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Formale und informelle Institutionen politischer Partizipation

im lateinamerikanischen Populismus

Neue Formen politischer Partizipation in Venezuela unter Hugo Chávez.


Eine Fallanalyse.

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades Diplom-Politologin Univ.
an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Augsburg

Eingereicht an
der Professur für Politikwissenschaft
Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze

von
Cristina Andrea Sereni
Georg-Kaess-Platz 3
86179 Augsburg
Tel.: (0821) 81 527 64

Matr. Nr. 829985

Augsburg, den 1. August 2006


„Necesitamos un nuevo concepto de Estado, una nueva arquitectura de poder, una
desconcentración de poderes, una auténtica democracia representativa, participativa y pro-
tagónica.” Hugo Chávez, 5 de agosto de 1999

“Wir benötigen ein neues Staatskonzept, eine neue Machtarchitektur, eine


Machtentflechtung, eine authentische repräsentative, partizipative und protagonistische
Demokratie.“Hugo Chávez, 5. August 1999

2
Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis 6

1. Einführung 8
1.1 Ziel und Aufbau der Arbeit 8
1.2 Forschungsstand und Aktualität der Daten 10
2. Grundlegende Definitionen 14
2.1. Populismus 14
2.1.1 Der klassische Populismus 14
2.1.2 Vom demokratischen Populismus zur delegativen Demokratie 16
2.1.3 Der Neopopulismus-Begriff 18
2.1.4 Zusammenfassung: Populismus als politische Strategie 20
2.2. Politische Partizipation 22
2.2.1 Zur Definition von politischer Partizipation 22
2.2.2 Politische Partizipation in der direkten Demokratie 23
2.2.3 Top-down-Mobilisierung im Populismus 26
2.2.4 Formale und informelle Institutionen politischer Partizipation 29
2.2.4.1 Formale Institutionen 29
2.2.4.2 Informelle Institutionen 31
2.2.4.3 Typen informeller Institutionen politischer Partizipation 32
2.2.4.3.1 Klientelismus 32
2.2.4.3.2 Politische Korruption 33
2.2.4.3.3 Putschdrohung 34
2.2.4.3.4 Ziviler Widerstand 35
3. Fallanalyse 37
3.1 Politische Partizipation im populistischen Regime 1958-1989 37
3.2 Politische Partizipation im Neopopulismus: Systemwandel,
Krise und Volksaufstand 1989-1998 40
3.3 Die Wiedergeburt des Populismus als politische Strategie 44
3.3.1 Die Hintergründe des chavismo 44
3.3.1.1 Der Bolivarianismus 44
3.3.1.2 Die radikale Partizipationsdoktrin Rousseaus als Ideal 48
3.3.2 Populismo de confrontación (Populismus der Konfrontation) 49

3
3.4 Politische Partizipation in der Bolivarischen Republik Venezuela 53
3.4.1 Institutioneller Rahmen 53
3.4.1.1 Der Amtsantritt von Hugo Chávez und die neue
Verfassung von 1999 53
3.4.1.2 Die verfassungsrechtliche Verankerung des
Partizipationsprinzips 58
3.4.1.3 Die Verfassungsrechtliche Verankerung des aktiven
und passiven Wahlrechts 59
3.4.1.4 Wahlen und Referenda: Gemeinsamkeiten und
Unterschiede 60
3.4.2 Wichtige politische und soziale Akteure 65
3.4.2.1 Das Militär 65
3.4.2.2 Die Rolle der Opposition 66
3.4.2.3 Die Medien 72
3.4.2.4 Die Zivilgesellschaft 74
3.4.3 Die Beziehung zwischen Führerfigur und Volk 77
3.4.4 Neue Formen der politischen Partizipation 78
3.4.4.1 Plan Bolívar 2000 78
3.4.4.2 Misiones 79
3.4.4.3 Aló Presidente 80
3.4.4.4 Círculos Bolivarianos 80
3.5 Institutionalisierung von oben? 82
4. Fazit 86

Quellenverzeichnis 89
Datenbanken 91
Literaturverzeichnis 92
Besuchte Internetseiten 104
Presseorgane 105

Anhang 106
Anhang A1: Zitierte Artikel der Venezolanischen Verfassung von 1961 106
Anhang A2: Zitierte Artikel der CBV mit deutscher Übersetzung 106
Anhang B: Wahlenthaltung in Venezuela 1958-2005 121

4
Anhang C: Politische Parteien in Venezuela im Überblick: 122
Anhang D: Stimmungsbarometer und Wahlabsicht 2002-2004 123
Anhang E: Vertrauen in Institutionen in Venezuela 1996 124
Anhang F: Schwankungen in der Popularität von Hugo Chávez
am Anfang seiner Amtszeit (1999-2002) 125
Anhang G: Wahlsiege von Hugo Chávez seit 1998 126
Anhang H: Ausblick auf die Präsidentschaftswahlen im Dezember 2006 127
Anhang I: Aktuelle Daten (2005) zur öffentlichen Meinung in Venezuela 130

Tabelle 1: Misiones seit 2003 132

5
Abkürzungsverzeichnis

AA Acción Agropecuaria
AD Acción Democrática/Demokratische Aktion
ANC Asamblea Nacional Constituyente/Verfassungsgebende
Nationalversammlung
Art. Artikel
Aufl. Auflage
BD Bloque Democrático/Demokratischer Block
Bd. Band
bzw. Beziehungsweise
ca. circa
CB Círculos Bolivarianos/Bolivarische Zirkel
CBV Constitución Bolivariana de Venezuela
CD Coordinadora Democrática/Oppositionelle Bündnispartei
CEPAL Comisión Económica para América Latina/Wirtschaftskommission für
Lateinamerika
CNE Consejo Nacional Electoral/Nationaler Wahlrat
COPEI Comité de Organización Política Electoral Independiente/
Kommittee für unabhängige politische und elektorale Organisation
CTV Central de Trabajadores de Venezuela/Venezolanischer
Gewerkschaftsdachverband
Ders. Derselbe
d.h. das heisst
Dies. Dieselbe
Ebd. Ebenda
et al. et altera
f. folgende
FEDECÁMARAS Federación de Cámaras y Asociaciones de Comercio y Producción de
Venezuela/Venezolanischer Unternehmerverband
ff. fortfolgende
FIEL Fundación de Investigaciones Económicas Latinoamericanas/Stiftung
für Wirtschaftsforschung in Lateinamerika
FLACSO Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales/Lateinamerikanische
Fakultät für Sozialwissenschaften
GE Gente Emergente/Aufsteigende Menschen
Hrsg. Herausgeber
insbes. Insbesondere
IPCN Independiente por la Comunidad Nacional/Unabhängig für die Nationa-
le Gemeinschaft
IPG Internationale Politik und Gesellschaft - Zeitschrift
k.A. keine Angaben
Kap. Kapitel
lat. lateinisch
LOS Ley Orgánica de Sufragio y Participación Política/Wahlgesetz
MAS Movimiento al Socialismo/Bewegung dem Sozialismus
MBR-200 Movimiento Bolivariano Revolucionario 200/Bolivarisch-revolutionäre
Bewegung 200
MEP Movimiento Electoral del Pueblo/Wahlbewegung des Volkes

6
MVR Movimiento Quinta (V.) República/Bewegung fünfte Republik
NGO Non-Governmental Organization/Nichtregierungsorganisation
Nr. Nummer
OAS Organisation Amerikanischer Staaten
op. cit. opus citatum (lat.) zitiertes Werk
PdVSA Petróleos de Venezuela Sociedad Anónima (staatliche Ölgesellschaft)
PCV Partido Comunista de Venezuela/Kommunistische Partei Venezuelas
PPT Patria Para Todos/Vaterland für alle
rev. revidiert
S. Seite
SI Socialistas de Izquierda/Linke Sozialisten
u. a. unter anderem
UNDP United Nations Development Programme/Entwicklungsprogramm der
Vereinten Nationen
URD Unión Republicana Democrática/Republikanisch-demokratische Union
u.v.a. und viele andere
u.v.m. und viele mehr
v.a. vor allem
Vgl. vergleiche
Vol. Volume
vs. versus
z.B zum Beispiel

7
1. Einführung

1.1 Ziel und Aufbau der Arbeit

In Venezuela existieren vornehmlich verfassungsrechtlich verankerte Institutionen


politischer Partizipation, die von oben implementiert wurden und nicht aus der
selbstständigen Mobilisierung des Volkes resultierten. Diese im Rahmen eines als
politische Strategie zum Machterhalt verstandenen Populismus eingeführte
Institutionalisierung von oben wird von der delegativen Demokratie unter Hugo Chávez
gefördert. Durch die von oben implementierten Partizipationsmöglichkeiten werden die
alten klientelistischen Netzwerke zerstört, und es entsteht eine neue Form direkter
Partizipation, die auf dem Verhältnis zwischen dem Volk und dem Führer basiert. Der
oppositionelle Teil der Bevölkerung bleibt von dieser Beziehung ausgeschlossen.
Durch die Reaktionen der aus der Beziehung zwischen Führer und Volk
ausgeschlossenen oppositionellen Gruppen entwickeln sich Putschdrohungen und ziviler
Widerstand als neue politische Partizipationsformen. Andererseits werden durch die
Institutionalisierung von oben den mehrheitlich regierungstreuen unteren Schichten der
Bevölkerung neue Optionen zu deren Rolle im politischen Entscheidungsprozess
unterbreitet. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Populismus in Venezuela seit der
Wiedereinführung der Demokratie 1958 unter Berücksichtigung formaler und informeller
Institutionen sowie der Entwicklung politischer Partizipationsformen zu beobachten und
mit den neuen, von Hugo Chávez eingeführten Partizipationsformen in Verbindung zu
bringen. Hiervon leiten sich weitere wichtige Fragen ab:
 Welche informellen (demokratisch nicht legitimierbaren) politischen
Partizipationsmuster treten innerhalb formal verfasster Muster, wie z.B. die neue
Verfassung von 1999, in der Bolivarischen Republik Venezuela auf?1
 Bedeutet quantitativ mehr Partizipation tatsächlich eine stärkere Beteiligung der
Bevölkerung an der politischen Entscheidungsfindung?
 Inwiefern ist die politische Partizipation in klientelistische Netzwerke eingebunden?
1
Im DUDEN wird formal als „auf die Form bezüglich; nur der Form nach“ und formell als „förmlich, die Formen
beachtend; äußerlich“ definiert. Informal kennt der DUDEN nicht; dafür wird aber informell als „1. informierend; 2.
nicht förmlich; auf Formen verzichtend.“ definiert. Im alltäglichen Sprachgebrauch ist es schwierig, den Unterschied
zwischen den eben genannten Begriffen festzulegen. Im Laufe der vorliegenden Arbeit werde ich mich an die
Vorgaben im DUDEN halten und die Begriffe formal (da formell eher einen Bezug auf das Äußerliche hat) und
informell verwenden. (Quelle: DUDEN: Die deutsche Rechtschreibung. 23. völlig neu bearbeitete und erweiterte
Auflage. Mannheim 2004:385, bzw. 496).

8
 Kann der Fall Chávez in die Kategorie demokratischer Populismus eingeordnet
werden?
 Existiert eine Verbindung zwischen Populismus und einer delegativen Demokratie
im Sinne O’Donnells?
Darüber hinaus soll durch die Charakterisierung des Populismus-Phänomens in
Lateinamerika zum Verständnis der auftretenden Demokratiedefizite beigetragen werden,
da in dieser Region der Populismus historisch in der Gesellschaft verankert ist und bis
heute die politische Kultur beeinflusst.
Die vorliegende Arbeit besteht aus einem theoretischen Teil und einer Fallstudie. Im
theoretischen Teil werden die Grundbegriffe Populismus und politische Partizipation
definiert. Beim Begriff des Populismus werden zuerst die klassischen Definitionen als
Ausgangspunkt erläutert und hieraus die Begriffe des demokratischen Populismus und des
Neopopulismus abgeleitet und erklärt. Die von Kurt Weyland entwickelte politische
Populismus-Definition, auf welche darauf folgend eingegangen wird, ist für die
Realisierung der Fallstudie über Venezuela ausschlaggebend und am besten geeignet, da
sie als Ausgangsthese nicht ein bestimmtes Wirtschaftsmodell voraussetzt.
Die politische Partizipation wird in Bezug zur politischen Realität Lateinamerikas und zu
den in der Region existierenden delegativen Demokratien bzw. demokratischen
populistischen Regimen definiert. Das Konzept der direkten Demokratie und der top-down-
Charakter der populistischen Mobilisierung werden ebenfalls beschrieben, letzterer in
Anlehnung an die von Kurt Weyland entwickelten vier lateinamerikanische politische
Modelle. Darüber hinaus widmet sich ein weiterer Abschnitt des theoretischen Teils den
Institutionen und der Differenzierung zwischen formalen und informellen
Institutionensystemen. Hier wird besonders auf das Phänomen des Klientelismus und auf
die Beziehung des Populismus zu den Institutionen eingegangen.
Die zweite Hälfte der Arbeit befasst sich mit der Fallstudie zur politischen Partizipation
in Venezuela unter dem populistischen Regime von Hugo Chávez. Ein historischer
Rückblick fasst die Entwicklung der politischen Partizipation unter den verschiedenen
populistischen Regimen Venezuelas seit der Demokratisierung des Landes im Jahr 1958
zusammen. Dieser Zeitraum wird unterteilt in eine Phase des Populismus von 1958 bis zum
Caracazo 1989 und eine zweite Phase des Neopopulismus, in der eine Staatsreform nach
neoliberalem Muster versucht wird und die mit dem Machtwechsel 1998 endet. Die dritte
Phase kennzeichnet Populismus als politische Strategie unter dem derzeitigen Präsidenten
Hugo Chávez, die bis heute andauert.

9
Den Kern dieser Arbeit bildet eine umfassende Analyse des institutionellen Aufbaus der
so genannten V. Republik und der mitwirkenden Akteure, sowie die neu auftretenden
Formen politischer Partizipation. Die politische Partizipation in der Bolivarischen Republik
Venezuela weist gewisse Besonderheiten auf. Zu deren Untersuchung ist es notwendig, den
verfassungsrechtlichen Rahmen der neuen Verfassung von 1999 zu erläutern, um
anschließend auf die einzelnen Formen politischer Partizipation näher einzugehen.
Schließlich wird die Beziehung zwischen Führer und Volk untersucht, auf die der chavismo
gründet und die die polarisierte Gesellschaft des heutigen Venezuelas prägt.
In der Schlussbetrachtung werden die Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und
kommentiert sowie einige Daten zur politischen Situation in Venezuela geliefert.
Aufgrund des begrenzten Rahmens einer Diplomarbeit erhebt die vorliegende Arbeit
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und absolute Aktualität.

1.2 Forschungsstand und Aktualität der Daten

Die Struktur der vorliegenden Arbeit wird von der gegenseitigen Interaktion zwischen
den im theoretischen Teil definierten Konzepten bestimmt. Im Hauptteil der Arbeit werden
sie bezüglich des Falles Venezuela in gegenseitige Verbindung gebracht. Die Arbeit stützt
sich auf Forschungsergebnisse der lateinamerikanischen Demokratie- 2 und
Populismusforschung und den Erkenntnissen des Neoinstitutionalismus unter besonderer
Berücksichtigung informeller Willensbildungsstrukturen im Rahmen des historisch-
empirischen Ansatzes.3 Obwohl zu jedem der genannten Bereiche umfangreiche Studien
vorliegen, wurde bislang das Verhältnis formaler und informeller Institutionen zum
Phänomen des Populismus nicht oder nur vereinzelt konkret anhand des venezolanischen
Falles seit der Machtübernahme von Präsident Hugo Chávez untersucht. Unter den
theoretischen Ansätzen zum Populismus, mit denen sich die vorliegende Arbeit beschäftigt,
sind die Ausführungen des US-amerikanischen Populismusforschers Kurt Weyland, an
dessen Definition des Populismus als politische Strategie sich diese Studie stark anlehnt,
besonders hervorzuheben. Gino Germani, Torcuato Di Tella, Francisco Weffort, und

2
Hierzu ausführlich Martín LAUGA: Demokratietheorie in Lateinamerika. Die Debatte in den Sozialwissenschaften,
Opladen 1999 und Nikolaus WERZ: Das neuere politische und sozialwissenschaftliche Denken in Lateinamerika,
Freiburg 1991.
3
Zur Einführung in die Grundideen des historisch-empirischen Ansatzes empfiehlt sich der Artikel von Dieter
NOHLEN: Historisch-empirisch. In: Ders./SCHULTZE, Rainer-Olaf (Hrsg.): Lexikon der Politikwissenschaft Bd. 1,
München 2002:320-321 sowie von Richard ORTÍZ ORTÍZ: Contextos, instituciones y actores políticos: Dieter Nohlen
y el estudio de las instituciones políticas de América Latina.
Unter: www.nohlen.uni-hd.de/es/doc/institucionalismo_introduccion.pdf (24.11.2005).

10
ebenso Ernesto Laclaus theoretische Ansatz, schafften die Grundlagen der
Populismusforschung in Lateinamerika. Weitere wichtige Beiträge sind die von Robert Dix
und Helmut Dubiel sowie der deskriptive Ansatz von Margaret Canovan; neuere Beiträge
lieferten u.a. Michael Conniff, Jens Hentschke und Paul Cammack. Ein personalistischer
und plebiszitärer Regierungsstil galt jahrzehntelang als Hauptmerkmal des Populismus. Es
wurde auch die heterogene soziale Basis als definitorisch angesehen. Manche Autoren
situierten den Populismus in bestimmten historischen Entwicklungsstufen, so wie der
Übergang von einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft, der Untergang der
Oligarchie und das erstmalige Auftreten einer Massengesellschaft oder die
importsubstituierende Industrialisierung.
In den 1980er Jahren befand sich Lateinamerika allerdings in einem anderen
sozioökonomischen Kontext. Die Versuche einiger Präsidenten, den klassischen
Populismus in den 1980er Jahren wiederzubeleben scheiterten an eben diesen neuen
Kontextbedingungen. Die als neopopulistisch bezeichneten politischen Führungsfiguren
wie Menem, Fujimori oder Bucaram und Collor, die alle neoliberale Strukturreformen
einführten, machten den Populismus zu einem rein politischen Konzept. Andererseits
weigern sich Autoren wie Jens Hentschke, José Nun und Aníbal Quijano das Konzept des
Neopopulismus zu akzeptieren und behaupten, dadurch werde der Fehler des conceptual
stretching4 begangen.
Das vom argentinischen Politikwissenschaftler Guillermo O’Donnell 1994 eingeführte
Konzept der delegative democracy ist ebenfalls hervorzuheben. Es wurde allerdings nicht
systematisch weiterentwickelt. Außerdem wird das Konzept aufgrund seiner
Gegenüberstellung mit einer höheren Demokratieform kritisiert, in diesem Fall der
representative democracy.5 In dieser Arbeit wird der Begriff in Anlehnung an Andreas
Boeckh trotzdem verwendet. Der deutsche Politikwissenschaftler setzt den Begriff mit
einer populistischen Demokratie gleich. Dies ist für die Forschung im lateinamerikanischen
Kontext gerechtfertigt, weil es sich um ein höchst spezifisches Konzept handelt, das für die
Erforschung der lateinamerikanischen und besonders der venezolanischen politischen und
sozialen Realität äußerst geeignet ist.

4
Vgl. SARTORI, Giovanni: Guidelines for Concept Analysis. In: Ders. (Hrsg.): Social Science Concepts. A Systematic
Analysis, Beverly Hills 1984:15-71.
5
Vgl. BARRIOS, Harald: Konsolidierung der Demokratie: Zur Substanz eines strapazierten Konzeptes. In:
Lateinamerika Jahrbuch 1999:19, Frankfurt am Main.

11
Charakteristisch für die lateinamerikanische politische Partizipationsforschung ist eine
Tendenz zur Bevorzugung von Gleichheit vor Freiheit. 6 Die aktuelle europäische Literatur
zu diesem Bereich ist sehr umfangreich.7 In Lateinamerika dagegen konzentrieren sich die
politische Wissenschaft und die Soziologie vermehrt auf neue Partizipationsformen im
Rahmen von Bewegungen und spontaner Mobilisierung, wie im Fall der piqueteros8 in
Argentinien oder der zahlreichen cacerolazos9 der lateinamerikansichen Mittelschichten als
hauptsächlich wirtschaftlich begründeter Protest. Die politische Partizipationsforschung
begrenzt sich im Fall der Regierung Chávez in den meisten Fällen auf die von ihm
gegründeten sozialen Programme und deren Funktionen, lassen aber die Rolle der
Opposition außer acht und behandeln nicht die Frage, ob die von Chávez kreierten Projekte
tatsächlich die selbstständige politische Partizipation der Bevölkerung nachhaltig fördern.
Es gibt verschiedene Vorschläge zur Klassifizierung der politischen Partizipation:
Illegale und legale, verfasste und nicht verfasste, konventionelle und nicht-konventionelle
politische Partizipation sind die gängigsten Zuordnungen.10Um den Interessen der
wichtigsten Vetomächte wie Unternehmerverbände oder Militär entgegenzukommen,
haben Demokratietheoretiker, die sich mit Lateinamerika befassen, spezifische Schemata
zur Förderung der Institutionalisierung der Region entworfen. 11 Während eine Erhöhung
der sozialen Gerechtigkeit eine Mobilisierung breiter Bevölkerungsgruppen voraussetzt,
weigern sich die Eliten vor allem in den 90er-Jahren, sich den Forderungen um mehr
Gleichheit zu beugen, indem sie die Anerkennung ihrer spezifischen power capabilities(im
Sinne von Machtfähigkeit) fordern. Die unorganisierten ärmsten Bevölkerungsgruppen
bleiben von der Verteilung der Ressourcen ausgeschlossen, während die Eliten ihr
Machtmonopol vergrößern.12 Genau dieses Phänomen scheint sich in Venezuela ins
Gegenteil umzukehren: Die Gesamtheit der Bevölkerung wird scheinbar ins politische
6
Zur Problematik: u.a. NOHLEN, Dieter: Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Lateinamerika. In: MERKEL,
Wolfgang (Hrsg): Demokratie in Ost und West, Frankfurt am Main 1999:249-272.
7
Zur Übersicht siehe KAASE, Max: Vergleichende politische Partizipationsforschung. In: BERG-SCHLOSSER,
Dirk/MÜLLER-ROMMEL, Ferdinand (Hrsg.): Vergleichende Politikwissenschaft, Opladen 1997:159-174.
8
Piqueteros sind Gruppen von Arbeitslose oder Arbeiter aus dem informellen Sektor, die von keiner Gewerkschaft oder
staatlichen Einrichtungen repräsentiert werden. Um auf ihre Forderungen und Anliegen aufmerksam zu machen,
sperren sie strategisch wichtige Verkehrswege wie Autobahnbrücken und Landstraßen mit brennenden Autoreifen und
Sitzblockaden.
9
Cacerolazo ist eine kollektive politische Protestform, bei der v.a. Teile der städtischen Mittelschichten ihre
Unzufriedenheit gegenüber neoliberalen Wirtschaftsreformen mit dem gleichzeitigen Klopfen auf Töpfen (cacerolas)
ausdrücken.
10
Vgl. LAUTH, Hans-Joachim: Informelle Institutionen politischer Partizipation und ihre demokratietheoretische
Bedeutung. Klientelismus, Korruption, Putschdrohung und ziviler Widerstand. In: Ders./LIEBERT, Ulrike: Im
Schatten demokratischer Legitimität. Informelle Institutionen und politische Partizipation im interkulturellen
Demokratievergleich, Opladen/Wiesbaden 1999:64.
11
Hierzu u.a. NOHLEN, Dieter: El contexto hace la diferencia: Reformas institucionales y el enfoque histórico-empírico.
Herausgegeben von Claudia Zilla, Mexiko, 2003 und NOHLEN, Dieter/FERNÁNDEZ, Mario (Hrsg.): El
presidencialismo renovado, Caracas 1998.
12
Vgl. WEYLAND, Kurt: Latin America’s Four Political Models. In: Journal of Democracy Vol. 6 Nr. 4 1995:127.

12
System sowie in die Distributionskette integriert und die politische Partizipation aller
gesellschaftlichen Schichten ermöglicht. Sich mit dieser, insbes. in Lateinamerika
verbreiteten Sicht der Dinge auseinanderzusetzen und ihren Hintergrund zu erforschen,
wird mit dieser Arbeit versucht.
Zu Venezuela wurden zahlreiche Einzelfallstudien vorgelegt. Von großer Bedeutung sind
unter anderen die Arbeiten von Andreas Boeckh, Luis Aznar, Nikolaus Werz, Miriam
Kornblith, Dorothea Melcher, sowie von Steve Ellner, Daniel Hellinger, Kurt Weyland,
Friedrich Welsch und den lateinamerikanischen Wissenschaftlern Margarita Lopez Maya,
Jose Vicente Carrasquero und Luis Aznar. Es muss berücksichtigt werden, dass die
Literatur zu Venezuela vor Chávez von den Einflüssen der „Exceptionalism Thesis“13 stark
geprägt ist. Erst in den letzten Jahren wurde der Ölstaat Venezuela aus einer neuen
Perspektive untersucht, u.a. von Steve Ellner und Daniel Hellinger, Andreas Boeckh, Luis
Ricardo Dávila und Luis Aznar. Die Literatur über die Person Chávez, über das von ihm
implementierte Regime und seine ideologische Basis, dem Bolivarismo liegen zahlreiche
und heterogene Arbeiten vor, die in ihrer `pro-Chávez´ oder `anti-Chávez´ Haltung stark
polarisiert sind. Unter den als weitgehend objektiv zu bezeichnenden Schriften befinden
sich die Arbeiten von Andreas Boeckh, Hans-Jürgen Burchardt, Peter Peetz, Luis Aznar
u.v.m. sowie Daten aus internationalen Organisationen, wie CEPAL, FIEL, World Social
Forum, des FLACSO, der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Carter Centers. Die Presse ist
ebenfalls stark polarisiert. In der europäsichen und US-amerikanischen Presse findet man
vornehmlich `anti-Chávez´-Einstellungen, die teilweise auf einer ungenügenden
Fachkenntnis gründen. Besonders die linksgerichtete lateinamerikanische Presse ist
zunehmend `pro-Chávez´ eingestellt. Die liberale Opposition in Venezuela spricht sich
indessen stark gegen die Regierung Chávez aus, ohne selbst ein tragfähiges politisches
Programm vorzuweisen.
Als Quelle dienen außerdem Dokumente wie Reden, der vollständige Verfassungstext
von 1999, Amtsblätter und verschiedene in der venezolanischen und internationalen Presse
veröffentlichten Berichte über das behandelte Thema. Die Benutzung von

13
Die drei Grundannahmen der heute von vielen Autoren in Frage gestellten Exceptionalism Thesis sind: 1.Venezuela
war im Vergleich zum restlichen Lateinamerika privilegiert (aufgrund der zur Verfügung stehenden Einnahmen durch
die Ölrente), 2.Venezuela genoss seit Ende der 50er-Jahre eine für die Region außergewöhnliche politische Stabilität
und war frei von sozialen Konflikten und 3.Venezuelas demokratische politische Kultur des Landes war solide, selbst
im Vergleich mit den führenden westlichen Industrienationen. Diese These wurde hauptsächlich von Daniel LEVINE
1977, 1978; Moisés NAÍM und Ramón PINANGO 1984 und Diego ABENTE 1988 im Laufe der 1960er bis 1980er
Jahre aufgestellt. Spätestens nach dem Caracazo im Jahr 1989 wurde diese These endgültig überholt und
fallengelassen. Wichtige Kritiker sind Steve ELLNER und Miguel TINKER SALAS 2005. Frühere Befürworter der
These wie Daniel Levine geben zu, sie sei nicht länger auf Venezuela anwendbar, lehnen aber jede Kritik an deren
fundamentalen Aussagen ab.

13
Internetressourcen rechtfertigt sich in der Aktualität dieser Daten und darin, dass zahlreiche
Informationen lediglich online zugänglich sind.

2. Grundlegende Definitionen

2.1. Populismus14

2.1.1. Der klassische Populismus

Der Populismusbegriff umfasst inhaltlich drei zeitlich nicht deckungsgleiche


Dimensionen15: Wird Populismus als eine politisch-ideologische Grundströmung oder als
ein Grundtyp politischer Systeme16 interpretiert, handelt es sich um ein konkretes
historisches Phänomen, das auf einen regionalen (in diesem Fall den lateinamerikanischen)
Kontext begrenzt ist und in einem bestimmten historischen Zeitpunkt auftritt. Diese zwei
Dimensionen sind miteinander verknüpft: Der Populismus als politisch-ideologische
Strömung führte zum Populismus als politisches System. Die dritte Dimension, Populismus
als Führungsstil oder als Form der Massenmobilisierung und Massenmanipulation durch
Dialogtechnik, ist ahistorisch und regional unbegrenzt.17
Populismusdefinitionen müssen anhand realer Phänomene rekonstruiert werden. 18 Ein
allgemeines Element aller Populismusformen ist der direkte Appell an die Bevölkerung
(das Volk). Dabei muss berücksichtigt werden welche Rolle politische Institutionen bei der
Vermittlung zwischen Bevölkerung und Regierenden spielen.
Sowohl von einer marxistischen Perspektive (Laclau) als auch von einer
liberaldemokratischen Perspektive gesehen deutet der erfolgreiche direkte Appell an die
Bevölkerung auf eine Krise der vorhandenen politischen Institutionen hin und fördert
seinerseits eine Krise der politischen und institutionellen Vermittlung. 19 Ein direkter

14
Zu einer ausführlicheren Beschäftigung mit dem Begriff Populismus und der Schwierigkeiten seiner eindeutigen
Definition eignet sich der Beitrag von Jens HENTSCHKE: Populismus-Bedeutungsebenen eines umstrittenen
theoretischen Konzepts. Arbeitshefte des Lateinamerika-Zentrums Nr.46, Universität Münster 1998 (besonders Kapitel
1 und 2). Aufschlussreich und aktuell sind auch die Sammelbände von Frank DECKER (Hrsg.): Populismus. Gefahr
für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Wiesbaden 2006 und von Nikolaus WERZ: Populismus. Populisten in
Übersee und Europa, Opladen 2003.
15
Vgl. HENTSCHKE, Jens 1998:32-33 op.cit.
16
In Anlehnung an: NOHLEN, Dieter/HUNNEUS, Carlos: Sistemas políticos en América Latina. Una introducción a su
análisis. In: Cuadernos Hispanoamericanos. Revista Mensual de Cultura Hispánica Nr. 390, Madrid 1982:499-516.
17
Vgl. PEETZ, Peter: Neopopulismus in Lateinamerika. Die Politik von Alberto Fujimori (Peru) und Hugo Chávez
(Venezuela) im Vergleich. Institut für Iberoamerika-Kunde Hamburg 2001:23.
18
Vgl. ebd.
19
Vgl. CAMMACK, Paul: The resurgence of Populism in Latin America. In: Bulletin of American Research Nr.
19/2000:154.

14
Appell, bei dem Institutionen übergangen werden kann jedoch unter gewissen Umständen
dazu beitragen, eine institutionelle Krise kurzfristig zu bewältigen, wie am Beispiel der
ersten Präsidentschaft von Carlos Saúl Menem in Argentinien deutlich wird.
Populismus wird von klassischen Autoren wie Gino Germani20 als eine historische Etappe
im Modernisierungsprozess sozioökonomischer Systeme betrachtet, die den Übergang von
einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft kennzeichnet (transición). Große Teile
der ländlichen Bevölkerung lösten sich aus patriarchalischen Herrschaftsbeziehungen,
während das politische System noch von traditionellen Eliten beherrscht wurde. Da auf der
politischen-institutionellen Ebene jedoch gleichzeitig keine großen Veränderungen
auftraten, machte die Krise des alten politischen Systems die neuen urbanen Massen für
einen populistischen Diskurs empfänglich. Es entstanden „national-populäre Regime“,
deren Leitfiguren aus den Mittelschichten stammten und die ganz andere Interessen
vertraten als ihre Klientel. Tatsächlich wurde durch eine Mobilisierung von oben in Form
von Massenkundgebungen und Streiks mehr Partizipation für die Bevölkerung erreicht als
im bisherigen System. Der von Torcuato Di Tella 21 vertretene strukturell-institutionelle
Ansatz hebt die durch Modernisierung und Urbanisierung ausgelöste „Revolution der
Erwartungen“ hervor, in deren Rahmen der Hauttrieb für die Teilnahme an der
Massenmobilisierung individuelle Ansprüche der Angehörigen von Mittel- und
Unterschichten waren. Diese folgten dem gegen den Status Quo gerichteten Diskurs
populistischer Leitfiguren und trugen so zur Entstehung polyklassistischer Bewegungen
bei. Di Tella setzt den Populismus in Bezug zu einer spezifischen historischen Periode. Auf
institutioneller Ebene ist der Kernpunkt die Prominenz der politischen Führungsfigur, die
Existenz schwacher Parteien und Legislative und die von korporatistischen Insitutionen, die
die Mobilisierung kontrolliert vorantreiben.
Ein weiterer klassischer Ansatz zur Populismusforschung ist der von Ernesto Laclau, der
den Diskurs des Populismus analysiert und sich auf den direkten Appell an das Volk
konzentriert. Laclau definiert Populismus aus einer neomarxistischen Perspektive nicht
über Ursachen, Ziele oder Strukturen sondern als Diskurs, der sich gegen das etablierte
System richtet und populär-demokratische Ansprüche formuliert. Laclaus Erklärung ist
soziopsychologischer Natur: Die vom Kapitalismus zerstörten sozialen Identitäten werden
20
Germani zum Thema Populismus u.a.: GERMANI, Gino: Authoritarianism, fascism and national populism. New
Brunswick 1978 und Política y sociedad en una época de transición. De la sociedad tradicional a la sociedad de masas.
Biblioteca América Latina Nr.13, 2. Aufl. Buenos Aires 1979.
21
Di Tella zum Thema Populismus u.a.: DI TELLA, Torcuato: Populismo y Reforma en América Latina. In: Desarrollo
Económico Nr. 4/16, Buenos Aires 1965 und El sistema político argentino y la clase obrera. Biblioteca de América-
Libros del Tiempo Nuevo Nr. 18, Buenos Aires 1964. Di Tellas Arbeit bezieht sich stark auf den argentinischen
Peronismus.

15
von der identitätsstiftenden Rethorik und Symbolen des populistischen Diskurses wieder
hergestellt.22 Laclau lehnt den institutionell-strukturellen Ansatz ab, da er zu spezifisch an
eine bestimmte historische Erscheinungsform gebunden ist, und definiert Populismus als
„the presentation of popular-democratic interpellations as a synthetic-ant-
agonistic complex with respect to the dominant ideology“.23
Dieser Aussage zufolge ist der Ursprung des Populismus an die Krise des dominierenden
ideologischen Diskurses gebunden, die wiederum nur Bestandteil einer breiteren sozialen
Krise ist. Dieser Ansatz übernimmt die Idee der Opposition zu einem Status Quo und führt
die Diskursanalyse im Kontext einer Krisensituation ein.
Geprägt von der Schule der Dependenztheorie entwickelt Francisco Weffort am Beispiel
Brasiliens zwei neue Konzepte: Das Konzept der individuellen Klassenbeziehungen24 sowie
der „verfrühten Vermassung der Gesellschaft“25 und definiert so den marxistischen
Klassenbegriff neu. Seine Kernaussage ist, dass in der Krise der agrarischen Wirtschaft und
der liberalen Institutionen keine Klasse allein in der Lage war, die Kontrolle über die
politischen Funktionen zu übernehmen, und so ein Kompromiss- und Massenstaat
entstand.26 Der Populismus bedeutete den Übergang zur Massengesellschaft, jedoch nicht
wie in Europa als Folge der „Verbürgerlichung“ der Arbeiterklasse und der Atomisierung
des Individuums im industriellen Prozess, sondern aufgrund der Auflösungen der
traditionellen Bindungen zu den Arbeitgebern der ländlichen Bevölkerung.
In einem Versuch der Synthese plädiert Cammack für eine Analyse auf drei Ebenen: Der
strukturellen, der institutionellen und der diskursiven Ebene.27 Auf diese Weise kann durch
das Verhältnis der genannten Ebenen die historische Konjunktur ebenfalls in Betracht
gezogen werden. Der populistische Moment des direkten Appells an das Volk ist kurz und
reflektiert eine Krise politischer Institutionen. Sein Erfolg wird davon abhängen, ob durch
ein effektives Programm eine neue institutionelle Ordnung als Krisenbewältigung
geschaffen werden kann.

2.1.2 Vom demokratischen Populismus zur delegativen Demokratie


22
Vgl. PEETZ, Peter 2001:22 op. cit.
23
LACLAU, Ernesto: Politics and Ideology in Marxist Theory, London 1977:172-173.
24
Der Begriff „individuelle Klassenbeziehungen“ soll verdeutlichen, dass die Klassenbeziehungen von individuellen
Beziehungen überdeckt waren.
25
Zitiert in HENTSCHKE, Jens 1998:21 op.cit.
26
Vgl. ebd.
27
Vgl. CAMMACK, Paul 2000:152 op. cit.

16
In Lateinamerika hat sich der Populismus historisch sowohl mit autoritären Regimen als
auch mit Demokratien verbunden, da der Populismus in sich sowohl „moderne“ städtische
als auch „traditionelle“ ländliche Elemente vereint. Kronhauser stellt liberale und popu-
listische Demokratisierung wie folgt gegenüber:
„Democratization along liberal lines requires a capacity on the part of rul-
ing groups to accommodate new social elements, and progressively to share
political rights and duties with them. Democratization along populist lines
characteristically follows upon the failure of pre-existing governing groups
to accommodate additional social elements, which thereupon seek the de-
struction of the old ruling groups and the institutional basis for their author-
ity.”28
Auch andere Autoren wie Weffort und Canovan gehen auf die Unterscheidung zwischen
autoritärem und demokratischen Populismus ein. Weffort z.B. erklärt den Populismus u.a.
als Ausdruck eines Demokratisierungsprozesses, der sich entweder auf einen
institutionellen Autoritarismus nach dem Modell der Diktatur Vargas in Brasilien oder auf
die autoritäre Führung charismatischer líder stützte.29 Canovan vermerkt, dass
„in some contexts, and for some of those who use the term, populism does
not mean a threat to democracy but the true, radical ideal of democracy it-
self”.30
Dieses Ideal der radikalen Demokratie impliziert den Einsatz von Referenda und Initiativen
um den Übergang von einer repräsentativen zu einer vom Einfluss der Eliten befreiten
Demokratie zu erlangen.
„Since `democracy´ is widely supposed to mean `government by the people´,
how could a genuine democracy be other than populist? (…) Populist demo-
cracy consists of attempts (…) to make `government by the people´ a real-
ity”.31
Das Phänomen des Populismus ist Canovan zufolge sowohl zur Beschreibung der
Komponenten direkter Demokratie als auch zur Definition von bestimmten autoritären
Regimen, wie die Diktatur Peróns in Argentinien, geeignet.32

28
KRONHAUSER, William: The Politics of Mass Society, London 1960:132.
29
Vgl. HENTSCHKE, Jens op.cit. 29.
30
CANOVAN, Margaret: Populism, New York/London 1981:172.
31
Ebd. 173-174 (Hervorhebungen im Original).
32
Vgl. ebd. 3.

17
Andreas Boeckh33 unterscheidet ebenfalls zwischen einem autoritären und einem
demokratischen Populismus, wobei er jedoch letzteren einer delegativen Demokratie34
gleichsetzt. Beide Formen sind als Reaktion auf wirtschaftliche und gesellschaftliche
Krisen zu verstehen und stützen sich auf politische Bewegungen. Sie geben sich
antipluralistisch, postulieren eine direkte, von intermediären Organisationen unverfälschte
Kommunikation zwischen Führung und Volk und geben an, den unmittelbaren Volkswillen
zu repräsentieren. Ihre sozial heterogene Anhängerschaft wird durch staatlich gesteuerte
und über eigene Massenorganisationen kanalisierte klientelistische Transfers an die
Regierung gebunden.
In Lateinamerika führte die Krise der binnenmarktorientierten Strategie, welcher die
Schuldenkrise der 1980er Jahre zugrunde lag, zu zwei Reaktionen: Einerseits zu einem
defensiven Versuch, das bisherige Entwicklungsmodell nur geringfügig zu modifizieren,
und im wesentlichen zu bewahren, wie das Beispiel von Hugo Chávez in Venezuela zeigt,
und andererseits zu einer offensiven neoliberalen Transformation der Ökonomie mit
ebenfalls populistischen Mitteln (Alberto Fujimori in Perú, Carlos Menem in Argentinien,
Carlos Andrés Perez in Venezuela u.a.).35 Traditionelle Legitimationsmechanismen wie
klientelistische Transfers und die informelle Politik, bei der Elitegruppen an den Regeln
demokratischer Entscheidungsfindung vorbei ihre Interessen durchsetzten sowie nach der
Logik des rent-seeking funktionierten blieben bei beiden Strategien erhalten. Im Gegensatz
zum klassischen Populismus werden jedoch die Transfers zentralisiert und dem Zugriff
intermediären Organisationen wie Parteien und Gewerkschaften entzogen, d.h.
verstaatlicht.36 Der wichtigste Unterschied zwischen autoritärem und demokratischem
Populismus ist der Umgang mit den Verfassungsorganen. Im autoritären Populismus
werden Legislative und Judikative abgeschafft; im demokratischen Populismus, bzw. in der
delegativen Demokratie werden sie durch die Exekutive delegitimiert und politisch
marginalisiert ohne ihre Existenz grundsätzlich in Frage zu stellen.37

33
Vgl. BOECKH, Andreas: Venezuela auf dem Weg zu einem autoritären Neopopulismus? In: WeltTrends Nr. 29,
Winter 2000/2001:79-96.
34
Zur Definition der delegative democracy bei O’DONNELL, Guillermo: Delegative Democracy. In: Journal of
Democracy Vol. 5 Nr. 1 1994:55-62. Wolfgang Merkel und Aurel Crioissant kritisieren den von Guillermo O’Donnell
entwickelten und mittlerweile etablierten Begriff der delegative democracy mit der Begründung mangelnder
Abgrenzbarkeit von der rechtstaatlich-liberalen Demokratie als Ursprungskonzept und weil Delegation im Grunde ein
zentrales Prinzip der repräsentativen Demokratie darstellt. Dazu u.a. auch PANIZZA, Francisco: Beyond „Delegative
Democracy“: „Old Politics“ and „New Economics“ in Latin America. In: Journal of Latin American Studies Vol.
32/2000:737-763.
35
Vgl. BOECKH, Andreas 2000/2001:83 op. cit.
36
Als Beispiel hierfür eignet sich der von Hugo Chávez eingeführte Plan Bolívar 2000.
37
Vgl. BOECKH, Andreas 2000/2001:84 op. cit.

