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QUELLEN  U ND  ST UDIEN

Z U R  G E S C H I C H T E  D E S  D E U T S C H E N  O R D E N S

DER DEUTSCHE ORDEN


AUF DEM KONSTANZER KONZIL
QUELLEN  U ND  S TUDIEN

ZUR  GESCHICHTE  DES  DEUTSCHEN  ORDENS

84
QUELLEN  U ND  STUDIEN

ZUR  GESCHICHTE

DES  DEUTSCHEN  ORDENS

BAND 84

herausgegeben von

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Udo Arnold


unter der Patronanz des
Deutschen Ordens

Veröffentlichungen der

FORSCHUNGSSTELLE DEUTSCHER ORDEN

AN DER UNIVERSITÄT WÜRZBURG

BAND 3

herausgegeben von

Prof. Dr. Helmut Flachenecker


DER DEUTSCHE ORDEN

AUF DEM KONSTANZER KONZIL

PLÄNE – STRATEGIEN – ERWARTUNGEN

herausgegeben von

Helmut Flachenecker
unter Mitarbeit von

Tobias Baus und Katharina Kemmer


Besuchen Sie uns im Internet:
www.asw-verlage.de

© VDG als Imprint von arts + science weimar GmbH,


Ilmtal-Weinstraße 2020

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in
irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) repro­
duziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme digitalisiert, verarbeitet,
vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Angaben zu Text und Abbildungen
wurden mit großer Sorgfalt zusammengestellt und überprüft. Dennoch sind
Fehler und Irrtümer nicht auszuschließen. Für den Fall, dass wir etwas über­
sehen haben, sind wir für Hinweise der Leser dankbar.

Satz: Monika Aichinger, arts + science weimar GmbH

Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza

ISBN: 978-3-89739-944-0

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Die Vignette zeigt König Sigismund auf dem Zug ins Münster
von Konstanz, um 1440, Meister der Chronik des Konzils von Konstanz,
Wien ÖNB (http://www.zeno.org/nid/20004165381).
Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Salch,
Ehrenritter des Deutschen Ordens und dessen jahrzehntelanger
unermüdlicher Förderer,

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Udo Arnold,


Ehrenritter des Deutschen Ordens und bedeutendster Kenner der
Geschichte des Deutschen Ordens,

ohne deren außergewöhnlichen Einsatz es die


„Forschungsstelle Deutscher Orden“ nicht geben würde,

beiden zum 80. Geburtstag in Dankbarkeit gewidmet.


INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort IX

Andrzej Radzimiński
Der Deutsche Orden in Europa am Vorabend des Konzils von Konstanz 1

Paul Srodecki
Mediating Actors in the Conflict between the Teutonic Order and the
Kingdom of Poland in the Early Fifteenth Century 15

Přemysl Bar
Eine (un)genutzte Gelegenheit? Die Polnisch-litauische Union und der
Deutsche Orden auf dem Konstanzer Konzil (1414 – 1418) 35

Mats Homann
Der Blick des Deutschen Ordens auf das Konstanzer Konzil. Die Briefe
des Generalprokurators Peter von Wormditt und des Hochmeisters
Michael Küchmeister 55

László Pósán
Die politischen Bestrebungen und Ziele Polen-Litauens auf dem
Konstanzer Konzil 89

Bernhart Jähnig
Johannes von Wallenrode und das Konstanzer Konzil 107

Sławomir Jóźwiak und Janusz Trupinda


Zur Topographie und Raumordnung der Ordensburg Königsberg als Sitz
der Komture, Obersten Marschälle und Hochmeister im Licht der
mittelalterlichen Schriftquellen 127

VII
Nicholas W. Youmans
Seelenheil und Ritterehre. Vorstellung eines Forschungsprojekts zur
Identität des Deutschen Ordens im Spiegel seiner Symbolhandlungen 157

Orts- und Personenverzeichnis 176

VIII
Eine (un)genutzte Gelegenheit?
Die Polnisch-litauische Union und der Deutsche Orden
auf dem Konstanzer Konzil (1414 – 1418)1

von
Přemysl Bar

Aus den bisherigen Forschungsergebnissen zur spätmittelalterlichen Außenpolitik


bzw. Diplomatie geht eindeutig hervor, dass ihre unverzichtbaren Elemente Ge-
sandtschaften, Recht und Propaganda waren, und zwar ungeachtet der Diskussion
über die Gefahr, anachronistisch das Begriffssystem der gegenwärtigen Politikwis-
senschaft zu verwenden. 2 Die genannten Aspekte spielen unstreitig auch eine wich-
tige (wenngleich nicht die einzige) Rolle in der Forschung, deren Ziel es ist, den
Streit zwischen dem Deutschen Orden in Preußen und der Polnisch-litauischen
Union tiefgründiger zu verstehen. Besonders die Zeit nach 1386, als sich der litaui-
sche Fürst Jagiełło taufen ließ und zum polnischen König gekrönt wurde, wird in

1 Die Studie stellt die Hauptthesen meiner Publikation zu diesem Thema vor, siehe Přemysl B a r ,
Diplomacie, právo a propaganda v pozdním středověku. Polsko-litevská unie a Řád německých
rytířů na kostnickém koncilu (1414–1418) (Opera Facultatis Philosophicae Universitatis Masary-
kianae 477), Brno 2017, wo eine umfangreichere Bibliographie zum Thema verfügbar ist; eine
deutsche Fassung ist geplant für die Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens.
In den Fußnoten der hier vorgelegten Studie fanden lediglich die wichtigsten bibliographischen
Verweise Aufnahme.
2 Dieter B e r g , Deutschland und seine Nachbarn 1200–1500, München 1997; Arnd R e i t e m e i e r ,
Außenpolitik im Spätmittelalter. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Reich und Eng-
land 1377–1422, Paderborn 1999; Martin K i n t z i n g e r , Westbindungen im spätmittelalterlichen
Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regie-
rungszeit Kaiser Sigmunds, Stuttgart 2000; Auswärtige Politik und internationale Beziehungen
im Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert), hg. v. Dieter B e r g , Martin K i n t z i n g e r , Pierre M o n -
n e t , Bochum 2002; Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Rai-
ner C. S c h w i n g e s , Klaus W r i e d t (Vorträge und Forschungen 60), Ostfildern 2003; Außenpo-
litisches Handeln im ausgehenden Mittelalter: Akteure und Ziele, hg. v. Sonja D ü n n e b e i l ,
Christine O t t n e r unter Mitarbeit von Anne-Marie K u n d e (Regesta Imperii. Beihefte 27),
Köln 2007; Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandt-
schaftswesen vom 12. und 15. Jahrhundert, hg. v. Claudia Z e y, Claudia M ä r t l , Zürich 2008.

35
diesem Zusammenhang zu einem sehr bedeutsamen Gebiet der historischen For-
schung.3
Jagiełłos Taufe (und die einiger seiner Verwandten) in Krakau zeichnete auch die
offizielle Christianisierung Litauens und ihre Aufnahme in die katholische Kirche
vor. Dadurch waren freilich die Gründe für die eigentliche Existenz und Mission
des Ordens im Baltikum  – der bewaffnete Kampf gegen Ungläubige (infideles)  –
grundsätzlich in Frage gestellt. Die Ordensführung mit dem Hochmeister an der
Spitze war sich dieser radikalen geopolitischen Veränderung bewusst, weswegen
zahlreiche diplomatische Gesandtschaften und Propagandaschriften den polni-
schen König Władysław II. Jagiełło und Litauen bald bei der römischen Kurie und
an den europäischen Fürstenhöfen einer heuchlerischen Annahme des katholischen
Glaubens und des Bestrebens beschuldigten, den Orden vernichten zu wollen. Der
seit 1343 zwischen dem Orden und dem Königreich Polen geltende Friedensvertrag
von Kalisch war nun ernsthaft bedroht. Alles lief auf eine kriegerische Auseinan-
dersetzung hinaus, die schließlich in dem Krieg von 1409–1411 ihren Höhepunkt
fand.4 Trotz des spektakulären Sieges der verbündeten polnisch-litauischen Kräfte
bei Tannenberg (litauisch Žalgiris, polnisch Grunwald) am 15. Juli 1410 war die
Siegerseite gezwungen, den Kompromissbedingungen des im Februar 1411 in Thorn
geschlossenen neuen Friedensvertrages zuzustimmen. Ihnen zufolge sollte der Or-
den zwar das umstrittene Gebiet Samaiten an den polnischen König und den litaui-
schen Großfürsten abtreten, jedoch nur befristet auf deren Lebenszeit. Weit wichti-
ger für den Orden war die Tatsache, dass der vereinbarte Frieden die bisherige
Ausdehnung des Gebietes des Ordensstaates, einschließlich Pommerellen, billigte.5
Die anschließende Zeit der preußischen und polnisch-litauischen Beziehungen war
geprägt vom Bestreben des polnischen Königs, eine Revision der Bestimmungen des
ersten Thorner Friedens zu erreichen, umgekehrt dann von der Unnachgiebigkeit
des Ordens gegenüber jeglichen Forderungen der anderen Seite.
Der Hochmeister und auch der polnische König gaben bilateralen Gesprächen
zwar den Vorrang, diese führten jedoch nicht zur Beseitigung der strittigen Fragen,
weswegen Sigismund von Luxemburg in der Rolle des Schiedsrichters in diesen Pro-
zess hineingezogen wurde. Sein in den Jahren 1412–1414 geführtes Schiedsgericht

3 Klaus N e i t m a n n , Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen 1230–1449. Studien zur
Diplomatie eines spätmittelalterlichen deutschen Territorialstaates, Köln 1986; Adam S z w e d a ,
Organizacja i technika dyplomacji polskiej w stosunkach z zakonem krzyżackim w Prusach w
latach 1386–1454, Toruń 2009.
4 Sven E k d a h l , Die Schlacht bei Tannenberg 1410: Quellenkritische Untersuchungen. Bd. 1: Ein-
führung und Quellenlage, Berlin 1982; Sławomir J ó ź w i a k , Krzysztof Kw i a t k o w s k i , Adam
S z w e d a , Sobiesław S z y b k o w s k i , Wojna Polski i Litwy z Zakonem Krzyżackim w latach
1409–1411, Malbork 2010; Tannenberg – Grunwald – Žalgiris 1410: Krieg und Frieden im späten
Mittelalter, hg. v. Werner P a r a v i c i n i , Rimvydas P e t r a u s k a s u. a., Wiesbaden 2012.
5 Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, Bd. I. (1398–1437), hg. v.
Erich We i s e , Marburg 21970, Nr. 83, S. 83–89.

