Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Mehr als ein Jahrzehnt nach Überwindung der Spaltung Deutschlands ist es angesichts der
derzeitigen Diskussion über die bevorstehende Osterweiterung der Europäischen Union kaum noch
vorstellbar, daß Europa fast ein halbes Jahrhundert durch den Eisernen Vorhang getrennt war und
sich auf dessen beiden Seiten zwei waffenstarrende und scheinbar unversöhnliche politische
Systeme gegenüberstanden.
Diese Situation fand erst ein Ende, als in den späten achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts
politische Reformen und demokratische Oppositionsbewegungen in Mittel- und Osteuropa die
meisten der kommunistischen Regime zu Fall brachten und mit dem Auseinanderbrechen der
Sowjetunion schließlich der gesamte Ostblock kollabierte.
Mit der Auflösung des Warschauer Pakts und dem Verbleib der Vereinigten Staaten als einziger
Supermacht verlor auch der Ost-West-Konflikt an Bedeutung, der seit dem Beginn des Kalten
Krieges Ende der vierziger Jahre bestimmend für die internationalen Beziehungen geworden war.
Damals wurden besonders deutlich die anscheinend unüberbrückbaren ideologischen Gegensätze
zwischen westlicher Demokratie und stalinistischem Kommunismus sichtbar, die während des
Kampfes gegen den Nationalsozialismus in den Hintergrund getreten waren. Gleichermaßen war die
unmittelbare Nachkriegszeit auch geprägt von politischen Entwicklungen, die später auf die
Gründung der beiden deutschen Staaten hinausliefen. Die temporale Parallelität dieser beiden
Prozesse, einerseits die Zunahme der Spannungen zwischen USA und UdSSR, andererseits die sich
abzeichnende Teilung Deutschlands, legt die Vermutung nahe, daß ein Zusammenhang zwischen
diesen beiden historischen Abläufen besteht.
Tatsächlich wird in der Fachliteratur diese Annahme bestätigt. So führt Colschen aus, daß die
deutsche Frage, wie sie aus den Folgen des Zweiten Weltkrieges resultierte, von den vier
Siegermächten entscheidend mitgestaltet wurde und später die weltpolitische Gesamtlage für die
Erklärung des deutschlandpolitischen Handelns der Alliierten eine tragende Rolle spielte.
[1] Auch Link betont die Bedeutung der internationalen Politik und spricht von ihr als dem
durchgängig entscheidenden Faktor der deutschen Teilungsgeschichte bis hin zur
Wiedervereinigung, welche sich aus dem Ende des Kalten Krieges als Möglichkeit ergab.[2]
Der von mir gewählte Untersuchungszeitraum beginnt in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, als
sich zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkrieges eine rüstungs- und machtpolitische Parität
zwischen USA und UdSSR einstellte. Diese mitunter als „große Epochenwende“[3] der
Nachkriegsära bezeichnete Zeit, für die das Jahr 1968 symbolisch wurde, ging einher mit einer
Reihe von tiefgreifenden politischen Ereignissen: Angefangen von demokratischen
Regierungswechseln in der westlichen Hemisphäre, wie dem Übergang von der Johnson- zur
Nixon-Administration in Washington oder dem Ende der Großen Koalition in Bonn, der eine
sozialdemokratisch geführte Regierung nachfolgte, über die gewaltsame Niederschlagung der
tschechoslowakischen Reformbewegung durch die Warschauer-Pakt-Staaten bis hin zu den
Protesten gegen den Ende der sechziger Jahre an Härte zunehmenden Vietnamkrieg begann diese
Periode mit Entwicklungen, die das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten und deren
internationale Rolle neu definieren sollten.
In meiner Diplomarbeit werde ich der Frage nachgehen, welche Rückschlüsse sich aus der
Interdependenz von Kaltem Krieg und deutscher Teilungsgeschichte für den Grad der
Selbstständigkeit ziehen lassen, den Bundesrepublik beziehungsweise DDR in politischer Hinsicht
gegenüber der Führungsmacht ihres jeweiligen Staatenblockes innehatten.
Meinen Ausführungen möchte ich eine Darstellung des Kalten Krieges voranstellen, der nach dem
Sieg über das Deutsche Reich die Koalition gegen Hitler entzweite und den bereits schwelenden
Ost-West-Konflikt verschärfte. Neben einer kurzen Skizzierung der historischen Fakten soll das
erste Kapitel verschiedene theoretische Überlegungen bezüglich der Entstehung des Kalten Krieges
enthalten. Dabei soll von besonderem Interesse sein, wie die miteinander konkurrierenden
Entstehungstheorien angesichts späterer Entwicklungen des Ost-West-Konfliktes beziehungsweise
den Umständen der Entschärfung desselben gegen Ende der achtziger Jahre aus heutiger Sicht
beurteilt werden müssen.
Danach folgt eine in drei zeitgeschichtliche Phasen gegliederte Beschreibung der Politik der
Supermächte und deren Auswirkungen auf das bilaterale Verhältnis zwischen Washington und
Moskau beziehungsweise auf den Status des Ost-West-Konfliktes insgesamt. Die Auflösung des
Ostblocks und die damit einhergehenden politischen Veränderungen für Mittel- und Osteuropa
werden den Abschluß dieses Bereichs meiner Diplomarbeit bilden. Hier schließt sich ein Kapitel
über die Rolle der beiden deutschen Staaten im Kalten Krieg an, wobei sowohl das außenpolitische
Auftreten von Bundesrepublik und DDR in ihren jeweiligen Blöcken, als auch die innerdeutschen
Beziehungen über den gesamten Zeitraum der drei voranstehenden Kapitel untersucht werden
sollen. Zur Abrundung des Themas werde ich abschließend auf die internationalen
Rahmenbedingungen des deutschen Vereinigungsprozesses eingehen. Die Schlußbetrachtung wird
die Erörterung meiner Fragestellung und weitere Überlegungen zum Themenkomplex meiner
Diplomarbeit umfassen. Im Anhang zu dieser Diplomarbeit finden sich in der Reihenfolge ihrer
Verwendung die Ausdrucke der Internetseiten, auf die ich mich im Verlauf meiner Argumentation
beziehe.
1. Der Kalte Krieg