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Selbstorganisation
– ein Paradigma für
die Humanwissen-
schaften
Zu Ehren von Günter Schiepek
und seiner Forschung zu Komplexität
und Dynamik in der Psychologie
Selbstorganisation – ein Paradigma für
die Humanwissenschaften
Kathrin Viol · Helmut Schöller ·
Wolfgang Aichhorn
(Hrsg.)
Selbstorganisation –
ein Paradigma für
die Humanwissen
schaften
Zu Ehren von Günter Schiepek
und seiner Forschung zu Komplexität
und Dynamik in der Psychologie
Mit einem Geleitwort von
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Haken
Hrsg.
Kathrin Viol Helmut Schöller
Institut für Synergetik Institut für Synergetik
und Psychotherapieforschung und Psychotherapieforschung
Paracelsus Medizinische Privatuniversität Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Universitätsklinik für Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik Psychotherapie und Psychosomatik
Salzburg, Österreich Salzburg, Österreich
Wolfgang Aichhorn
Institut für Synergetik und
Psychotherapieforschung
Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Universitätsklinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik
Salzburg, Österreich
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Widmung V
Widmung
Dieses Buch ist der Person und dem Wirken von Univ.-Prof. Dr. Günter
Schiepek gewidmet. Anlässlich seines 60. Geburtstags fand 2018 in Salz-
burg eine hochkarätige internationale Konferenz statt, bei der viele seiner
Wegbegleiter ihre Arbeit in Forschung und/oder Praxis vorstellten. Dabei
wurde deutlich, wie umfassend und weitreichend der Einfluss von Günter
Schiepek geworden war.
❖ Professor an der Paracelsus Medi-
zinischen Privatuniversität Salzburg
❖ Professor an der Ludwig-
Maximilians-Universität München
❖ Gastprofessor an der Sapienza
Università di Roma
❖ Geschäftsführer des Center for
Complex Systems
❖ Senatsmitglied der Europäischen Aka-
demie der Wissenschaften und Künste
❖ Mitglied der Mind Force Society
❖ Ehrenmitglied der Systemischen
Gesellschaft
❖ Mitglied des wissenschaftlichen
Direktoriums der Deutsch-
Japanischen Gesellschaft für integra-
Univ.-Prof. Dr. tive Wissenschaft
Günter Schiepek
❖ Gastprofessor an der Alpen-Adria-
Universität Klagenfurt und an der
Donau-Universität Krems
Schon während des Studiums der Psychologie stellte Günter Schiepek die
aktuell gültigen Ansätze und Theorien infrage. Sie schienen ihm nur be-
dingt geeignet, den Prozess der Psychotherapie zu erklären: eine Messung
am Anfang der Therapie und eine am Ende, wie in Studien mit Prä-Post-
Design üblich, konnten nichts über die „Black Box“ dazwischen aussagen
– diese war aber ja das eigentlich Interessante und Relevante. Darüber hin-
VI Widmung
Westfalen. Von 1992-1996 hatte er die Vertretung des Lehrstuhls für Kli-
nische Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
inne, bevor er von 1998 bis 2003 das Forschungsprojekt „Synergetik der
Psychotherapie“ am Universitätsklinikum der RWTH Aachen leitete. Dort
entwickelte er ein Maß zur Erfassung von kritischen Instabilitäten, d.h. er-
höhten Fluktuationen, wie sie vor Ordnungsübergängen typisch sind. Die
sog. Dynamische Komplexität wird seither in den verschiedensten Berei-
chen der Forschung und Praxis verwendet, z.B. in der Vorhersage suizida-
ler Krisen.
Nie in seiner Karriere hat sich Günter Schiepek in den Elfenbeinturm der
Forschung zurückgezogen. Im Gegenteil, es war und ist ihm ein wichtiges
Anliegen, seine Erkenntnisse und Methoden für die Praxis greifbar zu ma-
chen. Dafür entwickelte er zum einen die sog. idiographische Systemmo-
dellierung, eine therapeutische Methode, um gemeinsam mit dem Klienten
die Zusammenhänge seines ganz individuellen psychischen Systems zu er-
kennen und zu veranschaulichen. Seither wird dieser hochwirksame An-
satz auch zur Analyse von Strukturen in Unternehmen verwendet, und
Günter Schiepek lässt es sich nicht nehmen, diese auch selbst immer wie-
der zu praktizieren. Zum anderen bewies er mit dem Synergetischen Navi-
gationssystem (SNS), dass er der Zeit immer einen Schritt voraus ist: vor
über 20 Jahren gestaltete er eine Software, die dem Therapeuten in mehre-
rer Hinsicht hilft, durch den Prozess der Psychotherapie zu navigieren, und
nebenbei die Klienten in Sachen Achtsamkeit schult. Mithilfe des online-
basierten Systems füllen Klienten täglich einen oder mehrere Fragebögen
zu ihrem Fühlen und Erleben im Laufe des Tages aus. Diese können vom
Therapeuten anschaulich als Zeitreihen dargestellt werden, um einen Über-
blick über den Prozess zu erhalten. Zudem stehen eine Vielzahl von Aus-
wertungsmethoden zur Verfügung, u.a. die oben erwähnte dynamische
Komplexität, Recurrence Plots, Komplexitäts-Resonanz-Diagramme, Kor-
relationsmuster-Analysen, Interaktionsmatrizen und klassische Outcome-
Maße. Das SNS bietet dabei sowohl eine einfache Handhabung als auch
flexible Anpassungsmöglichkeiten, so dass es inzwischen aus dem klin-
schen Alltag vieler Kliniken und Praxen nicht mehr wegzudenken ist. Was
heute in der Forschung als Real-Time Monitoring oder Therapie-Feedback
einen Boom erlebt, ist hier schon optimal umgesetzt.
VIII Widmung
Sein unermüdlicher Einsatz für das Konzept der Synergetik auf zahlreichen
Konferenzen sowie die fast unüberschaubare Anzahl von Veröffentlichun-
gen (siehe Publikationsliste am Ende dieses Buches) mündeten schließlich
in die Gründung des Instituts für Synergetik und Psychotherapieforschung
an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (Universitätsklinikum
für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik), Salzburg. Dort, so-
wie in einer Vielzahl internationaler Kooperationen, führt Günter Schiepek
inzwischen die Forschung im Bereich Synergetik in der Psychologie fort.
Heute, zu seinem 60. Geburtstag, kann man festhalten, dass es maßgeblich
sein Wirken war, das zu einem Paradigmenwechsel in der Psychologie ge-
führt hat. Danke, dass wir dabei sein dürfen!
Die Herausgeber
Kathrin Viol, Helmut Schöller & Wolfgang Aichhorn
Lieber Günter, natürlich möchten wir an dieser Stelle auch deine Freunde
und Kollegen zu Wort kommen lassen, die fast ausnahmslos unserer An-
frage gefolgt sind, einen Beitrag zu diesem Herausgeberband beizusteuern.
Ihre Werteschätzung ist in jeder Zeile spürbar.
“Lieber Günter, alles Gute zu Deinem 60ten Geburtstag: Die Nichtlineari-
tät von Prozesskomponenten als grundlegendes Prinzip selbsterhaltender
Systeme hast Du stets leidenschaftlich vertreten, Du hast sie gegen den
Mainstream verteidigt, um Phänomene wie Selbstorganisation und
Emergenz zu erklären. Wir haben gelernt zu verstehen, dass kleinste
Schwankungen und Kräfte („Ursachen“) sich in der Rückkopplung verstär-
ken und zu großen Abweichungen, qualitativen Sprüngen, oder auch zu
stabilisierenden Dynamiken führen können. Nichtlinearität ist d i e Basis
für selbstorganisierende Ordnungsbildung. Als Psychoanalytiker stellen
wir uns mit dem dritten Ohr (Th. Reik), mit gleichschwebender Aufmerk-
samkeit (S. Freud) diesen überraschenden Dynamiken. Vielen Dank für die
vielen inspirierenden Begegnungsmomente und die jahrelange Zusammen-
arbeit.“ – Egon Bachler
Widmung IX
„Lieber Günter, der Start unserer Zusammenarbeit geht schon bis in die
90-er Jahre zurück. Ich habe stets bewundert, wie Du Dein persönliches
Forschungsprogramm auf Basis der Synergetik entwickelt und ausgebaut
hast. Dabei waren manche hohe Hürden zu überwinden: das ständige
Kämpfen um Ressourcen (Geld, Mitarbeitende), Missgunst von Kollegen
(Angehörige der dominierenden „scientific communities“, mikropolitische
Intrigen von wissenschaftlichen „Influencern“, wie man heute sagen
würde) und die lange ausstehende Berufung auf den mehr als verdienten
Lehrstuhl. Du hast eine unglaubliche Geduld bewiesen, extreme Ausdauer
und Fokussierung, vor allem die Leidenschaft für Deine Sache, Deine Mis-
sion. Dabei bist Du ein warmherziger Mensch und Freund geblieben, ich
freue mich auf eine neue Phase der Zusammenarbeit und auf unsere ge-
meinsame Ernte.“ – Wolfgang Eberling
“As front-line clinical psychologists working with suicidal individuals for
many years, limitations of existing linear theoretical models and risk as-
sessment procedures were obvious, and it seemed that suicidology was in
a dead-end. This changed when Günter Schiepek was affiliated with our
clinic. His Nonlinear Dynamic Systems (NDS) approach and the related
methodological equipment (SNS) just came in time to bring suicidology
forward, not only in theory, but also in practice. The NDS perspective is
now gaining more attention internationally, and we are happy to say that
one milestone was achieved in Salzburg. This would not have been possi-
ble without Günter Schiepek’s excellence in his field, his open-minded-
ness, collaborative attitude, resistance to destructive order parameters, and
the intrinsic motivation that was so much inspiring. We are thankful for
collaborating with him.“ – Clemens Fartacek & Martin Plöderl
“The first time I met Günter was following a presentation of mine on dy-
namic systems and psychotherapy, I was less than 25 years old. He shook
my hand and introduced himself simply: “My name is Günter Schiepek.”
“I know, I read all your papers”, I replied. And smiling he blushed. Now
we have been working together for years on good and poor psychothera-
peutic networks. Günter is Visiting Professor at Sapienza University of
Rome, and together with Wolfgang Tschacher and Franco Orsucci we have
founded a special research section on psychotherapy and complexity sci-
X Widmung
ence within the International Society for Psychotherapy Research with al-
most 100 active colleagues. The application of the principles of dynamic
systems to psychotherapy will be the most fertile research line of the next
20 years and Günter Schiepek is one of its most important pioneers.” –
Giulio de Felice
“Günter Schiepek is one of the most innovative pioneers in mapping, con-
ceptualizing and monitoring complex change dynamics in psychotherapy.
He is a very important persistent thinker and creative stimulator for science
and practice. His work is years ahead of time!” – Christoph Flückiger
“Günter's vision for a nonlinear psychotherapy based on Synergetics, com-
bined with his persistence and mirthful nature, has already inspired a new
generation of clinical psychologists. His work brings clarity and perspec-
tive to our understanding of a wide range of self-organizing psychological
phenomena.” – Stephen Guastello
“For more than two decades Günter Schiepek has been a pioneer, bringing
concepts and methods from Synergetics and dynamical systems theory to
the study of change in psychotherapy. His interdisciplinary collaboration
with physicist Hermann Haken has brought a rich theoretical and method-
ological tradition to clinical psychology. In many ways, Günter was ahead
of his time in the era of the randomized controlled trial and the focus on
treatment outcomes rather than on the dynamics of therapeutic change. He
has worked tirelessly to develop the Synergetic Navigation System (SNS),
which provides a tool for visualizing and analyzing stability and change
dynamics for a given person. The SNS is not only a research tool, but it
also brings the science of self-organization directly to therapists and clients
to enhance case conceptualization and provide interactive feedback over
the course of therapy. Günter has persisted over the years, and the field is
finally ready. The tipping point has been reached. His theoretical writings
and analytic tools are breaking into the mainstream, as the field has realized
the shortcomings of the linear, pre-post assumptions of previous psycho-
therapy research. Exciting advances will continue to come with the sophis-
ticated theoretical and mathematical tools that Professor Schiepek has
brought to the field.” – Adele Hayes
Widmung XI
„Meinem Freund Günter Schiepek möchte ich an dieser Stelle ganz herz-
lich danken für die gemeinsamen geistigen Abenteuer über viele Jahre! Ein
Abenteuer ist freilich der Geist selbst, und zwar sowohl als Ereignis inner-
halb der Evolution des Lebens als auch für jeden einzelnen Menschen.“
– Uwe an der Heiden
„Meine erste Begegnung mit Günter Schiepek war im Jahre 2002. Damals
konnte ich ihn als Redner in einem Symposium über Selbstorganisation
gewinnen, das ich mit zwei Kollegen organisiert hatte. Seine Ideen über
kritische Fluktuationen haben viele Aspekte meiner wissenschaftlichen
Arbeit seitdem geprägt. Danach hatten wir uns etwas aus den Augen ver-
loren und erst im März 2015 am Rande einer Doktorprüfung in Marseille
wiedergetroffen. Seitdem darf ich Teil seiner großartigen Unternehmung
sein, die Dynamik von Psychotherapien mathematisch zu modellieren und
mit dem Methodeninventar der nichtlinearen Dynamik zu analysieren.
Dies ist ein schöner Ort, um zu sagen: Vielen Dank, Günter!" – Marc-
Thorsten Hütt
„Lieber Günter, ich war sehr enttäuscht, dass ich kurzfristig nicht an Deiner
Geburtstagsveranstaltung in Salzburg teilnehmen konnte. Daher freue ich
mich umso mehr, einen kleinen Beitrag in diesem Herausgeberband zu
Deinem Geburtstag machen zu können. Es war mir insbesondere wichtig,
unsere vielen Gespräche über Selbstorganisation, Synergetik, Hirn-
dynamik und Psychotherapie integrieren zu können. Ich möchte Dir herz-
lichst danken für die Jahre der Zusammenarbeit und Freundschaft, und
freue mich schon auf die zukünftigen Entdeckungen im Bereich der funk-
tionalen Konnektivität und Psychotherapie.“ – Viktor Jirsa
„Wir hoffen, mit unserem Beitrag dem Geist gerecht geworden zu sein, der
unserem Erleben nach die Zusammenarbeit mit Dir, lieber Günter, prägt.
Dieser Geist umfasst aus unserer Sicht Neugierde, Lust an Komplexität
und Widersprüchen, die kritische Auseinandersetzung mit Dogmen,
Freude am Verstehen des zunächst Unverständlichen sowie nicht zuletzt
Humor und Zuversicht auch angesichts des oft Schweren. Wir wollen ihn
uns noch lange erhalten und freuen uns auf die gemeinsame Zukunft. Für
Deine Arbeit unsere höchste Anerkennung.“ – Leonhard Kratzer & Peter
Heinz
XII Widmung
„Lieber Günter, beim Verfassen dieser Zeilen hatte ich die vielen (hoffent-
lich auch gegenseitig) befruchtenden Begegnungen mit Dir vor Augen.
Von Thich Nhat Hanh stammt der Ausspruch: „Die eigene Präsenz ist das
schönste Geschenk, das ein Mensch einem anderen machen kann“ (zitiert
nach Harrer und Weiss 2016, S. 60). In diesem Sinne danke ich Dir für
Deine Präsenz, die ich bei all den Begegnungen mit Dir in den letzten 10
Jahren erleben dürfte: für Deine Präsenz als Mensch, als Wissenschaftler,
manchmal auch als Therapeut und sicher auch als Freund. Herzlichen
Dank.” – Helmut Kronberger
„Lieber Günter, ein wahrer Pionier auf seinem Gebiet und ein Pfundskerl
den man einfach liebhaben muss! Ich weiß noch genau, wie ich als junger
PhD Student deine Artikel gelesen habe. Damals arbeitete ich noch in ei-
nem anderen Themenbereich, aber auch basierend auf der Theorie dyna-
mischer Systeme. Das war der Link und ich war damals schon begeistert
von Deiner Arbeit. Viele Jahre später und inzwischen selbst interessiert an
Therapieprozessen habe ich mich wieder an Dich erinnert und Dich einge-
laden zu einem internationalen Symposium ‚General Principles of Clinical
Change‘. Wir haben direkt mehr als eine Stunde ein sehr inspirierendes
Telefongespräch geführt und es war der Start einer wunderbaren und sehr
fruchtbaren Zusammenarbeit. Günter, ich und mein Team hier in Nijmegen
schätzen Dich sehr, für die freundliche, offene, neugierige und chaotische
Person die du bist, für die langen inspirierenden und geselligen Gespräche
und Abende, die wir verbracht haben, und für die tolle Zusammenarbeit
und die Möglichkeiten die Du uns geboten hast. Auf viele weitere Jahre –
alles Liebe & Gute zu Deinem Geburtstag!“ - Anna Lichtwarck-Aschoff &
Nijmegenaren (Merlijn, Fred, Maarten, Marieke, Maartje)
“It is always an utmost pleasure working with Professor Günter Schiepek.
He has opened my eyes to the complexities in life and to new and breath-
takingly different ideas. His take on psychotherapy is refreshing and opens
the door for many years of research into the signals and noises produced
by the human being. His work is essential and neccesary to keep updated
on and he is a true pioneer within interdisciplinary and transdisciplinary
work. We want to thank him for sharing his passion with us and for inspir-
ing us to apply new and groundbreaking methods in the investigation of
adult development!” – Marlene Skovgaard Lyby
Widmung XIII
„Die Synergetik ist sicher nur ein Teil im mathematischen Reich der kom-
plexen dynamischen Systeme. Bewundernswert ist Günters unerschütterli-
cher Einsatz seit vielen Jahren für Ihre Anwendung in der Psychologie. Bei
aller Abstraktheit ihrer Begrifflichkeit bleibt Günter ein empathischer
Therapeut, Kollege und Freund, worauf es am Ende in seiner Berufspraxis
ankommt. Ad multos annos.“ – Klaus Mainzer
„Ich kenne Günter Schiepek seit Anfang er 1990er Jahre, als ich mein Psy-
chologiestudium in Münster begann. Er war vom ersten Moment an die
große ‚Entdeckung‘ meines Studiums. Man fragt sich im Kontext seiner 60
Jahre, von denen er knapp 30 Jahre meiner Jahre sehr positiv mitbestimmt
hat, was habe ich von ihm gelernt? Man kann es eigentlich in wenigen
Worten zusammenfassen: Alles ist Konnektivität, Konnektivität ist alles.
Alles ist in einem nichtlinearen, multikausalen, dynamischen, komplexen
Zusammenhang miteinander verbunden und aufeinander bezogen. Alles ist
in Relation miteinander, auch wir Menschen, oder wie Martin Buber sagte:
‚Der Mensch wird am Du zum Ich.‘ Wir brauchen die Beziehung zu ande-
ren, wir sind in einem unsichtbaren Netzwerk von Beziehungen verfloch-
ten, die uns bestimmen und ausmachen. So begann die Entdeckungsreise
meines Studiums mit einem neuen Paradigma in der Psychologie, das in
integrativer Weise das noch frische Paradigma der Systemwissenschaften
mit Elementen der Philosophie, Mathematik, Medizin, insbesondere der
Neurophysiologie, der Chaostheorie und der Synergetik anreicherte. Plötz-
lich fühlte ich mich nicht mehr nur wie in einem Spezialisten-Psychologie-
studium, sondern in einem Studium universale, wie es in der europäischen
Tradition der septem artes liberales die längste Zeit üblich gewesen war.
Karl der Große hatte um das Jahr 800 die ‚sieben freien Künste‘ wiederbe-
lebt und zum Grundstock des europäischen Wissenschaftsbetriebs ge-
macht. Spezialisierung und Integration waren gleichermaßen Ziel dieser
Ausbildung. Nichts ist einfach nur einfach, sondern hochgradig komplex
einfach.“ – Hans Menning
„Lieber Günter, als ich vor Jahren bei einem Vortrag und Workshop Deine
Arbeit und Dein Engagement kennenlernte, wurde mir bewusst, dass sich
darin viele zuvor diffusen Fragen und Ahnungen schlagartig konkretisier-
ten. Meine Arbeit hat seitdem durch die Programme, Modelle und Syste-
matiken, die Du entwickelt hast, eine neue formgebende Struktur erhalten,
XIV Widmung
die es mir erlaubt, mich dem, um das es im Kern geht, noch wirksamer zu
widmen: Der Begegnung mit den Menschen, die zu mir in die Therapie
kommen, mit dem Ziel des gemeinsamen Lernens mit- und aneinander
über Möglichkeiten der individuellen Gesundheitsförderung. Gleichzeitig
habe ich Werkzeuge erhalten, diese nun anders abbildbaren Prozesse in den
wissenschaftlichen Diskurs einzubringen, der insb. in der Medizin an den
Versuchen, den Menschen zu vereinfachen und auf unbelebte und unbe-
seelte Prozesse zu reduzieren, erkrankt ist. So impulsiert Deine unermüd-
liche Arbeit mein Arbeiten immer wieder aufs Neue und mit diesen Zeilen
möchte ich diese sonst leise mitschwingende Dankbarkeit und Achtung
zum Ausdruck bringen. Ich freue mich sehr auf die nächsten 10 Jahre der
Zusammenarbeit bis zu Deinem nächsten runden Geburtstag und bin ge-
spannt, welche individuellen und kollektiven Ordnungsübergänge wir bis
dahin erleben werden!“ – Rosa Michaelis
“In my life I have been fortunate to be able to work alongside some great
men and women. One of them is Günter Schiepek, who again and again
invites me to look to the inspiring horizons of interdisciplinary and trans-
disciplinary thought that many times I can hardly grasp. I find appropriate
Jean Piaget's description of the great man to depict Günter and his work:
‘The great man who at any time seems to be launching some new line of
thought is simply the point of intersection or synthesis of ideas which have
been elaborated by a continuous process of cooperation, and, even if he is
opposed to current opinions, he represents a response to underlying needs
which arise outside himself” (Piaget 1971: 368).“ – Miran Možina
„Ich erinnere mich an eine Diskussion mit Dir, bei einem oder auch meh-
reren Bieren, spätabends in einer netten Gastronomie, im Rahmen eines
Kongresses oder einer Konferenz in Heidelberg in den Nullerjahren. Wir
tauschten uns aus über mögliche Gründe dafür, dass die von Dir in Vorträ-
gen gerne präsentierten Bifurkationsdigramme, graphischen Verläufe cha-
otischer Dynamiken oder Illustrationen von Attraktoren regelmäßig oszil-
lierender Zeitreihen bei manchen der zuhörenden systemischen Prakti-
kerInnen wenig „Anschlußfähigkeit“ zu erzeugen scheint. In dieser Dis-
kussion war ich beeindruckt davon, wie wenig Dich „schwache Argu-
mente“ (von denen ich einige, wie ich im Nachhinein feststellen mußte,
Widmung XV
„Ein Wort direkt und persönlich zu Dir, lieber Günter: Ich gratuliere Dir
ganz herzlich nicht nur zu Deinem 60, sondern zu Deinem unermüdlichen
Schaffen von Bedingungen für die Etablierung der Selbstorganisation in
den Humanwissenschaften. Dies in guter Erinnerung an unsere Begegnun-
gen als „Therapeut und Forscher“, aber auch an die persönlichen, auch an-
lässlich meines 60. vor fast 10 Jahren. Verbunden mit dem Wunsch, dass
wir uns, sozusagen mit Duncan und Millers „heart and soul of change“ im
Gepäck, noch lange in einem inspirierenden, heiteren und kritischen, v.a.
aber freundschaftlich geführten Dialog erhalten bleiben.“ – Martin Rufer
„Unsere individuelle Lebenswirklichkeit wird durch vielfältige Einflüsse
aus den Bereichen der Natur, der Technik und der sozialen Umwelt, der
Genetik sowie der biografischen Entwicklung mitbestimmt. In der psy-
chotherapeutischen Forschung wird oft versucht, diese komplexen in-
nerpsychischen und äußeren Vorgänge nach dem Prinzip der Einfachstruk-
tur mit simplen Ursache-Wirkungsmodellen abzubilden. Das wird aber der
Realität kaum gerecht. Menschliche Einstellungen und menschliches Ver-
halten entwickeln sich in aller Regel nicht linear. Sie sind die Endstrecke
vieler Einflussgrößen. Deswegen ist Psychotherapie, die diese Einflüsse
üblicherweise individuell erfasst, der schon lang praktizierte Prototyp einer
‚individualisierten Medizin‘. Günter Schiepek ist einer der wenigen For-
scher, der sich dieser Komplexität durch Entwicklung von Prozesstheorien
stellt und konsequent daraus praktizierbare Modelle des therapeutischen
Handelns entwickelt. Dafür gebührt ihm höchster Respekt! Erstens wegen
seiner großen wissenschaftlichen Lebens-Leistung. Zweitens wegen sei-
nes unermüdlichen Einsatzes für die Beschreibung und Ergründung kom-
plexer Zusammenhänge. Drittens, weil er stets unbeirrt Vorurteilen entge-
gentritt. Viertens, weil er so gerne nachdenkt. Und fünftens, weil er immer
bodenständig und ein bezogener Mensch ist. Solche Wissenschaftler
braucht die Welt!“ – Isa Sammet
„Lieber Günter, nachdem wir länger keinen Kontakt mehr gehabt hatten,
habe ich mich sehr über die Einladung zu deinem Geburtstagssymposium
gefreut und war beeindruckt zu sehen, wie konsequent du die Ideen, zu
deren frühen Formulierungen ich in den 1990er Jahren beitragen durfte,
Widmung XVII
weiterverfolgt hast. Ich freue mich, dass diese Ideen inzwischen auch rei-
che Früchte tragen und wünsche dir noch viele weitere kreative Jahre.“
– Wolfgang Schoppek
„Lieber Günter, ich wünsche Dir alles Gute zu Deinem 60. Geburtstag!
Wir können die Zeit nicht aufhalten, aber wir können die Erinnerung be-
wahren. Ich kann mich noch deutlich an unser erstes Treffen im Jahr 2000
auf dem Monte Verità erinnern. Ich wollte die Systemtheorie lernen und
Du halfst mir dabei in Deiner so offenen, unkomplizierten und freundli-
chen Art. Wie ein Kind, träumerisch, in Raum und Zeit wandernd und dann
wieder so klar und unbeirrt, Deine Ziele realisierend. C. G. Jung meint,
dass das Unbewusste keine Zeit kennt und die Freiheit während des Träu-
mens zeitlos ist. Das Bewusste hingegen braucht die Ordnung der Zeit, da-
mit man sich orientieren und zielgerichtet handeln kann. Lieber Günter, ich
wünsche Dir für die kommenden Jahre, dass Du Dein Kind in Dir bewahrst
und Deine wunderbaren Träume weiterhin so erfolgreich umsetzt wie bis-
her!“ – Christian Schubert
“It is said that organisms have to strike a balance between being open (to
nourish from the environment) and being closed (to uphold an identity) for
them to stay alive. If that is so, few researchers are as vivid as Günter
Schiepek! He is living proof that being at the forefront in one’s own field
does not have to come at the expense of precluding an interest in what goes
on in neighbouring fields. In our project on the Ecology of Psychotherapy:
Integrating Cognition, Language, and Emotion (EPICLE), Günter became
a key collaborator. While Günter provided us with insights from integrative
psychotherapy and non-linear systems theory, he also retained an everlast-
ing curiosity about the linguistic and interactional methods of our research
team. Günter embodies the academic values of caring and sharing, and we
are grateful for our collaboration based on these values!” – Sune Vork
Steffensen & the EPICLE team
„Lieber Günter, bei Deiner Antrittsvorlesung in Münster hast Du uns Stu-
dierenden von Deinen Plänen für eine psychotherapeutische Chaosfor-
schung erzählt. Das war Anfang 1992. Eine Woche später war ich Dein
Mitarbeiter und habe Software für das Projekt geschrieben. Unzählige
Male haben wir im Cafe Malik gesessen und uns eine systemische, eine
synergetische Psychologie ausgemalt. Es war eine wilde Zeit damals und
XVIII Widmung
alle guten Ideen haben wir gesammelt in einem ‚Schatzkästchen‘. Und wir
hatten viele gute Ideen! Wild ging es dann weiter mit unserem gemeinsa-
men Forschungsinstitut für Systemwissenschaften (FIS) in München, Dei-
nen und meinem Antrag für die Systemische Therapie in Deutschland und
unseren gemeinsamen Büchern. In den fast dreißig Jahren unserer Zusam-
menarbeit haben wir viele Ideen aus dem ‚Schatzkästchen‘ verwirklicht.
Aber es bleibt noch immer viel zu tun. Darauf freue ich mich!“ – Guido
Strunk
„Lieber Günter, alles Gute zum 60. Geburtstag. Es war schön, an Deinem
Geburtstags-Symposium so viele Menschen zu sehen, die Deine Arbeit
würdigen. Sehr froh schaue ich auf die 1980er Jahre zurück, als wir uns
über Deine ersten Publikationen kennenlernten, und wo ich Einblick in die
schwierige Struktur in Bamberg bekam – da die orthodoxe VT und dort die
innovative Systempsychologie und Du dazwischen! Deinen Weg bis heute
habe ich immer mit großem Interesse und Teilnahme verfolgt – er war
wahrlich mit vielen Inhibitoren, Supressoren, Repressoren und Repelloren
und nur wenigen Fazilitatoren versehen. Du weisst was ich meine! Schön,
dass Du nun zu guten Zeiten noch Dein Lebenswerk einer praktikablen und
wissenschaftlich exzellenten klinischen Systempsychologie betrachten
und weiterführen kannst und bereits jetzt eine große, dankbare und aktive
Scientific Community hinter Dir hast. Alles Gute fürs Weitere, Dein Werk
dient auch mir als besonders positives Beispiel bei Systemskeptikern!“
– Felix Tretter
„Dir, lieber Günter, möchte ich meinen Dank aussprechen für Deine Inspi-
ration und Deine intellektuellen Stimuli. Es berührt und beeindruckt mich
immer wieder, mit welcher Offenheit und wie unprätentiös Du auf Men-
schen zugehst, und mit welcher Begeisterung Du Dein immenses Wissen
teilst und Deiner Berufung nachgehst. In jeder Begegnung wird klar, dass
das, was Du tust, eben weit mehr als ein Beruf ist, und auch, dass es Dir
darum geht, die Sache und nicht Dich selbst ins Zentrum zu stellen. Wie
erfrischend das ist! Vielleicht ist gerade der Umgang mit dem Thema Kom-
plexität etwas, das eine gewisse Demut und Bescheidenheit fordert, zeigt
er doch auf, wie wenig Kontrolle wir letztendlich über den Fluss der Dinge
haben. Es ist mir eine große Ehre, dass ich zu diesem Buch einen kleinen
Widmung XIX
Beitrag leisten durfte. Ich wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute, Er-
füllung und Gesundheit, und dass Du noch lange Deine Spuren hinterlassen
und Menschen mit Deiner Arbeit berühren mögest!“ – Marion Walz
Hermann Haken XXI
Geleitwort
Hermann Haken
Ich erinnere mich noch gut an die erste Tagung von Günter Schiepek,
Ewald Brunner und Wolfgang Tschacher in Bamberg im Jahr 1990. Dort
klagte mir ein Psychotherapeut „sein Leid“. Immer wenn seine Therapien
erfolgreich waren, meinten seine KlientInnen, dass sie dies alleine ge-
schafft hätten. Ich sagte ihm, dass dies gerade sein besonderer Erfolg sei.
Es war ihm gelungen, durch seine Hilfestellung seine PatientInnen zur Hei-
lung durch Selbstorganisation zu bringen.
Was ist Selbstorganisation? Es benennt die spontane Entstehung von Ord-
nung in einem materiellen oder geistigen System ohne einen ordnenden
Eingriff von außen. Das Konzept lässt sich bis in die Antike verfolgen,
später befassten sich Philosophen wie Kant und Schelling damit. In den
letzten beiden Jahrhunderten quälte die Frage der spontanen Entstehung
von Ordnung besonders die Physiker. Nach dem zweiten Hauptsatz der
Thermodynamik sollte (in einem abgeschlossenen System) die Entropie –
gleichzeitig ein Maß für Unordnung – immer mehr ansteigen! Als Ausweg
schlug der berühmte Physiker Erwin Schrödinger vor, dass dem System
von außen „Negentropie“ zugeführt und damit Ordnung geschaffen wird.
Der Physikochemiker Ilya Prigogine griff diesen Faden auf und machte die
Rolle der thermodynamischen Entropie zu seinem zentralen Forschungs-
thema. Wie wir inzwischen wissen, war dieser Weg nicht zielführend, wohl
aber war die Bezugnahme auf experimentell gefundene spontane Struktur-
bildung bei chemischen Reaktionen und in Flüssigkeiten wichtig. Das Phä-
nomen der Selbstorganisation war nun ein mathematisch-naturwissen-
schaftliches Thema. Auf dieses war ich – von der Laserphysik herkom-
mend – gestoßen: Wie entsteht aus dem ungeordneten Licht einer normalen
Lampe das hochgeordnete Laserlicht? Die Beantwortung dieser Frage be-
scherte uns zwei Einsichten: Selbstorganisation ist in offenen Systemen
möglich, z.B. durch ständige Energiezufuhr von außen. Und der Übergang
Lampe/Laser hat eine verblüffende formale Ähnlichkeit mit Phasenüber-
gängen, etwa das Gefrieren von Wasser zu Eis oder die Entstehung des
Ferromagnetismus.
XXII Geleitwort
führte ihn zu Anwendungen der Chaostheorie mit ihrem Konzept der selt-
samen Attraktoren. Die Chaostheorie befasst sich mit dem Verhalten we-
niger Variablen (in der Regel drei). Sie baut damit auf der Erkenntnis der
Synergetik auf, dass das Verhalten selbst komplexer Systeme sich mit we-
nigen Ordnern beschreiben lässt. Während meine Arbeitsgruppe, von we-
nigen Ausnahmen abgesehen, sich mit einfachen Attraktoren (wie Fix-
punkte, Grenzzyklen und Tori) befasste, dringt die Chaosforschung mit
den ihr eigenen Konzepten in die verwickelten Erscheinungen chaotischer
Attraktoren vor. Neben den Arbeiten von Günter Schiepek seien beispiel-
haft die tiefgreifenden EEG-Analysen meines früheren Mitarbeiters (und
jetzigen Direktors am Institut de Neurosciences des Systèmes, Aix-Mar-
seille Université) Viktor Jirsa genannt.
Die richtungsweisende Ausstrahlung, die Günter Schiepek auf das Gebiet
der Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie hatte und hat, spiegelt
sich in diesem Festband wider, den seine Freunde, Kollegen und Schüler
eindrucksvoll aus Anlass seines 60. Geburtstags basierend auf der gleich-
namigen Tagung in Salzburg im Jahr 2018 herausgeben. Ich schließe mich
deren Glückwünschen von ganzem Herzen an.
Inhaltsverzeichnis XXV
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
H. Schöller .............................................................................................1
Autorenverzeichnis
Einleitung
Helmut Schöller
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_1
2 Einleitung
Dienst des Humanen. Sie umfassen daher auch ehemals rein den Naturwis-
senschaften zugeordnete Bereiche wie Humanmedizin, Gesundheitswis-
senschaften und Pharmazie, aber auch die Kognitionswissenschaften, Lin-
guistik und die Philosophie. Diese interdisziplinäre Ausrichtung an den
existentiellen Dimensionen menschlichen Daseins ist der Grund für einen
umfassenden interdisziplinären Dialog – auch mit den historischen Wis-
senschaften, der Wirtschaftswissenschaft und der Politikwissenschaft.
Regelkreise geht (z.B. in den ersten Teilen der Sehbahn oder zur Konstruk-
tion wichtiger Reflexsysteme). Dort, wo Instabilitäten und Emergenzen
neuer Muster aufgrund von Nichtlinearitäten und Feedbackschleifen auf-
treten, liefert die Synergetik passende Konzepte und Methoden.
Philosophische Implikationen
Neben dem zentralen Thema der Anwendung der Synergetik in der Psy-
chotherapie findet sich in diesem Werk auch ein Abschnitt, in welchem
philosophische Fragen der Synergetik mit Bezug auf die Entwicklung und
Struktur des Gehirns und die Selbstorganisation der bio-psycho-sozialen
Vorgänge des Menschen diskutiert werden. Zentralen Stellenwert nimmt
Helmut Schöller 9
die Frage nach der Möglichkeit von Freiheit und freier Willensbildung ein,
in der sich Schiepek und Haken streng an die Annahme eines durchgängi-
gen Naturalismus in der Kausalstruktur der Welt als auch in der Bewertung
des quantenmechanischen Zufalls als absolut und getrennt von jeder trans-
zentdentalen Voraussetzung binden. Diese Entscheidung betrifft auch die
Diskussion der Kriterien von Emergenz in einem starken oder schwachen
Sinn und ihre Bedeutung für die Möglichkeit eines freien Willens. Die ab-
schließende Erörterung der Geist-Hirn-Philosophie mit dem zentralen
Problem des qualitativen Bewusstseins schlägt mit einer Reflexion unter-
schiedlicher Lösungsansätze jene Pflöcke ein, an denen sich eine zukünf-
tige Klärung des schwierigen Themas der Spannung zwischen realistischen
und konstruktivistischen Zugängen zum Wirklichkeits-Qualia Problem
orientieren muss.
State-Trait-Dynamics
Dass Günter Schiepeks Theorie von der selbstreferentiellen kreiskausalen
Kopplung von States und Traits („State-Trait-Dynamics“, Schöller et al.
2018) qualitative und quantitative Korrelationen beachtlicher Größe mit
tatsächlichen therapeutischen Prozessen hervorbringen kann, gehört zu den
Tatsachen, welche die Kraft seiner Intuition bezeugen. Und dass die Erfor-
schung der therapiebezogenen Einflussfaktoren auf das intrapsychische
Geschehen zum aussagekräftigen Nachweis der Wirksamkeit der therapeu-
tischen Arbeit an unseren klinischen Einrichtungen wurde, kann als Bestä-
tigung interpretiert werden, dass das Paradigma der Synergetik in der Psy-
chotherapie im Rahmen des synergetischen Prozessmanagements nach
Schiepek erfolgreich ist. Mit der konsequenten Anwendung der „generi-
schen Prinzipien“ und der Methode der idiographischen Systemmodellie-
rung (von Günter Schiepek bereits 1985 entwickelt) ist ein Meilenstein der
Integration der systemischen Lebenswelt von Patienten in den Psychothe-
rapieprozess gelungen.
Aus all diesen Gründen kann die Anwendung des synergetischen Metamo-
dells auf die Psychotherapie als integrativer Ansatz verstanden werden, der
bio-psychologische Mechanismen (z.B. Auslösemechanismen und psy-
chologische Bedingungen von Epilepsie (siehe den Beitrag von Rosa Mi-
chaelis in diesem Band) ebenso beinhaltet wie systemische, psychologi-
sche, soziologische, kulturelle, philosophische und transzendente Dimen-
sionen.
Mit der erweiterten Anwendung des synergetischen Paradigmas auf andere
Systembereiche (z.B. Management in Organisationen) und Systemebenen
(z.B. Weltpolitik) unserer Weltgemeinschaft gewinnt diese Leistung uni-
versale Bedeutung. Für diese gebührt ihm gemeinsam mit vielen begeis-
terten Pionieren dieses integrativen Zugangs größter Respekt!
Die Artikel wurden so angeordnet, dass LeserInnen, die mit den Fachbe-
griffen und Konzepten der Selbstorganisation noch nicht vertraut sind,
schrittweise an die Terminologie hingeführt werden.
14 Einleitung
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15
TEIL I
Konzeptuelle & theoretische
Grundlagen
17
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Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_2
18 Systemische Psychologie
und Schiepek 2010). Wille und biologischer Prozess bilden hier eine kreis-
kausale Einheit.
Dies führt mich zu dem Punkt, an dem es möglich erscheint, die Argumen-
tation in eine mehr positive und konstruktive Richtung zu lenken (man be-
achte Unterschiede und Ähnlichkeiten zu Watson 1913). Wenn die Psy-
chologie beginnt, sich einer systemischen Perspektive zu öffnen, kann es
gelingen, ihre grundlegenden Erkenntnisziele zurück in den wissenschaft-
lichen Diskurs zu holen.
Die Psychologie, die ich vor einigen Jahren als „Systemische Psychologie“
bezeichnet habe, wendet sich von linearen uV-aV-Modellen ab und setzt
an ihre Stelle eine Systemtheorie, die man im Anschluss an von Bertalanffy
(1968) als allgemeine Systemtheorie bezeichnen kann. Sie beruht erstens
auf der Überzeugung, dass psychische Prozesse systemische Eigenschaften
sind. Diese sind aus der Kenntnis einzelner, isolierter Elemente und Teil-
prozesse (lineale uV-aV-Ketten) nicht verstehbar. Die Gestaltpsychologie
(Koffka 1922; Köhler 1920; Lewin 1935; Metzger 2001/1975) hat wohl als
erste diesen Grundgedanken für die Psychologie erschlossen. Denn eine
Gestalt ist für die Gestaltpsychologie etwas anderes als die Summe ihrer
Einzelteile. Eine Gestalt ist eine emergente systemische Eigenschaft.
Zweitens geht die Systemische Psychologie davon aus, dass die im Rah-
men einer allgemeinen Systemtheorie beschriebenen Eigenschaften von
Systemen für die Beschreibung, Erklärung und Prognose psychischer Pro-
zesse sowie die Entwicklung von Anwendungen und die Kritik oder Eva-
luation von Einflüssen auf psychische Prozesse, angemessen und nutzbrin-
gend angewendet werden können. Oder anders gesagt, da die Mathematik
für die Psychologie keine Ausnahme macht, werden systemische Modelle
in der Psychologie eben auch die Phänomene aufzeigen können, die diese
Systeme aus mathematischen Gründen nun einmal hervorzubringen in der
Lage sind.
Eine Systemische Psychologie beruht auf einer allgemeinen Systemtheo-
rie. Diese kann man als Weiterentwicklung des Ansatzes ansehen, den
Ludwig von Bertalanffy in den 1930er Jahren zu formulieren begann. Da-
mals waren die umwälzenden Erkenntnisse der Theorien Nichtlinearer
Dynamischer Systeme noch nicht absehbar. Zusammenfassend beschreibt
22 Systemische Psychologie
widmen. Auch könnte es der Fall sein, dass die Systemische Psychologie
– in der hier beschriebenen oder einer ähnlichen Form – an anderen Stellen
und von mir unbemerkt bereits erfolgreich gegen eine an der Mechanik
orientierte Psychologie tätig ist. So möchte ich mich bei allen entschuldi-
gen, deren Arbeiten hier aus Platzgründen nicht genannt werden konnten.
26 Systemische Psychologie
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Guido Strunk 27
Abstract (English)
Self-organization is a popular metaphor in science and philosophy. But
what does self-organization mean mathematically? A rigorous definition is
given by the theory of nonlinear dynamical systems. In his Synergetics,
Haken used order parameters to explain self-organization by phase transi-
tions of complex dynamical systems at unstable states. In the following
article, we explain the principle of local activity which considers self-or-
ganization even at stable states („at the edge of chaos“). Local activity is a
provable principle to explain all kind of self-organizing patterns and struc-
tures. In modern machine learning, artificial neural networks (ANN) are
nonlinear complex systems, which model the neurochemical interactions
of neurons in the brain. Learning procedures (e.g., pattern recognition) are
examples of self-organization, which are realized by learning algorithms.
In the Internet of Things, a global network of communication is determined
by the nonlinear laws of complex dynamical systems. However, self-or-
ganization is not sufficient to guarantee the emergence of well-being in
human civilization. Self-organization can also lead to critical and chaotic
states such as tumors in organisms, psychic diseases, and chaos in socie-
ties. Besides self-organization, we need controlling and monitoring sys-
tems to enable AI-technology as service system of mankind.
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Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_3
32 Selbstorganisation in komplexen Systemen
Die Synergetik entstand in den 1970er Jahren aus der Statistischen Physik
der Nichtgleichgewichtssysteme und behandelte zunächst physikalische
Systeme wie den Laser. An diesem System der Selbstorganisation fern dem
thermodynamischen Gleichgewicht konnten die wesentlichen Prinzipien
der Synergetik wie der Ordnungsparameter, das Versklavungsprinzip und
der Zusammenhang mit der Theorie der Phasenübergänge entwickelt wer-
den. Die kollektive Selbstorganisation der Atome im Laser ist ein synerge-
tischer Effekt, der durch einen kritischen Phasenübergang des ganzen Sys-
tems bewirkt wird. Kontrollparameter kritische Werte annehmen, bei de-
nen die Phasenübergänge stattfinden. Mathematisch bedeutet ein Phasen-
übergang eine erhebliche Vereinfachung: Anstelle von mehr als 1080 Glei-
chungen für alle Atome und Photonen auf der Mikroebene genügen wenige
Gleichungen für Ordnungsparameter, die das makroskopische Gesamtver-
halten aller Elemente bestimmen („versklaven“). Es kommt also darauf an,
die Ordnungsparameter zu identifizieren.
Dazu dient eine lineare Stabilitätsanalyse, bei der die (analytisch) nicht lös-
baren nichtlinearen Gleichungen auf eine lineare Gleichung zurückgeführt
werden (Haken 1983). Dabei werden in einer Taylor-Expansion der nicht-
linearen Gleichung die nichtlinearen Terme vernachlässigt, um eine lös-
bare lineare Gleichung zu erhalten. In den Lösungen dieser linearen Glei-
chung lassen sich Terme (Eigenwerte) unterscheiden, die stabilem oder in-
stabilem Verhalten von Moden entsprechen. Bei instabilem Verhalten
schaukeln sich die Schwingungen einer Mode so stark auf, dass sie sich
auf die anderen Moden übertragen. Die entsprechenden Terme werden da-
her als Ordnungsparameter ausgezeichnet. Man spricht bei diesen Berech-
nungen auch von einer adiabatischen Approximation.
Hierdurch kann die einheitliche Grundmode, die sich durch einen Phasen-
übergang im System von Laserlicht ausbildet, allein durch den dominie-
renden Ordnungsparameter berechnet werden. Dies vereinfacht die Diffe-
rentialgleichungen derart, dass sie gelöst werden können. Physikalisch be-
trachtet folgen also die Atome in einem Laser augenblicklich den Vorga-
ben des dominierenden Ordnungsparameters nach der Methode der adia-
batischen Näherung.
34 Selbstorganisation in komplexen Systemen
Damit entsteht die Frage, was die gemeinsame Voraussetzung sowohl für
instabile als auch für stabile Zellen sein muss, damit ihre (nichtlineare)
Wechselwirkung zur Struktur- und Musterbildung führt. Im Zusammen-
hang mit dieser Frage lud mich der amerikanische Elektroingenieur und
Informatiker Leon Chua an die UC Berkeley ein (2003). Chua war auf ähn-
liche Fragen bei seiner Beschäftigung mit komplexen Musterbildungen in
nichtlinearen elektrotechnischen Netzen gestoßen.
Ausgehend von Turings und Smales Spezialfall stellen wir uns allgemein
ein räumliches System aus beliebig vielen identischen Elementen („Zel-
len“) vor, die miteinander in unterschiedlicher Weise (z.B. physikalisch,
chemisch oder biologisch) wechselwirken können (Abb. 1). Ein solches
System heißt komplex, wenn es aus homogenen Anfangsbedingungen
nicht-homogene („komplexe“) Muster und Strukturen erzeugen kann.