36
wurde allerdings nicht durch Verkündung eines Schiedsurteils beschlossen, was im
Sommer 1414 die Aufnahme von militärischen Operationen im preußisch-polni-
schen Grenzgebiet nach sich zog. Aus militärischer Sicht gerieten beide Parteien in
eine Pattsituation, weswegen das Angebot seitens eines päpstlichen Legaten und des
römischen Königs, einen Waffenstillstand zu vermitteln, der letztlich im Oktober
bei der Stadt Strasburg (Brodnica) über die Dauer von zwei Jahren geschlossen wur-
de, sowohl dem polnischen König als auch dem Hochmeister offenbar gelegen kam.
Im Text des Waffenstillstandes verpflichteten sich beide Parteien dazu, eine be-
vollmächtigte Gesandtschaft zum geplanten allgemeinen Konzil in Konstanz zu
entsenden, damit dort die Person des Schiedsrichters (bzw. der Schiedsrichter ein-
schließlich des Konzils selbst) vereinbart werde, die beide verfeindeten Parteien
miteinander aussöhnen sollte.6 Die Entsendung der Delegationen zum Konzil er-
folgte demnach weder auf Initiative der polnisch-litauischen Seite noch des Ordens,
sondern ging von König Sigismund, der mit seinen Briefen den Hochmeister und
den polnischen König spätestens seit Jahresanfang 1414 eindringlich zu den Kon-
zilsverhandlungen einlud,7 und vom Pisaner Papst Johannes XXIII. aus. Es scheint,
dass weder Michael Küchmeister noch König Władysław II. Jagiełło das Konzil an-
fänglich als geeignete Plattform für die Beilegung des langjährigen Konfliktes emp-
fanden und erst unter dem Druck der Umstände zur Entsendung ihrer Delegationen
gezwungen waren.
Das Konstanzer Konzil (1414–1418) wird dabei in der heutigen Historiographie
nicht nur als kirchliche Versammlung aufgefasst, sondern als erster europäischer
Kongress, auf dem neben Religionsangelegenheiten auch Konflikte zwischen weltli-
chen Mächten geklärt wurden.8 Selbst Sigismund von Luxemburg, dessen Rolle auf
dem Konzil nicht zu überschätzen ist und dem primär an der Beseitigung des Papst-
schismas gelegen war, verband die Kirchenreform mit der Reform des Reichs.9 Neben
den offiziellen Konzilsverhandlungen erfolgte in Konstanz eine reiche kulturelle, in-
tellektuelle und gesellschaftliche Interaktion zwischen verschiedensten Gruppen und
Einzelpersönlichkeiten aus ganz Europa. Im Herbst 1414 konnte sich jedoch nicht nur
in Marienburg und Krakau vorerst niemand der späteren Bedeutung des Konzils be-
wusst sein. Noch im Sommer desselben Jahres erhielt der Hochmeister Berichte, wel-

6 Staatsverträge (wie Anm. 5), Nr. 105, S. 107–109.


7 J. F. B ö h m e r , Regesta Imperii XI. Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410–1437) 1. Band, ver-
zeichnet v. Wilhelm A l t m a n n , Innsbruck 1896, Nr. 967, S. 56; Nr. 1058, S. 62.
8 Das Konstanzer Konzil als Europäisches Ereignis. Begegnungen, Medien und Rituale, hg. v. Gab-
riela S i g n o r i , Birgit S t u d t (Vorträge und Forschungen 79), Ostfildern 2014; Ansgar F r e n -
k e n , Das Konstanzer Konzil, Stuttgart 2015.
9 Odilo E n g e l s , Der Reichsgedanke auf dem Konstanzer Konzil, in: Historisches Jahrbuch 86,
1966, S. 80–106, Nachdruck in: Das Konstanzer Konzil, hg. v. Remigius Bäumer, Darmstadt 1977,
S. 369–403; Ansgar F r e n k e n , Der König und sein Konzil – Sigmund auf der Konstanzer Kirchen-
versammlung. Macht und Einfluss des römischen Königs im Spiegel institutioneller Rahmenbedin-
gungen und personeller Konstellationen, in: Annuarium Historiae Conciliorum 36, 2004, S. 177–242.

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che den Beginn des Konzils zum geplanten Termin (1. November) in Zweifel zogen.10
Von daher stellt sich die dringliche Frage, mit welchen Plänen bzw. Strategien und
Erwartungen sich beide Delegationen nach Konstanz auf den Weg machten.
Von den Historikern, die in der Historiographie die Betrachtungsweise des preu-
ßisch-polnischen Streits auf dem Konstanzer Konzil bis heute grundlegend prägen,
müssen zwei Namen genannt werden – Hartmut Boockmann und Zenon Hubert
Nowak. Ersterer konzentriert sich in seinem Buch über das antipolnische Pamphlet
Satira des Dominikaners Johannes Falkenberg auf den doktrinären Prozess in Kon-
stanz, als die polnisch-litauische Gesandtschaft den Pamphletisten der Ketzerei be-
zichtigte. Bemerkenswert ist die Feststellung des Autors, die Anklage Falkenbergs
sei der allerletzte (und ziemlich verzweifelte) Versuch gewesen, den ganzen Prozess
zugunsten der polnisch-litauischen Delegation umzukehren.11 Zenon H. Nowak
hingegen favorisiert die rechtliche Dimension des Streits und insbesondere den
Schiedsprozess, der laut ihm in Konstanz fortgesetzt worden sei, obwohl offen-
sichtlich ist, dass das Schiedsverfahren im Sommer 1414 in Buda unterbrochen und
erst im Herbst 1419 wieder aufgenommen wurde.12
Trotz der unbestreitbaren Verdienste beider Historiker bleibt der preußisch-pol-
nische Streit auf dem Konstanzer Konzil, obgleich er im Rahmen des jahrhunderte-
langen Konfliktes lediglich eine Episode darstellt, immer noch ein interessantes
Forschungsproblem, da gerade das Konzil eine außerordentliche Gelegenheit dazu
bietet, die verschiedenen Dimensionen von diplomatischen Gesandtschaften, recht-
lichen Aspekten und Propagandaaktivitäten in der sich vereinenden mittelalterli-
chen Außenpolitik zu analysieren.

Diplomatische Gesandtschaften

Grundlage einer erfolgreichen Diplomatie war nicht nur im Mittelalter die Auswahl
geeigneter Personen für eine Gesandtschaft. Im Falle des Ordens waren dies der
Rigaer Erzbischof Johannes von Wallenrode,13 der Deutschmeister Konrad von Eg-

10 Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie. Bd. II. Peter von
Wormditt (1403–1419), bearb. v. Hans K o e p p e n (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Ar-
chivverwaltung), Göttingen 1960, Nr. 95, S. 201–202.
11 Hartmut B o o c k m a n n , Johannes Falkenberg, der Deutsche Orden und die polnische Politik.
Untersuchungen zur politischen Theorie des späteren Mittelalters, Göttingen 1975.
12 Zenon Hubert N o w a k , Internationale Schiedsprozesse als ein Werkzeug der Politik König Sigis-
munds in Ostmittel- und Nordeuropa 1411–1425, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 111,
1975, S. 172–188; ders., Międzynarodowe procesy polubowne jako narzędzie polityki Zygmunta
Luksemburskiego w północnej i środkowowschodniej Europie 1412–1424, Toruń 1981, S. 61–80.
13 Bernhart J ä h n i g , Johann von Wallenrode O.T. Erzbischof von Riga, königlicher Rat, Deutsch-
ordensdiplomat und Bischof von Lüttich im Zeitalter des Schismas und des Konstanzer Konzils
(um 1370–1419), Bonn 1970.

