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Johann Gottlieb Fichte

Uber den Begriff


der Wissenschaftslehre
oder
der sogenannten Philosophie
Mit einer Einleitung
herausgegeben von
Edm und Braun

ijf/p 1 **^
R eclam
Einleitung
Johann Gottlieb Fichte wurde am 19. Mai 1762 zu Ram­
menau, einem Dorf in der Oberlausitz, als erstes Kind einer
kinderreichen Familie - er hatte noch sieben Geschwister -
geboren und wuchs in dürftigen Verhältnissen auf. Sein Va­
ter, Christian Fichte, war Bandwirker (Weber), ein redlicher
und sittenstrenger Mann, dem der Sohn zeitlebens in Ver­
ehrung anhing. Schon bald erregte die große Begabung des
Knaben die Aufmerksamkeit der Leute im Dorf. Die sehr
gute Wiedergabe einer Sonntagspredigt bewog den in der
Gegend ansässigen, reichen Gutsbesitzer, Freiherrn von Mil­
titz, sich der Ausbildung des begabten Knaben anzunehmen.
Er nahm ihn mit auf sein Schloß zu Siebeneichen und über­
gab ihn zur weiteren Ausbildung dem Pfarrer von Nieder­
au, bei dem er zwei Jahre die Vorbereitung für den höheren
Unterricht empfing. Anschließend besuchte Fichte die Schule
zu Meißen; im Oktober 1774 wurde er in die Fürstenschule
zu Pforta aufgenommen, in der er bis Herbst 1780 blieb.
Im Wintersemester 1780/81 begann Fichte seine Universi­
tätsstudien, zunächst in Jena und dann in Leipzig. Anfangs
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 9348 studierte er ausschließlich Theologie, wurde jedoch bald,
Alle Rechte Vorbehalten vornehmlich durch die Lektüre der Ethik Spinozas, zur Phi­
© 1972 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart losophie gedrängt und studierte auch Philosophie. Während
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2016 der ganzen Zeit seines Studiums mußte Fichte, da sein Gön­
RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und ner, Freiherr von Miltitz, verstorben war und die Unter­
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken stützung ausblieb, in äußerst bedrängten Verhältnissen durch
der Philipp Reclam jun. G m bH Sc Co. KG, Stuttgart Privatunterricht seinen Unterhalt verdienen. Im Jahre 1788,
ISBN 978-3-15-009348-1
als er wegen gänzlicher Mittellosigkeit am Rande der Ver­
www.reclam.de zweiflung und des Selbstmordes angelangt war, wurde ihm
eine Hauslehrerstelle in Zürich angeboten, die er bis 1790
4 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 5
bekleidete. Während dieser Zeit lernte er Johanna Maria Wissenschaften. Herausgegeben von Reinhard Lauth und
Rahn, eine Nichte Klopstocks, kennen, mit der er sidi ver­ Hans Jacob”, Bd. III 1, Stuttgart 1968. S. 167, Brief
lobte. Infolge der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse N r. 63). Und am 5. März 1791 schreibt er an seinen Bruder
erfolgte die Eheschließung erst 1793. Samuel Gotthelf: »Aus Verdruß w arf ich mich in die
K a n t i s c h e Philosophie die eben so herzerhebend, als
kopfbrechend ist. Ich fand darin eine Beschäftigung, die
Im Frühjahr 1790 kehrte Fichte nach Leipzig zurück. Hier Herz und Kopf füllte; mein ungestümer Ausbreitungs Geist
wurde er durch einen Studenten, den er in der kantischen schwieg: das waren die glücklichsten Tage, die ich je verlebt
Philosophie zu unterweisen hatte, veranlaßt, sich mit Kant habe. Von einem Tage zum ändern verlegen um Brod war
zu beschäftigen. Er las die K ritik der praktischen Vernunft, ich dennoch damals vielleicht einer der glücklichsten Men­
die Kritik der Urteilskraft und schließlich auch die Kritik schen auf dem weiten Rund der Erde« (Briefwechsel, Hrsg.
der reinen Vernunft. Das Studium der kantischen Philoso­ Schulz, Bd. I, 21930, S. 136, Brief N r. 68; in: Gesamtaus­
phie ergriff ihn derart, daß sie eine völlige Revolution in gabe, Hrsg. Lauth/Jacob, Bd. III 1, 1968, S. 221, Brief
seinem Denken bewirkte und seine fernere Entwicklung N r. 77).
grundlegend bestimmte. Fichte selbst sah das Bekanntwerden Im Frühjahr 1791 begab sich Fichte nach Warschau, um dort
mit Kant als den entscheidenden Augenblick seines Lebens
an. Das bezeugen viele seiner Briefe. So schreibt er im Sep­ eine Stelle als Hauslehrer anzutreten. Da ihm die Stelle nicht
tember 1790 an Friedrich August Weißhuhn, einen seiner zusagte, reiste er alsbald nach Königsberg und suchte Kant
ältesten Schul- und Universitätsfreunde: »Ich lebe in einer auf, dem er anstatt einer Empfehlung das Manuskript seiner
neuen Welt, seitdem ich die Kritik der praktischen Vernunft ersten ganz im Sinne Kants schnell vom 13. Juli bis 18. Au­
gelesen habe. Sätze, von denen ich glaubte, sie seyen unum­ gust des gleichen Jahres entworfenen Abhandlung: Versuch
stößlich, sind mir umgestoßen; Dinge, von denen ich glaubte, einer Critik aller Offenbarung vorlegte. Fichte gewann mit
sie könnten mir nie bewiesen werden, z. B. der Begriff einer ihr das Wohlwollen Kants, der ihm eine Hauslehrerstelle bei
absoluten Freiheit, der Pflicht u. s. w. sind mir bewiesen, und Danzig und einen Verleger für seine Erstlingsschrift ver­
ich fühle mich darüber nur um so froher. Es ist unbegreiflich, schaffte. Bei Erscheinen des Werkes 1792 (im Verlag der
welche Achtung für die Menschheit, welche K raft uns dieses Hartungschen Buchhandlung, Königsberg) blieb aus Verse­
System giebt! Doch was sage ich das Ihnen, der Sie es längst hen, wie der Verleger später behauptete, mit der nachge­
werden empfunden haben, wie ich! Welch ein Segen für ein reichten Vorrede auch der Name des Autors auf dem Titel­
Zeitalter, in welchem die Moral von ihren Grundfesten aus blatt weg, so daß das anonyme Werk allgemein, auch von
zerstört, und der Begriff P f l i c h t in allen Wörterbüchern den Rezensenten der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung
durchstrichen war« (J. G. Fichte, Briefwechsel. Kritische Ge­ für eine Publikation Kants gehalten wurde. Nachdem Kant
samtausgabe. Gesammelt und herausgegeben von Hans den Irrtum offenbarte und den wahren Urheber jener Schrift
Schulz.”' Bd. I, Leipzig 21930. S. 123, Brief N r. 55; in: beim Namen nannte, wurde Fichte mit einem Schlage be­
J. G. Fichte - Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der rühmt.
* im folgenden zitiert als: Briefwedtsel, Hrsg. Schulz ” im folgenden zitiert als: Gesamtausgabe, Hrsg. Lauth/Jacob.
6 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 7
Am 16. Juni 1793 kehrte Fichte nach Zürich zurück. Dort wohl schon ahndete daß selbst nach Kants, u. Reinholds Ar­
genoß er die anregende Gesellschaft Pestalozzis, der einen beiten die Philosophie noch nicht im Zustande einer Wißen-
nachhaltigen Einfluß auf seine erzieherischen Neigungen ge­ schaft ist« (Briefwechsel, Hrsg. Schulz, Bd. I, 21930, S. 315,
wann. Er verfaßte eine Flugschrift, in welcher er mit den Brief Nr. 140; in: Gesamtausgabe, Hrsg. Lauth/Jacob,
Zensurmethoden, mit denen er in Preußen geplagt worden Bd. III 2, 1970, S. 18, Brief N r. 168).
war, abrechnete und die Freiheit des Denkens als unver­ Hierin lag nun für Fichte der Anstoß, eine Neubegründung
äußerliches Recht forderte. Die Schrift trug den Titel: Zu­ der kritischen Philosophie vorzunehmen, eine Philosophie
rückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europens, darzustellen, die sich als allgemeingültige Wissenschaft aus
die sie bisher unterdrückten. Eine Rede. Heliopolis, im letz­ einem einzigen Grundsatz entwickeln lasse. Das bringt Fichte
ten Jahre der alten Finsterniß (o. O. u. o. J.), Danzig 1793 im letztgenannten Brief zum Ausdruck, wenn er schreibt,
anonym. Am 22. Oktober heiratete er Johanna Maria Rahn. daß er sich beim Studium des Aenesidemus davon überzeugt
Nach der etwa einwöchigen Hochzeitsreise machte er sich hat, »daß nur durch Entwickelung aus einem einzigen Grund­
mehrere Monate mit großer Intensität an seine philosophi­ sätze Philosophie Wißenschaft werden kan n ,. . . daß es einen
schen Arbeiten. Im Aufträge der Allgemeinen Literatur-Zei­ solchen Grundsaz giebt, daß er aber als solcher noch nicht
tung hatte er einige Rezensionen zu schreiben, darunter vor aufgestellt ist«. Im Dezember 1793 schreibt er an seinen
allem die des anonym erschienenen Aenesidemus (der Schrift Freund Heinrich Stephani: »Haben Sie den Aenesidemus
von Gottlob Ernst Schulze Über die Fundamente der von gelesen? Er hat mich eine geraume Zeit verwirrt, R e i n -
Herrn Prof. Reinhold in Jena gelieferten Elementarphilo­ h o l d bei mir gestürzt, K a n t mir verdächtig gemacht,
sophie. Nebst einer Verteidigung des Skepticismus gegen die und mein ganzes System von Grund aus umgestürzt. Unter
Anmaßung der Vernunftskritik). Fichte setzte sich intensiv freiem Himmel wohnen geht nicht! Es half also Nichts; es
mit den in dieser Schrift von Schulze vorgebrachten Ein­ mußte wieder angebaut werden. Das thue ich nun, seit unge­
würfen gegen Reinholds Elementarphilosophie und Kants fähr 6 Wochen, treulich. Freuen Sie sich mit mir der Aernte:
K ritik auseinander (vgl. Fichtes Rezension: »Aenesidemus, ich habe ein neues Fundament entdeckt, aus welchem
oder über die Fundamente der von dem Hrn. Prof. Reinhold die gesammte Philosophie sich sehr leicht entwickeln läßt. -
in Jena gelieferten Elementar-Philosophie. Nebst einer Ver- K a n t hat überhaupt die richtige Philosophie; aber nur in
theidigung des Skepticismus gegen die Anmaßungen der ihren Resultaten, nicht nach ihren Gründen. Dieser einzige
Vernunftskritik, o. O. 1792, 445 S., 8.« erschienen in den Denker wird mir immer wunderbarer; ich glaube, er hat
N rn. 47, 48 und 49 der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zei­ einen Genius, der ihm die W ahrheit offenbart, ohne ihm
tung, >Dienstags, den 11. Februar 1794< und >Mittwochs, die Gründe derselben zu zeigen! Kurz, wir werden, wie ich
den 12. Februar 1794c, Coll. 369-374, 377-383, 385-389, ab­ glaube, in ein Paar Jahren eine Philosophie haben, die es der
gedruckt in: Gesamtausgabe, Hrsg. Lauth/Jacob, Bd. 1 2, Geometrie an Evidenz gleich thut« (Briefwechsel, Hrsg.
1965, S. 41 ff.). Schulz, Bd. I, 21930, S. 319, Brief Nr. 145; in: Gesamtaus­
Ende des Jahres 1793 schrieb er an Johann Friedrich Flatt, gabe, Hrsg.Lauth/Jacob, B d .III2,1970, S.28, Brief Nr.171).
Professor der Philosophie am Tübinger Stift: »Aenesidemus, Und zu Beginn des Jahres 1794 schreibt er an den Oberhof­
den ich unter die merkwürdigen Produkte unsers Jahr- prediger Franz Volkmar Reinhard in Dresden: »Aeneside­
zehends zähle, hat mich von dem überzeugt, was ich vorher mus hat meine Ueberzeugung, daß die Philosophie in ihrem
8 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 9
gegenwärtigen Zustande gar noch nicht Wissenschaft sey, voll­ Eine zweite, erweiterte Auflage unter dem gleichen Titel,
endet; die andere aber, daß sie wirklich Wissenschaft werden aber ohne den Zusatz >als Einladungsschrift.. .< erschien
könne, und in Kurzem es werden müsse, nur noch verstärkt 1798 bei Christian Ernst Gabler zu Jena und Leipzig (XVIII
. . . Entweder es muß möglich seyn, eine Philosophie als all­ und 77 Seiten).
gemeingültige Wissenschaft zu begründen, oder nicht. Ist es
nicht möglich, so muß sich diese Unmöglichkeit darthun las­ Seine öffentlichen Vorlesungen über den Sinn und die Be­
sen, . . . ist es aber möglich, so muß es sidi auch wirklich rechtigung des wissenschaftlichen Bemühens des Gelehrten,
machen lassen . .. Aber die Philosophie kann nicht, wie die die er einstündig hielt, hatte Fichte unter dem Titel De
Geometrie und die Mathematik, überhaupt ihre Begriffe in officiis eruditorum (Über die Bestimmung des Gelehrten)
der A n s c h a u u n g c o n s t r u i r e n ? - Recht wohl; angekündigt. Noch während des Sommersemesters wurden
und es wäre sehr schlimm, wenn sie dies könnte; denn dann die ersten fünf Vorlesungen von Fichte selbst unter dem Ti­
hätten wir keine Philosophie, sondern Mathematik; - aber tel Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten
sie kann und soll sie aus einem einzigen Grundsätze, den bei Christian Ernst Gabler zu Jena und Leipzig (1794) ver­
jeder zugeben muß - durch Denken d e d u c i r e n « (Brief­ öffentlicht. Die Privatvorlesungen über die Grundlage der
wechsel, Hrsg. Schulz, Bd. I, 21930, S. 326, Brief Nr. 149; in: gesamten Wissenschaftslehre wurden sofort in demselben
Gesamtausgabe, Hrsg. Lauth/Jacob, Bd. III 2, 1970, S. 39 f., Verlag gedruckt und während des Ganges der Vorlesungen
Brief Nr. 175). den Zuhörern bogenweise als Handschrift ausgegeben
{Grundlage der gesummten Wissenschaftslehre als Hand­
Während Fichte nun mit dem Entwurf der Grundlegung der schrift für seine Zuhörer, Leipzig 1794).
Philosophie als systematischer Wissenschaft beschäftigt war, Nach zwei turbulenten Semestern, in denen er mit dem Senat
erhielt er zu Beginn des Jahres 1794 einen Ruf auf den frei­ der Universität und zum ändern mit der Studentenschaft in
gewordenen Lehrstuhl Karl Leonhard Reinholds (1758 bis eine heftige Auseinandersetzung geriet, so daß er sich im
1823) in Jena, der nach Kiel übergesiedelt war. Obwohl Sommersemester 1795 gezwungen sah, seine Vorlesungstä­
Fichte zuerst einen zeitlichen Aufschub von einem Jahr er­ tigkeit einzustellen, nahm er im Wintersemester 1795/96
bat, um zunächst selbst mit seinen Gedanken ins Reine zu seine Lehrtätigkeit wieder auf und verbrachte die folgenden
kommen, folgte er dennoch dem Ruf und nahm bereits im drei Jahre unangefochten und lehrte mit großem Erfolg, bis
Sommersemester 1794 seine Lehrtätigkeit in Jena mit öffent­ der Atheismusstreit ausbrach.
lichen und privaten Vorlesungen auf. Zuvor - etwa Ende In dieser Zeit erschienen außer den beiden Einleitungen in
April - hatte er das Manuskript zur Grundlegung der Phi­ die Wissenschaftslehre {Erste Einleitung in die Wissenschafts­
losophie als systematischer Wissenschaft abgeschlossen und lehre. In; Philosophisches Journal einer Gesellschaft Teut-
sie als Einladungs- bzw. Programmschrift in deutscher scher Gelehrten. 1797, Bd. V, S. 1-49 und Bd. VII, S. 1-20
Sprache für die Jenaer Studenten und Gelehrten mit dem unter dem Titel: >Versuch einer neuen Darstellung der Wis-
Titel Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der so­ senschaftslehrec; Zweite Einleitung in die WissenschaftsLehre
genannten Philosophie, als Einladungsscbrift zu seinen Vor­ für Leser, die schon ein philosophisches System haben. In:
lesungen über diese Wissenschaft (VIII und 60 Seiten) im Philosophisches Journal einer Gesellschaft Teutscher Gelehr­
Verlage des Industrie-Comptoirs zu Weimar veröffentlicht. ten. 1797, Bd. V, S. 319-378 und Bd. VI, S. 1-43) die zwei
10 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 11
auf den Prinzipien der Wissenschaftslehre fußenden Systeme 22. März 1799 an ein Mitglied der Regierung, Geheimrat
der Rechts- und Sittenlehre: Grundlage des Naturrechts nach Voigt, daß er einen etwa durch den Senat ergehenden Ver­
Principien der Wissenschaftslehre, Jena und Leipzig 1796, weis mit seiner Demission beantworten werde (Briefwechsel,
zweiter Teil 1797 und Das System der Sittenlehre nach den Hrsg. Schulz, Bd. II, 21930, S. 55, Brief Nr. 349). Fichtes
Principien der Wissenschaftslehre, Jena und Leipzig 1798. Schreiben erregte in Weimar heftiges Mißfallen. Es wurde
als Gesuch um Verabschiedung ausgelegt. Fichte erhielt dar­
Wäre es nach ihm gegangen, hätte Fichte wahrscheinlich auf nicht nur einen scharfen Verweis wegen Unvorsichtigkeit,
keine Veränderung mehr gesucht. Um so tiefer mußte ihn sondern obendrein die Entlassung. Er mußte Jena verlassen
jene Affäre treffen, die seinen Weggang aus Jena zur Folge und siedelte nach Berlin über, wo sich der preußische König
hatte, nämlich der sogenannte Atheismusstreit. Friedrich Wilhelm III. ihm gegenüber sehr wohlwollend
Dieser hatte seinen Anlaß darin, daß ein ehemaliger Schüler zeigte und ihm Duldung zusicherte.
namens Forberg für das von Fichte im Verein mit Nietham­
mer seit 1797 (ab Bd. V) redigierte Philosophische Journal In den ersten Jahren des Berliner Aufenthaltes war Fichte
im achten Band, H eft 1, 1798 einen Aufsatz über die Ent­ vornehmlich literarisch tätig. Es entstanden:
wicklung des Begriffs der Religion geschrieben hatte. Ob­ Die Bestimmung des Menschen (Berlin 1800) und seine
wohl dieser Beitrag Fichte mißfiel, nahm er ihn dennoch in Staatsutopie Der geschloßne Handelsstaat. Ein philosophi­
das Journal auf, schickte aber als mildernde Einleitung eine scher Entwurf als Anhang zur Rechtslehre, und Probe einer
eigene kurze Abhandlung voraus, der er den Titel gab: künftig zu liefernden Politik (Tübingen 1800). Außerdem
Ueber den Grund unsers Glaubens an eine göttliche W elt Re­ suchte er durch die Veröffentlichung der Schrift Sonnenkla­
gierung (Bd. V III, H eft 1, S. 1-20). Die Kursächsische Re­ rer Bericht an das größere Publikum über das eigentliche
gierung beschlagnahmte die Aufsätze, verbot die Zeitschrift Wesen der neuesten Philosophie. Ein Versuch, die Leser zum
und verlangte von der Weimarer Regierung, Fichte und For­ Verstehen zu zwingen (Berlin 1800) die Mißverständnisse
berg zu bestrafen mit der Drohung, anderenfalls ihren auszuräumen, die durch die Auslegungen seiner vorgelegten
Untertanen den Besuch der Universität Jena zu verbieten. Wissenschaftslehre entstanden waren.
Die Regierung zu Weimar beschloß darauf, den Herausge­ In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, daß in
bern des Journals wenigstens formell einen Verweis wegen diese Zeit auch Fichtes Auseinandersetzung mit Schelling
Unbedachtsamkeit durch den akademischen Senat erteilen zu fiel, von dem er 1794 in Jena zum erstenmal gehört hatte.
lassen. Als Fichte erfuhr, daß ihm ein Verweis zugehen sollte, H atte Fichte Schelling zu dieser Zeit sehr geschätzt und seine
verfaßte er zwei in heftigem Tone gehaltene Verteidigungs­ Erstlingsschrift Über die Möglichkeit einer Form der Philo­
schriften (Appellation an das Publikum über die Durch ein sophie überhaupt (Tübingen 1795) wiederholt als Kommen­
Kurf. Sachs. Confiscationsrescript ihm beigemessenen athe­ tar zu seiner Wissenschaftslehre empfohlen, so bezeichnete er
istischen Aeußerungen. Eine Schrift, die man erst zu lesen jetzt Schellings Schriften Erster E ntw urf eines Systems der
bittet, ehe man sie confiscirt, Jena, Leipzig und Tübingen Naturphilosophie (Jena und Leipzig 1797) nebst der kleinen
1799, und Der Herausgeber des philosophischen Journals ge­ Schrift Einleitung zu seinem Entw urf eines Systems der N a­
richtliche Verantwortungsschriften gegen die Anklage des turphilosophie oder: Uber den Begriff der spekulativen
Atheismus, Jena 1799) und erklärte in einem Brief vom Physik und die innere Organisation eines Systems der Wis­
72 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 13
senschaft (Jena und Leipzig 1799) und das System des tran­ lehre . . . in Vorlesungen gehalten zu Berlin im Jahr 1806
szendentalen Idealismus (Tübingen 1800) als Produkte der (Berlin 1806) sowie die von ihm zu Erlangen im Sommer­
Schwärmerei, wodurch es zum offenen Bruch mit Schelling semester 1805 gehaltene Vorlesung Ueber das Wesen des Ge­
kam. Bitter enttäuscht war Fichte nur darüber, daß Hegel lehrten und seine Erscheinungen im Gebiete der Freiheit. In
mit seiner ersten Veröffentlichung Differenz des Fichte’sehen öffentlichen Vorlesungen, gehalten zu Erlangen, im Som-
und Schelling’sehen Systems der Philosophie (Jena 1801) mer=Halbjahre 1805 (Berlin 1806).
offen Partei für Schelling ergriff. Die Auseinandersetzung
zwischen Fichte und Schelling fand ihr Ende mit den beiden Der Ausbruch des Krieges mit Frankreich und die Besetzung
die gegnerische Position darstellenden und beurteilenden Berlins durch die Franzosen setzte der Vorlesungstätigkeit
Schriften: Schellings Darlegung des wahren Verhältnisses in Berlin im Sommersemester 1806 ein Ende. Fichte ging nach
der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichte’sehen Lehre, Königsberg, wo er im Wintersemester 1806/07 an der Uni­
einer Erläuterungsschrift der ersten (Tübingen 1806) und versität Vorlesungen hielt. Als die Franzosen auch Königs­
Fidites Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und berg besetzten, floh er nach Kopenhagen, wo er bereits an
die bisherigen Schicksale derselben (geschrieben 1806), ver­ den berühmten Reden an die Deutsche Nation arbeitete, die
öffentlicht 1846 (/. G. Fichte’s sämmtliche Werke. Herausge­ er im Winter 1807/08 unter hoher persönlicher Gefahr in
geben von I. H. Fichte. Bd. V III. Berlin 1846. S. 361-407). dem von französischen Truppen besetzten Berlin im Gebäude
Seit 1801 hielt Fichte in Berlin als Privatmann auch Vorle­ der von Leibniz gegründeten Akademie der Wissenschaften
sungen vor einem größeren Kreis gebildeter Männer und hielt (Reden an die deutsche Nation, Berlin 1808). In diesen
einflußreicher Beamter, zu denen der damalige österreichi­ rief er das deutsche Volk, das nach Fichtes Ansicht bisher
sche Gesandte Fürst von Metternich gehörte. In diesem nur seinem eigenen Nutzen diente, dessen Selbstsucht durch
Kreis trug Fichte die Darstellung der Wissenschaftslehre. äußere Gewalt nun vernichtet worden war, zur sittlichen
Aus dem Jahre 1801 sowie Die Wissenschaftslehre. Vorge­ Erneuerung auf, die er durch eine gänzlich umgestaltete Er­
tragen im Jahre 1804 vor, die aber erst nach dem Tod Fichtes ziehung gewährleistet sah. Um diese sittliche Erneuerung
von seinem Sohn Immanuel Hermann Fichte veröffentlicht anzubahnen und durchzuführen, betrieb er die Errichtung
wurden. (/. G. Fichte’s nachgelassene Werke. Herausgegeben der Universität Berlin. Sie sollte der Ausgang einer gänzlich
von I. H. Fichte. Bd. II. Bonn 1834. S. 87-314.) umgestalteten Erziehung werden.
Im Jahre 1805 erhielt Fichte eine Professur an der damali­ Nach der Gründung der Universität im Herbst 1810 wurde
gen preußischen Universität Erlangen, wo er aber nur ein Fichte in den Lehrkörper berufen und trat als erster gewähl­
Semester (Sommersemester 1805) las. Das Jahr 1806 hatte ter Rektor an die Spitze der neuen Universität. Er legte je­
sich für Fichte sehr fruchtbar gezeigt. Drei Werke wurden doch dieses Amt vorzeitig (im Wintersemester 1811/12) nie­
publiziert, die von ihm in Berlin in den beiden Winterseme­ der, weil er im Kampf gegen studentische Mißstände vom
stern 1804/05 und 1805/06 gehaltenen Vorlesungen: Die akademischen Senat im Stich gelassen wurde.
Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters . . . in Vorlesungen, Zu den Vorlesungen, die Wissenschaftslehre betreffend, die
gehalten zu Berlin im Jahre 1804-5 (Berlin 1806); Die A n­ Fichte in dieser Zeit in Berlin gehalten hat, gehören:
weisungen zum seeligen Leben, oder auch die Religions­ Die Wissenschaftslehre in ihrem allgemeinen Umrisse (Berlin
14 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 15
1810), die von Fichte selbst noch zum Drude vorbereitete, kende Wort >Wissenschaftslehre<, welches später dem groß
aber posthum erschienene Vorlesung Die T hat sachen des angelegten Versuch eines ganzen Systems den Namen geben
Bewußtseyns. Vorlesungen, gehalten an der Universität zu sollte. Es wäre ein aussichtsloses Unterfangen, ein System
Berlin im Winterhalbjahre 1810-11 (Stuttgart und Tübingen ausdeuten zu wollen, das Fichte selbst in immer neuen An­
1817); ferner die erst nach seinem Tod von seinem Sohn läufen bearbeitet, verändert und umgebaut hat. Darum soll
I. H. Fichte publizierten Vorlesungen Ueber das Verhältniß im folgenden, um den Kern der vorliegenden Schrift Fichtes
der Logik zur Philosophie oder transscendentale Logik. Vor­ deutlich zu machen, lediglich der für das entscheidende
lesungen, gehalten von Michaelis bis Weihnachten 1812 Stadium seiner Erörterungen notwendige Problemhorizont,
(/. G. Fichte’s nachgelassene Werke. Hrsg. v. I. H . Fichte. soweit er einer Aufhellung bedarf, kurz umrissen werden.
Bd. I. Bonn 1834. S. 575 ff.); ferner Die Thatsachen des Be­
wußtseins. Vorgetragen zu Anfang des Jahres 1813 (eben­ Das Grundthema der vorliegenden Schrift Fichtes ist, wie
da S. 401 ff.) und schließlich Die Einleitungsvorlesungen in bereits erwähnt, die Neubegründung der kritischen Philo­
die Wissenschaftslehre. Vorgetragen im Herbste 1813 auf der sophie, die Entwicklung der Philosophie als allgemeingülti­
Universität zu Berlin (ebenda S. 1 ff.); außerdem Die Wis­ ger Wissenschaft aus einem einzigen Grundsatz, und darun­
senschaftslehre, vorgetragen im Jahre 1812 (ebenda Bd. II, ter versteht Fichte die Erklärung und Begründung des ge­
S. 315 ff.) und Die Wissenschaftslehre, vorgetragen im Früh­ samten Wissens aus einem einzigen Grundprinzip, das als
jahre 1813, aber durch den Ausbruch des Krieges unvoll­ schlechthin gewiß gelten muß. Fichte stellt sich darin er­
endet geblieben (ebenda Bd. II, S. 1 ff.). klärtermaßen die Aufgabe, gleichsam einen Plan zu entwer­
fen, nach welchem die Wissenschaftslehre aufgebaut werden
Fichte starb am 29. Januar 1814, einem Nervenfieber er­ soll.
liegend, welches durch seine Frau, die sich der Krankenpflege Diese Aufgabe entsteht aus dem Bedürfnis, das Programm
in den Lazaretten widmete und selbst von der Ansteckung der Neubegründung der Philosophie Kants, das sich durch
wieder genas, auf ihn übertragen worden war. die Frage: Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich? for­
mulieren läßt, wieder aufzunehmen und den Weg, welchen
die kantische Philosophie beschritten hat, fortzusetzen, und
Wie sich aus dem Vorangegangenen entnehmen läßt, hat das bedeutet, ein Prinzip zu finden, woraus sich die kanti-
Fichte sieben verschiedene Fassungen seiner Wissenschafts­ schen Ergebnisse ableiten lassen. Somit wird das, was bereits
lehre vorgelegt: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre das Grundthema der kantischen Philosophie war, nämlich
(1794), Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschafts­ die Bedingungen der Möglichkeit objektiv gültigen Wissens
lehre (1797), Darstellung der Wissenschaftslehre (1801), Die zu ermitteln, um dadurch eine Begründung der positiven
Wissenschaftslehre (1804), Die Wissenschaftslehre in ihrem Erkenntnis oder Erfahrung zu geben, auch zum fundamen­
allgemeinen Umrisse (1810), Die Wissenschaftslehre (1812), talen Anliegen der Wissenschaftslehre Fichtes, wobei diese
Die Wissenschaftslehre (Frühjahr 1813, unvollendet). über Kant hinausgeht, indem sie den Versuch unternimmt,
In der vorliegenden Schrift Uber den Begriff der Wissen­ den kantischen Dualismus von Sinnlichkeit und Verstand zu
schaftslehre oder der sogenannten Philosophie gebraucht überwinden.