Diese Muster- und Strukturbildung wird durch lokale Aktivität ihrer Ele-
mente ausgelöst. Das gilt nicht nur für Stammzellen beim Wachstum eines
Embryos, sondern auch z.B. für Transistoren in elektronischen Netzen. Wir
nennen einen Transistor lokal aktiv, wenn er einen kleinen Signalinput aus
der Energiequelle einer Batterie zu einem größeren Signaloutput verstär-
ken kann, um damit nicht-homogene („komplexe“) Spannungsmuster in
Schaltnetzen zu erzeugen.
Abb. 1: Lokale Aktivität einer Zelle löst Musterbildung aus (Mainzer 2019, S. 187). Mit
freundlicher Genehmigung des Springer Verlags.
36 Selbstorganisation in komplexen Systemen
Radios, Fernseher oder Computer wären ohne die lokale Aktivität solcher
Einheiten nicht funktionstüchtig. Bedeutende Forscher wie die Nobelpreis-
träger Ilya Prigogine (Chemie) und Erwin Schrödinger (Physik) waren
noch der Auffassung, dass für die Selbstorganisation von Strukturen und
Mustern ein nichtlineares System und eine Energiequelle ausreichen. Be-
reits das Beispiel der Transistoren zeigt aber, dass Batterien und nichtline-
are Schaltelemente alleine keine komplexen Muster erzeugen können,
wenn die Elemente nicht lokal aktiv im Sinne der beschriebenen Verstär-
kerfunktion sind.
Das Prinzip der lokalen Aktivität hat grundlegende Bedeutung für die
Selbstorganisation von Mustern und Strukturen in komplexen Systemen.
In einem gemeinsamen Buch (Mainzer und Chua 2013), das an meiner
Wirkungsstätte der Technischen Universität München (seit 2008) entstand,
beziehen wir uns auf nichtlineare Differentialgleichungen, die Reaktions-
Diffusionsprozesse zwischen den Zellen beschreiben. Allgemein heißt eine
Zelle lokal aktiv, wenn an einem zellulären Gleichgewichtspunkt ein klei-
ner lokaler Input existiert, der mit einer externen Energiequelle zu einem
großen Output verstärkt werden kann. Eine Zelle heißt lokal passiv, wenn
es keinen Gleichgewichtspunkt mit lokaler Aktivität gibt. Es lässt sich be-
weisen, dass Systeme ohne lokal aktive Elemente prinzipiell keine kom-
plexen Strukturen und Muster erzeugen können (Mainzer und Chua 2013).
Die Existenz eines Inputs, der lokale Aktivität auslöst, kann mathematisch
durch bestimmte Testkriterien systematisch geprüft werden. Diese Krite-
rien beschreiben zunächst die lokal aktiven und instabilen Fälle, die auch
in der linearen Stabilitätsanalyse der Synergetik erfasst sind. Dort werden
die instabilen Moden als Ordnungsparameter ausgezeichnet. Die Kriterien
berücksichtigen aber auch den Fall von Turing und Smale, bei dem lokal
aktive und (asymptotisch) stabile Zellen nach dissipativer Kopplung zu
Struktur- und Musterbildung führen. Stabile Zellen sind gewissermaßen
mathematisch „tot“ und werden erst durch dissipative Kopplung „zum Le-
ben“ erweckt, wenn sie das Potential lokaler Aktivität besitzen. Man
spricht daher in diesem Fall auch vom „Rand des Chaos“ (edge of chaos),
an dem z.B. „tote“ chemische Substanzen nach dissipativer Wechselwir-
kung Lebensprozesse auslösen können. In der Sprache der Synergetik ent-
sprechen Ordnungsparameter offenbar der lokalen Aktivität von einzelnen
Klaus Mainzer 37
(instabilen und stabilen!) Moden, die schließlich das gesamte System be-
stimmen. Das scheint mir eine bemerkenswerte Erweiterung und Korrektur
des ursprünglichen Ansatzes zu sein.
von neuen Strukturen wurde erstmals von Charles Darwin am Beispiel der
biologischen Evolution der Arten entdeckt. Es handelt sich aber um eine
universelle Eigenschaft der Selbstorganisation komplexer dynamischer
Systeme, die daher auch in technischen Systemen Anwendung finden
könnte. Das menschliche Gehirn ist wieder ein Beispiel für ein komplexes
dynamisches System, in dem Milliarden von Neuronen neurochemisch
wechselwirken. Durch vielfach versendete elektrische Impulse entstehen
komplexe Schaltmuster, die mit kognitiven Zuständen wie Denken, Füh-
len, Wahrnehmen oder Handeln verbunden sind. Die Entstehung
(Emergenz) dieser mentalen Zustände ist ein typisches Beispiel für die
Selbstorganisation eines komplexen Systems: Das einzelne Neuron ist
quasi „dumm“ und kann weder denken oder fühlen noch wahrnehmen. Erst
ihre kollektiven Wechselwirkungen und Verschaltungen unter geeigneten
Bedingungen erzeugen kognitive Zustände.
Unsere heutigen Computer sind in der Tradition der Turing-Maschine noch
weitgehend von-Neumann-Maschinen mit getrennten Speicher- und Pro-
zessoreinheiten. Neuromorphe Rechnerstrukturen sind denkbar, in denen
polymorphe Architekturen nach dem Vorbild des Gehirns mit synergeti-
schen Prinzipien energiesparend, effizient und robust arbeiten, aber auf-
grund exponentiell wachsender Rechner- und Speicherkapazität das
menschliche Gehirn weit überholen können. Abb. 2 zeigt identische Neu-
ronen, auf deren Axon-Membranen Spannungsunterschiede durch Ionen-
ströme bewirkt werden. Wenn ein bestimmter Schwellenwert erreicht ist,
wird ein Aktionspotential ausgelöst. Diese lokale Aktivität wird in einem
nichtlinearen elektrotechnischen Schaltnetz modelliert, in dem Inputs den
Ionenströmen entsprechen und Spannungsveränderungen durch Konden-
satoren und Batterien dargestellt werden. Das Aktionspotential wird durch
ein Gate ausgelöst, das wie ein Transistor die Inputsignale verstärkt. Dieses
Gate realisiert also die lokale Aktivität und damit die Selbstorganisation
des Systems. Mathematisch erfüllt dieses Modell nichtlineare Differential-
gleichungen, die durch die Medizin-Nobelpreisträger A. L. Hodgkin und
A. F. Huxley 1952 aufgrund von Messungen aufgestellt wurden.
Klaus Mainzer 39
(c)
Abb. 2: Lokale Aktivität (c) in einem neuromorphen Verschaltungsnetz von Neuronen
(a, b) (Mainzer 2019, S. 194). Mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlags.
40 Selbstorganisation in komplexen Systemen
Lernen bedeutet auf der neuronalen Ebene, dass erregte Neuronen sich in
Verschaltungsmustern verbinden. Diese Selbstorganisation der Musterbil-
dung wird also durch die lokale Aktivität von Gehirnzellen möglich. In der
Neuropsychologie kommt hinzu, dass solche Verschaltungsmuster mit
kognitiven Zuständen wie Wahrnehmungen, Vorstellungen, Gefühlen,
Denken und Bewusstsein verbunden sind. Im Fall der Wahrnehmung er-
möglicht also die Selbstorganisation der Musterbildung („pattern forma-
tion“) die Selbstorganisation der Mustererkennung („pattern recognition“).
Klaus Mainzer 41
S. 2). Es ist, als würden wir einen Hund trainieren. Er erfüllt seine Aufga-
ben im besten Fall wie ein Polizei- und Hütehund. Was aber im Einzelnen
in seinem komplexen Gehirn abläuft, bleibt uns verschlossen, ebenso ob er
uns am Ende doch beißt. Bei einigen hocheffizienten und risikoreichen Al-
gorithmen der Technik ist das Trainieren von Tigern ein noch passenderes
Bild.
Zusammengefasst folgt: Machine Learning mit neuronalen Netzen funkti-
oniert, aber wir können die Selbstorganisation in den neuronalen Netzen
nicht im Einzelnen verstehen und kontrollieren. Machine Learning Tech-
niken sind ähnlich zu statistischen Testvorgängen, aber das reicht nicht für
sicherheitskritische Systeme. Daher muss Machine Learning in Zukunft
mit Erklärungen und Kontrollverfahren ausgestattet werden. Das Verlas-
sen auf Selbstorganisation reicht nicht.
Datenkorrelationen können Hinweise auf Sachverhalte liefern, müssen es
aber nicht. Dazu stellen wir uns eine Testreihe vor, bei der sich eine güns-
tige Korrelation zwischen einer verabreichten chemischen Substanz und
der Bekämpfung bestimmter Krebstumore ergibt. Dann entsteht Druck des
betroffenen Unternehmens, mit einem entsprechenden Medikament in die
Produktion zu gehen und Gewinne abzuschöpfen. Aber auch betroffene
Patienten mögen darin ihre letzte Chance sehen. Tatsächlich erhält man ein
nachhaltiges Medikament aber nur, wenn der zugrundeliegende kausale
Mechanismus des Tumorwachstums, also die Gesetze der Zellbiologie und
der Biochemie verstanden sind.
Bereits Newton war kaum an statistischen Datenkorrelationen der fallen-
den Äpfel von den Apfelbäumen seines väterlichen Bauernhofs interes-
siert, obwohl diese Geschichte immer wieder (seit Voltaire) erzählt wird.
Sein Ziel war das zugrundeliegende mathematische Kausalgesetz der Gra-
vitation, mit dem genaue Erklärungen und Prognosen der fallenden Äpfel
und der Himmelskörper möglich wurden, letztlich auch die darauf aufbau-
ende Satelliten- und Raketentechnik von heute.
Statistisches Lernen und Schließen aus Daten reichen also nicht aus. Man
muss vielmehr die kausalen Zusammenhänge von Ursachen und Wirkun-
gen hinter den Messdaten erkennen. Diese kausalen Zusammenhänge hän-
gen von den Gesetzen der jeweiligen Anwendungsdomäne der jeweiligen
44 Selbstorganisation in komplexen Systemen
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Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_4
50 Selbstorganisation in sozialen Systemen
Soziale Selbstorganisation
Auf soziale Systeme übertragen müsste die Frage lauten: Warum organi-
sieren sich Tiere zu Horden, Rudeln, Herden, Schwärmen oder Schulen?
Offenbar bringt die Organisation zu größeren Strukturen Vorteile: eine
Herde Büffel ist nicht so schutzlos wie ein einzelnes Individuum (obwohl
gerade das Beispiel der Bisons in Nordamerika beweist, dass die Herde
nicht ausreichend Schutz gewährt, wenn der Angreifer skrupellos genug ist
und es auf die Ausrottung der ganzen Population abgesehen hat). Ein
Schwarm Vögel kann einen angreifenden Raubvogel geschickt umfliegen
und eventuell sogar vertreiben, eine Schule von Thunfischen oder Makre-
len verwirrt den Angreifer, da sie wie ein einzelner Organismus agiert und
sich immer da gerade zurückzieht, wo der Angriff stattfindet. Das Wolfs-
rudel oder die Löwen- oder Hyänenmeute haben dem Menschen vermut-
lich das Jagen beigebracht: Wo ein Einzelner ziemlich machtlos und sehr
schnell erschöpft wäre, schafft es das Rudel, rasch und effizient Beute zu
machen. Lebende Organismen sind sehr schnell in der Lage zu erkennen,
was zu ihrem Vorteil wäre und was nicht. Sie holen sich ihre Beute erbar-
mungslos und ohne Skrupel, aber in der Regel nicht mehr, als sie eben
brauchen können. Geht es also nur um Ökonomie, um eine Ökonomie des
Lebendigen? Geht es nur darum, mit möglichst wenig Aufwand möglichst
viel Beute zu machen? Man könnte im Bereich der biologischen Systeme
diesen Eindruck gewinnen. Haie haben sich seit Jahrmillionen nicht mehr
grundlegend weiterentwickelt, da sie für ihre Umweltbedingungen schon
perfekt angepasst waren, so dass sie mit geringstem Aufwand maximal er-
folgreich waren … bis der Mensch kam. Ebenso war der Dodo-Vogel ma-
ximal erfolgreich in der Bewältigung seiner Umweltbedingungen … bis
der Mensch kam. Diese Art Sätze kann man unendlich fortsetzen für ganz
viele Spezies, die inzwischen vom Aussterben durch menschliche Einwir-
kung bedroht sind.
Sapiens Systeme
Als der homo sapiens begann, die Welt zu erobern, gab es schon erfolgrei-
che Hominiden wie den homo erectus oder homo neandertalensis, die
schon weitaus länger die Erde bevölkerten und auch gelernt hatten, sich in
Hans Menning 51
Dieser Ausbau der präfrontalen Areale ließ den Raum der sozialen Mög-
lichkeiten explodieren. Schon eine Ameisen-, Bienen- oder Wespenkolo-
nie kann einen sehr starken Zusammenhalt entwickeln, wenn ein äußerer
Feind auftaucht. Um wieviel mehr kann der Mensch dann Zusammenhalt
generieren! Nicht nur, dass sich jetzt Clans zu größeren Sprachgemein-
schaften zusammenschließen konnten, sie konnten gemeinsam Verteidi-
gungsanlagen bauen und gemeinsam gegen einen äußeren Feind zu Felde
ziehen, sie konnten sich über neue Entwicklungen und neue Technologien
austauschen und die intelligentesten unter sich ausmachen.
Die hochentwickelte Feinmotorik in den sensomotorischen Arealen,
extrem feingetunte Sprachareale, die übrigens, wenn man das Hirn mit ei-
nem Globus vergliche, vom Broca- bis zum Wernicke-Areal die Größe von
Eurasien einnähmen, sowie die ausgeprägten präfrontalen Areale, die die
Exekutive, die Handlungsplanung, die Moral und die Empathie beinhalten,
emergierten auf sozialer Ebene zu hochkomplexen selbstorganisierten
Strukturen.
Die größeren Sprachgemeinschaften entwickelten sich von instabilen, dis-
sipativen Strukturen fern von jedem Gleichgewicht immer weiter in neue
Gleichgewichte, wie das Prigogine (1979) für physische Strukturen er-
kannt hatte, bis immer größere Strukturen wie Völker und Nationen ent-
standen. Es scheint also ein Prinzip zu geben, das die Welt von astronomi-
schen, physischen, anorganischen bis hin zu organischen, psychischen und
sozialen Systemen durchzieht. Wir nennen dieses Prinzip Selbstorganisa-
tion (früher nannte man es allenfalls „Gott“ oder das „Genesisprinzip“).
Soziale Autopoiese
Autopoiese bezeichnet die Eigenschaft von sich selbstorganisierenden
Systemen, sich selbst neu zu erschaffen, immer wieder neue Systemele-
mente zu reproduzieren (Varela und Maturana 1980). Auf astronomischer
Ebene haben wir ein Universum, das sich in selbstähnlichen Galaxien or-
ganisiert hat, die um ihren Schwerpunkt (in der Regel ein schwarzes Loch)
kreisen. Die Galaxien haben sich zu Sonnensystemen organisiert, die eben-
falls um ihren Schwerpunkt, in der Regel einen Stern, kreisen. Die Planeten
Hans Menning 53
haben Monde, die um sie kreisen. Überall haben sich Attraktoren heraus-
gebildet, die ein System in komplexen, nichtlinearen Bahnen „versklaven“,
d.h. in einem (fr)agilen Gleichgewicht halten.
Anorganische Systeme erschaffen und organisieren sich ebenfalls selbst
wie Sand am Meer oder in der Wüste, wenn ähnliche Bedingungen zusam-
mentreffen. Organische Systeme haben von der ersten Zelle an, die unter
dem Druck der Anpassung stand, die Autopoiese auf die Spitze getrieben.
Jede Zelle (re)produziert sich selbst gemäß ihrem genetischen Code,
schließt sich zu selbstähnlichen Zellverbänden und Netzwerken zusam-
men, die übergeordnete Funktionen wie die der Organe übernehmen.
Aus organischen Systemen sind psychische Systeme in ähnlichen Prozes-
sen der Autopoiese emergiert. Von einfachen Mechanismen wie Lustma-
ximierung und Unlustminimierung im Kleinstkindalter, die sich fraktal in
immer weitere, feinere Mechanismen der Lustgewinnung und Unlustver-
meidung verzweigen, werden z.B. unbewusst ablaufende Verteidigungs-
und Reparaturprogramme generiert, die der resilienten Erhaltung des ge-
samten Systems Psyche dienen (Menning 2015). Aus diesen meist unbe-
wussten Systemen hat sich Bewusstsein herausdifferenziert, das eine ex-
plizite und intentionale Organisation der unbewussten Systeme ermöglicht.
Intuitiv folgerichtig wäre die Emergenz eines übergeordneten Metabe-
wusstseins, das die individuellen Bewusstseinssysteme kohärent koordi-
niert und organisiert. Analog zum „kollektiven Unbewussten“ (C. G. Jung)
oder dem „unus mundus“ wäre die Emergenz des „kollektiven Bewussten“
aus bestehenden Bewusstseinssystemen.
Wie wir gesehen haben, sind immer komplexere soziale Systeme (Sippen,
Clans, Interessengemeinschaften, Sprachgemeinschaften, Völker, Natio-
nen, Verbünde von Nationen wie früher die Sowjetunion oder heute die
Europäische Union) aus einfachen Familieneinheiten emergiert, die selbst-
ähnliche Sprach- und Denksysteme fraktal ausdifferenziert haben. So hat
sich die indoeuropäische Sprachfamilie in viele einzelne Sprachen ausdif-
ferenziert, in denen der gemeinsame Ursprung noch zu erkennen ist, wie
etwa das Wort „maha“ in Sanskrit (die Etymologie von „Sanskrit“ selbst
setzt sich aus sam: „zusammen“ und skrit: „gefügt“ zusammen), „mega“
im Griechischen, „magna“ im Lateinischen oder „mare“ im Rumänischen,
54 Selbstorganisation in sozialen Systemen
oder die elementaren Zahlen, die vom Persischen bis in die slawischen
Sprachen Ähnlichkeiten aufweisen. Aber auch das Niederländische, Flä-
mische, Luxemburgische, Alemannische, das Plattdeutsche oder Bayrische
oder auch das Siebenbürgisch-Sächsische sind selbstähnliche Ausdifferen-
zierungen des Alt- und Mittelhochdeutschen. Alle diese Sprachsysteme ha-
ben etwas Eigenes geschaffen, das (für eine bestimmte Zeit) überlebens-
fähig ist. Dessen ungeachtet sind heute viele regionale Sprachsysteme vom
Aussterben bedroht, weil sie von größeren Sprachsystemen geschluckt
werden.
Nicht nur Sprachsysteme haben sich autopoietisch ausdifferenziert, son-
dern auch Kommunikationssysteme. Ein Kommunikationssystem dient der
Informationsweitergabe und kann als Summe aller möglichen Kommuni-
kationsbeziehungen und Kommunikationswege in einem System angese-
hen werden. Krieg und Frieden oder gemeinsame Interessen sind Kommu-
nikationsbeziehungen zwischen Nationen, so wie Freundschaft, Liebe,
aber auch Streit und Dissonanz zwischen Paaren und kleinen Gruppen.
Kommunikationswege waren neben der Sprache, Gestik und Mimik auch
technische Übertragungswege. Die autopoietische fraktale Ausdifferenzie-
rung der Technik von Übertragungswegen ist ein Paradebeispiel der tech-
nologischen Selbstorganisation. So hat der präantike Mensch noch mittels
Rauchzeichen über weite Entfernungen hinweg kommuniziert, der antike
Mensch hat optische Übertragungen mittels Fackeln codiert, der moderne
Mensch hat über Telegraphen, Telefon, Radio, Fernsehen, Internet, Satel-
litenübertragung beinahe unendliche Kommunikationswege zur Verfü-
gung. Das Kommunikationssystem kennzeichnet nicht nur die Verständi-
gung zwischen Individuen, sondern auch die Verständigung zwischen den
Gruppen und Subsystemen einer Gesellschaft. Das formale Kommunikati-
onssystem bringt die auf eine optimale Selbstorganisation hin geplante
Struktur der innergesellschaftlichen Kommunikationsbeziehungen zum
Ausdruck. Seine Aufgabe ist es, einen am Funktionieren orientierten Fluss
der relevanten Informationen zu ermöglichen. Das informale Kommunika-
tionssystem umfasst dagegen alle diejenigen Kommunikationsbeziehun-
gen, die durch die formale Struktur nicht vorgegeben sind, die vielmehr
spontan entstehen und ihre Grundlagen in den verschiedenen informalen
Gruppierungsprozessen haben. Gerade im Zeitalter des Internets und der
Hans Menning 55
weibliche Katze einen Kater in ihrer Nähe duldet, wenn auch vielleicht nur
für wenige Sekunden… Kooperation ist eher die Ausnahme.
Dyadische Beziehungen können hochkomplex nichtlinear sein (Haken und
Schiepek 2010, Kap. VI), von einfachen Geschäftsbeziehungen bis zu
hochemotionalen Paarbeziehungen und sie unterliegen ebenfalls dem Prin-
zip der Selbstorganisation und der Autopoiese. Krisen und Konflikte de-
stabilisieren Beziehungen explosionsartig und heben sie im optimalen Fall
auf ein höheres Funktionsniveau. Die Dyade erfindet sich neu oder… löst
sich auf. Es gibt keine Grenzen, wer eine dyadische Beziehung eingehen
kann, es können Menschen vom anderen Ende der Welt sein, wenn die sie
vereinende Idee oder das Gefühl da ist.
Die Triade, die Dreiheit, ist in ihrer wohl bekanntesten Ausprägung die
Dreiecksbeziehung. Die Selbstorganisation als „menage à trois“ kann
durchaus eine Struktur hoher Stabilität und Funktionalität einnehmen, so-
lange alle drei das Spiel mitspielen. Auch Familien mit einem Kind sind
Triaden, die sich in einem Geflecht von komplexen Beziehungen stabili-
sieren und verändern.
Jeder kennt die Kleingruppenarbeit in Seminaren, wo dann in Dreiergrup-
pen ein Sachverhalt präzisiert und elaboriert werden soll. Das sind hervor-
ragende Studien der Gruppendynamik, schnell bildet sich eine eigene Iden-
tität der Gruppe, die anderen Gruppenteilnehmer wirken schon allein durch
die Strukturierung als Einheit der Dreiheit viel vertrauter. Diese Vertraut-
heit bleibt auch, nachdem die Gruppe längst wieder aufgelöst wurde.
Die Tetrade, die Vierheit als Einheit, die Pentade, die Fünfheit, Hexaden,
Heptaden, Oktaden, Enneaden, Dekaden usw. sind weitere mögliche sozi-
ale Systeme, die von komplexen, selbstorganisatorischen Prinzipien zu-
sammengehalten oder auseinanderdividiert werden. In jeder dieser Struk-
turen herrscht durch Regeln organisierte Komplexität. Strukturen bilden
sich, wenn „Durchwursteln“ nicht mehr reicht. Wenn man z.B. vom Hohen
Kasten, einem Gipfel in den Schweizer Alpen, auf die Schweizer Seite her-
unterblickt, sieht man viele Einzelgehöfte, die in relativ regelmäßigen Ab-
ständen im Appenzeller Land verteilt sind. Blickt man auf die österreichi-
Hans Menning 57
sche Seite, sieht man jedoch kaum Einzelgehöfte, überall sind kleine Ort-
schaften entstanden. Welche Strukturen entstehen, hängt von dem Koope-
rations- oder Individuationsbedürfnis der Beteiligten ab.
In Gruppen potenzieren sich die Lösungsmöglichkeiten, kreative Prob-
lemlöseprozesse werden angestoßen (Langthaler und Schiepek 1998) und
bringen in einer eigenen sozialpsychologischen Dynamik Kooperationen
zustande, die Phasenübergänge aus einem Entwicklungszustand in einen
höher organisierten anregen. Es kann zu sogenannten spiral loops kommen,
positiven Spiralschleifen, die durch kontinuierliche Feedbackschleifen
eine qualitative Entwicklung ermöglichen (Merten 1988).
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64 Systempsychologie
tologie des Systems geklärt sein! Das ist für die Geistes- und Sozialwis-
senschaften besonders schwierig, was später erläutert wird. Eine explizite
übergeordnete Perspektive wie jene der Systemwissenschaften wäre hier
hilfreich.
Systemwissenschaften heute
Aus der heutigen Sicht ergeben die interdisziplinären Anwendungen der
Allgemeinen Systemtheorie bzw. Systemwissenschaft nach Ludwig von
Bertalanffy (1968/2015) einen eigenen Bereich von Systemtaxonomien,
spezifischen Begriffen, Methoden und Theorien. So wird ein System als
eine Menge von Elementen und der Menge von Relationen bzw. als ein
„gegliedertes Ganzes“ definiert. Das betrifft auch die „Psyche“ ebenso wie
das „Gehirn“ (mit Hirnnerven, mit autonomen Nervensystem usw.). Erst
nach der konkreten Systemdefinition ist es sinnvoll, Eigenschaften wie
Stabilität, Komplexität, Gleichgewicht, Dynamik usw. als Eigenschaften
eines Systems zu interpretieren. Von „Komplexität“, „Selbstorganisation“
usw. empirisch nur vage interpretiert und /oder per se zu sprechen ist nur
von allgemeinem theoretischen und heuristischen Interesse, hilft aber für
Erklärungen in den Realwissenschaften relativ wenig weiter. Auch muss
bei theoretischen Reduktionsversuchen in der interdisziplinären Forschung
– etwa bei der Gehirn-Geist-Problematik in der Neuropsychologie - auf die
Isomorphie der Strukturmerkmale und der Zustandsverläufe bzw. Prozesse
geachtet werden (Bertalanffy 1968/2015). Beispielsweise erfordert die Er-
klärung des Psychischen durch das Gehirn als Netzwerk im Sinne der
Struktur-Isomorphie ebenso ein Netzwerk-Konzept des „psychischen Ap-
parats“. In ähnlicher Weise sind Prozess-Isomorphien zwischen Gehirn
und Geistigem zu identifizieren, etwa durch Korrespondenzregeln bei
Reiz-Reaktions-Relationen auf Zeitskalen der „Centisekunden“ psychi-
scher Prozesse mit den Millisekunden neuronaler Signale usw.
Die verbreitete interdisziplinäre Generalisierung von systemtheoretischen
Konstrukten, vor allem durch die Mathematisierung in den „weicheren“
Disziplinen wie Biologie, Psychologie oder Soziologie, verdeckt meist
derartige Konstruktionsprobleme des Gegenstandsbereichs und der Be-
grifflichkeit der jeweiligen empirischen Wissenschaft (van Hemmen
2014): „Energie“ in der Laserphysik ist sicher nicht das Gleiche wie die
66 Systempsychologie
langsamen Aktivatoren und Inhibitoren. Wir haben dies zur Pathologie von
Neurotransmittern exploriert (Qi et al. 2013). Dieses erfolgreiche Model-
lierprinzip der systemischen Aktivator-Inhibitor-Dialektik dient auch hier
im Weiteren zur Modellierung autonomer Dynamiken der Psyche.
bzw. topologischer Sicht konzipiert wird. Auch findet sich im Gehirn nicht
ein punktuelles Ich, sondern bestenfalls ein neuronales Netzwerk mit der-
artigen Funktionscharakteristiken (z.B. selbstbezogenes Prozessieren,
Northoff 2013). Das trifft auch auf das Konstrukt „Selbst“ zu, einer Kate-
gorie, die ebenfalls eine gewisse heuristische Nützlichkeit in der klinischen
Psychologie und der Psychopathologie des Alltags hat (Tschacher und
Munt 2013). Es soll nun im Weiteren eine Integration des Strukturmodells
mit der akademischen Psychologie und der Psychopathologie vorgeschla-
gen werden.
Überich
Es
UMWELT
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UMWELT
Abb. 2: Eine systemische Konzeptualisierung der Liste häufig genutzter Kategorien für
mentale Operatoren (Subsysteme) als operationell geschlossenes Netzwerk, das über sen-
somotorische Funktionskreise mit der Umwelt verbunden ist. Das Bewusstsein wird hier
als schattierter Kreis dargestellt, der auch die Metapher von „bewusstseinsklar“ / „be-
wusstseinsgetrübt“ graduiert abbilden soll. Zu beachten ist, dass nicht alle Beziehungen -
insbesondere des Ichs/Selbst - hier dargestellt sind.
Abkürzungen: Wahr = Wahrnehmung, Erw = Erwartung, Denk = Denken, Ged = Ge-
dächtnis, Plan = Verhaltenspläne, Verha = Verhalten, Antr = Antriebe, Bedürfnisse, Emo
= Emotionen; als Produkte dieser Prozesse sind affektiv-kognitive Schemata in Form von
UB = Umweltbild und SB = Selbstbild dargestellt (Tretter und Löffler-Stastka 2018).
können, abhängig von der Reihenfolge, Frequenz, Dauer usw. der einge-
henden Reize, die negativ oder positiv in Bezug auf die jeweiligen Erwar-
tungen sind (Liljenstroen 2010).
Letztlich ist zu erwähnen, dass auch die Neurobiologie mit dieser systemi-
schen Sichtweise der Emotionsnetzwerke korrespondiert, da u.a. gefunden
wurde, dass die Amygdala nicht nur an Depressionen, sondern auch an
Sucht beteiligt ist und dass der Nucleus accumbens nicht nur an Sucht, son-
dern auch an Depressionen Anteile hat (Koob et al. 2014).
Freude Freude
Trauer Trauer
A B
Abb. 3: Das Netzwerk der Grundemotionen als dynamisches System mit reziproken Inhi-
bitionen (Tretter und Löffler-Stastka 2018). A: Grundstruktur, B: inhibitorische Lateral-
Effekte auf Grundaffekte bei Angstauslösung (Pfeil).
für ein Internet-Portal gut gewählten Bezeichnung „Will haben“. Sie wer-
den hier allerdings mit dem Ausdruck „Motivation“ (oder „Bedürfnis“) zu-
sammengefasst. Zu beachten ist, dass es - ähnlich wie bei Emotionen - in
der psychologischen Literatur eine schier unendliche Anzahl von Motiva-
tionen gibt: Fast für jedes Objekt x auf der Welt, zu dem ein Individuum
eine Affinität entwickelt, kann ein „Bedürfnis nach x" konstruiert werden:
Ich brauche neue Schuhe, neue Kleidung, ein neues Auto usw. Tatsächlich
kann jedes Objekt der Umwelt, aber auch ein psychischer Zustand (Ruhe,
Aufregung usw.) Ziel des Verhaltens werden, also sich in Hinblick auf das
damit verbundene Antriebserleben zu einem Bedürfnis ausgestalten. Diese
Vielfalt erschwert somit jedes psychologische Bemühen um eine Taxono-
mie der Motivationen erheblich. Vorhandene Taxonomien von Motiven
unterscheiden 2, 3, 4, 6 oder Dutzende von Hauptmotiven (oder primäre
Motive). So benutzte Freud in einigen Perioden seiner Forschung zwei ge-
gensätzliche Antriebe - Eros und Thanatos (Freud 2003), Abraham
Maslow (Maslow et al. 1987) 6 und mehr Bedürfnisse (physiologische Be-
dürfnisse, Sicherheitsbedürfnis, Bindungsbedürfnis usw.), und der klini-
sche Psychotherapieforscher Klaus Grawe schlug als Generatoren klini-
scher Syndrome die Nichtbefriedigung von 4 Grundbedürfnissen vor, die
jeweils die Maximierung von sozialer Wertschätzung bzw. Bindung, Lust-
maximierung, und Selbstwertmaximierung betreffen, also Bedürfnisse, die
auch in anderen Taxonomien enthalten sind (Grawe 2004). Zusätzlich hat
er auch die wichtigen Komponenten Orientierung und Kontrolle hervorge-
hoben, die sich am ehesten bei Maslow dem Bedürfnis nach Sicherheit,
und zwar in weiterer Interpretation, nach kognitiver Sicherheit bzw. Ver-
haltenssicherheit zuordnen lassen.
Das hypothetische Netzwerk der Motivationen lässt ähnlich wie bei Emo-
tionen ebenfalls eine innere Struktur reziproker Koppelungen, und zwar
wie bei Emotionen in Form von alltagsweltlich nachvollziehbaren Hem-
mungen, erkennen: das Bedürfnis nach Nahrung hemmt das Bedürfnis
nach Sicherheit, dieses hemmt das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung
usw., zumindest in der nächsten Phase des Verhaltens. Dieses inhibitorisch
strukturierte Bedürfnisnetzwerk erklärt auch zum Teil Konflikte durch An-
tagonismen, beispielsweise zwischen Selbstwert (Autonomie) und Bin-
dung (Abhängigkeit) oder Sicherheit usw. (Grawe 2004).
78 Systempsychologie
Wie eben ausgeführt, wird also vom Erleben (bzw. Bewusstsein) ausge-
gangen, und so ist das Erleben von Sicherheit, Selbstwert und sozialer Ak-
zeptanz Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen. Auf dieser System-
komplex-Ebene bewirkt somit die jeweilige Erlebensqualität eine Hem-
mung der korrespondierenden negativen Emotionen: Sicherheitserleben
hemmt Angst usw. Und umgekehrt: Wenn diese Bedürfnisse bestehen (Si-
cherheitsbedürfnis), ist die Hemmung der jeweiligen Emotionen gering
und sie können daher in das Erleben eintreten und es gewissermaßen ein-
färben (Angst). Genauer und umfassender beschrieben: Das Erleben von
Sicherheit, Akzeptanz, und Selbstwert geht mit einer eher lustvollen
Emotion einher und es bauen sich Erwartungen auf, dass alles so bleibt,
wie es ist. Werden diese Erwartungen, wie im vorigen Abschnitt
beschrieben, nicht erfüllt, entstehen Störungen des Erlebens von
Sicherheit, Akzeptanz, des Selbstwertes usw. mit den korrespondierenden
Gefühlen der Angst, der Traurigkeit und des Ärgers. Diese Emotionen
fungieren wieder als Denkanstöße und Verhaltensantriebe, was zugleich
phänomenal als Bedürfnis erlebt wird, die Bedingungen der Möglichkeit
des Wohlbefindens in den jeweiligen Domänen wieder herzustellen
(Abb. 4).
Das Gesamtnetzwerk kann bereits mit dieser minimalen Strukturierung
eine komplexe Dynamik entwickeln. Systemtheoretisch betrachtet kann
nämlich die Koppelung der beiden Systeme Affekte und Motivationen wie
erwähnt durch inhibitorische Wechselwirkungen sehr gut beschrieben wer-
den (Abb. 5): die Befriedigung der einzelnen Bedürfnisse erzeugt zwar
Lust, aber diese Emotion kann auch durch Reduktion bzw. Hemmung von
Unlust aufkommen, und zwar jener Unlust nämlich, die durch das Entste-
hen des betreffenden Bedürfnisses entsteht. Auch lassen sich Mischzu-
stände beschreiben, indem etwa ein Erfolgserlebnis (hohes Selbstwerterle-
ben) ohne soziale Resonanz zwar Ärger hemmen kann, aber dass auch
Trauer erlebt wird, die durch die starke Hemmung von Ärger, der Trauer
hemmt, enthemmt wird. Trauer wird in diesem Fall auch zusätzlich durch
das mangelnde Akzeptanzerleben enthemmt. Dieser Mischzustand bildet
sich alltagsweltlich gesagt etwa so ab: „Ich bin toll, aber keiner schaut
hin...“
80 Systempsychologie
Abb. 4: Die Verhinderung des Erlebens von Zuständen eines hohen Selbstwertes, der
Akzeptanz, der Kontrolle, Orientierung und biologischer Zufriedenheit mit der Folge
verschiedener Emotionen, die als Antriebe für ein Verhalten wirken, mit dem dieses
Befinden wieder hergestellt werden kann (Tretter und Löffler-Stastka 2018).
Abb. 5: Das reziprok aktivierend gekoppelte Netzwerk der Motivationen bzw. Bedürf-
nisse und inhibitorische Koppelungen mit dem Netzwerk der negativen Emotionen, das
auf reziproken Inhibitionen aufgebaut ist. Die negativen Emotionen hemmen das jewei-
lige Erleben und erzeugen entsprechende Bedürfnisse (veränd. nach Tretter u. Löffler-
Stastka 2018).
Perspektive
Hier wurde versucht zu zeigen, dass die Beschränkung einer systemisch
gedachten Psychologie auf das Konstrukt „Selbstorganisation“, ohne auf
die Wirkmechanismen des Psychischen im Detail einzugehen, nicht hin-
reichend weiterführend ist. Es ist vielmehr erforderlich, dass das psychi-
sche System – wie immer man es auch definiert – durch seine Funktions-
elemente (bzw. Subsysteme) charakterisiert wird. Das Beziehungsgefüge
dieser psychischen Elemente kann dabei als operationell geschlossen kon-
zipiert werden. Insofern es sich hier um eine selten praktizierte Sichtweise
handelt, sind auch keine passenden empirischen Befunde nutzbar, außer
jene der Phänomenologie des Alltags. Bei dem hier vorgeschlagenen Funk-
tions- und Prozessmodell handelt es sich also um eine Skizze eines noch
„transdisziplinär“ auszuarbeitenden systemischen Konzepts des Psychi-
schen als Gegenstand einer Systempsychologie, die verschiedene Perspek-
tiven unterschiedlicher psychologischer Schulen integrieren kann. Darüber
hinaus bietet das Modell durch seine explizite Systemperspektive ein bes-
82 Systempsychologie
seres Fundament für die Neurobiologie, die ihrerseits mittlerweile das Sys-
temische des Gehirns bereits explizit anerkannt hat und zum Fokus genom-
men hat.
Felix Tretter 83
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90 Structured Flows on Manifolds
(Changeux et al. 1973; Edelman and Gally 2001; Pillai and Jirsa 2017);
and genetically identical organisms can show consistently different neu-
ronal activity associated with the same behavior (Prinz et al. 2004; Chiel
et al. 1999; Beer et al. 1999). Nonlinearities in any complex system cause
its capacity to exhibit different behaviors. Such is the rule rather than the
exception and the prominent role of linear tools in natural sciences is more
an expression of our history of science rooted in classical mechanics rather
than in biology. Another form of meaning and meaningfulness is linked to
behavior. One can justifiably take the point of view, and many patients do,
that a patient does not care about “abnormal activity” in the brain network
if his/her behavior is not affected in any way. Examples are asymptomatic
anatomical malformations in the brain or asymptomatic seizures. In the
same spirit, Pillai and Jirsa (2017) argue that the brain cannot be under-
stood without a good definition of behavior, which turns out to be more
difficult than one would expect.
These preliminary thoughts lead me to a workflow, which is illustrated in
Fig. 1. To speak meaningfully about brain health, we need to have a notion
of behavior, which is captured mathematically by the set of rules underly-
ing a behavior, the Structured Flows on Manifolds (SFMs) (Fig. 1A). Be-
havior finds its representation in brain dynamics, which is another dynamic
process described by SFMs, and tightly linked through the brain-behavior
relation. SFMs emerge from the nonlinear neuro-electric and -chemical
interactions in the brain network (Fig. 1B). The brain network and its dy-
namics are constrained mechanistically by the model parameters (Fig. 1C),
which generally have a degenerate relationship, and where many parameter
constellations may cause the same brain dynamics.
Viktor Jirsa 91
of the state vector and define a flow. In order to allow this system to gen-
erate low-dimensional behavior, that is, M dimensions with M<<N, there
must be a mechanism in place that is capable of directing the trajectories
in the high-dimensional space towards the lower M-dimensional sub-space
(see Fig. 1B). Mathematically, this translates into two flow components
that are associated with different time scales: first, the low-dimensional
attractor space contains a manifold f(.), which attracts all trajectories on a
fast time scale; second, on the manifold a structured flow g(.) prescribes
the dynamics on a slow time scale, where here slow is relative to the col-
lapse of the fast dynamics towards and onto the attracting manifold. For
compactness and clarity, imagine that the state of the system is described
by the N-dimensional state vector q(t) at any given moment in time t. Then
we split the full set of state variables into the components ξ and s, where
the state variables in ξ define the M task-specific variables linked to emer-
gent behavior in a low-dimensional subspace (the functional network) and
the N-M variables in s define the remaining recruited degrees of freedom.
Naturally, N is much greater than M and the manifold in the subspace of
the variables ξ has to satisfy certain constraints to be locally stable, in
which case all the dynamics is attracted thereto. SFMs have been success-
fully linked to networks composed of neural masses (Fig. 1B), coupled via
multiplicative coupling functions, which are fundamental for the emer-
gence of SFMs (Pillai and Jirsa 2017). Neural masses comprise populations
of neurons, which are nonlinear dynamic units coupled via synapses. The
multiplicative properties are at the heart of synaptic coupling, as well as
conductance-based modeling, which is currently our understanding of neu-
ronal functioning via the Hodgkin-Huxley equations that describe the ini-
tiation and propagation of action potentials in neurons. Mathematically, the
multiplicative coupling enables the manifold to be described globally ra-
ther than just locally, as is the case of previous formal theories of self-
organization. The formulation of SFMs is thus a general framework and
the link to neuroscience is accomplished, for instance, when SFMs are de-
rived from neural network equations. In these situations, the state vector
q(t) is the vector of all activation variables across all brain regions and the
SFM is the mathematical representation of the dynamics of the brain net-
work.
94 Structured Flows on Manifolds
ten years earlier, Scott Kelso and I laid the mathematical basis for large-
scale brain networks (Jirsa and Kelso 2000), introducing the distinction of
homogeneous and heterogeneous connectivity. The two are distinguished
by translational symmetry, where the former is translationally invariant,
the latter is not. We proposed the use of diffusion tensor imaging data as a
connectivity constraint for heterogeneous connectivity, assuring the right
symmetries for such networks (Jirsa et al. 2002). Nowadays, after grand
efforts of many researchers (such as Rolf Kötter, Olaf Sporns, Michael
Breakspear, Gustavo Deco, Randy McIntosh, Petra Ritter, just to mention
a few amongst many), the field of brain connectivity has been consolidated,
connection matrices are referred to as Connectomes and large-scale brain
network models as Virtual Brains. An active community has been built
around the neuroinformatics platform The Virtual Brain (TVB) (Sanz-
Leon et al. 2013) with applications in many domains including the resting
state (Ghosh et al. 2008; Deco et al. 2010, 2011; Ritter et al. 2013; Hansen
et al. 2014), epilepsy (Jirsa et al. 2017; Proix et al. 2015), stroke (Falcon et
al. 2016a,b), and tumors (Aerts et al. 2019). The symmetry of the connec-
tome imposes constraints on the connectivity, which then shapes the dy-
namics of the network. This can be easily recognized for the case of the
resting state dynamics, where increasing coupling strength systematically
changes the evolution of trajectories in state space and thus the shape of
data distributions (Hansen et al. 2014; McIntosh and Jirsa 2019). Symme-
tries are invariances of a given system under an operation, which is equiv-
alent to the preservation of a quantity. For instance, translational symmetry
in time is linked to energy conservation, translational symmetry in space
to momentum conservation, rotational symmetry to angular momentum
conservation, etc. Similarly, an unconnected set of identical nodes is invar-
iant under exchanges of node indices and creates an invariant manifold in
state space. If the manifold is attractive, then trajectories from points in
state space evolve towards it as seen in Fig. 1B. As the symmetry is broken
(see Fig. 1B (middle) for a representation of two networks, one with iden-
tical coupling strengths, one with non-identical), flows are generated on
the manifold causing a slow dynamics to evolve on the manifold. These
flows on the manifold are slow, where the characteristic time constant is
inversely proportional to the degree of symmetry breaking. Furthermore,
96 Structured Flows on Manifolds
these flows are confined to the manifold, but are not limited to single at-
tractors and can show a rich and structured attractor dynamics. The concept
of breaking symmetry to generate time scale separation and a global de-
scription of attractor dynamics is at the heart of Structured Flows on Man-
ifolds (SFMs).
Here I wish to pause and return to my previous discussion of degeneracy.
There are effectively two types of manifolds to be distinguished. The first
manifold is the SFM, which is defined in the space of the state variables
and realizes the rules prescribing the time evolution of the system. The
second arises from the degeneracy of the system and spans a manifold in
parameter space (see Fig. 1C). The set of parameters {P1, P2, P3, …} com-
prises all system parameters and quantifies the mechanistic basis of the
network. In the brain, these parameters comprise synaptic strength, chem-
ical concentration of neurotransmitters, local excitability, receptor types,
and many more. They span a high-dimensional parameter space, in which
many parameter combinations give rise to the same system behavior and
create the degeneracy of the system. In signal analysis and model inver-
sion, the degeneracy is a big technical problem, as it imposes difficulties
identifying the model parameters underlying a particular process as meas-
ured with empirical data (see for instance Schirner et al. 2018). The non-
uniqueness of parameters is captured by a manifold in parameter space,
which holds all possible parameter combinations giving rise to the same
behavior of the system in state space. It is here, where the two types of
manifolds are conceptually connected: A particular SFM in state space is
generated by the model with parameter settings contained in a manifold
in parameter space (Fig. 1C). The system behavior is invariant under any
change along the manifold . Here I wish to distinguish two forms of in-
variance, a strong and a weak form. For the strong version, the invariance
of the system behavior demands that the SFM is identical for any changes
along the manifold ; for the weak version, it is sufficient that the topology
of the SFM does not change along . The latter weak criterion can be jus-
tified, because the system dynamics behavior remains qualitatively the
same under these conditions.
Viktor Jirsa 97
The link between the manifolds in state space and parameter space is the
principal insight I wish to share in this chapter. It has enormous conse-
quences for our understanding of personalized brain models of patients,
inter-individual variability, and our capacity to perform interventions and
therapy on the patient. Before I enter in a discussion of these consequences
for any form of brain damage and repair, I need to emphasize one more
thought. A single point on the parameter manifold corresponds to a set
of parameters, realized by, for instance, a single neuron within the same
brain region. If all the neurons were identical in this region, then they
would cluster in this one single point on . However, this will generally
not be the case, because the Maximum Information Principle (MIP) de-
mands that entropy will become maximal (Jaynes 1957). If there is no clear
distinguishing criterion amongst realizations, all of the possible states and
configurations will be occupied equally. This statement is in fact equiva-
lent to an ergodic hypothesis, however, quite differently as we know it from
physical systems. A consequence is neuronal diversity in the above exam-
ple, or more generally, diversity within the neural system and the brain.
Entropic forces will disperse the neuronal configurations across the mani-
fold, enabling the upkeep of the same behavior (or behavioral repertoire to
speak with the words of Randy McIntosh), but with a heterogeneous sys-
tem composed of different neurons, neural transmitters, receptors etc., all
giving rise in conjunction to the same SFM under healthy conditions.
Brain injury, disease and pathology express themselves unavoidably
through parameter changes. As an example, the reader may think of poi-
soning, which will move the brain off the manifold and act as perturba-
tion vector 𝑃⃗ on the realization on . If only certain parametric subsets are
affected, for instance certain neuron types, then 𝑃⃗ will act only on one sec-
tion on (see Fig. 1C). If all neurons are equally affected, then the entire
manifold will be perturbed uniformly. For some sections, however, the per-
turbation 𝑃⃗ will be more tangential, for others more perpendicular, de-
pendent on the shape of and the orientation of 𝑃⃗ . The consequences are
profound and are visualized in Fig. 1C. The perturbation 𝑃⃗ can always be
decomposed into a tangential component 𝑃⃗∥ and a perpendicular compo-
nent 𝑃⃗⊥ . The latter perpendicular component will always have an impact
98 Structured Flows on Manifolds
upon the system and causes impairment of the behavior by definition, re-
quiring healing and recovery; the former tangential component, however,
will be absorbed within the manifold with no consequences to the behavior.
