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Neu h e r a u s g e g e b e n von
Fritz Medicus
Zw eite Auflage
ii-
Vorträge verschiedenen Inhalts
aus^der
angewendeten Philosophie
J. G. F i c h t e .
dern es erst lernen m üßten, Was niem als ein M eister gern sich kann der M ensch bleiben, aber auch darüber sich e rh e b e n : —
sagen läßt. D ies Schicksal nun m üssen w ir trag en u n d uns eben d as E rkennen und B ew ußtsein selbst erkennen, wie ich
darein ergeben, als unabtrennlich von d er Sache! Ihnen schon im E ingänge an g em utet habe. — ich habe Sie
1. E rkennen, W issen, S ic h v o rste lle n ,— die kennt ein jeder, dadurch in d er T at schon auf den Boden der P hilosophie er
kenn t es unm ittelbar, und m uß es kennen, dadurch, daß er es hoben. Dies die n e u e W elt, g eg eb en durch das neue O rgan.
i s t : und w er es nicht k ennte durch sich, dem w äre von außen Es ist w eiter auseinanderzusetzen: den O rt hätten w ir gefunden.
her diese K enntnis n icht beizubringen. N un bem erken Sie w ohl 3. D iese B em erkung, daß m an eben w isse, vorstelle die E r
das P ostulat, nicht ü b e rh a u p t zu erkennen, sondern das E r fahrungsw elt, kann m an nun zerstreut fassen, und doch bei der
k e n n e n w ied er zu erkennen, als b eso n d eres, als etw as, das da ersten A nsicht bleiben, daß D inge a n s ic h sind, kann beides
i s t, sich hinzustellen. — D ies nun m uß je d er in eigner Person für w ahr halten, w eil man seine E rkenntnis nicht zur E i n h e i t
tu n ; jeder hat selb st etw as zu konstruieren und anzuschauen: vereinigt, u n v erständig und zerrissen ist. — Soll sie aber Ein
n u r dadurch ist er in u n serer M ethode, und nur von dem also heit gew innen, so kann beides nicht w ahr sein: en tw ed er nur
K onstruierten ist die Rede, nicht von Frem dem , bloß Erzähltem ; D inge, oder nur Bilder. Die D inge sind durch ihr Sein voll
so kann es auch keiner auffassen, dies ist g eg en alle philo e n d e t: w oher dann also ihre B ilder? W o h er ein W i s s e n d e r
sophische M ethode. selb e n ? — U m gekehrt aber folgen aus den Bildern die D inge
2. P hilosophie w äre nun w ohl Erkenntnis, W issen; aber nicht notw endig, eben als die gebildeten, als der G e g e n s t a n d des
alles W issen, vielm ehr ein b esonderes, unter ein gew isses genas selbst als Bild erkannten, und schlechthin d a f ü r s ic h g e b e n
g eh ö ren d es, m it seiner spezifischen D ifferenz: — ein bestim m tes d e n Bildes.
im G egensätze m it anderem . W elches n u n ? Recht w aF es wohl D adurch nun hat die W elt sich uns verw andelt in eine ganz
nur durch den Besitz zu erkennen; — jetzt durch seinen an d ere: d ort D inge, hier n u r E rkenntnisse, B egriffe; d ort m aterielle
G egensatz. W elt und g e istig e : uns gilt die letztere nur als das Rechte und
Alle E rkenntnis liefert und hat ihre W elt, ihr System des Einzige; und darü b er m uß jed er mit sich selbst aufs reine
Seins. Im G eg ensätze g e g e n die gew öhnliche W elt und ihr System kom m en. — Also dies ist festzuhalten: 1. daß n u r eine geistige,
des Seins, liefert die E rkenntnis, von der w ir sprechen, eine Begriffs w eit, durchaus nicht und in keinem m öglichen Sinne des.
durchaus n e u e ; — sie selbst ist schöpferisches O rgan, neues W ortes eine m aterielle zugegeben w e rd e ; 2 . daß w ir dies nicht
A uge, eben für eine neue G esichtsw elt. zufolge eines R äsonnem ents, sondern eines u n m i t t e l b a r e n B e
"D en k en Sie einen B lin d g eb orenen: für ihn ist da, w as durch w ußtseins erkennen. Eben nur der Bilder, d er B ^ u rim ü n g e n des
d en G efühlssinn g eg eb en ist, aber kein Licht, keine Farbe und W issens ist man sich b ew u ß t, und durchaus keines a n d e ren :
alle die dadurch gebild eten V erhältnisse. D enken Sie, das G e zufolge d er v orgegangenen E r h e b u n g . <&
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sicht w ird ihm g e ö ffn e t So gerad e ist es in der Philosophie, P hilosophie sonach w äre ein u n m i t t e l b a r e s B ew ußtsein,
IV, 371 — D urch die G eb u rt sind w ir niedergesetzt in einem gew issen das sich nicht andisputieren läßt, ebensow enig w ie dem Blinden IV, 372
E rkennen und B ew ußtsein, r der D inge, d er g egebenen E rfah das A uge; das nicht erw iesen, verm ittelt w erden kann, o d e r des
rungsw elt. D urch d iese E rkenntnis w erden eben die D inge er etw as, so n dern n u r geb ild et und entw ickelt.
kan n t und g e w u ß t: nicht einm al g ew u ß t das B ew ußtsein selbst, Z ur ferneren E rlä u te ru n g : N
erk an n t das E rk en n en : dieses i s t ; in ihm g e h t m an auf, als 1. D er P hilosophie W eltansicht, deutlich ausgesprochen, ist
dem H öchsten und Letzten, dem absoluten Sein : — nach obiger diese : .a) Es ist etw as, fest, unw iderruflich bestim m t. — M an
V ergleichung der innere G e f ü h l s s i n n zu nennen. D abei nun denkt vielleicht, d er Philosoph nehm e kein Sein a n : dies ist
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8 Allgewendete Philosophie. Allgemeine Einleitung. 9
g ro b er M ißverstand, b) D ieses Seiende ist nun kein System von Jetzt nur zwei vorauszuschickende B em e rk u n g en :
stehenden, auf sich b eru h en d en m ateriellen D ingen, sondern ein 1. W er auf irgendeine W eise auch n u r m it u n d neben d e r
System von Bildern, in den en eben ein solches System von D ingen geistigen W elt eine m aterielle gelten läß t — D ualism us nennen
hingeb ild et w ird. Es ist ein auf sich selbst beruhendes und durch sie es — ist nicht Philosoph. R äsonieren, ein M annigfaltiges
sich selb st bestim m tes B ew ußtsein, u n d durchaus nichts anderes. von K enntnissen verknüpfen ist nicht P h i l o s o p h i e r e n ; es kann
(Ich g lau b e Ihnen einen g ro ß e n D ienst zu tun, w enn Sie auch dies in dem ganz gew öhnlichen B ew ußtsein geschehen. D ahin
n u r diese A nsicht verstehen, u n d sich' fest einprägen. — F ü r g eh ö rt d er S p rach g eb rau ch : w ir w ollen d a r ü b e r p h ilosophieren;
w enige n u r erinnere ich: dies ist unser, die w ir uns für Philo gew öhnlich allerlei T räum e und E rdichtungen schw atzen. — Die
sophen halten, ganzer und u n u m w undener E rnst, nicht etw a bloß V erschiedenheit liegt in der G rundansicht. Ein R äsonieren, Sich
eine R edensart, die an sich deuteln und drehen, und m it sich bew egen in der Erkenntnis, frei k o n struierend und Begriffe ver
u n terhandeln ließe. W ir w issen es unm ittelbar, w ie w ir unseres knüpfend, kann allerdings ein Philosophieren sein; ab er nicht
L ebens un s b e w u ß t sin d : so n d erbar kom m t es nur denen vor, d a d u r c h w ird es dies, sondern durch seine G rundansicht. Dies
w elchen jen es A uge noch nicht aufg eg an g en ist). w eiß m an gew öhnlich nicht, g ib t es nicht zu, ärg ert sich daran,
2.. W elches ist nun der eigentliche innere U nterschied jener g lau b t es n icht: aber es kann alles dieses nichts helfen, so ist’s.
ersten natürlichen und dieser erh ö h ten philosophischen W elta n sic h t: 2. Jenen nichtigen N am en darum m üßten w ir au fg eb e n : offen
d .i.w a s ist eigentlich m it dem M enschen im Ü bergange von der b ar w äre sie W issen, T heorie, L ehre; und zwar, w ährend das
ersten zur zw eiten v o rg e g a n g e n ? (Es ist entscheidend für die andere D ingelehre, Seinslehre, W eltlehre (gar W eltw eisheit) sich
K larheit d er Lehre, und von den w ichtigsten Folgen.) Die B ild e r , nennte, m üßte diese Erkenntnis-, B ew ußtseins-, W issenschaftslehre
sich d arstellend als solche, setzen ihr A bgebildetes. In dieser heißen, a) In A bsicht des unm ittelbar bew p ß ten Seins sagt je n e :
O p eratio n des B ew ußtseins g e h t der natürliche M ensch auf m it es ist eine m aterielle W elt; diese: es ist ein so und so bestim m tes
seinem ganzen W e se n : das Bild darum selbst und dessen Sein B ew ußtsein, b) A nalysieren beide, so beh au p tet je n e : die W elt
w ird ihm nicht sichtbar. E r g e h t a u f d a r in ,: d. hl sein Sein enthält das und d a s ; d ie s e : das ursprüngliche B ew ußtsein en th ält
ist ein P ro d u k t des ihm gänzlich verborgenen G esetzes des Be das, Philosophie darum b e d eu te t eigentlich nichts; erst w enn
w u ß tse in s: er ist g efan g en und befangen in dieser ihm dunkel sie W issenschaftslehre w ird, w ird ihr ihre A ufgabe bestim m t a n
b leibenden G esetzgebung. D arin b e ru h t sein f o r m a l e s W esen, g e z eig t: das W o rt könnte w ohl anders g ebildet w erd en ; aber ein
— D a g eg en reißt., das . philosophische B ew ußtsein sich los von anderer B egriff kann d er seit Jah rtau sen d e^ dunkel gestellten Auf- IV, 374
dieser B efangenheit, und erh eb t sich, frei ü b e r ihr schw ebend, gäbe nicht u n terg eleg t w erden.
zu einem B ew ußtsein ih rer selbst. M ißverständnisse w ären es a) zu m einen, die W issenschafts
373 Im V o rb eig eh en : F reiheit von irgendeinem G esetze g ib t Be lehre sei n u r der N am e für m e in e Schriften, V orträge usw ., um
w u ß tsein dieses G esetzes. (D ieses V erhältnis ist selb st ein G ru n d etw as historisch G egebenes zu bezeichnen, w ie : T heorie des
gesetz. Jen es B efangenheit, Blindheit, M echanism us. D iesesSehen, V orstellungsverm ögens, Kritik der V ernunft. —- N ein, das, w as
durch B efreiung erw orben.) schlechthin Allen angem utet w ird, ist sie, u n d w as vom A nbeginn
D ies das W esen und die absolut und spezifisch verschiedene eines bis auf auf einen gew issen P u n k t klaren D enkens Alle
W elt d e r P hilosophie. W e r dies gew onnen, d e r ist im G ebiete der suchten. M an könnte m ir verstreiten, daß m eine Schriften o d er
P hilosophie, und ist derselben fähig, ohnerachtet er freilich noch V orträge nicht die W issenschaftslehre seien; dies ein anderes.
keinen eigentlichen p hilosophischen E rkenntnisstoff sich erw orben Daß W issenschafts lehre ü b erh au p t nicht sei, und nicht P hilo
h a t; w ovon tiefer u nten! sophie — die unter dieser schw ankenden B enennung gesuchte
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10 Angewendet.e Philosophie. Allgemeine Einleitung. 11
E rkenntnis ü b e r alle bek an n te E rkenntnis hinaus — sei, das kann Für d ie s e schlechthin kein solches Sein, sondern n u r ein
m an n icht w issen, nicht verstehen, w eil m an eben blind ist; aber geistiges, d. i. ein freies, lebendiges, w as nur durch die Be
m an kann es nicht verstreiten. Auf solch einen Streit lasse ich schränkung der F reiheit und des Lebens in ihm zu einem b e
mich g ar n icht ein; eb en so w enig als ich jem andem den Beweis stim m ten Bilde w ird. — Beides also verhält sich zueinander, wie
fseines D aseins führen kann. (D ies ist in d er T at das höhere reiner T od und reines L eben; w eil jene das Leben in ihnen
g eistig e D asein eines jeden, das sich ihm nicht geben läßt.) b) So selber, das H inbilden nicht g ew ah r w erden, auch dieses in d e r
denke ich auch ü b e r P hilosophie nicht der Erste, o der allein. T at in ihnen nicht ist, so n d ern in dem ü ber sie w altenden, und
K ant g en au so : er hat sich n u r nicht mit dieser Bestim m theit sie konstituierenden G esetze des V orstellens.
ausgesprochen. T ranszen d en taler Idealism us heiß t g an z dasselbe. Es findet sich hier ein neues M ittel, um die A nsicht der
M an h a t ihn n u r nicht verstanden (w ohl üb er einiges einzelne, W issenschaftslehre vom Sein m it einer neuen K larheit darzu
nicht aber ü b e r den G ru n d g e d an k e n ); seit g e ra u m er Z eit aber stellen. •••• Es nehm en einige U nphilosophen eine leb endige
t ihn gänzlich verlassen, sich tiefer als jem als in den M aterialis N aturkraft, eine W e] tseeje an, die ihr freies Bilden gleichsam
m us hineinbegeben, und will in ihm durch räso n ieren d es Ver- anhalte in den b esthnm ten G estalten, und ihre bildende K raft
i knüpfen eine P h ilosophie h a b e n : N aturphilosophie. — c) U nsere binde in Pflanze, Tier, M ensch usf. D aß diese V orstellung an
^ B enennung sei ein n eugem achtes W ort. W o h l: w eil die Erkennt- sich von dem G esichtspunkte d er Philosophie aus völlig u n
* nis n eu ist, u n d vorher nie dagew esen. — M an solle nicht neue richtig und nichtig ist, versteht sich; indem es solche G estalten
W o rte m achen. Richtig, w enn alte d a s in d : „W eltw eish eit“ z. B .! an sich, und als letztes Sein, w ie die Pflanze usf. g a r nicht gibt.
W ie lange d atiert denn dieser N am e zurück; und w as heißt jenen A ber w ir w ollen das Bild brauchen. Ein solches ab so lu t sich
denn n e u ? Ihn h ab en die W olffianer gem acht, und höchst u n selbst bildendes Leben gibt es nun a lle rd in g s; — n u r d arin
glücklich. Die A bgeschm acktheit desselben ist so allgem ein g e gehen w ir a b : nicht zu objektiven G estalten, — zu Bildern, die
fühlt w orden, daß ihn nicht leicht jem and m ehr in d en M und als Bilder sich verstehen, und nicht sind au ß er mit diesem Be- IV, 376
genom m en auß er der N icolaischen Bibliothek. — Ü brigens ist griffe vereint. D iese B ildungskraft nun g estaltet sich allerdings
IV, 375 es gut, daß m an, bis m an zur E insicht kom m t, bei dem W orte nach inneren G esetzen zu solchen und solchen B ildern; und die
bleibe, das die U ng ew iß h eit bezeichnet, der Philosophie. Sum m e dieser Bilder ist das B ew ußtsein un ser Aller, das allein
unm ittelbar i s t , und als seiend sich vorfindet. — (Z u diesen
Bildern nun gibt es ein d o p p e l t e s V erhältnis: entw eder m an
Ehe ich w eiter gehe, will ich den G ru ndunterschied zwischen is t sie selbst, o der m an ist ih r B ild ; man b e h arrt im Bildsein,
der' unphilosöphischen A nsicht und d er philosophischen noch von oder w ird Bild dieses Bildseins selbst. — Es ist alles so einfach,
einer anderen Seite zeigen. (C harakteristische G rundunterschiede daß man es m ißverstehen kann n u r dadurch, w eil man in d ieser
erstrecken sich ü b e r das G anze u n d gehen in die Tiefe.) Einfachheit es nicht auffassen zu dürfen glaubt, viel E ntlegeneres
F ü r je n e i s t ein niaterielles S e in das,letzte, sagte ich. D ieses daru n ter sucht.)
— ein Sein, das da eb en ist, o h n e irgend etw as zu sein, und zw ar
ein to t b eh arren d es und b esteh en d es, dem die E igenschaften, als D eutlich g ew orden ist: der U nphilosophie sind als das letzte
ein Inhärierendes, m an w eiß auch nicht w ie u n d w odurch, auf- Sein D in g e . D er Philosophie, w ie w ir b isher sie d arg este llt
g etrag en w e rd e n : die blo ß e reine Substanz, ohne alle A kzidenzen, h'aben, E r k e n n t n i s s e oder B i l d e r , w elche in >ich selber in
— die denn doch i s t (das G ebildete eben und O bjektive ü b er ihrem V erstandenw erden D inge, als das in ihnen A bgebildete,
h au p t aus einem Bilde). setzen.
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Angewendete Philosophie. Allgemeine Einleitung. 13
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Ich sag e — m it m einer B etrachtung w eiter fo rtschreitend: — d er K örper, und begriffe aus dem selben jedw ede Ruhe, jed w ed e
dam it w äre kaum etw as gew onnen, w enn es statt D inge, die B ew egung, teils, daß sie ü b erh a u p t sei, teils, daß sie g erad e m it
auf eine unbegreifliche W eise bestim m t, solche sind, — Baum usw. dieser K raft o der G eschw indigkeit sei: so hätte d ieser zu einem
— Bilder gäb e eines B aum es usw ., auf eine ebenso unbegreifliche Bilde der ersten Art, dem Falle' o der d er Ruhe, eines d er zw eiten,
W eise bestim m t. H öchstens w äre es eine geistigere, lebendigere ein Bild von einem G e s e t z e dieses Bildens. (D eutlich: die Bil
und beleb en d ere A nsicht derselben U nbeg reiflich k eit.— Ih rW a h r d u ngskraft w ürde angeschaut als stehend u n ter einem G esetze,
heitssinn g ib t m ir recht, den ich 'nun zu rechtfertigen habe. das selbst ist ein Bild.)
W ie ist nichts g e w o n n en : und w er kann das sa g e n ? D er, /W enn n u n der Philosoph a u ß er Bildern d er ersten A rt solche
dessen E rkenntnis sich nicht b eruhigen w ill bei der g eg ebenen der zweiten...fände, so w äre dadurch in ider T at etw as gew onnen,
B estim m theit, sond ern der das W ie und W a r u m , die G i ü n d e dleHErkenntnis w äre erw eitert w orden. B esonders aber, w as sich
derselben b eg reifen w ill: der einen B egriff (E rkenntnis) von dem gleich h ier anm erken und deutlich m achen läßt, w äre dies g e
Z u sam m en h än g e der E rkenntnis in sich selbst verlangt. — W as w o n n en : 1. D iese Bilder d er G esetze für andere Bilder g e b en
b eg eh rt ein so lch er? Ein Bild (E rkenntnis) eines G e s e t z e s , sich gleich g eradezu und ohne nötiges B esinnen für rein e Bilder
durch w elches das unm ittelbar sich darbietende Bildw esen b e und B egriffe: rein e G esetze, kein besteh en d es.S ein , sondern eben
stim m t sei, und sich erkennen lasse als dadurch bestim m t. n u r bestim m end ein solches. — Schw erkraft, A nziehung — is t
Dies w erde zuerst analysiert, dann durch ein Beispiel e rläu tert: sie, w o ist sie, w o h at sie ihren S itz? Sie is t ja n u r das Bet
377 Uns sind g eg eb en Bilder o d er E rkenntnisse, als B estim m ungen stim m ende des Seins. So w erden w ir gew altsam zur geistig en IV, 378
des B ew u ß tsein s: diese sind, und sind das einzig Seiende für die Ansicht erhoben. W enn in einen unphilosophischen K opf so etw as
philosophische O rundansicht. — Es sind ihrer ab e r fürs e iste fällt, und er fcs w ieder verkörpert, w as läßt sich da anfangen ? —
3 zw e ie rle i: 1 . solche, die sich u n m i t t e l b a r d u r c h d a s n a t ü r - 2. D as absolute und letzte Sein ist dadurch h oher g e rü c k t: denn
I l ie h e D a s e in d a r b i e t e n j die von dem U nphilosophen für ist Mar, daß die anderen Bilder — o der E rscheinungen, wie w ir
| D inge gehalten, von der P hilosophie für Bildet erk an n t w erden. sie nennen w ollen, — n u r sind, um an ihnen das erste Bild, das
| 2. Solche, die sich n ic h t u n m i t t e l b a r darbieten, und deren' G e s e tz , d arzulegen: das G esetz w ird bildlich und bildbar nur
j W esen ist, daß aus ihnen der G r u n d d e r B e s t i m m t h e i t der an seinem F alle. Die E rscheinungen sind darum eigentlich 1 g a r
nicht selbständige und um ihrer selbst willen seiende Bilder,
J ^ersten erkannt w ird.
M/ Als Beispiel b enutzen w ir das so n st auch schon g eb rau ch te: sondern n u r A bbildungen des G esetzes — die E r s i c h t l i c h k e i t
— d ie K örper ruhen, sie b ew eg en s ic h : dieselben, die da ruhten, desselben.
bew eg en sich j die R uhe h a t einen ;O r a d der Festigkeit, die Be D adurch nun w äre die W eltansicht der Philosophie gesteigert.
w eg u n g eine bestim m te G eschw indigkeit. — W as d ort D in g e , Die unm ittelbare E rscheinung, d. i. Alles, w as sich dem M enschen
sind für uns B i ld e r , und zw ar Bilder, die sich schlechthin so m acht dadurch, daß er natürlich d a ist, — ob dieselbe nun gehalten
m achen. N un frag t sich, ob bei dem absoluten Faktum (so w erde für ein System von D ingen, o d er fü r eines von V orstel
ist’s und dam it g u t) steh en geblieben w erd en m üsse, o hne daß lungen, — ist nicht das Eigentliche, und w ahres O bjeki der E r
darü b er hinaus eine E rkenntnis m öglich w äre, in d e r jenes sich kenntnis ; sondern ist n u r Ä ußerung eines anderen, d er j /
als F o lg e z e ig te : — so w ie uns das D i n g sich als Folge zeigt und diese w aren hier das letzte O bjekt, - H
des unm ittelbaren Bildes. — W en ig sten s fordern w ir, es solle M erken Sie es gleich an dieser Stelle, w o es durch seine Ab-
sich auf die letzte Art verhalten. — G esetzt nun, es fände jem and g eso n d erth eit am klarsten in die A ugen fällt: — Es ist allerdings
das G e s e t z d e r S c h w e r k r a f t , der allgem einen A nziehung das G laubensbekenntnis der Philosophie, zu d er h. B. ich mich
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bekenne, und zu w eicher ich alle zu erheben w ünsche, und das sich zeigte, dessen bloße D arstellung w äre das N aturgesetz y, wie
ich g a r nicht verhülle, sond ern so unum w unden als m öglich aus dessen bloße D arstellung ist z, die N atur selb st: so erw eiterte
zusprechen suche, daß die g eg eb en e W elt — ob m an dieselbe durch dieses A ufsteigen ü ber ihren ersten E ndpunkt sich d ie
nun für ein System von D ingen, od er für ein S}'stem von B e verständige E rkenntnis.
stim m ungen des B ew ußtseins h alte — durchaus nicht da sei in Es sind zwei Fälle m öglich: E n t w e d e r dieses A ufsteigen
irgendeinem gew ichtigen S inne des W ortes, und im G runde und vom P hänom ene — dem in irgendem ein V erstehen als letztes J
Boden N ichts se i: — und dies ist m ir so überschw änglich klar, und absolutes Sein G esetzten — zu dem höheren G runde d e s
daß ich vorgebliche N aturp h ilosophie u n d alle Philosophie selben g e h t ins U n e n d lic h e fort, — für dieses x g ib t es ein u,
d er A rt ü b e r ih re B lindheit tiloß bem itleiden kann. — Nämlich, das unverständigerw eise w ieder für das A bsolute gehalten w e r
w enn m an mich o d er die P hilosophie fra g t; erscheint denn die den kann, aber von dem V erstände durch d ru n g en w ieder re d u
W elt nicht, ■— ist sie darum nicht für das Sichhingeben an diese ziert w ird auf ein t, — und so ins U nbedingte vorw ärts. —
natürliche E rsch ein u n g ? so sag e ich freilich: — Ja ; w enn ab er D as R esultat davon w äre g a r kein absolutes, dem V erstände
g e fra g t w ird : ist sie fü r die V e r s t a n d e s - E r k e n n t n i s , das Stand haltendes und ihn befriedigendes S e in , kein L e t z t e s ;
Sichverstehen u n d B egreifen dieser E rscheinung aus sich als dem sondern n u r ein solches, das eine Z eitlang durch Irrtum u n d
G ru n d e ? so ist die A n tw o rt: d u r c h a u s n i c h t ! — N ur ein aüf U nverstand d afür gehalten w ürde.
sich se lb st r u h e n d e s — keinen G rund außer sich habendes — O d e r : es g ib t einen letzten und absoluten G rund (ein ab- /j]
IV, 379 Bild k ü n d ig t ein w ahres Sein an. — D iese ist durchaus D ar solutes S e in ), der den V erstand vollständig befriedigt, nicht n u r 1V/380
stellu n g der G e s e t z e , ihr S p iegel; n u r die G esetze sind. W er die vorläufige E rkenntnis: ein L e tz te s , dessen E rscheinung das
es anders nim m t, d er hat sich ^eben nicht erw orben jenen V e r U r b i l d w äre, das B ild überhaupt, als dessen E rscheinung nun
s t a n d , hat das Bildw esen in ihm noch nicht zum V erstehen w ieder x verstanden w ürde, und so heru n ter bis auf d ie schlecht
seiner selbst erhoben. hin sich ergebende Erscheinung.
Dies ein an d erer C h arak ter d er P h ilosophie: sie ist E rk en n t Die V oraussetzung einer P hilosophie nim m t a n : daß es sich
nis, die sich selb st w e r d e n sieht, g e n e t i s c h e E rkenn V or verhalte nicht auf die erste W eise, sondern auf die zweite.
h e r: nur E r k e n n t n i s ist, nicht D inge; h ie r: E rkenntnis w ird . D enn — die durchgeführte, vollendete Philosophie, die durch
— D ort — A nerkenntnis d er E rkenntnis in ihrem a l l e i n i g e n g än g ig e A nw endung des philosophischen Blickes, ist eben die
S e i n : hier das V erstehen d er E rkenntnis in ih r e n U r s p r ü n g e ; E rkenntnis jenes absolut letzten T eiles des Bildes (der E rkennt
v erständiges E rkennen, des E rkennens eben selbst. D ie se s— philo nis, des B ew ußtseins) überhaupt, und dieser B eschaffenheit d e s
sophischer V e r s t a n d , jenes — philosophische A n s c h a u u n g . selben. — So darum ihre A nsicht: Es ist allerdings ein A bso
H ieran habe ich die F o r m d er genetischen o der v erstän lutes, durch, von, aus sich Stam m endes, — G o tt: dessen O ffen
d igen Einsicht des Seins (es ist aber für den philosophischen b aru n g ist die E rkenntnis (und w ird als solche verstanden). D iese
Blick nichts denn E rkenntnis) ü b erh au p t beschrieben, W enden E rkenntnis ist nun eine solche (in diesen bestim m ten Form en sich
w ir diese w eiter an : darstellend), w eil sie n u r auf diese W eise sich sichtbar m achen
A uf diesem S tandpunkte sind G e s e t z e , und zwar die im k an n : sie ist durch sich’ selbst und ih r'e ig e n e s W esen auf eine
unm ittelbar E rscheinenden und G egebenen (der N atur) sich d ar verständliche und von der P hilosophie verstandene W eise also
stellen, — N atu rg esetze — das absolute und letzte Sein gew orden. bestim m t.
— W ie aber, w enn sich fände, daß m it diesem Sein = y die E r Sonach — jetzt ist der Begriff vollendet — w äre Philosophie
kenntnis sich au ch nicht befriedigte, und ein h öheres G esetz = x oder W issenschaftslehre E rkenntnis d er gesam ten E rkenntnis, der
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Angewendete Philosophie, Allgemeine Einleitung. 17
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E rkenntnis als ein S ystem ; und zw ar durch den V e r s t a n d , o d er tische B ew ußtsein sich hinaufschw ingt, g eg ebene. — So Alles,
genetische. was schlechthin sich selbst s e tz t: — das Ich ist davon das 'M üster.
Ich sa g e : 1. sie ist E rkenntnis d urch den V erstand: durch (W ir'd rä n g e n hier höchstw ichtige R esultate zusam m en. W er es
das E insehen des G r u n d e s . — N äm lich — alle E rkenntnis ist schon kennt, w ird es finden: w er noch nicht, d er glau b e es in
Bild, und setzt darum ihr G ebildetes; das B eharren darin ist dessen, und halte diese Sätze zur L eitung fest.)
A n s c h a u u n g (erk an n t w ird w ohl, aber nicht verständig e r W ie auf den obigen Standpunkten, so w ollen w ir auch auf
kannt). So ist das A nnehm en eines g eg e b en e n Seins bloße A n diesem letzten und höchsten die A nsicht d er W issenschaftslehre
sch au u n g ohne allen V erstand. V e r s t ä n d i g e E rkenntnis d a deutlich aussprechen, uns anschließend an eine gew isse A nsicht:
g e g e n sieh t das Bild und das G ebildete m it ihm w erden und — richtig! (W ir lassen indes einen g ew issen P u n k t
hervo rg eh en aus seinem G runde. D ies das B egreifen (Begriff unentschieden.) — E r o f f e n b a r t s ic h ': — richtig! — in der
in einem hö h eren S in n e: d er D euter u n d E x p onent des W esens). E rkenntnis näm lich, durchaus n u r in ihr. W as is t, ist G o t t in
2. Sie ist eine solche (verständige) E rkenntnis — der E r ihm selber, und s e in e O f f e n b a r u n g : die letztere — E rk en n t
kenntnis ü b e r h a u p t , in ihrer allgem einen Form . — Am G eg en nis! ~ W as außerdem noch zu sein scheint; s c h e i n t eben nur
sätze w erde es deutlicher: E rkenntnis der N atur durch ihr G esetz, zu sein, in d er E rkenntnis näm lich. — Keine W elt, außer in ih r;
u n d als S ichtbarkeit u n d A bbildung dieses G esetzes — ist g e n e weil sie eben ist B ild G ottes, und als Bild üb erh au p t v e r s t a n d e n IV, 382
tische E rkenntnis einer g e w i s s e n E rkenntnis durch eine andere, w ird. — G o tt selbst i s t in der E rkenntnis; aber nicht a ls ,e in
IV, 381 von z durch y. Falls nun dieses G esetz w ieder erkannt w ird aus unm ittelbar in ihr G egebenes, in ih r G esetztes, sondern n u r durch
einem h öheren, etw a dem sittlichen, so ist hier w ieder E rkennt das V e r s t e h e n d e r E r k e n n t n i s selbst, eben als das, als w as
nis aus an d erer E rkenntnis erkannt, n irgends a b e r die E rkenntnis w ir sie hier verstanden haben. U nm ittelbar in der E rkenntnis ist
ü b erh au p t, n irgends darum vollendete W issenschaftslehre. — Die G ott g a r nicht (keine A n s c h a u u n g von ihm), sondern n u r im
E rkenntnis selb st w äre nur zu erkennen aus etw as, das nicht E r V erstände dieser E rkenntnis selber, als seiner O f f e n b a r u n g .
kenntnis ist, nicht Bild, nicht bloße E rscheinung eines im H inter-
jgrunde liegenden, so n d ern dies selb st: das a b s o l u t e S e i n ; —
freilich auch ein durch den V erstand erkanntes, a b e r schlechthin G rundcharakter der W issenschaftslehre: E rkenntnis mit dem
nicht durch die E rkenntnis gesetztes, indem im G egenteile diese C harakter der A n s c h a u u n g , — w elche es auch sei, ist Be
fangenheit in irgendeinem G esetze, und P rodukt dieses G esetzes.
durch jen es g esetzt ist.
B em erken S ie: 1. W ir haben die Philosophie der U nphilo W issenschaftslehre — vollkom m enes V erstehen, durchgeführtes
so p h ie darin en tg eg en g esetzt, daß die letzte ein stehendes Sein Sehen (dagegen so n st allenthalben etw as verborgen B leibendes,
annehm e, d ag eg en die erste ü b erh au p t nur Bild, n u r E rkenntnis noch zu E rsehendes ist), darum vollkom m ene F r e i h e i t . Sie ist
gelten lasse. Jetzt en d en w ir die P hilosophie selbst in der A n V erständige E rkenntnis a l l e r Erkenntnis, indem sie dieselbe so
nahm e eines ab so lu ten Seins. W idersprechen w ir uns n icht? N ein; w ohl üb erh au p t, daß sie ist, als insbesondere so, w ie sie ist,
vielm ehr haben w ir dadurch G elegenheit, den Sinn u n serer B e hervorgehen sieh t aus ihrem G runde und G esetze. — D iese Ein
h au p tu n g zu bestim m en. — Das Sein des U nphilosophen ist ein sicht nun ist F r e i h e i t d er E rkenntnis vom G esetze; sie ist in
im unm ittelbaren B ew ußtsein g eg e b en es; dieses nun leugnen w ir differentes D a rü b e rsch w eb e n : dageg en alle and ere nicht also sich
d u rchaus ab, einsehend, daß eben darum , w eil es im Bilde g e verstehende Erkenntnis, insofern A nschauung, ist durch blinde
g eb en ist, es ist das gebild ete und g ew ußte. Das unsere dagegen H in g eg eb en h eit an das G esetz. D iese bestim m t eben, w ie eine
ist das d u rchaus nur durch den V e r s t a n d , der ü b er alles fak- blinde N aturkraft, das V orstellen.
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Angewendete Philosophie. Allgemeine Einleitung.
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W isse n s c h a f t s l e h r e a ls o i s t v o l l k o m m e n f r e i e , sich >en Sie ihr B ew ußtsein, und das G esetz bleibe ihr verborgen-
V)selbst im Besitz habende, E r k e n n t n i s . — Die V ollkom m en- denkt sie, sie entw ickele sich m it Freiheit. H ie r h e b t die
jrh e it u n d V ollendung der F reiheit folgt eben daraus, daß die Er- „ _ ./e g u n g an für ihr B ew ußtsein; darum ist dies ih r das A n
\ kenntnis selb st in ihrer Form verstanden w ird aus dem , w as f a n g e n d e , das, ohne w elches alles übrige nicht w äre ■ Es
Mmcht selb st E rkenntnis i s t und Bild. - U nd u n ter diesem ^Cha haben R äsonneurs die m enschliche F reiheit geleugnet, als B eispiel
rak ter der vollkom m enen F r e i h e i t ist hier die W issenschafts anführend eine Kugel, m it S elbstbew ußtsein ausgestattet. Sie
lehre vorzüglich zu b e tra c h ten : dies die Absicht un serer V or steh t: bew eg et nun die Tafel, so entsteht in ihr die N eigung
sich herunterzubew egen. Es ist g an z klar und u n ter d er V oraus
lesungen. ..............
setzung der bew ußtlosen K räfte g an z richtig: d er M ensch ist
liie r ist n u r im m er die R ede gew esen von E r k e n n t n i s s e n , auch nur ein G lied in der Reihe d er N aturkräfte und so un w id er
stehlich b estim m t: es gibt keine Freiheit.
Bildern die ein Sein au ß er sich setzen, das eben zufolge der
A ussage des Bildes ist. - N un findet das E rkennende, das' Keine F reiheit; denn es gib t kein A nfängen des E reignisses
Ich sich nicht bloß erkennend, — m it dieser B em erkung gehen kein Prinzipsein. (So ist die Freiheit zu denken, so von uns IV,
gedacht. Alles andere ist reiner N ichtsinn.)
IV 383 w ir ü b er zu einer neu en U ntersuchung, — so n d ern auch als
h a n d e l n d e s , w irk en d es: nicht bloß als habend Bilder, sondern Es sollte nun doch in diesem Sinne Freiheit sein : w ie m üßte
auch als selb stän d ig er G ru n d seiend von B estim m ungen des. diese sein? W ir haben Sie zu denken, zu konstruieren. D ies
Seins die, nach d e r gew öhnlichen A nsicht, selbst ihre Bilder unser P ostulat, ich fordere dazu Ihre A ufm erksam keit a uf : es
innerhalb der E rkenntnis setzen. (Ich vernehm e diese R ede, er ist nicht gerad e schw er, aber ü ber alles bedeutend. W ie in d e r
kenne diese Schrift, und Sie gleichfalls unm ittelbar.) vorigen W oche, so will ich auch jetzt versuchen, um fassende
W ie nun überein stim m en d m it der G rundansicht d er W issen R esultat^ der F orschungen m eines Lebens m it K larheit hinzustellen
schaftslehre dieses H an d eln auch nicht etw a ein H andeln an die zudem nicht seh r b ek an n t sind. Zugleich hoffe ich üb er eine
sich, sondern im Bilde sei, n u r in einem Bilde, das da w ieder M enge von Skrupeln und V erw orrenheiten, in denen Sie vielleicht
setzt andere Bilder, als die Effekte des H an d eln s, können Sie befangen sind, m it leichter H an d Sie hinw egzuheben.
sich, falls Sie das O bige w ohl verstanden haben, im allge Auf U nbekanntschaft m it der treibenden K raft b eru h te das
m einen denken. Es b eso n d ers auseinanderzusetzen, ist nicht u n ser B ew ußtsein der Freiheit. W enn jene nun erk a n n t w ürde, und
nächstes V o rh ab en ; dies geschieht in eigenen T eilen der W issen ihr G esetz, w äre dadurch F reiheit g e w o n n e n ? O ffenbar n icht:
sch aftsleh re: — sondern auf F olgendes kom m t es uns an: die T ä u s c h u n g fiele h in w eg ; das Z usehen des W e r d e n s w äre
N un k ann der M ensch h andeln (ebenso w ie er nach O bigem gew onnen, und m ehr nicht. Auch dies ist im m er recht g u t;
vorstellen kann), g etrieb en durch irgendein ü b e r ihm w altendes und darauf eben gehen alle jene R äsonnem ents aus.
G esetz, das ihm verb o rg en ist. —. Es ist klar, daß m d^esenJ W arum ist das Ich nicht frei? W e il e i n e h ö h e r e K r a f t
Falle E r g a r nicht handelt, nicht frei ist. D a s Ic h h a n d e l t . g e s e t z t is t, z u d e r d ie W i l l e n s b e s t i m m u n g d e s I c h
N ein ; dies ist T ä u sc h u n g : G e s e t z I. h. — I ist n u r G lied m s i c h , v e r h ä l t w i e B e w ir k te s , w ie P r in z ip ia t.
Eine solche m üßte ganz h in w e g fa llen : kein N a t u r g e s e t z ,
der K ette d er N aturno tw en d igkeit.
Es kann w ohl sein, daß das H an d eln der gew öhnlichen N aturgesetz aber ist ein solches, durch dessen G esetztsein ein
M enschen durch au s so ist. — D enken Sie eine P flanze, sie gew isses anderes Sein unw iderstehlich u n d m it ab soluter N ot- '
erhält sich se lb st, nim m t in sich auf, treibt aus sich heraus, he- w endigkeit gesetzt ist. D ies schließt darum innerhalb seines G e
schreibt die F orm en, die sie beschreiben muß, nach ihrem G esetze. bietes die F reiheit (das A n f ä n g e n ) schlechthin a u s : es ist ein ,
F i c h t e , Di e S ta a tsleh re, 2 435
434
f M V
20 Angewendetc Philosophie. Allgemeine Einleitung. 21
rein analytischer Satz. — D as Ich oder d er W ille selbst m üßte produkt w äre ; w o ist dieselbe noch zu fin d en ? H aben den n di e;
darum sein die absolute N a t u r k raft1: kein Sein ohne ihn, alles N aturphilosophen nie auch nur einen Blick auf ihre U m g eb u n g j
Sein nur durch ihn, und als sein Prinzipiat. (Es liegt im absoluten gew orfen, und da nicht ein anderes Prinzip gefunden, als das \
A nfängen, dem E r s t e s - S e i n , und ist notw endig so gedacht. .tote N atu rg esetz?
Sie können es g a r nicht anders denken, und haben es auch nie Der W ille — absolut s c h ö p f e r i s c h e s Prinzip, rein a u s
anders, so gew iß Sie es jem als klar g e d ac h t: jetzt ist es nur s i c h s e l b s t erzeugend eine besondere W elt und eigene Sphäre
deutlich anzuerkennen, und sich fürs L eben zu m erken.) des Seins. — Die N atur bloß der leidende Stoff, o hne allen
F r e i h e i t h eiß t d a h e r: keine N atur ü b er dem W illen, er ihr A n t r i e b . Ihre G esetzm äßigkeit, ihr E ntw icklungstrieb w ird g e
einzig m öglicher S chöpfer; darum ü b erh au p t keine absolute N atur, tötet, um zu tragen das neue Leben und den G eist der Freiheit.
IV, 385 keine, denn das P r i n z i p i a t . W er eine absolute N atur behauptet, Dies das E rste!
der kann h ö chstens d er Intelligenz das Z usehen lassen. Es ist W eiter ab e r: Inw iefern nun doch diesem absolut
klar, w ie bloße rein analytische Satze. — H ier streiten w ir un schöpferischen W illen Bilder von seiner W irksam keit (Zw eck- IV,
m ittelbar für keines von beiden, sondern bloß für die K onsequenz. begriffe) zugrunde liegen und vorhergehen (daß u n d w arum dieses
W ie könnte N aturphilosophie Freiheit zugeben! so sei, und sein, m üsse, haben w ir hier nicht zu u n tersuchen;
Ich will hier anhalten, um diesen d er gew öhnlichen A nsicht es reicht hin dies vorauszusetzen, u n d in der w irklichen W a h r
u n g e w o h n te n G edanken gleich an dieser Stelle klarer zu m achen, n ehm ung u n serer selbst im S elbstbew ußtsein es b estä tig t zu
indem w ir ihn g a r seh r brau chen w erden, und u nsere V ertrautheit finden): so sind dies solche Bilder, die d u r c h a u s k e i n S e i n
damit. a u s s a g e n , o der u n m i t t e l b a r s e t z e n , sondern die das ihnen
Keine N atu r u n d kein Sein, außer durch den W illen; die entsprechende Sein bekom m en könnten n u r durch die f r e i e
F reih eitsp ro d u k te das rech te Sein. — D a w ir nun allerdings W i r k s a m k e i t . — (Die Rede, die ich haften will, die Schrift,
F reiheit b eh au p ten dürften, so m öchte dies w ohl gerade u n se re die Ich schreiben will, die O rdnung, die ich in den G eräten
M einung sein. — Die g e g e b e n e Sinnenw elt sänke dadurch eines Z im m ers, oder auch w ohl in einer G esellschaft von M enschen
zur Ersichtlichkeit, V orstellbarkeit des H öheren, der F reiheits hervorbringen w ill: — alles r e i n e Bilder o der Begriffe.)
schöpfungen h e ra b : sie m it allen ihren G esetzen ist n u r dazu 1 ■ F r e i , absolut s c h ö p f e . r i s c h ist nur der, dessen H a n
(da, — der vorliegende Stoff, die Sphäre, auf w elche die F reih eit deln solche Begriffe zugrunde liegen, die nicht stam m en aus der
iaufträgt: nicht auch a n s i c h , so n d ern durch' die B ildbarkeit .Sphäre des geg eb en en S e in s : der da handelt aus Begriffen,
D arstellbarkeit ih rer selbst g esetzt. W as die F reiheit auf sie auf die klar und durchschaut ihm vorschw eben, u n d diese darstellt
trä g t, dies bleibt das W a h r e . — Schauen Sie es im Bilde an! in der W elf der G egebenheit. (A ußerdem ist es ja die S i n n e n
W as s c h a f f t denn die N a tu r? G ehen Sie in uranfängliche n a t u r , die im Bilde nur w iederholt, sich' auch im Sein w ied er
W ildnisse, die nie ein m enschlicher Fuß b etra t; Sie m öchten . holt.) D ies das zw eite M erkm al.
kaum etw as finden, w as sie anzieht und befriediget. Bei uns 2. Es ist dies dieselbe W eltansicht, die w ir oben gew onnen
ist die V egetation g eo rd n et, bestim m t, veredelt; so auch die hatten im N am en der W issenschaftslehre; n u r ist sie hier erw eitert
T ie re : überall g ew isserm aß en neue S ch ö p fu n g e n : m enschliche und verklärt. V on der E rkenntnis d er Bilder des geg eb en en Seins
W o h n u n g en und G ebäude, Rede u n d Schrift. W o ' ist in unserer erhoben w ir uns zu ihrem G esetze = x ; w ir u rteilten : in W ah rh eit
g anzen U m g e b u n g das G eringste versteckt, das reines N atur- sei nur das G esetz, das erscheinende Sein aber sei lediglich der
einzelne Fall (das K onkrete) für die A nschaulichkeit und V orstell
1 Vielleicht hatte Fichte „Natur“ ausgestrichen, und der Setzer hat
das Ausgestrichene für unterstrichen gehalten. barkeit des G esetzes. — N un sage ich fern er; dieses G esetz selbst
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22 Angewendete Philosophie.
Allgemeine Einleitung. 23
mit allen seinen E rscheinungen m öchte w ohl auch nur w ieder sein
einer W elt, keinesw egs etw a ein e W elt selbst ist die E rscheinung
als die S ichtbarkeit eines H öheren = y, des s i t t l i c h e n G e
I des absoluten Seins. (Dies w urde ignoriert, die R ealität in das
s e t z e s . . D ies w ar d o rt ein durchaus u n erk lärter A usdruck; jetzt
g eg eb en e Sein gesetzt, und die Sittlichkeit n u r nachgeholt, als
ist er klar. Jenes sp ieg elt sich selbst ab, und stellt sich d ar in
y' ein w u n d erb arer A nhang.)
d en r e i n e n B e g r i f f e n , w elche einem absolut freien, das N atur
sein nicht fortsetzenden, sondern ein eigentüm liches Sein aus sich
Dies die Ü berzeugung und W eltansicht der W issenschäftslehre.
h ervorgehenlassenden W illen zugrunde liegen.
Die W orte sind, denk' ich, klar, und nicht m ißzuverstehen. Es IV, 388
W ie darum jetzt das V erhältnis? H i e r das w a h r e S e i n ;
ist nur schw er zu glauben, daß es E rnst sei, und daß nichts w eiter
d o rt n u r die S ichtbarkeit für dasselbe, eben W irk u n g ssp h äre, Stoff,
denn das, so ganz einfach, b eh au p tet w erde. Auch d rin g t diese
IV, 387 auf w elchen aufg etrag en , und in w elchem realisiert w ird. Also —
D enkart natürlicherw eise A chtung a b ; sie läßt sich w ohl b e
eine E rkenntnis, die durchaus kein Seih aussagt, sondern etw as,
zweifeln, verleum den, aber im Ernste verachten kaum . — M an
das da in alle E w igkeit fo rt n u r w e r d e n soll. — G ibt es W ahr-
kann so nicht sein, der M ensch ist schw ach, die Sinnlichkeit d rin g t
b e it in u nserer E rk en n tn is? J a : ab e r nicht in der dessen, w as da
sich uns im m er w ieder a u f ! G ut, ihr seid also verächtliches, nichts-
ist, sond ern dessen, w as da e w i g w e r d e n soll durch uns und
w ürdiges Volk, ihr, die ihr so sagt, und b ek en n et es la u t: und
unsere F reih eit; w erd en s o lfre in aus dem G eiste heraus, geschaffen
seid jäm m erliche T oren dazu; denn w er hat diese Beichte eu erer
und d arg estellt in dem G eg ebenen, das nur dazu allein da ist.
V erächtlichkeit von euch b e g e h rt? — M an p aß t bei einer solchen
D ies nicht n u r sag en , sondern alles E rnstes glauben, darin leben,
D enkaft schlecht in die W elt, m acht sich 1 allenthalben V erdruß!
das G egenteil als eine m itleidsw ürdige Jäm m erlichkeit klar b e
Ihr V erächtlichen! W arum so rg t ihr denn m ehr dafür, daß ihr
g reifen — ist die A nsicht d er W issenschaftslehre, die sie ganz so
euch den ändern anpaßt, als diese euch, und sie für euch zurecht
u n d unu m w u n d en ausspricht, nicht etw a n u r als renom m istische
legt? W er rech t ist, m uß sich nicht fügen dem U nrechten, sondern
B ehauptung, w om it m an sich ein A nsehen zu geben sucht, w ährend
um gekehrt, die U nrechten m üssen sich fügen dem R echten; d ieser
m an sie selb st nicht g lau b t o der w ah r findet. — N icht das is t,
aber will nicht den Beifall der Schlechten, da m üßte er selbst
w as uns als daseiend erscheint, nicht einm al das, w as w ir alle,
ja ein Schlechter w erd en : sondern er will die Schlechten so bilden
u n d die E delsten u n d B esten u n ter uns s in d , sondern das, nach
und zurechtsetzen, daß sie seinen Beifall haben können. Freilich
dem w ir streben, und in E w igkeit streb en w erden. — W as du
m uß das Rechte auch bei sich führen T üchtigkeit und M u t; aber
gew o rd en , ist n u r die Stufe, die B edingung für den M om ent:
ohne diese kom m t m an g a r nicht zum R e ch te n .— N un m öchte
sobald du stillsteh est und zu sein w ähnest, fällst du in das Nichts.
jem and zugeben, daß dem so sei, aber fra g en : w ie dazu zu g e
E rkenntnis ist Bild des S e in s . — G o tte s: n u r nicht die E r
lan g en ? — N u r durch B ildung des eigenen inneren A uges. V on
kenntnis, w elche w ied er ein Sein aus sich setzt, sondern w elche
außen, durch den bloßen G lauben, kom m t es n icht: er m uß in
ein W e r d e n : das Bild d e r ew ig schaffenden Freiheit. D er schöp
sich selber es haben!
ferische W ille, o b en schw ebend, m it seinem ew ig fo rt in re in e n '
S i t t l i c h e s G e s e t z dem nach ist Bild eines Ü bersinnlichen,
B egriffen sich aussp rech en d en G esetze, — dies ist die W elt;
rein G eistigen, also eines solchen, das nicht ist, so n dern nur
u n d m it einer tieferen sich abfinden lassen w ollen, ist zu bem it
durch den absoluten A nfänger des Seins, den W illen, w erden soll.
leid en d er B lödsinn. — Je n e w ahre W elt ab er liegt d u rchaus nur
W a h r h a f t f r e i , als H andelnder, ist n u r der, w elcher nach
im V o r b i l d e , nie s e i e n d , sondern w e r d e n sollend. Dies
solchen r e i n e m B e g r i f f e n handelt. D enn ein N aturgesetz, das
b e stä tig e t rech t die A nsicht der Philosophie, die w ir früher aus-
ihn triebe, könnte sich' nicht verstecken, d a das K riterium des
sprachen, daß nur E rkenntnis sei, und Nichts außerdem . — Bi l d
sittlichen B egriffes dies ist: durchaus nicht irgendein Seiendes,
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Angewendete Philosophie. Allgemeine Einleitung. 25
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sondern ausdrücklich das N i c h t s e i e n d e zu enthalten. U nd In einem anderen und abgeleiteten Sinne aber m üßten doch
nur so auch ist er seiner F reiheit s i c h e r . V orträge ü ber das g eistige Leben, als die A nw endung der P h ilo
V ergleichen w ir dies m it der P hilosophie o der W issenschafts sophie, Bilder eines solchen Lebens selbst, auch an g ew en d ete
lehre, so w issen w ir: Philo soph heißt uns derjenige, dessen Er- Philosophie (im B i l d e eben, in einer bloßen Erkenntnis, die ihr IV, 390
IV, 389 kenntnis d u rchaus frei und vollendet ist. — D er hier als w ah r Sein nicht unm ittelbar, w ie der N aturbegriff, setzt, sondern nur
haft frei Beschriebene hat diese höchste u n d vollendete Erkenntnis fordert) g en a n n t w erden. U nd dies darum w äre d er Sinn m einer
er ist durch d ru n g en bis zur reinen E rkenntnis des w ahren A nkündigung gew esen. — Die W issenschaftslehre w äre, von un s
S ein s; er ist darum ein th eoretisch W issenschaftlicher, W as aber als W eisheit, Leiterin des Lebens und W irkens zu b etrach ten ;
noch m e h r ? E r l e b t und w i r k t die philosophische E rk enntnis: w as m an sonst auch n en n t: praktische Philosophie. U nd aus
das d o rt R uhende und U ntätige ist hier T rieb und B estim m ung diesem G ebiete w erden unsere B etrachtungen allerdings g e
eines w eltschaffenden L ebens gew orden. In ihm ist die Philo nom m en sein; soviel w ar auch angegeben. Die en g ere S phäre
sophie Schöpfer des Seins, also a n g e w e n d e t . A n w e n d u n g habe ich jedoch öffentlich unbestim m t gelassen, o h n erachtet sie
d er P hilosophie ist ein s i t t l i c h e s L e b e n . bei m ir w ohlbestim m t w ar; w eil ich die bloße N eu g ier nicht
(Ein s i t t l i c h e s L eb en: nicht bloß ein nicht unsittliches, anziehen unid kein anderes Interesse erreg en wollte, als das rein
u ng erech tes, lasterhaftes, —; diese N eutralität w ird noch von den w issenschaftliche ohne alle B eziehung auf den besonderen G e g e n
m eisten m it d er Sittlichkeit verw echselt, — sondern ein w ah r stand, — so lange, bis ich in den V orträgen selbst G elegenheit
haft, positiv sittliches, die sittliche W elt, d. h. dasjenige, w as gefu n d en hajtte, Sie zu dem nötigen E rnste zu stim m en, u n d n u r
in der E rkenntnis liegt als schlechthin s e i n s o l l e n d , erschaffend diesen strengen E rnst Sie erw arten zu lassen.
und auftragend auf die g eg eb en e W elt, die nur dazu da ist. Da D er besondere G eg en stan d dieser V orlesungen w ird m ir
m uß ab er da's ^nnere A uge geb ild et sein zum Ersehen dieses näm lich durch s t r e n g e ^ N o t w e n d i g k e i t vorgeschrieben auf
Ü b ersin n lich en : diese Bildung des A uges aber ist die W issen- folgende W eise. W enn iefi wirklich, den soeben b esch rieb en en
schaftslehre.) und abgeleiteten G eg en stan d ganz und d u rchgeführt ab h andeln
Also — abso lu te E rh eb ung ü ber die N atur, Leben aus dem wollte, oder in diesem' Z eiträum e es könnte, näm lich die voll
erkannten rein G eistigen heraus, ist die zum Leben selbst und ständige B eschreibung des Lebens im G eiste liefern, so m üßte
zum A ntriebe d esselben g ew o rd en e P hilosophie o der W issen ich dieser B eschreibung durchaus vorausschicken und an ihre
schaftslehre. D iese in der A nw endung heiß t e b e n : im L eben, Spitze stellen: die U ntersuchung ü ber die ä u ß e r l i c h e n B e
W irk en und Erschaffen, als eigentliche, die W elt bildende G rund d i n g u n g e n dieses durchaus freien u n d geistigen L eb en s; die
k raft; sie tritt an die Spitze der W eltg estaltung im eigentlichen A bschilderung eines v o r a u s z u g e b e n d e n W e l t z u s t a n d e s ,
und höchsten Sinne. falls es zu der g eforderten sittlichen Freiheit im allgem einen
Diese ang ew en d ete lebt man nur; sie trä g t m an nicht vor kom m en solle. — D a ich nun vollenden freilich nicht kann,
in Reden als in einem neuen Bilde. — V orträge darum aus d er aber anheben will, so m uß ich’ da anheben, w o der natürliche
an g ew en d eten P hilosophie, dergleichen ich angekündigt habe, Anfang lie g t: ich m uß jene U ntersuchung, als die des v o rb e
g äb e es eigentlich nicht. (D a ß v orgetragen w ird als ein M ittel, reitenden A bschnittes liefern; und dies ist denn eigentlich m ein
andere zu dieser beselig en den Ü berzeugung und dem aus ihr V orhaben m it diesen V o rlesu n g en : d ie ä u ß e r e n , in d e r g e
erfolgenden L eben zu erw ecken, dies kann allerdings aus dem gebenen Welt liegenden Bedingungen d e r s i t t l i c h e n
S tandpunkte einer P erso n ih r geistiges Leben, das ihr aufgetragene Freiheit darzusteilen. -
W erk sein. Dies aber g eh ö rt eigentlich g ar nicht hierher.) Fassen w ir nochm als scharf jenen Begriff. D er W ille ist das
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ab so lu t schöpferische Prinzip der w ahren W e lt: diese — seine viduen, deren jedes in B eziehung auf die N atur u n b e d i n g t frei
P ro d u k te und Effekte. D ieser hat seinen g eg eb en en Inhalt, sein ist. D iese u nbedingte F reiheit d er verschiedenen W illen kann IV, 392
anzustrebendes Ziel in dem S ittengesetze: in diesem liegen die sich h in dern und hem m en; und so entsteht U nfreiheit des
IV, 391 Effekte vorg eb ild et; ab er diese Effekte sind F ortbestim m ungen in einzelnen, w eil alle unbedingt frei sein w olIen.
d er v o rau sg eg eb en en S i n n e n w e it. — N un frag t sich: Ist diese A lso: E in m it sich einiger W ille, und es w äre nirgend eine
in jed er R ücksicht geschickt, den Abdruck eines freien und geistigen H em m ung der F reih eit: unsere ganze A ufgabe fiele hinw eg. Aber
W illens aufzu n ch m en ? O d er w ie m üßte sie sein, falls sie dies es s i n d m ehrere, m öglicherw eise m it sich 1 streitende W illen;
nicht schlechthin w äre, und w ie m üßte sie in diesem Falle erst und daher die M öglichkeit der H em m ung der Freiheit.
dazu gem acht w e rd e n ? — Also auf die um g eb en d e W elt, als Das N aturgesetz — etw a eine gew isse N atureinrichtung —
S phäre des freien H andelns, also in g ew isser B eziehung auf die kann diesen Streit nicht schlichten; denn die N atur g eb ietet ü b e r
N a t u r , und zw ar in Rücksicht auf ihre P aßlichkeit fü r .freies h au p t nicht der F reih eit: also ein s i t t l i c h e s G esetz; eines, das
sittliches W irken, h ätten w ir die B etrachtung zu richten. Dies da an die F reiheit Aller gerichtet, in der E rkenntnis Aller nieder
im allgem einen der O rt der U ntersuchung. g eleg t w ä re ; das G rundgesetz und d er B ürge gleichsam aller sitt
Z u v ö rd erst nun: diese U ntersuchung, o h n erach tet sie nach lichen G esetze, — dadurch, daß es bestim m t, w ie \yeit die Freiheit
dem B isherigen erschien als vorläufige für die angew en d ete Philo jedes einzelnen gehen könne, ohne' die der übrigen zu stören.
sophie, ist doch auch ein Teil derselben. D enn falls die W elt in So w ird gleichsam das G ebiet d er F reiheit eingeteilt in zwei
ihrem g eg e b e n e n Z u stan d e allerdings sich nicht für jenes W irken S p h ä re n : a) die d er freien W irksam keit jedes einzelnen, b) die,
tauglich fände, so ist es .die allererste und derm alen allein in der w elche keiner unm ittelbar b e rü h re n durfte. — D urch dieses G esetz
Z eito rd n u n g liegende F o rd e ru n g des S ittengesetzes, daß ih r die w ird jener Streit g e s c h i e d e n , und so die einzige G efahr, die
tau g lich e G estalt g eg eb en w erde. Dies darum ist selbst die erste der F reiheit en tgegenstand, aufgehoben.
A nforderung an d en sittlichen W illen : w ir lehren sonach diel Dies nun ist das R e c h t s g e s c t z : es ist s c h l e c h t h i n d a ,,f
nächste Sittenlehre der Zeit. — Soviel im allgem einen. Jetzt näher als die äuß ere B edingung der F reiheit: es m uß d a r u m |
zur Sache: herrschen, als a b s o l u t F e s t e s und G e g e b e n e s , als schlechthin!'