Fichte zum erstenmal öffentlich das zunächst rätselhaft wir­
16 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 17
In Karl Leonhard Reinhold hatte Fichte bereits seinen Vor­ als Kontrahenten sowohl der kantischen Philosophie als auch
gänger, der im Versuch, die kantische Philosophie fortzu­ seiner eigenen Position gegenüber auftreten, sind der dogma­
führen, in seiner Elementarphilosophie erklärte, daß die von tische und der skeptische Standpunkt. Für Fichte haben so­
K ant musterhaft gelieferte Theorie der Erkenntnisvermögen wohl der dogmatische als auch der skeptische Standpunkt bei
als Fundament die Einheit des Grundsatzes fordere, der den Kant-Interpreten ihre Wurzel in dem gleichen Mißver­
nichts anderes aussage als eine zweifelsfreie, weder der inne­ ständnis der kantischen Philosophie, insofern beide davon
ren noch äußeren Erfahrung entnommene, ursprüngliche, je­ ausgehen, daß Kant mit dem Ding an sich keine ideelle, son­
dem einleuchtende Tatsache, die zu ihrer Bejahung des blo­ dern eine reale vom Bewußtsein unabhängige Wesenheit ge­
ßen Bewußtseins bedürfe und mit diesem Zusammenfalle, meinthabe. Dabei ist der Dogmatismus von der außerhalb des
so daß die Tatsache des Bewußtseins der einzig mögliche Bewußtseins liegenden Existenz des Dinges an sich überzeugt
Inhalt jenes ersten Grundsatzes sei. und will es solchermaßen zum Grund der Erfahrung erheben,
Während aber Reinholds Theorie auf dem Satz des Bewußt­ während der Skeptizismus beweisen will, daß die Dinge an sich
seins gründet, der in dem Satz formulierte Sachverhalt als prinzipiell unerkennbar sind, und damit einen Einwand gegen
Tatsache, die wir in uns vorfinden, nur die Qualität einer die kritische Philosophie zu erheben glaubt. Indem jedoch der
empirischen Selbstbeobachtung hat und nicht freier Akt der Skeptizismus diese Einwände vorbringt, fußt er nach Fichte
Intelligenz ist, sucht Fichte diesen determinierenden An­ auch auf der dogmatischen Auffassung des Dinges an sich.
spruch zu unterbinden, indem er als höhere Voraussetzung
den freien A kt der Intelligenz (Akt der Setzung) ansetzt, In diesem Sinne weist Fichte bereits in seiner Widerlegung
der den Satz des Bewußtseins erst ermöglicht. Fichte wendet des Aenesidemus, der gerade vorgibt, gegen den dogma­
daher gegen Reinhold ein: Wird unter Tatsache des mensch­ tisch nach realistischer Seite hin modifizierten Kantianismus
lichen Bewußtseins alles im menschlichen Bewußtsein mögli­ skeptische Argumente ins Feld führen zu können, Schulze
cher- und tatsächlicher weise Vorfindliche verstanden, dann selbst eine dogmatische Fehlinterpretation Kants nach. Denn
wird deutlich, daß der höchste Grundsatz niemals Tatsache indem er das Ding an sich, aus dessen Unerkennbarkeit er
des menschlichen Bewußtseins sein oder werden kann, denn seine Folgerungen gegen die H altbarkeit der kantischen
als Tatsache wäre er aus dem menschlichen Bewußtsein ab­ Lehre ziehe, als einen widerspruchsvollen Begriff bezeichne,
leitbar, folglich bedingt und nicht erster Grund. Aus diesem mache er wie der Dogmatismus das Ding an sich zum Real­
Grunde kann niemals eine Tatsache des menschlichen Be­ grund der Dinge. In diesem Sinne begreife er die Dinge als
wußtseins erster Grundsatz sein oder werden. Der oberste notwendige Wirkungen, die aus dem Ding an sich durch eine
Grundsatz soll und muß vielmehr als solcher allem menschli­ Kausalkette hervorgingen und verknüpft seien, so daß seine
chen Bewußtsein zugrunde liegen und dasselbe allererst er­ Argumente ihre Stärke nur so lange behielten, als das Ding
möglichen, so daß auf ihn so etwas wie Tatsachen des Be­ an sich ohne das wahre Verständnis der Sache dogmatisch
wußtseins begründet werden können. gefaßt werde.
Die wesentlichen Gegenpositionen zur kritischen Philosophie Setzt man nach Fichte das Ding an sich in der bezeichneten
Kants, mit denen sich Fichte auf dem Wege zu seiner Kon­ Fassung als erkennbar, so ist die kritische Philosophie an die
zeption der Wissenschaftslehre auseinandersetzt, sofern sie dogmatische verloren. Das erkennende Subjekt wird dabei
18 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 19
ohne Untersuchung vorausgesetzt, und die Erkenntnis be­ undenkbar. Da jegliches, durch welches wir einen Gegen­
greift nur die Dinge der Natur, nicht aber ihre eigenen stand vorstellen, im Bewußtsein enthalten sein muß und sich
Begriffe. Die Identität von Welt und Erkenntnis, auf Wel­ nicht außerhalb des Bewußtseins befinden kann, kann das
cher die Erkenntnis beruht, ist eine unreflektierte. Denn es Ding an sich auch nicht als äußere Ursache des im Bewußt­
erweist sich bei kritischer Betrachtung, daß es nirgendwo sein gegebenen Stoffes unserer Vorstellung gelten. Daher
einen Ansatz gibt, wo sich das Ding in ein Objekt der Vor­ bleibt für Maimon als einziges Prinzip der Erkenntnis das
stellung wandeln kann. Dieser Schritt kann von der dogma­ Bewußtsein übrig. Da aber die Objekte unserer Erfahrung
tischen Position her nicht begründet werden, genausowenig wie den Charakter einer gegebenen Erkenntnis haben und ihre
der, daß die Intelligenz aus dem Ding an sich hervorgeht. Ursache nicht außerhalb des Bewußtseins befindlich sein
Daher ergibt sich für Fichte, sofern die Kausalkette des kann, muß sie in uns sein, so zwar, daß sie nicht in unserem
Dogmatismus immer einseitig bleibt und nie vom Sein zur Erkenntnisvermögen enthalten ist, da sonst der Gegenstand
Vorstellung gelangt, als Konsequenz der Selbständigkeit des nicht gegeben, sondern erzeugt und seine Ursache völlig be­
Dinges an sich, daß sich der Mensch im Horizont dieses Den­ kannt wäre. Aus diesem Grund ist für Maimon auch im Be­
kens als bloße Wirkung einer von ihm unabhängigen Ursache reich unserer Erfahrung keine vollständige, d. h. allgemeine
betrachten muß, und das bedeutet zugleich die Selbstauf­ und notwendige Erkenntnis möglich.
gabe der Freiheit. Denn der Mensch im dogmatischen Ver­
stände ist, so Fichte, ein bloßes Produkt eines außer ihm Obzwar Maimon also das verneint, was Kant bejaht, die
liegenden Grundes und nicht produzierendes, d. h. freies und Allgemeinheit und Notwendigkeit der Erfahrungserkennt­
tätiges Wesen. Zudem ist nach Fichte der Dogmatismus auf­ nis, beurteilt er die Erkenntnis von einem transzendentalen
grund seines Prinzips vollkommen unfähig, die Erkenntnis Standpunkt und stimmt in dieser Hinsicht mit Kant überein.
zu erklären und damit ebenso außerstande, sich selbst zu Mit ihm ist die kritische Perspektive der Kant-Interpretation
erklären. Sein Anspruch, ein Erkenntnissystem zu sein, hebt gewonnen. Es wird zugleich aber auch deutlich, was Fichte in
sich daher selbst auf, sein Standpunkt bedeutet die Ver­ der Vorrede der zugrunde liegenden Schrift meint, wenn er
nichtung des Bewußtseins. Indem Fichte dem Dogmatismus sagt, »daß die Philosophie, selbst durch die neuesten Be­
abspricht, eine erkenntnisfähige Philosophie zu sein und die mühungen der scharfsinnigsten Männer noch nicht zum
skeptischen Einwürfe des Aenesidemus gegen den kritischen Range einer evidenten Wissenschaft erhoben sei«.
Standpunkt überhaupt als einen skeptischen Dogmatismus
disqualifiziert, eröffnet er bereits wesentliche Voraussetzun­ Indem Fichte sowohl den skeptischen Standpunkt des Aene­
gen für den Problemhorizont seiner Wissenschaftslehre. sidemus als auch die kritischen Einwände des Maimon ein­
bezieht, versteht er das Anliegen seiner Wissenschaftslehre
Überdies geben die skeptischen Vorstellungen Maimons nachdrücklich aus dem Geiste der kantischen Philosophie, die
(1753-1800), die selbst unter dem kritischen Standpunkt es zu vollenden gilt. Für Fichte ist die kantische Philosophie
stehen, für Fichte zu seiner Konzipierung der Wissenschafts­ noch keine grundlegend kritische Philosophie, wenngleich sie
lehre bedeutsame Anregungen. Maimons Standpunkt fußt den Ansatz zur kritischen Philosophie in sich birgt, sofern
ebenfalls auf der Einsicht in die Unmöglichkeit des Dinges sie sich vom philosophischen Naturalismus bzw. dem un­
an sich. Für ihn ist es nicht nur unerkennbar, sondern auch reflektierten Verhältnis des Dogmatismus zum erkennenden
20 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 21
Subjekt abwendet und die Dinge nicht mehr als Dinge der Damit ist der Anspruch, den die kritische Philosophie nach
N atur begreift, sondern als Gegenstände der Erkenntnis, Fichte erfüllen muß, deutlich: durch die Einsicht in die all­
d. h. als Inhalte des Bewußtseins ansieht. Für Fichte besteht gemeine Struktur von Wissen überhaupt muß das Grund­
daher die Aufgabe der kritischen Philosophie über Kant prinzip der allgemeinen und notwendigen Erkenntnis oder
hinaus, den Grund der Erfahrung zu sichern und das heißt, Erfahrung bestimmt werden, damit sich die Philosophie als
ein Prinzip zur Deduktion zu finden. Erst wenn dieses als Ganzes systematisch begründen läßt. N ur so kann sich die
das Fundament der Erfahrung bestimmt ist, kann es über­ Philosophie als Wissenschaft verstehen und die Erkenntnis
haupt eine positive Erfahrung bzw. eine positive Erkenntnis als eine wahre legitimieren. Aus diesem Horizont nennt
geben. Um aber dieses Prinzip zu begreifen, muß die Philo­ Fichte die Thematik des Problems, das ihn beschäftigt, >die
sophie ihre eigenen Begriffe begreifen und nach Möglichkeit Wissenschaftslehrec. Um Wissenschaft in den verschiedenen
deren objektive Gültigkeit aufweisen. In diesem Sinne muß Bereichen zu sichern, bedarf es zuallererst einer Klärung im
sie das System unserer Erfahrung, aber entgegen der Auf­ Hinblick auf die Möglichkeit und Bedingung des wissen­
fassung Maimons, als System allgemeiner und notwendiger schaftlichen Denkens überhaupt. Im Umkreis dieses Denkens
Vorstellungen begründen, deren Grund vor aller Erfahrung zielt daher das Fragen daraufhin, was Wissenschaft über­
und darum außerhalb derselben liegen muß. Nach Fichte haupt ist, wie Wissenschaft selbst überhaupt möglich ist. So­
kann daher die Philosophie ihre Objekte nur finden, indem mit erweist sich die Wissenschaftslehre gewissermaßen als
sie von der Erfahrung abstrahiert, d. h. die Erfahrung in Voraussetzung für alle Wissenschaften im Hinblick auf ihre
ihre Elemente zerlegt und diese zum Objekt des Denkens Wissenschaftlichkeit und hat universalen Charakter.
bzw. der Analyse macht. Diese Elemente sind, da die Erfah­
rung in der Verbindung von Vorstellung und Ding besteht, Eine philosophische Betrachtung, die in diesem Problem­
auf der einen Seite der von aller Erfahrung unabhängige horizont ihren Gegenstand findet, hat die Erkenntnis selbst
Grund der Vorstellung, die Intelligenz an sich, auf der an­ zum Objekt, die Begründung der Erkenntnis überhaupt, und
deren Seite der von aller Erfahrung unabhängige Grund der dies heißt nichts anderes als die Begründung der Wissen­
Dinge, das Ding an sich. Ist das Objekt der kritischen Philo­ schaft überhaupt. Mit der Wissenschaftslehre trifft Fichte
sophie der außerhalb aller Erfahrung liegende Grund der daher ein Problem, das bis heute nichts an Aktualität einge­
Erfahrung, dann muß sie entweder die Intelligenz an sich büßt hat, nämlich das der Möglichkeit von Wissenschaft
oder das Ding an sich zu ihrem Prinzip machen. Da sich der überhaupt.
Anspruch der dogmatischen Philosophie, ein Erkenntnis­
system zu sein, von selbst ausschließt, wie sich vorher zeigte, In jüngster Zeit ist der systematische Gedankengang Fichtes
ist deutlich, daß sich die kritische Philosophie nur auf die kritisch angegangen worden. So hat Dieter Henrich in seiner
Intelligenz an sich, die sie allerdings im Unterschied zu Rein- Abhandlung Fichtes ursprüngliche Einsicht (in: Subjektivität
holds Auffassung als freien Akt, nämlich den der Produk­ und Metaphysik, Festschrift für W olf gang Cramer, 1966,
tion, zu begreifen hat, gründen kann und den idealistischen S. 188 ff.) den Begriff der Setzung untersucht. Er stellt im
Standpunkt einnehmen muß, sofern sie sich ihrem Anliegen Fortgang der Wissenschaftslehre Fichtes drei verschiedene
gemäß als Erkenntnissystem legitimieren will. Bedeutungen des Begriffes heraus, die sich kritisch ergänzen:
1. >Das Ich setzt schlechthin sich selbstc (1794) (a. a. O.
22 Einleitung des Herausgebers Einleitung des Herausgebers 23
S. 198), 2. >Das Ich setzt sich schlechthin als sich setzende bung unter Beibehaltung der originalen Auszeichnung abzu­
(1797) (a. a. O. S. 202), 3. Das Ich wird zu einer Tätigkeit, drucken. Aus Gründen der technischen Unvollkommenheit der
>der ein Auge eingesetzt ist< (1801) (a. a. O. S. 206). Wolf­ Erstdrucke lagen der Texterstellung zum Vergleich zwei O ri­
gang Janke weist in seiner Untersuchung: Fichte. Sein und ginalexemplare zugrunde, und zwar das Exemplar der Stadt­
Reflexion. Grundlagen der kritischen Vernunft, Berlin 1970, bibliothek Trier mit der Signatur A o 358 und das der Uni­
ebenfalls parallel drei Ich-Versionen auf: Das Ich setzt sich versitätsbibliothek Bochum mit der Signatur G A 30672.
schlechthin als setzend (1794), das Wissen erblickt sich in der Alle zweifelsfrei erkennbaren Druckfehler sowie die von
intellektuellen Anschauung als absolutes Wissen (1801), der Fichte am Ende der Erstausgabe angegebenen und die des
Verstand versteht sich als Bild des absoluten Wissens (1804). von Fichte im Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-
Hans Radermacher hat in Fichte und das Problem der Dia­ Zeitung (Numero 59 mittwochs, den 18. Juni 1794) ver­
lektik (vgl. Studium Generale 21, 1968, S. 475 ff.) und in öffentlichten Druckfehlerverzeichnisses zur ersten Auflage
Fichtes Begriff des Absoluten, Frankfurt 1970, die Aporien (D. V.) wurden im Text korrigiert. Alle Korrekturen sind
im Begriff der Produktion genannt. Diese Aporien betreffen durch veränderten Druck (gesperrt gerade) gekennzeichnet, die
sowohl die Fassungen der Wissenschaftslehren des frühen als Originalversion ist in den textkritischen Bemerkungen - ge­
auch des späten Fichte. Insofern sei Fichte insgesamt zu kri­ kennzeichnet durch kleine Buchstaben - unverändert aufge­
tisieren. Zudem ist gesagt, Fichtes Argumentationen seien führt. Die zweifelsfrei erkennbaren, aber von Fichte nicht
kontrollierbarer als die Hegels. Schließlich wird die Funk­ gekennzeichneten Fehler wurden in die textkritischen Be­
tion der Wissenschaftslehre d min gesehen, daß es zu einem merkungen nicht aufgenommen.
Begriff des Experimentes von 'dialektischen Argumentatio­ Die Abweichungen und Varianten der zweiten Auflage
nen kommt. So liegt die Bedeutung der Arbeiten der ge­ (Jena und Leipzig bei Christian Gabler), sofern sie sich nicht
nannten Autoren in der, wenn auch unterschiedlichen, kri­ auf eine bloße Transposition in eine andere Orthographie
tischen Sondierung der einzelnen Gedankengänge Fichtes. erstrecken, wurden - gekennzeichnet durch große Buch­
staben - in den textkritischen Bemerkungen berücksichtigt,
ebenso sind die in den von I. H. Fichte herausgegebenen
Zur Textgestalt sämtlichen Werken aufgeführten, auf handschriftliche Ver­
besserungen J. G. Fichtes zurückgehenden Marginalzusätze
Die hier vorgelegte Ausgabe der Einladungs- bzw. Pro- in den beigefügten Anmerkungen angezeigt. Als Grundlage
grammsdirift Fichtes für die Jenaer Studenten und Gelehr­ für die Vergleichung der ersten mit der zweiten Auflage
ten, erschienen unter dem Titel Über den Begriff der Wissen­ sowie für die Anführung der Vorrede und der angefügten
schaftslehre oder der sogenannten Philosophie, als Ein­ Beilagen der zweiten Auflage wurde das Originalexemplar
ladungsschrift zu seinen Vorlesungen über diese Wissenschaft der zweiten Auflage 1798 der Universitätsbibliothek Münster
(VIII und 60 S.) 1794, zweite erweiterte Auflage (XVIII mit der Signatur S1 3345 und die Gesamtausgabe, Hrsg.
und 77 S.) 1798, folgt dem Text der ersten Auflage Weimar Lauth/Jacob, hinzugezogen.
im Verlag des Industrie-Comptoirs 1794 und versucht ihn in Die in eckigen Klammern angegebenen Seitenzahlen beziehen
seiner Urgestalt ohne Änderung der Orthographie sowie der sich auf die Paginierung der Erstausgabe.
für Fichte charakteristischen Interpunktion und Großschrei­ Edmund Braun
Über den
Begriff der Wissenschaftslehre
oder
der sogenannten Philosophie,

als
Einladungsschrift zu seinen Vorlesungen
über diese Wissenschaft

von
JO H A N N GOTTLIEB FICHTE,
designirten ordentlichen Professor der Philosophie
auf der Universität zu Jena,

Weimar,
Im Verlage des Industrie-Comptoirs
1794.
[III] Vorrede.*

Der Verfasser dieser Abhandlung wurde durch das Lesen


neuer Skeptiker, besonders des Aenesidemus1, und der vor-
treflichen Maimonschen Schriften2 völlig von dem überzeugt,
was ihm schon vorher höchst wahrscheinlich gewesen war:
daß die Philosophie, selbst durch die neuesten Bemühungen
der scharfsinnigsten Männer noch nicht zum Range einer evi­
denten Wissenschaft erhoben sei. Er glaubte den Grund da­
von gefunden, und einen leichten Weg entdeckt zu haben,
alle jene gar sehr gegründeten Anforderungen der Skeptiker
an die kritische Philosophie vollkommen zu befriedigen; und
das dogmatische und kritische System überhaupt in ihren
streitenden Ansprüchen so zu vereinigen, wie durch die kri­
tische Philosophie die streitenden Ansprüche der verschiede­
nen dogmatischen Systeme [IV] vereinigt sind*8. Nicht ge­
wohnt, von Dingen zu reden, die er noch zu thun hat, -
würde er seinen Plan ausgeführt, oder auf immer von ihm
geschwiegen haben; wenn nicht die gegenwärtige Veranlas­
sung ihm eine Aufforderung zu seyn schiene, von der bis­
herigen Anwendung seiner Muße, und von den Arbeiten,
* Der eigentliche Streit, der zwischen beiden obwaltet, und in welchem
die Skeptiker sich mit Recht auf die Seite der Dogmatiker, und mit ihnen
des gesunden Menschenverstandes, der zwar nicht als Richter, aber als
ein nadl Artikeln zu vernehmender Zeuge gar sehr in Betrachtung kömmt,
geschlagen haben, dürfte wohl der über den Zusammenhang unsrer Er-
kenntniß mit einem Dinge an sich seyn; und der Streit dürfte durch eine
künftige Wissenschaftslehre wohl dahin entschieden werden, daß unsre
Erkenntniß zwar nicht unmittelbar durch die Vorstellung, aber wohl
mittelbar durch das Gefühl mit dem Dinge an sich zusammenhange; daß
die Dinge allerdings bloß als Erscheinungen vorgestellt, daß sie aber als
Dinge an sich gefühlt werden; daß ohne Gefühl gar keine Vorstellung
möglich seyn würde; daß aber die Dinge an sich nur subjektiv, d. i. nur
inwiefern sie auf unser Gefühl wirken, erkannt werden.
28 Vorrede Vorrede 29
denen er die Zukunft zu widmen gedenkt, Rechenschaft ab­ so gewaltig gegen ihr letztes Ziel hinriß. - Er ist eben soD
zulegen. innig überzeugt, daß nach dem genialischen Geiste Kants der
Die folgende Untersuchung hat auf keine andere Gültigkeit Philosophie kein höheres Geschenk gemacht werden konnte,
Anspruch zu machen, als auf eine hypothetische. Daraus als durch den systematischen Geist Reinholds11; und er glaubt
aber folgt gar nicht, daß der Verfasser seinen Behauptungen den ehrenvollen Platz zu kennen, welchen die Elementar­
überhaupt nicht anders, als unerwiesene Voraussetzungen philosophie7 des leztern, bey den weitern V o r s c h r i t -
zum [V] Grunde zu legen vermöge; und daß sie nicht den­ t e n‘, die die Philosophie, an wessen Hand es auch sey,
noch die Resultate eines tiefer gehenden, und festen Systems nothwendig machen muß, dennoch immer behaupten wird.
seyn sollten. Freilich verspricht er sich erst nach Jahren es Es ist nicht in seiner Denkungsart irgend ein Verdienst muth-
dem Publikum in einer desselben würdigen Gestalt vorlegen willig zu verkennen, oder es verkleinern zu wollen; er glaubt
zu können; aber die Billigkeit, daß man nicht absprechen einzusehen, daß jede Stuffe, die die Wissenschaft je bestie­
werde, ehe man das Ganze geprüft habe, erwartet er schon gen hat, erst bestiegen seyn mußte, ehe sie eine höhere be­
jetzt. treten konnte; er hält es wahrhaftig nicht für persönliches
Die erste Absicht dieser Blätter war die, die studierenden Verdienst durch einen glücklichen Zufall nach vortreflichen
Jünglinge der hohen Schule, auf welche der Verfasser ge­ Arbeitern an die Arbeit gerufen zu werden; und er weiß,
rufen ist3, in den Stand zu setzen, zu urtheilen, ob sie sich daß [VII] alles Verdienst, was etwa hierin Statt finden
seiner Führung auf dem Wege der ersten unter den Wissen­ könnte, nicht auf dem Glücke des Findens, sondern auf der
schaften anvertrauen, und ob sie hoffen dürften, daß er so Redlichkeit des Suchens beruht, über welche jeder nur selbst
viel Licht über dieselbe zu verbreiten vermöge, als sie bedür­ sich richten, und belohnen kann. Er sagte dies nicht um jener
fen, um ihn ohne gefährliches Straucheln zu gehen: die großen Männer und um derer Willen, die ihnen gleichen;
zweite, die Urtheile seiner Gönner und Freunde über sein sondern für andere nicht ganz so große Männer. Wer über­
Unternehmen einzuholen. flüssig findet, daß er es sagte, der gehört nicht unter die­
Für diejenigen, die weder unter die ersten, noch unter die jenigen, für welche er es sagte.
zweiten gehören, wenn ihnen diese Schrift in die Hände A u s s e rb jenen ernsthaften giebt es auch noch scherzhafte
kommen sollte, sind folgende Anmerkungen. Männer, die den Philosophen warnen, sich durch die ü b e r ­
Der Verfasser ist bis jetzt innig überzeugt, daß kein mensch­ t r i e b n e n ” Erwartungen15 von seiner Wissenschaft doch
licher Verstand weiter, als bis zu der Grenze Vordringen nicht lächerlich zu machen. Ich will nicht entscheiden, ob alle
könne, an der KA NT4 besonders0 [VI] in seiner Kritik der recht aus Herzensgründe lachen, weil ihnen die Jovialität
Urtheilskraft5, gestanden, die er uns aber nie bestimmt, und einmal angeboren ist; oder ob es nicht welche unter ihnen
als die letzte Grenze des endlichen Wissens angegeben hat. giebt, die sich bloß zum Lachen zwingen, um d e m 4 welt­
Er weiß es, daß er nie etwas wird sagen können, worauf unklugen Forscher ein Unternehmen zu verleiden, d a s ” sie
nicht schon Kant, unmittelbar oder mittelbar, deutlicher oder aus begreiflichen Gründen nicht gern sehen.“' Da ich, so viel
dunkler gedeutet habe. Er überläßt es den zukünftigen Zeit­ mir bewußt ist, bis jetzt durch Aeusserung solcher hohen Er­
altern das Genie des Mannes zu ergründen, der von dem wartungen ihrer Laune noch keine Nahrung gegeben habe:
Standpunkte aus, auf welchem er die philosophierende U r­
theilskraft fand, oft wie durch höhere Eingebung geleitet, sie * Malis rident alienis.®
JO Vorrede
so ist es mir vielleicht am ersten erlaubt, sie, nicht um der [9] Erster Abschnitt
Philosophen, und noch weniger um der Philosophie, sondern
um ihrer selbst Willen zuF bitten, das Lachen so lange zu Ueber
verhalten, bis das Unternehmen [V III] förmlich mißlungen, den Begriff der Wissenschaffslehre
und aufgegeben ist. Mögen sie dann unsers Glaubens an die
Menschheit, zu der sie selbst gehören, und unsrer Hofnun- überhaupt.
gen von den großen Anlagen derselben spotten; mögen sie
dann ihren Trostspruch: Es ist der Menschheit einmal nicht §. 1. Hypothetisch aufgestellter Begriff der Wissenschafts­
zu helfen; so war es, und so wird es immer seyn, - wieder­ lehre.
holen, so oft sie des Trostes bedürfen!0
Um getheilte Partheyen zu vereinigen, geht man am sicher­
sten von dem aus, worüber sie einig sind.
Die Philosophie ist e i n e W i s s e n s c h a f t , darüber kom­
men alle Beschreibungen derselben so überein, wie sie über
das Objekt dieser Wissenschaft sich von einander trennen.*
Und wie, wenn die Trennung gerade daher® gekommen wäre,
daß der Begriff der Wissenschaft selbst0 nicht ganz entwickelt
war: und wenn jenes einzige Merkmal0 völlig hinreichte, den
Begriff der Philosophie selbst zu bestimmen?
[10] Eine Wissenschaft hat systematische Form; alle Sätze in
ihr hangen in einem einzigen Grundsätze zusammen, und
vereinigen sich in ihm zu einem Ganzen - auch dieses ge­
steht man allgemein zu. Aber ist nun der Begriff der Wis­
senschaft erschöpft?