This is illustrated in Fig. 1C by two vectors 𝑃⃗ acting at two locations on
the manifold. The lower is dominated by the perpendicular component and
will thus have a maximal impact. Here the system is incapable of absorbing
the perturbation, and neurons (or system components) corresponding to
this configuration will die. At the upper location, however, the tangential
component is dominant, and the perturbation will change the neurons (or
system components), but with no appreciable impact upon the behavior.
The perturbation is essentially absorbed. For this effect of absorption to
occur, it is absolutely obligatory that all the states on the manifold are
occupied. This realization links us back to the entropic forces and MIP of
Jaynes and provides a competitive advantage to a large network that ena-
bles degeneracy across its parameters. Diversity of neuronal representa-
tions adds robustness against brain injuries and pathologies, because com-
pensation and absorption are possible via the tangential component 𝑃⃗∥ . Fur-
thermore, plasticity enables recovery through movement along the mani-
fold , in case of injury, allowing the brain to recover its neuronal repre-
sentations.
In the precedent pages, I provided an overview of my personal perspective
of how behavior, brain dynamics, brain injury, and recovery interrelate. I
abstained from providing mathematical details and used mostly geometric
representations. Although the mathematical details are available in the ref-
erenced literature, the links between the various domains and applications
are less evident and far less known. In particular, the last paragraphs on
parameter manifolds, diversity, and brain robustness to injuries have a par-
ticular intuitive appeal and may seem familiar from experience, but their
quantitative and algebraic implementation is not, as they are based on a
deeper understanding of the links between SFMs, MIP, and degeneracy. It
is not lost on me that various of these formalizations and its consequences
are not limited to brain and behavior, but apply equally to other complex
systems including physical, biological, and socio-political systems.
Viktor Jirsa 99
Acknowledgement
I have developed many of these thoughts while working on the latest re-
newal of the Human Brain Project during 2019, thus wish to acknowledge
European Union’s Horizon 2020 Framework Programme for Research and
Innovation, Award ID: 785907 (HBO SGA2). They were presented in
(more or less) coherent form for the first time at the Santa Fe Institute in
November 2019. I wish to thank my friends and collaborators Petra Ritter
and Randy McIntosh for their patience and input listening willingly to my
chatter on these issues during our numerous runs. Foremost, I wish to thank
my dear colleague and friend Günter Schiepek, who relentlessly encour-
ages me to apply these concepts of dynamic networks to brain repair and
therapy.
100 Structured Flows on Manifolds
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Flückiger, Vîslă & Held 103
Healing model
Healing models offer an overall conception of health that include religious,
spiritual, social and legal frameworks about health that are developed over
hundreds of years within specific cultures. Such models include specified
language and health rituals provided by socially sanctioned health provid-
ers (Shapiro and Shapiro 1992; Frank and Frank 1991). Within the frame
of healing models, health problems (“sufferings”) often do not differentiate
between mind and body. They are rather imbedded in a holistic, overall
view of the person’s situations within a universal (sometimes divine) order
and culture-specific use of language accepted by both the “healer” and the
suffering person. The roots of healing models often originated in collec-
tivistic societies where the individual life course can be prearranged in
well-specified social roles (e.g., Elias 1969). Psychological effects may
cover qualities of transcendent or spiritual experiences that are sometimes
imbedded in a universal order of life. Healing rituals may include well-
specified procedures connected with culturally embedded helpful behav-
iors, hopes and moods. Consequently, self-organizational effects within in-
dividuals may underline culture-specific frameworks and assumptions.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
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104 Psychotherapeutic Self-Organization
Biomedical model
The biomedical model is probably the most successful framework in hu-
man history to enhance the physical health within populations. During the
early 18th century, academia started to split natural science from cultural
and religious faculties and to professionalize medicine. There was an in-
tense systematic effort to better understand the biological mechanisms of
well-specified physical diseases. Diseases were systematized within cate-
gorical concepts based on canonical descriptions of observer-based symp-
toms. Biomedical mechanisms were postulated to be universal mechanisms
that do not vary across cultures. Research frameworks were developed to
experimentally and objectively investigate specific health interventions
within a stringent argumentation line (e.g., specific disease, specific treat-
ments with a specific dose and specific outcomes; Wampold et al. 2018).
Within this framework, treatment adherence and purity requirements are
auxiliary hypotheses to guarantee the validity of experimental causalities.
In biomedicine, psychological effects are often designed as unwanted dis-
turbance variables that have to be eliminated or controlled for (e.g., pla-
cebo/nocebo effects) to understand the specificity of the biomedical mech-
anisms. The patient role in biomedical treatments is primarily passive or
reactive; that is, humans react to the particular medicine, surgery or medi-
cal intervention prescribed or provided by a professional physician. Even
though patients´ intentionality in self-organizing effects is not negated,
motivational aspects are not the primary focus within this framework
which was sometimes connotated as ethical precondition (e.g., informed
consent) rather than an omnipresent hard-and-soul component of treatment
(e.g., Wampold et al. 2018; Kanfer et al. 2006).
Biopsychosocial model
The third framework is the newest and probably most controversial one. In
the 20th century, countries and societies across the world started to develop
(public-) health systems that cover biological, psychological, and social
health. As an example, at the constitution of the World Health Organization
(WHO, http://www.who.int/about/mission/en) health was defined as a
state of “physical, mental and social well-being and not merely the absence
Flückiger, Vîslă & Held 105
theorized that different therapies would place different demands on the re-
lationship, thus the “profile” of the ideal working alliance would differ
across orientations. Based on over 300 primary studies, there is empirical
evidence that the alliance measured during treatment robustly predicts
treatment outcomes across particular disorders and treatment approaches.
Furthermore, this relation remains consistent across assessor perspectives,
alliance and outcome measures, treatment approaches, patient characteris-
tics, and countries (Flückiger et al. 2018).
Readiness for change. Patients that seek psychotherapy may have various
motivations and may be more or less ambivalent to work on their problems.
Originated in substance use disorder, the Transtheoretical Model for ex-
ample conceptualizes intended change of individuals. The model describes
various stages of patient motivation/readiness such as precontemplation
[not ready], contemplation [getting ready], preparation, action and mainte-
nance) that may represent a temporal dimension over the course of therapy
(Proschaska et al. 1992). There is recent correlational meta-analytic evi-
dence based on 76 primary studies that the patients’ stages of change have
the potential to predict psychotherapy outcomes (Krebs et al. 2018).
Expectations. Patients’ expectations have long been considered a key in-
gredient and common factor of successful psychotherapy (e.g., Frank, and
Frank 1991). In psychotherapy, outcome expectation represents a patient’s
prediction regarding the likelihood that a particular treatment will help re-
duce his or her target concerns (Constantino 2012). According to Frank
and Frank, patients enter therapy because they are demoralized, and restor-
ing their hope and positive expectation is a powerful change mechanism.
A recent meta-analysis (k= 81) investigating the association between pa-
tients’ pre- or early-therapy outcome expectations and their distal treatment
outcome found a robust association between these concepts across a vari-
ety of diagnoses, treatment orientation and clinical contexts; moreover, the
magnitude of the association seems to moderated by patient age and
whether or not the therapists use a treatment manual (Constantino et al.
2019). In spite of these findings, there is still limited research on patient
and therapist characteristics that might contribute to patient outcome ex-
pectations (e.g., Vîslă et al. 2018).
108 Psychotherapeutic Self-Organization
Conclusions
Whereas the healing and the biomedical model may refer to lasting, well-
established logics and frameworks, the biopsychosocial model is the most
recent and maybe also the most complex one incorporating a network of
health professionals’ checks and balances (Schiepek et al. 2018). The de-
scription of the three stereotypical models of health interventions may sen-
sitize for argumentative connotations of self-organizing processes. In prac-
tice, however, the three models may overlap to a greater extent than im-
plied earlier in this chapter. For example, there are strong recent research
activities that aim at understanding specific psychological effects (such as
participants’ expectations) in biomedical designs (e.g., Benedetti 2014;
Colloca 2018). Furthermore, the potential role of spirituality in psychother-
apy is a much-discussed element of psychotherapy (e.g., Barnett and John-
son 2011; Captari et al. 2018).
Flückiger, Vîslă & Held 109
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114 Early Warning Signs in Complex Systems
changed, and the science of complex systems has taken hold in the study
of psychopathology and psychotherapy (Hayes et al. 2015; Hayes and
Andrews, in press; Nelson et al. 2017; Schiepek et al. 2017; Tschacher und
Haken 2019). We now have new concepts, measures, and analytical tools
to model self-organization and transition through the course of psychother-
apy and after.
Psychotherapy provides a useful medium for studying transition from one
state to another. Therapy is an intentional perturbation that can reveal how
the system is organized, the processes that keep it in place, and what moves
it to a new organization. One line of work has focused on identifying sig-
natures or generic early warning signs (Scheffer et al. 2009, 2012) that
herald transitions across a wide range of systems. There are, of course, a
number of different types of change in psychotherapy (Gelo and Salvatore
2016; Hayes and Andrews, in press), but we focus here on the type char-
acterized by a discontinuous shift from one state to another, rather than on
minor adjustments within an existing state or incremental and gradual
change. Transition can happen abruptly and quickly, and the ability to pre-
dict such shifts before they occur could be of significant clinical use. Early
indicators of impending transition in treatment could allow clinicians and
clients to harness this opportunity for change in treatment (Schiepek et al.
2017) or conversely, to launch preventive strategies to impede or interupt
the cascade into relapse.
cannot capture (Maisto et al. 2014). Addiction researchers have used cusp
catastrophe (Chow et al. 2015) and latent Markov modeling (Witkiewitz et
al. 2010) to better analyze variability that takes the form of sudden jumps.
Another approach is to develop computer simulations that can model the
nonlinear dynamics of addiction recovery and relapse (Duncan et al. 2019;
Grasman et al. 2016).
Critical fluctuations and critical slowing
A complex systems perspective suggests that critical instabilities precede
and accompany pattern transitions (Strunk and Schiepek 2014). In the con-
text of therapy, destabilization of maladaptive patterns has been described
as a period of system-wide variability that can involve cognitive, behav-
ioral, affective, and physiological systems (Hayes and Strauss 1998;
Mahoney 1991). This increases flexibility, openness to new information,
and exploration of new ways of responding and acting on the environment.
Periods of increased fluctuation in self-reported symptoms or therapy pro-
cesses have been found to predict sudden gains (Shalom et al. 2018) and
also sudden losses (Olthof et al. 2019) in treatments for depression. Other
studies using observational coding report that destabilization of rigid pat-
terns of psychopathology predicts symptom improvement in a number of
clinical problems in adults and children. Using a program called GridWare
(Lamey et al. 2004; Hollenstein 2013) that quantifies dispersion or move-
ment of variables in a state phase space, we found that more variability in
a maladaptive pattern of cognitive, affective, and behavioral components
predicted better outcomes in CT for personality disorders (Hayes and
Yasinski 2015). We reported a similar finding in cognitive therapy for
depression, using a composite measure of multimodal variability (Hayes
and Strauss 1998). Using recurrence quantification analysis, which quan-
tifies rigidity and repetition in patterns, a set of studies found that an in-
crease in the flexibility of rigid and inhibited child-therapist communica-
tion patterns in CBT predicted more improvement in anxiety symptoms
(Lichtwarck‐Aschoff and van Rooij 2019), as did more variability in mal-
adaptive parent-child interactions in aggressive children (Lichtwarck-
Aschoff et al. 2012).
Hayes & Andrews 119
whether new patterns develop, stabilize, and help prevent relapse. In addi-
tion, a number of models of psychopathology describe multimodal mala-
daptive networks or patterns (Borsboom and Cramer 2013; Fried et al.
2017; Hayes et al. 2015; Hofmann et al. 2016), but researchers often meas-
ure only one component of that hypothesized network (e.g. cognitions,
emotions, or behaviors). Network analysis would be ideal to study transi-
tion from maladaptive to adaptive patterns and changes in the connectivity
and centrality of nodes in a given network (Bringmann et al. 2019;
Costantini et al. 2019), but most research to date has focused on networks
of symptoms rather than on the patterns that give rise to those symptoms
or new patterns that can develop.
Because we had weekly rather than daily data required for network analy-
sis, we used GridWare (Lamey et al. 2004) to examine variability and
change in multi-modal patterns of maladaptive and adaptive functioning in
cognitive therapy for personality disorders (Hayes and Yasinski 2015).
More cognitive-emotional processing during the destabilization of mala-
daptive patterns predicted not only improvement in personality disorder
symptoms, but also an increase in more adaptive patterns of cognitive,
emotional, and behavioral functioning. In the previously mentioned sample
of clients with treatment-resistant depression who received CBT (Abel et
al. 2016), more cognitive, emotional, and behavioral flexibility before the
sudden gain period was a strong predictor of lower depression at the 12-
month follow-up. Depression spikes did not predict depression in that
study, but the level of flexibility after the spike interacted with avoidance
and rumination to buffer the negative effects of those regulation strategies
on 12-month outcomes (Yasinski et al. 2019). Similarly, we found that
more overgeneralization of trauma-related cognitions during the narrative
phase of TF-CBT predicted worse treatment outcomes, but when youth
also showed more accommodation (overgeneralization x accommodation
interaction), the negative effects of overgeneralization on 6- and 12-month
outcomes were lessened (Ready et al. 2015). Lichtwarck‐Aschoff and van
Rooij (2019) also found that more flexibility in previously rigid and mala-
daptive communication patterns of anxious children receiving CBT pre-
dicted better treatment outcomes. This flexibility was associated with more
proactive conversational behaviors, although these new behaviors did not
122 Early Warning Signs in Complex Systems
Conclusions
Research to date suggests that the process of change in psychotherapy is
often nonlinear and that a number of different types of fluctuations occur
and predict better treatment outcomes. Discontinuities and periods of in-
creased variability not only predict treatment outcomes, but as we have
illustrated, they can also reveal important changes that occur in clients be-
fore, during, and after these periods.
With the availability of ambulatory and electronic methods of assessment
and feedback (Rutledge et al. 2019), psychotherapy researchers can now
realize the potential of studying human change processes using concepts
and methods from complexity science. The Synergetic Navigation System
that Schiepek and colleagues (2015) developed is an example of a sophis-
Hayes & Andrews 123
ticated program that can monitor client functioning over the course of psy-
chotherapy, calculate and depict pattern recurrence and destabiliztion (dy-
namic complexity), and also provide clients with ongoing, real-time feed-
back. Until recently, psychotherapy research had been limited by small
samples and infrequent assessment, but this can now be remedied, allowing
for the use of the analytic tools of dynamical systems theory, Synergetics,
and network analysis. For instance, Tschacher and Haken (2019) provide
a detailed overview of statistical tools to model the interplay of determin-
istic and stochastic forces in time series data of the process of therapeutic
change. Even more exciting is the possibility of working with patients to
identify personal early warning signs and to give them ongoing and “just
in time” feedback on vulnerability and resilience after therapy to help pre-
vent relapse.
There is much work to do to better understand which fluctuations portend
better and worse outcomes, when a given person can tolerate destabiliza-
tion of maladaptive patterns, and how maladaptive and adaptive patterns
might interact after treatment is completed. Together, this type of research
can bring psychotherapy research to the table of complex systems science
and can have important implications for clinical delivery and for personal-
izing and improving treatments.
124 Early Warning Signs in Complex Systems
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132 Early Warning Signs in Complex Systems
Introduction
How does psychotherapy work? This question is as simple as it is baffling.
Why does the field struggle so much in finding a satisfying answers to this
simple question? More than a century of research has tried to address this
problem, and arguably our field only grows further from consensus with
each new generation of mainstream psychotherapy research (Wampold and
Imel 2015). One way to address this problem is to take a step back and
consider the priors, perhaps most importantly: What is the object upon
which psychotherapy is working?
In the professional healing disciplines that have a more material focus, this
is a simpler question to address. Surgeons, for example, are repairing bod-
ily tissue through direct intervention – cutting and sewing. Surgeons can
physically see the tissues upon which they operate, and so with the com-
mon goal of physical repair, they are free to adapt their own style, adjust
their strategies on the fly based on changing surgical conditions, and to
innovate in the form of newer and more efficient procedures. Psychother-
apists are diverse in style as well, and must remain poised for adaptation in
their work. Yet, psychotherapy is a fundamentally different situation. Most
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
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134 Self-Organization, Human Resilience and Psychotherapy
clearly, psychotherapists are flying blind with respect to the objects upon
which they are working. Less clear, but perhaps more importantly, psycho-
therapists are almost never operating on one relatively isolated psycholog-
ical system. The object of our work is not an object at all, but a set of hidden
interactive processes.
Indeed, psychotherapy potentially impacts a great range of physiological,
psychological and social processes. For example, psychotherapy has been
shown to cause increased density of Serotonin receptor sites, which corre-
late with decreasing symptoms of depression (Karlsson et al. 2013). Inter-
estingly, anti-depressant treatment, a physiological intervention, did not
show this pattern of physiological change (ibid). How does an apparently
physiological mechanism of healing arise from what appears to be a strictly
psychosocial interaction? This result is certainly not intentional. No well-
trained psychotherapist is going to make a treatment plan aimed at growing
receptor sites. Yet, psychotherapy influencing smaller-scale changes in
physiological systems as well as larger scale changes in social systems is
altogether commonplace. To sufficiently understand how psychotherapy
works we must grapple with what psychotherapy is and also upon what
processes it operates. Rather than borrowing models from interventionist
medicine, a more useful and scientifically appropriate approach is to treat
psychotherapy, and also the targets of psychotherapy, as multifaceted,
highly interactive, and dynamic process: a complex, dynamic biopsycho-
social system.
Biopsychosocial self-organization
The most basic and essential features of a self-organizing system are a suf-
ficient number of components and a sufficient number of interactions
among those components (Kauffman 1995; Pincus and Metten 2010). Sys-
tems that satisfy these two criteria are sufficiently complex and tend to
become self-organizing, which means they are able to maintain and regu-
late their coherence without external control. Self-organizing systems
demonstrate key adaptive functions including: the emergence of coherent
global properties arising solely from the interactions of components, con-
straints on component behaviors imposed by these global properties, and
David Pincus 135
at work recently for making angry threats toward a co-worker. This client
is easily able to describe the highly reactive interconnections among his
experiential components that are involved within his experience: he senses
frustration and then anger (emotion) in response to a violation of his beliefs
and values around fairness (cognition), which lead him to feel a strong urge
to shout or punch something like a wall or a table (behavioral tendencies).
Once he calms down, he feels ashamed of himself (emotion and self-rela-
tions) for letting this trouble-making co-worker get the best of him, and for
making him look bad in the eyes of his supervisors, with whom he has
previously experienced recognition and support (self- and other-relations).
The emergent properties arising from the repeated activation of this system
of experiential components include: confusion about his chosen career and
his general professional motivation; confusion about his identity in life, is
he a good guy or a bad guy? And an increasing sense of foreboding or
impending doom, which runs counter to his usual optimism.
A well-trained and sufficiently eclectic psychotherapist may see dozens of
potential interventions that could assist this client. The following is a small
sample of the variety of options available from among the more than 500
supposedly distinct approaches a clinician has to choose from (Prochaska
and Norcross 2013). First, one may focus simply on a light strategic inter-
vention aimed at increasing mindful attention to frustration and anger at an
earlier point in the process, which may naturally lead to better early coping
and decision-making. Second, one could dig deeper with psychody-
namic/experiential exploration of the emotional facets of the client’s reality
to find some potential developmental experience with blocked assertive
anger that is adding distorted fuel to the fire of this situation. Third, one
could take a cognitive therapy angle, focusing on rigid automatic thoughts,
rigid judgements about right and wrong behavior, and faulty expectations
for a just world. Fourth, one could focus on the emergent features around
identity and life meaning and participate with the client in an open and non-
judgmental exploration of the potentially important questions of: Who he
would like to be? What is most important to him in life? And, does he want
to continue in this line of work?
Returning to the question: How does psychotherapy work? We aren’t
ready to offer an answer yet, but we should be better able to see why the
David Pincus 137
Network modeling
Perhaps the simplest approach to understand is the network modeling ap-
proach, which essentially involves the direct measurement of the poten-
tially complex interactions among systemic components over time. This
approach produces results that can identify the presence or absence of net-
work ties among various components of a self-organizing system along
with the strength, weakness, or re-organization among those ties. Bors-
boom and colleagues (e.g., Borsboom and Cramer 2013, Borsboom 2017)
have fruitfully applied a network modeling approach to understand trait
structure in personality and symptom structure underlying psychopathol-
ogy. A key result from their research is that rigidity within symptom net-
works, measured in terms of symptom hyper-reactivity, predicts more per-
sistent and treatment resistant forms of psychopathology (Borsboom
2017).
Theoretically, two complementary facets of network structure will be as-
sociated with a loss of resilience, a loss of healthy self-regulation, and a
loss of wellness. The first facet is rigidity, overly reactive network ties, for
which there is growing empirical support. The second facet is a loss of
network connection among nodes that ought to be connected: disintegra-
tion, for which there is less direct empirical support. To illustrate what is
meant by disintegration using our anger management client, when he is
angry, one may expect to find an absence of effective coping skills, alter-
native and more adaptive behavioral tendencies, a loss of connection to key
values, or any other insight that would bring additional useful information
into the anger-driven network. While the notions of finding novel infor-
mation and strengthening connections are ubiquitous in the practice of psy-
chotherapy, network disintegration may be more difficulty to identify in
psychopathology research that uses network modeling. Specifically, it is
David Pincus 139
Topological modeling
A great variety of modeling techniques exist at a higher level of abstraction
than direct assessment of networks and may be categorized as topological
approaches. Topological approaches model change across an n-dimen-
sional surface, where one can track the behavior of a system’s output, an
order parameter, in relation to one or more (interacting) control parameters.
The top portion of Fig. 2 depicts a theoretical topology describing biopsy-
chosocial resilience based on a specific response surface called a cusp ca-
tastrophe. The cusp is one of seven elemental response surfaces that can be
described mathematically for a system with one order parameter (Guastello
David Pincus 141
2003; 2006). It has two control parameters that interact to produce output
that can range from smooth and proportional (i.e., linear) to uncertain and
discontinuous (i.e., nonlinear).
Fig. 2 depicts the theoretical behavior of the order parameter representing
illness, which can range from high (at higher points on the response sur-
face) to low (lower portions of the response surface). The interesting part
of the model comes from interaction of the two distinct types of control
parameters. The asymmetry (also known as the normal parameter) controls
the linear dimension of the order parameter. In the case of Fig. 2, these
would be factors that contribute in additive ways to illness. Thinking in
general terms, like a stress-diathesis framework, these could be cumulative
stressors. In the case of our hypothetical client looking for help with anger
management, this asymmetry parameter could represent cumulative stress-
ors throughout the day or week, or something such as the level of intensity
in a particular conflict.
The second control parameter, the bifurcation parameter, introduces a dis-
continuous effect on the anger of our client – with higher levels of this
parameter interacting with the asymmetry parameter to create a larger shift
between states, in this case from calm to rage. The higher the bifurcation
parameter, the larger the shift in behavior, and the less access there is to
moderate levels of anger. Pincus and Metten (2010) have proposed that
disintegration and rigidity among key biopsychosocial network connec-
tions may be a general common factor that underlies a loss of resilience,
and that this lack of network structural resilience may be modeled as a bi-
furcation parameter. While this specific prediction has not been tested di-
rectly on an individual, there are several empirical applications of the cusp
model to understanding psychosocial health outcomes in group-based re-
search. For example, drinking attitudes of students on a college campus
have been shown to act as a normal parameter, which interacts with social
pressure as a bifurcation parameter, leading to decreases in moderate drink-
ing and increased levels at the extremes: abstinence and binging (Guastello
et al. 2008).
With respect to clinical case formulation in psychotherapy, the cusp model
(and topology more generally) may be useful for a great variety of clinical
142 Self-Organization, Human Resilience and Psychotherapy
clinically useful repairs that can be made, whether they are connections
among beliefs, emotions, possible habits, or relationships with self and oth-
ers. In the case of anger management for example, guiding a client to hover
at the moderate tipping point of the cusp for rage, one may then engage the
client in a search for missing coping resources that may help to weave to-
gether the underlying network disintegration by re-connecting the client’s
anger with other useful aspects of experience.
Although it does not formally and specifically model psychotherapeutic
change using a cusp catastrophe model, there is a good deal of strong em-
pirical research demonstrating the importance of critical change in psycho-
therapeutic process (e.g., Hayes and Strauss 1998, Schiepek et al. 2014).
This research demonstrating sudden, discontinuous therapeutic change
processes has been understood using the general theory of self-organiza-
tion, but may also be viewed through the general lens of mathematical to-
pology. Each is consistent with the predictions underlying the cusp model,
even if they use somewhat different modeling strategies. The most exten-
sive and specific to self-organization theory is the work of Schiepek and
colleagues, who use daily tracking of the interactive structural dynamics of
patient ratings of experience across a response surface they call a complex-
ity resonance diagram (Schiepek et al. 2014). Critical shifts in the dynam-
ical structural relations among items show up in red on the diagram, which
allows the patient and the psychotherapist to easily identify areas upon
which to focus their psychotherapeutic exploration. Viewing these critical
shifts as opportunities to support the patient’s natural process of repair, it
is fairly clear how criticality in this approach is equivalent to the under-
standing of a cusp-point in a catastrophe model of self-organization, and
also equivalent to understanding the process as one of reconnection within
a network model of self-organization.
Time-series modeling
A third overlapping model for understanding self-organizing behavior rep-
resented in the top portion of Fig. 2 is in terms of attractors, which are
simply states toward which a system’s behavior tends to move and to re-
main. The response surface of any catastrophe model is considered to be
144 Self-Organization, Human Resilience and Psychotherapy
rubberized, which means that it can be stretched in any variety of ways and
still retain its general form and the underlying mathematical equations
upon which it is based (Guastello 2006). As such, one may plausibly super-
impose a variety of attractors on top of a catastrophe surface, with the size
of the attractor denoting the strength of its relative pull on the system’s
behavior (i.e., the order parameter). One may then consider different areas
of the manifold in Fig. 2 to be dimpled with a variety of wells into which
system behavior will tend to be drawn and potentially to get stuck. Note
that the largest attractors on the surface should logically be located in the
areas of low resilience, in the pseudo-well and complex illness regions of
Fig. 2, just below and above the cusp point respectively.
Although attractors are technically topological in nature, they provide a
bridge to a third general class of empirical investigation: time series anal-
yses. Time series approaches aim to use a single parameter of a system to
analyze the dynamics of that system. The parameter must be sufficiently
well-nested within the system of interest, sufficiently reliable, and suffi-
ciently long and diverse enough to allow enough data to capture the full
range of system behaviors. Using a time series approach to understand a
client’s anger over time for example, one would need to gather enough data
to cover the full range of the response surface. Depending upon the ap-
proach used, such time-series would allow one to capture the range of at-
tractors in a variety of ways, for example in terms of recurrence structures
(Lichtwark-Aschoff et al. 2009), trajectories and variable coupling (e.g.,
Taylor-Swanson et al. 2017), in terms of entropy (Pincus et al. 2014), or
simply in terms of frequency distributions, which one would expect to con-
form to inverse power-laws (IPLs). IPL’s are defined as exponential rela-
tions of frequency and size, meaning that they represent situations where
small events are exponentially more frequent than large events. IPL’s are
ubiquitous in nature, from earthquake sizes to wait-times in traffic jams
(Kauffman 1995). IPL’s also may be used (imperfectly) as hallmarks of
self-organizing systems, because they tend to be produced by the highly
interactive nature of the components of such systems. Note that in Fig. 2,
the distribution of attractor sizes are drawn to conform to an IPL distribu-
tion, with exponentially more small attractors than large ones across the
surface of the cusp manifold.
David Pincus 145
Psychotherapy Integration
Through this tour of the wide array of modeling approaches available to
researchers wishing to understand human resilience through the lens of
self-organization theory, we are finally able to provide an appropriate an-
swer to our original question: How does psychotherapy work? For your
consideration, I would suggest that psychotherapy works by repairing con-
nections and increasing flexibility within the self-organizing experiential
flow of each particular client. This tentative answer opens the door to more
questions: Which connections? Which aspects of experience? When?
How? And how much? Answers to these questions will depend upon each
particular client’s situation, supporting the necessity of a high quality, open
empathic process within a strong therapeutic alliance. The use of self-or-
ganization as a guiding theory to understand human resilience and psycho-
therapy removes the barriers to understanding why these common pro-
cesses are so important, while also opening up the possibilities for a great
number of ready to use, common sense psychotherapeutic principles, such
as targeting interventions toward experiential rigidity and disconnection
(Pincus 2019). Self-organization also allows for very clear interpretations
of research results that don’t make sense from a reductionistic and linear
perspective, such as the changes to neurotransmitter and other biological
functions that often result from psychotherapy (Karlsson et al. 2013; Schie-
pek et al. 2009; 2013).
Perhaps most importantly, self-organization theory may assist the field in
psychotherapy out of its current state of division. Self-organization, and
the range of modeling strategies, may allow for a great range of exploration
into psychotherapy process, reducing the century long confusion in the
field about what psychotherapy actually is, what it does, and how it works
(Wampold and Imel 2015). Research grounded in self-organization may
ultimately repair the senseless and destructive science-practice divide that
is so common across the field today. At the same time, and hopefully at an
David Pincus 147
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Franco Orsucci 153
Summary
We examine the nature of semiotics and its intermingling with physiology
in the embodied mind. We consider the balance between order and noise
in our knowledge of the natural world. The relational dimension is ex-
plored through synchronization dynamics. Synchronization and resonance
are representing areas for further investigation in chimera states. These
might also be seen as quantum fields, which are based on four principles:
granularity, relationality in space and time, indeterminacy.
The semiotic multiverse
If we could say that the 20th has been the century of energy, we might also
say that the 21st is going to be the century of language. Language, as the
core of most advanced research, is pervading every form of scientific and
technological knowledge on the edge of innovation: from information tech-
nologies, to biology, and mind sciences. Language, in its subset of Infor-
mation Theory, combinatorics, is also the interface between biology and
physics, and between mind and brain dynamics: the embodied mind. Infor-
mation Theory is embedded in the core of Semiotics, the broader discipline
concerning any kind of sign and communication. Its beginning, though im-
plicit in the Pre-Socratics, starts officially with John Locke (1694), who
coined this term as a Greek neologism. His remarks at the end of Book IV
of his Essay on Humane Understanding virtually amount to a suggestion
for the foundations of semiotics of Charles Sanders Peirce (Peirce et al.
1931). Locke's influence, though indirect, can also be seen in Ferdinand de
Saussure, the other founder of language sciences (Saussure et al. 1986).
Therefore, language and semiotics will include all sort of signs:
- A gesture or motion of the hand, head, etc. serving to convey inti-
mation or to communicate some idea.
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K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_10
154 Towards the integration of semiotic and physiological dynamics
Fig. 3: RQA maps. Characteristic typology of recurrence plots: (A) homogeneous (uni-
formly distributed noise), (B) periodic (super-positioned harmonic oscillations), (C) drift
(logistic map with a linearly increasing term) and (D) disrupted (Brownian motion). These
examples illustrate how different RPs can be. The used data have the length 400 (A, B, D)
and 150 (C) (Marwan, 2003).
158 Towards the integration of semiotic and physiological dynamics
Rao 2012; Pichon and Kell 2013). For example, we considered four sig-
nals: the therapist’s transcript (i.e., linguistic_therapist), the patient’s tran-
script (i.e., linguistic_patient), the therapist's galvanic skin response (i.e.
galvanic_therapist), and the patient's galvanic skin response (i.e., gal-
vanic_patient). We were particularly focused on how those four variables
recurred and synchronized and how synchronization evolved. In galvanic
signals, we considered recurring patterns of 15 seconds. For the linguistic
signals, we considered patterns, which simultaneously represent prosodic
rhythms and morphemes as the smallest portion of words able to convey
meaning. This methodology had been validated in previous studies (Or-
succi et al. 2013).
We performed a Recurrence Quantification Analysis on the four variables.
We firstly considered synchronization of the two whole signals by means
of the standard correlation coefficients of Principal Components Analysis.
We clustered the interaction patterns between the four signals using k-
means. This procedure produced a 7-cluster-model representing the phase
space of the state transitions of this complex system. Each state was repre-
sented by a different configuration of the strings’ parameters. Then, using
a Markov Transition Matrix, we showed the transition probabilities within
the system. Afterwards, we developed a further study of the galvanic sig-
nals with micro-analyses on their memory and forecasting structure. Fi-
nally, we used a Cross Recurrence Quantification Analysis to assess the
evolution of synchronization between the patient and therapist’s linguistic
and physiological signals.
Literature concerning synchronization of in-session non-verbal variables
emphasizes its positive correlation with empathy and therapeutic out-
comes. We compared the dynamics of galvanic skin response (GSR) and
linguistic prosody, chosen as indicators of emotional expression in differ-
ent domains. We investigated the non-linearity of GSR in terms of self-
similarity and power-law, as emerged in autocorrelation functions and sig-
nal variations. We considered time-lagged correlations as a measure of dy-
namical systems’ memory.
Considering the Cross-Recurrence Plot of galvanic signals, we can find
evidence that therapist and patient synchronize their GSRs mainly at epoch
7. This is consistent with literature in psychotherapy research (e.g. Gumz
Franco Orsucci 161
et al. 2012; Gumz, et al. 2013). On the other hand, concerning language,
we may observe a period of higher synchronization at the beginning (epoch
2) and in the third quarter of the session (epochs 8 and 9).
The linguistic measure at epoch 2 probably relates to an initial phase of
linguistic harmonization, frequent in standard psychotherapy sessions. The
therapeutic and human dynamics core, in terms of emotional attunement
and synchronization, seems to peak around epochs 7, 8 and 9 both in GSR
and language. It is interesting to note that emotional synchronization, as
expressed by GSR, comes first, while linguistic synchronization follows.
This evidence is consistent with a relevant corpus of psychotherapy and
neuroscience research on language embodiment (Freeman 1999; Stern
2004).
rates and medium determinism. On the other hand, the patient shows low
values of galvanic recurrence and determinism rates: a sign of the high
unpredictability in this specific period of the session. In terms of prosody,
the therapist has high recurrence and determinism rates. Perhaps, the ther-
apist’s repetitive linguistic patterns could be interpreted as an intellectual
way to organize the patient’s unpredictable emotional expression. The sec-
ond attractor instead is composed of state 5 with a probability of recurrence
with itself of p = 0.33. This state is characterized by a medium level of
galvanic recurrence and determinism rates both for the patient and thera-
pist. In terms of prosody, we observe medium recurrence and determinism
rates for the therapist and low recurrence and determinism rates for the
patient. Overall, this picture could be interpreted as a state in which the
patient’s physiological anxiety is becoming more manageable and his lin-
guistic expression more connected with it. Summarizing, while the state 4
can be interpreted as an unpredictable phase of the therapeutic process in
which the linguistic dimension seems independent from patient’s emo-
tions, the state 5 shows signs of a step towards a verbal elaboration of them.
ing the correlations among system descriptors. In other words, this ap-
proach lies “in the middle” between pure “bottom-up” (the causally rele-
vant layer is the microscopic one) and “top-down” (the causally relevant
layer is where general laws are defined) approaches.
Schiepek and colleagues (Schiepek and Strunk 2010) formulated an em-
pirical dynamic descriptor that predicts the therapeutic change. A peak of
“dynamic complexity” was usually found to precede a therapeutic change
or restructuring. Clinically, this behavior corresponds to the observation of
something new in the patient’s in-session narratives or in some of his/her
behavioral traits outside the clinical room before the occurrence of an im-
portant insight. Considering the contributions based on the application of
the dynamic systems approach to psychotherapy research some attempts
have been made to empirically identify desirable attractors in the psycho-
therapeutic process.
By means of “static analyses” we were able to highlight significant differ-
ences between good- and poor-outcome cases concerning their latent cor-
relation structure. Results show the possibility to describe the psychother-
apy process, independently from the theoretical approach, with two quan-
titative macro-parameters, namely, order-variability (PC1) and elemen-
tary- complex (PC2). It is worth noting that these two macro-parameters
give a quantitative value to concepts often present in psychotherapy clini-
cal reports. Are the narratives rigid and fixed or are they flexible and adapt-
able? Is there some new element in them or are they always going around
the same anxiety (stationary attractor)? Is the patient’s thinking reflective
or concrete? These are typical clinical questions implicitly concerning sys-
tem’s variability, degrees of freedom and complexity of information,
Quantum fields in clinical research are getting grounded also in consider-
ation of some historical relational approaches (Baranger and Baranger
2008; Stern et al. 1998).
As we have seen, human interactions are essentially based on hybrid syn-
chronization dynamics of embodied communication. They are also essen-
tially intermittent and punctuated by discontinuities, from steps in conver-
sations, to meetings etc. Time series are coarse grained and discontinuous.
Also, synchronization can vary from initial entrainments, chimera states to
168 Towards the integration of semiotic and physiological dynamics
which reality unfurls. Just as the idea of the space continuum con-
taining things disappears, so, too, does the idea of a flowing con-
tinuum ‘time’ during the course of which phenomena happen.
Time just counts interactions and it emerges from quantum fields
(Lisi 2006; Van Fraassen 2010).
We might follow Dirac’s quantum mechanics as this allows us to do two
things. The first is to calculate which values a physical variable may as-
sume. This is called ‘calculation of the spectrum of a variable’; it captures
the granular nature of things. When an object (atom, electromagnetic field,
molecule, pendulum, stone, star, and so on with individual and social
events) interacts with something else, the values computed are those which
its variables can assume in the interaction (relationality).
The second thing that Dirac’s quantum mechanics allows us to do is to
compute the probability that this or that value of a variable appears at the
next interaction. This is called ‘calculation of an amplitude of transition’.
Probability expresses the third feature of the theory: indeterminacy – the
fact that it does not give unique predictions, only probabilistic ones. Fol-
lowing this approach, time becomes relational and purely based on inter-
actions and their rhythms.
Topological phase transitions are one of the consequences. Einstein
(Przibram et al. 1967) had a unique capacity to imagine how the world
might be constructed, to ‘see’ it in his mind. The equations, for him, came
afterwards; they were the language with which to make concrete his visions
of reality. For Einstein, the theory of general relativity is not a collection
of equations: it is a mental image of the world arduously translated into
equations.
The idea behind the theory is that spacetime curves. The best way of de-
scribing a 3 - sphere is not to try to ‘see it from the outside’, but rather to
describe what happens when moving within it. The method developed by
Gauss (Hoffman and Osserman 1980) to describe curved surfaces and gen-
eralized by Riemann (Feigenbaum 1994; Willmore and Willmore 1993) to
describe the curvature of spaces in three or more dimensions, basically,
amounts to Brunetto Latini’s way (Latini 1839; Latini and Carmody 1948).
That is to say, the idea is to describe a curved space not as “seen from the
170 Towards the integration of semiotic and physiological dynamics
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178 Self-Organization in the Clinical Practice of Psychotherapists
Fig. 1: Power spectrum of pink noise (1/f), where f is the frequency of the time series (sig-
nal). Note that on the log-log-scale, the function 1/f becomes a line.
side tail is balanced by the scarcity of the “exceptionally small events” ly-
ing in the left-side tail. Thus, considering a feature with a normal distribu-
tion like the height of human beings (centered around 170-175 cm), if we
increase the sample, the uncertainty of the exact value of the population
mean decreases: the exceedingly short and exceedingly tall persons bal-
ance their relative effects (law of large numbers), and the sample mean
converges toward the population mean (“characteristic scale”). On the
other hand, in the case of 1/f scaling, the more we increase the sample size,
the more the mean is shifted on the right-hand tail and does not converge
to a “characteristic scale” of the entire sample. This is much more than a
statistical curiosity if we bear in mind that the 1/f distribution refers to real
biological and social systems and has a crucial role in SOC.
The paradigmatic SOC-based system is the sandpile: think of pouring sand
very slowly (ideally, one grain at a time) onto a flat, circular surface (this
is exactly what we mean by “slowly-driven”). At first, the grains stay close
to where they land and very soon start to accumulate, creating a pile that
has a gentle slope. Going on with the experiment, when the slope becomes
too steep, somewhere on the pile, the grains slide down, causing a small
avalanche. As we add more sand, the slope of the pile steepens further, and
the average size of avalanches increases (the size of avalanches follows a
1/f scaling: many small avalanches, very few huge avalanches). The pile
stops growing when the amount of sand added balances the amount of sand
falling off the edge of the circular surface. At this point, the system reaches
the critical state. Let us detail the nature of this critical state: it is (dynam-
ically) stable like any proper attractor. The continuous avalanches are
counter-balanced by the added sand, while the height and shape of the pile
remains the same. Nevertheless, occasionally (right part of the 1/f spec-
trum), an added grain can cause a large catastrophic avalanche by a sort of
chain reaction involving progressive smaller avalanches falling down to
the base and thus flattening the entire sandpile (long range correlation, typ-
ical of transitional states). The chain reaction can be imagined as a “branch-
ing” process, potentially invading a large part of the pile (the size of the
avalanche can be easily estimated in terms of number of grains involved);
in short, each grain falls down until it reaches a position of rest, during the
slide the grain hits other grains causing small, and then large, avalanches.
182 Self-Organization in the Clinical Practice of Psychotherapists
seems rather marginal, but, at the same time, it generates considerable ef-
fects. Through the previous comments, namely the history of this group,
the peak of mania reaches the limit of endurance in facing the absence of
the two members of the group. The blow on the head then generates a re-
structuring of the group through the connection of past and present discon-
nected temporal events: in the group, the function of laughter and jokes
becomes clear and is interpreted as a defense function from the feelings of
anxiety related to the loss of the two members. This becomes connected to
all past events in the history of this group in which this type of operation
has been experienced. Not only that, this restructuring also passes through
a connection of aspects previously split into different spatial areas of the
group's mind. The jokes and the laughter had nothing to do, previously,
with what happened within the group in emotional terms, they were inex-
plicable phenomena in their own right with no degree of connection with
the rest of the psychic events. The great avalanche of restructuring of the
analytic field, therefore, implies new long-range temporal and spatial con-
nections. To sum up:
a) No dependency on the strength of the applied stimulus (the blow
on the head, by itself, seems a marginal event but becomes critical
in the context of the group history);
b) Dependency on past history (the critical event is such in the con-
text of the past history of the group);
c) Appearance of long-range correlations in time (the critical event
restructures emotionally analogous events on the temporal axis of
the group. The group's past, and future, is seen in a new light after
the occurrence of the critical event in the present);
d) Appearance of long-range correlations in space (the critical event
restructures the relationships between different aspects, previously
split off, present in the mind of the group. Mania now becomes a
defense against death anxiety);
e) Scale-invariance (many small avalanches of restructuring at the in-
dividual level generate one “catastrophic” event at the group level.
186 Self-Organization in the Clinical Practice of Psychotherapists
Both small and big events are typical of the nature of the “stable
criticality” of the system).
Does any psychoanalyst have any association with a familiar concept now?
Although Freud coined the term nachträglichkeit from common terms such
as nachträglich, the official English translation of Freud (Standard Edition)
does not use a single term to make the various occurrences: "understood
later", "understood subsequently", "deferred action", "after-effect", "sub-
sequent". Sigmund Freud uses this term in relation to his conception of
temporality and psychic causality: from impressions due to personal expe-
riences, memory traces are further reworked according to new experiences
gained in another stage of the psychic development; these can then take on
a new meaning and entail a given psychic effect (Freud 1985). It was
Jacques Lacan who took up the Freudian notion making it a unitary concept
under the name of "après-coup" (literally: after a blow) (Lacan 1998). Ini-
tially, Freud observed that past events are reworked by the subject "après-
coup", that is, after their occurrence and that it is this rehash that gives them
a sense, an efficacy or a pathogenic dimension. A scene experienced early
(i.e., before puberty), in a neutral way, may however cause a trauma when,
for example, a second event, experienced this time after puberty, will con-
vey a new meaning to the first scene triggering an unpleasant sexual feeling
(Breuer and Freud 1955). Therefore, it is not the experience in general that
has changed après-coup, but precisely what in the event could not make
sense at the time when it took place, due to an inadequate psychic matura-
tion. The reworking in question arose from the occurrence of events which,
due to the subject's organic maturation, allow him to access their meaning.
The evolution of sexuality, therefore, fosters the phenomenon of après-
coup, given that the subject, after puberty, has the ability to grasp the sex-
ual connotation of a lived experience that links up, après-coup (after the
fact), to another similar previous scene which remained meaningless.
Self-Organized Criticality (SOC) and the notion of après-coup, even if they
originally belong to two different scientific domains, indicate the same
phenomenon based on the aforementioned characteristics. Among these,
we wish to highlight what we consider to be the main peculiarity of this
dynamic: it keeps the external stimulus invariant, always one grain of sand
at a time. This feature contrasts with changes caused by the increase in
De Felice & Giuliani 187
Detecting SOCs
As we have pointed out, one of the properties of self-organized criticality
lies in it being a critical state and, at the same time, an attractor. The two
simplest statistical indices, which indicate a SOC, calculable on a purely
phenomenological basis without imposing any constraint on the experi-
mental data, are intermittency and long-range correlations. As far as inter-
mittence is concerned, we refer to an econometric application (Bartolozzi
et al. 2005). The analyzed system (stock market returns) has some similar-
ities with the group analysis described in the previous paragraph: the stock
market is a self-interacting system, characterized by intermittent behav-
iour. High activity periods, with huge fluctuations in returns, alternate with
periods of relative calm. As in the case of the group presented, periods
188 Self-Organization in the Clinical Practice of Psychotherapists
Fig. 2: The time series analyzed correspond to the logarithmic returns of the index and are
defined as R(t) = ln(P(t+1)-P(t)), where P(t) is the value of the index in a specific mo-
ment t (tick). The figure shows the values of P(t) in panel (a) and the relative returns (dif-
ferences between adjacent ticks) in panel (b).
The analysis of the return time series by means of the wavelet approach
(Rioul and Vetterli 1991) allowed the authors (Bartolozzi et al. 2005) to
obtain a very precise estimation of the probability of “huge, restructuring
avalanches”. The wavelet analysis (Rioul and Vetterli 1991) can be seen
as a multiscale local Fourier analysis, in which the studied time series is
analyzed by moving a “model signal” (wavelet) along the series and com-
puting the local correlation between the series and the model. The latter
can be dilated or compressed, allowing the analysis of the time series on
different scales. For example, a wavelet could be created to have a fre-
quency of Middle C and a short duration of roughly a 32nd note. If this
wavelet were to be convolved with a signal created from the recording of
a song, then the resulting signal would be useful for determining when the
Middle C note was being played in the song. Mathematically, the wavelet
will correlate with the signal if the unknown signal contains information
of similar frequency. This concept of correlation is at the core of many
practical applications of wavelet theory. In the aforementioned study
(Rioul and Vetterli 1991), a very high correlation was found between “huge
avalanches” and very compressed wavelets, thus allowing for their imme-
diate discrimination.
