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1
Hauptsächlich in der Republik, Buch X.
2
Hauptsächlich in der Republik, Buch III.
3
Der frühe Dialog Ion ist das beste Beispiel hierfür.
4
In der Poetik I, 2; IV, 2.
5
In der Poetik IX, l - 2.
6
In der Poetik VII, 1-2.
7
In der Poetik VII, 4-7.
8
In der Schrift Über das Erhabene.
9
Dante im Brief an Can Grande delta Scala von 1319 und Boccaccio
im Leben Dantes.
10
Besonders in seinen Diskursen über die dramatische Poesie von 1660.
11
Bereits Zeitgenossen verwandten hierfür den Begriff der Revolution.
So spricht Adam Müller in seinen Schriften in bezug auf die Früh-
romantik wiederholt von einer „kritischen Revolution", oder er be-
zieht sich auf „die durch Schlegel bewirkte Revolution": Adam Mül-
ler, Kritische, ästhetische und philosophische Schriften. Herausge-
geben von Walter Schroeder und Werner Siebert (Neuwied: Luchter-
hand, 1967), Band l, 23, 38, 39, 41.
12
Samuel Taylor Coleridge, Biographia Literaria. Herausgegeben von
J. Showcross, 2 Bde. (Oxford: Oxford University Press, 1907), Band
1,22.
13
Siehe hierzu meinen Aufsatz „Natur und Kunst in der frühromanti-
schen Theorie des Schönen", Athenäum 2 (1992), 7 — 32.
wie l'art pour l'art und poesie pure (Baudelaire, Mallarme), die
aber bereits in den Theorien des Novalis über die absolute Poesie
ihr Vorbild finden, treten diese Bezüge zur Natur zurück und wer-
den sogar eine Verlegenheit, die überwunden werden soll, ohne
daß sie jedoch ihre Bedeutung je ganz verlieren. Trotz dieses be-
stehenbleibenden Bezugs zur Natur können wir aber von der früh-
romantischen Kunsttheorie in Begriffen der schöpferischen Her-
vorbringung und des „Kunsturteils" sprechen, weil ganz gleich,
was die Beziehung der Dichtung zur äußeren Welt und zur Natur
auch sein mag, diese nicht mehr als eine sich auf eine vorgegebene
Realität ausrichtende gedacht wurde, um deren Repräsentation
sich die Dichtung zu bemühen hatte oder nach deren Maßstab
geschaffen werden sollte.
Ebensowenig wie der Begriff Frühromantik wurden aber von
den Vertretern dieser Neuerung die Bezeichnungen Romantik, ro-
mantisch oder Romantiker für ihre eigenen Bemühungen ver-
wandt. Zur Zeit des Entstehens der frühromantischen Schule treten
diese Wörter in den Vokabularen der europäischen Länder mit
einer großen Bedeutungsvielheit auf und beziehen sich gewöhnlich
auf Phänomene der Literatur („wild Romantick Tales"), der Land-
schaft oder des natürlichen, nicht nach Ornamenten angelegten
englischen Gartens {„in shapes romantic"), auf Gefühlsweisen
(„amour romanesque") oder ekzentrisches Verhalten („romanti-
scher Charakter"). 14 Die grundlegende Bedeutung in all diesen
verschiedenen Ausdrucksweisen war aber „mit dem auflockernden
Effekt verbunden, den die Literaturgattung der Romanzen auf die
Einbildungskraft ihrer Leser hervorrief". 15 Daher rührt die Bedeu-
tung des Wortes romantisch im Sinne des „,wie in einer Romanze',
einem Roman, ,zur Romanze gehörig'" oder „wie in einer Romanze
H
Siehe hierzu meinen Aufsatz „Kritische Gedanken zum Begriff der
europäischen Romantik", Ernst Behler, Studien zur Romantik und
zur idealistischen Philosophie (Paderborn: Schöningh, 1988),
86-115.
15
Raymond Immerwahr, ,,,Romantic' and its Cognates in England,
Germany, and France before 1790", „Romantic, and its Cognates.
