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Springer-Lehrbuch

Clemens Kirschbaum

Biopsychologie von A bis Z

123
Prof. Dr. Clemens Kirschbaum
Technische Universität Dresden
Professur Biopsychologie
01062 Dresden

ISBN-13 978-3-540- 39603-1 Springer Medizin Verlag Heidelberg

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SPIN: 1154 7235

Gedruckt auf säurefreiem Papier 2126 – 5 4 3 2 1 0


Meinem akademischen Ziehvater Dirk Hellhammer
in Dankbarkeit gewidmet.
VII

Geleitwort
Auf dieses Buch haben die Studenten der Biologischen Psychologie gewartet! Aber nicht nur die
Studenten: auch die Lehrenden werden erfreut und erleichtert sein, dass die Studenten nun
die verschiedenen Einführungslehrbücher in die Biopsychologie besser und tiefer verarbeiten
und damit auch besser verstehen und wiedergeben werden. Ich bin davon überzeugt, dass damit
die Inhalte und die Anliegen der Biologischen Psychologie auch für das Hauptstudium und für
die späteren Berufsfelder ein breiteres Lesepublikum finden. Denn zweifellos ist die zukünftige
Entwicklung der Psychologie und ihre Rolle in der Gesellschaft zu einem wichtigen Teil von
der zunehmenden Fundierung psychologischen Wissens und psychologischer Modifikationsstra­
tegien im biologischen Substrat abhängig. Dazu gehört nicht nur das Gehirn und Nervensystem,
genauso wichtig ist die Interaktion des Hirns mit Hormonen und peripheren Körpersystemen.
Dies ist in diesem Handbuch besser berücksichtigt als in den meisten einführenden ­Lehrbüchern,
die oft vergessen, dass unser Hirn zur Steuerung seiner Körper-»Anhänge« entstanden ist.
Prof. Clemens Kirschbaum ist die sorgfältige Redaktion und Aufarbeitung der studentischen
Beiträge zu einer insgesamt höchst niveauvollen Sammlung zu danken, man erkennt darin den
breit gebildeten, aber erfolgreichst in Teildisziplinen der Biologischen Psychologie forschenden
Hochschullehrer.
Das Buch kann besonders als Ergänzung zu dem von den meisten Studierenden benützten
Lehrbuch von Birbaumer und Schmidt: »Biologische Psychologie«, 6. Auflage 2006, im selben
Verlag, empfohlen werden. Wir werden in der demnächst (2009) erscheinenden 7. Auflage explizit
auf »Biopsychologie von A bis Z« eingehen. Die Abbildungen in Birbaumer/Schmidt »Bio­logische
Psychologie« dienen als informative Illustrationen für viele Begriffe im Kompendium.
Clemens Kirschbaum und seinen Studenten ist nachhaltig zu gratulieren, sie haben uns allen,
Studenten und Wissenschaftlern einen großen Dienst erwiesen!

Niels Birbaumer
IX

Vorwort
Für viele Studierende der Psychologie stellt die Biopsychologie eine besonders interessante und
spannende Teildisziplin dar, spiegelt sich doch in ihr die zunehmend naturwissenschaftliche
Ausrichtung des gesamten Faches wider. Fragen nach den neuronalen, biochemischen oder
molekulargenetischen Grundlagen menschlichen Verhaltens und Erlebens stehen häufig im
Fokus wissenschaftlicher und öffentlicher Diskussionen. Parallel zu diesem wachsenden Inte­
resse ist eine rasante Entwicklung von Methoden und Instrumenten zu beobachten, die eine
­immer detailliertere Aufschlüsselung grundlegender biopsychologischer Prozesse erlauben. Ver­
fahren zur nicht-invasiven Bildgebung, der Messung von Hormonen und Immunparametern
oder zur Bestimmung von Genotypen finden zusätzlich zu den »klassischen« psychophysio­
logischen Methoden Anwendung in vielen psychologischen Forschungslaboratorien.
Dieser Entwicklung muss die Ausbildung im Psychologie-Studium Rechnung tragen. Detail­
lierte Kenntnisse über Aufbau und Funktion der Strukturen unseres Körpers, die für die Ent­
stehung und Veränderung von psychischen Prozessen verantwortlich sind, öffnen den geistigen
Horizont für kreative und innovative Antworten auf Fragen zur psychologischen Natur des
Menschen. In biopsychologischen Vorlesungen und Seminaren erhalten die Studierenden einen
ersten Zugang zu diesen Grundlagen. Hier werden sie jedoch mit einer Vielzahl von Fachbegrif­
fen aus Medizin, Biologie, Chemie oder Physik konfrontiert, die beherrscht werden müssen, um
eine erfolgreiche Prüfung »Biopsychologie« ablegen zu können. Zwar werden diese Fachbegriffe
in Lehrveranstaltungen und Fachbüchern benutzt, oft fehlt jedoch eine kurze und klare Erklä­
rung, die der Studierende bei Bedarf rasch nachschlagen kann.
Die »Biopsychologie von A bis Z« will diese Lücke schließen; begleitend zur Lektüre der
entsprechenden Lehrbücher werden den Studierenden hier die wichtigsten Fachbegriffe kurz
und doch umfassend erklärt. Vorlesungsbegleitend und als Unterstützung in der Prüfungs­
vorbereitung soll »Biopsychologie von A bis Z« Wissen in kompakter Form vermitteln. Um die
erläuterten Begriffe noch stärker miteinander verknüpfen zu können, wird das Lexikon zudem
auch online unter www.lehrbuch-psychologie.de bereitgestellt.
Um möglichst nah an den Bedürfnissen der Studierenden zu bleiben, wurden in Deutschland
und in der Schweiz Mitarbeiter für das Projekt »Studierende schreiben für Studierende: Bio­
psychologie von A bis Z« gesucht. Aus den zahlreichen Bewerbern wurden letztlich 30 Psycho­
logie-Studierende im Hauptstudium ausgesucht, die zur Entstehung des vorliegenden Lexikons
beitrugen. Mit großem Engagement hat jede/jeder von ihnen Dutzende von Fachbegriffen wissen­
schaftlich fundiert und für die Kommilitonen gut verständlich bearbeitet. Die Qualität der Bei­
träge war zuweilen überragend, viele Einträge hätten auch langjährige Experten nicht besser
beschreiben und erklären können! Für ihr großes Engagement und die hervorragende Arbeit
möchte ich allen ganz herzlich danken. Darüber hinaus gilt mein Dank meinen Dresdner Mit­
arbeitern, die mit zusätzlicher Expertise und viel Kreativität zum Gelingen dieses Projektes
maßgeblich beitrugen.

Dresden, im März 2008


Clemens Kirschbaum
XI

Autorenverzeichnis
Elvira A. Abbruzzese, lic. phil. Luljeta Emini, lic. phil.
Universität Zürich, Psychologisches Institut Universität Zürich, Psychologisches Institut
Klinische Psychologie und Psychotherapie Klinische Psychologie und Psychotherapie
Binzmühlestrasse 14/Box 26, 8050 Zürich, Schweiz Binzmühlestrasse 14/Box 26, 8050 Zürich, Schweiz

Carmen Bärtschi, M.Sc. Psychology Katja Erni, lic. phil.


Universität Zürich, Psychologisches Institut Universität Zürich, Psychologisches Institut
Klinische Psychologie und Psychotherapie Klinische Psychologie und Psychotherapie
Binzmühlstrasse 14/Box 26, 8050 Zürich, Schweiz Binzmühlestrasse 14/Box 26, 8050 Zürich, Schweiz

Ina Böneke, Dipl.-Psych. Nele Gläser, Dipl.-Biol.


Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Universität Rostock, Institut für Biowissenschaften
Behandlungsevaluation, Lehrstuhl Sensorische und Kognitive Ökologie
Integrierte Psychiatrie Winterthur Albert-Einstein-Straße 3, 18059 Rostock
Wieshofstrasse 102, Postfach 144, 8408 Winterthur,
Schweiz Imke Gogollok, M.Sc. Psychology
Neurologisches Therapiezentrum NETZ
Christiane Breu, cand. psych. Abteilung für Neuropsychologie
Technische Universität Dresden Laarmannstraße 14, 45359 Essen

Daniela Bulach, Dipl.-Psych. Josephine Hartwig, cand. psych.


Universität Konstanz, Fachbereich Psychologie Technische Universität Dresden
Klinische Psychologie
und Verhaltensneurowissenschaften Melanie Hassler, cand. psych.
Universitätsstraße 10, 78464 Konstanz Technische Universität Dresden

Stephen Crawcour, Dipl.-Psych. Andrea Horn, cand. psych.


The University of Tennessee Knoxville (UTK) Technische Universität Dresden
Dept. of Audiology & Speech Pathology
578 South Stadium Hall Katharina Johann, cand. psych.
Knoxville, TN 37996, USA Ruhr-Universität Bochum

Sara M. Dainese, lic. phil. Susan Jolie, cand. psych.


Universität Zürich, Psychologisches Institut Technische Universität Dresden
Klinische Psychologie und Psychotherapie
Binzmühlestrasse 14/Box 26, 8050 Zürich, Schweiz Nina Kahlbrock, Dipl.-Psych.
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Cindy Eckart, Dipl.-Psych. Universitätsklinikum
Universität Konstanz, Fachbereich Psychologie Neurologische Klinik, MEG Labor
Klinische Psychologie Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf
und Verhaltensneurowissenschaften
Universitätsstraße 10, 78464 Konstanz
XII Autorenverzeichnis

Heiko Keller, Dipl.-Biol. Jana Rambow, cand. psych.


Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie Technische Universität Dresden
Abteilung II – Biochemie
Arbeitsgruppe Kristallographie Karoline Röbisch, cand. psych.
Spemanstraße 35, 72076 Tübingen Technische Universität Dresden

Dorothea Kluczniok, cand. psych. Andrea Schöpe, cand. psych.


University of Oxford Technische Universität Dresden

Anja Lindig, cand. psych. Kerstin Suarez, lic. phil.


Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Universität Zürich, Psychologisches Institut
Klinische Psychologie und Psychotherapie
Christine Naegele, cand. psych. Binzmühlestrasse 14/Box 26, 8050 Zürich
Universität Konstanz
Elisabeth Wolff, cand. psych.
Sebastian Ocklenburg, M.Sc. Psychology Technische Universität Dresden
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Psychologie, Abteilung Biopsychologie Bastian Zwissler, Dipl.-Psych.
Universitätsstraße 140, 44780 Bochum Universität Konstanz
Zentrum für Psychiatrie Reichenau
Katharina Panse, cand. psych. Feuersteinstraße 55, 78479 Reichenau
Hochschule Zittau/Görlitz

Jutta Peterburs, B.Sc. Psychology


Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Psychologie, Abteilung Biopsychologie
Universitätsstraße 140, 44780 Bochum
A

A
Achromatopsie (engl. achromatopsia; Syn. Farben- stiel mit diesem verbunden. Im Hypothalamus er­
blindheit) Betroffene können keine Farben wahr­ folgt die Freisetzung sog. Releasing- oder Inhibiting-
nehmen, sondern nur Helligkeiten (7 Sehen, skoto­ Hormone. Diese Hormone gelangen über kleine
pisches) unterscheiden. Die Sehschärfe ist um rund Blutgefäße, das sog. Pfortadersystem, in die Adeno­
1/10 des Normalwertes beeinträchtigt. Ursachen für hypophyse und beeinflussen dort die Produktion
diese Erkrankung können z. B. erbliche Zapfenblind­ und Ausschüttung tropischer Hormone: Adrenokor­
heit, Albinismus, Netzhauterkrankungen, ­Schädigung tikotropin, Prolaktin, Follikel-stimulierendes Hor­
der optischen Nerven zwischen Retina und Kortex mon (FSH), luteinisierendes Hormon (LH), Wachs­
oder Beschädigung visueller Assoziationsareale im tumshormon (GH), Schilddrüsen-stimulierendes
Okzipitallappen sein. Hormon (TSH), alpha-Melanozyten-stimulierendes
Hormon (alpha MSH) und beta-Endorphin.
Adaptation (engl. adaptation) Adaptation bezeich­
net im sinnesphysiologischen Zusammenhang die Adenosin (engl. adenosine) Adenosin ist ein aus der
Anpassung des Auges (i.e.S. der Photorezeptoren) an Base Adenin und dem Zucker β-D-Ribose aufge­
verschiedene Lichtstärken im Gesichtsfeld. Durch bautes Nukleosid. Das kleine Molekül ist ein wich­
die Kontraktion verschiedener Muskeln kann die tiger Bestandteil des ADP/ATP-Systems (Adenosin­
Pupille (d. h. das Sehloch der Iris) erweitert (bei ge­ diphosphat- und Adenosintriphosphatsystem), ein
ringem Lichteinfall) oder verengt (bei hoher Licht­ wichtiger Energieträger innerhalb der Zelle. Adeno­
intensität) und schnell an die relative Lichtmenge sin wird von vielen Zellen freigesetzt und reguliert
angepasst werden. Die Anpassung der Pupillenöff­ die Funktion fast jeder Körperzelle. Zusammen mit
nung bezeichnet man als Pupillenlichtreflex oder Phosphorsäure bildet es Nukleotide wie z. B. ATP.
Pupillen­reflex. In einem zweiten Schritt können die Adenosin hat eine sedierende Wirkung, indem es die
Photo­rezeptoren der Netzhaut (Zapfen und Stäb­ Ausschüttung aktivierender Neurotransmitter wie
chen) ihre Lichtempfindlichkeit verändern. Dieser Dopamin, Azetylcholin und Noradrenalin blockiert.
Prozess dauert deutlich länger als die Regulation Als Zusatz in Arzneimitteln führt Adenosin in der
der Pupillenöffnung. Die (maximale) Anpassung Peripherie auch zur Gefäßerweiterung.
bei einem Übergang von einem sehr hellen Raum
in einen sehr dunklen Raum bezeichnet man als Adenosindiphosphat (engl. adenosine diphosphate)
Dunkeladapta­tion. Dabei ist die Adaptationszeit der Adenosindiphosphat (ADP) spielt als Vorstufe des
Stäbchen (bis 30 min.) weit größer als die der Zapfen Adenosintriphosphats (ATP) eine Rolle beim Ener­
(zirka 6 min.). Die (maximale) Anpassung an einen giestoffwechsel bei Pflanzen, Tieren und Menschen.
Übergang von einem dunklen Raum ins Tageslicht Es fällt bei Verbrauch von ATP in den Mitochondrien
wird Helladaptation genannt (Dauer zirka 1 min.). der Zelle an. ADP besteht aus Adenin, Ribose und
einer zweiteiligen Phosphatkette. Das ATP stellt durch
Adenohypophyse (engl. anterior pituitary; Syn. Hy- Abgabe einer seiner drei Phosphatgruppen Energie
pophysenvorderlappen) Als Adenohypophyse wird zur Verfügung, die für viele wichtige Stoffwechselvor­
der vordere Teil der Hypophyse bezeichnet, welche gänge (z. B. die Zellatmung) gebraucht wird. Zurück
eine außerhalb des Gehirns liegende wichtige endo­ bleibt das ADP, welches unter Energieverbrauch wie­
krine Drüse ist. Sie befindet sich unmittelbar unter der zu ATP phosphoriliert wird, d. h. es wird wieder
dem Hypothalamus und ist durch den Hypophysen­ eine dritte Phosphatgruppe angehängt.
 Adenosinmonophosphat, zyklisches

Adenosinmonophosphat, zyklisches (engl. cyclic binden und diese aktivieren. Das dann freigesetzte
A adenosine monophosphate) Zyklisches Adenosinmo­ cAMP ist an zahlreichen intrazellulären Reaktionen
nophosphat (cAMP) ist ein Second Messenger (oder als Second Messenger beteiligt.
zweiter Botenstoff), der über einen ersten Botenstoff
(z. B. Hormone oder Neurotransmitter) aktiviert Adipsie (engl. adipsia) Bezeichnet die sog. Durst­
wird und eine Kaskade von Transport- und Enzym­ losigkeit bzw. ein mangelndes Durstgefühl. Dieser
systemen in der Zelle in Gang setzt. Vorrangig ent­ Begriff wird im Zusammenhang mit der »Dual
faltet cAMP seine Wirkungen über die Aktivierung ­Center Hypothesis of Eating« diskutiert. Läsionen
der cAMP-abhängigen Proteinkinase (PKA). Dabei im Bereich des lateralen Hypothalamus können
wirkt cAMP über einen G-Protein gekoppelten Re­ Adipsie verursachen und lokalisieren damit ein
zeptor (metabotroper Rezeptor) und wird aus Ade­ »Durstzentrum«.
nosintriphosphat (ATP) unter Einsatz des Enzyms
Adenylatzyklase synthetisiert. Durch Phosphodies­ Adrenalin (engl. adrenaline, epinephrine; Syn. Epine-
terase erfolgt weiterhin eine Spaltung in Adenosin­ phrin) Adrenalin ist ein wichtiges Hormon des Ne­
monophosphat (AMP) und cAMP, welches eine bennierenmarks, das in Reaktion auf psychische
Adenylatkinase aktiviert, die wiederum die kataly­ oder physische Anforderungen produziert und ins
tische Untereinheit C freisetzt. Diese sorgt durch Blut ausgeschüttet wird. Adrenalin ist ein von der
Phosphorilierung (Anhang eines Phosphatrestes an Aminosäure Tyrosin abgeleitetes Hormon und wird
Proteine) für die Aktivierung von intrazellulären durch Methylierung von Noradrenalin gebildet. Es
Funktionsproteinen. zählt zur Gruppe der Katecholamine, zu der auch
Noradrenalin und Dopamin gehören. Adrenalin
Adenosintriphosphat (engl. adenosine triphosphate) wird bei Erregung des Sympathikus freigesetzt und
Ein aus Adenin, Ribose und 3 Phosphorsäuren be­ ist in erster Linie ein Stoffwechselhormon, das freie
stehendes Molekül, das als Energiespender der Zel­ Fettsäuren, Glucose und Laktat bereitstellt. Adrena­
len agiert. Adenosintriphosphat (ATP) wird in den lin reguliert den Tonus der Gefäßmuskulatur, die
Mitochondrien (den »Kraftwerken« der Zellen) ge­ Steigerung der Herzfrequenz und -schlagstärke und
bildet, indem Adenosindiphosphat (ADP) unter En­ dient neben Noradrenalin einer verstärkten Durch­
ergieaufwand eine weitere Phosphorsäure angehängt blutung der Herz- und Skelettmuskulatur sowie als
wird. Diese Verbindung ist äußerst energiereich und Bereitsteller von Energieträgern in Belastungssitua­
leicht wieder lösbar. ATP fungiert sowohl als Ener­ tionen. Es reguliert ebenso die Durchblutung bzw.
gieträger als auch als Neurotransmitter. Bei Energie­ die Magen-Darm-Tätigkeit und kann als Neuro­
bedarf, z. B. bei einer Muskelkontraktion, wird nun transmitter im ZNS wirken.
die letzte Verbindung zwischen Molekül und Phos­
phorsäure schlagartig aufgelöst und die frei wer­ Adrenokortikotropes Hormon (ACTH) (engl. adre-
dende Energie kann sofort eingesetzt werden. Durch nocorticotropin; Syn. Kortikotropin) Als Teil des hy­
die Abspaltung der Phosphorsäure wird aus ATP pothalamo-hypophyso-adrenalen Regelkreises
wieder ADP und der Energieträger Adenosintri­ wird das 39-Aminosäuren-lange Peptidhormon im
phosphat muss unter neuerlichem Energieaufwand Hypo­physenvorderlappen aus dem Vorläufermole­
wieder hergestellt werden. kül Proopiomelanokortin (POMC) abgespalten. Die
ACTH-Freisetzung ins Blut wird von Kortikotropin-
Adenylatzyklase (engl. adenylate cyclase, cAMP Releasing-Hormon (CRH) im Hypothalamus ge­
synthetase) Die Adenylatzyklase ist ein membran­ steuert. Als Reaktion auf u.a. psychisch und physisch
gebundenes Enzym, welches die Bildung des zykli­ belastende Reize steuert das ACTH die Ausschüt­
schen Adenosinmonophosphats (cAMP) aus Adeno­ tung von Glukokortikoiden (z. B. Kortisol) aus der
sintriphosphat (ATP) katalysiert. Neben zahlreichen Nebennierenrinde, welche durch negative Rück­
Membrandomänen hat das Enzym auch zwei kataly­ kopplung hemmend auf die weitere Freisetzung von
tische Untereinheiten, die ins Zytoplasma der Zelle CRH und ACTH wirken. Stress hingegen fördert die
ragen. G-Proteine können an die Adenylatzyklase Produktion von ACTH. Die Wirkung erfolgt vor
Agnosie, visuelle apperzeptive 

allem über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren; ACTH Reize (Chemorezeptoren; z. B. pH-Wert des Blutes)
besitzt u.a. Effekte auf Aufmerksamkeits-, Lern- und und Schmerzen.
A
Gedächtnisprozesse.
Affinität (engl. affinity) Als Affinität bezeichnet man
Adrenozeptoren (engl. pl. adenoceptors) Adreno­ generell die Neigung von Molekülen oder Materia­
zeptoren sind transmembranäre Rezeptoren in sym­ lien, mit anderen Molekülen oder Materialien eine
pathisch innerviertem Gewebe, an die Katechola­ Verbindung einzugehen. Unter anderem ist mit Af­
mine – also Adrenalin und Noradrenalin – binden finität die Fähigkeit von Antikörpern gemeint, rever­
und Signalkaskaden auslösen können. Adrenozep­ sibel und spezifisch an bestimmte Antigene zu bin­
toren gehören zur Gruppe der metabotropen, G-Pro­ den. Außerdem wird damit die Bindungspräferenz
tein gekoppelten Rezeptoren und werden je nach von Hormonen und anderen Signal vermittelnden
Struktur, Verteilung und Second Messenger in ver­ Molekülen an spezifische oder unspezifische Rezep­
schiedene Subtypen aufgeteilt. Man unterscheidet toren bezeichnet. Die Affinität wird in der Histologie
drei Haupttypen und deren Wirkweisen: α1- (erhöht genutzt, um bestimmte Gewebeteile durch Einfär­
intrazelluläre Konzentration von Ca++); α2-(hemmt ben mikroskopisch sichtbar zu machen.
Adenylatzyklase) und β-(stimuliert Adenylatzykla­
se) Rezeptoren. Innerhalb der Haupttypen wird in Ageusie (engl. ageusia) Ageusie bezeichnet den Aus­
mehrere Subtypen unterteilt (α1A, α1B, α1D; α2A, fall der Geschmacksempfindung (Gustatorik), d. h.
α2B, α2C; β1, β2, β3). Diese Wirkungen können die Betroffenen können keinen Geschmack mehr
durch Pharmaka wie α- und β-Blocker selektiv un­ wahrnehmen. Ageusie kann durch Schädigung der
terdrückt werden. Andererseits können Stimulan­ Hirnnerven VII, IX und X (z. B. durch Tumore) be­
zien, die an Adrenozeptoren binden – ebenso wie dingt sein, da diese Nerven die Zunge innervieren.
Katecholamine – eine Signalkaskade auslösen. Auch ein Ausfall der Riechzellen (Anosmie) kann
Ageusie mit bedingen, da Geschmack und Geruch
afferent (engl. afferent) Als afferent werden Nerven­ zusammen das Aroma eines Stoffes erfassen. Der
fasern bezeichnet, die eine Erregung von der Peri­ Wegfall des Geruchs führt daher zu einer einge­
pherie (Organe, Rezeptoren) ins zentrale Nervensys­ schränkten Geschmackswahrnehmung, wobei z. B.
tem (ZNS) weiterleiten. Das Gegenteil von afferent gesättigte Kochsalz- oder Zuckerlösungen nicht von
ist efferent. Wasser unterschieden werden können.

Afferenzen, vagale (engl. pl. vagal afferences) Hin­ Aggregation (engl. aggregation; Syn. Agglomeration)
leitende Fasern des Nervus vagus (X. Hirnnerv). Als Darunter wird die Zusammenlagerung einzelner
Teil des Parasympathikus leiten diese Fasern Infor­ Zellen zu Zellverbänden verstanden, wobei die Zel­
mationen aus den inneren Organen zu den im len ihre ursprüngliche, individuelle Funktion beibe­
Hirnstamm befindlichen Nervenzellkörperchen des halten. Aggregation kann aktiv durch Zusammen­
Vagusnervs. wandern oder passiv durch Zusammenstoßen bzw.
-kleben von Zellen erfolgen. In der Molekularbiolo­
Afferenzen, viszerale (engl. pl. visceral afferences) gie bezeichnet der Begriff die Zusammenlagerung
dienen der Informationsweiterleitung von Rezep­ von Proteinen zu Aggregaten in der Zelle.
toren der inneren Organe zum zentralen Nervensys­
tem über afferente/aufsteigende Bahnen. Sie treten Agnosie, visuelle apperzeptive (engl. visual apper-
durch die Hinterhornwurzel ins Rückenmark ein ceptive agnosia) Visuelle apperzeptive Agnosie ist
und leiten die Informationen weiter an die Hinter­ die Unfähigkeit zur Identifikation von Objekten. Ur­
hornzelle, kreuzen dann zur Gegenseite und gehen sache ist ein nicht abgeschlossener Perzeptionspro­
über den Tractus spinothalamicus lateralis in die zess, d. h. Gegenstände können nicht erkannt wer­
übergeordnete Gehirnstruktur ein. Die Rezeptoren den. Patienten mit dieser Störung können ihnen
erfassen unter anderen den Füllungszustand (Me­ dargebotene Objekte weder beschreiben noch kopie­
chanorezeptoren; z. B. Lungenvolumen), chemische ren. Allerdings haben sie weniger Probleme, Dinge
 Agnosie, visuelle assoziative

aus dem Gedächtnis zu zeichnen, da hier die Wahr­ Agonist, partieller (engl. partial agonist) Partielle
A nehmung von außen keine Rolle spielt. Die visuelle Agonisten erzeugen am Rezeptor im Vergleich zu
apperzeptive Agnosie wird durch eine Schädigung endogenen Liganden/Agonisten nur eine partielle
im inferioren temporalen Kortex hervorgerufen. Die­ physiologische Reaktion.
se liegt im posterioren (hinteren/dorsalen) Bereich
des ventralen Pfades (7 Agnosie, visuelle assoziative). Agoraphobie (engl. agoraphobia) Die Agoraphobie
Durch Nutzung anderer Modalitäten (z. B. Tastsinn gehört zur Gruppe der Angststörungen und wird im
oder Gehör) können die Gegenstände meist den­ Deutschen als Platzangst bezeichnet. Fälschlicher­
noch erkannt werden. weise wird darunter die Angst vor/in engen Räumen
verstanden, welche in der Wissenschaft mit Klaus­
Agnosie, visuelle assoziative (engl. visual associati- trophie (Raumangst) bezeichnet wird. Agoraphobie
ve agnosia) Visuelle assoziative Agnosie ist die Un­ ist eine Störung, die durch eine Vermeidung von
fähigkeit, bereits gespeichertes Wissen über Objekte und/oder Furcht vor (öffentlichen) Plätzen oder
abzurufen. Der Wahrnehmungsprozess läuft dabei ­Situationen (z. B. Menschenmengen, Reisen in öf­
aber vollständig ab (7 Agnosie, visuelle apperzeptive). fentlichen Verkehrsmittel wie Flugzeug oder Bahn
Objekte können korrekt beschrieben und auch rela­ ge­kennzeichnet ist, in denen eine Flucht kaum mög­
tiv gut kopiert werden, allerdings ist der Name des lich oder Hilfe nicht zu erwarten ist. Betroffene
Gegenstandes für Betroffene nicht abrufbar. Durch fürchten dabei, dass peinliche, unkontrollierbare,
Nutzung anderer Sinne (z. B. Tastsinn oder Gehör) unangenehme und/oder gefährliche Symptome oder
können sie Gegenstände dennoch benennen. Patien­ Situationen (z. B. plötzlicher Durchfall, Übertragung
ten sind nicht in der Lage, Objekte aus dem Gedächt­ von Krankheiten etc.) auftreten könnten. Die Stö­
nis zu zeichnen. Der visuellen assoziativen Agnosie rung tritt häufig zusammen mit einer Panikstörung
liegt eine Schädigung des inferioren temporalen auf.
Kortex zugrunde. Die Verletzung liegt im anterioren
(vorderen/ventralen) Teil dieser Struktur, am Ende Agouti-Maus (engl. agouti-mouse) Die Agouti-Maus
des ventralen Pfades. Hier ist der Perzeptionsprozess ist eine Variante der gewöhnlichen Hausmaus (mus
bereits abgeschlossen, kann aber nicht mehr mit musculus), umgangssprachlich ist sie auch als Farb­
dem Wissen aus anderen Hirnregionen integriert maus bekannt. Durch eine Veränderung des Gens
werden. Agouti besitzen diese Mäuse eine hellere Fellfarbe
als ihre genetisch unveränderten Artgenossen. Das
Agonist (engl. agonist) Agonisten sind Moleküle, die Agouti-Gen spielt eine Rolle bei Fettleibigkeit, Dia­
an Rezeptoren binden und dabei eine ähnliche Ant­ betes und Krebsentwicklung bei diesen Nagern.
wort auslösen wie der eigentliche Transmitter bzw.
endogene Ligand (z. B. Muskarin, Nikotin). Sie imi­ Agouti-related Peptid (engl. agouti-related peptide)
tieren quasi die Wirkung dieser Transmitter. Einige Das agouti-bezogene Peptid (AgRP) ist ein Neuro­
der Agonisten binden dabei an die gleiche Stelle, an peptid, das im Nucleus arcuatus des Hypothalamus
der sonst auch der endogene Ligand bindet (kompe­ hergestellt wird (AgRP/NPY-Komplex). Das AgRP
titive/direkte Agonisten), andere binden an sekun­ ist an metabolischen Prozessen beteiligt und regu­
dären Bindestellen und konkurrieren somit nicht liert über Appetitstimulation das Essverhalten und
mit dem endogenen Molekül um die Bindung (nicht- – indirekt – das Körpergewicht. Es konnte gezeigt
kompetitive/indirekte Agonisten, z. B. Wirkung der werden, dass AgRP ein inverser Agonist der Melano­
Benzodiazepine an GABA-A-Rezeptoren). kortinrezeptoren ist. AgRP stellt einen wichtigen
Ansatzpunkt zur medikamentösen Adipositasbe­
Agonist, inverser (engl. inverse agonist) Inverse handlung dar.
Agonisten binden an entsprechende Rezeptoren und
lösen eine Antwort aus, welche der durch den nor­ Agrammatismus (engl. agrammatism) Als Agram­
malen Transmitter ausgelösten Antwort entgegen­ matismus wird eine Sprachstörung (Aphasie) be­
gesetzt ist. zeichnet, die sich durch eine stark vereinfachte Syn­
Aktinfilament 

tax auszeichnet. Betroffene teilen sich in Ein- bis strahlen müssen von der Linse so stark gebrochen
Dreiwortsätzen mit, Funktionswörter (Präpositio­ werden, dass sie auf der Netzhaut am Punkt des
A
nen, Konjunktionen) und Beugungsformen werden schärfsten Sehens (Fovea centralis) zusammentref­
gänzlich vernachlässigt. Zudem wird keine gramma­ fen. Nur dann entsteht auf der Netzhaut (und später
tikalische Differenzierung zwischen Subjekt-Objekt auch im Gehirn) ein scharfes Abbild des Gegen­
oder Haupt- und Nebensatz vorgenommen. Agram­ stands. Es gibt verschiedene Theorien, wodurch die
matismus geht oft mit Symptomen anderer zugrun­ unterschiedliche Brechkraft im Auge verursacht
de liegender Erkrankungen einher, wie etwa Gehör­ wird (Theorie von H. Helmholtz vs. Theorie von
schäden, Störungen anderer Sinne oder der Hirn­ R.A. Schachar). Ein Zusammenspiel beider Augen
funktionen. ist nötig (Konvergenzreaktion), um einen dreidimen­
sionalen Seheindruck zu erreichen.
Agraphie (engl. agraphia) Als Agraphie wird die Un­
fähigkeit bezeichnet, sich schriftlich auszudrücken, Akromegalie (engl. acromegaly; Syn. Akromegalia)
obwohl die dafür notwendige Beweglichkeit der Akromegalie bezeichnet die übermäßige Vergröße­
Hand und die Intelligenz vorhanden sind. Die Schrift rung sog. gipfelnder Körperteile bzw. vorspringender
wirkt unvollständig, ungeordnet und fehlerhaft. Als Körperpartien (Akren) wie Nase, Ohren, Kinn, Ex­
Ursache werden lokale Störungen oder Verletzungen tremitäten (Arme und Beine) sowie Finger und Ze­
des Gehirns angenommen. hen. Akromegalie wird durch die unkontrollierte
Produktion von Wachstumshormon (GH) hervor­
Akinetopsie (engl. akinetopsia; Syn. visuelle Be­ gerufen, zumeist verursacht durch einen Tumor
wegungsblindheit) Akinetopsie ist die Unfähigkeit (Adenom) in der Adenohypophyse (Hypophysen­
zur Bewegungswahrnehmung. Die Ursache ist eine vorderlappen). Dabei kommt es nach Schließen der
Schädigung des Areals V5 (Area MT), welches im Wachstumsfugen in den Knochen (Epiphysenfugen­
Übergang zwischen Okzipital- und Temporallappen schluss) und damit des Wachstumsabschlusses zu
liegt und zum extrastriaten Kortex gehört. Patienten einer übermäßigen Produktion des tropischen Hor­
mit einer solchen Schädigung sind vielen Schwierig­ mons Somatotropin. Dieses sorgt nicht nur für die
keiten im Alltag ausgesetzt. Es ist z. B. ein Problem, Vergrößerung der Akren, sondern mitunter auch
Straßen zu überqueren, da Betroffene nicht sehen der Lippen und Zunge sowie einiger innerer Organe
können, wie sich ein Fahrzeug nähert (»In einem wie Herz und Leber.
Moment ist es noch weit weg, im nächsten ist es
schon direkt vor mir.«). In einem gesunden Gehirn Aktin (engl. actin; Syn. Muskelprotein) Aktin ist eines
kann eine Stimulation des V5 einen derart starken der fünf häufigsten Proteine, da es ein wesentlicher
Bewegungseindruck erzeugen, dass er die tatsäch­ Bestandteil des Zytoskeletts in den Zellen ist. Es tritt
liche Wahrnehmung überlagert. vorwiegend in zwei Varianten auf: als monomeres
G-Aktin (»globuläres Aktin«) und als F-Aktin (»fi­
Akkommodation (engl. accomodation; Syn. Anpas- brilläres Aktin«). Bei F-Aktin kommt es zu einer
sung) Der Begriff wird in verschiedenen Disziplinen Polymerisation von G-Aktin, die zur Bildung einer
mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet: u. a. Doppelhelix führt. In Muskelzellen hat Aktin seine
als Anpassung an einen Gegenstand oder einen Reiz wichtigste Funktion. Dort führt es in Zusammen­
(Physiologie), des Körpers an Training (Sportwis­ wirkung mit dem Myosin zur Bewegung einzelner
senschaft) oder eines Schemas an eine neue Erfah­ Zellen oder des gesamten Muskels, durch das Wech­
rung (Entwicklungspsychologie). In der Sinnes­ selspiel von Kontraktion und Entspannung. Hier
physiologie wird unter Akkommodation die Anpas­ bildet F-Aktin dynamische Aktinfilamente aus, wel­
sungsfähigkeit des Auges an die unterschiedliche che der Stabilisierung der Zellmembranen dienen
Entfernung von Objekten verstanden. Werden Ge­ und den intrazellulären Transport unterstützen.
genstände betrachtet, wird durch die Akkommoda­
tion des Auges der Gegenstand »scharf gestellt«: Die Aktinfilament (engl. actin filament) Aktinfilamente
durch die Pupille in das Auge einfallenden Licht­ sind zwei helikal umeinander gewundene Aktinein­
 Aktionspotenzial

zelfäden, die hauptsächlich aus Aktin bestehen und der Sexualorgane einsetzen und zeitweilig dessen
A zusammen mit dicken Fadenmolekülen, den Myo- Verhalten beeinflussen. Zu diesen Effekten (z. B. von
sinfilamenten, Bestandteile der Sakromere bilden. Sexualhormonen) zählen die Aktivierung der Sper­
Die Aktinfilamente liegen zwischen den Myosinfila­ mienproduktion, Ovulationsanregung und die Er­
menten und sind mit diesen über die Köpfchen am möglichung von Erektion und Ejakulation.
Ende der langen Myosinmoleküle verbunden. Diese
molekulare Bindung wird von Ca2+-Ionen gefördert. Aktivierungssystem, aufsteigendes retikuläres
Bei einer Muskelkontraktion gleiten die Aktinfila­ (engl. ascending reticular activating system; Syn. un-
mente zwischen die Myosinfilamente und bewirken spezifisches sensorisches Subsystem) Als aufsteigendes
so eine Verkürzung der Sakromere. Dabei wird retikuläres Aktivierungssystem (ARAS) bezeichnet
durch die Spaltung von ATP Energie verbraucht. man nach D. B. Lindsley (1949) das Neuronenge­
Erreicht ein Nervenimpuls eine neuromuskuläre flecht zwischen Medulla oblongata und Thalamus
Endplatte und entsteht dort ein Aktionspotenzial, mit zum zerebralen Kortex aufsteigenden und abstei­
wird eine willkürliche oder unwillkürliche Muskel­ genden Verbindungen. Dieses System, dessen zentra­
kontraktion ausgelöst. le Anteile in der Formatio reticularis liegen, soll für
die allgemeine Aktivierung des Organismus verant­
Aktionspotenzial (engl. action potential) Das Akti­ wortlich sein. Eine Stimulation dieser Nervenfasern
onspotenzial (AP) ist eine charakteristische, schnel­ bewirkt eine erhöhte Aktivität des autonomen und
le Veränderung des Membranpotenzials. Zu Beginn motorischen Nervensystems und führt auf diese
wird in der Initiationsphase das Ruhepotenzial von Weise den Organismus von einem wachen Ruhe­
ca. –70 mV aufgrund einer genügend starken Erre­ zustand in einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit.
gung bis zu einem Schwellenwert angehoben, so dass Dieses System reguliert den Wachheitszustand/
sich Na+-Kanäle öffnen, die Na+-Ionen in das Zell- Wachheitsgrad und die kortikale Erregung (­Arousal).
innere einströmen lassen. Dabei wächst die Durch­ Das ARAS ist unidirektional mit dem limbischen
lässigkeit der Membran für Na+-Ionen, so dass sich System verflochten, welches wesentliche Teile des
schließlich alle Na+-Kanäle öffnen und es zu einer auto­nomen Nervensystems steuert und eine große
schlagartigen Depolarisation der Membran kommt. Bedeutung für das menschliche Gefühlserleben hat.
Das Potenzial steigt vom negativen Bereich hin zu
ca. +10 bis +30 mV (Overshoot). Auf die Positivie­ Aktivität, elektrodermale (engl. electrodermal/cu-
rung des intrazellulären Raumes reagieren nun die taneous activity) Die elektrodermale Aktivität (EDA)
K+-Kanäle, indem sie sich öffnen und K+-Ionen mas­ – früher als psychogalvanische Hautreaktion be­
siv nach außen abfließen und somit der Na+-Ein­ zeichnet – gilt als einer der zuverlässigsten Indika­
strom kompensiert wird. Hierbei kann es zu einer toren für eine Erhöhung des Sympathikotonus bei
Hyperpolarisation kommen, wobei die Spannungs­ emotional-affektiven Reaktionen, wobei Azetylcho­
umkehr über das Ruhepotenzial hinausgeht. Wäh­ lin die Überträgersubstanz an der postganglionären
rend der Refraktärzeit (absolute R. und relative R.) Synapse ist. Bei der EDA kommt es zu einer erhöh­
kann zunächst kein und später nur durch einen sehr ten Schweißsekretion, die ein kurzzeitiges Absinken
starken Reiz ein weiteres AP ausgelöst werden. Mit­ des elektrischen Leitungswiderstandes der Haut be­
tels der Na+-K+-Pumpe wird das Ruhepotenzial auf­ wirkt. Das führt wiederum zu einer Zunahme der
rechterhalten. Ein AP läuft nach dem Alles-oder- Hautleitfähigkeit. Die Maßeinheit des Leitwerts ist
Nichts-Prinzip ab, d. h. beim Überschreiten eines das Siemens (S), wobei gilt: 1 S = 1 Ohm–1. Basie­
Schwellenwertes wird ein AP ausgelöst. Jedoch ist rend auf der Annahme, dass verstärkte sympathische
die Form und Höhe des AP vom auslösenden Reiz Erregung das Lügen begleitet, wird die EDA zuwei­
unabhängig und immer gleichförmig. len als Indikator für Falschaussagen im sog. Lügen­
detektortest verwendet.
Aktivierungseffekt (engl. activational effect) Akti­
vierungseffekte sind Wirkungen von Hormonen, die Aktivität, kardiovaskuläre (engl. cardiovascular
im voll entwickelten Organismus nach Ausbildung ­activity) Das kardiovaskuläre System besteht aus den
Alkaloid 

Gefäßen und dem Herzen. Das Blut zirkuliert durch distalen Tubulus. Damit wirkt es einer Abnahme des
die Pumpbewegung des Herzens im Körper, wobei Blutvolumens und des Blutdruckes entgegen und
A
Körper- und Lungenkreislauf unterschieden wer­ sorgt für einen Anstieg beider Parameter.
den. Das Blut wird durch eine Kontraktion der lin­
ken Kammer ausgeworfen und durch die Arterien Alexie (engl. alexia) Der Ausdruck Alexie bezeichnet
den Organen zugeführt. Danach gelangt es durch die die vollkommene Leseunfähigkeit als optische
Venen zunächst in den rechten Vorhof, dann in die Agnosie. Trotz erhaltenen Sehvermögens ist der be­
Kammer. Hier beginnt der Lungenkreislauf. Das troffene Patient nicht in der Lage, Buchstaben zu
Blut wird vom rechten Herzen weiter zur Lunge ge­ erkennen, vermutlich infolge einer Herdstörung im
pumpt und fließt angereichert mit Sauerstoff wieder Gyrus angularis (mit Störung der Verbindung zum
zum linken Herzen zurück. Aufgaben des kardiovas­ Okzipitalhirn).
kulären Systems sind u. a. der Transport von Atem­
gasen und Nährstoffen sowie Abfallprodukten des Algesimetrie (engl. algesimetry) Algesimetrie be­
Zellstoffwechsels, die Regulation des Säure- und zeichnet die Möglichkeit, Intensität und Ausmaß
Basenhaushalts und der Transport von Wärme zur von Schmerzen zu objektivieren. Dabei gibt es viel­
Körperoberfläche. Weiterhin werden Botenstoffe fältige Verfahren, das eigentlich subjektive Kons­
des Hormon- und Immunsystems über das Blut trukt »Schmerz« zu erfassen und zu messen: objek­
transportiert. tive Algesimetrie (Messung vegetativer, reflexhafter
Körperreaktionen wie Blutdruck, Herzfrequenz,
Aktivzone (engl. active zone) Die Aktivzone ist ein ­Zurückziehen der betroffenen Extremität etc.); sub­
Bereich im Inneren der präsynaptischen Membran, jektive Algesimetrie (Messung der Beziehung zwi­
in dem sich die synaptischen Vesikel festsetzen und schen physikalischer Reizeinwirkung und sub­
ihren Neurotransmitter in den synaptischen Spalt jektiver Reizempfindung mittels Schwellenbestim­
entlassen. Das wird ermöglicht durch spannungs­ mungen) und klinische Algesimetrie (Messung
gesteuerte Kalziumkanäle, welche sich infolge der krankhafter Schmerzzustände mittels Ratingskalen,
Depolarisation der Endknopfmembran öffnen und Schmerztagebüchern, intermodalem Intensitäts­
Kalzium in die Zelle einströmen lassen. Das einge­ vergleich (Bezug der Schmerzintensität zu einer
strömte Kalzium lagert sich an der Fusionsstelle des ­Intensität einer anderen Sinnesmodalität) sowie
synaptischen Vesikels mit der Membran an und es Schmerzfragebögen wie dem McGill Pain Ques­
entsteht eine Fusionspore, durch die der Neurotrans­ tionnaire).
mitter ausgeschüttet werden kann. Anschließend
wird der Vesikel von der Membran des Endknopfes Alkaloid (engl. alkaloid) Alkaloide sind stickstoff­
aufgenommen. haltige, oftmals leicht basische Verbindungen, die in
der Pflanzenwelt und in Mikroorganismen vorkom­
Albumin (engl. albumin) Albumin ist ein kleines Ei­ men. Die Stoffe zeichnen sich durch starke physio­
weißmolekül (ein sog. Kolloid), das einen 40%igen logische und psychische Wirkungen aus, viele
Anteil am Blutplasma hat. Albuminmoleküle sind zu Rausch-, Genuss- und Arzneimittel werden zu ­dieser
80% für den kolloidosmotischen Druck zuständig, Gruppe gezählt. Die verschiedenen Alkaloide wer­
welcher verhindert, dass die Eiweißmoleküle in das den in Gruppen klassifiziert (z. B. nach Biogenese
Interstitium diffundieren. oder struktureller Verwandtschaft). Zu den be­
kanntesten Alkaloiden gehören Atropin, Kokain,
Aldosteron (engl. aldosterone) Aldosteron gehört Kodein, Koffein, Morphin, Nikotin und Strychnin.
zur Gruppe der Mineralokortikoide und bezeichnet Therapeutisch genutzte Alkaloide entfalten ihre
ein Steroidhormon der Nebennierenrinde. Dort Wirkung häufig in Zusammenhang mit dem Nerven­
wird es in der Zona glomerulosa (äußere Schicht) system. Da Alkaloide oft Strukturähnlichkeiten mit
produziert und sorgt als Teil des Renin-Angioten­ Neurotransmittern aufweisen, können sie als volle
sin-Aldosteron-Mechanismus für die Rückresorp­ Agonisten, partielle Agonisten oder Antagonisten an
tion von Natrium+ aus den Nierentubuli bzw. dem Neurotransmitterrezeptoren wirken.
 Alkoholsyndrom, fetales

Alkoholsyndrom, fetales (engl. alcoholic embryo­ beeren) oder Allergene, die durch Insektenstiche
A pathy; Syn. Alkoholembryofetopathie) Das fötale Al­ übertragen werden (z. B. Bienengift).
koholsyndrom (FAS) bezeichnet eine durch Alko­
holkonsum der Mutter während der Schwanger­ Allergie (engl. allergy) Eine Allergie ist eine uner­
schaft hervorgerufene Schädigung des Kindes. Be­ wünscht heftige Abwehrreaktion des Immunsystems
reits 60 g Alkoholkonsum der Mutter pro Woche gegenüber bestimmten und normalerweise harm­
kann zu einem FAS führen. In Deutschland werden losen Umweltstoffen (Allergene), welche der Körper
mehr als 2000 Kinder jährlich mit FAS geboren. Das fälschlicherweise als schädlich identifiziert. Das Im­
Syndrom ist durch folgende Symptome des Neuge­ munsystem verteidigt den Organismus heftiger als
borenen gekennzeichnet: typische Auffälligkeiten notwendig, obwohl die Substanz keine tatsächliche
v. a. des Gesichts (schmales Lippenrot, kurze Lid­ Bedrohung darstellt. Infolgedessen treten Entzün­
spalten, kurzer Nasenrücken, fliehendes Kinn u. a.), dungszeichen auf und es kommt zur Bildung von
Ess- und/oder Schluckstörungen, Fehlbildungen in­ Antikörpern (Antigen/Allergen-Antikörper-Reak-
nerer Organe, verzögerte geistige Entwicklung und tion). Hieraus resultiert eine spezifische Änderung
Verhaltensauffälligkeiten (u. a. Hyperaktivität und der Immunität im Sinne einer krankmachenden
Konzentrationsstörungen). Überempfindlichkeit. Allergien können vielfältige
Symptome wie Atemwegserkrankungen, Hautirrita­
Allel (engl. allel/e) Ein Allel ist eine der möglichen tionen, Augenprobleme, Schlaflosigkeit, Fieber und
Ausprägungen (»Schalterstellung«) eines Gens, das andere mehr auslösen.
an einem bestimmten Genlokus auf einem Chromo­
som sitzt. Allele können sich aufgrund von Muta- Alles-oder-Nichts-Antwort (engl. all-or-none reac-
tionen in den Nukleotidsequenzen unterscheiden. tion) Bei einer Alles-oder-Nichts-Antwort erfolgt
Diese Unterschiede führen bei der Eiweißsynthese eine bestimmte Reaktion entweder in vollem Um­
zu nicht identischen Molekülen. Diploide Lebewe­ fang oder sie bleibt vollkommen aus. Dabei tritt die
sen können auf den beiden homologen Chromo­ Reaktion nur ein, wenn ein bestimmter Schwellen­
somen am betreffenden Genort entweder zwei un­ wert überschritten wird. Sobald ein Reiz eintritt,
terschiedliche Allele eines Gens (Heterozygotie) der über diesen Schwellenwert hinausgeht, wird die
oder zwei gleiche Allele (Homozygotie) des betref­ Reaktion in vollem Umfang ausgelöst, unabhängig
fenden Gens besitzen. Im heterozygoten Zustand davon, wie stark der auslösende Reiz war. Bei einem
können Allele kodominant sein (beide Zustands­ Reiz, der unter dem Schwellenwert liegt, findet keine
formen werden ausgeprägt; intermediärer Erbgang) Reaktion statt. Typische Alles-oder-Nichts-Antwor­
oder ein Allel kann über das andere dominieren, ten sind Aktionspotenziale.
d. h. die Ausprägung des Merkmals vom rezessiven
Allel wird unterdrückt und das Merkmal des do­ Alles-oder-Nichts-Gesetz (engl. all-or-none law)
minanten Allels wird ausgeprägt. Treten mehr als Das Alles-oder-Nichts-Gesetz bezeichnet ein Phä­
zwei Allele an einem Genort auf, spricht man von nomen, das an erregbaren Strukturen von Nerven­
multipler Allelie (z. B. Allele für Blutgruppeneigen­ zellen festgestellt werden kann. Dabei überschrei­
schaften). ten eine Erregung oder ein Reiz den Schwellenwert
bzw. das Schwellenpotenzial, und sie werden un­
Allergen (engl. allergen) Allergene sind Stoffe oder abhängig von der Reizstärke in uniformer und maxi­
Substanzen, die eine Allergie (eine übermäßig starke maler Intensität, also ohne jegliche Abstufung,
Immunreaktion des Körpers) auslösen. Sie gehören ­weitergeleitet.
zur Gruppe der Antigene, d.h. sie werden vom Im­
munsystem bekämpft, da sie von diesem als körper­ Allokortex (engl. allocortex) Als Allokortex bezeich­
fremd erkannt werden. Es gibt verschiedene Arten net man phylogenetisch alte Hirnregionen, die sich
von Allergenen, die meisten sind jedoch Eiweiße vom Rest des Kortex v. a. dadurch unterscheiden,
oder Eiweißverbindungen. Beispiele sind Nahrungs­ dass sie weniger als sechs (meistens vier) Zell­
mittelallergene (z. B. Milch/Milcheiweiß oder Erd­ schichten besitzen. Zum Allokortex werden der lim­
Alveole 

bische sowie der olfaktorische Kortex und der Hippo­ Alphamelanozyten-stimulierendes Hormon (engl.
campus gezählt. Der Allokortex wird in Paleokortex alpha melanocyte stimulating hormone) Das Alpha­
A
und Archikortex unterteilt. melanozyten-stimulierende Hormon (Alpha-MSH)
ist ein Neuropeptid, welches häufig mit Neurotrans­
Allostase (engl. allostasis) Während bei der Homö­ mittern als spezifischer Regulator der Erregungs­
ostase ein körperlicher/physiologischer Sollzustand schwellen wirksam ist. Alpha-MSH kommt im
aufrechterhalten werden soll (z. B. Körpertempera­ ­Hypothalamus, in der Hypophyse (Vorderlappen)
tur), bezieht sich dieses Konzept auf die Aufrechter­ und im limbischen System vor. Neben hormonellen
haltung einer Stabilität durch Veränderung und An­ Effekten in der Peripherie wirkt es vorwiegend inhi­
passung von Stellsystemen. Hierbei können biolo­ bitorisch und hat fördernden Einfluss auf Aufmerk­
gische Systeme über längere Zeit auf extrem nied­ samkeit, Lernen und Gedächtnis. Es wirkt über
rigem oder hohem Niveau arbeiten, z. B. bei extremer cAMP als Second Messenger auf die Zielzelle ein.
körperlicher oder emotionaler Belastung. Bei chro­
nischem Stress kann es z. B. zu einer langfristig er­ Alphamotoneuron (engl. alpha motor neuron) Alpha­
höhten Ausschüttung von Stresshormonen kom­ motoneurone sind multipolare Nervenzellen im Vor­
men, auf die der Körper eine Reihe von Anpassungs­ derhorn des Rückenmarks, deren Fortsätze die peri­
reaktionen einleitet. Diese Anpassungsreaktionen phere Skelettmuskulatur des Körpers inner­vieren.
haben kurzfristig positive Effekte, langfristig führen
sie jedoch zu stressbedingten körperlichen Erkran­ Alphawellen (engl. alpha rhythm) Alphawellen be­
kungen und vermutlich zu strukturellen und funk- zeichnen sinusförmige Schwingungen des Elektro-
tionellen Veränderungen im Gehirn. Diese Verände­ enzephalogramms (EEG) mit einer Frequenz von
rungen können wiederum Grundlage für eine Reihe 8–12 Hz und einer Amplitude von ca. 50 μV. Sie tre­
von psychischen Erkrankungen sein. ten im entspannten Wachzustand bei geringer visu­
eller Aufmerksamkeit oder geschlossenen Augen auf
Allyglyzin (engl. allyglycin) Allyglyzin, eine unge­ und können auch kurz vor dem Einschlafen im EEG
sättigte Aminosäure (AS), ist ein Wirkstoff, der die beobachtet werden. Zu messen sind sie dabei v. a.
Synthese von GABA (Gammaaminobuttersäure) am Hinterkopf, also parietookzipital. Als Taktgeber
blockiert, indem er die Aktivität von GAD (Gluta­ der langsamen Wellen gilt der Thalamus. Bei (plötz­
minsäure Decarboxylase) hemmt. licher) Konzentration oder Aufmerksamkeit kommt
es zu einem sog. Alphablock: Bei visueller Konzent­
Alphaaktivität 7 Alphawellen ration oder Aufmerksamkeit werden die Alpha­
wellen blockiert und gehen bei den meisten Personen
Alphafetoprotein (engl. alpha-fetoprotein) Alpha­ in höherfrequente Betawellen (13–30 Hz) über. Die
fetoprotein (AFP) ist ein Glykoprotein, das während Alphawellen werden gelegentlich auch nach dem
der Schwangerschaft in der Leber und im Magen- bekannten Neurologen Hans Berger – einem Pionier
Darm-Trakt sowie im Dottersack des ungeborenen der EEG-Forschung – »Berger-Rhythmus« ge­
Kindes hergestellt wird. Das AFP des Kindes geht in nannt.
das Blut der Mutter über, weswegen während einer
Schwangerschaft höhere AFP-Spiegel bei der Mutter Alveole (engl. alveolus; Syn. kleiner Hohlraum) Der
nachweisbar sind. Unübliche Konzentrationen im Begriff Alveole bezeichnet (a) dünnwandige, vom
Fruchtwasser können einen Hinweis auf körperliche Epithel ausgekleidete Lungenbläschen, die den Gas­
Fehlbildung und Chromosomenbesonderheiten des austausch der äußeren Atmung in der Lunge ermög­
Kindes geben. Im Körper von Erwachsenen ist AFP lichen. Die Lungenbläschen sind ca. 0,2 mm groß und
normalerweise nur in kleinen Restmengen vorhan­ bestehen aus 3 Zelltypen: den Pneumozyten Typ 1
den. Ein erhöhter AFP-Wert wird als Indikator für (kleine Alveolarzellen, sitzen einer Basalmembran
Leberkrebs, Leberentzündung (Hepatitis), Leberzir­ auf), den Pneumozyten Typ 2 (große Alveolarzellen,
rhose, Magen- oder Darmkrebs sowie Tumoren der produzieren das Surfaktant, dessen Phospholipide
Hoden oder des Eierstocks verwendet. das Zusammenfallen der Alveolen beim Ausatmen
10 Alzheimer-Demenz

verhindern) und den Alveolarmakrophagen (stam­ die bei Pflanzen, Tieren und Menschen natürlich
A men aus dem Blut und phagozytieren Staub (Staub­ vorkommen, heißen biogene Amine. Dazu zählen
zellen) oder nehmen nach Blutungen Hämoglobin primäre Amine, die als Hormone oder Transmitter
auf (Herzfehlerzellen). Die Basalmembranen von wirken oder an der Synthese von Koenzymen, Vita­
Alveolen und Lungenkapillaren sind größtenteils minen und Phospholipiden beteiligt sind. Biogene
miteinander verschmolzen. (b) Zahnfächer, d. h. Amine können auch in Wechselwirkung mit der
Vertiefungen in den Kieferknochen, in der der Zahn DNA treten. Wichtige biogene Amine sind Sero­
mit seiner Wurzel steckt; sie kommen im Ober- und tonin, Tyramin und Histamin.
Unterkieferknochen sowie dem Zwischenkieferbein
vor und sind Teil des Zahnhalteapparats. (c) Milch­ Aminogruppe (engl. amino group) Die Aminogrup­
bläschen in der weiblichen Brustdrüse (Mamma). pe (-NH2) ist eine basische funktionelle Gruppe, die
aus einem Stickstoffatom besteht, an das zwei Was­
Alzheimer-Demenz (engl. Alzheimer’s dementia; serstoffatome gebunden sind. Organische Moleküle
Syn. Morbus Alzheimer) Eine unheilbare Demenzer­ mit einer Aminogruppe werden als Amine, wenn sie
krankung (benannt nach dem deutschen Psychiater zusätzlich noch eine Karboxylgruppe besitzen als
Alois Alzheimer, der die Krankheit 1906 erstmals Aminosäuren bezeichnet.
beschrieb), deren Auftretensrate alterskorreliert an­
steigt. Die Krankheit zeigt sich in Beeinträchtigung Aminosäure (engl. amino acid) Aminosäuren (AS)
verschiedener kognitiver Funktionen, einhergehend sind organische Verbindungen und dienen als
mit einer Persönlichkeitsveränderung. Sie beginnt Grundbausteine von Peptiden und Proteinen (Ei­
schleichend und ihr Verlauf lässt sich in mehrere weißen). Sie enthalten eine Aminogruppe (-NH2)
Stadien unterteilen, von einer anfänglichen milden sowie eine Karboxylgruppe (-COOH) und unter­
Vergesslichkeit über Orientierungslosigkeit, Verges­ scheiden sich untereinander durch die Seitenketten
sen von Aspekten der persönlichen Geschichte, Ver­ (auch Aminosäurenrest oder Rest). In Proteinen ein­
leugnung des Problems, Unfähigkeit des Erkennens gebaut, hat man bislang 20 AS im menschlichen
enger Bezugspersonen sowie Sprachverlust, bis hin Körper gefunden (sog. kanonische AS). Man unter­
zum Tod. Hirnveränderungen, die mit Alzheimer scheidet acht essentielle und zwölf nicht essentielle
einhergehen, konzent-rieren sich weitestgehend AS. Erstere müssen über die Nahrung aufgenommen
auf den Neokortex und den limbischen Kortex. So und können nicht selbstständig vom Körper gebildet
finden z. B. pathologische Eiweißablagerungen zwi­ werden. Die nicht essentiellen AS werden hingegen
schen und in den Zellen statt (amyloidhaltige senile direkt synthetisiert oder durch Modifikation aus
Plaques und neurofibrilläre »Tangles«, NFT). Auch ­anderen AS gewonnen. Die Information zur Zusam­
wird eine Verringerung der Neurotransmittermenge mensetzung von AS befindet sich in der DNS. Durch
(z. B. Azetylcholin, Serotonin) bei Alzheimer-Patien­ Peptidbindungen werden AS zu Proteinen verkettet,
ten beobachtet. Zu Lebzeiten des Patienten ist ledig­ die als Strukturproteine, Enzyme, Hormone oder
lich eine Verdachtsdiagnose durch Ausschlussver­ Transportproteine wirken. Neben proteinogenen AS
fahren möglich. Eine gesicherte Diagnose ist erst sind auch über 150 nichtproteinogene AS bekannt,
post mortem durch Zählen der NFT möglich. also AS, die nicht in Proteinen vorkommen.

Amboss 7 Incus Aminosäureketten (engl. pl. amino acid chains)


Aminosäureketten (Polypeptide) sind die Verbin­
Amin (engl. amine) Amine sind basische Derivate dung zahlreicher Aminosäuren über deren Karbo­
(Abkömmlinge) des Ammoniaks. Sie entstehen bei xyl- und Aminogruppen (Peptidbindung). Entspre­
chemischen Reaktionen, speziell durch den Einfluss chend befindet sich an einem Ende der Kette eine
von Enzymen auf den Stoffwechsel von Pflanzen, Amino-, am anderen Ende eine Karboxylgruppe.
Tieren und Menschen. Es gibt primäre, sekundäre, Neben dem Rückgrat bestimmen zahlreiche Seiten­
tertiäre und quaternäre Amine, die alle auch auf syn­ ketten der einzelnen Aminosäuren die Eigenschaften
thetischem Weg hergestellt werden können. Amine, des Gesamtmoleküls. Aminosäureketten mit bis zu
Amnesie, posttraumatische 11

10 Aminosäuren (AS) werden als Oligopeptide be­ Die psychogene Amnesie beschreibt die psychische
zeichnet. Aminosäureketten mit bis zu 50 AS wer­ Verdrängung unangenehmer Erlebnisse.
A
den häufig als Peptide, mit mehr als 100 AS als
­Proteine bezeichnet. Die räumliche Anordnung be­ Amnesie, anterograde (engl. anterograde amnesia)
zeichnet man als Sekundärstruktur. Dabei unter­ Bei der anterograden Amnesie sind Gedächtnis­
scheidet man alpha-Helix, beta-Faltblätter, beta-turns funktionen in einem Ausmaß gestört, dass es un­
und random-coil-Strukturen. möglich wird, neue Informationen zu speichern.
Das bedeutet, alle Informationen, die vor einem kri­
Aminosäurenderivat-Hormone (engl. pl. amine tischen Ereignis gespeichert worden sind, können
­derived hormones) Dieser Begriff bezeichnet Hor­ weiterhin abgerufen werden. Informationen nach
mone, die durch wenige Zwischenschritte aus einer diesem Ereignis werden nicht mehr in das Langzeit­
Aminosäure synthetisiert werden. Viele dieser Hor­ gedächtnis transferiert. Ein solches Ereignis kann
mone lassen sich von der Aminosäure Tyrosin ablei­ ein hirnchirurgischer Eingriff, ein Schlaganfall, eine
ten; Vertreter dieser Kategorie sind die Katechola­ Infektion oder ein Schädelhirntrauma sein. Jedoch
mine (Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin), die ist nur das explizite Gedächtnis betroffen, wohin­
auch als Neurotransmitter fungieren und die Schild­ gegen das implizite Gedächtnis (d. h. Erwerb von
drüsenhormone (Thyroxin und Triiodthyronin). Fertigkeiten, implizites Lernen, Priming, Konditio­
nieren) unbeeinträchtigt bleibt. Amnestiker zeigen
Ammonshorn (engl. ammon’s horn; Syn. Cornu keine Beeinträchtigungen der Intelligenz, der Spra­
a­ mmonis, Pes hippocampi) Das Ammonshorn bildet che, der Wahrnehmung und in Funktionen des
das vordere Ende des Hippocampus und gehört zum ­Arbeitsgedächtnisses. Unter anterograder Amnesie
limbischen System. Es wird in vier Unterregionen, wird außerdem eine verringerte Merkfähigkeit ver­
CA1 bis CA4, eingeteilt. CA steht hier für Cornu standen (neue Inhalte können bspw. nicht enkodiert,
­ammonis. Histologisch können drei Schichten unter­ gespeichert, konsolidiert oder abgerufen werden).
schieden werden. Außen befindet sich die zellarme Die Störung kann einen bestimmten Zeitraum um­
Molekularschicht, gefolgt von der Pyramiden­ fassen oder dauerhaft bestehen bleiben.
zellschicht (sie bildet das efferente System des Archi­
kortex) und im Inneren befindet sich die Korbzell­ Amnesie, globale (engl. global amnesia) Die Amne­
schicht. sie ist eine Form der Gedächtnisstörung, wobei Er­
innerungslücken für den Zeitraum vor (retrograde
Amnesie (engl. amnesia) Form der Gedächtnis­ Amnesie), während (kongrade Amnesie) oder nach
störung mit partiellem bis totalem Verlust der Erin­ (anterograde Amnesie) einem bestimmten Ereignis
nerungen, der zeitlich begrenzt oder permanent sein bestehen. Dieses Ereignis kann eine Gehirnerschüt­
kann. Betroffen sind meist Langzeit- und episo­ terung, ein epileptischer Anfall, ein Schädel-Hirn-
disches Gedächtnis, wobei Kurzzeitgedächtnis sowie Trauma, Alkoholmissbrauch, ein Hirnschlag, eine
prozedurales Gedächtnis oft intakt bleiben. Amne­ Vergiftung, aber auch eine Hypnose oder ein trauma­
sien treten im Zusammenhang mit verschiedenen tisches Erlebnis sein. Von globaler Amnesie spricht
Auslösern wie bspw. organischen Erkrankungen, man, wenn die Amnesie sämtliche sensorischen
Vergiftungen, Unfällen oder traumatischen Erleb­ Wahrnehmungen betrifft.
nissen auf. Man unterscheidet zwischen anterogra­
der (vorwärtswirkender) und retrograder (rückwir­ Amnesie, posttraumatische (engl. posttraumatic
kender) Amnesie. Erstere betrifft das Gedächtnis für amnesia; Syn. fehlendes Tag-zu-Tag-Gedächtnis) Die
Ereignisse nach dem Beginn der Störung (es können posttraumatische Amnesie stellt den Zeitbereich
keine neuen Gedächtnisinhalte gebildet werden), die nach einem Schädel-Hirn-Trauma ohne kontinuier­
retrograde Amnesie solche vor der Störung. Mit liches Gedächtnis dar. In diesem Zeitraum tritt eine
kongrader Amnesie wird das Nichterinnern des anterograde Amnesie auf, d. h. eine Unfähigkeit,
eigent­lichen Auslösers ohne Verlust rückwirkender sich an die ersten Stunden oder Tage nach dem Un­
oder vorwärtswirkender Erinnerungen bezeichnet. fall zu erinnern. Es können also keine neuen Eindrü­
12 Amnesie, retrograde

cke im Gedächtnis gespeichert werden. In den ersten Sie nehmen ihre Nahrung auf, indem sie ihre Beute
A Monaten kann sich jedoch die Hirnschädigung bes­ (wie Algen und andere organische Substanzen) um­
sern und die Gedächtnisleistungen zurückkehren. fließen, sie einschließen und ins Zellinnere aufneh­
men. Unverdautes wird an beliebiger Stelle wieder
Amnesie, retrograde (engl. retrograde amnesia) Bei ausgeschieden.
der retrograden Amnesie sind die zeitlich vor einer
Schädigung liegenden Gedächtnisinhalte ausge­ Amphetamin (engl. amphetamine) Amphetamin
löscht bzw. nicht verfügbar. Die retrograde Amnesie (Alpha-Methylphenethylamin) ist neben Kokain die
kann einen kurzen Zeitraum von bis zu wenigen bekannteste Stimulanzdroge. Sie führt zu erhöhter
­Jahren betreffen, sie kann aber auch sehr ausgedehnt Aktiviertheit und einer motorischen Antriebssteige­
sein und mehrere Jahrzehnte umfassen. Weiterhin rung. Diese synthetische Droge ist ein Dopamin-
kann sie zeitliche Abstufungen im Erinnerungsver­ und Noradrenalinagonist, d. h. sie blockiert den
mögen aufweisen und in Kombination mit einer Rücktransport dieser Katecholamine in die Zelle
anterograden Amnesie auftreten. Die Störung kann und stimuliert deren Produktion. Erstmals wurde A.
sich darauf beschränken, dass den Erinnerungen an in Form von Benzedrin zur Behandlung von Asth­
einzelne Episoden die Lebendigkeit fehlt. Weiter­ ma verwendet. Heutzutage wird es in der Klinik ver­
gehende Störungen löschen auch das Wissen über einzelt in der Therapie von Hyperaktivität benutzt.
autobiographische Episoden, wobei dieser Verlust Als »Designerdroge« (Speed) wird A. oral, aber auch
zur Änderung des Selbstbildes des Patienten führen intravenös eingenommen, das synthetische A.-Deri­
kann. Sprachstörungen sind eine mögliche Folge der vat, MDMA (Ecstasy), ist ebenfalls weit verbreitet.
semantischen Gedächtnisstörungen. Implizites Wis­ Psychische Wirkungen sind u. a. die Verbesserung
sen und prozedurale Fähigkeiten können selbst bei der Aufmerksamkeit und Konzentration sowie Ap­
schwersten Verlusten erhalten sein. Ursachen sind petitminderung. Als Nebenwirkungen können Reiz­
bspw. Schädigungen verschiedener Hirnregionen barkeit, Schlafstörungen und Sucht auftreten. Bei
(Dienzephalon, Hippocampus u. a.). langer Einnahme kann eine Amphetaminpsychose,
ähnlich einer psychotischen Störung, auftreten.
Amniozentese (engl. amniocentesis, amniotic punc-
ture; Syn. Fruchtwasseruntersuchung) Die Amnio­ Amphetaminpsychose (engl. amphetamine psycho-
zentese ist eine Form der pränatalen Diagnostik. sis) Eine Amphetaminpsychose ist eine Psychose, die
Dabei wird mit einer dünnen Punktionsnadel unter durch die Einnahme von Amphetaminen hervorge­
örtlicher Betäubung und mit Ultraschallkontrolle rufen wird. Dieser Zustand ist dem der paranoiden
durch die Bauchdecke in die Fruchtblase gestochen Schizophrenie ähnlich oder kann eine bestehende
und etwa 15–20 ml Fruchtwasser entnommen. An­ Schizophrenie verschlimmern. Da Neuroleptika als
schließend werden die so entnommenen fetalen wirksame Therapie gelten, scheint es wahrschein­
­Zellen kultiviert und können auf über 100 genetische lich, dass die Amphetaminpsychose durch einen
Funktionsstörungen, vererbte Stoffwechselleiden Überschuss an Dopamin und nicht durch Noradre­
und das Geschlecht untersucht werden. Eine Amnio­ nalin induziert wird.
zentese kann ab der 15. Schwangerschaftswoche (in
seltenen Fällen auch ab der 11.) durchgeführt wer­ Ampulle (engl. ampulla) Als Teil des Gleichgewichts­
den. Das Fehlgeburtrisiko liegt bei 0,5–1 % (bei einer organs beherbergen die Ampullen genannten Erwei­
Frühamniozentese höher) und hängt z. T. von der terungen der Bogengänge die Sinneszellen (Haarzel­
Erfahrung des Arztes ab. len). Die Ampullen finden sich zwischen den drei
flüssigkeitsgefüllten Bogengängen und dem Utrikel.
Amöboid (engl. amoeboid; Syn. amöbenartig) Der
Ausdruck amöboid bezieht sich auf die Eigenschaft Amygdala (engl. amygdala, Syn. Mandelkern) Die
von Amöben, ihre Gestalt beliebig ändern zu kön­ Amygdala ist Teil des limbischen Systems und be­
nen. Diese Einzeller (Protozoen) können ihren Zell­ steht aus rund 15 verschiedenen, getrennt arbei­
inhalt (Protoplasma) in jede Richtung fließen lassen. tenden Kernen. Sie arbeitet im Vorbewussten und
Analyse, semantische 13

wird häufig als diejenige Hirnstruktur betrachtet, die ten. Als Ursache sind weiterhin eine angeborene
für das emotionale Färben von Informationen zu­ Schmerz-unempfindlichkeit oder traumatische Er­
A
ständig ist. Die Amygdala ist mit einer Vielzahl von eignisse denkbar.
Gehirnregionen verschaltet und erhält sensorische
Informationen aus dem Thalamus und Neokortex. Analgetika (engl. pl. analgetics) Analgetika sind Me­
Die Nervenzellen der Amygdala sind unverzichtbare dikamente, die akute und pathophysiologische
Strukturen für kognitive Funktionen wie soziale Kog- Schmerzen hemmen oder ausschalten. Man unter­
nition, Gedächtnis oder Furchtkonditionierung. scheidet (1.) Narkotisierende Analgetika, die größ­
tenteils auf Opium oder Opiat-ähnlichen Stoffen
Amyloidplaques (engl. pl. amyloid plaques; Syn. neu- basieren. Sie haben neben der schmerzstillenden
ristische/senile Plaques) Amyloidplaques sind ein ana­ auch eine einschläfernde (narkotisierende) Wir­
tomisches Korrelat der Alzheimerschen Krankheit. kung. Narkotisierende Analgetika sind generell stär­
Hierbei handelt es sich um »Zellklumpen«, ­ deren ker schmerzhemmend als die nicht narkotisierenden
Kern aus dem Protein Amyloid besteht und von an­ Analgetika und können bei längerer Anwendung
deren degenerativen Zellfragmenten um­geben ist. süchtig machen (z. B. Kodein und Morphium). (2.)
Die Plaques bilden sich in verschiedenen Regionen Nichtnarkotisierende Analgetika sind weniger
des Gehirns und lagern sich im Kortex ab. Sie entste­ schmerzhemmend als die narkotisierenden Analge­
hen beim Aufbau der Substanz β-Amyloid. Allerdings tika und funktional sehr unterschiedlich aufgebaut.
finden sie sich nicht nur bei Alzheimer-Patien­ten, Das bekannteste nichtnarkotisierende Analgetikum
sondern auch bei Betroffenen mit anderen Demenzen, ist die Azetylsalizylsäure, welche in vielen rezept­
Down-Syndrom sowie – in wesentlich geringerem freien Schmerztabletten als Wirkstoff enthalten ist.
Ausmaß – auch bei gesunden älteren Menschen.
Analyse, grammatikalische (engl. grammatical ana-
Amyloidprotein (engl. amyloid protein) Amyloidpro­ lysis) In dieser Art der Analyse geht es um die Ana­
teine sind pathologische Glykoproteine, die sich in lyse der Syntax der Sprache. Die Syntax beinhaltet
verschiedenen peripheren Bereichen ablagern kön­ Regeln des Satzbaus. Eine syntaktische Komponente
nen. Sie werden in Untergruppen geteilt: AA-Amy­ gliedert den Satz in seine Bestandteile und identifi­
loid (klassisches Amyloid; zu finden bei chronischen ziert deren Funktionen. Solche Strukturen werden
Entzündung wie Rheuma oder Tumoren), AL-Amy­ durch eine Grammatik, die ein System von eben
loid (Immunamyloid; z. B. bei B-Zell-Tumoren) und ­diesen syntaktischen Regeln darstellt, sehr exakt for­
AE-Amyloid (endokrines Amyloid, z. B. bei medul­ muliert. Diese Analyse ist besonders wichtig, um
lärem Schilddrüsenkarzinom). z. B. festzustellen, zu welcher Zeit das Gesagte/Gele­
sene spielt. Durch sie kann die wirkliche Bedeutung
Analgesie (engl. analgesia) Analgesie bezeichnet eines mehrdeutigen Satzes erkannt werden.
eine Unempfindlichkeit gegenüber Schmerzen,
­welche entweder durch eine Aufhebung oder Unter­ Analyse, phonologische (engl. phonological ana­
drückung der Schmerzempfindung ermöglicht wird. lysis) Worte werden als eine Aneinanderreihung von
Anatomisch geschieht dies durch eine Verringerung Phonemen (die kleinsten Sprachlaute) gesehen. Die
oder eine Unterbrechung der Erregungsweiter­ Untersuchung der Art und Weise, wie diese kleins­
leitung – temporär oder auch dauerhaft. Eine Anal­ ten Sprachlaute verarbeitet werden, nennt sich pho­
gesie kann durch Wirkstoffe (Analgetika) wie Aze­ nologische Analyse. Auch wird beim phonologischen
tylsalizylsäure, Parazetamol oder Ibuprofen Lesen, das beim Lesenlernen gebraucht wird, eine
­hervorgerufen werden. Eine nicht medikamentöse Art phonologische Analyse unternommen. Die
Herbeiführung der Analgesie kann durch Kran­ken­ Worte werden Laut für Laut gelesen. So können auch
gym­nastik, Massage oder Hypnose erfolgen. Analge­ Nonsenswörter wie »Gnzm« gelesen werden.
sien können krankhaft bedingt sein, wie z. B. bei
Querschnittlähmungen, aber auch durch Nerven­ Analyse, semantische (engl. semantic analysis) Bei
durchtrennung oder Nervenquetschungen auftre­ dieser Art der Analyse von Sprache und Texten han­
14 Anandamid

delt es sich um eine Analyse des Inhalts. Es geht hier­ und ist bei der Frau zusätzlich zyklusabhängig mit
A bei um die Bedeutung, die die Worte und eventuell Peakwerten in der Follikelphase zu finden. Andros­
vorhandenen Sätze haben. tendionwerte werden grundsätzlich erhoben, um
Störungen des Androgenhaushalts zu eruieren wie
Anandamid (engl. anandamid; Syn. Arachidonyle- bspw. im Falle von Vermännlichung (Androgenisie­
thanolamid) Anandamid ist das am besten erforschte rung), bei Funktionsstörung der Eierstöcke (bspw.
endogene Cannabinoid. Die Substanz (wie auch an­ Amenorrhö), bei Hohlraumbildungen (Zysten) im
dere Endocannabinoide) wurde entdeckt, nachdem Ovar, bei Sterilität bzw. unerfülltem Kinderwunsch
die zwei Cannabinoidrezeptoren (CB1 und CB2) lo­ oder bei Verdacht auf ein Adrenogenitales Syn­
kalisiert wurden, an denen Tetrahydrocannabinol drom.
(THC), der Hauptwirkstoff von Marihuana, bindet.
Die Forschung über die Wirkung von Anandamid Aneurysma (engl. aneurysm) Ein Aneurysma ist
betrifft v. a. die Bereiche Schmerzverarbeitung, eine krankhafte, ballonförmige Erweiterung eines
­Gedächtnis und die Stimulation von Hunger. Außer­ Blutgefäßes. Es wird bevorzugt an Stellen gebildet,
dem vermutet man einen regulierenden Einfluss von an denen die Elastizität der Blutgefäßwand vermin­
Endocannabinoiden auf das dopaminerge System dert ist. Beim Platzen eines Aneurysmas (bspw.
(Verhinderung von Muskelüberaktivierungen), wo­ bei zunehmendem Durchmesser der Ausweitung),
für die positive Wirkung von Cannabis bei Personen kommt es zur Einblutung im umliegenden Gewebe
mit (durch ein gestörtes Dopaminsystem verursach­ (Hämorrhagie). Aneurysmen können angeboren
ten) Bewegungsstörungen spricht. Endocannabino­ (congenital) sein, aber auch durch Gefäßgifte oder
ide haben eine wesentlich kürzere Wirkungsspanne Infektionen entstehen. Zu hoher Blutdruck kann für
als Cannabis, sie werden bereits im Minutenbereich Menschen mit Aneurysmen tödlich sein.
wieder abgebaut.
Anfall, partieller einfacher (engl. simple partial
Androgen (engl. androgen) Androgene sind männ­ s­ eizure) Der einfache partielle (fokale) Anfall ist eine
liche Geschlechtshormone, die in den Eierstöcken, Art des epileptischen Anfalls, also eine plötzliche,
im Hoden und in der Nebennierenrinde produziert zeitlich begrenzte, rhythmische und synchrone
werden. Grundgerüst ist das Androstan. Sie sind ­Entladung eines neuronalen Zellverbandes. Dabei
verantwortlich für die Ausbildung und Entwicklung ist nur ein Teilgebiet des Gehirns betroffen. Der An­
der typischen männlichen Geschlechtsmerkmale. fall geht mit motorischen, sensiblen, sensorischen,
Außerdem steuern sie die Drüsentätigkeit im Geni­ vegetativen und/oder psychischen Symptomen ein­
taltrakt, das Reifen der Spermien und haben eine her: (1.) Motorische einfache partielle Anfälle haben
anabole, d. h. muskelaufbauende Wirkung (daher ihren Ursprung im motorischen Kortex des Frontal­
der Missbrauch von Androgenen als Dopingmittel). lappens. Es kommt aufgrund der Kreuzung der Ner­
Das bekannteste Androgen ist das Testosteron, das venbahnen vom Gehirn zum Rückenmark zum
auch bei Frauen gebildet wird, jedoch in deutlich Muskelzucken auf der kontralateralen Seite, welches
geringeren Mengen. Weitere Vertreter von Andro­ sich auch auf weitere Extremitäten oder die ganze
genen sind Androstendion, Dehydroepiandrosteron Körperseite ausbreiten kann. Diese besondere Art
(DHEA) oder Androsteron. heißt Jackson-Anfall. (2.) Sensible oder sensorische
einfache partielle Anfälle haben ihren Ursprung im
Androstendion Androstendion ist ein direktes Vor­ sensiblen Kortex des Parietallappens. Es kommt zu
läuferhormon von Testosteron. Neben Dehydroepi­ Miss- oder Fehlempfindungen in den Körperab­
androsteron (DHEA) ist es das wichtigste Androgen schnitten der Gegenseite, wie z. B. Kribbeln, Taub­
der Frau und wird sowohl in der Nebennierenrinde heit, Wärme- und Kälteempfindungen. Sensorische
(Zona reticularis), als auch im Ovar (unter Einfluss Anfälle können aber alle Sinnesmodalitäten betref­
von Luteinisierendem Hormon (LH) im Stroma fen: eigenartige Gerüche, eigenartige Geschmacks­
­ovarii) gebildet. Androstendion unterliegt einer zir­ wahrnehmungen, optische Wahrnehmungen sowie
kadianen Rhythmik mit Peakwerten am Morgen unbekannte Töne oder Melodien. (3.) Sensorische
Angiotensin I 15

Anfälle können alle Sinne betreffen und zu Seh-, Schlucken. Aber auch etwas komplexere Handlungs­
Hör-, Geruchs-, Geschmacks- und Gleichgewichts­ abläufe wie Herumlaufen, Aus- oder Anziehen und
A
störungen führen. Entsprechende Störungen kön­ Sprechen sind unter Umständen noch möglich. Das
nen in Sehen von Lichtblitzen oder sonstigen op­ Gesprochene besteht allerdings aus gleich blei­
tischen Wahrnehmungen, Hören von klopfenden, benden Floskeln oder immer wieder den gleichen
klingelnden oder pfeifenden Geräuschen, Riechen Fragen. Die Dauer des komplex partiellen Anfalls
bestimmter Düfte, Geschmacksempfindungen oder beträgt ungefähr eine halbe bis zwei Minuten. Die
Schwindel bestehen. Die Ursprünge der sensorischen Betroffenen haben hinterher keinerlei Erinnerung
Anfälle befinden sich im Hinterhaupts- und Schlä­ an den Anfall.
fenlappen (4.) Vegetative einfache partielle Anfälle
betreffen das vegetative Nervensystem mit Empfin­ Angina pectoris (engl. angina; Syn. Stenokardie,
dungen wie z. B. einem schnelleren oder langsa­ Herzenge) Angina pectoris ist eine Durchblutungs­
meren Herzschlag, Schweißausbrüchen, Störungen störung des Herzmuskels, d. h. eine Erkrankung der
der Atmung, Gänsehaut oder Erblassen. (5.) Anfälle Herzkranzgefäße (Koronararterien). Häufigste Ur­
mit psychischen Symptomen haben ihren Ursprung sache ist Arterienverkalkung (Arteriosklerose).
meist im Temporallappen und verursachen z. B. ein Auch Krämpfe können zu diesem Krankheitsbild
plötzliches Angstgefühl, Halluzinationen, Stim­ führen. Symptome für A.p. sind Schmerzen im Brust-
mungsschwankungen oder Denkbeeinträchtigun­ raum, Atembeschwerden, Taubheitsgefühle, starke
gen. Die Betroffenen sind in jeder Phase des Anfalls Angstzustände und Schweißausbrüche. Sie treten
bewusstseinsfähig und nach dem Anfall kann es meist unter körperlicher Anstrengung oder bei ho­
noch geraume Zeit zu Verlangsamung der Bewe­ hen Temperaturen auf. Die Anzeichen können aller­
gungsabläufe oder Taubheitsgefühlen kommen. dings auch auf einen akuten Herzinfarkt hinweisen,
daher ist es wichtig, diesen bei einer Diagnose aus­
Anfall, partieller generalisierter (engl. secondary zuschließen.
generalized seizure) Der partielle oder sekundäre ge­
neralisierte Anfall ist eine Art des epileptischen An­ Angiographie (engl. angiography) Die Angiographie
falls, also eine plötzliche, zeitlich begrenzte, rhyth­ ist eine Röntgenuntersuchung, bei der Gefäße wie
mische und synchrone Entladung eines neuronalen Arterien (Arteriographie), Venen (Phlebographie)
Zellverbandes. Dabei ist anfangs ein Teilgebiet des und Lymphgefäße (Lymphographie) mit Hilfe von
Gehirns betroffen, der Anfall weitet sich aber schnell Röntgenkontrastmitteln sichtbar gemacht werden.
auf das ganze Gehirn aus. Dieser Vorgang äußert Die Gefäße werden durch das zuvor gespritzte Mittel
sich in Auren, die wiederum alle Sinnesmodalitäten vom umgebenden Gewebe deutlich hervorgehoben.
betreffen können, gefolgt vom völligen Bewusst­ Das Röntgen-Kontrastmittel absorbiert die Rönt­
seinsverlust sowie in den meisten Fällen der to­ genstrahlung, wodurch eine weiße Färbung entsteht.
nischen Streckung und dem klonischen Krampfen. Die Dichte bestimmter Strukturen wird ebenfalls
verändert, welche dadurch besser sichtbar sind. An­
Anfall, partieller komplexer (engl. complex partial gewandt wird die Angiographie v. a. bei Gefäßver­
seizure) Der partiell komplexe Anfall ist eine Art des engungen, -verschlüssen oder -missbildungen sowie
epileptischen Anfalls, also eine plötzliche, zeitlich bei der Tumordiagnostik, nach Operationen oder
begrenzte, rhythmische und synchrone Entladung zum Auffinden von Blutungsquellen in verletzten
eines neuronalen Zellverbandes. Dabei ist anfangs Gefäßen.
ein Teilgebiet des Gehirns betroffen, zumeist im
Temporallappen, der Anfall weitet sich aber auf an­ Angiotensin I (engl. angiotensin I) Angiotensin I ist
dere Bereiche des Gehirns aus. Die Folge davon sind ein aus zehn Aminosäuren bestehendes Peptid, das
Bewusstseinsbeeinträchtigungen, unter denen aller­ ein wichtiger Regulator des peripheren Kreislauf­
dings noch einfache Handlungen, Automatismen, systems ist. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des
ausführbar sind. Zu diesen quasi von allein ablau­ Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS).
fenden Bewegungen gehören z. B. Blinzeln, Kauen, Bei einer Minderdurchblutung der Nieren infolge
16 Angiotensin II

von Hypovolämie (Verminderung der Flüssigkeits­ tische Beschwerden sind Schwitzen, Hitze-/Kälte­
A menge im Körper) wird das Enzym Renin ausge­ wellen, Herzrasen, erhöhte Puls-/Herzfrequenz,
stoßen, das ein im Blut zirkulierendes Globulin empfindlicher Magen, Diarrhö, häufiges Urinieren,
(­Angiotensinogen) in das Peptid Angiotensin I um­ feuchtkalte Hände, trockener Mund, leichte Ermüd­
wandelt. Dieses wird in Gegenwart des Angiotensin- barkeit und Muskelspannungen oder -schmerzen.
Converting-Enzyms (ACE) in Angiotensin II ge­
spalten, welches das tatsächlich aktive Hormon dar­ Anion (engl. anion) Ein Anion ist ein elektrisch
stellt. ­ egativ geladenes Atom bzw. Molekül (Ion). Die Be­
n
zeichnung Anion wurde von der Tatsache abgeleitet,
Angiotensin II (engl. angiotensin II) Angiotensin II dass Ionen bei der Elektrolyse zum Pluspol, der
ist ein aus acht Aminosäuren bestehendes Peptid, ­Anode, wandern. Gemäß ihren Ladungen unter­
das enzymatisch aus Angiotensin I synthesiert wird. scheidet man einfach, zweifach und dreifach gela­
Es übernimmt die Schlüsselposition im Renin-An­ dene Anionen. Anionen, die aus mehreren Atomen
giotensin-Aldosteron-System (RAAS). Angioten­ zusammengesetzt sind, werden als Molekülionen be­
sin II löst eine starke vasokonstriktorische Reaktion zeichnet. Häufig vorkommende Anionen sind z. B.
an Arterien (und in leichterer Form auch an Venen) Fluoride, Chloride, Karbonate, Oxide und Phosphate.
aus, wodurch der Blutdruck erhöht wird. Zudem för­ Formell gekennzeichnet werden sie durch ein hoch­

dert es die Aldosteron- und Adrenalin-Freisetzung gestelltes Minuszeichen am Element, z. B. F .
aus der Nebennierenrinde und stimuliert die Freiset­
zung von Vasopressin durch den Hypothalamus. Anomie (engl. anomia; Syn. anomische Aphasie)
Eine Injektion von Angiotensin II in das präoptische Menschen, die unter Anomie leiden, haben Schwie­
Areal der Ratte löst verstärktes Trinkverhalten aus, rigkeiten Objektnamen zu finden. Dabei haben sie
weshalb dieser Stoff auch mit der Induktion des ein intaktes Sprachverständnis, können sinnvolle
Durstgefühls (Dipsogen) assoziiert wird. Durch Sprache produzieren und Gesagtes nachsprechen.
­einen negativen Rückkopplungsprozess hemmt Das Besondere an dieser Schädigung, die an verschie­
­Angiotensin II schließlich die weitere Freisetzung denen Orten im temporalen Kortex auftreten kann,
von Renin. ist, dass die Betroffenen das Wort in Verbform, aller­
dings nicht in Substantivform finden können (z. B.
Angst, antizipatorische (engl. anticipatory anxiety; umschreiben sie: »Man kann damit kleben«, finden
Syn. Erwartungsangst) Die antizipatorische Angst, aber dennoch das Wort »Kleber« nicht).
auch »Angst vor der Angst«, bezeichnet die Vorweg­
nahme der eigenen Angst bzw. Angstreaktion auf­ Anorexia nervosa (engl. anorexia nervosa; Syn.
grund früherer Erfahrungen in ähnlichen Situa­ ­Anorexia mentalis, Magersucht) Eine psychogene
tionen und ist kennzeichnend für Angststörungen, Essstörung mit einem selbst herbeigeführten Ge­
speziell für Panikattacken. wichtsverlust, wobei das eigene Körpergewicht min­
destens 15 % unter dem Normalgewicht liegt. Der
Angststörung, generalisierte (engl. generalized Beginn ist oftmals früh, darum auch Pubertäts­
­anxiety disorder) Eine Form der Angststörung, die magersucht genannt. Die Prävalenz liegt bei etwa
durch chronische und persistierende Ängstlichkeit 1 % für Frauen und 0,08 % für Männer; der Alters­
in vielen Lebenssituationen gekennzeichnet ist. Be­ gipfel findet sich im Bereich von 10–25 Jahren.
troffene leiden unter einem Gefühl der allgegenwär­ Symptome können Nahrungsverweigerung, pa­
tigen Angst, dem Gefühl, Belastungen nicht stand­ nische Angst vor Übergewicht, exzessive sportliche
halten zu können, Angespanntheit, Grübeln, allge­ Aktivität, Erbrechen und Abführen sein. Die Pa­
meiner Besorgnis über drohendes Unheil, Gesund­ tienten zeigen eine verzerrte Körperwahrnehmung,
heit, Geld, Familie oder die Arbeit sowie Verlust der Schlankheitswahn und hohe Leistungsorientierung.
Selbstkontrolle. Die Patienten sind ungeduldig, Oft kommt es zur sozialen Isolation. Körperliche
­ruhelos, leicht reizbar, extrem kritikempfindlich, Folgeschäden können Amenorrhö, Wachstumsstö­
schlaflos, leicht depressiv und entschlusslos. Soma­ rung, ausbleibende Brustentwicklung und Osteo­
Ansatzplättchen 17

porose sein. Die Letalität liegt bei 5 %, in Kliniken erfolgen kann. Im Allgemeinen bildet sich die Ano­
mit speziellen Stationen sogar bei 80 %. Als ätiolo­ sognosie in den ersten drei Monaten zurück, sie
A
gische Faktoren werden Traumata, Beziehungskon­ kann aber auch bleibend sein. Auf den genauen Ort
flikte, soziokulturelle Rahmenbedingungen, Wunsch der Schädigung gibt es bisher keine eindeutigen Hin­
nach Selbstkontrolle und genetische Faktoren dis­ weise, es wird aber davon ausgegangen, dass eine
kutiert. Schädigung der Insula oder ihrer Verbindungen
­damit zusammenhängen könnte. Von einer neurolo­
Anosmie (engl. anosmia) Mit Anosmie bezeichnet gischen Grundlage wird inzwischen ausgegangen;
man den vollständigen (totale Anosmie) oder antei­ die tiefenpsychologische Erklärung als Verdrängungs­
ligen (selektive Anosmie) Verlust des Geruchssinns. mechanismus ist als überholt anzusehen. Unterfor­
Das Fehlen des Geruchssinnes kann sowohl angebo­ men der Anosognosie sind (1.) die Asomatognosie
ren als auch erworben sein. Mögliche Ursachen hier­ (das Zugehören einer Extremität wird geleugnet),
für können Beschädigungen des Nervus olfactorius (2.) Somatoparaphrenie (die eigene Extremität wird
(periphere Anosmie) oder des Nervus trigeminus einer anderen Person zugeordnet) und (3.) Anoso­
(zentrale Anosmie) sowie Virusinfektionen, Hirn­ diaphorie (eine schwere Krankheit wird als Lappalie
tumore, Depressionen oder Rissverletzungen (z. B. abgetan).
nach einem Schädel-Hirn-Trauma) sein. Eine Son­
derform stellt die gustatorische Anosmie dar, welche Anreiz (engl. stimulus, incentive) Einen Anreiz kann
durch Verlegung der Riechspalte entstehen kann. man als einen verstärkenden Stimulus definieren,
Aufgrund der ortselektiven Empfindlichkeit der welcher auf natürlichem (wie z. B. Futter, Wasser,
Riechschleimhaut auf bestimmte Geruchsqualitäten soziale und sexuelle Partner) oder künstlichem Wege
lässt sich mit bestimmten Reizstoffen der Ort der (wie z. B. Drogen oder intrakranielle Selbstreizung)
Schädigung ausfindig machen. Außerdem lässt sich die Neurone des Dopaminsystems erregt und somit
mittels elektrischer Reaktionsolfaktometrie (oder homöostatische Bedürfnisse anspricht. Anreize kön­
Magnetresonanztomographie des Bulbus olfactorius) nen die Funktion eines primären, aber auch eines
eine Anosmie diagnostizieren. Mit der Anosmie sekundären Verstärkers übernehmen (z. B. das Läu­
geht ein großer Verlust der Lebensqualität einher, da ten einer Glocke, welches einer Nahrungszugabe in
auch die Geschmackswahrnehmung beträchtlich zeitlicher Nähe vorausgegangen ist).
eingeschränkt ist. Partieller Geschmacksverlust kann
ggf. mit Gewichtsabnahme und dem Verlust der Anreiztheorie (engl. positive incentive theory) Nach
Wahrnehmung von Warnreizen (Fäulnisgeruch, der Anreiztheorie werden Menschen und Tiere nicht
Brandgeruch) einhergehen. durch ein internes Energiedefizit zum Essen getrie­
ben, sondern eher durch die angenehmen Effekte
Anosognosie (engl. anosognosia) Anosognosie ist der Nahrung. Nach der Anreiztheorie ist der Grad
das Nichterkennen einer neurologischen Krankheit. des Hungers vor allem mit den durch das Essen er­
Sie ist kein eigenständiges neuropsychologisches zeugten Reizen verbunden. Dazu gehört neben dem
Syndrom, sondern eine Begleiterscheinung bestimm­ Geschmack der Nahrung auch die bisher damit ge­
ter Ausfälle, v. a. nach Neglekt, kortikaler Blind­heit, machten Erfahrungen, das Wissen, das darüber vor­
Hemianopsie, Hemiparese und Hemiplegie. Sie tritt liegt, wie viel Zeit seit der letzten Nahrungsaufnah­
meist nach rechtshemisphärischen Schädigungen me vergangen ist, wie viel Nahrung noch im Verdau­
auf, nach linkshemisphärischen Schädigungen ist sie ungstrakt vorhanden ist, wie hoch der Blutzucker­
sehr selten und von kürzerer Dauer. Die betroffenen spiegel ist und ob weitere Personen anwesend sind.
Personen leugnen ihre Behinderung, versuchen sie All diese miteinander interagierenden Faktoren sind
mit rationalen Argumenten zu erklären, entschul­ ausschlaggebend für den Hunger, nicht aber ein En­
digen sich oder konfabulieren (stellen erfundene ergiedefizit vor der Mahlzeit.
Erlebnisse als selbst erlebt dar). Anosognosie ist von
großer klinischer Bedeutung, da ohne Krankheits­ Ansatzplättchen Ansatzplättchen sind kleine Heft­
einsicht eine Therapie gar nicht oder nur schlecht punkte an den Zilien und verbinden über die »Tipp-
18 Antagonist

Links« (Spitzenverbindungen) die einzelnen Zilien vorher eintretenden Erkrankung ausgelöst. Bei der
A der Haarzellen miteinander. In jedem Ansatzplätt­ anterograden Amnesie sind Patienten nicht mehr in
chen befindet sich ein Kationen-Kanal, der sich der Lage, nach dem verursachenden Ereignis neue
durch Streckung bzw. Dehnung der Zilien öffnet und Gedächtnisinhalte zu bilden. In Bezug auf Nerven­
Kationen (K+) in die Zilien einströmen lässt. Beim fasern bedeutet anterograd, dem Verlauf der Erre­
Zurückbiegen der Zilien schließt sich dieser Kanal gungsausbreitung folgend.
wieder und verhindert weiteres Einströmen der Kat­
ionen. An den Ansatzplättchen wird ein Rezeptor­ Antidepressiva, tetrazyklische (engl. pl. tetracyclic
potenzial ausgelöst. antidepressants) Tetrazyklische Antidepressiva sind
Medikamente gegen depressive Erkrankungen mit
Antagonist (engl. antagonist) Antagonisten können stimmungsaufhellender Wirkung und sogenannte
an Rezeptoren binden, verhindern aber im Gegen­ Antidepressiva der zweiten Generation. Da sie je­
satz zu den Agonisten die Aktivierung dieser Rezep­ doch nur eine geringe antidepressive Wirkung und
toren (z. B. Curare am azetylcholinergen Rezeptor). viele Nebenwirkungen aufweisen, werden sie nur
Sie verhindern dabei die Bindung der Agonisten noch selten verschrieben. In ihrer chemischen Struk­
bzw. Transmitter an die jeweiligen Bindestellen. tur finden sich statt drei (wie bei trizyklischen Anti­
­Direkte Antagonisten (kompetitive A.) binden dabei depressiva) vier Benzolringe. In ihrer Wirkung un­
an dieselbe Bindungsstelle wie der Transmitter, indi­ terscheiden sie sich kaum von trizyklischen Anti­
rekte Antagonisten (nichtkompetitive A.) binden an depressiva.
sekundäre Bindestellen und verhindern die Aktivie­
rung des Rezeptors durch entsprechende Transmit­ Antidepressiva, trizyklische (engl. pl. tricyclic anti-
ter (u. a. durch Konforma-tionsänderungen, Ände­ depressants) Trizyklische Antidepressiva (TZA) wir­
rung der Affinität zum Liganden), konkurrieren ken positiv auf eine Depression, jedoch erst mit einer
dabei aber nicht mit dem Transmitter um die Bin­ 1- bis 3-wöchigen Verzögerung nach Beginn der
dung am Rezeptor. Einnahme. Der genaue Wirkungsmechanismus ist
noch nicht zweifelsfrei geklärt; wahrscheinlich hem­
Antagonist, inverser (engl. inverse antagonist) In­ men sie die Wiederaufnahme der Neurotransmitter
verse Antagonisten binden am gleichen Rezeptor Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, die eine
wie der ursprüngliche Transmitter und erzeugen entscheidende Rolle bei affektiven Störungen spie­
­einen umgekehrten Effekt der normalen Rezep­ len. Das führt dazu, dass diese Neurotransmitter
torenfunktion. Diese Antagonisten kommen auf länger im synaptischen Spalt wirken. Der Name geht
­natürlichem Wege im Körper selten vor. auf den charakteristischen Aufbau der Moleküle zu­
rück – die Strukturformel weist ein Grundgerüst aus
anterior (engl. anterior; v. lat. vorn, vorgelagert) drei zusammenhängenden Ringen auf. Die Neben­
­Anatomische Lagebezeichnung in der Medizin, z. B. wirkungen von TZA sind beträchtlich, so dass nur
Lobus frontalis (Frontallappen) liegt anterior zum noch selten auf diese Gruppe der Psychopharmaka
Lobus parietalis (Scheitellappen). Gegenteil von zurückgegriffen wird.
ante-rior: posterior.
Antidiuretisches Hormon (engl. antidiuretic hor-
Anteriorer Gyrus zinguli 7 Gyrus cinguli, anteriorer mone; Syn. Adiuretin, Vasopressin [alte Bezeichnung])
Antidiuretisches Hormon (ADH) dient als Peptid­
anterograd (engl. anterograde; v. lat. nach vorn ge- hormon in erster Linie der Regulation des Körper­
richtet) Anterograd ist die Bezeichnung für einen wasserhaushalts und wird bei einer Verminderung
Zeitraum, der nach vorne gerichtet ist. In der Me­ des intra- und/oder extrazellulären Zellvolumens
dizin benennt dieser Begriff das Phänomen, das sich ausgeschüttet. ADH wird in den Neuronen der hypo­
Patienten an Ereignisse nicht mehr erinnern kön­ thalamischen Nuclei paraventricularis und supra­
nen, die nach einer bestimmten Erkrankung eintre­ opticus synthetisiert und von dort axonal in den
ten. Dabei wird dieser Erinnerungsverlust von der Hypophysenhinterlappen transportiert. Seine Aus­
Antipsychotika 19

schüttung erfolgt direkt in das Blut und wird durch antikonvulsiv (engl. anticonvulsive, anticonvulsant;
Hyperosmolarität (zu geringer Flüssigkeitsanteil in Syn. antiepileptisch) Antikonvulsiv bedeutet krampf­
A
Relation zu den darin gelösten Teilchen), Hypovolä­ lösend oder mit hemmender Wirkung auf Krämpfe.
mie (Verminderung der allgemeinen Flüssigkeits­ Ein Antikonvulsivum/Antiepileptikum ist ein Arz­
menge im Körper), Stress, Angst, Erbrechen, sexu­ neimittel zur Behandlung oder Verhinderung des
elle Erregung, Angiotensin II, Dopamin und Endor­ wiederholten tonischen oder klonischen musku­
phine stimuliert. ADH ist ein »Dursthormon«, des­ lären Krampfgeschehens.
sen Wirkung in renaler Wasserresorption und
arterieller Vasokonstriktion liegt. Antikörper (engl. antibody; Syn. Immunglobulin)
Antikörper (AK oder Ig) sind eine heterogene
antidrome Leitung (engl. antidromic conduction) ­Gruppe von Eiweißstoffen und Träger der humo­
Bei der antidromen Leitung wandern die Aktions­ ralen Immunität. Ihre Aufgabe ist die Abwehr von
potenziale in entgegengesetzter Richtung, d. h. vom Infektionserregern und körperfremdem Material
Axon zurück zum Soma der Nervenzelle. (sog. Antigene). Sezerniert werden sie von B-Lym­
phozyten, den Plasmazellen. Sie kommen sowohl im
antiemetisch (engl. antiemetic) Antiemetische Me­ Blut als auch in der extrazellulären Gewebeflüssig­
dikamente wirken Übelkeit und Erbrechen entge­ keit vor. Sie reagieren auf Antigene, wobei sie meist
gen. Der obere Gastrointestinaltrakt wird sowohl nur einen Teil von deren Struktur erkennen. Anti­
cholinerg (Förderung der Peristaltik und rasche Be­ körper besitzen zwischen zwei (z. B. IgG) und zehn
förderung des Mageninhaltes durch den Magen- (IgM) identische spezifische Bindungsstellen für
Darm-Trakt) als auch dopaminerg (Hinderung der Antigene. Ihre Wirkung besteht darin, das Antigen
raschen Peristaltik zur Magenentleerung) innerviert. zu binden und so dessen Wirkung an membranstän­
Die Gabe eines Dopaminantagonisten kann Stase digen Rezeptoren zu verhindern (Neutralisation)
und Erbrechen entgegenwirken und die Magenent­ und/oder das Antigen für Phagozyten (Fresszellen)
leerung und Beschleunigung der Dünndarmpassage »schmackhaft« zu machen (Opsonierung). In einem
fördern. Antiemetika werden bei Übelkeit und Er­ dritten Mechanismus stoßen Antigen-Antikörper-
brechen, Magenentleerungsstörungen oder Reflux­ Komplexe die Komplement-Kaskade an. Alle AK
beschwerden, aber auch zur unterstützenden Thera­ basieren trotz struktureller Unterschiede auf der
pie bei Migräne eingesetzt. gleichen Y-förmigen Grundstruktur mit je einer spe­
zifischen Antigenbindungsstelle an den Enden der
Antigen (engl. antigen) Ein Antigen ist ein Molekül, beiden Arme des Y-förmigen Eiweißmoleküls.
dass von der Immunabwehr eines Organismus als
Fremdstoff erkannt und die Bildung von spezifisch Antimüllersches Hormon (engl. Anti-Muellerian
gegen dieses Antigen gerichteten Antikörpern her­ hormone; Syn. Müllersches inhibierendes Hormon)
vorruft (humorale Immunantwort). Der Begriff des Das antimüllersche Hormon wird beim männlichen
Antigens stammt aus der Immunologie. Werden Fetus im dritten Monat von den Hoden ausge­
körpereigene Moleküle fälschlicherweise als Anti­ schüttet. Es hemmt die Entwicklung der Müllerschen
gene erkannt, führt dies zu einer Autoimmunreak­ Gänge (weibliches »Vorläuferorgan«, aus dem sich
tion. Dies ist bei Autoimmunkrankheiten wie z. B. die weiblichen Geschlechtsorgane bilden), was zu
Multiple Sklerose der Fall. Wenn für den Körper deren Rückbildung führt. Außerdem bewirkt es die
eigent­lich harmlose Antigene eine übermäßige Pro­ Absenkung der Hoden in den Hodensack.
duktion von Antikörpern anregen, werden sie als
Allergene bezeichnet. Antipsychotika (engl. pl. antipsychotic drugs) Anti-
psychotika sind Medikamente, die antipsychotisch
Antihypnotika (engl. pl. antihypnotika) Antihyp­ und sedierend (beruhigend) wirken. Sie werden zur
notika sind blutdrucksteigernde Mittel mit schlaf­ Behandlung von Psychosen eingesetzt, besonders
hemmender Wirkung. Sie gehören zur Gruppe der zur Beseitigung von Halluzinationen und Wahnvor­
Stimulanzien. stellungen bei Schizophreniepatienten. Antipsycho­
20 antipyretisch

tika wirken auch gegen die manische Phase der bi­ Apex (engl. apex) Apex bedeutet Spitze oder Kuppe.
A polaren Störung. Diese Medikamente beeinflussen In der Anatomie ist damit der vordere Teil oder Ab­
die synaptische Erregungsübertragung zwischen schnitt eines Körperteils etc. gemeint (z. B. Apex
den Nervenzellen im Gehirn. Typische A. hemmen linguae = Zungenspitze). Das Adjektiv »apikal«
die Übertragung von Dopamin; atypische A. wirken meint »auf die Spitze bezogen«. Als Apex wird zum
hingegen antagonistisch auf bestimmte Serotoninre­ Beispiel die Spitze der Gehörschnecke bezeichnet.
zeptoren. Diese Variante der Antipsychotika wurde
entwickelt, um die gravierenden Nebenwirkungen Aphagie (engl. aphagia) Aphagie bezeichnet die
auf Bewegungsabläufe und -kontrolle (Extrapyrami­ ­Unfähigkeit zu essen oder zu schlucken.
dalsymptomatik) zu verringern.
Aphasie, globale (engl. global aphasia) Aphasien
antipyretisch (engl. antipyretic) Antipyretisch be­ sind Sprachstörungen, die sich auf die Expression
deutet »fiebersenkend«, d. h. ein fiebersenkendes oder das Verstehen von Sprache beziehen. Sie sind
Medikament wird als Antipyretikum bezeichnet. auf neurologische Erkrankungen oder Läsionen
Eine solche Substanz erhöht die Wärmeabgabe der (meist in der sprachdominanten linken Hemis­phäre)
Haut, indem durch Hemmung der Prostagladin-E- zurückzuführen. Während die Broca-Aphasie die
Synthese im Hypothalamus die Hautgefäße geweitet Sprachproduktion negativ beeinflusst und bei der
werden und vermehrt Schweiß abgesondert wird. Wernicke-Aphasie vorwiegend das Sprachverständ­
nis im Vordergrund steht, bezeichnet die globale
antitussiv (engl. antitussive) Mit Antitussiva werden Aphasie eine Störung, die sämtliche Sprachmodali­
hustenstillende Medikamente bezeichnet. Diese Prä­ täten betrifft. Bei dieser schwersten Form kann eine
parate wirken auf das Hustenzentrum des Stamm­ Kommunikation mit dem betroffenen Patienten bei­
hirnes (in der Medulla oblongata). Die meisten die­ nahe unmöglich sein, selbst ein Nachsprechen durch
ser Hustenstiller sind Abkömmlinge von Opioiden den Patienten ist nicht mehr möglich. Bei der globa­
(z. B. Kodein) und haben daher leistungsbeeinträch­ len Aphasie betrifft die Schädigung alle sprachrele­
tigende, ermüdende Wirkungen. Außerdem bergen vanten Regionen um die sylvische Fissur. Global­
sie in unterschiedlichem Maß die Gefahr einer Ab­ aphasiker können sich häufig nur in geringem Um­
hängigkeit. Einige Präparate, z. B. Clobutinol (Silo­ fang, sehr stockend und unter großer Anstrengung
mat), haben kein Suchtpotenzial, da sie nicht an äußern, wobei Artikulation und Prosodie oft schwer
Opioidrezeptoren binden. beeinträchtigt sind. Aphasien können auch Lese-
(Alexie) und Schreibstörungen (Agraphie) mit sich
Anxiolytika (engl. pl. anxiolytic drugs) Anxiolytika bringen.
sind angstlösende bzw. -hemmende Psychopharma­
ka, die bei der Therapie von verschiedensten Angst­ Apikaldendriten (engl. pl. apical dendrites) Apikal­
störungen eingesetzt werden. Die zwei wichtigsten dendriten sind einer von zwei Typen von Dendriten
Medikamentengruppen dabei sind die Benzodia­ (basale sowie apikale Dendriten) pyramidenför­
zepine (z. B. Valium), die am GABAA Rezeptor ver­ miger Nervenzellen. Beide entspringen an der Spitze
stärkend wirken, sowie Serotoninagonisten (z. B. Bus­ der Pyramidenzellen (Perikaryon); apikale Den­
piron, das seinen Effekt am 5-HT1A-Rezeptor entfal­ driten sind jedoch länger als basale Dendriten und
tet). Benzodiazepine haben eine Reihe von Neben­ weisen in die dem Axon entgegengesetzte Richtung.
wirkungen, wie etwa Übelkeit, Müdigkeit, sowie eine Sie erstrecken sich quer vertikal durch die Schichten
enorm schnelle Suchtentwicklung mit den entspre­ der Großhirnrinde.
chenden Entzugserscheinungen. Buspiron zeigt seine
Wirkung ohne diese unerwünschten Nebeneffekte. Aplysia (engl. aplysia) Aplysia bezeichnet eine
Neben Buspiron wirken auch andere Serotonin­ ­Gattung von Meeresnacktschnecken, die sich in der
agonisten (wie etwa die v. a. in der Depressionsthera­ neurologischen Forschung großer Beliebtheit er­
pie heute häufig verwendeten selektiven Serotonin- freuen. Grund sind die besonders großen Neuronen
Wiederaufnahmehemmer, SSRIs) anxiolytisch. dieser Gattung, die eine einfache Handhabung und
Apraxie, okuläre 21

Beobachtung ermöglichen. Das Studium der Aplysia senen Organismus spielt die Apoptose eine große
hat in der Vergangenheit zu vielen grundlegenden Rolle beim Abbau kranker oder geschädigter Zellen.
A
Erkenntnissen um Lernen und Gedächtnis beigetra­ Chronischer Stress kann Apoptose reduzieren und
gen. Aplysia erlangte ihre heutige Berühmtheit durch damit zur Anhäufung von Gen- und Zelldefekten
das Phänomen der Habituation: Bespritzt man die führen.
Schnecke an ihrem Siphon leicht mit Wasser, zieht
sie sich zusammen, da dieser Reiz als bedrohlich Apraxie, allgemeine (engl. apraxia) Störung der Be­
wahrgenommen wird. Wartet man, bis sie sich wie­ wegung, die nicht durch z. B. einen schwachen Mus­
der gestreckt hat und wiederholt die Prozedur, zieht keltonus, intellektuelle Verwirrtheit oder andere
sich Aplysia nach ein paar Durchgängen den Siphon Bewegungsstörungen hervorgerufen ist, sondern
nicht mehr ein. Die Gewöhnung (Habituation) hat durch eine Störung der Verbindungen zwischen dem
eingesetzt, da der Reiz nach mehreren Durchgängen parietalen Kortex und dem Motorkortex. Apraxie
als nicht gefährlich eingestuft wurde. tritt häufig gemeinsam mit Aphasie auf.

Apomorphin (engl. apomorphine) Der Wirkstoff Apraxie, konstruktive (engl. constructive apraxia)
Apomorphin ist ein Morphinderivat mit starker Konstruktive Apraxie bezeichnet eine Störung von
Wirkung auf das Brechzentrum ohne gleichzeitig gestaltenden Handlungen, die unter visueller Kon­
wesentliche allgemeine Vergiftungssymptome oder trolle ausgeführt werden, ohne dass primär senso­
Stoffwechselveränderungen auszulösen. Es ist ein rische Ausfälle oder Parese vorliegen. Sie wird durch
Dopamin-D2-Agonist und wurde so auch zur Diag­ Läsionen im rechten posterioren Parietallappen her­
nose und Behandlung der Parkinson-Krankheit vorgerufen. Menschen, die unter konstruktiver
eingesetzt. Aufgrund seiner starken Nebenwirkun­ Apraxie leiden, haben Schwierigkeiten Gestaltungs­
gen ist die Verwendung jedoch weitgehend einge­ aufgaben (z. B. Mosaik- oder Puzzleaufgaben) zu
schränkt. Es wird selten bei Vergiftungen zur schnel­ lösen, da ihre visuell-räumlichen Fähigkeiten einge­
len Magenentleerung (v. a. in der Veterinärmedizin) schränkt sind.
benutzt oder zur Beendigung eines Anfalls von es­
sentieller paroxysmaler Tachykardie. In geringer Apraxie, linksparietale (engl. left parietal apraxia;
Dosierung hat Apomorphin eine erektionsstimulie­ Syn. ideomotorische Apraxie) Bei der linksparietalen
rende Wirkung. Derartige potenzsteigernde Medi­ Apraxie können Patienten Bewegungen, wie z. B.
kamente wurden unter den Handelsnamen Ixense mit der Schere schneiden, ausführen, sind aber nicht
und Uprima vertrieben, welche 2004 jedoch vom in der Lage, Bewegungen zu kopieren, diese auf
Markt genommen wurden. ­Zuruf auszuführen oder zu gestikulieren. Die Stö­
rung kann sich außerdem durch Parapraxien (an
Apoptose (engl. apoptosis) Apoptose bezeichnet sich richtige Einzelbewegungen werden in falscher
­einen programmierten Zelltod, der von der Zelle Reihenfolge ausgeführt und erfolgen mit unnötigen
selbst herbeigeführt wird. Die betroffene Zelle zusätzlichen Bewegungen) ausdrücken. Diese Form
schrumpft und zerfällt in Fragmente. Die Apoptose der A. wird meist durch Läsionen in linksseitigen
verläuft immer nach demselben Schema und ist ein posterior parietalen Arealen und in der Kommissu­
normales, funktional wichtiges zelluläres Programm. renbahn zum motorischen Assoziationskortex aus­
Vor allem während der Entwicklung des zentralen gelöst.
Nervensystems kommt es zu einem massiven pro­
grammierten Zelltod (in manchen Bereichen ster­ Apraxie, okuläre (engl. oculomotoric apraxia) Diese
ben bis zu 50 % der Zellen durch Apoptose). Zu Be­ Form der Apraxie ist eine massive Störung der Steu­
ginn der Bildung des ZNS entstehen zu viele Neu­ erung der Augenbewegungen, die z. B. im Zusam­
rone und diejenigen, die keinen oder zu wenig menhang mit dem Balint-Syndrom auftritt. Der Pa­
synaptischen Input erhalten, sterben durch Apopto­ tient ist nicht mehr in der Lage, seinen Blick zu
se ab. Damit kann das Nervensystem optimal an die ­steuern bzw. auf ein Objekt gerichtet zu halten. Ge­
Umweltbedingungen angepasst werden. Im erwach­ sehenes kann örtlich nicht lokalisiert werden.
22 Apraxie, sympathetische

Apraxie, sympathetische (engl. sympathetic apra- zieht gerade über das Gehirn hinweg, dringt aber
A xia) ist eine Bewegungsstörung der linken Hand, die nicht wie die Pia mater in die Sulci (Gehirnfurchen)
auf einer Läsion des linken Frontallappens beruht. ein. Ihre Arachnoidalzotten reichen in die venösen
Blutleiter der Dura mater und dienen der Liquorre­
Aquaeductus cerebri (engl. aqueductus cerebri, sorption. An der Grenze zur Dura ­ mater weist die
­cerebral aquaeduct, sylvian aquaeduct; Syn. Aqueduc- Arachnoidea außerdem mehrere Lagen von flachen
tus mesencephali, Aqueductus sylvii) Der Aquaeduc­ Zellen auf, die durch tight junctions miteinander ver­
tus cerebri ist Teil des Ventrikelsystems im Gehirn bunden sind. Diese stellen einen Teil der Diffusions­
und verbindet als schmaler Kanal den dritten Vent­ barriere (Blut-Hirn-Schranke) des Ge­hirns dar.
rikel (im Dienzephalon) mit dem vierten Ventrikel
(im Rhombenzephalon). Eine Verengung oder Blo­ Arbeitsgedächtnis (engl. working memory; Syn. un-
ckade des Aquädukts (etwa durch einen Tumor) mittelbares Gedächtnis) Das Arbeitsgedächtnis (AG)
führt zu einem Stau der durch die Ventrikel fließen­ dient der vorübergehenden Speicherung (short-term
den Zerebrospinalflüssigkeit (CSF). Durch das ver­ storage) und gleichzeitigen Verarbeitung von Informa­
hinderte Abfließen der CSF schwillt mit den Ventri­ tionen. Das AG ist eine Unterform des Kurzzeitge­
keln das ganze Gehirn an und es kommt zu einem dächtnisses (KZG), welches einen begrenzten Spei­
Hydrozephalus, dem sog. Wasserkopf. Zur Behand­ cher von 7+/-2 Elementen über Sekunden bis Minu­
lung muss die überflüssige CSF abgeleitet werden, ten im ventromedialen präfrontalen Kortex enthält.
um die Ursache der Verengung zu eliminieren. Das AG besteht aus mehreren Subsystemen, ist in
seiner Kapazität begrenzt und eng mit dem Langzeit­
Arachidonsäure (engl. arachidonic acid) Arachidon­ gedächtnis (LZG) verbunden. Nach dem 1986 von
säure ist eine vierfach ungesättigte Fettsäure, die nur A. Baddeley entwickelten Modell wird das AG in eine
in tierischen Fetten vorkommt und mit der Nahrung zentrale Exekutive und die zwei untergeordnete Sys­
aufgenommen wird. Sie kann aber auch vom Körper teme (»Sklavensysteme«) phonological loop (Aufrecht­
selbst aus Omega-6 Fettsäuren gebildet werden. erhaltung phonologisch kodierbarer Information)
A. ist ein Second Messenger und kann durch die und visuospatial sketchpad (Aufrechterhaltung visu­
Plasmamembran diffundieren, wird außerdem in ell-räumlicher Information) untergliedert.
den Zellwänden der Körperzellen eingelagert, was
durch hormonelle Steuerung geschieht. Durch oxi­ Archikortex (engl. archicortex) Der entwicklungsge­
dative Prozesse wird die A. freigesetzt und ein ent­ schichtlich alte Archikortex gehört zum Großhirn
zündungsvermittelnder Stoff entsteht, der gleich­ (Telenzephalon) und besteht aus Hippocampus,
zeitig Ursache für gesteigertes Schmerzempfinden ­Regio entorhinalis und Teilen des Gyrus cinguli. Er
ist. Der Arachidonsäure-Stoffwechsel ist somit bei liegt im unteren medialen Temporallappen und be­
unterschiedlichen Erkrankungen wie u. a. Rheuma, sitzt einen gleichförmigen dreischichtigen Aufbau.
Allergien, Neurodermitis oder Arteriosklerose von Hippocampus und Gyrus cinguli bilden zusammen
Bedeutung. A. kann verschiedene Enzyme aktivie­ das Zentrum des limbischen Systems. Der Hippo­
ren bzw. inhibieren, bspw. Phospholipase oder Pro­ kampus ist maßgeblich an der Gedächtnisbildung,
teinkinase C. Aggressionen, Motivation und Bewusstsein betei-
ligt. Er erhält afferente Impulse aus der Regio ento­
Arachnoidea mater (engl. arachnoid mater; Syn. rhinalis, d. h. Informationen über somatische, moto­
Spinnengewebshaut) Die Arachnoidea mater ist von rische, auditive und olfaktorische Vorgänge. Efferen­
vielen Gefäßen durchzogen, die ihr ein spinnenweb­ te Impulse werden durch den Fornix (Faserstruktur)
artiges Aussehen verleihen. Sie ist die mittlere der drei abgegeben an das Septum, Corpus amygdaloideum
Hirnhäute und besteht aus einer bindegewebshaltigen und den Hypothalamus.
beidseits endothelbedeckten Membran, die eng an
der Dura mater (harte Hirnhaut) anliegt. Von der un­ Area peribrachiales (engl. peribrachial area) Eine
ter ihr liegenden Pia mater ist sie durch den Subarach­ Ansammlung von azetylcholinergen Neuronen in
noidalraum, der den Liquor enthält, getrennt. Sie der dorsolateralen Brücke des Hirnstamms, die sich
Areal, supplementär-motorisches 23

um das Brachium conjunktivum herum gruppieren. nigra Zentrum verschiedener dopaminerger Syste­
Die Aktivität dieser Neurone steht im Zusammen­ me und Teil des ventralen Mittelhirns (Mesenzepha­
A
hang mit dem Wach-Schlafrhythmus des Organis­ lon). Die Nervenzellkörper der hier liegenden Neu­
mus. Eine erhöhte Feuerrate dieser Neurone kann rone sind Ausgangspunkt des sog. mesolimbokor­
während aktiver Wachheit des Organismus und in tikalen Bahnensystems, welches weite Teile des zere­
Phasen des REM-Schlafes beobachtet werden. Die bralen Kortex und des limbischen Systems (u.a.
Neurone der Area peribrachiales projizieren u. a. zur Nucles accumbens, Amygdala und Hippocampus)
medialen pontinen Formatio reticularis, deren Akti­ mit dem Neurotransmitter Dopamin versorgt. Die
vität die REM-Schlaf-Initiierung mitbewirkt. Ande­ Region wird in Verbindung gebracht mit selbst­
re Projektionen sind ins Vorderhirn und in die Hirn­ stimulativen Prozessen und Suchterkrankungen. Im
stammbereiche, die für Augenmuskelbewegungen ventralen tegmentalen Areal (VTA) beginnt und
zuständig sind, gerichtet. schließt sich die »ventrale Schleife« (= System von
Faserbahnen, das vom orbitofrontalen und zingu­
Area postrema (engl. Area postrema) Die Area post- lären Kortex zu subkorticalen limbischen Zentren
rema beinhaltet den Bereich der Formatio reticularis läuft).
am kaudalen Ende der Rautengrube unmittelbar
­unter der Hirnoberfläche, welcher den zirkumvent­ Areal, medio-superior-temporales (engl. superior
rikulären Organen zugeordnet wird (d. h. keine mediotemporal area) Das medio-superior-temporale
Blut-Hirn-Schranke besitzt). Dieser aktiviert und Areal (MST) schließt sich an das MT-Areal (medio­
koordiniert zusammen mit angrenzenden Kernge­ temporales Areal, V5) an und steht im Dienste der
bieten und dem ventral liegenden Kernkomplex der Verarbeitung von Bewegungen und visueller Bewe­
Ncl. tractus solitarii einen Reflexbogen, welcher für gungs- und Tiefeninformation. Es erhält Informa­
das Erbrechen verantwortlich ist. tionen aus dem V5, reagiert allerdings auf kom­
plexere Bewegungen als dieses Areal. Dazu gehören
Area praepiriformis (engl. prepiriform area) Die z. B. Spiralbewegungen. Der dorso-laterale Teil des
Area praepiriformis ist ein Riechareal (hirnbasales MST (MSTd) ist für die Analyse des optischen Flie­
Feld vor dem parahippocampalen Gyrus), welches ßens zuständig, welches wesentlich für das Einschät­
bei der Geruchsdiskrimination aktiv ist. zen der Eigenbewegung im Raum ist.

Area striata (engl. striate cortex; Syn. V1, primärer Areal, medio-temporeales (engl. mediotemporal
visueller Cortex) Unter Area striata versteht man den area, midtemporal area, area MT) Das medio-tem­
primären visuellen Kortex (V1), der okzipital be­ porale (MT; V5) Areal gehört zur Dorsalbahn (sog.
grenzt vom Sulcus calcarinus und Sulcus occipito­ »Wo-Bahn«). Hier werden die visuellen Bewegungs-
parietalis liegt. Dieses Areal erhält Input, d. h. visu­ und Tiefeninformationen analysiert. Dabei sind die
elle Informationen, vom im Thalamus gelegenen Neurone nicht nur richtungsselektiv, sondern auch
Corpus geniculatum laterale. Die Bezeichnung Area geschwindigkeitsselektiv und sensitiv für binokuläre
striata (gestreifter Kortex) bezieht sich auf den Kor­ Unterschiede. Daher führen Läsionen in V5 zu
tex dieser Region, der aus dunklen Zellschichten Akine­topsie (Unfähigkeit sich bewegende Objekte
(Striation) besteht. In den verschiedenen Schichten wahrzunehmen). Das V5 ist retinotop organisiert.
des primären visuellen Kortex kommen alle Arten Vom MT-Areal aus zieht der dorsale Pfad weiter in
visueller Information an und werden hier überden den posterioren Parietallappen.
dorsalen bzw. den ventralen Verarbeitungspfad zur
weiteren Analyse und Differenzierung sowie letzt­ Areal, supplementär-motorisches (engl. supplemen­
lich zur Integration in die höheren visuellen Areale tary motor area) Das supplementär-motorische Are­
geschickt (V2, V4, V5). al (SMA) bildet den medialen Anteil der prämo­
torischen Rinde und wird dem Brodmann-Areal 6
Area tegmentalis ventralis (engl. ventral tegmental zugeordnet. Die Efferenzen des SMA bilden einen
area) Dieses Gebiet ist zusammen mit der Substantia wesentlichen Bestandteil des Regelsystems des Zere­
24 Aroma

bellum-Thalamus-motorischen Kortexes. Seine Funk­ Anaphalin. Eine wichtige Aromatisierung ist die
A tion besteht hauptsächlich in der Organisation von Umwandlung von Testosteron in Östradiol im ZNS.
Bewegungssequenzen, die an die primäre moto­ Bei perinatalem Testosteron geht man von einer Ver­
rische Rinde weitergeleitet werden. Die neuronale männlichung des Gehirns durch A. aus.
Aktivität im supplementär-motorischen Areal nimmt
bereits bei der Vorstellung verschiedener Bewegungs­ Arousal (engl. arousal) Arousal ist eine Alarmreak­
folgen zu. Läsionen des supplementär-motorischen tion des Organismus, bei der Stresshormone ausge­
Areals führen oft zur Hypokinesie (Bewegungsar­ schüttet werden, die im ganzen Körper wirken, v. a.
mut) der kontralateralen Extremitäten. im Gehirn, im vegetativen Nervensystem und auf
den Stoffwechsel. Der Mensch empfindet dabei eine
Aroma (engl. flavour) Das Aroma eines Stoffes ist Erregung, bspw. durch sexuelles Verlangen, Ärger
eine Mischung von Geschmack und Geruch. Es ent­ oder Angst. Das Niveau des A. kann situationsab­
steht durch Kombination vieler Einzelsubstanzen, hängig verschieden hoch ausfallen und wird mit
den sog. Aromastoffen (flüchtige chemische Verbin­ ­Hilfe des EEG als elektrische Spannung gemessen.
dungen). Man unterscheidet natürliche, naturiden­ Ein niedriges A. ist dabei durch eine niedrige Fre­
tische und künstliche Aromen. Natürliche Aromen quenz (< 10 Hz) und eine hohe Amplitude gekenn­
sind Substanzen, die in der Natur vorkommen. Na­ zeichnet, höheres A. dagegen durch schnelle, un­
turidentische Aromen werden im Labor künstlich regelmäßige Fluktuationen und kleine Amplituden.
erzeugt, haben allerdings dieselbe chemische Zu­ In der Neuropsychologie bezeichnet man mit A. eine
sammensetzung wie ihre natürlichen Pendants. allgemeine Aktivierung des Kortex, die durch an­
Künstliche Aromen sind synthetisch bzw. künstlich kommende sensorische Impulse ausgelöst wird. Die
hergestellte Substanzen, die keinerlei chemische Vermittlung dieser Impulse erfolgt über die Bahnen
Ähnlichkeit mit dem natürlichen Aroma haben und der Formatio reticularis des Hirnstammes. Resultat
in der Natur nicht vorkommen. einer Stimulation dieser Bahnen ist eine erhöhte
Aufmerksamkeit oder Wachheit sowie eine schnel­
Aromatenbiosynthese (engl. aroma biosynthesis; lere Reaktionsfähigkeit.
Syn. Aromatisierung) Die Aromatenbiosynthese ist
die Biosynthese von Aromaten oder Verbindungen, Arterie (engl. artery; Syn. Pulsader, Schlagader) Im
die mit dem Benzol verwandt sind. Die Bezeichnung »großen Blutkreislauf« leiten Arterien sauerstoff-
»Aromat« entstand durch die historisch bedingte und nährstoffreiches Blut vom Herzen weg in den
Wahrnehmung des typischen Geruchs dieser Ver­ Körper. Im Lungenkreislauf dagegen führen A. rela­
bindung. Aromaten sind zyklische Moleküle, die tiv sauerstoffarmes Blut vom Herzen zur Lunge.
in mehrfach ungesättigten Verbindungen auftreten, ­Arterien enthalten nur ungefähr 20 % des gesamten
d. h., dass sie mindestens einen Ring bilden, der oft Blutvolumens. Mit einem Durchmesser von ca. 3 cm
einem Benzolring entspricht. Zu den Beispielen ist die größte menschliche Arterie die Aorta. Man
­zählen u. a. aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene), unterscheidet zwei Arterienarten: (1.) Muskulärer
wie das Benzol (C6H6) oder das Toluol (Methylben­ Typ: Kleinere, herzfern gelegene und aus glatter
zol, C6H5-CH3) und Kohlenwasserstoffe mit mehre­ Muskulatur bestehende Gefäße. Sie sind verantwort­
ren Ringen (polyzyklische aromatische Kohlen­ lich für die Aufrechterhaltung des Blutdrucks. (2.)
wasserstoffe), wie das Naphthalin (C10H8) oder das Elastischer Typ: Große, herznahe sowie sehr elas­
Azulen (C10H8). tische Gefäße, die den pulsatilen (ruckartigen) Blut­
fluss in eine kontinuierliche Strömung umwandeln.
Aromatisierung (engl. aromatization) Aromatisie­ Die Wand der Arterie ist aus drei Schichten auf­
rung ist ein biochemischer Prozess, bei dem Aro­ gebaut: Tunica interna (einschichtiges Endothel und
mate an Hormone gebunden werden. Aromate sind Bindegewebe), Tunica media (Muskelschicht) und
Kohlenstoff-Ring-Verbindungen mit mindestens Tunica externa (Bindegewebe, Nerven und Ge­
sechs Kohlenstoffatomen, jedes zweite hat eine fäße).
­Doppelbindung. Aromate sind bspw. Benzol und
Assoziationskortex, sensorischer 25

Arteriosklerose (engl. atherosclerosis; Syn. Arterien- gehört zum Neokortex und hat wie alle Assozia­
verkalkung) Arteriosklerose ist der medizinische tionsareale keine eindeutig abgrenzbare Funktion.
A
Fachbegriff für eine in der Alltagssprache als »Arte­ Er liegt im Frontalbereich, wo Informationen aus
rienverkalkung« bekannte Erkrankung. Sie ist die anderen Rindenfeldern und dem limbischen System
häufigste krankhafte Veränderung der Arterien, die zusammenlaufen. Efferente Verbindungen hat der
mit Verhärtung, Verdickung, Verengung und Elas­ motorische Assoziationskortex zu Striatum und
tizitätsverlust der Arterien einhergeht. Die Ursachen Kleinhirn. Bei Bewegungsabläufen ist dieser Asso-
für A. sind vielfältig. Hypertonie, Diabetes mellitus, ziationskortex an der Strategiegewinnung (wie ein
Nikotin, Hypoxie, Entzündungen, psychischer Stress, bestimmtes Ziel zu erreichen ist) beteiligt. Bei einer
Alter und familiäre Belastung zählen zu den be­ Schädigung im motorischen Kortex kann es zu
kanntesten Risikofaktoren. Die Folgen dieser Ge­ schweren Störungen der Willkürmotorik kommen.
fäßerkrankung sind Herz-Kreislaufstörungen und Es fehlt ein Verhaltensplan und motorische Hand­
Blutdruckerhöhung bis hin zu psychischen Verände­ lungen werden zwar korrekt durchgeführt, sind aber
rungen (arteriosklerotische Demenz). nicht an die Situation angepasst.

Asomatognosie (engl. asomatognosia) Asomatogno­ Assoziationskortex, posteriorer parietaler (engl.


sie bezeichnet den Wahrnehmungs- oder Wissens­ posterior parietal association cortex) Eine Hirnre­
verlust über eigene Körperteile und deren Erkran­ gion im hinteren Bereich des Parietallappens, die
kungen. Es können eine oder beide Körperhälften visuelle und propriozeptive Informationen integriert
betroffen sein. Da häufig eine Läsion im rechten pos­ und verschiedene motorische Zentren (z. B. den
terioren Parietallappen vorliegt, betrifft es meist die dorso­lateralen frontalen Assoziationskortex) an­
linke Körperseite. Es gibt verschiedene Formen der steuert und so bspw. die Augenbewegung, räum­
A., z. B. (1.) Asymbolie: Unfähigkeit zur Verwen­ liche Wahrnehmung oder das Greifen und Mani­
dung gebräuchlicher Zeichen; (2.) Anosognosie, so­ pulieren von Objekten mit beeinflusst. Schädigungen
matosensorische: Unfähigkeit, körperliche Krank­ dieser Hirnregion führen häufig zu Apraxien (Be­
heiten zur Kenntnis zu nehmen; (3.) Autotopagnosie einträchtigung in der Ausführung gezielter Bewe­
(Syn. Körperbildagnosie): Unfähigkeit, eigene Kör­ gungen) oder zu kontralateralem Neglekt (Unfähig­
perteile zu benennen und im Raum zu lokalisieren. keit auf Stimuli, die sich im Gesichtsfeld kontrala­
teral zur beeinträchtigten Hirnregion befinden, zu
Aspirationsmethode (engl. aspiration) Die Aspira­ reagieren).
tionsmethode ist eine Läsionsmethode aus der inva­
siven Hirnforschung mit Tieren. Hierbei wird jener Assoziationskortex, sensorischer (engl. sensory
Bereich des Gehirns, über dessen Funktion man spe­ ­association cortex) Beim sensorischen Assoziations­
kuliert, abgesaugt und dann die läsionierten Tiere in kortex handelt es sich um eine Region des zerebralen
Experimenten mit nichtläsionierten verglichen. Kortex, in die alle Informationen aus den Regionen
Voraussetzung für den Eingriff ist, dass das entspre­ des primären sensorischen Kortex zusammenlaufen.
chende Areal gut zugänglich und nicht zu klein ist. Hier findet Wahrnehmung und Gedächtnisbildung
statt, indem die Informationen aus dem primären
Assoziationsfaser (engl. association fiber) Eine Asso­ sensorischen Assoziationskortex analysiert werden.
ziationsfaser ist ein Neurit der Großhirnnervenzelle Die Regionen des sensorischen Assoziationskortex,
(Assoziationszelle). Er verknüpft verschiedene Hirn­ die nur einem primären sensorischen Areal direkt
rindengebiete einer Hirnhemisphäre miteinander, benachbart liegen, erhalten nur Informationen aus
wobei er meist zu Assoziationsbahnen gebündelt diesem einen Areal. Regionen, die sich weit entfernt
auftritt. Assoziationsfasern findet man in der äuße­ von den primären sensorischen Arealen befinden,
ren der sechs Schichten der Großhirnrinde. erhalten Informationen von mehreren sensorischen
Systemen und erlauben somit die Integration der
Assoziationskortex, motorischer (engl. association Informationen aus den unterschiedlichen primären
motor cortex) Der motorische Assoziationskortex sensorischen Arealen. Auf diesem Weg findet z. B.
26 Astereognosie

die Integration von visueller und motorischer Infor­ trophe Lateralsklerose). Auch Vergiftungen (etwa
A mationen statt. Alkoholmissbrauch) können Ataxien nach sich zie­
hen. Sie können in verschiedenen Lebensaltern aus­
Astereognosie (engl. astereognosia) Als Astereo- brechen, verschiedene Körperregionen betreffen
gnosie wird die Unfähigkeit bezeichnet, Objekte (spezifische Ataxien werden danach benannt, etwa
mittels des Tastsinns zu erkennen. Ausschlusskrite­ eine Extremitäten-Ataxie) und je nach Art auch
rien sind allgemeine intellektuelle Beeinträchtigung ­einen progredienten Verlauf haben.
oder einfache sensorische Defekte. Durch eine
­Störung der taktilen Wahrnehmung ist es nicht mög­ Atemzeitvolumen (engl. respiratory minute volume)
lich, Umrisse eines Körpers (wie Münze, Schlüssel Das Atemzeitvolumen lässt sich mittels einer Formel
oder Sicherheitsnadel) auf der Handoberfläche zu berechnen: Atemzeitvolumen = Atemzugvolumen *
ertasten. Dagegen wird die Fähigkeit der Gestalt- Atemfrequenz. Eine erwachsene Person atmet pro
und Raumwahrnehmung durch Betasten oder Tast­ Atemzug ca. 500 ml Luft ein und aus. Die Atem­
erkennung als Stereognosie bezeichnet. Tastblind­ frequenz bezeichnet die Anzahl der Atemzüge in­
heit gehört zu den somatosensorischen Agnosien, nerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Eine erwach­
die durch Läsionen des Parietallappens hervorge­ sene Person hat eine Atemfrequenz von circa 14–16
rufen werden. Atemzügen pro Minute. Das Atemzeitvolumen be­
zeichnet also die Luftmenge, die in einer bestimmten
Astrozyt (engl. astrocyte, astroglia; Syn. Sternzelle, Zeitspanne ein- und ausgeatmet wird.
Spinnenzelle) Die sternförmigen Astrozyten kom­
men nur im Zentralnervensystem vor und sind die Atonie (engl. atonia) Unter Atonie wird Abspannung
größten Gliazellen. Ihre Fortsätze können stark ver­ oder Schlaffheit der Muskulatur verstanden (im
ästelt und dick (protoplasmatische Astrozyten) oder Spannungszustand = Tonus). Gründe für Muskel­
weniger stark verästelt und schlank sein (fibrilläre schwäche können z. B. Krankheiten, mangelnde
Astrozyten). Die protoplasmatischen Astrozyten oder falsche Ernährung, hohes Alter oder lange
kommen v. a. in der grauen Substanz vor, die fibril­ ­Ruhephasen sein. Um Muskeln wieder aufzubauen,
lären Astrozyten in der weißen. Die generelle Funk­ muss zunächst die Ursache für die Atonie entdeckt
tion der Astrozyten ist die Stützung des ZNS, so wird werden. Danach kann ein gezieltes Aufbautraining,
z. B. zugrunde gegangenes Hirngewebe durch Astro­ unterstützt durch z. B. Akupunktur der Muskeln,
zyten ersetzt. Durch die Umhüllung der Hirnblutge­ vorgenommen werden. Bei der schweren Erbkrank­
fäße gewährleisten sie den Austausch von Nährstof­ heit Muskeldystrophie, bei der Muskeln systema­
fen und Stoffwechselprodukten zwischen Neuronen tisch bis zum Tod abgebaut werden, ist die Wieder­
und Blut. Astrozyten sind am Aufbau der Blut-Hirn- herstellung der Muskelkraft nicht möglich.
Schranke nachhaltig beteiligt. Weitere Funktionen
von Astrozyten umfassen die Immunabwehr (Phago­ Atrophie (engl. atrophy; Syn. Gewebsschwund) Atro­
zytose), die Differenzierung von Neuronen, die Auf­ phie bedeutet Gewebsschwund, bei dem sich sowohl
nahme von ausgeschütteten Transmittern, die Er­ Muskeln als auch Knochen und Fleisch zurück­
regbarkeitsmodulation benachbarter Nervenzellen, bilden. Dieser kann durch eine zu geringe Nutzung
die Cholesterinversorgung der Nervenzellen und die der Muskulatur (Inaktivitätsatrophie), aber auch in
Synthese antioxidativer Substanzen. Folge von Stoffwechselstörungen, Mangelernährung
oder nach Infektionen oder Schädigungen auftreten.
Ataxie (engl. ataxia) Ataxie bezeichnet den Verlust Einen Gewebsschwund, der durch Größenabnahme
der Bewegungskoordination, ausgelöst durch eine der Zellen auftritt, nennt man Hypotrophie; tritt er
Läsion oder Degeneration von Nervenzellen im Ze­ durch Abnahme der Zellzahl auf, wird er Hypoplasie
rebellum (Kleinhirn) oder im Rückenmark. Ataxie genannt.
ist ein Symptom unterschiedlichster Erkrankungen,
die Degenerationen zur Folge haben (z. B. Multiple Atropin (engl. atropine) Atropin ist eine den Para­
Sklerose, Parkinson, Creutzfeldt-Jakob oder Amyo­ sympathikus hemmende Substanz, die in Nacht­
Augenbewegungen 27

schattengewächsen (z. B. Tollkirsche oder Stech­ leme und Anpassungsschwierigkeiten im sozialen


apfel) vorkommt. Sie besetzt als kompetitiver Anta­ und schulischen Bereich, zudem treten häufig Kon­
A
gonist muskarinerge Azetylcholinrezeptoren, d. h. flikte mit Gleichaltrigen und in der Familie auf. Zu­
das aktivierende Azetylcholin (ACh) kann nicht sätzlich zeigen sich Begleiterkrankungen wie Störun­
mehr an den Rezeptoren binden. Zu den Wirkungen gen des Sozialverhaltens, aggressive Störungen, De­
des Atropin gehören Pupillenerweiterung, Akkom­ pressionen, Angststörungen, Lese-Rechtschreib­
modationslähmung, Schweiß- und Speichelreduk­ schwäche und Rechenschwäche. Neben einer gene­
tion (Hautleitfähigkeit wird erniedrigt, Mund­ tischen Disposition für ADHS, findet man auch eine
trockenheit), Spasmolyse (Spasmen werden gelöst), Störung des Neurotransmitteraustausches zwischen
Peristaltikhemmung und Herzbeschleunigung Stirnhirn und Basalganglien. Als ADHS-begünsti­
(durch Steigerung der Sinusknotenfrequenz, bei gende psychosoziale Faktoren werden u.a. ungüns­
sehr geringen Dosen auch Verlangsamung). Atropin tige Familienverhältnisse und chaotische Umwelt­
wirkt weiterhin auf das zentrale Nervensystem; so bedingungen genannt. Die Behandlung von ADHS
wird die Leistungsfähigkeit meist beeinträchtigt, erfolgt durch Medikamente (z.B. Ritalin) und Psy­
sehr hohe Dosen können auch Halluzinationen ver­ chotherapie.
ursachen.
Auge (engl. eye) Das Auge ist das Sehorgan von
Attacke, psychomotorische (engl. psychomotoric Menschen und Tieren. Das menschliche Auge rea­
attack) Die psychomotorische Attacke ist ein Symp­ giert auf elektromagnetische Wellen mit einer Wel­
tom der Epilepsie. Es zeigt sich bspw. bei spontan lenlänge von etwa 350 nm bis 750 nm (sichtbares
auftretenden epileptischen Anfällen in ausfallenden Licht). Das Auge besteht im Wesentlichen aus
motorischen Bewegungen oder beim Clusterkopf­ ­Cornea, Iris, Linse, vorderer und hinterer Augen­
schmerz durch Verengung der Pupille und Hängen kammer, Ziliarmuskel, Zonulafasern, Glaskörper,
des Augenlids. Retina, Pigmentepithel, der Ader- und Lederhaut.
Die Stellung jedes Auges wird von sechs äußeren
Aufmerksamkeit, selektive (engl. selective atten- Augen­muskeln kontrolliert. Die am einfachsten auf­
tion) Unter selektiver Aufmerksamkeit versteht man gebauten »Augen« sind lichtempfindliche Sinnes­
die Hinwendung zu einem bestimmten Stimulus un­ zellen auf der Haut von Tieren (Hautlichtsinn). Mit
ter Vernachlässigung anderer umgebender Stimuli. ihnen ist nur eine Hell-Dunkel-Unterscheidung
möglich. Die Augen von Insekten bestehen aus
Aufmerksamkeit, visuelle (engl. visual attention) ­vielen Einzelaugen (Fazettenaugen) und liefern ein
Visuelle Aufmerksamkeit ist die konzentrierte Hin­ rasterartiges Bild der Umgebung. Bei den meisten
wendung zu visuellen Stimuli. Dies kann einen sehr Wirbeltieren und vielen Weichtieren wird ein Abbild
begrenzten visuellen Raum oder einzelne, spezifi­ der Umgebung auf eine lichtempfindliche Schicht
sche Objekte betreffen (fokussierte Aufmerksam­ projiziert (Netzhaut, Retina), die Photorezeptoren
keit) oder aber einen eher unspezifischen, großen (Sinneszellen) enthält. Die Augen von Wirbeltieren
Raum umfassen (globale Aufmerksamkeit). und Weichtieren ähneln sich im Aufbau stark, trotz­
dem haben sie sich phylogenetisch (in der Evolu­tion)
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung unabhängig voneinander entwickelt.
(engl. attention deficit hyperactivity disorder, ADHD)
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung Augenbewegungen (engl. pl. eye movements) Die
(ADHS) ist eine langwierige und schwere Verhaltens­ Augen können durch sechs Muskeln, die antagonis­
störung. Sie äußert sich durch gestörte Konzentra­ tisch arbeiten, bewegt werden. Durch diese extra-
tionsfähigkeit, Impulsivität und Hyperaktivität. okulären Muskeln können die Augen horizontal,
ADHD entfaltet sich besonders im Kinder- und Ju­ vertikal und rotierend bewegt werden. Man unter­
gendalter, die Folgen können aber auch noch im Er­ scheidet drei Typen von Augenbewegungen: (1.) Sak­
wachsenenalter sichtbar sein (z. B. Alkohol- und kadische Bewegungen: beim visuellen Abtasten
Drogenmissbrauch). Betroffene Kinder haben Prob- ­einer Szenerie bewegen sich die Augen nicht gleich­
28 Augendominanzsäulen

mäßig, sondern sprunghaft (in sog. Sakkaden), d. h. einem Stück bestehenden Ohrknorpel, der für die
A der Blick wird von einem fixierten Punkt ruckartig Form der Ohrmuschel verantwortlich ist, verdankt
(so schnell die Augen können) zum nächsten be­ die Aurikula ihre Biegsamkeit. Die starke Faltung
wegt. Die Länge einer Sakkade beträgt zwischen 15 des Ohrknorpels führt zum typischen Ohrrelief
und 100 ms. Sakkadische Bewegungen werden so­ mit zahlreichen Erhebungen und Vertiefungen (wie
wohl bewusst als auch unbewusst ausgelöst. (2.) ­Helix, Scapha, Antihelix), das als Filter für den ein­
Glatte Folgebewegungen: diese Art der Augenbewe­ treffenden Schall agiert. An den Kanten des Reliefs
gung dient dazu, ein bewegtes Ziel in der Fovea zu wird der Schall gebrochen und abhängig von Fre­
halten. Sie werden bewusst ausgeführt. (3.) Vergenz­ quenzanteilen verschieden gedämpft. Aus dieser
bewegungen: Um ein Ziel auf korrespondierenden Modulation ermittelt das Gehirn Informationen
Netzhautpunkten der beiden Augen zu halten, müs­ über die räumliche Lage der Schallquelle.
sen diese kooperativen Bewegungen der Augen aus­
geführt werden. So wird z. B. eine Vergenzbewegung Aussprossen, kollaterales (engl. collateral sprouting)
der Augen nach innen (Richtung Nase) vollzogen, Bei der Degeneration oder Durchtrennung eines
wenn sich das fixierte Objekt dem Gesicht nähert, Axons bilden benachbarte, nicht beschädigte Axone
um das Objekt weiterhin scharf zu sehen. Fortsätze zu den Synapsen, die zuvor durch die de­
generierten Neurone genutzt wurden. Diese neuen
Augendominanzsäulen (engl. ocular dominance Fortsätze werden Kollaterale genannt. Kollaterale
­columns) Augendominanzsäulen dienen der Organi­ können neben den ehemals benachbarten Axonen
sation des visuellen Systems im visuellen Kortex und auch von Fasersystemen gebildet werden, die vorher
sind eine Voraussetzung für binokulares Sehen. Die keine Kontakte zu den degenerierten Neuronen
Mehrheit der Zellen im visuellen Kortex sprechen ­hatten. Sie können sowohl am Axon-Ende neu wach­
optimal auf ein Auge an (Augendominanz). Sie sind sen, als auch aus den Ranvierschen Schnürringen
übereinander in ungefähr 0,5 mm dicken Säulen gebildet werden. Dieser Vorgang dauert etwa sieben
­organisiert und in Augendominanzsäulen für das bis zehn Tage.
rechte und linke Auge abwechselnd angeordnet.
Autapse (engl. autapse) Eine Autapse ist ein Axon,
Aura, epileptische (engl. epileptic aura) Gelegent­ dessen Synapsen auf dem eigenen Zellkörper enden.
lich haben Epileptiker kurz vor einem epileptischen
Anfall eine sog. epileptische Aura. Dies sind psy­ Autismus (engl. autism) Autismus zählt zu den tief
chische Empfindungen, die verschiedene Formen greifenden Entwicklungsstörungen. Dies bedeutet,
annehmen können, z. B. ein bestimmter Gedanke, dass die Entwicklung autistischer Kinder qualitativ
ein bestimmter Geruch, eine Halluzination oder ein anders und in keinem Entwicklungsstadium wie bei
Engegefühl in der Brust. Eine epileptische Aura er­ gesunden Kindern verläuft. Im Krankheitsbild des
möglicht einer betroffenen Person vor einem Anfall Autismus kommt es zu sehr großen interindividu­
Vorkehrungen zu treffen oder ihn durch bestimmte ellen Unterschieden. Bei rund 94 % der Betroffenen
Methoden, wie z. B. der Konzentration auf ein be­ äußern sich autistische Verhaltensweisen schon vor
stimmtes Wort, abzuwenden. Außerdem ermöglicht der Vollendung des dritten Lebensjahres. Die Diag­
die Art der epileptischen Aura einen Rückschluss auf nose kann heutzutage aber erst im 5. oder 6. Lebens­
die Lage des epileptischen Herds. jahr zuverlässig gestellt werden. Die Prävalenz liegt
bei 0,002–0,005 %, wobei Jungen etwa 4-mal häu­
Aurikula (engl. auricle; Syn. Ohrmuschel) Die Auri­ figer als Mädchen betroffen sind. 75 % der Patienten
kula bildet mit dem äußeren Gehörgang den äuße­ sind zusätzlich geistig behindert und ungefähr 25 %
ren Teil des Ohres, der durch das Trommelfell vom haben Anfälle unterschiedlicher Art. Bei 10–20 % ist
Mittelohr abgegrenzt ist. Die mit Knochenhaut (Pe­ im Erwachsenenalter eine Symptomverschlechte­
riost) des Schädels verwachsene Ohrmuschel ist aus rung zu beobachten. Die folgende Übersicht stellt
elastischem Knorpelgewebe geformt (Ausnahme die nach DSM IV und ICD 10 gestellten Kriterien
Ohrläppchen) und mit Haut überdeckt. Dem aus zusammen, um eine autistische Störung zu klassifi­
Autoradiographie 29

zieren: (1.) Beeinträchtigung der sozialen Interak­ Eine gute Prognose weisen Kinder mit einem IQ über
tion im Bereich: – nonverbaler Verhaltensweisen 55 auf, bei denen die umfassende und intensive Früh­
A
(Blickkontakt, Mimik, Gestik, Körperhaltung); – Be­ förderung vor dem 4. Lebensjahr beginnt.
ziehung zu Gleichaltrigen aufbauen (mit gemein­
samen Interessen, Aktivitäten, Gefühlen); – Freude, Autoimmunerkrankung (engl. autoimmune disease;
Interessen und Erfolge mit Anderen teilen; – sozio­ Syn. Autoaggressionskrankheit) Eine Autoimmun­
emotionale Gegenseitigkeit: keine Reaktion auf Ge­ erkrankung ist eine gegen körpereigene Substanzen
fühle Anderer. (2.) Beeinträchtigung der Kommuni­ (sog. Autoantigene) gerichtete Immunabwehr. Ur­
kation: – verzögertes Einsetzen/ Fehlen gesprochener sache ist eine fehlerhafte Aussonderung von auto­
Sprache, was nicht begleitet ist durch Kompensa­ reaktiven Lymphozyten und/oder eine mangelhafte
tionsversuche anhand nonverbaler Kommunika­ Inaktivierung dieser Immunzellen im Laufe der indi­
tion; – Probleme Gespräch zu beginnen/aufrecht viduellen Immunsystem-Entwicklung. Autoimmun­
zu erhalten; stereotyper Gebrauch oder häufige Wie­ krankheiten lassen sich in organspezifische, nicht­
derholung; – keine entwicklungsgemäßen Rollen­ organspezifische und Mischformen einteilen. Da sie
spiele oder Imitation (3.) Beschränkte, wiederho­ meist familiär gehäuft vorkommen, geht man von
lende oder stereotype Verhaltensweisen, Interessen einer genetischen Mitbedingung aus.
und Aktivitäten: – eine oder mehrere stereotype und
begrenzte Interessen mit abnormen Inhalt und autokrin (engl. autocrine) Das in einer Zelle produ­
­Intensität; – starres Festhalten an spezifischen Ge­ zierte und freigesetzte Hormon wirkt auf seine Er­
wohnheiten ohne Funktion; – ständiges Beschäfti­ zeugerzelle oder auf Zellen des gleichen Zelltyps ein.
gen mit Teilen von Objekten; – stereotype oder Die autokrine Sekretion ist ein Sonderfall der para­
­wiederholte motorische Manierismen (Hand- oder krinen Sekretion (Abgabe von Produkten der Drü­
Fingerschlagen, Verbiegen oder komplexe Bewe­ senzellen in die unmittelbare Umgebung).
gungen des ganzen Körpers). Oft zeigen Personen
mit einer autistischen Störung auffällige Reaktionen Autoradiographie (engl. autoradiography) Ein Ver­
auf sensorische Reize, Selbst- und Fremdaggressi­ fahren, mit dessen Hilfe radioaktive Stoffe in Ge­
onen sowie Schlaf- und Essstörungen. Die Diagnose webeproben nachgewiesen werden können. Das
einer autistischen Störung wird vorwiegend anhand Gewebe wird dafür zunächst mit einem radioaktiven
der Anamnese, Autismusfragebögen und Verhal­ Präparat (z. B. mit den Isotopen 3H oder 14C) mar­
tensbeobachtungen gestellt. Man geht von einer kiert, welches sich in bestimmten Geweberegionen
­Prädisposition, genetischen Faktoren und neuro­ mit unterschiedlicher Häufigkeit ablagert. Die Wahl
logischen Auffälligkeiten der Betroffenen aus. Zu des Isotops ist dabei von dem zu untersuchenden
diesen Vulnerabilitäten kommen auslösende Bedin­ Gewebe abhängig. Der Nachweis der radioaktiven
gungen hinzu, wie z. B. Komplikationen während Substanz erfolgt mittels einer hoch lichtempfind­
der Schwangerschaft oder bei der Geburt, Überfor­ lichen photographischen Emulsion, die zumeist auf
derung im familiären Bereich (Umzüge, Geburt eines Platten aufgebracht ist. Diese Photoplatten werden
Geschwisterkindes, Zweisprachigkeit), körperliche in Kontakt mit dem Gewebe gebracht, weshalb man
Erkrankungen mit hohem Fieber oder zahlreiche von einem Kontaktverfahren spricht. Die Isotope
Krankenhausaufenthalte mit stets wechselnden Be­ reduzieren die in der Emulsion enthaltenen Silber­
zugspersonen. Die Therapie der autistischen Störung salze. Auf diese Weise werden die Stellen im Gewebe,
besteht in anhaltenden Erziehungs- und Verhaltens­ an denen sich die radioaktiven Stoffe abgelagert
maßnahmen. Das bedeutet, erwünschtes Verhalten ­haben, im Strahlungsbild (Autoradiogramm) als
wird dauerhaft positiv verstärkt und unangemessenes Schwärzungen sichtbar. Aus den Autoradiogram­
Verhalten ignoriert oder Verstärker dafür werden men lassen sich so die Häufigkeiten und die örtliche
entzogen. Ziel ist es, den Betroffenen grundlegende Verteilung der radioaktiven Atome ablesen. Anwen­
Anpassungsfähigkeiten zu zeigen, um ihre Selbst­ dung findet diese Methode v. a. bei Stoffwechsel und
ständigkeit zu ermöglichen. Die völlige Selbststän­ Durchblutungsuntersuchungen oder in der Erfor­
digkeit gelingt allerdings nur rund 2 % der Patienten. schung von Rezeptor-Verteilungsmustern.
30 Autorezeptor

Autorezeptor (engl. autoreceptor) Autorezeptoren oder gar Abstoßungsreaktion. Auf diese Weise kön­
A sind Rezeptoren synaptischer Transmitter, die auf nen z. B. Haut, Nerven, Knochen, Blutgefäße, Sehnen
der präsynaptischen Membran lokalisiert sind und oder zu kosmetischen Zwecken Haare transplantiert
meist eine negative Rückkoppelung bedingen. Sie werden. Eine spezielle Form der Autotransplanta­tion
können über die gesamte Oberfläche des Neurons ist die Retransplantation, bei der durch Unfälle abge­
verteilt sein und entfalten je nach Lokalisation unter­ trennte Körperglieder wieder angesetzt ­werden.
schiedliche Wirkweisen: Auf dem Soma reagieren
sie i. d. R. auf Moleküle, die von den Dendriten aus­ Axon (engl. axon; Syn. Neurit) Als Axon wird der
geschüttet werden und bedingen eine Hyperpolari­ röhrenförmige, faserartige Fortsatz einer Nerven­
sation des Neurons; auf den Dendriten reagieren sie zelle bezeichnet, der nicht oder nur sehr wenig ver­
auf eigene Überträgerstoffe und verursachen einen zweigt ist, wobei die Verzweigungen als Kollaterale
verringerten Ausstoß des entsprechenden Transmit­ bezeichnet werden. Die Länge der Axone kann stark
ters. Inzwischen wurden Autorezeptoren für viele variieren, von wenigen Mikrometern bis weit über
Transmitterarten (Noradrenalin, Dopamin, Sero­ einem Meter (z. B. beim Menschen). Ihr Durchmes­
tonin und GABA) identifiziert, am besten erforscht ser liegt zwischen 0,05 und 20 mm und bleibt über
sind sie bei den Monoaminen. Autorezeptoren wir­ die gesamte Länge relativ konstant. Axone sind für
ken meist inhibitorisch, jedoch gibt es auch exzitato­ die Weiterleitung von elektrischen Impulsen zustän­
risch wirkende. So finden sich im peripheren Nerven­ dig, bei entsprechend großer Erregung erfolgt eine
system auch Typen, die den Ausstoß eines Transmit­ Übertragung des Aktionspotenzials auf die nächste
ters verstärken. Momentan werden Autorezeptoren Muskel- oder Nervenzelle. Man unterscheidet mye­
v. a. im Zusammenhang mit Bewegungs- und affek­ linisierte und nichtmyelinisierte Axone.
tiven Störungen untersucht.
Axon, afferentes (engl. afferent axon; Syn. Afferenz,
Autosome (engl. autosome) Als Autosome werden sensible Nervenfaser) Das afferente Axon leitet Infor­
alle Chromosomen außer den Geschlechtschromo­ mationen von den Sinnesorganen zum ZNS hin.
somen bezeichnet. Der Mensch hat 22 Autosomen­ Dabei unterscheidet man zwischen somatischen
paare und ein Geschlechtschromosomenpaar (Gono­ ­Afferenzen, die meist von der Körperoberfläche
somen). Als autosomal dominant oder rezessiv wer­ stammen, und viszeralen Afferenzen, die aus den
den die Erbgänge bezeichnet, bei denen das verant­ Eingeweiden kommen.
wortliche Gen auf einem Autosom liegt.
Axon, efferentes (engl. efferent axon; Syn. Efferenz,
Autotopagnosie (engl. autotopagnosia) Die Autoto­ motorische Nervenfaser) Efferente Neurite leiten
pagnosie ist eine Imitationsstörung, die nach Läsio­ ­Impulse vom ZNS zu den peripheren Effektoren
nen des linken unteren Parietallappens auftritt. Pa­ bzw. zu den Erfolgsorganen wie Muskeln und Drü­
tienten mit dieser Störung sind nicht in der Lage, sen. Es wird zwischen somatischen und viszeralen
einzelne Körperteile bei sich, bei anderen Personen Efferenzen unterschieden, wobei erstere moto­rische
oder bei Zeichnungen von Menschen zu lokalisie­ Nervenbahnen zur Skelettmuskulatur sind, während
ren. Dabei ist es unwesentlich, ob die Körperteile, letztere Informationen an die glatte Muskulatur so­
auf die sie zeigen sollen, benannt werden, oder das wie an die Herzmuskulatur und Drüsen weiterleiten.
­Zeigen vorgemacht und vom Patienten imitiert
­werden soll. Axonhügel (engl. axon hillock) Der Axonhügel ist
der Übergang zwischen Axon und Soma (Zellkör­
Autotransplantation (engl. autotransplantation) per). Hier treffen alle inhibitorischen (hemmenden)
Die Autotransplantation meint eine spezielle Form postsynaptischen Potenziale (IPSPs) und exzitato­
der Transplantation, bei der Gewebe von einer Kör­ rischen (erregenden) postsynaptischen Potenziale
perstelle an eine andere Stelle desselben Individu­ (EPSPs) des Neurons ein und werden verrechnet.
ums verpflanzt wird. Durch das körpereigene Gewe­ Wenn alle IPSPs und EPSPs in ihrer Gesamtwirkung
be besteht keine Gefahr einer Unverträglichkeits- die Membran am Axonhügel so stark depolarisieren,
Axotomie 31

dass ein Schwellenwert erreicht oder überschritten Anschluss daran kommt es zu einer anterograden
wird, wird ein Aktionspotenzial (AP) ausgelöst und Degeneration (Degeneration der distalen Anteile des
A
das Axon entlang geleitet. Außerdem gewährleistet betroffenen Neurons, d. h. des Axon-Endes inkl. der
die Nähe des Axonhügels zum Soma, dass die APs Kollateralen). Falls die durchtrennte Stelle nah am
nur an einem Ort des Neurons entstehen und ge­ Zellkörper gelegen ist, kann es zur ­Degeneration des
richtet weitergeleitet werden (gerichtete Erregungs­ proximalen Segments kommen, was als retrograde
leitung). Degeneration bezeichnet wird. Im schlimmsten Fall
können auch angrenzende Neurone degenerieren. Je
Axotomie (engl. axotomy) Mit dem Begriff Axotomie nach Lage der dann zusätzlich betroffenen Neurone
ist die Durchtrennung eines Axons gemeint, z. B. in­ spricht man hier von anterograder bzw. retrograder
folge eines Autounfalls, einer Quetschung o. Ä. Im transneuraler Degeneration.
B
B
Babinski-Reflex (engl. Babinski ’s reflex; Syn. Groß­ nergen Projektionen der Substantia nigra pars com­
zehenreflex, Zehenreflex, Babinski-Zeichen) Bei Kin­ pacta (SNc) zum Nucleus caudatus (NC) und zum
dern bis zu einem Jahr ist der Babinski-Reflex, also Putamen (bilden zusammen das Striatum). Einige
das fächerartige Ausspreizen der Zehen und die Neurone ziehen auch zum Globus pallidus. Die
Dorsal-Flexion der großen Zehe, noch ein normaler nigro­striatale Bahn spielt eine wichtige Rolle bei
Kleinkind-Reflex, der durch Streicheln der Fuß­sohle der Regulation der extrapyramidalen Motorik, d. h.
ausgelöst wird. Bei älteren Kindern und Erwachse­ bei der unwillkürlichen langsamen Haltungs- und
nen ist diese Reflex-Umkehr bei der großen Zehe Be­wegungsmotorik. Die Parkinsonkrankheit (Mor­
allerdings als pathologische Variante des bei ihnen bus Parkinson) ist charakterisiert durch eine Dege­
normalen Fußsohlenreflexes (der in der Plantar­ neration der nigrostriatalen Bahn, infolge dessen die
flexion aller Zehen, also einer Art »Greifreaktion«, typischen Symptome wie Rigor, Tremor und ­Akinese
besteht) anzusehen und weist auf eine Schädigung auftreten.
der Pyramidenbahnen hin. Benannt wurde der Ba­
binski-Reflex nach seinem Entdecker, dem bekann­ Bahn, retino-genikulo-striäre (engl. retina-genicu-
ten Neurologen J.F.F. Babinski (1857–1932). late-striate pathway) Bezeichnung der visuellen Bahn
von der Retina über den thalamischen Corpus geni­
Bahn, extrapyramidale (engl. extrapyramidal path­ culatum laterale (CGL) bis in den primären visuellen
way) Das extrapyramidale System gehört neben der Kortex (V1).
Pyramidenbahn zu den efferenten motorischen
Bahnen. Es entspringt dem Kortex und zahlreichen Bahnen, absteigende motorische (engl. pl. descend­
anderen Kerngebieten und besitzt viele Umschalt­ ing motor pathways) Die absteigenden motorischen
stationen, wie z. B. zum Nucleus ruber und zur For­ Bahnen sind das Gesamtsystem der Fasern, die
matio reticularis, deren Bahnen dann direkt zum aus dem Kortex zu den Alphamotoneuronen des Rü­
2. Motoneuron im Rückenmark weiterziehen. Außer­ ckenmarks verlaufen und somit für die Motorik ver­
dem verfügt es über eine Verschaltung zum Klein­ antwortlich sind. Sie lassen sich in zwei Gruppen
hirn und den Basalganglien. Damit werden gröbere aufteilen, die nach ihrer Position im Rückenmark
Bewegungsabläufe, die Harmonie in der Bewegung benannt werden. Die laterale Gruppe beinhaltet
und die Korrektur der Körperhaltung ermöglicht. den Tractus corticospinalis lateralis, den Tractus
Zuständig ist das extrapyramidale System bei rubrospinalis und den Tractus corticobulbaris. Zur
Mensch und Primat für unwillkürliche Bewegungen, ventromedialen Gruppe gehören der Tractus vesti­
und es beeinflusst den Muskeltonus. Dopamin ist in bulospinalis, der Tractus tectospinalis, der Tractus
diesem System der am häufigsten anzutreffende reticulospinalis sowie der Tractus corticospinalis
Neurotransmitter. Bei Schädigung des extrapyrami­ ventralis.
dalen Systems fällt der inhibitorische Einfluss auf
das erste Motoneuron aus und hyperkinetische Bahnen, nozizeptive spinofugale (engl. pl. nocicep-
Krankheiten, wie die Parkinson-Krankheit und tive spinofugal pathways) Diese Bahnen sind dünne
Chorea Huntington, sind die Folge. afferente Nervenfasern, welche die Verbindung von
Schmerzrezeptoren der Haut, des Bewegungsappa­
Bahn, nigrostriatale (engl. nigrostriatal pathway) rates und den Hohlorganen zum Gehirn bilden. Sie
Als nigrostriatale Bahn bezeichnet man die dopami­ bestehen aus Aδ- und C-Fasern, wobei die Aδ-Fa­sern
basal 33

dünner sind und schneller leiten als die C-Fasern. tige Rolle für den Informationsaustausch der beiden
Die Fasern treten durch die Hinterhornwurzel des Hemisphären. Er besteht aus Rostrum (Schnabel),
Rückenmarks ein und werden dort auf die kontrala­ Genu (Knie), Truncus (Stamm) und Splenium (Hin­
terale Seite verschaltet. Als Tractus spinothalamicus terende). B
geht die Bahn über in den Nervus trigeminus und
endet im Thalamus. Von hier gehen Impulse zum Barbiturate (engl. pl. barbiturates) Barbiturate sind
somatosensorischen Kortex, dem zingulären Kortex, Derivate der Barbitursäure und gehören zur Gruppe
der Insula und anderen Rindenbereichen. Die Bah­ der Hypnotika und Anxiolytika. Sie haben eine
nen vermitteln das bewusste Schmerzempfinden, ­sedierende, hypnotische sowie narkotische Wirkung.
Schmerzlokalisation und -intensität. Die Informa­ 1863 wurden Barbiturate von A. von Baeyer entdeckt
tionen der vegetativen Schmerzreaktion gehen über und seit 1903 häufig als Schlafmittel verschrieben
den Hypothalamus. und eingenommen. Ihre Wirkung entfalten sie als
funktionelle Antagonisten von konvulsiv wirkenden
Bahnung, präsynaptische (engl. presynaptic facili- Substanzen (Bsp. Strychnin). Sie werden unterteilt in
tation) Als präsynaptische Bahnung bezeichnet man lang, mittellang und kurz wirkende ­Barbiturate. Auf­
die Erregbarkeitssteigerung eines Neurons, die er­ grund der hohen Risiken (Toxizität, Abhängigkeits­
reicht wird, wenn mehrere Reize gleichzeitig oder entwicklung, zentrale Atemlähmung) und der vielen
kurz nacheinander auftreten, so dass die resultieren­ Nebenwirkungen (Sedierung, Schwindel, Amnesie,
de Feuerrate der Neurone größer ist als die Summe Erbrechen, Ver­kürzung des REM-Schlafes u. a.)
der Einzelreize. Bei der räumlichen Bahnung sum­ werden Barbiturate heute zum größten Teil durch
mieren sich kurz hintereinander ausgelöste EPSPs, neuere Schlaf­medikamente ersetzt und meist nur
bei der zeitlichen Bahnung werden mehrere Axone noch als Injektionsnarkotika verwendet. Barbiturate
gleichzeitig gereizt und reagieren so überschwellig, führen schnell zu einer Toleranzentwicklung und bei
während die Reizung eines Neurons allein nur ein Überdosierung existiert kein spezifisches Gegen-
unterschwelliges EPSP hervorgerufen hätte. In bei­ mittel.
den Fällen wird ein Aktionspotenzial ausgelöst und
das Signal weitergeleitet. Aufgrund der synaptischen Barorezeptoren (engl. pl. baroreceptors; Syn. Presso-
Plastizität einer Zelle nimmt durch diese Aktivität rezeptoren, Depressoren) Barorezeptoren sind in der
die synaptische Effizienz zu, d. h. das synaptische Wand der Aorta oder in der inneren Halsschlagader
Potenzial wird größer, wenn die Synapse wiederholt (Karotissinus) lokalisierte Drucksinneskörperchen,
benutzt wird. Den umgekehrten Fall beschreibt die die den Druck des fließenden Blutes auf die Gefäß­
Okklusion; hier ist die Summe der Einzelreize grö­ wände registrieren. Ihre Aufgabe ist es, einen durch­
ßer als die resultierende Feuerrate. schnittlichen Druck in den Arterien aufrecht zu er­
halten und so die Blutversorgung der einzelnen Or­
Balint-Syndrom (engl. Balint’s syndrome) Das Ba­ gane zu gewährleisten. Das geschieht, indem sie
lint-Syndrom wird durch bilaterale Läsionen im Signale über den aktuellen Druck an das ZNS sen­
­parieto-okzipitalen Bereich ausgelöst. Es ist durch den, um die Menge des vom Herz ausgegebenen Blu­
drei Symptome gekennzeichnet, die alle Störungen tes pro Minute ggf. zu verändern. Als Mechanorezep­
der Raumwahrnehmung darstellen. (1.) Optische toren reagieren sie auf Streckung. Dabei gilt: Je höher
Ataxie: Defizite beim Ergreifen von Gegenständen der Druck auf die Gefäßwände, desto stärker werden
auf der Basis visueller Informationen (2.) Okuläre die Barorezeptoren gestreckt und desto höher ist die
Apraxie: Unfähigkeit, ein Objekt längerfristig zu Frequenz der weitergegebenen Signale. Dies führt zu
­fixieren. (3.) Simultanagnosie: Unfähigkeit des Pa­ einer vermehrten Vasodilation sowie zu einer Er­
tienten bei Aufmerksamkeitsfokussierung auf ein niedrigung der Herzfrequenz und damit zum Absin­
Objekt noch weitere Objekte wahrzunehmen. ken des Blutdrucks auf einen normalen Wert.

