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DIE GELEHRTENREPUBLIK BIOGRAFIEN

Johann Gottlieb Fichte


Johann Gottlieb Fichte wurde am 19. Mai 1762 in Ram­ Begeisterung war so groß, dass Fichte Kant kurzerhand
menau in der Oberlausitz geboren. Sein Vater, Christian in Königsberg besuchte.
Fichte, sorgte als Bandwirker für den Unterhalt der Zur Ostermesse 1792 erschien Fichtes erste Schrift
Familie. Das Einkommen des Handwerkers mußte noch Versuch einer Kritik alter Offenbarung. Sein Erstlings­
sieben weitere Geschwister ernähren, so dass Fichte werk wurde ohne Angabe des Verfassers veröffentlicht.
unter eher bescheidenen Verhältnissen heranwuchs. Viele vermuteten als Autor den Philosophen Kant. Dieser
Dem Dorfpfarrer, der den Jungen unterrichtete, fiel bald klärte den Irrtum auf und machte damit den jungen
dessen besondere Begabung auf. Fichte in Deutschland bekannt. Im März 1793 löste er
Ihm und dem Gutsherrn von Miltitz verdankte es Fich­ sein Arbeitsverhältnis als Hauslehrer und kehrte nach
te, dass er 1774 die Fürstenschule Pforta bei Naumburg Zürich zurück. Am 22. Oktober 1793 heiratete er Jo­
besuchen konnte. Nach beendeter Schulzeit begann er hanna Rahn.
1780 als Achtzehnjähriger ein Theologiestudium in Jena. Während der Wintermonate in Zürich erhielt Fichte
Fichte setzte das Studium in Leipzig und Wittenberg fort, einen Ruf an die Universität Jena. Er sollte Nachfolger des
brach es schließlich 1784 ab und begann als Hauslehrer Philosophen Reinhold werden, der nach Kiel gegangen
bei verschiedenen Familien seinen Lebensunterhalt zu war. Sowohl Goethe als auch der Jurist Hufeland setz­
verdienen. Diese Tätigkeit führte ihn 1790 nach Zürich. ten sich für Fichte ein. In ihm sah man den geeigneten
Dort lernte Fichte Johanna Rahn kennen und verlobte Lehrer, der die Kantische Philosophie den Studenten
sich mit ihr. Im Frühjahr 1790 verließ er die Schweiz und vermitteln konnte. Als Autor der anonym erschienenen
kehrte nach Leipzig zurück. Im Zusammenhang mit sei­ Revolutionsschriften Zurückforderung der Denkfreiheit
ner dortigen Hauslehrertätigkeit begann ersieh intensiv von den Fürsten Europens, die sie bisher unterdrückten
mit der Kantischen Philosophie zu beschäftigen. Seine und Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums
über die französische Revolution warerauch in Jena be­
kannt. Außerdem hatte Fichte einige Rezensionen in der
in Jena erscheinenden Allgemeine(n) Literatur-Zeitung
veröffentlicht.
Im Mai 1794 traf Johann Gottlieb Fichte in Jena ein.
Seine Frau folgte ihm im August nach Jena. Zunächst
bezog er ein Zimmer in der Bachstraße, bevor er noch
im gleichen Jahr eine Wohnung von dem Bäckermeis­
ter Müller im heutigen Romantikerhaus mietete. 1795
erwarb er das Haus.
Fichte hatte nie ein Examen abgelegt. Daher mußte
er, um überhaupt Vorlesungen halten zu können, zum
Magister ernannt werden. Seine Vorlesungen Über die
Bestimmung des Gelehrten waren überaus erfolgreich.
Außerdem hielt er Privatvorlesungen über die Grund­
lage der gesamten Wissenschaftslehre. Diese wurden
sofort gedruckt und als Handschrift für seine Zuhörer
bogenweise verteilt.