The European History of a Word". Herausgegeben von Hans Eichner
(Toronto: University of Toronto Press, 1972), 18.
und nicht wie im wirklichen Leben", womit das Wort die Bedeu-
tung von „,fiktiv',,unwahr',,extravagant', unwahrscheinlich', ja
,absurd'" annimmt. 16 Die Romanzen, an die man in diesem Zu-
sammenhang dachte, waren die des König Arthur und die seine
Ritter umgebenden Legenden, aber die Bezeichnung schloß auch
die vielen „rein fiktiven Nachahmungen" dieser Legenden ein, wel-
che die Buchdruckerei damals in ein Massenmedium umgewandelt
hatte, „das jedem zur Verfügung stand, der lesen konnte und einen
bescheidenen Preis zu zahlen vermochte".17
Wenn man sich innerhalb dieser breiten Verwendungen des Wor-
tes auf die fiktionale Bedeutungsnuance konzentriert, stellt man
fest, daß sie sich auf eine Literatur bezieht, die damals unter Kri-
tikern und Theoretikern noch nicht genügend Beachtung gefunden
hatte und nicht Teil des etablierten Kanons der europäischen Lite-
ratur war. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Literatur,
die von Autoren wie Dante, Boccaccio, Petrarca, Cervantes, ja auch
Shakespeare vertreten wurde, der ebenfalls von der klassizistischen
Theorie zurückgewiesen worden war. In diesem Sinne spricht Boi-
leau in seiner Art poetique von 1674 ziemlich verächtlich von der
Literatur „jenseits der Pyrenäen", die im exotisch Wunderbaren
schwelgt, oder den „glänzenden Prachtbauten" der Italiener oder
der „Bedeutungslosigkeit" der „Helden des Romans".18 Auf prä-
zisere Weise bezieht die große Enzyklopädie von 1751 —72 das
Romantische auf alles, was zum Roman gehört, d. h. auf Dinge
und Personen wie: „Eine romantische Leidenschaft; romantische
Ideen; einen romantischen Kopf; eine romantische Reise; ein ro-
mantisches Werk" (E 29, 376). Dabei ist von Bedeutung, daß das
Wort „romantisch" in der französischen Sprache direkt auf das
Wort für den Roman (roman) bezogen ist, während dieser Bezug
in der englischen Sprache, in welcher der Roman als novel bezeich-
net ist, durch das Wort romance besteht. Diese semantische Bezie-
16
Hanz Eichner, „Germany: Romantisch-Romantik-Romantiker", Ro-
mantik and its Cognates, 100.
17
Raymond Immerwahr, .„Romantik' and its Cognates in England,
Germany, and France before 1790", 19.
18
Nicolas Boileau-Despreaux, Oeuvres completes (Paris: Bibliotheque
de la Pleiade, 1966), 170, 158. 171.
19
Hans Eichner, „Germany: Romantisch-Romantik-Romantiker", 102.
die klassische und klassizistische, die „fertig" sind und nun „voll-
ständig zergliedert" werden können. Die romantische Dichtung
dagegen bleibt stets im Werden, so fährt Schlegel fort und sagt: „ja
das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie voll-
endet sein kann. Sie kann durch keine Theorie erschöpft werden,
und nur eine divinatorische Kritik dürfte es wagen, ihr Ideal cha-
rakterisieren zu wollen". An dieser Stelle kommt Schlegel am dich-
testen an eine Identifizierung der romantischen Poesie mit der Dich-
tung als solcher und damit auch seiner eigenen heran, besonders
wenn er abschließend sagt, daß die romantische Dichtart die ein-
zige ist, „die mehr als Art und gleichsam die Dichtkunst selbst ist:
denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch
sein"(KFSA2, 183).