Balken (Syn. Corpus callosum) Der Balken ist die basal (engl. basal) Basal ist ein Begriff aus der Medi­
größte Kommissur des Gehirns und spielt eine wich­ zin mit zwei Hauptbedeutungen: (1.) »an der Basis
34 Basaldendrit

liegend« (z. B. die Basis des Gehirns), (2.) sich auf (1860–1924) zurück. Dieser Effekt bezeichnet eine
einen Ausgangswert beziehend (z. B. Temperatur, Kontraktion der glatten Muskulatur der Gefäßwän­
Pulsrate). de. Diese Reaktion wird durch eine Druckerhöhung
B innerhalb der Gefäße (intravasal) hervorgerufen
Basaldendrit (engl. basal dendrite) Der Basaldendrit und ist ein wichtiger Faktor der Selbstregulation des
ist einer von zwei Typen von Dendriten (basale und Kreislaufs. Die Durchblutung eines Organs wird
apikale Dendriten) der pyramidenförmigen Nerven­ konstant gehalten, indem bei Blutdruckerhöhung
zellen. Sie entspringen an der Spitze der Pyramiden­ durch die Muskelkontraktion der Radius des Ge­
zellen. Basale Dendriten sind kürzer als apikale Den­ fäßes verkleinert wird und dadurch der Strömungs­
driten und weisen in unterschiedliche Richtungen widerstand steigt. Lässt der Blutdruck nach, ent­
(7 Apikaldendriten). Sie verlassen die Basis des Zell­ spannt sich die Gefäßmuskulatur wieder.
körpers und breiten sich horizontal aus.
Bedrohungsverhalten (engl. threatening behaviour)
Basalganglien (engl. pl. basal ganglions; Syn. Stamm- Bezeichnet Verhalten von Lebewesen mit dem Ziel,
ganglien) Der Begriff Basalganglien ist nur unscharf das Gegenüber einzuschüchtern oder zu vertreiben.
definiert. Im engeren Sinne versteht man darunter Bedrohungsverhalten tritt auf, wenn das Individu­
den Globus pallidus (Pallidum) und das Striatum. um an der Erreichung eines Ziels gehindert wird,
Letzteres setzt sich aus Nucleus caudatus und Puta­ eine Frustration vorausgeht oder wenn es von ande­
men zusammen. Oft werden diese beiden Kerne des ren Personen/Tieren ernstlich bedroht wird. Gegen­
Großhirns um funktionell zusammenhängende teiliges Verhalten wäre Flucht oder Rückzug.
Strukturen erweitert: den Nucleus subthalamicus
und die Substantia nigra, beide liegen nicht in der Benzodiazepine (engl. pl. benzodiazepines) Psycho­
Großhirnrinde. Allen Strukturen ist gemeinsam, pharmaka aus der Gruppe der Tranquilizer mit an­
dass sie eine wichtige Rolle bei der zentralnervösen xiolytischer, sedativer, muskelrelaxierender und an­
Regulation der Motorik spielen. Bezüglich der No­ tikonvulsiver Wirkung. Chemisch handelt es sich
menklatur finden sich in der Literatur heterogene um bizyklische Verbindungen aus einem Benzolring
Bezeichnungen (bspw. Corpus striatum für Striatum (Benzo-) verknüpft mit einem siebengliedrigen
und Pallidum oder Nucleus lentiformis für Putamen Ring, der zwei Stickstoffatome (-diazepin) enthält.
und Pallidum). Schädigungen der Basalganglien Die Wirkung entfaltet sich als Agonist des Benzo­
führen zu Dystonie und Hyperkinese. diazepin-Rezeptors und somit Sensitivierung des
GABA-Rezeptors, d. h. Benzodiazepine verstärken
Basic rest-activity cycle 7 BRAC die hemmende Wirkung von GABA. Eine Anwen­
dung erfolgt bei Angst- und Spannungszuständen,
Basilarmembran (engl. basilar membrane) Die Basi­ Schlafstörungen oder in der Anästhesie als Prämedi­
larmembran ist die mittlere Schicht der Cochlea kation. In der Neurologie finden Benzodiazepine als
(Schnecke) im Innenohr. Die Schwingungen der Ba­ Antikonvulsiva und Muskelrelaxanzien Anwendung
silarmembran, ausgelöst durch den Druck der Ge­ (bspw. bei Epilepsie). Der Gebrauch von Benzodia­
hörknöchelchen auf das ovale Fenster, sind die un­ zepinen hat viele Nebenwirkungen und kann zur
mittelbare Ursache für die Aktivierung der Trans­ Abhängigkeit führen (Medikament mit der höchsten
formation des mechanischen Drucksignals in ein Missbrauchsrate, unterliegt dem Betäubungsmittel­
elektrisches Signal, welches in den inneren und äuße­ gesetz).
ren Haarzellen geschieht. Die Weiterleitung des elek­
trischen Signals in Form von Aktionspotenzialen Bereitschaftspotenzial (engl. readiness potential)
entlang des Hörnerves ist die Grundlage für das ei­ Das Bereitschaftspotenzial bezeichnet eine Negativie­
gentliche Hörgeschehen. rung einer EEG-Kurve, kurz bevor eine willentliche
Handlung ausgeführt wird. Werden z. B. Probanden
Bayliss-Effekt (engl. bayliss effect) Der Bayliss-Effekt instruiert, zu einem von ihnen selbstbestimmten zu­
geht auf den Londoner Physiologen W. Bayliss fälligen (nicht zuvor festgelegten) Zeitpunkt einen
Beuteverhalten 35

Knopf zu drücken, kann im EEG eine Negativierung und sind gelegentlich mit überlagernden Spitzenpo­
beobachtet werden, kurz bevor diese Handlung aus­ tenzialen (engl. spikes) versetzt. Mitunter wird der
geführt wird. Das Bereitschaftspotenzial wird daher Betarhythmus auch noch in langsame (Aufmerk­
oft als neuronales Korrelat der Intention gesehen. samkeit, Konzentration) und schnelle Betawellen B
(Aufmerksamkeit, Stress, Angst) unterteilt.
Betarezeptoren-Blocker (engl. beta-blocker; Syn.
β-Blocker) Betarezeptoren-Blocker (bspw. Propano­ Betzsche Zellen (engl. pl. Betz cells, giant pyramidal
lol) sind Antagonisten von Noradrenalin und Adre­ cells; Syn. Pyramidenzellen) Die Betzschen Zellen
nalin an den Betaadrenorezeptoren. Ihre thera­ sind die Pyramidenzellen der Lamina pyramidalis
peutische Wirkung besteht in der Abschirmung des interna. Die Axone dieser Zellen besitzen große
Herzens vor Übererregungen des Sympathikus und ­Myelinhüllen und bilden den wesentlichen Teil der
somit einer Schonung des Herzens, da eine Steige­ Pyramidenbahn beim Menschen. Mit einem Durch­
rung der Herzarbeit nicht mehr möglich ist. Neben messer von 100 µm sind die Betzschen Zellen die
ihrer erwünschten therapeutischen Wirkung gibt es größten Zellen der Großhirnrinde und werden so­
auch unerwünschte Nebenwirkungen wie Durch­ mit auch häufig als Betzsche Riesenzellen bezeich­
blutungsstörungen, Herzinsuffizienz und Bronchial­ net. Bei einigen Lähmungserscheinungen sind diese
asthma. Zellen neben anderen ebenfalls vom Krankheitsver­
lauf betroffen, so z. B. bei der spinalen Kinderläh­
Betäubungsmittelgesetz (engl. Narcotics Law, mung.
­controlled substances legislation) Der volle Namen
des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) lautet »Ge­ Beuger (engl. flexor; Syn. Flexor, Beugemuskel,
setz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln«. Es Adduk­tor) Beuger sind Muskeln, die dem Heranzie­
handelt sich dabei um ein Bundesgesetz, das den hen eines Körpergliedes dienen. Sie gehören zu den
­generellen Umgang mit Drogen beinhaltet. Das Opi­ Skelettmuskeln und ihre Antagonisten sind die Stre­
umgesetz von 1929 regelte als erstes den Handel, cker(-muskeln). Der Armbeuger bspw. ermöglicht
die Herstellung und den Verbrauch von Betäubungs­ die Beugung des Armes durch die Aktivierung ent­
mitteln. Diese Verordnung wurde am 10. Januar sprechender Muskelgruppen.
1972 durch das Betäubungsmittelgesetz abgelöst.
Das BtMG legt fest, was als (illegale) Droge definiert Beugereflex (engl. flexion reflex) Der Beugereflex
wird und regelt alle rechtlichen Fragen im Zusam­ dient dazu, den Körper vor Schädigungen zu schüt­
menhang mit Betäubungsmitteln. Laut dem Gesetz zen. Werden durch einen Stimulus Nozizeptoren
sind u. a. der Handel, der Besitz, die Verabreichung oder Thermosensoren des Organismus ausreichend
und die Herstellung von Drogen verboten und Ver­ stark aktiviert, so führt dies zum Beugereflex, der be­
stöße können mit bis zu 15 Jahren Freiheitsentzug wirkt, dass die Gliedmaßen von der Gefahrenquelle
geahndet werden. Zu den verbotenen Substanzen weg zum Körper hin gezogen werden. Der Weg des
zählen Amphetamine, Cannabiswirkstoffe, Ecstasy­ Beugereflexes läuft über die Rezeptoren in der Haut
wirkstoffe und Zauberpilze. über Schmerzfasern zum Rückenmark, wo Interneu­
ronen aktiviert werden. Diese sind mit ipsilateralen
Betawellen (engl. beta rhythm; Syn. Betaaktivität) Motoneuronen verschaltet, welche wiederum über
Desynchronisiertes EEG-Muster, das bei visueller synaptische Verbindungen Muskeln zur Kontraktion
Stimulation, Aufmerksamkeit und anderen internen bringen können, so dass die entsprechenden Glied­
und externen Reizen die synchronisierten Alphawel­ maßen zurückgezogen werden können. Der Beuge­
len ablöst und als Index für Aktivität und Alarmbe­ reflex ist bereits von Geburt an vorhanden.
reitschaft gilt. Betawellen sind durch eine hohe Fre­
quenz (13–30 Hz) und geringe Amplitude (2–20 mV) Beuteverhalten (engl. preying) Beuteverhalten be­
charakterisiert, wobei mit steigender Aufmerksam­ zeichnet das Angreifen eines Beutetieres, welches
keit auch die Amplitude der Betawellen ansteigt. Sie als Nahrung dienen soll, durch eine andere Tierart.
treten am ausgeprägtesten in frontalen Bereichen auf Beuteverhalten ist meist sehr effizient und wird – im
36 Bewältigungsreaktion

Gegensatz zu aggressivem innerartlichem Verhalten Körpertemperatur (für optimales Funktionieren


– nicht durch allzu starke Aktivierung des sympa­ zwischen 36° und 37 °C) und wird in ähnlicher Wei­
thischen Nervensystems begleitet. se für die Energieaufnahme postuliert. Allerdings
B sprechen zahlreiche Befunde gegen eine Gültigkeit
Bewältigungsreaktion (engl. coping reaction) Die des Modells in diesem Kontext (7 Sollwert).
Bewältigungsreaktion ist ein erlerntes Verhalten
eines Organismus, dass die Funktion hat, die Wir­ Bicucullin (engl. bicucullin) Bicucullin ist ein GABA-
kung eines aversiven Reizes zu minimieren, oder Antagonist, der spezifisch an GABAA-Rezeptoren
diesen Reiz vollständig zu vermeiden (z. B. durch bindet und die Wirkung von Benzodiazepinen redu­
Flucht). Wird z. B. nach einer konditionierten emo­ ziert oder verhindert.
tionalen Reaktion auf einen Reiz hin eine Bewälti­
gungsreaktion gelernt, so treten auch die emotio­ Binding-Phänomen (engl. binding phenomenon)
nalen Reaktionen auf den Reiz hin nicht mehr auf. Das Binding-Phänomen ist die Konstruktion eines
visuellen Bildes im Gehirn beim Betrachten eines
Bewegung, sakkadische 7 Augenbewegungen Objektes. Es erfolgt aufgrund einer Verknüpfung
von Wahrnehmung und Interpretation. Die verschie­
Bewegungssinn (engl. movement sense; kinesthesia; denen Merkmale eines Objektes werden parallel in
Syn. Kinästhesie) Der Bewegungssinn wird auch als separaten Modulen verarbeitet. Zur merkmalsspezi­
Tiefensensibilität bezeichnet. Man versteht darunter fischen und lokalen Verarbeitung kommt demnach
die meist unbewusste Lage- und Bewegungsempfin­ noch eine globale Verarbeitungsebene hinzu, in der
dung, die nicht durch das Sehen vermittelt wird und die einzelnen Fragmente wieder zu einer perzeptiven
auf die man, aufgrund mehrfacher Übung, automa­ Einheit zusammengefügt werden. Auf neurophysio­
tisch zurückgreifen kann. Sie ist eine Selbstwahrneh­ logischer Ebene wird dies durch das Konzept der
mung der Raum-, Zeit-, Kraft- und Spannungsver­ Bindung durch Synchronisation, dem Binding-Phä­
hältnisse des eigenen Körpers. Rezeptoren nehmen nomen, beschrieben. Das gleichzeitige, synchrone
Reize aus den Gelenken, Muskeln und Sehnen auf, Feuern von Zellverbänden führt dazu, dass die ent­
die im Gehirn verarbeitet werden. sprechenden Objektmerkmale als zusammengehö­
rig wahrgenommen werden. Das Feuern von Zellen
Bezugspunkt (engl. settling point) Der Bezugspunkt im neuronalen Zusammenschluss wäre eine Erklä­
beschreibt in der Psychologie jenen Punkt, an dem rung zur Interpretation des entstandenen Gesamt­
die Variablen, die den Zustand eines bestimmten eindrucks. Synchronisation könnte somit das Bin­
Systems beeinflussen, im Gleichgewicht sind. Ab­ dungselement zur einheitlichen Wahrnehmung
weichungen vom Bezugspunkt werden durch nega­ darstellen.
tive Feedbackmechanismen registriert, einer wei­
teren Vergrößerung des Unterschieds wird ent­ Bindung, nichtkompetitive (engl. non-competitive
gegengewirkt. Allerdings wird nicht »aktiv« zum binding) Der Begriff »nichtkompetitive Bindung«
Bezugspunkt zurückgesteuert. Beispiele sind das wird vornehmlich im Zusammenhang mit (Neuro­
neuronale Ruhepotenzial oder das Essverhalten, was transmitter-) Rezeptorenbesetzung benutzt: Hierbei
im Leaky-Barrel-Model (Undichtes-Fass-Modell) binden Agonisten oder Antagonisten an eine Unter­
veranschaulicht wird. Auch der Sollwert (Setpoint) einheit des Rezeptors, ohne direkt mit dem endo­
beschreibt den Punkt innerhalb eines Systems, an genen Liganden um die Bindungsstelle zu konkur­
dem dieses System im Gleichgewicht (Homöostase) rieren (daher: »nichtkompetitiv«). Auch findet der
ist. Jedoch wird der Sollwert durch negative Feed­ Begriff Anwendung im Zusammenhang mit der
back-Mechanismen »aktiv« angestrebt. Innerhalb ­Aktivität von Enzymen: Bei der nichtkompetitiven
eines solchen Systems muss also der Sollwert defi­ Bindung oder auch Hemmung bindet ein nichtkom­
niert sein, eine Diskrepanz vom Sollwert registriert petitiver Inhibitor an eine Stelle des Enzyms, die nicht
werden und schließlich in die entgegengesetzte mit der Substratbindungsstelle identisch ist. Das
Richtung reguliert werden. Das gilt bspw. für die heißt, der Inhibitor hat keine Ähnlichkeit mit dem
Bipolarzellen, retinale 37

Substrat, konkurriert deshalb auch nicht mit dem mer ist ein Stoff, der aus vielen Monomereinheiten
Substrat und führt daher auch nicht zur Inhibition aufgebaut ist: die Monomere gehen über sog. Poly­
der Substratbindung. Bei der nichtkompetitiven Bin­ reaktionen (wie bspw. Polymerisation, Polykon­
dung wird stattdessen das Enzym durch Ver­änderung densation oder Polyaddition) Verbindungen ein und B
seiner dreidimensionalen Struktur inak­tiviert. werden so zu Polymeren. Beispiele für Monomere
und die daraus aufgebauten Biopolymere: Mono­
binokular (engl. binocular) Der Begriff bezeichnet saccharide und Polysaccharide werden zu Stärke,
das gleichzeitige Sehen mit beiden Augen (auch ste­ Aminosäuren zu Proteinen und Peptiden, Nuklein­
reoskopes Sehen genannt), was aufgrund der dadurch säuren zu DNA bzw. RNA verbunden. (Bio-)Poly­
gewonnenen Tiefeninformationen eine notwendige mere sind dementsprechend Makromoleküle. Die
Vorraussetzung für das räumliche Sehen darstellt oben erwähnten sind zugleich die wichtigsten Biopo­
(7 Querdisparation). lymere (Stärke, Proteine/Peptide, DNA und RNA),
da sie die Grundlage aller Lebensfunktionen bilden.
Biofeedback (engl. biofeedback) Durch Rückmel­
dung von physiologischen Prozessen (z. B. Hirn­ Biopsychologie (engl. biopsychology; Syn. Psycho-
potenzialen, Herzschlag, Hauttemperatur) lernt das biologie) Allgemeine, umfassende Bezeichnung für
Individuum diese gezielt zu steuern oder zu verän­ ein Teilgebiet der Psychologie, das die Zusammen­
dern. Biofeedback wird u. a. bei der Behandlung von hänge zwischen biologischen (neuronalen, hormo­
Schmerzzuständen, wie z. B. chronischen Schmer­ nellen, biochemischen) Prozessen/Mechanismen im
zen (v. a. Rückenschmerzen) und Migräne, einge­ Körper und Verhalten erforscht. Sie versucht mit
setzt. Es wird meist mit anderen Verfahren der Ver­ Hilfe von experimentellen und klinischen Methoden
haltensmodifikation kombiniert und ist immer dann abzuklären, inwiefern sich psychologische Zustände
angebracht, wenn dem Patienten der enge Bezug und Vorgänge (Verhalten) und biologische bzw. phy­
zwischen psychischen Vorgängen und körperlichen siologische Strukturen und Funktionen wechsel­
Prozessen nicht bewusst ist (wie etwa bei einer seitig beeinflussen. Die Biopsychologie betrachtet
Angststörung). Biofeedback besteht aus dem Orga­ Lebensprozesse aller Organe, vorrangig die Funk­
nismus, einem Messsystem und einem Signalgeber, tionsweise des Gehirns. Die wichtigsten Teilgebiete
der Informationen über die zu regelnde Größe lie­ der Biopsychologie sind u. a. Psychophysiologie,
fert. Die Wirkungsweise besteht in der direkten Be­ Neuropsychologie, Verhaltenspsychologie, Psycho­
einflussung des biologischen Zielparameters sowie pharmakologie, Physiologische Psychologie.
in einer verbesserten Körperwahrnehmung. Ziel ist
die Erhöhung der Übereinstimmung zwischen sub­ Biosynthese (engl. biosynthesis; Syn. Anabolismus)
jektivem Empfinden und körperlichen Prozessen. Die Biosynthese ist ein Begriff aus der Biochemie
und bezeichnet den Aufbau komplexer organischer
Biokatalysator (engl. biocatalyst) Biokatalysatoren Strukturen wie z. B. Proteine (Proteinbiosynthese),
sind polymere Biomoleküle. Darunter versteht man Fettsäuren, Kohlenhydrate, Hormone etc. im leben­
Moleküle, die aus vielen gleichen organischen Subs- den Organismus.
tanzen aufgebaut sind. Sie kommen in den Zellen
meist in Form von Enzymen vor. Ihre hauptsäch­ Bipolarzellen (engl. pl. bipolar cells) Als Bipolarzel­
liche Aufgabe besteht in der Beschleunigung von len werden alle Zellen im peripheren oder zentralen
chemischen Reaktionen, indem sie die Aktivie­ Nervensystem bezeichnet, die vom Zellkörper aus­
rungsenergie herabsetzt, die für solche Reaktionen gehend genau zwei Fortsätze besitzen (Beispiel: Bi­
erforderlich ist. Sie werden bei der Reaktion nicht polarzellen der Netzhaut).
verbraucht und setzen ihre Wirkung schon in gerin­
gen Mengen frei. Bipolarzellen, retinale (engl. pl. retinal biopolar
­cells) Eine Bipolarzelle ist ein Neuron, das in der
Biopolymer (engl. biopolymer) Ein Biopolymer ist Netzhaut (Retina) lokalisiert und für vertikale und
ein Polymer, das in der Natur vorkommt. Ein Poly­ laterale Verschaltungen in der Retina zuständig ist.
38 Bisexualität

Es lassen sich drei funktionell verschiedene retinale 4. Tag seiner Entwicklung. Der Prozess folgt auf die
Neuronen identifizieren: Photorezeptoren (Zapfen Bildung der Morula (3.–4. Tag der Embryonalent­
und Stäbchen), Bipolarzellen (von denen es ver­ wicklung). Es kommt zu der Ausbildung einer flüssig­
B schiedene Formen gibt; davon nur eine für Stäbchen keitsgefüllten Höhle. Dabei werden Flüssigkeiten in
zuständig) und multipolare Ganglienzellen, deren das Innere des Hohlraums abgesondert und die Blas­
Neuriten schließlich als Sehnerv zum Corpus geni­ tozyste entsteht. Sie ist umgeben von einer Zellschicht,
culatum laterale verlaufen. Die Bipolarzellen liegen dem Trophoblasten. Anfangs dient er als schützende
zwischen den Photorezeptoren und den Ganglien­ Hülle, später werden aus ihm Plazenta­anteile gebildet.
zellen. Aufgabe der Bipolar- und Ganglienzellen ist Im Inneren der Blastozyste befindet sich ein Zell­
es, die Photorezeptoren zu Schalteinheiten (Reiz­ haufen, der Embryoblast, aus dem später der Embryo
felder) zusammenzufassen. In der zentralen Retina wächst. An dieses Stadium schließt sich die Ausbil­
konvergieren 15 bis 20 Stäbchen auf eine Bipolar­ dung der Keimblätter an, die sog. Gastrulation.
zelle, peripher sind es mehr (größere Reizfelder). In
der Fovea sind die Zapfen 1:1 mit den Bipolarzellen Blaupausen-Hypothese (engl. blueprint hypothesis;
verknüpft, was zu einer hohen Auflösung und Farb­ Syn. Wegweiserneuronen-Hypothese) Laut dieser
differenzierung führt. ­Hypothese gibt es im noch unausgereiften Nerven­
system bestimmte Merkmale (chemischer oder
Bisexualität (engl. bisexuality; Syn. Doppelgeschlecht- ­mechanischer Natur), die auswachsende Axone zur
lichkeit, Ambisexualität) Bisexuelle Menschen fühlen Orientierung nutzen. Die Wachstumskegel finden
sich zu beiden Geschlechtern hingezogen. Ihre Nei­ dabei ihren vorgesehenen Weg, indem sie mit neuro­
gungen sind also homosexuell und heterosexuell zu­ nalen Zelladhäsionsmolekülen entlang des Pfades
gleich. Die Anziehung an beide Geschlechter be­ (Wegweiserneuronen) Kontakt aufnehmen. So wird
schränkt sich nicht zwangsläufig auf sexuelle Gefühle, jedes sich entwickelnde Axon zu seinem eigentlichen
sondern bezieht sich auch auf die emotionale Ebene Bestimmungsort geführt.
und schließt somit Zärtlichkeit, Liebe und Phanta­
sien mit ein. Vor allem in der Jugend und ­Pubertät Blindheit, kortikale (engl. cortical blindness) Dieses
treten bisexuelle Neigungen in einer Art Ent­ Phänomen bezeichnet eine Blindheit bei intakten
deckungsphase häufig auf. Bisexualität kann in der Augen, die durch Schädigung der Sehstrahlung oder
Biologie auch das gleichzeitige Vor­handensein von des primären visuellen Kortex verursacht wird. Sie
männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen tritt häufig nach Kopfverletzungen, Schlaganfällen
bezeichnen (Zwittertum, Hermaphroditismus). oder Hirntumoren auf. Da meistens nicht alle Ner­
venzellen zerstört sind, können überlebende Zellen
Bläschen, synaptisches (eng. synaptic vesicle; Syn. nach intensivem Computertraining die Aufgaben
synaptisches Vesikel) Die synaptischen Bläschen sind ihrer beschädigten Nachbarn übernehmen (Voraus­
kugelförmige Strukturen, die sich in der präsynap­ setzung: Sehnerv und Augen müssen intakt sein;
tischen Endigung befinden. Ihr Durchmesser be­ Patient muss Lichtreize erkennen können). Bei ein­
trägt ca. 50 nm. Diese Bläschen enthalten die Über­ seitiger Schädigung können Patienten Stimuli im
trägersubstanz (Transmitter), die bei der Erregung kontralateralen Gesichtsfeld nicht sehen, sind aller­
der Präsynapse in den synaptischen Spalt freigesetzt dings in der Lage, sie zu ergreifen.
wird, indem das Bläschen mit der synaptischen
Membran verschmilzt. An der postsynaptischen Blindsehen (engl. blindsight) Mit dem Begriff Blind­
Membran löst dieser Stoff dann Erregung oder sehen wird ein Phänomen bezeichnet, bei dem Pa­
Hemmung aus. tienten mit Läsionen im primären visuellen Kortex
trotz subjektiv empfundener Blindheit überzufällig
Blastozyste (engl. blastocyst; Syn. Keimbläschen) Bei gute Lokalisationsleistungen oder Leistungen im
der Bildung der Blastozyste handelt es sich um ein ­Erkennen von Farben und Bewegungen erbringen
Entwicklungsstadium der Embryogenese bei Säuge­ können. Eine Erklärungsmöglichkeit bietet die Ein­
tieren. Zu dieser Zeit befindet sich der Embryo im teilung des visuellen Systems in den ventralen Pfad,
B-Lymphozyt 39

(»Was«-)Pfad, und dem dorsalen, (»Wo«-)Pfad. Blut-Hirn-Schranke (engl. blood brain barrier)
Während der ventrale Pfad mit dem primären visu­ Durch den speziellen Aufbau der Blutgefäßwände
ellen Kortex beginnt und durch den Temporallappen im Gehirn können Substanzen wie z. B. Giftstoffe
verläuft, können Informationen für den dorsalen kaum aus dem Blutstrom in das Hirngewebe ein­ B
Pfad auch von subkortikalen Strukturen, wie dem dringen. Dieser selektiv durchlässige Filter besteht
Thalamus, stammen, ohne direkte Informationen aus drei Schichten: dem Endothel der Kapillaren, der
aus dem primären visuellen Kortex zu erhalten. Der Basalmembran und den Fortsätzen der Astrozyten.
dorsale Pfad verläuft durch den Parietallappen und Ungehindert durchgelassen werden Sauerstoff, Koh­
enthält Neurone, die für die Vorbereitung visuo- lendioxid, D-Glukose, D-Hexose, einige L-Amino­
­motorischer Handlungen von Bedeutung sind. Der säuren und lipidlösliche Stoffe, die für die Versor­
ventrale Pfad enthält unterdessen sehr spezialisierte gung des Gehirns notwendig sind. Ebenso werden
Areale, die Farbe, Form und Textur von Objekten Abbauprodukte ins Blut abgegeben. Eine gewisse
detektieren und ist verantwortlich für das bewusste Barriere stellen die Endfortsätze der Astrozyten für
Erleben bei der Objektwahrnehmung. Eine Läsion zahlreiche Stoffe wie bestimmte Hormone, lipid­
im primären visuellen Kortex hat zur Folge, dass nur unlösliche, wasserlösliche und chemische Substan­
der dorsale Pfad, nicht aber der ventrale Pfad, aktiv zen sowie Proteine dar und sichern dadurch die
ist. Durch indirekte Eingänge vom dorsalen zum ­Aufrechterhaltung eines konstanten Milieus für die
ventralen Pfad ist eine Bewegungs- und Farbwahr­ Neuronen des Nervensystems. Bei Stress-Situatio­
nehmung bei Blindsicht-Patienten möglich, jedoch nen, Schädel-Hirn-Trauma und verschiedenen
keine vollständige Objekterkennung. Krankheiten kann es zu einer Störung der Blut-
Hirn-Schranke kommen, die in der Regel vom Kör­
Blindsight effect 7 Blindsehen per selbst wieder beseitigt wird.

Blobs (engl. pl. blobs; Syn. Zytochromoxidase-Blobs) B-Lymphozyt (engl. B-lymphocyte; Syn. B-Zelle)
Diese sind die zentralen Teile der Module im pri­ B-Lymphozyten gehören zu den Leukozyten und
mären visuellen Kortex und befinden sich dort in werden wie auch T-Lymphozyten und natürliche
den Schichten 2, 3, 5 und 6. Sie gehören zum parvo­ Killerzellen im Knochenmark gebildet. Hier erhal­
zellulären System und enthalten Neurone, die für ten sie – im Gegensatz zu den T-Lymphozyten – ihre
bestimmte Wellenlängen sensibel sind und somit Ausbildung, d.h. ihre spezifischen Bindungsstellen.
Farbinformationen verarbeiten. Mithilfe einer Zyto­ Sie zirkulieren im Blut und den lymphatischen Or­
chromaoxidase-Färbung konnten Blobs als säulen­ ganen (Milz, Thymus, Lymphknoten, Knochen­
artige Strukturen sichtbar gemacht werden. mark) und stellen einen wichtigen Teil des zellulären
Immun-systems dar. B-Zellen reagieren spezifisch
Blockade, kryogene (engl. cryogene blockade) Unter auf Antigene, die zu ihren Rezeptoren passen und
kryogener Blockade wird das Herbeiführen einer lösen so eine Primärantwort aus, welche den Lym­
Läsion (Schädigung) im Gehirn durch Kälte verstan­ phozyten zur Proliferation veranlasst. Dabei entste­
den, welche allerdings zeitlich begrenzt ist. Dabei hen einerseits Plasmazellen, die Antikörper produ­
wird die Neuronaktivität durch Kälte verlangsamt zieren, um das Antigen zu besetzen (Neutralisation
oder unterbunden. Die kryogene Blockade dient der und Erleichterung der Phagozytose); andererseits
Erforschung von Zusammenhängen zwischen Ver­ geht ein Teil der Zellen vorübergehend in einen
halten und Zellverbänden. Ruhe­zustand über und stellt so das immunologische
Gedächtnis dar. Bei einer erneuten Infektion können
Block-tapping memory-span test (Syn. CORSI) sich diese Gedächtniszellen nun schneller und effek­
Der Block-Tapping-Test dient der Erfassung der tiver zu Antikörper-produzierenden Plasmazellen
v­ isuell-räumlichen Gedächtnisspanne (UBS) und entwickeln (Sekundärantwort). An ihrer Oberfläche
des impliziten visuell-räumlichen Lernens (SBS). tragen B-Lymphozyten Proteine, anhand derer sie
Der Test kann ab 6 Jahren durchgeführt werden und identifizierbar sind (CD19 und CD21).
dauert ca. 10 Minuten.
40 Bogengang

Bogengang (engl. semicircular canal) Der Bogen­ Botulinustoxin (engl. botulinal toxin, botulin; Syn.
gang ist eine oval geformte Röhre von etwa 0,2 bis Botox) Botulinustoxin ist ein natürlich vorkommen­
0,3 mm Durchmesser, befindet sich im Innenohr des Nervengift (Subtypen A bis G), das die Über­
B und ist mit einer Flüssigkeit, der Endolymphe, ge­ tragung von Nervenimpulsen zum Muskel hemmt
füllt. In jedem Ohr sind drei Bogengänge vorhan­ (die Wirkung von Azetylcholin wird unterbunden).
den: der laterale, der anteriore und der posteriore. Es kommt zu einer etwa drei bis sechs Monate an­
Zusammen mit den beiden Vorhofsäckchen (Utri­ dauernden, schlaffen Muskellähmung. Botulinus­
culus und Sacculus) bilden sie das Gleichgewichts­ toxin wird vom Bakterium Clostridium botulinum
organ (Vestibulärorgan). Die drei Bogengänge ste­ (natürliches Vorkommen z. B. in verdorbenen Nah­
hen senkrecht zueinander und haben die Aufgabe, rungsmitteln) erzeugt und ist v. a. in Zusammen­
Drehbewegungen im dreidimensionalen Raum zu hang mit Lebensmittelvergiftungen (Botulismus)
detektieren. Dies geschieht mit Hilfe der Endolym­ bekannt geworden. Heute wird Botulinustoxin z. B.
phe, die bei der geringsten Bewegung aufgrund der zur Behandlung von Spastik nach Schlaganfall, von
Trägheit zu einem Flüssigkeitsstrom führt, der gegen Hyperhidrose (vermehrte Schweißsekretion), in der
eine im Bogengang befestigte Gallertkuppel (­Cupula) Schmerztherapie und im kosmetischen Bereich zur
drückt, die wiederum die Sinneshärchen beeinflusst. Faltenbehandlung eingesetzt.
Neben dem Vestibulärorgan gehören auch die Kon­
trolle der Körperstellung durch das visuelle System BRAC (engl. basic rest-activity cycle, basaler Ruhe-
und den Muskeltonus zum Gleichgewichtssystem. Aktivitäts-Zyklus) Der basale Ruhe-Aktivitäts-Zyk-
lus (BRAC) ist der von N. Kleitman (1961) postulier­
Boten-Ribonukleinsäure (engl. messenger ribonu­ te basale ultradiane Rhythmus, der nach dem Erwa­
cleic acid; Syn. mRNA) Die mRNS (Messenger-RNS) chen einen Zyklus von 90–100 min aufweist und alle
ist ein einzelsträngiges RNS-Molekül aus den Nukleo­ Aktivitäten (metabolisch, biochemisch, Verhalten)
tiden Adenin, Urazil, Zytosin und Guanin, die in be­ beeinflussen soll. Obwohl einige Studien die Exis­
liebiger Reihenfolge über Phosphatbrücken mitein­ tenz des BRAC unterstützen, wird dieser von Stu­
ander verbunden sind. Die mRNS wird während des dien zur Schlafphysiologie generell abgelehnt.
Ablesens eines DNS-Strangs durch eine RNS-Poly­
merase synthetisiert (Transkription). Die Sequenz der Bradikynin (engl. bradykinin) Bradykinin ist ein
Nukleoside der mRNS ist entsprechend komplemen­ Neuropeptid im Blutplasma. Es senkt durch Gefäß­
tär zur DNS-Sequenz des abgelesenen DNS-Bereichs. erweiterung (Vasodilatation) den Blutdruck und
Diese Information wird in Form der mRNS zu den stimuliert die glatte Muskulatur des Darmes, zudem
Ribosomen transportiert und dort in ein bestimmtes wird die Durchlässigkeit (Permeabilität) der Kapil­
Protein umgesetzt. Im Gegensatz zu Prokaryonten larwände erhöht. Primäre Wirkorte befinden sich im
wird die zuerst gebildete mRNS (primäres Transkript) limbischen System bzw. im Rückenmark. Das Ge­
in Eukaryonten nachträglich modifiziert. Dabei wer­ webshormon ist vermutlich an verschiedenen Er­
den nichtkodierende Bereiche (Introns) entfernt. Die­ krankungen beteiligt, z. B. Asthma, entzündliche
sen Prozess nennt man RNS-Splicing. Ödeme, Diarrhö, Bauchspeicheldrüsenentzündung
und traumatische Schocks.
Botenstoff, sekundärer (engl. second messenger)
Ein sekundärer Botenstoff ist ein kleines Molekül Brain-Imaging (engl. brain imaging) Brain-Imaging
(z. B. cAMP, cGMP, Ca2+, IP3), welches an der intra­ bezeichnet eine Gruppe von bildgebenden Unter­
zellulären Signalweiterleitung beteiligt ist. Die Ak­ti­ suchungsmethoden zur Darstellung des Gehirns im
vierung membrangebundener Rezeptoren durch lebenden Organismus. Brain-Imaging wird in zwei
­extrazelluläre Signale induziert die Ausschüttung se­ Kategorien unterteilt: in das struk­turelle und in das
kundärer Botenstoffe ins Zellinnere und kann ­somit funktionelle Imaging. Das strukturelle Brain-Imag­
zahlreiche Stoffwechselwege beeinflussen. Durch die ing dient in der Klinik der Diagnose von Hirnschä­
Vielzahl freigesetzter sekundärer Botenstoffe wird digungen und -krankheiten. Das funktionelle Brain-
das ankommende extrazelluläre Signal verstärkt. Imaging findet hauptsächlich Anwendung in der
Broca-Aphasie 41

Hirnforschung, da es Änderungen in der Hirnakti­ einem reinen geographischen Effekt zweifeln lassen:
vität bzw. der Durchblutung bei körperlichen oder in Grönland, Japan und Norwegen ist die Multiple
geistigen Tätigkeiten abbildet. Zu den Brain-Imag­ Sklerose sehr viel seltener zu finden als in anderen
ing-Verfahren gehört die Computertomographie nördlichen Ländern. Umwelteinflüsse und vor allem B
(CT), die Kernspintomographie (MRI und funktio­ Ernährungsgewohnheiten werden dafür verantwort­
nelles MRI (fMRI)), die Positronenemissionstomo­ lich gemacht, denn in diesen Regionen gehören Kalt­
graphie (PET), die Single-Photonen-Emissionscom­ wasserfische zu den Grundnahrungsmitteln. Diese
putertomographie (SPECT) sowie die Magnetenze­ enthalten spezielle ungesättigte Fettsäuren (Omega-
phalographie (MEG). 3-Fettsäuren), welche sich positiv auf den Krank­
heitsverlauf auswirken und in pharmazeutischen
Brain-Map (engl. brain map) Eine »Brain-Map« ist Präparaten (Fischölkapseln) enthalten sind.
eine Karte des Gehirns. Beim Brainmapping bzw. bei
der Gehirnkartierung werden strukturelle Eigen­ Brennstoffwechsel (engl. energy regulation) Der
schaften, z. B. die Zellverteilung oder funktionelle Brennstoffwechsel ist die Umwandlung von Nähr­
Merkmale (bspw. Komponenten der Motorik oder stoffen in Energie. Es werden Fette, Eiweiße und
Sensorik) des Gehirns zeitlich und räumlich erfasst Kohlenhydrate unter Zunahme von Sauerstoff in für
und abgebildet. Funktionelle Eigenschaften lassen den Körper verwertbare Energie umgewandelt. Die
sich im Lebendzustand erfassen (in vivo), struk­ Energie wird in Kilojoule (kJ) oder Kilokalorie (kcal)
turelle Eigenschaften werden oft erst nach dem Tod angegeben (1 kcal = 4,187 kJ). Für die Gewinnung
des Lebewesens kartiert (post mortem). Für die Kar­ von 20 kJ Energie wird beispielsweise 1 Liter Sauer­
tierung können Methoden der funktionalen Bildge­ stoff benötigt. Mit Hilfe des Sauerstoffs werden die
bung (MRT, fMRT), die Elektroenzephalographie Nährstoffe zu energieärmeren Stoffwechselpro­
(EEG), die intraoperative Mikroelektrodenstimula­ dukten verbrannt. Die freiwerdende Energie steht
tion und Methoden der Neuroanatomie und Neuro­ dem Organismus zur Verfügung. Eiweiße werden
physiologie verwendet werden. für den Baustoffwechsel verwertet (Muskelaufbau),
Kohlenhydrate und Fette für den Betriebsstoff­
Bregma (eng. bregma) Das Bregma stellt den Kreu­ wechsel. Die Energie, die bei der Verbrennung von
zungspunkt der zwei Schädelnähte, der Pfeilnaht 1 Gramm des Nährstoffs entsteht, bezeichnet man
(Satura sagitalis) und der Kranznaht (Satura corona­ als ihren Brennwert. Der Organismus benötigt
ria), dar. Die Kranznaht ist eine Knochenverbin- ­Energie, um sich selbst und seine Steuerprozesse er­
dung am Schädel, zwischen Stirn- und Scheitelbein halten zu können, sowie um alltägliche Leistungen
gelegen, die Pfeilnaht befindet sich zwischen den zu erbringen. Man unterscheidet zwischen dem
beiden Scheitelbeinen. Im Säuglingsalter wird das ­Ruheumsatz, welcher bei ca. 4 kJ pro kg Körper­
Bregma auch als große Fontanelle bezeichnet. Der gewicht und Stunde liegt, einem Grundumsatz von
Bereich beschreibt eine noch nicht verknöcherte ca. 2000 kJ pro Tag und einem Arbeitsumsatz von
Stelle am Schädel, welche sich erst in den ersten zwei 10000 kJ pro Tag. Wie viel Energie ein Organismus
Lebensjahren vollständig verschließt. benötigt, ist zudem abhängig von Geschlecht, Alter,
Größe, Gewicht und der Art körperlicher oder geis­
Breitengradeffekt (eng. latitudinal effect) Unter tiger Anstrengung.
Breitengradeffekt wird die geomedizinische Vertei­
lung von Erkrankungen verstanden. Als Beispiel Broca-Aphasie (engl. Broca’s aphasia) Die Broca-
soll an dieser Stelle die Multiple Sklerose angeführt Aphasie ist eine Form der Aphasie, welche haupt­
werden. Es ist zu beobachten, dass die Häufigkeit sächlich die Sprachproduktion beeinträchtigt. Sie
von Multipler Sklerose zum Äquator hin abnimmt. kann durch die Schädigung des inferioren Frontal­
Die höchsten Erkrankungsraten kann man in Ka­ lappens und somit des Broca-Areals bzw. angren­
nada, Nordeuropa und im Norden der USA finden, zender Hirnregionen verursacht werden oder durch
die Häufigkeit sinkt, je mehr man sich dem Äquator Gefäßstörungen im Versorgungsgebiet der Arteria
nähert. Allerdings bestehen Ausnahmen, die an cerebri media. Die Broca-Aphasie zeichnet sich
42 Broca-Areal

durch Artikulationsprobleme, Anomie und Agram­ einzelne Felder in Abhängigkeit von der Anordnung
matismus aus. Die Betroffenen sprechen viele Worte und Dichte der Neuronen. Es existieren zwei Haupt­
falsch aus, wobei ausgesprochene Worte zumeist typen von Neuronen: die Pyramidenzellen (80%)
B ­bedeutungshaltig sind. Die Anomie zeigt sich bei und die Sternzellen. In die Schichten III, IV und V,
Betroffenen in Wortfindungsschwierigkeiten, so dass in denen die Zellkörper der Pyramidenzellen liegen,
der Sprachfluss langsam, unflüssig, angestrengt und gelangen die spezifischen thalamischen Fasern aus
mühevoll erscheint. Durch den Agrammatismus be­ den Sinnessystemen. Die unspezifischen thalami­
stehen große Schwierigkeiten beim Benutzen gram­ schen Fasern erreichen die Dendriten der Schichten
matikalischer Konstruktionen, wie beispielsweise I und II. Einzelne Schichten enthalten auch jeweils
bei Passivsätzen oder beim Benutzen von Funk­ spezifische Projektionsgebiete. Brodmann unter­
tionswörtern (Präpositionen, Artikel). Auch das teilte nach diesen zytoarchitektonischen Merkmalen
Nachsprechen von Sätzen bereitet dem Betroffenen die Großhirnrinde in 52 verschiedene Areale:
Probleme. ­Primäre Sehrinde (BA: 17), Sekundäre Sehrinde
(BA: 18, 19, 20, 21, 37), Primäre Hörrinde (BA: 41),
Broca-Areal (engl. Broca’s area) Das Broca-Areal be­ Sekundäre Hörrinde (BA: 22, 42), Primäre Körper­
findet sich im Großhirn, im präfrontalen Kortex. sensorik (BA: 1, 2, 3), Sekundäre Körpersensorik
Dort ist es lokalisiert im unteren Teil der dritten (BA: 5, 7), weitere sensorische Verarbeitungen (BA:
Stirnwindung, in der Nähe der sylvischen Furche 7, 22, 37, 39,40), Primäre Motorik (BA: 4), Sekun­
(Sulcus lateralis) und in der dominanten Hirnhälfte. däre Motorik (BA: 6), Augenbewegungen (BA: 8),
Nach Brodmann befindet es sich auf den Arealen 44 Sprechen (BA: 44) und weitere Motorik (BA: 9, 10,
und 45. Neben dem Wernicke-Areal (posterior gele­ 11, 45, 46, 47).
gene sensorische Sprachregion), das verantwortlich
für das Sprachverständnis ist, ist das Broca-Areal Bruce-Effekt (engl. Bruce effect) Der Bruce-Effekt
eines der wichtigsten Sprachzentren, zuständig für bezeichnet einen frühen Schwangerschaftsabbruch,
die motorische Erzeugung der Sprache. Erstmals der bei Mäusen und Ratten festgestellt werden kann.
­beschrieben wurde dieser Zusammenhang von Man bezeichnet ihn auch als Pregnancy-Block-
dem französischen Neurologen Paul Pierre Broca, Effekt. Grund für den Abbruch ist ein Geruch,
1861. Einer seiner Patienten, der eine Läsion im ­ver­ursacht durch Pheromone eines fremden Männ­
­entsprechenden Hirnareal aufwies, zeigte Störungen chens, kurz nach der Befruchtung durch ein ande­
bei der Sprachproduktion. Erst durch die Entwick­ res männliches Tier. Diese Pheromone sind ge­
lung funktioneller Bildgebungsverfahren (wie PET schlechtsspe­zifische Duftstoffe, welche das Fort­
und fMRI) waren große Fortschritte bei der Erfor­ pflanzungs­verhalten der Tiere beeinflussen. Der
schung der menschlichen Sprachverarbeitungsare­ Geruchssinn ist eng mit dem limbischen System und
ale möglich. Es gilt als gesichert, dass noch weitere dem Hypothalamus verbunden, obwohl die genauen
Hirnareale Anteile an der Sprachentstehung und Mechanismen bisher noch nicht geklärt sind. Phero­
Verarbeitung haben. Die Sprachzentren bilden sich mone bewirken, dass sich die befruchtete Eizelle
während der frühen Sprachentwicklung der Kind­ nicht ­einnisten kann. Ausreichend für den Schwan­
heit aus. gerschaftsabbruch ist schon die Wahrnehmung
des Urins des fremden Männchens. Damit ein
Broca-Sprachzentrum 7 Broca-Areal. ­Ein­nisten erfolgen kann, muss das weibliche Tier
­mindestens drei Stunden den Pheromonen des
Brodmann-Areale (engl. pl. Brodmann’s areas) Die ­Befruchters ausgesetzt sein (Pheromonkommu­
Brodmann-Areale (BA) beruhen auf einer histolo­ nikation).
gischen Einteilung des Neokortex (besser: Isokor­
tex), die nach dem Mediziner Korbinian Brodmann Brücke (eng. pons; Syn. Pons) Die Brücke ist ein
(1868–1819) benannt wurde. Er beschrieb erstmals Teil des Hirnstamms, welcher zwischen der ­Medulla
die Struktur der Großhirnrinde, welche in sechs oblongata (verlängertes Mark) und dem Mesenze­
Schichten (I-VI) eingeteilt wird, und unterschied phalon (Mittelhirn) gelegen ist. Der Hirnstamm ist
Bulbus olfactorius 43

mit verschiedenen anderen motorischen Schalt­ vermutet, bei dem die betroffenen Personen schon
stellen des Gehirns verbunden: kranial mit den im Kleinkindalter schnell aufeinander folgende
­motorischen Regionen der Basalganglien und dem Sprachlaute, vor allem Vokale (ba, da), nicht unter­
Motorkortex, kaudal mit dem Rückenmark. Kranial scheiden können. Ur­sache für dieses Problem ist B
schließt sich an den Hirnstamm das Dienzephalon wahrscheinlich ein polygenetischer Defekt, der zu
(Zwischenhirn) an, welches die sensiblen Kerne einer mangelnden Verschaltung der involvierten
des Thalamus und Hypothalamus, mit wichtigen posterioren und inferioren temporalen Regionen
Zentren des autonomen Nervensystems, enthält. führt. Die Störung wird in erworbene und ent­
Zudem hat der Hirnstamm Kontakt mit Sensoren wicklungsbedingte Dyslexie unterteilt. Erstere kann
aus der Körperperipherie (Muskeln und Gelenken), durch Gehirnverletzungen entstehen, letztere ist
mit dem Kleinhirn sowie dem Gleichgewichts­ eine angeborene Lese-Schreibstörung, wie beispiels­
organ. Im Hirnstamm sind motorische Zentren ge­ weise die Legasthenie. Weiterhin findet eine Unter­
legen, welche die un­willkürliche Kontrolle der Kör­ scheidung von peripherer und zentraler Dyslexie
perstellung im Raum gewährleisten. Der Nucleus statt. Bei einer peripheren Dyslexie ist nur die Lese­
ruber ist das motorische Zentrum des Mesenze­ fähigkeit betroffen, bei gleichzeitigem Vorliegen von
phalons. Die Formatio reticularis liegt jeweils mit Aufmerksamkeitsstörungen. Bei der zentralen Dys­
einem Teil in der Brücke (pontiner Teil) und in lexie ist neben der Lesefähigkeit auch die Semantik
der Medulla oblongata (medullärer Teil) und bildet und die Sprache mit betroffen. Ein Beispiel dafür
zusammen mit den Vestibulariskernen die moto­ wäre die Alexie, bei der das Lesen nur durch ein
rischen Zentren. vorangegangenes Buchstabieren der Wörter mög­
lich ist oder die Oberflächendyslexie, bei der das
Brückenhaube (engl. tegmentum of pons) Die Brü­ Hauptproblem darin besteht, dass einzelne Phone­
ckenhaube (tegmentum pontis) formt den oberen me nicht zu einer Wortstruktur zusammengezogen
Abschnitt der Rautengrube im Gehirn und ist damit werden können. Dabei werden die Wortelemente
anatomisch gesehen der dorsale (hintere, rückseitig zerlegt und einzeln ausgesprochen, als wäre das
gelegene) Teil der Pons. Wort an sich völlig unbekannt.

Brunft (engl. oestrus) Die Brunft ist eine Phase bei Buerger-Krankheit (engl. Buerger’s disease) Die
Tieren, in denen sie fortpflanzungsbereit sind und ­Buerger-Krankheit wird auch als Endangitis obi­
spezielles Paarungsverhalten zeigen. Diese Phase terans oder Morbus Winiwarter bezeichnet. Sie
kann einmal jährlich auftreten (monöstrisch), aber ­wurde von Buerger 1908 und von Winiwarter 1879
auch mehrmals im Jahr (polyöstrisch). Der Zyklus beschrieben. Es handelt sich um eine an den Ar­
ist hormonell gesteuert. Der Begriff »Brunft« wird terien der unteren Extremitäten beginnende ent­
v. a. bei Jägern für die Paarungszeit bei Paarhufern zündliche Erkrankung der inneren Gefäßwand­
verwendet. Es werden für verschiedene Säugetier­ schichten, welche mit oder auch ohne Thrombose
arten unterschiedliche Begriffe benutzt. zu bindege­webiger Verödung und damit zu Durch­
blutungsstörungen und zum Gefäßverschluss führt.
Buchstabier-Dyslexie (engl. dyslexia) Unter Dys­ Der arterielle Verschluss in den kleinen und mitt­
lexie versteht man Lese- und Schreibschwierigkeiten leren Gefäßen der Extremitäten kann mit so star­
bei normaler Intelligenz und altersentsprechendem ken Gewebeschädigungen einhergehen, dass Fin­
Intelligenzquotienten. Vorläufer der Dyslexie kön­ ger oder Zehen amputiert werden müssen. Venen
nen Sprachentwicklungsstörungen sein, welche be­ können ebenso vom Gefäßverschluss betroffen
reits vor dem Schulalter auftreten. Sie sind gekenn­ sein. Als Ursache wird starker Nikotinmissbrauch
zeichnet durch einen späten Sprechbeginn im vermutet.
Klein­kindalter, einem schlechten Sprach- oder
Wortverständnis und gehäuft auftretenden gram­ Bulbus olfactorius (engl. olfactory bulb; Syn. Riech-
matikalischen Fehlern. Hinter den Sprachentwick­ kolben) Der Bulbus olfactorius ist ein vorgelagerter
lungsstörungen wird ein phonologisches Defizit Teil des Gehirns. Er liegt am Siebbein, nimmt die
44 Bulimia nervosa

Riechnerven auf und dient als synaptische Schalt­ Bursts (engl. pl. bursts) Unter Bursts versteht man
stelle zur Informationsweiterleitung zum Riechhirn. Perioden von intensiver Zellaktivität. Bei Zellen
Der Bulbus olfactorius stellt den Beginn des Tractus oder Neuronen wird die Aktivität meist in »Bursts
B olfactorius dar und wird von Mitralzellen, in denen pro Min.« angegeben, die auf einer Kurve abgebildet
die Bündelung vieler Axone auf wenige Kanäle statt­ werden kann. Dabei wird abgezählt, wie viele solcher
findet, und den Körnerzellen gebildet. Der Tractus schnellen Anstiege der Zellaktivität in einem be­
olfactorius führt im weiteren Verlauf über wenige stimmten Zeitraum auftreten.
Schaltstellen zum Riechhirn und zum Neokortex
sowie zum limbischen System, zum Hypothalamus Büschelzellen (engl. pl. olfactory cilia) Büschelzellen
und zur Formatio reticularis. sind neben Mitralzellen die zweite Form von Projek­
tionsneuronen (Pyramidenzellen) im Bulbus olfac­
Bulimia nervosa (engl. bulimia nervosa; Syn. Ess- torius (Riechkolben). Ihre myelinisierten Axone
Brech-Sucht) Bei der Bulimia nervosa handelt es sich bilden den Tractus olfactorius. Sie werden stimuliert
um eine psychogen bedingte Essstörung, welche durch odorant-spezifische Glomeruli, die Geruchs­
durch Essanfälle, das Aufnehmen großer Nahrungs­ rezeptoren, welche wiederum von den nichtmyelini­
mengen (meist hochkalorische Speisen) und an­ sierten Axonen der primären Sinneszellen erregt
schließenden gegensteuernden Maßnahmen (Purg­ werden. Die Signalverarbeitung im Bulbus olfacto­
ing Verhalten) wie Erbrechen, exzessiven Sport, rius sorgt für die selektive Weiterleitung bzw. Unter­
Fasten sowie Missbrauch von Diuretika und Laxan­ drückung bestimmter Gerüche.
tia, gekennzeichnet ist. Die Prävalenz beträgt 1–3 %
für Frauen und 0,01 % für Männer, Spitzenwerte fin­ Buspiron (engl. buspiron) Buspiron wird unter dem
den sich im Alter zwischen 18–35 Jahren. Die Ess­ Handelsnamen Buspar oder Bespar vertrieben
störung beginnt meist in der Adoleszenz, also später und gehört zur Gruppe der Azapirone. Diese wie­
als die Anorexia nervosa (Magersucht). Oftmals geht derum sind Anxiolytika, d. h. Medikamente, die
der Erkrankung ein extremes Übergewicht oder eine Angstzustände lösen. Die Wirkung von Buspiron ist
Anorexia nervosa voraus. Bulimie-Patientinnen sind mit der von Tranquilizern, zum Beispiel Benzodia­
oft normalgewichtig, leiden meist an einer gestörten zepinen, vergleichbar. Im Gegensatz zu diesen wirkt
Selbstwahrnehmung, schätzen sich aber dennoch Buspiron als Agonist an den 5-HT1A Rezeptoren
realistischer ein als Anorexie-Patientinnen. Ihr des Gehirns und hat zudem Einfluss auf das dopami­
Selbstwert ist in besonderem Maße von ihrem Ge­ nerge System. Die Effekte werden allerdings erst drei
wicht abhängig. Das regelmäßige Erbrechen kann Wochen nach Beginn der Einnahme sichtbar. Der
zu schwerwiegenden körperlichen Folgeschäden Vorteil gegenüber Benzodiazepinen besteht darin,
führen wie bspw. Speiseröhrenentzündung, Zahn­ dass Buspiron kein Abhängigkeitspotenzial besitzt,
problemen oder gestörtem Elektrolytenhaushalt, der nicht übermäßig ermüdend wirkt und keine Mus­­
langfristig mit kardiovaskulären Problemen einher­ kelerschlaffung verursacht. Als Nebenwirkungen
geht. Häufige komorbide Störungen sind Substanz­ können Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit
missbrauch (besonders Abführmittel) oder Depres­ auftreten.
sionen.
Butyrophenone (engl. pl. butyrophenones) Butyro­
Burdachscher Strang (engl. tract of Burdach; Syn. phenone gehören zu der Gruppe der Neuroleptika
Fasciculus cuneatus) Der Burdachsche Strang ist der und werden zur medikamentösen Therapie psy­
lateral gelegene Teil des Hinterstranges des Rücken­ chischer Störungen, z. B. Psychosen oder Schizo­
marks. Er entspringt im oberen Brustmark und zieht phrenie angewandt. Wirkstoffe sind z. B. Halo­
lateral vom Goll-Strang Richtung verlängertes Mark, peridol, Melperon und Pipamperon, welche in
wo er im Burdachkern endet. Der Burdachsche der psychiatrischen Praxis eine breite Anwendung
Strang enthält Fasern der Hinterwurzelganglien der finden. Butyrophenone sind hoch potent und haben
oberen Körperhälfte. Diese leiten Tast- und Lage­ eine starke Affinität zu Dopamin-Rezeptoren in
empfindungen. ­bestimmten Bereichen des Zentralnervensystems,
Butyrophenone 45

wo sie in erster Linie als Antagonisten von D2-Re­ Dabei handelt es sich um A-, Früh-, Spät- und Dys­
zeptoren wirken. Durch Blockade der dopami­ kinesien sowie Parkinsonismus. Außerdem können
nergen Übertragung in den Basalganglien kommt Depressionen, Krampfanfälle, hormonelle Störun­
es zu typischen Begleiterscheinungen, darunter die gen oder Kopfschmerzen als Nebenwirkungen auf­ B
extra­pyramidal-motorischen Störungen (EPMS). treten.
C C
cAMP (engl. cyclic adenosine monophosphate) Ade­ CA1-Region (engl. CA1 region) Der Hippocampus
nosinmonophosphat ist ein Salz der Adenylsäure ist aufgrund seines histologischen Aufbaus in vier
und gehört zur Klasse der Nukleosidmonophos­ Felder (Cornu Ammonis, CA, 1–4) einteilbar. Die
phate. Zyklisches Adenosinmonophosphat ist ein einzelnen Schichten werden als Stratum oriens,
universeller Effektor zur Regulation von Genaktivi­ ­Stratum pyramidale, Stratum radiatum und Stratum
täten und Enzymsystemen. Es wird bei der zellulären moleculare bezeichnet. Aus strukturellen Gründen
Signalweiterleitung (Signaltransduktion) als Second sind diese Regionen unterschiedlich vulnerabel für
Messenger eingesetzt und führt zu einer Aktivierung Schädigungen, z. B. gegenüber einer leichten Ano­
der Proteinkinasen. cAMP entsteht durch die Kata­ xie, wobei die Region CA1 am empfindlichsten und
lysierung von ATP (Adenosintriphosphat) mit Hilfe die CA4 am resistentesten erscheint. CA1 ist der in­
des Enzyms Adenylat-Cyclase, durch die Abspaltung feriore Teil des Ammonshorns und enthält viele klei­
von Pyrophosphat. cAMP kann die intrazellulären ne Pyramidenzellen (ca. 10 Mio.), die ihren Input
Transkriptionsfaktoren von einem inaktiven Zu­ von der Region CA3 via Schaffer-Kollaterale erhal­
stand in einen aktiven Zustand bringen, so dass sie ten. Bekannt wurde die CA1-Region dadurch, dass
in der Lage sind, an die DNA zu binden und die sie eine der bevorzugten Gebiete zur Erforschung
­Genexpression einzuleiten. CREP (cAMP- Reaktions­ der Langzeitpotenzierung ist. Es bestehen Evidenzen,
element-Bindungsprotein) ist ein solcher Trans­ dass die Langzeitpotenzierung in der CA1 mittels
kriptionsfaktor, welcher unter der Einwirkung von NMDA-Rezeptoren (ionotrope Glutamatrezep­
cAMP und Proteinkinasen (häufig vorkommende toren) vermittelt wird; werden diese blockiert, findet
Formen sind die Proteinkinase A, die Kalzium/ keine Langzeitpotenzierung mehr statt. Zudem wur­
Calmodulinkinase und die Mitogen aktivierte Pro­ den an der CA1 die Postulate des Gedächtnis­
teinkinase) phosphoriliert und damit aktiv wird. Er forschers Donald Hebb (Hebbsche Plastizität) zur
stimuliert dann durch die Bildung verschiedener Langzeitpotenzierung geprüft und bestätigt.
Co-Enzyme die RNA-Polymerase und somit die
RNA-Synthese. Die RNA wird anschließend aus dem Cannabinoide (engl. pl. cannabionoids) Cannabino­
Zellkern ins Zytoplasma transportiert, wo sie als ide sind chemische Stoffe, die im Cannabis (Canna­
mRNA (messenger RNA) wirkt und die Translation bis sativa), der Hanfpflanze, vorkommen. Es existie­
in ein Protein veranlasst. Die Rückumwandlung von ren über 70 verschiedene Cannabinoide im Harz der
cAMP zu AMP erfolgt über eine spezifische Phos­ Hanfpflanze, wovon einige, wie z. B. das Tetrahydro­
phordiesterase. cannabinol (THC), psychotrope Wirkungen be­
sitzen, und andere, wie das Cannabidiol (CBD) oder
CAMs (engl. pl. cell adhesion molecules) Zelladhä­ das Cannabigerol (CBG), diese Wirkung modulie­
sionsmoleküle sind integrale Membranproteine, ren. Bisher wurden zwei Cannabinoid-Rezeptoren
welche den Zusammenhalt von Gewebsstrukturen (CB1 und CB2) im Körper identifiziert. Als vom
und die Kommunikation von Zellen untereinander Körper selbst produzierte Cannabinoide (»Endo­
ermöglichen. Sie befinden sich auf der Zellmembran cannabinoide«) wurde u. a. Anandamid identifiziert.
oder ragen aus der Zelle heraus und stellen so Kon­ Exogene wie endogene Cannabinoide haben neben
takte zwischen den Zellen oder der Zelle und der psychotropen Wirkungen auch vielfältige Effekte auf
extrazellulären Matrix dar. die Nahrungsaufnahme, das Herz-Kreislaufsystem
und das Immunsystem.
Carbamazepin 47

Cannabis sativa (engl. cannabis) Cannabis sativa ist mationen erst in dieser Struktur ihre emotionale
die indische Hanfpflanze. Die weiblichen Pflanzen Tönung erhalten. Im Thalamus herrschen außerdem
sondern einen harzähnlichen Stoff ab, der verschie­ neuronale Erregungsmuster, die vom Kortex abge­
dene Cannabinoide enthält. Wegen der Rausch er­ trennt sind. Wenn ein starker Reiz zum Organismus
zeugenden Wirkung dieser psychotropen Substanz dringt, wird die Erregung an den Kortex, die Skelett­
wird sie meist in Form von Haschisch oder Marihu­ muskulatur und die Viszera weitergeleitet. CC
ana geraucht. Die Wirkung reicht von Entspan­
nungsgefühlen, Entfernung von Alltagsproblemen, Capgras-Syndrom (engl. Capgras syndrome) Dieses
angenehmer Apathie, leichter Stimmungssteigerung seltene Syndrom gehört zu den Wahrnehmungs­
und assoziationsreichem Denken bis hin zum ver­ störungen und kann im deutschen als »Doppel­
langsamten Zeitempfinden, Halluzinationen oder gängerillusion« bezeichnet werden. Dabei nimmt der
depressiven Zuständen. Hauptwirkstoff von Canna­ Betroffene an, dass eine ihm nahe stehende Person
bis sativa ist das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (z. B. ein Elternteil, Ehepartner, Kind) ausgetauscht
(Delta-9-THC). und durch einen Doppelgänger ersetzt worden ist.
Als Erklärung dieses Phänomens wird eine Unter­
Cannon-Bard-Theorie (engl. Cannon-Bard theory) brechung der Verbindung zwischen den Hirnregi­
Die Cannon-Bard-Theorie, die »Thalamustheorie«, onen für die Gesichtserkennung (Gyrus fusiformis)
oder die »Theorie der zentralen neuralen Prozesse«, und der emotionalen Verarbeitung (Amygdala) dis­
ist eine 1927 von Walter Cannon und im Folgejahr kutiert. Somit erkennen die Betroffenen zwar das
mit derselben Grundidee von Philip Bard postu­lierte Gesicht, aber die erwartete zugehörige emotionale
emotionspsychologische Theorie. Für die Emotions­ Reaktion bleibt aus, was sie an der »Echtheit« der
genese spielen, laut der Cannon-Bard-Theorie, zent- Person zweifeln lässt.
ralnervöse und nicht etwa periphere Prozesse eine
entscheidende Rolle. Das Postulat kritisiert die vor­ Carbachol (engl. carbachol) Carbachol ist ein direkt
her entwickelte James-Lange-Theorie insofern, als wirkendes Parasympathomimetikum, welches be­
dass: (1) die gleichen viszeralen (organischen) Ver­ sonders auf die Darm- und Blasenmuskulatur wirkt.
änderungen oft mit ganz unterschiedlichen Emoti­ Parasympathomimetika sind Medikamente, welche
onen einhergehen, (2) viele Emotionen viszeral nicht in ihrer Wirkung dem Vagusreiz ähnlich sind: Sie füh­
zu unterscheiden sind, (3) organische Prozesse irre­ ren zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz, einer
levant für die emotionale Erfahrung sind und (4) das Verengung der Bronchien, einer peripheren Gefäß­
autonome Nervensystem langsamen Änderungen erweiterung und regen die Darmperistaltik an. Ihre
unterworfen ist, wohingegen Emotionen oft schon Wirkung ist länger anhaltend als die des Azetylcho­
in Sekundenschnelle entstehen. Die Cannon-Bard- lins. Carbachol findet Anwendung im postope­rativen
Theorie geht von zwei gleichzeitig ablaufenden Re­ Bereich vor allem bei Blasen- und Darmatonien.
aktionen auf einen Umweltreiz aus, die sich gegen­
seitig nicht bedingen. Mit der Wirkung des Reizes Carbamazepin (engl. carbamazepin) Carbamazepin
auf den Organismus setzt zum einen die physiolo­ ist ein Wirkstoff, der als Antiepileptikum zur Unter­
gische Erregung ein, zum anderen findet die Wahr­ drückung und Vermeidung zerebraler Krampfanfäl­
nehmung einer Reaktion statt. Es gibt eine Reihe von le eingesetzt wird, indem er die Erregungsleitung der
Befunden, die für die Cannon-Bard-Theorie spre­ Nervenzellen blockiert. Carbamazepin blockiert die
chen: Bei Durchtrennung oder komplettem Ausfall Natrium- und Kaliumkanäle der Zellmembran und
der Verbindung zwischen dem autonomen und dem kann so die Ausbreitung des epileptischen Herds
zentralen Nervensystem können weiterhin Emoti­ verhindern. Carbamazepin ist eines der am häufigs­
onen entstehen. Ferner zeigen künstlich erzeugte ten eingesetzten Antiepileptika und wirkt insbeson­
orga­nische Veränderungen keine entsprechende dere zur Behandlung fokaler Anfälle, wird aber auch
Emo­tionsgenese. Die Theorie geht davon aus, dass zur Medikation bei Grand-mal-Anfällen oder ande­
der Thalamus alle sensorischen Informationen um­ ren psychomotorischen Anfallsleiden eingesetzt. Bei
schaltet (außer dem Geruch) und dass diese Infor­ der Gabe von Carbamazepin zeigen sich normaler­
48 Carrier

weise nur geringe Nebenwirkungen (z. B. Allergien), oder Bandscheibenvorfälle kann das so genannte
es können jedoch Ödeme oder Leberschäden auf­ »Cauda-equina-Syndrom« entstehen. Dabei treten
treten. verschiedene Komplikationen auf, wie Blasen- und
Mastdarmstörungen, Störungen der Erektion und
Carrier (engl. carrier; Syn. Transportprotein) Zum Ejakulation, Atrophie der kleinen Fußmuskeln und
C einen wird das Modell des Carriers herangezogen, Anästhesien im Bereich des Gesäßes (»Reithosenan­
um den aktiven Stofftransport zu erklären. Ein Mo­ ästhesie«).
lekül oder Ion bindet sich an ein solches Träger­
molekül und kann auf diese Weise – gegen das Kon­ CCK 7 Cholecystokinin
zentrationsgefälle – durch die Zellmembran oder in
einem Medium (z. B. Blut) transportiert werden. cGMP (engl. cyclic guanosin monophosphate) Zyk-
Zum anderen wird der Begriff Carrier in der Mikro­ lisches Guanosinmonophosphat ist die Bezeichnung
biologie verwendet und bezeichnet Krankheits- und für einen zellulären Botenstoff, einen Second Mes­
Infektionsüberträger. senger. Die Art der Signalvermittlung ist abhängig
von den betroffenen Zellstrukturen. In Niere und
CART (engl. CART, cocain and amphetamine regula- Darm ist cGMP verantwortlich für den Ionentrans­
ted transcript) CART ist ein Neuropeptid, welches port und unterstützt die Relaxation der glatten Mus­
gebildet wird, wenn dem Organismus Amphetamine kulatur. In den Sehzellen (Stäbchen) im Auge führt
oder Kokain injiziert werden. Es ist ein Bestandteil es zu einer Steigerung des Natriumeinflusses durch
des Appetit-Kontrollschaltkreises des Hypothala­ die Kontrolle der Natriumkanäle. Das Phosphat
mus und führt zu einer starken Hemmung der Nah­ wirkt unter dem Einfluss der cGMP-abhängigen
rungsaufnahme. Die CART-Neuronen sind mit den Proteinkinase (Proteinkinase G).
POMC- (Proopiomelanocortin) Neuronen verschal­
tet, weswegen dieser Bereich häufig zum CART/ Cerveau isolé (engl. isolated forebrain) Cerveau isolé
POMC-Komplex zusammengefasst wird. Die Rezep­ bedeutet »isoliertes Vorderhirn«. Darunter versteht
toren dieses Gehirnabschnittes sind sensitiv für Lep­ man eine Präparation, die v. a. in der EEG- und
tin, Ghrelin, Insulin und das Neuropeptid YY3-36, Schlafforschung an Versuchstieren eingesetzt wurde.
Transmitter, die vor oder während der Nahrungs­ Eine Durchtrennung des Gehirns auf Höhe der me­
aufnahme gebildet werden und Informationen dialen Anteile des Mesenzephalons und Dienzepha­
über Hunger und Sättigung des Organsimus liefern. lons (cerveau isolè), im Bereich der Vierhügelplatte,
Wird der POMC/CART-Neuronenkomplex akti­ führt zu einem synchronisierten EEG und Schlaf.
viert, kommt es zur Ausschüttung des Alpha-Melano­ Bei einer lateralen Durchtrennung des Mesenzepha­
zyten stimulierenden Hormons (MSH), welches den lons oder der Trennung der Medulla oblongata (en­
Hunger reduziert. CART ist bei Magersucht in ex­ cephale isolè) vom Rückenmark konnte man die
trem erhöhter Konzentration im Körper vorhanden. EEG-Synchronisation oder die Induktion von Schlaf
nicht beobachten. Die ersten Experimente dieser Art
Cauda equina (engl. cauda equina) Die Cauda equi­ wurden von F. Brèmer (1892–1959) 1939 durchge­
na wird in der deutschen Sprache auch als »Pferde­ führt. Mit Hilfe dieser Untersuchungen konnten
schweif« bezeichnet. Sie ist die Wurzel der Rücken­ Aussagen über den Schlaf-Wachrhythmus und die
marksnerven, die von den Lumbal- und Sakralseg­ Lokalisation entsprechend verantwortlicher Zentren
menten des Rückenmarkes abgehen und außeror­ getroffen werden.
dentlich lang sind, deshalb das untere Rücken-
markende einhüllen und weit darüber hinausgehen. Change blindness (engl. change blindness) Verände­
Die Cauda equina ist ebenso wie das Rückenmark rungsblindheit ist ein Phänomen aus dem Bereich
und alle Nervenwurzeln bis zum Austritt der Nerven­ der visuellen Wahrnehmung, bei dem Veränderun­
wurzeln aus dem Rückenmarkskanal von der Dura gen nicht bemerkt werden. Es handelt sich nicht um
mater spinalis, der harten Rückenmarkshaut, zum ein Defizit der Wahrnehmung sondern um ein Auf­
Schutz umhüllt. Durch Läsionen des Rückenmarkes merksamkeitsproblem. Das Phänomen zeigt sich,
Chemorezeptor 49

wenn während einer bildlich dargestellten Szene wirkung neuronaler Aktivität eine Verfeinerung und
kurze Unterbrechungen von mindestens 80 ms auf­ Präzision der axonalen Verbindungen statt. Eine
treten. Die hier beschriebene Technik simuliert die ähnliche Hypothese, die »labelled pathways hypo­
Augenbewegung. Veränderungen werden nur dann thesis«, besagt, dass jedes Axonbündel spezifisch
wahrgenommen, wenn das Objekt der Veränderung markiert ist und dass in der zellulären Umgebung
genau im Moment des Wechsels im Fokus der Auf­ ebenso spezielle Markierungen existieren, welche das C
merksamkeit steht. Ist das nicht der Fall, wird das weitere Wachstumsverhalten der Axone bedingen.
Bild nach einer Veränderung abgesucht, welche auf­
grund der begrenzten Kapazität des visuellen Ge­ Chemoaffinitätshypothese (engl. chemoaffinity
dächtnisses nicht bemerkt wird, da jedes Objekt mit theory) Die Theorie geht davon aus, dass das Wachs­
dem Aussehen vor der Unterbrechung verglichen tum von Dendriten und Synapsen in der prä- und
werden muss. Die kurzen Zwischenbilder lenken die postnatalen Phase durch chemotropische Faktoren
Aufmerksamkeit vom Ort der Veränderung ab. Das der Zielzelle bestimmt wird. Eine Beschreibung der
funktioniert, wenn das ganze Bild unterbrochen Vorgänge ist unter dem Stichwort Chemoaffinität zu
wird. Change blindness tritt auch bei sehr langsamen finden. Dieses Phänomen wurde zuerst am optischen
Veränderungen auf, die nicht in den Aufmerksam­ Nerv des Frosches nachgewiesen. Wird bei Amphi­
keitsfokus fallen. Das Phänomen der Veränderungs­ bien oder Fischen der Sehnerv in der Augenhöhle
blindheit zeigt, dass das visuelle Gedächtnis sparsam durchtrennt, regenerieren sich die Axone vollstän­
und kategorial funktioniert, da nur wenige Aspekte dig und das Tier erlangt seine Sehfähigkeit wieder.
in die bewusste Wahrnehmung gelangen. Transplantiert man ein Auge von einer Augenhöhle
in die andere und rotiert es um 180 Grad, so zeigt
Chemoaffinität (engl. chemoaffinity) Der Begriff das Tier nach der Transplantation ein Verhalten, als
Chemoaffinität beschreibt die chemischen Anzie­ ob das Sehfeld selbst um 180 Grad rotiert wäre. Die
hungskräfte zwischen prä- und postsynaptischen Axone erkennen aufgrund der chemischen Affinität
Elementen. Für die embryonale Entwicklung ist die zwischen Prä- und Postsynapse ihre ehemaligen
präzise Passung der hochspezifischen neuronalen, Standorte wieder.
synaptischen Verbindungen von entscheidender Be­
deutung. Axone und Dendriten besitzen an ihren Chemoattraktorhypothese 7 Chemoaffinitätshypo-
Spitzen so genannte Wachstumskegel oder Wachs­ these
tumskolben, welche in Wechselwirkung mit der Zell­
umgebung stehen und für das weitere Verhalten der Chemokine (engl. pl. chemokines; Syn. chemotak-
Neuronen verantwortlich sind. Die Chemoaffinitäts­ tische Zytokine) Chemokine sind relativ kleine Pro­
hypothese erklärt, wie es möglich ist, dass während teine mit geringem Molekulargewicht, die aus ca.
der Neuralentwicklung die »funktionell richtigen« 70–80 Aminosäuren bestehen und lokal im Gewebe
Zellen zusammenwachsen. Man geht davon aus, produziert werden. Als Untergruppe der Zytokine
dass die Zielzellen jeweils eine spezielle Substanz zeigen sie eine starke Aktivität bei der Antwort auf
freisetzen. Auf jede dieser Substanzen reagieren Entzündungssignale. Sie sind in der Lage, Leuko­
­wiederum nur bestimmte Axone, welche sich dann zyten zu Infektions- und Entzündungsherden zu
in Richtung der Zielzelle ausbreiten und mit dieser locken und zu aktivieren. Von einer Chemotaxis
Zelle Synapsen ausbilden. Die Axone und Zielzellen wird gesprochen, wenn eine gerichtete Leukozyten­
finden also aufgrund chemischer Anziehungskräfte wanderung in ein Entzündungsgebiet stattfindet,
(Affinität) zueinander. Damit die Axone während die durch einen Chemokingradienten im Gewebe
der Embryonalphase ihr vorbestimmtes Ziel finden, geleitet wird.
muss eine Selektion unter den verschiedenen Mög­
lichkeiten stattfinden. Wenn sie an ihrem vorbe­ Chemorezeptor (engl. chemoreceptor) Chemorezep­
stimmten Zielort angekommen sind, bilden die ­Axone toren sind spezialisierte Zellen oder auch freie Ner­
mehrere Neuronenverbindungen, welche sie im Zeit­ venendigungen im Gewebe, die auf Änderungen in
verlauf selektieren. Nach der Geburt findet unter Ein­ der chemischen Zusammensetzung ihrer Umgebung
50 Chemosensor

reagieren. Man unterteilt sie grob in periphere und laufsysteme, Anästhesieverfahren, Schmerzstillung,
zentrale Chemosensoren. Periphere Chemorezep­ Wundheilung, Blutstillung, Bluttransfusionen, Anti­
toren befinden sich bspw. in den Blutgefäßen an der sepsis, Hygiene und postoperative Pflege sind unab­
Karotisgabel (Glomus caroticum) im Herzen, wo sie dingbar. Bereits in der Steinzeit fanden nachweislich
auf Schwankungen des CO2- und O2-Gehaltes rea­ erste chirurgische Eingriffe, wie die Trepanation
C gieren. Weitere Chemosensoren können am Aorten­ (Öffnung des knöchernen Schädels), statt. In einer
bogen lokalisiert werden. Diese Sensoren reagieren Jahrtausende langen Weiterentwicklung konnte das
mit Aktivitätssteigerung bei einer Abnahme des Leistungsspektrum und das Wissen um die Vorgänge
O2-Partialdruckes und bei einer Zunahme des CO2- im Körper maßgeblich weiterentwickelt werden. Die
Partialdruckes. Zentrale Chemosensoren, welche heutige Chirurgie ist von einer zunehmenden Spezi­
ebenso eine entscheidende Rolle für die Atemregu­ alisierung und Miniaturisierung der operativen Zu­
lation spielen, befinden sich im Hirnstamm, in der gänge geprägt. Ein Beispiel ist die minimal invasive
Nähe der für die Atmung verantwortlichen neuro­ Chirurgie. Dabei wird möglichst auf größere Schnit­
nalen Strukturen. Diese Sensoren reagieren sehr te bei der Körpereröffnung verzichtet und stattdessen
stark auf die Zunahme des CO2-Partialdruckes und werden mehrere kleine Inzisionen angelegt, durch
weniger oder gar nicht auf Sauerstoffmangel. Andere die die Mikroinstrumente an das Operationsgebiet
Chemorezeptoren befinden sich im Verdauungs­ gelangen können. Der Eingriff kann über einen Mo­
trakt, Osmosensoren in der Leber und Glukosesen­ nitor beobachtet werden. Der Einsatz von Robotern,
soren im Darm. Externe Chemosensoren befinden die bei Operationen standardisierte Eingriffe durch­
sich auf der Zunge und in den oberen Nasengängen. führen können, wird für die Zukunft immer wahr­
Sie sind zentral für den Geruchs- und Geschmacks­ scheinlicher.
sinn.
Chlorpromazin (engl. chlorpromazin) Chlorproma­
Chemosensor 7 Chemorezeptor zin, ein Phenothiazin-Derivat, ist die »Muttersubs-
tanz« vieler heutiger Neuroleptika, welche in den
Chiasma opticum (engl. optic chiasm; Syn. optisches 50er Jahren eingeführt wurden. Es war das erste Me­
Chiasma) Das Chiasma opticum ist die Bezeichnung dikament in der Gruppe der Neuroleptika, welches
für die Sehnervenkreuzung. Im Chiasma opticum erfolgreich bei der Therapie der Schizophrenie
kreuzen die Sehnervenfasern beider Augen, so dass ­eingesetzt werden konnte. Das Wirkspektrum von
jeweils die Fasern, die die nasalen Anteile des Ge­ Chlorpromazin ist durch seine vielfältigen Einflüsse
sichtsfeldes nach zentral tragen, auf die andere Hirn­ auf unterschiedliche Neurotransmitterrezeptoren
hälfte kreuzen. Nach der Sehnervenkreuzung ver­ breit gefächert. Neben der bei der Schizophrenie
laufen die Ganglienaxone der Sehnervenfasern zum ­gewünschten antipsychotischen Wirkung zeigt es bei
Corpus geniculatum laterale (CGL; seitlicher Knie­ der Anwendung eine stark sedierende sowie eine an­
höcker), einem Kerngebiet des Thalamus. Von dort tihistaminische, antiemetische, anticholinerge und
aus findet die Weiterleitung in höhere Sehzentren, antiadrenerge Wirkung. Die schwerwiegendsten Ne­
u.a. der primären Sehrinde, statt. benwirkungen umfassen extrapyramidal-motorische
Störungen. Es treten parkinsonähnliche Bewegungs­
Chirurgie (engl. surgery) Das Wort Chirurgie stammt störungen wie Akinesen, Dyskinesen oder Ruhe­
vom lateinischen Wort für »Handwerk«. Die Chirur­ tremor auf, welche durch die blockierende Wirkung
gie ist ein spezielles Fachgebiet der Medizin, in dem des Chlorpromazin auf das mesolimbische und me­
die operative Heilkunst im Vordergrund steht. Dieses sokortikale Dopaminsystem verursacht werden.
Fachgebiet gliedert sich in weitere spezifische Fach­
bereiche, wie bspw. in die Herz-, Augen-, ­ Kiefer-, Cholezystokinin (engl. cholecystokinin) Cholezysto­
Unfall-, Gefäß-, Kinder- und in die plastische Chir­ kinin (CCK) ist ein 33-Aminosäurepeptid, welches
urgie. Dieses Gebiet ist von den Erkenntnissen und sowohl als Darmhormon wie auch als Neurotrans­
Erfahrungen der gesamten medizinischen Wissen­ mitter wirkt. Die Sekretion wird über den Plexus
schaft abhängig; Wissen über Anatomie, Herz-Kreis­ myentericus (Nervengeflecht der Darmwand), die
Chordaten 51

Gallenblasenkontraktion, die Pankreasenzym- und tylcholin notwendig ist. Durch die enzymatische
Magensäuresekretion beeinflusst. CCK reguliert die Azetylierung des Cholins, mit Hilfe der Cholinaze­
Magenentleerung, stimuliert sowohl die Dünn- als tylase, wird unter Einwirkung von Essigsäure und
auch die Dickdarmmotilität und hat wachstumsför­ Adenosintriphosphat (ATP) Azetylcholin gebildet.
dernde Effekte auf das Pankreas. Außerdem poten­
ziert es die Insulinsekretion, kontrolliert die Nah­ cholinerg (engl. cholinergic) Als cholinerg werden C
rungsaufnahme und ist an der Regulation des Sätti­ Neurone bezeichnet, welche Azetylcholin als Über­
gungsgefühls beteiligt. Hergestellt und sezerniert trägersubstanz während der Reizweiterleitung von
wird es in den endokrinen Zellen des oberen Zwölf­ Synapse zu Synapse ausschütten. Neben zahlreichen
fingerdarms (I-Zellen) und dem Jejunum (Dünn­ Hirnstrukturen wird Azetylcholin als Neurotrans­
darmabschnitt). Eine exokrine Pankreasfunktions­ mitter im parasympathischen System, in den prä­
störung kann mit Hilfe veränderter Cholezysto­ ganglionären Sympathikusfasern sowie in periphe­
kininwerte nachgewiesen werden. Neben diesen ren motorischen Neuronen verwendet. Die Synthese
Wirkungen spielt es auch zentralnervös im Gehirn, des Neurotransmitters erfolgt in den präsynap­
speziell im ventromedialen Hypothalamus, welcher tischen Endigungen aus Cholin und Essigsäure. Auf
über eine große Anzahl an CCK-Rezeptoren verfügt, der postsynaptischen Membran öffnet Azetylcholin
eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Sättigungs­ Kanalproteine für Natrium- und Kaliumionen und
gefühls. Auch wurden CCK-Effekte auf Gedächtnis­ kann auf diese Weise das Aktionspotenzial weiter­
prozesse und Angst in der Literatur beschrieben. leiten. Der Abbau des Azetylcholins wird mit
Hilfe des Enzyms Azetylcholinesterase gesteuert.
Cholesterin (engl. cholesterol) Cholesterin ist ein Die Abbauprodukte Cholin und Essigsäure werden
­ ipid, aufgebaut aus einwertigem, ungesättigtem
L wieder in die präsynaptische Endigung aufgenom­
­hydroaromatischem Kohlenwasserstoff. Cholesterin men und für die Neusynthese des Neurotransmitters
wird für den Aufbau von Steroidhormonen wie bspw. benutzt.
Östrogenen, Gestagenen oder Androgenen verwen­
det. Zudem wird es für den Gewebsaufbau, speziell Chorda tympani (engl. cord of tympanum) Die
für den Aufbau der Zellmembran und für die Syn­ Chorda tympani ist ein Nervenast des parasympa­
these des Gallensaftes in den Leberzellen benötigt, thischen Nervus intermedius. Dieser ist ein Begleit­
der wesentlich an der Verdauung beteiligt ist. Choles­ nerv des Nervus facialis, der die Paukenhöhle durch­
terin kommt in Blut, Lymphe und Galle als Fettsäu­ zieht, sich anschließend dem Nervus lingualis anlegt
reester oder in freier Form vor, aber auch im Rücken­ und zum Ganglion submandibulare zieht. Seine
mark, in den Nerven oder im Gehirn. Dieser wichtige Aufgaben bestehen in der Geschmackswahrneh­
Körperbaustein kann vom Körper selbst gebildet mung der vorderen 2/3 der Zunge sowie in der Spei­
werden, wird aber in der Mehrzahl mit ­Hilfe tieri­ chelsekretion.
scher Fette über die Nahrung aufgenommen. Ein
erhöhter Cholesterinspiegel (Hypercholesterinämie) Chordaten (engl. pl. chordata) Der Stamm der Chor­
im Blut geht mit einem steigenden Risiko für Herz- daten zählt im Reich der Metazoa, in der Abteilung
Kreislauf-Erkrankungen einher. Ist zu viel Choles­ der Eumetazoa, zu den bilateralsymmetrischen Tie­
terin im Blut vorhanden oder existieren zu wenige ren und umfasst die Unterstämme Wirbeltiere (Ver­
Rezeptoren, welche Cholesterin aufnehmen, kann es tebrata), Manteltiere (Tunicata) und die Schädel­
zu Ablagerungen von Fetten an den Gefäßwänden losen (Acrania). Namensgebend für diese Lebe­wesen
kommen, die langfristig zu Arteriosklerose (Arte­ ist ihr dorsaler ungegliederter Achsenstab (Chorda
rienverkalkung) und Herzerkrankungen führen. Als dorsalis), der später bei den Wirbeltieren durch eine
mögliche Ursachen dafür werden bspw. ­ genetische Wirbelsäule ersetzt wurde. Weitere Kennzeichen der
Anlagen und fettreiche Ernährung dis­kutiert. Chordaten sind das dorsal über der Chorda dorsalis
liegende Neuralrohr, ein als Atmungssystem dienen­
Cholinazetylase (engl. choline acetylase) Cholinaze­ der Kiemendarm, der sich aus dem Vorderdarm ab­
tylase ist ein Enzym, das für die Synthese von Aze­ geschnürt hat, und ein Blutkreislauf, welcher von
52 Chordotomie

einem ventral liegendem Antriebsorgan, dem Herz, anormales Protein (Huntingtin) zustande kommt.
angetrieben wird. Dieses wirkt als Zellgift und unterdrückt die Her­
stellung eines wichtigen Wachstumsfaktors. Die In­
Chordotomie (engl. chordotomy, spinal tractotomy) zidenz in Europa, mit länderspezifischen Schwan­
Bei der Chordotomie handelt es sich um die opera­ kungen, liegt bei 1:20.000, mit einem Häufigkeits­
C tive Durchtrennung der Vorderseitenstrangbahn des gipfel der Manifestation zwischen dem 30.–50. Le­
Rückenmarkes bei schweren Schmerzzuständen auf bensjahr.
organischer Grundlage, die durch schmerzstillende
Mittel nicht ausreichend beeinflusst werden können. Chromatin (engl. chromatin) In den Chromosomen
Die Methode wurde 1912 von Martin und Spiller befindet sich ein Komplex aus DNA und Eiweißen,
entwickelt und wird heute nur noch sehr selten, erst der eine lange Faser bildet und eng zusammengefal­
nach Versagen aller anderen Therapiemöglichkeiten, tet vorliegt. Funktionell kann man ein Chromosom
eingesetzt. Man unterscheidet die offene Chordoto­ aufgrund des unterschiedlichen Verpackungsgrades
mie, eine operative, direkte thorakale Durchtren­ in heterochromatische und euchromatische Bereiche
nung des Schmerznervs (Tractus spinothalamicus) unterteilen. In den euchromatinen Regionen im
und die perkutane zervikale Chordotomie, einer ­Karyoplasma ist die DNA in aufgelockerter, wenig
Wärmeverödung des Schmerz leitenden Nerven­ dicht gepackter Form zu finden. Im Euchromatin
strangs im Rückenmark über eine Sonde. Der Effekt findet fast die gesamte Genaktivität statt und fast alle
ist eine Thermanästhesie und Analgesie in den ab­ Gene sind hier lokalisiert. Teilweise sind im Euchro­
hängigen Körperpartien. Den häufigsten Einsatz matin die Doppelstränge durch Enzyme aufgetrennt
findet diese Methode bei Malignomschmerzen. und liegen als parallele Einzelstränge vor. Im Gegen­
Nach einem unterschiedlich langen Intervall (Wo­ satz dazu befindet sich in den heterochromen Re­
chen bis Monate) können die Schmerzen allerdings gionen ein verdichtetes Chromatingerüst. Die DNA
wieder auftreten. Außerdem existieren verschiedene liegt hier als spiralisierter, an Histon- und an Nicht­
Nebenwirkungen wie Störungen der Sphinkterfunk­ histon-proteine gebundener Doppelstrang vor und
tionen, Paresen (verursacht durch die Mitschädi­ ist inaktiv. Eine noch genauere Unterscheidung
gung motorischer Bahnen), Dysästhesien (Sensibili­ ­bietet die Unterteilung in konstitutives, fakultatives
tätsstörungen), Blasenentleerungs- und Atemfunk­ und funktionelles Heterochromatin. Eine visuelle
tionsstörungen. Unterscheidung von Hetero- und Euchromatin
­unter dem Mikroskop ist durch Färbetechniken ent­
Chorea Huntington (engl. Huntington’s disease; sprechender Präparate möglich.
Syn. Veitstanz) Chorea Huntington ist eine dege­
nerative Nervenkrankheit, die auf einem dominant Chromosom (engl. chromosome) Ein Chromosom
vererbten genetischen Defekt auf dem 4. Chromo­ stellt die höchste Form der Verkürzung eines langen
som beruht. Sie wurde nach George Huntington DNA-Moleküles dar, das nur während des Zellzyk­
­benannt, der die Krankheit 1872 erstmals detailliert lus (Mitose/Meiose) sichtbar ist. Die Darstellung
beschrieb. Charakteristisch für diese Erkrankung eines Chromosomensatzes einer Zelle nach Form,
ist ein zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr ein­ Größe und Zahl bezeichnet man als Karyotyp. Jeder
setzender degenerativer Prozess des Nervensystems, gesunde Mensch ohne Chromosomenanomalie ver­
der fortschreitend zu schweren körperlichen Be­ fügt über 46 Chromosomen, die zu 23 Chromoso­
schwerden und psychischen Störungen, wie De­ menpaaren angeordnet werden können. Dabei wird
menz, Persönlichkeitsverlust oder Wahnvorstellun­ unterschieden zwischen Autosomen (44 Chromo­
gen, führen kann. Der Erkrankte zeigt unwillkür­ somen), bei beiden Geschlechtern in Form und
liche, ausfahrende, schleudernde Bewegungen der Struktur paarweise vorhanden, und in Heterosomen
Arm- und Schultermuskulatur (Hyperkinesen), aber (Geschlechtschromosomen; 2 Chromosomen), die
auch ein starkes Grimassieren. Die Symptomatik nur bei Frauen strukturell gleichartig (homogamet)
entsteht durch einen progressiven Neuronenverlust und bei Männern ungleichartig (heterogamet) auf­
in den Basalganglien und im Kortex, der durch ein treten. Frauen verfügen über zwei X-Chromosomen,
Cochlea 53

Männer über ein Y- und ein X-Chromosom. Bei ver­ es eine verminderte Ausschüttung von Noradrena­
schiedenen Anomalien kann die Chromosomenzahl lin. Rezeptoren finden sich unter anderem im Thala­
46 überschreiten (z. B. Trisomie 21 oder Down-Syn­ mus, Hypothalamus, der Medulla oblongata und der
drom; 3-faches Vorliegen des 21. Chromosoms) Formatio reticularis.
oder unterschreiten (Turner Syndrom; Fehlen des
zweiten X-Chromosoms bei Frauen). Bei der nor­ Clozapin (engl. clozapin) Clozapin, ein trizyklisches C
malen Zellteilung, der Mitose, wird der unverän­ Dibenzodiazepin-Derivat, ist ein atypisches Neuro­
derte doppelte komplette Chromosomensatz auf die leptikum, welches bei Psychosen und Schizophrenie
Tochterzellen übertragen. Die Phasen der Zelltei­ eingesetzt wird. Es war das erste Medikament der
lung werden als Pro-, Meta, Ana- und Telophase Klasse der atypischen Neuroleptika und führt nicht
bezeichnet. Bei der Reifeteilung, der Meiose, die zu den, für die typischen Neuroleptika charakteris­
zur Fortpflanzung notwendig ist und in den Ei- und tischen, extrapyramidal-motorischen Bewegungs­
Samenzellen stattfindet, kommt es zu einer Halbie­ störungen. Clozapin mindert die Aktivität von Do­
rung des Chromosomensatzes. Die Meiose stellt pamin im zentralen Nervensystem, außerdem
­einen vielstufigen Teilungsprozess dar und besteht ­beeinflusst es das adrenerge, cholinerge und sero­
aus der Inter-, Pro-, Meta-, Ana- und der Metaphase tonerge Transmittersystem. Seine Wirkung ist anti­
II. Der einstmals diploide Chromosomensatz liegt psychotisch und beruhigend, so dass es erfolgreich
danach in haploider Form in den Gamenten vor und bei der Behandlung schizophrener Symptome einge­
wird bei einer Verschmelzung von Ei- und Samen­ setzt werden kann. Allerdings zeichnet sich das Mit­
zelle wieder diploid. In den Chromosomen befindet tel durch folgende Nebenwirkungen aus: Schädigung
sich ein Komplex aus DNA und Eiweiß, der als des Blutbildes, Agranulozytose (Absinken der Leu­
Chromatin bezeichnet wird. kozyten und Granulozyten), Krampfanfälle, Müdig­
keit, Schwindelattacken und Kreislaufprobleme.
Claustrum (engl. claustrum of insula) Das Claustrum
(subinsuläre Region), eine 1–2 mm dicke Platte aus Cluster of differentiation (engl. cluster of differen­tia­
grauer Substanz, stellt einen flächenhaft ausgebrei­ tion, CD) Zur Unterscheidung von Antikörpern mit
teten Großhirnkern zwischen der Capsula externa gleicher Antigenspezifität (monoklonale Antikör­
nuclei lentiformis und der Capsula extrema, in der per) wurden CD-Nummern eingeführt. Die Num­
äußeren Markkapsel des Linsenkerns, dar. Das Klaus­ mern geben zum einen an, welches Oberflächenmo­
trum liegt anatomisch betrachtet lateral vom Puta­ lekül die monoklonalen Antikörper binden und zum
men. Es gehört zum Endhirn und wird zu den Struk­ anderen werden sie auch zur Bezeichnung der Ober­
turen der Basalganglien gezählt. Das Claustrum zeigt flächenmoleküle genutzt. Verschiedene Funktions­
eine enge Verbindung mit dem sekun­dären somato­ zustände und Differenzierungsgrade von Lympho­
sensorischen System und verarbeitet viszerale und zyten sind ebenfalls durch unterschiedliche CD-An­
vibrotaktile Geschmacks- und Geruchsreize, welche tigene gekennzeichnet.
mit sexueller Reizung verbunden sind.
Cochlea (engl. cochlea; Syn. Schnecke) Die Cochlea
Clonidin (engl. clonidine) Clonidin, zur chemischen ist der spiralförmige Bestandteil des Innenohrs. Sie
Gruppe der Imidazoline gehörend, ist ein Medika­ hat einen Durchmesser von ca. 4 mm und ausgerollt
ment zur Behandlung der Hypertonie (Bluthoch­ eine Länge von rund 35 bis 40 mm. Die Cochlea be­
druck), welches ebenso bei Anästhesieverfahren steht aus drei flüssigkeitsgefüllten Kanälen: der Scala
oder bei Drogenentzugsbehandlungen eingesetzt tympani, der Scala vestibuli und der zwischen diesen
wird. Clonidin senkt den Blutdruck und die Herz­ beiden gelegenen Scala media, dem Sitz des Corti­
frequenz sowie den Sympathikotonus. Außerdem schen Organs, welches für die Umwandlung von
besitzt es eine leicht sedierende und schmerzlindern­ Schallwellen in neuronale Signale zuständig ist. Die
de Wirkung. Es gehört zur Gruppe der Alpha-2- Unterseite des Cortischen Organs bildet die Basilar­
Adrenorezeptor-Agonisten und steht in Wechselwir­ membran. In diese bewegliche Membran sind zwei
kung mit den G-Protein-Rezeptoren. Dort bewirkt Rezeptortypen eingebettet: die kolbenförmigen inne­
54 Cochleaimplantat

ren Haarzellen und die zylindrischen äußeren Haar­ der Möglichkeit, lediglich einige wenige Geräusche
zellen. An der Oberseite jeder Haarzelle befinden zu identifizieren.
sich kleine 2–6 µm lange Härchen, die Stereozilien,
welche in die Tektorialmembran münden. Diese Codon (engl. codon) Ein Codon ist eine lineare Se­
liegt an der der Scala vestibuli zugewandten Ober­ quenz von 3 benachbarten Nukleotiden in der DNA
C seite des Cortischen Organs. Treffen Schallwellen (desoxyribonucleic acid) oder der RNA (ribonucleic
am Fuß der Scala vestibuli auf das ovale Fenster, acid). Ein Nukleotid der DNA setzt sich aus einem
­entsteht durch den Übergang des Schalls von der Phosphatbaustein, aus Desoxyribose und einer der
Luft auf die nicht komprimierbare Flüssigkeit des vier Basen Adenin, Guanin, Zytosin oder Thymin
Innenohrs eine Druckwelle. Diese pflanzt sich zu­ zusammen. Ein Nukleotid der RNA besteht eben­
nächst von der Basis der Cochlea bis zu ihrer Spitze, falls aus einem Phosphorbaustein, aber enthält Ribo­
dem Apex, fort. Dabei wird die Basilarmembran in se und Urazil anstatt der Base Thymin. Die Aneinan­
Schwingung versetzt, wodurch die Stereozilien der derreihung der verschiedenen Codons verschlüsselt
Haarzellen gegen die Tektorialmembran verschoben die genetische Information und somit den gesamten
werden. Durch die daraus folgende Öffnung von Bauplan des Organismus. Bei der Proteinbiosyn­
­Ionenkanälen in den Stereozilien entsteht ein Ak­ these (bestehend aus Transkription und Translation)
tionspotenzial. Dieses wird über den Hörnerv in werden die genetischen Informationen der Codons
das auditive Zentrum des Kortex weiter geleitet. An­ genutzt, um Proteine (Eiweiße), die im Körper als
schließend wird die Druckwelle vom Apex zum run­ Enzyme oder Eiweiße der Zellstruktur fungieren,
den Fenster an der Basis der Scala tympani zurück­ aufzubauen. Für den Aufbau der jeweiligen Proteine
geleitet. Das Fenster stülpt sich nach außen und ge­ existieren spezifische Start- bzw. Stopcodons, die für
währleistet so einen Druckausgleich. den Beginn bzw. für das Ende des Ableseprozesses
der Proteinsynthese verantwortlich sind.
Cochleaimplantat (engl. cochlear implant) Das
Cochleaimplantat ist eine Hörprothese, die durch Colliculi inferiores (engl. pl. colliculi inferiores) Die
einen medizinischen Eingriff in die Hörschnecke Colliculi inferiores gehören zusammen mit den Col­
eingeführt wird. Durch das Implantat wird der Schall liculi superiores zur Vierhügelplatte, die am ­Tectum
außerhalb des Ohres durch ein Mikrophon aufge­ im Mittelhirn (Mesenzephalon) sitzt. Die Colliculi
fangen und in einem Sprachprozessor verarbeitet. inferiores stellen hierbei die unteren zwei Hügel dar.
Dieser wandelt die eingehenden Signale in elekt- Sie sind dem auditorischen System zu­geordnet und
rische Reize um und übermittelt diese durch eine empfangen neuronale Signale vom Nucleus cochlea­
Induktionsspule an das Implantat. Von dort wird das ris. Die C. i. selbst projizieren auf den Corpus geni­
Signal mit Hilfe von 20 Elektroden durch die Rei­ culatum mediale und besitzen Faserverbindungen zu
zung der Nervenzellen auf den Hörnerv übertragen. motorischen Zentren. Die auditorischen Informa­
Daher muss für den Einsatz des Implantats der Hör­ tionen sind bei Ankunft in den Colliculi bereits so
nerv noch intakt sein. Durch die begrenzte Anzahl stark aufbereitet, dass dort eine erste Repräsentation
an Elektroden kann nur ein kleiner Ausschnitt des der Umwelt stattfinden kann. Die Frequenzen sind
natürlichen Frequenzspektrums von Schallwellen tonotop organisiert. Die Fasern verlaufen sowohl ge­
kodiert werden, was selbst nach einer Operation zu kreuzt (kontralateral) als auch ungekreuzt (ipsilate­
einem massiv eingeschränkten Hörerlebnis und der ral), allerdings sind die gekreuzten Bahnen sehr viel
Einstufung als Schwerhöriger führt. Zudem sind stärker ausgeprägt. Deswegen kommt es bei einer
­Implantate wenig Erfolg versprechend bei langer Schädigung der Colliculi inferiores zu einer ein­
oder früher Ertaubung. Nach der Operation muss seitigen kontralateralen Hörverminderung.
ein langwieriges Training zur Nutzung des Implan­
tats stattfinden und Patienten wird zusätzlich emp­ Colliculi superiores (engl. pl. colliculi superiores) Die
fohlen, die Gebärdensprache oder das Lippenlesen Colliculi superiores bilden gemeinsam mit den Col­
zu erlernen. Die Hörleistungen variieren zwischen liculi inferiores die Vierhügelplatte des Mittelhirns
der Möglichkeit, ein Telefongespräch zu führen und (Mesenzephalon). Die Colliculi superiores stellen
Computertomografie 55

dabei die oberen zwei Hügel dar, die Colliculi infe­ eine Reaktionsform des Gehirns auf kurze, aber in­
riores die unteren zwei. Das visuelle System ist die tensive mechanische Einwirkungen, meist verur-
übergeordnete Organisationsform der Colliculi. Sie sacht durch Verkehrsunfälle, dar. Dabei liegen keine
steuern als kleines Subsystem vor allem Verhaltens­ nachweisbaren hirnorganischen Störungen vor. Die
weisen, die mit optischen Reizen zusammenhängen. typischen Symptome sind Bewusstseinsstörungen
Ihre Signale empfangen sie direkt von der Retina (bspw. eine Bewusstlosigkeit von wenigen Sekun­ C
über den Nervus opticus, aus der Sehrinde im Okzi­ den, die bis maximal 1 Stunde nach dem Trauma
pitallappen und von den Colliculi inferiores. Sie anhalten kann) sowie Atmungs- oder Kreislaufstö­
selbst projizieren zu den Hirnnervenkernen, ins rungen, häufig verbunden mit Erbrechen oder ande­
­Rückenmark und zur Formatio reticularis. Die C. s. ren leichten vegetativen Probleme. Nach dem Wie­
wirken bei den Sakkadenbewegungen der Augen dereinsetzen des Bewusstseins ist das Auftreten einer
mit, außerdem beeinflussen sie die Kopfbewegung retrograden Amnesie wahrscheinlich, d. h. dass
zu Objekten hin oder von ihnen weg. Durch die Ver­ sich der Betroffene nicht an die Zeit kurz vor dem
bindung der Colliculi superiores mit den Colliculi Trauma oder an das Trauma selbst erinnern kann.
inferiores kann das visuelle System in Abstimmung Seltener sind anterograde Amnesien, bei denen Ge­
mit dem auditorischen System den Ursprung eines dächtnisprobleme nach der Gehirnerschütterung im
Geräusches ausmachen und den Kopf der Quelle des Vordergrund stehen. Als Langzeitfolgen können
Lautes zuwenden. Weiterhin regulieren die Colli­culi Kopfschmerzen, Schwindelgefühle oder Konzentra­
superiores den schreckhaften Lidschlussreflex und tionsstörungen von verschiedener Intensität und
die Akkommodation. Bei einer Schädigung der Dauer auftreten.
­Colliculi superiores kommt es zu einem Wegfall der
reflexhaften Augenbewegungen und des schreckhaf­ Compliance (engl. compliance) Compliance be­
ten Lidschlussreflexes. deutet im psychologischen oder medizinischen Ver­
ständnis eine Therapietreue des Patienten, welche
Columna (engl. column/a/; Syn. Wirbelsäule) Co­ sich im konsequenten Befolgen der ihm aufgege­
lumna ist eine andere Bezeichung für die Wirbel­ benen Vorschriften des Therapeuten oder Arztes
säule. Sie dient als bewegliche Stütze des Körpers auszeichnet. Bei allen psychischen Störungen oder
und ist ein in sich funktionell ausbalanciertes, körperlichen Erkrankungen ist die Kooperation des
­stabiles und leistungsfähiges System. Die Columna Patienten für die Genesung unabdingbar. Beispiele
setzt sich aus Wirbeln (Vertebrae), Bandscheiben für therapieförderliches Verhalten von Patienten
(Disci intervertebrales) und verbindenden Bandsys­ ­wären das Einhalten der therapeutisch vereinbarten
temen zusammen. Grundsätzlich wird die Wirbel­ Regeln, das Leben nach einem bestimmten Tages­
säule in fünf Abschnitte unterteilt: die Halswirbel­ ablauf, das Führen von Patiententagebüchern, eine
säule mit 7 Wirbeln (V. cervicales), die Brustwirbel­ rechtzeitige Medikamenteneinnahme, das bewusste
säule mit 12 Wirbeln (V. thoracicale), die Lenden­ Absetzten von Medikamenten oder das Befolgen
wirbelsäule mit 5 Wirbeln (V. lumbales), welche ­einer Diät. Compliance kann durch verschiedene
miteiander verwachsen sind, dem Kreuzbein mit Mittel des Therapeuten oder Arztes erreicht oder
5 Wirbeln (V. sacrales) und dem Steißbein mit 4–5 verbessert werden. Dazu gehören Psychoedukation,
Wirbeln (V. coccygeae). Die Wirbel werden von der Rücksicht auf Wünsche und Lebensumstände des
Hals- bis zur Lendenwirbelsäule durchnummeriert. Patienten, sichtbare Therapieerfolge, Lob, Motiva­
Dabei sind die V. cervicales C1 bis C7, die V. thora­ tion oder Kontrolle durch den Arzt bzw. Angehörige.
cales Th1 bis Th12 und die V. lumbales L1 bis L5. 23 Die Missachtung der ärztlichen Regeln kann zu einer
Bandscheiben bilden die Zwischenwirbelscheiben. Verzögerung der Genesung oder zu einer Verschlim­
Spezifisch für die Columna ist die zweifache S-Form merung des Krankheitsbildes führen.
in der lateralen Ansicht.
Computertomografie (engl. computer tomography)
Commotio cerebri (engl. brain concussion; Syn. Ge- Die Computertomographie (CT) ist ein in der Medi­
hirnerschütterung) Die Gehirnerschütterung stellt zin häufig eingesetztes diagnostisches Verfahren,
56 Contre-coup-Verletzung

welches als nichtinvasive Methode einen Einblick webe bezeichnet, die durch direkte und stumpfe
in das Körperinnere gewährt. Das Verfahren ist eine Gewalteinwirkung verursacht wird. Bei der ­Contusio
computergestützte Röntgenuntersuchung, deren treten, im Gegensatz zur Commotio (Erschütte­
Grundlage die unterschiedliche Gewebsdichte und rung), sichtbare Folgen auf. Bei einem Übergang zur
damit die differentielle Durchlässigkeit für Röntgen­ Quetschung spricht man von Compressio. Je nach
C strahlen ist. Je dichter ein Gewebe ist, umso weniger betroffener Körperregion werden verschiedene Bei­
Strahlung kann es durchdringen. Auf diese Weise namen hinzugefügt. So beschreibt Contusio cerebri
lassen sich Knochen von Flüssigkeiten oder Weich­ die Prellung von Gehirngewebe als Folge stumpfer
geweben unterscheiden. Der Unterschied zur her­ Gewalteinwirkung mit den klassischen Symptomen
kömmlichen Röntgenuntersuchung ist, dass der Bewusstlosigkeit und retrograde Amnesie. Unter
Körper bei dieser Methode in einzelnen Schichten, Contusio bulbi wird die Prellung des Augapfels
optischen Querscheiben von weniger als 1 cm Dicke, durch stumpfe Gewalteinwirkung (z. B. durch Faust­
dargestellt werden kann. Der Vorteil besteht in der schläge, Tennisbälle oder Sektkorken) verstanden,
Vermeidung von Überlagerungseffekten und Schat­ wobei die Verletzungsfolgen am Auge von der
tenbildungen durch benachbarte Gewebe, wie sie Schwere der Gewalteinwirkung abhängig sind.
normalerweise auf Röntgenbildern zu finden sind.
Mit Hilfe der CT können auch sehr kleine Unter­ Contusio cerebri Hirnquetschung (7 Contusio)
schiede zwischen oder innerhalb von Geweben (z. B.
bei Tumoren) gefunden werden. Die grundlegende Coolidgeeffekt (engl. Coolidge effect) Der Coolidge­
Funktionsweise eines CT beruht auf dem Durch­ effekt ist ein Phänomen, das zuerst an Ratten beob­
dringen des Körpers mit Röntgenstrahlen, die auf achtet wurde. Er wurde nach dem US-amerika­
der gegenüberliegenden Körperseite von Detektoren nischen Präsidenten Calvin Coolidge benannt. Die­
empfangen werden. Diese berechnen einen Diffe­ ser Effekt besagt, dass eine sexuell ermüdete Ratte,
renzwert aus der abgesendeten und der empfan­ die die Kopulation am gleichen Sexualpartner nicht
genen Intensität, die durch die Gewebedichte verän­ fortführen kann, mit einem neuen Sexualpartner
dert wurde. Beim älteren Inkremental-CT befindet sehr wohl in der Lage ist, wieder zu kopulieren.
sich der Patient auf einer Liege im Tomograph, die Durch diesen Effekt kann außerdem die Refraktär­
sich millimeterweise bewegt, wobei der Körper in zeit, die zwischen den einzelnen Kopulationen be­
kleinen Schritten gescannt wird. Moderne Geräte steht, verkürzt werden. Der Effekt wurde nicht nur
(Spiral-CT, Mehrzeilenspiral-CT) arbeiten schneller an männlichen, sondern auch an weiblichen Nagern
und effektiver. Röntgenstrahlen sind ab einer ge­ nachgewiesen. Als biochemischer Mechanismus
wissen Dosis schädlich, und so müssen Risiko und wird ein dem Orgasmus folgender Abfall des Dopa­
Nutzen bei der CT-Anwendung gegeneinander ab­ minspiegels im Gehirn diskutiert.
gewogen werden.
Cornea (engl. cornea; Syn. Hornhaut) Als Cornea
Contre-coup-Verletzung (engl. contre-coup injury) wird der von Tränenflüssigkeit benetzte, konvexe
Bei einem gedeckten Schädel-Hirn-Trauma kommt vordere Teil der äußeren Augenhaut bezeichnet. Sie
es zusätzlich zu den Hirnverletzungen am Ort des ist durchsichtig und aus sechs Schichten aufgebaut.
Schlages (»coup«) zu Verletzungen auf der gegen- Die Hauptsubstanz der Hornhaut, das kollagen­
überliegenden Seite des Gehirns, die als Contre- reiche Stroma, wird von zwei elastischen und wider­
coup-Verletzungen (Gegenstoß-Verletzungen) be­ standsfähigen Membranen, der Bowman-Membran
zeichnet werden. Sie entstehen durch Unterdruck und der Descement-Membran, begrenzt. Oberste
auf der gegenüberliegenden Seite des Aufpralls, wel­ Deckschicht ist das mehrschichtige Epithel, das
cher eine Zerreissung von Gefäßen und eine Schädi­ vom Tränenfilm bedeckt ist. Im Inneren begrenzt
gung der Hirnsubstanz verursacht. das ­einschichtige sogenannte Endothel als unterste
Deckschicht die Cornea vom Augeninneren (der mit
Contusio (engl. contusion; Syn. Kontusion) Als Con­ Kammerwasser gefüllten Vorderkammer). Zusam­
tusio wird die Prellung von Organen oder Körperge­ men mit Kammerwasser, Linse und Glaskörper bil­
Corsi-Würfeltest 57

det die Cornea den dioptrischen Apparat des Auges. erhält seine Informationen vom Colliculus inferior,
Die Brechkraft der Cornea macht mit 41 bis 45 Diop­ mit dem er in doppelseitiger Verbindung steht und
trien (dpt) Hauptteil der Gesamtbrechkraft aus. Der verschaltet die auditiven Impulse auf das letzte
Rest von 15–18 dpt entfällt auf die gut verformbare ­Neuron der Hörbahn, welches dann die Signale über
Linse. Die Cornea ist durch ihre hohe Anzahl von die Radiatio acustica zu der Hörrinde im Temporal­
Nervenfasern sehr schmerzempfindlich. Verletzun­ lappen weiterleitet. C
gen durch Fremdkörper oder Erkrankungen (z. B.
durch virale oder bakterielle Infekte) führen zu Stö­ Corpus luteum (engl. yellow body; Syn. Gelbkörper)
rungen des Sehens. Der Corpus luteum entsteht nach dem Eisprung aus
den Resten des Follikels im Eierstock. Seine charak­
Corpus callosum 7 Balken teristische Färbung erhält er durch die Einlagerung
von gelblich gefärbten Lipiden. Er dient der Produk­
Corpus geniculatum laterale (engl. lateral genicu- tion von Östrogenen und Progesteron (sog. Gelb­
late nucleus; lateral geniculate body; Syn. seitlicher körperhormon). Wird das Ei befruchtet, entwickelt
Kniehöcker) Der Corpus geniculatum laterale (CGL) sich der bis zur Befruchtung bezeichnete Corpus
ist ein Kerngebiet des Thalamus, welcher seine ­luteum menstruationis weiter zum Corpus luteum
Hauptafferenzen aus dem Tractus opticus erhält, graviditatis. Andernfalls bildet er sich zurück.
streng retinotop aufgebaut ist (jeder Ort im CGL
entspricht einem Ort auf der Retina) und seine Aus­ Corpus pineale 7 Epiphyse
gänge als Sehstrahlung (Radiato optica) zum pri­
mären visuellen Kortex sendet. Die Signalverarbei­ Corpus trapezoideum (engl. trapezoid body; Syn.
tung im CGL findet in 6 Neuronenschichten statt, Trapezkörper) Der Corpus trapezoideum befindet
die von ventral nach dorsal mit Schicht 1 bis 6 be­ sich hinter dem Pons und gehört zur Hörbahn. Er ist
zeichnet werden und die abwechselnd dem ipsi­ ein starkes Faserbündel zwischen den Nuclei coch­
lateralen (2, 3, 5) und kontralateralen (1, 4, 6) Auge leares (Schneckenkerne) und dem Nucleus olivaris
zugeordnet sind. Es bestehen relativ geringe Inter­ (Olive), der die Informationen zur kontralateralen
aktionen zwischen sich entsprechenden kontrala­ Seite leitet und von dort als Lemnicus lateralis zum
teralen Schichten – es findet noch keine binokulare Collicus inferior weiterzieht. Am Corpus trapezo­
Ver­arbeitung (stereoskopes Sehen) statt. Aufgrund ideum treten der VI., VII. und VIII. Hirnnerv an die
ihrer Zellgrößen werden die Schichten des CGL in Hirnoberfläche.
drei Gruppen eingeteilt: ventrale magnozelluläre
(M-Schichten, 1 und 2), dorsale parvozelluläre Corsi-Würfeltest (engl. Corsi’s block-tapping test)
(P-Schichten, 3 bis 6) und koniozelluläre (K-Schich­ Der Corsi-Würfeltest ist ein neuropsychologischer
ten über Schicht 6 oder zwischen den Schichten) Test zur Überprüfung der räumlichen Erinnerungs­
Schichten. In den M-Schichten befinden sich haupt­ fähigkeit und des impliziten räumlichen Lernens. In
sächlich konzentrisch organisierte rezeptive Felder, seiner ursprünglichen Form besteht der Corsi-Wür­
während dies in den P- und K-Schichten weitgehend feltest aus einer Platte, auf der neun Würfel liegen.
farbspezifische sind. Daher wird den magnozellu­ Diese sind auf der dem Patienten zugewandten Seite
lären Schichten v. a. eine Rolle bei der Bewegungs-, nicht voneinander zu unterscheiden, während sie
Orts- und Handlungswahrnehmung zugeschrieben auf der dem Untersucher zugewandten Seite mit den
und der parvozellulären Schicht eine Rolle bei der Zahlen von »Eins« bis »Neun« nummeriert sind. Der
Form- und Farbwahrnehmung. Untersucher tippt mit der Hand die Würfel in einer
vorgegebenen Reihenfolge an und bittet anschlie­
Corpus geniculatum mediale (engl. medial genicu- ßend den Probanden dieselbe Sequenz vorzuführen.
late nucleus, medial geniculate body; Syn. innerer Dies wird diverse Male mit verschiedenen Sequen­
Kniehöcker) Der Corpus geniculatum mediale zen gemacht, wobei sich eine Sequenz in jedem drit­
(CGM) ist ein Kerngebiet im Thalamus und dient als ten Durchgang wiederholt. Gesunde Probanden
Umschaltstelle der zentralen Hörbahn. Der CGM können sich nach einigen Durchgängen an die wie­
58 Corti-Organ

derholte Sequenz erinnern und diese gut wieder­ Fachbegriff der Suchtforschung verwendet. Er um­
geben, während Patienten mit Störungen der räum­ schreibt das begierige Verhalten eines Süchtigen auf
lichen Erinnerungsfähigkeit, z. B. nach rechtsparie­ der Suche nach einem Suchtmittel (dabei kann zwi­
talen Läsionen, Defizite zeigen. schen stofflicher und nichtstofflicher Sucht unter­
schieden werden). Meist ist das Verlangen so heftig,
C Corti-Organ (engl. Corti’s organ; Syn. Cortisches dass die daraus folgenden Handlungen nicht der wil­
­ rgan) Das Corti-Organ ist ein sensorischer Apparat
O lentlichen Kontrolle unterliegen. Die Behandlung
in der Basilarmembran der Hörschnecke (Cochlea) Abhängiger kann durch sog. Anti-Craving-Substan­
im Ohr, welches, eingebettet in die Stützzellen, die zen ergänzt werden, bei deren Herstellung Befunde
Hörsensorzellen (Haarsinneszellen) enthält. Es ist über neurobiologische Korrelate der Suchterkran­
der eigentliche Ort in der Cochlea, wo akustisch kung berücksichtigt werden.
­mechanische Schwingungen in Nervensignale um­
gewandelt werden. CREB (engl. CREB, cAMP–responsive element binding
protein) CREB ist ein universell verfügbarer Trans­
Crack (engl. crack) Als Crack bezeichnete man die kriptionsfaktor, der in der nicht erregten Zelle inak­
Mitte der 80er Jahre aufgetretene Erscheinungsform tiv am Beginn einer Gensequenz auf der DNA liegt.
der Droge Kokain. Durch Kochen von Kokain ge­ In diesem Zustand wird er als CRE (cAMP-Reak­
meinsam mit einer Backpulverlösung erhält man das tionselement) bezeichnet. Bei länger andauernder
Konzentrat »Crack«. In dieser Form lässt sich der Phosphorilierung von CRE durch den Einfluss von
Stoff verdampfen, über die Atemwege aufnehmen Proteinkinasen wird das CREB aktiv und führt zur
und ruft so eine schnellere Wirkung hervor. Wie an­ Transkription verschiedener Gene, die beispielswei­
dere Psychostimulanzien wirkt Kokain, indem es se die Vorläufer der Katecholamine, Neuropeptide
Transportstoffe für Monoamine, v. a. aber für Do­ und Neurotrophine kodieren. Im Zusammenhang
pamin, blockiert, dabei die Wiederaufnahme der mit Langzeitpotenzierung (LTP) und Lernen wird
Transmitter hemmt und somit deren Wirkung ver­ CREB eine wichtige Rolle in der Proteinsynthese
stärkt. Als Crack geraucht gelangt das Kokain noch und Synapsenneubildung im Hippocampus zuge­
schneller in die Blutbahn und somit ins Gehirn, wo­ schrieben, wodurch es die Struktur und die Antwort­
durch sich die im Vergleich zu Kokain gesteigert eigenschaften eines Neurons permanent ändern
süchtig machende Wirkung erklärt. Chronischer kann.
Kokain-Konsum kann zu psychoseähnlichen Symp-
tomen führen, mit Nachlassen der Wirkung treten CRH (engl. corticotropin releasing hormone) Das
oft äußerst starke Entzugserscheinungen (der sog. ­Kortikotropin-Releasing-Hormon (CRH) ist ein
Crash), wie innere Unruhe, starkes Verlangen nach 41-Aminosäuren-langes Peptidhormon des Hypo­
der Droge gefolgt von Depression und der Unfähig­ thalamus, welches primär die Produktion und Frei­
keit, andere Dinge genießen zu können, auf. Neben setzung von Adrenokortikotropin (ACTH) aus dem
der nachhaltigen Veränderung der Lungenfunktion Hypophysenvorderlappen (HVL) steuert. Neben
(»Crack«-Lunge) kann Kokain auch neurotoxische dem hypothalamischen CRH wird das gleiche Pep­
Wirkung haben. Eine Überdosis kann zu bedeut­ tid auch in der Amygdala (Mandelkern), von der
samen Veränderungen im zerebralen Blutstrom bis Plazenta während der Schwangerschaft und in ent­
hin zum Schlaganfall führen. Veränderungen im ze­ zündeten peripheren Geweben produziert. Über
rebralen Glukose-Stoffwechsel sind noch einige Mo­ zwei unterschiedliche Rezeptortypen entfaltet CRH
nate nach Beendigung des Kokainkonsums nach­ unterschiedlichste Effekte im Organismus. Auf­
weisbar. grund deutlicher anxiogener Effekte von CRH gel­
ten CRH-Antagonisten als möglicherweise spezi­
Craving Das Wort stammt aus dem Englischen und fische Pharmaka gegen Angststörungen.
bedeutet übersetzt soviel wie »die Begierde« oder
»heftiges Verlangen«. Im Deutschen wird Craving Cro-Magnon-Menschen (engl. pl. Cro-Magnons)
v. a. in der Medizin sowie als wissenschaftlicher Die Cro-Magnon-Menschen sind nach dem Fund­
Cushing-Syndrom 59

ort ihrer Skelette in einer Höhle in Frankreich be­ Cuneus (engl. cuneus) Mit Cuneus bezeichnet man
nannt. Sie lebten vor ca. 45.000–10.000 Jahren und den medialen Anteil des linken und rechten Okzipi­
sind die direkten Vorfahren der heutigen Menschen tallappens, der nach unten durch den Sulcus calcari­
(Homo sapiens). Dieser moderne Typ des Homo­ nus sowie nach oben durch den Sulcus parietoocci­
sapiens war etwa 170 cm groß, hatte einen etwas pitalis begrenzt wird. Dieser keilförmige Bereich des
kräftigeren Körperbau als der durchschnittliche Kortex gehört z. T. zum visuellen Kortex. C
Mensch heute und besaß ein Hirnvolumen bis zu
1590 ccm. Forscher entdeckten kunstvolle und sehr Cupula (eng. cupula) Als Cupula bezeichnet man in
realistische Höhlenmalereien und Skulpturen auch der Anatomie der Säugetiere die gallertartige Masse
an vielen weiteren Fundstätten. Vor etwa 20.000 Jah­ auf den Sinneshärchen der Bogengänge (7 Gleichge-
ren hatten sich die Cro-Magnon-Menschen aus­ wichtssinn).
gefeilte Jagdtechniken mit Speeren und Bögen ange­
eignet, gleichzeitig stellten sie Alltagsgegenstände Curare (engl. curare) Der pflanzliche Wirkstoff
wie Nähnadeln, Kämme oder Landkarten her. Wahr­ ­ urare wird von südamerikanischen Indianern
C
scheinlich verdrängten sie im Laufe der Jahrtausen­ seit langem als Pfeilgift bei der Jagd genutzt, da es
de auch den Neandertaler (Homo neanderthalensis) Lähmungen hervorruft. Diese sind Folge einer
aus Europa. ­Blockade der nikotinergen Azetylcholinrezeptoren
an den motorischen Endplatten der Muskelfasern.
Crossing-over (engl. crossing over; Syn. Rekombina- Curare bindet an diese Rezeptoren, verhindert da­
tion) Crossing-over ist ein Begriff aus der Genetik mit das Andocken von Azetylcholin, verkleinert
und bezeichnet den Vorgang während der Meiose, das Endplattenpotenzial und unterbricht dadurch
bei dem es zu einem »Austausch« von Abschnitten die Er­regungsübertragung zwischen Motoneuron
von Chromosomen kommt. Zu Beginn liegen sich und Muskel. Hohe Dosen von Curare können zu
die homologen Zwei-Chromatid-Chromosomen in ­einer Lähmung der Atmung und somit zum Tod
der Prophase I gegenüber und bilden so eine Chro­ führen.
matidentetrade. Dabei können sich die Chro­
mosomen überlappen und es kommt zum Bruch der Cushing-Syndrom (engl. Cushing’s syndrome; Syn.
Chromosomenstücke. Um diesen Bruch herum bil­ Hyperkortisolismus, Morbus Cushing) Beim Cush­
det sich ein Komplex von Proteinen, der die Bruch­ ing-Syndrom handelt es sich um eine endokrine
stellen schützt. Diese Bruchstellen werden nun »über ­Störung, bei der es entweder endogen verursacht
Kreuz« zusammengesetzt und es entstehen neu (z. B. durch Nebennierentumore) oder iatrogen ver­
kombinierte homologe Zwei-Chromatid-Chromo­ ursacht (z. B. durch hohe Dosen synthetischer
somen. Zwei Gene werden umso häufiger voneinan­ ­Glukokortikoide) zu übermäßigen Konzentrationen
der getrennt werden, je weiter diese auf dem Chro­ des Hormons Kortisol kommt. Die Störung wurde
mosomen voneinander entfernt liegen. Wenn ein zuerst vom amerikanischen Neurologen Harvey
Crossing-over stattgefunden hat, bleiben die Chro­ Williams Cushing (1869–1939) beschrieben und
matiden an der Stelle des verschmolzenen Bereichs nach ihm benannt. Die Symptome des Cushing-Syn­
länger aneinander haften, was man im Lichtmikros­ droms sind u. a. eine starke Gewichtszunahme (Voll­
kop gut erkennen kann und als Chiasma (aufgrund mondgesicht, Stammfettsucht im Bereich des Rump­
seiner Form nach dem griech. Chi) bezeichnet wird. fes), Akne, rötliche Färbung und Verdünnung der
Das Crossing-over, als intrachromosomale Rekom­ Haut, Diabetes, Osteoporose, Ödembildung, Hyper­
bination, ermöglicht neue Merkmalskombinationen tonie, Muskelschwund sowie kognitive Störungen
und somit eine bessere Anpassung von Generati­ und psychotische Depression. Behandelt wird dieser
onen von Lebewesen an die sich wechselnde Um­ Zustand, je nach Ursache, durch operative Entfer­
welt. Diese Kombination macht die Variabilität der nung der Adenome/Karzinome der Hypophyse
Merkmale innerhalb einer Population aus. oder der Nebennieren. Alternativ wurde eine Reihe
von Medikamenten entwickelt (Ketoconazole, Me­
CT 7 Computertomografie tyrapone), die die Kortisolsynthese inhibieren.
60 Cycling

Cycling (engl. weight cycling; Syn. Jojo-Effekt) be­ keit diskutiert, die durch eine Störung der Tempera­
schreibt ein Phänomen, welches bei Esstörungen wie turregulation hervorgerufen wird. Überschüssig
Obesitas (»Fettsucht«) auftritt und in diesem Zu­ aufgenommene Kalorien werden dabei gespeichert
sammenhang eine Folge von exzessivem Fasten, also und nicht, wie normalerweise der Großteil der Stoff­
dem Einhalten von Diäten, darstellt. Dabei bewirkt wechselenergie, als Wärme abgegeben. Während bei
C die Diät bei Menschen und Tieren zwar kurzzeitig Nagern ein Defekt dieser Thermogenese nachge­
eine Gewichtsabnahme, nach Ende der Diät nehmen wiesen werden konnte, fehlt beim Menschen bisher
sie jedoch wieder zu, wobei sich das Gewicht auf ein solcher Nachweis.
einem höheren Niveau einpegelt. Langfristig kommt
es so zu einem Gewichtsanstieg, wobei das Problem Cytokine 7 Zytokin
durch häufige Diäten noch verschlimmert wird. Als
Ursache wird eine erbliche Neigung zur Fettleibig­ Cytoplasma 7 Zytoplasma
D
DA 7 Dopamin tem (ENS) bildet zusammen mit dem Sympathikus D
und dem Parasympatikus das vegetative Nervensys-
Dale-Prinzip (engl. Dale’s principle) Das Dale-Prinzip tem und besitzt ebenso viele Neuronen wie das Rü-
wurde von Sir Henry Dale (1875–1968), Physiologe ckenmark. Dieses komplexe Geflecht aus Nervenzel-
und Pharmakologe, formuliert. Die ursprüngliche len ist nahezu in der gesamten Wand des gastrointes-
Annahme des Prinzips besagt, dass jedes ­ Neuron tinalen Traktes verteilt. Die beiden Hauptnerven­
grundsätzlich immer denselben chemischen Boten- geflechte, der Plexus myentericus (Auerbach-Plexus)
stoff (Neurotransmitter) an all seinen axonalen Endi- und der Plexus submucosus (Meißner-Plexus), sind
gungen (Synapsen) verwendet. Dies ist zwar häufig hauptsächlich für lokale Reflexe verantwortlich. Die
der Fall, inzwischen ist jedoch bekannt, dass Neurone Neurone des gastrointestinalen Traktes verfügen so-
bzw. deren synaptische Endigung oft auch mehr als wohl über exzitatorische (erregende) als auch inhi-
nur einen Neurotransmitter enthalten (Kolokalisa­ bitorische (hemmende) Efferenzen zu Muskulatur
tion) und freisetzen. In der Regel handelt es sich ­dabei sowie sekretorischen und endokrinen Zellen. Das
um einen nieder- (z. B. Monoamine) und einen hoch- ENS vermittelt seine Wirkung über eine große An-
molekularen Transmitter (Neuropeptid). Die Erwei- zahl verschiedener Botenstoffe wie Azetylcholin,
terung des Dale-Prinzips von Reichert (1990) besagt, Noradrenalin, Serotonin, Dopamin, verschiedene
dass Neurone an allen Synapsen die gleiche Kombina- Neuropeptide sowie Darmhormone (bspw. Chole-
tion von chemischen Botenstoffen ver­wenden. zystokinin). Grundsätzlich arbeitet das ENS selb-
ständig (autonom), kann aber in seiner Funktion
Dantrolen (engl. dantrolene) Dantrolen ist ein durch das autonome (vegetative) und das zentrale
Medikament, das zur Entspannung der Muskulatur Nervensystem moduliert werden.
eingesetzt wird. Es findet in der Behandlung neuro-
leptischer Anfälle, spastischer Anfälle und in der Daueraufmerksamkeit (engl. permanent vigilance)
Dro­gentherapie Verwendung. Dantrolen unter- Unter Daueraufmerksamkeit versteht man die Fä-
drückt die Erregungskontraktion in Muskeln, indem higkeit, trotz hoher Reizdichte auch über einen
es an bestimmte Rezeptoren bindet und die Frei­ ­langen Zeitraum hinweg aufmerksam zu bleiben.
setzung von Kalzium verhindert. Das Medikament Ein typisches, im Zusammenhang mit Dauerauf-
kann je nach Bedarf in Kapselform oder intravenös merksamkeit immer wieder genanntes Alltagsbei-
verabreicht werden. In der Notfallmedizin wird es spiel ist das Autofahren. Daueraufmerksamkeit kann
nach Komplikationen beim Einsatz bestimmter Nar- mit dem Wiener Testsystem (Untertest Dauerauf-
kosemittel (z. B. gefährlicher Anstieg der Körpertem­ merksamkeit, DAUF) getestet werden und muss von
peratur) eingesetzt. Das größte Hindernis besteht Vigilanz abgegrenzt werden. Vigilanz bezeichnet
in der geringen Wasserlöslichkeit von Dantrolen, die Fähigkeit, auch bei sehr niedriger Reizfrequenz
weshalb seine Anwendung in Notsituationen schwie- längerfristig aufmerksam zu bleiben. Ein Test hier-
rig ist. Eine mögliche Nebenwirkung kann die Er- für ist die Mackworth-Uhr, bei der der Proband 24
schlaffung der Muskeln sein, welche über mehrere rote Punkte in einem Kreis angeordnet auf einem
Stunden und Tage andauern kann. Bildschirm sieht. Ein gelber Punkt wandert diese
»Uhr« aus roten Punkten entlang und wann immer
Darmnervensystem (engl. enteric nervous system; ein Punkt ausgelassen wird (was relativ selten ge-
Syn. enterisches Nervensystem) Das Darmnervensys- schieht), muss der Proband einen Knopf drücken.
62 Deadaptation

Deadaptation (engl. deadaptation) Deadaptation eine Verlängerung des Axons und eine Neubildung
spielt in der Reizwahrnehmung und -verarbeitung einer Axonendigung (das sog. »sprouting«, Ausspros­
eine wichtige Rolle. Bei der vorausgehenden Adap- sung) bewirken.
tation passen sich die der Sinnesmodalität entspre-
chenden Sinneszellen an die Intensität des Reizes an. Degeneration, retrograde (engl. retrograde degene-
Bei langandauernden Reizen nimmt dadurch die ration) Die retrograde Degeneration ist wie die ante-
Empfindungsintensität ab. Nach Beendigung des rograde Degeneration eine Form der Zellentartung
Reizes setzt der Prozess der Deadaptation ein. Dabei mit Schädigung des Axons. Hier betrifft es die Axone
D steigt die subjektive Empfindlichkeit (Sensitivität) von Nervenzellen, die nahe am Zellkörper geschä-
für den Reiz mit einem ähnlichen Zeitverlauf wie bei digt werden. Das Axon bildet sich mehr oder we­
der Adaptation wieder an. Die Fähigkeit zur Adapta- niger vollständig in Richtung der geschädigten Zelle
tion und Deadaptation lässt uns Veränderungen von (proximal) zurück.
Reizparametern in der Umwelt besser wahrnehmen
und ermöglicht so eine Selektion wichtiger Informa- Degeneration, retrograde transneuronale (engl.
tionen. transneuronal retrograde degeneration) Diese, auch
absteigend genannte, Degeneration kommt durch
Deafferenzierung (engl. deafferentation) Der Begriff den Verlust trophischer Substanzen, die durch das
Deafferenzierung beschreibt die Durchtrennung untergegangene Zielneuron abgegeben wurden, zu-
des afferenten Informationsflusses, z. B. nach Durch- stande. Dabei wurde ein Axon nahe des Zellkörpers
trennung eines peripheren Nervs wie der afferenten geschädigt, wodurch die Zelle abstirbt und es mög-
Fasern ins Rückenmark. Dies kann eine reversible lich ist, dass auch die Zielzelle, zu der das Axon hin-
motorische und autonome Areflexie (spinaler führte, mit abstirbt.
Schock) zur Folge haben.
Dehnungsreflex, monosynaptischer (engl. mono-
Deaktivierung, enzymatische (engl. enzymatic synaptic stretch reflex) Ein monosynaptischer Deh-
­ eactivation; Syn. enzymatische Spaltung) Die enzy-
d nungsreflex ist ein Muskeleigenreflex (propriozep-
matische Deaktivierung findet im synaptischen Spalt tiver Reflex), der die Muskellänge konstant hält.
statt. Dabei werden Neurotransmitter enzymatisch Durch plötzliche passive Dehnung eines Muskels
aufgespalten und als einzelne Bestandteile mittels werden die Dehnungsrezeptoren in den Muskelspin-
­Endozytose wieder in den präsynaptischen Endkopf deln erregt. Die Erregung wird über Ia-Fasern ins
aufgenommen (»re-uptake«). So enthält die post­synap­ Hinterhorn des Rückenmarks weitergeleitet und
tische Membran z. B. das Enzym Azetylcholinesterase ­innerviert dort das Alphamotoneuron desselben
(AChE), das ACh in seine Bestandteile ­Cholin und Muskels, der sich daraufhin kontrahiert. Da nur eine
Azetat zerlegt, die dann im Endkopf zu ACh resynthe- zentrale Synapse an der Umschaltung von Afferenz
tisiert und in Vesikel gespeichert werden. auf Efferenz beteiligt ist, nennt man diese Reflexart
monosynaptisch. Sie ist die einfachste und schnellste
Degeneration, anterograde (engl. anterograde de- Variante eines Reflexbogens. Der bekannteste Deh-
generation; Syn. Wallersche D.) Der Begriff (neuro- nungsreflex ist der Patellarsehnenreflex.
nale) Degeneration beschreibt die Zerstörung von
Nervenzellen bzw. ihrer Fortsätze mit den dadurch Dehydrierung, zelluläre (engl. cellular dehydration)
verursachten Funktionsausfällen. Bei der anterogra- Zelluläre Dehydrierung bedeutet, dass die Wasser-
den Degeneration (vom Soma zu den Axonendigun­ menge innerhalb einer Zelle abnimmt, wobei z. B.
gen) wird das Axon einer Nervenzelle distal geschä- salzhaltige Nahrungsmittel zu einem Wasserentzug
digt, so dass der periphere Abschnitt des Axons von führen, der alle Zellen des Körpers betrifft. Auf
der Versorgung abgeschnitten ist und sich das End- ­diesen Wasserverlust reagieren Osmorezeptoren im
stück mit der Synapse zurückentwickelt. Es ist aller- Gehirn, senden Signale an den Hypothalamus,
dings möglich, dass das Axon sich wieder regene- der daraufhin ein Durstgefühl vermittelt. Hinweis:
riert. Freigesetzte neurotrophische Faktoren können In der Chemie wird unter Dehydrierung oder Dehy-
Delta-9-THC 63

drogenierung die Abspaltung von Wasserstoff von Gastrointestinaltrakt (Nausea, Diarrhö), das kardio-
Molekülen verstanden. Umgangssprachlich wird vaskuläre System (Hypertonie, Tachykardie), das
mit Dehydrierung hingegen der Verlust von Wasser vegetative Nervensystem (Fieber, Schlafstörungen,
bezeichnet. Der Fachbegriff hierfür lautet Dehydra- Gesichtsrötung, Hyperhidrosis) und das somatische
tation oder Dehydratisierung. Nervensystem (Tremor, Artikulationsschwierigkei­
ten) sowie die Psyche (Agitiertheit, Angst, Depres­
Dehydroepiandrosteron (engl. dehydroepiandroste- sion) betreffen. Bei einem Delir treten zusätzlich
rone) Dehydroepiandrosteron (DHEA) gehört zur Desorientiertheit, optische und akustische Hallu­
Gruppe der Steroidhormone und ist die Vorstufe der zinationen und eine schwere Agitiertheit auf. Die D
Androgene (männliche Geschlechtshormone) und Überwachung der Vitalparameter gilt als wichtigste
der Östrogene (weibliche Geschlechtshormone). Es Sofortmassnahme.
wird aus Cholesterol in der Nebennierenrinde und
in den Ovarien (Eierstock) synthetisiert. Deltaaktivität (engl. delta activity) Die Deltaaktivi-
tät beschreibt langsame hochamplitudige EEG-Wel-
Deiters-Stützzellen (engl. pl. Deiter’s cells, phalan- len mit einer Frequenz von 0,5–4 Hz. Bei gesunden
geal cells; Syn. äußere Phalangeal-Zellen) Deiters- Personen treten sie v. a. während des Tiefschlafs
Zellen sind die nach dem Bonner Anatom Otto (Slow-Wave-Schlaf) im zentral-frontalen und zent-
­Deiters (1834–1863) benannten Stützzellen im Corti­ ral-parietalen Bereich auf und werden mit Konso­
schen Organ, auf denen die äußeren Haarzellen auf- lidierungsprozessen in Verbindung gebracht. Diese
liegen. Sie werden wegen ihres phalangenförmigen regelmäßige, synchronisierte elektrische Aktivität
(fingergliedrigen) Baus auch Phalangeal-Zellen ge- tritt auch unter Hypnose auf. Findet man solche
nannt. ­fokalen Deltawellen im Wachzustand vor, gilt dies
als Indikator für das Vorhandensein dysfunktionaler
Deklaratives Gedächtnis 7 Gedächtnis, deklaratives neuronaler Netzwerke. Ursache dessen kann eine
Schädigung umliegender Neurone bei raumfordern­
dekortizieren (engl. decorticate) Chirurgisches Ent- den Prozessen (Tumoren) sein oder es tritt als cha-
fernen des Kortex bzw. eines Organs. rakteristisches Muster bei psychischen Störungen
(Schizophrenie, Depression) auf.
Delayed matching-to-sample (dt. Mustervergleich
mit Verzögerung) Mit Hilfe dieser experimentellen Deltaschlaf (engl. delta sleep) Als Deltaschlaf wird
Versuchsanordnung werden Gedächtnisfunktionen der Schlaf der Schlafphasen 3 und 4 bezeichnet. ­Diese
untersucht. Die grundlegende Aufgabe besteht da­ stellen Phasen des Tiefschlafs (non-REM-Schlaf) dar,
rin, einen dargebotenen Reiz mit einem vorher ge- welche durch das Auftreten von Deltawellen im
zeigten zu vergleichen. Im Gegensatz zur simultanen Schlaf-EEG gekennzeichnet sind. Während des
matching-to-sample-Aufgabe werden hier Beispiel- ­Deltaschlafs sind Körperfunktionen wie Herz- und
und Zielreiz zeitlich verzögert (delayed) dargeboten. Atemfrequenz herabgesetzt. Gleichzeitig sind eine
verminderte sympathische und eine erhöhte para-
Delirium tremens (engl. alcohol delirium; Syn. Alko- sympathische Aktivität zu verzeichnen. Beim Säug-
holdelir) Unter Delirium tremens, im ICD-10 als ling nehmen die Phasen des Deltaschlafs ca. 50 % der
F10.4 kodiert, versteht man das Auftreten einer Gesamtschlafzeit ein. Mit zunehmendem Alter ver-
­typischen Symptomkonstellation, welche meist mindert sich der Anteil des Tiefschlafs an der Ge-
48–72 Std. nach dem letzten Alkoholkonsum auf- samtschlafdauer deutlich, so dass er bei einem 20-Jäh­
tritt und für den Patienten lebensbedrohlich sein rigen nur noch ca. 20 % beträgt. Dem Deltaschlaf
kann. Die Letalitätsrate liegt bei Nichtbehandlung werden hauptsächlich restaurative Funktionen (z. B.
bei ca. 20 % und bei adäquater Behandlung bei ca. Restrukturierung des Gedächtnis) zugeschrieben.
2 %. Auch bei anderen Suchterkrankungen kann ein
Delirium tremens beim Entzug auftreten. Die Symp- Delta-9-THC (engl. delta 9 THC) Delta-9-Tetrahy-
tome für ein Alkoholentzugssyndrom können den drocannabinol (Delta-9-THC) ist der Hauptwirk-
64 Deltawellen

stoff der Pflanze Cannabis sativa (Indischer Hanf). nisierung wird auch im soziologischen Zusammen-
Diese psychotrope Substanz erzeugt rauschähnliche hang gebraucht, so kann bspw. eine Gesellschaft de-
Zustände. In Form von Marihuana oder Haschisch maskulinisiert sein.
geraucht, kommt es zur Auslösung von Entspan-
nungsgefühlen, einem verminderten Zeitgefühl (Zeit Demenz, semantische (engl. semantic dementia)
vergeht subjektiv langsamer), einer leichten Stim- Semantische Demenz ist ein relativ neuer Begriff,
mungssteigerung und angenehmer Apathie. Delta- der für ein degeneratives Syndrom steht, das durch
9-THC bindet an eigene Rezeptoren im Gehirn eine Blässe im linken inferolateralen temporalen
D (Cannabinol- oder kurz CB1-Rezeptoren). Bei re­ Neokortex (linkstemporale Atrophie) auffällt. Symp-
gelmäßig hohem Konsum von Cannabis kann es zu tome dieser Krankheit sind typischerweise eine
kognitiven Einschränkungen, insbesondere zu Ge- schleichende, aber fortschreitende Verschlechterung
dächtnis- und Aufmerksamkeitsdefiziten kommen. des sprachlichen Wissens über Menschen, Dinge,
Während das körperliche Abhängigkeitspotenzial Tatsachen und die Bedeutung von Wörtern (Seman-
dieser Substanz eher gering ist, spielt vor allem das tikwissen). Weitere Symptome sind ein eigenartiger
Risiko der psychischen Abhängigkeit eine große Wortgebrauch sowie ein schwindendes visuelles
Rolle für Konsum und Therapie. Wissen, was sich besonders dadurch auszeichnet,
dass ehemals vertraute Gegenstände und Gesichter
Deltawellen (engl. pl. delta waves) Deltawellen weder erkannt noch benannt werden können. Rela-
(7 Deltaaktivität) sind mittels Elektroenzephalo- tiv gut erhalten bleiben bei dieser Störung jedoch
gramm (EEG) messbare schwache elektrische Strö- Syntax und Sprachproduktion (z. B. Nachsprechen)
me von 1–4 Hz. Sie kennzeichnen den traumlosen ebenso wie das episodische Gedächtnis.
Tiefschlaf (non-REM), Bewusstlosigkeit oder auch
meditative Zustände. Über EEG abgeleitet, lassen Dendrit (engl. dendrite) Mit Dendriten (griech. den-
sich in Verbindung mit Alpha-, Beta- und Gamma- drites = zum Baum gehörend) bezeichnet man in der
wellen Rückschlüsse über Gehirnerkrankungen zie- Biologie die verzweigten Fortsätze einer Nerven­zelle.
hen. Spielt man Deltawellen einem Patienten vor Sie bilden die Inputzone eines Neurons, indem sie
(bspw. unhörbar über CD), kann man sein Gehirn synaptisch übertragene Informationen bzw. Erre-
zu Tiefschlaf anregen bzw. seine Tiefschlafphasen gungen aufnehmen und zum Soma, dem Zellkörper,
verlängern. weiterleiten. Sogenannte Dendritendornen ermögli-
chen die Bildung neuer Synapsen und somit die Ver-
Demaskulinisierung (engl. demasculinisation) Der bindung zu weiteren Nervenzellen. Zu den wesent-
Begriff Demaskulinisierung (aus dem Lat. übersetzt lichen Zellbestandteilen, die sich im Neuroplasma
»Entmännlichung«) kann in verschiedenen Berei- der Dendriten befinden, gehören u. a. Ribosomen,
chen verwendet werden: (1.) In Bezug auf die prä­ Mitochondrien, Mikrotubuli, Mikrofilamente (Ak-
natale somatosexuelle Entwicklung bezeichnet er die tin) und das glatte endoplasmatische Retikulum.
Verkümmerung des Wolffschen Gangs (7 Wolffscher
Gang) bei weiblichen Embryonen aufgrund fehlen­ Depolarisation (engl. depolarization) Physiologisch
der bzw. geringer Mengen männlicher Hormone. bezeichnet Depolarisation eine Abnahme des (nega-
Das Gegenteil dazu wäre die Maskulinisierung, wo- tiven) Ruhepotenzials der Zellmembran, welches
bei sich beim männlichen Embryo aufgrund hormo- normalerweise bei –70 mV liegt, d. h. das Membran­
neller Einflüsse der Wolffsche Gang zu Nebenhoden, potenzial nimmt einen weniger negativen Wert an.
Samenleiter, Bläschendrüse und Prostata weiter­ Bei einer unterschwelligen Depolarisation werden
entwickelt. (2.) Als Demaskulinisierung kann aber die spannungsabhängigen Natriumkanäle (manch-
bspw. auch eine Entmännlichung bzw. Verweib­ mal auch Kalziumkanäle) nicht geöffnet; wird aller-
lichung (Feminisierung) aufgrund endogen wirken- dings die Schwelle (–50 mV) überschritten, nennt
der Chemikalien bezeichnet werden. (3.) Im opera- man diese Depolarisation überschwellig, die Natri-
tiven Sinn bezeichnet der Begriff die Amputation umkanäle öffnen sich und es kann ein Aktionspoten-
des männlichen Geschlechtsorgans. (4.) Demaskuli- zial ausgelöst werden. Das Gegenteil dieser Depola-
Depression, reaktive 65

risation ist eine Hyperpolarisation, wobei es hier zu putschmittel verwendet, da sie u. a. zur Verbesse-
einer Veränderung des Ruhepotenzials in negativer rung von Gedächtnisleistung führen können. Präpa-
Richtung kommt (bspw. –90 mV). Neurologisch rate, die Deprenyl enthalten, sind Serene, Jumexal
versteht man unter einer paroxysmalen Depolarisa- und Selegilin.
tion (Depolarisationsverschiebung) eine typische
Sequenz von Membranpotenzialänderungen zen- Depression, endogene (engl. endogenous depres­sion)
traler Neuronen, die im Verlauf eines epileptischen Der Begriff der endogenen Depression stammt aus
Anfalls auftreten können. einem veralteten Klassifizierungssystem für Depres-
sionen. Bei einer endogenen Depression glaubte man, D
Depolarisationsphase (engl. phase of depolariza- die Depression käme »von innen«, auch wenn es ­keine
tion; Syn. Phase 0) Die Depolarisationsphase ist jene bekannte organische Ursache der Krankheit gibt. Im
Phase bei der Weiterleitung eines Aktionspotenzials Leben der Betroffenen scheint meist alles in Ordnung,
(AP) am Axon, bei dem sich das Potenzial von ca. doch plötzlich tritt ohne erkennbare körperliche oder
–70 mV auf ca. +30 mV verschiebt. Dies geschieht psychische Gründe die negative Stimmung auf. Wahr-
durch eine Ladungsveränderung an der Membran, scheinlich ist, dass diese Erkran­kung auf einen fehler-
wodurch die Permeabilität für NA+-Ionen erhöht haften Stoffwechsel im Gehirn zurückzuführen ist,
wird und diese in großen Mengen in den Zellinnen- der möglicherweise genetisch bedingt und somit auch
raum eindringen können. An die Phase der Depola- vererbbar ist. Die Symptome (Traurigkeit, Niederge-
risation schließt sich die der Repolarisation an. schlagenheit, Antriebslosigkeit, geringer Appetit) be-
ginnen meist langsam, ­ dauern dann einige Monate
Depotbindung (engl. depot binding) Bei einer De- an und verschwinden auch ohne Therapie wieder.
potbindung handelt es sich um die Bindung einer Eine Behandlung mit Medikamenten ist möglich,
Wirksubstanz an verschiedene Gewebe des Körpers doch dabei werden nur die Symptome beseitigt. Frag-
oder an Proteine im Blut. Die Depotbindung kann lich bleibt, ob verdräng­te Ereignisse oder unbewusste
die Wirkung einer Substanz sowohl verzögern, als Probleme nicht doch eine Ursache sind. Besonders
auch verlängern, denn solange die Substanzen an ein schwere endogene ­ Depressionen bezeichnet man
Depot gebunden sind, können sie ihren spezifischen heute als rezidivierende depressive Störung, die drin-
Wirkungsort nicht erreichen. Mögliche »Partner« gend behandelt werden muss.
für Depotbindungen sind Albumin (ein Protein im
Blut), das Fettgewebe, die Knochen, die Muskeln Depression, reaktive (engl. reactive depression; Syn.
und die Leber. Dabei ist eine Depotbindung inner- exogene Depression) Die Bezeichnung der reaktiven
halb der Blutbahn (an Albumin) wahrscheinlicher Depression ist ebenfalls eine ältere, wobei hier belas-
als eine außerhalb, da die Wirksubstanz dafür zu- tende Lebensereignisse und Probleme als (äußere)
nächst die Blutbahn verlassen muss. Ursache angesehen werden. Meist sind dies plötz-
liche einschneidende Begebenheiten oder Schicksals­
Deprenyl (engl. deprenyl) Deprenyl gehört zur Grup- schläge im Leben des Betroffenen wie z. B. der Tod
pe der Monoaminoxidasehemmer (MAOI) und ver- eines nahen Verwandten, Scheidung, Krankheit
hindert den Abbau von Noradrenalin, Dopamin und oder ein selbst verschuldeter Unfall sowie Probleme
Serotonin. Durch diesen Effekt trägt Deprenyl zum im Beruf. Eine reaktive Depression kann aber auch
Schutz und Erhalt der Nervenzellen bei. Die Einnah- entstehen, wenn im Alltag zu viele Probleme auf­
me führt zur Steigerung des Antriebes und zur Stim- treten und kein Lebensbereich mehr als Ausgleich
mungsaufhellung. In der Medizin wird Deprenyl dienen kann. Bei solchen sog. »Anpassungsstörun-
häufig eingesetzt, um den Verlauf von Parkinson zu gen« kommt die psychische Stabilität ins Schwan-
verlangsamen, da es im Vergleich zu anderen Mitteln ken, was sich in Symptomen wie Ein- und Durch-
kaum Nebenwirkungen zeigt. Zudem hat dieser Stoff schlafstörungen, Kloß im Hals, Atemenge, Verlust
einen günstigen Effekt auf die Eindämmung von Hy- sexuellen Interesses und plötzlichen emotionalen
peraktivitäts-Symptomen. Außerdem werden Medi- Gefühlsausbrüchen äußert. Therapiert wird die re-
kamente mit Deprenylanteil als Rausch- und Auf- aktive Depression sowohl mit Hilfe von Gesprächs-
66 Depression, synaptische

psychotherapie und soziotherapeutischen Maßnah- Verringerung der zellulären Reaktion bei länger an-
men als auch mit Medikamenten wie z. B. Schlafmit- dauernder oder mehrmaliger Wirkung eines Ligan-
teln oder niedrig dosierten Tranquilizern. Häufig den (Molekül, das an ein Zielprotein binden kann).
wird auch ein Spaziergang (»Gesundheitsmarsch«) Sie kann an jedem Schritt der Signalübertragung an-
bei Tageslicht empfohlen. setzen und wird durch eine veränderte Funktion
oder Anzahl der jeweiligen Rezeptoren ausgelöst.
Depression, synaptische (engl. synaptic depression) Von einer homologen Desensitivierung spricht man,
Als synaptische Depression (nicht zu verwechseln mit wenn die Abnahme der zellulären Reaktion nur für
D dem Krankheitsbild!) wird die Abschwächung der den Agonisten gilt, der die Desensitivierung ausge-
synaptischen Übertragung durch synaptische Plasti- löst hat. Eine heterologe Desensitivierung beschreibt
zität bezeichnet (Ermüdungsprozess). Dabei können die Abnahme der zellulären Reaktion auf einen Li-
längere hochfrequente Serien von Depolarisa­tionen ganden aufgrund der Aktivität anderer Signale.
auch das Gegenteil von Bahnung, nämlich synap-
tische Depression, auslösen. Wahrscheinlich kommt Desoxyribonukleinsäure (engl. desoxyribonucleic
sie an vielen Stellen des Nervensystems als neuronales acid, DNA) Die Desoxyribonukleinsäure (DNS) ist
Korrelat von Gewöhnung (Habituation) vor, da die ein polares Makromolekül, dessen Rückgrat aus
Habituation einfacher Verhaltensreaktio­nen auf eine ­abwechselnd angeordneten Phosphat- und Zucker-
Depression der beteiligten Synapsen zu­rückzuführen resten (Desoxyribose) aufgebaut ist. Am Zuckerrest
ist. Entsprechend ihrer Dauer unter­schei­det man eine ist stets eine der vier Basen Adenin, Thymin, Guanin
Langzeit- und Kurzzeitdepression. oder Zytosin gebunden. Einzelstränge der DNS bin-
den sich über Basenpaarungen (Adenin mit Thymin,
Deprivation (engl. deprivation) Psychisch gesehen Guanin mit Zytosin) zu einem Doppelstrang (Dop-
beschreibt Deprivation eine besonders schwere Art pelhelix). Die Doppelstrang-DNS liegt in Form von
der emotionalen Vernachlässigung (emotionale ungeordneten Chromatinfäden im Zellkern vor; nur
­Deprivation). In der Pädiatrie meint man damit während der Zellteilung ist sie in Form von Chro-
­fehlende Zuwendung und Aufmerksamkeit für das mosomen organisiert. Auf der DNS unterscheidet
Baby und Kleinkind, wodurch das Kind seelische man proteinkodierende Bereiche (Gene), in denen
Schäden davontragen kann. Betrifft Deprivation den aus der Reihenfolge der Basen (Sequenz) eine be-
Körper oder die Organe, spricht man von senso- stimmte Information abgeleitet werden kann, die in
rischer Deprivation, also einem Mangel an Sinnes- Form von Eiweißen realisiert wird. Sog. interge-
eindrücken (ausgelöst durch Außenreize und Mit- nische Bereiche hingegen kodieren keine Proteine,
menschen) oder unbefriedigten Grundbedürfnissen können aber regulatorische Sequenzen für die Gen-
wie bspw. Schlafen oder Essen. Folgen dieser Depri- expression enthalten.
vation von Sinnesreizen können Halluzinationen,
Illusionen sowie andere Denkstörungen sein. Abzu­ Desynchronisation (engl. desynchronization) Der
grenzen sind außerdem die perzeptive (verminderter Zustand pflanzlicher und tierischer Organismen ist
Informationsgehalt von Außenreizen) und die sub- verschiedenen zirkadianen Rhythmen unterworfen,
jektive (also lediglich subjektiv erlebte) Deprivation. die v. a. durch die Aktivität angeborener endogener
Oszillatoren bestimmt sind (die sog. innere biolo-
Dermatom (engl. dermatome) Ein Dermatom ist ein gische Uhr). Synchronisiert und beeinflusst werden
umschriebenes Hautareal, welches von den Afferen­ sie durch Umweltreize, sog. Zeitgeber, wie der Hell-
zen der Hinterwurzel des Rückenmarks (Spinalnerv, Dunkel-Rhythmus des Tages. Bei der Desynchroni-
der aus hunderten von Nervenfasern besteht) inner- sation wird der externe Zeitgeber ausgeschaltet. Da-
viert wird. Der Mensch verfügt über genauso viele nach laufen die endogenen Rhythmen mit verän-
Dermatome wie Spinalnerven, also 31. derter Periodik weiter, die dann meist etwas länger
als 24 Std. ist. Die Ausschaltung exogener Zeitgeber
Desensitivierung (engl. desensitization) Unter De- (auch Freilaufbedingung) kann die Desynchronisa-
sensitivierung versteht man in der Physiologie eine tion zweier endogener Rhythmen (z. B. von Aktivi-
Dienzephalon 67

tätszyklus und Rektaltemperatur beim Menschen) unter Bewusstseinsverlust auftretenden, spastischen


hervorrufen. Der Möglichkeit der Anpassung endo- Streckhaltung der Gliedmaßen und des Rumpfes. Im
gener Uhren an veränderte exogene Zeitgeber ent- Tierexperiment konnte gezeigt werden, dass ein auf-
springt jedoch ein Selektionsvorteil. gerichtetes, dezerebriertes Tier stehen bleibt, da die
Gelenke aufgrund des hohen Muskeltonus nicht ein-
Detektor (engl. detector) Der Detektor oder auch knicken. Die überstreckte Haltung des Tieres wird
Sensor dient dem Nachweis eines Objektes bzw. als »Karikatur des Stehens« bezeichnet.
eines Sachverhaltes.
Dezerebrierung 7 Dezerebration D
Deuteranopie (engl. deuteranopia; Syn. Grünblind-
heit) Die Deuteranopie ist ein genetisch bedingter DHEA 7 Dehydroepiandrosteron
Defekt des Farbsehens. Die Betroffenen sind nicht in
der Lage, die Farben Rot und Grün zu unterschei- Dialyse, zerebrale (engl. cerebral dialysis) Die zere-
den. Es wird angenommen, dass die Grün-Zapfen brale Dialyse ist ein neurochemisches Verfahren zur
auf der Retina des Auges das Opsin der Rot-Zapfen Messung von extrazellulären neurochemischen Subs-
enthalten. Die Sehschärfe der Betroffenen ver- tanzen, das am lebenden Tier durchgeführt werden
schlechtert sich durch Deuteranopie nicht. Die Stö- kann. Dabei wird ein dünnes Röhrchen mit einem
rung wird X-chromosomal vererbt und tritt daher semipermeablen Abschnitt am gewünschten Ort ins
häufiger bei Männern auf. Gehirn eingeführt. Die zu untersuchenden Subs­
tanzen diffundieren in das Röhrchen hinein und
Dezerebration (engl. decerebration; Syn. Dezerebrie- können anschließend mit einem Chromatographen
rung) Dezerebrierung bedeutet wörtlich übersetzt analysiert werden. Mit der zerebralen Dialyse kann
»Enthirnung« und bezeichnet einen Ausfall der bei Tieren die aktivitätsinduzierte Veränderung der
Großhirnfunktionen nach Durchtrennung bzw. Konzentration von neurochemischen Substanzen
Entkoppelung des Großhirns vom Hirnstamm. gemessen werden.
­Solche schwersten, unwiderruflichen Großhirnschä-
digungen können durch einen Unfall, einen Tumor, Diastole (engl. diastole) Als Diastole wird die Er-
eine andere Erkrankung, einen lang anhaltenden schlaffungs- oder Relaxionsphase des Herzens be-
Sauerstoffmangel oder eine Hirndrucksteigerung zeichnet, welche bis zum Moment der Herzklappen-
induziert werden. Die Folgen können je nach Art öffnung und dem Blutaustoß in die Herzarterie
der anatomisch betroffenen Areale unterschiedlich ­andauert. Während dieser Phase, die in eine Ent-
sein, sind aber immer durch eine tiefe Bewusstlosig- spannungsphase, eine frühe und eine späte Füllungs-
keit gekennzeichnet (bspw. Apallisches Syndrom). phase eingeteilt wird, fällt der Blutdruck bis zu
Die lebenserhaltenden, vom Hirnstamm gesteuerten ­seinem tiefsten Wert ab. Dieser Wert wird bei der
Funktionen hingegen bleiben erhalten. Im tierexpe- Blutdruckmessung als diastolischer Blutdruck be-
rimentellen Setting (bspw. bei Fröschen) bezeichnet zeichnet, dessen Normalwert bei 80 mmHg bis maxi­
eine Dezerebrierung die komplette Entfernung des mal 89 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) liegt.
Großhirns. Ab 90 mmHg spricht man von erhöhten diastoli­
schen Blutdruckwerten.
Dezerebrationsstarre (engl. decerebrate rigidity;
Syn. Enthirnungsstarre) Die Dezerebrationsstarre ist Dienzephalon (engl. diencephalon, thalamencepha-
gekennzeichnet durch eine starke Tonuserhöhung lon; Syn. Zwischenhirn) Das Dienzephalon ist Teil
der gesamten Extensormuskulatur und ist eine typi­ des Hirnstamms und liegt kranial (kopfwärts) zum
sche Charakteristik einer Hirnstammunterbrechung Mesenzephalon (Mittelhirn). Das aus zwei ­eiförmi­gen
(Dezerebration). Beim Menschen tritt diese nach Strukturen bestehende Dienzephalon ­ umschließt
Hirnverletzung, Mittelhirneinklemmung (bei Hirn- den dritten Ventrikel. Es kann aufgrund unterschied-
druck oder Tumor) oder nach Einbrechen einer licher Funktionen in verschiedene Unterstrukturen
Hirnblutung in die Ventrikel auf. Es kommt zu einer aufgeteilt werden. Dazu gehören der Thalamus als
68 Diffusion

Umschaltstation fast aller Afferenzen (z. B. vom Digit-span plus 1-Test 7 Zahlengedächtnistest
Auge, Ohr oder der Haut), der Epithalamus, der
Subthalamus, der Hypothalamus als das übergeord- Dihydrotestosteron (engl. dihydrotestosterone) Di-
nete Zentrum des vegetativen Nervensystems (7 Ner- hydrotestosteron (DHT) ist die erst in verschiedenen
vensystem, autonomes) und Regulator der meisten Zielorganen (z. B. äußere Genitalien, Prostata, Talg-
endo­krinen Prozesse (7 Drüsen, endokrine; 7 ­Hormon) drüsen) gebildete biologisch stärker wirksame Form
sowie der Metathalamus. des Testosteron, das für die Entwicklung der äußeren
Geschlechtsorgane, die Entwicklung und Funktion
D Diffusion (engl. diffusion) Diffusion ist der aufgrund der Prostata, den Bartwuchs und die männliche Kör-
der Eigenbewegung der Teilchen ermöglichte Kon- perbehaarung verantwortlich ist. Bei der Reduktion
zentrationsausgleich von der höheren zur niedri­ des Testosterons erfolgt die DHT-Synthese durch
geren Konzentration entlang eines Konzentrations- das Enzym 5-alpha-Reduktase, nach dessen Anbin-
gefälles. Physikalische Grundlage dieses Vorgangs dung an spezifische Rezeptoren sich ein Hormon-
ist, dass in Flüssigkeiten gelöste Stoffe ionisiert vor- Rezeptorkomplex bildet, der zum Zellkern trans­
kommen. Diese Teilchen haben bei Temperaturen portiert wird und die Genexpression beeinflusst. Bei
über dem absoluten Nullpunkt eine Eigenbewegung Aknepatienten kann häufig eine stärkere Aktivität
und nehmen so den gesamten für sie zur Verfügung der 5-alpha-Reduktase nachgewiesen werden, wes-
stehenden Raum ohne externe Energiezufuhr ein. halb ein Überschuss an DHT mit dieser Erkrankung
Aufgrund dessen ist bei der Diffusion von einem in Verbindung gebracht wird. Eine iatrogene Hem-
passiven Transportvorgang zu sprechen. Eine Spe­ mung des DHT wird demnach nicht nur bei der Be-
zialform der Diffusion stellt die Osmose dar. Dabei handlung androgenen Haarausfalls, sondern auch
handelt es sich um einen einseitigen Konzentra­ bei der Aknebehandlung eingesetzt.
tionsausgleich durch eine halbdurchlässige (semi-
permeable) Membran. Dimorphismus (engl. dimorphism; Syn. Zweiförmig-
keit, Zweigestaltigkeit) In der Biologie versteht man
Diffusionsdruck (engl. diffusion pressure) Als Diffu- darunter die Existenz zweier deutlich verschiedener
sionsdruck bezeichnet man die Bestrebung von Teil- Erscheinungsbilder von Individuen derselben Art.
chen zum Ausgleich eines Konzentrationsgefälles an Die bekannteste Form ist der Geschlechtsdimor-
einer Membran durch Diffusion. Je größer ein Un- phismus. Bei diesen Arten unterscheiden sich männ-
gleichgewicht von Stoffen wie z. B. Ionen ausgeprägt liche und weibliche Individuen deutlich vonein­
ist, umso größer ist auch der Diffusionsdruck. Ein ander. Dieser Unterschied drückt sich z. B. in Kör-
Sonderfall des Diffusionsdruckes ist der osmotische pergröße oder -färbung aus. Dabei ist die Anlage des
Druck, der entlang einer semipermeablen Membran Embryos ursprünglich zweigeschlechtig und bildet
entstehen kann. sich erst allmählich einseitig aus. Eine andere Form
des Dimorphismus ist der Saisondimorphismus.
Diffusionsgradient (engl. diffusion gradient; Syn. Dabei haben z. B. Pflanzen in Abhängigkeit von der
Konzentrationsgradient) Der Diffusiongradient be- Jahreszeit Blätter verschiedener Form und Größe
schreibt die Richtung des Konzentrationsunter- (7 auch Polymorphismus).
schiedes (Konzentrationsgefälle) zwischen zwei
Stoffen und gibt so die Richtung der Diffusion vor. Dioptrie (engl. diopter) Dioptrie (dpt) ist eine Maß-
Ist der Diffusionsgradient gleich Null, findet keine einheit für die Brechkraft von optischen Linsen, also
Diffusion mehr statt und die Konzentrationen ­zweier auch dem menschlichen Auge. Mit Brechkraft ist
Medien, über die der Austausch stattfindet, haben der Kehrwert der Brennweite von Objektiven und
sich angeglichen. Aufgrund dieses Gradienten kann Linsen gemeint (Angaben in m). Die Dioptrienwerte
bspw. Wasser vom Boden in die Spitze der Pflanze können vom Augenarzt oder Optiker mittels sog.
transportiert werden. Der Gradient wirkt immer Refraktion (Lichtbrechung) bestimmt werden. Bei
aus Richtung der höheren in die Richtung der nied- Kurzsichtigkeit steht vor dem absoluten Dioptrien-
rigeren Konzentration. wert ein Minuszeichen, während bei Weitsichtigkeit
Dominanz, okuläre 69

die Werte mit einem Pluszeichen versehen werden. Herz-Kreislauferkrankungen, z. B. bei Hypertonie
Gemäß den Gesetzen der Strahlenoptik können bei oder Herzinsuffizienz. Diuretika wirken entlastend
Hintereinanderreihung von Linsen mit geringem auf das Herz, Ödeme (z. B. an den Beinen) können
Abstand die Kehrwerte ihrer Brennweiten addiert beseitigt werden und das intravasale Volumen wird
werden, wobei man mit dieser Summe die Brech- verringert. Man unterscheidet verschiedene Grup-
kraft des ganzen Linsensystems (bspw. Auge plus pen von Diuretika, die unterschiedliche Einsatz­
Brille) erhält. Sammellinsen haben dabei eine posi- bereiche, aber auch unterschiedliche Nebenwir-
tive Brechkraft und dienen der Korrektur von Weit- kungen aufweisen. Beispiele sind Schleifendiuretika
sichtigkeit, während Zerstreuungslinsen eine nega- oder Aldosteronantagonisten, die u. a. die Aldosteron­ D
tive Brechkraft haben und der Korrektur von Kurz- wirkung hemmen und zu einer Natriumausschei-
sichtigkeit dienen. dung führen. Bei der Einnahme von Diuretika ist
darauf zu achten, dass es zu keiner Elektrolytent­
diploid (engl. diploid) Ein Chromosomensatz wird gleisung und somit zu gefährlichen Symptomen, wie
als diploid bezeichnet, wenn jedes Chromosom dop- Austrocknung, Krampfanfällen und Herzrhythmus-
pelt im Zellkern vorliegt (doppelter Chromosomen- störungen (die beiden Letzteren sind salzmangelbe-
satz). Bei den Gonosomen männlicher Individuen dingt), kommen kann.
wird hierbei nicht zwischen eigentlich unterschied-
lichen X- und Y-Chromosomen unterschieden. Die Divergenz (engl. divergence) In seiner ursprüng-
Zellen im menschlichen Körper besitzen einen di- lichen Bedeutung meint Divergenz die Auseinan-
ploiden Chromosomensatz, die Keimzellen (Samen- derentwicklung zweier Objekte oder Prozesse. Im
und Eizellen) hingegen nur einen haploiden (ein- sensorischen System bezeichnet Divergenz die Er­
facher Chromosomensatz). regungsausbreitung, wodurch auch schwache Reize
wahrgenommen werden können. Dabei wird die
dipsogen (engl. dipsogen) Dipsogen wirkt jede Subs- ­Information einer Zelle parallel an mehrere andere
tanz, die das Trinken stimuliert. Ein sehr potentes Zellen weitergeleitet, das Signal »streut« also. Dies
endogenes Dipsogen ist das Peptid Angiotensin II, führt allerdings zu einer Erschwerung bei der Loka-
das eine wichtige Rolle in der Regulation des Wasser­ lisierung dieser Reize.
haushaltes spielt.
DNA 7 Desoxyribonukleinsäure
Disparität, retinale (engl. retinal disparity) Die reti-
nale Disparität oder auch Disparation gehört zusam- DNS 7 Desoxyribonukleinsäure
men mit Akkommodation und Konvergenz zu den
primären Tiefenkriterien (Einschätzung der Ent­ dominant (engl. dominant) Dominant beschreibt in
fernung von Objekten). Retinale Disparität be- der Genetik eine Eigenschaft bzw. ein Merkmal, das
schreibt die leichte Abweichung der retinalen Bilder sich im Gegensatz zu einem rezessiven Allel in je-
beider Augen beim Betrachten eines Objektes (be- dem Fall durchsetzt und den Phänotyp (Merkmals-
dingt durch eine leicht unterschiedliche Position der ausprägung) auch bei Mischerbigkeit bestimmt.
­Augen relativ zum Objekt), die es ermöglicht, Ent- Dominante Allele werden durch Großbuchstaben
fernungen einzuschätzen. Dabei bedeutet ein größe- symbolisiert.
rer Unterschied bzw. Disparität eine größere Nähe
zum Objekt. Dominanz, okuläre (engl. ocular dominance; Syn.
Augendominanz) Neurone im visuellen Kortex zei-
Diuretikum (engl. diuretic; pl. Diuretika, Syn. Wasser­ gen eine bevorzugte Reaktion auf den Input des ­einen
tablette) Diuretika sind Medikamente, die in den Auges, während Signale aus dem anderen Auge eine
Wasser- und Elektrolythaushalt eingreifen, deren untergeordnete Rolle spielen. Dabei werden Zellen
Ausscheidung über die Niere vermehren und da- mit der gleichen Präferenz für ein Auge in sog. Augen­
durch harntreibend (diuretisch) wirken. Aus diesem dominanzsäulen organisiert. Man spricht von einer
Grund sind sie elementarer Therapiebestandteil bei starken okulären Dominanz, wenn das Neuron nur
70 Dominanzsäulen, okuläre

auf die Reizung eines Auges anspricht, bzw. von ein gestörter Dopaminhaushalt relevant für auftre-
­keiner Dominanz, wenn das Neuron auf die Inputs tende Entzugssymptome zu sein.
beider Augen gleich stark antwortet.
Dopaminhypothese (engl. dopamine hypothesis)
Dominanzsäulen, okuläre (engl. pl. ocular domi- Die einfache Dopaminhypothese geht davon aus,
nance columns) Okuläre Dominanzsäulen sind dass Schizophrenie und psychotisches Erleben auf
­kortikale Säulen von Neuronen, die senkrecht zur eine übermäßige (v. a. mesolimbische) Aktivität von
Schichtung im visuellen Kortex stehen. Dabei sind Dopamin zurückzuführen sind. Diese Annahme
D sog. Orientierungssäulen, die die Informationen wurde entwickelt aufgrund der Dopamin-anta­
über einen Punkt der Netzhaut eines Auges verarbei- gonistischen Wirkung von Neuroleptika, die die
ten, in einem Bündel zusammengefasst. Für jeden DA-Rezeptoren blockieren. Außerdem können be-
Ort des binokularen Gesichtsfeldes gibt es jeweils stimmte Substanzen, die dasselbe Neurotransmitter-
eine okuläre Dominanzsäule für das rechte und das system beeinflussen, psychotische Symptome hervor­
linke Auge. Farbempfindliche Säulen werden als rufen (Amphetaminpsychose). Diese These konnte
»Blobs« bezeichnet (7 Blobs). aber bisher nicht bestätigt werden. Ein Widerspruch
zeigt sich bspw. darin, dass keine vermehrten Dopa-
DOPA (engl. dopa) Dihydroxyphenylalanin (DOPA) minabbauprodukte im Blut Schizophrener gefunden
wird z. B. als L-Dopa (Abk. f. L-3,4-Dihydroxy­ werden konnten. Daher wurde die erweiterte Dopa-
phenylalanin; Syn. Levodopa) bei der Behandlung minhypothese entwickelt, die besagt, dass einige
von Parkinson eingesetzt. Tyrosin wird durch Tyro- ­Bereiche des Gehirns einen Dopaminmangel auf-
sin-Hydroxylase in L-DOPA umgewandelt und weisen (präfrontaler Kortex), was die Negativsymp-
dieses wiederum durch Aminosäure-Decarboxylase tomatik erklären soll, während in den mesolimbi­
in Dopamin. schen Arealen eine Überproduktion herrscht, was
eine Erklärung der Positivsymptomatik darstellt.
Dopamin (engl. dopamine) Dopamin (DA) gehört Aber auch diese Hypothese konnte bisher noch nicht
als biogenes Monoamin zur Gruppe der Katechola- ausreichend belegt werden.
mine, die aus der Aminosäure Tyrosin gebildet wer-
den und zu denen auch Noradrenalin und Adrenalin Dopaminsystem, mesotelenzephales (engl. meso-
gehören. DA ist ein unmittelbarer Vorläufer bei telencephalic dopaminergic system) Das mesotelenze-
der Biosynthese von Adrenalin bzw. Noradrenalin, phale System ist eines von vier Dopaminsystem und
zudem wirkt es als Neurohormon (im Hypotha­ gilt als das wichtigste System, welches Dopamin als
lamus) und Neurotransmitter. Im Zentralen Nerven­ Neurotransmitter verwendet. Es umfasst die dopamin­
system finden sich spezielle dopaminerge Bahnen- erge Innervation der Basalganglien und man unter-
systeme: das tuberohypophyseale, das mesostriatale scheidet innerhalb des Systems zwischen drei Haupt-
und das mesolimbokortikale System. Das dopami- verbindungen: von der Substantia nigra zum Nucleus
nerge System spielt eine wichtige Rolle für psychische caudatus und Putamen (nigrostratiales System),
Prozesse und scheint an der Entstehung psychischer vom ventralen Tegmentum zum Nucleus accumbens
und neurologischer Störungen wie Schizophrenie (mesolimbisches System) und zum präfrontalen Kor-
oder der Parkinson-Krankheit beteiligt zu sein. Das tex und zur Amygdala (mesokortikales System). Das
mesolimbische System, das sog. Belohnungszent- nigrostratiale System ist an motorischen Funktionen
rum, ist einer der wichtigsten dopaminergen Verar- beteiligt. Bei Parkinson-Pa­tienten konnte ein Dopa-
beitungspfade. Auch Drogen (insbesondere Stimu- minmangel in diesem ­Gebiet festgestellt werden. Das
lanzien wie Kokain und Amphetamine) beeinflussen mesolimbische und mesokortikale Dopaminsystem
dieses System und bewirken eine Ausschüttung hingegen spielen bei Motivations- und Belohnungs-
von Dopamin im Nucleus accumbens. Wichtige von prozessen eine entscheidende Rolle. Außerdem konn-
­Dopamin vermittelte Funktionen betreffen die Mo- te nachgewiesen werden, dass Halluzinationen und
torik, Aktivierung und Antrieb, Emotionalität sowie Wahnideen mit einer erhöhten Dopaminaktivität in
kognitive Prozesse. Bei Suchterkrankungen scheint dieser Region einhergehen.
Dosis-Wirkungskurve 71

Doppelhelix (engl. double helix) In der Biochemie ist Bezeichnung bezieht sich demnach immer auf die
das bekannteste Beispiel die DNS-Doppelhelix als Relationen zwischen den Strukturen. Das Gegenteil
Bezeichnung der DNS-Struktur. Dabei besteht die von dorsal ist ventral.
Doppelhelix aus zwei parallelen gegenläufigen Strän-
gen, die aus Polynukleotiden bestehen. Beide Strän- Dorsalbahn (engl. dorsal stream) Die Dorsalbahn ist
ge dieses Doppelstrangs sind schraubenförmig um- neben der Ventralbahn der zweite wichtige Pfad der
einander gewunden. Diese Struktur wurde als erstes Verarbeitung visueller Informationen. Eingehende
von James Watson und Francis Crick im Jahre 1953 Informationen werden von V1, dem primären visuel­
entdeckt und beschrieben, die dafür den Nobelpreis len Kortex, in Richtung Parietallappen zunächst zu D
für Medizin erhielten. V2 und V3 (dorsaler prästriatärer Kortex) und dann
zu V5 (posteriorer parietaler Kortex) geschickt. Ent-
Doppler-Verschiebung (engl. Doppler effect, ­Doppler sprechend der »Wo versus Was«-Theorie ist die Dor-
shift; Syn. Doppler-Effekt) Die Dopplerverschiebung salbahn an der Analyse des »Objekts in Bewegung«
bezeichnet eine Änderung der Frequenz von Schall- (dynamic form) beteiligt, wobei in späteren Arealen
und Lichtwellen, wenn sich die Lage des Senders zum die Wo- und Was-Komponenten zur Steuerung der
Empfänger verändert. Nähern sich Beobachter Visuo­mo­torik integriert werden. Eine Läsion im
(Empfänger) und Quelle (Sender) einander an, so ­Areal V5 hat zur Folge, dass betroffene Patienten
erhöht sich die Frequenz, anderenfalls verringert sich Bewegun­gen nicht mehr verarbeiten bzw. keinen
die Frequenz. Ein bekanntes Beispiel ist die Verände- flüssigen Be­we­gungs­eindruck mehr erzeugen kön-
rung der Tonhöhe des Martinshorns eines Rettungs- nen (Akinetopsie).
wagens. Benannt wurde die Dopplerverschiebung
nach dem Österreicher Christian Doppler (1803– Dosis-Wirkungskurve (engl. dose-effect curve, dose-
1853), der sie Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte. response curve) Aus Pharmakologie und Sucht­
forschung ist bekannt, dass größere Drogendosen
Dornen, dendritische (engl. dendritic spines) Dendri- mit größeren Effekten einhergehen. Sie erhöhen die
tische Dornen sind Strukturen auf den Dendriten, auf Konzentration der Droge im Kreislauf und somit
denen exzitatorische Synapsen sitzen. Diese knollen- den Anteil gebundener und beeinflusster Rezepto­
förmigen Gebilde ersetzen die Filopodien der frühen ren. Als Graph gezeichnet nennt man diese Verbin-
Hirnentwicklung und sind in ständiger Entwicklung dung zwischen Drogendosis (x-Achse, logarithmi­
und Bewegung. Die Dornen besitzen spezielle Memb- sche Skala) und beobachteten Effekten Dosis-Wir-
ransysteme, in denen unabhängig vom rest­lichen kungskurve (DRC). Die Kurve hat für die meisten
Dendriten die Proteinbiosynthese stattfinden kann. Drogen eine charakteristisch abgeschrägte s-Form.
Diese Dornenapparate sind außerdem Ausgleichs- Diese Form resultiert daraus, dass bei sehr geringen
speicher für Kalzium-Ionen, wobei über den Kalzium­ Dosen oft eine zu geringe Stoffkonzentration verfüg-
haushalt die Synapsenaktivität verändert wird. Die bar ist, um eine messbare Reaktion zu verursachen.
dendritischen Dornen stellen einen wichti­gen Faktor Bei sehr hohen Dosen sind dann so viele hochaffini-
für die Langzeitpotenzierung dar und gelten damit als tive Rezeptoren gebunden, dass die zusätzliche Ein-
Grundlage für Lernen und Gedächtnis. So schwellen nahme der Droge keine weitere Wirkung hat. DRCs
bei andauernder Aktivierung die Köpfchen der Dor- können zur Bewertung verschiedener wichtiger
nen an und neue Dornen mit Synap­sen können ent- Eigen­schaften von Drogen genutzt werden, so geben
stehen. Defekte dendritischer Dornen werden oft mit sie z. B. die effektive Dosis einer Droge an und erlau-
Krankheiten wie z. B. Alzheimer, Down-Syndrom ben Vergleiche der Stärke verschiedener Drogen auf
und Epilepsie in Verbindung gebracht. Basis der mittleren Effektivdosis (ED50 als die Dosis,
die bei 50% der Individuen die gewünschte Wirkung
dorsal (engl. dorsal) Dorsal ist eine anatomische La- erzeugt). Weiterhin wird so die Möglichkeit geschaf-
gebezeichnung und bedeutet (lat.) »rückenwärts, fen, die Sicherheit einer Droge über die Angabe der
den Rücken betreffend«. Liegt eine Struktur dorsal therapeutischen Breite (Verhältnis therapeutischer
zu einer anderen, liegt sie soz. näher am Rücken. Die zu toxischer Dosis) auszudrücken.
72 Down-Syndrom

Down-Syndrom (engl. Down syndrome; Syn. Triso- verursacht. Die menschliche Retina enthält 3 Zap-
mie 21, Mongolismus) Die ursprüngliche Bezeich- fentypen: den L-Typ für lange Wellen im gelben
nung »Mongolismus« geht auf den britischen Arzt und roten Spektralbereich, den M-Typ für mittlere
Haydon Langdon-Down (1828–1896) zurück, wird Wellenlängen im grünen Bereich und den S-Typ für
aber heute nicht mehr verwendet. Die heute als kurze Wellenlängen im blauen Bereich. Jede Farbe
Down-Syndrom bezeichnete Anomalie ist eine des für den Menschen sichtbaren Spektrums lässt
­spezielle Genommutation beim Menschen, nämlich sich aus einer Mischung dieser drei verschiedenen
die Verdreifachung (Trisomie) des 21. Chromosoms Wellenlängen erzeugen, eine Primärfarbe allerdings
D oder Teilen davon. Die Wahrscheinlichkeit einer nicht aus einer Mischung der anderen beiden. Weiß
­Trisomie 21 liegt in Deutschland bei etwa 1:500. wird wahrgenommen, wenn alle drei Rezeptoren-
­Diese autosomale (7 Autosome) Anomalie bewirkt typen gleich stark angeregt werden, schwarz, wenn
charakteristische körperliche Besonderheiten bei keiner der Rezeptorentypen stimuliert wird.
den Betroffenen (Größe, Gewicht, Auffälligkeiten im
Bereich der Kopfform, der Augen und der Ohren). Drogen-Diskriminationsverfahren (engl. drug
Häufig auftretende Probleme sind Schwäche des ­ iscrimination technique) Das Drogen-Diskrimina-
d
Bindegewebes und der Muskeln, Infektanfälligkeit tionsverfahren beschreibt ein tierexperimentelles
und Fehlfunktion der Schilddrüse. Auch Probleme Vorgehen, das sich der instrumentellen Konditionie-
wie Herzfehler, Magen- und Darmstörungen oder rung bedient, um zu zeigen, dass die Wirkung von
Veränderungen am Skelettsystem können vorkom- zwei Drogen einander ähnlich ist. Dabei wird ein
men. Alle diese Probleme sind durch geeignete Maß- Tier trainiert, nach der Verabreichung einer Droge
nahmen weitgehend therapierbar. Weiterhin sind in einen Hebel zu drücken, um Futter zu erhalten. Zu-
der Regel die kognitiven Fähigkeiten des betroffenen sätzlich wird das Tier trainiert, einen zweiten Hebel
Menschen beeinträchtigt, so dass es zu einer geisti- zu drücken, um mit Futter belohnt zu werden, wenn
gen Behinderung kommt. Die geistigen Fähigkeiten es eine Salzlösung oder anderes Placebo injiziert
von Menschen mit Down-Syndrom weisen aller- ­bekommt. Die physiologischen Effekte der Droge
dings eine enorme Streubreite auf, von schwerer Be- dienen dabei als diskriminative Reize. Ist das Tier
hinderung bis zu fast durchschnittlicher Intelligenz. trainiert, zwischen Droge und Placebo zu unterschei­
Während früher die Sterblichkeit mit bis zu 60 % bis den und den entsprechenden Hebel zu drücken,
zum Schulalter angegeben wurde, geht man heute wird an Prüftagen eine andere Droge verabreicht.
davon aus, dass nur max. 5 % bis 10 % der Kinder Daraus, ob das Tier den »Drogenhebel« drückt,
mit Down-Syndrom aufgrund massiver zusätzlicher schlussfolgert man, ob die Wirkung der zweiten
Schädigungen im ersten Lebensjahr versterben. Kin- Drogen der der ersten gleicht.
der über fünf Jahre haben heute eine annähernd nor-
male Lebenserwartung. Druck, osmotischer (engl. osmotic pressure) Der
­ smotische Druck ist ein mechanischer oder che-
o
Dreifarbensehen (engl. trichromatic vision; Syn. mischer Druck, der durch ein Ungleichgewicht von
­ richromatizität) Das Dreifarbensehen (Dreifarben-
T z. B. Ionen oder Volumina auf zwei Seiten einer
theorie, trichromatische Theorie des Farbsehens) ist ­semipermeablen Membran entsteht. Dieser Druck
eine 1850 von Hermann von Helmholtz auf der Basis führt zur Diffusion der Teilchen, die die Membran
einer älteren Theorie von Thomas Young entwickelte passieren können (7 Osmose).
Theorie über die Farbwahrnehmung. Laut dem
Dreifarbensehen gibt es drei verschiedene Zapfen- Drüsen, endokrine (engl. pl. endocrine glands) Endo­
typen in der Retina des menschlichen Auges, die krine Drüsen sind spezialisierte Epithelzellen, die
jeweils eine unterschiedliche spektrale Empfänglich- Substanzen (Sekrete oder Hormone) bilden und
keit aufweisen, d. h. sie absorbieren Licht mit unter- ­diese direkt ins Blut oder die Lymphbahnen abge-
schiedlicher Wellenlänge. Die Farbe, die wir wahr- ben. Im Gegensatz zu exokrinen Drüsen besitzen sie
nehmen, ist abhängig von der Stärke der Aktivie- keinen Ausführungsgang, über den das Sekret nach
rung, die ein Lichtreiz in diesen drei Zapfenarten außen abgegeben werden kann. Das größte endokri-
Duodenum 73

ne Organ ist die Leber, die große Mengen von Plasma­ konnte zeigen, dass ein echtes Lächeln die Anspan-
eiweißen in die Blutbahn abgibt. Die meisten endo- nung des Zygomaticus major (großer Jochbein­
krinen Drüsen sind allerdings Hormondrüsen (z. B. muskel), der die Mundwinkel nach oben zieht, und
Schilddrüse, Nebenniere, Hypophyse), in denen der Musculus orbicularis oculi (Augenringmuskel),
spezielle Hormone produziert und abgegeben wer- der für die Lachfalten zuständig ist, einschließt.
den, die körperliche Vorgänge regulieren.
Ductus cochlearis (engl. ductus cochlearis; Syn. ­Scala
Drüsen, exokrine (engl. exocrine glands) Exokrine media, Schneckengang) Der Ductus cochlearis oder
Drüsen sind in die (Schleim-)Haut eingebettet. Bei der gebräuchlichere Begriff Scala media ist die wis- D
Bedarf wird das von ihnen gebildete Sekret über senschaftliche Bezeichnung für den Schneckengang
­einen Ausführungsgang auf die Oberfläche der Haut im Innenohr. Dieser 3–4 cm lange, zweieinhalb Mal
oder Schleimhaut geführt oder in einen Körperhohl- gewundene Gang liegt zwischen Scala vestibuli und
raum abgegeben, wobei sich die Drüsen entleeren. Scala tympani in der Schnecke und erscheint im
Drüsen der Haut sind z. B. Schweißdrüsen, Talgdrü- Querschnitt dreieckig. Der Ductus cochlearis ent-
sen, Giftdrüsen, Brustdrüsen, Duft- und Stinkdrü- hält die kaliumreiche, natriumarme Endolymphe.
sen sowie die Tränendrüsen. Drüsen der Schleim-
haut sind alle Anhangdrüsen des Verdauungstraktes Dunkeladaptation (engl. dark adaptation) Dunkel­
(bspw. Speicheldrüsen, Leber durch die Produktion adaptation ist die Anpassung der Sensitivität des
von Galle) und des Genitaltraktes. ­Auges, wenn die Helligkeit der Umgebung abnimmt.
Sie findet in 2 Phasen statt, wobei die erste durch die
DSM IV (engl. DSM IV) Das Diagnostic and Statis­ Zapfen bestimmt wird, die sich schneller, aber nicht
tical Manual of Mental Disorders (DSM IV) ist ein so stark anpassen wie die Stäbchen. Kurz nachdem
Klassifikationssystem für psychische Störungen, das die Zapfen ihre Maximalanpassung erreicht haben,
von der American Psychiatric Association (APA) beginnt, nach dem sog. rod-cone-break, die zweite
herausgegeben wird und momentan in der 4. Auf­ Phase, welche von den Stäbchen dominiert wird.
lage erhältlich ist. Mit dem DSM IV wird eine multi­ ­Diese sind wesentlich empfindlicher und erreichen
axiale Diagnose erstellt, wobei der Zustand eines nach rund 20–30 Min. ihre maximale Anpassungs­
Patienten auf fünf Achsen beurteilt wird. Dabei rate. Grund für die Dunkeladaptation ist die Pigment­
­kodieren die ersten beiden Achsen die eigentliche regeneration, also die Wiederherstellung des Sehpig-
Störung. Achse 1 erfasst psychische Störungen und ments Rhodopsin aus Retinaldehyd und ­Opsin durch
Achse 2 Persönlichkeitsstörungen und geistige Be- Enzyme aus dem Pigmentepithelium. Dieser Prozess
hinderungen. Die anderen drei Achsen dienen einer vollzieht sich in Zapfen schneller als in Stäbchen.
umfassenderen Beurteilung des Patienten. Achse 3
erfasst körperliche Störungen, die im Zusammen- Duodenum (engl. duodenum; Syn. Zwölffingerdarm)
hang mit psychischen Störungen von Bedeutung sein Das Duodenum bildet zusammen mit dem Jejunum
könnten, Achse 4 die Schwere der psychosozialen (Leerdarm) und dem Ileum (Krummdarm) den
und umweltbedingten Belastungsfaktoren und auf Dünndarm. Das Duodenum folgt direkt auf den
Achse 5 wird eine globale Beurteilung der sozialen ­Magen und ist der erste Teil des Dünndarms. Er ent-
und beruflichen Anpassung vorgenommen. springt am Pylorus (sog. »Pförtner« des Magens), ist
ca. 25 cm lang und C-förmig. Er umschließt einen
Duchenne-Lächeln (engl. Duchenne smile) Nach Teil der Bauchspeicheldrüse. Der Ausführungsgang
Paul Ekman (geb. 1934; amerikanischer Anthropo- der Bauchspeicheldrüse und der Gallengang enden
loge und Psychologe) gibt es nur ein einziges echtes gemeinsam in der Papilla vateri im Duodenum. Um
Lächeln: das Duchenne-Lächeln, welches nach dem ausreichend Nährstoffe aufzunehmen und Verdau-
gleichnamigen französischen Physiologen ­Guillaume ungssekrete zurück zu resorbieren, weist der kom-
Benjamin Duchenne de Boulogne benannt wurde. plette Dünndarm eine starke Oberflächenvergröße-
Er reizte mit elektrischem Strom durch Elektroden rung auf. Eine typische Erkrankung des Duodenums
auf dem Gesicht verschiedene Gesichtsmuskeln und ist das Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür).
74 Duplizitätstheorie des Sehens

Duplizitätstheorie des Sehens (engl. duplexity mation wird an andere Teile des Gehirns weiterge­
t­ heory of vision) Die Duplizitätstheorie des Sehens leitet und es werden gegenregulierende Mechanis-
entstammt der Feststellung, dass Stäbchen und Zap- men eingeleitet wie z. B. das Trinkverhalten.
fen verschiedene Arten des Sehens vermitteln und
jeweils unterschiedliche Sensitivitäten aufweisen. So Durst, volumetrischer (engl. hypovolemic thirst; Syn.
sind die Zapfen für das photopische (Farben-)Sehen hypovolämischer Durst) Volumetrischer Durst ent-
bei Helligkeit, die Stäbchen für das skotopische steht durch massiven Blutverlust oder den Verlust
(Hell-Dunkel-)Sehen zuständig. anderer Körperflüssigkeiten (z. B. durch Erbrechen
D oder Durchfall), die Salze und Wasser enthalten. Das
Dura mater (engl. dura mater) Die Dura mater ist Volumen der extrazellulären Flüssigkeit verringert
gemäß ihrem Namen eine harte und straffe Binde­ sich, allerdings ohne eine Änderung der Stoffkon-
gewebsschicht. Sie gehört zu den drei Hirnhäuten zentration. Aufgrund des Flüssigkeitsverlustes im
(Meningen) und ist die äußerste Schicht, die das Ge- Extrazellulärraum sind die Blutgefäße nicht mehr
hirn vom Schädel abgrenzt und einhüllt. Außerdem voll und gedehnt. Diesen Druckverlust erkennen
umgibt sie das Rückenmark vollständig als äußerste Barorezeptoren in den Hauptblutgefäßen und im
Schicht. Daher unterscheidet man ja nach Lage Herzen, die ihre Informationen über das autonome
­zwischen der Dura mater cranialis (Bereich des Ge- Nervensystem weiterleiten. Registrieren Sensoren
hirns) und der Dura mater spinalis (Bereich des in den Nieren, dass ein verminderter Zustrom von
Rückenmarks). Die D. m. besteht aus derbem, kolla- Blut zu den Nieren vorliegt, wird in den Nieren das
genem Bindegewebe und im Inneren einer aufge­la­ Hormon Renin ausgeschüttet, was wiederum eine
ger­ten flachen Epithelschicht. Im Bereich des Ge- hormonelle Kaskade auslöst. Am Ende dieser Kas­
hirns ist sie mit dem Periost (dünne Gewebeschicht kade steht Angiotensin II (als aktive Form des Hor-
auf der Außenfläche der Knochen) der Schädel­ mons Angiotensin), was die Blutgefäße veranlasst
knochen verwachsen. Sie setzt sich als harte Rücken- sich zusammenzuziehen (Vasokonstriktion) und Al-
markhaut in das Rückenmark fort. In diesem ­Bereich dosteron auszuschütten. Außerdem wird das Signal
befindet sich zwischen Dura mater und Wirbel­kanal an den Hypophysenhinterlappen (HHL) weiter­
ein mit Fettgewebe gefüllter Spaltraum (Epidural- geleitet, der Vasopressin (auch antidiuretisches
oder Periduralraum), d. h. sie ist nur punktuell mit ­Hormon, ADH) ausschüttet, was eine weitere Ver­
den Wirbeln verbunden. engung der Blutgefäße zur Folge hat und die Nieren
veranlasst, weniger Wasser an die Blase abzugeben.
Durst, osmotischer (engl. osmotic thirst) Osmo- Somit stimuliert Durst Trinkverhalten und verblei-
tischer Durst wird dadurch ausgelöst, dass durch bendes Wasser wird im Körper gespeichert.
Atmung, Hautatmung, Urinieren und Stuhlgang
mehr Salz als Wasser ausgeschieden wird. Demnach Dynorphine (engl. pl. dynorphins) Dynorphine be-
befindet sich weniger Flüssigkeit im extrazellulären zeichnen eine zu endogenen Opioiden zählende
Raum (Extrazellulärflüssigkeit) und die Salzkon- Gruppe von Neuropeptiden und werden aus dem
zentration ist gegenüber dem Intrazellulärraum er- Vorläufermolekül Prodynorphin gebildet. Sie sind
höht. Osmotischer Durst kann auch entstehen, wenn wie Endorphine und Enkephaline körpereigene
die Konzentration an Salzen im Extrazellulärraum ­Liganden und werden in Neuronen in Kernen des
erhöht wird (z. B. durch salziges Essen). Es entsteht Hypothalamus, Strukturen des limbischen Systems
in beiden Fällen ein osmotischer Druck, der Wasser (Corpus amygdaloideum) sowie in Regionen des
aus dem Intrazellulärraum zieht. Osmosensoren, Hirnstamms (rostroventrale Medulla oblongata)
die sich v. a. im Hypothalamus und in den Wänden synthetisiert. Dynorphine konnten auch im sympa-
des dritten Hirnventrikels befinden, erkennen diese thischen Nervensystem, im Rückenmark (periaquä-
Änderungen im osmotischen Druck. Sie sind sehr duktales Grau), im Nebennierenmark und im Gas-
dehnbar und ihre Membran besitzt mechanisch ge- trointestinaltrakt nachgewiesen werden. Dynorphi­
steuerte Ionenkanäle, die sich bei Formänderung ne besitzen eine hohe Affinität zu Kappa-Rezeptoren
öffnen und ein Aktionspotenzial erzeugen. Die Infor­ und zeigen eine schwache analgetische (schmerz-
Dyslexie, direkte 75

hemmende) Wirkung. Vermutet wird zudem eine leptika auftritt. Diese Nebenwirkung entsteht
Modulatorfunktion. durch eine dauerhafte Hemmung der Rezeptoren,
was eine kompensatorische Überempfindlichkeit
Dysgraphie, orthographische (engl. orthographical hervorruft. Die t. D. ist meist irreversibel und tritt
dysgraphia) Bei der orthographischen Dysgraphie häufiger bei Frauen und bei älteren Menschen auf.
handelt es sich um eine Störung des visuell-basierten Um die Symptome der tardiven Dyskinesie zu
Schreibens, bei der der Betroffene nicht mehr in der ­verringern, empfiehlt es sich, andere Präparate zur
Lage ist, sich ein Wort »visuell ins Gedächtnis« zu ­Behandlung der psychotischen Symptome zu be­
rufen und dieses dann »abzuschreiben«. Es ist den nutzen. D
Betroffenen allerdings möglich, Worte zu lautieren
und auf diesem »phonologischen Weg« zu schrei- Dyslexie (engl. dyslexia; Syn. Leseschwäche, Dys­
ben. Aus diesem Grund haben Betroffene keine orthografie, Rechtschreibeschwäche, Legasthenie)
Probleme, übliche Worte zu buchstabieren oder re- Dyslexie ist der international anerkannte Begriff für
gulär ausgesprochene »Nicht-Worte« zu schreiben. Lese- und Rechtschreibeschwäche. Er bezeichnet
Allerdings entstehen Probleme beim Aussprechen Probleme beim Erlernen von Lesen und Schreiben
irregulärer Wörter. Die orthographische Dysgraphie und tritt meist in Form von Schwächen beim Lesen
resultiert aus einer Schädigung des inferioren Parie- und Verstehen von Wörtern oder Texten auf. Dys­
tallappens. lexiepatienten lesen andere Wörter, als tatsächlich
dastehen, lesen nur buchstabenweise, haben meist
Dysgraphie, phonologische (engl. phonological Schwierigkeiten mit der Grammatik und selbst ein-
dysgraphia) Phonologische Dysgraphie ist das Ge- fache Wörter werden meist falsch geschrieben. Die
genteil der orthographischen Dysgraphie. Diese Stö- Krankheit zeigt sich im Kindesalter oft zuerst im
rung bezeichnet die Unfähigkeit ein Wort in seinen Rahmen einer sog. Lese-Rechtschreibschwäche
phonologischen Einzelteilen zu verarbeiten. So wird (­Legasthenie), wobei das Kind eine normale Intelli-
ein Wort nicht Buchstabe für Buchstabe, sondern als genz aufweist. Im Erwachsenenalter kann Dyslexie
Einheit erfasst. Es wird vermutet, dass das Nieder- durch Hirnverletzungen und -erkrankungen ausge-
schreiben möglich ist, da der Patient sich das Wort löst werden. Da sich diese Erkrankung in bestimm-
als Bild ins Gedächtnis ruft und dann »abschreiben« ten Familien häuft, wird von einer erblichen Kompo-
kann. Diese Art der Dysgraphie kann bei Läsionen nente ausgegangen. Behandelt wird Dyslexie durch
des superioren Temporallappens, der Inselregion, Logopäden, klinische Linguisten und Sprachheil-
des Wernicke-Areals oder der Stammganglien auf- pädagogen. Der komplette Verlust der Lesefähigkeit
treten. wird als Alexie bezeichnet.