Wenn jemand auf einem grundlosen und unerweißlichen
Satze, z. B. auf dem, daß es in der Luft Geschöpfe mit
menschlichen Neigungen, Leidenschaften und Begriffen,
undE ätherischen Körpern gäbe; eine noch so systematische
Naturgeschichte dieser Luftgeister aufbaute, welches an sich
recht wohl möglich ist - würden wir ein solches System, so
streng auch in demselben gefolgert wirdF, und so innig auch
die einzelnen T h e i 1 e desselben unter einander verkettet
seyn möchten, für eine Wissenschaft anerkennen? H in­
wiederum wenn jemand einen einzelnen Lehrsatz oder eine
Thatsache anführt0 - etwa der mechanische Handwerker
den Satz; daß auf einer Horizontallinie der Perpendikul zu
32 Erster Abschnitt Erster Abschnitt 33
beiden Seiten rechte Winkel habe; oder der unstudierte ren sie ihm entgegengesetzt, so wüßte er nunmehro, daß sie
Bauer das Faktum: daß der jüdische Geschichtsschreiber falsch wären, und er wäre sicher, von ihnen nicht länger ge­
Iosephus9 zur Zeit der Zerstörung Jerusalems10 gelebt habe” - täuscht zu werden.s Er hätte, wenn auch nicht W ahrheitT,
so wird jederman zugestehen, derselbe habe Wissenschaft doch Befreyung vom Irrthum gewonnen. -
von dem gesagten; obgleich der erstere nicht1 den geometri­ [12] Ich mache mich deutlicher. - Eine Wissenschaft soll Eins,
schen Beweis seines Satzes von dem ersten Grundsätze dieser ein Ganzes seyn. Der Satz, daß der Perpendikul auf einer
Wissenschaft an systematisch f ü h r e n “, noch der andere Horizontallinie zwei rechte Winkel mache, oder daß Jose-
die historische Glaubwürdigkeit seiner Angabe schulgerecht phus zur Zeit der Zerstörung Jerusalems gelebt habe0, ist
darthun kann, sondern beide die Sache nur auf Treu und für den, der keine zusammenhängende Kenntniß von der
Glauben angenommen haben.KWarum nennen wir nun jenes Geometrie, oder Geschichte hatv, ohne Zweifel ein Ganzes,
feste System, das auf einem unerwiesenen, und unerweiß- und in so fern eine Wissenschaft.
baren Satze beruhet, nicht Wissenschaft; und warum nennen Aber wir betrachten auch die gesammte Geometrie, und Ge­
wir die K en nt[ll]niß derL zweiten, die in ihrem1*1 Verstände schichte als eine Wissenschaft, da doch Beide noch gar man­
mit keinem Systeme zusammenhängt, Wissenschaft? ches andre enthalten, als jene Sätze, - wie und wodurch,
Ohne Zweifel darum, weil das erstere in aller seiner schul- werden"1 nun eine Menge an sich höchst verschiedener Sätze
gerechten Form doch nichts enthält, das man wissen kann; zu Einer Wissenschaft, zu Einem und eben demselben Gan­
und die letztere ohne alle schulgerechte Form, etwas sagen, zen?
das sie wirklich wissen und wissen können. - N Ohne Zweifel dadurch, daß die einzelnen Sätze überhaupt
Das Wesen der Wissenschaft bestünde demnach in der Be­ nicht W i s s e n s c h a f t wären, sondern daß sie erst im
schaffenheit ihres Innhalts, dieser müßte wenigstens für den, Ganzen, durch ihre Stelle im Ganzen, und durch ihr Ver-
der Wissenschaft haben soll, gewiß seyn; es müßte etwas hältniß zum Ganzen es werden. N u n6X aber kann durch
seyn das er wissen könnte0: und die systematische Form bloße Zusammensetzung von Theilen n i ecY etwas ent­
wäre der Wissenschaft blos zufällig; sie wäre nicht der Zweck stehen, das nicht in einem Theile des Ganzen anzutreffen
derselben, sondern blos etwa das Mittel zum Zwecke. sei. Wenn gar kein Satz unter den verbundnen Sätzen Ge­
Nemlich - wennp etwa aus irgend einer Ursache der mensch­ wißheit hätte, so würde auch das durch die Verbindung ent­
liche Geist nur sehr wenig gewiß wissen, alles andere aber standene Ganze keine haben.
nur meynen, muthmaßen, ahnen, willkührlich annehmen Mithin müßte wenigstens Ein Satz gewiß seyn der etwa den
könnte, - aberQ doch, gleichfalls aus irgend einer Ursache, übrigen seine Gewißheit mittheilte; so daß, wenn, und in
mit dieser engbeschränkten oder unsichern Kenntniß sich wie fern dieser Eine gewiß seyn soll, auch ein Zweiter, und
nicht wohl begnügen könnte, so würde ihm kein anderes wenn, und in wie fern dieser Zweite gewiß seyn soll, auch
Mittel übrig bleiben, dieselbe auszubreiten und zu sichern, ein Dritter, u. s. f. gewiß seyn muß. Und so würden mehrere,
als daß er die ungewissen Kenntnisse mit den gewissen ver­ und an [13] sich vielleicht sehr verschiedene Sätze, eben da­
gliche, und aus der Gleichheit oder Ungleichheit der ersternR durch daß sie alle - Gewißheit, und die gleiche Gewißheit
mit den letztem, auf die Gewißheit oder Ungewißheit der­ hätten, nur Eine Gewißheit gemein haben, und dadurch nur
selben folgerte. Wären sie einem g e w i s s e n Satze gleich, Eine Wissenschaft werden. -
so könnte er sicher annehmen, daß sie auch gewiß seyen; wä­ Der gewisse Satz - wir haben bis jetzt nur Einen als gewiß
34 Erster Abschnitt Erster Abschnitt
angenommen2 - kann seine Gewißheit nicht erst durch die darinn, daß gezeigt werde, wenn der Satz A gewiß sei, müsse
Verbindung mit den übrigen erhalten, sondern muß sie vor auch der Satz B - und wenn dieser gewiß sei, müsse auch der
derselben vorher haben; denn aus Vereinigung mehrer Theile Satz C u. s. f. gewiß seyn; und diese Verbindung heißt die
kann nichts entstehen, was in keinem Theile ist. Alle übrigen systematische Form des Ganzen, das aus den einzelnen Thei-
aber müßten die ihrige von ihm erhalten. Er müßte vor aller len entsteht. - Wozu nun diese Verbindung? Ohne Zweifel
Verbindung vorher gewiß und ausgemacht seyn. Kein einzi­ nicht um ein Kunststück des Verbindens zu machen, sondern
ger von den übrigen aber müßte vor der Verbindung es seyn, um Sätzen Gewißheit zu geben, die an sich keine hätten;
sondern erst durch sie es werden. und so ist die systematische Form nicht Zweck der Wissen­
Hieraus erhellet zugleich, daß unsere obige Annahme die schaft, sondern sie ist das zufällige, nur unter der Bedin­
einzige richtige ist, und daß in einer Wissenschaft nur Ein gung, daß die Wissenschaft aus mehrern Sätzen bestehen
Satz seyn kann, der vor der Verbindung vorher gewiß und solle, anwendbare Mittel zur Erreichung ihres Zwecks. Sie
ausgemacht ist. Gäbe es mehrere dergleichen Sätze; so wären ist nicht das Wesen der Wissenschaft, sondern eine zufällige
sie entweder mit dem ändern gar nicht verbunden, und dann Eigenschaft derselben. - Die Wissenschaft sei ein Gebäude;
gehörten sie nicht zu dem gleichen Ganzen, sondern machten der Hauptzweck derselben®' sei Festigkeit. Der Grund ist
Ein oder mehrere abgesonderte Ganze aus; oder sie wären fest, und [15] so wie dieser gelegt ist, wäre der Zweck er­
damit verbunden. Die Sätze aber sollen nicht anders ver­ reicht. Weil man aber im bloßen Grunde nicht wohnen, durch
bunden werden, als durch die Eine und gleiche Gewißheit. ihn allein sich weder gegen den willkührlichen Anfall des
Wenn Ein Satz gewiß ist, so soll auch ein anderer gewiß Feindes, noch gegen die unwillkührlichen Anfälle der W itte­
seyn, und wenn der Eine nicht gewiß ist, so soll auch der rung schützen kann, so führt man auf denselben Seitenwände,
andere nicht gewiß seyn.A' Dies könnte von einem Satze, der und über diesen ein Dach auf. Alle Theile des Gebäudes
eine von den übrigen Sätzen unabhängige Gewißheit hätte, werden mit dem Grunde, und unter sich selbst zusammen­
nicht gelten; wenn seine Gewißheit unabhängig seyn soll, so gefügt, und dadurch wird das Ganze fest; aber man baut
ist er gewiß, [14] wenn auch die Ändern nicht gewiß sind. nicht ein festes Gebäude, damit man zusammenfügen könne,
Mithin wäre er überhaupt nicht mit ihnen durch Gewißheit sondern man fügt zusammen, damit das Gebäude fest werde;
verbunden. Ein solcher vor der Verbindung vorher®' gewis­ und es ist fest, in so fern alle Theile desselben auf einem
ser Satz heißt ein Grundsatz. Jede Wissenschaft muß einen festen Grunde ruhen.
Grundsatz haben; ja sie könnte ihrem inneren Charakter Der Grund ist fest, und er ist auf keinen neuen Grund, son­
nach wohl gar aus einem einzigen an sich gewissen Satze be­ dern er ist auf den festen Erdboden gegründet. - Worauf
stehen, - der aber dann freilich nicht Grundsatz heißen wollen denn wir den Grund unsrer wissenschaftlichen Ge­
könnte, weil er nichts begründete. Sie kann aber auch nicht bäude aufführen? Die Grundsätze unsrer Systeme sollen
mehr als Einen Grundsatz haben, weil sie sonst nicht Eine und müssen vor dem Systeme vorher gewiß seyn. Ihre Ge­
sondern mehrere Wissenschaften ausmachen würde. wißheit kann in dem Umfange derselben nicht erwiesen wer­
Eine Wissenschaft kann a u ß e r d e md vor der Verbindung den, sondern jeder in ihnen mögliche Beweiß setzt sie schon®'
vorher gewissen Satze noch mehrere Sätze enthalten, die erst voraus. Sind sie gewiß, so ist freilich alles, was aus ihnen
durch die Verbindung mit jenem als gewiß erkannt wer­ folgt, auch gewiß: aber aus was folgt denn ihre eigene Ge­
den.0' Die Verbindung besteht, wie eben erinnert worden, wißheit?
36 Erster Abschnitt Erster Abschnitt 37
Noch mehr - wir wollen”' beym Aufbauen unsrer Lehr­ Grund.L/ Es läßt sich demnach über die Gründlichkeit oder
gebäude so folgern: Wenn der Grundsatz gewiß ist, so ist Grundlosigkeit unsers Wissens vor der Untersuchung vorher
auch ein bestimmter andrer Satz gewiß. W orauf gründet sich nichts sagen; und die Möglichkeit der geforderten Wissen­
denn jenes So? Was ist es, das den nothwendigen Zusammen­ schaft läßt sich nur durch ihre Wirklichkeit darthun.
hang zwischen beiden begründet, vermöge dessen dem einen Die Benennung einer solchen Wissenschaft, deren Möglich­
eben die Gewißheit zukommen soll, die dem ändern zu­ keit bis jetzt bloß problematisch ist, ist willkürlich. Wenn
kommt? Welches sind die Bedingungen dieses Zusammen­ sich jedoch zeigen sollte, daß der Boden, der nach aller bis­
hangs; und woher wissen wir, daß sie die Bedingungen, und herigen Erfahrung für den Anbau v o n 1 Wissenschaften
die ausschließenden [16] Bedingungen, und die einzigen Be­ brauchbar ist, durch die ihm zugehörigen bereits besetzt sey,
dingungen desselben sind? und wie kommen wir überhaupt und daß sich nur noch ein unangebautes Stück Land zeige,
dazu, einen nothwendigen Zusammenhang zwischen ver­ nemlich das für die Wissenschaft der Wissenschaften über­
schiedenen Sätzen, und ausschließende, aber erschöpfte Be­ haupt; - Wenn sich ferner unter einem bekannten Namen
dingungen derselben anzunehmen?0' (dem der Philosophie) die Idee einer Wissenschaft vorfände,
Kurz, wie läßt sich die Gewißheit des Grundsatzes an sich; welche doch auch Wissenschaft seyn oder werden will, und
wie läßt sich die Befugniß auf eine bestimmte A rt aus ihm welche über den Platz, wo sie sich anbauen soll, mit sich
die Gewißheit anderer Sätze zu folgern, begründen? nicht einig werden kann: so wäre es nicht unschicklich, ihr
Dasjenige, was der Grundsatz selbst haben, und allen übri­ den aufgefundenen leeren Platz anzuweisen. Ob man sich
gen Sätzen, die in der Wissenschaft Vorkommen, mittheilen bisher bei dem Worte Philosophie eben das gedacht habe
soll, nenne ich den inneren Gehalt des Grundsatzes und der oder nicht, thut überhaupt nichts zur Sache; und dann würde
Wissenschaft überhaupt; die Art, wie er dasselbe den ändern diese Wissenschaft, wenn sie nur einmal Wissenschaft ge­
Sätzen mittheilen soll, nenne ich die Form der Wissenschaft. worden wäre, nicht ohne Fug einen Namen ablegen, den sie
Die aufgegebne Frage ist mithin die: Wie ist G e h a l t 6 a u s n i c h t ü b e r t r i e b n e r ” Bescheidenheit bisher ge­
und Form einer Wissenschaft überhaupt, d. h. wie ist die führt hat - den Namen einer Kennerei, einer Liebhaberei,
Wissenschaft selbst möglich? eines Dillettantism. Die Nation, welche sie“' erfinden wird,
Etwas, worinn diese Frage beantwortet würde, wäre selbst wäre es wohl werth ihr aus ihrer Sprache einen Namen zu
eine Wissenschaft, und zwar die Wissenschaft von der Wis­ ge[18]ben*; und sie könnte dann schlechthin die Wissenschaft,
senschaft überhaupt. oder die Wissenschaftslehre heissen. Die bisher sogenannte
Es läßt vor der Untersuchung vorher sich nicht bestimmen, Philosophie wäre demnach d ie W i s s e n s c h a f t v o n
ob die Beantwortung jener Frage möglich seyn werde oder einer Wissenschaft überhaupt.
nicht, d. h. ob unser gesammtes Wissen einen festen”' Grund
habe, oder ob es, so innig unter sich verkettet auch die ein­
zelnen Theile desselben seyn mögen, doch zuletzt auf Nichts
beruhe.1' Soll aber unser Wissen einen”' Grund haben, so
muß jene [17] Frage sich beantworten lassen, und es muß * Sie wäre wohl auch werth, ihr die übrigen Kunstausdrücke aus ihrer
Sprache zu geben; und die Sprache selbst, so wie die Nation, welche die­
eine Wissenschaft geben, in der sie beantwortet wird; und selbe redete; würde dadurch ein entschiedenes Uebergewidit über andere
giebt es eine solche Wissenschaft, so hat unser Wissen einen Sprachen und Nationen erhalten.N'
38 Erster Abschnitt Erster Abschnitt 39
§. 2. Entwicklung des Begriffs der Wissenschaftslehre. Vorbringen können oder nicht, das w ird sich erst daraus er­
geben, ob wir es wirklich hervorbringen. Jetzt ist nicht da­
Man soll aus Definitionen nicht folgern: das heißt entweder, von die Frage, sondern davon, was wir eigentlich machen
man soll daraus, daß man sich ohne Widerspruch in die Be­ wollen; und das bestimmt unsere D efinition.
schreibung eines Dinges, welches ganz unabhängig von uns­ 1) Die beschriebene Wissenschaft soll zuförderst eine Wissen­
rer Beschreibung existiert, ein gewisses Merkmal hat denken schaft der Wissenschaft überhaupt seyn. Jede mögliche Wis­
können, nicht ohne weitern Grund schliessen, daß dasselbe senschaft hat einen Grundsatz, der in ihr nicht erwiesen wer­
darum im wirklichen Dinge anzutreffen seyn müsse; oder den kann, sondern vor ihr vorher gewiß seyn muß. Wo soll
man soll bei einem Dinge, das selbst erst durch uns, nach nun dieser Grundsatz erwiesen werden? Ohne Zweifel in
einem davon gebildeten Begriffe, der den Zweck desselben derjenigen Wissenschaft, welche alle möglichen Wissenschaf­
ausdrückt, hervorgebracht werden soll, aus der Denkbarkeit ten zu begründen hat. - Die Wissenschaftslehre hätte in die­
dieses Zwecks noch nicht auf die Ausführbarkeit desselben in ser [20] Rücksicht zweierlei zu thun. Zuförderst die Mög­
der Wirklichkeit schliessen: aber nimmermehr kann es heis- lichkeit der Grundsätze überhaupt zu begründen; zu zeigen,
sen, man solle sich bei seinen geistigen oder körperlichen Ar­ wie, in wie fern, unter welchen Bedingungen, und vielleicht
beiten keinen Zweck aufgeben, und sich denselben, noch ehe in welchen Graden etwas gewiß seyn könne, und überhaupt,
man an die Arbeit geht, ja nicht deutlich zu machen suchen, was das heisse - gewiß seyn; dann hätte sie insbesondere
sondern es dem Spiele seiner Einbildungskraft, oder seiner die Grundsätze aller möglichen Wissenschaften zu erweisen,
Finger überlassen, was etwa herauskommen möge. Der Er­ die in ihnen selbst nicht erwiesen werden können.
finder der Aerostatischen Bälle11 durfte wohl die Größe der­ Jede Wissenschaft, wenn sie nicht ein einzelner abgerissener
selben, und das Verhältniß der darinn eingeschlos[19]senen Satz, sondern ein aus mehrern einzelnen Sätzen bestehendes
Luft gegen die Atmosphärische, und den Grad ihrer Schnel­ Ganze seyn soll, hat systematische Form. Diese Form, die
ligkeit berechnen*; auch noch ehe er wußte, ob er eine Luft­ Bedingung des Zusammenhangs der abgeleiteten Sätze mit
art finden würde, die um den erforderlichen Grad leichter dem Grundsätze, und der Rechtsgrund, aus diesem Zusam­
sey, als die Atmosphärische: und Archimedes12 konnte die menhänge zu folgern, daß die erstem nothwendig eben so
Maschine, durch welche er den Erdball aus seiner Stelle be­ gewiß seyn müssen, als der letztere, läßt in der besonderen
wegen wollte, berechnen, ob er gleich sicher wußte, daß er Wissenschaft, wenn sie Einheit haben, und sich nicht mit
keinen Platz ausserhalb der Anziehungskraft derselben fin­ fremden, in sie nicht gehörigen Dingen beschäftigen soll, sich
den würde, von welchem aus er sie könnte wirken lassen. - eben so wenig darthun“, sondern wird zur Möglichkeit ihrer
So unsere eben beschriebene Wissenschaft. Sie ist, als solche, Form schon vorausgesetzt. Eine allgemeine Wissenschafts­
nicht etwas, das unabhängig von uns, und ohne unser Zu­ lehre hat also die Verbindlichkeit auf sich, für alle möglichen
thun existiere, sondern® das erst durch die Freiheit unsers Wissenschaften die systematische Form zu begründen.
nach einer bestimmten Richtung hin wirkenden Geistes her­ 2) Die Wissenschaftslehre ist selbst eine Wissenschaft. Auch
vorgebracht werden soll; wenn es eine solche Freiheit0 giebt, sie muß daher zuförderst einen Grundsatz haben, der in ihr
wie wir gleichfalls noch nicht wissen können. Bestimmen wir nicht erwiesen werden kann, sondern zum Behuf ihrer Mög­
diese Richtung vorher; machen wir uns einen deutlichen Be­ lichkeit vorausgesetzt® wird. Aber dieser Grundsatz kann
griff davon, was unser Werk werden soll! Ob wir es her- auch in keiner ändern höheren Wissenschaft erwiesen wer­
40 Erster Abschnitt Erster Abschnitt 41
den; denn dann wäre diese höhere W issenschaft die Wis­ auch die Form und dadurch die Möglichkeit der Verbindung
senschaftslehre, und dieje[21]nige, deren Grundsatz erst er­ mehrerer Sätze in ihnen aufzustellen hat. Sie muß mithin
wiesen werden müßte, wäre e s“ nicht. Dieser Grundsatz diese Form in sich selbst haben, und sie durch sich selbst be­
der Wissenschaftslehre, und vermittelst ihrer aller Wissen­ gründen.
schaften und alles Wissens ist daher schlechterdings keines Wir dürfen dies nur ein wenig zergliedern, um zu sehen, was
Beweises fähig, d. h., er ist auf keinen hohem Satz zurück zu dadurch eigentlich gesagt werde. - Dasjenige, von dem man
führen, aus dessen Vergleichung mit ihm0 seine Gewißheit etwas weiß, heisse indeß der Gehalt, und das, was man da­
erhelle. Dennoch soll er die Grundlage aller Gewißheit ab­ von weiß, die Form des Satzes. (In dem Satze: Gold ist ein
geben; er muß daher doch gewiß und zwar in sich selbst, Körper, ist dasjenige, wovon man etwas weiß, das Gold
und um sein selbst willen, und durch sich selbst gewiß seyn. und der Körper; das was man von ihnen weiß, ist, daß sie
Alle andere Sätze werden gewiß seyn, weil sich zeigen läßt, in einer gewissen Rücksicht gleich sind, und in so fern eins
daß sie ihm in irgend einer Rücksicht gleich sind; dieser Satz statt der ändern gesetzt werden könne. Es ist ein bejahender
muß gewiß seyn, bloß darum, weil er sich selbst gleich ist. Satz, und diese Beziehung ist seine Form.)
Alle andere Sätze werden nur eine mittelbare und von ihm Kein Satz ist ohne Gehalt oder Form möglich. Es muß etwas
abgeleitete Gewißheit haben; er muß unmittelbar gewiß seyn, wovon man weiß, und etwas, das man davon weiß.
seyn. Auf ihn gründet sich alles Wissen, und ohne ihn wäre Der erste Satz aller Wissenschaftslehre muß demnach beides,
überhaupt kein Wissen möglich; er aber gründet sich auf Gehalt und Form haben. Nun soll er unmittelbar und durch
kein anderes Wissen, sondern er ist der Satz des Wissens sich selbst gewiß seyn, und das kann nichts anders heissen,
schlechthin — Dieser Satz ist schlechthin gewiß, d. h., er ist als daß der Gehalt desselben seine Form, und umgekehrt die
gewiß, weil er gewiß ist.13 Er ist der Grund aller Gewißheit, Form desselben seinen Gehalt bestimme. Diese Form kann
d. h., alles was gewiß ist, ist gewiß, weil er gewiß ist; und nur zu jenem Gehalte, und dieser Gehalt kann nur zu [23]
es ist nichts gewiß, wenn er nicht gewiß ist. Er ist der Grund jener Form passen; jede andre Form zu diesem Gehalte hebt
alles Wissens, d. h., man weiß, was er aussagt, weil man den Satz selbst und mit ihm alles Wissen, und jeder andre
überhaupt weiß; man weiß es unmittelbar, so wie man ir­ Gehalt zu dieser Form hebt gleichfalls den Satz selbst und
gend etwas weiß. Er begleitet alles Wissen, ist in allen11 Wis­ mit ihm alles Wissen auf. Die Form des absoluten ersten
sen enthalten, und alles Wissen setzt ihn voraus. Grundsatzes der Wissenschaftslehre ist also durch ihn selbst15
Die Wissenschaftslehre muß, in so fern sie selbst eine Wissen­ nicht nur gegeben, sondern auch als schlechthin gültig für
schaft ist, wenn sie nur nicht aus ihrem bloßen Grundsätze, den Gehalt desselben aufgestellt. Sollte es ausser diesem
sondern aus mehrern Sätzen bestehen soll, - und daß es so einen absolut-ersten noch mehrere Grundsätze der Wissen­
seyn werde, läßt sich dar [22] um voraussehen, weil sie für schaftslehre geben, die nur zum Theil absolut, zum Theil
andre Wissenschaften Grundsätze aufzustellen hat - sie muß, aber durch den ersten und höchsten bedingt seyn müssen14,
sage ich, systematische Form haben. Nun kann sie diese syste­ weil es sonst nicht einen einzigen Grundsatz gäbe: - so
matische Form von keiner ändern Wissenschaft der Bestim­ könnte das absolut-erste in denselben1, nur entweder der Ge­
mung nach entlehnen, oder der Gültigkeit nach sich darauf halt oder die Form, und das bedingte gleichfalls nur entwe­
berufen1, weil sie selbst für alle andere Wissenschaften nicht der der Gehalt oder die Form seyn. Setzet, der G e h a l t
nur Grundsätze und dadurch ihren innern Gehalt, sondern sei das unbedingte, so wird der absolut-erste Grundsatz, der
42 Erster Abschnitt Erster Abschnitt 43
etwas in dem zweiten bedingen muß, weil er sonst nidit Stimmung anders, als durch einen einzigen unter allen erhal­
absolut-erster Grundsatz wäre, die Form desselben bedin­ ten; und hierdurch wird denn die ganze Reihe der Sätze
gen; und demnach würde seine Form in der Wissenschafts­ vollkommen bestimmt, und es kann keiner an einer ändern
lehre selbst, und durch sie, und durch ihren ersten Grundsatz Stelle der Reihe stehen, als an der er steht. Jeder Satz in der
bestimmt: oder setzet umgekehrt, die Form sei das unbe­ Wissenschaftslehre bekommt durch einen bestimmten ändern
dingte, so wird durch den ersten Grundsatz nothwendig der seine Stelle bestimmt, und bestimmt sie selbst einem be­
Gehalt dieser Form bestimmt, mithin mittelbar auch die stimmten dritten. Die Wissenschaftslehre bestimmt sich mit­
Form, in so fern sie Form eines Gehaltes seyn soll; also auch hin durch sich selbst die Form ihres Ganzen.
in diesem Falle würde die Form durch die Wissenschafts­ [25] Diese Form der Wissenschaftslehre hat nothwendige
lehre, und zwar durch ihren Grundsatz bestimmt. - Einen Gültigkeit für den Gehalt derselben. Denn wenn der abso-
Grundsatz aber, der weder seiner Form, noch seinem Ge­ lut-erste Grundsatz unmittelbar gewiß war, d. i., wenn seine
halte nach, durch den absolut-ersten Grundsatz bestimmt Form nur für seinen Gehalt, und sein Gehalt nur für seine
würde, kann es nicht geben, wenn es einen absolut-ersten Form p a ß t e , - c durch ihn aber alle möglichen folgenden
Grundsatz, und eine Wissenschaftslehre, und ein System des Sätze, unmittelbar oder mittelbar, dem Gehalte oder der
menschlichen Wissens überhaupt geben soll. [24] Mithin Form nach, bestimmt werden; - wenn sie gleichsam schon in
könnte es auch nicht mehrere Grundsätze geben, als drei; ihm enthalten l a g e n " ; - soN muß eben das von i h n e n "
einen absolut und schlechthin durch sich selbst, sowohl der gelten, was von jenem gilt, daß ihre Form nur zu ihrem Ge­
Form, als dem Gehalte nach bestimmten; einen der Form halte, und ihr Gehalt nur zu ihrer Form passe. Dieß betrift
nach durch sich selbst bestimmten, und e i n e n 6 dem Ge­ die einzelnen Sätze; die Form des Ganzen aber ist nichts
halte nach durch sich selbst bestimmten. - Giebt es noch anders, als die Form der einzelnen Sätze in Einem gedacht,
mehrere Sätze in der Wissenschaftslehre, so müssen alle, so­ und was von jedem einzelnen gilt, muß von allen, als Eins
wohl der Form, als dem Gehalte nach, durch den Grundsatz gedacht, auch gelten.
bestimmt seyn. Eine Wissenschaftslehre muß demnach die Die Wissenschaftslehre soll aber nicht nur sich selbst, sondern
Form aller ihrer Sätze, in so fern sie einzeln betrachtet wer­ auch allen möglichen übrigen Wissenschaften ihre Form
den, bestimmen. Eine solche Bestimmung der einzelnen Sätze geben, und die Gültigkeit dieser Form für alle sicher stellen.
aber ist nicht anders, als so möglich, daß sie sich selbst wech­ Dieses läßt sich nun nicht anders denken, als unter der Be­
selseitig bestimmen. Nun aber muß jeder Satz vollkommen dingung, daß alles, was Satz irgend einer Wissenschaft seyn
bestimmt seyn, d. i., seine Form muß nur zu seinem Gehalte, soll, schon in irgend einem Satze der Wissenschaftslehre ent­
und zu keinem ändern, und dieser Gehalt muß nur zu der halten, und also schon in ihr in seiner gehörigen Form auf­
Form, in der er ist, und zu keiner ändern passen; denn sonst gestellt sei. Und dieses eröffnet uns einen leichten Weg zum
würde der Satz dem Grundsätze, in so fern er gewiß ist, Gehalte des absolut-ersten Grundsatzes der Wissenschafts­
(S. oben)Mnicht gleich, und mithin nicht gewiß seyn. - Wenn lehre zurück zu gehen, von dem wir jetzt etwas mehr sagen
nun alle Sätze einer Wissenschaftslehre an sich verschieden können, als wir vorhin konnten.
seyn sollen - wie sie es denn seyn müssen, denn sonst wären Man nehme an, gewiß wissen heisse nichts anders, als Ein­
es nicht mehrere Sätze, sondern ein und ebenderselbe Satz sicht in die Unzertrennlichkeit eines bestimmten Gehalts von
mehreremale: - so kann kein Satz seine vollkommne Be- einer bestimmten Form haben, ( w e l c h e s * [26] nichts wei­
44 Erster Abschnitt Erster Abschnitt
ter als eine Namenerklärung seyn soll, indem eine Real­ ten, den Ungrund desselben finden, und es werden aufgeben
erklärung des Wissens schlechterdings unmöglich ist,): so müssen? Unsre Gewißheit ist erbeten, und wir können ihrer
l i e ß e ' sich schon jetzt ungefähr einsehen, wie dadurch, nie auf den folgenden Tag sicher seyn.
daß der absolut-erste Grundsatz alles Wissens seine Form Oder - der zweite Fall - unser Wissen besteht aus endlichen
schlechthin durch seinen Gehalt, und seinen Gehalt schlecht­ Reihen, aber aus mehrern. Jede Reihe schließt sich in einem
hin durch seine Form bestimmt, allem Gehalte des Wissens Grundsätze, der durch keinen ändern, sondern bloß durch
seine Form bestimmt werden könne; wenn nemlich aller sich selbst begründet wird; aber es giebt solcher Grundsätze
mögliche Gehalt in dem seinigen läge. Mithin müßte, wenn mehrere, welche, da sie sich alle0, und schlechthin unabhän­
unsre Voraussetzung richtig seyn, und es einen absolut­ gig von allen übrigen begründen, keinen Zusammenhang
esten Grundsatz alles Wissens geben sollte, der Gehalt die­ unter sich haben, sondern völlig isolirt sind. Es giebt etwa
ses Grundsatzes derjenige seyn, der allen möglichen Gehalt mehrere angebohrne Wahrheiten in uns, die alle gleich an-
in sich enthielte, selbst aber in keinem ändern enthalten gebohren sind, und in deren Zusammenhang wir keine wei­
wäre. Es wäre der Gehalt schlechthin, der absolute Ge­ tere Einsicht erwarten können, da derselbe über die ange-
halt. bohrnen Wahrheiten hinaus liegt; oder es giebt ein mannig­
Es ist leicht zu bemerken, daß bei Voraussetzung der Mög­ faltiges Einfaches in den Dingen ausser uns, das uns durch
lichkeit einer solchen Wissenschaftslehre überhaupt, so wie den Eindruck, den sieF auf uns machen, mitgetheilt wird, in
insbesondere der Möglichkeit ihres Grundsatzes immer vor­ dessen Zusammenhang wir aber nicht eindringen können, da
ausgesetzt werde, daß im menschlichen Wissen wirklich ein es über das Einfachste im Eindrücke kein noch einfacheres
System sey. Soll ein solches System darin seyn, so läßt sich geben kann. - Wenn es sich so verhält; wenn das menschliche
auch, unabhängig von unserer Beschreibung der Wissen­ Wissen an sich, und seiner Natur nach [28] solches Stück­
schaftslehre erweisen, daß es einen solchen absolut-ersten werk ist, wie das wirkliche Wissen so vieler Menschen; wenn
Grundsatz geben müsse. ursprünglich eine Menge Fäden in u n s e r m Geiste liegen,
Soll es kein solches System geben, so lassen sich nur zwei die unter sich in keinem Punkte Zusammenhängen, noch zu­
Fälle denken. Entweder, es giebt überhaupt nichts unmittel­ sammengehängt werden können, so vermögen wir abermals
bar Gewisses; unser Wissen bildet mehrere oder Eine unend­ nicht gegen unsre N atur zu streiten; unser Wissen ist, so weit
liche Reihe, in der jeder Satz durch einen höhern, und dieser es sich erstreckt, zwar sicher; aber es ist kein einiges Wissen,
wieder durch einen höhern u. s. f. begründet wird. Wir bauen sondern es sind viele Wissenschaften. — Unsre Wohnung
unsre Wohnhäuser auf den Erdboden, dieser ruht auf einem stünde dann zwar fest, aber es wäre nicht ein einiges zu­
[27] Elephanten, dieser auf einer Schildkröte, d i e s eh - sammenhängendes Gebäude, sondern ein Aggregat von Kam­
wer weiß es, auf was, und so ins unendliche fort. - Wenn es mern, aus deren keiner wir in die andre übergehen könnten;
mit unserm Wissen einmal so beschaffen ist, so können wir es wäre eine Wohnung, in der wir uns immer verirren, und
es freilich nicht ändern, aber wir haben dann auch kein festes nie einheimisch werden würden. Es wäre kein Licht darin,
Wissen: wir sind vielleicht bis auf ein gewisses Glied in der und wir blieben bei allen unsern Reichthümern arm, weil
Reihe zurückgegangen, und bis auf dieses haben wir alles wir dieselben nie überschlagen, nie als ein Ganzes betrachten,
s e l b s t fest1 gefunden; aber wer kann uns dafür ein­ und nie wissen könnten, was wir eigentlich besäßen; wir
stehen, daß wir nicht, wenn wir etwa noch tiefer gehen soll­ könnten nie e i n e nk Theil derselben zur Verbesserung des
46 Erster Abschnitt Erster Abschnitt 47
übrigen anwenden, weil kein Theil sich auf das übrige be­ möglich war, und daß es ein System des menschlichen Wis­
zöge. Noch mehr, unser Wissen wäre nie vollendet; wir müß­ sens gebe, dessen Darstellung sie ist. Gelingt [30] es uns
ten täglich erwarten, daß eine neue angebohrne Wahrheit nicht, so ist entweder überhaupt kein solches System, oder
sich in uns ä u ß e r n 1, oder die Erfahrung uns ein neues wir haben es nur nicht entdeckt, und müssen die Entdeckung
Einfaches geben würde. Wir müßten immer bereit seyn, uns desselben glücklichem Nachfolgern überlassen. Geradezu be­
irgendwo ein neues Häuschen anzubauen. - Dann wäre haupten, daß es überhaupt keines gebe, weil wir es nicht
keine allgemeine Wissenschaftslehre nöthig, um andre W i s ­ gefunden haben, ist eine Anmaaßung, deren Widerlegung
s e n s c h a f t e n zu begründen. Jede wäre auf sich selbst unter der Würde der ernsten Betrachtung ist.
gegründet. Es w ü r d e ” so viele Wissenschaften geben, als
es einzelne unmittelbar gewisse Grundsätze gäbe.