18
2.1.3 Der Neopopulismus-Begriff

Die Unterscheidung zwischen Neopopulismus und klassischem Populismus ist nicht


inhaltlicher Natur, sondern bezieht sich auf die historische Epoche, in der populistische
Strukturen und politische Handlungsmuster feststellbar sind. Der umstrittene Begriff
Neopopulismus bezeichnet bestimmte Erscheinungsformen von Populismus in der
Geschichte.38 Der klassische Populismus war in Lateinamerika die Reaktion auf die Krise
des exportorientierten Entwicklungsmodells und kann entwicklungsstrategisch mit der
Durchsetzung eines binnenmarktorientierten Entwicklungsmusters in Verbindung gebracht
werden. Der Neopopulismus hingegen ist eine Reaktion auf die Krise eben dieses
binnenmarktorientierten Modells, wobei die Strategie der Krisenbewältigung zwischen
einer defensiven Bewahrung des alten Modells und seiner neoliberalen Transformation
variieren kann.39 Neopopulistische Regime sind inhärent instabil, da sie hinsichtlich der
Transformationserfordernisse in der gegenwärtigen Weltwirtschaft kaum in der Lage sind,
den Steuerungsanforderungen nachzukommen, die sich mit der Erlangung von
Wettbewerbsfähigkeit verbinden. Durch die Marginalisierung von intermediären Strukturen
und die Behinderung von Institutionalisierung sowie von einer Routinisierung politischer
Entscheidungsprozesse unterbinden sie die Bildung komplexer Netzwerke aus staatlichen
und nicht-staatlichen Akteuren. Auf die inhärente Inkompetenz der hochzentralisierten
Entscheidungsstrukturen delegativer Demokratien hat auch O’Donnell verwiesen.
Populistische Regime sind außerdem nach wie vor stark von klientelistischen Transfers zur
Herstellung von politischer Legitimität abhängig.
Die Krise des Entwicklungsmodells der importsubstituierenden Industrialisierung (ISI),
die ihren Ausdruck in der Schuldenkrise der 1980er Jahre hatte, zog in vielen
lateinamerikanischen Ländern populistische Reaktionen nach sich. Diese Reaktionen
wurden mit dem Begriff Neopopulismus bedacht. Sie unterschieden sich bezüglich ihrer
entwicklungspolitischen Zielrichtung: Auf der einen Seite gibt es defensive Versuche, das
alte Modell zu bewahren (Hugo Chávez); auf der anderen Seite gab es Ansätze, mit dem
Arsenal populistischer Politik eine neoliberale Umgestaltung von Wirtschaft und
Gesellschaft zu betreiben (Alberto Fujimori, Carlos Menem, Carlos Salinas de Gortari)40.
Neopopulismus ist weniger institutionalisiert als klassischer Populismus.

38
Vgl. PEETZ, Peter 2001:25 op. cit.
39
Auch bei BOECKH, Andreas 2000/2001:84 op. cit.
40
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia: Der Comandante in seinem Labyrinth. In: Ders./SEVILLA, Rafael (Hrsg.):
Venezuela. Die Bolivarische Republik, Bad Honnef 2005:93.

19
„It adopts a more antiorganizational stance, reaches followers in the private
sphere, and depends on the confidential responses of individual citizens, not
on collective manifestations by the people in the public sphere. The volonté
de tous has replaced the volonté générale as populism´s base of plebiscit-
arian legitimation. Neopopulism is therefore less mobilizational, transform-
atory, and redemptive than classical populism, and its inclusionary charac-
ter is more symbolic than effective. But by appealing to the whole citizenry
and by ascertaining the will of the people through votes and poll responses,
neopopulism is more representative than classical populism and more com-
patible with liberal democracy.”41
Die Hauptmotivation der politikwissenschaftlichen Forschung zum lateinamerikanischen
Neopopulismus liegt in der Bewertung der Qualität von Demokratie und der Entwicklung
von demokratischen Institutionen in der Region. Die Neopopulismus-Debatte ist in erster
Linie Teil der Diskussion um demokratische Konsolidierung und um die Einordnung des
jeweiligen Landes in demokratietheoretischen Kategorien zwischen Idealtypen wie
Totalitarismus und liberale rechtstaatliche Demokratie.
In Lateinamerika wurden aufgrund gestiegener Erwartungen der Bevölkerung sofort
Forderung nach sozialen Reformen bei der Einführung der Demokratie laut. 42 Soziale
Ungleichheit und Armut untergraben demokratische Stabilität, so dass die Erweiterung des
sozialen Netzes als Grundlage für eine starke Zivilgesellschaft dient. Ohne soziale
Garantien sind viele Menschen auch in der Demokratie gezwungen, sich an
klientelistischen Netzwerke zu halten um ihre Existenz zu sichern.43 Die wichtigsten
Akteure, wie Parteien, Interessenverbände, soziale Bewegungen und politische
Führungsfiguren, stehen vor einer Herausforderung: Reformen werden meistens von nicht
organisierten Bevölkerungsgruppen befürwortet, die im informellen Sektor sowohl im
städtischen als auch im ländlichen Bereich ansässig sind. Populistische Führungsfiguren
sind in der Lage, besonders unter dieser Bevölkerungsgruppe Anhänger zu finden.44

2.1.4 Zusammenfassung: Populismus als politische Strategie

41
WEYLAND, Kurt: Clarifying a Contested Concept. Populism in the Study of Latin American Politics. In: Comparative
Politics, Vol. 34 Nr.1 2001:16.
42
In Venezuela wurde die Demokratie bereits 1958 eingeführt. Die Einnahmen aus der Ölrente ermöglichten es den
Eliten, über Jahrzehnte soziale Konflikte durch Klientelismus und Subventionen zu verhindern.
43
Hierzu siehe WALDMANN, Peter: Der anomische Staat, Opladen 2002.
44
Vgl. WEYLAND, Kurt 1995:126 op. cit.

20
Politische Institutionen haben die Aufgabe, zwischen der regierenden Minderheit und der
Mehrheit zu vermitteln ohne dass politische Freiheiten und Rechte eingeschränkt werden.
Diesbezüglich und im Gegensatz zur populistischen Demokratie wurde Dahls Konzept der
Polyarchie eingeführt.45 Letztere zeichnet sich durch die unbegrenzte Herrschaft der
Mehrheit im Rahmen institutioneller Kontrollmechanismen aus. Der Populismus als
ahistorisches Phänomen beinhaltet eine distanzierte Haltung zu den Werten und
Institutionen der repräsentativen Demokratie. Die Analyse von Populismus in der
Gegenwart ist verbunden mit der Analyse politischer Institutionen und strukturell-
institutioneller Krisen. Die Notwendigkeit einer Institutionalisierung in Lateinamerika wird
von vielen Autoren als Gegenmittel zu populistischen Tendenzen und Unregierbarkeit
angesehen.
Roberts definiert Populismus als ein radial concept 46
. Radial concepts umfassen als
diminished subtypes47 diejenigen Fälle, denen mindestens ein Merkmal fehlt. Er listet fünf
traditionell mit Populismus in Zusammenhang gesetzte Merkmale auf:
 „…personalistic and paternalisitc leadership,
 a heterogeneous, multi-class political coalition,
 a top-down process of political mobilization that bypasses institutionalized
forms of mediation,
 an amorphous or eclectic ideology and
 an economic project that utilizes widespread redistributive or clientelistic
methods”.48
Diese Art von Konzepten fördern Konfusion, da verschiedene Autoren, die den gleichen
Begriff benutzen unterschiedliche Merkmale mit dem Konzept assoziieren. Wir schließen
uns Weylands Ansicht an, dass es erforderlich ist, multidomain concept, also cummulative
und radial concepts, beiseite zu lassen und stattdessen Populismus als ein klassisches
Konzept neu zu definieren, das in einem einzigen Gebiet situiert ist. Das Wiederauftreten
von populistischen Führerfiguren in den 1980er Jahren lässt die historische Dimension als
nicht brauchbar erscheinen. Sozioökonomische Politikmaßnahmen und politischer Stil sind
die brauchbarsten Definitionsmerkmale. Eine politische Definition von Populismus ist die

45
Die Operationalisierung und Definition des Begriffes Polyarchie wird von Robert DAHL in Vorstufen zur
Demokratie-Theorie, 1. Aufl. Tübingen 1976 (Englische Originalausgabe 1956) im dritten Kapitel ausführlich erläutert.
46
Vgl. ROBERTS, Kenneth: Neoliberalism and the Transformation of Populism in Latin America. In: Studies in Com-
parative International Development 31 1996:88.
47
Diminished subtypes: Subtypen, bei denen bestimmte vorher festgelegte Merkmale beschädigt sind. Hierzu: COL-
LIER, David/LEVITSKY, Steven: Democracy with Adjectives: Conceptual Innovation in Comparative Research. In:
World Politics 49/3, 430-451.
48
ROBERTS 1996, zitiert in WEYLAND, Kurt 2001:10 op. cit.

21
erstrebenswerteste. Sie konzeptualisiert Populismus als eine spezifische Weise der
Konkurrenz um politische Macht und positioniert das Konzept des Populismus in die
Sphäre der Domination und nicht in die der Distribution. Populismus formt vor allem
politische Regulierungsmuster und nicht die Verteilung von sozioökonomischen Gewinnen.
Die politische Redefiniton beinhaltet am besten das wichtigste Ziel populistischer
Führungsfiguren: Macht gewinnen und ausüben. Wirtschaftliche und soziale policy ist hier
ein Instrument für deren Ziel.49 Diese Definition richtet sich auf die Methoden und
Instrumente der Machtgewinnung und Machtausübung. Politische Strategien setzen die
Fähigkeit zur Machtausübung der Führerfigur voraus und können auch als politischer Stil
betrachtet werden. Sie beziehen nämlich nur diejenigen Führer mit ein, welche ihre
Regierung auf einer Fähigkeit zur Machtausübung basieren, und nicht diejenigen, die
lediglich diese Fähigkeit nutzen. Politische Akteure können verschiedene Strategien
benutzen, um Macht dauerhaft zu gewinnen. Weyland unterscheidet einerseits zwischen
drei Arten politischer Akteure: Individuelle Akteure, informelle Gruppen oder formale
Organisationen, und andererseits zwischen zwei grundlegenden Arten von Machtfähigkeit
oder power capabilities:
„numbers (as demonstrated in votes, poll responses, or mass rallies) and
special weight (particularly socioeconomic clout or military coercion)“50.
Das Zusammenspiel beider power capabilities schafft verschiedene Arten von politischen
Strategien und Regierungstypen. Populismus ist eine politische Strategie, bei der eine
Führerfigur auf der Basis von direkter, unmittelbarer, nicht institutionalisierter und
unorganisierter Massenunterstützung regiert. Intermediäre Organisationen werden
deinstitutionalisiert und dem Willen des líders (nicht des Volkes) unterworfen.

2.2 Politische Partizipation

2.2.1 Zur Definition von politischer Partizipation

49
Vgl. WEYLAND, Kurt 2001:11 op.cit.
50
Ebd. 12. Siehe auch: WEYLAND, Kurt 1995128-129 op.cit.

22
Unter politischer Partizipation werden dem instrumentellen Verständnis nach von
einzelnen Bürgern oder kollektiv unternommene Tätigkeiten verstanden, die dem Ziel
folgen, die politische Entscheidungsfindung direkt oder indirekt zu beeinflussen. Dies
geschieht in Abgrenzung zu der von autoritären Regimen gesteuerten Massenmobilisierung
freiwillig. Es sollten jedoch dabei demokratische Druckmechanismen, wie z.B.
Wahlpflicht, nicht übersehen werden.51 Normativ verstanden ist politische Partizipation ein
Wert und ein Ziel an sich, der die Selbstverwirklichung im direktdemokratischen
Zusammenhandeln bezweckt. Der normative Begriff ist konsensorientiert, der
instrumentale Begriff dagegen konfliktorientiert. 52 Der Akt politischer Partizipation
verbindet die gesellschaftliche mit der politischen Sphäre. Die Akteure werden durch
Partizipation im Sinne von Teilnahme wie auch Teilhabe in das politische System
integriert.53
Die freie und faire politische Partizipation der Bürger kennzeichnet den Kern der
Demokratie und wird sowohl in der Demokratietheorie als auch in der alltäglichen
Auffassung von Demokratie als ein wesentliches Merkmal begriffen.54
Politische Entscheidungen erfolgen im Rahmen einer Rollendifferenzierung, welche eine
ungleiche Distanz zum Entscheidungszentrum beinhaltet.55 Die Entscheidungsfindung ist in
der Regel Regierungsmitgliedern und weiteren wenigen Inhabern wichtiger
Führungspostionen vorbehalten. So findet nach Stein Rokkan und Samuel Eisenstadt
politische Partizipation erst dann statt, wenn die Ebene der Entscheidungsfindung, d.h. die
Ebene der einfachen Verbands- oder Parteimitglieder und Wähler voneinander
differenzierbar sind.56
In Europa trug die Mobilisierung des Bürgertums im Rahmen des
Industrialisierungsprozesses zur Festigung fundamentaler politischer Partizipationsrechte
bei, allen voran das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit das
Recht, politische Parteien zu gründen und zur freien Versammlung so wie das Wahlrecht.
Dabei bildeten sich die oben erwähnte Ebenendifferenzierung: In den
Entscheidungspositionen, d.h. im Zentrum, werden Entscheidungen verantwortet und dafür
unter der politischen Peripherie nach politischer Unterstützung gesucht. Von der mittleren

51
Vgl. LAUTH, Hans Joachim 1999:63 op.cit.
52
Vgl. SCHULTZE, Rainer-Olaf: Partizipation. In: Lexikon der Politikwissenschaft Bd. 2, München 2002:636.
53
Vgl. LAUTH, Hans Joachim 1999:64 op.cit.
54
Vgl. ebd. 61.
55
Vgl. ALMOND, Gabriel/POWELL, G. Bingham: Comparative Politics. A Developmental Approach, Boston
1966:20ff.
56
Hierzu witerführend: EISENSTADT, Samuel/ROKKAN, Stein (Hrsg.): Building States and Nations. Erster Band.
Beverly Hills 1973.

23
Ebene aus wird die politische Entscheidungsfindung beeinflusst und die politische
Unterstützung durch Öffentlichkeitsarbeit weitervermittelt. Da der nötige Zeitaufwand zum
Zentrum der Entscheidungsfindung hin stark zunimmt, besteht zwischen politischem
Zentrum und politischer Peripherie außer einem eindeutigen Machtgefälle ein Gefälle der
Teilnahme.
Von diesen institutionalisierten Normen politischer Partizipation unterscheiden sich die
in Lateinamerika stark repräsentierten unkonventionellen (gewaltsamen)
Partizipationsformen wie Streiks, Boykotts Aufruhr und Revolten.

2.2.2 Politische Partizipation in der direkten Demokratie

Repräsentativ-demokratische Formen politischer Partizipation wie Wahlen oder


Parteimitgliedschaft unterscheiden sich von direktdemokratischer Partizipation, z.B.
Referenda vor allem dadurch, dass erstere allgemein, einfach und egalitär, die zweite Form
jedoch mit einem hohen Maß an Engagement und Kosten verbunden ist.57
Die Hälfte aller Staaten weltweit sehen Volksentscheide auf der nationalen Ebene vor. Im
Zeitraum zwischen 1990 und 2000 hat sich die Zahl der nationalen Volksabstimmungen
weltweit verdoppelt. Insgesamt waren 405 gesamtstaatliche Referenda registriert. Durch
diese Verfahren soll die direkte Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen
gestärkt werden. Es gibt zwei unterschiedliche Verständnisse des Begriffes direkte
Demokratie. Einerseits bezeichnet eine direkte Demokratie einen spezifischen Typus
politischer Herrschaft, in dem politische Macht allein und direkt durch die Gesamtheit der
abstimmungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger, nicht durch wenige Repräsentanten
oder Amtsträger verbindlich ausgeübt wird. Der Gegenbegriff zu der so verstandenen
direkten Demokratie ist die repräsentative Demokratie. Andererseits versteht man unter
direkter Demokratie ein politisches Entscheidungsverfahren, bei dem Bürgerinnen und
Bürger politisch-inhaltliche Sachfragen auf dem Wege der Volksabstimmung selbständig
und unabhängig von Wahlen entscheiden. In diesem Verständnis ist direkte Demokratie
nicht als Gegenteil von einer repräsentativen Demokratie zu verstehen. Es werden vielmehr
nach dem Prinzip der Volksabstimmung konstruierte Entscheidungsverfahren als
ergänzende Instrumente politischer Beteiligung in unterschiedlicher Ausgestaltung
repräsentativdemokratischen politischen Systemen beigemischt, wie z.B. in der Schweiz58.
57
Vgl. SCHULTZE, Rainer-Olaf 2002:636 op.cit.
58
Mehr zum Konzept direkte Demokratie findet sich u.a. in: JUNG, Sabine: Die Logik direkter Demokratie, Wiesbaden
2001, sowie auch in SCHILLER, Theo: Direkte Demokratie. Eine Einführung, Frankfurt am Main 2002.

24
An dieser Stelle ist die Unterscheidung zwischen Abstimmungen über Personen und über
inhaltliche Sachfragen wichtig. Erstere finden in Demokratien durch Wahlen statt, direkte
Demokratie geht aber über die Wahlen hinaus, indem sie direkte Entscheidungen der
Bürger über inhaltliche Sachfragen durch verschiedene „Instrumente“ wie nicht bindende
Anregungen, Referenda, Volksinitiativen oder Volksbegehren und Plebiszite einführt.
Durch ein Referendum kann ein Parlamentsbeschluss über ein Gesetz oder eine
Verfassungsbestimmung einer Volksabstimmung unterworfen werden, und auf diese Weise
wird durch die Volksabstimmung ein Beschluss des Parlaments nachträglich durch das
Volk bestätigt oder abgelehnt. Liegt die Kompetenz zu Auslösung eines solchen
Referendums bei den Stimmbürgern, spricht man von einem fakultativen Referendum. Ist
eine Volksabstimmung durch Rechtsnormen, in der Regel durch Verfassungsrecht,
zwingend vorgeschrieben spricht man von einem obligatorischen Referendum.
Eine Initiative ist ein direktdemokratisches Entscheidungsverfahren, das von einzelnen
Personen, Gruppen oder Organisationen aus der Mitte des Volkes heraus und nicht von
oben ausgelöst werden kann. Mit der Initiative können aktiv und direkt inhaltliche
Vorschläge in den Gesetzgebungsprozess eingebracht werden. Bei Plebisziten kommt die
Kompetenz zur Auslösung einer Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung oder
ein Gesetz nicht den Bürgern zu, sondern liegt im Ermessen eines Staatsorgans. Diese
Konstruktion erlaubt es den jeweils zuständigen Staatsorganen, das Plebiszit aus
strategischen Überlegungen im politischen Wettbewerb mit den jeweils anderen
Staatsorganen und als Vertrauensfrage einzusetzen, z.B. Referendum der V. Republik
Frankreich.59
Direktdemokratische Instrumente und deren Gebrauch schaffen themenspezifische,
politikinhaltliche Partizipationsmöglichkeiten für die Bürger. Direkte Demokratie kann
neue Partizipationsressourcen und Identifikationspotenziale auf dem Weg von der
„Parteiendemokratie“60 hin zur „Mitmach- und Bürgerdemokratie“61 erschließen. Neue
Formen politischer Partizipation tragen zur Öffnung parteiendemokratischer
Machtstrukturen bei. Regierung und Parlament stellen unter erhöhtem
Rechtfertigungsdruck einen Diskurs mit der Bevölkerung her und beziehen die Bürger in
den Diskurs über politische Entscheidungen mit ein. Idealerweise wird durch intensive
Diskussionsprozesse im Vorfeld von Volksabstimmungen und durch die unmittelbare
Beteiligung aller Bürger an Entscheidungen wird die politische Integration der Bürger
59
Vgl. BATT, Helge: Direktdemokratie im internationalen Vergleich. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 10/2006:10ff.
60
In Venezuela herrschte von 1958 bis 1989 die sog. partidocracia (Parteienherrschaft) von AD und COPEI.
61
Vgl. BATT, Helge 2006:16 op.cit.

25
gestärkt. Die Einführung von direktdemokratischen Instrumenten in Begleitung von
ausreichender Informationsaufnahme, Bildung von Beurteilungsmaßstäben und Abwägung
von Argumenten ermöglicht Prozesse des öffentlichen politischen Lernens und die
Herausbildung staatsbürgerlicher Verantwortung für das Gemeinwohl. 62 In den meisten
Ländern Lateinamerikas, deren Zivilgesellschaft schwach ist und in der weite Teile der
Bevölkerung über unzureichende Bildung verfügen, ist es schwierig, die soeben
beschriebenen Instrumente direkter Demokratie anzuwenden, ohne in eine Simplifizierung
der Aussagen zu verfallen. Im venezolanischen Fall folgten jahrzehntelanger Passivität der
Wähler und dem in der politischen Kultur verankerten Mangel an Eigeninitiative ein hohes
Misstrauen in die politischen Institutionen, sowie steigende Wahlenthaltung und eine
wachsende Polarisierung der Gesellschaft. Der liberalen Verfassungstradition von Locke
bis Kant war es stets ein Anliegen, die Versuchungen des Machtmissbrauchs zu verhindern
und gleichzeitig die Freiheit des Einzelnen zu bewahren. So setzt sich die liberale
Demokratie durch eine Verfassung auf rationale Weise selbst Grenzen und erlaubt es so,
die Vorteile der demokratischen Herrschaftsform auszuschöpfen, denn
„eine Mehrheit soll nicht für sich und für die unterlegene Minderheit
entscheiden, so dass grundsätzliche demokratische Partizipationsrechte
eingeschränkt werden“63.
Sollte die Autonomie des Individuums vor dem Willen der demokratischen Mehrheit
nicht geschützt werden, wird der Mehrheitswille dem Einzelnen von der Mehrheit
oktroyiert.64
Die konträr argumentierende theoretische Linie Rousseaus fasst es als Widerspruch auf,
dass sich souveräne Macht selbst Fesseln anlegt und argumentiert gegen die Existenz eines
nicht aufhebbaren Grundgesetzes.65

2.2.3 Top-down-Mobilisierung im Populismus

62
Vgl. ebd. 17.
63
MERKEL, Wolfgang: Defekte Demokratien. In: Ders. (Hrsg.): Demokratie in Ost und West. Frankfurt am Main
1999:373.
64 62
MERKEL, Wolfgang/Croissant, Aurel: Formale und informale Institutionen in defekten Demokratien. In: Politische
Vierteljahresschrift Nr. 41/2000:14.
65
Vgl. ebd. 13ff.

26
Im Populismus übt eine einzelne Führerfigur Macht auf der Basis einer großen
Anhängerzahl aus. Wahlen, Plebiszite, Massendemonstrationen und ab Ende des 20.
Jahrhunderts Umfragen sind die im Populismus meist eingesetzten Instrumente für
Mobilisierung und die Demonstration der power capability. Insbesondere in
Krisensituationen schaffen sich populistische Regime eine breite Massenunterstützung. 66
Letztere weist unterschiedliche Organisations- und Institutionalisierungsniveaus auf. Da im
Populismus ein Individuum, ein personalistischer líder regiert, hat die Verbindung
zwischen Regierendem und der Masse der Bevölkerung einen direkten, unmittelbaren
Charakter ohne Vermittlung intermediärer Organisationen. Daher kann auch die
Unterstützung der Bevölkerung schnell abklingen, werden Versprechen von der Regierung
nicht eingelöst. Solch eine Instensität in der Beziehung zum Volk setzt Charisma voraus,
d.h. eine außergewöhnliche Integrations- und Führungsfähigkeit sowie ein Auftritt als
Retter in der Not. Populistische Führer zeigen ihre Nähe zum einfachen Volk und fördern
dessen Identifikation mit der Regierung als Regierung des Volkes. Um ihre Macht zu
stabilisieren suchen populistische Führer die Routinisierung des Charisma 67 meistens auf
klientelistischer Basis. Die Beziehung ist populistisch, solange die Gesellschaft von
schwacher Institutionalisierung und Klientelismus gekennzeichnet ist und die
außergewöhnliche Problemlösungsfähigkeit des líder nicht infrage gestellt wird.
In der lateinamerikanischen Demokratieforschung werden bei der Aufstellung von
Demokratiemodellen in Anlehnung an Robert Dahl Zahlen oder Intensitäten 68 in Betracht
gezogen. Eine weitere Dimension überschneidet sich mit der zuvor genannten: Die Rolle,
die politische Eliten, bzw. Führungspersönlichkeiten und die einfache Bevölkerung bei der
Politikgestaltung einnehmen. Werden Reformen, die soziale Gleichheit als Ziel haben
durch Initiativen von oben - top down - eingeführt oder entstehen sie aus dem Druck, der
von der Bevölkerungsbasis ausgeübt wird - bottom up?69 Aus der Kombination beider
Dimensionen leitet Weyland vier unterschiedliche Demokratiemodelle ab: liberalism,
populism, `basismo70´, und concertation.71 Im liberalism und im populism werden alle
Bürger gleich berücksichtigt. Sie unterscheiden sich aber darin, dass im Ersteren die

66
Vgl. WEYLAND 2001:12 op.cit.
67
Zum Konzept der charismatischen Herrschaft vgl. Max Webers soziologisches Hauptwerk: WEBER, Max: Wirtschaft
und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. rev. Aufl. (Studienausgabe) Tübingen 2002. Hrsg. Johannes
Winckelmann. „Charismatismus“ Kap. IX, 3. Teil; „Umbildung des Charisma“ Kap. X, 3. Teil. Ergänzend vgl.
BREUER, Stefan: Bürokratie und Charisma, Darmstadt 1994.
68
Hierzu DAHL, Robert 1976 op. cit. Kapitel 4.
69
Vgl. WEYLAND, Kurt 1995:128 op. cit.
70
Kurt Weyland macht vom spanischen Begriff basismo Gebrauch, während er für die drei weiteren Begriffe die
englische Form wählt.
71
Vgl. ebd. 129, Tabelle 1.

27
politische Initiative beim individuellen Bürger, beim Letzteren jedoch bei der
Führungsfigur liegt. Im liberalism sind die Bürger die zentralen Akteure. Da politischer
Wettbewerb die Repräsentanten verantwortlich gegenüber den Wählern macht, wird die
Wählerschaft nicht unmittelbar in die politische Entscheidungsfindung einbezogen.
Populism hingegen legt das Gewicht auf eine Führungsperson, welche die Massen der
Bevölkerung mobilisiert, um das Gewicht der tradierten politischen Eliten zu brechen. Der
líder etabliert eine quasi-persönliche Verbindung zur Bevölkerung indem er formale
Institutionen übergeht. Ein charismatischer líder populistischen Stils wird von vielen
Forschern als notwendig für die politische Mobilisierung und Förderung der politischen
Partizipation der Bevölkerung angesehen. Diese sind an klientelistische Netzwerke
gebunden, und so können sich so von passiven Untergebenen zu aktiven Teilnehmern
wandeln. Basismo hingegen sucht die politischen Eliten durch die autonome Mobilisierung
der unteren Gesellschaftsschichten herauszufordern, wobei dieses Modell gerade extrem
marginalisierte Gruppen einbezieht. Bei concertation ist das Ziel, das Überleben der
Polyarchie als solche zu garantieren. Die soziale Frage rückt in den Hintergund.72
Politische Parteien übernehmen verschiedene Funktionen in den unterschiedlichen
Modellen: Im Liberalismus existieren pragmatische Parteien, im Populismus eine
personalistische Partei, die dem líder als Mobilisierungskanal dient und im basismo
wandelt eine Partei des Volkes (partido del pueblo) die Interessen der sozialen
Bewegungen in einen tiefgreifenden Appell um.73 Concertation, der Kompromiss zum
Erhalt der Polyarchie, ist ein seltener Fall.74
Die vier Modelle zeigen vier verschiedene Lösungsansätze für das Reformdilemma bei
der Erhöhung der sozialen Gleichheit und dem gleichzeitigen Erhalt des Status Quo:
Während liberalism zum Erhalt der politischen und sozialen Ordnung tendiert, möchte
populism die Eliten stürzen und ein Umverteilungsmechanismus der gesellschaftlichen
Ressourcen in Gang zu setzen. Basismo lehnt die top-down-Struktur und die Manipulation
der Bevölkerung im Populismus ab und appelliert an die ärmeren Schichten mit dem Ziel,
sozialen Wandel durch eigenes Tun hervorzurufen. Durch politische Teilnahme wird die
Gesellschaft egalitärer. Da breite Sektoren der Ärmeren sehr schwer zu mobilisieren sind,
wenden sich soziale Bewegungen oft an schon gebildete Interessensgruppen. Der bottom-
72
Vgl. ebd. 129f.
73
Vgl. ebd. 130.
74
Hierfür ist Chile Ende der 1980er-Jahre das beste Beispiel. Dazu u.v.a.: BOENINGER, Edgardo: La concertación
política y social, Santiago de Chile 1984:37ff sowie SILVA, Patricio: Searching for Civilian Supremacy: The Concerta -
ción Gouvernments and the Military in Chile. In: Bulletin of Latin American Research Vol. 21 Nr. 3 2002:375-395.
Einen guten Überblick liefert auch der Band von NOLTE, Detlef et.al. (Hrsg.): Chile heute. Politik, Wirtschaft, Kultur,
Frankfurt am Main 2004.

28
up Druck gefährdet den Status Quo und die Stabilität der Demokratie. 75 Populism und
basismo suchen einen tiefgehenden Wandel der Gesellschaft und bergen ein großes Risiko
zu scheitern. Liberalism dagegen gibt sich mit begrenzten Reformen zufrieden und
concertation sucht graduelle, langsame Reformen. Diese könnten für die ärmeren
Schichten jedoch zu langsam sein, oder, wie beim Liberalismus, zu begrenzt.76
Bei einer empirischen Bestandsaufnahme zeigen sich die bottom-up-Modelle liberalism
und basismo als schwer durchsetzbare Formen aufgrund der sozialen Ungleichheit und der
festen Position der traditionellen politischen und sozialen Eliten. Während basismo nach
Weylands Modell zur Moderierung gegenüber Eliten tendiert und sich in Richtung
concertation entwickelt, gewinnt liberalism bei einer schwachen Zivilgesellschaft und
starken sozialen Ungleichheiten an populistischen Zügen. Durch neoliberale Maßnahmen
in der Wirtschaft und einer Nichteinhaltung von Versprechen werden Erwartungen der
Bevölkerung enttäuscht und klientelistische Netzwerke gestärkt. Es scheint, es könne nur
eine starke Persönlichkeit das Land aus der Krise ziehen. Somit fördert wirtschaftlicher
Liberalismus nicht bottom-up-Modelle sondern im Gegenteil top-down-Mechanismen.

2.2.4 Formale und informelle Institutionen politischer Partizipation

2.2.4.1 Formale Institutionen

Das neoinstitutionalistische Denken begreift im Gegensatz zur klassischen


politikwissenschaftlichen Analyse die Institutionen nicht als durch den Einbezug
intermediärer Organisationen erweiterte verfasste Staatsorgane, sondern orientiert sich an
soziologischen Traditionen, die Institutionen als verhaltensprägende und das
gesellschaftliche Handeln strukturierende Muster von Normen verstehen, und so im
gegenseitigen Verhalten die Vorhersehbarkeit erhöhen77. Institutionen werden von
Douglass North als
„Spielregeln einer Gesellschaft oder, förmlicher ausgedrückt, die von
Menschen erdachten Beschränkungen menschlicher Interaktion“78
definiert. Hartmut Behr erweitert den Institutionenbegriff und definiert Institutionen als

75
Vgl. WEYLAND, Kurt 1995:130ff op. cit.
76
Vgl. ebd. 131.
77
Vgl. BALZER, Wolfgang: Soziale Institutionen, Berlin 1993 zitiert in LAUTH, Hans-Joachim 1999:64 op. cit.
78
NORTH, Douglass: Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992:3.

29
„formell wie informell verfestigte oder (…) zu verfestigende Einrichtungen
(…) die Herrschaftspartizipation ermöglichen (sollen) und eine Art
dauerhafte Referenz politischen Handelns darstellen“.79
Formale politische Institutionen stellen regulative Muster zur Herstellung verbindlicher
Entscheidungen dar, die rechtlich verfasst sind. Sie können lediglich durch politische oder
gerichtliche Entscheidungen kurzfristig verändert werden80 und entstehen durch politische,
administrative oder gerichtliche Satzung. Sie sind verankert in Verfassungen, Statuten,
Gesetzen und Verwaltungsnormen. Sie bestimmen die Struktur des politischen Systems,
setzen formelle Regeln mittels Sanktionsandrohung durch und besitzen generelle
Geltungskraft.
An der Art, in der informelle Regeln in das Geflecht formaler Institutionen
hineinwachsen, kann der Unterschied zwischen einer repräsentativen und einer delegativen
Demokratie erkannt werden. In liberalen, rechtsstaatlichen Demokratien ergänzen sich
formale und informelle Institutionen: Erstere stützen sich auf informelle Regeln und passen
sich dadurch flexibler an die Anforderungen des politischen Prozesses an. In delegativen
Demokratien ersetzen informelle Interaktionsmuster die Funktionsweise der formalen
demokratisch legitimierten Institutionen durch ihre eigene Funktionslogik. 81 Die
Einschränkung demokratischer Institutionen kann von oben ausgehen, d.h. demokratische
gewählte Exekutiven dehnen ihre Macht auf Kosten der checks and balances aus, oder von
unten, wenn partikuläre Interessen im Kontext klientelistischer Traditionen die formalen
Institutionen „kolonisieren“.82 In den meisten Fällen jedoch treten die Einschränkung von
oben und die von unten gemeinsam auf und führen zu einer informellen, stabilen,
klientelistichen Beziehung zwischen den gesellschaftlichen Akteuren. Durch die
Informalität entsteht die Gefahr, dass populistisch agierende und plebiszitär legitimierte
Präsidenten das Parlament umgehen. Durch Dekrete und Ermächtigungsfälle wird der
politische Entscheidungsprozess undurchsichtig und verlagert sich in informelle
Personenkreise. Es entsteht entweder ein überpolitischer oder ein apolitischer
Regierungsstil.83
Sog. neue Demokratien werden oft als nicht-institutionalisiert oder nicht-konsolidiert
bezeichnet, indem sie mit den etablierten Demokratien der westlichen Industrieländer

79
BEHR, Hartmut: Demokratietheorien und Partizipationskonzepte. In: LAUTH, Hans-Joachim/LIEBERT, Ulrike
1999:41 op.cit. in Fußnote.
80
Vgl. MERKEL, Wolfgang/CROISSANT, Aurel 2000:18 op. cit.
81
Vgl. ebd. 19.
82
Ebd. 20.
83
Letzterer ist charakteristisch sowohl für den Neopopulismus als auch für den chavismo.

30
verglichen werden. Wenn informelle Regeln in einer Gesellschaft weitgehend akzeptiert
und befolgt werden, nehmen sie die Stelle der formalen Regeln ein, das heißt, sie gewinnen
an institutionellem Gewicht. In diesen Fällen sind aber informelle Regeln effektiver und
effizienter zur Lösung anstehender Probleme als institutionelle Muster nach europäischem
Beispiel. Klientelismus ist in den Demokratien Lateinamerikas extrem einflussreich.
Demnach stellen in Lateinamerika sowohl Wahlen (formal, jedoch periodisch) als auch
Klientelismus (informell, jedoch nachhaltig) zwei wichtige Institutionen dar. Die
Verdrängung formaler Institutionen des Rechtsstaates durch die Informalisierung
politischer Verfahren kann die Entstehung delegativer Demokratien erklären. Die
Missachtung liberal-konstitutioneller Mechanismen erfolgt häufig unter Berufung auf
direktdemokratische Prinzipien.

2.2.4.2 Informelle Institutionen

Informelle Institutionen entstehen evolutionär durch regelmäßige Interaktion zwischen


Akteuren ohne zwingende Regelsetzung84 aus Traditionen, Bräuchen, Werten und
religiöser Überzeugung. Sie werden sozial generiert aber auch sanktioniert und
beanspruchen eine partikuläre Geltungskraft. Die informelle Ausübung von Politik bezieht
sich so auf die Verhaltens- und Erwartungsmuster von Individuen und Gruppen in einer
Gesellschaft, die nicht durch formale Regeln gedeckt sind.85
Informelle Institutionen beeinflussen die formale Partizipation bereits vor der politischen
Beteiligung, indem sie zusätzliche informelle Partizipationskanäle zur Verfügung stellen.
Wenn Institutionen die Ordnung, für die sie geschaffen wurden, nicht garantieren können,
entsteht eine Diskrepanz zwischen den Verhaltensnormen der formalen Institutionen und
der realen Verhaltensweise der Individuen vor allem dann, wenn die Verhaltensweisen
geordnet und nicht anomisch verlaufen.86
Während formale Institutionen öffentlich kodifiziert und von staatlichen Instanzen
garantiert sind, beruhen informelle Institutionen auf ihrer faktischen Existenz und
Wirksamkeit. Sie sind öffentlich erkennbar aber nicht schriftlich verankert. Ihre
Geltungsmacht beruht auf ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, die sie wiederum legitimiert.
Durch die Schaffung von bekannten und allgemein akzeptierten Verhaltensstrukturen

84
Vgl. MERKEL, Wolfgang/CROISSANT, Aurel 2000:18 op.cit.
85
Vgl. BETZ, Joachim/KÖLLNER, Patrick/MATTHES, Hanspeter: Informelle Politik im internationalen Vergleich. In:
NORD-SÜD aktuell, 2. Quartal 1999 Hamburg, 217.
86
Vgl. LAUTH, Hans-Joachim 1999:62 op. cit.

31
erleichtern informelle Institutionen die Interaktion zwischen verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen. Im Gegensatz zu formalen Institutionen, die durch den Staat
und die Volkssouveränität legitimiert sind, beruhen informelle Institutionen auf einer
„Auto-Lizensierung“87 Das Ausmaß, in dem sich ein Netz informeller Institutionen
ausbreitet und auf die Politik auswirkt, hängt von dem gesellschaftlichen Kontext, d.h. von
den Rahmenbedingungen einer Gesellschaft, ihren Werten, Strukturen und Normen ab.88
Informelle Institutionen politischer Partizipation sind etablierte Verhaltensstrukturen und
Verhaltensmuster, durch die der politische Entscheidungsprozess beeinflusst wird, ohne
dass sie offiziell dafür vorgesehen sind89.

2.2.4.3 Typen informeller Institutionen politischer Partizipation

2.2.4.3.1 Klientelismus

Der Klientelismus-Begriff fasst Interaktionsformen zusammen, die sich aufgrund einer


spezifischen Beziehung persönlicher Natur ergeben und die mit festen Rollen sowie
Dominanzstrukturen verbunden sind. Manfred Schmidt definiert Klientelismus als
„Formen einer zum beiderseitigen Nutzendienenden Schutzgenossenschaft
oder Schutzverwandtschaft zwischen einer in der gesellschaftlichen
Rangordnung höhergestellten Person oder höhergestellten Personen
(Patron) und einer auf Schutz und Vorteilserwerb bedachten Gefolgschaft
(Klientel)“.90
Klientelstrukturen beruhen auf einer Austauschbeziehung und sind deshalb als eine Form
der Partizipation zu verstehen, obwohl die persönlichen Bindungen asymmetrisch sind. 91
Da sie auf Traditionen beruhen, sind diese Strukturen stabil und ein rationaler
Selbstverteidigungsmechanismus in Krisensituationen. Der Eintritt in eine klientelistische
Beziehung ist, da er auf Notwendigkeit beruhen kann, nur begrenzt freiwillig.
Hans-Joachim Lauth nennt vier Typen klientelistischer Formen 92, die spezifische
Funktionslogiken und klar definierte Rollenerwartungen besitzen. Auf den dritten Typ der
klientelistischen Parteien (Typ IIIb) werden wir näher eingehen. Hier ist die Offenheit für
87
LAUTH, Hans-Joachim 1999:65 op. cit.
88
Vgl. BETZ, Joachim et.al. 1999:218 op. cit.
89
Vgl. ebd.
90
SCHMIDT, Manfred: Wörterbuch zur Politik, Stuttgart 1995:476.
91
Vgl. LAUTH, Hans-Joachim 1999:66 op. cit.
92
Die vier Typen sind: (I) Kinship, (II) Mafia, (III) autokratische Cliquen und Klientelparteien, (IV) Vetternwirtschaft.
Vgl. LAUTH, Hans-Joachim 1999:67 op. cit.

32
Partizipation im Vergleich zu den autokratischen Cliquen relativ groß, obwohl die meisten
Patrone aus dem Establishment hervorgehen. Klientelistische Parteien sind weder rigide
verfasst noch arbeiten sie im Geheimen. Ein Wechsel des Patrons ist für den Klienten
grundsätzlich möglich und das Antreten einer klientelistischen Beziehung freiwillig. Die
Loyalitäten bleiben hier an Personen gebunden und werden nicht auf formelle Institutionen
übertragen, und somit bleibt das Vertrauen in die Institutionen gering. Im Konfliktfall
ordnen sich die formalen Verfahren der Logik des Klientelismus unter. Letztere steht im
Gegensatz zum Hauptmerkmal der Polyarchie, da sie das Verhältnis zwischen
Öffentlichkeit und Privatsphäre einseitig auflöst. Polyarchien wie Venezuela zwischen
1958 und 1998 funktionierten, obwohl formale Insitutionen durch klientelistische Praktiken
ausgehöhlt waren. Dies führt zur Unterscheidung zwischen pays réel und pays légal93 und
zur Überlegung, ob die legitimierende Basis der Demokratie lediglich in den formalen oder
auch in den informellen Institutionen, wie beispielsweise in der politischen Kultur, zu
suchen ist.94
In informell institutionalisierten Polyarchien wird die horizontale Verantwortlichkeit, die
horizontal accountability95, untergraben, so dass die Kontrolle durch konstitutionelle
Mechanismen nicht funktioniert. Dagegen ist die vertikale Verantwortlichkeit, die electoral
accountability nahezu intakt. Die Kombination von formal institutionalisierten Wahlen,
Klientelismus als dominierende politische, wenn auch informelle Institution und die tiefe
Kluft zwischen formalen Regeln und der tatsächlichen Leistung der politischen
Institutionen fördert das Auftreten eines delegativen Prozesses an Stelle der repräsentativen
demokratischen Form.96 Der Kongress, die Judikative und staatliche Kontrollinstanzen
werden als Hindernisse wahrgenommen, welche die auf die Exekutive delegierten
Entscheidungsfindung und Problembewältigung unnötig behindern, bzw. verzögern. Die
politische Aktivität wird einer Führerfigur überlassen97 und es entwickelt sich das
Phänomen der Delegation im Sinne O’Donnells: Eine auf die Exekutive konzentrierte
Machtverteilung im Rahmen eines populistischen Führungsstils, wobei aber nicht die
formaldemokratischen Regeln gebrochen werden. In einem solchen Kontext fördern
klientelistische Netzwerke effizientere Formen der Kommunikation und
Politikimplementierung. Da die Akteure sie nicht als regelungskonform akzeptieren,
93
Vgl. O’DONNELL, Guillermo: Horizontal Accountability in New Democracies. In: Journal of Democracy Vol. 9 Nr.
3 1998: 41.
94
Ebd. 42. Dieser Gedanke wurde von O’Donnell nicht systematisch weiterentwickelt.
95
Zum Begriff accountability und dessen Varianten vgl. ebd. 44ff.
96
Zur delegativen Demokratie vgl. ebd. Kapitel 2.1.2.
97
Vgl. CONAGHAN, Catherine: A Deficit of Democratic Authenticity: Political Linkage and the Public in Andean Polit-
ics. In: Studies in Comparative International Development Vol. 31 Nr. 3, New Brunswick 1996:45f.