Dyskinesie (engl. dyskinesia) Als Dyskinesie be- Dyslexie, direkte (engl. direct dyslexia) Dyslexien
zeichnet man Fehlbewegungen, insbesondere an den sind Lesestörungen ohne verminderte Intelligenz,
Hohlorganen wie Speiseröhre, Magen-Darm-Trakt, die in Folge von Hirnschädigungen oder aufgrund
Gallenblase, Luftröhre, Herz, weiblicher Genitaltrakt von entwicklungsbedingten Lese- und Schreib-
und die Strukturen der Harnableitung. Nach dem schwierigkeiten auftreten. Zu den zentralen Dys­
Zeitpunkt des Auftretens werden Früh- und Spät- lexien zählen die Oberflächendyslexie, die Tiefen-
dyskinesien unterschieden. D. können nach der Be- dyslexie, die phonologische und die direkte Dyslexie.
handlung mit Neuroleptika auftreten. Bei der direkten Dyslexie können die Betroffenen
Wörter korrekt und flüssig lesen, haben jedoch
Dyskinesie, tardive (engl. tardive dyskinesia) Bei ­keinen Zugriff auf die Bedeutung des Gelesenen. Zu-
der tardiven Dyskinesie handelt es sich um verzerrte dem treten häufig Lexikalisierungsfehler auf, wäh-
Mimik, Gesichts- und Zungenticks wie z. B. Schmat- rend jedoch das Schreiben derselben Wörter, das
zen. Es handelt sich um ein extrapyramidales Syn- mündliche Benennen entsprechender Bilder oder
drom, welches als Nebenwirkung bei der Behand- das Lesen von unregelmäßigen Wörtern kaum Prob-
lung mit Dopaminantagonisten, z. B. bei Neuro­ leme bereitet.
76 Dyslexie, entwicklungsbedingte

Dyslexie, entwicklungsbedingte (engl. congenital burtsverletzungen oder Lageanomalien der Gebär-


oder developmental dyslexia; Syn. kongenitale Dys­ mutter (z. B. Knickung) Ursache solcher Beschwer-
lexie) Entwicklungsbedingte Dyslexien bezeichnen den. Psychische Ursachen sind Stress, Partnerschafts­
Störungen, bei denen die Lesefähigkeiten nie voll- konflikte oder negative sexuelle Erlebnisse. Diese
ständig erworben werden. Sie werden der Lese-Recht- können zu unbewussten Abwehrreaktionen mit An-
schreibschwäche, einer heterogenen Klasse von spannungen und Verkrampfungen der Unterleibs-
Sprachschwierigkeiten, zugeordnet. Auffälligkeiten in muskulatur führen, woraus sich auch Vaginismus
der Neuroanatomie, Neurophysiologie sowie Stö- (Scheidenkrampf) entwickeln kann.
D rungen der visuellen und sprachlichen Informations-
verarbeitung scheinen ätiologisch bedeutsam. Die Dysprosodie (engl. dysprosodia) Dysprosodie be-
Lesestörung oder -schwäche ist angeboren und es tre- zeichnet eine Störung der Sprachmelodie, des Sprech­
ten familiäre Häufungen auf, was für eine genetische rhythmus, des Sprechtempos und der Satzintona­
Prädisposition spricht. Im Gegensatz dazu ­treten die tion, d. h. der prosodischen Elemente der Sprache
erworbenen Dyslexien infolge von durch Unfälle oder (Prosodie). Die Sprechweise ist häufig abgehackt
Krankheiten ausgelöste Gehirnverletzungen auf. oder monoton (Skandieren). Abweichungen im silbi­
schen Sprechen sowie Wort- und Satzakzent (Pseudo­
Dyslexie, phonologische (engl. phonological dys­ akzent) können beobachtet werden. Diese Merkmale
lexia) Die phonologische Dyslexie meint eine neuro- von Dysprosodie sind charakteristisch für die
psychologische Störung der Lesefähigkeit, bei der Sprachstörungen von Broca-Aphasikern, und sie
das lautierende Lesen gestört ist. Die Betroffenen treten bei der Parkinson-Krankheit oft in Kombina-
sind nicht mehr in der Lage unbekannte Worte oder tion mit Artikulationsstörungen auf.
sinnlose Silbenabfolgen zu lesen und auszusprechen,
können jedoch bekannte Worte problemlos lesen Dystonie (engl. dystonia) Die Dystonie gilt als orga-
und verfügen über ein gutes Sprachverständnis. Die nische, genetisch vererbte Störung, welche unwill-
phonologische Dyslexie wird häufig durch Läsionen kürliche Muskelkontraktionen (Hypertonie) und
im linken Frontallappen ausgelöst. Muskelschwäche (Hypotonie) umfasst. Ihren neuro-
logischen Ursprung finden diese Störungen der
Dyspareunie (engl. pain with intercourse; Syn. Algo- ­Bewegung in motorischen Zentren im Gehirn. Die
pareunie) Die Dyspareunie ist eine sexuelle Funk­ Dystonie kann anhand der betroffenen Körperteile
tionsstörung, die sich u. a. durch Schmerzen beim eingeteilt werden in fokale Dystonie (wenn ein dis-
Geschlechtsverkehr äußert. Diese Sexualstörung kreter Muskel betroffen ist), in segmentale Dystonie
der Frau kann in der Regel gut behandelt werden. Zu (wenn ein gesamter Körperteil oder benachbarte
den häufigsten organischen Ursachen für D. gehören Muskeln mit betroffen sind), in Hemidystonie (wenn
akute oder chronische Harnwegsinfektionen, Lubri- der halbe Körper betroffen ist) und in generalisierte
kationsstörungen (mangelnde Befeuchtung der Dystonie (wenn zwei oder mehr Körperteile betrof-
Scheide), welche durch einen Hormonmangel wäh- fen sind). Im Fall der fokalen Handdystonie (»Mu­
rend oder nach der Menopause ausgelöst sein kön- siker- oder Schreibkrampf«) scheint sie mit übermä-
nen, oder Scheidenverengungen (Stenosen) durch ßigem motorischen Üben und hoher Kraftausübung
krankhafte Veränderungen und Gebärmuttersen- von Bewegungen sowie mit einer anomalen somato-
kungen. Bei jüngeren Frauen sind oft Narben nach sensorischen Repräsentation der Finger, die mit
Unterleibsoperationen, Endometriosen, chronische ­einer anomalen taktilen Diskriminationsfähigkeit
oder akute Entzündungen, schlecht verheilte Ge- einhergeht, in Verbindung zu stehen.
E
Echolalie (engl. echolalia) Die Echolalie beschreibt Efferenzkopie (engl. efference copy) Nach dem Re­
einerseits sinnloses, oft zwanghaftes Wiederholen afferenzprinzip von von Holst und Mittelstaedt wer-
von Geräuschen, Äußerungen, Worten oder ­Phrasen den bei einer Augenbewegung efferente motorische E
Anderer und andererseits die Beschränkung der Signale vom Gehirn zu den Augenmuskeln geleitet,
Sprache auf das Nachsprechen. Dabei kann es auch wobei von der Information der intendierten Augen-
zu einer leichten Umformung der Wortwahl und bewegung eine sog. Efferenzkopie erstellt wird. ­Diese
Wortstellung kommen. Echolalie gilt als Merkmal wird dann im Komparator mit der Reafferenz, dem
einer Aphasie und des fortgeschrittenen Tourette- afferenten Signal über die retinale Bildverschiebung,
Syndroms. Bis zum zweiten Lebensjahr ist Echolalie verglichen, so dass die Bewegungsabfolge kon­trolliert
als Wiederholung vorgesagter Phrasen in der früh- und die Wahrnehmung bestimmt werden kann.
kindlichen Entwicklung normal (physiologische
Echolalie). Eifollikel (engl. ovarian/graafian follicle) Eifollikel
liegen in der Rindenzone des Eierstocks und beste-
ECT 7 Elektrokrampftherapie hen aus Eizelle (Oozyte) und Epithelgewebe. Je nach
Entwicklungsstadium ist das Epithelgewebe unter-
EDA 7 Aktivität, elektrodermale schiedlich aufgebaut, so liegt der Primordialfollikel
schon bei Neugeborenen vor und besteht aus einer
EEG 7 Elektroenzephalogramm Eizelle, die von flachen Epithelzellen umgeben ist. Ist
die Eizelle nun von kubischen Epithelzellen um­geben,
Effektor (engl. effector; Syn. Erfolgsorgan) In der Me- spricht man vom Primärfollikel. Wächst die Eizelle
dizin und Physiologie versteht man unter Effektoren und wird durch die Zona pellucida von den mehr-
Teile des Körpers, die einen Befehl des ZNS, der über schichtigen hochprismatischen Epithelzellen abge-
die Efferenzen zum Effektor kommt, ausführen. Ein grenzt, entsteht der Sekundärfollikel. Werden nun
Beispiel für ein solches Erfolgsorgan sind die Mus- die Epithelzellen zu Granulosazellen und bilden sich
keln, die kontrahieren, um bspw. die Hand von der Hohlräume mit Flüssigkeit, bezeichnet man den Ei-
heißen Herdplatte wegzuziehen. Das Gegenteil von follikel als Tertiärfollikel, der, sofern er sprungbereit
Effektoren sind die Sensoren. ist, als Graaf-Follikel bezeichnet wird. Dieser wird
nach dem Eisprung (Ovulation) zum Gelbkörper.
efferent (engl. efferent; Syn. absteigende Bahnen,
­motorische Bahnen) Als efferent werden Nervenfa- Eigenreflex (engl. monosynaptic reflex) Ein Eigen-
sern bezeichnet, die die Erregung vom zentralen reflex ist ein Reflex, bei dem Reizverarbeitung und
Nervensystem zu Effektoren im peripheren Nerven- motorische Antwort des Organismus im selben Or-
system (wie etwa Muskeln) weiterleiten. Das Gegen- gan erfolgen. Eigenreflexe sind häufig monosynap-
teil von efferent ist afferent. tisch und dienen der relativen Anpassung der Mus-
kelspannung gegenüber Veränderungen der Gelenk-
Efferenz (engl. efference) Im Gegensatz zu Afferenz stellung. Beispiele für Eigenreflexe sind der Patellar-
bezeichnet eine Efferenz eine Nervenverbindung, sehnenreflex und der Archillessehnenreflex.
welche die Signale vom Zentralnervensystem zur
Peripherie leitet. Einheit, motorische (engl. motor unit) Die moto-
rische Einheit ist die kleinste Funktionseinheit der
78 Einnahme, orale

Motorik und besteht aus einem Motoneuron und trode kann auch außerhalb der Zelle platziert wer-
den von ihm innervierten Muskelfasern. Eine Mus- den, ein Vorgang, der nicht immer gewährleistet,
kelfaser wird somit nur durch ein Motoneuron ange- dass tatsächlich die Aktivität der Zelle gemessen
regt, aber ein Neuron kann eine und mehrere Mus- wird, die angestrebt war. Mit neuester Technik kann
kelfasern versorgen. Das Axon des Motoneurons durch die Transplantation einer Mikroelektrode
spaltet sich dabei in mehrere Kollaterale auf, die je- auch die Aktivität von Neuronen im Gehirn von sich
weils über die motorische Endplatte den Kontakt zur frei bewegenden Tieren gemessen werden. Die Signa­
Faser herstellen. Wie viele Muskelfasern ein Moto­ le werden dann mit einem Oszilloskop sichtbar und
neuron innerviert, hängt von der Anforderung an über einen Lautsprecher hörbar gemacht. Einzellab­
die muskuläre Feinsteuerung ab. Je feiner die Kont- leitungen werden bei verschiedensten Studien – z. B.
E rolle der Bewegungen sein soll, desto geringer ist die zur Untersuchung der Richtungssensitivität einzel-
Anzahl der innervierten Fasern. Bei Augenbewe- ner Zellen – eingesetzt.
gungen innerviert ein Motoneuron nur drei Muskel-
fasern, während das Verhältnis bei der Beinbewe- Eiweiß 7 Protein
gung 1:300 beträgt.
Ejaculatio praecox (engl. premature ejaculation;
Einnahme, orale (engl. oral application) Bei der Syn. vorzeitiger Samenerguss) Ejaculatio praecox
oralen Einnahme werden Medikamente in fester ­bezeichnet das wiederholte vorzeitige Einsetzen des
(Tabletten, Kapseln u. Ä.) oder flüssiger Form (Trop- Samenergusses des Mannes vor dem von ihm ge-
fen, Hustensaft u. Ä.) durch den Mund aufgenom- wünschten Zeitpunkt, z. B. bei manueller Stimula­
men, also über den oralen Weg. Die Stoffe gelangen tion bzw. beim Geschlechtsverkehr bereits vor oder
anschließend in den Verdauungstrakt, durchqueren kurz nach dem Eindringen in die Vagina. Die Diag-
ihn und werden meist über den Dünndarm ins Blut nose des E. p. wird gestellt, wenn der Mann den Sa-
aufgenommen (Resorption), können aber auch schon menerguss nicht kontrollieren kann bzw. die Part­
früher ihre Wirkung entfalten. Ein Nachteil der ora­ nerin aufgrund der fehlenden Kontrolle des Mannes
len Einnahmen besteht darin, dass die Wirkstoffe nicht zum Orgasmus kommt. Es existieren verschie-
beim Passieren der Leber chemisch verändert wer- dene Therapiemöglichkeiten, u. a. die sog. Squeeze-
den können. Andere Darreichungsformen von Medi­ Technik, durch die der Ejakulationsreflex des Man-
kamenten sind die Injektion und Infusion ins Blut nes durch Druck auf die Eichel kurz vor dem Samen-
(intravenös) oder die Aufnahme über den After erguss unterbrochen werden soll.
(anal).
Ejakulation (engl. ejaculation, Syn. Samenerguss)
Einnahme, sublinguale (engl. sublingual applica­ Ejakulation bezeichnet die Ausschüttung eines
tion) Bei der sublingualen Einnahme werden Medi- ­Sekrets der Geschlechtsorgane bei Menschen und
kamente oder Drogen unter die Zunge verabreicht. Tieren, was i. d. R. beim Orgasmus geschieht. Dabei
So kann der Stoff schneller ins Blut gelangen, denn kommt es zu Muskelkontraktionen, wobei die Flüs-
das venöse Blut aus der Mundschleimhaut fließt sigkeit transportiert und herausgeschleudert (lat.:
­direkt in die obere Hohlvene. Ein Vorteil ist, dass eiaculare = herausschleudern) wird. Die Farbe des
diese Verabreichung auch bei Schluckbeschwerden Ejakulates ist milchig-weiß bis hellgelb. Beim männ-
durchgeführt werden kann. Außerdem wird die Le- lichen Geschlecht sind in dieser Flüssigkeit die Sper-
ber nicht passiert, in der der Stoff eventuell verändert mien enthalten, weshalb man es auch als Sperma
werden könnte. bezeichnet. Im Normalfall treten bei einer E. 2 bis
6 ml Sperma aus. Auch bei der Frau kann es während
Einzelzellableitung (engl. single cell conductance) des Orgasmus zur Ejakulation kommen. Das Sekret
Bei der Einzelzellableitung wird die Aktivität eines wird hier in den sog. Skene-Drüsen gebildet, die sich
einzigen Neurons gemessen. Dabei kann die Mikro- rechts und links der Harnröhre befinden. Die Menge
elektrode in die Zelle eingeführt werden, was die Ge­ variiert von ein paar Tropfen bis zu einigen Milli­
fahr der Zerstörung der Zelle beinhaltet. Die Elek- litern.
Elektrogastrogramm 79

EKG 7 Elektrokardiogramm den abgegeben), auch als Anode. Die Elektrode,


an der die Reduktion abläuft, wird als Kathode be-
EKP 7 Potenzial, ereigniskorreliertes zeichnet. Läuft die Reaktion spontan (ungerichtet)
ab, ist die Anode der Minuspol, bei erzwungenen
EKT 7 Elektrokrampftherapie Reaktionen (durch äußere Spannung) ist die Anode
positiv geladen und somit der Pluspol.
Elektrochemie (engl. electrochemistry) Das Gebiet
der Elektrochemie befasst sich zum einen mit den Elektroenzephalogramm (engl. electroencephalo­
Zusammenhängen elektrischer und chemischer gram) Kontinuierliche elektrische Potenzialschwan-
Vorgänge und meint zum anderen eine Synthese­ kungen, die mittels Elektroden auf der Kopfhaut
methode (Elektrosynthese). Ist eine chemische Reak­ abgeleitet werden, werden als Elektroenzephalo- E
tion mit einem elektrischen Strom verknüpft, so ist gramm (EEG) bezeichnet. Registriert wird dabei
dies ein elektrochemischer Vorgang, die sog. Redox- die Summe der langsamen postsynaptischen Poten-
reaktion. Redoxreaktionen (eigentlich Reduktions- ziale der Kortexneurone, allerdings auch elektrische
Oxidations-Reaktionen) sind Vorgänge, bei denen Signale von Haut, Muskeln, Blut und Augen. Die
von einem Reaktionspartner Elektronen auf den zeitliche Auflösung dieser noninvasiven Messme-
­anderen Reaktionspartner übertragen werden. Bei thode erlaubt es, Verarbeitungsprozesse im Gehirn
elektrochemischen Reaktionen werden die beiden trotz ihrer hohen Geschwindigkeiten zu erfassen.
miteinander reagierenden Stoffe räumlich getrennt, Da­gegen kann die örtliche Position aktivierter Hirn-
so dass der Elektronenfluss zwischen den beiden strukturen nur mathematisch abgeschätzt werden,
Stoffen zur Erzeugung elektrischen Stroms genutzt da die Amplitude von EEG-Signalen mit zunehmen­
werden kann. Angewendet wird dieses Verfahren der Entfernung von der Quelle abnimmt. In ver-
etwa bei Batterien, Brennstoffzellen oder bei der schiedenen Frequenzen und Amplituden spiegeln
Herstellung unedler Metalle wie Lithium oder Alumi­ EEG-Rhythmen bzw. -Wellenmuster bestimmte Be­
nium durch spezielle Elektrolyseverfahren. wusstseinszustände wider. Es können zwei Arten
von Aktivitäten analysiert werden: die Spontanak­
Elektrode (engl. electrode) Elektroden sind elekt­ tivität und die Ereignis korrelierte Aktivität. Das
risch leitende Teile, die aus elektrisch leitendem EEG ist eine wichtige Messmethode der biopsycho-
­Material wie Metall, Graphit oder Glas (gefüllt mit logischen Forschung und findet Anwendung bei der
einer leitfähigen Flüssigkeit) bestehen können. In Erforschung des Schlafes oder von Aufmerksam-
Abhängigkeit vom Stoff oder Gewebe, in dem sich keitsprozessen.
die Elektroden befinden, entstehen unterschiedliche
Formen der Wechselwirkung. So werden von der Elektrogastrogramm (engl. electrogastrogram) Das
Elektrode, die den Minuspol darstellt, Elektronen in Elektrogastrogramm (EGG) ist eine der psychophy-
das Gewebe abgegeben, um von dort von der Elekt­ siologischen noninvasiven Untersuchungsmetho-
rode, die den Pluspol darstellt, aufgenommen zu den, die elektrische Biosignale (auch Biopotenziale
werden. In der Psychologie werden Elektroden bei genannt) erfassen. Im Falle des EGG werden die Ak-
der Durchführung psychophysiologischer Mess­ tionsströme und damit die Bewegungen des Magens
methoden (z. B. Elektroenzephalographie, Elektro- registriert. Dafür bringt man an der Haut über dem
gastrographie oder Elektrookulographie) ­verwendet. Magen Elektroden an, mit Hilfe derer die Muskelak-
Dabei wird eine Referenzelektrode verwendet, die tionspotenziale, die bei der Kontraktion des Magens
an einem Ort mit konstantem Gleichgewichtspoten- entstehen, abgeleitet werden können. Bei der Moto-
zial angesetzt wird. Diese ist dann der Bezugspunkt rik des Magens (Magenmotilität) zeigt sich eine
für die Messwerte (relative Potenziale) anderer Elekt­ Grundfrequenz, die sog. langsamen Wellen, die mit
roden. Es werden also immer Potenzialdifferenzen einer Frequenz von ca. 3 Wellen pro Minute auftre-
und keine absoluten Potenziale gemessen. Bei elekt­ ten. Diese Slow Waves können von weiteren Kon-
ro­chemischen Reaktionen bezeichnet man die Elekt­ traktionen überlagert werden, die dann auftreten,
rode, an der die Oxidation abläuft (Elektronen wer- wenn ein Aktionspotenzial mit dem Scheitelpunkt
80 Elektrokardiogramm

einer langsamen Welle zusammenfällt. Mit dem beim Elektroenzephalogramm (EEG) die summier-
EGG werden die summierten Muskelaktionspoten- te elektrische Aktivität gröβerer Neuronenverbände
ziale gemessen. Die Peristaltik (Muskelaktivität) des (meist Pyramidenzellen) erfasst, die senkrecht zur
Magens wird durch Emotionen, Kognitionen, aber Kortexoberfläche orientiert sind (sog. columns =
auch Empfindungen im Zusammenhang mit dem Säulen). Während dies beim EEG mittels Makro­
Gleichgewichtssinn (wie etwa bei Achterbahnfahr­ elektroden über die geschlossene Kopfhaut ge-
ten oder Schwerelosigkeit) beeinflusst. Neue Ergeb- schieht, ist der Schädel beim ECG geöffnet und die
nisse zeigen, dass das EGG auch der Lügendetektion elektrische Aktivität wird subdural direkt an der
dienen kann. Neben der Annahme, dass die Herz- Kortexoberfläche abgeleitet. Dies geschieht meist im
rate beim Aussprechen einer Lüge ansteigt, konnte Rahmen von Gehirnoperationen, z. B. zur Behand-
E gezeigt werden, dass sich die Magenmotilität gegen- lung von Epilepsie. Wie im EEG kann die abgeleitete
sätzlich verhält, d. h. die Grundfrequenz ist verlang- elektrische Aktivität in verschiedenen Frequenzbän-
samt und der Magen ist ruhiger. dern (α, β, γ, δ, θ) erfasst werden. Durch die direkte
Ableitung an der Kortexoberfläche sind die Signale
Elektrokardiogramm (engl. electrocardiogram) deutlicher und weniger anfällig für Verfälschungen
Beim Elektrokardiogramm (EKG) werden die elek- durch z. B. Muskelaktivität.
trischen Aktivitäten des Herzens abgeleitet und in
Form von Kurven aufgezeichnet. Jeder Pumpfunk­ Elektrokrampftherapie (engl. electroconvulsive
tion des Herzens geht eine zumeist vom Sinusknoten treatment; Syn. Elektrokonvulsionstherapie) Die
ausgehende elektrische Erregung voraus, die weiter Elektrokrampftherapie (ECT, EKT) zählt neben
zu den Muskelzellen verläuft. Die aufgezeichneten der transkraniellen Magnetstimulation (engl. trans­
Potenzialschwankungen sind Ausdruck der sum- cranial magnet stimulation TMS) und der transkra-
mierten Aktionspotenziale in den Muskelzellen des niellen Gleichstromstimulation (engl. transcranial
Herzens. Das EKG besteht im Normalfall aus fünf direct current stimulation tDCS) zu den bekanntes-
Abschnitten. Der erste Abschnitt, die sog. P-Welle, ten elektromagnetischen Verfahren in der Psychia-
entspricht der Vorhoferregung, an die sich der QRS- trie und Neurologie. Bereits im 11. Jh. verwendete
Komplex anschließt, der der Kammererregung ent- der Arzt Ibn-Sidah die elektrischen Gleichströme
spricht. Hierbei bezeichnet Q den ersten negativen eines Zitterwels (Malapterurus electricus) zur Be-
Ausschlag, R den ersten positiven Ausschlag und S handlung der Epilepsie. In den folgenden Jahr­
den negativen Ausschlag nach der R-Zacke. Die nun hunderten wurde diese Methode zur Behandlung
folgende T-Welle entspricht der Erregungsrück­ von Migräne und Depressionen verwendet. Bei der
bildung der Kammer. Zeitweise lässt sich auch eine modernen EKT werden dem gegenüber kurzzeitige
U-Welle beobachten, die allerdings nur unter be- elektrische Wechselströme durch das Gehirn ge­
stimmten Bedingungen wie z. B. Elektrolytstörun- leitet, die zu einem Krampfanfall des Patienten füh-
gen, auftritt. Die R-Zacke ist gewöhnlich die höchste ren. Der Pa­tient wird vor der Behandlung in eine
Zacke im EKG und wird in der Psychophysiologie Kurznarkose versetzt. Zusätzlich wird ein muskel­
zur Markierung des einzelnen Herzschlags verwen- entspannendes Medikament verabreicht, das die
det. Über die Herznerven in der Medulla oblongata Übertragung der Nervenimpulse auf die Muskeln
(verlängertes Rückenmark) wird die Herzschlagfre- vorübergehend hemmt, damit es während der Be-
quenz den antizipierten und real existierenden phy- handlung zu ­ keinen Verletzungen kommt. Heute
sischen und psychischen Anforderungen angepasst. wird die EKT insb. bei schweren Depressionen ein-
Adrenerg sympathische Herzfasern erhöhen die gesetzt, bei denen eine medikamentöse Behandlung
Schlagfrequenz, während parasympathisch choli- unzureichend ist. Außer­dem gilt sie bei katatonen
nerge Fasern aus dem Vaguskern die Schlagfrequenz Zuständen, in ­denen der Patient auf seine Umwelt
erniedrigen (7 Sympathikus; Parasympathikus). nicht mehr reagiert, als »lebensrettend«. Zu den
häufigsten Nebenwirkungen zählen vor allem Ge-
Elektrokortikogramm (engl. electrocorticogram) dächtnisstörungen wie bspw. Amnesien (Gedächt-
Beim Elektrokortikogramm (ECG) wird ebenso wie nisverlust).
Elektrotonus 81

Elektrolyte (engl. pl. electrolytes) Elektrolyte sind in zen und damit eine höhere Auflösung ermöglichen.
Wasser gelöste Mineralstoffe, sie befinden sich in je- Sie wird allerdings auch durch die Wellenlänge be-
dem Teil des menschlichen Körpers in einer be- grenzt. Die Untersuchung lebender Organismen ist
stimmten Konzentration und einem bestimmten nicht möglich, da das Präparat zum einen sehr dünn
Gleichgewicht. Zu den Elektrolyten zählen neben geschnitten sein muss, um für einen Teil der Elektro-
Säuren und Basen auch die Salze. Ein Ungleichge- nen durchlässig zu sein, und zum anderen in einem
wicht der Elektrolyte kann beim Menschen lebens- Hochvakuum des Mikroskops liegt. Der Elektro­
gefährliche Symptome hervorrufen und wird z. B. nenstrahl wird direkt auf das Präparat gerichtet
durch Diarrhö oder Erbrechen ausgelöst. Durch die und durchläuft mehrere elektromagnetische Felder,
Bestimmung der Elektrolyte Natrium, Kalium, die der Beschleunigung und Fokussierung des
­Magnesium, Chlorid, Phosphat und Kalzium im Strahls dienen. Elektronen, die durch das Präparat E
Blut können Störungen des Elektrolythaushalts und gelangen, werden von einem photographischen Film
z. B. Nierenerkrankungen nachgewiesen werden. aufgefangen.
Jedes Elektrolyt übernimmt eine entscheidende
Funktion im menschlichen Körper. So ist Kalium Elektroneurographie (engl. electroneurography) Die
z. B. elementar an der Entstehung von Aktions- und Elektroneurographie (ENG) wird als Methode der
Ruhepotenzialen in Nervenzellen beteiligt, während Elektrodiagnostik in der Neurologie zur Registrie-
Kalzium eine entscheidende Rolle bei der neuro- rung des Funktionszustandes von Nerven eingesetzt.
muskulären Erregungsübertragung übernimmt. Der Nerv wird durch einen kurzen elektrischen Im-
puls (0,1–0,2 ms) gereizt. Die damit ausgelöste De-
Elektromyogramm (engl. electromyography) Beim polarisation wird in Form einer Spannungsänderung
Elektromyogramm (EMG) werden elektrische Sig- am Nerv gemessen. Dadurch kann die sensible und
nale von bestimmten Muskelgruppen abgeleitet, be- motorische Nervenleitgeschwindigkeit, die Ampli-
sonders im Gesichtsbereich (Stirn, Augen, Mund- tude und die Refraktärzeit angegeben werden. Krank­
winkel). Mit Hilfe von Oberflächenelektroden wer- hafte Veränderungen der Nervenhülle können mit
den die Potenzialdifferenzen in großen Muskelfaser- dieser Methode festgestellt werden.
gruppen erfasst. In der Regel wird dabei die Summe
der Aktionspotenziale mehrerer Muskelfasern ge- Elektrookulogramm (engl. electrooculography)
messen. Mit bipolaren Nadelelektroden kann aber Das Elektrookulogramm (EOG) ist eine Sonder-
auch die Aktivität einzelner Fasern abgeleitet wer- form des Elektromyogramms (EMG) und dient der
den. Zur Errechnung der Potenziale wird die Aktivi- Analyse der Aktivität der Augenmuskeln. Bei einem
tät des ruhenden Muskels (Spontanaktivität) mit der EOG werden in Nähe der Augen Elektroden fixiert,
Aktivität bei unterschiedlich starker Kontraktion die elektrische Ströme aufnehmen, welche durch
verglichen. Durch ein EMG können Aussagen über die ­ Bewegung der Augen entstehen. Die Ströme
Krankheiten der Nerven- und Muskelzellen gemacht werden dabei anhand der Potenzialschwankungen
werden. Die Aufzeichnung und Analyse der Poten- an den fixen Elektrodenpositionen registriert, auf-
ziale erfolgt mit einem Oszilloskop, Magnetbandauf- gezeichnet und anschließend analysiert. Das EOG
zeichungsgerät, PC oder Plotter. findet besonders bei der Differenzierung von
­Wachheit, non-REM-Schlaf und REM-Schlaf An-
Elektronenmikroskopie (engl. electron microscopy) wendung.
Da die Detailauflösung in einem herkömmlichen
Lichtmikroskop begrenzt ist, kann mit einem Elek- Elektrotonus (engl. electrotonus) Mit Elektrotonus
tronenmikroskop durch einen Elektronenstrahl eine bezeichnet man die durch Gleichstrom ausgelös-
Verbesserung der Auflösung erreicht werden. Die te Zustandsänderung erregungsfähiger Strukturen.
höhere Auflösung eines Elektronenmikroskops im Die elektrotonische Erregungsleitung erfolgt auf Ba-
Bereich von 0,1 bis 1,5 nm wird dadurch erreicht, sis von Ionenflüssen und nur über kurze Strecken.
dass schnelle Elektronen wie im Elektronenstrahl Ein Beispiel für diese Art der Erregungsleitung fin-
eine kleinere Wellenlänge als sichtbares Licht besit- det sich im Auge. Dabei wird die Erregung von den
82 Embolie

Photorezeptoren der Netzhaut elektrotonisch durch Embryo (engl. embryo) Als Embryo (griech. embry-
die Horizontal-, Bipolar- und Amakrinen-Zellen zu on = ungeborene Leibesfrucht) wird der sich ent-
den Ganglienzellen geleitet. Erst in den Ganglienzel- wickelnde menschliche Organismus während der
len entstehen Aktionspotenziale. Pflüger (Pflueger’s ersten 8 Wochen nach der Befruchtung der Eizelle
law; 1829–1910, Bonner Physiologe) formulierte (Konzeption) bezeichnet. Am Ende dieser Phase
in seinem »Gesetz der polaren Erregung« (auch sind die inneren Organe angelegt und zumindest
­Zuckungsgesetz) die Abhängigkeit des Reizerfolges rudimentär ausgebildet. Auch die menschliche Ge-
von Richtung und Stärke des Stroms und dem Schlie- stalt ist erkennbar. Ab diesem Zeitpunkt (nach dem
ßen bzw. Öffnen eines Stromkreises. Man unterschei­ 3. Monat) spricht man dann von einem Fetus.
det zwischen An- und Katelektrotonus. Anelektro­
E tonus (anelectrotonus) bezeichnet die verminderte EMG 7 Elektromyogramm
Erregbarkeit eines Nervs, der von konstantem
Gleichstrom durchflossen wird und in der Nähe der Emotion (engl. emotion) Der Begriff Emotion wird
Anode (positiver Pol) liegt. Katelektrotonus (catelec- oft als Synonym für Gefühl oder Affekt verwendet.
trotonus) ist die gesteigerte Erregbarkeit und Erre- Er stellt ein hypothetisches Konstrukt dar, welches
gungsausbreitung eines Nervs unter der Katode Reaktionsvorgänge eines Organismus auf für ihn
(­negativer Pol) bei angelegtem Gleichstrom. Lang­ bedeutsame Ereignisse bezeichnet. Emotionen be-
anhaltender Katelektrotonus blockiert das Natrium- stehen aus verschiedenen Komponenten: der subjek-
system und wirkt dadurch erregungsmindernd (de- tiven Ebene (Erlebnisaspekt), der kognitiven Ebene,
pressiver Katelektrotonus). der physiologischen Ebene und der Verhaltensebene
(7 System, limbisches). Sie entstehen z. T. auch, ohne
Embolie (engl. embolism) Eine Embolie bezeichnet dass situativ (offensichtlich) ein Grund gegeben ist,
einen plötzlichen partiellen oder vollständigen Ver- was die Erforschung kausaler Zusammenhänge er-
schluss eines Blutgefäßes durch körpereigenes oder schwert. Die Grundlagen für Emotionen sind ange-
körperfremdes eingeschwemmtes Material (Embo- boren und werden im Verlauf des Lebens ausdif­
lus), das über die Blutbahn transportiert wurde. Ein ferenziert. In der Literatur häufig erwähnte und als
Embolus ist ein festes Gebilde, das sich nicht im die 6 Basisemotionen bezeichnete Emotionen sind
Blutplasma auflöst und zumeist aus einer Verklum- Angst, Furcht, Abscheu, Freude, Überraschung und
pung von Blutzellen (speziell der Thrombozyten) Traurigkeit.
besteht. Solche Pfropfen schwimmen mit dem Blut-
strom mit, bis sie in Bereiche gelangen, die sie nicht Empfindung (engl. perception) Der Begriff Empfin­
passieren können, da der Gefäßdurchmesser zu ge- dung bezeichnet einfache Erlebnisse, die aus einer
ring ist. Hier kommt es dann zur sog. Embolie, Reizung der Sinnesorgane resultieren. Einerseits
die zu verschiedenen Funktionsstörungen führt. Be- kann man qualitativ unterschiedliche Modalitäten
dingt durch die Kreislaufunterbrechung und ein­ wie Geruchs-, Tast-, Geschmacks-, Schmerz-, Gehör-
geschränkte Blutversorgung kommt es häufig zum Temperatur-, Organ-, Bewegungs- sowie Gleichge-
Absterben eines begrenzten Abschnitts des ver- wichtsempfindungen unterscheiden. Andererseits
sorgten Organs. Embolien können nach der Ursache werden in der Alltagssprache oft die Bezeichnungen
des Embolus in Thrombembolie, Fettembolie, Luft- Gefühl oder Affekt synonym verwendet, weshalb
embolie, Tumorembolie, Fruchtwasserembolie und eine scharfe Grenze zu Emotionen nicht gezogen
Gasembolie unterteilt werden. Nach dem Ort der werden kann. Bei Empfindungen spielen Faktoren
Embolie unterscheidet man die Lungenembolie wie Intensität, Dauer, allgemeine körperliche und
(Embolus stammt aus den Venen; Embolie in der psychische Verfassung, Kognition und Bewertung
Lunge), arterielle Embolie (Embolus stammt aus eine wichtige Rolle.
dem Herz, der Aorta oder den großen Arterien;
­Embolie in den Arterien) und paradoxe Embolie Encéphale isolé (engl. Encéphale isolé) Mit Encé­
(Embolus stammt aus den Venen; Embolie in den phale isolé beschreibt man einen Schnitt zwischen
Arterien). Rückenmark und Medulla oblongata (verlängertes
Endplatte, motorische 83

Mark). Dieser Schnitt durch den kaudalen Hirn­ Medizin ist sie ein Teilgebiet der Inneren Medizin
stamm bewirkt das Abtrennen des Gehirns vom und beschäftigt sich mit Beschwerden, die durch
restlichen Nervensystem. Im Gegensatz zu einer hormonelle Fehlfunktionen verursacht sind, so z. B.
Cerveau isolé, bei der eine Störung des Schlaf-Wach- Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes mellitus.
Rhythmus auftritt, lassen sich bei der Encéphale
­isolé keine derartigen Veränderungen im EEG fest- Endorphine (engl. pl. endorphins) Endorphine be-
stellen, obwohl nahezu die gleichen sensorischen zeichnen endogene, vom Körper selbst produzierte
Fasern durchtrennt werden. Dieses Vorgehen wird Opioide. Sie wirken schmerzlindernd bzw. schmerz­
v. a. in der tierexperimentellen Forschung ver­wendet, unterdrückend. Die bekanntesten Endorphine sind
um bestimmte Mechanismen, z. B. die des Schlafs, α-, β- und γ-Endorphin. Ein gemeinsames Struk-
zu untersuchen. turmerkmal ist eine Peptidgruppe mit vier Amino- E
säuren (Tetrapeptid). Auslöser für die Ausschüttung
Endhirn 7 Telenzephalon; Großhirn von Endorphinen sind Verletzungen, UV-Licht, po-
sitive Erlebnisse und anstrengende sportliche Be­
Endigung 7 Endknopf tätigung. Endorphine regeln die Empfindungen von
Schmerz und Hunger und stehen im Zusammen-
Endknopf (engl. presynaptic terminal, presynaptic hang mit der Produktion von Sexualhormonen. Das
bouton) Das Axon einer Nervenzelle endet in einer Endorphinsystem wird in Gefahrensituationen akti-
kugelförmigen Verdickung, dem Endknopf (wenn es viert, was eine vorübergehende Schmerzlosigkeit
sich um den präsynaptischen Teil einer chemischen auch bei schweren Verletzungen zulässt und eine
Synapse handelt auch präsynaptische Endigung bzw. mögliche Flucht gewährleistet. Außerdem sind En-
Axonterminal genannt). Dieser enthält neben einer dorphine an der Entstehung von Euphorie beteiligt.
großen Anzahl von Mitochondrien viele synaptische
Bläschen, die Vesikel, in denen Neurotransmitter Endozytose (engl. endocytosis) Unter Endozytose
gespeichert werden. Die wichtigste Funktion des versteht man die Aufnahme extrazellulären zellfrem­
Endknopfs bei einem ankommenden Aktionspoten- den Materials in das Innere der Zelle. Dabei wird
zial besteht in der Ausschüttung der Transmitter, zwischen Pinozytose (»Zelltrinken«) und Phago­
indem die Vesikel zur präsynaptischen Membran zytose (»Zellfressen«) unterschieden. Erstere ist ein
wandern und dort durch Exozytose ihren Inhalt in Vorgang zur Aufnahme von flüssigen Substanzen
den synaptischen Spalt freisetzen, so dass an der und letztere bezeichnet die Aufnahme fester Partikel
postsynaptischen Membran eine Erregung oder wie z. B. Bakterien. Ein Beispiel dafür sind die Ma-
Hemmung ausgelöst werden kann. krophagen als Blutzellen, die dafür zuständig sind,
Bakterien und Viren einzuschließen und dann zu
endokrin (engl. endocrine, endocrinic) Als endokrin eliminieren. Neben der Zerstörung von Krankheits-
wird der Sekretionsmodus von Drüsenzellen be- erregern wird durch die Endozytose auch das Memb-
zeichnet, die ihre Produkte direkt (ohne Ausfüh- rangleichgewicht aufrechterhalten.
rungsgang) ins Blut, die Lymphe oder das Gewebe
abgeben. Beispiele für endokrine Drüsen sind die Endplatte, motorische (engl. motor end plate) Die
Hormondrüsen der Schild- und Nebenschilddrüse, motorische Endplatte ist die Verbindung zwischen
Hoden und Eierstöcke. Das Gegenteil von endokrin einer Nerven- und einer Muskelzelle, also die Synap-
ist exokrin. Dabei geben exokrine Drüsen ihre Se- se, die diese beiden verbindet (neuromuskuläre Syn-
krete mittels Ausführungsgängen in die Körperhohl- apse bzw. Endplatte). Es handelt sich dabei um eine
räume, z. B. Magen und Darm oder an die Umwelt chemische Synapse, da bei ankommendem Aktions-
(Schweißdrüsen, Talgdrüsen) ab. Im weiteren Sinne potenzial die Vesikel den Transmitter Azetylcholin
meint endokrin auf das Hormonsystem bezogen. (durch Exozytose) in den synaptischen Spalt freiset-
zen. Das Azetylcholin bindet an die Rezeptoren der
Endokrinologie (engl. endocrinology) Die Endokri- Muskelmembran (Membran der Muskelfaser =
nologie ist die »Lehre von den Hormonen«. In der Sarko­lemm) und es kommt zu einem schnellen Na-
84 Endplatte, neuromuskuläre

triumein- und Kaliumausstrom. Überwiegt der Na- mehren oder komplett neu gebildet werden können.
triumeinstrom, führt dies zu einer Erregung der Mus­ Auf diese Art entstehen Gedächtnisspuren und Reiz-
kelzelle. Dadurch öffnen sich Kationenkanäle und bzw. Erlebniseindrücke, die zu einem späteren Zeit-
Kalziumionen strömen in die Muskelzelle. Dies be- punkt wieder abgerufen werden können.
wirkt letzlich eine Kontraktion des Muskels.
Enkephalin (engl. pl. enkephalins) Enkephaline ge-
Endplatte, neuromuskuläre 7 Endplatte, motorische hören zu den körpereigenen Opioiden. Chemisch
gesehen ist ihre Struktur kürzer als die von Endor-
Endplattenpotenzial (engl. end plate potential) Re- phinen, beide Stoffe wirken aber an den gleichen
gistriert man die Aktivität einer ruhenden Synapse, Rezeptoren mit ähnlichen Effekten. Enkephaline
E findet man, auch ohne dass ein Aktionspotenzial werden als Methionin- und Leucin-Enkephalin be-
einläuft, immer eine geringe Aktivität. Das End­ zeichnet. Sie wirken schnell, werden vom Körper
plattenpotenzial (EPP) bezeichnet die Differenz aber auch schnell wieder abgebaut. Ihre Funktion ist
­zwischen dem Membranpotenzial, was sich durch die präsynaptische Hemmung der Schmerzweiter-
den Einstrom von Natriumionen verringert, und leitung und die Stimulation der Freisetzung von
dem Ruhepotenzial. Das Potenzial entsteht dadurch, Wachstumshormonen und Prolaktin. Enkephaline
dass sich zwei oder mehr Vesikel in der Synapse gehören zu den Neuroinhibitoren, da sie Azetyl­
gleichzeitig entleeren, wobei allerdings noch keine cholin, Noradrenalin und die Substanz P hemmen.
synaptische Übertragung bewirkt wird. Dieses EPP Das führt zur Eindämmung der Atmungstätigkeit,
ist immer positiv. Wird ein bestimmter Schwellen- Erniedrigung der Körpertemperatur und der Beein-
wert überschritten, kommt es zur Auslösung eines flussung von Lern- und Gedächtnisleistungen. Enke­
Aktionspotenzials, was sich in der Muskel- oder phaline werden von den schmerzunterdrückenden
Nervenfaser ausbreitet. Axonen aus dem Hirnstamm und den Berührungs-
sensoren der Haut freigesetzt, was erklärt, warum
Energieumsatz (engl. energy turnover; Syn. Gesamt­ starke emotionale Stimuli (Schock) und Berührungs­
umsatz) Als Energieumsatz wird die pro Zeiteinheit reize (Akupressur, Akupunktur) vorübergehend un-
vom Körper verbrauchte Energie bezeichnet und empfindlich für Schmerzen machen können (Gate-
meint die Energie, die ein Lebewesen zur Aufrecht- Control-Theorie).
erhaltung seiner Lebensvorgänge benötigt. Der En-
ergieumsatz ist abhängig von Alter, Geschlecht, Enterozeptoren (engl. pl. enteroceptors) Enterozep-
­Körpergröße und Art der ausgeführten Tätigkeiten. toren sind eine Klasse von Rezeptoren, die auf funk-
Er berechnet sich aus dem Grundumsatz und dem tioneller Ebene von Exterozeptoren, die Reize aus
Leistungs- oder Arbeitsumsatz. Bei schwerer kör- der Umwelt aufnehmen (z. B. Rezeptoren des visu-
perlicher Arbeit kann der Energieumsatz auf das ellen und auditiven Systems) und Propriozeptoren,
dreifache des Grundumsatzes ansteigen. Ist die Ener­ die die Lage unseres Körpers registrieren (Rezep-
giezufuhr (durch die Nahrung) geringer als der toren des Muskel- und Skelettsystems), abzugrenzen
­Energieverbrauch, werden die Fettreserven des Kör- sind. Enterozeptoren registrieren mechanische und
pers verstoffwechselt und es kommt zur Gewichts­ chemische Reize aus den Eingeweiden wie z. B. Herz
abnahme. und Kreislaufsystem (7 Afferenzen, viszerale).

Engramm (engl. engram; Syn. Gedächtnisspur) En- Entkopplungsprotein (engl. uncoupling protein)
gramme sind durch physiologische Reize verursach- Das Entkopplungsprotein (UCP) ist ein spezifisches
te, dauerhafte strukturelle Veränderungen im Ge- Membranprotein, das in den Adipozyten (Fettzel-
hirn (Gedächtnisspuren). Sie bilden eine Grundlage len) des braunen Fettgewebes als Protonenkanal
zur Erklärung von Gedächtnisprozessen. Forscher fungiert. Hier ist es für die kälteinduzierte Thermo-
(z. B. Donald Hebb) gehen davon aus, dass sich Syn- genese verantwortlich. Die Hauptfunktion der Adi-
apsen durch häufige Verwendung bzw. Nichtverwen­ pozyten des braunen Fettgewebes ist die Wärmepro-
dung verändern, wobei sie verschwinden, sich ver- duktion, die aufgrund eines Katecholaminsignals
Ependym 85

initiiert und durch die Oxidation von Fettsäuren ge- einem Entzug auftreten können, sind Krampfanfälle
schieht. Dabei wird der Protonengradient nicht zur oder ein Delirium tremens. Substanzen, die beim
Energiekonservierung mittels Aufbau von ATP ge- Absetzen häufig zum Entzugssyndrom führen, sind
nutzt, sondern davon abgekoppelt, was zur Freiset- Alkohol, Nikotin, Opioide und Benzodiazepine
zung der Energie in Form von Wärme führt. Der (ICD-10-Code: F1x.3).
erwachsene Mensch verfügt nur über wenige braune
Fettzellen, während sie beim Säugling reich vor­ Enzephalitis (engl. encephalitis; Syn. Gehirnentzün­
handen sind, in der Entwicklung allerdings rasch dung) Bei dieser Krankheit sind verschiedene
abnehmen. Die Forschung zeigt, dass gentechnisch Schichten des Gehirns entzündet, wobei sich die
veränderte Mäuse, die das menschliche UCP3-Gen Entzündung sowohl auf die graue als auch auf die
exprimierten, bei höherer Energieaufnahme nur ein weiße Hirnsubstanz erstrecken kann. In manchen E
etwa halb so dickes Fettgewebe aufweisen wie nor- Fällen sind auch die Hirnhäute, die sog. Meningen
male Kontrolltiere, weshalb ein Einsatz UCPs als (Meningoenzephalitis), betroffen. Die Ursachen
Therapie der Adipositas diskutiert wird. ­einer Gehirnentzündung können vielfältig sein, oft-
mals wird sie jedoch durch Viren ausgelöst (u. a.
Entzug (engl. detoxification, withdrawal) Unter Ent- Herpes-, Masern-, Mumpsviren). So übertragen
zug werden körperliche, emotionale und kognitive bspw. Zecken bestimmte Erreger, die zu einer Ge-
Reaktionen eines Individuums verstanden, die nach hirnentzündung führen (Frühsommer-Meningo-
der Herabsetzung des Konsums oder der gänzlichen Enzephalitis, FSME) können. Außerdem kann eine
Absetzung einer oder mehrerer Substanzen wie Dro- Gehirnentzündung auch als Folge einer anderen
gen, Alkohol, Nikotin sowie Arzneimittel auftreten. Krankheit auftreten (z. B. nach Multipler Sklerose).
Dazu gehören Veränderungen des Blutdruckes und Besteht ein Verdacht auf Gehirnentzündung, müs-
Pulses, Schwitzen, Zittern, sog. Craving (extrem sen zur Diagnose Blut und Rückenmarksflüssigkeit
starkes Verlangen nach der Droge) und Kontrollver- untersucht werden. In einigen Fällen ist es not­
lust (7 Entzugssyndrom). In Abhängigkeit von der wendig, eine Computertomographie oder ein EEG
vorher konsumierten Substanz kann ein Entzug mit vorzunehmen.
mehr oder weniger schweren körperlichen oder psy-
chischen Entzugserscheinungen einhergehen. Enzym (engl. enzyme) Ein Enzym ist ein Protein, das
bestimmte chemische Reaktionen katalysiert und
Entzugssyndrom (engl. withdrawal syndrome) Das beschleunigt. In Abhängigkeit von der Spezifizität
Entzugssyndrom beschreibt einen unterschiedlich des Enzyms, die durch die Bindung der beteiligten
zusammengesetzten und verschieden stark aus­ Agenzien an das katalytische Zentrum des Enzyms
geprägten Symptomkomplex, der abhängig von der bestimmt wird, können viele oder nur einzelne Re-
abgesetzten Substanz ist (7 Substanzen, psychoak- aktionen gesteuert werden. Enzyme stabilisieren
tive). Die am häufigsten auftretenden psychischen Übergangsstadien von Reaktionsprodukten und er-
Entzugssymptome sind Nervosität, Angst, Aggres­ möglichen dadurch den beschleunigten Ablauf der
sion, Halluzinationen, Depression, Schlaf- und Be- Reaktion bei Bedingungen, unter denen diese Reak-
wusstseinsstörungen. Häufig zu beobachtende phy- tion ansonsten langsamer oder gar nicht möglich
sische Entzugsymptome sind Tremor (Zittern), wäre. Die Funktion eines Enzyms hängt von ver-
Schwitzen, Herzrasen, Erbrechen, Durchfall, Glie- schiedenen Faktoren (Temperatur, pH-Wert, Ko­
derschmerzen und ein hoher Blutdruck. Ein Ent- faktoren) ab, für die es jeweils ein Optimum gibt, in
zugssyndrom entsteht durch einen absoluten (kalter dessen Bereich das Enzym am effektivsten wirkt.
Entzug) oder relativen Entzug einer Substanz, d. h.
dem Körper wird schrittweise eine immer kleinere EOG 7 Elektrookulogramm
Dosis der Substanz zugeführt (das sog. Ausschlei-
chen). Die Dauer des Entzugssyndroms ist zeitlich Ependym (engl. ependyma) Das Ependym ist eine
beschränkt, in schweren Fällen ist eine medizinische aus Nervengewebe entstandene einschichtige Zell-
Behandlung erforderlich. Komplikationen, die bei schicht, eine kubische bis hochprismatische Zell­
86 Epidemiologie

reihe. Sie dient als Auskleidung der inneren Flüssig- Epilepsie (engl. seizure disorder, epilepsy; Syn. Fall­
keitsräume im zentralen Nervensystem wie z. B. sucht) Epilepsie ist eine Funktionsstörung des Ge-
den Ventrikeln im Gehirn und im Zentralkanal des hirns, deren Diagnose gestellt wird, wenn mind.
Rücken­marks. Zudem bedeckt das Ependym den zwei epileptische Anfälle auftraten, die nicht durch
Plexus choroideus. Ependymzellen bilden eine eine vorausgehende erkennbare Ursache hervorge-
­Unter­gruppe der Gliazellen. Sie kleiden die Ventrikel rufen wurden. Der epileptische Anfall kommt durch
mit einer Zellschicht aus, um den Liquor cerebro­ eine exzessive Entladung von Nervenzellverbänden
spinalis vom Hirngewebe zu trennen. Eine Ent­ im Gehirn zustande, wobei sich bestimmte Nerven-
zündung ­ dieser Zellschicht wird Ependymitis ge- zellen durch eine Übererregbarkeit auszeichnen. Ein
nannt und wird bei Infektionskrankheiten beobach- epileptischer Anfall tritt plötzlich auf, kann sich aber
E tet. Ein Tumor im Ependym wird als Ependymom durch eine sog. Aura ankündigen, und ist von kurzer
bezeichnet. Dauer. Er steht mit einer Änderung des Bewusst-
seins, motorischen Ereignissen (Zuckungen, Ver-
Epidemiologie (engl. epidemiology) Epidemiologie krampfung) und der Veränderung von Wahrneh-
bezeichnet einen Wissenschaftszweig, der sich mit mung und Gefühl in Verbindung. Auslöser für der-
den Ursachen, der Verbreitung sowie den Folgen artige Ausbrüche können verschiedene visuelle und
von übertragbaren und nichtübertragbaren Krank- auditive Reize wie Lesen, flackerndes Licht oder der
heiten in verschiedenen Populationen auseinander- Hell-Dunkel-Wechsel bei Bildschirmen sein. Die
setzt. Epidemiologisches Wissen soll helfen Gesund- Behandlung erfolgt mit Krampf unterdrückenden
heitsrisiken entgegenzuwirken. Man unterscheidet Medikamenten (Antikonvulsiva) oder durch einen
die deskriptive E., die die Krankheitsentstehung, medizinischen Eingriff in das Gehirn (Epilepsie­
­ihren Verlauf oder die Krankheitsmodifikation um- chirurgie).
fasst, die analytische E., die quantitative Aussagen
über pathogenetische und den Verlauf beeinflus­ Epiphyse (engl. epiphysis, pineal gland; Syn. Glan­
sende Faktoren macht und die experimentelle E., die dula pinealis, Corpus pineale, Zirbeldrüse) Die Epi-
ins Untersuchungsgeschehen eingreift und die Fol- physe ist eine photorezeptive Ausstülpung des
gen beobachtet. Wichtige epidemiologische Kenn- ­Zwischenhirndachs, ein Teil des Epithalamus an
zahlen sind Prävalenz (= Anzahl Erkrankter in Po- der Hinterwand des 3. Ventrikels, deren speziell dif-
pulation x zum Zeitpunkt y), Inzidenz (= Anzahl ferenzierten Neuronen vermutlich ausschließlich
Neuerkrankter innerhalb eines Zeitraums), absolu- endokrinologische Aufgaben haben. Sie besteht zum
tes Risiko (= Auftretenswahrscheinlichkeit für eine größten Teil aus sekretorischen Nervenzellen und
Krankheit) und attributionelles Risiko (= Einfluss Gliazellen und erhält als Teil des autonomen Nerven­
eines Faktors auf die Wahrscheinlichkeit eine Krank- systems Informationen vom Nucleus suprachias­
heit zu erleiden). maticus (Kerngebiet im ventralen Hypothalamus).
Die Zirbeldrüse produziert das Hormon Melatonin,
Epidermis (engl. epiderm/is; Syn. Oberhaut) Die Epi- das für die Steuerung zeitabhängiger Rhythmen des
dermis ist beim Säugetier die äußerste und stra­ Körpers zuständig ist und erst bei Dunkelheit ausge-
pazierfähigste Epithelschicht der Haut. Sie besteht schüttet wird. Bei Amphibien sind der Zirbeldrüse
hauptsächlich aus Keratinozyten, die zu einem ver- Photorezeptoren aufgelagert, auf die durch eine be-
hornten Plattenepithel aufgebaut sind. Dieser dichte sonders dünne Schädeldecke Licht fällt. Über diesen
Zellverband stellt für die meisten Mikroorganismen Mechanismus passen Amphibien ihre zirkadiane
eine nicht überwindbare Barriere dar. Keratinozyten Rhythmik der Tageszeit an.
bilden die Hornsubstanz Keratin, welches der Haut
u. a. als Schutz vor Feuchtigkeit dient. In der Epider- Epithelzellen (engl. pl. epithelial cells) Epithelzellen
mis finden sich außerdem Melanozyten, die das Pig- sind Zellen, die im Verbund das ein- oder ­mehrlagi­ge
ment Melanin produzieren, welches für die Farbe Epithelgewebe bilden und damit innere und äußere
der Haut verantwortlich ist und die Hautschichten Oberflächen des Körpers bedecken. E. gibt es als
vor einfallendem UV-Licht schützt. Oberflächen- oder Deckepithel, Drüsenepithel, Re-
ergotrop 87

sorptionsepithel und Sinnesepithel. Sie unterschei- zwischen den Menschen bestimmen. Zum einen
den sich hier nach ihrer Anordnung und Funktion. spielt die ererbte Anlage (Veranlagung; Erbe) und
Die beiden wichtigsten Aufgaben sind der mecha- zum anderen der Umwelteinfluss eine entscheidende
nische Schutz nach außen und der innere Schutz im Rolle. Eine der großen Streitfragen der Psychologie
Sinne eines Abdichtens der inneren Körperöff- ist die nach der relativen Bedeutung beider Faktoren
nungen wie Magen, Darm oder die sog. Blut-Hirn- für die Ausprägung psychischer Merkmale. Frühere
Schranke. Theoretiker meinten, dass entweder nur Erbe oder
Umwelt einen Einfluss haben. Inzwischen weiß man,
Epitop (engl. epitope; Syn. antigene Determinante) dass die Entwicklung eines Menschen immer das
Ein Epitop beschreibt einen begrenzten Bereich auf Ergebnis einer Wechselwirkung von Anlage- und
der Oberfläche eines Proteins (Antigens), der von Umweltfaktoren darstellt. Alle Verhaltensweisen E
einem Teil eines Antikörpers, dem Paratop, erkannt ­haben eine ererbte Basis, sind allerdings durch Lern-
werden kann. Natürlich vorkommende Antigene prozesse modifizier- bzw. veränderbar. Allerdings
(= Stoffe, an die sich Antikörper binden können) gibt es biologisch vorgegebene Grenzen, in denen
können, abhängig von ihrer Größe, zahlreiche Epi- sich bestimmte Merkmale entwickeln können. Der
tope besitzen. Aufgrund der räumlichen Faltung der Grad des Einflusses von Veranlagung bzw. Umwelt
Antigene unterscheidet man kontinuierliche Epi­ lässt sich methodisch am besten durch die Zwillings-
tope, bei denen die Aminosäuren, die das Epitop forschung analysieren. Insbesondere die Untersu-
bilden, auch in der Primärsequenz des Proteins chung räumlich getrennt aufgewachsener eineiiger
­benachbart sind, von diskontinuierlichen Epitopen, Zwillinge hat eine große Bedeutung. Eines der am
bei denen die Aminosäuren, die das Epitop bilden, besten erforschten Merkmale in diesem Zusammen-
in der Primärsequenz nicht nahe beieinander liegen. hang ist die Intelligenz.
Erst durch die Faltung des Proteins kommen die
Aminosäuren in Kontakt zueinander und bilden das Ergänzungseffekt, visueller Im blinden Fleck der
Epitop. Retina verlässt der Nervus opticus das Auge, wobei
an dieser Netzhautstelle keine Photorezeptoren
EPSP 7 Potenzial, exzitatorisches postsynaptisches ­liegen. Dennoch wird dieser blinde Fleck auch bei
monokularem Sehen nicht wahrgenommen, son-
Equipotenzialität (engl. equipotentiality) Ein vom dern ein vollständiges Bild. Diese Erscheinung wird
amerikanischen Psychologen Karl S. Lashley (1880– auf den visuellen Ergänzungseffekt zurückgeführt.
1958) im Jahre 1929 geprägtes Konzept, das besagt, Hierbei verwendet das visuelle System Informatio­
dass alle Großhirnareale für die Bildung von Ge- nen von den benachbarten Rezeptoren, um die
dächtnisspuren (Engramme) gleich geeignet (equi- ­Lücke im retinalen Bild aufzufüllen und die Wahr-
potenzial) sind. Basis dieser Annahme ist eine Reihe nehmung zu ergänzen.
von Tierexperimenten. Lashley trainierte zunächst
Ratten und entfernte anschließend große Teile des ergotrop (engl. ergotropic) Ergotrop bezeichnet
Neokortex. Trotz auftretender Verhaltensdefizite wa- ­einen Zustand des Nervensystems, der anregend auf
ren die Tiere in der Lage, zumindest nach einiger den gesamten Körper wirkt (griech. ergon: Werk,
Zeit, das vorher erlernte Verhalten zu reproduzieren. Arbeit). Dabei wird das sympatikoadrenale System
Dadurch nahm Lashley an, dass es keine speziellen angeregt, das v. a. das Herz-Kreislaufsystem aktiviert
Zentren für Lernen und Gedächtnis gibt, sondern und die Glykogenolyse (Umwandlung von Glykogen
Massenaktionen dafür verantwortlich sind. Dieser in Glukose) in der Leber initiiert. Der gesamte Orga-
Auffassung einer E. wurde allerdings bald widerspro- nismus wird so auf motorische und bestimmte vis-
chen (Lokalisation verschiedener Hirnfunktionen). zerale Aktionen vorbereitet und die psychische
Wachheit (die sog. Vigilanz) wird erhöht. Als ergo-
Erbe-Umwelt-Problem (engl. nature-nurture pro­ troper Aktivitätsindex kann das Integral der auto-
blem; Syn. Anlage-Umwelt-Problem) Es existieren nomen Aktivität beschrieben werden. Das Gegenteil
zwei Bedingungskomplexe, die die Unterschiede von ergotrop ist trophotrop.
88 Erregungsleitung, saltatorische

Erregungsleitung, saltatorische (engl. saltatory bei einer Dehydration oder einer Polyglobulie
conduction; Syn. sprunghafte Erregungsleitung) Die zeigt. Die Bildung von Erythrozyten wird durch
saltatorische (springende) Erregungsleitung findet das Hormon Erythropoetin angeregt, worauf sich
nur bei Wirbeltieren statt. Ein Teil der Axone wird aus einer Knochenmarkstammzelle in mehreren
von sog. Schwann-Zellen umhüllt (Myelinhülle), die Schritten Retikulozyten und schließlich Erythro-
wiederum von Ranvierschen Schnürringen unter- zyten bilden.
brochen werden. An diesen Stellen ist das Axon
nicht von der Myelinschicht umhüllt. Die Schwann- Ethologie (engl. ethology; Syn. Verhaltensbiologie)
Zellen isolieren das Axon, so dass nur an den Ran- Ethologie meint traditionell die klassische verglei-
vierschen Schnürringen wieder Kontakt zum Außen­ chende Verhaltensforschung. Sie untersucht Ver­
E raum besteht und eine Depolarisation erfolgen kann. halten aus biologischer Sicht, wie z. B. die Anpas-
Bei der Weiterleitung des Aktionspotenzials sprin- sungsleistung eines lebenden Organismus an Um­
gen deshalb die Potenziale über die Myelinhüllen welt­veränderungen. Im heutigen Sinn wurde der
von Schnürring zu Schnürring. Diese saltatorische Be­griff erstmals in den Studien von Oskar Heinroth
Erregungsleitung ist zum einen schneller und zum (1910/11) verwendet. Die Grundfrage der Ethologie
anderen energiesparender als die kontinuierliche ist, ob Verhalten gelernt oder angeboren ist. Das
(gleitende) Erregungsleitung. ethologische Instinktprinzip geht davon aus, dass
Instinkte im Erbgut verankert sind und durch äuße-
Erregungsschwelle (engl. arousal threshold; Syn. re Stimuli ausgelöst werden. Typisch für die Etholo-
Schwellenwert) Um Reize und die durch sie an den gie ist die Freilandforschung, d. h. das Beobachten
Nerven ausgelöste Erregung von Zelle zu Zelle wei- von Verhalten unter natürlichen Umweltbedingun­
terzuleiten, öffnen sich die Ionenkanäle der Nerven- gen. Kennzeichnend sind dabei die sog. Etho-
zellmembran und begünstigen so das Einströmen gramme, die Verhaltensprotokolle.
von Natriumionen (Na+) in die Zelle. Diese Erhö-
hung der Membranleitfähigkeit für Na+ bewirkt, Evolution, konvergente (engl. convergence; Syn.
dass die Spannung innerhalb der Zelle ansteigt. Konvergenz, Parallelismus) Der Begriff konvergente
­Allerdings wird erst ab einem Wert von –50 mV ent- Evolution beschreibt die Entwicklung ähnlicher
sprechend dem Alles-oder-Nichts-Gesetz der Erre- funktioneller Merkmale bei nicht verwandten Ar-
gung ein Aktionspotenzial ausgelöst. In dessen Ver- ten (sie entwickeln sich parallel). Diesem Phäno-
lauf kann die Spannung (während der Depolarisa­ men liegen meist ähnliche Umweltbedingungen
tionsphase) einen Wert bis zu ca. +30 mV erreichen. zugrunde, welche den unterschiedlichsten Arten
Die Schwelle von –50 mV, die dafür immer über- die gleiche Funktionalität bestimmter Körperteile
schritten werden muss, nennt man Erregungs- abverlangen. Diese Ähnlichkeit aufgrund von Kon-
schwelle. vergenz bezeichnet man als Analogie, während man
im Gegensatz dazu mit Homologie (7 homolog)
Erythrozyt (engl. erythrocyte; Syn. rote Blutkörper­ eine Ähnlichkeit aufgrund gemeinsamer Abstam-
chen) Erythrozyten bilden mit einem Normalwert mung meint. Ein klassisches Beispiel für konver-
von 4,2–5,5 pl (1 pl = 1 Pikoliter = 1 billionstel Liter) gente Evolution stellen Maulwurf und Maulwurfs-
bei Frauen und 4,5–6,0 pl bei Männern den mengen- grille dar.
mäßig größten Teil der festen Bestandteile des Blutes.
Sie enthalten den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, Exhibitionismus (engl. exhibitionism) Exhibitionis-
der den Sauerstoff aus der Lunge bindet und ihn in mus (lat. exhibere: zeigen, darbieten) gehört laut
den ganzen Körper transportiert. Die Hauptaufgabe den Klassifikationskriterien des DSM-IV-R zur
von Erythrozyten besteht im Transport von Sauer- Hauptgruppe der »Sexuellen und Geschlechtsiden-
stoff und Kohlendioxid sowie in der Beteiligung an titätsstörungen«. Menschen mit dieser Diagnose
der Pufferwirkung des Blutes. Ein Mangel an Eryth- gewinnen sexuelle Lust durch das Entblößen der
rozyten zeigt sich bei einer Anämie, während sich eigenen Genitalien in der Öffentlichkeit (meist ge-
eine erhöhte Anzahl an Erythrozyten im Blut z. B. genüber dem anderen Geschlecht) sowie teilweise
Extrazellulärflüssigkeit 89

durch das Masturbieren in der Öffentlichkeit. Unter thermische, optische, akustische, olfaktorische und
Exhibitionismus versteht man manchmal auch gustative Reize.
das übertriebene »In-die-Öffentlichkeit-Tragen«
der eigenen Gefühle und Überzeugungen, bei dem Extinktion (engl. extinction; Syn. Löschung) Wird ein
soziale Normen und Konventionen meist verletzt konditionierter Stimulus mehrmals in keinem zeit-
werden. lichen und örtlichen Zusammenhang mit dem un-
konditionierten Stimulus präsentiert, so bezeichnet
Exozytose (engl. exocytosis) Exozytose bezeichnet man die Abschwächung der konditionierten Reak­
einen Vorgang, bei dem Stoffe aus der Zelle an die tion als Extinktion. Sie gilt als Grundbestandteil
Zellumgebung abgegeben werden. Die dabei aus­ der Methode der systematischen Desensibilisierung,
geschiedenen Substanzen werden entweder in der bei der eine wiederholte Exposition mit dem angst­ E
Zelle selbst gebildet oder stellen unverdauliche auslösenden Reiz stattfindet. Dem Prozess liegt die
Überreste dar. Exozytose wird durch extrazelluläre Aktivität kortiko-subkortikaler Strukturen, beson-
Signale ausgelöst, wie z. B. die Bindung bestimmter ders des medialen präfrontalen und des orbitofron-
Neurotransmitter. Dies führt zu einer intrazellulären talen Kortex zugrunde.
Antwort und damit zur Auslösung der Exozytose.
Dabei verschmilzt ein Transportvesikel (Exosom) Extravasation (engl. extravasation) Unter Extra­
mit der Zellmembran und der Vesikelinhalt wird aus vasation (aus dem Lateinischen: extra = außerhalb;
der Zelle entlassen. Das Exosom besitzt eine einfache vas = Gefäß) versteht man den Austritt von Blut
Lipiddoppelschicht, was ihm ermöglicht, Plasma­ oder Lymphflüssigkeit aus einem Gefäß und seine
membranbestandteile in die Zellmembran ein­zu­ anschließende, umschriebene oder diffuse, Vertei-
bauen. lung im Gewebe. Im Falle einer Entzündung be­
deutet dies z. B. das Wandern der weißen Blutkör-
expressiv (engl. expressive; Syn. ausdrückend, aus­ perchen in umliegende Gebiete. Extravasaten nennt
drucksstark) In der Genetik bezeichnet man mit Ex- man aus Blutkörperchen bestehende Schwellungen,
pressivität den Grad der Ausprägung eines ­Merkmals die im Gewebe zu finden sind. Dieser Vorgang, der
im Phänotyp. Der Ausprägungsgrad kann z. B. durch durch Endothelschäden und Gefäßweitstellung aus-
Umweltfaktoren oder andere Gene beeinflusst wer- gelöst wird, ist bei der Pathophysiologie verschie-
den. Der Gegensatz zu expressiv ist perzeptiv. dener Krankheiten und Verletzungen beteiligt (z. B.
Verbrennun­gen, kardiopulmonaler Bypass). Häufig
Extension (engl. extension; Syn. Ausdehnung, Aus­ wird Extravasation auch als Synonym für Parava­
streckung) In der Medizin bezeichnet (Gelenks-)Ex- sation verwendet, wenn diese im Zusammenhang
tension die Streckung eines Gelenks. Der Begriff mit Injektionen oder Infusionen auftritt. Bei einer
steht im Gegensatz zur Gelenks-Flexion (Beugung Paravasation gelangt die Injektions- bzw. Infusions-
eines Gelenks). In der Philosophie und Sprachwis- flüssigkeit, z. B. aufgrund einer fehlerhaften Punktie-
senschaft meint Extension die »gegenständliche« rung, in das Gewebe neben dem punktierten ­Gefäß.
Bedeutung eines Sprachausdrucks. Das Gegenteil ist
die Intension. Extrazellulärflüssigkeit (engl. extracellular fluid)
Die Extrazellulärflüssigkeit meint die Flüssigkeit im
Extensor (engl. extensor; Syn. Strecker, Streckmuskel) Körper, die sich außerhalb der Zellen befindet und
Extensoren sind Skelettmuskeln, die eine Streckung so im Gegensatz zur interzellulären Flüssigkeit steht.
des Gelenks auslösen. Der Muskel, der die gegentei- Sie enthält Nähr- und Schlackstoffe und umfasst
lige Gelenkbewegung auslöst, d. h. das Gelenk beugt, ca. 24 % des Körpergewichts. Die Extrazellulär­
wird hingegen als Flexor bezeichnet. flüssigkeit lässt sich weiter differenzieren in inter­
stitielle Flüssigkeit, Blutplasma und transzelluläre
exterozeptiv (engl. exteroceptive) Exterozeptiv be- Flüssigkeit. Die interstitielle Flüssigkeit befindet sich
zeichnet die Wahrnehmung von Dingen außerhalb in den Spalträumen der Gewebe, inkl. der Lymph­­
des Organismus. Gemeint sind also mechanische, flüssigkeit. Zu der transzellulären Flüssigkeit gehö-
90 Exzitatorisch

ren Drüsensekrete, Flüssigkeiten in Körperhöhlen, im Gegensatz zu inhibitorischen (hemmen­den) Syn-


Gelenkflüssigkeit, Kammerwasser des Auges und apsen, die nachfolgende Zellmembran depolarisie­ren
Liquor. und so zur Bildung eines Aktionspotenzials führen
können. Eine exzitatorische Wirkung wird ­ zumeist
Exzitatorisch (engl. excitatory; Syn. erregend) Als exzi­ über einen erregenden Transmitter, wie z. B. Gluta-
tatorisch werden erregende Synapsen bezeichnet, die mat, realisiert (7 EPSP; Summation; Depolarisation).

E
F
Facial-feedback-Hypothese (engl. facial feedback eigenen Schlafstoffes ausmachen. Von ihm stammt
hypothesis) Diese Hypothese besagt, dass der Ge­ die Bezeichnung Faktor S (s für sleep).
sichtsausdruck die emotionale Erfahrung und das
Verhalten beeinflusst. Schon eine Manipulation Fallsucht 7 Epilepsie
des Gesichtsausdrucks wirkt sich danach auf die
­affektive Wahrnehmung der Versuchspersonen aus. Far-field potentials 7 Hirnstammpotenziale
F
­Gordon W. Allport (1897–1967; Psychologe) ging
davon aus, dass das Feedback der Gesichtsbewe­ Farben, achromatische (engl. pl. achromatic colours)
gungen eine entscheidende Rolle in der Differenzie­ Achromatische Farben sind alle unbunten Farben,
rung des emotionalen Erlebens spielt. Der Psycho­ d. h. weiß, schwarz und alle Grautöne.
loge Silvan Tomkins (1911–1991) nahm an, dass
­facial feedback eine hinreichende Bedingung für das Farben, chromatische (engl. pl. chromatic colours)
Erleben einer Emotion und das Entstehen der zu­ Chromatische Farben ist die wissenschaftliche Be­
gehörigen physiologischen Muster im autonomen zeichnung für alle bunten Farben wie z. B. die Grund­
Nervensystem ist. Die Rückkopplung des differenzier­ farben Rot, Blau, Gelb und deren Mischfarben. Eine
ten Aktionsmusters der Gesichtsmuskelpo­tenziale Störung der Farbwahrnehmung wird als Achroma­
ruft entsprechend seiner Annahmen ein spezifisches topsie (Farbenblindheit) bezeichnet.
subjektives Gefühlserlebnis hervor. Nachgeahmte
Einzelmuskelbewegungen oder gewollt gespielte Farbkonstanz (engl. colour constancy) Die Farb­
Emo­tionsausdrücke führen zur Stimulierung von konstanz bezeichnet das Phänomen, dass die chro­
Nuclei im Hirnstamm, woraufhin die Emotion tat­ matischen Farben eines Objektes in verschiedenen
sächlich empfunden wird. Beleuchtungssituationen (z. B. Tageslicht, Glühlam­
pe oder Neonleuchtröhre) als identisch wahrge­
Faktor S (engl. factor S) Faktor S ist ein aus fünf Ami­ nommen werden, obwohl die von dem Objekt re­
nosäuren bestehendes, relativ kleines Neuropeptid, flektierten Wellenlängen physikalisch verschiedene
das bei Schlafdeprivation in der Zerebrospinalflüs­ Farbwahrnehmungen erzeugen müssten. Eine Be­
sigkeit, im Urin oder Gehirngewebe nachgewiesen gründung für dieses Phänomen ist, dass Farbemp­
werden kann. Die Injektion von Faktor S in das ba­ findungen dadurch entstehen, dass die verschiede­
sale Vorderhirn oder den Hypothalamus wirkt schlaf­ nen Wellenlängen einer gesamten Szene ermittelt
induzierend oder -verstärkend. Faktor S – v. a. sein werden. Wenn aufgrund der Gesamtbeleuchtungs­
Bestandteil Muraminsäure – erhöht die Körpertem­ situation (wie z. B. beim Sonnenuntergang) viel
peratur und ist an der Vermittlung von Immunreak­ langwelliges Licht vorhanden ist, so wird vom vi­
tionen beteiligt. Seine genaue Funktion und che­ suellen System eine »Korrektur« vorgenommen und
mische Struktur sind jedoch nicht bekannt, weshalb dieser langwellige Anteil des Lichts »abgezogen«. So
dieses Peptid noch nicht künstlich hergestellt wer­ ändert sich im Vergleich zu einer anderen Beleuch­
den kann. 1913 berichtete der Pariser Physiologe tungssituation der Farbeindruck des betrachteten
Henri Piéron erstmals von diesem »Schlafgift« (Hyp­ Objekts nicht.
notoxin). Später konnte der Bostoner Physiologie­
professor John Pappenheimer Piérons Ergebnisse Farbton (engl. colour hue) Neben Sättigung und Hel­
bestätigen und die Zusammensetzung des körper­ ligkeit ist der Farbton eine wahrnehmbare Dimen­
92 FAS

sion der Farbe. Der Farbton einer Farbe gibt die qua­ Alkohol, Schokolade oder Kaffee. In der christlichen
litative Veränderung der Farbe in Abhängigkeit von Tradition ist diese Art zu fasten in den 40 Tagen vor
der Wellenlänge des Lichtes an. Das für den Men­ Ostern (ab Aschermittwoch) verbreitet.
schen wahrnehmbare Spektrum des Lichtes liegt
zwischen 380 und 760 nm. Menschen können ca. Faszie (engl. fascia) Faszie bezeichnet eine Haut, die
200 Farbtöne benennen (wie z. B. kirschrot). die einzelnen Organe, Muskeln oder Muskelgrup­
pen umschließt. Die Bezeichnung richtet sich nach
FAS 7 Alkoholsyndrom, fetales dem Organ oder der Umgebung. Eine Faszie besteht
aus kollagenen Fasern, die gekreuzt verlaufen und
Fasciculus arcuatus (engl. arcuate fasciculus) Fasci­ dem Muskel die nötige Festigkeit und Elastizität gibt.
culus arcuatus beschreibt ein Bündel von Axonen, Eine Entzündung der Faszie wird Fasciitis genannt.
das das Wernicke-Areal reziprok mit dem Broca-
F Areal verbindet. Es dient der Übertragung von
Sprachlauten und ist somit beim Wiederholen von
Faszikel (engl. fascicle, bundle) Faszikel sind kleine,
gebündelte Muskel- oder Nervenfasern.
(u. a. bedeutungslosen) Wörtern relevant, die man
zuvor gehört und damit im Wernicke-Areal verar­ Faszikulation (engl. fasciculation) Faszikulationen
beitet hat. Ist der Fasciculus arcuatus geschädigt, sind unwillkürliche, kurze, plötzlich auftretende, ab­
kommt es zur Leitungsaphasie, bei der der Betrof­ rupte und nicht zielgerichtete Bewegungen, die die
fene nicht mehr in der Lage ist, Worte (v. a. Pseudo­ Muskelfaserbündel betreffen und willentlich kaum
worte) ihrem Klang nach genau zu wiederholen. unterdrückbar sind. Im EMG äußern sich Faszikula­
Oftmals gelingt es den Betroffenen, sinnvolle Worte tionen typischerweise als biphasische Potenziale mit
inhaltlich richtig wiederzugeben, allerdings nicht im hoher Amplitude.
direkten Wortlaut.
Fechnersches Gesetz (engl. Fechner’s law; Syn. ­Weber-
Fasern, kortikofugale (engl. pl. corticifugal /cortico- Fechner-Gesetz) Das 1860 von Gustav Theodor Fech­
efferent/ fibres; Syn. efferente Projektionsbahnen) Die ner postulierte Fechnersche Gesetz gehört zum Ge­
kortikofugalen Fasern sind efferente, absteigende biet der Psychophysik und baut auf den Überlegungen
Projektionsfasern, die vom Kortex zu tiefer gelege­ von Ernst Heinrich Weber auf. Laut Weber steht der
nen Hirnabschnitten ziehen. So projizieren z. B. kor­ gerade noch empfundene Reizzuwachs zu dem Aus­
tikofugale Fasern vom Okzipitallappen zum Corpus gangsreiz in konstantem Verhältnis. Fechner leitete
geniculatum laterale (CGL) und der Formatio reti­ daraus seine Annahme ab, dass die Empfindungs­
cularis. stärken in arithmetischer Reihe wachsen, wenn die
zugeordneten Reize in geometrischer Reihe zuneh­
Fastenphase (engl. fasting phase) Die Fastenphase ist men. Er leitete folgende Funktion ab, die heute als
eine zeitlich umschriebene Periode, in der man dem Fechnersches Gesetz bekannt ist: E = c * log (S/S0),
Körper keine feste Nahrung zuführt, sondern aus­ d. h. die Stärke einer psychischen Empfindung E ist
schließlich Flüssigkeit wie Wasser, Tee oder Gemüse­ der Logarithmus der Stärke des Stimulus S, bezogen
brühe zu sich nimmt. Fasten kann zum Zwecke des auf seine Stärke an der Absolutschwelle, multipli­
schnellen Gewichtsverlustes oder aufgrund religiöser ziert mit einer Konstante c, die sich unmittelbar zur
oder anderer Überzeugungen geschehen. Zeitlich Weberschen Konstante in Beziehung setzen lässt. Für
begrenzte Fastenphasen sind im Allgemeinen sehr jeden Stimulus lässt sich mit Hilfe des Fechnerschen
gesund für den Körper, sollten jedoch nicht länger als Gesetzes die psychischen Empfindungsstärke be­
3 oder 4 Wochen andauern. Nach der Fastenphase rechnen.
wird eine Diät empfohlen, um den Körper wieder
langsam an das Essen zu gewöhnen. Im weiteren Feedback, sensorisches (engl. sensory feedback;
Sinne kann eine Fastenphase auch bedeuten, wäh­ Syn. intrinsiches Feedback) Unter sensorischem Feed­
rend einer bestimmten Zeitperiode auf gewisse Nah­ back werden Informationen verstanden, die wäh­
rungs- und Genussmittel zu verzichten, z. B. Fleisch, rend einer Bewegung aufgenommen werden. Diese
Fenfluramin 93

Informationen bestehen aus der Tiefenwahrneh­ Feld, CA3 Das Feld CA3 ist eine Unterregion im
mung der Hautrezeptoren, Stellung der Gelenke und Hippocampus, deren Efferenzen in das Feld CA1
Muskeln, Informationen der visuellen Rückmeldung und den lateralen Septumkern gelangen. Afferente
über die Stellung der Gliedmaße und der Ober­ Fasern werden hier vom medialen Septumkern
flächenwahrnehmung. Das sensorische Feedback empfangen. Mittels EEG ist hier ein Thetarhythmus
wird benötigt, um Bewegungen zielgerichtet, flüssig von 4–7 Hz nachweisbar, der vor allem bei der Orien­
und genau ausführen zu können bzw. gegebenenfalls tierung und beim Aufgeben alter Verhaltensweisen
an veränderte Anforderungen anzupassen. auftritt.

Feedback-System, negatives (engl. negative feed- Feld, rezeptives (engl. receptive area, receptive field)
back system) Ein Feedback-System ist ein System, bei Als rezeptives Feld wird die Gesamtheit aller Punkte
dem das Ergebnis eines Kreislaufs Information über der Körperperipherie bezeichnet, wobei ein einziges
den weiteren Ablauf des Kreislaufs liefert. Bei einem
negativen Feedback-System wird zuerst ein Stoff,
Neuron durch die Reizung dieses definierten Be­
reiches von Sinnesrezeptoren erregt wird.
F
z. B. ein Hormon, produziert und freigegeben. Ist
der Bedarf am Produkt gedeckt und wird es den­ Feminisierung, testikuläre (engl. testicular femini-
noch weiter hergestellt, entsteht eine Überproduk­ zation; Syn. androgene Resistenz) Die testikuläre Fe­
tion. ­Diese wird vom Messfühler registriert und an minisierung ist eine genetische Störung, die nur beim
den Regler gemeldet. Dieser reguliert nun die Her­ genetisch männlichen Geschlecht auftritt. Durch feh­
stellung des Produkts herunter bzw. stoppt diese, lende Androgenrezeptoren können die Androgene
so dass das Produkt nicht mehr gebildet wird. Das ihren maskulinisierenden Effekt nicht ausüben, es
Produkt oder Ergebnis eines Kreislaufs selbst hat kommt zur Rückbildung des Wolffschen Ganges
demnach einen Einfluss auf seine eigene weitere und damit zu einer Verhinderung der Ausbildung
Produktion. Es meldet selbst zurück (Feedback), der ­inneren männlichen Geschlechtsorgane. Die Aus­
dass die Produktion verringert werden kann bzw. bildung der inneren weiblichen Geschlechtsorgane
soll (negativ). wird durch das Antimüllersche Hormon verhindert.
Dieses Hormon kann seinen defeminisierenden
Feld, aggregiertes (engl. aggregated map) Die rezep­ ­Effekt trotzdem entfalten und führt zur Rückbildung
tiven Felder der verschiedenen Zellen in derselben des Müllerschen Ganges, aus dem sich eigentlich die
Säule liegen ungefähr im gleichen Bereich des Ge­ weiblichen inneren Geschlechtsorgane entwickeln.
sichtsfeldes. Als Säulen werden die senkrecht zu Den betroffenen Personen fehlen die inneren männ­
den Kortexschichten angeordneten, funktionell zu­ lichen Geschlechtsorgane und, obwohl sie genetisch
sammengehörenden Neurone des visuellen Kortex ein Mann sind, entwickeln sie in der Pubertät weib­
bezeichnet. Die Fläche des Gesichtsfeldes, die von all liche äußere Geschlechtsorgane. Das Gegenteil der
diesen rezeptiven Feldern überdeckt wird, wird als Feminisierung ist die Maskulinisierung.
aggregiertes Feld der Säule bezeichnet.
Fenfluramin (engl. fenfluramin) Fenfluramin ist ein
Feld, CA1 (Syn. Region CA1) CA steht für Cornu Phenylethylaminderivat und ist strukturchemisch
a­ mmonis und ist zusammen mit dem Gyrus den­ dem Amphetamin verwandt. Es ist ein Anorektikum
tatus und dem Subiculum ein Bestandteil des Hippo­ (»Appetitzügler«) und wurde als Medikament in den
campus. Die Region CA1 ist eine Unterregion im 90er Jahren zur Gewichtsreduktion zugelassen. Auf­
Hippocampus und erhält assoziative Projektionen grund seiner häufigen, teils schweren Nebenwirkun­
von CA3 und Afferenzen aus dem Tractus perforans. gen (Sedierung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen,
Die Afferenzen der Region CA1 ziehen vor allem depressive Verstimmung, Herzklappenerkran­
zum Subiculum. Bekannt wurde die CA 1 v. a. durch kungen und Lungenhochdruck) wurde das Medika­
den Nachweis der Langzeitpotenzierung (LTP), dem ment 1997 jedoch weltweit vom Markt genommen.
wichtigsten Prozess zur Bildung von Gedächtnisin­ Fenfluramin wirkt als Serotoninagonist (erhöht den
halten. extrazellulären Serotoninspiegel). Kontraindikatio­
94 Fenster, ovales

nen für die Anwendung sind psychische Erkran­ nug Wasserstoffatome für alle Bindungsstellen vor­
kungen sowie Alkohol- und/oder Medikamentenab­ handen, gehen stattdessen zwei benachbarte Koh­
hängigkeit. lenstoffatome eine Doppelbindung ein. Abhängig
von der Anzahl solcher Doppelbindungen unter­
Fenster, ovales (engl. oval window) Das ovale Fens- scheidet man hierbei zwischen einfach und mehr­
ter ist eine Membran, an der die Schallübertragung fach ungesättigten Fettsäuren. Viele der ungesättig­
zwischen Mittel- und Innenohr stattfindet. Im Mit­ ten Fettsäuren sind für den menschlichen Organis­
telohr befinden sich drei Gehörknöchelchen: der mus essentielle Fettsäuren. Sie können vom Körper
Malleus (Hammer), der Incus (Amboss) und der nicht selbst synthetisiert werden, aber, um seine
Stapes (Steigbügel); letzterer reicht an das ovale Funktionsfähigkeit zu erhalten, ist der Organismus
Fenster. Der Fuß des Steigbügels ist in die Membran zwingend auf sie angewiesen. Als wichtiger Bestand­
eingepasst und durch ein elastisches Ringband ab­ teil von Zellmembranen sind Fettsäuren von großer
F gedichtet. Durch die Schwingungen der Fußplatte
im ovalen Fenster werden die auftreffenden Schall­
Bedeutung für den Organismus.

wellen in das Innenohr weiter geleitet und dabei Fetus (engl. fetus) Als Fetus (auch »Fötus«) wird ein
20–30mal verstärkt. Die Membran kann sich bei menschlicher Embryo ab der 13. Schwangerschafts­
Otosklerose krankhaft verhärten, was zu einer an­ woche bis zur Geburt bezeichnet.
dauernden Hörschädigung bis hin zur Taubheit füh­
ren kann. Fibrillen (engl. pl. fibrils, tangles) Fibrillen sind faser­
artige Proteinmoleküle, die in Bindegewebsfasern
Fenster, rundes (engl. round window) Das runde oder im Zytoplasma von Muskeln (Myofibrillen),
Fenster befindet sich an der Basis der Scala tympani Nerven (Neurofibrillen) und Epithelzellen (Tono­
und bildet damit die Grenze zwischen Innen- fibrillen) vorkommen. Eine krankhafte Bildung von
und Mittelohr. Es besteht aus einer Membran und Fibrillen und Plaques innerhalb von Nervenzellen
dient dem Druckausgleich zwischen beiden Ohrab­ kann z. B. bei der Alzheimerschen Krankheit auf­
schnitten. treten (v. a. in den für das Gedächtnis relevanten Are­
alen oder Arealen für höhere kognitive Funk­tionen).
Fettsäure (engl. fatty acid) Zu der Gruppe der Lipide Die Fibrillen haben etwa eine Dicke von 10 nm, er­
gehörend, ist die Fettsäure chemisch gesehen eine scheinen starr und sind unverzweigt. Sie bestehen aus
Verbindung aus Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sau­ Tau-Protein, einem Bestandteil des Zellskeletts. Bei
erstoffatomen. An eine Kette von Kohlenstoffato­ der Alzheimerschen Krankheit wird das Tau-Protein
men, die in ihrer Länge variiert (mind. vier notwen­ jedoch übermäßig mit Phosphatgruppen beladen.
dig), lagert sich eine Karboxylgruppe an. Die Wasser­ Dadurch werden in der Zelle stattfindende Stabilisie­
löslichkeit wird dabei entscheidend von der Ketten­ rungs- und Transportprozesse gestört, was letztlich
länge beeinflusst. Je länger die Kohlenstoffkette, also zum Absterben der Zelle führt. Fibrillen können
der hydrophobe (wasserabweisende) Teil im Gegen­ auch im Gehirn gesunder älterer Menschen vorhan­
satz zum hydrophilen (wasserliebenden) Teil der den sein, jedoch nur in geringer Anzahl.
Karboxylgruppe ist, desto schlechter ist die Löslich­
keit der Fettsäure in Wasser. Ein Fettmolekül besteht Filialgeneration (engl. filial generation; Syn. Tochter-
aus einem Glyzerinmolekül, an das sich drei Fett­ generation) Mit Filialgeneration (Genetik) wird die
säuren angelagert haben. Somit entsteht geometrisch erste Folgegeneration der Parentalgeneration (»El­
gesehen die Form eines E. Fettsäuren werden in ge­ terngeneration«) bezeichnet, d. h. die Nachkommen
sättigte und ungesättigte Fettsäuren eingeteilt. Diese eines männlichen und eines weiblichen Indivi­duums/
Eigenschaft resultiert aus einem unterschiedlichen Organismus. Sollen die Nachkommen der Filial­ge­
Ausmaß der Verbundenheit von Kohlenstoffatomen neration wiederum eindeutig benannt ­werden, wird
mit Wasserstoffatomen. Sind alle Bindungsstellen eine Indexzahl als Kennung für den Verwandtschafts­
mit Wasserstoffatomen besetzt, spricht man von grad in Bezug auf die Parentalgeneration genutzt: die
­einer gesättigten Fettsäure. Sind hingegen nicht ge­ 1. Filialgeneration wird dann als F1-Generation be­
Fleck, blinder 95

zeichnet, die 2. Filialgeneration entsprechend als Fissura lateralis (engl. lateral fissure; Syn. Sylvische
F2-Generation usw. Durch gezielte Kreuzung können Furche) Die Fissura lateralis ist eine ausgedehnte
bestimmte Merkmale (physiologische Eigenschaften, seitliche Furche des Gehirns, sie trennt den Scheitel­
Genotypen u. v. m.) in die Filialgenerationen hinein­ lappen vom Schläfenlappen. Interessanterweise ist
gezüchtet werden. In wissenschaftlichen Veröffent­ bei Rechtshändern die rechte Fissur etwas länger
lichungen finden sich häufig die Abkürzungen »P« und steiler.
für die Parentalgeneration und »F1« für die Folge-
bzw. Filialgeneration. Fissura longitudinalis (engl. longitudinal fissure;
Syn. Längsfurche, Interhemisphärenspalt) Die Fissura
Filopodien (engl. pl. filopodia) Filopodien sind fin­ longitudinalis trennt die beiden Großhemisphären
gerartige Fortsätze an der Spitze einer sich bewegen­ voneinander, so dass diese nur noch durch Komis­
den tierischen Zelle, die mit sog. Empfänger-Pro­ suren (= Nervenfaserverbindungen zwischen den
teinen für chemische Signale besetzt sind. Mit Hilfe
der Filopodien orientiert sich die Zelle in ihrer Um­
beiden Hirnhälften) miteinander verbunden sind.
Die größte Kommissur ist hierbei das Corpus callo­
F
gebung. Bei einem geeigneten Substrat für die Zelle sum (Balken).
(z. B. Senderproteine auf anderen Zellen) bewegt
sich diese in die entsprechende Richtung. Ist das Fitness (engl. fitness) (1.) In den Schriften Darwins
Substrat nicht geeignet, so werden entsprechende wird der Begriff Fitness definiert als »the relative
Filopodien wieder zurückgebildet. Ein Beispiel für probability of survival and reproduction for a geno­
eine solche Orientierung von Zellen mit Filopodien type«. Fitness ist die Chance eines Individuums zu
ist die Steuerung des Wachstums und die Vernet­ überleben und seine Gene weiterzugeben. Die di­
zung von Nervenzellen. rekte Fitness gibt Auskunft darüber, wie viele Kopien
der eigenen Gene durch die eigene Fortpflanzung
Filtrationsrate, glomeruläre (engl. glomerular ultra­ weitergegeben wurden, die inklusive Fitness enthält
filtrate) Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) be­ zudem noch die Anzahl der weitergegebenen Gene
zeichnet die Menge an Primärharn, welche aus durch Verwandtenunterstützung, z. B. durch die
dem Blut durch die Kapillarschlingen in der Nieren­ Nachkommen der Geschwister (indirekte Fitness).
rinde (Glomeruli) in einer definierten Zeiteinheit (2.) Im heutigen Sprachgebrauch versteht man unter
filtriert wird. Die GFR beträgt bei Erwachsenen ca. Fitness ein allgemeines körperliches und geistiges
120 ml/min. Die GFR ist für die Messung der Nieren­ Wohlbefinden, das Vermögen eines Individuums,
funktion die wichtigste Größe und sinkt physio­ den Belastungen des Alltags standzuhalten und Her­
logisch mit dem Alter sowie pathologisch bei Nieren­ ausforderungen effektiv zu meistern. Ein gezieltes
erkrankungen. Fitnesstraining, welches Bewegung und Ernährung
berücksichtigt, kann sowohl die körperliche Leis­
Fissur (engl. fissure) Fachausdruck mit folgenden tungsfähigkeit als auch die Konzentration und Lern­
medizinischen Bedeutungen: (1.) anatomisch: eine fähigkeit steigern, was wiederum präventiv gegen
natürliche, physiologische Furche oder Rinne auf verbreitete Zivilisationskrankheiten wie Fettleibig­
einer Organoberfläche wie im Gehirn (z. B. Fissura keit, Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs wirken
sylvii, Furche zwischen Schläfen- und Stirnlappen), kann.
in den Lungen (z. B. Fissura obliqua und Fissura
­horizontalis) oder der Leber (z. B. Fissura ligamenti Fixativ (engl. fixative) Ein Fixativ ist ein Stoff oder
teretis und Fissura ligamenti venosi), spaltförmige eine Chemikalie, die bei der Gewebeentnahme ge­
Öffnungen zwischen angrenzenden Schädelkno­ nutzt wird, um das Gewebe vor Zersetzung zu schüt­
chen (z. B. Fissura orbitalis) oder Furchen an den zen und um es im Anschluss untersuchen zu ­können.
Zähnen; (2.) pathologisch: Einriss in der Haut bzw. Ein häufig genutztes Fixativ ist das Formalin.
Schleimhaut (z. B. Analfissur), Fehlbildung der Haut
(z. B. Kutisfissur) oder ein Haarriss im Knochen (un­ Fleck, blinder Als blinder Fleck wird die Stelle des
vollständiger Bruch). menschlichen Gesichtsfeldes bezeichnet, die auf die
96 Flexion

Papille (Austritt des Sehnervs aus dem Auge) proji­ schnell aufeinander folgende Reize besser verarbei­
ziert. Auf der Papille befinden sich weder Zapfen ten können als periphere stäbchenreiche Regionen
noch Stäbchen, der Mensch ist für diese Gesichts­ des Auges. Durch sehr starke Erregung oder Er­
feldregion blind. Es gibt verschiedene Testverfahren, müdung wird die Flimmerfusionsfrequenz negativ
um den blinden Fleck und das »Loch« im Sehfeld beeinflusst.
sichtbar zu machen. Beim normalen Sehvorgang
wird diese Stelle durch das Gehirn ergänzt, so dass Fluorgold (engl. fluorogold) Fluorgold ist eine che­
subjektiv ein kompletter Seheindruck entsteht. mische Verbindung zur retrograden und anterogra­
den Markierung von Axonen (d. h. das Fluorgold
Flexion (engl. flexion) Flexion bezeichnet in der »wandert« rückwärts/vorwärts das Axon entlang).
­ edizin die Beugung eines Gelenks. Der Begriff
M Nach einer Injektion in ein bestimmtes Gebiet und
steht im Gegensatz zur Gelenksextension (Streckung entsprechender Inkubation werden neuronale
F eines Gelenks). Schnitte der markierten Hinrareale präpariert und
anschließend das Fluorgold zum Fluoreszieren ge­
Flexoren (engl. pl. flexors; Syn. Beuger, Beuge­mus­ bracht. So wird sichtbar, wo die Axone ihren Ur­
keln) Flexoren sind Skelettmuskeln, die eine Beu­ sprung haben. Diese Färbemethode (Tracingmetho­
gung des Gelenks auslösen. Der Muskel, der die ge­ de) wird zur Untersuchung von Fernverbindungen
genteilige Gelenkbewegung auslöst, d. h. das Gelenk des Kortex genutzt oder um die Intaktheit bestimm­
streckt, wird hingegen als Extensor bezeichnet. ter Bahnen zu testen.

Fließen, optisches (engl. optic flow) Beim optischen Fluoxetin (engl. fluoxetine, Prozac/Fluctin) Fluoxe­
Fließen verändert sich durch die Bewegung des Be­ tin ist ein Arzneistoff, wird wegen seiner stimmungs­
trachters die umgebende optische Anordnung der aufhellenden Wirkung zur Behandlung von depres­
Gegenstände. Es entsteht der Eindruck eines Flusses, siven Erkrankungen, Bulimia nervosa und Zwangs­
der entweder in Richtung eines Fluchtpunktes läuft störungen eingesetzt. Fluoxetin gehört zur Klasse
(Rückwärtsbewegung) oder davon fort (Vorwärts­ der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
bewegung). Besonders prominent ist dieser Effekt (SSRI), welche neben den Monoaminoxidasehem­
z. B. in einem Flugzeugcockpit im Landeanflug. mern (MAOIs) eine Generation von Antidepressiva
Im Zentrum des optischen Auseinanderfließens ist darstellen.
die Geschwindigkeit gleich Null, in der Peripherie
nimmt sie zu. Das optische Fließen liefert dem Beob- fMRI 7 Magnetresonanztomographie, funktionelle
achter Informationen über seine Geschwindigkeit
und Bewegungsrichtung. fMRT 7 Magnetresonanztomographie, funktionelle

Flimmerfusionsfrequenz (engl. flicker fusion fre- Follikel (engl. follicle) Allgemein werden als Follikel
quency) Die Flimmerfusionsfrequenz beschreibt bläschenförmige Gebilde im Organismus bezeich­
die Frequenz, ab der einzelne, zeitlich aufeinander net, wobei damit häufig das Eibläschen gemeint ist.
folgende Reize nicht mehr getrennt als Einzelreize Bezogen auf den weiblichen Zyklus wird damit eine
wahrgenommen, sondern als »Gesamteindruck« er­ von einem Eifollikel umgebene Eizelle genannt, die
lebt werden. Sie bezieht sich auf das höchste zeitliche rund 14 Tage nach Einsetzen der Menstruation im
Auflösungsvermögen des visuellen Systems. Die weiblichen Eierstock heranreift. Beim Heranwach­
Flimmerfusionsfrequenz besitzt keinen festen Wert, sen produziert das Eifollikel das Hormon Östradiol,
sondern hängt von der Lokalisation des Reizes auf das wiederum das Wachstum der Uterusschleim­
der Retina und den involvierten Photorezeptoren haut bewirkt und schließlich das luteinisierende
ab. Außerdem wird sie durch die Leuchtdichte des Hormon (LH) freisetzt. LH verursacht die Ovulation
Reizes sowie den Adaptationszustand des Auges (Follikelsprung), bei dem das reife Ei den Follikel
­beeinflusst. Allgemein kann jedoch gesagt werden, verlässt. Der gerissene Follikel wird dann schließlich
dass zapfenreiche Gebiete nahe der Fovea centralis zum Gelbkörper, der Progesteron produziert. Wei­
Fotopigment 97

tere Follikelstrukturen sind Haarfollikel (äußere auch künstlich bei Verbrennungen in Autoabgasen
Haarscheide, die die Haarwurzel umgibt), Zahnfol­ oder im Tabakrauch.
likel (Bindegewebe der Zahnanlage), Lymphfollikel
(Lymphknoten) oder Schilddrüsenfollikel (Speicher­ Formatio reticularis (engl. reticular formation; Syn.
organ der Schilddrüsenhormone). Retikulärformation) Die Formatio reticularis be­
zeichnet ein Neuronennetzwerk im Hirnstamm,
Follikel-stimulierendes Hormon (engl. follicle- wird unterteilt in den sensorischen Teil (auch ARAS),
­stimulating hormone; Syn. Follikulitropin) Follikel- der aufsteigende Neurone beinhaltet, und den moto­
stimulierendes Hormon (FSH) ist ein Glykoprotein rischen Teil (geteilt in Bahnungs- und Hemmungs­
aus der Gruppe der Gonadotropine (= Sammelbe­ gebiet), der absteigende Neurone enthält. Das ARAS
zeichnung für Hormone, die die Keimdrüsen stimu­ bestimmt das Aktivierungsniveau des Organismus
lieren). FSH wird in den Zellen des Hypophysenvor­ und ist essenziell für die Bewusstseinslage. Zudem
derlappens (HVL) synthetisiert. Die Bildung wird
durch den Hypothalamus mittels der Sekretion des
übt es eine Art Weckwirkung auf den Kortex aus und
ist bedeutsam für die affektive Färbung von Sinnes­
F
Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) in das eindrücken. Bahnungs- als auch Hemmungsgebiet
Pfortadersystem der Hypophyse angeregt. Ein hoher erhalten Impulse aus verschiedenen Hirnregionen.
Östrogenspiegel wirkt über einen negativen Feed­ Im Bahnungsgebiet werden motorische, sensorische
backmechanismus hemmend auf die GnRH-Aus­ und vegetative Erregungsprozesse integriert, wäh­
schüttung. Die Ausschüttung von FSH ist beim rend das Hemmungsgebiet zusammen mit anderen
Mann konstant niedrig, bei der geschlechtsreifen Arealen den Muskeltonus und die Reflexfähigkeit
Frau zyklisch. Das Hormon spielt für die Follikelrei­ regelt. Zudem ist die Formatio reticularis zuständig
fung bei Frauen und für die Spermienbildung bei für den Schlaf-Wach-Rhythmus.
Männern eine wichtige Rolle.
Fornix (engl. fornix) Die Fornix ist ein zum lim­
Foramen (engl. foramen) Der Ausdruck Foramen bischen System zählendes Nervenbündel. Die beim
wird in der Anatomie zweifach verwendet. Zum Menschen aus rund 12 Mio. Fasern bestehende
­einen bezeichnet er im Herzen eine türartige Verbin­ Struktur verläuft unterhalb des Corpus callosum
dung zwischen den Herzvorhöfen, zum anderen und verbindet reziprok Hippocampus und Subicu­
wird darunter im Schädel eine Öffnung verstanden, lum mit dem Septum und den Mamillarkörperchen.
die innerhalb der ersten Lebenswochen verwächst. Somit verbindet die Fornix Hirnteile miteinander,
die bei Lern- und Gedächtnisprozessen eine Rolle
Formalin (engl. formalin) Formalin ist die 35–40%ige spielen.
wässrige Lösung des Gases Formaldehyd. Durch das
Ausfällen von Proteinen und die damit verbundene Fos (engl. fos) Die sog. immediate early genes (unmit­
Gewebeerhärtung dient es zur Desinfektion und telbare frühe Gene) im Zellkern einer Zelle werden
Konservierung eiweißhaltiger biologischer Präpa­ erst dann aktiviert, wenn die Zelle aktiviert ist. Diese
rate. Formaldehyd, gebildet durch die Oxidation des Gene exprimieren dann bestimmte Proteine, die
Methanols, ist ein farbloses, stechend riechendes sich mit den Chromosomen verbinden. Fos gehört
Gas, welches wie alle Aldehyde ein starkes Reduk­ zu diesen Proteinen. Die Anwesenheit von Fos lässt
tionsmittel ist. Aufgrund dieser Eigenschaft kann es auf Aktivität eines Neurons schließen und dient so­
bei unsachgemäßer Anwendung Allergien, Haut-, mit (z. B. durch Anfärbung von Fos-Proteinen) zur
Atemwegs- oder Augenreizungen verursachen und Bestimmung aktiver Regionen im Gehirn.
ist umweltschädlich. Eine Kanzerogenität wird ver­
mutet. Neben der Keimabtötung (Formalintablet­ Fotopigment (engl. photopigment) Fotopigmente
ten) sowie der Konservierung von anatomischen sind lichtempfindliche Moleküle, die in den Re­
und biologischen Präparaten, dient es heute als Roh­ zeptoren der Retina enthalten sind. Es gibt drei ver­
stoff der chemischen Industrie. Formaldehyd ent­ schiedene Fotopigmente in den Zapfen der Retina
steht als Abbauprodukt auf natürlichem Weg, aber (kurz-, mittel- und langwellige Pigmente) und ein
98 Fotorezeptor

Fotopigment in den Stäbchen (Rhodopsin). Fotopig­ und es kommt zu einer Hyperpolarisation der Zelle.
mente sind aus zwei Teilen aufgebaut. Sie bestehen Ein Generatorpotenzial entsteht.
aus »Retinal« (Abk. für Retinaldehyd, ein lichtemp­
findliches Vitamin A-Aldehyd) und Opsin, einem Fötus 7 Fetus
Protein. Fällt ein Photon (eine Lichteinheit) auf
dieses Molekül, führt dies zur Isomerisation des Re­ Fourieranalyse (engl. Fourier analysis) Die Fourier­
tinals (es zerfällt in eine andere Form und löst sich analyse ist eine mathematisch-physikalische Aus­
vom Opsin) und löst damit eine Kaskade von Pro­ wertungsmethode, die das Zerlegen eines Sig­
zessen aus, welche anschließend in einem elek­ nals, z. B. einer aufgezeichneten Schwingung, in
trischen Signal enden. eine Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen er­
laubt. Dabei wird das Signal in seine Frequenzen
Fotorezeptor (engl. photoreceptor, photoreceptor cell) zerlegt.
F Fotorezeptoren sind lichtempfindliche Sinneszellen
im Auge. Sie befinden sich in der äußeren Schicht Fovea (engl. fovea; Syn. Fovea centralis) Die Fovea
der Retina und leiten durch die Absorption von wird auch als Netzhaut- oder Sehgrube bezeichnet
Licht die sog. visuelle Signaltransduktion ein, die und befindet sich im Zentrum des gelben Flecks. Sie
Übertragung von elektrischen Signalen zum visu­ ist die Stelle des schärfsten Sehens. An diesem Punkt
ellen Kortex. Es gibt zwei Typen von Fotorezeptoren: sind die dicht gelagerten Zapfen nicht von Gefäß-
Stäbchen und Zapfen. Stäbchen sind für das Hell- und Zellschichten verdeckt, daher befindet sich hier
Dunkelsehen (skotopisches Sehen) verantwortlich der Bereich des größten Auflösungsvermögens. Ein
und stellen mit 110 Mio. den Großteil der Fotorezep­ Objekt, welches vom Auge fixiert wird, wird immer
toren beim Menschen dar. Zapfen (ca. 6 Mio.) be­ so fixiert, dass dessen Abbild genau in der Fovea
fähigen uns zum Farbensehen (photopisches Sehen). liegt. Hier findet sich eine seltene 1:1-Verschaltung,
Es gibt drei Zapfenarten, benannt nach ihren Absorp­ d. h. dass auf einen Zapfen eine Ganglienzelle folgt.
tionsmaxima (Rot-, Grün- und Blauzapfen). Foto­ Da die Fovea nur Zapfen und keine Stäbchen enthält,
rezeptoren bestehen aus einem äußeren Segment, in ist man bei schlechten Lichtverhältnissen kaum in
dem sich in den sog. Disks der Sehfarbstoff (z. B. der Lage, etwas scharf zu sehen.
Rhodopsin) befindet, und einem inneren Segment,
welches die Fotorezeptoren mit Bipolarzellen ver­ Fremdreflex (engl. extrinsic reflex; Syn. polysynap-
bindet (die wiederum mit den Ganglionzellen syn­ tischer Reflex) Bei Fremdreflexen verläuft der Re­
aptieren, dessen Axone den N. opticus bilden). flexbogen (komplizierter als bei Eigenreflexen) vom
Rezeptor zum Effektor über mehrere Synapsen. Der
Fototransduktion (engl. phototransduction) Foto­ Ort, an dem ein Reiz den Reflex auslöst, liegt räum­
transduktion ist ein Prozess, bei dem durch Lichtein­ lich getrennt von dem Ort, an dem die Reflexantwort
fall eine Hyperpolarisation der Fotorezeptoren her­ erfolgt, weshalb Fremdreflexe langsamer sind. Die
vorgerufen und ein elektrisches Signal generiert meisten komplexen Reflexe (Schutzreflexe u. a.) sind
wird. Dieser Prozess verläuft für alle Pigmente ana­ polysynaptisch.
log, wobei Stäbchen wesentlich mehr Licht benö­
tigen als Zapfen, also lichtunempfindlicher sind. Frequenzkodierung, Gesetz der (engl. law of fre-
Fallen Photonen bspw. auf das Fotopigment Rhodop­ quency coding) Das Gesetz der Frequenzkodierung
sin, so zerfällt dieses in Opsin und Vitamin A. Das beschreibt, wie die Stärke eines einwirkenden Reizes
Opsin wiederum reagiert mit dem G-Protein Trans­ an das ZNS weitergeleitet wird. Reize aus der Um­
ducin, welches dadurch das Enzym PDE (Phospho­ welt lösen in den Rezeptoren Sensorpotenziale aus,
diesterase) aktiviert. PDE spaltet cGMP (cyclic gua­ wobei stärkere Reize eine größere Potenzialam­pli­
nosine monophosphate), welches die Natrium- tude verursachen. Da die weiterleitenden Aktions­
­Kanäle der Zelle geöffnet hält. Durch die Reduktion potenziale (AP) keine Amplitudenunterschiede
vieler cGMP (ein PDE kann bis zu 2000 cGMP inak­ ­haben (Alles-oder-Nichts-Gesetz), wird die Reiz­
tivieren), werden viele Natrium-Kanäle geschlossen stärke über die Frequenz der ausgelösten APs wei­
Furchtkonditionierung 99

tergegeben. Dabei resultieren stärkere Reize in Fundus (engl. fundus) Als anatomischer Begriff be­
­höheren Frequenzen, wobei der Zusammenhang zeichnet Fundus den Grund oder Boden eines Hohl­
einer Potenzialfunktion folgt: Feuerungsrate = organs, z. B. (1.) Fundus oculi (Syn. Fundus bulbi,
Konstante * reizstärketypischer positiver Wert für Augenhintergrund, Augenfundus), der die innere
Sensor. Oberfläche des Augapfels bezeichnet, die aufgrund
eines dichten Kapillarennetzes rötlich gefärbt ist.
frontal (engl. frontal) Als anatomische Lagebezeich­ Einzig in der Fovea centralis (»Ort des schärfsten
nung bedeutet frontal »die Vorderseite betreffend«. Sehens«) existieren keine Blutgefässe. Der Fundus
In Bezug auf das Gehirn bedeutet frontal »stirn­ oculi bzw. seine Durchblutung kann bei verschie­
wärts« oder »vorne«, wird aber nur im Zusammen­ denen Erkrankungen verändert sein (z. B. Arterio­
hang mit dem Frontallappen benutzt und nicht all­ sklerose, Hypertonie, Diabetes mellitus sowie Er­
gemein. Frontal bezeichnet auch eine der drei mög­ krankungen des ZNS). (2.) Fundus gastricus (Magen­
lichen Schnittebenen des Gehirns (frontale = koro­
nale Schnittebene). Bei einem Frontalschnitt wird
grund, Magenblindsack). Dieser bezeichnet den
proximalen Teil des Magens, der für die Speicherung
F
das Gehirn vertikal in einen vorderen und einen hin­ der aufgenommenen Speisen verantwortlich ist.
teren Teil zerteilt. ­Seine Kapazität ist durch tonische Kontraktionen
reguliert (Akkommodation bei Nahrungsauf­nahme).
Frontalebene (engl. frontal plane, coronal plane) Die (3.) Fundus uteri (Gebärmuttergrund) oder (4.)
Frontalebene ist eine Körperebene, die parallel zur Fundus vesicae (Harnblasengrund).
Stirn verläuft. Sie steht senkrecht auf der Transversal­
ebene und der Sagittalebene. Funktionalismus (engl. functionalism) Der Funk­
tionalismus ist ein analytisches Prinzip, welches (bio­
Frontallappen (engl. frontal lobe; Syn. Stirnlappen) logische) Begebenheiten aufgrund ihrer Funktion
Der Frontallappen setzt sich zusammen aus den erklärt. So sollte z. B. der Nutzen / die Funktion von
­Geweben oberhalb der Sylvischen Furche und vor Verhalten aufgezeigt werden, um Verhalten erklären
der Zentralfurche. Er macht rund 20 % des Neo­ zu können.
kortex (besser: Isokortex) aus und kann funktionell
in drei Gebiete unterteilt werden: (1.) Motorischer Furcht (engl. fear) Furcht bezeichnet ein Gefühl des
Kortex: verantwortlich für die Ausführung von Be­ Bedrohtseins und ist im Gegensatz zu Angst objekt­
wegungen (2.) Prämotorischer Kortex: verantwort­ bezogener (gerichtet auf ein bestimmtes Furcht
lich für die Auswahl von Verhalten und (3.) Präfron­ ­auslösendes Objekt). Furcht gehört neben Angst,
talkortex: steuert u. a. die kognitiven Vorgänge zur Freude, Abscheu, Überraschung und Traurigkeit zu
Auswahl der richtigen Bewegung. Symptome auf­ den sechs Primäremotionen. Man kann zwischen
grund von Läsio­nen im Frontallappen sind weit ge­ angeborenen (primären) und erworbenen (erlern­
fächert, zu ihnen gehören eingeschränkte moto­ ten, sekundären) Furchtreaktionen unterscheiden.
rische Funktio­nen, der Verlust des divergenten Den­ Als Auslöser der primären Furcht gelten laute Ge­
kens, eine Verschlechterung der Arbeitsgedächt­ räusche, ein Stoß, ein Schock sowie Bewegungen der
nisleistung und mangelnde Inhibition bestimmter Unterlage (Verlust von Halt). Die sekundäre Furcht­
Verhaltensweisen. reaktion ist durch Konditionierung an einem vorher
neutralen Reiz erworben (Furchtkonditionierung).
Frontalschnitt (engl. frontal section) Ein Frontal­
schnitt geht seitlich durch das Gehirn, also z. B. von Furchtkonditionierung (engl. fear conditioning)
Ohr zu Ohr oder parallel dazu. Der Schnitt erfolgt Furchtkonditionierung ist das Entstehen einer be­
vertikal nach unten und ist eine der drei Schnittebe­ dingten Furchtreaktion auf einen vorher neutralen
nen für das Gehirn (Frontalschnitt = koronaler Reiz durch dessen Koppelung mit einem Furcht aus­
Schnitt). lösenden Reiz. Diese Kopplung entsteht durch die
Assoziation eines Furcht auslösenden Signals (z. B.
FSH 7 Follikel-stimulierendes Hormon laute Geräusche) mit einem neutralen Reiz (z. B.
100 Furchtkonditionierung

eine Katze). Voraussetzung für eine solche Assozia­ ganzen Körpers, Defäkation sowie Urinieren. Eine
tion ist eine wiederholte gemeinsame Darbietung Furchtreaktion kann sich auch auf viele dem Furcht
beider Reize über einen längeren Zeitraum. Unkondi­ auslösenden Objekt ähnliche Gegenstände (z. B. alle
tionierte, meist angeborene, Furchtreaktionen sind Kleintiere mit Fell oder auch Plüschtiere bei Furcht
Schreien, Anhalten des Atems, »Auffahren« des vor Katzen) ausweiten (sog. Generalisierung).

F
G
GABA (engl. gamma amino butyric acid) Gamma- tät des Gastrointestinaltraktes und wirkt auf das
aminobuttersäure (GABA) ist ein wichtiger Neuro- ­endokrine System, indem es die Prolaktin-, LH- (lu-
transmitter im Zentralnervensystem, der vorwie- teinisierendes Hormon) sowie Wachstumshormon-
gend inhibitorisch wirkt. GABA zählt zur Klasse der Freisetzung über spezifische Galanin-Rezep­to­ren
Aminosäuren und wird im Körper aus Glutamat (GAL-R1–GALR3) reguliert. Neue Forschungser-
durch eine einfache Veränderung der chemischen gebnisse zeigen, dass Galanin den Appetit auf Fett
Struktur (Abspalten einer COOH-Gruppe) erzeugt. und Alkohol steigert und eine antidepressive Wir-
Zur Entfaltung der inhibitorischen Wirkung bindet kung über eine Veränderung der REM-Schlafphasen G
GABA an der postsynaptischen Zelle an einen von ausübt.
drei Rezeptortypen (GABAA, GABAB, GABAC).
Gamet (engl. gamete; Syn. Geschlechtszelle, Keim­
GABA-Rezeptor (engl. GABA receptor) GABA-Re- zelle) Gameten sind Geschlechts- oder Keimzellen.
zeptoren lassen sich in drei Klassen unterteilen: (1.) Die weiblichen Gameten heißen Eizellen, die männ-
GABAA-Rezeptor: Komplexer, ligandengesteuerter lichen Gameten Spermatozoen. Bei diploiden Arten
ionotroper Chloridionenkanal, der aus 5 Untereinhei­ (Arten mit zweifachem Chromosomensatz) besitzen
ten besteht; Liganden sind GABA, Benzodiazepine, die Gameten jeweils nur einen einfachen Chromo-
Steroide, Barbiturate und die Droge Picrotoxin; ge- somensatz, sind also haploid. Die Produktion dieser
bräuchlichster Antagonist ist Bicucullin. (2.) GABAB- Geschlechtszellen erfolgt während der Reduktions-
Rezeptor: ein hyperpolarisierender metabotroper teilung (Meiose), bei der die Chromosomensätze der
G-Protein-gekoppelter Rezeptor, der prä- und post- Keimzellen durch die Rekombination (Crossing-
synaptisch vorkommt; der Hauptagonist Baclofen over) von Genen erzeugt werden. Beim Geschlechts-
wird als Muskelrelaxans eingesetzt. (3.) GABAC-Re- vorgang kommt es zur Verschmelzung zweier Ga-
zeptor: Ionotroper Rezeptor, der vorwiegend auf der meten. Das Produkt ist die Zygote, die wiederum
Retina zu finden ist. GABA-Rezeptoren verstärken diploid ist.
durch Chloridioneneinstrom in die Zelle die Hyper-
polarisation der Membran, wodurch die antiepilep- Gammaaminobuttersäure 7 GABA
tische, beruhigende und den REM–Schlaf unter­
drückende Wirkung der Benzodiazepine erklärt wer- Gamma-Motoneuron (engl. gamma motor neuron)
den kann. Gamma-Motoneurone sind im Vorderhorn des
­Rückenmarks liegende Neurone, die mit ihren Fort-
Galanin (engl. galanin) Galanin besteht aus 30 Ami- sätzen in der Peripherie motorisch die Skelettmus-
nosäuren, gehört zur Gruppe der Neuropeptide und kulatur versorgen. Sie erregen die in den Muskel-
spielt sowohl im ZNS als auch im peripheren Nerven- spindeln liegenden Fasern, wodurch die Empfind-
system eine Rolle. Galanin reguliert die Sekretion lichkeit der Muskelspindel auf Dehnungsreize grö-
verschiedener Neurotransmitter wie bspw. Azetyl- ßer wird.
cholin, weswegen es auch mit der Pathogenese der
Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht wird. Gammaoszillation (engl. gamma oscillation; Syn.
Im ZNS übt es einen hemmenden Einfluss auf epilep- 40-Hz-Oszillation) Die Gammaoszillation ist eine
tische Anfälle aus und reduziert die Schmerzwahr- hochfrequente EEG-Oszillation (30–80 Hz) mit ei-
nehmung. In der Peripherie beeinflusst es die Motili- ner niedrigen Amplitude und hohen lokalen Spezi-
102 Ganglien, autonome

fität. Psychophysiologische Studien konnten den nenkette. Die präganglionären sympathischen Neu-
Zusammenhang zwischen Gammaoszillationen und rone treten aus Bauchmark und Lendenmark über
kognitiven Funktionen nachweisen: Das synchrone die Vorderwurzeln aus und werden auf unmyelini-
Feuern von Neuronen im Gammaband ermöglicht sierte postganglionäre sympathische Neurone um-
das Zusammenführen von im Gehirn getrennt re- geschaltet. Die sympathischen Ganglien bilden links
präsentierten Merkmalen der in der Umwelt wahr- und rechts der Wirbelsäule miteinander vernetzte
genommenen Objekte (Binding-Phänomen), d. h. Grenzstränge. Sie innervieren die Organe in Brust-,
die synchronisierte Aktivität im Gammaband stellt Becken- und Bauchraum, die Extremitäten sowie
eine mögliche Lösung des Bindeproblems dar. Es Augen und Drüsen im Kopfbereich.
bestehen bereits bei Gesunden deutliche interindivi-
duelle Unterschiede in der Ausprägung der Gam- Ganglion, vestibuläres (engl. vestibular ganglion)
maaktivität, aber auch spezifische Störungen (z. B. Das vestibuläre Ganglion beinhaltet die Bipolar­
Schizophrenie) scheinen mit charakteristischen Ver- zellen, aus denen die Afferenzen des Nervus vestibu-
änderungen im Gammaband einherzugehen. laris entspringen. Hier gehen Informationen von
den Rezeptoren für das Gleichgewicht ein.
G Ganglien, autonome (engl. pl. autonomic ganglia)
Autonome (=unabhängige) Ganglien sind Nerven- Ganzwort-Lesen (engl. whole-word reading) Das
knoten außerhalb des zentralen Nervensystems. Sie Ganzwort-Lesen ist eine Form des Lesens, bei der
gehören zum autonomen Nervensystem, welches ein bekanntes Wort direkt an seiner visuellen Form
wiederum eines der vier Teile des peripheren Ner- erkannt wird. Eine Störung des Ganzwort-Lesens ist
vensystems (Hirnnerven, Rückenmarksnerven, auto­ die Oberflächendyslexie.
nome Nerven, enterische Nerven) ist. Die autono­
men Ganglien werden von Neuronen innerhalb des Gap junction (engl. gap junction) Gap junctions sind
ZNS gesteuert und enthalten sowohl sympathische Verbindungen zwischen Zellen, sog. Zell-Zell-Ka­
als auch parasympathische Ganglien. näle, die nach dem Prinzip elektrischer Synapsen
funktionieren. Der Spalt zwischen den Zellen ist sehr
Ganglienzelle, retinale (engl. retinal ganglion cell) klein und beträgt nur 2–4 nm, so dass Ionenströme
Die Retina im Auge umfasst in der untersten Schicht direkt und ohne Zeitverzögerung ausgetauscht wer-
Stäbchen und Zapfen, die als Fotosensoren dienen. den können. Der Austausch erfolgt über sog. Konne-
Darüber liegt eine Reihe von Nervenzellnetzwerken, xone (= direkt gegenüberliegende Kanalproteine).
deren oberste Schicht die Ganglienzellen ausmachen.
Sie erhalten Input von den Bipolarzellen und weisen Gastrointestinaltrakt (engl. gastro-intestinal tract;
wie diese konzentrische rezeptive Felder auf. Auch Syn. Verdauungstrakt) Der Gastrointestinaltrakt be-
hier finden sich die beiden Grundtypen von On- steht aus Speiseröhre, Magen, Dünndarm, Dickdarm,
Center/Off-Surround- und Off-Center/On-Sur- Rektum und After. Somit bildet er ein durchgehendes
round-Zellen. Die Axone der Ganglienzellen bilden System, das für den Transport des Magen-Darmin-
den Sehnerv (Nervus opticus). Während die Mehr- haltes verantwortlich ist. Insbesondere die Peristaltik
zahl der retinalen Ganglienzellen in den Thalamus der Muskeln sorgt für eine Zerkleinerung und Durch-
projiziert, liefern einige spezialisierte Ganglienzellen mischung des Nahrungsbreies sowie den Transport
Licht/Dunkel-Informationen an den Nucleus supra- in Richtung Anus. Zusätzlich werden innerhalb des
chiasmaticus (Sitz der »inneren Uhr«). Gastrointestinaltraktes verschiedene Enzyme und
Sekrete zur Verdauung des Breies absorbiert.
Ganglion, sympathisches (engl. sympathetic gang­
lion) Sympathische Ganglien sind Bestandteil des Gate-Control-Theorie 7 Kontrollschrankentheorie
autonomen Nervensystems, welches sich aus
­Sympathikus und Parasympathikus zusammensetzt. Gedächtnis (engl. memory) Unter »Gedächtnis« ver-
Sympathische Ganglien bestehen wie die parasym- steht man einen Informationsspeicher bzw. die Fä-
pathischen Ganglien aus einer zweizelligen Neuro- higkeit zur Informationsspeicherung. Dies beinhal-
Gedächtnis, sensorisches 103

tet die Aufnahme von Informationen, deren Ord- tiven Langzeitgedächtnisses. Es enthält und spei-
nung, das Behalten und deren Abruf. Je nach Dauer chert Informationen über den Zeitpunkt bestimmter
der Speicherung unterscheidet man nach Arbeitsge- Episoden oder Ereignisse und die raumzeitlichen
dächtnis (auch: Kurzzeitgedächtnis) und Langzeit- Relationen zwischen diesen Ereignissen. Dabei be-
gedächtnis. Außerdem kann man das Gedächtnis ziehen sich die Inhalte dieser Informationen auf per-
nach Art der Gedächtnisinhalte einteilen in deklara- sönlich erlebte Ereignisse, z. B. Kennenlernen des/r
tives Gedächtnis (Fakten bzw. Ereignisse) und non- ersten Freundes/in.
deklaratives Gedächtnis (Fertigkeiten, Konditionie-
rung, Priming). Das deklarative Gedächtnis lässt Gedächtnis, ikonisches (engl. iconic memory) Als
sich nochmals in das episodische Gedächtnis (eigene ikonisches Gedächtnis wird ein Ultrakurzzeitspei-
Biographie) und das semantische Gedächtnis (Welt- cher (visuelles sensorisches Register) bezeichnet, in
wissen) unterteilen. Nondeklarative Gedächtnisin- dem visuell dargebotene Reize kurzzeitig gespeichert
halte werden durch implizites Lernen, semantische werden, um eine Erkennung und Analyse der In­
durch explizites Lernen erworben. formationen zu ermöglichen. Da mehr visuelle In-
formationen aufgenommen als verarbeitet werden,
Gedächtnis, deklaratives (engl. deklarative ­memory) dauert die Speicherung nur eine Sekunde, dann wer- G
Das deklarative Gedächtnis bezeichnet jene Bereiche den die Informationen überschrieben oder verfallen.
des (Langzeit-)Gedächtnisses, die auf Aufforderung Die sensorische Speicherung scheint bereits auf der
hin verbalisiert werden können. Ihm gegenüber Retina zu erfolgen. Eine gerichtete Aufmerksamkeit
steht das nondeklarative Gedächtnis, dessen Inhalt ist nicht nötig, da die Sinneseindrücke passiv festge-
eher unbewusst in Leistung, wie bei automatisierten halten werden. Der ikonische sensorische Speicher
Bewegungsabläufen, zum Ausdruck kommt. Inner- ist eine Modellvorstellung der Gedächtnispsycho­
halb des deklarativen Gedächtnisses wird inhalts­ logie.
abhängig zwischen episodischem und semantischem
Gedächtnis unterschieden. Ersteres verarbeitet und Gedächtnis, nondeklaratives (engl. nondeclarative
speichert Informationen, die sich auf eigene Erfah- memory; Syn. prozedurales Gedächtnis, implizites
rungen beziehen und zeitlich eingeordnet werden oder Verhaltensgedächtnis) Das nondeklarative Ge-
können (…mein Urlaub ’98 in Italien…). Letzteres dächtnis beschreibt im Gegensatz zum deklarativen
enthält das »Faktenwissen über die Welt« (…Haupt- (oder expliziten) ein Gedächtnissystem, bei dem die
stadt von Frankreich…), das eine Person hat. Dass Wiedergabe von Gedächtnisinhalten unbewusst und
es sich bei episodischem und semantischem Ge- oft nicht willentlich erfolgt sowie weniger aktive
dächtnis um unabhängige Instanzen handelt, wird Willensanstrengung und Aufmerksamkeit benötigt
dadurch ersichtlich, dass es Patienten gibt, die Stö- wird. Gespeicherte Inhalte umfassen dabei moto-
rungen des einen Bereichs bei völliger Unversehrt- rische Fähigkeiten wie Fahrradfahren, Geigespielen,
heit des anderen aufweisen. Gehen oder eine Schleife binden und die Wieder­
gabe von Gewohnheiten und Regeln. Diese zumeist
Gedächtnis, echoisches (engl. echoic memory) Hier komplexen motorischen Abläufe sind gelernt und
werden auditive Reize bis zu zwei Sekunden ge­ häufig geübt worden, können aber nicht mit Worten
speichert. Die Speicherkapazität ist relativ groß, die erklärt werden. Das nondeklarative Gedächtnis ist
Informationen werden allerdings sehr schnell von zudem verantwortlich für die klassische Konditio-
ähnlichen Reizen überschrieben. Das echoische Ge- nierung und einfaches assoziatives Lernen. Im Zuge
dächtnis gehört mit dem ikonischen Gedächtnis der Erlernung einer Fähigkeit wird dabei die Modi-
zum sensorischen Gedächtnis, welches die Aufgabe fikation des entsprechenden Verhaltens ermöglicht.
hat, durch sensorische Erinnerungen einen Sinn für
die Kontinuität der Umwelt zu geben. Gedächtnis, sensorisches (engl. sensory memory;
Syn. sensorisches Register) Im sensorischen Gedächt-
Gedächtnis, episodisches (engl. episodic memory) nis treffen sämtliche Wahrnehmungen der Sinnes­
Das episodische Gedächtnis ist ein Teil des deklara- organe ein. Die Informationen können hier aber nur
104 Gedächtnisinseln

sehr kurze Zeit gespeichert werden und werden ver- schiedlich, widersprechen oft völlig dem vorherr-
gessen oder überschrieben, wenn sie nicht sofort schenden Wertesystem und werden als verwerflich
weiterverarbeitet und ins Kurzzeitgedächtnis (KZG) oder belastend sowie beängstigend empfunden. Sie
überführt werden. Die Reize werden erkannt und manifestieren sich in Form zwanghafter Ideen, bild-
identifiziert, aber noch nicht (durch einen Abgleich hafter Vorstellungen oder Zwangsimpulse und drän-
mit dem Langzeitgedächtnis) bewertet. Für die Über- gen sich den Betroffenen v. a. dann auf, wenn dieser
führung ins KZG müssen die Informationen erst versucht dagegen anzukämpfen. Üblicherweise kön-
enkodiert (umgeformt) werden. Die unbewusste nen sie von Betroffenen nur mit Mühe oder gar nicht
Wahrnehmung ermöglicht eine Lenkung der Auf- unterbunden werden. Typische Beispiele sind tief re-
merksamkeit. Die Speicherung im sensorischen Re- ligiöse Personen mit Zwangsgedanken der Gottesläs-
gister erfolgt spezifisch nach Sinnesmodalität, man terung oder Mütter, die von bildhaften Vorstellungen
unterscheidet etwa das echoische (auditive) und das und Ideen gequält werden, ihr eigenes Kind zu töten.
ikonographische (visuelle) Gedächtnis.
Gefriermikrotom (engl. cryomicrotome) Mit Ge-
Gedächtnisinseln Als Gedächtnisinseln werden Er- friermikrotomen können hauchdünne Schnitte
G innerungen an vereinzelte Ereignisse bezeichnet, die ­hergestellt werden. Materialien dafür sind frisches
innerhalb von Zeitabschnitten auftreten, an die sonst gefrorenes Gewebe, aber auch Textilien oder Nah-
keine Erinnerung besteht. Gedächtnisinseln treten rungsmittel. Entscheidend ist, dass die Gewebe­
häufig bei Amnesien auf. Bei einer Alzheimer-Krank­ stücke durch die Schockgefrierung eine ausreichende
heit können Gedächtnisinseln in speziellen Wissens- Härte aufweisen. Dazu werden sehr niedrige Tempe-
gebieten während langer Zeit bestehen bleiben. Die raturen benötigt, die durch eine Kühleinrichtung
Inhalte von Gedächtnisinseln bei Menschen mit ei- erreicht werden.
ner Posttraumatischen Belastungsstörung mit Schä-
del-Hirn-Trauma sind traumatisch, wie z. B. Schreie Gegenfarben (engl. pl. opponent colours; Syn. Ergän­
von anderen Menschen nach einer Katastrophe. zungsfarben) Gegenfarben oder Komplementärfar-
ben sind Farbenpaare, die Weiß oder Grau ergeben,
Gedächtniszellen (engl. pl. memory cells) Während wenn man sie zu gleichen Teilen mischt. Im Farb-
der Immunreaktion bei einer Erstinfektion werden kreis liegen sich die Komplementärfarben direkt
einige der aktiven T- und B-Lymphozyten in der ­gegenüber und treten niemals zusammen in einem
­Differenzierungsphase in Gedächtniszellen umge- Farbton auf (es gibt kein rötliches Grün). Als Gegen-
wandelt. Diese bleiben viele Jahre erhalten und ver- farben gelten die Paare grün-rot und blau-gelb. Die
leihen dem Körper Immunität gegenüber »ihrem« weitere Beobachtung, dass Nachbilder immer in der
Erreger. Bei einer Zweitinfektion erfolgt die Immun­ Gegenfarbe erscheinen, stützt die Gegenfarbentheo-
antwort (Sekundärantwort) mit Hilfe der Gedächt- rie. Gemäß dieser von Ewald Hering (1834) aufge-
niszellen schneller, diese stoßen sofort ihre immun- stellten Theorie (»Lehre vom Lichtsinn«) gibt es im
spezifischen Antworten an (bei den T-Lymphozyten visuellen System eine Zellklasse zur Detektion der
innerhalb von 48 Stunden; bei den B-Lymphozyten Farben Rot und Grün, eine zur Detektion der Farben
innerhalb von 12 Stunden). Die Zahl der gebildeten Blau und Gelb und eine dritte Zellklasse zur Hellig-
Antikörper ist bei einer Sekundärinfektion zudem keitssignalisierung (Weiß/Schwarz). Bei den Zellen
höher. Der eingedrungene Erreger (Antigen) kann zur Farbdetektion signalisiert Hyperpolarisierung
sich nicht mehr vermehren und ein Krankheitsaus- die eine Farbe, Depolarisierung die Komplementär-
bruch unterbleibt (Immunität). farbe. Die Gegenfarbentheorie und das Dreifarben-
sehen (Hermann von Helmholtz) stehen nicht zu-
Gedanke, zwanghafter (engl. obsessive thought, einander im Widerspruch, beide Mechanismen sind
­intrusive idea; Syn. Zwangsgedanke) Zwanghafte Ge- bei der Farbwahrnehmung wirksam. Auf der Ebene
danken sind Gedanken und Gefühle, die sich gegen der Zapfen ist die Dreifarbentheorie zutreffend, die
den Willen des Betroffenen wiederholt und unkont- Verarbeitung auf allen weiteren Ebenen erfolgt aber
rollierbar aufdrängen. Sie sind inhaltlich sehr unter- nach der Theorie der Gegenfarben.
Generation 105

Gegenfarbentheorie 7 Gegenfarben bzw. Projektionsfasern verbinden verschiedene Teile


des Gehirns und des Rückenmarks.
Gegenfarbenzellen, duale (engl. pl. spectrally oppo­
nent cells) Duale Gegenfarbenzellen sind Ganglien- Gehirnerschütterung 7 Commotio cerebri
zellen, die über bipolare Zellen Input von zwei oder
drei verschiedenen Zapfenarten erhalten, wobei Gehörknöchelchen (engl. pl. ossicles) Als Gehör-
mindestens eine erregend bzw. hemmend wirkt. Das knöchelchen werden Hammer, Amboss und Steig-
heißt, dass bspw. eine +L/-M-Zelle durch den Input bügel bezeichnet, die sich im Mittelohr in der Pau-
von L-Zapfen erregt, aber durch den Input von kenhöhle befinden. Sie sind die drei kleinsten
M-Zapfen gehemmt wird. Die Zelle wird bei einer ­Knochen des menschlichen Körpers und mit einer
Wellenlänge, die der Farbe Rot entspricht, feuern, res­piratorischen Schleimhaut überzogen. Die drei
wohingegen eine (+S/-(L+M))-Zelle dies im blau- Gehörknöchelchen bilden die sog. Gehörknöchel-
violetten Bereich tut. Zusätzlich zu den vier farblich chenkette, die an Trommelfell und an das ovale
gegensätzlichen Zellen gibt es noch zwei Ganglien- ­Fenster angrenzt. Die Gehörknöchelchen dienen
zellen, die der Helligkeitswahrnehmung dienen. der mechanischen Weiter­leitung der Schallschwin­
­Diese werden von M- als auch von L-Zapfen erregt gun­gen im Mittelohr vom Trommelfell zur Cochlea. G
oder gehemmt. Das Größenverhältnis der schwingenden Membran­
flächen (Trommelfell und ovales Fenster) sowie die
Gegenirritation (engl. counterirritation) Die Gegen- Anordnung der Gehörknöchelchen führen zur Ver-
irritation zählt zu den endogenen Schmerzhem- stärkung der Schwingungen des Trommelfells um
mungen, wobei es sich um einen Mechanismus zur ein Vielfaches (erlaubt differenzierte Analyse von
Verringerung der wahrgenommenen Intensität eines schwachen Schwingungen).
Schmerzes handelt. Hierbei werden Nervenfasern
an der Hautoberfläche über eine spezifische Zeit so Gelbkörper 7 Corpus luteum
gereizt, dass sie keine Schmerzimpulse mehr aus­
senden. Dadurch soll eine Reizminderung durch Gelenksensoren (engl. pl. joint receptors) Gelenk-
Überlagerung mit einem anderen Reiz erreicht wer- sensoren sind mechanosensitive Sensorkörperchen,
den. Dieses Verfahren (z. B. Akupunktur) eignet sich die den Pacini- und Ruffini-Körperchen der Haut
vor allem zur Behandlung von chronisch schmerz- ähneln. Gelenknerven enden hier als freie Nerven-
haften Erkrankungen. endigungen im Gelenkgewebe.

Gehirn (engl. brain; Syn. Enzephalon) Gehirn und Gen (engl. gene) Ein Gen bezeichnet einen Abschnitt
Rückenmark, welche sowohl funktionell als auch der DNA, der Informationen für die Synthese eines
anatomisch untrennbar sind, bilden zusammen das Proteins enthält. Für die Umsetzung der Basenpaar-
Zentralnervensystem. Geschützt durch die Knochen sequenz in eine Aminosäuresequenz (7 Genexpres­
der Wirbelsäule sowie des Schädels, sind das Ge- sion) sind zahlreiche Regulationssequenzen vor dem
hirn wie auch das Rückenmark zusätzlich von drei Gen (Promotor, u. U. Enhancer) bzw. hinter dem
Häuten (Meningen) umgeben. Das Gehirn wiegt bei Gen (Transkriptionsstop) nötig. Bei Eukaryonten
Männern etwa 1375 g und bei Frauen ca. 1245 g. Der (Lebewesen mit echtem Zellkern) ist ein Gen in ko-
Raum zwischen den weichen Hirnhäuten und dem dierende Bereiche (Exons) und nichtkodierende Be-
Schädelknochen ist mit Zerebrospinalflüssigkeit ge- reiche (Introns) gegliedert, wobei nur die Exons In-
füllt. Eine Möglichkeit der anatomischen Untertei- formationen für die Proteinsynthese enthalten.
lung bietet die Gliederung in Großhirn, Hirnstamm
und Zerebellum. Man unterscheidet außerdem zwi- Generation (engl. generation) Eine Generation ist
schen grauer (= Neuronen) und weißer (= Bündel die Gesamtheit aller Lebewesen, die mit anderen
myelinisierter Axone) Substanz; die Ansammlungen ­Lebewesen durch Abstammung verbunden ist und
von Neuronen bilden Kerne (Nuclei) oder Rinde im selben Altersabstand zur Eltern- oder Kinderge-
(Großhirn- und Kleinhirnrinde). Assoziationsfasern neration steht.
106 Genexpression

Genexpression (engl. gene expression; Syn. Pro­ dem prozentualen Austausch genetischen Materials
tein(bio)synthese) Die Genexpression beschreibt die zwischen zwei Orten) angegeben wird. Aus der Kar-
Umsetzung der Information aus der DNA (bei Viren tierung von Genen ergeben sich genetische Kopp-
aus der RNA) eines Gens und somit die Ausprägung lungsgruppen (7 Genkopplung), d. h. eine Gruppe
des Genotyps. Dieser Prozess beinhaltet üblicher- von Genen, die gemeinsam vererbt wird. Im Gegen-
weise zwei Teilschritte: Einerseits das Umschreiben satz zu physikalischen Karten, bei denen der tat­
der DNA in RNA (Transkription) und andererseits sächliche physikalische Abstand (in Basenpaaren)
die Übersetzung der RNA in Proteine (Translation). angegeben wird, beruht der Abstand in den Gen­
Bei Eukaryonten (= zelluläre Lebewesen mit Zell- karten auf Abschätzung, da die Rekombination zwi-
kern im Gegensatz zu Prokaryonten = zelluläre Lebe­ schen zwei Loci auch von anderen morphologischen
wesen ohne Zellkern) können aus derselben DNA- Merkmalen abhängt. Neben Genen können auch
Sequenz verschiedene Proteine exprimiert werden. genetische Marker kartiert werden.
Neben der Synthese der RNA und der Proteine sind
auch Zeitpunkt und Umstände von Aktivierung oder Genkopplung (engl. gene linkage) Unter Genkopp-
Deaktivierung eines Gens von großer Bedeutung. lung versteht man die gemeinsame Vererbung ­zweier
G Die Kontrolle der Genexpression wird autonom oder mehrerer Gene bzw. dazugehöriger Marker.
durch die Information gesteuert, die in der DNA Grundlage ist hier die Beobachtung, dass manche
enthalten ist (z. B. bei der Entwicklung von der be- durch Gene kodierte Merkmale sich nicht oder nur
fruchteten Eizelle zum Embryo), aber auch durch selten im Laufe mehrerer Generationen voneinander
äußere Einflüsse (z. B. Nahrung oder Hitze). trennen. Voraussetzung für die Genkopplung ist,
dass die Gene eng benachbart sind, da sich die Häu-
Genitalien (engl. pl. genitals; Syn. primäre Geschlechts­ figkeit von Crossing-over (Austausch genetisches
organe) Der Begriff kommt aus dem Lateinischen Materials) mit steigender Entfernung erhöht. Die
(generare) und heißt so viel wie »hervorbringen, gemeinsam vererbten Gene fasst man als Kopp-
­zeugen«. Sie dienen primär zur Fortpflanzung. Dabei lungsgruppe zusammen. Deren theoretische Zahl
werden innere (nicht von außen sichtbare) und äuße- entspricht der Zahl der Chromosomen des haplo-
re (sichtbare) Genitalien unterschieden. Zu den äuße­ iden Chromosomensatzes.
ren Genitalien bei der Frau zählen Venushügel,
­Eingang der Vagina mit den äußeren und inneren Genom (engl. genome) Als Genom bezeichnet man
Schamlippen sowie Klitoris, während zu den inneren die Gesamtheit des genetischen Materials eines
die Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter (Uterus), Bart- ­Virus, eines Einzellers oder eines mehrzelligen Orga­
holin-Drüsen und die Vagina zählen. Beim Mann nismus. Im engeren Sinne bezieht sich die Bezeich-
gehören zu den äußeren Geschlechtsorganen Hoden­ nung auch nur auf die Erbanlagen im Zellkern (das
sack und Penis, während Prostata, Hoden, Neben­ Genmaterial der Organellen im Zytoplasma wird
hoden, Samenleiter und Bläschendrüse zu den inne- dabei vernachlässigt). Das Genom enthält den »Bau-
ren Genitalien gezählt werden. Funktional kann plan« für einen Organismus oder einen Virus. Die
zwischen Sexualorganen und Reproduktionsorganen Basensequenzen der DNA (Desoxyribonukleinsäu-
unterschieden werden. Beim Mann kommt hinzu, re) kodieren Ketten aus Aminosäuren (Proteinbio-
dass der Penis zum Urogenitaltrakt gehört und dem- synthese), aus denen im Zytoplasma Eiweiße gebil-
entsprechend zusätzlich auch harnableitende Funk­ det werden. Die Erforschung der Gene und ihrer
tionen übernimmt. Wirkung nennt man Genomik.