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loffstein, der Christburger Komtur Friedrich von Welden, der Generalprokurator
bei der römischen Kurie Peter von Wormditt,14 der ermländische Propst und Jurist
Johannes Abezier, der ermländische Kanoniker Kaspar Schuwenpflug, der preußi-
sche Ritter Johannes von Orsichau und der Kulmer Bürgermeister Konrad Kessel-
hut.15 In dieser Zusammensetzung sollte die Delegation insbesondere den Orden,
nicht zuletzt aber auch die preußischen Städte und das Rittertum repräsentieren.
Daneben sollte eine Gesandtschaft über weitere wichtige Kompetenzen verfügen.
Zunächst waren dies gute Kontakte zu den Schlüsseltriebkräften der europäischen
Politik wie es die Römische Kurie, der Hof Sigismunds von Luxemburg oder das
Konzil waren, worin Erzbischof Johannes von Wallenrode und Prokurator Peter
von Wormditt herausragten. Zweitens handelte es sich um Kenntnisse des kanoni-
schen Rechts und praktische Erfahrungen mit den zwischen dem Hochmeister und
dem polnischen König geführten Gerichtsprozessen, dessen sich beide ermländi-
schen Kanoniker rühmen konnten.
Ähnliche Gründe standen hinter der Personenwahl der polnisch-litauischen Ge-
sandtschaft, was ihre Zusammensetzung belegt: der Gnesener Erzbischof Mikołaj
Trąba, der Plocker Bischof Jakob von Kurdwanów (oder von Korzkiew), der Posner
Bischof (electus Posnaniensis) Andrzej Łaskarzyc, der Doktor der Dekrete und
Rektor der Krakauer Universität Paulus Vladimiri und zwei Ritter, des Kalischer
Kastellans Janusz von Tuliszków aus der Adelsfamilie Dryja und des Zawisza Czar-
nys (Niger) von Garbów aus der Adelsfamilie Sulima.16
Eine gewisse Besonderheit gegenüber den Gewohnheiten bei Verhandlungen
spätmittelalterlicher Gesandtschaften war, dass sich beide Gesandtschaften nicht
direkt trafen, sondern immer in Anwesenheit von Dritten oder während einer Ver-
sammlung von mehreren Personen: auf der Plenarsitzung des Konzils, den Ver-
sammlungen der einzelnen nationes, vor dem Papst oder dem römischen König. Die
Entsendung einer Gesandtschaft auf das Konzil bedeutete, dass sich ihr Auftrag
und ihre Mission in Ausnahmefällen auch über mehrere Monate oder Jahre hinzie-
hen konnte.
Mit den schleppenden Konzilsverhandlungen hat sich die Zusammensetzung der
Gesandtschaft nach und nach geändert. Es ist insgesamt bezeichnend, dass der An-
trieb, weitere Boten zu entsenden, vom römischen König und der Ordensdelegation

14 Hans K o e p p e n , Peter von Wormditt, Gesandter des Deutschen Ordens am päpstlichen Hof
1403–1419, in: Das Preußenland als Forschungsaufgabe. Eine europäische Region in ihren ge-
schichtlichen Bezügen. Festschrift für Udo Arnold zum 60. Geburtstag gewidmet von den Mit-
gliedern der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, hg. v. Bern-
hart J ä h n i g , Georg M i c h e l s , Lüneburg 2000, S. 17–36.
15 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, XX. HA, Perg.-Urk., Schiebl. 65, Nr. 3;
Berichte (wie Anm. 10), Nr. 110, S. 222–223.
16 Muzeum Narodowe w Krakowie, Biblioteka Książąt Czartoryskich, Zbiór Dokumentów Pergami-
nowych, Nr. 306; Codex epistolaris saeculi decimi quinti. Tomus II, hg. v. Anatol L e w i c k i (Mo-
numenta medii aevi historica res gestas Poloniae illustrantia 12), Kraków 1891, Nr. 56, S. 64–67.

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in Konstanz selbst kam, die dem Hochmeister sogar konkrete Namen vorschlugen
mit der Begründung, dass der Komtur von Elbing Heinrich Holt am Hof des römi-
schen Königs eine wichtige Stellung einnehme.17 Aus dem gleichen Grund schaute
die Ordensführung voller Hoffnung auf Johannes von Wallenrode, der seit 1412
Sigismunds Höfling, Rat und Diplomat war. Der Rigaer Erzbischof dachte jedoch
mehr an seinen eigenen Nutzen, und wenn er schon irgendjemandes Interessen ver-
teidigte, dann waren es vor allem die Interessen des römischen Königs. Hochmeister
Küchmeisters Enttäuschung über das Handeln des Erzbischofs gipfelte in seiner
Forderung, Johannes von Wallenrode kein Geld mehr aus der Ordenskasse auszu-
zahlen. Dabei ging es um keine unerheblichen Geldbeträge. Während der ganzen
Konzilsdauer verbrauchte Johannes von Wallenrode etwas über elftausend Gulden!
Trotzdem warnte Prokurator Wormditt den Hochmeister vor einem solchen radi-
kalen Schritt, der im Hinblick auf den starken politischen Einfluss des Erzbischofs
den Interessen des Ordens mehr schaden könne.18
Ein chronischer Geldmangel plagte die Ordensdelegation während des ganzen
Konzils und rief unter einzelnen Mitgliedern nicht nur Spannungen hervor, son-
dern war für einige von ihnen auch der Grund, Konstanz noch vor Abschluss der
Konzilsverhandlungen zu verlassen. Die Unterhaltskosten der Gesandtschaften für
die relativ lange Dauer von vier Jahren waren außerordentlich hoch.19 Darüberhin-
aus konnte niemand vorhersagen, wie lange das Konzil noch tagen würde. Größten-
teils wurden die Kosten aus der Zentralkasse des Ordens bzw. des Königshofs in
Krakau beglichen, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass einige Mitglieder der De-
legation sich an der Finanzierung beteiligten (wie etwa die polnischen Bischöfe). Es
ist kein Wunder, dass beide Entscheidungszentren – Marienburg und Krakau – von
beiden Delegationen greifbare Ergebnisse forderten. Der Gnesener Erzbischof sah
sich nach seiner Rückkehr nach Polen mit einer harten Kritik seines Handelns auf
dem Konzil konfrontiert. Man kann aber auch nicht ausschließen, dass es sich dabei
um üble Nachrede handelte, der der polnische König keine große Bedeutung bei-
maß. 20
Den erhaltenen Quellen nach zu urteilen hat sich die polnisch-litauische Gesandt-
schaft über Geldmangel in Konstanz nicht beschwert. Trotzdem kam es auch bei ihr
im Laufe der Zeit zu einer Umbildung oder Ergänzung, jedoch aus einem anderen
Grund. Ende 1415 kamen die Vertreter des polnischen Königs und des litauischen
Großfürsten nach Konstanz angereist, um vor der Konzilsöffentlichkeit die Christia-

17 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 192, S. 380.


18 Ebd., Nr. 160, S. 330–331; Nr. 162, S. 334; Nr. 163, S. 335.
19 Ebd., Nr. 290B, S. 410–413.
20 Tadeusz S i l n i c k i , Arcybiskup Mikołaj Trąba, Warszawa 1954, S. 183–187; Dariusz W r ó b e l ,
Elity polityczne Królestwa Polskiego wobec problemu krzyżackiego w czasach Władysława
Jagiełły, Lublin 2016, S. 363–366.

40
nisierungsmission in Samaiten vorzustellen.21 Anfang 1418 wiederum erschien eine
Gesandtschaft mit dem Metropoliten von Kiew an der Spitze, der einen Vorschlag
über die Union der Kirchen vorlegen sollte.22 Beide Gesandtschaften arbeiteten eng
mit den polnisch-litauischen Gesandten zusammen, die sich bereits in Konstanz auf-
hielten. Ihre Aufgabe war es nämlich, die Konzilsväter und -öffentlichkeit davon zu
überzeugen, dass der polnische König und der litauische Großfürst erfolgreiche recht-
gläubige katholische Fürsten in der Christianisierungsmission in Osteuropa seien.
Die meisten Gesandten waren entsprechend ihren bisherigen Erfahrungen und
Kenntnissen (z. B. hinsichtlich der Mechanismen an der römischen Kurie oder am
Hof Sigismunds von Luxemburg) zum Nutzen ihrer Bevollmächtigen in unter-
schiedlichen Bereichen tätig: Sie organisierten die Verhandlungen auf dem Kon-
zilsplenum oder vor dem römischen König (Peter von Wormditt), sie schrieben po-
lemische Traktate und Anklagen (Paulus Vladimiri und Andrzej Łaskarzyc) oder
hingen Flugblätter an den Kirchentüren auf und reichten Klage beim Reichshofge-
richt ein (Janusz von Tuliszków und Zawisza Czarny von Garbow). 23 Einige Dele-
gaten vergaßen auch nicht, ihre persönlichen Angelegenheiten zu regeln (Andrzej
Łaskarzyc) und sich um ihre berufliche Karriere zu kümmern. 24 Andererseits konn-
te ein großes Engagement der Gesandten im preußisch-polnischen Streit bisweilen
umgekehrt die Entwicklung ihrer eigenen Karriere behindern, wie dies der ermlän-
dische Kanoniker Kaspar Schuwenpflug in seinen Briefen zum Ausdruck brachte. 25
Die Führung einer Außenpolitik war ohne Kommunikation zwischen den Ent-
scheidungszentren und den Gesandtschaften undenkbar. Der Orden verfügte über
ein gut ausgearbeitetes System an Briefboten, die regelmäßig zwischen der Marien-
burg und dem Ordensprokurator, dem ständigen Vertreter des Ordens bei der römi-
schen Kurie, hin und her reisten. Dessen für den Hochmeister bestimmten Berichte
stellen bis heute eine einzigartige historische Quelle dar. Die intensivste Berichter-
stattung erfolgte im Jahr 1416, als von Konstanz aus mindestens 33 Prokuratorenbe-

21 Codex epistolaris Vitoldi magni ducis Lithuaniae 1376–1430, hg. v. Antonius P r o c h a s k a (Mo-
numenta medii aevi historiae Poloniae 6), Kraków 1882, Nr. 651, S. 331–333; Joannis Dlugossii
Annales seu Cronicae incliti regni Poloniae. Liber undecimus 1413–1430, hg. v. Georgius W y r o -
z u m s k i et al., Varsaviae 2000, S. 63; Friedrich F i r n h a b e r , Petrus de Pulka. Abgesandter der
Wiener Universität am Concilium zu Constanz, in: Archiv für Österreichische Geschichte 15,
1856, S. 36; Berichte (wie Anm. 10), Nr. 136, S. 284.
22 B o o c k m a n n , Falkenberg (wie Anm. 11), S. 215–216; Walter B r a n d m ü l l e r , Das Konzil von
Konstanz 1414–1418. Bd. 2: Bis zum Konzilsende, Paderborn 1997, S. 397–410; Gerhard P o d s -
k a l s k y, Michel M e r v a u d , L’intervention de Grigorij Camblak, métropolite de Kiev, au concile
de Constance (février 1418), in: Revue des études slaves 70/2, 1998, S. 289–297.
23 Achtbuch der Könige Sigmund und Fridrich III. Einführung, Edition und Register, hg. v. Fried-
rich B a t t e n b e r g , Köln 1986, S. 35 und 45.
24 Teresa B o r a w s k a , Kaspar Schuwenpflug i jego rola w procesach polsko-krzyżackich w pierwszej
połowie XV wieku, in: Zapiski Historyczne 79/2, 2014, S. 7–28.
25 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 241, S. 463.