Bei den Frühromantikern macht sich aber immer ein Abstand
zwischen der Bezeichnung romantisch und ihrer eigenen Position
bemerkbar, insofern sie diese nie direkt auf sich selbst anwand-
ten. Die gebräuchlichste zeitgenössische Bezeichnung für sie war
die der „Schule", insbesondere mit den Zusätzen „neue Schule"
oder „Schlegelsche Schule der Poesie". Die Bezeichnung roman-
tisch ist erst viel später dazu getreten, zum Beispiel in Heinrich
Heines berühmten Buch von 1835 Die romantische Schule. Zu
diesem Zeitpunkt hatte der Begriff romantisch seine Bedeutung
tiefgreifend verändert und war eine satirische, herabsetzende,
karikierende Bezeichnung geworden. Dieser Bedeutungswandel
vollzog sich freilich nicht mehr mit Bezug auf die Jenaer Früh-
romantiker, sondern auf die Heidelberger Romantiker, Autoren
wie Clemens Brentano, Achim von Arnim, Josef Görres und
Friedrich Creuzer. Als Johann Heinrich Voß, der Übersetzer
Homers und Dichter von Idyllen, im Jahre 1805 nach Heidelberg
kam, trat er in einen scharfen Gegensatz zu dieser Gruppe von
Schriftstellern, die er und seine Anhänger als „unsere Romanti-
ker" verspotteten. 20 Er griff also eine bislang für einen älteren
Stil der europäischen Literatur (Dante, Cervantes, Shakespeare)
verwandte Bezeichnung auf, die sicherlich ein Lieblingswort im
20
Siehe hierzu Rene Wellek, „The Concept of Romanticism in Literary
History", Rene Wellek, Concepts of Criticism (New Haven: Yale
University Press, 1963), 128-198.
21
Historisch-kritische Gesamtausgabe Band 8, 5.
Leben manifestiert hatte. Diese Poesie aber war aus dem Chri-
stentum hervorgegangen, sie war eine Passionsblume, die dem
Blute Christi entsprossen" (HH 3, 361). Heine wußte natürlich,
daß seine Charakteristik entstellend war und auf die Frühro-
mantik überhaupt nicht zutraf, aber seine Formulierungen er-
wiesen sich als ungemein geeignet dafür, die Bezeichnung reak-
tionär anzubringen und einzubürgern. Ein anderes Wort, das in
dieser Kampagne gegen die Romantik prominent wurde, stammt
von Goethe, der gesagt hatte: „Das Klassische nenne ich das
Gesunde, und das Romantische das Kranke" (GOE 24, 332).
Goethe verwandte diese Begriffe nicht als zeitgenössische Klas-
sifikationen, sondern noch im alten Sinne als allgemein ästheti-
sche Maßstäbe und Kategorien. Aber schon bald wurde sein
Wort auf die Romantiker seiner Zeit bezogen, insbesondere auf
Novalis, dessen Lebenslauf Goethes Feststellung zu bestätigen
schien und dessen Kunst nun als dekadent, als entartet erklärt
wurde. Eine weitere wichtige Quelle für den Kampf gegen die
Romantik der dreißiger und vierziger Jahre war Hegel, der sich
an hervorragenden Stellen seiner Philosophie mit großer Animo-
sität gegen die Romantik gewandt hatte und in ihr einen bin-
dungslosen, unfolgsamen und verantwortungslosen Typus von
Subjektivität erblickte, die er mit einem monströsen Wort als
„höchste Spitze der sich als das Absolute wissenden Subjektivi-
tät" bezeichnete, die sich von der „einigenden Substanz" abschei-
det (HEG 20, 415-18). Diese Kritik wurde 1830 in dem anti-
romantischen Manifest von Arnold Rüge und Theodor Echter-
meyer Der Protestantismus und die Romantik. Zur Verständi-
gung über die Zeit und ihre Gegensätze breit ausgeführt.
Mit Erleichterung erklärte Haym von dieser antiromantischen
Kampagne aus der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts:
„Diese Zeit, wie gesagt, liegt hinter uns" (RS, 4). Dieser Kampf
erschien ihm „wie ein Kampf, den wir abgeschüttelt haben", und
er dachte an ihn zurück wie an einen bösen Traum. Es gehörte
nun zu den Forderungen der Zeit, jene Romantik, „die doch nur
das Gespenst einer einst wohl berechtigten Bewegung war",
durch ein adäquateres Bild zu ersetzen. Die Veranlassung dafür
bestand in dem „wie durch ein Wunder errungenen Boden macht-
stolzer nationaler Selbstständigkeit". Es gehörte nun zu den
11
Siehe Die Aktualität der Frühromantik. Herausgegeben von Ernst
B'ehler und Jochen Hörisch (Paderborn: Schöningh, 1987).