Die g eg eb en e W elt, inw iefern sie bestim m t ist allein durch bindend gleich einem N a t u r g e s e t z e . — Jene gesuchte äußere!
das N aturgesetz, ist ganz gew iß der Freiheit angem essen; denn B edingung darum ist das R e c h t , r e c h t l i c h e W e l t ; das erste^
sie ist, nach dem ursprünglichen G esetze der E rscheinung und G esetz h at vorläufig den R echtszustand hervorzubringen. Die
des B ildw esens ü b erh au p t, nur die S i c h t b a r k e i t des Sittlichen, U ntersuchung jener vorläufigen B edingungen also h ätte gerade
der Freiheit. — Die F reih eit ist das durchaus höhere Prinzip, dies zu besch reib en : sie w äre R e c h t s l e h r e .
durch w elches jene in N ichts verschw indet: sie kann sich für N un ist auch das nicht m eine A bsicht: die R echtslehre habe
sich entw ickeln, ab er sie kann dem höheren Prinzip nicht w id er ich voriges Jah r vorgetragen, außerdem ein Buch d arü b er g e
ste h e n : dieses h e b t eben an mit d er T ö t u n g jen er leeren E nt schrieben; — so n d ern : w ir könnten das R echtsgesetz betrachten,
w ickelung für das A ufnehm en d er Idee. In dieser R ücksicht also nicht als setzend einen vorhandenen Z ustand, also bloß theoretisch,
bedarf es keiner b eso n d eren U ntersuchung ü ber die T auglich sondern praktisch, als ein sittliches G e b o t an alle, als das, w as
k eit; dies ist von vornherein abgeschnitten. W as die Freiheit w ir alle s o l l e n fürs erste begreifen, sodann jed er an, seinem
soll, kann s i e nur, nicht die N atur; alles aber, w as jene kann, Teile befördern.
nim m t diese auf ohne W iderstreben. — A ber die F r e i h e i t kann Dies w äre aber n u r m öglich, w enn in d er geg en w ärtig en
nur auf sie w irk en ; nun ist diese zerteilt u n te r m ehrere Indi- W elt der vollendete R echtszustand nicht allerdings ein g eführt
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IV, 393 w ä re ; und nur inw iefern ich dies glaubte, könnte ich eine solche sondern n u r N egationen), g rü n d et sich auf das Sittengesetz. —
B efrachtung ankündigen. b) D as einzelne in dem selben liegt in einer Reihe, in d e r.je d e s
,M k c # { p i e s ist .«Uli allerdings m eine M einung, die ich späterhin F olgenden M öglichkeit b e d in g t ist durch die W irklichkeit des
bew eisen habe. D as Recht herrscht im geg en w ärtig en W elt- Früheren. c) Setzen S ie: die W irklichkeit, die G eschichte d e r
7 zustande freilich bis auf einen gew issen Punkt, herrsch t auch M enschen an einem O rte sei in irgendeinem P unkte dieser R eihe
1 im ganzen (einzelne v o rü b ergehende A uftritte der Ü berw ältigung g e g e b e n , v e r w i r k l i c h t ; so soll und kann von diesem P unkte
kom m en dabei nicht in B etrachtung) w eiter, als jem als in einem aus nur verw irklicht w erden der unm ittelbar folgende. Die V or
früheren W eltzu stan d e; ab er es fehlt noch viel, daß es durch- schrift, daß er verw irklicht w erden soll, ist u n m i t t e l b a r p ra k
g eh en d s h erg estellt se i: teils, w eil äu ß erst w enige den R echts tisch, — auch die E i n s i c h t ist es. — D ies ihr C harakter, m ir
begriff durchaus k en n en ; teils, w eil es bei d er derm aligen Bil zu sehen das unm ittelbar N ötige. — d) Die W issenschaft ver
d u n g des M enschengeschlechts unm öglich sein w ürde, ihn aus folgt diese Reihe w eiter, sieht entlegenere P unkte, — die g leich
zufü h ren ; teils endlich auch, — w ir w ollen dies uns nicht ver falls p r a k t i s c h , n u r nicht u n m i t t e l b a r sind. — Zugleich
b erg en — w eil es der V orteil vieler ist, daß derselbe nicht aus aber such t sie die M ittel, d ie B edingungen auf für jenes E n t
g efü h rt w erde, daß selb st die E rkenntnis desselben verdunkelt legenere; diese, W enngleich auch nicht das durch sie B edingte,
bleibe. So sind die vorh andenen R echtsverfassungen — N o t ihr nächster Effekt, m ögen allerdings in die G eg en w art fallen,
v erfassungen, die besten , die jetzt m öglich sind, nur v o r l ä u f i g e , und so kann die W issenschaft dennoch auch unm ittelbar praktisch
Stufen. D abei soll es nun nicht bleiben, — und es w i r d auch w erden. — (In einem anderen Sinne ist sie es freilich im m er:
n ich t: w ir freilich w erden dies nicht erleben, und sollen es auch sobald näm lich eine E r k e n n t n i s durch sie b e g rü n d e t ist, so
nicht begehren. soll diese erhalten, verbreitet, verklärt w erd en ; und es kann diese
A lso w as g e g en w ärtig es und für die Z eit g eltendes S i t t e n Ü berlieferung und V erbreitung selbst u n m ittelbar Z w eck w erden
g e b o t am R echte ist, fällt in unsere U n tersu ch u n g ; darum d e r - ’ für jem and) — e) So J ia tL s chlechthin alle W issenschaft prak-
j e n i g e T e i l des R echtsbegriffes, w elcher derm alen noch nicht tische T endenz u n d ^ is t tatbegründend. D as rein T heoretische
gilt. Dies g en au zu m erken! zeigt die M i t t e l an zur R ealisierung eines noch entlegenen
M it w elchem G eiste der M ilde und des rein abgezogenen Z iels; das rein Praktische g eh t auf den absolut nächsten Zweck.
w issenschaftlichen E rnstes übrigens unsere U ntersu ch u n g diesen Die W issenschaftslehre d u rchdringt beides in seinem V erhältnisse
G eg en stan d b eh an d eln w erde, w ie sie darum denselben auch zueinander, — so w ie w ir es eben ausgesprochen h a b e n : sie
ihren Z uh ö ern anm ute, w enn sie ihnen nicht sta tt einer w ohl g ib t eben die U nterw eisung für den w issenschaftlichen V erstan d es
gem ein ten G ab e eine gefährliche bringen soll; davon noch einige gebrauch für das Leben.
W orte. W ir w ollen in dieser B eziehung gleichsam ' die B edingungen A lso:
v erab red en : die Stim m ung dafür in uns hervorbringen. 1. Alle W issenschaft ist tatb e g rü n d en d ; eine leere, in g a r
D em rein W issenschaftlichen ist entg eg en g esetzt das? u n keiner B eziehung zur P raxis stehende g ib t es n ich t: dies hat /
m i t t e l b a r P raktische, T atb egründende, das, w as sich anknüpft sich durchgreifend gezeigt.
unm ittelbar an die G eschichte d er G egenw art. — D ieser U n ter 2. H ieraus ergeben sich z w e i G r u n d s t ä n d e : das V o l k ,
schied, w iew ohl o ft au sg esprochen, ist doch nie, soviel ich w eiß, und die G e l e h r t e n , W i s s e n s c h a f t l i c h e n , — die freilich IV, 395
recht erw ogen. D arum geschehe es h ie r: äußerlich nicht stren g geschieden w erden sollen, und deren Be- Q ,
IV 394 *) A1Ies> w as in der ^ elt geschehen soll (eigentlich auch standteile sich auch in einzelnen P ersonen durchkreuzen m ögen ^ /
’ w ahrh aftig g esch ieh t; denn das V erkehrte sind keine Positionen, (derselbe kann näm lich in g ew isser B eziehung V o l k sein, in Be- ^
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Allgemeine Einleitung. 31
30 Angewendete Philosophie.
D ie Q uelle dieser L eidenschaften ist eben jene blinde V er So nun jem and auch unter dieser B edingung dies nicht zu
eh ru n g des G eschichtlichen, und d er N eid, daß m an nicht selbst geben w ollte: — w aru m ? Es könnte dann anders und b esser
ä ii jenen g eeh rten P lätzen stehe. — W er w ahrhaftig in den U m w erden; das s o l l es nicht, in keiner m öglichen Z ukunft! — W as
kreis klarer E insicht und in den herrlichen G enuß, den diese wäre da zu t u n ? Alle A bw eichung vom Rechte entschuldigt die
g ew äh rt, hineingekom m en ist, hat keinen M enschen zu beneiden, Not. W er diese N ot verew igen will, der will das U nrecht um
und w ün sch t sich kein anderes Geschick. Seines ist das g lo r seiner selbst w illen. Er ist Feind des m enschlichen G eschlechts:
reichste und b eseligendste. Er kann darum durch keine B etrach dies ist auszusprechen, u n d Er als solcher zu behandeln. D as
tung, die andere in ein niederes Licht stellt, selbst gehoben w erden Recht m uß schlechthin Bahn bekom m en; g e h t er ihm durchaus
zum S to lze: er hat seinen unveränderlichen Platz. nicht aus dem W ege, so m uß dieser W eg eben üb er ihn hin
N u r der, dem die E rkenntnis noch nicht eigen ist, dem, sie. w eggehen.
au fsch im m ert w ie ein Blitz, als ein noch nicht zu ihm gehöriger N un m öchte dies w ohl nicht sein, aber man könnte fürchten,
Bestandteil, d er darum sich selbst noch von ihr absondert, kann daß es doch auch in d er G e g e n w a r t Schaden anrichten möchte!
durch sie und durch die W ahrheiten, die er in ihr erblickt, aus — U nordnung! — W ie d e n n ? — „D u sag st freilich, es sei nicht
seinem G leichgew ichte zu Stolz und S elbsterhebung u n d allem, für die G e g en w art: aber w enn sie dies nun überhören, nicht
w as daraus folgt, fo rtg erissen w erden. D er u n g ew o h n te Z ustand ac h ten ?“ — G u t: so ist das i h r e Schuld. B ändigt auch diese
ist es, und die V ergleichung m it dem vorigen. W essen eigenes R uhestörer durch dieselben W affen, w ie ihr andere bändigt, mit
und stetes L eben sie ist, w em sie sein W esen selbst ausm acht, guter B illigung, ja auf G eheiß der W issenschaft.
der sieh t sich nicht von ihr g e so n d ert: ihr Blick ist d er seinige. „Sie können aber unvorsichtig dam it u m g eh en : sie können
In diesem ab er w ird er vielm ehr von inniger W ehm ut ergriffen, es unter das Volk — im obigen Sinne — b rin g en !“ Auch dagegen
und von M itleid m it dem G eschick derer, die durch die geschicht verw arnt sie die W issenschaft ernstlich. Ich habe den G ru n d dieser IV,
lichen V erhältnisse g e d rä n g t w erden, die Schicksale der V ölker W arnung schon oben a u sg e sp ro c h e n : ich w ill auch die W a r
zu leiten und auf sich zu nehm en, ohne daß es doch in ihnen nung noch bestim m t aussprechen. Z. B. die T heologen, w elche
vollkom m en hell und klar ist; denen sich w ohl oft die Einsicht Streitigkeiten ü ber die Echtheit der kanonischen Bücher, — w ider-
IV, 398 au fd rän g en m uß, daß sie des R ates bedürfen, und die doch' streitende E rklärungen auf die Kanzel bringen, vor dem Volke
a u ß er sich keinen finden, der ihnen G enüge tut. ihre kritischen und exegetischen H efte repetieren, sind u n g e
In diesem G eiste sehe ich die g eg en w ärtig en W eltverhältnisse schickt, lächerlich, und ich denke allgem ein verlacht. N icht w eniger
a n ; in ihm w erd e ich sagen, w as ich ü ber sie sagen w erde. In lächerlich w äre ein Schüler d er W issenschaft, der, um seine K unst
diesem , w ünschte ich auch, daß es em pfangen w ürde. Ich m öchte vom Volke b ew undern zu lassen, D isputierens halber unsere Sätze
Sie h ineinheben in den reinen Äther der W issenschaft, und mit vorbrächte. Dies sind jugendliche A usgelassenheiten, frem d dem
den edlen und hohen G esinnungen, die da liegen, Sie erfüllen; Ernste d er W issenschaft: diese kann d er Schüler d e r W eisheit
nicht aber unedlen L eidenschaften, die unser aller V erhältnisse, nicht früh g e n u g ablegen. Das G lück ist, daß solche au ch vom
ü b e r die w ir uns eben h in w eg h eb en w ollen, nur zu seh r erzeugen Volke verlacht w erden, das das Seiende für das absolut N o tw en
und n ähren, neu en Stoff bereiten. dige hält. D as Übel hat sein H eilm ittel selbst bei sich. — A ußer
An die Schüler d er W issenschaft darum , nicht an das Volk dem, w er jenes kann, der zeigt schon w issenschaftlichen Sinn,
ist die B elehrung gerichtet, und nur in diesem rein w issenschaft und er w ird auch die K lugheit haben, die denselben begleitet.
lichen’ Sinne. „N un ja : es ist aber doch nicht die absolute U nm öglichkeit
bew iesen, daß einer von jenen M ißbräuchen nicht eintrete; w as
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34 Angewendete Philosophie.
D er G egen satz in der A nsicht des K r i e g e s g rü n d et sich, das D r i t t e in der Reihe. — Z u erst das Leben, sodann das G ut,
u nd folgt aus einem G egensätze in der A nsicht des S t a a t e s , endlich der Staat, der es schützt.
dieser w ieder aus einem in der des m e n s c h l i c h e n L e b e n s W i e sie zusam m engebracht seien, sage ich — dieser U m
.ü b e rh a u p t. W ir m üssen au sg eh en von diesem letzten, um den stand ist bedeutend, und g eh ö rt zu den G rundzügen dieser A n
•! ersten in u n serer E insicht klar zu begründen. sicht. E rw erb und H andel und ü b erh au p t alles m enschliche T rei
Q ern gew öhnlichen, natürlichen, unerleuchteten M enschen ist ben ist frei, und ü ber die G esetze des Staats durchaus erhaben.
| das Leben, das durch die W ahrnehm ung ihm gegebene, mithin N ur die R eligion verbietet M eineid, der Staat, wie sich’ versteht,
| derm alige, zeitliche u n d irdische Leben l e t z t e r Z w e c k , Zweck m ateriellen R aub; ü brigens gelten alle M ittel der Industrie. Auch
| an sich. D enn w eiter g e h t seine klare E rkenntnis n icht: da ist’s findet eine V erjährung statt, selbst des R aubes, und bei dem
I a iie ; — N ichts jenseits, für dessen E rscheinung ihm . w iederum v Staate hat m an die P rodukte dieser Industrie n u r anzuzeigen,
I dieses L eben gelte. Das- Leben u n b e g r i f f e n , und bloß a n g e - dam it er wisse, w as er jedem zu schützen h a b e : keinesw egs aber
s c h a u t . Gie h i s t o r i s c ^ ’n'T hn gekom m ene christliche R eligion, darf er bei dem , w as jed er ihm in seiner H and vorzeigt, fragen
1 — die allerdings jenseits des geg en w ärtig en Lebens geht, und ? nach dem E rw erbstitel.
I dieses auf ein anderes, u id dessen B elohnungen und Strafen be- Q er S t a a t eine A nstalt der E igentüm er, die au s dem N atur-
: zieht, — bleibt, w enn sie auch g e g la u b t w ird, eben nur geglaubt, stande heraus, und vor allem Staate, und ohne alle K undnehm ung
lan ihren O rt gestellt, ohne daß sie die ganze Erkenntnis, und des Staates, E igentüm er sind. Die S t a a t s g e w a l t der D i e n e r 1
! daru m die A nsicht des g eg e n w ärtig en L ebens w eiter bestim m te: dieser Eigentüm er, der von ihnen für diese D ienste bezahlt wird.
j — an ihren O rt gestellt, eben ein b esonderer, abgerissener O rt, D iese A nsicht des Staates ist so g ar in den Schulen der W eis
höchstens A ndachtsübungen und einen gew issen G o ttesdienst her- heit ziemlich allgem ein. Sie zeigt sich in Lehren wie d ie : daß
vorbringend. » h eigentlich die G ru n deigentüm er (der Adel, vom schw edischen
D ies — das L eben — das Erste und H öchste. D as N ächste ; W orte O dal) die ursprünglichen B ürger und Stifter des S taats
' nach ihm die M i t t e l , d a s s e l b e z u e r h a l t e n , es so m ächtig, vereins seien, und die nachher H inzugekom m enen sich m üßten
f./..so b equem u n d so an genehm als m öglich zu führen: irdische gefallen lassen, w as diese fü r R echte ihnen a b tre te n w ollen;
^ 4 G ü ter u n d B esitztüm er, im m er n u r bezogen auf E rhaltung und in dem Eifer für die Freiheit, das ist, G esetzlosigkeit des E r
v A nnehm lichkeif des irdischen Lebens, — und die W ege, um zu w erb s; der B eh au p tu n g : daß Kirche, Schule, H andelsgilden und
diesen zu g elan g en , G ew erbfleiß und H andel. Blühende G ew erbe Innungen, und ü b e rh a u p t so ziemlich alles, w as sich nicht auf
und soviel m öglich M enschen durcheinander in m öglichstem W o h l die bürgerliche G esetzgebung bezieht, nicht S taatsanstalten, so n
stände, — dies das h ö c h s t e G ut, der H im m el auf E rden; etw as dern n u r A nstalten von P riv atpersonen seien, die dem Staate
H ö h e r e s g ib t die E rde nicht. * bloß angezeigt w erden m üßten für seine Schutzschuldigkeit; daß IV, 404
der Staat gänzlich _ w egfallen w ürde, w enn es n u r keine R äuber
403 Warum treibt sich das Volk so, und schreit? Es will sich ernähren,
m ehr gäbe, indem alles übrige a u ß e r seinem U m kreise liegt,
Kinder zeugen, und die nähren, so gut es vermag.
Merke dir Reisender das, und tue zu Hause desgleichen! wie o ft g e h ö rt w ird, und es g ib t vielleicht auch u n ter Ihnen
W eiter bringt es kein Mensch, stell’ er sich, wie er auch will. solche, denen diese Lehre vorgetragen w orden, w ie es zu, ge-
; schehen pflegt, nicht ohne Bissigkeit und schnippisches W esen,
D iese M ittel des Lebens, E i g e n t u m g e n an n t, w ie sie auch und m itleidige Seitenblicke auf die, die zu so hoher W eisheit
zusam m engebracht seien, gegen gew altsam en Raub jeder Art zu sich noch nicht erhoben haben.
schützen, dazu ist d er S t a a t ; er bloß das M i t t e l dazu, darum
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38 Angewendete Philosophie. Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 39
H ierau s fo lg t nun im allgem einen: Es ist darum sicher vorauszusehen, daß der, w elcher zum
1, Die M enschheit zerfällt in zw ei G ru n d stäm m e; die E i g e n Besitze dieses einzig trefflichen, das Leben, seine K räftigkeit und
t ü m e r und die N i c h t e i g e n t ü m er. Die erstereh s i n d nicht seinen G en u ß am allerbesten versichernden Platzes kom m t, alles
der Staat, — sie sind ja als solche vor allem Staate, und ohne tun w ird, um ihn auch seinen E rben und E rbnehm ern zu ver
sein e K undnehm ung, w ie sie es sind, — so n dern sie h a l t e n sichern ; und so w ird denn die V erteidigung der w ehrlosen E igen
den Staat, w ie ein H e rr sich einen B edienten hält, und der tüm er d er ganzen W elt anheim fallen einer gew issen Anzahl von
letztere ist in der T a t ihr D iener. W er nun einen D iener b e Fam ilien als ihr Erbbesitz.
zahlen kann, d er d ien t n ic h t: m ithin kom m en auf die M itglieder Da a u f diese W eise das V erteidigungsam t doch m ehr ein trägt,
der S taatsg ew alt n u r die N ichteigentüm er. W e r eigenes V er als es kostet, und, w er einm al ein bedeutendes Land verteidigt,
m ö g en hat, d i e n t n ic h t: der D iener dient, w eil er nichts hat, ziemlich m it derselben K raftanstrengung auch das b en ac h b arte
um seinen Sold — d er Soldat. W e r einen D iener hat, tu t die verteidigen könnte, so w erden die H errscherfam ilien einander
D ienste, für die er diesen bezahlt, nicht selber. Das Zeichen — zu verdrän gen suchen; und so entsteht denn zw ischen ihnen,
die K antonfreiheit. den H errscherfam ilien, ein K rieg ü b er die F ra g e : ob ferner die
2. Es ist den E igentüm ern durchaus gleichgültig, w er sie eine ö d er die andere einen gew issen D istrikt verteidigen solle,
schützt, w en n sie n u r g eschützt w erd en ; das einzige A ugenm erk — w as nichts verschlägt — ' und, w orauf es eigentlich ankom m t,
dabei ist: so w ohlfeil als m öglich. D er Staat ist ein notw endiges den G ew inn, der dabei herauskom m t, ziehen solle.
Übel, w eil er G eld kostet, m an m uß aber jedes Ü bel so klein W em verschlägt nun diese Frage e tw as? Eigentlich n u r den
m achen als m öglich. beiden H e rrsch erfam ilien : und diese m ögen denn durch ihre
D ies die A nsicht des Staates, als das Z w e i t e : jetzt das | Söldner, die es sind, w eil sie nichts haben, und d en Schutz nicht
D r i t t e . — W en n es nun u n ter m ehreren Staaten, die so an g e ä bezahlen können, darum ihn in P erso n leisten m üssen, die Sache
sehen w erd en , auch w ohl sich selbst, in den Stellvertretern der ^ aüsfechten lassen. D ie E igentüm er u n d G ew erbtreibenden geh t
G ew alt, nicht an d ers ansehen, zum K riege k om m t: w as kann | sie in d er Regel ganz uhd g ar nichts an, und es w äre T orheit,
dieser bed eu ten , u n d w ie kann er g e fü h rt w erd en ? Da d er Stand > w enn sie sich h in einm engten; es ist ein rein er K rieg d e r H errscher-
der E ig en tü m er in d er gebildeten W elt sich, um seinen E rw erb £ familien. D enn ihnen ist es nur um den Schutz des E igentum s zu
u n g eh in d ert zu treib en , d e r S elbstverteidigung begibt, so k a n n ; f tun, dieser aber w ird ihnen, w er da auch siege. D aher w ird auch
e r sich auch nicht verteidigen g eg en seinen V erteidiger selbst; in diesen K riegen die Sicherheit des P rivateigentum s versprochen, IV,
IV, 405 er steht, w ie g e g e n alle W elt, also auch g eg en ihn w ehrlos nur däs d es S t a a t e s , heiß t h ie r: d e r H errscherfam ilie, w ird w e g
da. Er kann darum au ch nicht ü ber den Lohn d e r V erteidigung genom m en, u n d der B ürger verliert dabei nichts, sondern ge-
m it ihm dingen, so n d ern m uß eben geben, w as dieser verlangt; : w in n t: es b leibt doch bei seinem V erteidiger, dessen ihm d u rch
er kann nicht g eb en , w as e r will, sondern w as sein V erteidiger aus nichts verschlagende P erson bloß verw andelt ist. W as sollte
w ill; dieser ab er w ird, m it seltener A usnahm e, alles w ollen, er t u n ? Sein Leben, seine g esu n d en G liedm aßen in G efahr setzen?
w as der andere n u r irg en d g eb en kann. D ie Stelle eines solchen M an lebt nur einm al, das Leben ist das höchste G u t; w om it will
V erteidigers dürfte darum leicht eine seh r einträgliche Stelle w er man ihm denn sein Leben und seine gesu n d en G lieder bezahlen?
den. Sie fü h rt üb erd ies ihrer N atur nach dieses bei sich, daß — Seine Besitztüm er, sein G ew erbe verlassen? N icht um eines
der W ille eines solchen b in d et schlechthin alle W illen in seiner Schrittes Breite, denn n u r das A uge des eigenen H errn h ü te t
Sphäre, selb st ab er g eb u n d en w ird schlechthin durch keinen w ohl: sie könnten zu Schaden kom m en, aber nur durch sie h at
einzigen. sein Leben W ert, und o hne dieselben w äre es auch' n u r jäm m er-
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40 Angewendete Philosophie, Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 41
lieh. Sie sind an dasselbe g eb u n d en und seine H ü te r: w o dies So ist geh an d elt in der Seele eines vorurteilsfreien und au f
ist, da m üssen sie sein. geklärten Besitzers, d er da Einsicht h a t in den W ert der D inge.
Sobald d e r Feind — nicht der seinige, sondern d er seines V orurteile aus barbarischen Zeiten, voft göttlicher E insetzung
vorigen H errsch ers — sich seines W ohnsitzes n u r bem ächtigt, der K önige, H eiligkeit d es Eides, N ationalehre, sind nichts für
und die Söldner des an deren vertrieben hat, tritt alles w ieder l den, der klar g ew o rd en ist ü b er die so einfachen S ätze: daß das
ein in seinen vorigen G a n g ; seine H ab e ist gesichert, und er : Lehen das Erste, die G iiter das Zw eite, und d e r S taat erst das D ritte, j
g e h t seinen G eschäften ru h ig nach, w ie vorher. N ur der A ugen Selbst w ohlm einende F reunde des Fürsten w erden so h a n
blick, so lange er unentschieden ist, ist gefährlich; denn aller deln: es schadet ihm nichts, es hilft so g a r; der U nw ille des
Kampf v erh eert das E igentum . W äh ren d desselben ist R u h e d i e Siegers m uß d urch W iderstand nicht gereizt w erden; ist nur d er
e r s t e B ü r g - e r p f l i c h ' t . — B ü r g e r heißt E igentüm er und G e- Kampf bald vorüber, so erfolgt ein, von jenen Barbaren freilich
w erbtreib en d e, im G eg ensätze des Söldners. R ü h e , daß er ganz schm ählich g en a n n ter Friede, w o die Länder, das ist, d er Lohn
neutral, in sein H au s verschlossen, bei verram m elten F enstern, geteilt, der B esiegte zu D ienstleistungen für die übrigen E r
den A usgang abw arte u n d sehe, w en derselbe ihm zum künf oberungspläne verbunden, durch B esetzung d er F estungen seine
tigen V erteidiger geb en w erde, w om öglich für einen g u ten V orrat T reue dem S ieger g esichert wird. Die E i g e n t ü m e r haben nichts
w eißen Brotes, frischen Fleisches uhd stärk en d er G etränke g e verloren, w enn sie dem neuen H errn zahlen, w as dem alten,
so rg t habe, m it den en er, nach A usgang des K am pfes, dem und nun fürs übrige sicher sind; darauf allein kom m t es ja an.
Sieger, w elcher von beiden es sei, sich em pfehle und dessen G e Selbst d e r besieg te H errscher hat nichts verloren: zu leben w ird
w o g en h eit gew inne. M acht er es anders, so könnte ja seine P erson er ja noch im m er b eh alten; w as h at er denn in diesem Z usam m en
u n d seine H ab e zu Schaden kom m en. D ies in jedem Fall zu ver hänge der A nsicht m ehr zu b e g e h re n ? So, — w enn d er Sieger
h indern, m uß ja selb st d er w ohlm einende F reund seines b is das E igentum d er U nbew affneten wirklich sichert, nicht seinen
h erigen H errsch ers w ü n sch en ; denn m an kann ja im m er nicht Söldnern R aub und G ew alttätigkeit erlaubt; w enn er das G ew erbe IV, 408
w issen, ob nicht bei dem , so G o tt will, nächstens zu hoffenden wirklich frei läßt, und nicht etw a eine H andelssperre e in fü h rt;
schm ählichen F rieden der Platz zurückgegeben w erd e : aber er w enn er den U nterschied zw ischen K antonfreiheit und K anton-
407 w ird offen b ar von höherem W erte sein, w enn er unverw üstet pflichtigeii, die G rundfeste d er V erfassung in diesen B egriffen,
ist, als w enn er v erw ü stet w äre. stehen läßt, und nicht etw a die K onskription einführt; w enn er
Die F o rtd au er des K am pfes v erheert das E igentum , das für ein Billiges regiert, und nicht etw a unm äßige F o rd eru n g e n
höchste G u t des M enschen nächst dem Leben, und bed ro h et macht. In der Regel w ird dies alles vorausgesetzt nach d er b is
selb st Lehen und G esundheit, die allerhöchsten G üter. M an m uß herigen A nalogie, und beim B eginn und w ährend d er F ü h ru n g
d ieselbe darum durch jedes M ittel abzukürzen suchen: dies ist des K rieges nicht bezw eifelt. Es w ird ja doch auszuhalten sein,
die höchste Pflicht jedes v erständigen M enschen hach au sg eb ro ch e der Feind w ird schon M annszucht halten, es ist dies sein eig e n er
nem K riege. W en n also nach der b ish erigen G eschichte schon zu Vorteil, und derg leich en : m it solchen W orten trö sten sich die
verm uten ist, w ohin d e r Sieg sich w enden w erde, , o der auch der ■Feigen untereinander. F indet sich hinterher, daß er das zw eite,
A usgang der ersten Schlacht dies schon gezeigt hat, so m uß nicht das erste tut, nun dann zieht er sich freilich allgem einen
m an den unzeitigen W id erstand des doch zu B esiegenden nicht H aß zu: er h at das, w arum es allein d er M ühe w e rt ist zu
u nterstützen. Alle hab en sich zu vereinigen, zu ü b ergeben die leben, das E igentum und das Leben selbst angegriffen.
F estu n g en , u n d S taatsg ü ter anzuzeigen; die K rieger, die G e A l l g e m e i n e B e m e r k u n g . So oft man aus den G ru n d
w ehre w egzuw erfen und überzugehen. D er Sold d o rt ist ebensogut. sätzen, w elche die M ehrzahl der M enschen in der T at hat, folge-
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42 Angewendete Philosophie. “(> Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 43
recht fortschließt, und ihnen darlegt, w ie dem nach ihr Leben n o t zeitliche Leben hinaus auf das, w as in allem Leben erscheint,
w en d ig sein m ü sse; so erreg t m an allem al H aß, W iderspruch, und erscheinen soll, auf die sittliche A ufgabe — das Bild G ottes.
u n d die allerdings durch T atsachen zu beleg en d e B eh au p tu n g : — H ierzu das Leben bloßes Mittel.
So schlim m sind w ir nicht, w ie du uns m achst, w enigstens nicht 2- Jede A ufgabe ist schlechthin unendlich, ewig, nie erreicht-
alle u n d nicht im m er. Sie haben, wie g esagt, recht, u n d dies g e h t bat1, Leben ist darum auch unendlich, ew ig, nie zu vollenden,
so zu. Ih r L eben ist bei w eitem nicht d u rchgängig durch O rund- zu erschöpfen, zu zerstören, ebensow enig als sein Z w eck: er ist
sätze u n d klares B ew ußtsein bestim m t, sondern durch dunkle ew ig und üb er alle Z eit erhaben; dem nach nicht zu erhalten,
A ntriebe aus der instin k tartig w irkenden und in so nderbare H üllen nicht zu gefährden, sondern eben schlechthin, und oh n e alles
g ekleideten V ernunft, dergleichen sie, w enn sie es an sich b e Z utun d er Freiheit. Die Z eit und das in ih r liegende und durch
m erken, V orurteile einer finstern Vor w eit nennen, — und recht sie ablaufende Leben ist selbst nur die E rscheinung des Lebens
liättenV falls sie n u r die V ernunft in einer anderen G estalt an über aller Zeit. — Eine Form und G estaltung desselben kann
sich brin g en könnten. D ie T eile ihres L ebens, durch die letztere aufhören: das Leben selbst n i m m e r .
bestim m t, fallen anders aus, als sie ihren G rundsätzen zufolge 3- Das Leben der Individuen g eh ö rt nicht u n ter die Z eit
ausfallen w ü rd e n : darin sind sie unserer S childerung nicht ä h n erscheinungen, so n dern ist schlechthin ew ig, w ie das L eben selbst
lich. Sie sprechen daru m an die W oh ltat der Inkonsequenz, u n d W er da lebt, w ahrhaftig lebt, im ew igen Zw ecke, der kann nie
d iese w ollen w ir ihnen denn auch für die g eg en w ärtig e B eschrei mals s te rb e n : denn das Leben selbst ist schlechthin unsterblich.
b u n g Vorbehalten. A lso: das Leben und seine E rhaltung kann in dieser A nsicht IV, 410
W as aus ihren G rundsätzen m it K larheit folgt, das ist so, wie ;; nie Z w eck sein, sondern es ist n u r M ittel; d u rc h seinen Zw eck
409 b e sc h rie b e n : und je klarer d er einzelne, desto ähnlicher, d aher aber, als E rscheinung desselben ist es schlechthin als ew ig ge-
in der R egel je vornehm er und je älter der. M ensch, desto | setzt ohne alles Z u tu n einer Freiheit.
sch lech ter: das G ute noch bei G em einen und Jü n g eren , D aher 4. W eiter: die n o tw endige B eschaffenheit des Lebens, falls
auch eine an d ere E rsch ein u n g : M an h a t bem erkt, daß in den i es sein soll M ittel für seinen Zw eck, ist d ie: daß es f r e i sei,
T a g e n der N ot, d er V erleg en heit und der V erw irrung die M en ■daß es absolut selbständig und aus sich s e lb s t^ ild i b e s tim m e ^
schen w eit schlechter sind als g ew öhnlich: den G ru n d d ieser ohne allen äußeren A ntrieb od er Z w ang. D iese F reiheit aber ist
E rscheinung g lau b e ich an g eb en zu können. In g u ten Zeiten vnicht g esetzt schlechtw eg, so wie die E w igkeit des L ebens; sie
denken sie w en ig er an sich, und lassen sich g e h e n ; da leitet kann g estö rt w erden, u n d zw ar durch die F reiheit der anderen.
d er Instinkt, die w ohlw ollenden gesellschaftlichen Elem ente. In Sie zu erhalten ist darum d er erste d er F reiheit eines jeden selbst
d er N o t besinnen sie sich, gehen in sich, w erden bedachtsam ; aufgegebene Zw eck.
ihre B esinnung kann aber ihnen nichts anderes darstellen als die So darum die Schätzung der G üter in dieser A nsicht: 1. Die
G ru n d sätze des allgem einsten E igennutzes, weil d arauf einzig sittliche A ufgabe, das göttliche Bild. 2. D as Leben In seiner
Z eit ihres L ebens ihr Sinnen g e g an g e n ist. Ew igkeit, das M ittel dazu; ohne allen W ert, a u ß er inw iefern es
D ies die Eine A rt d er A nsicht des L ebens, darum ist dieses M ittel. 3. Die Freiheit, als die einzige und ausschließende
darum des K rieges. B edingung, d aß das Leben sei solches M ittel, darum — als das
einzige, w as dem Leben selbst W e rt gibt.
N och dieses b em erk t: Ist n u r das Leben frei, w ahrhaftig leer
1. In d e r w ahren A nsicht g e h t die E rkenntnis ü b e r die W ah r •anderer A ntriebe, so w ird es von selbst M ittel des Sittlichen, und
n eh m u n g des Lebens, schlechthin ü ber alles erscheinende und stellt sich also, gleichw ie die sittliche A ufgabe gleichfalls durch
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Angewendete Philosophie. Uber den Begriff des wahrhaften Krieges. 45
sich selbst sich stellt; beid es ohne alles w eitere Z utun der F rei diesem Z usam m enhänge der Erkenntnis der S t a a t richtiger das
heit. Dies m acht sich selbst. Die Freiheit aber m uß durch F rei R eich.- *
h eit selbst erru n g en w e rd e n : u n d so ist denn die F reiheit das W elches innerlichen Ringens nun es bedürfen w erde, um
^höchste von d er F reiheit ab hängige G ut, der höchste im Leben diesen R echtsbegriff erst zur K larheit der Erkenntnis, sodann ü b er
dem M enschen gestellte Zweck. alle V erhinderungen des gew alth ab en d en E igennutzes zur W irk
Jenes w issend, und u n ter G u t denkend etw as zu E rstrebendes, lichkeit zu erheben, davon in unseren eigentlichen V orlesungen.
m it Freiheit sich zum Ziele zu Setzendes, m uß m an sa g e n : F rei Dies jedoch nicht eigentlich Krieg. —
h eit ist das höchste G ut. Alles andere nur das M ittel dazu, g u t Z uvörderst d ies: Al l e sind frei durch ihr Leben als M en
als solches M ittel, ü b e l , falls es dieselbe hem m t. D as zeitliche schen, sind die zeitliche G estalt der V ernunft auf d i e s e l b e W eise,
L eben h a t darum selbst nur W ert, inw iefern es frei ist: durchaus haben darum gleiche A nsprüche auf F reiheit: d a r ü b e r und j e n
keinen, sondern ist ein Ü b e l und eine Q u a l , w enn es nicht frei s e i t s dieser A nsprüche niclits. D arum alle g l e i c h , nicht zwei
sein kann. Sein einziger Zw eck ist darum , die F reiheit fürs erste Stände, sondern Einer. W as irgendeiner d a r f , und zufolge dieses IV,
zu brauchen, w o nicht, zu erhalten, wo nicht, zu erkäm pfen; g eh t D ürfens etw a, und als dessen Produkt, besitzt, g rü n d e t sich auf
es in diesem K am pfe zugrunde, s r g e h t es mit Recht zugrunde, seine Freiheit, zusam m enstehend mit der Freiheit aller; und es
IV, 411 und nach W ünsch'; d enn das z e i t l i c h e L eben — ein K a m p f gibt darum hier keine B efugnis o der Besitz, der nicht stehe unter
um F r e i h e i t . D a s L e b e n selbst, das ew ige, g e h t nicht zu dem G esetze, und vor dem G esetze seine R e c h t m ä ß i g k e i t
g ru n d e, keine G ew alt kann es geben oder neh m en : d er T od ist bew eisen m üsse. Auch g ib t es, da das V ernunftgesetz niem als
dann, w o es das zeitliche Leben nicht sein konnte, der Befreier. verjährt, keine V e r j ä h r u n g .
H alten Sie diese in diesem Z usam m enhänge klaren Sätze fest, Alle sind frei, je d er für seinen T eil: Alle m üssen darum ihre
w eil w ir dieselben sodann brauchen w erden. Freiheit selbst, für ihren Teil verteidigen. Keine S t e l l v e r t r e
Im G eg ensätze m it dieser nim m t die gem eine Ansicht das t u n g , w ie in jenem System e.
L eben als Z w eck an sich, nicht als M ittei zur Sittlichkeit und, 6. Eine M enschenm enge, durch gem einsam e sie entw ickelnde
dam it es dies sein könne, zur Freiheit seiner selb st: nun hat das G eschichte zur E rrichtung eines R eiches vereint, nennt man ein
Leben, auß er als M ittel, ganz und g ar keinen W ert, ist eine Violk. D essen S elbständigkeit und F reiheit b esteh t darin, in dem
leere täu sch en d e E rscheinung ohne etw as d ah in ter: jene darum angehobenen G ange aus sich selber sich fortzuentw ickeln zu
fangen ihre Schätzung der W elt an mit dem absolut W ertlosen, einem Reiche.
dem reinen N ichts, treib en darum in allen ihren F olg eru n g en 7. D es Volkes Freiheit und S elbständigkeit ist angegriffen,
sich nur in dem in anderen Form en w iederholten Nichts. w enn der G ang dieser E ntw icklung durch irgendeine G ew alt a b
5. Z f e itlic h e s L eben — ein K ^ p lJu p ^ E rc ib e it, s a g j ^ w ir^, gebrochen w erden so ll; es einverleibt w erden soll einem anderen
ist d o p p elt zu v ersteh en : B efreiung von den N a t u r a n t r i e b e n — sich entw ickelnden Streben zu einem Reiche, o der auch w ohl zur
i n n e r e Freiheit, die jed er sich d urch sich selbst geben m uß. V ernichtung alles Reiches und alles Rechtes. D as Volksleben,
Von der F reiheit anderer, — ä u ß e r e Freiheit, die jeder einzelne eingeim pft einem frem den Leben, od er A bsterben, ist getötet,
in G em einschaft m it allen durch Ü bereinkunft u n d E rkennung vernichtet und ausgestrichen aus d e r Reihe.
eines R echtsverhältnisses erw irbt. D iese V ereinigung zur Ein 8. D as ist ein eigentlicher Krieg, nicht d e r H errscherfam ilien,
fü h ru n g des R echtsverhältnisses, das ist, d er Freiheit aller von der sondern des V o lk es; die allgem eine Freiheit, und eines jeden;
F reiheit aller, des V erhältnisses, w o alle frei sind, ohne daß eines besondere ist b ed ro h t; ohne sie kann e r leben g ä r nicht w ollen,
einzigen F reiheit durch die aller übrigen gestö rt w erde, ist in ohne sich für einen N ichtsw ürdigen zu bekennen. Es ist darum
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Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 47
46 Allgewendete Philosophie.
jedem für die P erso n und ohne Stellvertretung, — denn jeder schiedene, duich die ausdrücklichen E rklärungen ihrer S tellvertreter
sich ankündigende M ehrzahl d er M enschen keine anderen Begriffe
soll es ja für sich selb st tun, — au fgegeben der Kampf auf Leben
von Leben, S taat und K rieg hat, als die gestern beschriebenen,
u n d T od.
fda g e h t den Ei leuchteten ihr ganzes nichtiges T reiben g an z und
S e i n C h arak ter: N u r frei h at das Leben W e rt: ich m uß
g a r nichts an. Er h at kein V aterland auf d er Erde, so n dern sein
darum , d a die Ü berw indung m einer F reiheit mich beraubt, nicht
B ürgerrecht im H im m el, in d er unsichtbaren g eistigen W elt, w o r
leben, ohne als Sieger, D er T o d ist dem M angel der Freiheit w eit
auf das R echt er dadurch sich verdient, daß er nach V erm ögen
vorzuziehen. M ein ew iges L eben — dies ist sicher —-• dies ver
das Saatkorn in die G eg en w art w erfe, w o rau s einst nach ihm sich
d ien e ich eb en durch den T od, — verw irke es durch ein sklavisches
auf E id en ein V aterland für die V ernünftigen entw ickeln m öge.
L eben. Also — das L eben w erde ich' u n b ed in g t aufopfern, w ie
viel m eh r denn die G üter. W ozu kann ich denn die G üter g e W enn ab e r die vorausgesetzten D olm etscher des öffentlichen
W illens selbst reden von F reiheit und Selbständigkeit d e r N ationen, IV,
b rauchen, w enn ich nicht leben k a n n ? A ber ich kann unter dieser
u n d eine K riegsw eise befehlen auf Leben und T od, oh n e U nter
B edingung nicht leben!
schied d er K antonfreiheit, ohne Schonung des E igentum s, wie sie
413 Kein Friede, kein V ergleich, von seiten des einzelnen zuvör
m öglich und rechtlich ist nur in d er w ahren E rkenntnis’ so soll
derst. D as, w o rü b e r g e stritte n w ird, leidet keine T e ilu n g : die
dem E rleuchteten sich das H erz erheben beim A nbruche seines
F reih eit ist, o d er ist nicht. Kein Kom m en und Bleiben in der
V aterlandes, und er soll es b eg ierig als w ahren E rnst ergreifen.
G ew alt, vor allem diesem ste h t ja d er T od, und w er ste rb en
Die darin gem ischten V erkehrtheiten, w enn z. B. fo rtw äh ren d von
kann, w er w ill denn den z w in g en ? Auch nicht, falls etw a der
U ntertanen gesp ro ch en w ird, w enn d e r H errscher vor das V ater
zeitige H errsch er sich unterw ürfe, u n d den F rieden schlösse.
land g esetzt w ird, als ob er selbst keins hätte, u n d dergleichen,
Ich w en ig sten s hab e den K rieg erklärt, und bei m ir beschlossen,
übersieht er, als alte schlim m e A ngew öhnungen.
nicht für s e i n e A ngelegenheit, sondern für die m e i n i g e , m eine
F re ih e it: g ib t auch er m ir m ein W o rt zurück, so kann ich selbst (Im V o rb eig eh en : U ntertanen sind w ir alle insgesam t des
göttlichen W illens, im S ittengesetze sich aussprechend, und das
doch es m ir nicht zurückgeben. Er ist, u n d die, w elche bei ihm
ist unsere Ehre und W ü rd e; u n d der glänzendste H errsc h er kann
bleiben, auf diesen Fall als S t a a t , als m öglicher E ntw icklungs
keine g rö ß ere E hre sich erw eisen, als daß e r sich als M it-
p u n k t eines R eiches des R echtes g estorben. W as soll den, der
untertan bekenne im göttlichen R eiche: ab er w enn ein Individuum
frisches L eben in sich fühlt, b ew egen, innerhalb d er V erw esung
glaubt, andere ihm gleiche m üßten u n tertan sein seinem p ersö n
zu v erh arren ?
lichen W illen, so w ürde er dadurch sich selbst zu einem G otte
A n stren g u n g aller Kräfte, Kampf auf Leben und Tod, keinen
machen, und den einigen G ott lästern ; w enn er w üßte, w as er
F rieden ohne vollständigen Sieg, das ist, ohne vollkom m ene Siche
redete. A ber das w issen sie zum G lücke nicht, und ihre Schreiber
ru n g g eg en alle S tö ru n g d er Freiheit. K eine S chonung, w ed er
legen ihnen n u r solche A usdrücke unter. — Sie selbst nicht, so n
des L ebens, noch' E igentum s, keine R echnung auf künftigen
dern ihre unverständigen Schm eichler!)
F rieden. _
Er nim m t es für rechten E rnst. Den A rgw ohn, daß es,
So m u ß der, der ,in dieser E rkenntnis lebt, und kann nicht
nachdem die alten M ittel vergeblich gew esen, auch nur als M ittel
an d ers. A ußerdem lü g t er, und seine W eisheit schw ebt ihm n u r
gebraucht w erde, um die H errscherm acht in dem falschen Be
auf den Lippen.
9. Es ist nötig, daß ich, um das G esag te vor aller M ißdeutung, griffe zu verteidigen, und, w enn es geholfen, beiseite gestellt,
und alles w ieder in die gew o h n te Bahn w erde eingeführt w erden,
u n d vor allem V erdachte d er U ngründlichkeit u n d Inkonsequenz
diesen erlaubt er sich nicht. Sein A rgw ohn könnte m achen, daß
zu schützen, ein fehlendes M itteiglied einschiebe. W o die ent-
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462 ✓
48 Altgewendete Philosophie. Über den Begriff, des wahrhaften Krieges. 49
es g e sc h ä h e : sein für E rn st nehm en kann m achen, daß es E rnst M an fehlt m eines Erachtens von zwei Seiten gleich gefährlich:
w ird. W en n sich nun h in terh er doch zeigte, daß es nicht Ernst g e 1. indem m an die C harakterkraft und die H ilfsm ittel unseres
w esen w äre, w enn nach E rrettung im K am pfe aberm als die Selb Feindes herabw ürdigt, dadurch uns einschläfert. Jäm m erliche
stän d ig k eit der N ation dem V orteile d e r H errscherfam ilie au f W ichte und F eiglinge setzen in diese V ertröstungen den P a
g eo p fert w ürde, w enn sich zeigte, daß der H errscher zw ar w ollte, triotism us.
daß für seine H errsch aft das edelste B lut seines V olkes flösse, 2. Indem m an von den G esinnungen und E ntw ürfen d es
er d ag eg en für die Selbständigkeit desselben seine H errschaft selben uns H offnung m acht, sie in einem milden Lichte darstellt, IV, 416
nicht w agen w olle: so kö n n te unter einem solchen der V ernünftige w ohl g ar d er V orsehung selbst m it ihm Pläne unterlegt, die so
IV, 415 durchaus nicht bleiben. Sein W irken in der G esellschaft könnte, kindisch sind, wie diese D euter des göttlichen W illens selber.
w ie oben erinnert, n u r den Z w eck haben, den Keim einer freien T rost der Feigen, und stren g angesehen, selbst V erw orfenheit
und rechtlichen V erfassung in dieselbe zu le g e n : u n d er kann und V erbrechen!
diese H o ffn u n g so lange hegen, als es an d er allgem einen U n Ich sa g e : daß auch viele unseren Feind betrachten als ein
kunde einer solchen V erfassung liegt, daß m an sie nicht einführt. W erkzeug in der H and G ottes, durch das er irgendw elche P läne
W o ab er F reiheit und Selbständigkeit klar ausgesprochen, und ausführen w olle, die diese Schauer in den göttlichen R at auch
d o c h "m it offenem A uge V erzicht auf sie getan, u n d sie zum wohl anzugeben w issen, z. B. die V ertreibung d er T ürken aus
bloßen M ittel der U nfreiheit h erab g e w ü rd ig t w ird, w o die N ational Europa, w enn sie echt abergläubische C hristianer sind, die Z u
eigentüm lichkeit, als die B edingung der E ntw icklung, in frem de g runderichtung des Adels, w enn es K räm er, die des K räm er
F esseln geschlagen w ird : da ist für ihn nichts m ehr zu erw arten. geistes, w enn es Ritter sind.
Ein solcher S taat b efin d et sich im Z u stande der V erstockung, Ich spreche aber daran eine allgem eine Irrnis unerleuchteter,
und hat öffentlich das Siegel der V erw erfung sich selbst au fg e rohsinnlicher M enschen aus> und will dieselbe im allgem einen
drückt. D er Edle re tte t sein unsterbliches Leben, indem er ihn flieht. w iderlegen. r
Dies ein eigeiitlTciier Krieg, und die feste und unw andelbare Ihre G rundblindheit b esteh t darin, d a ß . sie nicht erblicken
E ntschließung eines erleuchteten M enschen in einem solchen. die F reiheit als die W urzel alles w ahrhaften Seins. N un m öchten
Das oben h in g ew o rfen e Prinzip ü b rig en s: daß ein Volk g e sie aber doch g ern das G u te haben, und dazu haben sie sich einen
bildet w erde durch eine gem einsam e G eschichte, und daß aus G ott verordnet, der es ihnen anw achsen läßt, und zufliegen,
dieser B ildung sich' entw ickeln soll ein Reich, u n d daß, w er ohne daß sie sich selbst zu regen brauchen, durch bloße phy
da eingreife in dieselbe, als Feind zu betrachten sei, — dies s i s c h e V ereinigung. D a haben sie in der Religion Zauberm ittel,
zu erklären u n d zu b eleg en ist die A ufgabe unseres abgebrochenen ein W asserbad, w elches gebraucht, eine Speise, w elche genossen,
V ortrages, ein T eil desselben. A ber selbst die A nsicht der G eg en ein Salböl, w elches angestrichen, ohne w eitere D azw ischenkunft
w art, die ich Ihnen für die künftige Stunde verspreche, w ird es den M enschen heiligt zur T ugend. D a ist nach ihrer A nsicht die
Ihnen schon näh er rücken. G eschichte des M enschengeschlechts eine g ro ß e Pflanze, w elche
durch die bloße zeitigende E ntw icklung des in ihr liegenden
Keimes von selber aufblühen w ird zu einem göttlichen Reiche
Es m öchte vor jetzt zw eckm äßig sein, die auf gestellten G ru n d der W eisheit und der T ugend. D iesen ihren trä g en G lauben
sätze ganz b estim m t auf unsere Zeit, und auf den K rieg, den w ir preisen sie nun rech t an, w enn etw as recht W iderw ärtiges und
b eg o n n en haben, an zuw enden, und Sie, so g u t ich es verstehe, Bösartiges ihnen in d er E rscheinung vorkom m t — bei dem was
zur B eurteilung anzuführen. ihnen schon so schm eckt, verw eisen sie w eniger auf G ott — und
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50 Angewendete Philosophie. Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 51
trö sten sich m it der göttlichen V orsehung, die auch dabei ihre herige durch sein ganzes öffentliches Leben dargelegte E rschei
w eisen A bsichten hab en und w issen w erde, w ozu es g u t sei. Sind nung unseres Feindes richtig begriffen, w orin als einem g e
sie gew altig, so w issen sie diesen Zw eck G ottes auch wirklich schichtlichen D atum ich mich irren kann; so ist in ihm alles Böse,
anzugeben. W en n sie nun solche R eden führen, die den M enschen g eg en G o tt und F reiheit Feindliche, w as seit Beginn der Z eit IV, 418
so recht, im Sündenschlafe b etäuben — m an h ört sie leider häufig bekäm pft w orden ist von allen T u gendhaften, zusam m engedrängt,
417 von Kanzeln und auch w ohl so n st — so dünken sie sich ab und auf einm al erschienen, au sg estattet m it aller Kraft, die das
sonderlich fttomm, und sie m einen w ohl gar in ihrer B lindheit, Böse haben kann. W o zu ? Auch alle Kraft des G uten, die je
daß m an des H eiligen spottet* w enn m an so redet, w ie w ir eben, m als in der W elt erschienen ist, soll sich vereinigen und es ü b e r
und ih rer spottet. w inden. Digs ist das g ro ß e Schauspiel, w elches, m eines E r -1
Sie irren sich ganz und g ar und sind stockblind. Es g ib t achtens, dieser Z eit Vorbehalten ist. Das Reich des T eufels ist |
schlechthin kein N atu rg esetz und keinen physischen Z usam m en nicht dazu da, dam it es sei, und von den U nentschiedenen, w eder j
h an g der D inge, durch w elchen das G ute an uns kom m t. G o tt G ott noch dem T eufel G ehörigen, H errenlosen duldend e rtra g e n !
w ill nicht, ‘G o tt kann n icht das G ute, das w ir g ern m öchten, w erde, sondern dam it es zerstört und durch seine Z erstö ru n g d e r |
un s g eb en , au ß er durch u n sere F reih eit; u n d G o tt ist ü b er Nam e G ottes verherrlicht w erde. Ist dieser M ensch eine R ute f
h au p t nicht eine N atu rg ew alt, w ie die blinde E infalt w ähnt, so n in d er H and G ottes, wie viele m einen, und w ie ich in gew issem j
d ern er ist ein G o tt d er Freiheit. D ie N atur ist bloß d er W ider Sinne zugebe, so ist e r’s nicht dazu, daß w ir ihr den entblößten
schein des S tandpunktes d er allgem einen F reih eit: in der F rei Rücken hinhalten, um vor. G ott ein O pfer zu bringen, w enn es
h eit ab er hat er uns schon g eg eb en sich selbst, und sein Reich, recht blutet, sondern, daß w ir dieselbe zerbrechen. So ist es für
und die ganze Fülle sein er Seligkeit, und es kom m t n u r auf un s mich g ar nicht verborgen, und den geheim en W egen G ottes zu
an, daß w ir dies alles in uns entw ickeln. O h n e Freiheit bleiben überlassen, sondern klar und offenbar, w ozu diese E rscheinung
w ir ohne G o tt, und in dem Nichts. W ir sind w irklich g a r nicht da ist.
da, so n d ern n u r E m bryone, aus denen etw a ein M ensch w erden Es kom m t bei dieser Frage darauf an, ob m an glaube, G ott
könnte. D ie äu ß eren W eltb egebenheiten sind bloß der Stoff, dadurch zu dienen, daß man ü ber seine vorgeblichen geheim en
an dem w ir d ieselbe entw ickeln sollen, und d en w ir verbrauchen P län e träum t, und die E ntw icklung derselben leidend ab w artet;
sollen u n d verbrauchen können, insgesam t, w ie e r auch sei, zu o d er daß man h andelt nach seinem klar zu erkennenden W illen.
unserem H eile. G u t ist gew iß jede E rsch ein u n g : denn sie steh t Die g rö ß te G efahr, der man dabei sich aussetzen kann, ist der
u n ter der Freiheit, und ist zur E ntw icklung .derselben zu g e zeitliche Tod. D ieser aber ist so w enig ein Übel, daß gew iß
b rauchen, diese ab e r ist u n b ed in g t gut. W ozu eine E rscheinung jeder, der zur klaren E rkenntnis gekom m en ist, g ern in jedem
ab er gut, d. i. b rau ch b ar sei, das w ill uns kein G o tt sagen, son A ugenblicke hinüberw andern w ürde auf einen höheren Schau
dern w ir selb st sollen es begreifen, und w ir w erden es begreifen, platz des Lebens, w enn e r nicht w üßte, daß er durch eine solche
w enn w ir von seinem G eiste der klaren Sittlichkeit beseelt sind. V erlassung sich des höheren L ebens unw ürdig machte.
W ir sollen nicht erw arten, w ie G ott nach seinen geheim en W egen Den E rleuchteten g eh t ein Staat, au fg eb au t auf den G ru n d
etw as zum B esten w en d en w e rd e ; dann sind w ir unw ü rd ig seiner, begriff I le r E igcntum serhältung, mit allem seinem T reiben in
u n d nicht B ürger seines R e ich e s: sondern w ir sollen es selb st einem K riege g a r nichts an, außer, w iefern er ihn betrach tet
nach u n seren eigenen klaren B egriffen zum B esten w enden. a ls d e n E n t w i c k l u n g s p u n k t e i n e s R e i c h es d e r F r e i
So auch in diesem Falle. Erkenne ich recht G ott und seinen h e i t . Sein Zw eck ist n u r das letztere; für dieses aber, und, falls
W eltplan, w ie ich festiglich glaube, — habe ich auch die bis- es auch selb st noch nicht in der W irklichkeit w äre, für die H o f f -
466 Fichte, Die Staatslehre. 4 467
52 Angewendete Philosophie. Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 53
n u n g und k ü n f t i g e M öglichkeit desselben, ist er stets bereit, lieh das Volk zum Volke M achende, sein P u n k t zw ischen dem
E igentum u n d L eben auf das Spiel zu setzen. W ilden und dem B ürger des R echtsreiches. D ieser F o rtg an g das IV, 420
So im allgem einen. Jetzt die Z eitfrag e: eigentlich H eilige; ihn stören, zurückschrauben, ist gottlos.
419 Ist die E ntw ickelung eines Reiches der Freiheit in G efahr, 3. D ieser F ortgang, die G e s c h i c h t e , w ird geb ild et nicht
— u n d in w ie d rin g en d er? sow ohl d u r c h , als a n gem einsam en B egebenheiten. A n : -
M erken Sie folgende Sätze: w o denn die F reiheit einzelner nachhilft, erleuchtet durch Religion
1. D ie M enschen sollen schlechthin sich gestalten zu Reichen und W issenschaft, deren R esultat die V olkserziehung ist.
der F reih eit: denn n u r in solchen ist der sittliche Zw eck, dasjenige, Die G eschichte b egreift eigentlich n u r d er absondernde B e
w ozu die ganze M enschheit ganz allein da ist. D er M enschheit obachter, der darüber schw ebt und den gem einsam en S tandpunkt
f r ü h e r e s L eben h a t w ahren W ert, w iefern es M ittel und Be des Volkes durch den G egensatz erk en n t: das Volk nicht, eben
d in g u n g ist dieser E ntw ickelung; und außerdem ist es nichts. w eil es nicht darü b er streitet, sondern ew ig von seiner b esteh e n
M it dem B eginnen dieses Reiches ist das m enschliche Leben den G esinnu ng als dem allbekannten V ordersätze ausgeht.
erst ein g efü h rt und g eboren. V orher n u r d er E m bryo eines Doch ist eigentlich in dieser U ntersuchung uns besonders
M enschengeschlechts, m it w elchem die ew ige Z eit schw anger geht. lehrreich dasjenige in d er Geschichte, w odurch eine M enge sich
2. D iese G estaltu n g des Reiches |lan n erfo lg en nur aus eine*: selber b egreift als E i n s , und zum V olke w ird im e ig e n e n B e
durchaus g em einsam en A nsicht und D enkw eise vieler, die da g riffe: — entw eder durch hervorstechende E reignisse, g em ein
Volk heißen. G em einsam keit der S p r a c h e ist B edingung der schaftliches T un und Leiden, — w enn ein er leidet, leiden alle,
E ntw ickelung und V erb reitu n g dessG beh, IsT das von der geistigen w as alles trifft, trifft jeden, weil e r zu d ieser M enschenm enge
N atur V orau sg eg eb en e. W ie für uns alle schlechthin nur Eine g eh ö rt: durch G em einschaftlichkeit des H errschers, des Bodens,
u n d dieselbe Sinnenw elt ist (nicht von ungefähr, sondern nach der K riege und Siege und N iederlagen und dergleichen; — o d er
einem absoluten G esetze), so soll für gew isse H aufen sein : auch der bloße B egriff an d erer von ihnen als E i n s g ib t ihn
a) e in e .G ru n d a n sicht s i t t l i c h e r W elt überhaupt, als B edingung ihnen selbst.
des Z usam m enlebens, — und daraus gesellschaftliche V erhält
nisse. O hne diese, zerstreute N aturm enschen, W ilde, K annibalen, A nw endung. D ie a l t e n k l a s s i s c h e n V ö l k e r — P flanz
die denn doch E hen und E ltern u n d Kinder* haben, b) D iese städte, hervorgehend aus gebildeten V ölkern, bildend, u n ter
H aufen sind b e s t i m m t durch das G esetz, das für alle schlecht jochend, — sie selbst vereint durch gem einsam e Flucht, durch
hin Eine, w ie die S inn en w elt (keine W illkürlichkeit: dies ist gem einsam e, nun erst als solche herau streten d e G eistesbildung,
W ah n !), nur m it dem U nterschiede, daß dieses G esetz nicht das Volk schon ab g etren n t vom Boden. G r i e c h e n , R ö m e r :
w altet schlechthin, w ie das N aturgesetz, sondern durch freie Aus darin d e r A ufschluß des Innern ihrer G eschichte: die hohe Aus-
bildung, so daß m an sich zur E rkenntnis desselben erheben m uß. gebildetheit des Staates, ihre Liebe für F reiheit ohne M enschen
D ies eben ist d er Zw eck, daß a l l e sich dazu erheben. Die D ar rechte, daher, w eil ihr Staat rein faktisch, nicht philosophisch,
stellung dieser A nsicht, die A usbildung aller zur Erkenntnis, d a nicht aus dem Begriffe hervorging.
m it das G esetz d u rch ihre Freiheit sie bestim m e, ist eben das D ie n e u e r e W e lt: entw ickelt aus einem G rundstam m e von
Reich des R echts, c) D iesem nun sollen sie sich gem einschaft E i n g e b o r e n e n , die ohne steten R eichsverband jed er sein
lich an n äh ern ; der jedesm alige S tandpunkt dieser E rkenntnis, eigener H e rr und V erteidiger w aren. Jene eingetreten in die
d er a l l g e m e i n e im D urchschnitte, von w elchem aus der W eg G eschichte als S taat; diese durchaus ohne ein s o l c h e s B a n d .
w eiter zu bestim m en ist, ist die V o 1k s g e s i n n u n g , das eigent- V erbindungen zu A benteuern, zu ernsthaften U nternehm ungen, IV, 421
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Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 55
54 Angewendete Philosophie.
G eschichts-E inheit. D iese T ren n u n g konsolidierte sich durch die dem sie ruht, ein A nhang, ein durchaus untauglicher A nhang
U n a b h ä n g i g k e i t d er F ü rsten : nun m e h r e r e Völker, feind w erde jenes erst beschriebenen Volkes, und dagegen sich nicht
lich g eg en ein an d er, E rbfeinde; n u r noch zusam m engehalten durch setzen aus allen Kräften auf Leben und T o d ?
den R eichsverband, d er jetzt ausgesprochen w urde als das, w as N och m ehr, lassen Sie uns den M ann sehen, d er an die
er erst schon in d er T a t w ar, kein Staat, sondern ein S taaten Spitze jenes V olkes sich' gestellt hat. Z uvörderst, er ist kein
bündnis. Die D eutschen Ein Stam m , ähnlich in n e g a t i v e r G e Franzose. W äre er dies, so w ürden jene geselligen G rundansichten,
schichte, zurück w eisend jegliche V erschm elzung zur Einheit, aber jene A chtung für die M einung anderer, und kurz fü r etw as au ß er
niem als, w as auch G elehrte ihnen aufzudringen suchten, e in ihm selber, einige w ohltätige Schwäche und Inkonsequenz seinem
V o lk . — S päterhin so g a r durch K onfession g e tre n n t; in ihrem C harakter beim ischen, w ie dergleichen sich zum Beispiel im Vier
B egriffe nie E ins; des förderativen S taates B ürger höchstens nur zehnten L udw ig, m eines Erachtens der schlim m sten A usgeburt
die F ürsten, und diese F örderation w ie schw ach und in sich selber des französischen N ationalcharakters, vorfanden. A ber er ist aus
geteilt! P reu ß en , Sachsen, nicht D eutsche. D ennoch h at gerade einem Volke, das schon unter den Alten w egen seiner W ildheit
diese R eichsverfassung, haben die G elehrten, haben die Reisen berüchtigt w ar, das g eg en die Z eit seiner G eb u rt in h a rte r Sklaverei
d er K aufleute und H an d w erk er im Lande d er deutschen Sprache noch m ehr verw ildert w ar, das einen verzw eifelten Kampf g e
diesen E inheitsbegriff eines deutschen Volkes, nicht als einert käm pft hatte, um die Fesseln zu zerbrechen, und infolge dieses
unm ittelbar praktischen, so n d ern b loß historischen, u n d als ein Kam pfes in die Sklaverei eines n u r schlaueren H errschers g e
allgem eines P ostulat, noch im m er fort erhalten. D ieses P ostulat fallen und um seine F reiheit betro g en w orden w ar. Die Be
nun von einer R eichseinheit, eines innerlich und organisch durch griffe und E m pfindungen, die aus einer solchen Lage seines
aus verschm olzenen Staates darzustellen, sind die D eutschen V aterlandes sich entw ickelten, m ögen die ersten B ildungsm ittel
m eines E rachtens b eru fen , und dazu da in dem ew igen W elt- seines aufkeim enden V erstandes g ew esen sein. U nter der fran
plane. In ihnen soll das Reich ausgehen von der ausgebildeten zösischen N ation, die auf diese W eise ihm zuerst bek an n t w urde,
persönlichen, individuellen F reiheit; nicht u m g ek eh rt: von d e r erhielt er seine Bildung, sie legte sich ihm dar in den B egeben
P ersönlichkeit, g e b ild e t fürs erste vor allem Staate vorher, g e heiten einer Revolution, deren innere T riebfedern zu schauen er
b ildet so dann in den einzelnen Staaten, in die sie derm alen zer alle G elegenheit hatte, und er m ußte bald m it innigster K larheit
fallen sind, und w elche, als bloßes M ittel zum höheren, Zw ecke dieses Volk begreifen lernen, als eine höchst regsam e M asse, die
sodann w egfallen m üssen. U nd so w ird von ihnen aus erst d a r da fähig w äre, durchaus jedw ede R ichtung anzunehm en, keines-
gestellt w erden ein w ah rh aftes Reich des Rechts, w ie es noch w eges aber durch sich selbst sich eine bestim m te und dauernde
nie in der W elt erschienen ist, in aller d e r B egeisterung für F rei zu geben. K onnte es anders kom m en, als daß er, w ie er diese
heit des B ürgers, die w ir in der alten W elt erblicken, ohne Nation fand, der er selbst seine V erstandesausbildung dankte,
A ufopferung der M ehrzahl der M enschen als Sklaven, ohne w elche und die er ung efäh r für die erste halten m ochte, so auch das
die alten Staaten nicht b estehen k o n n ten : für Freiheit, g eg rü n d et ganze übrige M enschengeschlecht an sah e ? Von einer höheren
auf G leichheit alles dessen, w as M enschengesicht ttä g t. N ur von sittlichen B estim m ung des M enschen hatte er durchaus keine IV, 425
den D eutschen, die seit Jah rtau sen d en für diesen g ro ß en Zw eck A hnung. W o h er sollte er sie bekom m en, da sie nicht, w ie etw a
IV, 424 da sind, und langsam dem selben en tg eg en reifen ; — ein anderes bei den Franzosen, durch eine glückliche A ngew öhnung in früher
E lem ent ist für diese E ntw ickelung in der M enschheit nicht da, Ju g en d ihm zuteil w ar, durch deutliche E rkenntnis aber ver
U nd statt dieser h o h en B estim m ung könnte jem and, dem mittels der P hilosophie oder des C hristentum s seine spätere Bil
darü b er das Licht au fg eg an g en ist, zugebeh, daß das Volk, auf dung sie ihm auch nicht d arb o t? Z u dieser vollkom m enen Klar-
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58 Angewendete Philosophie. Über den Begrin des wahrhaften Krieges. 59
heit über die eigentliche B eschaffenheit der N ation, ü ber die er Ziel eines M enschenlebens sich hin aus erstreckt, soll nun nach
sich' der O berh errsch aft bem ächtigte, trat ein durch seine A b ihm seine D ynastie fort- und ausführen, solange bis e tw a nach
stam m ung aus einem kräftigen V olke b eg rü ndeter, und d u rch einem Jah rtau sen d ein anderer inspirierter H eld wie er auftreten,
seinen steten ab er zu verbergenden W id erstreit gegen die U m und m it neuer O ffenbarung in seine und Karls Schöpfung ein-
g eb u n g en sein er Ju g e n d gestählter, k räftiger und u n erschütter- ( greifen' w ird.
licher W ille. M it diesen B estandteilen d er M enschengröße, der M an hat geahnt, daß es m it ihm ein anderes B ew enden
ru h ig en K larheit, dem festen W illen ausgerüstet, w äre er der habe, als m it anderen vorzeitigen und gleichzeitigen H errschern.