41
richte abgingen, von denen vier nur aus Erwähnungen bekannt sind (Deperdita). 26
Bei der polnisch-litauischen Gesandtschaft vermissen wir zwar so zahlreiche Be-
richte, trotzdem kann man anhand von zwei zufällig erhalten gebliebenen Briefen
von Paulus Vladimiri von der Jahreswende 1415 und 1416 oder eines Briefes vom
Baccalaureus der Dekrete und Sekretär des Gnesener Erzbischofs Peter Wolfram
vom Januar 1418 annehmen, dass die Kommunikation zwischen Krakau und der
Konstanzer Delegation auf ähnliche Weise erfolgte. 27 Eine große Herausforderung
für Gesandtschaften und die Entscheidungszentren war darüber hinaus die beson-
dere Situation, als König Sigismund von Luxemburg zu einer Diplomatenreise
durch Westeuropa aufbrach (Juli 1415 bis Januar 1417). Ein Teil der Delegation
musste nämlich in Konstanz verbleiben, ein Teil reiste mit dem Hof oder später zum
Hof des römischen Königs, dessen Aufenthaltsort sich häufig änderte und nicht
leicht vorhersehbar war. Dabei darf man nicht vergessen, dass beide Teile der Dele-
gation gleichzeitig mit der Marienburg bzw. Krakau in Kontakt stehen mussten.
Eine Gesandtschaft selbst würde die gesteckten Ziele ohne Unterstützung eines
breiteren Personenkreises – der Kardinalprotektoren, Experten (Juristen und Theo-
logen) und Sympathisanten, welche die eine oder andere Partei aus persönlichen
oder anderen Gründen unterstützten  – nicht erreichen. Der Kardinalprotektor
funktionierte unter den üblichen Umständen als Mittler zwischen dem Ordenspro-
kurator und dem Papst, weswegen während der Dauer des Konzils, als es nach der
Absetzung von Johannes XXIII. kein unstrittiges höchstes Pontifikat gab, seine
Rolle sehr begrenzt war. 28
Eine große Bedeutung maßen beide Delegationen den Konsistorialadvokaten und
Juristen bei, denen sie die Erstellung von Rechtsgutachten übertrugen. Für den Or-
den arbeiteten Justin von Juvenatio, Antonio von Monte und besonders Ardicino
della Porta von Novara, der für 100 Gulden die Antwort auf die conclusiones von
Paulus Vladimiri ausarbeitete. Obwohl sich der Prokurator über fehlende Geldmit-
tel für die Bezahlung von Rechtsexpertisen beschwert hat, blieben zahlreiche juris-
tische Trakate als Handschriften erhalten, die vom Bamberger Kanoniker Johannes
Urbach, vom Bischof von Lodi Jakob Ballardi Arrigoni, vom Augsburger Kanoni-
ker Rudolf von Westerstetten, vom Titulatbischof von Megara André Dias de Esco-

26 Berichte (wie Anm. 10), S. 45; Hartmut B o o c k m a n n , Die Briefe des Deutschordenshochmeis-
ters, in: Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance,
hg. v. Heinz-Dieter H e i m a n n in Verbindung mit Ivan H l a v á č e k , Paderborn 1998, S. 103–111.
27 Jacek W i e s i o ł o w s k i , Prace i projekty Pawła Włodkowica – Konstancja, zimą 1415 i 1416 roku,
in: Roczniki Historyczne 35, 1969, S. 93–123; Codex epistolaris (wie Anm. 16), Nr. 75, S. 89; Nr.
76, S. 90–92; Nr. 80, S. 97 f.
28 Jan-Erik B e u t t e l , Der Generalprokurator des Deutschen Ordens an der Römischen Kurie. Amt,
Funktionen, personelles Umfeld und Finanzierung (Quellen und Studien zur Geschichte des
Deutschen Ordens 55), Marburg 1999, S. 346–417.

42
bar und vom Dominikaner Johannes Falkenberg verfasst worden waren. 29 Auf der
polnisch-litauischen Seite sind uns aus den Quellen nur zwei Namen von Rechtsex-
perten bekannt, obwohl Prokurator Wormditt in seinem Bericht schrieb, dass sich
täglich bis zu acht Juristen in den Häusern der polnischen Bischöfe aufhalten wür-
den. Bei den beiden handelte es sich um Simon von Teramo (Simon de Lellis de
Teramo), der aus seiner Studienzeit in Padua Andrzej Łaskarzyc und Paulus Vladi-
miri noch gut kannte, und um Kaspar von Perugia.30 Mit dem Phänomen der Rechts-
experten hängen zwei Fragen zusammen, auf welche wir bislang noch keine zuver-
lässige Antwort haben. Erstens: Warum war es überhaupt erforderlich, Aufträge für
externe Rechtsexpertisen in Auftrag zu geben, wenn sich unter den Mitgliedern der
Gesandtschaften selbst Juristen befanden (die Kanoniker Abezier und Schuwen-
pflug und Andrzej Łaskarzyc und Paulus Vladimiri), und zweitens: Warum wurden
die meisten jener Traktate letztlich nicht veröffentlicht?
Einen geringeren, jedoch nicht zu vernachlässigenden Einfluss hatten auch infor-
melle freundschaftliche Kontakte, wie etwa die zwischen den polnischen Juristen
und ihren italienischen Kollegen. Damit vergleichbar unterhielt Peter von Wormditt
spätestens seit 1410 Kontakt zu Nikolaus Bunzlau, dem Kanzler des Fürstentums
Breslau und gleichzeitigen Höfling Sigismunds von Luxemburg. Gerade während
der diplomatischen Mission des römischen Königs durch Westeuropa lieferte ihm
der am Hofe Sigismunds weilende Kanzler Bunzlau vertrauliche (wenn auch nicht
immer zuverlässige) Informationen über die geplanten Bewegungen des königlichen
Hofes.31
Das Werben um Gunst kam nicht ohne die Überbringung von materiellen Ge-
schenken aus. Darin war die polnisch-litauische Gesandtschaft offenbar aktiver, die
nicht nur über genügend Finanzmittel, sondern auch über Pelzbekleidung und „rus-
sische“ Mützen (Russcher hute) verfügte.32 Die größte Aufmerksamkeit weckte al-
lerdings der in den litauischen Wäldern gejagte Wisent, der König Sigismund als
Geschenk nach Konstanz gebracht wurde. Ulrich Richental widmete diesem unge-
wöhnlichen Tier in seiner Konzilschronik ein ganzes Kapitel.33 Der Ordensdelega-
tion schien es, dass die polnisch-litauische Gesandtschaft für die Überreichung von
Geschenken an die verschiedensten einflussreichen Persönlichkeiten über unbe-

29 Die Staatsschriften des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, Band 1: Die Traktate
vor dem Konstanzer Konzil 1414–1418 über das Recht des Deutschen Ordens am Lande Preußen,
hg. v. Erich We i s e , Göttingen 1970.
30 Walter B r a n d m ü l l e r , Simon de Lellis de Teramo. Ein Konsistorialadvokat auf den Konzilien
von Konstanz und Basel, in: Annuarium Historiae Conciliorum 12, 1980, S. 229–268; Krzysztof
O ż ó g , Szymon z Teramo adwokat polski w Stolicy Apostolskiej i na soborach w Konstancji i
Bazylei, in: Nasza Przeszłość 78, 1992, S. 169–185.
31 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 182, S. 367; Nr. 191, S. 377 f.
32 Ebd., Nr. 139, S. 290.
33 Chronik des Konstanzer Konzils 1414–1418 von Ulrich Richental (Konstanzer Geschichts- und
Rechtsquellen 41), hg. v. Thomas Martin B u c k , Ostfildern 22011, S. 84 f.

43
grenzte Mittel verfügte. Vor dem erwarteten Konklave im Herbst 1417 forderten die
Ordensvertreter beim Hochmeister das Fell einer Lassitzmaus, eines Hermelins,
Zobelpelze und Silbergegenstände an, es ist jedoch nicht sicher, ob diese Wertsachen
letztlich in Konstanz ankamen.34

Schiedsgericht oder etwas anderes?