33
bleiben politisch-institutionelle Reformen wirkungslos und es steigen die Kosten für deren
Durchsetzung.98

2.2.4.3.2 Politische Korruption

Das „Einnisten“ klientelistischer Beziehungsstrukturen von Eliten innerhalb der formalen


Institutionen führt häufig zu politischer Korruption, d.h. zu Mechanismen informeller
Einflussnahme. Korruption wird von Garzón Valdés auf folgende Weise definiert:
„Corruption is the violation of an obligation by a decision-maker, in order
to obtain an extra-positional private benefit from the agent who bribes or is
being extorted, in exchange for benefits granted to the briber or the extorted
whose value exceed the cost of the bribe or the extorted amount or ser-
vice”.99
Korruption stellt eine spezifische Form des Machtmissbrauchs dar, in dem öffentliche
Güter für die Verwirklichung von privaten Interessen verwendet werden und verletzt
dadurch das Gleichheitsgebot des Rechtstaates.100 Sollten sich Korruptionspraktiken
innerhalb der Regierungskreise oder allgemein in der Politik entwickeln, wird das
Mitwirken eines Amtsinhabers bzw. von Mitgliedern der Regierung vorausgesetzt und es
wird von politischer Korruption gesprochen, die sich auf öffentliche Ämter ausdehnt. Im
Hinblick auf die politische Partizipation ist die sich auf die Einflussnahme seitens
gesellschaftlicher Akteure beziehende Variante der Bestechung101 relevant, bei der
Angehörige der Administration bereits getroffene Entscheidungen manipulieren oder
Entscheidungsträger der Legislative spezifische Fallentscheidungen zugunsten der
Einflussnehmenden treffen sollen. Der Rechtsstaat wird insgesamt unterminiert, indem die
formalen Regeln gebrochen werden. Wenn sich für die betreffenden Akteure rational die
Korruption als die effektivste oder einzig wirksame Möglichkeit der politischen
Einflussnahme herausstellt, entsteht eine sich selbst verstärkende Kultur der Korruption.
Die Folgen sind ein wachsender Mangel an Transparenz im politischen Prozess und der
öffentlichen Kommunikation. Durch Netzwerke der Komplizenschaft mit Staatsorganen,
privater Drohungen und Verschleierungstaktiken wird der Nachweis von Bestechung und
98
Vgl. MERKEL, Wolfgang/CROISSANT, Aurel 2000:17 op. cit.
99
GARZÓN VALDÉZ, Ernesto: The Concept of Corruption. In: Associations 1.1.1997:109 zitiert in: LAUTH, Hans-
Joachim 1999:73 op. cit.
100
Vgl. BETZ, Joachim et.al. 1999:221 op. cit.
101
Vgl. die von Ernesto Garzón Valdés und Stephen Morris vorgenommene Trennung zwischen Bestechung (bribe) und
andererseits Erpressung (extorsion) als zwei verschiedene Formen der Korruption. Vermerkt in LAUTH, Hans Joachim
1999:73 op. cit.

34
Korruption im Allgemeinen erschwert.102 Die demokratische Selbstbestimmung der Bürger
und deren individuelle Partizipationschancen werden verringert, wenngleich sie formal
weiter existiert. Wenn die Korruption weitgehend in einer Gesellschaft verankert und
allgemein akzeptiert ist, kann ggf. über die Etablierung einer delegativen Demokratie die
Stabilität des politischen Systems aufrechterhalten werden.

2.2.4.3.3 Putschdrohung

Dieser Partizipationstyp wird von Hans-Joachim Lauth103 durch die Verwendung von
Gewalt als Drohmittel gekennzeichnet. Von den genannten unterschiedlichen Varianten ist
die von Valenzuela als „perverse Institution“104 bezeichnete Putschdrohung für diese Arbeit
relevant. In diesem Fall droht die Opposition mit dem Einsatz des Militärs zur Wahrung
ihrer partikularen Interessen und Privilegien, das Ziel ist jedoch nicht unbedingt eine
Regimeänderung mittels eines Militärputsches. Durch einen über eine längere Zeitspanne
drohenden Staatsstreich werden die alltägliche Politik, das Wirtschaftsleben sowie das
Verhalten der Zivilgesellschaft beeinflusst. Diese Strategie führt zu einer Reduzierung der
Qualität der Demokratie. Die Putschdrohung als Partizipationstyp hat in ihrer
institutionalisierten Form umfassende Auswirkungen auf formale Institutionen. Entweder
werden sie nicht mehr beachtet oder sie wird verzerrt, indem die freie Entscheidung der
Beteiligten eingeschränkt wird. Die gesamte Handlungseinheit der Institution wird dadurch
konstruiert, indem der öffentlichen Putschdrohung eine entsprechende Reaktion durch die
Entscheidungsträger folgt. Gerade ein scheinbares Fehlen an Putschdrohungen kann umso
wirkungsvoller sein.105

2.2.4.3.4 Ziviler Widerstand

Ziviler Widerstand kann sich gegen eine interne Macht, meistens der Regierung, richten,
die von den Widerstandsleistenden als tyrannisch empfunden wird. 106 Im engen Sinne
definiert bedeutet Widerstand Gegenwehr oder Verweigerung immer dann, wenn die

102
Vgl. ebd.
103
Vgl. LAUTH, Hans.Joachim 1999:76 op. cit.
104
VALENZUELA, Samuel: Democratic Consolidation in Post-Transitional Settings. Notion, Process, and Facilitating
Factors. In: MAINWARING, Scott/O’DONNELL, Guillermo (Hrsg.): Issues in Democratic Consolidation, University
of Notre Dame 1992:67.
105
Vgl. LAUTH, Hans-Joachim 1999:77 op.cit.
106
Vgl. MÜNKLER, Herfried: Widerstand/Widerstandslehren/Widerstandsrecht. In: NOHLEN, Dieter/SCHULTZE,
Rainer-Olaf 2002:1088 op. cit.

35
Widerstand leistende Person Bestrafung oder Benachteiligung bewusst in Kauf nimmt. 107
Gewaltfreier ziviler Widerstand wird in die Prozesse demokratischer Entscheidungsfindung
eingeschlossen, soweit diese nicht gesetzwidrig sind. Wenn formelle
Partizipationsmöglichkeiten für die Interessenartikulation nicht ausreichen, entwickelt sich
der zivile Widerstand zu einer informellen Institution. Da sie formelle demokratische
Entscheidungen durch Gesetzesübertretungen behindern wollen, ist diese zweite Form der
Widerstandsaktionen per se illegal und beinhalten keine legale Protestformen, wie z.B. das
Sammeln von Unterschriften. Es sind an dieser Stelle politische Streiks, Sitzblockaden oder
Landbesetzungen gemeint,108 die aus einer moralischen Motivation entstehen und die
staatliche Ordnung grundlegend in Frage stellen. Zweck und Ziel des Widerstandes ist die
einseitige Beeinflussung der öffentlichen Meinung und die Ausübung von Druck auf die
Regierung. Dafür ist der zivile Widerstand als symbolische politische Partizipationsform
auf eine demokratische Öffentlichkeit und einen Rechtstaat angewiesen. Hierbei sind die
vorgetragenen Argumente und die Überzeugungskraft der Protestierenden vorrangig,
obwohl eine große Teilnehmerzahl einen weitaus bedrohlicheren Charakter für die
Regierung annehmen kann.

3. Fallanalyse

3.1 Politische Partizipation im populistischen Regime 1958-1989

Beim folgenden Kapitel handelt es sich um eine Zusammenfassung der Übergangsphase


zur präsidentiellen Demokratie und die Bildung eines stabilen Zweiparteiensystems ab

107
Vgl. ebd. 1089.
108
Vgl. LAUTH, Hans-Joachim 1999:78 op. cit.

36
1969, in dem sich die Parteien AD109 und COPEI110 an der Regierung abwechseln. In der
internationalen Literatur zu politischen Parteien insbes. der 1960er und 1970er Jahre
wurde davon ausgegangen, dass die Konsolidierung eines stabilen Parteiensystems im
lateinamerikanischen Kontext die Überwindung einer populistischen Phase voraussetzt.
Diese von den Modernisierungstheoretischen Ansätzen geprägte Vorstellung schien im
venezolanischen Fall weitgehend aufzugehen, so wurde die Entwicklung der AD von ihren
marxistischen bzw. national-revolutionären Ursprüngen hin zu einer demokratischen und
entwicklungsorientierten Volkspartei (partido popular) als vorbildlich dargestellt. Mit den
beiden Putschversuchen von 1992, dem Aufstieg von Hugo Chávez und dem
anschließenden Umbau des politischen Systems verschob sich die Perspektive: Venezuela
wurde zunehmend unter dem Gesichtspunkt der breakdown-Forschung111 und in
Anlehnung an die Konzepte des Neopopulismus, bzw. des neuen Populismus und auf die
Problematik der politisch- institutionellen Instabilität hin analysiert.112
Die AD schien sich zu einem Prototyp moderner Parteien in Lateinamerika zu wandeln.
Von ihren marxistisch-revolutionären Anfängen avancierte sie zu einer modernen Partei,
die den Übergang vom Populismus zum desarrollismo im Zeitraum von 1958 bis 1978
gemeinsam mit der christlich-demokratisch ausgerichteten COPEI absolvierte. Für die
Einordnung als reformorientierte Parteien spielten der Kalte Krieg und die
modernisierungstheoretischen Ansätze der Parteienforscher in den USA eine erhebliche
Rolle.113 In den Parteienstudien wurden der Grad der innenparteiischen Demokratie und der
Übergang von Reform- zu Staatsparteien und damit die nachlassende Bedeutung als
Aufstiegskanal für untere und mittlere Schichten jedoch kaum behandelt. Es stand die
politische Stabilität im Vordergrund, und Merkmale wie Patronage, Korruption oder
übermäßige Proporzregelungen wurden zwar nicht ausgeklammert, galten aber angesichts
des Imperativs der Erhaltung von Institutionen als weniger wichtig.114
In Venezuela lag die negative Erinnerung an die letzte Militärdiktatur 115 weit zurück. Sie
wurde überlagert vom Eindruck einer zunehmend ineffizienten Demokratie und
wachsender Parteienkritik. Darüber hinaus bestätigte sich die für Lateinamerika

109
Sozialdemokratische Linke, gegründet 1941.
110
Christlich-sozialdemokratische Partei, gegründet 1946.
111
Unter den Vertretern der breakdown-of-democracy-Forschung sind u.a. Juan Linz, Larry Diamond, Guillermo
O’Donnell sowie Wolfgang Merkel (Systemwechsel) u.a. zu nennen.
112
Vgl. WERZ, Nikolaus: Populismus und Parteien in Venezuela. In BOECKH, Andreas/SEVILLA, Rafael (Hrsg.):
Venezuela. Die Bolivarische Republik, Bad Honnef 2005:38.
113
Vgl. ebd. 39.
114
Vgl. ebd. 40.
115
Marcos Pérez Giménez 1952-1958.

37
konstatierte Tendenz zur delegativen Demokratie und Formen des
Hyperpräsidentialismus,116 in dem eine starke Führungspersönlichkeit politische Lösungen
hervorbringt. Im Unterschied zu anderen lateinamerikanischen Parteiensystemen kam es in
Venezuela zu einer übermäßigen Institutionalisierung, da die zwei dominierenden Parteien
AD und COPEI weite Bereiche der Gesellschaft durchdrungen hatten. 117 Dies lag vor allem
an den Patronagemöglichkeiten des ölreichen Staates, die noch bis in die 80er-Jahre eine
klientelistische Besetzung der Verwaltung vor allem durch die beiden großen Parteien
ermöglichte.118 Der Staat garantierte das Fortbestehen des politischen Wettbewerbs in Form
von freien Wahlen, doch die Parteien AD und COPEI wurden zu exklusiven Vermittlern
zwischen Staat und Bevölkerung.
Von entscheidender Bedeutung für die Festigung demokratischer Herrschaft war ein
zwischen den beiden damals größten Parteien AD, COPEI und der liberaldemokratischen
URD in Anwesenheit von Vertretern wichtiger Interessensgruppen geschlossenes
politisches Abkommen, der sog. Pacto de Punto Fijo (Punto-Fijo-Pakt) von 1958. Es
handelte sich um einen Pakt zur Systemerhaltung zwischen den höheren und den mittleren
Gesellschaftsschichten sowie den gewerkschaftlichen organisierten populären Schichten,
da die bereits im Jahr 1931 gegründete Kommunistische Partei PCV vom Pakt
ausgeschlossen wurde. Die beteiligten Parteien verpflichteten sich, eine `Regierung der
nationalen Einheit´ zu bilden. Man einigte sich auf ein Minimalprogramm, zu dem eine
neue Verfassung,119 langfristige Entwicklungsplanung und die Einführung einer sozialen
Gesetzgebung gehörten. Der Pacto de Punto Fijo kann als Gesamtentwurf für die
Demokratisierung und Modernisierung des Landes mit reformistischen Zügen und
sozialstaatlichen Elementen bezeichnet werden. Der Pakt war ein `von oben´
implementiertes korporatistisches Bündnis der Parteien und Interessensgruppen, das aber
auch von der Bevölkerung bei den Wahlen mit großer Mehrheit bestätigt, wenn auch nicht
aktiv mitbewirkt wurde. Es entstand ein populistisches politisches System, das auf der
Anerkennung der Koexistenz unterschiedlicher sozialer, wirtschaftlicher und politischer
Interessen basierte. Zur Erhaltung des von Rey als sistema populista de conciliación de

116
Ausführlich erläutert werden die Konzepte Hyperpräsidentialismus und delegative Demokratie in: O’DONNELL,
Guillermo 1994 op.cit. Zum Konzept Hyperpräsidentialismus siehe ebenso: LINZ, Juan/VALENZUELA, Arturo
(Hrsg.): The Failure of Presidential Democracy Vol. 2, The Johns Hopkins University Press 1994 und NOHLEN,
Dieter: La reforma institucional en América Latina. Un enfoque conceptual y comparativo. In: Ders./DE RIZ, Liliana:
Reforma constitucional y cambio politico, Buenos Aires 1991,
117
Dazu vgl. COPPEDGE, Michael: Strong Parties and Lame Ducks. Presidential Partyarchy and Factionalism in
Venezuela, Stanford 1994 und CRISP, Brian: Democratic Institutional Design. The Powers and Incentives of
Venezuelan Politicians and Interest Groups, Stanford 2000. Zitiert in WERZ, Nikolaus 2005:41 op.cit.
118
Vgl. WERZ, Nikolaus 2005:41 op. cit.
119
Die Verfassung von 1961 bildet die gesetzliche Grundlage für das neue politische Modell des Pacto de Punto Fijo.

38
élites120 (populistisches System der Absprache zwischen Eliten) definierte Modell waren
eine hohe Machtkonzentration in den Führungsschichten, d.h. in den
Gründungsgenerationen von Parteien und Gewerkschaften notwendig. Diese Konzentration
von Macht sollte das Zersplittern der beiden großen Parteien verhindern. Es kam jedoch
innerhalb der AD in den 1960er- Jahren insgesamt zu drei Spaltungen, nach denen die
Parteiführung vom Kreis um Rómulo Betancourt übernommen wurde. Im Inneren der
COPEI zeigte sich ebenfalls eine klare Unfähigkeit zur Erneuerung der Parteiführung. 121
Nach den Putschversuchen 1992 wurde die Kritik an der zwangsläufig aus dem Pacto de
Punto Fijo hervorgehenden partidocracia(Parteienherrschaft) zu einem zentralen
Bestandteil des Diskurses von Hugo Chávez.
Neben dem politischen Pakt war das Öl ein zentraler Faktor für die politische Stabilität.
Mitte der 1940er-Jahre begann in Venezuela die Transition zu einer repräsentativen
Demokratie im Kontext einer starken Abhängigkeit vom Erdöl, die seit Ende des 19.
Jahrhunderts andauerte und die traditionellen Exportprodukte in den Hintergrund drängte.
Bis in die 1970er-Jahre ermöglichte ein stetig wachsender Zufluss von sog. Petrodollars die
Regulierung von sozialen Konflikten über die politische Steuerung der
Einkommensverteilung. Durch einen von der AD unterstützten Staatsstreich begann 1945
der sog. trienio adeco, in dem die populistische Massenpartei AD unter Präsident Rómulo
Gallegos bis 1948 die politische Landschaft dominierte. In dieser Zeit festigte sich die
Rolle des venezolanischen Staates als zentraler Akteur in der Gesellschaft. Der staatliche
Interventionismus wurde mittels Protektionismus und Subventionen durchgesetzt. Die
kämpferische Position der AD gegen die Oligarchie brachte der Partei die massive
Unterstützung der Bevölkerung ein.
Bei den Öleinnahmen des venezolanischen Staats handelt es sich um Renten. Die
Verteilung der Rente war von Anfang an Sache des Staates, der sich die Rente von
ausländischen Ölgesellschaften und nicht von einheimischen Wirtschaftsakteuren
aneignete. Die Finanzierung der Industrialisierung durch den Staat ging somit nicht zu
Lasten einheimischer Elitegruppen wie es z.B. in Argentinien der Fall war. Als Eigentümer
der Lagestätten ist es dem Staat gelungen sich einen immer größeren Anteil an Renten
anzueignen, sie in Kooperation mit den OPEC-Staaten signifikant zu erhöhen und mit der
120
REY, Juan Carlos: La democracia venezolana y la crisis del sistema populista de conciliación. In: Revista de Estudios
Políticos 74, Madrid 1991:533-578, zitiert in KORNBLITH, Miriam: Krise und Wandel des politischen Systems in
Venezuela. In: HOFMEISTER, Wilhelm (Hrsg.): Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt am
Main 1996:372.
121
Vgl. GÓMEZ CALCAÑO, Luis: Politische Führung im Wandel: Der Fall Venezuela. In: HOFMEISTER, Wilhelm
(Hrsg.): „Gebt mir einen Balkon und das Land ist mein“. Politische Führung in Lateinamerika, Frankfurt am Main
2002:100.

39
Verstaatlichung der in Venezuela tätigen Ölfirmen 1976 die Kontrolle über die
einheimische Ölproduktion komplett zu übernehmen.122 Da dem Staat bei der
Rentenverteilung eine überragende Rolle zukam, war er zu seiner Alimentierung nur in
geringem Maß auf die eigene Gesellschaft angewiesen.123 Die Verteilung der Rente wurde
durch die Überbewertung der Währung, die Unterbesteuerung der Gesellschaft sowie durch
Staatsausgaben gesteuert. Das Wohl jeder Klassen- bzw. Interessensgruppen hing von ihrer
politischen Fähigkeit ab, an der Rente beteiligt zu werden. Innerhalb eines solchen
wirtschaftlichen Modells steht die Rentenverteilung und nicht die Organisation der
Produktion im Vordergrund. Die venezolanische Demokratie dieser historischen Phase ist
oft als „Rentendemokratie“ 124
bezeichnet worden, da die Stabilität des demokratischen
Systems den staatlichen Öleinnahmen zu verdanken war.
Bereits gegen Ende der 1970er-Jahre beginnt ein Prozess des soziopolitischen Wandels, der
eine tiefgreifende und langfristige Auswirkung auf die politische Führung in Venezuela
haben sollte. Es kommt zu einem Bruch mit der bisherigen Struktur und Funktionsweise
eines hochbürokratisierten politischen Systems.125

3.2 Politische Partizipation im Neopopulismus: Systemwandel, Krise und


Volksaufstand 1989-1998

Ab den 1980er-Jahren fiel das Land in eine tiefe Verschuldungskrise. Der populistische
Diskurs verlor seine Glaubwürdigkeit; die ideologische Krise der populistischen Parteien
war Ausdruck fehlender politischer Projekte; Politik wurde zu einer eigennützigen Praktik
und kam ihrer Aufgabe, langfristige ideologische Projekte auszuführen und dem
Allgemeinwohl zu dienen, nicht nach. Die Erdöleinkommensverteilung generierte
weitgehende Korruptionsmechanismen und das Erdölbasierte Wirtschaftsmodell hatte
ausgedient. Während rentenbasierte Politik die Erwartung schuf, der Staat sei für alle

122
Vgl. BOECKH, Andreas: Venezuela auf dem Weg zu einem autoritären Neopopulismus? In: WeltTrends Nr. 29
Universität Potsdam, Winter 2000/2001:86.
123
Ebd. 87.
124
Ausführlich zum Rentierstaat und zur Erdölpolitik u.a.: SCHMIDT, Claudia: Rente und Rentier-Staat Ein Beitrag zur
Theoriengeschichte. In. BOECKH, Andreas/PAWELKA, Peter (Hrsg.): Staat, Markt und Rente in der internationalen
Politik, Opladen 1997:28-50 und BECK, Martin: Die erdölpolitische Kooperation der OPEC-Staaten: Eine
Erfolgsgeschichte?, ebd. 232-256. Speziell zum Fall Venezuela u.a. BOECKH, Andreas: Venezuela: Die schmerzvolle
Transformation eines Erdöllandes, ebd. 285-315 und MELCHER, Dorothea: Venezuela: Reformismus und
Radikalismus in einem Erdölland. In: STERR, Albert (Hrsg.): Die Linke in Lateinamerika. Analysen und Berichte,
Köln 1997:164-182, sowie Dies.: Petroleumpolitik in Venezuela. In: BOECKH, Andreas/SEVILLA, Rafael 2005:141-
157 op.cit.
125
Vgl. GÓMEZ CALCAÑO, Luis: Politische Führung im Wandel: Der Fall Venezuela. In: HOFMEISTER, Wilhelm
(Hrsg.): „Gebt mir einen Balkon und das Land ist mein“. Politische Führung in Lateinamerika, Frankfurt am Main
2002:97.

40
gesellschaftlichen Belange zuständig, wurde die politische Partizipation der Bevölkerung
immer passiverer Natur. Eine schwache Zivilgesellschaft führte zu einer auf
klientelistischen Netzwerken basierten Politik.126
Als Ausweg aus der Wirschaftskrise und der schweren Verschuldung des
venezolanischen Staates wurde Ende der 1980er-Jahre eine neoliberale Strukturanpassung
nach Maßgabe des IWF und der Weltbank durchgeführt, auf die eine heftige und spontane
Reaktion in Form eines Volksaufstandes im Februar 1989 folgte. Der sog. Caracazo
offenbarte das Ende des Sozialpaktes von Punto Fijo. Carlos Andrés Pérez präsentierte
unmittelbar nach seinem Amtsantritt ein neues Paket wirtschaftlicher Maßnahmen.
Folgende Punkte wurden sofort umgesetzt: Abschaffung der Preiskontrollen, Freigabe des
Wechselkurses, Öffnung der Wirtschaft und Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der
venezolanischen Industrie. Die Verbraucherpreise stiegen bei stagnierenden Gehältern. 127
Der wirtschaftliche und soziale Niedergang wurde vom größten Teil der Bevölkerung als
Krise wahrgenommen. Die wirtschaftliche Krise betraf besonders den informellen Sektor.
Verteilungskonflikte, die früher mit Hilfe einer stetig und zuweilen steigenden Ölrente
gelöst werden konnten, führten zu einer Abkoppelung der ärmeren Schichten aus der
Verteilungskoalition, der der Pacto de Punto Fijo von 1958 zugrunde lag; soziale
Polarisierung und Verarmungsprozesse waren zum Teil Resultat der politisch
ausgetragenen Verteilungskämpfe.128 Die alten Integrationsmechanismen griffen nicht
mehr, und die klientelistische Einbindung und Kontrolle wichtiger Bevölkerungsteile
lockerte sich auf und zerfiel. Mit dem Caracazo wurde deutlich, dass die Parteien den
Kontakt zum Volk verloren hatten.
Das über 40 Jahre lang eingespielte und gewohnte Verhaltensmuster wurde aufgegeben
und die gravierenden sozialen Kosten der Reformprogramme sowie Korruptionsskandale
und Misswirtschaft führten zur vorzeitigen Amtsenthebung von Präsident Carlos Andrés
Pérez. Bei der Wahl des folgenden Präsidenten Rafael Caldera 129 kam es zur höchsten
Wahlenthaltung seit 1958. Seine neu gegründete Partei Convergencia führte die
Wirtschaftspolitik von Carlos Andrés Pérez offiziell fort und die von ihm im Rahmen einer
Politik zur Milderung sozialer Gegensätze eingeführten distributiven Maßnahmen im alten
populistischen Stil scheiterten und verschlimmerten die Wirtschaftskrise.
126
Vgl. DAVILA, Luis Ricardo 2000:30 op. cit.
127
Vgl. CARRASQUERO AUMAITRE, José Vicente: Venezuela: Demokratie in der Krise? In: Analysen und Berichte,
Konrad Adenauer Stiftung Nr. 9. Rio de Janeiro 2002:18.
128
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia: Der Comandante in seinem Labyrinth: Das bolivarische Gedankengut von
Hugo Chávez. In: Ders./SEVILLA, Rafael 2005:93 op. cit.
129
Rafael Caldera war Parteibegründer der COPEI und trat mit einer eigenen unabhängigen Gruppierung 1993 erfolgreich
zu den Präsidentschaftswahlen an, nachdem seine alte Partei ihn nicht als Kandidat nominierte.

41
Der Populismus mit seinem Appell an das gesamte Volk vertritt einen integrativen
Anspruch in einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft. Das etablierte System des puntofijismo
hatte Protestaktionen mit Repression beantwortet; in der Logik des Populismus jedoch
waren diese zu würdigen. Bereits hier offenbaren sich die im neuen populistischen Diskurs
enthaltene Distanz zu den institutionellen Spielregeln der repräsentativen Demokratie und
die Bevorzugung direkter Formen der politischen Willensbildung. Der Demonstrant wird
zum authentisch demokratischen Akteur stilisiert, und aufgrund der Schwäche und
Veränderlichkeit der politischen Institutionen kommt in dieser Phase der politischen
Führung ein hohes Gewicht zu.130 Der neue populistische Diskurs kann anhand von
Vereinfachung komplexer Zusammenhänge und der plakativen Symbolik und Betonung
des Emotionalen gegenüber der rationalen Ebene die Kommunikationsprobleme der
traditionellen Parteien umgehen.131
Das als konsolidiert geltende Zweiparteiensystem implodierte, da COPEI und AD nicht
zuletzt wegen des Verlustes an Vermittlungskompetenz gegenüber der Bevölkerung
scheiterten.132 Die Unterschichten waren wegen des Wegfalls der sie begünstigenden
Rententransfers hart getroffen worden, was zur Delegitimierung des politischen Systems
und seiner zentralen Akteure beitrug.133 Das politische System der Jahre zwischen dem
Pacto de Punto Fijo und der Öffnung des Parteienspektrums nach 1989 hatte eine Reihe
von gesellschaftlichen Gruppen außerhalb der traditionellen Parteien stark benachteiligt.
Ihnen war die Assoziationsfreiheit formal gestattet, es war ihnen jedoch keine reale
Partizipationsmöglichkeit gegeben, um Einfluss auf die Regierungspolitik geltend zu
machen. Der Grad an gegenseitigem Vertrauen in der Bevölkerung, welches die
Grundvoraussetzung für das Entstehen einer stabilen Demokratie ist, ist in Venezuela
gering134und erklärt teilweise die Neigung, Praktiken von `harter Hand´ zu tolerieren. Das
gegenseitige Misstrauen in der politischen Kultur überträgt sich bis heute auf den Mangel
an Vertrauen in die Institutionen und kann zur „politischen Apathie führen“.135
Die gescheiterten Putschversuche des Jahres 1992 signalisierten den Übergang der
sozioökonomischen Krise auf die politische Ebene. Das Militär politisierte sich
zunehmend. Oberst Chávez und seine Mitstreiter boten eine Systemalternative an, deren
Durchsetzung realisierbar erschien. Chávez verkörperte die Alternative um die
130
Vgl. GÓMEZ CALCAÑO, Luis 2002:97 op. cit.
131
Vgl. CONAGHAN, Catherine: A Deficit of Democratic Authenticity: Political Linkage and the Public in Andean
Politics. In: Studies in Comparative International Development Bd. 31/3, New Brunswick 1996:32ff.
132
Vgl. PEETZ, Peter 2001:51 op. cit.
133
Vgl. BOECKH 2000/2001:89 op. cit.
134
Vgl. CARRASQUERO AUMAITRE, José Vicente 2002:24-25 op. cit. und Tafel Nr. 10.
135
Ebd.

42
Unzufriedenheit der Bevölkerung zu kanalisieren.136 Nach dem Putschversuch des 4.
Februar stieg Chávez’ Popularität auf 72% an 137
. Damit legten diese versuchten
Staatsstreiche den Grundstein für den Personalismus der späteren populistischen
Bewegung. Er konstruierte von dem Zeitpunkt an für sich selbst das Image eines
märtyrerhaften Helden.
Die Präsidentschaftswahl von 1994 machte den fortschreitenden Zerfall der alten
Herrschaftskoalition deutlich. In der Zeit nach der Implementierung des Sparprogramms el
paquete entglitt die Politik dem institutionellen Rahmen. Formen der Anomie, des
Sozialprotests und extrakonstitutionelle Aktionen traten zunehmend an die Stelle des bis
dahin in starkem Maße von den Parteien bestimmten politischen Prozesses. Nikolaus
Werz138 hebt im Fall Venezuela drei beobachtbare Tendenzen hervor, die der Stabilität des
politischen Systems entgegenwirken. Erstens traten während der Krise des venezolanischen
Parteiensystems zwischen 1989 und 1993 neue politische Kräfte auf, die den Charakter von
politischen `Bewegungen von Bewegungen´ einnahmen139und sich durch ihre Struktur und
Zusammensetzung von den traditionellen Parteien abgrenzten, 140 sowie `Anti-Parteien-
Gruppierungen´ wie z.B. Causa Radical (Die radikale Sache). Zweitens bildeten sich
stabile Organisationen militärischen Ursprungs: Die bereits 1983 gegründete Organisation
MBR-200141 begann im Jahr 1994 mit dem Aufbau einer funktionsfähigen zivil-
militärischen Struktur. Als drittes neuartiges Phänomen der 1990er-Jahre gilt das
Aufkommen von kurzlebigen `Ein-Personen-Parteien´, die sich von den traditionellen
Parteienstrukturen lösten. Beispielhaft hierfür sind die Präsidentschaftskandidaten Rafael
Caldera (1993), Irene Sáez Conde und Henrique Salas Römer (beide 1998).
Den Ausweg aus der Krise bot schließlich der `Anti-establishment-Diskurs´: 1998
vollzieht sich eine radikale historische Zäsur, bei der ein Außenseiter der traditionellen
Politik und Anführer einer der zwei Putschversuche von 1992 als Präsident in freien, fairen
und gleichen Wahlen gewählt wird. Der Wahlsieg von Hugo Chávez war der Auftakt zu
einer grundlegenden Umgestaltung des politischen Systems Venezuelas, für das die

136
Vgl. PEETZ, Peter 2001:49 op. cit.
137
Vgl. CARRASQUERO AUMAITRE, José Vicente 2002:19 op. cit.
138
Vgl. WERZ, Nikolaus 2005:47-48 op. cit.
139
Zum movimentismo vgl. LÓPEZ MAYA, Margarita: La protesta popular venezolana entre 1989 y 1993 (en el umbral
del neoliberalismo). In: Dies. (Hrsg.): Lucha popular, democracia, neoliberalismo: protesta popular en América Latina
en los años de ajuste, Caracas 1999:209-235.
140
Vgl. LÓPEZ MAYA, Margarita: Los nuevos partidos de vocación popular en Venezuela. Tras una alternativa política
en la transición. In: Revista de Economía y Ciencias Sociales 3/4, 1997:41-64.
141
Im Jahre 1983 wäre Simón Bolívar 200 Jahre alt geworden.

43
Fundamentalkritik an den politischen Eliten, ihre Korruption sowie Unfähigkeit die
Grundlage und Rechtfertigung darstellten.142

3.3 Die Wiedergeburt des Populismus als politische Strategie

3.3.1 Die Hintergründe des chavismo

3.3.1.1 Der Bolivarianismus143

Der Bolivarianismus stellt eine flexible und den jeweiligen Situationen angepasste
Beschwörung von Werten eher als ein ideologisches Gebilde dar, die handlungsleitend und
zur Legitimierung des chavismo144 als politische Bewegung herangezogen wird. Diese
Zusammensetzung von Werten wird von Andreas Boeckh als ein „Baum mit drei Wurzeln“
145
charakterisiert, unter denen die wichtigste Wurzel Simón Bolívar146 verkörpert.147 Bei
den von Chávez unternommenen ideologischen Anleihen und seiner Berufung auf den
Befreier Simón Bolívar geht es wie gesagt nicht um die Schaffung eines neuen
ideologischen Gerüsts. Chávez beruft sich bei der bolivarischen Revolution auf eine
Mischung aus Elementen, die er aus der venezolanischen politischen Mythologie und aus
Leitthemen linkspopulistischer Diskurse bezieht. Seine Gedankenwelt und sein
Politikverständnis sind daher ein Ausdruck von Kontinuität mit der revolutionären
Vergangenheit Bolívars.148 In der Zeit des Pacto de Punto Fijo dagegen diente die
Berufung auf Bolívar von Seiten der jeweiligen Präsidenten dazu, ihn als Bewahrer der
bestehenden Ordnung zu präsentieren.149
Ein Bekenntnis zu Bolívar bedeutet aus der Sicht des chavismo ein Bekenntnis zur
Demokratie, zur Souveränität des Volkes, der einzigen legitimen Souveränität der

142
Vgl. BOECKH, Andreas 2000/2001:92 op. cit.
143
Auf Spanisch bolivarismo oder bolivarianismo. Ursprung in der kontinentaleuropäischen Identitätsphilosophie.
144
Chavismo bezieht sich auf die politische Bewegung um die Person Hugo Chávez. Es ist in der lateinamerikanischen
politischen Tradition üblich, populistische Bewegungen, die auf personalistische Führer oder auf Parteien gründen
nach deren Namen zu benennen, um die Eigenheiten jeder Bewegung hervorzuheben. Weitere Beispiele sind u.a. der
nach Juan Domingo Perón benannte peronismo oder der nach Getulio Vargas benannte varguismo, sowie der nach der
peruanischen Partei APRA (Alianza Popular Revolucionaria Americana) benannte aprismo.
145
BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia: Der Comandante in seinem Labyrinth. In: Ders./SEVILLA, Rafael op. cit.
146
Simón Bolívar (1723-1830) führte den Unabhängigkeitskampf gegen die spanische Kolonialmacht in mehreren
südamerikanischen Ländern und ist Nationalheld Venezuelas.
147
Dessen Privatlehrer und Mentor Simón Rodríguez, wegen seiner Ideale auch „der amerikanische Rousseau“ genannt,
verkörpert die zweite Wurzel, und der Bauernführer und Bürgerkriegsgeneral Ezequiel Zamora schließlich die dritte.
148
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia 2005:84 op. cit.
149
Vgl. ebd. 85.

44
Nationen.150 Der populistischen Tradition folgend wird zwischen Volk und Oligarchie
unterschieden. Mit dem Wort pueblo (Volk) ist nicht mehr das venezolanische Staatsvolk
gemeint, sondern das einfache Volk, bei dem die bolivarischen Werte immer lebendig
geblieben sind und welches das wahre Venezuela darstellt. Dem Volk werden alle guten
Eigenschaften zugeschrieben. Dieses dichotomische Schema gibt nicht die komplexen
Strukturen einer modernen Gesellschaft wieder. Die von Chávez bewusst betriebene
politische Polarisierung gründet auf der sozialen Polarisierung, die im gescheiterten
Modernisierungsprojekt der AD unter Rómulo Betancourt ihren Ursprung hat. Sie ist und
war immer eine Reaktion auf soziale Krisen und den politischen Verfall. Da in den frühen
populistischen Regimen jedoch nie geklärt wurde, wer zur Oligarchie gehörte, konnte sich
jeder zu den Guten zählen. Die Begriffe Volk und Oligarchie reflektierten den Versuch,
eine große Klassenallianz zu formen, in der Bauern, Arbeiter und die Mittelschichten Platz
haben sollten und von der nur eine kleine Oligarchie ausgeschlossen blieb, die das
Feindbild abgab, mit dem diese Koalition stabilisiert werden sollte. Beim neuen
Populismus chavistischer Prägung gibt es einen Unterschied. Die Oligarchie hat einen
Namen: Die Anhänger des Puntofijismo151, wozu neben den etablierten Parteien auch die in
der CTV organisierten Arbeiter und der konservative Klerus gehören. Damit hat die
Oligarchie den Charakter einer kleinen, aber gefährlichen Minderheit verloren.152
Bolívar wird als Vorkämpfer für die Rechte der indígenas und als Befreier der Sklaven
im Kontext eines nationalen Integrationsprozesses der bisher marginalisierten
Bevölkerungsschichten präsentiert und somit gleichzeitig als Revolutionär und Vorbild für
die bolivarische Revolution reklamiert. Durch den Verweis auf Volkssouveränität und in
Verbindung damit auf die Demokratie, in der politische Herrschaft nicht zum Nutzen
einiger weniger ausgeübt wird, sondern zum Nutzen aller Bürger, wird er zu einem Teil der
Polarisierungsstrategie und taugt nicht mehr als nationale Integrationsfigur. 153 Bolívar steht
für die Ideale soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und eine multi-ethnische Gesellschaft, in
der die verschiedenen Ethnien in ihrer jeweiligen Eigenheit fortbestehen können, was sich
in der Tat im Inhalt der neuen bolivarischen Verfassung widerspiegelt. Die unitarische,
antipluralistische Tradition, die ihre Wurzeln in der spanisch-kolonialen Staatstradition und
im französischen Jakobinertum hat, versucht Chávez zu überwinden.

150
Vgl. CHÁVEZ, Hugo: Discurso en la inauguración de la I Cumbre sobre la Deuda Social y la Integración Latinoameri -
cana, 2001. Unter: www.analitica.com/bitblioteca/hchavez/deuda_social.asp (29.04.2006).
151
Der Begriff puntofijismo bezeichnet das Regime der Parteienherrschaft zwischen 1958 und 1989, das seinen Ursprung
im Pacto de Punto Fijo von 1958 hat.
152
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia 2005:90-91 op.cit.
153
Vgl. ebd. 87.

45
Auf Simón Rodríguez bezieht sich der chavismo auch bei der Formulierung des
allgemeinen Rechts auf Bildung. Dieses Recht ist eines der Leitthemen der Regierung von
Hugo Chávez mit dem Ziel, die Bildung auch im Sekundarbereich und den Zugang zur
Universitätsausbildung auf breite Teile der Bevölkerung auszuweiten und nicht von der
sozialen Lage abhängig zu machen. Bereits im ersten Amtsjahr wurde das Haushaltsbudget
für Schulen verdoppelt und betrug 2005 6% des BIP. Im Rahmen des Plan Bolivar 2000 ist
dazu die Schaffung von jährlich 1000 neuen bolivarischen Schulen vorgesehen.154
Der von Chávez geförderte Personenkult erinnert an die Heiligenverehrung des
Katholizismus. Die öffentliche Bekenntnis vom Präsidenten zum Katholizismus bzw. zum
christlichen Glauben ist Bestandteil der politischen Kultur Lateinamerikas. Chávez vertritt
die Behauptung, über übernatürliche Problemlösungskompetenzen zu verfügen. Er
integriert „Meta-Botschaften“155 in seinen Wahlkampf. Die Revolutionsrhetorik geht über
einen reinen Bruch mit dem Vorgängersystem hinaus und stellt eine Verbindung zu
anderen revolutionären Ereignissen wie die kubanische Revolution oder die Befreiung
Lateinamerikas von der Kolonialherrschaft her. Die ständige Berufung auf die
Befreiungskämpfe weckt positive Assoziationen und wirkt präventiv gegen jede Kritik. Die
von den Venezolanern verinnerlichte Ehrfurcht vor dem Nationalhelden Simón Bolívar
überträgt sich durch den von Chávez propagierten Diskurs auf seine Person und seinen
Politikstil. Deutlich wird dies in einer steigenden Tendenz zum Militarismus. 156 Effizienz,
schnelle und organisierte Krisenbewältigung und Kompromisslosigkeit sind mit den
Stritkräften assoziierte Eigenschaften und eine willkommene Abkehr von der
konsensorientierten Politik des bipartidismo (Zwei-Parteien-System). Die einzigen zwei
Institutionen, die im Jahr 2000 nicht das Ansehen der Bevölkerung verloren, waren das
Militär und die Kirche.157 Unter Berufung auf Bolívar wird die Einheit zwischen dem Volk
und den Streitkräften als eine aus dem Volk heraus rekrutierte Befreiungsarmee
beschworen. Die Integration des Militärs in zivile Lebensbereiche wurde seit der
Amtsübernahme von Hugo Chávez einerseits durch den Einsatz von Soldaten im sozialen
und dem Infrastrukturbereich, andererseits auch durch die Besetzung von bürokratischen
Führungspositionen durch hochrangige Militärs weitgehend umgesetzt.158
154
Unter: http://www.analitica.com/va/ttim/international/6289570.asp (13.12.2005)
155
Orig. metamensajes in VIVAS, Leonardo: Chávez. La última revolución del siglo, Caracas 1999:72.
156
Vgl. PEETZ, Peter 2001:77 op. cit..
157
Vgl. CARRASQUERO, Jose Vicente/WELSCH, Friedrich: Auflösungserscheinungen einer etablierten Demokratie?
Politisch- kulturelle Analyse des Falles Venezuela (aus dem Spanischen von Erwin Heigelmann). In:
HENGSTENBERG, Peter/KOHUT, Karl/MAIHOLD, Günther (Hrsg.): Zivilgesellschaft in Lateinamerika.
Interessenvertretung und Regierbarkeit, Frankfurt am Main 2000:92.
158
Diese Form von Klientelismus innerhalb der Streitkräfte wird in der lateinamerikanischen politikwissenschaftlichen
Forschung als clientelismo castrense bezeichnet.