W ohltäter und B efreier d e r M enschheit g ew orden, w enn auch nur So ist es aucli. Ö ffentliche B lätter zw ar m einten, daß' d ie G e
eine leise A hnung der sittlichen B estim m ung des M enschenge sinnungen eines G enerals in ihm verschw inden w ü rd en durch
schlechts in seinen G eist gefallen w äre. Eine solche fiel niem als E inführung d er E rbfolge für seine D ynastie. N icht recht b e
in ihn, und so w urde er denn ein Beispiel für alle Zeiten, w as griffen. — Jene H errsch er sind gew ohnt, sich als V erteidiger
jene b eiden B estandteile rein für sich, und ohne irgendeine A n des E igentum s und L ebens anzusehen, als M ittel zu diesem
sch au u n g des G eistigen geb en können. Es bildete sich ihm h ier [Zwecke, der darum nie aufgeopfert w erden d arf: dieser setzt sich
aus folgendes E rk en n tn isg eb äu d e: daß die gesam te M enschheit als V erteidiger eines absoluten — selbst Zw eck seienden —
\ eine blindé, entw eder gänzlich stagnierende, o d er unregelm äßig W illens, eines W eltgesetzes, in der T at aber n u r eines individuellen
u n d v erw irrt du rch ein an d er und m iteinander streiten d sich regende W illens, einer G r i l l e , au sg erü stet m it der form alen K raft des
M asse von Kraft' sei; daß w ed er jene S tagnation sein solle, so n sittlichen W illens. (D ies ist sein w ahres unterscheidendes W esen.
dern B ew egung, noch diese unordentliche, sondern eine nach Jene sind nicht im stande, ihren g eg en sie im m er noch erhabenen
Einem Ziele sich richtende B e w eg u n g : daß selten, und durch G egner auch nur zu begreifen.) Es ist allerdings w ahr, daß
Jah rtau sen d e g e tre n n t G eister g eb o ren w ürden, die bestim m t seien, Alles aufgeopfert w erden soll — dem Sittlichen, d e r Freiheit;
dieser M asse die R ichtung zu geben, dergleichen Einer Karl der d a ß Alles aufg eo p fert w erden soll, hat er richtig gesehen, für
G ro ß e g ew esen ist, und e r d er N ächste nach ihm, daß die Ein seine Person beschlossen, und er w ird sicher W o rt halten bis
g eb u n g e n dieser G eister das Einzige, und w ah rh aft G öttliche zum letzten A tem zuge; dafür b ü rg t die K raft seines W illens. —
u n d H eilige, u n d die ersten Prinzipien d er W eltb ew eg u n g seien, Seine D enkart ist mit E rhabenheit um geben, weil sie kühn ist
u nd daß für sie schlechthin alle anderen Z w ecke der Sicherheit und den G enuß verschm äht; darum verführt sie leicht erhabene,
o d er des G enusses aufgeopfert, für sie alle Kräfte in B ew egung das Rechte nur nicht erkennende G em üter. — N u r soll es eben
gesetzt, und jed w ed es L eben in B eschlag genom m en w erden nicht g eo p fert w erden seinem eigensinnigen E n tw ü rfe; diesem
m üsse, und daß es A uflehnung sei g eg en das höchste W eltgesetz, aufgeopfert zu w erden, ist er selbst so g a r viel zu ed el; d er F rei
solchen A n regungen sich entgegenzusetzen. In ihm sei erschienen heit des M enschengeschlechts sollte er sich aufopfern, und uns
dieses W eltgesetz in d er neu en O rd n u n g der D inge, die er in alle m it sich, und dann m üßte z. B. ich, und jeder, d er die W elt IV, 427
IV, 426 dem K ulturstaate, u n ter seiner O berh errsch aft ausführen w olle: sieht, w ie ich sie sehe, freudig sich ihm nachstürzen in die heilige
das nächste G lied dieser O rd n u n g sei derm alen die F r e i h e i t O pferflam m e.
d er M eere, w ie er sagt, die O b e r h e r r s c h a f t der M eere in In dieser K larheit und in dieser F estigkeit b eru h et seine
seinen H änden, wie er es eigentlich m eint, und für diesen aller Stärke. — In der K larheit: alle unbenutzte K raft ist sein ; alle
näch sten durch das W eltgesetz gesetzten Zw eck m üsse alles Glück in der W elt gezeigte Schw äche m uß w erden seine Stärke. W ie
von E u ro p a au fg eo p fert w erden, alles B lut fließen; denn dafür der G eier schw ebt üb er den niederen Lüften, und um herschaut
allein sei es da. D iesen g ro ß en W eltplan, d er freilich ü ber das nach Beute, so schw ebt er über dem betäu b ten E uropa, lauschend
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60 Angewenäete Philosophie. Über den Begriff des wahrhaften Krieges. 61
auf alle falschen M aßreg eln und Schw ächen, um flugschnell herab Ich habe getan, w as m ir obliegt, indem ich m it d e r K lar
zustürzen, und sie sich zu N utze zu m achen. In d er F estigkeit: heit, die m ir beiw ohnt, diese m eine A nsicht m itteile denen,
die anderen w ollen auch w ohl herrschen, aber sie w ollen noch die m einer M itteilung begehren, und in ihnen den F unken dieser
so vieles andere nebenbei, und das erste nur, w enn sie es neben uns nötigen B egeisterung zur Flam m e anzufachen suche. ,
diesem haben k ö n n en ; sie w ollen ihr Leben, ihre G esundheit, N ur noch dies g eg en den E inw urf: diese D arstellung von
ihren H errsch erp latz nicht au fo p fern; sie w ollen bei Ehren bleiben; ihm sei übertrieben und u n w a h r:
sie w ollen w ohl g ar g elieb t sein. Keine dergleichen Schwächen 1. V on solchen, die, w eil sie selbst ungefähre Z usam m en
w andelt ihn a n : sein L eben und alle Bequem lichkeiten desselben stim m ung der verschiedensten B estandteile sind, sich auch a u ß er
setzt er daran, d er H itze, dem F roste, dem H u n g er, dem K ugel sich nichts anderes, d enn dies, nichts in sich Z u sam m en h än g en
reg en setzt er sich' aus, das h a t er g e ze ig t: auf b esch rän k en d e• des einbilden können, denen darum diese Schilderung unglaublich
V erträge, dergleichen m an ihm angeboten, läßt er sich nicht ein; ist. D iesen ist nicht zu helfen, au ß er durch B ildung zur A n
ru h ig e r B eherrscher von Frankreich, w as m an ihm etw a bietet, schauung, und vorher, dam it dieses m öglich sei, zum eigenen
will er nicht sein, sondern ru h ig e r H err d er W elt will er sein, S e i n : und dies läß t sich m it einer A bhahdlung nicht abtun.
und, falls er das nicht kann, g a r nicht sein. Dies zeigt er jetzt, 2. V on solchen, die dies nicht sind. Diese erinnere ich: daß
und w ird es ferner zeigen. Die haben durchaus kein Bild von man Ä ußerungen von ihm hat, und daß dadurch klar und b e
ihm, und gestalten ihn nach ihrem Bilde, die da glauben, daß greiflich daliegt sein ganzes Leben, dessen H au p tzu g gänzliche
auf andere B edingungen m it ihm und seiner D ynastie, w ie er sie B lindheit füt die sittliche B estim m ung des M enschengeschlechts
will, sich etw as an d eres schließen lasse, denn W affenstillstände. ist; übrigens alle B estandteile des g ro ß en M annes, die sein Z eit
Ehre und T re u e ? E r hat es freiw illig bei d er E inverleibung alter ihm zugesteht, außer w o es aus F urcht lü g t und lästert w ie
H ollands ausgesprochen, daß ein H errsch er d am it es halte, wie die Kinder. i !
die Z eiten es m it sich b rin g e n ; so lange es ihm selbst zuträglich Z um entscheidenden Bew eise seiner gänzlichen B lindheit für
ist, — ja; — w enn es ihm nachteilig w ird, nicht mehr. D aher die sittliche B estim m ung des M enschengeschlechts gedenken wil
kom m t auch in allen n eueren S taatsschriften desselben das W o rt: der bestim m ten T at, durch die er vor W elt und N achw elt das G e
R e c h t g ar nicht m ehr vor, und fällt nach ihm' heraus aus d er p räg e seines W esens sich aufgedrückt hat. D ies um so m ehr, da
Sprache, sond ern es ist allenthalben nur die Rede vom W o h l e nach den W ünschen unserer eigenen H errscher und ihrer W erk
d er N ation, dem R uhm e d er A rm een, den T rophäen, die er in zeuge, denen diese T a t nach ihrem Sinne w ar, ein allgem eines
allen L anden erfochten. Stillschw eigen ü b er sie ein g etre ten ist, und sie anfängt, aus r, 429
So ist u nser G egner. Er ist b eg eistert und hat einen abso dem A ndenken d e r Z eitgenossen herauszufallen. Die ihm das
luten W ille n : w as b ish er g eg en ihn aufgetreten, konnte nur Schlim m ste nachsagen w ollen, deuten nur im m er hin auf des
IV, 428 rechnen, und hatte einen b ed in g ten W illen. Er ist zu besiegen Prinzen E nghien b lutigen Leichnam , als ob dies d e r höchste
auch n u r durch B eg eisteru n g eines absoluten W illens, und zw ar G ipfel w äre seiner T aten. Ich aber m eine eine andere, g e g en
durch die stärkere, nicht für eine Grille, sondern für die F rei w elche E nghiens E rm ordung beinahe in N ichts t verschw indet,
heit. O b diese nun in uns lebt, und m it derselben K larheit und und nach m einem Sinne nicht w ert ist, h erausgehoben zu w erden,
F estigkeit von uns ergriffen w ird, m it w elcher er ergriffen hat w eil sie durch die einm al angehobene Bahn m it N otw endigkeit
seine G rille, und durch T äu sch u ng o d e r Schrecken Alle für sie g efordert w urde.
in T ätig k eit zu setzen w eiß, davon w ird der A usgang des b e Die französische N ation w ar im R ingen nach dem Reiche ddr
gonnen Kampfes abhängen. Freiheit u n d des Rechts begriffen, und hatte in diesem K am pfe
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62 Allgewendete Philosophie.
soll die N atur W erkzeug s e i n , od er w e r d e n k ö n n e n . 2. D a Begriff sein kann. — W äre dieser B egriff d e r eines frem den Ich
zu g eh ö ren Alle. — F e h lt sonach Einer, so ist die Freiheit dessen, (dessen Einsicht), so m üßte dieses ihn e rst tätig und: w irksam
d er das G esetz will, und ohne Z w eifel rech t h at es zu w ollen, m achen durch irgendeinen Z w ang für einen a n d e re n : dieser w äre
g estö rt. Ich b itte Sie, es im G anzen zu fassen. Die A nw endung, darum zw eites G lied in d er Reihe der U rsachen und W irkungen.
die seh r w ichtig ist, tiefer u nten!) D ann aber ist er nicht frei.
D er erste P u n k t w ird an seinen O rt g estellt: K u n s t l e h r e . (W eitere E x p o sitio n : frei n u r ein W ille als absolut e r s t e s
— A ber der zw eite: Es ist V ernunftgesetz, daß keiner die F rei reales G lied, schlechthin a n h e b e n d , m it B eschränkung auf den "
heit eines anderen und des G anzen stören o der aufhalten soll: Z w eckbegriff — x, d er nur in ih m s e l b s t liegen kann. — A n
die R egel einer O rdnung, in d e r dies so sicli verhält, ist die d e r s ist es Z w a n g ; er m u ß . )
R echtsregel, das R echtsgesetz. W ir können den. Satz auch so ausdrücken : K einer soll auf
E s ist selbst ein s i t t l i c h e s G esetz, denn es ist die Be irgendeine W eise d u rch andere gezw ungen w erden. — Reich
d in g u n g aller Sittlichkeit. — D as Recht soll1 also schlechthin h e rr der F reiheit schließt aus jeden Z w ang. D ies liegt im R echts
schen, so gew iß die Sittlichkeit schlechthin sein soll. U nd zw ar g esetz e; d er Z w an g ist absolut gegen das Recht. Er rau b t die
ist es das G esetz d er B edingung. i n n e r e F reiheit des Individuum s. D ies m erken Sie w ohl.
D en B egriff dieser O rd n u n g aber en th ält und handelt ab G e g e n s a t z : W as im R echtsbegriffe liegt, soll schlechthin
die R e c h t s l e h r e . sein; denn das einem jeden g ebotene Sittliche soll schlechthin
W ie nun aber finden w ir darin einen besonderen, em pirisch sein. O hne F reiheit ist aber sittlicher Zw eck g ar nicht au sfü h r
b ed ing ten Teil, w elcher derm alen noch 1 nicht gilt, und w phl- b ar: d e r R e c h t s b e g r i f f m ü ß t e d a r u m s o g a r m i t Z w a n g
g em erk t dies nicht e tw a als A usnahm e, sondern in d e r R egel u n d m i t G e w a l t , d u r c h g e s e t z t w e r d e n . — Auch tu t die;
nicht, der nach dem G eiste und S tandpunkte d e r Z eit nicht gelten E inführung des R echtsbegriffes w enigstens der äußeren Freiheit
kann, d er nicht einm al in den Z e i t b e g r i f f e n liegt? keines M enschen A bbruch: denn w as durch diesen ihr entzogen
D abei nun haben w ir gründlich zu W erk e zu g eh e n ; — nicht w ird, ist g ar nicht seine F reiheit als sittliches W esen und M itglied
rh ap so d isch verfahrend, sondern ausg eh en d von einer Einheit, der G em eine, in w elcher Rücksicht allein er Freiheit hat, und
aus d er die g anze U n tersu ch u n g sich entw ickeln soll. ein Recht auf dieselbe. (Er soll es niem als: w enn die Sittlich
So heben w ir an von dem W i d e r s p r u c h e , d er in dem keit N atur w äre, so w ü rd e er e s niem als w ollen oder k ö n n e n :
Begriffe der E rrich tu n g eines R echtszustandes notw endig liegt. es ist g ar nicht seine Freiheit, als eines Ich, sondern' G ew alt
— (D iesen W iderspruch' zu heben, ist Sache d er Entw icklung einer unbändigen N atur, die durch die F reiheit eben schlechthin
d es M en schengeschlechts: so lan g e er nicht gehoben ist, herrscht unterjocht w erden soll.) — F ü r das Recht ist sonach d e r Z w ang
das R echt nicht d u rc h g ä n g ig ; er ist aber bis jetzt nicht g e sogar g e b o t e n , w ie viel m ehr also erlaubt.
hoben.) Es ist für die G ründlichkeit und K larheit u nserer g e g e n w ä r
S a t z : J e d e r soll frei s e i n : — er soll n u l r s e i n e r tigen V orträge entscheidend, für das g esam te System der W issen- IV, 434
e i g e n e n E i n s i c h t f 61 g e n . W ir sa g e n : j e j d j T ; es soll a ls o , schaftslehre ab e r erläuternd und belehrend, die innere N a tu r d ie
IV, 433 in der “W elt d er freien Iche durchaus keinen geben, d e r irg en d ses W iderspruches recht kennen zu lernen.
einem anderen, denn sein er freien E insicht gehorche. D er G e g e n s a t z stützt sich darauf, daß diesseits des Rechts
B e w e i s : Frei sein h e iß t: e rste u nabhängige U rsache sein. und dem R echte zuw ider es gar keine F reiheit u n d kein Recht
N un g e h t diesem U rsache-Sein freilich voraus ein Begriff von darauf gebe, das etw a zu schonen sei, sondern n u r N aturgew alt,
dem Z w ecke, der n u r in d er freien P erson selbst, und ihr eigener welche rings um sich herum zu unterdrücken erste B edingung
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Augewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 67
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alles sittlichen L ebens sei. E r leugnet, durch jeglichen Z w atjg D er G egensatz, w as will er aufheben, u n d w as kann er
für das R echt und um des R echts w illen m it irg en d ein er Freiheit durch" seinen Z w ang auf heben ? D en A usbruch des rechtsw idrigen
in B erü h ru n g zu kom m en. — . N ur als M itglied des sittlichen W illens in die T a t. So, w enn er sp rich t: — diese Freiheit,,
R eiches hab e jem and F reiheit und R echt: anders sei er g a r nicht dieses R echt h at niem and, es ist N aturgew alt, — w as m eint er?
zu dulden, sond ern w ie eine Flam m e, ein w ütendes T ier zu b ä n Eben die Ä ußerung in der E rscheinung. — N icht ab er kann er,
digen. — Bei dieser A n m u t u n g schlechthin an jeden ist ab er noch w ill er aufheben den i n n e r e n bösen W illen. Er h at ein
dieser als bloß form ales M itglied des sittlichen Reiches über* N aturgesetz als Z w ang gebraucht, z. B. F urcht vor d e r Strafe;
h a u p t gem eint, sag e ich : w as die besondere Pflicht des Einzelnen da gerad e bleibt d er böse eigennützige N aturw ille, der so g a r
sei, darü b er könne k einer für den anderen entscheiden; w as d a zur T rieb fed er gew orden. A nders kann er nicht, w eil er nichts
g e g e n zur P flichtm äßigkeit ü b erh a u p t gehöre, sei ein absoluter denn äuß eren Z w an g hat. Es ist ihm g en u g , die sittliche Freiheit,
G em einbegriff, von dem jed er Einzelne in die Seele aller schlecht falls sie irgendw o ist, zu schützen. — D er G ezw ungene bleibt
hin urteilen, und im N am en aller das U rteil au f sich nehm en ihm ü brigens N atur, nur unschädliche N atur, ein gezähm tes w ildes
könne. Tier. Er red e t von der T at, nicht vom W illen.
Von diesem allen leu g n et nun d er S a t z durchaus nichts. Der S a t z hingegen redet vom W illen, nicht von d er Tat.
Er b em erk t bloß, daß se lb st zum M itgliede d er sittlichen G e — W ill er, daß das R echtsw idrige geschehe, die N atu rg ew alt
m eine der M ensch durch eigene F reiheit sich erheben solle, — h errsch e? W ie kann eq, ohne die E rscheinung des sittlichen
e r h e b e n , sch rittw eise; — d ag egen der G eg ensatz ihn auf ein Reiches ganz unm öglich zu m achen! — N ur will er, es solle
mal, durch Z w ang, w en ig sten s seiner äußeren E rscheinung nach, aus Einsicht, aus den W illen b ew eg en d er Einsicht unterlassen
hineinversetzen will. Da liegt der P u n k t des W id erstreites; im w erden; unterlassen also freilich. — Ü ber die U nterlassung, als j
Begriffe der F re ih e it: diesen nehm en beide in einem streitenden, u n b ed in g t notw endig, sind beide einig; der letztere fü g t bloß
doppelten Sinne, je n e r ; es g ib t g ar keine dem R echte zuw ider; einen B estandteil hinzu, den d er erstere überging.
darum besch rän k e ich auch keine durch m einen Z w an g : es ist da U nd so ist denn ihr V erhältnis gefunden. D er erste will,
n u r N atu rw esen ; — d ie se r: obw ohl dies N aturw esen ist, so b e w obei an g ehoben w erden m uß, d er zweite, w as nachgeholt w er
hält es doch die form ale F reiheit, von d e r N atu r aus in die sitt den soll. W en n das R echtsw idrige anfangs auch bloß aus Z w a n g ,’
liche W elt durch eigene F reiheit sich zu e r h e b e n ;—je n e r: Freiheit o hne Einsicht und guten W illen unterlassen w ird, folgt denn
nur in d er sittlichen W e lt; einer anderen sie g a r nicht zu g e daraus, daß es späterhin nicht aus Einsicht unterlassen w erden
ste h e n d : rein er Id ealist; — d ieser, beide W elten ins A uge n eh k ö n n e ? M uß das R echtsw idrige denn geschehen, rechte V er
m end, und den Ü b e rg a n g von d er einen zur anderen auch erfassend w ilderung eintreten, dam it die Einsicht kom m e; o der ist es nicht IV,
als F reih eit; — je n e r: n u r in der sittlichen W elt giltst du, außer- vielm ehr ein g u te s und rechtes B eförderungsm ittel d e r Einsicht,
IV, 435 'dem b ist du nichts, und g iltst nichts! — dieser: auch im Über w enn das G egenteil derselben ohnedies nicht herausbrechen darf:
g an g e zu jen er W elt, in der du nicht geb o ren bist, bist du dein man nicht bestochen w ird für das Falsche, sondern den W illen
eigenes Prinzip. und die E rkenntnis h interher nur noch zu u n terw erfen h at der
ohnedies besteh en d en B eschaffenheit der D inge?
Von der F reiheit des N aturw esens daher, dem N aturw illen
Aus dieser E insicht in den Sitz des W iderspruches w ird ist zunächst die Rede. — D ieser h at äußerlich sich darzutun
sich das L ösungsm ittel ergeben. D aran g eh en w ir sogleich, ohn- durchaus kein R echt; er soll unterdrückt w erden, w o er sich
erachtet ü b er Satz und G egen satz noch m anches zu sagen w äre. zeigt, und jeder, der es erkennt und verm ag, h a t Recht zu dieser
482 F i c h t e , Di e S ta a tsle h r e . 5 483
68 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 69
U nterdrückung. D as ä u ß e r e R echt soll erzw ungen w e rd e n ;in n e r E iner ist, nicht w illkürlich und w an delbar sein w ird, sondern die
lich ab er durch B eleh ru n g die F reiheit geb ild et w erden zur Ein Eine und gem einsam e für alle; — w andelbar n u r d e r F o r m der
sich t: d er g u te W ille des R echts soll in jedem auf eigene Einsicht Einsicht, nicht d er Q ualität nach. ^ ^ " D ie s ab er eben ist das
au fg eb au t w erden. nicht aufzugebende Ziel, hervorzubringen eine den W illen b e
W eitere A u seinandersetzung in F o lgesätzen: w egende E insicht aller, daß es das R echt sei, w ozu, sie bish er
1. Z u r rechtlichen V erfassung die M enschen zu zw ingen, dem gezw u n g en w orden.
R echte sie durch G ew alt zu unterjochen hat jeder, d e r die E r Z u r näheren E rläu teru n g :
kenntnis h a t und die M acht, nicht n u r das Recht, so n dern die 1. N ur zum R echte darf gezw u n g en w e rd en ; jed er a n d ere
heilige P flich t; der Einzelne die ganze M enschheit, falls es sich Z w ang ist durchaus w iderrechtlich (abscheulich, teuflisch). D er
so trä fe ; denn zum R echtsw idrigen haben sie gegen ihn kein Z w in g h err m uß voraussetzen können, daß seine Einsicht u n trü g
R echt u n d keine F reiheit. lich sei, und ist h ierüber seinem G ew issen verantw ortlich.
— Z um R e c h t e , w elches ein absolut b estim m ter g em ein F ü r andere ist indessen d ieser Z w ang selbst d er Form nach
g ü ltig er B egriff ist, den sie alle hab en s o l l e n , d en sie auch rechtm äßig nur, inw iefern der Z w in g h err erbötig ist, aller W elt
alle haben w erden, sobald sie zu seiner B ildung sich erheben, den B ew eis zu führen, daß seine E insicht also untrüglich, sei, und
und den E r indessen h a t im N am en aller, als Stellvertreter, von inw iefern er alles, w'as an ihm ist, tu t, um diesen B ew eis
des in ihm w irk en d en G o ttes G naden. Die R ichtigkeit dieses führen zu können. Alle haben das Recht, n u r ihrer Einsicht zu
B egriffes m uß er auf sein eigenes G ew issen nehm en. — Er fo lg en ; dies das ew ige und unveräußerliche: daß sie vorläufig dem
w äre der von G o tt ein g esetzte Z w ingherr. Z w ange g eh orchen m üssen, g eschieht n u r aus N ot, w eil ihre
(Die V oraussetzung ist dabei, das Recht sei ein schlechthin Einsicht nicht die rechte ist. Um ihres Rechtes w illen aber m uß
in d er V ern u n ft liegender, rein apriorischer B e g riff’ — n ich t etw as, eine A nstalt errichtet w erden, w odurch ihre Einsicht z u r rechten
w o rü b er sich alle e rst w illkürlich verständigen, indem jed er schon gebildet w erde.
vor dem R echte voraus besitzt, und davon au fg ib t; — so nach Kein Z w ang, a u ß e r in V erbindung m it d er E rziehung zur.
t R ousseaus contrat social, em pirisch, w illkürlich, erdichtet; ein E insicht in das Recht. D ieser letzte B estandteil fügt jenem erst
P G rübeln ü b er spekulative A ufgaben auf g u te s G lück o hne speku- idie Form der R echtm äßigkeit hinzu. D er Z w in g h e rr zugleich
lative Prinzipien. D arauf die französische R evolution: kein W under, Erzieher, um in d e r letzten F unktion sich als den ersten zu ver
f daß sie, aus solchen G ru n d sätzen hervorgehend, so ablief!) nichten. — Daß Recht ist, w as ich gebiete, w irst du nachm als IV, 438
437 2. D ies jedoch n u r u n ter d er B edingung, daß m it d e r Z w an g s w ohl einsehen, w enn du m ündig b ist; w irst dann einsehen,
an sta lt eine zw eite v erbunden w erde, u m a l l e z u r E i n s i c h t daß ich nur die Stelle d er eigenen V ernunft in d ir vertreten h ab e:
der R e c h t m ä ß i g k e i t des Z w an g es, u n d so z u r E n t b e h r w irst einsehen, daß du selbst mich gew äh lt haben w ürdest. —
l i c h k e i t d e s s e l b e n z u b r i n g e n . D enn Ohne diese zw eite Dies die R echenschaft d er R echtm äßigkeit seiner O berherrschaft,
A nstalt ist der Z w an g , d er freilich nicht g eg en ih r äu ß eres Recht die er nicht n u r G ott, sondern auch der M enschheit ablegen will.
auf H an d lu n g en ist, g e g e n ihr inneres R echt u n d ihre Freiheit, n u r O hne dies der Z w ingherr, w enn e r auch d e r M aterie nach zum
zu geho rch en ihrer eig en en Einsicht. (H ierdurch w ird eben m it Rechte zw änge, d er Form nach ein T yrann und U surpator. —
dem G eg ensätze die A ussag e des Satzes ü b er das innere Recht D adurch ist erst die G l e i c h h e i t w ied erh erg estellt; d er Z w in g
vereinigt.) — B ildung aller zu einer b e s t i m m t e n , s o u n d so herr m acht den G ezw ungenen w ied er zu seinem Richten
sich 1 verhaltenden Einsicht, die h u r d er Z w in g h err und d e r E r R echtszw ang w ird n u r durch beig efü g te Erziehung des g e
zieher vor ihnen allen h a tte ; die d arum , so gew iß d er R echtsbegriff zw ungenen V olkes zur E insicht und zum g u ten W illen rech t-
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m äß ig ; au ßerdem ist sie rechtsw idrig. — D as aber, w ozu g e w erden schlechthin soll, und auch w ird, w enn sie n u r auf die
zw ungen w ird, und das, w as durch E rziehung d er E insicht h in gehörige Stufe d er V erstandesbildung kom m en, dies versteht sich
g e le g t w ird, ist durchaus d asselb e: das letztere kann ab er n u r von selb st; dies haben diejenigen, die da verordnen, zut v eran t
d er V ernunftbegriff sein vom R echte; denn ü b e r nichts anderes w orten. Die B ildungsanstalt ab er — w ie könnte diese S tudieren
kann die E insicht aller sich vereinigen. den fe h le n ! W enn sie jedoch einst bei V erstandesreife das G eg e n
teil finden, so m ögen sie unser A ndenken verw ünschen, und
ja sorg en für die G esetze des G egenteils, d aß g eb o te n w erde,
So hab en w ir d er R echtslehre einen an sich klaren, jedoch w as sie g ern täten, nun ihnen ab er leider verboten ist. —
höchst w ichtigen Begriff, die Lehre von E rrichtung des Reiches, In S um m a: die M enschheit, als eine w iderstrebende N atur,
beigefügt, der b ish er fast allgem ein verkannt w urde. D unkel soll allerdings ohne alle G nade und Scho nun o b sie es
g efühlt, h a t er zu einem Streite V eranlassung gegeben, d e r auch verstehe o d e r nicif^ gezw u n g en w erden u n te r .die H errschaft des
m ir o ft v orgekom m en; — in fo lg en d er Form , in d e r ich dem Rechts durch die höhere Einsicht. M it diesem Z w ange m uß ab er
selben auch w o h l darstellen ka nn : — M it dem Pöbelt und den unabtrennlich verbunden w erden eine A nstalt, um diese höhere
P hilistern m öge es sein, w ie es w olle; die F reiheit d er Studenten, Einsicht zu m achen zur gem einschaftlichen E insicht alter. Wie!
die akadem ische b esteh e §ber darin, daß sie keine G esetze an der U rh eb er g e sin n t w ar, so sollen nach V erlauf eines Z eitraum es
erkennten, als die, deren N otw endigkeit sie selbst einsähen, und g esinnt sein schlechthin alle ohne A usnahm e. N ur durch das
die sie sich gäben. H ierb ei w erde b ed ach t: 1. N icht n u r für letzte w ird das erste rechtlich'.
S tudierende gilt dies, so n d ern schlechthin fü r alle M enschen; —
nicht akadem ische, so n d ern b ü rgerliche F reiheit überhaupt, daß
m an keinem G esetze gtdiorche, dessen N otw endigkeit m an nicht
einsehen und es sich selb st geben s o l l t e und w ürde, w enn N ochm als der G eg ensatz von einer anderen S eite:
m an verständig w äre. 2. K einesw egs ab er gilt es em pirisch, — S a t z : Jeder soll handeln schlechthin nach seiner eigenen
was sie w irklich einsehen und sich geben. — Bei den S tudieren E insicht: n u r so ist er frei. Kein Z w ang!
den ist n u r die V oraussetzung, daß sie m ehr V erstand haben, G e g e n s a t z : A ber Einsicht des R echten so g a r läßt sich
IV, 439 ihre E insicht einen g rö ß e re n U m kreis um fasse, als bei dem Volke. nicht hervorbringen ohne einen Z w ang, ohne' B eschränkung der
— D ies die akadem ische und ü b erh a u p t aller gebildeten M enschen äußeren N a tu rfreih eit; — ohne ein A nhalten des H andelns, um , 440
F reih eit: — m eh r E insicht u n d g u te r W ille, w en ig er Z w ang. zurückzuziehen auf B etrachtung u n d E rw ägung. — Die N atur
3. V on den S tu dierenden aber, eb en d aru m w eil sie S tudierende ström t im m erfort, hält nicht an zur R eflexion: dies letzte leistet
sind, ist nicht zu erw arten , daß sie alles einsehen, auf d e r höch uns die V ernunft von anderen aus in d e r G em eine, w ider unseren
sten Spitze der Intelligenz ihres Z eitalters u n d ihres Volkes s te h e n : eigenen W illen. — D urch H ineinkom m en in diese S phäre en tste h t
— w en n m an w arten sollte auf die durch die M ajo rität g e sogar eine Süßigkeit d er B etrachtung: w o h er so n st die W issen
geben en O rd n u n g sg esetze, w ü rd e es m it dem 'kadeniischen G e schaft? — A ber von N atur aus nicht.
m einw esen g a r schlecht b estellt sein : — also auch hier, wie es A u f l ö s u n g : Z w a n g ist die B edingung zur H ery o rb rin g u n g
bei der E rziehung und in allen Ständen ist, soll m an gehorchen der E insicht und zur A nnahm e d er Z ucht: — ist das M ittel,
o h n e Z eitverlust, und auf d er Stelle, — sodann freilich auch ein wie die E insicht der G em eine sich anknüpft an das Individuum ,
sehen, w enn die Z eit kom m t; denn dies m uß w ohl Aufschub und das Individuum aus einem bloßen N aturw esen in ein g eisti
leiden. — D aß nichts verordnet w erde, w as nicht eingesehen ges verw andelt. D ieser Zustand d e r R uhe nun, in d e r die Be-
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leh ru n g ü b er das Leben an E rw achsene kom m en kann, ist der ist auch w ohl klar, ebenso, daß gleich g eteilt w erden solle, d. i.
innerliche F riede und R echtszustand; d e r Z w an g sstaat darum daß auf jeden für seine A rbeit gleichviel R uhe und G enuß, eig en t
eigentlich die Schule für das Reich aus d e r Einsicht aller. lich F reiheit und M uße k om m e: aber w eichen P latz nun je d e r?
D afür g ib t es g a r keinen E ntscheidungsgrund. K om m t indessen
freilich nicht viel darauf an, so m uß doch jed er seinen gew issen
Die Lehre von E rrich tu n g eines R echtszustandes ist daher Platz haben, bei dem es bleibe: also E ntscheidung m uß sein,
klar, und o h n e alle S chw ierigkeit. Ä u ß e r e s R echt m uß u n b e dam it gew isses Recht sei; — geschehe sie so g a r durch das Los.
d i n g t sein, von S tund an, als E iner es d e n k t; denn es ist die — A ber verschiedene S t ä n d e ! Z u w elchem soll jeder g eh ö re n ?
einzige W eise freier W esen d a zu sein (ihr N atur-, substantielles — D arüber n u r ein annäherndes, niem als ein dem onstratives U r
u n d S e ih sg e se tz ."“N a t u r g e s e t z ; darum Z w ang). Z w in g h err kann teil m öglich. D ies alles n u r beispielshalber!
je d er seih, der es einsiehet, und es v erm ag: er verletzt dadurch A ber das E ntscheidende ist fo lg en d es: die fo rtzu erw ei
W eder die ä u ß e r e F reiheit von irgendeinem , noch auch die tern d e H errsch aft ü b e r die .N atur, die das Recht aller ausm acht
i n n e r e ; w enn er n u r R echenschaft ablegen will, daß es das (daß sie näm lich in jedem Zeitabschnitte so frei seien, als sie
Recht sei, w ozu er zvvh.gt, und A nstalten trifft zur M öglichkeit in ihm sein k ö n n e n ); ü b er die ä u ß e r e N atur, V erbesserung;
dieser R echenschaft, durch' B ildung zur Einsicht in das Recht. — des A ckerbaues, d er K ünste und G ew erbe, stets ; im richtigen
Ein durch G o tt selb st in d er Stim m e des Sittengesetzes ein V erhältnisse zu ein an d er; ü b e r die i n n e r e , allgem eine Bildung
gesetzter E rzieher d er M enschheit; — göttlichen R echtes! des V erstandes und des W illens aller, — g e h t nach dem G e
V oraussetzung h ierbei ist d ie ; daß d e r R echtsbegriff so klar setze, in einer steten Linie fo rt: jede Z eit h a t ihren P unkt, g e
sei, m it so ü b e rw ie g e n d e r E videnz sich als objektiv g ü ltig darstelle, geben durch den vorfindlichen Z ustand von E iner Seite, durch
daß d er U rh eb er es auf sein G ew issen nehm en, u n d fest ü b er die Idee von d e r anderen. — D ieser P u n k t ist das jedesm alige
zeu g t sein könne, d aß die E rziehung aller zur E insicht sie durchaus Recht, zu dem alle. z u .z w in g e n sin d : g e s e t z t m uß er schlecht
auf denselben P u n k t führen w erde. hin w erden, und die K räfte aller dazu v e r e i n i g t ; denn cs soll
N u r innerhalb dieser V oraussetzung, u n d sow eit diese reicht, in diesem Felde fo rtg earb eitet w erden. — W er w ill diesen P unkt
gilt jen es R echt des Z w an g es. — W ie aber, w e n n d er Begriff nun m it dem onstrativer G ew ißheit bestim m en, es auf sein Ge- IV, 442
IV, 441 des R echtes nicht d u rch g än g ig so klar w äre, d aß d er Z w ingende w issen nehm en, daß er darin nicht irre, und daß die fort
ds auf sein G ew issen n ehm en, u n d von der F ortbildung die gehende B ildung aller ihn rechtfertigen w erde, um darauf Z w ang
E insicht d er anderen sicher erw arten k ö n n te? — fürs R e c h t — nicht für sein i n d i v i d u e l l e s U rteil zu
W ie v erhält sich die S ache? — a) D as S ittengesetz ist u n ternehm en? D ennoch m uß es auch ü b e r diese P unkte der
schlechthin s e t z e n d etw as aus sich, z. B. die F reiheit aller. — angew endeten R echtsurteile eine E ntscheidung geben, u n d Z w ä n g
Dies ist klar. — b) D as S itten gesetz ist b e u r te ile n d ! , f o r t b e dazu, d e r s c h l e c h t h i n A l l e u m f a ß t . — B eispiele: W er
s t i m m e n d einen in d er Sinnenw elt g eg eb en en Stoff. — D ieses soll entscheiden, ob die F reiheit d e r M eere die z u realisierende
U rteil kann o ft g a r nicht so unm ittelbar klar sein, sondern etw a A ufgabe der G eg en w art sei, w ofür alles Blut, L eben u n d R egung
n u r durch A n n äherung ins U nendliche zu finden. — So, in Rück aufgeopfert w erden m üsse, o d er die H eraufbildung d er niederen
sicht des ersten F a lle s : daß keiner den anderen durch positive Stände zu den h ö h ere n ? — W e r K rieg o d e r Frieden auf jene
T at hem m en, ihn an seinem Leibe antasten solle u. dgl., ist klar. V eranlassung hin ü b e r sich n eh m en ? — Jetzt ist die F ra g e : w er
A ber nun w eiter: ein E i g e n t u m f ür jeden, d, i. eine aüs- der Z w in g h err sein solle, g a r nicht m ehr so unb ed in g t zu b e a n t
schließende Sphäre seines freien H andelns in d e r Sinnenw elt; dies w o rten : d e r e r s t e , d e r b e s t e , d e r es k a n n . — H ie r ist die
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F rage d iese: W e r u n t e r j e n e n U m s t ä n d e n Z w i n g h e r r , ,4. M an kann sich bei diesen U rteilen nicht auf das be
F ü r s t s e i n a c h d e m R e c h te . Sie zu b eantw orten rüsten wir rufen, w orauf man bei den a b s o l u t e n Sätzen sich’ berufen kann,
uns. auf die notw endige B illigung durch die künftige allgem eine, durch
E rziehung des Volkes hervorzubringende Bildung. In jenem Falle
weiß m an, w eil es ein solcher Satz ist, w ie der gebildete V er
Schärf den P u n k t d e r U ntersuchung bestim m t! D ies b e
stand w ird urteilen m üssen; in diesem nicht, sondern dies w äre
trachtet, ist jen er nicht n u r Z w in g h err zum Rechte, sondern vor
von der F olgezeit zu erw arten.
allen D ingen dazu, d aß m an sein U rteil ü b e r R echt fü r gleich 1
A ber ich sage m eh r: — die B ildung der Folgezeit, sobald
m it dem objektiven R ech te g elten lasse. Er zw in g t sich ihnen
sie zur F ällung eines E ndurteils ü b e r eine in d e r G eg e n w a rt
auf, als letzte r u n d h ö ch ster E ntscheider ü b er die F ra g e : w as
genom m ene M aßregel gekom m en sein wird, wird dieselbe nie
rsf das jedesm alige Recht, o h n e alle W iderrede. In dieser letzten
mals für die bestm ögliche erkennen, sondern eine noch bessere
Q u alität nun ist d er Z w än g bedenklich': davon den R echtstitel
finden. Dies d aru m : durcli jene M aßregel w ird selbst eine n e u e
aufzusuchen. — D ie fortsch reiten de B ildung w ird es b e stätig en ! —
B ildung gew onnen. D iese tritt m it hinein in die sp äte re Be
W ie aber, w enn sie es nicht b e stä tig t? Um K larheit, nicht um
urteilung und w ird als vorhanden vorausgesetzt, da sie doch
Ü berraschung ist es m ir zu t u n : darum w ollen w ir jene F rage
d a d u r c h erst und s e i t d e m erst en tstan d en ist, und auch, w enn
tiefer b eg rü n d en d u rch eine R eihe von Sätzen.
m an die g eg en w ärtig e B em erkung gem acht hätte, nicht so g enau
1. D as G esam tleberi d e r M enschen (die durch die V ereini
b ek an n t ist, daß sie abgezogen w erden könnte. So h a t die
g u n g un ter die E inheit einer R echtsverfassung ein Volk gew orden
N achw elt allem al ein reiferes U rteil, als die V orw elt, weil das
sind) ist ein fo rtg esetzter Kampf m it d e r N atu r um Freiheit,
O berh errschäff ü b e r dieselbe? ' ..... ~ durch die U nvollkom m enheit d er letzteren G elernte m it in die
B eurteilung tritt, u n d sie w ird der V orw elt, w enn sie sich, so wie
2. In jedem Z eitm om ente ist notw endig ein durch die V er
sie ist, an ihre Stelle setzt, allemal unrecht tun. — N u r der fo r
g an g e n h e it, b e d in g te r und g esetzter höchster P u n k t dieser O b er
male, in der rein en W issenschaft aufgestellte Begriff ist e n d - IV, 444
herrsch aft m öglich: dieser ist das Recht aller und jedes ein-
IV, 403 zelnen, der ihn ein sieh et und d e r darum die K raft hat, ihn zu lie h 1, denn er ist d er Begriff eines G esetzes: die B eurteilung
des faktisch G eg ebenen aber ist unendlich'; denn sie g e h t einher
b eg eh ren .
3. D arum sin d zu dem , w as diesen P u n k t von ihrer Seite nach' dem in ihr selbst herrschenden, ew ig verborgen bleibenden
G esetze: quillt ew ig neu und frisch. Aus jedem P u n k t entw ickelt
b ed in g t, alle ohne A usnahm e zu zw ingen, im N am en des Rechts,
d a s T ^ e h ^ ^ s s p r i c h t ^ t m “jenem einzelnen (ob sie es nun d e r sich 1 ja durch H inzutritt des G esetzes die Ew igkeit, und so in
m alen einsehen o d e r nicht). Also nicht bloß U nterlassungen, jedem folgenden Z eitm om ente.
5. Es ist dies m it B edacht auseinandergesetzt w orden, indem
sondern auch L eistungen sind gefordert.
daraus eine w ichtige Folge h erv o rg e h t; — d iese : das bestim m te
Sow eit ist alles klar, und A nw endung d er früheren allge
m einen G rundsätze. W ie e s aber zur A nw endung kom m t auf Recht der allgem einen F reiheit in einem g egebenen Zeitm om ente,
das den Kam pf um F reiheit am siegreichsten m achende, ist g ar
eine bestim m te A nsicht, also dabei, w as jetzt an d er Z eit sei:
nicht durch einen objektiv g ü ltigen B egriff anzugeben; denn dies
w e s s e n U rteil un ter den w idersprechenden U rteilen hierüber
w äre ein unendlicher; sondern n u r durch den, d er aus dem
soll d a gelten und die G erechtsam e des absoluten Rechtes
bis jetzt entw ickelten V ernunftgesetze hervorgeht. D ie M aßregel
haben? '
ist niem als die beste üb erh au p t, sondern n u r die beste für die
1 das Recht (?) — (Konjektur von J. H. Fichte). Z eit: diese kann nun nur derjenige angeben, d er den größten Ver-
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Äng^wendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 77
starid h a t in sein er Z eit und in seinem Volke. D er höchste V er ausgehe vöii einem einzigen selbständigen U rheber, der allein 1
stan d ab er ist derjenige, d e r das ew ige G esetz d e r Freiheit in An frei ist, u n d alle übrigen vorläufig zw ingt. '
w en d u n g auf s e in e .Z e it und sein Volk am richtigsten versteht, In dieser V oraussetzung m üßte es d ieser selbige sein, der
beides in seinem V erhältnisse am bestim m testen und reinsten schlechthin durch sich selbst sich setzte als jenen höchsten V er
durchdringt. -— D aß er seine Z eit und sein V olk am besten ver stand, und auf diesen absoluten B eschluß ü b e r sich selbst g rü n
stehe, liegt darin. dete alles übrige, w as daraus folgt. — N icht aus d er Acht zu
D ie A ntw ort auf die F ra g e: W er h a t ein Recht O berherr lassen ist die E igentüm lichkeit dieses absoluten Beschlusses.
, zu sein, erg ib t sich 1 n ä h e r: D er höchste m enschliche V erstand, W enn von dem absoluten V ernunffsatze die Rede ist, daß ü b er
1 und d a es diesen in keiner Z eit gibt, d er höchste m enschliche haupt Recht sein solle, und w as etw a durch b lo ß e Analyse aus
I V erstand seiner Z eit und seines Volkes. diesem Begriffe fo lg t: so w ird da g ar nicht g e re d e t von einem
6. Ist nun n u r dieser höchste V erstand gefunden, so ist w ieder M ä ß e des V erstandes, so n d ern nur, d a ß V erstand d a sei; es ist
alles äu fgenom m en in die e rste Klarheit. D em V erstände, sow eit ein objektiv g ü ltig e r Begriff, den jeder, dem in dieser Regio;n
er b is jetzt o ffen b art ist in d er W elt, zu gehorchen, ist jeder der V erstand aufgehen w ird, gerad e s o haben mu ß ; u n d w er
F r e i e v erb u n d en ; d en n er ist das G esetz d er Freiheit, und nur ihn nicht hat, dem ist aller V erstand in dieser R egion ohne
inw iefern er diesem folgt, ist jed er frei: es ist die .Bew eis w eiteres abzusprechen. D aß m an .V erstand hat, kann m an w issen,
fü h ru n g sein er F re ih e it: — ihm nicht folgend, ist er blinde und dies auf sein G ew issen nehm en: w er auch, d e r ist m it
N aturgew alt. uns übereinstim m end, und ihn trifft d er Z w ang n icht; w er nicht, IV, 446
Die Ä ußerung des U nverstandes in T a t innerhalb d er W elt, nach dem ist so lange nicht zu fragen, bis er V erstand beköm m t.
445 in d er auch nur E iner sich befin det, der es b e sse r versteht, und so, D arum hier — jed er d e r w ill!
daß diese Ä ußerung auf das H andeln dieses Einen einfließe, w as G anz anders da, w o die Rede ist von ein er B eurteilung des
niem als fehlen kann, w enn sie in derselben V olksw elt liegt, — G egebenen, die ein U nendliches ist; also allerdings von einem
ist geg en das R echt dieses Einen, u n d er h a t das vollkom m ene G rade und M aße. M öchte es da w ohl jem and ü ber sich nehm en £u
Recht, sie nicht zu leiden, falls er es verhindern kann — zu behaupten, daß sein Urteil b e sse r sei, als d as schlechthin aller
zw ingen, w enn er stark g e n u g dazu ist. Auch in A bsicht d e r übrigen, die er ja nicht kennt und gep rü ft hat, — und im m er
R echtsurteile steh t dem höchsten V erstände das Z w angsrecht zu, das b essere sein w erde in alter Z u k u n ft? — diese Ü berschw eng
n eb st dem b ed in g en d en Rechte, als höchster inappellabler Ent- lichkeit seines V erstandes auf sein G ew issen nehm en, seine sitt
scheider der F rag e vom jedesm aligen Rechte zu gelten. liche W ürde, seine Seele und Seligkeit darauf setzen, daß dies
Die E rziehung zur Einsicht, als die form ale B edingung der U rteil ü ber sich selbst untrüglich sei: verlangen, daß diesem
R echtm äßigkeit alles R echtszw anges w ird auch hier fortgehen, seinem W eltbesten schlechthin alles andere aufgeopfert, w erden
und einst die allgem eine E insicht begründen, daß, w enn auch m üsse, als dem allein H eilig en ? —
nicht das A llerbeste, denn doch ein die F reiheit F örderndes ver Es m öchte indessen jem and glauben, dies könne w ohl an-
o rd n et w urde. gehen, w enn ein durch E rziehung A usgebildeter trä te unter ein
7. Ist n u r eben dieser höchste V erstand gefunden — wirklich durchaus u ngebildetes Volk ohne alle E rziehung u n d U nter
und in der T at, d. i. eine bestim m te, so und so heißende P erson w eisung; und dafür auch 1 Beispiele finden in d er alten G eschichte.
gefunden, die diesen höchsten V erstand h a t: so ist alles g e Ich aber w ürde sag en : das E r s t e , ein Reich d e r G esetze ü b er
hoben; U nsere V oraussetzung ist, daß die E rrichtung des R echts h au p t Und fo rm a lite r, innerer Friede, Sicherheit sind nur n e g a
zustandes überh au p t, m it Z w ang, w enn es • nicht an d ers geht, tive B estim m ungen: dam it soll zugleich verbunden sein eine Er-
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78 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 79
% e h u n g zur Einsicht. Ist diese geordnet, so darf durch positives sind die g ro ß en Überblicke aus höheren S tan d p u n k te n : h ie r ist
Z w ecksetzen d er F olgezeit nicht vorgegriffen w e rd e n ; diese, zur eine Stelle, w o ein solcher möglich äst.
Einsicht gekom m en, w ird sich selbst zu helfen w issen, die posi , 1. Z w e i W elten einander en tg eg en g esetzt: die des G e-
tive Z w ecksetzung tritt erst dann ein. — Dies also abgerechnet, gegj2h£i3L£,u, und dessen, w as da s e i n s o l l d u r c h F r e i h e i t . —
\ 4- w enn in einem Volke, w o ru n d um ihn herum E rziehung, ein In der e r s t e n : die Individuen m it ihrer persönlichen F reiheit und
\ o rg an isierter Staat, ein g eleh rtes Publikum w äre, einer hinträte, m it B ew uß tsein; sodann ein für je n e G e m e i n g ü l t i g e s , die
\ und jenes von sich b e h a u p te te : so zeigte er dadurch ohne Zw eifel, Sihhenw elt. (H ier ist der objektive, allgem eingültige V erstand eben
j daß er w eder einigen V erstand noch G ew issen habe. — d er ä u ß e r e S i n n ; er ist für jeden vorhanden; zugleich a ls s o l
ff, D er höchste V erstand kann also nicht dadurch 1 gefunden c h e n sich setzend. N iem als verw echselt m an die G eg en stän d e des
i w erden, daß irgendeiner, sich selbst als den Inhaber desselben äußeren und inneren Sinnes.) — In d er z w e i t e n: die i n d i-
\ festsetzte, — darum d er H errscher, inw iefern er dies sein m uß, v i d u e I 1 e Pflicht, die jed er nur für sich besitzt, deren e r allein
| kann er sich nicht selb st ernennen. D iesen negativen Satz fürs erste sich be.w ußt-ist: ebenso w ie keiner dem anderen ins H e r z sehen
haben w ir gew o n n en ! kann, so auch keiner darin für den an d eren urteilen. —
A ber w enn nur der M ensch ü b erh au p t zum V erstände darin
g eb ild et w ird, so stellt sich dieses ihm zuerst und gem eingültig
447 N icht bloße T h e s i s m ithin, sondern auch U rteil findet statt, für a l l e Freiheit, — die Freiheit als Eins g e fa ß t m it A bstraktion IV, 448
darüber, w as in dem K am pfe um F reiheit jedesm al d er P u n k t v o n jä e n individuellen iBestim m ungen — w as diese s o l l ü b er
sei, d er das R echt eines jed en ist, — den auch vielleicht jem and haupt. — Dies is f min Tn seiner A usdehnung der R echtsbegriff:
erkennt und fo rd ert (w en ig sten s erkennen und fordern s o l l t e ) . zuerst die Thesis, lediglich n e g a t i v bestim m end, daß eben
— D araus der O b e r h e r r . — jedw eder fo rm a lite r frei sein soll, und w as nicht sein m üsse,
W e r nun soll ein solches U rteil fällen? — Es ist ein un w enn dies m öglich sein solle: — der leichteste Begriff u n ter
en dliches; d er höchste V erstand darum seiner Zeit und seines den sittlichen. — Sodann p o s i t i v , der G egenstand d er B eur
V olkes. teilung ü ber die jedesm alige B estim m ung des M enschengeschlech
W e r ist dies? Selber sich d afür zu erklären kann keinem tes, sonach ü ber ihre R echtsanforderung an die N atur, mithin
e rlau b t sein. W o h e r nun soll er k om m en? — G leichbedeutend an die sie hem m ende N atur der anderen Freien in ihrem U m
m it d er F ra g e : W er kann und soll O b erh err sein, w er ist d e r kreise. — D ieses letztere nun das, w ovon w ir re d e n : also d er
r e c h t m ä ß i g e O b e rh e rr? objektive, gem eingültige V erstand des O b e rh e rren ; der V erstand,
Es m üßte sich dies durch die Sache selbst finden. Die W ah r den alle haben sollen, und den der, w elcher ihn hat, nicht bloß
h eit m üßte erscheinen durch sich; — o h n e irgendeine W i l l k ü r für sich hat, und im eigenen N am en (wie den sittlichen der in d i
— in un m ittelb arer D arstellung. viduellen Pflicht), sondern für alle mi t: dem auch niem als sein
W ie d ies? D er g e fo rd e rte V erstand — au ßerdem daß e r E ntsprechendes in der Sinnenw elt g eg eben w erden kann, bis
der höchste sein soll, w as lediglich die Q an tität angeht, m üßte ihn alle hab en ; da er ein G esetz au ssp rich t für die Einheit und
noch durch ein anderes qualitatives und W esensm erkm al sich organische V erbindung aller.
bestim m en lassen : — näm lich als V erstand des G e m e i n g ü l t i 2. D iesen sittlich gem eingültigen V erstand könnte nun etw a
g e n , des G esetzes der Einheit. einer m it gute 7 n~T frund sich z i i s c h f e i b e n d i e s hilft aber
A n a l y s e : — zugleich Z u sam m enfassung u n d A ufstellung nichts, dadurch b leibt er in ihm. Ein Frem der kann eben so
des G egensatzes, die das G anze deutlicher m achen w ird. Dies w enig ihn einem anderen zuschreiben — a u ß er etw a durch will-
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80 Angewendetè Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 81
kürliche, auf G u td ü n k en g e g rü n d e te W ahl; sondern er m üßte sie kennt, und er ist ein L ehrer nur, in w ie fe rn ' er sie kennt. —
sich seih st u n m i t t e l b a r bew ähren durch "eine schöpferische, So w ie in dem Lichte sich die O b jek te darstellen, als b egrenztes,
alpen offenbare urict faktische, sinnliche G ew ißheit trag en d e T a t . gebrochenes Licht, so in dieser die Evidenz d er W ahrheiten, nach
D ann i s t er in Einem , denn er lebt in ihm als faktische E r dem G esetze; die O bjekte sind d a genetisch. Jn d e m er dies nun
scheinung. stets v o r h e r z i B ä f B h - W ^ f ß f ^ ^ f ^ ^ ^ a ß - er die O bjekte dieser
3. W eiches w äre diese E rscheinung? — A ntw o rt: W er an-, W elt kennt, und ihre E ntstehung, indem sie n u r genetisch g ek an n t
dere zu objektiver E rken n tn is zu brin g en verm ag, der besitzt w erden können. (E r kennt \ ihre G eburts- u n d E ntw ickelungs-
sie. W ie .aber, b ew eist er, daß es objektive E rkenntnis sei, daß geschichte, darum sie selbst.) — Er zeigt sich im B e s i t z e d e r
er etw a nich t n u r seine In dividualität w ied erfin d e? A ntw o rt: selben, und ein Leben durch die K u n s t , ein schöpferisches und
W enn es. ihm bei m ehreren, u n d eigentlich Bei jedem gelingt, an sich verbreitendes Leben jen er W elt. (D ie Stockblinden, die die
dem er die P ro b e m acht. — D enn E rkenntnis entsteht durch eine g eistige W elt g a r nicht kennen, und ihr Elem ent, die K onstruktion,
sich o ffenbarende Evidenz nach einem G esetze, von w elcher d e r wie könnten diese L ehrer sein! G lieder in der T radition nur
jen ig e ergriffen w ird, d e r eine gew isse K onstruktion vollzieht. verm ögen sie zu sein. Von solchen aber reden w ir nicht.)
D ieses G esetz, sow ie das G esetz der K onstruktion, w elches die R e s u l t a t : N ur der L eh rer in dem beschriebenen Sinne zeigt IV, 450
449 E rsch ein u n g d e r ersteren b ed ingt, ist allem al gem eingültig. — durch die T at g em eingültigen V erstand; und au ß er diesem gib t
Indem nun ein solcher s a g t: K onstruiere auf diese W eise, so Cs durchaus kein an der es M ittel, k e in ' K riterium .
w irst du ergriffen w erd en von dieser E v i d e n z ; u n d Tndern es sich Soll darum in einem V olke ein rech tm äß ig er O berherr m öglich
dem , d er also tu t, b ew äh rt, so führt er durch diese seine K u n st sein, so m uß es in diesem V olke L e h re r geben, und n u r aus
den sichtlichen Bew eis, daß er gem eingültigen V erstand, und V er ihnen könnte d er O b erh err gew äh lt o der errichtet w erden. U nsere
stan d dieses V erstandes habe. *— O b diese m it W orten es ihm Sphäre ist bestim m ter: ein Stand ist uns angew iesen, d er sich
zu g esteh en o d e r n ic h t: die T at, ihres L eugnens W eise und V er selbst — nicht setzt, so n d ern m acht in der T at v o n G o t t e s
m ö g en vielleicht, zeigt es. Sie sind w eiter gekom m en; es hat sich G n a d e n . (D er einzige, d er w ahrhaft von G ottes G naden ist,
V erstandeskraft in ihnen entw ickelt. ist d er gem eingültige w issenschaftliche V erstand; und die ein
4. D iesen Bew eis fü h rt nun der L ehrer, d er es w i r k l i c h zige äu ß ere E rscheinu n g dieser B eg nadigung ist die T at des
ist, den gem ein g ü ltig en V erstand an d e re r w irklich entwickelt. w irklichen — m it E rfolge g ek rönten — Lehrens.) Die E rnennung
Sein P ro d u k t an an d eren is t. d er d arg eleg te Bew eis. Er selbst des Ö b erh errn ist ü b er alle m enschliche W illkür h inw eg w ieder
b ra u c h t nicht fü r sich zu zeugen (ohnerachtet er einm al m it d e r' dahin gew iesen, w ohin sie gehört, in den unerforschlichen R at
inneren Ü b erzeu g u n g anfangen m u ß te); jenes zeugt fü r ih n : er schluß G o tte s : — und zw ar dies letztere w enigstens auf eine ver
b ed arf nicht des Z eu gnisses an d erer m it dem M u n d e; ihr D asein ständliche W eise, d. i. indem m an siehet, daß d er V erstand da
z eu g t für ihn. E r h a t gem ein gültigen V erstand entw ickelt, der durchaus am E nde ist, u n d das ab so lu t faktisch G eg eb en e an
nun auch sich zeige in d er T at, durch neue H erv o rb rin g u n g en , geht, — D a w ollen die anderen es eben auch hineinverlegen:
nicht daß er bloß historisch G elerntes w e iterg ib t: — der K unst- : auf w elche unverständliche u n d u nverständige W eise, w erden wir
I 1er dieser E ntw icklung selbst, soviel an ihm liegt, K ünstler zu seiner Z eit sehen.