The recognition of these avalanches makes it possible to compare the dif-
ferent conditions in terms of relative instability and, consequently, gives
the possibility of trying to recreate an environment close to the critical
threshold. Wavelet analysis is the most direct way to study systems regu-
lated by SOC, but it has the limit of requiring very long time series that, in
psychology, are difficult to collect. One possibility is to use some physio-
logical proxies such as galvanic response and heart rate, which can be
measured as continuous signals (Kleinbub et al. 2019). The application of
this strategy in psychotherapy can be promoted by non-invasive wearable
devices which, although measuring electrophysiological signals, still have
many technical limitations (Wallen et al. 2016). Another possibility is in
the video and audio recording of the sessions. This may allow us to study
the time series related to motor activation, on the one hand, and the use of
language, on the other (Haken and Schiepek 2010; de Felice 2019b). In any
case, the empirical level of interest in the study of psychotherapy should
be the one relating to changes in the emotional sphere of the patient, of the
190 Self-Organization in the Clinical Practice of Psychotherapists
In this case, the rows of the embedding matrix (EM) correspond to moving
windows of length 4 (embedding dimension) along the sequence. RQA is
based on the computation of the Euclidean distance matrix (DM) between
the rows (called epochs) of the embedding matrix, looking for recurrent
De Felice & Giuliani 191
All the indices presented relate to SOCs, but the most direct approach to
detect them is based on the combination of the REC and TREND indices:
the emergence of long-range correlations will show an increase in recur-
rences (black dots) between temporally distant points. This generates a
drastic change in the spectrum of recurring points in time and, conse-
quently, in the TREND variable. Mier et al. (2016) used the recurrence
distribution to discriminate between diffusion phenomena and SOCs
(Fig. 3).
Fig. 3: Time goes from the main diagonal to the upper left corner and from the diagonal to
the lower right corner. The upper and lower triangles are specular.
De Felice & Giuliani 193
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Marc-Thorsten Hütt 197
Selbstorganisation
Die Theorie der Selbstorganisation ist ein theoretisches Konzept, das als
Fundament unseres Verständnisses komplexer Systeme dient (Mikhailov
und Calenbuhr 2002; Hütt 2006). In seiner allgemeinsten Form kann ein
komplexes System als ein System aus vielen interagierenden Elementen
verstanden werden, deren individuelle Dynamik nicht linear ist (bei denen
also das Eingabe- und das Ausgabesignal nicht in linearer Weise in Ver-
bindung stehen) und das zudem kollektives Verhalten zu zeigen vermag.
Oft entsteht dieses kollektive Verhalten in einem komplexen System spon-
tan, es ’emergiert’, wenn ein kritischer Wert eines Kontrollparameters
(zum Beispiel der Kopplungsstärke) überschritten wird.
Meilensteine im Versuch, die Theorie der Selbstorganisation in die Le-
benswissenschaften zu tragen, sind das 1997 erschienene Buch von
Schiepek und Tschacher (1997), das den formalen Rahmen bereitstellt, und
– später – das Buch Neurobiologie der Psychotherapie (Schiepek 2003),
das das Zusammenwachsen sehr verschiedener Disziplinen zeigt. Diesen
Transferleistungen war der Weg geebnet durch die Anwendung der Sys-
temtheorie in der Biologie, beginnend bei von Bertalanffy (1968) bis hin
zur Nichtgleichgewichtsthermodynamik als Fundament unserer Theorie
der Strukturbildung (Prigogine 1961). Eine wichtige Klasse von Modellen,
die als Prototyp biologischer Musterbildung verstanden werden kann, ist
zudem die Formalisierung interagierender nichtlinearer Elemente in Reak-
tions-Diffusions-Systemen durch Alan Turing (Turing 1952). Das große
Potential interdisziplinärer Anwendungen, so wie sie in Schiepek und
Tschacher (1997) und Schiepek (2003) realisiert sind, wird aber vor allem
ermöglicht durch die Synergetik (Haken 1977, 1980, 2013), also der theo-
retischen Basis der Selbstorganisation, die das kollektive Verhalten von
Systemen in Form von Ordnungsparametern analysiert – einfachen quan-
titativen Indikatoren der ‚Muster‘ oder ‚kollektiven Moden‘ eines Systems.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
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198 Selbstorganisation in Netzwerken
Abb. 1: Illustration der Entstehung von Spiralwellen in einem einfachen Modell eines er-
regbaren Mediums. Eine offene Wellenfront, die von einer Reihe refraktärer (nicht anreg-
barer) Zellen gefolgt ist, wird über die Zeit gemäß den im Text dargestellten Update-Re-
geln simuliert (im deterministischen Grenzfall f → 0, p → 1). Das offene Ende führt zu
einer sich selbst erhaltenden Spiralwelle. Die geometrische Struktur der Wellenfront ist
eine Konsequenz der gewählten Vierer-Nachbarschaft. Darstellung: schwarze Punkte: er-
regt; graue Punkte: refraktär; weiße Punkte: erregbar. Diese Abbildung wurde in Anleh-
nung an Abb. 1C aus Grace und Hütt (2015) erzeugt.
Ein Vorteil dieser Realisierung eines erregbaren Mediums über ein Mini-
malmodell ist, dass sich das Modell unmittelbar auf Netzwerke übertragen
lässt. Die Regel einer Anregung durch einen angeregten Nachbarn ist frei
von dem Erfordernis einer regelmäßigen Nachbarschaft, wie sie etwa in
einem Gitter vorliegt, und lässt sich für beliebige Nachbarschaftsgrößen
(Knotengrade) und damit auf Netzwerke übertragen.
Netzwerke
Die Theorie komplexer Netzwerke, ein Feld, das versucht, die möglichen
dynamischen Verhaltensformen eines Netzwerks aus dessen Architektur
(Topologie) abzuleiten und strukturelle Besonderheiten realer Netzwerke
herauszuarbeiten, hat sich ausgehend von zwei bahnbrechenden Publikati-
onen Ende der 1990er Jahre (Watts und Strogatz 1998; Barabási und Albert
Marc-Thorsten Hütt 201
1999) explosiv entwickelt und stellt nun einen der wichtigsten theoreti-
schen Zugänge zur Charakterisierung komplexer Systeme dar (Barabási
2012). Erfolge dieses Ansatzes sind unter anderem ein Verständnis der
Rolle von Modularität (Guimera und Nunes Amaral 2005; Newman 2006;
Hütt 2019), von Netzwerkmotiven (Milo et al. 2002; Shen-Orr et al. 2002;
Alon 2007; Fretter et al. 2012), von Synchronisation (Arenas et al. 2008;
Rodrigues et al. 2016) und der Ausbreitung von Epidemien (Pastor-Sator-
ras et al. 2015) in Netzwerken, von der Existenz und Bedeutung von hoch-
vernetzten Elementen (Hubs), und von hierarchischen Strukturen (Ravasz
et al. 2002; Ravasz und Barabási 2003; Barabási und Oltvai 2004; Hilgetag
und Hütt 2014).
Die Organisation dynamischer Prozesse als Funktion der Netzwerkarchi-
tektur ist noch heute ein Gegenstand intensiver Forschung. Im Folgenden
soll die Verbindung der Theorie der Selbstorganisation und der Theorie
komplexer Netzwerke diskutiert werden.
Abb. 2: Illustration einer propagierenden Welle in einem Netzwerk. Das Netzwerk ist ein
Barabási-Albert-Graph (Barabási und Albert 1999) mit 100 Knoten und einer Koordinati-
onszahl von m = 2. Für die Dynamik wurde eine Spontanaktivität f = 0.01 und eine in-
verse Refraktärzeit p = 0.8 gewählt. Darstellung: rot: erregt; schwarz: refraktär; grün: er-
regbar. Für eine ausführliche Darstellung solcher Wellenphänomene in Netzwerken siehe
Müller-Linow et al. (2008), Hütt und Lesne (2009) und Hütt et al. (2014).
Eine weitere Konsequenz dieser Muster ist, dass auf einer großen Zahl der
(ungerichteten) Verbindungen in dem Netzwerk die Propagation der Anre-
gungen vornehmlich in eine Richtung geschieht. Betrachtet man also die
sequentielle Aktivierungswahrscheinlichkeit zweier Knoten, so bilden
diese eine stark asymmetrische Matrix, obwohl das Netzwerk ungerichtet
und damit die Adjazenzmatrix1 des Netzwerks, die den Möglichkeitsraum
der Ausbreitung von Anregungen darstellt, symmetrisch ist. Diese Asym-
metrie sequentieller Aktivierung ist eine Konsequenz der Netzwerkarchi-
tektur. In einem Netzwerk mit homogener Gradverteilung – also ohne das
Vorliegen von Hubs – ist die sequentielle Aktivierungsmatrix deutlich
symmetrischer. Abbildung 3 fasst diese Beobachtungen zusammen. Eine
1
Für ein Netzwerk mit N Knoten ist die Adjazenzmatrix A eine N × N-Matrix, wobei Aij =
1, wenn die Knoten i und j verbunden sind, und Aij = 0 sonst. Für ein ungerichtetes Netz-
werk ist die Adjazenzmatrix symmetrisch: Aij = Aji.
Marc-Thorsten Hütt 203
Fazit
Die im vorangegangenen Abschnitt diskutierten Arbeiten illustrieren die
Erklärkraft komplexer intrazellulärer Netzwerke für Hochdurchsatzdaten
in der Biologie. Im Vergleich zu den Neurowissenschaften ist die System-
biologie hier jedoch noch weit entfernt von einem Verständnis der kol-
lektiven Verhaltensformen intrazellulärer Netzwerke und damit von einem
theoretischen Fundament der Aktivitätsmuster auf genetischer und meta-
bolischer Ebene.
Die eingangs genannten Arbeiten (Schiepek und Tschacher 1997;
Schiepek 2003, 2017) lassen sich als Vorreiter dieser Perspektive in einer
Reihe von Disziplinen verstehen – und auch als Modell, für den zukünfti-
gen Weg die Konzepte der Selbstorganisation in die Systembiologie zu
übertragen.
208 Selbstorganisation in Netzwerken
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Challenge 7: How do we know what time scales and time points are
important?
An increasing number of studies suggest that multiscale coordination, or
coordination that spans spatial or temporal scales is characteristic of human
interaction and individual functioning in many contexts (Abney et al. 2014;
Davis et al. 2016; Den Hartigh et al. 2018; Ihlen and Vereijken 2010;
Kelty-Stephen et al. 2013; Likens et al., in press). The issue here is that
different biological, social, and cultural phenomena operate at different
time scales that might entail differential functional relationships with in-
teresting processes or outcomes (Busa and van Emmerik 2016; Steffensen
and Pedersen 2014).
While there may be cascading effects across scales (Kelty-Stephen et al.
2013), without knowing which scales exhibit the functionally effective
form of coordination, interventions and feedbacks systems cannot be de-
veloped to specifically augment these important scales (Busa and van
Emmerik 2016). These concerns escalate when conducting longitudinal
studies such as during studies of relationships (Gottman and Krokoff 1989)
or psychotherapy where there are significant events that warrant further
scrutiny (Timulak 2010).
We advocate two ways to address this challenge: 1) Enrich theory driven
predictions using exploratory visualizations showing key moments of co-
ordination that are worth further scrutiny with qualitative analyses (e.g.,
Steffensen et al., under review) and 2) increase the use of multi-scale anal-
yses that not only depict results across scales (Kelty-Stephen et al. 2013),
but analyses that might indicate scales that are more important (Wiltshire
et al. 2018).
Conclusion
In conclusion, we aim to set a foundation for future work that can not only
determine the function of coordination in variety of collaborative contexts,
but to outline the challenges associated with using coordination-based
measures to augment these interactions. Work in this vein would not have
been possible without the pioneering work of those like Günter Schiepek,
Hermann Haken, J. A. Scott Kelso, Michael Turvey, and others. While we
Wiltshire, Steffensen & Likens 223
Acknowledgements
This work was supported by the Velux Foundation (Grant no. 10384).
224 Challenges for using coordination-based measures
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repeated interactions, prior norms establishing a common culture, rational and just hier-
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232 The Slovenian Story
CONSTRAINT COOPERATION
• authority, submission, • equality among differentiated per-
heteronomy sonalities, autonomy
• autism • free discussion, rationality, reci-
• tribal2, prelogic primi- procity
tive mentality • contradiction and identity as reg-
• egocentrism – socio- ulators of discourse
centrism • policentrism, objectivity, truth,
• imposing belief reason, justice
• static equilibrium • mutual verification, need for
• only factual state of af- proof and objectivity
fairs • furnishing method, mobile equi-
• imposed by others, librium
given once and for all • distinction between fact and ideal
• not knowing where cooperation
leads
Fig. 1: The extremes of interpersonal relationships (Piaget 1995, pp. 136-7, 208-210).
2
Similarly to Piaget’s understanding of tribal constraint and sociocentrism as the prolon-
gation of egocentrism, Sennett (2012) understands “tribalism” in the Aristotelian sense
as “thinking you know what other people are like without knowing them; lacking direct
experience of others, you fall back on fearful fantasies. Brought up to date, this is the idea
of the stereotype.”
234 The Slovenian Story
3
In December 1998, an exhibition on the history of totalitarianism in Slovenia from 1945
to 1990 entitled The Dark Side of the Moon was staged in the Museum of Modern History
in Ljubljana. Drago Jančar, a well-known Slovenian writer together with a group of in-
tellectuals, gathered rich documentary material about the mass murders, repression, po-
litical indoctrination, pressures and opportunism of the Slovenian communist regime.
Miran Možina 235
only political power. The gap between Slovenia and its western neighbors,
which had begun to diminish during the liberalization period, thus began
to widen again (Repe 1994). When Tito died in 1980, surprisingly many
misled people from all over Yugoslavia cried during his funeral, but there
were no tears in my eyes. I was already well informed about his insincerity,
his deceitful self-management rhetoric, and hidden, criminal, and violent
policy of constraint.
Slovenian liberalism and reaching independent statehood
Slovenian “liberals” in the second half of the 1960's and in the beginning
of the 1970's strived for more political pluralism between and within the
existing political organizations, for the Western combination of socially
owned property and market laws, for the continuation of economic reforms
as a combination of market economy concepts and the state's social correc-
tive, and for polycentric administration, but with a uniform system of edu-
cation, health care, scientific activities and fiscal policy, directed from the
center. They also insisted on more independence for Slovenia within the
federation, which should include the possibility of establishing direct in-
ternational contacts with other countries, obtaining international loans, and
the principle of fees for the maintenance of the federation. They also
wanted more independence in the defense policy (republican territorial de-
fense, the right to serve military service in one's own republic, and to use
one's national language in the army) (Repe 1994).
Although Slovenian liberalism was incomplete and inconsistent in Piaget’s
sense of cooperation, marked as it was by the socialistic constraint ideol-
ogy from which it originated, it nevertheless represented a significant be-
ginning of pluralism and polycentrism. It contributed to Slovenia's peace-
ful transition from a one- to a multi-party system at the end of the 1980's,
to the strengthening of Slovenian autonomy and to its successful progress
to an independent state. From 27th of June until 7th of July 1991, there was
a Ten-Day Slovenian war of independence, which represented the violent
culmination of the macro order transition that took place between 1989 and
1992. The concrete political result of this phase transition was the separa-
tion of Slovenia from Yugoslavia and its establishment as an autonomous
state, which from the end of the war through to the spring 1992 gradually
236 The Slovenian Story
gained international recognition. These events were part of the bigger so-
cial and political changes affecting the whole of Eastern Europe, which
brought about and followed the fall of the Berlin Wall in November 1989.
Attaining independence was the realization of a sweet dream that many
Slovenian people had for centuries. In spite of the many doubts and obsta-
cles caused by the symmetry (in Synergetic sense) between federalists,
who wanted to stay in Yugoslavia, and separatists, the unity and coopera-
tion among those dedicated to the attainment of independence prevailed4.
When, on 25th of June 1991, the public ceremony, which followed the ac-
ceptance in parliament of the Basic Constitutional Charter on the Sover-
eignty and Independence of the Republic of Slovenia, took place in
Ljubljana's main square, it was accompanied with euphoria among practi-
cally all Slovenian citizens. It seemed that history smiled on us and the
feelings we shared were similar to the state of being in love.
The growth of neoliberalism and social inequality during Slovenian dem-
ocratic period
Unfortunately, Slovenia as an independent state hasn’t took advantage of
its first 28 years of democracy. During the last two decades, the macro
conditions for cooperation have worsened because of negative neoliberal
policies, which are forcing meritocracy, social Darwinism, inequality, cul-
ture of greed, exploitation, consumerism and stupid hedonism, possessive
individualism, antagonisms of the marketplace where each individual is set
against the other, hierarchical top-bottom hyperregulation with hyper-
bureaucratization and hyperadministration etc. (Eagleton 1997; Verhaeghe
2014; Oxfam 2019).
The old socialist narrative has been substituted by the new, dominant ne-
oliberal narrative: “People are competitive beings focused on their own
profit. This benefits society as a whole because competition entails every-
one doing their best to come out on top. As a result, we get better and
cheaper products and more efficient services within a single free market,
unhampered by government intervention. This is ethically right because
success or failure in that competition depends entirely on individual effort.
4
93.5% of electors participated in the 1990 Slovenian independence referendum and 94.8%
of them voted in favour of independence (Pesek, 2012).
Miran Možina 237
So everyone is responsible for their own success or failure. Hence the im-
portance of education, because we live in a rapidly evolving knowledge
economy that requires highly trained individuals with flexible competen-
cies. A single higher-education qualification is good, two is better, and life-
long learning a must. Everyone must continue to grow because competition
is fierce. That’s what lies behind the current compulsion for performance
interviews and constant evaluations, all steered by an invisible hand from
central management” (Verhaeghe 2014, p. 112).
In this sense, neoliberalism is no longer an economic theory, but has be-
come a much broader constraining ideology, which is destroying coopera-
tion in the name of liberty and increasing inequality with its pernicious
effects of eroding trust, increasing anxiety and illness and encouraging ex-
cessive consumption (Wilkinson and Pickett 2009; Oxfam 2019). During
last ten years, Slovenian state policy has also unnecessarily contributed to
the increase of inequality, poverty, and to the decomposition of basic
mechanisms of the welfare state5 (Leskošek and Dragoš 2014). The public
opinion of the Slovenes is progressively moving in an authoritarian direc-
tion and getting susceptible to patriotic sentiments and uncritical glorifica-
tion of “Sloveneness” connected with rejection of refugees and migrants
(Dragoš 2016).
Also the Slovenian academic sphere (re)produces new inequalities and
“systematic transformation into a turbo-neoliberal enterprise of wage-
workers, academic lumpenproletarians, anti-intellectual jobbers, profiteers
and money-spinners […] more and more scholars and scientists serve
something other than scholarship and science; more and more researchers
serve the fascination of the project, applying rituals rather than real re-
5
Although GDP per capita was 22.182 euros in 2018 (5.131 euros in 1991), 13.3%
(268,000) of persons were living in poverty compared to 11.3% in 2009, and 16.2%
(326.000) were poor and socialy excluded (Statistical Office of Slovenia, 2019). Long-
term poverty increased from 7,0% in 2009 to 9,5% in 2014 (Dragoš und Leskošek, 2016).
At the beginning of my career men retired after 35 years in employement (now 40) and
were entitled to a pension of 85% (now 57%) of the average salary based on the best 10
(now 24) years of employment.
238 The Slovenian Story
search agendas; more and more intellectuals are forced to meet social mar-
gins of all kinds in the postmodern EU social enterprise” (Kotnik 2011,
p. 61).
6
During the summer holidays for almost 30 years, around 30 volunteers or more (mostly
psychologists, medical doctors, psychiatrists, teachers, social workers, pedagogues,
nurses, and students of all the professions mentioned above) spent two to four weeks
camping with around 50 troubled children and adolescents (with emotional, behavioral,
hyperkinetic, psychotic, bipolar, developmental disorders, etc.); but also "normal" chil-
dren (who never received psychosocial help) and children of voluntary "staff" members
were included in camps that took place in the forest, or near lakes or rivers. The goal was
to establish a therapeutic milieu for all the participants of the camp (volunteers included).
From 1975 until 2005, around 1500 children and adolescents and around 500 volunteers
were included in our different activities, which extended beyond the camps (Stritih
1991b; Možina 2002ab, 2014).
Miran Možina 239
7
Our main teacher and supervisor was Graham Barnes (1985, 1993, 1994), who introduced
us in depth to the works of Bateson, von Foerster, Pask, Maturana, Varela, Beer, Luh-
mann, Piaget, Rorty, Milton Erickson, and others. Together with colleagues from other
Yugoslav republics, we established the School of Psychotherapy Cybernetics (Možina
1993ab; Pask 1993; von Foerster 1993; Dabić Jeftić and Barnes 1993). Unfortunately, the
Balkans war, which started in 1991, disrupted the development of our School as a Yugo-
slav project and only the cooperation between Slovenian and Croatian colleagues con-
nected to systemic psychotherapy has remained until today (Možina et al. 2011).
240 The Slovenian Story
with about 6.000 participants (Zeig 1996), who represented the history and development
of all main psychotherapy modalities.
9
Propedeutics study as the introduction to modality training according to EAP standards
was initially organized by SUAP as a 3-year course in 1999. It was the first joint project
of SUAP members, which enhanced cooperation and diminished unproductive rivalries
among psychotherapy schools (Možina 2006).
242 The Slovenian Story
10
The struggle to regulate psychotherapy by law in Slovenia has unfortunately remained to
date unsuccessful, mostly because of bureaucratic obstacles at the Ministry of Health, and
because of strong opposition from psychiatrists and clinical psychologists, who want to
prevent the regulation of psychotherapy as a new profession in order to keep their current
privileges, which enable them to practice psychotherapy as a method, even though many
of them are not properly trained (Možina and Bohak 2008; Možina et al. 2018).
11
During 2019, Germany is in the process of implementing a direct bachelor and master
psychotherapy study program with a new psychotherapy law (BMG 2019), which is re-
placing the old one from 1999. This is a major recognition of the SFU model and a big
step forward in the direction of academization of psychotherapy.
Miran Možina 243
12
SFU Ljubljana had in the school year 2018/19 around 200 students, who in the third year
of their bachelor’s course can choose (among) specialist modality training in psychoana-
lytic, systemic, gestalt or Jungian analytic therapy. Unique in Slovenian psychotherapy
training institutions is SFU Ljubljana Outpatient Clinic, where every student at a master’s
level can start their psychotherapy practice under supervision.
244 The Slovenian Story
Fig. 2: Order transitions of the macro level, i.e., the development of the Slovenian state.
The last phase of neoliberalism reopened on the new level the crucial chal-
lenges of cooperation (in Piaget's sense), which we were confronted with
during the socialist phase – equality, autonomy, justice, polycentrism etc.
(Fig. 1). The history is repeating itself.
Fig. 3: Order transitions of the meso level, i.e., the development of psychotherapy.
Miran Možina 245
The order transitions on the meso level (Fig. 3) were marked by the fol-
lowing new “generative ideas”13 or “generative themes”14: therapeutic mi-
lieu as an intermediate community (order 1), systemic psychotherapy (or-
der 2), psychotherapy as an autonomous profession (order 3), and psycho-
therapy science as an autonomous academic discipline (order 4). The di-
rection of movement of the first two phases of cooperation (order 1 to 3)
was to move out of rigid, authoritarian institutions and towards building
more flexible and free intermediate community structure (in Ber-
ger’s/Luckmann’s sense as mentioned above). In the third phase (order 3),
the civil initiative of SUAP started with its endeavors to change institutions
and the regulation of psychotherapy on the macro level. In the fourth phase
(order 4), the new (private) institution (SFU) was founded, which is devel-
oping a new, academic infrastructure for the development of psychother-
apy as a scientific discipline and a new level of cooperation between pro-
fession and science.
Although this development on the meso level may give a favorable impres-
sion, dark clouds are gathering on the global macro level. Humanity faces
not just increasing pollution or warmer weather, but a crisis of such extent,
that we are unable to conceive our own destruction. “Having always pos-
sessed the power to annihilate ourselves individually, we have now ad-
vanced with admirable technological ingenuity to the point of being able
to accomplish this end collectively. Suicide, so to speak, has been social-
ized, taken into public ownership” (Eagleton 2018, p. 34).
13
Susan Langer (1941/1957) called “generative ideas” new key ideas, which, if they grasp
the imagination of people, generate a whole set of problems and permit the asking of
questions in a new way.
14
Paulo Freire called “generative themes” those issues about which people have passion
and a willingness to take community action. For example, he identified domination and
liberation as the overarching or global generative themes, which are expressed at every
level within society (Beck and Purcell 2013).
246 The Slovenian Story
The evolution of cooperation on the macro level: facing the dark side
of Anthropocene
Where are we as individuals led by cooperation if it is constantly evolving?
Surely not to harmony or a “rose garden”, as Frieda Fromm Reichmann
cautioned her patient, Joanne Greenberg (1964), when she succeeded in
taking the important steps out of her psychotic, autistic world into more
cooperative engagement in the community, but nevertheless came back to
her therapist in a moment of despair. Gregory Bateson (1991), in his Me-
morial Lecture to Fromm-Reichmann in 1957, praised her for her cooper-
ative abilities that he experienced as a member of the research team under
her guidance. For example, when criticism was voiced within the team, “it
was not that she reassured by diminishing the force of critical comment.
What she did was to lend the strength which enabled one to receive the
comment” (p. 250). He experienced her as being “a stage or two ahead” in
the progress of awareness that each of us can move through: from blaming
what others have done and/or feeling guilty for the pain which we have
caused, to a more general anger, “that what happens to people should not
happen to dogs, and that what people do to each other the lower animals
could never devise. Beyond this, there is, I think, a stage which I can only
dimly envisage, where pessimism and anger are replaced by something else
– perhaps humility. And from this stage onward to whatever other stages
there may be, there is loneliness” (p. 250).
I agree with Bateson that paradoxically the more evolved forms of cooper-
ation bring more existential solitude to the individual and that the “skeleton
of truth”, reached through cooperation, is lonely (Bateson and Bateson
1987, p. 6). And what is the truth of our modern world? Today, when the
epoch of Anthropocene is showing its disastrous face more evidently than
during Fromm-Reichmann's times, it is even more clear that mankind and
our civilization is not moving in the direction of the rose garden, but what
is left to the human race is only to “learn to die” (Scranton 2015). We are
confronted with the rapid deterioration of our physical, social, and eco-
nomic environment. Gaia (Lovelock 2009; Schneider et al. 2004), the Earth
System (Angus 2016) as a self-regulating system, suggests the processes
of ecology cannot be mocked. The imbalance of the macro critical insta-
bility has gone so far we cannot trust Gaia not to overcorrect and to destroy
Miran Možina 247
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Miran Možina 251
Über den Geist sagte Aristoteles (384 - 322 v. Chr.): „Der Verstand oder
die Vernunft ist nämlich das Vornehmste in uns, und die Objekte der Ver-
nunft sind wieder die vornehmsten im ganzen Felde der Erkenntnis. So-
dann ist sie die anhaltendste. Anhaltend betrachten oder denken können
wir leichter, als irgend etwas Äußerliches anhaltend tun“ (Aristoteles 1921
[322 v. Chr.]).
Von Aristoteles stammt auch die Charakterisierung des Menschen als zoon
logikon, lat. animal rationale („das vernünftige Tier“). Dies steht im Ein-
klang mit der heutigen biologischen Systematik des Menschen als Homo
sapiens, lateinisch „verstehender, verständiger“ oder „weiser, gescheiter,
kluger, vernünftiger Mensch“.
Kritischer als Aristoteles bestimmte allerdings Immanuel Kant (1724-
1804) den Menschen als animal rationabile, das, wenn überhaupt, erst
durch die Entwicklung seiner Vernünftigkeit, durch Erziehung und Bil-
dung zum animal rationale werden kann. Die enorme Bedeutung des Den-
kens für den Menschen wird auch deutlich in dem Satz von Marc Aurel
(121-180) „Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht“ (Aurel
2001 [o.d.]).
Doch was ist der Geist? Goethe (2016 [1827], S. 110) reimte: „Die Leute:
Was ist der sogenannte Geist? Cleobulus: Was man so Geist gewöhnlich
heißt, antwortet, aber fragt nicht.“ Er drückte damit die Schwierigkeit aus
zu sagen, was der Geist ist. Im Altgriechischen heißt „Geist“ πνεῦμα
(Pneũma), was auch „Hauch“, „Luft“, „Atem“ bedeutete, im wahren Sinne
des Wortes etwas nicht Fassbares.
Trotz dieser Problematik soll nun versucht werden, etwas Licht darauf zu
werfen, was unter „Geist“ und speziell unter „Denken“ verstanden werden
kann.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_15
260 Die Selbstorganisation des Geistes
Kants Erkenntnistheorie
Das Denken trägt die Namen „Verstand“ und „Vernunft“. Eine der tiefsten
und wirkmächtigsten Lehren über sie stammt von Immanuel Kant. Für ihn
ist der Verstand das Vermögen zu urteilen und die Vernunft das Vermögen
zu schließen. In der Kritik der reinen Vernunft untersucht er die menschli-
che Erkenntnis, die nach ihm durch das Zusammenwirken von Sinnlichkeit
und Verstand zustande kommt. Die Sinne liefern einen Bezug zur Wirk-
lichkeit, indem sie, wie Kant sagt, von ihr affiziert werden. Aber die Sin-
nesempfindungen sind noch keine Erkenntnis, da sie nur subjektive Zu-
stände sind. Erst der Verstand ordnet und interpretiert die nahezu chaotisch
einströmenden und nach kurzer Zeit wieder verschwindenden Sinnesdaten
und macht aus ihnen eine Erkenntnis. Berühmt ist sein Satz: „Begriffe ohne
Anschauungen sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ (Kant,
Kritik der reinen Vernunft B75, A48). Der Verstand verfügt über gewisse
„Werkzeuge“, die Kant Kategorien oder Verstandesbegriffe nennt. Eine
der Kategorien ist das Kausalitätsprinzip, wonach jedes Ereignis eine Ur-
sache hat und die Wirkung auf die Ursache folgt. Das Kausalitätsprinzip
ermöglicht uns, die zeitliche Ordnung der Ereignisse zu bestimmen.
Kant zählt insgesamt zwölf Kategorien auf und gab Gründe an, warum es
nicht mehr gibt. Die zwölf Kategorien sind: Einheit, Vielheit, Allheit, Re-
alität, Negation, Limitation, Inhärenz und Subsistenz, Kausalität, Gemein-
schaft, Möglichkeit – Unmöglichkeit, Dasein – Nichtsein, Notwendigkeit
– Zufälligkeit. Die Kategorien sind hier nicht aufgezählt, um den Leser zu
langweilen, sondern um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie nach
Kant der Verstand organisiert ist und wie er operiert; jede Kategorie reprä-
sentiert nämlich eine Verstandesoperation. Mit den Kategorien organisiert
sich der Verstand selbst. Es gibt keine Instanz außerhalb von ihm, die Ein-
fluss auf ihn nimmt.
Wie bereits gesagt, unterscheidet Kant zwischen Verstand und Vernunft.
Während der Verstand nur dazu dienen kann, in Verbund mit der Sinnlich-
keit Erfahrungserkenntnisse zu gewinnen, kann die Vernunft jede Erfah-
rung überschreiten und transzendente, metaphysische Ideen entwickeln.
Für Kant gibt es deren drei: die unsterbliche Seele, das Weltganze (seine
Endlichkeit oder Unendlichkeit) und Gott. Ob sie existieren, können wir
nicht wissen. Sie sind wie Kant sagt, lediglich Postulate oder regulative
Uwe an der Heiden 261
Prinzipien, die der Erkenntnis in ihrem Streben nach Totalität und Abso-
lutheit eine Orientierung geben. Gerade weil die Ideen ganz und gar aus
dem Geist und nicht aus der Erfahrung stammen, sind sie ein besonders
bemerkenswertes Beispiel der Selbstorganisation des Geistes. Kant
schreibt in der Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft: „Die menschliche
Vernunft hat das besondere Schicksal in der Gattung ihrer Erkenntnisse:
dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie
sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch
nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der mensch-
lichen Vernunft“ (Kritik der reinen Vernunft, 2. Auflage 1787, Vorrede).
Die Logik
Alle Denkbereiche übergreifend und selbst noch über den Kategorien ste-
hend, gibt es eine im Wesen des Denkens liegende Struktur, ohne die gar
nicht gedacht wird. Dieses Fundament des Denkens ist die Logik. Das
Wort „Logik“ rührt her von dem altgriechischen λόγος (lógos), was Wort,
Vernunft, Sinn bedeutete. Weitaus enger werden heute unter „Logik“ die
Grundregeln des Denkens, z. B. die logischen Schlüsse, verstanden. Zent-
ral in der Logik ist der Satz vom Widerspruch: Eine Aussage ist entweder
wahr oder nicht wahr. „Wahr“ und „nicht“ sind die wichtigsten Begriffe
der Logik. Ein berühmter Satz lautet „Die Logik muss für sich selbst sor-
gen“. Er bringt zum Ausdruck, dass die Logik keiner Begründung außer-
halb ihrer selbst bedarf. Vielmehr ist sie selbst Grundlage des Begründens.
Mit und durch die Logik organisiert sich der Geist selbst. Sie ist reiner
Geist.
Die Mathematik
Nach der Logik ist die Mathematik ein hervorragendes Beispiel für die
Selbstorganisation des Denkens. Basis der Mathematik sind die Axiome,
aus denen alle anderen Theoreme auf logische Weise abgeleitet werden.
Mehr als zweitausend Jahre lang hielt man die von Euklid ca. 300 Jahre v.
Chr. formulierten Axiome für denknotwendig. Für die Pythagoräer mit ih-
rer Zahlenmystik waren die Zahlen göttlicher Herkunft. Sogar der moderne
262 Die Selbstorganisation des Geistes
Mathematiker Leopold Kronecker (1823 - 1891) sagte „Gott schuf die na-
türlichen Zahlen. Alles andere ist Menschenwerk“. Heute besteht die Auf-
fassung, dass Axiome freie Schöpfungen des menschlichen Geistes sind.
Denn man hat von dem Euklidischen abweichende Axiomensysteme er-
funden wie z. B. dasjenige der Riemannschen Geometrie, die Albert Ein-
stein (1879 - 1955) seiner Relativitätstheorie zu Grunde legte.
Das Denken
Logik und Mathematik sind zwei repräsentative Beispiele der Selbstorga-
nisation des Denkens. Aber was ist Denken im Allgemeinen? Mit der oben
besprochenen Kritik der reinen Vernunft von Kant haben wir bereits eine
ausgezeichnete Analyse davon, wie sich das Denken in Gestalt von Ver-
stand und Vernunft selbst organisiert. Allerdings konzentrierte Kant sich
in diesem Werk auf die menschliche Erkenntnis, insbesondere die Wahr-
nehmung. Das Denken erstreckt sich aber weiter und folgerichtig hat Kant
noch zusätzlich zwei Kritiken geschrieben: die Kritik der praktischen Ver-
nunft und die Kritik der Urteilskraft, in denen das Denken in seiner Rolle
für das Handeln bzw. für die Ästhetik betrachtet wird. Bevor wir hierauf
eingehen, folgen noch einige Bemerkungen zum Denken.
Elemente des Denkens sind die Gedanken. Diese sind Begriffe oder eine
Komposition aus Begriffen. Begriffe sind abstrakt. So ist z. B. der Begriff
„Baum“ abstrakt, weil er nicht einen bestimmten, individuellen Baum
meint, sondern das allen Bäumen Gemeinsame, nämlich dass sie eine Wur-
zel, einen Stamm, Äste, Blätter und Früchte haben. Das Abstrahieren ist
eine Grundoperation des Denkens. Eine weitere ist die Komposition oder
Verbindung mehrerer Begriffe. Der Gedanke „Alle Menschen sind sterb-
lich“ ist eine Verbindung aus vier Begriffen. In den Verbindungen werden
nicht mehrere Begriffe beliebig aneinandergereiht, sondern in der Weise,
dass sich insgesamt ein Sinn ergibt. Der Gedanke ist nichts anderes als sein
Sinn.
Alle Begriffe zusammen bilden ein Netzwerk, das sich gewissermaßen
selbst trägt. Dieses Netzwerk ist ein Ganzes mit den Begriffen als Teilen
und einer zirkulären Zuweisung von Bedeutungen: Die Gesamtheit der Be-
griffe hat Einfluss auf die Bedeutung jedes einzelnen und jeder einzelne
Uwe an der Heiden 263
trägt zum Ganzen bei („bottom up, top down“). Ein kleines Beispiel hierfür
ist ein Satz. Seine Wörter ergeben zusammen den Sinn des Satzes und der
Sinn des Satzes bestimmt auch den Sinn der einzelnen Wörter. Beispiel:
Der Maler hat das Zimmer fertig gestrichen. „Maler“ hat zwei Bedeutun-
gen, aber der Satz lässt nur eine zu, ebenso „streichen“ (über ein Fell strei-
chen, einen Text streichen), „hat“ ist eine Zeitform oder besitzanzeigend,
„fertig“ bedeutet beendet oder mit den Kräften zu Ende sein, „Zimmer“
kommt auch als Eigenname vor. Die Doppelsinnigkeit der einzelnen Wör-
ter verschwindet durch ihre Einbettung in den Satz. Interessant ist in die-
sem Zusammenhang ein Beispiel von Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951):
Er fordert den Leser auf, in dem Satz „Schweizer ist Schweizer“ die beiden
Bedeutungen im Geiste zu vertauschen, und meint, bei dem Versuch ge-
riete der Leser „ins Blinzeln“ (Wittgenstein 2003 [1952]).
Das Denken weist vier ihm inhärente und für seine Selbstorganisation cha-
rakteristische Eigenschaften auf:
1. Es ist selbsterzeugend in dem Sinne, dass es die Gedanken in und
durch sich selbst hervorbringt.
2. Es ist autonom, d. h. es bedarf keiner Rechtfertigung außerhalb
seiner selbst. Stattdessen entwickelt es eigenständige Begrün-
dungsweisen, auf die weiter unten näher eingegangen wird. Es hat
eine eigene, ihm innewohnende Gesetzmäßigkeit, die sich am
prägnantesten in der Logik zeigt, aber auch in anderen Bereichen
wie z. B. der Kunst, s. unten.
3. Es ist kreativ.
Die Kreativität hängt mit dem Ursprung zusammen, warum der Mensch
überhaupt denkt. Er ist nicht in dem Maße wie das Tier mit Instinkten aus-
gestattet, die diesem das Leben ermöglichen. Dadurch ist er aber auch nicht
wie das Tier an Instinkte gebunden, ausgedrückt in dem Satz Friedrich
Nietzsches (1844 – 1900): „Der Mensch ist das noch nicht festgestellte
Tier“ (Nietzsche 2013 [1886]). An die Stelle der Instinkte ist das Denken
getreten. Daher ist die Primärfunktion des Denkens dieselbe wie die der
Instinkte, nämlich dem Menschen das Leben und Überleben zu ermögli-
chen. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Entstehung des Menschen als
264 Die Selbstorganisation des Geistes
Begründungen (Argumente)
Dem Denken inhärent ist die Selbstvergewisserung. Unsicherheit beunru-
higt den Geist. Insofern Denken nach Wissen strebt, bedarf es im Unter-
schied zum Glauben der Begründung. Eine Art der Begründung ist der
Hinweis auf gemachte Erfahrungen. Eine weitere besteht in der Wahrneh-
mung: Der Zeuge vor Gericht antwortet auf die Frage des Richters an den
Zeugen, woher er dies wisse, „Ich habe es mit meinen eigenen Augen ge-
sehen.“ In Wissenschaft und Philosophie besteht ein höherer Anspruch an
Begründungen als im Alltag bis zum Extremfall des Beweises. So muss
ein Experiment überall und jederzeit mit gleichem Ergebnis wiederholbar
sein. Außerhalb von Logik und Mathematik gibt es indes keine Beweise.
Einen hohen Grad an Gewissheit hat die Selbsterfahrung. Jemand, der
starke Zahnschmerzen hat, kann kaum davon überzeugt werden, er habe
keine. Allerdings ist dieses Wissen persönlich, nicht verallgemeinerbar
und flüchtig. Im wissenschaftlichen Bereich stellt sich das Problem der
Letztbegründung, in der Formulierung von Wittgenstein (2003 [1952]):
„Alle Begründungen müssen irgendwo ein Ende haben.“ Auf dem Grunde
des Wissens liegt der unbegründete Glaube. Deshalb lautet der von Sokra-
tes herrührende Hauptsatz der Philosophie „Ich weiß, dass ich nichts
weiß“.
Uwe an der Heiden 265
Lernen
Arnold Gehlen charakterisierte in dem Buch „Der Mensch. Seine Natur
und seine Stellung in der Welt“ (1940) den Menschen als Mängelwesen
vor allem deswegen, weil er, wie oben bereits gesagt, kaum über das Über-
leben sichernden Instinkten verfügt. An ihre Stelle ist das Denken getreten.
Freilich kann der Mensch nicht von Geburt an denken, sondern er muss es
ebenso wie vieles andere erst lernen.
Uwe an der Heiden 267
Gedächtnis
Lernen ist nicht möglich ohne Gedächtnis. „Gedächtnis“ kommt nicht von
ungefähr von „Denken“. Ohne Gedächtnis könnte der Mensch nicht den-
ken: Wir könnten nicht einmal zwei Gedanken miteinander verbinden.
Wenn wir den zweiten hätten, wäre der erste schon vergessen. Um dies zu
vermeiden, haben wir das sogenannte Kurzzeitgedächtnis. Ohne Gedächt-
nis gäbe es keine Erfahrung. Der Mensch wäre schlicht lebensunfähig.
Auch verlöre der Mensch ohne Gedächtnis seine Identität. Offenbar ist das
Gedächtnis ein wesentlicher Teil des geistigen Lebens und Voraussetzung
fast aller Aktivitäten des Menschen.
Das Gedächtnis ist überall im Gehirn verankert, und zwar überwiegend in
den Verbindungen der Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Die Sy-
napsen werden während der Prozesse im Gehirn in Abhängigkeit davon,
womit sich das Gehirn beschäftigt, auf- und abgebaut. Dies ist ein sich
selbst organisierender Prozess, der kaum unserer Kontrolle unterliegt. Be-
kanntlich findet während des Schlafes eine Reorganisation des Gedächt-
nisses statt. Dennoch sind wir für unser Gedächtnis verantwortlich. Durch
Aufmerksamkeit und Wiederholung können wir es trainieren und so mit
einigem Erfolg das uns Wichtige behalten. Der Mensch hat sein Gedächt-
nis in großem Umfang durch Sprache und Schrift, in jüngster Zeit durch
268 Die Selbstorganisation des Geistes
Spielen
Die Bedeutsamkeit des Spielens äußert sich in der Charakterisierung des
Menschen als homo ludens (lateinisch, dt. der spielende Mensch). Hierzu
vernehmen wir das berühmte Diktum von Friedrich Schiller (1795/2009)
„Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo
er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz
Mensch, wo er spielt. Dieser Satz […] wird, ich verspreche es Ihnen, das
ganze Gebäude der ästhetischen Kunst und der noch schwierigeren Le-
benskunst tragen.“
Durch Spielen erlernt der Mensch „spielerisch“ viele nützliche Fähigkei-
ten, wie sich am deutlichsten bei den Kindern zeigt. Sie spielen unentwegt
den ganzen Tag über, und zwar mit Freude und Vergnügen. Ältere Men-
schen werden zu Spielen angeregt, um ihre mentalen Fähigkeiten mög-
lichst lange aufrechtzuerhalten.
Das Spielen bedarf keiner ihm äußerlichen Zweckbestimmung. Durch die
Freude, die es bereitet, hat es seinen Zweck in sich selbst. Spielen ist eine
besondere Form der Selbstorganisation des Geistes, sogar auch bei Er-
wachsenen. Oft mit großer Leidenschaft betreiben sie viele körperliche
(Sport) und geistige Spiele (Brett- und Kartenspiele, Theaterspiel, Instru-
mentenspiel).
Wittgenstein führte den Begriff des Sprachspiels ein: Die Verständigung
funktioniert, wenn alle das gleiche Spiel spielen, nicht aber wenn der eine
Schach und der andere Mühle spielt. Es gibt zahllose Sprachspiele: die
1
Hegel versteht unter dem objektiven Geist die historischen Formen des Rechts, der Mora-
lität, der Sittlichkeit und des Staates.
Uwe an der Heiden 269
Sprache des Alltags, der Literatur, der Politik, der Wissenschaft, der Reli-
gion, der Philosophie, der Kunst usw. In unterschiedlichen Lebensformen,
ebenfalls ein zentraler Begriff bei Wittgenstein, gibt es unterschiedliche
Sprachspiele, die je ihre eigenen Regeln haben. Verschiedene Sprachspiele
passen eventuell nicht zueinander, z. B. lassen sich religiöse Fragen nicht
naturwissenschaftlich diskutieren und umgekehrt. Die Regeln des einen
Sprachspiels gelten nicht in dem anderen.
Zusammengefasst: Spielen ist eine außerordentlich wichtige Weise der
Selbstorganisation des Geistes. Die dabei empfundene Freude gehört zu
den nicht sinnlichen, sondern geistigen Empfindungen. Freude ist eine Art
Selbstbefriedigung des Geistes. Für Friedrich Schiller war sie ein Götter-
funke. Die sinnlichen Empfindungen können ohne begleitendes Denken
stattfinden. Außer der Freude sind Ärger, Fröhlichkeit, Appetit (im Unter-
schied zu Hunger), Liebe und Hass geistige Empfindungen.
Erziehung, Selbsterziehung
„Erziehung“ ist nicht leicht zu definieren. Das Wort „Erziehung“ selbst
führt von seinem Ursprung her in die Irre, weil es Assoziationen zu Auf-
ziehen und Aufzucht hervorruft. Es steckt sogar eine Paradoxie darin, in-
sofern das Ziel der Erziehung ist, den Menschen zur Selbständigkeit zu
erziehen. Deshalb sagt Kant (1803/1984, S. 446): „Die Erziehung ist das
größte Problem und das schwerste, was dem Menschen kann aufgegeben
werden.“ Kann der Mensch zum Denken erzogen werden? Das Denken
kann grundsätzlich nur aus sich selbst heraus geschehen. Der Lehrer kann
also allenfalls zum Denken anregen, z. B. indem er Aufgaben stellt. Die
Pädagogik hat zahllose Theorien darüber hervorgebracht, worin eine gute
Erziehung besteht, ohne ein abschließendes Resultat. Eltern und Lehrer
können ein Lied davon singen, wenn sie es mit „schwer erziehbaren Kin-
dern“ zu tun haben.
270 Die Selbstorganisation des Geistes
Wahrnehmung
Die Wahrnehmung ist eine grundlegende Art der menschlichen Erkenntnis.
Wesentliches über sie wurde bereits bei der Besprechung der Erkenntnis-
theorie Kants gesagt. Es folgen einige ergänzende Bemerkungen mit Kon-
zentration auf das Sehen. Für die anderen Sinne gilt Ähnliches.
Das Sehen ist keineswegs ein passiver Vorgang. Das Auge sieht selbst
nichts. Es ist nur ein Organ, d. h. ein Mittel des Sehens. Sehen ist ein ext-
rem komplexer Prozess, in den über fünfzehn Gehirnareale involviert sind.
Was sieht der erwachsene Mensch? Wenn er stark abgelenkt ist, sieht er
selbst mit geöffneten Augen eventuell gar nichts. Wir sehen im Allgemei-
nen nur etwas, an dem wir ein Interesse haben. Auch sehen wir in erster
Linie mit dem Gedächtnis, weil das Sehen meist ein Wiedererkennen ist.
Ferner ist das Sehen nicht nur sinnlich, sondern auch begrifflich und somit
auf das Denken angewiesen. Beispielsweise können wir nur dann einen
Tisch sehen, wenn wir wissen, was ein Tisch ist, also einen Begriff von
ihm haben. Im Auge ist ja in jedem Augenblick immer nur eine Seite des
Tisches abgebildet und nie der ganze. Das Ganze des Tisches kann nur mit
dem Verstand erfasst werden. Der Verstand interpretiert den von der Re-
tina über den optischen Nerv an den visuellen Cortex und von dort an wei-
tere Areale vermittelten Eindruck. Dabei kann der Verstand sich irren, wie
jeder aus Erfahrung weiß und wie es optische Täuschungen besonders
deutlich zeigen. Wir sehen buchstäblich mit dem Gedächtnis, mit dessen
Hilfe der Verstand das Bild auf der Retina interpretiert und mit Bekanntem
abgleicht. Dies ist ein kaum bewusstwerdender selbstorganisatorischer
Prozess.
