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Leseprobe

Antoine de Saint-Exupéry
Der Kleine Prinz / The
Little Prince
Deutsch Englisch
Zweisprachige Lektüre /
Parallel gesetzter Text /
Klassiker lesen und dabei
Englisch lernen

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Seiten: 192

Erscheinungstermin: 07. Oktober 2016

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Zum Buch
Als der Berufspilot und Schriftsteller Antoine de Saint -Exupéry 1943 den
'Kleinen Prinzen' erfand, konnte er nicht ahnen, welch gewaltiger Erfolg
sein Büchlein werden sollte. Die philosophisch-poetische Geschichte vom
kleinen Prinzen, der auf der Suche nach Freunden allerlei seltsame
Planeten bereist, übt ungebrochene Faszination aus. Sie ist ein Plädoyer
für Menschlichkeit, das in über 240 Sprachen und Dialekte übersetzt
worden ist. Zwei davon sind hier enthalten, Deutsch und Englisch. Ihr
Zusammenspiel ermöglicht einen spannenden Blick auf einen bekannten
Text, der so abermals und wieder neu zum Staunen bringt.

Autor
Antoine de Saint-Exupéry
Antoine de Saint-Exupéry, geboren 1900 in Lyon,
stammt aus einer der ältesten, französischen
Adelsfamilien. 1921 bis 1923 absolvierte er seinen
Wehrdienst bei der Luftwaffe in Straßburg und
wurde zum Flugzeugmechaniker und schließlich zum
Piloten ausgebildet. Seit 1926 war er Linienpilot,
später dann Postpilot nach Argentinien und Saigon.
1926 trat er erstmals als Autor mit der Novelle Der
Flieger hervor, sein Roman Nachtflug machte ihn
1930 berühmt. Im Zweiten Weltkrieg war Saint-
Exupéry zunächst Ausbilder für Piloten, dann Pilot
bei einem Aufklärungsgeschwader. 1943 erschien
Der kleine Prinz, das bekannteste Buch von Saint -
Exupéry, in welchem er seine Gedanken über den
Sinn des Lebens thematisiert. 1944 kehrte er von
Antoine de Saint-Exupéry
Der Kleine Prinz
To Léon Werth

I apologize to the children for dedicating this book


to a grown-up. I have a valid excuse: this person is
my best friend in the world. I have another excuse:
this grown-up person can understand everything,
even children’s books. I have a third excuse: this
grown-up lives in France where he is hungry and
cold. He really needs to be comforted. If all these
excuses are not enough, I dedicate this book to the
child that this grown-up once was. All grown-ups
were children once. (But few of them remember it.)
So I correct my dedication:

To Léon Werth
when he was a little boy
Für Léon Werth

Ich bitte alle Kinder um Verzeihung dafür, dass ich


dieses Buch einem Erwachsenen widme. Aber ich habe
eine gute Entschuldigung: Dieser Erwachsene ist mein
bester Freund auf der ganzen Welt. Und ich habe noch
eine Entschuldigung: Dieser Erwachsene kann alles
verstehen, sogar Kinderbücher. Und ich habe auch
noch eine dritte Entschuldigung: Dieser Erwachsene
wohnt in Frankreich, wo er hungert und friert.
Er braucht dringend Trost. Falls all diese Entschul-
digungen dennoch nicht ausreichen, möchte ich das
Buch dem Kind widmen, das dieser Erwachsene einmal
war. Alle großen Leute waren früher Kinder.
(Aber nur wenige von ihnen erinnern sich noch daran.)
Ich korrigiere also meine Widmung:

Für Léon Werth


als er ein kleiner Junge war
Throughout my life I’ve had many encounters with
many serious people. I have a great deal of experi-
ence with grown-ups. I have seen them up close. And
that hasn’t improved my opinion of them very much.
Whenever I met a grown-up who seemed to me a
bit clear-headed, I would show him my Drawing
Number One that I have always kept with me. I
wanted to find out if the person was truly under-
standing or not. But the person would always an-
swer, ‘That is a hat.’ So I would never talk to that
person about boa constrictors or primeval forests or
stars. I would bring myself down to his or her level. I
would talk about bridge, golf, politics, and neckties.
And the grown-up would be greatly pleased to have
met such a sensible man.