II m achend. - - W as in d e r S innenw elt das g egebene, allen gem ein- D as D asein eines Standes der L ehrer b e d in g t im F o rtg än g e
11 sam e Licht, dies in d e r hö h eren W elt der 1F reiheit (m erken Sie sich des R eiches das D asein einer rechtm äßigen O berherrschaft.
| I diesen Parallelism us, d er hohe K larheit g ib t) die g eistige K o n - A b er die rechtm äßige V ereinigung von M enschen zu einem
I1 s t r u k t i o n , eb en die genetische. D er L e h r e r zeigt, daß er Volke unter d e r H errsch aft des Reiches setzt, wie oben stren g
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82 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftsreiches. 83
erw iesen w o rd en , E rziehung zur E insicht des R echtes ü b erhaupt, Jetzt w eiter!
sonach einen Stand der L eh rer; so daß hier also unsere Lehre D er höchste g e m e i n g ü l t i g e V erstand soll h errschen: es
ineinandergreift. — W äre eine solche E rziehung und ein solcher kann ohnedies nicht die M einung sein, daß der ganze L eh rer
S tand nicht da, so w äre die ganze O berherrschaft, so g a r ihrer stand, d er ja nicht die Einheit einer P erson hat, herrschen solle.
bloßen F orm nach, unrechtm äßig, und d er erste Schritt, den jene Ü ber ihn können n u r die urteilen, die ihn h ab en : w en darum
zu tu n hätte, w äre der, diese E rziehung zu organisieren (und diese (die L ehrer) für den H öchsten u n ter sich anerkennen, w em
dadurch fü r die A blösung des N otherrschers durch den einzig diese sich unterw erfen, der ist es. Er selbst hat zu dieser U n ter
rech tm äß ig en zu so rg en ). ............. w erfu n g gew irk t n u r durch Tat, und diese hat er freiw illig g e
Die A ufgabe, das R echt im höheren Sinne, die Zeitbestim - leistet. D as U rteil jen er ist ab e r notw endig das U rteil d er G e
m ung des V olkes, zu beurteilen, tritt, w ie oben erw iesen w orden, m eine: der L ehrstand hat also aus seiner M itte denjenigen zum
nur sp äter ein in die Zeit, nach d e r E rrichtung des allgem einen H errscher zu ernennen, der sich als den höchsten V erstand aus- IV, 452
F riedens durch das thetische Recht, für w elches allein w ir aller gesprochen hat durch die T at vor dem höchsten Richter.
IV, 451 E rziehung vorher den E rsten den Besten als einen N o therrscher O b dieser nun Eine physische P erson, oder, durch' eine
rech tm äß ig finden können. In d er Z w ischenzeit m uß ja, die K ollektivstim m e bestim m t, ein S enat sein solle, darüber will ich
G leichzeitigkeit d er E rrichtung d er E rziehung m it der des R echts nichts g esag t haben, sondern es unbestim m t lassen. D aß es
zw anges v orausgesetzt, w enn es nach dem Rechte sein soll, ein einen letzten E ntscheider g eb e in allen A ngelegenheiten des Volks,
L eh rerstan d sich g eb ild et und b ew äh rt haben. — W enn m an nun dessen Beschluß keine A ppellation leidet, und unm ittelbar ins
auch einräum t, daß, um das form ale Recht zu begreifen, nicht W erk g esetzt w erden m uß, tatb eg rü n d en d ist für alle, dies liegt
u l f v i e i g e h ö re ; so g e h ö rt dennoch dazu, um es zu lehren bis zu
im B egriffe: ob durch den Entschluß eines einzelnen, od er durch
■ |f e i n e r den W illen ergreifenden K larheit, eine U m sicht des ganzen Einstim m igkeit o der M ajorität m e h re re r — bleibt hier u n en t
IfV e rn u n ftre ic h e s und d e r g eistigen W elt, weil es ja hierm it auf schieden. D er L ehrerstand eben m üßte auch dies entscheiden; die
d as innigste zu sam m en h än g t: und in dem ordentlichen L ehrer K onstitution, d. i. das R eichsgesetz, wie der absolut alle bindende
m uß ja diese A nsicht sich n o tw en d ig entw ickeln, es m uß sonach Entschluß zustande kom m en solle, bestim m en, — w elches G esetz
— w as zu erw eisen w ar — g e rad e ein solcher L ehrerstand sich ja selbst nur ein zeitliches und abzuänderndes sein könnte. — D ies
entw ickeln. unbesch ad et; denn der unsterbliche G esetzg eb er dafür in diesem
D ie R echtm äßigkeit des H errschers in der A usbildung des Volke, d er Stand der L ehrer, ist gefunden.
Reiches setzt voraus einen L ehrerstand, Die erste E rrichtung H ierüber n u r so viel. D er praktische U nterricht könnte h ier
des R eiches ab e r fo rd ert schon als B edingung ihrer eigenen bei, als bis w iew eit er stre n g dem onstrativ ist, stehen bleiben.
R echtm äßigkeit die E rrichtung eines solchen. D em nach; 1. U nter Der Stand der L ehrer hat den O berherrn aus sich zu ern en n en ;
jo ch u n g d er N atu rk raft in ihren Ä ußerungen unter das form ale das G esetz aber kann nie bestim m en, ob einen einzelnen oder
R echt; 2. B ild u n g zur E insicht in die R echtm äßigkeit des Zw anges, m ehrere. D ieses letztere m uß ja g roßenteils eine Sache d er Be
und zu dem d arau s folg en d en g u ten W illen. Endlich K on urteilung sein. W elcher L ehrer in ein er solchen Zeit, die ge-
stitu ieru n g des w ah ren O b erh errn aus dem L ehrerstaiide an die ständlich nicht reif ist zur A usführung, — ein solcher bin ich hier,
— m öchte denn nun in diesem U rteile vorgreifen dem Stande
Stelle des N o therrschers. "V.
Soviel zur inneren B efestigung des L e h rg e b ä u d es: — Alles folgt aller L ehrer der Zeit, die da reif sein w ird, denen er ja ohne
aus dem zu A nfänge auf gestellten G egensätze, und ist n u r die E nt die blindeste V erstocktheit einen viel um fassenderen V erstand zu
w ickelung desselben und seines vereinigenden P unktes, des Reiches. schreiben m uß, da sie auf seine G rundsätze aufgebaut, und die-
F i c l i t e , Di e S ta a tsle h r e . 6 499
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Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 85
selben in einer reicheren A nw endung in den Folgezeiten ent selben. D ies nachkom m ende E inteilungen: jene erste aber in die
w ickelt haben w e rd e n : — w er m öchte da vorgreifen, und das Z w eiheit bleibt die ursprüngliche u n d G rundeinteilung. — b) W o
G esetz g eb en w ollen! — W ir haben von den ältesten Z eiten an durch soll nun diese G rundeinteilung bestim m t w e rd e n ? Z u
i bis auf die u nsrigen eine M enge ein g eb ild eter R epubliken auf vörderst — w ollen w ir annehm en, daß die Individuen gleich als
gestellt erhalten. Dies w ar leicht, w o alles auf der W illkür b e verschiedene geb o ren w erden, auf eine von uns zu erkennende,
ruhte, die ein u n b eg ren ztes Feld d e r E rdichtung darbietet. W ir durchaus aber nicht verständliche W eise; daß, wie Plato sich aus
haben durch ein V ernunftgesetz die W illkür abgeschnitten und drückt, einige G eschlechter nun einm al goldene sind, andere sit- IV,
den Stand erw iesen, d e r sie auf ew ig e Z eiten abschneiden soll; berne oder eherne, — einen G eb urtsadel solcher, die durch die
IV, 453 w ie kö n n ten denn w ir, auf ehrliche W eise verfahrend, jene Bilder G eburt v erständiger sind? (Sie b ehaupten es nicht, w ir ab er in
verm ehren w o llen ? D am it es jedoch nicht scheine, als ob ich diese unserem System e m üßten es.) W elch tiefer und g ro b e r U nver
U n tersu ch u n g scheue u n d ih r ausw eiche, und Ih nen das Beispiel stand dies sei, an einer anderen Stelle! In d er W ahrheit verhält
eines solchen A usw eichens gebe, — besonders, weil dies zu einer sich die Sache also: Die Individuen in solcher Anzahl w erden
vollständigen B elehrung ü b e r jenen G egenstand geh ö rt, will ich, g e g e b e n ; dies bleibt rein faktisch, dem Begriffe u n d urchdring
w as zur B eurteilung solcher F ragen ü b er K onstitution, als P rä lich. D a aber g eh t der V erstand a n : g eg eb en in diesem Z usam
m isse dieser B eurteilung, g em eingültig sich dartun läßt, tiefer m enhänge dem Volke als seine M itglieder; nicht erkennbar, a u ß er
unten beib rin g en . s üb erh au p t als freie, Rechte habende, und darin schlechthin alle
Jetzt is t die einzig rech tm äßige O berherrschaft des Lehr- gleich, ohne irgendeine A usnahm e und irgendeinen U nterschied,
stan d es ausführlicher von uns auseinanderzusetzen, und zu zeigen, der auf ihre A bstam m ung g e g rü n d e t w äre. Die V erschiedenheit |
w as in diesem Begriffe eigentlich liegt. durch die G eburt, falls es eine solche gibt, faktisch zu erkennen, >
D er L ehrerstand in seiner eigenen V ereinigung zur org an i ist von nun an Sache des urteilenden V erstandes; dieser U nter- j
schen Einheit, falls eine solche sich realisieren läßt, regiert m it schied ab er kann erk an n t w erden nur an den verschiedenen Ver- I
R echt den zw eiten S tan d ; denn dieser ist durchaus sein P rodukt, hältnissen derselben zu der gleichen, an ,alle g ew endeten Bil- |
das je n e r darum in n ig kennt, w eiß, w as es bedarf, w as es er dung. — Die erste E rfordernis sonach w äre, daß alle aufgenom - '
langen kann, und w ozu es tü ch tig ist. — D en zw eiten S tan d : zwei men w ürden in die gleiche, allen gem einschaftliche Erziehung.'
G ru n d stän d e näm lich, w ie oben E igentüm er und N ichteigentüm er, D iese m üßte erteilen diejenige B ildung, deren jed er schlechthin
so hier L ehrer und d u rch L ehrer G ebildete. bedarf, d er B ürger dieses Reiches, in dieser Zeit und auf dieser
D er zw eite des ersten P r o d u k t : 1. d a r i n , d a ß e r ü b e r Stufe der A usbildung des Reiches, sein soll. A llgem eine V olks-
h a u p t i s t ; er ist Stifter d e r T e ilu n g ; sodann der, w elcher jede erziehung. In dieser E rziehung w ird es sich nun ohne Zw eifel
einzelne P erso n in den einen von beiden setzt. — Lassen Sie zeigen, w elche Individuen bei diesem U nterrichte, d er doch nur
sich dies entstehen. Es ist darin näm lich m ancherlei enthalten, die R esultate und letzten allgem einsten F olgerungen enthalten
w as Ihnen kaum b ek an n t ist, a b e r unm ittelbar daraus folgt. — kann aus d er tieferen und um fassenden V erstandeseinsicht, die da
So ohne Z w eifel en tsteh t die G rundbildüng des R eichs; a) Bei m öglich ist, und den L ehrern auch wirklich beiw ohnt, mit jenen
d ieser A nzahl von B ü rg ern bedarf es d ieser bestim m ten, durch sich beg n ü g en , und welche dam it sich nicht b eg nügen, sondern
R echnung festzustellenden Anzahl zur R egierung, V erw altung, höher auf steigen zur A hnung der höheren G ründe, und diese for
Lehre — zu verteilen in die verschiedenen Z w eige, Stufen u n d dern. H ierdurch scheiden sich die Z öglinge d er gem einsam en
G eschäfte; die ü b rig b leib en d en m achen d en arbeitenden Stand Bildung selbst; durch ihre ursprüngliche Bestim m ung. H ier en t
aus, und w erden verteilt u n te r die verschiedenen Klassen des- scheidet sich, w er edler o der unedler geb o ren ist, durch eine offen-
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86 Angewendete Philosophie.
Von der Errichtung des Vernunftreiches. 87
bare T atsache, w elche d e r S tand der L ehrer nicht m acht (alle
2. D er zw e ite S ta n d ist f e rn e r P r o d u k t des e r s t e n
hab en ja dieselbe Schule erhalten), sondern die er n u r anerk en n t
darin, daß er un d das g a n z e Reich ü b e r h a u p t — ein
u n d 'n im m t, wie sie sich gibt.
s o l c h e r i s t . — Z u v ö rd erst: die L ehrer kennen die B ildung des
D ie ersteren fallen dem zw eiten Stande anheim , und w erden
zw eiten Standes durchaus, indem dieselbe ganz so, w ie sie ist, IV,
455 nun zu den G eschicklichkeiten desselben g eb ild et; w o dann die"-
von ihnen ausgeht. (D aß es für das Volk andere Q uellen d e r
besondere T auglichkeit fü r diese o der jene Klasse sich ergeben
Bildung gebe, als ihre Schule, etw a Bücher, U m gang mit anderen
, w ird. Die letzteren w erden w eiter fü r V erstandeserkenntnis aus
aus anderen und besseren Schulen, Ü berlieferung, wie es w ohl
g eb ild et; in w eicher F o rtb ild u n g es sich dann n äh er zeigen wird,
häufig in unseren Zeiten d er Fall sein mag, w äre ihnen die
w elche u n terg eo rd n ete o d er hervorragende Stelle sie durch die
höchste Schmach. In ihrer Schule m uß ja w ohnen alle Bil
zu erschw ingende G eistesbildung zu besetzen haben w erden. Auch
dung, deren in dieser Z eit das Volk fähig ist.) Allgemeine/
über die nachm aligen, auf die erste G rundeinteilung g eg rü n d eten
V erstandeserkenntnis von Recht, Sittlichkeit, Religion, um den
A bteilungen in K lassen w erd en die L ehrer zu entscheiden haben;
f r e i e n M enschen au szustatten: technische F ertigkeit u n d die zur
und so ist denn klar, w ie ich b ehauptete, daß d er zw eite Stand
A usübung derselben gehörigen M asse von N aturkenntnissen, daß
auch seinem D asein nach P ro d u k t des L ehrerstandes ist, indem
jed er seinen Platz als B ürger behaupten könne. Sie durchschauen
die ganze E inteilung in Stände und Klassen, u n d zu w elchem d e r
darum , .als ihr P rodukt, die gesam te L ebenskraft ihres V o lk es; —
selben jedes Individuum für seine P erson gehöre, ganz allein
und g en au den G r e n z p u n k t , w o diese steh t; was sie ver
b eru h t auf d er letzten und inappellablen E ntscheidung des
m ag Und w as sie nicht verm ag, kurz die W i r k l i c h k e i t . — In
L ehrerstandes, w elche dieser, daß sie nämlich nach seinem besten
d er L ehrerschule, die dieser Stand ja gleichfalls übersieht, w ird
.Wissen und G ew issen gem ach t sei, freilich auf sein G ew issen
nun w eiter entw ickelt das G e s e t z , das Ziel. Je klarer nun dies,
nehm en m uß.
desto sicherer findet er den Punkt, d er nun betreten w erden
(D ie im U nterrichte gezeigte ang eb o ren e V erstandesanlage be
m uß, und hat es in der H and, dahin zu erziehen; weiß, w as
stim m t die Stelle, die jeder im Reiche einnim m t: j e d w e d e ohne
schlechthin und mit jed er G efahr a b g ew eh rt w erden m uß, und das,
A usnahm e, [nicht bloß die O berstelle. D er Sohn des N iedrigsten
w om it es noch Z eit hat.
kann zu r h ö chsten, d er Sohn des H öchsten zur niedrigsten Stelle
Kurz: das Z eitleben und seine Kraft kann g a r nicht ein
kom m en: näm lich die G eb u rt verhindert es nicht. — Eine solche
anderes sein, als wie sie es ierkennen; denn sie haben es ja
E inrichtung m üßte so g a r denen, die durch ihre A bstam m ung
g e m a c h t : sie haben kein anderes E rkenntnism edium nötig, als
edler zu sein beh au p ten , höchst w ünschensw ert sein. W ie e d l e r e n
das ihrer Schule. — Vielleicht hätten sie etw as B esseres m achen
S tan d es? D ies können sie im m er n u r sagen, niem als bew eisen,
können, u n d dies könnte der Irrtum s e in : aber ü ber die W irk
w eil sie ;in der B ildung m it anderen nie auf gleichen F uß g e
lichkeit ist keiner möglich.
setzt w e rd e n ; u n d dies m üßte ihnen, w enn sie w irklich E hrgefühl
Ebenso können sie nie einen unm öglichen und unpassenden
haben, se h r lästig sein. D iese E inrichtung eröffnet ihnen den
F ortschritt fo rd ern ; denn dazu haben sie ja zu erziehen. Ist
B ew eis: ist ihre A der w irklich golden, so w ird sie ja ohne Fehl
das G eforderte unpassend, so m üßte diese U npäßlichkeit sich
so sich zeigen, und sie w erden im unendlichen A blaufe der
schon in der Schule zeigen, ehe sie noch vom Leben g efo rd e rt
Z eiten den Adel ihres Stam m es nie verlieren. — Statt den Adel
w erden k ö n n te ; und sie hätten da Zeit, den F ehler durch Ein
abzuschaffen, eine rechte A delsbew ährung durch die T at. —
schaltung des ü b ersp rungenen M ittelgliedes zu verbessern.
W ollten sie dies nicht, so w ürden sie zeigen, daß sie ihrer Sache
Das Volk (der R epräsentant des M enschengeschlechts in
nicht sicher seien.) ,
diesem R aum e) ist und bleibt ew ig fort in seiner E ntw ickelung
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Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 89
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Effekt d esjenigen V erstandes, der sich in d e r T a t als d er höchste W a h l ; — f r e i e W ahl, hier W illkür. — Auch solche, die so g a r
IV, 457 S e w a ^ J ä t U “ unc* w enn diese E ntw ickelung, sow eit sie kann, einen höchsten Entscheider, ein letztes Prinzip ü b e rh au p t le u g
em fiergehen soll nach einem Begriffe, nicht ab e r nach einem blin nen, und dies auf einer W e c h s e l w i r k u n g beruhen lassen IV, 458
den O hng efäh r, das d e r U nverstand und d e r G ötzenaberglaube w ollen: die französischen R evolutionisten. Letztere A nsicht n u r
so d an n göttliche V o rseh u n g nennt, s o l l es so sein; und so ist in einer V erstandesverw irrung m öglich. — Nach' uns w ird d e r
denn unsere A bleitung des rechtm äßigen O b erh errn die einzig O b erh err d urch d a s G ^ t z d e r G e i s t e ^ sicht
richtige. 1 lich und offenkundig;' u n d den Akt dieser E rnennung, das, w o
durch sie sich unm ittelbar ausspricht, haben w ir angezeigt. D aß
nun dieses jem and vor uns getan, w üßten w ir nicht. U nd so
O b dies R echt nun, falls es Recht ist u n d ich Sie davon w äre es denn freilich bis jetzt unbekannt gew esen.
ü b erzeu g t habe, g e g e n w ä rtig gelte, od er nicht, bedarf w ohl keiner P lato : die K önige P hilosophen, — o der die P hilosophen |)
F ra g e : es k a n n nicht, w eil es noch ganz u n b ekannt ist. — Es K önige: ein w itziger Einfall! Vom K önige ausgehend, d er darum r
frag t sich so g ar, ob das von uns soeben E rw iesene nicht durch durch etw as anderes schon bestim m t ist; — o der vom Philo- p
aus n eu sei, u n d vorher noch nicht au sg esp ro ch en (so w enigstens, sophen, nicht durch sein H errschertum und S chöpferrecht im ’
daß es n ich t in d er allgem einen, sonst g eleh rten K enntnis liegt). Reiche d er G eister. W er ist d enn d er P hilo so p h ? IsFs g en u g ,
— Z u r F assu n g desselb en nach seiner W ichtigkeit setzen w ir daß er es sage ? D a w erden sich viel K önige fin d e n ! D er P rophet,
h in zu : a) M uß ü b e r Sachen des Rechts eine E ntscheidung irgend der in die W elt kom m en soll, — w elch Zeichen und W u n d e r
einm al in delTZeit durch irgendeine m enschliche Stim m e g e g eb en w ird er tu n ? D aß er die T o t e n lebendig m ache; belebende
w e rd e n : so g ilt diese für das R echt selbst und dem selben g l e i c h Kraft von ihm ausgehe.
b e d e u t e n d , im L eben näm lich, und für die W irklichkeit, die
sich in d er Z eit entschließen mu ß ; — obw ohl in d er idealen W elt,
die sich alle Z eit v orbehält, die Sache zur w eiteren U ntersuchung U nsere Frage ü ber das R echt ist eine eigentlich ta tb e g rü n
aufbeh alten w erd en darf. — W er dies nicht einsieht, d er h at dende, unm ittelbar freilich bloß deliberative; beachtend das
das R echt nie als praktisches gedacht, als w ahrhaften A nfänger, G esetz, und dasselbe anw endend auf den g e g e n w ä rtig g e
u n m ittelb ar tatb eg rü n d en d , sondern nur davon geträum t. " Ein geben en Z ustand der D in g e: sie m uß darum diesen gleichfalls
M e n s c h muß r e d e n ; G o tt selbst steig t nicht zur E ntscheidung beachten.
he ra b ! Den ersten Teil haben w ir abgehandelt, enthaltend, w ie es
b ) D ie A ufgabe, w enn auch nicht das absolute, doch aber sein s o l l : d i e s e s d er H errsch er! W as hierüber noch zu b e
das diesem am m eisten sich annähernde Recht zu realisieren, denken, w ird sich finden.
h ä n g t darum ab von d er E r n e n n u n g dieses entscheidenden Je tz t: w ie i s t e s? U nd um dieses recht einzusehen, fassen
M e n sc h e n ,,/.- W as sie darum disputieren m ochten ins Blaue hin, w ir es g en etisch : w ie ist es so g e w o rd e n : um einzusehen, daß
es hilft uns alles n ic h ts: n u r an diesem P unkte ist die R echts es nicht w ohl anders sein kann, und zugleich, bei welchem Zwi-
lehre w ah rh aft p rak tisch ?" schengliede die E inw irkung unm ittelbar beginnen m üsse. Also
c) W a s nun sagen sie d a rü b e r? — E n tw ed er E r b e : — w as eine g e s c h i c h t l i c h e A ufgabe!
von der V oraussetzung, daß d e r h ö c h s t r W m i a n d “ forteffie, zu W ir bekennen im voraus, daß auch hier u nsere A nsichten
halten sei, bed arf w ohl k ein er ernsthaften P rüfung. Ich w ü ß te sich 1 seh r abw eichend finden w erden von den g ew öhnlichen; d a
auch nicht, daß sie irgend jem and vorgebracht hätte. ~ _ Q d e r ^ her w ir sie nicht als bekannt voraussetzen können, so n dern sie
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90 Aftgewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 91
b eg rü n d en m üssen. — D ies d a h e r: ein besonderes Geschicht- ich darf w ohl als ein B ekanntes oder leicht A nzuerkennendes IV, 460
IV, 459 liehe, ist verständlich n u r durch G eschichte ü b erh a u p t; diese voraussetzen, daß die eigentliche, die M enschheitsgeschichte es
w iederum nur verständlich durch ihren G egensatz, das G esetz nicht zu tun habe w ed er m it dem G eg ebenen erster Art (A uf
liche, stren g w issenschaftlich zu Erkennende. Solch eine A b fassung Und V erzeichnung desselben, N aturgeschichte od er auch'
leitung derselben aus dem G esam ten der E rkenntnis heraus flieht Lehre), noch m it der V erm eidung, w elche Individuen g eleb t haben
m an gew öhnlich, w ill das G eschichtliche zu einem A bsoluten od er leben, w as nichts bedeutete, — noch auch m it den P ro
für sich 1 m a c h e n ; w eist jene durch Strafreden zurück, indem m an dukten e i g e n t l i c h e r Freiheit u n d d er G eschichte d ieser: w en ig
selb st auf einen historischen Sinn und T akt sich beruft — ein stens die bisherige G eschichte hätte dam it nichts zu tun, indem
U nverstandenes und U nverständliches, — und will dem V er mit eigentlicher Freiheit ü b erh au p t noch gar w enig geschehen
stän d e eben schlechthin nicht R ede stehen. Jenen T akt nun w ollen ist. — Ihr Stoff darum läge in der M itte zw ischen dem absolut
w ir w ied eru m nicht, so n d ern verw erfen ihn geradezu, indem w ir G egebenen und dem P rodukte absoluter Freiheit, ein V ereini
m ehr b e g e h re n : klare Einsicht. gun g sg lied etw a d er beiden. (Es ist für w issenschaftliche Forschung
A lso: w as ist G e s c h i c h t e ü b e r h a u p t ? — W ir heben an durch die g e n a u e A ngabe des O rtes derselben in unserem ganzen
von dem B ekanntesten und A llgem einsten. Zusam m enhänge sehr viel gew onnen.)
Sie liefert ein G e g e b e n e s , als zufällig, d . h . als auf kein
G esetz sich g rü n d en d , nicht a p rio ri zu erkennen. — W elches
ist dieses? W o h e r kom m t dasselbe — in dem ganzen Z usam m en
Deduktion des G egenstandes der Menschengeschichte.
hän g e u n serer anfangs aufgestellten G rundansicht, auf die ich
stets mich beziehe, die Sie g eg en w ärtig haben m üssen, und die B ahnen w ir uns dazu den W eg, u n d leiten uns ein durch
jetzt erw eitert w erd en soll. strlenge S cheidung u n serer Lehre von der Freiheit von dem
' D ie w ah rh afte W elt oder Existenz a u ß er G ott ist nur zu philosophischen System e, das D e t e r m i n i s m u s g e n an n t wird.
erzeugen durch F reih eit; sie i s t nicht, sondern soll w e r d e n : — Nach' dem letzteren ist n u r ein System der g e g e b e n e n
—,'ab er s i c h t b a r w erden. Dies setzt ein S e i e n d e s , im G eg en D i n g e , die Iche, als solche D inge, m it eingeschlossen, —, eben
sätze m it w elchem sie w i r d , und als dessen ew ige F o rtbestim N atur. Alles Sein in sich geschlossen und bestim m t nach einem
m ung sie w ird, die Sinnenw elt, die bloße N atur. D ieses ist, strengen G esetze. D ie körperlichen Dinge, zuvörderst un terein
wie es eben ist, so u n d so g e g e b e n ; o h n erachtet aus dem an ander in W echselw irkung stehend nach jenem G esetze, sind w ie
gefü h rten G runde der Sichtbarkeit^es n o t v v e n d i g ist, d a ß ü b er derum zugleich die ab so lu t durch dasselbe G esetz bestim m ten
h au p t ein solches g eg eb en sei. —5 F erner ist die Freiheit, auch G ründe der V orstellungen in den Ichen, und diese V orstellungen
dem G esetze d er S ichtbarkeit zufolge, welches sich aber nicht w ieder G ründe ihrer H andlungen auf dieselbe stren g n o tw en d ig e
m it so kurzen W orten , sond ern n u r in seinem Z usam m enhänge W eise. Die m aterielle W elt w irkt durch' diesen U m w eg auf sich
aufstellen läßt, g espalten in eine Sum m e von Freien — Individuen zurück. — U nd so ist darum alles ohne A usnahm e schlechthin
g en an n t. D iese S paltung, ü b erh au p t notw endig, ist dennoch in notw endiges R esultat der W echselw irkung aller. — A ber nicht
ih re r B esonderheit, — wie viele es sind, und in w elcher Reihe alle V orstellungen w erden w ieder w irk e n d — W eil ihre tatbestim
und O rd n u n g , — gleichfalls ein G e g e b e n e s . m ende K raft noch nicht vollendet ist, andere noch dazu kom m en IV, 461
D iese b eid en H aup tstü ck e w ären nach' u n serer bisherigen m üssen; also nicht unm ittelbar. M ittelbar ab e r allerdings: keine
A nsicht das G egeb en e alles. D as übrige insgesam t w äre von der V orstellung, die nicht irgend einm al w ieder w irksam w ürde, und
g eg eb en en F reiheit aus zu erzeugen. so durch’ ihren Erfolg im ganzen w iederum V orstellungen be-
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92 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 93
w irkte, diese w ied er W irksam keit auf die M aterie gew önne, und aus nicht beg rü n d et. W ozu es der R egung ein er m enschlichen
so ins u nendliche fo rt nach dem G esetze. — E i n e gesetzliche H an d bedü rfte, das g e h ö rt durchaus nicht in jene Sphäre, sondern
Kraft, die in dem All stets so w irken m uß, w ie sie w irk t; — in diese; denn die N atur verm ag zw ar w ohl eine m enschliche
G ru n d c h a ra k ter: ein schlechthin so, w ie es ist, einm al fü r im m er H an d hervorzubringei^ (der S trenge nach in ihrem W esen, w ie
g e g eb en es Sein, das da i s t , nicht w i r d . w ir es b isher begriffen, nicht einm al dies, w ie w ir an einer
In dem Begriffe des Seins haben jene ganz recht; d arüber ändern Stelle sehen w e rd e n : hier jedoch schenken w ir d ies);
w ollen w ir sie ja nicht bestreiten. (Es ist der absolute V er aber sie verm ag dieselbe nicht in B ew egung zu setzen. (Ü ber
standesbegriff.) N u r daß sie in ihrer inneren Blindheit nicht h au p t denken Sie sich als jene K raft den zur freien und zw eck
m erken, daß dies ja ein angeschautes Sein, m ithin nicht das m äßigen B ew egung organisierten m enschlichen Leib.)
absolute, sond ern das sichtlich, w enn sie sich n u r besinnen, der Die N atur g ib t sich ihren H errn von d er einen S eite; von
A nschauung en tquellende ist, und daß bei dieser E ntdeckung ihr der anderen, d er H err, die Freiheit, b rin g t ihr W erkzeug und ihren
P hilosophieren, das sie vor derselben geschlossen, erst angehen Stoff m it sich. — D araus die S phäre d er F reiheitsprodukte, als
w erd e m it d er F ra g e ; w as denn nun die A nschauung sei, von eines m öglicherw eise und unter einer gew issen B edingung G e
deren B ean tw o rtu n g ab h än g t, w as dieses derselben entquellende g eb enen ; diese sind für die A nschauung ein Zufälliges, also
Sein se i? eben zur G eschichte, als ein er D arstellung des also G egebenen,
N ach uns, die dieses beachten, en d et die b l o ß e N atur — sich qualifizierend.
das B egriffene, nicht B egreifende, A ngeschaute, nicht A nschauende N u n ist schon oben b em erk t: diese F reiheitsprodukte sollen
— und ist ab g eschlossen in einer letzten Kraft, die durch sie aus deutlicher Einsicht, die bis auf das sittliche G esetz zurück
und nach ihrem G esetze g a r nicht m ehr zu bew egen ist, so n gefü h rt ist, h erv o rg eh en ; u n d so die ganze W elt d er F reiheits
d ern n u r durch die ü b e r alle N atur hinausliegende K raft d e r schöpfungen oh n e alle A usnahm e. — So s o l l es sein, so w ird es
Freiheit. — j ^ u r j i s t T o d u n d R u h e : die F reiheit erst auch einst sein, w enn die Freiheitsw elt in allen ihren Individuen
m uß sie w ied er beleben und a n re g en ; hach einem B egriffe: u n d vollständig g eg eb en , und die F reiheit durchaus frei, d. i. vom
d l ^ i s F eben der C h arak ter der freien Kraft, daß sie nur nach klaren Begriffe durch d ru n g en sein w ird : aber so ist es derm alen
einem Begriffe b e w e g t w erden kann. — W ir vereinigen die beiden nicht. D as M eiste kom m t zustande ohne diese Z urückführung auf
W elten (jene hab en n u r Eine) durch ein M i t t e l g l i e d : die f r e i e das sittliche G esetz, nur nach einem von ungefähr aufgerafften
K r a f t , — N atur, indem sie i n T l t u s a m n ^ Begriffe; die A ussonderung d e r beiden B estandteile, falls es ja
"geH erTist, ab er r u h e n d u n d t o t ; als Ü bernatürliches, indem etw as vorn ersten gäbe, w ü rd e schw er sein, oder unm öglich, und
sie b eleb t w ird durch die F reiheit nach einem Begriffe. Die so m öchte es nach diesem M aßstabe kaum eine G eschichte geben.
M asse liefert die N atur, das b ew eg en d e Prinzip der G eist. (Es So darum steh t die Sache: Bei w eitem das m eiste d er etw a
ist dies g a r nicht w u n d e rb a r und unverständlich, w enn man sich in einem Z eiträum e d er A nschauung vorliegenden F reih eitsp ro
erinnert, daß diese M asse ja n u r die Sichtbarkeit, die bildliche dukte ist zustande gekom m en nicht nach dem deutlichen Be- IV, 463
D arstellung d es g eistig en Prinzips innerhalb d er A nschauung sei — griffe vom sittlichen G esetze, also nicht nach diesem G esetze;
462 u n d m it ihr die g esam te N atur dasselbe.) — W ir erhalten sonach, ebensow enig aber ist e s zustande gekom m en durch das N a tu r
w orauf es ankom m t, a u ß er dem in d er N atur G egebenen, in gesetz, indem dieses geschlossen ist vor dessen E rzeugung, u n d
dem m öglicherw eise G eg eb enen auch noch eine W elt der Frei- es zu stan d e gekom m en ist durch Freiheit. — D a es nun a u ß e r
heitsp ro d u k te, auf g etrag en durch absolute Freiheit auf die erste, diesen beiden keine G esetzgebung gibt, erfolgen sie ganz g e s e t z
in dieser aber, die m it jen er toten Kraft geschlossen w ar, durch- l o s , von ohngefähr. Dies nun eigentlich und notorisch d e r G egen-
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Von der Errichtung des Vernunftreiches. 95
94 Angewendete Philosophie.
G e b u rt; — d er in der A nschauung seines W illens . die W elt in F reiheit keinen P latz): eines göttlichen W eltplanes zur sittlichen
einer sittlichen O rd n u n g erfaßt. — So n u r ist der d id tu s zw ischen B ildung des M enschengeschlechts. U nd zw ar käm e die W irk
der absoluten B ildlosigkeit des Sittlichen u n d d e r Bildlichkeit, sam keit des vorausgesetzten G ottes zustande auf die b e
die es in d er W irklichkeit annehm en soll, ausgefüllt; Diese Lücke schriebene W eise. — Es ist unstreitig, daß die besten G eschichts
im System darum w äre ausgetilgt, w enn etw a jene A nnahm e kenner und glücklichsten B earbeiter derselben sie von jeh er so
au ß erd em sich bestätig te. angesehen haben. Es ist d ah er der M ühe w ert, diesen G edanken,
B. K onstruieren w ir aber bestim m t den G edanken selbst, den w ir bis jetzt n u r analysiert haben, ohne dafür oder daw ider
d er d o rt g ed ach t w ird. — Es ist ein W ille und seine W irksam uns zu entscheiden, durch eine eigentliche D eduktion zu prüfen.
keit, w elcher bestim m t ist nicht durch die eigene bis zum G esetz W ir h ab en jenen G edanken m it gutem B edacht w eiter aus-
hin d u rch d rin g en d e Freiheit, so n d ern durch das G esetz u n m i t t e l einandergesetzt. — G ew öhnlich sa g t man, die A nnahm e einer
b a r , ohne H ilfe des Begriffs, durch das G esetz darum als eine V orsehung und d er W u n d er sei g eg en das N aturgesetz, alles
b estim m en d e N atu rg ew alt. (Prinzip und P rinzipiat ohne d a sei natürlich, d. h. m echanisch zu erklären. D ies ist aus jenem
zw ischenliegende F reih eit d e r Selbstbestim m ung.) U nd zw ar: Es D eterm inism us h e ra u s gesprochen, d e r ü b erh au p t ein anderes
ist ein M ittel für einen sittlichen Zw eck, liegt in einer sittlichen ; G esetz, als das d er N atur, nicht kennt. — Es m öchte dies alles
R eihe, also das G esetz ist, obw ohl es in der Form w irkt als wohl auf das G eb iet der F reiheit fallen, w o das N aturgesetz
N atu rg esetz, dennoch das sittliche. —- „D as H erz w ird reg iert.“ g ar nichts m ehr zu sagen hat. B egreiflicher w ird es dadurch
D ^s H erz ist d e r W ille, also doch die Freiheit, die anschaulich freilich nicht.
sich bew egt, und ihren E ntschluß nim m t. — R e g i e r t , geleitet Ist nun eine solche G esetzm äßigkeit der nicht auf den klaren
eben durch ein ihr selb st verborgenes P rin zip ; also doch in Begriff des G esetzes zurückgehenden m enschlichen E ntschließun
diesem allen n u r d er A usdruck d er ihr verborgenen Leitung. gen, — eine göttliche V orsehung, W eltregierung, — versteht
C. D er G eist durch G eist bestim m t, — durfch den alle G eister sich innerhalb d e r W urzel der W elt d e r freien E ntschließungen, —
u m fassenden G eist, G o tt. D iese Erscheinung d er erste G rund anzunehm en o der nich t?
einen G o tt anzunehm en, als s i t t l i c h e s , nicht N a t u r - W e s e n . S a t z : Es g ib t keine solche W eltreg ieru n g ; denn das w ahrhaft IV, 467
IV, 466 Jen e W illensbestim m ung ist aber n u r als M ittel fü r einen Zweck, Reale soll schlechthin n u r durch F reiheit erzeugt w e rd e n : unter
d er d ah er nach u n serer W eise nach einem beide vereinigenden V oraussetzung einer solchen R egierung ab er w ürde es nicht durch
B egriffe darauf bezo g en w erden mu ß ; also durch einen V er Freiheit erzeu g t; und, w enn m an das Erscheinen des A bsoluten
stan d , — den göttlichen V erstand. — als seinen W illen betrachtet, eine solche W eltreg ieru n g aber
V erhielte sich dies nun also, — so w äre ein Teil der E r gleichfalls, so w äre dadurch d er göttliche W ille in W iderspruch
zeugnisse d er F reiheit b e g rü n d et durch die R egung d e r E n t mit sich selbst g esetz t: w ollend u nbedingte Freiheit, w ollend
schlüsse d er einzelnen durch einen verständigen, w eisen und und bew irkend U nterdrückung derselben.
sittlichen G ott, V orseh u n g , W u n d e r ; das letztere gleich einer G e g e n s a t z : Es kann w ohl eine göttliche W eltregierung
natürlichen B egebenheit, die da denkbar ist nur durch einen geben, d. h. eine B estim m ung des m enschlichen W illens nicht
sittlichen Zw eck, u n d um desselben willen. durch seine Freiheit, falls e tw a die unm ittelbare Sichtbarkeit der
W äre dies nun also, so w ürde d e r vorzüglichste und eigent Freiheit, au ß e r d er schon bekannten B edingung einer gegeb en en
lichste T eil d er G eschichte die E rzählung sein von d er göttlichen Sinnenw elt, auch noch bed in g t w äre durch irgendeinen g e
V orsehung, sein er W eltreg ieru n g (in den freien W illen näm lich; g e b e n e n Z u s t a n d d er Freiheitsw elt, — eine B estim m theit d er
d en n die N atu r g ib t einer solchen R egierung nach Zw ecken der gegebenen, individuellen W illen. Da, eben zufolge des ersten
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98 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 99
G esetzes, die Sichtbarkeit der F reiheit schlechthin sein soll, so form alen G esetze des göttlichen Erscheinens, w ie in ihm liegt
m üßte eben darum auch schlechthin sein diese ihre g en an n te Ichheit, V erstand, Sinnenw elt und alles ü b rig e; — ist darum
B edingung. das Eine, schlechthin unm ittelbare Erscheinen des A bsoluten selbst,
1. D ie V oraussetzung analysiert, und in einen scharfen Begriff das da i s t , nicht w ird in irg en d ein er Zeit, noch in dem etw as
gefaß t, — V orher das G e g e b e n e , die Sinnenw elt, u n d die w ird. D ieses schlechthin durch dies G esetz gesetzte Sein en t
d er Individuen. Jetzt jener V oraussetzung zufolge noch als D rittes w ickelt sich nun in w irklicher A nschauung in d er Z eit: dieses,
ein bestim m ter, der Q ualität nach sittlicher W ille der Iche, den zu dem nun nichts hinzukom m t o der däyonkom m t, oder in w elches
sie eben m itbringen und haben durch ihr D asein, w ie sie durch eingegriffen w ird durch ein W under, d. i. durch eine neue göttliche
ihr b lo ß es D asein m itbringen die A nschauung d e r Sinnenw elt, Schöpfung in der Zeit.
und die g eg en seitig e ih rer selbst u n terein an d er: — eine s i t t l i c h e M erken Sie diesen P u n k t: w ir w erden tiefer unten in der
N a t u r . — D iese ihre M itgabe eines stehenden und sein N atu r A nw endung sehen, ob er sich, und w i e er sich bestätigt.
g esetz in sich trag en d en W illens m ag sich nun entw ickeln in
einzelnen Ä ußerungen und E ntschließungen, — frei und begriffs V ereinigung des Satzes und G egensatzes.
artig, inw iefern su b su m iert w ird, nicht frei, inw iefern nur die
sittliche N a t u r eine solche Subsum tion bestim m t. — Diese 1. Im Satze w ird-die F r e i h e i t hervorgehoben als A bsolutes.
Ä ußerungen nun g äb en den Stoff für die M enschengeschichte, Im G egensätze nicht m inder; nur nim m t e r Rücksicht auf die
w ie w ir ihn w ollen. S i c h t b a r k e i t , das Erscheinen der Freiheit. In der Form ist
2. Es ist dadurch die G renze g en au bestim m t, w ie w eit also Ü bereinstim m ung.
eine solche sittliche N atur anzunehm en, und Ä ußerungen derselben ■: 2. A ber w ie m it d er Sache se lb st? — Nichts verhindert, daß
zu erw arten sin d : inw iew eit näm lich die sichtbare Ä ußerung d e r dieses G e g e b e n e , das R esultat d er seienden W illensbestim m ung,
IV, 468 F reih eit dadurch b e d in g t ist, und ein solches V erhältnis sich klar selbst w ied er durch F reiheit nach dem klaren Begriffe herv o r
n achw eisen lä ß t; w o d u rch uns denn die M öglichkeit g eg eben ist, g ebracht w erden solle; — u n d daß es in seiner G egebenheit IV, 469
selb st den b estim m ten n o tw en d ig en Inhalt jen er g egebenen Sitt nur das V orbild sei des H ervorbringens durch Freiheit, So eben
lichkeit abzuleiten, w as w ir nachher auch tun w erden. D adurch, w ürde diese O rd n u n g B edingung des E rscheinens der Freiheit,
daß diese G renze ab g esteck t ist, haben w ir allen E rdichtungen, und G lied einer sittlichen R eihe; das ganze W erk d er Freiheit fiele
w illkürlichen D eutungen, Schw ärm ereien von vornherein das Feld in dieser letzten Rücksicht w ieder d er F reiheit anheim , und so
abgeschnitten. erst w äre d er W iderspruch vollständig gehoben. — Die V oraus
3 . D urch diese A nsicht w ird alles sehr begreiflich, d. i. unter setzung’ ist h ierbei freilich, daß jene sittliche N atur nicht durch
unsere aufgestellten G esetze passend, u n d alles S onderbare fällt g än g ig in d er ganzen individuenw eit stattfinde. (H ier das All
hinw eg. G o tt w ird nicht etw a m it einem diskursiven V erstände, gem eine ; in d er A nw endung w ird es seine g eh örige K larheit
einem synthetischen — sp altenden und vereinigenden — ver erhalten.)
sehen, noch in die Zeit, als in ihr sich entschließend und handelnd,
h in ab g ezo g en ; wie es. d er Fall ist beinahe m it allen V orstellungen A lso: D er V orsehung (als W under), dem G runde des eigent
von V orsehung, u n d w elches eben der G rund des A nstoßes ist, lich geschichtlichen Stoffes d er G eschichte, ist substituiert w orden
den von jeh er alle V erständigen, nicht blind G laubenden an d er B egriff einer sittlichen E rzeugung o der N atur des M enschen.
diesem Begriffe g enom m en haben. Eine solche sittliche Be Nach u n serer Idee haben w ir diese Sittlichkeit der N atur gleich
schaffenheit d er g e g eb en en individuellen W illen liegt in dem aufgenom m en in die n o tw endige Form der E rscheinung. —
514 F i c h t e , Die Staatslehre. 7 515
100 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 101
.. D er D eduktionsgrund, die B edingung, u n ter w elcher jenes m üssen, so m üssen w ir irgendeine G esellschaft annehm en, die
anzunehm en, ist: W en n und inw iefern eine solche sittliche N atur d a zw in g t und belehrt, ohne selbst beides bed u rft zu haben,
B ed in g u n g w irklicher Ä ußerung d er F reiheit ist. weil sie durch ihr bloßes D asein das schon w ar, w ozu sie die
Sonach w äre zu untersuchen, w odurch die w irkliche (er nach ihr und aus ihr entstehende G esellschaft m it Z w ang und
scheinende) Ä ußerung d er F reiheit bed in g t ist. B elehrung erst b rin g t: von N atur das w ar, w ozu qndere unter
Ü berlegen Sie m it m ir F o lg e n d e s : D ie E n tbindung d e r Freiheit ih rer B ildung sich m achen mit Freiheit.
und des V erstandes aus d e r U nfreiheit und dem U nverstände Die E rscheinung d er F reiheit (und sonach G ottes) läß t sich
, ist n u r in G esellschaft m öglich; und zw ar in leitender u n d b e als ein G egebenes g a r nicht denken ohne eine solche G esellschaft:
leh ren d er G esellschaft, die den V erstand des einzelnen, d e r da diese g eh ö rt sonach gleichfalls zu d en form alen B edingungen
. frei w erd en soll; zw eckm äßig leite. D afür bedarf es bei dem derselben, w ie die Sinnenw elt usw ., und m uß gedacht w erden. —
L eitenden eines reinen u n eigennützigen Interesses für diesen ein Eine ursprüngliche M enschheit, die qualitativ sittlich ist; die durch
zeln en ; da ja in sein er e ig en en F reiheit nicht liegt, daß d e r ihr bloßes Sein mit sich b ringt, w as in der fortgehenden Erschei
V erstand u n d d ie F reiheit des anderen ihm A ngelegenheit sei, nung mit. F reiheit entw ickelt w ird. D abei hebt die G eschichte an,
, w ie seine eigene, und m it sein er eigenen verknüpft sei. — F ern er :
in diesen ersten V ersuchen des F reiheitsgebrauches m uß der andere
sich selb st ü b erlassen w erden, k einer darf gew altsam eingreifen; Durch E inführung in die sichtlichen R egionen d e r E rscheinung IV, 471
sein R echt m uß darum g esich ert sein, ehe qr eigentlich Rechte w ird es deutlicher. Setzen Sie durchaus unrechtliche, die F reiheit
-hat. In diesen V ersuchen b eleid ig t und stö rt er; er m uß n u r m it anderer nicht schonende M enschheit, so w ird dieselbe sich in
IV, 470 B elehrung zurückgew iesen w erden. — F reiheit nur durch E r - \ kurzem vernichten. Sie m üßten da auch noch N atureinrichtungen
z i e h u n g u n ter den M enschen. in der M enschheit hinw egdenken, die zur E rhaltung derselben
N ehm e m an an, die jetzt E rziehenden seien einst selbst zu da sind. W ir sehen es in d e r E rfah ru n g an w ilden V ölkern, die,
d ieser ,Einsicht d er Pflicht erzogen w orden, so m üßten die, w elche so g ar m it jenen N atureinrichtungen der m enschlichen E r
dazu sie erzogen haben, gleichfalls also erzogen w orden sein, zeugung usw ., sich u n tereinander aufreiben, zerstören; au sg e
diese gleichfalls, und so in d er unendlichen R eihe des Auf'-, storben sind, und aussterben w erd e n : O ster-Eiland, N ukahiw a.™
steigens. Wo; nehm en w ir nun aber her eine ursprüngliche, erste W ollen w ir denn n u n annehm en, daß vor d e m M enschen
erziehende G esellschaft? — O der — die Sache im A llgem einsten geschlechte, dessen M itglieder w ir sind, ehem als die M ensch
g efaß t, u n d den nervus p ro b a n d i z u sam m en g e d rän g t: in der heit schon beg o n n en habe, und zugrunde g eg an g en sei, w ie sie
u n v erstän d ig en ,ünd rechtlosen M enschheit (so haben w ir sie m ußte und k o nnte, u n d d ann w ieder begonnen, und so fort,
allerdings g en o m m en ), u n d bei ab soluter G enesis d e r Freiheit bis sie endlich B estand bekom m en h a b e? Doch w ohl nicht;
des einzelnen aus d er N ichtfreiheit, w ird als E rzeugungsm ittel denn der U n terg an g läge im G esetze, und m üßte im m er w ieder
d er F reih eit stets ein Z w än g , von B elehrung begleitet, voraus erfolgen. — G ottes Erscheinen ist kein P robieren und V ersuchen.
g e se tz t: dieser setzt in den dam als Z w ingenden einen früher Es i s t schlechthin, und durch sein Sein ist die ew ige E nt
auf sie au sg eü b ten Z w an g , m it B elehrung begleitet, v o raus; und n ic k e lu n g gesetzt, m ithin alle B edingungen desselben. U nter
so w ürden w ir in einer unendlichen R eihe aufw ärts g e trieb en ; diese, das absolut ew ige Sein, g eh ö rt nun d er B eginn m it einem
w ir käm en niem als zu einem e r s t e n Z w ange und einer e r s t e n solchen G eschlechte. N ur dieser sichert nach em pirischer A nsicht
B elehrung, Da w ir ab e r doch die E rscheinung der Freiheit g eg en den U ntergang, d. i. nach ein er höheren Ansicht, er ist
schlechterdings als ein in d er Z eit geschlossenes G anze auffassen die absolute Seinsform der Erscheinung. — W eil es i s t , ü b er
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102 Angewendete Philosophie, Von der Errichtung des Vernunftreiches. 103
aller Zeit, kann es nicht u n terg ehen in irgendeiner Zeit, im N icht koinm t, w ird sie gleichsam gehalten, ergriffen von d er Evidenz
un terg eh en k ö n n en aber, d. i. im Sein liegt das A nheben von d e r sittlichen Idee. — D iese W illensbestim m ung nun ist eine
einem durch seine N atur, nicht durch Freiheit sittlichen G e- doppelte, teils partiell: des ersten die M enschheit anhebenden
schlechte. Es ist bloße A nalyse des I s t der göttlichen Erscheinung.
M enschengeschlechtes, um die Entw ickelung der Freiheit erst
,Was in dieser A nalyse liegt, dies eben ist.
zu b eg in n en ; — teils allgem ein: um die E rhaltung upd V er
Ich will auf diesem Ü b ersichtsstandpunkte, und in dieser
vollkom m nung des M enschengeschlechts auf alle E w igkeit zu
A llgem einheit steh en d die Lehre von dem, w as qualitativ und sichern. D as erste W u n d e r ist vorüber, und seit d er Z eit ist die
als m aterielle Fortb estim m u n g in dem Sein d er göttlichen Er- Entw ickelung d er F reiheit eingetreten in ihren natürlichen G ang.
scheinung liegen m uß, sogleich vollenden. Z unächst w äre in D as letztere W u n d er dau ert fort, so daß w ir alle mit unserer
dem , w as durch die ab so lu t ew ige F o rtd au er zu aller Z eit bedingt ursprünglichen W illensbeschaffenheit m ehr od er m inder hinein
ist, die M öglichkeit des U n terg an g es a b g e w e h rt: denn das E r verflochten sein, und vop Zeit zu Z eit Ä ußerungen desselben
scheinen G o ttes ist absolutes, die M öglichkeit des N ichtseins in d er M enschengeschichte Vorkommen m ögen. (E rw arten soll
ausschließendes Sichsetzen, ein w ahrhaftiges D asein in allem sie indes keiner, so n dern jeder an seinem O rte nachdenken und IV, 473
IV, 472 E rnste, kein P ro b ieren , ob e s etw a gelingen möchte. A ber in streben, als ob auf ihm allein und seinem V erstände u n d seiner
diesem N ichtprobieren liegt noch ein Z w eites. Die Erscheinung A nw endung desselben das Heil d er M enschheit b e ru h e : diesem
ist L eben, stets sich entw ickelndes, frisches, schöpferisches L e b e n ; 1 N achdenken u n d Streben nun w erden eben die rechten G esichte
dies ist ihr Sein: sie g e h t darum fo rt zum V ollkom m eneren in aus jen er ew igen Q uelle, die da ist aus G ott, entström en.)
aller Zeit. Kein Stillstand, kein R ückgang, w elches ja eine ver- — W ir haben eine g eg eb en e Geschichte, den g eg en w ärtig en
verfehlte P ro b e des F o rtg eh en s sein w ürde, die durch eine neue, R echtszustand der M enschen, zu verstehen; uns darum zu halten
vielleicht g elin g en d e zu ersetzen w äre. So nach dem gem ein an jenen A nfangspunkt aller G eschichte und Freiheitsentw ickelung,
sam en G esetze aller freien Individuen. Aus dieser P erfektibüität an das erste M enschengeschlecht, und dieses zu beschreiben, wie
können sie nicht fallen: so w eit g eh t ihre Freiheit nicht. (D er es zufolge seiner B estim m ung sein m üsse.
äußere Schein entsch eid et nicht.) — Dies nun Sache keines D er G rundzug d esselben; Interesse schlechtw eg für die F rei
Individuum s, sond ern des inneren Seins, das alle Individuen regiert, heit aller u n d ihre B ildung dazu; in jedem eine Liebe, die ihn
und in alle E w igkeit fo rt sie regieren w ird. aus seiner Individualität heraustreibt, und m it der er die ganze
U nd so w äre d en n zuvörderst die Lehre von dem , w as M enschheit, als solche, um faßt. — Dies das a n g e b o r e n e Sitt
sie V orseh u n g und W iunder nennen, die w ir gleich klar auf liche, w odurch die sichtbare Entw ickelung zur Freiheit ü b erh au p t
stellen w ollten, vollendet. — K einesw egs ein Eingriff G ottes
b ed in g t ist.
in die Zeit, sondern ein schlechthin qualitatives Sein seiner E r In der w eiteren A nalyse können w ir recht g ut geschichtlich
scheinung, ab so lu t u n d ü b e r aller Z eit; w elches nur als G rund einhergehen, indem hier D eduktion und W ahrnehm ung sich be- .
eines Zeitlichen in d er Z eit sich zeig t: u n d zw ar eine qualitative g leitet; b eso n d ers achtend auf jenes alle verbindende Prinzip
B estim m ung des W illens, ursprünglich g eg eben auf eine gew isse in d er M enschheit.
W eise, ebenso, w ie nach dem selben G esetze gegeb en ist eine auf
Z uerst anzum erken ist das natürliche D asein des M enschen
gew isse W eise bestim m te S innenw elt: eine s i t t l i c h e G rundlage
in z w e i G e s c h l e c h t e r n , dem m ännlichen und dem w eiblichen,
der W elt, w ie es g ib t eine n a t ü r l i c h e . — Ein fertiger, fest
geltend für das ganze g eg en w ärtig e Leben, ohne alles V erm ögen
b estim m ter W ille, — x ; die F reiheit des Z w eckentw erfens bleibt,
der Freiheit, daran etw as zu än d e rn ; und die F o rterzeugung des
diesseits desselben in den Individuen; n u r w enn sie bis so w eit
M enschengeschlechtes aus sich selbst durch diese V eranstaltung,
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104 Angewenäete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 105
1. D ie F reiheitsw elt e rzeu g t schlechthin sich selbst aus sich u n g e te ilt: der S t o f f und di e b e l e b e n d e Kraft. Daß diese
selb st: durchaus eig en er U rheber u n d Schöpfer, wie geistig, durch letztere anhält und im S am enkorne die F ortentw ickelung des
B elehrung und B ildung, ebenso auch physisch1. D as letztere ist P flanzenlebens u nterbrochen ist, liegt nicht an ihm : so n d ern weil
Bild d er ersten E rzeugung, u n d , wie w ir tiefer unten sehen w erden, es sich selb st nicht g en u g ist, vielm ehr entw ickelnder ä u ß ere r
b edin g en d es M ittel, — Die Freiheit ist sichtbar, und in d e r Zeit chem ischer Kräfte bedarf, von deren B erührung es g e tre n n t ist.
d urchaus ihr eig en er Schöpfer. U nd dies ja w ollten w ir eben: B ringt es nur in diese B erührung hinein, senkt es in die Erde,
dieser Sichtbarkeit B ed in g u n g ab er ist jene Einrichtung. laßt es von dem befruchtenden H auche des Frühlings getroffen
2. D erselben zufolge is t aber die Eine E rzeugungskraft des w erden, und es w ird ganz aus sich selbst sich zur Pflanze en t
M enschen, das m enschenschaffende N aturprinzip g e tren n t in zwei wickeln. So nicht mit dem Saatkorne der höheren N atu rg estaltu n g , IV, 475
IV, 474 H älften u n d perteilt in zw ei Individuen; in dem V erhältnisse, daß dem T iere, und dem T iere, w as einzig w ah rh aft da ist, dem
das eine enthält den blo ß en Stoff, das andere das belebende und M enschen. D ieses zuvörderst steh t unter keiner chem ischen B e
die B ildung erreg en d e P rinzip dieses Stoffes: daß darum , da dingung sein er Entw ickelung, b ed ü rftig d e r U m gebung, so n d ern
eine b eleb en d e K raft nichts ist ohne B eziehung auf einen Stoff, es trä g t1 schlechthin, w ie es beim H errn d er N atu r sein m ußte,
ein to te r Stoff ab er ohne eine belebende Kraft tot bleibt, beide in sich allein den hinlänglichen G rund zur G estalt: und so w ü rd e
H älften für sich durchaus ohnm ächtig sind, und nur in ihrer die M enschenbildung unaufhörlich fortgehen, und es zum B e -
V erein ig u n g P rinzip w e rd e n : daß es darum durchaus d er V er s t e h e n eines S aatkornes g ar nicht kom m en. A ber der F o rtg an g
einigung zw eier individueller W illen bedarf, w enn es zu einer ist u n terbrochen und das Beharren dfes S aatkornes g esichert auf
M ensch en erzeu g u n g kom m en soll. — Die N atur W irkung g e h t eine andere W e is e : das Saatkorn selbst ist g e tre n n t in seine zw ei
bis zur E rzeu g u n g u n d A bsetzung des m enschenbildenden Prin- H älften, den toten Stoff u n d die belebende K raft; und die H älften
zipes; u n d m it dem D asein dieses Prinzipes eben m u ß te die in dieser T ren n u n g sin d aufzubew ahren gegeb en zwei freien
M enschheit anheben. A ber sie leg t es nieder in zwei einander Individuen, so daß n u r durch V ereinigung zw eier Freiheiten d ie
schlechthin erfo rd ern d e H älften, d as W eib und den M ann. N un Eine, durch bloße N atur zerteilte Z eu g ungskraft w ieder zusam m en
ist die N atu rw irk u n g durch diese T eilung geschlossen; u n d soll zutreten verm ag zu ihrer n o tw endigen Einheit.)
es w irklich zur E rzeu g u n g eines M enschen kom m en, so m uß U nd so ist denn durch dieses innerhalb d er N atur ü b e rn a tü r
Freiheit, und zw ar vereinigte und einverstandene Freiheit zw eier liche und sittliche G esetz die W illens Vereinigung w enigstens zw eier
dazw ischentreten, — D arum sagten w ir o b en : die N atur könne freien Individuen zur B edingung d er A usübung des höchsten
eigentlich keine H an d , keinen M enschenleib bilden. Einmal, beim M enschheitsrechtes gem acht w orden, d er Erschaffung d e r M ensch
B eginne, als das sittliche P rinzip mit ihr noch vereint w ar, konnte heit aus sich selbst heraus. H ierin liegt ein notw endiges Bin
sie es; w ie ab e r d e r M ensch, d er ganze — in seiner Z w eiheit — dungsm ittel d e r W illen, w ie w ir es suchen. Die Individuen können
d a w ar, tra t das sittliche Prinzip aus von ihr und in den M enschen; sich nicht durchaus abspndern und g e tren n t dastehen. A ußerdem
sie h atte ihren H errn sich g egeben, d er von nun an sich, selbst w ürde die M enschheit zugrunde gehen.
erzeugt, bis zu ih rer vollendeten U m w andlung durch den Begriff. — D enn d er T o d g eh ö rt notw endig zu dieser E rzeugung, und
Seitdem g ib t die N a tu r den Stoff in beiden G eschlechtern, die ist das bed in g en d e und N ebenglied derselben. Indem die M ensch
den Stoff einigende K raft ist e rst die F reiheit; also die N atur heit das V erm ögen erhielt, sich neu zu erzeugen, übernahm sie
verhält sich zu r F reih eit selbst, w ie das W eib zum M anne. in ihren alten M itgliedern die V erpflichtung, abzutreten vom
(V erdeutlicht am G eg en sätze m it dem Sam enkorne im S chauplatze; und w er einen M enschen in seine Stelle erzeugt,
Pflanzenreiche. — In diesem liegt das ganze Prinzip d er Pflanze verpflichtet sich zugleich, ihm dieselbe zu rechter Z eit zu über-
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106 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 107
lassen. So setzen T o d ünd G eb u rt sich g e g en seitig : und nur fassung des sie U m gebenden, ü ber die Zeit hinaus in das Je n
in einer solchen W elt kann kein T o d sein, in d er auch keine seitige, w as erst durch eine freie Phantasie zu konstruieren w äre,
G eb u rt ist, — in d er künftigen. Ü brigens w eiß der, w elcher nur sich nicht verlierend. Philosophische B eantw ortung, und Be
ü b er die E rscheinung hinauszukom m en verm ag, recht w ohl, daß an tw o rtu n g durch verständige N atur ist seh r zw eierlei. — So auch
476 es m it b eiden nicht E rnst ist, so n d ern daß sie n u r sind die w ir h in terh er: auch w ir können ü b e r dieses absolute Faktum
E rscheinung eben d er G enesis d er Freiheit aus sich selber, als ihres S elbstbew ußtseins nicht h inaus; denn darauf nur kom m t IV, 477
w elche w ir sie auch begriffen h a b en : — daß aber in d er W ahrheit es an. — W i e hat es G o tt gem acht, durch w elche M ittel? —
die ganze F reiheitsgem eine in allen ihren Individuen i s t schlecht W ie erscheint er d e n n ? Eben ab so lu t: durch g a r kein M ittel,
hin in der absoluten Form der göttlichen Erscheinung, in w elcher und auf g ar keine W eise, als die in dem unm ittelbaren Erscheinen
N ichts w i r d o d er v e r g e h t . selbst liegt.
