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Siehe hierzu vor allem seinen Aufsatz „Etwas über William Shake-
speare bei Gelegenheit des Wilhelm Meister": AWS SW 7, 24-70.
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A.W. Schlegel bezieht sich auf die Schrift von Hemsterhuis Lettre sur
l'homme et ses rapports, die er nach der Ausgabe Oeuvres philoso-
phiques de M..F, Hemsterhuis, Bd. l, 182-190 von 1792 benutzte.
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Von diesem Briefwechsel sind mit wenigen Ausnahmen nur die Briefe
Friedrich Schlegels erhalten, weil A.W. Schlegel die seinen nach dem
Tod seines Bruders vernichten ließ. Siehe den Editionsbericht zu
KFSA 23. A.W. Schlegels Stellungnahmen müssen daher aus F. Schle-
gels Briefen an diesen erschlossen werden, was wegen der langen
Ausführungen darüber oft möglich ist.
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Charles de Brosses, Traite de la formation mecanique des langues et
des principes de l'etymologic (anonym, Paris 1765).
10
Siehe die in Anmerkung 6 genannte Ausgabe.
11
Zitiert nach der zweisprachigen kommentierten Ausgabe von Hein-
rich Meier: Jean-Jacques Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit/
Discours sur l'inegalite. 2. Aufl. (Paderborn: F. Schöningh 1991), 123.
12
Rousseau, Essai sur l'origine des langues. Herausgegeben von Jean
Starobinski (Paris: Gallimard 1990), 66.
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A.W. Schlegel hat diese Theorie in seinen Vorlesungen näher entwik-
kelt und spezifischer ausgestaltet, sowohl in den Jenaer Vorlesungen
über philosophische Kunstlehre (AWS V l, 14-33), als auch in den
Berliner Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst (AWS V l,
394-430).
selbe die Natur bereichert; wie der Name aussagt, eine wahre
Schöpfung und Hervorbringung" (AWS VO l, 387).
Bei dieser Konzpetion der Poesie ist es jedoch von entschei-
dender Bedeutung, daß bei jeder „äußern materiellen Darstel-
lung" eine „innre im Geiste des Künstlers" vorangeht, „bei wel-
cher die Sprache immer als die Vermittlerin des Bewußtseins
eintritt". Schlegel sagt: „Die Sprache ist kein Produkt der Natur,
sondern ein Abdruck des menschlichen Geistes, der darin die
Entstehung und Verwandtschaft seiner Vorstellungen, und den
ganzen Mechanismus seiner Operationen niederlegt. Es wird also
in der Poesie schon Gebildetes wieder gebildet, und die Bildsam-
keit ihres Organs ist ebenso grenzenlos, als die Fähigkeit des
Geistes zur Rückkehr auf sich selbst durch immer höher poten-
zierte Reflexionen. Es ist daher nicht zu verwundern, daß die
Erscheinung der menschlichen Natur in der Poesie sich mehr
vergeistigen und verklären kann als in den übrigen Künsten, und
daß sie bis in mystische und geheimnisvolle Regionen eine Bahn
zu finden weiß" (AWS VO l, 387-88).
Unter diesem Gesichtspunkt hat die frühromantische Konzep-
tion der Poesie, die von vielen als eigenartig und unverständlich
angesehen worden war, nichts Paradoxes. Jedem, der von dem
„innern Organismus des geistigen Daseins" einen Begriff hat,
sollte es nach Schlegel einsichtig sein, „daß dieselbe Tätigkeit,
durch welche zuerst etwas Poetisches zustande gebracht wird,
sich auf ihr Resultat zurückwendet". „Ja, man kann ohne Über-
treibung und Paradox sagen," so fährt er fort, „daß eigentlich
alles Poesie, Poesie der Poesie sei; denn sie setzt schon die Sprache
voraus, deren Erfindung doch der poetischen Anlage angehört,
die selbst ein immer werdendes, sich verwandelndes, nie voll-
endetes Gedicht des gesamten Menschengeschlechts ist" (AWS
VO l, 388). In den frühen Stadien ihrer Ausbildung schafft die
Sprache „ebenso notwendig und unabsichtlich" als sich selbst
eine „dichterische Weltansicht", in welcher die Phantasie herrscht
und die Mythologie ist. Dies ist die „höhere Potenz" der ersten
Schöpfung (Sprache). Die „freie, selbstbewußte Poesie", die den
Mythus als Stoff verwendet, indem sie ihn „dichterisch behandelt,
poetisiert", steht deshalb „noch um eine Stufe höher". So geht
es immer weiter fort, meint Schlegel, „denn die Poesie verläßt
14
Siehe den Abschnitt IX, 3 der vorliegenden Darstellung.