Im Konstanzer Prozess zieht das Schiedsgericht von Sigismund von Luxemburg


und die Bezichtigung Johannes Falkenbergs der Häresie die meiste Aufmerksam-
keit der Historiker auf sich. Gegenüber dieser Vorgehensweise kann man gewisse
Vorbehalte vorbringen. Tatsächlich fand in Konstanz kein Schiedsgericht statt, son-
dern Diskussionen über die geeignete Person des Schiedsrichters, über die Form des
Schiedsgerichtes bzw. über andere alternative Möglichkeiten, den Streit beizulegen.
Der gegen den Dominikaner Falkenberg geführte Prozess wiederum betraf den
Deutschen Orden formal noch nicht einmal indirekt, weswegen sich die Ordensde-
legation in dessen Verlauf nicht einmischte.
Der rechtliche Rahmen des Konstanzer Prozesses wurde durch den Strasburger
Waffenstillstand vom Oktober 1414 abgesteckt. Beide Seiten sollten ihre Vertreter
nach Konstanz entsenden, um sich auf die Person des Schiedsrichters zu einigen, der
dann das Schiedsurteil erlasse. Diese Person konnte der Papst und der römische
König, gemeinsam oder einzeln, oder irgendein Kirchenprälat oder weltlicher Fürst
sein.35 Aus dem Text des Strasburger Waffenstillstandes geht eindeutig hervor, dass
man in Konstanz nicht einfach das im Juni desselben Jahres in Buda unterbrochene
Schiedsgericht fortsetzen wollte, sondern ein neuer Kandidat als Schiedsrichter ver-
einbart werden sollte.36
Gemäß der mittelalterlichen Rechtstheorie und -praxis mussten sich beide Streit-
parteien auf die Person (oder Personen) des Schiedsrichters einigen, wobei der Pro-
zess auf zweierlei Arten vonstatten gehen konnte: entweder auf dem Rechtsweg (via
iuris) oder nach dem Prinzip eines Schiedsverfahrens (via compositionis amicabilis).
Im ersten Fall wurde der Schiedsrichter lateinisch als arbiter bezeichnet und war
daran gebunden, die Prozessregeln einzuhalten und sein Urteil gemäß den Rechts-
normen zu verkünden. Im zweiten Fall wurde der Schiedsrichter lateinisch als arbi-
trator oder compositor amicabilis bezeichnet, er war nicht zur Einhaltung der Pro-
zessverfahren gezwungen und sein Urteil sollte beide Parteien ohne Rücksicht auf
bisherige Verträge und Rechtsbestimmungen miteinander aussöhnen. In der spät-

34 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 211, S. 416.


35 Staatsverträge (wie Anm. 5), Nr. 105, S. 108.
36 Přemysl B a r , A Tortuous Path to Reconciliation and Justice: Sigismund of Luxembourg as Arbi-
ter in the Dispute between the Teutonic Knights and Poland (1412–1420), in: Zeitschrift für Ost-
mitteleuropa-Forschung 66, 2017, S. 3–40.

44
mittelalterlichen Praxis überließen es die verfeindeten Parteien dem freien Willen
des Schiedsrichters, auf welche Weise er letztlich den Schiedsprozess führen wer-
de.37 In Konstanz verliefen die Verhandlungen über das Aussehen des Schiedsver-
fahrens jedoch ein wenig anders.
Die Ordensgesandtschaft, die vom Hochmeister zwar ein Beglaubigungsschrei-
ben für beide Arten des Schiedsverfahrens hatte, bestand trotzdem auf einem Pro-
zess via iuris. Der Grund für eine solche Haltung war naheliegend. Die Legitimie-
rung des Ordens basierte auf päpstlichen und kaiserlichen Privilegien sowie auf
internationalen Verträgen (wie etwa dem Frieden von Kalisch 1343 oder dem Ersten
Thorner Frieden 1411).38 Ein Schiedsrichter, der gemäß dem Recht handelte, hätte
eindeutig dem Orden Recht geben müssen. Umgekehrt erhielt die polnisch-litaui-
sche Delegation vom polnischen König lediglich eine Vollmacht für die Variante via
compositionis amicabilis, denn das Hauptziel der damaligen polnischen Politik ge-
genüber dem Orden war eine Revision der bisherigen Verträge zugunsten der Krone
Polen (corona regni Polonie).39
Kontrovers war nicht nur die Form des Schiedsgerichts, sondern auch die Person
des Schiedsrichters selbst. In den ersten Monaten des Konstanzer Konzils schien es,
dass beide Delegationen mit Sigismund von Luxemburg als Schiedsrichter einver-
standen seien, zu einer definitiven Entscheidung ist es jedoch nicht gekommen. Der
römische König war nämlich bestrebt, die ungünstige Position des Ordens auf dem
Konzil auszunutzen und von der Ordensgesandtschaft die Anerkennung der Lehns-
hoheit des Reiches zu erzwingen. Diese Forderung wurde von den Gesandten des
Hochmeisters auf einer ungeplanten Verhandlung mit König Sigismund an den Ta-
gen vom 13. bis 15. Juli 1415 taktvoll abgelehnt.40 Später war der römische König
immer mehr einer dem polnisch-litauischen Standpunkt wohlwollenden Haltung
zugeneigt, dies auch unter dem Einfluss der Berichte über die erfolgreiche Christia-
nisierungsmission in Samaiten.
Wenn also der polnische König auf König Sigismund als einzigem Schiedsrichter
(arbiter) bestand, der ein Schiedsurteil (compositio amicabilis) erlassen sollte, ohne
die Rechtsargumente beider Parteien und die Regeln des Prozessrechtes zu berück-
sichtigen, wurde diese Variante umgekehrt vom Hochmeister abgelehnt. Seine Ge-
sandtschaft legte deshalb Alternativvorschläge vor, die außer mit König Sigismund
immer mit dem Konzil und dem künftigen Papst als Schiedsrichter rechneten.41 Da

37 Rafał Wo j c i e c h o w s k i , Arbitraż w doktrynie prawnej średniowiecza, Wrocław 2010.


38 Přemysl B a r , Päpstliche und kaiserliche Privilegien für den Deutschen Orden in Preußen zwi-
schen Recht und Erinnerung. Einführung ins Thema, in: Studia Historica Brunensia 65/1, 2018,
S. 79–101.
39 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 121, S. 251–256.
40 Siehe Anm. 39.
41 Deutschordens-Zentralarchiv Wien, Hs. Nr. 142, pag. 82–86, 90–93; vgl. Berichte (wie Anm. 10),
Nr. 204, S. 398 f., Anm. 1; Nr. 211, S. 415 f., Anm. 3; Paul N i e b o r o w s k i , Der Deutsche Orden
und Polen in der Zeit des größten Konfliktes, Breslau 1924, S. 207–214.

45
jedoch das Ende des Waffenstillstands näher rückte, erklärte sich der Orden damit
einverstanden, dass König Sigismund diesen Waffenstillstand als Mediator (nicht als
arbiter!) verlängerte (14. Mai 1417).42 Obwohl Erzbischof Johannes von Wallenrode
wahrgenommen hatte, dass die Ordensdelegation vor der eindeutigen Wahl stand,
sich entweder völlig und vorbehaltlos dem römischen König anzuschließen oder
Unterstützung beim künftigen Papst und Konzil zu finden, lavierte die ganze Ge-
sandtschaft immer noch.43 Nach der Wahl von Papst Martin V. legte sie Vorschläge
vor, in denen Sigismund von Luxemburg zwar als Schiedsrichter figurierte, der
Papst jedoch als Superarbiter dabei immer das entscheidende Wort haben sollte.
Es wurde aber lediglich eine Verlängerung des Waffenstillstandes erreicht (wäh-
rend des Konzils bereits zum dritten Mal!), die am 13. Mai 1418 vom Papst erlassen
wurde, was in dieser Situation überhaupt nicht selbstverständlich war.44 Der Stras-
burger Waffenstillstand vom Oktober 1414 sollte ursprünglich bis zum 8. Septem-
ber 1416 gelten. Vor Ablauf dieser Frist wurde der Waffenstillstand durch eine Ur-
kunde des römischen Königs vom 6. April 1416 um ein Jahr verlängert, und dann
wiederum um ein Jahr durch eine Urkunde von Sigismund von Luxemburg vom 14.
Mai 1417.45 Die mehrfache Verlängerung des Waffenstillstandes war nicht nur eine
formale Angelegenheit, sondern wurde immer erst durch intensive Verhandlungen
erkauft. Die polnische Seite machte sich die Angst der Ordensführung vor einer
Wiederaufnahme des Krieges zunutze, um für das Einverständnis mit der Verlänge-
rung des Waffenstillstandes die Abtretung von den drei in Kujawien gelegenen Dör-
fern zu fordern, die traditionell dem Orden gehörten (Murzynno, Orłowo und
Nowa Wieś).46 Der Hochmeister nahm die Drohungen des polnischen Königs ernst,
wie man aus der Tatsache ersehen kann, dass er vor dem näher rückenden Ende der
Frist im Reich zur Sicherheit Söldner anwerben ließ, was sich letztlich als überflüs-
sig herausstellte.47
Der Waffenstillstand als conditio sine qua non wurde demnach zwar erfüllt, je-
doch konnte das Schiedsgericht als einziges wirkliches Rechtsmittel, um zwischen
den verfeindeten Parteien den Frieden wiederherzustellen, noch nicht einmal begin-
nen, da sich die damit verbundenen Verhandlungen von Anfang an in der Frage über

42 Codex epistolaris (wie Anm. 16), Nr. 72, S. 84–86.


43 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 201, S. 394.
44 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, XX. HA, Perg.-Urk., Schiebl. 10 Nr. 3.
45 Die Urkunde vom 6. April 1416 siehe in Muzeum Narodowe w Krakowie, Biblioteka Książąt
Czartoryskich, Zbiór Dokumentów Pergaminowych, Nr. 316; Reg.: A l t m a n n (wie Anm. 7), Nr.
1951, S. 131 f.; die Urkunde vom 14. Mai 1417 siehe in Muzeum Narodowe w Krakowie, Biblioteka
Książąt Czartoryskich, Zbiór Dokumentów Pergaminowych, Nr. 321; A l t m a n n (wie Anm. 7),
Nr. 2300, S. 159.
46 Codex epistolaris Vitoldi (wie Anm. 21), Nr. 665, S. 339–341; Berichte (wie Anm. 10), Nr. 156,
S. 320–322.
47 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 247 f., S. 471–473.