Zusätze:
1. W ir haben g a r nichts B esonderes g e sa g t; es ist jedem
einleuchtend, d er n u r nicht ganz blind ist. Es könnte aber doch Die B eschreibung des Z ustandes, in dem das M enschen
auch an d ers sein ; w en ig sten s ehem als hat m an sich g e w u n d e r t , geschlecht uranfänglich g e g e b e n ist, haben w ir angehoben von
auch w ohl den Schm utz, der ihre eigene Phantasie erfüllte, m ir der N atureinrichtung, w odurch die E rzeugung d er neuen G e
g e lie h e n : vielleicht gesch äh e es noch, w enn sie es nicht vergesset! schlechter d er N atur entzogen, und durch die freie W illens-
h ätten ! D och w er kann w issen, auf w elchem K atheder irgendein vereinigung zw eier Individuen bedingt w o rd en : w ir m einen die
philosophischer S paßm acher und F reibeuter, der ein besseres G e T ren n u n g d er Z eu g u n g sk raft und die V erteilung derselben an
dächtnis hat, m it solchen V erw underungen die Lücken seiner zwei G rundgeschlechter. —
eig en en M editationen ausfüllt! Ich habe mich darum bem üht, N icht unm ittelbar u n d schlechtw eg durch den Z usam m en
es klar auszusprechen, und ich hoffe, daß Sie besonders ver hang genötigt, w iew ohl auch da eine B eziehung gleich beim
m ittels des an geführten G leichnisses mich vollkom m en verstanden folgenden Punkte sich finden wird, w ohl aber durch den U m stand
haben. b ew ogen, daß seiten oder fast nie Jünglingen, und studierenden
2. M eine M einung : es w ar einm al eine Zeit, ein T ag, da Jünglingen, eine gründliche B elehrung ü b e r diesen ihnen so höchst
das M enschengeschlecht, nicht geb o ren von einem früheren, w ichtigen G eg en stan d g eb oten w ird, will ich im V orbeigehen und
so n d ern eben kurz und g u t d a w ar in seinem S elbstbew ußtsein als E pisode m eine B etrachtung auf einen Begriff richten, d er durch
(denn anders, und etw as als D ing an sich ist es ja n ie); in jene Einrichtung b eg rü n d et ist, auf den Begriff d er K e u s c h h e i t .
zw eien G eschlechtern, nicht zw ar als ein einzelnes P a ar (wie 1. D er 'eigentliche Rang, die Ehre und die W ürde des
m an gew öhnlich annim m t), sondern als ein Volk (den Beweis M enschen, und ganz besonders des M annes in seinem sittlich
dafür tiefer u n te n ); versehen m it allen Erkenntnissen und allen natürlichen D asein, b esteh t ohne Zweifel in dem V erm ögen, als
M itteln eines vernünftigen D aseins und vernünftiger E rziehung uranfängÜ cher U rheber neue M enschen, neue G ebieter d er N atur,
der aus ihnen zu G e b ä re n d e n ; indem nun von ihnen aus der aus sich zu erzeu g en : ü ber sein irdisches D asein hinaus und
P ro zeß d er G eb u rt und des T odes begann. V erständig, g u t auf alte E w igkeit der N atur H erren zu setzen; in alle Ew igkeit
und w o h lg esin n t (w ie und w orin, tiefer unten näher) durch ihr fort und ü b e r die G renzen des irdischen D aseins G rund zu
b lo ß es D asein : eine U nschuldsw elt. „D er Reiz d er gro ß en bleiben von sittlichen und sinnlichen E rscheinungen; dies m it
F ra g e n “ nach ihrem U rsp rü n g e und dem d er W elt usw . w ar für freier W ahl einer Gehilfin und T eilnehm erin. M itgenossenschaft
sie nicht da. — Ihr Z u stan d w ar .einfach: beschäftigt m it Auf- des göttlichen Schöpfungsrechtes, der G ew alt, zu e r s c h e i n e n
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108 Angewendete Philosophie, Von der Errichtung des Vernunftreiches. 109
in F re ie n : so d er m enschliche E rzeuger in seinem Erzeugten. 4. A ber w ie ist dieser Verfall der rechten natürlichen A nsicht
H errsch en d es G efühl des A ltertum s, dem N achkom m enschaft üb er Ehre m öglich g e w e se n ; und w ie nur bei dem EinenG eschlechte ?
S egen , är, Fluch — Sterben als d er Letzte seines G eschlechtes. W eil der M ann seine Ehre in etw as anderes setzen k o n n te:
D „r M an n u ra n fä n g lic h : darum er das e r s t e G eschlecht in a) Id die S e l b s t v e r t e i d i g u n g seiner P erson durch physische IV, 479
IV, 478 je d e r 'R ücksicht auf d er E r d e . Im W eibe, so w ie in dieser K raft; a) V erteidigung des bloßen ruhigen D aseins, vor allem
u rsprünglichen E inrichtung, so durchaus, B edürftigkeit und Ab schöpferischen G ebrauche desselb en : ß) bed in g t durch die Rei
hängigkeit. In jenem Leben auch da G leichheit. Ich erinnere zung, die dann o ft herausgefordiirt w erden m uß. - - So sind
d aran, w as Jesu s T iefes sagt! die M änner g en ö tig t gew esen, sich einen falschen — m indestens
2. D ie abso lu te E hrlosigkeit, die W eg w erfu n g der eigentlich u n t e r g e o r d n e t e n — E hrenpunkt zu m achen; w ohl auch, um
m enschlichen und m ännlichen E hre w ü rd e es darum sein, w enn ihre U nverschäm theit mit zu verteidigen, weil sie den eigent
das zur A u sübung jen es V orrechtes verliehene V erm ögen gem acht lichen und w ahren fallen ließen. — Einen u n t e r g e o r d n e t e n :
w ürde zu einem M ittel sinnlicher Lust. W as ü ber aller N atur ist, denn es g eh ö rt allerdings m it zur Ehre des M annes, sich und das
Und b estim m t !zu r F ortp flanzung d er O berherrschaft üb er sie, w ehrlose G eschlecht zu verteidigen.
w ü rd e ein Z w eites, einem ih rer T riebe, dem d er L ust, U nter b) In die g e i s t i g e F ortpflanzung, Schöpfer- und G ebärer-
g e o rd n e te s; das Ü bersinnliche in sich und in seinem D asein kraft durch Erfindung, U nterricht, W eiterbringen. — Ich setze
gem ach t Zum D ien er des Sinnlichen; das B edächtige und Freie nämlich hier, um den äußersten Fall zu berühren, voraus, daß
zum blo ß en N atu rp rin zip ; — das T ierische, Sinnliche dagegen, die g eistige ursprüngliche Schöpferkraft die in den D ienst der
die L u st u n d deren T rieb zum ersten Prinzip. Lust geraten e sinnliche überlebe, u n d in diesem dienstbaren Leibe
a) U nkeuschheit — G ebrauch des Z eugungsverm ögens zur dennoch frei und oben bleibe; — daß auch G eist und K örper
blo ß en Lust, o h n e A bsicht auf den Zw eck, u n d ohne bedachtes; so kräftig organ isiert seien, daß der letztere noch im m erfort
W ollen desselben. 1 ein O rg an für g eistige G estaltungen, und ein M ittel zur V er
b) U nkeuschheit E h rlosigkeit in höchster Potenz, Ver w irklichung in d er S innenw elt bleibe, — w ovon ich die M öglich
nichtung d er E hre in ih rer W urzel: W eg w erfu n g des eigent keit nicht absolut leu gnen w ill: — so entsteht doch zuvörderst
lichen persönlichen W ertes. eine E ntzw eiung im M enschen, ein Zerfallen in zwei ab geschie
3. D ies ist 'auch g efü h lt w o rd en und w ird noch gefühlt; dene L ebensläufe. W enn d er G eist herrscht, schw eigt die N atur
im V olksglauben, lie g t m ancherlei Ä ußerungen desselben zum und g e h o rc h t Dies das Eine Leben. — W enn dagegen die Sinnlich
G ru n d e : ein eh rlo ser N am e auf die A usschw eifungen des Ge-: keit herrscht, ist der G eist erstorben. U nd dies w ird so nach
schlechts trieb es. 1— Im V olke, das derm alen m it der u rsp rü n g Zeiten und P erio d en g eteilt sein. — F ern er: dieser so zersplitterte
lichen u nschuldigen A nlage des M enschengeschlechtes noch in M ensch m it halber und g eb ro ch en er Kraft, leistet nie, w as er
n äh erer V erb in d u n g s te h t: nicht bei den höheren S tänden; — leisten sollte, erreicht nie seine B estim m u n g : sein Leben ist einm al
w oher bei diesen nicht, davon später. halb, g eb ro ch en und verschäridet W ie es auch s c h e i n e in einer
Bei dem w eiblichen G eschlechte ist es noch so nach dem vielleicht n och schlechteren U m gebung, so ist es doch n u r ein
allgem einen m enschlichen G lauben, der W eiber selbst, und sogar S chattenbild des w irklich ihm im Rate der G ottheit bestim m ten
d er M än n er von ihnen. Sie haben dadurch die E hre verloren; Lebens : d e n n ein ganzes geistiges Leben fo rdert die unbedingte
d enn sie hab en g a r k ein e andere Ehre, als die unverletzte Keusch U n terw erfu n g 'der ganzen K örperkraft, ohne T eilung mit der Lust.
heit, in dem Sinne, daß das G eschlechtsverm ögen nur auf den — D a s schöpferische D enken g elingt g a r nicht so, wie begreiflich
Z w eck d er K in d ererzeu g u n g gerichtet sei. ist, denn die schöpferische Kraft ist Eine.
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Von der Errichtung des Vernunftreiches. 111
110 Angewendete Philosophie.
b o renen (nicht gerad e aus einer verw ilderten und verw orfenen
— E inen bestim m ten Fall n u r zum Beispiel. — G esetzt, das
Fam ilie abstam m enden) M enschen. Er w ird nicht m eh r zu dieser
D e n k e n w erd e nicht g ebrochen, — aber der M u t , - - frei an-
U no rd n u n g ger.eizt, als zu anderen, z. B. zum Stehlen. (H ier IV
IV, 480 zuerkennen, auszuspre'chen, durchzusetzen, unbeach ten d die G e
auch ieinzelne A usnahm en, sodann die K inder von D ieben: nicht
sichter, die es g eb en m öchte! — U nkeuschheit aber Quelle der
aber d a s m enschliche G eschlecht.) Jene, die es so ansehen, m ögen
F e ig h e it: F eig h eit ist das unm ittelbare G efühl des Lebens, das
für ih re P erso n zu solchen gehören. W er h eiß t sie das G e
eben nur soviel K raft hat, um sich selbst zu erhalten, und nichts
schlecht so setzen ? — M it solchen soll man sich g a r nicht a b
darü b er hinaus. („E r hat kaum das liebe L eben.“ ) D agegen
g eb en u n d die B erührung m it einer unreinen P hantasie, als das
M ut ist unm ittelbares G efühl d er Fülle des Lebens und des Ü ber
eigentliche G ift, verm eiden. — Es ist ?w ie die B lattern: fliehe
flusses, d as eben auch anderes L eben schaffen könnte, ohne sich
die A nsteckung! Selbst aber m eide M üssiggaug und V erw eich
selbst Schaden zu tun. — Solche — dennoch R enom m isten: kein
lichung, u n d arbeite g ehörig m it G eist, wie m it K örper.
W u n d e r! Auch von ihr ist F eigheit die Quelle. Sie w ollen lieber
6. Ein faktischer Beweis fü r das G esagte ist das von jen er
v o r a u s s c h r e c k e n , dam it m ag nicht etw a unverhofft u n d aus
angeborenen K euschheit Ü briggebliebene, das G efühl d er S c h a m -
dem S teg reife ihren M ut uf die P ro b e stelle.
h a f t i g k e i t . — Sie errö tet und w ird zurückgestoßen von der
U nverletzte K euschheit in E hren halten, und h e ilig e n unserer
V orstellung, daß sie ihre E hre entw eihen könne, daß in irg e n d
P erso n von Ju g en d an ist das einzige M ittel, Alles zu w erden,
einer V orstellung diese M öglichkeit g esetzt sei. — Sie flieht
w as w ir können nach d er uns verliehenen Kraft im ew igen Rate
darum ü b erh au p t alle deutlichen V orstellungen dieses G eg en
G o ttes. V erletzung derselben — ganz sicher und unfehlbar eine
standes, alles E rheben zum Begriffe, weil dieses n u r durch den
Z erstückelung, eine teilw eise E rtötung.
G egensatz m öglich ist; d er rechte Zw eck gesetzt w erden kann nur
5. Diese K euschheit nun w ar dem U rgeschlechte, von dem
durch .Setzung u n d N eg ieru n g seines G egenteils. Sie ist ein in das
w ir red en , a n g e b o re n : — w ovon w ir sogleich das R esultat sehen
ganze Sein verflochtenes und körperlich sich ausdrückendes, den
w erd en . — D a w ir dabei sin d : w o h er die V erderbnis, und d er
Körper selbst m odifizierendes Sittliche.
zur M ode g e w o rd e n e Leichtsinn des Z eitalters ü ber diesen G eg en
sta n d ? — Sie trag en sie nicht im H erzen, ,als angeborenen .Zu
sta n d ; eb en so w en ig im V erstände, als freierw orbene Ejnsicht.
W eiter iin der B estim m ung des ursprünglichen M enschen
Sie seh en darum die vorhandenen K euschheits- und E hrengesetze
geschlechts :
als w illkürliche und eigennützige B eschränkungen d er natürlichen
Aus d ie se r natürlichen K euschheit desselben nun die E h e ,
F reih eit an, hassen sie, sind im A ufruhr gegen dieselben u n d
als d ie für das Leben dauernde und unabtrennliche V ereinigung
suchen alle W elt m it fortzureißen in jenen A ufruhr. — D aher
eines M annes und W eibes, als g eb undene Z eugungskraft. Es
die hinterlistige V orstellung, n ied erg eleg t in m anchen verderb
findet in dieser Rücksicht eine ew ige B indung d er W illen sta tt;
lichen B üchern, d aß m an jene D ienstbarkeit g a r nicht verm eiden
die Freiheit ist abgeschlossen mit Einem Mal für im m er. —
könnte, daß dies eben der eigentliche Z w iespalt in unserer N atur,
D ieser B egriff w ird klar sein, w enn ich zeige, w ie die Ehe aus
das g a r nicht aufzuH ebende radikale Böse sei: — und die Auf
der K euschheit n o tw en d ig folgt. K euschheit richtet die Z e u g u n g s
zieherei dam it. W as ist d ag eg en zu t u n ? Eben den V erstand
kraft n u r auf den Z w eck d er E rzeu g u n g : dieser ist erreicht, w enn
en tsch eid en lassen, durch die Ihnen jetzt dargelegte, ich denke
die M ännlichkeit ü b erh au p t die W eiblichkeit findet; sie siebet im
w ah re u n d klare Ansicht.
G eschlechte ;nur das G eschlecht, nichts m ehr. Sollte sie auch
Z ugleich ist ihr V o rgeben grundfalsch, und eine freche Lüge,
nach g esch eh en er W ahl sich diese noch offen behalten, so m üßte
j'en er u n ordentliche T rieb ist g a r nicht in dem o r d e n t l i c h ge-
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112 Angewendeie Philosophie. Von der Errichtung des'jVernunftreiches. 113
482 sie noch etw as a n d eres: suchen, als den Einen Zw eck (Wie dies in m ögen. 'B ei uns — absolut gleiche B ildung aller durch die allge
d e r sp ä te re n W elt geschieht, w ohl auch geschehen m uß). R eines m eine 'V olkserziehung. — Alle Streitigkeiten in dieser A ngelegen
A u fgehen Im Z w ecke und U nterordnen alles anderen u n te r ih n ; heit rü h re n daher, daß der eine Teil die U reinrichtung ergreift
B estim m ung re in u n d allein nach ihm. — M öglichkeit der S c h e i u n d von ihr b eg e istert ist, d er andere den V erständesbegriff des
d u n g ;a lso setzt k ein e E h e : diese h eb t den Begriff ih re r E w i g V erhältnisses. Ein solcher Streit bricht aus, w enn einer der G eg en
k e i t a u f u n d m acht sie in d er Z eit ab h än g ig von anderen, will sätze ;— u n d da h e b t denn allemal der V e r s t ä n d e s b e g r i f f an,
kürlich zu setzen d en 'N ebenzw ecken. — H ier, w o w ir G eschicht dem S e i n s begriffe sein Recht des Besitzes und d e r V erjährung
liches b eh an d eln , ein geschichtliches Beispiel. Jesu s — d er als zu b estreite n — zur Sprache kom m t. D urch Pestalozzi und andere
ein A bköm m ling d er uranfänglichen sittlichen und religiösen Vor- : ist iVolkserziehung gefordert, w o allerdings die V oraussetzung
S tellungen b e tra c h te t w ird — sp rich t: M oses hat euch erlaubet ist, d e r Fam ilie die K fnder zu nehm en. D agegen erheben sich
zu scheiden von eueren W eibern, von eueres H erzens H ärtig - andere, und klagen, als üb er die T ren n u n g d er heiligsten Bande.
keit iw egen; v o m A n b e g i n n a b f i s t e s n i c h t s o g e w e s e n 1. Ein solcher Streit ist n u r so zu schlichten, indem m an den G rund
Di e Z w e i sind durch einm al e ir eg angene V erbindung von nun des G e g n e rs (oft besser als er selbst) k ennt und w ü rd ig t; ihn erst
an n u r Ein Leib. \ in sein volles Recht einsetzt, um das seinige dagegenzusetzen. —
D urch diese E he nun w ird k o n stitu iert die F a m i l i e , Das W ir w erd en an seinem O rte den Streit gründlich scheiden. W as
Kind durch sein e G e b u rt aus d e r M utter, dadurch, daß die erste w ir w ollen, ist indes schon oben ausgesprochen. — —
N ah ru n g fü r dasselb e in ihr b ereitet w ird, w elche sie ein ebenso D iese F am ilien standen nun in einem R e c h t s v e r e i n e ,
g ro ß e s B edürfnis h a t zu g eb en , als das Kind, sie zu nehm en, bleibt einem Staate, d er eben schlechtw eg w ar, so w ie sie selber.
selb st physisch m it derselb en verbunden. D er M ann, durch die 1. Es w aren m eh rere Fam ilien, denn d er Staat m ußie U r
u ranfängliche '.und ew ig d au ern d e V erbindung an sie geknüpft, a n f a n g 1i c h dargestellt s e in : ein V o 1k darum . Dies g eh t darau s
w ird b e w e g t zu lieben, w as sie liebt. So ist begründet, w odurch hervor, daß die V ernunft zuvörderst sich darstellen m uß in der
allein E r z i e h u n g m öglich w ird, die Teilnahm e an frem der Form d e s g eg e b en en S e in s: — hier d er oben versprochene Beweis.
E insicht ,und Bildung, w ie an seiner eig e n en : — so, w ie w ir 2. Sie alle von N atur rechtlich, jed e r darum die Freiheit
oben dieses G lied g erad e suchten. — Eine natürliche, ohne vorher des a n d e re n achtend, sie nicht verletzen w o lle n d : also keiner
g eh en d e freie Ü b erleg u n g und Ü berzeugung des V erstandes, Z w a n g s g e w a l t b e d ü rftig . — A ber w as g e h ö r t jed em ? w elcher
w orauf sich dieselbe T eilnahm e w ohl sp äterh in g ründen m ag, B e s i t z kom m t jed er einzelnen Fam ilie z u ? — Es bedarf wohl
B em erken w ir, daß in ein er solchen O rd n u n g d e r D inge also ;eines R i c h t e r t u m s . D ie E inheit des W illens w ird aber
alle B ild u n g schlechthin und einzig aus d e r Fam ilie hervorgehe. ; rep räse n tiert :in der physischen E inheit einer P e rs o n : also Mon-
Im g a n z e n keine, die nicht ist eben in den einzelnen Fam ilien. ;■ archie. Er — der M onarch — w ar es eben schlechthin durch
In ih r w ird d er M ensch fertig fü r die G em eine. — Es kom m t 5 sein D asein: er erkannte sich also, und sie erkannten ihn. So
bei 'dieser A useinandersetzung ganz besonders darauf an, die 1 w ar ;es G ottes W ille, seine E ntscheidung w ar durchaus keinem
U nterschiede zw ischen u n serer durch den V erstand auf d en Be i Zw eifel u n terw orfen; denn darü b er hinaus g in g ihr W ille gar
griff d e r Freih eit g e g rü n d e te n V erfassung d e r M enschen und der ■ nicht.
in d iesem an g eb o ren en Z u stan d e g egebenen ins A uge zu fassen, 3. D er S taat aus den Fam ilien g eb ild et: diese die in te g rie -.
H ie r z e ig t sich einer dieser U nterschiede. D o rt — B ildung in der renden T eile des R echtsganzen. Innerhalb der Fam ilien kein IV, 485
F am ilie; d aru m ungleiche, je nachdem die Fam ilien ungleich sein R echtsstreit, keine A bsonderung, kein M ein und Dein, sondern
1 Matth. 19, 8. ihre M itg lied er stehen u n ter dem O b erhaupte derselben, d er Eigen-
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114 Angewendete Philosophie, Von der Errichtung des Vemunftreiches. 115
tü m er und B erechtigter ist. W as in jen e r vorgeht, g eh ö rt g ar nicht 4. Alles obige ist nur möglich durch eine gem einschaftliche,
für die K undnehm ung des Richters. D er Staat bestand aus den an g eb o ren e S p r a c h e , die da fertig w ar vom Sein aus, und ver
ew ig leb en d en , unsterblichen S tä m m en : — E r b e — ojier eigentlich ständlich vom Sein aus, — für alle die Begriffe und V erhältnisse,
ew iger, d u rch keinen T o d und keine G eb u rt unterbrochener Besitz deren E rk enntnis an g eboren w ar. D er G edanke redete ohne d a
des Stam m es. (Ein H auptbegriff, d er indes bloß h i s t o r i s c h , zw ischentretende W illk ü r: die bew ußte W elt gestaltete sich zu
aus einer uranfänglichen G eg ebenheit zu erklären ist, und aus gleich in einem allgem einverständlichen Schallbilde. D er G edanke,
V erstan d esg esetzen sich nicht ableiten l äßt : er hält auch, wie wir sagen ,wir; nicht etw a bloß die E m pfindung. M an hat sich viel
zu seiner Z eit sehen w erden, gegen das V erstandes-, d. i. F rei M ühe g eg eb en , die E n t s t e h u n g d er Sprache zu erklären. So
heitsgesetz, g a r nicht stand.) gefaßt, w äre es ein Z irkel: jene setzt voraus gebildeten V erstand;
A ber auch nur den ursprünglicher .^Unterschied des Rich diese V erstandesbildU ng aber w ieder Sprachzeichen. Von dah er
ters u n d d er zu R ichtenden g esetzt — t ^b es eine U ngleich h ätte m an darauf kom m en sollen: hat augh diese A nsicht auf-
heit, sich zeigend in d er B ildung der Fam ilien und so sich fo rt gestellt, aber freilich n u r b ib e lg la u b e n d : bei uns anders. Es ist
pflanzend. F o rte rb u n g des Standes, U rsp ru n g des K astenw esens. noch m erklich in gew issen G rund b ed eu tu n g en einzelner B uch
In einer sp äteren B etrachtung w ird dieser U rsp ru n g d er U n staben, z. B. F. R. L, in allen Sprachen, D ie A bw eichungen
gleichheit sich noch sch ärfer erg eb en . W o es keine andere Bildung w ären historisch zu erklären. — D ie Sprache ist verständiger,
gibt, da bildet d er A ckerbauer zu A ckerbauern, d er T ö p fer zum als w i r : in ihr nach H erder, Jacobi, Reinhold die W eisheit nieder
T öpfer, d er P rie ste r zum P rie ster; und anders kann es bei gelegt. — Ja, w enn sie überall niedergelegt, und die Sprache
ruhigem F o rtg a n g e ohne totale Revolution nicht w erden zu ew igen nicht zugleich auch schöpferisches P ro d u k t w äre d er Freiheit
Z eiten. H ie r lieg t auch einer d e r G rundunterschiede des g e aus nichts h eraus! Die freizubildende ist durchaus eine andere,
schichtlich u n d nach den G esetzen des ursprünglich G e g e b e n e n als die anerschaffene. Ein w ichtiger G edanke, w elchen klarer zu
sich m achenden Staates, und des V erstandes-R eiches. — Der m achen w ir w ohl auch d en O rt finden w erden.
erstere aus Stäm m en b estehend, die sich ins U nendliche fort-y — N och dies in A bsicht d er W ortbezeichnung, w orin zu
erzeugen aus uranfänglichen Fam ilien, u n d so ist es im m erfort gleich eine Revision lieg t: vorher haben w ir das Sittliche, w as
g ew esen , ohne daß es jem and gem erkt, w eil d er G egensatz fehlte. unm ittelbar aus G o tt und seinem Erscheinen ohne Freiheit im
In u n se re n Z eiten w ollte die französische Revolution gerad e die M enschen ist, V orsehung genannt, und W u n d er: es ist auch
S täm m e auflösen, und aus diesen zu Individuen aufgelösten den O f f e n b a r u n g zu nennen. D iese O ffenbarung nun bricht irg en d
Staat konstitu ieren . D a versicherte denn ein D eutscher: sie seien einm al heraus in der Z eit u n d -ä u ß e rt sich; aber es w i r d nur
ja to ll; das sei eben das n g ß ro v ipetidog; der S taat bestehe ihre E rscheinung, s i e selbst nicht; gerad e so, wie w ir oben
nicht aus Individuen, so n d ern aus Stäm m en. — Er hatte ganz recht,; unter d e r B enennung des W unders dasselbe betrachtet haben.
und das G eg eb en e w ohl v erstanden; und seine B elehrung hätte; Die gew öhnliche A nsicht h at auch da G o tt verm enschlicht und
w ohl den D ank d er R evolutionierenden verdient, w enn sie es in die Z e i t h erab g ezo g en : w ohl g a r m it b e i d e n — mit Raum
nicht g e w u ß t hätten. A ber davon w ar eigentlich nicht die Rede, u n d Z eit — versehen. — Eine solche V orstellung ist nun ohne IV, 486
IV, 483 so n d ern d a v o n : ob nach dem F reiheitsgesetze er aus Stämmeny Z w eifel unrichtig.
o d e r Individuen besteh en s o l l e ; ob also die Fam ilien eben zu Ein U rgeschlecht durch O f f e n b a r u n g .
Individuen aufg elö st w erden sollen. W ie w i r es beurteilen,
das ist zum Teil schon deutlich, und soll zu seiner Zeit in
scharfem E rw eise g eg eb en w erden. 1
530 F i c h t e , Die Staatslehre. 8 531
116 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 117
Ein solches G eschlecht nun bliebe steh e n ; kein F o rtg an g begriffe .d e r B ilder: einm al — des g e g e b e n e n und schlechthin
in ihm, keine eigentliche G eschichte: es könnte aus dem an v o r h a n d e n e n S eins; sodann des durch F r e i h e i t hervorzu
g e b o re n e n G rundw illen sich nicht herausbew egen u n d ihn ü b e r bringenden S eins: — N a t u r und S i t t l i c h k e i t
schreiten. Die Fam ilien — eine S tehendes und U nsterbliches, 4. In d er ersten H insioht alle Individuen bestim m t auf gleiche
bleib en d in ihrer V erfassung : das R egim ent selbst — ein Fam ilien W eise in d er Einen N aturanschauung. (W as ist d ah er ihr W esen,
erbe, (D as g o ldene Z eitalter ohne G eschichte.) H erabsinken etw a und w ie en tsteh t sie ? D as ew ige G ru n d g esetz ihres Bildens ist
k ö n n te es durch M angelhaftigkeit d er E rziehung, indem die für alle dasselbe.)
Stam m fam ilien stets ihre unvollkom m enere F ortsetzungen lieferten. 5. In d er zw eiten Rücksicht ein doppeltes V erhältnis: E n t
A ber k eine eigentliche F reiheit und V erstandesentw ickelung. w eder 'das sein sollende x ist g eg eb en als B estim m theit eines
D arum keine S i c h t b a r k e i t der Freiheätsen 'wickelung, für Willens., m it ihm zugleich s y n t h e t i s c h vereint: in einem W ollen
w elche, als B edingung, w ir doch ganz allein ei solches G e und an dem selben anschaulich gem acht. Dies das G esetz des
schlecht annahm en. U rgeschlechtes m it O ffenbarung. — D er W ille als S e i e n d e s ,
Eine solche Sichtbarkeit ist m öglich lediglich dadurch, w enn gleich d er N atur, w ie ich dies schon oben ausgesprochen habe.
w ir den k en ein zw eites U rgeschlecht ohne diese ursprünglich Ein solches fertiges W ollen brau ch t freilich auch nicht im m er
sittliche E inrichtung, also m it F reiheit und B ildbarkeit ins U n und ew ig g eg e n w ä rtig e V orstellung zu sein, so n d ern w ird e r
endliche u n d U nbedingte. — Ein U rgeschlecht o h n e O f f e n scheinen auf V eranlassung; also die V orstellung desselben ist
b a r u n g , ein freies. — Jen es e i n z i g , w eil die A nlage bestim m t auch ein in d er Z eit W erdendes. — O d e r : dasselbe w ird g e
i s t ; dieses ins U n e n d l i c h e v e r s c h i e d e n , weil eben g a r keine g eb en ausdrücklich als etw as, das da sein s o l l i n e i n e m
B estim m ung d a ist, die N ichtbestim m theit ab e r ist eine unendlich W i l l e n ; der W ille darum ab g e so n d e rt von ihm, und als e in t freie,
m ögliche. j durch 'ihr bloßes Sein unbestim m te, u n d n u r innerhalb ihres Set§s
Es ist hier d er O rt, diesen U nterschied der beiden U rge- duroh sich se lb st zu bestim m ende Kraft. — So beim M ensclien-
schlechter scharf anzugeben, und w as b ish er noch schw ankend geschlechte o hne O ffenbarung.
u n d u n k la r geb lieb en sein dürfte, fest und sicher zu m achen. Z u v örderst: — dieses letzte ist das rechte, eigentliche, d e r
U nsere Philosophie, au ß er d er B eschreibung durch W orte, die Zw eck d e r E rscheinung, als F r e i h e i t . — D agegen das erstere,
n u r an schon B ekanntes erin n ern , höchstens A nalogien geben, obw ohl m an etw a es sich als das edlere denkt, nur das M ittel
h a t noch das V erm ögen d er K onstruktion des Bildes a p r io r i: und die B edingung für das D asein des letzteren. D ort die w ahre
dieses w ollen w ir hier an w enden. Z ugleich ist die U ntersuchung eigentliche M enschheit, die E rscheinung G ottes.
höchst w ich tig fü r die E insicht in das g esam te System. S odann zur näheren V ergleichung; dem ersten G eschlechte
1. D as W esen des S i g h e r s c h e i n e n s (s o sagen w ir) ist ist x (der vernunftgem äße Z ustand d e r M enschheit) g eg eben als.
ein unendliches V erm ögen, B ilder zu entw erfen. etw as, das d a u nm ittelbar g ew o llt w ird, und nicht anders kann, IV, 488
2. H ierau s nun en tstän d e niem als ein wirklich s e i e n d e s , als g ew o llt w erden, das darum schlechthin i s t an d e r M ensch
IV, 487 f a k t i s c h e s Bild (und so auch nicht d e r A usdruck eines u r heit. D as zw eite faßt auf dasselbe x, falls es ü b erh au p t an jenes
s p r ü n g l i c h e n Seins), w enn nicht dieses V erm ögen in seinem kom m t, als eines, das d a w e r d e n soll, durch F reiheit; darum
w irklichen Bilden e rfa ß t w ü rd e von einem beschränkenden G esetze, m uß in seiner A nschauung auch die F reiheit erscheinen, durch
izufolge d essen das Bild g e ra d e also und night anders ausfallen die 'es w erden soll, sam t den M itteln und W eisen dazu, u n d der
m uß. ganze W eg d er E ntw ickelung. — D o r t x die W elt, d e r Z u
3. So nun zwei G rundw eisen des Bildens, d, i. zwei G rund- stand selb st: h i e r eine x erst hervorbringende Freiheit. D arum
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118 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches. 119
erscheint auch x in der letzteren A nschauung als ein ganz anderes, G egensatz in seinem E inheitsgrunde verstanden w ürde, ist mir
— m it s e i n e r G e n e s i s a u s d e r F r e i h e i t , al s e n d l i c h e s , nicht bekannt. D ahin eben m öchte ich1 durch das B isherige und
zeitliches, durch Mittelglieder bedingtes F r e i h e i t s F olgend« Sie führen.
p r o d u k t : — d o rt a l s u r a n f ä n g l i c h e s S e i n . — a) G e G rundcharakter dieses Zweiten U rgeschlechts für sich w äre
s c h i c h t e nun ist die A nschauung dieses Lebens d e r Freiheit, unbegrenzte Z ügellosigkeit des B ildungsverm ögens in B eziehung
aus einem form alen und leeren Z ustande sich entw ickelnd zu x : auf das Praktische, ohne irgendeinen A nhalt und G esetz in ihnen
— und dies die eigentliche, b) Die G eschichte des M enschen selber,
geschlechts, jenes S e i n von x mi t dazugenom m en, läuft darum je n e s erste G eschlecht g ab g a r kein W erden, m ithin auch1
in sich selbst zurück: endend, für dieses Leben näm lich, als einen nicht die A nschauung, die die M enschheit, als das göttliche Bild,
h ingestellten abzuschließenden U m fang, in dasjenige Sein, ’’on g eb en soll.
dem sie a n h o b : die M enschheit erb au t in y einem zw eiten L - D ieses zw eite auch nicht, da in ihm zw ar das Prinzip des
schlechte sich selb st zu dem , w as sie in einem ersten schon W e r d e n s , die Freiheit, aber keine A nw endung und Folge d e r
uranfänglich w ar, das g e g e b e n e Sein zum P rodukte d e r eigenen selben lag.
F reiheit m achend, c) So m ü ß te es sein, und ich erkläre dadurch Beide U rgeschlechter d aru m ^m ü ssen noch vereint w erden,
einen frü h eren P unkt, d er undeutlich geblieben sein soll. —■ um in ihrer V e r e i n i g u n g das Schauspiel zu bilden, auf w elches
W ie soll denn dem zw eiten G eschlechte, dem eigentlich daran es ankom m t. In dieser V ereinigung konnte nicht unterjochen,
Hegt, u n d ü b e rh a u p t d er ganzen M enschheit jenes x, das, w as überw inden, bestim m en das zw eite G eschlecht das erste; denn
da w erd en soll, und w as h erv o rg eh t aus dem reinen, un b ild dann w äre ü b erh au p t n u r das zw eite übriggeblieben, darum keine
lichen G esetze, sich stellen in einem B i l d e ? — Als O rdnung O rd n u n g und G esetz; e s w äre ü b erh au p t der U n terg an g erfolgt,
eines M a n n i g f a l t i g e n . O ffenbar kann es das nur in einer E r W ohl aber um gekehrt m uß das erste G eschlecht bestim m en das
scheinung des S e i n s , als bin d en d eben ein g eg ebenes M annig zw eite, jedoch m it B eibehaltung seiner Freiheit. — D iese Über
faltige eines schon g eg eb en en Seins. D ieses Bild, das Vorbild m acht und H errsch aft des ersten G eschlechtes ü ber das zw eite
für die Freiheit, ist nun g eg eb en an dem ursprünglichen Z u kann nicht dem O h n g efäh r überlassen bleiben (indem auf ihr
stan d e des e rste n M enschengeschlechtes. Es ist V orbild für sich die E rscheinung G ottes beruht, die da ist schlechthin); sondern
selbst in dem zw eiten freien G eschlechte. m uß gesich ert sein durch ein G e s e t z : durch das der A c h t u n g
D ies nun ist die G rundansicht, w elche das Zeitleben der für O rd n u n g ; eine V orstellung, die den freien N aturm enschen IV, 490
M enschen, die v erg an g en e und zukünftige G eschichte vollkom m en zurücktreibt, u n d gleichsam zur B esinnung b rin g t; die erste E r
verständlich m acht. D asselbe existiert in der Form des Seins, scheinung im M enschen, an welche das absolut g eb ietende Soll
489 w ie in d er Form d er G en esis: F ortschreiten zur letzteren ist sich anknüpft, und aus w elcher es sich entwickelt.
m ithin A ufgeben d er ersten. Die höchste E rkenntnis des Z eit U nd jetzt an dem Z usam m entreten d er beiden U rgeschlechter
alters ist nicht d u rchaus blind für dieses V erhältnis: die Elem ente ist der A nfangspunkt d er G eschichte, ihr eigentlicher G eist und
des G egen satzes sind ihm allerdings erschienen. D er eine eifert ihr G rundgesetz, und alle H auptm om ente, die in derselben sich
ein seitig fü r die E rh altu n g des Seins, darein setzend das höchste ereignen m üssen, g e g e b e n ; und dies läßt so g ar a p rio ri sich e r
G u t: d e r an d ere für das durch F reiheit zu erringende. M ehrere kennen, M it ein er solchen E rkenntnis haben w ir als P hilosophen
stücken ih re A nsicht aus b eiden Elem enten, je nachdem sie an es einzig zu tu n ; dieselben in den vorhandenen E rzählungen
v erschiedenen T eilen von dieser o d e r von jen e r stärker b erü h rt vom Leben unseres G eschlechts auffinden, m ag nun je d er für
sind, zu einem ungleichartigen G anzen zusam m en, usf.. D aß der sich selbst.
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120 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Verminftreiches, 121
D ies darum d er G rundriß d er ganzen m öglichen M enschen sod an n auch äußerlich, g eg en das ihm aufg ed ru n g en e frem de
geschichte: N ach der V ereinigung brin g en A bköm m linge des G esetz und O rdnung. — Es sind zwei F älle: en tw eder die andere
ersten G eschlechts die ihnen b ekannt gew o rd en en des zw eiten P artei g ib t nicht nach, oder sie gibt nach. G ibt sie nicht nach',
zu i h r e r O rd n u n g , w elche in ihnen selbst sich g rü n d e t auf das so ist die V ereinigung getrennt, beide sind w ieder sich selbst
nicht w eiter zu b eg rü n d e n d e k a te g o risc h e : S o i s t ’ s s i t t l i c h überlassen, w ie vorher; alle die obigen Folgen treten w ieder ein,
n o t w e n d i g ; — die sittliche N o tw endigkeit G ott genannt, so ist's es en tsteh t keine G esch ich te: keine E rscheinung der F reiheit ist
G o t t e s W i l l e . Ih r G lau b e — abso lu ter N a t u r g l a u b e . — m öglich, die da doch sein soll s c h l e c h t h i n . — ( G e t r e n n t
Sie können jenseits dieser V o rstellung ihr W esen nicht w eiter sind b eide; denn w as dem ersten G eschlechte das Ü bergew icht
auflöseri, u n d so sich nicht losreißen von jen e r Ansicht des versicherte, die A c h t u n g und der G l a u b e , ist für diesen Punkt
Seins. — (M an h a t den B egriff des G laubens nicht im m er r e r v . verloren.)
sta n d e n : G laube g e h t allem al auf ein g e g eb en es Bild, d e m se lt n Also — das zw eite allein bleibt ü b r ig : die P artei des G laubens
ab so lu tes Sein b eim essen d ; und nur vom Bilde einer sittlichen g ib t nach — zufolge eines G e s e t z e s . Auch läß t dieses G esetz
O rd n u n g b rau ch t m an dieses W o rt; — e r g e h t darum allem al auf sich bestim m t nachw eisen. Ist gleich gesagt, die G lieder des
ein g e s c h i c h t l i c h G e g e b e n e s . B eim essen der R ealität einem ersten G eschlechts hätten d u r c h s i c h von jenem Bilde, als
'unbildlichen G esetze d ag eg en ist E i n s i c h t , nicht G l a u b e . — dem ab so lu t sein m üssenden, sich nicht losreißen können, so
M endelssohn, Ja c o b i: — w as dabei w eiter gesp ro ch en w orden, ist doch nich t g esagt, daß sie dies nicht nach A nleitung an d erer
davon zu se in e r Zeit.) D iese U m schaffung ist ihnen möglich': verm öchten, u n d w enn andere ihnen dies L osreißen vorkon-
durch (jie A c h t u n g , w elche ih re O rd n u n g dem zw eiten G e strtiieren. H ier tritt w ieder ein das allgem eine G esetz der G eister
schlecht g eb ietet. Sie im p o n iert diesem in ih rer N e u h eit: — welt, die A usström ung nämlich des freien V erstandes, w enn er
diese A chtung näm lich ist Suspension ihrer F reiheit (sich los irgendw o durchgebrochen u n d K raft gew onnen, und die geistige
zureißen u n d d a rü b e r hinauszugehen), g eg rü n d et auf das ab U rheberschaft und F ortpflanzung überhaupt. Die erste P artei
so lu te W eltg esetz d e r M öglichkeit einer G eschichte, d. i. d er sieh t ein, daß die zw eite recht hat, m acht sich selbst frei; und
S ichtbarkeit d er F re ih e it ü b erh au p t. Sie sind b etäu b t u n d g e die A ufhebung des A utoritätsglaubens für diesen P u n k t w ird IV, 492
n ötigt, jen es Bild eb en so als A bsolutes zu setzen, w ie die ersteren zugleich die A ufhebung und V ernichtung des N aturglaubens. Die
IV, 491 es t un; auch weil es ihnen am G egensätze gebricht. Es ist Rollen ändern sich: wie das erste G eschlecht die W echselw irkung
eben die U nm öglichkeit, d er frem den A nsicht nicht die seinige an fin g durch das G eb o t d e r A c h t u n g , setzt das zw eite sie
zu u n te rw e rfe n ; doch so , daß sie uns eine frem de bleibt, weil fort durch E ntw ickelung dfes V erstandes, und w ird nun Lehrer
das dunkel gefühlte, n u r je tz t noch nicht ins W erk gesetzte ;: und U rh eb er an seinem Teile.
V erm ögen, den n o ch d a rü b e r h in auszugehen, nicht vertilgt ist. — i W ie w ird der Streit in diesem Punkte, wo er angehoben hat,
A udi ein G laube, ab er ein anderer, A u to ritätsg lau b e; b ed in g t verm ittelt w e rd e n ? Auf diese W eise: die V ereinigung soll bleiben;
in seinem D asein durch die B etäubung von dem frem den N atu r V erfassung und O rd n u n g ü b e r die streitig gew o rd en en V er
g lauben. hältnisse, ü b e r die die bisherige O rd n u n g freilich keinen Streit
W ie jedoch die E rsch ein u n g ihre N euheit verliert, weicht m ehr gelten ließ, m uß darum auch sein: also ein n e u e s Band.
die B etä u b u n g ; die freie P h an tasie des zw eiten G eschlechts reißt Die freig ew o rd en e Phantasie aber w ird gebunden nur durch klare
sich los, w irft den G lauben ab u n d bildet den G egensatz gegen Einsicht. ;Also — es m üßte üb er die streitigen P unkte eine
das, w a s b ish er das einzig M ögliche schien, und erreg t den O rd n u n g gefu n d en w erden, die d e r Freiheit ihr Recht angedeihen
K rieg d a g e g e n : fürs erste innerlich, in seinen V orstellungen; läßt, und sie b in d et n u r durch V erstandesgründe, durch Über-
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122 Angewendete Philosophie. Von der Errichtung des Vernunftreiches.
zeuguing; w elche O rd n u n g vielleicht von d er crsteren g a r sehr lassen, w ürde e s fortreißen zu einer B ew egung ohne allen inneren
sich u n tersch eid en könnte. — Ein n e u e s Band also, ein durch Anhalt, und so es vernichten. N ur in d e r V ereinigung der beiden
d en y e r s ta n d gesetztes. Prinzipien w ird ein w ah rhafter F o rtg an g gew onnen, dadurch eben,
D iese ,f reie Einsicht indes ist logische Folge aüs festen V oraus w enn d er G laube in V erstand sich auflöst, d er V erstand d ag eg en
se tz u n g e n ; .aber das vorhandene F este ist G l a u b e ; jene b eru h t an einem G lauben sich hält. D aß, w enn d er G laube allein herrscht,
also ,aiuf F o lg eru n g en aus dem vorhandenen N aturglauben, in kein F o rtg a n g sei, haben w ir schon erseh en ; w as da erfolge,
d er R egion, w o e r noch halt, durch die freie P hantasie noch w enn d er V erstand den G lauben verläßt, w erden w ir zu seiner
nicht au fg elö st, darum zugleich auch A utoritätsglaube ist. — Z eit G elegenheit haben, in Beispielen anzugeben. D as ab e r ist
D er F riede ist h erg estellt; ab er n u r für gew isse Z eit: auch das der F o rtg a n g d er G eschichte, daß im m erfort d er V erstand Feld
neu e G laub en sb an d , als Prinzip, ist dem folgenden V erstände ge.winne ü ber den G lauben, so lange bis der erste den letzten
zur P rü fu n g bloßg estellt. Es kann g a r nicht fehlen, daß diesl ganz vernichtet und seinen Inhalt aufgenom m en h at in die edlere
in denen, w o dieses Prinzip vorherrscht, d urch die G ew ohnheit'-: Form der klaren E insicht: daß jen er diesepi im m er m ehr die
von d e r H eiligkeit des G eg lau b ten nicht m ehr geschreckt, nicht A ußenw erke nehm e und ihn nötige, ins In n e re sich zurück
auch jen seits d esselben sich versuche, das Prinzip auflöse unU zuziehen nach 'einer bestim m ten R ichtung und Regel. (Aus dem
so streitig mache. Es w ird erfolgen, w as das erstem al; der V er Besitze g e w o rfen e r G laube h eiß t seitdem A b e r g l a u b e , Seit
stän d ig e w ird m it fo rtreiß en den G läubigen, es w ird das Bedürfnis d e m: dies w ird uns V eranlassung geben, eine w ichtige B em erkung
ein treten , die Einsicht zu finden, und eine neue O rdnung auch zu m achen.)
ü b er diesen P u n k t auf V erstandeseinsicht aufgebaut w erd en : — M an versteht ein geschichtliches Zeitalter, w enn man a n
Versta>ndeseinsicht, die daru m , w ie die erste, g e g rü n d et ist auf zu g eben verm ag, w iew eit dasselbe bestim m t sei durch den Ver- IV, 494
irg en d ein en G laubensartikel im H in terg rü n d e, für den die Zeit stand, w iew eit durch den G lauben, und an w elcher bestim m ten
IV, 493 d er A nfechtung auch kom m en w ird, und d er eben also g en ö tig t Stelle die beiden Prinzipien m iteinander im Streite Hegen. —
sein w ird, sich zu v erw andeln in eine V erstandeseinsicht, und sich W ie der Streit endigen w erde, w elches darum das N ächste sein
zu stützen auf einen im H in terg rü nde liegenden G laubensartikel: w erde für diesen, läßt sich übersehen. Dies darum ist der Schlüssel
und dieses nach dem selben Einen G esetze im m erfort; so lange zum V erständnisse aller G eschichte.
bis d er letzte G laubensartikel und das letzte R esultat desselben Beide Prinzipien haben ihre g eb o renen W o rtfü h rer; im Be
im Z u stan d e d er M enschheit au fg ehoben ist, und unser G eschlecht g in n e bestim m t durch die A bstam m ung aus dem ersten oder
aus re in e r und k larer Einsicht, darum mit rein er F reiheit sich zw eiten U rgeschlechte; nach geschehener inniger V erschm elzung
se lb st erb au t h a t; w o m it d en n w ohl seine ganze G eschichte in nicht g erad e dadurch m ehr, sondern durch alle die besonderen
diesem irdischen D asein ab g eschlossen w äre, und es betreten U m stände, w elche die individuelle D enkart der M enschen b e
d ürfte die S phären hö h erer W elten. stim m en. Beide sind abgesagte W idersacher; auch ist die Form
So darum v erhält sich die S ach e: G laube und V erstand sind d er B eschuldigung im m er dieselbe, hart ausg ed rü ck t: D u G o tt
die beiden G rundprinzipien d er M enschheit, aus deren W echsel loser — du D um m kopf! Es sa g t aber im m er d asselbe: D ir g ilt
w irk u n g sich erzeu g t die G eschichte. D urch d en G lauben ist das d er G laube nicht als höchstes P rinzip; dir gilt der V erstand nicht
M enschengeschlecht fertig, und erhält einen A nfangspunkt seines als höchstes Prinzip, — w orin beide Teile recht haben. D er Streit
L au fes: durch ihn w ird es im m erfort im Sein erhalten und ein kann zu Ende g eb rach t w erden n u r durch den ganz aufs reine
B estän d ig es und d er G rund einer D auer ihm eingepflanzt: durch gekom m enen, d. i. den, allen G lauben aus sich ausscheidenden
den V erstand erh ä lt es B ew eg u n g ; ja dieser sich selbst über-; V erstan d : denn das ist das V orrecht des V erstandes, daß er sich
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selb er e r k e n n t , indem er i s t , und darum auch erkennt, versteht P u n k t seines L ebens darum ist R esultat jen er beiden Daten. —
u n d zu w ü rd ig en w eiß seinen natürlichen G egensatz, den G la u b e n : D er tertninus a quo im B ew ußtsein, m it dem Zusatze, daß er
d ag eg en d er G laube n u r i s t , nicht ab e r sich erkennt und eben eben so sein solle, ist G l a u b e ; das G esetz für die Freiheit im
darum auch n ic h t seinen G egensatz. D a der W id erstreit völlig V e r s t ä n d e . — Jene E ntw icklung aber ist die Geschichte, be
au fg eh o b en . N icht bis ans E nde hind u rch g ed ru n g en er V erstand steh en d darum au s G l a u b e n und V e r s t a n d , dem Streite beider,
nur befein d et den G lauben, durch einen anderen G l a u b e n , an Und dem S iege des letzten ü b er den ersten.
die Z ulänglichkeit des V erstandes näm lich, die er doch nicht D ies jetzt anzuw enden auf den S t a a t !
einsieht: — indem auch in d er T at u n b ed in g t die Sache sich
nicht also verhält. D er V erstand ist nie erschaffend, sondern,
wie es das W o rt bezeichnet, ein U rsprüngliches verstehend.
E n t w i c k l u n g des S t a a t e s im S t r e i t e des G l a u b e n s
u n d d e s V e r s t a n d e s . (Es ist dies die G eschichte schon in
D ies alles g ilt als der G a n g der K ultur n u r in denjenigen ihrer M itte gefaßt.)
T eilen der M enschheit, w o jene W echselw irkung sta ttfin d e i — H a u p t e p o c h e n : 1. D er S taat als A bsolutes im G la u b e n : — IV, 496
Bei d e r A b so n d eru n g des zw eiten G eschlechts, das an sich un- im G lauben, also in einer g egebenen G estalt; für jeden in der,
495 g ezü g elt ist, m it g esetzlo ser P h an tasie u n d Freiheit, ohne O rd n u n g in w elcher er ihm g eg eb en ist. -
u n d R egel, e n tsteh t V erw ilderung, Abfall, da ursprünglich das F o rtb estim m u n g dieser G estalt und Form durch den partiellen
zw eite G eschlecht n u r tu g en d leer ist, nicht aber lasterhaft. V erstand, indes der G laube an den Staat ü b erhaupt feststeht. —
D ies n u r als G ren ze und A usnahm e: u n s g e h t es g a r nicht Al t e Wel t .
an, d a w ir n u r vom G an g e d e r Kultur reden, — eigentlich auch II. G änzlicher U n terg an g des S taates durch das Prinzip des
nicht die G eschichte ü b erh au p t. Die W ilden haben unter sich vollendeten V erstan d es: B e g i n n d e r n e u e n W e l t . — Er w ird
g a r k e in e : e rst von dem Z eitp u n kte an fallen sie d e r allgem einen zu einem Übel. F ortentw ickelung ,des V erstandes. G elten des
G eschichte anheim , da sie mit d e r K ultur in B erührung kom m en, Staats als eines M ittels, und als V orbereitung d er B edingungen,
und in den P ro zeß derselb en verflochten w erden. um die für die freie K unst entstandene A ufgabe — die E rrichtung
D ies das A llgem eine, w as erst feststehen m uß. W ie nun des Reichs — zu lösen. N euere W eltgeschichte bis auf unsere
in sb eso n d ere die B ildung des S t a a t s und die G eschichte dieses Z eiten.
Staats d arau s sich erg eb e, davon zunächst!
In d es ‘zur allgem einen Ü bersicht:
D avon au sg e h e n d : w ie das R e i c h beschaffen sein solle,
fanden w ir, daß es faktisch nicht so sei, auch füglich nicht, so
sein könne. W arum n ich t? — Ein g e s c h i c h t l i c h e r Z ustand
w ar zu e rk lä re n : dies nur dadurch, daß die G eschichte üb erh au p t
verstanden w ü rd e, d. i. das G ru n d g esetz des g egebenen Seins
aufgestellt.
H ier nun fan d en w ir: D as M enschengeschlecht ist f r e i ,
d. i. sich selb er erzeu g en d und fortentw ickelnd nach einem G esetze
aus einem g e g e b e n e n Z ustande, dem te rtn in u s a quo. Jed er
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Alte Welt. 127
überall g e le u g n e t — Nun. g la u b t a b e r ein solcher, der dies nicht Bonifatius noch nicht die letzte O ffenbarung G ottes a u sg e sp ro c h e n :
g e h ö rt hat, fest an die O ffen b aru ng des göttlichen W illens durch die rechte eigentliche im V erstände will eben noch g a r nicht
das L os; w as k an n denn d arau s erfo lg en ? Fürs e rste — E r , an die M enschen kom m en; auch er ist darum nur M ittel und be
d e r e r ist, ist durch sein en G lauben g erec h tfertig t; obw ohl e r dingendes G lied in d e r g ro ß en K ette d er M enschenentw icklung,
vor dem V erstän d e nicht d a rü b e r gerech tfertig t ist, daß er d ieser wie jene, — E benso, w enn R om ulus n u r fest g laubte an die
ist. S o d an n w as er, durch das Los b eraten, tut, ist, da w ir die O ffenbarung des G ottes durCh den.V ogelflug, und jenes A ugurium
F ra g e auf J a o d er N e i n g esetzt haben en tw eder das Rechte, d .i. wirklich g e h ab t hatte (nur w enn eines von beiden nicht w ar -
w as ihm ein hinlänglicher V erstand g era ten haben w ürde, oder w ar er ein B etrü g er): so w u ß te er es g a r nicht anders, als
n ic h t Ist das erste d e r Fall, so isFs g u t. W äre das letzte, so daß G o tt ihn berufen und bevollm ächtigt habe, und keiner, der
w ird einm al d er V erstan d d arüberkom m en, und es b essern ; weil denselben G lauben an O ffenbarung hatte, konnte es ihm a b
es als u n v erstän d ig in d e r F olge offenbar w ird : es hat also a "h streiten, so n d ern m ußte ü b erze u g t sein davon, so wie er selber.
zu r E ntw ickelung des V erstandes geholfen, diesen g efö rd ert duf:.;h. Er h a t'z u e r s t den G edanken gehabt, er den G o tt gefragt, und
einen F eh ler: dazu ist ja a b e r eben alles da.) 1) dess B estätigung erh alten : nun steh t es nicht m ehr in seinen
Zum göttlich en Z eichen zu dienen sind ab er passen d alle G elüsten. D aß ein anderer nachher noch frage, g eh t nicht; er hat
E reignisse, die d u rchaus gesetzlos erscheinen: V ogelflug, Ein d en G edanken eben nicht gehabt, und G o tt antw o rtet nicht auf ,
w eide d er O p fertiere, w er einem zuerst beg eg n et. So die be das schon B eantw ortete, — Dies seine B erechtigung vor aller
stim m ten w irklichen O rakel an einem heiligen O rte, selbst sich W elt: von G o t t e s G naden E rbauer und B eherrscher Roms.
g rü n d e n d au f eine frühere O ffenbarung. ~ M ögen h i n t e r h e r R esultat: D e r S t a a t u n d s e i n e V e r f a s s u n g e i n e a b
w ohl zum B etrüge gem iß b rau ch t sein von den U ngläubigen: der s o l u t g ö t t l i c h e A n o r d n u n g: w o rü b er nicht w eiter zu g rübeln,
G läubige w a g t es nicht! A ber jed er bestim m te U nglaube, als d i e d e n V e r s t a n d d u r c h a u s a b w e i s e t . Eine G l a u b e n s
etw as N egatives, setzt einen G lauben voraus, den er ab g e s a c h e für alle W elt: für die Stifter n a t ü r l i c h e r G l a u b e , für
sch ü ttelt hat, die U nterg eo rd n eten A u t o r i t ä t s g l a u b e ,
Doch w oh lg em erk t: — nach d er ersten A nsicht b edeutet W elche R e l i g i o n g ab dies, und w eichen S t a a t ? (H ier die
d er V ogelflug u. dgl. nicht ü b e rh a u p t e tw a s: dies ist D eutung G rundzüge der gesam ten alten R eligion, des gesam ten alten ^
des u n w issen d en Pöbels, und sein hoohverpönter A berglaube, Staates.) *
w ie es d en n auch die M odernen nicht anders w issen. N ur w enn 1. G o tt hatte durchaus keine B eziehung auf die M enschen,
d er G o tt a n g eru fen w ird um E ntscheidung in einem bestim m ten au ß er m ittelbar durch den Staa„t. N ur dieser für ihn da, als
IV, 500 Falle, b e d e u te t es; und zw ar in öffentlichen A ngelegenheiten, sein eigentliches W erk und W ille, sein A nliegen und Leidenschaft, iv, 501
denn etw as an d eres ist in diesem System e fü r den G o tt nicht Die Individuen nur in d er S taatsordnung, als G lieder des V ereins,
da — w ie ich sp ä te r erw eisen w erde. und als M ittel für dessen Zweck. N ach dem W illen G ottes w ar
W e n n nun K ekrops o d e r K adm us glaubte, daß sein G ott, das Individuum u n terg eg an g en im Staate. (W as einige neuere
d er Schutzherr seines natürlichen Reiches, ihn g e sa n d t habe, um Spitzköpfe sa g te n : G o tt sehe n u r das G anze, nicht die Indi
die W ilden von A ttika o d er T h eben zu m enschlicher Sitte zu viduen; ist echtes A ltertum , G o tt dann kein sittliches W esen,
bringen, so ist dies dem erleuchteten M enschen ebenso respektabel, kein W eltschöpfer.)
als w en n Jah rtau sen d e sp ä te r B onifatius glaubte, daß G ott ihn So alle A ndeutungen d er G ottheit bezogen auf den Staat,
in die germ anischen W äld er g e sa n d t habe. Kein Bonifatius w ar W enn in m einer H erd e eine M iß g eb u rt erzeugt w ird, wem w ird
m öglich, ohne K ekrops u n d K adm us: und so h a t denn auch es, w enn ich abergläubisch bin, etw as b e d eu ten ? Nach neueren
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Aiigewendete Philosophie. Alte Welt. 131
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Z eitbegriffen mir. Bei den Alten dem Staate, weichem die p ro d ig ia g ö t t e r e i , d. h. die verschiedenen E rscheinungen des Einen G ö tt
gem eldet w erden m ußten, und d e r sie p rokurierte ( proeurarej. lichen, g e g rü n d e t durchaus nicht auf irgendeine Spekulation,
Die A rroganz, die G o tth eit des Staates in seine individuellen so n d ern auf w ahr geg lau b te G eschichte. (H interher erst kam der
A ngelegenheiten zu m ischen, verhaßt und verboten (d aher b e deutende U nglaube; deutend, weil er nicht g lau b te; d er auch noch
so n d ere H aus- und F am ilien g ö tter— Lares, P e n a te s): U n te r unter uns herrscht, das A llegorisieren und M etaphysizieren.)
schied zw ischen religio und su p e rstitio . — D ies löst den bekannten m ythologischen Streit. W idersprochen
W o d er Staat zugrunde g e g an g en w ar, der G laube an die hat Voß richtig, nicht ab er das Rechte an die Stelle gesetzt:
G ö tter desselben aber noch io rtd au erte, w ie dies mit Ägypten selbst ungläubig, w as ganz recht ist, nicht jedoch begreifend die
u n d Ju d äa g esch ah : da erhielten die G ö tter solche P rivatangelegen Q uelle m öglichen G laubens und O ffenbarung.
heiten. — Beide V ölker in Rom d aiü r b e k a n n t; aber diese pere- G ö t t e r , w ir k l i c h e l e b e n d i g e N a t u r e n , die sich
g rin a e su p e rstitio n e s verpönt, — die C haldäer, Jud en so oft ^r- o f f e nbart haben, und fortoffenbaren, leben und w ir
ken.
trieben. %
D ie K onsequenz w ar, daß m an durch N achforschungen ciller- 3. Jeder g laubte nun natürlich am m eisten s e i n e m G otte,
d ings auch von diesen G öttern etw as ü b e r die Staatsschicksale hielt diesen für den m ächtigsten (versteckt für den w ahren und
h erau sb rin g en k ö n n e: sie w ichen den B eschw örungen u n d Z auber einzigen.) Dazu hilft Selbstliebe und Selbstvertrauen. Jedoch
form eln. D as sollten nun nur die tun, die dazu verordnet w aren. konnte er den an d eren nicht g eradezu ableugnen, m ußte ihn in
D aher w ar es so seh r verpönt, und ein M ajestätsverbrechen, nach dessen problem atisch stehen lassen. W ie es dam it stehe,, m ußte
dem Leben der C äsaren und dem Schicksal des S taates zu fo r sich finden, je d e r G o tt näm lich hat die T endenz zu w erden der
schen, Ein solcher m ußte A bsichten einer Staatsum w älzung haben. alleinige und rechte; das W e r k z e u g eines jeden sein aus-
2. erw
D ieser G o tt w ar nun nicht ein m etaphysischer, sondern ein ähltes V olk; w elches darum besiegen und unterjochen w ird
E r f a h r u n g s b e g r i f f : d er G o tt, d er nach dem G lauben d e r die anderen, das w ird den rechten G oti g eh a b t haben: d er k a p ito
V ölker sich so und so b ezeu g t haben sollte durch wirkliche linische Jupiter b ekriegt so den delphischen Apollo. — D arum
L ebenszeichen, B egebenheiten und Ä ußerungen, w orauf sich eben der Sieg zugleich ein Sieg ü ber die G ötter, die h erausgerufen
seine O ffenbarung g rü n d e t: — w ie näm lich g e ra d e diese Äuße- w u rd en : doch m it A chtung behandelt, denn m an konnte doch IV, 503
IV 502 ru n g e n im G lauben d er V ölker sich vorfanden. (C hristen fällt im m er nicht w issen, ob sie sich nicht rächen könnten.
diese Einsicht schw er, und v erw irrt die O ffenbarungsgläubigen.) Dies läßt sich an einem m erkw ürdigen Beispiele darstellen.