Konstruktivismus
Ein großer Teil der Selbstorganisation des Geistes besteht aus Konstrukti-
onen, wie schon die Erörterung von Logik und Mathematik gezeigt hat.
Selbst in der Wahrnehmung sind Konstruktionen enthalten, wie uns bei-
spielhaft Kants Kategorienlehre gezeigt hat. Dies bedeutet aber nicht, dass
Kant ein Vertreter des sogenannten Radikalen Konstruktivismus war. Bei
Kant besteht über die Sinnlichkeit eine Verbindung zur Realität. Dagegen
vertritt der Radikale Konstruktivismus, dass jede Wahrnehmung vollstän-
dig subjektiv und ein Konstrukt ist. Dies ist die Radikalität (Kompromiss-
losigkeit) des Radikalen Konstruktivismus. Der Radikale Konstruktivis-
mus ist in sich selbst widersprüchlich, weil er selber ein Konstrukt und
damit unbegründet ist. Eine besonders widersprüchliche Absurdität bege-
hen die ultraradikalen und paradoxen Konstruktivisten, die durch Untersu-
chungen am Gehirn nachweisen wollen, dass der Konstruktivismus richtig
ist, also mit einer Methode, die sie gerade zurückgewiesen haben.
Der Radikale Konstruktivismus ist überdies menschenverachtend und mo-
ralisch verwerflich. Wenn der andere Mensch nur meine Konstruktion ist,
so ist doch die Frage, wie ich mit einem Konstrukt umgehen soll. Selbst
wenn ich es nicht absolut genau weiß, darf ich doch den anderen Menschen
nicht als nur in meinem Bewusstsein existierendes Phantom ansehen. Wie
geht man mit einem Phantom um?
272 Die Selbstorganisation des Geistes
Sprache
Die Sprache besteht aus Wörtern. Nach Wittgenstein ist die Bedeutung ei-
nes Wortes sein Gebrauch in der Sprache. Er zählt viele Verwendungswei-
sen der Sprache auf z. B. Berichten, Erzählen, Befehlen, Bitten, Danken,
Grüßen, Fluchen, Tabellen und Diagramme, Theater spielen, Rätsel raten.
Sprache und Denken hängen so eng zusammen, dass man ähnlich wie bei
Henne und Ei nicht weiß, was als erstes da war. Die Sprache ist der Wider-
hall des Geistes. Ohne Sprache könnte der Mensch ebenso wie ohne Ge-
dächtnis nicht gut denken. Ein Grund hierfür ist, dass die Sprache Namen
für die Begriffe, die Elemente des Denkens, hat. Viele Begriffe hätten wir
gar nicht zur Verfügung, wenn es nicht ein Wort für sie gäbe. Die Begriffe
sind sozusagen an ihren jeweiligen Wörtern aufgehängt. Wer einen gerin-
gen Wortschatz hat, kann vermutlich weniger gut denken. Johann Gottfried
Herder (1744 - 1803) drückte dies recht drastisch aus: „Ohne Sprache hat
der Mensch keine Vernunft, und ohne Vernunft keine Sprache“
(1772/2013, S. 25). Dass die Sprache sogar die Erkenntnis des Menschen
mitbestimmt, drückt der Satz Wittgensteins (2001 [1922], Satz 5.6) aus:
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
In seiner Abhandlung „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken
beim Reden“ rät Heinrich von Kleist (1777 - 1811), bei Problemen mit
anderen zu sprechen, nicht um von diesen eine Lösung zu erhoffen, son-
dern weil durch das Gespräch eine zunächst verschwommene Vorstellung
präzisiert und zu Ende gedacht wird. Der französische Dichter Jean de La
Fontaine (1621 - 1695) lässt in einer seiner Fabeln den Fuchs bei seiner
Verteidigung sagen „ein solches Reden ist wahrhaft lautes Denken“ (zitiert
nach Kleist, 1811/1980, S. 1).
Für den Menschen als soziales Wesen ist die Kommunikation mittels Spra-
che essentiell. Hans Georg Gadamer (1900 - 2002!) verdanken wir die
Einsicht, dass Sprachlichkeit menschliches Leben nicht nur beschreibt,
sondern es formt. Für Vertreter der analytischen Philosophie wie Richard
Rorty (1931 - 2007) und Willard van Orman Quine (1908 - 2000) ist Spra-
che nicht mehr „bloßes Zeichen für etwas, was unabhängig von der Spra-
che ist […]. Wir können nicht mehr zwischen dem, was der Sprache ange-
hört und dem, was der Welt angehört, trennen […]. So gesehen war und ist
Uwe an der Heiden 273
Sprache für uns ein genetisches A Priori der Weltinterpretation und der
sozialen Konstitution.“ Die Betonung der Sprache im 20. Jahrhundert als
Bedingung und Zentrum des Denkens und Handelns wird als „linguistic
turn“ bezeichnet.
Die Sprache ist zutiefst in das Leben des Menschen eingebettet. Mit ihr
können die allergrößten Wirkungen erzielt werden. „Auch Worte sind
Handlungen“ sagte Johann Peter Eckermann (1792 - 1854), Schriftsteller
und Sekretär Goethes.
Wittgenstein tadelt den Sprachgebrauch der klassischen Philosophie. Die
„großen philosophischen Probleme“ waren für ihn „Geistesstörungen“,
fixe Ideen, die wir nicht loswerden, weil wir Opfer eines unzuträglichen
Sprachgebrauchs sind: „Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses,
daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen“ (Wittgenstein 2003
[1953], §122). Der Verstand habe sich „Beulen“ – „beim Anrennen an die
Grenzen der Sprache“ – geholt. Ich hoffe sehr, dass dies nicht auch auf
diese Abhandlung zutrifft.
Grammatik
Ein äußerst wichtiges Sprachgebilde ist der Satz. Er hat nicht nur einen
Sinninhalt, sondern eine als Grammatik bezeichnete Struktur. Für Hegel
ist die Grammatik eine Form des Denkens. Nach ihm machen nicht die
Wörter, sondern die Grammatik den Geist der Sprache aus. Wer die Spra-
che eines Volkes beherrscht, „dem erst kann sich der Geist und die Bildung
eines Volks in der Grammatik seiner Sprache zu fühlen geben; dieselben
Regeln und Formen haben nunmehr einen erfüllten, lebendigen Wert. Er
kann durch die Grammatik hindurch den Ausdruck des Geistes überhaupt,
die Logik2, erkennen“ (Hegel, 1812/2016, S. 39). Völker mit unterschied-
lichen Grammatiken haben unterschiedliche Denkstile. In gewisser Weise
organisiert die Grammatik das sprachlich ausgedrückte Denken.
2
Hegels Begriff von „Logik“ unterscheidet sich deutlich von dem der klassischen und der
heutigen formalen Logik.
274 Die Selbstorganisation des Geistes
Hermeneutik
Das Wort „Hermeneutik“ stammt ab von dem altgriechischen ἑρμηνεύειν
(hermēneúein) ‚erklären‘, ‚auslegen‘, ‚übersetzen‘. In der von Friedrich
Schleiermacher (1768 – 1837) als Disziplin begründeten Hermeneutik ging
es zunächst um die Deutung und Auslegung von Bibeltexten (Exegese),
danach von beliebigen Texten und schließlich um die Auffassung, dass
auch unsere gesamte Erkenntnis Auslegung oder Deutung ist.
Einflussreichster Vertreter der Hermeneutik im 20. Jahrhundert war Hans-
Georg Gadamer (1900 – 2002). Einer seiner Zentralbegriffe ist „Verste-
hen“. Er stellte das Verstehen in den Zusammenhang eines prinzipiell nicht
zu beendenden Gesprächs über die Deutung wichtiger Zeugnisse der ge-
schichtlichen und kulturellen Überlieferung. Auch war für ihn das Ge-
spräch ein entscheidender Faktor der zwischenmenschlichen Beziehungen.
Man solle dem Anderen zuhören, es könne sein, dass er auch einmal Recht
hat. Die Sprache war für ihn ein großes Mysterium, ein unergründliches
Geheimnis, eine besondere Art des Seins.
Der Wille
Ein weiteres Phänomen des Geistes ist der Wille. Er ist eng mit dem Den-
ken verknüpft, denn in jedem Willensakt gibt es stets einen gedachten Ge-
genstand, auf den er gerichtet ist. Dass der Mensch überhaupt etwas will,
hängt mit der Überlebenswichtigkeit des Denkens zusammen. Was er sich
diesbezüglich ausdenkt, muss ja in die Tat umgesetzt werden, was einen
darauf gerichteten Willen voraussetzt. Demnach sieht es so aus, dass das
Denken den Willen bestimmt. Der Wille bestimmt aber auch das Denken.
Dies sagt der Satz: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Der Weg muss durch
Denken gefunden werden.
Der Wille kann das Denken aber auch reduzieren. Warum verhält der
Mensch sich oft nicht so, wie es seiner Auffassung nach vernünftig wäre?
Nach Kant ist der menschliche Wille nicht nur durch Vernunft bestimmt,
sondern durch allerlei Neigungen, Begierden und Triebe „sinnlich affi-
ziert“, die auf dem „Gefühl der Lust und Unlust beruhen“. Wir erinnern
Uwe an der Heiden 275
uns, dass für Kant der Mensch nur ein partielles Vernunftwesen, ein animal
rationabile ist.
Obwohl dies sicher zutrifft, ist der Wille dennoch ein bedeutender Faktor
des geistigen Lebens, wie durch die folgende Passage aus Friedrich Wil-
helm Schellings „Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der
menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände“
von 1809 zum Ausdruck kommt: „Es gibt in der letzten und höchsten In-
stanz gar kein anderes Sein als Wollen. Wollen ist Ursein, und auf dieses
allein passen alle Prädikate desselben: Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unab-
hängigkeit von der Zeit, Selbstbejahung. Die ganze Philosophie strebt nur
dahin, diesen höchsten Ausdruck zu finden“ (WW. Abt. I, Bd. VII, 350,
zitiert nach Heidegger 1952/2015).
Eine womöglich noch gewaltigere Übersteigerung erfährt das Willensprin-
zip in der Philosophie Arthur Schopenhauers, nach der der Wille nicht nur
etwas Menschliches ist, sondern, wie bereits der Titel seines Hauptwerks
„Die Welt als Wille und Vorstellung“ verkündet, eine Kraft, die den gan-
zen Kosmos durchwaltet. Bei Friedrich Nietzsche verwirklicht sich das
Willensprinzip als Wille zur Macht.
Es ist die Frage, was man von einer solchen Überordnung des Willens über
das Denken halten soll. Ich persönlich denke, dass wir trotz der großen
Bedeutung des Willens an der alten aristotelischen Definition des Men-
schen als animal rationale von Aristoteles festhalten sollten, womöglich
abgeschwächt als animal rationabile, Immanuel Kant folgend.
Liebe
Liebe ist im allgemeinsten Sinn eine besondere Art von Wertschätzung.
Was man wertschätzt, dem versucht man sich zuzuneigen, daher der Be-
griff Zuneigung. Es gibt viele Arten von Liebe: Elternliebe, Geschwister-
liebe, Selbstliebe, Nächstenliebe, Liebe zu Freunden, erotische Liebe, aber
auch Liebe zu Objekten, z. B. Liebe zur Natur, Tierliebe, ferner Liebe zu
Idealen wie Freiheitsliebe und Vaterlandsliebe. Liebe geht vom Geist aus,
denn sie ist auf ein Objekt gerichtet, das sich der Liebende vorstellt.
Leonardo da Vinci: „Jede große Liebe ist die Tochter einer großen Er-
kenntnis“ (zitiert nach Rattner und Danzer 2011, S. 56).
Goethe: „Man lernt nichts kennen als was man liebt und je tiefer und voll-
ständiger die Kenntnis werden soll, desto stärker, kräftiger und lebendiger
muss die Liebe, ja Leidenschaft sein.“ (zitiert nach Danzel 1962, S. 58)
Blaise Pascal (1674/1938): „Liebe und Vernunft sind ein und dasselbe“.
Erst in der Liebe nehmen wir die Dinge wahr und beurteilen sie mit unserer
Vernunft.
Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944) stellt in Der kleine Prinz (Kap. 21)
fest: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Au-
gen unsichtbar.“
Alle Autoren stimmen darin überein, dass Liebe und Erkenntnis in einer
tiefen inneren Beziehung zueinander stehen und sich gegenseitig fördern.3
3
Eine umfassende Behandlung ist zu finden in dem Buch Liebe und Erkenntnis von Max
Scheler.
4
Nach dem Deutschen Grundgesetz ist sie unantastbar.
278 Die Selbstorganisation des Geistes
„Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der
Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Ge-
setze zusammen bestehen kann.“5
Die Moral ist Teil vielfältiger sozialer Interaktionen, deren Ursprung alle-
samt in der Selbstorganisation des Geistes zu finden ist.
5
Es gibt mehrere unterschiedliche Formulierungen von Kant des Kategorischen Imperativs.
Uwe an der Heiden 279
Es kann kaum einen Zweifel geben, dass Körper und Geist auf das Engste
zusammenhängen. Dies zeigen die Wirkungen von Narkotika sowie Ope-
rationen und elektrische Stimulierungen am Gehirn, die je nach Ort unter-
schiedliche geistige Wirkungen haben können, was zur Lokalisationstheo-
rie führte. Zurzeit wird versucht, Menschen mit gelähmten Händen wieder
das Greifen zu ermöglichen, und zwar so, dass lediglich durch den Gedan-
ken an die gewünschte Bewegung eine Roboterhand betätigt wird. Dies
kann gelingen, weil mit Gedanken elektrische Signale einhergehen, was ja
auch unser Handeln ermöglicht. Dennoch ist zu betonen, dass es eine qua-
litative Differenz zwischen der Welt der Gefühle und Gedanken und den
am menschlichen Leib mit naturwissenschaftlichen Methoden beobachtba-
ren Eigenschaften gibt.6 Auch ein Begriff wie „Würde“ ist keineswegs kör-
perlich-physikalisch darstellbar.
Schluss
Wir fassen zusammen: Selbstorganisation des Geistes heißt, dass der Geist
autonom, autopoietisch und selbstreferentiell ist, d.h. dass die geistigen
Gehalte ihre Herkunft, ihre Bedeutung und ihren Wert nicht von außerhalb
des Geistigen erlangen, sondern in ihm selbst, mit einem Wort von LaoTse
(6. Jh. v. Chr.) „von selbst so“. Das Denken hat den Menschen in seine
heutige Situation geführt und ihn zum Herrscher über die Erde gemacht.
Wird die Art seines bisherigen Denkens ihn in den Stand setzen, damit
umzugehen, oder wird er die erste Spezies sein, die sich selbst vernichtet?
Es sei auf das Buch von Karl Jaspers (1883 – 1969) „Die Atombombe und
die Zukunft des Menschen“ verwiesen. Wir müssen hoffen und dazu bei-
tragen, dass der Teil des Denkens, der „Vernunft“ genannt wird, sich nicht
besiegen lässt.
Die schöpferische Kraft des Menschen macht ihn zum Ebenbild Gottes.
6
Bezüglich dieses sogenannten Qualia-Problems sei auf die Schrift „Wie ist es, eine Fle-
dermaus zu sein“ (engl. Original “What is it like to be a bat?” 1974) von Thomas Nagel
(*1937) verwiesen: Selbst wenn wir genau wissen, was im Gehirn einer Fledermaus pas-
siert, so wissen wir immer noch nicht, wie sich die Echolot-artigen Wahrnehmungen für
die Fledermaus anfühlen.
Uwe an der Heiden 281
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Uwe an der Heiden 283
TEIL II
Forschung & Methodik
Lyby, Wallot & Mehlsen 287
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_16
288 Microgenetic Changes in Emotion Regulation Strategies
The method was therefore considered the best available for the current
study, where we wanted to study the process of change in emotion regula-
tion strategies across life transitions.
The necessity to develop emotion regulation strategies is most urgent dur-
ing emotionally challenging events when demands change suddenly and
earlier experiences may become insufficient. Life transitions are prototypic
examples of such periods of increased emotional challenge since they are
characterized by high degrees of change in role and responsibilities. Life
transitions may occur in an orderly sequence related to biological limita-
tions and social regulations, whereas others, e.g., like developing a serious
disease, are not age-related (Berntsen and Rubin 2002; Mehlsen et al.
2010). Although some life transitions may not differ much between men
and women, gender plays a role in transitions involving biological change.
To avoid influence of gender-differences, we chose to focus only on men
in the study.
The first transition type was parenthood for men having their first child.
Since the child’s first year bring many completely new experiences for fa-
thers (Nyström and Öhrling 2004), men’s transition to fatherhood may in-
clude emotional reactions to the phases of transition, identifying their role
as father, and redefining the self and relationship with their partner (Chin
et al. 2011). The second type was retirement. Men retiring from their jobs
transition into a completely new daily routine and have to deal with the
loss of their job identity as well as enjoy the associated freedom. Prior
studies describe this transition as a complex process embedded within the
existing psychological functions of the individual (Kim and Moen 2002).
The last transition was life-threatening disease. A group of men receiving
a testicular cancer diagnosis was included because receiving a cancer di-
agnosis has been associated with a range of emotional reactions, including
anxiety, existential despair, depression, anger, and fighting spirit (Henoch
and Danielson 2009; Mehlsen et al. 2007). This is especially the case when
the diagnosis is received early in life (Mehlsen et al. 2010). Lastly, we in-
cluded a control group not expecting to undergo any type of life transition.
To explore emotion regulation development we focused on changes in the
pattern of regulation strategies during the transition. Within emotion regu-
lation literature, the current consensus is, that no specific strategy is more
Lyby, Wallot & Mehlsen 289
adaptive than others, but rather that it is the match between strategy and
situation that is an indicator of adaptability (Aldao et al. 2015; Bonanno
and Burton 2013; Riediger and Klipker 2014). First step in measuring
adaptability is coined emotion regulation flexibility. The theoretical as-
sumption is that emotion regulation flexibility is not dependent on any spe-
cific strategies, but on the flexible application of a repertoire of various
strategies (Bonanno and Burton 2013). We have therefore applied an anal-
ysis from within the field of dynamic systems theory focusing on overall
change in the pattern of strategies. This analysis is termed Recurrence
Quantification Analysis (RQA) and is able to detect and quantify long-term
recurrences in data. More specifically, RQA quantifies repetitions in
strings of data and a flexible application of strategies is in this study de-
fined as a low amount of repetition, also called recurrence. Typically, RQA
is applied to detect reorganizations in complex systems, which are often
invisible to the naked eye. Previously, it has been applied within a wide
range of sciences, including the life sciences, e.g., biology (Zaldívar et al.
2008), molecular biology (Zbilut et al. 2002), sociology (Konvalinka et al.
2011), physiology (Mønster et al. 2016), earth sciences (e.g., geology,
Chelidze and Matcharashvili 2007; Turcotte 1990), as well as economics
and business (Belaire-Franch and Contreras-Bayarri 2002). Within psy-
chology, it has among others been applied in the detection of emerging new
cognitive strategies (Stephen et al. 2009), the interaction between mother
and infant (Pérez et al. 2017), in the association between distress and text
structure in cancer patients undergoing Expressive Writing Intervention
(Lyby et al. 2019), and phase transitions in psychotherapy (Schiepek et al.
2018).
Recurrence Quantification Analysis (RQA) is a type of nonlinear correla-
tion technique that can be applied in the study of temporal correlations
within time series data. The core tool of RQA is the recurrence plot (RP).
The RP is simply a similarity matrix indicating similarity between all data
points (or phase-space coordinates) of a time series; in detail, of snippets
of a time series represented as vector points in a time-delayed phase space
embedding. The matrix charters similarities within a sequence (see Fig. 1
in data analysis section below). In our case, the RP quantifies to what ex-
290 Microgenetic Changes in Emotion Regulation Strategies
tent the emotion regulation strategies repeat across the time of measure-
ment. A high level of repetition in strategies is assumed to reflect an in-
flexible regulation.
Microgenetic studies suggest that development is not an abrupt change
from one mode to another but involves a range of competing modes, cre-
ating a period of fluctuation between these (Kuhn 1995). This view on de-
velopment is equivalent to the one found in dynamical systems theory
(more specifically in Synergetics, a mathematical-based integrative theory
describing change in systems, Haken and Schiepek 2006), where fluctua-
tion as well as an equal distribution of the data is considered hallmarks of
development. Fluctuation happens because the system jumps back and
forth between competing organizations, in our example it could be two dif-
ferent kinds of strategies, resulting in fluctuations between high and low
values within each strategy variable. Furthermore, instabilities within the
system (observed during change) are often characterized by irregularly and
chaotically distributed values over the range of the measurement scale. We
therefore also perform a measure of the distribution of data, to assess
whether reorganizations within the emotion regulation system is happen-
ing. To measure these hallmarks of reorganization, we therefore also plan
to apply an analysis from within Synergetics specifically measuring these
reorganizations via the formula for Dynamical Complexity (Schiepek &
Strunk, 2010), which is the product of the measure for the level of fluctu-
ation and distribution. These results will be published in a later publication.
with a graph displaying the overall changes in his data and was asked to
report any events during the 4 months that they themselves regarded as
particularly important.
The daily measures (described below) as well as the interview were part of
a larger study, also obtaining pre- and post-measures of a far range of psy-
chological variables, as well as monthly questionnaires for 6 months per-
taining to emotion regulation, psychological symptoms, etc.
36 Danish speaking first-time fathers, 22 testicular cancer patients, 34 re-
tiring men and 37 controls were recruited. Subjects received a smartphone
and instructions on how to fill in the daily questionnaire on the Synergetic
Navigation System (Center for Complex Systems 2016; Schiepek et al.
2015, 2018). The window for daily completion was between noon and
12am.
Measures
Emotion regulation strategy was assessed on a daily basis with the reduced
form of the standardized Cognitive Emotion Regulation Questionnaire
(CERQ), which measures 9 different types of regulation strategies
(Garnefski et al. 2002). These 9 strategy categories include: acceptance,
catastrophizing, blaming others, planning, positive reappraisal, positive re-
focusing, putting into perspective, rumination, and self-blame, and is rated
on a 6pt. scale, ranging from 0-5. The answers from all 9 strategy catego-
ries were treated as a single factor termed Regulation Strategy.
Emotion regulation outcome was assessed on the daily questionnaire by
subjectively rated emotion intensity of 5 different emotional dimensions:
calmness, anger, happiness, sadness, nervousness. These are rated on a vis-
ual analogue scale from 0-100. All answers pertaining to emotion ratings
were treated as a factor termed Emotion.
Significant events during data collection were assessed through a semi-
structured interview post-study asking participants to indicate the most sig-
nificant events happening during the 4 months of measurement. Using a
figure displaying the amount of change across the period of measurement
(Complexity Resonance Diagram), research assistants asked participants
to report these events qualitatively, as well as categorize these within the
292 Microgenetic Changes in Emotion Regulation Strategies
Fig. 1: Graphical model of a recurrence plot illustrating the procedure of investigating re-
currences within emotion regulation strategies. An identical data string is presented on the
x and y-axis of the plot and any recurrent strategies are marked by a black dot in the plot.
%Recurrence quantifies present recurrences in regard to the overall possible recurrences
(only the lower triangle is counted in). %Determinism measures the amount of dots (re-
currences) that are placed on a line, implying strategies that are part of a longer repeating
section of strategies.
Statistics
Three one-way ANOVAs were applied (the factors of Regulation Strategy
and Emotion and the Overlap between the two factors) to test for statisti-
cally significant differences in %Determinism between the four life transi-
tion groups and Bonferroni post hoc tests were applied to test for any sig-
nificant group differences.
Results
For the Regulation Strategy factor there was a significant difference be-
tween groups in %Determinism (F(3, 125) = 5.798, p=.001). Bonferroni
post hoc test revealed that % Determinism was significantly lower for the
fathers (M=60.2, SD=22.9) compared to testicular cancer patients
(M=82.1, SD=16.7, p=.002) and retiring men (M=77.3, SD=21.2, p=.008),
but not different from the control group (M=73.4, SD=3.8, p=.066). There
was no significant difference between the three other groups.
For the factor Emotion there were no significant differences in %Deter-
minism between the four groups (F(3, 125) = 0.645, p=.588).
Tab. 1: One-way ANOVAs (Fixed = Group) on multidimensional RQA for the factors of
Strategy, Emotion, and the overlap between these.
F p
Factor: Strategy
%Determinism 5.798 .001
Factor: Emotion
%Determinism 0.645 .588
Overlap factors
%Determinsm 5.293 .002
Lastly, differences in %Determinism for the overlap between the two fac-
tors of Strategy and Emotion turned out to be significant (F(3, 125) = 5.293,
p=.002). Again, a Bonferroni corrected post-hoc test revealed that %De-
terminism was significantly lower for the fathers (M=51.5, SD=23.0) com-
pared to the testicular cancer patients (M=74.3, SD=21.2, p=.003) and re-
tiring men (M=68.3, SD=23.8, p=.019), but that there were no statistically
significant difference between fathers and controls (M=65.4, SD=24.2,
Lyby, Wallot & Mehlsen 295
Tab. 2: Type of events indicated by high Dynamical Complexity and their associated
emotions distributed by life-transition group
Discussion
The results regarding MdRQA of strategies show that fathers apply signif-
icantly more varying strategies across the 4 months of sampling, compared
to the two other life transition groups and the controls. In other word, their
application of strategies are less stable and recurring. These results support
our hypothesis that challenging periods in life, such as becoming a father,
may call for more varied and flexible emotion regulation. Even though
there is some ambiguity in how to interpret RQA measures in this regard,
very high determinism would mean that regulation strategies are not
changing over time, whereas extremely low determinism may reflect a ra-
ther random or arbitrary application of strategies. Both extremes would
likely signal some kind of dysfunctional rigidity. Hence, relatively lower
determinism measures for the fathers might indicate that a variety of emo-
tion regulation strategies are used over time, and that the use of a particular
strategy changes, perhaps indicating adaptive strategy usage.
Interpreting the results from the two other life transition groups, one hy-
pothesis may be that these do not influence emotion regulation signifi-
cantly, simply because they are not stressful or challenging enough to
evoke any fluctuations within this system. Beside the fact that retirement
is characterized by changes in daily activities, it has also been found to be
associated with decrease in both physical and mental health over time
(Dhaval et al. 2006). These changes may however happen later than the 6
months we are measuring, and we therefore risk not being able to capture
them in our study. Furthermore, a cancer diagnoses and treatment is usually
associated with increased levels of distress (Mitchell et al. 2011), but tes-
ticular cancer is a disease with a very good prognosis and after initial sur-
gery, most patients do not require further treatment (Danish Cancer
Society, n.d.). For both retired men and testicular cancer patients, the life
events may therefore not represent transitions that involve emotion regula-
tion development, leaving us with little information to investigate.
The information obtained in the semi-structured interview on the experi-
ences of the participants showed that the fathers do report to experience a
higher rating of large events, which can be argued to call for development
of one’s emotional regulation skills. Furthermore, they also report more
298 Microgenetic Changes in Emotion Regulation Strategies
Perspectives
As already mentioned, this study is the first to apply a microgenetic method
to describe developmental changes in adulthood during a life transition.
Conceptions of more sophisticated computational models are needed for
describing the complex processes of psychological change. By applying a
mathematic measure of change within dynamic systems to estimate and
describe change in psychological processes, the project hopes to contribute
to the development of research methods within developmental psychology.
Lyby, Wallot & Mehlsen 299
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304 Psychological Dynamics are Complex
can be informative about the nature of the dynamical patterns that are pre-
sent in short time series, such as those collected in Ecological Momentary
Assessment (EMA) research. It is important to know whether EMA series
exhibit long range temporal dependencies, because most contemporary
analysis strategies used to draw inferences from such data are valid only
when no such dependencies are present (e.g., see Bastiaansen et al. 2019).
Fig. 1: Three different classes of temporal variability, white noise (A), pink noise (C), and
red noise (E), and their respective power spectra are shown in the respective panels at the
right.
306 Psychological Dynamics are Complex
but note that this type of noise is very rare in observed data. Simulated data
was rounded to 4 decimals. See Fig. 2 for an example of these time series.
The time series with a spectral slope of 0 are similar to the original random
uniform noises. Because EMA data usually is much shorter than 512 data
points, we trimmed the time series in order to create three shorter time se-
ries of 64, 128 and 256 data points. The idea behind this is that observed
EMA time series also capture only part of the complete temporal pattern.
Fig. 2: Example of random uniform noise series (spectral slope of 0) and variants with dif-
ferent spectral slopes ranging from -2 to 2.
The results show that both dynamic complexity and variance are sensitive
to the scaling exponents of the simulated time series, even when computed
over short windows of 7 data points, in time series of only 64 data points
(see Fig. 3 and 4). Dynamic complexity and variance are lowest for the
most persistent noise and highest for white noise. For anti-persistent
noises, dynamic complexity and variance are again lower, but with very
wide distributions. The results suggest that dynamic complexity (which
ranges theoretically from 0 to 1) can be expected to be very low for the
types of dynamics that can reasonably be expected in EMA data (i.e., with
some level of positive long-range correlations, spectral slopes between -2
and 0.
Fig. 3: Dynamic complexity computed in 7-day sliding windows over 100 simulated time
series of length 64, containing noise with different spectral slopes ranging
from -2 to 2.
global variance is restricted (i.e., by applying a fixed range), the local var-
iance by itself (as measured by dynamic complexity and variance in small
moving windows) can be informative about the long-range correlation
structure of the data, as appears from our results. This is interesting for
EMA research specifically because EMA data have a restricted range as
well (i.e., the answering scale).
Fig. 4. The distribution of Variance values computed in 7-day sliding window for 100
simulated time series of length 64 containing noise with different spectral slopes ranging
from -2 to 2.
Fig. 5: Dynamic complexity computed over 7-day windows over daily self-ratings of 21
items for 328 patients.
While this is an interesting result, there is one major limitation in the inter-
pretation of dynamic complexity and variance in real data in relation to
simulated data: people do not use the measurement scale in the same way
as the simulation. Translating the simulation results to the results of the
observed data implies assuming that the whole measurement scale ranging
from 0-6 was used by all patients in the sample in a consistent way. It is
unlikely that this assumption was met. Therefore, these results should be
interpreted with caution. Still, the fact that there appears to be almost no
1
We thank Günter Schiepek, Guido Strunk, und Benjamin Aas for the possibility to use
this dataset in this study.
Olthof, Hasselman, Wijnants & Lichtwarck-Aschoff 311
overlap between the dynamic complexity and variance of real data and of
white noise is remarkable and suggests that even when patients used the
whole measurement scale (which should probably occur sometimes in this
dataset with more 22.000 measurement points) the dynamics indeed appear
non-random.
Fig. 6: Variance computed in 7-day windows over daily self-ratings of 21 items for 328
patients.
found pink noise in all time series with spectral slopes ranging from -0.95
to -1.39, showing the presence of long-range correlations.
Fig. 7: Spectral slopes, dynamic complexity, and variance for 6 items answered by 4 par-
ticipants. Dynamic complexity and variance values are medians of the values within 7-day
windows per item.
we look at the distribution of answers over all items and participants, this
explanation seems plausible: participants mostly rated between 3 and 5 in
the recoded scale that ranges from 0 to 6 (see Fig. 8).
Fig. 8: Density of ratings for the data from Delignières et al. (2004) rescaled to [0, 6].
Conclusion
Dynamic complexity and variance computed over small windows of size 7
are both surprisingly strongly related to spectral slopes of simulated time
series. In relation to the results for simulated data, dynamic complexity and
variance of observed data suggest that EMA data are not random but struc-
tured, with long-range temporal correlations, possibly pink noise, suggest-
ing that EMA data are generated by a self-organizing complex system (in
this case, an individual; Bak 1987; Van Orden et al. 2011). Dynamic com-
plexity and variance, however, cannot be used as a direct indicator for scal-
ing exponents, as the way in which participant use the measurement scale
heavily influences the results. Future research should explore the possibil-
ity for statistical estimation of expected spectral slopes in short EMA data
based on data range and measures of local dynamic complexity and/or var-
iance. Our findings emphasize the need for researchers to examine the tem-
poral structure of EMA data prior to analysis, since inferences from most
314 Psychological Dynamics are Complex
contemporary analysis strategies are not valid for data with long-range de-
pendencies and we find that the absence of such dependencies cannot
simply be assumed.
Olthof, Hasselman, Wijnants & Lichtwarck-Aschoff 315
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316 Psychological Dynamics are Complex
Introduction
Systems in a high state of entropy tend to self-organize by adopting a new
internal structure that reduces the amount of internal entropy and improves
the performance and efficiency of the system (Eiler et al. 2017; Friston
2010; Guastello et al. 2013; Haken 1984; Hong 2010; Prigogine and Sten-
gers 1984). Although several distinct self-organizing processes are known,
they share a common theme regarding the importance of the flow of infor-
mation from one subsystem to another.
Synchrony is a special case of self-organization in which one can observe
close mimicry in behavior of the system components. Synchrony in body
movements, autonomic arousal, and EEG activity among human individu-
als has attracted considerable attention in recent years (Delaherche et al.
2012; Gorman et al. 2017; Ramseyer and Tschacher 2016; Palumbo et al.
2017; Stevens and Galloway 2016). In principle, synchronization is “an
adjustment of the rhythms of oscillating objects due to their weak interac-
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
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318 Synchrony in Teams
tion” (Pikovsky et al. 2001, p. 8). The oscillators are assumed to be inde-
pendent, though each one can continue oscillating on its own when the
others in the system are absent. Strogatz (2003) described the minimum
requirements for synchronization as two coupled oscillators, a feedback
loop between them, and a control parameter that speeds up the oscillating
process. Although it is convenient to think of the synchronizing subsystems
as oscillators, the oscillators can be forced, aperiodic, or chaotic processes.
Chaotic functions can also synchronize (Pikovsky et al. 2001; Stefánski
2009; Whittle 2010), although it is less likely that one would observe the
distinctive phase lock associated with simple oscillators.
This article is specifically concerned with autonomic synchrony and the
effects of competitive and cooperative dynamics on synchrony within and
between teams. Synchrony in autonomic arousal is an affiliative social pro-
cess that can be observed in romantic couples (Levinson and Gottman
1983; Helm et al. 2011), strangers in conversation (Guastello et al. 2006),
psychotherapy (Marci et al. 2007), and cohesion in work teams (Mønster
et al. 2016). It can be interpreted as a display of emotional contagion
(Guastello et al. 2018; Hatfield et al. 1993; Parkinson 2011). The extent to
which it occurs is related to the empathy levels of the people involved, their
common focus of attention on external events (Palumbo et al. 2017), or any
inherent rhythmicity in the task (Henning et al. 2001; Strang et al. 2014).
Synchrony has been positively associated with team performance in some
situations (Elkins et al. 2009; Guastello et al. 2018; Guastello et al. 2019;
Henning et al. 2001).
The next sections of this article describe the extant research on human
physiological responsivity to cooperation versus competition dynamics
during a task and its possible role in synchrony, the synchronization metric
used in the present study, and the development of the primary research
question: Is synchrony greater within cooperating teams than between
competing teams?
cooperative, and some are mixed motive games in the sense that the par-
ticipants have the option to cooperate or defect on their opponent. Prison-
ers’ Dilemma is a mixed motive game, and is probably the most frequently
studied game outside of strictly competitive games (Friedman 1994; Sam-
uelson 1997).
Six studies addressed the question of the effect of cooperation and compe-
tition on synchronization, five of which involved dyads. In Lee (2008), the
research participants played repeated games of Prisoner’s Dilemma while
brain activity was recorded through near-infrared spectroscopy. Positive
activation in some areas was produced when partners reciprocated a coop-
eration attempt, and negative activation was produced when cooperation
was not reciprocated. In Fallani et al. (2010) dyads engaging in iterative
Prisoner’s Dilemma games would generate different EEG signals depend-
ing on whether they were about to cooperate or defect on their counterpart.
These results suggested that similar differences could carry over to auto-
nomic activity and synchronization, but that further research would be re-
quired to establish such connections.
Hariharan, Dorner, and Adam (2017) studied cognitive workload, as meas-
ured by EEG signals, and autonomic arousal, as measured by heart rate, in
dyads working together on a computer-based task. The task involved show-
ing stimulus screens to the dyads, for which they had to provide a simple
decision quickly. They performed the task under competitive or coopera-
tive rules of engagement. Higher workload resulted in lower performance
in the competitive condition, but not in the cooperative condition. Higher
arousal resulted in lower performance in the cooperative condition, but not
the competitive condition. Their analysis of missing responses showed
higher engagement (fewer missing responses) in the competitive condition,
but not the cooperative condition. The researchers suggested that the auto-
nomic results could be capturing reactions such as anger or frustration to
poor performance outcomes. No synchronization analyses were reported.
Cui, Bryant, and Reiss (2012) studied brain activity using near-infrared
spectroscopy with dyads performing a more elaborate computer game.
Again there were cooperative and competitive versions of the same task.
They reported that differences in activity streams were not apparent when
320 Synchrony in Teams
the data streams were analyzed separately, but there was greater coherence
(synchrony) in the cooperative task compared to the competitive task.
Chanel, Kivikangas, and Ravaja (2012) found the opposite effect, however,
for dyads in a computer game with cooperative and competitive experi-
mental conditions. Physiological responses were facial electromyograms,
electrodermal (ED) activity, electrocardiograms, breathing rate, and EEG.
They reported positive synchrony on most measures for most dyads, but
synchrony was stronger in the competitive condition.
The sixth study involved an emergency response (ER) game in which a
team of three or four participants defended a city against an attacker (Guas-
tello et al. 2018). Autonomic arousal was measured by their ED responses.
The total level of synchrony for the ER team and the attacker (competitor)
together was actually greater than the level of the synchrony within the
team by itself. Synchrony within a team, however, improved as a result of
winning more games against their competitor.
Synchronization Coefficient
Progress with team synchronization research has been slower than studies
with dyads due to a lack of an appropriate metric for quantifying physio-
logical synchronization within a group of three or more members. For that
reason, Guastello and Peressini (2017) developed a metric that can be used
in conjunction with the types of time series data produced by ED or other
biometric sensors. Briefly, SE is calculated from a set of influences from
each member of the group to each other member of the group. The compu-
tation begins with the matrix that is populated with autocorrelations of
physiological time series on the diagonal (Tab. 1). Semi-partial correlation
coefficients on the off-diagonal entries show the impact of one person on
the other. Matrix entries can be positive or negative coefficients. Negative
autocorrelations reflect oscillating functions. Negative off-diagonal ele-
ments reflect dampening effects between people rather than mutually ex-
citing effects.
Guastello, Palmer, Marra & Peressini 321
Matrix P: TO
P1 P2 P3 ... Pn Driver Score
FROM P1 AR1 R12 R13 ... R1n R21
P2 R21 AR2 R23 ... R2n R22
P3 R31 R32 AR3 ... R3n R23
... ... … … …
Pn Rn1 Rn2 Rn3 ... ARn R2n
Empath Score R21 R22 R23 ... R2n
Sums of squared regression coefficients are calculated for the rows and
columns. The person with the largest row total is the driver. The person
with the largest column total is the empath. The reasoning is that a driver
has no impact on group synchrony unless other group members are re-
sponding to that individual. The correspondence of team members with the
empath would reflect the highest synchrony of any one person with other
team members. The final step calculates a single number, synchronization
with the empath (SE), which expresses a global level of synchronization for
the group. The autocorrelations in the matrix diagonal and the semi-partial
correlation coefficients (2 in Eq. 2) can be produced by Eqs. 1-2:
Xt = 0 + 1Xt-1 (1)
Xt = 0 + 1Xt-1 + 2Pt-1 (2)
where Xi is the target person’s ED activity time series, and Pt-1 is the in-
fluence from a second person on the target person. Note that the matrix is
asymmetric, which allows for one person to have more of an effect on an-
other than vice versa. The diagonal entries are usually all < 1.00.
SE has a theoretical mean of 0.00, which indicates no synchronization at
all. The population value based on the simulation study (Guastello and Per-
essini 2017) is 0.112, 95% CI = [-1.177, 1.402]. Further information about
the computation of SE and its applications can be found in Guastello and
Peressini (2017), Guastello et al. (2018), and Guastello et al. (2019).
322 Synchrony in Teams
a fairly standard occurrence with ED data. Thus in the present study, it was
hypothesized that if a schism in synchrony occurred, the level of synchrony
within teams would be greater than the level of synchrony calculated from
the two teams together.
The second independent variable was time pressure. This was a fixed ef-
fect: In one experimental condition, the teams were given a time con-
striction for their decisions early in the simulation sequence, while other
teams were given the constriction later on. The time constraint was moti-
vated by the hypothesis that a control parameter that speeds up the interac-
tion process would induce synchronization (Strogatz 2003). Time con-
straints had the effect of inducing synchronization in two previous studies
(Guastello 2016; Guastello et al. 2019).
Method
Participants
Participants were 58 undergraduates from a Midwestern US university,
who engaged in an ER game, The Creature that Ate Sheboygan (Simula-
tion Productions 1979). Participants ranged in age from 18 to 22 years
(mean = 19.20). There were 11 males, 45 females, and two who did not
report gender.
Procedures
Participants were organized into 11 teams of 3 or 4 ER team members plus
2 attackers. In an effort to meet the team size requirements for the experi-
ment, additional participants were recruited as alternates. The five partici-
pants who were not assigned to an ER or attacker team assisted the re-
searchers by counting game points acquired by the ER teams and attackers.
Participants were assigned to roles based on a roll of a dice.
The experiment involved three 2-hour sessions that were scheduled one
week apart. Participants signed the consent form at the beginning of the
first session, and completed some cognitive tests and an untimed survey
324 Synchrony in Teams
(which were not used in the present study). The remainder of the first ses-
sion was used to learn the game. The second and third sessions produced
experimental data, in which the participants wore ED sensors.
For seven of the groups, teams and attackers were given a time limit of 90
seconds per turn during the second experimental session (first three games
used in the analysis), although the duration was only 10 to 70 seconds. The
other four groups were given a time limit of 90 seconds during the third
session. Participants were given a 30 second warning once they had taken
60 seconds before making their moves. For conditions without a time limit,
the time per turn was variable and could exceed 90 seconds.
The ER teams were given five minutes at the start of a game to position
their tokens on the board in any manner they thought was strategic while
the attacker waited in another room out of earshot. Attackers, who were
depicted as a Godzilla-type monster working together with a Rodan-type
flying monster, made the first move. Attackers could burn buildings and
eradicate ER teams’ military, police, firefighters, and air power. The at-
tacker team won if it scored at least 40 points against the ER team. The ER
team won if it cut each attacker’s defense power from 14 points to zero
before it attained 40 points against the ER team. The game was initially
published as a two-person game, but it was modified as a group activity for
research purposes. The details of the game rules were published in an ap-
pendix to Guastello and Marra (2018).
ED Data
Before the games for data collection took place, the participants were
brought to a nearby lounge area in the psychology department facilities to
wash their hands and dry them thoroughly. When they returned, the exper-
imenter applied two silver electrodes to the second and third fingers of their
non-dominant hands at the second phalange. The electrodes connected to
wireless transmitters and receivers (BIOPAC MP150 system). The MP150
system automatically filtered AC hum and calibrated the readings almost
instantly. Participants waited 5 seconds after the start of the ED recorder
to make the first roll of the dice, which indicated the start of the attacker’s
fist turn. The initial five seconds of the data recordings for each game were
Guastello, Palmer, Marra & Peressini 325
Statistical Analysis
The participants generated a total of 46 usable games. The game-level data
were used as the units of analysis for statistical analysis. The performance
criterion was the number of monsters killed by the ER team in some anal-
yses. The time series analysis of ED data was performed in an R routine
that simultaneously produced the matrix in Tab. 1 that was used to produce
the SE coefficient. The SE coefficient was produced from the standard al-
gorithm SyncCalc 1.0 (Peressini and Guastello 2016) for the ER team and
synchrony for the ER team and the attackers together. The calculation of
SE for the two-attacker team was simplified by inspecting the off-diagonal
entry from Attacker 1 to Attacker 2, and the vice-versa coefficient. The
larger of the two values was adopted as the SE coefficient for the attackers,
as it met the definition of synchronization with the empath. All other sta-
tistical analyses were performed through SPSS v24.
Results
Tab. 2 shows the descriptive statistics for the variables used in the study.
Notably, the means for the three types of SE were very similar, but their
standard deviations were more dispersed. The sphericity test for type of SE
was significant (2 = 18.54, df = 2, p < .001); thus we deployed the Green-
house-Geiser correction for the F-tests in the ANOVA analysis.
The ANOVA showed a significant effect for type of synchrony (F (1.48,
65.18) = 3.29, p =.058, p2= .07), and for the interaction between type of
synchrony and the time constraint (F (1.48, 65.18) = 2.86, p = .079, p2=
.06). The main effect for time condition was not significant (F (1, 44) =
0.42, p > .10). The total level of SE was largest for the team and monsters
together. SE is not biased by matrix size (Guastello and Peressini 2017), so
this effect was social or psychological in origin and not a computational
326 Synchrony in Teams
artifact. It was interesting to note, in addition, that when the two teams’
data were combined, one of the monsters emerged as the empath in 36 out
of 46 games.
Tab. 2: SE coefficients for ER teams, Attackers, and ER Teams and Attackers Together.
SE Coefficient
ER Only Monsters ER + Monsters
Mean 0.301 0.299 0.329
SD 0.096 0.057 0.049
Minimum 0.004 0.185 0.238
Maximum 0.449 0.513 0.413
A graph of the interaction effect appears in Fig. 1. SE was larger for teams
alone when they received the time constraint sooner rather than later. The
opposite occurred with the monsters to smaller degree, and there was vir-
tually no net difference for the monsters and ER teams together.
Fig. 1: Interaction between introduction of the time constraint and type of synchroniza-
tion. The time condition “sooner” is depicted in black, the condition “later” is depicted in
grey.
killed (0, 1, or 2) within a game. SE for the ER teams, however, was nega-
tively correlated with the cumulative number of monsters killed leading
into a particular game (r = -.28, p = .061). The SE levels for the teams only
and monsters only were not significantly correlated (r = .21, NS), although
the two values were significantly correlated with SE for the two teams com-
bined (r = .55 for ER teams, p < .001; r = .45 for monsters, p < .001).
Discussion
This study examined the effects of cooperation and competition on auto-
nomic synchronization within teams. Previous research with physiological
indicators suggested that there could be such an effect. The previous results
appeared contradictory, however, probably as a result of different experi-
mental procedures. The relationships between synchronization and perfor-
mance were similarly complicated.
The present study considered the situation of two competing teams in
which a strong coordination effort within each team would be desirable. It
was hypothesized that if a schism in synchrony occurred, the level of syn-
chrony within teams would be greater than the level of synchrony calcu-
lated from the two teams together. In a previous report (Guastello et al.
2018), the ER teams competed against a single attacker. The present study
differed from the earlier example in that the ER teams were now competing
against a team of attackers, which was thought to produce a different effect
on the social dynamics among agents. The results, however, were similar
to those of the previous example and showed an increased level of total
synchrony when the two opposing teams were analyzed together. This re-
sult is consistent with the notion that competing teams tend to keep close
track of each other and learn from their interactions.