46
Im Unterschied zum ideologischen Rahmen der traditionellen Parteien, welches sich an
von außen importierte Konzepte anlehnte, signalisiert die Berufung auf Bolívar die
Rückkehr zu lateinamerikanischen Wurzeln, zu Vertrautem, und sie signalisiert eine
Aufwertung eigener Traditionen. Nach Jahrzehnten der Orientierungslosigkeit, verbunden
mit einem politischen wirtschaftlichen und sozialen Verfall symbolisiert er den Neuanfang
auf der Basis eigener, autochtoner Werte. Die bolivarische Revolution sei keine
Nachahmung von anderen Modellen, die Lösung zu den venezolanischen Problemen sei in
den eigenen Traditionen zu suchen.159Chávez greift auf Bewährtes zurück.
Es finden sich im chavismo signifikante Abweichungen vom klassischen Populismus der
1950er und 1960er Jahre, u.a. die Idee von einer mystischen Einheit zwischen Führer und
Volk in Verbindung mit einer Geringschätzung von verregelten Verfahren, von
Institutionen und intermediären Organisationen, die als Hindernis für die Kommunikation
zwischen Führer und Volk angesehen werden. Dies macht das populistische System
gefährlich unterkomplex.160 Die Fokussierung auf die Exekutive führt in der Regel zu
Informationsverlusten bei der politischen Kommunikation und zu pathologischem Lernen.
Die Probleme einer modernen Gesellschaft lassen sich jedoch nicht auf der Ebene der
individuellen Problemlösung regeln, wie es in der sonntäglichen Sendung „Aló Presidente“
suggeriert wird. Der Fixierung auf Simón Bolívar in der politischen Mythologie entspricht
die Fixierung auf die Person Hugo Chávez in der realen Politik und in den politischen
Debatten in Venezuela. Die Idee der Gewalteneinteilung hat in diesem Politikverständnis
keinen Platz: In einem Brief an den Obersten Gerichtshof vom 11.4.1999 161 postulierte
Chávez die Suprematie der Exekutive über alle anderen Verfassungsorgane.
Das bolivarische Projekt kristallisiert sich in tausenden von spontanen
Volksorganisationen mit sozialen, kulturellen, erzieherischen, rekreativen und kooperativen
Zielen, die sich nicht einfach in vertikale oder hierarchische Strukturen wie z.B. politische
Parteien integrieren lassen. Die Regierung wird von weiteren politischen Organisationen,
wie PPT, MAS, MVR, MBR-200 unterstützt. Die mehrfach von Seiten der Opposition
öffentlich geäußerten groben Beleidigungen sozialer und ethnischer Natur gegen diese
Volksorganisationen stärken das Klassenbewusstsein der unteren Schichten und
entfremden die Anhänger Chávez’ von dem Projekt seiner Gegner.

159
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia 2005:95 op. cit.
160
Vgl. ebd. 90.
161
Volltext unter: http://www.analitica.com/bitblioteca/hchavez/carta_csj.asp (25.01.2006)

47
3.3.1.2 Die radikale Partizipationsdoktrin Rousseaus162 als Ideal

Die Gesellschaftsordnung gründet nach Rousseau auf einer Übereinkunft, einem Vertrag,
der unter den Mitgliedern einer Gesellschaft geschlossen wird. Durch einen
Gesellschaftsvertrag soll der Gegensatz zwischen dem Willen des Einzelnen und dem
Gesamtwillen aufgelöst werden. So wird dem Einzelnen nichts genommen, wenn er in den
Staat eintritt, denn dieser gehorcht dem Willen aller. Die Volkssouveränität ist
unbeschränkt und unvertretbar: Hier äußert sich die von Hugo Chávez übernommene
Abneigung gegen die Gewaltenteilung und gegen die repräsentative Form der Demokratie
und die von ihm vorgenommene Parallelstellung seines Amtsantrittes mit einem von der
venezolanischen Gesellschaft geschlossenen Vertrag:
„(…) Pero luego el 6 de diciembre de 1998 ocurrió la llamada por nosotros,
tomando el término de Rousseau, la fase contractual o contrato social. Yo te
propongo un camino, tú lo aceptas o no. Lo aceptamos, sellamos un
contrato”. (Übersetzung in Fußnote)163
Rousseaus Partizipationsdoktrin geht zurück auf die Formulierung der volonté générale,
der Allgemeinwille des Volkes, welcher sich von selber immer wieder herstellt und
Regierte sowie Regierende zu einem politischen Bewusstsein eint, indem er die
Differenzen zwischen ihnen aufhebt. Der Wille der Menschen ist in dieser Auffassung
immer homogen und erfordert eine ebenso homogene politische Öffentlichkeit. Die an den
Einzelnen gerichtete Doktrin negiert die Individualität und zielt auf die Bildung einer
einheitlichen politischen Gemeinschaft, die nach außen abgegrenzt wird. Der Bürger ist ein
homo politicus, die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft wird annulliert. Die
Nation erscheint als ein unteilbarer Körper. Jede Änderung an dem vom Volk
geschlossenen Gesellschaftsvertrag würde seine Natur zerstören. Auf diese Weise bildet
sich ein Verständnis der `Heiligkeit des Sozialvertrages´ heraus, im Fall der V. Republik in
Form der Bolivarischen Verfassung von 1999. Chávez legt ununterbrochen den
Venezolanern das Studium dieser Verfassung ans Herz. Sie ist dadurch zur heiligen Schrift
des Regimes geworden, und in Diskussionen werden Unkundigen passende Artikel aus
dem Gedächtnis zitiert. Es existiert eine klare Unterscheidung zwischen den Mitgliedern
162
Weiterführende Literatur zur Theorie Rousseaus u.a. HERB, Karlfreidrich: Rousseaus Theorie legitimer Herrschaft.
Voraussetzungen und Begründungen, Würzburg 1989, sowie KERSTINGS, Wolfgang: Jean Jeacques Rousseau.
„Gesellschaftsvertrag“, Darmstadt 2002.
163
(„Aber dann, am 6. Dezember 1998, da kam unser Ruf unter Berücksichtigung des von Rousseau geprägten Begriffes,
der gesellschaftliche Vertrag. Ich schlage einen Weg vor, Du folgst ihm oder auch nicht. Wir akzeptieren ihn, wir
schliessen einen Vertrag.“) CHÁVEZ, Hugo: Dieciocho meses de gobierno, Ansprache vom 2. August 2000. Unter:
http://www.lainsignia.org/2000/agosto/ibe_014.htm (01.05.2006)

48
dieses Vertrages und denen, die es nicht sind, was sich in Venezuela in der
gesellschaftlichen Polarisierung zwischen den Anhängern von Chávez und der Opposition
widerspiegelt. Die Gemeinschaft der in ihrem Willen identisch ausgerichteten Individuen
verkörpert bei Rousseau und in Anlehnung daran im chavismo den politischen Souverän.
Die Differenz zwischen dem Souverän und den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft
löst sich in der Einheit des Politischen auf. 164
Die Einhaltung der Gesetze gilt als erfüllte
Form eines idealen Zustandes. Der volonté générale fällt als Produkt der
Vergesellschaftung bei Rousseau unter das Unveränderlichkeitsgebot der Gemeinschaft.
Davon ausgehend sollen sich im chavismo keine Gruppen gleicher Interessen –
Partikularinteressen wie z.B. Parteien, Verbände und Gewerkschaften - bilden. Da die
Partizipation am volonté générale als radikal allumfassende Teilhabe konzipiert ist, können
Formen der Partizipation nicht institutionell festgeschrieben werden sondern jedes Handeln
institutionalisiert sich selbst im Einklang mit dem allgemeinen Willen. Chávez verfolgt
dieses in der Realität bisher niemals verwirklichte Ideal und bedient sich dabei auch der
moderner Kommunikationsmittel und neuer Formen der Wahlkampfführung.

3.3.2 Populismo de confrontación (Populismus der Konfrontation)

Das nach dem Regimewechsel von 1958 eingeführte und von den großen Parteien
getragene „populistische System des Elitenausgleichs“165 stieß mit dem Rückgang der
Öleinnahmen an seine Grenzen. Die zweite Präsidentschaft von Rafael Caldera war ein
erneuter Versuch eines ausgleichenden Populismus.166 Chávez dagegen vertritt einen
verbal-radikalen Populismus der Konfrontation.167
Die soziale und politische Krise wird von Chávez auf einer neuen Weise politisch
instrumentalisiert. Hugo Chávez konnte als Außenseiter gegenüber allen im Pacto de Punto
Fijo vorhandenen Institutionen auftreten, der die politische Krise beenden würde. Mit der
V. Republik hat er ein Antiparteiensystem geschaffen, das sich einzig auf die von ihm
gegründeten Bewegung MVR stützt. Dies schlägt sich in der neuen Bolivarischen
Verfassung von 1999 nieder, in der Parteien weitgehend ignoriert werden.168

164
Vgl. BEHR, Hartmut: Demokratietheorie und Partizipationskonzepte. In: LAUTH. Hans-Joachim/LIEBERT, Ulrike
(Hrsg.) 1999:43 op. cit.
165
REY, Juan Carlos 1991, zitiert in WERZ, Nikolaus 2005:51 op.cit.
166
Vgl. WERZ, Nikolaus 2005:51 op. cit.
167
Vgl. WERZ, Nikolaus/WELSCH, Friedrich: Staatsstreich gegen Chávez. In: Brennpunkt Lateinamerika Nr.7,
Hamburg 2002.
168
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia 2005:97 op. cit.

49
Mit dem weitgehenden Verzicht auf intermediäre Institutionen greift Chávez in diesem
Punkt auf altbewährte, populistische Traditionen zurück. Als Legitimierungsstrategie dient
vor allem der in Kapitel 3.3.1.1 erläuterte Diskurs der Volkssouveränität.
Durch seine Herkunft stand Chávez von Anfang an außerhalb der etablierten Eliten. Er
entstammt einer marginalisierten sozialen Schicht, so dass die Wahl seiner Person einen
Bruch mit dem bisherigen System bedeutet. Die breite Zustimmung der Mittelschicht zu
Chávez ließ nach, als er den Verteilungsmodus bei der verbliebenen Rente in Frage stellte
und auf mehreren Politikfeldern die Interessen derer bevorzugte, die in und nach der Krise
der 1980er Jahren die Verlierer gewesen waren: Die des informellen Sektors,
Straßenverkäufer und illegal beschäftigte Haushaltshilfen. Den Wirtschaftsinteressen
wurde auf diese Weise der bisher als selbstverständlich geltende Zugriff auf wichtige
Schaltstellen der Wirtschaftspolitik verweigert, was einem deutlichen Regelbruch
gleichkam.169
Hugo Chávez gelang es, ein neues Bündnis um sich zu scharen. Die venezolanische
Parteiengeschichte kennt bisher keine politische Bewegung oder Gruppierung mit einer
vergleichbaren Personifizierung. Wichtige Fragen werden dem Präsidenten selbst
vorgelegt, dies gilt auch für die Kandidatennominierungen. Die Militarisierung der
venezolanischen Politik war erforderlich gewesen, um einen klaren Wählerauftrag für den
jefe nacional (nationaler Befehlshaber) zu erhalten. Nach den Ideen von Ceresole könne
dieser nun ein postdemokratisches politisches Modell einführen.170 Unter den anfänglichen
Anhängern des chavismo findet man Vertreter der alten Linken, deren gemeinsamer
Nenner die Parteienkritik und das Eintreten für mehr Gleichheit war. Eine Reihe der frühen
Anhänger von Chávez, die politisch von links kamen, gehören mittlerweile zu seinen
schärfsten Kritikern. An seine Wähler, von denen ein erheblicher Teil aus den informellen
und nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschichten stammt, wendet er sich in
langen Ansprachen und über seine eigene Radio- bzw. Fernsehsendung Aló Presidente.
Bisher hat Chávez einen plebiszitären Führungsstil ohne genau festgelegte Inhalte
verfolgt.171

169
Vgl. ebd. 95.
170
Norberto Ceresole (1943-2003), argentinischer Politologe und Soziologe, vertrat nationalistische und antisemitische
Ideen eines postdemokratischen autoritären Regimes und war politischer Berater von Hugo Chávez in den 1990er-
Jahren. Letzterer distanzierte sich nach seiner Amtsübernahme von Ceresole. Hierzu: CERESOLE, Norberto: Caudillo,
ejército, pueblo. La Venezuela del Presidente Chávez. Enero-Febrero 1999. Unter:
http://www.analitica.com/bitBlioteca/ceresole/caudillo.asp (02.05.2006)
171
Vgl. WERZ, Nikolaus: Populismus und Parteien in Venezuela. In: BOECKH, Andreas/SEVILLA, Rafael 2005:50 op.
cit.

50
Die Existenz eines Präsidentiellen Regierungssystems172 gilt verbreitet als Voraussetzung
für den Erfolg eines neopopulistischen Regimes. In Präsidialdemokratien wird das
wichtigste Amt im Staat über Direktwahl einer Person bestimmt. Diese Tatsache, so wie
auch neue Kommunikationsformen wie videopolitics173 verstärkt die Tendenz zur
Personalisierung von Politik. „Eine Demokratie ohne Parteien ist eine hochgradig
chaotische Veranstaltung“, 174
warnte Giovanni Sartori 1997. Es wird der politische
Aufstieg von sog. politischen Outsidern begünstigt, die zuvor nicht der traditionellen
politischen Elite angehörten. Diese Tendenz zum Personalismus ist die auffälligste
Parallele zwischen Präsidentialismus und Populismus.175 Die Bevölkerung misstraut
Parteien und Parlament bezüglich eines effektiven policy-making. Negative Assoziationen
mit dem Parlament haben in Venezuela zur Empfänglichkeit eines stark
personenbezogenen Diskurses beigetragen. Die von der Bevölkerung in den Präsidenten
gesetzten Erwartungen werden leicht enttäuscht, da sie oft übertrieben und schwer
umzusetzen sind.176 Präsidentialismus fördert plebiszitäre Mechanismen, wenn die
Forderung nach authentischer oder wahrer Demokratie laut wird. In die bolivarische
Verfassung von 1999 wurden solche Mechanismen eingeführt. Dem Präsidialsystem
zugrunde liegendem Demokratieverständnis zufolge wird ein allgemeiner Volkswillen
vorausgesetzt, der lediglich über Wahlen ermittelt werden kann. Das Präsidialsystem
beherbergt eine erhebliche Distanz zur parlamentarischen Idee von Interessenvielfalt und
neigt zum Extrem der „Diktatur der Mehrheit“ 177 Dieses Demokratieverständnis kommt im
neuen demokratischen Populismus ebenfalls zum Ausdruck, denn es beruft sich nur auf das
Volk als erklärter Feind von Partikularinteressen und beinhaltet eine ausgeprägte
Geringschätzung von Institutionen und Werten der repräsentativen Demokratie. Das
winner-takes-all Demokratieverständnis des Präsidentialismus korrespondiert mit dem
dichotomischen Weltbild des neuen demokratischen Populismus: Die Auffassung von

172
Zur Debatte um die Stärken und Schwächen präsidentieller Systeme siehe: NOHLEN, Dieter/FERNÁNDEZ, Mario
(Hrsg.): El presidencialismo renovado, Caracas 1998 sowie LINZ, Juan/VALENZUELA, Arturo: Las crisis del presid-
encialismo, Madrid 1997/1998; LINZ, Juan: The Perils of Presidentialism. In: DIAMOND, Larry/PLATTNER, Marc
(Hrsg.):The Global resurgence of Democracy. London 1993:124-142 und LINZ, Juan/VALENZUELA, Arturo (Hrsg.):
The Failure of Presidential Democracy Vol.2, Baltimore 1994.
173
Vgl. SARTORI, Giovanni: La opinión teledirigida, 1997. Gekürzte Fassung des 2. Kapitels des Buches von Ders.:
Homo videns. La sociedad teledirigida, Madrid 1998.
Unter: http://www.politica.com.ar/Filosofia_politica/videopolitica_sartori.htm (18.08.2005)
174
Zitiert in WERZ, Nikolaus: Politische Parteien in Lateinamerika. In: HIRSCH-WEBER, Wolfgang/NOLTE, Detlef
(Hrsg.): Lateinamerika. Ökonomische, soziale und politische Probleme im Zeitalter der Globalisierung, Hamburg
2000:126.
175
Vgl. PEETZ, Peter 2001:55 op. cit.
176
Vgl. ebd. 56.
177
Ebd. 57.

51
Demokratie als Nullsummenspiel steigert die politische und soziale Polarisierung der
Gesellschaft.178
Mit der in der Verfassung verankerten Behinderung eines vorzeitlichen Amtswechsels
verstärkt das System die Krisensituation. Populismus dient somit dem Präsidenten als
Mittel zur Machtgewinnung, z.B. durch Ausschaltung des Parlaments, indem ein
Gegenparlament in Form einer verfassungsgebenden Versammlung als Durchsetzung des
direkten Volkswillens eingeführt wird. Das Verbot zur Wiederwahl ist ein wichtiges
Instrument zur Machtbegrenzung der Exekutiven, kann aber auch zum Zweck des
Machterhalts den Bruch mit der demokratischen Ordnung hervorrufen. Dieser Schritt
begünstigt die Absicherung durch Populismus noch zusätzlich. Es konkurrieren zwei
Modelle staatlicher Ordnung, das Modell der repräsentativen Demokratie und das der
direkten, populistischen Demokratie.
Der Wahlsieg von Hugo Chávez war der Ausdruck des allgemeinen Willens zum
Wandel. Seine messianische Botschaft repräsentiert die Wiedergeburt des klassischen
Populismus in der Person des Präsidenten,179 jedoch als politische Strategie und nicht als
wirtschaftliches Entwicklungsmodell. Als er gewann, sagte Hugo Chávez: “Venezuela ga-
nó, la historia ganó, el pueblo ganó.“180 Die Bevölkerung identifizierte sich zunehmend
mit seiner Person, mit seinem nationalistisch geprägtem Diskurs und der Referenz auf die
`wahre´ Demokratie, nämlich die `direkte´. Es gab jedoch keinen Raum für eine
öffentliche, technische oder politische Debatte, da die privilegierte Stimme und der
privilegierte Interpret des Volkes immer die Person Chávez war. Das Ziel ist der
Machterhalt, ohne ein konkretes Programm oder eine klare ideologische Basis. Seine
soziale Basis besteht aus einer breiten Bevölkerungsgruppe voller Frustration und
Enttäuschung, die in vierzig Jahren traditionellem Populismus angesammelt wurden, voller
Wut über die Ineffizienz und die Korruption und Hass auf die Politiker.
Das von Chávez errichtete und mit seiner Person identifizierte Regime kann man als
verfassungsrechtlich verankerten demokratischen Populismus bezeichnen.

178
Vgl. LINZ, Juan: The Perils of Presidentialism. In: DIAMOND, Larry/PLATTNER, Marc (Hrsg.): The Global resur -
gence of Democracy, London 1993:113.
179
Vgl. DAVILA, Luis Ricardo: The Rise and Fall and Rise of Populism in Venezuela. In: Bulletin of Latin American
Research 19/2000:225.
180
El Nacional, Caracas 7.12.1998.

52
3.4 Politische Partizipation in der Bolivarischen Republik Venezuela

3.4.1 Institutioneller Rahmen

3.4.1.1 Der Amtsantritt von Hugo Chávez181 und die neue Verfassung von 1999182

„La Constitución Nacional, proclama que la sociedad venezolana es `democrática, participativa y pro-
tagónica´ (Präambel CBV)
...Pero también consagra los principios de `cooperación, solidaridad, concurrencia y corresponsabili-
dad´ (Art. 4 CBV)
...Es decir, estamod sembrando la cultura de la participación y somos responsables no sólo de nuestros
actos sino del país en el cual vivimos...
Ahora puedes participar opinando ante la Asamblea Nacional...
En los referendos consultivos, aprobatorio,abrogatorio y revocatorio (Art. 71, 72, 73 y 74 CBV).”183

Unmittelbar nach seinem Amtsantritt leitete Hugo Chávez eine Regimetransformation


ein. Es gelang ihm, ein Regime zu legitimieren, welches das in der Verfassung184 von 1961
verankerte institutionelle System zum Einsturz brachte und noch immer versucht,
stattdessen ein neues an seine Stelle zu setzen. Die mit der Verfassung von 1999
gegründete Bolivarische Republik hat somit institutionell gesehen einen
Übergangscharakter.185
Bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 1998 erreichte Hugo Chávez, unterstützt
vom Polo Patriótico186 56,2% der Stimmen und die absolute Mehrheit. Der erste Schritt in
der Umsetzung politischer Reformen war das landesweite Referendum im April 1999 über
die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung sowie über die Verfahrensweise
bei der Nominierung der Delegierten zur Versammlung. Es stimmten 92,36% der
Teilnehmer für die Einberufung und 86,43% unterstützten den Regierungsvorschlag.
181
Hierzu ausführlich: WELSCH, Friedrich/WERZ, Nikolaus: Der Wahlsieg und der Regierungsbeginn von Hugo
Chávez Frías in Venezuela, Rostocker Informationen zu Politik und Verwaltung Heft 12, Universität Rostock 1999.
182
Verfassungstext unter: http://www.constitucion.es/otras_constituciones/america/txt/constitucion_venezuela.html
(06.12.2005)
183
Aus der Internetseite der Nationalversammlung zur politischen Partizipation. Unter:
http://www.asambleanacional.gov.ve/ns2/conceptopar.asp (18.03.2006)
184
Verfassungstext unter: http://www.analitica.com/bitblio/congreso_venezuela/constitucion1961.asp (21.10.2005)
185
Vgl. WELSCH, Friedrich 2005:30 op.cit.
186
Polo Patriótico (Patriotischer Pol) nennt sich das politische Bündnis, das sich 1998 aus MVR, MAS, PPT, PCV, IPCN,
GE, MEP, SI und AA zusammensetzte.

53
Jedoch nahmen lediglich 37,84% von 9 Mio. stimmberechtigten Bürgern am Referendum
teil.187
Am 25. Juli 1999 fanden die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung statt. Das
Regierungsbündnis erreichte 121 von 131 Sitzen. Die Verfassungsgebende Versammlung
erklärte sich am 12. August 1999 zum obersten Volkssouverän und beschloss eine
grundlegende Reform der staatlichen und administrativen Strukturen. Es wurde der
Ausnahmezustand über das Justizwesen dekretiert und eine Justizkommision 188 zur
Überprüfung von Richtern einberufen. Der Kongress war bis September 1999 praktisch
entmachtet.189 Die neue Verfassung wurde im Dezember 1999 durch Volksabstimmung mit
71% der Stimmen angenommen und trat am 30. Dezember 1999 in Kraft. Die
Wahlbeteiligung betrug 46%.
Mit der Verfassung von 1999 wurden Veränderungen und Neuerungen eingeführt, welche
die Schaffung von neuen Institutionen und Ämtern mit sich brachte. 190 Hervorzuheben sind
unter diesen:
 Die Namensänderung der Republik (Art.1).
 Die Erhöhung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sechs Jahre und
Einführung der Möglichkeit zur unmittelbaren Wiederwahl (Art. 230).
 Die Schaffung des neuen Amtes des vom Präsidenten direkt ernannten Exekutiv-
Vize-Präsidenten (Art.236).
 Die Umwandlung des Zwei-Kammer-Kongresses in eine Ein-Kammer-
Nationalversammlung (Asamblea Nacional), was eine hohe Machtkonzentration zu
Gunsten der Exekutive und die Beschneidung des in Art. 4 der Verfassung
verankerten Föderalismus bedeutet.
 Die Einführung der Bürgergewalt und der Wählergewalt als Instanzen horizontaler
Kontrolle191.
Am 20. Dezember 1999 löste die Verfassungsgebende Versammlung den Obersten
Gerichtshof auf und ernannte im Zuge der Verfassungsänderung und der Ausrufung eines
Übergangsregimes einen neuen Gerichtshof, einen Ombudsmann und einen
Generalstaatsanwalt. Nach der Auflösung des Kongresses am 23. Dezember 1999 wurde
187
Vgl. Base de Datos Políticos de las Américas: Venezuela Referendum Results, April 26, 1999 Georgetown University.
188
Genaue spanische Bezeichnung: Comisión de Emergencia Judicial.
189
Vgl. RÖSLER, Peter: Venezuela. In: BODEMER, Klaus et.al. (Hg): Lateinamerika Jahrbuch 2000, Frankfurt am Main
2000:200ff.
190
Vgl.CARRASQUERO AUMAITRE, José Vicente 2002:6 op.cit.
191
Die Bürgergewalt – Poder Ciudadano wird vom Moralrat der Republik, dem ein Ombudsmann, ein
Generalstaatsanwalt und der oberste Rechnungsprüfer angehören, ausgeübt. Zur Zuständigkeit des Moralrats: Art. 274
CBV. Der Nationale Wahlrat – Consejo Nacional Electoral (CNE) ist für die Organisation und Überwachung der
Wahlen zuständig (Art. 193) und fundamentaler Bestandteil der Wählergewalt – Poder Electoral.

54
die Gesetzgebungskompetenz bis zu den Wahlen des neuen Ein-Kammer-Parlaments in die
Hände eines sog. Congresillo gelegt, der nicht vom Volk gewählt, sondern aus ehemaligen
ANC-Mitgliedern und Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengesetzt war.192 Im Juli des
folgenden Jahres wurde Hugo Chávez mit 60% der Stimmen bei den Wahlen im Amt
bestätigt. Seine Position wurde gefestigt, da die Parteien, die ihn unterstützten, im der
neuen Nationalversammlung die absolute Mehrheit erreichten. Parallel zu den
Kommunalwahlen im Dezember desselben Jahres wurden die Vorstände der
Gewerkschaften mittels einer Volksbefragung aufgelöst, bei der sich allerdings weniger als
23% der Wahlberechtigten beteiligten.193 Die `Megawahlen´, d.h. von der nationalen Ebene
bis hin zur Regionalebene, waren aus Organisationsgründen auf zwei Daten aufgeteilt
worden. Die Wahlkampagne lief geprägt von Meinungsfreiheit, Pluralismus und einem
hohen Grad an öffentlicher Partizipation ab.194 Letzteres äußerte sich an der Teilnahme
zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen und durch eine umfangreiche
Berichterstattung in den venezolanischen Medien.
Individuelle und kollektive Freiheiten werden in der bolivarischen Verfassung garantiert
und die Wahrung der Menschenrechte bestätigt. Eine beträchtliche demokratische
Errungenschaft ist die Stärkung der Rechte und Selbstbestimmung der indigenen Völker,
denen auf allen Vertretungsebenen Minderheitenschutz durch gesicherte Quoten
eingeräumt wird.195 Neu eingeführt wurde die Idee einer partizipativen Demokratie und der
direkten Bürgerbeteiligung: Die Partizipation wird allgemein ausgeweitet, es wird die
Wahlrechtbeteiligung für Mitglieder der Streitkräfte eingeführt und die gesellschaftliche
Beteiligung an der politischen Willensbildung durch Volksabstimmungen gefördert. Die
Kandidatenaufstellung von Richtern, Mitgliedern der Nationalen Wahlrats und des
Obersten Rechnungshofes obliegt mit der neuen Verfassung besonderen Ausschüssen,
welche die gesamte Gesellschaft repräsentieren. Die Nationalversammlung bestimmt die
Amtsträger aus den von den Ausschüssen vorgelegten jeweiligen Dreierlisten mit
qualifizierter Mehrheit.196 Die Verfassung sichert außerdem mit der Schaffung zweier
zusätzlicher Gewalten, der Bürgergewalt und der Wählergewalt, weitgehende
staatsbürgerliche Mitwirkungsrechte.

192
Vgl. REUL Sabine: Systemwandel in Venezuela: Auf dem Weg zu einem neuen Demokratietypus neopopulistischer
Prägung? In: WENTZLAFF-EGGEBERT, Christian/TRAINE, Martin (Hrsg.): Arbeitspapiere zur
Lateinamerikaforschung III-12, Köln 2003:34.
193
Vgl. ebd. 35.
194
Vgl. ebd. 45.
195
Vgl. WELSCH, Friedrich: Demokratische Revolution oder Rückfall in Autoritarismus? In BOECKH,
Andreas/SEVILLA, Rafael 2005:31 op. cit.
196
Vgl. ebd.

55
Die neue Verfassung will die Beziehung zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft neu
ausrichten und darüber hinaus einen neuen „sozialen Bürgersinn“ begründen. Der Staat ist
einerseits ein partizipativer Raum, in dem Politik öffentlich mitgestaltet werden kann, und
andererseits der Garant sozialer Rechte. Er wird dazu verpflichtet, im ausreichenden Maß
für alle Bürger Arbeit, Ausbildung, Gesundheitsversorgung sowie Wohnraum zu
garantieren und soziale Gerechtigkeit herzustellen. 197 Die Einführung einer partizipativen
Demokratie in der venezolanischen Verfassung bedeutet zum einen eine tiefgreifende
Änderung deren Charakter; zum anderen weist sie auf eine starke Distanzierung von
repräsentativen Demokratieformen zugunsten einer direkten Demokratie hin. In der neuen
Verfassung nehmen 61 Artikel direkt Bezug auf die Partizipation, lediglich 21 Artikel auf
die Repräsentation. Der Aspekt der Widerrufbarkeit von Politikern wurde wieder
eingeführt.198 Die Verankerung des Prinzips der direkten Demokratie in die neue
Verfassung erlaubt die Amtsenthebung von Politikern auf allen Ebenen bis hin zum
Präsidenten durch Volksentscheid (Art. 70-74). Außerdem sieht die neue Verfassung im
Artikel 211 vor, dass die Nationalversammlung oder die permanenten Kommissionen
während der Abstimmung der Gesetzesanträge die anderen staatlichen Organe, die Bürger
und die Zivilgesellschaft konsultieren. Dieser Prozess ist durch einen beschränkten
Informations- und Partizipationsfluss gekennzeichnet.199 Um die Regierbarkeit eines
starken partizipativen Systems zu gewährleisten, muss eine feste Einheit zwischen Führer
und Geführten bestehen. Ist dies nicht der Fall, wird jeder gescheiterte und mit der
Regierung unzufriedene Partizipationsversuch zu einer großen Bedrohung für die
Regierung. Ist dies der Fall, kann das System kollabieren, die Partizipation manipuliert
werden oder es kommt zu einer Rückkehr zur Repräsentation.200
Diese Suche des politischen Systems Venezuelas nach einer direkten Demokratie drückt
die Zersplitterung der Venezolanischen Gesellschaft aus. Die Grundeinstellung der
verschiedenen Positionen besteht darin, sich vom Gegner zu befreien. Da kein
grundsätzlicher Konsens existiert, spielen die Formen der politischen Organisation eine
untergeordnete Rolle.201
Die öffentliche Stärkung der partizipativen Demokratie stärkt wiederum die Gegner
solcher Mechanismen. Die `Heiligsprechung´ einer großen Anzahl von
197
Vgl. BURCHARDT, Hans-Jürgen: Die Wirtschaftspolitik des Bolivarianismo. In: BOECKH, Andreas/SEVILLA, Ra-
fael 2005:175ff op. cit.
198
Zuletzt in der Verfassung von 1811. Vgl. NJAIM, Humberto: Der Umgang mit der partizipativen Demokratie in
Venezuela. In: BOECKH, Andreas/SEVILLA, Rafael 2005:25 op. cit.
199
Vgl. ebd. 208.
200
Vgl. ebd. 207.
201
Vgl. ebd. 226.

56
Partizipationschancen führt dazu, dass ein Teil von ihnen lediglich als Waffenarsenal gegen
die Regierung angesehen wird. Die venezolanische Regierung gibt sich als revolutionär aus
und ruft daher aufgrund notwendiger öffentlicher Anerkennung aus der Ablehnung des
institutionellen Rahmens eine Situation permanenter Agitation hervor, um den Eindruck zu
erwecken, dass wirkliche Partizipation erst durch sie garantiert wird. Anstelle eines
geregelten Wettbewerbs eskaliert alles zu einer Konfrontation und mündet in eine Situation
institutioneller Anomie.202
Der Anti-Parteiendiskurs des Präsidenten Chávez allein bietet keinen Ersatz für politische
Strukturen, welche gesellschaftliche Interessen nach formalen Regeln artikulieren können.
Die partizipative Demokratie Venezuelas zeichnet sich durch eine mangelnde strukturelle
Ausdifferenzierung und durch eine Geringschätzung von formalen und ebenso von
traditionellen informellen Institutionen und Verfahren – Klientelismus aus. Das Volk wird
als der eigentliche und wirkliche Souverän und zentraler Akteur aufgefasst. Viele
populistische Regime haben in der Vergangenheit eine Mobilisierung ohne politische
Partizipation vorangebracht, wie z.B. der frühe Peronismus in Argentinien. Die
Organisationen der Unterschichten waren korporatistisch an den Staat gebunden.
Gleichwohl gehörte es zu ihren historischen Leistungen bisher politisch marginalisierte
Gruppen als politische Ressource und als Adressat staatlicher Leistungen in das politische
System zu integrieren. Es stellt sich die Frage, ob die in der neuen Verfassung verankerte
partizipative Demokratie tatsächlich funktionsfähige Institutionen politischer Partizipation
geschaffen hat, oder ob eine von oben gesteuerte Mobilisierung und eine „Partizipation mit
stark akklamatorischem Charakter“203 besteht.
In Venezuela wird der Versuch unternommen, electoral politics und ein revolutonäres
Regime kompatibel zu machen. Die fortschreitende Wahlenthaltung und die schwächer
werdende Mobilisierung ergeben sich zum Teil aus einer Wahlmüdigkeit in der
Bevölkerung und reflektiert einen Mangel an Institutionalisierung. Chávez postuliert eine
partizipative Demokratie als Alternative zur repräsentativen Demokratie und als ein Weg
zu einer neuen Institutionalisierung. Zu diesem Zweck versucht er die Beziehung zwischen
den Volksmassen, die ihn als Führungspersönlichkeit und Präsidenten unterstützen und der
chavistischen Partei MVR einen neuen institutionellen Rahmen zu geben. Die politische
Partizipation der Bevölkerung ist nötig, um den Fortschritt klientelistischer Verbindungen
innerhalb der von Chávez angeführten Bewegung zu hemmen.

202
Vgl. ebd.
203
BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia 2005:92 op. cit.

57
3.4.1.2 Die verfassungsrechtliche Verankerung des Partizipationsprinzips

Das Recht auf die Abhaltung von Referenden gründet auf dem Partizipationsprinzip,
welches auch das wichtigste Prinzip der CBV darstellt. In Art. 5 CBV wird besonders auf
eine direkte Ausübung der Souveränität des Volkes eingegangen. Dies bedeutet eine starke
Hervorhebung des Protagonismus der Bürger anhand politischer Beteiligung ohne
repräsentative Hürden. Das Prinzip der direkten Partizipation widerspricht grundsätzlich
der Verfassung von 1961, die ihre Grundlage im Repräsentationsprinzip hatte: „La
soberanía reside en el pueblo, quien la ejerce mediante el sufragio por medio de los
órganos del Poder Público“ (Art. 4 der Verfassung von 1961).204 Hauptanliegen der
Befürworter der CBV von 1999 war der Wunsch, vom Repräsentationsprinzip bewusst
abzuweichen und das Partizipationsprinzip als Grundlage einzuführen, um einer breiteren
Bevölkerungsschicht die politische Beteiligung zu ermöglichen.
Das Partizipationsprinzip beinhaltet die Möglichkeit zivilgesellschaftlicher oder
gemeinnütziger Partizipation im Rahmen von NGOs oder Nachbarschaftsgruppen, sowie
die direkte politische Partizipation innerhalb einer direkten Demokratie (Art. 70 CBV)
durch die Beteiligung an Referenden und Volksbefragungen. Es greift auch über auf die
öffentliche Ebene und ist in dem Ley Orgánica de la Administración pública (Gesetz zur
Öffentlichen Verwaltung) vom 18. September 2001, bzw. dem 17. Oktober des gleichen
Jahres205 verankert. Pflicht der öffentlichen Organe ist es, die Bürgerbeteiligung in der
Ebene der öffentlichen Verwaltung zu fördern. Partizipationswege sind hierbei folgende:
 Die Bürger sind dazu befugt, sich kritisch zum Verlauf der öffentlichen Arbeit zu
äußern und können Veränderungsvorschläge einreichen.
 Alle Bürger müssen durch die Presse und das Internet über bevorstehende
Befragungen unverzüglich informiert werden. Während der Zeit der Befragung ist
es möglich, schriftliche Kommentare einzureichen. Das Resultat der Befragung ist

204
(Die Souveräniät liegt beim Volk, welches sie durch Wahlen im Rahmen der öffentlichen Gewalt zum Ausdruck
bringt.Ausdruck bringt).
Vgl. RONDÓN de SANSÓ, Hildegard: El referendo en la Constitucíon Venezolana de 1999 (con especial refenecia al
referendo revocatorio), 2004:9. Unter: http://www.acader.unc.edu.ar/artreferendorevocatrio.pdf (16.05.2006)
205
Veröffentlicht in gaceta oficial (Amtsblatt) Nr. 37 305, 17.10.2001.

58
nicht bindend, sollte jedoch die Befragung übersprungen werden sind die neuen
Regelungen ungültig und eine Befragung wird a posteriori durchgeführt.
 Die Agenda der öffentlichen Behörden müssen zugänglich sein (z.B. via Internet).
Änliches gilt für die Ebene der öffentlichen Finanzverwaltung (Ley Orgánica de la Contra-
loría General de la República y del Control Financiero del Estado vom 17. Dezember 2001
und und Ley Contra la Corrupción Nr. 28056 vom 7. April 2003).206

3.4.1.3 Die Verfassungsrechtliche Verankerung des aktiven und passiven Wahlrechts

„El sufragio es un derecho. Se ejercerá mediante votaciones libres, universales, directas y secretas. La
ley garantizará el principio de personalización del sufragio y la representación proporcional.”
(Art. 63 CBV)

„Es besteht Wahlrecht. Dieses wird mittels freier, allgemeiner, direkter und geheimer Stimmabgabe
ausgeübt. Das Gesetz garantiert den Grundsatz der Personenwahl und des Verhältniswahlrechts.“
(Art. 63 CBV)

In der bolivarischen Verfassung wurde das aktive Wahlrecht für Männer und Frauen ab
18 Jahren in den Artikeln 63 und 64 als ausschließliches Recht des Bürgers und nicht als
eine öffentliche Pflicht verankert.207 Um an Wahlen teilnehmen zu können, müssen sich die
Bürger laut dem reformierten Ley Orgánica del Sufragio y Participación Política - von
1997208 (Wahlgesetz) in Wählerregister eintragen lassen. Die populistische
Regierungsstrategie von Hugo Chávez mit ihren plebiszitären Zügen hat dazu geführt, dass
die Bürger vermehrt Gebrauch vom aktiven Wahlrecht machen. Durch seinen
vereinfachenden und direkten Dialog mit dem Volk erreichte er eine höhere Mobilisierung
vor allem der unteren Bevölkerungsschichten. Die Partizipationsmöglichkeiten wurden
zudem durch Referenda ausgeweitet. Das plebiszitäre Paradigma durchzieht das
Aktionsprogramm der Regierung von Anfang an: Chávez fordert die Bevölkerung durch
landesweite Wahlakte und Volksabstimmungen zur Partizipation auf und lässt sich immer
wieder erneut legitimieren.209
Obwohl die Möglichkeit vom aktiven Wahlrecht gebrauch zu machen zumindest
quantitativ erheblich gesteigert wurde und der Bevölkerung neue Partizipationskanäle
206
Vgl. RONDÓN de SANSÓ, Hildegard 2004:14-19 op. cit.
207
Vgl. COMBELLAS, Ricardo: Derecho Constitucional. Una introducción al estudio de la Constitución de la República
Bolivariana de Venezuela, Caracas 2000:90.
208
Unter: http://www.analitica.com/Bitblio/congreso_venezuela/sufragio.asp (16.03.2006)
209
Vgl. WELSCH, Friedrich/CARRASQUERO, José Vicente: Venezuela unter Chávez. Zwischen demokratischer
Revolution und Caudillismo. In: Ibero-Analysen, Heft 7, Berlin 2001:3.

59
geöffnet wurden, geht die Wahlbeteiligung kontinuierlich zurück.210 Noch Ende der 1960er-
Jahre hatte die Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen stets über 92% gelegen.
Während Ende der 1970er Jahre und Anfang der 1980er-Jahre ein Abwärtstrend schon zu
erkennen war, sank die Beteiligung 1988 erstmals unter 82%. 211 Bei den
Präsidentschaftswahlen 1998 stieg die Wahlbeteiligung nochmals deutlich an, sank jedoch
schon im Juli 2000 beträchtlich.212
Wie auch das aktive Wahlrecht wurde das passive Wahlrecht in Venezuela bereits 1946
für Männer und 1947 für Frauen eingeführt213 und ist im Artikel 62 der Verfassung von
1999 verankert. Die Voraussetzung für die passive Wählbarkeit zu nationalen Ämtern
wurde im Vergleich zur Verfassung von 1961 erweitert. Für Ämter wie Abgeordneter der
Asamblea Nacional, Gouverneur oder Bürgermeister der Bundesstaaten ist es nicht länger
erforderlich, gebürtiger Venezolaner zu sein (Art. 41 CBV). Die Aufstellung von
Kandidaten ist nicht mehr nur durch politische Parteien oder politische Vereinigungen
möglich, wie in der Zeit des puntofijismo, sondern kann auch auf eigene Initiative der
Bürger hin erfolgen. Dadurch wird das traditionelle Monopol der Parteien bei der
Kandidatenaufstellung durchbrochen und der Parteienherrschaft des alten Systems
entgegengewirkt (Art. 67 CBV).214 Der Zugang zu Wahlämtern war faktisch für lange Zeit
an die Nominierung durch eine Partei gekoppelt. Da die Parteiführung die
Kandidatenauswahl für die Zusammenstellung von Wahllisten zu den Parlaments- und
Gemeinderatswahlen kontrollierte, war die Einhaltung der Parteidisziplin und der
Politikvorgaben der Parteispitze unumgänglich.215 Die Kandidatenaufstellung durch die aus
fünf im Wahlregister eingetragenen Bürgern zusammengesetzte grupos de electores
(Wählergruppen) wurde 1997 im Wahlgesetz festgeschrieben (Art. 130, 131, 132 LOS).
Nach der Änderung des Wahlgesetzes im Jahr 1989 gewannen alternative Parteien und
auch nicht parteigebundene Akteure wie Bürgervereinigungen, Einzelkandidaten und neue
politische Gruppen an Einfluss. Der Zugang zu den staatlichen Ämtern öffnete sich. Heute
ist das passive Wahlrecht auf allen Ebenen durch die Beseitigung des Parteienmonopols
unabhängig von den Parteien gewährleistet.