Da möglichst viele Studenten die Gelegenheit erhalten
sollten, seine Vorlesungen zu besuchen, verlegte er sie im
Wintersemester 1794/95 auf den Sonntag. Das brachte
ihm erhebliche Schwierigkeiten mit dem Senat der Uni­
versität ein. Weit folgenreicher war aber sein Auftreten
gegen die Studentenorden. Deren geheimbündlerische
Aktivitäten nahm Fichte immer wieder aufs Korn. Die so
Angegriffenen setzten den Philosophen nun ihrerseits
unter Druck. Sie belagerten sein Haus und versuchten
sogar, ihm die Fensterscheiben eänzuwerfen. Nach die­ beschränkt werde. Diese Ankündigung behandelte man
sen Ereignissen zog es Fichte vor, seine Vorlesungen im seitens der Weimarer Regierung als Demissionsgesuch.
Sommersemester 1795 einzustellen. Bis sich die Aufre­ Fichtes Verteidigungsschriften hatten letztlich der Dro­
gungen gelegt hatten, zog er sich nach Oßmannstedt hung Kursachsens, ihre Landeskinder nicht mehr in Jena
zurück. Erst im Wintersemester 1795/96 nahm Fichte studieren zu lassen, kaum etwas entgegenzusetzen.
den Vorlesungsbetrieb wiederauf. In den folgenden Jah­ So endete der Atheismusstreit mit Fichtes Entlassung
ren entstanden die Grundlage des Naturrechts nach den am 29. März 1799. Im Juli verließ er Jena und reiste nach
Principien der Wissenschaftslehre und Das System der Berlin. Im folgenden Jahr siedelte J. G. Fichte endgültig
Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre. nach Berlin über.
Im Jahr 1798 begann ein folgenreicher Streit um Fich­ Zitat aus dem Herzoglichen Reskript bezüglich des Athe­
te, an dessen Ende er schließlich 1799 die Universität ismus-Vorwurfs: Ob nun wohl philosophische Spekula­
verlassen sollte. Das kursächsische Oberkonsistorium tionen kein Gegenstand einer rechtlichen Entscheidung
klagte Niethammer, Forberg und Fichte wegen gröbster sein können, ... so müssen Wir demohnerachtet die ...
atheistischer Äußerungen an und wollte damit politi­ unternommene Verbreitung der nach dem gemeinnen
schen Druck auf die Weimarer Regierung ausüben. An­ Wortverstande so seltsamen und anstößigen Sätze als
laß des Streites war ein Artikel Entwicklung des Begriffs sehr unvorsichtig erkennen, indem Wir doch berechtigt
der Religion von Forberg, der in dem Philosophischen sind, von akademischen Lehrern zu erwarten, daß sie
Journal veröffentlicht wurde. Darin bezeichnet der der Reputation der Akademie eher durch Zurückhaltung
Autor die Existenz Gottes als ungewiß. Die Herausge­ dergleichen zweideutiger Äußerungen und Aufsätze
ber der Zeitschrift, Fichte und Niethammer, weigerten über einen so wichtigen Gegenstand prospizieren
sich, als Zensoren aufzutreten. Fichte stellte aber dem sollten.
Artikel Forbergs einen eigenen voran und setzte darin
die moralische Weltordnung Gott gleich. Das genügte, Friedrich Schlegels Stellungnahme zu diesem Reskript in
den Vorwurf des Atheismus auf Fichte auszudehnen, einem Brief an Caroline: Welche Inkonsequenz in Fichtes
der nun zur zentralen Figur des Streites wurde. Der Betragen reicht an die Erbärmlichkeit des weimarischen
Philosoph drohte, seinen Abschied zu nehmen, falls er Doch? Philosophische Meinungen wären kein Gegen­
durch einen gerichtlichen Verweis in seiner Lehrfreiheit stand - doch wäre die Unvorsichtigkeit zu verweisen.