46
die Person des Schiedsrichters und die Form des Schiedsprozesses verloren, worauf
keine Kompromisslösung gefunden werden konnte.
Trotz der hinsichtlich der Prozessfragen ungelösten Probleme wurden dem römi-
schen König, dem Konzil und dem Papst bei anderen Gelegenheiten Anklageartikel
und juristische Traktate vorgelegt, die es uns möglich machen, den Gegenstand des
Streites zu erfassen. Zu diesen müssen noch Vorschläge zur Klärung des Streits (ob-
laciones), aber auch literarische Genres gezählt werden, die eher zu Propaganda-
zwecken dienten, wie Predigten, Ansprachen oder Flugblätter. Die große Fülle an
solch verschiedenartigem schriftlichen Material, das teilweise bereits analysiert
wurde, macht eine Sortierung erforderlich. Die zwecks Erfassung des Streitgegen-
standes wertvollsten Informationen finden wir in den Anklageartikeln und in den
juristischen Traktaten, denen in der Forschung eindeutig Vorrang vor den Anklage-
artikeln eingeräumt wird.
Ihnen muss jedoch die Bemerkung vorausgeschickt werden, dass nicht alle Trak-
tate und Anklageartikel im laufenden Verfahren Anwendung fanden, worauf bereits
Hartmut Boockmann hingewiesen hat.48 Ungeachtet dieser Tatsache (Veröffentli-
chung/Nichtveröffentlichung) werden die einschlägigen Texte analysiert, deren Be-
deutung man einfach an ihrem Inhalt und in den tragenden Gedanken zu sehen
pflegt.49
Die Anklageartikel können in drei verschiedene Gruppen unterteilt werden:
I. Zur ersten gehört ein zwanzig Punkte enthaltendes Verzeichnis, das Sigismund
von Luxemburg Anfang April 1415 von der polnischen Delegation vorgelegt wurde
und das wahrscheinlich von Paulus Vladimiri und Andrzej Łaskarzyc erstellt wur-
de, die darin das maximale Programm der polnisch-litauischen Delegation vorstell-
ten. Sie forderten die Rückgabe von Pommerellen, des Kulmer und des Michelauer
Landes, da diese seit jeher Teil des regnum Polonie gewesen seien und diese ihre
„Staatszugehörigkeit“ bereits 1339 vom Papst bestätigt worden sei. Die Ordensrep-
lik wiederum berief sich auf päpstliche und kaiserliche Privilegien und auf die Be-
stimmungen des Ersten Thorner Friedens (1411), die den Besitz aller strittigen Ge-
biete in der Hand des Ordens legitimierten. Streitgegenstand dürften ausschließlich

48 B o o c k m a n n , Falkenberg (wie Anm. 11), S. 258 f.


49 Jürgen M i e t h k e , Heiliger Heidenkrieg? Theoretische Kontroversen zwischen Deutschem Or-
den und dem Königreich Polen vor und auf dem Konstanzer Konzil, in: Heilige Kriege. Religiose
Begründungen militärischer Gewaltanwendungen: Judentum, Christentum und Islam im Ver-
gleich, hg. v. Klaus S c h r e i n e r , Elisabeth M ü l l e r - L u c k n e r , München 2008, S. 109–125; An-
dreas R ü t h e r , Geheimediplomatie – Schauprozess – Medienkrieg. Polen-Litauen und der Deut-
sche Orden um die Zeit des Konzils von Konstanz (1414–1418), in: Biuletyn Polskiej Misji
Historycznej = Bulletin der polnischen historischen Mission 8, 2013, S. 43–74; Paul S r o d e c k i ,
„Murus et antemurale pollens et propugnaculum tocius christianitatis.“ Der Traktatenstreit zwi-
schen dem Deutschen Orden und dem Königreich Polen auf dem Konstanzer Konzil, in: Schwei-
zerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte = Revue suisse d’histoire et culturelle =
Rivista svizzera di storia religiosa e culturale 109, 2015, S. 47–65.

47
solche Angelegenheiten sein, welche durch die bisherigen Verträge nicht geregelt
worden seien.50
II. Die zweite Gruppe bilden Anklageartikel, die dem Konzil im Zusammenhang
mit dem Auftritt der Delegation aus Samaiten zur Jahreswende 1415 und 1416 vor-
gelegt wurden (Proposicio Polonorum und Samagitarum). In ihnen überwog die
Kritik an der Christianisierungsmission des Ordens in Litauen und Samaiten, die
den katholischen Glauben gerade dank des Königreichs Polen angenommen hätten.
Die Polemik des Ordens griff den polnischen König und den litauischen Großfürs-
ten an, die angeblich nur ein einziges Ziel verfolgten: die vollständige Vernichtung
des Deutschen Ordens als einzige Bastion der römischen Kirche im Baltikum.51
III. Die dritte Gruppe bilden zwei umfangreiche Verzeichnisse (155 Punkte) von
Artikeln, deren Autor (offenbar Paulus Vladimiri) argumentierte, dass der Orden
eine schlimmere Sekte sei als die Wyclifiten oder Hussiten, weswegen er entspre-
chend verurteilt und bestraft werden solle. Es ist insgesamt bezeichnend, dass diese
Anklageartikel dem Konzil nie vorgelegt wurden.52
Die Bedeutung von Paulus Vladimiri als erstem Sprecher für das Recht der Völker
auf Selbstbestimmung pflegt man in der polnischen Historiographie überzubewer-
ten.53 Diese beruhte laut Hartmut Boockmann nämlich eher auf seinem Talent, the-
oretisch-rechtliche Überlegungen, welche die von Andrzej Łaskarzyc bereits in den
preußisch-polnischen Prozessen der vergangenen Jahre ausgearbeitete politische
und historische Argumentation stützen sollten, verständlich darzulegen.54 Vladimi-
ris Briefe von der Jahreswende 1415 und 1416 zeigen, dass der Krakauer Rektor mit
seinen juristischen Traktaten bestrebt war, die Gunst des Krakauer Königshofes zu
gewinnen. Darin erläutert er mit einer beträchtlichen Selbstsicherheit, dass seine auf
dem Konzil veröffentlichten Schriften zur Abschaffung des Ordens unweigerlich
führen werden, weswegen er den polnischen König dazu anhält, auf eine militäri-
sche Besetzung des Ordensterritoriums vorbereitet zu sein.55 Auf Vladimiris Briefe

50 Krzysztof O ż ó g , Uczeni w monarchii Jadwigi Andegaweńskiej i Władysława Jagiełły (1384–


1434), Kraków 2004, S. 207–208; vgl. N i e b o r o w s k i , Deutsche Orden (wie Anm. 41), S. 150 f.
51 B o o c k m a n n , Falkenberg (wie Anm. 11), S. 205–208; O ż ó g , Uczeni (wie Anm. 50), S. 210f.
52 Stanislaus Franciszek B e ł c h , Paulus Vladimiri and His Doctrine Concerning International Law
and Politics. Vol. I., London 1965, S. 906–988; W i e s i o ł o w s k i , Prace (wie Anm. 27), S. 101;
B o o c k m a n n , Falkenberg (wie Anm. 11), S. 228f., Anm. 181; O ż ó g , Uczeni (wie Anm. 50),
S. 213.
53 Vgl. Ludwik E h r l i c h , Paweł Włodkowic i Stanisław ze Skarbimierza, Warszawa 1954; ders.,
Rektor Paweł Włodkowic. Rzecznik obrony przeciw Krzyżakom, Kraków 1963; Tadeusz
B r z o s t o w s k i , Paweł Włodkowic, Warszawa 1954; Tadeusz J a s u d o w i c z , Śladami Ehrlicha:
Do Pawła Włodkowica po naukę o prawach człowieka, Toruń 1995; Hans-Dietrich K a h l , Die
völkerrechtliche Lösung der „Heidenfrage“ bei Paulus Vladimiri von Krakau († 1435) und ihre
problemgeschichtliche Einordnung, in: Zeitschrift für Ostforschung 7, 1958, S. 161–209.
54 B o o c k m a n n , Falkenberg (wie Anm. 11), S. 230; Krzysztof O ż ó g , Udział Andrzeja Łaskarzyca
w sprawach i sporach polsko-krzyżackich do soboru w Konstancji, in: Polska i jej sąsiedzi w
późnym średniowieczu, hg. v. Krzysztof O ż ó g , Stanisław S z c z u r , Kraków 2000, S. 159–186.
55 W i e s i o ł o w s k i (wie Anm. 27), S. 118–122.