[29] Soll aber nicht etwa bloß ein oder mehrere Fragmente
eines Systems, wie im ersten Falle, oder mehrere Systeme
wie im zweiten, sondern soll ein vollendetes und Einiges
System im menschlichen Geiste seyn, so muß es einen solchen
höchsten und absolut-ersten Grundsatz geben. Verbreite von
ihm aus sich unser Wissen in noch so viele Reihen, von deren
jeder wieder Reihen u. s. f. ausgehen, so müssen doch alle in
einem einzigen Ringe festhangen, der an nichts befestiget ist,
sondern durch seine eigne Kraft sich, und das ganze System
hält. - Wir haben nun, einen durch seine eigene Schwerkraft
sich haltenden Erdball, dessen Mittelpunkt alles, was wir
n u r " wirklich auf dem Umkreise desselben, und nicht etwa
in die Luft, und nur perpendikulär, und nicht etwa schief­
winklicht angebaut haben, allmächtig anzieht, und kein
Stäubchen aus seiner Sphäre sich entreissen läßt.
Ob es ein solches System, und, - was die Bedingung des­
selben ist, - einen solchen Grundsatz gebe, darüber können
wir vor der Untersuchung vorher nichts entscheiden. Der
Grundsatz läßt sich nicht nur als bloßer Satz, er läßt sich
auch als Grundsatz alles Wissens nicht erweisen. Es kommt
auf den Versuch an. Finden wir einen Satz, der die innern
Bedingungen des Grundsatzes alles menschlichen Wissens
hat, so versuchen wir, ob er auch die äussern habe; ob alles,
was wir wissen, oder zu wissen glauben, auf ihn sich zu­
rückführen lasse. Gelingt es--uns, so haben wir durch die
wirkliche Aufstellung der Wissenschaft bewiesen, daß sie
Zweiter Abschnitt 49
[31] Zweiter Abschnitt ten und erfundenen, sondern auch alle erfindbaren und
möglichen W i s s e n s c h a f t e n begründet, und daß sie
Erörterung das ganze Gebiet des menschlichen Wissens vollkommen er­
schöpft habe?16
des Begriffs der Wissenschaftslehre. Sie5 sollte in dieser Rücksicht allen Wissenschaften ihre
Grundsätze geben. Alle Sätze demnach, die in irgend einer
besondern Wissenschaft Grundsätze sind, sind zugleich auch
J. 3. einheimische Sätze der Wissenschaftslehre; ein und ebender­
Einen Begriff wissenschaftlich erörtern - und es ist klar, daß selbe Satz ist aus zwei Gesichtspunckten zu betrachten0. Die
hier von keiner ändern, als dieser höchsten aller Erörterun­ W i s s e n s c h a f t s l e h r e folgert aus dem Satze, als
gen die Rede seyn kann - nenne ich das, wenn man den O rt einem in ihr enthaltenen weiter; und die besondere Wissen­
desselben im System der menschlichen Wissenschaften über­ schaft folgert aus dem gleichen Satze, als ihrem Grundsätze,
haupt angiebt, d. i., zeigt welcher Begriff i h m seine Stelle auch weiter. Also folgt entweder in beiden Wissenschaften
b e s t i m m e “, und welchem ändern sie durch d e n s e l ­ das gleiche; alle besondere Wissenschaften sind nicht nur
b e n 1' bestimmt w e r d e ' . Nun aber kann der Begriff der ihrem Grundsätze, [33] sondern auch ihren abgeleiteten Sät­
Wissenschaftslehre überhaupt im System aller Wissenschaf­ zen nach in der Wissenschaftslehre enthalten; und es giebt
ten, eben so wenig einen O rt haben, als der des Wissens an gar keine besondre Wissenschaft, sondern nur Theile einer
sich, im System des Wissens überhaupt: vielmehr ist er selbst und eben derselben Wissenschaftslehre; oder es wird in bei­
der O rt für alle wissenschaftlichen Begriffe, und weiset den Wissenschaften auf verschiedene A rt gefolgert, welches
ihnen ihre Stellen in sich selbst, und durch sich selbst an. Es auch nicht möglich ist, da die Wissenschaftslehre allen Wis­
ist klar, daß hier nur von einer hypothetischen Erörterung senschaften ihre Form geben soll: oder es muß zu einem
geredet werde, d. i. die Frage ist die: Vorausgesetzt, daß es Satze der blossen Wissenschaftslehre noch Etwas, das freilich
schon Wissenschaften gebe, und daß [32] W ahrheit in ihnen nirgend anders her als aus der Wissenschaftslehre entlehnt
sey, (welches man v o r" der allgemeinen Wissenschaftslehre seyn kann, hinzukommen, wenn er Grundsatz einer beson­
vorher gar nicht wissen kann) wie verhält sich die aufzu­ dern Wissenschaft werden soll. Es entsteht die Frage: wel­
stellende Wissenschaftslehre, zu diesen Wissenschaften? ches ist das hinzukommende, oder - da dieses hinzukom­
Auch diese Frage ist durch den bloßen Begriff derselben mende die Unterscheidung ausmacht - welches ist die be­
schon beantwortet. Die letztem verhalten sich zu d e r ' stimmte Grenze zwischen der Wissenschaftslehre überhaupt,
erstem, wie das Begründete zu seinem Grunde; sie weisen und jeder besondern Wissenschaft.
derselben ihre S t e l l e ' nicht an; aber jene weiset ihnen DieD Wissenschaftslehre sollte ferner in d e r g l e i c h e n 8
allen ihre Stellen in sich selbst15 und durch sich selbst an. Rücksicht allen Wissenschaften ihre Form bestimmen. Wie
Demnach ist es hier bloß um eine weitere Entwicklung dieser das geschehen könne, ist schon oben angezeigt. Aber es tritt
Antwort zu thun. eine andere Wissenschaft, unter dem Namen der Logik, mit
DieA Wissenschaftslehre sollte eine Wissenschaft aller Wis­ den gleichen Ansprüchen uns in den Weg. Zwischen beiden
senschaften seyn. Hierbei entsteht zuförderst die Frage: Wie muß entschieden, es muß untersucht werden, wie die Wissen­
kann sie verbürgen, daß sie nicht nur alle bis jetzt bekann­ schaftslehre sich zur Logik verhalte.
Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 51
DieE Wissenschaftslehre ist selbst eine Wissenschaft, und was allen möglichen und denkbaren Stuffen derselben wissen
sie in dieser Rücksicht zu leisten habe, ist oben bestimmt. könne*.
Aber in sofern sie bloße Wissenschaft istF, ist sie Wissen­ Dies ist nur unter folgenden Bedingungen möglich: zuför­
schaft von irgend Etwas; sie hat einen Gegenstand, und es derst, daß sich zeigen lasse, der aufgestellte Grundsatz sei
ist aus dem obigen klar, daß dieser Gegenstand kein andrer erschöpft; und dann, es sei kein anderer Grundsatz möglich,
sei, als das System des menschlichen [34] Wissens über­ als der aufgestellte.
haupt.17 Es entsteht die Frage: wie verhält sich die Wissen­ Ein Grundsatz ist erschöpft, wenn ein vollständiges System
schaft, als Wissenschaft, zu ihrem Gegenstände, als solchem. auf demselben aufgebaut ist, d. i., wenn der Grundsatz noth-
wendig auf alle aufgestellten Sätze führt, und alle aufge­
stellten Sätze nothwendig wieder auf ihn [36] zurückführen.
§. 4. In wie fern kann die Wissenschaftslehre sicher seyn, Wenn kein Satz im ganzen System vorkommt, welcher wahr
das menschliche Wissen überhaupt erschöpft zu haben? seyn kann, wenn der Grundsatz falsch ist, oder falsch, wenn
der Grundsatz wahr ist, so ist dies der negative Beweiß, daß
Das bisherige wahre oder eingebildete menschliche Wissen, kein Satz zuviel in das System aufgenommen worden; denn
ist nicht das menschliche Wissen überhaupt. Gesetzt, ein derjenige, der nicht in das System gehörte würde wahr seyn
Philosoph könnte dasselbe wirklich umfaßt haben, und können, wenn der Grundsatz falsch, oder falsch, wenn auch
durchA eine vollständige Induktion den Beweiß führen, daß der Grundsatz wahr wäre. Ist der Grundsatz gegeben, so
es in seinem System enthalten sei, so hätte er dadurch seiner müssen alle Sätze gegeben seyn; in ihm und durch ihn ist
Aufgabe noch® bei weitem keine Genüge gethan: denn wie jeder einzelne19 gegeben. Es ist aus dem, was wir oben über
wollte er durch seine Induktion aus der bisherigen Erfah­ die Verkettung der einzelnen Sätze in der Wissenschaftslehre
rung erweisen, daß auch in der Zukunft keine Entdeckung gesagt haben, klar, daß diese Wissenschaft den angezeigten
gemacht werden könne, die nicht unter sein System passe? -
Nicht gründlicher würde die Ausflucht seyn, daß er etwa * Auf einen möglichen Einwurf, den aber nur ein Popular-Philosoph
nur das in der gegenwärtigen Sphäre der menschlichen machen könnte!5 - Die eigentlichen Aufgaben des menschlichen Geistes
sind freilich, so wohl ihrer Anzahl, als ihrer Ausdehnung nach unendlich;
Existenz mögliche Wissen habe erschöpfen wollen; denn ihre Auflösung wäre nur durch eine vollendete Annäherung zum Un­
wenn seine Philosophie nur für diese Sphäre gilt, so kennt er endlichen möglich, welche an sich unmöglich ist: aber sie sind esF darum,
keine mögliche andre, er kennt demnach auch die Grenzen weil sie gleich als unendlich gegeben werden. Es sind unendlich viele
derjenigen nicht, die durch seine Philosophie erschöpft wer­ Radien eines unendlichen Zirkels, dessen Mittelpunkt gegeben ist; und so
wie der Mittelpunkt gegeben ist, ist ja wohl der ganze unendliche Zirkel,
den soll; er hat willkürlich eine Grenze gezogen, deren und die unendlich vielen Radien desselben gegeben. Der eine Endpunkt
W ahrheit0 er kaum durch etwas anders, als durch die bis­ derselben liegt freilich in der Unendlichkeit; aber der andere liegt im
herige Erfahrung erweisen kann, welcheD durch eine künf­ Mittelpunkte, und derselbe ist allen gemein. Der Mittelpunkt ist gegeben;
die Richtung der Linien ist auch gegeben, denn es sollen gerade Linien
tige Erfahrung selbst innerhalb seiner vorgegebnen Sphäre seyn: also sind alle Radien cegeben (einzelne Radien aus der unendlichen
immer widersprochen werden könnte. Das menschliche Wis­ Anzahl derselben, werden aurch Eindrücke vom Nicht-Ich bestimmtG, als
sen überhaupt soll erschöpft werden, heißt, es soll unbedingt wirklich zu ziehende, aber nicht gegeben; gegeben waren sie zugleich mit
und schlechthin bestimmt werden, was der Mensch nicht bloß dem Mittelpunkte). Das menschliche Wissen ist den Graden nach unend­
lich, aber der A rt nach ist es durch seine Gesetze vollständig bestimmt,
auf der jetzigen [35] Stuffe seiner Existenz, sondern auf und läßt sich gänzlich erschöpfen.18
Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt
negativen Beweiß unmittelbar in sidi selbst und durch sich Zu jenem vollendeten Systeme kann freylich nichts mehr
selbst führe. Durdi ihn wird erwiesen, daß die Wissenschaft weder dazu noch davon gethan werden; aber, was verhin­
systematisch sei, daß alle ihre Theile in einem einzigen dert es denn, daß nicht etwa in der Zukunft, wenn auch bis
Grundsätze Zusammenhängen. - Die Wissenschaft ist ein jetzt sich keine Spur davon zeigen sollte, durch die ver­
System, oder sie ist vollendet, wenn weiter kein Satz gefol­ mehrte Erfahrung, Sätze zu dem menschlichen Bewußtseyn
gert werden kann: und dies giebt den positiven Beweiß, daß gelangen sollten”, die sich nicht auf jenen Grundsatz grün­
kein Satz zu vielH in das System aufgenommen worden. Die den, die also einen oder mehrere andere Grundsätze voraus­
Frage ist nur die: wann und unter welchen Bedingungen setzen: kurz, warum sollten neben jenem vollendeten Syste­
kann kein Satz weiter gefolgert werden; denn es ist klar, me, nicht noch e i na oder [38] mehrere andere Systeme im
daß das bloß relative und negative Merkmal: ich sehe nicht menschlichen Geiste bestehen können? Sie würden freilich
was weiter folgen könne, nichts beweist. Es könnte wohl weder mit jenem ersten, noch unter sich selbst den geringsten
nach mir ein anderer kommen, welcher da, wo ich nichts sah, Zusammenhang, den kleinsten gemeinschaftlichen Punkt
etwas sähe. Wir bedürfen eines positiven Merkmals1, daß haben: aber das sollen sie auch nicht, wenn sie nicht ein ein­
schlechthin und unbedingt nichts weiter gefolgert werden ziges, sondern mehrere Systeme bilden sollen”. Es müßte
könne; und das könnte kein anders seyn, als das, daß der also, wenn die Unmöglichkeit solcher neuen Entdeckungen
Grundsatz14, von welchem wir ausgegangen wären,1 das befriedigend dargethan werden sollte, erwiesen werden, daß
letzte Resultat sey. Dann wäre klar, daß wir nicht weiter nur ein einziges System im menschlichen Wissen seyn könne.
gehen könnten, ohne den Weg, den wir schon einmal ge[37]- - Da dieser Satz, daß das System ein einziges sei, selbst0
macht, noch einmal zu machen. Es wird sich bey einstiger ein Bestandtheil des menschlichen Wissens seyn solltep, so
Aufstellung der Wissenschaft zeigen, daß sie diesen Kreis­ könnte er sich auf nichts anders gründen, als auf den Grund­
lauf wirklich vollendet, und den Forscher gerade bey dem satz alles menschlichen Wissens, undQ nirgendsher bewiesen
Punkte verläßt, von welchem sie mit ihm ausging, daß sie werden, als aus demselben. Hierdurch wäre nun, vor der
also gleichfalls den zweyten positiven Beweiß in sich selbst Hand wenigstens, soviel gewonnen, daß ein anderer, etwa
und durch sich selbst führt*. einmal zum menschlichen Bewußtseyn gelangender Grund­
Aber, wenn auch der aufgestellte Grundsatz erschöpft, und satz, nicht bloß ein andrer, und von dem aufgestellten
auf ihn ein vollständiges System aufgebaut ist, so folgt dar­ Grundsätze verschiedener, sondern auch ein demselben ge­
aus noch gar nicht, daß durch seine Erschöpfung das mensch­ rade entgegengesetzter seyn“ müßte. Denn unter der obigen
liche Wissen überhaupt erschöpft sey; wenn man nicht schon Voraussetzung müßte im aufgestellten Grundsätze der Satz
voraussetzt, was erwiesen werden sollte, daß jener Grund­ enthalten seyn: im menschlichen Wissen ist ein einiges Sy­
satz der Grundsatz des menschlichen Wissens überhaupt sey. stem. Jeder Satz nun, der nicht zu diesem einigen Systeme
* Die Wissenschaftslehre hat also absolute Totalität. In ihr führt Eins zu
gehören sollte, wäre von diesem Systeme nicht bloß verschie­
Allem, und Alles zu Einem. Sie ist aber die einzige Wissenschaft welche den,8 sondern ihm, insofern jenes System das einige seyn
vollendet werden kann; Vollendung ist demnach ihr auszeichnender Cha­ sollte, sogar entgegengesetzt, und müßte auf einem Grund­
rakter. Alle andere Wissenschaften sind unendlich, und können nie voll­
endet werden; denn sie laufen nicht wieder in ihren Grundsatz zurüdc.
sätze beruhen, in welchem der Satz läge: Das menschliche
Die Wissenschaftslehre hat dies für alle zu beweisen und den Grund Wissen ist nicht ein einiges System. Man müßte durch weite­
davon anzugeben.*0 res Zurückschliessen auf einen dem ersten Grundsätze ge­
54 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt
radezu entgegengesetzten Grundsatz kommen; und wenn §. 5. Welches ist die Grenze, die die allgemeine Wissen­
der erstere z.B. hiesse: Ich bin Idi, so müßte der andere schaftslehre von der besondern durch sie begründeten
heissen: Ich bin Nidit-Ich. Wissenschaft scheidet?
[39] Aus diesem Wiederspruche soll und kann nun nicht
geradezu die Unmöglichkeit eines solchen zweiten Grund­ Wir fanden oben (§. 3.) daß ein und eben derselbe Satz nicht
satzes gefolgert werden. Wenn im ersten Grundsätze der in d e r g l e i c h e n “ Beziehung ein Satz der allgemeinen
Satz liegt: das System des menschlichen Wissens sey ein eini­ Wissenschaftslehre und ein Grundsatz irgend einer beson­
ges, so liegt freilich auch der darin, daß diesem einigen dern Wissenschaft seyn könne; sondern daß etwa noch etwas
Sisteme nichts widersprechen müsse; aber beide Sätze sind hinzukommen müsse, wenn er das letztere seyn soll. - Das,
ja erst Folgerungen aus ihm selbst, und so wie die absolute was hinzukommen muß, kann nirgend anders her, als aus
Gültigkeit alles dessen, was aus ihm folgt, angenommen der allgemeinen Wissenschaftslehre entlehnt seyn, da in ihr
wird, wird ja schon angenommen, daß er absolut-erster und alles mögliche menschliche Wissen enthalten ist; aber es muß
einziger Grundsatz sei, und im menschlichen Wissen schlecht­ dort nicht eben in dem Satze liegen, der jetzt durch den Zu­
hin gebiete. Also ist hier ein Zirkel, aus dem der menschliche satz desselben zum Grundsätze einer Wissenschaftslehre er-
Geist nie herausgehen kann; und man thut recht wohl daran, hobenA werden soll, denn sonst wäre er schon dort Grund­
diesen Zirkel bestimmt zuzugestehen, damit man nicht etwa satz, und wir hätten keine Grenze zwischen der besondern
einmahl über die unerwartete Entdeckung desselben in Ver­ Wissenschaft, und den Theilen der allgemeinen Wissen­
legenheit gerathe. Er ist folgender: Wenn der Satz X b erster schaftslehre. Es muß demnach etwa ein einzelner Satz der
höchster und absoluter Grundsatz des menschlichen Wissens Wissenschaftslehre seyn, der mit dem Satze, der Grundsatz
ist, so ist im menschlichen Wissen ein einiges System: denn werden soll, vereinigt wird. Da wir hier nicht einen unmit­
das letztere folgt aus dem Satze X : Da nun im mensch­ telbaren aus den Begriffen3 der Wissenschaftslehre selbst
lichen Wissen ein einiges System seyn soll, so ist der Satz X, entlehnten0, sondern einen aus der Voraussetzung, daß es
der wirklich (laut der aufgestellten Wissenschaft,) ein System ausser ihr wirklich noch andre von ihr getrennte Wissen­
begründet, Grundsatz des menschlichen Wissens überhaupt, schaften gebe, entspringenden Einwurf zu beantworten
und das auf ihn gegründete System, ist jenes einige System haben, so [41] können wir ihn nicht anders, als gleichfalls
des menschlichen Wissens. durch eine Voraussetzung beantworten; und wir haben vor
Ueber diesen Zirkel hat man nun nicht Ursache betreten zu der Hand genug gethan, wenn wir nur irgend eine Möglich­
seyn. Verlangen, daß er gehoben werde, heißt verlangen, keit der geforderten Begrenzung aufzeigen. Daß sie die
daß das menschliche Wissen völlig grundlos sei, daß es gar wahre Grenze angebe - ob es gleichwohl der Fall seyn
nichts schlechthin gewisses geben, sondern daß alles mensch­ dürfte - können und sollen wir hier nicht beweisen.
liche Wissen nur bedingt seyn, und daß kein Satz an sich, Man setze demnach, die Wissenschaftslehre enthalte diejeni­
sondern jeder [40] nur unter der Bedingung gelten solle, daß gen bestimmten Handlungen des menschlichen Geistes, die er
derjenige, aus dem er folgt, gelteT. Wer Lust dazu hat, mag alle, sei e sb nun bedingt oder unbedingt, gezwungen und
immer untersuchen, was er wissen würde, wenn sein Ich nicht nothwendig vollbringt; sie stelle aber dabei als höchsten Er­
Ich wäre, d. i., wenn er nicht existirte, und kein Nicht-Ich klärungsgrund jener nothwendigen Handlungen überhaupt,
von s e i n e m Ich unterscheiden könnte. ein Vermögen d e s s e l b e n ' auf, sich schlechthin ohne
56 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt
Zwang und Nöthigung zum handeln überhaupt zu bestim­ nicht mehr im Gebiete der Wissenschaftslehre, sondern auf
men; so wäre durch die Wissenschaftslehre ein nothwendiges dem Boden einer besondern Wissenschaft, welche Geometrie
und ein nidht nothwendiges oder freyes Handeln gegeben. heißt. Die [43] Aufgabe überhaupt, den Raum nach einer
Die Handlungen des menschlichen Geistes, in so fern er Regel zu begrenzen, oder die Construktion in demselben, ist
nothwendig handelt, wären durch sie bestimmt, nicht aber Grundsatz der Geometrie, und sie ist dadurch von der Wis­
in so fern er frey handelt. - Man setze ferner: auch die senschaftslehre scharf abgeschnitten.
freien Handlungen sollten, aus irgend einem Grunde be­ Durch die Wissenschaftslehre sind ein von den Gesetzen der
stimmt werden, so könnte das nicht in der Wissenschafts­ bloßen Vorstellung schlechthin unabhängiges Nicht-Ich, und
lehre geschehen, müßte aber doch, da von Bestimmung die die Gesetze nach denen es beobachtet*5 werden soll und
Rede ist, in Wissenschaften, und also in besondern Wissen­ muß'1', als nothwendig gegeben; aber die Urtheilskraft be­
schaften geschehen. Der Gegenstand dieser freien Handlun­ hält dabei ihre völlige Freiheit, diese Gesetze überhaupt an­
gen könnte nun kein andrer seyn, als das durch die Wissen­ zuwenden oder nicht, oder bei der Mannigfaltigkeit der Ge­
schaftslehre überhaupt gegebene Nothwendige, da nichts setze so wohl als der Gegenstände, welches Gesetz sie will,
vorhanden ist, das sie nicht gegeben hätte, und sie überall auf einen beliebigen Gegenstand anzuwenden, z. B. den
nichts giebt, als das Nothwendige. Demnach müßte im menschlichen Körper als rohe, oder a l s organisirte0, oder
Grundsätze einer besondern Wissenschaft eine Handlung, als animalisch belebte [44] Materie zu betrachten. So bald
die die Wissenschafts [42] lehre frei gelassen hätte, bestimmt
werden: Die Wissenschaftslehre gäbe dem Grundsätze das unendlich viele unendliche Radien gezogen, denen aber unsre einge­
Nothwendige und die Freiheit überhaupt; die besondre Wis­ schränkte Einbildungskraft doch einen Endpunkt setzen muß; diese End­
senschaft aber gäbe der Freiheit ihre Bestimmung; und nun punkte als Eins gedacht, sind die ursprüngliche Kreislinie,) scheint mir
dafür zu bürgen; und es wird daraus klar, daß, und warum die Aufgabe,
wäre die scharfe Grenzlinie gefunden, und so bald eine an sie durch eine gerade Linie zu messen, unendlich ist, und nur in einer
sich freie Handlung eine bestimmte Richtung bekäme, schrit­ vollendeten Annäherung zum Unendlichen erfüllt werden könnte. -
ten wir aus dem Gebiete der allgemeinen Wissenschaftslehre, Gleichfalls wird daraus klar, warum die gerade Linie sich nicht definiren
läßt.»
auf das Feld einer besondern Wissenschaft hinüber. - Ich * So sonderbar dieß manchem Naturforscher Vorkommen möge, so wird
mache midi durch zwei Beispiele deutlich. es sich doch zu seiner Zeit zeigen, daß es sich streng erweisen läßt: daß er
Die Wissenschaftslehre giebt als nothwendig den Raum und selbst erst die Gesetze der Natur, die er durch Beobachtung von ihr zu
lernen glaubt, in sie hineingelegt habe, und daß sie sich, das kleinste, wie
den Punkt als absolute G r e n z e 11; aber sie läßt der Ein­ das größte, der Bau des geringfügigsten Grashalms, wie die Bewegung
bildungskraft die völlige Freiheit den Punkt zu setzen, wo­ der Himmelskörper, vor aller Beobachtung vorher aus dem Grundsätze
hin es ihr beliebt. Sobald diese Freiheit bestimmt wird, z. B. alles menschlichen Wissens ableiten lassen. Es ist wahr, daß kein Natur­
ihn gegen die Begrenzung des unbegrenzten Raumes fort­ gesetz und überhaupt kein Gesetz zum Bewußtseyn kommt, wenn nicht
zubewegen, und dadurch eine Linie* zu ziehen, sind wir ein Gegenstand gegeben wird, auf den es angewandt werden kann; es ist
wahr, daß nicht alle Gegenstände nothwendig, und nicht alle in dem
gleichen Grade damit Übereinkommen müssen; es ist wahr, daß kein ein­
Eine Frage an die Mathematiker! - Liegt nicht der Begriff des Geraden ziger ganz und völlig mit ihnen übereinkommt, noch Übereinkommen
sdton im Begriffe der Linie? Giebt es andre Linien als gerade? und ist kann: aber eben darum ist es wahr, daß wir sie nicht durch Beobachtung
die sogenannte krumme Linie etwas andres, als eine Zusammenreihung lernen, sondern sie aller Beobachtung zum Grunde legen, und daß es nicht
unendlich vieler, unendlich naher Punkte? Der Ursprung derselben, als so wohl Gesetze für die von uns unabhängige Natur, als Gesetze für uns
Grenzlinie des unendlichen Raums (von dem Ich, als Mittelpunkte werden selbst sind, wie wir die Natur zu beobachten haben.p
58 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 59
aber die Urtheilskraft die Aufgabe erhält, einen bestimmten §. 6. Wie verhält sich die allgemeine Wissenschaftslehre
Gegenstand nach einem bestimmten Gesetze z u beobach­ insbesondere zur Logik?
ten21, um zu sehen, ob und in wie fern er mit demselben
übereinkomme oder nicht, ist sie nicht mehr frei, sondern Die Wissenschaftslehre soll für alle möglichen Wissenschaf­
unter einer Regel; und wir sind demnach nicht mehr in der ten die Form aufstellen: nach der gewöhnlichen Meinung,
Wissenschaftslehre, sondern auf dem Felde einer anderen an der wohl auch etwas Wahres seyn mag, thut die Logik
Wissenschaft, welche die Naturwissenschaft heißt. Die Auf­ das gleiche. Wie verhalten sich diese beiden Wissenschaften,
gabe überhaupt, jeden in der Erfahrung gegebnen Gegen­ und wie verhalten sie sich insbesondere in Absicht jenes Ge­
stand an jedes in unserm Geiste gegebnes Naturgesetz zu schäfts, das beide sich anmaaßen?A So bald man sich er­
halten, ist Grundsatz der Naturwissenschaft; sie besteht innert, daß die Logik allen möglichen Wissenschaften blos
durchgängig aus Experimenten, (nicht aber aus dem leiden­ und allein die Form, die Wissenschaftslehre aber nicht die
den Verhalten gegen die regellosen Einwirkungen der Natur Form allein, sondern auch den Gehalt geben solle, so ist ein
auf uns) die man sich willkürlich aufgiebt, und denen die leichter Weg eröffnet, um in diese höchstwichtige Unter­
N atur entsprechen kann oder nicht: ^ynd dadurch ist denn suchung einzudringen. In der Wissenschaftslehre ist die Form
die Naturwissenschaft genugsam von der Wissenschaftslehre vom Gehalte, oder der Gehalt von der Form nie getrennt;
überhaupt geschieden. in jedem ihrer Sätze ist beides auf das innigste vereinigt.