Genkarte (engl. gene map) Genkarten sind Darstel- Genotyp (engl. genotype) Der Genotyp ist die gene-
lungen der relativen Lage untersuchter Gene zuein- tische Ausstattung eines Organismus, d. h. alle in der
ander. Aus Kreuzungen ergibt sich eine Rekombi­ DNA kodierten genetischen Informationen. Zwei
nationshäufigkeit (Häufigkeit des Austausches der Organismen, die sich auch nur in einem Allel unter-
DNA-Sequenz) zwischen zwei Gen-Orten, auch schieden, tragen bereits nicht mehr den gleichen
Loci genannt, die in cM (Centimorgan; entspricht Genotyp. Vom Genotyp zu unterscheiden ist der
Geschlechtsmerkmale, sekundäre 107

Phänotyp, die äußere Erscheinung des Organismus. tionen dieser zwei Chromosomtypen, wie z. B. XXX,
Phänotyp und Genotyp müssen nicht identisch sein, stellen Chromosomenanomalien dar.
da z. B. Umwelteinflüsse und die Dominanz bestimm-
ter Gene eine Rolle bei der Ausprägung spielen. Geschlechtshormone (engl. pl. sex hormones; Syn.
Sexualhormone) Geschlechtshormone gehören zur
Geruchsepithel (engl. olfactory epithel) Das Geruchs­ Gruppe der Steroidhormone. Sie regulieren die
epithel befindet sich an der oberen Nasenmuschel ­Gonadenentwicklung, Geschlechtsmerkmale sowie
und am hinteren Teil des Nasenseptums (Nasen- die Fortpflanzung. Man unterscheidet zwischen
scheidewand). Dieser Bereich wird auch Regio weiblichen Geschlechtshormonen wie Östrogenen
­olfactoria genannt und ist ca. 5 cm2 groß. Das Epithel und Gestagenen, die v. a. in Plazenta und Ovarien,
besteht aus drei verschiedenen Zellarten. Riechzel- aber auch in der Nebennierenrinde produziert und
len bilden einen dendritischen Fortsatz, der mit von dort in den Blutstrom ausgeschüttet werden. Die
Riechhaaren besetzt ist und mit der Schleimschicht männlichen Geschlechtshormone, wie Testosteron
in Verbindung stehen. Riechzellen besitzen ein Axon (ein Androgen), werden v. a. in den Hoden und in
ohne Myelinschicht, welche als Bündel (Fila olfac­ der Nebennierenrinde gebildet. Zwar gibt es keine
toria) durch das Siebbein zum Bulbus olfactorius geschlechtsspezifischen Hormone, jedoch variiert G
ziehen. Weiterhin gibt es noch die Basalzellen und zwischen Mann und Frau sowohl die produzierte
die Stützzellen. Die Lebensdauer der Riechzellen Menge als auch die Reaktivität des Organismus auf
liegt ungefähr bei 60 Tagen. einzelne Geschlechtshormone. Die Ausschüttung
der Geschlechtshormone wird über die Freisetzung
Geschlecht (engl. sex, gender) Als Geschlecht wird von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH; Hy-
häufig das biologische Geschlecht (weiblich oder pothalamus) und anschließender Freisetzung von
männlich) gemeint, welches beim Menschen defi- Follikel-stimulierendem Hormon (FSH; Hypo­physe)
niert ist durch zwei X-Chromosome (weiblich) bzw. bzw. luteinisierendem Hormon (LH; Hypophyse)
ein X- und ein Y-Chromosom (männlich). Im Zu- gesteuert.
sammenhang mit dem soziokulturellen Geschlecht
wird heute eher der Begriff »gender« verwendet. Mit Geschlechtsmerkmale, primäre (engl. pl. primary
Geschlecht kann weiterhin lediglich die Genitalien sex charakteristics) Geschlechtsmerkmale sind Eigen­
eines Lebewesens bezeichnet werden; in der Biologie schaften, die bei verschiedenen Geschlechtern unter­
wird darunter auch die Zuordnung zu einer be- schiedlich ausgeprägt sind. Als primäre Geschlechts-
stimmten Art oder Rasse verstanden. merkmale werden die inneren angeborenen Ge-
schlechtsorgane bezeichnet. Dazu zählen also der
Geschlechtschromosom (engl. sex chromosome; Penis und die Hoden beim Mann bzw. die Eier­stöcke,
Syn. Heterosome) Geschlechtschromosomen sind Gebärmutter und Vagina bei der Frau.
neben den Autosomen (Körperchromosomen) Teil
des Chromosomensatzes einer Zelle. Die Ausbil- Geschlechtsmerkmale, sekundäre (engl. pl. secon­
dung des Geschlechts eines Organismus hängt vom dary sex charakteristics) Die sekundären Geschlechts-
Vorhandensein bestimmter Geschlechtschromo- merkmale sind die spezifischen Merkmale eines
somen ab. Die Zahl der notwendigen Chromosomen Geschlechts, die sich erst im Laufe des Lebens beim
und die Art und Weise, wie die Geschlechtschro­ Einsetzen der Pubertät aufgrund hormoneller Ver-
mosomen auf die Geschlechtsbildung einwirken, ist änderungen entwickeln und somit eine Unterschei-
artenspezifisch. Beim Menschen trägt das X-Chro- dung der Geschlechter auf den ersten Blick möglich
mosom die Anlagen für das weibliche Geschlecht machen. Bei Mädchen sind das die erste Regel­
und das Y-Chromosom die Anlagen für das männ- blutung (Menarche), das Wachstum der Brüste und
liche Geschlecht. Das männliche Geschlecht wird im die Herausbildung weiblicher »Rundungen«, wie
Allgemeinen ausgebildet, wenn je ein Y-Chromo- z. B. breitere Hüften. Bei den Jungen kommt es zum
som und ein X-Chromosom vorhanden sind. Frauen ersten Samenerguss sowie zum Einsetzen des Stimm-
besitzen zwei X-Chromosomen. Andere Kombina­ bruchs. Die Schultern werden breiter und die »ty-
108 Geschmacksaversion, konditionierte

pisch männliche« Figur entsteht. Bei beiden Ge- sauer und bitter. Die Vorstellung, dass die einzelnen
schlechtern kommt es zu vermehrter Körperbehaa- Geschmacksrichtungen den einzelnen Papillen zuge-
rung (Schambehaarung), übermäßiger Talgproduk- ordnet werden können, gilt als veraltet. Heute wird
tion (Pubertätsakne), allgemeinem Körperwachstum vielmehr ein Geschmackskontinuum angenommen.
und oft auch zu Veränderungen im Charakter. Bei Eine fünfte Geschmacksrichtung – »umami« – ­wurde
Mädchen tritt die Pubertät heute im Durchschnitt erst Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt. Sie soll ins-
im Alter von zehn Jahren ein, bei Jungen durch- besondere eiweißreiche Nahrung detektieren. 2005
schnittlich zwei Jahre später mit zwölf Jahren. wurden zudem Rezeptoren für Fett gefunden, die in
unmittelbarer Nähe der Geschmackspapillen liegen.
Geschmacksaversion, konditionierte (engl. condi­
tioned taste aversion) Die konditionierte Geschmacks­ Geschmacksqualitäten (engl. pl. taste qualities)
aversion ist ein erworbenes Vermeiden von Subs­ Man unterscheidet zwischen fünf Geschmacksqua-
tanzen mit bestimmtem Geschmack aufgrund eines litäten: süß (Kohlenhydrate, Süßsstoff), salzig (mine­
einmaligen Auftretens von Übelkeit nach Konsum ralische Verbindungen, z. B. Speisesalz), sauer (Säu-
dieser Substanz. Charakterisch für die Geschmacks­ ren), bitter (Bitterstoffe) und umami (fleischartiges,
G aversion ist, dass eine einmalige Koppelung der herzhaftes; Wahrnehmung ausgelöst durch Gluta-
Substanz und einer folgenden Übelkeit zu einem minsäure). Jede Geschmackzelle auf unserer Zunge
Vermeidungsverhalten bezüglich der Substanz führt, besitzt geschmacksspezifische Rezeptoren, es gibt
die über lange Zeit auch ohne Wiederholung der Er- sozusagen spezielle »Süß-Rezeptoren«, »Bitter-Re-
fahrung erhalten bleibt (hohe Löschungsresistenz). zeptoren« usw. Jede Geschmacksqualität hat eine
Die Geschmacksaversion ermöglicht überlebens- wichtige physiologische Funktion. Eine angeborene
wichtige Lernprozesse. Vorliebe für Süßes führt zur Aufnahme von Nah-
rung, die reich an lebenswichtigen Kohlenhydraten
Geschmacksknospe (engl. taste bud) Eine Ge- ist, die Abneigung gegen bittere Lebensmittel (an­
schmacksknospe besteht aus einer Gruppe von geboren) schützt vor Vergiftungen. Der salzige Ge-
50–150 Geschmackszellen, die sich in einer Gruppe schmack dient der Regulation des Mineralstoffhaus-
angeordnet auf dem Zungenrücken (mit Ausnahme haltes, dem sauren Geschmack kommt die gleiche
der Fadenpapillen) befinden. Geschmackszellen be- Rolle im Säure-Base-Haushalt zu. Umami zeigt pro-
sitzen Mikrovilli (Zellfortsätze zur Oberflächenver- teinhaltige Nahrung (wie Fleisch) an.
größerung), worauf sich die eigentlichen Rezeptoren
für die selektive Anbindung der Geschmacksstoffe Geschmackssinneszellen (engl. pl. taste cells; Syn.
befinden. Bindet sich ein Molekül an den entspre- Geschmacksrezeptorzellen) Die Geschmackssinnes-
chend seiner charakteristischen Oberfläche komple- zellen liegen in Bündeln von 50–150 Zellen vor.
mentären Rezeptor, so führt dies zu einem Ionen- ­Diese Bündel werden Geschmacksknospen genannt,
fluss in die Rezeptorzelle, woraufhin ein elektrisches von denen sich mehrere in einer Geschmackspapille
Potenzial generiert wird (7 Geschmacksqualitäten). finden. Geschmackssinneszellen haben eine relativ
kurze Lebensspanne von nur 10–14 Tagen. In einer
Geschmackspapille (engl. taste papilla) Als Ge- Geschmacksknospe finden sich demnach immer
schmackspapillen wird ein System von Geschmacks- Geschmackssinneszellen in verschiedenen Entwick-
knospen mit ihren spezifischen Geschmackszellen lungsstadien. Neben den Geschmackssinneszellen
bezeichnet. Bei Menschen befinden sich Geschmacks­ finden sich in den einzelnen Geschmacksknospen
rezeptoren auf der Zunge sowie im Bereich von auch Zellen zur Schmerz- und Tastwahrnehmung.
­Pharynx und Larynx. Dabei werden bei den auf der
Zunge angesiedelten Geschmackspapillen vier Papil- Gesichtsfeld, fusiformes (eng. fusiform face area)
lenformen unterschieden: die Fadenp. (Papillae fili- Das fusiforme Gesichtsfeld (FFA) befindet sich auf
formes), die Pilzpapillen (P. fungiformes), die Blatt­ dem fusiformen Gyrus des Temporallappens und ist
papillen (P. foliatae) und die Wallpapillen (P. vallatae). beim Menschen eine kleine (etwa erbsengroße)
Sie detektieren die Geschmacksqualitäten süß, salzig, Struktur. Als Teil des visuellen Systems umfasst es
glandulo-/glandulär 109

Neuronen, welche auf die Wahrnehmung von ihre Zielzellen wirken (parakrine Wirkung). Diese
­Gesichtern spezialisiert zu sein scheinen. So etwa Botenstoffe werden nicht in Drüsen synthetisiert,
kommt es bei Ausfall des FFA zum Krankheitsbild sondern in spezialisierten Zellen, die über das Gewe-
der Prosopagnosie, d. h. es können keine Gesichter be verteilt sein können (z. B. Histamin in den Mast-
mehr erkannt werden. zellen, Serotonin in Nervenzellen). Vertreter sind
Histamin, Serotonin, Angiotensin II, die Gruppe der
Gesichtsschimären-Test (engl. chimeric figure test) Prostaglandine und der Interferone, Stickoxid (Stick-
Mit dem Gesichtsschimären-Test kann die Über­ stoffmonoxid), Bradykinin und Kallidin.
legenheit der Hemisphären in der Verarbeitung be-
stimmter Reize untersucht werden. Außerdem kann Gewöhnung 7 Habituation
gezeigt werden, dass die einzelnen Hirnhälften von
Split-Brain-Patienten simultan und unabhängig GH 7 Wachstumshormon
­halbe Bilder vervollständigen. Im Test wird dem Pa-
tienten mitgeteilt, dass er eine Photographie sehen Ghrelin (engl. ghrelin) Ghrelin ist ein gastrointes­
wird. Während er den Mittelpunkt der Projektions- tinales Hormon, das primär an der Regulation von
fläche fixiert, wird ein aus zwei halben Gesichtern Hunger- und Sättigungsgefühl (Energiebalance) be- G
(von unterschiedlichen Personen) zusammengesetz- teiligt ist. Ghrelin erhielt seinen Namen durch die
tes Bild (Schimäre) tachistoskopisch dargeboten. Beobachtung, dass es eine Sekretion von Wachs-
Der Patient muss nun das Bild entweder verbal be- tumshormon (GH) aus der Hypophyse induzieren
schreiben oder durch Zeigen auf eine Auswahl von kann (engl. growth hormone release inducing). Zu-
Bildern identifizieren. Je nach Identifikationsmoda- sätzlich stimuliert es die Magenentleerung, die Frei-
lität zeigen sich Unterschiede, welches Bild als das setzung von Neuropeptid Y und hat positive Effekte
Gesehene identifiziert wird. Der Patient denkt, er auf kardiovaskuläre Funktionen. Ghrelin ist ein 28
habe ein vollständiges Bild gesehen. Aminosäuren-langes Peptidhormon, welches v. a. in
Epithelzellen des Magenfundus (aber auch in Pla-
Gestagene (engl. pl. gestagens; Syn. Gelbkörperhor­ zenta, Niere, Hypothalamus und Hypophyse) sezer-
mone) Gestagene sind weibliche Geschlechtshor- niert wird. Der Ghrelinspiegel sinkt nach den Mahl-
mone. Sowohl natürliche als auch synthetische Gesta- zeiten, steigt danach wieder an und verstärkt das
gene mit progesteronähnlicher Wirkung (Pro­gestine, Hungergefühl. Zusätzlich wird ihm eine Fettabbau-
Progestogen) werden bei Zyklusstörungen oder als unterdrückende Funktion zugeschrieben. Studien
Bestandteil von Ovulationshemmern (Pille) ange- zeigen erhöhte Ghrelinspiegel bei Patienten mit
wandt. Zusätzlich können sie als Medikament zur ­Prader-Willi-Syndrom und bei Anorexia nervosa.
Behandlung von Brustkrebs eingesetzt werden. Sie
werden im Gelbkörper des Eierstocks und der Plazen- GHRH 7 Growth-Hormone-Releasing-Hormon
ta in einem relativ konstanten Zeitraum von 14 Tagen
produziert. Gestagene sind für das Zustandekommen glandotrop (engl. glandotrope) Glandotrop bedeutet
einer Schwangerschaft von Bedeutung und sorgen für auf eine (periphere) Drüse einwirkend. So stimulie-
den Erhalt derselben. Sie bereiten die Gebärmutter- ren Hormone aus dem Hypophysenvorderlappen
schleimhaut auf das Einnisten einer befruchteten Ei- (FSH, LH) die Freisetzung von Sexualsteroiden aus
zelle vor. Nistet sich kein befruchtetes Ei ein, bleibt die den Eierstöcken und Hoden, TSH bewirkt die Pro-
Gestagenbildung aus und es kommt zum Gestagen- duktion von Schilddrüsenhormonen, ACTH stößt
entzug. Dieser löst die Menstruationsblutung aus. die Herstellung und Freisetzung von Kortisol, Aldos­
teron und anderen Steroidhormonen aus der Neben-
Gewebehormone (engl. pl. tissue hormones; Syn. nierenrinde an.
Autakoide) Gewebshormone sind eine Reihe von
Hormonen und anderen chemisch heterogenen glandulo-/glandulär (engl. glandular) Glandulo-/
Substanzen, die nicht in das Blutsystem abgegeben glandulär ist der medizinische Begriff für »die Drü-
werden, sondern direkt im extrazellulären Raum auf sen betreffend, zu einer Drüse gehörend«.
110 Gleichgewichtspotenzial

Gleichgewichtspotenzial (engl. steady-state poten­ sorgen die Myelinisierung von Axonen (mehrere
tial) Das bekannteste Gleichgewichtspotenzial ist das Axone werden i. d. R. von einer Zelle myelinisiert).
Ruhepotenzial. Hierbei sind u. a. der Ein- und Aus- Die kleinen Mikroglia wandern zu Entzündungs­
strom von Kaliumionen im Gleichgewicht zu nen- herden oder verletzten Gehirnabschnitten, wo sie
nen. Dieses Gleichgewicht wird durch ein Zusam- vermutlich Zelltrümmer aufnehmen und entsorgen.
menspiel der semipermeablen Zellmembran, des Im peripheren Nervensystem sind Schwann-Zellen
elektrostatischen und des osmotischen Drucks auf- für die Myelinisierung der Nervenfaser zuständig.
rechterhalten. Analog befinden sich auch der Ein- Nach Schädigung der Axone stimulieren sie das
und Ausstrom der Chloridionen im Gleichgewicht. Wiederwachstum und dienen den wachsenden
­Axonen als Richtungsindikatoren.
Gleichgewichtssinn (engl. vestibular sense; Syn. vesti­
buläre Wahrnehmung) Das Gleichgewichtssystem Globulin (engl. globulin) Globuline sind farblose
dient der Feststellung der Körperhaltung und Orien- ­ iweißkörper des Hämoglobins, die zur Gruppe der
E
tierung im Raum und nimmt Veränderungen der globulären Proteine gehören. Sie werden vorwie-
Richtung und Intensität von Kopfbewegungen wahr. gend in der Leber gebildet und können bei 60 °C
G Die zwei Gleichgewichtsorgane des Menschen befin- verklumpen oder denaturiert werden. Ihr Abbau er-
den sich im rechten und linken Innenohr. Jedes der folgt durch Enzyme und während der Hydrolyse. Es
beiden Gleichgewichtsorgane besteht aus drei flüs- werden Alpha-, Beta- und Gammaglobuline unter-
sigkeitsgefüllten Bogengängen und zwei Makula­ schieden. Die Funktionsbereiche der Globuline er-
organen. Die Bogengänge sind für die Wahrneh- strecken sich über die Regulierung des pH-Wertes,
mung von Drehbewegungen im Raum verantwort- den Transport und die Wirkung als Enzyme. Ihre
lich. An den inneren Wänden der Bogengänge befin- wichtigste Wirkung tritt jedoch im Immunsystem zu
den sich hochempfindliche Haarzellen, die auf das Tage. Globuline (Gamma-Globuline) können immu­
afferente Faserbündel des sog. Vestibulärnervs ein- nologisch aktiv werden und werden dann als Im-
wirken. Bei jedem Positionswechsel bewegt sich die munglobuline bezeichnet. Ihre Synthese findet in
Flüssigkeit (Lymphe) in den Bogengängen, wodurch Plasmazellen (B-Zellen) statt.
die Sinneshärchen gereizt werden. Die zwei Makula-
organe (Macula utriculi und Macula sacculi) neh- Globus pallidus (engl. globus pallidus; Syn. Pallidum,
men lineare Bewegungsbeschleunigungen wahr. Die Palleostriatum) Der Globus pallidus entstammt ent-
Macula utriculi wird durch horizontale, die Macula wicklungsgeschichtlich dem Dienzephalon und wird
sacculi durch vertikale Beschleunigung gereizt. In- funktionell den Basalganglien zugeordnet. Es teilt
formationen von den Haarzellen werden an das sich in ein mediales und ein laterales Pallidusseg-
Kleinhirn weitergeleitet oder erreichen nach Um- ment auf und ist aufgrund seiner blasseren Färbung
schaltung im Nucleus vestibularis (Hirnstamm) u. a. erkennbar. Obwohl das Pallidum über einen bewe-
den Thalamus, den zerebralen Kortex oder die Mo- gungsfördernden und einen bewegungshemmenden
toneurone der Augenmuskulatur. Teil verfügt, ist es als bahnendes Zentrum für moto-
rische Impulse, also als funktioneller Antagonist des
Gleichgewichtssystem 7 Gleichgewichtssinn Striatums, zu betrachten. Die Afferenzen erhält das
Pallidum v. a. von Striatum, Ncl. subthalamicus und
Gliazellen (engl. pl. glial cells) Gliazellen sind Zellen, dem Thalamus. Die Efferenzen laufen hauptsächlich
die sich im Nervensystem diffus im Gewebe ver- in den Thalamus, welcher die prämotorische und
streut finden und sich funktionell von den Neuronen motorische Hirnrinde erregt. Hemmende Efferenzen
abgrenzen lassen. Im ZNS unterscheidet man Astro­ schickt das Pallidum über den Ncl. subthalamicus.
glia, Oligodendroglia und Mikroglia. Astroglia mit
sternförmigen Fortsätzen sind für die Nährstoffver- Glomeruli (engl. pl. glomeruli; Syn. Nierenkörper­
sorgung der Neurone, das Ionengleichgewicht, Auf- chen) Glomeruli sind ein Teil des Nephrons, einer
nahme von Neurotransmittern und die Bildung der Struktur in der Rinde der Niere. In der Nierenrinde
Blut-Hirnschranke zuständig. Oligodendroglia be- liegen viele kleine Blutgefäßsysteme, in die ­Bowman-
Glukose 111

Kapsel eingestülpte Gefäßschlingen, sog. Glomeruli. bildet werden. Sie dienen unterschiedlichen phy­
Glomerulus ist, wie Tubulus, Bestandteil eines Ne- siologischen Prozessen, v. a. der Mobilisierung von
phrons, das Harn bildet. In den Glomeruli erfolgt die Energiereserven in Zeiten der Belastung (z. B. durch
Bildung von 170 l Primärharn pro Tag durch Ultra- Stimulation der enteralen Absorption von Glukose,
filtration. Steigerung der hepatischen Bildung von Glukose und
der Senkung des Glukoseverbrauchs in der Peri­phe­
Glomerulus olfactorius (engl. olfactory glomerulus) rie). Zudem unterdrücken sie die Immunabwehr
Der Glomerulus olfactorius ist ein Komplex im Bul- (z. B. durch Hemmung der Granulozyten, Monozy­
bus olfactorius, welcher die Dendriten der Mitral­ ten und T-Lymphozyten), weswegen ­Glukokortikoid-
zellen und die synaptischen Endknöpfchen der Re- Präparate (z. B. Kortison) häufig bei Erkrankungen
zeptorzellen umfasst. Ein Glomerulus ist auf ca. 2000 eingesetzt werden, die durch eine überschießende
Rezeptorzellen verschaltet, die alle das gleiche Re- Immunabwehr verursacht werden (z. B. Allergien,
zeptormolekül beinhalten. Daher existieren so viele Asthma). Das wichtigste Glukokortikoid des mensch-
Glomeruli wie Rezeptormoleküle. lichen Organismus ist das Kortisol.

Glomus caroticum (engl. carotical/carotid gland) Der Glukoneogenese (engl. gluconeogenesis) Glukoneo- G
Glomus caroticum ist ein kleines rundes Organ an genese ist ein hauptsächlich in der Leber, aber auch
den Abzweigungen von der Aorta carotis communis in den Nieren ablaufender Prozess, bei dem entge-
in die Aorta carotis interna und in die Aorta carotis gen der Glykolyse Pyruvat in Glukose umgewandelt
externa. Er ist ein Paraganglion, d. h., dass er aus wird. Auf diesem Weg kann der Glukosebedarf im
einem Zellverbund, der aus dem Parasympathikus Körper, speziell im Gehirn und den roten Blutkör-
hervorgeht, besteht. Innerviert wird er durch den perchen, auch bei längeren Hungerphasen gedeckt
­Sinusnerv. Er fungiert als peripherer Chemorezeptor, werden. Es ist auch möglich, Glukose aus Molekülen
der Blutgas und pH-Wert überwacht und somit die zu synthetisieren, die keine Kohlenhydrate sind
Informationsbasis zur Atemregulation gibt. (Milchsäure, Aminosäuren, Glyzerol). Diese müssen
zunächst in Pyruvat umgewandelt werden.
Glukagon (engl. glucagon) Glukagon ist ein Poly-
peptidhormon (bestehend aus 29 Aminosäuren), Glukoprivation (engl. glucose deficiency) Glukopriva­
das in den endokrinen Alphazellen der Langer­ tion beschreibt einen zellulären Mangel an Glukose.
hannschen Zellen (Pankreas) aus Präproglukagon Dieser wird durch ein Absinken des Blutzucker­
gebildet und bei Blutzuckerabfall oder einer protein- spiegels (Hypoglykämie) verursacht und bedingt ein
reichen Mahlzeit in den Blutkreislauf entlassen wird. nahrungsbezogenes Verhalten bspw. Nahrungsauf-
Gefördert wird sein Ausstoß durch Azetylcholin, nahme von zuckerhaltigen Speisen.
Adrenalin (Beta-Rezeptoren) und gastrointestinale
Hormone, gehemmt durch GABA und Somatosta- Glukose (engl. glucose; Syn. Traubenzucker) Glukose
tin. Die Wirkung des Glukagons ist antagonistisch ist ein Monosaccharid und Abbauprodukt kom-
zu Insulin: sein Hauptzielorgan ist die Leber, wo es plexer Kohlenhydrate, wie bspw. höhermolekularer
zunächst für die Mobilisierung von Energiesubs­ Zucker und Stärke. Die Konzentration von Glukose
traten zuständig ist (Umwandlung von Glykogen in im Blut, die als Blutzuckerspiegel bezeichnet wird, ist
Glukose, Förderung der Lipolyse, Abbau von Pro­ zentral für das Hungergefühl. Mit Unterstützung
teinen und Glukoneogenese aus Aminosäuren). von Sauerstoff wird Glukose in den Zellen über
Glukagon wird zur Ruhigstellung des Darmes, aber ­Zwischenschritte zu Kohlendioxid und Wasser ver-
auch im Fall einer Unterzuckerung bei Diabetes mel- brannt (ähnlicher Vorgang zur Energiegewinnung
litus eingesetzt. wie bei Verbrennen von z. B. Öl). Die dabei freige-
wordene Energie wird im Zellstoffwechsel weiter
Glukokortikoide (engl. pl. glucocorticoids) Gluko- verwendet (oxidativer oder aerober Stoffwechsel).
kortikoide sind hypothalamisch und hypophysär re- Glukose ist für den Organismus die wichtigste direkt
gulierte Hormone, die in der Nebennierenrinde ge- nutzbare Energiequelle. Sie gehört zu den Stoffen,
112 Glutamat

deren Ausscheidung wegen ihres Nährwertes ver- bination vorkommen. Das Zusammenspiel verschie-
mieden und durch aktive Transportsysteme (Pum- dener Glutamat-Rezeptoren hat eine besondere Be-
pen) resorbiert werden kann (Überforderung der deutung bei der Langzeitpotenzierung (LTP), aber
Pumpe bei Diabetes mellitus). auch bei der Nozizeption (die Sensibilisierung nozi-
zeptiver Neurone wird vermutlich durch vermehrtes
Glutamat (engl. glutamate; Syn. Glutaminsäure) Glu­ Auftreten von NMDA-Rezeptoren verursacht). Ver-
tamat ist der wichtigste exzitatorische (erregende) änderungen im Glutamatsystem werden auch mit
Neurotransmitter im zentralen Nervensystem der pathologischen Zuständen (z. B. Epilepsie, ­Ischämie)
Wirbeltiere. Er dient damit der Übertragung von und neurodegenerativen Störungen (Alzheimer
­Signalen zwischen Nervenzellen, wobei vermutlich ­Demenz, Chorea Huntington) in Verbindung ge-
mehr als die Hälfte von ihnen Glutamat freisetzt. bracht.
Der Transmitter befindet sich in kleinen Bläschen,
Vesikel genannt, in den Synapsen der Neurone und Glutaminsäure 7 Glutamat
bindet nach der Freisetzung in den synaptischen
Spalt an spezielle Glutamatrezeptoren (u. a. AMPA-, Glykogen (engl. glycogen) Glykogen ist ein Poly­
G NMDA-, Kainat-Rezeptor). Unkontrollierter, massi­ saccharid, dient als Speicherform von Kohlenhydra-
ver Einstrom von Glutamat kann zum Tod der post- ten der Bereitstellung von Glukose im Organismus.
synaptischen Zelle führen. Glykogen entsteht aus Glukose, die bei einem Über-
angebot von Nahrung in eine osmotisch inaktive
Glutamat-Hypothese der Schizophrenie (engl. glut­ Form umgewandelt und gespeichert wird. Die Haupt-
amate hypothesis of schizophrenia) Die Glutamat-Hy- speicherorgane sind Leber und Muskeln. Bei ver-
pothese der Schizophrenie wird als Ergänzung zur stärktem Energiebedarf kann Glykogen durch Glu-
Dopamin-Hypothese verstanden. Glutamat ist der kagon wieder zu Glukose gespalten und dem Körper
wichtigste erregende Neurotransmitter im zentralen zur Verfügung gestellt werden. Es kann durch Braun-
Nervensystem, es gibt Hinweise darauf, dass dessen färbung mit Iod oder einer enzymatischen Analyse
Aktivität bei schizophrenen Patienten vermindert ist. nachgewiesen werden. Der Aufbau von Glykogen
Das Kortiko-Striato-Thalamo-Korti­kale-Modell heißt Glykogenese, dessen Abbau Glykogenolyse (er-
(engl. CSTC-loop) der psychosensorischen Informa- folgt v. a. durch Insulin).
tionsverarbeitung geht davon aus, dass die zum
Großhirn aufsteigenden Reize der ­Innen- und Außen­ Glykogenolyse (engl. glycogenolysis) Glykogenolyse
welt über den Thalamus geleitet und dabei gefiltert bezeichnet den Abbau von Glykogen im Körper.
werden. Eine Hemmung der gluta­matergen (-Glu), ­Stimuliert durch Adrenalin und Glukagon wird das
aber auch eine exzessive Steigerung der dopaminer- vorrangig in Leber und Muskeln gespeicherte Gly-
gen (DA) oder serotonergen (+ 5-HT) Neurotrans- kogen zu Glukose gespalten. In dieser Form gelangt
mission führen nach diesem Modell zu einer Öffnung es in die Blutbahn.
des »thalamischen Filters« und somit zu einer Reiz­
überflutung des Großhirns und akut psychotischen Glyzerol (engl. glycerol, glycerin; Syn. 1,2,3-Propa­
Symptomen. netriol, Glyzerin) Glyzerol ist ein dreiwertiger Alko-
hol, seine Süßkraft erreicht 60 % der Süße von Rohr­
Glutamat-Rezeptoren (engl. pl. glutamate receptors) zucker. Glyzerol wurde im Jahre 1873 von Scheele
Glutamat-Rezeptoren sind Transmembranproteine bei der Verseifung von Olivenöl und Bleioxid gefun-
in der (v. a. postsynaptischen) Membran von Neuro­ den. Es wurde früher nur aus natürlichen Quellen
nen, die spezifisch Glutamat binden und als Haupt- gewonnen, später gewann die chemische Synthese
mediatoren der exzitatorischen synaptischen Über- immer mehr an Bedeutung (Ausgangsstoff Pro­
tragung im vertebralen zentralen Nervensystem an- pylen). Glyzerol findet Verwendung als Lebensmit-
gesehen werden. Es existieren ionotrope (NMDA-, telzusatzstoff E422, Frostschutzmittel, Schmierstoff,
AMPA- und Kainat-Rezeptoren) und metabotrope Weichmacher, Lösungsmittel, Medikament (Tablet-
(mGlur) Glutamat-Rezeptoren, die häufig in Kom- ten zur Behandlung eines Hirnödems oder als Ab-
Gonadektomie 113

führmittel) und Kosmetika (als Feuchtigkeits­ Seite, die zur Zellmembran zeigt. Über die Cis-Seite
spender). werden mittels Vesikel vom glatten endoplasmati­
schen Retikulum Proteine in den Golgi-Apparat auf-
Glyzin (engl. glycine) Glyzin ist die einfachste Amino­ genommen. Im Golgi-Apparat werden die Proteine
säure. Da sie kein Chiralitätszentrum besitzt, ist sie dann modifiziert und an der Trans-Seite wiederum
als einzige proteinogene Aminosäure optisch inak- in Vesikel verpackt. Diese wandern entweder zur
tiv. Gebildet wird Glyzin aus der Reaktion von Me- Zellmembran, um diese zu erneuern, oder geben
thanal (Formaldehyd), Zyanwasserstoff (Blausäure) ­ihren Inhalt mit Hilfe der Exozytose in den extrazel-
und Wasser. Die weiße, leicht wasserlösliche Subs- lulären Raum ab.
tanz hat einen süßen Geschmack und ist sehr stoff-
wechselaktiv. Neben der Gammaaminobuttersäure Golgi-Färbung (engl. Golgi staining) Mit der Golgi-
(GABA) ist Glyzin, das im Hirnstamm und Rücken- Färbung lassen sich verschieden dicke Schnittpräpa-
mark nachgewiesen wurde, der wichtigste inhibito- rate einfärben. Dabei wird das Nervengewebe erst in
rische Neurotransmitter. Ein spezifischer Antagonist Kaliumdichromat und anschließend in Silbernitrat-
ist Strychnin. Glyzin ist in vielen eiweißhaltigen Le- lösung getaucht. Das hierbei entstehende Silberchro-
bensmitteln vorhanden wie Fleisch, Fisch, Bohnen mat wandert in einige Neurone ein und färbt diese in G
sowie Milchprodukten. Es wird auch künstlich her- ihrer ganzen Ausdehnung (Dendriten, Soma, Axon)
gestellt, um als Geschmacksverstärker, z. B. in Marzi­ schwarz. Aus bis heute nicht geklärter Ur­sache wer-
pan, verwendet zu werden. den dabei nur 1–2 % der Neurone gefärbt. Das hat
wiederum den Vorteil, dass der Verlauf der einzelnen
GnRH 7 Gonadotropin-Releasing-Hormon gefärbten Neurone sehr gut sichtbar wird.

Golgi, Camillo Camillo Golgi war Mediziner und Golgi-Sehnenorgan (engl. Golgi tendon organ) Das
Physiologe, der 1906 für seine herausragende Arbeit Golgi-Sehnenorgan dient als Dehnungssensor, der
über die Struktur des Nervensystems den Nobelpreis hauptsächlich Muskelspannung registriert. Dazu
erhielt. Er wurde 1843 in Corteno bei Brescia (­Italien) ­leitet es über die afferente 1b-Fasern Impulse ans
geboren, studierte in Pavia Medizin und promo- ­Rückenmark. Die 1b-Fasern sind mit inhibitorischen
vierte 1865. Als Oberarzt in einer Klinik in Abbi- Interneuronen verbunden, die wiederum mit Mo-
ategrasso führte er seine neuroanatomische und toneuronen verbunden sind, so dass es zu einer
-histologische Forschung unter ärmlichsten Verhält- ­Eigenhemmung des Muskels kommt und dessen
nissen in der Küche der Klinik fort. Er entwickelte ­Tonus nachlässt. Damit kann ein Muskel vor dem
Färbeverfahren für die Neurohistologie, darunter Zerreißen geschützt werden.
die revolutionäre Methode, einzelne Nerven und
Zellstrukturen mit Silbernitrat zu färben (»Reazione Gollin-Test (engl. Gollin incomplete figure test) Der
nera«, dt. »Schwarze Reaktion«), mit welcher er es Gollin-Test erfasst die visuelle Kapazität und ist be-
schaffte, Neuronen samt ihren Fortsätzen darstellen sonders sensitiv für Läsionen der rechten parietotem-
zu können. Diese Methode ermöglichte es ihm, den poralen Verbindungen (ventraler visueller Strom).
nach ihm benannten Golgi-Apparat sowie die im Außerdem kann der Test als Gedächtnistest verwen-
Kleinhirn ansässigen Golgi-Zellen darzustellen. Zu- det werden. Im Verlauf der Untersuchung werden
dem identifizierte er verschiedene Erreger für Mala- zunächst nur schemenhaft dargebotene Bilder im-
ria. Golgi starb 1926 in Pavia. mer vollständiger präsentiert. Der Proband muss die
Elemente kombinieren, um das Bild zu identifizieren
Golgi-Apparat (engl. Golgi apparatus) Der Golgi- und zu benennen. Eine frühe Identifikation spricht
Apparat ist ein Zellorganell, das sich aus mehreren dabei für eine gute Funktion des ventralen Stroms.
Stapeln von Membranzisternen zusammensetzt.
Man unterscheidet zwischen der konvexen Cis-Seite, Gonadektomie (engl. gonadectomy) Die Gonadek-
die zum glatten endoplasmatischen Retikulum und tomie bezeichnet die operative Entfernung der
zum Zellkern gewandt ist, und der konkaven Trans- Keimdrüsen (Ovarien oder Hoden).
114 Gonaden

Gonaden 7 Keimdrüsen somenanomalien (z. B. Turner-Syndrom, X0, oder


Klinefelter-Syndrom, XXY) können auch mehr oder
Gonadotropine (engl. pl. gonadotropins) Gonado- weniger als 2 Gonosomen vorliegen.
tropine sind Geschlechtshormone, die im Hypophy-
senvorderlappen gebildet werden. In Ausnahme­ G-Protein (engl. G-protein) Guaninnukleotid-bin-
fällen entstehen sie auch direkt im Gelbkörper. Die dende Proteine (G-Proteine) sind Proteine, die Sig-
Funktion dieser Hormongruppe ist die Stimulation nale von membrangebundenen Rezeptoren ins Zell­
des Wachstums der Keimdrüsen und das Regeln be- innere weiter leiten. Man unterscheidet zwischen
stimmter hormoneller Funktionen. Das LH (luteini- membranständigen heterotrimeren G-Proteinen
sierendes Hormon) und das FSH (Follikel-stimu­ und zytosolischen kleinen G-Proteinen. G-Proteine
lierendes Hormon) fördern die Bildung von Ei- und wirken als Schalter in intrazellulären Signalwegen.
Samenzellen und kommen daher in beiden Ge- Ihre Aktivität hängt dabei von dem an der Alpha­
schlechtern vor. Diese endokrinologischen Substan- untereinheit gebundenen Nukleotid ab (GDP oder
zen werden auch zur hormonellen Therapie bei GTP). Ist GDP gebunden, so ist das Protein inaktiv.
­ungewollter Kinderlosigkeit genutzt und sollen die Kommt es zu einer Wechselwirkung mit einem akti-
G Stimulation der Eierstöcke bewirken. In Abhängig- vierten Rezeptor, so öffnet sich die Nukleotidbinde­
keit von der Dosis ergibt sich dabei auch immer die stelle, das gebundene GDP wird freigesetzt und in
Gefahr von Mehrlingsschwangerschaften. Ein wei- der Zelle vorhandenes GTP kann binden. Dadurch
teres Geschlechtshormon ist das Prolaktin, welches verliert die Alphauntereinheit ihre Affinität zu dem
die Milchsekretion anregt. Dimer aus einer Beta- und einer Gammaunterein-
heit. Die Dissoziation des Komplexes ist das Signal
Gonadotropin-Releasing-Hormon (engl. gonado­ für die Zelle, dass der assoziierte Rezeptor aktiviert
tropin-releasing hormone; Syn. Gonadoliberin) Das wurde. Durch eine eigene GTPase-Aktivität wird das
Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) ist ein GTP wieder zu GDP gespalten und das G-Protein
Decapeptid (10 Aminosäuren lang), das die Aus- wird »ausgeschaltet«.
schüttung des luteinisierenden Hormons (LH) und
des Follikel-stimulierenden Hormons (FSH) aus Graafscher Follikel (engl. graafian follicel; Syn. Graaf-
dem Hypophysenvorderlappen reguliert. Stimuliert Follikel, Folliculus ovaricus maturus, reifer Eifollikel)
wird seine Ausschüttung durch noradrenerge Neu- Unter Graafschem Follikel wird der sprungreife Folli-
rone sowie Östradiol und Progesteron, das über den kel verstanden, der ca. eine Woche vor Menstruations­
Blutkreislauf von den Sexualorganen ins Gehirn ge- zyklusmitte in einem der beiden Ovarien heran-
langt; eine Hemmung erfolgt durch dopaminerge wächst. Benannt ist er nach seinem Ent­decker, Reiner
Neurone, Serotonin und mit einer zwölfstündigen De Graaf. Bei weiblichen Embryos werden im Ovar
Latenz durch Testosteron. Die hypophysären LH- bereits pränatal Primordialfollikel angelegt, die post-
und FSH-Neurone werden nur dann aktiviert, wenn natal unter Einfluss von Hormo­nen, nach Einsetzen
sie rhythmisch pulsatil durch GnRH gereizt werden der Geschlechtsreife im Verlauf des Menstruations-
(beim Mann alle 3–4 h; bei der Frau in der ersten zyklus zu Primär-, Sekundär- und Tertiärfollikeln
Phase des Zyklus alle 90 min, danach alle 3–4 h). heranreifen. Um den 7. Zyklustag wird einer der he­
Bleibt dieser pulsatile GnRH-Ausstoß aus (z. B. ranreifenden Tertiärfollikel dominant und übernimmt
durch Stress) oder ist GnRH dauerhaft präsent, kann auch die Hormonproduktion. Ab diesem Zeitpunkt
es zu Störungen der Gonadenfunktionen kommen nennt man diesen führenden Tertiärfollikel auch
(z. B. Ausbleiben der Menstruation). Graafschen Follikel. Kurz vor der Ovulation vermehrt
sich die Flüssigkeit im Graafschen Follikel stark, so
Gonosome (engl. pl. sex chromosomes; Syn. Ge­ dass er bis zu 2,5 cm Durchmesser erreicht und sich
schlechtschromosom) Als Gonosome bezeichnet man an der Oberfläche des Ovars als Kugel vorwölbt.
die sog. Geschlechtschromosomen (XX bei der Frau
und XY beim Mann). Der gesunde Mensch besitzt Grand mal (engl. grand mal, generalized seizure)
zwei Gonosomen und 44 Autosomen. Bei Chromo- Man unterscheidet verschiedene Formen der Epilep-
Gründerzellen 115

sie, u. a. die Grand-mal-Epilepsie, eine generalisierte gen Ganglien, die untereinander verbunden sind und
Form der Epilepsie, bei der der Patient sog. Grand- entlang der Wirbelsäule verlaufen. Entsprechend
mal-Anfälle erleidet. Dieses Krankheitsbild wird oft ­ihrer Lage werden die Grenzstrangganglien in Hals-,
als »klassische Epilepsie« bezeichnet, da der Patient Brust-, Bauch- und Steißganglien eingeteilt. Die ve-
zunächst zu Boden stürzt und dabei evtl. einen sog. getativen Zentren des Sympathikus befinden sich im
Initialschrei ausstößt. Bei einigen Patienten kündigt Brust- und Lendenmark. Direkt nach dem Austritt
sich der Anfall durch eine sog. Aura an. Ein Grand- der Axone aus dem Rückenmark erfolgt in den
mal-Anfall lässt sich in drei Phasen einteilen: Wäh- Ganglien die Umschaltung vom ersten auf das ­zweite
rend der tonischen Phase weist der Patient für we­ sympathische Neuron, das dann weiter zieht zu den
nige Sekunden steife Gliedmaßen und einen kurz­ Erfolgsorganen in der Peripherie.
fristigen Atemstillstand auf. In der klonischen Phase
zuckt der Patient für wenige Minuten am ganzen Growth hormone 7 Wachstumshormon
Körper, evtl. hat er Schaum vor dem Mund oder lässt
unwillkürlich Urin oder Stuhl ab. Anschließend setzt Growth-Hormone-Releasing-Hormon (engl. ­growth
der Terminalschlaf ein. Der Patient kann sich, wenn hormone releasing hormone, somatotropin releasing
er wieder aufwacht, nicht an das Geschehene er­ factor; Syn. Somatoliberin) Das Growth-Hormone- G
innern. Releasing-Hormon ist ein hypophysäres Hormon
(bestehend aus 41 Aminosäuren), das in Wechsel­
Granulationes, arachnoidale (engl. pl. arachnoid wirkung mit Somatostatin (growth hormone release
granulations; Syn. Arachnoidalzotten, Pacchioni-Gra­ inhibiting hormone) die Ausschüttung von GH
nulation) Das arachnoidale Granulationes bezeich- (Growth Hormone, Wachstumshormon) aus der
net eine Ausstülpung der Arachnoidea durch die Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen, HVL)
Dura mater hinein in den Sinus sagittalis superior reguliert.
(Vene). Diese Ausstülpung dient der Reabsorbierung
des Liquors zurück in das Blut. Großhirn (engl. cerebrum, brain; Syn. Telenzephalon,
Endhirn) Die Funktion des Großhirns ist die Steue-
Granulozyte (engl. pl. granulocytes) Granulozyten rung komplexer Prozesse wie Wahrnehmung, Ler-
gehören zu den weißen Blutkörperchen (Leukozy­ nen, Motivation und Denken. Es stellt den größten
ten), sie enthalten im Zellplasma kleine, anfärbbare Teil des Gehirns dar und ist beim Menschen in ­seiner
Körnchen, die sog. Granula. Aufgrund der Färbbar- Entwicklung am weitesten differenziert. Es wird in
keit unterscheidet man drei Zelltypen: (1.) Baso­phile zwei Hemisphären eingeteilt, welche durch die Fis-
Granulozyten sind anfärbbar mit basischen Farb- sura longitudinalis cerebri getrennt werden. Die He-
stoffen. Diese Granulozyten kommen nur zu 1 % im misphären werden jeweils in je vier Lappen, gemäß
Blut vor. (2.) Eosinophile Granulozyten: anfärbbar ihrer Lage zu den von ihnen bedeckten Schädel­
mit sauren Farbstoffen bzw. Eosin; Anteil dieser Gra- knochen, eingeteilt. Diese Lappen sind der Frontal-
nulozyten im Blut beträgt 2–4 %. (3.) Neutrophile lappen (Lobus frontalis), der Parietallappen (Lobus
Granulozyten: anfärbbar mit neutralen, basischen parietalis), der Temporallappen (Lobus temporalis)
und sauren Farbstoffen; Anteil dieser Leukozytenart und der Okzipitallappen (Lobus occipitalis).
im Blut beträgt 60–70 %. Die Granulozyten leisten
vornehmlich einen Beitrag zur Infektionsabwehr. Sie Großhirnrinde 7 Kortex, zerebraler
sind in der Lage, Fremdkörper durch Phagozytose
zu zerstören, und sie enthalten Enzyme, die durch Gründerzellen (engl. pl. founder cells) Gründerzel-
die Bildung von Wasserstoffsuperoxid Keime ab­ len sind wesentlich an der Entwicklung des Gehirns
töten können. eines Lebewesens beteiligt. Sie sind Zellen in der
Ventrikularzone, die sich in einer ersten Entwick-
Grenzstrang, sympathischer (engl. sympathetic lungsphase symmetrisch teilen, so dass die Größe
trunk; Syn. truncus sympathicus) Der Grenzstrang ist der Ventrikularzone und somit die Gehirngröße zu-
ein Teil des Sympathikus. Er besteht aus 22–25 paari­ nimmt. Während einer weiteren Phase teilen sich die
116 Grundfrequenz

Gründerzellen asymmetrisch: Es wird eine Gründer­ Gruppe, laterale (engl. lateral group) Die laterale
zelle gebildet, die in der ventrikulären Zone bleibt, Gruppe ist ein Teil der motorischen Bahnen (Bah-
und ein Neuron, das in den zerebralen Kortex wan- nen, absteigende motorische), die vom Kortex zum
dert. Nach dieser etwa drei Monate andauernden Rückenmark ziehen und die Körpermotorik steuern.
Phase sterben die Zellen durch einen chemischen Der Name leitet sich aus der Lage im Rückenmark
Botenstoff ab. (im Querschnitt gesehen) ab. Die Funktion der Bah-
nen besteht hauptsächlich in der Bewegung der dis-
Grundfrequenz (engl. base frequency; Syn. Grund­ talen Extremitäten sowie der speziellen Bewegung
ton) Die Grundfrequenz ist die tiefste Frequenz im der Hände und Finger. Zur lateralen Gruppe gehö-
Frequenzspektrum eines komplexen Tones. Zusam- ren der Tractus corticospinalis lateralis, der Tractus
men mit mehreren Obertönen, deren Frequenzen corticobulbaris und der Tractus rubrospinalis.
das ganzzahlige Vielfache der Grundtonfrequenz
ausmachen, ist die Grundfrequenz Bestandteil des Gruppe, ventromediale (engl. ventromedial group)
Klanges. Durch die Fourieranalyse kann die perio- Die ventromediale Gruppe ist ein Teil der moto-
dische Schwingung des Klanges in Sinusteilschwin- rischen Bahnen (Bahnen, absteigende motorische),
G gungen zerlegt werden. die vom Kortex zum Rückenmark ziehen und die
Körpermotorik steuern. Der Name leitet sich aus der
Grundlagenforschung (engl. basic research) Die Lage im Rückenmark (im Querschnitt gesehen) ab.
Grundlagenforschung befasst sich mit der Aufstel- Die Funktion dieser Bahnen liegt in der groben Be-
lung, Prüfung und Diskussion von neuen Prinzipien wegung des Rumpfes und der proximalen Extremi-
in einem Forschungsfeld. Sie legt die Grundlagen täten und ist somit besonders wichtig für die Steue-
für angewandte Forschung und Industrieforschung, rung der Körperhaltung. Zur ventromedialen Grup-
die auf einen direkten Nutzen für die Menschheit pe gehören der Tractus vestibulospinalis, der Tractus
ausgerichtet oder eher wirtschaftlich orientiert ist. tectospinalis, der Tractus reticulospinalis und der
Es gestaltet sich oft schwierig, ein Forschungsprojekt Tractus corticospinalis ventralis.
ganz dem einen oder anderen Forschungsansatz zu-
zuordnen. Guaninnucleotid-bindende Proteine 7 G-Protein

Grundumsatz (engl. basal metabolic rate) Der Guanosinmonophosphat, zyklisches (engl. cyclic
Grundumsatz (GU) ist der Kalorienverbrauch guanosine monophosphate; cGMP, zGMP) Das zyk-
(­»Energieverbrauch«) eines Menschen, den er in lische Guanosinmonophosphat (zGMP) ist ein vom
völliger Ruhe bei einer spezifischen Temperatur Isoenzym Guanylatzyklase aus GTP gebildeter Se-
(28°C) zur Aufrechterhaltung seiner Körperfunk­ cond Messenger, der v. a. an die Proteinkinase G bin-
tionen benötigt. Der Grundumsatz ist bei jedem det und hierüber seine Signaltransduktion initiiert
Menschen unterschiedlich hoch, abhängig von je- (z. B. am NMDA-Rezeptor). Das zGMP wirkt auch
weiligem Anteil an Muskelmasse im Körper, vom auf Stickoxid (Stickstoffmonoxid, NO) oder bindet
Alter, vom Geschlecht etc. Als grobe Richtlinie gilt direkt an Ionenkanäle, um so deren Aktivität zu re-
zur Berechnung des Grundumsatzes die folgende gulieren (z. B. beim Sehvorgang). Physiologische Be-
Formel: Grundumsatz = eine Kilokalorie (kcal) pro deutung erhält dieser Stoff beim Sehvorgang, der
Kilogramm Gewicht und Stunde. Danach hat ein Relaxation der glatten Muskulatur der Blutgefäße
90 kg schwerer Mann (auch wenn er sich nicht und über die Regulation des Insulinspiegels.
­bewegt) pro Tag einen Kalorienverbrauch von
90 kcal * 24 h = 2160 kcal. Der Kalorienverbrauch Gürtelregion (engl. belt region) Die Gürtelregion
kann durch körperliche Aktivität zusätzlich gestei- stellt die erste Ebene des auditiven Assoziationskor-
gert werden. Dann berechnet sich der Umsatz fol- tex dar. Sie besteht aus mindestens sieben Abteilun­
gendermaßen: Gesamtverbrauch = Grundumsatz + gen und erhält Informationen vom primären audi-
Arbeitsumsatz/Leistungsumsatz. tiven Cortex sowie von den dorsalen und medialen
Abteilungen des Corpus geniculatum mediale.
Gyrus temporalis inferior 117

Gustducin (engl. gustducin) Das Gustducin ist ein trächtigungen bei schizophrenen Störungen zu sein.
G-Protein, welches für die Verarbeitung von bitteren Des Weiteren wird seine Bedeutung für die Verarbei-
und süßen Geschmacksinformationen wesentlich tung von Fehlern diskutiert.
ist. Bindet ein Bittermolekül an einen Rezeptor, wird
das Gustducin aktiviert. Dadurch wird ein Enzym, Gyrus dentatus (engl. dentate gyrus, DG) Der Gyrus
die Phosphodiesterase, freigesetzt, welches das dentatus ist eine Struktur des Hippocampus, die
zyklische Adenosinmonophosphat (cAMP/zAMP) ­bedeutend für die Langzeitpotenzierung (LTP) ist.
zerstört. Dadurch schließen sich die Kaliumkanäle ­Diese Struktur gilt als Eingangsstation für Signale in
und die Information »bitter« wird übermittelt. Setzt den Hippocampus.
ein süßes Molekül an, wird ebenfalls Gustducin
­freigesetzt. In diesem Fall wird jedoch ein anderes Gyrus fusiformis (engl. fusiform gyrus) Der Gyrus
Enzym aktiviert, welches die zAMP-Produktion fusiformis liegt im inferioren temporalen Kortex
­aktiviert. Dadurch werden Kalziumkanäle geöffnet, (= Gyrus occipito-temporalis) und spielt eine wich-
es tritt ein Transmitter aus und die Information tige Rolle bei der Objekterkennung. Der rechte
»süß« wird übermittelt. ­Gyrus fusiformis gilt als »Gesichtserkennungsareal«,
da es bei Patienten mit selektiven Läsionen in diesem G
Gyrus angularis (engl. angular gyrus) Der Gyrus Gebiet zu Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) kommt.
­angularis gehört zum Parietallappen und ist um das Bildgebende Studien haben gezeigt, dass bei Ex­
Ende des Sulcus temporalis superior lokalisiert. Er perten für bestimmte Objekte (z. B. bei Autolieb­
ist eine wichtige Schaltstelle zwischen sekundärer habern oder Bauern) der Gyrus fusiformis auch
Seh- und Hörrinde. Auf der linken Hemisphäre des ­aktiviert wird, wenn die entsprechenden Objekte
Großhirns spielt der G. angularis eine zentrale Rolle (Autos, Kühe) voneinander diskriminiert werden
bei der Verknüpfung visueller Impulse und deren müssen. Beim Gyrus fusiformis handelt es sich um
Zuordnung zu verbalen Begriffen und ist somit eine ein hochspezialisiertes Objekterkennungsareal, das
wichtige Struktur für den Schreibvorgang. für solche Objekte relevant ist, mit denen das Indivi-
duum sich oft beschäftigt.
Gyrus cinguli (engl. cingulate gyrus) Der Gyrus cin-
guli ist zusammen mit dem Hippocampus der wich- Gyrus postcentralis (engl. postcentral gyrus) Der
tigste Teil des limbischen Systems. Er liegt in beiden Gyrus postcentralis liegt posterior des Sulcus centra-
Gehirnhälften als Streifen direkt über dem Balken. lis im Parietallappen (Brodmann-Areale 1, 2 und 3)
Eine Funktion des Gyrus cinguli ist die vegetative und wird auch primärer sensorischer Kortex ge-
Modulation (z. B. der Nahrungsaufnahme), außer- nannt. Hier werden somatosensible und propriozep-
dem steuert er den psychomotorischen Antrieb, so tive Informationen der kontralateralen Körperseite
dass es bei Läsionen zu emotionaler Gleichgültigkeit verarbeitet. Der Gyrus postcentralis ist somatoto-
und Abgestumpftheit kommt. Zusätzlich zum psy- pisch geordnet, wobei Körperteile mit hoher Rezep-
chomotorischen Antrieb reguliert er auch den loko- torendichte in der Peripherie (d. h. besonders sen-
motorischen Antrieb, weswegen bei Läsionen dieser sible, wie z. B. Zunge und Hände) überproportional
Struktur Bewegungsarmut resultieren kann. große Bereiche im Gyrus postcentralis einnehmen.

Gyrus cinguli, anteriorer (engl. anterior cingulate Gyrus praecentralis (engl. gyrus praecentralis) Der
gyrus; Syn. Brodmann-Areal 24) ist eine an den Gyrus praecentralis liegt im Frontallappen direkt vor
Hippo­campus angrenzende Hirnstruktur, die zum der Sulcus centralis. Er ist für die Willkürmotorik
limbischen System gehört und stark an der Regula- zuständig und nahezu identisch mit dem Motorkor-
tion von Emotionen sowie Exekutivfunktionen tex (= primärer motorischer Kortex).
­beteiligt ist. Ferner unterstützt er Prozesse der Auf-
merksamkeit, Konzentration und Motivation sowie Gyrus temporalis inferior (engl. inferior temporal
des Antriebs. Veränderungen in diesem Bereich gyrus) Der Gyrus temporalis inferior liegt unterhalb
scheinen mit verantwortlich für die typischen Beein- des Gyrus temporalis mediale neben dem Gyrus fusi­
118 Gyrus temporalis superior

formis. Er erhält hauptsächlich visuellen Input und der Sylvischen Furche und oberhalb des Gyrus tem-
ist Teil des ventralen visuellen Stroms, der zur Ob- poralis mediale. Er erhält hauptsächlich auditori­
jekterkennung benötigt wird. Die Neurone des Gy- schen Input und umfasst den auditorischen Kortex.
rus temporalis inferior sind in Säulen angeordnet, Der Gyrus temporalis superior ist wesentlich an der
die auf ähnliche, komplexe Stimuli reagieren. Läsio­ Verarbeitung von Musik beteiligt. Er fügt, durch
nen können mit dem McGill Bildanomalietest er- ­seine Verbindung zur Amygdala, dem Gehörten eine
kannt werden. affektive Komponente hinzu. Bei Läsionen kommt
es zu auditorischen Halluzinationen. Diese Schäden
Gyrus temporalis superior (engl. superior temporal können mit Tests des dichotischen Hörens erkannt
gyrus) Der Gyrus temporalis superior liegt unterhalb werden.

G
H
Haarzellen (engl. pl. hair cells) Haarzellen sind Sin- und haptische/taktile Halluzinationen (vermeint-
neszellen im Innenohr, die u.a. die Bewegungen der liche Berührungen, Stiche oder Elektrisieren der
durch Schall angeregten Basilarmembran in elek- Haut) sowie optische Halluzinationen (Sehen von
trische Signale umwandeln. Sie sind Teile des Corti- nicht vorhandenen Tieren, Personen, Gegenständen
Organs bzw. der Bogengangsorgane. Von ihnen oder komplexen Szenen) auftreten. Weitere Formen
­gehen Nervenfasern aus, die sich zum Hör- oder sind vestibuläre Halluzinationen (den Gleichge-
Gleichgewichtsnerv vereinigen. Man unterteilt dabei wichtssinn betreffend) und Leibhalluzinationen
innere und äußere Haarzellen. Im akustischen Sys- (leibliche Wahrnehmungstäuschungen). Halluzina-
tem machen die inneren Haarzellen (IHC: Inner tionen können bei organischen Hirnerkrankungen
Hair Cells) 90 % des Hörerlebnisses aus, sie sind (z. B. Epilepsie) und psychischen Störungen (Schizo­ H
kolben­förmig und für die eigentliche Tonaufnahme phrenie) oder unter Hypnose entstehen. Auch wäh-
zuständig. Die äußeren, zylinderförmigen Haar­ rend der Aufwach- und Einschlafphasen kann es zu
zellen (OHC: Outer Hair Cells) machen 10 % des kurzen schwachen Halluzinationen kommen (hypna­
Hörerlebnisses aus und dienen der aktiven Verstär- goge Halluzination), die jedoch keinen pathologi­
kung sowie dem sog. »Feintuning«. schen Krankheitswert besitzen.

Habituation (engl. habituation; Syn. Gewöhnung) Halluzinationen, hypnagoge (engl. pl. hypnagogic
Habituation bezeichnet die Gewöhnung an wieder- hallucinations) Hypnagoge Halluzinationen sind
holt dargebotene Reize, welche keine Auswirkungen Trugwahrnehmungen oder Sinnestäuschungen wäh­
auf das Individuum haben (weder positiv noch ne- rend des Einschlafens oder Aufwachens, die im
gativ). Die ursprünglich damit verbundene Reaktion Grenz­bereich zwischen Schlaf- und Wachheitszu-
nimmt allmählich ab, bis sie später ganz ausbleibt. stand oder im Halbschlaf auftreten. Diese Art der
Bei den Reizen handelt es sich um solche, die ange- Halluzination gilt als nichtpathologisch und tritt
borene, unbedingte Reaktionen auslösen, d. h. es auch bei völlig gesunden Menschen auf. Das Gehirn
handelt sich nicht um das Ausbleiben erlernter Reiz- »träumt« bereits, doch der Wachheitszustand ist
Reaktionsmuster (7 Extinktion). Habituation ermög- noch nicht ausgeschaltet. Bei Narkoleptikern (Per-
licht dem Individuum, irrelevante Umweltreize zu sonen, die an der sog. »Schlafkrankheit« leiden)
ignorieren. Es handelt sich um eine Form des nicht­ kommt es häufig zu hypnagogen Halluzinationen, da
assoziativen Lernens. Das Gegenteil von Habitua­tion der Schlaf oft mit der REM-Phase beginnt, so dass
ist Sensitivierung. die reale Umgebung zusammen mit dem Traumin-
halt wahrgenommen wird.
Halluzination (engl. Hallucination; Syn. Wahnvor-
stellung) Die Halluzination ist eine schwere Sinnes- Haloperidol (engl. haloperidol) Haloperidol, ein Bu-
täuschung, die eine Wahrnehmung ohne Reizgrund- tyrophenonderivat, ist ein potentes Neuroleptikum
lage beinhaltet. Eine Halluzination kann alle Sinne (Handelsname: z. B. Haldol). Das Präparat wurde
betreffen. Am häufigsten werden Stimmen gehört in den 1950er Jahren von Paul Janssen entwickelt. Es
(akustische Halluzination), die oft direkt an die be- ist ein Dopamin-Antagonist und wirkt als Antipsy-
treffende Person gerichtet sind. Es können jedoch chotikum sedierend und antiemetisch. Eine Indika-
auch gustatorische Halluzinationen (Geschmacks- tion besteht bei akuten Psychosen (v. a. Schizophre-
sinn), olfaktorische Halluzinationen (Geruchssinn) nie/Manie), aber auch bei Unruhezuständen bspw.
120 Hämatokrit

während Depressionen. Als Nebenwirkungen kön- tome für Patienten, die von der Bluterkrankheit be-
nen Dyskinesien, Senkung des Blutdrucks, Schlaf- troffen sind.
störungen, Gewichtszunahme und Krampfanfälle
auftreten. Die Dyskinesien sind meist reversibel so- Hammer (engl. hammer, malleus; Syn. Maleus) Der
wie dosisabhängig und können durch Biperiden Hammer ist einer der drei Gehörknöchelchen des
(z. B. Akineton) abgeschwächt werden. Kontraindi- Mittelohrs. Als erstes der Übertragungsglieder der
kationen für die Gabe von Haloperidol sind hirn­ Gehörknöchelchenkette ist er mit dem Trommelfell
organische Störungen, Hypotonie, Kreislaufschock, verbunden. Der Hammer gibt die Schwingungen des
Parkinson-Krankheit, Hyperthyreose und Vorer- Trommelfells mechanisch an den Incus (Amboss)
krankungen des Herzens, der Leber oder der Niere. weiter. Er ist an zwei, von den insgesamt vier, Bän-
Die Wirkung von Haloperidol wird durch beruhi- dern der Gehörknöchelchenkette aufgehängt. Da-
gende und blutdrucksenkende Mittel sowie Alkohol durch besitzt der Hammer eine große Schwingungs-
verstärkt. fähigkeit und die Vibrationen können mit wenigen
Verlusten weitergegeben werden. Der Hammer hat
Hämatokrit (engl. haematocrit, hematocrit) Das Hä- eine Länge von ca. 8 mm und wiegt ungefähr 25 mg.
matokrit ist eine der wichtigsten Laborgrößen und Seine anatomischen Bestandteile sind der Hammer-
bezeichnet den Volumenanteil der festen Blutanteile kopf, der Hammerhals, ein langer und ein kurzer
H des Gesamtblutvolumens. Zu den festen Blutanteilen Fortsatz und der Hammergriff.
zählen Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozy­
ten. Sie werden in Prozent gemessen. Normale ­Werte Hämoglobin (engl. haemoglobin, hemoglobin) Hä-
liegen bei Männern zwischen 43 und 50 % und bei moglobin bezeichnet den eisenhaltigen roten Blut-
Frauen zwischen 37 und 45 %. Bei einer Anämie, farbstoff. Bei der Blutbilduntersuchung wird der
d. h. einer verminderten Erythrozytenzahl, ist der Hämoglobingehalt in Gramm pro Liter Blut ge­
Hämatokritwert erniedrigt; bei einer Polyglobulie, messen. Hämoglobin ist ein wichtiger und funktio-
d. h. einer Erhöhung der Erythrozytenzahl bei nor- nal bedeutsamer Bestandteil der Erythrozyten und
malem Plasmavolumen, ist der Hämatokritwert er- kommt nur in diesen vor, so dass der Hämoglobin-
höht. Eine Trennung von festen und flüssigen Blutbe- gehalt im Blut stark von der Anzahl der Erythro-
standteilen wird durch Zentrifugation ermöglicht. zyten abhängt. Hämoglobin ist verantwortlich für
den Sauerstoff- und Kohlendioxidtransport im Blut
Hämatom (engl. haematoma, hematoma) Bei einem ebenso wie für die Pufferwirkung des Blutes. Der
Hämatom tritt aus einem Blutgefäß Blut aus, welches Hämoglobinwert ist erniedrigt bei Anämien (Blutar-
sich im Körpergewebe ansammelt. Liegt das verletz- mut) und erhöht bei Polyglobulien (Vermehrung der
te Gefäß an der Hautoberfläche, erkennt man eine Erythrozytenzahl).
bläuliche Verfärbung, bei tiefer liegenden Gefäßen
hingegen macht sich die Blutung als Schwellung be- Hämolyse (engl. haemolysis, hemolysis) Als Hämoly-
merkbar. Durch den Druck des austretenden Blutes se bezeichnet man den Abbau (Auflösung) der roten
auf das umliegende Gewebe kommt es zu Schmer- Blutkörperchen (Erythrozyten). Gealterte Erythro-
zen. Mit der Zeit werden die Blutrückstände dann zyten (> 120 Tage) werden vor allem durch die Milz
vom Körper abgebaut. Gefährlich sind solche Blu- aus der Blutbahn gefiltert und abgebaut. Patholo-
tungen, wenn sie im Gehirn oder im Organbereich gische Hämolyse geschieht durch mechanische Stö-
auftreten. Entsteht ein Hämatom an einer offenen rungen, Infektionen wie z. B. bei Malaria, immuno-
Wunde, behindert es den Heilungsprozess. Zum logischen Störungen und bestimmten Giften. Beim
­einen drückt es durch die Schwellung die Wund­ Abbau von Erythrozyten wird vermehrt Hämoglo-
ränder auseinander und zum anderen enthält es bin und Bilirubin (gelbbrauner Gallenfarbstoff) frei-
­Zellen der Immunabwehr, die auch körpereigene gesetzt, so dass eine Gelbsucht entstehen kann. Für
Zellen schädigen können. Ursachen für Hämatome die Hämolysediagnostik wird daher die Bestimmung
sind äußere Einwirkung, Blutgerinnungsstörungen des freien Hämoglobins und des Bilirubinspiegels
oder Gefäßschäden. Äußerst gefährlich sind Häma- verwendet.
Headsche Zonen 121

Hämorrhagie, zerebrale (engl. cerebral hemorrhage) nicht körperlich abhängig, jedoch kann es zu einer
Eine zerebrale Hämorrhagie ist eine Blutung im psychischen Abhängigkeit kommen.
­Gehirn. Dabei reißt ein Blutgefäß und es kommt
zur Einblutung in das umliegende Nervengewebe, so Hautleitfähigkeitsreaktion (engl. skin conductance
dass dieses geschädigt wird. Eine häufige Ursache für response) Die Hautleitfähigkeitsreaktion (SCR) ist
Blutungen im Gehirn sind Aneurysmen, aber auch ein Teil der elektrodermalen Aktivität. Dies ist eine
Hypertonie (hypertone Massenblutung), Verletzun­ zusammenfassende Bezeichnung für Veränderungen
gen, Gefäßerkrankungen wie Arteriosklerose, Ent- der bioelektrischen Hautaktivität unter Reizeinfluss.
zündungen, Thrombosen eines Hirnblutgefäßes und Die Hautleitfähigkeit beschreibt eine Positivierung
Hirntumore. der Leitfähigkeit der Haut, die von außerhalb des
Körpers (exosomatisch) gemessen werden kann. Die
haploid (engl. haploid) Ein Chromosomensatz ist Hautleitfähigkeit wird durch interne oder externe
haploid, wenn jedes Chromosom nur einmal ver­ Reize wie z. B. Stimmungen, Gefühle etc. beeinflusst.
treten ist (1n). Beim Menschen ist dies in den Keim- Wird der Sympathikus angeregt, verändern die
zellen (= Spermien und Eizelle) der Fall. Verschmel- Hautschweißdrüsen ihren elektrischen Widerstand
zen zwei Keimzellen, ist der Chromosomensatz durch erhöhte Schweißproduktion. Es wird ange-
­diploid (2n). nommen, dass dies ursprünglich der Griffsicherheit
und höheren Hautsensibilität diente. Gemessen wird H
Harrison Narcotics Act Der Harrison Narcotics Act die Hautleitfähigkeit meist an den Handinnenflä-
war das erste Antidrogengesetz der Vereinigten chen oder Fingerkuppen, da hier die Hautschweiß-
­Staaten von Amerika, das den Gebrauch von Opium drüsen besonders dicht angeordnet sind. Die Aus-
und Kokain untersagte und die Produktion, den prägung der Hautleitfähigkeit ist abhängig von der
­Import und die Verteilung durch hohe Abgaben re- Reizintensität bzw. der emotionalen Erregung, wo-
geln wollte. Das Gesetz stammt aus dem Jahre 1914 bei die Werte bei verschiedenen Menschen variieren.
und war eine Reaktion auf die erste internationale Mit Hilfe der Hautleitfähigkeit kann man heute
Opium-Übereinkunft, die an den – auf Initiative von ­unbewusste Reaktionen auf Reize erforschen. Die
Theodore Roosevelt einberufenen – internationalen Hautleitfähigkeitsreaktion bezeichnet die unmittel-
Opium-Konferenzen in Shanghai (1909) und Den bare, kurz anhaltende (phasische) Reaktion der Leit-
Haag (1911) getroffen wurde. Ärzten wurde es fähigkeit der Haut auf einen Reiz, die sich nach kur-
­untersagt, drogenabhängigen Patienten Morphine, zer Zeit wieder dem Ausgangswert annähert.
Opium oder Kokain zu verschreiben, was zu einem
regelrechten »war on doctors« ausartete. Erst 1970 Hautleitwertniveau (engl. skin conductance level)
wurde das Gesetz durch den Controlled Substances Das Hautleitwertniveau (SCL) ist ein Teil der elektro­
Act (Vorläufer: Drug Abuse Prevention and Control dermalen Aktivität. Dies ist eine zusammenfassende
Act, DAPCA) ersetzt. Bezeichnung für Veränderungen der bioelektrischen
Hautaktivität unter Reizeinfluss. Das Hautleitwert-
Haschisch (engl. hashish) Haschisch ist ein Rausch- niveau beschreibt die länger anhaltende Leitfähig-
mittel, das aus dem Harz der weiblichen Blüten der keit der Haut (tonisch) wie sie z. B. bei Stimmungen
indischen Hanfpflanze (Cannabis sativa) gewonnen (Freude, Angst usw.) gemessen wird.
wird. Es enthält ätherische Öle und den Hauptwirk-
stoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol. Haschisch wird Headsche Zonen (engl. pl. Head’s zones) Headsche
in Form von Zigaretten (Joint), als Zugabe in Gebäck Zonen, benannt nach dem englischen Neurologen
oder Getränken konsumiert. Typisch ist die einer- Henry Head (1893), bezeichnen spezifische Haut-
seits anregende und andererseits entspannende Wir- segmente, die inneren Organen zugeordnet sind und
kung, die von der Situation, der Stimmung und wei- bei Erkrankung dieser schmerzempfindlich bzw.
teren Faktoren beeinflusst wird. Haschischkonsum ­hyperalgetisch reagieren. Dieser Begriff wird im Zu-
führt zu Gefühlsintensivierung und einem verän- sammenhang mit übertragenem Schmerz diskutiert,
derten Raum- und Zeitgefühl. Er macht vermutlich wobei Eingeweideschmerz oder viszeraler Schmerz
122 Hebbsche Regel

auf einen Bereich außerhalb des Viszerums (der Ein- (Scala media) und ist als enge Öffnung innerhalb des
geweide) übertragen wird. Grund dafür ist die Ver- Apex sichtbar. Seine Fläche beträgt zwischen 0,25
schaltung der Hautafferen-zen und der viszeralen und 0,40 mm². Kommt es zu einem Schallereignis,
Afferenzen auf dasselbe Rückenmarksegment und gelangt der Schall durch das ovale Fenster in das
dort auf den Zellkörper desselben aufsteigenden ­Innenohr, wo die Sinneszellen der Cochlea den
Neurons. So spürt man bei Angina pectoris (Veren- Schall analysieren. Dabei durchläuft die Schallwelle
gung der Herzkranzgefäße) ein Enge- und Druck­ die Cochlea bis hin zum Helikotrema und wieder
gefühl im Brustkorb sowie Schmerzen im linken zurück, bis sie zum Druckausgleich beim runden
Arm. Die Headschen Zonen haben somit Bedeutung Fenster wieder austritt.
bei der Diagnostik internistischer Erkrankungen.
Weiterhin gelten sie als eine Grundlage der Reflex- Hellempfindlichkeitskurve, fotopische (engl. pho-
zonenmassage, bei der über die Stimulation spezi- topic V-lambda curve; Syn. V-Lambda-Kurve) Die
fischer Hautareale die Beeinflussung innerer Organe Hellempfindlichkeitskurve ist eine graphische Dar-
versucht wird. stellung der spektralen Hellempfindlichkeit der
menschlichen Wahrnehmung für bestimmte Farben
Hebbsche Regel (engl. Hebb’s theory) Die Hebbsche (Wellenlängen des Lichtes) bei Tageslicht. Sie hat die
Regel ist eine vom Psychologen Donald Hebb (1949) Form einer nach unten geöffneten Parabel. Dabei ist
H postulierte Regel über die Konsolidierung von Ge- am Tage (fotopischer Bereich) die Empfindlichkeit
dächtnisinhalten in neuronalen Netzwerken. Hebb für den Bereich von ca. 550 nm (als helles Grün
nahm an, dass neue Informationen zunächst in ge- empfunden) ideal, während sich bei größeren oder
schlossenen Zellverbänden kreisen und dadurch kleineren Wellenlängen die Empfindlichkeit des
dauerhaft abgespeichert werden (Reverberations- ­Auges verringert, so dass es z. B. für den Infrarot­
kreise; »Neurons that fire together wire together«). bereich (>750 nm) so gut wie unempfindlich ist. Die
Dieser Prozess könne durch Einflüsse von außen ge- Kurve wurde 1924 ermittelt und ist in Deutschland
stört werden. Ein neurophysiologisches Korrelat des unter DIN 5031 normiert.
Postulats ist die Langzeitpotenzierung.
Hellempfindlichkeitskurve, skotopische (engl.
Hedonismus (engl. hedonism) Der Hedonismus ­scotopic V-lambda curve) Die skotopische Hell­
spiegelt eine philosophische Strömung wieder, die empfindlichkeitskurve zeigt, analog zur fotopischen
Lust und Genuß als höchstes Prinzip für ein glück- Hell­empfindlichkeitskurve, die Empfindlichkeit der
seliges Leben ansieht. Das Prinzip des adaptiven He- menschlichen Wahrnehmung für bestimmte Licht-
donismus besagt, dass Menschen ihre Handlungen bereiche, jedoch bei Nacht (skotopischer Bereich).
nach dem Gewinn von Lust und nach der Vermei- Im Gegensatz zur fotopischen Hellempfindlich­keits­
dung von Schmerz ausrichten. Der britische Philo- kurve ist die skotopische Hellempfindlich­keitskurve
soph Jeremy Bentham (1748–1832) lieferte damit um 50 nm verschoben, so dass Photonen mit einer
ein Erklärungsmodell für die Handlungsmotivation. Wellenlänge von 450 nm–500 nm (blau-grün) deut-
Die operante Konditionierung baut ebenso auf die- licher, Wellenbereiche ab ca. 600 nm (orange-rot)
sem Prinzip auf. nahezu gar nicht mehr wahrgenommen werden.

Helikotrema (engl. helicotrema; Syn. Apex cochlea- Hemeralopie (engl. hemeralopy; Syn. Nachtblind-
ris) Das Helikotrema befindet sich an der Spitze der heit) Unter Hemeralopie versteht man die einge-
(ausgerollten) Schnecke (Cochlea) und ist somit Teil schränkte Sehfähigkeit in der Dämmerung bzw.
des Gehörs. Es bildet den Übergang bzw. die (Flüs- Dunkelheit. Nachtblindheit ist nicht nur durch eine
sigkeits-)Verbindung zwischen Paukentreppe (Scala eingeschränkte Sehfähigkeit bei Dunkelheit charak-
tympani) und Vorhoftreppe (Scala vestibuli), die terisiert, sondern auch durch eine sehr lange Adap-
beide mit Perilymphe (klare, wässrige Flüssigkeit tationszeit von Hell zu Dunkel. Der Grund dafür
im knöchernen Labyrinth) gefüllt sind. Zudem bil- ist vermutlich die Herabsetzung der Netzhautemp­
det das Helikotrema das Ende des Schneckengangs findlichkeit, z. B. durch grelle Lichteinwirkung. Im
Hemisphäre, zerebrale 123

schlimmsten Fall kann Hemeralopie zur vollständi- meist ist in der Anatomie jedoch die linke bzw. rech-
gen Blindheit führen. te Hälfte des Groß- und Kleinhirns gemeint (zere-
brale Hemisphäre und zerebellare Hemisphäre).
Hemianopsie (engl. hemianopsia) Generell ist He-
mianopsie ein mittellinienbegrenzter Ausfall der Hemisphäre, dominante (engl. dominant hemis-
Hälfte des Gesichtsfeldes. Sind beide Augen betrof- phere) Nach der Entdeckung, dass Läsionen der lin-
fen, unterscheidet man zwischen einer heteronymen ken Hemisphäre Sprachfunktionen sowie Willkür-
Hemianopsie und einer homonymen Hemianopsie. bewegungen einschränken, während die Leistungen
Bei einer heteronymen Hemianopsie liegt eine der rechten Hemisphäre unklar blieben, wurde die
­Chiasmaläsion vor, was zu einem gegensätzlichen Theorie der Hemisphärendominanz aufgestellt.
Ausfall führt (bei einem Auge nach rechts, beim an- Nach dieser Theorie ist die linke Hirnhälfte der Teil,
deren nach links), d. h. entweder kommt es zu einem der wirklich »denkt« (Informationsverarbeitung
Scheuklappenblick (bitemporale Hemianopsie) oder und Handlungssteuerung), und somit die domi­nante
der Gesichtsfeldausfall ist zentral. Bei der homony­ Hemisphäre, während die rechte nur eine »Unter-
men Hemianopsie geht der Gesichtsfeldausfall bei- stützungsfunktion« hat. Inzwischen spricht man
der Augen in die gleiche Richtung. In einem solchen nicht mehr von der allgemein dominanten Hemis-
Fall liegt eine Tractus-opticus-Läsion vor. phäre, sondern betrachtet die Dominanz bezüglich
bestimmter Funktionsleistungen (Lateralität). So ist H
Hemicholinium (engl. hemicholinium) Hemicholi­ die linke Hemisphäre für Sprache, logisches Denken
nium ist ein Wirkstoff, der an azetylcholinergen Syn- und komplexe willkürliche Prozesse dominant, wäh-
apsen die Wiederaufnahme des Cholins in die prä- rend rechts kontextabhängige Prozesse und ganz-
synaptischen Endknöpfe hemmt. Ist kein Hemicho­ heitliches Empfinden (Raumorientierung, ästheti­
linium vorhanden, so wird bei einer aktiven Synapse sches Empfinden, Gesichtserkennen) im Vorder-
ca. 50 % des Cholins wieder aufgenommen, um da­ grund stehen. Für die meisten Leistungen müssen
raus neues Azetylcholin (ACh) zu synthetisieren. Wird jedoch beide Hirnhälften zusammenarbeiten, um
diese Aufnahme durch die Anwesenheit von Hemi- ein optimales Ergebnis zu erzielen.
cholinium verhindert, so vermindert sich die Produk-
tion und damit auch die Freisetzung von ACh an der Hemisphäre, nichtdominante (engl. minor hemis-
Synapse. Hemicholinium ist ein ACh-Antagonist. phere) Die nichtdominante Hemisphäre ist nach der
Theorie der Hemisphärendominanz die rechte Hemis-
Hemiplegie (engl. hemiplegia) Eine Hirnschädigung phäre, von der zunächst angenommen wurde, dass sie
(z. B. nach Schlaganfall; meist bei Verletzung der nur eine Art »Unterstützungsfunktion« für die linke
mittleren Hirnarterie) kann zu einer Hemiplegie, Hemisphäre besitzt (7 Hemisphäre, dominante).
d. h. einer vollständigen Lähmung einer (meist der
gegenüberliegenden) Körperseite führen. Symptome Hemisphäre, zerebrale (engl. cerebral hemisphere)
sind Verlust der Willkürmotorik und Tonus- und Die zerebrale Hemisphäre bezeichnet die linke bzw.
Reflexveränderungen. Charakteristische Phasen rechte Hälfte des Telenzephalons (Endhirns). Diese
sind trotz individuellen Verlaufs das anfängliche relativ symmetrischen Großhirnhälften werden
­Stadium mit schlaffer Lähmung (schlaffe H.) und die durch die von anterior nach posterior verlaufende
nachfolgende Lähmung mit deutlichem Hypertonus Längsfurche (Fissura longitudinalis) voneinander
der Muskulatur (spastische H.), wobei die Spastik getrennt. Sie sind über die Kommissuren miteinan-
der Muskeln, die gegen die Schwerkraft arbeiten, der verbunden. Jede Hemisphäre besteht aus einer
überwiegt. Nach einiger Zeit ist die Steuerung der äußeren Schicht grauer Substanz, darunter liegender
Motorik wieder möglich, meist bleibt es jedoch bei weißer Substanz, tiefer angesiedelten Kernen sowie
groben Massenbewegungen. einem lateralen Ventrikel. Bezüglich der funktio-
nalen Asymmetrie lassen sich die beiden Hemis­
Hemisphäre (engl. hemisphere) Generell wird mit phäre in eine dominante und eine nichtdominante
Hemisphäre die Hälfte eines Organs bezeichnet. Zu- Hemisphäre unterteilen.
124 Hemisphärektomie

Hemisphärektomie (engl. hemispherectomy) Unter Hemmung, rekurrente (engl. retroactive inhibition;


Hemisphärektomie versteht man die chirurgische Syn. Rückkopplungshemmung) Die rekurrente Hem-
Entfernung einer der beiden Hemisphären des mung eines Neurons wird durch seine eigene Aktivi-
Großhirns. Diese selten angewandte Operation wird tät verursacht. Eine kollaterale Verzweigung seines
v. a. bei Kindern eingesetzt, die eine lebensgefähr- Axons ist dabei auf ein Interneuron verschaltet. Dieses
liche Krankheit haben und nicht anderweitig behan- hemmt dann das Neuron, von dem es zuvor aktiviert
delt werden können (meist Rasmussens Enzepha­ wurde. So wird bspw. im Rückenmark die Hemmung
litis, aber auch bestimmte Formen der Epilepsie). von Motoneuronen durch RenshawZellen vermittelt.

Hemmung, laterale (engl. lateral inhibition; Syn. Um- Hermaphrodit (engl. hermaphrodite; Syn. Zwitter)
feldhemmung, laterale Inhibition, Lateralhemmung) Hermaphrodit ist die medizinische Bezeichnung
Die laterale Hemmung bezeichnet ein Prinzip, nach für einen Menschen, der mit nicht eindeutigen Ge-
dem Nervenzellen miteinander verschaltet sind und schlechtsmerkmalen geboren wurde. Allerdings gilt
das einen Einfluss auf die Reizverarbeitung hat. Die der Ausdruck als veraltet, heute verwendet man den
Neurone einer Region sind miteinander ­verbunden; Begriff Intersexuelle. In der Biologie ist ein Herma-
dabei tendiert jedes Neuron dazu, seine Nachbarn zu phrodit ein Organismus mit sowohl männlichen als
hemmen und sie an der Weiterleitung des Signals zu auch weiblichen Geschlechtsorganen (z. B. Schne-
H hindern. Die laterale Hemmung tritt in jedem Be- cken). Laut Zoologie ist ein Hermaphrodit eine
reich des ZNS auf, ihre Wahrnehmung ist aber bei den ­Spezies, die im Laufe ihres Lebens ihr Geschlecht
Zellen der Retina am besten möglich. Das Ergebnis wechselt. Während des Wechsels besitzt sie beide
der lateralen Hemmung ist die Kontrast­ver­stär­kung, Geschlechter. Das bekannteste Beispiel dafür ist der
so dass Wahrnehmungstäuschungen wie die Machs- Regenwurm.
chen Bänder oder der Simultankontrast auf­treten.
Heroin (engl. heroin; Syn. Diazetylmorphin) Heroin
Hemmung, postsynaptische (engl. postsynaptic ist eine narkotisierende, schmerzstillende und eupho­
i­ nhibition) Bei einer postsynaptischen Hemmung risierende Droge, die aus dem Saft des Schlafmohns
wird die Erregbarkeit der betroffenen Nervenzelle gewonnen wird. Es gehört zur Gruppe der Opiate
generell herabgesetzt. Diese Inhibition setzt auf- und ist ein Derivat des enthaltenen Wirkstoffes Mor-
grund der Ausschüttung inhibierender Neurotrans- phin. Je nach Verarbeitungsstufe wird zwischen He-
mitter (z. B. GABA oder Glyzin) ein, die zur Öffnung roin Nr. 1–4 unterschieden. In der Regel wird He­roin
von Cl– oder K+ Kanälen (verbunden mit dem Ein- intravenös injiziert, kann aber auch geraucht oder
strom entsprechender Ionen) oder der Auslösung geschnupft werden. Gelangt es in die Blutbahn, wird
intrazellulärer Veränderungen (z. B. Second Messen­ es zu Morphin umgebaut, welches sich an die Opio-
ger System) führen. idrezeptoren des zentralen Nervensystems und der
peripheren Gewebe anlagert. Es kommt zu einer ver-
Hemmung, präsynaptische (engl. presynaptic inhi- mehrten Ausschüttung von Dopamin (Aktivierung
bition) Bei einer präsynaptischen Hemmung wird des Belohnungssystems). Heroin birgt neben der
ein hemmender Neurotransmitter aus einem Axon physischen und psychischen Abhängigkeit die Ge-
ausgeschüttet, welches einem anderen präsynaptisch fahr der Überdosierung. Dauerhafter Heroinkon-
vorgeschaltet ist. Die resultierende Hemmung be- sum kann zu vielfältigen negativen körperlichen und
ruht darauf, dass die Transmitterausschüttung aus sozialen Auswirkungen führen.
einem einzelnen erregenden Axon vermindert wird,
worauf die synaptische Erregung in der zum erre- Herrentiere 7 Primaten
genden Neuron postsynaptisch liegenden Nerven-
zelle herabgesetzt wird, d. h. durch die verminderte Hertz (engl.hertz) Das Hertz (Hz) ist die physika-
Menge an ausgeschütteten Neurotransmittern kann lische SI-Einheit für die Frequenz. Benannt wurde
nur ein abgeschwächtes postsynaptisches Potenzial die Einheit nach dem deutschen Physiker Heinrich
aufgebaut werden. Rudolf Hertz. Das Hertz gibt die Schwingungsan-
Hinterstrang 125

zahl pro Sekunde, allgemeiner auch die Anzahl von homozygot ist, lässt sich nicht anhand des Aussehens
beliebigen, sich wiederholenden Vorgängen pro Se- (Phänotyp) bestimmen, sondern nur durch eine
kunde an: 1 Hz = 1/s. Häufig verwendet man auch Rückkreuzung (= Kreuzung mit einem homozygot
größere Einheiten wie Kilohertz, kHz (Tausend rezessiven Partner).
Schwingungen/Vorgänge pro Sek.); Megahertz,
MHz (eine Million Schwingungen/Vorgänge pro Hinterhirn 7 Metenzephalon
Sek.) oder Gigahertz, GHz (eine Milliarde Schwin-
gungen/Vorgänge pro Sek.). Hinterhörner (engl. pl. posterior horns) Hinterhör-
ner sind dorsale Ausläufer der grauen Substanz im
Herzmuskulatur (engl. myocard; Syn. Myokard) Die Rückenmark. An diesen Stellen treten die Hinter-
Herzmuskulatur besteht zum einen aus querge- wurzeln ins Rückenmark ein. In den Hinterhörnern
streiften Muskelfaserbündeln, die der Skelettmusku- werden einige sensible Impulse (Afferenzen) auf
latur ähneln, aber kreuzweise angeordnet sind, und ­ihrem Weg zum Gehirn, wo es zur bewussten Wahr-
zum anderen treten in der Mitte liegende Zellkerne nehmung kommt, verschaltet.
auf, wie sie auch bei der glatten Muskulatur vorkom-
men. Durch diese Mischung der beiden Muskelarten Hinterhornwurzel (engl. dorsal root) Wird ein be-
besitzt das Herz enorme Ausdauer und Kraft, wobei stimmter Bereich des Körpers gereizt (z. B. durch
es vom autonomen Nervensystem gesteuert wird leichte Berührung), wird die Information darüber H
und somit nicht oder nur eingeschränkt willentlich von den Rezeptoren der Haut an das Gehirn weiter
beeinflusst werden kann. Die Herzmuskulatur wird geleitet. Eine Zwischenstation ist das Rückenmark.
außen vom Epikard und innen von der Herzinnen- Hier erfolgt die Verarbeitung und Weiterleitung in
haut (Endokard) umgeben. der unipolaren Nervenzelle, deren Soma in der Hin-
terhornwurzel liegt.
Heschl-Querwindung (engl. Heschl’s gyrus; Syn.
­Gyrus temporalis transversus) Die Heschl-Querwin- Hinterstrang (engl. posterior funiculus) Der Hin-
dung ist der Sitz des primären auditiven Kortex (A1) terstrang ist neben dem Vorderseitenstrang die
und entspricht in etwa dem Brodmann-Areal 41. ­zweite aufsteigende Bahn des Rückenmarks. Er liegt
Die Heschl-Querwindung liegt auf der superioren im dorsalen Teil der weißen Substanz und vermittelt
Oberfläche des Temporallappens in der Sylvischen Impulse der epikritischen Sensibilität. Das beinhal-
Furche und wurde 1855 erstmals von Richard ­ tet Informationen über Lokalisation und Qualität
Heschl ­beschrieben. Untersuchungen zur Sym­metrie von feinen Berührungsempfindungen (Exterozep­
der ­Heschl-Querwindung ergaben bisher keine ein- tion) und die Informationen über Lage und Stellung
deutigen Ergebnisse. Der deutsche Anatom Pfeifer des Rumpfes und der Extremitäten im Raum (Pro-
behauptete in den 30er Jahren, dass die Heschl-Quer- priozeption). Der Hinterstrang besteht aus zwei
windung in der rechten Hemisphäre häufiger aus Bahnen: dem Fasciculus cuneatus (enthält die Fa-
zwei Gyri besteht, in der linken hingegen nur aus sern aus der oberen Körperhälfte) und dem Fasci­
einem. Andere Forscher vermuten, die Heschl-Quer- culus gracilis (enthält die Fasern aus der unteren
windung sei in der linken Hirnhälfte größer als in der Körperhälfte). Die stark myelinisierten Fasern des
rechten. Hinterstrangs treten vom Spinalganglion kommend
über die Hinterwurzeln ins Rückenmark ein und
Heterosexualität (engl. heterosexuality) Hetero­ verlaufen ungekreuzt (ipsilateral) und somatoto-
sexualität bezeichnet eine sexuelle Orientierung pisch bis zu den Hinterstrangkernen in der Medulla
eines Individuums zum anderen Geschlecht. oblongata, wo sie bei der Umschaltung auf das ­zweite
Neuron kreuzen und in den Lemnicus medialis
heterozygot (engl. heterozygote, heterozygous) Hete- übergehen. Läsionen des Hinterstrangs führen zu
rozygot bedeutet mischerbig, das heißt, dass ein Gen ipsilateralen Störungen in der räumlichen Lokalisa-
in zwei verschiedenen Allelen vorliegt. Ob ein Indi- tion taktiler Reize (z. B. Zweipunktschwellen) sowie
viduum bezüglich eines Merkmals heterozygot oder in der Lage- und Raumwahrnehmung.
126 Hinterstrangsystem

Hinterstrangsystem (engl. lemniscal system; Syn. die Diagnose gestellt. Eine Behandlung wird, soweit
lemniskales System, Schleifenbahnsystem) Das Hin- möglich, durch eine operative Entfernung der Eiter-
terstrangsystem ist eine sensible Leitungsbahn und kapsel und zusätzliche Gabe von starken Antibiotika
dient der Vermittlung von akustischen Informatio­ durchgeführt. Bis zu 20 % der Patienten mit einem
nen und epikritischer Sensibilität (Lokalisation und Eiterherd versterben trotz Therapie. Nur 50 % der
Qualität feiner Berührungs- und Tastempfindungen Geheilten haben keine Folgeschäden, wie bspw. epi-
sowie bewusste Wahrnehmung von Lage und Stel- leptische Anfälle, Lähmungen oder Gedächtnisver-
lung des Rumpfes und der Extremitäten im Raum). lust (Amnesie).
Das Hinterstrangsystem besteht aus dem Lemniscus
medialis als Fortsetzung des Hinterstrangs und Hirnanhangsdrüse 7 Hypophyse
dem Lemniscus lateralis, der einen Teil der Hörbahn
darstellt. Hirnhaut (engl. meninx; pl. Meningen) Neben dem
Schädelknochen und der puffernden Eigenschaft
Hinterwurzel (engl. dorsal root of spinal nerves; Syn. der Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) ist das Gehirn
radix dorsalis) Allgemein werden als Nervenwurzeln durch die Hirnhäute (Meningen) geschützt. Es gibt
die ein- und austretenden Nervenbündel des Rücken­ drei verschiedene Meningen: Die Dura mater ist die
marks bezeichnet, wobei über die hintere Nerven- äußerste Hirnhaut und liegt dem Schädel an. Da­
H wurzel jegliche afferente (sensorische) Informatio­ runter liegt die Arachnoidea (von griech. spinn­
nen über das Hinterhorn zum Rückenmark geleitet webenartig), die ihren Namen der dichten, spinnwe-
werden. Ihre Wurzelzellen liegen außerhalb des Rü- benartigen Gefäßzeichnung verdankt. Sie liegt dem
ckenmarks im Spinalganglion. Gehirn an. Darauf folgt die Pia mater, auch weiche
Hirnhaut genannt. Sie liegt ebenfalls dem Gehirn an
Hippocampus (engl. hippocampus) Evolutionär eine und reicht in alle Furchen hinein. Zwischen der
der ältesten Hirnstrukturen im Zentrum des Groß- Arachnoidea und der Pia mater liegt der mit Zere-
hirns, gehört der Hippocampus zum limbischen Sys- brospinalflüssigkeit gefüllte Subarachnoidalraum.
tem. Er besteht aus folgenden Bereichen: Subiculum, Entzünden sich die Hirnhäute durch bakterielle oder
Cornu ammonis (Ammonshorn) und Gyrus den­ Virusinfektion, spricht man von Meningitis. Die
tatus. Der Hippocampus ist zuständig für die Ge- Hirnhaut geht in die Rückenmarkshaut über.
dächtniskonsolidierung; die Erinnerungen werden
hier wiederholt, bis sie in der Großhirnrinde abge- Hirninfarkt (engl. stroke; Syn. Schlaganfall) Der Be-
speichert werden. Im Hippocampus bilden sich neue griff »Hirninfarkt« bezeichnet ein plötzlich (schlag-
Nervenverbindungen, er ist beteiligt am räumlichen artig) auftretendes Ereignis, bei dem Funktionen des
Orientierungssinn, hat Einfluss auf Verhalten und Gehirns aufgrund verminderter Sauerstoffzufuhr
Problembehandlung und kodiert verschiedene Ge- eingeschränkt werden. Nervenzellen sterben ab, die
dächtnisinhalte. Verschiedene Erkrankungen ­können betroffenen Hirngebiete fallen aus. Der Begriff wird
zu einer Veränderung der Struktur des Hippocampus häufig synonym zum Begriff »Schlaganfall« (Apo-
führen, v. a. Demenzerkrankungen. Auch im Zusam- plex) verwendet. Präziser wird darunter in der mo-
menhang mit der posttraumatischen Belastungs­ dernen Medizin jedoch der ischämische Insult (etwa
störung wurde mehrfach auf eine Funktionsbeein- 80 % der Schlaganfälle) verstanden, bei dem es durch
trächtigung des Hippocampus hingewiesen. Thrombusbildung in einer Hirnarterie zur Sauer-
stoff-Unterversorgung kommt. Damit wird der
Hirnabszess (engl. cerebral abscess; Syn. Herdenze- Hirninfarkt vom hämorrhagischen Insult (Hirnblu-
phalitis) Ein Hirnabszess ist eine Entzündung im tung, z. B. durch ein geplatztes Aneurysma) abge-
Gehirn. Eingekapselt entwickelt sich ein Eiterherd, grenzt, bei welchem der Schlaganfall durch Austritt
der zumeist durch vorherige Infektionen, z. B. im von Blut ins Hirngewebe hervorgerufen wird.
Nasen-, Ohren-, Mundraum, entsteht. Die betrof-
fene Person hat meist Fieber, klagt über Übelkeit und Hirninfarkt, stiller (engl. silent cerebral infarct) Bei
ein Druckgefühl im Kopf. Über MRT oder CT wird einem stillen Hirninfarkt wird ein kleiner Teil des
Hirnstammpotenziale 127

Gehirns durch plötzlich auftretende Durchblutungs- rein motorische Fasern und die Nerven V, VII, IX
störungen unterversorgt. Dabei sterben Neuronen und X enthalten beide Anteile.
ab. Wenn dies in Bereichen geschieht, die nicht mit
Sprache oder Motorik zusammenhängen, bleibt der Hirnquetschung (engl. cerebral contusion) Eine
Hirninfarkt oft unbemerkt, also still. In einer Studie Hirnquetschung ist eine schwere Schädelhirnver­
konnte anhand einer zerebralen Magnetresonanz­ letzung, die bleibende anatomische Hirnverände-
tomographie bei einer Population von über tausend rungen hinterlässt und zum Tod führen kann. Sie
60- bis 90-jährigen gezeigt werden, dass 21 % inner- ist durch folgende Symptome gekennzeichnet: Der
halb von fünf Jahren einen oder mehrere stille Hirn- Patient ist nach dem Trauma einige Zeit bewusstlos
infarkte hatten. Probanden mit stillen Hirninfarkten (meistens mehrere Stunden bis Tage), wobei die
hatten ein doppelt so großes Risiko in dieser Zeitspan­ Dauer der Bewusstlosigkeit dem Schweregrad der
ne an einer Demenz zu erkranken und zeig­ten zudem Verletzung entspricht. Außerdem zeigt der Patient
einen stärkeren Abfall kognitiver Leistungen. zerebrale Herdsymptome (z. B. Krämpfe oder Läh-
mungen). Der posttraumatische Dauerschaden, den
Hirnnerv (engl. cranial nerve) Hirnnerven sind die der Patient erleidet, ist je nach Ausmaß und Loka­
Nerven, die direkt dem Gehirn, meist dem Hirn­ lisation der Verletzung individuell unterschiedlich.
stamm, entspringen. Die zwölf paarigen Hirnnerven Gefährliche Komplikationen bei der Hirnquet-
versorgen den gesamten Kopf- und Halsbereich. Es schung sind die Entwicklung eines lebensbedro- H
gibt fünf ausschließlich motorische (efferente), drei henden Hirnödems oder eines intrakraniellen Häma­
ausschließlich sensorische (afferente) und vier ge- toms. Neben der neurologischen Untersuchung ist
mischte Hirnnerven. Sie werden mit römischen Zif- deshalb ein CT zur Diagnosestellung notwendig.
fern nummeriert, entsprechend der Austrittsstelle
am Gehirn von oben nach unten. Zu den Hirnner- Hirnstamm (engl. brain stem) Der Hirnstamm setzt
ven zählen: I. Nervus olfactorius (Signalübertragung sich aus der Medulla oblongata, der Pons und dem
von der Nase zum Gehirn), II. Nervus opticus Mesenzephalon zusammen. Er enthält viele Kern-
(­Signalübertragung von der Netzhaut zum Gehirn), komplexe, u. a. die Hirnnervenkerne, den Oliven-
III. Nervus occulomotoris (steuert Augen- und Lid- kernkomplex und die Brückenkerne. Bedeutende
bewegung und die Iris), IV. Nervus trochlearis auf- und absteigende Bahnsysteme, die den Hirn­
(­steuert die schrägen oberen Augenmuskel), V. Ner- stamm durchziehen, sind die Pyramidenbahn, extra­
vus trigeminus (motorische Fasern: Augennerv, pyramidale Bahnen sowie die Formatio reticularis.
Ober- und Unterkiefernerv, innerviert kaumusku­ Der Hirnstamm enthält Zentren zur Kontrolle der
latursensible Informationen von Gesichtshaut zum Atmung, des Kreislaufs sowie verschiedener Reflexe
Gehirn), VI. Nervus abducens (innerviert den late- (u. a. Brechreflex, Saugreflex, Niesreflex, Pupillen­
ralen Augenmuskel), VII. Nervus facialis (steuert reflex).
Muskulatur der Mimik, vermittelt Geschmacks-
wahrnehmung in den vorderen 2/3 der Zunge), VIII. Hirnstammpotenziale (engl. pl. brainstem poten­
Nervus vestibulocochlearis (Signalübertragung von tials) Als Hirnstammpotenziale werden frühe An-
Cochlea und Gleichgewichtsorganen), IX. Nervus teile ereigniskorrelierter Potenziale (EKPs) bezeich-
glossopharyngeus (Signalübertragung des hinteren net, die bereits nach wenigen Millisekunden
Zungenabschnitts zum Gehirn, innerviert Muskeln (< 10 ms) auftreten und frühe Stufen der Reizver­
des Rachens und ermöglicht das Schlucken), X. Ner- arbeitung auf Hirnstammebene widerspiegeln. Bei
vus vagus (Hauptnerv des Parasympatikus, sensible akustisch evozierten Potenzialen (AEPs) kann z. B.
Informationen der Organe an Gehirn, motorische unmittelbar nach dem Reiz Aktivität in Nerven­
Informationen an Rachen, Kehlkopf, Eingeweide), kernen der Pons und des Mesenzephalons (Nucleus
XI. Nervus accessorius (innerviert Nacken und Ach- cochlearis, Colliculi inferiores, obere Olivenkerne)
sel) und XII. Nervus hypoglossus (steuert Zungen- abgeleitet werden. Da diese Potenziale räumlich weit
bewegung). Die Nerven I, II, und VIII sind aus- entfernt vom Ableitungsort (i. d. R. Kopfhaut) ­liegen,
schließlich sensorische Fasern, III, IV, VI, XI und XII werden sie auch als »far field potentials« bezeichnet.
128 Hirnventrikel

Pathologisch veränderte Hirnstammpotenziale kön- ein Teilbereich der Medizin/Biologie. In der Praxis
nen Aufschluss über Verletzungen oder Tumore, werden anhand histologischer Proben (Gewebepro-
z. B. in der Hörbahn, geben. ben) Verdachtsdiagnosen bestätigt oder entkräftet,
also Gewebeproben auf ihre Malignität bzw. Benig-
Hirnventrikel (engl. pl. cerebral ventricles) Die vier nität überprüft. Besteht eine Verdachtsdiagnose
Hirnventrikel bilden das Liquorsystem des Gehirns. (bspw. bei Muttermalen, Tumoren o. ä.), kann aus
In allen Ventrikeln wird im Plexus choroideus, einem dem betroffenen Gewebe eine Probe entnommen
Membransystem, die sog. Zerebrospinalflüssigkeit werden (Biopsie). Mittels chemischer Färbemetho-
(CSF, Liquor) gebildet, die ständig durch die Ven­t­ den können unter Licht- bzw. Elektronenmikroskop
rikel und den Subarachnoidalraum zirkuliert. Man gewebespezifische sowie pathologische Strukturen
unterscheidet die paarig angeordneten Seitenven­t­ erkannt werden.
rikel (1. und 2. Ventrikel) sowie den dritten und den
vierten Ventrikel. Die beiden Seitenventrikel sind Histone (engl. pl. histones) Histone sind arginin- und
mit dem dritten Ventrikel über die Foramina ­Monroi, lysinreiche Proteine, die an der Faltung der DNS
der dritte mit dem vierten über den Aquaeductus bei Eukaryonten beteiligt sind. Dimere der Histon-
cerebri verbunden. Es kann (z. B. durch Tumoren) varianten H2A, H2B, H3 und H4 bilden ein Okta­
zu einer Blockade einer der engen Ventrikel verbin- mer, an das etwa 110 Nukleotide des DNS-Strangs
H denden Kanäle kommen, was zu einer Ausdehnung durch elektrostatische Bindung gebunden werden.
der Ventrikel und damit zu einem Anschwellen des Außerhalb dieses Komplexes lagert sich das Histon
ganzen Gehirns führt. Es entsteht ein Hydrozepha- H1 an und ermöglicht durch Zusammenlagerung
lus (»Wasserkopf«), der durch ein Ableiten der ange- mit anderen H1-Molekülen eine stärkere Kompri-
stauten Flüssigkeit behandelt werden kann. mierung der DNS. Neben der ribosomalen DNS
­gehören die Histongene zu den konserviertesten Be-
Histamin (engl. histamine) Histamin ist ein biogenes reichen des Genoms.
Amin, das zu den Gewebshormonen zählt. Es ist
ein wichtiger Mediator bei Entzündungsreaktionen, Hoden (engl. testicle; Syn. Testikel) Der Hoden ist das
daher erfolgt die Freisetzung von Histamin bei paarig angelegte innere männliche Geschlechtsor-
­entzündlichen oder toxischen Prozessen. Der Hista- gan. Die H. gehören zu den Keimdrüsen (Gonaden)
mingehalt des Körpers kann aber auch durch Stress und sind für die Produktion von Geschlechtshor-
und histaminhaltige Lebensmittel steigen. Histamin monen wie z. B. Testosteron sowie die Produktion
führt zur Erhöhung der Gefäßpermeabilität, was die der Spermien zuständig.
Bildung von Schwellungen, Rötungen und Juckreiz
begünstigt, und es ist maßgeblich an allergischen Höhlengrau, zentrales (engl. central gray, periaque-
Reaktionen beteiligt. Weiterhin trägt Histamin zur ductal gray; Syn. periaquäduktales Grau) Das zentra-
Gefäßerweiterung bei, woraufhin eine Senkung des le Höhlengrau (PAG) liegt im Tegmentum des Mit-
Blutdrucks eintritt und somit die Bildung von Neu- telhirns und ist neben dem Hypothalamus und dem
rotransmittern gefördert wird. Negative Folgen von Zentralkern der Amygdala das wichtigste Zentrum
Histamin sind Erbrechen, Herzrasen oder Migräne. für angeborene affektive Zustände und Verhaltens-
Diese treten besonders bei der Histaminintoleranz weisen. Es kann unabhängig von höheren affektiv-
in Erscheinung. Histamin wird insbesondere in emotionalen Zentren wie der basolateralen Amyg-
Mastzellen, basophilen Granulozyten und Nerven- dala, dem Hippocampus oder der Großhirnrinde
zellen gespeichert. arbeiten, wird aber meist von diesen beeinflusst. Es
kontrolliert wie der Hypothalamus Sexualverhalten,
histologisch (engl. histologic/al/) Histologisch heißt Aggression, Verteidigung und Beutefang bzw. Nah-
so viel wie »zur Histologie gehörend« und bezieht rungsaufnahme. Eine wichtige Rolle spielt es auch
sich auf mikroskopische Darstellungen biologischer bei der unbewussten Schmerzreaktion, affektiv-emo­
Gewebe. Als Histologie bezeichnet man die Lehre tionalen Vokalisationen (Schmerzschreie, Stöhnen,
von Gewebe- und Zellaufbau des Organismus. Sie ist Klagen usw.) sowie der Schmerzunterdrückung. Das
Homosexualität 129

PAG enthält Opiatrezeptoren; eine elektrische Stimu­ schnittliches Gehirnvolumen von ca. 1350 cm³, ihre
lation führt zu einer Analgesie (Unterdrückung der Augenbrauenwülste sind klein oder nicht mehr
Schmerzempfindung). ­vorhanden und ihr Skelett ist eher grazil. Mit dem
Erscheinen der Cro-Magnon-Kultur vor ca. 40.000
Homo erectus (engl. homo erectus) Der Homo Jahren fanden sich auffallend hoch entwickelte
e­ rectus (v. lat. »aufgerichteter Mensch«) lebte vor ca. Werkzeuge und Ausrüstungsgegenstände. Die Cro-
1,8 Mio. bis 300.000 Jahren. Der Körperbau von Magnon-Menschen waren die ersten, die schwer zu
Homo erectus erinnert bereits deutlich an moderne bearbeitende Materialien wie Elfenbein, Rentier­
Menschen, war allerdings robuster. Das Gehirnvo­ geweih und Knochen benutzten, sie schufen auch die
lumen war größer als das des Homo habilis und lag ersten Kunstwerke (Höhlenmalereien und kleine
zwischen 750 und 1250 cm³. Die Stirn war steiler, Plastiken). Mit dem Ende der Eiszeit vor 12.000 Jah-
der Unterkiefer ist im Vergleich zu Homo sapiens ren entstanden die ersten Ackerbaukulturen.
breiter und leicht V-förmig. Fossilienfunde ­stammen
insbesondere aus Algerien, Marokko, China und homoiotherm (engl. homeotherm; Syn. gleichwarm)
Java. Die Körperlänge konnte lange Zeit nur auf etwa Homoiotherm ist die zoologische Bezeichnung für
1,60 m geschätzt werden, da postkraniales Skelett- gleichwarme (auch warmblütige) Organismen. Ho-
material fehlte. Funde aus Afrika ergaben jedoch, moiotherme Lebewesen (Vögel und Säugetiere) sind
dass Homo erectus ausgewachsen etwa 1,80 m groß in der Lage, ihre Körpertemperatur unabhängig von H
war. Für Homo erectus ist Werkzeuggebrauch eben- Umweltfaktoren (Umgebungstemperatur) auf kons-
so nachgewiesen wie die Nutzung des Feuers. Kultu- tan­tem Niveau zu halten. Diese homöostatische Rege-
rell gehört er der Altsteinzeit an. lung schlägt sich in einem erhöhten Grundumsatz
(Energieverbrauch) nieder. Erreicht wird diese Kons-
Homo habilis (engl. homo habilis) Der Homo habilis tanthaltung der Körpertemperatur durch Mecha­
(v. lat. »geschickter Mensch«) ist eine frühe Gattung nismen wie z. B. Schwitzen (beim Menschen) oder
des Menschen und erhielt seinen Namen durch Hecheln (beim Hund). Homoiotherme Arten ver­
Steinwerkzeuge, die erstmals mit seinen Überresten fügen über eine gute Wärmeisolierung in Form von
gefunden wurden. Der Homo habilis lebte vor ca. 2,5 Fell oder Federn, die ebenfalls zur Regulation beiträgt.
bis ca. 2,0 Mio. Jahren in Ostafrika. Im Vergleich Dieser Mechanismus funktioniert so gut, dass bspw.
zum Australopithecus hatte er mit ca. 725 cm³ ein die Körpertemperatur eines gesunden Menschen nur
um 30 % größeres Hirnvolumen (Homo sapiens ca. um etwa 1–2 °C schwankt. Das Gegenteil von homo-
1200–1400 cm³). Es wird angenommen, dass Homo iotherm ist poikilotherm (wechselwarm).
habilis seine Nahrung mit Fleisch ergänzte, um sein
größeres Gehirn zu versorgen, und deshalb erstmals homolog (engl. homologous, homologic) In der Bio-
Steinwerkzeuge herstellte. Die Ausbuchtung des logie wird ein bestimmtes Merkmal wie ein Organ
Brocaschen Zentrums, ein Bereich des Gehirns, der oder ein Verhalten verschiedener Arten als homolog
beim modernen Menschen der Sitz des Sprachzent- bezeichnet, wenn es evolutionsgeschichtlich den
rums ist, ist bei habilis-Gehirnausgüssen gut sicht- gleichen Ursprung hat. So entsprechen z. B. mensch-
bar und deutet auf eine rudimentäre Sprechfähigkeit liche Arme den Flügeln der Vögel oder den Brust-
hin. Habilis ist eine kontrovers diskutierte Spezies, flossen der Fische. Sie erfüllen zwar unterschiedliche
da einige Wissenschaftler glauben, dass alle habilis- Funktionen, sind aber aus den gleichen Anlagen
Funde entweder den Australopitecinen oder Homo hervorgegangen. Ähnliches lässt sich beim Verhal-
erectus zugeordnet werden sollten. ten beobachten. Dabei erfüllt homologes Verhalten
den gleichen Zweck und geht auf eine gemeinsame
Homo sapiens (engl. homo sapiens) Der Homo Entwicklungsgeschichte zurück. Das Gegenteil von
s­ apiens tauchte erstmals vor ungefähr 120.000 ­Jahren homolog ist analog.
auf. Die Bezeichnung Homo sapiens leitet sich aus
dem Lateinischen von homo »Mensch« und sapiens Homosexualität (engl. homosexuality) Als Homo­
»weise« ab. Moderne Menschen haben ein durch- sexualität wird die sexuelle Orientierung auf gleich-
130 homozygot

geschlechtliche Partner bezeichnet. Homosexuelle Unterlippe sind im Gehirn allerdings größer reprä-
Männer bezeichnen sich dabei als Schwule, homo­ sentiert als weniger empfindliche Körperteile wie
sexuelle Frauen hingegen werden umgs. als Lesben z. B. die Beine. Daher ist der somatosensorische
bezeichnet. Diese Form der Sexualität hat inzwi- ­Homunkulus verzerrt, hat z. B. große Lippen und
schen zu der Entwicklung einer eigenständigen und große Hände, aber vergleichsweise kleine Beine und
umfangreichen Subkultur geführt. Homosexualität dünne Arme.
ist heute nicht mehr als pathologischer Begriff im
ICD-10 oder DSM-IV zu finden. Dennoch stehen Homöostase (engl. homeostasis; Syn. Gleichgewicht)
folgende Perspektiven in der Forschung weiterhin Der Begriff Homöostase stammt aus dem Griechi­
zur Diskussion: Homosexualität als sexuelle (nicht schen und bezeichnet die natürliche Tendenz eines
abnorme) Verhaltensmöglichkeit, als biologische Organismus, sich durch Rückkopplung selbst inner-
Gegebenheit oder als erworbene Fehlhaltung. halb gewisser Grenzen in einem stabilen Zustand zu
halten. Der Begriff wurde 1929 vom Physiologen
homozygot (engl. homozygous) Homozygot ist ein W. Cannon eingeführt. Zahlreiche physiologische
Begriff aus der Genetik und bedeutet »reinerbig«. Er ­Größen scheinen demnach homöostatisch reguliert
bezeichnet die Tatsache, dass bei einem diploiden zu werden wie etwa Kerntemperatur, Blutzucker-
Organismus zwei identische Allele eines Gens für spiegel, Nahrungsaufnahme und -abgabe. Eine nicht
H ein Merkmal im Chromosomensatz vorhanden sind. adäquate homöostatische Anpassungsfähigkeit des
Das Gegenteil von homozygot ist heterozygot. Körpers über längere Zeit, z. B. bei erhöhtem Blut-
druck aufgrund von Stress, kann zu pathologischen
Homunkulus, motorischer (engl. motor homuncu- Veränderungen führen (bspw. Hypertonie oder an-
lus) Ebenso wie im sensorischen System eine Abbil- dere Herzkreislauferkrankungen). Ein ähnliches,
dung der Körperoberfläche existiert (7 Homunkulus, jedoch in einigen wichtigen Aspekten verändertes
somatosensorischer), gibt es auch im motorischen Regulationsmodell ist die Allostase (bzw. allosta-
System eine Abbildung der (Skelett-)Muskulatur im tische Last).
Gehirn. Diese findet sich in den motorischen Rinden­
feldern, wobei jeder Punkt der Muskulatur der Kör- Horizontalschnitt (engl. horizontal view) Ein Hori-
peroberfläche (Peripherie) im Gehirn repräsentiert zontalschnitt bezeichnet einen waagerechten Schnitt
ist. Die Anordnung bleibt dabei erhalten, d. h. die durch den Körper, senkrecht zur Wirbelsäule.
Abbildung im Gehirn entspricht der eines »kleinen
Menschen« (Homunkulus). Der motorische Homun­ Horizontalzelle (engl. horizontal cell) Die Horizon-
kulus ist allerdings eine verzerrte Abbildung der re- talzellen bilden zusammen mit den amakrinen Zel-
alen (Skelett-)Muskulatur: Bestimmte Bereiche sind len und den Bipolarzellen die innere Zellschicht der
überproportional auf der Großhirnrinde repräsen- Retina. Sie besitzen horizontale Neurite, mit denen
tiert. sie innerhalb der Retina verschaltet sind. Als Inter-
neurone hemmen sie mittels der Transmitter GABA
Homunkulus, somatosensorischer (engl. somato- und Glyzin die Signalübertragung zwischen Bipolar-
sensory homunculus) Jeder Bereich des Körpers ist zellen und Ganglienzellen und ermöglichen damit
im Gehirn in den somatosensorischen Arealen (So- eine Kontrastverstärkung visueller Reize bereits auf
matosensorik = Körperempfindung) abgebildet. Da- der retinalen Ebene. Wie bei den Photosensoren,
bei handelt es sich um eine 1:1-Abbildung, d. h. reizt ­Bipolarzellen und amakrinen Zellen auch, findet die
man einen bestimmten Punkt auf dem Körper (z. B. Signalübertragung der Horizontalzellen nicht über
durch leichte Berührung), wird ein bestimmter Teil Aktionspotenziale statt, sondern über graduierte
im Gehirn aktiviert. Die Abbildung der einzelnen ­lokale Membranpotenziale.
Körperteile im Gehirn entspricht der realen Körper-
form (somatotope Abbildung), d. h. im Gehirn ist Hormon (engl. hormone) Hormone sind chemische
ein »kleiner Mensch« (Homunkulus) abgebildet. Be- Botenstoffe, welche in spezialisierten Drüsen (Hor-
sonders sensible Körperteile, z. B. die Finger oder die mondrüsen) gebildet und in die Blutbahn freigesetzt
Human Genom Projekt 131

werden. Sie binden an spezifische Rezeptoren, die in Insgesamt besteht die Hörbahn aus fünf bis sechs
der Zellmembran (z. B. Adrenalin) oder im Inneren Neuronenschaltstellen. Im primären auditorischen
der Zelle (z. B. Steroidhormone) liegen. Nach ihrer und im sekundären auditorischen Kortex, der
chemischen Struktur kann man Hormone grob un- u. a. für Sprach­wahrnehmung zuständig ist, findet
terteilen in Protein- bzw Peptidhormone (z. B. dann die bewusste Verarbeitung akustischer Signale
GnRH, ACTH, Insulin), Aminhormone (z. B. Adre- statt.
nalin, Melatonin, Schilddrüsenhormone) und Ste­
roidhormone (z. B. Testosteron, Östradiol, Kortisol). Hörtest, dichotischer (engl. dichotic listening) Beim
Die Ausschüttung der meisten Hormone erfolgt in dichotischen Hörtest werden beiden Ohren gleich-
Pulsen, d. h. mehrmals täglich in diskreten Sekre­ zeitig verschiedene Stimuli (sprachliche oder nicht-
tionsepisoden, und dauert in der Regel nicht länger sprachliche, z. B. Zahlensequenzen oder Fragmente
als einige Minuten an. Der stark fluktuierende Hor- von Musikstücken) präsentiert. Der Proband soll
monspiegel im Blut und anderen Körperflüssigkeiten entweder nur einem der Stimuli seine Aufmerksam-
wird durch den Wechsel in Häufigkeit und Dauer keit schenken oder auf beide achten. Anschließend
der pulsatilen Hormonentladungen bedingt. soll die Person so viele der Stimuli wie möglich
­wiedergeben (im Falle der gehörten Zahlen) oder
Hörnerv (engl. acustic nerve; Syn. Nervus cochlearis die Musikstückfragmente wieder erkennen. Es kann
(acusticus)) Der Hörnerv ist ein Teil des achten Hirn­ nun festgestellt werden, von welchem Ohr mehr H
nervs (Nervus vestibulocochlearis, dargestellt mit ­Stimuli erinnert werden bzw. welche Hirnhälfte die
der römischen Ziffer VIII). Der andere Teil ist der für die Verarbeitung der Stimuli dominante ist. Zwar
Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis). Der Hör- erhalten beide Hemisphären Input von beiden
nerv ist eine afferente (sensorische) Nervenbahn, ­Ohren, jedoch sind die Verbindungen zur kontrala-
beginnend am Cortischen Organ im Innenohr und teralen Hirnhälfte stärker. Mit Hilfe des dichotischen
endend an den Hörkernen (Nuclei cochleares) im Hörtests konnte gezeigt werden, dass bei den meis-
Myelenzephalon, von wo aus die akustischen Infor- ten Personen die linke Hemisphäre hinsichtlich der
mationen zur Hörrinde des Gehirns in den Tempo- Sprache dominant ist. Dieser Test findet daher auch
rallappen weitergeleitet werden. klinische Anwendung.

Hörschnecke 7 Cochlea HPA-Achse 7 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennie-


renrinden-Achse
Horseradish-Peroxidase 7 Meerrettichperoxidase
HRP 7 Meerrettichperoxidase
Hörstrahlung (engl. acoustic radiation; Syn. Radiato
acustica) Wird ein Geräusch vom Cortischen Organ Human Genom Projekt (eng.: human genome pro-
im Innenohr aufgenommen, werden die Signale ject) Das Human Genom Projekt (HGP) ist ein 1990
über Hörbahnen zum primären auditorischen Kor- von der Human Genome Organisation (HUGO) in
tex, der Hörrinde, geleitet. Dabei ziehen zuerst den USA gestartetes Projekt zur Identifikation des
­Hörnervenfasern, die sich mit den Nervenfasern menschlichen Genoms, der Entschlüsselung des ge-
des Gleichgewichtsorgans zum Nervus vestibulo- samten Erbguts des Menschen. Die etwa drei Mrd.
cochlearis vereinigt haben, zum Nucleus cochlearis. Basenpaare umfassende menschliche DNA-Sequenz
Von dort durchläuft die Hörbahn den Olivenkom- konnte bereits im Juni 2000 fast vollständig (zu 97 %)
plex und sendet Axone weiter zum lateralen Schlei- dekodiert werden, früher als von den Forschern er-
fenkern (Lemniscus lateralis) und über die Colliculi wartet. Ein Zukunftsziel des HGP ist ein tiefer ge-
inferiores zum Corpus geniculatum mediale (Tha­ hendes Verständnis der Funktion bestimmter Gene.
lamus; medialer Kniehöcker). Die vom Corpus ge­ Die Wissenschaftler erhoffen sich Einsichten in die
niculatum mediale zum primären auditorischen Ursachen von Erbkrankheiten und Ansätze für neue
Kortex im oberen hinteren Temporallappen zie- Diagnose- und Therapieverfahren (Stichwort Gen-
hende Hörbahn wird auch Hörstrahlung genannt. therapie).
132 Huntington-Krankheit

Huntington-Krankheit 7 Chorea Huntington Hyperphagie (engl. hyperphagia) Unter Hyperpha-


gie wird eine ungewöhnlich gesteigerte Nahrungs-
Hybride (engl. hybrid) Eine Hybride ist im biolo- aufnahme verstanden, bei der kein Sättigungsgefühl
gischen Sinne ein Individuum, das aus der Kreuzung eintritt und das Essen auch ohne Hungergefühl statt-
zweier genetisch verschiedener Arten (auch verschie­ findet. Dieses Krankheitsbild tritt häufig nach ein-
dener Zuchtlinien oder Rassen) hervorgegangen ist. seitigen Diäten auf, es kann aber möglicherweise
Die Elterngeneration ist daher genetisch weit von- auch durch einen Gendefekt verursacht werden.
einander entfernt, was zu dem Vorteil führt, dass Die psychogene Hyperphagie wird auch als Binge-
Hybriden über ein breites genetisches Repertoire ­Eating-Disorder bezeichnet. Dabei treten »Fressatta­
verfügen. Ein Nachteil hingegen ist, dass durch eine cken« mehrmals wöchentlich auf, nach denen nicht
derartige Zucht natürliche Arten aussterben. Die Hy­ versucht wird, das Gegessene wieder abzuführen,
bridzüchtung ist insbesondere bei Pflanzen weit ver- z. B. durch Erbrechen. Diese Störung kann bei Adipo­
breitet (bspw. bei Mais oder Zuckerrüben), mittler- sitas (Übergewicht) entstehen, aber auch körperliche
weile gibt es aber auch in der Tierzucht Hybriden. Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Schizophrenie
Insbesondere bei Pflanzen können in der Natur, also oder Hirntumoren können zu solchen Attacken füh-
ohne Zucht, spontane Kreuzungen zwischen Arten ren. Bei bestimmten Menschen wird Hyperphagie
vorkommen. Die so entstandenen Hybriden nennt durch Stresssituationen gefördert.
H man Naturhybriden. Die ersten Zuchtversuche von
Pflanzen-Hybriden wurden von Gregor Mendel im Hyperpolarisation (engl. hyperpolarization) Eine
Jahr 1865 unternommen. Hyperpolarisation meint eine Senkung des »norma-
len« Membranpotenzials, das sog. Ruhepotenzial,
Hydrozephalus (engl. hydrocephalus; Syn. Wasser- welches – abhängig vom Nervenzelltyp – bei einer
kopf) Ein Hydrozephalus beruht auf einem Ungleich- Spannung von ca. –70 mV liegt. Durch diese Ver-
gewicht zwischen Liquorproduktion und Liquor­ schiebung auf einen größeren negativen Wert ent-
abfluss. Ein Hydrozephalus kann z. B. durch einen fernt sich das Potenzial weiter vom Schwellenpo­
Tumor und einem dadurch fehlerhaften Liquorab- tenzial von ca. –50 mV, das zur Auslösung eines
fluss bedingt sein. Das führt zu einer Erweiterung der ­Ak­tionspotenzials (AP) erreicht werden muss. Die
Liquorräume und somit zu einer Erhöhung des Li- Aus­lösung eines APs wird durch eine Hyperpolari-
quordrucks. Bei Säuglingen äußert sich der Hydroze- sation unwahrscheinlicher, was z. B. durch eine inhi-
phalus in einer Vergrößerung des Schädels, es kommt bitorische Synapse erreicht wird. Die Hyperpolarisa-
zu einer Aufweitung der Schädelnähte und Wölbung tion ist zudem Bestandteil von Aktionspotenzialen.
der Stirn nach vorne.T herapeutisch wird ein Ablei- Während in der ersten Phase das Potenzial herab­
ten des Liquors vorgenommen (sog. »Shunt«). gesetzt wird, also einen weniger negativen bzw. ­einen
positiven Wert annimmt (Depolarisation, bis zu
Hyperalgesie (engl. hyperalgesia) Hyperalgesie be- +30 mV), folgt nach der Repolarisation eine kurze
zeichnet eine Erhöhung der Schmerzempfindlich- Phase, in der die Zelle hyperpolarisiert ist (auch
keit gegenüber einem Schmerzreiz. Es handelt sich Nachpotenzial genannt). In dieser Zeit ist die Aus­
um eine Form der Hyperästhesie, welche eine Über- lösung eines weiteren APs nur durch starke Reize
empfindlichkeit bezeichnet, wobei eine gesteigerte oder gar nicht möglich (7 Refraktärphase; Refraktär-
Nerven- und Gefühlserregbarkeit (Affektivität) nach­ zeit, absolute und relative).
gewiesen werden kann. Das Gegenteil von Hyperal-
gesie ist die Hypoalgesie (Herabsetzung der Schmerz- Hypersäule (engl. hyper column) Als Hypersäulen
empfindlichkeit). bezeichnet man bestimmte Bereiche des Kortex mit
jeweils ca. einem Millimeter Kantenlänge. Diese um-
Hypergeusie (engl. hypergeusia) Hypergeusie ist fassen Positionssäulen, die als Verarbeitungsmodule
das Gegenteil der Hypogeusie, d. h. ein extrem, teil- nur für die Signale aus ihnen retinotrop zugeord-
weise krankhaft, gesteigertes Geschmacksvermögen neten kleinen Bereichen der Netzhaut zuständig
(7 Ageusie; Hypogeusie). sind. Eine Hypersäule besteht aus zwei Augendo­
Hypophyse 133

minanzsäulen, wobei die Kortexneuronen entspre- u. a. im Zusammenhang mit Schizophrenie auftritt


chend optimal auf das rechte bzw. linke Auge anspre- und für die mit dieser Störung assoziierten Negativ-
chen. Jede Augendominanzsäule besteht wiederum symptome verantwortlich gemacht wird. Als Ur­
aus einem Satz von Orientierungssäulen, die alle sache wird eine Verminderung der Dopaminaus-
möglichen Orientierungen umfassen, die das darge- schüttung im PFC angenommen. Hypofrontalität
botene Objekt annehmen kann. Wird eine bestimm- geht mit Störungen in den Bereichen der Impuls-
te Ausrichtung dargeboten, feuern nur die Kortex- kontrolle, Planen und Einhalten von Normen sowie
neurone, die auf diese Position spezialisiert sind. Ist limbischen Dysfunktionen mit eingeschränkter Re-
ein Objekt so groß, dass der Input auf mehreren gulation von Emotionen und Angst einher.
Netzhautbereichen erfolgt, werden auch mehrere
Positionssäulen aktiviert. Hypogeusie (engl. hypogeusia) Hypogeusie ist
eine milde Form der Ageusie, d. h. eine herabge­
Hypersomnie (engl. hypersomnia) Hypersomnie be- setzte Empfindung von Geschmack. Sie kann, wie
zeichnet eine Erhöhung des Schlafbedürfnisses. die Ageusie, durch eine Schädigung der Geschmacks-
nerven (z. B. durch Traumata, Tumoren, toxische
Hypertonie (engl. hypertension; Syn. Bluthochdruck) oder medikamentöse Schädigung) oder eine Schä­
Hypertonie ist der medizinische Fachbegriff für Blut- digung der Geschmackszellen entstehen (7 Ageusie;
hochdruck. Ab Blutdruckwerten von 140/90 mmHg Hypergeusie). H
kann man von einer Hypertonie sprechen. Nach der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Hyper­ Hypokretin 7 Orexin
tonie in fünf Schweregrade eingeteilt. Zudem gibt es
auch eine Unterteilung in drei Stadien des Verlaufs zu Hypomanie (engl. hypomania) Die Hypomanie ist
immer schwerwiegenderen organischen Schäden. Es eine Störung aus dem affektiven Bereich der Psycho-
wird davon ausgegangen, dass bis zu 90 % aller Hy- pathologie und beinhaltet eine gehobene oder ge-
pertonien psychische Ursachen haben (sog. primäre reizte Stimmung von abnormem Ausmaß, die über
Hypertonieformen). Daher wäre neben medizini­ mindestens vier Tage anhält (Internationale Klassi­
scher Behandlung v. a. eine psychotherapeutische fikation der Krankheiten (ICD-10), Code F30.0).
Versorgung hilfreich. Die sekundäre Hypertonie Für eine Diagnosevergabe nach ICD-10 sollte zu-
kann unterschiedliche Ursachen haben, wie z. B. Nie- sätzlich eine Beeinträchtigung der Lebensführung
renentzündungen, Schilddrüsenfehlfunktionen, Al- vorhanden sein, und es müssen mindestens drei der
koholkonsum, Fehlernährung oder Psychopharma- folgenden Kriterien erfüllt sein: gesteigerte Aktivität,
ka. Bei über 70 % aller Betroffenen liegt eine Hyper- gesteigerte Gesprächigkeit oder Libido, motorische
toniesymptomatik in der Familie vor. Ruhelosigkeit, Konzentrationsstörungen, Ablenk-
barkeit oder vermindertes Schlafbedürfnis. Eine hy-
Hypnotika (engl. pl. hypnotics; Syn. Schlafmittel) pomanische Episode erfüllt nicht die Kriterien einer
Hypnotika sind Schlafmittel, die die REM-Schlaf- Manie. Im DSM-IV wird die Hypomanie nicht als
phase verkürzen. Da REM-Phasen lebhafte Träume eigenständige psychische Störung angesehen, son-
beinhalten, wird Schlaf mit einem großen Anteil an dern lediglich als Teil einer Bipolaren Störung II
REM-Phasen als nicht erholsam erlebt. Neben ihrer oder einer Zyklothymie.
Schlafregulierenden Wirkung können Hypnotika je
nach Einnahmedauer auch eine Schlafmittelabhän- Hypophyse (engl. pituitary; Syn. Hirnanhangsdrüse)
gigkeit begünstigen. Als Hypnotika werden Benzo- Die Hypophyse ist eine im erwachsenen Organismus
diazepine, Barbiturate, Chloralhydrat und sedierend rund 0,5 g schwere Hormondrüse, in der lebenswich-
wirksame H1-Antihistaminika eingesetzt. tige Hormone produziert und gespeichert werden.
Sie befindet sich etwa in der Mitte des Schädels, in
Hypofrontalität (engl. hypofrontality) Unter Hy- Höhe der Augen, hinter der Nasenwurzel am Boden
pofrontalität versteht man ein Funktionsdefizit fron- des Zwischenhirns und ist mit dem Hypothalamus
taler Hirnareale (PFC, besonders dorsolateral), das durch den Hypophysenstiel verbunden. Man unter-
134 Hypothalamus

scheidet den Hypophysenvorderlappen (= Adenohy­ auch Struktur des Hypothalamus weisen geschlechts-
pophyse; HVL) und den Hypophysenhinterlappen spezifische Merkmale auf.
(= Neurohypophyse). Im Hypophysenvorderlappen
werden die Hormone ACTH, FSH, LH, GH, PRL, Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse
beta-Endorphin, alpha-MSH und TSH produziert. (engl. hypothalamus-pituitary-gonadal axis) Diese
Deren Sekretion wird durch entsprechende Releas­ Achse ist ein Kreislaufsystem der hormonellen Kom-
ing- und Inhibiting-Hormone des Hypothalamus munikation zwischen Hypothalamus, Hypophyse
gesteuert. Diese werden in Kapillaren (Pfortadersys- und Gonaden. Das im Hypothalamus durch neuro-
tem) abgegeben und so vom Hypothalamus durch endokrine Zellen produzierte Gonadotropin-Releas­
den Hypophysenstil in die Hypophyse befördert. Im ing-Hormon (GnRH) wird über ein Pfortadersys-
Hypophysenhinterlappen befinden sich keine endo- tem ins Kapillarnetz des Hypophysenvorderlappens
krinen Zellen, somit produziert dieser selbst keine transportiert. Hier bindet GnRH an spezifische Re-
Hormone. Die Neurohypophyse empfängt die Hor- zeptoren hormonproduzierender Zellen und stimu-
mone Vasopressin (= Antidiuretisches Hormon, liert die Ausschüttung von Follikel-stimulierendem
ADH) und Oxytozin vom Hypothalamus über Axo- Hormon (FSH) und luteinisierendem Hormon (LH),
ne, die durch den Hypophysenstil reichen. Er spei- welche über den Blutkreislauf zu Hoden bzw. Eier-
chert sie und gibt sie in den Blutkreislauf ab. stöcke transportiert werden und dort die Produktion
H von Keimdrüsenhormonen (Östrogene, Gestagene
Hypothalamus (engl. hypothalamus) Der Hypo­ bei der Frau, Androgene beim Mann) anregen. Regu­
thalamus ist eine Hirnstruktur im Dienzephalon liert wird der Kreislauf durch hemmende bzw. erre-
(Zwischenhirn). Sie befindet sich direkt unter dem gende neuronale Signale aus anderen Gehirnregio­
vorderen Teil des Thalamus und wiegt im erwachse- nen an die neuroendokrinen Zellen im Hypothala-
nen Organismus rund 5 g. Der Hypothalamus erhält mus sowie durch negative Rückkopplungen von den
Informationen aus dem Hippocampus, der Amyg- Keimdrüsen an den Hypothalamus und Hypophy-
dala, dem Thalamus, dem Striatum, dem Mittel- und senvorderlappen.
Rautenhirn und dem Rückenmark. Er besitzt Effe-
renzen zur Formatio reticularis des Mittelhirns, zum Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrin-
Thalamus und zur Neurohypophyse (Hypophysen- den-Achse (engl. hypothalamus-pituitary-adrenal
hinterlappen). Die Verbindung zur Adenohypo­ axis; Syn. HPA, HPA-Achse, HHNA-Achse) Die Hy-
physe (Hypophysenvorderlappen) besteht über das pothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-
Pfortadersystem der Hypophyse. Der Hypothalamus Achse (HPA) ist ein Kreislaufsystem der hormo­
steuert die Hormonfreisetzung aus der Hypophyse nellen Kommunikation zwischen Hypothalamus,
und spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung ver- Hypophyse und Nebennierenrinde, welches u. a. die
schiedener motivationaler Zustände und der Kon- hormonelle Stressreaktion reguliert. Der paraventri-
trolle der vegetativen Funktionen (Temperatur, Blut- kuläre Nucleus (PVN) des Hypothalamus schüttet in
druck, Osmolarität, Hunger, Durst, zirkadiane Reaktion auf noradrenerge, serotonerge und choli-
Rhythmik, Schlaf, Sexual- und Fortpflanzungsver- nerge Einflüsse CRH (corticotropin-releasing hor-
halten). Es handelt sich um eine wichtige Struktur mone) in das Pfortadersystem des Hypophysen­
für die Koordination von Stressreaktionen. Die Re- vorderlappens aus. Dort bindet CRH an spezifische
gulation der Hormonfreisetzung geschieht mittels Rezeptoren, welche die Synthese von POMC (Pro-
sog. Releasing-Hormone, wie z. B. das Kortikotro- opiomelanokortin) einleiten. Durch limitierte Pro-
pin-Releasing-Hormon (CRH) oder Gonadotropin- teolyse wird ACTH (adrenokortikotrophes Hor-
Releasing-Hormon (GnRH), die im Hypophysen- mon) von POMC abgespalten und in den Blutkreis-
vorderlappen die Produktion von Hormonen an­ lauf ausgeschüttet. ACTH gelangt über die Blutbahn
stoßen. Der Hypothalamus gibt aber auch direkt zur Nebennierenrinde, wo es die Ausschüttung von
Hormone (Oxytozin, Vasopressin) an den Hypo­ Glukokortikoiden (z. B. Kortisol) in die Blutbahn an­
physenhinterlappen weiter, wo sie dann in den Blut- regt. Über einen negativen Rückkoppelungsprozess
kreislauf freigesetzt werden. Sowohl Funktion als hemmen Glukokortikoide die CRH- und ACTH-Se-
Hypoxie 135

kretion. Bei einer Reihe von psychischen Störungen Hypovolämie (engl. hypovolaemia, hypovolemia)
(z. B. Depression, Posttraumatische Belastungs­ Unter Hypovolämie versteht man die Verminderung
störung) ist der Regulationsmechanismus der HPA der zirkulierenden Blutmenge. Ursachen sind Blut-
gestört. verluste durch äußere oder innere Verletzungen,
Plasmaverluste (z. B. nach Verbrennungen) oder
Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse Flüssigkeitsverluste infolge von Diarrhö (Durchfall),
(engl. hypothalamus-pituitary-thyroid axis) Diese Hitze oder bestimmten Medikamenten (Diuretika).
Achse ist ein Kreislaufsystem der hormonellen Kom- Die Symptome für Hypovolämie sind eine geringe
munikation zwischen Hypothalamus, Hypophyse Blutdruckamplitude, starker Blutdruckabfall, Puls­an­
und Schilddrüse. Das im Hypothalamus durch neu- stieg, unzureichende Durchblutung der ­Peripherie,
roendokrine Zellen produzierte Thyreotropin- niedriger zentraler Venendruck und Oligurie (Ver-
­Releasing-Hormon (TRH) wird über das Pfortader- minderung der Harnausscheidung). Hypovolämie
system in den Hypophysenvorderlappen transpor- hat oftmals hypovolämischen Durst zufolge, um die
tiert. Hier bindet TRH an spezifische Rezeptoren verlorene Flüssigkeitsmenge schnellstmöglich wie-
Hormon-produzierender Zellen und stimuliert die der aufzunehmen.
Synthese und Ausschüttung von TSH (­Schilddrüsen-
stimulierendes Hormon), welches über den Blut- Hypoxie (engl. hypoxia) Hypoxie ist die medizini­sche
kreislauf an die Schilddrüse transportiert wird und Bezeichnung für einen Sauerstoffmangel im Gewebe, H
dort die Produktion von Schilddrüsenhormonen genauer die Verminderung des Sauerstoffpartial-
(Trijodthyronin, T3, und Thyroxin, T4) anregt. Re- drucks im arteriellen Blut. Diese Unterversorgung
guliert wird der Kreislauf durch hemmende bzw. kann im ganzen Körper oder nur einzelnen Körper-
erregende neuronale Signale aus anderen Gehirn­ regionen auftreten. Ursachen für eine Hypoxie sind
regionen an die neuroendokrinen Zellen im Hypo- u. a. der Aufenthalt in großen Höhen, Lungenerkran-
thalamus sowie durch negative Rückkopplungen kungen, ein reduzierter Hämoglobingehalt im Blut
von der Schilddrüse an den Hypothalamus und Hy- (Anämie), eine Kohlenmonoxidvergiftung (Sauer-
pophysenvorderlappen. stoff wird nicht mehr vom Hämoglobin aufgenom-
men), eine Herzinsuffizienz, Verengung oder Ver-
hypotonisch (engl. hypotonic) Liegt ein medizini­ schluss von Blutgefäßen oder eine Vergiftung, welche
scher Wert wie Blutdruck, Muskeltonus, Gehirnflüs- die Zellatmung behindert. Symptome einer Hypoxie
sigkeit (Liquordruck) oder Augeninnendruck unter- sind Angst- und Unruhezustände, eine Zyanose
halb des Normbereichs, ist er hypotonisch. Beim (bläuliche Verfärbung der Haut, Schleimhäute und
Blutdruck zum Beispiel gilt ein systolischer Wert Fingernägel), Tachykardie (Anstieg der Herzfrequenz
­unter 105 mmHg als hypotonisch. Der osmotische >100 Schläge/min), Dyspnoe (erschwerte Atmung),
Druck einer hypotonischen Lösung ist folglich nied- Blutdruckanstieg und Verwirrtheit. Eine Hypoxie
riger als in einer Vergleichslösung. kann bis zum Herzstillstand führen.
I
iatrogen (engl. iatrogenic) vom Arzt erzeugt mit ähnlicher chemischer Struktur). Es besetzt im
Gehirn verschiedene Bindungsstellen für Boten­
ICD-10 (engl. ICD-10) ICD ist die Abkürzung für stoffe und verändert damit den Einfluss dieser Bo­
I­ nternational Classification of Diseases, das von der tenstoffe auf den Gehirnstoffwechsel. Insbesondere
World Health Organization derzeit in der 10. Auf­ blockiert es Transportstoffe, die Monoamine (Nor-
lage herausgegeben wird. Das ICD-10 ist ein klassi­ adrenalin und Serotonin) nach erfolgter Signalüber­
fikatorisch-diagnostisches System, in dem bestimm­ tragung wieder in ihre Speicherplätze zurück be­
te Krankheiten alphanumerisch geordnet werden. fördern. Noradrenalin verbleibt damit länger am
Zunächst wird jeder Krankheitsgruppe ein Buch­ Wirkort und seine Wirksamkeit steigt. Imipramin
stabe zugewiesen (z. B. F00–99 Psychische und Ver­ wirkt stimmungsaufhellend, angstlösend und zeigt
haltensstörungen). Der folgende Zahlenkode dient positiven Einfluss auf Schlafwandeln und nächt­
zur genauen Spezifikation der vorliegenden Krank­ liches Einnässen. Die stimmungsaufhellende Wir­
I heit (z. B. F30–39 Affektive Störungen; F31 Bipolare kung führt des Weiteren zu einer erfolgreichen Be­
affektive Störung, F31.1 Bipolare affektive Störung, handlung bei Essstörungen.
gegenwärtig manische Episode ohne psychotische
Symptome). Für die Krankheitsgruppen und einzel­ Immunantwort 7 Immunreaktion
nen Störungsbilder werden ferner charakteristische
Symptome angegeben. Derzeit enthält das ICD neun Immunglobulin (engl. immunoglobulin; Syn. Anti-
große Störungsklassen: F0 (organische Störungen), körper) Immunglobuline (Ig) sind Glykoproteine
F1 (Substanzinduzierte Störungen), F2 (Schizophre­ aus der Klasse der Globuline, die nach dem Kontakt
nie, schizotype und wahnhafte Störungen), F3 (af­ mit einem Antigen von B-Lymphozyten gebildet
fektive Störungen), F4 (Neurotische, Belastungs- werden und im Rahmen einer Immunreaktion der
und somatoforme Störungen), F5 (Verhaltensauffäl­ Abwehr potenziell pathogener Fremdstoffe dienen.
ligkeiten mit körperlichen Störungen oder Faktoren), Sie erkennen meist nur einen Teil des Antigens, das
F6 (Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen), F7 Epitop (antigene Determinante) und reagieren nach
(Intelligenzminderung), F8 (Entwicklungsstörun­ dem Schlüssel-Schloss-Prinzip sehr spezifisch auf
gen) und F9 (Verhaltens- und emotionale Störungen einen Fremdstoff. Als Antikörper in Serum und Ge­
mit Beginn in der Kindheit und Jugend). websflüssigkeiten gewährleisten sie die humorale
Immunität. Es werden nach ihrer chemischen Struk­
idiopathisch (engl. idiopathic; Syn. protopathisch) tur fünf Klassen der Immunglobuline unterteilt:
Idiopathisch bezeichnet in der Medizin eine »von IgA (Schleimhautbarrieren, virale Abwehrprozesse),
selbst entstandene« Krankheit. Bei diesen Krank­ IgM (primäre Immunantwort), IgE (allergische
heiten sind keine organischen oder umweltbedingten ­Sofortreaktion, Parasitenabwehr), IgD (vermutlich
Ursachen bekannt. ­differenzierte B-Lymphozyten-Reaktionen) und IgG
(Gammaglobuline; in der Muttermilch enthalten,
Imipramin (engl. imipramine) Imipramin wird zur Schutzfunktion über sekundäre Immunantwort).
Behandlung depressiver Erkrankungen und chro­
nischer Schmerzzustände angewendet. Imipramin Immunität (engl. immunity) Der Ausdruck Immu­
zählt zur Arzneistoffgruppe der trizyklischen Anti­ nität bezeichnet in der Medizin die Unempfänglich­
depressiva (= antidepressiv wirkende Arzneistoffe keit gegen Antigene oder Krankheitserreger infolge
Immunreaktion, zelluläre 137

des Vorhandenseins von Antikörpern (humorale Eindringen eines Antigens in den Organismus. Man
Immunität) und/oder spezifischen Zellen (zellver­ unterscheidet humorale und zelluläre Immunant­
mittelte Immunität). Immunität wird häufig nach wort. Bei der humoralen Immunantwort kommt es
überstandener primärer Immunantwort durch die zur Bildung von spezifischen Antikörpern (Immuno­
Bildung von sog. Gedächtniszellen vermittelt. globuline), die das Antigen markieren, damit es von
anderen Zellen phagozytiert oder im Fall großer
Immunologie (engl. immunology) Immunologie ist Strukturen zerstört werden kann. Träger der hu­
die Lehre von Struktur und Funktion des Immunsys­ moralen Immunantwort sind die B-Lymphozyten.
tems. Gegenstand sind die Erkennungs- und Abwehr­ Demgegenüber charakterisiert die zelluläre Immun­
mechanismen eines Organismus für körperfremde antwort eine Zerstörung Antigentragender Zellen
oder auch körpereigene Substanzen. Die Immuno­ durch T-Lymphozyten. Des Weiteren unterscheidet
logie ist in zahlreiche Teilgebiete aufgegliedert, wie man die primäre und die sekundäre Immunantwort.
z. B. die Immunchemie, -genetik, -pathologie oder Gelingt es dem Organismus bei Erstkontakt mit
-pharmakologie. einem Antigen Gedächtniszellen aufzubauen, füh­
ren diese bei wiederholtem Kontakt mit demselben
Immunozytochemie (engl. immunocytochemistry) Antigen zu einer schnelleren und intensiveren Im­
Die Immunozytochemie ist eine Methode zum munantwort. Im Gegensatz zur primären Immun­
­qualitativen Nachweis biogener Stoffe in Geweben antwort bleiben bei sekundärer Immunantwort
(z. B. Neurotransmittern in Hirnschnitten). Der ­erste Krankheitssymptome meistens aus; der Organismus
Schritt der Immunozytochemie ist die Herstellung ist »immun« gegen den Erreger geworden.
eines primären Antikörpers. Dazu wird einem Tier
I
(häufig Kaninchen oder Mäusen) der nachzuwei­ Immunreaktion, humorale (engl. humoral immune
sende Stoff mehrmals injiziert. Die Substanz stellt response) Etwa 15 % der Lymphozyten (Leukozyten­
für den Organismus des Tiers ein Antigen dar, gegen unterart mit besonderer Bedeutung in der Immun­
das Antikörper gebildet werden. Dem Tier wird Blut abwehr) sind B-Lymphozyten (im Knochenmark
entnommen, das zentrifugiert wird, um die roten produziert), die eingreifen, wenn ein Antigen oder
Blutkörperchen zu entfernen. Im verbleibenden Krankheitserreger (z. B. Virus) frei in der Körperflüs­
Anti­serum ist der gewünschte Antikörper enthalten. sigkeit anzutreffen ist. B-Lymphozyten sind be­son­
Werden nun Hirnschnitte mit dem primären Anti­ ders wirksam bei der Bekämpfung akuter bakterieller
körper in Verbindung gebracht, bindet dieser sich an Infektionen. Werden B-Zellen durch Bindung an
den nachzuweisenden Stoff. Um die Verteilung der das entsprechende Antigen und gleichzeitiger Stimu­
Antigene im Schnitt sichtbar zu machen, gibt es ver­ lation durch eine T-Helferzelle aktiviert, produzie­
schiedene Methoden. Bei der direkten Methode ist ren sie die entsprechenden Antikörper (Eiweißmole­
der primäre Antikörper direkt mit einem sichtbaren küle, Immunglobuline), die in das Blut entlassen wer­
Marker (z. B. einem fluoreszierenden Stoff) konju­ den. Diese Antikörper binden an die Antigene, was
giert (verbunden). Bei der indirekten Methode wird z. B. zur Verklumpung und enzymatischem Abbau
mit zwei Antikörpern gearbeitet. Der primäre Anti­ führt. Darüber hinaus machen Antikörper Antigene
körper ist unkonjugiert, ein zweiter Antikörper wird »schmackhaft« für körpereigene Phagozyten (»Fress­
hier zur Erkennung des primären Antikörpers ver­ zellen«), die den potenziellen Krankheitserreger zer­
wendet. Der sekundäre Antikörper ist mit einem stören. Gleichzeitig werden B-Gedächtniszellen gebil­
Marker konjugiert, der sichtbar ist oder dies in einem det, so dass bei einer Zweitinfektion viel schneller
weiteren Arbeitsschritt gemacht werden kann. Die Antikörper produziert werden. Die Antikörper der
indirekte Methode hat den Vorteil, dass hier das Sig- B-Lymphozyten sind extrazellulär wirksam, was
nal massiv verstärkt wird, daher wird sie der direkten B-Ge­dächtniszellen zur wichtigsten Komponente des
Methode meist vorgezogen. immunologischen Gedächtnisses macht.

Immunreaktion (engl. immune response) Die Immun­ Immunreaktion, zelluläre (engl. cellular immune
antwort ist die Reaktion des Immunsystems auf das response) Etwa 70–80 % der Lymphozyten im Blut
138 Immunsuppression

sind T-Lymphozyten (spezialisierte Zellen im Thy­ nen und abwehren, da diese den Körper schädigen
mus), die v. a. auf Abwehrreaktionen gegen von Vi­ könnten. Weiterhin hat das Immunsystem die Auf­
ren befallene Körperzellen, Krebszellen des eigenen gabe, Mikroorganismen wie z. B. Pilze oder Bak­
Körpers und andere körperfremde Stoffe (auch terien zu zerstören und Reste von zerfallenden ­
transplantierte Organe) spezialisiert sind. Erkennt Zellen zu beseitigen. Das Erkennen körperfremder
der T-Lymphozyt ein Antigen (das zuerst von einer Substanzen geschieht anhand der Molekularstruk­
Zelle des unspezifischen Immunsystems aufbereitet tur. Entdeckt das Immunsystem eine körperfremde
wurde) über den spezifischen T-Zellrezeptor in Struktur oder veränderte körpereigene Zellen, findet
Kombination mit einem körpereigenen Oberflächen­ eine unspezifische (angeborene) und/oder eine
protein, führt dieser Kontakt entweder zur Aus­ ­spezifische (erworbene) Reaktion statt. Diese Im­
schüttung von Zytokinen oder zur direkten Zerstö­ munreaktionen erfolgen über zwei sich ergänzende
rung der gebundenen Zelle. Die Zytokin-Ausschüt­ Teilsysteme (humorale und zelluläre Immunant­
tung erfolgt durch sog. T-Helferzellen, die Lyse wort). Das unspezifische Abwehrsystem stellt in der
­körperfremder Zellen oder krebsartig veränderter Regel die erste Abwehrlinie gegen eingedrungene
eigener Zellen besorgen zytotoxische T-Zellen sowie Mikroorganismen und Antigene dar; die Abwehr­
natürliche Killerzellen. Nach überstandener Infek­ leistung verbessert sich bei wiederholtem Kontakt
tion bleiben häufig langlebige T-Gedächtniszellen mit demselben Erreger nicht. Als Träger der un­
zurück, die eine zukünftige effektive Immunantwort spezifischen Abwehr nehmen Makrophagen und
ermöglichen und den Körper gegen diesen spezi­ Granulozyten Fremdstoffe auf und bauen sie durch
fischen Krankheitserreger immun macht. Ferment­bildung ab (Phagozytose). Natürliche Killer­
I zellen bekämpfen spontan virusinfizierte Zellen
Immunsuppression (engl. immune suppression; Syn. und Tumorzellen. Demgegenüber verbessert ein
Unterdrückung der Immunantwort) Immunsuppres­ wiederholter Kontakt mit einem Erreger die Ab­
sion bezeichnet das Ausschalten oder Unterdrücken wehrleistung des spezifischen Immunsystems durch
von Immunreaktionen. Eine Immunsuppression ist Bildung von sog. Gedächtniszellen. Träger der zel­
notwendig bei Organtransplantationen, um die Ab­ lulären Immunantwort sind die T- und B-Lympho­
stoßung des verpflanzten Gewebes zu verhindern, zyten.
sowie zur Behandlung überschießender Immunreak­
tionen bei Autoimmunkrankheiten. In immunsup­ Impotenz (engl. impotence) Unter Impotenz versteht
pressiven Therapien werden Anti-Lymphozyten- man zum einen, dass Männer den Beischlaf nicht
­Serum, Hormone (Glukokortikoide), Pharmaka, mehr befriedigend ausführen können (lat. Impo­
aber auch radioaktive Strahlung oder Röntgenstrah­ tentia coeundi) und andererseits die Unfähigkeit zur
len eingesetzt. Diese therapeutischen Maßnahmen Fortpflanzung (lat. Impotentia generandi). Bei der
haben allerdings zur Folge, dass auch die allgemeine Impotentia coeundi handelt es sich um eine Funk­
Infektionsabwehr der betroffenen Person geschwächt tionsstörung, wobei entweder keine Erektion zu­
wird. Endogen wird v. a. Glukokortikoiden (z. B. stande kommt, oder aber nicht genügend lange er­
Kortisol) eine immunsuppressive Wirkung zuge­ halten bleibt. In seltenen Fällen kommt es trotz Erek­
schrieben, doch auch der rechtshemisphärische Neo­ tion nicht zum Samenerguss (Anejakulation). Bei
kortex scheint eine Rolle zu spielen, da ein Aktivi­ der Impotentia generandi kommt es zwar zur Erek­
tätsanstieg in umschriebenen Neuronenverbänden tion und Ejakulation, jedoch ohne Spermien bzw.
zu einer Immunsuppression führen kann. Eine Im­ ohne genügend intakte Spermien, so dass keine
munsuppression kann auch gelernt werden, wie Tier­ Nachkommen gezeugt werden können. Ursachen
versuche zur klassischen Konditionierung von Im­ können neurologischer, vaskulärer, endokriner oder
munreaktionen eindeutig nachgewiesen haben. psychischer Natur sein. Der Begriff »Impotenz«
wurde durch den weniger vorbelasteten Begriff »Er­
Immunsystem (engl. immune system) Das Immun­ regungsstörung beim Mann« ersetzt.
system besteht aus Organen, Zellen und Molekülen,
die körperfremde Substanzen (sog. Antigene) erken­ Incomplete pictures test 7 Gollin-Test
Infarkt, ischämischer 139

Incus (engl. incus, anvil; Syn. Amboss) Der Incus ist tistik wird von Stichproben auf die Grundgesamtheit
ein wichtiger Bestandteil des Schallleitungsappa­ geschlossen, wobei die Stichprobe eine Teilmenge
rates. Er ist ein kleiner Knochen im Mittelohr und der Grundgesamtheit ist. In der Wissenschaftstheo­
ein Teil der Gehörknöchelchenkette (neben Ham­ rie spricht man von induktivem Vorgehen, wenn
mer und Steigbügel), die sich zwischen Trommelfell man von Beobachtungen über Hypothesen zu Theo­
und ovalem Fenster befindet. Schwingungsbewe­ rien gelangt. Induktionsschlüsse sind problematisch,
gungen, die der Hammer mechanisch an den Incus da sie logisch nicht begründet und somit unsicher
weitergibt, leitet dieser an den Steigbügel weiter. sind, so dass nur Wahrscheinlichkeitsaussagen mög­
Anatomisch besteht der Incus aus einem kurzen lich sind. In der Physiologie wird mit Induktion das
Schenkel, dem Ambosskörper, einem langen Schen­ Auslösen eines neuronalen Vorganges durch einen
kel und dem Linsenfortsatz. anderen bezeichnet.

Index, therapeutischer (engl. therapeutic index; Induktion, embryonale (engl. embryonal induction)
Syn. therapeutische Breite) Der therapeutische Index Die embryonale Induktion ist ein entwicklungs­
ist ein Maß für die Sicherheitsspanne eines Wirk­ physiologischer Vorgang, bei der ein Wachstums-
stoffs (z. B. eines Medikaments) und wird in Tierver­ oder Differenzierungsvorgang an einer Zell(grupp)e
suchen experimentell ermittelt. Er berechnet sich durch Einwirkung einer anderen Zell(grupp)e oder
aus dem Verhältnis der Dosis, die bei 50 % der Tiere durch exogenen Reizeinfluss (z. B. Licht) ausgelöst
zur erwünschten Wirkung (mittlere Effektivdosis, wird. Die Induktion ist in der Embryonalentwick­
ED50) führt, in Bezug zu der Dosis, die bei 50 % der lung ein wichtiger Faktor für die Differenzierung
Tiere zum Tode führt (mittlere letale Dosis, LD50). und Determination eines Keims.
I
Je höher der therapeutische Index ist, desto »un­
gefährlicher« ist eine Wirksubstanz. Wäre z. B. die Infarkt (engl. infarct) Ein Infarkt ist ein Gewebs­
Dosis, die bei 50 % der Tiere zum Tode führt, zehn­ untergang (Nekrose) infolge eines Sauerstoffmangels
mal höher als die Dosis, die bei 50 % der Tieren zur durch unzureichende Durchblutung (Ischämie). In­
erwünschten Wirkung führt, so ergäbe sich ein the­ farkte entstehen meist durch einen akuten vollstän­
rapeutischer Index von 10. Bei Medikamenten mit digen oder anteiligen Gefäßverschluss (Thrombose,
einem niedrigen therapeutischen Index (wie z. B. Embolie), seltener durch einen Gefäßkrampf (Spas­
Lithium) muss regelmäßig der Blutspiegel des Wirk­ mus). Unterschieden wird der anämische Infarkt, bei
stoffs kontrolliert werden, um eine toxische Dosis zu dem das betroffene Gewebe blutleer ist (ischämischer
vermeiden. Infarkt, »weißer Infarkt«) und der hämorrhagische
Infarkt, bei dem es zu Einblutungen kommt (»roter
Indifferenztemperatur (engl. thermoneutral tempe- Infarkt«). Weiterhin unterscheidet man nach der Lo­
rature) Die Indifferenztemperatur ist die Außentem­ kalisation, z. B. einen Herz-, Hirn-, Darm-, Lungen-
peratur, bei der Wärmebildung und -abgabe im oder Leberinfarkt.
Gleichgewicht sind. Dabei ist der Grundumsatz des
Individuums ausreichend, um die Körpertempera­ Infarkt, ischämischer (engl. ischemic stroke, apo­
tur konstant zu halten. Die Indifferenztemperatur ist plexia) Der ischämische Hirninfarkt ist Folge einer
abhängig von klimatischen Umgebungsverhältnis­ Minderdurchblutung (Ischämie) von Teilen des
sen sowie der ethnischen und permanenten Anpas­ ­Gehirns. Aufgrund der fehlenden Sauerstoff- und
sung. Beim Menschen beträgt sie ca. 33°C. Bei dieser Glukoseversorgung sterben die Nervenzellen des
Außentemperatur haben Menschen eine neutrale betroffenen Gebietes ab. Dabei unterscheidet man
Temperaturempfindung, d. h. es ist subjektiv weder zwischen dem Gebiet des Core, in dem alle Nerven­
kalt noch warm. zellen unwiderruflich abgestorben sind, und der
umgebenden Penumbra, wo die Nervenzellen ge­
Induktion (engl. induction) Als Induktion wird in rade noch genug Energie für ihren Grundumsatz
der Logik die Schlussfolgerung vom besonderen aufweisen können. Das Therapieziel besteht darin,
Einzelfall auf das Allgemeine bezeichnet. In der Sta­ die Funktion der Nervenzellen im Penumbra­
140 Infektionen, neurotrope

gebiet, den Arbeitsstoffwechsel dieser Neurone, Infektionen, pantrope (engl. pl. pantropic infections)
wieder ­ herzustellen. Symptome sind abhängig Pantrope Infektionen sind Virusinfektionen, bei der
vom Ort der Gefäßverengung oder des Gefäßver­ verschiedene Gewebearten betroffen sein können.
schlusses, sie können sich u. a. äußern in Sprach­ Ein Beispiel für eine pantrope Infektion ist Herpes
störungen, Gedächtnisverlust und Sehstörungen. (Infektion der Lymphozyten und des Nervenge­
Typisch für ­ einen Hirninfarkt sind des Weiteren webes).
Bewusstseinsbeeinträchtigungen bis hin zu tiefem
Koma, Übelkeit und Erbrechen, Halbseitenläh­ inferior (engl. inferior) Inferior ist eine anatomische
mungen oder Lähmung aller Extremitäten sowie Lagebezeichnung in der Medizin. Der lateinische
eine Beteiligung der Hirnnerven. Neben der aus­ Begriff bedeutet genau übersetzt »minderwertig, un­
führlichen Anamnese wird die Diagnose mit terlegen«, wird aber u. a. in der Anatomie im Sinne
dem CT gestellt, jedoch sind kleine ischämische von »unten, unterhalb von« verwendet. Beispiel: Der
­Infarkte nicht sofort im Computerbild zu sehen. Lobus temporalis (Temporallappen) liegt inferior
­Daher wird eine Angiografie, die Darstellung der des Lobus parietalis (Scheitellappen).
Blutgefäße mittels Ultraschall, durchgeführt. Das
EKG deckt mögliche Herzarhythmien auf. Bildet Inhibiting-Faktoren 7 Inhibiting-Hormone
sich ein Thrombus im Herzen, kann ­dieser ins Ge­
hirn wandern, dort Blutgefäße verstopfen und so­ Inhibiting-Hormone (engl. pl. inhibiting hormones)
mit einen ischämischen Infarkt auslösen. Risiko­ Inhibiting-Hormone werden im Hypothalamus syn­
faktoren für einen Infarkt sind eine familiäre Be­ thetisiert und hemmen die Ausschüttung von Hor­
I lastung mit Schlaganfällen, das Alter (Verdopplung monen aus dem Hypophysenvorderlappen. Beispiele
der Schlaganfallsrate pro Dekade nach dem 55. Le­ für Inhibiting-Hormone sind das Growth-Hormo­
bensjahr) und das Geschlecht (erhöhtes Risiko bei ne-(Release)-Inhibiting-Hormon (Somatostatin –
Männern). Risikofaktoren für eine Arteriosklerose hemmt Freisetzung von GH) und das Prolaktin-Re­
und damit eine Gefäßverengung sind Bluthoch­ lease-Inhibiting-Hormon (Prolaktostatin – hemmt
druck, Diabetes mellitus, Fettleibigkeit, Nikotin die Freisetzung von Prolaktin).
und übermäßiger Alkoholkonsum und Bewegungs­
mangel. Schon eine transitorische ischämische Inhibition (engl. inhibition; Syn. Hemmung) In der
­Attacke (TIA), deren Symptome innerhalb von Biochemie bedeutet Inhibition die Hemmung von
24 Stunden vollkommen reversibel sind, ist sofort Enzymaktivität durch Antagonisten. In der Neuro­
medizinisch zu betreuen, da die TIA oft ein Vorbote physiologie meint es die Abschwächung der Erre­
eines ischämischen Infarktes ist. Hirninfarkte be­ gungsweiterleitung an der Synapse. Dies geschieht
dürfen einer sofortigen medizinischen Behandlung, durch die Hemmung von Rezeptoren (Proteinen) an
um die Ischä­miedauer zu verringern, das Zellgewebe der synaptischen Membran. Dadurch kommt es an
der Penumbra zu erhalten, die Sekundärschäden der Synapse zu einer eingeschränkten Weiterleitung
zu minimieren und das Wiederholungsrisiko zu eines Aktionspotenzials. Unterschieden werden prä­
senken. Neben allgemeinmedizinischer Betreuung, synaptische und postsynaptische Inhibition. Bei der
der Überwachung der Vitalfunktionen und des Blut­ präsynaptischen Inhibition kommt es zur Einschrän­
drucks, kann durch Lyse die Minderdurchblutung kung der Ausschüttung von Transmittern, bei der
aufgehoben werden. Nach der akuten Behandlung postsynaptischen Inhibition werden die Transmit­
folgt dann während des Genesungsprozesses die ter-Rezeptoren gehemmt. Außerdem wird zwischen
Symptom bezogene Therapie. kompetitiver und nichtkompetitiver Inhibition un­
terschieden. Bei der kompetitiven Inhibition bindet
Infektionen, neurotrope (engl. pl. neurotropic infec- der Antagonist an der Bindestelle des endogenen
tions) Eine neurotrope Infektion ist eine spezielle Art Transmitters, bei der nichtkompetitiven Inhibition
der Virusinfektion, bei der v. a. Nervengewebe be­ wird die Struktur des Rezeptors durch das Binden
troffen ist. Ein Beispiel für eine neurotrope Infektion des Antagonisten an eine sekundäre Bindestelle ver­
ist die Tollwut. ändert, wodurch eine Aktivierung verhindert wird.
Inspirationsmuskulatur 141

Inhibition, laterale (engl. lateral inhibition; Syn. entsprechenden Bedingungen. Um Hybridisierungs­


l­aterale Hemmung) Laterale Inhibition bezeichnet ereignisse sichtbar zu machen, werden die verwen­
die Hemmung benachbarter Rezeptoren. Dies ist auf deten Sonden (Nukleinsäuren mit bekannter Se­
die Verbindung der Rezeptoren untereinander durch quenz) markiert. Die Markierung kann sowohl
deren Axone oder Interneurone (im Auge: Horizon­ ­direkt erfolgen, d. h. die Sonde trägt die Markierung
talzellen und amakrine Zellen) zurückzuführen. Je (häufig Fluoreszenzmarkierte Nukleotide), oder in­
stärker eine lateral inhibierende Zelle stimuliert direkt, d. h. Sonden enthalten spezifische Nukleo­
wird, desto stärker hemmt sie benachbarte Zellen. tide, die mit Antikörpern nachgewiesen werden
Dadurch sind optische Kontraste besser wahrnehm­ können.
bar, aber es entstehen auch von der Realität ab­
weichende Wahrnehmungen wie Machsche Bänder Insomnie (engl. insomnia; Syn. Schlaflosigkeit) Unter
oder stärkeres Druckempfinden an den Rändern dem Begriff der Insomnie sind alle Ein- und Durch­
eines auf die Haut gepressten Gegenstandes. schlafstörungen zusammengefasst. Wörtlich über­
setzt bedeutet Insomnie Schlaflosigkeit. Nächtliche
Innervation, reziproke (engl. reciprocal innervation) Insomnie hat meist Auswirkungen auf den Wachzu­
Bei der reziproken Innervation handelt es sich um stand am Tage und kann kurzzeitig auftreten, aber
eine Versorgung der Organe bzw. Weiterleitung auch ein chronischer Zustand werden. Als Ursachen
von Impulsen zu Organen durch Nerven. Bei dieser lassen sich organische (z. B. das Schlafapnoesyn­
Übermittlung laufen abwechselnd Erregung und drom, Schmerzen oder der nächtliche Myoklonus)
Hemmung ab, die in funktionell gegensätzlich arbei­ von nicht organischen Ursachen (z. B. Stress, Lärm,
tenden Nervenzellsystemen entstehen. Ermöglicht Grübeln, Medikamenten- und Drogeneinnahme,
I
wird diese Innervation durch Interneurone. Depressionen und Angsterkrankungen) unterschei­
den. Als Behandlungsformen stehen eine medika­
Inselrinde (engl. insula, lobus insularis; Syn. Insula, mentöse Therapie (z. B. Antihistaminika, Hypnotika
Insellappen, insulärer Kortex) Die Inselrinde ist ein und pflanzliche Präparate), eine nichtmedikamen­
eingesenkter Teil der Großhirnrinde, der in beiden töse Therapie (z. B. verhaltenstherapeutische Maß­
Hemisphären vorkommt. Sie befindet sich in der nahmen wie Entspannungsverfahren und Gedan­
Tiefe der Fissura lateralis sylvii, einer ausgedehn­ kenstopp) oder eine Kombination beider Therapie­
ten seitlichen Furche des Gehirns, die Parietal- vom formen zur Verfügung. Eine Diagnose von Insomnie
Temporallappen trennt. Sie ist von den Opercula des erfolgt u. a. durch Klassifikationssysteme wie das
Stirn-, Scheitel- u. Schläfenlappens bedeckt. Unter DSM-IV und ICD-10.
der Inselrinde liegen die Basalganglien, in der Insel­
rinde befinden sich ein kortikales Geschmacksareal Inspirationsmuskulatur (engl. respiratory muscula-
und ein wichtiges Areal für die Sprachproduktion. ture) Die Inspirationsmuskulatur hat die Funktion,
Weiterhin wird die Insel als assoziatives Zentrum für bei der Einatmung den Thoraxinnenraum zu vergrö­
akustisches Denken diskutiert sowie in Zusammen­ ßern und damit in der Lunge einen Unterdruck zu
hang mit der emotionalen Bewertung von Schmer­ erzeugen, der zum Einströmen von Luft in die Lunge
zen und des Ekelempfindens gebracht. führt. Dies geschieht zum einen durch die Anspan­
nung (Abflachung) des Zwerchfells (Diaphragma),
In-situ-Hybridisierung (engl. in situ hybridization) zum anderen durch die äußeren Zwischenrippen­
Mit dem Verfahren der In-situ-Hybridisierung muskeln (Musculi intercostales externi) und andere
kann man Nukleinsäuren in fixierten Zellen oder Muskeln, die die Rippen heben und damit den Brust­
Geweben (in situ) lokalisieren. Zielstrukturen sind korb weiten. Die Expiration (Ausatmung) geschieht
dabei sowohl Zellkerne als auch einzelne Chromo­ während der Ruheatmung passiv durch die Eigen­
somen oder bestimmte Bereiche des Chromatins. elastizität der Lunge. Bei forcierter Expiration wer­
Die Basis für solche Untersuchungen bildet die kom­ den zusätzlich die inneren Zwischenrippenmuskeln
plementäre Zusammenlagerung (Hybridisierung) (Musculi intercostales interni) und die Muskeln der
von einzelsträngigen Nukleinsäuren (RNS, DNS) bei Bauchdecke aktiviert.
142 Instinktverhalten

Instinktverhalten (engl. instinctive behavior) Ins­ zyten gebildet) beteiligt sich an der Zytolyse und der
tinktverhalten bezeichnet angeborene, komplexe Proliferationshemmung; (2.) IFN-beta (von Fibro­
Verhaltensweisen, die keine oder nur geringfügige plasten gebildet) bewirkt die Zytolyse v. a. virusinfi­
Variationen zulassen. Instinkte sind aus voneinan­ zierter Zellen. Zusammen werden sie meist als Typ I
der abgrenzbaren Grundbausteinen des Verhaltens bezeichnet. (3.) IFN-gamma (Typ II) wird nach Anti­
aufgebaut, den sog. Instinktbewegungen. Diese wer­ genstimulation von Immunzellen gebildet und be­
den durch einen Schlüsselreiz ausgelöst und laufen teiligt sich an der Aktivierung von Makrophagen
so lange ab, wie eine innere Handlungsbereitschaft und B-Lymphozyten und der Zytolyse. Interferone
vorhanden ist (Konrad Lorenz). Das Instinktverhal­ können gentechnisch hergestellt werden und führ­
ten lässt sich in drei Phasen einteilen: (1.) Ungerich­ ten zu ersten Erfolgen in der Behandlung von Virus­
tetes Appetenzverhalten: die Suche nach einem infektionen und einigen Tumorerkrankungen.
Schlüsselreiz bei aktiver Handlungsbereitschaft; (2.)
Gerichtetes Appetenzverhalten (Taxis): erfolgt bei Interleukine (engl. pl. interleukins) Interleukine (IL)
Wahrnehmung eines Schlüsselreizes und beinhaltet sind eine Untergruppe der Zytokine. Sie sind von
die Ausrichtung auf das Objekt hin; (3.) Eine Bewe­ Zellen des Immunsystems gebildete Botenstoffe, die
gung, die zu weiteren Schlüsselreizen führt, welche der Kommunikation zwischen den Zellen des Im­
schließlich die Endhandlung auslösen. Bei Erfolg der munsystems dienen und so für eine koordinierte
Endhandlung wird die Handlungsbereitschaft wie­ Immunantwort sorgen. Interleukine sind verantwort­
der herabgesetzt. lich für die Induktion und den Verlauf der T-Zell-
vermittelten zytotoxischen Immunreaktion sowie
I Insula 7 Inselrinde der B-Zell-Aktivierung (Antikörperproduktion).
Derzeit sind 33 Interleukine (IL-1 bis IL-33) be­
Insulärer Kortex 7 Inselrinde kannt. Jedes Interleukin wirkt spezifisch auf be­
stimmte Zellen des Immunsystems, das Wirkungs­
Insulin (engl. insulin) Insulin ist ein Proteinhormon, spektrum ist vielfältig. So können sie einerseits be­
welches in den Betazellen der Langerhansschen reits ausgereifte Immunzellen aktivieren, aber auch
­Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildet deren Wachstum, Reifung und Teilung beeinflussen.
wird. Die Abgabe des Insulins erfolgt direkt in den
Blutkreislauf in Reaktion auf (oder auch in Antizipa­ Intermediärfilament (engl. intermediate filament;
tion von) ansteigende(m) Blutzuckerspiegel (BZS). Syn. Filamenta intermedialia) Intermediärfilamente
Insulin führt zu einer erhöhten Glukoseaufnahme bilden zusammen mit den Mikrofilamenten und
ins Gewebe (Ausnahme: Gehirn) sowie zur Speiche­ den Mikrotubuli das Stützgerüst (Zytoskelett) der
rung von Glukose in der Leber durch Umwandlung tieri­schen Zelle. Ihre Aufgabe besteht in der Er­
in Glykogen. Insulin wirkt antagonistisch zu Gluka­ höhung der mechanischen Stabilität der Zelle. Die
gon, welches den Blutzuckerspiegel erhöht, indem es Filamente haben einen Durchmesser von 8–10 nm.
das Glykogen der Leber in Glukose umwandelt und Sie liegen mit dieser Größe zwischen den Mikro­
diese in den Blutkreislauf abgibt. filamenten (5–7 nm) und den Mikrotubuli (bis ca.
25 nm), daher die Bezeichnung »intermediär«. In­
Interferone (engl. pl. interferons) Interferone (IFN) termediärfilamente bestehen aus ca. 48 nm lan­
sind eine Familie speziesspezifischer Glykoproteine gen, sehr dünnen Untereinheiten, den Monomeren.
(Zytokine) mit antiviraler Wirkung, die im Gegen­ Durch Zusammenlagerung vieler Monomere ent­
satz zu den Immunglobulinen nicht erregerspe­ stehen seilartige Filamente. Spezifische Proteine er­
zifisch wirken. IFN werden nach einer Infektion sehr möglichen die Verbindung einzelner Intermediär­
schnell gebildet und greifen den Virus nicht direkt filamente zu größeren Einheiten, den Tonofibrillen.
an, sondern reagieren mit der Wirtszelle, wodurch Dieselben Proteine verbinden Intermediärfilamente
sie die virale Proteinsynthese und Virusvermehrung auch mit anderen Elementen des Zytoskeletts. Zu
hemmen. Es können drei Arten von Interferonen den Intermediärfilamenten gehören z. B. Tonofibril­
unterschieden werden: (1.) IFN-alpha (von Leuko­ len, Neurofibrillen und Gliafilamente.
Ionenkanal 143

Interneuron (engl. interneuron; Syn. Zwischenneu- der Begriff auch genutzt, um damit das faserarme,
ron, Schaltneuron) Die Mehrzahl der Neurone der aber zell- und blutgefäßreiche Bindegewebe zu be­
grauen Substanz besteht aus Interneuronen. Es han­ nennen, das sog. interstitielle Bindegewebe. Zum
delt sich dabei um Neurone, die Aktionspotenziale Interstitium zählen u. a. das Bindegewebe, das Epi­
innerhalb einer Hirnstruktur von einer Nervenzelle thelgewebe und die Muskelzellen. Hier finden sich
zur anderen weiter leiten. Sie besitzen keine oder nur die Versorgungsbahnen des Körpers, ohne dass der
relativ kurze Axone. Deshalb ist die neuronale Über­ Raum selbst organische Funktionen ausführt. Als
tragung auf immer kleiner werdende graduierte Po­ Interstitium wird im engeren Sinne der Raum zwi­
tenziale beschränkt. Interneurone sind aber auch schen den einzelnen Zellen bezeichnet, der die Ex­
im Rückenmark zu finden, wo sie die Verbindung trazellulärflüssigkeit enthält. Über diese Flüssigkeit
zwischen den Neuronen des Tractus corticospinalis findet der gesamte Stoffaustausch statt.
und den Motorneuronen darstellen.
intrafusal (engl. intrafusal) Intrafusal bedeutet »in­
Internodium (engl. internodal segment) Der myeli­ nerhalb einer Muskelspindel gelegen«, das Gegen­
nisierte Abschnitt eines Axons zwischen zwei Ran­ teil, extrafusal, meint außerhalb einer Muskelspindel
vierschen Schnürringen wird als Internodium be­ gelegen.
zeichnet. Die Markscheide in den Internodien er­
höht den Widerstand und die Kapazität der Memb- intrakraniell (engl. intracranial; Syn. intrakranial)
ran, wodurch kaum Strom durch die Membran Intrakraniell bedeutet »innerhalb des Schädels gele­
fließt. Dies ermöglicht die beinahe verlustlose Aus­ gen« oder »in den Schädel hinein gelangend«.
breitung des Aktionspotenzials von einem Ranvier­
I
schen Schnürring über das Internodium auf benach­ Invertebraten (engl. pl. invertebrates; Syn. Wirbel-
barte Schnürringe. Das Überspringen des Interno­ lose) Invertebraten ist eine nicht systematische Be­
diums, d. h. die Erregung von Schnürring zu Schnür­ zeichnung für alle Tiere ohne Wirbelsäule, da die
ring, wird saltatorische Erregungsleitung genannt. betreffenden Arten keine Verwandtschaft oder sons­
tige Zusammengehörigkeit aufweisen. Zu den Inver­
Interozeption (engl. interoception) Eine interozep­ tebraten gehören z. B. Würmer, Schwämme, Quallen
tive Wahrnehmung ist im weitesten Sinne die be­ und andere Weichtiere. Das Gegenteil von Inver­
wusste Aufnahme und Verarbeitung von Signalen tebraten sind Vertebraten.
aus den inneren Organen. Häufig wird sie als Syno­
nym für die Viszerozeption verwendet. Die inter- in vitro (engl. in vitro) In vitro bedeutet »im Rea­
und intraindividuelle Fähigkeit zur Interozeption genzglas« bzw. »unter künstlichen Bedingungen«
schwankt teilweise enorm. durchgeführt oder beobachtet.