N u n w erd en diese O ffenbarungen bei verschiedenen V ölkern Das Recht des K rieges und der U n terjochung w ar sonach
höchst verschieden sein. — Die E i n h e i t G ottes, im völlig ab g e ein göttliches Recht, sich g ründend auf das Recht eines m äch
zogen en bildloseh Begriffe, ist m etaphysisch — die eigentliche tigeren G ottes, sich zu unterw erfen einen u n te rg e o rd n e ten : darum
M etaphysik selbst, und noch jetzt — Z euge die neuesten Streitig auf V erschiedenheit der G ötter. So zw ischen G riechen und
keiten — fällt es den M enschen beinahe unm öglich, sich dazu zu P ersern ; zw ischen Röm ern und G riechen und allen übrigen
erheben. D ie persönliche bildliche E inheit d er Israeliten und N ationen; weil jene eigentlich eine neue G ottheit hatten. (Bei
C hristen, den letzteren eben nicht befohlen, ist eben kein F ortsch ritt den T r o j a n e r n etw a n u r w ar es an d ers; diese w aren aber zum
des V erstandes. Jen e w aren w eit davon en tfern t: ihnen galt Glück unterg eg an g en .) Die H elenen d ag egen hatten gem einsam e
ein G ö t t l i c h e s ü b erh au p t, bestim m t durch seinen G egensatz G ottheiten (daher auch gem einsam e Spiele, W ettkäm pfe, als deren
m it dem M enschlichen; das sich nun g estaltete und personifizierte, gem einschaftliche V ereh ru n g : dies ihr eigentliches, natürliches
hier so, d o rt anders, durch seine Ä ußerungen. D aher die V i e l - V o l k s b a n d ) . D arum h atten s i e kein Kriegs- und U nterjochungs-
F i c l i t e , D i e S ta a t sl e h r e . 9 547
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132 Angewendete Philosophie. Alte Welt. 133
recht g e g e n e in a n d er: — :w ohl ab er das Recht der gegenseitigen Die Staaten des A ltertum s darum T h e o k r a t i e n ; das Volk
Aufsicht, ob die gem einsam en S tam m götter nicht zum Schaden W erkzeug G ottes, der seine M acht und O berherrschaft offen
des G anzen von einzelnen beleid ig t w tirden: d ah er ihre heiligen baren will, ausg eh en d auf ein Universalreich. Vom röm ischen
K riege. D er religiöseste S taat d er spartanische, der irreligiöseste Staate aus w urde d er Zw eck so ziemlich erreicht. An dem jü d i
d er athenische. D iese Einsicht g ib t den w ahren G ru n d von ihrer schen Staate sieht m an es ein, weil dies ein künstlicher, der
g eg en seitig en A bneigung. D as erste H eilige, die A r i s t o k r a t i e , N atur nachgeäffter Staat w ar, gleich nach dem Begriffe erbaut
beizubehalten, und die A chtung vor d er U n ab h ängigkeit helleni (w esw egen es in d er W irklichkeit auch niem als zu ihm kam ):
scher Staaten w ar sp artan isch er G eist. Die A thenienser verw andel sehe man es an den N aturstaaten des A ltertum s nur auch ein,
ten die A ristokratie in D em okratie, um eine g rö ß ere künstliche so w ird auch ü b e r das andere das Licht aufgehen, und m an
M acht zu haben (eine S eem acht), nach dem Prinzip, dessen A n w ird begreifen, w as uns in d er Regel so unbegreiflich ist. So
w en d u n g auch einen C h arak terzu g u n serer geg en w ärtig en Zi-'t. z. B. den G ru n d r ö m i s c h e r G r ö ß e — ihr G laube, ihre Reli
au sm ach t: daß dem bloß R egierten d er S taat nicht eigene An- g io sitä t: darin ist Livius viel w ert. — D iesen G rund führen
g eleg en h eit ist, er darum fü r ihn nur tut, w as er m u ß ; d ag egen der röm ische Schriftsteller selbst an. W arum hat man sie denn nicht zu
R egierende, w as er irg en d kann, und sich selber g rö ß e r und verstehen gesu ch t?)
reicher m acht, um m eh r zu können. Sie m achten die einzelnen
frei, und nahm en sie auf in den reg ieren d en K örper, um sie
fleißiger im D iensteifer, au fo p fern d er und das S taatsganze reicher II.
und m ächtiger zu m achen. D iese M acht nun gebrau ch ten sie zur W as d er Staat in seinem I n n e r n ? — Z uvörderst: die G ru n d
U n terd rü ck u n g d er F reiheit an d e re r hellenischer Staaten, welche lagen desselben sind die oben beschriebenen unsterblichen
* O peration, nach ihrem richtigen Prinzipe, allem al von E inführung Fam ilien, als die B estandteile, aus denen er sich zusam m etisetzte,
d er D em okratie ausg in g , — Im entg eg en g esetzten G eiste die die S t ä m m e ; zugleich das V ehikulum und die G ew ährleistung
IV, 504 S partaner, die m it ih rer natürlichen M acht u n d ’ der ihrer B undes der Erziehung d er folgenden G eschlechter zu M enschen. (Dies
genossen sich b eg n ü g ten , und nichts von ihnen begehrten, als die läß t sich durchaus nicht trennen, ohne die V olkserziehung an , 505
Ehre d er O b eran fü h ru n g . D aher jene A bneigung, daher d er pelo- die Stelle zu setzen: auf diese kom m t man aber nicht, ohne den
ponnesische K rieg, dah er die Parteilichkeit der gro ß en , selbst V erstand als das H öchste zu setzen, d er durch das absolute
atheniensischen Schriftsteller g eg en sich selbst für die S par G laubensprinzip eigentlich ausgeschlossen w ar u n d verpönt.)
tan er *); dah er die N iederlagen A th e n s; d ah er endlich die U nter diesen Stäm m en galt nun der U nterschied zw ischen den
Schw ächung des G anzen, bis sie zuletzt einer G ew alt anheim fielen, R e g i e r e n d e n und R e g i e r t e n , w ie er nun eben festgesetzt
diq durch g a r nichts b eg eistert w ar, als durch die klare ver w ar, als durch göttliches und absolutes Recht bestim m t, w orüber
stän d ig e B erechnung ihres V orteils, der des m azedonischen K önigs kein G rund w eiter anzugeben.
Philippüs, der jedoch bei allem dem , so w ie sein N achfolger, A r i s t o k r a t i e : — E rinnern Sie sich an die G riechen. V er
g e n ö tig t w ar, die äu ß ere F orm u n ab h än g ig er Staaten stehen zu änderung d er V erfassung in diesem Punkte, V e r g e h e n a n d e n
lassen. G ö t t e r n . Alle ihre g ro ß en Schriftsteller dieses G eistes. Platon
m eint nur, m an solle die Lehre von d en goldenen und silbernen
*). So besonders Xeriophon (s. de republ. L a c e d a e m verglichen mit:
de repubL Atfieniens), Thukydides (L. I.e. 18. usw.); auch Platon (deLegg. G eschlechtern dem V olke b e i b r i n g e n , um doch ihrem ein
u. de Republ) und Aristoteles (Polit L. II, c. 6. 11.) stimmen diesem Ur-, mal aufgeregten V erstände etw as hinzugeben; nicht daß er selbst
teile bei. es g eg lau b t h ä tte : sein G laube w ar ganz ein anderer. A risto-
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134 Angewendete Philosophie. Alte Welt. 135
p h an es; n u r im N am en d er R eligion und gegen G ottlose konnte des G ebrauchs, ein E igentum d er B ürger, ü b er dessen Besitz nun
er sich das erlau b en : die g anze griechische T r a g ö d i e g an z die G esetze entscheiden, und ihn entw eder als G em einbesitz m ögen
ausdrücklich dazu bestim fnt, den u n b ed in g ten G lauben an den bestehen lassen (bei den Spartanern z. B.), o d er ihn an die
göttlichen Ratschluß zu predigen. (W ieviel ästhetischer A ber einzelnen B ürger verteilen. S k l a v e r e i der Frem den, B esieg
glaube, in dem die neuere W elt liegt, w ürde hinw egfallen, w enn ten usf. — D iese daher keine E h e , sondern n u r contubsrnium
m an die an g estau n ten E rscheinungen u n ter den Alten, die w ir (nach röm ischem A u sdruck); keine F a m i l i e , ' d enn sie gehörten
g lä u b ig w ahrnehm en, historisch begreifen w ollte, und etw a neb en selbst zur Fam ilie des H errn.
bei auch seine eigene Z eit!) — Sokrates, indem er das V erstan d es Dies w erd e scharf gefaß t durch den G egensatz: Bei uns
prinzip b em erkbar m achte, und diesen ansprach und bildete, und G ru n d d er Rechte die M enschheit; diese darum auch G ründ des
auf sittliche und religiöse W ah rh eit richtete, griff clas eigent B ürgertum es, sie ist das H öhere. W ie diese Ansicht in der W elt
lich e Prinzip des A ltertum s in d er W urzel an, und w ar auf d t 4 : wirklich g ew o rd en und in den allgem einen G lauben eingetreten
W ege eine neue Z eit zu b egründen. Den Sophisten, die mit dem ist, davon zu seiner Zeit. Im A ltertum e w ar von M enschheit
V erstände nur spielten, R ednerkünste suchten, zu T äu sch u n g ! in g a r nicht, sondern n u r vom B ü r g e r t a r n e die R ede: dies allein
P rivatprözessen u. dgl., den N aturphilosophen hätte es hin G rund des bedingten Rechtes des einzelnen, das nur von seiner
geh en m ögen. Ihm nicht. Sobald eine nur ein w enig ernstere Stelle g ilt; also keinesw egs G l e i c h h e i t der Rechte, selbst
und das w ahre Prinzip des S taates erfassende, und zur H e r nicht des B ürgers. — D ieses B ürgertum es G rund der die P erson
stellung desselben von den S partanern, bei denen es nie u n ter um fassende W ille des G ottes: w en dieser eben nicht um faßt, hat
g e g an g en w ar, eingesetzte R egierung kam , w ie die 30 Tyrannen, kein Recht. — D araus klar, w ie d er Thrazier, der Syrer in seinem
m ußte er büßen. — M y s t e r i e n für die aristokratischen Stäm m e, L ande beim B estehen seines S taates Rechte h at; nicht w enn er in
die schon durch den Vorteil an die V erfassung geb u n d en w aren : Rom ankom m t. D a gilt d er syrische, thrazische G ott und sein r, 507
bei den P hilosophen der U nterschied zw ischen dem Exoterischen ,\Ville nichts, o der er ist ü berw unden und unterjocht, darum auch
IV, 506 und E soterischen: d er erh ab en e Unwille A lexanders, als er die die Seinigen.
g eheim eren Lehren d er P hilosophie vom A ristoteles bekannt g e Um es an einem Beispiele des G egenteils nachzuw eisen:
m acht sa h : die M anier P latons. — -W elcher christliche Philosoph O hne Zw eifel bestand ein g ro ß e r Teil der ersten Bevölkerung
d ag eg en w ird etw as w ahrfin d en und vor tragen, von dem er nicht Rom s aus entlaufenen Sklaven, V ertriebenen und anderen h erre n
w ünschte, daß es je eher je lieber Anteil des ganzen m ensch losen M enschen ohne B ürgertum : diese w ären nach dem gem ein
lichen G eschlechts sein, u n d bis zu dem niedrigsten V olke sich sam en Begriffe jenes W eltalters auch in Rom ohne B ürgertum
verbreiten m ö g e? W o d er U nterschied im Prinzip liege, davon geblieben. W ie erhielten sie e s? W ie traten sie ein in den Be
zu seiner Zeit! griff des kapitolinischen Ju p iters? A ntw ort: durch das vom Ro-
U nter den R e g i e r t e n — V erteilung der verschiedenen m ulus, als seinem Bevollm ächtigten, und in seinem N am en er-
A rbeitszw eige an die Stäm m e, so eben das ganze K a s t e n w e s e n Öffnete Asyl, die Erklärung, daß w er in Rom sich anbaue, w as
bildend. er auch vorher gew esen sei, frei sein solle und B ürger. In dieser
EndÜQh: d er M ensch für sich ist nichts, so n dern n u r d e r E rklärung w ar es Ju piter selbst, der ihn zum B ürger auf nahm ,
B ü r g e r , und zw ar nur als derjenige, u n d an der Stelle, w elcher m it dem im D ekret liegenden G erechtsam en. Die eigentliche
er zufolge seines Stam m es zugehört. W e r darum kein B ürger S tärke des Staates zusam m engesetzt aus den anderw ärts B ürger
ist, nicht in seinem Stam m e um faßt ist im B ew ußtsein des den schaftslosen. Dies Prinzip der A ufnahm e d auerte fort: so Lucum o
S taat errichtenden G ottes, hat g a r keine R echte; er ist S a c h e (Lucius T arquinius), und A ttus C lausus. (S. Liv, 1,3 4 .2 ,1 6 .)
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136 Angewendete Philosophie. Alte Weit. 137
(D adurch V orbild eines an deren sp äteren Ereignisses, das erst als N atürliches nachzuw eisem — Nach uns die U ngleichheit
d en S taat zerstören so llte; und dadurch die feindliche T endenz ursprünglich: zwei G rund- und Stam m geschlechter. In d er V er
g e g e n an d ere S taaten, die zu einem anderen gew alttätigen Akte, einigung dieser U ngleichheit u n d d er U n tero rd n u n g der Stäm m e
dem W eib er raube nötig te, ihm die K enntnis sein er Lage recht auf- konnte es sich freilich au f m ancherlei W eise g estalten ; dies ab er
d ran g , u n d ihn nötigte, zu siegen, o der unterzugehen.) w urde angesehen als eine un b ed in g te V erfügung des N ational
g o ttes, und erfaßt in diesem festen G lauben. — Die G leichheit
ist eine A u f g a b e für die praktische Freiheit. W ie -w ir oben
D araus S childerung des R echtsverhältnisses in d er alten W elt. sa g te n : F o rtg an g der M enschheit vom G lauben zum V erstände
Rechte und g eg en seitig e V erbindlichkeiten durchaus nicht gleich, sei G eschichte, ebenso könnte m an sag en ; von U n g l e i c h h e i t
so n d ern höchst ungleich zw ischen den B ürgern, bis herunter: zur zu G l e i c h h e i t ; denn das erste R esultat des die m enschlichen
völligen R echtlosigkeit d er Sklaven, den F reien geg en ü b er. D i/.re V erhältnisse durchaus ordnenden V erstandes ist die G leichheit
U ngleichheit durch einen absoluten, nicht w eiter begreiflichen in denselben, w ie w ir gesehen haben.
Beschluß der G o tth eit gesetzt, d er sich eben offenbart hat in den W ohlgem erkt, — so verhielt es sich ursprünglich: allenthalben
b ekannten T atsachen. U nd zw ar hat d er G ott in diesem seinem , im A ltertum e u n d ohne alle A usnahm e hat d er Staat also b e
Rechte ord n en d en Begriffe erfaß t die V äter der unsterblichen g o n n en . W ir haben — und dies ist eben der Vorteil einer ver- IV, 509
Stäm m e. Seit dieser Zeit n u n behält jeder Stam m die G erechtsam e, ständigen A nsicht d er G eschichte — den S t a a t d e s A l t e r
die er u rsprünglich hätte. t u m s ü b e r h a u p t u n d s c h l e c h t w e g geschildert.
IV, 508 F ür u n s nun ist dies eine N o tv e rfa s s u n g , befestigt nur (D ies prüfe nun jed er und suche es anzuerkennen. Es will
durch den G lauben d a ra n : d as bestim m te ungleiche Recht g rü n im g ro ß e n u n d ganzen angesehen sein. W as das einzelne an b e
det sich eben auf einen bestim m ten O ffenbarungsglauben d er langt, so kann man ebensow ohl Belege dagegen, als dafür b rin g e n :
V ölker, und w ird geh alten u n d allen erträglich gem acht durch ü b erh au p t diese nicht z ä h l e n ! Es kom m t nur darauf an, die
diesen G lau b en ; in seinen beiden G rundform en (als N atur- und G r u n d r e g e l der E n t w i c k l u n g zu fassen, — nicht to t die
A utoritätsglaube). A nekdoten, sondern mit , Leben das fortgehende Leben anzu
(„Ich stehe an diesem Platze, weil es G ott so g e w o llt/' W ie schauen, w as freilich nicht jedem g eg eben ist. E rstreiten läßt
w ir noch jetzt, ebenso die A lten: so in d er K om ödie d er Alten hierin sich noch w eit w eniger, als in d er stren g en W issenschaft:
die Sklaven oft sich tröstend, w ie u nsere gem einen L eute: w ir dies ist schon A nw endung des w issenschaftlich gebildeten V er
können nicht alle reich sein, d er arm e M ann m achPs wie er standes.)
kann, u. dgl. W elch ein G rund u n terschied jedoch sei in diesem
G lauben d er Alten, und dem d er N eueren, an G ott, als den U r
h eb er d er U ngleichheit, w erden w ir zu seiner Zeit sehen.) So indessen b l e i b t es nicht. D er A u t o r i t ä t s g l a u b e , g e
Über den U r s p r u n g d e r U n g le ic h h e it unter den g rü n d e t aufs Im ponieren, unterd rü ck t und b etäubt nur die
M e n s c h e n w ar einst die P reisau fgabe einer A kad em ie: R ousseau. U n tergeordneten. — Sie sind doch gleichw ohl B ürger, und haben
(Sie g eb en dies jetzt nicht m eh r auf: die draußen sind den Aka ihren Anteil an den allgem einen Pflichten. Ü ber dieses B e
dem ien ü b er den K opf gew achsen, und haben vor ihnen den s o n d e r e , i n i h r e m U m k r e i s e L i e g e n d e , den V e r s t a n d
R espekt verloren.) Bei diesen F ragen denken aber alle im m er zu gebrauchen, u n tersag t ihnen d er n u r a l l g e m e i n e G laube
an K u n s t ; bei dem , w as ihnen nicht ansteht, an List und B etrug: nicht. H ier ist er nicht verschanzt, und gibt Blöße. Es kann nicht
die K unst kom m t jedoch im m er erst nach — d er N a t u r : darum fehlen, daß die R egierten nicht häufig glauben sollten, bisw eilen
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Angewendete Philosophie. Alte Welt, 139
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m it U nrecht, bisw eilen auch w ohl mit Recht, sie hätten dieses gesprochene, o d er in dem allgem einen G lauben d er V ölker liegende
o d er jenes b esser verw altet. So g ib t sich ihnen der U nglaube K onstitution. — T yrannen nur im Zeitalter d er K onstitutionen.
an die U ntrüglichkeit d er R egenten von selb st in die H ände, (D as glänzendste und zum Glück uns zugänglichste und offen
b eso n d ers bei eigenem Leiden und U ngem ach. (Um desto m ehr, vor- A ugen liegende Beispiel dieses K rieges u n d seines Erfolges
je m ehr die R egierten für d en Staat w irken, und für ihn dulden ist die r ö m i s c h e G e s c h i c h t e . Am Senate in seiner E rblich
und tra g e n m üssen: dies der d u rchgehende M aßstab. Ist der keit, nach den Begriffen des A ltertum s, w ar schon beim B eginne
Staat im tiefen Frieden, o d er g ib t es eine eigene Kaste der Krie- das K orps d er A ristokraten festgesetzt und abgeschlossen: sie
ger, und die R egierten w erd en in die W erkstätten und an den w aren eine v e r m i t t e l n d e M acht zw ischen den K önigen und
A ckerbau verw iesen, so zeigt sich dies alles w eniger.) Jetzt ver der plebs. Sie, nicht das Volk hoben die K önigsw ürde auf; der
langen sie Teil an der R egierung. Es beg in n t der Streit der D em o erste Schritt zur K onstitution und D em okratie. Sie, — dem Volke
kratie m it der A ristokratie. Ist auf jene W eise d er G laube ein./, w äre es auch nicht e i n g e f a l l e n . (U nsittlichkeit, V ergreifung
mal durchbrochen, so stellt sich ihnen die Einsicht, daß alle ; an keuschen M atronen verm ochte, w as alle T yranneien des Su
G lied er des S taates das gleiche R echt haben z u r Teilnahm e p erb u s nicht konnten. So w iederholte es sich nachher auch bei IV, 511
der R egierung. In den leidenschaftlichen V erhandlungen darü b er den Dezem virn. Nichts h e b t den G lauben so gew altsam auf,
510 kann es nicht fehlen, daß, da m it V erstandesw affen g estritten als tierische L ust der G ottg eb o rn en .) D ies w ar nun nichts w ei
w ird, die A ristokraten, w enn sie n u r ü b erh au p t auf dieses Feld ter, als V ernichtung eines G liedes der V erfassung, dessen G ew alt
sich b eg eb en , vor sich selb st und in ih rer eigenen Einsicht b e s i e g t üb erg in g an den Senat. — E benso erging es in G riechenland, ohn-
w erden, uitd nachgeben. — E r w e i t e r u n g der A ristokratie; ein g efäh r aus den gleichen G ründen, p e r trojanische Krieg und
neues u n d zw eites G eschlecht d er A ristökraten, nicht durch den seine E reignisse stürzten das K önigtum . — Die A ristokratie w ar
W illen G o ttes, s o n d e r n . durch die K o n s t i t u t i o n des Staates. nun innerlich verändert, ihres persönlichen E inheitsbandes ver
D iese K onstitution eröffnet nun m ehr o der m inder allen B ürgern lustig, an dessen Steile ein inneres, konstitutionelles trat, z. B.
die M öglichkeit des E intritts in jenen Stand. — Bem erken Sie W a h l g e s e t z , da zu den K önigsrechten alle A ristokraten das
w ohl den untersch eid en d en C h arak ter derselben. D iese V erände gleiche R echt hatten. Nach außen also, in B eziehung auf die
ru n g in d er N atu r der A ristokratie bildet eine H a u p t e p o c h e ; plebs blieb sie politisch d ieselbe; faktisch und historisch aber
hier tritt näm lich zu erst ein V erstandesprinzip in Kraft, die K on w ar das V erhältnis folgenderm aßen verändert.
stitu tio n , g e g rü n d e t auf V erstan d esberechnungen. So das Ende D er so n st fürs Leben bleibende geheiligte Ausfluß aller G e
der T h e o k r a t i e . (D er K onstitution g eh t n o tw endig eine Zeit w alt vom K önige aus, fiel hinw eg. Die Einheit w ard zum bloßen
des Staats voraus, wo sie noch nicht ist.) B e g r i f f e , dargestellt in w andelnden P ersonen, die außerdem
K onstitution = G esetz ü b e r E rrichtung des regierenden K ör auch auf andere Art bekannt w aren (in denen die M ajestät nur
pers. E rrichtung, sage ich, G e n e s i s . In d er T heokratie i s t er, akzidentell w ar, durch Z eit beschränkt, nicht substantiell ihnen
und leb t unsterblich in den unsterblichen Stäm m en. beiw ohnend). Ein M ittelglied w ar aufgehoben, und das H öchste
N och d ies: W as b ü rg t für die K onstitution? G l a u b e n an grenzte unm ittelbar an das N iedrige.
g eg en seitig e T reu e, g e b a u t selbst auf G lauben an die R eligiosität, Die A ristokratie w ar darum durch die A ufhebung des KÖnig-
durch Eid u. dgl. D enn w elch ein höheres G esetz gäbe es noch tum es geschw ächt, d. i. d er G laube an sie sichtlicher dem p rü
ü b e r die K o n stitu tio n ? — W e r diesen G lauben verletzt, w ird fenden V erstände ausgesetzt. A ußer anderen G ründen erleichter
m it dem alten W orte ein T y r a n n , m it dem neuen ein U s u r ten zu Rom den A ngriff des letzteren die grö ß ere A nspannung
p a t o r g e n a n n t: ein G ew alth ab er gegen die entw eder deutlich aus- des V olks für den Staat in den b eständigen harten Kriegen, so-
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dann das tägliche B eisam m enleben in E iner Stadt, und die m ög sie m ußten es w ohl selbst fest glauben, m ußten auch w issen,
liche g e n a u e B eo b achtung d er Persönlichkeiten. — Er begann daß alle W elt w enigstens die Präm issen dieser Schlüsse fest glaube.
von seiten d er plebs m it F o rd eru n g persönlicher F reiheit und Sie w aren nicht die N e u e r e r , so n dern die A l t - und R e c h t -
Schutz g eg en G ew alttätig k eit an den P ersonen, u n d hob in fo rt G läu b ig en : die N euerer, K etzer und F reigeister w aren in der T at
gesetzten Siegen sich bis zur F o rd e ru n g d er kurulischen W ürden, ihre plebejischen G egner.
als d er T eile der eigentlichen königlichen G ew alt, und d er g e B em erken Sie so d an n von der ändern Seite, daß, nachdem
m ischten E h en ; m ithin zur F o rd e ru n g d er A ufhebung alles U n ter nicht n u r durch die K raft des V olkes, sondern durch den Ü ber
schiedes zw ischen ihnen und der A ristokratie selbst, zur F ord eru n g tritt m ehrerer d er A ristokraten zur Ü berzeugung dieser Partei,
der R echtsgleichheit aller B ürger durch die G eburt. — Bem erken die N euerer gesetz- u n d k o n stitutionsm äßig ihre F o rd eru n g d u rch
Sie von d er Einen Seite, zum sichtlichen Bew eise der W ahrheit g esetzt hatten, u n d das K onsulat z.B . aus den plebejischen Stäm- IV, 513
m einer aufgestellten T heorie. — (Sie k ö nnen dies alles b :m m en besetzt w erden durfte, dennoch d er alte V olksglaube so fest
IV, 512 Livius nachlesen, dem unverd äch tig sten G ew ährsm anne, da er j o n hielt, daß sie von dieser V erstattung keinen G ebrauch machten,
u n serer T h eo rie gew iß um die beinah zw ei Jah rtausende e n t so n dern fortfuhren n u r aus den P atriziern zu w ählen; so daß
fernt ist, die zw ischen un s liegen.)- Die G eg en g rü n d e d er w ahr ihre G egner, entschlossen die Revolution durchzusetzen, genötigt
haften, echten A ristokraten w aren religiöser A rt: w ie denn die w urdeji, eine and ere höhere O brigkeit, tribmios militares coti-
P leb ejer die A uspizien, O pfer, u n d alles G ottesdienstliche ver*. sulari potestate m it vier, fünf, sechs und m ehreren Teilnehm ern
w alten k ö n n ten ? ob denn zu diesen die G ö tter redeten, diese für zu ernennen; daß E iner der Konsuln ein P leb ejer sein m ü s s e ,
sie ü b erh au p t da seien, und sie von ihnen w ü ß te n ? Die gem ischten um die kurulischen W ürden nur an sich zu b rin g en : u n d dies,
E hen betrach teten sie w ie V erm ischung m it T ieren. — Die G e w ährend m enschlicher A nsicht nach die plebejischen K onsuln und
schlechter (die göttlichen) w ü rd en dadurch ungew iß. K urz: aus D iktatoren mit ebensoviel G lück und Kraft den Staat verw alteten.
drücklich nicht als ein V ergehen gegen s i e , die A ristokraten, (Livius nennt dies M äßigung. Persönliche Rücksichten auf die
so n d ern als A uflehnung geg en die G ötter. D a w urde eben d er Patrizier aber w aren es sicher nicht; sondern es w ar religiöser
reine G laube, der auch den an d eren an g em utet w ird, als an er G laube. Doch welch ein unbilliges, d er M ajestät des w ählenden
kan n t und offenbar v orausgesetzt. W ie d er Plebejer, dem n atür Volkes selbst E intrag tuendes G esetz, nach welchem es g a r w ohl
lichen V erstände folgend, dies g erad e ergreift, um die A risto erlaubt war,., zwei plebejische K onsuln zu ernennen, durchaus
k raten v erhaßt zu m achen: da höre man es; sie schlössen so g a r aber nicht zw ei patrizisch e!)
die plebs aus von den g em einsam en G öttern. F e r n e r , wie, nachdem n u r dieser Satz des V erstandes sich
(Ich selb st habe in frü h erer Ju g en d dies oft mit E rbitterung g eltend gem acht hatte, m an hinterher das G esetz einschlafen ließ,
g elesen : und so jed er N euere, selbst d er erklärteste A ristokrat. und gew öhnlich n u r aus schon senatorisch gew ordenen Stäm m en
Alle m o derne A ristokratie d er G esinnung ist nur ein Schatten w ählte; also, daß Cicero zu seiner Z eit es als ein seltenes W u n
g e g e n die alte! W o h e r dies, davon zu seiner Zeit. — A ber ich der preisen konnte, daß er als novas homo das K onsulat erlangt *
b itte: dachten diese M änner etw a boshafterw eise sich nur so habe, da doch schon Jah rhunderte vor seiner G eburt alle
etw as aus, rein aus den F in g ern es s a u g e n d ; u n d w arum fürch Jah r w enigstens ein novas homo zum K onsulate erhoben w erden
te te n sie nicht, daß alles Volk sie stein ig e; und w arum steinigte m üßte. . i
sie dieses nicht in der T at, — o der schickte sie ins T o llh au s?
W ie es, w enn w ir nicht so g a r zahm w ären, heute gew iß jedem
erg in g e, der eine solche Lehre von sich hören ließe. N ein;
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Bleiben w ir stehen :bei d er röm ischen G eschichte, um so eher konnten die P lebejer die V ornehm en plagen, und taten es.
gleich am Beispiele den F ortsch ritt von jenem Siege des V er Auch durch die E ro b eru n g en w urde ihre Ruhe nicht g e fä h rd e t;
stan d es und den b erechneten K onstitutionen aus darstellen zu aus diesen E inkünfte und T ruppen, ohne die souveränen B ürger
können. d er H au p tstad t zu belästigen, die nichts begehrten, denn panem
Ich b eh au p te: M it dem E inschlafenlassen jen er G esetze für et circenses. — M ithin: jene Sätze g alten gesetzlich; keiner leu g
die A n w endung ging d er alte S taat zugrunde, und bew ies seine nete sie. Doch wirklich zu r e g i e r e n ? Dies konnte sie nur in
innere E rstorbenheit. kom m odieren; so hatten sie es besser. D er Staat w ar ihnen ein
1. D er A nalogie nach, w ie der Senat das K önigtum stürzte, F r e m d e s , wie Tacitus sp äter sagt. — So bei dem g ro ß en V olke; IV, 515
das Volk den S enat besiegte, so h ätten auch die S k l a v e n die — d er V erstand ist kein treibendes Prinzip.
514 B ü r g e r . D azu k o n n te es nun nicht kom m en innerhalb des B ürt er- Bei den A ristokraten d er G laube und die B egeisterung daran
tum s, da jene g ar nicht B ürger w aren. Dazu bedurfte es a n d e ' T veraltet, erbleicht, verschw unden: darum auch in ihnen kein A n
erw eitern d er Prinzipien, u n d einer tiefer greifenden U m kehrung trieb für den S taat zu w irken. Der Staat ist keinem m ehr G egen-
der Begriffe, zu d er es sp äter auch kam. — N achdem also die s ta n d .u n d A ngelegenheit: w eder um in ihm seine eigenen Ange-
B ürger gesetzliche G leichheit der R echte erru n g en hatten, w ar legerfheiten zu bedenken, weil diese schon bedacht sind, noch
d er F ortsch ritt der alten G eschichte-geschlossen. um in ihm das W erk des G ottes zu treiben, weil dieser den G e
2. W ie ab er erstarben sie: und w arum folgte aus jen er R e d anken entschw unden ist.
volution nicht, w as m an hätte erw arten sollen? Aus folgenden W as w ird nun das A ugenm erk? D as persönliche W ohlsein.
G rü n d e n : W as dadurch d er S ta at? D as G ehege, innerhalb dessen w ir
D er V erstand will recht haben und b e h a l t e n , sich nicht sicher sind. — Es tritt in die allgem eine D enkart die Ansicht
für U nverstand, o d er für u n g ü ltig ausgeben lassen. S o w e it b e ein: der G enuß des L ebens ist Z w eck, des L ebens; d er S taat
g e iste rt er zur feurig en Tat. W enn m an ihm nun sein Recht nur das M ittel dazu; kurz ganz und g a r dasselbe System , das
w iderfah ren läßt, ist er befriedigt, und hat in sich unmittelbaV w ir oben geschildert haben. Ehem als ist es dagew esen, jetzt w ieder.
keinen tatb eg rü n d en d en T rieb. Er ist spekulativ und betrachtend. D er Staat M i t t e l ; dies auf eine doppelte W eise: zur E r
Soll durch ihn das in d e r E rkenntnis D urchgesetzte auch im h a l t u n g des E rw orbenen, und um zu gew innen, durch das Re
L eben erru n g en w erden, so m üssen m it ihm andere A ntriebe sich gieren selbst zu verdienen, w eil man es sich g u t bezahlen läßt.
vereinigen. W elche? Z u erst — w as ihn auch vornehm lich en t D as erste für das Volk, das zw eite für die V ornehm en. S teht
w ickelt — die S orge fü r persönliche Sicherheit und W ohlsein. es auch dem Volke offen, so w issen diese doch nicht so B escheid;
D iese t r e i b t un m ittelb ar; ist sie ab er ohne seine D azw ischenkunft sie w ürden auch m it ganz anderen M itteln von der H absucht
befriedigt, so bleibt er ruhig. — Auch noch ein an d eres: d e r und R aubgier abgew iesen w erden. D iese, sich verbergen m üssend,
p r a k t i s c h e T rieb, — den w ir K unsttrieb nennen m öchten, die erlaubt sich auch v erb orgene krum m e W ege, nicht m ehr fechtend
Liebe zur G estaltu n g des V ersiandesgebildes re in um des Ge- bloß m it den W affen des V erstandes. (So ihre V aterlandsliebe,
staltens w illen. — D ieser tritt ein bei einer sehr hohen und sehr w ie ein E ngländer sagt, gleich der Liebe zum R in derbraten; jeder
verbreiteten A usbildung des V erstandes, und bei einer hohen schneidet davon sein. Stück!) — Dem Staate nun erging es in
S icherheit und R uhe des persönlichen D aseins, und g eh ö rt nicht d er Regel so : der V ornehm e w ollte allerdings die Staatsw ürden
verw alten, die H eiligtüm er usf. innehaben (ihrer im H erzen
hierher.
In Rom nun w ar die Sorge für das persönliche W ohlsein lachend; siehe C icero!); aber nicht um ihrer selbst willen, so n
befriedig t nach jenen Siegen durch höchst b e g ü n stig en d e G esetze: dern um Prokonsulate, P ro p rätu ren zu erhalten, und in diesen
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die Provinzen zu p lü n d ern ; diese vielleicht auch tapfer erobernd W enn es nun einmal dazu gekom m en ist nach diesem Prin- iv, 517
und v erteidigend, w ie d e r R äu b er seinen R au b : — weil jenes E rste zipe, daß eigentlich g a r keiner m ehr für den Staat, sondern alle
die B edingung, das Letzte d er Lohn w ar. Die Plebs, durch die nur für sich selbst sich interessieren : w ie kann d er S taat fort-
W ohlfeilheit der L ebensm ittel, die öffentlichen Spiele, Trium phe, d auern, leben u n d sich regen, vielleicht seine g rp ß te W irkung
IV, 516 G erichte, W ahlversam m lungen abgehalten und beschäftigt, b e nach außen haben seit dieser Zeit, wie in Rom es doch gesch ah ?
g eh rte nichts w eiter. Es tritt vielleicht ein G e n i a l i t ä t : B egeisterung und G e
Z e i t a l t e r d e s L u x u s ; d essen Prinzip, richtig erfaßt, darin triebenw erden durch das bew ußtlose religiöse Prinzip.
lieg t: das irdische L eben und sein G enuß letzter Zw eck, nicht 1. M an hält dies für ein Zeichen einer g u ten Z eit: um es um
M ittel; alles andere n u r M ittel dazu. Aus diesem folgt dann zukehren, begreifen Sie es als Zeichen einer bösen, verfallenden.
das übrige. — Die röm ischen Schriftsteller, Livius, Sallust, s, In der guten a l l e o h n e A u s n a h m e b eg eistert vom W illen
setzen offenbar darein den Verfall des Staats von d e r ehem alig a G ottes, u n d sich, erfassend als sein W erkzeug. D a isFs keine
inneren Stärke u n d E h rw ü rd ig k eit: luxuria perditi mores. ^ M erkw ürdigkeit; w ird es g a r nicht b em erk t: ein solcher kein
N icht g e ra d e die g r o ß e Schw elgerei; darauf kom m t es nicht G enie, denn Einer eben wie alle. D enken Sie das Urvolk. — In
an, W ir sind nicht so, weil w ir die M ittel dazu nicht haben, der schlechten Z eit alles versunken; ab er ein e i n z e l n e r : da
auch nicht die physische K raft; sind aber nicht um ein H aar is f s W un d er! Livius bem erkt es als ein B esonderes in den puni-
besser. Jenes Prinzip, als das Leben bestim m ende, m acht es schen K riegen, daß, w elchen m an auch herausgegriffen, alle den
aus! — D iese D enkart nun ist nichts P o s i t i v e s , U rsprüngliches, Staat gleich g u t geführt. D ies als ein E igenes g ep rie sen : ein
W äre dies, w ie sollte d er M ensch zu etw as B esserem kom m en! S enat von K önigen; im Vergleiche mit dem A uslande. Später,
Sie ist die negative. W en n die Sittlichkeit, die eigentliche Kraft hätte m an dem M arius, Sulla, P om pejus, C äsar, A ntonius, Octa-
des V erstandes, die K unsttriebe, die R eligion verfällt, so tritt vian jeden ersten besten aus dem H aufen gegenüberstellen k ö n
sie ein. D er M ensch m uß irg en d einen M ittelpunkt haben, auf nen, w ären sie denn das gew orden, w as sie w a ren ? V ergleichen
den er alles beziehe. Ist ihm alles and ere entzogen, so bleibt Sie nur ihre Z eitgenossen, die öffentlich geschändeten R äuber
er sich selbst in seinem sinnlichen D asein. D ies ist ihm das (V erres), G auner, W ucherer, G esetzverdreher und U m geher, —
Sichere, denn er ist das A llerletzte und Schlechteste. Livius hat B estechende und B estochene, gänzlich aufgegangen im scham
es w enigstens g efü h lt: d er Verfall aus d er V e r a c h t u n g der losesten E igennütze. Sie w aren nicht g ro ß an sich; in jene alten
G ötter. W o h er nun ab e r d ie se ? H aben die A ltvordern sich b o s Z eiten versetzt, der M ittelstab: g ro ß n u r durch die K leinheit der
h afterw eise v orgenom m en, sie zu v erach ten ? ■-*- Es w ar n o t U m gebung.
w en d ig nach dem G esetze d er Z eit, durch den A ngriff des V er 2. D as religiöse Prinzip, b e w u ß t l o s w irkend: es bleibt
stan d es, der erst nach Jah rtau sen d en die Kraft gew innen sollte, übrig fürs erste in der Sprache: ergreift so das jugendliche G em üt '
das scheinbare Ü bel w ied er gutzum achen, und an die Stelle der u n d entzündet da die Flam m e. — D iese G e n i a l i t ä t folgt auf
v erschw undenen T h eo k ratie eines praktischen G ottes zu setzen ein praktisch religiöses Zeitalter, und kann sich verstecken in
das Reich des w ahren u n d ew ig en G ottes. Bilder der N ationalgröße, der N acheiferung, des persönlichen
Z e i t a l t e r d e s E i g e n n u t z e s h erb eig efü h rt durch den E hrgeizes. — Sie erzählen, daß den T hem istokles die T aten des
im Streite ü b e r K o nstitution erschütterten G lauben, indes der M iltiades nicht schlafen ließen. Ich bitte, w aren denn die T aten
V erstand selbst keine b eg eistern d e K raft hat. D ieser letztere w ird an d er Schlaflosigkeit schuld, o der etw as im T hem istokles se lb st?
nun zum B erechner des V orteiles: — A ufklärung. — W enigstens tausend P hilister zu A then w ußten sie eb e n so g u t; iv 518
tausend Philologen seitdem nicht m inder. W arum denn diese
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nicht? Ei, dabei konnte: m an um seine g esu n d en G lie'dm aßen Z eitalter folgt das geniale. D er g rö ß te Teil der Z eitgenossen
kom m en; ich lobe m ir m eine Ruhe und Bequem lichkeit, und m ein d er G enialen ist durchaus gem ein, also ohne H eiliges. D iese
O rd in äres an Speise, T ran k und Schlaf. W as will der M ensch letzteren selbst, obw ohl o hne ihr B ew ußtsein getrieb en durch
m ehr! — N ein, ih m stan d en solche T aten da als das, w as schlecht das G öttliche, können in dem, w as zum B ew ußtsein kom m t, sehr
hin sein solle, und a u ß er ihm nichts, als B estim m ung des M en profan und gottlos sein ; sind es auch gew öhnlich, als K raftgenies.
schen, als das einzige, w as ihm W ert g ib t: w as ist denn dies In einem solchen Z eitalter verstum m en darum alle religiösen A n
nun, als das G öttliche im M enschen? — Dies die Präm isse, ent klänge, w erden zu einem , dessen man sich in g u ter G esellschaft
wickelt, w er kann w issen, w ie? Die T aten des M iltiades w aren schäm t. D a darum keine m ehr um herfliegen, so können auch
n u r das Bild, in dessen B eurteilung sich jene tiefere P räm isse keine m ehr herabfallen und zünden in jungen G em ütern. Sprache
zeigte. i und Begriff des Z eitalters gehen ganz auf mit d er Sinnenw elt,
und m it der B erechnung derselben durch den Eigennutz.
2. Ist es auc:h nicht nötig. Es darf n u r eine Form , die den a b
D urch dieses ü b er die E igennützigkeit sich erhebende Prinzip: g eg an g en en H errscher ersetzt, gefunden w erden, u n d d a findet
d er genialen B egeisterung w urde in den letzten Z eiten der röm i sich ja aus d er U rm onarchie die E r b l i c h k e i t im Stam m e: und
schen R epublik die W eltero b eru n g (des Reiches des alten poli so w ird ein solches dem S taate entfrem detes Volk sich sogar
tischen G ottes) vollendet, und alles unterw orfen dem Ju piter freuen, daß es auch m it W ahl und E rn en n u n g keine Sorge habe,
C apitoiinus. so n d ern daß sein H errscher ihm im W ege d er N atur ohne sein
W elche F o lg e dies für den K ultursiaat ü b erh au p t hatte, da Z utun geb o ren w erde, w ie ohne sein Z u tu n die Sonne ihm au f
von sodann, nachdem ich erst die angegeben, welche es in ner g eh t und u n tergeht. (B em erken Sie, daß diese Erblichkeit hier
lich gehabt. * k ü n s t l i c h konstitutioniert ist.) — W ie nun einem solchen Staate
D er G eniale, d er allein zu reg ieren versteht, will es auch sich solle aufhelfen lassen, ist durchaus nicht begreiflich: in ihm
a l l e i n ; die, so es nicht verstehen, besonders, w enn n u r für ist das L eben e r s t o r b e n . H at er keine ausw ärtigen Feinde,
das, w as allein sie b eg eistert, für ihre persönliche Sicherheit und so kann er als dieses corpus m ortm im fortdauern, D er erste A n
W ohlsein g e so rg t ist, k ö n n e n nicht w iderstehen, noch w o l l e n fall derselben aber w irft ihn sicher ü ber den H aufen. —
sie ; der S taat g e h t aus der D em okratie w ieder ü b er zur O ligarchie In dem eigentlichen B ürger die Religion aufgegangen in
und M onarchie, — und endet hierin seinen Lauf : eine zw eite ganz Sinnlichkeit. —
andere H errsch aft der G e n i a l e n , d o rt der G o t t g e s a n d t e n . A ber das B ürgertum um faßte nicht die M enschheit: denn im
Je n e r Recht das des g eistig S tärkeren. D ort das O p fer d er G leich röm ischen Reiche 1, S k l a v e n : zum Teil m it hoher A usbildung
h eit dem göttlichen W illen, hier, das der schon errungenen d e r des V erstandes, — K ünstler, Räte, Freunde, E rzieher d er H erren.
eigenen Faulheit, F eigheit, N ichtsw ürdigkeit gebracht. — T heo- — D iese hörten von der G ottheit, von H eiligkeit: sie selbst
k ratie — G eniokratie. — (Nach T acüus — M ü d i g k e i t , also sollten keinen Teil daran haben. 2. Alle die u n t e r w o r f e n e n
F eig h eit: in cu ria reipablicae u t a lienae: „W en g e h t der Staat V ö l k e r : ihre V oreltern verehrten einen starken und m ächtigen
etw as an, w enn ich nur sicher bin m eines Lebens und m eine G ott. — W o ist er h in ? Ist er tot, o d er hat er uns v ersto ß en ? IV, 520
N ah ru n g habe, w as will ich m ehr! Ich halte es w enigstens für 3. Das gesam te w e i b l i c h e G e s c h l e c h t : u n m i t t e l b a r auch
reichlichen G ew inn, für jen es nicht so rg en zu m üssen.“ ) au sg esto ß en — nur M ütter der Kinder, nicht B ürger. D ennoch
519 So d er U rsp ru n g der zw eiten M onarchie — durch G enialität: hörten sie davon, h atten zugleich die höchste Em pfänglichkeit.
ab e r nicht jede w ird so fo rtg e se tz t; d e n n : 1. Einem religiösen D er M ann durch T aten ze rstre u t: sie ruhend, bedürfend einer
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U n m ittelbar ist also. G ott nur sittlicher G esetzg eb er: aber — d e r M e n s c h h e i t — W esen. Schlechthin a l l e s daher, w as
in d e r Form d er Sichtbarkeit: darum m ittelbar U rheber dieser M ensch ist, ist gleich in A bsicht der F reih eit: d a s C hristentum
F orm selbst, d. i. d er W elt (innerhalb dieser Form , d. i. im darum das Evangelium der F reiheit und G l e i c h h e i t : der ersteren
B ew ußtsein). Kurz, unsere oben vorgetragene Lehre von der nicht bloß im m etaphysischen, sondern auch im bürgerlichen
F reiheit. Sinne: A ufhebung aller O berherrschaft u n d bürgerlichen Ungleich-,
G anz dieselbe ist ab er die des C hristentum s und dies darum heit. So folgFs aus dem G rundprinzipe: w as dabei noch zu b e
das g esuchte Prinzip d er neuen G esch ich te; nur daß sie bei denken ist, w ird sich finden.
uns d asteh t absolut, a u ß er allem historischen Z usam m enhänge, D araus erg ib t sich; Da alles, w as M ensch ist, auf die gleiche IV, 524
und an fan g en d als die einzige (wie sie se lb e r dies f a k t i s c h zu W eise berufen ist durch Freiheit darzustellen den göttlichen W illen,
sein verm ag, davon geb en w ir, als Philosophen in reiner W issen so h ä n g t alles ohne A usnahm e auf d ie-gleiche W eise zusam m en
schaft, keine R echenschaft, indem w ir sie als f a k t i s c h — i \ m it d er G ottheit, u n d ist, falls G ott ein B ew ußtsein zugeschrieben
zufällig, a u ß e r der auch noch eine an d ere m öglich sei, — ga wird, auf die gleiche A rt befaßt in diesem , allen Seinen auf d ie
nicht d en k en : hier w erd en w ir zu seiner Z eit auch auf diesen selbe W eise gen eig ten und gn äd ig en B ew ußtsein. Nichts, w as
P u n k t m erken m ü ssen ); im C hristentum e dageg en als ein Faktum , M enschengesicht trägt, ist ausgeschlossen von der gleichen G nade,
ab lö sen d und aufhebend eine andere Lehre, und durch diesen nichts sündig o der verw orfen. Ein Evangelium der V ersöhnung
G eg en satz bestim m t in ih rer F orm . — U nsere B etrachtung d e s und E ntsü n d ig u n g — historisch genom m en, nicht m etaphysisch:
selben als solchen G egensatzes dürfte freilich- in den g ew ö h n d. h. nicht, als o b in G ottes ew igem W esen bis auf Jesus w irk
lichen A nsichten d arü b er vieles ändern. — lich es so ausgesehen hätte, w ie in dem G otte des A ltertum es,
O biges g ib t den Begriff des H i m m e l r e i c h s , im G eg en so n d e rn nur, daß erst jetzt in d er E rkenntnis der M enschen diese
sätze des R e i c h e s v o n d i e s e r W e l t . Dies die G rundansicht A nsicht von ihrem V erhältnisse zur G ottheit treten soll an die
des C h risten tu m s: dieser G eg en satz erscheint allenthalben als der Stelle der früheren, tief eingew urzelten.
eigentlich charakteristische. F o l g e r u n g e n : D as C hristentum ist d a ru m ' durchaus eine 1
D adurch w ird g e ä n d e rt 1. die stehengelassene Ansicht von Sache des V erstandes, d er klaren E insicht: und zw ar des indivi
G o t t . D ieser ist nach d e m A l t e r t u m e ein qualitativ u nbe duellen V erstandes eines jeden C hristen, keinesw egs etw a eines
greiflicher G eschichts- Und N atu ra n h eb er: — nach u n serer W eise stellvertretenden. D enn schlechthin jed er soll gehorchen dem IV, 525
an g eseh en , g ru n d lo se W illkür, d e r m an sich fügen m u ß : eine v o n ih m s e l b s t als solchen verstandenen W illen G ottes, indem
Z w an g sg ew alt. N a c h d e m C h r i s t e n t u m e , ein durch sein nur u n ter dieser V oraussetzung derselbe durch die Freiheit g e
inneres W esen bestim m tes H eiliges, ohne alle W illkür. schieht, w ie er ja allein dadurch geschehen soll.
IV, 523 2. Die A nsicht von d er M enschheit. D iese stim m t m it dem A ber d er V erstand b e g rü n d e t sich nur in sich selbst, und
g öttlich en W illen überein nicht durch irgendein geg eb en es Sein, h än g t zusam m en nur m it sich s e lb s t So wie obeft g e sa g t w orden,
so n d ern durch ein T u n : ist also schlechthin f r e i : m etaphysisch: soll also d er C hrist ü b e rh au p t sein auch n u r zufolge seiner freien
je d e r soll tun nach seinem e i g e n e n Begriffe, zw ischen w elchem Einsicht. Jeder C h ris t darum m uß zuvörderst ein sehen, und klar
und dem W illen G o ttes d u rchaus kein M ittelglied eintreten darf: verstehen, daß er den W illen G ottes nur nach seiner klaren E in
e r h at darum keinen H errn au ß er physisch sich selbst, sittlich sicht tun solle, einsehen u n d verstehen eben sein ganzes V er
G o tt: ist also auch p o l i t i s c h frei und u n ab h än g ig von je d er hältnis zur G ottheit. >■ .
O b erg ew alt. M enschheit ist nichts, denn diese m it dem g ö tt 1. D as C hristentum ist darum zuvörderst L e h r e , Es setzt
lichen W illen übereinstim m ensollende Freiheit. D arin b esteh t ihr sich die A ufgabe m bilden den V erstand des M enschen, und
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zw ar dert aller M enschen ohne A usnahm e, zu einer gew issen kenne, als das göttliche, das da sich richtet nur an seine Freiheit.
Einsicht, zur ab so lu ten , des V erhältnisses d er M enschheit zu G ott. Das m it dem B ew ußtsein d er Evidenz ergreifende Bild dieses
Es ist bis jetzt an erk an n t und w ird fast einseitig, betrieben, Z ustandes in allen beabsichtigt die Lehre. — Diese kann im m er
daß es sei M itteilung einer E rkenntnis, eines System s. Doch diesen Z ustand setzen, als einen, der d a sein soll, u n d dadurch
stutzen sie w ieder, w enn m an es konsequent durchsetzt. Darin ist das w irkliche Sein in nichts g e än d e rt: das C hristentum ist
b esteh t auch sein G eg en satz m it dem A ltertum e, dem H eiden- dann noch w eiter nichts gew orden, denn Lehre, —* Es kann auch,
tum e. D ort G lauben, hier unm ittelbare, selbsteigene E insicht eines welches die erste W eise des w irklichen Seins ist, innerlich den
je d e n : d o rt stellvertretende O ffenbarung, die in den Inspirierten ; W i l l e n aller bestim m en, daß sie — m it diesem guten W illen —
IV, 526 selb st sich nicht R echenschaft geben konnte bei dem zu Ende keinen H errn und G esetz anerkennen, als G ott, und fertig sein
gek o m m en en V erstände, ebendarum von anderen auch nicht zu w ürden, allein ihm zu gehorchen, w enn sein G esetz sich nur
verstehen, sondern nur zu erfassen w ar in einem verstu m m en cTu zeigte, und jede andere G esetzgebung aufhöbe. — S odann ist
u n d b etä u b te n A u to ritätsg lau b en ; hier schlechthin unm ittelbare das C hristentum innerlich realisiert in dem W illen des M enschen,
O ffenbarung in d e r individuellen S elbstanschauung eines jeden'. und es folgt daraus, daß ein Staat nach altertüm licher Form ,
D o rt M ittlerschaft zw ischen G o tt und dem M enschen, hier Auf w enn er auch etw a noch ist und die M enschen zw ingt, w enigstens
h eb u n g des Z w ischengliedes, und so unm ittelbarer Z usam m en -: des inneren Beifalls und G laubens entbehrt, und daß jene Ge-
hang. So ist’s. Doch d ieser G eg en satz mit dem richtigversfandenen sinnung ihm feindselig ist, und ihn Umstürzen w ürde, sobald sie
H eid en tu m e, ist fast g a r nicht gem acht. — W as aber in den äußere T atkraft erhält. O der, w elches die zweite durch die erste
Ä ußerungen des C h ristentum s selbst m itverstanden, und zu der bedingte W eise des w irklichen Seins ist, G ott w ird wirklich und
en tg eg en g esetzten M einung, es sei eine Religion des G laubens, in der T at alleiniger H err, ohne Z w eifel durch den U m sturz
g e d e u te t w ird, w erd en w ir zu seiner Zeit ersehen. jedw edes anderen H errn, es tritt eine V erfassung ein, in der
2. Es ist Lehre. A ber dies nicht allein, dies nicht w ahr jeder gehorcht nur dem von ihm selbst deutlich erkannten W illen
haft und in seiner letzten B edeutung. W enigstens können w ir ; G ottes. Es i s t w ohl klar, daß nur im letzteren Falle das C hristen
es so nicht nehm en w ollen, indem w ir es nicht zum G egensätze i tum w irkliche V erfassung des M enschengeschlechtes gew o rd en
einer Lehre in einer G eschichte der Lehre überhaupt, sondern w äre, u n d daß derjenige, der da sa g t: das C hristentum ist nicht
zum G egensätze einer V erfassung m achen in einer G eschichte etw a bloße Lehre, sondern es ist w irkliche V erfassung des m ensch
der M enschheit, als sich entw ickelnder Freiheit überhaupt. Nach lichen G eschlechtes, sa g e: zu einer solchen O rdnung der D inge
IV, 527 uns m uß es darum selbst V e r f a s s u n g sein, durchgreifende soll es durch dasselbe kom m en, m uß es dadurch m it ab soluter IV, 528
historische U m schaffung des M enschengeschlechtes, bis hinein N otw endigkeit kom m en. D ies darum hätte ich durch das Bis
in die W urzel, die durch d en früheren Z u stan d n u r vorbereitet herige gesagt, m it gutem Bedachte, es also sagen w ollend. Ich
und m öglich gem ach t w urde. W ir m üssen es so nehm en, w obei hätte ein historisches Faktum a prio ri abgeleitet, g e w e issa g t:;
u ns freilich d er B ew eis obliegt, daß w ir es auf diese W eise — d er Beweis des Rechts liegt m ir noch im m er ob.
richtig gestellt und angeseh en haben. ■ In B eziehung auf die dadurch gegeb en e Ü bersicht der ganzen
Also nicht n u r L ehre, sond ern V e r f a s s u n g , B estim m ung G eschichte w äre nun die F rage, ob ich mit dieser neuen G e
des w i r k l i c h e n Seins des M enschengeschlechtes ist es.; Auch schichte die ganze abzuschließen gedenke, oder noch eine neuere
dies g ib t eine doppelte Ansicht. Z uvörderst und ü b e rh au p t: das und vielleicht allerneueste annehm e. Im ersten Falle, w orüber
Sein des M enschen nach dem C hristentum e b esteh t darin, daß dann freilich der B ew eis zu führen w äre, w ürde von unserem
er d u rchaus keinen H e rrn h ab e a u ß er G ott, kein G esetz aner- S tandpunkte allerdings eine Ü bersicht der gesam ten G eschichte
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d e s m enschlichen G eschlechtes auf d er Erde m öglich: sie zerfiele geschehen m uß. Auf diese W else darum w erde ich m eine w issen
in E ntw icklung d er F reiheit u n d A ufgeben d er entw ickelten, schaftliche A ufgabe lösen, und Sie haben hierin die Übersicht
U n terw erfu n g derselben u n te r die H errschaft G o ttes: beginnend dessen, w as ich noch zu sagen habe.
von einer faktischen H errsch aft desselben, einer T heokratie des
G laubens, als der alten Z eit, fortlaufend bis zu einem für jeder
m ann verständlichen u n d v erstandenen Reiche G ottes auf der
Erde, als dem neuen und zw eiten W eltalter. II.
W as nun insb eso n d ere den ganzen U m fang d e r in diesen D er G egensatz alter und neuer W elt besteht in ihrer V er
V orlesungen vor Ihnen angestellten B etrachtung betrifft, falls fassung, der B estim m theit der M enschen als G esellschaft: .ihr
sich etw a finden sollte, daß dasselbe, w as ich Ihnen zu A nfänge Prinzip ist die A nsicht von G o tt und seinem V erhältnisse zur
ab g eleitet und hingestellt habe als das durch d e n V e rsta n d schlecht- A, M enschheit. Nach d e r a l t e n W elt fo rd ert G ott willkürlich einen
hin g e fo rd erte Reich des V erstandes, zugleich w äre das durch , g e g e b e n e n Z u s t a n d d erselben: daraus U ngleichheit, m ittel
das C hristentum gesetzte, u n d in seiner G rundlage schon w irk-“-“ bare H errschaft G o ttes; d. i. M enschen hatten M enschen zu
, lieh eingeführte Reich G o ttes auf der E rd e: so w ürde sich d as H erren. D ies Prinzip ist ab g elaufen; w ir bedurften darum ein
jenige, w as erst erschien als eine w illkürliche und m it K unst zu anderes, dies: G o tt fordert die E rg eb u n g des W illens: ist sitt
lösende A ufgabe der W issenschaft, verw andeln in eine absolut licher G esetzgeber d er F reiheit: dies sei das C hristentum , sagten
t n o tw en d ig e A ufgabe d er Zeit und d e r in derselben sich entw ickeln wir, es dadurch hinstellend als Prinzip eines w irklichen W elt
den G eschichte, die nicht um hin kann g e lö s t zu w erden. A nstatt zustandes, eines Z ustandes der M enschheit, als einer G esellschaft.
' R egeln zu geb en irg en d ein er Freiheit, wie ich zu w ollen schien, U nsere A ufgabe blieb darum zu zeigen, w ie sie dies w erden könne,
h ätte ich bloß zu entw ickeln ein historisches G esetz, und Sie also aus jenem , als Prinzipe, dieses als das P rinzipiat abzuleiten:
auf das ruh ig zu erw arten d e R esu ltat desselben zu verw eisen. - w ir w erden darum die neue Z eit nicht, w ie die alte abgelaufene,
M eine U ntersuchung h ätte ihre N a tu r geän d ert, und aus einer als g eg eben auffassen, sondern sie ableitend w eissagen. Dies
philosophischen sich verw andelt in eine historische. Die H au p t ist von nun an u n ser G eschäft. F ände sich nun dieser Z ustand
sache hierbei w äre freilich, die W issenschaft selbst und die p rak als derselbe, den w ir erst philosophisch gefo rd ert, so w äre unsere
tische K unst derselben nicht, wie sie e rst stand, ab solut zu setzen, A ufgabe: w ie es zu ihm kom m en solle, rein historisch (nicht IV, 530
IV, 529 so n d ern sie selbst als ein G lied d er G eschichte abzuleiten, und als A ufgabe der Freiheit, sondern als no tw en d ig er Erfolg nach
sie dieser, u n d in sb eso n d ere dem C hristentum e, dessen eigent einem G esetze) gelöst.
liche A ufgabe ja durch dieselbe g e lö st w erden soll, als M ittel Z u erst darum hätten w ir das C hristentum zu schildern, als
u nterzu o rd n en . So, sage ich, das V erstandesreich unter die Ga- eine geschichtliche E rscheinung es a u f f a s s e n d (nicht etw a er
. rantie des C hristentum s, als eines historischen und m it historischer denkend), es r i c h t i g v e r s t e h e n d , indem w ir erstlich das
N otw en d ig k eit sich entw ickelnden P rinzipes gesetzt, w ird sich M annigfaltige aus seiner G rundeinheit ableiten, und diese G ru n d
sag en lassen, w arum es b ish er zu dem selben nicht kom m en konnte, einheit w ieder aus jenem erfassen, nach d er R egel: ein solches
w eil näm lich das C hristentum noch nicht so w eit entw ickelt w ar; M annigfaltige g ib t eine solche Einheit, und um g ek eh rt; zw eitens
daß es ab er n o tw en d ig und aller m e n sc h lic h e n , F reiheit zum ab er die E inheit selbst v e r s t e h e n aus ihrem G egensätze, dem
T ro tze zu ihm kom m en m uß, w eil das C hristentum sich ent Prinzipe der alten W elt.
w ickeln m uß bis zum E n d e : w ann es ferner daz.u kom m en w ird, D as erste w äre, w enn es vollständig auf alle Ä ußerungen
nicht in Jahreszahlen, sond ern in Epochen, d. i. w as vorher noch der biblischen Schriften, dann der K irchengeschichte zurückgeführt
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w erden sollte, ein um fassendes U n te rn e h m e n /flie r nur die G rund- hält wie Prinzip zum Prinzipiat). D er G egensatz ist das E rsth e i
zü g e; selber darin au sg efü h rter verfahrend, als es für unseren nende, Irdische, w as d a ist von d e r W elt.