3.4.1.4 Wahlen und Referenda: Gemeinsamkeiten und Unterschiede


210
Siehe Anhang B.
211
Vgl. SCHULTZ, Judith: Präsidentielle Demokratien in Lateinamerika. Eine Untersuchung der präsidentiellen
Regierungssysteme von Costa Rica und Venezuela , Frankfurt am Main 2000:324.
212
Vgl. REUL, Sabine 2003:38 op. cit.
213
Vgl. SCHMIDT, Manfred: Demokratietheorien, 3. Aufl., Opladen 2000:392.
214
Vgl. REUL, Sabine 2003:39 op. cit.
215
Vgl. SCHULTZ, Judith 2000:334.

60
In Entwicklungsländern mit geschwächten Zivilgesellschaften stellen Wahlen nicht selten
auch noch in der Gegenwart einen Mechanismus zur Kontrolle der Bürger dar. Bei Wahlen
konzentrieren sich vor allem populistische Führungspersonen auf den Machterhalt und
weniger auf eine Förderung freier politischer Partizipation. Politische Aktivisten neigen
dazu, auf der Suche nach Stimmen wirkliche Mobilisierung zu vernachlässigen216.
Andererseits reichen die Abhaltung von Wahlen und ihre deskriptive Beschreibung nicht
aus, um ihren demokratischen Gehalt festzustellen. Für freie und faire Wahlen, die auch
aktive politische Partizipation beinhalten, ist ein komplexes Netzwerk formaler
Institutionen notwendig, das diese rechtstaatlich absichert. Die Beteiligung von Bürgern ist
durch den Wahlprozess nicht abgeschlossen.217
Das Kriterium der politischen Assoziationsfreiheit geht zurück auf Robert Dahl 218.
Demnach haben Bürger das Recht, autonome Vereinigungen zu bilden und sich ihnen
anzuschließen. In Venezuela ist dieses Grundrecht in der Verfassung von 1999 in den
Artikeln 52 und 67 verankert.219 Zur Gründung einer nationalen Partei werden die
Unterschriften von 0,5% der Wähler aus 12 Bundesstaaten benötigt. Über die Registrierung
einer Partei entscheidet der Nationale Wahlrat. Bei Ablehnung des Antrages kann beim
Obersten Gerichtshof Widerspruch eingelegt werden. In den 1990er Jahren nahm die
Anzahl an Parteien deutlich zu und das Zweiparteiensystem wurde von einem
Mehrparteiensystem abgelöst. Bei den Gouverneurswahlen 1998 befanden sich 92 Parteien
bzw. Kandidaten auf einem Stimmzettel und die Anzahl der in der Nationalversammlung
vertretenen Parteien nahm ebenfalls deutlich zu.220
Die effektive Umsetzung von freien und fairen Wahlen ist von bestimmten Instanzen
abhängig. Bis 1997 war in Venezuela der Consejo Supremo Electoral (Oberster Wahlrat)
für die Organisation der Wahlprozesse verantwortlich. Durch das Wahlgesetz von 1997
wurde es aufgelöst. Seine Funktionen nahm das Consejo Nacional Electoral CNE ein,
welches gemäß Art. 293 die Wahlen und Referenden überwacht und das Wähler- und
Meldeverzeichnis erstellt. Die CNE ist außerdem für die Bestätigung der Wahlergebnisse
zuständig. Die Organe der Wählergewalt garantieren die Gleichheit, Vertrauenswürdigkeit,

216
Vgl. HELLINGER, Daniel: When “No” Means “Yes to Revolution”: Electoral Politics in Bolivarian Venezuela. In:
Latin American Perspectives 2005:9.
217
Vgl. LAUTH, Hans-Joachim: Informelle Institutionen politischer Partizipation und ihre demokratietheoretische
Bedeutung. Klientelismus, Korruption, Putschdrohung und ziviler Widerstand. In: Ders./LIEBERT, Ulrike 1999:61 op.
cit.
218
Vgl. DAHL, Robert: Democracy and its Critics, Yale University Press 1989:233.
219
Basiert auf dem Ley de Partidos Políticos, Reuniones Públicas y Manifestaciones von 1965.
220
1993 waren es sechs Parteien, 1998 bereits neun und im Jahr 2000 siebzehn. Vgl. REUL, Sabine 2003:50 op. cit.

61
Unparteilichkeit, Transparenz und Effizienz der Wahlen sowie die Anwendung des
personalisierten Wahlrechts und der proportionalen Repräsentation. Der CNE hat fünf
Mitglieder, die nicht in Verbindung mit politischen Organisationen stehen dürfen. Drei von
ihnen werden von der Bevölkerung, eine durch die Fakultäten der Rechts- und
Politikwissenschaften der nationalen Universitäten und eine weitere durch die
Bürgergewalt für eine Amtszeit von sieben Jahren ernannt (Art. 296 CBV). Als Maßnahme
gegen Unregelmäßigkeiten und zur Legitimierung von öffentlichen Gewalten und formalen
Institutionen wurde für die Präsidentschaftswahlen von 1998 ein unabhängiger Wahlrat
gebildet und die landesweite Mechanisierung der Wahlen durch Wahlmaschinen festgelegt
(Art. 153 LOS). Die neuen Regeln wurden zu den Kongress- und Gouverneurswahlen im
November 1998 zum ersten Mal angewendet. 221 Das Referendum ist ein Ausdruck des
politischen Rechts auf Partizipation, verankert in Art. 62-74 CBV.
Ein Referendum ist eine Form direkter Partizipation der gesamten Gesellschaft, durch die
über fundamentale Angelegenheiten politischer, wirtschaftlicher und/oder sozialer Natur
entschieden wird. Bei einem Referendum (lat. für Volksbefragung) oder Volksentscheid
entscheiden, wie bereits im Kapitel 2.2.2 dieser Arbeit beschrieben wurde, alle
Stimmberechtigten Bürger im Nachhinein über einen Parlamentsentscheid und haben die
Möglichkeit, es mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit abzulehnen oder anzunehmen.
Es ist zwischen dem obligatorischen Referendum, das aus Notwendigkeit beispielsweise
bei der Einführung einer Verfassungsreform stattfinden muss, und dem fakultativen
Referendum, das als Folge einer Volksinitiative durchgeführt wird. Ein obligatorisches
Referendum ist bei bestimmten Gesetzesmaterien wie eine Verfassungsänderung
notwendig; ein fakultatives Referendum findet als Folge eines mit Erfolg durchgeführten
Volksbegehrens statt222. Referenda können einen verbindlichen oder einen unverbindlichen
Charakter besitzen. Mit dem Begriff Plebiszit werden diejenigen Volksabstimmungen
bezeichnet, die „von oben“ durch die Exekutive eingeleitet werden. Die wichtigsten in der
CBV aufgeführte Modalitäten von Referenda sind:
 Referendo consultivo: Bezieht sich auf nationalrelevante Fragen;
 Referendo revocatorio: Bezieht sich auf die Möglichkeit der Amtsenthebung aller
gewählten Amtsinhaber durch die Wähler;
 Referendo decisorio aprobatorio: Ermöglicht das Verabschieden von
Gesetzesentwürfen;
221
Vgl. REUL, Sabine 2003:44 op. cit.
222
Vgl. SCHULTZE, Rainer-Olaf: Referendum. In: NOHLEN, Dieter/Ders.: Lexikon der Politikwissenschaft Bd. 2,
München 2002:789.

62
 Referendo decisorio abrogatorio: Hebt vom Präsidenten verabschiedete Gesetze oder
Dekrete mit Gesetzeskraft auf.

Von den in der CBV erwähnten Grundformen des Referendums ist das referendo
revocatorio (Art. 72 CBV) eine bedeutende Neuerung. Es unterscheidet sich von den
beiden anderen Formen, referendo consultivo und referendo decisorio hauptsächlich durch
seinen bindenden Charakter und durch seine Fähigkeit, vom Volk in öffentliche Ämter
gewählte Personen des Amtes entheben zu können. 223
In Venezuela wurden nach der Amtsübernahme von Hugo Chávez vier Volksentscheide
durchgeführt:
1. Referendo popular constituyente (referendo consultivo) im April 1999:
Volksbefragung über die Einberufung der Verfassungsgebenden Versammlung und
2. Referendo decisorio aprobatorio zur Annahme der neuen Verfassung am 15.
Dezember 1999,
3. Referendo consultivo zur Neuwahl der Gewerkschaftsvorstände 2000,
4. Referendo Presidencial am 15. August 2004 zur Amtsenthebung des Präsidenten.
Dieses Referendum wurde unterschiedlich von den Anhängern Chávez’ und der Opposition
bezeichnet: Erstere nannten es ein referendo ratificatorio, letztere ein referendo
revocatorio.
Ausschlaggebend für den Erfolg des Referendums zum verfassungsgebenden Prozess war
die im Voraus durch Umfragen ermittelte Unterstützung von ca. 70% der Bevölkerung. 224
Von Regierungskreisen aus wurde eine Reihe von Informationsschriften herausgebracht,
welche die Dringlichkeit einer Staats- und Verfassungsreform erläuterten. 225 Die
Volksbefragung wurde im Januar 1999 durch ein Dekret der Exekutive eingeleitet und
beinhaltete zwei Fragen, die mit JA oder mit NEIN beantwortet werden sollten. 226 Das
223
Vgl. RONDÓN de SANSÓ, Hildegard 2004:8 op. cit.
224
Durchgeführt von Consultores 21. In: El Nacional, 22. März 1999.
225
Zum Beispiel POTTELLA, Luis/DECARLI, Humberto: Para que una asamblea nacional constituyente, Caracas 1998.
Zitiert in: WELSCH, Friedrich/WERZ, Nikolaus: Der Wahlsieg und der Regierungsbeginn von Hugo Chávez Frías in
Venezuela. Rostocker Informationen zu Politik und Verwaltung Heft 12, Rostock 1999:45.
226
Frage 1: Convoca usted una Asamblea Nacional Constituyente con el propósito de transformar el Estado y crear un
Nuevo ordenamiento Jurídico que permita el funcionamiento efectivo de una Democracia Social y Participativa? SI o
NO (Berufen Sie eine Verfassungsgebende Nationalversammlung mit dem Ziel, den Staat zu wandeln und eine
juristische Neuordnung zu schaffen, welche die effektive Funktion einer sozialen und partizipativen Demokratie
ermöglicht?). Frage 2: Está usted de acuerdo con las bases propuestas por el Ejecutivo Nacional para la convocatoria a
la Asamblea Nacional Constituyente, examinadas y modificadas parcialmente por el Consejo Nacional Electoral en se -
sión de fecha Marzo 24, 1999, y publicadas en su texto íntegro, en la Gaceta Oficial de la República de Venezuela Nro.
36.669 de fecha Marzo 25, 1999? SI o NO (Sind Sie mit den von der Exekutive zum Zweck der Einberufung einer
Verfassungsgebenden Nationalversammlung vorgeschlagenen Grundbedingungen einverstanden, welche von der
Nationalen Wahlbehörde in deren Sitzung vom 24. März 1999 geprüft und teilweise modifiziert und vollständig im
offiziellen Amtsblatt der Republik Venezuelas Nr. 36 669 veröffentlicht worden sind?). Unter:
http://www.georgetown.edu/pdba/ (03.06.2006)

63
Ergebnis war eindeutig: 90% der Beteiligten waren für die Einberufung der
Verfassungsgebenden Versammlung, jedoch bei einer überraschenden Wahlenthaltung von
62,16%.227
Im nächsten Schritt folgte die Ernennung der Mitglieder der Verfassungsgebenden
Versammlung. Diese vollzog sich im Juli auf der Basis der von der Bevölkerung
akzeptierten Grundlagen. Es gab einen enormen Zulauf von Bürgern aller sozialen
Schichten, die sich für die 128 Sitze der Verfassungsgebenden Versammlung bewarben,
was auf eine bewegte öffentliche Debatte über das Thema schließen lässt. Der von Chávez
angeführte Polo Patriótico erreichte über 100 Sitze in der Versammlung. Im Dezember
wurde der neue Verfassungsentwurf schließlich mit 71,19% der Stimmen bei 53%
Wahlenthaltung angenommen. Die vorhergehende Debatte über Inhalt und Form des neuen
Verfassungstextes führte zu einem hohen Niveau politischer Partizipation in Form von
öffentlichen Debatten, Demonstrationen und einfachen Diskussionen unter Nachbarn, an
denen sowohl Unternehmer, Universitätsprofessoren, Studenten, als auch indígenas,
Bauern und Arbeiter beteiligt waren. Viele davon wurden von NGOs, Gewerkschaften oder
Universitäten unterstützt. Die unmittelbare Beteiligung des Volkes an der Debatte um den
Verfassungstext und die daraus resultierende politische Debatte in der Öffentlichkeit
deutete Chávez als Hinweis darauf, dass ein neuer contrat social nach Rousseaus Idealen
geschaffen worden war.
Ende 2000 versuchte Chávez, die Struktur der seit 1945 von AD und COPEI beherrschten
Gewerkschaftszentrale CTV durch ein Referendum aufzubrechen. Er bekam die Mehrheit
der Stimmen, aber im folgenden Wahlprozess stellte sich heraus, dass die traditionellen
Parteien aufgrund langjähriger klientelischtischer Mechanismen ihre Vorherrschaft in der
Organisation und die Kontrolle über ihre Basis behielten. Ein Gewerkschafter der alten
sozialpopulistischen AD, Carlos Ortega, wurde zum neuen Präsidenten der CTV. Die
Opposition begann sich gegen Chávez und seine knappe Mehrheit im venezolanischen
Parlament zu formieren.
Der komplexe Weg zum referendo presidencial228 am 15. August 2004 und seine
Ergebnisse werden in Kapitel 3.4.2.2 als Beispiel für das Zusammenspiel der
verschiedenen oppositionellen Gruppierungen und für die problematische Beziehung
zwischen letzteren und der Regierung von Hugo Chávez ausführlich behandelt.

227
Vgl. ebd.
228
In diesem Fall: Referendum zur Amtsenthebung des Präsidenten.

64
Weitere institutionalisierte politische Partizipationsformen sind die Initiativen und der
cabildo abierto (offenes Rathaus). Initiativen können Gesetzesentwürfe (iniciativa
legislativa, Art. 204 CBV) oder Anträge auf Verfassungsänderung, bzw. –Reform
(iniciativa constitucional, Art. 341, 342 und 348 CBV) einleiten. Der cabildo abierto stellt
einen Mechanismus der Bürgerbeteiligung auf provinzialer und kommunaler Ebene dar.
Bei außerordentlichen Sitzungen werden von den Bürgern vorgeschlagenen Themen
angesprochen und diskutiert. Ein Sprecher der jeweiligen Initiativen ist für das Vortragen
der ausgewählten Themen zuständig.

3.4.2 Wichtige politische und soziale Akteure

3.4.2.1 Das Militär

Das Militär funktioniert in Venezuela nach der Amtsübernahme des Präsidenten Chávez
de facto wie eine politische Partei. 229 Durch die Verfassung von 1999 wurde die Rolle des
Militärs gestärkt. Der neue Verfassungstext eliminiert die Klausel über Gehorsam und
Unterordnung der militärischen gegenüber der zivilen Autorität. Außerdem wird den
Mitgliedern der Nationalen Streitkräfte das aktive Wahlrecht zugesprochen (Art. 330
CBV); der Zugang zu Wahlämtern bleibt jedoch verwehrt. Der Präsident ist dazu
ermächtigt worden, Offiziere direkt zu ernennen. Zahlreiche Führungsfunktionen innerhalb
der Regierung und von Staatsunternehmen wurden mit Militärs besetzt. Dise Tatsachen
bedeuten eine faktische Aufhebung elementarer demokratischer Errungenschaften.
Die Kompetenzen der Streitkräfte wurden 2001 die Kompetenzen des Militärs nochmals
ausgedehnt. Das Berufsheer – La Guardia Nacional übernahm die Verantwortung für die
Sicherheit und Ordnung innerhalb Venezuelas. Somit wird das Militär zu einem wichtigen
politischen und gesellschaftlichen Akteur. Neben der Katholischen Kirche ist das Militär
die Institution in Venezuela, der das meiste Vertrauen der Bevölkerung zukommt.230 Die
Militärpolitik von Chávez ist von dem Versuch geprägt, die Kontrolle über hohe
Befehlsränge zu erlangen.231 Unter dem Einfluss der Ideen von Norberto Ceresole betont
Chávez ständig seine militärische Herkunft und seine Vorstellung vom Heer als dem
Agenten des sozialen Wandels. Der Rückgriff auf Militärsangehörige bei der Besetzung

229
Vgl. REUL, Sabine 2003:59 op. cit.
230
Siehe Anhang E.
231
Vgl. RÖDER, Jörg/RÖSCH, Michael: Neopopulismus in Venezuela – Aufbruch in die Dekade der Illusionen? In:
Brennpunkt Lateinamerika 01/2001:8.

65
von Führungspositionen in allen möglichen Staatsorganen, die Abwicklung des Plan
Bolívar 2000 durch das Militär und die symbolische Anlehnung an populistische
Militärregime wie das von Omar Torrijos in Panama oder Velasco Alvarado in Perú lassen
die bestehende Einheit zwischen Militär und Volk auf die Weise sichtbar werden, in der sie
angeblich in den Befreiungsheeren von Simon Bolívar gegeben war.232
Zahlreiche 1992 am Putschversuch unter der Führung Chávez’ beteiligte Militärs wurden
bis zum Jahr 2000 zu Generälen ernannt, die jedoch bis heute aufgrund der geringen
Mannschaftsstärke der venezolanischen Streitkräfte kein Truppenkommando besitzen.
Durch das Infrastruktur-, Sozial- und Bildungsprogramm Plan Bolívar 2000 wurde dem
Militär eine neue Rolle innerhalb der Gesellschaft zugewiesen. Es stehen 50.000 Soldaten
für Maßnahmen und verschiedene Tätigkeiten zur Verfügung, die zuvor
privatwirtschaftlich oder durch NGOs durchgeführt wurden. Nach und nach entsteht ein
deutliches Übergewicht der Streitkräfte als eine Art `Parallel-Exekutive´, die nicht durch
föderale oder zivilgesellschaftliche Zwänge und parlamentarische Kontrollmechanismen
eingeschränkt ist, was auf fehlende zivilgesellschaftliche und rechtstaatliche Kontrolle und
eine Tendenz zur Rezentralisierung bestehender dezentraler Strukturen hinweist. Dem
Militär wurden Aufgaben zur aktiven Beteiligung an der nationalen Entwicklung
zugedacht, somit wurde dessen Handlungssphäre weit über die traditionellen Funktionen
der Landesverteidigung und inneren Sicherheit ausgeweitet. Das Militär soll sich am
sozialen Aufbau des Landes beteiligen, sowohl durch die Versetzung von militärischem
Personal in politische Ämter als auch durch die Bereitstellung der Infrastruktur der
Streitkräfte. Die Berufung zweier Militärs in das Direktorium der PdVSA machen deutlich,
dass versucht wird, dauerhafte Machtpositionen aufzubauen.233
Zivilgesellschaftliche Akteure werden durch die erhöhte militärische Präsenz
zurückgedrängt. Großen Einfluss hat die voranschreitende Militarisierung auch auf die
Bildung in Form von neu gegründeten bolivarischen Schulen, die von Soldaten geleitet
werden und deren Ziel es ist, bereits unter den Schülern militärische Tugenden wie
Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Disziplin und Integrität zu wecken und zu fördern. Solche
Werte gelten als Gegenbegriffe zur Dekadenz des puntofijismo.

3.4.2.2 Die Rolle der Opposition

232
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia 2005:83 op. cit.
233
Vgl. RÖDER, Jörg/RÖSCH, Michael 2001:9 op. cit.

66
Eine neue Elite von Beamten trat 1998 an die Stelle der alten. Die bisherigen
klientelistischen Netzwerke wurden von neuen Verteilungskanälen ersetzt. 234 Durch
Korruptionsvorwürfe vor allem der oberen Mittelschicht und an die neuen Funktionäre und
die Kritik der Öffentlichkeit an undurchsichtige Praktiken mancher Richter entstand eine
Koalition von exklusiven Zirkeln, die lediglich ein beschränkter Konsens vereinigt. Diese
Koalition wird vom Arbeitgeberverband FEDECAMARAS angeführt, der sich aus
unterschiedlichen Gruppen von Unternehmern zusammensetzt, und von Gewerkschaftern
des venezolanischen Gewerkschaftsverbandes CTV, welches nicht von den Arbeitern
gewählt wurde und lediglich ein Fünftel der Arbeiter repräsentiert, unterstützt. Zur
Opposition gehören außerdem auch hohe Vertreter der Katholischen Kirche und ein Teil
der Streitkräfte. Die Opposition verfügt über verschiedene, teilweise nicht kompatible
politische Ansichten.
Bei Demonstrationen Mitte 2002 bildete sich eine Coordinadora Democrática (CD),
zusammengesetzt aus 13 Parteien und 33 Organisationen der Zivilgesellschaft 235mit dem
einzigen Ziel, Chávez aus seinem Amt zu verdrängen. Die CD besteht aus einem von 20
Vertretern Verschiedener politischer Parteien und 20 NGOs zusammengesetzten Comité
Político (politisches Komitee); einem Comité Operativo (operatives Komitee),welches
wiederum aus 9 Repräsentanten politischer Parteien und 2 der Zivilgesellschaft sowie
Arbeitskommissionen besteht, und einem Netzt von Arbeitsgruppen gewerkschaftlich
organisierter Arbeiter und Unternehmerorganisationen. Ein soziales Programm der
Coordinadora democrática wurde im Januar 2003 veröffentlicht. 236 Die CD kann aber bis
heute kein nachhaltiges politisches Programm vorweisen und ist auch keine politische
Partei im eigentlichen Sinne, was nach dem aus oppositioneller Sicht gescheiterten
Referendum von 2004 zu deren Zerfall führte.

234
Vgl. MELCHER, Dorothea: Petroleumrepublik Venezuela. In: BOECKH, Andreas/SEVILLA, Rafael 2005:144 op.
cit.
235
Zusammensetzung der Coordinadora Democrática: Confederación de Trabajadores de Venezuela; Federación de Cá-
maras y Asociaciones de Comercio y Producción, Acción Democrática, Acción Agropecuaria, Alianza Bravo Pueblo,
Alianza por la Libertad, Bandera Roja, Causa R, Convergencia, Democracia Renovadora, Fuerza Liberal, COPEI, Pri -
mero Justicia, Proyecto Venezuela, Movimiento al Socialismo, Movimiento de Integridad Nacional, Movimiento Repu-
blicano, Movimiento Solidaridad Independiente, Movimiento Trabajo, Opina, Solidaridad Independiente, Solidaridad,
Un Nuevo Tiempo, Unión, URD, Un Solo Pueblo, Visión Venezuela; Organizaciones de la Sociedad Civil, Asamblea
de Educación, Asociación de Defensa de los Derechos Civiles, Ciudadanía Activa, Compromiso Ciudadano, Democra-
cia Siglo XXI, Diálogo Democrático, El Gusano de Luz, Encuentro Ciudadano, Foro Demócrata Cristiano, Frente Insti -
tucional Militar, Mujeres Demócratas Unidas, Mujeres por la Libertad, Mujeres Unidas y Organizadas por Venezuela,
Movimiento 1011, Pro Catia, Queremos Elegir, Resistencia Civil, Unión Por Vivienda, Visión Emergente, Vigilantes
de la Democracia, Venezolanos por Voluntad; 16 Leiter der ständigen Arbeitsgruppen der Coordinadora Democrática
(Comisiones Permanentes de Trabajo).
236
Vgl. Acuerdo social de la Coordinadora Democrática, 4. Januar 2003.
Unter: www.acuerdosocial.com/download/cdt_16.pdf (06.05.2006)

67
Im März 2002 formte sich El Bloque Democrático als eine Abspaltung von der
Coordinadora Democrática. Grundlegende Werte sind für den BD Demokratie, Freiheit,
Gerechtigkeit und soziale Gleichheit. Dieser neu aufgestellte oppositionelle Sektor wirft
der CD vor, eine “cadena de derrotas opositoras”237angeführt zu haben und glaubt nicht
mehr an die Möglichkeit, Hugo Chávez auf friedlicher Weise von der Macht verdrängen zu
können. Der BD bekennt sich öffentlich zur Ansicht, ausschließlich durch eine „zivil-
militärischen Aktion“238 ihr Ziel erreichen zu können. Die Gruppe stützt sich
verfassungsrechtlich auf die Artikel 350, 326, 328 und 333 der neuen Bolivarischen
Verfassung. Ersterer legitimiert zivilen Ungehorsam, die weiteren drei bemächtigen die
Streitkräfte, in Krisenfällen die verfassungsrechtliche Ordnung wieder herzustellen. Der
BD gliedert sich in 52 Unterorganisationen auf, die mit mehreren gewalttätigen Aktionen in
Verbindung gebracht werden239. Einen dritten oppositionellen Sektor bildet das von
Henrique Salas Römer, ehemaliger Präsidentschaftskandidat und Gouverneur von
Carabobo, gegründete Wahlbündnis Proyecto Venezuela.
Darüber hinaus agieren seit 2003 wiederholt kleinere oppositionelle Gruppen in
wohlhabenden Bezirken der Hauptstadt mit Gewalt, errichten Straßenblockaden und
greifen Nationalgarde und die Militärpolizei mit Steinen und Molotowcocktails an. An
solchen Aktionen sind lediglich wenige hundert Personen beteiligt, aber die Polizei der
Hauptstadt Caracas, deren Oberbürgermeister zur Opposition gehört, hält sich zurück oder
ist teilweise an den Gewalttaten direkt beteiligt. Mehrere Polizeibeamte wurden von der
Nationalgarde festgenommen. Die Polizei anderer Bezirke ist nicht zum Einschreiten in
anderen Stadtteilen befugt, auch nicht Nationalgarde und Militärpolizei, so lange der
Notstand nicht ausgerufen ist.240
Trotz der verfassungsrechtlichen Verankerung ist das Regime instabil, weil einige
plebiszitär-partizipatorische Bestimmungen es den Schwankungen der öffentlichen
Meinung unterwerfen. Gerade diese plebiszitären Elemente, auf die Chávez sich beruft
erleichtern der Opposition, die Legitimation des Regimes zu hinterfragen. 241 Es ist die
ressourcenstarke und politisch erfahrene Opposition, die hauptsächlich die neuen

237
Gemeint ist die Serie der Wahlmisserfolge für die Opposition seit 2002. Manifiesto del Bloque Democrático. Razones
por las cuales el BD se distancia de la Coordinadora Democrática (Manifest des Bloque Democrático. Gründe für
dessen Distanzierung von der Coordinadora Democrática). Volltext unter: http://www.bloquedemocratico.org/02a.htm
(24.03.2006)
238
Volltext der Erklärung des BD unter: http://www.bloquedemocratico.org (16.05.2006)
239
Zusammensetzung des BD unter: http://www.bloquedemocratico.org/01b.html (16.05.2006)
240
Hierzu mehrere Artikel unter: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Venezuela/Welcome.html (30.02.2006)
241
Vgl. WELSCH, Friedrich 2005:36 op. cit.

68
Partizipationsräume der bolivarischen Verfassung nutzt und unter dem label der
Zivilgesellschaft direkt gegen die Regierung einsetzt.
Am 13. November 2001 kündigte der Präsident die Verabschiedung von 49 Gesetzen an,
die alle im Rahmen eines von der Nationalversammlung verabschiedeten
Ermächtigungsgesetzes erarbeitet worden waren. Darunter befanden sich ein neues
Ölgesetz (Ley de Hidrocarburos) und ein umstrittenes Landreformgesetz (Ley de
Tierras).242 Letzteres sah die Möglichkeit vor, ungenutztes, in Privatbesitz befindliches
staatliches Land Produzenten zuzuweisen, die bereit sind, das Land zu bestellen. Von
Chávez wurde eine Mobilisierung der Bevölkerung zur akklamatorischen Unterstützung
seiner politischen Vorschläge eingeleitet. Es sollte der Einfluss des Staates auf Gebiete wie
Erdöl, Ländereien und Fischerei ausgedehnt werden. Unternehmerverbände,
Gewerkschaften, Zeitungsverlage und Verbände andererseits organisierten in Caracas
immer größere Demonstrationszüge, um gegen das neue Gesetzespaket zu protestieren. Am
10. Dezember 2001 kam es zu einem Generalstreik gegen die 49 Dekret-Gesetze und zu
einer Zuspitzung der politischen Polarisierung des Landes. Die Opposition schlug die
Anwendung des 1. Absatzes von Art. 74 vor, der besagt, dass vom Präsidenten
verabschiedete Dekrete von einem Volksreferendum mit mindestens 5% der im
Wahlregister eingetragenen Wähler aufgehoben werden können. Dieser Vorschlag war von
politischer Bedeutung und vereinigte und stärkte die Opposition, 243 welche Unterstützung
von der Führungsetage des Ölkonzerns PdVSA bekam. Im Rahmen der Mobilisierungs-
und Gegenmobilisierungsspirale von Opposition und Regierungsanhängern kam es am 11.
April 2002 in Caracas zu einer Demonstration von ca. einer Million Regierungsgegnern.
Als Antwort auf die steigende Mobilisierung der Opposition hatten sich unterdessen
Anhänger der Regierung zur permanenten Wache in der Umgebung des
Präsidentenpalastes versammelt.244 Die Folge war ein gewaltsamer Zusammenstoß
zwischen den beiden Gruppen von Demonstranten.
Der Gewaltausbruch wurde der Regierung zum Verhängnis. Ein Teil des Militärs
kündigte dem Präsidenten die Gefolgschaft auf und es wurde öffentlich erklärt, Chávez sei
freiwillig zurückgetreten. Die Übergangsregierung unter Pedro Carmona zeigte schnell
antidemokratische Züge: Es wurde die Nationalversammlung aufgelöst, die Macht beim
neuen Staatschef konzentriert und Anhänger der Chávez-Regierung verfolgt und verhaftet.

242
Vgl. MELCHER, Dorothea 2005:147 op. cit.
243
Vgl. NJAIM, Humberto: Der Umgang mit der partizipativen Demokratie in Venezuela. In: BOECKH, Andreas/
SEVILLA, Rafael (Hrsg.) 2005:209 op. cit.
244
Vgl. MELCHER, Dorothea 2005:149 op. cit.

69
Spätestens nach der Bekanntmachung der neuen diktatorialen Maßnahmen versammelten
sich die Regierungsanhänger in großen Massen vor dem Miraflores-Palast und verlangten
die Rückkehr von Chávez. Dies wurde in den Medien praktisch nicht gezeigt, der
Staatskanal war am Abend des Putsches geschlossen worden. Die große Anzahl der für
Chávez demonstrierenden machte eine Auflösung der Demonstration ohne ein weiteres
Massaker zu provozieren unmöglich. Die Militärs, die Carmona an die Macht gebracht
hatten, waren bestürzt über dessen plutokratische Züge und zwangen ihn, die kontroversen
Maßnahmen rückgängig zu machen.245 Der Gegenputsch verlief ganz ohne Gewalt. Die
chavistische Palastwache brachte den Regierungssitz unter ihre Kontrolle und die
Kommandeure der verschiedenen Truppen zwangen Carmona zum Rücktritt. Am Morgen
des 13.4.02 wurde Chávez wieder als Präsident eingesetzt.246
Der fast zwei Jahre andauernde Kampf der Opposition um die Amtsenthebung des
Präsidenten Chávez endete mit dessen achtem Wahlsieg in Folge.247 Diese Zeitphase wurde
vom Präsidenten in einer Ansprache am 30. Juli 2003 als „Campaña Admirable“ bezeichnet
wurde248. Chávez’ Hinauszögern des Referendums bis zum Ende der verfassungsrechtlich
festgelegten Frist verschaffte ihm und seinen Anhängern Zeit, soziale Maßnahmen zu
implementieren und die Staatsausgaben erheblich zu erhöhen. Chávez übernahm persönlich
die Führungsposition in seinem Wahlkampfkommando, der nach einem Vorfahren von
Chávez Comando Maisanta genannt wurde.
Anfang 2002 verfasste die Partei Unión einen Vorschlag zur Legitimation des
Präsidenten durch neue Wahlen, in denen die Kandidatur von Chávez nicht ausgeschlossen
wurde.249 Im Oktober aber wurde der Rücktritt des Präsidenten gefordert: Die
Coordinadora Democrática rief zu einer Unterschriftensammlung auf, mit dem Motto
„Aufruf zum freiwilligen Amtsverzicht“. Ziel war es, ein referendo consultivo
(Volksbefragung) durchzuführen. Nach dem Art. 71 der neuen Verfassung von 1999
können 10% der Wahlberechtigten Bürger, in diesem Fall ca. 1,2 Millionen Unterschriften,
Initiativen zu Themen nationalen Interesses initiieren. Nachdem 1,9 Millionen
Unterschriften dem Nationalen Wahlrat übergeben wurden, rief dieser die Abhaltung des

245
Vgl. WELSCH, Friedrich/WERZ, Nikolaus: Staatsstreich gegen Chávez. In: Brennpunkt Lateinamerika 7/2002:69ff,
Hamburg.
246
Vgl. MELCHER, Dorothea 2005:151 op. cit.
247
Präsidentschaftswahlen 1998 und 2000, 3 Volksentscheide in den Jahren 1999 und 2000, Wahlen zur
Verfassungsgebenden Versammlung 1999 und schließlich die Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen
(„Megawahlen“) von 2000.
248
CHÀVEZ , Hugo: Tercer Aniversario de la religitimacion de los poderes. Offizielle Ansprache. Unter:
http://www.venezuela.gov.ve/ns/aloc/relegitimacion30jul03.doc (10.05.06)
249
Text in NJAIM, Humberto 2005:210 op.cit.

70
Referendums für den 2. Februar 2003 aus.250 Am 22. Januar 2003 fällten das
Verfassungsgericht und das Wahlgericht Urteile gegen die Volksbefragung und gegen die
Anwendung des Art. 350 als Instrument zivilen Ungehorsams und Widerstandes und
blockierte das Referendum.251 Unter Aufsicht der Organisation Amerikanischer Staaten
(OAS), des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) und des Carter-
Zentrums waren eine Verhandlungs- und Verständigungskommission sowie eine
Wahrheitskommission zur Aufklärung des Massakers von 2002 einberufen worden.
Ergebnisse der vorübergehenden Zusammenarbeit der Opposition und der Regierung waren
u.a. die Declaración contra la violencia, por la paz y la Democracia.252
Trotz der Verhandlungen kam es im Dezember 2002 zu einem von der Coordinadora
Democrática angeführten unbefristeten paro cívico (Bürgerstreik), der in einem
Generalstreik endete und später als paro petrolero (Erdölstreik) bezeichnet wurde. Die
Opposition berief sich dabei auf den Art. 350 der neuen Verfassung:
„Getreu seiner republikanischen Tradition und seines Kampfes um
Unabhängigkeit, Frieden und Freiheit erkennt das venezolanische Volk kein
Regime oder Autorität an, das gegen die Prinzipien und Garantien der
Demokratie verstößt oder die Menschenrechte beschränkt.“253
Es handelte sich angeblich nicht um einen Arbeitsausstand, sondern um eine Weigerung
von Seiten der Bürger, sich einem undemokratischen Regime zu unterwerfen. Auf den
Straßen sollte der internationalen öffentlichen Meinung ein Bild weitgehender Instabilität
und Unregierbarkeit präsentiert werden.
Die leitenden Angestellten der PdVSA verfügten über kein Streikrecht. Der Bürgerstreik
wurde offiziell von drei Institutionen der venezolanischen Gesellschaft ausgerufen: Dem
Unternehmerverband FEDECAMARAS, der Gewerkschaftszentrale CTV und
verschiedene Parteien und Bürgerorganisationen der Zivilgesellschaft. Aus dem
Unternehmerverband beteiligten sich aktiv die großen Banken, Handelsunternehmen,
transnationale Firmen wie Bier- und Cola-Produzenten sowie die großen
Grundnahrungsmittelverarbeiter von Milch und Maisprodukten. Arbeitswillige wurden
ausgesperrt.254 Die Arbeiter befanden sich zum Teil nicht im Streik, konnten jedoch wegen
der technologisch-strategischen Positionen der leitenden Angestellten ihre Arbeit nicht

250
Vgl. ebd. 211.
251
Vgl. ebd. 213.
252
Erklärung gegen Gewalt, für Frieden und Demokratie, Caracas, 18. Februar 2003. Unter: http://www.defensoría.gov.ve
(10.01.06)
253
MELCHER, Dorothea 2005:152 op. cit.
254
Vgl. ebd. 153.

71
fortführen. Das ursprüngliche Ziel der Abhaltung eines Referendums zur Amtsenthebung
des Präsidenten wurde durch die Forderung nach dem Rücktritt von Chávez und der
Abhaltung von vorgezogenen Neuwahlen ersetzt. Anfang Februar 2003 war der Streik nach
zwei Monaten nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Am 2. Februar 2003 erfolgte die zweite Unterschriftensammlung. Die in der Verfassung
verankerte Möglichkeit einer Absetzung durch ein referendo revocatorio konnte erst nach
Ablauf der ersten Hälfte der Amtszeit, also ab August 2003 eingeleitet werden. Die Leitung
des Nationalen Wahlrats war inzwischen von der Wahlkammer des Obersten Gerichts neu
ernannt worden. Der Wahlrat befand die eingereichten Unterschriften als ungültig und
setzte den Zeitraum zwischen dem 28. November und dem 1. Dezember zur Wiederholung
der Unterschriftenaktion fest. Es wurden dann ca. 3,4 Millionen Unterschriften überreicht,
die weit über der erforderlichen Zahl von 2,4 Millionen lagen. Die Unterschriftslisten
wurden vom Wahlrat digitalisiert und gelangten durch die sog. „Lista Tascón“ 255 an die
Öffentlichkeit. Es kam folglich zu Entlassungen im öffentlichen Sektor und in
Staatsunternehmen. Ende Mai 2004 konnten die Bürger schließlich ihre Unterschriften vom
November 2003 entweder bestätigen oder löschen. Nach dem Befund des Nationalen
Wahlrats kamen genügend Unterschriften zusammen und das Referendum wurde für den
letzten Termin festgelegt, in dem eine Amtsenthebung des Präsidenten mit nachfolgenden
Neuwahlen verfassungsrechtlich möglich war, dem 15. August 2004.256 Sowohl von der
Opposition als auch von der Regierung aus kam es zu zahlreichen Massendemonstrationen
und Veranstaltungen. Die Wahlkampfdynamik mobilisierte breite Teile der Bevölkerung,
und tatsächlich war die Wahlenthaltung beim Referendum 2004 mit ca. 30%
vergleichsweise gering.257
Chávez ging aus dem Referendum gestärkt hervor258. Im Gegensatz dazu löste sich die
oppositionelle Allianz auf und verlor an mobilisierender Kraft.

3.4.2.3 Die Medien

Spätestens seit der Sich zuspitzenden politischen Krise ab Ende des Jahres 2002
begannen die venezolanischen Massenmedien eine Mobilisierungsstrategie der

255
Luis Tascón, Abgeordneter für das MVR veröffentlichte die Listen in seiner persönlichen Internetseite:
http://www.luistascon.com/. (11.05.06)
256
Vgl. WELSCH, Friedrich/REYES, Gabriel: Chronik eines angekündigten Wahlsiegs. In: Brennpunkt Lateinamerika
17/2004. Hamburg 2004:188.
257
Zum Ergebnis des Referendums und eine ausführliche Analyse vgl. ebd, 189ff.
258
Siehe Anhang G.

72
gegensätzlichen Fraktionen der Gesellschaft. Es bildete sich eine Medienfront gegen die
Regierung: Es wurden Berichte verfasst, in denen Chávez scharf kritisiert und auch
persönlich verbal angegriffen wurde und oppositionelle Sektoren finanzierten politische
Propaganda mit dem Ziel, die Menschen dazu zu bringen, gegen die Regierung zu
protestieren. Andererseits verschärfte sich der kämpferische Ton des Präsidenten, der die
großen Fernsehsender als „die vier apokaliptischen Reiter“ 259 bezeichnete und die
oppositionelle Presse abwechselnd „Lügner“, „Vaterlandsverräter“ oder sogar
„Terroristen“ nannte260. Mit dem „Urteil 1013“ 261
vom 12. Juni 2001 hatte der Oberste
Gerichtshof Kriterien für die rechtzeitige, wahrhafte und unparteiische Information
festgelegt. Die Medien sollten die Verbreitung von falschen oder auf Halbwahrheiten
beruhenden Nachrichten sowie von spekulativer Information vermeiden.
Online-Debatten, Chat-Seiten und Foren verwiesen auf Medienberichte und trugen auch
zur Mobilisierung Jugendlicher und finanziell höhergestellter gesellschaftlicher Gruppen
bei. Internetseiten wurden für effektiven Informationsaustausch unter verschiedenen
oppositionellen wie auch regierungsnahen Gruppierungen benutzt. Der Konflikt war jedoch
nicht auf die verbale Ebene begrenzt, sondern eskalierte in Form von körperlicher Gewalt
und rechtliche Anklagen gegen Reporter und Produzenten beider Seiten.
Eine freie und unabhängige Presse ist lebensnotwendig für eine funktionierfähige
Demokratie. Die Medien als Institution genießen in Venezuela hohes Vertrauen von Seiten
der Bevölkerung. Es ist jedoch zu beobachten, dass unterschiedliche Sektoren der
Gesellschaft die in der neuen Verfassung insbes. in den Artikeln 57 und 58 verankerte
Pressefreiheit boykottieren, indem nicht objektiv sondern spekulativ berichtet wird. Es
herrscht offiziell ein breiter Pluralismus von Informationsquellen in Venezuela: Es
existieren weder ein öffentliches oder privates Medienmonopol noch ein Gesetz, das die
Gründung einer Zeitung verbietet. Es gab 2002 in Venezuela 86 Tageszeitungen, ca. 500
private Rundfunksender, zwei staatliche und vier bedeutende private Fernsehsender.262
Davon gelten der Fernsehsender Venezolana de Televisión, Radio Nacional de Venezuela
sowie die Zeitung Ultimas Noticias als regierungsnah. Chávez gründete eine eigene
Zeitung, El correo del Presidente und strahlt jeden Sonntag seine Sendung Aló Presidente
in Radio Nacional sowie im Fernsehen aus. Die starke Medienpräsenz des Präsidenten

259
CHÁVEZ, Hugo: Discurso en la instalación de la I Cumbre del Grupo de los Tres, 2001. Offizielle Ansprache. Unter:
http://www.analitica.com/bitBlioteca/hchavez/entrega_grupo77.asp (10.05.06)
260
TANNER HAWKINS, Eliza: Conflict and the Mass Media in Chavez’ Venezuela. Brigham Young University 2003:2.
261
Urteil Nr. 1013 des Obersten Gerichtshofes (Tribunal Supremo de Justicia). Unter:
http://www.tsj.gov.ve/decisiones/scon/Junio/1013 (14.05.2006)
262
Vgl. REUL, Sabine 2003:56 op. cit.