Interphase (engl. interphase) Die Interphase ist eine in vivo (engl. in vivo) In vivo bedeutet »im lebenden
Phase des Zellzyklus und beschreibt die Zeit zwischen Organismus« durchgeführt oder beobachtet.
zwei Zellteilungen (Mitosen). In dieser Zeit liegen die
Chromosomen aufgelöst, als Chromatin organisiert, Ion (engl. ion) Ein Ion ist ein elektrisch geladenes
vor. Die Interphase kann in folgende drei Teilphasen Teilchen, welches durch Aufnahme oder Abgabe von
unterteilt werden: G1-Phase, S(Synthese)-Phase und Elektronen aus einem Atom bzw. Molekül entstan­
G2-Phase. Während der G1- und der G2-Phase den ist. Dabei unterscheidet man zwischen Kationen
wächst die Zelle und reichert Nährstoffe an. In der mit positiver Ladung (durch Elektronenabgabe) und
S-Phase werden die Chromosomen repliziert. Anionen mit negativer Ladung (durch Elektronen­
aufnahme). Ionen sind entscheidend an der Infor­
Interstitium (engl. intercellular compartment, inter- mationsübertragung beteiligt.
stitium, interstice; Syn. extrazellulärer Spaltraum) Als
Interstitium wird der Zwischenraum zwischen Or­ Ionenkanal (engl. ion channel) Ionenkanäle sind röh­
ganen oder Geweben bezeichnet. Spezifischer wird renförmige Membran-Proteine, die selektiv ­ Ionen
144 Ionenkanal, neurotransmittergesteuerter

(Na+, Ca++, K+) durch die Membran einer Zelle Rezeptortyp, der an einen Ionenkanal gekoppelt
­passieren lassen. Durch Bindung von Molekülen ist. Nach Bindung des entsprechenden Liganden
(­Liganden) an spezifische Bindestellen, eine ver­än­ an die extrazelluläre Bindungsdomäne des Re­
derte Spannung an der Membran, aber auch durch zeptors verändert der ligandengesteuerte iono­
mechanische Beanspruchung der Membran können trope Rezeptor seine Form und öffnet einen Kanal,
die Kanäle aktiviert oder auch blockiert werden. der es einzelnen Ionen (Na+, Ca++, K+, Cl–) erlaubt
­Dabei gibt es sowohl für jedes Ion als auch für die die Membran zu passieren, was in einer Hyper­
jeweils modulierenden Moleküle spezifische Kanäle. polarisation bzw. ­ Depolarisation des Membran­po­
Für dasselbe Ion liegen z. T. unterschiedlich gesteu­ tenzials resultiert. Bei indirekt ligandengesteuer­
erte Ionenkanäle vor. So etwa finden sich für Kalium­ ten ionotropen Rezeptoren ist die Öffnung der
ionen (a) permanent offene (passive) Ionenkanäle, Ionen­kanäle ein SecondMessenger zwischenge­
(b) spannungsgesteuerte Ionenkanäle, (c) liganden­ schaltet. Wichtige Vertreter sind nikotinerge, Azetyl­
gesteuerte Ionenkanäle, und (d) mechanisch gesteu­ cholin-, NMDA-, non-NMDA-, Kainat-, AMPA- und
erte Ionenkanäle. Die Funktion einzelner Ionenka­ ­GABAA-Rezeptoren.
näle kann mit der Patch-Clamp-Methode experi­
mentell untersucht werden. ipsilateral (engl. ipsilateral) Man bezeichnet eine
Körperregion als ipsilateral, wenn sie bezüglich ­einer
Ionenkanal, neurotransmittergesteuerter (engl. zweiten auf der gleichen Körperseite oder -hälfte
neurotransmitter-gated ion channel) Diese Ionenka­ ­gelegen ist. Die Verarbeitung einiger sensorischer
näle, die durch Neurotransmitter gesteuert werden, Informationen erfolgt ipsilateral, d. h. die Informa­
I benötigen die Bindung des Transmitters zur Öff­ tionen werden im Gehirn auf der gleichen Seite ver­
nung des Kanals. Ionotrope Rezeptoren können den arbeitet, auf der auch die Reizaufnahme stattfand. So
Neurotransmitter binden und somit die Öffnung des werden z. B. Informationen über ein Schallereignis
Ionenkanals kontrollieren. Neurotransmittergesteu­ aus dem rechten Innenohr auch im rechten audito­
erte Kanäle finden sich v. a. an Synapsen von Ner­ rischen Kortex verarbeitet. Die Mehrheit der Reiz­
venzellen. informationen wird jedoch kontralateral (auf der
jeweils anderen Hemisphärenseite) oder auf beiden
Ionenkanal, spannungsgesteuerter (engl. voltage- Wegen verarbeitet.
gated ion channel) Im Gegensatz zu transmitter­
gesteuerten Ionenkanälen erfolgt die Öffnung von IPSP 7 Potenzial, inhibitorisches postsynaptisches
spannungsgesteuerten Kanälen in Abhängigkeit von
der an der Membran anliegenden Spannung. Im Zu­ Iris (engl. iris; Syn. Regenbogenhaut) Die Iris ist
stand des Ruhepotenzials sind einige Kaliumkanäle eine Ausstülpung der mittleren Augenhautschicht
der Membran permanent geöffnet (ermöglichen das (Tunica vasculosa bulbi), die in Form einer aufrecht
Fließgleichgewicht), alle anderen Kanäle sind ge­ gestellten Scheibe die vordere und hintere Augen­
schlossen. Wird durch Erhöhung der Spannung ein kammer voneinander trennt. Sie setzt am Ziliar­
gewisser Schwellenwert erreicht, öffnen sich kurz­ körper an und besitzt in der Mitte über der Linse
zeitig Natriumkanäle (z. T. auch Kanäle anderer eine verstellbare runde Öffnung (Pupille). Die Iris
­Ionen) und durch die damit verbundene Spannungs­ reguliert den Lichteinfall ins Auge mittels zweier
änderung wird ein Aktionspotenzial an der Memb­ Muskeln: der ringförmige glatte Musculus dilatator
ran ausgelöst. Spannungsgesteuerte Natrium- und pupillae (sympathisch innerviert) erweitert die
Kalziumionenkanäle sind für die Weiterleitung einer ­Pupille (Mydriasis) und der strahlenförmige Mus­
Erregung entlang eines Axons vom Übergang vom culus sphincter pupillae (parasympathisch inner­
Zellkörper zum Axon (engl. axon hillock) bis zur viert) verengt sie (Myosis). Verschiedene Irisfarben
Synapse verantwortlich. (= »Augenfarben«) entstehen durch die unterschied­
lich hohe Einlagerung pigmentreicher Zellen (Mela­
Ionotrope Rezeptoren (engl. pl. ionotropic receptors) nozyten) in die Iris (wenig Melanozyten = blau, viele
Ein ionotropher Rezeptor ist ein schnell wirkender Melanozyten = braun).
isotrop 145

Irradiation (engl. irradiation) Irradiation meint Abk. dB; Syn. die »physikalische« Lautstärke) als auch
­ usstrahlung oder Ausstreuung und bezeichnet
A der Frequenz (Hertz, Hz; Syn. Tonhöhe) des Tones
­verschiedenene Phänomene. (1.) Ausbreitung einer abhängen, werden Töne mit unterschiedlichen Schall­
Nervenerregung, d. h. wenn die Aktivierung eines druckpegeln bei verschiedenen Tonhöhen (Frequen­
Reizes zur Aktivierung von nicht intendierten Reak­ zen) dennoch als gleich laut empfunden. So lösen z. B.
tionen führt. Als Irradiation wird auch das Über­ ein Ton mit 45 dB bei 125 Hz und ein Ton mit 30 dB
greifen eines Reflexes auf bisher unbeteiligte Mus­ bei 4000 Hz das gleiche Lautstärkeempfinden aus.
kelgruppen bezeichnet. (2.) Ausstrahlung eines
Schmerzes auf benachbarte Körperregionen. (3.) isotonisch (engl. isotonic; Syn. isoosmotisch) Der Be­
Kon­trastphänomen, d. h. ein Effekt, der bei der Be­ griff isotonisch bezeichnet in der Chemie Lösungen,
urteilung von Wahrnehmungsobjekten auftritt: Ein die den gleichen osmotischen Druck besitzen. Dabei
heller Gegenstand auf dunklem Hintergrund wird ist die Konzentration der gelösten Substanz auf bei­
größer wahrgenommen als ein dunkles Objekt auf den Seiten einer durchlässigen Membran gleich
hellem Hintergrund. (4.) Beurteilungsheuristik, die hoch. In der Medizin hat eine isotonische Lösung
dadurch gekennzeichnet ist, dass die Einschätzung den gleichen osmotischen Druck wie das Blut. Sie
einer Eigenschaft oder eines Merkmals auf ein ande­ kann daher für intravenöse Injektionen verwendet
res Kriterium übertragen wird. werden (z. B. 0,8%ige NaCl-Lösung). Die Gegen­
stücke zu isotonisch sind hypo- und hypertonisch.
Ischämie, zerebrale (engl. cerebral ischemia) Unter In der Physiologie bezeichnet eine isotonische Mus­
zerebraler Ischämie versteht man die Mangeldurch­ kelkontraktion eine Verkürzung des Muskels bei
blutung eines Hirngebiets infolge eines Arterienver­ gleicher Spannung, z. B. wenn der Muskel durch eine
I
schlusses oder einer Arterienverengung (z. B. durch konstante Last belastet wird.
Plaques), die zu Läsionen oder Funktionsbeeinträch­
tigungen führen kann. Aufgrund der mangelnden isotrop (engl. isotropic) Isotrop stammt aus dem
Blutversorgung kommt es zu einer Sauerstoffunter­ Griechischen: iso = gleich; tropein = drehen, ­wenden.
versorgung des betroffenen Gebietes. Isotropie bezeichnet die Unabhängigkeit einer Eigen­
schaft von der Richtung, das Gegenteil ist Anisotro­
Isophone (engl. pl. isophons) Als Isophone werden pie. Es handelt sich dabei meist um eine Stoffeigen­
Töne bezeichnet, die als gleichlaut empfunden wer­ schaft. Bei isotropen Stoffen ist die Brechung des
den, d. h. die den gleichen subjektiven Lautstärkepe­ Lichts in alle Richtungen des dreidimensionalen
gel haben. Die Maßeinheit für diese subjektive Laut­ Raumes identisch. Isotropie ist meist bei amorphen
stärke ist Phon. Da das Lautstärkeempfinden sowohl (ohne geordnete Strukturen) Stoffen (bspw. Gasen)
von der Stärke des Schalldruckpegels (in Dezibel, vorzufinden.
J
James-Lange-Theorie (engl. James-Lange theory) Jetlag (engl. jet lag) Der Jetlag ist ein relativ junges
Die James-Lange-Theorie war die erste physiolo- Phänomen, welches erst durch den Flugverkehr auf-
gische Theorie zur Emotionsgenese. Sie wurde 1884 gekommen ist. Er wird durch das schnelle Über-
von William James und von Carl Lange entwickelt, springen von mehreren Zeitzonen hervorgerufen.
die unabhängig voneinander an der gleichen Theorie Die Folge ist, dass der biologische Rhythmus des
arbeiteten. Demnach empfängt und verarbeitet der Reisenden (auf den Abflugort eingestellt) nicht mehr
Kortex sensorische Reize, welche durch körperliche mit der lokalen Zeit am Zielort übereinstimmen.
Veränderungen Emotionen hervorrufen. Das bedeu­ Als Symptome können Schlaf-, Verdauungs- und
tet, der Kortex steuert über das vegetative Nerven- Aufmerksamkeitsstörungen sowie eine verminderte
system die Veränderungen der Viszera (Eingeweide) Leistungsfähigkeit auftreten. Dabei scheinen West-
und über das somatische ­Nervensystem die der Ske- Ost-Flüge anstrengender zu sein als Flüge in Ost-
lettmuskulatur. Erst die körperlichen Reaktionen West-Richtung. Nach einiger Zeit erfolgt eine An-
führen dann zu einem bewussten Emotionserleben passung der »inneren Uhr« an die aktuelle Umge-
(Bsp.: Wir haben Angst, weil wir zittern). Die James- bung und die Symptome verschwinden. Als Faustre-
Lange-Theorie gilt als Peripherie betonende Theorie, gel dieser Anpassung kann ein Tag pro übersprungene J
weil sie die wichtigste Rolle in der Emotionskette Zeitzone angesehen werden.
den viszeralen Reak­tionen zuschreibt, also jenen,
die sich in der Peri­pherie des Zentralnervensystems
befinden.
K
Kachexie (engl. cachexia) Kachexie ist die Bezeich­ Cannon 1929 beschrieben. Die Theorie besagt, dass
nung für einen sehr starken, krankheitsbeding­ Tiere bei akuter Bedrohung mit einer erhöhten sym­
ten Gewichtsverlust. Ursache dafür sind chronische pathischen Aktivierung reagieren. Außerdem besit­
Krank­heiten, wie z. B. Krebs (Tumorkachexie), ­akute zen sie in einer solchen Situation zwei Handlungs­
und chronische Infektionen, Essstörungen, Stoff­ möglichkeiten: Sie können sich entweder der Be­
wechselstörungen, anhaltende Erkrankungen des drohung stellen (kämpfen) oder diese vermeiden
Magen-Darm-Trakts, chronische Herzinsuffizienz (fliehen). In beiden Fällen müssen sie in Handlungs­
und Alterserscheinungen. Bis zu 80 % der Tumor­ bereitschaft versetzt werden. Diese wird gewährleis­
patienten leiden an Kachexie, bei Magen-Darm- tet durch eine sofortige Aktivierung des sympathi­
oder Lungentumoren liegt die Zahl der Betroffenen schen Nervensystems, das durch die Ausschüttung
weit höher als bei anderen Tumorarten. Diese Stö­ von Adrenalin und Noradrenalin alle wichtigen
rung ist gekennzeichnet durch starke Stoffwechsel­ ­Organe aktiviert. So kommt es zu einer Erhöhung
veränderungen, die einen ungewollten Gewichts­ des Blutdrucks, der Schlagfrequenz und des Schlag­
verlust nach sich ziehen. Ursache dafür ist der Abbau volumens des Herzen, einer Erweiterungen der
von Fett- und Muskelmasse. Schätzungen zufolge Bronchien und Pupillen, einer allgemeinen Energie­
sterben 20 % aller Krebspatienten nicht an den di­ bereitstellung u. a. durch Glukosefreisetzung und
rekten Folgen des bösartigen Geschwulstes, sondern einer Verminderung der Eingeweideaktivität. K
an Mangelernährung. Die Symptome der Kachexie
sind Appetitlosigkeit, ein frühes Sättigungsgefühl, Kanüle (engl. cannula) Eine Kanüle ist ein kleines
starker Gewichtsverlust, körperliche Schwäche, Im­ Röhrchen oder auch eine Hohlnadel am Ende einer
munschwäche, Blutarmut (Anämie), Wassereinlage­ Injektionsspritze. Je nach Durchmesser und Beschaf­
rungen (Ödeme) und Elektrolytstörungen. fenheit wird sie dazu genutzt, Flüssigkeiten oder
Gase aus dem Körper zu ziehen, Substanzen zu in­
Kainatrezeptor (engl. pl. kainate receptors) Der Kai­ jizieren oder aber Gewebe auszustanzen. Auch ver­
natrezeptor ist ein ionotroper exzitatorischer Gluta­ wendet man Kanülen beim Einbringen von anderen
matrezeptor mit hoher Affinität zum Neurotoxin medizinischen Instrumenten (z. B. Kathetern). Das
Kainat. Bei Öffnung kommt es zum Einstrom von Ende einer Kanüle ist mit einem schrägen Schliff
Na+ oder K+, was zu einer Depolarisation der Memb­ ­geschärft, damit das Gewebe bei der Injektion einge­
ran führt und somit der Wirkung des AMPA-Rezep­ schnitten und nicht, wie bei einer stumpfen Nadel,
tors sehr ähnlich ist. Eine glutamaterge synaptische verdrängt wird. Eine Ausnahme stellt die Knopf­
Transmission über die Kainatrezeptoren spielt ver­ kanüle dar, die am Ende einen kleinen Knopf hat, der
mutlich eine Rolle in der Langzeitpotenzierung dazu benutzt wird, Medikamente in bereits beste­
(LTP) im Hippocampus. Durch die hohe Ähnlich­ hende Öffnungen zu spritzen. Ein Farbkodierungs­
keit zum AMPA-Rezeptor kann die selektive Wir­ system gibt Aufschluss über Außendurchmesser und
kung des Kainatrezeptors erst seit Kurzem unter­ Länge der Kanülen. Danach unterscheidet man u. a.
sucht werden. Biopsie-, Tracheal-, Injektions-, Punktions- und
Spülkanülen.
Kampf-oder-Flucht-Reaktion (engl. fight-or-flight-
reaction; Syn. akute Stressreaktion) Die Kampf-oder- Kapillare (engl. pl. capillary vessels; Syn. Haargefäße)
Flucht-Reaktion wurde zum ersten Mal von Walter Kapillare sind die Blutgefäße mit dem kleinsten
148 Kapillarnetz

Durchmesser. Es wird unterschieden zwischen Arte­ und Auswertung. Der Karyotyp bildet die charakte­
rienkapillaren und Venenkapillaren, in denen der ristische Gesamtheit der Chromosomen, die sich in
Stoffaustausch zwischen Gewebe und Blut stattfin­ der Metaphase befinden, ab.
det. Der Gasaustausch findet in den Lungenkapilla­
ren statt. Die durchlässige Kapillarwand ist aus zwei Kataplexie (engl. cataplexy; Syn. Tonusverlust-Syn-
Membranen aufgebaut, der Basalmembran und dem drom) Als Kataplexie bezeichnet man den kurz­
Endothel. Die Basalmembran besteht aus Binde­ zeitigen Verlust des Muskeltonus (Muskelspannung).
gewebsfasern mit eingelagerten Perizyten, die eine Dieses plötzliche Erschlaffen der gesamten Körper­
seesternartige Form haben und neben der Aufnah­ muskulatur tritt z. B. häufig in Verbindung mit der
me von kleineren Partikeln auch den Blutfluss ver­ Schlafstörung Narkolepsie auf. Der vorübergehende
ändern können. Innerhalb der Basalmembran befin­ »Schwächeanfall« ist für die Betroffenen nicht kont­
det sich eine dünnere Zellschicht, das Endothel. rollierbar und birgt ein hohes Verletzungsrisiko.
Dieses grenzt an den Hohlraum der Kapillare und Auslöser für Kataplexieanfälle können intensive af­
ermöglicht an einigen Stellen auch größeren Mole­ fektive Reaktionen wie z. B. Lachen oder Erschre­
külen die Kapillarwand zu durchdringen. cken sein. Gelegentlich tritt Kataplexie auch nach
Narkosen auf oder ist durch Gehirntumoren orga­
Kapillarnetz (engl. capillary network; Syn. Kapillar- nisch bedingt.
bett) Ein Kapillarnetz stellt eine extrem feine Ver­
zweigung von Blutgefäßen dar und kommt im Kör­ Katecholamine (engl. pl. catecholamines) Zu der
per an Stellen vor, an denen ein größerer Stoffaus­ Gruppe der Katecholamine gehören Adrenalin, Nor­
tausch zwischen Blut und umgebenden Organen adrenalin und Dopamin. Alle drei sind adrenerge
erforderlich ist (Lunge, Niere, Leber etc.). Durch die Überträgersubstanzen und wirken im ZNS, in den
extreme Verzweigung der Blutgefäße vergrößert sich Kerngebieten der motorischen Stammganglien, der
deren Oberfläche im Verhältnis zum mitgeführten Basalganglien und im Hypothalamus als Neuro­
K Blut so stark, dass der Stoffaustausch in kurzer Zeit transmitter. Noradrenalin wirkt darüber hinaus im
sehr effektiv erfolgen kann. Das Lungenkapillarnetz postganglionären Abschnitt des Sympathikus als
verdeutlicht beim Austausch der Atemgase die Ef­ Neurotransmitter. Katecholamine werden über enzy­
fektivität eines solchen Netzes. Kapillarnetze liegen matische Schritte vom Körper aus der Aminosäure
in arterieller und venöser Form vor, d. h. sie dienen Tyrosin hergestellt. Adrenalin und Noradrenalin
der Versorgung und dem Abtransport von Stoffen. werden in den Granula der Zellen des Nebennieren­
marks und in den Vesikeln der sympathischen Ner­
Karyogramm (engl. karyogram; Syn. Idiogramm) Als venendigungen gespeichert. Peripher werden Adre­
Karyogramm wird die mikroskopische Darstellung nalin und Noradrenalin bei körperlichen Stress­
der 46 Chromosomen (44 Autosomen und 2 Gono­ reaktionen ausgeschüttet und leiten adäquate phy­
somen (Geschlechtschromosomen)) einer Zelle be­ siologische Veränderungen ein, welche es dem
zeichnet, die sich in der Metaphase der Mitose be­ Organismus ermöglichen, auf die Anforderungen zu
findet. Chromosomen werden zu homologen Paaren reagieren. Beispiele dafür sind eine Steigerung des
angeordnet und nach morphologischen Kriterien Blutdrucks, eine Erhöhung von Schlagfrequenz und
sortiert (Länge und Lage des Zentromers, der Satel­ Schlagvolumen des Herzens, eine Erweiterung der
liten, sekundären Einschnürungen, des Nucleolus­ Bronchien und eine gesteigerte Energiebereitstel­
organisators wie auch nach Muster der Chromoso­ lung. Dopaminerge Neurone befinden sich vor­
menbänder). Durch Chromosomenanalyse (z. B. nehmlich in der Substantia nigra und dem ventralen
bei Amniozentese) werden Unregelmäßigkeiten der Tegmentum und bilden hier die Ursprünge des
Chromosomen und damit mögliche Chromoso­ ­mesostriatalen bzw. mesolimbokortikalen dopami­
menanomalien erkennbar (z. B. Trisomie 21). Unter nergen Bahnensystems. Dopamin ist eine wesent­
Verwendung eines Lichtmikroskops und durch die liche Komponente des zentralnervösen Belohnungs­
Einfärbung der Chromosomen mit spezifischen systems, spielt eine bedeutende Rolle bei der Bewe­
Farbstoffen erfolgt eine computergestützte Analyse gungssteuerung (Beeinflussung der extrapyramida­
Kern 149

len Motorik) und hat Einfluss auf psychische Stö­ und Embryoblast zeigen, spricht man nicht von
rungen (z. B. Schizophrenie, Depression). Blastozyste, sondern von Blastula. Die Keimblase
setzt Enzyme frei, die an der Kontaktstelle eine Auf­
kaudal (engl. caudal) Der Begriff »kaudal« ist eine lösung der Uterusschleimhaut induzieren, was am
anatomische Lagebezeichnung zur Lokalisierung ca. siebten Tag eine Nidation ermöglicht.
bestimmter Strukturen in Relation zu anderen
Strukturen innerhalb des Körpers. Er ist abgeleitet Keimdrüsen (engl. pl. gonads; Syn. Geschlechts­
aus dem Lateinischen und bedeutet »schwanzwärts«. drüsen, Gonaden) Die Keimdrüsen sind drüsenähn­
»Kaudal« bezieht sich zumeist auf anatomische Be­ lich aufgebaute Organe, in denen die Keimzellen
zeichnungen bei Wirbeltieren, in der Humananato­ (oder Geschlechtszellen) gebildet werden. Beim
mie wird bevorzugt der Begriff inferior, vom latei­ Menschen sind sie Teil der inneren primären Ge­
nischen »unterhalb«, verwendet. schlechtsmerkmale und u. a. an der Ausbildung der
Geschlechtsorgane in der Embryonalzeit beteiligt.
Kaudalanästhesie (engl. caudal anaesthesia) Die Die Keimdrüsen beim Mann sind die Hoden, bei der
Kaudalanästhesie ist ein Regionalanästhesieverfah­ Frau die beiden Eierstöcke. In den Keimdrüsen wer­
ren. Im Gegensatz zur Narkose, bei der Bewusstsein den hauptsächlich Steroidhormone (Geschlechts­
und Schmerzempfinden ausgeschaltet werden, wird hormone) gebildet. Männliche Geschlechtshormone
bei der Regionalanästhesie nur das Schmerzempfin­ sind u. a. Androgene, vornehmlich Testosteron, so­
den eliminiert. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, wie in geringen Mengen weibliche Geschlechts­
Patienten während der Operation in einen Dämmer­ hormone. In den weiblichen Keimdrüsen werden
schlaf (Sedierung) zu versetzen. Regionalanästhe­ v. a. Östrogene, Gestagene und wenige Androgene
sien betreffen jeweils nur einzelne Körperregionen. gebildet. In der Pubertät reifen die Keimdrüsen zur
Mittels Lokalanästhetikum können schmerzleitende Funktionsfähigkeit heran und bewirken die Erschei­
Nervenbahnen nahe dem Rückenmark betäubt nung der sekundären Geschlechtsorgane. Die Keim­
­werden. Die Kaudalanästhesie kommt – neben der drüsen entwickeln sich bis zur sechsten Woche der
­Spinal- und Periduralanästhesie – bei Eingriffen an fetalen Entwicklung zunächst als ein Paar unspe­zi­
den unteren Extremitäten, in der Leiste sowie im fischer Gonaden, die sich potenziell zu Testes (­Hoden)
Urogenitalbereich zum Einsatz. Das Lokalanästhe­ oder zu Ovarien (Eierstöcke) entwickeln können. Der
tikum wird dabei in den Bereich des Kreuzbeins ge­ Faktor, der die Entwicklung des Embryos in eine
spritzt. Bei diesen rückenmarknahen Betäubungen Richtung festlegt, ist das SRY-Gen (SRY steht für sex-
ist es möglich, gleichzeitig einen Katheter für die determining region auf dem Y-Chromosom), welches
Schmerztherapie während bzw. nach der Operation sich auf dem Y-Chromosom befindet. Bei einigen ge­
zu legen. netischen Mutationen unterbleibt die Ausbildung
der Keimdrüsen.
Keimblase (engl. blastula; Syn. Blastozyste, Keim-
bläschen) Als Keimblase wird eine befruchtete Ei­ Keimzellen (engl. pl. germ cells; Syn. Geschlechts­
zelle bezeichnet, die sich bereits mehrfach geteilt hat. zellen) In den Kernen der Keimzellen (Gameten) ist
Genauer gesagt bezeichnet sie das Stadium nach der die Erbinformation des Menschen in haploider
Morula bis hin zur Nidation. Nach der Befruchtung, Form (einfacher Chromosomensatz) gespeichert.
die bis auf wenige Ausnahmen im Eileiter stattfindet, Die weibliche Gamete ist die Eizelle, die männlichen
wandert die befruchtete Eizelle – sich ständig teilend Geschlechtszellen sind die Samenzellen (auch: Sper­
– in den Uterus, den sie ca. vier Tage später erreicht. mien, Spermatozoiden, Spermatozoen).
Zu diesem Zeitpunkt wird sie bereits als Keimblase
bezeichnet und besteht aus einer äußeren epithel­ar­ Kern (engl. nucleus) Der Begriff Kern wird in der
tigen Zellschicht, dem Trophoblast (wird zur Plazen­ Biologie in zweifacher Form verwendet. Zum einen
ta) sowie einem sich darin befindenden Zell­haufen, bezeichnet der Zellkern ein Organell eukaryonti­
dem Embryoblast (wird zum Embryo). Bei Tierar­ scher Zellen, der durch eine Kernhülle begrenzt ist.
ten, die keine Differenzierung zwischen Tropho- Der Großteil des Genoms einer Zelle ist im Zellkern
150 Kernspintomographie

enthalten und in Form von Chromosomen organi­ arten beschränkt sind, sind die Ergebnisse nicht
siert. Zum anderen ist ein Kern eine Ansammlung ohne Probleme auf den Menschen übertragbar.
von Nervenzellkörpern innerhalb des zentralen Trotzdem ist Kindling ein wissenschaftlich wert­
Nervensystems (ZNS). Im Gegensatz dazu bezeich­ volles Phänomen, da sich die Epileptogenese stufen­
net man Ansammlungen von Nervenzellkörpern weise experimentell steuern lässt, was die Unter­
außerhalb des ZNS als Ganglion. suchung pathophysiologischer Phänomene zu jedem
beliebigen Zeitpunkt ermöglicht.
Kernspintomographie 7 Magnetresonanztomo­
graphie Kinozilien (engl. cilium, pl. cilia; Syn. Flimmer­
härchen) Als Kinozilien werden 5–10 µm lange und
Ketone (engl. pl. ketones; Syn. Alkanone) Ketone rund 250 nm dicke bewegliche Zytoplasmafortsätze
sind chemische Verbindungen, die als funktionelle von eukaryontischen Zellen bezeichnet. Da sie sehr
Gruppe eine Ketogruppe enthalten, d. h. dass an nah beieinander liegen, bilden sie im Respira­tions­
einem mittigen Kohlenstoffatom ein Sauerstoffatom trakt einen »Teppich«, der durch regelmäßiges
hängt. Ketone werden in der Chemie, der Medizin Schlagen Fremdkörper in eine Richtung trans­
und der Parfumherstellung vorwiegend als Lösungs­ portiert.
mittel für Lacke, Farben und Klebstoffe verwendet.
In der Natur bestehen Hormone, Stoffwechselzwi­ K-Komplexe (engl. pl. K-complexes) K-Komplexe
schenprodukte und Duftstoffe aus Ketonen. Trotz stellen ein Charakteristikum im Elektroenzephalo­
ihres häufigen Vorkommens sind Ketone gesund­ gramm der Schlafphase 2 eines typischen Nacht­
heitsgefährdend. Sie entfetten und entzünden die schlafes dar. Es handelt sich hierbei um plötzlich
Haut und reizen Atemwege, Verdauungswege und auftretende, spitze Wellen, die etwa einmal pro Mi­
die Augen. Das einfachste Keton ist das Azeton. nute vorkommen können. Ausgelöst werden sie v. a.
durch unerwartet auftretende Geräusche aus der
K Kinästhesie (engl. kinaesthesia, kinesthesia; Syn. Be- Umgebung. K-Komplexe können auch als Vorboten
wegungssinn) Kinästhesie steht im Zusammenhang der Deltawellen angesehen werden, welche die nach­
mit Tiefensensibilität und Propriozeption (Eigen­ folgende Tiefschlafphase des Nachtschlafes charak­
wahrnehmung) und meint die Wahrnehmung von terisieren.
Bewegungsrichtungen, -geschwindigkeiten und
-widerständen sowie die Wahrnehmung der Lage Klaustrophobie (engl. claustrophobia; Syn. Raum-
oder Stellung einzelner Glieder zueinander. Diese angst) Klaustrophobie bezeichnet die spezifische,
­Informationen erhält der Körper durch Rezeptoren isolierte Angst vor engen Räumen (Fahrstuhl, kleine
an Gelenken (Gelenksensoren), Muskeln (Muskel­ Zimmer mit geschlossener Tür etc.). Wie bei allen
spindelsensoren), Sehnen (Dehnungssensoren wie Phobien resultiert daraus ein Meidungsverhalten
die Golgi-Sehnenorgane) oder auch der Haut (Pacini- gegenüber den angstauslösenden Reizen oder Reiz­
Körperchen und Ruffini-Körperchen). konstellationen. Der umgangssprachliche Begriff
»Platzangst« ist keine korrekte Beschreibung der
Kindling-Phänomen (engl. kindling effect) Kindling Klaustrophobie.
bezeichnet ein Phänomen, das sich in Tierexperi­
menten zur Untersuchung von Epilepsie findet. Kleinhirn 7 Zerebellum
Hierbei werden bestimmte Hirnregionen (insb. das
limbische System zur Erforschung der sog. Tem­ Kleinhirnkerne (engl. pl. cerebellar nuclei) Im Klein­
porallappenepilepsie) in regelmäßigen Abständen hirn (Zerebellum) befinden sich vier paarige Hirn­
wiederholt elektrisch stimuliert. In der Folge können kerne: der Nucleus fastigii (Dachkern), der Nucleus
epileptische Anfälle ausgelöst werden. Schließlich dentatus (Zahnkern), der Nucleus globosus (Kugel­
kann sich durch weitere Reizung auch ein selbststän­ kern) und der Nucleus emboliformis (Pfropfkern).
diger epileptischer Herd entwickeln. Da es sich um Die Kleinhirnkerne liegen im aus weißer Substanz
Tierexperimente handelt, die zudem auf einige Tier­ bestehenden Mark (Corpus medullare) des Zerebel­
Klüver-Bucy-Syndrom 151

lums. Der Nucleus emboliformis (befindet sich vor tion, verhältnismäßig kleine Hoden und sind un­
Nucleus dentatus) und der Nucleus globosus (liegt fruchtbar. Es kommt zu Großwuchs (bereits im
seitlich des Nucleus fastigii) bilden zusammen den Kindesalter), großen Händen und Füßen und einem
Nucleus interpositus, der zum Nucleus ruber und relativ kleinem Kopf. Bei einigen Betroffenen kommt
über den Thalamus zum motorischen Kortex proji­ es zur Ausbildung von Brüsten und einem eher
ziert. Funktionen der Kleinhirnkerne betreffen die weiblichen Körperbau. Auch die geistige und moto­
Körperbewegung (Nucleus fastigii), die Augenbe- rische Entwicklung ist leicht beeinträchtigt.
wegung und Korrekturen der Motorik (Nucleus
­interpositus) sowie Fingerbewegung und zielmoto­ Klonale Selektion (engl. clonal selection) Die klonale
rische Bewegungen (Nucleus dentatus). Folgen von Selektion ist eine in den 1950er Jahren entwickelte
Läsionen der Kerne können eine Rumpf- und Glied­ Theorie, nachdem das Immunsystem sehr spezifisch
maßenataxie sowie eine falsche Betonung der auf viele verschiedene Antigene reagieren kann. In
­Sprache sein. einer ersten Reaktion auf ein fremdes Antigen wird
eine Vielzahl von Lymphozyten gebildet, aus denen
Klimakterium (engl. climacterium) Das Klimakte­ sich dann später nur diejenigen weiterentwickeln,
rium definiert einen Zeitraum vor, während und die spezifisch gegen das jeweils vorhandene Antigen
nach der Menopause (die letzte durch die Eierstöcke wirken können. Alle Lymphozyten, die in diesem Pro­
ausgelöste Menstruation), findet also durchschnitt­ zess gebildet werden, sind Klone der Mutterzelle.
lich zwischen dem 47. und dem 55. Lebensjahr statt.
Durch die hormonelle Umstellung (Rückgang des Klonierung (engl. cloning) Im Bereich der Zellkul­
Östrogens, dadurch erhöhtes luteinisierendes turen beschreibt die Klonierung die wiederholte
­Hormon, LH-Pulse) können verschiedene physische ­asexuelle Teilung von einzelnen Zellen oder Organis­
Beschwerden wie etwa Hitzewallungen, Herzrasen, men, aus denen genetisch einheitliche Populationen
Schlafstörungen, Schwindel, Libidoverlust, Schei­ (Klone) entstehen. In der Genetik versteht man
denatrophie, Inkontinenz und Osteoporose, aber ­unter Klonierung das Einfügen von DNS-Sequenzen K
auch psychische Folgen wie Depressionen oder Ge­ in einen entsprechenden Transportvektor (Plasmide
dächtnisstörungen auftreten. Während früher die oder Viren) und die anschließende Vervielfältigung
Hormontherapie (Östrogen-Substitution) häufig an­ in einem Organismus. Die Akkumulation erfolgt
gewendet wurde, verabreicht man heute zusätzlich meistens in Bakterien (Escherichia coli), kann aber
Gestagene, damit es weiterhin zu Blutungen kommt auch in eukaryotischen Systemen (z. B. in Zellkul­
und das Krebsrisiko gering gehalten wird. Trotzdem turen) durchgeführt werden.
müssen die Vor- und Nachteile einer Hormonersatz-
Therapie abgewogen werden. In den letzten Jahren Klüver-Bucy-Syndrom (engl. Klüver-Bucy syndrome)
wurde auch dem Klimakterium des Mannes (Klimak­ Dieses Phänomen wurde zuerst von Heinrich Klüver
terium virile) vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. und Paul Bucy 1937 bei Rhesusaffen beschrieben.
Die hormonellen Umstellungen sind beim Mann Affen, denen man beide Temporallappen (inklusive
nicht so stark ausgeprägt, trotzdem gibt es bereits Amygdala) entfernt hatte, zeigten u. a. Angstlosigkeit
Studien, die z. T. ähnliche Beschwerden belegen. vor zuvor gefürchteten Objekten, beeinträchtigte
Furchtkonditionierung, Hyperoralität, Hypersexua­
Klinefelter-Syndrom (engl. Klinefelter’s syndrome; lität, gestörtes Essverhalten, visuelle Agnosien, ab­
Syn. puberales Tubuli-seminiferi-Versagen) Das Kline­ normales Sozialverhalten, Abstieg in der sozialen
felter-Syndrom ist ein chromosomaler Defekt, der Hierarchie und soziale Isolation. 1955 entdeckten
ausschließlich bei Männern auftritt. Die betroffenen Terzian und Dalle Ore auch das Klüver-Bucy-Syn­
Individuen haben ein zusätzliches X-Chromosom drom auch beim Menschen. Ein männlicher Patient,
und leiden deshalb an einer Keimdrüsenunterfunk­ bei dem aus therapeutischen Gründen eine Tem­
tion in der Pupertät. Personen, die am Klinefelter- porallappenentfernung vorgenommen wurde, zeigte
Syndrom leiden, haben eine verringerte Testosteron­ ähnliches Verhalten wie die Rhesusaffen von Klüver
produktion und eine erhöhte Gonadotropinproduk­ und Bucy.
152 Kniehöcker, mittlerer

Kniehöcker, mittlerer 7 Corpus geniculatum mediale Wirkung über die Opioidrezeptoren. Die schmerz­
lindernde Wirkung und das Suchtpotenzial von
Kniehöcker, seitlicher 7 Corpus geniculatum laterale ­Kodein sind schwächer als die von Morphium, daher
ist der Wirkstoff in vielen Husten- und Schmerz­
Knochenmark (engl. bone marrow) Das spezialisier­ mitteln enthalten. K. war bis 1999 in Deutschland
te Binde- und Stammzellgewebe in den Hohlräumen ein reguläres Substitutionsmittel für Heroinsüchtige
der Knochen wird als Knochenmark bezeichnet. Es und zählt jetzt nach dem Betäubungsmittelgesetz zu
befindet sich in den von Spongiosabälkchen durch­ den verschreibungspflichtigen Medikamenten.
zogenen Markräumen der meisten Knochen, ins­
besondere in den langen Röhrenknochen und den Kodierung (engl. coding) Werden Informationen in
flachen Knochen von Brustbein, Schädeldach, Rip­ einer anderen Form als ihrer ursprünglichen darge­
pen oder Sternum. Das Knochenmark ist die Bil­ stellt oder übermittelt, spricht man von Kodierung.
dungs- und Lagerstätte für Blutstammzellen, aus Sie findet u. a. im Nervensystem durch chemische
denen sich über verschiedene Vorstufen differen­ oder elektrische Signale und bei der Proteinbiosyn­
zierte Blutzellen (wie Erythrozyten, Thrombozyten, these (Umsetzung von Genen in Eiweiße) statt.
Leukozyten) entwickeln. Makroskopisch wird zwi­
schen rotem, gelbem (Fettmark) und weißem (galler­ Koffein (engl. caffeine, coffeine; Syn. Coffeinum;
tigem) Knochenmark unterschieden. Erkrankungen 1,3,7-Trimethyl-2,6(1H,3H)-purindion; Methyltheo-
des Knochenmarks sind z. B. Leukämie oder Osteo­ bromin; Thein) Koffein ist der in Tee, Kaffee, Cola,
myelitis. Guarana und Kakao enthaltene stimulierende Wirk­
stoff. Er gehört zur Klasse der stimulierenden Dro­
Knockout-Mäuse (engl. gene knockout, knockout gen und ist ein Alkaloid. Durch die Einnahme dieses
mouse) Knockout bezeichnet die experimentelle In­ Stoffes wird die allgemeine metabolische Aktivität
aktivierung eines Gens. Im Labor wird eine inaktive der Zelle erhöht. Koffein wirkt, indem es Adenosin­
K mutante Form des Zielgens hergestellt, welche in rezeptoren und Kalziumkanäle blockiert. Durch die
embryonale Stammzellen der Maus eingesetzt wird. Blockade wird die Hemmung der Katecholaminaus­
Einige der aus diesen Stammzellen hervorgehenden schüttung verhindert und somit eine andauernde
Mäuse tragen in jeder Zelle eine Kopie des inaktiven postsynaptische Stimulation der nachgeordneten
Zielgen-Mutanten (heterozygot). Durch selektive Struktur durch diese Neurotransmitter erreicht. Bei
Paarung dieser Mäuse entsteht eine weitere Genera­ höheren Dosen inhibiert Koffein das Enzym Phos­
tion, die zwei Kopien des inaktiven Mutanten besitzt phodiesterase, das die Zerlegung von cAMP (zykli­
(homozygot). Diese Mäuse werden als Knockout- schem Adenosin-3’,5’-monophosphat) zu AMP zur
Mäuse bezeichnet. Anhand der Knockout-Technik Aufgabe hat. Durch den erhöhten cAMP-Gehalt
kann die Rolle eines bestimmten Gens (z. B. be­ wird die Glukoseproduktion der Zelle angeregt und
züglich Aussehen, Verhalten) untersucht werden. der Zelle steht mehr Energie zur Verfügung. Koffein
Zudem können genetisch bedingte Krankheiten des wirkt indirekt über Katecholamine u. a. anregend
Menschen simuliert und die Wirksamkeit von Me­ auf das ZNS und steigert die Herztätigkeit, den Puls
dikamenten getestet werden. und den Blutdruck. Koffein ist harntreibend, baut
Kalzium im Körper in geringen Mengen ab und regt
Kodein (engl. codein) Kodein gehört zur Gruppe der den Darm an.
Alkaloide (alkalisch reagierende, chemisch kom­
plexe, stickstoffhaltige, meist giftige Naturstoffe), Kohabitation (engl. intercourse; Syn. Beischlaf,
wurde 1805 erstmals von Friedrich Sertürmer aus ­ oitus, Geschlechtsverkehr) Kohabitation bezeich­
K
den Samen der Mohnblume synthetisiert wurde. net im biologischen Sinn den heterosexuellen Ge­
­Kodein ist ein Derivat von Opium und wird als ­Opiat schlechtsverkehr.
bezeichnet. Chemisch betrachtet ist Kodein der
3-Monoethylether des Morphins. Es gehört zu den Kohlenhydrate (engl. pl. carbohydrates; Syn. Saccha-
narkotisierenden Analgetika und entfaltet seine ride) Kohlenhydrate stellen einen essenziellen Be­
Komplementärfarben 153

standteil der gesunden Ernährung des Menschen systems beschreiben Kollaterale Seitenäste von
dar und finden sich v. a. in pflanzlicher Nahrung, ­Axonen, die die Funktion der Verschaltung von
z. B. in Getreideprodukten oder Kartoffeln. Kohlen­ Kerngebieten oder Neuronen haben.
hydrate bestehen aus Zuckermolekülen, die den Kör­
per verschieden schnell mit Energie beliefern. Man Kolloide (engl. pl. colloids) Kolloide sind Moleküle in
unterscheidet Monosaccharide, sog. Einfachzucker einem heterogenen Stoffgemisch aus einer Flüssig­
(z. B. in Traubenzucker), Disaccharide, sog. Zwei­ keit und einem darin fein verteilten Feststoff (Sus­
fachzucker (z. B. Rohrzucker oder Milchzucker) und pension), deren Molekulardurchmesser zwischen
Polysaccharide, sog. Mehrfachzucker (z. B. Stärke). 1 und 100 nm liegt. Sie sind groß genug, dass sie ­keine
Die Zuckermolekülketten werden im Körper wieder Quanteneigenschaften mehr aufweisen und klein ge­
zu Glukose gespalten, welche mit Hilfe von Insulin nug, dass ihre Bewegungen von der Thermodynamik
in die Zellen aufgenommen wird. beeinflusst werden. Kolloide können in allen Aggre­
gatzuständen in einem Stoff verteilt sein.
Koitus 7 Kohabitation
Kommissur, zerebrale (engl. cerebral commissure) Ze­
Kokain (engl. cocaine) Kokain ist ein aus Kokapflan­ rebrale Kommissuren sind Nervenfasertrakte, welche
zenblättern gewonnenes Stimulanz, dessen Haupt­ die Mittellinie des Körpers in der Sagittal­ebene kreu­
effekt in der Erhöhung neuronaler Aktivität sowie in zen und so die Großhirnrinde beider Hemis­phären
einer starken lokalanästhetischen und vasokonstrik­ miteinander verbinden. Lediglich 1–3 % aller Ner­
torischen Wirkung besteht. Kokain wird gewöhnlich venzellen des Großhirns sind mit Neuronen der an­
in Pulverform über die Nasenschleimhäute auf­ deren Hemisphäre verbunden. Die meisten dieser
genommen (geschnupft) oder intravenös injiziert Verbindungen verlaufen über den Corpus ­callosum
bzw. zu Crack (Gemisch aus Kokain und Backpulver­ (Balken). Sie sind größtenteils homotop, d. h. sie ver­
lösung) weiterverarbeitet und inhaliert. Körperliche binden topographisch identische Areale (meist Asso­
Effekte zeigen sich im Bereich des vegetativen Nerven­ ziationskortex) der beiden Hemisphären miteinander. K
systems sowie der quergestreiften Muskulatur. Psy­ Weitere zerebrale Kommissuren sind die anteriore
chologische Effekte treten in Form von Euphorie, Kommissur, die hippocampale Kommissur sowie die
Selbstbewusstseinssteigerung, Stimmungsaufhel­ basale telenzephalische Kommissur.
lung, Leistungssteigerung sowie eines verminderten
Appetits und Schlafbedürfnisses auf. Diese Effekte Kommissurektomie (engl. corpus callosotomy) Bei
erklären sich aus der gehemmten Wiederaufnahme der Kommissurektomie wird der Corpus callosum
von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin in die prä­ (Balken) zur Unterdrückung der Ausbreitung von
synaptische Endigung. Bei regelmäßigem Konsum Epilepsieanfällen durchtrennt. Untersuchungen an
kann es zu psychotischem Verhalten kommen. Die diesen sog. Split-Brain-Patienten verdeutlichen,
körperlichen Entzugserscheinungen fallen relativ dass die Einheit des Bewusstseins auf die Existenz
moderat aus (Schlaflosigkeit, Verstimmung), das Ge­ der Kommissuren und Assoziationsfasern im ZNS
fahrenpotenzial von Kokain liegt vor allem in der rückführbar ist. Beim intakten Gehirn kommt es zu
psychischen Abhängigkeit. Kokain war 1884 das ­erste einem ständigen Informationsfluss zwischen den
Lokalanästhetikum, wird heute jedoch wegen seines Hemisphären. Ohne Kommissuren teilt beispiels­
hohen Suchtpotenzials nicht mehr verwendet. weise die linke Hand nicht mehr die Erfahrungen
der rechten, die visuellen Welten der beiden Hemis­
Kollaterale (engl. pl. collaterals) Kollaterale bezeich­ phären sind vollständig getrennt.
nen Seiten- oder Nebenäste, die im Blutkreislauf und
im Nervensystem zu finden sind. Im Blutgefäßsys­ Komplementärfarben (engl. pl. complementary
tem sind sie Nebenäste von Venen und Arterien, die c­ olors; Syn. Gegenfarben) Der Begriff Komplemen­
die Blutversorgung als Ersatzstrombahnen bei Ver­ tärfarben entstammt der Farbenlehre. Zueinander
legung (Thrombose, Embolie) oder bei Verletzung komplementäre Farben ergeben bei additiver Farb­
von Blutgefäßen sicherstellen. Innerhalb des Nerven­ mischung (zwei Lichtquellen) Weiß, bei subtraktiver
154 Komplementsystem

Farbmischung (»Farbkasten«) hingegen Schwarz. Konditionierung, operante (engl. operant condi­


Die bekanntesten Komplementärfarben-Kombina­ tioning; Syn. instrumentelle Konditionierung, Verstär-
tionen sind Rot und Grün sowie Blau und Gelb. Die kerlernen, Reiz-Reaktionslernen) Die operante Kon­
Gegenfarbentheorie wurde 1878 von Ewald Hering ditionierung stellt eine Form des assoziativen Ler­
als Alternative zur trichromatischen Farbtheorie nens dar. Grundlegend bei dieser Lernform ist die
(von Thomas Young, 1802, und von Hermann von Verknüpfung zwischen einer Handlung und der
Helmholtz, 1852) vorgeschlagen. Sie gründet sich ­daraus resultierenden Konsequenz. Es handelt sich
auf der Annahme von zwei Klassen von Zellen zur um eine flexible Lernform, die es dem Organismus
Farbwahrnehmung und einer weiteren Klasse von gestattet, gezielt auf seine Umwelt zu reagieren. Be­
Zellen für die Helligkeit. Diese Theorie scheint auf tätigt ein Tier in einer Skinner-Box (benannt nach
höheren Ebenen der visuellen Verarbeitung zuzu­ dem Psychologen Burrhus Frederic Skinner, dem
treffen. bekanntesten Vertreter dieser Lerntheorie) den Aus­
lösemechanismus für eine Futterbelohnung und
Komplementsystem (engl. complement system) Das ­erhält unmittelbar darauf eine Belohnung in Form
Komplementsystem ist ein hitzelabiles System des von Futter, wird dieses Verhalten verstärkt. Tritt
Blutplasmas zur Ergänzung des zellulären und hu­ ­diese Belohnung mehrfach infolge eines bestimmten
moralen Immunsystems. Das Komplementsystem Verhaltens auf, so assoziiert das Tier dieses Verhal­
besteht aus 17 Proteinen sowie verschiedenen Aktiva­ ten mit der Belohnung und wird es in der entspre­
toren und Inhibitoren. Im Zentralnervensystem chenden Situation vermehrt ausführen. Das Futter
können aktivierte Gliazellen Komplementkom­ wirkt als positiver Verstärker und kann gezielt die
ponenten bilden. Die Hauptaufgaben des Komple­ Auftrittswahrscheinlichkeit einer bestimmten Ver­
mentsystems sind die direkte Zerstörung von Zellen haltensweise erhöhen. Umgekehrt führt Bestrafung
und Erregern, die Opsonierung (»Schmackhaft­ (durch aversive Reize) zu einer Verringerung der Auf­
machung«) von Fremdpartikeln sowie die Aktivie­ trittswahrscheinlichkeit des bestraften Verhaltens.
K rung von Abwehrzellen. Bei Störungen im Komple­
mentsystem kommt es zu gehäuften bakteriellen Konduktion 7 Wärmekonduktion
Infekten.
Konfabulation (engl. confabulation) Konfabulieren­
Kompulsion (engl. compulsion) Kompulsion be­ de Personen berichten über nicht stattgefundene
zeichnet eine Zwangshandlung oder einen inneren oder nicht existente Ereignisse als »ihre Erinnerung«
Zwang. ohne bewusste Täuschungsabsicht. Es werden pro­
vozierte Konfabulationen (durch Fragen) und spon­
Konditionierung, klassische (engl. classical conditio- tane Konfabulationen unterschieden. Beide betref­
ning) Die klassische Konditionierung stellt eine Form fen hauptsächlich autobiographische Gedächtnis­
des assoziativen Lernens dar. Sie wurde erstmals im inhalte, wobei die provozierten Konfabulationen
Jahre 1906 durch den russischen Physio­logen Iwan auch bei Gesunden auftreten können, wenn sie auf­
Pawlow beschrieben. Pawlow entdeckte, dass die zeit­ gefordert werden, unpräzise gespeicherte Informa­
liche Paarung eines neutralen Reizes (Klingelzeichen) tionen möglichst detailliert wiederzugeben. Patien­
mit einem unbedingten Reiz (Anblick von Futter), ten, die spontan konfabulieren, haben in der Regel
welcher eine unbedingte, artspezifische Reaktion eine ausgeprägte Gedächtnisstörung und weisen
(Speichelfluss) auslöst, das Verhalten eines Hundes ­keine Krankheitseinsicht auf. Konfabulationen sind
gegenüber dem neutralen Reiz ändert. Nach wieder­ oft eine Mischung aus verschiedenen Ereignissen,
holter Paarung beider Reize löst der neutrale Reiz, die real waren, können aber auch vollkommen er­
welcher zuvor keine Verhaltenswirkung hatte, den dacht sein. Konfabulationen treten oft bei Patienten
Speichelfluss beim Tier aus. Dieser neutrale Reiz wird mit Schädigungen im orbitofrontalen Kortex und
damit zu einem bedingten Reiz und der Speichelfluss basalen Vorderhirn sowie im Rahmen des Kor­
in Folge des Klingelzeichens wird als bedingte (kon­ sakow-Syndroms und häufig bei Schizophrenie
ditionierte) Reaktion bezeichnet. (konfabulatorische Schizophrenie) auf.
Kontrastverstärkung 155

kongenital (engl. congenital; Syn. angeboren) Als bis Stunden nach der Enkodierung finden Konso­
kongenital bezeichnet man alle Merkmale, Eigen­ lidierungsprozesse auf zellulärer Ebene statt, welche
schaften oder Anomalien eines Lebewesens, die be­ morphologische Veränderungen der Synapsen her­
reits bei der Geburt vorhanden sind. Das Wort kon­ beiführen (synaptische Plastizität). Diese Prozesse
genital wird dabei unterschiedlich benutzt. Zumeist sind abhängig von der Proteinbiosynthese und der
definiert es genetisch oder während der fetalen Ent­ Genexpression. Wochen bis Monate nach der Enko­
wicklung erworbene oder durch externe Einflüsse dierung finden weitere Konsolidierungsprozesse auf
während der Schwangerschaft und/oder Geburt be­ Hirnsystemebene statt, wobei der Gedächtnisabruf
dingte Merkmale. Man findet aber auch die engere durch Umkodierung oder andere (noch ­unbekannte)
Definition ausschließlich genetisch bedingter Eigen­ Prozesse zunehmend unabhängig wird von der Ak­
schaften in Abgrenzung zu konnatal, d. h. während tivierung der Hirnregionen, welche bei der Enko­
der Schwangerschaft und/oder Geburt erworbenen dierung involviert waren. Konsolidierungsprozesse
Eigenschaften und Schäden. finden innerhalb der ersten Monate v. a. im Hippo­
campus statt.
Konnexone (engl. pl. connexons; Syn. Zell-Zell-
­Kanäle, Gap-Junction-Kanäle) Konnexone sind Pro­ kontraktil (engl. contractile) Kontraktil heißt zur
teine, die in der Zellmembran große Poren mit einem Kontraktion fähig. Es ist damit meist die Eigenschaft
Durchmesser von 1 nm bilden und jeweils 6 Unter­ von Muskelzellen gemeint, die sich in Reaktion auf
einheiten (Konnexine) besitzen. Liegen die Memb­ ein bestimmtes Ereignis verkürzen.
ranen zweier benachbarter Zellen dicht beieinander,
können die Konnexone der beiden Zellen eine Pore, Kontraktion, isometrische (engl. isometric contrac-
sog. Gap-Junction, bilden. Diese Zell-Zell-Kanäle tion) Die isometrische Kontraktion wird auch als län­
oder elektrischen Synapsen, ermöglichen einen gengleiche Kontraktion bezeichnet, weil bei ihr keine
schnellen Austausch von Ionen und kleinen Mole­ Längenänderung des Muskels stattfindet, sondern
külen zwischen den Zellen. Es handelt sich um einen intramuskuläre Spannungsänderungen auftreten. K
passiven Transmembrantransport, bei dem das an­
kommende Aktionspotenzial eine Änderung des Kontraktion, isotonische (engl. isotonic contraction)
Membranpotenzials der präsynaptischen Zelle aus­ Die isotonische Kontraktion wird auch als spannungs­
löst. Natrium- und Kalziumionen strömen nach gleiche Kontraktion bezeichnet, weil sich der Muskel
­innen, Kaliumionen nach außen. Dadurch wird die bei gleich bleibender intermuskulärer Spannung
Polarisierung der Membran der postsynaptischen verkürzt. Durch die auftretende Verkürzung der
Zelle verändert. Wird der Schwellenwert überschrit­ Muskelfasern wird Bewegung erzeugt, d. h. bei allen
ten, folgt ein Aktionspotenzial und das Signal kann Bewegungsvorgängen handelt es sich um isotonische
praktisch ohne Zeitverzögerung weitergeleitet wer­ Kontraktionen der Muskeln.
den. Ein weiterer Unterschied im Vergleich zur che­
mischen Synapse ist die Erregungsübertragung, die kontralateral (engl. contralateral) Man bezeichnet
in den meisten Fällen in beide Richtungen erfolgen eine Körperregion als kontralateral, wenn sie bezüg­
kann. Gap-Junction-Kanäle können nicht zur Hem­ lich einer zweiten auf der entgegengesetzten Körper­
mung der Nachbarzelle genutzt werden (im Gegen­ seite oder -hälfte gelegen ist. Das Gegenteil wird als
satz zu hemmenden chemischen Synapsen). Diesen ipsilateral bezeichnet. In der Neurologie wird der
Kanälen wird eine große Bedeutung für die Ausbrei­ Begriff kontralateral benutzt, um die Kreuzung einer
tung epileptischer Herde im Gehirn zugeschrieben. Nervenbahn auf die andere Hirnhemisphäre zu be­
schreiben.
Konsolidierung (engl. consolidation) Als Konsoli­
dierung wird der Prozess der Gedächtnisstabilisie­ Kontrastverstärkung (engl. contrast amplification)
rung oder -festigung nach dem Erlernen neuer In­ Kontrastverstärkung ist ein Effekt, der infolge latera­
formation bezeichnet. Dabei tritt die Information ler Inhibition auftritt. Dabei kommt es durch gegen­
vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis über. Minuten seitige Hemmung nebeneinander liegender Neurone
156 Kontrollschrankentheorie

zu einer Verstärkung von z. B. Farbkontrasten. Bei rungssystem ICD-10 die Diagnose »Epileptische
Machschen Bändern z. B. erscheint die Grenze eines Konvulsion«, die mit »G40.0« kodiert wird.
schwarzen Balkens am Übergang zu einem weißen
Balken dunkler als das Schwarz innerhalb des Bal­ Körnerzelle (engl. granule cell; Syn. Granularzelle)
kens. Durch die Neuronenverschaltung wird an Körnerzellen finden sich besonders in der Schicht IV
­dieser Stelle die Farbe schwarz stärker wahrgenom­ der Großhirnrinde sowie im Zerebellum, Hippo­
men als im gesamten Streifen. Kontrastverstärkung campus und im Riechkolben. Sie haben relativ kurze
führt auch dazu, dass z. B. die Konturen von Objek­ Axone und einen ca. 10 μm großen Zellkörper.
ten schärfer erscheinen. In der Neurologie bezeich­ Man unterscheidet je nach Dendritenausbildung
net Kontrastverstärkung den Vorgang, bei dem über zwischen glatten und dornigen Granularzellen. Ein
verschiedene Bearbeitungswege die Kontraste in weiteres wichtiges Kennzeichen besteht in ihrer apo­
bildgebenden Verfahren erhöht werden. laren Ausrichtung. Dabei nehmen sie unterschied­
liche Funktionen ein: die hippocampale Körnerzelle
Kontrollschrankentheorie (engl. Gate-Control- wirkt exzitatorisch, die Zellen im Riechkolben haben
­ eory) Die Kontrollschrankentheorie nach Melzack
Th eine inhibitorische Wirkung und die Zellen der
und Wall besagt, dass absteigende, vom Gehirn kom­ Großhirnrinde bilden sowohl inhibitorische als auch
mende Signale neuronale Schaltkreise im Rücken­ exzitatorische Synapsen aus.
mark modulieren können, um damit einlaufende
Schmerzsignale zu blockieren bzw. durchzulassen. Korsakow-Syndrom (engl. Korsakoff’s syndrom;
Der Einfluss des Gehirns auf die periphere Schmerz­ Syn. Korsakow-Psychose; amnestisches Syndrom)
wahrnehmung erklärt, dass z. B. nach Unfällen ­Diese Erkrankung ist benannt nach Sergei Korsakow
Schmer­zen anfangs nicht wahrgenommen werden. und wurde 1889 erstmalig beschrieben. Das Kor­
sakow-Syndrom beschreibt Gedächtnisprobleme
Konvektion 7 Wärmekonvektion infolge eines Hirnschadens, der meist durch chro­
K nischen Alkoholmissbrauch bzw. Mangelernährung
Konvergenz (engl. convergence) Konvergenz be­ (z. B. bei Anorexia nervosa) und daraus resultieren­
zeichnet das Zusammentreffen mehrerer Afferenzen den Thiamin-Mangel entsteht. Es handelt sich um
auf ein Neuron, welche zu einer Summation oder eine Form der anterograden Amnesie, d. h. die Be­
Bahnung der synaptischen Potenziale führen kann. troffenen können sich an gespeicherte Gedächtnis­
Somit können die Effekte schwacher Stimuli ver- inhalte vor der Hirnschädigung erinnern, haben
stärkt werden, wobei starke und großflächige Reize aber Defizite beim Erlernen und Erinnern neuer In­
sehr schnell zum maximalen Erregungszustand der formationen nach der Hirnschädigung.
Neurone führen bzw. eine Okklusion (Sättigung) in
einem Neuronenverband stattfinden kann. Kortex, auditorischer (engl. auditory cortex; Syn.
Hörrinde) Der auditorische Kortex liegt im Tempo­
Konvulsion (engl. convulsion, spasm/us/, tremble; rallappen unterhalb der Fissura lateralis (Sylvischen
Syn. Convulsio) Unter Konvulsion versteht man sich Fissur). Man unterscheidet den primären audi­
in Serie wiederholende Krämpfe oder Schüttel­ torischen Kortex (A1, auch Heschlscher Gyrus,
krämpfe der Körpermuskulatur (v. lat. convellere, ­Areal 41 nach Brodmann) und den sekundären (A2
convulsus: losreißen, erschüttern). Krämpfe haben oder auf der sprachdominanten Seite auch Wer­
unterschiedlichste Ursachen, wobei sie immer nicke-Areal, BA 42 und 22) auditorischen Kortex.
ein Krampfzentrum (Irritationsbereich) im Gehirn Die Hörbahn erreicht als Afferenz A1, wo das Ge­
oder Rückenmark haben, von wo aus der Krampf hörte wahrgenommen und nach Frequenz sortiert
aus­gelöst wird. Zu den häufigsten Ursachen dieser wird. Im A2 findet die Sprachwahrnehmung statt,
generalisierten Krämpfe zählen Ischämien, Vergif­ seine wichtigste Efferenz ist die Verbindung zu mo­
tungen, Entzugssyndrome (7 Entzugssyndrom), Fie­ torischen Spracharealen (Broca-Areal, BA 44 und
berkrämpfe oder Epilepsie (7 Grand mal). Im Falle 45) über den Fasciculus arcuatus. Bei den meisten
der Epilepsie gibt es im internationalen Klassifizie­ Rechtshändern ist die linke Hemisphäre sprachdo­
Kortex, parahippocampaler 157

minant, Läsionen in diesen Gebieten können u. a. zu Struktur wie Bulbus olfactorius) und gelangen von
Aphasien führen. dort zum sekundären olfaktorischen Kortex, der sich
aus dem Nucleus olfactorius anterior, einem Teil des
Kortex cerebri 7 Kortex, zerebraler entorhinalen Kortex, Teilen der Amygdala und dem
piriformen Kortex zusammensetzt. Hier konvergie­
Kortex, entorhinaler (engl. entorhinal cortex) Der ren die Signale mit Signalen der anderen Sinnessys­
entorhinale Kortex (Areal 28) ist ein Teil der Hippo­ teme und Geruchsinformationen gelangen von hier
campusformation, befindet sich an der medialen aus in tertiäre olfaktorische Strukturen wie z. B. Teile
Seite des Temporallappens und bildet zusammen des limbischen Systems. Dabei ist der olfaktorische
mit dem Subiculum den Übergangskortex. Afferente Kortex in seiner Gesamtheit für den Empfang und
Verbindungen besitzt der entorhinale Kortex zum das Weiterleiten von Signalen aus Sehsystem, Ge­
Thalamus, Hypothalamus und den Mammillar­ ruchs-, Geschmacks- und Tastsinn verantwortlich.
körperchen. Weiterhin bestehen Verbindungen zum
ventralen Temporallappen und orbitalen Frontal­ Kortex, orbitofrontaler (engl. orbitofrontal cortex)
kortex. Diese Verbindungen sind sowohl afferent als Der Orbitofrontalkortex (OFC, Brodmann-Areale
auch efferent. Der entorhinale Kortex ist u. a. am 11, 12, 13 und 14) ist Teil des inferioren Präfrontal­
­deklarativen Lernen beteiligt. kortex. Er ist zuständig für die Auswahl von Ver­
halten aufgrund von Kontexthinweisen. Außerdem
Kortex, inferiorer temporaler (engl. inferior tem­ wird er als Teil des sekundären olfaktorischen Kor­
poral area; Syn. inferotemporaler Kortex) Der infero­ tex gesehen. Der OFC erhält seine Afferenzen u. a.
temporale Kortex (ITC) liegt im unteren Bereich des von posterioren parietalen Gebieten, vom superio­
Temporallappens und bildet im visuellen Assozia­ ren temporalen Kortex und Sulcus, von der Amyg­
tionskortex das Ende des ventralen Pfades (bzw. der dala und vom Temporallappen (einschließlich audi­
temporalen Bahn). Aufgabe des ventralen Pfades ist torischer und visueller Regionen sowie vieler ande­
die Objekterkennung (»Was«-Pfad, beginnt bei den rer Areale, die mit der Verarbeitung sensorischer K
M-Ganglienzellen), wobei primäre Neurone im ITC Signale assoziiert sind). Seine Signale sendet der
am Erkennen einfacher Formen beteiligt sind. Es OFC zur Amygdala, zum Hypothalamus, zu poste­
wird allerdings auch angenommen, dass der ITC für rioren parietalen Gebieten und zum superioren tem­
die Wahrnehmung sehr komplexer (3-dimensio­ poralen Kortex. Der OFC scheint u. a. an Assozia­
naler) Formen zuständig ist u. a. für die Analyse von tionslernen, Deutung des affektiven Kontexts und
Gesichtern (speziell im Gyrus fusiformis). der Erinnerung autobiographischen Wissens betei­
ligt zu sein. Läsionen im OFC werden z. B. mit einem
Kortex, limbischer (engl. limbic cortex) Unter dem Verlust des divergenten (»produktiven«) Denkens
Begriff limbischer Kortex werden oft die Hippocam­ und einer verminderten Fähigkeit zur Hemmung
palformation, der Gyrus cinguli und der präfrontale automatischer Reaktionen (Reaktionsinhibition) in
Kortex (manchmal auch die Inselrinde und Prä­ Verbindung gebracht.
kuneus) zusammengefasst. Zusammen mit subkor­
tikalen Strukturen wie Hypothalamus, Amygdala, Kortex, parahippocampaler (engl. parahippo­
Septalkernen, Nucleus accumbens und Formatio campal cortex) Der parahippocampale Kortex be­
­reticularis bilden sie das limbische System. findet sich neben dem Hippocampus, entlang der
dorsal medialen Oberfläche des Temporallappens.
Kortex, olfaktorischer (engl. olfactory cortex; Syn. Er erhält Informationen von vielen polymodalen As­
Riechrinde) Der olfaktorische Kortex besteht aus soziationsfeldern des Kortex und projiziert selbst
dem primären olfaktorischen Kortex, der seine Infor­ über den perirhinalen Kortex zu Hippocampus,
mationen über den Tractus olfactorius erhält, sowie Amygdala und Striatum. Als Teil des medialen Tem­
dem sekundären olfaktorischen Kortex. Signale des porallappens ist der parahippocampale Kortex in die
Geruchssinns erreichen dabei zuerst den primären Konsolidierung von expliziten Gedächtnisinhalten
olfaktorischen Kortex (neuroanatomisch ähnliche eingebunden. Außerdem scheint er eine wichtige
158 Kortex piriformis

Rolle bei der Verarbeitung von visuell-räumlichen schen Areale. Der PMC erhält Signale aus ventra­
Gedächtnisaspekten zu haben. len Thalamuskernen, aus der somatosensorischen
Rinde, dem SMA und dem Motokortex. Er hat di­
Kortex piriformis (engl. piriform cortex) Kortex piri­ rekten Einfluss auf die Motorik durch die efferente
formis ist ein Synonym für den primären olfakto­ Versorgung der extrapyramidalen Hirnstammzent-
rischen Kortex, der an der Geruchswahrnehmung ren (Formatio reticularis, Nucleus ruber, Nucleus
des Menschen beteiligt ist. Der Begriff umfasst ein vestibulares), durch Projektionen zum Motorkortex
kleines Areal unter dem Temporallappen. Die olfak­ und über Fasern in der Pyramidenbahn (Tractus
torischen Signale gelangen von den Riechsinnes­ corticospinalis/Tractus corticopontinus). Der PMC
zellen in den Bulbus olfactorius (Riechkolben) und ist in die zentrale Generierung von komplexen Be­
werden von kleinen Strukturen (den Glomeruli), wegungsabfolgen (Willkürbewegungen) involviert
über Riechbahnen in den Cortex piriformis und (Basalganglienschleife). Läsionen in diesem Gebiet
die Amygdala geleitet. Die Signale, die den Cortex führen durch Disinhibition der extrapyramidalen
piriformis erreichen, gelangen schließlich zum se­ Hirnstammzentren zum Auftreten spastischer Läh­
kundären olfaktorischen (orbitofrontalen) Kortex mungen der Armbeuger und Beinstrecker.
und treffen dort mit den Signalen des Geschmacks­
sinns aus dem Thalamus zusammen. Kortex, primärer auditiver (engl. primary auditory
cortex; Syn. primäre Hörrinde, primärer auditorischer
Kortex, präfrontaler (engl. prefrontal cortex) Der Kortex, A1, Heschlscher Gyrus) Der in sechs Schich­
präfrontale Kortex (PFC) ist ein Teil des Frontal­ ten aufgebaute primäre auditorische Kortex findet
lappens und ist verantwortlich für die Steuerung sich auf den quer zur Fissura lateralis (Sylvischen
kognitiver Vorgänge. Er verarbeitet sensorische Sig­ Fissur) liegenden Gyri (= Gyri temporales trans­
nale aus dem Inneren und der Umwelt. Der PFC versi). Der Heschlsche Gyrus wird auf Brodmann-
wird als Kontrollzentrum für die situationsange­ Karten mit Area 41 bezeichnet. Er ist tonotop (nach
K messene Planung von Bewegungen angesehen und Frequenzen) organisiert und aus hemmenden und
ist gleichzeitig an der Regulation emotionaler Pro­ erregenden Säulen aufgebaut. Die Afferenz des A1 ist
zesse beteiligt. Er ist eng verbunden mit dem dorso­ die Hörbahn, die Efferenzen gehen weiter zur lateral
medialen Nucleus des Thalamus, posterioren parie­ angrenzenden sekundären Hörrinde (Area 42 und
talen Gebieten, dem superioren temporalen Kortex 22). Im primären auditorischen Kortex werden die
und Sulcus, dem Temporallappen, der Amygdala Töne auditiv-phonologisch verarbeitet, die Inter­
und dem Hypothalamus. Der PFC kann in drei Ab­ pretation erfolgt in den weiteren auditiven Arealen.
schnitte unterteilt werden: zum einen der für Verhal­ Läsionen im A1 haben keine Beeinträchtigung der
tensauswahl (dem Arbeitsgedächtnis entsprechend) Tonwahrnehmung zur Folge, führen allerdings zu
zuständige dorsolaterale präfrontale Kortex (Areal 8, Einschränkungen bei der Lokalisation von einge­
9 und 46), der zusammen mit ventrolateralen Be­ henden Signalen.
reichen (Areal 44, 45, 47/12) den lateralen PFC bil­
det, zum anderen der inferiore präfrontale Kortex Kortex, primärer motorischer (engl. primary motor
oder Orbitofrontalkortex (Areal 11, 12, 13, 14), der cortex; Syn. Motorkortex) Der primäre motorische
das Verhalten entsprechend den Hinweisen aus der Kortex liegt im Frontallappen und entspricht etwa
Umwelt (Kontextcues) auswählt und als dritter Teil dem Gyrus praecentralis (Brodmann-Areal 4). Der
der mediale frontale Kortex (Areal 24, 25 und 32). Gyrus praecentralis ist vor der Zentralfurche (Sulcus
centralis) lokalisiert, die den Frontallappen vom Pa­
Kortex, prämotorischer (engl. praemotoric cortex) rietallappen trennt. Der primäre motorische Kortex
Der prämotorische Kortex (PMC) liegt lateral fron­ ist somatotop, also nach Körperteilen organisiert,
tal des Motokortex (Brodman Areae 6 und z. T. 8) d. h. einzelne Bereiche des primären motorischen
und bildet zusammen mit dem supplementären mo­ Kortex sind für bestimmte Körperteile auf der kon­
torischem Kortex (SMA, medial gelegen) und dem tralateralen Seite verantwortlich. Der sog. moto­
rostralen zingulärem Kortex die sekundärmotori­ rische Homunkulus ist eine »Karte« dieser Bereiche.
Kortex, sekundärer motorischer 159

Dabei sind Körperteile, die komplexen Bewegungs­ primäre visuelle Kortex liegt im Okzipitallappen
abläufen dienen, stärker repräsentiert als andere, ober- bzw. unterhalb des Sulcus calcarinus. Die
die einfachere Bewegungsmuster ausführen. Der pri­ wichtigste Afferenz kommt aus dem ipsilateralen
märe motorische Kortex erhält Afferenzen aus dem Corpus geniculatum laterale. Durch die an früherer
Kleinhirn und den Basalganglien und projiziert über Stelle stattfindende Kreuzung der Sehbahn im
den Tractus corticospinalis (als Teil der Pyramiden­ ­Chiasma opticum sind die Gesichtsfeldhälften kon­
bahn) hinunter über den Hirnstamm in die Medulla tralateral repräsentiert. Der Fovea centralis (der
oblongata, wo ca. 70–90 % der Fasern auf die Ge­ Punkt des schärfsten Sehens) kommt im Vergleich
genseite wechseln, und von da bis ins Rückenmark zum restlichen Gesichtsfeld ein sehr großer Reprä­
(Medulla spinalis) reichen. sentationsbereich zu. Dieses Gebiet ist genauso groß
wie das Gebiet, auf das die übrigen Reizinforma­
Kortex, primärer somatosensorischer (engl. ­primary tionen projiziert werden. Die Informationsverarbei­
somatosensory cortex) Der primäre somatosenso­ tung im V1 weist eine komplexe Gliederung auf. Der
rische Kortex entspricht in etwa dem Gyrus post­ V1 wird auch als Area striata bezeichnet, da der Kor­
centralis und nimmt gleich 4 Brodman-Areale (BA) tex von einem weißen Streifen aus Nerven-fasern
ein: Area 3 (a und b), 1 und 2. Die Afferenzen des S1 durchzogen ist. Wie der Rest des Neokortex (Groß­
kommen aus dem ventrolateralen Thalamus. Die effe­ hirnrinde) werden die 6 Schichten mit römischen
renten Bahnen leiten die somatosensorische Infor­ Ziffern von I bis VI durchnummeriert. Schicht IV
mation weiter in den sekundären somatosensorischen gilt dabei als Informationen aufnehmende Emp­
Kortex (BA 5 und 7). Der primäre somatosensorische fangsschicht (Afferenz), während die verarbeitete
Kortex ist wie der angrenzende primäre motorische Information die Area striata über die Schichten V
Kortex auf dem Gyrus praecentralis entsprechend und VI wieder verlässt (Efferenz). Den Schichten I,
der Repräsentation der Körperteile organisiert, man II und III kommen integrative Funktionen zu. Zu­
spricht vom somatosensorischen Homunkulus. Kör­ sätzlich ist der primäre visuelle Kortex in sog. Domi­
perteile mit einer hohen Dichte an sensorischen Re­ nanzsäulen (Orientierungs- und okuläre Dominanz­ K
zeptoren (Fingerkuppen, Zunge) sind dabei größer säulen) organisiert, die vertikal zur Schichtung
repräsentiert als solche mit einer geringeren Rezep­ ­liegen und abwechslungsweise Informationen vom
torendichte (Arme, Beine). In einem neueren Modell rechten bzw. linken Auge verarbeiten. Diese Säulen
werden sogar 4 dieser Homunkuli angenommen, je sind weiter in orientierungssensitive rezeptive Felder
einer pro Brodmann-Areal. Die Homunkuli werden unterteilt. Ein 1-Millimeter-Block aus dem Kortex
dabei nach Art der verarbeiteten Information unter­ ist für einen bestimmten Bereich auf der Netzhaut
schieden: Informationen der Muskeln in Area 3a, der zuständig, die sog. Hypersäule. Im visuellen Kortex
Haut in Area 3b (langsame Bewegungen/Berüh­ kann eine weitere Struktur mittels einer Zytochrom­
rungen) und 1 (schnelle Bewegungen/Berührungen) färbung sichtbar gemacht werden, die als Flecken
und Informationen der Druck- und Gelenkrezepto­ identifizierbaren Blobs (dunkler gefärbt) und Inter­
ren in Area 2. Die Informationsverarbeitung läuft blobs. Während Blobs an der Farbwahrnehmung
­hierarchisch von der einfacheren zur komplexeren beteiligt (Gegenfarbprinzip) und inmitten der Domi­
Wahrnehmung ab. Die Areale 3a und 3b projizieren nanzsäulen angeordnet sind, spielen Interblobs eine
zu Area 1, diese wiederum zu Area 2, welche für Rolle bei der Form- und Bewegungswahrnehmung.
kombi­niertesomatosensorischeInformationen(Bewe­ Im primären visuellen Kortex wird die eintreffende
gung, Bewegungsrichtung und Orientation) ­zuständig Information demnach bereits in Form, Farbe und
ist. Läsionen im Bereich des primären somato­senso­ Bewegung unterteilt. Danach wird die Information
rischen Kortex führen zu Störungen der sensorischen zur Weiterverarbeitung in die extrastriären visuellen
Diskriminationsfähigkeit und Einschränkungen bei Areale V2-V5 weitergeleitet.
der Kontrolle von Präzisionsbewegungen.
Kortex, sekundärer motorischer (engl. secondary
Kortex, primärer visueller (engl. primary visual motor cortex) Zum sekundären motorischen Kortex
­cortex; Syn. Area striata, V1, Brodman-Areal 17) Der gehören das supplementär-motorische Areal, der
160 Kortex, visueller

prämotorische Kortex und die motorischen Areale Kortex, zerebraler (engl. cerebral cortex; Syn. ­Cortex,
des Gyrus cinguli. Alle diese Bereiche sind unterein­ Großhirnrinde) Die Großhirnrinde ist die etwa
ander neuronal verbunden, innervieren aber auch 2–5 mm dicke, mehrfach gefaltete Randschicht des
den Hirnstamm. Der sekundäre motorische Kortex Großhirns (Telencephalon). Da sie ca. 14 Mrd. Ner­
wird von Assoziationscorti und dem primärem venzellen enthält, wirkt sie grau und wird dem­
­motorischem Kortex innerviert, an den er umge­ entsprechend auch graue Substanz genannt. Zusam­
kehrt auch Signale zurückleitet. Er ist an der Planung men mit dem darunter liegenden Großhirnmark,
und Programmierung von komplexen Bewegungen der weißen Substanz, bildet sie den Großhirnmantel
beteiligt. Funktionelle Untersuchungen zeigen, dass (Pallium). Anatomisch lässt sich der Kortex grob in
seine Neurone vor und während der Ausführung 4 Lappen einteilen, die mit verschiedenen moto­
einer Bewegung feuern. Bei Bewegung auf nur einer rischen und sensorischen Leistungen in Zusammen­
Seite des Körpers sind trotzdem beidseitig sekun­ hang gebracht werden: 1. Frontallappen, 2. Parietal­
däre motorische Areale aktiv. lappen, 3. Temporallappen und 4. Okzipitallappen.
Über Kommissurenbahnen werden analoge Hirn­
Kortex, visueller (engl. visual cortex) Der visuelle teile der beiden Hemisphären zumeist durch den
Kortex liegt am hintersten Punkt des Okzipital­ Balken (Corpus callosum) verbunden. Assoziations­
lappens ober- und unterhalb des Sulcus calcarinus. bahnen verschalten Areale derselben Hemisphäre
Er wird in 5 verschiedene Areale unterteilt. V1 (für miteinander und Projektionsbahnen verbinden die
»Visuell 1«) wird auch als primärer visueller Kortex Großhirnrinde mit anderen Teilen des Gehirns und
oder Area striata bezeichnet¸ die Areale V2 bis stellen so die Verbindung zu Rückenmark und Peri­
V5 nennt man auch extrastriäre Areale. Jedes Areal pherie her.
dient einem spezifischen Aspekt der visuellen
Wahrnehmung wie Form, Farbe oder Bewegungs­ Kortex, zingulärer (engl. cingulate cortex; Syn.
richtung. Durch die Kreuzung der Sehbahn im ­Cingulum) Der zinguläre Kortex ist ein Teil des Ge­
K ­Chiasma opticum sind die Gesichtsfeldhälften je­ hirns direkt oberhalb des Corpus callosum, auf der
weils kontralateral repräsentiert, d. h. die Infor­ Innenseite der Hemisphären. Zusammen mit ande­
mationen des linken Gesichtsfeldes werden in die ren anatomischen Hirnstrukturen (u. a. dem Hippo­
rechte Hemisphäre projiziert und umgekehrt. Zu­ campus) bildet der zinguläre Kortex das limbische
sätzlich ist die obere ­ Hälfte des Gesichtsfeldes System. Der vordere zinguläre Kortex (anteriorer
­unterhalb, die untere Gesichtsfeldhälfte oberhalb Cortex cinguli, ACC) ist an der Steuerung von Auf­
des Sulcus calcarinus repräsentiert. Ein Gesichts­ merksamkeitsprozessen beteiligt, während der hin­
feldausfall (Skotom: punktartiger Ausfall; Hemian­ tere zinguläre Kortex (posteriorer Cortex cinguli,
opsie: Ausfall einer Hälfte; Quadrantanopsie: Aus­ PCC) den sensorischen Teil darstellt und Afferenzen
fall eines Viertels) beispielsweise im linken oberen vom somatosensorischen, auditorischen und visu­
Teil wäre folglich auf eine Läsion im unteren Teil des ellen Assoziationskortex erhält.
Okzipitallappens der rechten Hemisphäre zurück­
zuführen. Kortikoide 7 Kortikosteroide

Kortex, zerebellärer (engl. cerebellar cortex) Das Ze­ Kortikosteroide (engl. pl. corticosteroids; Syn. Korti-
rebellum (Kleinhirn) besteht aus der weißen Subs­ koide) Kortikosteroide sind eine Gruppe von ca. 50
tanz als Mark (Medulla) im Inneren und einer äuße­ in der Nebennierenrinde (adrenaler Kortex) gebil­
ren, nervenzellhaltigen Schicht, auch graue Subs­ deten Steroidhormonen sowie chemisch vergleich­
tanz. Diese äußere Schicht wird ähnlich wie beim baren synthetischen Stoffen. Alle natürlichen Korti­
Großhirn als Kortex (Rinde) bezeichnet (da zum kosteroide werden aus dem Lipid Cholesterol ge­
Kleinhirn gehörig als zerebellärer Kortex) und ver­ bildet. Man unterscheidet Mineralkortikoide (MK,
fügt wie dieser über eine stark gefaltete Oberfläche. z. B. Aldosteron) und Glukokortikoide (GK, z. B.
Der Kortex besteht aus drei Schichten und enthält Kortisol), welche in der Zona glomerulosa (MK)
Purkinje- und Granulazellen. bzw. in der Zona fasciculata (GK) des adrenalen
kranial 161

Kortex gebildet werden. Kortikosteroide spielen eine psychischen oder physischen Belastungen innerhalb
wesentliche Rolle bei der physiologischen Stress­ weniger Minuten an, weshalb es neben den Katechol­
reaktion. Sie beeinflussen außerdem die Immunre­ aminen Adrenalin und Noradrenalin als wichtigstes
aktion, die Regulation von Entzündungsprozessen, »Stresshormon« gilt. Eine Überfunktion der Korti­
den Kohlenhydrat- und Proteinstoffwechsel, den solausschüttung führt zum klinischen Bild des Mor­
Elektrolytspiegel und neuroplastische Prozesse im bus Cushing und eine Unterfunktion zum Morbus
Gehirn. Synthetische Kortikoide unterscheiden sich Addison.
von den natürlichen in ihrer Wirksamkeitsdauer
und Rezeptoraffinität. Sie werden bspw. zur Behand­ Kotransmitter (engl. co-transmitter) Kotransmitter
lung von Asthma und Haut-erkrankungen genutzt. sind biochemische Substanzen, die von zahlreichen
Neuronen im Gehirn neben den normalen Trans­
Kortikotropin-Releasing-Hormon (engl. corticotro- mittern ausgeschüttet werden. Sie beeinflussen die
pin-releasing hormone; Syn. Kortikoliberin) Kortiko­ Wirkung eines Neurotransmitters auf ein anderes
tropin-Releasing-Hormon (CRH) ist ein Neuropep­ Neuron. Kotransmitter werden in sog. »dense-core«-
tid aus 41 Aminosäuren, das im Nucleus paraventri­ Vesikeln gespeichert und durch präsynaptische Er­
cularis des Hypothalamus produziert und von dort regung freigesetzt. Ihre Ausschüttung erfolgt je­
über den hypophysären Portalkreislauf in die Adeno­ doch erst bei erhöhter zellulärer Erregung. In einer
hypophyse (Hypophysenvorderlappen, HVL) trans­ Präsynapse können verschiedene Kotransmitter
portiert wird. Hier stimuliert es in den POMC vorkommen, die die Vorgänge in der Postsynapse
(Proopiomelanocortin)-Zellen der Hypophyse v. a. modulieren. Zumeist wirken sie langsamer als die
die Freisetzung von ACTH (Adrenokortikotropes normalen Transmitter, ihre Wirkung hält dafür aber
Hormon). Seine Ausschüttung erfolgt pulsatil in länger an und reicht über große Areale des Zentral­
­einer Frequenz von ca. 4/Std. einem zirkadianen nervensystems. Der Transmitter Noradrenalin wird
Rhythmus folgend (morgens stärkere Ausschüttung z. B. durch Adrenalin und den Kotransmitter Neuro­
als abends). Die wichtigsten Regulatoren der CRH- peptid Y in seiner Wirkung moduliert. K
Ausschüttung sind Stress und die negative Rück­
kopplung durch Glukokortikoide (die unter ACTH- Krampf (engl. spasm, cramp) Es wird zwischen zere­
Einfluss gebildet werden). CRH scheint allerdings bralen und Muskelkrämpfen unterschieden. Bei letz­
nicht nur an der Stressreaktion beteiligt zu sein, teren, auch Spasmen genannt, bleiben Aktin und
­sondern auch an vielen anderen zentralen und peri­ Myosin im Muskel ineinander hängen und können
pheren Prozessen wie der Mobilisierung angemes­ sich vorübergehend nicht voneinander lösen. Dies
sener Verarbeitungsressourcen des Zentralnerven­ führt zu Schmerzen bzw. Zuckungen. Diese durch
systems und den physiologischen Reaktionen peri­ Überanstrengung oder Elektrolytstörungen hervor­
pheren Gewebes. gerufenen Krämpfe können durch Entspannungs­
übungen oder Magnesiumzufuhr behoben werden.
Kortisol (engl. cortisol) Kortisol ist ein Steroidhor­ Zerebrale Krampfanfälle (z. B. bei Epileptikern)
mon der Nebennierenrinde, das zahlreiche periphe­ ­werden dagegen durch das gleichzeitige, abnorme
re und zentralnervöse Effekte zeigt. Als Hauptglu­ ­Feuern zahlreicher Nervenzellverbände hervorgeru­
kokortikoid des Menschen ist es u. a. maßgeblich am fen und sind teilweise nicht örtlich beschränkt.
Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel beteiligt. Kor­
tisol wirkt entzündungshemmend und gilt als das Krampfanfall 7 Krampf
stärkste immunsuppressiv wirkende endogene Mole­
kül unseres Körpers. Kortisol ist das Endprodukt kranial (engl. cranial) Kranial (lat.) ist eine anato­
der sog. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren­ mische Lagebezeichnung und bedeutet »kopfwärts,
rinden-Achse (engl. HPA axis; dt. HHN-Achse) und oberhalb von«. Begriffe wie dieser werden zur Loka­
die Konzentration der Kortisolspiegel zeigt einen lisation von Strukturen (Organe, Hirnareale usw.)
robusten zirkadianen Rhythmus, der sich leicht im genutzt und beziehen sich auf die Relationen zwi­
Blut oder Speichel messen lässt. Kortisol steigt bei schen ihnen. Es muss daher immer eine Vergleichs­
162 Kreuzadaptation

struktur genannt werden, um die Lage bestimmen einen bestimmten, sondern auch auf strukturell
zu können (A liegt kranial zu B). Das Gegenteil von ähnliche Stoffe.
kranial ist kaudal.
Kreuztoleranz (engl. cross tolerance) Kreuztoleranz
Kreuzadaptation (engl. cross-adaptation) Die vom entsteht, wenn der Körper eine Toleranz gegenüber
Menschen wahrnehmbaren Düfte können in sieben einer Substanz (einer Droge, einem Medikament)
bis zehn Duftklassen eingeteilt werden. Mit Hilfe ausbildet und darauf hin auch auf strukturell ähnliche
der Kreuzadaptation kann man herausfinden, ob ein Substanzen mit geringeren körperlichen oder psychi­
Duft zu einer bestimmten Klasse gehört, also einem schen Veränderungen reagiert. In der Folge wirken
anderen Duft ähnlich ist. Bei einem lang anhalten­ diese Substanzen gar nicht mehr oder nur noch über
den Duft wird dieser nach einiger Zeit nicht mehr kurze Zeiträume. Daher muss die Ein­nahmedosis ge­
wahrgenommen. Kommt nun ein neuer Duft hin­ steigert werden, um überhaupt noch einen Effekt mit
zu, der dem ersten ähnlich ist (also in die gleiche dieser Substanzklasse zu erzielen. Kreuztoleranzen
Duftklasse fällt), wird dieser nur abgeschwächt oder stellen sich oft unter Barbituraten ein, sind aber auch
ebenfalls nicht wahrgenommen. Diese Abschwä­ bei vielen Drogen, Psychopharmaka und anderen
chung wird Kreuzadaptation genannt. Ein Duftreiz, Medikamentengruppen zu finden.
der nicht in die gleiche Klasse fällt, wird dagegen so
stark wie der erste Reiz vor der Adaptation wahrge­ Kurzzeitgedächtnis (engl. short-term memory) Das
nommen. Kurzzeitgedächtnis ist eine Art Zwischenspeicher,
in dem aufgenommene Informationen bis zu eini­
Kreuzreaktion (engl. cross reaction; Syn. Kreuzaller- gen Minuten bewusst erhalten werden können. Mit
gie) Die Kreuzreaktion ist ein Begriff aus der Aller­ 7 ± 2 Informationseinheiten (Millers »Magische
gologie. Hat eine Person auf eine bestimmte Subs- Zahl«) ist die Kapazität recht begrenzt. Außerdem
tanz eine allergische Reaktion gezeigt, kann es vor­ werden die Gedächtnisinhalte in diesem Speicher
K kommen, dass dem Allergen biologisch oder che­ weiterverarbeitet und bewertet. Auf zellulärer Ebene
misch gleichende Substanzen ebenfalls (und ohne geht diese kurzzeitige Speicherung mit veränderter
vorhergehenden Kontakt) eine Allergie auslösen. Neurotransmitterausschüttung in den beteiligten
Das spezifische Antigen reagiert also nicht nur auf Synapsen einher.
L
Labeled lines 7 Sinneskanal niederfrequenten Reizung für einen längeren Zeit­
raum herabgesetzt wird. Diese Veränderung der
Labyrinth (engl. labyrinth) Labyrinth ist ein anderer Sensibilität der postsynaptischen Membran entsteht
Ausdruck für die Gesamtheit der flüssigkeitsge­ durch den Untergang von AMPA-Rezeptoren unter
füllten Hohlräume der Wahrnehmungsorgane im Beteiligung G-Protein-gekoppelter Glutamat-Rezep­
Innenohr. Es besteht aus den drei Bogengängen, dem toren. Die daraus resultierende Schwächung der
Utriculus, dem Sacculus und der Cochlea (­Schnecke). Verbindung spielt vermutlich eine Rolle bei Verges­
Das Labyrinth ist sowohl für das Hören als auch für sensprozessen.
das Gleichgewicht zuständig. Dabei nehmen die Bo­
gengänge die Lage und der Utriculus die Beschleu­ Langzeitgedächtnis (engl. long-term memory) Das
nigung im Raum wahr, während die Cochlea für das Langzeitgedächtnis (LZG) ist der Speicher, in dem
Hören verantwortlich ist. sowohl in zeitlicher als auch mengenmäßiger Hin­
sicht unbegrenzt viele Informationen festgehalten
Lamellen (engl. pl. lamellae) Lamellen sind dünne werden können. Dafür müssen die Informationen
Membranplättchen, die als Außenglieder der Stäb­ zunächst aus dem Kurzzeitspeicher überführt wer­
chen und Zapfen Photopigmente enthalten. Diese den. Die Grundlage dieses als Konsolidierung be­
sind für die Umwandlung von Licht in elektrische zeichneten Vorganges ist die Langzeitpotenzierung
Signale verantwortlich. (LTP). Im weiteren Prozess der Festigung der Ge­
dächtnisinhalte treten strukturelle Veränderungen
Lamellenkörperchen (engl. pl. lamellar corpuscles; der synaptischen Verbindungen in den beteiligten
L
Syn. Pacini-Körperchen, Vater-Pacini-Körperchen) Hirnregionen durch Proteinbiosynthese auf. Welche
Bei den Lamellenkörperchen handelt es sich um in speziellen Hirnregionen beteiligt sind, hängt von der
der Unterhaut gelegene, relativ große und schnell Art der zu speichernden Information ab (z. B. Fak­
adaptierende korpuskuläre Mechanorezeptoren der tenwissen, autobiographisches Wissen, Fertigkeiten
Haut, die mit einer Schwelle von 100 bis 300 Hz oder Konditionierungen).
durch sinusförmige Reize (Vibrationsreize) erregt
werden. Sie bestehen aus konzentrisch angeordneten Langzeitpotenzierung (engl. long-term potention)
Lamellen und dienen vorwiegend als Beschleu­ Die Langzeitpotenzierung (LTP) ist ein Mechanis­
nigungssensoren und der Vibrationsdetektion. Sie mus synaptischer Plastizität und Grundlage der Ge­
treten auch in der Knochenhaut, auf der Oberfläche dächtniskonsolidierung. Nach einer hochfrequenten
von Sehnen und in Gelenkkapseln auf. (tetanischen) Reizung weist die postsynaptische
­Zelle eine anhaltend erhöhte Erregbarkeit auf. Die
Lamina basilaris 7 Basilarmembran Synapse bleibt gebahnt und reagiert im Folgenden
mit größeren postsynaptischen Amplituden durch
Längsfurche 7 Fissura longitudinalis gleiche präsynaptische Reizung. Dies kann über
Stun­den, Tage bis hin zu Wochen aufrechterhalten
Langzeitdepression (engl. long-term depression) werden. Der Vorgang beginnt mit der Ausschüttung
Die Langzeitdepression kann als Gegenstück zur des Neurotransmitters Glutamat der präsynapti­schen
Langzeitpotenzierung verstanden werden, da die Zelle. Dies führt zur Öffnung von AMPA-Rezep­
­Erregbarkeit der postsynaptischen Zelle nach einer toren an der postsynaptischen Membran und damit
164 Läsion

zur Depolarisation, es entsteht ein erregendes post­ lateral (engl. lateral) Der Begriff lateral dient der
synaptisches Potenzial (EPSP). Die hochfrequente Richtungs- und Lagebezeichnung in der Anatomie.
wiederholte Depolarisation (25–200 Hz) oder gleich­ Er bedeutet »von der Körpermitte weg«, »seitlich«,
zeitige Depolarisation durch mehrere Synapsen »seitwärts«. So können bestimmte Strukturen und
führt zur Öffnung des spannungsgesteuerten (engl. Organe in Relation zueinander lokalisiert werden.
voltage-gated) NMDA Rezeptors, also zur Ladungs­ Einige anatomische Strukturen tragen ihre Lagebe­
abstoßung des Magnesiumsions auf diesem Re­ zeichnung auch im Namen (z. B. Fissura lateralis).
zeptor. Dies führt zu einem Kalzium-Einstrom in die Das Gegenteil von lateral ist medial (mittig gelegen).
postsynaptische Zelle und einer erhöhten intrazel­
lulären Ca++-Konzentration. Kalzium aktiviert die Lateralplexus (engl. lateral plexus) Der Lateralple­
Proteinkinase C sowie Kalzium/Calmodulin-abhän­ xus bezeichnet das neuronale Netz, das für die late­
gige Kinasen, was in einem verstärkten Einbau von rale Verbindung der Axone der Ommatidien des
AMPA- und Kainat-Rezeptoren (beide Glutamat­ Pfeilschwanzkrebses (Limulus) verantwortlich ist.
rezeptoren) in die Membran resultiert. Weiterhin
werden bestehende AMPA-Rezeptoren durch die Lautheit (engl. loudness) Lautheit bezeichnet in der
CaMKII phosphoryliert und so deren Leitfähigkeit Psychologie die subjektiv empfundene Lautstärke
erhöht. Auf diesem Weg wird die postsynaptische eines Geräusches. Sie hängt nur mäßig mit der Dezi­
Membran für Glutamat sensitiviert. Dieses Phä­ belzahl, der physikalisch messbaren Lautstärke,
nomen wurde zuerst von Timothy Bliss und Terje ­zusammen. Lautheit wird in Sone gemessen, das
Lømø an Zellen des Hippocampus beschrieben, es Formelzeichen ist N. Ein Sone ist definiert als die
kommt aber auch in der Amygdala, dem Neokortex empfundene Lautstärke eines Schallereignisses von
sowie dem Zerebellum vor. 40 Phon, das heißt, ein Schall, der genauso laut
wahrgenommen wird wie ein 1.000-Hz-Sinuston
Läsion (engl. lesion) Läsionen beschreiben reversible mit einem Schalldruckpegel von 40 dB. Die Empfin­
oder irreversible Beschädigungen einzelner Be­ dung eines Geräuschs hängt von vielen Umgebungs­
reiche des menschlichen und tierischen Gehirns, faktoren wie der Geräuschqualität (Bohrmaschine
z. B. in Folge von Unfällen oder Hirnoperationen. oder Klavierspiel aus der Nachbarwohnung), der
L Läsionen gehen oft mit Verhaltensänderungen bzw. Konzentration der Person, der Aufmerksamkeit und
Einschränkungen in bestimmten Fähigkeiten der Ablenkung, der Stimmungslage und der Schwierig­
Patienten einher, wodurch sich ein Forschungsgebiet keit von parallel auszuführenden Aufgaben ab.
eröffnet, aus dem sich nützliche Erkenntnisse zu
Struktur-Funktionsbeziehungen des Gehirns gewin­ L-DOPA (engl. L-DOPA, L-3,4-Dihydroxyphenyl­
nen lassen. Eine häufig verwendete Methode in der alanin; Syn. Levodopa) L-DOPA ist eine Vorstufe des
Biologischen Psychologie ist die systematische Zer­ Neurotransmitters Dopamin und entsteht aus der
störung von Hirnsubstanz in tierexperimentellen essenziellen Aminosäure Tyrosin nach Anhängen
Studien und das anschließende Erfassen der resultie­ einer Hydroxylgruppe durch das Enzym Tyrosin­
renden Ausfallerscheinungen. Anwendung finden hydroxylase. L-DOPA wird zur Behandlung der Par­
dabei stereotaktische Apparate, die durch Einschie­ kinsonschen Krankheit eingesetzt, bei der es zu einer
ben kleiner Elektroden ortsgenaue Eingriffe in den Degeneration dopaminerger Neurone in der Subs­
Tiefen des Gehirns ermöglichen. tantia nigra und dadurch zu Dopaminmangel in den
Basalganglien kommt. Im Gegensatz zu Dopamin ist
Latenz (engl. latency) Latenz ist die Bezeichnung für es in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwin­
den Zeitraum zwischen der Darbietung eines Reizes den und wird anschließend im Gehirn in Dopamin
und dem Einsetzen einer beobachtbaren Reaktion, umgewandelt. L-DOPA führt jedoch nicht zu einer
unabhängig davon, ob es sich dabei um eine automa­ Heilung der Parkinsonschen Krankheit, sondern
tisierte oder gelernte Reaktion oder um einen Reflex nur zu einer Symptomunterdrückung, wobei es bei
handelt. Der Begriff »Latenz« lässt sich mit »Verzö­ Langzeitbehandlung von Parkinson-Patienten mit
gerung« übersetzen. L-DOPA zu massiven Nebenwirkungen wie Depres­
Leptin 165

sionen, Euphorie, Verwirrungszuständen, Halluzina­ motorischem und sensorischem Sprachzentrum.


tionen und Albträumen kommen kann. Die Spontansprache ist flüssig, es kommen jedoch
phonematische Paraphasien (Wortverwechslungs­
Leaky-Barrel-Model 7 Undichtes-Fass-Modell störungen) vor. Das Sprachverständnis ist nur gering
beeinträchtigt, die Patienten haben jedoch massive
Leberzirrhose (engl. hepatocirrhosis, cirrhosis (of Probleme beim Nachsprechen, d. h. Wörter können
the liver); Syn. Cirrhosis hepatis, Schrumpfleber) Die nicht korrekt wiederholt werden.
Leberzirrhose ist das Endstadium nahezu aller Le­
bererkrankungen und ist durch ihre Folgezustände Lemniscus lateralis (engl. lateral lemniscus, acoustic
lebensbedrohlich. Bei der Leberzirrhose kommt es lemniscus; Syn. laterale Schleifenbahn) Der Lemnis­
zu einem narbigen und irreversiblen Umbau der cus lateralis ist ein Faserbahnbündel (Faserschleife)
normalen Leberstruktur, der chronisch-progredient des auditorischen Systems, das Geräuschinforma­
verläuft. Hauptursachen für diesen Zustand sind tionen weiterleitet. Der Lemnicus lateralis entspringt
chronischer Alkoholmissbrauch und die chronische in den Hörkernen und verläuft durch den Trapez­
Virushepatitis, aber auch Medikamente oder Stoff­ körper, eine schräg laufende Faserschicht, in der
wechselerkrankungen können der Auslöser sein. Als etwa die Hälfte der Fasern kreuzt. Von dort aus zieht
Symptome treten u. a. Mattigkeit, Gewichtsverlust, er am seitlichen Rand der Brücke als Lemniscus
ein aufgetriebener Oberbauch und typische Hautauf­ ­lateralis zum Colliculus inferior im Mittelhirn.
fälligkeiten (z. B. gerötete Handinnenflächen, glatte
und rote Zunge, erweiterte Venen unter der Bauch­ Lemniscus medialis (engl. medial lemniscus, sensory
haut) auf. Durch zunehmende Störung der Entgif­ lemniscus; Syn. mediale Schleifenbahn) Der Lemnis­
tungs- und Synthesefunktion der Leber kann eine cus medialis ist eine Faserschleife des sensorischen
hepatische Enzephalopathie auftreten, die im meist Systems. Er hat seinen Ursprung in den Hinterstrang­
tödlichen Leberkoma endet. Eine kausale Behand­ kernen (epikritische Sensibilität des Halses, des
lung ist meistens nicht möglich, so dass die Therapie Rumpfes und der Extremitätsmuskeln). Alle Fasern,
in der Linderung der Symptome oder einer Trans­ die sich diesen Bahnen anschließen, kreuzen auf
plantation besteht. die Gegenseite und behalten eine strenge topische
Anordnung (getrennt nach Bein, Rumpf, Arm und
L
Lee-Boot-Effekt (engl. Lee-Boot-effect) Der Lee- Kopf) bei. Afferente sensibel-sensorische Impulse
Boot-Effekt beschreibt die Unterdrückung des der kontralateralen Körperhälfte werden dann vom
Brunstzyklus bei weiblichen Tieren (z. B. bei Mäu­ Lemniscus medialis zum Thalamus weiter geleitet.
sen), die in Gruppen zusammen leben. Der Östrus Die Körperwahrnehmung wird erst dann bewusst,
(Follikelreifung und Eisprung) wird durch die im wenn die sensorischen Impulse an den Gyrus post­
Urin befindliche Chemosignale, sog. Pheromone, centralis (somatosensorischer Kortex) gelangen.
unterdrückt oder verlangsamt. Für die Produktion
dieses Östrogen unterdrückenden Pheromons ist Lemniscus trigeminalis (engl. trigeminal lemniscus)
das Vomero­nasalorgan verantwortlich. Der Lee- Der Lemniscus trigeminalis ist ebenfalls eine Faser­
Boot-Effekt tritt vor allen in großen Gruppen von schleife des sensorischen Systems. Er nimmt seinen
weiblichen Tieren auf. Ursprung im sensiblen Trigeminuskern (Sensibilität
des Gesichts) und steigt zum Thalamus auf.
Legasthenie 7 Dyslexie
Lemniskales System 7 Hinterstrangsystem
Leitungsaphasie (engl. conduction aphasia) Die Lei­
tungsaphasie ist eine Form der »flüssigen Aphasie«. Leptin (engl. leptin; Syn. OB-Protein) Leptin ist ein
Flüssige Aphasien sind gekennzeichnet durch ein Hormon, welches von Fettzellen produziert und ab­
normales Sprachverständnis und Probleme bei der gegeben wird, Appetit hemmend wirkt und somit
Sprachproduktion. Die Leitungsaphasie entsteht eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Fett­
durch eine Unterbrechung der Verbindung zwischen haushaltes spielt. Es wurde 1994 von Jeffrey Fried­
166 Lernen

man entdeckt. Zwei unterschiedliche Arten von niseintragungen gebildet werden (Reiz-Reaktions­
Neuronen verfügen über Leptinrezeptoren, beide lernen).
befinden sich im Hypothalamus (Nucleus arcuatus,
Nucleus paraventricularis). Die eine Gruppe der Lernen, nichtassoziatives (engl. non-associative
Neuronen produziert Appetit fördernde Substanzen learning) Nichtassoziatives Lernen ist im Gegensatz
und wird durch Leptin gehemmt (NPY/AgRP-Sys- zum assoziativen Lernen durch geringe zeitliche
tem), die anderen produzieren Appetit hemmende Nähe von Reiz und Reaktion gekennzeichnet, also
Stoffe und werden somit durch Leptin aktiviert einer fehlenden Assoziation zwischen Reiz und Re­
(POMC/CART-System). Werden die Fettdepots des aktion. Das Verhalten ändert sich bei nichtassozia­
Körpers reduziert, nimmt die Konzentration von tivem Lernen als Konsequenz von Wiederholung
Leptin im gleichen Ausmaß ab. Vor dem Hinter­ der Reizsituation oder der Reaktion und ist sehr von
grund der Hunger unterdrückenden Wirkung von der Reizstärke abhängig. Nichtassoziative Lernvor­
Leptin erscheinen auf den ersten Blick die hohen gänge sind z. B. Habituation und Sensitivierung.
Leptinspiegel bei fettleibigen Personen paradox.
Aller­dings weisen viele dieser Patienten eine ausge­ Lernen, perzeptives (engl. perceptive learning) Das
prägte Leptinresistenz auf, das heißt, die Wirkung perzeptive Lernen beschreibt einen Lernvorgang zur
von Leptin auf die Zielzellen unterbleibt. Wiedererkennung, Unterscheidung und Differen­
zierung eines bestimmten Reizes. Ohne die Fähig­
Lernen (engl. learning) Lernen ermöglicht es einem keit eines Systems bestimmte Objekte oder Situa­
Individuum, sich durch Erfahrung und daraus resul­ tionen wiederzuerkennen, ist es unmöglich zu
tierende Änderungen des Verhaltens, Denkens oder ­lernen, wie sich bezüglich dieses Objektes oder
Fühlens an wechselnde Umweltbedingungen anzu­ ­dieser Situation verhalten werden sollte. Jedes ein­
passen. Lernen ist adaptiv und unterliegt der natür­ zelne Sinnessystem kann perzeptiv lernen, und der
lichen Selektion. Die Plastizität des Gehirns ermög­ perzeptive Lernvorgang spiegelt sich in der Regel in
licht das Lernen, dabei werden neue synaptische Veränderungen des jeweiligen sensorischen Assozi­
Verbindungen als auch die Modifikation bereits vor­ ationskortex wieder.
handener Verbindungen vorgenommen.
L Lesen (engl. reading) Lesen bedeutete ursprünglich
Lernen, motorisches (engl. motor learning) Moto­ »sammelnd auflesen« (germanische Sprachen). In der
risches Lernen ist die Änderung von Bewegungs- heutigen, deutschen Bedeutung meint es »Aufsam­
verhalten durch das Aneignen motorischer Fertig­ meln von Zeichen«. Lesen ist der Prozess, bei dem
keiten. Es handelt es sich um eine Komponente des Informationen aufgenommen und verstanden wer­
Reiz-Reaktionslernens (Ausbildung von Verbindun­ den, die in schriftlichen Zeichen gespeichert sind. Le­
gen zwischen den sensorischen und motorischen sen kann visuell oder taktil (Blindenschrift) erfolgen.
Systemen), welches ohne sensorische Informationen
aus der Umwelt nicht auftreten kann (das Fahrrad­ Lese-Rechtschreibschwäche 7 Dyslexie
fahren kann nicht ohne Fahrrad erlernt werden).
Von anderen Lernformen unterscheidet es sich be­ Lesen, lautierendes (engl. phonetic reading; Syn.
sonders in dem Maße, in dem neue Verhaltens­ phonetisches Lesen) Das lautierende Lesen ist eine
weisen gelernt werden. Je neuartiger das zu erler­ Form des Lesens, die meist für unbekannte oder
nende Verhalten (eine bestimmte Bewegung) ist, komplexe Worte verwandt wird. Dabei wird jeder
desto stärker müssen die neuronalen Schaltkreise Buchstabe einzeln gelesen und anschließend der mit
des motorischen Systems verändert werden. Eine ihm verbundene Laut erkannt. Aus der ­entstehenden
motorische Lernsituation erfordert meist variieren­ Lautfolge wird dann das Wort gelesen. Die phonolo­
de Anteile anderer Lernformen. So muss ein Reiz gische Dyslexie stellt eine Störung des lautierenden
zunächst wiedererkannt (perzeptives Lernen), eine Lesens dar.
Reaktion muss ausgeführt (motorisches Lernen)
und eine Verbindung zwischen den neuen Gedächt­ Lesestörung 7 Dyslexie
Ligand 167

Leseunfähigkeit (engl. alexia; Syn. Alexie, Wort- spezifischen Abwehr. Im Gegensatz zu roten Blut­
blindheit) Leseunfähigkeit bezeichnet die Unfähig­ körperchen enthalten Leukozyten immer Erbinfor­
keit, geschriebene Sprache zu lesen und ist somit mationen (DNA).
abgrenzbar zur Dyslexie (Leseschwierigkeit). Unter­
schieden wird in globale (vollständiges Unvermögen Lichtadaptation (engl. light adaptation) Lichtadap­
zu lesen), verbale (»nur« Wörter) und literale (»nur« tation ist die Anpassung des Auges an veränderte
Buchstaben) Alexie. Die Ursache der Leseunfähig­ Lichtverhältnisse durch Änderung der Pupillenweite
keit wird in einer Hirnläsion gesehen, die in einem und der Anpassung der Photorezeptoren der Netz­
Diskonnektionssyndrom resultiert. Die Verbindun- haut des Auges (Übergang vom Stäbchensehen auf
gen zwischen visuellem Erkennen (visuelle Areale das Zapfensehen und umgekehrt). Wird ein Rezep­
im Okzipitallappen), Sprachareal (Gyrus angularis) tor ständig belichtet, sinkt seine Empfindlichkeit
und visuellem Wortverarbeitungsareal (Gyrus fusi­ (Helladaptation); sinkt die Beleuchtung jedoch,
formis) sind dabei unterbrochen, etwa durch eine steigt die Empfindlichkeit der Rezeptoren bzw. es
Schädigung des Spleniums im Balken. Läsionen die­ wird auf das Stäbchensehen umgeschaltet (Dunkel­
ser Art können z. B. durch einen Schlaganfall oder adaptation).
ein Schädel-Hirn-Trauma entstehen. Gesprochene
Sprache (allenfalls Wortfindungsstörungen) und de­ Lichtquant (engl. photon; Syn. Photon, Lichtteilchen)
ren auditive Verarbeitung sind bei der reinen Alexie Ein Quant beschreibt in der Physik ein nicht weiter
kaum oder gar nicht beeinträchtigt. Allerdings tritt teilbares Energieteilchen. Lichtquanten sind die
Alexie häufig in Verbindung mit Aphasie (Sprach­ Grundbausteine der elektromagnetischen Strahlung
störung) und Agraphie (Schreibstörung) auf. und besitzen die Eigenschaften von Wellen. Dass
Licht aus Lichtquanten besteht, wurde 1905 erstmals
Leukotom (engl. leucotome) Ein Leukotom ist ein von Einstein beschrieben, der 1921 für diese Ent­
Präzisionsschneidegerät, das von Neurochirurgen deckung den Nobelpreis erhielt. Lichtquanten kön­
zur Leukotomie eingesetzt wird. Es besitzt am Ende nen durch verschiedene Prozesse erzeugt werden,
eines Edelstahlschafts eine Metallschleife, mit der u. a. durch Übergänge von Elektronen zwischen ver­
Axone in eng umgrenzten Bereichen des ZNS durch­ schiedenen Zuständen, bei radioaktiven Prozessen
trennt werden können. oder durch Schwankungen in einem elektromagne­
L
tischen Feld.
Leukotomie 7 Lobotomie, präfrontale
Lichttherapie (engl. phototherapy) Die Lichttherapie
Leukozyten (engl. pl. leukocytes; Syn. weiße Blut­ ist eine vielseitig einsetzbare Therapieform, in der
körperchen) Leukozyten sind Zellen, die Krankheits­ Personen mit einer intensiven Lichtquelle (bis zu
erreger unschädlich machen und den Körper vor 10000 Lux) bestrahlt werden. Die Haupteinsatzgebie­
Infektionen schützen. Sie bilden einen Teil des Im­ te sind: Saisonale affektive Störung (Winterdepres­
munsystems und sind verantwortlich für die zel­ sion), Schlafstörungen mit verzögerter Schlafphase,
luläre Immunreaktion. Leukozyten sind immer an Bulimie, Schichtarbeit und Behandlung des Jetlags.
Entzündungsreaktionen beteiligt und können diese Ziel der Lichttherapie ist die Synchronisation bio­
durch freigesetzte Botenstoffe (wie Zytokine) auf­ logischer Tagesrhythmen mit der Umgebung. Der
rechterhalten, modulieren oder auch beenden. Es Erfolg von Lichttherapie ist unterschiedlich groß:
werden drei Gruppen von Leukozyten unterschie­ Bei bis zu 60 % der Patienten mit Winterdepression
den: Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten. führt allein die Lichttherapie ohne medikamentöse
Gebildet werden sie im Knochenmark aus pluri­ Behandlung zur wesentlichen Verbesserung der de­
potenten Stammzellen und haben eine Lebensdauer, pressiven Symptomatik.
die nur wenige Tage bis mehrere Jahrzehnte betragen
kann. Je nach Gruppe erfüllen sie verschiedene Auf­ Ligand (engl. ligand) Ein Ligand ist ein Ion oder ein
gaben, bspw. beteiligen sich Granulozyten an der Molekül, das von einem Zentralatom angezogen
unspezifischen Abwehr und Lymphozyten an der wird und mit diesem eine Komplexverbindung ein­
168 Linkage

geht. In der Biologie versteht man darunter körper­ Lipide zu Glyzerin und freien Fettsäuren spalten, so
eigene oder fremde Stoffe, die einen Rezeptor beset­ dass diese von Magen und Dünndarm weiter genutzt
zen und über diesen eine Wirkung auf die Zielzelle bzw. im Stoffwechsel weiter verwertet werden kön­
ausüben. Dazu bindet der Ligand reversibel an spe­ nen. Bei Verdacht auf eine akute Entzündung der
zielle Bindungsstellen des Rezeptors. Abhängig da­ Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) wird der Lipase-
von, ob ein Ligand dabei in Konkurrenz zu einem Wert als empfindlichster Parameter im Blutserum
endogenen Liganden steht oder nicht, spricht man bestimmt. Lipasen finden sich neben der Bauchspei­
von einem kompetitiven oder nicht kompetitiven cheldrüse besonders häufig in der Darmwand und in
Liganden. der Leber.

Linkage (engl. linkage, coupling; Syn. Protein-Ligand- Lipektomie (engl. lipectomy) Lipektomie bezeichnet
Wechselwirkung) Als Linkage bezeichnet man die einen chirurgischen Eingriff zur Entfernung von
gegenseitige Beeinflussung der Bindung zweier Li­ Körperfett.
ganden an ein Protein, dessen dreidimensionale
­Faltung sich in Abhängigkeit von den gebundenen Lipolyse (engl. lipolysis, adipolysis) Lipolyse bezeich­
Liganden ändert (allosterisches Protein). Die Bin­ net den Abbau von Körperfett, der durch eine hydro­
dung eines Liganden kann dabei die Affinität der lytische Spaltung des Neutralfetts aus dem Fettge­
Bindung des zweiten Liganden erhöhen bzw. verrin­ webe durch Triazylglyzerollipasen und Abgabe von
gern. Die Bindung von Liganden beeinflusst dabei Glyzerin und freien Fettsäuren ins Blut gekenn-
die Aktivität des Proteins. In der Genetik bezeichnet zeichnet ist.
man mit Linkage den gemeinsamen Erbgang von Ge­
nen infolge der Lokalisation im selben Chromosom. Lipoprivation (engl. lipoprivation) Lipoprivation be­
zeichnet den Abfall der Fettsäurenverfügbarkeit im
Linkage-Analysis (engl. linkage analysis; Syn. Kopp- Körper.
lungsanalyse) Als Linkage-Analyse bezeichnet man
in der Genetik die Erstellung genetischer Karten Liquor cerebrospinalis 7 Zerebrospinalflüssigkeit
­anhand der Untersuchung der gemeinsamen (ge­
L koppelten) Vererbung bestimmter DNA-Bereiche Lithium (engl. lithium) Lithium ist ein metallisches
(genetische Loci). Dabei gilt folgende Regel: Je näher Element, welches in der Natur in Form verschie­
zwei genetische Loci beieinander liegen, desto höher dener Salze (Azetat, Aspartat, Karbonat, Sulfat) vor­
ist die Wahrscheinlichkeit der gekoppelten Verer­ kommt und als Medikament verwendet wird. Der
bung (Linkage). Die Kopplungsanalyse wird v. a. für biologisch wirksame Teil davon ist das Lithiumion.
die Lokalisierung von Genen auf Chromosomen Eine Lithiumtherapie ist in erster Linie zur rezidiv­
bzw. für die Kopplung von genetischen Markern an prophylaktischen Behandlung von affektiven und
Gene genutzt. schizoaffektiven Störungen und als Dauer- bzw. In­
tervallbehandlung bei der manisch-depressiven Stö­
Linkage Groups (engl. linkage groups; Syn. Kopp- rung (bipolar-affektiven Störung) indiziert. Die
lungsgruppen) Als Kopplungsgruppe bezeichnet neuro­chemischen Effekte sind adrenerg, cholinerg,
man Gene und Marker eines Genoms, die gemein­ GABA-erg und peptiderg. Eine Lithiumtherapie ist
sam vererbt werden. Die Größe hängt dabei von der mit vielen unerwünschten Nebenwirkungen wie
Zahl der kartierten Marker und der Größe der Kartie­ bpsw. Händetremor, gastrointestinalen Beschwer­
rungspopulation ab. Die Zahl der Kopplungsgrup­ den, immunologischen und kardialen Veränderun­
pen eines Genoms entspricht der Chromosomenan­ gen verbunden. Kontraindikationen sind u. a. Nie­
zahl des haploiden Chromosomensatzes. renfunktionsstörungen oder Myokardinfarkt.

Lipase (engl. lipase; Syn. Steapsin) Lipasen gehören Lobektomie (engl. lobectomy) Lobektomie bezeich­
zur Gruppe der Verdauungsenzyme, der Esterasen. net die totale bzw. teilweise Entfernung eines Groß­
Sie dienen der Verdauung von Fetten, indem sie die hirnlappens. Es ist ein operatives Verfahren, das v. a.
Lordose 169

zur Behandlung einer refraktären Epilepsie einge­ Locus coeruleus (engl. locus ceruleus; Syn. blauer
setzt wird, wenn eine medikamentöse Therapie un­ Kern) Auf der Höhe der Pons (am rostralen Ende des
zureichend ist. Berühmtestes Fallbeispiel ist der Pa­ 4. Ventrikels) im Hirnstamm in der Formatio reticu­
tient H. M., bei dem zur Behandlung einer schweren laris befindet sich der Locus coeruleus, der Haupt­
Epilepsie eine bilaterale mediotemporale Lobekto­ produktionsort von Noradrenalin im Gehirn. Von
mie durchgeführt wurde. hier aus projiziert »der blaue Kern« in weite Teile des
Gehirns, so etwa ins Vorderhirn, in thalamische
Lobektomie, bilaterale (engl. bilateral lobectomy) Kerne, den Hippocampus, den Hypothalamus, aber
Ein bilaterale Lobektomie ist die beidseitige (d. h. so­ auch in das Kleinhirn und das Rückenmark. Das
wohl rechts- als auch linkshemisphärische) Entfer­ noradrenerge System spielt bei vielen behavioralen
nung eines Großhirnlappens bzw. eines Teils davon. und physiologischen Prozessen eine Rolle (Stim­
mung, Arousal, Orientierung und Aufmerksamkeit,
Lobektomie, temporale (engl. temporal lobectomy) Sexualverhalten). Der Nucleus locus coeruleus be­
Die temporale Lobektomie bezeichnet die beid- steht aus dem großen zentralen Nucleus, einem
oder einseitige, komplette oder anteilige Entfernung ­anterioren Kern, einem Nucleus subcoeruleus und
des Temporallappens. Eine Indikation für diese Art einem kleinen posterior-dorsalen Subnucleus. Eine
der Lobektomie besteht, wenn der Temporallappen wichtige Rolle spielt der Locus coeruleus auch bei
als Ausgangspunkt der Epileptogenese identifizier­ der Regulation der Schlafstadien: Die Aktivität des
bar ist. noradrenergen Systems ist im Wachzustand am
höchsten, im Slow-Wave-Sleep gedämpft und im
Lobotomie, präfrontale (engl. prefrontal lobotomy; REM-Schlaf (auch »Traumschlaf«) äußerst gering
Syn. frontopolare Lobotomie) Bei der präfrontalen oder gar nicht mehr vorhanden. Gegenspieler der
Lobotomie werden die neuronalen Verbindungen beiden aminergen Systeme ist dabei das cholinerge
zwischen dem Frontallappen und dem Thalamus System, das während des REM-Schlafs vorherrscht.
durchtrennt. Einen ähnlichen Eingriff beschreibt der Außerdem wird eine Überaktivität des Locus coeru­
Begriff Leukotomie. Der Unterschied besteht darin, leus in Bezug auf Angsterkrankungen diskutiert.
dass bei einer Lobotomie nur graue Substanz, bei der
Leukotomie nur weiße Substanz entfernt wird. Mit Locus subcoeruleus (engl. locus subceruleus) Der
L
diesem Verfahren wurden Mitte der 1930er Jahre bis Locus subcoeruleus stellt eine relativ diffuse, primär
Mitte der 1950er Jahre Tausende psychisch Kranke noradrenerge Struktur des Locus coeruleus dar.
(z. B. Schizophrene) behandelt. Als Folgen traten die ­Zudem gilt der Locus subcoeruleus als eines der
erwünschte Verminderung der Symptomatik, aber Zentren absteigender Hemmung des nozizeptiven
auch erhebliche kognitive Defizite (Aufmerksam­ Systems und kann bei Anregung Analgesie verur­
keitsstörungen etc.) auf. sachen.

Lobotomie, transorbitale (engl. transorbital loboto- Logoklonie (engl. logoclonia) Logoklonie meint
my) Die transorbitale Lobotomie ist ein neurochi­ rhythmisches und unkontrolliertes Wiederholen von
rurgisches Verfahren, bei dem die neuronalen Ver­ Endsilben oder von ganzen kurzen Wörtern, wodurch
bindungen zwischen Frontallappen und subkorti­ es zu einer Silbenanhäufung kommt. Logoklonie tritt
kalen Arealen durchtrennt werden. Transorbital bei Alzheimer- und Parkinsonkrankheit auf.
bedeutet dabei, dass das Durchtrennungsinstrument
durch die Augenhöhle eingeführt wird. Long-term depression 7 Langzeitdepression

Lobus frontalis 7 Frontallappen Long-term potentiation 7 Langzeitpotenzierung

Lobus occipitalis 7 Okzipitallappen Lordose (engl. lordosis) Lordose ist ein Reflex zur
Krümmung des Rückens bei vielen vierbeinigen,
Lobus parietalis 7 Parietallappen weiblichen, empfängnisbereiten Säugern, der sich in
170 Lordosequotient

etwa 300 ms vollständig ausbildet. Bei Annäherung und 70er Jahren des 20. Jh. zur Modedroge avan­
eines Männchens oder bei Berührung der Flanke des cierte. LSD ist ein Serotonin-Antagonist. Die Ein­
Weibchens krümmt dieses den Rücken einwärts, nahme führt zu intensivierten und veränderten Zeit-
richtet den Kopf auf und hebt das Hinterteil an. Auf und Sinneswahrnehmungen und Halluzinationen
diese Weise bietet es dem männlichen Partner seine sowie körperlichen Reaktionen (Pupillenerweite­
Genitalien dar und ermöglicht die Intromission. Der rung, erhöhter Blutdruck, später erniedrigter Blut­
Nucleus hypothalamicus ventromedialis ist für die druck, Hyperthermie, Herzrasen, Gefäßkrämpfe).
Auslösung dieses Reflex verantwortlich, die Auf­ Die Wirkung kann bis zu 12 Jahren nach Einnahme
rechterhaltung hingegen wird durch einen supra­ in Form von Flashbacks wiederkehren. LSD hat eine
spinalen Reflex erreicht. In der Medizin versteht schwache Toxizität und ein geringes körperliches
man unter Lordose auch die nach vorne gerichtete Abhängigkeitspotenzial, doch besteht ein hohes
Krümmung der Wirbelsäule. ­Unfallrisiko unter LSD-Einfluss aufgrund der verän­
derten Wahrnehmungen. Das psychische Abhängig­
Lordosequotient (engl. lordosis quotient) Der Lordo­ keitspotenzial ist mittelgradig, die Gefahr von LSD
sequotient bezeichnet die Anzahl der von einem liegt vor allem in der großflächigen irreversiblen De­
männlichen Säugetier durchgeführten Besteigungen generation von Nervenzellen im Gehirn.
eines Weibchens, die schließlich zur Lordose führen.
LTD 7 Langzeitdepression
Lösung, hypotonische (engl. hypotonic solution) In
einer hypotonischen Lösung ist die Konzentration LTP 7 Langzeitpotenzierung
des Lösungsmittels und somit auch der osmotische
Druck geringer als in einer Vergleichslösung, die Lügendetektor (engl. lie detector; Syn. Polygraph)
durch eine semipermeable Membran abgetrennt ist. Basierend auf der Annahme, dass verstärkte sym­
Das Lösungsmittel strömt vom Ort der höheren zum pathische Erregung das Lügen begleitet, werden ver­
Ort der niederen Konzentration in die hypotonische schiedene peripherphysiologische Maße (elektro­
Lösung und ein Konzentrationsausgleich findet statt. dermale Aktivität, Puls, Atmung, Herzrate), die sich
Handelt es sich bei der hypotonischen Lösung um bei verstärkter sympathischer Aktivität verändern,
L das Zytoplasma einer Zelle, dehnt sich die Zelle aus als Lügendetektor verwendet. Die Validität solcher
oder platzt. Tests wird von Wissenschaftlern bezweifelt. Zum
ersten können sehr viele andere Prozesse kognitiver,
Lösung, isotonische (engl. isotonic solution) In einer sensorischer und emotionaler Natur ebenfalls mit
isotonischen Lösung ist die Konzentration des Lö­ einem Erregungsanstieg im vegetativen Nervensys­
sungsmittels und somit auch der osmotische Druck tem einhergehen. Zum zweiten kann nicht davon
genauso groß wie in einer Vergleichslösung, die sich ausgegangen werden, dass bei jedem Individuum
hinter einer semipermeablen Membran befindet. Es und bei jeder Lüge eine physiologische Veränderung
findet aufgrund des fehlenden Konzentrationsgradi­ registriert werden kann (bei Menschen, die ihre
enten keinerlei Stofftransport statt. Falschaussagen wirklich glauben, unterbleibt eine
solche Reaktion). Zum dritten unterliegen auto­nome
LSD (engl. lysergic acid diethylamide, lysergide; Syn. Parameter oft erheblichen Spontanschwankungen,
Lysergsäurediethylamid, Lysergamid, Lysergid) LSD so dass die Gefahr fälschlich zugeordneter Reak­
ist ein halbsynthetisches hochpotentes Halluzi­no­ tionen besteht. Neuere fMRT-Untersuchungen zei­
gen. Von der chemischen Struktur her ist es mit den gen, dass Lügen mit einem erhöhten metabolischen
Mutterkornalkaloiden verwandt. Die Schweizer Verbrauch insb. im präfrontalen Kortex einherge­
Chemiker Stoll und Hofmann entwickelten es ur­ hen. Durch die Kombination der bildgebenden Ver­
sprünglich als Kopfschmerzmittel, bis seine halluzi­ fahren mit psychophysiologischen und behavioralen
nogene Wirkung entdeckt wurde. Anfänglich wurde Maßen könnten die neurobiologischen Prozesse
es zur Behandlung psychischer Erkrankungen und bei einer kognitiv so komplexen Funktion wie dem
zur Forschung eingesetzt, bevor LSD in den 60er ­Lügen genauer erforscht werden.
Lysosom 171

Lungenemphysem (engl. pulmonary emphysema; Lymphknoten (engl. lymph node; Syn. Nodus lym-
Syn. Lungenblähung, Emphysema pulmonum) Ein phaticus) Die Lymphknoten sind ein elementarer
Lungenemphysem ist eine krankhafte Überblähung Bestandteil des lymphatischen Systems, das eine
(Vermehrung des Luftgehaltes) der Lunge. Aufgrund wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielt, aber
andauernder entzündlicher Prozesse in der Lunge auch Transportfunktion hat (es drainiert das Inter­
kommt es zur Erweiterung der Alveolen, mit oder stitium und sorgt für den Transport von Nahrungs­
ohne Schwund ihrer Scheidewände. Die Lunge ver­ fetten aus dem Darm). Die Lymphknoten sind den
liert ihre Elastizität, was zu mühevollem Ausatmen Lymphbahnen, die sich im gesamten Körper finden,
und letztendlich zur Überblähung der Lunge führt. zwischengeschaltet. Sie sind nur wenige Millimeter
Es können verschiedene pathogenetische Eintei­ groß und bohnenförmig. Die Lymphknoten über­
lungen vorgenommen werden, z. B. akutes Emphy­ nehmen einen großen Teil der Reinigung der vor­
sem, seniles Emphysem, chronisch destruierendes beifließenden Lymphe (z. B. von Stoffwechselpro­
Emphysem (z. B. bei chronischer Bronchitis) oder dukten, Fremdkörpern etc.) und sorgen für eine
angeborenes Emphysem. Zu den Symptomen zählen unverzügliche spezifische Abwehr, wenn sich Anti­
Kurzatmigkeit, bläulich verfärbte Lippen (aufgrund gene in der Lymphe befinden. In ihrem Inneren fin­
des Sauerstoffmangels), Husten und Thoraxverände­ det die Vermehrung der Lymphozyten statt.
rungen (»Fassthorax«). Als Behandlungsmöglich­
keiten ergeben sich die Raucherentwöhnung (Em­ Lymphozyten (engl. pl. lymphocytes) Lymphozyten
physem tritt häufig bei Rauchern auf), eine medika­ gehören neben den Monozyten (Makrophagen) und
mentöse Therapie, Krankengymnastik, Sauerstoff- den Granulozyten zu den Leukozyten (weißen Blut­
Langzeittherapie sowie chirurgische Eingriffe. körperchen). Sie werden im Knochenmark gebildet,
in lymphatischen Organen gespeichert und sind zu­
Lungenparenchym (engl. lung tissue, lung paren- ständig für spezifische Abwehrmechanismen gegen
chyma) Das Lungenparenchym bezeichnet das Eindringlinge im Körper. Es wird zwischen T-Zellen
­ ungengewebe. Es setzt sich aus der Schleimhaut
L (T-Lymphozyten), B-Zellen (B-Lymphozyten) und
mit Zellen zum Gasaustausch, Flimmerzellen zum NK-Zellen (natürliche Killerzellen) unterschieden.
Fremdkörperabtransport sowie Drüsenzellen, die
Botenstoffe für die Lungenfunktion freisetzen, zu­ Lysosom (engl. lysosome) Lysosomen sind bläschen­
L
sammen. Außerdem enthält es eine Muskelschicht förmige, von einer Membran umschlossene Struk­
zur Regulierung der Öffnungsweite der Atemwege, turen von ca. 250–750 nm Durchmesser, die vom
Bindegewebe, das die Lunge gliedert, und elastische Golgi-Apparat gebildet werden und das gesamte
Fasern. Zyto­plasma bevölkern. Lysosome fungieren als intra­
zelluläres Verdauungssystem. In ihrem Inneren be­
Lungenwurzel (engl. pulmonary root; Syn. Radix finden sich hydrolysierende Enzyme (z. B. ­Proteasen,
pulmonis) Die Luftröhre teilt sich in einen rechten Nukleasen und Lipasen), mit denen sie beschädig­
und einen linken Zweig auf, die Hauptbronchien ge­ te Zellstrukturen, exogene Nahrungspartikel und
nannt werden. Den Abschnitt, an dem die Haupt­ Fremdstoffe (z. B. Bakterien) verdauen. Zudem sind
bronchien (inklusive Gefäße und Nerven) in die je­ sie in der Lage, Proteine zu Aminosäuren, Glykogen
weiligen Lungenflügel eintreten, nennt man Lungen­ zu Glukose und Fette zu Fettsäuren und Glyzerin
wurzel. Von dort aus verästeln sich die Bronchien zu spalten. Ihre weitere Funktion zeigt sich beim
mehr und mehr in den Lungenflügeln und enden programmierten Zelltod (Apoptose), bei dem durch
schließlich in den Lungenbläschen. Lysosome z. B. die »Schwimmhäute« beim mensch­
lichen Embryo abgebaut werden.
M
Magen-Darm-Trakt 7 Gastrointestinaltrakt stimmte Richtung gelenkt. Durch das Aussenden
von Radiowellen werden die Protonen aus dieser Po­
Magersucht 7 Anorexia nervosa sition gebracht. Werden die Radiowellen ausgeschal­
ten, schlagen die Protonen in die Richtung zurück,
Magnetoenzephalographie (engl. magnetoencepha­ die ihnen vom Magnetfeld vorgegeben wurde. Dabei
lography) Die Magnetoenzephalographie (MEG) ist senden sie Signale aus, die von Computern regis­
ein nichtinvasives Untersuchungsverfahren zur Dar­ triert und verrechnet werden. Die Zeit, die die Was­
stellung der Magnetfelder, die durch die neuronale serstoffprotonen dazu benötigen (Relaxationszeit),
Aktivität des Gehirns entstehen. Da die magneti­ hängt vom sie umgebenden Gewebe ab. Deshalb er­
schen Signale des Gehirns nur wenige Femtotesla hält der Computer verschiedene Signale in Abhän­
betragen, müssen äußere Störungen möglichst voll­ gigkeit von der Art des Gewebes. So kann im Gehirn
ständig eliminiert werden. Dafür wird das MEG z. B. graue von weißer Substanz unterschieden wer­
in einer elektromagnetisch abschirmenden Kabine den. Die MRT liefert eine sehr genaue und differen­
­aufgezeichnet. Moderne Ganzkopf-MEGs verfügen zierte Darstellung sämtlicher Körpergewebe, beson­
über eine helmartige Anordnung von ca. 300 Mag­ ders aber nichtknöcherner Strukturen wie Weich­
netfeldsensoren (sog. SQUIDs). Der größte Nachteil teile, Gelenke und Gehirn. Sie zeichnet sich durch
der MEG-Lokalisation besteht in der Uneindeutig­ eine hohe räumliche Auflösung aus.
keit des inversen Problems. Das heißt, dass die Lo­
kalisation der zu Grunde liegenden Hirnareale nur Magnetresonanztomographie, funktionelle (engl.
dann richtig erfolgen kann, wenn das zu Grunde functional magnetic resonance imaging, fMRI) Die
liegende Modell im Bezug auf die Anzahl der Zent­ funktionale Magnetresonanztomographie (fMRT)
M ren und deren grobe örtliche Anordnung im Wesent­ ist eine Technik, mit der die Aktivierung bestimmter
lichen richtig ist. Die neueste Entwicklung in der Teile des Gehirns durch spezifische Tätigkeiten oder
MEG-Forschung ist die sog. fetale MEG, mit deren Empfindungen bestimmt werden kann. Diese Be­
Hilfe die Magnetfelder des menschlichen Gehirns reiche können deshalb durch die fMRT abgebildet
bereits vor der Geburt nichtinvasiv gemessen wer­ werden, da innerhalb der aktivierten Bereiche das
den können. Blut (genauer das Hämoglobin) mehr Sauerstoff
transportiert (oxygeniert). Grundlage für die fMRT
Magnetresonanztomographie (engl. nuclear ma­ ist der »blood oxygenation level dependent effect«
gnetic resonance, magnetic resonance imaging (MRI); (»BOLD-Effekt«). Ist das Blut oxygeniert, hat es
Syn. Kernspintomographie, KST, MRT) Die Magnet- ­andere magnetische Eigenschaften als im desoxy­ge­
resonanztomographie (MRT) bezeichnet ein bildge­ nierten (sauerstoffarmen) Zustand. Somit erhält man
bendes Verfahren zur strukturellen Darstellung von ein stärkeres Signal von den aktivierten Hirn­regionen.
inneren Körperstrukturen. Dazu werden Schnittbil­ Mittels fMRT können sowohl primäre sensorische
der erzeugt, die Körpergewebe und nichtknöcher­ und motorische Aktivität, als auch höhe­re kognitive
ne Strukturen sehr detailliert sichtbar machen. Die Funktionen wie z. B. die Sprache untersucht werden.
Grundlage dieses Verfahrens sind Wasserstoff­atome, Zunächst wird von der Person ein hochauflösender
die im menschlichen Körper ungeordnet vorkom­ struktureller Scan gemacht, der als Hintergrund für
men. Wird ein starkes Magnetfeld angelegt, werden die folgenden Scans benötigt wird. Anschließend
die Atomkerne der Wasserstoffatome in eine be­ werden der Person Reize dargeboten oder Aufgaben
Malleus 173

gestellt. Das Bild im Ruhezustand wird mit den Bil­ Makroelektroden (engl. pl. macroelectrodes) Makro­
dern in Aktivität übereinander gelegt, um die akti­ elektroden messen das postsynaptische Potenzial
vierten Hirnareale sichtbar zu machen. von vielen Neuronen gleichzeitig, d. h. sie haben
­einen großen Ableitungsradius.
Magnetstimulation, transkranielle (engl. transcra­
nial magnetic stimulation) Die transkranielle Mag­ Makroglia (engl. pl. macroglia) Makroglia sind be­
netstimulation (TMS) basiert auf dem Prinzip der sonders große Gliazellen. Dazu zählen die Astrozy­ten
magnetischen Induktion, das 1831 von Michael (Astroglia), die zur Phagozytose befähigt und mit
­Faraday entdeckt wurde. Durch eine rasche Ände­ den Blutgefäßen und Nervenzellen verbunden sind,
rung eines sehr starken Magnetfeldes wird im Hirn­ sowie die Oligodendrozyten (Oligodendroglia), die
gewebe ein elektrisches Feld induziert, das einen die Axone umgeben und die Markscheiden bilden.
Stromfluss erzeugt, der wiederum zur Depolarisa­
tion von Neuronen führen kann. Die moderne TMS Makrophage (engl. macrophage; Syn. Fresszelle) Ma­
wurde 1985 von Barker als eine Methode der nicht­ krophagen sind bewegliche einkernige Zellen, die zu
invasiven Stimulation des motorischen Kortex ein­ den weißen Blutkörperchen und somit zum zellu­
geführt. Die Anwendung rasch und regelmäßig auf­ lären Immunsystem gehören. Sie entwickeln sich
einander folgender Einzelstimuli wird als repetitive im Knochenmark aus pluripotenten Stammzellen
TMS (rTMS) bezeichnet. Von Untersuchungen am (Stammzellen, die Organe oder Organteile bilden
motorischen Kortex ist bekannt, dass niederfrequen­ können) und werden dann als Monozyten in das
te rTMS hemmende und hochfrequente rTMS ver­ Blut abgegeben. Im Falle einer Entzündung wandern
stärkende Effekte auf die kortikale Erregbarkeit sie aus dem Blutstrom in das infizierte Gewebe ein,
­haben. TMS wird auch für die Behandlung von neu­ wo sie rasch zu Makrophagen heranreifen. Sie neh­
rologischen Erkrankungen wie der Epilepsie oder der men Bakterien, Viren und geschädigte oder tote Zel­
Parkinson-Krankheit verwendet, ebenso in der Psy­ len in sich auf (Phagozytose) und zerstören sie in
chiatrie für die Therapie affektiver Störungen, v. a. ihren Lysosomen. Dazu stehen ihnen u. a. Enzyme
der Depression. und Sauerstoffradikale zur Verfügung, mit denen die
Erreger getötet werden können. Außerdem entde­
Major Depression (engl. major depression; Syn. de­ cken sie körperfremde Proteine auf der Oberfläche
pressive Episode, Depression) Die Major Depression von Viren und Bakterien, die anschließend phago­
ist eine der häufigsten psychischen Störungen. Sie zytiert, zerkleinert und den T-Helferzellen als Anti­ M
zeichnet sich durch depressive Verstimmung, In­ gene präsentiert werden. Makrophagen können orts­
teressenverlust und Konzentrationsprobleme über ständig oder ortsunabhängig sein. Sie sind Teil der
­einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen aus. unspezifischen (angeborenen) Immunantwort.
Weitere mögliche Symptome zeigen sich auf einer
kognitiv-motivationalen Ebene (Gefühl der Wertlo­ Makulaorgan (engl. vestibular macular organ) Das
sigkeit, Schuldgefühle, verminderte Entscheidungs­ Maculaorgan ist ein Teil des Gleichgewichtsystems
fähigkeit, Suizidgedanken, Gefühl des Kontrollver­ und nimmt lineare Bewegungsbeschleunigungen
lustes) sowie im somatischen Bereich (Schlafstörun­ wahr. Es gibt zwei Arten von Makulaorganen, die
gen, veränderter Appetit, Müdigkeit, Energieverlust, Macula utriculi und die Macula sacculi. Die Macula
veränderte Psychomotorik). Für die Entstehung ­einer utriculi wird durch horizontale, die Macula sacculi
Major Depression wird das Zusammenspiel zwischen durch vertikale Beschleunigung gereizt.
psychosozialen, psychologischen und biologischen
Faktoren angenommen. Bezüglich der biologischen Malleus (engl. malleus; Syn. Hammer) Der Malleus
Faktoren zeigt sich eine Dysregulation im Neuro­ ist eines der drei Gehörknöchelchen. Er liegt in der
transmitterhaushalt (Noradrenalin, Serotonin) sowie Paukenhöhle und ist fest mit dem Trommelfell, ge­
eine Veränderung der Kortisolsekre­tion. Jedoch sind lenkig mit dem Amboss verbunden. Wird das Trom­
die genauen biologischen Mechanismen bei der Ent­ melfell in Schwingung versetzt, geht diese zunächst
wicklung einer Depression noch ungeklärt. auf den Hammer über, der diese Bewegung wieder­
174 Mamillarkörper

um auf den Amboss überträgt. Er erfüllt in Verbin­ MAO 7 Monoaminoxidase


dung mit den beiden anderen Gehörknöchelchen
(Amboss und Steigbügel) die Funktion der Schall­ MAO-Hemmer 7 Monoaminoxidasehemmer
verstärkung.
Marihuana 7 Cannabis sativa
Mamillarkörper (engl. pl. mammilary bodies; Syn.
Corpus mamillare) Die Mamillarkörper sind zwei Mark, verlängertes 7 Medulla oblongata
große Kerne im posterioren Hypothalamus. Sie wur­
den nach ihrer Form benannt, die einer weiblichen Marker (engl. marker) Der Begriff Marker wird so­
Brust ähnelt. Afferent sind sie mit der Hippocam­ wohl im sprachlichen als auch im biologischen Sinne
pusformation, dem Septum und dem restlichen Hy­ verwendet und bezeichnet generell ein Merkmal
pothalamus verbunden. Zum anterioren Thalamus eines Elements. In der Linguistik wird damit die
sowie dem Tegmentum weisen sie efferente Verbin­ Darstellung der Reihenfolge von Transformations­
dungen auf. In ihrer Funktion werden die Mamillar­ regeln bezeichnet. In der Biologie versteht man unter
körper dem limbischen System zugeordnet und da­ Marker genetische Merkmale von Viren oder aber
bei v. a. mit Lernen und Gedächtnis in Zusammen­ Stellen, die bestimmte Abschnitte in den Genen
hang gebracht. So ist bei Patienten, die unter einem kennzeichnen.
Korsakow-Syndrom leiden, häufig eine Schädigung
der Mamillarkörper festzustellen. Marker, genetischer (engl. genetic marker) Kurze
DNS-Sequenzen, die innerhalb einer Gesamtpopu­
Mammalia 7 Säuger lation unterschiedliche Ausprägungen haben, also
polymorph sind, bezeichnet man als genetische
Mandelkern 7 Amygdala Marker. Dabei sind die Gensequenzen und deren
Phänotyp bekannt, somit kann man Träger dieser
Manie (engl. mania) Die Manie bezeichnet eine Sequenz identifizieren. Der relative Abstand der
krankhafte Veränderung der Stimmungslage. An­ Marker untereinander und der Abstand von Mar­
ders als bei der Depression, die mit ständiger Trau­ kern zu Genen wird für die Erstellung genetischer
rigkeit einhergeht, tritt bei der Manie eine per­ Karten genutzt. Dabei wird untersucht, ob ein be­
manente positive Gefühlslage auf. Die Erkrankten stimmter genetischer Marker gekoppelt mit einem
M ­haben meist ein übersteigertes Selbstwertgefühl, Gen vererbt wird. Besondere Anwendung findet
Größenideen bis hin zum Größenwahn, zeigen ein dieses Verfahren in der sog. Marker gestützten Pflan­
vermindertes Schlafbedürfnis, vermehrte Gesprä­ zenforschung bei der Analyse von Genomen land­
chigkeit, gesteigerte Betriebsamkeit und Ideenflucht. wirtschaftlich nutzbarer Getreide.
Weitere Symptome sind eine gesteigerte Libido und
übermäßige Beschäftigung mit angenehmen Akti­ Maskulinisierung (engl. masculinization; Syn. Ver­
vitäten, die zu unangenehmen Konsequenzen füh­ männlichung, Virilisierung) Maskulinisierung be­
ren können (z.B. ungezügeltes Einkaufen). Subjektiv zeichnet primär die Ausbildung sekundärer männ­
werden diese Zustände von den Patienten z. T. als licher Geschlechtsorgane. Weiterhin versteht man
quälend beschrieben, sie fühlen sich von ihrer Per­ darunter eine Krankheit, bei der der Körper einer
sönlichkeit entfremdet und durch die rasenden Ge­ Frau aufgrund androgener Hormone vermännlicht.
danken gereizt und gehetzt. Andererseits geht die Symptome sind die Ausbildung sekundärer männ­
Manie mit einer massiv gesteigerten Produktivität licher Geschlechtsorgane, Haarausfall, Verkleine­
und Kreativität einher, was einige Patienten als ange­ rung der Brüste, Vergrößerung der Klitoris, Vertie­
nehm erleben. Häufig tritt die Manie als bipolare fung der Stimmlage und ein Libidoverlust. Das Ge­
Störung auf, bei der es zu einem Wechsel zwischen genteil von Maskulinisierung ist Feminisierung.
Depression und positiver Stimmung kommt. Die
Manie an sich wird nicht als eigenständige Störung, Mastzellen (engl. pl. mast cells; Syn. Mastozyten)
sondern als manische Episode diagnostiziert. Als eine Form der weißen Blutkörperchen sind die
Medianebene 175

Mastzellen ein Bestandteil des Immunsystems. Sie mensch­liche Krebszellen in eine befruchtete Maus-
wandern aus dem Blut des Menschen in das Binde­ Eizelle injiziert. Der Embryo wird einer Mutter­
gewebe ein und besitzen sehr viele Granula (Körn­ maus implantiert. Die neugeborene Maus hat dann
chen). In diesen sind Histamin und Heparin ge­ einen Teil fremder DNA in ihre eigenen Chromo­
speichert. Durch die Abgabe von Histamin steuern somen integriert und vererbt diesen auch weiter.
Mastzellen allergische Reaktionen vom Typ1 (IgE-ver­ Nach Schätzungen gibt es inzwischen über 10.000
mittelte Allergien wie z. B. Asthma, allergische Rhi­ transgene Tiermodelle zur Untersuchung verschie­
nitis, systemische Anaphylaxie). Auf der Oberfläche dener Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer, Dia­
der Mastzellen bilden sich nach einem erstmaligen betes, AIDS u. v. m. Die meisten transgenen Expe­
Antigenkontakt Antikörper, die bei einem erneuten rimente werden mit Mäusen durchgeführt, aber
Antigenkontakt die Ausschüttung von Histamin auch bspw. Ratten und Kaninchen werden transgen
herbeiführen. Dies führt zu Juckreiz, Schmerzen, mutiert.
Kontraktion der glatten Muskulatur in den Bron­
chien, Erweiterung der Kapillaren, Erhöhung der Mechanorezeptor (engl. mechanoreceptor) Mecha­
Ka­pillarpermeabilität, Blutdruckabfall, Induktion norezeptoren sind spezialisierte Rezeptoren in der
einer erhöhten Magensäuresekretion und Erhöhung Haut, den Ohren, in den Muskeln und Blutgefäßen,
der Herzfrequenz. die auf mechanische Reize wie Druck, leichte Berüh­
rung, Zug, Dehnung und Vibration reagieren. Die
Matching-to-Sample-Test 7 Übereinstimmungstest wichtigsten Untertypen sind die Vater-Pacini-Sen­
soren, die Meissner-Körperchen, die Merkel-Zellen,
Matrix (engl. matrix; Syn. Muttergewebe) Als Matrix die Ruffini-Körperchen, die Haarfollikel-Sensoren
bezeichnet man eine Grundsubstanz, die durch eine sowie die Tastscheiben. Es gibt vier Arten von Ner­
fehlende innere Struktur gekennzeichnet ist. Dabei venfasern, die die Impulse der Rezeptoren zum Ge­
variiert ihre Bedeutung, je nachdem, welche Aufga­ hirn leiten: SA-I und SA-II (beide langsam adap­
be sie zu erfüllen hat. So bildet sie beim Chromosom tierend), RA und PC (beide schnell adaptierend). Sie
die Hüllsubstanz um die DNA-Fäden, den interzel­ lassen sich nach histologischen und funktionellen
lulären Raum der Mitochondrien und die Interzellu­ Kriterien charakterisieren. Es werden des Weiteren
larsubstanz zwischen tierischen Zellen. viszerale (kardiovaskuläres System), viszerosoma­
tische (pulmonales System) und somatische (Mus­
Matrix, extrazelluläre (engl. extracellular matrix) keln, Gelenke, subkutanes Gewebe der Brustwand, M
Der Ausdruck extrazelluläre Matrix (EZM) wird als Wirbelsäule) Mechanosensoren unterschieden.
Sammelbegriff für alle Matrixkomponenten im ex­
trazellulären Raum aller vier Grundgewebstypen Mechanosensor 7 Mechanorezeptor
(Epithel-, Muskel-, Nerven- und Binde-/Stützgewe­
be) genutzt. Beim EZM handelt es sich um Makro­ medial (engl. medial; Syn. mittelwärts, einwärts) Der
moleküle und den Anteil des Gewebes, der von tie­ Begriff medial dient der Richtungs- und Lagebe­
rischen Zellen in den Interzellularraum sezerniert zeichnung in der Anatomie. Er bedeutet »zur Kör­
wird. permitte hin, mittelwärts«. Bestimmte Strukturen
eines Organismus können so im Verhältnis zu ande­
Mäuse, transgene (engl. pl. transgenic mice) Trans­ ren Strukturen lokalisiert werden. Einige tragen ihre
gene Mäuse sind Mäuse, die in ihrem Organismus Lagebezeichnung auch direkt im Namen (z. B. Gyrus
fremde Gene tragen. Durch Einführung fremder temporalis medialis). Das Gegenteil von medial ist
DNA wird erreicht, dass das Erbgut der Ver­ lateral (seitlich gelegen).
suchstiere verändert wird. Genetisch veränderte
DNA-Sequenzen können zufällig zustande kommen Medianebene (engl. median (sagittal) plane; Syn.
oder zielgerich­tet in ein Empfängergenom implan­ Median-Sagittalebene) Die Medianebene bezeichnet
tiert werden. Zur Überprüfung verschiedener ge­ne­ einen Schnitt durch die Körpermitte. Der Schnitt
tisch (mit)bedingter Erkrankungen werden bspw. verläuft also zwischen den Augen, entlang der Nase,
176 Medianschnitt

dem Kinn und durch den Bauchnabel, so dass linke moduliert Wahrnehmungen der Sinnesorgane. Die
und rechte Körperhälfte getrennt werden. Medulla oblongata enthält in einer olivenförmigen
Struktur die sog. Olivenkerne, ein wichtiges moto­
Medianschnitt (engl. sagittal section; Syn. mittlere risches Zentrum, das in enger Verbindung mit dem
Sagittalebene) Der Medianschnitt teilt das Gehirn in Zerebellum steht und rückkoppelnd die Bewegungs­
zwei symmetrische Hälften. koordination unterstützt.

Mediator (engl. mediator) Ein Mediator bezeichnet Medulla spinalis 7 Rückenmark


in der Versuchsplanung eine Variable, die einen
Kausaleffekt spezifiziert. Unterscheiden sich bspw. Meerrettichperoxidase (engl. horseradish-peroxi­
zwei Therapieformen in ihrer Wirkung auf den Pa­ dase) Die Meerrettichperoxidase (MRP) ist ein En­
tienten, so gibt eine Mediatorvariable an, auf welche zym, welches zur Anfärbung von Schnittpräparaten
spezifischen Eigenschaften der Therapieformen die verwendet wird. Die MRP wird ins Gewebe injiziert,
Unterschiede zurückgeführt werden können. In der von den präsynaptischen Endigungen aufgenom­
Medizin sind Mediatoren Wirkstoffe, die nicht wie men und dann zum Zellkörper transportiert. Später
Hormone von Organen, sondern von verschiedenen wird das Gewebe entnommen und eingefärbt, so
Geweben oder Zellen bei physiologischen Vorgän­ dass die MRP in den Zellen sichtbar wird. Dies dient
gen oder pathologischen Prozessen gebildet und der Markierung von afferenten Axonen.
abgesondert werden. Außerdem werden auch Neu­
rotransmitter als Mediatorsubstanzen bezeichnet. MEG 7 Magnetoenzephalographie
Eine Substanz, die als »zellulärer Mediator« außer­
halb von Synapsen gebildet wird, z. B. infolge einer Meiose (engl. meiosis, reduction division; Syn.
Antigen-Antikörper-Reaktion oder einer Entzün­ ­Reduktionsteilung; Reifeteilung; Cyclus meioticus)
dung (»Entzündungsmediator«), wird ebenfalls als ­ eiose ist der Vorgang der Zellkernteilung bei der
M
Mediator bezeichnet. In der Psychologie bezeichnet geschlechtlichen Fortpflanzung. Das Ergebnis sind
man eine Person als Mediator, die mehrere Parteien vier Keimzellen, die leichte Unterschiede im gene­
bei einer Konfliktregelung unterstützt. tischen Material aufweisen können. Beim Aufein­
andertreffen der Gene der Parentalgeneration ist das
Medulla oblongata (engl. hindbrain, myelencepha­ Lebewesen besser vor Mutationen geschützt, da we­
M lon; Syn. Medulla oblongata, Bulbus, Myelenze­phalon) nigstens ein gesundes Allel eines Elternteils vorhan­
Die Medulla oblongata (verlängertes Mark) ist die den ist. Voraussetzung für die Meiose ist, wie bei der
Durchgangs- und Schaltstation aller Nervenbahnen, Mitose, die Verdopplung des genetischen Materials
die vom Rückenmark zum Gehirn und umgekehrt durch identische Replikation in der Interphase. Es
verlaufen. Es bildet den vorderen Teil des Rauten­ folgen nun zwei Reifeteilungen: eine Reduktionstei­
hirns, geht kaudal ins Rückenmark über und wird lung und eine einfache mitotische Teilung. Die erste
kranial vom Pons begrenzt. Im verlängerten Mark Reifeteilung (Reduktionsteilung) beginnt mit der
kreuzen der größte Teil der Pyramidenbahnen (moto­ Prophase, die deutlich länger dauert als die Prophase
rische Fasern) und ca. 80 % der sensiblen (senso­ der Mitose. Dabei kondensiert das im Zellkern
rischen) Fasern. Außerdem enthält die Medulla ob­ ­vorhandene Chromatin und strukturiert sich so zu
longata Anhäufungen von Nervenzellkernen (graue 2-Chromatid-Chromosomen. In der Interphase ver­
Substanz) mit lebenswichtigen vegetativen Zentren doppelt sich auch das in der Zelle liegende Zentriol,
für Stoffwechsel, Atmung, Herzschlag, Blutgefäß­ und sie wandern nun zu gegenüberliegenden Polen
weite und Reflexe (Husten, Niesen, Brechen, Schlu­ der Zelle und bilden den Spindelfaserapparat aus.
cken, Lidschluss, Saugen des Säuglings). Hier liegen Die Prophase ist abgeschlossen, wenn das Kernkör­
auch die Ursprungskerne der Hirnnerven VIII–XII. perchen aufgelöst und die Kernhülle fragmentiert
Vom verlängerten Mark ausgehend, reicht die For­ ist. In der Prometaphase zerfällt nun die Kernhülle
matio reticularis bis in das Zwischenhirn. Sie regelt komplett, die Spindelfasern dringen in den Kern ein
u. a. den Wach-Schlaf-Zustand, Muskeltonus und und die Chromosomen wandern in die Mitte der
Melanopsin 177

Zelle. An den Zentromeren der homologen 2-Chro­ leitung der Impulse von den Zellen ins Rückenmark
matid-Chromosomen setzen die Zugfasern des bewirken. Meissner-Körperchen können auch als
Spindelfaserapparates an. In der Metaphase ordnen Geschwindigkeitsdetektoren bezeichnet werden, da
sich die nun maximal verkürzten Chromosomen die Impulsfrequenz von der Eindrucksgeschwindig­
paarweise übereinander in der Äquatorialebene an. keit abhängt.
Hierbei kommt es zur Tetradenbildung, d. h., dass
sich die homologen Chromosomen praktisch gegen­ Meissnersche Tastkörperchen 7 Meissner-Körper-
über liegen. Es kann zum Crossing-over kommen, chen
wobei die Chromosomen untereinander Bruchstü­
cke austauschen. In der folgenden Anaphase werden Melanin (engl. melanin) Melanin ist ein braunes
die homologen Chromosomen voneinander ge­ oder schwarzes Pigment (Farbmittel), das durch die
trennt und jeweils an die gegenüber liegenden Pole enzymatische Oxidation des Tyrosins gebildet wird.
gezogen. In der abschließenden Telophase ver­ Beim Menschen ist es verantwortlich für Haut-,
schwinden die Spindelfasern wieder, die Chromoso­ ­Augen- und Haarfarbe. Als Farbmittel spielt es aber
men entspiralisieren, eine neue Kernmembran wird auch bei Wirbeltieren, Insekten, in Tintenfischtinte,
aufgebaut und das Kernkörperchen entsteht. Das Mikroorganismen und Pflanzen eine große Rolle.
Ergebnis der Reduktionsteilung sind somit zwei Bei Wirbeltieren sind Melanozyten in der Haut und
­haploide Zellen mit 2-Chromatid-Chromosomen, der Retina für die Melaninbildung verantwortlich.
wenn die Ausgangszelle diploid war. In der zweiten Beim Menschen unterscheidet man zwei Varianten:
Reifeteilung (mitotische Teilung) erfolgt keine er­ das braun/schwarze Eumelanin und das hellere,
neute Verdopplung der DNA. Die einfache mito­ schwefelhaltige gelblich/rötliche Phäomelanin. Die
tische Teilung erfolgt nun nach dem Prinzip der Melanine der menschlichen Haut und der Haare
Mitose. Da die Chromosomen unterschiedlicher sind Mischformen aus Eumelaninen und den Phäo­
Herkunft sind (Mutter und Vater), in der Metaphase melaninen. Das Mischungsverhältnis bestimmt den
I zufällig angeordnet werden und das Crossing-over Hauttyp. Bei roten Haaren ist der Phäomelaninge­
stattfindet, entstehen als Endergebnis der Meiose halt sehr hoch und nimmt über braune und schwar­
vier nicht identische Keimzellen. ze Haare hin ab. Melanin bildet sich in der Haut
vermehrt bei Sonneneinstrahlung und dient mög­
Meissner-Körperchen (engl. pl. Meissner’s (tactile) licherweise auch als Schutz gegen UV-Strahlung.
corpuscles; Syn. Meissner-Tastkörperchen, Meissner Durch genetische Veranlagung bzw. durch erwor­ M
Tastscheiben) Für den Tastsinn gibt es Rezeptoren, bene Schäden an der Erbsubstanz kann die Melanin­
die abhängig von der Art der Stimulationsmodalität synthese gestört sein. Bei unzureichender Produk­
(Druck, Berührung, Vibration), spezifisch auf diese tion fehlen auch die Farbmittel in Haut, Haaren und
Modalität reagieren. Zu den Berührungsrezeptoren Augen, was zu den Symptomen des Albinismus
zählen auch die Meissner-Körperchen, die als Me­ führt. Bei Überproduktion treten vermehrt dunkle
chanorezeptoren in der Haut in den Papillen des Flecken in der Haut auf (Leberflecken, Sommer­
Koriums (Dermis/Lederhaut) liegen. Sie bestehen sprossen, Muttermale), die sich auch bösartig verän­
aus Schwann-Zellen und terminalen Nervenfasern, dern können (malignes Melanom).
umgeben von einer Kapsel und dienen der Regis­
trierung von bewegter Berührung und leichter Vibra­ Melanopsin (engl. melanopsin) Melanopsin ist ein
tion. Dabei feuern die Meissner-Körperchen nicht Protein, das zur Gruppe der Opsine (oder »Sehfarb­
bei Dauerdruck, sondern nur bei Druckänderung, stoffe«) gehört. Produziert wird Melanopsin in der
adaptieren aber bei konstantem Druckreiz – anders Retina in einer Untergruppe der lichtsensitiven reti­
als die Merkel-Zellen – mittelschnell. Meissner-Kör­ nalen Ganglienzellen. Die spinnwebartig angeord­
perchen sind nur in der unbehaarten Haut und zu­ neten Zellen reagieren auf Helligkeitsunterschiede
dem in einer hohen Dichte in den Fingerspitzen zu und ihre Axone ziehen direkt über den retinohypo­
finden. Sie werden von schnell leitenden, markhal­ thalamischen Pfad in den suprachiasmatischen
tigen Nervenfasern versorgt, die eine rasche Weiter­ ­Nucleus (SCN). Melanopsin spielt eine Rolle bei der
178 Melatonin

lichtabhängigen Unterdrückung der Ausschüttung sigkeit (CSF) gefüllt ist und den äußeren Liquorraum
von Melatonin aus der Epiphyse (Zirbeldrüse). Zu­ darstellt.
dem ist es an der Synchronisation der zirkadianen
Rhythmik (inneren Uhr) beteiligt. Membran, postsynaptische (engl. postsynaptic
membrane) Als postsynaptische Membran wird die
Melatonin (engl. melatonin; N-Azetyl-5-Methoxy­ Zellmembran nach dem synaptischen Spalt bezeich­
tryptamin) Melatonin ist ein Hormon, das zu der net. Auf bzw. in ihr befinden sich Rezeptoren für
Monoaminklasse der Indolamine gehört. Es wird Neurotransmitter. Bei der neuronalen Erregungs­
in der Zirbeldrüse (Epiphyse), der Retina und im weiterleitung diffundieren Neurotransmitter von
Magen-Darm-Trakt aus Serotonin produziert. Die der präsynaptischen Membran zur postsynaptischen
Synthese und der Ausstoß Melatonins wird durch Membran über den synaptischen Spalt und binden
den Tag-Nacht-Zyklus beeinflusst: Beim Einsetzen an diese Rezeptoren.
der Dunkelheit wird die sympathische Innervation
der Epiphyse durch den Nucleus suprachiasmaticus Membran, präsynaptische (engl. presynaptic mem­
(SCN) des Hypothalamus erhöht. Dies steigert die brane) Als präsynaptische Membran wird der Teil
Produktion und den Ausstoß von Melatonin. Bei der Synapse vor dem synaptischen Spalt bezeichnet,
Säugetieren, deren Reproduktion an Jahreszeiten ge­ genauer gesagt, die Zellmembran vor dem synap­
bunden ist, wirken sich saisonale Fluktuationen im tischen Spalt. Bei ankommenden Aktionspotenzia­
Melatoninspiegel auf die Einleitung der Paarungszeit len kommt es zur Depolarisation der Präsynapse,
aus. Melatonin scheint weiterhin an der Einleitung was dazu führt, das darin gelagerte Vesikel mit der
der Pubertät beteiligt zu sein und sich auf den Schlaf präsynaptischen Membran verschmelzen und dabei
auszuwirken. Der Einsatz von Melatonin zur Be­ Transmitter in den synaptischen Spalt freisetzen.
handlung von Schlafstörungen ist umstritten; eine ­Diese Transmitter geben das Signal aus der Präsyn­
Melatonin-Einnahme zur Verhinderung/Abschwä­ apse weiter an die postsynaptische Membran.
chung eines Jetlags bei längeren Flugreisen mit
Überschreitung mehrerer Zeitzonen scheint hilf­ Membranleitfähigkeit (engl. membrane permeabi­
reich zu sein. lity) Die Membranleitfähigkeit beschreibt die Fähig­
keit von Biomembranen, die ihnen anliegende Span­
Membran (engl. membrane) Eine Membran bezeich­ nung durch Öffnung oder Schließung von Ionen­
M net in der Technik ein dünnes Blättchen unterschied­ kanälen oder die Auslösung von Second-Messenger-
licher stofflicher Herkunft, das sich durch seine Systemen zu ändern. Die Membranleitfähigkeit ist
Schwingungsfähigkeit auszeichnet. In der Biologie die Grundlage von Ruhe- und Aktionspotenzial.
wird darunter eine dünne Hautschicht verstanden, Eine Erhöhung der Membranleitfähigkeit tritt bei
die eine trennende oder abgrenzende Funktion oder Rezeptoren auf, die Na+ oder Ca++ in die Zelle ein­
Filterfunktion erfüllt. In der Zytologie sind vor allem strömen lassen. Die Leitfähigkeit kann aber auch
die doppelschichtigen Biomembranen der Zellen über metabotrophe Rezeptoren verändert werden,
von Bedeutung. die intrazelluläre Prozesse zur Spannungsänderung
in Gang setzen.
Membran, arachnoide (engl. arachnoid mater; Syn.
Arachnoida, Spinnengewebshaut) Die arachnoide Membranpotenzial (engl. membrane potential) Das
Membran ist die mittlere der drei Meningen (Hirn­ Membranpotenzial ist die elektrische Spannung, die
häute) und besteht aus feinen Fasern des kollagenen zwischen der Innen- und Außenseite einer Biomem­b­
Bindegewebes. Über Ausstülpungen, die sog. Arach­ ran anliegt und über einen Bereich von bis zu 120 mV
noidalzotten, hat die arachnoide Membran Kontakt variieren kann. Ein solches Potenzial tritt immer
zur darüber liegenden Dura mater und realisiert so dann auf, wenn sich auf beiden Membranseiten die
die Liquorresorption. Zwischen der Arachnoidea Teilchenanzahlen unterscheiden (bzw. Teilchen ver­
und der darunter liegenden Pia mater befindet sich schiedener Ladungen vorliegen). Das Membranpo­
der Subarachnoidalraum, der mit Zerebrospinalflüs­ tenzial ermöglicht die Steuerung von Ionenströ­men,
Menstruationszyklus 179

die entweder entlang oder entgegen des Konzentra­ verursacht wird. Symptome sind ein steifer Nacken
tionsgefälles erfolgen kann und legt somit Grund­ (Kinn kann nicht mehr zur Brust geführt werden),
lage für eine Reaktion auf Veränderungen. Die zwei Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Lichtemp­
wichtigsten Membranpotenziale sind das Ruhepo­ findlichkeit. Bleibt eine von Bakterien ausgelöste
tenzial (–60mV bis –90mV, abhängig vom Nerven­ ­Meningitis unbehandelt, kann sie zum Tod führen.
zelltyp) und das Aktionspotenzial (bis +30mV). Unter die möglichen Komplikationen fallen auch
Sepsis (Blutvergiftung) oder Thrombosen. Eine Hirn­
Membranprotein (engl. membrane protein) Ein hautentzündung kann auf das Gehirn übergreifen
Membranprotein ist ein Eiweißmolekül, das in oder (Hirnentzündung, Enzephalitis), was sich durch Stö­
auf einer biologischen (Zell-) Membran sitzt. Memb­ rungen oder Ausfälle von Gehirnfunktionen zeigt.
ranproteine können Tunnel- oder Carrier-Proteine Zur Behandlung der bakteriellen Meningitis werden
sein, welche die Membran durchdringen und so Teil­ Antibiotika eingesetzt, die so früh wie möglich verab­
chen den Stofftransport ermöglichen. Sie können reicht werden müssen, um schwerwiegen­de Folgen zu
aber auch in Form von Rezeptoren für Botenstoffe vermeiden. Die harmlosere Form der von Viren aus­
vorliegen, bei deren Kontakt intrazelluläre Verände­ gelösten Meningitis heilt in den meisten Fällen spon­
rungen ausgelöst werden (Ioneneinstrom, Second tan aus, sodass keine besondere Medikation (­außer
Messenger). Zu den Membranproteinen zählen auch zur Symptombekämpfung) er­folgen muss. Besonders
Aquaporine, die in der Lage sind, innerhalb kurzer gefährdet sind Personen mit eingeschränkter Im­
Zeit große Mengen an Wassermolekülen passieren munkompetenz (Säuglinge oder ältere Menschen).
zu lassen, um somit einen Flüssigkeitsausgleich zwi­
schen Intra- und Extrazellulärraum vorzunehmen. Meninx (engl. meninx) Meninx bezeichnet eine
Hirn- bzw. Rückenmarkshaut (7 Meningen).
Membranruhepotenzial 7 Ruhepotenzial
Menopause (engl. menopause; Syn. Wechseljahre)
Menarche (engl. menarche; Syn. Regelblutung) Im Alter zwischen 45 und 55 Jahren verändert sich
­ enarche ist die Bezeichnung für den Zeitpunkt
M die Hormonproduktion der Frau. Die Eierstöcke
der ersten Regelblutung bzw. für den ganzen ersten steuern zum letzten Mal die Menstruationsblutung,
Regelzyklus der Frau. was im eigentlichen Sinne als Menopause bezeichnet
wird. Die Phase zwei Jahre davor und danach wird
Meningen (engl. singl. meninx, pl. meninges; Syn. als Perimenopause benannt. Der Zeitraum vier bis M
Hirnhäute) Der Begriff Meningen bezeichnet die fünf Jahre vor der letzten Blutung wird als Prämeno­
drei Hirn- und Rückenmarkshäute. Die Hirnhäute pause bezeichnet und ab einem Jahr danach beginnt
werden bezeichnet als Dura mater, Spinnengewebs­ für weitere vier bis fünf Jahre die Postmenopause.
haut (Arachnoidea) und Pia mater, die sich alle Insgesamt beinhaltet die Menopause die Übergangs­
ins Rückenmark fortsetzen. Die Meningen dienen phase von der vollen Geschlechtsreife bis zum Se­
­neben den Schädelknochen und dem Liquor (Zere­ nium. Viele Frauen leiden in dieser Zeit unter Hitze­
brospinalflüssigkeit) dem Schutz des Gehirns. wallungen, übermäßigem Schwitzen, Haarausfall
und Schwindelgefühl. Die Östrogenproduktion
Meningeom (engl. meningioma, meningeal sarcoma; nimmt immer mehr ab. Um den Symptomen ent­
Syn. Meningiom) Ein Meningeom ist ein meist gut­ gegenzuwirken, kann während der Menopause eine
artiger Hirntumor, der durch eine Entartung von hormonelle Therapie erfolgen.
Zellen in der Arachnoidea (Spinnenhaut = weiche
innere Hirnhaut) entsteht. Charakteristisch ist sein Menstruationszyklus (engl. menstrual cycle) Unter
langsames und verdrängendes Wachstum. Menstruationszyklus versteht man die periodischen
(Zyklus zwischen 21 und 31 Tagen, durchschnittlich
Meningitis (engl. meningitis; Syn. Hirnhautentzün­ 28 Tage) Veränderungen der Gebärmutterschleim­
dung) Meningitis ist eine Entzündung der Hirn- und haut (endometrialer Zyklus) und der Eierstöcke
Rückenmarkshäute, die durch Bakterien oder Viren (Ovarien; ovarieller Zyklus) bei der geschlechts­
180 Merkelsche Tastscheiben

reifen Frau. Der Anfang eines Zyklus wird durch den den Hügel sind Teil der Hörbahn. (3.) Die Haube
ersten Tag der Menstruationsblutung (Desquama­ (Tegmentum) enthält einige Kerne der Formatio
tions­phase) markiert. Im Anschluss an die Blutung ­reticularis, Hirnnervenkerne sowie zwei zentrale
kommt die Proliferations- oder Follikelphase, in der Strukturen des motorischen Systems: die Substantia
unter Einfluss des Follikel-stimulierenden Hormons nigra und den Nucleus ruber.
(FSH) eine Eizelle heranreift. Zugleich wird in der
Gebärmutter unter Einfluss des Hormons Östrogen Mesodermschicht (engl. mesoderm) Mesoderm
die Schleimhaut aufgebaut. Steigen die Spiegel der wird die mittlere der drei embryonalen Keimschich­
gonadotropen Hormone FSH und LH (luteinisie­ ten genannt (von innen nach außen: entoderm,
rendes Hormon) an, erfolgt um den 12.–14. Tag ­mesoderm und ektoderm). Alle Strukturen des
der Follikelsprung (Ovulation). Aus der Hülle der menschlichen Körpers leiten sich von drei Keim­
Ei­zelle entwickelt sich der Gelbkörper, der das Hor­ blättern ab. Die Mesodermschicht wird von Meso­
mon Progesteron produziert, das bis zur nächsten blastzellen gebildet, die ursprünglich von Epiblast­
Blutung (Luteal- oder Sekretionsphase) die Schleim­ zellen (Ekto-dermzellen) stammen. Sie wird un­
haut weiter aufbaut. terteilt in paraxiales Mesoderm, intermediäres
­Mesoderm, Chordamesoderm und Seitenplatten­
Merkelsche Tastscheiben (engl. pl. Merkel’s corpus­ mesoderm. Aus der Mesodermschicht gehen Mus­
cules) Die Merkelschen Tastzellen gehören neben keln, Skelett, das Harn- und Genitalsystem und Teile
den Ruffini-Körperchen zu den Mechanosensoren der Haut (Dermatom) hervor. Aus dem paraxialen
des Tastsinns, die als Drucksensoren die Stärke oder Mesoderm werden das Skelett, die Skelettmuskula­
Eindrucktiefe eines mechanischen Hautreizes mes­ tur und das Dermatom gebildet, aus dem intermedi­
sen. Sie feuern dabei umso stärker, je größer die ären Mesoderm entstehen das Harnsystem und die
auf die Haut wirkende Kraft pro Flächeneinheit ist. Gonaden (Hoden bzw. Eierstöcke). Das Seitenplat­
Als Intensitätsdetektoren reagieren sie auf die Inten­ tenmesoderm differenziert zur Eingeweidemusku­
sität des Druckreizes und nicht auf seine zeitlichen latur sowie Knochen und Knorpeln in Organen und
Veränderungen. Bei konstantem Druckreiz adaptie­ aus dem Chordamesoderm entsteht die Wirbelsäule.
ren Merkel-Zellen nur langsam und können so auch Aus anderen Mesoblastzellen, die sich als kardiogene
die Dauer eines Druckreizes angeben. Merkel-Zellen Platte ablagern, bildet sich die Herzmuskulatur.
befinden sich v. a. in den Fingerspitzen und den Fin­
M gern. In der unbehaarten Haut liegen sie in kleinen Messenger-RNA 7 Botenribonukleinsäure
Gruppen in den untersten Schichten der Epidermis.
In der behaarten Haut bilden die Merkel-Zellen hin­ Metabolismus (engl. metabolismus; Syn. Stoffwech­
gegen Merkelsche Tastscheiben, die punktförmig sel) Metabolismus bezeichnet alle chemischen und
über die Hautoberfläche herausragen. physikalischen Prozesse im Organismus, die lebens­
erhaltend sind, da sie den Aufbau und die Erhaltung
Mesenzephalon (engl. mecencephalon, midbrain; der Körpersubstanz garantieren und Energie er­
Syn. Mittelhirn) Das Mesenzephalon ist Teil des zeugen. Dazu gehören die Aufnahme, der Transport
Hirnstamms. Es liegt zwischen Pons und Dienze­ und die Umwandlung von Stoffen (z. B. bei der Ver­
phalon und ist dorsal von der Vierhügelplatte ab­ dauung) sowie die Ausscheidung von Abbaupro­
gegrenzt. Der Aquaeductus cerebri, der den 3. und dukten an die Umgebung.
4. Hirnventrikel miteinander verbindet, durchzieht
das Mesenzephalon. Das Mittelhirn kann grob in Metabolit (engl. metabolite; Syn. Stoffwechselpro­
drei Strukturen unterteilt werden: (1.) Zwei Hirn­ dukt) Der Metabolit ist eine Substanz, die als Zwi­
schenkel (Crura cerebri) werden durch absteigende schenprodukt oder Abbauprodukt aus einem Stoff­
Faserbündel gebildet (Tractus corticospinalis, ­Tractus wechselvorgang des Organismus ensteht.
corticopontini, kortikonukleare Bahn). (2.) In der
Vierhügelplatte (Tectum) bilden die oberen beiden Metenzephalon (engl. metencephalon, hindbrain;
Hügel ein visuelles Reflexzentrum, die unteren bei­ Syn. Hinterhirn) Das Metenzephalon besteht aus
Mikroiontophorese 181

Pons und Zerebellum (Kleinhirn). Es umschließt die gelösten Substanzen analysiert. Auf diese Weise
den 4. Ventrikel von ventral (Pons und Medulla ob­ lassen sich Stoffwechselprozesse über einen Zeit­
longata) und dorsal-kranial (Zerebellum) und bildet raum von mehreren Tagen untersuchen. Ein weiterer
eine funktionelle Einheit bei der Koordination von Vorteil ist, dass nahezu jede membrangängige Subs­
motorischen Bewegungen, Gleichgewicht und Mus­ tanz aus den gewonnenen Mikrodialysaten bestimmt
keltonus. werden kann.