II
So I lived my life alone, without anyone who I could re-
ally talk to, until my plane broke down in the Saharan
desert six years ago. There was something wrong with
my engine. Since I didn’t have a mechanic or any pas-
sengers with me, I attempted to fix the difficult repairs
all alone. It was a question of life or death for me: I had
scarcely enough water to drink for eight days.
The first night I went to sleep on the sand, a thou-
sand miles from any inhabited land. I was more iso-
lated than a shipwrecked sailor on a raft in the middle
of the ocean. Thus you can imagine my amazement,
at sunrise, when I was awakened by an odd little
voice. It said:

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So kam ich im Lauf meines Lebens mit einer Menge
ernster Leute in Kontakt. Ich habe lange unter Erwach-
senen gelebt. Ich habe sie ganz aus der Nähe studiert.
Das hat meine Meinung von ihnen nicht unbedingt ver-
bessert.
Wenn ich einen Erwachsenen traf, der mir ein wenig
gescheiter erschien, testete ich ihn mit meiner Zeich-
nung Nummer 1, die ich aufbewahrt hatte. Ich wollte
wissen, ob er tatsächlich etwas begriff. Aber jeder sagte
nur: »Das ist ein Hut.« Also unterhielt ich mich mit ihm
weder über Riesenschlangen noch über Urwälder noch
über Sterne. Ich begab mich auf seine Stufe. Ich sprach
mit ihm über Bridge, Golf, Politik und Krawatten. Und
der Erwachsene freute sich sehr, einen so vernünftigen
Menschen getroffen zu haben.

II
Folglich lebte ich allein, ohne jemanden, mit dem ich wirk-
lich reden konnte, bis ich vor sechs Jahren in der Sahara
eine Panne hatte. Am Motor war etwas kaputtgegangen.
Und da ich weder einen Mechaniker noch Passagiere da-
beihatte, musste ich die schwierige Reparatur ganz allein
in Angriff nehmen. Für mich ging es um Leben und Tod.
Mein Trinkwasser würde nur knapp acht Tage reichen.
So schlief ich am ersten Abend auf dem Sand ein, tau-
send Meilen von jeder bewohnten Gegend entfernt. Ich
war noch viel einsamer als ein Schiffbrüchiger auf einem
Floß im Ozean. Ihr könnt euch meine Überraschung also
vorstellen, als mich bei Tagesanbruch ein lustiges Stimm-
chen weckte. Es sagte:

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‘Please…draw me a sheep!’
‘What?’
‘Draw me a sheep…’
I jumped to my feet, as if struck by lightning. I
blinked my eyes hard. I looked carefully all around.
And I saw the most extraordinary man standing
there staring at me intensely. Here is the best por-
trait that I was, later, able to make of him. But my
drawing is, of course, much less charming than the
model himself. It is not my fault, however. The
grown-ups discouraged me from pursuing a career in
art when I was six years old, and I never did learn how
to draw anything other than boa constrictors from
the outside and from the inside.
I stared at this sudden apparition with my eyes
wide open in awe. Remember, I was a thousand
miles away from any inhabited area. And yet my lit-
tle man didn’t appear to be lost, nor dying of exhaus-
tion, hunger, thirst, or fear. He didn’t look at all as
though he were lost in the middle of the desert, a
thousand miles from any inhabited area. When I was
finally able to speak, I said to him:

‘But…what are you doing here?’


And he answered me once again, very slowly, as if
he were talking about something very serious:
‘Please…draw me a sheep.’
When a mystery is too great, one doesn’t dare to
disobey. Strange as it might seem to me, a thou-
sand miles away from any populated area and in
danger of death, I took a sheet of paper and a foun-
tain pen out of my pocket. But then I remembered
I had mostly studied geography, history, arithmetic,
and grammar, and I told the little chap (who was a