DIE GELEHRTENREPUBLIK PHILOSOPHIE

Fichte
26. Mai 1794, Jena Ich bin daran eine Wohnung zu miethen. Sie ist in einem
Johann Gottlieb Fichte an Marie Johanne Fichte ruhigen Winkel der Stadt, wo nichts uns stört: ein kleines
in Zürich: Gärtgen am Hause, u. eine angenehme Aussicht. Das
Ich habe noch Magister werden müßen, denn der Haus ist nur für eine Profeßor Wohnung nicht eingerich­
Pfalzgräfliche galt nicht: das geschah am Freitage. Den tet; es muß <vieles> gebaut werden; u. da will denn der
Sonnabend wurde ich installirt, d.h. zum wirklichen Wirth nicht gern dran; u. das hält uns noch auseinander.
wahren Profeßor gemacht, und nun bin ich es leibhaftig. Wenn ich es kaufen könnte, dan dürfte ich bauen laßen,
- Verwichnen Freitag hielt ich meine erste öffentliche wie ich nur wollte.
Vorlesung. Das gröste Auditorium in Jena war zu enge;
der ganze Hausflur, der Hof stand voll, auf Tischen, u. Ich bekomme, wenn wir des Handels Eins werden, ein
Bänken standen sie einander auf den Köpfen. ganzes Haus, mit 7. Stuben, mehreren Stuben, mehre­
ren Kammern, 2. Küchen, einen geräumigen Hörsaal,
14. Juni 1794, Jena Keller, Schuppen, Gärtgen, u.s.w. wovon ich noch einen
Fichte an Johann Kaspar Lavater in Zürich: Theil an Prof. Woltmann vermiethen würde, für 80. rthr.
Es erscheint vom heutigen Tage an bogenweise von mär jährlich. Das ist ein guter Schlag; denn man fängt an für
eine Grundlage der gesamten Wißenschaftslehre. weniger 200. rthr. zu fordern.
Die Schrift kommt nicht in den Buchhandel, sondern
wird bloß, mit meiner ausdrücklichen Vergünstigung, von (15.?) November 1794, Jena
der Verlagshandlung an meine Zuhörer, und an andere Christian Gottlob Schütz an Fichte in Jena:
Freunde, die sich deshalb bei mir melden, ausgegeben. Sonst kann schlechterdings nichts gesetzwidriges dabey
seyn, wenn Sie ihre Vorlesungen nur nicht in die Stunde
24. Juni 1794, Jena des öffentl. Gottesdienstes verlegen, also z.B. etwa
Johann Gottlieb Fichte an Samuel Gotthelf Fichte zwischen 4-5, oder zwischen 1-2 lesen.
in Rammenau: Erlaubt man am Sonntag Komödie, warum auch nicht
Ich erwarte Dich. Tritt nicht am Gasthofe ab, sondern moralische Vorlesungen?
komm gerade zu mir: auf der Bachgaße, in der Sp[r]ach-
meästerin Dyrr Hause wohne ich. 18./19. November 1794, Jena
Fichte an Christian Gottlob Voigt in Weimar:
21. Juli 1794, Jena In den Wochentagen sind die Stunden so besetzt, daß
Johann Gottlieb Fichte an Marie Johanne Fichte man uns armen Nicht-Senatoren officiell verbietet, die
in Zürich: nöthigen Privata, zu lesen.
Ich habe mir da bei Jena schon ein Lieblingspläzgen Ich opfere von meinem Sonntage, den ich nicht frei,
gewählt, wo es mir einigemal sehr wohl gefallen hat. Da sondern nur zu ändern der Akademie gleichfals gewid­
wollen wir so mit einander hin spazieren, oder noch lie­ meten Geschäften bestimmt haben, eine Stunde für
berfahren, denn ich liebe das Gehen seit einiger Zeit gar dieses Publikum.
nicht sehr; und die Mondschein Abende da zubringen.
