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Künstlerische lateinamerikanische Diaspora in Deutschland.

Bestandsaufnahme und Zukunft.

Millionen von Menschen in Süd- und Mittelamerika sind auf der Flucht. Aus Venezuela sind in den letzten 5 Jahren
mehr als 6 Mio. Menschen geflüchtet bzw. emigriert. An der Grenzen mit den USA harren pro Monat mehr als
200,000 Personen aus Guatemala, El Salvador, Honduras und sogar Haiti aus. Venezolanische Familien wandern zu
Fuß über die Panamerikanische Hauptstrasse um nach Chile gelangen 1.

Trotz der Dimension des menschlichen Dramas, erreicht dieses die europäische Wahrnehmung nicht, denn die
Anzahl der lateinamerikanischen Geflüchteten in Deutschland ist sehr niedrig. Von Januar bis November 2021
wurden nur 45 Personen aus ganz Amerika, inklusive USA & Kanada, als Flüchtlinge in Deutschland anerkannt. 2

Jedoch ist festzustellen, dass seit einigen Jahren eine immer stärker werdende lateinamerikanische Diaspora
existiert, innerhalb der sich die Menschen über verschiedene Wege ein Leben in Europa aufzubauen versuchen,
besonders über bspw. ein Studium innerhalb des Hochschulsystems3 oder über Anträge von Künstlerinnen für
Aufenthaltsgenehmigung und Teilnahmen an Residency Programmen, etc.

Die lateinamerikanische kulturelle Diaspora hat eine Merkmal. Sie ist weder geflüchtet genug um Asyl zu
beantragen, sind aber auch nicht Teil der typischen “Expats” der industrialisierten Länder trotz der entschiedenen
Migrationswege (Studium, Arbeit, etc.), die über weit mehr Ressourcen verfügen um ein Leben in Deutschland
aufzubauen.

Die folgende Forschung bezweckt die Kontouren der künstlerischen lateinamerikanischen Diaspora in Deutschland
zu erfassen, um herauszufinden, wie Kategorien von Alterität, kulturelle Identität und die Erfahrung von
Dispersion und Fragmentierung sich, wenn überhaupt, in der künstlerische Praktiken finden lässt.4

Hier wird angenommen, dass die lateinamerikanischen KünstlerInnen herausragen, weil sie besondere
künstlerische Ansätze entwickeln: sie arbeiten an gesellschaftlich relevanten Themen, wie Umwelt und Ökologie
neben indigenem Wissen, Kapitalismuskritik im Hinblick auf Extraktion von Natur und Wissen, Afroamerika und
Postkolonialismus, politische Korruption und Kampf für die Geschlechtergerechtigkeit. Hinzu kommt, dass solche
Themen mittels anderer Medien und Strategien als die konventionelle Gattungen erfasst werden: Videokunst, Film,
Sound Art und Performance.

Die Hypothese lautet, dass die entwickelten und weiter entwickelnden künstlerischen Ansätze und die von
KünstlerInnen entschiedene übermediale Erweiterung bei der Kunstproduktion auf die Erfahrung des
Diasporischen zurückzuführen sei. Die KünstlerInnen bezwecken damit, eine konkurrenzfähige Epistemologie
gegen das europäische Wissenssystem zu etablieren. Diese Epistemologie erlaubt den ‚Fremden‘ (laut der
Definition der Person innerhalb des europäischen Wissenssystem) sich als integrativen Teil einer Gemeinschaft zu
fühlen und innerhalb der Gemeinschaft handeln zu können.

Bei der Entfaltung dieser Epistemologie hinterfragen die diasporische lateinamerikanische KünstlerInnen die in der
europäischen künstlerischen Ausbildung vermittelte Definition des Künstlers. Insbesondere Die
Subjektivierungsprozesse innerhalb des Künstlerdaseins. 5

Gleichzeitig wird durch die Epistemologie die Produktions- und Distributionslogik des Kunstmarktes anders
wahrgenommen. Die Ablehnung der Malerei, die Suche nach Kollektivität anstelle der Promotion des Ideals des
Künstlergenie, die Rückkopplung zur nicht-globalen Gemeinschaften, wie die indigene Bevölkerung, etc., sind

1 Estudio: Migración y desarrollo en Iberoamérica, Herausgeber: Observatorio Iberoamericano sobre Movilidad


Humana, Migraciones y Desarrollo e instituto Universitario de Estudios sobre Migraciones. Universidad pontificia
Comillas. 2018
2 BUNDESAMT FÜR MIGRATION UND FLÜCHTLINGE. Antrags-, Entscheidungs-, Bestandsstatistik.
Berichtszeitraum: 01.01.2021 - 31.12.2021.
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/Asylgeschaeftsstatistik/hkl-antrags-entscheidungs-
bestandsstatistikl-kumuliert-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=25 Abgerufen am 20.01.2021
3 https://www.baylat.org/aktuelles/meldungen/fast-ein-viertel-mehr-studierende-aus-brasilien-kolumbien-mexiko-
und-peru-an-bayerischen-hochschulen.html. Abgerufen 20.01.2021
4 Hall, Stuart. Stuart Hall: selected writings. Essential Essays: Volume 2. Identity and Diaspora.Duke University
Press 2018
5 Sanguino, Jorge. “el latino y la latina no existen”. https://esferapublica.org/nfblog/el-latino-y-la-latina-no-existen/
Abgerufen. 18l.03.202
Beispiele der ständigen Suche nach anderen künstlerischen Praktiken, die auf dem Markt ihren Platz finden
müssen.

Darüber hinaus, soll in dieser Forschung auch der Begriff ‚Diaspora‘ und das ‚Diasporische‘ in Kontrast zu den
schon etablierten, im Kunstsystem anerkannten Formen des Diasporischen analysiert werden. Insofern ist die
Fragestellung interessant, ob ‚Diaspora‘ den Weg für die Rezeption der afrikanischen Kunst auf dem
internationalen Kunstmarkt ebnet.

Zuletzt sollte die Forschung insbesondere die Probleme, die historische und die jetzige Situation der künstlerische
Diaspora erfassen, bearbeiten: wie ist die Rezeption für Kunst aus Lateinamerika in Deutschland? Und was sollte
getan werden, damit diese einen besseren Zugang zu institutionellen und privaten Sammlungen bekommen.

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