A different result was obtained for the relationship between SE within the
ER team and the cumulative number of monsters killed. The correlation
was positive in the earlier study, but negative here. A post hoc explanation
is that the two-monster scenario was known to be more difficult (Guastello
and Marra 2018), which could in turn induce the teams to think and act
more independently as they tried to develop their adaptive responses. This
328 Synchrony in Teams
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Guastello, Palmer, Marra & Peressini 331
Einleitung
Die synergetische Systemtheorie (Haken 1977), die bekanntlich im Kon-
text der Erforschung der Strukturbildung des Laserlichts, also der Physik,
entwickelt wurden (Haken 1984), kann aber als strukturwissenschaftlicher
Ansatz (Artmann 2011; Kriz und Tschacher 2013) beanspruchen, dass ihre
Grundprinzipien disziplinübergreifend auf sämtliche Phänomen- und Ge-
genstandsbereiche im Kontext komplexer Systeme anwendbar erscheinen
– also auch im Kontext Human- und Sozialwissenschaften. „Im Rahmen
der Synergetik habe ich mir die Frage gestellt, ob derartigen Strukturbil-
dungen allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten zugrunde gelegt werden kön-
nen. Diese Frage konnte für große Klassen von Systemen bejahend beant-
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_19
334 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
1 Siehe z.B. auch Haken (1992, 1996), Haken und Schiepek (2005), Tschacher und Haken
(2007), Haken und Tschacher (2017).
2 Auch wenn gelegentlich grundsätzliche (sicher auch teilweise berechtigte) Bedenken be-
züglich der Übertragbarkeit von naturwissenschaftlichen Selbstorganisationsmodellen
wie der Synergetik auf die Sozialwissenschaften geäußert werden (z.B. Leimkühler 1993;
May 2004), wird Synergetik als hilfreiches Modell zum empirischen und heuristischen
Verständnis von Strukturentstehung in offenen, selbstorganisierten Systemen psycholo-
gischer und soziologischer Natur betrachtet (Sozioökonomie: Weise 1990; Soziale Ar-
beit: Šugman Bohinc (2016), Sommerfeld et al. (2005); Psychologie: Tschacher (1997),
Schiepek und Tschacher (1997), Kriz (2017), Tschacher und Dauwalder (2003), Tscha-
cher et al. (2020); siehe zudem die interdisziplinären Beiträge zur „Synergetik als Ordner“
in Kriz & Tschacher (2017)).
3 Sie wurde als Diplomarbeit des Autors (Ochs 1996) durchgeführt und mit dem wissen-
schaftlichen Förderpreis der Systemischen Gesellschaft (SG) 1998 ausgezeichnet; Günter
Schiepek hat in Berlin auf der SG Jahrestagung die Laudatio gehalten. Die Untersuchung
ist Teil eines Forschungsprogramms, das Jürgen Kriz in den 90er Jahren am Fachbereich
Psychologie der Universität Osnabrück durchgeführt hat, um synergetisch-systemtheore-
tische Konzepte in psychologischer Grundlagenforschung umzusetzen (z.B. Kriz 1993,
2000; Kriz et al. 1992; Kriz und Kriz 1992, Pohl 1998).
Matthias Ochs 335
4
Schon Ende der 70er Jahre wurden im Rahmen der kognitiven Forschung zum „sozialen
Gedächtnis“ Ideen entworfen, die sich mit einer ähnlichen Betrachtungsart der Thematik
336 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
6 Abb. 1 ist außerdem inhaltlich recht gut übertragbar auf die Untersuchungsmethodik, die
weiter unten beschrieben wird: die Adjektive des SYMLOG-Rating-Verfahrens können
338 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
und Gergen (1981, S. 63) gehen nun davon aus, dass bei der interpersona-
len Eindrucksbildung „people [...] often may cluster various traits accord-
ing to their learned associations.“ Analog dazu „clustern“ sich beim syner-
getischen Computer verschiedene Merkmale entsprechend den einpro-
grammierten („gelernten“) Prototypmustern (vgl. Fuchs und Haken 1988,
Haken und Haken-Krell 1994).
2. Den Prozess der Mustererkennung kann man mit der synergetischen
Dynamik der Bewegung von Ordnungsparametern in einer Potentialland-
schaft mit multiplen Tälern vergleichen.
Die oberen beiden Rechtecke in Abb. 2 entsprechen als eine Art Minisub-
systeme bestehend aus zwei Pixeln stark vereinfacht jeweils einem Proto-
typmuster des synergetischen Computers.
Reihenfolge präsentiert. Nach der Darbietung der Liste sollten die Ver-
suchspersonen ihren Gesamteindruck von der Person, die durch die Adjek-
tive beschrieben wurde, wiedergeben. Das Ergebnis der Untersuchung war,
dass in der ersten Bedingung, wo in der Adjektivliste eher günstige Eigen-
schaften zuerst genannt wurden, der Gesamteindruck von der Person bei
den Versuchspersonen positiver war, als in der zweiten Bedingung. Raven
und Rubin formulierten für die Resultate der Studien von Asch eine ge-
staltpsychologische Interpretation: „The Gestalt that emerges in our im-
pression of others serves us in two ways. First, it lets us latch onto individ-
ual traits and factors and to use these to forge a global impression of what
another is like. Second, we can absorb or assimilate information about an
individual in such a way that it ´fits´ this global impression” (Raven und
Rubin 1983, S. 87).
Abb. 3: Der Prozess der Musterbildung und Mustererkennung als „zwei Seiten einer Me-
daille“ (Haken & Haken-Krell 1994, S. 179).
Abb. 4: Darstellung des „primacy effects“ anhand der synergetischen Konzeption der Mu-
tererkennung/-bildung.
können auf erfahrenen Tatsachen, aber auch auf Emotionen und vielen an-
deren Einflüssen beruhen“ (S. 270).
Konkreter wird diese Verbindung zwischen dem psychologischen Auf-
merksamkeitskonzept und dem synergetischen Aufmerksamkeitsparame-
ter durch die Resultate einer Untersuchung von Anderson und Hubert
(1963). Sie arbeiteten ebenfalls mit dem paradigmatischen Design von
Asch zum „primacy effect“. Den Versuchspersonen wurde jedoch ange-
kündigt, dass nach der Darbietung der Wortserie ein Erinnerungstest folgt.
Mit dieser Instruktion haben sie versucht zu verhindern, dass sich nach den
ersten Informationen die Aufmerksamkeit verringert. Tatsächlich trat hier
kein „primacy effect“ auf. Diese Ergebnisse veranlassten Anderson und
Hubert dazu, den „primacy effect“ alternativ bzw. ergänzend zu konsis-
tenz- bzw. gestalttheoretischen Erklärungen – „a 'directed impression´ de-
veloped by the initial adjectives“ (Anderson und Hubert 1963, S. 389) –
mit einem Abfall der Aufmerksamkeit nach der zuerst dargebotenen Infor-
mation zu interpretieren.
7
Es sei auch erwähnt, dass in einer anderen Studie zur synergetisch-systemwissenschaftli-
chen Analyse sozialer Prozesse (Brunner et al. 1994) ebenfalls der GSB-TK 1 herange-
zogen wurde.
Matthias Ochs 345
Bei dem GSB-TK 1 wurde jedoch auf eine Rückmeldung zwischen den
Messzeitpunkten verzichtet, da das soziale Risiko gerade in Kennenlernsi-
tuationen zu groß erscheint. Eventuell werden die Probanden nämlich auf-
grund des sozialen Risikos der Rückmeldungen dazu verleitet, nicht mehr
ganz aufrichtig zu antworten. Somit wurde mit dem GSB-TK1 keine ex-
Matthias Ochs 347
plizite Iteration eingeführt. Eine implizite Iteration kann aber insofern an-
genommen werden, dass kognitiven Gestaltbildungsprozessen systemthe-
oretisch betrachtet grundsätzlich ein iteratives Moment inhärent ist. Die
wahrgenommenen Phänomene werden entsprechend den eigenen mentalen
Strukturen verarbeitet (assimiliert) und das Ergebnis dieser Verarbeitung
auf dem GSB-TK 1 eingetragen. Dieses Ergebnis zum Zeitpunkt t, also die
bewusste Symbolisierung mentaler Prozesse in Zahlenwerte, stellt nun ei-
nen Einflussfaktor für das Ergebnis zum nächsten Zeitpunkt t+1 dar, und
zwar einfach aufgrund der Tatsache, dass es bewusst verabeitet worden ist
(diese bewusste Verarbeitung kann nämlich als mit einer Akkomodation
der mentalen Struktur assoziiert verstanden werden). Dieses dialektisch-
synergetische Zusammenwirken von Akkomodation und Assimilation bei
kognitiven Adaptationsprozessen kann so betrachtet als eine Art Iteration8
angesehen werden. Die Aufzeichnung bestimmter Aspekte eines System-
verhaltens mit Hilfe verschiedener MZP erlaubt zunächst einmal, den Ver-
lauf der Dynamik in einem empirischen Zeitfenster mitzuverfolgen. Durch
die Einführung von Iterationen erfährt das System zusätzlich eine Dyna-
misierung, die möglicherweise zur Repräsentanz von Ordnungsstrukturen
des Systems beiträgt (vgl. hierzu auch Kriz 1995). Um den Einfluss von
Merkeffekten aufgrund einer identischen Reihenfolge der Items zu den
MZP relativ gering zu halten, wurden die Items der beiden Fragebögen,
sowohl des GSB-TK 1, als auch des BBzS-B, jeweils 3 MZP hintereinan-
der in verschiedener Reihenfolge präsentiert.
8
Formal betrachtet bedeutet Iteration: Die Anwendung des Ergebnisses einer Operation
zum Zeitpunkt t auf die Operation zum Zeitpunkt t+1, siehe z.B. das mathematische Sys-
tem der Quadratwurzel bei v. Foerster (1988) oder das sog. „Bartlett-Szenario“ (z.B. Kriz,
1994).
348 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
Ergebnisse
Im Folgenden sollen vier Beispielbefunde mit Hilfe dreier Ansatzpunkte
aus dem Datenmaterial von Ochs (1996) dargestellt werden.
Drei Wege der makroskopischen Analyse der SYMLOG-Zeitreihen
1. Es wurde der phänomenologische Ansatz in der Synergetik (also die sog.
„second foundation of Synergetics“) wörtlich genommen und phänomenal,
vergleichbar einer Bildbeschreibung, dargestellt, wie sich die Systemdy-
namik in den Zeitreihen gestaltet. An anderer Stelle (Revenstorf 1979,
S. 139) wurde diese Art der Zeitreihenanalyse als „der optische Eindruck“
bezeichnet.
2. Diese Beschreibungen wurden mit Kennwerten aus der deskriptiven Sta-
tistik wie Mittelwert, Standardabweichung oder Korrelationskoeffizient
kombiniert. Schiepek (1994, S. 84) macht darauf aufmerksam, dass solche
üblichen statistischen Kennwerte (z.B. die Streuung oder die lineare Kor-
relation) durchaus zum systemwissenschaftlichen Methodeninventar zu
rechnen sind, auch wenn die grundsätzlichen Linearitäts- und Reversibili-
tätsannahmen solcher Kennwerte bei einer theoretischen Modellierung auf
der Basis dynamischer Selbstorganisationstheorien wie der Synergetik
problematisch erscheinen (Scheier und Tschacher, 1994).
3. Zur qualitativen Validierung der quantitativen Zeitreihen wurden State-
ments und Äußerungen der Probanden aus der brieflichen und mündlichen
Nachbefragung herangezogen (vgl. zum Stellenwert von qualitativen Va-
lidierungsstrategien in den psychologischen Systemwissenschaften auch
Schiepek 1991, S. 232).
Darstellung der empirischen Beispielbefunde
Die empirischen Befunde können entsprechend der beiden verwendeten
SYMLOG-Messinstrumente (BBzS-B und GSB-TK 1) zum besseren
Überblick in zwei Bereiche gruppiert werden:
1. Mit dem BBzS-B wurden die Einschätzungen der fiktiven Person über
die Zeit erfasst. Diese Einschätzungen haben sich die dyadischen Gegen-
über zu jedem MZP zurückgemeldet. Dementsprechend konnten in den dy-
Matthias Ochs 349
namischen Gestalten des Bildes von der fiktiven Person, durch die Nach-
befragung qualitativ validiert, am nachvollziehbarsten interaktive Zusam-
menhänge zwischen dem sozialen System (welches sich u.a. eben gerade
über die Kommunikation zu den Einschätzungen der fiktiven Person kon-
stituiert) und dem kognitiven System (das Bild von der fiktiven Person)
aufgezeigt werden.
2. Die andere Gruppe empirischer Zeitreihen umfasst Befunde, die eine
Beeinflussung der GSB-TK 1-Einschätzungen (also der drei SYMLOG-
Images Selbstbild, direktes und vermutetes Fremdbild) durch verschiedene
interaktionelle Momente, z.B. die Mitteilungen der Einschätzungen zur
fiktiven Person oder andere Bemerkungen und Eindrücke vom dyadischen
Gegenüber, aufzeigen.
Phänomenal lassen sich die „dynamischen Gestalten“ in Abb. 7 folgender-
maßen beschreiben: Abb. 7 dokumentiert die gemeinsame Dynamik der
beiden kognitiven Systeme „Bild der fiktiven Person“ der Probanden (Pb)
1 und 2. Eine drastische Veränderung im Verlauf findet auf der Dimension
A von Pb 1 statt von MZP 5 zu MZP 6. Auch auf der Dimension P des Pb
1 kann eine deutliche Veränderung erkannt werden. Dimension D verän-
dert sich sowohl bei Pb 1 als auch bei Pb 2 recht wenig. Die Dimensionen
A und P von Pb 2 weisen gut erkennbare Veränderungen über die Zeit auf
und zwar ähnlich den Verläufen der beiden Dimensionen A und P von Pb
2, wenn auch nicht so deutlich.
Die qualitative Datenebene sieht wie folgt aus: Pb 1 erwähnte, dass er in
der Mitte der Untersuchung plötzlich aufgrund der Mundpartie des fiktiven
Profils eine traurige und damit auch irgendwie sympathischere Person vor
Augen hatte. Dieser Mundpartie hatte er vorher keine Aufmerksamkeit ge-
schenkt. Für den anfänglich negativen Eindruck, den er sich von der fikti-
ven Person gemacht hat, sei vor allem die strenge Haarfrisur des Profils
maßgeblich gewesen9.
9
Diese Fluktuation der Aufmerksamkeit in Richtung der Mundpartie der mehrdeutigen
Reizvorlage (Abbildung der fiktiven Person), die großen Einfluss auf das Resultat der
Eindrucksbildung hatte, passt übrigens gut zu einem mathematischen Kalkül, daß Ditzin-
350 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
Abb. 7: Bewertung der fiktiven Person im zeitlichen Verlauf (Dyade 1/2). D: Dynamik,
P: Sympathie, A: Aktivität. Pb: Proband.
ger und Haken (1990) vorstellten. Sie konnten im Kontext des Konzeptes des synergeti-
schen Computers mathematisch zeigen, dass Fluktuationen der Aufmerksamkeitsparame-
ter Einfluss haben auf das Wahrnehmungsresultat bei Kippfiguren.
Matthias Ochs 351
10
An dieser Stelle soll nicht ausführlicher auf grundsätzliche Schwierigkeiten der Interpre-
tation von Korrelationskoeffizienten eingegangen werden, etwa aufgrund ihrer Anfällig-
keit gegenüber Extremwerten.
11
Diskontinuität ist jedoch kein notwendiges Charakteristikum einer Veränderung, damit
sie als Phasenübergang systemwissenschaftlich gelten kann: „Phasenübergänge können
diskontinuierlich oder kontinuierlich stattfinden“ (Schiepek und Strunk 1994, S. 132).
Matthias Ochs 353
Anscheinend hat Pb 34 kein klares, stabiles Bild von der fiktiven Person
entwerfen können. Die größten Schwankungen können auf der Dimension
P (Sympathie) beobachtet werden. Ihre Standardabweichung bildet mit ei-
nem Wert von 10,21 einen der größten Streuungsbeträge auf dieser Dimen-
sion in der gesamten Untersuchung. Auch auf der Dimension A findet
keine Stabilisierung statt. Die Standardabweichung und damit die Streuung
der Werte liegt auch hier vergleichsweise hoch (6,38). Lediglich Dimen-
sion D erscheint recht stabil (3,52).
Die qualitative Ebene: In der brieflichen Nachbefragung erklärte Pb 34 zu
der Frage, was für ein Bild sie sich von der Person auf der Abbildung ge-
macht hat: „Gar keins! – Oder besser: Alle möglichen Bilder. Ich habe der
Maske [damit ist die fiktive Person gemeint; Anm. M. O.] die ver-
schiedensten „Typen“ (Eigenschaftskombinationen) sozusagen „überge-
streift“, von sympathisch bis unsympathisch, von mir selbst bis zu meinem
Untersuchungspartner [...] – ihr widersprach nichts. Die reinste Gummi-
wand! Chaos im Kopf und Ärger waren die Folge.“ Dieses Statement steht
in guter Übereinstimmung mit der phänomenalen und deskriptiv-statisti-
schen Analyse der Zeitreihe in Abb. 812.
Bei der ergänzenden Betrachtung der Abb. 8 durch das kognitive System
fiktiven Person von Pb 33 (rechts) tritt ein Phänomen auf, das in den em-
pirischen Zeitreihen der Untersuchung öfters zu finden ist und bereits im
Beispiel 1 eingeführt wurde. Die beiden kognitiven Systeme der Pb einer
Dyade „Eindruck von der fiktiven Person“ weisen ähnliche Verläufe auf.
Besonders deutlich ist die Ähnlichkeit der Verläufe jeweils der Dimension
D der beiden Pb 33 und Pb 34 (Abb. 8).
12
Ob es sich bei der empirischen Zeitreihe in Abb. 8 um eine chaotische Dynamik im sys-
temwissenschaftlichen Sinne handelt, lässt sich allerdings aufgrund der geringen Anzahl
der Messzeitpunkte mathematisch nicht feststellen. Selbst das Verfahren des nichtlinea-
ren Vorhersagealgorhitmus (Scheier und Tschacher 1994), das im Vergleich zu alternati-
ven nichtlinearen Analyseverfahren (siehe z.B. Schiepek und Strunk 1994) recht wenig
Messzeitpunkte benötigt, liefert bei Zeitreihen mit weniger als 200 Messzeitpunkten
wahrscheinlich keine brauchbaren Resultate (Tschacher, persönliche Mitteilung).
354 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
Abb. 8: Bewertung der fiktiven Person im zeitlichen Verlauf (Pb 34 links und Pb 33
rechts).
Abb. 9: Polynome Kurvenanpassung 3. Ordnung der Verläufe des Bildes der fiktiven Per-
son der Dimension D der Dyade 33/34.
Phänomenal lässt sich die Ähnlichkeit der dynamischen Gestalten der bei-
den Dimensionen D vielleicht etwas prägnanter durch eine Glättung der
Verläufe mit Hilfe einer polynomen Kurvenanpassung 3. Ordnung darstel-
len (Abb. 9). Es bleibt jedoch unklar, welche der beiden Pb sich nach sei-
nem dyadischen Gegenüber gerichtet hat, oder ob sich beide Pb bezüglich
ihres Bildes von der fiktiven Person wechselseitig beeinflusst haben. Eine
Beeinflußung, ob nun zirkulär oder unidirektional, kann jedoch grundsätz-
lich hier angenommen werden. Denn die dynamischen Gestalten der Di-
mension P erscheinen im Vergleich zu den entsprechenden Zeitreihen an-
Matthias Ochs 355
Abb. 11: Bewertung der fiktiven Person im zeitlichen Verlauf (Pb 36).
ausgekleidet wird, ist jedoch an dieser Stelle nicht so relevant. Eine wich-
tige Information ist jedoch, dass Pb 35 äußerte, dass die Einschätzung der
fiktiven Person von Pb 36 ihre Fremdbeurteilung des dyadischen Gegen-
übers beeinflusst hat. Sie sagte weiter sinngemäß, was muss das den für
eine Frau (damit meinte sie ihr dyadisches Gegenüber) sein, die Männer
derart negativ beurteilt. Diese Beeinflussung fand nach Abb. 10 gleich zu
Beginn der Untersuchung statt. Auf sämtlichen Dimensionen findet über
die ersten 5 MZP einen Abfall statt. Dieser empirische Befund steht in gu-
ter Übereinstimmung mit der Einschätzung der fiktiven Person von Pb 36
zum ersten MZP. Der Wert der Dimension P (Sympathie) liegt bei 10, was
eine der niedrigsten Einschätzungen der fiktiven Person auf jener Dimen-
sion in der gesamten Untersuchung (über alle Probanden und alle MZP)
darstellt. Diese negative Bewertung der fiktiven Person wird also in der
ersten Rückmeldung recht markant gewesen sein (es sei auch angemerkt,
dass das Item „kalt“, zur Dimension P zugerechnet wird. Ein Adjektiv also,
was bekanntlich einen beachtlichen „halo-effect“ besitzt), und sie hat nach
eigenen Angaben auf ihre Fremdbeurteilung eingewirkt. Die Dimension
Sympathie dieser Fremdbeurteilung fällt von 18 zum MZP 1 auf 11 zum
MZP 5 ab (siehe Abb. 10).
Weiter lässt sich aus den Zeitreihen in Abb. 10 und Abb. 11 ablesen, dass
die Beurteilungsveränderung im Fremdbild von Pb 35, die durch die nega-
tive Einschätzung der fiktiven Person von Pb 36 mitbeeinflusst wurde,
nicht mehr revidiert oder noch einmal abgewandelt wurde, obwohl Pb 36
ihre Einschätzung der fiktiven Person, deutlich auszumachen anhand des
Anstiegs der maßgeblichen Dimension P von MZP 1 zu MZP 4, um 12
Einheiten über die Zeit zum Positiven hin verändert. Das Fremdbild von
Pb 35 bleibt über die letzten 4 MZP hin im Vergleich zu den ersten 5 MZP
recht stabil (der Mittelwert der 3 SYMLOG-Dimensionen beträgt über die
letzten 4 MZP 1,07). Der Eindruck, den sich Pb 35 von Pb 36 gebildet hat,
bleibt stabil, obwohl sich eine wichtige Variable für diesen Eindruck, näm-
lich die Einschätzung der fiktiven Person von Pb 36 über die Zeit geändert
hat. Eine potentielle Erklärung für diese Dynamiken wäre etwa der „pri-
macy effect“, der weiter oben zur Veranschaulichung einer synergetischen
Konzeption der sozialen Wahrnehmung herangezogen wurde (siehe aus-
führlicher die Diskussion).
358 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
Beispielbefund 4:
Phänomenale Beschreibung: Abb. 12 zeigt den Verlauf des Fremdbildes
von Pb 33 über das dyadische Gegenüber Pb 34. Über die ersten 7 MZP
sind keine massiven Veränderungen der drei Dimensionen zu beobachten.
Auf der Dimension D ist zu Beginn ein Anstieg zu beobachten, der jedoch
wieder über die Zeit ausgeglichen wird. Jedoch zum Ende der Zeitreihe hin
sind starke Veränderungen auf den Dimensionen A und P zu erkennen.
13
Vgl. hierzu auch die Kriterien für Struktur-Emergenz bei Kriz (1995, S 212f).
Matthias Ochs 361
chen wollen, daß eine Repräsentation nicht die Eigenschaft eines Individu-
ums ist, sondern den Handlungen von Menschen oder einer Gruppe zu-
grunde liegt“ (Harré 1995, S. 165). Einmal wird eher das psychische Sys-
tem in den Blickpunkt gestellt und einmal eher das soziale System.
Wenn die Beispielbefunde 1 und 2 eher die soziale Ebene betrachten, dann
kann formuliert werden, dass in der Kommunikation über die Einschätzun-
gen zu dem Bild der fiktiven Person (also durch die Rückmeldung der Ein-
schätzungen) eine Struktur, ein Attraktor emergiert, für den individuelle
Wahrnehmungen und Einschätzungen die kognitive (psychische) Umge-
bung darstellen (vgl. Kriz 1995; Luhmann 1988). Betrachtet man noch ein-
mal den Beispielbefund 2, so kann die synchronisierte Dynamik als solch
ein „sozialer Attraktor“ angesehen werden. Die einzelnen kognitiven Sys-
teme (und ihre untergeordneten hierarchischen Subsysteme und Kompo-
nenten) würden in einer solchen Betrachtung von dem in der Kommunika-
tion emergierten Ordner versklavt werden.
Betrachtet man die Beispiele 1 und 2 eher aus der Perspektive der kogniti-
ven Systeme, so erscheinen kommunikative Reize als eine von vielen mög-
lichen „Perturbationsquellen“, Kontextbedingungen und Umwelten, neben
anderen Kontrollparametern. Dann kann, wie etwa im Beispiel 1, genau
ausgemacht werden, welche Perturbation aus dem dyadischen System bzw.
Fluktuation aus der Umwelt des kognitiven Systems „Bild der fiktiven Per-
son“ der einzelnen Probanden für einen Phasenübergang in eben diesem
kognitiven System verantwortlich ist. Im Befund 1 war es eine bestimmte
Äußerung des dyadischen Gegenübers, welche Pb 2 zu seiner Einschät-
zungsänderung bewogen hat. Ich erinnere noch einmal an das Statement
des Pb 2, der nach der Äußerung seines Gegenübers plötzlich (wie „selbst-
organisiert“) auf der Abbildung eine freundlichere Person „sah“.
Diese Erkenntnisprozesse, die bei der kognitiven Strukturbildung, bei der
sozialen Urteilsbildung zum „Bild der fiktiven Person“ initiiert werden,
können m. E. synergetisch als typische Phasen der „symmetry breaking
instability“ (Haken, 1992) betrachtet werden. In diesen Phasen genügen
kleinere systeminterne bzw. -externe Perturbationen bzw. Fluktuationen
zur Brechung der Symmetrie bzw. zur Einleitung eines Phasenübergangs.
Zur Veranschaulichung dieser Überlegung möchte ich wieder den Befund
362 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
stellt ist, denkbar gewesen, dass das dyadische Gegenüber zwar eine Be-
merkung gemacht hat, dieser Bemerkung aber keine Bedeutung (kognitiv-
konnotative Prozesse) geschenkt und somit auch keine Einstellungsverän-
derung im Fremdbild vollzogen worden wäre. Des Weiteren musste dieser
Bemerkung auch Aufmerksamkeit (als ein Kontrollparameter) geschenkt
werden, damit sie Relevanz bekommen konnte. Die Thematik, die sich ge-
staltet, wenn man diese letzten beiden Überlegungen weiter verfolgt, be-
trifft die Autonomie psychischer Systeme gegenüber kommunikativen
Systemen. Oder als Frage formuliert: Was sind die psychisch mehr oder
weniger bewusst steuerbaren Vermittlungsprozesse, die eine Perturbation
des sozialen Systems in eine Komponente des kognitiven Systems „um-
wandeln“? Simon (1995) hat zu dieser Frage einige interessante Überle-
gungen angestellt. Er meint, dass es eine Frage der Solidität der Kopplun-
gen (fest/locker) der Elemente von Systemen ist, welches System auf ein
anderes System größeren Einfluss ausübt.
Abschließende Anmerkungen
Zusammenfassend kann formuliert werden, dass die Beispielbefunde em-
pirische Hinweise dafür liefern, dass dyadische Momente wesentliche
Randbedingungen der Dynamik kognitiver Systeme sein können. Außer-
dem zeigen die Befunde, dass der Zusammenhang zwischen dyadischen
und kognitiven Systemen empirisch mit Hilfe einer kombinierten Heran-
gehensweise von „Fragebogen-Zeitreihen“ und qualitativer Validierung
nachvollzogen werden kann. Dieses Statement kann der Aussage von
Tschacher et al. (1992, S. 349) bezüglich der Anwendung von Fragebo-
geninventaren zur systemwissenschaftlichen Erforschung von sozialen
Systemen gegenübergestellt werden. Diese äußern sich diesbezüglich
nämlich eher etwas kritisch: „the acquisition of time series with conven-
tional means like questionaires, surveys, etc. is further aggravated since
applications in short intervals must be ruled out”. Grundsätzlich erscheint
die systemwissenschaftliche Betrachtung von Dyaden mit Hilfe von Zeit-
reihendiagrammen und deskriptiver Statistik eine sinnvolle Herangehens-
weise. Vergleicht man diese etwa mit einem alternativen Ansatz zur pro-
zessualen Analyse dyadischer Interaktion, nämlich die Darstellung eines
364 Zur Relation von kognitiven und dyadischen Systemen
14
Siehe hierzu auch Schiepek (2020) sowie Ochs (2009, 2012).
Matthias Ochs 365
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374 Epilepsy: A Window to Mind-Brain-Interactions
Fig. 2: First pictures of a series of a focal aware seizure. Following the left picture,
George is able to interrupt the aura, while this is not possible after the right picture. While
the seizure seems bigger and more intimidating (left), George seems also more aware of
it. This increased awareness is accompanied by raised shoulders representing increased
activeness. George seems on the other hand more timid in the right picture (Heinen 2001).
Rosa Michaelis 375
He then drew two series of pictures: the first series illustrates how he gets
overwhelmed by a seizure; the second series illustrates the successful ap-
plication of his seizure interruption technique. Fig. 2 contrasts the first pic-
ture of each series. The whole series illustrating the successful application
of the seizure interruption technique is shown in Fig. 3. The last picture of
this series illustrates the sense of control and empowerment that people
with epilepsy may gain through the confinement of a focal aware seizure
(Lohse et al. 2015; Michaelis et al. 2018a).
Fig. 3: During the application of his seizure interruption technique, George closes his ears
with his hands and hums a laud sound until the seizure phenomena have faded. George
seems to have grown a couple of inches when he walks on after a successful aura interrup-
tion. He holds his head up high and seems very pleased and proud (Heinen 2001).
Fig. 4: This neurophysiologic comic illustrates how epileptogenic neurons ‘fail to con-
vince’ a sufficient amount of interconnected neurons to engage in seizure activity. In this
case, the seizure activity remains confined and does not spread enough to impair the af-
fected person’s awareness (Heinen 2001).
terventions for people with epilepsy may take this endeavor one step fur-
ther by tackling the question how our mind may interact with our brain in
the pursuit of well-being.
Modeling possibilities for therapeutic action
Awareness of focal aware seizures allows for early detection of seizures
and gives individuals the opportunity to apply seizure interruption tech-
niques to confine seizure activity. Fig. 5 shows a simple model to illustrate
how seizure interruption may work.
Fig. 5: In this hypothesized model, the affected person experiences focal aware seizure
phenomena when the seizure activity (i.e., darker grey ‘spikes’) reaches the seizure
threshold. By applying an aura interruption technique, the seizure activity gets pushed be-
low the seizure threshold. However, seizure activity may remain at a high level (see
lighter grey ‘waves’). Indeed, people with epilepsy who start to develop and practice sei-
zure interruption techniques often report that they have focal aware seizures in a row
(Tang et al. 2014).
place. She said that she might otherwise “build up to a ‘bad’ seizure” i.e.,
a seizure that happens without a preceding focal aware seizure and thus
takes her by surprise. Such seizures involve an increased risk of falling and
injury.
Fig. 6: This hypothesized model illustrates the complex interplay between short-term trig-
gering factors (‘spikes’) and long-term triggering factors (‘waves’), which may have sta-
bilizing (left box) or destabilizing effects (right box) in terms of seizure likelihood (Tang
et al. 2014; Michaelis et al 2017).
A) B)
Fig. 7: A: 5-hourly ratings of stress; Y-axis indicates answers on the visual analog scale
(0-100), X-axis indicates all consecutive responses. B: Averaged ratings of stress per day;
Y-axis indicates averaged answers on the visual analog scale (0-100), X-axis indicates
consecutive responses.
had taken place on the first day of admission. During this interview, activ-
ities and attitudes were explored that might serve participants during their
stay in the EMU. Staying in an EMU may imply considerable discomfort
with reduced privacy. Patients were provided tablets with a preset five-
hourly alarm. Self-assessments were collected prior to meal times (6:30am,
11:30am, and 4:30pm) and at 9:30pm. Fig. 7A illustrate how much infor-
mation is gained with five-hourly ratings opposed to daily average ratings
(Fig. 7B).
The detailed visualizations of the patients’ replies were discussed with the
participants during a feedback session at the end of the EMU stay. Twenty-
one patients (12 women/9 men, median age 29 years [range 18 – 74 years])
were consecutively recruited (72% of all eligible patients). Compliance
rates were high (median: 82%, range 60%-100%) amongst the respondents.
Nine patients (43%) reported that they learned something meaningful
about themselves after the feedback discussion of their individual time se-
ries. Fig. 8 shows two case examples. These results support the feasibility
of high frequency monitoring of psychological states and processes in rou-
tine EMU settings (Michaelis et al. 2018b).
Correlation of EEG biomarkers with psychological states in the epilepsy
monitoring unit
This study investigated the correlation of quantitative EEG markers with
the previously mentioned data obtained during systematic high frequency
monitoring of psychological states in the EMU. On group level, no signif-
icant correlations were found, whereas on single subject level correlations
were found for 12 out of 21 patients. Most significant correlations were
found between Hjorth parameters and items that reflect changes in mood
or stress (Höller et al. 2019). One possible explanation is that some people
are better at introspection and labelling inner psychological states than oth-
ers. Therefore, participants in future studies should be trained in introspec-
tive methods to increase their sensitivity towards subjective phenomena.
382 Epilepsy: A Window to Mind-Brain-Interactions
Fig. 8: On the left is the graph of a female patient (42 years) with borderline personality
disorder (BPD) and temporal lobe epilepsy (TLE) who was admitted to differentiate if the
etiology of postsurgically reoccurring episodes was epileptic or non-epileptic. The time
series show the asynchronous 5-hourly ratings of her events (blue/solid line: sensation of
heat) and her sense of self-efficacy (orange/dashed line). During the feedback session, she
was able to formulate the hypothesis that the postsurgical episodes that she experienced
were a somatic correlate of her fluctuating sense of helplessness (i.e., lack of self-effi-
cacy). This increased self-awareness reinforced her decision to seek inpatient psychiatric
treatment. Y-axis indicates answers on the visual analog scale (0-100), X-axis indicates all
consecutive responses.
The graph on the right is from a female patient (26 years) with juvenile myoclonic epi-
lepsy (JME). Sleep deprivation is a well-known seizure trigger in this epilepsy syndrome.
This patient observed low energy levels (blue/solid line) in the mornings and especially
after sleep deprivation (1). Sleep deprivation is administered on purpose in an EMU to in-
crease the risk of seizures. Low energy was usually accompanied by bad mood (or-
ange/dashed line). However, this effect was suspended by her boyfriend’s visit (2). Dur-
ing the feedback session, this patient became aware that social resources might help her to
modulate the effects of sleep deprivation; Y-axis indicates answers on the visual analog
scale (0-100), X-axis indicates all consecutive responses.
peri-ictal, pre-ictal and early ictal states in pursuit of the question: Are psy-
chological states potential indicators for seizure likelihood?
Integrating the systematic assessment of psychological states in the out-
patient setting
SNS can also be used to shed light on the black box of delivering psycho-
therapy to patients with epilepsy in the outpatient setting by complement-
ing commonly used outcome measures such as the Quality of Life in Epi-
lepsy Inventory with 31 items (QOLIE-31, Cramer et al. 1998). It has been
suggested that this questionnaire may not be very sensitive to changes me-
diated by psychotherapy. In fact, some patients may show psychotherapy-
related worsening of their QOLIE score even if they and others feel that
they have benefited from treatment, for instance when psychotherapy has
successfully reduced alexithymic tendencies and allowed patients to gain
a better understanding of their uncomfortable emotions (Michaelis et al.
2019). The project “Taking Control of Your Seizures” [Selbst-Handeln bei
Anfällen] is a resource-oriented program. Its 12 modules include aspects
such as the identification of seizure triggers and the development of seizure
interruption techniques. However, the main focus is on personal develop-
ment and personal growth. Fig. 10 shows a simplified representation of
Elizabeth’s idiographic system model (ISM, for the method and an exam-
ple see Schiepek et al. 2016). The model illustrates the emphasis on re-
sources as Elizabeth placed her “grandma” in the center of the model while
her seizures were placed in a marginal position. A personalized question-
naire was developed based on the ISM. Fig. 10 illustrates the training effect
of daily responses to the item “I have been in touch with my grandma.”
Fig. 11 shows a decrease of seizure during the past months.
384 Epilepsy: A Window to Mind-Brain-Interactions
Fig. 9: Elizabeth’s idiographic system model. Dotted lines represent inhibitory influences,
solid lines excitatory influences. Created with the Excel-based open-access software
available from www.psysim.de/ISM/ISM-1.0.0.xlsm, Schöller 2019).
Rosa Michaelis 385
Fig. 10: This figure illustrates Elizabeth’s daily responses to the item “I have been in
touch with my grandma”; Y-axis indicates answers on the visual analog scale (0-100), X-
axis indicates all consecutive responses.
Fig. 11: This figure shows Elizabeth’s seizure frequency during the past months; Y-axis
indicates answers yes (1) or no (0), X-axis indicates all consecutive responses.
really about epilepsy. As a marker […] how I feel.” Participants may even
perceive their epilepsy as being more present in their lives but not in the
sense of fearing seizures or feeling limited by seizures but rather in a way
that incites self-care (Michaelis et al. 2018a). This qualitative data is sup-
ported by empirical data showing how medical and psychological param-
eters influence quality of life in patients with epilepsy (Ring et al. 2016).
Illness perception and sense of self-efficacy are variables that increase re-
silience, which means that people may have good quality of life despite
having seizures (Suurmeijer et al. 2001).
Acknowledgment
I would like to thank all colleagues who have been involved in the de-
scribed projects, especially Günter Schiepek, Friedrich Edelhäuser, Gerd
Heinen, Catrin Schöne, Christina Niedermann, Bettina Berger, Helmut
Schöller, and Prisca Bauer-Sola, who will take this into the future.
Rosa Michaelis 387
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390 Synergetic Brainstem Consensualization
term stress for such phenomena, but Selye also elaborated on the scientific
methodology to tell stress associated specific from unspecific, that is: gen-
eral, physiological, biochemical, and anatomical details of the stress re-
sponse (Selye 1936). Another 20 years passed until Selye expanded his
view shaped from insights gained in animal studies to studying responses
to stress in humans recognizing the relevance on individual psychological
faculties (Selye 1955). In this report, Selye not only introduced the hypo-
thalamic-pituitary-adrenal (HPA) axis, but he also outlined the course of
future stress research. There, he readily conceded that the plethora of re-
search efforts on stress was spent on endocrine pathways and related
changes, whereas the study of the nervous system was widely omitted for
lack of appropriate research methodology able to deal with the complexity
of the system under study. In those heydays of stress research, medical
research mostly put to use invasive methods destroying anatomical areas
and centers of interest comparing effects of such interventions pre- and
post intervention.
While Cannon and Selye were focused on what they considered pivotal for
understanding preconditions of stress and ‘disease’, that is organismic re-
actions to challenges of the organism, they fell short of studying the con-
comitant state, namely that of rest, relaxation or recovery. The pioneer in
this regard was Johann Heinrich Schultz, who was to become active pri-
marily on the clinical side. Fraught with childhood health problems, he
ventured into medicine to eventually develop a self-hypnosis regime
known globally as autogenic training. By volitionally producing the sensa-
tions of heaviness and warmth, subjects were able to switch into self-hyp-
notic trance (Schultz 1932). Decades later, this essential regard on the sci-
entifically poorly amenable nervous system was coined the ‘relaxation re-
sponse’ (Benson et al. 1974). The most prominent question to ask was
whether the mere absence of stress already sufficed to define this state of
the organism as relaxation or must such state of non-stress be viewed under
premises that had yet to be outlined more precisely? Is there a need to com-
prehend the body’s efforts in a dichotomic approach?
Between 1924 and 1938, another contemporary of these scholars, Walter
Rudolf Hess, was occupied mostly with efforts to produce basic insight
Cotuk, Müller, Pelz, Duru & Perlitz 391
into the functioning of the autonomic nervous system (ANS). Using chron-
ically instrumented animal models, he succeeded in defining two seem-
ingly opposing general states of the organism, termed by him trophotropic
state and ergotrophic state, respectively. The central organization of the
reciprocally coordinated neuronal functional loops rested peripherally on
sympathetic and parasympathetic effectors producing "antagonistic" states.
Hess’ (syn)ergetic and systemic conception of the ANS operating in a dual
mode was of paramount relevance for the understanding of stress and the
resting or relaxation state. This concept holds that sympathetic activity es-
tablishes the energetic efficiency of the individual interacting with the en-
vironment, while parasympathetic activity is responsible for the eco-
nomic/energetic restitution of functional elements/the body. The concert of
either activity yields to a dynamic equilibrium, or, speaking with Cannon,
homoeostasis, which reflects adaptability in general and specific adapta-
tion with any given environment. Pivotal to his systemic conceptualization,
Hess incorporated explicitly the topological and time domains of ANS
function. He was first to record the dynamic integration of the topograph-
ically disjoint but vertically and topologically linked subsystems of the
ANS within the diencephalon. In this concert, the factor time is being es-
tablished as a constitutive element of organic ordering since the ongoing
antagonism results in synergism of the continuation (Hess 1948).
In essence, this line of logic is widely maintained in current concepts on
the mutual relation between ANS and disease processes, particularly with
regard to cardiovascular deterioration. In the neurovisceral integration
model, mental state, autonomic function, and health outcomes are inte-
grated by dynamics of the so-called central autonomic network (CAN),
which consists of hierarchically and reciprocally connected brain regions
(insular cortex, amygdala, hypothalamus, periaqueductal gray matter, par-
abrachial complex, nucleus of the tractus solitarius, and ventrolateral me-
dulla). Lower levels of this network receive afferent information from the
body in order to respond to immediate energy turnover needs, whereas
higher levels of the hierarchy integrate information at a larger timescale in
the context of long-term cognitive, emotional or social goals (Smith et al.
2017).
392 Synergetic Brainstem Consensualization
Fig. 1: Power spectra of the intermediary rhythm (top), the respiratory rhythm (middle)
and arterial blood pressure rhythm (bottom) during marked relaxation. The intermediary
rhythm dominates the upper face (right, left ear and forehead at ≈ 0.15 Hz), the respiratory
rhythm spreads to the lower face (upper, lower lip and cheak at ≈ 0.18 Hz) and the arterial
blood pressure rhythm influences predominantly finger skin vasomotion and HRV (at ≈
0.09 Hz).
Cotuk, Müller, Pelz, Duru & Perlitz 395
The 0.15 Hz rhythm is distinct from the baroreflex mediated 0.1 Hz rhythm
of arterial blood pressure and tends to synchronize with respiration at inte-
ger number ratios, which was especially prominent in experts of autogenic
training (Perlitz et al. 2004a). In response to orthostatic challenges, stress-
ful acoustic stimuli, somatic pain induction, or sympathetic activation dur-
ing exercise, the 0.15 Hz rhythm tended to disappear with inter-individual
variations due to the subject’s individual ability to preserve the relaxed
state (Perlitz et al. 2004b; Ernst et al. 2005; Lampmann et al. 2005).
This psychophysiological conceptualization set the path for innovative
ANS monitoring technology, as skin blood content fluctuation can easily
be recorded by skin contact photo-plethysmography (PPG) and camera
based remote photo-plethysmography imaging (PPGI, Huelsbusch and
Blazek 2002). Based on different absorption and scattering coefficients of
bloodless skin and blood-filled vessels for photons in the visible and near
infrared light spectrum (Maeda et al. 2008), PPG and PPGI were developed
as sophisticated yet practical physiological monitoring tools using techno-
logically advanced contact or light sensors (Venema et al. 2012; Trumpp
et al. 2017). As even smartphone cameras nowadays are equipped with in-
tegrated high quality sensors in the red-green-blue (RGB) spectrum, they
are able to successfully monitor heart rate (HR) and HR related fluctuations
(Aydemir et al. 2018). PPG and PPGI thus allow to extract HR and HRV
as well as slower vasomotor rhythms (0.1 Hz, 0.15 Hz and the respiratory
rhythm) from recorded perfusion data by analyzing their frequency bands.
Fig. 2: Coupling strengths of the three physiological rhythms (intermediary rhythm, the
respiratory rhythm, and the arterial blood pressure rhythm) between different sites based
on wavelet coherence (normalized scale between 0 = no coupling and 1 = perfect synchro-
nization). The strongest coupling is between the right and left ear skin vasomotion at the
intermediary rhythm (same subject and recording as in Fig. 1). Colours: blue (top) inter-
mediary rhythm, black (bottom) respiratory rhythm, red (middle) arterial blood pressure
rhythm. The top shows the wavelet based time-frequency distribution of fMRI data of
brainstem voxels from another recording of the same subject (7 min relaxation with the
eyes closed); distinct intermediary rhythm (0.145±0.016 Hz) troughout the recording
within the 0.12-0.18 Hz frequency band.
Dedication
In our brief report we attempted to capture pillars of stress and relaxation
research. In doing so, we also supplied evidence of the complex nature of
research and science with a claim to medical relevance. This complexity
poses demands and challenges as to the scientific instruments used, and no
scientific paradigm appears more appropriate to match this complex nature
than Synergetics.
Cotuk, Müller, Pelz, Duru & Perlitz 399
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404 Zur Synergetik des systemischen Lupus Erythematodes
wie von Uexküll und Wesiack (1996) zu sagen pflegen – ein tieferes Ver-
ständnis der AIK grundlegend behindert, weil übergeordnete, höher kom-
plexe Funktionszusammenhänge nicht berücksichtigt werden. Das erinnert
an einen berühmten Aphorismus von Paul Watzlawick: „Wer als Werk-
zeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel“
(https://www.paulwatzlawick.de/).
Autoimmunkrankheiten und das neue biopsychosoziale Medizinpara-
digma
Nun ist aber in den letzten Jahrzehnten mit der Einführung des biopsycho-
sozialen Modells (Engel 1977) in die Medizin auch die Offenheit gegen-
über den nicht-stofflichen Umgebungsfaktoren wiedererstarkt. Zuneh-
mend wird klar, dass psychische und psychosoziale Faktoren von funda-
mentaler Bedeutung in der Entstehung und Aufrechterhaltung der AIK sind
(Sharif et al. 2018). Beispielsweise konnte in groß angelegten Forschungs-
projekten nachgewiesen werden, dass frühe Traumatisierungen einen ent-
scheidenden Beitrag bei der Entstehung der AIK leisten (Dube et al. 2009),
was impliziert, dass Psychotherapie in Zukunft einen fundamentalen Teil
der Behandlung von AIK ausmachen könnte. Hier nun kommt auch ein
neuer Forschungsbereich der Psychosomatik, die Psychoneuroimmunolo-
gie (PNI) ins Spiel. Dieser beruht darauf, dass Nerven-, Hormon- und Im-
munsystem über die Freisetzung bzw. Expression systemeigener und -
fremder Liganden und Rezeptoren in gemeinsame Funktionsnetzwerke
eingebunden sind (Blalock 1984, Besedovsky und del Rey 1991) und dass
diese wiederum in untrennbarer Abhängigkeit mit dem Psychischen und
der psychosozialen Umwelt eines Menschen stehen (Schubert 2015).