Man wird sagen, die Stunde von 9-10. falle während
Sieh' darauf freue ich mich schon recht sehr: auf den der kirchlichen Versammlungen. -1.) Man nenne mir
schönen Herbst, der hier sehr angenehm ist, und spät nur eine andre. Um 1. Uhr, gleich nach Tische zu lesen,
hinaus dauert Auch der Frühling erscheint hier sehr bald; würde mir höchst ungesund seyn; auch will ich für meine
und es giebt vortrefliche Gegenden. Betrachtung den offenen Geist meiner Zuhörer in den
... die Jenaischen Einwohner sind der wahre Abschaum Morgenstunden; nicht ihren gefüllten Bauch, der keine
des Menschengeschlechts. - Fürchte sie darum nicht Ohren hat. In den späteren Nachmittags- u. Abend­
etwa. Sie sind kriechende Sünder vor höhern; und stunden ist gleichfals kirchliche Versammlung, Concert,
überhaupt kannst du nicht leicht mit ihnen zu thuhn Clubb. - In den früheren Morgenstunden schlafen die
bekommen; außer da, wo sie Dich werden betrügen Studierenden noch, weil sie diesen einzigen Tag zum
wollen; und auch wirklich betrügen werden. Ausschlafen haben.
16. Februar 1795, Jena von Personen, die aus dem Hirsche gekommen, durch
Fichte an Christian Gottlob Voigt in Weimar: Zurufung schandbarer Ausdrücke insultirt, daß gleich
Der Geist der Renommistrei kämpft um das Leben, bietet darauf meine Fenster eingeworfen worden.
all seine Kräfte auf, und sie sind noch immer nicht gering. Ich habe Ursache zu vermuthen, daß heut Abend oder
höchstwarscheinlich morgen Abend die Sache wieder­
Die Orden können nur ausgerottet werden, wenn ihnen holt werden wird, und ich bitte daher um Schutz, auf
mit Vernunftsgründen, <u.> mit physischer Gewalt zu­ den ich sicher rechnen könne. Das letztere darum. In
gleich zu Leibe gegangen wird. Man hat darum noch der Neu=Jahrs=Nacht war mir derselbe versprochen, ich
nicht reüßirt, weil man immer nur das eine Mittel ge­ rechnete darauf, ohne von meiner Seite die geringsten
braucht hat. - Das erstere habe ich aus freier Wahl auf Vorkehrungen zu treffen. Ohnerachtet jener Veranstal­
mich genommen. Ich rede in meinen öffentlichen Vor­ tungen wurde zu verschiednen Stunden der Nacht nach
lesungen jetzt von geheimen Orden überhaupt, werde meinen Fenstern geworfen, zuletzt mit guter Muße die
zur Untersuchung des Begriffs von der akademischen Thüre gegen 3. Viertel Stunden langforcirt, alle Fenster
Freiheit, und der akademischen Orden insbesondere meines Wirths, welche allein sie erreichen konnten, ein-
übergehen; gedenke auch diese Vorlesungen - sey es geschlagen, und hätte die Thür nachgegeben, so hätte
auch nur zu einem Zeugniße über mich - druken zu ich alles zu erwarten gehabt.
lassen, und dadurch den akademischen Orden einen Ich weiß, daß persönliche Mishandlungen, und allenfals
neuen heftigen Streich zu versetzen. auch Mord ihren Grundsätzen gemäß sind. Sie haben das
letztere zu verschiednen Malen verschiednen angedroht,
21. Februar 1795, Jena und sie haben das erstere vor nicht zu langer Zeit verübt
Fichte an den Prorektor der Universität, - zwar nicht an einem Profeßor, aber man sieht ja, daß
Johann Heinrich Voigt, in Jena: ihre Bosheit Gradweise steigt, in diesen Grundsätzen
Magnifice Academiae Pro-Rector, werde ich mich vertheidigen, und mache die Policey
Eur Magnificenz melde ich hierdurch, daß in voriger verantwortlich für alles, was daraus entstehen kann.
Woche in der Nacht vom Sonnabend auf den Sonntag
Leute vor meinen Haushofe sich eingefunden, an dem Zitiert aus: Johann Gottlieb Fichte - Gesamtausgabe
Thore gerüttelt, Schimpf Reden, u. Verwünschungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Briefe
gegen mich ausgestoßen; daß den Sonntag Abend beim Band 2, Stuttgart 1970.
Herausgehen aus dem Akademischen Ciubb meine Frau,

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