15
Siehe Ernst Behler, „Friedrich Nietzsche et la philosophic du langage
du romantisme d'Iena", Philosophie 27 (1990), 57-75.
erhebt sich „über die ganze übrige Welt", als hätte sie „den
Maßstab des Wirklichen" verloren und schwärmte bis an die
Grenzen der Dinge, „soweit die Flügel der Phantasie sie nur
tragen wollen, ohne sich einer Verirrung bewußt zu werden"
(AWS SW 7, 94). Schlegel bezieht sich zur Illustrierung der
poetischen Sprache der Liebe wieder auf Julia in Shakespeares
Schauspiel Romeo und Julia, in dem er einen lyrischen Typ des
Dramas erblickte. Er meint über die Sprache der Liebe: „Je
entferntere und ungleichartigere Bilder sie herbeiruft, desto sinn-
reicher müssen ihre Gleichnisse scheinen" (AWS SW 7, 95). Denn
die Liebe kennzeichnet sich ihrem Wesen nach durch „unbegrif-
fene Widersprüche", sie ist etwas, das den Verstand transzendiert,
von diesem nicht begriffen werden kann. Auch bei der „schönsten
Erwiderung" könne Liebe sich „nicht in vollkommene Harmo-
nie" auflösen. Sie sei deshalb ihrer ganzen Natur nach geneigt,
„sich antithetisch zu äußern" (ib.). Bei dieser Äußerung des
Eigenlebens und der Eigengesetzlichkeit der Phantasie ist das
„Wortspiel" in der Poesie und vor allem in der Lyrik für Schlegel
von großer Bedeutung gewesen.16 Sein Plädoyer für das Wortspiel
ergibt sich wieder aus der Eigengesetzlichkeit der Phantasie und
ihrer energiespezifischen Verfahrensweise, die sich auch darin
äußert, daß sie „mit Ähnlichkeiten der Töne ahndungsvoll spie-
len" kann. Wortspiel ist für Schlegel „eine Vergleichung zwischen
dem Sinne der Wörter und ihrem Klange". Er verweist auf seinen
Lieblingsdichter in der Lyrik, Petrarca, auf „dessen wunderbare
Bilder und Gleichnisse, immer wiederkehrende Gegensätze und
leise mystische Anspielungen", die sich ebenfalls in keine Sprache
der Vernunft oder des Verstandes übertragen lassen, aber unmit-
telbar verständlich sind. Eine weitere Veranschaulichung der
Sprache der Phantasie wäre die „kühne Bildlichkeit und antithe-
tische Wortfülle beim Schmerz über den Verlust oder Tod des
Geliebten" (AWS SW 7, 96).
August Wilhelm Schlegel hat seine Vorstellungen vom Ver-
hältnis zwischen Verstand und Phantasie noch einmal auf sehr
16
Siehe Peter C. Simpson, The Critique of Wordplay During Early
German Romanticism: Critical Construction of a Literary Style (Diss.
Cornell University 1985).
17
Gesondert erschienen unter dem Titel Über Literatur, Kunst und
Geist des Zeitalters. Einige Vorlesungen in Berlin, zu Ende des Jahres
1802, gehalten von A.W. Schlegel in: Europa. Eine Zeitschrift. Her-
ausgegeben von Friedrich Schlegel (Frankfurt a.M.: F. Wilmans 1803).
Erster Band, zweiter Teil, 3-95; AWS VO 2, 197-252.
18
Poetik IV, 2 (1448 b).
19
Dieser Teil der Vorlesungen ist ebenfalls gesondert erschienen unter
dem Titel Über das Verhältnis der schönen Künste zur Natur; Über
Täuschung und Wahrscheinlichkeit; Über Manier und Stil in: Pro-
metheus. Eine Zeitschrift. Herausgegeben von Leo von Seckendorf
und Josef Ludwig Stoll (Wien: Geistingers Buchhandlung 1808), 5.-
6. Heft, 1-28; AWS VO 2, 256-59.
20
Thomas G. Sauer, A.W. Schlegel's Shakespearean Criticism in Eng-
land (Bonn: Bouvier 1982).
ten über die poetische Diktion und die Wortspiele, dienen dazu,
die kohärente Einheit des Werks von verschiedenen und mit
Notwendigkeit ineinandergreifenden Aspekten aus deutlich zu
machen und das Werk selbst als „ein harmonisches Wunder" zu
bestimmen, „dessen Bestandteile nur jene himmlische Gewalt so
verschmelzen konnte" (AWS SW 7, 97).