Also sieht man schon hier - welches wir bloß im Vorbey- Soll in den Sätzen der Logik die bloße Form der möglichen
gehen erinnern - warum bloß die Wissenschaftslehre abso­ Wissenschaften, nicht aber der Gehalt liegen, so sind sie nicht
lute Totalität haben, alle besondre Wissenschaften aber un­ zugleich Sätze der Wissenschaftslehre; sondern sie sind von
endlich seyn werden. Die Wissenschaftslehre enthält bloß ihnen verschieden; und folglich ist auch die ganze Wissen­
das Nothwendige; ist dies in jeder Betrachtung nothwendig, schaft, weder die Wissenschaftslehre selbst, noch etwa ein
so ist es dasselbe auch in Absicht der Quantität, d. h., es ist Theil von ihr, sie ist, so sonderbar dies auch bei der gegen­
nothwendig begränzt. Alle übrigen Wissenschaften gehen wärtigen Ver[46]fassung der Philosophie jemanden Vorkom­
auf die Freyheit, so wohl die unsers Geistes, als die des von men möge, überhaupt keine philosophische, sondern sie ist
uns schlechthin unabhängigen Nicht-Ich.0 Soll dieses wirk­ eine eigne abgesonderte Wissenschaft, wodurch jedoch ihrer
liche Freyheit seyn, und soll sie schlechthin unter keinem Ge­ Würde gar kein Abbruch geschehen soll.
setze stehen, so läßt sich ihr auch kein Wirkungskreis vor­ Ist sie dies, so muß sich eine Bestimmung der Freiheit auf­
schreiben, welches ja durch ein Gesetz geschehen [45] müßte. zeigen lassen, durch welche zwischen ihr und der allgemei­
Ihr Wirkungskreis ist demnach unendlich. - Man hat also nen Wissenschaftslehre die Grenze gezogen werde, und diese
von einer erschöpfenden Wissenschaftslehre keine Gefahr für ist denn auch leicht aufzufinden.8 In der Wissenschafts­
die ins Unendliche f o r t g e h e n d e ' Perfektibilität des lehre0 sind Gehalt und Form nothwendig vereinigt. Die Lo­
menschlichen Geistes zu besorgen; sie wird dadurch gar nicht gik soll die bloße Form, vom Gehalte abgesondert, aufstel­
aufgehoben, sondern vielmehr völlig sicher und ausser Zwei­ len; diese Absonderung ist an sich nicht nothwendig, sondern
fel gesetzt, und es wird ihr eine Aufgabe angewiesen, die sie sie geschieht blos durch Freiheit; mithin muß in der Logik
in Ewigkeit nicht endigen kann. die Freiheit bestimmt werden, eine solche Absonderung vor-
zunehmen.“ Man nennt sie Abstraktion; und demnach be­
60 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 61
steht das Wesen der Logik in der Abstraktion von allem Ge­ dürfen auf keinen ändern GehaltK angewendet werden, als
halt der Wissenschaftslehre. auf denjenigen, den sie schon in der Wissenschaftslehre in
Auf diese Weise wären die Sätze der Logik bloß Form, wel­ sich fassen - nicht nothwendig auf den ganzen Gehalt, den
ches unmöglich ist; denn es liegt im Begriffe des Satzes über­ sie dort in sich fassen, denn dadurch würde keine besondre
haupt, daß er beides Gehalt, so wohl als Form habe. (§. 1.) Wissenschaft entstehen, sondern nur Theile der Wissen­
Mithin müßte das, was in der Wissenschaftslehre bloße Form schaftslehre wiederholt werden, aber doch [48] nothwendig
ist, in der Logik Gehalt seyn, und dieser Gehalt bekäme auf einen Theil desselben, auf einen in und mit jenem Ge­
wieder die allgemeine Form der Wissenschaftslehre, die aber halt begriffenen Gehalt. Ausser jener Bedingung ist die
hier bestimmt als Form eines logischen Satzes gedacht würde. durch ein solches Verfahren zu Stande gebrachteL Wissen­
Diese zweite Flandlung der Freiheit, durch welche die schaft ein Luftgebäude.U23
Form22 zur Form der Form selbst, als ihres Gehalts wird, Endlich, die Wissenschaftslehre ist nothwendig - nicht eben
heißtE Reflexion. Keine Abstraktion ist ohne Reflexion; und als deutlich gedachte, systematisch aufgestellte Wissenschaft,
keine Reflexion ohne Abstraktion möglich. An sich betrach­ aber doch als Naturanlage - die Logik aber ist künstliches
tet sind beidesF Flandlungen der Freiheit; wenn [47] sie Produkt des menschlichen Geistes in seiner Freiheit. Ohne
aber gegenseitig aufeinander bezogen werden0, so ist unter die erstere würde überhaupt kein Wissen und keine Wissen­
Bedingung der einen, die zweite nothwendig.” schaft möglich seyn; ohne die letztere würden alle Wissen­
Hieraus ergiebt sich das bestimmte Verhältniß der Logik zur schaften nur später haben zu Stande gebracht werden kön­
Wissenschaftslehre. Die erstere begründet nicht die letztere, nen. Die erstere ist die ausschliessende Bedingung aller
sondern die letztere begründet die erstere: Die Wissen­ Wissenschaft; die letztere ist eine höchst wohlthätige Erfin­
schaftslehre kann schlechterdings nicht aus der Logik bewie­ dung, um den Fortgang der Wissenschaften zu sichern und
sen werden, und man darf ihr keinen einzigen logischen zu erleichtern.
Satz, auch den des Widerspruchs nicht, als gültig voraus­ Ich trage das hier systematisch abgeleitete in Beispielen
schicken; hingegen muß jeder logische Satz, und die ganze vor:
Logik aus der Wissenschaftslehre bewiesen werden; es muß A = A ist ohne Zweifel ein logisch richtiger Satz, und in so
gezeigt werden, daß die in ihr aufgestellten1 Formen, wirk­ fern er das ist, ist seine Bedeutung die: wenn A gesetzt ist,
liche Formen eines gewissen Gehalts in der Wissenschafts­ so ist A gesetzt. Es entstehen hierbei die zwei Fragen: Ist
lehre seyen. Also entlehnt die Logik ihre Gültigkeit von der denn A gesetzt? - und in wiefern und warum ist A gesetzt,
Wissenschaftslehre, nicht aber die Wissenschaftslehre die wenn es gesetzt ist; wie” hängt jenes Wenn und dieses So
ihrige von der Logik. überhaupt zusammen?
Ferner, die Wissenschaftslehre wird nicht durch die Logik, Setzet: A im obigen Satze bedeute ich, und habe also seinen
aber die Logik wird durch die Wissenschaftslehre bedingt bestimmten Gehalt, so hieße der Satz zuförderst: Ich bin
und bestimmt. Die Wissenschaftslehre bekommt nicht etwa Ich: oder, wenn ich gesetzt bin, so bin [49] ich gesetzt. Aber,
von der Logik ihre Form, sondern sie hat sie in sich selbst, weil das Subjekt des Satzes das absolute Subjekt, das Sub­
und stellt sie erst für die mögliche Abstraktion durch Frey- jekt schlechthin ist, so wird in diesem einzigen Falle, mit der
heit auf. ImK Gegentheil aber bedingt die Wissenschaftslehre Form des Satzes zugleich sein innerer Gehalt gesetzt: Ich bin
die Anwendung der Logik: die Formen, die sie aufstellt, gesetzt, weil ich gesetzt habe. Ich bin, weil ich bin. - Die
62 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 63
Logik also sagt: Wenn A ist, ist A; die Wissenschaftslehre: Wissenschaft desselben vorhanden, wird aber durch sie in
Weil A° ist, ist A. Und hierdurch würde die Frage: Ist denn systematischer Form aufgestellt. Was ist nun diese neue Form;
Ap gesetzt? so beantwortet: Es ist gesetzt, denn es ist ge- wie ist sie von der Form, die vor der Wissenschaft vorher
setzt.Q vorhanden seyn muß, unterschieden; und wie ist die Wissen­
Setzet: A in obigem Satze bedeute nidit das Ich, sondern schaft überhaupt von ihrem Objekt unterschieden?
irgend etwas anders, so läßt sich aus dem obigen die Bedin­ Was unabhängig von der Wissenschaft im menschlichen Gei­
gung einsehen, unter welcher man sagen könne: A ist gesetzt; ste da ist, können wir auch die Handlungen desselben nen­
und wie man berechtigt sei zu schließen: Wenn A gesetzt ist, nen. Diese sind das Was, das vorhanden ist; sie geschehen
so ist es gesetzt. - Nemlich der Satz: A = A gilt ursprünglich auf eine gewisse bestimmte A rt; durch diese bestimmte Art
nur vom Ich; er ist von dem Satze der Wissenschaftslehre: unterscheidet sich die eine von der ändern; und dieses ist das
Ich bin Ich, abgezogen; aller Gehalt also, worauf er anwend­ Wie. Im menschlichen Geiste ist also ursprünglich vor unse­
bar seyn soll, muß im Ich liegen, und unter ihm enthalten rem Wissen vorher Gehalt und Form, und beide sind unzer­
seyn. Kein A also kann etwas anders seyn, als ein im Ich trennlich verbunden; jede Handlung geschieht auf eine be­
gesetztes, und nun hiesse der Satz so: Was im Ich gesetzt ist, stimmte A rt nach einem Gesetze, und dieses Gesetz bestimmt
ist gesetzt; ist A im Ich gesetzt, so ist es gesetzt, (in so fern die Handlung. Es ist, wenn alle diese Handlungen unter sich
es“ nemlich gesetzt ist, als möglich, wirklich, oder nothwen- Zusammenhängen, und unter allgemeinen, besondern, und
dig) und so ist er unwidersprechlich wahr, wenn das Ich Ich einzelnen Gesetzen stehen, für die etwanigen Beobachter
seyn soll. - Ist ferner das Ich gesetzt, weil es gesetzt ist, so auch ein System vorhanden.
ist alles, was im Ich gesetzt ist, gesetzt, weil es gesetzt ist; [51] Es ist aber gar nicht nothwendig, daß diese Handlun­
und wenn nur A etwas im Ich gesetztes ist, so ist es gesetzt, gen wirklich der Folge* nach in jener systematischen
wenn es gesetzt ist, und die zweite Frage ist auch beant­ Form,B eine nach der ändern, in unserem Geiste Vorkom­
wortet. men; daß0 die, welche alle unter sich faßt, und das höchste,
allgemeinste Gesetz giebt, zuerst, dann” die, welche weni­
ger unter sich faßt u. s. f. Vorkommen; ferner ist auch das
§. 7. Wie verhält sich die Wissenschaftslehre als Wissenschaft, gar nicht die Folge, daß sie alle rein und unvermischt Vor­
zu ihrem Gegenstände?24 kommen, so daß nicht mehrere, die durch einen etwanigen
Beobachter gar wohl zu unterscheiden wären, als eine einzige
Jeder Satz in der Wissenschaftslehre hat Form und Gehalt: erscheinen sollten. Z. B. die höchste Handlung des mensch­
man weiß etwas; und es ist etwas, wovon [50] man es weiß. lichen Geistes sei die, seine eigene Existenz zu setzenE, so ist
Nun aber ist ja die Wissenschaftslehre selbst die Wissenschaft gar nicht nothwendig, daß diese Handlung der Zeit nach die
von etwas; nicht aber dieses Etwas selbst. Mithin wäre die­ erste sei, die zum deutlichen Bewußtseyn komme; und eben
selbe überhaupt mit allen ihren Sätzen, Form eines gewissen so wenig ist nothwendig, daß sie jemals zum reinen Bewußt­
vor derselben vorhandenen Gehalts. Wie verhält sie sich zu seyn1' komme, daß der menschliche Geist“ j e“ fähig sei,
diesem Gehalte, und was folgt aus diesem Verhältnisse? schlechthin zu denken: Ich bin, ohne zugleich zu denken, daß
Das Objekt der Wissenschaftslehre ist nach allem das System irgend etwas nicht Ich sei.11
des menschlichen Wissens. Dieses ist unabhängig von der Hierin liegt nun der ganze Stoff einer möglichen Wissen-
64 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 65
sdiaftslehre, aber nicht die Wissenschaften selbst. Um diese über diese Form, so fällt die ganze Schwierigkeit in die Frage
zu Stande zu bringen, dazu gehört noch eine, unter jenen über den Stoff. - Soll die nothwendige H a n d l u n g s a r t
Handlungen allen nicht enthaltene Handlung des menschli­ [53] des menschlichen Geistes" an sich in die Form des Be­
chen Geistes, nehmlidi die, seine Handlungsart überhaupt wußtseyns aufgenommen werden, so müßte sie schon als
zum Bewußtseyn zu erheben. Da sie unter jenen Handlungen, solche bekannt seyn, sie müßte mithin in diese Form schon
welche alle nothwendig, und die n o t h w e n d i g e n 1 alle aufgenommen seyn; und wir wären in einem Zirkel einge­
sind, nicht enthalten seyn soll, so muß es eine Handlung der schlossen.
Freiheit seyn. - Die Wissenschaftslehre entsteht also, in so Diese Handlungsart überhaupt, soll nach dem obigen durch
fern sie eine systematische Wissenschaft seyn soll, gerade so, eine reflektirende Abstraktion von allem, was nicht sie ist,
wie alle möglichen Wissenschaften, in so fern sie systematisch abgesondert werden. Diese Abstraktion geschieht durch Frei­
seyn sollen, durch eine Bestimmung der Freiheit; [52] welche heit, und der menschliche Geist0 wird in ihr gar nicht durch
letztre hier insbesondre bestimmt ist, die Handlungsart des blinden Zwang geleitet. Die ganze Schwierigkeit ist also in
menschlichen Geistes1 überhaupt zum Bewußtseyn zu erhe­ der Frage enthalten: nach welchen Regeln verfährt die Frei­
ben; und die Wissenschaftslehre ist von ändern Wissenschaf­ heit in jener Absonderung? wie weiß der menschliche Geist,
ten nur dadurch unterschieden, daß das Objekt der letztem was er aufnehmen und liegen lassen s o l l e 8 ?'’
selbst eine freie Handlung, das Objekt der erstem aber Das kann er nun schlechterdings nicht wissen, wofern nicht
nothwendige Handlungen sind. etwa dasjenige, was er erst zum Bewußtseyn erheben soll,
Durch diese freie Handlung wird nun etwas, das schon an schon dazu erhoben ist; welches sich widerspricht. Also giebt
sich Form ist, die nothwendige Handlung des menschlichen es für dieses Geschäft gar keine Regel, und kann keine ge­
GeistesK, als Gehalt in eine neue Form die Form des Wis­ ben. Der menschliche Geist macht mancherlei Versuche; er
sens, oder des Bewußtseyns aufgenommen, und demnach ist kommt durch blindes Herumtappen zur Dämmerung, und
jene Handlung eine Handlung der Reflexion. Jene noth- geht erst aus dieser zum hellen Tage über. Er wird Anfangs
wendigen Handlungen, werden aus der Reihe, in der sie etwa durch dunkle Gefühle“' (deren Ursprung und Wirklichkeit
an sich Vorkommen mögen, getrennt, und von aller Vermi­ die Wissenschaftslehre darzulegen hat) geleitet; und wir hät­
schung rein aufgestellt; mithin ist jene Handlung auch eine ten noch heute keinen deutlichen Begriff, und wir" wären
Handlung der Abstraktion. Es ist unmöglich zu reflektiren noch immer der Erdklos, der sich dem [54] Boden entwand,
ohne abstrahiert zu haben. wenn wir nicht angefangen hätten dunkel zu fühlen, was
Die Form des Bewußtseyns, in welche die n o t h w e n ­ wir erst später deutlich erkannten. - Dieß ists denn auch die
d i g e ' Handlungsart des menschlichen Geistes1, überhaupt Geschichte der Philosophie! und wir haben jetzt den eigent­
aufgenommen werden soll, gehört ohne Zweifel selbst zu lichen Grund angegeben, warum dasjenige, was doch in je­
den nothwendigen Handlungsarten desselben, seine1" H and­ dem menschlichen Geiste offen da liegt, und was jeder mit
lungsart wird in sie ohne Zweifel gerade so aufgenommen, Händen greifen kann, wenn es ihm deutlich dargelegt wird,
wie alles, was darin aufgenommen wird: es" hätte also
an sich keine Schwierigkeit die Frage zu beantworten: woher * Es erhellet daraus, daß der Philosoph der dunklen Gefühle des Richti­
gen oder des* Genie in keinem geringem Grade bedürfte, als etwa der
denn zum Behuf einer möglichen Wissenschaftslehre diese Dichter oder der Künstler; nur in einer ändern Art. Der letztere bedarf
Form kommen sollte. Aber, überhebt man sich der Frage des Schönheits- jener des Wahrheitssinnes, dergleichen es allerdings giebt.Q
66 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 67
erst nach mannigfaltigen Herumirren zum Bewußtsein eini­ waren. Wir können also in dem Beweise hinterher nicht auf
ger weniger gelangte. Alle Philosophen sind auf das aufge­ die angezeigte fehlerhafte Art im Zirkel schließen; sondern
stellte Ziel ausgegangen, alle haben durch Reflexion die wir schließen aus der Uebereinstimmung11' auf die Richtigkeit
nothwendige Handlungsart des menschlichen GeistesT von des Systems. Dieses ist aber nur ein negativer Beweiß, der
den zufälligen Bedingungen derselben absondern wollen; bloße Wahrscheinlichkeit begründet. Stimmen die vorausge­
alle haben sie wirklich, nur mehr oder weniger rein, und setzten und die gefundenen Reflexionen nicht überein, so ist
mehr oder weniger vollständig, abgesondert; im Ganzen das System sicher falsch. Stimmen sie überein, so kann es
aber ist die philosophirende Urtheilskraft immer weiter vor­ richtig seyn. Aber es muß nicht nothwendig richtig seyn;
gerückt und ihrem Ziele näher gekommen. denn obgleich, wenn im menschlichen Wissen nur ein System
Da aber jene Reflexion, nicht in so ferne sie überhaupt vor­ ist, bey richtigem Folgern eine solche Uebereinstimmung sich
genommen wird, oder nicht, denn in dieser Rücksicht ist sie nur auf eine Art finden kann, so bleibt doch immer der Fall
frei, sondern in so fern sie nach Gesetzen vorgenommen möglich, daß die Uebereinstimmung von ungefähr durch zwei
wird, in so fern unter der Bedingung, daß sie überhaupt oder mehrere Uebereinstimmung bewirkende unrichtige Fol­
statt finde, die Art derselben bestimmt ist - auch zu den gerungen hervorgebracht sei. - Es ist, als ob ich die Probe
nothwendigen Handlungen des menschlichen Geistes11 ge­ der Division durch die M ultiplikation mache. [56] Bekomme
hört, so müssen die Gesetze derselben im System des mensch­ ich nicht die begehrte Größe als Produkt, sondern irgend
lichen Geistesv überhaupt Vorkommen; und man kann eine andre, so habe ich sicher irgendwo f a l s c h gerechnet;
hinterher, nach Vollendung der Wissenschaft, allerdings ein- bekomme ich sie, so ist wahrscheinlich, daß ich richtig gerech­
sehen, ob man denselben Genüge geleistet habe oder nicht. net habe, aber auch bloß wahrscheinlich; denn ich könnte in
Man dürfte also glauben, daß wenigstens hinterher ein evi­ der Division und Multiplikation den gleichen Fehler gemacht
denter Beweiß der Richtigkeit unsers wissenschaftlichen Sy­ haben, etwa in beiden gesagt haben 5 X 9 = 36. und so be­
stems, als eines solchen möglich wäre. wiese die Uebereinstimmung nichts. - So die Wissenschafts­
[55] Aber die Reflexionsgesetze die wir im Gange der Wis­ lehre; sie ist nicht bloß die Regel, sondern sie ist zugleich die
senschaft"' finden, wenn sie auch mit denen, die wir als die Rechnung. Wer an der Richtigkeit unsers Produkts zweifelt,
Regel unsers Verfahrens, hypothetisch voraussetzen, überein­ zweifelt nicht eben an dem ewig gültigen Gesetze, daß man
stimmen, sind doch selbst das Resultat von ihrer vorherigen den einen Faktor so vielmal setzen müsse, als der andre Ein­
Anwendung; und es entdeckte sich* hier ein neuer Zirkel: Wir heiten habe; es liegt ihm vielleicht eben so sehr am Herzen
haben gewisse Reflexionsgesetze vorausgesetzt, und finden als uns, und er zweifelt bloß daran, ob wir es wirklich beob­
jetzt im Verlaufe der Wissenschaft die gleichen," also sind die achtet haben.
Vorausgesetzten die einzig richtigen.2 Wenn wir andre vor­ Es bleibt demnach, selbst bei der höchsten Einheit des Sy­
ausgesetzt hätten, so würden wir ohne Zweifel in der Wis­ stems, welches die negative Bedingung seiner Richtigkeit ist,
senschaft auch andre*' gefunden haben; es fragt sich nur, ob noch immer etwas übrig, das nie streng erwiesen, sondern
sie mit den vorausgesetzten übereingestimmt haben würden nur als wahrscheinlich angenommen werden kann, nehmlich,
oder nicht; hätten sie nicht mit ihnen übereingestimmt, so daß diese Einheit selbst nicht von ungefähr durch unrichtige
war allerdings sicher, daß entweder die vorausgesetzten oder Folgerung entstanden sei. Man kann mehrere Mittel anwen­
die gefundenen, oder am wahrscheinlichsten beide falsch den, um diese Wahrscheinlichkeit zu erhöhen; man kann die
68 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 69
Reihe der Sätze zu mehreren Malen, wenn sie unserem Ge- seyn wird, ist wahr. Wenn die Menschen irrten, so lag der
dächtniß nicht mehr gegenwärtig sind, durchdenken; man Fehler nicht im Nothwendigen, sondern die reflektirende
kann den umgekehrten Weg machen, und vom Resultate Urtheilskraft machte ihn in ihrer Freiheit; indem sie ein Ge­
zum Grundsätze zurück gehen; man kann über seine Refle­ setz mit einem ändern verwechselte. Ist unsre Wissenschafts­
xion selber wieder reflektiren u. s. f. die Wahrscheinlichkeit lehre eine getroffene Darstellung dieses Systems, so ist sie
wird immer größer, aber nie wird Gewißheit, was bloße schlechthin gewiß und infallibel, wie jenes; aber die Frage
Wahrscheinlichkeit war. Wenn man sich dabei nur bewußt ist eben davon, ob und in wie fern unsre Darstellung getrof­
ist, redlich ge[57] forscht*, und sich nicht schon die Resultate fen seiE/; und darüber können wir nie einen strengen, son­
vorgesetzt zu haben,“' so kann man sich mit dieser W ahr­ dern nur einen Wahrscheinlichkeit begründenden Beweiß
scheinlichkeit gar wohl begnügen, und darf von jedem, der führen. Sie hat nur unter der Bedingung, und nur in so fern
die Zuverlässigkeit unsers Systems in Zweifel zieht, fordern, Wahrheit, als sie getroffen ist. Wir sind nicht Gesetzgeber
daß er uns die Fehler in unsern Folgerungen [58] nachweise; des menschlichen Geistes, sondern seine Historiographen;
aber nie darf man auf Infallibilität Anspruch machen. - Das freilich nicht Zeitungsschreiber, sondern pragmatische Ge­
System des menschlichen Geistes, dessen Darstellung die schichtsschreiber.
Wissenschaftslehre seyn soll, ist absolut gewiß und infalli- Hiezu kommt noch der Umstand, daß ein System wirklich
bel; alles, was in ihm begründet ist, ist schlechthin wahr, e s im Ganzen richtig seyn kann, ohne daß die einzelnen Theile
irrt nie, und was je in einer Menschenseele gewesen ist, oder desselben die völlige Evidenz haben. Es kann hier und da
* Der Philosoph bedarf nicht bloß des Wahrheitssinnes, sondern auch der unrichtig gefolgert, es können Mittelsätze übersprungen, es
Wahrheitsliebe. Ich rede nicht davon, daß er nicht durch feinec/ Sophisti- können erweißbare Sätze ohne Beweiß aufgestellt oder un­
kationen, deren er sich selbst wohl bewußt ist, von denen er aber etwa richtig bewiesen seyn, und die wichtigsten Resultate sind
glaubt, daß sie keiner seiner Zeitgenossen entdecken werde, die schon dennoch richtig. Dieß scheint unmöglich, es scheint, daß eine
vorausgesetzten Resultate zu behaupten suchen solle; dann weiß er selbst
daß er die Wahrheit nicht liebt. Doch ist hierüber jeder sein eigener* haarkleine Abweichung von der geraden Linie nothwendig
Richter, und kein Mensch hat ein Recht, einen ändern Menschen dieser zu einer sich in’s unendliche vergrößernden Abweichung
Unlauterkeit zu bezüchtigen, wo die Anzeigen nicht ganz offen da liegen. führen [59] müsse; und so würde es allerdings seyn, wennF'
Aber auch gegen die unwillkürlichen Sophistikationen, denen kein For­
scher mehr ausgesetzt ist, als der Erforscher des menschlichen Geistes, der Mensch bloß ein denkendes, und nicht auch ein fühlendes
muß er auf seiner Hut seyn: er muß es nicht nur dunkel fühlen, sondern Wesen wäreF/; und wenn nicht oft das Gefühl durch Verur­
es zum klaren Bewußtseyn und zu seiner höchsten Maxime erheben, daß sachung einer neuen Verirrung von der geraden Bahn des
er nur Wahrheit suche, wie sie auch ausfalle und daß selbst die Wahrheit, Räsonnements die alten Verirrungen berichtigte, und ihn
daß es überall keine Wahrheit gebe, ihm willkommen seyn würde, wenn
sie nur Wahrheit wäre. Kein Satz, so trocken und so spitzfindig er aus­ nicht wieder dahin zurückleitete, wohin er durch richtige
sehe, muß ihm gleichgültig - alle müssen ihm gleich heilig seyn, weil sie Folgerung nie wieder zurückgekommen wäre.
in das eine System der Wahrheit gehören, und jeder alle unterstützt. Er Also wird, wenn auch eine allgemeingeltende Wissenschafts­
muß nie fragen: was wird hieraus folgen? sondern seines Weges gerade
fortgehen, was auch immer folgen möge. Er muß keine Mühe scheuen, lehre aufgestellt werden sollte, die philosophirende Urtheils­
und sich dennoch beständig in der Fähigkeit erhalten die mühsamsten kraft noch immer selbst in diesem Felde an ihrer fortdauern­
und tiefsinnigsten Arbeiten aufzugeben, so bald ihm die Grundlosigkeit den Perfektibilität0' zu arbeiten, sie wird noch immer
derselben entweder gezeigt wird, oder er sie selbst entdeckt. Und wenn Lücken auszufüllen, Beweiße zu schärfen, Bestimmungen
er sich denn auch verrechnet hätte, was wäre es mehr? was träfe ihn
weiter, als das bis jetzt allen Denkern gemeinschaftliche Loos? noch näher zu bestimmen haben.
70 Zweiter Abschnitt Zweiter Abschnitt 71
Nodi hab’ ich zwei Anmerkungen hinzu zu setzen: keitH' erwiesen werden; und dieser1' die Handlung B. Die
Die Wissenschaftslehre setzt die Regeln der Reflexion und Handlung A aber ist schlechthin möglich, sie ist ganz unbe­
Abstraktion als bekannt und gültig voraus; sie muß dieß dingt, und mithin darf und soll ihr gar nichts vorausgesetzt
nothwendig thun, und sie hat sich dessen nicht zu schämen, werden. - Das Denken der Handlung A aber ist ganz eine
oder ein Geheimniß daraus zu machen, und es zu v e r ­ andre Hand[61]lung, die weit mehr voraussetzt. Setzet, sie
s t e c k e n . 11 Sie darf sich ausdrücken und Schlüsse machen, sei“' in der Reihe der aufzustellenden Handlungen D, so ist
gerade, wie jede andere Wissenschaft; sie darf alle logischen klar, daß zum Behuf derselben1"' A. B. C. vorausgesetzt, und
Regeln voraussetzen, und alle Begriffe anwenden, deren sie zwar, da jenes Denken das erste Geschäft der Wissenschafts­
bedarf. Diese Voraussetzungen geschehen aber bloß um sich lehre seyn soll, stillschweigend vorausgesetzt werden müssen.
verständlich zu machen, also ohne die mindeste Folge dar­ Erst im Satze D werden die Voraussetzungen des ersten er­
aus zu ziehen. Es muß alles Erweißbare erwiesen, ausser je­ wiesen werden; aber dann wird wieder mehreres vorausge­
nem ersten und höchsten Grundsätze müssen alle Sätze ab- setzt seyn. Die Form der Wissenschaft eilt demnach ihrem
ge[60]leitet werden. So ist z. B. weder der logische Satz der Stoff beständig vor; und das ist der oben angezeigte Grund,
Gegensetzung (des Widerspruchs, der alle Analyse begrün­ warum die Wissenschaft, als solche, nur Wahrscheinlichkeit
det) noch der des Grundes (nichts ist entgegengesetzt, das hat. Das Dargestellte und die Darstellung sind in zwei ver­
nicht in einem dritten gleich wäre, und nichts ist gleich, das schiedenen Reihen. In der ersten wird nichts unerwiesenes
nicht in einem dritten entgegengesetzt wäre, welcher alle vorausgesetzt; für die Möglichkeit de r * zweiten, muß
Synthesis begründet) vom absolut-ersten Grundsätze, wohl nothwendig vorausgesetzt werden, was sich erst später er­
aber von den beiden auf ihm beruhenden Grundsätzen ab­ weisen läßt.
gezogen. Die beiden letztem sind zwar auch Grundsätze, Die Reflexion, welche in der ganzen Wissenschaftslehre, in
aber nicht absolute; es ist nur etwas in ihnen absolut. Diese so ferne sie Wissenschaft ist, herrscht, ist ein Vorstellen-,
Sätze demnach, so wie die logischen Sätze, die auf ihnen daraus aber folgt gar nicht, daß alles, worüber reflektiert
beruhen, müssen zwar nicht bewiesen; aber abgeleitet wer­ wird, auch nur ein Vorstellen seyn werde. In der Wissen­
den. - Ich mache mich noch deutlicher: d a s 1, was die schaftslehre wird das Ich vorgestellt-, es folgt aber nicht,
Wissenschaftslehre aufstellt, ist ein gedachter und in Worte d a ß 1 es bloß als vorstellend, bloß als Intelligenz, vorge­
gefaßter Satz; dasjenige im menschlichen Geiste, welchem stellt51' werde: es können sich noch wohl andre Bestimmun­
dieser Satz korrespondirt, ist irgend eine Handlung dessel­ gen darin auffinden lassen. D a s “ Ich, als philosophiren-
ben, die an sich gar nicht nothwendig gedacht werden müßte. des Subjekt, ist unstreitig nur vorstellend; d a s I c h 11 als
Dieser Handlung muß nichts vorausgesetzt werden, als das­ Objekt des Philosophirens könnte wohl noch etwas mehr
jenige, ohne welches sie als Handlung unmöglich wäre; und seyn. Das Vorstellen ist die höchste und absolut-erste H and­
das wird nicht stillschweigend vorausgesetzt, sondern es ist lung d e s 0 Philosophen, als solchen; die absolut erste
das Geschäft der Wissenschaftslehre, es deutlich, und be­ Handlung des menschlichen Geistes könnte wohl eine andre
stimmt, und als dasjenige aufzustellen, ohne welches die seyn. Daß es so seyn [62] werde, ist vor aller Erfahrung
Handlung unmöglich seyn würde. Es sei z. B. die Handlung vorher schon darum wahrscheinlich, weil sich die Vorstellung
D - die vierte in der Reihe, so muß ihr die Handlung C vor­ vollkommen erschöpfen läßt, und ihr Verfahren durchgän­
her gehen, und als ausschliessende Bedingung ihrer Möglich- gig nothwendig ist; mithin einen letzten Grund seiner Noth-
72 Zweiter Abschnitt
wendigkeit haben muß, der als letzter Grund keinen höheren [63] D ritter Abschnitt.*
haben kann. Unter dieser Voraussetzung könnte eine Wis­
senschaft, die auf den Begriff der Vorstellung aufgebaut Hypothetische Eintheilung
ist, zwar eine höchst nützliche Propädevtik der Wissenschaft, der Wissenschaftslehre
aber sie könnte nicht die Wissenschaftslehre selbst seyn. - So
viel aber folgt aus der obigen Angabe sicher, daß die g e -
s a m m t e n H a n d l u n g s a r t e n ' des menschlichen Gei­ §■ 8 .
stes'", welche die Wissenschaftslehre erschöpfen soll, nur in
der Form der Vorstellung - nur in so fern, und so wie sie Der absolut-erste Grundsatz, da e rb nicht bloß einen Theil
vorgestellt werden - zum Bewußtseyn gelangen. des m e n s c h l i c h e n Wissens, sondern das gesammte
Wissen begründen soll, muß der ganzen Wissenschaftslehre
gemein seyn. Eintheilung ist nur durch Gegensetzung mög­
lich, deren Glieder aber doch einem dritten gleich seyn müs­
sen.