48
ist zwar keine unmittelbare Reaktion des königlichen Rates erhalten geblieben, je-
doch kann man aus der weiteren Vorgehensweise der polnisch-litauischen Delegati-
on in Konstanz schließen, dass der polnische König und sein Rat den extremen und
aus politischer Sicht unrealistischen Ansichten des Krakauer Juristen gegenüber ei-
nen gewissen Abstand hielten.
Damit ist jedoch nicht gesagt, dass Vladimiris Einfluss in Konstanz marginal gewe-
sen sei, denn dank ihm wurde der preußisch-polnische Streit auf dem Konzil nicht nur
anhand von rechtshistorischen Argumenten diskutiert, sondern auch auf theoreti-
scher Ebene geklärt. Die große Fülle der zur Stützung des Ordensstandpunktes die-
nenden und erhaltenen juristischen Traktate setzen sich polemisch zumeist mit den
Konklusionen auseinander (52 conclusiones oder Opinio Ostiensis), die Paulus Vladi-
miri allen nationes des Konzils vorgelegt hat.56 Es handelte sich um die Zusammenfas-
sung der Hauptthesen des Traktates mit dem Incipit Sevientibus olim Pruthenis (even-
tuell De potestate pape et imperatoris respectu infidelium), worin die angeblich von der
Autorität des Papstes und des Kaisers stammende Legitimität des Ordens und gleich-
zeitig die Idee der einen physischen Kampf mit Ungläubigen (infideles) führenden
geistlichen Ritterorden an sich angezweifelt wurde.57 Von den zahlreichen Ordenspo-
lemiken wurden der Glaubenskommission, wie es scheint, nur der Traktat des Bam-
berger Kanonikers Johannes Urbach vorgelegt (Licet insignis, bzw. Licet pagani).58
Allgemein kann man festhalten, dass der Streitgegenstand einerseits aus maxima-
len territorialen Forderungen der polnischen Delegation gegenüber dem Orden und
andererseits aus der Frage der Legitimität der geistlichen Körperschaft bestand.
Wenn die polnische Gesandtschaft eine Revision der bisherigen bilateralen Abkom-
men und Verträge anstrengte und die Mission der geistlichen Körperschaft in der
Verbreitung des Christentums im Baltikum anzweifelte, bestand die Ordensge-
sandtschaft legalistisch auf einem rechtlichen Status quo und der Realisierung der
ursprünglichen religiösen Mission des Ordens.
Während die polnisch-litauische Delegation im Vorlegen von Anklagen initiativ-
reicher war und die Vertreter des Ordens darauf lediglich reagierten, war die Or-
densdelegation umgekehrt eindeutig aktiver im Vorlegen von Vorschlägen zur Klä-
rung des Streits. Obwohl die Vorschläge des Ordens scheinbar mehrere
Kom­promisslösungen boten, die für beide Seiten annehmbar waren (verschiedene
Zu­sam­mensetzungen der Schiedsrichtergruppe und verschiedene Arten des Schieds-
verfahrens), trafen die polnisch-litauischen Anklageartikel bei der Konzilsöffent-
lichkeit offenbar auf mehr Resonanz.

56 Pisma wybrane Pawła Włodkowica. Tom I. Works of Paul Waldimiri (a selection). Vol. I., hg. v.
Ludwig E h r l i c h , Warszawa 1966, S. 113–143; Staatsschriften (wie Anm. 29), S. 130–149;
B o o c k m a n n , Falkenberg (wie Anm. 11), S. 225–234.
57 Pisma (wie Anm. 56), S. 2–112; B o o c k m a n n , Falkenberg (wie Anm. 11), S. 225–234; O ż ó g ,
Uczeni (wie Anm. 50), S. 92–100.
58 Staatsschriften (wie Anm. 29), Nr. 14, S. 318–380.

49
Propaganda

Der Rechtsstreit vermischte sich fließend mit Propagandaaktivitäten, die den vorge-
legten Klagen eine stärkere Resonanz verschaffen und die Wahrnehmung der Kon-
zilsöffentlichkeit beeinflussen sollte.
Eines der Propagandawerkzeuge waren Predigten und offizielle Ansprachen. Die
Anfangsrede vor dem Papst und dem römischen Kaiser wurde im Namen des Ordens
vom Rigaer Erzbischof Johannes von Wallenrode gehalten, im Namen der polnisch-
litauischen Delegation dann vom Posner Bischof Andrzej Łaskarzyc. Trotz der ver-
wendeten stereotypen Motive und Bilder kann man in ihren Ansprachen die gegen-
über dem Papst, dem römischen König, dem Konzil und bzgl. der preußisch-polnischen
Causa an sich entgegengebrachte unterschiedliche Vorgehensweise beider Delegatio-
nen erkennen. Obwohl beide Reden die unerlässliche captatio benevolentiae enthal-
ten, wirkt der Auftritt des Erzbischofs Johannes von Wallenrode vor dem Hinter-
grund des selbstbewussten Auftritts des Posner Bischofs, der nicht zögerte, die
wahren Ursachen der tiefen Krise in der Kirche zu nennen und den Vertretern des
Königreichs Polen und des Großfürstentums Litauen Hilfe bei der Durchführung der
Kirchenreform anzubieten, trotzdem sehr demütig bis gar servil. Diese Haltung ent-
sprach dem Selbstverständnis des Ordens als geistliche Körperschaft, für deren Blüte
und Prosperität der Papst und der Kaiser gleichermaßen verantwortlich waren. Der
Einfluss der Predigten auf die Zuhörer oder auf den Verlauf des Streits darf man frei-
lich nicht überbewerten, trotzdem entspricht ihr Inhalt der jeweils eigenen Strategie,
nach der sich beide Delegationen während des Konzils richten wollten.59
Eine größere gesellschaftliche Bandbreite hatten gezielt verbreitete Verleumdun-
gen und Flugblattkampagnen, mit denen die Gegenseite verunglimpft wurde. Ir-
gendwann nach dem 4. März 1415 ließen vier polnische Ritter (einschließlich der
Gesandten des polnischen Königs Janusz von Tuliszków und Zawisza Czarny von
Garbów) Flugblätter an den Türen der Konstanzer Kirchen anschlagen. Darin ver-
wahrten sie sich gegen die Verleumdungen, der polnische König und der litauische
Großfürst hätten ihrer Armee, in welcher auch heidnische Truppen dienten, befoh-
len, 1) Hostien auf die Erde zu werfen und mit ihren Füßen darauf herumzutram-
peln; 2) Heilige (Statuen oder Bilder?) zu enthaupten und diese aufzupfählen; 3)
Schwangeren ihre Leibesfrucht herauszuschneiden und sie anschließend zu braten
und zu essen. Auf die Flugblätter hat die Ordensdelegation reagiert, womit sie sich
zu der Verbreitung besagter Verleumdungen bekannte. Die Ordensgesandten woll-

59 Acta concilii Constanciensis, II. Bd.: Konzilstagebücher, Sermones, Reform- und Prozessakten,
hg. in Verbindung mit Johannes H o l l n s t e i n e r v. Heinrich F i n k e , Münster 1923, S. 391–393;
Magnum oecumenicum Constantiense concilium de universali ecclesiae reformatione, unione et
fide, tomus II, hg. v. Hermannus von der H a r d t , Francofurti 1697, Sp. 170–183; vgl. Paul A r e -
n d t , Die Predigten des Konstanzer Konzils. Ein Beitrag zur Predigt- und Kirchengeschichte des
ausgehenden Mittelalters, Freiburg im Breisgau 1933.

50
ten die Flugblattkampagne jedoch nicht fortsetzen.60 Diese Verleumdungen zielten,
ebenso wie Gerüchte darüber, dass der polnische und litauische Herrscher in der
Schlacht gegen die Türken die Niederlage der ungarischen Armee verursacht hätten
und der polnische König seine Tochter Hedwig (Jadwiga) mit dem Sohn des türki-
schen Sultans verheiraten wolle, auf die Diskreditierung von Władysław II. Jagiełło
als echten katholischen Herrscher und treuen Sohn der Kirche ab.61
Die polnisch-litauische Delegation befand sich gegenüber den verbreiteten Verleum-
dungen in der Defensive, ging aber bald zu einem Gegenangriff über. Ein großer Erfolg
dafür, die Öffentlichkeit in Konstanz für ihre Seite zu gewinnen, war die Ankunft der
Gesandten aus Samaiten (Jahreswende 1415/1416) und der Delegation mit dem orthodo-
xen Metropoliten Gregor Camblak an der Spitze (Anfang 1418). Beide Gesandtschaften
sollten ein lebendiger Beweis für die katholische Rechtgläubigkeit und den religiösen
Eifer des polnischen Königs und des litauischen Großfürsten sein, die angeblich als
Einzige der türkischen Expansion in Osteuropa wirksam die Stirn bieten könnten.
Das Problem der Christianisierung Samaitens war eng verbunden mit seiner
„Staatszugehörigkeit“. Seit dem 1398 zwischen dem Hochmeister und dem litauischen
Großfürsten geschlossenen Friedensvertrag befand sich dieses Gebiet im Besitz des
Ordens.62 Die Bestimmungen des Ersten Thorner Friedens von 1411 haben Samaiten
zwar Litauen zugesprochen, nichtsdestotrotz sollte es nach dem Tod von Władysław
II. Jagiełło und von Witold wieder an den Orden zurückfallen.63 Die Gesandtschaft
aus Samaiten, in deren Reihen sich auch erst kürzlich getaufte Heiden (Neophyten)
befanden, hinterließen in Konstanz einen stark positiven Eindruck. Die polnisch-li-
tauische Propaganda verfolgte zweierlei Ziele. Erstens ging es darum, die „Missions-
tätigkeit“ des Ordens in Samaiten und Litauen zu diskreditieren. Die Ordensbrüder
würden ihre Mission (Verbreitung des Christentums), zu der sie berufen seien, angeb-
lich nicht erfüllen, sondern nur eine Vergrößerung und Festigung ihrer weltlichen
Herrschaft anstrengen (die Ordensritter werden als Teufelsdiener dargestellt). Spür-
bare Ergebnisse in der Verbreitung des katholischen Glaubens in Osteuropa könnten
lediglich Władysław II. Jagiełło und Witold garantieren. Die feindliche Haltung und
aggressive Ordenspolitik gegenüber beiden Herrschern würden die Verbreitung des
Christentums in diesem Gebiet verhindern.64
Darauf, dass sich diese Haltung auf dem Konzil erfolgreich durchsetzen ließ, deu-
tet die Zustimmung zur Gründung eines Bistums Samaiten (24. Oktober 1417) 65

60 B a r , Diplomacie (wie Anm. 1), S. 282–287; Berichte (wie Anm. 10), Nr. 114f., S. 227–229.
61 Codex epistolaris Vitoldi (wie Anm. 21), Nr. 651, S. 333.
62 Staatsverträge (wie Anm. 5), Nr. 2, S. 9–12; vgl. Sebastian K u b o n , Die Außenpolitik des Deut-
schen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393–1407), Göttingen 2016, S. 68–123.
63 Staatsverträge (wie Anm. 5), Nr. 83, S. 86f.
64 Codex epistolaris Vitoldi (wie Anm. 21), S. 1001–1024, Appendix Nr. VI-a und b.
65 Walter H o l t z m a n n , Die Gründung des Bistums Samaiten. Ein Beitrag zur Geschichte des Kon-
stanzer Konzils, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins NF 32, 1917, S. 70–84.

