusatzaufgabe, in unserem Fall
zur Anthropologie von Camus und seinem Gegner (Jean), dar.

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