Die Erforschung des Seelischen – in seiner ganzen Tiefe inklusive unbe-
wusster Prozesse – und die Erforschung der Systemkomplexität – mit all
seinen dynamischen Charakteristika – stellen zwei Säulen eines neuen,
ganzheitlichen Medizinparadigmas dar (Schubert 2017). Der Synergetik
bzw. der Theorie komplexer Systeme zufolge sind chronische Krankheiten
wie die AIK durch spezifische Attraktoren gekennzeichnet und stellen da-
mit genauso wie Gesundheit stabile Zustände dar (Reiber 2008). Nicht die
Beantwortung der Fragen, ob bei einer Krankheit ein Element zu wenig
(Insulin beim Diabetes), ein Element zu viel (Autoantikörper bei AIK) oder
ein Element verändert ist (-Amyloid bei M. Alzheimer) und wie man
Christian Schubert 405
diese Fehler beheben kann, stellt die Aufgabe einer neuen Medizin dar,
sondern welche Bedingungen existieren müssen, damit ein „kranker“ At-
traktor mitsamt der damit assoziierten selbstähnlichen Manifestationen in-
nerhalb der biopsychosozialen Modellhierarchie (z.B. erhöhter psychi-
scher Druck, erhöhter Blutdruck) in einen anderen, „gesunden“ Attraktor
übergehen kann (Reiber 2008, Schubert 2017). Im Folgenden soll am Bei-
spiel des systemischen Lupus Erythematodes (SLE) gezeigt werden, was
der Übergang vom alten mechanistisch-reduktionistischen zum neuen bio-
semiotisch-systemischen Medizinparadigma (von Uexküll und Wesiack
1996) für die Diagnostik und Therapie der AIK bedeuten kann.
Eine zwingende nächste Frage ist nun, ob es sich bei diesen kritischen
Fluktuationsveränderungen bei Fall 1 und 2 mit SLE um pathologische At-
traktoren handelt, gesunde Probandinnen also möglicherweise völlig an-
dere, normale PNI-Funktionsdynamiken aufweisen. In einer integrativen
412 Zur Synergetik des systemischen Lupus Erythematodes
Schluss
Es gehört wissenschaftstheoretisch gesehen zu den großen Irrtümern der
biomedizinischen Maschinenmedizin, nichtstoffliche Faktoren wie psychi-
sche und psychosoziale Entitäten in Diagnostik und Behandlung von
Krankheiten wie dem SLE zu vernachlässigen und mehr auf die Reparatur
414 Zur Synergetik des systemischen Lupus Erythematodes
von Krankheiten als auf deren Prävention zu setzen (v. Uexküll und Wesi-
ack 1996). Damit geht eine tumbe mechanistisch-reduktionistische Metho-
dik der Biomedizin (z.B. RCT-Design) zur Untersuchung chronischer Er-
krankungen einher, die humane Lebensfaktoren wie subjektive Bedeutung
und Dynamik ausgrenzt, was dazu führt, dass die biomedizinische For-
schung in ihren Erkenntnissen seit langem auf der Stelle tritt.
Eine neue, biopsychosoziale Medizin – mit der Tiefenpsychologie und Sy-
nergetik als erkenntnistheoretische Grundpfeiler und der Soziopsychoneu-
roimmunologie (Schubert 2015) als empirischer Realisierung – hat sich
zum Ziel gesetzt, den SLE und andere als unheilbar geltende Erkrankungen
mit Methoden zu untersuchen, die der Komplexität menschlichen Lebens
gerecht werden (Schubert 2017). In diesem Kapitel wurde anhand der in-
tegrativen Einzelfallstudien dargelegt, wie ein biopsychosoziales For-
schungsdesign, das qualitative und quantitative Methoden kombiniert, aus-
sehen kann und welche Ergebnisse mit dieser Art von Forschung erzielt
werden können. Dabei fanden sich Hinweise für autoimmune Krankheits-
attraktoren, die auf jene biopsychosozialen Bedingungen verweisen, unter
denen der SLE entsteht, aufrechterhalten wird und wieder vergeht.
Diese Attraktoren lassen sich, wie die Studien auch zeigen konnten, nicht
nur mit quantitativen Methoden der linearen und non-linearen Zeitrei-
henanalyse identifizieren, sondern ebenso – oder vielleicht sogar valider –
durch die Feinanalyse selbstähnlicher Musterbildungen, die sich auf höher
komplexen Ebenen der biopsychosozialen Schichtenhierarchie befinden.
Etwa indem genau darauf geachtet wird, wie Individuen während eines In-
terviews über emotional bedeutsame Ereignisse vor und nach Ordnungs-
Ordnungsübergängen berichten und wie als Untersucher auf diese Berichte
reagiert wird (Schubert et al. 2006a). Dies sollte nicht nur neue Möglich-
keiten zur Diagnostik des SLE eröffnen, sondern auch zur Behandlung, in-
dem beispielsweise mit tiefenpsychologischen Mitteln versucht wird, über
Ordnungs-Ordnungsübergänge krankheitsassoziierte Attraktoren (das
Nichtzulassen und Gegen-sich-wenden von Wut und Ärger bei Bezie-
hungsstress) in gesundheitsassoziierte Attraktoren zu überführen.
Biomedizinisch designte Studien der PNI weisen in der Tat schon jetzt da-
rauf hin, dass die durch frühe psychische Belastung bedingte chronische
Unterfunktion des Stresssystems nicht permanent sein dürfte und durch
Christian Schubert 415
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Christian Schubert 421
Einführung
Dieser Beitrag behandelt ein Phänomen, das von Dietrich Dörner in seinem
Buch „Die Logik des Misslingens“ von 1989 als Ökonomietendenz des
menschlichen Denkens beschrieben wurde. „Die Logik des Misslingens“
bezieht sich auf die Lösung von Problemen, die durch Komplexität, hohe
Vernetzung ihrer Variablen, Dynamik, Intransparenz und dem Vorliegen
mehrerer oder unklarer Ziele gekennzeichnet sind. Im Deutschen hat sich
dafür die etwas unklare Bezeichnung „komplexes Problemlösen“ (KPL)
etabliert. In dieser Forschungsrichtung werden die den Problemstellungen
zugrundeliegenden komplexen und dynamischen Systeme am Computer
simuliert und die Versuchspersonen (Vpn) aufgefordert, diese zu explorie-
ren und bestimmte Zielzustände zu erreichen. Bei der viel verwendeten Si-
mulation einer Hemdenfabrik geht es zum Beispiel darum, durch geeignete
Maßnahmen, etwa der Preisgestaltung, den Profit nachhaltig zu erhöhen.
Dörner beobachtete in seinen Studien immer wieder, dass die Vpn kogni-
tiven Aufwand minimieren. Zum Beispiel neigen Problemlöser dazu, in
einem komplexen System eine zentrale Variable zu identifizieren, von der
vermeintlich viele andere Größen nahezu exklusiv abhängen. (Im Denken
vieler Menschen unserer Tage dürfte das zum Beispiel die „unkontrollierte
Zuwanderung“ sein). Dörner führt viele Unzulänglichkeiten des menschli-
chen Entscheidens in komplexen Situationen auf diese Ökonomietendenz
zurück. In der Alltagssprache würde man sagen: Menschen sind denkfaul.
Der in neuerer Zeit prominenteste Vertreter dieser Auffassung ist Daniel
Kahneman. In seinem Buch „Thinking – fast and slow“ (Kahneman 2012)
bezeichnet er den Menschen als „cognitive miser“ – einen kognitiven Geiz-
hals. Kahneman ordnet diese Beobachtung in einen dual processing-Ansatz
ein, der davon ausging, dass es zwei Systeme menschlicher Informations-
verarbeitung gibt: Ein schnelles, parallel und autonom arbeitendes – bei
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_23
424 Ökonomietendenz beim komplexen Problemlösen
1
In ihrer Kritik beziehen sich Kruglanski und Gigerenzer auf eine vermeintliche Gleich-
setzung von heuristischer Verarbeitung mit Typ 1-Verarbeitung und die Annahme, dass
diese meistens zu Fehlurteilen führen. Beides ist in den aktuellen dual processing-Ansät-
zen nicht enthalten.
Wolfgang Schoppek 425
Energetische Überlegungen
Es liegt nahe, die Ökonomietendenz damit zu erklären, dass der Organis-
mus bestrebt ist, sparsam mit seinen Energiereserven umzugehen. Dieser
Aspekt wird im globalen Norden, wo energiereiche Nahrung im Überfluss
vorhanden ist, gerne übersehen. Zu der Zeit, in der die Evolution homo
sapiens hervorbrachte, war dies allerdings anders. Der Speisezettel unserer
Vorfahren war zwar abwechslungsreich (Harari 2013), aber nicht so hoch-
kalorisch wie es heute möglich oder auch üblich ist. Trotzdem trägt die
Energiespar-Erklärung nicht weit genug. Es hat sich nämlich gezeigt, dass
das menschliche Gehirn selbst im Ruhezustand relativ viel Energie ver-
braucht (Raichle et al. 2007), und zwar etwa 20% der im Körper zur Ver-
fügung stehenden Energie. Aktivität, die sich beim Nichtstun oder Tag-
träumen im sogenannten default mode network zeigt, wird in andere Ge-
hirnregionen verschoben, sobald eine gezielte Aufgabe bearbeitet wird (ne-
benbei: eine enorme Selbstorganisationsleistung des Gehirns). Solche Be-
funde zeigen, dass die Sichtweise, dass schlussfolgerndes Denken aus
Energiespargründen sparsam angewandt wird, zu einfach ist. (Weitere Be-
funde dazu bei Debatin 2019).
426 Ökonomietendenz beim komplexen Problemlösen
Eine Untersuchung von Lennie (2003) lässt dennoch Raum für eine modi-
fizierte energetische Erklärung der Ökonomietendenz. Ausgehend von Be-
rechnungen des Energiebedarfs eines Aktionspotentials auf molekularer
Ebene und dem Wissen über die Anzahl von Neuronen und deren Verbin-
dungen kommt Lennie zu dem Schluss, dass die Energie, die der Organis-
mus dem Kortex maximal zur Verfügung stellen kann, nur für 0,16 Akti-
onspotentiale pro Sekunde und Neuron ausreicht. Bringt man diese Be-
rechnung mit plausiblen aber defensiven Annahmen über die Aktivität von
kortikalen Neuronen in Verbindung (3% der Neuronen in aktiven Berei-
chen feuern mit 50 Spikes pro Sekunde), bedeutet das, dass nie mehr als
10% des Kortex gleichzeitig aktiv sein kann.
Dieser Sachverhalt bietet eine physiologische Erklärung für die in vielen
Bereichen gefundene Begrenzung der Aufmerksamkeitsressourcen (z.B.
Baddeley 1986; Norman und Shallice 1986; Sweller und Chandler 1994).
Angewandt auf das Problem der Ökonomietendenz bedeutet das, dass an-
gestrengtes Nachdenken zwar nicht mit einem insgesamt erhöhten Ener-
gieverbrauch einhergeht, aber dennoch so viel Energie verbraucht, dass
diese an anderen Stellen fehlt. Andere Prozesse können dann nur noch „auf
Sparflamme“ laufen – etwa die wahrnehmungsgestützte Überwachung der
Umgebung. Auch dies mag evolutionär betrachtet riskant sein. Zusammen-
fassend kann festgestellt werden, dass energetische Aspekte durchaus ge-
eignet sind, die Ökonomietendenz zu erklären – auch wenn die Erklärung
etwas komplizierter ist, als vermutet.
Zusammengeführt ergeben die bisher kurz skizzierten Überlegungen fol-
gendes Bild: Die Ökonomietendenz ist gekennzeichnet durch eine Infor-
mationsverarbeitung, die sich vorwiegend auf Typ 1-Prozesse stützt. Sol-
che Prozesse laufen per definitionem autonom ab und bedürfen keiner er-
höhten Aufmerksamkeit. Weil schlussfolgerndes Denken (Typ 2) mit einer
erheblichen Verschiebung der Gehirnaktivität einhergeht und mit der Ge-
fahr, wichtige Veränderungen in der Umgebung zu verpassen, wird es ten-
denziell vermieden.
Im Folgenden soll dieser Ansatz auf das Thema komplexes Problemlösen
angewendet werden. Was bedeutet es, ein komplexes Problem unter über-
wiegender Beteiligung von Typ 1- bzw. Typ 2-Verarbeitung zu lösen?
Wolfgang Schoppek 427
2
Bei komplexeren Systemen kann es auch passieren, dass die Vpn die Kontrolle ihrer Maß-
nahmen auch vergessen (Dörner 1989).
428 Ökonomietendenz beim komplexen Problemlösen
Experiment
Im hier berichteten Experiment wurde genau dies versucht: Mit der Ein-
führung einer während der Systemsteuerung zu bearbeitenden Zweitauf-
gabe sollte eine Bedingung geschaffen werden, die das Vorgehen nach dem
Standardmodell behindert. Die Doppelaufgabe belastet wichtige Instanzen
der Typ 2-Verarbeitung, v.a. die zentrale Exekutive (Baddeley 1986), de-
ren Kapazitäten dann für die primäre Aufgabe der Systemsteuerung fehlen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgten auch Hundertmark, Holt, et al. (2015).
Dynamis2 – Eine Umgebung für komplexe dynamische Systeme
Die Grundlage von linearen Differenzengleichungen zur Berechnung der
Einflüsse der Variablen untereinander und die Unterscheidung von Input-
und Outputvariablen habe ich aus dem Dynamis-Ansatz von Funke (1993)
übernommen. Folgende Gleichungen liegen dem hier verwendeten System
zugrunde. Simuliert wird der Einfluss von drei Medikamenten (Input-Va-
riablen), die kontinuierlich verabreicht werden (wie aus einem Tropf), auf
drei Blutwerte (Output-Variablen). Alle Variablen und deren Zusammen-
hänge sind fiktiv, um Vorwissenseinflüsse zu minimieren. Der Verlauf der
Blutwerte ist aber plausibel.
Muront = 0,1∙Muront-1 + 2∙MedA t-1
Fontint = Fontin t-1 + 0,5∙Muron t-1 – 0,2∙Sugon t-1 + MedB t-1
Sugont = 0,9∙Sugon t-1 + MedC t-1
Neu an Dynamis2 ist die Tatsache, dass die Simulation zeitgesteuert ab-
läuft, das heißt, alle 0,5 Sekunden wird der Zustand des Systems neu be-
rechnet, egal ob der Problemlöser eingreift oder nicht. Eigendynamik wird
Wolfgang Schoppek 429
Die Abb. 1 vermittelt einen Eindruck von der Dynamik des Systems. Zu-
nächst wurde MedA auf einen Wert von 50 gesetzt. Das führt zu einem
plötzlichen Anstieg des Blutwerts Muron (untere Verlaufsgrafik) und ei-
nem allmählichen Anstieg von Fontin (obere Verlaufsgrafik). Zum Zeit-
punkt T = 22 wird MedA wieder auf 0 gesetzt: Muron geht zurück auf 0
430 Ökonomietendenz beim komplexen Problemlösen
und Fontin bleibt konstant. Auch MedB bringt Fontin zum Steigen
(T = 35), bewirkt aber sonst nichts. Zum Zeitpunkt T = 62 wird MedC auf
20 gesetzt, was einen langsamen Anstieg von Sugon bewirkt, sowie einen
komplementären Rückgang von Fontin.
Satzbeurteilungs-Aufgabe
Um das Arbeitsgedächtnis zusätzlich zu belasten, mussten die Vpn in einer
Doppelaufgaben-Bedingung parallel zur Systemsteuerung gesprochene
Sätze nach ihrem Sinn beurteilen (dt-Bedingung für „dual task“). Sinnvolle
Sätze, wie zum Beispiel „Kinder sind meistens kleiner als Erwachsene“
mussten mit „ja“ beantwortet werden, sinnlose, etwa „Orangen wachsen
unter der Erde“, mit „nein“. Pro Dynamis2-Durchgang mussten 20-25
Sätze beurteilt werden. Die Antworten der Vpn wurden per Strichliste pro-
tokolliert (richtig – falsch – keine Antwort).
Versuchsplan
Die hier berichteten Ergebnisse stammen von einem Transferexperiment
mit komplexem Versuchsplan. Ich berichte hier nur die Ergebnisse der ers-
ten Phase. Als unabhängige Variable war in diesem Teil nur die Zweitauf-
gabe relevant: single task (st) vs. dual task (dt).
Versuchspersonen und Ablauf
Am Experiment nahmen 73 Studierende verschiedener Fächer der Univer-
sität Bayreuth teil, 42 Frauen und 31 Männer. Die dt-Bedingung umfasste
37 Vpn, die st-Bedingung 36.
Der Versuch begann mit der Instruktion, gefolgt vom ersten Durchgang, in
dem die Vpn frei die Wirkung der drei Medikamente auf die Blutwerte
explorieren sollten. Ein Durchgang bestand aus 250 Zeittakten. Danach
trugen die Vpn ihre Erkenntnisse als Wirkungspfeile in ein leeres Kausal-
diagramm ein. Daraus wurde ein Strukturscore als Differenz zwischen
richtig und falsch eingezeichneten Wirkungen errechnet. Daraufhin erhiel-
ten die Vpn die Ziele, die sie in zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen
erreichen und über zehn Takte lang halten sollten. Muron sollte auf den
Wert 100 stabilisiert werden, Fontin auf 1000. Gelang dies, war die erste
Phase damit erledigt; gelang dies nicht, wurde die Phase nach dem 14. Ziel-
durchgang beendet.
Wolfgang Schoppek 431
Hypothesen
Den Hypothesen liegt das Standardmodell des KPL zugrunde, nach dem
die Vpn zuerst durch eine geeignete Explorationsstrategie die Kausalstruk-
tur des Systems erschließen und das erworbene Wissen später zur Steue-
rung nutzen. Beides sind Prozesse, die das AG stark beanspruchen. Die
Zweitaufgabe (Satzbeurteilung) belastet das AG zusätzlich, vor allem die
zentrale Exekutive, die für einen ständigen Wechsel der Aufmerksamkeit
sorgen muss.
Hypothese 1: Die Vpn der Single Task (st) Bedingung erreichen die
Ziele besser als die der Dual Task (dt) Bedingung.
Hypothese 2: Die Vpn der st-Bedingung erwerben besseres Kausal-
wissen als die der dt-Bedingung.
Hypothese 3: Kausalwissen und Problemlöseleistung korrelieren mit-
einander.
Bei der gegebenen Stichprobengröße und einem -Niveau von 0,05 kön-
nen die erwarteten mittelgroßen Effekte mit einer Teststärke 1- = 0,68
aufgedeckt werden. Sollten die Hypothesen nicht durch die Daten gestützt
werden, kann das entweder damit erklärt werden, dass viele Vpn vom Stan-
dardmodell abweichen, oder mit mangelnder Teststärke.
Ergebnisse
Das vorgesehene Maß, das den Problemlöseerfolg widerspiegeln soll –
Versuche bis zum Zielkriterium – weist in beiden Bedingungen eine unge-
wöhnliche Verteilung auf. Wie auf der Abb. 2 zu sehen ist, liegt der Mo-
dalwert bei „Ziel nicht erreicht“ (No). Daneben gibt es einen Nebengipfel
bei schnellen Zielerreichungen (7-8 Durchgänge) und einen weiteren bei
späten Zielerreichungen (12-13 Durchgänge). Insgesamt hat etwa ein Vier-
tel der Vpn das Zielkriterium nicht erreicht. Wegen der ungewöhnlichen
Verteilung wurde die Hypothese 1 mit dem U-Test geprüft, der auf keinen
Unterschied zwischen den Versuchsbedingungen hindeutet (U = 690, p =
.64). Der Median der dt-Bedingung ist mit 11,5 kleiner als der der st-Be-
dingung mit 12 Durchgängen. Es gibt also auch keine Tendenz in die er-
wartete Richtung – die Hypothese 1 konnte nicht bestätigt werden.
432 Ökonomietendenz beim komplexen Problemlösen
tisch alle Vpn herausfinden. Deshalb soll zum Vergleich ein anderes gän-
giges Erfolgsmaß herangezogen werden, das auf der über einen ganzen
Durchgang gemittelten Zielabweichung beruht (eine genaue Beschreibung
findet sich in Schoppek und Fischer 2017). Für diese Auswertung habe ich
das Abweichungsmaß über die letzten drei Durchgänge jeder Vp gemittelt.
Im Gegensatz zum Zielkriterium entspricht die Verteilung des Abwei-
chungsmaßes in etwa einer Normalverteilung. Die Rangkorrelation zwi-
schen beiden Maßen beträgt r = .27*, was zeigt, dass die beiden Maße un-
terschiedliche Aspekte der Zielerreichung erfassen. Doch auch beim Ab-
weichungsmaß gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Ver-
suchsbedingungen (t = 0,45, df = 70, p = .66) und die Tendenz der Mittel-
werte geht nicht in die erwartete Richtung.
Diskussion
Die Ergebnisse sprechen überwiegend gegen das Standardmodell des KPL.
Weder die Vorhersage, dass eine Zweitaufgabe die Steuerungsleistung be-
einträchtigt, noch die Vorhersage, dass eine solche Bedingung den Erwerb
von Kausalwissen beeinträchtigt, konnte durch die Daten bestätigt werden.
Zu beachten ist dabei allerdings die relativ geringe Teststärke des Experi-
ments. Lediglich der vorhergesagte Zusammenhang zwischen Kausalwis-
sen und Steuerungsleistung zeigte sich in der st-Bedingung. Da man davon
ausgehen muss, dass die Vpn in jeder Versuchsbedingung mit unterschied-
lichen Strategien an das Problem herangegangen sind, gibt es also sehr
wahrscheinlich trotzdem Personen, deren Vorgehen mit dem Standardmo-
dell beschrieben werden kann. Dafür sprechen die Korrelationen zwischen
Kausalwissen und Steuerungsleistung und die schnelle Problemlösung
durch einige Personen. Doch die anderen Ergebnisse sprechen dafür, dass
viele Versuchspersonen einen weniger analytischen Ansatz verfolgt haben.
Was bedeuten die verschiedenen Herangehensweisen aus dem Blickwinkel
der Ökonomietendenz? Um diese Frage zu beantworten, ist eine detaillierte
Beschreibung der Vorgehensvarianten notwendig. Später sollen daraus
noch einige allgemeinere Schlüsse gezogen werden.
434 Ökonomietendenz beim komplexen Problemlösen
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438 Ökonomietendenz beim komplexen Problemlösen
TEIL III
Praxis & Anwendungen
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Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_24
442 „Therapieschulen? Da bin ich nicht dogmatisch“
Es gibt also Anlass zu der Annahme, dass es eher die Regel und nicht die
Ausnahme ist, eklektisch zu arbeiten. Durch systematische Untersuchun-
gen wurde dies mehrfach bestätigt. 1982 stellte Parloff fest, dass es damals
schon 250 verschiedene Varianten an Verfahren und Methoden für insge-
samt 150 Arten von psychischen Störungen gab. Hätte man die Effizienz
dieser Varianten störungsspezifisch testen wollen, wären 47 Millionen sta-
tistische Vergleiche erforderlich gewesen. Norcross et al. beschrieben be-
reits 1997 einen Trend zur Methodenvielfalt mit einer Abnahme der „Ad-
herence“, d.h. der Treue in der Umsetzung der eigenen Therapieschule. Sie
kamen zu dem Ergebnis, dass ca. zwei Drittel aller Therapeutinnen und
Therapeuten Techniken aus verschiedenen Schulen nutzen. Dabei kann es
sich sowohl um integrative Ansätze handeln, d.h. systematische Kombina-
tionen verschiedener Verfahren (wie z.B. primär verhaltenstherapeutische
Ansätze in der Behandlung schwerer Essstörungen, die dann von tiefen-
psychologischen, einsichtsorientierten Ansätzen gefolgt sein können).
Oder es handelt sich um ein eklektisches Vorgehen, wobei Verfahren ver-
schiedener Theorien je nach Situation und Patient genutzt werden.
Vor diesem Hintergrund könnte die Sinnhaftigkeit der streng schulenori-
entierten Aus- und Weiterbildung in Frage gestellt werden. Dies gilt umso
mehr, als es empirisch sehr gut belegt ist, dass sich die therapeutischen
Verfahren in ihrer Wirksamkeit im Allgemeinen nicht unterscheiden, was
mit dem sog. „Dodobird“-Effekt (Rosenzweig 1936) beschrieben wird.
„Alle haben gewonnen und einen Preis verdient“, lautet die entsprechende
Metapher, die auf das Wettrennen bei Alice im Wunderland zurückgeht.
Hinzukommt, dass – abgesehen von bestimmten störungsspezifischen Ab-
weichungen – die verschiedenen Methoden und Verfahren im Allgemeinen
nur bis zu 15% zum Therapieergebnis beitragen, was vielfach belegt wurde
(Lambert 2013, S. 200). Größeren oder mindestens gleichen Einfluss auf
den Therapieerfolg haben Patientenmerkmale und außertherapeutische Er-
eignisse (ca. 40%), die therapeutische Beziehung einschließlich allgemei-
ner Wirkfaktoren (ca. 30%) oder die Erwartung des Patienten (15%) (ebd.).
Rechnet man die Fähigkeit des Patienten, eine therapeutische Beziehung
aufzubauen, ein, so bedeutet das, dass der ganz überwiegende Teil des The-
rapieergebnisses, nämlich ca. 85%, durch Patientenmerkmale (!) erklärt
Isa Sammet 443
ein. Allerdings fehlt oft eine übergreifende allgemeine Theorie des Prozes-
ses. Einen Beitrag, der einen Meilenstein in der Psychotherapiegeschichte
darstellt, ist in diesem Zusammenhang Grawes „Allgemeine Psychothera-
pie“ (1995). Hier wird auf empirisch fundierter Basis beschrieben, welche
Wirkfaktoren während der Therapie aktualisiert werden müssen, um die
Wahrscheinlichkeit eines guten Therapieergebnisses zu erhöhen. Dies sind
u.a. die Realisierung einer positiven therapeutischen Beziehung, die Res-
sourcenaktivierung, die Problemaktualisierung und der Aufbau einer guten
Therapiemotivation sowie von Problembewältigungsstrategien.
Im Weiteren stellt sich aber nun die Frage, wie diese Variablen im thera-
peutischen Prozess realisiert werden können. Bei aller Bedeutung der Gra-
weschen Theorie ist festzustellen, dass sie keinen systematischen theoreti-
schen Überbau zur Beschreibung und Gestaltung des therapeutischen Pro-
zesses im Konkreten liefern kann. Wie wir oben gesehen haben, ist der
Therapieprozess von unzähligen Faktoren wie Patienten- und Therapeu-
tenmerkmalen, Settingfaktoren, Symptomschwere, Komorbidität, Stö-
rungsspezifität, therapieexternen Ereignissen etc. abhängig, die auch noch
gegenseitig interagieren. D.h. es handelt sich um einen hochkomplexen
Prozess. Haken und Schiepek (z.B. 2010) haben in diesem Zusammenhang
beschrieben, welchen Stellenwert die Theorie komplexer Systeme in der
Psychotherapie haben kann. Diese Theorie, auch „Synergetik“ genannt, er-
klärt ganz allgemein Veränderungen in der belebten und unbelebten Natur.
Sie beschreibt Wechselwirkungen zwischen Elementen eines Systems, die
miteinander in Verbindung stehen. Und sie berücksichtigt, dass Feedback-
beziehungen mit Rückwirkungen auf die Elemente eines Systems vorhan-
den sein können. Und vor allem erklärt sie, wie neue Strukturen entstehen,
wenn sich äußere Bedingungen ändern, was als Selbstorganisation be-
zeichnet wird. D.h. es wird unter dem synergetischen Blickwinkel klarer,
warum es manchmal sehr schwer und manchmal ganz leicht ist, Verände-
rungen herbeizuführen. Dies kommt immer auf die – leider im Falle der
Behandlung von Patienten manchmal pathogene – Stabilität oder Instabi-
lität des Systems an. Es liegt deswegen nahe, den psychotherapeutischen
Prozess unter dem Blickwinkel der Synergetik zu betrachten. Denn dieser
ist ja geradezu gekennzeichnet durch interaktionelle Wechselwirkungen
446 „Therapieschulen? Da bin ich nicht dogmatisch“
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452 Prozessmonitoring und Feedback in der Psychotraumatologie
Anwendungsbeispiel
Im Folgenden soll der klinische Routineeinsatz des SNS auf einer Spezial-
station für komplex traumatisierte Erwachsene anhand eines Fallbeispiels
456 Prozessmonitoring und Feedback in der Psychotraumatologie
Abb. 2: Intrusions-Item der Diary Card (durchgezogene Linie) und dynamische Komple-
xität des Suizidalitätsitems der Diary Card (gestrichelte Linie) als Indikator möglicher kri-
tischer Instabilitäten (Schiepek und Strunk 2010) im Zeitverlauf. In Phase „a“ erfolgte die
Konfrontation mit Erinnerungen an den Verrat durch die Mutter. In Phase „b“ erfolgte die
Konfrontation mit Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch, die einerseits mit einer
deutlichen vorübergehenden Exazerbation der intrusiven Symptomatik einherging, insbe-
sondere aber auch durch eine starke Zunahme der kritischen Instabilität des Suizidalitätsi-
tems begleitet wurde. Am Ende von Phase „b“ zeigt sich eine zweite Zunahme der kriti-
schen Instabilität im Kontext des Telefonats mit der Mutter. In Phase „c“ schließlich ist
abermals eine – wenn auch geringere – Zunahme der kritischen Instabilität des Suizidali-
tätsitems zu beobachten, die im Kontext eines Konflikts in der therapeutischen Beziehung
auftrat. Gegen Ende ist sowohl eine Abnahme der absoluten Belastung durch intrusive
Symptome als auch eine Abnahme der dynamischen Komplexität bezüglich der Suizidali-
tät zu beobachten.
Verrat durch die Mutter“ verwandt, bis schließlich in drei Sitzungen Erin-
nerungen an den sexuellen Missbrauch konfrontiert wurden. An diesem
Punkt nahmen die intrusive Symptomatik und die Suizidalität vorüberge-
hend extrem zu (Anstieg des Items der Diary Card „Ich hatte heute Gedan-
ken, dass ich lieber tot wäre oder mir Leid zufügen möchte“ sowie der dy-
namischen Komplexität des Items, siehe Abb. 2). Wenige Tage vor einer
ängstlich erwarteten Belastungserprobung (an Weihnachten) hatte sich
darüber hinaus die Mutter im Rahmen eines Telefonats abfällig über die
Klinik geäußert. Die als Ermutigung beabsichtigten Appelle mehrerer
Therapeuten, sie möge sich besser abgrenzen, wurden von der Patientin als
harsche Kritik und als erneuter Verrat erlebt. In einem Zustand tiefster Ver-
zweiflung beklagte sie, „wenn man mal die weiche Seite von sich zeigt,
wird man doch wieder nur in die Tonne getreten“.
Abb. 3: Wöchentliche Messungen der PTBS-Symptomatik mittels IES-R. Die linken Bal-
ken (schwarz) zeigen jeweils die Belastung durch Intrusionen (min=0; max=35), die mitt-
leren Balken (grau) die Belastung durch Vermeidung (min=0; max=40) und die rechten
Balken (weiß) die Belastung durch Hyperarousal (min=0; max=35). Der diskontinuierli-
che Verlauf der Symptomreduktion entspricht einer Verbesserung um weit mehr als zwei
Standardabweichungen. Zugleich wird deutlich, dass zum Zeitpunkt der Entlassung eine
störungswertige Symptomatik persistiert.
State des von der Mutter verstoßenen und gehassten Mädchens getriggert
wurde. Diese Interpretation führte bei der Patientin zu einem „Aha-Erleb-
nis“ und konnte gut angenommen werden. In der darauffolgenden Woche
wurde der Kontakt zu diesem im Inneren bisher abgelehnten Mädchen mit
EMDR prozessiert (Selfcare-Protokoll), was zu einer weiteren Vertiefung
der Überzeugung führte, heute besser für sich sorgen zu können. Im SNS
zeigte sich nach Bewältigung der Behandlungskrise eine skalenübergrei-
fende Besserung. Diese ging nicht nur mit einer rückläufigen Reduktion
sowohl der PTBS-Symptomatik (siehe Abb. 3) als auch der Suizidalität
einher, sondern verlief auch mit einem Musterwechsel hin zu einem Erle-
ben von mehr Selbstfürsorge und Körperakzeptanz (siehe Abb. 4).
Abb. 4: Zeitreihe des Faktors „Selbstfürsorge und Körpererleben“ des TPB (blau/durchge-
zogene Linie) sowie der dynamischen Komplexität (orange/gestrichelte Linie) des Faktors
über den gesamten Therapieverlauf hinweg. Es zeigen sich mehrere kritische Instabilitä-
ten, wobei es erst spät im Therapieverlauf zu einem stabilen Musterwechsel hin zu mehr
Selbstfürsorge kommt.
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Fartacek & Plöderl 467
Introduction
Suicidal behavior is a public health problem, with approximately 788,000
annual deaths worldwide (WHO 2015). There is a broad consensus that
suicidal behavior results from a specific process, the “suicidal process”,
which implies progression of suicidality over time (Van Heeringen 2001).
In the hope to provide a better understanding of this process and, conse-
quently, to optimize the prediction and treatment of suicide, several sui-
cidologists have suggested modeling suicidal processes within the frame-
work of nonlinear dynamic systems (e.g., Bryan and Rudd 2018; Fartacek
et al. 2016, 2019; Schiepek et al. 2011).
Theories of NDS, sometimes also termed self-organization theories or
chaos and complexity theories, are a family of interdisciplinary theories
describing, measuring, and explaining processes of NDS in different fields
of science (e.g., mathematics, physics, chemistry, psychology). Some NDS
theories deal with pattern formation in systems consisting of a large num-
ber of interrelated elements, such as the human brain or mind. Therefore,
the growing interest for such theories in psychology and psychotherapy is
obvious. In this context, Synergetics (Haken 2004) is a well-known NDS
theory to which we mainly refer.
In this chapter, we summarize a perspective on suicidal processes within a
NDS framework developed in cooperation with Günter Schiepek (Fartacek
2016; Fartacek et al. 2015, 2016, 2019; Plöderl and Fartacek 2018; Schie-
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468 The suicidal process
pek et al. 2011). As we outline in the first section, there are important anal-
ogies between the dynamic properties of NDS and suicidal processes.
Thereafter, we discuss implications for suicide prevention and suicide re-
search.
safety plan interventions target the early detection of and coping with
emerging suicidal processes (Stanley and Brown 2012). The more often
such strategies succeed, the larger the basins of functional order parameters
get, while the basin of the suicidal mode loses its attraction. This can be
facilitated by tasks, where the skills learned in therapy are played through
imagination of past and future suicidal crises.
Suicide risk assessment is an important issue for treatment and relapse pre-
vention. Within a NDS-framework, the long-term prediction of suicidal
behavior over years is a utopian aim. Instead, suicidology should focus on
the short-term prediction. Hereby, in addition to the classical warning signs
approach (Rudd et al. 2006), monitoring of (a) changes in suicide-related
control parameters and (b) nonlinear precursors (e.g., critical instabilities)
might be helpful. If the control parameters are known, feedback (e.g.,
through SNS) on exceeding critical thresholds of their values may indicate
an increased risk for the emergence of acute suicidal states. Another ap-
proach that does not require knowledge of the control parameters, is focus-
ing on the identification of critical fluctuations and synchronization within
the dynamics of suicide-related variables, i.e., the cognitions, emotions,
and behaviors of the suicidal mode. This is because, as mentioned above,
both critical fluctuations and synchronization of suicide-related variables
would be expected before the emergence of the corresponding order pa-
rameter, which may be the suicidal mode. Therefore, suicide risk assess-
ment could benefit from a high-frequency monitoring of the relevant sys-
tem elements and the real-time analysis of dynamic precursors. This ap-
proach is inspired by common practices in geophysics used for short-term
predictions of rare but extreme events, such as earthquakes or tsunamis
(Albeverio et al. 2006).
tions for suicide risk assessment and treatment of suicidal individuals. Suc-
cessful treatment requires the realization of conditions for self-organized
order transitions of the suicidal mode into functional, healthy regimes. This
change process can be guided by generic principles already applied in psy-
chotherapeutic research. Long-term predictions are impossible due to com-
plex behaviors of NDS. Instead, short-term prediction needs more attention
and should be informed by the NDS perspective (e.g., monitoring of non-
linear precursors).
Because of the substantial implications of the NDS model in understanding
and influencing suicidal processes, its empirical investigation is of high
relevance. So far, our working group has focused on the theoretical speci-
fication of an NDS model of suicidal processes, the operationalization of
central hypotheses, and the investigation of feasibility in acute psychiatric
care (Fartacek 2016; Fartacek et al. 2016; Schiepek et al. 2011). A proof
of concept study is currently being prepared to investigate the extent to
which suicidal states are preceded by increased critical fluctuations and
synchronization within the monitoring data of 17 high-risk patients (Sturm,
Plöderl, Fartacek et al. 2012). In addition, a time-series-based individual
case study is underway to examine whether an idiographic questionnaire
might increase the predictive value of critical fluctuation in comparison to
standardized questionnaires in order to predict suicide attempts. Further-
more, the actual positive impact of real-time process feedback about criti-
cal fluctuations on suicide risk assessment and treatment of suicidal indi-
viduals needs clarification. Finally, the investigation of control parameters
that may be potentially relevant to the emergence of suicidal states would
be crucial for suicide risk assessment and therapy of suicidal individuals.
474 The suicidal process
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478 Psychodramatische Aspekte der Selbstorganisation
reißt immer wieder, er greift sich dabei an den Kopf: „Wo waren wir ge-
rade?“ „Was war die Frage?“ – er fühlt sich schnell erschöpft und be-
kommt Kopfschmerzen, sein Gesicht bleibt starr. Gut versteckt sind An-
sätze des Affekts der Verachtung spürbar – „Heimliche Verachtung ist die
Emotion der Unterdrückten“, so Rainer Krause (2002, S. 122).
Obwohl ich mich bemühe, Interesse für ihn aufzubringen, gelingt es mir
nicht, das Gespräch sinnvoll zu strukturieren, es entsteht kein zusammen-
hängender Erzählfaden. Es drängt sich mir die Phantasie auf, ihn aufgeben
zu wollen oder zu müssen, nicht einfach nur bezogen auf die Behandlung,
sondern ihn grundsätzlich als gescheitert zu betrachten – ein weiteres Be-
mühen um ihn sei sinnlos. Andere im Team, so stellt sich heraus, hatten
ähnliche Gedanken, was nicht wie sonst entlastend wirkt, sondern mich
noch mehr bestürzt. Bilder der still-face Experimente gehen mir durch den
Kopf, Bilder von Babys, die eine nicht antwortende Mutter („still face“)
mit allen Mitteln zu erreichen versuchen und letztendlich resignieren.
Diese Bilder helfen mir, mitfühlender bei ihm zu sein, weniger auf eine
„geordnetes Gespräch“ zu hoffen als vielmehr im gegenwärtigen Moment
für ihn präsenter zu werden: d.h. aktiver den Augenkontakt zu suchen, be-
stätigend jede mimische Regung bei ihm aufzunehmen und zu spiegeln,
ihn also aus seiner Hülle zu locken.
Mit dieser fein abgestimmten gegenseitigen Regulierung gelingt es ihm so-
weit ins Hier und Jetzt zu kommen, dass die Arbeit auf der Tischbühne
möglich wird. Er zeigt mir mit Knöpfen minutiös die vielen Stationen sei-
nes Lebens, den Wechsel von Europa in ein arabisches Land im Alter von
5 Jahren, im Erwachsenenalter wieder zurück, die vielen aufgrund der
wechselnden Arbeitsplätze des Vaters notwendigen Ortswechsel. Es sind
mehr als 15 Stationen, mit einem Wechsel der Sprachen, der Kulturen, von
einem Ort zum anderen, ohne je Zugehörigkeit erleben zu können, nie ei-
nen Freundeskreis aufbauen können, immer wieder herausgerissen aus ei-
nem zaghaft beginnenden Vertraut-Sein. Im Erzählen seiner Geschichte
anhand der aufgelegten Stationen wird er wacher, bezogener, er übernimmt
immer mehr eine aktive Rolle („können wir da bitte weitermachen“) und
die oben geschilderte Symptomatik des Desorganisierten verschwindet.
Nicht nur, dass er die Therapiestunden von diesem Zeitpunkt an aktiv
nutzt, er hat auch für seine Frage „Wie geht das, in Kontakt kommen?“
Helmut Kronberger 483
Renate: Es war meistens so, man hat mit was Eigenem angefangen und
dann ist das immer so verbunden worden, dass da wirklich neue Erkennt-
nisse gekommen sind
Peter: ja, es findet einfach generell so eine Vernetzung statt, finde ich. Also
ich stelle mir Dinge ja oft sehr visuell vor, ich stelle mir vor, dass wir alle
so wie durch Synapsen eigentlich fast verbunden waren, und gegenseitig
aufeinander reagiert haben und dass da so eine Art Konzert fast entstanden
ist zwischen uns. Das war ein wahnsinnig schönes Gefühl für mich, mit
den ganzen, mit allen, mit jedem Einzelnen, da zu sein und das zu spüren
Interviewer: die Verbundenheit
Peter: ja, die Verbundenheit
Erika: deswegen war das manchmal auch schwer, wenn wer nicht da war
Renate: ja, und ich habe diese Verbundenheit auch noch einmal eben ganz
stark erlebt, in der vorletzten Stunde, wo es darum gegangen ist eben sein
Schutzwesen zu imaginieren, und ich habe das nicht zusammengebracht
Peter: ja, das war sehr interessant [...] wir haben uns eine Schutzperson
vorstellen müssen, ein Wesen was uns hilft in Notsituationen und du Re-
nate, du hast dir sehr schwer getan, das zu sagen
Renate: es ist mir nicht gelungen, wirklich so ein absolutes Schutzwesen,
also das ist dann selber immer zusammengebrochen, es hat immer Schwä-
chen gehabt, und das habe ich dann gesagt, dass ich das ja einfach nicht
herstellen kann, und dann hat eben die Frau E. (Gruppentherapeutin) das
aufgegriffen
Peter: „jetzt probieren wir was“, hat sie gesagt
(Renate und Peter lachen)
Renate: und die Gruppe hat dann für mich, also schon unter meiner An-
weisung, wirklich ein ganz tolles Wesen, also jeder, jeder hat dann eine
Eigenschaft von diesem Wesen dargestellt, und es war dann so ein unheim-
lich starkes Bild, was so eine Kraft entwickelt hat, und wow, was ich dann
auch mitnehmen hab können, und auch jetzt immer wieder noch einmal so
Helmut Kronberger 485
hervorrufen kann – also, was vorher überhaupt nicht so geplant war, also
das war dann eigentlich so ganz spontan …
Peter: das war die Idee von der Frau E., dass wir das mit dem Fahrzeug
machen, dieses Wesen hat sich für mich wie ein Fahrzeug angefühlt, wie
ein Fahrzeug, das was einem weiterbringt sozusagen
Renate: ja .. also für mich war es ein Drache, mit ganz vielen guten und
starken Eigenschaften, also es hat so irgendwie alle Aspekte gehabt, ja man
könnte auch sagen ein Streitwagen oder so (alle 3 lachen)
Renate: ja so was – es war so in so eine Richtung gerichtet
Peter: ja es war so
Erika: ja genau
Renate: und in Bewegung nach vorn
Peter: in Bewegung, das ist warum ich wahrscheinlich „Fahrzeug“ dazu
jetzt sage, und ich habe auch dadurch, dass du so viele Dinge genannt hast,
so viele Qualitäten, ist mir erst aufgefallen wie viel Qualitäten ein Beschüt-
zer haben kann ... jemand der dich beschützt ... und wie viel Facetten, man
selber haben kann ... sich dabei zu beschützen
Renate: ja, so eigentlich, das so in Einzelteile zergliedern, was müsste das
eigentlich haben an Eigenschaften, dieses Schutzwesen, dass dieses mich
wirklich beschützt, und dann hat jeder, eben aus der Gruppe, so eine Ei-
genschaft dargestellt, und ich habe dem dann rundherum um mich jeweils
einen Platz gegeben, wo das sein soll, und wie das sein soll, und das war
dann eben unheimlich stark, so
Peter: und man hat sich auch als Teil von dem gefühlt, also... ich habe
mich als Teil von diesem Wesen gespürt, so… und von dem ganzen Wesen
Interviewer: das klingt spannend, wie das alles ineinander geht, wie man
füreinander hilfreich wird ... wie war das denn, füreinander Rollen einzu-
nehmen, in Rollen gewählt zu werden?
Peter: ganz unterschiedlich ist das, weil teilweise fühlt man sich geehrt,
finde ich, durch das wofür man da ausgewählt wird ... teilweise fragt man
486 Psychodramatische Aspekte der Selbstorganisation
sich: warum werde ich jetzt nicht drangenommen (lacht), ich könnte das
doch so gut, oder so. Mir ist klargeworden, dass es nicht wirklich so auf
mich drauf ankommt, dass es nicht meine Schuld ist, wenn ich jetzt nicht
genommen werde, dass ich deswegen kein schlechterer Mensch bin, oder
das nicht gut kann oder so, sondern es geht darum, was ist für den grad
wichtig, und auch einfach eine Außenrolle eine helfende Rolle, ja eine hel-
fende Rolle einzunehmen … also nicht der Mittelpunkt zu sein, so, aber
trotzdem teilzuhaben
Erika: genau dasselbe würde ich auch sagen (Peter lacht)
Erika: du hast es wirklich auf den Punkt gebracht (lacht)
Es war sehr vergnüglich mitzuerleben, wie sich hier Renate, Erika und Pe-
ter im Nachhinein über ihre gemeinsamen Erfahrungen in der Gruppe aus-
tauschten. Für die Schilderung dieser Szene braucht es keine Interpretation
– es ist spürbar, wie im Erzählen im Nachhinein die Lust am Spiel noch-
mals auftaucht und die Szene lebendig wird. In den Begegnungen auf der
Spielbühne im Als-Ob-Modus (surplus-reality) werden allgemeine Wirk-
faktoren der Gruppentherapie in sehr verdichteter Form sichtbar: Es ist von
Kohäsion die Rede (Verbundenheit, Zusammenhalt, Vertrauen), von Selb-
stöffnung, interpersonalem Lernen, Einsicht, Altruismus, Identifikation
mit anderen, Ressourcenaktivierung und Problemaktualisierung. Diese all-
gemeinen Wirkfaktoren werden allerdings erst in Verbindung mit den spe-
zifischen Wirkfaktoren, in diesem Falle der psychodramatischen Techni-
ken samt spontanem Änderungsvorschlag der Gruppentherapeutin akti-
viert (vgl. Eder-Hutzler 2019).
Für die Gruppenmitglieder hat sich das Erleben von Gegenseitigkeit, des
sich wechselseitig Wahrnehmens und des Sich-Verbunden-Fühlens durch
die szenische Gestaltung im Raum und die Verkörperung quasi in ein Kör-
pergedächtnis eingeschrieben. Fast durchgängig berichten PatientInnen in
den Interviews, dass sie durch das Erleben der surplus reality die gespiel-
ten Szenen detailgenau „abgespeichert“ hätten und in neuen sozialen Situ-
ationen quasi hilfreich „abrufen“ könnten.
Helmut Kronberger 487
Epilog
Die therapeutische Arbeit im stationären Setting ist geprägt von einem
Spannungsfeld: In der Begegnung mit den PatientInnen handeln wir in pro-
fessionellen Rollen, zeigen uns gut abgegrenzt, sind von unseren jeweili-
gen Techniken und Methoden überzeugt, was als Allegiance einen wichti-
gen Wirkfaktor darstellt. Gleichzeitig ist unsere Arbeit von persönlicher
Hingabe geprägt und wir bekommen auch viel zurück: PatientInnen bezeu-
gen uns viel Dankbarkeit und innerhalb des Teams erleben wir unsere Ar-
beit als bereichernd und gegenseitig befruchtend. Sich zwischen therapeu-
tischer und persönlicher Rolle zu bewegen, zwischen therapeutischer Pro-
fessionalität und persönlichem Engagement ist oft ein Balanceakt. Mit
Lewis Hyde könnte man sagen, wir bewegen uns gleichzeitig in zwei Wel-
ten: in der Marktwirtschaft und in einer Gabenökonomie. „Gabentausch ist
immer dann der bevorzugte innere Prozess, wenn die Psyche der Einheit
bedarf“, so Lewis Hyde (2008, S. 89). Er schreibt dem Gabentausch ein
erotisches Moment zu mit Bindungswirkung, er stiftet also Zusammenhalt.