Setzet, das Ich sei der höchste Begriff, und dem Ich werde
ein Nicht-Ich entgegen gesetzt, so ist klar, daß d a s ' letzte­
re nicht entgegengesetzt werden könne, ohne gesetzt, und
| zwar in dem höchsten Begriffenen, dem Ich gesetzt zu seyn.
Also wäre das Ich in zweyer[64]lei Rüdesicht zu betrachten;
als dasjenige, in welchem das Nicht-Ich gesetzt wird; u n d
als dasjenige, welches dem Nidit-Ich entgegengesetzt, und
mithin selbst im absoluten Ich gesetzt wäre. Das letztere Ich
\ sollte dem Nicht-Ich, in so fern beide im absoluten Ich ge-
f setzt sind, darin gleich seyn, und es sollte ihm zugleich in
i eben der Rücksicht entgegengesetzt seyn. Dieß würde sich
’ nur unter der Bedingung eines dritten im Ich denken lassen,
j in welchem beide gleich wären, u n d dieses dritte wäre der
| Begriff der Quantität. Beide hätten eine durch ihr entgegen-
j gesetztes bestimmbare Q uantität’'. Entweder das Ich wird
j durch das Nicht-Ich (seiner Quantität nach) bestimmt. Es ist
j in so fern abhängig; es heißt Intelligenz, und der Theil der
j Wissenschaftslehre, welcher von ihr handelt, ist ihr theoreti-
J scher Theil. Er wird gegründet auf den von den Grundsät-
Bloß der Begriff des Idi, des Nidit-Ich, und der Quantität (der Schran­
ken) sind schlechthin a priori. Aus ihnen sind durch Gegensetzung und
Gleichung alle übrigen reinen Begriffe abzuleiten.
74 Dritter Abschnitt I Dritter Abschnitt 75
zen abzuleitenden, und durch sie zu erweisenden Begriff der des strebenden Ich, deren Anwen[66]dung durch die Einwir­
Vorstellung überhaupt. kung des gegenstrebenden Nicht-Idi auf das Gefühl bedingt
Aber d a sd Ich sollte absolut, und schlechthin durch sich wird, vorgestellt werden.) In ihm wird eine neue durch­
selbst bestimmt seyn: wird es durch das Nicht-Ich bestimmt, gängig bestimmte Theorie des Angenehmen, des Schönen,
so bestimmt es sich nicht selbst, und dem höchsten und abso- und Erhabenen, der Gesetzmäßigkeit der Natur in ihrer
lut-ersten Grundsätze wird widersprochen. Um diesem Wi­ Freiheit, der Gotteslehre, des sogenannten gemeinen Men­
derspruche auszuweichen, müssen wir annehmen, daß das schenverstandes, oder des natürlichen Wahrheitssinnes, und
Nicht-Ich, welches die Intelligenz bestimmen soll, selbst endlich ein Naturrecht, und eine Sittenlehre begründet, deren
durch das Ich, [65] das in diesem Geschäfte nicht vorstellend Grundsätze nicht bloß formal, sondern material sind. Alles
seyn, sondern eine absolute Kausalität haben würde, be­ durch Aufstellung dreier Absoluten. Eines absoluten Ich,
stimmt w e r d e ' . - Da aber eine solche Kausalität das ent­ u n t e r 8 selbstgegebnen, unter Bedingung einer Einwirkung
gegengesetzte Nicht-Ich, und mit ihm die von demselben des Nicht-Idi vorstellbaren G e s e t z e n ' ; eines absoluten
abhängige Vorstellung gänzlich aufheben würde, mithin die von allen unsern Gesetzen unabhängigen und freien, unter
Annahme derselben dem zweiten und dritten Grundsätze der Bedingung, daß es dieselben positiv oder negativ, aber
widerspricht, so muß sie vorgestellt werden, als der Vorstel­ immer in einem endlichen Grade ausdrücke, vorstellbaren
lung widersprechend, als unvorstellbar, als eine Kausalität Nicht-Ich; und e i n e s 1 absoluten, unter der Bedingung,
die nicht Kausalität ist. Aber der Begriff einer Kausalität, ! daß es eine Einwirkung des Nicht-Ich von einer W i r k u n g
die nicht Kausalität ist, ist der Begriff eines Strebens. Die i des Ich, oder einem Gesetze unterscheide, vorstellbaren Ver­
Kausalität ist nur unter der Bedingung einer geendeten An- ] mögens in u n s , uns nach Maaßgabe der Einwirkung bei­
näherung zum Unendlichen denkbar, welche selbst nicht der, schlechthin zu bestimmen. Ueber diese drei Absoluten
denkbar ist. - Dieser als nothwendig zu erweisende Begriff hinaus geht keine Philosophie.
des Strebens wird dem zweiten Theile der Wissenschafts­
lehre zum Grunde gelegt, welcher der Praktische heißt.
Dieser zweite Theil ist an sich bei weitem der Wichtigste; der [67] Es ist den akademischen Bürgern, deren Mitbürger in
erste ist freilich nicht minder wichtig, aber nur als Grundlage kurzem zu seyn, ich mir zur Ehre schätze, aus den Lektions­
des zweiten, und weil dieser ohne ihn schlechthin unver­ ankündigungen bekannt, welche Vorlesungen ich über die
ständlich ist. Im zweiten bekommt der theoretische Theil Wissenschaft, deren Begriff ich hier zu entwickeln suchte, zu
erst seine sichere Begrenzung, und seine feste Grundlage, halten gedenke; und ich habe Ihnen darüber nichts weiter
i n d e m ' aus dem aufgestellten nothwendigen Streben, die zu sagen, als daß ich hoffe, Ihnen den Leitfaden für beide
Fragen beantwortet werden: Warum müssen wir unter der Theile derselben als Handschrift für meine Zuhörer* ge­
Bedingung einer vorhandenen Affektion überhaupt vorstel­ druckt in die Hände liefern zu können. Die gewählten Stun­
len; mit welchem Rechte beziehen wir die Vorstellung auf den werde ich nach meiner Ankunft an dem gewöhnlichen
etwas ausser uns, als auf ihre Ursache; mit welchem Rechte Orte anzeigen.
nehmen wir überhaupt ein durchgängig durch Gesetze be­ * Das Ietztre nicht um die Rechte der Kritik zu schmälern, sondern um
stimmtes Vorstellungsvermögen an: (welche Gesetze nicht als der Kritik und ihrem Repräsentanten, dem Publikum meine Achtung zu
im Vorstellungsvermögen einheimisch, sondern als Gesetze bezeigen.
76 Dritter Abschnitt
Ueber Einen Punkt nur bin ich Ihnen noch eine Erklärung [IX] Vorrede zur zweiten Ausgabe
schuldig. - Die Wissenschaften sind, wie Ihnen allen ohne
Zweifel bekannt ist, nicht zu einer müssigen Geistesbeschäf­
tigung, und für die Bedürfnisse eines verfeinerten Luxus er­ Diese kleine Schrift hatte sich vergriffen. Ich bedarf der­
funden. Dann gehörte der Gelehrte gerade in die Klasse, selben, um in meinen Vorlesungen mich darauf zu beziehen;
in welche die lebenden Werkzeuge des Luxus, der weiter auch ist sie, einige Aufsätze im Philosophischen Journal
nichts als Luxus ist, alle gehören, und selbst in dieser dürfte einer Gesellschaft teutscher Gelehrten25 abgerechnet, bis jetzt
ihm der oberste Platz streitig gemacht werden. Alles unser die einzige Schrift, in welcher über das Philosophiren in der
Forschen muß auf den höchsten Zweck der Menschheit, auf Wissenschaftslehre-selbst philosophirt wird, und die daher
die Veredlung des Geschlechts, dessen Mitglieder wir sind, zu einer Einleitung in dieses System dient. Diese Gründe
ausgehen, und von den Zöglingen der Wissenschaft aus muß, haben mich bewogen, eine neue Ausgabe derselben zu veran­
als vom Mittelpunkte, Hum anität im [68] höchsten Sinne stalten.
des Worts sich rund um sie herum verbreiten. Jeder Zuwachs, Sogar den Zweck, und das Wesen dieser Schrift hat man,
den die Wissenschaft erhält, vermehrt die Pflichten ihrer ohnerachtet ihres bestimm[X]ten Titels, und ihres Inhalts,
Diener. Es wird also immer nothwendiger, folgende Fragen häufig verkannt, und es wird bei der zweiten Ausgabe
recht ernstlich zu beherzigen: Welches ist die eigentliche Be­ nöthig, was ich bei der ersten für völlig unnöthig hielt, sich
stimmung des Gelehrten, auf welchen Platz in der Ordnung über diese Punkte in einer Vorrede bestimmt zu erklä­
der Dinge ist er gestellt, in welchen Verhältnissen stehen die ren. — Es kann nemlich über die Metaphysik, die nur nicht
Gelehrten unter sich selbst, gegen die übrigen Menschen eine Lehre von den vorgeblichen Dingen an sich seyn muß,
überhaupt, und insbesondre gegen die einzelnen Stände sondern eine genetische Ableitung dessen, was in unserm
derselben, wie und durch welche Mittel können sie den Bewußtseyn vorkommt, selbst wiederum philosophirt, - es
Pflichten, die ihnen durch diese Verhältnisse aufgelegt sind, können Untersuchungen angestellt werden über die Möglich­
am geschicktesten Genüge thun, und wie haben sie sich zu keit, die eigentliche Bedeutung, die Regeln einer solchen
dieser Geschicklichkeit zu bilden? Diese Fragen sind es, die Wissenschaft; und es ist sehr vortheilhaft für die Bearbeitung
ich in den öffentlichen Vorlesungen, welche ich unter der der Wissenschaft selbst, daß dies geschehe. Ein System von
Benennung Moral für Gelehrte, angekündigt habe, zu be­ dergleichen Untersuchungen heißt in philosophischer H in­
antworten suchen werde. Erwarten Sie von diesen Unter­ sicht Kritik; wenigstens sollte man nur das angegebene mit
haltungen nicht eine systematische Wissenschaft; dem Ge­ diesem Namen bezeichnen. Die Kritik ist nicht selbst die
lehrten fehlt es öfterer beim Handeln, als beim Wissen. Metaphysik, sondern liegt über sie hinaus: sie verhält sich
Vergönnen Sie vielmehr, daß wir in diesen Stunden, wie zur Metaphysik gerade so, wie diese sich verhält zur ge­
eine Gesellschaft von Freunden, die mehr als Ein Band wöhnlichen Ansicht des natürlichen Verstandes. Die Meta­
vereinigt, uns zum hohen feurigen Gefühl unsrer gemein­ physik erklärt diese Ansicht, und sie selbst wird erklärt in
schaftlichen Pflichten ermuntern. der Kritik: Die eigentliche Kritik kritisirt das philoso­
phische Denken: soll die Philosophie selbst auch kritisch
heißen, so [XI] kann man von ihr nur sagen, daß sie das
natürliche Denken kritisire. Eine reine Kritik - die Kan-
78 Vorrede zur zweiten Ausgabe Vorrede zur zweiten Ausgabe 79
tische z. B. die sich als Kritik ankündigte, ist nidhts weniger ben. - Eine Wissenschaft, und die Kritik derselben, unter­
als rein, sondern großentheils selbst Metaphysik; sie kriti- stützen und erklären sich wechselseitig. Erst [X III] wenn
sirt bald das philosophische, bald das natürliche Denken: die reine Darstellung der Wissenschaftslehre selbst möglich
welches ihr an sich gar nicht zum Tadel gereichen würde, seyn wird, wird es leicht seyn, systematisch und vollständig
wenn sie nur die so eben gemachte Unterscheidung theils über das Verfahren derselben Rechenschaft abzulegen. Ver­
überhaupt bestimmt angegeben, theils bei einzelnen Untersu­ zeihe das Publicum dem Verf. vorläufige, und unvollständige
chungen angedeutet hätte, auf welchem Gebiete dieselben Arbeiten, bis einst er selbst, oder ein anderer, vollenden
lägen: - eine reine Kritik, sage ich, enthält keine metaphysi­ kann!
schen Untersuchungen beigemischt; eine reine Metaphysik - In diesem neuen Abdrucke sind bloß mehrere Wendungen
die bisherigen Bearbeitungen der Wissenschaftslehre, die sich und Ausdrücke, die nicht bestimmt genug waren, geändert,
als Metaphysik ankündigte, sind in dieser Absicht nicht rein, einige Anmerkungen unter dem Texte, welche das System in
noch konnten sie es seyn, indem nur durch Hülfe der bei­ Streitigkeiten verwickelten, deren es sich bis jetzt noch über­
gefügten kritischen Winke diese ungewöhnliche Denkart sich heben kann, und der ganze dritte Abschnitt (hypothetische
einigen Eingang versprechen durfte - eine reine Metaphysik, Eintheilung der Wissenschaftslehre) der gleich bei seiner
sage ich, enthält keine fernere Kritik, als mit welcher man Abfassung nur einen temporären Zweck hatte, und dessen
schon vor ihr vorher ins reine gekommen seyn soll. Inhalt seitdem in der Grundlage der gesammten W. L.26
Das gesagte bestimmt genau das Wesen der folgenden ausführlicher und deutlicher vorgetragen ist, weggelassen
Schrift. Sie ist ein Theil der Kritik der Wissenschaftslehre, worden.
keineswegs [X II] aber die Wissenschaftslehre selbst, oder Indem ich eine Schrift, in welcher ich mein System zu aller­
von ihr ein Theil. erst ankündigte, wieder herausgebe, ist es vielleicht nicht
Sie ist ein Theil dieser Kritik, sagte ich. Sie beschäftigt sich unschicklich, einiges zur Geschichte der Aufnahme beizu­
besonders damit, das Verhältniß der Wissenschaftslehre zu bringen, welche dieses System bisher gefunden. Wenige er­
dem gemeinen Wissen, und zu den auf dem Standpunkte griffen die vernünftigere Maas[XIV]regel, vorläufig stille
desselben möglichen Wissenschaften, der Materie des Wissens zu schweigen und sich erst ein wenig zu bedenken; die meh-
nach, darzustellen. Aber es giebt noch eine andere Betrach­ rern Hessen ihr dummes Staunen über die neue Erscheinung
tung, welche sehr viel beitragen kann, einen richtigen Begriff unverholen blicken, und empfingen sie mit blödsinnigem
unsers Systems zu erzeugen, dasselbe gegen Misverständnisse Gelach, und abgeschmacktem Spott; die gutmüthigeren unter
zu schützen, und ihm Eingang zu verschaffen; die, über das diesen wollten zur Entschuldigung des Verfassers glauben,
Verhältniß des transscendentalen Denkens zu dem gemeinen daß die ganze Sache bloß ein übel ausgedachter Spaß sey,
der Form nach, d. h. die Beschreibung des Gesichtspunktes, während andere im Ernste nachsannen, wie man ihn bald
aus welchem der transscendentale Philosoph alles Wissen er­ »im Innern gewisser milden Stifftungen« versorgen könne.
blickt, und seiner Gemüthsstimmung in der Speculation. Der - Es würde den lehrreichsten Beitrag zur Geschichte des
Verf. glaubt über diese Punkte in seinen zwei Einleitungen menschlichen Geistes abgeben, wenn man erzählen könnte,
zu einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre, (in dem wie gewisse Philosopheme bei ihrer ersten Erscheinung auf­
eben genannten Iournale, im Iahrgange 1797)25 besonders genommen worden; es ist «in wahrer Verlust, daß man die
in der zweiten, sich mit einiger Deutlichkeit erklärt zu ha­ in dem ersten Erstaunen gefällten Urtheile der Zeitgenossen
80 Vorrede zur zweiten Ausgabe Vorrede zur zweiten Ausgabe 81
über einige ältere Systeme nicht mehr besitzt. In Rüdesicht fen sclavischer und brutaler Nachbeter zu bilden. Theils
des Kantischen Systems ist es noch Zeit, eine Sammlung der sollte man glauben, daß die Teutschen durch die zunächst
ersten Recensionen desselben, - die in der wohlberühmten vorhergegangene traurige Begebenheit sich abschrecken las­
Göttingisdien Gelehrten Zeitung an der Spitze - zu veran­ sen, und nicht kurz hintereinander zweimahl das loch der
stalten, und für die künftigen Zeitalter, als Seltenheiten, Nachbeterei aufladen werden; theils scheint sowohl der bis
aufzubewahren. Für die Wissenschaftslehre will ich selbst jetzt gewählte einen festen Buchstaben vermeidende Vortrag,
dieses Geschäft übernehmen; und um einen Anfang zu ma­ als der innere Geist dieser Lehre sie gegen gedankenlose
chen, lege ich [XV] dieser Schrift zwei der merkwürdigsten Nachsprecher zu schützen; auch ist es von den Freunden
dahin einschlagenden Recensionen bei27 - es versteht sich, derselben nicht zu erwarten, daß sie eine solche Huldigung
ohne Bemerkungen hinzuzusetzen. Es bedarf für das philo­ wohl aufnehmen werden.
sophische Publicum, welches gegenwärtig mit meinem Sy­ Für die Vollendung des Systems ist noch unbeschreiblich viel
steme besser bekannt ist, solcher Bemerkungen nicht, und zu thun. Es ist jetzt [XVII] kaum der Grund gelegt, kaum
für die Urheber jener Recensionen ist es Unglück genug, ein Anfang des Baues gemacht; und der Verf. will alle seine
gesagt zu haben, was sie in denselben sagen. bisherigen Arbeiten nur für vorläufige gehalten wissen. Die
Ohnerachtet dieses abschreckenden Empfanges hat dennoch feste Hoffnung, die er nunmehr fassen kann, nicht, wie er
bald darauf dieses System glücklichere Schicksaale gehabt, als vorher befürchtete, auf gutes Glück, in der individuellen
wohl irgend einem ändern zu Theile geworden seyn dürften. Form, in der es sich ihmA zuerst darbot, für irgend ein
Mehrere junge geistreiche Köpfe haben es mit Feuer ergrif­ künftiges Zeitalter, das ihnB verstehen dürfte, in todten
fen, und ein verdienstvoller Veteran in der philosophischen Buchstaben, sein System niederlegen zu müssen, sondern
Literatur28 hat ihm nach langer und reifer Prüfung seinen schon mit seinen Zeitgenossen sich darüber zu verständigen,
Beifall gegeben.29 Es läßt von den vereinten Bemühungen so und zu berathen, dasselbe durch gemeinschaftliche Bearbei­
vieler vortreflichen Köpfe sich erwarten, daß es bald recht tung mehrerer eine allgemeinere Form gewinnen zu sehen,
vielseitig dargestellt, und ausgebreitet angewendet, die Um­ und es lebendig im Geiste und der Denkart des Zeitalters zu
stimmung des Philosophirens, und vermittelst desselben, des hinterlassen, ändert den Plan, den er sich bei der ersten An­
wissenschaftlichen Verfahrens überhaupt bewirken werde, kündigung desselben vorschrieb. Er wird nemlich in der
welche es beabsichtiget. Ohnerachtet der Aehnlichkeit seiner systematischen Ausführung des Systems vor jetzt nicht weiter
ersten Aufnahme mit der Aufnahme des zu [XVI] nächst vor­ fortschreiten, sondern erst das bis jetzt erfundene vielseitiger
hergegangenen - ändern Systems wie gute Kenner glauben - darstellen, und vollkommen klar, und jedem unbefangenen
ändern Darstellung ebendesselben Systems, wie ich gleichfalls evident zu machen suchen. Ein Anfang dieser Arbeit ist
nicht ohne gute Gründe annehme, (über welchen Punkt je­ schon in dem obengenannten Journale gemacht worden, und
doch weiter zu streiten ich feierlich aufgebe), ohnerachtet sie wird fortgesetzt werden, so wie meine nächsten Geschäfte,
dieser Aehnlichkeit, sage ich, - ob schon, wie sich das von als academisther Docent, es verstatten. [XVIII] Mehreren
Kantianern versteht, die Aufnahme der Wissenschaftslehre mir bekannt gewordnen Aeußerungen zufolge ist durch jene
viel gröber und pöbelhafter ausfiel, als die der Kantischen Aufsätze manchem ein Licht auf gegangen; und wenn die
Schriften - werden doch hoffentlich beide - Systeme oder Denkart des Publicum über die neue Lehre nicht allgemeiner
Darstellungen, nicht den gleichen Erfolg haben, einen H au­ umgestimmt worden, so kommt dies wohl mit daher, daß
82 Vorrede zur zweiten Ausgabe
jenes Journal nicht sehr verbreitet zu seyn scheint. Zu dem­ [67] Beilagen.
selben Zwecke werde ich, sobald es meine Zeit erlaubt, einen
neuen Versuch einer streng- und rein-systematischen Dar­
stellung der Grundlage der Wissenschaftslehre erscheinen 1) Recension von S c h e l l i n g s Schrift: U e b e r d i e
lassen. Jena, zur Michaelismesse 1798. M ö g l i c h k e i t einer Form der P h i l o s o ­
p h i e ü b e r h a u p t 30 ; von einem unbekannten Ver­
fasser, herausgegeben von Iacob zu Halle31, in den A n­
nalen der Philosophie32. 1 .179S. 4 St.33*
Man könnte diese Schrift leicht für eine Satire halten auf
das ganz neuerlich gewebte und noch zu webende Spinnen­
gewebe der überfeinen und fruchtlosen Spekulationen. Der
Verf. hebt damit an, daß die neuesten Erscheinungen in der
philosophischen Welt das Bedürfniß einer Urform aller Wis­
senschaft auch ihn haben empfinden lassen, daß Kant diesen
Punkt nur zur Sprache gebracht habe, daß Aenesidemus
Zweifel und Maimons Theorie des Denkens bewiesen,
Reinhold habe den rechten Fleck in der Theorie des Vor­
stellungsvermögens noch nicht getroffen. H err Fichte scheine
der Sache zwar näher zu kommen, aber doch sey er noch
[68] nicht tief genug eingedrungen. Hierauf fängt er nun
selbst an, die einfachen Begriffe so fein zu spalten, daß
jedem ehrlichen Manne Hören und Sehen darüber vergeht,
und daß sich die subtilsten Scholastiker gegen ihn verstecken
müssen. Endlich findet der Verfasser auf seinem dornichten
rauhen Wege, den die Menschheit so sehr interessirenden
Satz, als das oberste Princip aller Philosophie, welcher heißt:
Ich ist Ich; Beweis. Denn das oberste Princip muß ein solches
seyn, das sich dem Inhalte und der Form nach selbst setzt.
Es kann sich aber nichts selbst setzen, als was ein schlechthin
unabhängiges Selbst enthält, und das gesetzt ist, nicht weil es
gesetzt ist, sondern weil es selbst das Setzende ist. Das
* Ohnerachtet diese Recension nidit unmittelbar eine meiner Sdtriften
betrift, so ist sie dodi gegen dieselbe Art zu philosophiren gerichtet, die
auch in meinem Systeme herrscht; und ist daher ein Aktenstüdc zur Ge-
schichte der Aufnahme dieses Systems.
84 Beilagen Beilagen 83
durch sich selbst gesetzte Ich ist aber das Setzende. Der Satz Zum Belege dient die ganze kleine Schrift von dem Titel an
kann auch ausgedruckt werden A = A (25). Neben diesem bis zu Ende. Wie muß es dem guten [70] tiefsinnigen, wahr­
kommt ein anderer eben so erhabener Grundsatz zu stehen, haftig gründlichen und an reellen Kenntnissen reichen Phi­
welcher (27) lautet: Nicbt-Icb ist Nicht-Ich. Denn das Nicht- losophen in Königsberg schmerzen, wenn er sieht, daß solcher
Ich ist durch das Ich bedingt, das Ich aber ist durchs absolute Unfug mit seiner Philosophie getrieben wird, und daß sie
Ich bedingt, und wird deswegen und auch nur deswegen ein das Interesse an dergleichen überscholastischen Grillen und
Nicht-Ich. Endlich vollendet ein drittes Princip, das durch Spitzfindigkeiten erregt, denen er gerade entgegenarbeiten
die beyden vorhergehenden bestimmt ist, alles. Dieses ist wollte. Es wäre nicht der Mühe werth, hierüber so viel
(31) die Vorstellung, welche erst durch das Ich und Nicht- Worte zu machen, da diese luftigen Gebäude in unserm
Ich möglich ist. Diese drey Grundsätze enthalten die Urform Zeitalter schwerlich beharrliche Liebhaber finden werden,
aller Wissenschaft, die Form der Unbedingtheit, der Be­ wenn nicht zu fürchten wäre, daß sich dieses Unwesen auch
dingtheit und der durch Unbedingtheit bestimmten Bedingt­ auf Universitäten einschleichen, und die jungen Leute um
heit (34 )!! ihre edle Zeit bringen möchte. Denn es ist bequemer, aus
[69] Die nähere Beschreibung des Details dieser Schrift wer­ sich selbst Gedanken zu spinnen, mit ihnen wie mit Karten
den die Leser dem Rec. gern erlassen. Unter allen, was der zu spielen, Systeme nach Belieben aufzubauen und einzurei­
Verf. gesagt hat, ist das Angeführte das Allerverständlich­ ßen, als Folianten durchzustudieren, Tatsachen mühsam
ste. Zu wünschen wäre es, daß sie ein blosses Produkt der zusammen zu lesen, Zahlen und Nahmen der Kritik zu un­
Ironie wäre. Aber leider! betreiben viele unsrer jungen und terwerfen, und die N atur zu erforschen. Und wenn jener
scharfsinnigen Denker diese Sylbenstecherey und W ortklau- Sylben- und W örterkram sich den Titel der Philosophie
berey mit einer unglaublichen Aemsigkeit und mit einem erwirbt; so blähet leicht ein Nichts die lugend auf, und sie
bedauernswürdigen Ernste, und die vorliegenden Bogen sind versäumt, voll von ihrer eingebildeten Weisheit, nützlichere
so sehr in dieser Manier abgefaßt, daß man alle Ursache hat, Kenntnisse; so wird die Philosophie in der Gesellschaft der
eine ernstliche Verirrung dieses, wie es scheint, talentvollen übrigen Gelehrten lächerlich, und ihre innigen Verehrer
wahrscheinlich jungen Mannes, zu vermuthen. Rec., der seit müssen sich ihres Nahmens schämen, aus Furcht mit Sylben-
15 Iahren sich mit Metaphysik beschäftigt, und dem Publi­ stechern und Dunsen verwechselt zu werden. Rec. ist ein
kum Proben davon gegeben hat, die mit Achtung aufgenom­ inniger herzlicher Verehrer Kants und seiner philosophischen
men sind, versichert aufrichtig, daß er in allen den Worten, Bemühungen, aber mit jenen philosophischen Alchymisten,
welche der Verf. auf 62 Seiten zusammengebracht hat, nicht die nach ihm den Stein der Weisen, die Form der [71] Form,
einen einzigen Gedanken gefunden, welchen, dem Publikum die formale und materiale Form, die Ur-Ur-Wissenschaft,
mitzutheilen sich der Mühe verlohnte. Die ganze Schrift ist das sich selbst Setzende, den Stoff und die Form suchen,
ein Gewebe trockener, dunkler, unverständlicher und höchst die immer von Evidenz reden, und in deren Schriften nichts
unfruchtbarer Sätze, armseliger Subtilitäten, ein elendes evident ist, als daß sie sich selbst nicht minder als ändern
Spielwerk mit Begriffen, das unerachtet des darauf ver­ unverständlich sind, die klare Vorstellungen durch dunkle
wandten Scharfsinnes, unerachtet des wichtigen Tones, mit Merkmahle dunkel machen, die sich unter lauter Distinctio-
welchem alles ausgekramt wird, auf nichts als auf leere nen herum tummeln, welche den feinsten Nadelspitzen glei­
Spitzfindigkeiten hinaus läuft. chen, und die nirgends als auf der feinsten Nadelspitze
86 Beilagen Beilagen 87
feinsten Spitze, des Systems Festigkeit zu finden hoffen. Mit verhalten mag, so muß doch derselben das problematische
dieser Classe von Philosophen hat Rec. nichts zu thun. Er Urtheilen selbst nicht nur fremd, sondern selbst unmöglich
wünscht bloß, daß sie ihren Scharfsinn zu etwas bessern seyn.« -
anwenden, und den Nahmen der Philosophie nicht durch Die tiefer unten folgenden Aeußerungen des Rec. aus wel­
sterile Untersuchungen und läppische Fragen lächerlich und chen, wie aus der angeführten, erhellet, daß er die Unter­
verächtlich machen!* suchung über die W. L. etc. mit der W. L. selbst verwechselt,
sonach nicht den entferntesten Begriff von der recensirten
2) Auszug* aus der Recension meiner Schrift: ü b e r d e n Schrift gehabt habe, übergehe ich.