Z w eck d er A bleitung nö tig w äre, um die Irrtüm er abzuw eisen. Jene Freiheit w u rd e durch C hristus v erk ü n d ig t, d e r objek
Quell derselben ist d er M angel d er B egriffseinheit, das nur Z u tiven B em erkung hingestellt, fern er ein Reich derselben Frei
sam m enschichten des M annigfaltigen ohne organische E inheit einer heit, und eine B eherrschung seiner durch G ott, g eg en ü b er dem
A bleitung, das B eieinander- und nicht D urcheinandersein des Reiche von dieser W elt, u n ter dem Fürsten der W elt; eben dem
selben: so dann auch der M angel des G egensatzes, w odurch das alten heidnischen G otte. G ott ist unm ittelbar Und ohne Da-
H auptm erkm al, daß das C hristentum ein historisches ist, zur zw ischenkunft der B estim m er desselben. — D aß es dazu kom m e,
unsäglichen V erw irru n g verloren g eht. Auch w erden w ir es nicht dazu g ehört, daß der M ensch, das freie Subjekt, m it gänzlicher
so m achen, wie N euere, die es recht g u t zu m achen suchen A bsterbung des eigenen W illens sich ihm hingebe. — Dies G o t t : IV, 532
Das C hristentum sei e t w a s , nicht nichts, nicht ein solches, das; und dies allein. Alle andere Ä ußerungen desselben sind als unm it
in an d e re r G estalt, z.B . d er P hilosophie, auch d a ist, und darunü telbare fallen gelassen. Dies der M e n s c h ; und nur unter dieser
n u r das U nverständliche u n d U nverständige herausheben, das B edingung ist er w ahrhaft da. Dies das V erhältnis beider.
sie selbst durch ihr N ichtverstehen sich erst m achen. Nach uns Z uvörderst die U m d eu tu n g : d e r W ille G ottes ist ew ig, un
ist es durchaus verständlich, durch W issenschaftslehre. D iese vergänglich. W as darum zu dessen W erkzeuge sich m acht, ist
enthält den L ehrinhalt d esselben in ih rer Form . ^ A ber v/ie denn, gleichfalls ü ber allen T od, d. i. U n tergang, oder A bänderung
w enn die W issenschaftslehre selb st nur durch das C hristentum jener seiner w esentlichen G rundeigenschaft hinaus: es ist etw as,
faktisch m öglich w äre, sein kö n n te n u r als w issenschaftlicher Be das notw endig, ew ig und unveränderlich ist, und ihm selbst
griff, E xposition des v o rau sg eg eb en en C h risten tu m s; w enn sie seine U nveränderlichkeit zusichert; — Dies kann jeder w erden
ferner, in sich selbst tot, n u r durch jenes eine das Leben be zur S tunde; darum zur S tunde vom T ode zum Leben durchdringen.
stim m ende K raft bekom m en könnte (wie sie diese erhalten w erde, Dies hat m an nun u m g ed eu tet und g e sa g t: — der H im m el nur
ist ja unsere versprochene H a u p ta b leitu n g ): w äre es denn so nach dem T o d e : den A usdruck T o d nicht begreifend. W ah r isFs,
dann nichts? nur nach dem T ode, aber dem T ode w äh ren d des äußeren Lebens IV, 533
hienieden, dem A bsterben der W elt. D ieses aber hat man ver
w echselt m it dem T ode, als einer äußeren Begebenheit, und g e
m eint, nur nach diesem : dies sei der H im m el; eine V erw echslung,
IV, 531 D er w e s e n t l i c h e E i n h e i t s b e g r i f f des C hristentum s ist w enigstens V erm engung, w elche schon von den A posteln g e
d a s H i m m e l r e i c h . (Auch dieser ist m ißgedeutet, und bis jetzt m acht w orden. Falsch, in der Lehre Jesu unterscheiden sich
kaum richtig v e r s t a n d e n . — Auf im m er für ähnliche Ä uße zwei Z u stän d e: der eine, das G etriebensein vom eigenen W illen;
run g en , die ohne diese B eschränkung h a rt erscheinen, und H aß dieser, w ie er auch sein m öge, wie sittlich und glänzend scheinbar,
erregen m üssen, g em erk t: g e l e b t kann er sein, und ist's ohne ist nichts, au ß er G ott, der Tod, das B egrabensein. In diesem
allen Z w eifel: aber ein an d eres ist S e i n , ein anderes V erstehen, w erden schlechthin alle M enschen geboren. Diesem nun m uß
,6 .1 ein Bild hab en dieses Seins, das da ausdrückt dessen G esetz.) m an absterben; dies ist der T o d und die neue G eburt, der D urch
H im m el b e d e u te t das Ü bersinnliche, durchaus nicht Erschei bruch zum w ahren Sein und Leben. W e r dies, — der hat d as IV, 534
n ende, rein Intelligible, die Freiheit (die — das setze ic h hinzu Leben in ihm selber, lebet in Ew igkeit, ü ber ihn h at d er T od
zur V erdeutlichung, in jenem Begriffe ist, darauf noch nicht Rück keine w eitere G ew alt. D er äußerliche T o d m acht im C hristentum e
sicht g enom m en -—- zu einem Teile des Erscheinenden sich ver- g a r keine Epoche, es w ird von ihm nicht geredet, er ist ver-
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V erstehen, als freie K unst g etrieben, wie es in der Philosophie g e Seins seinen E xponenten bei sich, weil es ein H andeln nach
trieben .w ird, setzt ein Bild jen es Seins voraus, üb er welchem diesem E xponenten w ar.
m an indifferent darüberschw ebt, es darum nicht selbst ist. D ieses Stückw eise: w ie er von seinem D asein ü berzeugt w ar, so
Bild, in sein er reinen A b so n d eru n g g e fa ß t und festgehalten, stei w ar er es von seinem Berufe, das H im m elreich zu stiften, d. i.
g e rt sich nach und nach zum Begriffe. die M enschen zu überzeugen, daß sie absolutes Prinzip w ären;
Auf d iese W eise k o n n te es m it dem V erstehen des Him m el- dieses h ingegeben w erden m üsse an einen höheren, durchaus
IV, 537 reiches im V erstände Jesu nicht zu g ehen; denn das vorausgesetzte nicht in ihnen liegenden A ntrieb, und sie zu verm ögen, also sich
Bild ist w ed er durch die sinnliche E rfahrung m öglich, noch konnte hinzugeben, dam it allein herrsche, u n d Prinzip alles Lebens sei
es ihm als A ufgabe einer freien K onstruktion durch einen anderen G ott. W o h er nun dieser sein B eruf? D er Inhalt desselben e r
g estellt w erden, w ie es bei uns in M itteilung der W isse n sc frT klärte ih n : es w ar eben dieses H ingegebensein seines eigenen
geschieht, da d er V o rau ssetzu n g nach dieses Bild vor ihm nie freien W illens an jenes höhere Prinzip, w as er verkündigen sollte,
eines M enschen V erstände w irklich g ew o rd en w ar. '? er w ar durch sein S e i n , w ie er alle m a c h e n w ollte. W iederum
N icht ein M ögliches darum , so n d ern ein W irkliches im u n — jenes V erhältnis der M enschen zu G o tt w ar ihm gew iß durch
m ittelbaren B ew ußtsein sein er selbst, sein unm ittelbares, ihm also nichts anderes, als durch seinen u n m i t t e l b a r gew issen Beruf,
ohne alle sein Z u tu n g e g eb en es Sein m ußte er durch diesen ein solches V erhältnis zu realisieren, u n d der Stifter des H im m el
B egriff b egreifen. W ie m ußte sich dies Selbstbew ußtsein aus- reichs zu w erden. A nders ist es dem W issenschaftslehrer g e , 539
d rü ck en ? E r w ar u n m ittelbar, ohne ihm b ew u ß te Freiheit, durch wiß : ihm leuchtet es ein als B edingung des Seins d e r M enschen
sein D asein B ürg er des H im m elreichs; sein W ille g in g auf, und üb e rh a u p t: nur G o tt ist; w as au ß er ihm , ist seine E rscheinung;
w ar g efan g en in einem hö h eren W illen, er w ar dessen W erkzeug, aber nur also verm ag er zu erscheinen, w ie er aus dem allge
und so w urde er sein er sich bew u ß t. Auf dieses erste M erkm al m einen G esetze der Erscheinung selbst einsieht. So nicht bei
nun g each tet! Er w ar, w as w ir ein bestim m tes künstlerisches Jesu, w eil es bei ihm nicht also m öglich w ar, weil diese E in
o d er praktisches G enie nennen, m it einem angeborenen Triebe sicht d er W issenschaftslehre einen Jesus in d er Z eit voraussetzt.
zu einem gew issen T un, K aum ist nötig zu erinnern, daß dies ein Bei ihm w ar es w ahr, zufolge des unm ittelb ar gew issen B e
b estim m ter T rieb des W illens sein m ußte, denn das A llgem eine rufes, eine V erfassung zu stiften, w elche dies als ihre M öglich
ist nichts W irkliches. keit voraussetzt. Die W ah rh eit darum ab h än g ig von diesem F ak
N un ab e r w ürde er, dieses sein Sein anschauend, sich b e tum des Berufes.
griffen haben als eben g e t r i e b e n , dam it gut, und sein Begriff D arum zuvörderst, — w as für uns ein M etaphysisches ist,
w äre zu E nde: k einesw egs aber, als getrieben durch das A bsolute, konnte nur für ihn ein H istorisches sein. F ür ihn w ar es w ahr
Ü bernatürliche, G ott. Also — seine W illensbestim m theit m ußte durch seinen B eruf; da er ü b er dieses sein Selbstbew ußtsein
zugleich den klaren B egriff ih rer selbst, ihren E xponenten m it nicht zu G esetzen hinausging, ü b erh a u p t n u r durch seinen Beruf.
sich b rin g en ; nicht bloß d en Begriff des Faktum s, so n d ern auch Seit diesem B erufe erst ist dieses V erhältnis; die ganze frühere
dessen C h arak ter; so daß jen er organisch mit diesem vereinigt, Z eit fällt anheim dem Z ustande, d er in ih rer G eschichte sich au s
und dadurch selbst gesetzt, letzterer nicht etw a ein blo ß er Z u spricht, indem dieses g esam te W ahrfinden ü b er unm ittelbare G e
satz zum ersteren w ar. D ies w ar m öglich n u r auf die W eise, schichte g ar nicht hinausgeht.
IV, 538 w enn es die B estim m ung seines W illens w ar, S t i f t e r des H im m el „G o tt sen d e t mich, das H im m elreich zu stiften; dessen bin
reichs zu w erden, alle M enschen ohne A usnahm e zu B ürgern ich unm ittelbar gew iß. G o tt kann nicht zu dem senden, w as
desselben zu m achen. D ann fü h rte das B ew ußtsein seines eigenen nicht möglich ist, m ithin ist ein Himmelreich', so wie ich es
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stiften soll, m öglich, und alle B edingungen desselben sind gegeben die unm ittelbare A nschauung desselben an einem Exem pel: er
W a ru m ? W eil Q o tt g e sen d et h a t; also nicht ü ber die S endung selbst stand in diesem V erhältnisse zu G ott, u n d d u rch ihn schlecht
hinaus g e h t d er B ew eis: jenseits derselben b ehaupten w ir g ar hin alle M enschen, die m i t ihm und n a c h ihm lebten: also das
nichts, und bescheiden uns u n serer U nw issenheit.“ Bild w ar in seiner A nschauung r e a l i s i e r t .
D er nervus: die E insicht des V erhältnisses und seiner all Die Einsicht in die W ahrheit des H im m elreichs w ar also
gem einen W ah rh eit ist g e g rü n d e t lediglich auf den göttlichen eine absolute F ortbestim m ung seiner f a k t i s c h e n A nschauung
Beruf, d er innerhalb klar ist, nicht auf Einsicht in ein G esetz. und V erstandes durch ein U r s p r ü n g l i c h e s aus sÜ ner Indivi
D iesen u m g esto ß en o d er seine G ew ißheit getrübt, so ist alles dualität, d. i. aus G o tt: — w ie es in dieser Form durchaus m it
u m gestoßen. allen tüchtigen M enschen auf der W elt hergeht.
voraus das Bild, u n d das Büd setzt voraus die Freiheit. D ieser für das ganze G eschlecht d a w äre. Alle darum sollen durch das
Zirkel löst sich nur so, daß das Bild einm al S a c h e , R ealität sei, von ihm in die Z eit eingeführte Bild, verm ittelst d er eigenen F rei
schlechthin ursprünglich und g ru ndanfangend in einer P erson heit, in dieses Reich kom m en: w i e d e r g e b o r e n w erden von ihm
sich verw irkliche. D ies nun bei Jesus. aus. (D iese A nforderung d er W ied erg eb u rt an alle hat er ja nie
von sich au sgesagt, w ie er ja im entgegengesetzten Falle gesollt
hätte.) Er w ar d er eingeborene Sohn G ottes, durch den allein
F o lgenderm aßen darum begriff notw endig der -Erste, dem das alle selig w erden können, die ,es w erden. Kein anderer N am e,
w ahrhafte Sein klar w urde als ein H im m elreich, zuvörderst s i c h f andere P erson, andere V eranstaltung. Keine Botschaft, E vange
IV, 542 selbst, sein V erhältnis zu G ott, sodann sich g ründend au f die lium nach ihm, weil dies das Evangelium d er absoluten W ahrheit
W ahrhaftigkeit dieses s e i n e s V erhältnisses, das aller AV u se h e n : und R ealität ist. (W er ein anderes Evangelium predigt, sei es ein
1. E r w ar b e r u f e n durch G ott. — Dies fand er .faktisch vor. Engel vom H im m el, sei v erflucht,1)
2. D er Inhalt sein er B erufung, seine V erkündigung u n d sein D ieses, — die B edingtheit alles göttlichen Reiches auf d er
G eschäft an dem M enschengeschlecht w ar w ah r — nicht aus Erde durch eine erste Erscheinung des Begriffes desselben in d er
allgem einen G ründen, wie für uns, — so n d ern um der W ahrheit jenigen Form , welche sie nach den G esetzen der Erscheinung
u n d G öttlichkeit seines Berufes willen. D ieser w ar eine Z eit ü b erh au p t haben m ußte, in d er Form eines C hristus, — ist nun
begeb en h eit, darum zufolge eines freien Entschlusses G ottes, — eine ew ig gültige historische W ahrheit für jeden, bis an das Ende IV, 544
nicht, wie für uns, zufolge eines inneren G esetzes des göttlichen der T age, der jene E rscheinung als Faktum erfassen, und als
Erscheinens. — D aß alle M enschen B ü rger w erden könnten und solches sich in der Reihe der Fakten genetisch m achen w ird. Er
sollten, w ar nur dadurch w ahr, daß G o tt es durch Jesus ver w ird auf einen einst vorhanden gew esenen C hristus stoßen* auf
sprechen ließ, darum nur u n te r d er B edingung, d aß er durch einen eingeborenen Sohn G ottes, einen M enschen, den G o tt un
Jesu s rede, diesen berufen habe, zu dieser Stiftung. Also das m ittelbar zu seinem W erkzeuge gem acht, um durch ihn alle ein
H im m elreich datiert von je n e r Zeit. zuladen, sich selbst mit Freiheit, durch freie H ingebung, dazu
3. Jesus darum der e r s t e B ürger des Reiches, in welcher zu mächen. W ah r darum ist, daß es notw endig einen Sohn G ottes
Art, sogleich. gibt. So hat es sich auch in der nachfolgenden G eschichte b e s tä tig t
4. Setze m an, w ie m an ohne Zw eifel, durch den Z usam m en Alle nachfolgende E ntw icklung der Freiheit hat sich g eg rü n d et,
hang g en ö tig t, setzen m uß, es habe Jesu beigew ohnt folgende und ist bed in g t gew esen durch das V orhandensein jenes E van g elii;
Einsicht: w as für die E ntw icklung des M enschengeschlechts fak von der Philosophie w erde ich dies noch besonders zeigen, W ie
tisch g eg eb en sein m uß, w ie nach u n serer obigen D eduktion ein w ir uns stellen m ögen, in den Boden der christlichen Zeit hinein
Jesu s, ist g eg eb en n u r einm al in d er Zeit, und w iederholt sich sind w ir gesetzt, durch seine Einflüsse ist das faktische G ru n d
nicht (weil so dann das erste n u r P ro b e w äre, und noch dazu sein bestim m t, von w elchem w ir ausgehen.
v erfehlte); es ist für das g anze M enschengeschlecht. Er ist darum W er, sage ich, jenen B egriff nicht nur ü b erh au p t erfaßt, ihn
in sein er F orm einzig: alle, die in das H im m elreich kom m en, g e vielleicht lebt, und sich ihm einbürgert, w ozu es des einfachen
lan g en dazu n u r durch ihn, das durch ihn hergeg eb en e Bild. Er A bsterbens seiner selbst bedarf, sondern auch auf ihn als ein
IV, 543 darum d e r e r s t e , u n d d e r g eb o ren e, und d er einzige geborene, Faktum reflektiert (w as er ja unbeschadet des eigentlichen In
d er ein g eb o ren e B ürger u n d Sohn, W erkzeug und geistige Effekt: haltes und der praktischen A nw endung seh r w ohl unterlassen
a u ß er ihm keiner g eb o ren , w eder vor ihm, weil er sodann nicht
sein konnte, noch nach ihm, weil er sodann vergebens, und nicht 1 Gal, 1, 8.
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Neue Welt. 167
k a n n ); w er fern er nicht bloß dies tut, und ihn nun eben stehen
läßt, so n d ern auch ihn begreift, durchgeführt bis zum Ende, d e r' turne kom m t es g a r nicht eher, auch in d er T heorie, bis je n er
w ird C hristus als Sohn G o ttes anerkennen. W er dies nun aber W eg der Seligkeit als d er einzige und ganze erkannt ist, und das
H istorische als historisch dem freien V erstände anheim gegeben
nicht tu t? W as können w ir von ihm sa g e n ? Er ist nicht durchaus
w ird.
klar, versteht sich nicht im Z u sam m enhänge d er E rscheinung.
D ies ist allerdings eine U nvollkom m enheit, die verm ieden w erden
U nm ittelbar bei d er ersten Erscheinung Jesu w ar ein ent- IV, 546
soll, falls sie es kann. A ber er kann nicht in das H im m elreich
scheidender G rund, auf die E rkenntnis dieser P e r s ö n l i c h k e i t
k o m m en ? D es Bildes bed arf es: dies ist w ahr. W enn nun dieses
des C hristus zu dringen. Es ist nötig, dies auseinanderzusetzen,
in sein er U m gebung allenthalben vorhanden ist, allenthalben ihm
um einen an d eren H auptteil des C hristentum s zu erklären,, und
entg eg en k o m m t, in einer K larheit, V erständlichkeit, Ausi Idung
von den darauf ruh en d en M ißverständnissen zu reinigen. — Die
ihm entg eg en k o m m t, w ie Jesus selbst und seine A postel dm ohaus
W ahrheit eines H im m elreichs ü b erh au p t beruhte in Jesu auf d er
nicht fähig w aren, es aufzustellen, — dies nach dem eigenen G e
unm ittelbaren G ew ißheit, daß er von G ott berufen sei, es zu
ständnisse u n d der W eissag u n g Jesu, die ich zu seiner Z eit an
stiften : dies w ar ihm der B ew eis; so hatte er auch für andere
führen w erde, — soll dann dieses Bild nicht g u t sein, u n d seine
keinen anderen. Dies m ußten sie vor allen D ingen m it ihm
D ienste tun, w enn m an nicht historisch begreift, w o h er es ist in
g lau b en : ihm glauben, Wie Er sich, durch ein N achbild ersetzen
seinen allerersten A n fängen?
sein unm ittelbares S elbstbew ußtsein. Dies ist nun der G laube,
545 Vom M i t t e l z u r S e l i g k e i t ist die R ede, von dem einzigen,
den Jesus forderte, d er G laube an ihn, als von G o tt berufenen
a u ß er w elchem kein H eil ist. H ie rü b e r sollen alle M enschen
Stifter, der w esentlich w ar u n d ihm fürs erste also erschien.
unterw iesen w erden. D ieses M ittel nun ist der T od d e r Selbst-
Dies w ar nun eine u n g eh eu ere F o rderung, w egen des gänz
heit, d er T o d m it Jesu, die W ie d e rg e b u rt usf. D ieses hilft einzig,
lich unbekannten und unerhörten Inhalts d er Botschaft. Beides
und dieses g a n z , gründlich, durch und durch. — D aß man wisse,
stand einander im W ege. Es zeigte sich darum , daß Jesus, a u ß er
es sei dies d er T o d m it J e s u , d aß m an neben jener U n terw eisung
bei einigen V ertrauten, die eigentlich seiner M oralität glaubten,
zugleich die ganze H isto rie d er U n terw eisung m it kenne, das trä g t
keinen G lauben fand. Es lag in dem Begriffe d er alten W elt, u n d ‘
zur Seligkeit durchaus nicht bei. Den W eg zur Seligkeit m uß m an
in der Praxis derselben, göttliche S endung durch Zeichen und
g e h e n : d a s isP s: die G eschichte, w ie er entdeckt und geebnet
W u n d e r zu bew eisen. D iese F o rd eru n g m ußte ihm gestellt w er-
w o rd en , ist w ohl so n st gut, ab e r zum G ehen hilft sie , nichts.
deßj und er konnte sie auch vor seiner eigenen E rkenntnis nicht
Ich hoffe, dies ist klar u n d durchgreifend. M an sage nicht,
w ohl abw eisen. D adurch g eriet nun Jesus in den W iderspruch
w as sc h a d e fs, w enn auch auf dieses H istorische gehalten w ird ?
d er beiden Zeiten. Nach dem Prinzip d er alten Z eit w ar diese
Es schadet, w enn N ebensachen in gleichen R ang m it d er H au p t
A nforderung an ihn, an sich selbst, und an G o tt durchaus passend
sache gestellt, o d er w ohl g a r für die H auptsache ausgegeben,
und ünabw eislich. Nach dem Prinzip d e r neuen Z eit — ich bitte
u n d diese dadurch u n terd rü ck t und die G ew issen g e än g stig e t
dies, obw ohl ich es kurz abtue, w ohl zu m erken, — ist eine solche iv, 547
w erd en , zu b egreifen u n d zu glauben, w as sie unter solcher A n
F o rderung absurd. G ott ist der H e rr des G eistigen, nicht des
w eisung nim m erm ehr g lau b en k ö n n en ; w o sich darum die ganze
Sinnlichen, das ihn g ar nichts angeht. Zeichen und W under m ag
Sache in das H ersag en u n v erstan dener Form eln endiget. Es ist
der F ü rst d er W elt tun, B eelzebub, der O b erste der Teufel, wie
dies n u r eine andere V erfälschung der G rundlehre des C h risten
auch seine Z eitgenossen, g ar nicht inkonsequent, dies für w ah r
tum s von d er R echtfertigung, g e trete n an die Stelle anderer V er
scheinlich an sah en : des him m lischen V aters ist dies durchaus u n
fälschungen, w ie ich zu seiner Z eit zeigen w erde. Zum GJhristen-
w ürdig. In seinem Reiche soll innerhalb dieser Sinnenw elt nichts
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g e ä n d e rt w erden, a u ß er durch Frei) d unter dem göttlichen Pflicht Der andere Beweis. W enn es w ah r war, daß eine göttliche
g e b o te ; und w er es anders will, und W u n d er begehrt, d er will Kraft ergreife und treibe jeden, der n u r sich hingibt, so m üßte
sich seiner Pflicht entziehen. O hne Zweifel gin g Jesu, d er bei, sich dies in der E rfahrung eine% jeden, d er sich' hingab, b estätig en ;
seinem ersten Erscheinen auf den ersten Beweis bestand, und er m ußte sich als einen durchaus anderen M enscheh, mit nie
auch die B ew eisführung versuchte, durch das M ißlingen das Licht gehabten Plänen und nie em pfundener Kraft, fühlen. Dies führte
auf ü b er das zw eite, wie ihm denn zugleich das Licht aufging ihm in ihm selber den Beweis, ebenso wie er Jesu g e fü h rt w ar
ü b er eine an d ere B ew eisführung für die Realität «des H im m el in ihm selber. Für einen solchen nun fiel die N otw endigkeit des
reichs, w ovon sogleich. (Keine der Ehre Christi nachteilige Be unm ittelbaren G laubens an den Beruf Jesu w eg : er erhielt die IV, 549
h auptung.) D er i n d i v i d u e l l e Zw eck w ar ihm aus G o tt: die Ü berzeugung von dem selben m ittelbar durch die unm ittelbare
W elt kennen lernen und sie ihm subsum ieren konnte er ur durch E rfahrung an sich selbst, in u m g ek eh rter Richtung d er B ew eis
E rfahrung. Auch g e s te h e n d die A postel zu: er s e i versucht führung in Jesu. W ie viel bedurfte d ieser? N ur die p ro b lem a
allenthalben, gleich w ie w ir.1 D aher ohne Zw eifel die anscheinend tische V o rau ssetzung: auf diese hin sollte man es w agen. So
w idersp rech en d en B ehauptungen Jesu ü ber diesen P u n k t: einmal, erhält der G laube an Jesu Beruf eine doppelte G estalt: er ist x
w ie es scheint, w irkliche B erufung auf seine W under, als Beweise teils kategorisch, teils problem atisch: letzteren bedurfte Je su s:
sein er G öttlichkeit: an an deren Stellen klar u n d ganz unzw eideutig So jem and will des W illen tun, der mich gesan d t hat, der wird
S trafreden ü b er den irdischen Sinn, d e r d a W u n d er fordere, inne w erden, ob diese Lehre von G ott sei, o der ob ich von mir
IV, 348 diesen eine B ew eiskraft zuschreibe. Dies ist nun ganz richtig. selbst rede. (Joh. 7, 17.)
Ehe dieser Sinn nicht a u sg e ro tte t ist bis auf die W urzel, ist kein Die Jü n g er hatten, w ie g esag t, den ersten G lauben, und
C hristentum . D er W u n d erg lau b e und das H alten darauf sind rein hielten auf ihn. Zum zw eiten Bew eise kam en sie w enigstens
heidnisch, v erstoßend g eg en die ersten Prinzipien des C hristentum s. bei dem Leben Jesu nicht. W ohl aber nach seinem T o d e; und
S tatt dessen bed ien te er sich nun der V erw eisung an M öses so führten sie denn neben dem ersten auch den zweiten, d en sie
und die P ropheten, u n d an d en i n n e r e n Beweis. Also es sind den Bew eis des G e i s t e s und der K r a f t n a n n te n ,1 i h n auch
hierin zwei Epochen etw a in dem L eben Jesu, welche die E vange so g ar zu einem äußeren m achend.
listen, die ü b er diesen P u n k t nie klar gew orden, verw echselt W ie im Fortlaufe durch Vers tan de seinsicht von d er Realität
haben. (Die A uferw eckung des Lazarus ist freilich d a g e g e n : dies des H im m elreichs ein d ritter Beweis sich eingefunden habe, d e r
m ag nun ein an d erer untersuchen.) die P erson Jesu gänzlich überflüssig m acht (für die Seligkeit der
Jesus hat W u n d erb ares in Fülle getan, weil er ein erhabener Individuen), w erden w ir sehen.
M ensch w ar; sein ganzes D asein ist das g rö ß te W u n d er im ganzen
V erlaufe d er Schöpfung; ab e r eigentliche W u n d er hat er nicht
g etan , nicht tu n können, noch sollen, indem diese im geraden D ieser historische Satz: Jesus w ar durch seine S tellung in
W id ersp ru ch e stehen m it seinem Begriffe von G ott und dem g ö tt der Zeit, und durch sein V erhältnis zur V orw elt, M itw elt und
lichen Reiche. — E benso h a t Jesus ja keine E rscheinungen, Ge- N achw elt der erstg eb o rn e und eingeborne Sohn, w urde nun
, sichte, T räum e, o d er des etw as gehabt, und darauf sich berufen, m etaphysisch genom m en. G o tt erzeugte in der Zeit den Sohn,
w ie die alten P ro p h eten . W ie ist ihnen denn das entfallen ? Alles als sein Beruf ihm klar w a rd : dieser M om ent w ar es, von w elchem
dies sind H exenm ittel, die einen willkürlichen G ott voraussetzen. in der Z eit der Beginn des H im m elreichs datierte. K l a r w a r d ,
sag en auch w ir, und können nicht anders sagen, den Beruf an Zeit eine gew isse U nterscheidung nicht m achte, m it dem , was
sich vor seiner E rscheinung im klaren B ew ußtsein voraussetzend. in dieser ihrer Sprache ganz richtig w ar, die Folgezeit, w elche
IV, 550 N ein, sag te m a n : die D ü rftigkeit und U nzulänglichkeit d er Z eit diese U nterscheidung m acht, v e ra n la ß tG lä tte n /ih n e n U nsinn en t
ü b erh au p t fehlt; er h a t ih n g ezeu g t von Ew igkeit. Richtig. W ir w eder zuzutrauen, oder, nach B efinden, auch nachzusagen. N äm
haben oben den stren g en Beweis geführt. Ein C h risti > lag schlecht lich U nsinn w äre es g ew o rd en in d er sich eingestellt habenden
hin n o tw en d ig und nach ihrem inneren G esetze in der E rscheinung: neuen Sprache, g e g rü n d e t auf eine neue U nterscheidung,
sie gesetzt, ist E r gesetzt. Kurz und scharf: die Sache verhält sich also. M annigfaltig
Es geschieht oft, daß m an, um, einen einzelnen Fall beküm keit, Wäre es auch nur Z w e i h e i t , ist nur im Begriffe, d er die
m ert, ein allgem eines G esetz findet, es aber nicht ak allgem eines, E inheit und das Z usam m enfassen derselben ausm acht, ohne
sond ern n u r als dieses Falles G esetz ansieht. So g. g es hier. welches sie nicht ist, m ithin nur im Bilde und d er schon fertigen
Alle G run d m ö m en te d er M enschengeschichte, durch^-die das G e Erscheinung. Jenseits der Erscheinung, und mit völliger A bstrak
schlecht in der T at w eiter kom m t (nicht die V erzögerungen durch tion von ihrem G esetze, ist nur absolute Einfachheit. W er darum
individuelle Freiheit), liegen im G esetze der E rscheinung. E benso sag en w ürde, G o tt jenseits seiner E rscheinung, der G egenstand
wie ‘C hristus, hat G o tt von E w igkeit z. B. die M athem atik, d ie des die E rscheinung schlechthin vernichtenden G edankens, sei ein
P hilosophie aus seinem W esen gezeugt. D er Ehre Jesu geschieht M ehrfaches, d er w ürde absoluten U nsinn aussprechen, den reinen
dadurch kein Nachteil. G rund- und E inheitspunkt der G eschichte, W iderspruch in d er höchsten Potenz, w o die E rscheinung nicht
zu w elchem alles V o rh erg eg an g ene sich, als V orbereitung,, und sein sollte, und doch auch sein. Jenen Satz aussprechen konnten nicht
alles K ünftige sich als E ntw icklung verhält, bleibt er do ch : der Jesus, noch seine Apostel, noch die ersten K irchenlehrer; denn
E ingeborene und M ittelpunkt, in welchem u n d um desw illen alles: von ihnen w ar jene A bsonderung, durch w elche ein G ott je n
andere g e zeu g t ist. seits d er E rscheinung entsteht, g a r nicht g em ach t; Jesus ging
: C hristus ist selb st G o tt m it dem V ater u n d G eiste, sagte man bis auf den in ihm erscheinenden V ater; dieser w ar ihm das Letzte,
ferner: G o tt ist in w esentlicher E inheit ein Dreifaches, Daß dies U nm ittelbare: und so seine N achfolger. Sie reden darum von IV, 552
nirg en d s m it diesen W o rte n in den auf uns gekom m enen U r D reiheit in E inheit des erscheinenden G o ttes; wie es h e iß t: G o tt
kunden steht, auch nicht irgendw o, außer an einer einzigen Stelle h a t sich o f f e n b a r e t als V ater, Sohn und G eist. O f f e n b a r e t :
'des P a u lu s 1, C hristus ist G o tt; daß der U nterschied und die nicht in W orten, so n dern in d er T at ist er also erschienen. U nd
IV, 551 U n tero rd n u n g des Sohnes u n te r den Vater, ebenso des G eistes dies ist denn offenbar u n d klar: denn d e r V ater ist das absolut
unter den letzteren, oft unum w unden ausgesprochen w ird, ist kein V orausgegebene, der S paltung d er Individualität V orhergehende
W id ersp ru ch g eg en jene Lehre. An den B uchstaben der Schrift, in der E rscheinung: d er S ohn ist die absolute Steigerung d e r
und das ew ige W ied erh o len derselben ohne V eränderung ist d er selben zur A nschauung des Reichs G ottes, und der G eist ist die
C hrist nicht g eb unden. Die folgenden L ehrer h atten das Recht, V ereinigung der beiden, u n d die A nw endung des ersten auf das
in E inheit zu fassen, u n d den Sinn herauszuheben, w enn sie letzte, w ie ich dies tiefer unten, w o die einzig schickliche Stelle
ihn n u r nachw eisen k o nnten, — w as sie in diesem Falle, m eines dazu kom m en w ird, zeigen w erde. Die vom C hristentum e aus
E rachtens, vollkom m en können, — und diesen Sinn zu fassen in g eh en d en B estrebungen der Philosophie haben in der allgem einen
die Sprache ih rer Z eit; w ir schreiben es uns zu, und u n se re n A nsicht d er C hristen an die Stelle des unm ittelbar im Innern des
N achfolgern. N un ab er könnte es doch sein, daß sie, weil ihre M enschen erlebten, und so erscheinenden G ottes gesetzt den ab s
trak ten G ott des reinen Begriffs, den nicht erscheinenden, ohne
1 Röm, 9, 5 nach Luthers schwerlich richtiger Übersetzung. jedoch, d a bis auf die W issenschaftslehre die Philosophie w ohl
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anderes, ab er n i c h t' sich selb er verstanden hat, dieses, und notw endig zur Seligkeit, obw ohl das G egenteil eine U nklarheit ist,
den U nterschied des erscheinenden recht zu w issen. W ird nun die als solche geh o b en w erden soll, w enn sie kann. Bei dem
seit dieser U m w andlung des G rundbegriffs von einer D reiheit in g eg en w ärtig en Z ustande des C hristentum s, d. i, nachdem die
G o tt gesprochen, so w ird es verstanden von diesem allein g e Einheit G ottes begriffen ist, die Lehre von d er D reieinigkeit, o b
dachten G o tte ; da ist es nun nicht zu konstruieren, weil es in w ohl sie, von dem sich offenbarenden G otte verstanden, dem IV, 554
IV, 553 dieser W eise dem G esetze aller K onstruktion w iderspricht; d er gebildeten V erstände klar und offenbar ist, zur B edingung der
S chüchterne läß t es b ei dem W orte bew enden, und spricht; es Seligkeit zu m achen, ist durchaus g eg en das C hristentum , und
sei ein G eheim nis, d er M utigere g esteh t sich: es sei das U nsinn; führt vom eigentlichen C hristentum e ab, ebenso w ie das Be
w oran er, w enn es so g enom m en w ird, wie die U rheber der Lehre stehen auf den G lauben an die Person Jesu,
es freilich niem als g enom m en, vollkom m en recht hat. Solche Ex
positionen des L ehrbegriffs sind entstanden im Streite und durch
P olem ik; um sie zu verstehen, m uß m an den Streit als die g e Z u s a t z ü b e r e i n e n P u n k t . G laube an W under im g e
schichtliche V eranlassung kennen. So hier; den K irchenlehrern w öhnlichen Sinne, d .i. an ursprüngliches E ingreifen des G eistigen
und K onzilien w ar es nicht zu tun um die D reiheit, diese w urde in die Sinnenw elt, ebenso w ie an E rscheinungen, und üb erh au p t
zu g estanden und g e le b t: um die E inheit w ar es ihnen zu tun; an eine m agische E inw irkung des Ü bersinnlichen auf das Sinn
diese w urde durch den H an g zum Polytheism us bestritten in den liche, sei g ro b e r heidnischer A berglaube, unw ürdig des christ
■ K etzern, welche Z ersp alter w aren, zwei N aturen in C hristo be lichen V aters im H im m el, und aufhebend die Reinheit des G lau
haupteten , M anes — zw ei G ötter. Dies w ar gegen die Seligkeit, bens an ihn, sagte ich oben. Ich w eiß w ohl, daß in diesem Stücke
g eg en die ru h ig e H in g eb u n g , indem ja dieser Streit erst aus das C hristentum noch am allerw enigsten gesiegt, und den heid
g em acht w erden m ußte. — W er also die E inheit in d er D reiheit nischen H an g zum W und erb aren a u sg ero tte t hat. W ie oft habe
nicht g lau b t, d er ist ohne allen Zw eifel verloren, der S egnungen ich so g ar unter studierenden Jünglingen einen heiligen Eifer für
des C h ristentum s unfähig. A nders bei uns. D as C hristentum w ird den W u n d erglauben bem erkt. M it d er Sinnenw elt hat d er w ahre
doch nicht an zw eitausend Jah re vergebens in d er W elt gew esen G o tt unm ittelbar g ar nicht zu tu n ; seine Sphäre ist d er W ille
sein, so daß es nicht einm al m it einem seiner G rundelem ente hätte des M enschen, und durch diesen erst w irkt er m ittelbar auf jene.
durch d rin g en k ö n n en ? M it d er Einheit hat es allgem ein gesiegt, W er darum diese anders will, d e r w ill sich dieser W irk u n g en t
w eil m an es zum G o tte des B egriffs in allen Katechism en ohne ziehen, und seine Pflicht g eän d ert haben. Auf diese Einsicht kom m t
A usnahm e g eb rach t hat. Diese ist jetzt nicht bestritten, w ohl aber es an. Zum Beispiel: W enn Jesus w irklich seinen V ater um W u nder
die D r e i h e i t . D iese den M enschen einzureden, ist also die Auf ersucht h ätte ; w ie hätte ihm G o tt antw orten m üssen? Bedenke
g ab e d er neuen T rinitarier. Auf jene W eise nun g e h t es nicht. ’ doch, daß du nicht, w ie m eine G esan d ten d er alten W elt, die
T u n sie ’s darum auf die w ahre. Ist denn nun aber die A nerken M enschen n u r dahin bringen sollst, daß sie etw as äußerlich tun,
n u n g d er U rsprünglichkeit des Sohnes u n d G eistes so durchaus w ozu die B etäubung durch ein W u n d e r recht g u t w ar, sondern
n o tw en d ig zur S elig k eit? W en n nun d er Sohn und d e r G eist in daß sie es zufolge klarer Einsicht m it freiem E ntschlüsse tun,
uns w irkt, gilt das nichts, w enn es nicht im klaren Bew ußtsein w obei jene B etäubung nur hinderlich und im W ege sein w ird.
an erk an n t w ird ? K ann denn d er Sohn und G eist nicht selig m achen, W ie du sie nun zu dieser Einsicht bringest, da siehe d u zu;
ohne W issen und D ank des B eseligten? Ich sollte doch denken. denn n u r inw iefern du dies tust, erfüllst du deine Bestim m ung,
O hne Sohn und G eist kom m t k einer zu G ott, dies bleibt ew ig tu st du deine Pflicht, und b ist d e r C hristus, d er Stifter des neuen
w a h r: daß m an sie ab e r in seinem B ew ußtsein erfasse, ist nicht B undes. K annst du dies nicht, und bed arfst du d er W under, so
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entziehst du dich deinem Berufe, und w illst lieber sein, w as ich bei den Juden noch insbesondere durch die B eschneidung, als
IV, 555 nicht b eg eh re, ein P ro p h e t d er V orzeit; du b ist dann g a r nicht das Zeichen des B undes u n d des auserw ählten Volkes, H alten
der C hristus, u n d d ieser m uß erst nach dir kom m en. Die G e des Z erem onialgesetzes, und dergleichen. Dies liegt schon also
legenheit, w o das W u n d e r recht am Platze gew esen w äre, war* in u nserer früheren D arstellung.
sich vom K reuzestode zu re tte n : so w ie Elias, als er gefangen Nach d er Sprache d er Jud en nun insbesondere, w elche diese
w erden sollte, F e u e r vom H im m el fallen und die Bew affneten D enkw eise bis zu einem durchgeführten System e ausgebildet
verzehren ließ, Jesus erklärt sich auch d arü b er: M einet ih r nicht, hatten, hießen diese außer G ott Seienden S ü n d e r . Sünde also
daß ich m einen V ater bitten könnte um eine L egion E n gel? — A usgestößen heit von d er G ottheit, U nheiligkeit; en tsündigt w urde
wie er im Sinne des A ltertum s allerdings die Sache ansehen, und m an darum durch Beschneidung, A ufnahm e in M ysterien, E in
seinen Jü n g ern vorstellen k o n n te; — aber das tu e ich nicht, denn w eihung zu Isis, O siris und dergleichen, wie denn dies bei der
wie w ürde so d an n die Schrift erfü lle t,1 w ie w äre ich sodann der B edrängnis der G ew issen Sitte w urde. Daß G o tt einen M enschen
C h ristu s? D er an dieser Stelle geführte Beweis aber ist allgem ein: ergreifen und beg eistern könne, u n d um schaffen nach seinem
ein W u n d e rtä te r konnte sein ein M oses, ein Elias, ein R om ulus, B ilde, w ie das C hristentum behauptete, konnten sie allenfalls
ab er niem als ein C hristus, ein Stifter des H im m elreichs. noch zugeben: nur u n ter d e r B edingung, daß er schon vorher ein
D iese W u n d e r in d er Sinnenw elt, (vom H im m el) leugne ich G ew eihter u nd G erechter sei, in ihrem Sinne nicht ein S ünder:
entsch ied en : lehrend ü brigens einen lebendigen und: w irkenden den Sünder h ö rt G o tt nicht, und tritt m it ihm in keine: G em ein
G o tt in der G e iste rw e lt D aß er allen, die zu ihm sich nahen, ein schaft. Dies ist die alte B edeutung des W ortes Sünde, w ie ich klar
neues H erz schafft, ist sein ew iges g ro ß es W under, und einzelne erw eisen w erde. An die n euerdings untergeschobene U n s i t t l i c h - iv, 557
W u n d e r in dieser Sphäre, daß ein C hristus kam , er A postel fand, k e i t ist nicht zu denken.
Durch d en oben aufgestellten Satz des C hristentum s w urde
diese bis auf diese Stunde die ihrigen gefunden, w erden w ir
allenthalben zu bem erken G elegenheit haben. dieser U nterschied zwischen A usgestoßenen und A userw ählten,
S ündern und G erechten gänzlich aufg eh o b en ; im Z ustande d er
G eb u rt u n d A bstam m ung keines lag ein H indernis g erecht zu
Z u dem historisch d ogm atischen Inhalte des C hristentum s sein. Die Sünde darum , u n d m it ih r die E n tsündigung w a r durch
g e h ö rt noch die L ehre von d er R e c h t f e r t i g u n g , mit dem auf das C hristentum rein ausgetilgt und w eggenom m en aus d er W elt.
die. biblischen A usdrücke g e g rü n d ete n W o rte des System s. Seit dem durch Jesus erklärten Entschlüsse G ottes, durchaus jeden,
Ihr Inhalt für uns, natürlich ausgesprochen, ist d ie se r: Jeder d er sich ihm nahe, aufzunehm en, gab es keine Sünder m ehr, noch
M ensch, ohne A usnahm e, dadurch, daß er ein M ensch g eboren E ntsündigung, noch des etw as. W ir w issen, daß G ott die Sünder
ist, und solches A ngesicht träg t, ist fähig ins H im m elreich zu nicht hört. A n tw ort: Es g ib t keine Sünder,
k o m m e n : G o tt ist b ereit, ihn zu beleben und zu b e g e iste rn ; denn D ieser Lehrsatz und die A bleugnung des G egenstandes w aren
n u r dazu eben ist je d e r M ensch da, und nur u n ter dieser Be w esentlich. M it jenen E ntsündigungsm itteln, W eihung, B eschnei
d in g u n g ist er ein M ensch. dung, T aufe, od er w as es sei, bleibt G ott d er w illkürliche, eigen- IV, 558
IV, 556 So nicht nach den B egriffen d e r alten Zeit, und besonders sinnige D espot, der ohne G ru n d befiehlt, und dem m an gehorchen
des Jud en tu m s. N ach diesen bedurfte es für diese Fälligkeit m uß ohne Einsicht, nach dem R echte des Stärkeren, d er F ürst
einen . G o tt zu hab en u n d Teil an ihm e rst einer besonderen Er-, d e r W elt u n d Z a u b e rg o tt; u n d w ird nie der him m lische V ater des
w ählung, G nadenw ahl durch Einverleibung in ein B ürgertum , C hristentum s, dem d er M ensch, so w ie er ist, kindlich und ohne
Furcht sich nahen darf.
1 Matth. 26, 53 f.
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Angewendete Philosophie. Neue Welt. 177
176
So ist ü b e rh a u p t-je d e r dazu fähig, durch die G eh u rt als m uß diejenige, die m an früher durch den G lauben los w ird, eine
M ensch und m it m enschlichem A ngesichte. Daß nun aber je- ^ andere sein: und es ist eben die von d e r V orw elt geglaubte Ver- IV, 560
m and w irklich fähig sei, sich G o tt zu nahen, dazu gehört, daß w orfenheit von G ott, die auch E rbsünde gen an n t w ird.
er die Lehre Jesu vom H im m elreich w isse, und dieselbe entw eder D es G e s c h l e c h t s S ünde: für diese ist Jesus das O pfer und
m it kategorischem o d er problem atischem G lauben annehm e. (Vgl. die G en u g tu u n g . So re d e t die Schrift. Z eige m an m ir doch nur
o ben S .169.) Also — d er w irkliche M ensch w i r d g e r e c h t allein eine einzige Stelle, wo dem einzelnen g esag t w ird: Jesus h at für
durch d en G lauben an das E vangelium , und au ß er dieser V oraus deine persönliche Sünde g en u g getan, wie aus U nverstand die
setzu n g bedarf es keines anderen, w eder vorhergehenden, noch N eueren sagen, und dabei recht from m und erbaulich zu reden
nachfolgenden M ittels, glauben.
Diese A ufhebung der Sünde und E ntsündigung w ar nun für
Jesus u n d seine N achfolger w a h r lediglich zufolge des Faktum s W eniger von Jesus selbst, der den G egensatz w enig b e
sein er S en d u n g ; keinesw egs aber, wie für uns, zufolge d er Einsicht achtete, und das heidnische Prinzip des Judentum s ohne Scho
eines G esetzes. A ber ein Faktum kann, w enn man nicht u n b e nung nießerschlug, als von seinen A posteln, die bei E rrichtung
so n n en ist, ein g eg en ü b ersteh en d es Faktum aufheben nur der einer C hristengem eine die B erührung mit dem Judentum e nicht
Z eit nach. „M ag w ohl sein, daß es ehem als einer B eschneidung verm eiden konnten, w urde dieser P u n k t behandelt: besonders
IV, 559 b ed u rft h ab e; d arü b er w eiß ich nichts, es steht an seinem,, O rt, von Paulus, der, bei einigem W ankelm ute der übrigen, das
es g e h t mich nicht a n .“ Jetzt, seitdem G o tt durch Jesus das christliche Prinzip kräftig durchsetzte. E r hat den G egenstand
G egenteil erklärt hat, ist es nicht m ehr so. — Seit der B erufung ausführlich und gründlich behandelt in d en E pisteln an die Römer,
ist es so : durch sie ist die Sünde aufgehoben. Die Jü n g er ins G alater und sonst mehr. Jene Sündhaftigkeit gesetzt, w aren die
b eso n d ere d atierten den B eginn des Reichs G ottes vom T ode Jesu, Juden eben auch S ü nder; denn es ist nicht w ahr, d aß die B eschnei
weil sie als die B estim m ung seines Lebens nur ihre V orbereitung dung und das H alten des G esetzes rechtfertiget: die ganze alte
ansahen, und sie erst seit diesem T ode au sg esan d t w urden au W elt bis auf C hristus w ar in d e r Sünde. N ur seit Erscheinung
die ganze en tsü n d ig te W elt. Nach ihnen ist darum die Sünde des E vangelium s ist die Sünde vernichtet; und allein der C hristen
durch den T o d Je su au fg eh o b en , sein Blut hat sie w eggenom m en, glaube m acht in diesem Sinne gerecht. D ies ist d er historische,
im Bilde vom jüdischen O pferdienste, er ist das Sühnopfer für die B edeutung bestim m ende U rsprung d e r Lehre von E rlösung,
die W elt, er ist uns v o rgestellt zum G n ad en stu h l, 1 in welchem G enugtuung, E ntsündigung usf., und der polem ische G ebrauch IV, 561
Bildersystem e m an sich nun ins U nendliche ergehen m ag ü b er derselben g e g e n das von G rund aus nicht zu w iderlegende heid
diesen G eg en stan d , für die, denen dieses B ildersystem geläufig nische Prinzip von einer S ündhaftigkeit des natürlichen (durch
ist, wie z. B. der A postel P aulus recht m it Liebe sich also ergehet. keine E inw eihung gereinigten) M enschen vor den A ugen G ottes,
D aß dies so ist, u n d schlechthin nicht anders sein kann, er D erm alen ist durch die W irkung des C hristentum s diese
hellet aus dem U nterschiede d er H eiligung von d er R echtfertigung, heidnische V oraussetzung aus der christlichen W elt rein und
Die R echtfertigung g e h t nach alter Lehre vor d er H eiligung voraus; durchaus verschw unden; sie ist so g ar vergessen und u n verständ
durch diese aber erst, durch d en von G o tt erschaffenen neuen lich gew orden. D ie E ntsündigung und R echtfertigung vor G ott
M enschen, w ird m an, falls m an die natürliche N ichtigkeit des ist Je su durchaus gelungen. W o findet sich w ohl noch jem and,
M enschen Sünde nennen will, d er w irklichen Sünde los. M ithin d er sich vor G ott sch eu e? W ir nahen ihm, könnte m an sagen,
w enn m an bedenkt, daß d e r allgem einen R echtfertigung so selten
1 Röm. 3, 25. die H eiligung folgt, w ir nahen G o tt n u r zu dreist. Das zarte
592 593
178 Angewende.te Philosophie. Neue Welt. 179
K ind w ird durch das, C hristentum gew öhnt, jede Nahruno* als Fleisches, w erden w ir erlöset doch w ohl nur durch unsere eigene IV, 563
ein G eschenk aifs d er H and des him m lischen V aters anzunehm en H eilig u n g ; und von dieser w ird doch hoffentlich Jesus uns nicht
und m it seinen kindischen A ngelegenheiten vertrauensvoll im erlöst haben, und in dieser Rücksicht unsere Stelle vertreten,
G ebete sich ihm zu n ah en : w as da ganz rech t ist und gut. w enn da ja seine eigene H eiligkeit nur eben darin besteht, daß durch
n u r h in terh er die H eilig u n g folgt. Also die Sache, die Erlösung ihn w ir alle geheiligt w erden. Also h a t er uns auch nicht von
ist da, und diese lasse m an ja nicht u n terg eb en : die sie be- d e r Sünde erlöst, die w ir nur durch die eigene H eiligung los
abzw eckende Lehre, die sich selbst durch sich selbst vernichtet w erden. Jenes erste w ollen sie auch eben nicht sa g en : doch
b a t, w ird eine au sg esto rb en e Form el.
m üßten sie es sagen, w enn sie irgend etw as sagen w ollen. Sie
Die nun aber doch, dam it nichts um kom m e, derselben ein erscheinen darum in kläglichster V erw irrung, und w issen selbst
künstliches Leben einflößen w ollen, w as m üssen sie t un? Sie nicht, w as sie reden.
m üssen dem H au p tw o rte Sünde einen anderen Begriff unter Da haben sie sich z. B. folgende H eilsordnung ersonnen,
schieben. Sünde soll sein die U n s i t t l i c h k e i t . Dies ist ein auf weiche, als ein H öchstes, m ancherlei V erw andtes unter sich
philosophischer, durch A bstraktion entstandener, durchaus kein, B efassendes, zw eckm äßig sein dürfte, Rücksicht zu nehm en. (Die
historischer, und ein Faktum bezeichnender Begriff, dessen die HaUischen T heologen, und nach ihnen die B rüdergem eine. Es
alte W elt, so auch Jesus und seine A postel, durchaus unfähig ist aber in d er Lehre des L uthertum s sehr w ohl begründet, n u r
w aren (also kein christlicher Begriff). W enn nämlich v o n - d e r daß sie rechten E rnst dam it gem acht haben.)
äußerlichen G esetzlichkeit, w elche allein d e r V orw elt bekannt D er M ensch solle vor allen D ingen seine Sündhaftigkeit ,
wai-, so d an n auch von den H andlungen, aus G o tt getan, die recht innig erkennen, gleichsam H öllenangst ü ber sie em pfinden,
b l o ß e F o r m ab g ezogen wird, so h eiß t diese sittlich, das G egen- und in dieser A ngst äeine Z uflucht nehm en zum Erlöser, — w elches
teil unsittlich, und die philosophische W issenschaft, die diese letztere hoffentlich der lebendige, heiligende G o tt selbst sein w ird,
A bstraktion vollzieht, h eiß t die Sittenlehre. N un aber ist keine und nicht w iederum ein verw irrendes Schattenbild. — D ies sei
leb en d ig e H an d lu n g bloße F o rm : es lebt sich darum niem als 1 der W eg der Buße, B ekehrung ü n d R echtfertigung; und außer
rein aus dem Begriffe der Sittlichkeit o der d e r U nsittlichkeit diesem gebe es keinen. — Als S ünder erkennen? W ie d en n ? IV, 5 6 4
IV, 562 obw ohl allerdings die H an d lu n g unter E iner dieser Form en stehen Da m uß er doch irgendein Bild, ein G esetz haben, gegen w elches
w ird, so n d ern das eigentliche Leben hat einen anderen A ntrieb, i er in der S elbstprüfung sich halte, w ie auch das System gesteht,
In dieser R ücksicht g ib t es nun nach dem C hristentum e, und und als dies G esetz die heiligen zehn G ebote aufstellt. D iese soll
nach vollendeter P hilosophie zwei L ebensw eisen: a u s d e r s i n n er nicht gehalten h a b e n ? W enn er sie nun gehalten und alles
l i c h e m P e r s ö n l i c h k e i t h e r a u s : d a sei die H andlung noch getan hätte, w as er zu tun schuldig ist, seine H abe den Armen
so glänzend legal, so ist sie nichts, leerer Schein, ohne G ehalt, -J gegeben, seinen Leib brennen lassen, w äre er denn dann w eniger
nicht einmal S ünde; denn es ist selbst ein sündlicher H ochm ut des ein S ü n d e r? Die eigentliche Sünde h at ja ihren Sitz g a r nicht
M enschen, zu glauben, daß er sü ndigen und etw a den göttlichen in den Erscheinungen d er grö ß eren o der kleineren G esetzw idrig
W eltplan rea liter stö ren könne. Doch, um m it D iesen nur keit, und zu deren E rkenntnis w ird er durch keine em pirische
fortreden zu können, m ag diese N ichtigkeit einm al Sünde genannt Selbstprüfung kom m en, welche die eigentliche Sündlichkeit erst
w erden. — O d er das Leben l e b e t a u s G o t t , so ist es G ottes recht befestigt, so n dern durch den schlechthin apriorischen Satz
E rscheinung, und w er aus G o tt geb o ren ist, sündiget nicht.1 des C hristentum s, daß alles, w as aus dem eigenen W illen hervor
V on d er Sünde nun im ersten Sinne, von d er N ichtigkeit des geht, und nicht aus G ott, nichtig sei und, w enn man so reden
■ 1 1. Joh. 5, 18.
594 will, Sünde. W arum hebt ihr denn nicht gleich mit diesem Satze
F i c h t e , Die S t a a t sl eh re . 12 595
Angewendete Philosophie. Neue Welt. 181
an, m it welchem ihr doch, falls ihr euren P flegebefohlenen wirklich drin g en : erstere dagegen, weiche um den B uchstaben, den sie
zum C hristentum e b ringen, und ihn nicht in einer nichtigen W erk m ißverstehen, eifern, u n d die P erso n Jesus d e m '‘ w ahrhaften
heiligkeit w ollt enden lassen, kom m en m ü ß t? Von A ngst und C hristus und seiner W irksam keit in den W eg stellen.
Schrecken soll er ergriffen w erden über die S ünde: also, falls ihr
dam it nicht etw a die m öglichen G esetzw idrigkeiten, sondern die
eigentliche Sünde m eint, darü b er soll er A ngst em pfinden, daß Zum V erständnisse des C hristentum s, als einer B egebenheit
er a u ß er G o tt nichts ist, und ohne ihn nichts kann. Soll er denn in der Zeit, geh ö ren ganz vorzüglich die W eissagungen desselben
dies w u n d erb ar finden, und es anders g ew o llt h a b e n ? Soll er von sich selber, als seine A ussage, wie es sich selbst als
IV, 565 denn glauben, daß er sich selbst habe helfen können und auf historisches Prinzip in der W elt ansieht. Die W eissagungen
sich laden, w as G o ttes Sache ist? D er C hrist will eben nichts ü b erhaupt g ründen sich auf den früher abgeleiteten, nachher im
sein a u ß er G o tt, und au ß er diesem seiend, will und m ag er nichts Z usam m enhänge historisch eingeführten Satz, daß eine w ahrhafte
G utes an sich finden. Ihr ab er schiebt ihm u n ter das anti F ortentw ickelung des M enschengeschlechtes nicht vergeblich,
christliche P rinzip d er Selbstliebe und S elbstobjektivierung, fordert nicht ein b lo ß er V ersuch sein könne, sondern daß alles aus ihr
auf dasselbe und b estärk t es, um daran das G eschäft eurer Be erfolgen und durch sie geleistet w erden m üsse, w as d a könne
k eh ru n g zu knüpfen. Ihr m acht die M enschen zu H eiden, so gut und solle. Die W e issag u n g ist n u r die A nalyse dieser Einsicht:
ihr könnt, dam it ihr G eleg en h eit findet, euer Kunststück, zu V oraussicht der Z ukunft aus der G eg en w art nach einem G esetze.
C hristo zu b ekehren, auszuüben. So konnte denn Jesus w eissagen, und so kann es eigentlich jeder,
In S um m a: Alle H eilso rd n u n gen ohne A usnahm e, außer der der etw as Tüchtiges beginnt, o der das von anderen B egonnene
einfachen, daß m an sich selbst verleugne und vernichte in jedem versteht.
Sinne, m ögen dieselben nun bestehen in historischen E rkenntnissen, Es g ib t zwei H au p tw eissagungen Jesu. Die eine, daß sein
o d er in gew issen, auf dieses H istorische g eg rü n d eten Ü bungen, W erk, die Stiftung des H im m elreiches, ü b e rh au p t durchgehen
geh en hervor aus jenem Selbst, und sind A ufrechthaltungen des w erd e ; die zw eite, ü ber das sichere und entscheidende Mittel,
selben, m ithin feindselig dem C hristentum e, und antichristlich. verm ittelst dessen es w erde durchgesetzt w erden, H eben w ir an
W ie die Juden stolz w aren auf ihre A bkunft von A braham , bei der letzteren, die da früher erfüllt w erden, und deren G e g en
und die M enschen erst beschneiden w ollten, ehe sie ihnen die stand, als M ittel, natürlich in d er Zeit früher erscheinen m uß.
E rlaubnis, sich G o tt zu nahen, und die E m pfänglichkeit fü r seine Jesus hatte, bald belehrt, daß er keinen allgem einen G lauben
E inw irkung zugestanden, so sind bis auf den heutigen T a g die, finden w erde, die A ufgabe seines Lebens bald darauf beschränkt,
welche dieser A rt sind, stolz auf ihre A bkunft aus d er C hristen sich nur A postel, als ein L ehrerkollegium zu bilden. W ie es m it IV, 567
schule, u n d m achen sta tt d er B eschneidung das E rlernen und dem G lauben und der Einsicht dieser bestellt sei, und, solange
B ew undern ihres K atechism us zur B edingung der R echtfertigung. er unter ihnen sei, bestellt sein m üsse, wie derselbe ohne alle
W as Paulus von den Ju d en , w as L uther von den P apisten, in Selbständigkeit, sähe er w ohl ein, W ie sollte nun durch solche,
IV, 566 A bsicht der V erfälschung d er Lehre von d er R echtfertigung allein u n d ihre N achfolger und deren, sein W erk ausgeführt w erden,
durch den G lauben an Jesus, und d e r V erkleinerung des V er welches, er w ußte es allgem ein, ausgeführt w erden w ü rd e ? Er
dienstes Jesu jem als H artes g esag t, gilt also von diesen C hristianern, fand die L ösung d er F rage, und sprach sie zum T röste seiner
nicht C hristen. Die letzteren sind die, welche auf das W esen der Jü n g er aus. E s w e r d e n a c h s e i n e m H i n s c h e i d e n d e r
Lehre Jesu, welches m an seh r g u t in die Lehre von der R echt heilige Geist g e s e n d e t w e rd e n, der vom Vater a u s
fertigung, die ich oben vorg etrag en, setzen kann; ausschließend g e h e ; d i e s e r w e r d e z e u g e n v o n i hm: v o n d e m S e i n e n
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182 Angewendete Philosophie.