Methylphenidat (engl. methylphenidat) Methylphe­ Mikroelektrode (engl. microelectrode) Die Mikro­


nidat ist ein Dopamin-Wiederaufnahmehemmer elektrode ist eine miniaturisierte Elektrode zur
und wird (z. B. unter dem Namen Ritalin) zur Be­ ­Messung von Potenzialveränderungen in einzelnen
handlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperak­ Zellen. Meist handelt es sich dabei um eine mit Salz­
tivitätsstörung (ADHS) verwendet. lösung gefüllte Glaskapillare mit einem Spitzen­
durchmesser von bis zu 0,1 μm.
Migration (engl. migration) Migration beschreibt in
der Biologie eine gerichtete Bewegung von Zellen Mikrofilamente (engl. pl. microfilaments; Syn. Aktin­
oder Organismen von einem Start- zu einem Zielort. filamente) Das Mikrofilament bezeichnet eine dün­
Bei Tieren meint Migration die (meist regelmäßige) ne, fadenförmige Ansammlung des Proteins Aktin
Wanderung über relativ weite Strecken. Viele ver­ unterhalb der Plasmamembran. Mikrofilamente um­
schiedene Arten zeigen Migrationsverhalten (auch geben auch die Membranausbuchtungen wie die
Zugverhalten genannt), wobei sehr große zwischen­ Mikrovilli und Pseudopodien und sind einer der
artliche Unterschiede bestehen können. Die be­ drei Hauptbestandteile des Zytoskeletts. Mikrofila­
merkenswertesten Beispiele für Migration sind der mente sind beteiligt an der mechanischen Stabilisie­
Vogelzug und die Wanderungen der Wale sowie die rung der Zelle und verbinden transmembrane Pro­
einiger Fischarten (z. B. Lachse). Man geht davon teine mit Zytoplasmaproteinen. Während der Mitose
aus, dass es drei grundlegende Mechanismen gibt, verankern die Mikrofilamente die Zentromere an
anhand derer sich die Tiere bei der Migration orien­ unterschiedlichen Polen und bei der Zytokinese sind
tieren können. Es handelt sich dabei um das Pilotie­ sie beteiligt an der Trennung der tierischen Zellen.
ren, die Kompassorientierung und echte Navigation.
Während manche Arten nur einen dieser Mecha­ Mikroglia (engl. microglia) Bei den Mikroglia han­
nismen nutzen, gibt es andere, die sich einer Kombi­ delt es sich um den kleinsten Gliazelltyp, der sowohl M
nation bedienen. in der weißen als auch in der grauen Substanz vor­
kommt. Unter dem Mikroskop erscheinen sie als
Migrationsphase (engl. cell migration) In der Migra­ lange schmale Zellen mit länglichem Zellkern und
tionsphase wandern die Zellen von ihrem Bildungs­ dichtem Chromatin. Die Zellfortsätze können fein
ort in der Ventrikularzone des Neuralrohrs zu ihrem und sehr verzweigt sein. Mikroglia-Zellen sind in
Bestimmungsort im reifen Nervensystem. der Lage, sich amöboid fortzubewegen. Sie sind Teil
des zellulären Immunsystems und zuständig für die
Mikrodialyse (engl. microdialysis) Diese Techno­lo­ Phagozytose von Fremdkörpern und Zellfragmen­
gie wird bei der Messung der Sekretion von Neuro­ ten, die Antigenpräsentation und die Eliminierung
transmittern und anderen löslichen Substanzen in von absterbenden Neuronen und Gliazellen wäh­
einzelnen Hirnregionen im Tierversuch eingesetzt. rend der embryonalen Entwicklung.
Dabei wird Blutersatzlösung in einen Mikrodialyse-
Katheter gepumpt, der über eine Membran in Kon­ Mikroiontophorese (engl. microiontophoresis) Die
takt mit dem zu untersuchenden Gewebe steht. Die Mikroiontophorese ist eine Technik, bei der Ione
Moleküle der extrazellulären Flüssigkeit diffundie­ und geladene Moleküle in sehr kleinen Dosen aus
ren über die Membran in den Katheter. Diese Flüs­ einer mit einer Lösung gefüllten Mikropipette aus­
sigkeit wird aufgefangen und mit Hilfe der Hoch­ gestoßen werden können. Hierfür wird elektrischer
leistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) auf Strom durch eine Mikropipette geleitet, wodurch sie
182 Mikrotom

polarisiert wird. Wird die Spannung an eine Lösung Mikrovilli (engl. pl. microvilli) Mikrovilli sind finger­
gelegt, bewegen sich Ione und geladene Teilchen je förmige Zellausstülpungen, die der Vergrößerung
nach ihrer Ladung vom elektrischen Feld weg. Wird der Oberfläche bei Epithelzellen dienen. Die Mikro­
die Pipette nun an ein Neuron herangeführt, können zotten sind dort lokalisiert, wo im hohen Maße ­Stoffe
Medikamente injiziert werden und deren pharma­ resorbiert werden müssen, also z. B. im Darm (dort
kologische Effekte als Reaktion des Membranpo­ werden die parallelen Zotten Bürstensaum genannt)
tenzials, der Membranströme oder der neuronalen oder in den Nierentubuli.
Entladungsrate erschlossen werden. Ein großer Vor­
teil dieser Technik ist die Möglichkeit, die Effekte Miktion (engl. miction, micturion) Eine Miktion
von Medikamenten an einzelnen Neuronen testen ­bezeichnet die natürliche, d. h. willkürliche und
zu können, ohne dass das gesamte Nervensystem schmerzlose Entleerung der Harnblase. Die Menge
beeinflusst wird. einer Miktion kann variieren, beträgt aber im Schnitt
mehrere Hundert Milliliter. Obwohl die Miktion
Mikrotom (engl. microtome; Syn. Kleinschneider) willkürlich ausgelöst wird, ist der Prozess der Harn­
Das Mikrotom ist ein Schneideapparat für die Her­ blasenentleerung ein reflektorischer: Es kommt zur
stellung dünner Schnitte für mikroskopische Be­ Kontraktion der glatten Muskulatur der Blasenwand
trachtungen (Lichtmikroskop). Das zu untersuchen­ und durch Verschluss der Harnleiteröffnungen und
de Gewebe muss in festen Proben (Blöcken) vor­ Erweiterung des Blasenhalses steigt der Druck auf
handen sein. Bei weichen Proben kann vor dem den Blaseninhalt. Dehnungsrezeptoren senden eine
Schneiden eine Einbettung in Materialien wie Paraf­ Meldung an das Gehirn und das Bedürfnis der
fin, Kunstharz oder synthetische Wachse vorgenom­ Blasen­entleerung entsteht. Wenn die quergestreifte
men werden. Mikrotome funktionieren nach Prin­ Muskulatur (die willkürlich steuerbar ist) erschlafft,
zip eines Hobels, Schnittdicken bis unter 10 µm sind kommt es unter Zuhilfenahme der Bauch- und Be­
möglich. Als Schneidwerkzeug werden Stahlmesser ckenbodenmuskulatur zur Entleerung der Blase
verwendet, die einen Facettenschliff aufweisen. Es über die Harnröhre.
können verschiedene Mikrotome unterschieden
werden, bspw. Schlitten-, Rotations- oder Gefrier­ Milz (engl. spleen) Die Milz ist ein 150–200 g schweres
mikrotom. Zum berührungslosen Schneiden von Bauchorgan des Menschen, das unter dem Zwerch­
Proben werden Laser-Mikrotome eingesetzt. fell auf der linken Seite lokalisiert ist. Die Milz erfüllt
M mehrere wichtige Funktionen. In ihr findet die sog.
Mikrotubuli (engl. pl. microtubules) Mikrotubuli sind Blutmauserung statt, bei der die Erythrozyten, die
lang gestreckte, röhrenförmige Polymere, die sich aus ständig die Milz durchfließen, im Falle der mangeln­
Alpha- und Betatubulin aufbauen. Sie haben einen den Funktionstüchtigkeit ausgesondert, zerstört und
Durchmesser von etwa 25 nm und können sich in abgebaut werden. Ebenso werden in der Milz funk­
ihrer Länge dynamisch anpassen. Eine Verlängerung tionstüchtige Thrombozyten gespeichert, die im
der Mikrotubuli erfolgt weg von ihrem Ursprung in ­Falle eines Mehrverbrauchs (z. B. bei einer Blutung)
Richtung Zellmembran. Sie sind Teil des Zytoskeletts ausgeschüttet werden können. Als sekundäres lym­
einer Zelle und somit an vielen strukturellen Auf­ phatisches Organ ist die Milz für die spezifische
gaben beteiligt. Eine wesentliche Rolle spielen sie bei ­Immunantwort auf die aus dem Blut stammenden
der Verteilung der Chromosomen auf die Tochter­ Antigene verantwortlich. Vor der Geburt findet in
zellen während der Zellteilung. Durch chemische der Milz die Blutbildung statt.
Substanzen (z. B. Kolchizin) kann man die Depoly­
merisierung der Mikrotubuli verhindern. Dadurch Miosis (engl. miosis; Syn. Pupillenverengung) Die
werden die Zellen in einem Stadium des Zellzyklus ­ iosis ist die natürliche Reaktion des Auges auf
M
arretiert, da die Chromosomen nicht mehr an die ­einen starken Lichtreiz. Bei plötzlichem Lichteinfall
Zellpole gezogen werden können. Außerdem spielen kommt es zu einer vorübergehenden, parasym­
sie beim axonalen Transport von Stoffen in Nerven­ pathisch ausgelösten Verengung der Pupille. Diese
zellen eine entscheidende Rolle. wird realisiert durch eine Kontraktion des Musculus
Mitteilungsregel 183

sphincter pupillae oder einer verminderten Aktivität Mitose (engl. mitosis) Mitose ist der Vorgang der
des Musculus dilatator pupillae. Auch der Konsum Zellkernteilung bei der ungeschlechtlichen Fort­
von bestimmten Drogen und Medikamenten kann pflanzung der Einzeller oder in Körperzellen euka­
eine Verengung der Pupille nach sich ziehen, so z. B. ryotischer Lebewesen. Das Ergebnis sind zwei vom
bei Opiaten (z. B. Kodein, Morphin und Heroin) genetischen Material her identische Tochterzellen.
und antipsychotischen Substanzen (z. B. ­Haloperidol Der artspezifische Chromosomensatz bleibt dabei
und Thorazin). Im höheren Alter tritt die Pupillen­ erhalten und die Konstanz der Art ist gesichert. Die
verengung häufiger auf und kann auch Ausdruck Mitose besteht aus vier Hauptphasen. In der (1) Pro­
von Krankheiten sein. phase kondensiert das im Zellkern vorhandene
Chromatin und strukturiert sich so zu 2-Chromatid-
Mirror-Drawing-Test 7 Spiegelzeichnen Chromosomen. Kernmembran und Kernkörper­
chen lösen sich auf, das Zentriol verdoppelt sich und
Mismatch-Negativität (engl. mismatch negativity; beide Zentriole wandern zu gegenüber liegenden
dt. Mismatch-Negativität) Fügt man einer Reihe Polen der Zelle und bilden den Spindelfaserapparat
gleichartiger Reize einen abweichenden, seltenen aus. In der (2) Metaphase ordnen sich die nun maxi­
Reiz hinzu, kann das Ereignis korrelierte Potenzial mal verkürzten Chromosomen übereinander in
der sog. Mismatch-Negativität (MMN) beobachtet Äquatorialebene an und werden in der folgenden (3)
werden. Im Elektroenzephalogramm (EEG) zeigt Anaphase an dem Zentromer längs voneinander ge­
sich die Mismatch-Negativität anhand der Ände­ trennt. Dabei entstehen 1-Chromatid-Chromoso­
rung von Frequenz oder Dauer des Pegels. Bei der men, welche nun von den Zugfasern an die beiden
Mismatch-Negativität ist keine Aufmerksamkeits­ Pole der Zelle gezogen werden. In der anschließen­
leistung notwendig. Es wird angenommen, dass der den (4) Telophase verschwinden die Spindelfasern
eintreffende andersartige Reiz mit der Gedächtnis­ wieder, die Chromosomen entspiralisieren, eine
spur der Standardstimuli verglichen und die Diffe­ neue Kernmembran wird aufgebaut und das Kern­
renz durch einen Komparator registriert wird. körperchen entsteht. Damit ist die Kernteilung ab­ge­
schlossen. Anschließend setzt zumeist die Zyto­ki­
Mitochondrien (engl. pl. mitochondria) Mitochond­ nese ein, die Zellteilung, bei der sich die Zellmem­b­
rien sind die »Kraftwerke« der Zelle. Sie sind der ran einschnürt und so aus der einen Zelle zwei wer­
Ort der Zellatmung, d. h. sie nehmen Glukose auf den. Es folgt die Interphase, in der das Erbgut durch
und bauen sie ab, dabei entsteht Adenosintriphos­ Kopieren jedes Chromatids verdoppelt wird. M
phat (ATP), das von anderen Zellbestandteilen als
Energiequelle genutzt wird. Gehirnzellen besitzen Mitralzelle (engl. mitral cell) Mitralzellen sind neben
besonders viele Mitochondrien, da sie ihre Energie den Büschelzellen die zweite Form von Pyramiden­
nahezu ausschließlich aus Glukose gewinnen. Außer­ zellen im Bulbus olfactorius.
dem speichern Mitochondrien Kalzium, den Regu­
lator der Transmitterausschüttung. Mitochondrien Mitteilungsregel (engl. pl. display rules; Syn. Dar­
ähneln in ihrer Struktur einfachen Bakterien und stellungsregeln, Affektzeigeregeln) Mitteilungsregeln
Blaualgen. Deswegen wird davon ausgegangen, dass sind gesellschaftliche Regeln, die Aussagen darüber
diese aeroben oder photosynthetisch aktiven Proka­ machen, welche Emotionen in welcher Intensität in
ryonten von anderen Prokaryonten aufgenommen welchen sozialen Situationen gezeigt werden dürfen.
wurden und sie sich zusammen zu der komplexeren Emotionen und der (mimische) Emotionsaudruck
Euzyte entwickelt haben (Endosymbiontentheorie). sind zwar angeboren und kulturübergreifend (Uni­
Dafür spricht auch der Aufbau der Mitochondrien. versalität des Gesichtsausdrucks, dennoch wird der
Sie haben eine eigene DNA und Ribosomen, eine Ausdruck durch diese Regeln modifiziert. Große
Doppelmembran (wobei die äußere durch die Zell­ Unterschiede in diesen Regeln finden sich v. a. zwi­
kern-DNA kodiert wird, die innere durch die Mito­ schen der asiatischen und der US-amerikanischen
chondrien-DNA) und sie entstehen nur durch Tei­ Kultur (das Zeigen von Emotionen in der Öffentlich­
lung ihrer selbst. keit ist in asiatischen Ländern verpönt).
184 Mittelhirn

Mittelhirn 7 Mesenzephalon der Struktur in zwei Gruppen unterteilt. Dopamin,


Noradrenalin und Adrenalin sind Katecholamine,
mnestisch (engl. mnestic) Mnestisch meint das Ge­ die aus der Aminosäure Tyrosin synthetisiert wer­
dächtnis betreffend und mnestische Störungen be­ den. Serotonin ist ein Indolamin und entsteht aus
zeichnen Gedächtnisstörungen. der Synthese von Tryptophan. Monoamine kommen
in Neuronengruppen vor, deren Zellkörper sich v. a.
Moclobemid (engl. moclobemide) Moclobemid ist im Hirnstamm befinden. Axone mit vielen Varikosi­
ein bei Depressionen und sozialer Angst ver­wendeter täten schütten sie diffus in die Extrazellulärflüssig­
reversibel und selektiv wirkender MAO(Mono­ keit aus. Monoamine haben an verschiedenen Zellen
aminoxidase)-Hemmer, der die Monoaminoxi­ stimulierende und inhibierende Wirkungen in ihrer
dase A hemmt. Moclobemid ist ein Benzamidde­ Funktion als Überträgerstoffe. Der Abbau erfolgt
rivat, welches die Desaminierung (die Abspaltung durch Monoaminoxidase (MAO).
einer Aminogruppe als Ammoniumion) von Sero­
tonin, Noradrenalin und Dopamin verhindert. Dies Monoaminhypothese (der Depression) (engl. mono­
führt zu einer erhöhten Konzentration dieser Neuro­ amine hypothesis [of depression]) Die Mono­amin­
transmitter und begründet die antidepressive Wir­ hypothese nimmt an, dass niedrige Serotonin- und
kung dieses Stoffes. Nach Absetzen von Moclobemid Noradrenalinkonzentrationen depressive Symptome,
klingt die MAO-Hemmung innerhalb von 24 Stun­ höhere Konzentrationen dagegen manische Symp­
den nach der letzten Einnahme ab. tome hervorrufen. Diese Ansicht wurde abgelöst
durch die Beobachtung, dass die Symptome nicht
Mongolismus 7 Down-Syndrom an die absoluten Monoaminspiegel, sondern u. a. an
synaptische Veränderungen (Sensitivitätsverände­
Monismus (engl. monism) Mit Monismus wird eine rungen durch Second Messenger) gekoppelt sind.
philosophische Lehre bezeichnet, nach der jede Er­
scheinung auf ein einheitliches Prinzip zurück­ Monoaminoxidase (engl. monoamine oxidase) Mo­
geführt werden kann. Eine Spezialisierung stellt der noaminoxidase (MAO) ist ein Enzym, das Neuro­
physikalische Monismus dar. Laut dieser Auffassung transmitter, die zur Gruppe der Monoamine ge­hören
sind nur physikalische Objekte und deren Effekte (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin und Serotonin),
real. Weiterhin sind geistige Phänomene auf einen im synaptischen Spalt abbaut. Man unterscheidet
M funktionalen Mechanismus reduzierbar, der unab­ MAO-A, das v. a. im peripheren Nervensystem auf­
hängig vom verwendeten Material ist. Richtungen, tritt, und MAO-B, das primär im zentralen Nerven­
die diese Auffassung vertreten, sind die Kognitions­ system wirkt.
wissenschaften und die künstliche Intelligenzfor­
schung. Für Naturwissenschaften ebenfalls relevant Monoaminoxidasehemmer (engl. monoamine
sind der anomale Monismus und der Entwicklungs­ o­ xidase inhibitor; Syn. MAO-Hemmer) Monoamino­
monismus. Zum Ersteren gehört die Vorstellung, xidasehemmer (MAOI) hemmen das Enzym Mono-
dass das Mentale sich nicht verändern kann, ohne aminoxidase, von dem zwei Untergruppen unter­
dass sich das Physische zuvor verändert hat. Der schieden werden, die bestimmte Botenstoffe im
Entwicklungsmonismus befasst sich mit der Einord­ zentralen Nervensystem abbauen. Durch eine Hem­
nung des Menschen in die Natur und betont dabei mung dieses Enzyms kann man den Abbau von
den Verzicht auf jeglichen Wunderglauben. Serotonin, Dopamin und Noradrenalin verhindern
und eine längere Verfügbarkeit im synaptischen
Monoamine (engl. pl. monoamines) Monoamine ge­ Spalt erreichen. Monoaminoxidasehemmer werden
hören zur Klasse der niedermolekularen Transmit­ u. a. in der Therapie von Depressionen angewandt.
ter. Die chemische Struktur beinhaltet eine Amino­ Man unterscheidet die irreversiblen MAO-Hemmer,
gruppe, sie werden aus einer einzigen Aminosäure die auf beide Untergruppen wirken und das Enzym
synthetisiert, deshalb die Bezeichnung Monoamine. komplett zerstören, von den reversiblen MAO-Hem­
Vier Monoaminneurotransmitter werden aufgrund mern, die nur auf eine der beiden Untergruppen
Motoneuron, extrafusales 185

wirken und das Enzym nicht zerstören, sondern Morphium reversibel an Opioidrezeptoren und
­lediglich blockieren. Als Nebenwirkungen treten ­blockiert diese, wodurch die Schmerzweiterleitung
u. a. Unruhe- und Schlafstörungen, Übelkeit, Kopf­ verhindert wird. Im peripheren Nervensystem setzt
schmerzen und Schwindel auf. Morphium die Schmerzempfindlichkeit der Nerven­
enden herab. Seine Wirkung kann durch Opium­
monokular (engl. monocular) Der Begriff monoku­ antagonisten, z. B. Naloxon, verhindert werden.
lar bezieht sich auf das Sehen und bedeutet in diesem Die psychische Wirkung erstreckt sich von hypno­
Zusammenhang einäugiges Sehen bzw. das Sehen tisch, euphorisierend und analgetisch bis hin zu
mit einem Auge. Bei monokularem Sehen ergibt sich ­einer psychischen Abhängigkeit. Auf der somati­
eine Einschränkung in der Tiefenwahrnehmung. schen Ebene führt Morphium zu Abfall der Herzfre­
quenz, Atemdepression und Verstopfung.
Monozyten (engl. pl. monocytes) Monozyten gehö­
ren neben den Lymphozyten und den Granulozyten Morula (engl. morula, mulberry mass) Die Morula ist
zu den Leukozyten (weiße Blutkörperchen). Ihre ein Stadium in der Embryogenese bei vielzelligen
Funktion besteht in der Antigenrepräsentation und Tieren. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und
Zytokinbildung im Blut. Nach Wanderung aus dem heißt »kleine Maulbeere«. Nach der Befruchtung
Blutstrom in das Gewebe werden aus Monozyten der Eizelle beginnt sich diese mitotisch (7 Mitose) zu
Makrophagen (»große Fresszellen«), zu deren Auf­ teilen (sog. Furchung), gewinnt aber noch nicht an
gaben die Aufnahme von Zelltrümmern und einge­ Volumen. Es dauert ca. 3 Tage, bis die Zellansamm­
drungenen Krankheitserregern zählen. lung ins Morulastadium übergeht. Zu diesem Zeit­
punkt befinden sich die Zellen im Eileiter auf dem
Moosfasern (engl. pl. mossy fibres) Moosfasern sind Weg zum Uterus. Dabei entspricht die äußere Gestalt
afferente Nervenfasern, die aus den Brückenkernen, der Morula der einer kleinen, kompakten Beere. In
dem Vestibulariskern und der Formatio reticularis diesem Stadium teilen sich die Zellen in eine äußere
zu der Körnerschicht in der Kleinhirnrinde ziehen. und eine innere Zellmasse. Aus der äußeren entste­
Sie verwenden Glutamat als Transmitter und ge­ hen Plazenta und Eihäute (Trophoblast), während
hören zu den erregungsleitenden Fasern. Aus der aus der inneren der eigentliche Embryo (Embryo­
Körner­schicht des Gyrus dentatus ziehen Moos­ blast) hervorgeht. Am Ende des vierten Tages wird
fasern zur CA3 Region des Hippocampus. die Morula zur Blastozyste.
M
Morgans Regel (engl. Morgan’s rule) Morgans Regel Motoneuron (engl. motoneuron) Als Motoneuron
ist eine Richtlinie für die (biopsychologische) Inter­ werden die Neuronen bezeichnet, welche für die
pretation von Verhaltensbeobachtungen. Sie besagt, ­Informationsübertragung vom zentralen Nervensys­
dass bei verschiedenen möglichen Deutungen für tem zur Muskulatur zuständig sind. Die oberen Mo­
ein Verhalten immer die einfachste Interpretation zu toneurone liegen im motorischen Kortex der Groß­
bevorzugen sei. Diese Regel soll ebenfalls dazu an­ hirnrinde, ihre Axone ziehen als Pyramidenbahn
halten, Schlussfolgerungen kritisch zu hinterfragen. zu den unteren Motoneuronen im Rückenmark. Die
Zellkörper der unteren Motoneuronen befinden sich
Morphium (engl. morphine; Syn. Morphin) Mor­ im Vorderhorn des Rückenmarks; ihre Axone ziehen
phium ist ein Alkaloid, das 1805 von Friedrich Ser­ über die Vorderhornwurzel zu den innervierten
türmer aus den Samen der Mohnblume synthetisiert Muskeln. Man unterscheidet zwischen extrafusalen
wurde. Es wurde nach Morpheus, dem griechischen (α) und intrafusalen (γ) Motoneuronen.
Gott der Träume, benannt. Morphium ist ein De­
rivat von Opium und wird, wie auch Kodein, als Motoneuron, extrafusales (engl. extrafusal moto­
Opiat bezeichnet. Es ist eine Droge, die zu den nar­ neuron; Syn. α-Motoneuron, Alphamotoneuron) Die
kotisierenden Analgetika gehört und eines der extrafusalen Motoneuronen (auch α-Motoneuro­
meist verwendeten Schmerzmittel ist. Aus ihm kann nen) innervieren mit einer Leitungsgeschwindigkeit
­Heroin synthetisiert werden. Im ZNS lagert sich von bis zu 120 m pro Sekunde die Muskelfasern,
186 Motoneuron, intrafusales

­ elche die aktive motorische Arbeit leisten. Hierbei


w Müllersche Gangsyndrom ist eine genetische Stö­
variiert die Anzahl der von einem Motoneuron rung, die nur beim genetisch männlichen Geschlecht
­innervierten Muskelfasern zwischen 2 und 60. Je we­ auftritt. Sie kann auf zwei Ursachen beruhen: Ent­
niger Fasern von einem extrafusalem Motoneuron weder fehlt das antimüllersche Hormon, oder es feh­
innerviert werden, desto feiner die motorische Kont­ len die entsprechenden Rezeptoren dafür. Dadurch
rolle. bleibt der defeminisierende Effekt aus, und der
­Müllersche Gang entwickelt sich zu den inneren
Motoneuron, intrafusales (engl. intrafusal moto­ weiblichen Geschlechtsorganen. Zusätzlich wirken
neuron; Syn. γ-Motoneuron, Gammamotoneuron) jedoch – wie beim genetisch männlichen Geschlecht
Das intrafusale Motoneuron zieht zu den Muskel­ üblich – die Androgene maskulinisierend und es
spindeln, wo es im Inneren spezielle Muskelfasern kommt parallel zur Ausbildung der inneren männ­
innerviert und dadurch die Länge und Stärke der lichen Geschlechtsorgane. Die betroffenen Personen
Spannung der Spindel ändern kann. Dadurch ist es werden also mit den inneren Geschlechtsorganen
möglich, die Empfindlichkeit der Rezeptoren in der beider Geschlechter geboren (sog. Zwitter). Für ge­
Muskelspindel zu regulieren. wöhnlich beeinträchtigen die inneren weiblichen
Geschlechtsorgane die Funktionsfähigkeit der inne­
Motorkortex (engl. motor cortex; Syn. Gyrus pre­ ren männlichen Geschlechtsorgane.
centralis) Der Motorkortex entspricht dem Areal 4
nach Brodmann, dem Gyrus praecentralis. Er ist Müllersche Gänge (engl. pl. muellerian ducts) Die
für das willkürliche Ausführen von Bewegungen der Müllerschen Gänge (benannt nach ihrem Entdecker
jeweils kontralateral gelegenen Körperhälfte zu­ Johann Müller) sind die Vorläufer der inneren weib­
ständig und somatotop organisiert, d. h. der Körper lichen Geschlechtsorgane. Sie sind bei Embryonen
wird im Kortex verkleinert als motorischer Homun­ beider Geschlechter vorhanden. Etwa im dritten
kulus abgebildet. Allerdings entspricht dieser nicht Schwangerschaftsmonat verkümmern sie bei männ­
den realen Körperproportionen (z. B. ist die Hand lichen Embryonen, während sich bei weiblichen
im Vergleich zu anderen Körperteilen überrepräsen­ Embryonen daraus Eileiter, Uterus und die inneren
tiert), da einige Körperteile komplexere und diffi­ Teile der Vagina ausbilden. Im Gegensatz zum Wolff­
zilere Bewegungen ausführen, z. B. Sprechen, Schrei­ schen Gang entwickeln sich die Müllerschen Gänge
ben und Feinmotorik. Der motorische Kortex erhält ohne hormonale Stimulation. Die Entwicklung der
M Informationen vom Thalamus, den Basalganglien, Müllerschen Gänge wird bei männlichen Embryo­
dem Zerebellum (Kleinhirn), dem Gyrus postcen­ nen durch das antimüllersche Hormon verhindert.
tralis (Somatosensorik) und dem prämotorischen
Kortex. Er selbst unterhält efferente Verbindungen Multiple Sklerose (engl. multiple sclerosis; Syn.
über die Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis) ­ uskelschwund) Die multiple Sklerose (MS) ist eine
M
und den Tractus corticonuclearis. Autoimmunkrankheit im zentralen Nervensystem,
bei der Myelinscheiden der Axone im ZNS vom Im­
mRNA 7 Botenribonukleinsäure munsystem fälschlicherweise als Antigene erkannt
und abgebaut werden. Auch kommt es zu Schä­
MRT 7 Magnetresonanztomographie digungen der Axone. Dies führt zu Entzündungen in
Gehirn und Rückenmark. MS führt in Abhängigkeit
MS 7 Multiple Sklerose von Ort und Größe der Entzündungsherde zu unter­
schiedlichen Symptomen wie etwa Sehstörungen,
MST 7 Areal, medio-superior-temporales Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen,
­Spastizität, Parästhesien, Sprachstörungen, großer
MT 7 Areal, medio-temporales Müdigkeit sowie kognitiven und emotionalen Prob­
lemen. Der Verlauf der Krankheit kann von Patient
Müllersches Gang-Syndrom, persistentes (engl. zu Patient sehr unterschiedlich sein, findet jedoch
persistent muellerian duct syndrome) Das persistente zumindest zu Beginn der Krankheit häufig schub­
Muskel 187

weise statt. Dabei kommt es nach einem Schub zur nete Pilze eine starke psychoaktive Wirkung auf.
vollständigen oder teilweisen Rückbildung der auf­ Muscimol entfaltet seine Wirkung am GABAA-Re­
getretenen Symptome. Nach diesem Schub kommt zeptor. Dem schlafähnlichen Zustand nach Einnah­
es zu einer remittierenden Phase ohne Symptomatik, me folgt eine halluzinogene Phase mit Synästhesien,
die bis zu mehreren Jahren dauern kann. Bei einem auch Übelkeit kann auftreten. Bei Vergiftungen
Großteil der Patienten geht der schubartige Verlauf ­treten toxische Psychosen, Halluzinationen, Erregun­
mit Fortschreiten der Krankheit in einen chroni­ gen und Tobsuchtsanfälle auf, die tagelang anhalten
schen Verlauf über, bei dem es nicht mehr zu einer können. Muscimol ist wasserlöslich und aufgrund
Rückbildung der Symptome kommt. MS ist nicht der Ausscheidung über die Nieren einige Tage im
heilbar, jedoch gibt es Medikamente zur Milderung Urin nachweisbar.
und Verkürzung der Schübe. Die ersten Symptome
treten in der Regel zwischen dem 20. und 40. Lebens­ Musculus stapedius (engl. stapedius muscle; Syn.
jahr auf, wobei Frauen etwa doppelt so häufig betrof­ Stapediusmuskel) Der Musculus stapedius ist ein
fen sind wie Männer. MS zählt zu den häufigsten kleiner, im Mittelohr befindlicher Muskel, der vom
Erkrankungen des zentralen Nervensystems in Mit­ Gesichtsnerv, dem siebenten Hirnnerv, innerviert
teleuropa, man geht von etwa 100.000 Betroffenen in wird. Er setzt an der Fußplatte des Steigbügels, dem
Deutschland aus. dritten der drei Gehörknöchelchen, im ovalen Fens­
ter an. Wenn sich der Muskel verkürzt, werden die
Mumby-Box (engl. Mumby box) Die Mumby-Box Schwingungen des ovalen Fensters abgeschwächt,
ist ein Apparat nach David Mumby zur Durchfüh­ was zu einer Desensibilisierung des Gehörsinns
rung von verzögerten Lernaufgaben (delayed-non- während der Sprachproduktion führt. Somit ist es
matching-to-sample) mit Tieren (Affen, Ratten). Sie möglich, die Empfindlichkeit des Gehörs zu ver­
besteht in der Regel aus drei Kammern, die durch ändern. Der Musculus stapedius ist auch ein Be­
entfernbare Trennwände voneinander abgegrenzt standteil des Stapediusreflexes, eines Mechanismus,
sind. In einer der Kammern bekommt das Versuchs­ der vor Hörschäden bewahrt. Dabei wird neben dem
tier den Zielstimulus präsentiert. Manipuliert das Musculus stapedius auch der Musculus tensor tym­
Tier jenes Objekt, wird es mit Futterpellets belohnt. pani verkürzt, um den Kontakt zwischen Innenohr
Nach einer gewissen Zeit (wenige Sekunden bis und Trommelfell zu verschlechtern.
mehrere Minuten) wird dem Tier das Zielobjekt in
einer der anderen Kammern erneut, dann in Kom­ Musculus tensor tympani (engl. tensor tympani M
bination mit einem neuen, noch unbekannten Sti­ muscle; Syn. Trommelfellspanner) Der Musculus
mulus, präsentiert. In dieser Situation wird nur die ­tensor tympani ist ein kleiner Muskel im Mittelohr,
Wahl des neuen Objekts belohnt. Danach beginnt der am Hammer, dem ersten der drei Gehörknöchel­
ein neuer Durchgang mit anderen Stimuli. Je nach chen hinter dem Trommelfell, ansetzt. Er spannt das
Länge des Zeitintervalls unterscheidet sich die Tref­ Trommelfell, weshalb er oft auch als »Trommelfell­
ferquote. Bedeutend für die Gedächtnisforschung spanner« bezeichnet wird. Durch diese Spannung
sind dabei die Erinnerungsleistungen von Tieren wird die Gehörleistung schlechter, was einen Schutz
mit Läsionen in unterschiedlichen Hirnregionen gegen laute Geräusche ermöglicht. Neben dem Mus­
(z. B. Hippocampus, rhinaler Kortex, Amygdala). culus stapedius ist der Musculus tensor tympani
ein Bestandteil des Stapediusreflexes. Dabei verkür­
Muscimol (engl. muscimol) Muscimol ist ein Alka­ zen sich beide Muskeln zur gleichen Zeit, wodurch
loid, das in Pilzen vorkommt, v. a. in Amanita mus­ die Gehörknöchelchenkette zusammengepresst wird
caria (Fliegenpilz) und Amanita pantherina (Panther­ und sich versteift. So wird das Trommelfell nach in­
pilz). In frischen Pilzen ist Muscimol nur in geringen nen gezogen und seine Schwingfähigkeit lässt nach,
Mengen enthalten. Dafür findet sich in diesen Iboten­ wodurch die Gefahr eines Hörschadens sinkt.
säure, aus welcher während des Trocknungsvorgangs
Muscimol dekarboxyliert werden kann. Da Muscimol Muskel (engl. muscle) Ein Muskel ist ein kontraktiles
eine halluzinogene Wirkung besitzt, weisen getrock­ Körperorgan. Durch Zusammenziehen (Kontrak­
188 Muskel, antagonistischer

tion) und Erschlaffen einzelner Muskeln oder Mus­ ­Basis der Steuerung sämtlicher Bewegungen. Quer­
kelgruppen und durch das Zusammenspiel verschie­ gestreifte Muskulatur findet sich aber auch an Zun­
dener Muskeln und Muskelgruppen können innere ge, Speiseröhre und dem Zwerchfell. Die für diese
und äußere Strukturen des Körpers bewegt werden. Art von Muskeln typischen Streifen beruhen darauf,
Die Kontraktilität des Muskels beruht auf Aktin- dass die Skelettmuskulatur in weiße und durch den
und Myosinfilamenten, die sich ineinander verha­ Farbstoff Myoglobin rotgefärbte Muskulatur unter­
ken (Kontraktion) und wieder von einander lösen teilt ist, die jeweils für Kraftbewegungen bzw. Aus­
können (Erschlaffung). Es wird zwischen der glatten dauerbewegungen verantwortlich sind.
und der quer gestreiften Muskulatur unterschieden,
die sich durch Unterschiede in Ausdauerleistung Muskelfaser (engl. muscle fibre) Muskelfasern sind
und Kontraktilität auszeichnen. Muskeln sind die Bestandteile des Muskels und in mit bloßem Auge
Grundlage der aktiven Fortbewegung und vieler sichtbare Muskelfaserbündel zusammengefasst. Die
­innerer Körperfunktionen. Muskelfasern selbst sind fadenartige, bis zu 20 cm
lange Zellen mit einem Durchmesser von 10–100µm.
Muskel, antagonistischer (engl. antagonistic ­muscle) Muskelfasern durchlaufen meist den gesamten Mus­
Skelettmuskeln sind in einander entgegenwirkende kel und schließen an die Bindegewebstrukturen der
Muskelpaare unterteilt. Um eine Bewegung in eine Enden an. Im Aufbau ähneln sie den übrigen Körper­
bestimmte Richtung ausführen zu können, benötigt zellen, in ihren elektrophysiologischen Eigenschaften
man immer Muskeln, welche die Bewegung in die (Aktionspotenzial, Ruhepotenzial, Erregbarkeit) sind
gewünschte Richtung ausführen, und andere, die das sie jedoch mit den Nervenzellen vergleichbar. Die
entsprechend bewegte Körperteil wieder in die Aus­ Bestandteile der Muskelfasern sind die Myo­fibrillen,
gangsstellung zurück bewegen, da Muskeln nicht die bei Erregung der Muskelfaser kontrahieren und
von allein zurückschnellen können. Diese Muskel­ somit eine Verkürzung der Muskelfasern bewirken.
paare werden aus agonistischen und antagonisti­
schen Muskeln gebildet. Der agonistische Muskel ist Muskelfaser, extrafusale (engl. extrafusale muscle
derjenige, der eine Bewegung in betrachteter Rich­ fibre) Extrafusale Muskelfasern liegen außerhalb der
tung ausführt, der antagonistische Muskel bewegt Muskelspindel und sind für die Kontraktionskraft
das Glied zurück in die Gegenrichtung. Kontrahiert der Skelettmuskeln zuständig. Ihren Input bekom­
der Agonist, so ist der Antagonist gehemmt. Ein anta­ men sie von α-Motoneuronen, dessen Axone mit
M gonistischer Muskel ist definiert als Muskel, dessen den extrafusalen Muskelfasern synaptisch verknüpft
Kontraktion einer bestimmten Bewegung widersteht sind. Wird das α-Motoneuron aktiviert, so kontra­
oder diese ins Gegenteil umkehrt. hiert die Muskelfaser. Wie viele extrafusale Muskel­
fasern von einem einzigen myelinisierten Axon eines
Muskel, glatter (engl. smooth muscle) Die glatte α-Motoneurons versorgt werden, hängt ganz von
Muskulatur lässt sich im Gegensatz zur quergestreif­ den Präzisionsanforderungen des jeweiligen Mus­
ten Muskulatur nicht willkürlich bewegen und steu­ kels ab. Das Verhältnis bei Primaten z. B. liegt bei
ern. Die Kontraktion erfolgt also gänzlich unwill­ 1:10 bei den Muskeln für Finger oder Augapfel und
kürlich und wird z. B. durch das vegetative Nerven­ 1:300 bei den Muskeln für die Beine.
system oder bestimmte andere Faktoren (z. B. nach
dem Essen durch die Dehnung des Darms) ausge­ Muskelfaser, intrafusale (engl. intrafusal muscle
löst. Glatte Muskulatur findet sich z. B. im unteren ­fibre) Intrafusale Muskelfasern liegen innerhalb der
Magen-Darm-Trakt und in den Blutgefäßen. Muskelspindel und dienen als Dehnungsrezeptoren
der Skelettmuskulatur. Da sie parallel zu den extra­
Muskel, quergestreifter (engl. striated muscle) fusalen Muskelfasern angeordnet sind, können sie
Quergestreifte Muskulatur ist im Gegensatz zur Längenänderungen dieser wahrnehmen. Versorgt
glatten Muskulatur willkürlich und direkt aus dem werden diese Fasern von zwei Axonen, einem senso­
ZNS steuerbar. Da die gesamte Skelettmuskulatur rischen und einem motorischen. Ihre Kontraktion
aus quergestreifter Muskulatur besteht, ist sie die trägt nicht zur Muskelkraft bei.
Myasthenie 189

Muskelspindel (engl. neuromuscular spindle) Die Als weitere Form gilt die Splicingmutation, bei der
Muskelspindel ist der Sensor des monosynaptischen das Splicing der DNA, d. h. ein Schritt zwischen Aus­
Dehnungsreflexes. Man kann sie auch als Sinnes­ lesen der DNA und Proteinsynthese, betroffen ist. In
organe der Muskeln bezeichnen. Sie schützt ihn vor der Medizin bezeichnet der Begriff Mutation weiter­
Überdehnung, indem sie den jeweiligen Dehnungs­ hin den Stimmbruch bei Eintritt in die Pubertät.
zustand erfasst und an das ZNS rückmeldet.
Mutation, gezielte (engl. site-directed mutagenesis)
Muskulatur (engl. musculature) Die Muskulatur des Als gezielte Mutation bezeichnet man eine labor­
Körpers ist ein Organsystem, das alle Muskeln des technische Änderung einer spezifischen DNA/RNA-
Körpers umfasst. Der Begriff kann auch auf einzelne Sequenz, die z. B. in einer Mutation bzw. Änderung
Muskelgruppen in einem bestimmten Körperab­ der Proteinsequenz resultieren kann. Die Zielse­
schnitt angewendet werden. Hier wird der entspre­ quenz muss hierfür bekannt sein. Das Mutations­
chende Körperabschnitt dem Wort »Muskulatur« spektrum kann einen Austausch und/oder das Ent­
vorangestellt: z. B. Bauchmuskulatur oder Rücken­ fernen von lediglich einer Position bis hin zu ganzen
muskulatur. Bereichen umfassen. Diese Methode macht man sich
z. B. bei funktionellen Untersuchungen und Weiter­
Mustervergleich mit Verzögerung (engl. delayed entwicklungen von DNA, RNA und Proteinen zu­
matching-to-sample) Dies ist eine Lernaufgabe, bei nutze.
der aus verschiedenen Objekten oder Bildern ein
vorher gesehenes (gelerntes) ausgewählt werden Myasthenie (engl. myasthenia; Syn. Muskelschwä­
muss (7 Übereinstimmungstest). Jedoch erfolgt der che, schwere Muskelschwäche) Die Myasthenia gravis
Abgleich nicht sofort, sondern erst eine gewisse Zeit (»schwere Muskelschwäche«) ist eine neurologische
nach dem Lernen. Die Länge des Zeitraums zwi­ Erkrankung, bei der die neuromuskuläre Endplatte
schen Lernen und Abruf kann dabei variieren. Die der quergestreiften Muskulatur betroffen ist. Diese
Informationen müssen also über einen bestimmten Autoimmunerkrankung ist gekennzeichnet durch
Zeitraum gespeichert werden. Dadurch eignet sich eine abnorme Muskelermüdung der Willkürmus­
das Verfahren um festzustellen, ob und in welchem kulatur bei wiederholten Bewegungen. Das heißt,
Ausmaß eine anterograde Amnesie vorliegt. dass sich die Symptome bei Erkrankten im Laufe des
Tages verschlechtern. Polyklonale IgG-Antikörper
Mutation (engl. mutation) Als eine Mutation be­ binden bei der Myasthenie an die Azetylcholinre­ M
zeichnet man eine Veränderung im Erbgut eines Or­ zeptoren der postsynaptischen Membran und ver­
ganismus. Ursache dafür können chemische ­ Stoffe hindern damit die Weiterleitung des Aktionspoten­
(z. B. Spindelgifte), aber auch Strahlungsenergie zials, was auch zu einer Senkung der Anzahl der
sein wie z. B. Röntgenstrahlen, Gammastrahlen oder Azetylcholinrezeptoren führt. Die Symptome kön­
UV-Licht. Diese Strahlung führt zu einer struktu­ nen sich auf alle Muskeln der quergestreiften Musku­
rellen Veränderung des DNA-Moleküls, da sie von latur erstrecken. Zu Beginn treten Probleme im Be­
den Nukleotiden absorbiert wird und dort die Abfol­ reich der Augenmuskulatur auf, d. h. die Augenlider
ge der einzelnen Bausteine verändert. Durch diese können nicht mehr gehoben werden (Ptosis). Fol­
Umstrukturierung in der DNA kann es zu Verände­ gend sind die Gesichtsmuskulatur, die Kaumusku­
rungen einzelner äußerer Merkmale (Phänotyp) latur sowie die Rachenmuskulatur betroffen, danach
kommen. Mutationen werden in vier Arten unter­ zeigen sich die ersten Symptome in den Extremi­
teilt. Bei der Genmutation wird lediglich auf einem täten. Im schwersten Fall führt eine Lähmung der
einzelnen Abschnitt des Gens die Nukleotidabfolge Atemmuskulatur zum Atemstillstand. Bei der medi­
verändert, während bei der sog. Chromosomenmu­ kamentösen Therapie werden Cholinesteraseinhibi­
tation ganze Teile von Chromosomen völlig weg­ toren verabreicht, so dass ein Überschuss an Azetyl­
fallen können oder falsch eingesetzt werden. Tritt ein cholin im synaptischen Spalt vorliegt. Zudem wird
vollständiges Chromosom mehrmals auf oder geht häufig die Thymusdrüse entfernt. Neben einer gene­
verloren, bezeichnet man das als Genommutation. tischen Prädisposition, Stress und Antibiotika kann
190 Myelenzephalon

eine Hormonausschüttung während der Schwanger­ tereinander angereihte Sarkomere bilden die Myo­
schaft an der Entstehung der Myasthenia gravis be­ fibrille. Die kleinsten Bestandteile der Myofibrille
teiligt sein. sind die Aktin- und Myosinfilamente, die sich bei
Erregung der Muskelfaser durch chemische Reak­
Myelenzephalon 7 Medulla oblongata tionen ineinander schieben und so die Kontraktion
der Myofibrille auslösen.
Myelinfärbung (engl. myelin staining) Mit Hilfe der
Myelinfärbung lässt sich die lipidreiche Myelin­ Myokard (engl. myocardium, heart muscle) Das Myo­
umhüllung der Axone anfärben. Dabei werden alle kard ist die mittlere der drei Schichten, die das Herz
­myelinisierten Gebiete sichtbar, wodurch sich die umgeben (die beiden anderen Schichten sind das
subkortikale weiße Substanz gut vom Kortex und Epikard und das Endokard). Es ist die Muskelschicht,
subkortikalen Kernen unterscheiden lässt. Daher die dafür sorgt, dass das Blut aus dem Herzen in den
eignet sich diese Methode, um die zerebrale Organi­ Körper gepumpt wird. Die Muskelschicht ist um die
sation zu untersuchen. Sie eignet sich hingegen nicht linke Herzkammer am dicksten, da hier die größte
dazu, den Verlauf einzelner Axone zu verfolgen, da Kraft aufgebracht werden muss, um das Blut in die
das Initialsegment und die Endverzweigungen des Körperperipherie zu pumpen; die Muskelschicht an
Axons aufgrund der nicht vorhandenen Myelinisie­ den Vorhöfen ist vergleichsweise dünn. Bei großen
rung nicht eingefärbt werden können. Somit kann Belastungen (z. B. bei Ausdauersportarten) kann die
ein Axon kaum von anderen abgehoben werden. Muskulatur in Länge und Breite wachsen und er­
möglicht so bessere Leistungen, was als Hypertro­
Myelinscheide (engl. myelin sheath; Syn. Mark­ phie bezeichnet wird. Durch Erkrankungen (z. B.
scheide) Die Myelinscheide ist die elektrisch iso­ Hypertonie) kann eine krankhafte Hypertrophie des
lierende und fetthaltige Hülle markhaltiger Axone. Myokards entstehen.
Sie besteht aus Myelin und bietet zum einen Schutz
vor mechanischer Überbeanspruchung und sichert Myoklonie, nächtliche (engl. myoclonia; Syn. Ein­
die Ernährung des Axons. Zum anderen ermöglicht schlaf-Myoklonie) Unter nächtlicher Myoklonie ver­
sie zusammen mit den Ranvierschen Schnürringen, steht man schnelle, unwillkürliche Muskelzuckun­
die die Myelinschicht im Abstand von jeweils etwa gen im Schlaf, besonders in den Einschlaf- und Auf­
0,2 bis 1,5 mm unterbrechen, eine schnelle Leitungs­ wachphasen. Sie halten nur Bruchteile von Sekunden
M geschwindigkeit von Nervenimpulsen. Die Myelini­ an und betreffen vorrangig die Muskelgruppen der
sierung der Axone im zentralen Nervensystem er­ Extremitäten, aber auch Mimik und Rumpfmus­
folgt durch die Oligodendrozyten und im peripheren kulatur. Die Zuckungen sind ungefährlich, sie haben
Nervensystem durch die Schwann-Zellen. Neben keine pathologische Bedeutung; unter Stress sind
den myelinisierten Axonen gibt es auch unmyelini­ sie häufiger zu beobachten. Die Ursache für dieses
sierte Fasern, die eine langsamere Erregungsleitung Phänomen ist noch nicht ausreichend geklärt, sie
besitzen. Bei den sog. demyelinisierenden Erkran­ scheint aber mit Regionen im Hirnstamm zusam­
kungen, wie z. B. Multipler Sklerose, wird die Mye­ men zu hängen, die Aktivierungen von Kortex und
linscheide zerstört. Rückenmark koordinieren. Es wird vermutet, dass in
Traumphasen diese Koordination (v. a. die Hem­
Myofibrille (engl. myofibril) Myofibrillen sind als mung der Reizweiterleitung zur Muskulatur) nicht
Eiweißstrukturen Bestandteile der Muskelfasern. Sie immer vollständig funktioniert.
werden als Minimotoren der Skelettmuskulatur be­
zeichnet, weil sie sich bei Erregung der Muskelfaser Myosin (engl. myosin) Beim Myosin handelt es sich
zusammenziehen können und somit eine Muskel­ um ein lang gestrecktes, paarweise vorkommendes
kontraktion auslösen. Myofibrillen sind sehr lange, Molekül, dessen Form einem Golfschläger ähnelt,
ca. 1 µm dünne Schläuche, die durch proteinhaltige d. h. ein stabförmiger Myosinschaft, an dessen einem
Z-Scheiben in einzelne Kammern von 2,5 µm Länge, Ende zwei globuläre Kopfteile sitzen. 100 dieser Pro­
den Sarkomeren, unterteilt werden. Tausende hin­ teinpaare bilden ein Myosinfilament und wiederum
Myotonie 191

ca. 1000 dieser Filamente liegen in der Mitte eines Untererregbarkeit. Bei den Mutationen des Chlorid­
Sarkomers, der kleinsten funktionell eigenständigen kanals (Myotonia congenita der Form Thomsen und
Einheit eines Muskels. Im Zusammenspiel mit den der Form Becker) ist das typische Symptom der De­
Aktinfilamenten kommt es zur Muskelkontraktion. kontraktionsbehinderung zu erkennen. Das bedeu­
Zudem ist Myosin auch beim Stofftransport im Axon tet, dass Patienten bei erstmaliger Ausführung einer
aktiv. Bewegung meist nicht fähig sind, diese Bewegung
wieder aufzulösen, nach einer Warming-up-Phase
Myotonie (engl. myotonia; Syn. Muskelsteifheit) Myo­ die Bewegung aber immer schneller durchführbar
tonie ist eine neurologische Erkrankung, die jeden ist. Bei der Mutation des Natriumkanals, der sog.
Nerv und damit auch jeden Muskel betreffen kann. paradoxen Myotonie, wird die Steifheit der Muskeln
Die Ursache sind Mutationen der Ionenkanäle, so nach Wiederholung der Bewegungen schlimmer,
dass diese in Ausübung einer fehlerhaften Funktion hinzu kommt übermäßiges Schwitzen. Die Diagnose
entweder zu viel oder zu wenig Natrium-, Kalium-, erfolgt vorwiegend mittels EMG, Muskelbiopsie und
Chlorid- oder Kalziumionen durch die Membran der Patch-Clamp-Technik. Die Prognose für den
passieren lassen. Die Folge ist eine Über- oder Unter­ Krankheitsverlauf ist günstig, da eine Medikation oft
erregbarkeit der Zellmembran am Skelettmuskel. nicht zwingend erforderlich ist und die Krankheit
Bei Übererregbarkeit nimmt die Muskelspannung keinen direkten Einfluss auf das Lebensalter hat. Die
bei Willkürbewegungen zu, Steife ist die Folge. Myotonie ist autosomal erblich, je nach Typ rezessiv
­Muskelschwäche und Lähmungen sind Resultate der oder dominant.

M
192 Muster

N
Nachbild (engl. afterimage) Nachbilder sind Phäno- einem Hungergefühl einhergeht. Versuchstiere in
mene der visuellen Wahrnehmung, die bei einer lan- Experimenten, in denen Nahrung als belohnender
gen Fixierung eines Bildes bzw. einem starken Reiz Reiz eingesetzt wird, werden häufig im Vorfeld des
entstehen können. Dabei besteht die Wahrnehmung Experiments nahrungsdepriviert, um die Beloh-
für eine gewisse Zeit weiter, obwohl der auslösende nungswirkung des Futters zu verstärken.
Reiz nicht mehr vorhanden ist. Man unterscheidet
zwischen positiven (gleiche Konfiguration wie der Naloxon (engl. naloxone) Naloxon ist die kurze Be-
Reiz) und negativen Nachbildern. zeichnung für L-17-Allyl-4,5α-epoxy-3,14-dihydro-
xy-6-morphinanon, und gehört zu den Opioidanta-
Nachbild, negatives (engl. negative afterimage) Bei gonisten. Opiatrezeptoren werden durch Gabe von
negativen Nachbildern ist die Wahrnehmung mit Naloxon besetzt, aber nicht aktiviert. Das heisst,
der eines Fotonegativs vergleichbar. So werden vor durch Opiate hervorgerufene euphorische Zustände
einem einheitlichen hellen (weißen) Hintergrund können gemildert oder aufgehoben werden. Mit
helle Abschnitte dunkel (und umgekehrt) sowie Far- ­einer Wirkdauer von bis zu 2 Stunden wirkt es kür-
ben in der Gegenfarbe (Rot/Grün; Blau/Gelb) wahr- zer als die meisten Opiate, daher sind oft Nachinjek-
genommen. Ursache dafür ist die Adaptation der tionen nötig. Naloxon wird im Notfall bei Heroin-
einzelnen Netzhautabschnitte an den wahrgenom- überdosierungen und zusammen mit dem Schmerz-
men Reiz. mittel Tilidin beim Entzug eingesetzt. Bei Überdo-
sierung von Naloxon besteht die Gefahr von akuten
Nachhirn 7 Medulla oblongata Entzugserscheinungen.

Nachtblindheit (engl. night blindness; Syn. Nyktalo- Naltrexon (engl. naltrexone) Naltrexon ist ein Opioid­
pia) Nachtblindheit bezeichnet eine Einschränkung antagonist und kann unabhängig vom beteiligten
N der Sehleistung bei Dämmerlicht und vollkommener Rezeptortyp die Wirkung von Opioiden hemmen
Dunkelheit. Ursache ist eine mangelnde Fähigkeit oder gänzlich aufheben. Naltrexon ist stoffwechsel-
der Augen, sich an Nacht- oder Zwielicht ­anzupassen stabiler (weniger empfindlich auf präsynaptische
(sog. Dunkeladaption). Dieser Defekt kommt durch Elimination) als Naloxon und kann deshalb peroral
eine Funktionsstörung der Stäbchenzellen in der (über den Mund/geschluckt) angewandt werden.
Netzhaut des Auges zustande, kann angeboren oder Naltrexon kann zur Unterstützung einer Entzugs-
erworben sein. Ein postnatales Versagen der Stäb- therapie eingesetzt werden. Durch die Gabe von Nal-
chen kann durch Vitamin-A-Mangel oder Erkran- trexon kommt es zur Hemmung des opioidergen
kungen der Netzhaut und des Sehnervs (z. B. Retini- Tonus auf die endogene CRH-Freisetzung (CRH =
tis pigmentosa) verursacht werden. Eine Heilung ist Corticotropin-Releasing-Hormon), welche zu einer
für die angeborene Form nicht möglich. In anderen Steigerung der HHNA-Aktivität (Hypothalamus-
Fällen werden Augenoperationen oder eine Nah- Hypophysen-Nebennieren-Achse) führt.
rungsergänzung durch Vitamin A angewandt.
Narkolepsie (engl. narcolepsy; Syn. Schlafkrankheit)
Nahrungsdeprivation (engl. food deprivation) Nah- Narkolepsie bezeichnet eine Funktionsstörung der
rungsdeprivation bezeichnet einen Zustand des Regulation von Schlaf- und Wachzyklen. Narkolep-
Mangels an Nahrung für einen Organismus, der mit tiker leiden an einer extremen Einschlafneigung, die
Nebenniere 193

zu plötzlichen Schlafanfällen führen kann. Die Prä- Energie in Form von ATP, da er sowohl gegen das
valenzrate beträgt 1:1000. Narkolepsie tritt meist im Konzentrationsgefälle als auch gegen die elektrosta-
frühen Erwachsenenalter auf, die Krankheit verläuft tischen Anziehungskräfte wirkt.
chronisch. Die Symptome der Narkolepsie sind stän-
dige Schläfrigkeit und Schlafanfälle, mit denen Kon- Nature nurture issue 7 Erbe-Umwelt-Problem
zentrations- und Gedächtnisstörungen einhergehen,
Kataplexie (affektiver Tonusverlust), die eine für we- Nausea (engl. nausea) Nausea ist der medizinische
nige Sekunden anhaltende Muskelschwäche durch Begriff für Übelkeit bzw. ein auf den Magen-Darm-
Verlust der Muskelspannung auslöst, Wachträume Trakt projiziertes Gefühl der Übelkeit, das oft mit
(hypnagoge Halluzinationen), Schlaflähmung (voll- Brechreiz (Schutzmechanismus des Körpers gegen
ständige Bewegungsunfähigkeit, die meist in der Ein­ Vergiftung) einhergeht. Nausea ist ein komplexes
schlafphase auftritt und Sekunden bis Minuten an- Körpergefühl, dessen neuronale Entstehung noch
dauert) und ein gestörter Nachtschlaf. Auslöser für nicht vollständig geklärt ist und welches vom zentra-
narkoleptische Anfälle sind meist Affekte wie ­Lachen, len Nervensystem (ZNS) sowie vom autonomen
Überraschung, Ärger, aber auch körperliche An- Nervensystem (ANS) reguliert wird. Bei den Ursa-
strengung. Es wird vermutet, dass eine stark redu- chen wird grob unterschieden zwischen internen
zierte hypothalamische Produktion des Peptids und externen Reizen. Externe Reize können Ge­
­Orexin A (Syn. Hypocretin-1) das Anfallsleiden aus- rüche, Geschmack, Bilder, Schilderungen, aber auch
löst oder unterstützt. eine ungewohnte Reizung des Vestibularorgans
(Diskrepanz zwischen visueller und sensorischer In-
Narkotikum (engl. narcotic; Syn. Betäubungsmittel) formation) sein. Interne Reize sind hohe Hormon-
Ein Narkotikum ist ein Narkosemittel, das das Be- konzentrationen (Histamin, Serotonin, Gastrin),
wusstsein z. B. während ärztlicher Eingriffe, aus­ seelische Belastungen sowie körperliche Erkrankun­
zuschalten vermag. Es führt, je nach Dosis, zur gen (bspw. Tumoren, Infektionen). Auch Medika-
Hemmung der Funktionen des ZNS und Reflexe; mente, Schwangerschaft oder Vergiftungen können
Schmerzen, Atmung und Hirnaktivität werden ver- Übelkeit hervorrufen. Als Gegenmittel werden An-
ringert. Ein Narkotikum kann inhaliert (z. B. in tihistaminika, Neuroleptika oder pflanzliche Mittel
Form von Äther oder Lachgas) oder injiziert (z. B. eingesetzt.
als Barbiturate) werden. Im Zusammenhang mit
Analgetika (schmerzstillende Mittel) bezeichnet NCAMs 7 Zelladhäsionsmoleküle
man Narkotika als narkotisierende Analgetika (z. B.
Kodein und Morphium). Als Nebenwirkungen Nebenniere (engl. adrenal gland; Syn. Glandula N
­können Delirien, Abhängigkeit und Toleranzent- s­ uprarenalis, Glandula adrenalis) Die Nebennieren
wicklung auftreten. sind paarige endokrine Drüsen, die auf den oberen
Polen der beiden Nieren sitzen und sich in zwei
Natriumamytaltest 7 Wada-Test funktionell unterschiedliche Anteile – Nebennieren-
mark und Nebennierenrinde – gliedern. Die Neben-
Natrium-Kalium-Pumpe (engl. sodium-potassium niere ist Teil des vegetativen Nervensystems. Sie be-
pump) Die Natrium-Kalium-Pumpe ist ein energie- steht aus einer typischen Dreischichtung: das graue
aufwändiger Mechanismus, der Natriumionen aus Nebennierenmark liegt in der Mitte, beidseitig
der Zelle hinaus und Kaliumionen in die Zelle hinein­ ­umgeben von der gelben Nebennierenrinde, welche
pumpt. Da die Zellmembran nicht absolut imper­ somit die Oberfläche der Nebennieren darstellt. Die
meabel gegenüber Natriumionen ist, werden diese Nebenniere eines Erwachsenen wiegt durchschnitt-
durch die negative Ladung des Zellinneren ange­ lich etwa 4–5 g, ist ca. 3 cm lang und 1 cm breit. Die
zogen und fließen in kleinen Mengen in die Zelle rechte und die linke Nebenniere unterscheiden sich
hinein. Um das Ruhepotenzial wieder herzustellen, in ihrer Form. Während die rechte Drüse ein pyra-
pumpt die Natrium-Kalium-Pumpe je 3 Na+ nach midenförmiges Aussehen hat, gleicht die linke Ne-
außen und 2 K+ nach innen. Dieser Prozess benötigt benniere eher einem Halbmond.
194 Nebennierenmark

Nebennierenmark (engl. adrenal medulla) Das Ne- Akutphase. Derzeit werden zwei Neglekttypen dis-
bennierenmark ist der kleinste Teil der Nebenniere kutiert: der egozentrische (raumzentrierte) Neglekt
(endokrine Drüse) und besteht aus chromaffinen und der objektzentrierte Neglekt. Zu untersuchen
Zellen (Histologie: in diesen Zellen enthaltene Gra- bleibt, ob es sich um ein Defizit bei der Empfindung
nula zeigen typische Anfärbbarkeit-Bräunung), die und Wahrnehmung oder um ein Defizit bei Auf-
aus L-Tyrosin die Katecholamine Adrenalin (80 %) merksamkeit und Orientierung handelt.
und Noradrenalin (20 %) bilden. Entwicklungsge-
schichtlich handelt es sich beim Nebennierenmark Nekrose (engl. necrosis) Nekrose bezeichnet den Tod
um postganglionäre Zellen des Sympathikus. einzelner Zellen oder ganzer Gewebeteile. Auslöser
dafür können Gifte, Bakterien, Radioaktivität, Ver-
Nebennierenrinde (engl. adrenal cortex) Die Neben­ brennungen oder mechanische Verletzungen sein.
nierenrinde macht den größten Anteil der Neben- Nekrose tritt auch bei Durchblutungsstörungen von
niere aus. Die Nebennierenrinde produziert eine Geweben auf, da die Zellen dann nicht mehr aus­
Vielzahl von Hormonen, die aus Cholesterin synthe- reichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt
tisiert werden. In der inneren Schicht, der sog. Zona werden. Jeder dieser Auslöser führt zu einer Schädi-
reticularis, werden Sexualhormone, v. a. Androgene, gung der Zellstruktur, die irreversibel ist. Die auf­
produziert. In der mittleren Schicht der Neben­ tretenden Membrandefekte führen dazu, dass der
nierenrinde, der sog. Zona fasciculata, werden Gluko­ Inhalt der Zelle in die Umgebung austritt. Als Folge
kortikoide gebildet und in der äußeren Schicht, der entzündet sich das umliegende Gewebe. Die betref-
Zona glomerulosa, werden Mineralkortikoide pro- fende Stelle kann entweder durch das Nachwachsen
duziert. Eine Über- bzw. Unterfunktion der Neben- neuer Zellen komplett verheilen oder es kommt zur
nierenrinde kann zu verschiedenen Symptomen Narbenbildung.
führen. Eine Überfunktion kann im Cushing-Syn-
drom resultieren, aus einer Unterfunktion ergibt Neokortex (engl. neocortex; Syn. Isokortex) Der Neo­
sich eine Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus kortex ist der stammesgeschichtlich jüngste und der
Addison) mit lebensbedrohlichen Konsequenzen am meisten ausdifferenzierte Teil der Großhirn­
bei Nichtbehandlung. rinde. Entgegen früherer Annahmen findet er sich
nicht ausschließlich bei Säugetieren, beim Menschen
Negativsymptom (engl. negative symptom) Als Ne- bildet er jedoch im Gegensatz zu anderen Spezies
gativsymptom gilt ein Krankheitszeichen, das ein den Großteil der Oberfläche des Großhirns (rund
fehlendes oder ein deutlich geringer ausgeprägtes 90 %). Er besteht u. a. aus den auf die Repräsenta­
N Verhaltens- oder Erlebenselement beschreibt. So tionen der Sinneseindrücke spezialisierten senso-
können zuweilen bei einer Schizophrenie Antriebs- rischen Arealen, dem für die Bewegungen zustän­
und Interessenslosigkeit bei den betroffenen Patien­ digen Motorkortex und den weiträumigen Assozia-
ten beobachtet werden. tionszentren. Der Neokortex zeichnet sich bei vielen
Säugetieren durch zahlreiche Windungen (griech.
Neglekt, kontralateraler (engl. contralateral neglect) Gyri, singl. Gyrus), Spalten (lat. Fissurae, singl. Fis-
Neglekt bezeichnet die Nichtbeachtung von Reizen sura) und Furchen (lat. Sulci, singl. Sulcus) aus. Die
auf der zu einer Hirnläsion gegenüberliegenden Sei- Faltung dient der Vergrößerung der Oberfläche.
te und eine fehlende spontane Orientierungsreak­ Aufgrund einiger tiefer Spalten erfolgt eine Gliede-
tion. Diese Störung tritt meist nach Läsionen des rung des Neokortex in vier Lappen (lat. Lobi, singl.
rechten inferioren Parietallappens (Areale 40 und 7 Lobus), dem Frontal- oder Stirnlappen (Lobus fronta­
nach Brodmann) auf. Bei diesem Störungsbild ist lis), dem Parietal- oder Scheitellappen (Lobus parieta­
z. B. zu beobachten, dass Patienten Bilder nur bis zur lis), dem Temporal- oder Schläfenlappen (Lobus
Hälfte abmalen. Neglekt umfasst visuelle, audito- parietalis) und dem Okzipital- oder Hinterhaupts-
rische wie auch somatosensorische Stimuli der kont­ lappen (Lobus occipitalis). Der Begriff Neokortex ist
raläsionalen Seite. Er geht meist einher mit Ano­ weitgehend synonym mit dem Wort Isokortex, wo-
sognosie (Nichterkennen der Einschränkung) in der bei die Benennung im ersten Fall nach entwick-
Nerven, efferente 195

lungsgeschichtlichen und im zweiten nach histolo- filtrat. Dieses Filtrat wird in den Tubulusapparat ge-
gischen (geweblichen) Kriterien erfolgt ist. Histo­ leitet, wo er durch Reabsorption noch konzentriert
logisch gesehen lässt sich der Neokortex in sechs und mit weiteren Stoffwechselprodukten angerei­­
Schichten unterteilen, die durch das Vorkommen chert wird. Das entstandene Sekret ist der Harn, der
bestimmter Zelltypen definiert sind. später über die Blase ausgeschieden wird.

Neologismus (engl. neologism) Ein Neologismus ist Nerv (engl. nerve) Ein Nerv ist ein Erregungsleiter
eine Wortneuschöpfung, die durch das Zusammen- im peripheren Nervensystem, der aus Bündeln von
fügen heterogener Silben bzw. durch die ungewöhn- Axonen besteht, welche von schützendem Binde­
liche Verwendung von Wörtern zustande kommt. Er gewebe umschlossen sind. Dabei werden einzelne
findet sich v. a. bei Aphasie- und Schizophreniepa­ Axone vom Endoneurium umhüllt (welches auch
tienten. Im Rahmen einer formalen Denkstörung größere Nerven umgibt), mehrere vom Perineu­rium.
handelt es sich um eine Störung des Denkablaufs, bei Nerven dienen der Kommunikation zwischen dem
der es zu einer Verdichtung unterschiedlicher Im- zentralen Nervensystem und den verschiedenen Or-
pulse kommt, so dass der Patient sich nicht mehr ganen bzw. Regionen des Körpers. Je nach Richtung
adäquat ausdrücken kann. der Erregungsleitung unterscheidet man zwischen
afferenten Nerven und efferenten Nerven. Des Wei-
Neoplasma (engl. neoplasm) Neoplasma steht für teren differenziert man bei Wirbeltieren hinsichtlich
eine Neubildung im Zellbereich. Im Bereich der des Ursprungs zwischen Hirnnerven und Spinal­
Krebserkrankung versteht man unter Neoplasma nerven.
bösartige Neubildungen bzw. Geschwüre oder Tu-
moren. Nerve growth factor 7 Nervenwachstumsfaktor

Neostigmin (engl. neostigmine) Neostigmin ist ein Nerven, afferente (engl. pl. afferent nerves; Syn. Affe­
Wirkstoff, der die Wirkung des Parasympathikus renzen, aufsteigende Bahnen) Afferente Nervenfa-
nachahmt (Parasympathomimetikum). Als Azetyl- sern leiten Impulse über Veränderungen im Orga-
cholinesterasehemmer behindert Neostigmin an nismus und der Umwelt von einem Organ, Gewebe
cholinergen Synapsen den Abbau des Transmitters oder Sinnesorgan an das Zentralnervensystem. So-
Azetylcholin, wodurch die Wirkung dieses Trans- matische Afferenzen übermitteln Meldungen von
mitters potenziert wird. Die physiologischen Effekte den Sinnesorganen und gehören zum somatischen
umfassen Abnahme der Herzfrequenz, Verengung Nervensystem. Viszerale Afferenzen leiten Informa-
der Pupillen, Erhöhung der Schweißsekretion und tionen von den Eingeweiden und zählen zum vege- N
Miktion, Kontraktion der Gallenblase sowie an den tativen Nervensystem. Als sensorische Afferenzen
Bronchien Kontraktion der Muskulatur und Zunah- bezeichnet man jene, die aus Wahrnehmungsor-
me der Sekretion. Neostigmin kann die Blut-Hirn- ganen, z. B. Auge, Ohr oder der Haut stammen.
Schranke nicht passieren, deshalb hat es kaum
zentralnervöse Wirkungen. Anwendung findet es als Nerven, efferente (engl. pl. efferent nerves; Syn. Effe-
Antidot (Gegengift) bei Vergiftung mit Curare renzen, absteigende Bahnen) Efferente Nervenfasern
(kompetitiver Azetylcholinrezeptor-Antagonist). leiten Impulse vom Zentralnervensystem (Rücken-
mark, Gehirn) zu zentralen oder peripheren Erfolgs-
Nephron (engl. nephron) Das Nephron ist der Teil der organen (Muskeln, Drüsen), den sog. Effektoren.
Niere, in der die Urinbildung erfolgt. Jede Niere ent- Eine Unterscheidung erfolgt entsprechend ihrem
hält Millionen von Nephronen. Ein Nephron besteht Zielort. Somatische Efferenzen sind motorische
aus Harnkanälchen (dem sog. Tubulusapparat) und Nervenfasern, die zu den Skelettmuskeln führen und
Nierenkörperchen (dem sog. Glomerulum). Aus zum somatischen Nervensystem gehören. Viszerale
dem Blut, das ständig durch die Nierenkörperchen Efferenzen leiten u. a. Informationen an die glatte
fließt, werden bestimmte Substanzen und Abfallpro- Muskulatur, die Herzmuskulatur und Drüsen, sie
dukte herausgefiltert und bilden das sog. Glomerulum­ zählen zum vegetativen Nervensystem.
196 Nervensystem, animalisches

Nervensystem, animalisches (engl. voluntary ner- Nervenwachstumsfaktor (engl. nerve growth factor)
vous system) Das animalische Nervensystem ist eine Der Nervenwachstumsfaktor ist eine Bezeichnung
andere Bezeichnung für das somatische Nerven­ für den ersten identifizierten und molekular charak-
system. terisierten neurotrophen Faktor (7 Neurotrophine).
Rita Levi-Montalcini und Viktor Hamburger ent-
Nervensystem, autonomes (engl. autonomous ner- deckten die Substanz in den 1950er Jahren. Beim
vous system; Syn. vegetatives Nervensystem) Das auto­ Nervenwachstumsfaktor handelt es sich um eine
nome Nervensystem ist das Teilsystem des Nerven- körpereigene Substanz, die von einigen Neuronen
systems, das sich einer willkürlichen Kontrolle durch selbst produziert wird und deren Wachstum anregt.
das Bewusstsein weitgehend entzieht. Über das auto­ Nervenwachstumsfaktorproduzierendes Gewebe
nome Nervensystem (ANS) werden Vitalfunktionen wird genutzt, um Alzheimer- und Parkinsonpa­tien­
(z. B. Atmung, Herzschlag, Blutdruck) gesteuert, es ten zu behandeln.
teilt sich in Sympathikus, Parasympathikus und
­enterisches Nervensystem. Das ANS hat sowohl An- Nervenzelle 7 Neuron
teile am zentralen Nervensystem (ZNS) als auch am
periphären Nervensystem (PNS). Nervus cranialis 7 Hirnnerv

Nervensystem, enterisches 7 Darmnervensystem Nervus spinalis 7 Rückenmarknerv

Nervensystem, peripheres (engl. peripheral nervous Nervus vagus (engl. vagus nerve; Syn. zehnter Hirn-
system) Das periphere Nervensystem (PNS) umfasst nerv) Der Nervus vagus ist der zehnte Hirnnerv und
alle Nervenzellen außerhalb des Gehirns bzw. zugleich der größte Nerv des parasympathischen
Rücken­marks, die keine Teile des zentralen Nerven- Systems. Seinen anatomischen Ursprung hat der
systems (ZNS) sind. Nervenzellen des PNS werden Nerv in der Medulla oblongata. Er ist u. a. an der
dementsprechend nicht von Knochen oder der Blut- Funktionsregulation der meisten inneren Organe
Hirn-Schranke geschützt. Unter funktionellen As- beteiligt. Im motorischen Bereich übernimmt er die
pekten ist eine Trennung in ZNS und PNS fragwür- Kontrolle von Kehlkopf, Rachen und der oberen
dig, da der Großteil aller peripheren Nervenzellen Speiseröhre. Der Nervus vagus überträgt Informa­
entweder im ZNS beginnt (motorische und vegeta- tionen des Geschmacks, der Berührung und des
tive Nerven) oder dort endet (sensorische Nerven- ­äußeren Gehörgangs. Im Bereich der inneren Or-
zellen). gane kommt dem Nervus vagus efferent eine bedeu-
N tende Rolle im Zusammenhang mit der parasym­
Nervensystem, somatisches (engl. somatic nervous pathischen Kontrolle zu. Afferent liefert der Nervus
system) Das somatische Nervensystem (SNS) ist, im vagus wichtige Informationen über den (Aktivitäts-)
Gegensatz zum autonomen Nervensystem, für die Zustand der inneren Organe ins zentrale Nerven­
willkürliche, also beabsichtigte, Kontrolle von Or- system.
ganen zuständig. Hierzu gehören z. B. Aufgaben wie
die Bewegungen des Körpers (Motorik). Das SNS Netzhaut 7 Retina
steuert alle Funktionen, die den Beziehungen zur
Außenwelt dienen. Das SNS ist zwar Teil des peri- Neuralgie (engl. neuralgia) Eine Neuralgie bezeich-
pheren Nervensystems (PNS), wo es auch zum größ- net Schmerzen im Versorgungsgebiet bestimmter
ten Teil angesiedelt ist, einige Teile befinden sich je- Nerven. In den meisten Fällen sind davon der Ge-
doch auch im zentralen Nervensystem (ZNS). sichtsbereich, die Ischiasregion und der Bandschei-
benbereich betroffen. Der Schmerzreiz wird nicht von
Nervensystem, vegetatives 7 Nervensystem, auto- Schäden im Versorgungsgebiet verursacht, sondern
nomes von einer Reizung oder Schädigung des versorgen
den Nervs selbst. Auslöser von Neuralgien sind viel-
Nervensystem, zentrales 7 Gehirn; Rückenmark fältig und reichen von Entzündungen und Vergif-
Neurofibrillen 197

tungen über Quetschungen bis zu Stress. Die Schmer- hinauf bis zur vorderen Seite des Gehirns. Rich-
zen treten mehrmals täglich auf, sind dabei sehr in- tungen im Nervensystem (z. B. sagittal) sind norma-
tensiv, aber nur von kurzer Dauer. Therapiemöglich- lerweise relativ zur Neuraxis angegeben. Im Gegen-
keiten bestehen in der Behandlung durch Akupunktur, satz zum Tier ist beim Menschen die Neuraxis auf-
die Anwendung von Psychopharmaka und Antikon- grund der aufrechten Haltung abgeknickt.
vulsiva oder einem medizinischen Eingriff.
Neurit 7 Axon
Neuralleiste (engl. neural crest) Die Neuralleiste
e­ ntsteht während der embryonalen Entwicklung des Neuroanatomie (engl. neuroanatomy) Die Neuro-
Nervensystems aus Zellmaterial des Neuroepithels, anatomie ist ein Teilgebiet der Neurobiologie, ein
welches sich aus dem Ektoderm entwickelt. Sie spal- Wissenschaftszweig, der sich mit der Erforschung
tet sich ab dem 18. Embryonaltag von der Neural­ von Struktur und Form des Zentralnervensystems
rinne ab und bildet danach die Nahtstelle zwischen auseinandersetzt. Es geht dabei v. a. um die Defini­
Neuralrohr und dem Restektoderm. Aus der Neural- tion (Größe, Lage, Struktur, Benennung) verschie-
leiste ent­wickeln sich im weiteren Entwicklungs­ dener Strukturen des Zentralnervensystems bei
verlauf des Embryos u. a. die Hirnnerven, die Spi­ Mensch und Tier. Die vergleichende Neuroanatomie
nalganglien, der sympathische Grenzstrang, die pe­ erforscht Zusammenhänge zwischen Gehirn- und
riphere Neuroglia sowie sensible und vegetative Rückenmarksstrukturen bei verschiedenen Tier-
Nerven. gruppen und versucht so Aussagen über die Evolu­
tion des Nervensystems zu machen. Verwandte Dis-
Neuralplatte (engl. neural plate) Die Neuralplatte ziplinen sind Neurophysiologie und Neurochemie.
stellt die erste Phase der embryonalen Entwicklung
des Nervensystems dar (2. Phase: Neuralrinne, Neurochemie (engl. neurochemistry) Die Neuro­
3. Phase: Neuralrohr). Sie entsteht aus dem Ekto- chemie ist die Erforschung chemischer Grundlagen
derm (einem der drei embryonalen Keimblätter), und Prozesse neuronaler Aktivität im Nervensystem
welches am 17. Embryonaltag das Neuroektoderm und im Gehirn. Der Fokus liegt besonders auf der
ausbildet. Aus diesem entwickelt sich eine speziali- interneuronalen Signalübertragung.
sierte Region, die Neuralplatte, aus der der größte
Teil des Nervensystems entsteht. Neuroendokrinologie (engl. neuroendocrinology)
Neuroendokrinologie ist die Lehre und Erforschung
Neuralrohr (engl. neural tube) Das Neuralrohr stellt der Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen
die dritte Phase der embryonalen Entwicklung des Nervensystem und endokrinem System. Dabei geht N
Nervensystems dar (1. Phase: Neuralplatte 2. Phase: es z. B. um die Wirkung von Hormonen auf die neu-
Neuralrinne). Die Neuralrinne schließt sich am 22. ronale Aktivität und Verhalten, die Wirkung ner-
Embryonaltag zum Neuralrohr, an deren Übergang vöser Erregung auf die Ausschüttung von Hormonen
zum Restektoderm sich die Neuralleiste abspaltet oder die Synthese und Bedeutung von Hormonen
(sie bildet später das periphere Nervensystem). Aus im Nervensystem.
dem oberen Ende des Neuralrohrs bildet sich das
Gehirn, aus dem hinteren Abschnitt entsteht das Rü- Neurofibrillen (engl. pl. neurofibrils) Neurofibrillen
ckenmark. Die Hohlräume des Neuralrohrs bilden sind sehr feine, fadenartige intrazelluläre Bestand-
später das Ventrikelsystem. Die Enden des zunächst teile der Nervenzelle. Sie sind Bestandteil des Zyto-
offenen Neuralrohrs schließen sich zwischen dem skeletts, d. h. sie geben der Nervenzelle ihre Form
25. und 27. Embryonaltag. und stützen sie. Außerdem sind sie für den Stoff-
transport innerhalb der Nervenzelle wichtig. Bei der
Neuraxis (engl. neural axis) Eine Neuraxis ist eine zu Alzheimer Erkrankung sind die Neurofibrillen ver-
Orientierungszwecken vorgestellte Linie, die längs mehrt und verknäult. Diese sog. neurofibrillären
durch das zentrale Nervensystem verläuft. Sie be­ Einlagerungen stellen einen pathologischen Marker
ginnt am unteren Ende des Rückenmarks und geht dieser Erkrankung dar.
198 Neuroglia

Neuroglia 7 Gliazellen Axons kommendes Aktionspotenzial ausgelöst. Die


Aufnahme des Botenstoffes aus dem synaptischen
Neurohormone (engl. pl. neurohormones) Das sog. Spalt kann in der postsynaptischen Zelle zu ver-
neuroendokrine System (Verbindung von Nerven- schiedenen Änderungen führen.
system und Endokrinologie) fasst Zellen, Organe
oder Organbestandteile zusammen, die an der Pro- Neuroleptika, atypische (engl. pl. atypical neuro­
zessierung und Sekretion von Neurohormonen be- leptic drugs) Ein Neuroleptikum ist ein Medikament,
teiligt sind. Im weitesten Sinne können Neurohor- das zur Behandlung von Psychosen (v. a. bei Schizo-
mone als Effektormoleküle verstanden werden, die phrenie) angewandt wird und eine sedierende Wir-
von Zellen des neuroendokrinen Systems abgegeben kung besitzt. Die atypischen Neuroleptika unter-
(sezerniert) werden. Es werden sowohl Releasing- scheiden sich von den typischen Neuroleptika in
und Inhibiting-Hormone des Hypothalamus-Hypo- ihrer chemischen Struktur und in ihrem Wirkprofil.
physen-Systems dazugezählt als auch auch Oxytozin Es handelt sich dabei hauptsächlich um Stoffe, die
und Antidiuretisches Hormon (ADH, Vasopressin) erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind. Eine
der Neurohypophyse, APUD-Zellen (der Neural- Ausnahme ist Clozapin, welches bereits seit 1972
leiste entstammende Zellen) des Pankreas, des Gas- eingesetzt wird. Vorteile atypischer Neuroleptika
trointestinal-, Bronchial- sowie Urogenitalsystems. sind geringere extrapyramidal-motorische Störun­
Auch bestimmte Neurotransmitter oder endogene gen, eine geringere Beeinträchtigung intellektueller
Opioide können zu den Neurohormonen gezählt Fähigkeiten (Denkvermögen, Konzentration, Krea-
werden. tivität), eine günstige Beeinflussung der Negativ-
symptome und eine dennoch gute antipsychotische
Neurohypophyse (engl. neurohypophysis; Syn. Hy- Wirkung. Zu den in Deutschland zugelassenen aty-
pophysenhinterlappen) Die Neurohypophyse ist der pischen Neuroleptika gehören Zeldox, Leponex,
hintere Teil der Hypophyse, einer endokrinen Drüse Solian, Seroquel, Risperdal und Serdolect.
im Gehirn. Sie wird daher auch Hypohysenhinter- Neuere Studien lassen jedoch an der besseren Ver-
lappen (HHL) genannt. Wie die Adenohypophyse träglichkeit zweifeln.
(Hypophysenvorderlappen, HVL) ist auch diese
Drüse abhängig vom Hypothalamus. Dort produzie- Neuroleptika, typische (engl. pl. typical neuroleptic
ren neuroendokrine Zellen die Hormone Oxytozin drugs) Neuroleptika sind psychotrope Substanzen
und Vasopressin (Antidiuretisches Hormon, ADH) mit antipsychotischer, sedierender und psychomo-
und leiten sie über spezielle Axone durch den Hypo- torischer Wirkung. Sie finden v. a. Anwendung bei
N physenstiel in den HHL. Dort werden sie gespeichert der Behandlung akuter Psychosen. Sie wirken über
und bei Bedarf durch Exozytose ins Blut freigesetzt. eine prä- und postsynaptische Blockade der Dopa-
minrezeptoren und in unterschiedlichem Ausmaß
Neuroimaging (engl. neuroimaging) Neuroimaging auch über Beeinflussung serotonerger, noradrener-
ist ein Überbegriff für alle Verfahren, welche eine ger, histaminerger und cholinerger Rezeptoren, wor-
bildliche Ansicht (Image) der Hirnanatomie bzw. aus sich u. a. die typischen Nebenwirkungen erge-
des Hirnmetabolismus ermöglichen, wie z. B. Mag­ ben. Eingeteilt nach neuroleptischer Potenz unter-
netresonanztomographie (MRT), Positronenemissi- scheidet man hochpotent (v. a. antipsychotisch) und
onstomographie (PET). niederpotent (v. a. schlafanstoßend, beruhigend)
wirkende Substanzen (Bezugssubstanz: Chlorpro-
neurokrin (engl. neurocrine) Die neurokrine Kom- mazin mit Potenz = 1). Nach Stoffgruppen wird un-
munikation beschreibt die Abgabe eines chemischen terschieden zwischen trizyklischen Neuroleptika,
Signals von der präsynaptischen Membran einer Butyrophenonen, Diphenylbutylpiperidinen und
Synapse in den synaptischen Spalt und die Aufnah- Benzamiden. Nebenwirkungen sind extrapyrami-
me dieses Signals an der postsynaptischen Memb- dal-motorische Störungen, das maligne neurolep-
ran. Die Freisetzung des Signals aus der präsynap- tische Syndrom, vegetative, hormonelle und psy-
tischen Zelle wird durch ein vom Soma entlang des chische Störungen sowie allergische Reaktionen.
Neuron, unipolares 199

Von den klassischen Neuroleptika unterscheidet körpern ein Ganglion bildet, werden als postganglio­
man die atypischen Neuroleptika. näre Neuronen bezeichnet. Die Zellkörper der post-
ganglionären Zellen des Sympathikus befinden sich
Neuromodulator (engl. neuromodulator) Neuromo- im sog. sympathischen Grenzstrang, der neben der
dulatoren sind Stoffe, die das Nervensystem regu­ Wirbelsäule verläuft. Die dünnen Axone postganglio­
lierend beeinflussen. Sie übertragen nicht selbst närer Zellen des Sympathikus sind nichtmyelinisiert
­Signale, sondern regulieren die Wirkungsweise (In- und leiten die Erregung langsamer weiter als die prä-
tensität, Dauer) von Neurotransmittern an der Syn- ganglionären Zellen. Die sehr kurzen postganglio-
apse. Neben körpereigenen Neuromodulatoren nären Zellen der parasympathischen Neuronenkette
(Neuropeptide) können auch exogene Substanzen befinden sich im Kopf- und Beckenbereich in der
wie Pharmaka oder Drogen neuromodulatorisch Nähe der Erfolgsorgane sowie als intramurale
wirken. Ganglien bei Magen-Darm-Trakt, Herz und Lunge.

Neuron (engl. neuron; Syn. Nervenzelle) Neuronen Neuron, präganglionäres (engl. preganglionic
sind auf Signalübertragung spezialisierte Zellen. Sie ­ euron) Sympathikus und Parasympathikus des pe-
n
realisieren den Empfang, die Weiterleitung und die ripheren vegetativen Nervensystems bestehen in
Übertragung elektrischer und chemischer Signale. ihren Endstrecken aus einer Verschaltung von zwei
Strukturelle Charakteristika der Nervenzellen sind Neuronenarten. Der Zellkörper, der noch innerhalb
u. a. Dendriten, der Axonhügel, Axon sowie synap- von Hirnstamm oder Rückenmark des Zentralner-
tische Vesikel, welche Neurotransmitter enthalten. vensystems liegt, wird als präganglionäres Neuron
Nach ihrem Aufbau bzw. ihrer Funktion unterschei- bezeichnet. Die präganglionären Zellen des Sympa-
det man verschiedene Typen von Neuronen. thikus sind mit einer Myelinschicht umgeben und
befinden sich im Brustmark und im oberen Lenden-
Neuron, bipolares (engl. bipolar neuron) Bipolare mark. Sie treten aus dem Rückenmark über die Vor-
Neurone sind Nervenzellen, die aus genau einem derwurzeln aus und ziehen zu den sympathischen
Dendriten und einem gegenüberliegenden Axon be- präganglionären Neuronen außerhalb des ZNS. Die
stehen. Sowohl Dendriten als auch Zellkörper liegen sehr langen präganglionären Zellen des Parasympa-
in der Inputzone. Sie sind spezialisiert auf einige thikus besitzen z. T. eine Myelinschicht und be­finden
­sensorische Systeme von Wirbeltieren und treten sich im Kreuzmark und im Hirnstamm. Im Brustbe-
u. a. in der Retina und dem olfaktorischen System reich zieht der Nervus vagus zu den parasympa-
auf. Bipolare Zellen in der Retina leiten die Infor­ thischen postganglionären Neuronen nahe der Or-
mationen von den Rezeptorzellen zu den Ganglien- gane, im Beckenbereich übernimmt diese Aufgabe N
zellen weiter. der Nervus splanchnicus pelvinus.

Neuron, multipolares (engl. multipolar neuron) Neuron, sensorisches (engl. sensory neuron; Syn.
Multipolare Neurone sind Nervenzellen, die viele afferentes Neuron) Die Dendriten sensorischer Neu-
Dendriten und ein Axon besitzen. Sowohl Dendriten rone sind darauf spezialisiert, Reize aus der Periphe-
als auch Zellkörper liegen in der Inputzone. Das Ge- rie wie Gerüche, Geschmack, Berührungen, Licht
hirn von Wirbeltieren besteht hauptsächlich aus oder Geräusche aufzunehmen und diese sensori­
multipolaren Neuronen. schen Informationen an das ZNS weiterzuleiten.

Neuron, postganglionäres (engl. postganglionic Neuron, unipolares (engl. unipolar neuron) Das uni-
neuron) Sympathikus und Parasympathikus des polare Neuron besitzt einen kurzen Fortsatz, der sich
­peripheren vegetativen Nervensystems bestehen in in zwei Zweige aufteilt, wobei der eine sen­sorische
ihrer Endstrecke aus einer Verschaltung von zwei Informationen registriert und der andere ­diese aus
Neuronenarten, prä- und postgnglionären Neuro­ der Umgebung ans ZNS weiterleitet. Meistens emp-
nen. Neuronen, deren Zellkörper außerhalb des fangen unipolare Neurone sensorische Ereignisse
Zentralnervensystems liegen und mit anderen Zell- wie Berührungen und Temperaturveränderungen
200 Neuropathologie

oder Informationen aus Haut, Gelenken und Mus- toren (Y1–Y6) und hat strukturelle Ähnlichkeit zum
keln. Peptid YY und zum pankreatischen Polypeptid.

Neuropathologie (engl. neuropathology) Neuropa- Neuropharmakologie (engl. neuropharmacology)


thologie ist die Lehre und Erforschung von krank- Neuropharmakologie ist die Lehre und Erforschung
haften Störungen des Nervensystems einschließlich der Wirkung von pharmakologisch wirksamen Subs­
Auswirkungen auf den körperlichen und/oder psy- tanzen auf die Aktivität des Nervensystems. Im Fo-
chischen Zustand des Organismus. Die Neuropatho- kus der Erforschung stehen insb. Stoffe, welche die
logie ist ein Zweig der allgemeinen Pathologie und Signalübertragung zwischen den Nervenzellen beein­
der pathologischen Anatomie. Arbeitsgebiete sind flussen, sowie Veränderungen neuronaler Vorgänge
u. a. morphologische Untersuchungen und Obduk- unter dem Einfluss von Pharmaka (Arzneimittel).
tionen des Nervensystems.
Neurophilosophie (engl. neurophilosophy) Die Neu-
Neuropeptid (engl. pl. neuropeptide) Neuropeptide rophilosophie beschäftigt sich mit Elementen der
sind kurze Aminosäureketten, die neben den Mono- Philosopie und versucht Erkenntnisse der Neuro-
aminen als Botenstoffe (Signalstoffe) des Zentral- wissenschaften dabei zu integrieren. Betrachtungs-
nervensystems fungieren. Sie werden in den Endi- felder sind u. a. das Leib-Seele-Problem und der
gungen von Nervenfasern bestimmter Neuronen Sitz des Bewusstseins. In letzter Zeit erlangten auch
gespeichert. Die Freisetzung wird durch Einstrom Fragen der Neuroethik eine größere Bedeutung in
von Kalziumionen ausgelöst. Ihr Aufbau ist meist der Neurophilosophie.
kettenförmig (manchmal ringförmig). Die Wirkung
der Neuropeptide ist neuromodulatorisch, da sie Neurophysiologie (engl. neurophysiology) Die Neu-
­andere Neurotransmitter graduell hemmen oder un- rophysiologie ist ein Teilgebiet der Physiologie,
terstützen können; einige Neuropeptide wirken auch ­welches sich mit Reaktionen, Funktionen und dy­
als Hormone. Zu den Neuropeptiden gehören u. a. namischen Prozessen des zentralen (ZNS) und des
Angiotensin, Bradykinin, Cholezystokinin, Dynor- autonomen Nervensystems (ANS) beschäftigt. Es
phin, Galanin, Glukagon, NPY, Oxytozin, Prolaktin, wird zwischen allgemeiner und spezifischer Neuro-
Substanz P, TSH und Vasopressin. physiologie unterschieden. Im Fokus der allgemei-
nen Neurophysiologie stehen Wechselwirkungen
Neuropeptid Y (engl. neuropeptide Y) Das Neuro- der Nervenzellen und Zellverbände einschließlich
peptid Y ist ein 1982 entdecktes, aus 36 Amino­säuren biochemischer Veränderungen und Membranpo-
N bestehendes Neuropeptid, das v. a. im Gehirn und tenziale. Die spezielle Neurophysiologie untersucht
an noradrenergen Rezeptoren des peripheren Ner- Reaktionen und Prozesse einzelner Körperfunktio­
vensystems wirksam ist. NPY ist in hoher Konzent- nen wie Stoffwechsel oder Herzkreislauf.
ration im ZNS, im Nebennierenmark, in sympa-
thischen Ganglien und adrenergen Neuronen des Neuropsychologie (engl. neuropsychology) Die
peripheren Nervensystems zu finden. Es wird ge- Neuropsychologie ist ein Bereich der Hirnforschung
meinsam mit Noradrenalin in Vesikeln abge­ und studiert den Zusammenhang zwischen den bio-
speichert und unter Aktivierung des Sympathikus logischen Funktionen des Gehirns und dem Verhal-
in die Umgebung abgegeben (sezerniert). Es ist an ten und Erleben, u. a. in den Bereichen Wahrneh-
der ­ Regulation von Hunger (wirkt Appetit stei- mung, motorische Geschicklichkeit, Aufmerksam-
gernd), Insulinfreisetzung, gastrointestinaler Motili- keit, Lernen, Gedächtnis, Sprache und Denken, aber
tät sowie Angst beteiligt und kontrolliert epileptische auch im Hinblick auf die Wahrnehmung und den
Krämpfe. Außerdem beeinflusst es das Herz-Kreis- Ausdruck von Emotionen und Sozialverhalten. Die
laufsystem sowohl direkt (Vasokonstriktion) als klinische Neuropsychologie befasst sich mit den ver-
auch in­direkt (prä- und postsynaptische Modulation schiedenen Funktionsstörungen, die nach einer an-
des ­autonomen Nervensystems). Das Neuropeptid Y geborenen oder erworbenen Hirnschädigung auf-
wirkt über mindestens sechs verschiedene Rezep- treten können. Zu den zentralen Aufgaben der kli-
Neurowissenschaft 201

nischen Neuropsychologie gehören die Diagnostik wie z. B. Multipler Sklerose. Der Körper kann Anti-
und Behandlung der Funktionsstörungen. Die neu- körper erzeugen, welche verschiedene Störungen
ropsychologische Therapie umfasst zunächst das hervorrufen, indem sie bestimmte Komponenten
Bemühen um größtmögliche Verminderung der des Nervensystems angreifen. Beispiele für exogen
funktionellen Defizite durch funktionelle Therapien. zugeführte Neurotoxine sind Substanzen wie Alko-
Weiterhin enthält sie das Erlernen der Kompensa­ hol, Nikotin, Quecksilber oder Amphetamine.
tion beeinträchtigter Funktionen (Kompensations-
therapien) sowie die soziale und berufliche Neu­ Neurotransmitter (engl. neurotransmitter) Neuro-
anpassung durch die Herausarbeitung und Verwirk- transmitter sind chemische Stoffe, die eine wichtige
lichung neuer Verhaltensweisen (integrative Thera- Rolle in der elektrochemischen Signalübertragung
pien) wie auch die Anpassung des familiären, spielen. Sie werden in Vesikeln im präsynaptischen
sozialen und beruflichen Umfelds an die veränderte Endkopf eines Neurons gespeichert und nach Ein-
Situation des Patienten. laufen eines Aktionspotenzials über Exozytose in
den synaptischen Spalt ausgeschüttet. Nach dem
Neurose (engl. neurosis) Unter Neurose wurde ur- Schlüssel-Schloss-Prinzip bindet das Neurotrans-
sprünglich eine Nervenkrankheit ohne anatomisch mittermolekül an einen passenden Rezeptor auf der
nachweisbare Ursachen verstanden. Hierbei geht postsynaptischen Zelle. Ob ein Neurotransmitter
die Psychoanalyse davon aus, dass Neurosen durch eine Hyperpolarisation oder Depolarisation in der
einen oft bereits in der Kindheit begründeten Kon- postsynaptischen Zelle bewirkt, hängt von der Art
flikt zwischen Es und Über-Ich bzw. durch eine des aktivierten Rezeptors ab. Nach der Signalüber-
missglückte Konfliktabwehr entstehen. Hingegen tragung wird der Botenstoff desaktiviert, indem er
werden in der Lerntheorie bzw. Verhaltenstherapie wieder in den präsynaptischen Endkopf aufgenom-
Neurosen als gelernte Fehlanpassungen interpre- men (Reuptake) oder mit Hilfe von Enzymen im
tiert. Es bestehen Schwierigkeiten in der begriff- synaptischen Spalt abgebaut wird. Anhand der che-
lichen Abgrenzung zur Psychose. Heute wird der mischen Struktur werden Neurotransmitter in
Begriff im akademischen Sprachgebrauch weitge- Amine, Aminosäuren, Peptide und lösliche Gase
hend vermieden; gängige Diagnosesysteme sprechen eingeteilt.
stattdessen von psychischen Störungen, die in ver-
schiedene Gruppen unterteilt werden. Neurotrophine (engl. neurotrophines) Neurotrophine
ist eine Sammelbezeichnung für den Nervenwachs-
Neurosteroid (engl. neurosteroid) Neurosteroide tumsfaktor und die strukturell verwandten Proteine
sind neuroaktive Steroide, die sich von dem tetra­ BDNF, Neurotrophin-3 und Neurotrophin-4/5. Neu- N
zyklischen Kohlenwasserstoff Perhydro-1H-Cyclo- rotrophine sind körpereigene Signalstoffe, die ziel­
Penta[a]-Phenantren ableiten und Einfluss auf neu- gerichtet Verbindungen zwischen Nerven­zellen
ronale Aktivität, Gehirnfunktion und Verhalten schaffen.
ausüben. Sie werden im Nervensystem synthetisiert
und wirken hauptsächlich durch ihre Interaktion Neurowissenschaft (engl. neuroscience) Die Neuro-
mit GABAA-Rezeptoren. Neurosteroide bilden eine wissenschaft ist ein Forschungsgebiet, welches sich
wichtige Arzneimittelgruppe für Krankheiten wie mit dem Aufbau und der Funktionsweise des Ner-
Epilepsie, Angststörungen und Demenzen und ha- vensystems beschäftigt. Dabei ist die Neurowissen-
ben Einfluss auf das Sozial- und Sexualverhalten. schaft stark grundlagenorientiert und interdiszipli-
när ausgerichtet. Durch die daraus resultierenden
Neurotoxine (engl. pl. neurotoxins; Syn. Nervengifte) Anknüpfungspunkte vieler Fachrichtungen (z. B.
Nervengifte sind giftige Substanzen, die das Nerven- Psychologie, Medizin, Biologie, Informatik, Physik)
system schädigen können. Sie können endogen (im erlebten die Neurowissenschaften in den letzten
Körper selbst) entstehen oder exogen (von außen) ­Jahren ein stark anwachsendes Forschungsinteresse.
zugeführt werden. Von endogenen Neurotoxinen Die kognitive Neurowissenschaft bezieht sich auf
spricht man im Falle von Autoimmunkrankheiten, das Teilgebiet der Neurowissenschaften, welches die
202 NGF

biologische Seite von kognitiven Funktionen be- Rauchersyndrom, ein erhöhtes Herzinfarkt- und
trachtet und so u. a. die neuronalen Grundlagen der Lungenkrebsrisiko und bei Rauchen während der
Informationsverarbeitung untersucht. Schwangerschaft eine erhöhte Sterblichkeit und
Fehlentwicklungen des Kindes.
NGF 7 Nervenwachstumsfaktor
Nikotinerger Rezeptor 7 Rezeptor, nikotinerger
Nicht-REM-Phasen 7 nREM-Schlaf
Nissl-Färbung (engl. Nissl’s/staining/method) Die
nichtglandotrop (engl. non-glandotropic) Nicht­ nach ihrem Erfinder Franz Nissl benannte Färbung
glandotrop bedeutet »nicht auf einzelne Drüsen ein- ist eine Methode zur Anfärbung von Zellkernen und
wirkend«. Zwei der sechs Hormone der Adenohypo- Tigroidschollen (Stapel aus rauem endoplasmati­
physe sind nichtglandotrop. Im Gegensatz zu den schen Retikulum im Zytoplasma der Nervenzelle)
glandotropen Hormonen beeinflussen sie nicht ein- von Neuronen. Man verwendet dabei basische Teer-
zelne Drüsen, sondern wirken auf Organsysteme farbstoffe wie Kresylviolett oder Methylenblau. Bei
oder den gesamten Organismus ein. Es handelt sich der Färbung kommt es zur elektropolaren Anlage-
dabei um das Wachstumshormon (GH) und das rung des basischen Farbstoffes an die sauren Grup-
Prolaktin. pen der Nukleinsäuren in der Nervenzelle. Nach der
Reaktion wird mit Alkohol der Stärkegrad der Fär-
Nidation (engl. nidation, implantation; Syn. Implan- bung differenziert.
tation) Als Nidation wird die Einnistung einer be-
fruchteten Eizelle (Zygote) in die Uterusschleimhaut NK-Zellen (engl. NK-cells; Syn. natürliche Killer­
(Endometrium) bezeichnet. Nach der Befruchtung zellen) Natürliche Killerzellen gehören zu den Leuko­
gelangt die Eizelle durch den Eileiter nach drei bis zyten, welche sich wiederum in Granulozyten,
fünf Tagen hin zur Gebärmutter (Uterus). Zum Zeit- ­Monozyten und Lymphozyten unterteilen lassen.
punkt der Nidation hat sich die befruchtete Eizelle Die Lymphozyten sind im Rahmen der Abwehr be-
bereits zu einer Zellansammlung von mehreren sonders für die Entfernung von Viren und Tumor-
hundert Zellen geteilt und befindet sich im späten zellen sowie die Produktion der Antikörper zustän-
Morulastadium oder ist bereits eine Blastozyste. Die dig und lassen sich in weitere Subgruppen unter­
Gebärmutterschleimhaut befindet sich in der Sekre- teilen: B-Zellen, T-Zellen und NK-Zellen. Letztere
tionsphase des Menstruationszyklus. Durch die Ni- sind zytotoxische Lymphozyten und machen 15 %
dation verbindet sich die befruchtete Eizelle mit dem der peripheren Blutlymphozyten aus. Sie entstehen
N mütterlichen Organismus, über welchen sie fortan aus den gleichen Vorläuferzellen wie T-Zellen im
genährt wird. Medizinisch und juristisch gesehen Knochenmark. NK-Zellen befinden sich insb. in den
beginnt die Schwangerschaft mit der Nidation. sekundären Lymphorganen, im Blut und in der Milz,
hingegen nicht in der Lymphe, den thorakalen Or-
Nikotin (engl. nicotine) Nikotin ist der im Tabak ent- ganen oder im Thymus. Ihre Bezeichnung geht auf
haltene psychoaktive Stoff. Nikotin ist ein Alkaloid, den Umstand zurück, dass sie tumoröse und virusin­
mit stereochemisch ähnlicher Struktur wie die fizierte Zellen, z. T. auch gesunde Zellen, ohne vor-
­Opiate. Bei niedrigen Dosen führt Nikotin zur Stimu­ hergehende Immunisierung oder Beteiligung von
lation von nikotinergen Azetylcholinrezeptoren im Antikörpern zerstören können.
ZNS. Bei höheren Dosen tritt durch Blockade der
Azetylcholinrezeptoren Entspannung auf. Die Pro- NMDA-Rezeptor (engl. NMDA receptor; Syn. N-Me-
duktion von Katecholaminen und Serotonin im thyl-D-Aspartat-Rezeptor) Der NMDA-Rezeptor ist
Hirn wird durch Nikotin angeregt. Nikotin kann ein transmembranes, meist ionotropes Rezeptor­
u. a. zu verkürzten Reaktionszeiten, verbesserter molekül für den Neurotransmitter Glutamat, an das
Kon­zentration und Muskelentspannung führen. Es der Glutamatagonist N-Methyl-D-Aspartat binden
führt zu einer eher psychischen als zu einer physi­ kann. Der Kalziumkanal des Rezeptors ist mit einem
schen Abhängigkeit. Nebenwirkungen sind u. a. das Magnesiummolekül blockiert, weshalb bei einer ge-
Nuclei olivares superiores 203

ringen Depolarisation kein Kalzium in die Zelle ge- Noxe (engl. noxa, noxiousness) Eine Noxe ist eine
langen kann. Erst bei einer Positivierung des Mem­b­ Substanz oder ein Ereignis, dass eine schädigende
ranpotenzials löst sich das Mg++ und Kalzium (Ca++) oder krankheitserregende Wirkung auf den Körper
tritt in die Zelle ein. Die Eigenschaft, erst bei hoher oder einen Körperbestandteil ausübt. Umfassender
Ladung, aber sehr nachhaltig zu reagieren, macht definiert ist eine Noxe jede Art von potenziell schäd-
den NMDA-Rezeptor zu einem Koinzidenzdetektor licher Substanz oder jede Art von Krankheitsursache.
mit großer Bedeutung bei der Langzeitpotenzierung Man kann zwischen inneren und äußeren Noxen un-
(LTP), bei welcher NMDA- und AMPA-Rezeptoren terscheiden. Zu Noxen zählen Chemikalien, Drogen,
zusammenwirken. Auch in der Nozizeption spielt der Gifte, Medikamente, physikalische Ereignisse, Strah-
Rezeptor eine wichtige Rolle. Bei extremer Stimula­ lung und psychosoziale Bedingungen.
tion führt eine Aktivierung der NMDA-Rezeptoren
zu einer stärkeren Antwort der Rückenmarkszellen noxisch (engl. noxious) Noxisch bedeutet schädi-
und somit zu einer kurzen Form der zentralen Sensi- gend bzw. krankheitserregend (7 Noxe).
bilisierung für weitere Reize (Wind-up-Phä­nomen).
Nozizeption (engl. nociception) Nozizeption ist die
N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor 7 NMDA-Rezeptor Fähigkeit der Wahrnehmung von gewebsschädigen­
den oder bedrohenden Reizen (7 Noxe) in Form von
NMR-Tomographie 7 Magnetresonanztomographie Schmerzempfindungen.

Nootropika (engl. pl. nootropics; Syn. smart drugs) Nozizeptoren (engl. pl. nociceptors; Syn. Nozisen-
Nootropika sind Psychopharmaka, welche dazu ein- soren, Schmerzrezeptoren) Nozizeptoren sind Sen-
gesetzt werden, kognitive Funktionen zu verbessern. soren, die lediglich von gewebsschädigenden oder
Üblicherweise werden sie bei älteren Menschen im bedrohenden Reizen (7 Noxe) erregt werden und
Zusammenhang mit der Alzheimer Krankheit als Schmerzempfindungen auslösen.
Azetylcholinagonisten verwendet.
NPY 7 Neuropeptid Y
Noradrenalin (engl. noradrenaline, norepinephrine;
Syn. Norepinephrin) Noradrenalin ist ein Hormon nREM-Schlaf (engl. non-REM-sleep; Syn. non-REM-
des Nebennierenrindenmarks, Neurotransmitter Phasen) Zu den nREM-Phasen gehören alle Schlaf-
und Katecholamin (besitzt eine Aminogruppe und phasen außer der REM-Phase (engl. rapid eye
vier Aminosäuren). Noradrenalin entsteht aus Tyro- ­movement). Somit werden die Phasen 1 und 2
sin, das durch Tyrosin-Hydroxylase in L-DOPA, (Leichtschlaf) und die Phasen 3 und 4 (Tiefschlaf) N
dann in Dopamin und in einem weiteren Schritt zu kollektiv als non-REM bezeichnet. REM- und
Noradrenalin umgewandelt wird. In einem weiteren nREM- Schlaf unterscheiden sich sowohl durch ihre
enzymatischen Schritt wird Noradrenalin zu Adre- subjektiven Inhalte als auch durch eine Reihe phy-
nalin umgebaut. Die zwei großen noradrenergen siologischer Parameter (Hormonausschüttung, Blut-
Systeme (aufsteigende aktivierende Systeme) im druck, Herzrate, EEG, Muskeltonus, Gedächtnismo-
ZNS gehen vom Locus coeruleus und von den lateral dulation etc.).
tegmentalen Kernen aus. Noradrenalin steht mit
Funktionen wie Essverhalten und Aufmerksamkeit Nuclei olivares superiores (engl. sing. superior olive
in Verbindung. Einige Symptome von Depression nuclei; Syn. obere Olivenkerne) Bei den oberen Oli-
und Manie scheinen mit Veränderungen (Vermin- venkernen handelt es sich um Nervenzellgruppen,
derung und Erhöhung der Aktivität der noradrener- welche die zweite Umschaltstelle in der Hörbahn
gen Neurone) im noradrenergen System in Verbin- nach dem Nucleus cochleares darstellen. Die oberen
dung zu stehen. Peripher wirkt Noradrenalin als Olivenkerne erhalten Informationen von beiden
postganglionärer Neurotransmitter des Sympathi- Ohren und können somit Zeitdifferenzen beim Auf-
kus (autonomes Nervensystem) zumeist anregend treffen des Schalls verarbeiten, was zu einer Lokali-
auf zahlreiche Organe. sation der Schallquelle im Raum beiträgt.
204 Nuclei raphes

Nuclei raphes (engl. pl. raphe nuclei; Syn. Raphé- Nucleus arcuatus (engl. arcuate nucleus) Der Nu­c­
Kerne) Die Nuclei raphes sind mittig auf ganzer leus arcuatus ist ein Kern des Hypothalamus und
­Länge des Hirnstamms angeordnete Zellgruppen liegt nahe der Eminentia mediana. Er enthält zwei
(die Mittellinie wird auch Raphe mediana genannt). als Gegenspieler arbeitende Neuronenpopulationen.
Zu den Raphé-Kernen zählen die sechs Nuclei Ncl. Der Neurotransmitter Neuropeptid Y (NPY) und
raphe dorsalis, Ncl. centralis superior, Ncl. raphe das Agouti-verwandte Peptid-produzierende Neuro­
pontis, Ncl. raphe magnus, Ncl. raphe obscurus und ne steigern Appetit und Metabolismus; dagegen re-
Ncl. raphe pallidus. In den Nuclei wird Serotonin duziert der zweite Neuronenkomplex, das POMC
synthetisiert, die Raphé-Kerne bilden damit die (Proopiomelanokortin)/CART (Kokain und Amphe­
Grundlage des serotonergen Systems im Zentral­ tamin regulierendes Transkript) System Hunger
nervensystem. Die serotonergen Neurone projizie- durch die Ausschüttung des α-Melanozyten-stimu-
ren in weite Teile des Großhirns, aber auch ins Zere- lierenden Hormons (α-MSH). Bei der hormonellen
bellum (Kleinhirn) und ins Rückenmark. Efferenzen Regulation der Nahrungsaufnahme besitzt er durch
enden auch an den Umschaltstellen der Schmerz- die Integration der Hungergefühle eine wichtige
bahnen, wo sie die Informationsübertragung hem- Funktion. Auch Rezeptoren für Leptin (zentrale
men können. Mit Hilfe endogener Opioide als ­Rolle bei Gewichtsregulation) und Endorphinzellen
Transmitter vermitteln sie die Herabsetzung der kommen in Kerngebieten des Nucleus arcuatus vor.
Schmerzempfindung.
Nucleus caudatus (engl. caudate nucleus) Der Nuc-
Nucleolus (engl. nucleole, nucleolus) Der Nucleolus leus caudatus gehört zu den Basalganglien, neben
ist eine dichte Struktur im Zellkern eukaryontischer Putamen und Globus pallidus, wobei der Nucleus
Organismen, in dem ein Teil der ribosomalen Gene caudatus und das Putamen das Corpus striatum
(18 S-, 5,8 S- und 28 S-Untereinheit) durch ein spe- (Streifenkörper) bilden. Der Schweif- oder Schwanz-
zielles Enzym (RNA-Polymerase I) abgelesen wird. kern liegt in der Tiefe der Großhirnhemisphären (im
Außerdem beginnt im Nucleolus bereits die Zu­ Telenzephalon oder Endhirn) seitlich am dritten
sammenlagerung der Ribosomen aus den o. g. und Hirnventrikel, in das er sich hineinwölbt. Im Zent-
weiteren Bestandteilen der Ribosome, die nicht im rum seiner lang gezogenen, beinahe kreisförmig
Nucleolus synthetisiert werden. Durch die Paralle­ ­geschwungenen Struktur liegt das Putamen, mit dem
lität dieser Prozesse kann in den Zellen eine Vielzahl der Nucleus durch Faserzüge verbunden und von der
an Ribosomen bereitgestellt werden. Capsula interna abgegrenzt ist. Der Nucleus caudatus
besteht aus dem Corpus nuclei caudati (Körper), dem
N Nucleus (engl. nucleus) Nucleus ist eine Bezeichnung Cauda nuclei caudati (Schwanz) und dem Caput nuc-
für den Zellkern oder eine Ansammlung funktionell lei caudati (Kopf). Als Komponente des extrapyrami-
oder anatomisch ähnlicher Nervenzellkörper im Ge- dalmotorischen Systems (EPS) besitzt er eine zentra-
hirn. le Funktion in der Steuerung der Willkürmotorik.

Nucleus accumbens (engl. nucleus accumbens) Der Nucleus cochlearis (engl. cochlear nucleus) Der
Nucleus accumbens ist ein Nucleus des basalen Vor- Nucleus cochlearis befindet sich im Hirnstamm und
derhirnbündels und ist nahe des Septums gelegen. Er bildet den Kern des VIII. Hirnnervs, den Nervus
ist Teil des mesolimbischen Systems und erhält Pro- vestibulocochlearis. Der Nucleus cochlearis ist die
jektionen aus dopaminergen Neuronen des ventralen erste Umschaltstelle im auditiven System, auf dem
tegmentalen Area (VTA). Der Nucleus accumbens Weg der Informationen von der Cochlea zum primä­
projiziert über das mediale Vorderhirnbündel in das ren auditiven Kortex. Die Efferenzen dieses Nucleus
limbische System und den Hypothalamus. Seine ziehen z. T. auf die Gegenseite und bilden die Hör-
Funktionen hängen mit Verstärkung bzw. ­Belohnung bahn. Der Nucleus cochlearis ist aufgeteilt in dorsale
und Aufmerksamkeit zusammen. Auch scheint er und ventrale Anteile. Aus dem ventralen Teil werden
eine Einwirkung auf die Vorgänge bei intrakranieller die Informationen weitergeleitet zum oberen Oliven­
Selbststimulation und Drogeneinnahme zu haben. komplex.
Nucleus raphe magnus 205

Nucleus dentatus (engl. dentate nucleus) Der Nuc- Nucleus paraventricularis (engl. paraventricular
leus dentatus ist eine gezackte, bandartige Kon­ nucleus) Der Nucleus paraventricularis liegt im Hy-
figuration grauer Substanz in den beiden Hemis­ pothalamus an den seitlichen Hirnventrikeln und
phären des Kleinhirns. Sie weist eine enge funktio- bildet verschiedene Neuropeptide. Die magnozellu-
nale Verbindung mit dem Kortex des Zerebellums lären Neurone des Nucleus paraventricularis bilden
auf und ist an der Koordination der vom Assozia­ Oxytozin und Vasopressin, die über axonalen Trans-
tionskortex ankommenden Bewegungsentwürfe be- port in den Hypophysenhinterlappen gelangen, wo
teiligt. sie bei Bedarf in den peripheren Blutstrom aus­
geschüttet werden. Die parvozellulären Neurone
Nucleus fastigii (engl. fastigial nucleus) Nucleus produzierenKortikotropin-Releasing-Hormon,Vaso­
fastigii befindet sich im Marklager der zerebella- pressin und Thyrotropin-Releasing-Hormon, welche
ren Vermis und ist funktionell mit der Rinde des nach Ausschüttung in das Pfortadersystem in den
Lobus flocculonodularis (Vestibulozerebellum) ver- Hypophysenvorderlappen gelangen. Hier stimulie-
knüpft. Über Verbindungen mit dem Ncl. vesti­ ren sie die Freisetzung von Adrenokortikotropin und
bulares und dem Vestibulärorgan des Mittelohrs ist Schildrüsen-stimulierendem Hormon. Zentral pro­
dieser Kern an der Koordination des Gleichgewichts jizierende Neurone des Nucleus paraventricularis
beteiligt. senden Axone in Hirnstamm, Rückenmark, andere
­Hypothalamuskerne sowie in das limbische System.
Nucleus magnocellularis (engl. magnocellular nuc- Diese zentralen Projektionen haben eine wichtige
leus) Der Nucleus magnocellularis gehört zur For- Bedeutung für stressbezogene Verhaltensweisen.
matio reticularis und hat absteigende Bahnen zum
Rückenmark. Es wird vermutet, dass er an der Reiz- Nucleus pontis (engl. nucleus pontis) Nuclei pontis
hemmung von Schmerzinformationen aus dem befinden sich im Metenzephalon (Hinterhirn) im
Hinterhorn beteiligt ist. Pons und werden deshalb auch als Brückenkerne
bezeichnet. Die Kerngebiete liegen verstreut zwi-
Nucleus medialis (engl. medial nucleus) Der Nucle- schen den Fasern der Pyramidenbahn, die durch
us medialis ist eine Ansammlung mehrerer kleiner den Pons verlaufen. Sie haben eine zentrale Stellung
Kerne im Thalamus. Er bekommt sensorischen In- in der Kommunikation zwischen zerebralem Kortex
put (bspw. Pheromoninformationen) und projiziert und Zerebellum (Kleinhirn), da sich in ihnen die
auf den Hypothalamus und auf den präfrontalen Schaltstation der Bahn zwischen Großhirn- und
Kortex. Beteiligt ist er an der Steuerung von emo­ Kleinhirnhemisphären befindet. Afferenzen stam-
tionalem Verhalten, Motivation und Ich-Erleben. men, über den Tractus corticopontinus, aus dem N
Bei Zerstörung dieser Ansammlung kann es zu Stö- Kortex und den Nuclei cerebelli. Efferente Bahnen,
rungen im Sozialverhalten und zu Persönlichkeits- d. h. Fasern des Tractus pontocerebellaris, die in der
veränderungen kommen. Raphe pontis zur Gegenseite kreuzen, projizieren in
alle Teile des Zerebellums.
Nucleus medialis dorsalis (engl. nucleus medialis
dorsalis) Der Nucleus mediales dorsalis ist der Kern Nucleus raphe magnus (engl. nucleus raphe magnus)
des Thalamus, in den Neurone aus dem Bulbus ol- Der Nucleus raphe magnus stellt einen Kern im
factorius (Riechkolben) projizieren. Hirnstamm dar, der Teil des aufsteigenden retikulä­
ren Aktivierungssystems (ARAS) ist. Er enthält Neu-
Nucleus paragigantocellularis (engl. nucleus para- rone, die Serotonin produzieren. Mit seinen Projek-
gigantocellularis) Der Nucleus paragigantocellularis tionen zum Vorderhirn, dem Hirnstamm und dem
liegt in der Formatio reticularis, in der Medulla Rückenmark ist er aktiv daran beteiligt, ein Wach-
­oblongata, und hat afferente Verbindungen zur Area EEG-Muster aufrecht zu erhalten. Bei Ausfällen des
praeoptica medialis. Efferente Bahnen ziehen zum Nucleus raphe magnus und somit einer Minderver-
Rückenmark und haben Einfluss auf Rückenmarks- sorgung mit Serotonin kann es zu Depressionen
reflexe. kommen. Eine Überversorgung mit Serotonin hin-
206 Nucleus ruber

gegen kann zu bestimmten Formen von Schizo­ Wach-Rhythmus und viele andere zirkadiane Rhyth-
phrenie führen. Der Nucleus raphe magnus ist in die men steuert. Retinale Ganglienzellen, die das licht-
Schmerzlinderung, die durch Opiate herbeigeführt sensitive Melanopsin enthalten, projiizieren zum
werden kann, involviert. Für diese Aufgabe erhält Nucleus suprachiasmaticus (retino-hypothalami­
er u. a. Projektionen von inhibitorischen Neuronen scher Weg), wo nach Ausschüttung von Glutamat
in der periaqueduktalen grauen Substanz (PAG) des die Abschreibung der Gene für Period und Krypto-
Mittelhirns und sendet seinerseits Projektionen an chrom moduliert wird. Über eine Efferenz zur
das sensorische Hinterhorn des Rückenmarks. ­Zirbeldrüse (Epiphyse) wird die Produktion und
Ausschüttung des Hormons Melatonin gesteuert,
Nucleus ruber (engl. red nucleus) Der Nucleus ruber das maßgeblich an der zirkadianen Steuerung zahl-
ist ein großer, durch hohen Eisengehalt in den Peri- reicher Körperfunktionen beteiligt ist. Neben den
karyen rötlich gefärbter Kern im Mesenzephalon Ganglienzellen erhält der SCN weitere Afferenzen
(Mittelhirn). Der in beiden Hemisphären vorkom- vom Nucleus geniculatum laterale. Efferente Verbin-
mende runde Nucleus wird in Pars magnocellularis dungen bestehen des Weiteren zu Hypophyse, Sep-
(rostral) und Pars parvocellularis (kaudal) unterteilt. tum, Hirnstamm und Rückenmark.
Afferente Bahnen stammen aus Zerebellum (Klein-
hirn), Pallidum, Thalamus, Gyrus praecentralis, Nucleus supraopticus (engl. supraoptic nucleus) Der
Nuclei vestibularis und Colliculi superiores. Efferen- Nucleus supraopticus ist ein Kerngebiet im Hypo-
te Bahnen projizieren ins Rückenmark, Kleinhirn thalamus oberhalb des Tractus opticus. In den Zell-
und die Hirnnervenkerne (Tractus rubrospinalis, körpern der Neurone im Nucleus supraopticus wer-
Tractus rubroolivaris, Tractus rubrotectalis sowie den Peptidhormone (Vasopressin und Oxytozin)
Tractus rubrothalamicus). Der Nucleus ruber wird synthetisiert. Axone der Nervenzellen ziehen durch
zum extrapyramidalmotorischen System (EPMS) den Hypophysenstiel und schütten die Neuropep­
gezählt und ist zentral für Körperhaltung und Mus- tide in das Kapillarnetz der Neurohypophyse; von
keltonus. dort erreichen Oxytozin und Vasopressin alle peri-
pheren Organe. Gleichzeitig werden die beiden
Nucleus solitarius (engl. solitary nucleus) Der Nuc- ­Neuropeptide aus den wenigen (1–3) Dendriten der
leus solitarius liegt im Hirnstamm, ist ein Kern der Zellkörper im Nucleus supraopticus durch Exozy­
Medula oblongata und eine Schaltstelle der Ge- tose in das zentrale Nervensystem freigesetzt. Hier
schmacksbahn. Gustatorische Informationen werden könnten Oxytozin und Vasopressin wichtige ver­
von Chorda tympani und Nervus glossopharyngeus haltenssteuernde Effekte bewirken. Weiter wird das
N in den Nucleus solitarius weitergeleitet, dort bilden Durstgefühl durch den Nucleus supraopticus ausge-
Axone der afferenten Neurone Synapsen. Vom Hirn­ löst (Neurone schrumpfen durch Volumenverlust).
stamm aus führt die Geschmacksbahn zu Thalamus Als Folge einer Schädigung des Nucleus supraop­
und Amygdala. Funktionen der Nahrungsaufnahme ticus oder der Neurohypophyse kann das Krank-
wie Speichelfluss, Schluckbewegung sowie Stimula­ heitsbild des Diabetes insipidus entstehen.
tion der Insulinfreisetzung werden vom Nucleus
­solitarius kontrolliert. Zudem stehen auch Schutz- Nucleus tractus solitarii 7 Nucleus solitarius
funktionen wie Anhalten der Luft, Husten und
­gustofaziale Reflexe unter seiner Kontrolle, wie sie Nucleus ventralis anterior (engl. ventral anterior
bei Erkennung ungenießbarer Substanzen im Mund nucleus) Der Nucleus ventralis anterior (VA) ist ein
ausgelöst werden. Zum Nucleus solitarius werden Kern im Thalamus, welcher für die motorische Inte-
auch sensorische Fasern des Nervus vagus geleitet. gration zuständig ist. Er erhält Informationen aus
den Basalganglien vom Globus pallidus und proji-
Nucleus suprachiasmaticus (engl. suprachiasmatic ziert zum motorischen Kortex.
nucleus) Der Nucleus suprachiasmaticus (SCN) liegt
im Hypothalamus und ist eine Struktur, die abhän- Nucleus ventrolateralis (engl. ventrolateral nucleus)
gig von Licht-Dunkel-Informationen den Schlaf- Der Nucleus ventrolaterlis ist wie der Nucleus vent-
Nystagmus 207

ralis anterior ein Kern des Thalamus und für die Sie bestehen aus einem Zucker (Ribose), der in der
­motorische Integration verantwortlich. Er erhält DNA am 2’-Kohlenstoffatom reduziert ist; einer
u. a. Input vom Zerebellum (Kleinhirn) und dem ­Nukleotidbase und einer oder mehreren Phosphat-
Globus pallidus und leitet Informationen an den gruppen, die am das 5’-Kohlenstoffatom des Zuckers
motorischen Kortex. gebunden sind. Entsprechend der Anzahl der Phos-
phatgruppen handelt es sich um ein Nukleotid-
Nucleus vestibularis (engl. nucleus vestibularis; Syn. Mono-, -Di- oder -Triphosphat.
Vestibularkern) Der Nucleus vestibularis verarbeitet
die Informationen aus dem Vestibularorgan des In- Nukleotidbasen (engl. pl. nucleotide bases) Nukleo-
nenohrs. Dementsprechend ist er zuständig für tidbasen sind die an die Ribose gebundenen, or­ga­
Gleichgewicht, Ausgleichsbewegungen, Raumorien- nischen Basen der Nukleotide. Es gibt fünf verschie-
tierung und Blickkonstanz (= Fixierung eines Ob- dene Basen: Adenin (A), Guanin (G), Zytosin (Z – alle
jektes auch bei gegenläufiger Kopfbewegung). Seine in RNA und DNA), Thymin (T – nur in DNA) und
Informationen erhält er über den VIII. Hirnnerv. Urazil (U – nur RNA). Die Bildung von Nuklein­
Genau genommen besteht der Vestibularkern aus säure-Doppelsträngen begründet sich dabei auf die
vier Unterkernen. Die Vestibularkerne projizieren Paarung von Nukleotidbasen, wobei Adenin immer
direkt ins Kleinhirn (Gleichgewicht), ins Rücken- an Thymin/Urazil und Guanin an Zytosin bindet.
mark (Gleichgewicht, Ausgleichsbewegungen, Re-
flexe) und zu den Augenmuskelkernen (Blickkons- Nystagmus (engl. nystagmus) Mit Nystagmus be-
tanz). Die Informationsverarbeitung muss rasch er- zeichnet man unkontrollierbare, rhythmische Be­
folgen und ist deshalb unbewusst. Das dennoch eine wegungen der Augen (»Augenzittern«). Dies dient
Körperlokalisation und Wahrnehmung von Bewe- dazu, die Funktion der visuellen Rezeptoren der
gung möglich ist, gründet sich auf Projektionen zum Netzhaut aufrecht zu erhalten, da durch den Nystag-
Thalamus. Bei Schädigung der Vestibularkerne mus das auf der Retina einfallende Bild ständig leicht
kommt es zu Gleichgewichtsstörungen, Schwindel variiert wird. Starker Nystagmus dagegen kann
und Nystagmus. krankhaften Ursprungs sein oder auch durch be-
stimmte Drogen wie Ecstasy ausgelöst werden. Man
Nukleinsäuren (engl. pl. nucleic acids) Nukleinsäu- unterscheidet verschiedene Formen des Nystagmus.
ren (DNA und RNA) sind Polymere aus Nukleo­ Der optokinetische Nystagmus tritt auf, wenn sich
tiden, deren Rückgrat aus abwechselnd angeordne­ Wahrnehmungsobjekte relativ zur Netzhaut konti-
ten Zuckern (Desoxyribose bei DNA, Ribose bei nuierlich bewegen, etwa beim Blick aus einem fah-
RNA) und Phosphatgruppen aufgebaut ist. An je- renden Zug. Beim rotatorischen Nystagmus (z. B. N
dem Zuckermolekül ist eine organische Base (Ade- wenn man auf einem sich drehenden Bürostuhl sitzt)
nin, Zytosin, Guanin oder Thymin/Urazil) gebun- kommt es zu einer langsamen horizontalen Augen-
den. Durch Paarung von Basen zweier Einzelstränge bewegung gegen die Drehrichtung, gefolgt von
können sich diese zu einem Doppelstrang zusam- schnellen, der Rotationsrichtung gleich gerichteten
menlagern. Die DNA dient der Speicherung und Rückstellbewegungen, um ein neues Objekt in der
Weitergabe von Erbinformationen. RNA ist am Auf- Fovea centralis abzubilden. Der Nystagmus verläuft
bau und der Funktion von Proteinen, aber auch an also zunächst der Drehrichtung gleichgerichtet. So-
der Regulation des Stoffwechsels beteiligt. bald die Drehung endet, kommt es aufgrund der
Trägheit der Endolymphe in den Bogengängen zu
Nukleotid (engl. nucleotide) Nukleotide sind Bau- einem postrotatorischen Nystagmus in entgegen­
steine der zellulären Nukleinsäuren (RNA, DNA). gesetzter Richtung.
O
Obere Olivenkerne 7 Olivenkerne, obere Fettsuchtgen) zurück. Dieses Gen produziert das
Hormon Leptin, welches über einen Regelkreis In-
Oberflächendyslexie (engl. surface dyslexia) Die formationen über Energiereserven bereitstellt und
Oberflächendyslexie ist eine neuropsychologische damit an der Steuerung der Nahrungsaufnahme be-
Störung der Lesefähigkeit, bei der das Ganz-Wort- teiligt ist. Bei Ob-Mäusen ist die Leptinbildung
Lesen beeinträchtigt ist. Die Betroffenen sind nicht durch eine Genmutation gestört, infolge dessen
in der Lage, ein Wort visuell zu erkennen und da­ ­werden sie extrem fettleibig (adipös) und träge. Wird
raufhin auszusprechen, können Wörter jedoch lau- ihnen Leptin zugeführt, ändern sie ihr Fressver­
tierend lesen. Daher sind die Patienten häufig nicht halten und sie verlieren an Gewicht. Es findet sich
in der Lage, irregulär ausgesprochene Worte richtig auch häufig die Bezeichnung ob/ob-Mäuse, da beide
auszusprechen. Die Oberflächendyslexie wird häu- ­Allele des ob-Gens gestört sind, die Tiere bezüglich
fig durch Läsionen im linken Temporalllappen aus­ dieser Anlage also homozygot sind.
gelöst.
Obsession 7 Gedanke, zwanghafter
Oberflächenschmerz (engl. superficial pain) Der
Oberflächenschmerz gehört zu den somatischen Obstipation (engl. constipation) Obstipation be-
Schmerzen. Er wird durch Reizung der Haut hervor- zeichnet eine verzögerte bzw. erschwerte Darment-
gerufen (z. B. Nadeleinstich), hat einen hellen, ste- leerung. Sie ist durch eine schmerzhafte Stuhlentlee-
chenden Charakter und ist sehr einfach lokalisierbar. rung, eine geringe Stuhlfrequenz und harten Stuhl
Nach Beendigung des Reizes klingt der Oberflächen­ gekennzeichnet. Eine akute Obstipation kann durch
schmerz i. d. R. schnell ab, er kann in ein Brennen mechanische Hindernisse im Dickdarm (z. B. ein Tu-
übergehen. Wahrgenommmen wird der Oberflächen­ mor), Störungen der Peristaltik (z. B. nach Operatio­
schmerz durch freie Nervenendigungen und Schmerz- nen), aber auch durch willentliche Unterdrückung
rezeptoren (Nozizeptoren) in der Haut. Das Signal der Darmentleerung (z. B. bei schmerzhaften Er-
wird durch schnell leitende Nervenfasern (A-δ-Fa- krankungen der Analregion) ausgelöst werden. Eine
sern) übertragen. Das Gegenteil von Oberflächen- chronische Obstipation kann aus organischen Ursa-
O schmerz ist der Tiefenschmerz. chen resultieren (z. B. Mangel an körperlicher Bewe-
gung, unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, ballast-
Oberton (engl. overtone; Syn. Partialton, Teilton, stoffarme Ernährung, hormonelle Umstellung bei
Harmonische) Jeder natürlich erzeugte Ton besteht einer Schwangerschaft oder als Nebenwirkung von
neben dem Grundton aus einer Vielzahl von höhe­ Medikamenten, besonders bei Opiaten), aber auch
ren Tönen, den Obertönen, deren Frequenzen ein ohne organische Ursache auftreten (habituelle Obsti-
ganzzahliges Vielfaches der Frequenz des Grundtons pation). Auch psychische Ursachen (z. B. Scham oder
sind. Die Folge dieser Töne bezeichnet man als Ober­ ein veränderter Tagesablauf) können einer Obstipa-
tonreihe oder Naturtonreihe und die Gesamtheit tion zugrunde liegen. Bei bestehender Obstipation
aller Obertöne ergibt das Frequenzspektrum eines wird ein Einlauf oder Klistier angewendet, sinnvoller
Tons. ist jedoch die vorbeugende Obstipationsprophylaxe.

Ob-Mäuse (engl. pl. ob/ob mice) Der Name geht auf Off-Zentrum-Neurone (engl. pl. off-center neurons)
eine Punktmutation im sog. »ob-Gen« (obese-Gen, Mit dem Begriff Off-Zentrum-Neurone werden Ner­
Olivenkerne, obere 209

venzellen bezeichnet, die ihre Feuerrate verringern, von der Retina über den Sehnerv und leitet diese
wenn ein adäquater Reiz das Zentrum ihres rezep- dann zum primären visuellen Kortex (V1) weiter.
tiven Feldes erreicht. Umgekehrt führt eine Stimula- Das sekundäre Sehzentrum ist ein Assoziationszent-
tion von Off-Zentrum-Neuronen in der Peripherie rum des Gehirns, in dem die Wahrnehmung aus der
ihres rezeptiven Feldes zu einer erhöhten Feuerrate. primären Sehrinde mit dem Gedächtnisinhalt ver­
In der Retina des Auges finden sich beispielsweise glichen wird.
Ganglienzellen, die mit einer verringerten Feuerrate
auf Lichtquanten reagieren, die das Zentrum oder Okzipitallappen (engl. occipital lobe; Syn. Hinter-
das gesamte rezeptive Feld des entsprechenden Neu- hauptslappen) Der Okzipitallappen ist Teil des Groß-
rons erreichen. Das Gegenteil zu Off-Zentrum-Neu- hirns und wird wegen seiner hinteren Lage im Ge-
ronen sind On-Zentrum-Neurone. hirn auch als Hinterhauptslappen bezeichnet. Ober-
halb grenzt er an den Parietallappen und unterhalb
Ohr (engl. ear) Das Ohr ist sowohl Hör- als auch an den Temporallappen. Der Okzipitallappen ist
Gleichgewichtsorgan. Es besteht aus dem äußeren ausschließlich für das Sehen verantwortlich. Hier
Ohr (Auris externa), dem Mittelohr (Auris media) geschieht die Unterscheidung von Formen, Farben,
und dem Innenohr (Auris interna). Das äußere Ohr Linien und Kontrasten in der visuellen Wahrneh-
setzt sich zusammen aus Ohrmuschel und äußerem mung. Die eigentliche Objekterkennung findet
Gehörgang, während das Mittelohr die Paukenhöh- überwiegendend im Parietallappen und Temporal-
le mit dem Trommelfell, die Gehörknöchelchen, Ne- lappen statt. Da sich die Sehnerven vor dem Okzipi-
benräume der Paukenhöhle im sog. Warzenfortsatz tallappen kreuzen, geschieht die Verarbeitung links-
und die Ohrtrompete umfasst. Während das äußere seitiger Informationen auf der rechten Seite des
sowie das Mittelohr eher ein schallleitender Apparat Hinterhauptslappens (kontralateral) und umge-
sind, besteht das Innenohr aus dem Schneckenlaby- kehrt. Nach einer Schädigung des Okzipitallappens
rinth mit dem eigentlichen Hörorgan (Cochlea) und fehlt der betroffenen Person die Wahrnehmung ­einer
dem Vorhoflabyrinth mit dem Gleichgewichtsorgan Raumhälfte auf beiden Augen.
(Vestibularorgan). Das Innenohr ist zudem mit einer
klaren Flüssigkeit (Peri- und Endolymphe) gefüllt. Oligodendroglia (engl. pl. oligodendroglia, oligo-
Medizinische, das Ohr betreffende Begriffe werden dendrocytes; Syn. Oligodendrozyten) Oligodendroglia
meistens auf die lateinische (»auris«) oder griechi­ sind asymmetrische Gliazellen, die mit ihren Fort-
sche (»otós«) Übersetzung zürückgeführt. sätzen die Myelinschicht um Axone in Gehirn und
im Rückenmark (ZNS) formen. Zwischen den Mye-
Okulomotorik (engl. pl. eye movements; Syn. Augen- linummantelungen bleibt ein schmaler Spalt, der
bewegungen) Die Okulomotorik ist die Bewegung Ranviersche Schnürring, der eine saltatorische Erre-
des Auges. Dafür sind sechs Augenmuskeln verant- gungsleitung ermöglicht. Im peripheren Nervensys-
wortlich, die von den drei Hirnnerven III (N. oculo- tem erfolgt die Myelinisierung nicht durch Oligo- O
motorius), IV (N. trochlearis) und V (N. abducens) dendroglia, sondern durch Schwann-Zellen. Sowohl
innerviert werden. Oligodendroglia als auch Schwann-Zellen sind wie
andere Gliazellen im Stoffaustausch mit Neuronen
Okzipitalkortex (engl. occipital cortex; Syn. visueller beteiligt. Im Gegensatz zu den Schwann-Zellen un-
Kortex) Der Okzipitalkortex nimmt den hintersten terstützen die Oligodendrozyten die Neuronenrepa-
Bereich des Gehirns ein und beinhaltet u. a. die pri- ratur nicht, sondern halten verletzte Axone mit dem
märe Sehrinde und andere für die visuelle Wahrneh- sog. NOGO-Faktor vom erneuten Wachsen ab, ver-
mung bedeutende Hirnstrukturen. Daher wird der mutlich um »freies Wuchern« von Axonen im ZNS
Okzipitalkortex auch als »visueller Kortex« genannt. zu verhindern.
Das primäre Sehzentrum bzw. Brodmann Areal 17
wird auch als Area striata aufgrund seines gestreiften Oligodendrozyte 7 Oligodendroglia
Aussehens bezeichnet. Der Corpus geniculatum
­laterale (CGL) des Thalamus erhält Informationen Olivenkerne, obere 7 Nuclei olivares superiores
210 Ommatidium

Ommatidium (engl. ommatidium) Ommatidien lässt sich das Verhalten des Versuchstieres sehr gut
stellen die funktionelle Einheit eines Komplex- oder beobachten, meist wird zusätzlich mit Videoaufnah-
Facettenauges der Insekten dar. Jedes Ommatidium men gearbeitet. Viele Parameter wie Lokomotion,
wird aus acht Sinneszellen gebildet und besitzt einen Rearing (»Männchen machen«) oder Putzzeit kön-
dioptrischen Apparat, der aus einer stark brechenden nen mit dieser Versuchsanordnung erhoben werden.
Cornealinse besteht. Ein Komplexauge kann aus Auch Gedächtnisaufgaben lassen sich mit dem
­einigen wenigen bis zu mehreren zehntausend Open-Field-Test verwirklichen, indem man bekann-
­Ommatidien (bei Libellen) bestehen, von denen te oder neue Objekte an bestimmten Orten inner-
­jedes in eine geringfügig andere Richtung ausgerich- halb der Box platziert. Anhand des Verhaltens kön-
tet ist. Aus den verschiedenen Einzelbildern wird nen Forscher auf zugrunde liegende Zustände des
dann ein Mosaikbild der Umgebung zusammenge- Tieres wie Neugier, Angst usw. schließen.
setzt. Diese spezifische Anatomie des Insektenauges
führt zu einer hohen zeitlichen Auflösung der Bilder, operant (engl. operant) Der Begriff operant be-
die räumliche Auflösung ist allerdings deutlich ge- schreibt Zustände oder Vorgänge, die zufällig und
ringer als die des Wirbeltierauges. spontan auftreten. Erstmals beschrieben wurde
­dieser Begriff von Burrhus Frederic Skinner (1937),
Ontogenese (engl. ontogeny; Syn. Ontogenie) Onto- der operantes von reaktivem Verhalten trennte.
genese bezeichnet die Geschichte der strukturellen ­Seiner Definition nach handelt es dabei um spontan
Veränderung einer Einheit ohne Verlust ihrer Orga- auftretendes Verhalten, das ohne das Vorhandensein
nisation. In der Biologie ist damit die Individualent- eines Reizes stattfindet. Diese Form von Verhalten
wicklung gemeint, die Entwicklung des Lebewesens bildet die Grundlage für operante Konditionierung,
von der befruchteten Eizelle bis hin zum erwach­ bei der ein Tier in einer Versuchssituation aktiv ist
senen Lebewesen. Im Laufe der Ontogenese entwi- und bestimmte operante Verhaltensweisen verstärkt
ckeln sich beim Embryo Organanlagen, aus denen oder bestraft werden.
später Organe entstehen, in denen sich wiederum
die Zellen weiter spezialisieren. Die Ontogenese Operculum (engl. operculum) Mit Operculum wer-
eines vielzelligen Organismus setzt sich zusammen den spezifische Rindengebiete des Frontal-, Schlä-
aus der Embryogenese, dem Juvenilstadium, dem fen- und des Scheitellappens bezeichnet, die an der
Adultstadium und der Seneszenz. Im heute heftig seitlichen Hirnfurche anliegen und die sog. Insel be-
umstrittenen »Biogenetischen Grundgesetz« be- decken. Es wird unterteilt in frontales Operculum,
hauptet Ernst Häckel, dass in der Ontogenese Merk- parietales Operculum und temporales Operculum.
male der Phylogenese (Stammesentwicklung) sicht-
bar werden. Operculum, frontales (engl. frontal operculum) Das
frontale Operculum ist der Sitz des motorischen
O On-Zentrum-Neurone (engl. pl. on-center neurons) Sprachzentrums und entspricht ungefähr dem
On-Zentrum-Neurone sind Zellen u. a. in der Retina, ­Broca-Areal. Es ist asymmetrisch organisiert. Das
die antagonistisch zu den Off-Zentrum-Neuronen Gebiet, das auf der Gehirnoberfläche liegt, ist in der
arbeiten. Die On-Zentrum-Neurone feuern, wenn rechten Hemisphäre um etwa ein Drittel größer als
das Zentrum ihres rezeptiven Feldes durch einen das der linken Hemisphäre. Die in den Sulci ver­
Lichtreiz stimuliert wird, und werden gehemmt, wenn borgene kortikale Fläche hingegen ist in der linken
die Peripherie ihres rezeptiven Feldes beleuchtet Hemisphäre größer als in der rechten. Eine mögliche
wird. Erklärung für diese Asymmetrie könnte in der Be-
deutung der rechten Hemisphäre für die Prosodie
Open-Field-Test (engl. open-field test) Der Open- sowie in der Rolle der linken Hemisphäre für die
Field-Test ist eine Versuchsanordnung im Tierexpe- Sprachproduktion liegen. Insgesamt ist das frontale
riment. Dabei befinden sich Nager (z. B. Mäuse, Operculum in beiden Hemisphären etwa gleich
Ratten) in einer nach oben hin offenen Box, die als groß, jedoch in der linken Hemisphäre stärker ge-
»Offenfeld« bezeichnet wird. Im Open-Field-Test furcht.
Orchidektomie 211

Opiate (engl. pl. opiates; Syn. Opioide) Der Begriff der Blütenphase angeritzt werden. Der so heraustre-
»Opiat« ist eine Sammelbezeichnung für alle Stoffe tende Milchsaft wird bei Kontakt mit der Luft zu
(sowohl Drogen als auch Medikamente), die Opium braunem Rohopium und kann nach ca. einem Tag
enthalten, oder Stoffe, die hinsichtlich der Wirkung abgekratzt werden. Morphin, Papaverin, Kodein,
mit dem Opium vergleichbar sind. Als Opium wird Narkotin und Thebain sind einige der Opiumalkalo-
der getrocknete Saft des Schlafmohns bezeichnet, ide, von deren Zusammensetzung die Wirkung des
der v. a. Kodein und Morphium enthält. Alle Opiate Opiums abhängt. Isoliertes Morphin (Morphium)
unterliegen in Deutschland dem Betäubungsmit­ wird oft in der Medizin als Schmerzmittel eingesetzt.
telgesetz, einige von ihnen werden unter ärztlicher Wird Opium oral verabreicht, ist seine Wirkung
Kontrolle verwendet. Morphium gehört dabei zu stärker als beim Rauchen, wo die Wirkung eher die
den stärksten Analgetika und Methadon wird bei Phantasie anregt und Halluzinationen mit oft eroti­
der Heroinsubstitution eingesetzt. Opiate haben ein schem Charakter auslöst. Der Konsum von Opium
massives körperliches und psychisches Abhängig- war bis Anfang des letzten Jahrhunderts in einigen
keitspotenzial. europäischen Staaten legal, wurde aber aufgrund sei-
nes hohen Abhängigkeitspotenzials verboten. Nach
Opiate, endogene (engl. pl. endogeneous opiates; Abklingen der berauschenden Wirkung tritt häufig
Syn. endogene Opioide) Als 1973 die ersten körper­ Übelkeit und Erbrechen auf.
eigenen Rezeptoren für Opiate durch Pert und
Snyder entdeckt wurden, gelangte man zu der An- Opsin (engl. opsin) Opsin ist ein Protein in den Pho-
sicht, dass der Körper eigene Opiate besitzen müsse. torezeptoren der Retina. Zusammen mit Retinal bil-
Die Eigenschaften dieser Stoffe sind denen von Mor- det es das lichtempfindliche Molekül Rhodopsin,
phin ähnlich, sie lassen sich einteilen in die Gruppen welches sich in den stapelartig angeordneten Schei-
der Endorphine, Enkephaline, Dynorphine und ben im Außensegment der Photorezeptoren befin-
­Nozizeptine. Diese Substanzen sind sowohl als det. Jeder Photorezeptortyp (ein Stäbchentyp und
­Neurotransmitter als auch Neuromodulatoren wirk- drei Zapfenarten) besitzt seine eigene Opsinart. Es
sam. Opioide spielen eine große Rolle bei der Ver- ist folglich abhängig vom Opsin, welcher Bereich des
mittlung von stressinduzierten Reaktionen und bei Lichtspektrums durch den Photorezeptor am besten
der Schmerz­wahrnehmung bzw. -hemmung. Opio- absorbiert wird. Opsin spielt daher eine große Rolle
ide haben eine analgetische (schmerzstillende) Wir- bei der visuellen Signaltransduktion. Defekte der
kung, weshalb ihre Ausschüttung nach Verletzungen Gene, welche die Opsininformation kodieren, kön-
zu einer vorübergehenden Schmerzfreiheit führt. nen zu Störungen im Farbensehen (bei mutierten
Genen für die Zapfenopsine) oder Retinitis pigmen-
Opioidrezeptoren (engl. pl. opioid receptors) Opio­ tosa, einer erblichen Zerstörung der Netzhaut (bei
idrezeptoren befinden sich bei Säugetieren v. a. im defektem Stäbchenopsin) führen.
Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark), O
sind aber auch in anderen Geweben zu finden. Sie Opsonierung (engl. opsonization) Mit Opsonierung
gehören zur Familie der Endorphinrezeptoren und wird die Anlagerung von körpereigenen Stoffen aus
lassen sich in vier Gruppen unterteilen: μ-Rezepto­ dem Plasma an körperfremde Stoffe und Mikroorga-
ren, κ-Rezeptoren, σ-Rezeptoren und δ-Rezeptoren. nismen (z. B. Bakterien, Pilze) bezeichnet. Die Anla-
An diese binden endogene und exogene Opioide als gerung dient der Vernichtung dieser Fremdkörper
Agonisten sowie Opiatantagonisten. durch Phagozytose. Die Opsonine, wie diese körper-
eigenen Substanzen bezeichnet werden, dienen der
Opium (engl. opium) Opium ist ein Rauschmittel, Infektionsabwehr. Opsonine sind z. B. die Antikör-
das man einnehmen, rauchen oder auch injizieren per IgG und IgM, das Protein C3b des Komplement-
kann, wobei es oft mit anderen Substanzen gemischt systems und das Plasmaprotein Fibronectin.
wird, um bspw. den Geschmack zu überdecken oder
die Injektion zu erleichtern. Opium wird aus den Orchidektomie (engl. orchi/d/ectomy; Syn. Orchiek-
Blütenkapseln des Schlafmohns gewonnen, die nach tomie) Orchidektomie meint die operative Entfer-
212 Orexin

nung eines Hodens durch einen Schnitt in die Leiste später zu Arealen der Amygdala und des Hypotha-
und kommt bei Nekrose oder Krebs (Malignom) zur lamus weiterreicht.
Anwendung. Bei Hodenkrebs ist Orchidektomie
­bedeutsam für die Diagnose, da anschließend eine Organe, lymphatische (engl. pl. lymphoid organs)
histologische Untersuchung des entnommenen Ge- Zu den lymphatischen Organen zählen u. a. Milz,
webes erfolgen kann. Zudem ist die Entfernung des Thymus, Lymphknoten, der lymphatische Rachen-
Primärtumors ein wichtiger Behandlungsschritt. ring (Rachen-, Zungen- und Gaumenmandeln) und
Langfristige Nebenwirkungen wie Unfruchtbarkeit das lymphatische Gewebe des Darms. Die Haupt­
oder Impotenz treten aufgrund der Übernahme der aufgabe der lymphatischen Organe besteht v. a. in
Funktion durch den verbliebenen Hoden nicht auf. der Bildung und Vermehrung der Lymphozyten (der
sog. weißen Blutkörperchen), die körpereigene so-
Orexin (engl. orexin; Syn. Hypokretin) Orexin ge- wie körperfremde Fremdstoffe erkennen und be­
hört zur Gruppe der Neuropeptide. Derzeit werden seitigen. Man unterscheidet die primären lympha-
­Orexin A und Orexin B bzw. Hypokretin-1 und Hy- tischen Organe, in denen die Differenzierung in B-
pokretin-2 unterschieden. Hergestellt wird es in be- und T-Lymphozyten erfolgt, von den sekundären
stimmten Kernen des Hypothalamus und wirkt dort lymphatischen Organen, in denen anschließend die
Appetit steigernd. Die Ausschüttung von Orexin Vermehrung der Lymphozyten stattfindet. Zusam-
wird durch Leptin gehemmt. Neuere Forschungser- men mit den im gesamten Körper vorhandenen
gebnisse zeigen, dass Orexin eine bedeutende Rolle Lymphbahnen bilden die lymphatischen Organe das
bei der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus lymphatische System, das der Immunabwehr des
spielt. Im Tierexperiment zeigten Tiere mit einer ge- Körpers dient.
netischen Veränderung des Orexin-Rezeptors-2
narkoleptische Symptome. Weiterhin wird bei Nar- Organelle (engl. pl. organelles) Organellen sind Kom-
kolepsiepatienten praktisch kein Orexin A im Ge- partimente einer eukaryontischen Zelle, die durch
hirn gebildet, während der Blutspiegel an Hypo­ eine Membran umgeben sind. Durch die Membran
kretin normal ist. Orexin hat eine katabole Funktion, entsteht ein abgeschlossener Raum, in dem spezi-
es erhöht die Aufmerksamkeit und Wachheit, regu- fische Reaktionen unabhängig vom Rest der Zelle
liert die Körpertemperatur sowie das Gewicht. ablaufen können. Der Transport von Stoffen in das
Organell und heraus erfolgt über bestimmte Kanäle
Organ, vomeronasales (engl. vomeronasal organ; oder Carrierproteine in der Membran. Zu den Zell-
Syn. Jacobson-Organ) Das vomeronasale Organ be- organellen gehören bspw. Mitochondrien sowie das
findet sich in den Nebenhöhlen der Riechhöhle, ein- raue und glatte endoplasmatische Retikulum.
gebettet im vomeronasalen Knorpel. Es bezeichnet
ein Geruchs- und Witterungsorgan, dessen Höhle Organisation, hierarchische (engl. hierarchical
O mit Flüssigkeit gefüllt ist. Nur die Unterseite des o­ rganisation) Eine hierarchische Organisation ist der
­Organs ist mit sensorischem Epithel bedeckt. Beim Aufbau eines Systems aus einer Anzahl von Struk­
Menschen wird das Organ zwar im fetalen Stadium turen, die zueinander in Rangordnung stehen. Eine
ausgebildet, jedoch entwickelt es sich noch vor der hierarchische Organisation findet man bspw. im
Geburt wieder zurück. Daher ist seine Funktions­ sensorischen System, bei dem die Rezeptoren die
fähigkeit beim Menschen noch stark umstritten, unterste Ebene darstellen, gefolgt von Thalamusker-
während sie bei den meisten anderen Wirbeltieren nen, primärem sensorischen Kortex, sekundärem
eindeutig nachgewiesen wurde. Die Sinneszellen des sensorischen Kortex und dem Assoziationskortex
vomeronasalen Organs sind auf die Erfassung von als höchste Ebene. Die Reizanalyse wird aufsteigend
Pheromonen spezialisiert. Ihr Aufbau ist ähnlich zu zunehmend komplexer und feiner.
denen des olfaktorischen Systems, doch statt der
­Zilien befinden sich an ihrer Oberfläche Mikrovillis. Organisationseffekte (engl. pl. organizational ­effects)
Die Axone des Organs formen den vomeronasalen Organisationseffekte sind dauerhafte Wirkungen
Nerv, der im Schädel auf den Riechkolben trifft und eines Hormons auf die Gewebedifferenzierung und
Osmorezeptor 213

Entwicklung eines Organismus. Bspw. steuern Sexu- Ortskode (engl. place code) Der Ortskode ist ein
alhormone in der pränatalen Entwicklung die Aus- Prinzip, nach dem in der Cochlea Frequenzen ko-
bildung der Geschlechtsorgane einer Person sowie diert werden. Für jede Frequenz gibt es in der
die Entwicklung des Gehirns und beeinflussen somit ­Cochlea auf der Basilarmembran einen optimalen
dauerhaft das Verhalten der Person. Bereich, in dem die Frequenz die Membran zum ma-
ximalen Ausschlag anregt. Durch die max. Schwin-
Organum vasculosum der Lamina terminalis gung werden hier die Zellen erregt und durch diesen
7 OVLT Ort der Erregung wird die Frequenz kodiert. An der
Basis der Cochlea führen hohe, am Apex niedrige
Orientierungssäule (engl. orientation column) Die Frequenzen zum maximalen Ausschlag.
Area striata der Sehrinde ist in Säulen organisiert, in
denen alle Neurone gleiche Antworteigenschaften Ortszelle (engl. place cell) Ortszellen sind Pyrami-
zeigen, unabhängig von der Kortexschicht (Schicht denzellen im Hippocampus. Diese Zellen feuern am
1–6), in der sie liegen. In einer Orientierungssäule stärksten, wenn sich ein Versuchstier an einem be-
feuern demnach alle Neurone maximal bei einer be- stimmten Ort innerhalb einer Umgebung befindet.
stimmten Ausrichtung des Lichtreizes (bspw. senk- Die Aktivierung einer Zelle »signalisiert« dem Tier
rechte Lichtbalken). Die Orientierungssäulen bilden somit eine bestimmte Position im Raum und er-
die Bestandteile der Augendominanzsäulen, welche leichtert dadurch die Orientierung. Bei verschie-
jeweils Informationen des rechten oder linken Auges denen Tierarten (bspw. Ratten) scheint der Hippo-
verarbeiten. Innerhalb einer Augendominanzsäule campus für die Orientierung im Raum wichtig zu
befinden sich Orientierungssäulen, die alle mög- sein. Am Menschen konnte nachgewiesen werden,
lichen Orientierungen eines Lichtbalkens abdecken dass diese Zellen bereits bei vorgestellten Bewegun­
(0–180°). gen bzw. bei Bewegung im virtuellen Raum aktiviert
sind.
orthodrom (engl. orthodromic) Orthodrom bedeu-
tet, dass sich etwas in die richtige bzw. normale Rich- Osmolarität (engl. osmolarity) Osmolarität ist die
tung bewegt. Ein Impuls bewegt sich z. B. im Axon Angabe der osmotisch aktiven Bestandteile (Atome,
weg vom Soma hin zur Synapse. Das Gegenteil von Ione, Moleküle) pro Volumeneinheit (z. B. Liter) in
orthodrom ist antidrom. einer Lösung bzw. einem Untersuchungsmaterial
unabhängig von deren Art bzw. Zusammensetzung
Orthostase (engl. orthostasis, orthostatism) Orthos- oder elektrischer Ladung. Die Einheit ist osmol/l.
tase bezeichnet die aufrechte Haltung des Körpers. Generell gilt, dass Wasser aus Regionen niedriger
Osmolarität in Regionen höherer Osmolarität dif-
Ortsfrequenz (engl. spatial frequency) Die Ortsfre- fundiert (Gleichgewicht). Bei nichtionischen Subs-
quenz ist neben Wellenform, Kontrast, Orientierung tanzen entspricht die Osmolarität der Molarität O
und Phase eine Eigenschaft von Streifenmustern. (Stoffmenge n eines gelösten Stoffes * einer Misch-
Durch das Betrachten dieser Muster kann man das phase geteilt durch das Volumen V der Lösung). Bei
Phänomen der Adaptation von Neuronen und der ionischen Substanzen muss die Molarität zusätzlich
damit zusammenhängenden Sensitivitätsänderung mit der Anzahl der Ionen in einem Molekül multi-
beschreiben. Die Ortsfrequenz umfasst dabei die pliziert werden. Die Osmolaritäten von Flüssigkeiten
Anzahl von Perioden pro Sehwinkelgrad auf der werden oft zueinander in Bezug gesetzt (hypoosmo-
Netzhaut. Eine Periode besteht immer aus z. B. lar, isoosmolar, hyperosmolar), Vergleichslösungen
einem weißen und einem schwarzen Streifen. Je helfen diese zu bestimmen.
nachdem, wie groß das Netzhautbild ist, also wie
viele Streifen in einen Sehwinkel von einem Grad Osmorezeptor (engl. osmoreceptor) Osmorezep-
passen, wird die Ortsfrequenz angegeben. Dadurch toren sind sensorische Nervenzellen im Hypotha­
erhält man Aussagen über die örtliche Auflösung in lamus und im dritten Hirnventrikel. Sie sind an der
optischen Abbildungen. Kontrolle des Wasserhaushalts des Organismus be-
214 Osmose

teiligt, indem sie den osmotischen Druck messen. Östrus (eng. oestrus, estrus) Zyklusphase des weib-
Bei verringerter Extrazellularflüssigkeit tritt Wasser lichen Menstruationszyklus; in der Zoologie bezeich-
aus den Zellen aus, woraufhin die Osmosensoren net der Begriff auch die Brunft bei Paarhuflern.
schrumpfen. Der Dehnungszustand der Zellmemb-
ran wird gemessen und an den Nucleus präopticus Oszillation (engl. oscillation) Oszillation bezeichnet
im Hypothalamus gemeldet, so dass ein Durstgefühl periodisch sich wiederholende Vorgänge, die in
entsteht und der Organismus den Wasserverlust ­vielen Wissenschaftszweigen beschrieben werden
durch aktive Wasseraufnahme ausgleicht. (bspw. Physik, Geologie, Elektronik, Chemie, aber
auch Wirtschaftswissenschaften). In den Neurowis-
Osmose (engl. osmosis) Osmose ist Diffusion durch senschaften beschreibt Oszillation das aufeinander
eine semipermeable (halbdurchlässige) Membran, abgestimmte Feuern verschiedener Neurone bzw.
d. h. es können nur Teilchen mit bestimmten Eigen- Neuronengruppen.
schaften, z. B. einer bestimmten Größe, durch die
Membran hindurchtreten. Diese Diffusion erfolgt Oszilloskop (engl. oscilloscope) Ein Oszilloskop ist
vom Ort der höheren zum Ort der niedrigeren Kon- ein elektronisches Messgerät, mit dem die Größe
zentration, entlang eines Konzentrationsgefälles und und der zeitliche Verlauf einer (Gleich- oder Wech-
zwar so lange, bis ein Konzentrationsausgleich er- sel-)Spannung dargestellt werden. Meist wird im
reicht ist. Verlaufsgraphen auf der horizontalen Achse die Zeit,
auf der vertikalen Achse die Spannung abgetragen.
Östradiol (engl. oestradiol, estradiol) Östradiol ist ein Das entstandene Bild wird Oszillogramm genannt.
Steroidhormon, welches in den Ovarien gebildet
wird und wichtigster Vertreter der Östrogene ist. In Otolithen (engl. pl. otoliths; Syn. Statolithen) Oto-
seiner Funktion ist es mitverantwortlich für die Aus- lithen sind kleine Kristalle aus Kalziumkarbonat
bildung des weiblichen Menstruationszyklus sowie (Kalzitkristalle), die sich im Gleichgewichtsorgan
der Ausbildung und Erhaltung der sekundären weib- (Vestibulärorgan) des Ohres befinden. Sie bedecken
lichen Geschlechtsmerkmale wie z. B. der weiblichen die Oberfläche der Gallertmasse im Utriculus und
Brust und des Uterus. Sacculus. Gallert und Otolithen zusammen werden
auch als Otolithenmembran bezeichnet. Die Träg-
Östrogene (eng. pl. oestrogens, estrogens) Östrogene heit der »Kalksteinchen« bewirkt, dass sich das
sind neben dem Progesteron die wichtigsten weib- ­Gallert bei Bewegung gegen die Haarzellen (Zilien)
lichen Sexualhormone und gehören der Gruppe verschiebt. Die Gehörsteinchen liefern dem zentra-
der Steroidhormone an, wobei das wichtigste Östro- len Nervensystem so Informationen über die Bewe-
gen des Menschen das Östradiol ist. Gebildet werden gungsrichtung und die Stärke der Beschleunigung
Östrogene v. a. in den Eierstöcken, der Neben­ des Kopfes und ermöglichen damit eine Regulation
O nierenrinde, während einer Schwangerschaft auch der Körperstellung und -haltung.
in der Plazenta sowie zu geringen Anteilen bei Män-
nern im Hoden. Östrogene bewirken v. a. das He­ Ovarektomie (engl. ovariectomy; Syn. Ovariektomie)
rausbilden der weiblichen Geschlechtsmerkmale Ovarektomie bezeichnet die operative Entfernung
und sind für die Regulation des Mentruationszyklus der Ovarien (Eierstöcke; weibliche Keimdrüsen).
­unerlässlich. In der Therapie werden sie primär bei
Menstruationsstörungen oder Hautproblemen (bei Ovarien (engl. pl. ovaries; Syn. Eierstöcke) Die Ova-
vermehrter Talgproduktion) eingesetzt, aber auch rien, das primäre weibliche Geschlechtsorgan, be­
bei der Schwangerschaftsverhütung (Antibabypille) finden sich beidseitig neben der Gebärmutter, in der
spielen sie eine zentrale Rolle. Für den Abbau der Fossa ovarica des kleinen Beckens. Sie weisen eine
Östrogene ist die Leber verantwortlich, wobei syn- mandelähnliche, zu beiden Seiten konvexe Form auf,
thetisch hergestellte Östrogene nur langsamer abge- sind 3 bis 5 cm lang und 0,5–1 cm breit und z. T. von
baut werden als die vom eigenen Körper produ- fransenartigen Trichtern, den Enden des Eileiters,
zierten. umgeben. Die paarig vorhandenen Keimdrüsen
Oxytozin 215

(Gonaden) besitzen zwei Funktionen: die Bildung uterina) verstanden. Die Ovulation ist eine kurze
von Eizellen (Oozyten) und die Bildung weiblicher Phase in der Mitte des Menstruationszyklus. Gegen
Geschlechtshormone (Östrogene und Gestagene). Ende der ersten Hälfte des Zyklus (Follikelphase)
In der Rinde des Ovars (Eierstock) liegen funktionell steigen die Spiegel der hypophysär ausgeschütteten
wichtige Strukturen, in denen die Follikelreifung gonadotropen Hormone FSH (Follikel-stimulie-
stattfindet. Die Funktion der Ovarien unterliegt rendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon)
­einer übergeordneten Regulation durch Hypothala- an, die an spezifische Rezeptoren des Follikels bin-
mus und Hypophysenvorderlappen (HVL). den und die Östradiolbildung anregen. Durch zu-
sätzliche Östradiolrezeptoren wird eine zunehmend
Overshoot (engl. overshoot; Syn. Überschuss) Im höhere Östradiolausschüttung induziert, so dass es
Verlauf eines Aktionspotenzials strömen durch plötz­ zu einem Östradiolpeak kommt, der nach 14 Stun-
liches Öffnen der spannungsgesteuerten Natrium­ den einen LH-Peak in der Hypophyse auslöst; rund
ionenkanäle der Nervenzellmembran Na+-Ionen zehn Stunden später wird der Eisprung ausgelöst.
nach Überschreiten der Erregungsschwelle massiv Der gesprungene Follikel wandelt sich zum Gelb­
in die Zelle ein. Dies bewirkt einen sprunghaften körper (Corpus luteum) und beginnt in der zweiten
Anstieg der Spannung über der Zellmembran. Wäh- Hälfte des Zyklus (Lutealphase) in großen Mengen
rend der sog. Depolarisationsphase verliert die Zelle Progesteron sowie Östradiol zu bilden.
ihre negative Ruheladung und es können Werte bis
zu +30 mV erreicht werden. Der positive Anteil der Oxytozin (engl. oxytozin) Das Hormon Oxytozin
Depolarisationsphase, der Spannungswerte von wird im Nucleus paraventricularis und im Nucleus
0 mV bis +30 mV umfasst, wird Überschuss bzw. supraopticus des Hypothalamus gebildet und nach
Overshoot genannt. Stimulation über axonalen Transport aus dem Hypo­
physenhinterlappen (HHL) in die Blutbahn aus­
OVLT (engl. organum vasculosum of lamina termina- geschüttet. Das neun Aminosäuren lange Peptidhor-
lis; Syn. Organum vasculosum der Lamina terminalis) mon weist zahlreiche periphere und zentralnervöse
Das OVLT ist ein Teil der zirkumventrikulären Effekte auf. So veranlasst es bei der Frau die Kontrak-
­Organe und liegt im Bereich der Lamina terminalis tion der Gebärmuttermuskulatur (Einleitung der
zwischen Chiasma opticum und der Commissura Wehen) sowie die Milchejektion in den Milch­drüsen.
anterior. Es wird angenommen, dass Zellen in der Beim Stillen scheint Oxytozin eine beruhigende
OVLT Hunger und Durst regulieren sowie an der Wirkung auf die Mutter auszuüben. In Laborversu-
Regulation und Entstehung von Fieber beteiligt chen wurde ein positiver Einfluss auf die Paarbin-
sind. dung bei Tieren und Vertrauensbildung beim Men-
schen beobachtet. Viele Säugetierarten produzieren
Ovulation (engl. ovulation; Syn. Eisprung, Follikel- oxytozinähnliche Substanzen. Oxytozin wird auch
sprung) Unter Ovulation wird die Loslösung einer beim (menschlichen) Geschlechtsverkehr freigesetzt O
Eizelle vom weiblichen Eierstock (Ovar) mit an- und kann Gefühle wie Euphorie und Beruhigung
schließender Aufnahme durch den Eileiter (Tuba mit auslösen.
P
Paar-Assoziationsaufgabe (engl. pair-association Herzrasen, Kloß im Hals, Schmerzen in der Brust­
task) Bei einer Paar-Assoziationsaufgabe werden der gegend, Zittern, Schwitzen, Ohnmacht, Gefühle von
Versuchsperson im Lerndurchgang paarweise zu- Kontrollverlust, Todesangst oder Angst vor Ohn-
meist sinnlose Silben dargeboten. Auf die Reizsilbe macht. Panikattacken mit pathologischem Krank-
soll die Versuchsperson dann in der Prüfphase mit heitswert beeinträchtigen mindestens einen Lebens-
der richtigen Responsesilbe reagieren, wobei jedoch bereich und sind mit einer ständigen Angst vor
Antworten vorgegeben werden. Es handelt sich also einem weiteren Anfall oder Sorge vor Folgen dieser
um eine Wiedererkennungsleistung. Panikzustände verbunden.

Pacini-Körperchen 7 Lamellenkörperchen Panikstörung (engl. panic disorder) Die Panikstörung


gehört nach DSM-Klassifikation zur Gruppe der
PAG 7 Periaquäduktales Grau Angststörungen und kann ohne (F41.0) oder mit
Agoraphobie (F41.1) auftreten. Zu den diagnostischen
palliativ (engl. palliative) Palliativ bezeichnet eine Kriterien zählen wiederkehrende unerwartete Panik-
lindernde, unterstützende Behandlung. Palliative anfälle und folgende Symptome, die mindestens einen
Betreuung beinhaltet die Palliativmedizin, palliative Monat auf eine Attacke folgen: anhaltende Besorgnis
Pflege, psychosoziale Unterstützung und Seelsorge. über das Auftreten weiterer Anfälle, ­Sorgen über die
Im Zentrum steht nicht die Verlängerung der Le- Bedeutung oder Konsequenzen der Anfälle und eine
benszeit, sondern eine Erhöhung der Lebensqualität. deutliche Verhaltensänderung infolge der Attacken.
Die Palliativmedizin stammt aus dem St. ­Christopher Die Diagnose Panikstörung wird nicht vergeben,
Hospiz in London, gegründet von C. Saunders (1967). wenn die Panikanfälle besser durch andere psychische
Grundsätze dieser Versorgungsform sind die Be- Störungen zu erklären sind (z. B. infolge einer Depres-
rücksichtigung der Bedürfnisse des Patienten (ganz- sion) oder wenn sie auf Subs­tanzeinnahme oder einen
heitlicher Ansatz), die Behandlung in der Wahlum- medizinischen Krankheitsfaktor zurückgehen.
gebung (ambulant, stationär, zuhause), die Symp-
tomkontrolle (z. B. Schmerzmittel), die Arbeit im Pankreas (engl. pancreas; Syn. Bauchspeicheldrüse)
multidisziplinären Team (Ärzte, Pflege, Sozialar­ Das Pankreas ist eine retroperitoneal liegende Drü-
beiter, Psychologen, Seelsorger), die Erfüllung eines se, die sich anatomisch in den Pankreaskopf, den
P individuellen Behandlungsziels, die Bejahung des Pankreaskörper und den Pankreasschwanz unter-
Lebens (keine sinnlosen Therapieversuche), die Ak- teilt. Sie erfüllt exogene und endogene Funktionen.
zeptanz des Todes (Sterbebegleitung) und eine fach- Das Pankreas bildet täglich ca. 1,5 Liter Sekret, wel-
lich kompetente Ausbildung. ches über den Ductus pancreaticus – gemeinsam mit
dem Ductus choledochus – über die Papilla vateri im
Pallidum 7 Globus pallidus Zwölffingerdarm (Duodenum) endet. Das Sekret
enthält wichtige Verdauungsenzyme zur Spaltung
Panikattacken (engl. pl. panic attacks) ­Panikattacken der Nahrungsstoffe (z. B. Amylase und Lipase). Die
sind Zustände oder Anfälle, welche plötzlich und endogenen Zellen des Pankreas liegen in den sog.
ohne definierbaren Grund auftreten und innerhalb Langerhans-Inseln verteilt auf der Pankreasoberflä-
von kurzer Zeit ihren Höhepunkt erreichen. Sie ge- che. Hier werden u. a. die Hormone Insulin, Gluka-
hen mit folgenden Symptomen einher: Herzklopfen, gon und Somatostatin gebildet.
Paraphilie 217

Papez-Kreis (engl. circle of Papez) Der von James W. rischen Nerven eines Körperteils bzw. des ganzen
Papez (1937) postulierte Neuronenschaltkreis war Körpers und damit eine Unfähigkeit sich zu be­
einer der ersten Versuche, die für die Entstehung von wegen.
Emotionen und Gefühlen verantwortlichen neuro-
nalen Strukturen zusammen zu fassen. Er beschreibt Paralyse, progressive (engl. paralytic dementia) Die
den Informationsfluss von den sensorischen Thala- progressive Paralyse ist eine Form der Neurosyphilis
muskernen zu den Mammilarkörperchen (Hypo- (eine Spätfolge einer Syphiliserkrankung), die sich
thalamus), zum anterioren Thalamus, Gyrus cinguli, darin äußert, dass mit Fortschreiten der Krankheit
Hippocampus und über die Fornix zurück zum Hy- zunehmend motorische Funktionen ausfallen und
pothalamus. Gleichzeitig werden die Reize vom Tha- Demenzsymptome bzw. Symptome einer Psychose
lamus in die sensorischen Rindenareale projiziert, auftreten. Hierzu gehören Affektstörungen und An-
um von dort u. a. in den Gyrus cinguli zu münden. triebsminderung, Veränderung der Persönlichkeit,
Hier treffen sich nach Papez’ Vorstellungen der Ge- Neigung zu Größenwahn, Sprachstörungen (Dys-
fühls- und der Denkstrom und es entsteht ein Ge- arthrie, periorale motorische Unruhe), Störungen
fühl. Paul MacLean (1949) führte die Überlegungen der Pupillenmotorik und Epilepsie. Im Allgemeinen
von Papez fort und erweiterte den Schaltkreis um die treten neurologische Symptome 5 bis 30 Jahre nach
Strukturen der Amygdala, Septum und PFC und der Infektion mit dem Syphiliserreger Spirochaeta
nannte es das limbische System. Heute ist die Vor- pallida (auch bekannt als Treponema pallidum) auf.
stellung des geschlossenen Neuronenschaltkreises Bis ins 19. Jh. verlief die progressive Paralyse zu-
zwar nicht mehr aktuell, unbestritten ist jedoch, dass meist tödlich. Heute besteht die Therapie einerseits
Papez einen unverzichtbaren Beitrag zur Erfor- in der symptomatischen Linderung der psychoti­
schung des limbischen Systems leistete. schen Symptome und neurologischen Ausfälle, zum
anderen wird die Syphilis durch Benzylpenizillin
Papille (engl. papilla) Eine Papille ist eine Warze über mind. 10 Tage behandelt. Retrospektive Stu­
(auch Brustwarze) oder ein Bläschen. Häufiger wird dien deuten auf einen Zusammenhang zwischen
der Begriff allerdings als Synonym für eine warzen­ fehlender oder zu niedrig dosierter Penizillinthera-
artige Erhebung an der Oberfläche von Organen ver- pie und dem Auftreten der progressiven Paralyse.
wendet. In einem solchen Fall bezeichnet sie u. a. den
Nervenkopf des Sehnerves, d. h. den Ort, an dem der Paraphasie (engl. paraphasia) Die Paraphasie ist
Sehnerv die Augenhöhle verlässt (blinder Fleck). eine Form der kortikalen sensorischen Aphasie, die
Liegt ein Objekt in diesem Sehbereich, kann es vom durch eine nicht intendierte Verwechslung von
Menschen nicht wahrgenommen werden. Außerdem Buchstaben, Silben oder Wörtern gekennzeichnet
ist eine Papille eine Erhebung der Lederhaut am ist. Die produzierte Sprache ist jedoch relativ ge­
Grund des Haarfollikels, die das Haar mit Blut ver- setzmäßig und korrekt artikuliert. Paraphasien sind
sorgt und so das Wachstum des Haares ermöglicht. häufig bei flüssigen Aphasien zu beobachten, kön-
Auch die Geschmackszellen auf der Zunge werden nen jedoch auch bei milderen Formen der Broca-
als Papillen (Geschmackspapillen) bezeichnet. In der Aphasie auftreten. P
Pflanzenwelt sind damit hingegen haar-ähnliche
Ausstülpungen an der Pflanzenoberhaut gemeint. Paraphasie, phonematische (engl. phonematic pa-
raphasia) Die phonematische Paraphasie bezeichnet
parakrin (engl. paracrine) Eine Kommunikation eine Veränderung der Lautstruktur eines Wortes
zwischen Zellen bezeichnet man als parakrin, wenn durch Substitution (z. B. »Takke« statt »Tasse«), Til-
das von einer Zelle ausgeschiedene Signal durch den gung (z. B. Inder statt Kinder), Umstellung (z. B.
extrazellulären Raum diffundiert und von benach- Feleton statt Telefon) oder Hinzufügung (z. B. ­Tantle
barten Zielzellen aufgenommen wird. statt Tante) einzelner Laute.