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»Bitte … zeichne mir ein Schaf!«
»Was?«
»Zeichne mir ein Schaf …«
Ich sprang wie vom Blitz getroffen auf. Ich rieb mir
kräftig die Augen. Ich sah mich um. Und da erblickte ich
ein ganz außergewöhnliches Männchen, das mich ein-
dringlich musterte. Hier seht ihr das beste Porträt, das
ich später von ihm erstellen konnte. Aber meine Zeich-
nung ist natürlich lange nicht so entzückend wie das
Modell. Dafür kann ich nichts. Ich bin ja im Alter von
sechs Jahren von den Erwachsenen entmutigt worden,
meine Malerkarriere weiter zu verfolgen, und so konnte
ich außer geschlossenen und offenen Riesenschlangen
nichts weiter zeichnen.
Ich betrachtete diese Erscheinung also mit großen,
runden, staunenden Augen. Vergesst nicht, dass ich tau-
send Meilen von jeder bewohnten Gegend entfernt war.
Dennoch schien das Kerlchen sich weder verirrt zu ha-
ben, noch zu Tode erschöpft, hungrig, durstig oder ver-
ängstigt zu sein. Es wirkte überhaupt nicht wie ein ver-
lorenes Kind mitten in der Wüste, tausend Meilen von
jeder bewohnten Gegend entfernt. Als ich endlich wie-
der sprechen konnte, fragte ich:
»Aber … was machst du denn hier?«
Daraufhin wiederholte es ganz ruhig, als wäre das ei-
ne sehr ernste Angelegenheit:
»Bitte … zeichne mir ein Schaf.«
Wenn man zu überrascht ist, wagt man es nicht, sich
zu widersetzen. So absurd es mir erschien, tausend Mei-
len von jedem bewohnten Ort entfernt und in Todesge-
fahr, ich holte tatsächlich ein Blatt Papier und eine Füll-
feder aus meiner Tasche. Aber dann fiel mir ein, dass ich
vor allem Geografie, Geschichte, Rechnen und Gramma-
tik gelernt hatte, und ich sagte dem Männchen (ein we-

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But he did not answer me. He shook his head gen-
tly, keeping his gaze on my aeroplane.
‘It is true that, on that, you couldn’t have come
from very far away…’
And he drifted into a long daydream. Then, taking
my sheep out of his pocket, he became immersed in
the contemplation of his treasure.

You can just imagine how my curiosity was piqued by


this sort of secret about the ‘other planets’. I tried
hard to find out more.
‘Where do you come from, my little man? Where
is “your home”? Where do you want to take my
sheep?’
After a thoughtful silence he answered:
‘What is so good about the box you have given me
is that it can be his house at night.’
‘Of course. And if you are nice I will give you a
string, too, so you can tie him up during the day, and
a post to tie him to.’
But the little prince seemed shocked by this offer:
‘Tie him up! What an odd idea!’
‘But if you don’t tie him up,’ I said, ‘he will wander
off somewhere, and get lost.’
My friend broke into another burst of laughter:
‘But where do you think he would go?’
‘Anywhere. Straight ahead of him.’
Then the little prince said, earnestly:
‘That doesn’t matter. My home is very small!’
And, with a bit of melancholy, perhaps, he added:
‘Walking straight ahead, you can’t get very far.’

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Doch er antwortete nicht. Er nickte nur leicht, wäh-
rend er mein Flugzeug musterte:
»Stimmt, damit kannst du nicht von sehr weit herge-
kommen sein …«
Und er versank in eine lange Träumerei. Dann holte
er mein Schaf aus seiner Tasche und vertiefte sich in die
Betrachtung seines Schatzes.

Ihr könnt euch vorstellen, wie gespannt ich nach diesem


indirekten Geständnis über »die anderen Planeten« war.
Ich bemühte mich also, mehr darüber zu erfahren:
»Woher kommst du, kleiner Mann? Wo ist ›bei mir zu
Hause‹? Wohin nimmst du mein Schaf mit?«
Nach einem nachdenklichen Schweigen antwortete er:
»Das Gute an der Kiste, die du mir geschenkt hast, ist,
dass sie ihm nachts als Haus dienen kann.«
»Selbstverständlich. Und wenn du lieb bist, schenke
ich dir auch noch eine Schnur, damit du es tagsüber an-
binden kannst. Und einen Pflock.«
Dieser Vorschlag schien den kleinen Prinzen zu er-
staunen:
»Anbinden? Was für ein seltsamer Gedanke!«
»Aber wenn du es nicht anbindest, läuft es davon und
verirrt sich …«
Und mein Freund brach wieder in helles Gelächter
aus:
»Wo soll es denn hinlaufen?«
»Irgendwohin. Einfach geradeaus …«
Da bemerkte der kleine Prinz ernst:
»Das macht nichts, bei mir zu Hause ist alles so klein!«
Und vielleicht ein bisschen schwermütig fügte er
hinzu:
»Wenn man einfach geradeaus läuft, kommt man
nicht sehr weit …«