Damit ist die Verbindung zur sozialphilosophischen Resonanztheorie von
Hartmut Rosa (2016) hergestellt: Dieser Zusammenhalt kann in seinem
Sinne als Resonanzbeziehung auf der horizontalen Resonanzachse verstan-
den werden. Ohne Liebe, Achtung und Wertschätzung ist für viele unserer
PatientInnen der Draht zur Welt stumm geworden, so Rosa, was mit dem
Erleben von Entfremdung einhergeht. Resonanz sei eine „Form der Welt-
beziehung, in der sich Subjekt und Welt gegenseitig berühren und zugleich
transformieren“ (S. 298) und somit auch gegen Entfremdung wirksam.
Bei Andreas Weber heißt es: „Alle Wahrnehmung ist Berührtsein, und al-
les Berührtsein ist Metamorphose“ (2014, S. 114). In seinen Büchern ent-
wirft Weber eine Theorie der Lebendigkeit, die ebenso wie der sozialphi-
losophische Ansatz von Rosa anschlussfähig ist an die Grundgedanken
Morenos, beide Ansätze können die therapeutische Philosophie nicht nur
des Psychodramas bereichern. Auch für ihn gilt, dass Beziehung zählt,
nicht Substanz. Das letzte seiner sechs „Axiome eines erotischen Weltbil-
des“ könnte aus der Feder Morenos stammen, es lautet: „Alles, was von
dieser Welt ist, sehnt sich nach weiteren Berührungen, um stärker und in-
niger bezogen und damit tiefer gehend selbst zu sein“ (Weber 2014, S. 38).
488 Psychodramatische Aspekte der Selbstorganisation
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Helmut Kronberger 489
Therapiefeedback
Speziell weniger wirksame Therapeutinnen und Therapeuten können von
kontinuierlichem Therapiefeedback profitieren (de Jong et al. im Review).
Erhalten sie rechtzeitig eine Rückmeldung darüber, wie ihre Klienten die
Entwicklung einschätzen und ob sich Fortschritte abzeichnen oder nicht,
haben sie die Möglichkeit, das Vorgehen zu hinterfragen und zu korrigie-
ren. Solche Korrekturmöglichkeiten und andere Optionen zur Prozessun-
terstützung erscheinen dringend geboten, wenn man die in unterschiedli-
chen Studien vorgelegten Zahlen über unwirksame Therapien zur Kenntnis
nimmt. Fischer-Klepsch et al. (2009) beispielsweise berichten über 10 bis
50% „non-responder”, 5 bis 15% Verschlechterungen und bis zu 47%
„drop-outs“, also vorzeitigen Therapieabbrüchen. Therapeuten überschät-
zen ihre Effekte häufig und betrachten den Prozess mit der rosaroten Brille,
d.h. sie haben keine Wahrnehmung für Frühwarnindikatoren von Ver-
schlechterungen oder Abbrüchen (Hatfield et al. 2010; Sapyta et al. 2005).
Egon Bachler 493
von fast allen, die praktisch mit dem SNS arbeiten, sehr positiv beurteilt
wird. In letzter Zeit hat die ästhetische Qualität der Auswertegraphiken so-
gar zu einer künstlerischen Perspektive auf das Prozessmonitoring geführt
(Schiepek 2018; s. die Ausstellungen „Menschliche Metamorphosen“, Kli-
nik Christophsbad Göppingen und „Wie das Neue in unsere Welt kommt“,
Technische Hochschule Ulm, 2019).
Ein wesentlicher Aspekt nach wie vor bestehender Widerstände betrifft die
Möglichkeit, dass Versicherungen, Krankenkassen und Versorgungsträger
das Monitoring zu Kontrollzwecken missbrauchen könnten. Dies ist aller-
dings in unserem Umfeld der SNS-Nutzer noch nicht passiert und ist auch
angesichts der Datenverschlüsselung (im SNS sind z.B. weder Klienten-
noch Therapeutennamen noch Diagnosen hinterlegt) höchst unwahrschein-
lich, wobei es vor allem nun an den Kassen und Trägern liegt, gegenüber
PsychotherapeutInnen Vertrauen herzustellen. Der Einwand, computerba-
siertes Therapiemonitoring könnte die Therapiebeziehung beeinträchtigen,
wurde bereits angesprochen. Die Studie von McClintock et al. (2017) so-
wie umfassende Praxiserfahrungen zeigen das Gegenteil, nämlich eine
Verbesserung der Beziehung und des professionellen Vertrauensverhält-
nisses. Wenn TherapeutInnen eigene Erfahrungen mit dem Therapiefeed-
back machen, verändern sich ihre Einstellungen in der Regel zum Positiven
(Lutz et al. 2012), wobei entsprechende Weiterbildungen, wie sie etwa für
die Nutzung des SNS und den damit verbundenen personalisierten Thera-
pieansatz (Synergetisches Prozessmanagement) angeboten werden, unum-
gänglich sind. Auf Seiten der Klienten sind die Compliance-Raten erstaun-
lich hoch. Schiepek et al. (2016a) berichten von 78% über alle diagnosti-
schen Gruppen (Median 89%) im stationären Setting.
(z.B. Haken und Schiepek 2010). Diese Auffassung ist kompatibel mit psy-
chodynamischen und psychoanalytischen Konzepten, welche die Bezie-
hung und Begegnung als wesentlich erachten (vgl. Kronberger und Aich-
horn 2015; Kronberger in diesem Band). Therapiefeedback unterstützt die-
sen Prozess in mentalisierungsfördernder Weise und nimmt auch die Be-
ziehungsgestaltung in den Blick. Schon Freud (2013) sprach von Heilung
durch Beziehung, in seinem Sinne als Übertragung und Gegenübertragung,
welche sich in ihrem nichtlinearen Zusammenspiel als selbstorganisie-
rende Prozesse entfalten (Strunk und Schiepek 2006). Reik (1948) fordert
hierfür ein „Hören mit dem inneren Ohr”, was angesichts chaotischer The-
rapieprozesse (Strunk und Schiepek 2014) eine therapeutische Haltung der
Offenheit und Überraschungsbereitschaft erforderlich macht. Jones (2000,
S. 565) formuliert es wie folgt: „The mutative effects of insight (interpre-
tation) and relationship are always interconnected. […] Interaction struc-
tures – repeated, mutually influencing interactions between therapist and
patient – are a fundamental aspect of therapeutic action.” Therapeutische
Handlungen sind charakerisierbar durch „responsiveness, transference-
counter-transference, enactments, and intersubjectivity” (Jones 2000,
S. 16). Ähnliches hat bereits Freud in seinen technischen Schriften (z.B.
2013) ausgeführt. Inzwischen ist die Bearbeitung von Übertragung und
Gegenübertragung auch empirisch als Beitrag zum Therapieeffekt erkannt,
mit einer Korrelation von r = .56 oder einer Effektstärke von d = 1,3 (Meta-
Analyse von Hayes et al. 2011). Gelso et al. (2002) verwiesen auf die Rolle
der Selbstwahrnehmung des Therapeuten, der Bearbeitung eigener Ängste,
seiner Empathie, und der Fähigkeit, den Therapieprozess unter dem Ge-
sichtspunkt der Gegenübertragung zu planen – alles Aspekte, die den Ein-
satz von Therapiefeedback nicht nur aus Klientenperspektive, sondern
auch aus Therapeutenperspektive sinnvoll erscheinen lassen. Die Psycho-
dynamik des Therapeuten ließe sich damit bewusster gestalten und die oh-
nehin wichtige Rolle der Therapiebeziehung weiter optimieren (Horvath et
al. [2011] berichten in einer Meta-Analyse über 14.000 Therapiefälle von
einer Korrelation zwischen „working alliance“ und Outcome von r = 0,28,
was einer Effektstärke von d = 0.5 entspricht).
496 Erfahrungen eines Psychoanalytikers mit Prozessfeedback
Scale (IES-R, Maercker und Schützwohl 1998) monatlich und die Session
Rating Scale (Duncan et al. 2003) nach jeder Sitzung (ungefähr wöchent-
lich) aus. Wie in Abb. 1 erkennbar, nehmen die Intrusionen und andere
traumabezogene Symptome über einen Zeitraum von fast 2 Jahren konti-
nuierlich ab, bis es zu einer spontanen Zunahme der traumabezogenen
Sympotome kommt, die über mehrere Monate ihr Erleben prägen. Wäh-
rend dieses Zeitraums kommt es auch zu einem Einbruch der erlebten The-
rapiebeziehung, was am Rückgang der Werte der Session Rating Scale zu
erkennen ist. Vor diesem Zeitraum wurde die Therapiebeziehung mit Aus-
nahme einiger kurzer Einbrüche während der ersten Monate (Crisis-Repair
Sequenzen) als stabil gut beurteilt. Nach mehreren Monaten verstärkter
Traumapräsenz (Flashbacks, Intrusionen) und gleichzeitig verringerter Be-
ziehungsqualität stabilisierte sich der Prozess in den letzten Wochen wie-
der. Aus meiner Sicht wurde diese Dauerkrise durch einige Interpretatio-
nen und Konfrontationen meinerseits ausgelöst, welche schwierige und an-
haltende Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse („Enttäuschun-
gen“) einleiteten. In der folgenden Zeit konnten die Missbrauchserfahrun-
gen und belastenden Beziehungserfahrungen mit der Mutter einschließlich
der Gefühle von Wut und Hass bearbeitet werden, aber auch ihre ambiva-
lente Haltung der Therapie gegenüber.
Abb. 1: Die Entwicklung des Scores „Intrusionen“ der Impact of EventScale (gestrichelte
Linie) und die Entwicklung der therapeutischen Beziehung (Session Rating Scale, durch-
gezogene Linie) im Verlauf von 2 Jahren.
500 Erfahrungen eines Psychoanalytikers mit Prozessfeedback
Abb. 2: (a) Zeitreihe der täglichen Einschätzungen des Faktors „Therapeutische Fort-
schritte/Zuversicht/Selbstwirksamkeit“. Die gestrichelte Linie zeigt die dynamische Kom-
plexität dieser Zeitreihe, mit einem Peak im ersten Fünftel des Verlaufs. Es handelt sich
um eine Periode der kritischen Instabilität vor einer Stabilisierung des Prozesses. (b) Die
Entwicklung der „Veränderungsmotivation“ (Faktor im TPB). Synchron zum Faktor
„Fortschritte“ ist die deutlichste Veränderung im ersten Fünftel der Therapie zu erkennen.
Egon Bachler 501
Fazit
Meine eigenen Erfahrungen bestätigen die vieler Kolleginnen und Kolle-
gen in verschiedenen therapeutischen Settings, sowie auch Befunde der Li-
teratur. Feedback, vor allem hochfrequentes Feedback inclusive der damit
verbundenen regelmäßigen Feedbackgespräche verbessern die zielgerich-
tete Zusammenarbeit (nach Wampold [2015] einer der wesentlichen Wirk-
faktoren), und unterstützen die Selbstwahrnehmung und Emotionsregula-
tion der Klienten. Rückmeldungen über die erlebte Therapiebeziehung ma-
chen es möglich, diese offen zu thematisieren und auch Kritik an dieser
sowie am Vorgehen zu einzubringen, also „alliance ruptures“ zu erkennen
und konstruktiv zu bearbeiten. Das SNS bietet mit einer spezifischen Am-
pelfunktion und verschiedenen Analysetools die Möglichkeit, Frühwarn-
zeichen von kritischen Instabilitäten und Ordnungsübergängen zu erken-
nen, wie sie vor Krisen, Verschlechterungen und „drop outs“ auftreten,
aber auch vor positiven Entwicklungen. Vor allem tägliche Selbsteinschät-
zungen liefern die Datenbasis für nichtlineare Analyseverfahren, wie sie
im SNS implementiert sind. Dies gibt Hinweise auf dynamische Phäno-
mene, für die wir üblicherweise kein Sensorium haben, und ergänzt damit
auch die Einsichten, die wir aus der Gegenübertragung gewinnen können.
Nach 25 Jahren praktischer Erfahrung als Therapeut und Analytiker würde
ich sagen, dass man weder die eigene Gegenübertragung noch seine Intui-
tion überschätzen sollte. Es gibt auch aus analytischer Sicht kaum sinnvolle
Einwände gegen ein breit angelegtes Prozessfeedback (nicht nur auf den
Outcome bezogen): Die Beziehung würde sich verschlechtern? Die Usabi-
lity sei nicht ausreichend? Die Datensicherheit sei nicht gegeben? All das
lässt sich inzwischen widerlegen. Fakt ist allerdings, dass viele Kollegin-
nen und Kollegen über komplexe, selbstorganisierende Prozesse in der
Therapie kaum Bescheid wissen.
502 Erfahrungen eines Psychoanalytikers mit Prozessfeedback
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512 Komplex und einfach – geht das zusammen?
haben mag, für mich war es ein „Aha-Erlebnis“ und darüber hinaus pio-
nierhaft ein Markstein für das, was systemische Therapie auch jenseits der
Therapieschule bedeuten und beinhalten könnte.
Forscher: Danke, danke. Aber das Alles ist ja nicht alleine auf meinem
Mist gewachsen.
Therapeut: Ja, Du denkst hier wahrscheinlich u.a. an die „Allgemeinen
Wirkfaktoren“ auf die nicht genügend hingewiesen werden kann. Darüber
hinaus gehend eröffnete sich mir aber mit den „Generischen Prinzipien“
ein vereinfachendes Erkenntnis- und Handlungsmodell, in welchem sich
meine Therapieprozesse so nachverfolgen und nachzeichnen ließen, dass
ich mich in meinem Tun in diesen 1:1 wiedererkennen konnte. Auch wenn
man, um therapeutisch erfolgreich zu sein, nicht zwingend eine Landkarte
braucht, hast Du damit eine Art von offener „Partitur“ vorgelegt, die ins-
besondere auch Lernenden helfen kann, passende, manchmal auch verblüf-
fend einfache Entscheidungen von Klienten überhaupt zu erkennen und
solche im fortlaufenden Therapieprozess auch selber zu fällen. Mit ein
Grund, warum ich später in meinem Buch „Erfasse komplex, handle ein-
fach“ – zu dem Du mir ja Mut gemacht und die Türe zum Verlag geöffnet
hast – vorwiegend Fallbeispiele transkribiert und diese entlang der Gene-
rischen Prinzipien step by step kommentiert habe. – Dass Einfaches nun
aber nicht noch einfacher gemacht werden darf, hat schon Einstein gefor-
dert. In diesem Sinne schließe ich mich Wolfgang Loth an, der mir einmal
schrieb: „Je länger ich diese intensive Auseinandersetzung mit der Theori-
enwelt pflege, desto freier werde ich in der praktischen Arbeit“ und unter-
strich damit die schon bald 70 Jahre alte Weisheit von Kurt Lewin, dass
„es nichts Praktischeres gibt als eine gute Theorie.“
Forscher: Das freut mich natürlich. Dies umso mehr als ich unsere For-
schung als praktische verstehe, auch wenn ich damit, wie Du weißt, auch
in unserer community auf hartes Brot beiße. Manchmal scheint mir sogar,
dass ich mich – insbesondere auch unter Systemikern – in einem anderen,
wenn gegen außen auch gleich etikettierten Universum bewege…
Therapeut: Ja, den Eindruck, dass es sich dabei um zwei unterschiedlich
geregelte, oft sogar voneinander gänzlich abgekoppelte Sinn-, Sozial- und
Kommunikationssysteme handelt, teile ich. Nicht zuletzt darum verstehe
Martin Rufer 513
und bewege ich mich mit „meinen zwei Seelen in der Brust“ oft als Über-
setzer und Brückenbauer in zwei unterschiedlichen Welten. Allerdings
kann man sich auch damit als Überläufer und Nestbeschmutzer, in die Nes-
seln setzen. – Und das mit den Etiketten ist ja so eine Sache, denn nicht
immer ist auch drin, was drauf steht. Das gilt übrigens nicht nur für die
systemische Therapie. Wir beide haben diesbezüglich ja mit der Schreib-
weise versucht, einen Unterschied zu machen zwischen Systemischer The-
rapie mit großem S als spezifisches Verfahren einerseits und integrativ ver-
standener systemsicher Therapie mit kleinem s andererseits. Ob sich diese
Unterscheidung auf die Länge etablieren wird, muss sich zeigen. Schon
Klaus Grawe ja mit der „Allgemeinen Psychotherapie“ (großes A) ver-
sucht, sein integratives Modell im Mainstream zu positionieren (kleines a).
Bisher etabliert hat sich aber m.E. leider nur das nach ihm benannte (spe-
zifische) Verfahren (mit großem A). Was aber das aus der systemtheoreti-
schen Komplexitätsforschung generierte Wissen und im Speziellen die
Theorie der Selbstorganisation anbetrifft, habe ich auch aus Sicht des
Therapeuten keine Zweifel, dass diese sich nicht nur wie schon in der Neu-
rowissenschaft, sondern auch in den Humanwissenschaften als neues Pa-
radigma etablieren wird. Dies allerdings wäre dann in der Tat, durch alle
Anfechtungen hindurch und über Jubiläen hinaus, eine, wenn auch späte,
Ehre für Dich.
Forscher: Danke für die Blumen. Ich nehme sie gerne, denn oft spüre und
sehe ich mehr die Dornen als die Rosen. Obwohl uns beiden aus wissen-
schaftlicher wie praktischer Sichtweise heraus klar ist, dass die schulen-
spezifische Orientierung in der Psychotherapie obsolet geworden ist, weist
der, nach wie vor an den Verfahren orientierte Anerkennungsprozess, nach
wie vor in eine andere Richtung...
Therapeut: Und in einem erweiterten Zusammenhang teile ich als Psycho-
therapeut die Sorge von Michels, der vor kurzem in einem Artikel in der
Zeitschrift „Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis“ geschrieben hat:
„Die Initiativen laufen, wenn sie planmäßig umgesetzt werden sollten, auf
eine noch stärker biologisch-neurowissenschaftlich orientierte psychiatri-
sche Forschung hinaus. Es ist zu befürchten, dass psychologisch und sozi-
alwissenschaftlich begründete Ansätze noch weiter ins Hintertreffen gera-
ten.“ Dem gilt es das entgegen zu setzen, was der Soziologe Peter Fuchs in
514 Komplex und einfach – geht das zusammen?
seinem Buch „Die Verwaltung der vagen Dinge“ einmal treffend formu-
liert hat: „Wenn Psychotherapie in der Medizin aufgeht, hat sie aufgege-
ben.“ Für mich ein unmissverständlicher Appell an Therapeuten und For-
scher auch in Sachen Wissenschafts- und Berufspolitik, die immer auch
Machtpolitik ist, nicht abseits zu stehen. Und wenn die systemische The-
rapie darauf Antworten hat, soll sie Teil dieses, auch selbstkritischen Dis-
kurses sein.
Forscher: Nun, ich für meinen Teil versuche vor Ort, aber auch als Rei-
sender und Publizierender in dieser Sache Zeichen zu setzen für ein genuin
humanistisches Anliegen – immer auch auf der Suche nach Bündnispart-
nern.
Therapeut: Was Deine Publikationen anbetrifft, da allerdings macht Dir
keiner so schnell was nach. Die müssten wohl schon eher gewogen als ge-
zählt werden, auch wenn Vieles davon weder im Mainstream der Psycho-
therapieforschung noch beim Gros der Therapeuten richtig angekommen
ist. Ich selber würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich davon den Lö-
wenanteil gelesen, geschweige denn diese, in großer Differenziertheit und
Komplexität geschriebenen Texte auch gänzlich verstanden hätte.
Forscher: Das musst Du auch nicht. Ich denke aber, dass wir mit unserer
Praxisforschung und dem internetbasierten SNS eigentlich ein einfaches
Instrument geschaffen haben, das Therapeuten und Patienten mittels diffe-
renzierten Zeitreihenanalysen helfen kann, besser zu verstehen und navi-
gieren, was in, aber auch außerhalb der Therapiestunden geschieht und be-
deutsam ist.
Therapeut: Ich zweifle nicht daran, dass heute, wo Paarforscher sogar die
Liebe vermessen und Online-Therapien sich mit ansehnlichem Erfolg ver-
breiten, auch wir PsychotherapeutInnen weder an der Mathematik noch an
der Nutzung digitaler Medien vorbeikommen. Dass ein international aner-
kannter Psychotherapieforscher wie Bruce Wampold Deinen diesbezügli-
chen Ansatz in einem Panelbeitrag auf dem Heidelberger Forschungskon-
gress im letzten Jahr als „Therapie der Zukunft“ titulierte, müsste auch Kri-
tiker und Skeptiker aufhorchen lassen. Trotzdem: Die Arbeit mit dem SNS
Martin Rufer 515
auch zu fördern, sich aber im Blick auf die Grenzen der Machbarkeit auch
zu bescheiden. Oft ist das „Leben ja gar nicht so, sondern ganz anders als
man denkt“, hat Tucholsky einmal gesagt. Auch wenn die Systemtheorie
sensu Synergetik nicht alle Geheimnisse lüften kann, ist sie ein Schlüssel
zum Verständnis von Wandel als einer Türe, die sich nur von innen, d.h.
von den Patienten und Klienten öffnen lässt... Und genau hier liegt das
Einfache im Komplexen oder wie es der Schweizer Schriftseller Franz
Hohler in seinen Poetik-Vorlesungen (Das Kurze, das Einfache, das Kind-
liche) sagt: „Das Einfache ist nicht das Simple, sondern es ist das Kom-
plexe, das sich nichts anmerken lässt.“ Unser Metier betreffend heißt dies,
das Augenmerk auf die Mikroprozesse im Rahmen der viel beschriebenen,
aber kaum konkretisierten therapeutischen Beziehung zu richten. Oder wie
es Daniel Stern, kein Systemtherapeut i.e. S., aber als Psychoanalytiker und
als Forscher ein Synergetiker, treffend geschrieben hat: „Die Realität wird
erst erkennbar, wenn man sich diese Ebene der Mikrovorgänge sehr genau
anschau.“ – In diesem achtsamen Tun sind aber nicht nur wir Therapeuten
gefordert, Augen und Ohren zu öffnen, sondern genauso steht auch ihr als
Forscher in der Pflicht, Komplexes verständlich und auf solche Art an-
schlussfähig zu machen, dass auch erfahrene und kundige Therapeuten ihr
Können und Wissen, das sie seit Jahrzehnten mit gutem Erfolg „einfach
tun“, einbringen können: z.B. ihre Erfahrung, dass komplexe Probleme oft
einfache Lösungen nahe legen. Aber wem sag ich das, als einem mit seinen
Wurzeln auch in der lösungsorientierten Therapie…
Forscher: Und in diesem Sinne lässt sich all das bisher Gesagte über das
Einfache im Komplexen und das Komplexe im Einfachen auch gar nicht
mehr eindeutig dem Praktiker bzw. dem Forscher zuordnen, ein „scientist-
practitioner“-Modell in seinem besten Sinne, oder etwas hipper: „Reduce
to the max, hold the vision and trust the process.“
Therapeut: Ja, was soll ich da noch anfügen… außer ein letztes Wort direkt
und persönlich zu Dir, lieber Günter: Ich gratuliere Dir ganz herzlich nicht
nur zu Deinem 60. Geburtstag, sondern zu Deinem unermüdlichen Schaf-
fen von Bedingungen für die Etablierung der Selbstorganisation in den Hu-
manwissenschaften. Dies in guter Erinnerung an unsere Begegnungen als
„Therapeut und Forscher“, aber auch an die persönlichen, auch anlässlich
meines 60. vor fast 10 Jahren. Verbunden mit dem Wunsch, dass wir uns,
Martin Rufer 517
sozusagen mit Duncan und Millers „heart and soul of change“ im Gepäck,
noch lange in einem inspirierenden, heiteren und kritischen, v.a. aber
freundschaftlich geführten Dialog erhalten bleiben.
518 Komplex und einfach – geht das zusammen?
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Christiane Schiersmann 519
Zwar liegen für das Feld der personen- und organisationsbezogenen Bera-
tung noch keine so umfangreichen Studien vor wie für die Psychotherapie.
Für die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Beratungsbereich sprechen
jedoch verschiedene Punkte: So überwiegen die Gemeinsamkeiten zwi-
schen diesen beiden Interventionsformen gegenüber den Unterschieden.
Die Ziele, die jeweiligen Menschenbilder und die Methoden sind weitge-
hend identisch. Außerdem handelt es bei den therapeutischen bzw. berate-
rischen „Schulen“ überwiegend um Anwendungsfelder wissenschaftlicher
Theorien. So basiert z.B. die Verhaltenstherapie ebenso wie die Verhal-
tensberatung auf der Lerntheorie. Für Rogers (2004) stand die Suche nach
Prinzipien für ein hilfreiches Gespräch im Mittelpunkt – unabhängig da-
von, ob es sich um Therapie, Beratung oder allgemeine Kommunikation
(auch im politischen Bereich) handelt. Als zentraler Unterschied zwischen
Therapie und Beratung kann die Störungstiefe angeführt werden. So sind
Personen bzw. größere soziale Systeme, die Beratung in Anspruch neh-
men, im Alltag im Prinzip handlungsfähig. Sie haben zu einem bestimmten
Aspekt einen Klärungsbedarf. Demgegenüber ist bei Patienten der Psycho-
therapie in der Regel die Bewältigung des Alltags nachhaltig beeinträch-
tigt.
Die skizzierten Forschungsergebnisse legen die Orientierung an Wirkprin-
zipien statt an „Schulen“ und den Bezug auf theoretisch gut begründete
und empirisch abgesicherte Metatheorien nahe (vgl. u.a. McLeod 2004).
Diese Entwicklung ist sowohl in der Therapie (vgl. z.B. Orlinsky et al.
Christiane Schiersmann 521
(vgl. Simon 2003, S. 52). Das Abarbeiten dieser Phasen (unter Verwen-
dung jeweils spezifischer Methoden) stellt einen prozessualen Erfolgs-
bzw. Wirkfaktor dar.
Abb. 1: Integratives Prozessmodell für die Beratung (in Anlehnung an Schiersmann und
Thiel 2018, S. 66)
Christiane Schiersmann 525
Tab. 1: Generische Prinzipien (in Anlehnung an Schiermann und Thiel 2018, S. 61)
2
Die Reihenfolge wurde gegenüber dem Original von Haken und Schiepek (2010) verän-
dert (s. Näheres dazu in Kapitel 3.3.2).
528 Das integrative Heidelberger Prozessmodell für Beratung
(s. die Klammer unten auf der Abb. 1). Systematische Reflexionsprozesse
sollten in unterschiedlichen Phasen einer Beratung angeregt werden und –
bei einer Organisationsberatung – auf den unterschiedlichen Ebenen einer
Organisation stattfinden (z.B. eines Projektteams, einer Abteilung, des
Topmanagements/Vorstands oder der Gesamtorganisation). Der Reflexi-
onsprozess kann als verunsichernder, aber auch kreativer Prozess charak-
terisiert werden (vgl. Thiel 2016). Auf der Basis der Herausarbeitung neuer
Perspektiven und ihrer begründeten Bewertung (= Reflexion) können und
sollten (fundiertere) Entscheidungen getroffen und weitere Planungen in
Angriff genommen werden.
Von einigen Autoren wird Reflexion als zentrales charakteristisches Merk-
mal von Beratung in verschiedenen Formaten definiert und als basale
Kompetenz in unserer komplexen Gesellschaft eingestuft. So betont z.B.
Greif (2008) die Bedeutung ergebnisorientierter Selbstreflexion beim
Coaching. Moldaschl (2010, S. 298) spricht von „reflexiver Organisations-
beratung“ und charakterisiert die Reflexion als „dauernden Drahtseilakt“
zwischen „systematischem Zweifel und zweckrationalem Handeln“. Tiefel
(2004) hat in ihrer Dissertation über Erziehungs- und Familienberatung
empirisch unterschiedliche Modi der Reflexion herausgearbeitet.
Wenngleich der Begriff der Reflexion im Beratungskontext häufig benutzt
wird, erscheint das Konzept der Reflexion als angemessener Umgang mit
Komplexität konzeptionell wenig ausdifferenziert. Nur sehr wenige ein-
schlägige Veröffentlichungen fassen diesen Begriff systematisch, Defini-
tionen und Methodeneinsatz fallen sehr unterschiedlich aus. Von den Au-
toren der beiden zugrunde gelegten Metatheorien weist Dörner (2016, S.
139f.) der Selbstreflexion im Wesentlichen nur bei der Phase der Überprü-
fung des Planungsfortschritts eine Rolle zu. Beim Ansatz der Synergetik
bzw. der modernen Selbstorganisations- und Chaostheorie (vgl. Haken und
Schiepek 2010; Strunk und Schiepek 2014) wird dieser Begriff gar nicht
explizit benannt. Bei Autoren, die sich mit den Erfolgsfaktoren von Orga-
nisationsentwicklung (OE) auseinandergesetzt haben (z.B. Kotter 1995;
Gerkhardt und Frey 2006) fehlt der Begriff ebenfalls. In den sog. „Bera-
tungsschulen“ (z.B. personen-, verhaltens-, system- und lösungsorientierte
Beratungskonzepte) ist der Begriff ebenfalls wenig elaboriert. Weiter ist
zu konstatieren, dass – wohl mit der Perspektive der Professionalisierung
Christiane Schiersmann 531
Prozesserfassung
Die Prozesserfassung (s. untere Linie in Abb. 1) bezieht sich zum einen auf
Forschung, zum anderen aber auch auf die Evaluation der Praxis durch die
Beratenden. In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass der Bera-
tungsprozess immer noch weitgehend einer Black Box gleicht. Daher sind
Mikroanalysen dieser Prozesse wichtig. Als ein Instrument dafür hat sich
das Synergetische Navigationssystem (SNS) bewährt (Schiepek et al.
2018a, b ; vgl. für die Beratung: Schiersmann et al. 2015; Schiersmann und
Wahl 2018).
Systemisch ausgerichtete Prozessforschung erweist sich als extrem an-
spruchsvoll: Zum einen müssen die vielfältigen konkreten Interaktionen
zwischen Ratsuchenden und Beratenden und ihre Wechselwirkungen er-
fasst werden. Zum anderen wäre es wichtig, Veränderungen der Kontext-
bedingungen im Zuge des Prozesses zu berücksichtigen. Goldstandards aus
Medizin und Psychotherapie (randomisierte kontrollierte Studien, RCT) in
Bezug auf die Prozess-/Outcomeforschung werden daher in der Beratung
kaum erreichbar sein. Im Vordergrund sollten zunächst Einzelfallstudien
und Längsschnittanalysen stehen. Einen guten Orientierungspunkt bietet
dafür das Scientist-Practitioner-Model, d.h. die intensive Zusammenarbeit
zwischen Praxis und Forschung.
Die verschiedenen Elemente des hier skizzierten Gesamtmodells von Be-
ratung können von Praktikern als Checkliste zur systematischen Reflexion
und Evaluation des eigenen Beratungshandelns genutzt werden.
Fazit
Das integrative Heidelberger Prozessmodell für Beratung reagiert auf die
Ergebnisse der Psychotherapieforschung, denen zufolge die einzelnen
„Schulen“ nur in sehr geringem Umfang die Ergebnisse erklären. Dies legt
die Suche nach allgemeinen Wirkprinzipien auch für die Beratung nahe.
Das vorgestellte Prozessmodell basiert sowohl auf dem phasenorientierten
Konzept der Problemlöseforschung als auch auf der Theorie der Selbstor-
ganisation und schreibt zudem der Reflexion einen zentralen Stellenwert
zu. Die Bedeutung von zu bearbeitenden Phasen/Arbeitsschritten als eher
536 Das integrative Heidelberger Prozessmodell für Beratung
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538 Das integrative Heidelberger Prozessmodell für Beratung
Unternehmen sind soziale und damit komplexe, adaptive Systeme. Sie be-
stehen selbst aus ineinander verschachtelten, sich gegenseitig beeinflus-
senden Systemen (Abteilungen, Teams, etc.). Somit ist Selbstorganisation
im Unternehmenskontext auf verschiedenen, miteinander in Wechselwir-
kung stehenden Ebenen ein sehr zentrales Phänomen.
Es steht zudem die Hypothese im Raum, dass die Welt immer komplexer
wird. Diese aus Unternehmenssicht externe Komplexität bezieht sich auf
ökonomische, technologische, soziokulturelle, ökologische und politisch-
rechtliche Entwicklungen und das Marktumfeld, d.h. existierende und neue
Wettbewerber, Substitute, Kunden und Lieferanten (Porter 1980). Der ex-
ternen steht die interne produktgetriebene, prozessgetriebene und organi-
sationale Komplexität gegenüber (Mack et al. 2016, S. 12).
Ashby’s Law of Requisite Variety (Ashby 1956, p. 206ff) besagt, dass ein
steuerndes System mindestens den gleichen Grad an Wirk-, Handlungs-
und Kommunikationsmöglichkeiten aufweisen muss wie ein komplexes,
zu steuerndes System. Wie können Organisationen also adäquat auf die
zunehmende externe Komplexität reagieren? Der Einzelne ist immer mehr
überfordert und es braucht die Bildung intelligenter Netzwerke als Antwort
auf die Herausforderungen einer vernetzten Welt (Kruse 2004). Das impli-
ziert Anpassungen in der Aufbau- und Ablauforganisation und vor allem
auch die Bereitschaft, sich von einer noch weit verbreiteten Planungs-, und
Steuerungsillusion zu verabschieden (Haken und Schiepek 2010; Kühl
2015b, 2018).Viele Unternehmen sind allerdings nach wie vor stark ge-
prägt durch ein strukturelles und kulturelles Erbe, das den Anforderungen
der Zukunft nicht gerecht wird, da es auf einem mechanistischen Weltbild
beruht, dessen Ursprünge bei Organisationsmodellen wie dem Scientific
Management von Taylor (Kieser 2016b), dem Fordismus (Kühl 2015b),
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K. Viol et al. (Hrsg.), Selbstorganisation – ein Paradigma für die
Humanwissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29906-4_31
544 Selbstorganisation im Kontext von Unternehmensführung
Webers Bürokratiemodell (Weber 1976 und Kieser 2016a) und der franzö-
sischen Management- und Verwaltungslehre von Fayol (Steinemann,
Schreyögg, und Koch 2013) liegen.
trade relations, or supply chains that have proven difficult to predict and
control.“ Die Autoren erwähnen jedoch auch die fehlende Empirie.
Taleb (2010) hat den Begriff des „Black Swan“ geprägt als Ereignis, das
als Ausreißer außerhalb des gängigen Erwartungsrahmens liegt, extreme
Auswirkungen mit sich bringt (fat-tailed distribution), nicht vorhersehbar
ist und lediglich im Rückblick den Anschein von Vorhersehbarkeit vermit-
telt, z.B. die Nuklearkatastrophe von Fukushima (Taleb 2013). „A black
swan is about unknown unknowns“ (Taleb 2010, S. 272). Er ist der Mei-
nung, dass sie seit der industriellen Revolution im Gegensatz zu alltägli-
chen, normalen Ereignissen eine zunehmend dominante Rolle spielen.
too fast!“ (Dr. Seuss) Der allenthalben aufkommende Wunsch nach Ent-
schleunigung ist nachvollziehbar, es ist jedoch schwer vorstellbar, wie sich
der technologische Fortschritt kontrollieren und aufhalten ließe.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders bemerkenswert, dass bis dato nur
ein gutes Drittel der Unternehmen aktiv auf die digitale Disruption reagiert
hat und nur 22% eine koordinierte digitale Strategie haben, obwohl 88%
davon ausgehen, dass sie signifikante oder transformative Auswirkungen
auf ihre Branche haben wird (Yokoi et al. 2019).
Je besser Unternehmen also lernen, mit Veränderungen umzugehen, umso
höher ihre Überlebenschancen. Herkömmliche, streng hierarchische An-
ordnungs- und Kontrollstrukturen funktionieren immer weniger. Sie erwei-
sen sich als zu schwerfällig. Zudem wird Unternehmensentwicklung noch
zu oft als technologisch-rationaler, linear plan- und steuerbarer Prozess an-
gegangen. Systemisch-behaviorale Prozesse werden vernachlässigt.
Zusammenfassung
Die Disruption durch Digitalisierung und Globalisierung, aber z.B. auch
ökologische Entwicklungen wie den Klimawandel, stellt nicht nur Unter-
nehmen, sondern auch die Politik, die Gesellschaft und die einzelnen Men-
schen vor große Herausforderungen. Der Anpassungs- und Innovations-
druck steigt. Immer häufiger werden wir mit "unknown unknowns" kon-
frontiert werden, bei denen nicht nur die Antwort, sondern nicht einmal die
zugrundeliegende Frage klar sein wird. Wenn ein Unternehmen nicht weiß,
auf was genau es wird reagieren müssen, sind Business Agilität und orga-
nisationale Resilienz ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Vor diesem Hintergrund ist die Relevanz der wissenschaftlichen Vorleis-
tung und gerade auch der Synergetik nicht von der Hand zu weisen. Es
wäre wünschenswert, dass diese Stimme in der Praxis noch mehr Gewicht
bekommt. Als Kerntheorie bietet die Synergetik bei der Gestaltung von
organisationalen Veränderungsprozessen und der Führungskräfteentwick-
lung eine wertvolle Grundlage. Sie dient zudem als Bezugsrahmen, an dem
die Validität von Berater- und Management-Moden gemessen und diese
eingeordnet werden können. Besonders in Bezug auf Change Monitoring
und Analytics besteht in Zukunft großes Potential.
Marion Walz 559
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560 Selbstorganisation im Kontext von Unternehmensführung
1
Die Summer Schools in Seeon sind ein gutes Forum dafür, aber auch die SNS-
Anwendertreffen, die im regelmässigen Turnus stattfinden.
2
Ausnahmen sind: Eckert et al. 2006; Kruse 2004; Kap. 10 von Haken und Schiepek 2010;
Schiersmann und Thiel 2009; Schiersmann et. al 2016.
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566 Die Generische Prinzipien als Roadmap für agile Organisationen
Das SCRUM-Framework
Change startet oft auf der Ebene des Top-Managements. Es ist also zu-
nächst zu klären, wer die Initiative ergriffen hat und die Arbeit mit dem
betreffenden „Framework“ vorgeschlagen und letztendlich ermöglicht hat.
Im Beispiel von Holacracy war das der Unternehmenseigner Brian
Robertson selbst, der sein Modell im eigenen Unternehmen erprobt hat.
Wichtig ist, dass der Rahmen klar gesetzt und bestimmt wird, was, wieviel,
wie und von wem entschieden und auch durchgeführt werden darf. Viele
Projekte zu agilem Arbeiten werden zunächst auf Initiative oder zumindest
mit Billigung und „Sponsoring“ des Top-Managements als „Pilote“ begon-
nen und dann breiter ausgerollt, manche erlangen den Status einer domi-
nierenden Organisationsweise, wie bei Spotify oder Zappos. SCRUM ist
häufig der Ausgangspunkt von Piloten zum agilen Arbeiten. Es hat eine
klare Struktur und lässt sich gut erlernen, die Erfolge aus der Software-
Entwicklung haben viele Nachahmer inspiriert und ermutigt, es auch in
anderen Kontexten anzuwenden.
1. Generisches Prinzip (GP 1): Schaffen von Stabilitätsbedingungen.
Schon die Anwendung eines Frameworks wie bei SCRUM genügt an sich
schon dem GP 1. Es beschäftigt sich mit den Bedingungen, wie ein stabiler
Rahmen bei „instabilem Tun“ (z.B. durch neue Kooperationsformen, neue
Prozesse, ein neues Rollenverständnis, die neue Art, Aufgabenfelder zu
definieren und zu bearbeiten) hergestellt werden kann. Auch der zeitliche
Wolfgang Eberling 567
Ziel ist es, flexibler und schneller auf neue Anforderungen aus dem Markt
(andere Player, Kunden) und aus der Organisation (Erwartungen der Mit-
arbeitenden aus anderen Abteilungen oder „neuen Generationen“ wie der
Gen Y und Z) zu reagieren. Kostenersparnisse stehen häufig auch im Hin-
tergrund.
568 Die Generische Prinzipien als Roadmap für agile Organisationen
3
Kniberg und Ivarsson 2012 nennen diese „guilds“
Wolfgang Eberling 569
4
Wieviel Sorgfalt auf die Retrospektiven gelegt werden kann, zeigt Andresen (2017) auf.
5
Sehr gut beschrieben bei Spotify.
Wolfgang Eberling 571
Geschieht dies sorgfältig, kann auch GP 7 besser erfüllt werden, die Sym-
metrie gezielt gebrochen und das Neue priorisiert werden. Um den entste-
henden Change und die neuen Praktiken auszubauen, können nicht nur die
Retrospektiven genutzt werden, sondern gerade auch „Guilds“ (vgl.
Kniberg und Ivarsson 2012) oder „communities of practice“, die folgende
Themenfelder bearbeiten:
- Diskussion um Werte (was ist uns, was ist mir wichtig?)
- Offenheit herstellen, z.B. durch Verzicht auf Leugnung (was stört
mich/uns wirklich?)
- Tabus thematisieren (über was konnten wir bisher nicht sprechen,
was aber wichtig ist?)
- Was können wir besonders gut und wie können wir dies weiter-
geben?
- Möglichkeiten zur Bereitstellung von „Frei-Räumen für selbst-
verantwortliches Arbeiten“ nach der 70:20:10 - Regel6 von
Google (Steiber und Alänge 2013).
6
Diese Regel besagt, dass 70% der Zeit auf das Kerngeschäft verwendet werden, 20% auf
angrenzende Geschäftsfelder, und 10% für Neues.
572 Die Generische Prinzipien als Roadmap für agile Organisationen
7
Vermeer und Wenting 2017, 2018; Coaching geschieht meist „on demand“, aber auch,
wenn sich Krisenzeichen anhand von Kennzahlen mehren.
Wolfgang Eberling 573
Jede Rolle wird anhand der Kriterien „Purpose“, „Domains“ und „Accoun-
tabilities“ beschrieben und kann nach Bedarf verändert werden. Für einen
Website-Entwickler wäre der „Purpose“ etwa, dem Nutzer der Seite ein
herausragendes Surf-Erlebnis zu bieten. Seine „Domains“ wäre eine spe-
zifische Webseite, und seine „Accountability“ bestände in der Beschaffung
und Aktualisierung des Inhalts der Seite, deren Weiterentwicklung, Sicher-
heit und Stabilität.
Nehmen Teilnehmer in der Organisation wahr, dass die Zusammenarbeit
nicht reibungslos vorangeht und dass Schwierigkeiten auftreten, wie z.B.
Unklarheiten in Zuständigkeiten, Doppelspurigkeiten, unnötige Verkom-
plizierung von Prozessen (im Sprachgebrauch von Holacracy „tension“ ge-
nannt), so können sie im sog. „Goveranance Meeting“ eine Veränderung
einer Rolle beantragen. Dies muss begründet werden und wird solange ite-
rativ behandelt, bis keine substantiellen Einwände mehr bestehen. Dieses
Wolfgang Eberling 575
Verfahren wird vom ausgebildeten „Facilitator“ geleitet und ist dem Mo-
dell der Soziokratie entlehnt, in dem es „Konsent“ (vgl. Strauch und Rei-
jmer 2018) heißt.
3. Generisches Prinzip: Sinnhaftigkeit herstellen: Welche Vision besteht?
Welche Benefits werden erhofft?
Wie oben gezeigt, hat bereits jede Rolle einen „purpose“, der mit dem der
Gesamtorganisation abgestimmt wird. So kann nur ein Einwand als be-
rechtigt anerkannt werden, wenn der „purpose“ der Gesamtorganisation o-
der die Erfüllung des Beitrags dazu innerhalb einer Rolle durch den Vor-
schlag nachweislich gefährdet wird. Ob dies der Fall ist, darüber „wachen“
die „Facilitators“. Auf diese Weise soll sich die Organisation „generisch“
weiterentwickeln. Das „daily business“ wird in „tactical meetings“ anhand
von klaren, zahlenbezogenen Kriterien durchgeführt. Die strikte Einhal-
tung der Regeln in beiden Meeting-Formen bereitet anfänglich vielen Per-
sonen Schwierigkeiten, es ist jedoch meiner Meinung nach einer der Er-
folgsbausteine des Modells.
Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist Zappos: die Vision von Zappos fasst
Hsieh (2010) wie folgt zusammen: “Deliver WOW through service.” Hsieh
definiert “WOW service” als “[doing] something that’s above and beyond
what’s expected … and [which has] an emotional impact on the receiver.
We are not an average company, our service is not average, and we don’t
want our people to be average. We expect every employee to deliver
WOW” (Hsieh 2010, p. 160). Konsequente Kundenorientierung ist der
Kern der Vision von Zappos. In einem längeren onboarding-Prozess wer-
den Mitarbeitende in die Kultur und Philosophie von Zappos eingeführt,
Talente werden in bestimmten Programmen weiterentwickelt und befähigt,
diese Philosophie mit Leben zu füllen. Programme werden so getaktet,
dass immer genügend Talente in der Pipeline sind und auch gezielt weiter-
entwickelt werden. Die Werte von Zappos sind weitere Richtschnüre, die
helfen sollen, die Organisation auf Kurs zu halten. Die 10 Core Values
sind:
1. Deliver WOW Through Service
2. Embrace and Drive Change
3. Create Fun and A Little Weirdness
576 Die Generische Prinzipien als Roadmap für agile Organisationen
8
Weitere kritische Aspekte finden sich bei Groth (2017).
9
Zum Vergleich und aus der Innenperspektive abgefasst die Erfahrungsberichte unter
http://www.masters-of-transformation.org/motcast/082/ und https://
www.liip.ch/de/blog/selbst-organisiertes-unternehmen des Schweizer Taschenherstel-
lers Freitag und des Schweizer Zweigs des finnischen Unternehmens Liip.
Wolfgang Eberling 577
Fazit
Die Generischen Prinzipien helfen sowohl, die Frameworks zu erklären als
sie auch zur bewussten Gestaltung ihrer Rollen, Meeting-Formen und Ar-
beitsprozesse heranzuziehen. Die Prinzipien sollten wie folgt konkretisiert
werden:
10
2009 wurde Zappos von Amazon für 807 Millionen US-Dollar (569 Millionen
Euro) gekauft und konnte sogar eine auf Holacracy basierende Arbeitsweise bei-
behalten.
578 Die Generische Prinzipien als Roadmap für agile Organisationen
GP 4 • Kontrollparameter/Veränderungsmotivation: In beiden
Frameworks ist ein hohes Maß an Verantwortung und Mit-
gestaltung vorgesehen und möglich, was sehr motivierend
wirkt. Selbstwirksamkeitserwartung und -erleben können so
in eine selbstverstärkende Schleife gebracht werden und ent-
scheiden über Intensität und Dauer der Motivation. Die Be-
fähigung durch geeignete Trainings, Support durch agile
Coaches, SCRUM-Master, Holacracy-Facilitator und lö-
sungs- und ressourcenorientierte Praktiken in den Meetings
scheinen geeignete Erfolgsfaktoren zu sein.
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