Neue Welt. 183
D ieser vom V ater ausgehende G eist w ar nun schon vor jetzt erhalten w orden ist. Seit dieser Z eit sind Je su A l l e vom
IV, 570 C hristus, ohne daß er es w ußte, o der zu w issen brauchte, objektiv V ater gegeben, u n d es bedarf keiner b esonderen G enialität m ehr,
g ew o rd en , und in dieser O bjektivität faktisch herausgebrochen weil das C hristentum sich anknüpft an das, w as eben allen
in dem A thenienser S o k rates; in ihm hatte d er V erstand sich g egeben ist, an den gem einsam en V erstand aller. Jetzt e rst ist
selbst zuerst ergriffen, und sich entdeckt, als eine eigentüm liche alle V ernunft zu zw ingen u n ter den G ehorsam des G laubens,
u nd rein apriorische Q uelle von Erkenntnissen, und w ar also nicht fo rm a lite r , in dieser H insicht w ird eben der G laube
durch die E ntw ickelung von W ah rheit aus ihm geb rau ch t w orden:, seiner D ienste en tlassen ; so n d e rn m a te ria lite r. N achdem nun
in B eziehung auf die Form d er W ahrheit gerad e ein so großes durch die Z eit diese A ufgabe gelöst ist, tritt freilich eine andere
W under, und eine so m ächtige F ö rderung der M enschheit, als ein, von w elcher zu seiner Zeit.
das in Jesu in B eziehung auf ihren G ehalt. D ieser so bearbeitete Ü berhaupt dies bei dieser G elegenheit, weil es an dieser
V erstand, dies w ar d er Sinn d er W eissag u n g Jesu, sollte nun Stelle einzig klar w ird. W ir sagten oben: d er F o rtg an g der
im V erfolge m it dem C hristen tu m e vereinigt, u n d der christliche W eltgeschichte bestehe darin, daß durch den V erstand der G laube
G ehalt aufgenom m en w erden in die Form der Sokratik, indem aufgehoben w erde. D ies geschieht nach einem verschiedenen
n u r in dieser V ereinigung es sicher zur allgem einen K larheit G esetze in d er alten und in d er neuen W elt, ln jener w urde
d er E rkenntnis kom m t. So ist es denn erfolgt, bis endlich durch das durch den G lauben G esetzte vom V erstände vernichtet, und
K ant der letzte Schritt geschah, daß jene Sokratik, jene Kunst das G egenteil an die Stelle gesetzt: der V erstand w ar polem isch
des V erstandes sich selb st erkannte, und sich von anderer, von darum , w eil die A nschauung der alten W elt g ar nicht richtig ist,
dem V erstehen in der A nschauung unterscheiden lernte, w odurch sondern nur vorbereitend auf ein künftiges Evangelium , Vorbild.
nun endlich die V erw irrung zw ischen historischem V erstände und In dieser w ird d er G laube vom V erstände bestätigt, dasselbige
d er E rkenntnis durchs G esetz g eh o b en ist. N un erst verm ag der durch ihn, wie durch jenen gesetzt, darum n u r die Form auf
G eist ein heiliger zu w erden, und den C hristen A l l e s zu sagen, g eh oben, w eit die A nschauung des C hristentum s real ist, selbst
in alle W ahrheit sie zu leiten, und für den historischen Jesus, das letzte Evangelium . D arum w äre d er Eifer für die Form hier
welchem g e g e n ü b e r er seine Selbständigkeit gew onnen hat, zu um so m ehr kindischer Eigensinn, da der G e h a l t ja bleibt. -
zeugen u n d ihn zu verklären. Diese Epoche tritt so rech t eigentlich W as bis jetzt freilich nicht so ganz klar und erw eislich der Fall war.
m it u n serer Zeit ein, und durch sie erst ist jene W eissagung
vollkom m en erfüllt. ---- W ir haben, was auch zu u nserer A ufgabe
g eh ö rte, die Zeit, in d er w ir stehen, in B eziehung auf den So ist nun die W eissagung vom heiligen G eiste freilich
absoluten Endzw eck des m enschlichen Lebens gedeutet. durch die ersten C hristen nicht verstanden w o rd en ; und vielleicht
W ohlgem erkt, weil dies späterhin auf eine entscheidende ist es jetzt das erstem al, daß sie also erklärt w ird (weil jede
W eise g ü ltig gem acht w erden w ird. — Durch diese E poche ist W eissag u n g erst durch ihre Erfüllung recht klar w ird), W ir
nun die F o rtd au er und d e r letzte Endzweck des C hristentum s dürfen diese anderw eitige D eutung nicht mit Stillschw eigen ü b e r
durchaus gesichert. V orher w ar dieselbe bed in g t durch die zu gehen. Die Jü n g er w aren ebensow enig, als es irgendein anderer
fällige Form des G laubens, jen er besonderen individuellen, und M ensch an ihrer Stelle gew esen w äre, darauf gestellt, dem G e
gleichsam genialischen V erw andtschaft zum C hristentum e, die vom schäfte Jesu in E rrichtung des H im m elreiches eine so lange IV, 572
V ater g eg eb en ist, g estü tzt darum auf das fortd au ern d e W under, A usdehnung zu geben, als w ir es nun w ohl zu tun g e n ö tig t sind,
IV, 571 daß in d er C hristengem eine im m er solche geboren w urden, w elches und doch nicht g ern tun, böse w erden, w enn man herrliche Sachen
G o tt denn auch ohne Zweifel g etan hat, da das .C hristentum bis um lahrtausende hinaussetzt. G erade wie wir, w ollten auch sic
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alles selb st erleben, u n d w en ig stens nicht ü b e r ihr Leben hinaus welche jede E rscheinung in ihrem Z usam m enhänge beg reift und
sollten alle W eissag u n g en verziehen, w ovon w ir sp äter ein treffen beurteilt, u n d keiner Z eit eine Erleuchtung anm utet, die sie nicht
des Beispiel sehen w erden. So auch mit der vom heiligen O eiste. haben kann. D er heilige G eist w ar ja in d e r T a t noch nicht
U nd so hielten sie denn diese W eissagung für erfüllt an sich in erschienen, u n d hatte sie in alle W ah rh eit g eleitet: w as W under,
einem P h än o m en e an d erer Art, in d er V erw andlung u n d U m daß sie selbst ü b e r den heiligen G eist in unrichtige Ansichten
schaffung, die nach dem T o d e Jesu m it ihnen sich zu trug, in fielen.
dem neuen M enschen, d e r ihn en an die Stelle des anderen en t
stand. D ies ist nun allerdings eine h ohe G edankenw irkung, und
die von C hristo versprochene, ab er sie ist nicht der heilige G eist, Die zweite W eissagung Jesu w ar üb er die sichere A usführung
so n d e rn sie ist d e r V ater selbst, und seine E inw irkung, durch die seines W erkes. Jesu Beruf w ar, Stifter des H im m elreiches zu
Lehre des Sohnes g esteig ert, und m öglich gem acht. Sie w urden w erden auf der Erde, nicht etw a bloß Lehrer, die E w igkeit schon
seit diesem Z eitp u n k te in d er T at w irksam fü r.d ie V erbreitung hienieden in d er T at allgem ein anzufangen. So sähe er sich an :
des E vangelium s, opferten alles hin, litten u n d starben dafür, kein also allerdings als Stifter eines Reiches, obw ohl in dieser W elt,
Irdisches m ehr b eg eh ren d , und selig in d e r H offnung. So ihre nur nicht v o n dieser W elt, w o die G ew altigen herrschen, sondern
N achfolger, in den ersten Jah rh u n d erten nach' ihnen. D iese E r w o sie D iener sin d aller. W ir w erden zu seiner Z eit diesen A us
scheinung nun des eigentlichen H im m elreiches ist von den druck verstehen und w ah r finden: Er sei allerdings ein K önig.'IV , 574
A posteln, und von d er Kirche nach ihnen für die W irkung des So h at er von jeh er ü b er sich gedacht. W as er nun auch etw a
verheißenen heiligen G eistes geh alten w orden, w eil es ihnen an im A nfänge seines G eschäftes ü ber die Zeit dieser Stiftung g e
scharfer S o n d eru n g der Begriffe, U m sicht und V erbreitung der g lau b t haben m ag, so konnte sich ihm im Fortgange,, als er das
K enntnis fehlte, um jene W eissag u n g in ihrem w ahren Sinne V erhältnis d er vorhandenen M enschen zu seinem A ntrage kennen
zu fassen. lernte, nicht verbergen, daß eine solche A ufgabe ü ber die G renze
D iese übersinnliche Kraft und E rhebung in ihnen, sage ich, jedes einzelnen M enschenlebens, geschw eige des seinigen, dessen
ist der r e c h t e Beweis des C hristentum s von d er zw eiten Art, schleuniges, gew altsam es E nde er sich leicht prophezeien konnte,
der B ew eis des G eistes und d e r Kraft. D ies nun nannten sie hinausliegeri m üsse. N un sollte aber Er es tun, u n d kein Frem der.
den heiligen G eist. W en n sie nun ferner W u ndertätigkeiten da D ies w ar n u r so zu vereinigen: er solle es tu n durch seine
m iteinm ischten, u n d auch diese dem heiligen G eiste zuschrieben, F ortw irkung, durch die F olgen seines D aseins, die er auf der
573 jen e Schw eißläppchen, die au fg eleg t die K ranken gesund m achten, E rde ließe,; doch er selbst in eigener Selbstheit, indem er durch
jene B erührung durch den Schatten der vorbeigehenden A postel, keinen anderen S tellvertreter w erden konnte. Aus dieser Sicher
die gleichfalls h e ilte ,1 und dergleichen, so entrichteten sie darin heit sag te er ih n en : er sei bei ihnen alle T age, bis an d e r W elt
die Schuld dem dicken A berglauben ih rer Z eit und ihres Volkes. Ende,1 zuvörderst im L ehrgeschäfte ihnen beiw ohnend, u n d lehrend
W ie ;er es d arüber, und m it Schriftstellern, die so etw as ernsthaft durch sie hin d u rch ; am Ende ab er dieseer Lehrepoche w erde er
berichten, zu halten, u n d w elches A nsehen er ihnen bei sich zu nicht in der S chattengestalt der Lehre, sondern in aller K raft IV, 575
g ö n n en habe, W eiß d er verständige Christ. Ebenso auch m it den realen W irkens w ieder erscheinen, und in der T a t und sichtbar
sp äteren A u sgeburten des A berglaubens, — alles jedoch nach auf d er E rde sein vom V ater ihm beschiedenes Reich beginnen.
d er Liebe richtend, nicht nach blinder, sondern nach1verständiger, D ann w ürden vor ihm alle V ölker versam m elt w e rd e n ; 2 es sei
dies das E nde d er W' e l t , des Reiches, das da ist von dieser gebildetes Dasein hatten zu der Lehre Jesu, welche verschiedene
■Welt, d er Ü berbleibsel des Staates, die, obw ohl heidnischen U r B estandteile w enig paßten, und sich drängten. Auch nach ihrer
sp runges, b ish er aufbehalten w ürden im C hristentum e, und neben W ied e rg e b u rt: den n der neue M ensch knüpft denn doch sich an
dem selben, als einer bloß vorbereitenden Lehranstalt, auch w ohl die persönliche Id entität des alten.)
b estehen konnten. In diesem Reiche w erde alles unterw orfen D iese W eissag u n g Jesu, — klar aussprechend, w as w ir sa g
sein dem S o h n e; die H eiligen w ürden m it ihm regieren tausend te n : das C hristentum ist nicht etw a bloß Lehre, es ist Prinzip
J a h r e 1 (eine unbestim m te, jedoch lange Zeit). N ach diesen tausend einer W eltverfassung, u n d das erstere ist es nur für eine Z eit
Jah ren erst kom m e das eig en tliche Ende, von w elchem an d er und als M ittelzustand, um zu w erden das letztere, — ist, eben aus
IV, 576 Sohn w ied er u n tertan sein w erde dem V ater, mit allen, die er dem M angel d i e s e r Erkenntnis, nicht verstanden w orden. M an dachte
V ater u n terw ü rfig gem acht h a t ; 2 u n d wie er noch w eiter in allen sich zuvörderst ein V erbrennen d er W eit im Feuer, indem man
W eissag u n g en , die u n ter uns b ekannt sind u n ter dem Titel d er einen bildlichen A usdruck w örtlich nahm , eine persönliche W ieder
W eissag u n g en vom E nde d er W elt und dem jüngsten Tage, erscheinung Jesu auf d e r W elt zur A uferw eckung d er T oten,
sich ü b e r diesen G eg en stan d ausgedrückt hat. und zur A bhaltung eines allgem einen V erhörs u n d G erichtstages
Die Sicherheit dieser V o rh ersagung g rü n d ete sich in Jesu ü b e r alle M enschen. Die A postel konnten nicht um hin, diese
lediglich auf das sichere B ew ußtsein, daß G o tt das durch ihn B egebenheiten noch bei ihren Lebzeiten zu erw arten ; späterhin er- IV, 578
an g efan g en e W erk ausführen w erde, nicht um hin könne, es aus w artete m an sie von Z eit zu Z eit bei w ichtigen Epochen, z. B.
zuführen, so gew iß er G o tt sei, und ist eigentlich n u r die Analyse m it dem Schlüsse des ersten Jahrtausend. Ich selbst bin noch
dieser V ersich eru n g : k einesw eges g rü n d e t sie sich auf eine Ein unterw iesen, das H ereinbrechen dieses jü n g sten T ages m ir jeden
sicht in den Z u stan d d er W elt, von w elcher er höchstens d as Jud en M orgen als m öglich zu den k en : sie herrscht b esonders in christ
tum , das H eidentum aber, w elches ja in seinem P lane nicht lichen Liedern, z . B. den K lopstockischen, d e r seine P hantasie
m inder b efaß t w ar, g a r nicht kannte. Er konnte über jene Aus davon, als von einem prächtigen Bilde, erfüllt hatte.
fü h ru n g darum g a r nichts N äheres spezifizieren, sondern nur D a sich’s doch verzogen hat, so w urde es ganz auf die
im allgem einen sich d a rü b e r ausdrücken, um so m ehr, da der Z erstörung Jerusalem s g ed eutet, wie es sich denn auch w ohl
heilige G eist erst kom m en m ußte, und er w ar sich dessen deutlich nicht leugnen läßt, daß in den vorhandenen Evangelien Reden
b e w u ß t: darum auf die F rag e nach dem W a n n , wie im Ä ußeren Jesu, die er bei verschiedenen G elegenheiten ü ber diese beiden
B efangene und sich B edenkende fragen, a n tw o rtet er: vom T age abgeso n d erten B egebenheiten gehalten, zusam m engew orfen, und
und d er S tunde w eiß niem and, auch nicht die Engel im Himmel', m iteinander verw echselt sein m ögen. Es ist allerdings w ahrschein
auch der Sohn nicht, sondern allein d er V ater. (M ark. 13,32.) lich, daß Jesus zur N achachtung und B eratung d er Seinigen
(Es lie g t dies in dem allgem einen schlechthin vorauszusetzenden nötig gefunden, sie von d er leicht vorauszusehenden Z erstörung
W eltplane.) Jerusalem s u n te r anderen auch zu u n terrichten: tn dem G anzen
IV, 577 (W ie klar und vollendet Jesu s gew esen sei in seiner B eschrän d er G eschichte aber ist diese Z erstörung ein so durchaus u n
k ung, seiner A nschauung, u n d wie eisern er sie durchgeführt w ichtiger G eg en stan d — Jerusalem m it seinem ganzen W esen
und alles durch sie begriffen habe, zeigt sich hier. D aher, weil w ar schon lä n g st ein bloßes Schattenbild, und hatte in seiner
e r nichts an deres w ar. W ie seh r verschieden von den Jüngern, g rö ß ten H errlichkeit g egen andere Staaten in Beziehung auf das
die doch ein äußerliches, natürliches, durch die U m gebenheiten G anze w enig zu bedeuten gehabt, und die einzige w ahrhaft h isto
rische B edeutung erhalten n u r durch den A uftritt Jesu in seinen
1 Offenb. Joh. 20, 6. M . Kor. 15, 24 u. 28. M auern —, daß m an ein Jude sein m uß, oder ein durchaus zunj
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Neue Welt. 191
190 Aiigewendete Philosophie.
an g eseh en w ird, so ' ist die V ergew isserung leicht, denn das Das von der V ernunft g eforderte Reich des Rechts, und
N atu rg esetz w altet schlechthin; w enn aber nun als des Frei das vom C hristentum e verheißene Reich des H im m els auf der
h eitsg esetzes; g ib t es denn ein die Freiheit faktisch B indendes? Erde, ist Eins und dasselbe. Für das E rste darum b ü rg t das
D a m üssen w ir h ö h er: von d ieser Art ist nun unsere U nter Zw eite. Das D a ß ist ohne Zweifel. — N ur zum Ü berflüsse, und
suchung), — können w ir auf diese H offnung ruhig sterben, können nächstdem für unsere eigene B elehrung und B erichtigung über
w ir, falls, w ir zu diesem Z w ecke beizutragen berufev sind, auch die dahin einschlagenden G egenstände, ü ber das W i e .
m it d e r F reu d ig k eit arbeiten, daß un ser W erk, falls s nur in W ir heben an m it einer g enaueren B eschreibung dieses
G o tt g e ta n ist, und nicht aus uns, nicht verloren g eu e ? --- ist Reichs.
die A n tw o rt: J a ! D enn die E rscheinung G ottes als E rdenleben Das H im m elreich ist T heokratie in dem deutlichen B ew ußt
ist nichts an deres, denn jenes Reich G ottes; G ott aber erscheint sein eines jeden, und durch dieses B ew ußtsein; wie das Reich
nicht vergeblich, m acht nicht einen m ißlingenden V ersuch des der alten Zeit, m it welchem die G eschichte begann, T heokratie
IV, 582 E rscheinens; also kom m t es sicher zu diesem Reiche G ottes, w ar für den blinden G lauben aller. — Jederm ann soll gehorchen IV, 583
und kann nicht nicht zu ihm kom m en. nur G ott nach seiner eigenen klaren Einsicht von G ottes W illen
D ies ist es eben, w as die Freiheit auch faktisch bindet, daß an ih n ; und inw iefern er doch gehorchen w ürde einem M enschen,
in ihr nicht N ichts erscheine, wie es in d er T a t ohne dieses Band so soll auch dies nur geschehen zufolge seiner klaren Einsicht,
sein w ü rd e, sondern G ott. Die Freiheit bleibt darum Freiheit; daß dieses M enschen Stimme nicht sei des M e n s c h e n , s o n
es ist ihr keine Zeit g eg eb en , sie kann in dem Leeren sich ab- dern G o t t e s an ihn. Jede andere M acht auf den W illen der
treib en , und das Rechte auf halten; darin gilt ihr R echt: aber M enschen, außer d er des G ew issens eines jeden, soll w egfallen.
irg en d einm al, w ie lange es auch dauern m öge, kom m t es dennoch W ie läß t eine solche V erfassung a u f d e r E r d e u n d i n d e r
zu ($em Rechten. D ieses g e h t einem nun nicht eher auf, als g e g e n w ä r t i g e n W e l t , und u n te r dem G esetze derselben sich
bis m an das Prinzip d er G eschichte b eg reift; denn dies ist eben denk en ? denn so ist die F rage gestellt.
das faktische G esetz d er Freiheit, eine gew isse G eschichte zu 1. G rundgesetz dieser W elt ist, daß die M enschen g eb oren
bilden. — Das nim m t der Freiheit den G rund, den sie dem w erden mit unentw ickeltem V erstände. Durch die E rfahrung der
Zw eifel darreicht: die F reiheit m u ß , nur nicht dieses o der jenes abgelaufenen W eltalter h at sich’s b e s tä tig t/d a ß dieser V erstand
Freiheit, sond ern die Freiheit ü b e rh a u p t: d er Rechte w ird sich nicht durch sich selbst (und gleichsam nach einem N aturgesetze,
schon finden. so wie der Leib in die m enschliche G estalt hineinw ächst) sich
W enn nun g e fra g t w ird ; w ie und w o d u r c h kom m t cs entw ickelt zur richtigen Einsicht des W illens G ottes, sondern
zum R e i c h e ? so ist heute die A ntw ort: durch das in d e r Zeit es hat dazu einer K unst bedurft, die bisher nur w enigen
schon vorlängst n iedergelegte Prinzip des C hristentum s, welches, B egünstigten gelungen. Es ist darum klar, daß für die M ö g
zur g rö ß eren B estätigung, nach der W eissag u n g Jesu nun auch, lichkeit einer solchen V erfassung vorausgesetzt w ird, daß a l l e
m it dem an sich davon verschiedenen Prinzipe des G eistes, des zur Fähigkeit, den W illen G ottes an sie klar einzusehen, er
zu einer K unst erhobenen V erstandesgebrauchs, durchdrungen zogen w erden; und da a l l e ohne Ausnahm e, die da g eb oren
zu w erden anfängt. — w erden, zu dieser. Einsicht gebildet w erden sollen, ohne U nter
Es bleibt darum bloß noch übrig, dieses W ie näher zu schied (ohne etw a eine besondere G enialität und V erw andtschaft
beschreiben. zum Ü bersinnlichen vorau szu setzen ); daß es eine sichere, u n
fehlbare, u n d an jedem g egebenen Individuum ihren Zweck e r
reichende K u n s t einer solchen M enschenbildung geben m üsse.
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194 Angewendeie Philosophie. Neue Welt. 195
2. Solange die W elt u n ter diesem Reiche fortdauern w ird, so ; so w ürden sie an derselben arbeiten zum gem einschaftlichen
lange w ird fo rtd au ern T od und G e b u rt; darum die N otw endig Z w ecke ohne allen Streit untereinander,
keit der-j E rziehung d e r N ach g eb o ren en ; es m uß darum eine 5. Jene E rziehung d e r M enschen, zu d e r w ir zurückkom m en
u n u n terb ro ch en fo rtd a u e rn d e '“A nstalt zu dieser E rziehung g eb e n : w erden, die d a ist die U n terw erfu n g der dem M enschen a n g e
diese E rziehungsanstalt ist darum ein das Reich in seiner F o rt borenen N atur u n te r den Begriff, u n d dad u rch u n te r den W illen
dau er begleitender, u n d von ihm unabtrennlicher Bestai teil. G ottes, indessen abgerechnet, *— bleibt dem M enschen als. Auf- IV,
3. D iese E rziehung lä ß t durch ihren allgem einen Z u k sich tra g des göttlichen W illens ü brig die U n terw erfung der ä u ß e r e n
leicht bestim m en. Jed er soll mit klarer Einsicht verstehen den N atu r, der Sinnenw elt u n ter den Begriff. In dieser N atu ru n te r
IV, 584 W illen G ottes an ih n : sich in klarer Selbstanschauung, die kein w erfung nun m üßte im P lane G ottes jedem , den er nicht zur
U nterschied in ihm stell vertreten kann, subsum ieren jenem all E rziehung bestim m t, sein Platz angew iesen sein, und diesen
gem einen G esetze d e r G eisterw elt. Dies setzt voraus die klare m ü ß te jed w ed e r erkennen,
allgem eine Einsicht, daß der M ensch unter dem W illen G ottes 6. Die E rw eiterung der H errsch aft d er V ernunft ü b e r die
stehe, und daß er ohne den G ehorsam nichts sei, und eigentlich N atu r g eh t schrittw eise. Es m uß in einem gew issen P unkte erst
g ar nicht da. D iese E insicht ist nun die des C hristentum s, o d er d u rch gem einsam e K raft die H errschaft ü ber sie erru n g en w e r
auch, w elches in diesem Z u sam m enhänge gleichgeltend ist, der den, und so d a n n erst ist von diesem P unkte aus m öglich das
W issenschaftslehre. Die g efo rd erte E rziehung m uß darum die F ortschreiten zu einem w eiteren Siege nach einem klaren Z w eck
K unst besitzen, alle M enschen ohne A usnahm e unfehlbar zu die begriffe des ganzen G eschlechts. Es bedarf darum in dieser
ser Einsicht zu b ringen, und dam it dies m öglich sei, die M en reg elm äß ig en B earbeitung zw eier S tücke: a) eines V erstandes,
schen von B eginn an, aus dem , w as allen gem einschaftlich ist, also der die G esam tarbeit an d er N atur übersieht, und jedesm al den
zu bilden, daß diese K enntnis mit Sicherheit an sie g eb rach t P unkt erkennt, w ie in d er U nterw erfung derselben regelm äßig
w erden könne. — (D iese K unst ist nun noch nicht erfu n d en : bis fo rtgeschritten w erden m üsse, und b) d er G esam tkräfte, die u n ter
jetzt rechnet d er U nterricht in d er W issenschaftslehre auf ein O hn- d e r A nleitung jenes V erstandes arbeiten. D ieser V erstand b rau ch t
gefähr, auf eine V erw andtschaft: ihr Besitz aber ist vorläufige nicht in allen vorhanden zu sein, indem sodann alle in dieser
B ed ingung jenes Reichs.) Dies ist das A l l g e m e i n e , w elches Rücksicht einen und ebendenselben V erstand haben w ürden, so n
schlechthin jeder durch die E rziehung erhalten m uß. dern es reicht hin, w enn er nur ü b erh au p t im m er w äh ren d der
4. U n ter dieses allgem eine G esetz soll jeder in seiner Selbst D auer der W elt u n te r diesem Reiche in der W elt vorhanden ist:
an sch au u n g sich subsum ieren, um zu erkennen den W illen nach seinem P lane aber m üssen alle Kräfte der einzelnen die
G ottes an ihn. Die durch V ernunft a p rio ri eingesehene V or R ichtung erhalten. Jen e r V erstand w ird darum in d e r T at nicht
aussetzung ist näm lich die, daß jedem unter den freien Indi bei allen, so n d ern n u r bei einzelnen vorhanden sein, und die
viduen im göttlichen W eltplane angew iesen sei seine bestim m te letzteren w erden in d ieser Rücksicht d e r Einsicht d e r ersteren
Stelle, die nicht sei die Stelle irgendeines anderen zu derselben folgen m üssen. D am it sie nun jedoch auch hierin nur folgen
Z eit in dem selben G anzen L ebenden, indem der göttliche W ille ihrer eigenen Einsicht, so w ird entstehen m üssen das gem ein
nicht m it sich selbst streiten kann; daß darum , w enn alle den sam e, und durchaus übereinstim m ende B ew ußtsein in allen, w elche
W illen G o ttes ü b er diese ihre Stellen nur klar verstehen, eb en berufen seien zum ersteren G eschäfte, zur Leitung, w elche d a
sow enig zw ischen ihnen selb st ein W iderstreit d er Kräfte, der g eg en zum zw eiten, dem G ehorchen der L eitung. Sehen die
durch eine R echtsverfassung verm ittelt w erden m üßte, entstehen letzteren dieses in B eziehung auf sich selbst ein, sehen sie ferner
könnte. Diese seine Stelle soll eben jeder klar erkennen, und ein, w ie sich ihnen in ihrem Begriffe von G o tt ja auf dringt, daß
610 F i c h t e , Die Staatslehre. ^
196 Angewendete Philosophie. Neue Welt. 197
dieser M angel in ih rer V erstandesanlage, dageg en d e r Besitz bildung, w elche das D asein d es Reichs, von dem w ir reden,
derselben bei jenen, auch G o ttes F ü g u n g sei: so erkennen sie voraussetzt.
klar, daß sie in d er V erfü g u n g jener nicht g eh o rchen ihnen, son- In A bsicht des beso n d eren Z w eiges d ie se r A rb eit nun h a t IV,
586 d ern allein dem als G esetz G o tte s erkannten N aturgesetze ihrer ja die E rziehung ihm ein Bild d er ganzen g egeben; und versucht
verschiedenen V erstandesanlagen. nach den A nleitungen, die ihr die N atu r des Z ögilings, b eso n d ers
7. W ie soll die zuletzt g efo rd erte V erstandeseinsicht und ub- seine N eigung — da N eig u n g hier w ohl, zum al da die P h a n
sum tio n jed es Individuum s u n te r dieses G ru n d g esetz m öglich se in ? tasie nicht durch M einungen m ißleitet w ird, fü r K önnen zeugt,
Ich sag e also : A ußer je n e r religiös-sittlichen B ildung m uß allen an die H and gab, das V erm ögen desselben. W o sich dies am
m itg eteilt w erd en ein bestim m tes Bild und eine Ü bersicht des besten zeigt, dafür bestim m t ihn seine N atur o d e r G ott. Die
d erm aligen G eschäfts d e r F reih eit an d e r N atur, als des zw eiten W ahl eines bestim m ten G eschäfts beschließt seine E rziehung,
G ru n d b estan d teils d er allgem einen M enschenbildung. Diese zer die hierdurch sich seihst als vollendet au sspricht: und nun ist
fällt natürlich in die zwei Teile, die K enntnis d e r N atur, und er freies M itglied d er G em eine, d a er bisher u n ter d er Z ucht
d e r m enschlichen Kraft, inw iew eit sie bis jetzt entw ickelt ist. der E rziehung stand. Solange diese W ahl sich nicht entscheidet,
W enn dieses Bild an d en Z ö g lin g g eb rach t und von dem selben ist sie nicht geschlossen, und d er M ensch bleibt u n m ü n d ig : die
w ohl g e fa ß t ist, kann erfolgen nur zw eierlei: entw eder sein V er g eistig e Individualität ist in ihm noch nicht reif, geso n d ert und
stand w ird durch dasselbe befriedigt, u n d b eruhigt sich dabei, an erk an n t: er hat darum noch keine in einem Reiche des klaren
o d er das g eg eb en e Bild w ird ihm schöpferisch für ein höheres V erstandes, sondern bleibt in d er verschm olzenen M asse, aus
und neues. D urch das letztere w ird bew iesen d er göttliche Ruf w elcher die Individuen erst durch die K unst d e r E rziehung nach
an dieses Individuum , den F o rtg a n g und die E rw eiteru n g der V er A nleitung G ottes — die E rziehung ist hier ein E rforschen des
stan d esh errsch aft zu leiten; durch das erstere dieser Beruf ver göttlichen W illens — h erausgebiidet w erden.
n eint und er an gew iesen, an dem gem einsam en G eschäfte, w ie * 8. D ie 'E rz ie h u n g selbst fällt anheim d er zw eiten Klasse der
es bis jetzt vorliegt, seinen A nteil zu nehm en. schöpferischen G eister: denn zuvörderst ist m an nur von dem
D agegen, daß die schöpferische Fähigkeit, die w ohl vor rech t sicher, daß er das Leben im G eiste und dessen G esetze
han d en sei, sich nicht etw a verstecke, und hinterher, nachdem begreife, für dessen A uge sich auch so g ar die leblose und durch
d er Stand schon entschieden ist, zum V orschein kom m e, daß darum ihr G esetz abgeschlossene N atu r in ein geistiges F ortschreiten
d er Schluß vom S ich-nicht-Z eigen in d er Erziehung auf das N icht verw andelt: sodann sollen ja die künftigen G enerationen nicht
vorhandensein richtig sei u n d unfehlbar, ist g e so rg t dadurch, daß gerade zur W ied erh o lu n g des L ebens d e r unm ittelbar früheren,
die E rziehung eine sichere K unst ist, w ie denn auch n u r u n ter d er sondern vielleicht zu einer neuen E ntw ickelung desselben an der
B edingung, daß sie dies sei, sie b ü rgen kann für die U ntrüg- N atur gebildet w e rd en ; d er E rzieher darum , der nicht bloß das
lichkeit ihres U rteils. Die bish erige M enschenbildung re g t nicht Bild der früheren E rziehung w iederholen, sondern für das F o rt
die m enschliche K raft auf in ih rer T iefe u n d in ihrem letzten schreiten bilden soll, m uß bestim m t w issen, wie dieses G eschlecht
Q uellpunkte, u n d verfolgt nicht diese A ufregung in system atischer in B ildung d er N atu r fo rtschreiten kann.. D iese E rzieher o rg a n i
O rd n u n g , w ie die K raft nach ihrem G esetze sich entw ickelt, so n sieren sich in sich selbst und durch E rn en n u n g u n ter sich, allent
dern sie g reift ein, w ohin sie trifft, w ie die eigene B ildung halben sich g rü n d e n d auf die in d er E rziehung gezeigte Indi
des L ehrers, und darum seine L ust und Liebe es m it sich bringt, vidualität, zu einem R egenten- und L ehrerkorps,
und so kann sich ihr g a r leicht ein schlum m erndes T alent ver 9. W issen ist nicht T un, nicht freudige, nichts anderes b e
b e rg e n ; nicht ab e r d erjenigen system atischen K unst der M enschen- gehrende U nterw erfu n g : w ie will man sich ihres W illens ver-
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198 Angewendete Philosophie.
Neue Welt. 199
IV, 588 sich ern ? Ich sa g e : In: u n serer W elt, und bei u nserer E rziehung
in der m an nicht einm al m it S icherheit es zu irgendeinem Er- rein aus sich Erschaffens nach dem göttlichen Bilde. N un ist
1V- k en n en b ringt, so n d ern das gew öhnliche E rkennen hur ist ein auch die N atur in ihr selbst, d. i. in einem W illen, d er doch
a n seinen O rt G estellt-sein-Iassen, weil man nichts d ag egen hat w iderstehen könnte, und sich lösreißen könnte, o h n erachtet er
o h n e eigentlich E rg eb u n g des W illens darein,, weil es auch nicht es freilich nie w ollen kann, aufgehoben, und d e r M ensch w ill
bis zur V erbindung m it dem W illen fo rtg esetzt ist, ist diese durch sein bloßes Sein nichts anderes, als w as G o tt will. Es
F ra g e g an z gerecht. So a b e r nicht d o rt, w o d er ganze M ensch ist darum nun auch der Sohn, durch w elchen bisher d e r V ater
aus Einem Stücke g eb ild et w ird, w ovon ja das D asein des Reiches regierte, u n tertan u n d au fgegangen im V ater, d er nun allein,
ab h än g t. Auch läßt sich schon jetzt anzeigen, w orauf diese Sicher und unm ittelbar durch sich, u n d ohne Z utun eines Sohnes, als
h e it d er W illen sb estim m u n g beruhen w erde. D er M ensch sieht' des die F reiheit bestim m enden, regiert. Die H eiligen aber, w elche
ein , daß er, ohne diese E rg e b u n g seines W illens in den göttlichen, m it Jesu regieren tausend Jahre, sind die beschriebenen R egenten
n i c h t s i s t , d i e s s i e h t e r e i n l e b e n d i g , so daß er yon und L ehrer in diesem Reiche.
dem G efü h le.d ieses N ichts ergriffen ist; ab er niem and will nichts 11. Die faktischen B edingungen dieses Reichs von einer Seite
se in : an dem Sein halten w ir alle. W ir auch: n u r uns stellt es haben in dieser D arstellung sich gezeigt. Z uvörderst m uß die
Sich in einer T äu sch u n g dar. D iese T äu sch u n g aufzuheben habe A nerkennung des H im m elreichs u n ab h än g ig gem acht w erden vom
jene die vollkom m ene K unst; es ist darum dem M e n sc h e n . aller historischen G lauben u n d der besonderen G em ütsverw andtschaft
A nhalt g erau b t. D ies d er eigentliche u n d d er einzige Zw ang, einzelner dazu, und die Form annehm en eines von jederm ann,
d e r ü b e r ihn von d e r E rziehung au sg eü b t w ird, d e r ab e r autTh d er nur m enschlichen V erstand hat, zu E rzw ingenden. D iese
allen an deren ersetzt. B edingung ist wirklich erfüllt durch die E rscheinung d er Wissen-;
(W ir sind d u rchaus das E n tg eg en g esetzte eines solchen Z u schafts *hre, die freilich noch ringt, und vielleicht noch Jahr-*
standes; Z erflossen und d e r R ealität berau b t in d er W urzel: h u n d e ih ringen w ird um ihr V erständnis und ihre A nerkenntnis
erm an g eln d der A nschauung, w ie sie d ie alte W elt hatte, des unter den G elehrten. U n tergehen können ihre in der W elt be
leb en d ig en Begriffs, w ie die g eschilderte sie haben w ird, leben gonnenen A nfänge “nicht, denn sie ist eine absolute F ord eru n g
w ir nur in einem p ro blem atischen u n d p robierenden B egreifen, des,G esch lech ts durch G o tt u n d aus G o tt; sie m uß aber die B e
so daß es uns so g a r schw er w ird, einen solchen besseren Z u ziehung nehm en auf das Reich G ottes, und ausdrücklich dies als
stan d Uns zu bilden. D och w äre dies gut, um unseren G egensatz ihren G ru n d p u n k t aussprechen, denn nur so nim m t sie in sich auf
desto deutlich er zu em pfinden. D ieser M angel m uß nun von eine lebendige Kraft, und erh eb t sich ü b e r die Leerheit an prak
tischer W irksam keit, die d er bloßen Spekulation beiw ohnt. U nter
einigen aus, in denen er sich nicht findet, in allen ausgefüllt
w erd en . D ies nicht bedacht, bleibt unverständlich und u n g lau b den G e l e h r t e n : die G elehrtengem eine ist das L ehrerkorps des
lich, w as ich über dieses Z eitalter sage.) ; ; . C hristentum s, des Reiches G ottes, die angefangene G esellschaft,
- 10, H ierm it ist nun das Reich G ottes wirklich dargestellt aus deren un u n terb ro ch en er F o rtd au er jene R egenten und Bildner
•in. d er W elt. Jesus, d . i . die von ihm eingeführte und durch im geschilderten Reiche h ervorgehen w erd en ; ob sie sich nun
s e t z t e F reiheit des H in g eb en s an G ott, herrscht. So w ird nun in einzelnen G liedern dafür erkenne, o der nicht, davon g eh t sie
d ie N atu r fo rtsch reiten d u nterw orfen, bis sie es g an z ist, bis aus, darauf g e h t sie h in : in d er M itte eines langen W eges kann
sie keinen AViderstand m ehr leistet dem reinen Begriff, sondern m an wohl den A nfangs- und E n dpunkt aus dem W ege Verlierern
dieser u n m ittelbar, w ie er ist, h erau stritt in der E rscheinung; Eben: durch die Schw ierigkeit, w elche die W issenschaftslehre fin-; . r
IV, 589 und nun b e tritt das M enschengeschlecht die höhere Sphäre des den w ird, sich annehm lich zu m achen, und dadurch, daß sich ihr IV, 590
•614 d e r eigentliche Sitz dieser Schw ierigkeit, ein M angel in dem
615
200 Angewendete Philosophie. Neue Wett. 201
g eistig en A uge selbst, nicht verbergen kann, fü h rt sie bei sich d aß ein von ihr E rgriffener schlecht sei, u n d sinnlichen Z w ecken
die A ufgabe d er K unst, dieses A uge für den Zw eck zu bilden; diene, tra g w erde und abfalle. W e r also tut, d e r h a t die E r
also d er E rziehungskunst. D a diese K unst sich w en d et an das kenntnis nie um ihrer selbst w illen geliebt, sie auch niem als
m enschliche A uge schlechtw eg und allgem ein, so fällt, sie ein erhalten, so n d ern n u r T raditionen derselben um eines äußerlichen
mal g efunden, in dieser R ücksicht d er U nterschied zw ischen G e Zw ecks w illen aufgefaßt. Sie kü n d ig t sich ferner an durchaus
lehrten und U n gelehrten w eg. (D ie ersten E rfinder sind schöpfe als nicht persönlicher Besitz, so n d ern als ein G em eingut, sie
risch ; das einm al E rfundene ab e r w ird e in G egebenes, das schlecht tre ib t zur M itteilung, und w er eine W ahrheit begriffen, d e r kann
hin an Alle zu b rin g en ist. Jetzt scheint es sonderbar, B auern nicht ruhen, bis sie auch andere a u ß er ihm begriffen haben.
kin d er in d er Schule die W issenschaftslehre zu lehren, doch is t’s Sie entw ickelt sich so nach dem G esetze des V erstandes not
nicht so n d erb arer, als es etw a dem ersten, dem d a rü b er ein w endig bis zum Ende. M an kann sagen, daß die F o rtd au er
Licht aufging, g ed eu ch t haben w ürde, daß sie einen Begriff von und das W achsen der Erkenntnis, w enn es nur einmal in einer
d er E inheit G o ttes, und von seinem V erhältnisse zu uns als gü ti steh en d en G elehrtenschule W urzel gefaßt, und die äußerlichen
g en V aters in d er T at erhalten.) D iese B ildungskunst des M en B edingungen d er F o rtd a u e r einer solchen gegeben sind, der
schen, w elcher durch die W issenschaftslehre selbst erst ihr letztes m enschlichen Freiheit und W illkür ganz entnom m en ist. Es ist
Z iel, ihr A n f a n g s p u n k t , s i c h als G eist zu erkennen, und ein geistiges Leben, das sich selbst gestaltet, und die P ersonen
das M ittel, sich selb st zu verstehen, g eg eb en ist, ist die nächste au s und durch sich. Diese, - innere G esetz ist nun recht lebendig
A ufgabe, die an d er Z eit ist. (U nser Z eitalter h at sie in d er T at einzusehen. 3
schon au sg esp ro ch en in Pestalozzi. Ihr H a u p t c h a r a k t e r i s t 12. D er F o rtg an g ist gesichert, w enn nur die äuß eren Be
U n f e h l b a r k e i t . F rü h er b rach te m an durch psychologisch-m e dingungen einer stehenden G elehrtenschule gegeben sind, sagte
chanische H ilfsm ittel zum L ernen; hier durch den Begriff der ich. Dies führt uns darauf, daß w ir die B edingungen des R eiches
eigenen T ätig k eit und die R egel derselben.) G o ttes, und w as für die E rscheinung desselben bürgt, w ie w ir
S odann bed arf es einer so g ründlichen Ü bersicht d e r N atur auch g esa g t, n u r von E iner Seit ^ b e tra c h te t haben. Es bleibt die
und des V erhältnisses d e r m enschlichen K raft zu ihr (der Be F rage ü b rig : — ob denn auch diese äußeren B edingungen g e
dürfnisse und ih rer U n tero rd n u n g ), d aß aus derselben ein g e g eb en sein w erden, und w as uns für diese b ü rg t? Da aber jenes
m einschaftlicher P lan für eine jene b earbeitende vereinigte M en- von diesen ab h ängig ist, so fällt, w enn diese nicht nachzuw eisen,
schenm ässe sich entw erfen lasse. D as Z eitalter stre b t riiit aller auch das erst E rw iesene hin. — W er sichert der G elehrtenschule
K raft einer solchen N atureinsicht entg eg en , und ist durch glück die E rhaltung, die Ruhe, die M u ß e ? Da ferner w ir w ohl g e
liche E ntdeckungen, um in das Innere derselben einzudringen’ zeigt haben, daß die von d er E rkenntnis schon E rgriffenen frei
ausgezeichnet gew esen. lich nicht w ieder abfallen können, w ir aber alles zur E rkenntnis
D iese b e g o n n en e und bis auf diese H öhe gediehene Bahn versam m eln w o llen : w er verm ittelt denn die V erbreitung, und
d e r L ehrergem eine b ü rg t nun durch sich selbst für ihre F ort b rin g t die, w elche g a r keine Lust haben (w ie aller natürliche
d auer, fü r ihre S teig eru n g und für ihr G elangen ,zum Ziele, M ensch), in die Schule d er E rkenntnis?
ohne alle äu ß ere Beihilfe o d er A ntrieb (allenthalben diese G a Von einer anderen Seite an gesehen: — D urch das Reich
ran tie zu erblicken, darau f kom m t es uns ja an). Die E rkenntnis fällt aller äußere R echtszw ang w eg (w eil ein W iderstreit in ihm IV
IV, 591 ist darin w ah rh aft göttlichen G eistes, daß sie aus sich selbst g a r nicht m ehr m öglich ist); fällt ü b erh au p t w eg alle U ngleichheit
lebt, den M enschen, den sie einm al ergriffen hat, festhält, und durch die A b s t a m m u n g , die Fam ilie (Alle nur Eine), des
in ihm sich fo rtb ild et nach ihrem G esetze. Es ist unm öglich, persönlichen E igentum s (alle G ru n d b esitzer u n d G em eingenießer);
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202 Angewendete Philosophie. Neue W elt 203
kurz alle die 1E rscheinungen des alten, durch die neuere Z eit in den V ölkerverein g etrete n en N ationen, W elche den eigentlichen
fq rtgepflanzten Staates. D er Z w ang aber, u n ter anderem auch Staat g a r nicht gekannt, sondern im N aturzustände g e leb t hatten,
zur A ufrechterhaltung dieser B estim m ungen des herköm m lichen und erst durch das C hristentum , u n d gleichzeitig m it d e r A nnahm e
S taats, ist u n ter uns u n d d au ert fo rt: w elches sind denn seine desselben, den S taat b ild e ten ; darum d en heidnischen S taats
B ed ingungen, b eso n d ers un ter d er R eg ierung eines sein Reich g o tt nicht zu vergessen brauchten, w eil sie ihn nie gehabt. G o t t '
v orb ereiten d en G o tte s? Fallen diese B edingungen w eg, fällt er, lernten sie kennen nicht als Stifter des Staates, u n d darin auf
u n d w ie fällt er d ann selb er w e g ? W ie löst dem Reiche G o tte s gehend, so n d ern als sittlichen G esetzg eb er: den S taat darum als
zu g u n sten d er S taat, d er von dieser W elt ist, sich auf ? D ies d er eine nur m e n s c h l i c h e E i n r i c h t u n g , eine künstliche, u n ter
zw eite T eil: der R est u n serer U ntersuchung. den G rundgesetzen des C hristentum s, und diesem nicht en tg e g en ;
als E inrichtung m enschlicher K lugheit, und dieser freigegeben
bis zu jenen G esetzen: dies der G rundbegriff des n e u e r e n Staates,
1. D as C hristentum w urde durch sich selbst eine L ehr der sich allenthalben bestätigt. N ur u n ter d er B edingung des
a n sta lt: so b etrach tete Jesu s sich selbst, so seine Jünger, so C hristentum s, und dam it dieses bestehen könne, w urde er an
die g an ze erste Kirche, und natürlich, so lan g e sie von U nchristen erkannt, sodann u n ter d er B edingung seines G rundgesetzes ab
in der G esellschaft, in d er sie u n m ittelbar lebten, um geben w aren. soluter G leichheit d er M enschen i der Kirche, und der b ü rg e r
D iese h at teils an ihrem Inhalte, teils an der form alen B eschaffen lichen, daß jene bestehen k ö nne: so ferner d er G ew issensfreiheit:
h eit aller E rkenntnis eine B ürgschaft ihrer inneren F ortdauer. kein S taatsgesetz g eg en G ottes G ebot. Aus dem ersten folgte
D er heidnische S taat, in dem sie zuerst sich bildete, w ar m it ihr seine Pflicht, das C hristentum a ls eine L ehranstalt zu erhalten,
im W id erstreit d er P rin zip ien ; erk en n b ar jedoch und erkannt, und die M enschen in die Schule desselben zu nötigen. S taat u n d IV, 594
als gleichsam d er um sie h eru m gezogene Z aun, der ihren F rie Kirche kam en dadurch in gegenseitige W echselw irkung: d e r
den und ihr F o rtb esteh en sicherte g eg en die W i l l k ü r d e r e i n S taat w urde der Z w in g h err der K irche, inw iefern sie einen solchen
z e l n e n . Jed erm an n soll u n tertan sein d er O rd n u n g des Staates; bedurfte und zulassen konnte, näm lich zur Schule und zur E r
selb st G ew alt leiden, um erhalten zu w erd e n ; dies sei der W ille haltung derselben (zum G lauben und zur E rkenntnis nicht). Die
IV, 593 G o ttes, ab e r nicht d er o r d n e n d e , — d ieser erst im Reiche Kirche hinw ieder erleichterte dem Staate sein G eschäft, indem sie
Jesu, — so n d ern d er zulassende,; d. i. ein Stoff, d e r erst durch G ehorsam , nicht zw ar als g eg en ein unm ittelbares göttliches G e
F reiheit b estim m t w erden sollte. bot, aber als ein m ittelbares, als g eg en eine m enschliche O rd n u n g
So konnte es nicht b le ib e n : teils, das C hristentum w ürde befahl. D adurch, daß d er S taat gleich im G rundbegriffe aufgestellt
durch die E n tfern u n g in d er Z eit von Je su und die V erblassung w ar als ein W erk m enschlichen V erstandes, ohne alle höhere und
seines persönlichen A ndenkens schw ächer, d er heidnische S taat göttliche A utorität, w ar d er F o rtschritt desselben gesichert, der
d ag eg en in seinem K riege g eg en dasselbe stärker gew orden, und V erstand in diesem F elde g erad ezu durch den G lauben selbst un
das C hristentum durch diese beiden F ortschritte au sg etilg t w orden ab h än g ig gem acht vom G lauben, u n d durch diese freie W irk u n g s
sein. S odann, die Z eitgeschichte, die m it einem absoluten Staate sp häre ihm ein kräftigeres B ildungsm ittel angew iesen, das der
b egann, sollte in einer abso lu ten K irche en d en ; es bedurfte darum Kirche selbst zum N utzen gereichen m ußte. So w u rd e der S taat
des M ittelzustandes eines Staates, der die Kirche anerkannte, und durch diese seine Form auf eine andere W eise d ien stb ar der
ihr in d e r Rücksicht, w elche einst im Reiche zur höchsten sich en t Kirche, die ihm erst diese F orm gegeb en und dadurch im voraus
w ickeln sollte, das P rim at anerk annte. D ieser zw eite Staat er sich selbst g ed ien t hatte. — Daß ich diese höchst w ichtige Epoche
zeugte sich aus den g erm anischen, und aus den nachher m it ihnen in der G eschichte scharf bezeichne. U rsprünglicher V erstand w ar
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204 Angewendete Philosophie.
bei dieser E n tsteh u n g ; des christlichen Staats nirgends zu finden, g ro ß en A nstrengung’ w id erh alten : denn teils g rü n d et sich ja die
w ed er im Staate selbst, der so eb en erst au sg in g aus dem N atur Echtheit, das kanonische A nsehen und die U nfehlbarkeit dieser
stan d e, noch in d er Kirche, die auf den faktischen G lauben sich B ücher selbst auf T radition und S atzungen; die Reform ation läßt
g rü n d ete. D er freig eg eb en e V erstand m ußte darum gesucht w er darum an dieser Stelle gelten, w as sie üb erh au p t leu g n et: teils ist,
den in d er alten W elt. D as w ar es auch eigentlich, w as in der da d er authentische E rklärer an d er Kirche und ihrem O berh au p te
n eueren Z eit erst zur T radition, sodann zur L iteratur des A lter aufgehoben ist, die E rklärung anheim gefallen dem V erstände, d er
tum s fü h rte : das B estreben, die R eg ieru n g sk u n st von ihm zu nicht um hin kann, die A nalogie des G laubens, d. i. w as aus d e r
lernen. (D as Studium des röm ischen R echts w ar d er eigentlich Einheit des Begriffs folgt, als die E rklärungsregel - äufzusteilen,
praktische A ntrieb bei d er W ied ererw eck u n g der alten L iteratur; und so 20i erklären, w ie ich oben in der früheren S childerung des
daß P hilologie an g efan g en w urde, geschah n u r auf jene V eran C hristentum s erklärt habe. Es kom m t darum eben zu dem Re
lassung. — N ur auf den V erstand g in g m an aus, d er allein b e sultate, w elches w ir vielfältig ausgesprochen haben. v
g e h rt w urde. Da geschah die A b so n d eru n g : den G lauben oder 2. D urch diese E ntw icklung des C hristentum s vom Staate
A berglauben ließ m an liegen. So m achen w ir es noch im m erfort. aus g e rät jedoch dasselbe mit diesem in eine V erlegenheit a n d erer
D aher m eine K lage, d aß d as A ltertum seh r w enig verstanden Art. W enn d er S taat dasselbe als L ehranstalt au frecht erhält,
w erde.) und die U ntertanen in die Schule nötigt, so tu t er dies selber als IV, 596
D iese E ntw icklung des freien V erstandes an w eltlichen D ingen, ein G läubiger, und aus dem G la u b e n ; w eil er durch die U n ter
595 w o rü b e r die Kirche ihn freig eg eben hatte, konnte nun nicht er lassung sich den Z orn G ottes, und alles U nglück^zuzuziehen glaubt,
m angeln, sich auch an die K irche selbst zu w enden, und dadurch o d er weil er die V erstärkung des G ehorsam s vom' C hrislentum e
ein höchst w ichtiges W erk in d e r m enschlichen E ntw icklung zu aus erw artet, w elches ein Staat, der sein H andw erk versteht,
vollziehen. — D er heidnische A berglaube näm lich konnte in der durchaus nicht bedarf. Fällt nun dieser A berglaube w eg, fällt
alten W elt durchaus nicht m it dem V erstände durch d ru n g en und er auch bei den S taatsbeam ten w eg, w as soll sie denn ferner
a u fg elö st w erd en ; w eil auf ihm d er Staat b eruhte, darum dieser verbinden, die Kirche zu erhalten, und fü r sie G ü te r und Kräfte
zugleich aufg elö st w o rd en u n d die W elt zugrunde geg an g en aufzuw enden, die w ohl an d erw ärts für ihre Zw ecke besser an
w äre. W enn der C hem iker eine G asart, vereinigt m it einem Stoffe, g ew en d et w ä ren ? Auf dem historischen Prinzipe bestehend, w ird
nicht verflüchtigen kann, so lockt er sie in V erbindung mit einem die Kirche so g ar leugnen, daß jene, das H istorische im C hristen-
a n d e re n : so der g öttliche W eltplan m it dem A berglauben. Nach tum e nur als eine Sache der V erstandesbildung behandelnde und
dem U n terg an g e des H eid en tu m s flüchtete er sich in das C h risten übrigens das W esentliche n u r auf den V erstand grü n d en d e Lehre
tum . In diesem ko n n te er au fg elö st und verflüchtigt w erden, weil üb erh au p t noch C hristentum sei, sondern m enschliche A ufklärung,
dieses sich auch m it dem V erstände vereinigt, und d e r Staat durch w elcher der Schutz des S taates keinesw egs versprochen, und w elche
dasselbe in je d e r F orm g esich ert w ar. — D er neuere S taat also unter die nach den V orkom m nissen zu tolerierenden K onfessionen
w ar zunächst das M ittel, durch w elches, nach christlicher Sprache, auf keine W eise gehöre. W as soll denn sodann, nachdem die
d er heilige G eist einkehren kon n te in das C hristentum . Auf eine L ehranstalt selbst ihre b isherige Stütze im S taate sich h in w eg
höch st m erk w ü rd ig e A rt w u rd e ein auffallender A nfang dieser gezogen hat, dieselbe erh alten ?
O p eratio n gem ach t durch L uthers R eform ation, indem sie ab Ich an tw o rte : ein g an z anderes Prinzip im christlichen Staate,
schaffte die T radition und die S atzungen d e r Kirche, und allein das, nach A ufhebung jenes sich erst recht deutlich aussprechen
b an d an d en Inhalt d er schriftlichen U rkunden. D ieses B and und eine kräftige W irksam keit erhalten w ird. Es verhält sich
k o n n te kaum fü r die erste B etäubung und E rm attung von d e r also : der christliche Staat, nach keinem V erstandesbegriffe ge-
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206 Angewendete Philosophie.
b aut, so n d e rn durch das O h n g e fä h r hier und da auf den B oden So lä ß t sich auf die F o rtd a u er des notw endigsten Z w anges
des alten Reichs anschießend, zerfiel in m ehrere S taaten; so rechnen, so lange er nötig sein w ird. D er S taat glau b t sich selbst
m ußte es kom m en nach dem N aturgesetze, und nach d er A bsicht zu dienen, und dient, ohne sein W issen oder W illen, einem höheren
Zw ecke.
G o ttes m it dem selben. Die U ntertanen aller w ären sich gleich in
3. D ieser w esentliche Z w an g w ird unnötig, sobald es keine
dem , w as das C hristentum gibt, und das ist v ie l: w aren darum zu
Eltern m ehr u n te r dem V olke g ib t, die sich nötigen lassen, die
brauchen, o h n g efäh r w ie sie sind, mit nicht se h r bedeutenden U m
Ihrigen d er Schule zu ü b erg eb en , und diese durch ihre B eiträge
bildu n g en in jedem S taate; dah er die Tendenz, nicht, w ie im
zu erhalten. D adurch h at die K unst d e r M enschenbildung die erste
A ltertum e, zu zerstören, sondern sich e i n z u v e r l e i b e n , und sich
offenkundige P robe abgelegt, daß es ihr gelungen, w enn sie eine
zu v e rg rö ß e rn : u n d die durch diese T endenz allen auferlegte N o t
solche Liebe für V erstandesbildung ü b e r die N ation verbreitet hat, IV, 598
w endigkeit, darum die A ufgabe, so volkreich, so reich, so stark
daß keiner m ehr ist, der seine Liebe g eg en die aus ihm G eb orenen
zu sein, als irg en d m öglich, für den W iderstand. D er Krieg aller
anders auszusprechen w üßte, und die Ä ußerung der Liebe des
g eg en alle n ö tig t sie m ächtig zu sein. N un fän g t es aber schon
bei sich haben W ollens dageg en aüfgibt. Da diese W irk u n g in
IV, 597 an deutlich zu w erden, und w ird, je m ehr d e r V erstand sich ver
d er K unst d er M enschenbildung selbst liegt, so ist sicher, so g e
breitet, es im m er m eh r w erden, daß das sicherste M ittel für
w iß diese K unst nicht in Verfall g eraten kann, vielm ehr durch
M acht und R eichtum eines S taates dieses ist, die verständigsten
Ü bung steigen m uß, daß sie fo rtdauern w ird, und die N o tw en d ig
und g eb ild etsten U ntertanen zu haben. Dies w ird ihnen von der
keit dieses Z w anges einm al aufgehoben, sie nie w iederkehren
Seite d er N aturerk en n tn is und d e r K unstentw icklung ein fo rt
kann. Daß bei d er E rkenntnis sein er besonderen B estim m ung
dau ern d es In teresse für die E rh altung, E rh ö h u n g und V erbesse
durch jeden, und bei d er Liebe, sie zu erfüllen, als dem n o tw en
ru n g so g a r d er Schule g eb en , sie w erden nicht Schulen g enug
digen R esultat der allgem einen V olksbildung von nun an je d
haben können. K üm m ern sie sich nicht um C hristen, so küm m ern
w eder andere Z w ang, das U nrecht zu verm eiden, w egfällt, indem
sie sich um geschickte H a n d a rb e iter und A ckerbauer, und alles
ein U nrecht und eine V ersuchung dazu g a r nicht da ist, hat schon
dieses b e ru h t auf V erstandeserkenntnis. Die L ehrer aber, durch
oben eingeleuchtet.
d en o b en b eschriebenen G eist geleitet, einsehend, daß d er letztere
4. N och ein Z w ang, d er zum K r i e g e . — D er K rieger bildet
nicht ist ohne den ersten, w erd en , um den letzten hervorzubringen,
keinen beso n d eren Stand, und kann im Reiche G ottes auf der
und ü b e rh a u p t nach d er K unst des G anzen verfahrend, den ersten
Erde kein b e so n d ere r Stand w erden, und zum K riege w erden,
bilden. So ist es schon g esch eh en. A rzneikunde und Staats Wirt
au ß er in besonderen Fällen, die ich schon in einer früheren V or
schaft b rin g t die W issenschaft durch. Die letzte ist ein vortreff
lesung an g ezeig t habe, die M enschen niem als willig sein, —
liches S u rro g a t für den ein g eg än g en en R espekt gegen das C hristen
Es m üßte darum , um die Zeit des ersten D urchbruchs des Reichs
tum . W as so n st d er Beichtvater, ist jetzt d e r Leibarzt, und ganz
G ottes in einem christlichen Volke, d er christliche V ölkerverein
b eso n d ers d er F inanzm inister.
in d er Lage geg en ein an d er sein, d a ß zw ar die B ereitschaft zum
Jenes S treben nach M acht h a t noch einen N ebenvorteil, das
K riege fo rtd au erte (um das Interesse der Staaten für ihre M acht,
A ufheben d er U n gleichheit auch des persönlichen Besitzes. Der
und so für die Schule zu erhalten), des w irklichen K rieges aber
S taat will, daß alle ihm gleich un terw o rfen sind, und h a t g ar
alle herzlich m üde w ären, w eil eben keiner, bei dem allgem einen
keine Lust, zu g estan d en e Privilegien zu ehren, will ü b er das E igen
Eifer, sich so m ächtig als m öglich zu m achen, des Sieges sicher
tum aller verfügen, u n d m acht sogleich, falls es nach seinem
ist, jeder darum sich scheute anzufangen, und so ein se h r la n g
Sinne g eh t, daß keinem m eh r ü brig bleibt, als die bloße N ot
w ieriger Friede entstände. In eine solche Epoche, wo bloß des
durft. D azu hilft die E rk e n n tn is: d a v erschw indet Adel und Reichtum
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208 Angewendete Philosophie,
inneren Z w anges M öglichkeit stattfände, m üßte die erste deutliche gegen den äußeren Feind stehen w erde m it gem einschaftlicher
W ah rn eh m u n g eintreten , daß k einer m ehr nötig sei, indem die Kraft, als Ein M ann, w ie es g eg en den inneren Feind, die N atur,
Z w in g en d en und R egierenden ohne alle B eschäftigung blieben, im m erfort steht, und ob es nicht bei seiner überw iegenden N atur-
und alles schon g etan fänden, w enn sie es gebieten, und u n ter kenntnis, K unstfertigkeit und g o ttb egeisterten Mute" entschiedener
lassen fänden, w enn sie e s verbieten w ollten, durch die Kraft Sieger sein w erde. — W enn nicht anderes, so w ird dies die
d er allgem einen B ildung. — Eine solche A bneigung u n d Scheu übrigen christlichen V ölker anreizen, ihm nachzufolgen, u n d von
vor dem K riege kann eintreten, w ir haben sie in der T at an dem ihm die B edingungen seiner V erfassung und die V erfassung selb st IV
IV, 599 in gleichm äßiger G eschichte fo rtschreitenden Staate gesehen, der sich anzueignen: u n d so w ird sie denn allm ählich sich ü b er alle
durch die fre c h s te n , G riffe eines revolutionierenden Staates kaum V ölker des C hristentum s verbreiten. Solche V ölker aber bekriegen
a u fg e re g t w urde. sich nicht, u nd u n ter ihnen ist ew iger F riede und ew iges B ündnis
Auf diese W eise w ird irg en d einm al irgendw o im Reiche da. M it den übrigen noch unchristlichen, ungebildeten V ölkern
des C hristentum es die h e rg eb rach te Z w an g sreg ieru n g allm ählich stehen sie im natürlichen Kriege, o d er diese vielm ehr m it ihnen.
einschlafen, w eil sie durchaus nichts m ehr zu tu n findet. W as Es kann nicht fehlen, daß sie nicht S ieger seien: und dieser Sieg
d er g u te und w ackere M ensch schon je tz t kann, und w ovon kann keine andere W irkung haben, als daß auch sie aufgenom m en
es u n ter un s nicht an Beispielen fehlt, dem Richter, d er Polizei, w erden in den Schoß d es C hristentum s, und durch N achbildung
und aller n ö tigenden G ew alt m it sich g a r kein G eschäft zu m achen, in die V erfassung desselben, und so das ganze M enschengeschlecht
das w orden sie d an n alle so halten, und so w ird denn die auf der Erde um faßt w erd e durch einen einzigen innig v er
O b rig k eit jah rau s jah rein kein G eschäft finden. D ie A ngestellten bündeten christlichen Staat, d er nun nach einem gem einsam en
w erden sich darum ein and eres su ch en : und es ist zu hoffen,: P lane besiege die N atur, u n d d ann betrete die höhere Sphäre
daß d er Ü brigbleibende, d e r etw a durch G e b u rt für diesen Platz eines anderen Lebens.
sich b estim m t hält, w enn auch etw a in einer künftigen G eneration,
m üde w erden w ird, eine P räten sio n fortzusetzen, von d er kein
M ensch a u ß er ihm m eh r K unde nim m t. So w ird d e r derm alige So ist unsere A ufgabe vollständig gelöst. — Ü ber die W elt
Z w an g sstaat o hne alle K raftäu ß erung g eg en ihn an. seiner eigenen, ereignisse können w ir ruhig sein, so g a r u nsere R uhe verstehen,
durch die Z eit h erb eig efü h rten N ichtigkeit ruhig absterben, und und ü ber den G rund derselben R echenschaft ablegen. Die sich
d er letzte E rbe d er S ouveränität, falls ein solcher vorhanden, rein den W issenschaften w idm en, haben das b este Teil erw äh lt:
w ird eintreten m üssen in die allgem eine G leichheit, sich d e r V olks ein Ew iges, U nberührtes von dem verw orrenen, und zuletzt, doch
schule ü b erg eb en d , u n d seh en d , w as diese aus ihm zu m achen in nichts endenden T reiben d er W elt. Ich schließe, und w ünsche
verm ag. Zum T röste, falls etw as von d ieser W eissag u n g vor allen die F rüchte, die ich Ihnen dabei zudachte.
ihnen verlauten sollte, lä ß t sich hinzusetzen, daß sie weichen
w erden nur G o tt und seinem S ohne Jesu C hristo.
5. D ies, sag e ich, w ird eintreten in einem Z w ischenräum e,
da äu ß erer K rieg u n d daru m Z w ang zu dem selben nicht statt
findet. W äre die M öglichkeit desselben in der W elt dennoch
nicht gänzlich au fg eh o b en , u n d w ürde späterhin ein Volk, in
w elchem die T h eo k ratie schon feste W urzel g efaß t, m it dem
selben ü b erzo g en , so -ist keine F rage, ob nicht dieses Volk ebenso
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