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und die positive Reaktion auf die Bitte um Entsendung einer Konzilsgesandtschaft
nach Samaiten, welcher der Hochmeister es allerdings verwehrte, durch Ordensge-
biet zu reisen. Ordensprokurator Peter von Wormditt war sich dessen bewusst, dass
ein Widerstand der Ordensführung gegen eine derart geführte Christianisierung
Samaitens die ganze geistliche Körperschaft in den Augen der Konzilsöffentlichkeit
in ein sehr schlechtes Licht rücken würde, weswegen er den Hochmeister zu einer
versöhnlicheren Haltung anhielt.66 Trotzdem bestand dieser darauf, dass die neu
entstandene Diözese Samaiten wie die übrigen preußischen Bistümer zur Rigaer
Erzdiözese gehören solle. Dazu ist es allerdings nicht gekommen, denn das Bistum
Samaiten fiel der Erzdiözese Gnesen zu (ab 1427), womit auch das zweite strategi-
sche Ziel der polnischen Gesandtschaft in Konstanz erreicht war – ein dauerhafter
Zusammenschluss Samaitens und Litauens.67
Vergleichbare konkrete politische Absichten von Władysław II. Jagiełło und Witold
verbargen sich hinter einer breit angelegten Propagandaaktion mit der Gesandtschaft
des orthodoxen Metropoliten Gregor Camblak, die in Konstanz eine ähnliche Sensa-
tion und Begeisterung hervorrief wie die Delegation aus Samaiten. Dem Metropoliten
wurde erlaubt, öffentlich eine orthodoxe Messe zu halten, die sehr detailliert von dem
Chronisten Ulrich Richental beschrieben wurde.68 Auf der päpstlichen Audienz wur-
de Gregor Camblak vom Gnesener Erzbischof und Plocker Bischof begleitet. Die im
Namen des – der lateinischen Sprache offenbar nicht mächtigen – Metropoliten gehal-
tene feierliche Rede trug der böhmische Prediger und Theologe Mařík Rvačka vor. In
der Rede wurde die Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass das Papstschisma
beseitigt wurde und die orthodoxen Gläubigen bereit seien, in den Schoß der römi-
schen Kirche zurückzukehren. Zum Abschluss der Audienz zollte der Metropolit,
ohne öffentlich ein einziges Wort zu sagen, Papst Martin V. Achtung, indem er dessen
Füße, Hände und seinen Mund küsste.69
Über Camblak wurde in Konstanz bekannt gemacht, er sei Metropolit der ganzen
Rus, dem fünfzig (!) Bistümer unterstünden, und dass seine Pro-Unionspolitik auch
vom Konstantinopler Patriarchen unterstützt würde. Alles in allem ging es jedoch
um eine nützliche Mystifizierung, weil der Metropolit von Kiew in Wirklichkeit
eine politische Figur in der Hand des litauischen Großfürsten Witold war, der durch
ihn die sich unter litauischer Herrschaft befindenden orthodoxen Gläubigen verei-

66 Berichte (wie Anm. 10), Nr. 159, S. 329; B u c k (wie Anm. 33), S. 74, 77 f.
67 Jarosław N i k o d e m , Witold. Wielki książę litewski (1354 lub 1355  – 27 października 1430),
Kraków 2013, S. 348–350.
68 B u c k (wie Anm. 33), S. 122–125; vgl. Franz K o h l s c h e i n , Die älteste Beschreibung der ortho-
doxen Liturgie in der Chronik des Ulrich von Richental über das Konzil von Konstanz, in: Archiv
für Liturgiewissenschaft 29, 1987, S. 234–241.
69 F i n k e , Acta (wie Anm. 59), S. 164–167; F i r n h a b e r (wie Anm. 21), S. 68; Walter B r a n d m ü l -
l e r , Martin V. und die Griechenunion: der „Sermo in presentacione cuiusdam episcopi Ruteni“
des Mag. Mauricius Rvacka in Konstanz, 25. Februar 1418, in: Studia Gratiana 28, 1998, S. 133–
148.

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nen wollte. Gregor Camblak hatte nicht nur keine Unterstützung des Patriarchen
von Konstantinopel, der ihn exkommunizierte und einen Kiewer Metropoliten na-
mens Fotios ernannte, der ab 1410 in Moskau residierte, sondern wurde auch von
einigen orthodoxen Bischöfen in Litauen nicht anerkannt, die zur Kirchenpolitik
Witolds in Opposition standen.70
Einige Personen, besonders die Vertreter des Deutschen Ordens, bemühten sich
zwar, gewisse Zweifel zu säen bezüglich der Durchführbarkeit des polnisch-litaui-
schen Projekts der Kirchenunion, doch wurde das mediale Bild beider Herrscher als
Verbreiter der katholischen Religion unter den Schismatikern auf dem Konzil da-
durch nicht wesentlich beschädigt. Andererseits war dies das einzige Ergebnis von
Camblaks Gesandtschaft, da weder der Papst, trotz einer verbalen Deklaration,
noch das Konzil in Sachen Kirchenunion etwas unternommen haben. Aus diesem
Grund wurde die tatsächliche Absicht nicht erreicht, nämlich die Integration der
orthodoxen Kirchenstruktur in dem vom polnischen König und dem litauischen
Großfürsten beherrschten Gebiet.

Fazit

Betrachten wir den Konflikt zwischen dem Deutschen Orden und der Polnisch-li-
tauischen Union aus einer breiteren Perspektive, müssen wir feststellen, dass das
allgemeine Konzil in den politischen Absichten beider Seiten anfänglich keine we-
sentlichere Rolle gespielt hat. Als wirksamste Instrumente, die zum Abschluss eines
Waffenstillstandes oder Friedensvertrags führen sollten, sahen beide Seite entweder
eine militärische Lösung, oder bilaterale Gespräche. Trotzdem hatte weder der
Hochmeister noch der König von Polen ursprünglich vor, die jeweilige Gesandt-
schaft mit einer Vollmacht auf das Konstanzer Konzil zu entsenden, um dort
Streitangelegenheiten zwischen dem Orden und der Polnisch-litauischen Union zu
verhandeln. Erst nachdem beide Seiten in das militärisch-politische Patt geraten und
vom Papst sowie vom römischen König zum Abschluss des Waffenstillstandes ver-
anlasst worden waren, ist die entsprechende Entscheidung gefallen.
Erst nach und nach kamen beide Delegationen darauf, welches Potenzial das Kon-
zil bot, politisches und gesellschaftliches Kapital herauszuschlagen. Offenbar wur-
de es der polnisch-litauischen Gesandtschaft früher bewusst als der des Ordens,
dass die Kirchenversammlung nicht nur aus offiziellen Verhandlungen in Kommis-

70 Vgl. Muriel H e p p e l , New Light on the Visit of Grigori Tsamblak to the Council of Constance,
in: Studies in Church History 13, 1976, S. 223–229; ders., The Ecclesiastical Career of Gregory
Camblak, London 1979, S. 81–100; Tadeusz M. T r a j d o s , Metropolici kijowscy Cyprian i Grze-
gorz Camblak (bułgarscy duchowni prawosławni) a problemy cerkwi prawosławnej w państwie
polsko-litewskim u schyłku XIV i w pierwszej ćwierci XV w., in: Balcanica Posnaniensia. Acta et
studia II. Bułgaria – Bałkany – Słowiańszczyzna, Poznań 1985, S. 211–234.

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sionen, in nationes oder aus Plenarsitzungen bestand, sondern in Konstanz auch
einen speziellen öffentlichen Raum bildete, in dem bunt zusammengewürfelte Men-
schengruppen aus ganz Europa angesprochen werden könnten.
Der Hochmeister und die Ordensführung verließen sich offenbar auf die traditi-
onelle Autorität, derer sich der Ritterorden unter der Adelselite in Westeuropa über
Jahrhunderte hinweg erfreute, weswegen sie nicht begriffen, dass ihre Position und
ihr guter Ruf nicht unerschütterlich war. Demgegenüber musste der polnische Kö-
nig Władysław II. Jagiełło, der noch als heidnischer litauischer Großfürst vor seiner
Annahme der katholischen Taufe gegen den Orden gekämpft hatte, seinen Ruf als
christlicher Herrscher, treuer Sohn der Kirche und Verbreiter der katholischen Re-
ligion in Osteuropa von Grund auf mühselig erarbeiten. Diese unterschiedlichen
Ausgangspositionen in der Wahrnehmung beider verfeindeter Parteien durch die
christliche Öffentlichkeit könnte einer der Gründe für die größere Aktivierung der
polnisch-litauischen Gesandtschaft gewesen sein.
Die gemeinsame Verflechtung von Diplomatie, Recht und Propaganda kann man
während der gesamten Dauer der komplizierten Entwicklung der Beziehungen zwi-
schen dem Orden und Polen und Litauen beobachten. Dank des Konstanzer Kon-
zils können diese Zusammenhänge jedoch tiefgreifender und mit einem größeren
Sinn fürs Detail verfolgt werden. Dessen unzweifelhafte Bedeutung beruht darin,
dass es in politischer, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht allen seinen Teil-
nehmern eine unwiederbringliche Gelegenheit bot, die einige mehr zu nutzen ver-
mochten und andere weniger.

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