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Editorial 3

Die Vereinigten Staaten von Amerika: 


ein „Weltstaat“
Quelle: Population & Avenir, n° 714, septembre-octobre 2013, www.population-demographie.org/revue03.htm ; www.cairn.info/revue-population-et-avenir.htm

Der Zuwachs der hispano-amerikanischen Von Gérard- lung eingeführt, um Änderungen bei der ethnischen Auftei-
lung oder Struktur des Landes vorzubeugen. Diese Regelun-
Bevölkerung in den Vereinigten Staaten François
gen wurden erst vom Immigration Act vom 3. Oktober 1965
ist ein unbestrittenes Phänomen und Dumont in Frage gestellt, der die 1921 eingeführte Kontingentierung
war schon Anlass heftiger Kontroversen, nach Nationalitäten zum 1. Juli 1968 außer Kraft setzte.
vor allem nach der Veröffentlichung des Diesen gesetzlichen Änderungen folgten weitreichende geo-
Buches von Samuel Huntington über die politische Entwicklungen, die zwar unabhängig von diesen
Gesetzen abliefen, aber die Einwanderung enorm beflü-
Identität der Nationen und den Schock gelten. So beschloss China seine Politik der Öffnung und
der Kulturen. Aber liegt die Zukunft der zwischen den Vereinigten Staaten und Indien erfolgte nach
Vereinigten Staaten nicht viel eher in all- Professor Gérard-
Francois Dumont lehrt
jahrzehntelangen Spannungen eine Wiederannäherung.
mählichen Bildung eines „Welt-Staates“ an der Sorbonne in Paris Zur gleichen Zeit zeugte das demographische Wachstum
politische Demographie der südlichen Länder des Globus ein enormes Potenzial an
denn in einer Hispanisierung? und Geopolitik. Er
Zuwanderern, sei es durch Defizite in der wirtschaftlichen
ist Herausgeber und

D
Direktor der alle zwei Entwicklung (zum Beispiel in Mexiko oder Pakistan), sei es
ie Amerikaner, die selbst oder zumindest deren Vor- Monate erscheinenden durch Bürgerkriege (wie in El Salvador oder im Libanon), sei
Zeitschrift Population
fahren aus Europa stammen, bilden immerhin noch et Avenir, aus der es durch diktatorische Regime (wie in Kuba oder Vietnam).
die Mehrheit der Bevölkerung in den Vereinigten wir mit freundlicher
Staaten. Die Ursprungsländer in der Rangfolge sind Deutsch- Genehmigung des Autors
land, Irland, Großbritannien, Italien, Polen und Frankreich.
den vorliegenden Aufsatz
entnehmen.
◗◗Wachsende Vielfältigkeit der Bevölkerung
Mexiko ist, laut der Zahlen von 2011, das erste nicht-euro- Die Kombination aus Gesetzesänderungen der amerikani-
päische Land mit einer Diaspora (d.h. Personen, die in den schen Zuwanderungspolitik und den genannten Faktoren
1. Geographische der Auswanderung aus dem Süden Richtung Norden brachte
Vereinigten Staaten leben und entweder in Mexiko gebo- Herkunft der
ren wurden oder mexikanischer Herkunft sind) von insge- eine wachsende Diversifizierung der geografischen Herkunft
Zuwanderer in den amerikanischer Einwanderer mit sich. Canada So hat sich seit der
samt 34 Millionen Menschen, also mehr als ein Zehntel der Vereinigten Staaten Jahrtausendwende die Anzahl der Zuwanderer aus Afrika
­Gesamtbevölkerung der Vereinigten Staaten.
(inklusive Nordafrika, also auch Ägyptenautres pays d'Amérique
und Libyen, latine
Lateinamerika
(ohne Mexiko) aber auch aus dem Libanon) fast verdoppelt und die
◗◗Erleichterte Zuwanderung Mexiko 23,7 %
Kanada 2,0 % Zahl der aus Asien stammenden Zuwanderer stieg
Mexique
28,9 %
Die Größe der mexikanischen Diaspora liegt Europa 12,1 % deutlich stärker als die der mexikanischen Einwan-
nicht nur in der geographischen Nähe begrün- Ozeanien Afrika derer. Selbst der prozentuale Oceanie
Anstieg der Einwan-
det, sondern auch in einer weit zurückreichen- 0,5 % Asien 4,1 %
28,6 %
derer aus Ozeanien ist größer als der Mexikos. Im
den Geschichte. Laut dem Vertrag von Gua- selben Zeitraum sank die Anzahl Asie der Zuwanderer
dalupe Hidalgo 1848 war Mexiko gezwungen, aus Europa und Kanada, was nicht weiter verwun-
die Staaten Neu-Mexiko, Texas und Kalifornien derlich ist, denn der „demographische
©G AfriqueWinter“ in Eu-
(Alta California) den Vereinigten Staaten zu über- éra
rd-F ropa und Kanada begrenzt ganz natürlich die Zahl an
ranço .
geben. Als Gegenleistung erwirkte Mexiko, dass die is Dumont - Daten MPI
potenziellen Migranten.
Europe
auf amerikanischem Boden lebende mexikanische Bevöl-
kerung bleiben konnte sowie den freien Verkehr zwischen 2. Die Gesamtentwicklung der Zuwanderung
© Gérard-François Dumont - Chiffres MPI 2011.

beiden Ländern. Trotz der unterschiedlichen Anwendung in die Vereinigten Staaten nach Geburtsort
des Vertrages je nach Bedarf an Arbeitskräften auf Seiten
der Vereinigten Staaten, besteht die mexikanische Zuwan- 1. Afrika 88,9%
2. Asien 40,6 %
derung also seit mehr als anderthalb Jahrhunderten. Geo-
3. Lateinamerika (ohne Mexiko) 38,5 %
graphische Nähe und historische Zeitspanne machen die 4. Ozeanien 31,6 %
Dimension der mexikanisch-stämmigen Minderheit aus. 5. Mexiko 27,2 %
6. Europa -0,5 %

◗◗Lange Zeit unterdrückte Zuwanderung 7. Kanada -4,2 %


Gesamt 29,8 %
Hinzu kommt, daß die USA andere Zuwanderungsströme -20 % 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
lange Zeit verhindert oder unterbunden haben. So wurde Prozentuale Anstieg zwischen 2000 und 2011
zum Beispiel 1882 der sogenannte Chinese Exclusion Act
verabschiedet, der den Einwanderern aus Fernost den Zutritt Diese Gesamtentwicklung der Zuwanderung in die Vereinig-
endgültig untersagte. Begründung: Die Asiaten wollen sich ten Staaten rechtfertigt es, dass man von den USA als dem
nicht integrieren und haben nicht die Absicht, die amerika- ersten «Welt-Staat» spricht und zwar im Sinne eines Staates,
nische Staatsbürgerschaft anzunehmen. 1917 bestätigte das der sich aus Minderheiten aller Kontinente und Sub-Konti-
Zuwanderungsgesetz die Schließung der Grenzen für fast nente dieser Erde zusammensetzt. Die Herausforderung, der
alle asiatischen Länder sowie die Pazifischen Inseln durch sich die USA in Zukunft stellen müssen, liegt im Erhalt ihres
die Schaffung der sogenannten Asiatic Barred Zone. 1921 nationalen Zusammenhalts, der sich vor allem auf das insti-
schließlich wurde mithilfe des Quota Act eine Quotenrege- tutionelle Modell des Föderalismus stützt.

September-Oktober 2013 • No 714 • Population Avenir


Electronic copy available at: https://ssrn.com/abstract=2529115

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