73
zeigt sich besonders an den wöchentlichen Ansprachen in den sog. Cadenas Nacionales
(das gesamte Land umfassendes Fernseh- und Rundfunkprogramm) 263, die teilweise über
Stunden anhalten können. Die oppositionellen Medien gehen meistens aus den Kreisen
alteingesessener Familienclans wie die Cisneros, Otero oder Capriles hervor, die diese auch
führen: Radio Caracas Televisión, Venevisión und Televen oder El Nacional sind nur
einige Beispiele.264 Regierungsnahe Medien nehmen neben ihrer traditionellen informativen
und edukativen Rolle eine besondere politische Rolle ein: Im Dienst der Öffentlichkeit
wird Information von und über die Regierung verbreitet. Die Informationsprogramme
werden offiziell dazu benutzt, den von der Opposition verbreiteten Gerüchten und
Diffamierungen entgegenzuwirken. Teil der politischen Mobilisierungsstrategie durch die
Medien sind interaktive Sendungen, die auch das einfache Volk dazu veranlassen, Anliegen
vorzutragen oder Meinungen zu äußern.

3.4.2.4 Die Zivilgesellschaft265

„La participación ciudadana es el proceso mediante el cual la ciudadanía interviene individual o colec-
tivamente en las instancias de toma de decisiones sobre asuntos públicos que le afectan en lo político,
económico y social”. “Por qué es importante que participes? Porque con tu protagonismo, en el marco
de una concepción de estado (sic) Democrático, puedes alcanzar tu desarrollo integral, tanto individual
como colectivo, en la comunidad donde convives.” 266

„Die bürgerliche Partizipation ist der Prozess durch den die Bürgerschaft individuell oder kollektiv in die
öffentlichen Entscheidungsinstanzen eingreift, die sie in politischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht
betreffen.“ „Warum ist es wichtig, dass du mitmachst? Weil du durch deinen Protagonismus im Rahmen
eines demokratischen Staatskonzeptes deine vollständige Entwicklung, sowohl individuell wie auch
kollektiv, innerhalb der Gemeinschaft in der du lebst, erreichen kannst.“

In Lateinamerika ist der Begriff Zivilgesellschaft mit dem Übergang von


Militärdiktaturen zur Demokratie in den 1980er und 1990er Jahren verbunden. In
263
Alle Fernseh- und Radiosender des Landes werden gesetzlich verpflichtet, diese Ansprachen auszustrahlen.
264
Vgl. TANNER HAWKINS, Eliza 2003:23 op. cit.
265
Zum Begriff Zivilgesellschaft im Allgemeinen und dessen Anwendung im lateinamerikanischen Kontext siehe:
MERKEL, Wolfgang/LAUTH, Hans-Joachim: Systemwechsel und Zivilgesellschaft: Welche Zivilgesellschaft braucht
die Demokratie? In: Aus Politik und Zeitgeschichte Bd. 6-7, 1998 sowie NOHLEN, Dieter: Demokratie ohne
Vertrauen: Herausforderung für die Zivilgesellschaft in Lateinamerika. In: IPG 2/2004, und BIRLE, Peter:
Zivilgesellschaft in Südamerika – Mythos und Realität. In: MERKEL, Wolfgang (Hrsg.): Systemwechsel 5:
Zivilgesellschaft und Transformation. Opladen 2000. Außerdem eröffnet der Bericht der UNPD: La Democracia en
América Latina, Buenos Aires 2004 eine neue Herangehensweise zur Analyse der lateinamerikanischen
Zivilgesellschaft mit der Einführung des Konzepts der ciudadanía integral (zusammengesetzt aus ciudadanía civil,
ciudadanía social und ciudadanía política) welches in dem erwähnten Bericht erläutert wird. Unter:
http://www.democracia.undp.org/Default.asp (05.05.2006)
266
http://www.asambleanacional.gov.ve/ns2/conceptopar.asp (07.11.2005)

74
Venezuela lag der Übergang zur Demokratie bei Amtsantritt von Hugo Chávez vier
Jahrzehnte zurück. Einerseits ist es zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteuren
weitgehend gelungen, sich von der Bevormundung von den traditionellen Parteien AD und
COPEI und deren klientelistischer Bindungen loszulösen. Andererseits sind wichtige
Sektoren wie die Gewerkschaften immer noch abhängig von alten klientelistischen
Strukturen, die sie in ihrem Inneren beherbergen.
Die Rolle der venezolanischen Zivilgesellschaft gewann in den 1990er Jahren an großer
Bedeutung, als sich neue Bewegungen und Interessensgruppen außerhalb der Parteien, wie
Nachbarschaftsbewegungen, Kooperativen, Menschenrechtsorganisationen und private
Stiftungen herausbildeten und die traditionellen Parteien, welche gleichzeitig mit starkem
Vertrauensverlust von Seiten der Bevölkerung und Korruptionsvorwürfen zu kämpfen
hatten, verdrängten.267 In Art. 67 CBV ist von Vereinigungen die Rede, welche politische
Ziele verfolgen.268 Dies ist ein eindeutiges Zeichen sowohl für den stärkeren Stellenwert
der Vereinigungen als auch für die Degradierung der traditionellen Parteien.
Interessengruppen gewannen an Bedeutung während Parteien an Ansehen verloren. Die
Regierung fördert die politische Partizipation von Interessensgruppen jedoch lediglich
solange sie seiner politischen Ziele nützlich sind.
Der zivile Aufstand der Bevölkerung 1989 gegen Korruption und Marginalisierung
bereitete den Boden für den Aufstieg von Hugo Chávez, der sich einer antipolitischen
Rethorik bedient und die Zivilgesellschaft zur Partizipation und Selbstständigkeit aufruft.
Die politische Elite war in Venezuela nicht in der Lage, eine Institutionenreform
durchzuführen und die Repräsentativität der Demokratie auf alle gesellschaftlichen
Gruppen auszubreiten. Die Bevölkerung war bereit für einen Systemwandel und
insbesondere für ein neues politisches Führungskonzept. Das Volk, so chavistische Autoren
wie Luis Britto Garcia, wurde während der Zeit des Zweiparteiensystems passiv gehalten
und zeigte sich während des Caracazo im Februar 1989 partizipativ und kämpferisch. Die
Bevölkerung trug aktiv zum Scheitern des Putsches vom 11. April 2002 bei und ertrug die
Aussperrungen des Arbeitgeberverbandes und der Sabotage der Erdölindustrie im
Dezember 2002, was jedoch die Frage hervorruft, ob die Mobilisierung der Massen spontan
oder von oben organisiert zustande kam. Die politische Polarisierung Venezuelas griff auf
die Zivilgesellschaft über: Der Einfluss des politischen Diskurses auf die
Organisationsstruktur der Zivilgesellschaft wird an dieser Stelle deutlich. Der politische
267
Vgl. REUL, Sabine 2003:51 op. cit.
268
In der Verfassung von 1961 Art. 114 werden im Kontext der Vereinigungsfreiheit ausschließlich politische Parteien
erwähnt.

75
Diskurs dient als Legitimationsinstrument der Regierung und erzeugt ein Klima der
Konfrontation mit dem Ziel, ein neues bolivarisches gesellschaftliches Bewusstsein zu
erzeugen. Das emanzipatorische Potential der Zivilgesellschaft wird von der von Hugo
Chávez verfolgten politischen Strategie kapitalisiert. Die Widergeburt einer aktiven
Zivilgesellschaft in Venezuela führte jedoch zur Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung
zwischen Opposition und Chavistas, eine Spaltung, die nicht zuletzt auch auf ethnischer
Zugehörigkeit, regionalen Unterschieden und auf Bildungschancen beruht. All dies sind
kurzfristig unversöhnliche Faktoren.
Autoren wie Bernd Guggenberger und Claus Offe269 vertreten die These, dass die
Anwendung des Mehrheitsprinzips zwangsweise dazu führt, dass sich eine Minderheit, d.h.
der quantitativ unterlegene Teil der Gesellschaft von dieser ausgesondert fühlt. Die
gestellte Forderung, die Mehrheit sollte die Interessen der Minderheit berücksichtigen
widerspricht der chavistischen Auffassung von Volkssouveränität. Die oppositionelle
Minderheit in Venezuela ist heute in einer marginalisierten Lage, da sie von der
regierungstreuen Mehrheit als eine elitäre Gruppe angesehen wird, die versucht, das Recht
auf Entscheidungsfindung an sich zu reißen. Das Mehrheitsprinzip wird hier als
Operationalisierungsmöglichkeit des Prinzips der Volkssouveränität, welches als absolutes
Ziel formuliert wird, begriffen270. Es wird nicht von der Mehrheit erwartet, dass diese ihre
Macht selbst beschränkt, indem sie der `ranzigen Oligarchie´ breite Partizipationsräume
freistellt. Die venezolanische Zivilgesellschaft ist in einen `revolutionären´ und einen
Sektor des Widerstandes gespaltet. Beide benutzen eine exklusive Rhetorik, die den Gegner
annullieren soll. Jede Gruppe konstruiert ihre eigene Identität auf der Basis der Abgrenzung
zur anderen Gruppe und definiert ihr Verständnis von Staat, Gesellschaft und Nation in
einem Rahmen des Konflikts und des Machtkampfes.271 Auf der einen Seite stehen für die
Anhänger Chavez’ die Guten, die Armen, die `wahren´ Venezolaner. Auf der anderen
stehen die Vaterlandsverräter und jahrelangen Ausbeuter und Unterdrücker des ehrlichen
Volkes. Von Seiten der Opposition wird ein ebenso vereinfachter Diskurs angewandt, der
die Gesellschaft in eine rationale, zivilisierte und eine irrationale barbarische Hälfte teilt.
Die politische Konfrontation hat die venezolanische Gesellschaft in zwei unversöhnliche
Lager gespalten. Keine der beiden lässt Versöhnung, gegenseitige Anerkennung oder

269
Vgl. GUGGENBERGER, Bernd/Offe, Claus (Hrsg.): An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie. Politik und
Soziologie der Mehrheitsregel. Opladen 1984:190ff.
270
Vgl. PALTZER-ROLLINGER, Birgit: Zur Legitimität von Mehrheitsentscheidungen. Die Legitimitätsproblematik
von Mehrheitsentscheidungen angesichts zukunftsgefährdender Beschlüsse, Baden-Baden 1995:25.
271
Vgl. SALAS, Yolanda: „La Revolución Bolivariana“ y „la sociedad civil“: La construcción de subjetividades naciona -
les en situación de conflicto. In: Revista Venezolana de Economía y Ciencias Sociales Vol. 10 Nr. 2 2004:91.

76
Toleranz zu, die Zivilgesellschaft wird von ihren jeweiligen Anführern monopolisiert und
trägt auf diese Weise zu deren Ausschaltung bei.
Der Begriff Zivilgesellschaft wird in Venezuela seit dem Regierungsbeginn von Hugo
Chávez oft als pauschale Bezeichnung für die Opposition verwendet. Dieser Sektor brachte
zahlreiche Gruppierungen hervor, die sich unterschiedlichen Maßnahmen der Regierung
widersetzen, u.a. Venezuela Civil für das NO (nein) im referendo consultivo von 1999. Die
zivilgesellschaftlichen Organisationen der Opposition differenzieren sich grundsätzlich von
denen der Chávez-Anhänger durch ihren spontanen und demokratischen Charakter. Im
Gegensatz zu den chavistischen Organisationen, die im Kapitel 3.4.3 ausführlich analysiert
werden, besitzen sie keine rigiden Strukturen und sind nicht vom Staatsapparat abhängig.
Allerdings bestehen bei manchen dieser Gruppen, vor allem im gewerkschaftlichen
Bereich, Reste der alten Klientelstrukturen in Verbindung mit den traditionellen Parteien
AD und COPEI sowie deren Mitglieder.

3.4.3 Die Beziehung zwischen Führerfigur und Volk

Nach dem Caracazo 1989 und mit der fortschreitenden politischen Krise gerät die
Problematik der politischen Inklusion von urbanen armen Bevölkerungsschichten und
deren Rolle als politischer Akteur in den Vordergrund. Aufgrund seines formalen
Wahlrechts gewinnt dieser Sektor an politischer Bedeutung.272 Die Überlebensstrategien
der Bevölkerung in armen urbanen Gegenden beinhalten vor allem Multiokkupationalität,
Nachbarschaftshilfe und Beschäftigung im informellen Sektor. Politische Beteiligung ist
somit in Überlebensstrategien eingebunden, d.h., die knappen zur Verfügung stehenden
Ressourcen und das unsichere magere Einkommen zwingen die Bevölkerung,
unterschiedliche Ressourcenquellen in Betracht zu ziehen. Solange politische Partizipation
jedoch nicht effektiv ist, da die Ziele trotz Beteiligung und Arbeit (kurzfristig) nicht
erreicht werden, besteht aus diesen Gründen ein mangelndes Interesse am politischen
Geschehen und politische Abstinenz.
Mit dem Amtsantritt von Hugo Chávez entstand in Venezuela ein neues
Gefolgschaftsverhältnis zwischen der Exekutive und der Zivilgesellschaft. Das Verhältnis
zwischen der Person des Präsidenten und dem venezolanischen Volk beherbergt Merkmale
eines Massenklientelismus. Diese Art von Klientelbeziehung pflegt eine unpersönliche
272
Vgl. KERSTING, Norbert/SPERBERG F., Jaime: Politische Partizipation und zivilgesellschaftliche Selbsthilfe –
Organisationen der urbanen Armen in Afrika und Lateinamerika. In: LAUTH, Hans–Joachim/LIEBERT, Ulrike
1999:185 op. cit.

77
Beziehung zu sozialen Gruppen. Dabei handelt es sich nicht um eine dem Patron (in diesem
Falle, dem Präsidenten) persönlich bekannte Klientel, sondern um eine möglichst große
Anzahl von Personen, die über die Diffusion klientelistischer Handlungen angesprochen
werden. Sinnbildlich dafür ist die in Kapitel 3.4.3.4 beschriebene Live-Sendung Aló
Presidente, in der einfache Bürger telefonisch ihre Anliegen vortragen können und Chávez
persönlich für die Lösung des Problems zu sorgen scheint. Es entsteht auf diese Weise der
Eindruck, der Kontakt zwischen Exekutive und Volk sei viel unbürokratischer und
effektiver als der unter den vorhergehenden Regierungen. Die distrbutiven Leistungen des
Staates, die im Rahmen des Plan Bolívar 2000 und durch persönliche Zuwendungen des
Präsidenten erbracht werden, entziehen sich jedoch der administrativ-rechtstaatlichen
Regeln. Die im Massenklientelismus angesprochenen Gruppen sind vornehmlich die
urbane Unterschicht und kleine Staatsangestellte. Durch Massive Lohnerhöhungen ist es
Chávez gelungen, sich die Loyalität der Angestellten im öffentlichen Dienst zu sichern. Die
erwartete Gegenleistung für die Patronage ist die Unterstützung durch Wahlen. Die hohe
Popularitätsrate, die Chávez nach über sechs Jahren an der Macht genießt, deutet einigen
Autoren zufolge „auf eine Mobilisierung der eigenen Anhänger bei einer gleichzeitigen
Depolitisierung der Gesellschaft“273 hin.
Die kontinuierlich gesunkene Wahlbeteiligung ist ein Hinweis auf ebendiese
Depolitisierung der Gesellschaft und auf die weitgehend enttäuschten Erwartungen 274 der
Bevölkerung. Bis zu den 1980er-jahren war die Wahlenthaltung ein Ausdruck für Passivität
und einer freiwillig gewählten politischen Randstellung der Bevölkerung, da die
Entwicklung einer vom Staat unabhängigen politischen Partizipation von den vorhandenen
klientelistischen Strukturen verhindert wurde.

3.4.4 Neue Formen der politischen Partizipation

3.4.4.1 Plan Bolívar 2000

Das Programm für Infrastruktur und Sozialpolitik Plan Bolívar 2000 der Regierung
Chávez startete offiziell am 27. Februar 1999, genau 10 Jahre nach dem Caracazo und ist
der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums unterstellt. Ziel dieses Plans ist die
Realisierung von Entwicklungsprojekten der Infrastruktur, der Sozial- und
273
Vgl. RÖDER, Jörg/RÖSCH, Michael 2001:11 op. cit.
274
Vgl. KELLER, Alfredo: Soziale und wahlpolitische Indikatoren als Spiegel der Erfüllung politischer Forderungen.
Beispiel Venezuela. In: MOLS, Manfred/THIESING, Jochen (Hrsg.): Der Staat in Lateinamerika , Mainz 1995:388.

78
Krankenfürsorge und der Landwirtschaft mit Hilfe von 200.000 zivilen Freiwilligen und
70.000 Militärs. Das Programm wird zentral gesteuert und an den bisher vorhandenen
Verteilungskanälen vorbeigelenkt. Kritiker behaupten, viele dieser Verteilungs- und
Hilfsmaßnahmen würden keinen festgelegten Regeln folgen, sondern seien politischem
Kalkül unterworfen und wegen ihrer oft unklaren Budgetregelungen anfällig für
Korruption.275
Der Plan Bolivar 2000 fordert zum Mitwirken auf, fördert aber nicht eine kreative
Auseinandersetzung mit Problemlösungsstrategien. Mehr Erziehung des Bürgers in
Prozessen politischer Entscheidungsfindung ist nicht festzustellen. Mehrere bereits
vorhandene Programme des früheren Familienministeriums und des Ministeriums für
Wohnungsbau werden unter dem Nahmen Plan Bolívar 2000 weitergeführt.
Die Maßnahmen werden hauptsächlich von Soldaten durchgeführt. Bei der gezielten
Armutshilfe werden die Bürger lediglich indirekt in die Planung und Durchführung
einzelner Projekte einbezogen. Das Programm ist hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit und
seiner entwicklungspolitischen Ziele kritisierbar. Es wird weder zum angemessenen
Umgang mit der Infrastruktur noch zu einer selbstständigen Weiterführung des Projektes
angeregt, da keine spezifischen Kenntnisse vermittelt werden. Auch widerspricht der
Einsatz von Soldaten im Rahmen des Programms der Absicht, der Ortsansässigen
Bevölkerung zu Arbeitsplätzen zu verhelfen. Der eigentliche Zweck des Programms ist die
Aufwertung des Militärs bei der Bevölkerung und seine Einbindung in die
Regierungstätigkeit.276

3.4.4.2 Misiones

Der Staat erweiterte mit dem bolivarischen Schulsystem seit 2003 das kostenlose
staatliche Schulsystem. Das bolivarische Bildungssystem richtet sich sowohl an
Erwachsene als auch an Schulpflichtige277, wobei die Erwachsenenbildungsprogramme in
so genannten Misiones gegliedert sind. Sie sind nach dem Generalstreik im Frühjahr 2003

275
Vgl. BOECKH, Andreas 2000/2001:84 op. cit.
276
PEETZ, Peter 2001:99 op. cit.
277
Die bolivarischen Schulen (escuelas bolivarianas) sind in den ärmeren Vierteln errichtete Ganztagsschulen. Sie
umfassen das Vorschul-, Grundschul- und Sekundarschulniveau. An den Schulen sind außer Lehrkräfte auch alle
möglichen Branchen tätig: Vom Psychologen bis zum Handwerker. In der Schule wird für Kleidung, zwei warmen
Mahlzeiten und medizinische Betreuung gesorgt. Lerninhalte sind außer den gewöhnlichen Schulfächern auch
Bewältigung des Alltags. 2003 wurden 2800 neue escuelas bolivarianas gegründet. Unter:
http://www.me.gov.ve/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=38 (13.05.2006)

79
angelaufen und werden dezentral angeboten. Die Idee der Misiones wurde nach dem
großen Erfolg der Misión Robinson278 auf weitere Bereiche ausgedehnt.
Die Misiones beruhen auf eine Idee der Neugründung (refundación) einer neuen
Republik, der Bolivarischen Republik Venezuela. Die einzelnen Misiones bestehen im
Rahmen einer alle Misiones umfassenden Misión Cristo, was an katholische Missionsarbeit
erinnert, und außerdem der Regierung einen mystischen Charakter verleiht. Träger der
Projekte können verschiedene Ministerien, die Streitkräfte (v.a. bei Misión Robinson),
Gemeinden und Bürgermeister sowie Staatsunternehmen (bei Mision Ribas: PdVSA) sein.

3.4.4.3 Aló Presidente279

Die Wöchentliche Radio- und Fernsehsendung Aló Presidente hat als Ziel, einen neuen
Raum der politischen Kommunikation zu schaffen, in dem das Volk scheinbar effektiv mit
der Regierung (bzw. mit dem Präsidenten) interagieren kann.
Es wird das Bild eines Präsidenten vermittelt, der sich vom Volk beraten lässt und auf
unmittelbarer und effizienter Weise hilft. Es wird der Einzelne direkt angesprochen und
erhört. Zuschauer können während der Live-Sendung dem Präsidenten ihre persönlichen
Anliegen vortragen. Keine intermediäre Organisation stört die direkte Kommunikation
zwischen dem Präsidenten und dem Volk.280 Es soll darüber hinaus die Idee und der Inhalt
der Bolivarischen Revolution verbreitet und verinnerlicht werden und dem Volk einen Weg
zur Verfügung stellen, durch den seine Stimme erhört wird.
Außerdem werden im Laufe der Sendung Regierungsbeschlüsse und sonstige wichtige
Neuigkeiten zu politischen und wirtschaftlichen Themen verbreitet, so dass selbst Gegner
der Regierung dazu angehalten werden, das Programm regelmäßig zu verfolgen. Bei der
Gestaltung des Programms sind außer Reportern auch Sozialarbeiter und Psychologen tätig.
Es werden gelegentlich auch Regierungsmitglieder eingeladen, um über ihre Arbeit oder
aktuelle Gegebenheiten zu berichten.

3.4.4.5 Círculos Bolivarianos

“Los Círculos Bolivarianos son una forma de organización social, que materializa el principio de la de-
mocracia participativa, consagrada en la Constitución Nacional, permitiendo a las comunidades asumir
278
Siehe Tabelle 1, Anhang J.
279
Die vergangenen Folgen sind unter http://www.alopresidente.gob.ve (12.12.2005) abrufbar, sowohl der Text als auch
die Aufzeichnung der Sendungen.
280
Vgl. BOECKH, Andreas/GRAF, Patricia 2005:98 op. cit.

80
el protagonismo en la construcción de la sociedad, la vinculación y corresponsabilidad en los asuntos
del Estado, basada en derechos, deberes y garantías constitucionales y el ejercicio pleno de la ciudada-
nía.”
Los CB son en síntesis LA BASE DEL PODER POPULAR281

“Die bolivarischen Zirkel stellen eine Form sozialer Organisation dar, welche das in der Nationalen
Verfassung verankerte Prinzip der partizipativen Demokratie materialisiert und somit den Gemeinden
erlaubt, die Hauptrolle in der Konstruktion der Gesellschaft, die Mitverantwortlichkeit in den
Staatsangelegenheiten, die auf Rechten, Pflichten und konstitutionellen Garantien sowie der Ausübung
der Staatsbürgerschaft beruhen, einzunehmen.
Die bolivarischen Zirkel sind, zusammengefasst, DIE BASIS DER MACHT DES VOLKES. 282

Die Círculos Bolivarianos wurden im Jahre 2002 als in Wohnvierteln angesiedelte


gemeinnützige Basisorganisationen von der Exekutive gegründet. Gestützt auf das
Präambel der CBV sollen sie der Förderung der Selbsthilfe dienen und einen Beitrag zur
Neugründung Venezuelas als eine demokratische und egalitäre Gesellschaft leisten. 283 Sie
bestehen jeweils aus sieben bis elf Mitgliedern, die sich um die unmittelbaren Probleme der
jeweiligen Wohnbezirke kümmern und die Anliegen an die zuständigen Behörden
weitergeben sollen. Sie können auf verschiedenen Ebenen organisiert sein. Die jeweils
höhere Ebene wird ebenfalls durch von unten gewählte Zirkel repräsentiert. Ein erster und
ein zweiter Koordinator werden für jeden Ortsteil gewählt, so wie auch für jede Gemeinde
und jeden Bundesstaat. Treffen und Veranstaltungen finden in den so genannten Casas
Bolivarianas statt; sie sind vergleichbar mit Gemeindezentren. In der Satzung dieser
eigentlich partizipativen Basisorganisationen wird der Präsident als oberster Führer
genannt. Was rein theoretisch eine horizontale und miteinander verbundene
Netzwerkorganisation sein sollte, ist tatsächlich eine am Führerprinzip ausgerichtete
Pyramidenstruktur.284 1992 bildeten sie die Organisationsbasis der im Untergrund
operierenden militärischen Bewegung MBR-200. Ihre Organisationsstruktur gleicht noch
immer derselben.
Die círculos bolivarianos sollen ein wichtiges Mittel zur Sicherung der Partizipation des
Volkes und des Informationsflusses darstellen. Ebenso sollen sie der Verbreitung des
bolivarischen Gedankenguts als Pflege des politischen Mythos dienen. Sie suchen die

281
Unter: http://www.circulosbolivarianos.org Offizielle Seite der bolivarischen Zirkel. (12.05.2006)
282
Eigene Übersetzung. C.A.S.
283
Vgl. Präambel der CBV.
Unter: http://www.constitucion.es/otras_constituciones/america/txt/constitucion_venezuela.html (06.10.2005)
284
Vgl. WELSCH, Freidrich/WERZ, Nikolaus: Staatsstreich gegen Chávez. In: Brennpunkt Lateinamerika Nr. 7 2002:68.

81
zivilgesellschaftliche Partizipation zu erhöhen, indem sie die Menschen über ihre eigenen
Angelegenheiten selber entscheiden lassen. Die círculos bolivarianos sind innerhalb der
venezolanischen Gesellschaft jedoch stark umstritten. Kritiker behaupten, die círculos seien
eine Art bewaffneter Arm der Regierung. Die von Dewer und Barber aufgestellte These
über Nachbarschaftsgruppen als erster Schritt zur Mobilisierung aus dem Volk heraus
bestätigt sich in diesem Fall nicht, da die círculos zu stark von der Steuerung der Exekutive
abhängig sind.

3.5 Institutionalisierung von oben?

Im Laufe der 1990er-Jahre veränderte sich die administrative Struktur Venezuelas. Mit
der Schaffung neuer formaler Institutionen wurden auch neue informelle Institutionen in
das politische System eingeführt, die starke Auswirkungen auf die Machtverhältnisse und
auf das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft in Venezuela haben sollten.285
Das gescheiterte Modell der paktierten Demokratie rief Unzufriedenheit mit der
korrupten und ineffizienten Funktionsweise der Institutionen des politischen Systems
hervor. Das Vertrauen in die Institutionen erreichte den Tiefpunkt, wobei die traditionellen
politischen Parteien am stärksten betroffen waren. 286 Durch das Ende der Parteienherrschaft
und der mangelnden Alternativen in Form von neuen, anpassungsfähigen Parteien läuft
Venezuela Gefahr, ein parteiloses politisches System zu werden 287, indem politische
Partizipation nur über erweiterte Kanäle der Exekutiven möglich wurde. Es tat sich eine
Kluft zwischen der Bevölkerung und den staatlichen Institutionen und den intermediären
Organisationen auf. Exemplarisch hierfür sind der Konflikt um die Gewährung des ersten
Ermächtigungsgesetzes (Ley Habilitante) im Juli 1999 und der Plan, alle Branchen der
Gewerkschaften in einem einheitlichen „bolivarischen“ Dachverband zu vereinen. 288 Hier
wurde eine formal unabhängige Gewerkschaft einer von der Exekutive einberufenen
Wahlentscheidung von Nicht-Mitgliedern unterworfen.289
Bei der Auswahl seiner Mitarbeiter tendiert der Präsident dazu, Loyalität zu seiner Person
und den bolivarischen Idealen über Kompetenz und Qualifikation zu stellen. Schlechte

285
Vgl. RÖDER, Jörg/RÖSCH, Michael: Neopopulismus in Venezuela – Aufbruch in die Dekade der Illusionen? In:
Brennpunkt Lateinamerika 01/2001:8, Hamburg.
286
Vgl. NOLTE, Detlef: Lateinamerika: Politische Institutionen in der Krise? In: Brennpunkt Lateinamerika Nr. 8. Institut
für Lateinamerika-Kunde Hamburg 2005:97f.
287
Vgl. MC COY, Jenifer: Chávez and the End of „Partyarchy“ in Venezuela. In: Journal of Democracy Vol. 10 Nr. 3
1999:64-78.
288
Ausführlich in: RÖDER, Jörg/RÖSCH, Michael 2001:8 op. cit.
289
Vgl. ebd.

82
Regierungsbilanzen werden also nicht mangelhafter Qualität der Politikformulierung
sondern geheimnisvollen und allgegenwärtigen Verschwörungen angelastet. Folglich
bilden sich innerhalb des politischen Personals in sich geschlossene Kreise, die Chávez von
der Umwelt abriegeln. Entscheidungen der Exekutive werden häufig auf der Grundlage
einer gefilterten Wahrnehmung der Wirklichkeit getroffen und unterliegen dem Zwang zur
Übereinstimmung und der Tendenz zur Verabsolutierung der eigenen Ansichten, welche
die Realität verzerrt und Alternativen unreflektiert ausschließt. Politische Leitlinien werden
voluntaristisch statt rational begründet. Chávez’ Regime beruht auf einem paternalistischen
Staatsverständnis, an einem Glauben an einen allgegenwärtigen und allzuständigen Staat.
Selbst soziale Netzwerke, sonst Ausdrucksformen der Zivilgesellschaft, werden
größtenteils vom subsidiären Staat gesteuert, unter der Begründung, auf diesem Wege sei
das Volk direkt erreichbar.290 Die protagonistische Rolle des Volkes ist als Zuwendung von
oben nach unten, vom wohltätigen Führer zum einfachen Volk konzipiert. Kreativität und
Vielfalt von unten nach oben, vom Volk zum Staat findet in diesem Modell keinen Platz.291
Die Gleichheit vor Staat und Gesetz ist ein zentraler Faktoren, der das Vertrauen in die
politischen Institutionen beeinflusst.292 Der Begriff equidad (Gleichheit) ist der Idee der
Exklusion entgegen gesetzt und nimmt im politischen Diskurs des Präsidenten Chávez eine
Hauptrolle ein. Das Volk war demnach im puntofijismo von der Mitwirkung und
Beteiligung an der Politik und dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen worden und
wird nun von Chávez gleich behandelt, in Anlehnung an das Konzept der Inklusion in das
System und in die Gesellschaft. 293 Dem Volk wird die Chance auf Partizipation und auf
soziale Hilfe versprochen. Armut und Bildungsrückstand sowie ethnische Zugehörigkeit
wurden von der Bevölkerung als Ausschluss- und Diskriminierungskriterium von Seiten
der staatlichen Institutionen begriffen. Ein wichtiges Novum an der Führungspersönlichkeit
Chávez ist, dass es ihm nicht nur gelang, den Armen eine Stimme und Hoffnung zu geben,
sondern ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln und sie politisch zu mobilisieren.
Um diese ungewöhnliche Mobilisierung der `stillen Mehrheit´ zu initiieren, musste Chávez
ein imaginäres Kollektiv beschwören und es für den Aufbruch in eine bessere Zukunft
begeistern. Dies erreichte er über eine populistische Politik. Populismus erstarkt wie in
Venezuela meist in tiefgreifenden Umbruchssituationen und ist Ausdruck einer

290
Vgl. Programa de Gobierno de Hugo Chávez Frías, Caracas 22 de mayo de 2000:55. Unter:
http://www.eud.com/programa2000chavez.asp (08.11.2005)
291
Vgl. WELSCH, Friedrich 2005:34 op. cit.
292
Vgl. NOLTE, Detlef 2005:99 op. cit.
293
Vgl. MAGALLANES, Rodolfo: La igualdad en la Republica Bolivariana de Venezuela (1999-2004). In: Revista Vene-
zolana de Economía y Ciencias Sociales Vol.11 Nr. 2 2005:81.

83
gesellschaftlichen Krise sowie die Ernüchterung gegenüber der aktuellen politischen
Situation. Populismus artikuliert den Willen, das Gemeinwohl neu zu definieren. 294 Die
institutionelle Ausstattung und Konsolidierung der demokratischen Staatsstrukturen wird
dabei jedoch geschwächt und es beginnt eine Deinstitutionalisierung der Politik. Der
öffentlich verkündete Anti-Institutionalismus bei Chávez birgt ein hohes
Destabilisierungspotential. Im früheren Populismus wurde ein großer Teil der Bevölkerung
durch einen rigiden Korporatismus an den Staat gebunden, die bolivarische Republik hat
jedoch keinen Fortschritt in diese Richtung vorzuweisen. Ihre politische Bewegung MVR
ist nicht hinreichend organisiert und beherbergt in ihrem Inneren gegensätzliche
Strömungen und Interessen.295
Die staatszentrierte Tradition in Verbindung mit der Umverteilungspraxis erzeugte die
Vorstellung eines, wenn auch im Rahmen marktwirtschaftlicher Ordnung,
allverantwortlichen Staates.296 Auf der Suche nach dem der Bolivarischen Republik
zugrundeliegenden Staatsverständnis stößt man auf den Versuch, durch die Einführung des
Plan Bolívar 2000 dem Staat wieder mehr Autonomie zu verschaffen. Dadurch, dass alte
informelle klientelistiche Netzwerke gekappt und durch das direkte Kommando des
Präsidenten an das Militär ersetzt werden, zerstört das neue Regime die im alten System
etablierten Klientelbeziehungen.297 Die politische Macht wird von der Exekutive
zentralisiert, wobei der Populismus als politische Strategie der Machtlegitimierung
zusammen mit einer delegativen Demokratieform der Herrschaftsausübung das neue
politische System prägen. Der Populismus dient als Rechtfertigung der gelegentlichen
Verletzung rechtstaatlicher Normen, ohne dabei die demokratische Fassade aufgeben zu
müssen.298
Das Ideal des Bolivarismus basiert auf plebiszitärdemokratische Abläufe wie Referenden
und Volksbefragungen. Wahlen gelten als ein Stimmungsbarometer, die Bevölkerung
braucht sich nicht mehr auf Delegierte oder Mittler zu verlassen. Als hervorragendes
Beispiel dient das wöchentliche Fernsehprogramm Aló Presidente. Die Mobilisierung
findet im Grunde ohne aktive Partizipation statt, denn die Wahlen und Abstimmungen
stellen die Bürger vor vorformulierte ja/nein-Fragen. Das Individuum wird nicht als
aktives, unabhängiges Subjekt wahrgenommen. Die Mobilisierung erfolgt nicht als Prozess

294
BURCHARDT, Hans-Jürgen 2005:185 op. cit.
295
Vgl. ebd. 186.
296
Vgl. BOECKH, Andreas: Venezuela. Die schmerzvolle Transformation eines Erdöllandes. In: Ders./PAWELKA, Peter
(Hrsg.): Staat, Markt und Rente in der internationalen Politik, Opladen 1997:285-315.
297
Vgl. RÖDER, Jörg/RÖSCH, Michael 2001:9 op. cit.
298
Vgl. ebd. 10.

84
offener Meinungsbildung und Interessenaggregation, sondern dient der
Herrschaftslegitimation und deren Perpetuierung.299
Der Populismus als politische Strategie fördert im Gegensatz zum klassischen
Populismus nicht die Aktion und Reaktion einer selbstständig eingreifenden mobilisierten
Masse. Das Kommunikationsideal geht hier von der Initiative der Führerperson aus, der
sich in regelmäßigen Abständen durch Instrumente wie Wahlen, Abstimmungen,
Referenda, Gesprächen mit einzelnen Bürgern und Umfragen über die in der Bevölkerung
herrschende Meinung informiert. Es findet keine tatsächliche Integration der Bevölkerung
in das politische System statt. Sie wird dagegen bewusst von den politischen
Entscheidungsprozessen ferngehalten. Die soziale Basis des Chavismo wird vor allem mit
materiellen Anreizen an die Regierung gebunden, Leistungen werden in Form von
Geschenken entgegengebracht. Durch Ressourcenverteilung sollen sich möglichst viele
Individuen als direkte Empfänger von sozialen Leistungen wahrnehmen. Das Individuum
soll darin einen konkreten persönlichen Vorteil erkennen, der ihm vom Regime
entgegengebracht wird. Die neu erschaffenen klientelistischen Netzwerke sprechen
Einzelpersonen direkt an. Es beschleunigen sich bereits vorhandene gesellschaftliche
Entkollektivierungstendenzen, die im Überlebenskampf des Einzelnen im informellen
Sektor und in unabhängigen Einzelkandidaten bei Wahlen zum Ausdruck kommen.
Die Regierung hat sich seit dem Amtsantritt des Präsidenten Hugo Chávez auf die
Transformation des politischen Systems konzentriert. Die personelle Durchdringung des
Staatsapparates durch eigene Anhänger, vor allem Mitglieder der Streitkräfte, und
Zentralisierungstendenzen, die sich in der Einführung eines Einkammersystems und vor
allem in der Aushöhlung des Föderalismus äußern bekräftigen die These, dass die
informelle Institution des Klientelismus als Mittel der Legitimitätsgewinnung abgeschafft
sondern zentralisiert und völlig verstaatlicht wurde.

299
Vgl. PEETZ, Peter 2001:88.

85
4. Fazit

In den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit befand sich Hugo Chávez im Wahlkampf. Sein
politisches Programm beinhaltet bis heute keine eindeutige wirtschaftspolitische Linie und
sein Populismus definiert sich ausschließlich politisch und ahistorisch. In Anlehnung an die
von Kurt Weyland aufgestellte Definition von Populismus kann man behaupten, dass das
Regime von Hugo Chávez auf einer Strategie zum Machterhalt und der Legitimitätsfindung
basiert.
Chávez Regierung besitzt außerdem keinen eindeutig revolutiönären Charakter, denn er
führte bisher keinen offenen Bruch mit dem demokratischen Regelwerk oder dem
kapitalistischen Wirtschaftssystem herbei und vermied es, demokratische Normen außer
Kraft zu setzen, wenn man von den Militarisierungstendenzen seiner Regierung einmal
absieht. Pessimistische Aussagen über die Demokratie in Venezuela basieren zum größten
Teil auf der unkonkreten und aggressiven Rhetorik des Präsidenten. Es ist eindeutig, dass
Chávez zur Heranbildung einer an seine Person gebundenen politischen Elite sowie einer
neuartigen Institutionalisierung Venezuelas beiträgt, indem er bereits vorhandene
institutionelle Strukturen zu schwächen und neue Institutionen zu kreieren sucht.
Eine langjährige und stabile repräsentativ-demokratische Tradition hat die Demokratie in
der Bevölkerung Venezuelas zu einem politischen Wert an sich gemacht. In der
Bevölkerung ist außerdem der unerschütterliche Glaube an den unendlichen Reichtum des
Landes immer noch vorhanden, und Korruption wird als Diebstahl des eigenen Anteils an
diesem Reichtum verstanden. Chávez hat es verstanden, die Schwächen des alten korrupten
Systems offen zu legen und dieses mit Hilfe demokratischer Verfahren zu beseitigen.
Durch politische Rekonstruktionsversuche und einer Konzentration der Macht auf die

86
Exekutive führte er die venezolanische Gesellschaft durch ein manichäisches
Politikverständnis bewusst in einen tiefen Polarisierungsprozeß. Die regelmäßige
Delegitimierung anderer Standpunkte führte zur politischen Konfrontation und zur
Spaltung der Gesellschaft, ganz im Gegensatz zum eigentlichen Ziel des Bolivarianismus:
Integration und Einheit des Volkes.
In Venezuela wird der auf die Verteilung beschränkte Diskurs der sozialen Gerechtigkeit,
welche für den populistischen Verteilungsstaat kennzeichnend ist, im Gegensatz zu anderen
Ländern Lateinamerikas durch den Ölreichtum ermöglicht. Allerdings ist Umverteilung
nicht das alleinige Ziel des chavistischen Diskurses: Er vermittelt den ärmeren
Bevölkerungsschichten das Gefühl gesellschaftlicher Integration und des politischen
Protagonismus; das Gefühl der Selbstachtung und Würde. Die Stärkung dieser Gefühle ist
ausschlaggebend für die politische Partizipation, wenn auch diese zum Teil vom Staat
initiiert und gesteuert wird, wie bei den círculos bolivarianos zu beobachten ist: Hier kann
von politischer Partizipation lediglich bis zur Antragstellung beim Präsidenten die Rede
sein; es wird jedoch nicht die aktive Teilnahme an konkreten Projekten oder Programmen
gefördert. Stattdessen wird allzu oft auf das Militär zurückgegriffen, was aus dem Plan
Bolívar 2000 deutlich hervorgeht.
Es kann darüber hinaus statistisch belegt werden, dass die vom Staat implementierte
Durchführung von Referenda langfristig zur Wahlenthaltung beiträgt. 300 Die Anzahl von
Urnengängen hat sich seit 1998 beträchtlich erhöht, was auch an der steigenden
Wahlenthaltung bei weiteren neuen, von Präsident Hugo Chávez eingeführten Formen der
politischen Partizipation wie Initiativen und der cabildo abierto funktionieren, sind aber
größtenteils nicht bindend und erfordern von den Bürgern Organisationsfähigkeit und Zeit.
Eine selbstständige politische Mobilisierung ist eher bei der Opposition zu beobachten,
wenn auch wenig strukturiert und ohne ein konkretes politisches Programm.
Der chavismo kann als Populismus im Sinne Kurt Weylands bezeichnet werden, d.h. als
politische Strategie zum Machterhalt mit einem ahistorischen Bezug, da kein bestimmtes
Wirtschaftsmodell für dessen Existenz vorausgesetzt wird. Chavismo kann demnach weder
als klassischer Populismus noch als Neopopulismus eingeordnet werden, da beide an
konkrete Wirtschaftsmodelle gebunden sind.301 Der Chavismo ist darüber hinaus
demokratisch, da die demokratischen Grundbedingungen wie freie, faire und geheime
Wahlen so wie die Möglichkeit der politischen Partizipation und die Achtung von Presse-

300
Siehe Anhang B.
301
Ersterer setzt ein importsubstituierendes Wirtschaftssystem, letzterer eine neolibarale Witschaftspolitik voraus.