B e g r i f f der W i s s e n s c h a f t s l e h r e , und der [73] »Der Verfasser deutet sein Geschäft an, das er beginnt,
G r u n d l a g e d e r W. L.u v e r f a ß t v o n Hr n . und dem er seine Muse widmen will, durch die Bemerkung
P r o f . B e c k™ z u H a l l e , (man sehe F o r b e r g s31 desjenigen, was Kant noch nicht gethan hat, und was der­
F r a g m e n t e a u s m e i n e n P a p i e r e n S. 78 u. selbe zu thun ihm übrig gelassen. Kant hat nämlich die letzte
80.™) herausgegeben von Iacob, in den Annalen, I. 1795. Grenze des endlichen Wissens nie bestimmt, und ob er sie
St.™ 16.17. 18.™ gleich selbst erreicht, so habe er sie doch nicht als die lezte
Grenze angegeben. Ganz falsch! In der Zergliederung der
»Dogmatische Methode besteht in einem Zusammensetzen ursprünglichen Synthesis der Kategorien, (die keine Zerglie­
und Spalten der Begriffe, wodurch gerade [72] aller Begriff, derung der Begriffe ist), hat die Kritik das Wissen selbst
das ist: aller Verstandesgebrauch, aufgehoben und in die zergliedert, mithin allerdings die Grenzen desselben be­
Stelle des Verständlichen ein bloßes unverständliches Spiel stimmt.« - »Diec Gleichheit (gewisser Sätze mit ändern,
gesetzt wird. - Gerade eine dieser kritischen entgegengesetzte weil sie aus ihnen zu deduciren sind) spielt in des Verfassers
Denkart athmet die Wissenschaftslehre schon in der bloßen Systeme eine wichtige Rolle, wovon der Grund in seiner
Anlage, die der Verf. vorjetzt noch hat dem Publikum vor­ dogmatischen Denkart liegt, das ist, in der Verwechselung
legen wollen.« - Bei der Aeußerung des Verf., daß seinen einer bloß logischen Gedankenverbindung mit der ursprüng­
vorläufigen Untersuchungen über den Begriff der W. L. nur lichen Synthesis, auf der doch aller Verstandesgebrauch be­
hypothetische Gültigkeit zukomme, weil man vor dem Ver­ ruht. Die Verknüpfung der Begriffe in dem Urtheile: Gold
suche vorher nicht wissen könne, ob eine solche Wissenschaft ist ein Körper, ist bloß logisch. Die Kritik nennt die dadurch
möglich seyn werde, entgegnet der Rec.: »Wer etwa“ den­ entstandene Einheit, die analytische. Da ist es nun ganz
ken wollte, daß der Satz der K ritik: »die synthetischen Ur- richtig, daß das Subjekt: Gold, als ein Theil von der Sphäre
theile a priori machen die Erfahrung möglich, auch hypothe­ des Prädikats: Körper, vorgestellt wird, und es ist logisch
tische Gültigkeit habe, der hat den Sinn dieser Behauptung richtig zu sagen, daß die Sphäre des Subjekts einem Theile
nicht ergründet, und der macht sich von demjenigen, das er der Sphäre des Prädikats gleich sey. Ist aber nicht von abge­
ausspricht, selbst keinen Begriff.« H err F.40 will ja eine leiteten Vorstellungen, sondern vom ursprünglichen Vorstel­
Theorie alles Wissens aufstellen. Wie es sich nun auch damit len, von der ursprünglich synthetischen Einheit der Katego­
* Einen Auszug gebe ich, weil das Ganze zu lang, und [72] zu langweilig
rien die Rede, wovon doch in dieser Wissenschaftslehre die
ist. Der Rec. bleibt sich aber vom Anfänge bis zum Ende treu, welches ich [74] Rede seyn müßte, sofern sie mehr als bloße Logik seyn
indeß mir auf mein Wort zu glauben bitte. soll, dann ists falsch zu sagen, daß in irgend einer Rücksicht
88 Beilagen Beilagen 89
das Accidenz der Substanz gleich sey.« - »Rec. enthält sich, Grundsatz. So viel R. urtheilen kann, würde die Formel für
seine Versicherung, daß diese Abschnitte den größten Unsinn den ersten seyn: Nicht-Idi ist Nicht-Ich, die Kategorie der
enthalten, mit Proben zu belegen, um noch für eine kurze Negation, welcher Satz, insofern er bloßer logischer Satz ist,
Anzeige der Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, unter der höchsten Form der Förmlichkeit überhaupt steht,
Raum zu gewinnen. und den zweyten: Ich ist Nicht-Ich die Kategorie der Wech­
Wir glauben jeden Leser, der wie ein Mann denkt, durch die selwirkung. Der zweyte Theil des Buchs enthält die Grund­
bisherige Beurtheilung und Darstellung der Fichtischen Ein­ lage des theoretischen Wissens. Wir wollen nur weniges dar­
fälle von ihrem gänzlichen Unwerthe überzeugt zu haben. aus ausheben; denn einen das Ganze umfassenden Blick zu
Ein ungereimtes Mährchen ist in W ahrheit etwas ganz leid­ geben ist unmöglich. Unter ändern erfahren wir den Unter­
licheres, als eine überfeine Philosophie von dieser Art, weil schied zwischen Substanz und Accidenz auf folgende Art.
in jenem die Ungereimtheit selbst doch noch unterhalten Es ist hier, bemerkt der Verfasser, wie das bey jeder Synthe­
kann, diese aber gar nichts zu denken verstattet. Die Grund­ sis zu geschehen pflegt, in der Mitte alles richtig vereinigt
lage der Wissenschaftslehre fiel dem R,41 zuerst in die Hände, und verknüpft, [76] nicht aber die beyden äußersten Enden.
und er ließ sich eine ganze Weile von dem Gedanken hin- Wenn in einem Raume Licht, und in einem ändern Finster­
halten, daß der V.42 die tändelnde Manier zu philosophieren niß gesetzt wird, so muß es nothwendig zwischen beyden
vieler anwachsenden Philosophen in unsern Tagen, in der einen Punkt geben, in welchem Licht und Finsterniß zugleich
Idee eines Größten, anschaulich habe vorstellen wollen. Die angetroffen wird. Da dies nun ein Widerspruch ist, so setzt
Bestimmung des Buchs aber, zum Leitfaden für Vorlesungen, man ein Mittelglied: Dämmerung. Aber damit ist dem
und der eben beurtheilte Vorläufer desselben, mußte Rec. Widerspruche auch nicht ausgewichen. Man ist also gezwun­
am Ende freylich belehren, daß der V. im ganzen Ernste die gen ein Continuum vom Licht bis zur Finsterniß anzuneh­
Philosophie zu reformiren meine. Wenn der Leser anders, men, und mithin die Finsterniß, als eine unendlich kleine
durch jene Vorbereitung zu dieser Wissenschaftslehre, den Portion Licht vorzustellen. Also muß auch das Accidenz:
wichtigen Grundsatz alles [75] menschlichen Wissens, in Nicht-Ich der Substanz: Ich, als eine unendlich kleine Quan­
welchem so wohl der Bau des geringsten Gräschens, als die tität der Substanz: Ich, vorgestellt werden. -
Bewegung der Planeten enthalten ist, zu erfahren, begierig S. 138. Kant erweiset die Idealität der Objecte aus der vor­
geworden wäre, so kann er diesen ersten, schlechthin unbe­ ausgesetzten Idealität der Zeit und des Raums: wir werden
dingten Grundsatz gleich auf den ersten Seiten der Wissen­ umgekehrt die Idealität der Zeit und des Raums aus der
schaftslehre lernen. Er heißt! Ich bin Ich und kann auch aus­ erwiesenen Idealität der Objecte erweisen. Er bedarf idealiter
gedruckt werden: Ich = Ich. Er ist der Satz des Setzens und Objecte um Zeit und Raum zu füllen; wir bedürfen der Zeit
macht das Setzende oder die Kategorie der Realität = X aus und des Raums, um die idealen Objecte stellen zu können.
in jedem Satze: A ist A. Wir erfahren hier den eigentlichen Daher geht unser Idealismus, der aber gar kein dogmati­
Sinn des Spinozismus. Das Ich hielt Spinoza zwar für das scher, sondern ein kritischer ist, um einige Schritte weiter, als
Ich-Ich; aber er frug, was es für etwas außer dem Ich seyn der seinige. - Daß Kant in seinen Kritiken die Wissenschaft
würde. Der Leser wird sich aus dem Vorhergehenden er­ nicht, sondern nur die Propädevtik derselben aufstellen
innern, das es noch zwey andere Grundsätze gebe, einen sei­ wolle, hat er einigemal gesagt; und es ist schwer zu begrei­
nem Gehalte nach, und einen seiner Form nach bedingten fen, warum seine Nachbeter nur dieses ihm nicht glauben
90 Beilagen
wollen, (ein elender Ton, den H. F.43 viel zu früh an­ Textkritische Bemerkungen
nimmt) !
[77] Recensent hat in beiden Schriften nichts so unterhaltend
gefunden, als die vielen Schlußzirkel, auf welche der V. sich Zur Vorrede
oft betrift, und die er jedesmal aufrichtig gesteht. Der Grund
von dieser Aufrichtigkeit liegt aber darin, daß diese Zirkel A 2. A ufl. V o r r e d e , zur ersten Ausgabe.
nicht von der gewöhnlichen A rt sind. Sie sind magische Zir­ B Diese Anm erkung fehlt in der 2. Auflage.
kel, die bey aller Zirkelförmigkeit, große beweisende Kraft C 2. A ufl. s ta tt: K A N T besonders K ant, besonders
D 2. A ufl. sta tt: eben so ebenso
und herrliche Aufschlüsse enthalten. Der verständlichste von a l.A u fl. Vorschriften D . V .: V orschritten, statt: Vorschriften,
allen ist der, womit die Grundlage beginnt, auf den der V. b 1. A ufl. sagte. Ausser D. V .: von A ußer an sollte abgesetzt
zeitig genug stieß, um einzuhalten und sein Unternehmen zu seyn.
überlegen, und der ganz kurz in folgendem besteht. Die c l.A u fl. übertriebne D. V .: 1. übertriebnen st. übertriebne.
Ausmittelung des höchsten Grundsatzes alles Wissens kann E 2. Aufl. durch übertriebene E rw artungen
nicht anders geschehen, als vermittelst der Anerkennung d 1. A ufl. den D. V .: 1. dem st. den
aller Gesetze des Denkens, die doch allererst aus diesem e 1. A ufl. daß
höchsten Grundsätze abgeleitet werden können. Der Verf. F 2. A ufl. W illen, zu
G In der 2. Auflage folgt die V orrede zur zw eiten Ausgabe,
beherzige diesen Zirkel doch noch einmal. Vielleicht trift s. S. 77.
er den wahren Geist der kritischen Philosophie, die eben
darum kritisch ist, weil sie an der ursprünglichen Synthesis
der Kategorien einen Grundsatz aufstellt, der von allen Zir­ Zum ersten Abschnitt
keln frey ist, und indem sie eben hierin die Sphäre des Ver­ §. 1. H ypothetisch aufgestellter B egriff der Wissenschaftslehre.
standesgebrauchs, (des Verständlichen), offenbart und um- A 2. A ufl. e i n e W i s s e n s c h a f t ; - darüber sind alle Be­
gränzt, und Thürme aus Begriffen erbauet, vom ächten Phi- schreibungen der Philosophie so übereinstim m end, als sie in
losophiren ihren Vertrauten unterscheiden lehrt. der Bestimmung des Objects dieser W issenschaft getheilt sind.
B 2. A ufl. diese U neinigkeit daher
C 2. A ufl. Z usatz: für welche sie einm üthig die Philosophie an­
erkennen
D 2. A ufl. entwickelt war? Wie wenn die Bestimmung dieses
einzigen von allen zugestandnen M erkm als
E 2. A ufl. aber
F 2. Aufl. würde
G 2. A ufl. Lehrsatz anführt
H 2. Aufl. den Satz; daß eine auf einer horizontalen Fläche in
einem rechten W inkel aufgestellte Säule perpendicular stehe,
und ins unbedingte verlängert, nach keiner von beiden Seiten
hängen w erde; welches er ehemals gehört, und in vielfältiger
E rfahrung als w ahr befunden;
92 Textkritische Bemerkungen Textkritische Bemerkungen 93
I 2. A ufl. ob er gleich diese Frage beantw ortet hätten, drückt uns nicht eine neue,
a 1. A ufl. fuhren von jener ersten ganz unterschiedne? - W ir wollen
K 2. Aufl. systematisch führen kann. G' 2. A ufl. Bedingungen dieses Zusammenhangs anzunehm en?
L 2. A ufl. des e 1. A ufl. G estalt D . V .: G ehalt, statt: Gestalt.
M 2. A ufl. seinem H' 2. A ufl. erkennbaren festen
N 2. A ufl. der letztere, ohne alle sdiulgerechte Form , etwas sagt I' 2. A ufl. auf Nichts, wenigstens für uns auf Nichts beru
das er wirklich w eiß , und wissen kann. K' 2. A ufl. für uns einen
O 2. Aufl. bestünde sonach, wie es scheint, in der Beschaffenheit L' 2. A ufl. erkennbaren G rund.
ihres Inhalts und dem Verhältnisse desselben zu dem Bewußt- f 1. A ufl. der D. V .: von W issenschaften st. der W issens
seyn desjenigen, von welchem gesagt w ird, daß er wisse: 2. A ufl. statt: von der
P 2. A ufl. statt: Nemlich - wenn Dies ließe sich vorläufig so g 1. A ufl. aus übertriebener D. V .: Es ist zu lesen: aus nicht
denken. W enn übertriebner
Q 2. Aufl. könnte, aber 2. Aufl. aus einer keineswegs übertriebenen
R 2. Aufl. Ungleichheit, - m an verstatte m ir vorläufig diese M' 2. Aufl. welche diese W issenschaft
Ausdrücke, bis ich Z eit erhalte, sie zu erklären - aus der N7 In der 2. A ufl. schließen sich die zwei folgenden Absätze an:
Gleichheit oder Ungleichheit der erstem Es giebt sogar ein nach allen seinen abgeleiteten Theilen noth-
S 2. Aufl. w äre vor längerer Täuschung durch sie gesichert. wendiges, und als nothw endig zu erweisendes System der phi­
T 2. Aufl. hatte, nicht W ahrheit losophischen Term inologie, verm ittelst der regelm äßigen Fort-
U 2. Aufl. D er Satz, daß eine auf einer horizontalen Fläche in schreitung nach den Gesetzen der m etaphorischen Bezeichnung
einem rechten W inkel aufgestellte Säule perpendicular stehe transscendentaler B egriffe; bloß Ein Grundzeichen als w ill-
V 2. A ufl. von der Geom etrie hat kührlich vorausgesetzt, da ja nothw endig jede Sprache von
W 2. A ufl. Geom etrie als eine W issenschaft, da sie doch noch gar W illkühr ausgeht. D adurch w ird denn die Philosophie, die
manches andre enthält, als jenen Satz. - Wie und wodurch ihrem Inhalte nach für alle V ernunft gilt, ihrer Bezeichnung
werden nach ganz national; aus dem Innersten der N ation, die diese
b 1. Aufl. N ie D . V .: 1. N un st. nie. Sprache redet, herausgegriffen, und wiederum die Sprache der­
X 2. A ufl. Nie selben bis zur höchsten Bestim m theit vervollkom m nend. Diese
c 1. A ufl. ein D. V .: 1. nie, st. ein. systematische N ational-T erm inologie aber ist nicht eher auf­
Y 2. A ufl. ein zustellen, ehe nicht das Vernunft-System selbst, sowohl nach
Z 2. A ufl. D er von uns so eben schlechthin - gew iß genannte seinem Um fange, als in der gänzlichen Ausbildung aller seiner
Satz - w ir haben nur einen solchen angenommen Theile, vollendet da steht. M it der Bestimmung dieser Term i­
A' 2. A ufl. gewiß seyn; Zusatz: und lediglich dieses V erhältniß nologie endet die philosophirende U rtheilskraft ihr Geschäft;
ihrer G ew ißheit zu einander soll ihren Zusam m enhang be­ ein Geschäft, das in seinem ganzen Um fange für Ein M en­
stimmen. schenleben leicht zu groß seyn dürfte.
B' 2. A ufl. Z usatz: und unabhängig von ihr Dies ist der G rund, w arum der V erf. bis jezt noch nicht aus­
d 1. A ufl. ausserdem D. V .: 1. außer dem st.außerdem geführt, was er in der obenstehenden A nm erkung zu verspre­
C' 2. Aufl. m it jenem überhaupt als gewiß, und auf dieselbe A rt chen scheint; sondern sich der K unstw örter bedient, wie er sie
und in demselben G rade gewiß, wie jener, erkannt werden. eben vorgefunden, ob sie nun teutsch w aren, oder lateinisch,
D' 2. A ufl. Hauptzw eck dieses Gebäudes oder griechisch. Ihm ist alle Term inologie nur provisorisch,
E' 2. A ufl. Beweis setzt dieselbe schon bis sie einst, möge nun ihm dieses Geschäft beschieden seyn,
F' 2. A ufl. statt: Noch m ehr - w ir w ollen U nd wenn w ir auch oder einem ändern - allgemein, und auf immer gültig, fest-
94 Textkritische Bemerkungen Textkritische Bemerkungen
gesezt w erden kann. Auch m it um dieser Ursache w illen hat j 1. A ufl. alles fest D . V .: nach alle setze m an hinzu selbst
er auf seine Term inologie überhaupt weniger Sorgfalt gewen­ 2. A ufl. alles fest
det, und eine feste Bestimmung derselben verm ieden; auch von 0 2. A ufl. Z usatz: durch sich selbst
einigen treffenden Bemerkungen andrer über diesen Punct p 2. A ufl. dieselben
(z. B. von einer vorgeschlagnen Unterscheidung zwischen Dog­ k 1. A ufl. einem D. V .: 1. einen st. einem.
m atismus und Dogmaticismus) die denn doch nur für den ge­ 1 1. A ufl. äussere D . V .: 1. äußern st. äußere.
genwärtigen Z ustand der W issenschaft treffend sind, für seine 2. A ufl. äussere
Person keinen Gebrauch gemacht. Er w ird fortfahren, seinem m 1. A ufl. w ürden D. V .: 1. würde st. würden.
V ortrage die jedesmal für seine Absicht erforderliche K larheit n 1. Aufl. nun D. V .: 1.nur, st. nun.
und Bestim m theit durch Umschreibungen, und durch M annig­
faltigkeit der W endungen, zu geben. Zum zweiten Abschnitt
§.2. E ntwicklung des Begriffs der Wissenschaftslehre. 5.3.
A 2. A ufl. und daraus die Schnelligkeit der Bewegung seiner a 1. A ufl. ihn seine Stelle bestimmen D . V .: 1. ihm , st. ihn und
Maschine berechnen bestim m e, st. bestim men.
B 2. A ufl. Z usatz: vielm ehr etwas, b 1. A ufl. dasselbe D . V .: \. denselben, st. dasselbe.
C 2. Aufl. Z usatz: unsers Geistes 2. Aufl. ihn
D 2. A ufl. Z usatz: als in ihr die W ahrheit ihres G rundsatzes dar- c l.A u fl. werden
gethan werden kann, d l.A u fl. von; 2. A ufl. vor
E 2. A ufl. M öglichkeit, als W issenschaft, vorausgesetzt e 1. A ufl. den D. V .: 1. der st. den
F 2. A ufl. Z usatz: selbst f l.A u fl. Stellen
a 1. A ufl. er D. V .: 1. es st. er. A 2. A ufl. 1) Die
G 2. A ufl. statt: dessen Vergleichung m it ihm dessen V erhält­ B 2. Aufl. 2) Sie
nisse zu ihm C 2. Aufl. Z usatz: als ein in der W issenschaftslehre enthaltener
H 2. Aufl. allem Satz, und als ein an der Spitze einer besondern W issenschaft
I 2. A ufl. nach auf den Erw eiß derselben in einer ändern W is­ stehender G rundsatz
senschaft sich berufen D 2. A ufl. 3) Die
K 2. A ufl. durch ihn, den Satz selbst, g 1. A ufl. dergleichen D . V .: 1. des gleichen st. desgleichen - ein
L 2. A ufl. demselben Druckfehler, der noch m ehrm als vorkom m t.
b 1. A ufl. einem 2. A ufl. der gleichen
M 2. A ufl. statt: (S. oben) (m an erinnere sich an das eben ge­ E 2. A ufl. 4) Die
sagte) F 2. Aufl. W issenschaft, ein Wissen, in form eller Bedeutung ist
c 1. A ufl. paßte. -
d 1. A ufl. lägen D. V .: 1. lagen st. lägen §.4. In wie fern kann die Wissenschaftslehre sicher seyn, das mensch­
N 2. A ufl. liegen - so liche Wissen überhaupt erschöpft zu haben?
e 1. A ufl. ihm D. V .: 1. ihnen st. ihm; A 2. A ufl. ein Philosoph hätte das erstere wirklich um faßt, und
2. A ufl. diesen könnte durch
f 1. A ufl. welcher D . V .: 1. welches, st. welcher, B 2. A ufl. dadurch der Aufgabe der Philosophie überhaupt noch
g 1. A ufl. ließ D. V .: 1. ließe, st. ließ. C 2. Aufl. statt: W ahrheit G ültigkeit
h 1. A ufl. u. 2. A ufl. dieser D 2. A ufl. kann; welcher
96 Textkritische Bemerkungen Textkritische Bemerkungen 97
E 2. A ufl. der R elativsatz: den . .. machen könnte! fehlt §.5. Welches ist die G renze, die die allgemeine Wissenschaftslehre
F 2. A ufl. Z usatz: nur von der besondern durch sie begründeten Wissenschaft scheidetf
G 2. A ufl. w erden durch allm ähliche Entwicklung unsrer ur­ a 1. Aufl. dergleichen
sprünglichen Begranztheit bestim m t A 2. A ufl. G rundsätze einer besondern W issenschaft erhoben
H 2. A ufl. zu wenig B 2. A ufl. aus dem Begriffe
I 2. A ufl. Zusatz: zum Beweise C 2. A ufl. statt: entlehnten hervorgehenden
K 2. A ufl. Z usatz: selbst b 1. Aufl. er D. V .: 1. sey es nun st. sey er nun.
L 2. A ufl. Z usatz: zugleich auch c 1. Aufl. derselben D. V .: 1. desselben st. derselben.
M 2. A ufl. könnten d 1. Aufl. Grenzen
a 1. A ufl. eine D Diese Anm erkung fehlt in der 2. Auflage.
N 2. A ufl. sollen fehlt E 2. A ufl. Durch die W issenschaftslehre ist eine ihrem Seyn und
O 2. A ufl. Satz, daß alles menschliche Wissen nur ein einiges in ihren Bestimmungen nach als unabhängig von uns anzusehende
sich selbst zusamm enhängendes Wissen ausmache, selbst N atur, und die Gesetze, nach denen sie beobachtet
P 2. A ufl. m üßte F Diese Anm erkung fehlt in der 2. Auflage,
Q 2. A ufl. auf den als G rundsatz alles menschlichen Wissens auf­ e 1. A ufl. oder organisirte D. V .: nach dem ersten oder setze
gestellten Satz, und m an hinzu als.
R 2. A ufl. ein demselben der Form nach widersprechender seyn 2. Aufl. oder organisirte
S 2. A ufl. statt des Folgenden: sondern . . . Nicht-Ich. lautet G 2. A ufl. als der von uns schlechthin unabhängigen N atur,
der T ext: sondern wiederspräche ihm sogar, inw iefern jenes f 1. A ufl. fortgehenden D. V .:l. fortgehende st. fortgehenden.
System das einige mögliche seyn sollte, schon durch sein bloßes
Daseyn geradezu. E r widerspräche jenem abgeleiteten Satze der §. 6. W ie verhält sich die allgemeine Wissenschaftslehre insbeson­
Einigkeit des Systems; und da alle Sätze jenes Systems unter sich dere zur Logikf
unzertrennlich Zusammenhängen, wenn irgend einer w ahr ist, A 2. A ufl. hier Absatz
nothw endig alle w ahr, wenn irgend einer falsch ist, nothw endig B 2. Aufl. aufzeigen lassen, m it welcher das wissenschaftliche
alle falsch seyn sollen, einem jeden Satze desselben, und ins­ V erfahren aus dem Gebiete der W issenschaftslehre auf das der
besondre auch dem G rundsätze. Vorausgesetzt, daß auch die­ Logik übertrete, und bei welcher sonach die G renze zwischen
ser frem de Satz auf die oben beschriebene Weise systematisch beiden W issenschaften liege. Eine solche Bestimmung der Frei­
im Bewußtseyn begründet w äre, so m üßte das System, zu heit ist denn auch leichtlich nachzuweisen.
welchem er gehörte, um des bloß form ellen W iderspruchs seines C 2. A ufl. Z usatz: nemlich
Daseyns willen, dem ganzen ersten Systeme auch m aterialiter D 2. Aufl. Diese Absonderung kann, da sie keine ursprüngliche
widersprechen, und auf einem dem ersten G rundsätze geradezu ist, nur durch Freiheit geschehen. Die freie Absonderung der
entgegengesetzten G rundsätze beruhen; so daß, wenn der er- bloßen Form vom G ehalte wäre es sonach, durch welche eine
stere, z. B. der w äre: Ich bin Ich, - der zweite seyn m üßte: Logik zu Stande käme.
Ich bin nicht Ich. E 2. A ufl. durch welche die Form zu ihrem eignen G ehalte w ird,
b 1. A ufl. R D . V .: st. der Satz R. m uß in der H andschrift X. und in sich selbst zurückkehrt, heißt
gestanden haben. F 2. A ufl. statt: An sich . . . beides Beide H andlungen, von
T 2. A ufl. gelte, m it einem W orte, es heißt behaupten, daß es einander abgesondert gedacht, und jede für sich betrachtet, sind
überhaupt keine unm ittelbare, sondern nur verm ittelte W ahr­ G 2. A ufl. wenn in eben dieser Absonderung beide aufeinander
heit gebe - und ohne etwas, wodurch sie verm ittelt wird. bezogen werden
H 2. Aufl. nothw endig; Zusatz: für das synthetische Denken
98 Textkritische Bemerkungen Textkritische Bemerkungen 99
aber sind beide nur eine und eben dieselbe H andlung, angese­ 1. A ufl. wolle D. V .: 1. solle st. w olle.
hen von zwei Seiten. 2. A ufl. wie weiß der Philosoph was er als nothwendige
I 2. A ufl. in der letzern aufgestellten Handlungsweise der Intelligenz aufnehm en und was er, als
K 2. A ufl. Im Gegentheil aber bedingt die W issenschaftslehre die ein zufälliges, liegen lassen solle?
G ültigkeit und A nw endbarkeit logischer Satze. Die Formen, f 1. A ufl. das D. V .: in der N ote 1. des st. das.
welche die letztere aufstellt, dürfen in dem gewöhnlichen Ge­ Q 2. Aufl. es folgt ein zw eiter A bsatz dieser A nm erkung: Es
schäfte des Denkens, und in den besondern W issenschaften auf h a t sich — ich sehe nicht recht ein, wie, und w arum , ein sonst
keinen ändern G ehalt achtungsw ürdiger philosophischer Schriftsteller über die un­
2. A ufl. Z usatz: besondre schuldige Aeußerung der obenstehenden A nm erkung ein wenig
2. A ufl. Luftgebäude, Z usatz: so logisch richtig auch in der­ ereifert. »Man möge das leere W ort Genie Seiltänzern, fran ­
selben gefolgert seyn möge. zösischen Köchen -- schönen Geistern, K ünstlern u. s. w. über­
N 2. A ufl. ist - oder, wie lassen; und für solide W issenschaften lieber eine Theorie des
0 2. A ufl. Z usatz: (dieses bestim m te A = Ich) Erfindens aufstellen.« - Ja wohl sollte m an das; und es w ird
P 2. A ufl. Z usatz: (dieses bestim m te A) ganz sicher geschehen, sobald die W issenschaft überhaupt bis
Q 2. A ufl. Z usatz: Es ist unbedingt und schlechthin gesetzt, zur M öglichkeit einer solchen Erfindung vorgerückt seyn w ird.
a 1. A ufl. er D. V .: 1. es st. er Aber in wiefern steht denn die obige Aeußerung m it einem sol­
chen V orhaben in W iderspruche? - U nd wie w ird denn eine
§. 7. W ie verhält sich die Wissenschaftslehre als Wissenschaft, zu solche Theorie des Erfindens selbst erfunden werden? Etw a
ihrem Gegenständef durch eine Theorie der E rfindung einer Theorie des Erfindens?
A 2. A ufl. Zeitfolge U nd diese?
B 2. A ufl. Zusatz: in welcher sie als von einander dependirend, R 2. A ufl. es fehlt: w ir
werden abgeleitet werden, S 2. A ufl. statt: ist bestätigt
C 2. A ufl. Zusatz: etwa T 2. Aufl. der Intelligenz
D 2. A ufl. sodann U 2. Aufl. H andlungsw eisen der Intelligenz
E 2. A ufl. H andlung der Intelligenz sei die, sich selbst zu setzen V 2. Aufl. im System dieser Handlungsweisen
F 2. A ufl. rein zum Bewußtseyn W 2. Aufl. W issenschaft, Zusatz: als die einzigmöglichen, durch
G 2. A ufl. daß die Intelligenz welche eine W issenschaftslehre zu Stande kommen könne,
a 1. A ufl. jetzt D. V .: 1. je st. jetzt. X 2. A ufl. Zusatz: sonach
H 2. A ufl. ohne zugleich etwas anderes zu denken, das nicht sie Y 2. Aufl. Zusatz: als die einzigrichtigen:
selbst sey. Z 2. Aufl. also - haben w ir in unsrer Voraussetzung ganz recht
b 1. A ufl. nothw endig D. V .: 1. nothwendigen st. nothw endig gehabt, und unsre W issenschaft ist der Form nach richtig.
1 2. A ufl. der Intelligenz A' 2. A ufl. Zusatz: als die einzigrichtigen
K 2. A ufl. der Intelligenz B' 2. A ufl. Zusatz: des Vorausgesezten, und des Gefundenen
c l.A u fl. nothw endigen D. V .: 1. nothw endige, st. nothw en­ C' 2. A ufl. seine
digen. g l.A u fl. jeder eigener D. V .: in der N ote nach jeder setze
L 2. A ufl. der Intelligenz m an hinzu sein.