Paralyse (engl. paralysis; Syn. Lähmung) Eine Para­ Paraphilie (engl. paraphilia) Eine Paraphilie be-
lyse beschreibt eine vollständige Lähmung der moto- zeichnet eine Störung der Sexualpräferenz, d. h. das
218 Parasomnie

Objekt, von dem der Betroffene angezogen wird, ist den Parasympathikus innerviert werden, sind auch
in irgendeiner Form »abweichend« (z. B. unbelebte an den Effekten des Sympatikus beteiligt. Die Effekte
Objekte, Schmerz, Kinder, Tiere, Fäkalien, Leichen). beider Systeme sind antagonistisch, d. h. gegensätz-
Paraphilien zählen zu den psychischen Störungen lich (funktioneller Antagonismus). Ein besonders
und äußern sich als ausgeprägte, abweichende, sexu- wichtiger Nerv des Parasympathikus ist der Nervus
ell erregende Phantasien, dranghafte sexuelle Be- vagus (X. Hirnnerv).
dürfnisse oder Verhaltensweisen, die in klinisch be-
deutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung Parasympathomimetika (engl. pl. parasympathomi-
(beim Betroffenen und auch bei möglichen Opfern) metics; Syn. Parasympathikomimetika) Man unter-
hervorrufen können. Häufige Paraphilien sind der scheidet direkte und indirekte Parasympathomime-
Fetischismus (F65.0), Exhibitionismus (F65.2), der tika. Direkte Parasympathomimetika sind Stoffe, die
Voyeurismus (F65.3), die Pädophilie (F65.4) und der eine direkte Stimulation des parasympathischen
Sadomasochismus (F65.5). ­Systems bewirken wie z. B. Carbachol. Diese Stoffe
sind Muskarinrezeptor-Agonisten, d. h. sie haben
Parasomnie (engl. parasomnia) Parasomnie ist eine die gleiche Wirkung auf Rezeptoren wie Azetylcho-
Bezeichnung für eine Reihe von Schlafstörungen, lin. Bei den indirekten Parasympathomimetika un-
eine »aus dem Schlaf heraus auftretende Auffällig- terscheidet man reversible und irreversible Azetyl-
keit«. Diese Störung tritt nach der wörtlichen Über- cholinesterasehemmer, d. h. Stoffe, die die Wirkung
setzung also beim Erwachen oder nahe dem Erwa- des Enzyms Azetylcholinesterase hemmen. Der Aze­
chen auf. Parasomnien werden in vier Gruppen tylcholinabbau wird dadurch bei irreversiblen Para-
eingeteilt: Aufwachstörungen (z. B. Schlafwandeln, sympathomimetika verhindert und bei reversiblen
schreiend aufwachen), Störungen des Schlaf-Wach- Parasympathomimetika verlangsamt. Irreversible
Übergangs (z. B. Einschlafzuckungen, Sprechen im Parasympathomimetika, wie z. B. Insektizide, bewir­
Schlaf), REM-Schlaf-Parasomnen (z. B. Albträume, ken daher eine toxische Anreicherung von Azetyl-
Schlaflähmung) und andere Parasomnien (z. B. cholin. Zu den reversiblen Parasympathomimetika
Zähneknirschen, Bettnässen, Schnarchen). Para- gehören z. B. Neostigmin und Physostigmin.
somnien sind meist ungefährlich, können in seltenen
Fällen jedoch zu belastenden Ein- oder Durchschlaf- Parentalgeneration (engl. parental generation; Syn.
problemen führen. Elterngeneration) Parentalgeneration ist ein ursprüng­
lich aus der Genetik stammender Ausdruck für die
Parasympathikus (engl. parasympathetic nervous »Elterngeneration«, der mittlerweile auch Verwen-
system) Der Parasympathikus ist neben Sympathikus dung in der Verhaltensforschung und in der Tier-
und Darmnervensystem (enterisches Nervensys- bzw. Pflanzenzucht findet. Er bezeichnet die Aus-
tem) ein Teilsystem des vegetativen Nervensystems. gangsgruppe einer Abstammungslinie und kann aus
Präganglionäre Neurone des Parasympathikus ha- nur zwei Individuen bzw. Organismen bestehen
ben ihren Ursprung im Hirnstamm und im Kreuz- (männlich und weiblich) oder aber aus einer größe-
P mark. Als Botenstoff verwenden alle Neurone des ren Gruppe, in der sich die Individuen untereinan-
Parasympathikus Azetylcholin. Erfolgsorgane sind der paaren können. Die folgenden Generationen
die glatte Muskulatur und die Drüsen des Magen- (also die unmittelbaren Nachkommen der Parental-
Darm-Traktes, Ausscheidungs- und Sexualorgane, generation) werden als Filialgenerationen bezeich-
die Lunge sowie Vorhöfe des Herzens, Tränen- und net. In wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird
Speicheldrüsen im Kopfbereich und die inneren die Parentalgeneration mit »P« abgekürzt und die
­Augenmuskeln. Bei Erregung des Parasympathikus erste Folgegeneration mit »F1«.
wird eine trophotrope Reaktion ausgelöst, d. h. alle
Vorgänge, die der Restitution dienen, werden ge­ parenteral (engl. parenteral) Die parenterale Verab-
steigert. Die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen und reichung ist die Verabreichung von Medikamenten
Darmmuskulatur nimmt zu, während Kreislaufleis- oder Nahrung unter Umgehung des Magen-Darm-
tung und Atmung abnehmen. Alle Organe, die durch Traktes. Dabei kann ein Medikament oder Nährstoff
Patch-Clamp-Technik 219

direkt ins Blut durch intravenöse Injektion oder In- meist schubweise fortschreitende Erkrankung des
fusion verabreicht werden. Dies bietet sich bspw. in Gehirns, die zu den häufigsten neurologischen Er-
Notfallsituationen an, wenn das Medikament schnell krankungen weltweit gehört. Etwa 100–200 von
einen hohen Wirkspiegel erreichen soll, das Medi­ 100.000 Personen der Gesamtbevölkerung leiden
kament oral nicht resorbierbar ist oder wenn eine unter Morbus Parkinson; bei Personen über 85 Jah-
orale Gabe aufgrund des Krankheitsbildes oder des ren liegt die Prävalenz bei rund 2 %. Männer sind
Zustands des Patienten nicht möglich ist. Auch eine etwas häufiger als Frauen betroffen. Bei den betrof-
intraarterielle, intramuskuläre oder subkutane Me- fenen Personen kommt zu einem Absterben Dopa-
dikamentengabe bezeichnet man als parenterale min-produzierender Neurone in der Substantia
Verabreichung. Ist es nicht möglich, den Patienten ­nigra und infolgedessen zu einem Mangel an Dopa-
auf andere Weise zu ernähren, ist eine parenterale min und einem Überschuss an Azetylcholin in den
Ernährung, d. h. die Zuführung aller erforderlichen Basalganglien. Die Parkinson-Krankheit zeichnet
Nährstoffe und der angemessenen Menge an Flüs- sich durch drei Kardinalsymptome aus: Tremor,
sigkeit, erforderlich. Die kann über einen peripheren ­Rigor und Akinese. Tremor bezeichnet das Zittern
oder einen zentralnervösen Venenkatheter erfolgen. der Gliedmaße (v. a. der Hände), wodurch Willkürbe­
wegungen nicht mehr oder nur stark eingeschränkt
Parese (engl. paresis) Parese meint eine unvollstän- ausgeführt werden können. Rigor ist eine Muskel-
dige Lähmung der Muskulatur (vollständige Läh- starre und die Akinese bezeichnet eine Bewegungs-
mung = Paralyse). Betroffen können ein einzelner armut. Zusätzlich kommt es häufig zu Haltungs­
Muskel, eine Muskelgruppe oder die ganze Extremi- störungen (z. B. eine unnormale Kopfhaltung). Die
tät sein. Die grobe Kraft einer Muskelgruppe ist ver- Parkinson-Krankheit ist nicht heilbar, es gibt jedoch
mindert, Muskeltonus und Muskelreflexe sind nor- verschiedene Möglichkeiten, die Symptome zumin-
mal oder ebenfalls beeinträchtigt. Eingeschränkt ist dest zeitweise zu lindern (hauptsächlich durch die
die Feinmotorik, die Sensibilität ist nicht betroffen. Gabe der Dopaminvorstufe L-DOPA).
Es wird unterschieden zwischen der Monoparese
(Lähmung einer Gliedmaße oder eines Gliedmaßen- parvozellulär (engl. parvocellular) In der Neuro­
abschnittes), der Paraparese (Lähmung beider Arme anatomie bezeichnet man Gruppen oder Bereiche
oder Beine), der Tetraparese (Lähmung aller vier relativ kleiner Nervenzellen als parvozellulär. So
Extremitäten) und der Hemiparese (Lähmung einer ­finden sich bspw. im sechsschichtigen Corpus geni-
Körperseite). Ursachen von Paresen liegen in neuro- culatum laterale (seitlicher Kniehöcker) vier parvo-
logischen Störungen, v. a. periphere Nervendurch- zelluläre Zellschichten. Diese übertragen Informa­
trennungen als Folge von Unfällen oder Erkrankun­ tionen über die Farbe und Details gesehener Objekte
gen, die zum Untergang von Motoneuronen führen, zum primären visuellen Kortex (V1). Parvozelluläre
spielen eine Rolle. Neurone finden sich u. a. auch im Hypothalamus.
Diese Zellen sind verantwortlich für die Produktion
Parietallappen (engl. parietal lobe; Syn. Lobus parie­ wichtiger Peptidhormone (bspw. CRH, Vasopressin,
talis, Scheitellappen) Der Parietallappen ist ein Teil TRH). P
des Großhirns, der über (superior) dem Okzipital-
lappen und hinter (posterior) dem Frontallappen Patch-Clamp-Technik (engl. patch clamp technique)
liegt. Hier finden u. a. die Integration von sensori­ Die Patch-Clamp-Technik ist ein von Neher und
schen Informationen unterschiedlicher Wahrneh- Sakmann (1976) entwickeltes Verfahren zur Mes-
mungsorgane und die mentale Manipulation von sung der Funktion von Ionenkanälen. Die Patch-
Objekten statt. Im Parietallappen finden sich neben Clamp ist eine spezielle Mikropipette, mit der es
anderen neuronalen Zentren der somatosensorische möglich ist, Ionenströme an einzelnen Ionenkanälen
Kortex und das dorsale System. aufzuzeichnen. Dazu wird die Pipette mit einer Elek-
trolytlösung gefüllt und an die Zellmembran gesetzt.
Parkinson-Krankheit (engl. Parkinson’s disease; Syn. Durch die Erzeugung von Unterdruck wird ein sehr
Morbus Parkinson) Die Parkinson-Krankheit ist eine kleiner Teil der Membran (wenige Quadratmikrome­
220 Patellarsehnenreflex

ter) angesaugt. Der Unterdruck isoliert den zu un­ter­ PCP 7 Phencyclidin


suchenden Teil (patch) vom Rest der Zellmem­bran.
Durch die Isolation wird gewährleistet, dass nur die Pedunculus cerebellaris (engl. cerebral peduncle)
Reaktionen der Ionenkanäle innerhalb der Mikro­ Der Pedunculus cerebellaris bezeichnet einen von
pipette aufgezeichnet werden. Die Elektrolytlösung insgesamt drei Stielen, über welche das Kleinhirn
in der Pipette bewirkt eine Änderung des Memb­ afferent und efferent mit anderen Strukturen ver-
ranpotenzials, woraufhin sich die Ionenka­näle (im bunden ist. Die Hauptafferenzen des Kleinhirns
besten Fall nur einer) innerhalb der Pipette für einen stammen von den Brückenkernen Nucleus pontis,
kurzen Moment öffnen und wieder schließen. Diese dem Rückenmark und Hirnstammkernen wie bspw.
Reaktion wird von der Pipette aufgezeichnet. Über der Formatio reticularis oder den Nuclei vestibulares
dieses Verfahren ist es bspw. möglich, die Wirksam- und dem Ncl. olivaris (Olivenkerne). Seine Effe-
keit von Medikamenten zu prüfen. renzen richtet das Kleinhirn v. a. in den Thalamus,
den Nucleus ruber, die Nuclei vestibulares und die
Patellarsehnenreflex (engl. patellar tendon reflex) Formatio reticularis. Die 3 Kleinhirnstiele sind nicht
Der Patellarsehnenreflex ist ein monosynaptischer nach Afferenzen und Efferenzen getrennt. Im Pe-
Dehnungsreflex. Er dient dem Ausgleich einer extern dunculus cerebellaris inferior verlaufen der Tractus
verursachten Lageveränderung des Muskels. Durch vestibulocerebellaris, der Tractus olivocerebellaris,
einen Schlag auf die Sehne des Musculus quadriceps der Tractus spinocerebellaris posterior und der Trac-
femoralis unterhalb der Kniescheibe wird eine tus cerebellovestibularis. Im Pedunculus cerebellaris
schnelle Streckbewegung des Beines ausgelöst. Die medius befindet sich allein der Tractus pontocere-
plötzliche Dehnung der intrafusalen Muskel­fasern bellaris. Im Pedunculus cerebellaris superior verlau-
durch den Schlag verursacht eine Erregung der fen der Tractus spinocerebellaris anterior, der ­Tractus
Ia-Fasern und Gruppe II-Fasern. Diese erregen im cerebellothalamicus und der Tractus cerebello­
Vorderhorn des Rückenmarks die α-Motoneurone, rubralis.
was zu schneller Kontraktion (nach ca. 20 ms) dessel-
ben Muskels führt. Der Patellarsehnenreflex enthält Peptid (engl. peptide) Peptide sind Ketten von Ami-
auch einige polysynaptische Schaltungen, z. B. für die nosäuren, die durch Verbindung von Karboxyl- und
zeitgleiche Hemmung des Beugers über ein hem- Aminogruppe zweier Aminosäuren unter Abspal-
mendes Interneuron sowie die rekurrente Hemmung tung von Wasser entstehen (Peptidbindung). Pep­tide
über Renshaw-Zellen zur Beendigung des Reflexes. und demnach auch Proteine gehören zu den wich-
tigsten Bausteinen pflanzlicher und tierischer Zel-
Paukenhöhle (engl. tympanic cavity) Als Pauken- len. Sie bilden Hormone, Enzyme, sind als kontrak-
höhle wird der luftgefüllte Hohlraum des Mittelohrs tile Elemente an der Bewegung beteiligt, haben
bezeichnet, in dem sich die Gehörknöchelchen Transportfunktion im Blut und stellen Bauelemente
(Hammer, Amboss und Steigbügel) befinden. Die aller Biomembranen dar.
Paukenhöhle liegt hinter dem Trommelfell und be-
P steht aus drei Abschnitten: Paukenkuppel (Epitym- Peptidhormon (engl. peptide hormone) Peptidhor-
panon), Paukenmittelraum (Mesotympanon) und mone bestehen aus einer Kette von rund 3–50 Ami-
Paukenkeller (Hypotympanon). Die Paukenhöhle nosäuren und bilden zusammen mit den Protein-
besitzt eine Länge von 12–15 mm und ist 3–7 mm hormonen (mehr als 50 Aminosäuren lang) die zah-
breit. Sie ist über die eustachische Röhre mit den lenmäßig größte Gruppe der Hormone. Peptid­
Atemwegen im Rachenraum verbunden. Über diese hormone sind wasserlöslich und können daher die
Verbindung kann ein Luftdruckausgleich stattfin- Doppellipidmembran der Körperzellen nicht passiv
den. Dabei wird der Druck im Mittelohr dem Druck überwinden. Peptidhormone binden an spezifische
des Nasen-Rachen-Raums und dadurch dem Außen­ Rezeptoren auf der Zellmembran und entfalten ihre
druck angeglichen. Ein solcher Druckausgleich Wirkung durch Second-Messenger-Systeme (bspw.
spielt beim Schluckakt, Gähnen sowie Tauchen oder cAMP). Wie bei den meisten anderen Hormonen
Fliegen eine wichtige Rolle. wird die Ausschüttung von Peptidhormonen über
Permeabilität 221

negative Feedback-Schleifen kontrolliert. Die Inak- pyramidenförmig. Von ihm gehen Axone und Den-
tivierung erfolgt durch enzymatischen Abbau direkt driten, die Fortsätze des Neurons, ab.
am Wirkort, in Leber, Niere oder nach Rezeptorbin-
dung innerhalb der Zelle. Perimetrie (engl. perimetric test) Die Perimetrie ist
eine Vermessung des Gesichtsfeldes, des Bereiches,
Peptid YY3-36 (engl. peptide YY3-36) Bei dem Peptid den man mit den Augen wahrnehmen kann. Es exis-
YY3-36 handelt es sich um ein Hormon, welches von tieren zwei Untersuchungsarten, die beide auf dem-
Dünndarmzellen produziert und freigesetzt wird. Es selben Prinzip beruhen: Der Proband/Patient fixiert
spielt eine wesentliche Rolle bei der Regulation von mit dem zu untersuchenden Auge einen Punkt, be-
Hunger und Sättigung eines Organismus. Während wegt das Auge also nicht. Nun werden Stimuli prä-
der Nahrungsaufnahme steigt die Konzentration sentiert und der Proband/Patient hat die Aufgabe
von YY3-36 und wirkt als Botenstoff inhibierend auf anzugeben, ob und wann er den Stimulus wahr-
die NPY/AgRP-Neurone im »appetite controller« nimmt. Aus dem Protokoll der wahrgenommenen
des Nucleus. Der daraus resultierende Effekt ist eine Stimuli kann das Gesichtsfeld des Probanden re-
Senkung des Hungergefühls. konstruiert werden. Die erste Untersuchungsart er-
folgt manuell durch den Untersucher. Bei der Finger-
Perfusion (engl. perfusion) Unter Perfusion versteht oder Konfrontationsperimetrie decken Untersucher
man das Durchströmen von Flüssigkeiten (z. B. Blut) und Proband/Patient jeweils das gleiche Auge ab
durch Organe oder Blutgefäße. Perfusion ist meist und fixieren gegenseitig ihre Nasen. Der Untersu-
natürlich, kann aber auch künstlich hervorgerufen cher führt nun seinen Finger von außen an das Ge-
werden. sichtsfeld heran und kann direkt vergleichen, wann
er seinen Finger wahrnimmt und ab wann der Pro-
Perfusionsdruck (engl. perfusion pressure) Der Per- band das tut. Die zweite Untersuchungsart ist die
fusionsdruck gibt an, wie viel Blut pro Zeiteinheit kinetische Perimetrie (auch Goldmann-Perimetrie
durch die Arterien fließt. Jener Druck wird bspw. genannt) und erfolgt in einem Projektionsperimeter.
aufgrund des Durchströmens durch die Nieren­tubuli Der Kopf des Probanden befindet sich in dieser
der Niere erzeugt und kann durch spezielle Volumen­ Halbkugel und es werden ihm Reize dargeboten. Die
sensoren gemessen werden. Dies spielt eine wesent- Reizorte können außerhalb der Halbkugel auf Papier
liche Rolle beim Wasserhaushalt eines Organismus projiziert und somit das Gesichtsfeld graphisch dar-
(7 Durst, volumetrischer). gestellt werden. Diese Untersuchung kann dyna-
misch oder statisch erfolgen, wobei bei der dyna-
Periaquäduktales Grau (engl. periaqueductal gray) mischen Anordnung die Stimuli von außen ans
Neben der Substantia nigra und dem Nucleus ruber Gesichtsfeld sukzessiv herangeführt werden und in
ist das periaquäduktale Grau (PAG) die zentrale der statischen Form die Orte der Lichtreize erzeugt
Struktur des Tegmentums. Das PAG umgibt den werden. Die Stimuli können unterschiedlicher
Aquaeductus cerebri. Da das PAG eine hohe Dichte Helligkeit oder Farbe sein und aus verschiedenen
von Opiatrezeptoren aufweist, spielt es eine wichtige Richtun­gen präsentiert werden. Mit Hilfe der Peri- P
Rolle bei der schmerzunterdrückenden Wirkung metrie können Gehirnschäden lokalisiert werden
opiater Stoffe. und Glaukome, Skotome oder Hemianopsien er-
kannt werden.
Perikaryon (engl. perikaryon; Syn. Soma, Zellkörper)
Das Perikaryon ist der Zellleib und das metabolische peripheres Nervensystem 7 Nervensystem, peri-
Zentrum des Neurons mit für Stoffwechselvorgänge pheres
und Regeneration unerlässlichen Zellbestandteilen
(endoplasmatisches Retikulum, Mitochondrien, Permeabilität (engl. permeability) Permeabilität ist
Golgi-Apparat, Neurofilamente und Lysosomen). eine Eigenschaft von Membranen und bezeichnet
Der Zellkörper besteht aus Zytoplasma, dem Zell- ihre Durchlässigkeit für bestimmte Stoffe. Welche
kern und Zellorganellen und ist zumeist kugel- oder Stoffe eine Membran passieren können, ist sowohl
222 Peroxisom

abhängig von der Struktur und Größe des Stoffes als tet. Am häufigsten sind Kinder vom Petit mal be­
auch von der Struktur, der Stärke und Poren- bzw. troffen. In vielen Fällen kommt es aber nicht zur
Kanalanzahl der Membran. Diagnose, da die Anfälle nicht erkannt, sondern mit
Aufmerksamkeitsdefiziten verwechselt werden.
Peroxisom (engl. peroxisome) Peroxisome sind in
allen eukaryotischen Zellen vorkommende Orga­ Pfad, dorsaler (engl. dorsal pathway) Visuelle Infor-
nellen, die im Gegensatz zu Mitochondrien und mationen werden nach Verarbeitung in den visu-
Chloroplasten (nur bei Pflanzen) nur von einer ein- ellen Kortexarealen des Okzipitallappens (Hinter-
schichtigen Membran umgeben sind. Wie in den hauptslappen) über den sog. dorsalen und den sog.
Mitochondrien findet die Fettsäureoxidation auch in ventralen Pfad weiter verarbeitet. Der dorsale Pfad
Peroxisomen statt. Es wird vermutet, dass langket- verläuft vom Okzipitallappen zum Parietallappen
tige Fettsäuren in den Peroxisomen verkürzt wer- (Scheitellappen). Der dorsale Pfad dient zur Orien-
den, um sie dann besser in den Mitochondrien ab- tierung und Positionierung von Objekten im Raum.
bauen zu können. Zahlreiche Stoffwechselschritte, Schäden in den Hirnarealen, die an der Verarbeitung
bei denen Wasserstoffperoxid anfällt, laufen in den visueller Informationen in diesem Pfad beteiligt
Peroxisomen ab, da Wasserstoffperoxid als Zellgift sind, führen u. a. zu einer unterbrochenen Wahr-
nur dort durch das in hohen Konzentrationen vor- nehmung der Objektbewegung, d. h. eine Bewegung
handene Enzym Katalase abgebaut werden kann. wird nicht mehr fließend, sondern nur noch in ein-
zelnen Bildern wahrgenommen.
Perseveration (engl. perseveration) Perseveration
bezeichnet ein mitunter krankhaftes Beharren oder Pfad, ventraler (engl. ventral pathway) Erreicht die
Haftenbleiben an Vorstellungen und eine beharr- vom Auge wahrgenommene Information den Okzipi­
liche Wiederholung von Wörtern und Bewegungen. tallappen (Hinterhauptslappen), wird sie von dort ent-
Sie ist oft bei autistischen Störungen, Epilepsie, hirn- weder auf dem ventralen oder dem dorsalen Pfad wei-
organischen Erkrankungen und der Schizophrenie terverarbeitet. Der ventrale Pfad verläuft hin zum un-
zu beobachten. Perseverationstendenzen nach Hirn- teren Bereich des Temporallappens (Schläfenlappen).
schäden werden oft über den Wisconsin-Karten- Verarbeitet wird hierbei, was wahrgenommen wird,
Sortier-Test untersucht. Personen mit Persevera­ also die Farbe und Form von Objekten. Auf diesem
tionstendenzen sind dabei nicht in der Lage, den Pfad wird das Objekt als solches mit seinen Merkma-
Sortiermodus im Laufe des Versuchs zu ändern (d. h. len identifiziert. Hirnläsionen, die den ventralen Pfad
sie sortieren nach der alten falschen Regel weiter), betreffen, verhindern eine rein visuelle Objekterken-
obwohl sie artikulieren können, das ihre Sortierung nung, wobei dieses aber meist unter Zuhilfenahme
falsch ist. anderer Sinne (Tasten etc.) identifiziert werden kann.

PET 7 Positronenemissionstomographie PGO-Welle (von: Pons, Geniculatum, Occipital) Bei


der PGO-Welle handelt es sich um Salven phasischer
P Petit mal (engl. petit mal, absense attack, minor ­motor elektrischer Aktivität, die ihren Ursprung in dem
seizure) Petit mal bezeichnet einen kleinen genera­ Pons haben und sich von dort über den Corpus ge-
lisierten epileptischen Anfall. Typisch für epilep- niculatum bis hin zum visuellen Kortex erstrecken.
tische Anfälle sind abnorme exzessive Entladungen PGO-Wellen sind ein reines REM-Schlaf-Charak-
von Neuronen im Gehirn. Es wird zwischen par­ teristikum und stellen die erste Phase einer REM-
tieller (nur einen Teil des Gehirns betreffend) und Epoche dar, welcher EEG-Desynchronisation, Para-
generalisierter Epilepsie (das gesamte Gehirn betref- lyse und schnelle Augenbewegungen (Rapid-Eye-
fend) unterschieden. Im Gegensatz zum Grand mal Movements) als weitere Phasen folgen.
ist das Petit mal nicht mit Krämpfen verbunden,
sondern ist primär durch die Absence, also eine Trü- Phagozytose (engl. phagozytosis) Die Phagozytose
bung des Bewusstseins, gekennzeichnet und wird ist eine Form der Endozytose, bei der feste Stoffe von
bisweilen von einem Flattern der Augenlider beglei- einer Zelle aufgenommen werden. Bei diesen Be-
Phenothiazine 223

standteilen kann es sich um Nahrungspartikel oder Glied­maße repräsentiert hat, durch die Deafferen-
Krankheitserreger handeln. Tierische Einzeller nut- zierung keine Funktion mehr. Nach und nach wird
zen die Phagozytose zur Nahrungsaufnahme, bei die betroffene Region von anderen, benachbarten
höheren Organismen werden dabei durch Fress­ Repräsentationen mit verwendet. Je größer dabei die
zellen körperfremde Zellen oder beschädigte, körper­ vormalige Repräsentation war, desto stärker ist der
eigene Zellen vernichtet. Die aufzunehmenden Par- Phantomschmerz. Trotz unterschiedlicher Thera­
tikel werden aufgrund spezifischer Oberflächenstruk­ pien haben diese generell nur geringe Erfolgsaus-
turen erkannt. Dieser Mechanismus wird zumeist sichten. Ein Verfahren ist die sog. Spiegelbox (Mirror­
über einen Liganden an der Oberfläche des Partikels box) von Ramachandran.
und einem Rezeptor auf der Zelloberfläche vermit-
telt. Nach der Phagozytose werden die Teilchen in Pharmakokinetik (engl. pharmakokinetics) Wört-
der Zelle durch Enzyme zerlegt. lich übersetzt bedeutet Pharmakokinetik soviel wie
»Bewegung der Pharmaka« und beschreibt den Pro-
Phalangenzellen 7 Deiters-Stützzellen zess, durch den Wirksubstanzen aufgenommen, im
Körper verteilt, verstoffwechselt und wieder ausge-
Phänotyp (engl. phenotype) Der Phänotyp bezeich- schieden werden.
net die äußerlich feststellbaren Merkmale eines
­Organismus. Er wird durch den Genotyp des Indivi- Phencyclidin (engl. phencyclidine) Phencyclidin
duums und verschiedene Umwelteinflüsse bestimmt. (PCP) ist eine synthetisierte Substanz, die als
Organismen mit demselben Phänotyp können unter­ Partydroge gilt und dem Körper gewöhnlich oral,
schiedliche Genotypen haben, da sie sich in rezes- nasal, intravenös oder durch Rauchen zugeführt
siven Allelen, die keinen Einfluss auf den Phänotyp wird. Als Dissoziativum kann PCP Halluzinationen,
haben, unterscheiden können. ­Lethargie, Desorientation, Koordinationsverlust,
­trance-ähnliche ekstatische Zustände, Euphorie
Phantomglied (engl. phantom limb) Phantomglieder und visuelle Verzerrungen hervorrufen. PCP bin-
sind Gliedmaßen, die trotz einer erfolgten Amputa- det hauptsächlich an den N-Methyl-D-Aspartat
tion vom Patienten als noch vorhanden empfunden (NMDA)-Rezeptor und verhindert so die glutama-
werden. Diese Empfindung äußert sich meist in terge Neurotransmission (v. a. im Hippocampus).
Form von Schmerzen oder anderen negativen Wahr- PCP birgt ein massives Abhängigkeitspotenzial und
nehmungen wie bspw. Jucken (7 Phantomschmerz). kann je nach Reinheitsgrad innerhalb kurzer Zeit
zu starken physischen und psychischen Abbauvor-
Phantomschmerz (engl. phantom pain) Phantom- gängen führen. PCP wird in der Drogenszene auch
schmerz meint das Schmerzen einer nicht mehr als Angel Dust, Crystal oder Flakes bezeichnet.
­vorhandenen Gliedmaße nach einer Amputation.
Er wird als brennend, stechend, nadelstich- oder Phenothiazine (engl. pl. phenothiazines) Phenothia-
krampfartig beschrieben. Zur Erklärung dieses Phä- zine bilden eine Gruppe von Arzneistoffen, deren
nomens wird zum einen vermutet, dass bei der Am- strukturchemische Grundlage ein räumlich annä- P
putation beschädigte Nerven(enden) den Schmerz hernd planares Dreiringsystem (Phenothiazin) bil-
auslösen. Eine zweite Theorie geht von einem det. Sie werden vor allem bei der Behandlung von
»Schmerzgedächtnis« der durch die Vollnarkose Schizophrenie als Neuroleptika eingesetzt, finden
nicht betäubten weiterleitenden nozizeptiven Nerven­ aber auch Anwendung als Sedativa, Antihistaminika
bahnen aus, die – durch mangelnde weitere ­Impulse und Antiemetika bzw. Antivertiginosa. Phenothia-
nach der Amputation – den erinnerten Schmerz zine zeichnen sich durch ihre Affinität zu Dopamin-
zum Gehirn leiten. Deshalb wird heutzutage ver- rezeptoren (D2) aus, die sie kompetitiv blockieren
mehrt mit zusätzlicher Lokalanästhesie operiert. Die können. Daneben hemmen verschiedene Wirkstoffe
aktuellste Theorie erklärt Phantomschmerzen mit auch andere Neurotransmitter, bspw. Histamin,
der Plastizität des Gehirns. Nach einer Amputation Serotonin oder Noradrenalin. Durch die Blockie-
hat die Region im Kortex, die die entsprechende rung der Dopaminrezeptoren kommt es zu einer
224 Phenylbrenztraubensäure

Reihe von Nebenwirkungen, darunter die extrapyra- oder Situationen, bei der die subjektiv eingeschätzte
midal-motorischen Störungen (EPMS), d. h. Früh- Gefahr weit über der objektiven liegt. Einher geht die
und Spätdyskinesien, Akathisien und parkinson- Phobie mit einer starken Angstreaktion, wenn der
ähnliche Symptome. Einige Phenothiazine können phobische Reiz nicht vermieden werden kann, son-
auch Störungen der Wärmeregulation verursachen. dern ausgehalten werden muss. Patienten versuchen
meist, das entsprechende Objekt oder die Situation
Phenylbrenztraubensäure (engl. phenylpyruvic zu vermeiden, so dass sich, in Abhängigkeit vom
acid) Phenylbrenztraubensäure ensteht als Abbau- phobischen Objekt, Einschränkungen im Alltag er-
produkt des überschüssigen Phenylalanins, wenn geben können (Sozialkontakte, Beruf etc.). Thera-
der Umbau zu Tyrosin durch Fehlen des Enzyms peutisch wird häufig mit sog. Expositions- oder
Phenylalaninhydroxylase (aufgrund eines rezessiven Konfrontationsverfahren gearbeitet, bei denen der
Erbleidens) blockiert ist. Die Phenylbrenztrauben- angstauslösende Reiz präsentiert und an den angst-
säure wird dann über den Harn ausgeschieden. Ein auslösenden Überzeugungen gearbeitet wird.
erhöhter Phenylalaninspiegel wirkt störend bei der
Hirnentwicklung. Phonem (engl. phoneme) Ein Phonem ist die kleins-
te Einheit einer Sprache, welche die Bedeutung eines
Phenylketonurie (engl. phenilketonuria) Bei der Wortes bestimmt. Wenn in einem Wort ein Phonem
Phenylketonurie handelt es sich um eine Störung des durch ein anderes ersetzt wird, ändert sich die Be-
Aminosäurestoffwechsels. Die Aminosäure Phenyl- deutung des Wortes (z. B. »Rinne« vs. »Sinne«,
alanin kann nicht katalysiert werden und reichert »Kamm« vs. »kam«). In der menschlichen Sprache
sich infolge im Blut an. Das führt bei unbehandelten kommen zwischen 13 (Hawaiianisch) und 80 Pho-
Patienten im Laufe des Lebens zu schweren Störun­ neme vor. Im Deutschen werden ca. 40 Phoneme
gen wie bspw. zu schwerer geistiger Behinderung. unterschieden.
Die Störung wird autosomal-rezessiv vererbt und die
Behandlung besteht in einer phenylalaninarmen Phospholipide (engl. pl. phospholipids) Lipide sind
Diät. Die Diagnose wird meist aufgrund eines pa­ wasserunlösliche Biomoleküle mit relativ einfachen
thologischen Guthrie-Tests innerhalb der ersten Le- chemischen Strukturen. Bei den Phospholipiden ist
benstage eines Neugeborenen gestellt. eine der Fettsäureketten des Triglycerids durch eine
phosphathaltige Gruppe ersetzt. Folglich sind Phos-
Pheromon (engl. pheromone) Pheromone sind »Er- pholipide sog. amphotere Moleküle, da sie hydro­
regungsträger«, die oft auch als »Sexuallockstoffe« phile (phosphathaltige Gruppe) und hydrophobe
bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um che- (Fettsäureketten) Bereiche besitzen. Aufgrund ­dieser
mische Verbindungen, die von geschlechtsreifen Eigenschaft sind Phospholipide geeignet zur Bildung
Tieren freigesetzt werden und auf physiologische von Grenzflächen zwischen wässrigen und fett­
Vorgänge von Artgenossen sowie auf deren Verhal- haltigen Umgebungen. Biologische Membranen be­
ten, welches mit Sexualität und Fortpflanzung im stehen zum Großteil aus Phospholipid-Doppel-
P Zusammenhang steht, wirken. Viele Pheromone schichten, wobei die unpolaren Schwänze nach in-
werden olfaktorisch wahrgenommen oder über das nen und die polaren Köpfe der Struktur nach außen
vomeronasale Organ, das nicht die in der Luft be- ausgerichtet sind.
findlichen Moleküle wahrnimmt, sondern nicht-
flüchtige Verbindungen (z. B. im Urin der Tiere). Phylogenie (engl. phylogeny; Syn. Phylogenese) Phy-
Das vomeronasale Organ wird für die durch Phero- logenie bezeichnet die biologische Evolution einer
mone vermittelten Effekte wie den Lee-Boot-Effekt, Art oder Artengruppe (Stammesentwicklung) im
den Whitten-Effekt, den Vandenbergh-Effekt und Verlauf der Erdgeschichte. Es werden u. a. Bezie-
den Bruce-Effekt verantwortlich gemacht. hungen und Verwandtschaften zwischen Großgrup-
pen von Organismen betrachtet. Die Entwicklung
Phobie (engl. phobia) Phobie bezeichnet eine patho- basiert auf der kombinierten Wirkung von geneti­
logische Form der Angst vor bestimmten Objekten schen Variationen und Umwelt, die Selektion, An-
Plaques, amyloide 225

passung, Differenzierung und Spezialisierung zur wird auch zur Behandlung des Tourette Syndroms
Folge haben. Die Phylogenie forscht anhand von angewendet.
morphologischen und anatomischen Merkmalen
von Fossilien, Vergleichen morphologischer, anato- Pinozytose (engl. pinocytosis) Die Pinozytose wird
mischer und physiologischer Merkmale gegenwär- auch als »Zelltrinken« bezeichnet. Flüssigkeit oder
tiger Lebewesen sowie Vergleichen der Ontogenese in Flüssigkeit gelöste Substanzen werden in das Zell­
(7 Ontogenese) gegenwärtiger Lebewesen. Hinzu innere aufgenommen, indem Flüssigkeit umschlie-
kommt der Bereich der molekularen Phylogenie, der ßende Vesikel gebildet werden. Sie ist besonders für
sich mit der Eruierung der Entstehungsgeschichte die Fettresorption in Dünndarm und Leber von Be-
und Verwandtschaft molekularer Merkmale (DNA, deutung. Bei der Phagozytose hingegen werden Par-
RNA) beschäftigt. tikel wie Zelltrümmer oder ganze Bakterien ins Zell-
innere aufgenommen. Beide Vorgänge werden unter
Physiologie (engl. physiology) Die Physiologie ist dem Begriff Endozytose zusammengefasst.
die Lehre und Erforschung der natürlichen Lebens­
vorgänge (biochemische sowie biophysikalische Planum temporale (engl. planum temporale) Akus­
Funktionsweisen) des Organismus. Sie umfasst z. B. tische Signale gelangen vom Corpus geniculatum
die Physiologie der Atmung, des Herz-Kreislaufs, mediale (CGM) über die Hörstrahlung zum primä­
der Muskeln, des Stoffwechsels (spezielle Physiolo- ren auditorischen Kortex. Das Planum temporale
gie) oder die Funktion und Wechselwirkungen allge- besteht aus sieben sekundären Gebieten, die das pri-
meiner Lebensvorgänge (allgemeine Physiologie). märe Areal innerhalb des Sulcus lateralis teilweise
umschließen. Es bildet so den sekundären audi­
Pia mater (engl. pia mater; Syn. weiche Hirnhaut) torischen Kortex, der gleichfalls den auditorischen
Die Pia mater ist die innerste der drei Hirnhäute Assoziationskortex darstellt und ebenfalls Signale
(Meningen). Sie besteht aus weichem Bindegewebe aus dem CGM bekommt. Der gesamte auditorische
und ist von der Arachnoidea durch den mit Liquor Kortex liegt im Temporallappen, dehnt sich jedoch
gefüllten Subarachnoidalraum getrennt. Sie liegt bis in den Parietallappen aus. Zuständig ist das Pla-
dem Rückenmark und der Gehirnoberfläche eng an num temporale für die Erkennung reiner Töne wie
und dringt bis in die Sulci (Gehirnfurchen) ein. Die auch akustischer Muster. Die funktionelle und struk-
Pia mater umkleidet auch die ins Gehirn führenden turelle Asymmetrie der Hemisphären werden bei
Blutgefässe. Betrachtung des Planum temporale deutlich. Dieses
ist aufgrund seiner Rolle bei der Sprachproduktion
Pimozid (engl. pimozide) Pimozid ist ein Butyro- (als Bestandteil des Wernickschen Sprachareals) und
phenonderivat (Handelsname: Orap) und gehört der Sprachdominanz der linken Hemisphäre auf der
zur Gruppe der hochpotenten Neuroleptika, d. h. es linken Seite (bei Rechtshändern) größer.
hat ausgeprägte antipsychotische und psychomo­
torisch dämpfende Wirkung. Zugelassen ist es in Plaques, amyloide (engl. pl. amyloid plaques) Amy-
Österreich und Deutschland. Pimozid ist ein Dopa- loid ist der Oberbegriff für Proteinfragmente, welche P
minantagonist und verfügt über eine hohe Affinität vom Körper produziert werden. Amyloide Plaques
für den D2-Rezeptor. Nebenwirkungen sind extra- bestehen hauptsächlich aus Amyloid-β42 (Peptidiso-
pyramidal-motorische Symptome, das maligne neu- form mit 42 Residuen), welches aus einem größe­ren
roleptische Syndrom, ZNS-Effekte (wie bspw. Kopf- Protein mit dem Namen APP (Amyloid-Vorläufer-
schmerzen, Schlaflosigkeit, Angst), endokrine Ef- Protein) herausgeschnitten wird. Die Anhäufung von
fekte (wie bspw. Amenorrhoe oder Impotenz), kar- amyloiden Plaques zwischen den Neuronen (extra-
diovaskuläre Effekte (wie bspw. Hypotension), zellulär) im Gehirn ist eines der Hauptmerkmale der
gastrointestinale Beschwerden, Schwindel, Schwä- Alzheimer-Krankheit. Im gesunden Gehirn werden
che, Mundtrockenheit und Schwitzen. Es kommt diese Fragmente zersetzt und vernichtet. Bei der Alz-
häufig zu Entzugserscheinungen wie Übelkeit, Er- heimer-Krankheit häufen sie sich zu harten, unauf-
brechen, Dyskinesie und Schlaflosigkeit. Pimozid löslichen Plaques an. Der Zusammenhang zwischen
226 Plasmalemma

Amyloidablagerungen und Demenzschweregrad Schwangerschaft. Sie ist zuständig für den Stoffwech­
konnte dennoch bisher nicht gesichert werden. Auch sel des Embryos, der durch die Nabelschnur mit der
bei gesunden älteren Menschen sind mitunter ausge- Plazenta verbunden ist und über sie Nährstoffe auf-
prägte neokortikale amyloide Plaques zu finden. nimmt. Die Plazenta ist außerdem für die Produk­
tion von zahlreichen für die Schwangerschaft wich-
Plasmalemma 7 Zellmembran tigen Hormonen zuständig.

Plastizität, synaptische (engl. synaptic plasticity) Plethysmographie (engl. plethysmography) Plethys-


Plastizität beschreibt die Veränderbarkeit der funk- mographie ist ein Sammelbegriff für Techniken zur
tionellen und anatomischen Organisation des zent­ Veränderungsmessung des Blutvolumens in bestimm­
ralen Nervensystems als Anpassung an die Umwelt. ten Körperregionen. Bei der Volumenplethysmogra-
Bei Synapsen kommt es zu einer veränderten Feuer- phie wird ein Dehnungsmesser um das Zielgewebe
rate und dadurch zu einer veränderten synaptischen gelegt. Mit zunehmendem Blutvolumen steigt die
Verschaltung und Stärke der Verbindung verschie- Deh­nung. Bei der Photoplethysmographie wird die
dener Nervenzellen untereinander. Synaptische Plas­ Absorption oder Reflektion von Infrarotlicht durch
tizität wird meist als eine Voraussetzung für Lern- das Zielgewebe untersucht. Je mehr Licht absorbiert
und Gedächtnisprozesse betrachtet. Es existieren oder je weniger reflektiert wird, desto mehr Blut be-
verschiedene Prinzipien der Plastizität: eine erhöhte findet sich im Gewebe. Impendanzplethysmographie
Nutzung eines Körperteils führt zu einer Expansion basieren auf der Veränderungsmessung des Blutvolu-
der kortikalen Repräsentation und einer Verkleine- mens in einem Körperteil aufgrund von Veränderun­
rung des rezeptiven Feldes; Deafferenzierung führt gen des elektrischen Widerstandes. Die Plethysmogra­
zu einer Invasion anderer Zellen in die Repräsenta- phie wurde bis vor einigen Jahren in Form der Penis-
tionszone; synchrone, verhaltensrelevante Stimula­ plethysmographie bei Sexualstraf­tätern angewendet,
tion von nah beieinander liegenden rezeptiven Fel­ um deren sexuelle Orientierung zu untersuchen.
dern führt zu einer Integration von Repräsentati-
onen und bei asynchroner Stimulation werden die Plexus chorioideus (engl. choroid plexus) Alle vier
Repräsentationen getrennt. Ventrikel im Gehirn sind mit einem Adergeflecht
ausgekleidet, dem sog. Plexus chorioideus. Dieser ist
Platzpräferenz-Paradigma, konditioniertes (engl. für die Produktion von Liquor (Syn. zerebrospinale
conditioned place preference paradigm) Ein kondi­ Flüssigkeit, CSF) verantwortlich. Dabei erfolgt die
tioniertes Platzpräferenz-Paradigma stellt einen Test Bildung von Liquor durch Filtration von Blut; die
zur Erfassung der Präferenz eines Versuchtieres für tägliche Produktionsrate beträgt bei Erwachsenen
einen bestimmten Ort dar, an dem es zuvor z. B. die rund 500 ml.
Auswirkung einer verabreichten Droge erlebt hat.
poikilotherm (engl. poikilotherm; Syn. wechselwarm)
Plazebo (engl. placebo) Ein Plazebo ist ein Schein- Als poikilotherm werden Tiere bezeichnet, die ihre
P medikament, also eine Substanz, die selbst keine Körpertemperatur an die Umgebungstemperatur
nachweisliche Wirkung besitzt. Nach Verabreichung anpassen können. Das Gegenteil von poikilotherm
von Plazebos tritt trotzdem häufig eine messbare ist homoiotherm (gleichwarm).
Veränderung bei Patienten auf, wenn diese an die
Wirkung des Plazebos glauben. Plazebos bestehen polygen (engl. polygenic) Polygen ist ein Begriff aus
oft aus einfacher Stärke oder Milchzucker und lösen der Genetik und bezeichnet die Tatsache, dass die
zuweilen auch Nebenwirkungen wie Hautausschlä- Ausprägung eines Merkmals nicht durch ein einzel­
ge, Juckreiz, Übelkeit oder Müdigkeit aus. nes Gen (monogen), sondern durch mehrere Gene
bestimmt wird.
Plazenta (engl. placenta) Die Plazenta bezeichnet
sowohl bei Menschen als auch bei Tieren den sog. Polymorphismus (engl. polymorphism) Der Begriff
Mutterkuchen im weiblichen Körper während einer Polymorphismus bedeutet »Vielgestaltigkeit«. Er
Potenzial, Ereignis korreliertes 227

tritt in der Chemie, der Informatik und der Biologie Wahn oder Halluzinationen vorkommen, d. h. Be-
auf. Genetischer Polymorphismus beschreibt das sonderheiten, die beim gesunden Menschen nicht
Vorkommen von Genvariationen (d. h. mehrerer auftreten.
Allele eines Gens) innerhalb einer Population. Per
Definition muss ein Allel mit einer Frequenz von Positron (engl. positron) Ein Positron ist ein positiv
mind. 1 % in einer Population auftreten, damit man geladenes Elementarteilchen. Das Gegenteil nennt
von Polymorphismus und nicht Mutation spricht. man Elektron. Beim Zusammentreffen beider Teil-
Genetische Polymorphismen können zu unterschied­ chen kommt es zu Paarvernichtung (Annihilation)
lichen Phänotypen (Erscheinungsformen) führen, – eine Eigenschaft, die in der Medizin bei der Po­
bspw. gibt es Geschlechts-, Farb- oder Verhaltens­ sitronenemissionstomographie (PET) ausgenutzt
polymorphismen. wird.

Pons (engl. pons) Der Pons ist Teil des Hirnstamms Positronenemissionstomographie (engl. positron
und liegt zwischen der Medulla oblongata (kaudal) emission tomography) Positronenemissionstomo-
und dem Mesenzephalon (kranial). Zusammen mit graphie (PET) ist ein bildgebendes Verfahren, mit
dem Zerebellum bildet er das Metenzephalon. Der dem Schnittbilder vom Inneren des Organismus er-
Pons besteht aus wulstigen, quer verlaufenden ­Fasern, stellt werden können. Dabei werden instabile Radio-
in die einige Hirnnervenkerne sowie die Brücken- isotope, die Positronen emittieren, dem Patienten
kerne eingebettet sind. Letztere stellen ein wichtiges injiziert oder mittels Inhalation verabreicht. Das Po-
afferentes System des Zerebellums dar und beein­ sitron tritt nun in Wechselwirkung mit einem Elek-
flussen Bewegungsentwürfe und die Feinabstim- tron, wobei beide Teilchen vernichtet werden und
mung von Bewegungen, indem sie über den Tractus dabei zwei Photonen entstehen, die sich in einem
corticopontinus Afferenzen vom Kortex, insb. vom Winkel von 180° voneinander entfernen. Wenn ­diese
Frontallappen, erhalten und efferent die kontralate- Vernichtungsstrahlung gleichzeitig an zwei Stellen
rale Kleinhirnhemisphäre versorgen. Läsionen der von ringförmig angeordneten Detektoren auftreffen,
Brückenkerne können ähnliche Symptome verur­ können mit Hilfe eines Computers Stoffwechselab-
sachen wie eine Kleinhirnläsion selbst (Störungen läufe in einem Organismus bildlich dargestellt wer-
der motorischen Koordination und des Gleichge- den. Die PET wird besonders in der Onkologie, Kar-
wichts, Ataxie). diologie und Neurologie angewandt.

Portalsystem (engl. portal venous system) Portal­ posterior (engl. posterior) Anatomische Lagebe-
system ist eine Bezeichnung für ein Venensystem bei zeichnung für »hinten«. Das Gegenteil von posterior
Wirbeltieren und Menschen, das Blut in das Kapil- ist anterior.
larbett eines anderen Organs führt, anstatt es direkt
ins Herz zurück zu leiten. Dieses Venensystem er- post mortem (engl. post mortem) In der Pathologie
streckt sich vom Ösophagus bis zum oberen Teil des und Gerichtsmedizin werden Untersuchungen post
Afters. Dazu gehören ebenfalls der Blutabfluss von mortem durchgeführt, um z. B. die Todesursache P
Milz und Bauchspeicheldrüse sowie das Pfortader- genau zu bestimmen. In der Forschung verwendet
system, das den Hypothalamus mit dem Hypophy- man post mortem Untersuchungen, um Aufschluss
senvorderlappen verbindet. darüber zu bekommen, welche Auswirkungen z. B.
eine bestimmte Erkrankung oder (experimentell
Positive-incentive theory 7 Anreiztheorie durchgeführte) Intervention auf das Gehirn oder
den Körper des Verstorbenen hatte (z. B. Untersu-
Positivsymptom (engl. positive symptome) Als Posi- chung verstorbener demenzkranker Personen).
tivsymptom gilt ein Krankheitszeichen, das dem
gesunden Erleben etwas Neues hinzufügt bzw. mehr Potenzial, Ereignis korreliertes (engl. event-related
als das statistisch normale oder gesunde Erleben potential) Ereignis korrelierte Potenziale (EKPs) sind
­beschreibt. So können z. B. bei einer Schizophrenie per EEG gemessene Hirnströme, die auf bestimmte
228 Potenzial, exzitatorisches postsynaptisches

Stimuli (wie visuelle, auditive oder taktile Wahrneh- aptischer Neurone, ausgelöst durch Neurotransmit-
mungen oder kognitive Prozesse) folgen. Im EEG ter, welche an den Synapsen freigesetzt werden, oder
eines solchen evozierten Potenzials findet sich neben andere Liganden. Ein postsynaptisches Potenzial
dem eigentlich interessierenden Signal immer noch drückt sich in Abhängigkeit von den aktivierten Re-
das sog. Rauschen, die ständige Hintergrundaktivi- zeptoren durch Erhöhung oder Verminderung der
tät. Um ein besseres, unverdecktes Resultat zu erhal- Feuerrate postsynaptischer Neurone aus.
ten, wird über viele Versuche hinweg mehrmals ge-
mittelt, so dass die vom Ereignis unabhängigen An- Prädisposition (engl. predisposition) Unter Prä­
teile herauspartialisiert werden und zum Schluss ein disposition versteht man in der Biopsychologie eine
klares Signal entsteht. Die Wellen können dann an- genetisch bedingte Anlage zur Ausprägung eines
hand ihrer Dauer und ihrer Ausschlagsrichtung be- Merkmals oder Phänotyps bzw. die Empfindlichkeit
urteilt werden (7 P300-Welle). für bestimmte Krankheiten.

Potenzial, exzitatorisches postsynaptisches (engl. Primärantwort (engl. primary response) Die Primär-
excitatory postsynaptic potential) Ein exzitatorisches antwort ist die spezifische Immunreaktion eines
postsynaptisches Potenzial (EPSP) bezeichnet die ­Organismus auf den erstmaligen Kontakt mit einem
vorübergehende Depolarisation der postsynapti­ Antigen nach einer Latenzzeit von 3–14 Tagen. Es
schen Membran. Dadurch steigt das Erregungs­ entstehen im Verlauf einiger Tage antikörperpro­
niveau im Soma des postsynaptischen Neurons. Ein duzierende Plasmazellen, wobei die Menge der ge-
EPSP entsteht an einer exzitatorischen Synapse, an bildeten Antikörper zunächst exponentiell ansteigt
der durch einen Neurotransmitter oder anderen und dann stufenweise bis zum Minimalniveau nach
­Liganden Natrium-, Kalzium- oder Kaliumionen­ ca. 2 Monaten abfällt. Durch die Bildung langlebiger
kanäle an der postsynaptischen Membran geöffnet Gedächtniszellen ist sie die Grundlage der spezi-
werden. Dies führt zu einer Depolarisation, die sich fischen Immunität.
entlang der Membran fortsetzt und bei ausreichen­
der Stärke am Axonhügel ein neues Aktionspoten­ Primaten (engl. pl. primates) Die Ordnung der Pri-
zial auslöst. Dabei können sich mehrere EPSPs ge- maten (Herrentiere), zu der auch der Mensch (Homo
genseitig verstärken. sapiens) gehört, ist in die Klasse der Mammalia, Un-
terklasse Placentalia, einzugliedern. Es handelt sich
Potenzial, inhibitorisches postsynaptisches (engl. dabei um die am höchsten entwickelte Tiergruppe.
inhibitory postsynaptic potential) Ein inhibitorisches Generell handelt es sich bei Primaten um baum­
postsynaptisches Potenzial (IPSP) ist eine Hyperpo- lebende Bewohner der Tropen und Subtropen, bei
larisierung an der postsynaptischen Membran, die denen sich der Körperschwerpunkt durch eine von
zu einer Absenkung des Erregungsniveaus im Soma den Hinterextremitäten dominierte Fortbewegung
des postsynaptischen Neurons führt. Ein IPSP ent- auf die Hinterbeine verlagert hat. Besondere Kenn-
steht an einer inhibitorischen Synapse durch Aus- zeichen der Primaten sind neben dem räumlichen
P schüttung von Transmittern an der präsynaptischen Sehen auch das höhere relative Hirngewicht im Ver-
Membran, die zur Öffnung von Kalium- bzw. Chlo- gleich zu anderen Säugern, eine sehr lange Embryo-
rid-Ionen-Kanälen führen und dadurch die Hyper- nalentwicklung und ein langsames postnatales
polarisation auslösen. Diese Hyperpolarisation brei- Wachstum.
tet sich entlang der Membran aus und wirkt ent­gegen
der Depolarisation, die durch EPSPs ausgelöst wer- Priming (engl. priming) Priming bezeichnet einen
den kann. Durch ein IPSP wird das Entstehen eines Behaltensvorteil oder die Beeinflussung des Gedächt­
Aktionspotenzials im Neuron unwahrscheinlicher. nisses bzw. von Reaktionen durch Vorerfahrung.
Dieser Vorgang geschieht meist unbewusst (sublimi-
Potenzial, postsynaptisches (engl. postsynaptic po- nales Priming). Ist der geprimten Person der Vor-
tential) Ein postsynaptisches Potenzial beschreibt gang hingegen bewusst, kann der Effekt ins Gegen-
die Veränderung der Membranpotenziale postsyn- teil umschlagen. Priming kann für den Bruchteil von
Propriozeption 229

Sekunden wirksam sein, wurde jedoch auch schon keinen Zellkern besitzen. Sie sind nur wenige Mikro-
bis zu einer Woche und länger nachgewiesen. Eine meter groß, kugel- oder stäbchenförmig und haben
Sonderform ist das affektive Priming, bei dem man neben einer Zellwand auch eine Plasmamembran.
mittels Reaktionszeiten Einstellungsmaße misst, was Im Zytoplasma der Prokaryonten finden sich alle
v. a. in der Sozialpsychologie Anwendung findet. lebensnotwendigen Substanzen (Proteine, RNS,
DNS). Die Prokaryonten umfassen Bakterien und
Prinzip der Äquipotenz (engl. principle of equipoten- Archaeen.
tiality) Das Prinzip der Äquipotenz nimmt an, dass
Konditionierung unter allen Umständen mit allen Prolaktin (engl. prolactin) Prolaktin ist ein Hormon,
Stimuli gleich funktioniert. Es hat sich allerdings das im Hypophysenvorderlappen gebildet wird. Der
früh gezeigt, dass nicht jede Reaktion auf jeden Sti- Freisetzungsmechanismus wird durch Releasing-
mulus konditioniert werden kann und manche Reiz- und Inhibiting-Hormone des Hypothalamus ge­
Reaktionsverbindungen generell besser gelernt wer- steuert. Das prolaktinhemmende Hormon (PIH) ist
den als andere (engl. preparedness). Dopamin. Für die Ausschüttung von Prolaktin ist
kein spezifisches Prolaktin-Releasing-Hormon be-
Prinzip der Denkökonomie 7 Morgans Regel kannt; das Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH)
scheint aber die Freisetzung von Prolaktin anzu­
Prinzip der gleichen Wirkungsstärke 7 Prinzip der regen. Prolaktin steuert das Wachstum der Brust-
Äquipotenz drüsen in der Schwangerschaft und ist verantwort-
lich für die Milchsynthese in der Stillperiode der
Prion (engl. prion) Prione sind Eiweiße, die verant- Frau. Weiter spielt es eine bisher nicht vollständig
wortlich für infektiöse Krankheiten wie Creutzfeld- geklärte Rolle im Immunsystem. Eine Erhöhung des
Jakob beim Menschen oder BSE (»Rinderwahn- Prolaktinspiegels kann Ursache von Störungen des
sinn«) beim Rind sind. Wie Viren sind sie nicht zur Menstruationszyklus, aber auch Hinweis auf eine
selbständigen Vermehrung fähig, sie besitzen auch Erkrankung (z. B. Hypothyreose) sein.
kein eigenes genetisches Material (DNA oder RNA).
Proliferation (engl. proliferation) Die Proliferation
Progesteron (engl. progesterone) Progesteron ist ein bezeichnet das Wachstum bzw. die Vermehrung von
Gestagen, welches in den Ovarien vom Gelbkörper Gewebe durch Wucherung, welche aufgrund einer
gebildet wird und dessen Funktion die Vorbereitung beschleunigten Teilung von Zellen, die am Gewebs-
von Uterus und Brüsten auf die Schwangerschaft aufbau beteiligt sind, zustande kommt. Dies findet
ist. Im Menstruationszyklus steigt die Produktion meist im Rahmen einer Entzündung oder einer Re-
von Progesteron nach dem Eisprung stark an und generationsphase statt. Die Proliferation von Zellen
wird unterdrückt, wenn sich kein befruchtetes Ei in wird durch verschiedene Faktoren gelenkt, wie z. B.
die Gebärmutter eingenistet hat. Bei Männern durch Hormone oder wachstumsfördernde Pro­teine.
­werden geringe Progesteronmengen in den Hoden Proliferation findet auch während der frühen Ent-
produziert. wicklungsphase des Gehirns im Neuralrohr statt P
(neurale Proliferation).
Prognose (engl. prognosis) Eine Prognose ist eine
Vorhersage, die, im medizinischen Bereich ange- Propriozeption (engl. proprioceptive sensibility; Syn.
wendet, etwas über den wahrscheinlichen Krankheits­ Tiefenwahrnehmung) Propriozeption ist die Wahr-
verlauf aussagen soll. Die Prognose wird anhand nehmung der Position des eigenen Körpers bzw. der
vorhandener Hinweise und Erfahrungen bereits be- Lage/Stellung einzelner Körperteile zueinander. Die
kannter ähnlicher/gleicher Phänomene und Symp- Propriozeption wird durch spezielle Rezeptoren in
tome vorgenommen. Gelenken (Gelenksensoren), Muskeln (Muskelspin-
deln) und Sehnen (Sehnen-Organe) ermöglicht und
Prokaryonten (engl. pl. procaryotes) Prokaryonten kann z. B. nach einer Schädigung des Gehirns einge-
sind Organismen, die im Gegenteil zu Eukaryonten schränkt sein. Untersucht wird eine derartige Stö-
230 Prosodie

rung, indem die Gelenke des Probanden (z. B. in Protanopie (engl. protanopia; Syn. Rotblindheit) Die
Arm oder Hand) bei geschlossenen Augen (passiv) Protanopie ist ein genetisch bedingter Defekt des
in verschiedene Stellungen gebracht werden. Der Farbsehens. Die Betroffenen sind nicht in der Lage
Proband muss angeben, welche Bewegungen ausge- die Farben Rot und Grün zu unterscheiden. Es wird
führt wurden oder die Stellung der Gelenke mit der angenommen, dass die Rot-Zapfen das Opsin der
anderen Extremität nachahmen. Grün-Zapfen enthalten. Die Sehschärfe der Betrof-
fenen verschlechtert sich durch Protanopie nicht.
Prosodie (engl. prosody) Prosodie bezeichnet supra- Die Störung wird x-chromosomal vererbt und tritt
segmentale Merkmale des Sprechvorgangs. Akus­ daher häufiger bei Männern auf.
tisch lässt sich dies als Variationen in der Frequenz,
Intensität und zeitlicher Abstimmung von Lauten Protein (engl. protein; Syn. Eiweiß) Ein Protein ist ein
(Melodie, Rhythmus und Tempus) definieren, die Makromolekül, das sich aus ein oder mehreren unver­
eine übergeordnete Struktur über einer Sammlung zweigten Aminosäureketten aufbaut. Die räumliche
von Phonemen, Silben und Wörtern bilden. Anordnung und Bindung der verschiedenen Amino-
säureketten (Untereinheiten) kann über kova­lente,
Prosopagnosie (engl. prosopagnosia) Prosopagnosie aber auch über nichtkovalente Bindungen erfolgen.
ist die Unfähigkeit Gesichter zu erkennen. Sie kann Bei Oligomeren können unterschiedliche Amino-
durch einen Schlaganfall oder eine andere schwere säureketten in einem Protein vereint werden. Die Art
Hirnverletzung entstehen oder angeboren (konge­ni­ der in den Ketten vorkommenden Aminosäuren be-
tal) sein. Zurzeit wird bei der angeborenen Pro­so­ stimmt die Eigenschaften des gesamten Proteins (La-
pagnosie von einer autosomal dominanten Verer- dung). Ihre Reihenfolge (Sequenz) bestimmt, welche
bung ausgegangen. Bei der erworbenen Prosopagno- Aufgaben das Protein in der Zelle übernimmt. Es
sie unterscheidet man zwei Typen. Die apperzeptive kann eine strukturelle Komponente sein (z. B. Mi­
Prosopagnosie ist gekennzeichnet durch eine aus- krotubuli), an der Signalwahrnehmung in der Zell­
bleibende Integration von physischen Merkmalen membran beteiligt sein (Rezeptor) oder als Enzym
eines Objekts zu einem Ganzen. Bei der assoziativen chemische Reaktionen in der Zelle katalysieren.
oder amnestischen Prosopagnosie werden ­Gesichter
erkannt, aber die Zuordnung zu Personen als bekannt Proteinhormon (engl. protein hormone; Syn. Proteo-
oder unbekannt ist gestört. Beide Formen hängen mit hormone) Proteinhormone sind aus Aminosäuren
einer beidseitigen oder rechtslateralen Schädigung aufgebaute Hormone, die bei geringem Molekular-
im temporalen Okzipitallappen zu­sammen. gewicht Peptidhormone genannt werden. Sie sind
nicht fettlöslich, können daher die Zellmembran
Prostaglandine (engl. pl. prostaglandins) Prosta- nicht durchdringen und binden an spezifische Re-
glandine sind Hormone, die in zahlreichen Ge­weben zeptoren an der Oberfläche der Membran, wo sie
produziert werden. Sie werden chemisch aus mehr- ihre Wirkung über Second-Messenger entfalten. Im
fach ungesättigten Fettsäuren (Arachidonsäure) ge- Golgi-Apparat der endokrinen Drüsenzellen wer-
P bildet. Ihre Freisetzung erfolgt über eine parakrine den zunächst höhermolekuläre Vorläufermoleküle
Wirkung, d. h. die Botschaft wird von Zellen mit ent- der Proteinhormone gebildet (Präprohormone), die
sprechenden Rezeptoren in unmittelbarer Nachbar- dann enzymatisch in die biologisch wirksame Form
schaft gelesen. Prostaglandine werden bei Entzün- gespalten und bis zu ihrer Ausschüttung in Granula
dungen vermehrt freigesetzt und sind mitverant- gespeichert werden. Abgebaut werden diese Hor-
wortlich für Entstehung von Schmerzen und Fieber. mone zum einen durch Enzymsysteme und zum
Sie sind bei der Nozizeptorensensibilisierung beson- anderen, im Inneren der Zelle, von Lysosomen.
ders bedeutend, da dort eine wirksame Behandlung Wichtige Vertreter sind Insulin, Prolaktin, Leptin
des Entzündungsschmerzes erfolgt. So wird die Wir- und Somatostatin.
kung des schmerzhemmenden Aspirins (Azetylsali-
zylsäure) auf Hemmung der Prosta­glandinsynthese Proteinkinase (engl. protein kinase) Proteinkinasen
zurückgeführt. sind eine Klasse von Enzymen, die von Adenosintri-
Proteinsynthese 231

phosphat (ATP) eine Phosphatgruppe an die Hydro- Proteinkinase C, die u. a. Transporterproteine in der
xygruppe der Seitenketten (meist Serin-, Threonin-, Zellmembran beeinflusst. So aktiviert sie z. B. NE1,
oder Thyminreste) von Proteinen transferieren eine Ionenpumpe, die H+ gegen Na+ austauscht und
(Phosphorylierung) und dadurch deren Form ver- so die intrazelluläre H+-Konzentration senkt. Wei-
ändern. Meist fungieren Proteinkinasen als Teile ei- tere Funktionen bestehen in der Vernetzung des
ner Signaltransduktion, z. B. als Second-Messenger. Zytoskelettes und der Regulation von Transkriptions­
Dadurch sind sie in die Kommunikation zwischen faktoren (hauptsächlich die sog. »Early-Response«-
den Zellen, die Regulation neuronaler Aktivität und Gene, die eine schnelle Anpassung an sich ver­än­
die Genexpression (durch die Aktivierung von dernde Umweltbedingungen ermöglichen). Inzwi-
Transkriptionsfaktoren) involviert. Etwa 2 % des schen wird vermutet, dass die Proteinkinase C auch
­eukaryotischen Genoms verschlüsselt Proteinkina- an der Regulation der Schmerzempfindlichkeit be-
sen, weshalb diese Proteinfamilie als eine der größ- teiligt ist.
ten gilt. Fehlgesteuerte Proteinkinasen sind an vielen
Erkrankungen beteiligt, so wird z. B. in Tumorzellen Proteinkinase D (engl. protein kinase D) Die Prote-
häufig eine abnormale Chromosomenzahl fest­ inkinase D ist eine spezifische Form der Protein­
gestellt, was auf entartete Zentrosomen durch Stö- kinasen, der unterschiedliche Funktionen zuge-
rungen regulatorischer Proteinkinasen zurückzu- schrieben werden. Sie scheint eine Rolle bei der Ex-
führen ist. pression antiapoptotischer Gene zu spielen, ist ein
wichtiger Regulator von Plasmamembranenzymen
Proteinkinase A (engl. protein kinase A) Die Pro­ und -rezeptoren und ist an der Kommunikation un-
teinkinase A ist eine spezifische Form der Protein­ terschiedlicher Signalsysteme beteiligt. Zudem be-
kinasen, die als Second-Messenger fungiert und einflusst sie die Ausschüttung von Wachstumsfakto-
viele Funktionen in der Zelle (z. B. im Glykogen-, ren und greift in Stressreaktionen ein. Eine klinische
Zucker- und Lipidmetabolismus) erfüllt. Sie gilt als Bedeutung erlangt die Proteinkinase D v. a. durch
die am besten untersuchte Proteinkinase und wird ihre Beteiligung an infektiösen und entzündlichen
durch cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) Prozessen. Sie ist an der Rezeptor-Antigenbindung
aktiviert und phosphoriliert bestimmte Enzyme, von T- und B-Zellen, Mastzellen und Neutrophilen
­Ionenkanäle und weitere Transporterproteine, wo- beteiligt und mediiert die Reaktion von Mastzellen
durch sie deren Funktion beeinflusst. Darüber hi­ auf eine Vielzahl von Zytokinen.
naus phosphoriliert sie auch den Transkriptions­
faktor CREB (cAMP-responsives Bindungselement) Proteinkinase G (engl. protein kinase G) Die Pro­
und löst so die Expression cAMP-abhängiger Gene teinkinase G ist eine spezifische Form der Protein­
aus. Eine Wirkform besteht in der Auslösung der kinasen, die bei der Bindung des Signalmoleküls
cAMP-Kaskade, in der die cAMP-aktivierte Protein- cGMP (zyklisches Guanosinmonophosphat) seine
kinase A die Ca++-Kanäle der Membran phospho­ Struktur verändert, wodurch Zielproteine phospho-
riliert und damit die Wahrscheinlichkeit der Kanal- ryliert werden können. Die Proteinkinase G spielt
öffnung erhöht. Weitere Schlüsselfunktionen der eine wichtige Rolle in der Regulation der zystoli­ P
Proteinkinase A liegen in der Regulation des Ener- schen Ca++-Konzentration. Im Lepra- und im Tuber­
giestoffwechsels, in Zellwachstum und -differenzie- kulosebakterium scheint sie daran beteiligt zu sein,
rung, in der Gedächtnisbildung und im program- dass diese Erreger lange Zeit im Körper überleben
mierten Zelltod (Apoptose). können, bevor die Krankheit tatsächlich ausbricht.
cGMP-vermittelte Prozesse via Proteinkinase G
Proteinkinase C (engl. protein kinase C) Die Pro­ spielen zudem eine Rolle bei der Entstehung der
teinkinase C ist eine Form der Proteinkinasen, die männlichen Erektion.
als Second-Messenger fungiert und durch Kalzium
aktiviert wird (bis heute wurden 12 verschiedene Proteinsynthese (engl. protein synthesis; Syn. Pro­
Arten entdeckt). Diazylglyzerol, das aus den Mem­b­ teinbiosynthese) Die Proteinsynthese beschreibt den
ranphospholipiden entsteht, und Ca++ aktivieren die Vorgang der Umsetzung der DNS-Sequenz über die
232 Pseudorabies-Virus

Bildung einer Messenger-RNS (Transkription) in Psychopharmakologie (engl. psychopharmacology)


eine Aminosäurekette (Translation). Während der Die Psychopharmakologie ist die Lehre von der Wir-
Transkription im Zellkern (bei Eukaryonten) wird kung von Psychopharmaka auf Gehirn und Verhal-
ein Teil der DNS-Sequenz abgelesen und als mRNS ten. Die Forschung bedient sich hier z. B. der Mani-
in das Zytoplasma transportiert. Auf diesem Weg pulation neuronaler Aktivität mithilfe psychoaktiver
finden nur bei Eukaryonten einige Modifikationen Substanzen wie Pharmaka und Drogen. Dabei wer-
statt (Capping, Splicing, Polyadenylierung). Ribo­ den häufig psychoaktive Substanzen eingesetzt, um
somen lagern sich im Zytoplasma an die mRNS und die grundlegenden Prinzipien der Wechselwirkun­
setzen die Sequenz der mRNS in eine Aminosäure- gen zwischen Verhalten und Gehirn zu unter­suchen,
sequenz um. Durch Bildung räumlicher Strukturen neue Medikamente zu entwickeln oder Drogenmiss-
dieser Kette erlangt das Protein seine endgültige brauch zu vermindern.
Konformation.
Psychophysiologie (engl. psychophysiology) Die Psy-
Pseudorabies-Virus (engl. pseudorabies virus) Der chophysiologie umfasst die noninvasive Erforschung
Pseudorabies-Virus ist der Verursacher der Pseudo­ der Beziehungen zwischen psychologischen Prozes-
wut. sen und der physiologischen Aktivität beim Men-
schen. Historisch bedingt überwiegt in der psycho-
Pseudowut (engl. pseudorabies; Syn. Juckseuche, physiologischen Forschung heute die Arbeit mittels
­ ujeszkysche Krankheit) Die Pseudowut ist eine
A elektroenzephalografischer (EEG) Methoden, die in
­Infektionskrankheit, die beim Menschen durch eine jüngster Zeit zunehmend stärker von bildgebenden
Laboratoriumsinfektion und bei anderen Säugetie- Verfahren (fMRT, MEG, PET) abgelöst wird.
ren durch das Suine Herpesvirus oder Pseudorabies-
Virus verursacht wird. Symptome sind unruhiges Psychose (engl. psychosis) Psychose ist ein Sammel-
Verhalten, Zuckungen und Nervosität, schnelles und begriff für verschiedene schwere psychische Erkran-
unruhiges Atmen, starker Speichelfluss (Schaum), kungen, deren Symptome Wahnvorstellungen, Hal-
Appetitlosigkeit, Schluckbeschwerden, Lähmung luzinationen, Denkstörungen, gestörte Motorik und
der Kaumuskulatur, Erbrechen sowie ein typischer Verlust des Realitätsbezugs umfassen. Betroffene
Juckreiz an den oberen Gliedmaßen und Schwäche ­haben eine gestörte Fähigkeit, Umweltreize wahrzu-
der unteren Gliedmaßen. nehmen, zu verarbeiten und darauf zu reagieren.
Folgen sind unangepasstes Verhalten und fehlende
Psychoneuroendokrinologie (engl. psychoneuro­ Rollenerfüllung. Häufigste und schwerste Form der
endocrinology) Die Psychoneuroendokrinologie ist Psychose ist die Schizophrenie. Ursachen für Psycho­
die Lehre von den Interaktionen und Wechselwir- sen werden dem Einfluss von Genen und Umwelt­
kungen zwischen psychologischen, neurologischen bedingungen und deren Interaktion zugeschrieben,
und endokrinologischen Faktoren und den daraus sind aber auch in organischen Prozessen (Erkran-
entstehenden Auswirkungen auf andere physiologi­ kungen des ZNS, Stoffwechselstörungen, von außen
P sche Systeme, psychische Prozesse oder die Gesund- einwirkende Schädigungen durch Medikamente
heit und das Wohlbefinden. oder Drogen, Tumoren) zu sehen. Die Behandlung
erfolgt meist medikamentös und wird oft sozio­
Psychoneuroimmunologie (engl. psychoneuro­ therapeutisch (Psychoedukation) begleitet.
immunology) Die Psychoneuroimmunologie ist die
Lehre von den Interaktionen und Wechselwirkungen Psychose, toxische (engl. toxic psychosis) Eine to-
zwischen psychologischen, neurologischen und im- xische Psychose ist eine durch die Einwirkung eines
munologischen Faktoren. Die psychoneuroimmu- Nervengiftes (Neurotoxin) hervorgerufene Psy­
nologische Forschung beschäftigt sich u. a. mit Fra- chose. Unter Nervengifte fallen dabei Stoffe wie Blei
gen zur Wirkung von Stress auf das Immunsystem oder Quecksilber, aber auch Drogen wie z. B. Canna­
oder zur Veränderung zentralnervöser Strukturen bis. Eine Aufnahme der Nervengifte ist über die
durch Signalmoleküle des Immunsystems. Haut, Lungen oder den Verdauungstrakt möglich.
P300-Welle 233

psychotrop (engl. psychotropic, psychoactive) Das Punch-Drunk-Syndrom (engl. punch-drunk syn-


Wort psychotrop bezeichnet eine Wirkungsweise, drome) Das Punch-Drunk-Syndrom beinhaltet De-
die wörtlich übersetzt »auf den Geist oder das Ver- menz und Gehirnvernarbungen infolge wieder­holter
halten wirkend, eine Richtung gebend« bedeutet. Gehirnerschütterungen. Insbesondere bei Boxern
Psychotrope Substanzen verändern die Stimmung, kann es nach häufigen mittelschweren oder einma-
das Verhalten, Denk- und Wahrnehmungsprozesse. ligen schweren Treffern am Kopf zu traumatischen
Sie können als Medikation bei der Behandlung neu- Schädigungen des Gehirns kommen. Folgen können
rologischer oder psychischer Erkrankungen einge- akuter Hirndruck, ein subdurales Hämatom (­Contre-
setzt werden und werden häufig in Form von Dro- coup-Folgen) oder Mikroblutungen sein. Die Symp-
gen (z. B. Amphetamine) missbraucht. tome des Punch-Drunk-Syndroms entsprechen häu­
fig denen der Parkinson-Krankheit (Tremor, Aki­
Ptosis (engl. ptosis; Syn. Ptose) Ptosis bezeichnet die nese etc.).
Senkung eines Organs nach kaudal. Am häufigsten
wird Ptosis für das Herabhängen des Oberlides, d. h. Purkinje-Effekt (engl. Purkinje’s phenomenon)
Parese des Oberlides, z. B. nach einem Schlaganfall, ­Dieser Effekt ist benannt nach dem Physiologen Jan
verwendet. Abhängig von der Ursache werden ver- Evangelista Purkinje, der feststellte, dass bei Tages-
schiedene Formen unterschieden. Die Ptosis con­ licht gelbe und rote Blumen heller erscheinen als
genita, meistens einseitig ausgebildet, wird vererbt blaue und sich dieser Effekt bei Dunkelheit/Dämme-
und beinhaltet eine Fehlbildung des Muskels für das rung umkehrt. Der Grund dafür liegt in der unter-
Heben des oberen Augenlids. Bei Ptosis paralytica ist schiedlichen »spektralen Hellempfindlichkeit« beim
der Nervus oculomotorius geschädigt, das Augenlid Stäbchen- (Nacht-) und beim Zapfensehen (Tag­
wird von der glatten Muskulatur zusammengehal- sehen). Die spektrale Hellempfindlichkeit beschreibt,
ten. Im Falle der Ptosis sympathica liegt eine Schä­ wie hell ein Lichtreiz verschiedener Wellenlänge
digung dieser Muskeln vor. Eine länger bestehende (400–700 nm) bei konstanter physikalischer Inten­
Ptosis birgt die Gefahr einer Amblyopie (Überlas- sität wahrgenommen wird. Die Stäbchen reagieren
tung des gesunden sowie Degeneration des erkrank- am sensitivsten auf Licht mit einer Wellenlänge um
ten Auges). 500 nm (›blau‹), Zapfen auf solches mit einer Wellen­
länge um 560 nm (›gelb‹).
pulsatil (engl. pulsatile) Pulsatil bedeutet stossweise
oder mit nachweisbarer wellenförmiger Schwan- Putamen (engl. putamen) Das Putamen gehört zu
kungsbewegung und wird häufig zur Beschreibung den Kerngebieten des Großhirns. Es ist ein Bestand-
der Hormonsekretionsmuster verwendet (pulsatile teil des extrapyramidal-motorischen Systems und
Hormonausschüttung), da die meisten Hormone zählt zu den Basalganglien. Es wird mit dem Nucleus
periodisch in größeren Mengen ausgeschüttet wer- caudatus zum Striatum (Streifenkörper) zusam­
den. So erfolgt bspw. die ACTH-Sekretion pulsatil mengefasst, da beide Bestandteile durch zahlreiche
über 24 Stunden verteilt in ca. 15 Pulsen. Als pulsa- streifenförmige Zellbrücken miteinander verbunden
tile Systeme werden Verdrängungspumpen bezeich- sind. Das Putamen ist an der Kontrolle von Bewe- P
net, die als Unterstützungssysteme bei einer Herzin- gungsabläufen beteiligt; die Basalganglien ermög­
suffizienz oder als ganzes Kunstherz einen pulsatilen lichen zielgerichtete willentliche Bewegungen durch
Blutfluss erzeugen. Hemmung anderer, störender Bewegungen. Diese
Funktion wird besonders bei der Parkinson-Erkran-
Pulvinar (engl. pulvinar) Das Pulvinar ist ein großer kung deutlich, bei der ein Mangel an Dopamin im
Kern im posterioren Thalamus, der an der erhöhten Streifenkörper vorliegt und es so zu Störungen der
Erregbarkeit bei einem beachteten Reiz beteiligt ist, Ingangsetzung und Ausführung von willkürlichen
wodurch die Zellen des visuellen Kortex weit vor Bewegungen kommt.
dem bewussten Erleben feuern. Dieser Mechanis-
mus belegt, dass der Thalamus an Selektionsmecha- P300-Welle (engl. p300 wave) Die P300-Welle ist ein
nismen beteiligt ist. Ereignis korreliertes Potenzial, das im Elektro­enze­
234 Pyramidenbahn

pha­logramm (EEG) gemessen werden kann. Das Auf­ seitiger Schädigung des pyramidalen Systems kommt
treten dieser positiven Welle (»P« steht jeweils für es dementsprechend zu Lähmungen auf der anderen
einen positiven, »N« für einen negativen Ausschlag) Körperhälfte. Die restlichen Bahnen laufen im Vor-
ca. 300 ms nach dem Reiz ist charakteristisch für die derstrang des Rückenmarks hinab und kreuzen seg-
Reaktion auf einen seltenen, für die Versuchsperson mental ins Vorderhorn der kontralateralen Seite des
bedeutungsvollen Zielreiz. So etwa wird bei Wahrneh­ Rückenmarks. Diese Bahnen tragen den Namen
mung eines abweichenden Tons in einer Reihe von Tractus corticospinalis anterior. Die Pyramidenbahn
gleichen Tönen eine deutliche P300-Welle ausgelöst. läuft vorwiegend zu den Interneuronen des Rücken-
marks, die die motorischen Wurzelzellen des zwei-
Pyramidenbahn (engl. pyramidal pathway; Syn. ten Motoneurons steuern.
Tractus corticospinalis) Die Pyramidenbahn ist der
Hauptteil des pyramidalen Systems, welches für Pyramidenzelle (engl. pyramidal neuron) Pyrami-
Feinmotorik und Willkürbewegungen zuständig ist. denzellen besitzen einen ihrem Namen entsprechen­
Die Bezeichnung Pyramidenbahn leitet sich von der den Zellkörper (dreizipfelig). Diese großen Neurone
Tatsache ab, dass sie an beiden Seiten der Unterseite liegen in der Großhirnrinde und in der Hippocam-
der Medulla oblongata als Längswulst sichtbar ist. pusformation. Im Hippocampus werden sie auch als
Sie entspringt im motorischen Kortex der Großhirn- Ortszellen bezeichnet, da sie nur feuern, wenn sich
rinde, der Pyramidenzelle (ers-tes Motoneuron), ein Tier an einem bestimmten Ort in seiner Umge-
und zieht zur weißen Substanz des Rückenmarks, bung befindet. Verändert das Tier seine Position,
meist ohne Umschaltung zum zweiten Motoneuron. werden benachbarte Ortszellen aktiv.
Beim Übergang von Nachhirn zum Rückenmark
befindet sich die Pyramidenkreuzung, wo 70–90 % Pyramidenzellschicht (engl. pyramidal cell layer;
der Bahnen auf die andere Seite kreuzen. Dieser An- Syn. stratum pyramidale) Die Pyramidenzellschicht
teil stellt den Tractus corticospinalis laterale dar; ist die Hauptzellschicht der pyramidenförmigen
das Ausmaß der Kreuzung ist artabhängig. Bei ein- Zellkörper im Hippocampus.

P
Q
Querdisparation (engl. retinal disparity; Syn. bino- gleich gerichtet ist. Punkte vor dem Horopter, also in
kulare Disparation) Querdisparation ist ein Phäno­ den äußeren Bereichen der Retina und hinter dem
men, welches beim Sehen mit zwei Augen auftritt Horopter, also im inneren Bereich der Retina, fallen
und die Tiefenwahrnehmung ermöglicht. Durch die demzufolge nicht auf korrespondierende Netzhaut­
Entfernung beider Augen voneinander haben beide stellen. Im ersten Fall spricht man von gekreuzter, im
einen anderen Blickwinkel und die Bildwahrneh­ letzteren von ungekreuzter Querdisparation. Dispa­
mung vom rechten und vom linken Auge ist leicht rität ist dabei der kleinere oder größere Abstand zum
verschieden. Durch den Vergleich dieser beiden eigentlichen korrespondierenden Punkt. Ungeklärt
­Bilder ist Wahrnehmung räumlicher Tiefe möglich. ist weiterhin, wie die zwei verschiedenen Netzhaut­
Der Horopter ist dabei ein theoretisch gedachter bilder zu einem zusammen gefügt werden (Korres­
Kreis, dessen Punkte auf zueinander korrespondie­ pondenzproblem).
renden Netzhautstellen der Retina fallen. Das be­
deutet, diese Punkte würden sich genau überlagern, Querschnitt (engl. transverse section) Als Richtungs­
wenn man die zwei Netzhäute übereinander legen information benutzt, bezeichnet der Querschnitt
würde und sie sind mit derselben Stelle im Kortex eine Schnittführung, die rechtwinklig durch eine
verbunden. Die gleiche Tiefe haben nun zwei Punkte, Struktur oder Organ verläuft. Auf das Gehirn bezo­
wenn der Abstand auf der Retina von einem fixierten gen, wird diese Schnittführung als Transversalschnitt,
Punkt aus in beiden Augen gleich groß und auch der parallel zum Gesicht liegt, genannt.

Q
R
Radiatio optica (engl. pl. Gratiolet’s radiating fibres; ler myelinfreier Streifen auf dem Axon einer Nerven­
Syn. Sehstrahlung) Für die Objektwahrnehmung zelle. An diesen Einschnürungen ist das Axon in re­
­ziehen Sehnerven von den Photorezeptoren über das gelmäßigen Abständen nicht isoliert. Der zwischen
Chiasma opticum zum Corpus geniculatum laterale zwei Schnürringen gelegene Abschnitt wird als Inter­
(CGL) im Thalamus, der als Schaltstelle dient. Der nodium bezeichnet. Die Ranvierschen Schnürringe
folgende Teil der Sehbahn wird Sehstrahlung (Ra­ sind für die schnelle saltatorische Erregungsleitung
diatio optica) genannt. Diese leitet die Informatio­ wichtig, da das Aktionpotenzial bei myelinisierten
nen vom CGL zur primären Sehrinde (dem visuellen Nervenfasern nicht kontinuierlich das Axon entlang
Kortex oder V1-Areal) im Hinterhauptslappen der läuft, sondern elektrotonisch vom erregten Schnür­
Großhirnrinde. Über die sich dort befindenden Hy­ ring zum unerregten Schnürring springt.
persäulen findet dann die Signalverarbeitung statt.
Raphe-Kerne 7 Nuclei raphes
Radikale, freie (engl. pl. free radicals) Freie Radikale
sind Teile von Molekülen, die in jedem Körperge­ Rasterelektronenmikroskop (engl. scanning elec­
webe vorkommen und es zerstören können. Sie be­ tron microscope) Mittels eines feingebündelten Elekt­
stehen aus einem oder zwei Atomen und besitzen ronenstrahls wird beim Rasterelektronenmikroskop
ungepaarte Elektronen. Dadurch entziehen sie ande­ die Oberfläche des zu untersuchenden Objektes
ren gesunden Zellen im Körper die Elektronen und ­abgetastet. Die entstehenden Bilder weisen im Ver­
es kommt zu einer Kettenreaktion, bei der immer gleich zu Lichtmikroskopen eine höhere Schärfen­
neue Radikale gebildet werden, deren Wirkung v. a. tiefe auf, der maximale Vergrößerungsfaktor liegt
negativer Art ist. So zerstören sie schutzbietende bei 500.000:1. Der Elektronenstrahl wird meist über
Zellmembranen, greifen Proteine sowie das Erbgut einen Wolframdraht erzeugt und dann in einem
an und sind mit verantwortlich für den Alterungs­ elektrischen Feld beschleunigt. Mit Hilfe von Mag­
prozess. Fehlt dem Körper der Schutzmechanismus netspulen wird er auf einen Punkt auf dem Objekt
gegen freie Radikale, kommt es zum äußerst seltenen fokussiert und über dessen Oberfläche geführt (Ras­
Hutchinson-Gilford-Syndrom, bei dem die Betrof­ tern). Dieser Vorgang findet im Hochvakuum statt.
fenen extrem schnell altern und nur eine geringe Die zu untersuchenden Präparate müssen daher
Lebenserwartung haben. Freie Radikale sind auch wasserfrei sein, eine Betrachtung lebender Objekte
für die Entstehung von Krebserkrankungen oder Ar­ ist demnach nicht möglich.
teriosklerose mitverantwortlich. Mit Vitamin C und
E kann man den freien Radikalen entgegenwirken, Rating-Skala (engl. rating scale) Die Rating-Skala ist
da sie die Kettenreaktion durch Abgabe von Elektro­ ein Erhebungsinstrument, das bei Bewertungen von
nen unterbrechen können, ohne dabei selbst geschä­ Themen, Gegenständen, Personen etc. verwendet
R digt zu werden. Positive Wirkungen haben freie Ra­ wird. Der Bewertende markiert auf einem Merk­
dikale v. a. bei der Immunabwehr, indem sie Bakte­ malskontinuum den Punkt, der seine Meinung über
rien und andere Fremdstoffe zerstören, und bei der die Merkmalsausprägung am besten vertritt. Dabei
körpereigenen Tumorsuppression. werden die Abstände auf der Skala als gleich groß
angenommen. Rating-Skalen können bipolar oder
Ranviersche Schnürringe (engl. pl. nodes of Ranvier) unipolar sein, wobei bipolare Skalen meist genauer
Der Ranviersche Schnürring ist ein ca. 1 μm schma­ sind, da sich die Begriffe an den Polen gegenseitig
Reflex 237

definieren. Die Abschnitte auf Rating-Skalen kön­ Wahrnehmung der Position im Raum) ein Abgleich
nen durch feste Intervalle definiert werden (z. B. 1, zwischen der afferenten (z. B. Information auf der
2, 3, 4 und 5) oder es kann ein durchgängiges Konti­ Netz­haut) und der efferenten Information (z. B.
nuum markiert werden (z. B. durchgehender Strahl gleich­zeitige Bewegung des Kopfes) erfolgt und ­diese
von 1 bis 100). miteinander verrechnet werden. So bewegt sich das
gesehene Bild subjektiv bei einer Bewegung des
Rauchersyndrom (engl. smoker’s syndrome) Das Kopfes nicht, obwohl sich das Bild auf der Netzhaut
Rauchersyndrom stellt eine der Nebenwirkungen objektiv bewegt.
von übermäßigem Tabakkonsum dar. Dieses Syn­
drom ist u. a. charakterisiert durch Brustschmerzen, Reaktion, konditionierte emotionale (engl. emo­
Husten und eine hohe Anfälligkeit für Infektionen tional conditioned reaction) Bei einer konditionierten
des respiratorischen Traktes (Atemsystem). emotionalen Reaktion handelt es sich um eine klas­
sische konditionierte Reaktion (7 Konditionierung,
Rautenhirn (engl. rhombencephalon; Syn. Rhomben­ klassische), die auftritt, wenn ein neutraler Reiz mit
zephalon) Das Rautenhirn bezeichnet den hinteren einem aversiven Reiz gekoppelt wird, so dass der
Teil des Gehirns, also die Verbindung mit dem Rü­ neutrale Reiz die emotionale Reaktion auf den aver­
ckenmark (ist daher Teil des ZNS). Es gehört zum siven Reiz auslöst.
Hirnstamm und besteht aus Metenzephalon (Hin­
terhirn) mit Zerebellum (Kleinhirn) und Pons (Brü­ Rebound-Phänomen (engl. rebound phenomenon)
cke) sowie dem Myelenzephalon (Nachhirn; Medul­ Das Rebound-Phänomen beschreibt in der Pharma­
la oblongata) und dem 4. Ventrikel. Der Sammelbe­ kologie das rasche, verstärkte Wiederauftreten einer
griff »Rhombenzephalon« erklärt sich aus der Ent­ Symptomatik bei nachlassender Medikamenten­
stehung des Gehirns in der ganz frühen Phase der wirkung. So wird z. B. bei Kindern mit Aufmerk­
Embryonalentwicklung. Das Gehirn entsteht zu­ samkeits-Hyperaktivitätsstörung häufig ein solches
nächst als bläschenförmiges Gebilde am Vorderende plötzliches »Zurückschlagen« der Symptomatik ge­
des Neuralrohrs. Durch verschiedene Wachstums­ schildert. In der Neurologie wird der Begriff auch im
prozesse wird erst ein Zweiblasenstadium erreicht, Zusammenhang mit dem Zurückschnellen passiv,
das das spätere Prosenzephalon und das Rhomben­ gegen Widerstand gedrückter Extremitäten be­
zephalon beinhaltet, das sich in der folgenden Zeit nutzt.
im Fünfblasenstadium in Metenzephalon und Mye­
lenzephalon gliedert. Reduktion (engl. reduction) Reduktion bezeichnet
die Zurückführung von Erscheinungen auf deren Ur­
Reuptake (engl. reuptake) Unter Reuptake versteht sachen oder Ausgangszustand, von vielschichtigen
man die Wiederaufnahme eines Neurotransmitters Gegebenheiten auf einfachere Bedingungen oder
aus dem synaptischen Spalt in die präsynaptische vom Besonderen auf das Allgemeine. Die Meiose
Zelle. Der Reuptake geschieht durch ein Transporter­ wird bspw. Reduktionsteilung genannt, weil aus einer
protein und führt zur Wirkminderung des Transmit­ diploiden Zelle (doppelter Chromosomensatz) nur
ters. Wird der Reuptake gehemmt (z. B. bei Serotonin haploide Zellen (einfacher Chromosomensatz) her­
durch selektive Serotonin-Wiederaufnahmehem­ vorgehen.
mer), erhöht sich die Konzentration des Neurotrans­
mitters im synaptischen Spalt, was bei Transmitter­ Referenzgedächtnis 7 Langzeitgedächtnis
mangel therapeutisch nutzbar ist. Die Inhibition des R
Reuptakes ist auch eine Wirkungsweise vieler Dro­ Reflex (engl. reflex) Reflexe sind von Geburt an vor­
gen mit v. a. anregenden Effekten (z. B. Kokain). handene, unwillkürliche (d. h. nicht steuerbar ablau­
fende) Reaktionen des Organismus auf innere oder
Reafferenzprinzip (engl. reafference principle) Das äußere Reize. Man unterscheidet verschiedene ­Arten
Reafferenzprinzip beschreibt die Tatsache, dass bei von Reflexen. Bei Muskeleigenreflexen sind der Ort
Wahr­nehmungsleistungen (z. B. beim Sehen oder der Reizauslösung und der Ort, an dem die physio­
238 Refraktärphase

logische Reaktion (Erfolgsorgan) darauf erfolgt, solute Refraktärzeit, ist also die zweite Phase nach
identisch (bspw. Zehenbeugereflex), während diese der Weiterleitung eines Aktionspotentials. In der re­
Orte bei Fremdreflexen verschieden sind. Erstere lativen Refraktärzeit sind aufgrund der fortgeschrit­
werden auch monosynaptische, letztere polysynap­ tenen Repolarisation einige Natriumkanäle in einem
tische Reflexe genannt. Während diese beiden durch aktivierbaren Zustand, so dass Aktionspotenziale
Reflexbögen vermittelt werden, treten bedingte Re­ weitergeleitet werden können, die allerdings nur
flexe erst nach Konditionierung auf. Reflexbögen ­infolge sehr starker Reize entstehen. Dabei ist zum
beschreiben die Stationen, die bei Auslösung eines einen die Amplitude dieses Aktionspotenzials klei­
Reflexes nacheinander im Körper aktiviert werden. ner, zum anderen ist der Anstieg geringer und die
Zeitdauer kürzer. Die Refraktärzeit sichert, dass Ak­
Refraktärphase (engl. refractory period) Die Refrak­ tionspotenziale sich nur gerichtet vom Soma zu den
tärphase bezeichnet den Zustand der Unerregbar­ synaptischen Endknöpfchen ausbreiten.
keit einer Zelle nach einem Aktionspotenzial. Man
unterscheidet die absolute und die relative Refrak­ Regelgröße (engl. output quantity) Die Regelgröße
tärphase. In der Erstgenannten können, selbst durch ist ein Begriff der Regelungslehre, die veranschauli­
sehr starke Reize, etwa 2 ms lang keine Aktions­ chen soll, wie durch biologische Regelungsvorgänge
potenziale (APs) ausgelöst werden. Durch diese Pha­ ein biologisches Gleichgewicht erreicht oder beibe­
se wird die Frequenz bestimmt, mit der eine Zelle halten werden kann. Im Regelsystem der Thermore­
maximal feuern kann (durchschnittlich etwa 500 APs gulation kann die vorhandene Körpertemperatur
pro sec.). Die relative Refraktärphase zeichnet sich als Regelgröße betrachtet werden. Diese stellt einen
dadurch aus, dass durch sehr große Depolarisatio­ Ist-Wert dar, der durch Einwirkung von Störgrößen
nen Aktionspotenziale ausgelöst werden können. vom normalen Soll-Wert abweichen kann. Im Ver­
Allerdings besitzen diese eine kleinere Amplitude als lauf der Temperaturregulation wird der Unterschied
die »normalen« Aktionspotenziale. Ursache für die zwischen Ist und Soll ermittelt und über Regler die
Entstehung dieser »Ruhephasen« ist die Inaktivität Körpertemperatur auf einen normalen Wert zurück­
des Natriumsystems, da nach der Depolarisation der geführt. Die Regelgröße soll über längere Zeiträume
Zelle die Natriumkanäle geschlossen bleiben. Nach möglichst konstant gehalten werden, um das nor­
einem Aktionspotenzial beginnt ein massiver Kali­ male Funktionieren des regulierten Systems sicher­
umausstrom, um den Ausgangszustand der Span­ zustellen.
nungsverteilung wieder herzustellen. Durch diese
Repolarisation bzw. sogar Hyperpolarisation wird Regenbogenhaut (engl. iris; Syn. Iris) Die Regen­
die Inaktivität des Natriumsystems wieder aufge­ bogenhaut ist eine weiche kreisrunde Membran im
hoben und die erneute Auslösung eines APs ist Auge, welche die vordere von der hinteren Augen­
­möglich. kammer trennt. Die Iris hat ein kreisrundes Loch in
der Mitte, die Pupille, an deren Rand die Regenbo­
Refraktärzeit, absolute (engl. absolute refractory genhaut auf der Linse aufliegt. Eine unterschiedlich
period) Als absolute Refraktärzeit wird die unmittel­ starke Pigmentierung der Regenbogenhaut (Ein­
bare Phase nach dem Aktionspotenzial bezeichnet. lagerung von Melanin) definiert die Augenfarbe von
Sie beträgt ca. 2 ms. Unabhängig von der Reizstärke hellblau (sehr geringe Melanin-Einlagung) bis dun­
ist es nicht möglich, ein weiteres Aktionspotenzial kelbraun/schwarz (hohe Melanin-Einlagerung).
auszulösen, da die Natriumionenkanäle inaktiv sind Beim sog. Albinismus fehlt die Pigmentierung völ­
R und in dieser Phase geschlossen bleiben. Die absolu­ lig, daher erscheint die Iris rosa-weiß oder infolge
te Refraktärzeit legt somit die maximale Frequenz hoher Blutgefäßdichte rötlich.
fest, mit der eine Zelle Aktionspotenziale weiter­
leiten kann. Region (engl. region) Eine Region bezeichnet einen
Abschnitt, eine Sphäre oder ein Gebiet. In der Anato­
Refraktärzeit, relative (engl. relative refractory mie ist hiermit meist der Abschnitt eines Organs oder
­period) Die relative Refraktärzeit folgt auf die ab­ eines Körperteils bzw. eine Körpergegend gemeint.
Remission 239

Region, ventrolaterale präoptische (engl. ventrola­ ziation zwischen beiden, so wird der Sekundärver­
teral preoptic area) Die ventrolaterale präoptische stärker selbst zum Verstärker.
Region (VLPA) liegt rostral des Hypothalamus und
ist für die Einleitung von Schlaf (Slow-Wave-Schlaf) Reize, adäquate (engl. pl. adequate stimuli) Adäquate
von besonderer Bedeutung. Die VLPA steht in re­ Reize entsprechen in ihrer Intensität exakt dem Be­
ziproker, hemmender Verbindung (GABAerg) mit reich, auf den bestimmte Sinneszellen spezialisiert
einem Arousalsystem, welches azetylcholinerge, sind. So sind z. B. elektromagnetische Schwingungen
serotoninerge, noradrenerge, histaminerge und hy­ im Bereich von 400 nm bis 700 nm für menschliche
pokretinerge Neurone umfasst. Ist dieses Arousal- visuelle Sinneszellen und Schallwellen zwischen
system aktiviert, wird die Aktivität der VLPA ge­ 20 Hz und 16.000 Hz für menschliche akus­tische Sin­
hemmt und der Organismus befindet sich in einem neszellen jeweils adäquate Reize. Diese Reize aktivie­
wachen Zustand. Wird hingegen das Arousalsystem ren spezielle Rezeptoren auf optimale ­Weise. Extreme
z. B. durch die Akkumulation von Adenosin ge­ Schallereignisse können aber auch Wirkung auf visu­
hemmt, so ist das VLPA aktiv und der Schlaf wird elle Rezeptoren ausüben, was einer Erregung durch
eingeleitet. Im Tierexperiment führt eine Läsion der einen inadäquten Reiz entspricht und dementspre­
VLPA zu einer vollständigen Insomnie (patholo­ chend inadäquate Reaktionen auslöst.
gische Schlaflosigkeit).
Reize, chimärische (engl. pl. chimeric stimuli) Chi­
Reiz, bestrafender (engl. punishment) Das Ziel beim märische Reize sind Stimuli, die aus zwei Hälften
Einsatz eines bestrafenden (aversiven) Reizes ist es, zusammengesetzt sind, die sich nicht in jedem Fall
ein bestimmtes Verhalten weniger häufig auftreten entsprechen müssen. Diese Reize werden u. a. im
zu lassen oder es ganz zu unterdrücken. Man unter­ Gesichtsschimären-Test verwendet.
scheidet zwei Formen der Bestrafung, Typ 1 und Typ
2. Bei der Typ-1-Bestrafung wird ein negativer Reiz Reizlimen (engl. threshold stimulus) Mit Reizlimen
in einer bestimmten Situation hinzugefügt, bei der bezeichnet man die absolute Schwelle bei der Mes­
Typ-2-Bestrafung ein positiver Reiz entfernt, was sung von Empfindungen, d. h. den minimalsten
sich in beiden Fällen in gleichem Maße als bestra­ Reiz, der gerade noch in der Lage ist, eine Empfin­
fend erweist. Der Einsatz von bestrafenden Reizen dung auszulösen.
führt in jedem Falle dazu, dass das Verhalten, ­welches
der Konsequenz zugrunde lag, weniger häufig auf­ Releasing-Hormon (engl. pl. releasing hormone) Re­
tritt, auf Dauer sogar unterdrückt wird. Zusammen leasing-Hormone werden im Hypothalamus synthe­
mit verstärkenden Reizen handelt es sich um die tisiert und steuern die Freisetzung von Hormonen
­Mechanismen, welche die operante Konditionierung aus dem Hypophysenvorderlappen (HVL). Zu die­
zu einer flexiblen Lernform macht. Sie erlauben es sen Releasing-Hormonen gehören z. B. das Kortiko­
einem Organismus, sein Verhalten nach antizipier­ tropin-Releasing-Hormon (CRH), welches die Frei­
ten Konsequenzen auszurichten. setzung von ACTH (adrenokortikotrophes Hor­
mon) in der Hypophyse stimuliert, oder das Gona­
Reiz, verstärkender (engl. positive reinforcement) dotropin-Releasing-Hormon (GnRH), welches die
Verstärkende Reize sind alle Reize, welche die Auf­ Freisetzung von FSH (Follikel-stimulierendes Hor­
tretenswahrscheinlichkeit oder die Stärke einer Re­ mon) und LH (luteinisierendes Hormon) in der Hy­
aktion erhöhen, wenn sie als deren Folge auftreten. pophyse stimuliert.
Man unterscheidet primär verstärkende und sekun­ R
där verstärkende Reize. Primär verstärkende sind Remission (engl. remission) Remission bezeichnet
angeboren und besonders nach zeitweiliger Depri­ das vorübergehende oder andauernde Nachlassen
vation sehr stark wirksam. Es handelt sich dabei z. B. der Symptome bei (chronischen) Krankheiten, ohne
um Nahrung, Flüssigkeit oder Schlaf. Sekundär ver­ dass eine Heilung stattgefunden hat. Man unter­
stärkende Reize sind solche, die gemeinsam mit den scheidet zwischen kompletter und partieller Remis­
Primären dargeboten werden. Bildet sich eine Asso­ sion. Bei der kompletten Remission verschwinden
240 REM-off-Neurone

die Symptome vollständig durch die Behandlung, Nacht zu einer verkürzten REM-Schlafphase, also
bei der partiellen nur teilweise. Plötzliche Heilungs­ dem Traumschlaf mit niedrigamplitudigem EEG,
prozesse, die ohne medizinisches Einwirken statt­ folgt darauf eine Verlängerung der REM-Phase in
finden, bezeichnet man als spontane Remission. Das den darauffolgenden Nächten.
Gegenteil der Remission stellt die Exazerbation
(Verschlimmerung der Symptome) dar. Renin (engl. renin) Renin ist ein hauptsächlich in der
Niere, aber auch im ZNS, Uterus, Nebenniere, Hypo­
REM-off-Neurone (engl. pl. REM-off neurons) Bei physe sowie Speicheldrüse produziertes und danach
REM-off-Neuronen handelt es sich um Neurone, die ins Plasma sezerniertes Enzym. Seine Aufgabe ist
nur in den Phasen außerhalb des Rapid-Eye-Move­ die Blutdruckregulation. Als Protease wandelt Renin
ment-Schlafes (also Wachheit und Short-Wave- inaktives Angiotensinogen in Angiotensin I um,
Schlaf) aktiv sind und diesen hemmen. Es handelt welches durch ACE Angiotensin II bildet. Dieses
sich um serotonerge Neurone der Nuclei raphes und wirkt gefäßverengend, fördert die Aldosteron- sowie
die noradrenergen Neurone des Locus coeruleus. die Adiuretin-Ausschüttung und hemmt in Form
eines negativen Feedbacks die Ausschüttung von
REM-on-Neurone (engl. pl. REM-on neurons) Bei ­Renin. Blutdruckabfall und geringer Natriumgehalt
REM-on-Neuronen handelt es sich um azetylcho­ der Niere führen zu einer Erhöhung des Reninspie­
linerge Neurone, die innerhalb des Pons lokalisiert gels, hingegen hemmen parasympathische Aktivität
sind. Die Aktivität dieser Neurone ist in direk-tem und die Ausschüttung des Angiotensin II die Renin­
Bezug mit dem REM-(Rapid-Eye-Movement) Schlaf sezernierung.
zu setzen, da ihre Feuerrate ca. 80 Sek. vor Beginn
einer REM-Schlafphase stark zunimmt und wäh­ Renshaw-Hemmung (engl. feed-back inhibition;
rend des REM-Schlafes auf einem relativ hohen Syn. Rückwärtshemmung) Bei der Renshaw-Hem­
­Niveau bleibt. Außerhalb des REM-Schlafes zeigen mung handelt es sich um einen optischen Effekt, der
diese Neurone kaum Aktivität. Es wird davon ausge­ durch die Renshaw-Zellen bedingt wird. Diese Inter­
gangen, dass diese REM-on-Neurone den exekuti­ neurone werden bei der postsynaptischen Hem­
ven Mechanismus des REM-Schlafes darstellen. mung durch die Axonkollaterale des sog. Alphamoto­
neurons aktiviert und hemmen dieses durch Glyzin.
REM-Schlaf (engl. rapid eye movement sleep; Syn. Durch die gegenseitige Hemmung der Retinazellen
para­doxer oder Traumschlaf) Diese Schlafphase ist erscheint z. B. bei längerer Betrachtung der Schnitt­
durch schnelle Augenbewegungen und das Erlö­ punkt zweier sich kreuzender Linien dunkler.
schen des Muskeltonus charakterisiert. Im EEG
(Elektroenzephalogramm) finden sich Thetawellen Reparaturenzym (engl. repair enzyme) Reparatur­
mit einer Frequenz von 4 bis 8 Hz und langsame enzyme sind für die Beseitigung von spontanen und
­Alphawellen, was dem Muster eines wachen Men­ induzierten DNS-Schäden verantwortlich. Diese
schen entspricht. In dieser Schlafphase, die etwa ­Reparatur ist besonders für die Replikation und die
20–25 % des Schlafes eines Erwachsenen ausmacht, Transkription essenziell, da sich sonst Schäden an­
finden v. a. lebhafte Träume statt. Vermutlich wird in reichern und als Mutationen manifestiert werden
den ca. vier bis sechs REM-Schlafphasen pro Nacht können. Dabei gibt es für die Vielzahl von auftre­
Erlebtes verarbeitet und aufgenommene Informa­ tenden DNS-Schäden (Alkylierungen, Mismatches,
tionen z. T. ins Langzeitgedächtnis gespeichert. Bei lichtbedingte Schäden) spezifische Systeme und Re­
R Neugeborenen macht der REM Schlaf etwa 50 % paraturenzyme, die sehr schnell reagieren und den
­aller Schlafphasen aus, was sich vermutlich förderlich Defekt reparieren.
auf die Entwicklung des Hippocampus auswirkt.
Repetition-Priming-Test (engl. repetition priming
REM-Rebound (engl. REM-rebound) Der REM-Re­ test) Ein Repetition-Priming-Test wird zur Überprü­
bound bezeichnet einen Effekt, der nach Nächten fung des impliziten Gedächtnisses durchgeführt.
mit geringem REM-Anteil auftritt. Kommt es in ­einer Dabei wird der Testperson zunächst eine Wortliste
Residualvolumen 241

gegeben, von der ihr später jedoch nur Fragmente Somit definiert bereits die Lage der Haarzellen auf
der anfänglichen Wörter dargeboten werden. Der der Basilarmembran (in der Cochlea) in etwa die
Proband soll daraufhin die Fragmente mit jedem be­ Repräsentation des wahrgenommenen Tones im
liebigen Wort ergänzen, das ihm gerade einfällt. Ein Kortex. Die einzelnen Sinneszellen auf der Basilar­
Priming-Effekt liegt vor, wenn der Proband als Er­ membran reagieren maximal auf bestimmte Tonfre­
gänzung Wörter bildet, die auf der vorher gelesenen quenzen, wobei tiefe Frequenzen maximal den Apex,
Liste dargeboten wurden. hohe Frequenzen dagegen die Basis der Membran
stimulieren.
Replikation (engl. replication) DNS-Replikation ist
ein Prozess, bei dem die vorhandene Menge an DNS Repressor (engl. repressor) Ein Repressor ist ein
verdoppelt wird. Die Verdopplung ist notwendig, DNS-bindendes Protein, das an der Hemmung der
damit aus der Teilung einer Mutterzelle hervorge­ Genexpression eines Gens beteiligt ist. Durch die
hende Tochterzellen die gleiche Menge an Erbsubs­ Bindung des Repressors im Promotorbereich, un­
tanz erhalten. Die Replikation beginnt an definierten mittelbar am Transkriptionsstartpunkt, wird die
Stellen eines Chromosoms durch Trennung der bei­ Bindung der für die Transkription nötigen RNS-Po­
den DNS-Stränge (Replikationsursprung). Während lymerase verhindert und somit die Transkription des
die Synthese an einem Strang nach Ansetzen eines Gens unterdrückt. Für die Bindung des Repressors
kurzen Primers kontinuierlich in 5’- 3’-Richtung der an seine Bindestelle (Operator) sind in einigen Fäl­
Trennung der DNS-Stränge folgen kann, müssen am len zusätzliche Faktoren (Korepressoren) nötig.
anderen Strang immer wieder neue Primer angesetzt
werden. Die Synthese am zweiten Strang erfolgt im­ Reserpin (engl. reserpine) Reserpin ist ein Alkaloid
mer vom Replikationsursprung weg. Die replizierten aus der Wurzel der Rauwolfia serpentina, einem in
Einzelstränge werden anschließend wieder zu einer Indien heimischen Strauchgewächs. In der Vergan­
Doppelhelix zusammengefügt. genheit wurde Reserpin als sedierendes Psychophar­
makon eingesetzt. Gleichzeitig ist es ein Antihy­
Repolarisation (engl. repolarization) Die Repola­ pertonikum, dessen Wirkung durch die Aufhebung
risation ist die Phase nach der Weiterleitung eines des Noradrenalin-Speichervermögens postganglio­
Aktionspotenzials, bei der sich das Potenzial an der närer Nervenendigungen vermittelt wird. Reserpin
Membran wieder auf das Niveau eines Ruhepoten­ schwächt die Sympathikus-aktivierenden Effekte
zials, also ca. –60 mV, absenkt. Etwa eine Millisekun­ von Noradrenalin, woraus sich eine Erweiterung der
de nach Beginn der Depolarisation kommt es zu ei­ Blutgefäße und eine Verlangsamung des Herz­
ner erhöhten Membranpermeabilität für K+-Ionen, schlages ergeben.
wodurch diese in großen Mengen aus dem Zellinne­
ren austreten und der zuvor eingetretenen Depolari­ Residualvolumen (engl. residual volume) Das Atem­
sierung entgegenwirken. An die Repolarisation fügt minutenvolumen eines Menschen, d. h. die Luft­
sich die Phase der Hyperpolarisation an, die durch menge, die ein Mensch pro Minute durch seine Lun­
einen überschüssigen K+-Austritt charakterisiert ist ge ein- und ausatmet, beträgt bei einem erwachse­
und das Membranpotenzial kurzfristig unter –60 bis nen Menschen ca. 7,5 l. Bei verstärkter Ein- oder
–90 mV senkt. Ausatmung kann zusätzlich das sog. inspiratorische
bzw. expiratorische Reservevolumen mobilisiert
Repräsentation, tonotope (engl. tonotopic organiza­ werden. Obwohl damit die maximale mögliche Re­
tion) Die tonotope Repräsentation oder Tonotopie serve ein- und ausgeatmet wird, existiert das sog. R
ist die topografische Anordnung aller Frequenzen Residualvolumen, dass trotz Ein- und Ausatmung
des hörbaren Bereiches auf allen Verschaltungsebe­ stets in der Lunge verbleibt. Es beträgt bei einem er­
nen der Hörbahn. Neuronen, die auf einen Ton mit wachsenen Menschen ca. 1 l. Bei (chronisch) obs­
definierter Frequenz reagieren, liegen örtlich in un­ truktiven Atemwegserkrankungen bzw. bei Verklei­
mittelbarer Nähe zu Neuronen, welche auf gering­ nerung der Lungenoberfläche steigt das Residual­
fügig geringere oder höhere Frequenzen ansprechen. volumen an.
242 Resorption

Resorption (engl. resorption) Wenn in biologischen enzyme können den DNS-Doppelstrang auf un­
Systemen gelöste Stoffe durch ein Körpergewebe terschiedliche Weise schneiden. Einige hinterlassen
aufgenommen werden, bezeichnet man diesen Vor­ einzelsträngige Überhänge, d. h. ein Strang ist an der
gang als Resorption. Bei Menschen und anderen Stelle um wenige Nukleotide länger als der komple­
Wirbeltieren geschieht dies meist im Dünndarm mentäre Strang; andere schneiden den DNS-Dop­
während der Verdauung. Gelangen die Stoffe von pelstrang so, dass jedes Nukleotid weiterhin an
einer Umgebung mit hoher Konzentration in eine ­seinem komplementären Nukleotid gebunden ist
Umgebung mit niedriger Konzentration, wie z. B. (glatte Enden). Modifikationen an den Schnittstellen
vom Dünndarm über die Darmzotten ins Blut, nennt (z. B. Methylierungen) verhindern das Angreifen
man dies passive Resorption, da diese entlang des des Enzyms an diesem Ort.
Konzentrationsgefälles verläuft. Im umgekehrten
Fall, also beim Stoffaustausch von niedriger zu hoher Retikulum, endoplasmatisches (engl. endoplas­
Konzentration, nennt man den Vorgang aktive Re­ matic reticulum) Das endoplasmatische Retikulum
sorption. Resorption kann im Falle von Salben und (ER) ist ein flaches, röhren- und bläschenförmiges
Cremes auch über die Haut erfolgen. Memb-ransystem, das im Zytoplasma liegt. Man un­
terscheidet zwischen dem mit Ribosomen besetzten
Restless-Leg-Syndrom (engl. restless leg syndrome) rauen ER (granuläres ER) und dem ribosomenfreien
Das Restless-Leg-Syndrom (RLS) ist eine neuro­ glatten ER (agranuläres ER), die sich wiederum hin­
logische Erkrankung, die mit Bewegungsunruhe sichtlich ihrer Aufgaben unterscheiden. Hierbei ist
(v. a. in den Beinen) in Ruhesituationen einhergeht. das glatte ER z. B. für die Hormonsynthese, Entgif­
Hinzu kommen schmerzhafte Empfindungen oder tung in der Leber und für den Kohlenhydratstoff­
Miss­empfindungen wie Kribbeln, Ziehen oder wechsel verantwortlich. Das raue ER ist zum einen
­Drücken direkt im Muskel oder Knochen. Die Symp­ für den Transport von Eiweißmolekülen zuständig,
tome ­treten vor allem gegen Abend und in der Nacht die von den Ribosomen gebildet werden, so dass es
auf, was zu Einschlaf- und/oder Durchschlafstö­ hiermit auch dem Stoffwechsel zwischen Zellkern
rungen und daraus resultierender Müdigkeit und und Zytoplasma dient. Zum anderen besteht seine
Erschöpfung führt. Es werden die idiopathische Aufgabe darin, eigene Membran zu produzieren, so
und die symptomatische Form des RLS unterschie­ dass sich die Struktur des ER an die wechselnden
den. Idiopathisch ist das Restless-Leg-Syndrom eine Aufgaben anpassen kann.
eigenständige Krankheit, deren Ursachen weitest­
gehend ungeklärt sind. Symptomatisch ist das Retikulum, sarkoplasmatisches (engl. sarcoplas­
RLS die Folge einer anderen Erkrankung, z. B. von matic reticulum) Das sarkoplasmatische Retikulum
Rückenmarksschädigungen, Polyneuropathien oder (SR) erkennt man im Feinbau einer Skelettmuskel­
Eisenmangel. Eine medikamentöse Therapie erfolgt faser. Senkrecht zu den transversalen Tubuli des
dopaminerg oder über Benzodiazepine und wird ­endoplasmatischen Retikulums (ER), die sich in die
nur bei stark beeinträchtigten Patienten ange­ Muskelfaser einstülpen, liegen die longitudinalen
wendet. Tubuli des SR. Im Bereich der Z-Scheiben weiten
sich die longitudinalen Tubuli zu sog. Terminalzister­
Restriktionsenzym (engl. restriction enzyme; Syn. nen aus, welche die Enden der transversalen Tubuli
Restriktionsendonuklease) Restriktionsenzyme sind berühren und mit diesem Triaden bilden. In den
Enzyme, die die DNS sequenzspezifisch schneiden, Terminalzisternen sind v. a. Kalziumionen gespei­
R dabei erkennen sie häufig palindromische Sequen­ chert, die durch in den Membranwänden des SR
zen (gleiche Nukleotidabfolge von »vorn« oder »hin­ eingebaute Kalziumpumpe angereichert werden. Bei
ten« gelesen). Ursprünglich handelt es sich dabei um einem ankommendem Aktionspotenzial wird die
ein Schutzsystem von Bakterien, mit dem diese sich Erregung vom ER auf das SR übertragen, das durch
vor fremder DNS schützen können. Die Eigenschaft Freisetzung der Kalziumionen die elektromecha­
dieser Enzyme wird heutzutage im Bereich der re­ nische Kopplung auslöst, die schließlich die Kon­
kombinanten DNS-Technologie genutzt. Restriktion­s­­ traktion der Muskelfaser bewirkt. Ebenso kann das
Rey-Osterrieth-Figurentest 243

SR durch Herabsetzen der Kalziumionenkonzentra­ der Durchschnittsbedarf eines Erwachsenen beträgt


tion das Ende des Aktionspotenzials einleiten. 0,8 bis1,0 mg. Bei Retinolmangel kann es u. a. zu er­
höhter Infektionsanfälligkeit, trockener Haut und
Retina (engl. retina; Syn. Netzhaut) Die Retina ist die Nägeln, verringerter Sehschärfe, Eisenmangel sowie
lichtempfindliche Schicht in menschlichen und eini­ Wachstumsstörungen kommen.
gen tierischen Augen. Sie enthält Photorezeptoren
(Stäbchen und Zapfen), die das Hell-Dunkel-Sehen Retinotopie (engl. retinotopic mapping) Die sog. re­
und Farbensehen ermöglichen. Die Netzhaut liegt im tinotope Organisation ist eine topologische Organi­
hinteren Teil der Augeninnenseite auf der Aderhaut sation im visuellen System, bei dem Lichtpunkte, die
(Chorioidea) auf und wird von dieser versorgt. Beson­ auf der Netzhaut nebeneinander abgebildet werden,
dere Regionen der Netzhaut sind der gelbe Fleck mit auch im primären visuellen Areal (V1) nebeneinan­
der Fovea centralis, dem Ort des schärfsten ­Sehens, der verarbeitet werden. Werden also auf der Retina
und der blinde Fleck, an dem der Sehnerv austritt und zwei nebeneinander liegende Bereiche erregt, wird
an dem der Organismus objektiv blind ist. das Signal so weitergeleitet, dass die feuernden Neu­
ronenbereiche in der Sehrinde ebenso nebeneinan­
Retinex-Theorie (engl. retinex theory; Syn. Farb­ der liegen. Die Weiterleitung erfolgt jedoch nicht
konstanztheorie) Die Retinex-Theorie nach Edwin ­linear. So nimmt die Fovea centralis, die Stelle des
Land (1983) dient der Erklärung der (annähernd) schärfsten Sehens, ein ebenso großes Feld auf der
gleich bleibenden Wahrnehmung einer bestimmten Sehrinde ein wie die gesamten übrigen Retinabe­
Farbe bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Die reiche zusammen.
wahrgenommene Farbe ergibt sich aus dem Verhält­
nis der Lichtintensität in einem Wellenlängenbereich retrograd (engl. retrograde) Retrograd meint rück­
des jeweiligen Reizes relativ zur Umgebung. Dieses wärtsgerichtet. Bei einer retrograden Amnesie fehlt
Verhältnis wird für alle Wellenlängen berechnet und z. B. die Erinnerung an einen Zeitpunkt vor der
so der spezifische Einfluss der Lichtquelle »korri­ Schädigung, die Amnesie ist rückwärtsgerichtet. In
giert«. Nach Lands Versuchen sind für die Farb­ der Biologie werden Axone retrograd markiert, wo­
wahrnehmung demnach nicht die absolut reflek­ bei der chemische Stoff rückwärts das Axon hinauf
tierten Wellenlängen entscheidend, sondern das wandert (von den synaptischen Endknöpfchen zum
Verhältnis verschiedener reflektierter Wellenlängen Zellkörper). Auch Transmitter im synaptischen Spalt
zueinander. Dieses Verhältnis ist stabil unter ver­ können retrograd wirken, dabei führt eine Transmit­
schiedenen Bedingungen und wird bestimmt durch terfreisetzung von der Postsynapse zur Präsynapse
die Reflektanz eines Objekts, also seine »Reflektions­ dazu, dass die Transmitterausschüttung verstärkt
eigenschaften«. oder gehemmt wird.

Retinol (engl. retinol; Syn. Vitamin A, Axerophthol) Rey-Osterrieth-Figurentest (engl. Rey-Osterrieth


Retinol ist ein fettlösliches essenzielles Vitamin, be­ complex figure test) Der Rey-Osterrieth Figurentest
stehend aus einem Ring von sechs Kohlenstoffver­ wird zur Überprüfung der unmittelbaren und ver­
bindungen und weist konjugierte Doppelbindungen zögerten visuellen Behaltensleistung eingesetzt.
auf. Die Vitamin-A-Vorstufe Betakarotin (Provita­ Ausserdem können die visuelle Wiedererkennungs­
min A) ist in vielen Obst- und Gemüsesorten enthal­ leistung sowie visuomotorische Fertigkeiten damit
ten und wird im menschlichen Körper zu Retinol getestet werden. Der Proband muss zunächst die
umgewandelt. Es hat große Bedeutung für Wachs­ komplexe Rey-Osterrieth-Figur abzeichnen (visuo­ R
tum, Funktion und Aufbau von Haut und Schleim­ motorische Fertigkeit). Nach drei Minuten (unmit­
häuten, Bildung neuer Blutkörperchen, Stoffwechsel telbare visuelle Behaltensleistung) und nach 30 Mi­
und den Sehvorgang. Außerdem ist Retinol für den nuten (verzögerte Behaltensleistung) soll die Figur
Erhalt von Nervenzellen im ZNS und den peripheren aus dem Gedächtnis gezeichnet werden. Patienten
Nervenbahnen von Bedeutung. Der Tagesbedarf an mit linkslateralen Hirnschädigungen können die
Retinol ist u. a. abhängig von Alter und Geschlecht, Umrisse der Figur gut reproduzieren, vergessen je­
244 rezeptiv

doch die Details, während Patienten mit rechtslate­ Rezeptor, muskarinerger (engl. muscarinic receptor)
ralen Hirnläsionen die Details richtig reproduzieren, Der muskarinerge Rezeptor ist ein cholinerger Re­
jedoch die Grundrisse der Figur nicht. zeptor, der sowohl durch Azetylcholin (ACh) als
auch durch Muskarin, das Gift des Fliegenpilzes,
rezeptiv (engl. receptive) Rezeptiv meint einerseits ­aktiviert wird. Er zählt zur Klasse der metabotropen
empfängnisbereit (z. B. bei läufigen Weibchen), an­ Rezeptoren, da er an ein G-Protein gekoppelt ist,
dererseits bedeutet es empfänglich im Sinne von welches bei der Bindung eines Liganden aktiviert
aufnehmend/ aufnahmebereit (bzgl. der Sinne und wird. Es gibt mehrere Subtypen des muskarinergen
der Verarbeitung von äußeren Reizen). Rezeptors, die entweder erregend oder hemmend
wirken können. Sie befinden sich v. a. postgan­
Rezeptor (engl. receptor) Rezeptoren sind Protein­ glionär im parasympathischen Nervensystem (z. B.
moleküle auf der Oberfläche der postsynaptischen ACh-Rezeptor des Vagusnervs am Herzen), aber
Zellmembran oder im intrazellulären Raum der auch in einigen Zielorganen des Sympathikus. Die
postsynaptischen Zelle, die Bindungsstellen für be­ Bindung von ACh und Muskarin wird u. a. durch die
stimmte Neurotransmitter aufweisen (Schlüssel- Antagonisten Atropin und Skopolamin blockiert.
Schloß-Prinzip). Eine Reaktion in der postsynap­
tischen Zelle wird ausgelöst, wenn Neurotransmit­ Rezeptor, nikotinerger (engl. nicotinic receptor) Der
termoleküle an den Bindungsstellen der Rezeptoren nikotinerge Rezeptor gehört zu den cholinergen Re­
andocken. Es existieren ionotrope und metabotrope zeptoren und wird sowohl durch Azetylcholin (ACh)
Rezeptoren, die intrazelluläre Veränderungen über als auch Nikotin aktiviert. Er ist ein ionotroper Re­
unterschiedliche Mechanismen in Gang setzen. zeptor, d. h. er ist ein Ionenkanal, der sich aus fünf
Proteinuntereinheiten zusammensetzt, die die post­
Rezeptor, ionotroper (engl. ionotropic receptor) synaptische Membran durchziehen. Der Ionenkanal,
­Ionotrope Rezeptoren sind Proteine, die in der post­ der durchlässig für kleine Kationen (Natrium, Ka­
synaptischen Membran eingebettet sind. Bindet ein lium, Kalzium) ist, öffnet sich, wenn ein Ligand bin­
passender Ligand (Agonist), fungiert der Rezeptor det, und wirkt dadurch v. a. exzitatorisch. Nikotin­
als Ionenkanal und verändert damit das Membran­ erge Rezeptoren befinden sich vorwiegend prägan­
potenzial der Postsynapse. Dieser Prozess erfolgt glionär im Parasympathikus und Sympathikus und
schneller und kürzer als metabotrope Reaktionen an Muskeln (neuromuskuläre Endplatte). Die Anta­
und kann von Antagonisten verhindert werden, gonisten des Rezeptors sind u. a. das Pfeilgift Curare
­indem sie die Bindungsstellen der Agonisten blo­ und das Schlangengift Bungarotoxin, welche die
ckieren oder deren Effekte verhindern. Beispiele für Bindung von ACh und Nikotin am Rezeptor blo­
ionotrope Rezeptoren sind der nikotinerge Azetyl­ ckieren.
cholinrezeptor und der GABAA-Rezeptor.
Rezeptor, sensorischer (engl. sensory receptor) Ein
Rezeptor, metabotroper (engl. metabotropic recep­ sensorischer Rezeptor ist ein spezialisiertes Neuron,
tor) Metabotrope Rezeptoren sind Proteine, die in welches auf Umweltenergien reagiert und diese in
der postsynaptischen Membran eingebunden sind. eine Veränderung des eigenen elektrischen Poten­
Bindet der passende Ligand (Agonist), wird ein zials transformiert. So reagieren bspw. die Seh­
G-Protein aktiviert, und eine Signalkette über einen pigmente in den Stäbchen und Zapfen im Auge auf
Second-Messenger ausgelöst. Dieser kann entweder Photonen (Licht), wodurch ein elektrisches Signal
R Ionenkanäle in der Membran öffnen oder über an­ im Rezeptor ausgelöst wird. Rezeptoren sind der
dere Prozesse das elektrische Potenzial oder den Ei­ Ausgangspunkt eines jeden sensorischen Systems.
weißhaushalt der Zelle beeinflussen. Die Wirkung
eines solchen Prozesses kann von wenigen Sekun­ Rezeptorblocker (engl. antagonist) Rezeptorblocker
den bis zu Stunden andauern. Beispiele für metabo­ oder -antagonisten sind Substanzen, die an prä- oder
trope Rezeptoren sind der muskarinerge Azetylcho­ postsynaptische Rezeptoren binden, ohne diese zu
linrezeptor und der GABAB-Rezeptor. aktivieren oder einen Effekt auszulösen. Als kompe­
Ribonukleinsäure 245

titive Antagonisten konkurrieren sie um dieselbe Rhythmen, freilaufende (engl. pl. free-running
Bindungsstelle mit dem endogenen Neurotransmit­ rhythms) Freilaufende Rhythmen nennt man jene
ter; als nichtkompetitive Antagonisten binden sie an zirka­dianen Rhythmen, die nicht durch Zeitgeber
einer anderen Stelle des Rezeptors. In beiden Fällen (Licht, Uhrzeit o. ä.) dem 24-Stundentag angepasst
verhindern Antagonisten die Wirkung des natür­ werden. Viele psychophysiologische Prozesse (z. B.
lichen Liganden. Schlaf) besitzen in konstanter Umwelt, die keinerlei
Hin­weise auf den künstlichen 24-Stunden-Rhythmus
Rezeptorpotenzial (engl. receptor potential; Syn. enthält, eher einen 23- oder 25-Stunden-Rhythmus.
Sensorpotenzial, Generatorpotenzial) Rezeptorpo­
tenziale (RP) sind in Sinneszellen entstehende Po­ Rhythmen, lunare (engl. pl. lunar rhythms) Biolo­
tenziale, die durch einen Reiz ausgelöst werden. Sie gische Rhythmen, die sich nach ungefähr 28 Tagen,
dauern so lange an wie der auslösende Reiz, während also der Zeit zwischen zwei Vollmondphasen, wieder­
die Amplitude von der Stärke des Reizes abhängt. RP holen, nennt man lunar. Ein Beispiel für einen lu­
verursachen in angrenzenden afferenten Nerven­ naren Rhythmus ist der weibliche Menstruations­
zellen Aktionspotenziale und sind der erste Schritt zyklus.
bei der Übertragung von Informationen auf dem
Weg vom Sinnesorgan in das ZNS. Dabei können RP Rhythmen, ultradiane (engl. pl. ultradian rhythms)
sowohl von adäquaten Reizen als auch inadäquaten Biologische Rhythmen, die sich nach wenigen Stun­
Reizen ausgelöst werden. den wiederholen und kürzer als 24 Stunden sind,
nennt man ultradian. Beispiele dafür sind die Aus­
rezessiv (engl. recessive) Der Begriff rezessiv stammt schüttung von Kortisol, der Pulsverlauf, der Blut­
aus der Genetik und bezeichnet die Eigenschaft ­einer druck mit seinen Spitzen morgens und abends, die
Erbanlage, sich von einer anderen (dominanten) REM-Schlafphasen oder die Phasen von Essen und
überdecken zu lassen. So bestimmen rezessive Allele Trinken.
den Phänotyp nur bei Reinerbigkeit (homozygot;
zwei identische Allele liegen vor). Dominante Allele Rhythmen, zirkadiane (engl. pl. circadian rhythms)
werden durch Groß-, rezessive Allele durch Klein­ Zirkadiane Rhythmen sind biologische Rhythmen,
buchstaben dargestellt. die sich nach ungefähr 24 Stunden wiederholen, also
rund einen Tag dauern. Beispiele dafür sind der
Rhinenzephalon 7 Riechhirn Schlaf-Wach-Rhythmus, der Verlauf der Körpertem­
peratur, die Kaliumausscheidung, die Serotoninpro­
Rhodopsin (engl. rhodopsin) Rhodopsin ist der Seh­ duktion und die Freisetzung bestimmter Hormone.
farbstoff der Stäbchen (Photosensoren der Retina)
und befindet sich in deren Scheibchenmembran. Da Rhythmen, zirkannuale (engl. pl. circannual ­rhythms)
die im Dunkeln hergestellte Lösung dieses Stoffes Unter zirkannualen Rhythmen versteht man bio­lo­
eine rote Farbe aufweist, wird das Pigment auch als gische Rhythmen, die sich nach einem Jahr wieder­
Sehpurpur bezeichnet. Die Lichtempfindlichkeit ist holen und meist von äußeren Faktoren bestimmt
umso größer, je mehr Sehfarbstoff vorhanden ist. In werden wie z. B. der Außentemperatur oder der Ver­
großer Helligkeit ist es dagegen fast ausgebleicht, was fügbarkeit von Futter. Ein Beispiel für einen solchen
bedeutet, dass Stäbchen kaum noch lichtempfindlich zirkannualen Rhythmus ist bei Nagern die Anglei­
sind. Wieder in Dunkelheit findet die Regeneration chung des Phänotyps an (antizipierte) Jahreszeiten.
des Sehpurpurs zur maximalen Konzentration statt. Zirkannuale Rhythmen zählen zu den sogenannten R
Rhodopsin besteht aus Opsin (Eiweiß) und ­Retinal I infradianen Rhythmen, da sie länger als 24 Stunden
(Aldehyd des Vitamins A). Bei Belichtung kommt es dauern.
zum Zerfall in die Bestandteile Opsin (farblos) und
Vitamin A und anschließend unter ­Energieaufwand Ribonukleinsäure (engl. ribonucleic acid) Die Ribo­
zum Wiederaufbau. Ein Mangel an Vitamin A behin­ nukleinsäure (RNS) ist ein polares Polymer, welches
dert diesen Aufbau und führt zur Nachtblindheit. im Aufbau der DNS ähnelt. Unterschiede zwischen
246 Ribosom

beiden Nukleinsäuren liegen im Zucker (Ribose bei Riechhirn (engl. rhinencephalon) Das Riechhirn
RNS und Desoxyribose bei DNS) und in den vor­ setzt sich aus verschiedenen Gebieten des Palaeo­
kommenden Basen. Während Adenin, Guanin und kortex zusammen und umfasst dabei das Tuber­
Zytosin in beiden Molekülen auftreten, findet sich culum olfactorium, die Area praepiriformis, die als
Thymin nur in der DNS und Uracil nur in der RNS. wesentliches Zentrum für die Geruchsdiskrimina­
Ein Großteil der zellulären RNS entfällt auf die ri­ tion gilt, einen Teil der Amygdala sowie die Regio
bosomale RNS, die strukturellen Komponenten entorhinalis. Diese Areale sind aus drei Schichten
der Ribosomen. Einen weiteren Teil stellt die Trans­ aufgebaut und gehören demnach zum Allokortex.
fer-RNS (tRNS) dar, die für die Proteinsynthese Die über die Riechzellen aufgenommenen Sinnesin­
­nötig ist. Die kleinste Menge RNS ist die Messenger- formationen gelangen vom Bulbus olfactorius über
RNS (mRNS), die Zwischenstufe zwischen einem den Tractus olfactorius zu den Bereichen des Riech­
Gen und dem entsprechenden funktionsfähigen hirns. Vom Tuberculum olfactorium werden sie wei­
­Protein. tergeleitet über den dorsomedialen Kern des Thala­
mus zum orbitofrontalen Neokortex. Zudem ziehen
Ribosom (engl. ribosome) Das Ribosom ist das Zell­ vom Riechhirn Bahnen zum limbischen System
organell, das für die Proteinbiosynthese der Zelle (Mandelkern, Hippocampus) und weiter zum Hypo­
zuständig ist. Es liegt entweder frei im Zytoplasma thalamus und der Formatio reticularis.
vor oder ist am rauen endoplasmatischen Retikulum
(raues ER) gebunden. Ribosomen werden im Zell­ Riechkolben (engl. olfactory bulb) Die dünnen, un­
kern gebildet und im Zytoplasma zusammengesetzt. myelinisierten Axone der Riechzellen, die von der
Um in möglichst kurzer Zeit ein bestimmtes Eiweiß Riechschleimhaut in der Nase durch das Siebbein in
mehrfach zu produzieren, liegen Ribosomen, oft die Schädelhöhe ziehen, enden im Bulbus ­olfactorius.
durch eine RNA verbunden, hintereinander, was als Von dort zieht der Tractus olfactorius (Axone der
Polysom bezeichnet wird. Das ca. 20–25 nm große Mitralzellen) zentralwärts, um in verschiedenen Ge­
Ribosom, ein Komplex aus Proteinen und rRNA, bieten des Palaeokortex zu terminieren, die insge­
besteht aus zwei Untereinheiten. Die große Unter­ samt als Riechhirn bezeichnet werden.
einheit dient dabei der Verknüpfung der Aminosäu­
ren zu einer Kette, die kleine der mRNA- Erkennung. Riechschleimhaut (engl. olfactory mucosa; Syn. ­Regio
Man kann weiterhin drei Domänen des Ribosoms olfactoria, Riechepithel) Die Riechschleim­häute beim
unterscheiden: (1.) A-Domäne (Aminoazetyl-Do­ Menschen und anderen Säugetieren sind Schleim­
mäne), die der Bindung der Aminosäure an der häute im oberen Bereich der Nasenhöhle. In ihnen
tRNA dient. (2.) P-Domäne (Peptidyl-Domäne), die befinden sich Geruchs- oder Riechsinnes­zellen. Der
der Bindung der Aminosäure an die Peptidkette Mensch besitzt etwa 10–30 Mio. Riechsinneszellen,
dient. (3.) E-Domäne (Exit-Domäne), wo die Frei­ ein Hund hat etwa 250 Mio. Aus den Riechsinnes­
setzung der um eine Aminosäure verlängerten Kette zellen ragen Härchen mit den Chemo­rezeptoren he­
stattfindet. raus, die auf verschiedene Duftmoleküle in der Atem­
luft ansprechen. Nicht bei allen Tieren befinden sich
Riechepithel (engl. olfactory epithelium) Das Riech- die Riechschleimhäute in der Nasenhöhle, bei Insek­
epithel ist ein kleines, bräunlich-gelbes Schleim­ ten z. B. sind sie an den Fühlern lokalisiert.
hautareal, das etwa 5 cm in der oberen und mittleren
Conche der lateralen Nasenwand ausmacht. In ihm RNA 7 Ribonukleinsäure
R befinden sich die für den Geruchssinn wichtigen
Riech-, Stütz- und Basalzellen. Die dicken dendri­ Röhre, eustachische (engl. eustachian tube) Die eus-
tischen Fortsätze der Riechzellen enden in der tachische Röhre wurde benannt nach Bartolomeo
Schleimschicht des Riechepithels, ihre langen unmy­ Eustachi und ist eine röhrenartige Verbindung zwi­
elinisierten Axonfortsätze bilden beim Austritt aus schen dem Nasenrachen und dem Mittelohr. Sie
dem Riechepithel Axonbündel und ziehen als Ner­ ­öffnet sich beim Schlucken oder Gähnen und dient
vus olfactorius zum Bulbus olfactorius. dem Druckausgleich.
Rückkopplung, negative 247

Röntgenkontrasttechnik (engl. x-ray contrast) Die mark wird nach den Austrittsstellen der Spinalnerven
Röntgenkontrasttechnik wird genutzt, um mithilfe in Zervikalmark, Thorakalmark, Lumbalmark und
von Röntgenstrahlung Gehirnstrukturen abbilden Sakralmark unterteilt. Es enthält weiße und graue
zu können. Mit der »normalen« Röntgentechnik Substanz, letztere besteht aus Neuronen und bildet
kann nur der Schädelknochen dargestellt werden, eine schmetterlingsförmige Figur, welche auf jeder
da sich die restlichen Strukturen innerhalb der Hirn­ Seite ein Vorder-, ein Seiten- und ein Hinterhorn ent­
masse kaum in ihrer Absorptionsfähigkeit bezüglich hält. Die umgebende weiße Substanz enthält auf jeder
der Röntgenstrahlung unterscheiden. Deshalb wird Seite einen Vorder-, einen Seiten- und einen Hinter­
bei der Röntgenkontrasttechnik ein Kontrastmittel strang. In ihnen verlaufen wichtige aufsteigende
genutzt, um die Absorptionsfähigkeit zu verändern (Tractus spinothalamicus, Hinterstrangbahn, ­Tractus
und so ein Abheben von umgebenden Strukturen zu spinocerebellaris) und absteigende (Pyramidenbahn
ermöglichen. Dadurch können flüssigkeitsgefüllte und Tractus rubrospinalis, Tractus vestibulospinalis,
Räume abgebildet werden. Prinzipiell unterscheidet Tractus reticulospinalis) Bahnen. Das Rückenmark
man dabei zwischen der Pneumoenzephalographie ist u. a. an der Generierung von Reflexen beteiligt.
(Darstellung von Ventrikeln und Fissuren) und der
Angiographie (Darstellung des Blutgefäßsystems). Rückenmarknerv (engl. spinal nerve) Rückenmark-
Die Röntgenkontrasttechnik wird aber auch zur oder Spinalnerven sind Nervenpaare, die zwischen
Unter­suchung der Funktion anderer Organe ein­ den Wirbeln aus dem Rückenmark austreten. Die 31
gesetzt. paarig angelegten Nerven werden in Abhängigkeit
vom Austrittsort als zervikale, thorakale, lumbale
rostral (engl. rostral) Rostral ist eine anatomische oder sakrale Rückenmarknerven bezeichnet. Dabei
Lagebezeichnung und meint »zum Gesicht hin«. Das bilden die vordere und hintere Wurzel eines Rücken­
Gegenteil von rostral ist kaudal. marknervs einen Faserstrang (Nervus mixtus), der
sich in afferente und efferente Fasern verzweigt. Die
Rotary-Pursuit-Test (engl. Rotary-Pursuit-Test) Der Afferenzen (auch sensorische Bahnen genannt) lei­
Rotary-Pursuit-Test ist ein Verfahren zur Ermittlung ten die Signale der Sinneszellen (z. B. Schmerz- oder
von Gedächtnisfähigkeiten und experimentellen Berührungsempfindungen) aus dem Körper über
Dissoziationen von explizitem und implizitem Wis­ die graue Substanz des Rückenmarks ins ZNS, wobei
sen. Der Proband muss hierbei einen Stift auf dem ihre Zellkörper in den Hinterhornwurzeln (Spinal­
Kontaktpunkt einer sich drehenden Kreisplatte ganglien) liegen. Hingegen verlassen die efferenten
­halten. Wichtigste abhängige Variable ist die Zeit des (motorischen) Axone das Rückenmark und trans­
Kontakts. Probanden mit Läsionen des medialen portieren Signale vom ZNS in den Körper bzw. zu
Temporallappens verbessern sich systematisch in Muskeln und Drüsen, so dass z. B. eine Muskelkon­
­ihrer Leistung (implizites Wissen), wissen aber nicht, traktion ausgelöst wird.
dass sie die Aufgabe davor schon mehr oder weni­
ger oft durchgeführt haben (Defizit an explizitem Rückenmarksreflex (engl. spinal reflex) Rücken­
Wissen). marksreflexe sind das Resultat neuronaler Schalt­
kreise des Rückenmarks. Dabei handelt es sich um
Rückenmark (engl. spinal cord; Syn. Medulla spi­nalis) eine Vielzahl von Reflexen sowie um automatische
Das Rückenmark ist ein Teil des ZNS, der innerhalb und stereotype Bewegungsmuster, die auch nach
des Wirbelkanals liegt. Es schließt kaudal an die Trennung des Rückenmarks vom Gehirn ausgelöst
­Medulla oblongata an, reicht bei Erwachsenen bis werden können. Rückenmarksreflexe sind oft überle­ R
zum ersten Lendenwirbelkörper und ist wie das Ge­ bensnotwendige Reflexe, die ohne aktive Beteiligung
hirn von Hirnhäuten und Liquor cerebrospinalis um­ des Gehirns zum Schutz des Organismus ablaufen
geben. Zwischen den Wirbelkörpern treten aus den können und daher häufig sehr schnell erfolgen.
Vorder- und Hinterwurzeln des Rückenmarks die
Spinalnerven aus, die den Rumpf und die Extremi­ Rückkopplung, negative (engl. negative feedback)
täten sensibel und motorisch versorgen. Das Rücken­ Die negative Rückkopplung ist ein Phänomen, wel­
248 Ruffini-Körperchen

ches in allen Homöostase anstrebenden Regelsys­ schiedliche Konzentrationen geladener Teilchen im


temen auftritt. Sie beschreibt die Tatsache, dass eine Zellinneren und im Zelläußeren vorliegen. Dieses
erhöhte Konzentration eines Stoffes so auf das Sys­ Gefälle wird aufgrund der eingeschränkten Permea­
tem zurückwirkt, dass dieser Stoff weniger produ­ bilität der Membran aufrechterhalten. Dabei ist das
ziert bzw. abgebaut wird (z. B. Hormonregulation). Zellinnere durch eine hohe Konzentration an nega­
Im Nervensystem bezieht es sich auf die Möglich­ tiven Anionen negativ geladen, das Zelläußere dage­
keit, dass aktivierte Zellen durch diese Aktivierung gen weist eine hohe Konzentration positiv geladener
sich selbst oder andere vorgeschaltete Nervenzellen Natriumionen auf. Das Ruhepotenzial ist nicht sta­
hemmen. Dies kann direkt über eine rückführende tisch, sondern ein sogenanntes Fließgleichgewicht.
inhibitorische Synapse geschehen oder durch die Der elektrostatischen Anziehungskraft der negativ
Aktivierung eines inhibitorischen Interneurons. geladenen Teilchen folgend, strömen Kaliumionen
Auch hier dient der Mechanismus der Regulation durch permanent offene Kanäle in das Zellinnere ein,
und stellt einen Schutz vor Übererregung dar. bis im Zellinneren eine weitaus höhere Kaliumionen­
konzentration als im Extrazellulärraum vorliegt. Die
Ruffini-Körperchen (engl. Ruffini’s corpuscule) Die nun größer werdende Diffusionskraft bringt schließ­
Ruffini-Körperchen sind langsam adaptierende lich den passiven Kaliumioneneinstrom zum Still­
­Mechanosensoren bzw. Dehnungsrezeptoren der stand. Jetzt liegt über der Zell­mem­bran eine Span­
behaarten und unbehaarten Haut. Sie finden sich nung von ca. –60 mV an (negativ geladener Zellin­
aber auch in der Iris, dem Ziliarkörper und den Ge­ nenraum). Während sich die Kalium­konzentration
lenkkapseln. Ruffini-Körperchen vermitteln Infor­ aufgrund elektrostatischer ­ Anziehungs- und Ab­
mationen über Richtung und Stärke von Scherkräf­ stoßungskräfte selbstständig ausgleicht, müssen ein­
ten, die in der Haut und zwischen Haut und Unter­ dringende Natriumionen durch die Natrium-Ka­
haut bei Gelenkbewegungen oder bei Bewegungen lium-Pumpe aktiv aus der Zelle hinaus gepumpt
der Hände auftreten. werden.

Ruhe-Aktivitäts-Zyklus, fundamentaler (engl. rest- Ruhetonus (engl. resting tonus) Der Muskeltonus ist
activity cycle) Beim fundamentalen Ruhe-Aktivitäts- der Spannungszustand der Muskulatur des Körpers.
Zyklus handelt es sich beim Menschen um einen Auch in völliger Ruhe ist die Muskulatur niemals
90-Minuten-Zyklus steigender und fallender Wach­ völlig erschlafft, d. h. selbst wenn keine Bewegung
heit. ausgeführt wird, finden in den Muskelfasern (querge­
streifte Muskulatur) oder Muskelzellen (glatte Mus­
Ruhepotenzial (engl. resting potential) Beim Ruhe­ kulatur) in einem bestimmten Umfang Kontrak­
potenzial handelt es sich um das Potenzial, das im tionen statt. Dies bezeichnet man als Ruhetonus,
unerregten Zustand an der Membran einer Nerven­ d. h. Spannungszustand der Muskeln in Ruhebedin­
zelle anliegt. Es liegt bei ca. -60 mV (abhängig vom gung. Der Ruhetonus ist z. B. nötig um die Haltung
Nervenzelltyp) und ist dadurch bedingt, dass unter­ des Körpers zu ermöglichen.

R
S
Sacculus (engl. saccule) Der Sacculus ist Teil des tionsperioden von 0,15 bis etwa 2 sec. Dauer auf. Die
Gleichgewichtorgans im Innenohr. Er steht in einem Dauer der Sakkaden ist abhängig von den Winkelmi­
stumpfen Winkel auf einem weiteren Hohlraum, nuten, welche bei 3° bis zu 90° liegen können. Große
dem Utriculus. Diese beiden Hohlräume sind für die Sakkaden werden von Kopfbewegungen begleitet.
Erfassung der linearen Besch leunigung und Gravi­
tationskraft zuständig. Dabei detektiert der Sacculus Sakromer (engl. sacromer) Als Sakromer bezeichnet
die vertikale Beschleunigung. Sowohl im Sacculus man die kleinste funktionelle Einheit eines Muskels.
als auch im Utriculus befinden sich Sinnesfelder Es ist durch Z-Scheiben begrenzt, an denen Aktinfi­
(Maculae) von ca. 1 mm Durchmesser, die mit Sin­ lamente angeheftet sind, welche sich in Richtung des
neshärchen besetzt sind. Diese sind von einer gal­ Zentrums eines Sakromers erstrecken, wo parallel zu
lertartigen Membran bedeckt, auf der wiederum den Aktinfilamenten die dickeren Myosinfilamente
Kalziumkarbonatkristalle (Otholithen) eingelagert angeordnet sind. Im Ruhezustand eines Sakromers
sind. Diese bleiben aufgrund der Trägheit bei einer überlappen Aktin- und Myosinfilamente nur teilwei­
linearen Beschleunigung hinter der Körperbewe­ se, wodurch das Sakromer seine charakteris­tische
gung zurück und reizen damit die Sinneshärchen. Bänderung bekommt. Man kann ein Sakromer dem­
Diese Information wird an das Gehirn weitergeleitet, nach in verschiedene Bereiche unterteilen: I-Bande
wo eine Änderung der Körperstellung im Raum re­ (heller Bereich, hier liegen nur dünne Aktinfilamen­
gistriert wird. te), A-Bande (Bereich über die ganze Länge der Myo­
sinfilamente) und H-Zone (Zentrum der A-Bande,
sagittal (engl. sagittal) Sagittal ist eine anatomische hier liegen nur die dicken Myosinfilamente, denn die
Richtungsangabe, die die seitliche Ansicht des Kör­ Aktinfilamente erstrecken sich nicht über das ge­
pers bezeichnet, d. h. die vertikale, sich von vorne samte Sakromer). Bei einer Kontraktion schieben
nach hinten (oder umgekehrt) erstreckende Ebene. sich Aktin- und Myosinfilamente inein­ander (Gleit­
Der Sagittalschnitt ist einer von drei Schnittebenen filamenttheorie) und das Sakromer verkürzt sich.
für die Darstellung des Gehirns und der Körper­
organe. saltatorisch (engl. saltatory) Saltatorisch ist ein Aus­
druck aus der Neurophysiologie und bezeichnet die
Sagittalschnitt (engl. sagittal view) Der Sagittal­ sprunghafte Erregungsweiterleitung in myelinisier­
schnitt ist ein virtueller Schnitt durch den Körper ten Nerven im Gegensatz zu einer kontinuierlichen
(z. B. durch das Gehirn), der mittels bildgebender Erregungsleitung. Bei der saltatorischen Erregungs­
Verfahren erfolgt und parallel zur Neuraxis und leitung springt der Nervenimpuls von einem Ran­
rechtwinklig zum Boden verläuft. vierschen Schnürring zum nächsten, da durch eine
Myelinummantelung der Kaliumionen-Ausstrom
Sakkaden (engl. pl. saccades) Sakkaden sind sprung­ und damit die Depolarisation an den myelinisierten
artige, konjugierte, bewusst oder unbewusst aus­ge­lös­ Stellen verhindert wird. Die saltatorische Erregungs­
te Augenbewegungen. Sie dienen der Fixation, kön­ leitung erfolgt weitaus schneller als die kontinuier­ S
nen aber auch ohne Reiz in der Sekunde zwei bis drei liche Erregungsleitung.
Mal auftreten. Sakkaden werden durch ruckartige,
koordinierte Bewegungen der äußeren Augenmus­ Satellitenzellen (engl. pl. satellite cells) Satelliten­
keln ausgelöst. Zwischen den Sakkaden treten Fixa­ zellen sind (unter)stützende Zellen des peripheren
250 Sättigung, sensorisch-spezifische

Nervensystems und stellen das Pendant zu den nommen werden. Experimente von Schachter und
­Gliazellen des ZNS dar. Satellitenzellen sind z. B. die Singer, die diese Theorie mit eigenen Ergebnissen
Schwann-Zellen, die jeweils ein Segment eines belegten, konnten bisher nicht erfolgreich repliziert
­Axons umschließen und so eine Myelinscheide bil­ werden.
den. Diese Myelinumhüllung ermöglicht die be­
sonderen Reizleitungseigenschaften der Neurone, Schaffer-Kollateralen (engl. pl. Schaffer’s collaterals)
d. h. die saltatorische Erregungsleitung. Als Schaffer-Kollateralen werden die Axone der
Neurone der CA3 (Cornu Ammonis, im Hippo­
Sättigung, sensorisch-spezifische (engl. sensory campus) bezeichnet, welche die CA3 mit der CA1
specific satiety) Bei der sensorisch-spezifischen Sätti­ verbinden. An ihren Synapsen wurde das Phänomen
gung tritt eine Sättigung an bestimmten Stoffen ein, der assoziativen Langzeitpotenzierung (LTP) aus­
die zu Genüge aufgenommen wurden, z. B. Salz. Für führlich untersucht.
diese besteht dann kein Appetit und kein Defizit
mehr. Diese Art der Sättigung kann v. a. durch die Schalldruckwellen (engl. pl. sound pressure waves)
Anreiztheorie der Motivation erklärt werden. Eine Schalldruckwelle ist eine Druckwelle, die von
Sinneszellen des Gehörorgans in akustische Wahr­
Säuger (engl. pl. mammals) Die Klasse der Säugetiere nehmungen übersetzt werden kann. Schalldruck­
(Mammalia) zählt im Stamm der Chordata zum wellen bewegen sich mit 330 m/s (Schallgeschwin­
­Unterstamm der Vertebraten. Wesentliche Merk­male digkeit) und werden in Hertz (Hz), also in der Fre­
der Säugetiere sind der Wärmeisolation dienende quenz der Welle, gemessen. Dabei sind Schalldruck­
Haare, ein geschlossener Blutkreislauf mit getrennten wellen im Bereich von 20 Hz bis 16.000 Hz adäquate
Herzkammern, ein verknöcherter Schädel, eine Wir­ Reize für das menschliche Ohr.
belsäule und Extremitäten, ein relativ großes Gehirn­
volumen, hoch entwickelte Sinnesorgane (z. B. drei Scheinessen 7 Scheinfütterung
Gehörknöchelchen), Atmung über Lungen, Nieren
als Exkretionssystem, paarige Geschlechtsorgane, Scheinfütterung (engl. sham eating) Bei der Schein­
eine Gliederung der Leibeshöhle in Brust- und fütterung wird die zur Fütterung gereichte Nahrung
Bauchhöhle durch eine muskulöse Wand und charak­ vom Versuchstier gekaut und geschluckt, jedoch ver­
teristische Verhaltensweisen (Säugen der Jungtiere). lässt das gerade aufgenommene Futter den Körper
sofort wieder durch eine Ösophagusfistel (angebo­
Säure (engl. acid) Gruppe von chemischen Verbin­ rene oder erworbene röhrenartige Verbindung zwi­
dungen, welche die gemeinsame Eigenschaft haben, schen Speise- und Luftröhre). Der visuelle, olfak­
dass sie Wasserstoffionen (H+) enthalten, die in wäss­ torische und Geschmacksinput ist somit gegeben,
riger Lösung abgespalten werden. allerdings essen Tiere mit offener Ösophagusfistel
wesentlich größere Mengen, was ein Indiz dafür
Schachter-Singer-Theorie (engl. Schachter-Singer ist, dass Sättigungssignale erst im unteren Teil des
theory) Die Schachter-Singer-Theorie (1962) ist eine Magens oder des Duodenums (Zwölffingerdarm)
kognitive Theorie der Emotionsgenese, die besagt, entstehen.
dass bei Gefahr oder anderen emotionsauslösenden
Situationen eine unspezifische physische Erregung Scheinkonturen (engl. pl. subjektive contours)
auftritt, aufgrund derer das Individuum beginnt, Scheinkonturen sind Sinnestäuschungen, bei denen
die Situation nach Hinweisreizen für diese Erregung ohne physikalisches Korrelat visuelle Grenzen oder
zu durchsuchen. Diese Hinweisreize der Situation Kanten wahrgenommen werden. Das Gehirn scheint
S werden dann aufgrund von Erfahrung positiv oder Wahrscheinlichkeitserwägungen über die Beschaf­
negativ bewertet. Erst nach dieser Interpretation der fenheit der Außenwelt anzustellen, die über die
Situation kann die undefinierte anfängliche Erre­ ­bloße Reproduktion von Sinnesdaten hinausgehen.
gung als positiv oder negativ gedeutet werden und Die Wahrnehmung von Scheinkanten resultiert aus
als Emotion oder Gefühl, wie z. B. Angst, wahrge­ der Fähigkeit des visuellen Systems, unvollständige
Schizophrenie 251

Objektgrenzen zu ergänzen. Sensorische Verarbei­ bindungsstück (Isthmus) zusammengehalten wer­


tungsprozesse auf frühen Stufen der Sehbahn schei­ den. Die Schilddrüse bildet die Hormone Kalzitonin
nen für die Wahrnehmung von Scheinkanten ver­ (Regulation des Kalziumstoffwechsels) sowie Trijod­
antwortlich zu sein. thyronin (T3) und Thyroxin (T4), wobei die Bildung
der beiden letzteren Hormone vom TSH (Thyroidea-
Scheintrinken (engl. sham drinking) Scheintrinken stimulierendes Hormon) des Hypophysenvorder­
tritt bei Versuchstieren mit einer Ösophagusfistel lappens (HVL) angeregt wird. Ein wichtiger Baustein
(angeborene oder erworbene röhrenartige Verbin­ für die Produktion der Hormone T3 und T4 ist
dung zwischen Speise- und Luftröhre) auf. Dabei das Spurenelement Jod. T3 und T4 sind im Körper
fließt das getrunkene Wasser durch die Fistel wieder zuständig für den Energiestoffwechsel (Blutdruck,
nach außen und gelangt nicht in den Magen-Darm- Temperatur, Puls), für das Wachstum und viele an­
Trakt (7 Scheinessen). dere wichtige Bereiche. Oftmals befinden sich an der
Rückseite der Schilddrüse vier Nebenschilddrüsen,
Scheitellappen 7 Parietallappen zwei obere und zwei untere, die sich jedoch in Lage
und Zahl unterscheiden können. Fehlfunktionen
Schicht, magnozelluläre (engl. magnocellular layer) dieser Drüse können sich in einer Über- oder Unter­
Magnozelluläre Schichten bestehen aus relativ funktion der Schilddrüse manifestieren, die medika­
­großen Neuronen. Die beiden inneren Schichten des mentös behandelt werden muss.
Corpus geniculatum laterale (CGL) sind magno­
zelluläre Schichten, die (indirekt) Input von den Schilddrüsenhormone (engl. pl. thyroid hormones)
Stäbchen der Retina erhalten und Informationen der Die Schilddrüse produziert die Hormone Kalzitonin,
Form- und Tiefenwahrnehmung sowie Informa­ Thyroxin (Tetrajodthyronin oder T4) sowie Trijod­
tionen über geringe Helligkeitsunterschiede zum thyronin (T3). Normalerweise werden lediglich die
primären visuellen Kortex (V1) leiten. Magnozellulä­ beiden letztgenannten als Schilddrüsenhormone
re Information ist schnell, besitzt eine hohe Kont­ ­bezeichnet. Sie sind die einzigen im Körper produ­
rastsensitivität, aber eine geringe Auflösung. zierten Moleküle, welche Jod enthalten, und ihre
Ausschüttung wird durch das Schilddrüsen-(Thyro­
Schicht, parvozelluläre (engl. parvocellular layer) idea-)stimulierende Hormon (TSH) des Hypophy­
Parvozelluläre Schichten, d. h. Schichten aus Neuro­ senvorderlappens (HVL) geregelt. T3 und T4 wer­
nen geringer Größe, finden sich im Corpus genicu­ den in den Schilddrüsenfollikeln gespeichert (im
latum laterale (CGL). Die vier äußeren Schichten Normalfall mit einem Vorrat für rund 100 Tage,
dieser sechsschichtigen Struktur sind die parvo­ ­wodurch der Körper lange Zeit ohne Jodzufuhr aus­
zellulären (im Gegensatz zu den beiden inneren kommen kann). Viele der T4-Moleküle werden im
mag-nozellulären Schichten) und haben die Aufga­ Blut in die wirksamere Form des Hormons, T3, um­
be, Informationen über die Farbe oder über Details gewandelt. Sowohl T3 als auch T4 beeinflussen den
gesehener Objekte zum primären visuellen Kortex Energieumsatz des Körpers, sie steigern die Eiweiß­
(V1) weiterzuleiten. Die parvozellulären Schichten synthese und den Abbau von Kohlenhydraten und
erhalten demnach indirekt Input aus den Zapfen der Lipiden. In der Schwangerschaft steuern sie Knochen­
Retina. Parvozelluläre Information ist eher langsam, wachstum und geistige Entwicklung des Embryos.
besitzt eine niedrige Kontrastsensitivität und eine
hohe Auflösung. Schizophrenie (engl. schizophrenia) Die Gruppe
der schizophrenen Störungen (F2 nach ICD-10) ist
Schilddrüse (engl. thyroid gland) Die Schilddrüse ist durch grundlegende und charakteristische Stö­
eine Hormondrüse, die wie ein »H« geformt vor der rungen von Denken und Wahrnehmung sowie in­ S
Luftröhre liegt. Ihr Gewicht beträgt bei Frauen adäquate oder verflachte Affekte gekennzeichnet.
durchschnittlich 18 g, bei Männern 25 g. Sie besteht Bewusstseinsklarheit und intellektuelle Fähigkeiten
aus einem rechten und einem linken »Lappen«, die sind in der Regel nicht beeinträchtigt. Die wichtigs­
jeweils ca. 3 bis 5 cm groß sind und von einem Ver­ ten psychopathologischen Phänomene sind Gedan­
252 Schlaf

kenlautwerden, Gedankenausbreitung, Wahnwahr­ Schlafapnoe verschlimmert sich mit der Zeit und
nehmung, Kontrollwahn, Beeinflussungswahn oder kann zu Bluthochdruck, Herzinsuffizienz (vermin­
das Gefühl des Gemachten, Stimmen, die in der drit­ derte Herzleistung), Herzrhythmusstörungen und
ten Person den Patienten kommentieren oder über der verstärkten Neigung zu Herzinfarkt und Schlag­
ihn sprechen, Denkstörungen und Negativsymp­ anfall führen. Außerdem wird der gesunde Schlaf­
tome (z. B. Antriebslosigkeit, abgeflachter Affekt). rhythmus gestört und, bedingt durch die Arousal­
Der Verlauf der Erkrankung kann entweder konti­ reaktionen, werden tiefe Schlafstadien verkürzt.
nuierlich episodisch mit zunehmenden oder stabilen
Defiziten sein oder es können eine oder mehrere Schlafattacke (engl. narcoleptic attack) Schlafatta­
Episoden mit vollständiger oder unvollständiger Re­ cken zeichnen sich durch einen überwältigenden
mission auftreten. Schizophrene Erkrankungen wer­ Drang zu schlafen aus und können bei Narkolep­
den medikamentös mit sog. Neuroleptika behandelt, tikern, aber auch bei gesunden Menschen auftreten.
die bei den typischen Neuroleptika zu schweren Ne­ Der auf eine Attacke folgende Schlaf dauert in der
benwirkungen führen können. Regel nur 2 bis 5 Minuten, der Betroffene erwacht
dennoch ausgeruht. Schlafattacken können in ver­
Schlaf (engl. sleep) Als Schlaf wird der Zustand der schiedenen Situationen auftauchen, bei gesunden
äußeren Ruhe eines Menschen oder eines Tieres be­ Menschen sind es häufig langweilige oder monotone
zeichnet. Im Schlaf verringern sich Puls, Atem­ Situationen, v. a. nach verkürztem Nachtschlaf. Bei
frequenz und Blutdruck. Auch die Gehirnaktivität Narkolepsie treten sie allerdings in emotional erre­
verändert sich im Vergleich zum Wachzustand. Es genden Situationen auf, wobei beim Betroffenen
gibt verschiedene Hypothesen über den Zweck von eine Kataplexie (vollständiger Verlust des Muskel­
Schlaf. Nach der »regenerativen Hypothese« dient tonus) erfolgt und er sofort in den Tiefschlaf über-
der Schlaf der Erholung der Körperorgane, so dass geht.
die Körperfunktionen problemlos ablaufen können.
Eine andere Hypothese besagt, dass Schlaf der Ein­ Schlafentzug, therapeutischer (engl. sleep depriva-
sparung von Energie dient. Die verschiedenen tion) Schlafentzug oder Wachtherapie für die Dauer
Schlafstadien können nach EEG- (Elektroenzepha­ von einer Nacht oder nur der zweiten Nachthälfte
logramm-)Mustern in SW-(Slow-Wave)Schlaf und wird als Therapieform für depressive Patienten ge­
REM-(Rapid-Eye-Movement)Schlaf eingeteilt wer­ nutzt. Bei 60–80 % führt dieser Schlafentzug zu einer
den. kurzfristigen Besserung von Stimmung und Antrieb,
wenn am nächsten Tag nicht geschlafen wird. Schlaf­
Schlaf, paradoxer 7 REM-Schlaf entzug als Therapieform wird mindestens drei Mal
hintereinander durchgeführt, wobei jeweils eine
Schlafapnoe (engl. sleep apnoea) Unter Schlafapnoe Nacht Schlaf dazwischen liegt. Verschiedene Wirk­
versteht man vorübergehende Atemaussetzer im mechanismen werden für die Verbesserung der Stim­
Schlaf, die gehäuft und v. a. verlängert auftreten. Von mung bei Depressiven durch Schlafdeprivation pos­
Schlafapnoe wird gesprochen, wenn Atemaussetzer tuliert, u. a. Unterdrückung von SW-(Slow-Wave)
häufiger als zehnmal pro Stunde für mehr als zehn Schlaf, Verringerung des Arousal-Zustandes von De­
Sekunden auftreten. Die Ursache liegt in einer Er­ pressiven und Herunterregulierung von präsynap­
schlaffung der Muskulatur des Nasen-Rachen- tischen Serotoninrezeptoren.
Raumes. Wenn es dann zu einer Rückverlagerung
der Zunge und zu einer Engstellung des Rachen­ Schlafinduktion (engl. sleep induction) Unter Schlaf-
raumes kommt, wird die Atmung behindert. Atem­ induktion versteht man das bewusste Hervorrufen
S aussetzer werden im Gehirn registriert, und eine oder Erleichtern des Schlafes durch schlaffördernde
Arousalreaktion führt zur Wiederaufnahme der Mittel. Dazu gehören u. a. Opiate, Barbiturate, Mela­
Atemaktivität, indem ein tiefer Atemzug ausgelöst tonin, Progesteron, sedative trizyklische Antidepres­
wird, der die verengten Atemwege öffnet und als siva, sedative Neuroleptika, Alkohol sowie Injek­
­lautes Schnarchen hörbar wird. Eine chronische tionen von schlaffördernden Neuropeptiden. Um
Schmeckzellen 253

dabei einen optimalen Effekt zu erzielen, sollten sen länger. Charakteristische Veränderungen im
­diese Mittel kurz vor dem natürlichen Schlafbeginn EEG (Elekroenzephalogramm) finden sich in allen
verabreicht werden. Ebenfalls gelten körperliche Schlafphasen; diese spezifischen EEG-Muster stellen
Anstrengung, Vertrautheit der Umgebung, Verdau­ die Grundlage der Schlafphasen-Einteilung in SW-
ung und sexuelle Betätigung als förderlich. Bei Tie­ und REM-Schlaf nach Kleitman und Dement dar;
ren kann Schlaf über eine elektrische Stimulation Rechtschaffen und Kales erstellten dazu ein Manual,
bestimmter Gehirnareale induziert werden. um die einzelnen Schlafstadien auf EEG-Grundlage
dem individuellen Schlafverlauf zuzuordnen.
Schlaflähmung (engl. sleep paralysis) Eine Schlafläh­
mung ist eine Störung des Schlafes, die durch zeitwei­ Schlafwandeln (engl. sleepwalking; Syn. Somnam­
lige Lähmungserscheinungen des Körpers gekenn­ bulismus) Beim Schlafwandeln kommt es im ersten
zeichnet ist. Sie tritt entweder kurz nach dem Erwa­ Drittel des Nachschlafes zu komplexen Verhaltens­
chen (hypnopompe Schlaflähmung) oder, seltener, episoden wie bspw. Umherlaufen oder anderen Tä­
kurz vor dem Einschlafen (hypnagoge Schlafläh­ tigkeiten. Diese Aktivitäten haben psychische Ur­
mung) auf. Im physiologischen Sinne entspricht sie sachen und erfolgen unbewusst, d. h. Betroffene sind
der Lähmung, die sich während des REM-Schlafes im Nachhinein nicht in der Lage, sich an die nächt­
ein­stellt. Ein willentliches Aufstehen oder Sprechen lichen Aktivitäten zu erinnern. Schlafwandeln tritt
ist für die Dauer der Schlaflähmung nicht möglich. meist im Kindesalter auf (bei etwa 1–6 % aller Kin­
Dieser, für den Betroffenen hochbeängstigende der) und setzt sich nur in seltenen Fällen in der Pu­
­Zustand, gehört zu den Hauptsymptomen der Narko­ bertät oder im Erwachsenenalter fort. Beginnt das
lepsie, kann aber auch gesunde Menschen be­treffen. Schlafwandeln im Erwachsenenalter, was äußerst
selten vorkommt, ist von einem chronischen Verlauf
Schlafspindel (engl. sleep spindle) Die Schlafspindel auszugehen. Die Anlage zum Schlafwandeln ist ver­
ist ein Charakteristikum im EEG der Schlafstadien erbbar, Männer sind häufiger davon betroffen als
1–4 eines typischen Nachtschlafes. Sie zeichnet sich Frauen. Die Folgen des Schlafwandelns sind kör­
durch kurze Wellenstöße von 12–14 Hz aus und perliche, z. T. lebensbedrohliche, Schäden (Unfälle,
kann als Ausdruck der fortlaufenden Aktivität eines ­Absturz etc.), aber auch psychische Belastungen, da
Organismus die den Schlaf absichert gewertet wer­ Betroffene oftmals versuchen, die Krankheit zu ver­
den. Mit zunehmendem Alter treten Schlafspindeln bergen und bestimmte psychosoziale Aktivitäten
weniger häufig auf, ein Mensch erwacht öfter aus (Zelten, Besuche etc.) zu vermeiden.
dem Schlaf.
Schlaganfall (engl. stroke) Beim Schlaganfall kommt
Schlafstadien (engl. sleep stages) Während des es aufgrund von Störungen der Blutversorgung des
Schlafes treten verschiedene Schlafstadien und Gehirns zu einem Ausfall von Funktionen des zent-
-phasen unterschiedlicher Schlaftiefe auf, die sich ralen Nervensystems. Diese beruhen auf akuten
untereinander zyklisch abwechseln. Beginnend mit Durchblutungsstörungen des Gehirns und werden
der Einschlafphase, geht man in einen leichten Schlaf oft durch einen sog. Embolus ausgelöst, eine Ver­
über (Schlafstadien 1 und 2), der dann zum Tief­ klumpung verschiedener Stoffe, die im Durchschnitt
schlaf wird (Schlafstadien 3 und 4). Dann wird der breiter ist als die Gefäße und somit das Blutgefäßsys-
Schlaf weniger tief und es folgt als letztes der REM- tem verstopft. Die Symptome, die in Folge eines
(Rapid-Eye-Movement)Schlaf, in dem v. a. bewegte Schlaganfalles auftreten, hängen davon ab, welche
und emotional gefärbte Träume auftreten. In dieser Stelle des Gehirns betroffen und wie schwer die
Phase steigen Blutdruck und Atemfrequenz, wäh­ Durchblutungsstörung ist. Häufige Symptome sind
rend der Muskeltonus vollkommen abfällt. Ein Schlaf­ Veränderungen der Sprache, des Sehens, der Mus­ S
zyklus dauert etwa 90 bis 100 Min. und pro Nacht kelkraft und Lähmungen.
finden sich etwa fünf bis sechs Zyklen bei gesunden
jüngeren Erwachsenen. Über den Nachtverlauf wer­ Schmeckzellen (engl. pl. taste cells) Die Schmeck­
den die Tiefschlafphasen kürzer und die REM-Pha­ zellen liegen in den Geschmacksknospen (Faden-,
254 Schmerz

Pilz-, Blätter- und Wallpapillen) auf der Zunge und se drei Ebenen enthalten eine Flüssigkeit (Lymphe),
im Rachen. Jede Schmeckzelle kann alle fünf Ge­ welche durch den Schall in Schwingung gerät. Dabei
schmacksqualitäten (süß, sauer, bitter, salzig, ­umami) bilden sich entlang der Scala media, die das Corti-
wahrnehmen, sie reagiert aber aufgrund unterschied­ Organ und die Basilarmembran enthält, Wander­
licher Empfindlichkeit preferenziell auf eine der wellen, wodurch der Hörimpuls für die sensiblen
Grundqualitäten mit einer Reiztransduktion. Haarzellen entsteht (7 Corti-Organ).