87
und Meinungsfreiheit sowie der Menschenrechte eingehalten werden. Allerdings weist die
venezolanische Demokratie einige Merkmale einer delegativen Demokratie im Sinne
Guillermo O’Donnells auf. Delegative Demokratie
„…consists in constituting, through clean elections, a majority that em-
powers someone to become, for a given number of years, the embodiment
and interpreter of the high interests of the nation”.302
Sie beruht auf der Annahme, dass wer auch immer zum Präsidenten gewählt wird, dazu
berechtigt ist, so zu regieren wie er/sie es für richtig hält, ohne allzu große
Einschränkungen von Seiten der politischen Kontrollorgane (horizontal accountability):
Der Präsident verkörpert sozusagen den allgemeinen Willen des gesamten Volkes.
Letzteres bildet die politische Basis des Präsidenten in Form von Bewegungen, da
politische Parteien bei einer delegativen Demokratie ebenso wie beim Populismus als
überholt, korrupt und uneffektiv abgetan werden. Die Exekutive präsentiert sich als über
parteipolitischen Querelen erhaben. Die Schwäche der Repräsentationsstrukturen und
insbesondere des Parteiensystems birgt die Gefahr, dass falls die sozialen Forderungen der
unteren Schichten der Gesellschaft nicht mehr erfüllt werden können, eine Verstärkung
dieser zentralisierenden Tendenz der Exekutive nicht aufzuhalten ist.
Andererseits gelingt es Chávez nicht, der Polarisierung der Gesellschaft effektiv
entgegenzuwirken, wobei die vereinigende Kraft des líders eines der
Grundvoraussetzungen für das Funktionieren einer delegativen Demokratie ist. Chávez
unternimmt den Versuch, die politische Entscheidungsfindung anhand neuer
Partizipationsformen an das Volk zu delegieren, erreicht jedoch durch die pyramidale
Struktur dieser Organisationen eine Delegation der Entscheidungsmacht auf die Exekutive.
Die in Venezuela neu eingeführten Formen politischer Partizipation sind stark
insitutionalisiert. Die an vorhergehende Regierungen gebundenen klientelistischen
Netzwerke lösten sich unter Chávez auf. Der top-down-Charakter der neuen Form von
Institutionalisierung lässt jedoch wenig Freiraum für die politische Partizipation
oppositioneller Sektoren der Gesellschaft und verschärft deren Polarisierung in zwei
unversöhnliche Lager. Es ist ein grundlegender Pakt zwischen Regierungsanhänger und
Oppositionellen notwendig, um von unten und unabhängig von der Kontrolle und den
Einflüssen der Exekutive einen neuartigen funktionsfähigen normativen Entwurf für
Venezuela zu schaffen. Diese Chance bietet dem Land die Präsidentschaftswahl vom 3.
Dezember 2006, welche jedoch die Gefahr in sich birgt, dass sich aus einem durch einen
302
O’DONNELL, Guillermo: Delegative Democracy. In: Journal of Democracy Vol. 5, Nr. 1 1994:60.

88
Wahlsieg der Opposition entstandenes Machtvakuum die Polarisierung der Gesellschaft
weiter verschärft. Sollte Chávez erneut zum Präsidenten gewählt werden, bietet sich ihm
die Gelegenheit, ein eindeutiges Wirtschaftspolitisches Programm aufzustellen sowie in die
Richtung einer Einbeziehung der oppositionellen Sektoren der Gesellschaft in das neue
institutionelle System und einer Begrenzung der Befugnisse der Streitkräfte zu arbeiten.

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Besuchte Internetseiten

Offizielle Seiten der misiones:


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http://www.barioadentro.gov.ve (02.05.2006)
http://www.misioncultura.gob.ve (02.05.2006)
http://www.misionciencia.gob.ve (02.05.2006)
http://www.mintra.gov.ve (02.05.2006)
http://www.misionrobinson.gov.ve (02.05.2006)
http://www.foronacional.gov.ve/vuelvancaras/mision.html (02.05.2006);
http://www.minci.gov.ve/obras1.asp?tipo=2 (05.05.2006)
http://www.misionflorentino.org.ve (05.05.2006)
http://www.misionvenezuela.gov.ve (07.05.2006)

Weitere Seiten:
http://www.letraslibres.com (15.11.2005)
http://www.bbc.co.uk (17.11.2005)
http://www.venezuelanalysis.com (06.12.2005)
http://www.alopresidente.gob.ve (12.12.2005)
http://www.analitica.com/va/ttim/international/6289570.asp (13.12.2005)
http://www.acciondemocratica.org.ve (24.01.2006)
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Venezuela/Welcome.html (30.02.2006)
http://www.circulosbolivarianos.org (12.03.2006)

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http://www.consensopais.net (13.03.2006)
http://www.asambleanacional.gov.ve/ns2/conceptopar.asp (18.03.2006)
http://www.constitucion.org.ve/ (11.04.2006)
http://www.democracia.undp.org/Default.asp (05.05.06)
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http://www.vcrisis.com/index.php?content=videos (11.05.2006). Enthält Filmmaterial über
die Regierung Chávez.
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http://www.bloquedemocrático.org/01b.html (16.05.2006)

Presseorgane

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El País, 29.März 2006, Madrid.
Clarín, 06.12.2005, Buenos Aires.
La Nación online. Archivtexte vom 7.02.1999, 31.01.1999, 27.04.2002, 29.12.2001. unter.
http://www.lanacion.com.ar (12.09.2005).
LE MONDE DIPLOMATIQUE. Deutsche Ausgabe. Archivtexte vom 17.05.2002,
10.11.2000, 10.09.2004, 11.08.2000. Unter: http://www.monde-diplomatique.de
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LE MONDE DIPLOMATIQUE. el dipló, August 2002.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.12.2005.

105
Anhang

Anhang A1: Zitierte Artikel der Venezolanischen Verfassung von 1961304

Artículo 4. La soberanía reside en el pueblo, quien la ejerce, mediante el sufragio, por los órganos del Poder
Público.

Artículo 114. Todos los venezolanos aptos para el voto tienen el derecho de asociarse en partidos políticos
para participar, por métodos democráticos, en la orientación de la política nacional. El legislador reglamenta-
rá la constitución y actividad de los partidos políticos con el fin de asegurar su carácter democrático y garanti-
zar su igualdad ante la ley.

Anhang A2: Zitierte Artikel der CBV mit deutscher Übersetzung.305

Preámbulo. El pueblo de Venezuela, en ejercicio de sus poderes creadores e invocando la protección de


Dios, el ejemplo histórico de nuestro Libertador Simón Bolívar y el heroísmo y sacrificio de nuestros antepa-
sados aborígenes y de los precursores y forjadores de una patria libre y soberana; con el fin supremo de refun -
dar la República para establecer una sociedad democrática, participativa y protagónica, multiétnica y pluricul-
tural en un Estado de justicia, federal y descentralizado, que consolide los valores de la libertad, la indepen -
dencia, la paz, la solidaridad, el bien común, la integridad territorial, la convivencia y el imperio de la ley para
esta y las futuras generaciones; asegure el derecho a la vida, al trabajo, a la cultura, a la educación, a la justi -
cia social y a la igualdad sin discriminación ni subordinación alguna; promueva la cooperación pacífica entre
las naciones e impulse y consolide la integración latinoamericana de acuerdo con el principio de no interven-
ción y autodeterminación de los pueblos, la garantía universal e indivisible de los derechos humanos, la de -
mocratización de la sociedad internacional, el desarme nuclear, el equilibrio ecológico y los bienes jurídicos
ambientales como patrimonio común e irrenunciable de la humanidad; en ejercicio de su poder originario re -
presentado por la Asamblea Nacional Constituyente mediante el voto libre y en referendo democrático, decre-
ta la siguiente Constitución.

Präambel. Das Volk Venezuela, in Ausübung seiner schöpferischen Kräfte und unter Aufrufung von Gottes
Schutz, des historischen Vorbildes, unseres Befreiers Simón Bolívar, des Heldenmuts und Opfers unserer
304
Eigene Übersetzung. C.A.S.
305
Für die deutsche Übersetzung des gesamten Verfassungstextesvon 1999, bzw. 2000 vgl. Netzwerk Venezuela und
Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Verfassung der
Bolivarischen Republik Venezuela vom 24. März 2000, Essen 2005.

106
eingeborenen Vorfahren und Vorkämpfer und Wegbereiter eines freien und souveränen Vaterlandes; mit dem
obersten Ziel, die Republik neu zu begründen, um eine demokratische, partizipative, ihr Schicksal selbst
bestimmende, multiethnische und multikulturelle Gesellschaft in einem föderalen und dezentralisierten Staat
zu schaffen, der die Grundwerte der Freiheit, der Unabhängigkeit, d es Friedens, der Solidarität, des
Gemeinwohls, der territorialen Integrität, des gedeihlichen Zusammenlebens und die Herrschaft des Rechtes
für die gegenwärtigen und zukünftigen Generationen sichert; der das Recht auf Leben, Arbeit, Kultur,
Bildung, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit ohne Ansehen der Person schützt; der die friedliche
Zusammenarbeit zwischen den Nationen fördert und die lateinamerikanische Integration auf der Grundlage
der Prinzipien der Nichteinmischung und der Selbstbestimmung der Völker, den umfassenden und unteilbaren
Schutz der Menschenrechte, die demokratische Fortentwicklung der Völkergemeinschaft, die nukleare
Abrüstung, das ökologische Gleichgewicht und die Rechte an ökologischen Ressourcen als gemeinsames und
unverzichtbares Erbe der Menschheit sichert und weiterentwickelt; in Ausübung seiner ursprünglichen
Gewalt, verkörpert durch die Verfassungsgebende Nationalversammlung, in freier Wahl und mittels einer
demokratischen Volksabstimmung beschließt die folgende Verfassung.

Artículo 1. Artículo 1. La República Bolivariana de Venezuela es irrevocablemente libre e independiente y


fundamenta su patrimonio moral y sus valores de libertad, igualdad, justicia y paz internacional en la doctrina
de Simón Bolívar, el Libertador. Son derechos irrenunciables de la Nación la independencia, la libertad, la so-
beranía, la inmunidad, la integridad territorial y la autodeterminación nacional.

Artikel 1. Die Bolivarische Republik Venezuela ist unwiderruflich frei und unabhängig und gründet ihr
moralisches Erbe und ihre Werte von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und weltweitem Frieden auf die
Lehre von Simón Bolívar, dem Befreier. Unverzichtbare Rechte der Nation sind die Unabhängigkeit, die
Freiheit, die Souveränität, die Unantastbarkeit, die territoriale Integrität und die nationale
Selbstbestimmung.

Artículo 4. La República Bolivariana de Venezuela es un Estado Federal descentralizado en los términos


consagrados en esta Constitución, y se rige por los principios de integridad territorial, cooperación, solidari-
dad, concurrencia y corresponsabilidad.

Artikel 4. Die Bolivarische Republik Venezuela ist ein dezentralisierter Bundesstaat gemäß den in dieser
Verfassung verankerten Bestimmungen, geleitet von den Prinzipien der territorialen Integrität,
zusammenarbeit, Solidarität, Mitwirkung und Mitverantwortung.

Artículo 5. La soberanía reside intransferiblemente en el pueblo, quien la ejerce directamente en la forma


prevista en esta Constitución y en la ley, e indirectamente, mediante el sufragio, por los órganos que ejercen
el Poder Público. Los órganos del Estado emanan de la soberanía popular y a ella están sometidos.

Artikel 5: Die Souveränität ruht unübertragbar im Volke, das diese in der von dieser Verfassung und dem
Gesetz vorgesehenen Form unmittelbar ausübt sowie mittelbar, in Form von Wahlen, durch die Organe, die
die Öffentliche Gewalt ausüben. Die Organe des Staates gehen aus der Volkssouveränität hervor, und ihr
sind sie unterworfen.

Artículo 41. Sólo los venezolanos y venezolanas por nacimiento y sin otra nacionalidad, podrán ejercer los
cargos de Presidente o Presidenta de la República, Vicepresidente Ejecutivo o Vicepresidenta Ejecutiva, Pre-
sidente o Presidenta y Vicepresidentes o Vicepresidentas de la Asamblea Nacional, magistrados o magistra-
das del Tribunal Supremo de Justicia, Presidente o Presidenta del Consejo Nacional Electoral, Procurador o
Procuradora General de la República, Contralor o Contralora General de la República, Fiscal General de la
República, Defensor o Defensora del Pueblo, Ministros o Ministras de los despachos relacionados con la se-
guridad de la Nación, finanzas, energía y minas, educación; Gobernadores o Gobernadoras y Alcaldes o Al-
caldesas de los Estados y Municipios fronterizos y aquellos contemplados en la ley orgánica de la Fuerza Ar -
mada Nacional. Para ejercer los cargos de diputados o diputadas a la Asamblea Nacional, Ministros o Minis -
tras, Gobernadores o Gobernadoras y Alcaldes o Alcaldesas de Estados y Municipios no fronterizos, los vene-
zolanos y venezolanas por naturalización deben tener domicilio con residencia ininterrumpida en Venezuela
no menor de quince años y cumplir los requisitos de aptitud previstos en la ley.

Artikel 41. Nur Venezolaner und Venezolanerinnen durch Geburt und ohne andere Staatsangehörigkeit
dürfen die folgenden Ämter ausüben: Präsident oder Präsidentin der Republik sowie Vizepräsident oder
Vizepräsidentin, Präsident oder Präsidentin sowie Vizepräsident oder Vizepräsidentin der

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Nationalversammlung, Richter oder Richterin am Obersten Gerichtshof, Präsident oder Präsidentin des
Nationalen Wahlrats, Generalbundesanwalt oder Generalbundesanwältin der Republik, Oberster
Rechnungsprüfer oder Oberste Rechnungsprüferin der Republik, Generalstaatsanwalt oder
Generalstaatsanwältin der Republik, Ombudsmann oder Ombudsfrau, Minister oder Ministerin in den
Bereichen Nationale Sicherheit, Finanzen, Energie und Bergbau sowie Bildung; Gouverneur oder
Gouverneurin sowie Bürgermeister oder Bürgermeisterin der an den Grenzen liegenden Bundesstaaten und
Gemeinden sowie die im Gesetz über die Verfassung der Bewaffneten Nationalen Streitkräfte genannten
Ämter. Um ein Abgeordnetenmandat in der Nationalversammlung, das Amt eines Ministers oder einer
Ministerin, eines Gouverneurs oder einer Gouverneurin, sowie eines Bürgermeisters oder einer
Bürgermeisterin von nicht an den Grenzen gelegenen Bundesstaaten und Gemeinden ausüben zu können,
müssen Venezolaner und Venezolanerinnen durch Einbürgerung mindestens fünfzehn Jahre land ihren
Wohnsitz in Venezuela gehabt und ununterbrochen im Lande gelebt haben sowie die gesetzlichen
Voraussetzungen bezüglich der Befähigung hierfür erfüllen.

Artículo 52. Toda persona tiene derecho de asociarse con fines lícitos, de conformidad con la ley. El Estado
estará obligado a facilitar el ejercicio de este derecho.

Artikel 52. Jeder hat im Einklang mit dem Gesetz das Recht auf Bildung von Vereinigungen mit gesetzlich
zulässigen Zielen. Der Staat ist verpflichtet, die Ausübung dieses Rechts zu ermöglichen.

Artículo 57. Toda persona tiene derecho a expresar libremente sus pensamientos, sus ideas u opiniones de
viva voz, por escrito o mediante cualquier otra forma de expresión, y de hacer uso para ello de cualquier me-
dio de comunicación y difusión, sin que pueda establecerse censura. Quien haga uso de este derecho asume
plena responsabilidad por todo lo expresado. No se permite el anonimato, ni la propaganda de guerra, ni los
mensajes discriminatorios, ni los que promuevan la intolerancia religiosa. Se prohíbe la censura a los funcio -
narios públicos o funcionarias públicas para dar cuenta de los asuntos bajo sus responsabilidades.

Artikel 57. Jeder hat das Recht, seine Gedanken, seine Vorstellungen und Meinungen mündlich oder
schriftlich oder in jeder anderen Ausdrucksform zu äußern und sich dabei jedweden Mediums zur Weitergabe
und Verbreitung zu bedienen, ohne dass Zensur angewandt werden dürfte. Wer von diesem Recht Gebrauch
macht, übernimmt die volle Verantwortung für alle Äußerungen. Anonymität ist nicht erlaubt; ebenso wenig
Kriegspropaganda, diskriminierende Äußerungen sowie solche, die religiöse Intoleranz fördern.

Artículo 58. La comunicación es libre y plural, y comporta los deberes y responsabilidades que indique la
ley. Toda persona tiene derecho a la información oportuna, veraz e imparcial, sin censura, de acuerdo con los
principios de esta Constitución, así como a la réplica y rectificación cuando se vea afectada directamente por
informaciones inexactas o agraviantes. Los niños, niñas y adolescentes tienen derecho a recibir información
adecuada para su desarrollo integral.

Artikel 58. Es besteht Informationsfreiheit und Freiheit der Berichterstattung, verbunden mit den gesetzlich
festgelegten Pflichten und Verantwortlichkeiten. Jeder hat im Einklang mit den Grundsätzen dieser
Verfassung das Recht auf angemessene, wahrheitsgemäße und unparteiische Information ohne Zensur sowie
auf Gegendarstellung und Richtigstellung, wenn er von unzutreffenden oder beleidigenden Informationen
betroffen sieht. Jungen, Mädchen und Jugendliche haben ein Recht auf Information, die für ihre umfassende
Entwicklung angemessen ist.

Artículo 62. Todos los ciudadanos y ciudadanas tienen el derecho de participar libremente en los asuntos pú-
blicos, directamente o por medio de sus representantes elegidos o elegidas. La participación del pueblo en la
formación, ejecución y control de la gestión pública es el medio necesario para lograr el protagonismo que
garantice su completo desarrollo, tanto individual como colectivo. Es obligación del Estado y deber de la so -
ciedad facilitar la generación de las condiciones más favorables para su práctica.

Artikel 62. Alle Bürger und Bürgerinnen haben das Recht, sich frei an den öffentlichen Angelegenheiten zu
beteiligen, entweder unmittelbar oder mittels ihrer gewählten Vertreter oder Vertreterinnen. Die Beteiligung
des Volkes an Entstehung, Ausübung und Kontrolle der öffentlichen Amtsführung ist das notwendige Mittel
dafür, dass es eine aktive Rolle übernimmt, die seine umfassende individuelle wie kollektive Entwicklung
gewährleistet. Es ist Verpflichtung des Staates und Pflicht der Gesellschaft, die bestmöglichen Bedingungen
hierfür zu schaffen.

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Artículo 63. El sufragio es un derecho. Se ejercerá mediante votaciones libres, universales, directas y secre -
tas. La ley garantizará el principio de la personalización del sufragio y la representación proporcional.

Artikel 63. Es besteht Wahlrecht. Dieses wird mittels freier, allgemeiner, direkter und geheimer
Stimmenabgabe ausgeübt. Das Gesetz garantiert den Grundsatz der Personenwahl und des
Verhältniswahlrechts.

Artículo 64. Son electores o electoras todos los venezolanos y venezolanas que hayan cumplido dieciocho
años de edad y que no estén sujetos a interdicción civil o inhabilitación política. El voto para las elecciones
parroquiales, municipales y estadales se hará extensivo a los extranjeros o extranjeras que hayan cumplido
dieciocho años de edad, con más de diez años de residencia en el país, con las limitaciones establecidas en
esta Constitución y en la ley, y que no estén sujetos a interdicción civil o inhabilitación política.

Artikel 64. Wahlberechtigt sind alle Venezolaner und Venezolanerinnen, die das achtzehnte Lebensjahr
vollendet haben und denen nicht die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt oder die politischen Rechte
entzogen wurden. Das Wahlrecht in den Kommunalbezirken, Gemeinden und Bundesstaaten steht mit den in
dieser Verfassung und im Gesetz festgelegten Einschränkungen auch Ausländern und Ausländerinnen zu, die
das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben und seit mehr als zehn Jahren im lande leben, soweit ihnen nicht
die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt oder die politischen Rechte entzogen wurden.

Artículo 65. No podrán optar a cargo alguno de elección popular quienes hayan sido condenados o condena-
das por delitos cometidos durante el ejercicio de sus funciones y otros que afecten el patrimonio público, den-
tro del tiempo que fije la ley, a partir del cumplimiento de la condena y de acuerdo con la gravedad del delito.

Artikel 65. Kein passives Wahlrecht für ein öffentliches Wahlamt besitzen diejenigen, die wegen Straftaten
verurteilt wurden, die im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung begangen, und solchen, die gegen
Staatsbesitz begangen wurden, und zwar innerhalb des vom Gesetz festgelegten Zeitraums ab der Verbüßung
der Strafe und entsprechend der Schwere der Straftat.

Artículo 66. Los electores y electoras tienen derecho a que sus representantes rindan cuentas públicas, trans-
parentes y periódicas sobre su gestión, de acuerdo con el programa presentado.

Artikel 66. Die Wahlberechtigten haben das Recht darauf, dass ihre Repräsentanten öffentlich,
nachvollziehbar und regelmäßig Rechenschaft über ihre Amtsführung gemäß dem vorgestellten
Wahlprogramm ablegen.

Artículo 67. Todos los ciudadanos y ciudadanas tienen el derecho de asociarse con fines políticos, mediante
métodos democráticos de organización, funcionamiento y dirección. Sus organismos de dirección y sus candi-
datos o candidatas a cargos de elección popular serán seleccionados o seleccionadas en elecciones internas
con la participación de sus integrantes. No se permitirá el financiamiento de las asociaciones con fines políti -
cos con fondos provenientes del Estado. La ley regulará lo concerniente al financiamiento y a las contribucio-
nes privadas de las organizaciones con fines políticos, y los mecanismos de control que aseguren la pulcritud
en el origen y manejo de las mismas. Así mismo regulará las campañas políticas y electorales, su duración y
límites de gastos propendiendo a su democratización. Los ciudadanos y ciudadanas, por iniciativa propia, y
las asociaciones con fines políticos, tienen derecho a concurrir a los procesos electorales postulando candida-
tos o candidatas. El financiamiento de la propaganda política y de las campañas electorales será regulado por
la ley. Las direcciones de las asociaciones con fines políticos no podrán contratar con entidades del sector pú-
blico.

Artikel 67: Alle Bürger und Bürgerinnen haben das Recht, sich zu Vereinigungen mit politischer Zielsetzung
zusammenzuschließen, wobei diese Vereinigungen demokratisch organisiert sein müssen und Tätigkeit und
Leistung der Organisationen demokratischen Grundsätzen entsprechen müssen. Ihre Leistungsgremien und
ihre Kandidaten und Kandidatinnen für öffentliche Wahlen werden in internen Wahlen unter Mitwirkung
ihrer Mitglieder ausgewählt. Die Finanzierung der Vereinigungen mit politischer Zielsetzung durch
staatliche Mittel ist nicht zulässig. Das Gesetz stellt Regeln auf bezüglich der Finanzierung und der privaten
Beiträge für Organisationen mit politischer Zielsetzung sowie die Kontrollmechanismen, die die Lauterkeit in
Bezug auf Herkunft und Verwendung der Mittel sichern. Gleichermaßen bestimmt es die Dauer und die
Obergrenzen für die Ausgaben für politische und für Wahlkampagnen, um auf ihre Demokratisierung

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hinzuwirken. Die Bürger und Bürgerinnen aus eigener Initiative sowie die Vereinigungen mit politischer
Zielsetzung haben das Recht, an Wahlen teilzunehmen und dafür Kandidaten und Kandidatinnen aufzustellen.
Das Gesetz regelt die Finanzierung von politischer Werbung und Wahlkampagnen. Die Führungsgremien
von Vereinigungen mit politischer Zielsetzung dürfen keine Verträge mit Stellen der öffentlichen Verwaltung
abschließen.

Artículo 68. Los ciudadanos y ciudadanas tienen derecho a manifestar, pacíficamente y sin armas, sin otros
requisitos que los que establezca la ley. Se prohíbe el uso de armas de fuego y sustancias tóxicas en el control
de manifestaciones pacíficas. La ley regulará la actuación de los cuerpos policiales y de seguridad en el con -
trol del orden público.

Artikel 68. Die Bürger und Bürgerinnen haben das Recht, friedlich und ohne Waffen zu demonstrieren.
Dieses Recht wird nur durch die gesetzliche Ausgestaltung begrenzt. Die Anwendung von Schusswaffen und
giftigen Substanzen zur Kontrolle friedlicher Demonstrationen ist verboten. Das Gesetz regelt das Handeln
von Polizei- und Sicherheitskräften bei der Kontrolle der öffentlichen Ordnung.

Artículo 69. La República Bolivariana de Venezuela reconoce y garantiza el derecho de asilo y refugio. Se
prohíbe la extradición de venezolanos y venezolanas.

Artikel 69. Die Bolivarische Republik Venezuela anerkennt und garantiert das Recht auf Asyl und zuflucht.
Die Auslieferung von Venezolanern und Venezolanerinnen ist verboten.

Artículo 70. Son medios de participación y protagonismo del pueblo en ejercicio de su soberanía, en lo políti-
co: la elección de cargos públicos, el referendo, la consulta popular, la revocatoria del mandato, las iniciativas
legislativa, constitucional y constituyente, el cabildo abierto y la asamblea de ciudadanos y ciudadanas cuyas
decisiones serán de carácter vinculante, entre otros; y en lo social y económico, las instancias de atención ciu -
dadana, la autogestión, la cogestión, las cooperativas en todas sus formas incluyendo las de carácter financie-
ro, las cajas de ahorro, la empresa comunitaria y demás formas asociativas guiadas por los valores de la mu-
tua cooperación y la solidaridad. La ley establecerá las condiciones para el efectivo funcionamiento de los
medios de participación previstos en este artículo.

Artikel 70. Mittel für die Beteiligung und für eine aktive Rolle des Volkes in der Ausübung seiner
Souveränität auf politischem Gebiet sind unter anderem. Wahlen für öffentliche Ämter, Volksabstimmung,
Volksbefragung, Widerruf von Mandaten, gesetzgebende, verfassungsändernde oder verfassungsgebende
Initiativen, öffentliche Gemeinderatssitzungen und die Versammlung der Bürger und Bürgerinnen, die
verbindliche Entscheidungen treffen. Entsprechende Mittel auf gesellschaftlichem und wirtschaftlichem
Gebiet sind: Einrichtungen der Bürgerberatung, Selbstverwaltung, Mitbestimmung, Genossenschaften in all
ihren Formen einschließlich derer im Finanzwesen, Sparkassen, Gemeinschaftsunternehmen und andere
Formen gemeinsamer Organisation, die sich von den Werten der Zusammenarbeit und der Solidarität leiten
lassen. Das Gesetz trifft nähere Bestimmungen, um die in diesem Artikel vorgesehenen Mittel für die
Beteiligung effektiv wirksam werden zu lassen.

Artículo 71. Las materias de especial trascendencia nacional podrán ser sometidas a referendo consultivo por
iniciativa del Presidente o Presidenta de la República en Consejo de Ministros; por acuerdo de la Asamblea
Nacional, aprobado por el voto de la mayoría de sus integrantes; o a solicitud de un número no menor del diez
por ciento de los electores y electoras inscritos en el registro civil y electoral. También podrán ser sometidas a
referendo consultivo las materias de especial trascendencia parroquial, municipal y estadal. La iniciativa le
corresponde a la Junta Parroquial, al Concejo Municipal o al Consejo Legislativo, por acuerdo de las dos ter-
ceras partes de sus integrantes; al Alcalde o Alcaldesa, o al Gobernador o Gobernadora de Estado, o a un nú-
mero no menor del diez por ciento del total de inscritos en la circunscripción correspondiente, que lo solici -
ten.

Artikel 71. Angelegenheiten von besonderer nationaler Bedeutungkönnen auf Initiative des Präsidenten oder
der Präsidentin der Republik mit dem Ministerrat, auf Beschluss der Mehrheit der Mitglieder der
Nationalversammlung oder auf Antrag von nivht weniger als zehn Prozent der im Personenstands- und
Wahlregister eingetragenen Wahlberechtigten zum Gegenstand einer Volksbefragung werden. Zum
Gegenstand einer Volksbefragung können auch Angelegenheiten von besonderer Bedeutung für die
Kommunalbezirke, Gemeinden und Bundesstaaten werden. Eine entsprechende Initiative kann der

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Kommunalbezirksausschuss, der Gemeinderat oder der Gesetzgebungsrat mit Zweidrittelmehrheit seiner
jeweiligen Mitglieder ergreifen. Weiterhin besteht Initiativrecht für den Bürgermeister oder die
Bürgermeisterin, den Gouverneur oder die Gouverneurin eines Bundesstaates oder für nicht weniger als zehn
Prozent der in der entsprechenden Verwaltungseinheit Eingetragenen, die einen solchen Antrag einbringen.

Artículo 72. Todos los cargos y magistraturas de elección popular son revocables. Transcurrida la mitad del
período para el cual fue elegido el funcionario o funcionaria, un número no menor del veinte por ciento de los
electores o electoras inscritos en la correspondiente circunscripción podrá solicitar la convocatoria de un refe-
rendo para revocar su mandato. Cuando igual o mayor número de electores y electoras que eligieron al fun-
cionario o funcionaria hubieren votado a favor de la revocatoria, siempre que haya concurrido al referendo un
número de electores y electoras igual o superior al veinticinco por ciento de los electores y electoras inscritos,
se considerará revocado su mandato y se procederá de inmediato a cubrir la falta absoluta conforme a lo dis-
puesto en esta Constitución y en la ley. La revocación del mandato para los cuerpos colegiados se realizará de
acuerdo con lo que establezca la ley. Durante el período para el cual fue elegido el funcionario o funcionaria
no podrá hacerse más de una solicitud de revocación de su mandato.

Artikel 72. Für alle diejenigen, die durch allgemeine Wahlen in Ämter in Verwaltung und Rechtssprechung
berufen worden sind, kann das Mandat widerrufen werden. Nach Ablauf der Hälfte der Amtszeit, für die der
Amtsträger oder die Amtsträgerin gewählt wurde, können mindestens zwanzig Prozent der in der
entsprechenden Verwaltungseinheit eingetragenen Wahlberechtigten die Durchführung einer
Volksabstimmung beantragen, um dessen oder deren Mandat zu widerrufen. Wenn dieselbe oder eine größere
Zahl von Wahlberechtigten, die den Amtsträger oder die Amtsträgerin gewählt hatten, für einen Widerruf
stimmen, und unter der Voraussetzung, dass mindestens fünfundzwanzig Prozent der eingetragenen
Wahlberechtigten an der Volksabstimmung teilgenommen haben, wird das Mandat als widerrufen betrachtet,
und es wird unverzüglich entsprechend den Bestimmungen dieser Verfassung und des Gesetzes dafür Sorge
getragen, das Amt wieder zu besetzten.

Artículo 73. Serán sometidos a referendo aquellos proyectos de ley en discusión por la Asamblea Nacional,
cuando así lo decidan por lo menos las dos terceras partes de los o las integrantes de la Asamblea. Si el refe -
rendo concluye en un sí aprobatorio, siempre que haya concurrido el veinticinco por ciento de los electores y
electoras inscritos e inscritas en el registro civil y electoral, el proyecto correspondiente será sancionado como
ley. Los tratados, convenios o acuerdos internacionales que pudieren comprometer la soberanía nacional o
transferir competencias a órganos supranacionales, podrán ser sometidos a referendo por iniciativa del Presi-
dente o Presidenta de la República en Consejo de Ministros; por el voto de las dos terceras partes de los o las
integrantes de la Asamblea; o por el quince por ciento de los electores o electoras inscritos e inscritas en el re-
gistro civil y electoral.

Artikel 73. Gesetzesvorlagen, über die die Nationalversammlung berät, werden dann zum Gegenstand einer
Volksabstimmung, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder der Nationalversammlung dieses beschließen.
Wenn die Volksabstimmung mit einem zustimmenden Ergebnis endet und unter der Voraussetzung, dass
fünfundzwanzig Prozent der im Personenstands- und Wahlregister eingetragenen Wahlberechtigten an ihm
teilgenommen haben, erlangt die betreffende Vorlage Gesetzeskraft. Internationale Verträge, Abkommen und
Vereinbarungen, durch die in die nationale Souveränität eingegriffen oder Zuständigkeiten an internationale
Organe übertragen werden könnten, können auf Initiative des Präsidenten oder der Präsidentin der Republik
mit dem Ministerrat mit den Stimmen von fünfzehn Prozent der im Personenbestands- und Wahlregister
eingetragenen Wahlberechtigten einer Volksabstimmung unterworfen werden.

Artículo 74. Serán sometidas a referendo, para ser abrogadas total o parcialmente, las leyes cuya abrogación
fuere solicitada por iniciativa de un número no menor del diez por ciento de los electores y electoras inscritos
e inscritas en el registro civil y electoral o por el Presidente o Presidenta de la República en Consejo de Mi-
nistros.También podrán ser sometidos a referendo abrogatorio los decretos con fuerza de ley que dicte el Pre-
sidente o Presidenta de la República en uso de la atribución prescrita en el numeral 8 del artículo 236 de esta
Constitución, cuando fuere solicitado por un número no menor del cinco por ciento de los electores y electo -
ras inscritos e inscritas en el registro civil y electoral. Para la validez del referendo abrogatorio será indispen-
sable la concurrencia de, por lo menos, el cuarenta por ciento de los electores y electoras inscritos e inscritas
en el registro civil y electoral. No podrán ser sometidas a referendo abrogatorio las leyes de presupuesto, las
que establezcan o modifiquen impuestos, las de crédito público ni las de amnistía, ni aquellas que protejan,
garanticen o desarrollen los derechos humanos y las que aprueben tratados internacionales. No podrá hacerse
más de un referendo abrogatorio en un período constitucional para la misma materia.

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Artikel 74. Gesetze, deren Abschaffung auf initiative von mindestens zehn Prozent der im Personenstands-
und Wahlregister eingetragenen Wahlberechtigten oder durch den Präsidenten oder der Präsidentin der
Republik mit dem Ministerrat beantragt wurde, werden einer Volksabstimmung unterworfen, um sie ganz
oder teilweise außer Kraft zu setzen. Einer Volksabstimmung zur Abschaffung können auch Dekrete mit
Gesetzeskraft unterworfen werden, die der Präsident oder die Präsidentin in Ausübung der Ziffer 8 des
Artikels 236 dieser Verfassung bestimmten Befugnisse erlässt, wenn dieses von mindestens fünf Prozent der
im Personenstands- und Wahlregister eingetragenen Wahlberechtigten daran teilnehmen. Haushaltsgesetze,
Gesetze die Steuern einführen oder modifizieren, Gesetze über Staatskredite oder Amnestiegesetze, Gesetze,
die die Menschanrechte schützen, gewährleisten oder umsetzen sowie solche, mit denen internationale
Abkommen gebilligt werden, können nicht einer Volksabstimmung zur Abschaffung unterworfen werden.
Innerhalb einer Legislaturperiode darf nicht mehr als eine Volksabstimmung zur Abschaffung hinsichtlich
desselben Gegenstandes durchgeführt werden.

Artículo 77. Se protege el matrimonio entre un hombre y una mujer, fundado en el libre consentimiento y en
la igualdad absoluta de los derechos y deberes de los cónyuges. Las uniones estables de hecho entre un hom-
bre y una mujer que cumplan los requisitos establecidos en la ley producirán los mismos efectos que el matri-
monio.

Artikel 77. Die Ehe zwischen Mann und Frau wird geschützt; sie beruht auf freier Zustimmung und absoluter
Gleichheit der Rechte und Pflichten der Ehepartner. Dauerhafte Lebensgemeinschaften zwischen einem
Mann und einer Frau, die den gesetzlichen Voraussetzungen genügen, entfalten die gleiche Wirkung wie die
Ehe.

Artículo 83. La salud es un derecho social fundamental, obligación del Estado, que lo garantizará como parte
del derecho a la vida. El Estado promoverá y desarrollará políticas orientadas a elevar la calidad de vida, el
bienestar colectivo y el acceso a los servicios. Todas las personas tienen derecho a la protección de la salud,
así como el deber de participar activamente en su promoción y defensa, y el de cumplir con las medidas sani-
tarias y de saneamiento que establezca la ley, de conformidad con los tratados y convenios internacionales
suscritos y ratificados por la República.

Artikel 83. Die Gesundheit stellt ein soziales Grundrecht und eine Verpflichtung des Staates dar, der dieses
als Teil des Rechtes auf Leben gewährleistet. Der Staat fördert und entwickelt politische Maßnahmen, um die
Lebensqualität, das allgemeine Wohlergehen und den Zugang zu entsprechenden Dienstleistungen zu
verbessern. Jeder hat das Recht auf Schutz der Gesundheit und die Pflicht, sich aktiv an ihrer Förderung und
Erhaltung zu beteiligen sowie die vom Gesetz entsprechend der von der Republik unterzeichneten und
ratifizierten Abkommen festgelegten gesundheitspolizeilichen und seuchenhygienischen Maßnahmen
mitzutragen.

Artículo 84. Para garantizar el derecho a la salud, el Estado creará, ejercerá la rectoría y gestionará un siste-
ma público nacional de salud, de carácter intersectorial, descentralizado y participativo, integrado al sistema
de seguridad social, regido por los principios de gratuidad, universalidad, integralidad, equidad, integración
social y solidaridad. El sistema público nacional de salud dará prioridad a la promoción de la salud y a la pre-
vención de las enfermedades, garantizando tratamiento oportuno y rehabilitación de calidad. Los bienes y ser-
vicios públicos de salud son propiedad del Estado y no podrán ser privatizados. La comunidad organizada tie-
ne el derecho y el deber de participar en la toma de decisiones sobre la planificación, ejecución y control de la
política específica en las instituciones públicas de salud.

Artikel 84. Um das Recht auf Gesundheit zu gewährleisten, schafft der Staat ein öffentliches nationales
Gesundheitssystem und betreibt dieses unter staatlicher Leistung. Es hat bereichsübergreifenden,
dezentralisierten und partizipativen Charakter und ist integriert in das System der sozialen Sicherheit. Es
beruht auf den Prinzipien der Kostenfreiheit, Universalität, Behandlung aller Erkrankungen, Gleichheit,
sozialen Integration und Solidarität. Im öffentlichen Gesundheitssystem ist es vorrangig, die Gesundheit zu
fördern und Krankheiten vorzubeugen. Dabei gewährleistet es eine angemessene Behandlung sowie eine
Rehabilitation von hoher Qualität. Die öffentliche Infrastruktur der Gesundheitsvorsorge ist Eigentum des
Staates und darf nicht privatisiert werden. Die verfasste Gemeinschaft hat das Recht und die Pflicht, sich an
der Entscheidungsfindung bezüglich Planung, Ausführung und Kontrolle der spezifischen politischen
Maßnahmen in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zu beteiligen.

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Artículo 85. El financiamiento del sistema público nacional de salud es obligación del Estado, que integrará
los recursos fiscales, las cotizaciones obligatorias de la seguridad social y cualquier otra fuente de financia -
miento que determine la ley. El Estado garantizará un presupuesto para la salud que permita cumplir con los
objetivos de la política sanitaria. En coordinación con las universidades y los centros de investigación, se pro-
moverá y desarrollará una política nacional de formación de profesionales, técnicos y técnicas y una industria
nacional de producción de insumos para la salud. El Estado regulará las instituciones públicas y privadas de
salud.

Artikel 85. Es ist Pflicht des Staates, das nationale öffentliche Gesundheitswesen zu finanzieren. Darin
einbezogen sind Steuergelder, die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und andere, vom Gesetz festgelegte
Finanzierungsquellen. Der Staat garantiert einen Gesundheitshaushalt, der es gestattet, die Ziele der
Gesundheitspolitik zu erreichen. In Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungszentren wird eine
nationale Politik zur Ausbildung von Fachleuten, Technikern und Technikerinnen sowie eine einheimische
Industrie für die Produktion von Verbrauchsmaterial für den Gesundheitsbereich gefördert und umgesetzt.
Der Staat reguliert das Wirken von öffentlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen.

Artículo 141. La Administración Pública está al servicio de los ciudadanos y ciudadanas y se fundamenta en
los principios de honestidad, participación, celeridad, eficacia, eficiencia, transparencia, rendición de cuentas
y responsabilidad en el ejercicio de la función pública, con sometimiento pleno a la ley y al derecho.

Artikel 141. Die Öffentliche Verwaltung steht im Dienst der Bürger und Bürgerinnen und beruht auf den
Prinzipien der Ehrenhaftigkeit, Tilhabe, Zügigkeit, Effektivität, Effizienz, Transparenz,
Rechenschaftsregelung und Verantwortlichkeit bei der Ausübung des öffentlichen Amtes. Sie untersteht Recht
und Gesetz in vollem Umfang.

Artículo 193. La Asamblea Nacional nombrará Comisiones Permanentes, ordinarias y especiales. Las Comi-
siones Permanentes, en un número no mayor de quince, estarán referidas a los sectores de actividad nacional.
Igualmente, podrá crear Comisiones con carácter temporal para investigación y estudio, todo ello de confor -
midad con su Reglamento. La Asamblea Nacional podrá crear o suprimir Comisiones Permanentes con el
voto favorable de las dos terceras partes de sus integrantes.

Artikel 193. Die Nationalversammlung setzt ordentliche und besondere Ständige Ausschüsse ein. Die
Ständigen Ausschüsse, von denen es nicht mehr als fünfzehn gibt, beziehen sich auf die
Zuständigkeitsbereiche der nationalen Ebene. Gleichermaßen kann sie zeitweilige Untersuchungsausschüsse
einsetzen, immer in Übereinstimmung mit ihrer Geschäftsordnung. Die Nationalversammlung kann mit
Zustimmung von zwei Dritteln ihrer Mitglieder Ständige Ausschüsse einsetzen oder abschaffen.

Artículo 204. La iniciativa de las leyes corresponde:

1. Al Poder Ejecutivo Nacional.


2. A la Comisión Delegada y a las Comisiones Permanentes.
3. A los y las integrantes de la Asamblea Nacional, en número no menor de tres.
4. Al Tribunal Supremo de Justicia, cuando se trate de leyes relativas a la organización y procedimien-
tos judiciales.
5. Al Poder Ciudadano, cuando se trate de leyes relativas a los órganos que lo integran.
6. Al Poder Electoral, cuando se trate de leyes relativas a la materia electoral.
7. A los electores y electoras en un número no menor del cero coma uno por ciento de los inscritos e
inscritas en el registro civil y electoral.
8. Al Consejo Legislativo, cuando se trate de leyes relativas a los Estados.

Artikel 204. Über Gesetzesinitiativrecht verfügen:

1. Die Nationale Exekutive.


2. Der Geschäftsführende Ausschuss und die Ständigen Ausschüsse.
3. Mindestens drei Mitglieder der Nationalversammlung.
4. Der Oberste Gerichtshof, wenn es sich um Gesetze handelt, die sich auf gerichtliche Organisation
und Verfahren beziehen.