M 2. A ufl. ihre D' 2. A ufl. Zusatz: die m an finden wolle,
d 1. A ufl. er D. V .: 1. es st. er. E' 2. A ufl. hat hier folgende Anm erkung: M an hat die Beschei­
N 2. A ufl. der Intelligenz denheit dieser A eußerung der nachherigen großen - Unbeschei­
O 2. A ufl. die philosophirende U rtheilskraft denheit des Verf. entgegengestellt. Allerdings konnte derselbe
100 Textkritische Bemerkungen
unmöglich voraussehen, m it welcherlei Einw ürfen, und welchem
r Textkritische Bemerkungen 101
gen von der geraden Bahn des form aliter, und logisch richtigen
V ortrage dieser Einw ürfe er es zu thun haben w ürde, und Räsonnements ihn zu dem m aterialiter einzig w ahren Resultate
kannte die größere A nzahl der philosophischen Schriftsteller w ieder zurükleitete, zu welchem er durch richtige Folgerung
bei weitem nicht so w ohl, als er sie seitdem kennt; außerdem aus den unrichtigen Zwischensätzen nie wieder hätte gelangen
würde er nicht verfehlt haben, sein Betragen auch auf diejeni­ können;
gen Fälle, die wirklich eingetreten sind, vorher zu sagen. In­ G' 2. A ufl. Vervollkom m nung
zwischen enthält die obige Aeußerung nichts, was m it seinem h 1. A ufl. verstecken,
nachherigen Benehmen in W iderspruche stünde. E r redet oben i 1. A ufl. daß D. V .: 1. das st. daß.
von Einw endungen gegen seine Folgerungen; aber so weit 2. A ufl. deutlicher. - Das
sind bis jezt die Gegner noch nicht gekomm en: sie streiten H' 2. A ufl. Z usatz: (der Möglichkeit der H andlung C)
noch über den G rundsatz, d. h. über die ganze Ansicht, welche D ruckfehler; es m uß heißen D
der V erf. der Philosophie giebt; und darüber findet, seiner V 2. A ufl. Zusatz: m uß wiederum . . . vorhergehen.
dam aligen und gegenw ärtigen innigsten Ueberzeugung nach, gar K/ 2. A ufl. Setzet, dieses Denken sey
kein Streit statt, wenn m an nur weiß, w ovon die Rede ist; L' 2. A ufl. desselben
und auf einen solchen W iderstreit hat er in der T hat nicht ge­ k l.A u fl. des D . V .: 1. der st. des.
rechnet. Er redet von Einw endungen, die sich wenigstens das I 1. A ufl. das
Ansehen der Gründlichkeit, das Ansehen, daß sie wirklich et­ M' 2. A ufl. als vorstellend, vorgestellt
was beweisen, und nachweisen, geben; und dergleichen sind m l.A u fl. D aß
ihm von denjenigen, die seine vorgebliche Unbescheidenheit n 1. A ufl. daß ich D . V .: 1. das Ich st. daß ich.
getroffen haben soll, nicht vorgekomm en. - H ier ist die E r­ o 1. A ufl. der D. V .: 1. des st. der.
klärung, deren N othw endigkeit der V erf. damals nicht voraus­ p l.A u fl. gesammte H andlungsart D .V .: l. gesammten H and­
setzen durfte. Ein Geschwätz, dessen U rheber die nöthigen lungsarten st. gesammte H andlungsart.
Vorerkenntnisse nicht erw orben, und die nöthigen Vorübungen N' 2. A ufl. der Intelligenz
nicht angestellt haben, dem m an es sogleich anhört, daß sie
nicht wissen, wovon die Rede ist, das in einem bellenden, und Zum dritten Abschnitt
geifernden Tone vorgebracht w ird, das, da es unmöglich aus
Ueberzeugung, und aus E ifer für den Fortgang der W issenschaf­
ten hervorgehen kann, aus ändern nichtswürdigen Bewegungs­ a D er d ritte Abschnitt m it dem Schlußwort fehlt in der zweiten
gründen (Eifersucht, Rachsucht, Ruhm sucht, H onorariensucht. Auflage. Anstelle dieses Abschnittes und des Schlußwortes fin­
u. dergl.) entspringen m uß, - ein solches Geschwätz verdient den sich in der zw eiten Auflage zwei Beilagen:
nicht die geringste Schonung, und die Entgegnung darauf ge­ 1. >Recension von Sdiellings Schrift: Ueber die M öglichkeit
hört gar nicht unter die Regel wissenschaftlicher Streite. einer Form der Philosophie überhaupt; von einem unbekann­
W arum machen diese Ausleger aus diesen und ähnlichen Aeuße- ten V erfassen, 2. >Auszug aus der Recension m einer Schrift:
rungen nicht vielm ehr den Schluß —den einzigen, welcher statt über den Begriff der W issenschaftslehre, und der Grundlage
hat - daß der Ton, der ihnen so m isfällt, lediglich durch den der W. L. verfaßt von H rn . Prof. Beck zu H allec.
ihrigen entstanden ist? Beide Rezensionen sind in den von Jacob zu H alle herausge­
F ' 2. A ufl. statt: wenn der Mensch . . . wäre wenn der Mensch gebenen »Annalen der Philosophien I. 1795. erschienen.
alles, was er w eiß, durch deutliches Denken zu Stande bringen Die beiden Beilagen sind in der vorliegenden Ausgabe S. 83 ff.
m üßte; und nicht vielm ehr ohne sein Bewußtseyn die G rund­ abgedruckt,
anlage der V ernunft in ihm w altete, und durch neue V erirrun­ b 1. Aufl. es D . V .: 1. er st. es.
102 Textkritische Bemerkungen
c l.A u fl. der D . V .: 1. das st. der. Anmerkungen
d l.A u fl. daß D. V .: 1. das st. daß.
e 1. A ufl. w erden
f 1. A ufl. in dem D. V .: 1. indem st. in dem. 1 Schulze, G ottlob Ernst (1761-1833), genannt Aenesidemus,
g 1. A ufl. und der D . V .: 1. unter st. und der. nach dem Titel seines anonym erschienenen H auptw erkes, D o­
h l.A u fl. Gesetze D . V .: 1. Gesetzen st. Gesetze. zent der Philosophie in W ittenberg, dann (1788) Professor
i l.A u fl. einer der Philosophie in H elm stedt, seit 1810 in G öttingen, wo
einer seiner ersten Schüler Schopenhauer w ar; Skeptiker, einer
der scharfsinnigsten Gegner K ants und seines Anhängers
Zur Vorrede zur zweiten Ausgabe K. L. Reinhold (vgl. Anm . 6 zur Vorrede).
A 2. A ufl. O rig, ihn D er vollständige Titel seines H auptw erkes, auf das sich Fichte
B 2. A ufl. O rig, ihm an dieser Stelle bezieht, heißt: Aenesidem us oder über die
Fundam ente der von H errn Professor R einhold in Jena ge­
lieferten Elementar-Philosophie, nebst einer Vertheidigung des
Zu den Beilagen Skepticism us gegen die Anmassung der V ernunftskritik (1792);
neue Ausgabe in den Neudrucken seltener philosoph. W erke,
A In den A nnalen: machen möchten! hrsg. von der Kant-G esellschaft, Bd. I, besorgt von A. Liebert,
B In den A nnalen: W er aber etw a. 1911.
C In den A nnalen: Diese. 2 M aimon, Salomon (1753-1800). Seine philosophische Leistung
besteht in einer kritischen A useinandersetzung m it Kants
Transzendentalphilosophie. Er bereitet die K ant-A uffassung
H erm ann Cohens und den späteren N eukantianism us vor.
Es handelt sich hier wahrscheinlich um folgende Schriften:
1. Versuch über die Transscendentalphilosophie, m it einem
Anhang über die symbolische E rkenntniß und A nm erkungen,
Berlin 1790; 2. Philosophisches W örterbuch, oder Beleuchtung
der wichtigsten Gegenstände der Philosophie, in alphabeti­
scher Ordnung. Erstes Stück, Berlin 1791; 3. Ueber die Pro­
zessen der Philosophie veranlaßt durch die Preisfrage der
königl. Akadem ie zu Berlin für das Jahr 1792: W as hat die
M etaphysik seit Leibniz und W o lf fü r Prozessen gemacht?
In: Streifereien im Gebiete der Philosophie. Erster Teil, Ber­
lin 1793, S. 1-58; (die Schrift Über die Prozessen w urde 1793
im gleichen Verlag W . Vieweg zu Berlin auch als selbständige
Schrift veröffentlicht); 4. Die Kathegorien des Aristoteles.
M it Anm erkungen erläutert und als Propädeutik zu einer
neuen Theorie des D enkens dargestellt, Berlin 1794.
3 Die Berufung Fichtes an die U niversität Jena erfolgte bereits
zu Beginn des Jahres 1794.
4 K ant, Im manuel (1724-1804), seit 1756 P rivatdozent in K ö­
104 Anmerkungen Anmerkungen 105
nigsberg; zwei Berufungen nach Erlangen 1769 und Jena 1770 16 M arginalzusatz des Verfassers: »Dies gegen Aenesidemus.«
schlug er aus, weil er m it einer Professur in Königsberg rech­ 17 M arginalzusatz des Verfassers: »Denn sie frag t: 1) W ie ist
nete, die er dann auch 1770 erhielt. 1778 lehnte er eine Be­ W issenschaft überhaupt möglich? 2) Sie macht Ansprüche d a r­
rufung nach H alle ab. Som it verbrachte K ant sein ganzes Le­ auf, das auf einen einzigen G rundsatz gebaute menschliche
ben in Königsberg. Wissen zu erschöpfen.«
5 K ants C ritik der U rtheilskraft, Berlin 1790, ist die letzte der 18 M arginalzusatz des Verfassers: »Die A ufgaben liegen da und
drei großen K ritiken, die zusamm en das System seiner k riti­ sind zu erschöpfen; aber sie sind nicht gelöst und können nicht
schen Philosophie zur D arstellung bringen. gelöst werden.«
6 R einhold, K arl L eonhard (1758-1823), 1787 Professor in 19 M arginalzusatz des Verfassers: »besondere,«
Jena, 1793 in Kiel. A nhänger K ants. Reinholds Berufung zum 20 In / . G. Fichte*s sämmtliche W erke, hrsg. von I. H . Fichte,
Professor der Philosophie in Jena machte Jena zu einem M it­ irrtüm lich: »(Marg. d. Verf.)«.
telpunkt des Studium s des Kantischen Kritizism us. 21 M arginalzusatz des Verfassers: »Z .B . ob thierisches Leben
7 Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungs- sich aus dem bloss Unorganischen erklären lasse, ob etw a
Vermögens, Prag u. Jena 1789; Beyträge zur Berichtigung bis­ C rystallisation der Ü bergang von der chemischen V erbindung
heriger M ißverständnisse der Philosophen. Erster Band das Fun­ zur O rganisation sey, ob magnetische und elektische K raft im
dam ent der Elem entarphilosophie betreffend, Jena 1790 und Wesen einerlei, oder verschieden seyen usw«
Ueber das Fundam ent des philosophischen Wissens, Jena 1791. 22 M arginalzusatz des Verfassers: »überhaupt«
8 Frei zitiert nach H oraz, Sermones (Satiren) II, 3, V. 72. Die 23 M arginalzusatz des Verfassers: »So die vorkantischen dog­
Stelle lautet genau: >malis ridentem alienisc. Diese W endung matischen Systeme, die einen falschen Begriff des Dinges auf­
ist bis heute noch nicht sicher erklärt. Es handelt sich um die stellen.«
W iederholung einer homerischen W endung. Aber es ist nicht 24 M arginalzusatz des Verfassers: »Es ist zu m erken, dass von
sicher, ob H oraz dieser W endung die gleiche Bedeutung geben dieser Frage bis jetzt völlig abstrahirt w orden, dass also alles
w ollte. Vom K ontext ist dies zum indest sehr zw eifelhaft. Am V orhergehende nach der Beantw ortung derselben zu m odifi-
natürlichsten übersetzt m an >malis alienis rid ere c >mit frem ­ ciren ist.«
den Bachen lachen <. 25 Es handelt sich um folgende A ufsätze: 1. Vergleichung des
9 Josephus, Flavius (37/38 n. C hr. - A nfang 2. Jh.). von H m Prof. Schmid aufgestellten System s m it der W issen­
10 70 n. C hr. schaftslehre. In: Philosophisches Journal einer Gesellschaft
11 Jacques Etienne M ontgolfier (1745-99). Teutscher G elehrten. Bd. III, Jena und Leipzig 1796, 4. H eft,
12 Archimedes von Syrakus (287-212 v. C hr.), großer M athem a­ S. 267-320; 2. Versuch einer neuen Darstellung der W issen­
tiker, Physiker und M echaniker. schaftslehre. In: Philosophisches Journal einer Gesellschaft
13 Nach Johann G ottlieb Fichte*s sämmtliche W erke, hrsg. von Teutscher G elehrten. Herausgegeben von Johann G ottlieb
I. H . Fichte, befindet sich hier folgender M arginalzusatz von Fichte und Friedrich Im m anuel N ietham m er der Philosophie
J. G. Fichte: »Man kann ohne W iderspruch nach keinem D octoren und Professoren zu Jena. Bd. V, 1. H eft, 1797, S. 1
G runde seiner Gewissheit fragen.« bis 49; 3. Zw eite Einleitung in die Wissenschaftslehre für
14 M arginalzusatz von J. G. Fichte: »Weil sie im ersten Falle Leser, die schon ein philosophisches System haben. In: Philo­
nicht G rund - , sondern abgeleitete Sätze, weil es im zw eiten sophisches Journal . . . Bd. V, 4. H eft, 1797, S. 319-378;
Falle sonst u. s. w.« 4. Fortsetzung und Schluß des unter P unkt 3 aufgeführten
15 M arginalzusatz des Verfassers: » - nicht eigentlich in der Wis­ A ufsatzes: >Zweite Einleitung in die W issenschaftslehre . . .<
senschaftslehre, aber doch im Systeme des Wissens, dessen A b­ In : Philosophisches Journal . . . Bd. V I, 1. H eft, 1797, S. 1
bildung sie seyn soll -« bis 43; 5. Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschafts­
106 Anmerkungen Anmerkungen 107
lehre. In : Philosophisches Journal . . . Bd. V II, 1. H eft, 1797, fallen in die Zeit seiner Professur in H alle. Es sind Kom m en­
S. 1-20; 6. Nacherinnerungen zu dem vorstehenden, und Vor­ tare der Kantischen K ritiken: 1. Erläuternder A uszug aus den
auserinnerungen zu dem folgenden A ufsatze. In: Philosophi­ Kritischen Schriften des H m Prof. K ant, a uf Anrathen des­
sdies Jo u rn a l. . . Bd. V II, 4. H eft, 1797, S. 273-281. selben (1793-1796), 3 Bände, deren letzter den T itel führt:
26 A bkürzung für W issenschaftslehre. Einzig möglicher Standpunkt, aus welchem die kritische Phi­
27 Vgl. die beiden Beilagen S. 83 ff. losophie beurtheilt w erden m uß (1796).; 2. G rundriß der
28 Gem eint ist K arl L eonhard Reinhold (1758-1823), vgl. Kritischen Philosophie (1796).; 3. C om m entar über Kants
Anm. 6. M etaphysik der Sitten (1798).
29 Es handelt sich um Reinholds Rezension: »1) W eim ar im 36 Forberg, Friedrich K arl (1770-1848).
Industrie-C om ptoir: Ü ber den Begriff der W issensdiaftslehre 37 In Fragmente aus meinen Papieren (Jena 1796, S. 78) w er­
oder der sogenannten Philosophie, als Einladungsschrift zu den aus den Schriften, Rezensionen oder Briefen vier >phil*o-
seinen Vorlesungen über die W issenschaft, von Johann G ott­ sophischer Schriftstellerc U rteile über die Fichtesche Philoso­
lieb Fichte designirten ordentlichen Professor der Philosophie phie angeführt. - S. 80 heißt es: »Der vierte (gemeint ist Beck)
auf der U niversität zu Jena 1794. 68 S. gr. 8. 2) Leipzig u. tragt kein Bedenken, die neue Philosophie für baaren U nsinn,
Jena. b. G abler: G rundlage der gesammten W issenschafts­ und in Vergleich m it den ungereim testen M ährchen fü r Etwas
lehre, als H andschrift für seine Zuhörer von Johann G ottlieb noch viel Unleidlichers zu erklären.«
Fichte. 1794. 339 S. gr. 8. 3) Ebendaselbst: G rundriß des 38 A bkürzung für Stück
Eigenthümlichen der W issenschaftslehre in Rücksicht auf das 39 A nnalen der Philosophie und des philosophischen Geistes vom
theoretische Vermögen, als H andschrift für seine Zuhörer von 6. 2.; 9. 2.; 11. 2. 1795. Coll. 121-124, 129 136 u. 137-144.
Johann G ottlieb Fichte 1795. 108 S. gr. 8 4) Ebendaselbst: 40 A bkürzung für Fichte
Philosophisches Journal einer Gesellschaft Teutscher Gelehrten. 41 A bkürzung für Recensenten
Herausgegeben von Johann G ottlieb Fichte und Friedrich 42 A bkürzung für Verfasser
Im m anuel N ietham m er der Philosophie D octoren und Profes­ 43 A bkürzung für H err Fichte
soren zu Jena. Fünften Bandes erstes bis (incl.) sechstes H eft.«
In: »Num ero 5. Allgemeine L iteratur-Z eitung Donnerstags,
den 4. Januar 1798.« S. 33-39. (Sie w ird fortgesetzt in N u­
mero 6. S. 41-47; in N um ero 7. S. 49-56; in N um ero 8. S. 57
bis 63; in N um ero 9. S. 65-69.)
30 Schelling, Friedrich W ilhelm Joseph: Über die M öglichkeit
einer Form der Philosophie überhaupt, Tübingen 1795.
31 Jacob, Ludwig Heinrich (1759-1827), A nhänger K ants, seit
1791 Professor der Philosophie in H alle.
32 Annalen der Philosophie und des philosophischen Geistes von
einer Gesellschaft gelehrter M änner Herausgegeben von Lud­
wig Heinrich Jacob, Professor der Philosophie in Halle.
33 A bkürzung für Stück.
34 A bkürzung für W issenschaftslehre.
35 Beck, Jakob Siegmund (1761-1840), in Königsberg Schüler
K ants, von 1791 bis 1799 Professor der Philosophie in H alle,
von 1799 bis 1840 Professor in Rostock. Seine H auptschriften
Bibliographie 109
Bibliographie Johann G ottlieb Fichte. W erke. Auswahl in sechs Bänden. M it
m ehreren Bildnissen Fichtes. Herausgegeben und eingeleitet von
Fritz M edicus. Bd. 1-6. Leipzig: M einer 1911/12 (Phil. Biblio­
a) Einzelausgaben thek. Bd. 127-132).
Über den Begriff der W issenschaftslehre oder der sogenannten (Begriff der W L 1. Band. S. 155-215)
Philosophie, als Einladungsschrift zu seinen Vorlesungen über Johann G ottlieb Fichte. W erke. Auswahl in sechs Bänden (neu
diese W issenschaft von Iohann G ottlieb Fichte, designirten ordent­ herausgegeben und eingeleitet von Fritz M edicus). 2. A ufl.
lichen Professor der Philosophie auf der U niversität zu Jena. W ei­ (Erg.-Bd. 1: Herausgegeben von H ans Schulz und Reinhard
m ar; Im Verlage des Industrie-C om ptoirs 1794. Strecker). Bd. 1-6 nebst Erg.-Bd. 1. Leipzig: M einer 1920-25
Uber den Begriff der W issenschaftslehre oder der sogenannten (Phil. Bibliothek. Bd. 127-132; 163).
Philosophie von Johann G ottlieb Fichte. Zweite verbesserte und (Begriff der WL 1. Band. S. 155-215)
verm ehrte Ausgabe. Jena und Leipzig, bei Christian E rnst Gabler Johann G ottlieh Fichteis sämmtliche W erke. Herausgegeben von
1798. Beilagen: 1) Recension von Schellings Schrift: Ueber die Im m anuel H erm ann Fichte (O braldruck). Bd. 1-8. Leipzig:
M öglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt; von einem un­ M ayer u. M üller 1924.
bekannten Verfasser, herausgegeben von Iacob zu H alle, in den (Begriff der W L 1. Band. S. 27-81)
A nnalen der Philosophie. I. 1795. 4 St. S. 67—71. 2) Auszug aus der Johann G ottlieb Fichte. W erke. Auswahl in sechs Bänden. H eraus­
Recension m einer Schrift: über den B egriff der W issenschaftslehre, gegeben von Fritz Medicus. Bd. 1-6. U nveränderter Nachdruck
und der G rundlage der W . L. verfaßt von H rn . P rof. Beck zu der ersten Auflage (in Bd. I fehlt die Einleitung). D arm stadt:
H alle, (man sehe Forbergs Fragm ente aus meinen Papieren S. 78 Wissenschaftliche Buchgemeinschaft. 1962.
u. 80.) herausgegeben von Iacob, in den A nnalen, I. 1795. St. (Begriff der W L 1. Bd. S. 155-215)
16.17.18. S. 71-77. Johann G ottlieb Fichte’s sämmtliche W erke. Herausgegeben von
Uber den Begriff der W issenschaftslehre oder der sogenannten Im m anuel H erm ann Fichte (unveränderter Nachdruck). Bd. 1-8.
Philosophie von Johann G ottlieb Fichte. N eu herausgegeben von Berlin: de G ruyter 1965.
Fritz Medicus. Leipzig: Eckardt 1911. (Begriff der W L 1. Bd. S. 27-81)
U ber den Begriff der W issenschaftslehre oder der sogenannten Philo­ J. G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen A kadem ie der W issen­
sophie von Johann G ottlieb Fichte. N eu herausgegeben von Fritz schaften. Herausgegeben von R einhard L auth und H ans Jacob.
Medicus. In: Phil. Bibliothek, Bd. 127a. Leipzig: M einer *1926. S tuttgart: From m ann 1962 ff.
Sobre el concepto de la doctrina de la ciência. Seguido de tres
escritos sobre la misma disciplina. In: C entro de estúdios filosó­ c) Fichte-Bibliographie
ficos. (U niversidad N acional A utónom a de Mexico) Cuaderno J. G. Fichte-Bibliographie. Herausgegeben von H ans Michael
(= H .) 11; 1963. H rsg. und Ü bersetzer Bernabé N avarro. Baum gartner u. W ilhelm G. Jacobs in Zusam m enarbeit m it der
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b) Gesam tausgaben senschaften. Stuttgart 1968.
Johann G ottlieh Fichte’s sämmtliche W erke. Herausgegeben von
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(Begriff der W L 1. Band. S. 27-81) Brüggen, M ichael: D er Gang des D enkens in der Philosophie
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Personenregister Sachregister
Archimedes (287-212 v. Chr.) 38, 104 Ableiten 70 Eingebung, höhere 28
Bede, Jakob Siegmund (1761-1840) 86 f., 106 Absolute 75 Einheit 67
Forberg, Friedrich K arl (1770-1848) 86, 107 A ffektion 74 Einsicht 52
H oraz (Q uintus Flaccus, 65-8 v. Chr.) 29, 104 Angenehme 75 Einzelwissenschaft 37, 39, 43,
Jacob, Ludwig Heinrich (1759-1827) 86, 106 A nnäherung ans Unendliche 51, 48 f., 51 f., 55 ff., 59, 61, 78
Josephus, Flavius (37/38 - A nfang 2. Jh.) 32 f., 104 74
K ant, Im m anuel (1724-1804) 28 f., 77 f., 80, 103 f., 107 Elem entarphilosophie 29, 71
M aimon, Salomon (1754-1800) 27, 103 A priori 73 Endzweck 76
M ontgolfier, Jacques Etienne (1745-99) 104 A uffinden 64 f. Entgegensetzen 70, 73
Reinhold, K arl L eonhard (1758-1823) 29, 104, 106 Aufgabe des Geistes 51, 58 E rfahrung 46, 53, 58
Schelling, Friedrich W ilhelm Joseph (1775-1854) 83-86, 106 A usführbarkeit 38 Erhabene 75
Ausschließen 36 Erkenntnis 27, 65
Schmid, K arl C hristian E rhard (1761-1812) 105
Schulze, G ottlob Ernst (1761-1833) 27, 103 E rörterung 31
Begreifen (Begriff) 48 Erscheinung 27
Begriff der W issenschaftslehre Erschöpfung des Wissens 49
31 ff, 39 f., 77 f. Erweis 39 f., 70
Begriff, reiner 73 Evidenz 27, 66, 69
Beobaditung 57
Bestimmen 42, 55 f. E xperim ent 58
Beweis 36, 39 f., 60 f.
Bewußtsein 57, 63 ff., 72 Folge 35 f.
Folgerung 68 ff., 69
D arstellung der W issenschafts­ Freiheit 38, 55 f., 57, 63
lehre 68, 78 f., 80 f.
D efinition 43 f. G efühl 27, 65, 75
D enkart 80 f. G ehalt 43
D enkbare 38 Geist 65 f.
Denken, transzendentales 78 G elehrter 76
Denkgesetze 60, 64 f., 69 ff. G eom etrie 33, 57
Deutlichkeit 65 G erade 56
Deutsche 81 Geschichte des Geistes 63, 79
Dichter 65 Geschichtswissenschaft 33
Ding an sich 27 Gesetz 61 f.
Dogm atism us 27, 94, 105 Gew ißheit 32 ff., 39 f., 43 ff.
D ogm atizismus 94 Gleichheit 70
Gotteslehre 75
E inbildungskraft 38 Grenze der E rkenntnis 28
Eindrude 45 G rund 70
114 Sachregister Sachregister
G rundsatz 33, 38 f., 41 f., 43 ff., N aturgesetz 57 f. Sprache 37 V orschritt 29
49, 51, 55 f., 70 N aturlehre 57 f. Stand, bürgerlicher 76 V orstellung 27, 71 ff.
G rundsatz, oberster 31, 33 ff., N aturrecht 75 Streben 74
38 ff., 51 ff., 70, 73 Nicht-Ich 54, 57, 73 f. Synthesis 59 f. W ahrheit 33, 68 ff.
System 31 f., 37, 40 ff., 51 ff-, W ahrheitsliebe 68 f.
H andeln, geistiges 55 f., 63 f. O rganisation 57 61 f., 67 f., 69 W ahrheitssinn 65, 68, 69, 75
H um anität 76 W ahrscheinlichkeit 66 ff., 71 f.
Ich 54, 61 f., 71, 73 f. Term inologie 93 f. Wissen 36 f., 40 ff., 43 f., 48 f.,
Pflicht 76 Ton wissenschaftlicher D arle­ 50 ff., 52 ff., 61 ff.
Ich bin 61 Philosophie 27 ff., 31 ff., 37 f., gung 100 W issenschaft 27, 31 ff., 38,
Ich bin Ich 61 f., 63 59, 65, 69, 75 T otalität 52, 58 43 ff., 61 ff.
Ich, theoretisches 73 f. Philosophiegeschichte 65 T ranszendentalphilosophie 78 W issenschaftslehre (vgl. auch
Induktion 50 Philosophieren 65 Philosophie) 27, 35 ff., 38 f.,
Intelligenz 73 Popularphilosophie 51 Übereinstim m ung im Denken 67 48 ff., 53 ff., 61 ff., 73 ff.,
Propädeutik 72 Unendliche 51 75 f., 78 f.
K antianism us 80 f. Punkt 56
K ausalität, freie 74 U nlauterkeit 68 W issenschaftslehre, Einteilung
K enntnis 32 U rteilskraft 57 f.,.66, 93 73 ff., 78 f.
Q uantität 73
K ontroverse, wissenschaftliche
100 V oraussetzung 70 f. Z irkel im Denken 54, 66 f.
Raum 56 Vorlesung 75 Zweck 38
K örper 57 R ealität der E rkenntnis 38
Kreis 56 Reflexion 60, 66, 70
K ritik 77 Reflexion, philosophische 64,
Kritische Philosophie 27, 77, 65 ff.
79 f. Rezension 75, 80, 83
K ünstler 65 Richtige 65
Kunstsprache 70
Linie 56 Satz der Identität 61 f.
Linienziehen 56 Satz des Grundes 70
Logik, form ale 49, 59 ff. Satz des W iderspruchs 53 f., 60,
Luxus 76 70
Schluß, hypothetischer 34
M annigfaltige 45 Schöne 75
M aterie 57 Schönheitssinn 65
Mensch 50 Selbstbegründung 62
M enschenverstand, gemeiner 27, Selbstbestimmung 56, 73
75, 77 f. Setzen 73
M etaphysik 77 f. Sichsetzen 63
Sittenlehre 75
Nachbeterei 81 Skeptizismus 27
N atur 58, 75 Sophisterei 68
Inhalt 117
Inhalt haupt; von einem unbekannten Verfasser, her­
ausgegeben von Iacob zu Halle, in den Anna­
len der Philosophie. I. 1795. 4 St.......................... 83
Einleitung des H erausgebers............................................. 3 2) Auszug aus der Recension meiner Schrift: über
den Begriff der Wissenschaftslehre, und der
V o rred e.................................................................................... 27 Grundlage der W. L. verfaßt von Hrn. Prof.
Bede zu Halle, (man sehe Forbergs Fragmente
Erster Abschnitt: Ueber den Begriff der Wissenschafts- aus meinen Papieren S. 78 u. 80.) herausgege­
lehre überhaupt ben von Iacob, in den Annalen, 1 .1795. St. 16.
§. 1. Hypothetisch aufgestellter Begriff der Wissen- 17. 18............................................................................ 86
sd h aftsleh re.............................................................. 31
§. 2. Entwicklung des Begriffs der Wissenschafts­ Textkritische B em erkungen................................................. 91
lehre ........................................................................... 38 A n m e rk u n g e n ...........................................................................103
Zweiter Abschnitt: Erörterung des Begriffs der Wissen- Bibliographie............................................................................... 108
sdiaftslehre P erso n en reg ister.......................................................................112
S ac h reg ister............................................................................... 113
§ . 3. . .............. 48
§. 4. In wie fern kann die Wissenschaftslehre sicher
seyn, das menschliche Wissen überhaupt er­
schöpft zu haben?..................................................... 50
§. 5. Welches ist die Grenze, die die allgemeine Wis­
senschaftslehre von der besondern durch sie be­
gründeten Wissenschaft scheid et?...................... 55
§. 6. Wie verhält sich die allgemeine Wissenschafts­
lehre insbesondere zur L o g ik ? ........................... 59
§. 7. Wie verhält sich die Wissenschaftslehre als Wis­
senschaft, zu ihrem G egenstände?...................... 62
Dritter Abschnitt: Hypothetische Eintheilung der Wis­
senschaftslehre
§ .8 ........................................................................................... 73
Vorrede zur zweiten A usgabe............................................ 77
Beilagen
1) Recension von Schellings Schrift: Ueber die
Möglichkeit einer Form der Philosophie über-

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