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begin this story as in a fairy tale. I would have liked
to say:
‘Once upon a time there was a little prince who
lived on a planet that was barely any bigger than
himself, and who needed a sheep…’ For those who
understand life, that would have given my story a
much greater air of truth.
I do not want anyone to read my book lightly. I
have suffered too much grief in sharing these mem-
ories. Six years have already passed since my friend
left with his sheep. If I try to describe him here, it is
so I don’t forget him. It is sad to forget a friend. Not
everyone has had a friend. And if I do forget him, I
may become like the grown-ups who only care about
numbers. This is also why I have bought a box of
paints and some pencils. It is hard to take up drawing
again at my age. The last time I attempted to draw
something was the boa constrictor from the outside
view and the boa constrictor from the inside view,
when I was six. I will, of course, try to make my por-
traits as true to life as possible. But I’m not sure if I’ll
succeed. One drawing turns out all right, while an-
other one does not resemble him at all. I also have a
bit of trouble with the little prince’s height: here he
is too tall, and there, too short. And I hesitate about
the colour of his clothes. So I fumble along as best I
can; some good, some bad. I make some mistakes on
some of the more important details, too. But he will
have to forgive me for that. My friend never ex-
plained anything to me. Perhaps he thought that we
were alike. But I, unfortunately, do not know how to
see sheep through boxes. I may be a little like the
grown-ups. I must have grown old.

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Geschichte gern wie ein Märchen begonnen. Ich hätte
gern gesagt:
»Es war einmal ein kleiner Prinz, der auf einem Plane-
ten wohnte, der kaum größer war als er selbst, und der
einen Freund suchte …« Für die, die das Leben verste-
hen, hätte das viel glaubwürdiger geklungen.
Denn ich möchte nicht, dass mein Buch unaufmerk-
sam gelesen wird. Es bereitet mir solchen Kummer, von
diesen Erinnerungen zu erzählen. Jetzt ist es schon
sechs Jahre her, seit mein Freund mit seinem Schaf fort-
gegangen ist. Ich versuche hier, ihn zu beschreiben, weil
ich ihn nicht vergessen will. Es ist traurig, einen Freund
zu vergessen. Nicht jeder hat einen Freund gehabt. Und
ich könnte wie die Erwachsenen werden, die sich nur
noch für Zahlen interessieren. Aus genau diesem Grund
habe ich mir einen Malkasten und Buntstifte gekauft. Es
ist schwer, in meinem Alter wieder mit dem Zeichnen
anzufangen, wenn man nie etwas anderes zu zeichnen
versucht hat, als mit sechs Jahren eine geschlossene und
eine offene Riesenschlange! Ich werde mir natürlich
Mühe geben, damit die Porträts so originalgetreu wie
möglich werden. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob es
mir gelingen wird. Mal werden die Zeichnungen gut,
mal ähneln sie dem kleinen Prinzen überhaupt nicht.
Auch bei der Größe täusche ich mich manchmal. Hier ist
er zu groß. Dort ist er zu klein. Ich schwanke auch bei
der Farbe seines Anzugs. Also versuche ich es mal auf
diese, mal auf jene Weise, so gut es eben geht. Ich täu-
sche mich bestimmt auch noch in einigen wichtigeren
Details. Aber das müsst ihr mir verzeihen. Mein Freund
gab mir nie Erklärungen. Vielleicht dachte er, ich wäre
wie er. Aber ich kann leider nicht durch Kistenwände
Schafe sehen. Vielleicht bin ich ein bisschen wie die Er-
wachsenen. Ich bin wohl alt geworden.

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