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5. Die Bürgergewalt, wenn es sich um Gesetze über Institutionen handelt, die Organe der
Bürgergewalt sind.
6. Die Wahlgewalt, wenn es sich um Wahlgesetze handelt.
7. Die Wähler und Wählerinnen in einer Anzahl von mindestens null Komma eins Prozent der im
Personenstands- und Wahlregister eingeschriebenen Wähler und Wählerinnen.
8. Der Gesetzgebungsrat, wenn es sich um Gesetze handelt, die sich auf die Bundesstaaten beziehen.

Artículo 211. La Asamblea Nacional o las Comisiones Permanentes, durante el procedimiento de discusión y
aprobación de los proyectos de leyes, consultarán a los otros órganos del Estado, a los ciudadanos y ciudada-
nas y a la sociedad organizada para oír su opinión sobre los mismos. Tendrán derecho de palabra en la discu-
sión de las leyes los Ministros o Ministras en representación del Poder Ejecutivo; el magistrado o magistrada
del Tribunal Supremo de Justicia a quien éste designe, en representación del Poder Judicial; el o la represen -
tante del Poder Ciudadano designado o designada por el Consejo Moral Republicano; los o las integrantes del
Poder Electoral; los Estados a través de un o una representante designado o designada por el Consejo Legisla-
tivo y los o las representantes de la sociedad organizada, en los términos que establezca el Reglamento de la
Asamblea Nacional.

Artikel 211: Während der Beratungs- und Abstimmungsverfahren über Gesetzesvorlagen konsultieren die
Nationalversammlung oder die Ständigen Ausschüsse die anderen staatlichen Organe, die Bürger und
Bürgerinnen sowie die organisierte Zivilgesellschaft, um ihre Meinung über diese Gesetzesvorlagen zu hören.
Über ein Rederecht in den Lesungen über Gesetzesvorlagen, im Rahmen der in der Geschäftsordnung der
Nationalversammlung enthaltenen Bestimmungen, verfügen die Minister oder Ministerinnen in Vertretung
der Exekutive; in Vertretung der Judikative der Richter oder die Richterin am Obersten Gerichtshof, die
dieser ernennt; der oder die vom Ethikrat der Republik ernannte Vertreter oder Vertreterin der
Bürgergewalt, die Mitglieder der Wahlgewalt, die Bundesstaaten durch einen oder eine vom
Gesetzgebungsrat ernannten Vertreter oder ernannte Vertreterin sowie die Vertreter oder Vertreterinnen der
organisierten Zivilgesellschaft.

Artículo 230. El período presidencial es de seis años. El Presidente o Presidenta de la República puede ser
reelegido o reelegida, de inmediato y por una sola vez, para un nuevo período.

Artikel 230. Die Amtszeit des Präsidenten oder der Präsidentin beträgt sechs Jahre. Der Präsident oder die
Präsidentin der Republik kann unmittelbar und ein einziges Mal für eine neue Amtszeit wiedergewählt
werden.

Artículo 236. Son atribuciones y obligaciones del Presidente o Presidenta de la República:

1. Cumplir y hacer cumplir esta Constitución y la ley.


2. Dirigir la acción del Gobierno.
3. Nombrar y remover al Vicepresidente Ejecutivo o Vicepresidenta Ejecutiva, nombrar y remover los
Ministros o Ministras.
4. Dirigir las relaciones exteriores de la República y celebrar y ratificar los tratados, convenios o acuer-
dos internacionales.
5. Dirigir las Fuerza Armada Nacional en su carácter de Comandante en Jefe, ejercer la suprema autori -
dad jerárquica de ella y fijar su contingente.
6. Ejercer el mando supremo de la Fuerza Armada Nacional, promover sus oficiales a partir del grado
de coronel o coronela o capitán o capitana de navío, y nombrarlos o nombrarlas para los cargos que
les son privativos.
7. Declarar los estados de excepción y decretar la restricción de garantías en los casos previstos en esta
Constitución.
8. Dictar, previa autorización por una ley habilitante, decretos con fuerza de ley.
9. Convocar a la Asamblea Nacional a sesiones extraordinarias.
10. Reglamentar total o parcialmente las leyes, sin alterar su espíritu, propósito y razón.
11. Administrar la Hacienda Pública Nacional.
12. Negociar los empréstitos nacionales.
13. Decretar créditos adicionales al Presupuesto, previa autorización de la Asamblea Nacional o de la
Comisión Delegada.
14. Celebrar los contratos de interés nacional conforme a esta Constitución y la ley.
15. Designar, previa autorización de la Asamblea Nacional o de la Comisión Delegada, al Procurador o
Procuradora General de la República y a los jefes o jefas de las misiones diplomáticas permanentes.

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16. Nombrar y remover a aquellos funcionarios o aquellas funcionarias cuya designación le atribuyen
esta Constitución y la ley.
17. Dirigir a la Asamblea Nacional, personalmente o por intermedio del Vicepresidente Ejecutivo o Vi-
cepresidenta Ejecutiva, informes o mensajes especiales.
18. Formular el Plan Nacional de Desarrollo y dirigir su ejecución previa aprobación de la Asamblea
Nacional.
19. Conceder indultos.
20. Fijar el número, organización y competencia de los ministerios y otros organismos de la Administra -
ción Pública Nacional, así como también la organización y funcionamiento del Consejo de Minis-
tros, dentro de los principios y lineamientos señalados por la correspondiente ley orgánica.
21. Disolver la Asamblea Nacional en el supuesto establecido en esta Constitución.
22. Convocar referendos en los casos previstos en esta Constitución.
23. Convocar y presidir el Consejo de Defensa de la Nación.
24. Las demás que le señale esta Constitución y la ley.

El Presidente o Presidenta de la República ejercerá en Consejo de Ministros las atribuciones señaladas en


los numerales 7, 8, 9, 10, 12, 13, 14, 18, 20, 21, 22 y las que le atribuya la ley para ser ejercidas en igual
forma. Los actos del Presidente o Presidenta de la República, con excepción de los señalados en los ordi-
nales 3 y 5, serán refrendados para su validez por el Vicepresidente Ejecutivo o Vicepresidenta Ejecutiva
y el Ministro o Ministra o Ministros o Ministras respectivos.

Artikel 236. Befugnisse und Pflichten des Präsidenten oder der Präsidentin der Republik sind:

1. Diese Verfassung und das Gesetz zu befolgen und für die Befolgung durch andere Sorge zu tragen.
2. Die Regierungstätigkeit zu leiten.
3. Den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin zu ernennen und zu entlassen; die Minister oder
Ministerinnen zu ernennen und zu entlassen.
4. Die Außenpolitik der Republik zu leiten und internationale Verträge, Abkommen oder
Vereinbarungen zu schließen oder zu ratifizieren.
5. In seiner oder ihrer Eigenschaft als Oberbefehlshaber oder Oberbefehlshaberin die Nationalen
Streitkräfte zu leiten, in deren Hierarchie die höchste Autorität auszuüben und ihren
Truppenbestand festzulegen.
6. Das Oberkommando der Nationalen Streitkräfte auszuüben, deren Offiziere oder Offizierinnen ab
dem Rang eines oder einer Obersten sowie eines Kapitäns oder einer Kapitänin zur See zu befördern
und sie für diejenigen Posten zu ernennen, die ihnen vorbehalten sind.
7. Die verschiedenen Formen des Ausnahmezustandes auszurufen und in den von dieser Verfassung
vorgesehenen Fällen die Einschränkung der verfassungsmäßigen Garantien anzuordnen.
8. Nach vorheriger Genehmigung durch ein ermächtigendes Gesetz Dekrete mit Gesetzeskraft zu
erlassen.
9. Die Nationalversammlung zu außerordentlichen Sitzungen einzuberufen.
10. Ausführungsbestimmungen zu Gesetzen ganz oder teilweise zu erlassen, ohne deren Geist,
Zielsetzung und Grundlage zu verändern.
11. Die nationalen Staatsfinanzen zu verwalten.
12. Staatsanleihen auszuhandeln.
13. Nach vorheriger Genehmigung durch die Nationalversammlung oder den Geschäftsführenden
Ausschuss zusätzliche Kreditaufnahmen zum Haushalt zu verfügen.
14. Im Einklang mit dieser Verfassung und dem Gesetz Verträge von nationalem Interesse
abzuschließen.
15. Nach vorheriger Genehmigung durch die Nationalversammlung oder den Geschäftsführenden
Ausschuss den Generalbundesanwalt oder die Generalbundesanwältin der Republik und die Leiter
oder Leiterinnen der ständigen diplomatischen Vertretungen zu berufen.
16. Diejenigen Amtsträger oder Amtsträgerinnen zu berufen und zu entlassen, deren Ernennung ihm
oder ihr gemäß dieser Verfassung und dem Gesetz zusteht.
17. Persönlich oder durch den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin besondere Berichte oder
Botschaften an die Nationalversammlung zu richten.
18. Den Nationalen Entwicklungsplan zu formulieren und dessen Umsetzung zu leiten, nachdem dieser
durch die Nationalversammlung gebilligt worden ist.

115
19. Begnadigungen zu gewähren.
20. Innerhalb der vom entsprechenden Organgesetz bestimmten Grundsätze und Leitlinien die Anzahl,
den Aufbau und die Zuständigkeiten der Ministerien und anderer Organe der Nationalen
Öffentlichen Verwaltung festzulegen, ebenso wie auch die Organisation und Funktionsweise des
Ministerrats.
21. Die Nationalversammlung aufzulösen, wenn die in dieser Verfassung bestimmte Voraussetzung
dafür vorliegt.
22. Volksabstimmungen in den in dieser Verfassung vorgesehenen Fällen anzusetzen.
23. Den Nationalen Verteidigungsrat einzuberufen und dort den Vorsitz zu führen.
24. Die weiteren Befugnisse und Pflichten, die diese Verfassung und das Gesetz ihm oder ihr
übertragen.

Der Präsident oder die Präsidentin der Republik nimmt mit dem Ministerrat die Befugnisse wahr, die in
den Ziffern 7, 8, 9, 10, 12, 13, 14, 18, 20, 21, 22 aufgeführt sind, sowie diejenigen, die das Gesetz ihm
oder ihr überträgt und die in gleicher Weise wahrzunehmen sind. Die Amtshandlungen des Präsidenten
oder der Präsidentin der Republik, mit Ausnahme der in den Ziffern 3 und 5 aufgeführten, werden, um
Gültigkeit zu enthalten, vom Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin und vom jeweiligen Minister oder
der Ministerin, den jeweiligen Ministern oder Ministerinnen gegengezeichnet.

Artículo 274. Los órganos que ejercen el Poder Ciudadano tienen a su cargo, de conformidad con esta Cons-
titución y con la ley, prevenir, investigar y sancionar los hechos que atenten contra la ética pública y la moral
administrativa; velar por la buena gestión y la legalidad en el uso del patrimonio público, el cumplimiento y
la aplicación del principio de la legalidad en toda la actividad administrativa del Estado, e igualmente, promo-
ver la educación como proceso creador de la ciudadanía, así como la solidaridad, la libertad, la democracia, la
responsabilidad social y el trabajo.

Artikel 274. Die Organe, durch die die Bürgergewalt ausgeübt wird, haben im Einklang mit dieser
Verfassung und dem Gesetz die Aufgabe, Handlungen, die gegen die öffentliche Ethik und die Einhaltung
moralischer Grundsätze in der Verwaltung verstoßen, vorzubeugen, sie zu untersuchen und zu bestrafen;
über eine gute Amtsführung und die rechtmäßige Nutzung öffentlichen Eigentums und Vermögens, die
Erfüllung und Anwendung des Legalitätsprinzips im gesamten staatlichen Verwaltungshandeln zu wachen.
Gleichermaßen sollen sie die Bildung fördern als ein Mittel, das Bürgersinn schafft, ebenso wie die
Solidarität, Freiheit, Demokratie, soziale Verantwortung und die Arbeit.

Artículo 293. El Poder Electoral tienen por funciones:

1. Reglamentar las leyes electorales y resolver las dudas y vacíos que éstas susciten o contengan.
2. Formular su presupuesto, el cual tramitará directamente ante la Asamblea Nacional y administrará
autónomamente.
3. Dictar directivas vinculantes en materia de financiamiento y publicidad político-electorales y aplicar
sanciones cuando no sean acatadas.
4. Declarar la nulidad total o parcial de las elecciones.
5. La organización, administración, dirección y vigilancia de todos los actos relativos a la elección de
los cargos de representación popular de los poderes públicos, así como de los referendos.
6. Organizar las elecciones de sindicatos, gremios profesionales y organizaciones con fines políticos en
los términos que señale la ley. Así mismo, podrán organizar procesos electorales de otras organiza-
ciones de la sociedad civil a solicitud de éstas, o por orden de la Sala Electoral del Tribunal Supremo
de Justicia. Las corporaciones, entidades y organizaciones aquí referidas cubrirán los costos de sus
procesos eleccionarios.
7. Mantener, organizar, dirigir y supervisar el Registro Civil y Electoral.
8. Organizar la inscripción y registro de las organizaciones con fines políticos y velar porque éstas
cumplan las disposiciones sobre su régimen establecidas en la Constitución y en la ley. En especial,
decidirá sobre las solicitudes de constitución, renovación y cancelación de organizaciones con fines
políticos, la determinación de sus autoridades legítimas y sus denominaciones provisionales, colores
y símbolos.
9. Controlar, regular e investigar los fondos de financiamiento de las organizaciones con fines políti-
cos.

116
10. Las demás que determine la ley.

Los órganos del Poder Electoral garantizarán la igualdad, confiabilidad, imparcialidad, transparencia y efi-
ciencia de los procesos electorales, así como la aplicación de la personalización del sufragio y la representa -
ción proporcional.

Artikel 293. Die Wahlgewalt hat zur Aufgabe:

1. Die Wahlgesetzgebung zu regeln sowie Zweifel und Gesetzeslücken zu klären, die diese aufkommen
lassen oder enthalten könnten.
2. Ihren Haushalt aufzustellen, den sie unmittelbar bei der Nationalversammlung zur Genehmigung
vorlegt und eigenständig verwaltet.

3. Verbindliche Richtlinien auf dem Gebiet der Wahlkampffinanzierung und Öffentlichkeitsarbeit im


Wahlkampf zu erlassen und Sanktionen zu verhängen, wenn die Richtlinien nicht beachtet werden.

4. Die völlige oder teilweise Nichtigkeit von Wahlen festzustellen.

5. Die Organisation, Verwaltung, Leitung und Überwachung aller Handlungen, die in Verbindung mit
den Wahlen von Volksvertretern oder Volksvertreterinnen in allen öffentlichen Bereichen sowie mit
Volksabstimmungen stehen.

6. Wahlen in Gewerkschaften, Berufsverbänden und Organisationen mit politischer Zielsetzung im


gesetzlich bestimmten Rahmen zu organisieren. Gleichermaßen können Wahlprozesse anderer
Organisationen der Zivilgesellschaft auf deren Wunsch oder auf Anordnung des Senats für
Wahlangelegenheiten des Obersten Gerichtshofes organisiert werden. Die hier genannten
Körperschaften, Vereine und Organisationen tragen die Kosten ihrer Wahlprozesse.

7. Das Personenstands- und Wahlregister zu führen, zu organisieren, zu leiten und zu überwachen.

8. Die Eintragung und Erfassung von Organisationen mit politischer Zielsetzung zu organisieren und
darüber zu wachen, dass diese die in der Verfassung und im Gesetz festgelegten Bestimmungen
bezüglich ihrer inneren Ordnung einhalten. Insbesondere entscheidet sie über die Anträge auf
Neugründung, Veränderung und Auflösung von Organisationen mit politischer Zielsetzung, über die
Bestimmung ihrer jeweiligen rechtmäßigen Führung und über ihre provisorischen Bezeichnungen,
Farben und Symbole.

9. Die Herkunft der finanziellen Mittel von Organisationen mit politischer Zielsetzung zu kontrollieren,
zu regeln und zu untersuchen.

10. Alle weiteren im Gesetz vorgesehenen Befugnisse.

Die Organe der Wahlgewalt gewährleisten Gleichheit, Vertrauenswürdigkeit, Unparteilichkeit, Transparenz


und Effizienz von Wahlprozessen sowie die Anwendung der personengebundenen Stimmabgabe und des
Verhältniswahlrechts.

Artículo 296. El Consejo Nacional Electoral estará integrado por cinco personas no vinculadas a organizacio-
nes con fines políticos; tres de ellos o ellas serán postulados o postuladas por la sociedad civil, uno o una por
las facultades de ciencias jurídicas y políticas de las universidades nacionales, y uno o una por el Poder Ciu -
dadano. Los o las tres integrantes postulados o postuladas por la sociedad civil tendrán seis suplentes en se-
cuencia ordinal, y cada designado o designada por las universidades y el Poder Ciudadano tendrá dos suplen-
tes, respectivamente. La Junta Nacional Electoral, la Comisión de Registro Civil y Electoral y la Comisión de
Participación Política y Financiamiento, serán presididas cada una por un o una integrante postulado o postu -
lada por la sociedad civil. Los o las integrantes del Consejo Nacional Electoral durarán siete años en sus fun -
ciones y serán elegidos o elegidas por separado: los tres postulados o postuladas por la sociedad civil al inicio
de cada período de la Asamblea Nacional, y los otros dos a la mitad del mismo. Los o las integrantes del Con -
sejo Nacional Electoral serán designados o designadas por la Asamblea Nacional con el voto de las dos terce -

117
ras partes de sus integrantes. Los o las integrantes del Consejo Nacional Electoral escogerán de su seno a su
Presidente o Presidenta, de conformidad con la ley. Los o las integrantes del Consejo Nacional Electoral se -
rán removidos o removidas por la Asamblea Nacional, previo pronunciamiento del Tribunal Supremo de Jus-
ticia.

Artikel 296. Der Nationale Wahlrat setzt sich aus fünf Personen ohne Verbindung zu Organisationen mit
politischer Zielsetzung zusammen, von denen drei durch die Zivilgesellschaft zur Wahl vorgeschlagen
werden, eine von den Fakultäten für Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften der nationalen
Universitäten und eine von der Bürgergewalt. Für die drei von der Zivilgesellschaft vorgeschlagenen
Mitglieder gibt es sechs Nachrücker oder Nachrückerinnen gemäß Listenplatz, und für jedes von den
Universitäten und der Bürgergewalt vorgeschlagene Mitglied gibt es jeweils zwei Nachrücker oder
Nachrückerinnen. Der Nationale Wahlausschuss, die Kommission für das Personenstands- und Wahlregister
und die Kommission für Politische Teilhabe und Finanzausstattung stehen jeweils unter dem Vorsitz eines
von der Zivilgesellschaft vorgeschlagenen Mitglieds. Die Mitglieder des Nationalen Wahlrats üben ihr Amt
sieben Jahre land aus und werden getrennt gewählt: die drei von der Zivilgesellschaft als Kandidaten oder
Kandidatinnen aufgestellten zu Beginn einer jeden Sitzungsperiode der Nationalversammlung, die anderen
beiden nach der Hälfte der Sitzungsperiode. Die Mitglieder des Nationalen Wahlrats werden von der
Nationalversammlung mit den Stimmen von zwei Dritteln ihrer Mitglieder ernannt. Die Mitglieder des
Nationalen Wahlrats werden durch die Nationalversammlung abberufen, wenn zuvor der Oberste
Gerichtshof hierüber entschieden hat.

Artículo 307. El régimen latifundista es contrario al interés social. La ley dispondrá lo conducente en materia
tributaria para gravar las tierras ociosas y establecerá las medidas necesarias para su transformación en unida-
des económicas productivas, rescatando igualmente las tierras de vocación agrícola. Los campesinos o cam-
pesinas y demás productores agropecuarios y productoras agropecuarias tienen derecho a la propiedad de la
tierra, en los casos y formas especificados en la ley respectiva. El Estado protegerá y promoverá las formas
asociativas y particulares de propiedad para garantizar la producción agrícola. El Estado velará por la ordena -
ción sustentable de las tierras de vocación agrícola para asegurar su potencial agroalimentario. Excepcional -
mente se crearán contribuciones parafiscales con el fin de facilitar fondos para financiamiento, investigación,
asistencia técnica, transferencia tecnológica y otras actividades que promuevan la productividad y la competi-
tividad del sector agrícola. La ley regulará lo conducente a esta materia.

Artikel 307. Der Großgrundbesitz verstößt gegen das gesellschaftliche Interesse. Das Gesetz trifft
steuerrechtliche Regelungen, um ungenutztes Land mit Steuern und Abgaben zu belasten mit dem Ziel, dass
das brachliegende Land in produktive Wirtschaftseinheiten verwandelt wird, womit gleichzeitig die
Ländereien für die landwirtschaftliche Nutzung gerettet werden. Die Bauern und Bäuerinnen sowie die
übrigen landwirtschaftlichen Kleinerzeuger und Kleinerzeugerinnen haben das Recht auf Landeigentum in
den Fällen und Formen, die das Gesetz hierfür vorsieht. Der Staat schützt und fördert die gemeinschaftlichen
und privaten Eigentumsformen, um die landwirtschaftliche Produktion zu gewährleisten. Der Staat wacht
über die nachhaltige Raumordnung für landwirtschaftlich genutzte Ländereien, um deren
landwirtschaftliches Ernährungspotential zu sichern.

Artículo 326. La seguridad de la Nación se fundamenta en la corresponsabilidad entre el Estado y la sociedad


civil para dar cumplimiento a los principios de independencia, democracia, igualdad, paz, libertad, justicia,
solidaridad, promoción y conservación ambiental y afirmación de los derechos humanos, así como en la satis -
facción progresiva de las necesidades individuales y colectivas de los venezolanos y venezolanas, sobre las
bases de un desarrollo sustentable y productivo de plena cobertura para la comunidad nacional. El principio
de la corresponsabilidad se ejerce sobre los ámbitos económico, social, político, cultural, geográfico, ambien-
tal y militar.

Artikel 326. Die Sicherheit der Nation gründet sich auf die gemeinschaftliche Verantwortung von Staat und
Zivilgesellschaft, die Prinzipien der Unabhängigkeit, der Demokratie, der Gleichheit, des Friedens, der
Freiheit, der Gerechtigkeit, der Solidarität, der Förderung und der Bewahrung der Umwelt und der
Bekräftigung der Menschenrechte zu verwirklichen. Sie beruht weiterhin darauf, dass die individuellen und
kollektiven Bedürfnisse der Venezolaner und Venezolanerinnen auf der Grundlage einer nachhaltigen und
produktiven Entwicklung, die die gesamte nationale Gemeinschaft erfasst, in zunehmendem Maße befriedigt
werden. Der Grundsatz der gemeinschaftlichen Verantwortung bezieht sich auf den wirtschaftlichen,
sozialen, politischen, kulturellen, geographischen und militärischen Bereich sowie auf den Bereich des
Umweltschutzes.

118
Artículo 328. La Fuerza Armada Nacional constituye una institución esencialmente profesional, sin militan-
cia política, organizada por el Estado para garantizar la independencia y soberanía de la Nación y asegurar la
integridad del espacio geográfico, mediante la defensa militar, la cooperación en el mantenimiento del orden
interno y la participación activa en el desarrollo nacional, de acuerdo con esta Constitución y con la ley. En el
cumplimiento de sus funciones, está al servicio exclusivo de la Nación y en ningún caso al de persona o par -
cialidad política alguna. Sus pilares fundamentales son la disciplina, la obediencia y la subordinación. La
Fuerza Armada Nacional está integrada por el Ejército, la Armada, la Aviación y la Guardia Nacional, que
funcionan de manera integral dentro del marco de su competencia para el cumplimiento de su misión, con un
régimen de seguridad social integral propio, según lo establezca su respectiva ley orgánica.
Artículo 333. Esta Constitución no perderá su vigencia si dejare de observarse por acto de fuerza o porque
fuere derogada por cualquier otro medio distinto al previsto en ella.

Artikel 328. Die Nationalen Streitkräfte sind eine Institution, die als Berufsstreitkräfte und ohne politische
Ausrichtung vom Staat aufgestellt sind, um in Übereinstimmung mit den Vorschriften dieser Verfassung und
der Gesetze die Unabhängigkeit und Souveränität der Nation zu gewährleisten und die Integrität des
geographischen Raums durch militärische Verteidigung, Mitwirken bei der Aufrechterhaltung der inneren
Ordnung und aktive Teilnahme an der nationalen Entwicklung zu sichern. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben
dienen sie ausschließlich der Nation und keiner Person oder politischen Richtung. Ihre Grundpfeiler sind
Disziplin, Gehorsam und Unterordnung. Die Nationalen Streitkräfte bestehen aus dem Heer, der
Kriegsmarine, den Luftstreitkräften und der Nationalgarde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ihren
Dienst tun, um ihren Auftrag umfassend zu erfüllen, und gemäß den Festlegungen des entsprechenden
Organgesetzes über ein eigenes umfassendes Sozialversicherungssystem verfügen.

Artículo 341. Las enmiendas a la Constitución se tramitarán en la forma siguiente:

1. La iniciativa podrá partir del quince por ciento de los ciudadanos y ciudadanas inscritas en
el Registro Civil y Electoral; o de un treinta por ciento de los integrantes de la Asamblea
Nacional o del Presidente o Presidenta de la República en Consejo de Ministros.
2. Cuando la iniciativa parta de la Asamblea Nacional, la enmienda requerirá la aprobación de
ésta por la mayoría de sus integrantes y se discutirá, según el procedimiento establecido en
esta Constitución para la formación de leyes.

3. El Poder Electoral someterá a referendo las enmiendas a los treinta días siguientes a su re-
cepción formal.

4. Se considerarán aprobadas las enmiendas de acuerdo con lo establecido en esta Constitu-


ción y la ley respecto al referendo aprobatorio.

5. Las enmiendas serán numeradas consecutivamente y se publicarán a continuación de la


Constitución sin alterar el texto de ésta, pero anotando al pie del artículo o artículos enmen-
dados la referencia de número y fecha de la enmienda que lo modificó.

Artikel 341. Änderungen an dieser Verfassung werden in der folgenden Form durchgeführt:

1. Die Initiative zur Verfassungsänderung kann von fünfzehn Prozent der im Personenstands- und
Wahlregister eingetragenen Bürger und Bürgerinnen ausgehen oder von dreißig Prozent der
Mitglieder der Nationalversammlung oder vom Präsidenten oder der Präsidentin der Republik mit
dem Ministerrat.
2. Wenn die Initiative von der Nationalversammlung ausgeht, bedarf der Entwurf der Zustimmung der
Mehrheit ihrer Mitglieder, und die Debatte hierüber wird entsprechend dem in dieser Verfassung
vorgeschriebenen Verfahren zur Gesetzgebung geführt.

3. Die Wahlgewalt beraumt innerhalb von dreißig Tagen nach dem förmlichen Eingang des Entwurfs
eine Volksabstimmung über die Verfassungsänderung an.

119
4. Die Verfassungsänderungen gelten als angenommen, wenn die in dieser Verfassung und dem Gesetz
enthaltenen Voraussetzungen für die erfolgreiche Zustimmung durch Volksabstimmung erfüllt
worden sind.

5. Die Verfassungsänderungen werden fortlaufend nummeriert und im Anhang an diese Verfassung


veröffentlicht, ohne den Text der Verfassung zu verändern. Jedoch erfolgt am Ende des geänderten
Artikels oder der geänderten Artikel ein Hinweis auf die Nummer und das Datum der
Verfassungsänderung.

Artículo 342. La Reforma Constitucional tiene por objeto una revisión parcial de esta Constitución y la susti-
tución de una o varias de sus normas que no modifiquen la estructura y principios fundamentales del texto
Constitucional. La iniciativa de la Reforma de la Constitución la ejerce la Asamblea Nacional mediante
acuerdo aprobado por el voto de la mayoría de sus integrantes, por el Presidente o Presidenta de la República
en Consejo de Ministros o a solicitud de un número no menor del quince por ciento de los electores inscritos
y electoras inscritas en el Registro Civil y Electoral que lo soliciten.

Artikel 342. Eine Verfassungsreform hat die teilweise Überarbeitung dieser Verfassung zum Ziel und die
Ersetzung einer oder mehrerer Normen, ohne die grundsätzliche Struktur und Grundprinzipien des
Verfassungstextes zu ändern. Die Initiative für eine Verfassungsreform kann von der Nationalversammlung
durch einen mit der Mehrheit ihrer Mitglieder gefassten Beschluss ausgehen; durch den Präsidenten oder die
Präsidentin der Republik mit dem Ministerrat oder durch mindestens fünfzehn Prozent der im
Personenstands- und Wahlregister eingetragenen Wähler und Wählerinnen, die dies beantragen.

Artículo 348. La iniciativa de convocatoria a la Asamblea Nacional Constituyente podrá hacerla el Presidente
o Presidenta de la República en Consejo de Ministros; la Asamblea Nacional, mediante acuerdo de la dos ter -
ceras partes de sus integrantes; los Consejos Municipales en cabildos, mediante el voto de las dos terceras
partes de los mismos; y el quince por ciento de los electores inscritos y electoras en el Registro Civil y Electo-
ral.

Artikel 348. Die Initiative zur Einberufung der Verfassungsgebenden Nationalversammlung kann ergriffen
werden vom Präsidenten oder der Präsidentin der Republik mit dem Ministerrat, von der
Nationalversammlung durch einen mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder verabschiedeten
Beschluss, den versammelten Gemeinderäten mit den Stimmen von zwei Dritteln ihrer Mitglieder; oder von
fünfzehn Prozent der im Personenstands- und Wahlregister eingetragenen Wähler und Wählerinnen.

Artículo 350. El pueblo de Venezuela, fiel a su tradición republicana, a su lucha por la independencia, la paz
y la libertad, desconocerá cualquier régimen, legislación o autoridad que contraríe los valores, principios y
garantías democráticos o menoscabe los derechos humanos.

Artikel 350. Getreu seiner republikanischen Tradition und seines Kampfes für die Unabhängigkeit, den
Frieden und die Freiheit erkennt das Volk Venezuela keinerlei Ordnung, keinerlei Gesetzgebung oder
Autorität an, die in Widerspruch zu den demokratischen Werten, Prinzipien und Garantien stehen oder die
Menschanrechte beeinträchtigen.

120
Jahr Art der Wahl Wahlenthaltu
ng %
1958 Nationale Wahlen 6.58
1963 Nationale Wahlen 7.79
1968 Nationale Wahlen 5.64
1973 Nationale Wahlen 3.48
1978 Nationale Wahlen 12.43
1979 Wahlen auf lokaler Ebene 27.13
1983 Nationale Wahlen 12.25
1984 Wahlen auf lokaler Ebene 40.7
1989 Regionale Wahlen 18.1
1992 Regionale Wahlen 50.72
1993 Nationale Wahlen 39.84
1995 Nationale Wahlen 53.85
Nov. Nationale und regionale 47.56
1998 Wahlen
Dez. Präsidentschaftswahl 36.54
1998
April Volksbefragung 62.35
1999 (referendo consultivo) Anhang B: Wahlenthaltung
Juli Wahlen zur 53.77
in 1999 Verfassungsgebenden Venezuela 1958-2005
Versammlung
Dez. Referendum zur Annahme 55.63
1999 der Verfassung (referendo
decisorio aprobatorio)
Juli „Megawahlen“ und 43.69
2000 Referendum zur Neuwahl
der
Gewerkschaftsvorstände
(referendo consultivo)
Dez. Wahlen auf lokaler Ebene 76.20
2000
April Referendum zur 30.3
2004 Amtsenthebung des
Präsidenten (referendo
121
revocatorio/ratificatorio)
2004 Regionale Wahlen 51.55
2005 Wahlen auf lokaler Ebene 69.18
Quelle: CNE. Unter:http://www.observatorioelectoral.org/informes/documentos/data/09-
05-castellanos.pdf (18.06.2006)

Anhang C: Politische Parteien in Venezuela im Überblick:

 Movimiento V República (MVR), gegründet 1998, Partei der Regierung Chávez;


 Movimiento al Socialismo (MAS), Abzweigung der Kommunistischen Partei,
gegründet 1971, heute sozialdemokratisch ausgerichtet;
 Partido Comunista de Venezuela (PCV), gegründet 1931, unterstützt die Regierung
Chávez;

Opposition
 Acción Democrática (AD), gegründet 1941;

122
 Comité de Organización Política Electoral Independiente (COPEI), gegründet 1946;
 Un Nuevo Tiempo (UNT);
 Proyecto Venezuela (PRVZL), gegründet 1998 von Henrique Salas Römer, ehem.
Gouverneur von Carabobo.
 Fuerza Liberal, gegründet 2002 (offizielle Genehmigung 2005);
 Primero Justicia (PJ), gegründet 1992;
 Alianza por la Libertad;
 Apertura y Participación Nacional (APN);
 Causa Radical (Causa R);
 Convergencia Nacional (CN), gegründet 1993;
 Coordinadora Democrática (CD);
 Derecha Emergente de Venezuela (DEV), gegründet 1998;
 Integración y Renovación Nueva Esperanza (IRENE), gegründet 1998;
 Movimiento Electoral del Pueblo (MEP), Abzweigung der AD, gegründet 1967;
 Nueva Alternativa (NA), Allianz der demokratischen Linken;
 Patria Para Todos (PPT);
 Polo Patriótico (PP), 1998; u.a.

Anhang D: Stimmungsbarometer und Wahlabsicht 2002-2004

Variable Institut 7-8 2003 2-3 2004 6-7 2004

Wirtschaftslage Greenberg 69% 42%


verschlechtert
Chávez ist dafür Greenberg 47%
verantwortlich
Die Opposition ist Greenberg 43%
verantwortlich
Politische Consultores 21 70%
Kursänderung nötig
Regierung leistet gute Greenberg 47% 54%
Arbeit

123
Chávez hilft den Greenberg 53% 62%
Armen
Die Missionen sind Greenberg 58%
eine gute Sache
Die Missionen sollten Greenberg 68%
erweitert werden
Wahlabsicht/Für: Indaga 40:51% 50:47% 55:42%
Gegen Chávez

Quellen: Consultores 21, Greenberg und Indaga in Venezuelan Views 2004.


Vgl. WELSCH, Friedrich/REYES, Gabriel: Chronik eines angekündigtren Wahlsiegs.
Venezuelas Präsident Hugo Chávez geht gestärkt aus dem Volksentschied über seine
Amtsenthebung hervor. In: Brennpunkt Lateinamerika Nr. 17 2004:190.

Anhang E: Vertrauen in Institutionen in Venezuela 1996.

Institution Vertrauen
Katholische Kirche 74
Streitkräfte 60
Presse 58
TV 52
Große Unternehmen 52
Umweltbewegung 49
Justiz 37
Polizei 30
Öffentliche Verwaltung 30
Regierung des Staates 27

124
Gewerkschaften 26
Nationalkongress 23
Politische Parteien 15

Quelle: EMV 1996.


Vgl.: CARRASQUERO AUMAITRE, José Vicente: Venezuela: Demokratie in der Krise? In:
EUROPA - AMERICA LATINA. Analysen und Berichte Nr. 9 Konrad-Adenauer-Stiftung,
Rio de Janeiro 2002:26.

Anhang F: Schwankungen in der Popularität von Hugo Chávez am Anfang seiner


Amtszeit (1999-2002)

Datum Positiv Negativ Differenz

Februar 1999 92% 5% +87


Februar 2000 77% 22% +55
April 2000 61% 38% +23
Mai 2000 56% 44% +12
Juni 2000 61% 38% +23
Februar 2001 63% 36% +27
Juli 2001 56% 43% +13
Dezember 2001 36% 58% -22

125
Februar 2002 34% 63% -29
April 2002 45% 55% -10

Quelle: Datanálisis, Bericht Mai 2002


Vgl.: CARRASQUERO AUMAITRE, José Vicente: Venezuela: Demokratie in der Krise? In:
EUROPA - AMERICA LATINA. Analysen und Berichte Nr. 9 Konrad-Adenauer-Stiftung,
Rio de Janeiro 2002:37.

Anhang G: Wahlsiege von Hugo Chávez seit 1998

Abstimmung Ergebnis
Dezember 1998 Präsidentschaftswahl 56,9% für Chávez
Juli 1999 Verfassungsgebende 120 von 128 Mandaten an
Versammlung Chávez-Anhänger
Dezember 1999 Referendum über eine neue 71,2% Ja-Stimmen
Verfassung
Juli 2000 Parlamentswahlen 99 von 165 Mandaten an Polo
Patriótico
Juli 2000 Präsidentschaftswahl 59,5% für Chávez

126
August 2004 Referendum über eine 60% Nein-Stimmen
Amtsenthebung
Dezember 2005 Partlamentswahlen Über 90% für die von Chávez
angeführte Parteienkoalition
(Wahlboykott der Opposition)

Quelle: Freitag 25 – Die Ost-West Wochenzeitung, Berlin 10.03.2006. Unter:


http://www.freitag.de/2006/10/06100801.php (29.03.2006)

Anhang H: Ausblick auf die Präsidentschaftswahlen im Dezember 2006

127
Necesidad de que P.: ¿Cómo cree que debería escogerse al candidato
“aparezca un líder con un mensaje claro que represente a toda la Oposición, por ejemplo,
y capaz de unir a toda la Oposición” para las próximas elecciones presidenciales?

En la serie histórica (se leen las tres alternativas)

10 0

Por elección popular 64


90 tipo primarias
76
80
71 72 71
70
Por encuestas 25

60

Por decisión de los


50
propios partidos
7
40

30 Por otro método 1


20

10
Ns/Nc 3
0

II 2005 III 2005 IV 2005 I 2006


0 10 20 30 40 50 60 70

KELLER y Asoc.: LA ENCRUCIJADA ELECTORAL VENEZOLANA, April 2006.

Quelle: KELLER y Asoc.: Estudio Nacional de Opinión Pública, März 2006.

128
Popularidad P.: Si las elecciones fueran
de Chávez el próximo domingo,
(nivel de agrado) ¿por quién votaría Ud.?

13
8

24
63 35 57

Agrada Desagrada Ns/Nc


Chávez Otros Ns/Nc

KELLER y Asoc.: LA ENCRUCIJADA ELECTORAL VENEZOLANA, April 2006

Quelle : KELLER y Asoc.: Estudio Nacional de Opinión Pública, Februar 2006

129
Quelle: http://www.datanalisis.com.ve (18.03.2006)

130
Anhang I: Aktuelle Daten (2005) zur öffentlichen Meinung in Venezuela

Quelle: http://www.datanalisis.com.ve (18.03.2006)

131
Quelle: http://www.datanalisis.com.ve (18.03.2006)

132
Tabelle 1 :Misiones seit 2003306

Bezeichnung/ Start Ziel Reichweite


Misión Robinson I und II Alphabetisierungsprogramm für 1,5 Millionen Teilnehmer bis
ab Juli 2003 Erwachsene. Erlangung eines 2005. 600 000
Primarschulabschlusses (6. Klasse). eingeschriebene Schüler
Lehrmethode “Yo sí puedo” (Ich kann es!) im Jahr 2005
(MR I) und
“Yo sí puedo seguir” (Ich kann auch noch
mehr!) (MR II)
Misión Ribas Erwachsenenbildungsprogramm zur 250 000 integrierte Personen
ab November 2003 Erlangung eines Sekundarabschlusses 100 000 Stipendien
(11.Klasse) 770 000 Sekundarabschlüsse
(2004)
Misión Sucre Dezentrale Hochschulausbildung in 450 000 Studenten aller
ab 2003 Studienzirkeln oder über Fernkurse sozialen
Art. 102 CBV Schichten, die nicht an die
Universidad Bolivariana
zugelssen wurden (2004)
Misión Mercal Verkauf von Fast 8 Millionen Personen
ab April 2003 Lebensmitteln und Produkten profitieren 2005 von neu
für die Grundversorgung zu geschaffenen Markthallen
subventionierten Preisen, und mobilen Märkten
Schulung für Einzelhändler und
Kooperativen
Misión Barrio Adentro I Sicherung der medizinischen 12 Millionen betreute
und II Grundversorgung der gesamten Personen
ab April 2003 Bevölkerung. Programme für 12 000 neue Artztpraxen
Art. 83, 84 und 85 CBV Volksapotheken zur Beschaffung (2005)
lebensnotwendiger Medikamente
Misión Identidad Einbürgerung illegaler Einwanderer Über 5 Mio. neue
ab Oktober 2003 und Migranten venezolanische
Staatsbürger

Bezeichnung/ Ziel Reichweite


306
Diese Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient ausschließlich der leichteren Übersicht. Quellen:
BRITTO GARCÌA, Luis: Erleben wir eine Revolution? In: BOECKH, Andreas/SEVILLA, Rafael 2005:127ff op. cit.
http://www.barrioadentro.gov.ve, http://www.misioncultura.gob.ve, http://www.misionciencia.gob.ve, http://www.min-
tra.gov.ve, http://www.misionrobinson.gov.ve, http://www.foronacional.gov.ve/vuelvancaras/mision.html
(02.05.2006); http://www.minci.gov.ve/obras1.asp?tipo=2, http://www.misionflorentino.org.ve/ (05.05.2006), http://
www.misionvenezuela.gov.ve (07.05.06)

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Start
Misión Guaicapuro Volkszählung indigener Völker Bisher 540 000 indigene Bür-
ab Oktober 2003 Integrations- und ger
Entwicklungsprogramme für die indigene
Völker
Misión Vuelvan Caras Alternative Produktionsmodelle einführen. 2004: 500 000 Handwerker
Anfang 2004 Arbeitsplätze schaffen. beleiligt.

Misión Milagro Prävention von Augenerkrankungen. März 2006: Insgesamt 11 800


ab Juli 2004 Ophtalmologische Behandlung Patienten
Tochterorganisation von aus Venezuela, Guatemala, El
Misión Barrio Adentro Salvador,
Costa Rica und Kolumbien
Misión Piar Förderung der kleinen Minenunternehmen 350 Kooperativen,
ab Juli 2004 Legalisierung illegaler Minen für 43 davon wurden bereits
Art. 64, 77 CBV Umweltschutz 8 Mio. Bolívares für Kredite
bereitgestellt
Misión Vuelta al Campo Umsiedlung der Bewohner von k.A.
ab Mitte 2005 Armenvierteln und Slums in Vorstädten
in das Innenland. Förderung der
Landwirtschaft.
Misión Negra Hipólita Hilfe für Obdachlose und k.A.
ab Januar 2006 Waisenkinder
Misión Ciencia Förderung der k.A.
ab Februar 2006 technologischen und wissenschaftlichen
Entwicklung. Weiterbildung und Schulung
von Universitäts- und
Sekundarschuleabsolventen.
Misión Madres del Ba- Unterstützung von Müttern in der k.A.
rrio Pflege und Erziehung ihrer Kinder
ab März 2006 Gliederung in Kommitees (CMB)

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