Schmerz (engl. pain; Syn. Schmerzsinn) Der Schmerz Schutzreflex (engl. protective reflex) Schutzreflexe
bezieht sich auf die Wahrnehmungsfähigkeit von sind polysynaptische Reflexe (= Fremdreflexe), die
­noxischen Reizen, welche affektive, vegetative, senso­ dazu dienen, den Körper vor potenziell schädlichen
rische und motorische Komponenten beinhaltet. externen Reizen zu schützen oder diese zu entfer­
Ursprung einer Schmerzwahrnehmung ist häufig die nen. Typische Schutzreflexe sind Beugereflexe (z. B.
Zerstörung von Zellen oder Geweben in der Nähe Beugung des gesamten Beins bei einem Schmerzreiz
von freien Nervenendigungen. Diese transportieren an der Fußsohle), Tränenfluss- und Lidschlussreflex
die schmerzrelevanten Reize (z. B. Ausschüttung von sowie Nies- und Kratzreflex.
Gewebshormonen) aus der Haut und dem Körper­
inneren über dünne markhaltige sowie sehr dünne Schwann-Zellen (engl. pl. Schwann cells) Schwann-
marklose Fasern zum Rückenmark. Nach Verschal­ Zellen erfüllen die Funktion von Gliazellen in der
tung auf die kontralaterale Seite steigen die Schmerz­ Peripherie und bilden die Markhülle der Axone,
signale im spinothalamischen Trakt auf und leiten ­welche sie isolieren und ernähren. Zwischen den
die Information zur Medulla, zum periaquäduktalen Myelinscheiden befinden sich die sog. Ranvierschen
Grau (PAG) und verschiedenen Thalamuskernen Schnürringe, über die eine springende (saltatorische)
weiter. Von hier erfolgt die Projektion in verschie­ Reizweiterleitung stattfindet.
dene Kortexbereiche. Absteigende Faserbündel mo­
dulieren die nozizeptive Reizverarbeitung auf ver­ Schwelle, absolute (engl. absolute threshold) Die ab­
schiedenen Ebenen (PAG, Rückenmark). solute Schwelle bezeichnet den Wert für die Inten­
sität eines Reizes (Beispiel: Lautstärke eines Tones),
Schmerzkomponenten (engl. pl. pain components) die ausreicht, damit der Stimulus von einer Person
Schmerzkomponenten sind verschiedene, voneinan­ gerade noch wahrgenommen wird. Dieser Punkt des
der unabhängige Schmerzdimensionen. Sie werden subjektiven Verschwindens bzw. Erscheinens eines
unterschieden in sensorisch-diskriminante Schmerz­ Stimulus ist nicht konstant, sondern eine Größe, die
komponenten (= sensorische Qualität des Schmerzes; aufgrund des Einwirkens mehrerer Faktoren durch
betrifft Art, Ort und Dauer), affektive Schmerzkom­ inter- und intraindividuelle Variabilität gekennzeich­
ponenten (= affektive und emotionale Bewertung net ist. Man unterscheidet die untere von der oberen
des Schmerzes), vegetative (autonome) Schmerz­ Absolutschwelle. In der Psychophysik wurden einige
komponenten (= reflektorische Reaktionen des au­ Verfahren zur Bestimmung der jeweiligen Schwellen
tonomen Nervensystems auf schmerzhafte Reizung), entwickelt (Herstellungs-, Grenz- oder Konstanzme­
motorische Schmerzkomponenten (= Flucht- und thode), welche jedoch durch die Signalentdeckungs­
Schutzreflexe; durch Schmerz hervorgerufene Ver­ theorie weitgehend abgelöst wurden.
haltensweisen) und kognitive Schmerzkomponen­
ten (= Bewertung des Schmerzes; Abgleichung mit Scrotum (engl. scrotum) Das Scrotum ist eine beutel-
früheren Erfahrungen, Erwartungen). artige Ausstülpung der vorderen Bauchwand und
gehört zu den männlichen Geschlechtsorganen. In
S Schnecke (engl. cochlea) Das Hörorgan wird wegen ihm eingeschlossen sind Hoden (Testes), Nebenho­
seiner zweieinhalb Windungen Schnecke genannt den, Samenstränge, Nerven und Gefäße. Der Haut­
und befindet sich im Innenohr. Es besteht aus drei beutel selbst ist aus mehreren Schichten aufgebaut:
Ebenen: der Scala vestibuli und der Scala tympani, der Haut, der Unterhaut, der Fascia cremasterica,
welche durch die Scala media getrennt werden. Die­ dem Musculus cremaster, der Fasciae spermaticae
Sehstrahlung 255

und der Tunica vaginalis testis. Eine der Hauptauf­ einer sehr geringen Lichtintensität reagieren. Da­
gaben des Scrotums ist es, die Temperatur der ­Hoden durch, dass viele Stäbchen auf wenige Ganglienzel­
zu regulieren. Beim Menschen bewegt sich die opti­ len umgeschaltet werden, ist die Sehschärfe jedoch
male Temperatur für die Spermien bei ca. 34,4° Cel­ eher gering. Die Dunkeladaptation erfolgt langsam,
sius, also leicht unter der normalen Körpertempe­ ist aber deutlich besser als die der Zapfen. Das Ge­
ratur. Bei Kälte kann das Scrotum durch reflexartige genteil zum skotopischen Sehen ist das photopische
Anspannung des Musculus cremaster die Hoden Sehen.
­näher an den Körper bringen und wärmen, während
bei Wärme der Musculus cremaster entspannt, das Sehgrube (engl. fovea) Die Sehgrube ist der Bereich
Scrotum sich ausdehnt und die Hoden vom Körper des schärfsten Sehens auf der Netzhaut bei Säuge­
entfernen, sodass sie gekühlt werden. tieren. Er befindet sich im Zentrum des gelben Flecks
und stellt eine im Durchmesser ca. 1,5 mm große
Second-Messenger 7 Botenstoff, sekundärer Einsenkung dar. Die Fovea centralis enthält keine
Stäbchen zum Dämmersehen, aber ca. 60.000 Zap­
Sehbahn (engl. optic nerve) Die Sehbahn ist die neu­ fen zur Farbwahrnehmung. Diese Zapfen sind 1:1
ronale Verbindung des optischen Systems vom Auge mit den Ganglienzellen verschaltet, was zu einer kor­
bis zum Okzipitallappen des Kortex, wo die Verar­ tikalen Überrepräsentation der Fovea centralis im
beitung der optischen Reize stattfindet. Die Zapfen visuellen Kortex führt.
und Stäbchen der Retina bilden das erste Neuron der
Sehbahn, das zweite Neuron wird von den inneren Sehpurpur 7 Rhodopsin
Körnerzellen gebildet. Diese sind bipolare Nerven­
zellen, deren Axone zu den multipolaren Nervenzel­ Sehschärfe (engl. visual acuity; Syn. Visus) Seh­
len, dem dritten Neuron der Netzhaut, führen. Die schärfe bezieht sich auf das Auflösungsvermögen
Sehnerven werden von den langen Axonen der multi­ des Auges. Gemeint ist die Fähigkeit des Auges, zwei
polaren Nervenzellen über die Sehnervenkreuzung nahe beieinander liegende Punkte gerade noch als
(Chiasma opticum) hinweg gebildet. Über die Seh­ getrennt voneinander wahrzunehmen. Nur wenn
bahnen findet die Reitzweiterleitung bis zum vierten sich in der Retina zwischen zwei gereizten Zapfen
Neuron statt. Die Reize werden übertragen und als ein nicht gereizter Zapfen befindet, ist die getrennte
Sehstrahlung zur primären Sehrinde im Okzipital­ Wahrnehmung zweier Punkte möglich. Überprüft
lappen weitergeleitet. wird die Sehschärfe mit Leseprobetafeln, auf denen
Optotypen (Sehzeichen wie einzelne Buchstaben
Sehen, photopisches (engl. photopic vision) Photo­ oder Zahlen) abgebildet sind, die in festgelegter Ent­
pisches Sehen ist das detaillierte Sehen bei Tages­ fernung erkannt werden sollen. Die mathematische
licht, welches bei einigen Spezies, so auch beim Formel des Visus lautet: Visus = 1/α (Winkelminu­
­Menschen, das Farbsehen einschließt. Es benötigt ten-1). Ein Visus von 1,0 oder 100 Prozent entspricht
eine hohe Lichtintensität und erfolgt über die Zapfen einer vollen Sehschärfe. Die Sehschärfe ist in der
der Retina. Die Dunkeladaptation erfolgt schnell. ­Fovea centralis am größten und korreliert mit der
Die Zapfen sind weit weniger lichtsensitiv als die Dichte der Sensoren und rezeptivenFeldgröße in der
Stäbchen; daher ist ein Farbsehen bei Dämmerung Netzhaut.
eingeschränkt bzw. in der Nacht nicht möglich. Der
Gegensatz zum photopischen Sehen ist das skoto­ Sehstrahlung (engl. optic radiation) Bei der Wahr­
pische Sehen. nehmung eines Objektes leiten Sehnerven die von
den Ganglienzellen der Netzhaut generierten Ak­
Sehen, skotopisches (engl. scotopic vision) Skoto­ tions­potenziale über das Chiasma opticum, den S
pisches Sehen beinhaltet sowohl Dämmerungssicht ­Corpus geniculatum laterale (CGL) im Thalamus zur
als auch das Sehen von Schwarz-Weiß, allerdings primären Sehrinde (visueller Kortex, V1-Areal) im
können keine Farben unterschieden werden. Es er­ Hinterhauptslappen der Großhirnrinde. Aufgrund
folgt mittels der Stäbchen der Retina, die bereits ab der ausgeprägten, streifenförmig aussehenden Ner­
256 Sekretion

venbahnen zwischen Thalamus und V1 wird dieser einer frühen Entwicklungsphase des Immunsystems
Teil der Sehbahn als Sehstrahlung be­zeichnet. durch Abtötung und/oder Inaktivierung der selbst­
reaktiven Immunzellen erreicht.
Sekretion (engl. secretion) Als Sekretion wird die
Ausscheidung von Körperflüssigkeiten (Sekreten) Selektion, natürliche (engl. natural selection) Die
wie Hormone, Zytokine, Schweiß, Tränen, Speichel, natürliche Selektion ist ein Begriff der Darwinschen
Magensäure oder Gallenflüssigkeit bezeichnet. Die Evolutionstheorie. Danach werden Merkmale im
Sekretion erfolgt entweder über spezielle Ausfüh­ Phänotyp einer Art, die zu einer höheren Überle­
rungsgänge an die Körperoberfläche (Exokrinie) bens- und Fortpflanzungsrate führen, mit größerer
oder die Stoffe werden von den produzierenden Wahrscheinlichkeit an die nachfolgende Generation
­Zellen direkt in das Blut oder in den Magen-Darm- weitergegeben. Die höhere Fitness (Wahrscheinlich­
Trakt abgesondert (Endokrinie). keit zu überleben und sich fortzupflanzen) führt zu
einer besseren Anpassung an die Umwelt. Die künst­
Sekundärantwort (engl. secondary response) Die liche Selektion, die in der Tierzucht eingesetzt wird,
S­ ekundärantwort ist eine spezifische Immunant­ ist der natürlichen sehr ähnlich, allerdings werden
wort, die bei erneutem Kontakt mit dem gleichen dabei vom Züchter gewünschte spezifische Eigen­
Antigen auftritt, auf das bereits eine Primärantwort schaften (wie etwa die Fellfarbe) durch gezielte
stattgefunden hat. Bei der primären Antwort wur­ Züchtungen erreicht.
den langlebige Gedächtniszellen (antigenspezifische
B- und T-Lymphozyten) gebildet, die es ermög­ selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
lichen, dass bei Sekundärkontakt eine spezifische (engl. pl. selective noradrenaline reuptake inhibitors)
Immunreak­tion früher beginnt, stärker ausgeprägt Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
ist und über einen längeren Zeitraum erhöht bleibt. (SNRI) sind Medikamente, die zur Klasse der Anti­
Damit ist ein effektiveres Reagieren auf Antigene depressiva gehören. Sie hemmen die Wiederaufnah­
­gewährleistet und verhindert meist eine Erkran­ me von Noradrenalin in die präsynaptische Endi­
kung. gung und erhöhen damit seine Konzentration im
synaptischen Spalt, so dass es länger an der postsyn­
Selbstreizung, intrakranielle (engl. intracranial self aptischen Zelle wirken kann. Ein bekannter SNRI ist
stimulation) Bei der intrakraniellen Selbstreizung Reboxetin.
stimulieren sich Versuchstiere durch eine im­
plantierte Elektrode im Gehirn selbst. Diese Stimu­ selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
lation wird, abhängig vom Ort der Elektrode, von (engl. selective serotonin reuptake inhibitors) Selektive
den Versuchstieren als belohnend oder bestrafend Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sind
erlebt und führt zu Annäherungs- oder Vermei­ Medikamente, die zur Klasse der Antidepressiva ge­
dungsverhalten. Das mesolimbische Dopaminsys­ hören und die dritte Generation dieser Medikamente
tem sowie der Präfrontalkortex sind die bevorzugten darstellen. Sie hemmen die Wiederaufnahme von
zentralner­vösen Gebiete, in denen die Effekte intra­ Serotonin in die präsynaptische Endigung und er­
kranieller Selbstreizung – meist im Zusammen­ höhen damit die Serotonin-Konzentration im syn­
hang mit Drogenwirkungen im Gehirn – untersucht aptischen Spalt, so dass es länger an der postsynap­
werden. tischen Zelle wirken kann. Ein Vorteil der SSRIs ge­
genüber trizyklischen Antidepressiva sind die ge­
Selbsttoleranz (engl. self-tolerance; Syn. Eigentole- ringeren Nebenwirkungen, da sie spezifisch am bei
ranz) Selbsttoleranz ist die Toleranz des Immunsys­ Depressionen häufig gestörten Serotoninhaushalt
S tems gegenüber körpereigenen Antigenen, die eine ansetzen. Neben der Behandlung von Depressionen
Unterscheidung von körpereigenen und körper­ finden SSRIs auch Verwendung bei der Behandlung
fremden Stoffen ermöglicht. Auf diese Weise können von Angststörungen und Phobien. Ein bekannter
Fremdkörper abgewehrt und Autoimmunerkran­ selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ist
kungen verhindert werden. Selbsttoleranz wird in Fluoxetin.
Signalentdeckungstheorie 257

Sensibilisierung (engl. sensitization) Verabreicht siva (z. B. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer,


man einem Organismus wiederholt den gleichen SSRIs) gezielt den Serotoninhaushalt. Des Weiteren
Wirkstoff, so bleibt seine Wirkung oft nicht konstant. spielt Serotonin eine wichtige Rolle bei der Regula­
Wird die verabreichte Substanz immer wirksamer, so tion von Schlaf, Arousal sowie verschiedenen moto­
spricht man von Sensibilisierung. Da körper­eigene rischen und sensorischenn Prozessen.
kompensatorische Mechanismen Abweichungen vom
optimalen Wertebereich des physiologischen Pro­ Set Point 7 Bezugspunkt
zesses korrigieren, tritt Sensibilisierung deutlich sel­
tener auf als Toleranz (= wiederholte Verabreichung sezernieren 7 Sekretion
führt zu geringerer Wirksamkeit eines Stoffes). Sen­
sibilisierung entsteht meist durch Erhöhung der Re­ Sham drinking 7 Scheintrinken
zeptorenanzahl für den verabreichten Stoff.
Sham eating 7 Scheinfütterung
Septum (engl. septum) Septum ist der Fachbegriff
für vielfältige Scheidewände im Körper. Dazu zählen Signalentdeckungstheorie (engl: signal detection
das Septum cordis (Herzscheidewand), das Septum theory) Die Signalentdeckungstheorie (SDT) befasst
interatriale (Scheidewand zwischen dem linken und sich mit der Vorhersage und Erklärung von Ent­
dem rechten Vorhof des Herzens), das Septum inter­ scheidungen unter Unsicherheit. Sie berücksichtigt
ventriculare (Herzkammerscheidewand; sie bildet neben Reizeigenschaften die Sensitivität des Wahr­
die Grenze linker und rechter Herzkammer), das nehmenden und dessen Entscheidungskriterien.
Septum intermusculare (Trennwand aus Binde­ Jeder Reiz (Signal) wird von einem Rauschen über­
gewebe zwischen einzelnen Muskelgruppen), das lagert. Signal und Rauschen können als zwei einan­
Septum nasi (Nasenscheidewand) und das Septum der überlappende Wahrscheinlichkeitsverteilungen
linguae (Trennwand aus Bindegewebe in der ­Zunge). dargestellt werden. In einer konkreten Wahrneh­
In der Neuroanatomie wird mit dem Septum eine mungssituation muss ein Mensch entscheiden, ob
Hirnstruktur benannt, die zusammen mit Mammi­ nur ein Rauschen oder tatsächlich ein Signal vor­
larkörpern, Hippocampus und Amygdala Teile des handen ist. Er kann einen tatsächlich vorhandenen
limbischen Systems bildet. Es befindet sich an der Reiz erkennen (hit, Treffer = Sensitivität) oder ihn
vorderen Spitze des zingulären Kortex. übersehen (miss, Verpasser = β-Fehler), einen nicht
vorhandenen Reiz fälschlich »wahrnehmen« (false
Serotonin (engl. serotonin) Serotonin (5-Hydroxy­ alarm, falscher Alarm = α-Fehler) oder ihn richtig
tryptamin, 5-HT) wird aus der Aminosäure Trypto­ als nicht vorhanden einschätzen (correct rejection,
phan synthetisiert und zählt zur Klasse der Indola­ korrekte Zurückweisung = Spezifität). Diese Ent­
mine. Der Name wird aus seiner Wirkung auf den scheidung hängt neben der Sensitivität des Wahr­
Blutdruck abgeleitet: Serotonin ist ein Bestandteil nehmenden auch von Eigenschaften des Reizes ab
des Serums, der den Tonus (Druck) der Blutgefäße (Unterscheidbarkeit des Reizes vom Rauschen, d. h.
reguliert. Große Teile des Gehirns werden von sero­ Überlappung der beiden Kurven und deren Streu­
tonergen Fasern innerviert, obwohl die 5-HT-Zell­ ung) sowie vom Entscheidungskriterium des Wahr­
körper relativ selten sind (beim Menschen ca. nehmenden. Dieses kann liberal, neutral oder kon­
200.000) und ihren Ursprung hauptsächlich in den servativ sein, je nachdem, welche Fehlerart (miss
Raphé-Kernen des Hirnstammes haben. Serotonin oder false alarm) als schlimmer bewertet wird. Die
wirkt als Gewebehormon bzw. Neurotransmitter im Sensitivität kann ermittelt werden, indem Treffer
zentralen Nervensystem, im Herzkreislaufsystem, und falsche Alarme in einer sog. Receiver Operating
im Blut und im gastrointestinalen Trakt. Eine Fehl­ Characterstics Curve (ROC-Kurve) gegeneinander S
regulation des zentralnervösen serotonergen Sys­ abgetragen werden. Die SDT wird auf Entschei­
tems scheint in engem Zusammenhang zur Ent­ dungsprobleme u. a. in der Ingenieurspsychologie
stehung oder Aufrechterhaltung von Depressionen (z. B. Anlagenüberwachung) und der Medizin (z. B.
zu stehen, daher beeinflussen gängige Antidepres­ Befundung von CT-Bildern) angewendet.
258 Simultanagnosie

Simultanagnosie (engl. simultanagnosia) Bei der schiedlicher Aspekte desselben Sinnes über ge­
Simultanagnosie handelt es sich um eine Störung der trennte Nervenbahnen. So etwa werden leichte Be­
Aufmerksamkeit, bei der die Patienten nicht mehr rührungen, Dehnung der Haut oder Vibrationsreize
als ein Objekt zur selben Zeit wahrnehmen können. über verschiedene Sinneskanäle an das ZNS ge­
Simultanagnosie ist ein für das Balint-Syndrom ty­ meldet.
pisches Symptom.
Sinus-Knoten (engl. sinus knot) Der Sinus-Knoten ist
Single-Photon-Emission-Computed-Tomography der Ursprung der Erregungsbildung und Erregungs­
(engl. single photon emission computed tomography) weiterleitung im Herzen. Er liegt im oberen Teil der
Die Single-Photon-Emission-Computed-Tomogra­ Wand des rechten Vorhofes. Über den Sinus-Knoten
phy (SPECT) gehört zu den invasiven funktionellen verläuft die Erregung weiter zum AV-Knoten, zum
bildgebenden Verfahren und ist neben der Positro­ His-Bündel, zu den Kammerschenkeln und den
nen-Emissions-Tomographie (PET) das wichtigste ­Purkinje-Fasern, von wo sie in die Kammermusku­
emissionscomputertomographische Verfahren. Auf latur weitergeleitet wird. Ziel ist die Erregung der
SPECT-Bildern werden keine Strukturen, sondern kompletten Vorhof- und Kammermuskulatur. Das
physiologische Prozesse dargestellt. Bei der Durch­ Erregungsbildungs- und Weiterleitungssystem des
führung werden die interessierenden Substanzen im Herzens ist autonom. Der Sinus-Knoten wird auch
Körper mit Radionukliden versehen. Das geschieht als körpereigener Herzschrittmacher bezeichnet.
je nach Art des SPECTs über eine intravenöse In­
jektion (HMPAO-SPECT) oder eine Inhalation Skelettmuskel (engl. extrafusal muscle fiber) Skelett­
(­Xenon-SPECT) des Radiopharmakons. Radio­ muskeln stellen als eigentliche Arbeitsmuskulatur
nuklide sind radioaktive Substanzen, die in alle den Großteil eines Muskels dar. Sie liegen außerhalb
Richtungen Gammastrahlen abgeben. Diese Strah­ der Muskelspindeln und haben einen Durchmesser
lung wird mit speziellen Detektoren, die entweder von fünfzehn bis dreißig Mikrometer.
um den Körper rotieren oder fest installiert sind,
­gemessen. Per Computer kann man anhand dieser Skin conductance 7 Hautleitfähigkeitreaktion
Werte die Verteilung der interessierenden Substanz
errechnet werden. Das Resultat ist eine Vielzahl von Skin conductance level 7 Hautleitwertniveau
Schnittbildern. Vorteile des SPECTs sind die lange
Halbwertszeit der Nuklide, die Langzeitbeobach­ Skin conductance response 7 Hautleitfähigkeits­
tungen ermöglichen (so kann ein Radiopharmakon reaktion
während eines epileptischen Anfalls gespritzt wer­
den, die Messung erfolgt später), sowie die Möglich­ Sklera (engl. sclera) Als Sklera wird die weiße und
keit, verschiedene Nuklide gleichzeitig zu beobach­ undurchsichtige Lederhaut bezeichnet, die den Aug­
ten. Nachteile sind die hohen Kosten sowie hohe apfel umschließt. Sie ist eine dehnungsfeste Bindege­
Invasivität durch radioaktive Belastung. webskapsel, die aus dicken, vorwiegend kollagenen
Fasern besteht. Durch den Augeninnendruck unter­
Sinneskanal (engl. labeled line) Sinneskanäle dienen stützt, hält sie die Form des Augapfels aufrecht. Sie
der Unterscheidung von einkommenden Aktions­ besteht hauptsächlich aus drei Schichten: der Epi­
potenzialen, die bestimmten Sinnen zuzuordnen sklera, dem Stroma und der Lamina fusca. Die ­Sklera
sind. Sinneskanäle sind spezifische Nervenzellen mit reicht von der Eintrittsstelle des Sehnervs bis zur
ihren Fortsätzen, die auf ganz bestimmte Sinnes­ Hornhaut (Cornea) des Auges. Dort, wo die Licht­
erfahrungen bzw. -qualitäten spezialisiert sind. So strahlen eintreffen, an der Vorderseite des Auges,
S werden bspw. Geruchsinformationen über einen geht sie in die durchsichtige Linse über, mit welcher
­anderen Sinneskanal transportiert als auditive Infor­ sie gemeinsam die stabile Außenhülle des Auges bil­
mationen, ebenso Berührungen, Sehempfindungen det. Die Sklera hat die Aufgabe das Auge zu schüt­
und Geschmacksinformationen. Selbst innerhalb zen. Bei einer Entzündung dieser Hautschicht spricht
einer Sinnesqualität erfolgt die Weiterleitung unter­ man von Episkleritis oder Skleritis.
Somatosensorik 259

Skopolamin Skopolamin ist eng verwandt mit Atro­ SNRI 7 selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme­
pin und kommt in Nachtschattengewächsen wie der hemmer
Tollkirsche und Engelstrompete vor. Es ­ blockiert
als kompetitiver Antagonist muskarinerge Azetyl­ SNS 7 Sympathikus
cholin-(ACh-)Rezeptoren, so dass der aktivierende
Agonist ACh nicht mehr am Rezeptor binden kann. Sollwert (engl. set point) Der Sollwert ist ein Begriff
Skopolamin wirkt auf das zentrale Nervensystem der Regelungslehre, die veranschaulichen soll, wie
ein und wird v. a. in negativen Zusammenhang mit durch Regelungsvorgänge ein biologisches Gleich­
Lernen und Gedächtnis gebracht. Es kann bei einer gewicht (Homöostase) erreicht oder beibehalten
höheren Dosis bzw. Überdosierung zu weit reichen­ werden kann. Zum Beispiel kann im Regelsystem
dem Gedächtnisverlust führen. Andere Ne­ben­ der Thermoregulation die für den Organismus opti­
wirkungen sind z. B. traumloser Schlaf, Delirium, male Körpertemperatur als Sollwert bezeichnet
Verwirrtheits­zustände, Konzentrationsstörungen ­werden. Dieser kann jedoch vom tatsächlich vorhan­
und eine erhöhte Herzfrequenz. Skopolamin wird denem Wert, Istwert oder Regelgröße genannt, ab­
wie Atropin auch zur Pupillenerweiterung einge­ weichen. Haben Istwert und Sollwert unterschied­
setzt. liche Werte, liegt eine Regelabweichung vor. Im Ver­
lauf der Temperaturregulation wird der Unterschied
Skotom (engl. scotoma) Skotome sind Ausfälle eines gemessen und über Regler die Körpertemperatur
Teiles des Gesichtsfeldes infolge des Verlusts der dem Sollwert angeglichen.
­visuellen Empfindung. Gesichtsfeldausfälle können
als Folge von einer Reihe von Erkrankungen der Re­ Soma (engl. cell body) Soma bezeichnet den Zell­
tina oder der Sehbahn im Gehirn auftreten. Hin­ körper, der den Kern einer Körperzelle umgibt. Es
weise auf den Sitz der Schädigung geben Ort und enthält u. a. die Zellorganellen (u. a. Mitochondrien,
Umfang sowie ein- oder beidseitiges Auftreten des endoplasmatisches Retikulum, Golgi-Apparat) und
Skotoms. Ein begrenzter vorübergehender Gesichts­ eine Vielzahl von geladenen und ungeladenen Teil­
feldausfall wird als Flimmerskotom bezeichnet und chen. Der Zellkörper kann somit als Stoffwechsel­
tritt häufig bei Migräne auf. Das physiologische zentrum der Zelle bezeichnet werden. Bei Nerven­
­Skotom, den sog. blinden Fleck, gibt es im Gesichts­ zellen zweigen sich vom Soma Dendriten und das
feld jedes Auges und zwar an der Stelle, an der der Axon ab, wobei Letzteres mit dem Soma durch den
Sehnerv die Netzhaut verlässt. Axonhügel verbunden ist.

Slow-Wave-Schlaf (engl. slow-wave-sleep) Der Slow- Somatosensorik (engl. somatosensation) Die Soma­
Wave-Schlaf (SWS) ist abzugrenzen vom REM- tosensorik beinhaltet alles, was der Organismus über
Schlaf, also dem »Traumschlaf«, welcher u. a. durch die Haut, Muskeln oder Gelenke wahrnimmt: Be­
schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet ist. rührung, Kälte, Schmerz etc. Ebenso wie bei anderen
Slow-Wave-Schlaf ist in vier Schlafstadien zu tren­ Sinnen kann auch hier ein Stimulus genau lokalisiert
nen, die als nREM-Schlaf (non-REM) bezeichnet und dessen Stärke rasch erkannt werden. Einige Be­
werden. Das dritte und vierte Stadium machen dabei reiche der Haut sind sensitiver für Berührungen als
die »Tiefschlaf«-Phase aus. Das EEG zeigt für die andere. So sind bspw. in den Lippen wesentlich mehr
dritte Phase Spindeln mit unregelmäßigen, hohen somatosensorische Rezeptoren enthalten als im Rü­
Wellen und für die vierte Phase eine hohe, langsame cken. Es gibt fünf verschiedene Hautrezeptortypen:
Delta-Aktivität. Unter Normalbedingungen geht bei in den Vater-Pacini-Körperchen, Meissner-Korpus­
Säugetieren der SWS stets dem REM-Schlaf voraus. keln, Merkelscheiben, Ruffini-Endigungen und frei­
Während der gesamten Schlafphase wiederholen sich en Nervenendigungen. Diese Rezeptorstrukturen S
die Phasen in ähnlichen Zyklen. Die SWS-Phasen sind unterschiedlich aufgebaut und verarbeiten ver­
sind im zweiten und dritten Schlafzyklus am längs­ schiedene Reize. So etwa feuern Ruffini-Endigungen,
ten, in den letzten Zyklen kommen sie hingegen fast wenn die Haut gedehnt wird, während Vater-Pacini-
gar nicht mehr vor. Körperchen einen vibrierenden Reiz detektieren
260 Somatotopie

können. Somatosensorische Reize werden über das Somnambulismus 7 Schlafwandeln


Rückenmark und Hirnstamm zum Thalamus gelei­
tet und von dort in den somatosensorischen Kortex Somnolenz (engl. somnolence) Man unterscheidet
projiziert. quantitativ verschiedene Bewusstseinsstörungen,
bei denen alle Bewusstseinsleistungen betroffen sind
Somatotopie (engl. somatotopy) Die Abbildung von (Benommenheit, Somnolenz, Sopor und Koma).
Körperregionen auf einem Gehirnareal nennt man Dabei bezeichnet die Somnolenz einen schläfrigen
Somatotopie. Im somatosensorischen Kortex trifft Zustand. Der Patient ist nur durch von außen gege­
Information von Sinneszellen von der gesamten bene Reize erweckbar (z. B. Kneifen) und kann dann
Körperoberfläche sowie von Muskeln und Gelenken einfache Fragen beantworten. Ursache für einen
ein. Körperregionen mit besonders vielen Sinnes­ ­solchen Zustand können u. a. hirnorganische Pro­
zellen (z. B. Lippen) belegen den größten Teil des zesse wie z. B. ein Hirntumor oder eine toxische
so­matosensorischen Kortex, während unempfind­ ­Ursache (z. B. Drogeneinnahme) sein. Als Sofort­
lichere Regionen (z. B. Rumpf) auf wesentlich klei­ maßnahme gilt das Sichern der Vitalfunktionen und
neren Flächen repräsentiert werden. Punkte, die auf schnelle intensivmedizinische Betreuung, gefolgt
der Körperoberfläche nebeneinander liegen, werden von der Suche nach dem Auslöser und der Therapie
auch im Gehirn nebeneinander abgebildet (Punkt- des Grundleidens.
zu-Punkt-Abbildung), d. h. die Körperoberfläche ist
im Gehirn wieder wie ein Körper (somatotop) abge­ Spalt, synaptischer (engl. synaptic cleft) Das präsy­
bildet. naptische Endköpfchen wird von der postsynap­
tischen Membran durch den synaptischen Spalt ge­
Sommerdepression (engl. summer depression) Som­ trennt. Dieser ist ca. 20–40 nm breit und mit Extra­
merdepression ist die Form der saisonal affektiven zellulärflüssigkeit gefüllt. Die Synapse stellt also
Störung, die im späten Frühling oder zeitigen Som­ ­einen Bereich extremer Annäherung dar, ohne dass
mer beginnt. Sie ist ungefähr zehnmal seltener als sich prä- und postsynaptische Zelle direkt berühren.
die Winterdepression und bis heute noch wenig Signale, die in der Präsynapse ankommen, werden
­erforscht. Die Symptome der Sommerdepression mittels Neurotransmitter über den Spalt hinweg
sind entgegen den Symptomen der Winterdepres­ zur postsynaptischen Membran übertragen. Dort
sion Reiz­barkeit, Teilnahmslosigkeit, Gewichtsver­ binden die Botenstoffe an Rezeptoren, so dass eine
lust, verringerter Appetit, Schlaflosigkeit und innere Kommunikation sowie Signalübertragung zwischen
­Unruhe sowie Angstzustände. Auch lassen sich typi­ den Nervenzellen stattfindet. Im synaptischen Spalt
sche Depressionssymptome finden wie z. B. Schuld­ befinden sich Enzyme, die in der Lage sind, die
gefühle, Gefühle der Hilflosigkeit und Hoffnungs­ ­Neurotransmitter der Präsynapse zu zerlegen und
losigkeit, Interessenverlust und physiologische sie somit zu deaktivieren.
­Symp­tome wie Kopfschmerzen. Ausgelöst wird
die Sommerdepression wahrscheinlich eher durch Spalthirn-Operation (engl. split brain surgery) Bei
­Hitze als durch starke Beleuchtungsbedingungen. einer Spalthirnoperation wird der Corpus callosum
Es wird empfohlen, die Körpertemperatur konstant (Balken) durchtrennt, um eine deutliche Verrin­
niedrig zu halten, was durch kalte Duschen, Schwim­ gerung von epileptischen Anfällen zu bewirken. Der
men, kalte Getränke und v. a. durch eine Klima­ Corpus callosum ist die größte Kommissur des Ge­
anlage ­gesichert werden kann. In milden Fällen von hirns und verbindet die Areale des Neokortex beider
Sommer­depression reicht es, regelmäßige Aufgaben Hemisphären miteinander. Bei Epilepsie handelt es
innerhalb des Hauses zu erledigen, seine sozialen sich um starke Überaktivität einer Hemisphäre,
S Kontakte ins Haus zu verlegen sowie regelmäßiger ­welche über die Faserverbindungen des Corpus
Schlaf und die Vermeidung von kohlenhydrathalti­ ­callosum auf die andere Hemisphäre weitergeleitet
gen Nahrungsmitteln. Zur medikamentösen Thera­ wird. Der Balken ermöglicht also eine Ausbreitung
pie werden wie bei jeder Form der Depression Anti­ von epileptischen Herden im Gehirn. Die Durch­
depressiva eingesetzt. trennung des Corpus callosum verhindert diese
Split-Brain 261

Ausbreitung und senkt deutlich das Auftreten epi­ auf seine Zeichnung, sondern kann sie nur in einem
leptischer Anfälle. Spiegel sehen. Bei einem intakten prozeduralen Ge­
dächtnis benötigt der Proband mit zunehmender
Sparse-Coding (engl. sparse coding) Unter dem Anzahl an Wiederholungen der Aufgabe weniger
»Sparse-Coding-Model« der neuronalen Kommu­ Zeit für eine akkurate Leistung des Nachzeichnens.
nikation versteht man, dass wenige Neurone in Dieses Paradigma wurde in der Forschung u. a. da­
einem großen neuronalen Netzwerk Informationen zu verwendet, explizites und implizites Gedächtnis
in Form von Aktionspotenzialen weiterleiten. als zwei getrennt voneinander arbeitende Systeme
nachzuweisen.
Spasmus (engl. spasm) Als Spasmus bezeichnet man
eine unwillkürlich verkrampfende Kontraktion ein­ Spike-Wave-Komplex (engl. spike wave complex) Bei
zelner Muskeln oder Muskelgruppen, welche in be­ Epilepsien typischerweise auftretendes Krampfpo­
stimmten Zeitintervallen wiederkehrt. tenzial im Elektroenzephalogramm (EEG), bei dem
Spikes (zackenartige Auslenkungen), gefolgt von
Spätdyskinesie (engl. tardive dyskinesia) Eine Spät­ ­einer langsamen Welle, zu beobachten sind.
dyskinesie ist eine Bewegungsstörung, die als mög­
liche Nebenwirkung nach längerer Einnahme be­ Spinalganglion (engl. spinal ganglion) Spinalgang­
stimmter Arzneimittel (z. B. Neuroleptika) auftreten lien sind Nervenzellansammlungen in den Hinter-
kann. Mögliche Symptome sind z. B. Zittern der und Vorderhornwurzeln des Rückenmarks. Hier
Hände, ungelenke oder abrupte, eventuell aber auch finden sich die Zellkörper der meisten Nervenzellen,
verringerte, stockende Bewegungen von Armen und welche entweder sensorische Informationen aus der
Beinen, Krämpfe oder unwillkürliche Schnalz- und Körperperipherie (u. a. Haut, innere Organe) zum
Grunzlaute. Die Symptome gehen vermutlich auf zentralen Nervensystem leiten (Hinterhornwurzel)
eine durch die Neuroleptikagabe beeinträchtigte do­ oder die periphere Muskulatur innervieren (Vorder­
paminerge Erregungsübertragung in den Basalgang- hornwurzel).
lien zurück.
Spinalnerven (engl. pl. spinal nerves) Spinalnerven
SPECT 7 Single-Photon-Emission-Computed Tomography sind Nervenpaare, die zwischen den Wirbeln aus
dem Rückenmark austreten. Die vordere und hinte­
Spezies (engl. species) Spezies ist ein Begriff aus der re Wurzel eines Rückenmarknervs bilden einen ge­
Taxonomie (= systematische, wissenschaftlich be­ mischten Nerv (Nervus mixtus), da er aus afferenten
gründete Einteilung von Organismen zum Zwecke (sensorischen) und efferenten (motorischen) Fasern
der Beschreibung ihrer Stammesentwicklung und besteht. Die Afferenzen leiten Signale der Sinneszel­
ihrer Verwandtschaftsbeziehungen). Der Artbegriff len (z. B. Schmerz- oder Berührungsempfindungen)
ist unterhalb der Gattung (= Genus) angesiedelt. Die aus dem Körper über die graue Substanz des Rücken­
Vertreter einer Art stimmen in sehr vielen Gestalt- marks ins ZNS. Die efferenten Axone treten aus dem
und Physiologiemerkmalen überein. Laut internatio­ Rückenmark aus und leiten Signale vom ZNS in die
nalen Bestimmungen setzt sich der Begriff aus dem Peripherie (zu den Erfolgsorganen), so dass nachfol­
allgemeinen Gattungsnamen und dem Speziesnamen gend z. B. Muskelkontraktionen ausgelöst werden.
als Attribut zusammen, z. B. Leptospira interrogans.
Spines 7 Dornen, dendritische
Spiegelzeichnen (engl. mirror drawing) Spiegel­
zeichnen ist ein nach Blakemore (1977) entwickelter Split-Brain (eng. split brain) Bei Split-Brain-Patienten
Test zur Überprüfung des prozeduralen Gedächt­ sind die Querverbindungen der beiden Hirnhemis­ S
nisses (7 Gedächtnis, nondeklaratives) anhand einer phären – der Corpus callosum (Balken) – durch­
motorischen (impliziten) Lernaufgabe. Der Proband trennt (Kommissurektomie). In der Medizin wird
hat die Aufgabe, eine einfache geometrische Figur diese Operationsmethode zur Behandlung nicht­
nachzuzeichnen. Dabei hat er keinen direkten Blick medikamentös beeinflussbarer epileptischer Erkran­
262 Sprechapraxie

kungen angewendet. Roger Sperry (1913–1994; Neu­ (Testis-determinierender Faktor) identifiziert wer­
rologe) und Kollegen führten zahlreiche Experimente den. Dieser Transkriptionsfaktor spielt eine entschei­
mit Split-Brain-Patienten durch, um die Spezialisie­ dende Rolle bei der Differenzierung der humanen
rung der beiden Hirnhemisphären zu erforschen. Gonaden. Der genaue Mechanismus der Einfluss­
Hierfür erhielten sie 1981 den Nobelpreis. nahme ist jedoch noch unklar. Fehlt das SRY-Gen
oder ist es defekt, so wird trotz eines männlichen
Sprechapraxie (engl. verbal apraxia) Die Sprech­ Chromosomensatzes (44 + XY) ein weiblicher Phä­
apraxie bezeichnet eine Störung der Fähigkeit Be­ notyp ausgebildet. Auf der anderen Seite können
wegungen auszuführen, die zur Erzeugung von sinn­ durch Rekombinationsereignisse, welche die SRY-Re­
vollen Sprachlauten notwendig sind. Dazu zählen gion betreffen, auch genotypisch weibliche Men­
Bewegungen des Kehlkopfs, der Zunge und der Lip­ schen (44 + XX) einen männlichen Phänotyp ent­
pen. Eine organische Schädigung dieser Bereiche wickeln.
liegt dabei nicht vor. Die Sprechapraxie wird häufig
durch Schädigungen eines Hirnareals infolge eines SSRI 7 selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
Schlaganfalls verursacht. Es wird vermutet, dass es
sich bei dem dafür relevanten Areal um den linken Stäbchen (engl. pl. rods) Stäbchen sind neben Zap­
insulären Kortex handelt. fen die lichtempfindlichen Rezeptoren der Retina.
Morphologisch sind sie langgestreckte Sinneszellen,
Sprouting 7 Aussprossen, kollaterales deren Photopigment das Rhodopsin (Syn. Sehpur­
pur) ist. In der Dämmerung, wenn die Lichtinten­
Spurenelement (engl. micro element, trace element) sität abnimmt, wird das lichtempfindliche Stäbchen­
Spurenelemente sind anorganische Nährstoffe, die system aktiviert. Das durch die Stäbchen vermittelte
vom menschlichen Organismus, wenn auch nur in Sehen wird als skotopisches Sehen bezeichnet und
sehr geringen Mengen, benötigt werden. Es werden besitzt eine hohe Sensitivität, gleichzeitig aber auch
essenzielle und nichtessenzielle Spurenelemente eine geringe Sehschärfe. Stäbchen kommen zahl­
­unterschieden. Zu den essenziellen (lebensnotwendi­ reich außerhalb der Fovea centralis vor, ihre Anzahl
gen) Spurenelementen zählen Chrom, Eisen, Fluor, nimmt mit zunehmender Entfernung von der Fovea
Iod, Kupfer, Kobalt, Mangan, Molybdän, Selen, ab. Durch diese Anordnung wird bei Dämmerung
­Vanadium und Zink. Sie sind wichtige Bestandteile in der Peripherie besser gesehen als im Zentrum.
von Enzymen, Vitaminen und Hormonen. Zudem Stäbchen werden optimal von blau-grünem Licht
wirken sie als Koenzyme katalysierend und modu­ (500 nm) angeregt und vermitteln die Wahrneh­
lieren Stoffwechselreaktionen. Zu den nichtessen­ mung von Grautönen.
ziellen (nicht lebensnotwenigen) Spurenelementen,
deren biologische Funktion noch unklar ist, gehören Stapes (engl. stapes; Syn. Steigbügel) Der Stapes ist
Arsen, Aluminium, Barium, Bismut, Bor, Brom, neben Hammer und Amboss einer der drei Gehör­
Germanium, Lithium, Nickel, Quecksilber, Rubi­ knöchelchen im Mittelohr. Über die Gehörknöchel­
dium, Silizium, Strontium, Tellur, Titan, Wolfram chenkette werden Schwingungen des Trommelfells
und Zinn. Eine Unterversorgung des Organismus zum Innenohr weitergeleitet. Der Stapes ist der
mit Spurenelementen kann gesundheitsschädliche kleinste Knochen des menschlichen Körpers, misst
Folgen haben und wird z. B. durch vermehrte Aus­ ungefähr 3,5 mm und wiegt ca. 3–5 mg. Anatomisch
scheidung bei Durchfall oder Schwitzen, durch Stoff­ besteht der Stapes aus dem hinteren Schenkel, der
wechselerkrankungen oder falsche Ernährungsge­ Steigbügelfußplatte, dem Steigbügelköpfchen und
wohnheiten mitbedingt. dem vorderen Schenkel. An der Fußplatte ist er elas­
S tisch am ovalen Fenster aufgehängt, welches den
SRY-Gen (engl. SRY gene) Diese Region des kurzen Übergang zum Innenohr bildet. Über ein Gelenk ist
Armes des Y-Chromosoms wurde als geschlechts­ der Stapes mit dem Incus verbunden. Über den
bestimmend erkannt. Auf dem Gen konnte eine ko­ Steigbügel läuft der Stapediusreflex ab, ein Mecha­
dierende Region für den Transkriptionsfaktor TDF nismus des Gehörs, der das Innenohr durch Ein­
Steroidhormone 263

schränkung der Schwingungsamplitude vor Schäden Stereotaxie (eng. stereotaxia) Die Stereotaxie ist ein
durch zu lauten Schall schützt. invasives Verfahren, bei dem Elektroden oder ande­
re Instrumente an einen bestimmten Zielort im
Steigbügel 7 Stapes ­Gehirn geführt werden. Die Stereotaxie wird meist
im Rahmen von neurochirurgischen Operationen
Stereognosie (engl. stereoagnosis) Stereognosie be­ angewendet und erfolgt computerassistiert. Durch
zeichnet die Fähigkeit der Gestalt- und Raumwahr­ ein kleines Bohrloch im Schädel kann ein Punkt im
nehmung durch Betasten oder Tasterkennung. Sie Gehirn auf den Zehntelmillimeter genau erreicht
beruht auf einem komplexen Zusammenspiel zwi­ werden. Durch die exakte Berechnung der Wege
schen Bewegungen und der dadurch ausgelösten zum Zielpunkt wird das Hirngewebe nur minimal
somatosensorischen Stimulation. Der Verlust der verletzt. Die onkologische Stereotaxie ermöglicht
Fähigkeit, Objekte durch Betasten zu erkennen, wird die Behandlung von Hirntumoren und Gefässmiss­
als Astereognosie bezeichnet. bildungen, z. B. durch stereotaktisches Einsetzen
von Strahlenquellen. Im Rahmen der funktionellen
stereotaktischer Apparat (engl. stereotaxic instru- Stereotaxie werden Schrittmachersonden zur Tiefen­
ment) Stereotaktische Apparate sind Halteapparate, hirnstimulation implantiert. So werden Bewegungs­
mit denen der Kopf eines Versuchstieres oder Pa­ störungen wie z. B. der Tremor bei Morbus Par­
tienten in einer bestimmten Position gehalten wird, kinson behandelt. Im Rahmen der Forschung wird
um gezielte Eingriffe in das Zentralnervensystem die stereotaktische Methode an Tieren zur Untersu­
zu ermöglichen. Sie bestehen aus zwei Teilen: einer chung der Funktion neuronaler Strukturen verwen­
Metallringvorrichtung, die am Kopf befestigt wird det, wobei bestimmte Hirnregionen durch einen
und die Position des Gehirns fixiert, und einem derartigen Eingriff gezielt lädiert oder stimuliert
­Metallringssystem, auf dem die Elektrode (auch werden.
­Biopsiekanüle), die in das Gehirn eingeführt wird,
beweglich installiert ist. Zum stereotaktischen Ein­ Sternzellen 7 Astrozyt
griff wird ein Loch in die Schädeldecke gebohrt und
eine Elektrode entlang stereotaktischer Koordinaten Steroidhormone (engl. pl. steroid hormones) Steroid­
exakt im Gehirn platziert. Die Konstruktion des Ap­ hormone sind eine Klasse von Hormonen (u. a.
parates erlaubt die Bewegung und Fixation der Elek­ ­Sexualhormone und Kortikoide), die vor allem in
trode in allen drei Raumachsen. Da jedes Gehirn den Keimdrüsen und in der Nebennierenrinde aus
leicht verschieden ist, werden die Regionen loka­ Cholesterol synthetisiert wird. Zu den wichtigsten
lisiert, indem durch leichte Stromzufuhr über die Vertretern zählen Aldosteron, Kortisol, Testosteron
Elektroden Reaktion und Empfindung des Patienten und Östradiol. Durch ihre fettlösliche Eigenschaft
provoziert werden. Das erste Stereotaxiesystem diffundieren Steroidhormone als einzige Hormon­
­wurde 1908 durch V.A.H. Horsley und R.H. Clark klasse leicht durch die Zellmembran und binden
entwickelt, erste Anwendungen an Patienten wur­ dort an spezifische intrazelluläre Rezeptoren. Der
den vierzig Jahre später realisiert. Steroidhormon–Rezeptorkomplex bindet dann an
die DNS im Zellkern und beeinflusst so Gentrans­
stereotaktischer Atlas (engl. stereotactic atlas) Ein kription und Proteinsynthese. Die Steroidwirkung
stereotaktischer Atlas dient bei stereotaktischen tritt hier nach Minuten bis Stunden erst auf. Darüber
­Untersuchungen als Orientierung. Mithilfe von ge­ hinaus sind auch Steroideffekte an membranstän­
nauen Koordinaten sowie zweidimensionalen Abbil­ digen Rezeptoren nachgewiesen. Hierbei handelt
dungen von Hirnschnitten können Messelektroden es sich vermutlich meist um modulierende Effekte
oder andere Untersuchungsinstrumente exakt in an Neurotransmitterrezeptoren. Bei diesen Effekten S
die gewünschten Hirnregionen eingeführt werden. sind steroidinduzierte Veränderungen an der Ziel­
Solche Atlanten existieren u. a. für Ratten-, Maus-, zelle bereits innerhalb von wenigen Sekunden oder
Tauben-, Zebrafinken- und Meerschweinchenge­ Bruchteilen davon nachweisbar. Steroidrezeptoren
hirne. finden sich im gesamten Organismus.
264 Stevensches Gesetz

Stevensches Gesetz (engl. Stevens’ power law) Das Störung, affektive (eng. mood disorder) Überbegriff
Stevensche Gesetz beschäftigt sich mit der Frage, ob für Störungen der Stimmungslage (Depression,
die objektive Verdoppelung der Reizintensität auch ­manische Episode, bipolare Störungen), die klinisch
eine subjektive Verdoppelung der Reizwahrneh­ bedeutsames Leiden der Betroffenen und/oder
mung zur Folge hat. Laut Stanley S. Stevens (1906– ­seiner Umgebung verursachen. Affektive Störungen
1973) muss z. B. bei Licht die Intensität neunfach beziehen sich v. a. auf das Grundbefinden (Traurig­
größer sein, um doppelt so hell wahrgenommen zu keit oder Euphorie) eines Patienten. Nach ICD-10
werden. Dieser Faktor unterscheidet sich in Ab­ werden diese Störungen unter der Kategorie F3 zu­
hängigkeit vom dargebotenen Reiz. Stevens fand, sammengefasst und in vier große Gruppen geteilt.
dass der Logarithmus der Reizintensität abgetragen F31 bezeichnet die bipolare affektive Störung (Wech­
gegen den Logarithmus der Empfindungsstärke eine sel von manischen und depressiven Episoden), F32
Gerade bildet, die je nach Reiz- und Rezeptoren­ bezeichnet eine einzelne depressive Episode, F33
eigenschaften eine spezifische Steigung hat. ­bezieht sich auf eine rezidivierende depressive Stö­
rung (bereits mehrfaches Auftreten von depressiven
Stickoxid (engl. nitric oxid) Stickoxid ist ein farb­ ­Episoden, chronischer Verlauf, Episoden z. T. remit­
loses Gas, welches zusammen mit Stickstoffdioxid tiert) und F34 kennzeichnet die anhaltende affektive
zur Herstellung von Nitriten verwendet wird. Ent­ Störung (Dysthymie, Affektstärke weniger abge­
deckt wurde Stickoxid erstmals 1970 durch Ferid flacht als bei Depressionen).
Murad. Erst später wurde bekannt, dass Stickoxid
auch im menschlichen Körper von Endothelzellen Störung, bipolare affektive (engl. bipolar depres­
aus Arginin produziert wird. Stickoxid hat zahlreiche sion) Die bipolare affektive Störung ist durch einen
Wirkungen im Organismus. Zum einen führt es zur Wechsel von manischen bzw. hypomanischen und
Entspannung der glatten Gefäßmuskulatur (Vaso­ depressiven Phasen gekennzeichnet. Die Dauer und
dilatation) und somit zur Absenkung des Blut­ Häufigkeit der einzelnen Episoden ist variabel. Wäh­
druckes, zum anderen dient es dem Schutz des Kör­ rend der manischen Episode ist der Betroffene in
pers vor Eindringlingen, indem es von Makrophagen einer anhaltend-glücklichen Stimmung, wobei es zu
in Bakterien injiziert wird. Des Weiteren fungiert Symptomen wie Selbstüberschätzung, extrem ver­
Stickoxid als Botenstoff im Gehirn und trägt u. a. zur mindertem Schlafbedürfnis, Redebedürfnis oder
Gedächtnisbildung bei. Im Darm ist das Gas an der einem übermäßigen Hang zu Vergnügen kommen
Steuerung wellenförmiger Kontraktionen im Gastro­ kann. Dabei richtet die Person meist ihre volle Kon­
intestinaltrakt beteiligt. Therapeutisch wird Stick­ zentration auf angenehme Dinge ihres Lebens, wäh­
oxid u. a. bei Säuglingen mit Atemproblemen oder rend sie andere völlig vernachlässigen. Die Hypo­
bei Lungenhochdruck eingesetzt. manie stellt eine abgeschwächte Form der Manie dar
und ist durch erhöhte Risikobereitschaft, ein gestei­
Stimulantien (eng. pl. stimulants) Der Begriff Sti­ gertes Selbstbewusstsein und gehobene Stimmung
mulantien bezeichnet eine Gruppe von Medika­ charakterisiert. Während der depressiven Phase ver­
menten oder Drogen, die antriebs- und leistungs­ liert der Patient das Interesse an Aktivitäten, ist apa­
steigernd wirken, Müdigkeitsgefühle unterdrücken thisch, leidet unter Appetitlosigkeit, Schlafstörun­
und die allgemeine Stimmung heben. Unter an­ gen, Schuld- und Wertlosigkeitsgefühlen, das Suizid­
derem werden Koffein, Weckmittel (Analeptika), risiko ist erhöht. Die bipolare Störung scheint eine
Appetitzügler (Anorektika) und blutdrucksteigernde genetische Komponente zu besitzen, zu der biolo­
Mittel (Antihypnotika) als Stimulantien bezeichnet. gische Faktoren hinzukommen, wobei die Neuro­
Ein Teil dieser Substanzen ist in Deutschland illegal transmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin
S oder darf nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet sowie das Stresshormon Kortisol eine wichtige Rolle
werden. spielen. Bedeutung wird daneben auch Stress und
Umweltfaktoren wie etwa traumatischen Ereignis­
Stimulation, transcraniale magnetische 7 Magnet- sen beigemessen. Neben einer medikamentösen Be­
stimulation, transkranielle handlung (deren Fortführung sich in der manischen
Stressor 265

Episode häufig schwierig gestaltet) hat sich die Psy­ fühle der Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit, zei­
chotherapie als sinnvoll erwiesen, da die Betroffenen gen massiven Interessenverlust sowie ein niedriges
dort eigene Warnsysteme entwickeln, durch die Selbst­wertgefühl und leiden unter Schuld- und Wert­
­extreme Krankheitsphasen abgemildert werden losigkeitsgefühlen. Zu diesen Symptomen kommen
können. Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Schlaflosigkeit,
Konzentrationsstörungen und Selbstmordgedanken
Störung, saisonale affektive (engl. seasonal affec- hinzu. Es wird davon ausgegangen, dass eine de­
tive disorder) Die saisonal affektive Störung (SAD) pressive Phase durch einen Mangel von Noradrena­
ist gekennzeichnet durch jahreszeitlich schwanken­ lin und Serotonin begünstigt wird. Frauen sind, wie
de Veränderungen in Stimmung, Antrieb und bei allen affektiven Störungen, häufiger betroffen
­physiologischen Parametern. Diese Veränderungen als Männer. Zur medikamentösen Therapie werden
treten v. a. in den Herbst- und Wintermonaten auf Antidepressiva verwendet oder ausschließlich auf
(Winterdepression), können sich aber auch im Früh­ Psychotherapie fokussiert.
ling und frühen Sommermonaten zeigen (Som­
merdepression). Zu den wichtigsten Symptomen Strecker (engl. extensor) Der Strecker ist ein Muskel,
zählen Müdigkeit, verändertes Essverhalten, er­ dessen Kontraktion die Streckung eines Gliedes ver­
höhtes Schlaf­bedürfnis, Niedergeschlagenheit, Reiz­ ursacht. Gelegentlich werden extensorische Muskeln
barkeit, Konzentrationsschwäche und ein vermin­ auch als Antigravitätsmuskeln bezeichnet, da es sich
dertes sexuelles Interesse. Die Verbreitung dieser bei ihnen u. a. um Muskeln handelt, die ein Organis­
Störung schwankt in Abhängigkeit von der geogra­ mus benötigt, um aufzustehen. Die Antagonisten
fischen Breite, Frauen sind häufiger als Männer be­ der Strecker sind die Beuger, die einen Muskel ver­
troffen. Für SAD scheint eine genetische Prädispo­ kürzen und im Wechselspiel mit den Streckern eine
sition zu existieren, der Auslöser scheint aber man­ koordinierte Bewegung ermöglichen.
gelndes Licht (Winterdepression) oder Hitze
(Sommerdepression) zu sein. In beiden Fällen er­ Streifenkörper 7 Striatum
folgt eine medikamentöse Therapie mit Antidepres­
siva und/oder Psychotherapie. Stress (engl. stress) Mit Stress wird im Allgemeinen
eine Situation oder ein Lebensumstand bezeichnet,
Störung, somatoforme (engl. somatoform disorder) in dem ein Organismus unter erhöhter Belastung
Die somatoforme Störung (F45 nach ICD-10) ist steht und Anpassungsreaktionen von diesem er­
eine Störung des Erlebens und Verhaltens. Kenn­ fordert. Auslöser von Stress können psychische oder
zeichnend ist die Somatisierung, d. h. das klinische physische Reize (Stressoren) sein, die akut oder
Bild ist geprägt durch körperliche (häufig wechseln­ chronisch auf den Organismus einwirken. Stress
de) Beschwerden oder Symptome, ohne dass hierfür kann zu deutlichen subjektiven und biologischen
eine organische Grunderkrankung oder ein spezi­ Veränderungen auf vielen Ebenen führen; zahlreiche
fischer pathophysiologischer Prozess bestimmt wer­ Krankheiten können durch Stress ausgelöst oder
den kann. Die am häufigsten auftretende Form ist in ihrem Verlauf ungünstig beeinflusst werden. Die
die Somatisierungsstörung. Des Weiteren gehören Unterscheidung zwischen angenehm (Eustress) und
zu dieser Klasse von Störungen die hypochond­ unangenehm erlebtem Stress (Distress) hat sich
rische, die Schmerz-, Konversions- und Dissozia­ ­wissenschaftlich nicht durchgesetzt. Heute werden
tionsstörung. Somatoforme Störungen können sich eher Anstrengungs- (Effort-) von Distress-Anteilen
spontan entwickeln oder aber als Folge einer Erkran­ differenziert.
kung auftreten.
Stressor (engl. stressor) Ein Stressor ist ein Objekt, S
Störung, unipolare affektive (engl. unipolar depres- ein Reiz oder eine innere bzw. äußere Situation,
sion) Im Verlauf einer unipolaren affektiven Störung die bei einem Individuum psychischen oder phy­
treten nur Symptome gleicher Art auf, die zumeist sischen Stress auslöst bzw. zu einer Stressreaktion
depressiver Natur sind. Dabei haben Betroffene Ge­ führt.
266 Stressreaktion

Stressreaktion (engl. stress response) Eine Stress­ rausragende Rolle bei der Planung und Ausführung
reaktion tritt auf, wenn ein Organismus belastende von Bewegungsabläufen und sind an exekutiver
oder potenziell schädliche Reize oder Situationen Handlungskontrolle beteiligt. Insbesondere der
mit einer Veränderung psychischer und biologischer Nucleus accumbens gehört darüber hinaus zu Ner­
Funktionen beantwortet. Markante Stressreaktionen venzellnetzwerken, in welchen Belohnung und Be­
sind bspw. eine Aktivierung von Hormonachsen strafung neuronal kodiert werden.
(z. B. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrin­
den-Achse), eine Veränderung des Tonus sym­pa­ Strychnin (engl. strychnine) Strychnin ist ein kristal­
thischer und parasympathischer Nerven oder auch liner Stoff, der aus den Samen des Brechnussbaumes
Angst/Furcht. Neben einer verstärkten Aktivität vie­ gewonnen wird. Selbst in starker Verdünnung
ler Körpersysteme werden im Rahmen einer Stress­ schmeckt er extrem bitter und wirkt bereits ab ge­
reaktion aber auch zahlreiche physiologische Funk­ ringen Dosen hoch giftig. Zu den Vergiftungssymp-
tionen gedrosselt (z. B. Verdauung, Reproduktion). tomen gehören Atemnot, Tremor, Krämpfe und
Angstgefühle. Strychnin wirkt als Antagonist von
Stresssyndrom, posttraumatisches (engl. posttrau- Glyzin, d. h. es verhindert die Wirkung dieses in­
matic stress disorder) Das posttraumatische Stress­ hibitorischen Transmitters. Zur Behandlung einer
syndrom (F43.1 nach ICD-10) ist ein Störungsbild, Strychninvergiftung wird Diazepam eingesetzt, das
das sich nach dem Erleben bzw. Beobachten eines die Tätigkeit eines weiteren inhibitorischen Trans­
für die eigene oder eine andere Person lebens­ mitters, der Gamma-Aminobuttersäure (GABA),
bedrohlichen, katastrophalen Ereignisses (Trauma) fördert. Trotz seiner Giftigkeit wird Strychnin als
einstellen kann. Die Symptome lassen sich in drei homöopathisches Heilmittel bei Magenproblemen
Komplexe unterteilen: Wiedererleben (Flashbacks, und als Dopingsubstanz verwendet. Ursprünglich
Albträume), Vermeidung und Hyperarousal (Schlaf­ wurde der Stoff als anregendes Medikament zur
störungen, erhöhte Reizbarkeit). Es wird angenom­ Kreislaufverbesserung verschrieben, heute wird es
men, dass die überwiegend sensorischen Erinne­ vor allem genutzt, um illegale Drogen wie Kokain
rungen an das traumatische Erlebnis nicht in das und Heroin zu strecken.
kontextuelle Gedächtnis eingespeichert werden und
deswegen auch in der Gegenwart präsent bleiben. Stupor (engl. stupor) Stupor beschreibt eine Starre
Eine Beteiligung psychophysiologischer Prozesse bzw. Regungs- und Ausdruckslosigkeit trotz wachen
(erhöhte Katecholaminproduktion, reduzierte Kor­ Bewusstseins. Dieser Zustand kann somit von Schlaf
tisolspiegel, evtl. verringertes Hippocampusvolu­ und Bewusstlosigkeit abgegrenzt werden. Die Be­
men) wird ebenfalls angenommen. Eine Besonder­ troffenen zeigen weder körperliche noch psychische
heit besteht im Phänomen der dissoziativen Amne­ Reaktionen auf ihre Umwelt, obwohl sie in der Lage
sie, bei der Betroffene große Teile des traumatischen sind, Reize aufzunehmen. Oft kommt bei Patienten
Erlebnisses vergessen, während andere Teile äußerst eine innere Angespanntheit mit erhöhtem Muskel­
präsent bleiben. Therapeutisch wird v. a. mit Expo­ tonus hinzu. Stupor kann als pathologischer Zustand
sition in sensu (Exposition in Gedanken) gearbeitet, bei verschiedenen neurologischen (z. B. Morbus
in denen der Patient das Trauma durch detailliertes Parkinson) und psychischen (z. B. Schizophrenie)
Erzählen in den eigentlichen kontextuellen Hinter­ Erkrankungen auftreten.
grund einbetten soll. Von allen Personen, die jemals
eine traumatische Situation erleben, erleiden etwa Subarachnoidalraum (engl. subarachnoid space)
5–20 % eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Subarachnoidalraum befindet sich zwischen der
mittleren Hirnhaut, der Arachnoidea, und der inne­
S Striatum (engl. striatum) Das Striatum ist die Ein­ ren Hirnhaut, der Pia mater. Er enthält neben der
gangsstruktur der Basalganglien. Es befindet sich Zerebrospinalflüssigkeit (CSF, Liquor) auch große
seitlich des Thalamus und besteht aus dem Putamen, Blutgefäße. Die CSF zirkuliert ständig durch den
dem Nucleus caudatus und dem Nucleus accum­ Subarachnoidalraum und die Hirnventrikel, über­
bens. Die Neuronen des Striatums spielen eine he­ flüssige Flüssigkeit wird aus dem Subarachnoidal­
Substanzen, psychoaktive 267

raum wieder in die Hirnsinus, blutgefüllte Kanäle in rischen Kortex. Neuronen dieser Region projizieren
der Dura mater, aufgenommen. in das Striatum, die Formatio reticularis, den Thala­
mus und das limbische System. Sehr bedeutsam
Subcutis (engl. subcutis; Syn. Unterhaut) Die Sub­ sind ihre hemmenden efferenten Verbindungen zum
cutis besteht aus Bindegewebe und liegt unter der Striatum, wobei v. a. der Neurotransmitter Dopamin
Epidermis und dem Korium. Sie bildet die unterste freigesetzt wird. Bei der Parkinson-Krankheit dege­
der drei Hautschichten. Die Subcutis ermöglicht die nerieren dopaminerge Neuronen in der Substantia
verschiebliche Beweglichkeit zwischen den über und nigra, was zu den typischen motorischen Ausfaller­
den unter ihr liegenden Schichten (unter der Sub­ scheinungen führt. Durch ihre efferenten Fasern in
cutis liegt u. a. Knochenhaut) und dient dem Men­ das limbische System nimmt die Substantia nigra
schen als Kälte- und Stoßpuffer. In der Subcutis auch Einfluss auf psychische Vorgänge.
­finden sich insbesondere Schweißdrüsen und Vater-
Pacini-Lamellenkörperchen für Druck- und Vibra­ Substanz, graue (engl. gray matter) Die graue Subs­
tionsempfinden. Da die Unterhaut nur gering durch­ tanz besteht aus vielen dicht aneinander liegenden
blutet wird, eignet sie sich für die Gabe von Sub­ Neuronen, ihre Färbung kommt v. a. durch die Häu­
kutan-Injektionen, die den Vorteil haben, dass die fung an Zellkörpern zustande. Im Rückenmark liegt
Medikamente über einen längeren Zeitraum resor­ die graue Substanz zentral und wird von der weißen
biert werden (wie z. B. bei Insulin angestrebt). Substanz umgeben. Sie wird in Vorderhorn (Cornu
anterius), Hinterhorn (Cornu posterius) und Seiten­
Subduralraum (engl. subdural space) Der Subdural­ horn (Cornu lateralis) eingeteilt, die in ihrem Ge­
raum ist der Spalt unterhalb der Dura mater und samtumriss an einen Schmetterling erinnern. Im Ge­
oberhalb der Arachnoidea. Venen, die in diesem hirn liegt die graue Substanz an der weißen Substanz
Spalt verlaufen, können bspw. durch einen Unfall an und bildet somit die Rinde (Kortex).
oder infolge einer Hirnoperation, aber auch spontan
verletzt werden. Dann findet eine Einblutung in den Substanz, weiße (engl. white matter) Die weiße
Subduralraum statt, was als Subduralhämatom be­ Substanz ist ein Neuronengewebe, dessen weiße
zeichnet wird. Dabei entsteht durch den wachsen­ ­Färbung durch die myelinisierten Nervenfasern ent­
den Druck auf das Gehirn eine akute neuropsycho­ steht. Im Rückenmark umschließt sie die graue
logische Symptomatik, die durch motorische oder Substanz, wobei sie in Vorderstrang (Funiculus an­
kognitive Ausfallerscheinungen begleitet wird. terior), Seitenstrang (Funiculus lateralis) und Hin­
terstrang (Funiculus posterior) unterteilt wird. Im
Subiculum (engl. subiculum) Das Subiculum ist ein Gehirn verhält es sich umgekehrt: Hier ist die weiße
Teil der Hippocampusformation und liegt zwischen Substanz von der grauen Substanz umgeben.
der Region CA1 (Cornu ammonis 1) und dem ento­
rhinalen Kortex. Es steht mit diesen beiden Struktu­ Substanz P (engl. substance P) Substanz P ist ein Neu­
ren sowie mit den Mamillarkörpern in Verbindung. ropeptid, das sowohl als Neurotransmitter als auch
als Neuromodulator fungiert. Wird ein Schmerzre­
Substantia grisea centralis 7 Höhlengrau, zentrales zeptor erregt, wird Substanz P ausgeschüttet, was zu
einer Gefäßerweiterung und Steigerung der Durch­
Substantia nigra (engl. substantia nigra) Die Subs- lässigkeit der Gefäßwände führt. Dadurch wird das
tantia nigra ist ein Kern, der im Tegmentum des Gewebe stärker durchblutet, Empfindsamkeit der
Mesenzephalons liegt. Er ist aufgrund eines hohen Nozirezeptoren gesteigert und der Transport weiterer
Gehaltes an Melanin im Zellkörper der Neurone schmerzmodulierender Substanzen erleichtert. Subs­
schwarz gefärbt. Die Substantia nigra spielt eine tanz-P-Antagonisten werden bei der Schmerzthera­ S
wichtige Rolle bei der Initiation und Modulation von pie und als Antidepressiva diskutiert.
Bewegungen und ihren Abläufen. Projektionen er­
hält sie von wichtigen motorischen Zentren wie dem Substanzen, psychoaktive (engl. pl. psychoactive
Striatum, dem Motorkortex und dem prämoto­ drugs; Syn. Psychopharmaka) Psychoaktive Substan­
268 Subthalamus

zen sind künstlich hergestellte oder organische Stof­ in einer leichteren Steigung als der der rechten He­
fe, die das Zentralnervensystem beeinflussen und so misphäre.
das Erleben und Verhalten verändern. Diese Subs­
tanzen können anregend oder beruhigend wirken, Summation (engl. summation) Ankommende exzi­
einige können auch Halluzinationen hervorrufen. tatorische (EPSPs) und inhibitorische postsynap­
Neben illegalen Drogen (z. B. Halluzinogene oder tische Potenziale (IPSPs) werden fortlaufend am
Opiate) und Medikamenten (z. B. Sedativa) werden Neuron verrechnet. Dabei wird zwischen räumlicher
auch Genussmittel (z. B. Alkohol) zu den psychoak­ und zeitlicher Summation unterschieden. Bei der
tiven Substanzen gezählt. räumlichen Summation feuern benachbarte Synap­
sen gleichzeitig, wodurch es auf postsynaptischer
Subthalamus (eng. subthalamus) Der Subthalamus Seite in der Summe zu größeren IPSPs oder EPSPs
ist Teil des Zwischenhirns, welches den Übergangs­ kommt als beim Feuern eines einzelnen Neurons.
bereich zwischen Tegmentum, Hypothalamus und Bei der zeitlichen Summation werden EPSPs oder
Basalganglien darstellt. Seine Funktion liegt haupt­ IPSPs nur von einer Nervenzelle gesendet, allerdings
sächlich in der Steuerung der Grobmototrik, speziell gleich mehrere Potenziale kurz hintereinander, die
in der Integration von motorischen Programmen. sich wiederum aufsummieren können. Bei beiden
Die wichtigsten Strukturen des Subthalamus sind Summationsformen kommt es zur anschließenden
der Nucleus subthalamicus und das Pallidum. Das Verrechnung beider Potenzialarten, bei der sich
Pallidum gilt als Zentrum des extrapyramidal-moto­ IPSPs und EPSPs gegenseitig abschwächen oder auf­
rischen Systems und stellt den Antagonisten zum heben können.
Corpus striatum dar. Der Nucleus subthalamicus
wird vom motorikfördernden Teil des Pallidums ge­ superior (engl. superior) Superior ist eine anatomi­
hemmt und wirkt auf den motorikhemmenden Teil sche Lagebezeichnung und meint »obere/r«. So be­
des Pallidums erregend. Somit nimmt er eine bewe­ zeichnet z. B. der Sulcus temporalis superior die
gungsimpulshemmende Funktion ein. obere Hirnfurche im Temporallappen.

Sulcus (eng. sulcus) Sulcus ist der neuroanatomische SW-Schlaf 7 Slow-Wave-Schlaf


Begriff für die Furchen auf der Oberfläche des Ge­
hirns. Sylvische Furche 7 Sulcus lateralis

Sulcus calcarinus (engl. calcarine sulcus) Eine okzi­ Sympathikus (engl. sympathetic nervous system)
pital gelegene Furche, die den primären visuellen Wie Parasympatikus und Darmnervensystem (ente­
Kortex nach unten hin abgrenzt. risches System) ist der Sympathikus Teil des vege­
tativen Nervensystems. Er besteht aus zweizelligen
Sulcus centralis (engl. central sulcus) Der Sulcus Neuronenketten, deren Zellkörper im Brustmark
centralis verläuft etwa in der Mitte des Gehirns von oder oberen Lendenmark liegen. Axone ziehen in
der Sylvischen Furche aus in superiore und posteri­ die glatte Muskulatur von allen inneren Organen,
ore Richtung. Die Zentralfurche trennt Frontallap­ zu Blutgefässen der Haut, Haaren, Pupillen, Herz­
pen (anterior von dieser) und Parietallappen (poste­ muskelfasern und Drüsen (z. B. Speicheldrüsen).
rior von dieser) voneinander. Die Zielzellen werden auch als Effektoren bezeich­
net. Die verwendeten Transmitter sind Azetylcholin
Sulcus lateralis (engl. lateral sulcus; Syn. Sylvische (präganglionär) und Noradrenalin (postganglionär).
Furche) Der Sulcus lateralis ist eine leicht erkennbare Die Erregung des Sympathikus löst eine ergotrope
S Furche des Gehirns, die mit einem tiefen Einschnitt Funktion aus, d. h. die Fähigkeit zur Auseinander­
am vorderen unteren Pol des Kortex beginnt. Er setzung mit der Umwelt wird erhöht. Herz, Kreislauf
trennt den Temporallappen (inferior von dieser) von und Atmung werden aktiviert, Glykogen wird mobi­
den superior liegenden Parietal- und Frontallappen. lisiert, die Tätigkeit des Magen-Darm-Kanals dage­
Der Sulcus lateralis der linken Hemisphäre verläuft gen wird vermindert. Gefäßsystem, Schweißdrüsen
System, adrenerges 269

und Nebennieren werden ausschließlich vom Sym­ präsynaptischem Element, synaptischem Spalt und
pathikus innerviert. Der Sympathikus gilt als funk­ postsynaptischem Element. Über die Synapse hin­
tioneller Gegenspieler des Parasympathikus. weg werden Informationen von Zelle zu Zelle wei­
tergegeben. Es werden chemische und elektrische
Sympatholytikum (engl. sympatholytic) Substanz, Synapsen unterschieden. Bei chemischen Synapsen
die adrenerge Rezeptoren hemmt und somit die Er­ erfolgt die Erregungsübertragung durch die Frei­
regungsübertragung von sympathischen Nervenen­ setzung von Neurotransmittern in den synaptischen
digungen auf das Erfolgsorgan blockiert. Die Wir­ Spalt und einer darauf folgenden De- bzw. Hyper­
kung des Sympatholytikums hängt von der Art der polarisation der postsynaptischen Zelle. Elektrische
adrenergen Rezeptortypen (α1-, α2-, β1- oder β2-Re­ Synapsen hingegen zeichnen sich durch sog. gap
zeptoren) an den zu erregenden Zellen und der junctions aus. Diese Kanäle ermöglichen es, dass
­Spezifität des Sympatholytikums für die jeweiligen ­Ionen von einer Zelle direkt in die andere diffun­
Rezeptortypen ab. Sympatholytika mit Spezifität für dieren können, ohne durch einen »echten« Spalt
α-Rezeptoren werden α-Sympatholytika genannt, getrennt zu sein. Diesen Synapsen wird eine wesent­
spezifische für β-Rezeptoren werden als β-Sympa­ liche Rolle bei der Ausbreitung epileptischer Herde
tholytika bezeichnet. In diesem Zusammenhang im Gehirn zugesprochen.
spricht man auch von Alpha- bzw. Betablockern.
Syndrom, amotivationales (engl. amotivational
Sympathomimetikum (engl. sympathomimetic ­syndrom) Bezeichnung für eine nach langjährigem
amine) Substanz, die vorwiegend über die Erregung Drogenkonsum auftretende Antriebsstörung. Betrof­
des Sympathikus auf den Körper wirkt. Man unter­ fene verlieren das Interesse an fast allen Aktivitä­ten,
scheidet direkt und indirekt wirkende Sympathomi­ ­werden lethargisch und stumpfen ab. Weitere Merk­
metika, in Abhängigkeit davon, ob die Substanzen male sind Leistungsverweigerung, Einsamkeit und
direkt an die adrenergen Rezeptoren binden oder Isolation. Das amotivationale Syndrom kann auch
indirekt die Konzentration von Noradrenalin am als unerwünschte Nebenwirkung bei der Behandlung
Erfolgsorgan erhöhen. Vertreter der Sympathomi­ depressiver Störungen mit selektiven Serotonin-Wie­
metika sind z. B. Adrenalin, Noradrenalin und Am­ deraufnahmehemmern (SSRIs) auftreten.
phetamin und seine Derivate.
Syntax (engl. syntax) Syntax ist die Lehre vom Satz­
Symptom (engl. symptom) Ein Symptom ist ein Hin­ bau. Sie bezeichnet eine Sammlung von Mustern
weis, Merkmal oder Zeichen, z. B. einer Krankheit. und Regeln, nach denen Wörter zu Phrasen und
So deutet das Auftreten von Wahn oder Halluzina­ ­Sätzen zusammengestellt werden, die dann einen
tionen auf das mögliche Vorliegen einer Schizophre­ Sinn ergeben. Die Syntax ist Forschungsgegenstand
nie hin. Symptome können positiv oder negativ sein. der Linguistik.
(Krankheits-)Symptome helfen, Krankheiten zu er­
kennen und zu diagnostizieren. Die Gesamtheit der System, adrenerges (engl. adrenergic system) Das
aus einem Krankheitsprozess resultierenden Symp­ adrenerge System besteht aus Neuronen im zen­t­
tome wird als Symptomatik oder auch als klinisches ralen Nervensystem, die Adrenalin als Transmitter
Bild bezeichnet. Gelegentlich werden mehrere ge­ verwenden. Dazu gehören die Neurone der Medulla
meinsam auftretende Merkmale oder Besonder­ oblongata, die in verschiedene Teile des Hirnstam­
heiten (Symptomkomplex) unter dem Begriff »Syn­ mes als auch zu den dorsalen Thalamuskernen und
drom« zusammengefasst. Der Begriff Syndrom anderen Teilen des Dienzephalons projizieren. Ab­
macht jedoch keine Aussage über den Krankheits­ steigende Verbindungen ziehen zum Rückenmark
wert dieser Besonderheit. und beeinflussen hier das autonome Nervensystem. S
Im Gegensatz zu dieser eingeschränkten Beschrei­
Synapse (engl. synapse) Eine Synapse ist die Verbin­ bung fassen manche Autoren alle katecholaminer­
dung zwischen dem Endknopf eines Axons und der gen Bahnensysteme unter dem Begriff »adrenerges
Membran einer angrenzenden Zelle und besteht aus System« zusammen.
270 System, cholinerges

System, cholinerges (engl. cholinergic system) Zum verarbeitung (Papez, MacLean) zusammengefasst.
cholinergen System gehören alle Nervenzellkörper, Inzwischen ist bekannt, dass das limbische System
die Azetylcholin (ACh) freisetzen, und deren Pro­ an emotionalen und motivationalen Aspekten viel­
jektionen. Es bestehen zwei wesentliche Cluster. fältiger Verhaltensfunktionen (wie z. B. Lernen und
Zum einen im basalen Vorderhirn: hier projizieren Gedächtnis) beteiligt ist, was u. a. durch extensive
der Nucleus basalis, der Kern des diagonalen Bandes Verbindungen limbischer Strukturen zum Neo­kor­
und das Septum in alle Lappen des Großhirns sowie tex und (anderen) Kernen des Hypothalamus er­
in den Hippocampus und die Amygdala. Zum ande­ möglicht wird.
ren existiert eine kleinere Formation im pedunkulo-
pontinen Nucleus und im latero-dorsal-tegmentalen System, noradrenerges (engl. noradrenergic system)
Nucleus, welche zur Formatio reticularis und zum Es gibt drei Cluster von Zellen, die Noradrenalin im
Thalamus projizieren. Von dieser wird angenom­ ZNS synthetisieren. Die Hälfte aller Noradrenalin-
men, dass sie Anteile am Arousal und am Schlaf- produzierenden Zellen im ZNS entspringen im
Wach-Zyklus hat. Das gesamte cholinerge System ­Locus coeruleus (auch »blauer Kern« genannt), der
spielt eine große Rolle bei Gedächtnisprozessen. Der Noradrenalin via Axone zum Hippocampus, zu den
Verlust von ACh-produzierenden Zellen ist ein Basalganglien und in weite Teile des Isokortex trans­
wichtiges Korrelat der Alzheimer-Erkrankung. portiert. Des Weiteren synthetisieren das laterale
tegmentale System und das mediale Vorderhirnbün­
System, dopaminerges (engl. dopaminergic system) del Noradrenalin und transportieren es zum Klein­
Das dopaminerge System ist in verschiedene Teil­sys­ hirn, in den Pons, in Hypothalamus, das limbische
teme gegliedert, die zwei wichtigsten sind das nigro­ System und das Rückenmark. Aufgrund der weiten
striatale (auch mesostriatale) sowie das mesolimbi­ Verzweigung des noradrenergen Systems ist es an
sche (auch mesolimbokortikale) System. Das nigros­ vielen Prozessen beteiligt, u. a. Stimmung, Arousal,
triatale System hat seinen Ursprung in der Substantia Aufmerksamkeit, Lernen in emotionalen Situatio­­
nigra, dessen Neurone zum Striatum (Nucleus cauda­ nen und Sexualverhalten.
tus, Putamen) projizieren. Die dopaminergen (= Do­
paminausschüttenden) Neuronen des mesolimbi­ System, serotonerges (engl. serotonergic system)
schen Systems projizieren vom Tegmentum zu Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT) wird haupt­
­Kerngebieten des limbischen Systems (Nucleus sächlich in den Raphe-Kernen des Mittelhirns und
­accumbens, Amygdala, Hippocampus) sowie in die des Hirnstamms synthetisiert. Nur ca. 200.000 Ner­
Großhirnrinde. Insgesamt gibt es im menschlichen venzellen stellen den Neurotransmitter her, versor­
Gehirn ca. 1 Million dopaminerger Nervenzellen, ihr gen aber weite Teile des gesamten Gehirns mit die­
Niedergang (v. a. in der Subtantia nigra) führt zum sem Botenstoff. So wird Serotonin in den Isokortex,
Krankheitsbild des Morbus Parkinson. den Hippocampus, den Thalamus, den Hypotha­
lamus, in die Basalganglien, das Kleinhirn und das
System, limbisches (engl. limbic system) Das limbi­ Rückenmark transportiert. Das serotonerge System
sche System umfasst folgende um den Thalamus regelt u. a. Stimmung, Anspannung, den Blutfluss im
gruppierte, kortikale und dienzephale Strukturen: Gehirn und im Zusammenspiel mit anderen Trans­
den Gyrus cinguli, den parahippocampalen Gyrus, mittern im Rückenmark die Schmerzwahrnehmung.
den Hippocampus, die Amygdala, die Mamillar­ Serotoninanregende Medikamente wirken antide­
körper sowie die anterioren Thalamuskerne. Des pressiv. Es existieren mindestens 15 verschiedene
Weiteren werden z. T. auch die Fornix, der Bulbus Rezeptoren für Serotonin.
olfactorius und das Septum zum limbisches System
S gezählt. Demnach ist das limbische System kein ein­ System, vestibuläres (engl. vestibular system) Das
heitlich definiertes und scharf abgrenzbares System, v­ estibuläre System besteht aus dem Gleichgewichts­or­
sondern eher ein Netzwerk eng miteinander verbun­ gan und den verarbeitenden Zentren im Hirn­stamm.
dener ZNS-Gebiete. Zunächst wurden diese Struk­ Das Gleichgewichtsorgan befindet sich im Innenohr
turen aufgrund ihrer Bedeutung für die Emotions­ und besteht aus drei Bogengängen, Sacculus und Utri­
Systole 271

culus. Die Bogengänge sind mit Endolymphe gefüllt, entsprechenden Nervenkernen im Hirnstamm (Vesti­
sie stehen fast senkrecht zueinander und erfassen so bulariskerne), wo Informationen über das Gleichge­
die Drehbewegungen des Kopfes. Bei Bewegung des wicht verarbeitet werden.
Kopfes strömt die Endolymphe aufgrund ihrer Träg­
heit entgegen der Drehrichtung durch die Bogen­gänge. Systole (engl. systole) Systole bezeichnet die An­
Dadurch werden die Sinneszellen des Gleichgewichts­ spannungsphase und die Austreibung des Blutes
organs erregt und ein elektrisches Signal gelangt über durch die Herzkontraktion. Der auf dem Höhepunkt
den Bogengangnerv zum Gehirn. Sacculus und Utri­ der Kontraktion auftretende, maximale Blutdruck
culus erfassen die lineare Beschleunigung des Körpers entspricht dem systolischen Blutdruck. Der opti­male
im Raum, der Sacculus spricht auf vertikale und der (normotone) Wert für den systolischen Blutdruck
Utriculus auf horizon­tale Beschleunigungen an. Von beträgt 120 mm Hg. Ab einem systolischen Blutdruck­
den Sinneszellen gelangt die Sinnesinformation über wert von 140 mm Hg liegt eine Hypertonie (Blut­
den VIII. Hirnnerv (Nervus vestibulocochlearis) zu hochdruck) vor.

S
T
T3 7 Trijodthyronin ­infolge Aktivierung des Golgi-Sehnenorganreflexes
auf.
T4 7 Thyroxin
Tastscheiben (engl. pl. Merkel cells) Tastscheiben
Tachykardie (engl. tachykardia) Tachykardie be­ gehören neben den Ruffini-Körperchen zu den Me­
zeichnet eine Herzfrequenz von über 100 Schlägen chanosensoren des Tastsinns, die als Drucksensoren
pro Minute. Sie kann physiologisch sein und z. B. bei die Stärke oder Eindrucktiefe eines mechanischen
körperlicher Anstrengung oder Aufregung auftre­ Hautreizes messen. Sie feuern dabei umso stärker, je
ten, oder pathologisch bei Fieber oder hohen Flüs­ größer die auf die Haut wirkende Kraft pro Flächen­
sigkeitsverlusten, Stoffwechselstörungen oder Herz­ inhalt ist. Als Intensitätsdetektoren reagieren sie auf
rhythmusstörungen auftreten. Tachykardien werden die Intensität des Druckreizes und nicht auf seine
häufig auch als Nebenwirkung verschiedener Medi­ zeitlichen Veränderungen. Bei konstantem Druck­
kamente beobachtet. reiz adaptieren Tastscheiben nur langsam und kön­
nen so auch die Dauer eines Druckreizes angeben.
Tachykinin (engl. tachykinin) Tachykinine sind eine Man findet die Merkel-Zellen v. a. in den Fingerspit­
Gruppe von Peptidhormonen, zu denen Substanz P, zen und den Fingern. In der unbehaarten Haut liegen
Neurokinin A und B gehören. Diese Transmitter sie in kleinen Gruppen in den untersten Schichten
wirken u. a. an Synapsen für sensorische Afferenzen der Epidermis. In der behaarten Haut bilden die
und sind an der Immunabwehr beteiligt. Sie werden ­Merkel-Zellen hingegen Merkelsche Tastscheiben, die
bei Stress im Gehirn, im Rückenmark, in der Peri­ punktförmig über der Hautoberfläche herausragen.
pherie und in Schleimdrüsen ausgeschüttet und be­
wirken eine Kontraktion der Skelettmuskulatur, eine Tatwissens-Test (engl. Guilty Knowledge Test) Der
Gefäßerweiterung in der Peripherie und eine Ge­ von Lykken (1981) entwickelte Tatwissens-Test stellt
fäßverengung im Gehirn sowie eine vermehrte ein indirektes Verfahren zur psychophysiologischen
Schleimbildung. Substanz P spielt v. a. eine Rolle bei Täterschaftsermittlung (7 Lügendetektor) dar. Mit
der Schmerzweiterleitung. diesem Test soll überprüft werden, ob ein Proband
detaillierte Informationen besitzt, die nur ein Tatbe­
Tangles 7 Fibrillen teiligter haben kann. Ein Tatwissens-Test setzt sich
aus mehreren Fragen zusammen, die sich jeweils auf
Taschenmesserphänomen (engl. clasp-knife pheno- bestimmte Details der fraglichen Tat beziehen. Nach
menon) Das Taschenmesserphänomen ist ein cha­ jeder Frage werden sechs Antwortmöglichkeiten
rakteristisches Anzeichen der Spastik. Beim pas­ (darunter eine zutreffende) vorgegeben, die für den
siven Strecken der gebeugten Gliedmaße sorgt die Tatunbeteiligten alle gleich wahrscheinlich sind. Nur
Muskeltonuserhöhung für einen Widerstand, der für einen Tatbeteiligten sollte die eine, tatsächlich
jedoch nach einiger Zeit plötzlich zusammen­ zutreffende Antwort, zu einer Orientierungsreak­
bricht, als ­ würde man die Klinge eines Taschen­ tion führen, was sich in einer erhöhten messbaren
messers einklappen. Dieser Reflex tritt auch auf, physiologischen Reaktion niederschlägt. Über meh­
wenn man versucht, die Gliedmaße eines Tieres rere Fragen hinweg sollte also ein Tatbeteiligter kon­
T mit Dezerebra­tionsstarre zu biegen oder zu dehnen. sistent erhöhte Reaktionen bei den zutreffenden
Die plötzliche Entspannung der Muskulatur tritt Antworten zeigen. Bei Validitätsprüfungen konnten
Teratogene 273

durch den Tatwissens-Test 80–95 % der Personen äußeren Haarzellen, die von einer Lymphflüssigkeit
mit Tatwissen richtig klassifiziert und Falschklassifi­ umgeben sind. Akustische Reize lösen über Einstül­
zierungen von Personen ohne Tatwissen vollkom­ pung des ovalen Fensters eine Druckwelle im Innen­
men vermieden werden. Die größte Einschränkung ohr aus, welche zu einer Verschiebung der Tektorial­
dieses Verfahrens liegt darin, dass dem Untersucher membran relativ zur Basilarmembran führt. Hier­
zahlreiche Details des Tathergangs, die sonst nur durch werden die Zilien der Haarzellen abgeschoren,
Tatbeteiligte kennen können, bekannt sein müssen. was zu einem Einstrom von Kaliumionen und folg­
lich zur Depolarisation der Sinneszellen führt.
Tectum (engl. tectum; Syn. Vierhügelplatte) Das Tec­
tum (= Dach) entspricht dem dorsalen Teil des Mit­ Telenzephalon 7 Großhirn
telhirns. Hier finden sich zwei paarige Nervenzell­
ansammlungen, die hügelig aus dem Mittelhirn Temporallappen (eng. temporal lobe) Teil des Groß­
heraustreten, den Colliculi superiores oben und den hirns mit vielfältigen funktionellen Bereichen. Vor­
Colliculi inferiores unten. In diesen Nuclei erfolgen ne grenzt er an den Parietallappen und Frontallap­
Umschaltungen afferenter sensorischer Reize der pen und nach hinten an den Okzipitallappen. Der
Hörbahn (C. inferiores) bzw. der Sehbahn (C. supe­ Temporallappen enthält im Wesentlichen drei Teile:
riores). den primären auditorischen Kortex, Sprachzentren
und gedächtnisrelevante Strukturen. Viele seiner Be­
Tectum opticum (engl. optic tectum) Als Tectum reiche sind für die Erkennung von nichträumlichen
­ pticum werden die Colliculi superiores der Vier­
o auditorischen und visuellen Reizen zuständig wie
hügelplatte bezeichnet, da sie für die Verarbeitung z. B. die Erkennung von Gesichtern. Wenn Läsionen
visueller Informationen zuständig sind (7 Colliculi im Bereich des Temporallappens auftreten, kann es
superiores). zu Agnosien (v. a. Prosopagnosie), Amnesien und
Aphasien kommen. Andere Bereiche des Temporal­
Tegmentum (engl. tegmentum) Das Tegmentum ist lappens (u. a. Hippocampus) erlauben die Einspei­
der ventrale Teil des Mittelhirns. Es besteht aus sung von vornehmlich raum-zeitlichen Informatio­
­mehreren Strukturen, zu denen die Substantia nigra, nen in kortikale Nervenzellnetze.
das periaquäduktale Grau (PAG), der Nucleus ruber
und einige Hirnnervenkerne gehören. Neben dem Temporallappen-Amnesie, mediale (engl. medial
Ventrikelkanal, Aquaeductus cerebri, verlaufen auch temporal lobe amnesia) Form der Amnesie mit cha­
Teile der Formatio reticularis und mehrere Faser­ rakteristischen Defiziten. Betroffene haben große
züge durch das Tegmentum. Schwierigkeiten, explizite (episodische, weniger se­
mantische) Langzeitgedächtnisinhalte zu bilden,
Tegmentum, ventrales (engl. ventral tegmental area) können aber implizites Wissen speichern und ab­
Struktur des Mesenzephalons und wichtiger Teil des rufen. Die Beeinträchtigungen werden zurückge­
mesolimbokortikalen Dopaminsystems. Seine Ver­ führt auf Läsionen im medialen Temporallappen,
bindungen ziehen sowohl zu limbischen Strukturen besonders dem Hippocampus wird eine bedeutende
(Amygdala, Nucleus accumbens) als auch zum Rolle zugeschrieben. Der bekannteste Fall einer
präfrontalen Kortex. Durch Anregung der Ausschüt­ ­medialen Temporallappenamnesie ist der Patient
tung von Dopamin aus dem Nucleus accumbens ist H. M., der seit einer bilateralen Entfernung großer
das ventrale Tegmentum in Belohnungsprozesse in­ Teile des Temporallappens unter schwerster antero­
tegriert. grader Amnesie leidet, aber dennoch neue motori­
sche Fähigkeiten (z. B. Spiegelzeichen) erlernen oder
Tektorialmembran (engl. tectorial membrane) Gal­ andere implizite Gedächtnisinhalte aufbauen kann.
lertartige Masse, die sich über das Corti-Organ, den
für das Hören zuständigen Sinneszellen des Innen­ Teratogene (eng. pl. teratogenic agents) Stoffe, ­welche
ohres, erstreckt. Sie ist an der Innenseite der Cochlea die normale Entwicklung des Fetus oder Embryos
T
befestigt und liegt über den Zilien der inneren und verändern, verzögern oder hemmen. Teratogene Ein­
274 Testes

flüsse können Missbildungen hervorrufen oder den Gift der Tetanusbakterien (Tetanospasmin) hervor­
Fruchttod herbeiführen. Sie wirken durch Einnah­ gerufen wird. Diese Erreger leben im Erdreich und
me, Aufnahme oder Produktion durch die Mutter in Tierexkrementen. Die Folge einer Infektion ist
und umfassen Medikamente (z. B. Lithium), Drogen eine krampfartige Starre der gesamten Muskulatur,
(z. B. Alkohol, Kokain), chemische Substanzen (z. B. da durch das Gift inhibitorische Neurotransmitter
Alkohol), Pathogene (z. B. Rubella-, Varicella-Viren), gehemmt werden. Symptome einer Erkrankung
physikalische Einflüsse (z. B. Röntgenstrahlung) sind Mundsperre, Krämpfe der Gesichtsmuskeln,
oder Stoffwechselkrankheiten der Mutter (z. B. Dia­ Verkrampfung von Armen oder Beinen, Fieber und
betes). Krämpfe der Blasen- und Darmmuskeln. Wenn sich
die Krämpfe auf die Atemmuskulatur ausweiten,
Testes 7 Hoden kommt es zum Aussetzen der Atmung und der Pa­
tient stirbt. Die wichtigste Prävention gegen die Er­
Testosteron (engl. testosterone) Testosteron ist das krankung ist eine Tetanus-Impfung; erfolgt eine
wichtigste Androgen und wirkt als männliches ­Infektion dennoch, muss innerhalb kürzester Zeit
­Sexual- bzw. Geschlechtshormon. Gebildet wird es eine passive Immunisierung durch Gabe von Anti­
beim Mann in den Hoden, bei Frauen zu deutlich ge­ tetanospasminglobulin stattfinden. Die Gefahr einer
ringeren Mengen in den Eierstöcken und bei ­beiden Infektion besteht bei Verletzungen der Haut (z. B.
Geschlechtern in den Nebennierenrinden und der nach Tierbiss) oder bei Wundflächen mit starker
Leber. Testosteron ist im Blut zumeist an ein Träger­ Verschmutzung.
protein (SHBG) gebunden. Seine Ausschüttung und
Bildung wird durch das vom Gehirn gebildete luteini­ Thalamus (engl. thalamus) Der Thalamus bildet den
sierende Hormon (LH) gesteuert. Es ist beteiligt an größten Bestandteil des Zwischenhirns und wird
der Herausbildung der sekundären Geschlechtsmerk­ von beiden Seiten des dritten Ventrikels begrenzt.
male beim Mann sowie am Wachstum der Hoden, Seine mediale Fläche wird von der Seitenwand des
der Samenproduktion und der Libido­stärke. Haben dritten Ventrikels gebildet, seine laterale Fläche
Frauen einen zu hohen Testosteron­anteil im Blut, grenzt an die Capsula interna. Beide Thalami werden
kann es zu Vermännlichung und zu einem gesteiger­ durch die Adhesio interthalamica verbunden. Aus
ten Geschlechtstrieb (Libido) kommen. Bei beiden den vielen Kernen, welche durch Assoziationsfasern
Geschlechtern scheint sich Testoste­ron auch auf kogni­ verbunden werden, lassen sich grundsätzlich zwei
tive (z. B. Gedächtnisleistungen) auszuwirken. Kerngruppen unterscheiden: (a) Die spezifischen
Thalamuskerne (Palliothalamus), welche direkt mit
Tetanie (eng. tetany) Tetanie bezeichnet eine Störung einem bestimmten Teil der Großhirnrinde verbun­
der Motorik (Muskelkrämpfe) und der Sensibilität den sind, und (b) die unspezifischen Thalamuskerne
(Kribbeln), die bei neuromuskulärer Über­erregbarkeit (Truncothalamus), welche eine diffuse Verbindung
auftritt. Sie tritt infolge einer Störung im Kalzium­ zum gesamten Kortex aufweisen. Die Funktion des
stoffwechsel auf; es werden zwei Formen der Tetanie Thalamus besteht aufgrund einer intensiven Wech­
unterschieden: Bei der hypokalzämi­schen Tetanie selbeziehung zum Kortex in der Umschaltung sen­
kommt es zu einem Abfall des Kal­ziumspiegels im sibler Informationen zum Kortex und in der Inte­
Körper, dadurch lösen sich Ca++ von Natriumka­ gration sensibler und motorischer Impulse. Dabei
nälen und ein Aktionspotenzial kann leichter ausge­ verbinden Gebiete des Palliothalamus Aufmerk­
löst werden. Das führt zu Krämpfen der Muskulatur samkeits- mit motivational-emotionalen Prozessen
und zu einem Kribbeln an sensiblen Nervenbahnen. (anteriore und dorsomediale Gruppe) sowie moto­
Im Falle der normokalzämischen Tetanie bleibt der rische Aufmerksamkeit und Planung (Nucleus vent­
Kalziumspiegel konstant, aber Kalziumionen werden ralis anterolateralis). Gebiete des Truncothalamus
verstärkt an Plasmaproteine gebunden. regulieren die allgemeine Hirnaktivität und integrie­
ren motorische Impulse mit Bewegungsentwürfen
T Tetanus (engl. tetanus; Syn. Wundstarrkrampf) (besonders intralaminäre Kerne, wie der Ncl. centro­
Schwere, akute Infektionskrankheit, die durch das medianus). Mit Ausnahme von Geruchsinformatio­
Thrombozyte 275

nen werden alle sensorischen Informationen über bei Traumen und Erkrankungen. Kondition und Ge­
spezifische Kerne des Thalamus verschaltet, bevor dächtnis sind ebenfalls von Thiamin abhängig. Ein
sie in Punkt-zu-Punkt-Projektionen die entspre­ Thiamin-Mangel wirkt sich besonders auf Gehirn-
chenden Abschnitte der sensorischen Rinde errei­ und Nervenfunktionen aus, da diese auf Kohlenhyd­
chen (Thalamus als »Tor zum Bewusstsein«). ratenergie angewiesen sind.

Thermorezeptor 7 Thermosensor Thigmotaxis (engl. thigmotaxis) Taxis meint gerich­


tete Orientierungsbewegungen von Organismen
Thermosensor (engl. thermosensor) Freie Nerven­ oder Fortpflanzungseinheiten (wie Spermien), die
endigung zur Wahrnehmung von Temperaturen sich frei bewegen, entweder in Richtung auf eine
bzw. Temperaturveränderungen, die entsprechend Reizquelle hin oder von ihr weg. Als Thigmotaxis
der Reizqualität als Kaltsensor oder Warmsensor be­ wird die durch Berührungs- oder Tastreize ausge­
zeichnet wird. Die in der Haut und den Schleim­ löste Orientierungsbewegung von Tieren bzw. frei
häuten liegenden Thermosensoren messen die Tem­ lebenden Organismen bezeichnet.
peratur auf der Körperoberfläche, während solche,
die sich im Zentralnervensystem befinden, die Kör­ Thrombose (engl. thrombosis) Bei einer Thrombose
pertemperatur registrieren. Thermosensoren dienen verschließt ein Blutgerinnsel (= Thrombus) teilweise
auf der einen Seite der Aufrechterhaltung der Körper­ oder ganz ein Blutgefäß. Am häufigsten tritt sie in
temperatur sowie auf der anderen Seite dem Schutz den tiefen Becken- und Beinvenen auf, ist an ober­
des Körpers vor zu hohen lokalen Temperaturein­ flächlichen Venen (Krampfadern) aber meist harm­
wirkungen wie Erfrierungen oder Verbrennungen. los. Thrombosen können entstehen, wenn der Blut­
fluss sich verlangsamt (z. B. bei langem Liegen nach
Theta-Rhythmus (engl. theta-rhythm) Der Theta- einer Operation), eine Schädigung der Gefäßinnen­
Rhythmus ist ein typisches Muster im Elektro­enze­ wand vorliegt (z. B. durch Verletzungen oder Arte­rio­
phalogramm (EEG). Dabei handelt es sich um einen sklerose) oder sich die Blutzusammensetzung ändert
Rhythmus von ca. 4–8 Hz bei einer Amplitude von (z. B. durch eine Verringerung blutgerinnungshem­
5–100 μV. Er dauert ca. 125–250 Millisekunden und mender Stoffe). Typische Symptome einer Throm­
wird zu den langsamen Wellen im EEG gerechnet. bose sind (Druck)Schmerzen, Schwere­gefühl und
Theta-Wellen zeigen eher eine geringe Aktivität an Ödeme. Im Akutzustand werden blut­gerinnungs­
und treten sowohl beim Schlaf (leichter Slow-Wave- hemmende Medikamente gegeben, der Thrombos
Sleep und REM-Schlaf) als auch beim Übergang operativ entfernt oder das betroffene Gefäß künst­
zwischen Wachsein und Schlaf (Schläfrigkeit) auf. lich erweitert oder überbrückt (Bypass). Löst sich
Somit können Theta-Wellen als Unterscheidungs­ der Thrombus in einer tiefen Vene, besteht die Gefahr
kriterium zwischen Schlaf und Wachheit genutzt einer Embolie. Bei einer arteriellen Thrombose kann
werden. Bei Kindern sind sie auch unter Normalbe­ es durch die Durchblutungsstörungen zu einem
dingungen im EEG zu finden. Herzinfarkt oder Schlaganfall kommen.

Thetaaktivität (engl. theta activity) EEG-Aktivität, Thrombozyte (eng. platelet) Thrombozyten sind
die aus Theta-Wellen besteht (7 Theta-Rhythmus). ein essenzieller Bestandteil des Blutes. Mit zweitau­
send­s­tel Millimetern Größe sind sie die kleinsten
Thiamin (engl. thiamine) Bei Thiamin handelt es der drei Arten von Blutkörperchen (neben den
sich um ein weißes, wasserlösliches und hitzeemp­ Erythrozyten und den Leukozyten) mit einem An­
findliches Vitamin B1, das für die Kohlenhydratver­ teil von etwa 10 % der zellulären Blutbestandteile.
wertung im Körper zuständig ist. Es ist in vielen Thrombozyten werden im Knochenmark durch den
Lebensmitteln enthalten und der Bedarf liegt bei ca. Zerfall von Megakaryozyten (große Zellen) gebildet
1,2 mg/ Tag. Es wirkt bei der Erregungsübertragung und sind verantwortlich für die Blutgerinnung,
zwischen Nerv und Muskel im peripheren Nerven­ wenn es zu einer offenen Wunde kommt. Die Öff­
T
system und bei der Regeneration des Nervensystems nung in der Haut wird mit sogenannten Fibrinogen­
276 Thymoleptikum

fäden verschlossen, nachdem sich die Blutgefäße Thyreotropin-Releasing Hormon (engl. thyrotro-
allgemein um die Verletzung zusammengezogen pin-releasing-hormone) Das Thyreotropin-Releasing
haben, um den Blutfluss zu verringern. Verklumpt Hormon (TRH) ist ein aus drei Aminosäuren be­
eine große Anzahl von Thrombozyten innerhalb der stehendes Releasinghormon des Hypothalamus, das
Blutbahn zu einem Blutgerinnsel (Thrombus), kann die Produktion und Sekretion von Thyreotropin
es in der Folge der mangelnden Durchblutung zu (TSH) aus dem Hypophysenvorderlappen steuert.
einem Herzinfarkt kommen. Die Menge an TRH wird durch ein negatives Feed­
back der Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyro­
Thymoleptikum (engl. thymolepticum) 7 Antide- xin (T4) reguliert. Bei Kälte und körperlicher An­
pressiva strengung kann dieses negative Feedback überwun­
den werden und eine erhöhte Freisetzung an TRH
Thymus (engl. thymus) Der Thymus ist ein primäres erfolgen.
lymphatisches Organ und somit wichtiger Bestandteil
des Immunsystems. Er liegt hinter dem Brustbein über Thyroxin (engl. thyroxine) Thyroxin (T4) ist ein Hor­
dem Herzbeutel und ist zuständig für die Prägung mon der Schilddrüse und gehört zur Gruppe der
der T-Lymphozyten des Immunsystems. T-Zellen Aminosäurenderivat-Hormone.Thyroxin stimuliert
»lernen« im Thymus körpereigene Zellen nur dann den Stoffwechsel im Körper und erhält wie T3 die
anzugreifen, wenn sie auf ihrer Oberfläche ­Virus- oder Alarmbereitschaft und die Reflexe des Körpers auf­
Tumorproteine zusammen mit einem MHC-Protein recht. Gebildet wird T4 vorrangig in der Schild­drüse,
präsentieren. Zudem produziert der Thymus be­ seine Synthese ist aber angewiesen auf die Verfüg­
stimmte Hormone, die die Reifung von Immunzellen barkeit von Jod. Kommt es zu einem Jodmangel,
in den Lymphknoten beeinflussen. Im Thymus findet wird weniger T4 produziert, und es kann zu Kreti­
die Ausbildung der Killerzellen, der Helferzellen, der nismus kommen. Dabei wird im sich entwickelnden
Gedächtniszellen und der regula­to­rischen T-Zellen Organismus das Gehirnwachstum gehemmt, Axone
statt. Während der Jugend und des Erwachsenenalters und Dendriten verkümmern, es resultiert eine men­
bildet sich diese Drüse stark zurück. tale Retardierung.

Thyreotropin (engl. thyroid-stimulating hormone) Tiefendyslexie (engl. visual dyslexia) Dyslexien sind
Das Thyreotropin (TSH) ist ein Hormon des Hypo­ Lesestörungen, die ohne verminderte Intelligenz des
physenvorderlappens und gehört mit einer Gesamt­ Betroffenen auftreten. Zu den zentralen Dyslexien
länge von 201 Aminosäuren zur Gruppe der Pro­ zählen die Oberflächendyslexie, die Tiefendyslexie
teinhormone. Die Aufgabe des Thyreotropins ist und die direkte Dyslexie. Bei der Tiefendyslexie
die Stimulation der Schilddrüse zur Ausschüttung kommt es beim Lesen von Wörtern oft zu seman­
der Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und tischen Fehlleistungen, d. h. ein visueller Stimulus
Thyroxin (T4). Außerdem fördert es die Umwand­ wie »König« wird bedeutungsmäßig erfasst, jedoch
lung von T4 in das biologisch wirksamere T3. Die nicht lautlich ähnlich, sondern z. B. als »Fürst« vor­
Ausschüttung des TSH wird einerseits durch die gelesen. Zudem treten häufig Lexikalisierungsfehler
Produktion des Thyreotropin-releasing-Hormons auf, während jedoch das verbale Benennen oder
(TRH) im Hypothalamus stimuliert, andererseits Schreiben des Begriffes bzw. das Lesen von Fremd­
besteht ein negatives Feedback der Schilddrüsen­ wörtern und unregelmäßigen Wörtern keine Schwie­
hormone im Blut auf die Produktion des TSH. Fehlt rigkeiten bereiten. Ursache dafür könnte die aus­
TSH oder kann es nicht ausreichend produziert wer­ schließliche Verwendung des im Dreiroutenmodell
den, schrumpft die Schilddrüse und verkümmert, beschriebenen semantisch-lexikalischen Weges sein.
was zu einer sekundären Schilddrüsenunterfunk­tion
(hypophysäre Hypothyreose) führt. Aus übermäßi­ Tiefenschmerz (engl. deep pain) Diffuser, als dumpf
ger Produktion von TSH im Hypophysenvorder­ empfundener Schmerz in tieferen Strukturen wie
T lappen resultiert eine sekundäre Schilddrüsenüber­ Muskelgewebe, Knochen, Gelenken oder Bindege­
funktion (hypophysäre Hyperthyreose). webe, der auch in die Umgebung ausstrahlen kann.
Tip link 277

Kopfschmerzen gehören bspw. zu den Tiefen­ Diese Tiermodelle dienen nicht nur der Vorhersage
schmerzen. der Störung, sondern ebenso der Erforschung der
zugrunde liegenden Mechanismen und Ursachen.
Tiefensensibilität (engl. proprioception) Fähigkeit
der Wahrnehmung der Stellung, der passiven und Timbre (engl. timbre) Das Timbre eines Tons be­
aktiven Bewegung der Körperglieder und des Aus­ schreibt seine Klangfarbe. Damit ist die spezifische
maßes an Muskelkraft, das verwendet wird, um eine Mischung von Frequenzen, also das Zusammenspiel
Bewegung auszuführen oder eine Gelenkstellung zu von Grund- und Obertönen (ganzzahlige Vielfache
halten. der Grundtöne) gemeint. Während die Frequenz die
Tonhöhe und die Amplitude die Lautstärke bestim­
Tiefschlaf (eng. delta sleep) Nach dem Einschlafen men, lassen sich anhand ihres Timbres verschiedene
wechseln sich in periodischen Abständen Schlaf­ Instrumente oder Stimmen unterscheiden.
stadien ab, die in sogenannte nonREM- und REM-
Schlafphasen eingeteilt werden. Von Tiefschlaf Tinnitus (engl. tinnitus) Unter dem Begriff Tinnitus
spricht man, wenn der Schlafende sich in der dritten werden störende(s) Ohrgeräusche, -sausen oder
oder vierten Schlafphase befindet. Diese zeichnen -klingeln verstanden. Er bezeichnet einen medi­
sich im EEG durch das Auftreten hochamplitudiger, zinischen Zustand, in dem ein dauerhafter, nicht aus
niederfrequenter Wellen (Delta-Wellen) aus. In den der Umwelt stammender Ton auf einem oder beiden
Tiefschlafphasen 3 und 4 verlangsamen sich Atmung Ohren gehört wird. Die Ursache von Tinnitus ist
und Herzschlag, der Magen-Darm-Trakt ist wäh­ nicht vollständig geklärt. Aktuell gelten eine Reorga­
rend dieser Zeit sehr aktiv. Die erste Tiefschlafphase nisation des auditorischen Kortex, ähnlich der
dauert etwa eine Stunde, dann folgt der REM-(Rapid des Phantomschmerzes, oder eine Veränderung der
Eye Movement)Schlaf. Während in der ersten Nach­ Spontanaktivität des auditorischen Kortex als Aus­
hälfte die Tiefschlafphasen dominieren, treten in der löser. Dieses Phänomen kann bspw. durch Erkran­
zweiten Nachthälfte zunehmend mehr REM-Schlaf­ kungen des Innenohrs, akute Knalltraumata, chro­
phasen auf. nische Lärmschädigungen oder Hörstürze hervorge­
rufen werden. Tinnitus führt häufig zu Folgeschäden
Tiermodell (engl. animal model) Erkrankung eines wie Depressionen, Schlaf- und Konzentrationsstö­
Tieres, die der zu untersuchenden menschlichen rungen. Bei akutem Tinnitus werden meist durch­
Störung möglichst entspricht. Dieser Forschungsan­ blutungsfördernde Infusionen oder eine hyperbare
satz soll Hinweise auf Ursachen, Verlauf und Be­ Sauerstofftherapie angewandt. Bei chronischem Tin­
handlungsmöglichkeiten der jeweiligen Erkrankung nitus gilt eine Akzeptanz des Tinnitus als vorrangiges
bieten. Unter anderem in der Analyse von geneti­ Therapieziel.
schen Einflüssen spielt das (isomorphe) Tiermodell
eine große Rolle, da hier Gene gezielt manipuliert Tip link (engl. tip link) Kleine, drahtartige Strukturen
werden können (7 Knockout-Mäuse) und daraufhin an der Spitze der Stereozilien (Hörhaare) an den
die Genexpression und -regulation untersucht Haarzellen der Cochlea. Sie verbinden die einzelnen
­werden kann. Die Übertragbarkeit so gewonnener Stereozilien untereinander und sind an Ionenkanäle
Erkenntnisse auf den Menschen ist allerdings nicht gekoppelt. Beim Hörvorgang werden die Hörhaare
uneingeschränkt möglich. durch die Bewegung der Tektorialmembran im
Innen­ohr in eine Richtung »abgeknickt«. Dadurch
Tiermodell, homologes/isomorphes (engl. homo- straffen sich die Tip links und die Ionenkanäle in den
logous animal model) Bei einem homologen Tiermo­ Stereozilien werden mechanisch geöffnet. Durch
dell handelt es sich um ein experimentelles Modell, dieses Prinzip ist die Zelle sehr leistungsfähig, da
bei dem die Krankheit des Tieres der Störung beim ­Ionenkanäle mehrere tausend Mal pro Sekunde
Menschen entspricht. Dies gilt auch für das iso­ ­geöffnet und geschlossen werden können. Neben
morphe Tiermodell, nur dass hier die Krankheit ­Ka­lium können allerdings auch Fremdstoffe (z. B.
T
beim Tier künstlich im Labor hervorgerufen wird. Anti­biotika) eindringen, die zum Absterben der
278 T-Lymphozyt

­ elle und damit zum Verlust des Gehörs führen


Z mit einer bestimmten Droge immer geringere Effekte
­können. erzielt. Bei der funktionellen Toleranz zeigt das Ziel­
gewebe selbst eine veränderte Sensitivität be­züglich
T-Lymphozyt (engl. T-lymphocyte, T-cell) T-Lym­ der Droge. In der Neuropharmakologie ist die Regu­
phozyten (oder T-Zellen) sind Teil des zellulären lation von Rezeptorproteinen (Veränderung der vor­
Immunsystems und bilden zusammen mit den handenen Rezeptoranzahl) eine wichtige Quelle der
B-Zellen die Gruppe der Lymphozyten. Sie werden funktionellen Toleranz. Diese Rezeptorregulation
in Stammzellen des Knochenmarks gebildet und er­ verändert die neuronale Sensitivität in entgegen­
halten im Thymus ihre immunologische Spezifität. gesetzter Richtung des Drogeneffektes. Setzt man sie
Die Zellen werden vom Blut und der Lymphflüssig­ wiederholt einer agonistischen Droge aus, regulieren
keit transportiert. An ihrer Oberfläche finden sich Zielneuronen die Anzahl verfügbarer Rezeptoren,
antigenspezifische Rezeptoren. Bei Kontakt mit für die Droge herunter (Down-Regulation) und wir­
­einer Antigen-präsentierenden Zelle wird eine Ver­ ken so dem Drogeneffekt entgegen. Ist die Droge ein
mehrung der entsprechenden T-Zelle und u. U. die Antagonist, können die Zielneuronen stattdessen die
Abtötung der gebundenen (Körper-)Zelle angeregt. Anzahl der Rezeptoren erhöhen (Up-Regulation).
Das Antigen wird nur gebunden, wenn es als Teil
einer körpereigenen oder fremden Zelle zusammen Toleranz, metabolische (engl. metabolic tolerance)
mit einem MHC-Molekül erkannt wird. Nach Erst­ Drogentoleranz bedeutet, dass eine fortschreitende
kontakt mit einem Antigen bildet die Zelle verschie­ Einnahme einer bestimmten Droge weniger Effekte
dene Tochterzellen, welche entweder als Effektor­ zur Folge hat. Einige Drogen verursachen metabo­
zelle an der sofortigen Abwehr beteiligt sind oder als lische Toleranz, bei der das organische Stoffwechsel­
Gedächtniszellen bei erneutem Kontakt mit dem system des Körpers (z. B. die Leber) die Droge zu­
gleichen Antigen eine schnellere und intensivere nehmend effektiver eliminiert, bevor diese das Ge­
­Immunreaktion bedingen. Nach ihren Oberflächen­ hirn oder andere Zielgewebe beeinflussen kann.
molekülen lassen sich die T-Lymphozyten in T-Hel­ Alternativ kann das Zielgewebe selbst veränderte
ferzellen (CD4) und zytotoxische T-Zellen (CD8) Sensitivität bezüglich der Droge zeigen (7 Toleranz,
unterscheiden. funktionelle).

TMS 7 Magnetstimulation, transkranielle Tonotopie (engl. tonotopic organization) Tonotopie


bezeichnet das Prinzip, nachdem das auditorische
Token-Test (engl. token test) Der Token-Test ist ein System auf jeder Ebene, von der Basilarmembran
einfacher neuropsychologischer Test zur Überprü­ (Lamina basilaris) bis hin zum Kortex, systematisch
fung des Sprachverständnisses eines Patienten. nach Frequenzen organisiert ist. Frequenzinforma­
Zwanzig verschiedene Plättchen (die Tokens) in un­ tionen eines Reizes werden so direkt in Ortsinforma­
terschiedlichen Farben und Formen werden vor tionen umgewandelt.
dem Patienten auf dem Tisch verteilt. Dem Patienten
werden nun in Bezug auf die Tokens diverse Aufga­ totipotent (engl. totipotent) Zellen bezeichnet man
ben mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad verbal als totipotent, wenn sich aus ihnen ein vollständiger
gestellt (etwa »Berühren Sie den weißen Kreis!«). Organismus inklusive aller während der Entwick­
Daraus, wie der Patient diese Aufgaben bewältigen lung gebildeter extraembryonaler Strukturen ent­
kann, werden Rückschlüsse auf sein Sprachverständ­ wickeln kann. Beim Menschen weisen die Zellen des
nis gezogen. Der Token-Test wird v. a. zur groben 4-Zellstadiums diese Eigenschaften auf. Aus ihnen
Abschätzung des Vorliegens einer Aphasie einge­ kann sich neben den Körperzellen auch extraembryo­
setzt, die dann mit weiteren Tests genauer überprüft nales Gewebe (Plazenta) entwickeln. Im Vergleich
wird. dazu können sich aus pluripotenten Zellen, die sich
in der Blastozyste finden, nur Körperzellen entwi­
T Toleranz, funktionelle (engl. functional tolerance) ckeln, die Plazenta selbst kann aus diesen aber nicht
Drogentoleranz, bei der fortschreitende Behandlung gebildet werden.
Tractus lemniscus lateralis 279

Tourette-Syndrom (engl. Tourette’s syndrome) Diese Tractus corticospinalis (engl. corticospinal tract;
seltene Erkrankung wurde nach George Gilles de la Syn. Pyramidenbahn) Der Tractus corticospinalis
Tourette benannt, einem französischen Arzt, ­welcher bildet die größten der motorisch absteigenden
die Symptome im 19. Jahrhundert als erstes beschrieb. ­Bahnen und innerviert die Alpha-Motoneurone,
Sie zeichnet sich durch eine gestörte Bewegungs­ v. a. der distalen Extremitätsmuskeln. Seinen Ur­
kontrolle und -koordination aus. Sympto­me sind sprung nimmt er vom Motorkortex (BA 4), den
körperliche Tics (Zuckungen und seltsame Bewe­ Brodmannschen Arealen 6 und 8 (willkürliche
gungen) und/oder das Ausstoßen von Geräu­schen, ­Augenbewegungen) und den primären und sekun­
obszönen Worten oder Tierlauten. Zusätzlich scheint dären somatosensiblen Arealen des Parietallappens
eine hohe Empfindlichkeit für Außenreize vorzulie­ und verläuft als Tractus corticospinalis durch die
gen. Die Erkrankung manifestiert sich früh im Leben Capsula interna und den Hirnstamm. Der Tractus
und hält ohne Behandlung ein Leben lang an. Über corticospinalis endet in der Medulla oblongata, wo
die Ätiologie ist noch nicht viel bekannt, jedoch zei­ er eine ventral sichtbare Wölbung – die sog. Pyra­
gen sich bei den Betroffenen Veränderungen in den mide – bildet.
Basalganglien sowie im dopaminergen System. Auch
genetische Einflüsse werden diskutiert. Tractus corticospinalis anterior (engl. anterior corti­
cospinal tract) Ungekreuzte Fasern (10–30 %) der
Tractus (engl. tract) Tractus ist eine viele Nerven­ Pyramidenbahn verlaufen als Tractus corticospinalis
fasern enthaltende Bahn. Meist lassen sich aus dem anterior medial neben der Fissura longitudinalis,
Beinamen der Ursprungsort und das Zielgebiet ab­ ­anterior nach kaudal und enden auf Höhe des Zer­
leiten. vikalmarks, um danach zu kreuzen. Sie tragen
­hauptsächlich zur Innervation der Feinmotorik und
Tractus corticobulbaris (engl. corticobulbar tract) zur Hemmung propriospinaler Aktivität und Ver­
Der Tractus corticobulbaris ermöglicht durch seine bindungen bei wie z. B. primitiver Fremdreflexe
Verbindung zum Hirnstamm die kortikale Kon­t­ (­Babinski-Reflex u.a.).
rolle der motorischen Hirnnervenkerne. Zu den im
Hirnstamm liegenden Kerngebieten der Kopf- und Tractus corticospinalis lateralis (engl. lateral corti-
Halsmuskulatur zählen u. a. der N. trochlearis, der cospinal tract) Unterhalb der Pyramide kreuzen
N. trigemini, der N. facialis und der N. hypoglossus. 70–90 % der Fasern auf die kontralaterale Seite und
Diese Kerngebiete enthalten Motoneurone, die die bilden den Tractus corticospinalis lateralis. Sie ­enden
gemeinsame motorische Endstrecke zur Muskulatur am Vorderhorn des Rückenmarks und bilden Synap­
bilden und werden vom Kortex über den Tractus sen über Interneurone mit Motoneuronen der mo­
corticonuclearis kontrolliert. torischen Spinalnerven.

Tractus corticobulbospinalis (engl. corticobulbo­ Tractus corticospinalis ventralis (engl. ventral


spinal tract) Der Tractus corticobulbospinalis ist der c­ erebrospinal tract) Der Tractus corticospinalis vent­
indirekte Teil der ventromedialen motorischen ralis enthält motorische absteigende Bahnen, die aus
Bahn. Er beginnt im motorischen Kortex und steigt Axonen von Neuronen des primären motorischen
dann über den Hirnstamm zum Rückenmark ab. Kortex, aber auch des Parietal- und Temporallappen,
Diese Bahn hat zwei Besonderheiten. Zum einen gebildet werden. Im Gegensatz zum Tractus corti­
projiziert sie auf vier Strukturen des Hirnstammes: cospinalis lateralis kreuzen die Fasern des Tractus
das Tectum, die Formatio reticularis, den Vestibular­ corticospinalis ventralis nicht in der Medulla oblon­
kern und die motorischen Hirnnervenkerne der gata, sondern steigen ventral im ipsilateralen Rücken­
­Gesichtsmuskeln. Zum anderen verläuft sie ab dem mark ab. Die Fasern enden an Alpha-Motoneuronen
Hirnstamm bilateral im ventromedialen Rücken­ des Rückenmarks, welche v. a. die Oberschenkel-
mark. Von dort aus gibt es Verschaltungen zu den und Rumpfmuskulatur innervieren.
nahe gelegenen Muskeln der Gliedmaßen und des
T
Rumpfes. Tractus lemniscus lateralis 7 Lemnicus lateralis
280 Tractus lemniscus medialis

Tractus lemniscus medialis 7 Lemnicus medialis laris entspringt und dann im Rückenmark im Vorder­
strang zu den Vorderwurzelzellen zieht. Der Tractus
Tractus perforans (engl. perforant tract) Axonen­ vestibulospinalis gehört zur motorischen Bahn und
bündel im medialen Temporallappen, deren Neu­ dem extrapyramidalen System. Er verläuft im Rücken­
rone v. a. in Schicht II und III des entorhinalen Kor­ mark gekreuzt und gibt seine Signale an die Moto­
tex liegen und in die Körnerzellen des Gyrus den­ neuronen der Skelettmuskulatur weiter. Durch diese
tatus der Hippocampusformation projizieren. Auf Verschaltung ist der Tractus vestibulospinalis an der
seinem Weg durchdringt der Tractus perforans das Aufrechterhaltung der Körperspannung und der Ex­
Subiculum, woraus sein Name abgeleitet wird. Der tension von rumpfnahen Muskeln beteiligt.
Hippocampus erhält einen Großteil der Informatio­
nen über diese Bahn. Tranquilizer (engl. tranquilizer) Eine Medikamen­
tengruppe mit beruhigender (sedativer), spannungs­
Tractus reticulospinalis (engl. reticulospinal tract) lösender und schlaffördernder Wirkung wie z. B.
Faserbündel, welches seinen Ursprung in der For­ Barbiturate und Benzodiazepine (u. a. Valium).
matio reticularis hat und dann in der weißen Subs- Tranquilizer werden zur Behandlung von Angst­
tanz, im Vorderstrang des Rückenmarks, zu den zuständen und Panikattacken verabreicht, die Medi­
Vorderhornzellen zieht, um hier Signale an Moto­ kation wird aber im Laufe einer Psychotherapie ge­
neurone der Skelettmuskulatur weiterzuleiten. Ana­ gen Angststörungen wieder abgesetzt. Neben legalen
tomisch gesehen gehört der Tractus reticulospinalis Tranquilizern existiert eine ganze Reihe an illegalen
zur extrapyramidalen Bahn und verläuft im Rücken­ Substanzen, die ebenfalls sedierend wirken (v. a.
mark beidseitig. Die Signale, die über dieses Faser­ Opioide). Alle Tranquilizer besitzen ein großes Ab­
bündel vermittelt werden, dienen der Aufrechterhal­ hängigkeitspotenzial.
tung von Körperspannung und sind an statischen
Reflexen beteiligt. Transfer-RNA (engl. transfer ribonucleic acid) Die
Transfer-Ribonukleinsäure (tRNS) ist ein ca. 80 Nu­
Tractus rubrospinalis (engl. rubrospinal tract) Als kleotid langes Molekül mit intramolekularen Basen­
Teil der extrapyramidalen Bahnen nimmt der Trac­ paarungen. Durch diese Paarungen entsteht eine
tus rubrospinalis seinen Ursprung im Nucleus ruber, komplexe Tertiärstruktur mit drei Schlaufen (Klee­
kreuzt auf Höhe des Tegmentums und zieht ins blattstruktur). Eine der drei Schlaufen trägt ein
­Rückenmark nach kaudal, um im Vorderhorn zu ­Motiv aus drei Nukleotiden (Anticodon), welches
enden, wo er exzitatorischen Einfluss auf die Moto­ komplementär zu einem entsprechenden Triplet der
neurone der Flexoren ausübt. Der Tractus rubro­ mRNS (Messenger-RNS; Codon) ist. Jede tRNS ist
spinalis gilt als einziges extrapyramidales Faserbün­ kovalent mit einer Aminosäure verbunden, wobei
del, das bevorzugten Einfluss auf die distale Extremi­ eine tRNS mit einem bestimmten Anticodon stets
tätsmuskulatur ausübt. Es ist beim Menschen relativ die gleiche Aminosäure zum Ribosom transportiert.
schwach ausgebildet. Somit stellt die tRNS einen Kontakt zwischen der
mRNS und den Aminosäu-ren her.
Tractus tectospinalis (engl. tectospinal tract) Faser­
bündel, welches aus dem Mittelhirndach entspringt. Transformation (engl. transformation) Umwand­
Der Tractus tectospinalis verläuft als absteigende lung einer anhaltenden Depolarisation des Sensor­
Bahn am Vorderseitenstrang des Rückenmarks und potenzials in Aktionspotenziale. Die Transformation
verschaltet dort Signale auf Motoneurone. Er leitet findet im Anfangsabschnitt der Sensorzelle oder in
Informationen weiter, die optisch oder akustisch einer Endigung der afferenten Nervenzelle, die mit
aufgenommen wurden und der Realisierung von der Sensorzelle synaptischen Kontakt hält, statt.
Fluchtreflexen dienen.
Transgen (engl. transgene) Als Transgen bezeichnet
T Tractus vestibulospinalis (engl. vestibulospinal man ein modifiziertes oder von einem anderen Or­
tract) Faserbündel, welches dem Nucleus vestibu­ ganismus stammendes Gen, welches zusätzlich zum
Traum 281

normalen Genom eines Organismus vorliegt. Orga­ (ohne Verletzung der Haut) Messwerte aus dem
nismen, die diese zusätzlich eingebrachten Gene Körperinneren liefern (z. B. die transkutane Blutgas­
stabil erhalten und dauerhaft an ihre Nachkommen analyse). Hauptanwendungsbereich sind Pflaster­
weitergeben können, bezeichnet man als transgene systeme – je nach Wirkstoff und angestrebten Eigen­
Organismen. schaften unterschiedlich aufgebaut – zum Wirkstoff­
transport durch die Haut. Auch Kanülen werden fast
Transkription (engl. transcription) Transkription ist ausnahmslos transkutan eingestochen.
der erste Prozess der Proteinbiosynthese, bei der
spezifische Abschnitte der DNA zur Synthese der Translation (engl. translation) Die Translation ist
mRNS dienen. Bei diesem Vorgang werden die Nu­ der Vorgang, bei dem aus der Nukleotidabfolge der
kleinbasen der DNS (Adenin, Thymin, Guanin, Zy­ Messenger-RNS (mRNS) ein Primärprotein herge­
tosin) in Nukleinbasen der mRNS (Adenin, Uracil, stellt wird. Die Translation stellt den letzten Schritt
Guanin, Zytosin) umgeschrieben. Während bei Pro­ der Proteinbiosynthese dar und läuft an den Ribo­so-
karyoten die Transkription im Zytoplasma der Zelle men ab. Die in der Transkription entstandene mRNS
stattfindet, erfolgt der Prozess bei Eukaryoten im wird bei Eukaryoten aus dem Zellkern hinaus in das
Zellkern, bevor die mRNS für die Translation in das Zytoplasma transportiert und gelangt an die freien
Zytoplasma transportiert wird. An der Promoter­ Ribosomen oder an die Ribosomen des rauen endo­
stelle, der Startstelle der Matrize der DNS für ein plasmatischen Retikulums (raues ER). Je drei aufein­
bestimmtes Gen, lagert sich auf beiden Strängen ander folgende Nukleotide der mRNS, ein Triplet,
das Enzym RNS-Polymerase an. Im Bereich von 10 entsprechen einer bestimmten Aminosäure und die
oder 11 Nukleotiden wird durch die Auflösung der Abfolge dieser Aminosäuren ist für verschiedene Pro­
Wasserstoffbrückenbindung die Doppelhelix der teine spezifisch. Die Transporter-RNS (tRNS) bindet
DNS entwunden. Am kodogenen Strang der DNS, mit Hilfe von Aminoacyl-tRNS-Syntheasen die im
in 3’-5’-Richtung, lagern sich durch Basenpaarung Zytoplasma befindlichen Ami-nosäuren an eine spe­
komplementäre mRNS-Nukleotide an. Durch eine zifische Basensequenz (Anti-kodon) und transpor­
esterartige Bindung zwischen der Phosphorsäure tiert die verschiedenen Aminosäuren zu den Ribo­
und der Ribose werden diese Nukleotide mitein­ somen. Die Peptidyl-Transferase-Aktivität des Ribo­
ander verknüpft. Die RNS-Polymerase erkennt die soms überträgt nun die angelieferte Aminosäure an
Stopp-Sequenz, den Terminator, auf der Matrize und die sich bildende Peptidkette. Der Beginn der Poly­
dort endet die Transkription. Die Wasserstoffbrü­ peptidsynthese findet am Start-Codon mit der Ami­
ckenbindungen zwischen den Nukleinbasen der nosäure Methionin statt, die am Ende des Vorgangs
DNS-Stränge bilden sich wieder aus und die Form wieder abgespalten wird. Nun lagert sich die nächste
der Doppelhelix wird wieder hergestellt. Bei Pro­ passende tRNS an und eine neue Amino­säure wird
karyoten fangen noch im Transkriptionsprozess gebunden. So bildet sich Schritt für Schritt eine Poly­
­Ribosomen an der einsträngigen mRNS mit dem peptidkette. Das Ribosom wandert dabei immer um
Translationsvorgang an. Bei Eukaryoten gelangt die genau ein Triplet auf der mRNS in 5’-3’-Richtung
durch die Transkription entstanden prä-mRNS noch ­weiter. Dies geschieht solange, bis die Informationen
nicht direkt zu den Ribosomen, sondern wird durch der mRNS vollständig ausgelesen sind, d. h. bis zum
Splicing, Capping und Anlagerung eines Poly-A- sog. Stopp-Codon, an dem es ­keine komplementäre
Strangs noch modifiziert. Dann gelangt die reife tRNS gibt. So entsteht ein ­Polypeptid in Primärstruk­
mRNA durch eine Kernpore in das Zytoplasma, um tur. Dieses neu gebildete Protein löst sich endgültig
mit dem Ribosom in Interaktion zu treten. vom Ribosom ab und ­faltet sich zur Sekun-där- oder
Tertiärstruktur. Oft liegen im Zytoplasma viele Ribo­
transkutan (engl. transcutaneous) Transkutan be­ somen hintereinander, so dass das Eiweiß in kürzester
zeichnet den Transport durch den inneren Teil der Zeit mehrfach hergestellt werden kann.
Haut, durch die unter der Epidermis liegende Der­
mis. Der Begriff wird in der Medizin im Zusammen­ Traum (engl. dream) Physiologisches Phänomen, das
T
hang mit Verfahren verwendet, die nichtinvasiv vorwiegend während Rapid-Eye-Movement-Phasen
282 Trichromasie

(REM) des Schlafs auftritt. Da die Tätigkeit des Kortex chemische Verbindung besteht aus einem Molekül
während des Schlafs gedämpft wird, können Reize aus Glyzerin und drei Fettsäuren. Das Langzeitfett­
der Umgebung oder in der Person nicht adäquat und reservoir ist mit Triglyzeriden angefüllt, welches das
logisch, wie im Wachzustand, verarbeitet werden. Die Überleben, z. B. beim Fasten, sichern. Wenn auf
Folge ist ein zumeist lebhaftes und emotionales Er­ dieses Reservoir zurückgegriffen werden muss,
leben im Schlaf. Nach dem Erwachen können diese ­werden die Triglyzeride in Glyzerin und Fettsäuren
Erlebnisse z. T. erinnert werden, d. h. es besteht ein aufgespalten. Dabei können die Fettsäuren von den
Traumbewusstsein. Laut Psychoana­lyse zeigen sich meisten Körperzellen direkt verstoffwechselt wer­
im Traum Phantasien und Wünsche, die der Person den. Für die Zellen des Gehirns muss die Leber Gly­
im Wachzustand nicht zugänglich sind. Die im Traum zerin jedoch erst in Glukose umwandeln.
als Symbole verschlüsselten Wünsche können mittels
Traumdeutung entschlüsselt und damit bewusst ge­ Trijodthyronin (engl. triiodothyronine) Trijodthyro­
macht werden. Anders als im REM-Schlaf werden nin (T3) ist ein Hormon der Schilddrüse, das zum
Träume in den Slow-Wave-Sleep-Phasen (SWS) häu­ Großteil außerhalb der Schilddrüse aus Thyroxin
fig als »nachdenkende« oder »problembearbeitende« (T4) gebildet wird. Die Produktion von T3 ist stark
Träume ohne direkten Ich-Bezug beschrieben. Jod-abhängig. Es gehört zur Gruppe der Amino-
säurenderivat-Hormone, verhält sich von der Wir­
Trichromasie (engl. trichromatopsia) Trichromasie kung her allerdings wie ein Steroidhormon. Im Blut
bezeichnet zum einen die trichromatische Theorie ist das T3 zu über 99 % proteingebunden (Thyroxin-
des Farbensehens bzw. Dreikomponententheorie bindendes Globulin), biologisch wirksam ist aller­
(nach T. Young und H. v. Helmholtz). Dabei wird an­ dings nur das freie T3 (fT3). T3 reguliert den Stoff­
genommen, dass drei unterschiedliche Rezeptortypen wechsel und das Wachstum und wirkt auf das zen­
(Zapfenarten rot, grün, blau) mit unterschiedlichen trale Nervensystem, indem es die Alarmbereitschaft
spektralen Empfindlichkeiten im Auge vorkommen, und die Reflexe des Körpers erhält. Die Konzen­
die für die gesamte Farbwahrnehmung zuständig tration von T3 unterliegt tageszeitlichen Schwan­
sind. Zum anderen bezeichnet Trichromasie die nor­ kungen. Fehlt es in der Entwicklungsphase an T3,
male Farbsichtigkeit bzw. das Drei­farbensehen. Alle kann es zum Krankheitsbild des Kretinismus kom­
drei Grundspektralfarben (Rot, Grün, Blau) werden men, bei dem das Gehirnwachstum gehemmt wird
wahrgenommen und somit das ganze Farbspektrum, sowie Axone und Dendriten verkommen. Als Folge
das aus einer Mischung dieser drei Farben besteht. tritt eine mentale Retardierung ein.
Ist die Wahrnehmung einer der Grundfarben einge­
schränkt, spricht man von einer anomalen Trichroma­ Trinken, spontanes (engl. spontaneous drinking) Be­
sie bzw. einem gestörten Dreifarbensehen. zeichnet das Trinken ohne akuten Wassermangel.

Trigeminusneuralgie (engl. trigeminal neuralgia) Triplet (engl. triplet) Ein Triplet (Codon) ist die
Bei einer Trigeminusneuralgie handelt es sich um kleinste funktionelle Untereinheit der DNS und der
wiederkehrende Schmerzattacken im Bereich der RNS. Es bezeichnet einen Bereich von drei aufeinan­
Äste des N. trigeminus (meist an Wange, Oberlippe derfolgenden Nukleotiden einer DNS oder RNS, der
und Kinn). Die Ursache hierfür ist bisher unklar. den Einbau einer spezifischen Aminosäure in das
Auslöser solcher Schmerzattacken sind sogenannte kodierte Protein festlegt. Grundlage hiervon ist die
Trigger-Reize wie Hitze, Kälte oder Berührung. Die Kodierung einer Aminosäure eines Proteins durch
Schmerzattacken setzen blitzartig als brennender drei aufeinander folgende Nukleotide in der Sequenz
und heftiger Schmerz ein und können ausschließlich des dazugehörigen Gens.
durch die Gabe von Analgetika (schmerzstillende
Mittel) gemildert werden. Trisomie 21 7 Down-Syndrom
T Triglyzerid (engl. triglyceride) Triglyzerid stellt den Tritanopie (engl. tritanopia; Syn. Blaublindheit) Ge­
bedeutsamsten Energiespeicher der Zelle dar. Diese netisch bedingter Defekt des Farbsehens. Betroffene
Tumor, benigner 283

sind nicht in der Lage die Farbe Blau zu sehen, da sympathischen Nerven, die die Organe des Bauch­
ihre Retina keine Blau-Zapfen besitzt. Stattdessen raums versorgen, sie schalten erst in einem dem
nehmen sie die Umwelt in Grün und Rot war. Die ­Organ nahe liegenden Nervengeflecht um. ­Diese den
Sehschärfe der Betroffenen verschlechtert sich durch Grenzstrang als präganglionäre Fasern verlassende
Tritanopie nicht. Die Störung wird im Gegensatz zur Nerven werden als Nervi splanchnici bezeichnet.
Protanopie und Deuteranopie nicht X-chromosal
vererbt, daher kommt sie bei beiden Geschlechtern TSH 7 Thyreotropin
gleich häufig vor.
Tuba eustachii 7 Röhre, eustachische
Trommelfell (engl. eardrum) Das Trommelfell ist
eine bewegliche Membran aus Bindegewebe am Tuberculum olfactorium (engl. olfactory tubercle)
Ende des Gehörgangs und grenzt das Mittelohr, d. h. Teil der Riechbahn, der das Gebiet zwischen den
die Paukenhöhle, gegen den äußeren Gehörgang ­beiden Schenkeln des olfaktorischen Trakts an der
ab. Durch Schallwellen wird es in Schwingungen Hirnbasis markiert. Er wird von zahlreichen kleinen
versetzt, diese Schwingungen vom Außenohr sind Blutgefäßen durchstoßen und enthält viele kleine
Grundlage für Hörempfindungen. Das Trommelfell Nervenzellenhaufen (Calleja-Inseln).
ist aus mehreren Gewebsschichten aufgebaut: dem
einschichtigem Plattenepithel des äußeren Gehör­ Tumor (engl. tumor) Zellwucherung, also eine Zell-
gangs, der Bindegewebsschicht mit radiär sowie zir­ anhäufung, die unkontrolliert wächst. Tumore kön­
kulär verlaufenden Fasern und dem einschichtigem nen im gesamten Körper auftreten.
Epithelgewebe der Paukenhöhle. Das Trommelfell
besitzt eine runde bis längsovale Form und ist in Re­ Tumor, abgekapselter (engl. encapsulated tumor)
lation zum äußeren Gehörgang leicht schräg gestellt. Abgekapselte Tumoren gehören zu den benignen
Bei einer Beschädigung wird das Hörvermögen be­ (gutartigen) Tumoren. Diese wachsen langsam und
einträchtigt und das Mittelohr verliert seinen Schutz, örtlich begrenzt und sind vom umgebenden Gewebe
da das Trommelfell das Eindringen von Schmutz abgegrenzt. Sie können sich z. T. von selbst zurück­
und Krankheitserregern verhindert. bilden, aufhören zu wachsen oder aber Vorboten für
einen malignen (bösartigen) Tumor sein. Diese Art
trophotrop (engl. trophotrop) Trophotrop bedeutet von Tumoren ist leicht operabel und hat eine eher
die Ernährung, Ernährungsweise oder Nährstoffe günstige Prognose.
betreffend.
Tumor, benigner (engl. benign tumor) Benigne (gut­
Truncus sympathicus (engl. sympathic trunk) Paarig artige) Tumoren unterscheiden sich von malignen
angelegte, segmentale Ganglienkette des Sympathi­ (bösartigen) Tumoren insbesondere in folgenden
kus (Grenzstrang), die sich bei den meisten Wirbel­ Punkten: benigne Tumoren wachsen meist langsam,
tieren rechts und links der Wirbelsäule befindet. Die expansiv und erweisen sich als gut abgrenzbar zu
autonomen Grenzstrangganglien sind unterein­an­ gesundem Gewebe. Das umliegende gesunde Ge­
der verbunden, dadurch können Erregungen auch webe wird verdrängt und zur Seite verschoben, der
höher oder tiefer gelegene Segmente erreichen. Die benigne Tumor wächst aber nicht in das Gewebe
sympathischen präganglionären Fasern ziehen als hinein. Benigne Tumoren entwickeln keine Metas­
­Ramus communicans albus zu einem Ganglion des tasen und zeigen nur geringe Auswirkungen auf
Grenzstranges, dort werden sie auf ein zweites Neu­ den Gesamtorganismus. Die eigentliche Funktion
ron umgeschaltet. Dessen Nervenzellfortsatz zieht des Gewebes, in dem sich der Tumor befindet, bleibt
dann zu den Blutgefäßen, zum Herzen, zu den Bron­ erhalten. Der benigne Tumor lässt sich, je nach Loka­
chien, Speicheldrüsen und zum Auge. Die umgeschal­ lisation, durch eine Operation entfernen; der Patient
teten Fasern kehren als Ramus communicans griseus erhält in der Regel eine gute Gesamtprognose. Le­
zum Spinalnerv zurück und ziehen mit diesem zu den bensbedrohlich werden benigne Tumoren erst bei
T
entsprechenden Organen. Eine Ausnahme bilden die einer ungünstigen Lokalisation.
284 Tumor, infiltrierend wachsender

Tumor, infiltrierend wachsender (engl. infiltrating über die Blutgefäße an andere Stellen des Körpers
tumor) Infiltrierend wachsende Tumoren gehören transportiert, siedeln sich dort an und bilden neue
zu den malignen (bösartigen) Tumoren. Dabei über­ Geschwülste, die durch ein eigenes Gefäßsystem
schreiten Krebszellen die Gewebsgrenzen und wach­ versorgt werden. Je nach Lokalisation des Primär­
sen in benachbartes Gewebe ein. Vollständige Ope­ tumors zeigen sich typische Metastasierungsmuster,
rationen dieser Art von Tumoren sind schwierig die durch den Anschluss an das Lymph- und Blutsys­
durchzuführen und Patienten erhalten meist eine tem und den jeweiligen Transportweg der Tumor­
eher schlechte Prognose. Maligne Tumoren sind zu zellen gekennzeichnet sind. So streuen Mammakar­
unterteilen in infiltrierende, destruierende und me­ zinome (Brustkrebs) bevorzugt in Knochen, Leber,
tastasierende Formen. Gehirn und Lunge, während das maligne Melanom
bevorzugt in Leber, Gehirn und Darm streut.
Tumor, maligner (engl. malignant tumor) Ein ma­
ligner (bösartiger) Tumor wächst invasiv und infilt­ Turner-Syndrom (engl. Turner’s syndrome) Gene­
rierend, d. h. er wächst sehr schnell, weist eine hohe tische Anomalie, die nur beim genetisch weibli­
Zellteilungsrate auf und ist zum Nachbargewebe chen Geschlecht auftritt. Betroffene besitzen nur
kaum bis gar nicht abgrenzbar. Er bricht in das Nach­ ein X-Chromosom (X0 statt XX). Das vorhandene
bargewebe bzw. die Nachbarorgane ein, verwächst X-Chromosom stammt meist von der Mutter, so
mit ihnen und zerstört sie. Die Funktionen des dass die Ursache der Störung im väterlichen Spermi­
­zerstörten Gewebes können nicht aufrechterhalten um zu liegen scheint. Durch das fehlende X-Chro­
werden. Der maligne Tumor streut schnell und auf mo-som bilden sich aus den Gonaden keine Ovarien
unterschiedlichem Weg seine Tochtergeschwülste (Eierstöcke), daraus resultiert eine Amenorrhoe
(Metastasen). Maligne Tumore sind für Patienten (Ausbleiben der Regel) und Infertilität (Unfrucht­
­lebensbedrohlich und nur durch rasche und konse­ barkeit). Während der IQ meist im Normbereich
quente Therapie heilbar. liegt, können sich schon beim Neugeborenen körper­
liche Auffälligkeiten wie z. B. Minderwuchs, kurzer
Tumor, metastasierender (engl. metastizing tumor) Hals, Hand- und Fußrückenödeme und evtl. Fehlbil­
Metastasen (Tochtergeschwülste) können bei einem dungen innerer Organe zeigen.
malignen (bösartigen) Tumor auftreten. Dabei wer­
den die Tumorzellen über die Lymphbahnen oder T-Zelle 7 T-Lymphozyt

T
U

U
Übereinstimmungstest (engl. matching-to-sample Nucleus suprachiasmaticus (SCN) des Hypothala-
test) Neuropsychologisches Verfahren zum Testen mus unstrittig als Sitz der inneren Uhr entdeckt. Von
von Gedächtnisdefiziten. Dabei bekommt der Pro- den zahlreichen Proteinen, die an der zirkadianen
band ein Objekt dargeboten, welches z. B. figural Regulation beteiligt sind, kommt den beiden Ei­
sein kann. Anschließend wird dem Probanden eine weißen Clock und Cycle besondere Bedeutung zu.
Reihe von verschiedenen Objekten vorgegeben und Sie bilden ein Dimer, das im Zellkern der SCN Neu-
er soll das vorher Gesehene erkennen. Die Zeit zwi- rone die Transkription der Gene Per und Cry anregt.
schen der Darbietung des Objektes und dem Wie- Die nach Translation gebildeten Eiweiße Period und
dererkennen kann dabei variieren (7 Mustervergleich Cryptochrom verbinden sich im Zellplasm mit dem
mit Verzögerung). Dieses Verfahren gibt es auch als Protein Tau zu einem Trimer; dieser Komplex wan-
non-matching-Variante, dabei muss das nicht ge- dert nun in den Zellkern und verhindert die durch
zeigte Objekt ausgewählt werden. Dieses Paradigma Clock und Cycle induzierte Transkription. Nach me-
wird unter Zuhilfenahme von Gegenständen oft in tabolischem Zerfall des Per/Cry/Tau-Komplexes
der Gedächtnisforschung von Primaten eingesetzt. innerhalb von ca. 24 Stunden kann dieser Kreislauf
erneut beginnen. Der wichtigste Zeitgeber zur An-
Übersensibilität (eng. hypersensibility) Über- oder passung der inneren Uhr an die tatsächliche Uhrzeit
Hochsensibilität ist eine stark gesteigerte Wahr­ der aktuellen Umgebung ist Licht.
nehmungsfähigkeit. Diese angeborene Eigenschaft
beschränkt sich nicht auf eine spezielle Sinneswahr- Ulcus (engl. ulcer) Zerstörung von Gewebe der Haut
nehmung, sondern kann in verschiedenen Ausprä- und/oder der Schleimhaut. Liegt eine entzündliche
gungen und Stärken auftreten. Dabei ist die Verarbei­ Schädigung in der Magenwand vor, so spricht man
tung der wahrgenommenen Reize, meist eines von Ulcus ventriculi (Magengeschwür). Beim Ulcus
­speziellen Sinnes, verstärkt, so dass detaillierter und duodeni befindet sich die Zerstörung in der Wand
genauer wahrgenommen wird. Übersensibilität des Zwölffingerdarms (Duodenum). Die Ursache für
kann aber auch zur Überlastung in besonders reiz- einen Ulcus liegt in einem Ungleichgewicht zwischen
reichen Umgebungen führen (Reizüberflutung); in den Schleimhaut schützenden (wie Schleim) und an-
besonders ausgeprägten Fällen führt dies zu einer greifenden Faktoren (wie Magensäure). Infektionen
Isolation der betroffenen Person. mit Bakterien (Heliobacter pylori), Medikamente,
Nikotin, Alkohol, Stressbelastungen, vermehrte/ver-
UCP 7 Entkopplungsprotein minderte Säure des Magensaftes oder Motilitätsstö-
rungen können die Entstehung eines Ulcus begüns-
Uhr, innere (engl. endogenous clock) Die innere tigen. Spontanheilungen, unterstützt durch Vermei-
Uhr regelt zahlreiche physiologische, psychologische dung von Alkohol oder diätetische Maßnahmen,
und behaviorale Prozesse, die sich ungefähr alle sind bei einem Ulcus möglich. In schweren Fällen ist
24 Stunden wiederholen (Körpertemperaturschwan- eine medikamentöse Behandlung erfolgreich, bei
kung, Hormonausschüttung, Aufmerksamkeit, chronisch rezidivierendem Verlauf sind auch verhal-
Schlaf-Wach-Rhythmus etc.). Curt Richter hat in tenstherapeutische Maßnahmen mit psychothera-
den 1960er Jahren erkannt, dass Neurone im Hypo- peutischen Elementen effektiv.
thalamus für diese biologischen Rhythmen verant-
wortlich sein müssen. In der Folgezeit wurde der ultradian 7 Rhythmen, ultradiane
286 Umami

Umami (engl. umami) Japanische Forscher ent­ Urämie (engl. uraemia) Vergiftungserscheinungen,
U deckten, dass Menschen neben den vier Grund­ die durch akutes Nierenversagen eintreten. Dabei
geschmacksqualitäten süß, bitter, salzig und sauer werden Giftstoffe im Körper angereichert, so dass
auch eine fünfte wahrnehmen: umami, was über- eine Vergiftung akut oder chronisch auftreten kann.
setzt »guter Geschmack« oder »fleischig« bedeutet. Eine Urämie entsteht durch mangelnde Durchblu-
Der Geschmacksforscher Kikunae Ikeda untersuchte tung der Niere, Vergiftungen, schlecht behandelten
diese Geschmacksqualität und fand heraus, dass sie Bluthochdruck, wiederholt schwere Nierenentzün-
durch Glutamat herbeigeführt wird, welches ein Be- dungen, Zysten innerhalb der Nieren oder durch
standteil vieler Nahrungsmittel ist. Besonders hohe Nierenschäden, die durch bestimmte Schmerzmittel
Glutamatkonzentrationen findet man in reifen Toma­ verursacht werden. Die Symptomatik ist äußerst
ten, Käse, Fleisch sowie in der menschlichen Mutter- umfangreich und reicht von Problemen des Magen-
milch. Der angenehme Umami-Geschmack signa­ Darm-Traktes, Erbrechen und Bluthochdruck über
lisiert eiweiß- und fettreiche Nahrung. Die Ge- neurologische Störungen und Müdigkeit bis hin zu
schmacksqualität wird über einen spezifischen Re- Krampfanfällen, Bewusstlosigkeit und zu vermin-
zeptorkomplex (T1R1-T1R3 Heterodimer) detektiert. derter Harnausscheidung. Behandelt wird eine
­Urämie durch Dialyse (Blutwäsche), strenge Diät,
Undichtes-Fass-Modell (engl. leaky barrel model) wassertreibende Medikamente, die Behandlung von
Eine von J. Pinel herangezogene Analogie zur Erklä- Bluthochdruck und einer bilanzierten Flüssigkeits-
rung der Bezugspunkttheorie der Gewichtsregula­ aufnahme.
tion. Danach ist der Körper ein undichtes Wasserfass,
welches auf dem Zulaufschlauch steht. Das Model Uterus (engl. uterus) Der Uterus (Gebärmutter) ist
enthält folgende Faktoren: (1) Wasser im Schlauch = das weibliche Geschlechtsorgan, in dem die befruch-
verfügbare Nahrungsmenge, (2) Wasserdruck = An- tete Eizelle vor der Geburt zu einem Embryo heran-
reiz der Nahrung, (3) einfließende Wassermenge = reift. Der Uterus besteht aus dem oberhalb gelegenen
aufgenommene Energiemenge, (4) Wasserspiegel = Uteruskörper und dem unterhalb gelegenen Ge­
Körperfett, (5) auslaufendes Wasser = verbrauchte bärmutterhals, welcher mit der Vagina verbunden
Energie, (6) Druck auf den Schlauch = Sättigungs­ ist. Die Öffnung zur Vagina hin bezeichnet man als
gefühl. Es verdeutlich so, wie die gewichtsverän- Gebärmuttermund. Der Uteruskörper hat zwei seit-
dernden Faktoren zusammenwirken. Außerdem er- liche Ausläufer, die Eileiter. Die Gebärmutter einer
klärt es, warum das Körpergewicht eines Erwachse- erwachsenen Frau ist etwa 5–10 cm groß, dehnt sich
nen nur solange stabil bleibt, wie es keine einschnei- während der Schwangerschaft stark aus und schrumpft
denden Veränderungen in den einzelnen Faktoren nach der Entbindung wieder zusammen. Der Auf-
gibt (z. B. es läuft ständig mehr Wasser aus). und Abbau der Gebärmutterschleimhaut wird im
monatlichen Zyklus hormonell gesteuert. Bei einer
Unterschiedsschwelle (engl. just-noticable differ­ Befruchtung wächst die Gebärmutterschleimhaut
ence) Als Unterschiedsschwelle (JND) wird dieje­nige und stellt somit die Versorgung des heranwachsenden
Differenz aus Standard- und Vergleichsreiz bezeich- Embryos sicher. Nach der Geburt wird die Schleim-
net, welche die Versuchsperson in 50 % der Reizdar- haut mit Plazenta als Nachgeburt ausgestoßen.
bietungen als unterschiedlich erkennt. Die JND gibt
an, wie stark sich zwei Reize der gleichen Sinnes­ Utriculus (engl. utricle) Der Utriculus liegt im Innen­
modalität physikalisch unterscheiden müssen, damit ohr und ist neben den drei Bogengängen und dem
sie von einer Versuchsperson gerade noch bzw. ge­ Sacculus Teil des Gleichgewichtsorgans (Vestibular-
rade schon als unterschiedlich identifiziert werden organ). Zusammen mit dem Sacculus erfasst er die
können. Diese aus der Psychophysik stammende lineare Beschleunigung (Translationsbeschleuni-
Größe wurde zuerst von dem Physiologen und Ana- gung) des Körpers im Raum, wobei der Utriculus auf
tom Ernst Heinrich Weber (1795–1878;) untersucht die horizontale Beschleunigungen anspricht. In Utri­
(7 Webersches Gesetz). Man unterscheidet absolute culus und Sacculus befinden sich die Sinneszellen
und relative Unterschiedsschwellen. für die translatorischen Bewegungen, die Macula
Utriculus 287

utriculi bzw. Macula sacculi genannt werden. Insge- häutigen Bogengänge. Innerviert wird der Utriculus
samt gibt es vier Makulaorgane, d. h. je zwei Maculae durch den Nervus utricularis. Das Sinnesfeld des
U
sacculi und utriculi in jedem Innenohr. Am Utricu- Utriculus besitzt ungefähr eine Grösse von 2–3 mm2
lus, einem ovalen Säckchen, beginnen und enden die und steht horizontal zur Körperachse.
V
V
Vagotonie (engl. vagotony) Mit Vagotonie ist ein kli- biologischen Sinne die Vielfältigkeit in Genotyp und
nisches Syndrom gemeint, bei dem sich das Gleich- Phänotyp der Individuen einer Population.
gewicht des vegetativen Nervensystems zwischen
Sympathikus und Parasympathikus in Richtung Vasoaktives intestinales Peptid (engl. vasoactive
­einer erhöhten Erregbarkeit bzw. Aktivität des Para- intestinal peptide) Das Vasoaktive intestinale Peptid
sympathikus verschiebt. Dies kann zu Hypotonie (zu (VIP) ist ein Neuropeptid und wird im Zwölffinger-
niedriger Blutdruck), Bradykardie (verlangsamte darm gebildet. Es wirkt v. a. als Neurotransmitter
Herzfrequenz) und Miosis (Pupillenverengung) füh- und Neuromodulator in den Neuronen des zentra-
ren. Betroffene verspüren meist Antriebslosigkeit. len Nervensystems und in parasympathischen Ner-
Das Gegenteil der Vagotonie ist die Sympathikotonie. venfasern. Es hat entzündungshemmende Wirkung,
erweitert die Atemwege und die Lungengefäße und
Vagusnerv (engl. vagal nerve) Der Vagusnerv ist der hemmt die Blutgerinnung. Des Weiteren führt VIP
zehnte (X.) Hirnnerv und gleichzeitig Teil des auto- zu einer Erschlaffung der glatten Muskulatur in
nomen Nervensystems. Er tritt lateral hinter der ­Magen, Darm, Trachea und Bronchien sowie der
­Olive aus der Medulla oblongata aus dem zentralen Blutgefäße, steigert die Sekretion von Bikarbonaten
Nervensystem. Er übernimmt generelle viszeromo- in Darm, Pankreas und Leber und hemmt die Ma-
torische (parasympathische) Funktionen, spezielle gensäure-Sekretion.
viszeromotorische Aufgaben für Schlund- und Kehl-
kopfmuskulatur, sensible Funktionen für Schlund, Vasodilatation (engl. vasodilation) Vasodilatation
Kehlkopf und äußeren Gehörgang, sensorisch-gusta­ ist die Bezeichnung für die Erweiterung der Blut­
torische Funktionen für einige Geschmacksknospen gefäße als Gegenteil der Vasokonstriktion (Gefäß-
auf der Epiglottis sowie viszerosensible Funk­tionen verengung). Zur Vasodilatation kommt es einerseits
für die inneren Organe des Bauch- und Brustbe- durch erhöhte Aktivität, z. B. beim Sport, wenn der
reichs. Sauerstoffbedarf der Zellen steigt und durch gestei-
gerten Blutfluss die Versorgung gesichert wird und
Vandenbergh-Effekt (engl. Vandenbergh’s effect) Der andererseits durch die Erschlaffung der Gewebs-
Vandenbergh-Effekt (benannt nach Vandenbergh, muskulatur. Vasodilatation ist eine Maßnahme zur
Whitstt & Lombardi, 1975) beschreibt die Tatsache, Senkung der Körpertemperatur.
dass bei weiblichen Tieren, die mit männlichen
­Tieren zusammenleben, die Fortpflanzungsfähigkeit Vasokongestion (engl. vasocongestion) Vasokonges-
früher einsetzt als bei anderen Weibchen (frühere tion meint die Zunahme der Blutmenge in bestimm-
Pubertät). Dies liegt an den im Urin gesunder fort- ten Körpergebieten. Dabei ist der Blutfluss ins Ge­webe
pflanzungsfähiger Männchen enthaltenden Pheromo­ schneller als der Rückfluss. Durch Vasokongestion
nen. Dieser Effekt wurde zuerst bei Ratten nachge- kommt es beispielsweise beim Mann zur Erektion.
wiesen.
Vasokonstriktion (engl. vasoconstriction) Vasokon-
Varianz (engl. variance) Ein Begriff aus der Statistik, striktion bedeutet Gefäßverengung, die durch das Zu­
der das Maß der Streuung einer Zufallsgröße bezeich­ sammenziehen der Gefäßwandmuskulatur v. a. in
net. Er gibt die Abweichung einer Zufallsvariable von den Arteriolen bedingt ist. Dadurch erhöhen sich der
ihrem Erwartungswert an. Varianz bezeichnet im Gefäßwiderstand und somit auch der Blutdruck. Dies
Verabreichung, intrarektale 289

ist eine typische Reaktion in Flucht-, Kampf- und an- sequenzen eingebaut werden können), Viren (z. B.
deren Situationen und tritt auch bei Senkung der Kör- Bakteriophagen oder Retroviren) und »künstliche«
pertemperatur auf. Das Gegenteil von Vasokonstrik- Chromosome (z. B. Yeast Artificial Chromosom).
tion ist die Vasodilatation (Gefäßerweiterung). V
ventral (engl. ventral) Der Begriff ventral ist eine
Vasopressin (engl. vasopressin; Syn. Adiuretin, Anti­ anatomische Lagebeschreibung für die Position ein-
diuretisches Hormon) Vasopressin ist ein wichtiges zelner Organe und Strukturen zueinander. Ventral
Hormon zur Regulation des Wasserhaushaltes. Das bedeutet demnach bauchseitig bzw. näher zum
aus neun Aminosäuren bestehende Peptid wird im Bauch gelegen.
Hypothalamus produziert, zum Hypophysenhinter-
lappen transportiert, dort gespeichert und bei Be- Ventralbahn (engl. ventral stream) Die Ventralbahn
darf direkt in die Blutbahn abgegeben. Die Aus- ist einer der zentralen Pfade der Verarbeitung be-
schüttung wird im Rahmen des osmoregulatorischen wusster visueller Informationen. Vom primären vi-
Systems gesteuert und die Sekretion durch Redu­ suellen Kortex (V1) werden die Informationen über
zierung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens visuelle Reize weiter geleitet in Richtung Temporal-
stimuliert. Vasopressin wirkt auf zwei Wegen: Die lappen, zunächst zu V2, dann zu V4, wo Farbe und
antidiuretische Wirkung besteht in der Förderung Form verarbeitet werden, anschließend zur kom­
der Wasserrückresorption in den distalen Tubuli plexeren Formerkennung zu V8 (auch zum Gyrus
­sowie in den Sammelrohren der Niere. Dies erfolgt fusiformis) bzw. zur Analyse von Objektbewegung
durch das Einbauen von Aquaporinen in die Memb­ zu V5. Die Ventralbahn hat eine enge Assoziation
ran von Sammelrohrzellen. Dadurch geht dem Kör- mit dem Sprachsystem, was es möglich macht, er-
per möglichst wenig Wasser verloren. Die vasopres- kannte Objekte auch zu benennen.
sorische Wirkung hingegen verursacht eine Blut­
druckerhöhung, da Vasopressin stark gefäßver­ Ventrikel 7 Hirnventrikel
engend wirkt. Der Ausfall der Vasopressin-Produk­
tion führt zu starkem Wasserverlust, während eine Ventrikularzone (engl. ventricular zone) Zellschicht
Überproduktion eine verminderte Wasserausschei- an der Innenseite des sich im Embryonalstadium
dung zur Folge hat. Vasopressin scheint darüber entwickelnden Neuralrohrs, die an die Ventrikel
­hinaus bedeutsame Wirkungen auf das zwischen- ­angrenzt. In der Ventrikularzone befinden sich die
menschliche Bindungsverhalten zu haben. Gründerzellen, welche schließlich zu Zellen des
Zentralnervensystems werden.
Vater-Pacini-Lamellenkörperchen 7 Pacini-Kör­
perchen Verabreichung, intrazerebrale (engl. intracerebral
injection) Stoffe, die die Blut-Hirn-Schranke nicht
vegetativ (engl. vegetative) In der Biologie meint passieren können, müssen direkt in eine bestimmte
­vegetativ asexuell bzw. ungeschlechtlich (z. B. die Gehirnregion verabreicht werden, um die Wirkung
Vermehrung bei Einzellern) oder auch »pflanzlich«, einer Substanz in einer bestimmten Gehirnregion
»Pflanzen betreffend«. In der Medizin bezeichnet es untersuchen zu können.
nicht willentlich steuerbare bzw. autonom ablaufen-
de Prozesse (7 Nervensystem, vegetatives). Verabreichung, intrazerebroventrikulare (engl.
intracerebroventricular injection) Bei diesem Verfah-
Veitstanz 7 Chorea Huntington ren wird eine Substanz in den Liquor des Ventrikel-
systems im Gehirn verabreicht, so dass sich der Wirk­
Vektor (engl. vector) In der Genetik sind Vektoren stoff im gesamten Gehirn ausbreiten kann.
Transportsysteme, die fremde DNA in eine Zelle
einschleusen und dort zur Entfaltung bringen. Als Verabreichung, intrarektale (engl. intrarectal appli­
Vektoren dienen meist Plasmide, Cosmide (Cosmi- cation) Bei der intrarektalen Verabreichung wird
de sind Plasmide, in die etwa viermal längere Basen- eine Substanz oder ein Wirkstoff in das Rektum
290 Verabreichung, topische

(Mastdarm) eingeführt. Diese Art der Verabrei- erzeugen wie z. B. Röntgen, Computertomographie
chung wird bei Tierversuchen aus praktischen (CT), Kernspintomographie (MRI), Ultraschall­
Gründen nur selten eingesetzt, dient aber als übliche untersuchung, Endoskopie oder Knochenszinti-
V Methode zur Verhinderung von Magenverstim­ graphie.
mungen, die z. B. bei oraler Verabreichung auftreten
können. Diese Form der Medikamentengabe wird Vergenzbewegung (engl. vergence) Unwillkürliche,
ebenfalls verwendet, wenn eine andere Form der durch vestibuläre Reize ausgelöste, kooperative Au-
Stoffaufnahme (z. B. Gefäßverschluss bei Injektion) genbewegung, die gewährleistet, dass beide Augen
nicht mehr gesichert werden kann. auf denselben Zielpunkt fixieren und so dass das
­Abbild dieses Zielobjektes auf identische Teile beider
Verabreichung, topische (engl. topical application) Netzhäute fällt. Das bedeutet, dass die optischen
Bei der topischen Verabreichung werden die Wirk- Achsen beider Augen relativ zueinander verschoben
stoffe direkt über die Haut aufgenommen wie bspw. werden. Bei der Fixation in der Nähe kommt es zur
bei Nikotinpflastern. Auch die Membran in den Konvergenz der beiden Achsen, beim Blick in die
­Nasengängen eignet sich für die topische Verabrei- Ferne zur Divergenz.
chung von Drogen wie Kokain, so dass deren Wirk-
stoffe schnell ins Gehirn gelangen. Vergraben, konditioniertes defensives (engl. con­
ditioned defensive burying) Ein Objekt, von dem ein
Verbindung, neuromuskuläre (engl. neuromus­ aversiver Stimulus ausgeht, wird schon nach ein­
cular junction) Synaptische Verbindungen zwischen maliger Präsentation erkannt und vom Versuchstier
einer Nerven- und einer Muskelzelle finden sich an vergraben. So lernen z. B. die meisten Ratten, denen
der motorischen oder neuromuskulären Endplatte. ein Elektroschock verabreicht wurde, das Objekt,
Das Aktionspotenzial einer Nervenzelle bewirkt von dem sie den Schock erhalten hatten, schon nach
eine Ausschüttung von Azetylcholin, das über niko- dem ersten Durchgang dieses Objektes im Streu des
tinerge Rezeptoren auf die Muskelzelle wirkt und ein Käfigs zu vergraben und sich so vor ihm zu schützen.
exzitatorisches postsynaptisches Potenzial auslöst. Diese Reaktion wird durch anxiolytische Pharmaka
Daraufhin verkürzt sich die Muskelzelle. Neuromus- geschwächt.
kuläre Verbindungen sind wesentlich für die Kom-
munikation zwischen Nervenzellen und Muskeln. Vermis (engl. vermis) Das Kleinhirn besteht aus zwei
Hälften, die durch die Vermis miteinander verbun-
Verdauung (engl. digestion) Verdauung ist die Um- den sind. Aufgrund seiner Form wird sie auch als
wandlung von hochmolekularen Stoffen in nieder- Kleinhirnwurm bezeichnet wird. Sie besteht aus
molekulare Stoffe mit Hilfe von speziellen Enzymen. ­weißen Nervenfasern und kann in neun Abschnitte
Im Körper von Menschen und Tieren wird die auf- gegliedert werden (Lingula, Lobulus centralis,
genommene Nahrung im Verdauungssystem immer ­Culmen, Declive, Folium, Tuber, Pyramis, Uvula,
weiter zerkleinert und aufgespalten, um die in der Nodulus). Die Abschnitte sind durch Querfurchen
Nahrung enthaltenen Stoffe so umzuwandeln, dass voneinander getrennt. Auch eine Aufteilung in Ober-
sie vom Körper in die Blutbahn aufgenommen, ver- und Unterwurm ist möglich. Während die Aufgaben
arbeitet und genutzt werden können. Die Nahrung des Kleinhirns u. a. in der Koordination der Muskel-
durchläuft hierbei eine Reihe aufeinander folgender bewegungen, der Steuerung des Gleichgewichts und
Stationen im Körper, von denen jede für bestimmte der Sprachkoordination liegen, spielt die Vermis eine
Stoffe zuständig ist und somit auch unterschiedliche entscheidende Rolle bei Muskelspannung (Tonus)
Enzyme enthält. Nicht benötigte, unverarbeitete Ab- und der Kontrolle der Körper­haltung.
fallstoffe werden in Form von Kot oder Urin ausge-
schieden. Versikel 7 Vesikel, synaptische

Verfahren, bildgebende (engl. imaging) Unter­ Verstopfung (engl. obstipation) Von Verstopfung
suchungsmethoden, die Bilder vom Körperinneren spricht man, wenn ein Patient weniger als drei Mal
Visus 291

pro Woche Stuhlgang hat, wobei es gleichzeitig häu- mit seröser Flüssigkeit gefülltes, leicht vorgewölbtes,
fig Probleme bei der Entleerung gibt und der Stuhl im Hautniveau liegendes oder leicht erhabenes Bläs-
zu hart ist. Der Patient hat Schmerzen und eventuell chen (Primäreffloreszenz, d. h. eine pathologische
auch einen aufgeblähten Bauch. Ursachen können Hautveränderung) mit einem Durchmesser von bis V
eine Kombination aus zu ballaststoffarmer Ernäh- zu 5 mm als Vesikel bezeichnet.
rung, zu wenig Flüssigkeitsaufnahme und zu wenig
körperlicher Betätigung sein. Auch das Reizdarm- Vesikel, synaptische (engl. synaptic vesicle) Synap­
syndrom (Funktionsstörung des Verdauungstrakts tische Vesikel sind im Synapsenendknöpfchen, also
mit chronischen Beschwerden wie Bauchschmer- am Ende eines Axons, befindliche Vesikel. Diese
zen) kann eine Ursache sein. Seltener liegen die sind mit einem oder mehreren unterschiedlichen
­Auslöser bei einer Schilddrüsenunterfunktion oder Neurotransmittern gefüllt. Kommt ein Impuls (Ak-
Darmkrebs. Behandeln kann man die Verstopfung tionspotenzial) an der Synapse an, dringt Ca++ in die
mit genügend Ballaststoffen, viel Flüssigkeit, ausrei- Präsynapse ein, die Bläschen verschmelzen mit der
chender Bewegung oder der Gabe von Abführmit- präsynaptischen Membran und entleeren ihren In-
teln. Eine Verstopfung erhöht das Risiko für Hämor- halt in den synaptischen Spalt (Exozytose).
rhoiden, Analfissuren und Divertikel.
Vestibularkern 7 Nucleus vestibularis
Vertebraten (engl. pl. vertebrates; Syn. Wirbeltiere)
Zu den Vertebraten gehören alle Lebewesen, die eine Vestibularorgan (engl. vestibular organ; Syn. Gleich­
Wirbelsäule besitzen, also alle Säugetiere. Heute um- gewichtsorgan) Das Vestibularorgan befindet sich
fasst diese Gruppe etwa 54.000 Arten. Wirbeltiere im Innerohr und setzt sich aus den Bestandteilen
sind eine Untergruppe der Chordaten. Sie lassen sich Sacculus, Utriculus und den Bogengängen zusam-
in die zwei Überklassen Kieferlose (Agnatha) und men. Sacculus und Utriculus sind zwei in einem
Kiefermäuler (Gnathostomata) einteilen. Kennzeich­ stumpfen Winkel aufeinander stehende Hohlräume
nend für alle Vertebraten ist, dass ihr Körper in Kopf, und detektieren lineare Beschleunigungen und
Rumpf, zwei Paar Extremitäten und (teilweise) Gravitation, während die im Raum senkrecht auf­
Schwanz gegliedert ist, sie ein zentrales Nervensys- einander stehenden drei Bogengänge Winkelbe­
tem, ein inneres Skelett aus Knochen oder Knorpel schleu­ni­gungen, also Rotationen, erfassen. Das
besitzen, ihre Haut mehrschichtig ist, ein geschlos- Vestibular­or­gan ist wiederum Teil eines größeren
sener Blutkreislauf mit einem mehrkammerigen Gleichgewicht­systems, das auch die Kontrolle der
Herz als Zentrum vorliegt und zumeist zwei Ge- Körperstellung durch das visuelle System und durch
schlechter auftreten. Das Gegenteil von Vertebraten den Muskel­tonus des Halteapparats beinhaltet. Die
sind Invertebraten. Informa­tionen des Vestibularorgans, des visuellen
Systems und des Muskeltonus sowie der Gelenk­
Vesikel (engl. vesicle; Syn. Bläschen) Vesikel sind rezeptoren werden im Hirnstamm integriert.
­ ikroskopisch kleine (50–100 nm), rundliche bis
m
ovale und von einer einfachen Membran umhüllte Vibrationssensor (engl. vibration sensor) Mechano-
Zellstrukturen. Sie sind somit eigene Kompartimente, rezeptoren (z. B. Pacini-Körperchen), welche durch
in denen zelluläre Prozesse räumlich getrennt vom sinusförmige Reize ab 100–300 Hz erregt werden.
Zytoplasma ablaufen können. Vesikel können Stoffe Sie leiten über afferente myelinisierte Fasern den
enthalten, die zur Exozytose bestimmt sind (z. B. Reiz in das dorsale Säulensystem.
Neurotransmitter) und bei der Verschmelzung mit
der Zellmembran freigesetzt werden. Sie können aber VIP 7 Vasoaktives intestinales Peptid
auch Substanzen enthalten, die durch Endozytose in
die Zelle aufgenommen wurden. Je nach den in ihnen Visus (engl. visual acuity) Visus bezeichnet die Seh-
nachweisbaren Enzymen werden verschiedene Typen schärfe, die im Bereich der Fovea centralis am höchs-
unterschieden: Lysosomen, Peroxisomen, Mikroso- ten und in der Netzhautperipherie am geringsten ist.
men und Glyoxisomen. In der Dermatologie wird ein Zur Bestimmung des Visus werden sogenannte Lan-
292 viszeral

dolt-Ringe verwendet. Dabei handelt es sich um meist unterteilt in fettlösliche und wasserlösliche
kreisförmige Figuren, die an einer Seite geöffnet Vitamine, die alle mit Buchstaben bezeichnet wer-
sind. Aufgabe des Betrachters ist es, die Lage der Öff- den. Fettlösliche Vitamine sind: Retinol = Vitamin
V nung anzugeben. Die Liniendicke und die Breite der A, Calciferol = Vitamin D, Tocopherol = Vitamin E
Öffnung betragen jeweils 1/5 des äußeren Kreis- und Phyllochinon = Vitamin K. Wasserlösliche Vita­
durchmessers. Der Zahlenwert des Visus (= V) be- mine sind: Thiamin = B1, Riboflavin = B2, Niacin,
rechnet sich wie folgt: V = 1/α. Alpha (α) entspricht Pyridoxin = B6, Pantothensäure, Biotin, Folsäure,
dabei der Lücke im Landolt-Ring, die der Betrachter Cobalamin = B12 und Ascorbinsäure = Vitamin C.
gerade noch eindeutig erkennen kann. Angegeben Da Vitamine sehr instabil sind, zerfallen sie bei zu
wird α in sogenannten Winkelminuten = 1/60°. Ein langer Lagerung und durch Erhitzen.
Visus von 1 ergibt sich also bei einem α von 1. Diese
Sehschärfe entspricht der eines Menschen mit nor- Voltage-Clamp Technik 7 Patch-Clamp-Technik
maler Sehkraft und wird daher auch als 100%-ige
Sehkraft definiert. Volumensensoren (engl. volume pl. sensors) Die so-
genannten Volumensensoren befinden sich in den
viszeral (engl. visceral) Viszeral bedeutet »die Einge- Nieren. Sie registrieren, wenn das Blutvolumen ab-
weide betreffend«, »zu den Eingeweiden gehörig«. nimmt (Hypovolämie) und lösen direkt in den Nie-
ren Transmitterkaskaden aus, die zu Durst führen
viszerotop (engl. viscerotope) Liegt in einer neuro- und die Wasserreserven im Körper erhalten (7 Durst,
nalen Struktur eine viszerotope Ordnung bzw. Glie- volumetrischer).
derung vor, spricht man von einer neuronal weit­
gehend getrennten Repräsentation verschiedener Vorderhorn (engl. anterior horn) Ventrale Ausläufer
Organe, d. h. Organe werden von unterschiedlichen der grauen Substanz im Rückenmark, an denen
abgrenzbaren Regionen innerviert (von intakten die Vorderwurzeln aus dem Rückenmark austreten.
Nerven versorgt). In ihnen sind Neuronen (multipolare Alpha-, Beta-
und Gamma-Motoneuronen) zu finden, welche mit
Viszerozeption (engl. visceroception) Viszerozeption ihren Fortsätzen die Skelettmuskulatur in der Peri-
beschreibt Empfindungen der inneren Organe. pherie motorisch versorgen. Sie sind in ihrer Funk-
tion für die motorische Feinabstimmung von Bewe-
Vitalkapazität (engl. vital capacity) Als Vitalkapa­ gungen von Bedeutung. Der hier verwandte Neuro-
zität bezeichnet man das Luftvolumen, das nach transmitter ist Azetylcholin.
­maximaler Einatmung maximal ausgeatmet werden
kann. Die Vitalkapazität hängt stark von Alter, Ge- Vorderseitenstrangsystem (engl. anterolateral
schlecht, Körpergröße, Körperposition und Trai- c­ olumn) Funktioneller Überbegriff für die aufstei-
ningszustand ab. Auch unter extremer körperlicher gende Bahn des Rückenmarks, die neben dem Hin-
Beanspruchung wird diese höchstmögliche Atem- terstrang existiert. Der Vorderseitenstrang liegt im
tiefe im alltäglichen Leben nicht vollständig ausge- ventralen und lateralen Teil der weißen Substanz
nutzt. Gemessen wird die Vitalkapazität mit einem und bildet die protopathisch-sensible Bahn des
Spirometer. Rücken­marks, welche die grobe Wahrnehmung von
Druck, Berührung, Schmerz und Temperatur aus
Vitamin (engl. vitamin) Vitamine sind eine Gruppe Rumpf und Extremitäten (Haut, Eingeweide, Mus-
chemisch unterschiedlicher Substanzen, die lebens- keln, Gelenke) vermittelt. Der Vorderseitenstrang
wichtig für den Stoffwechsel in unserem Körper enthält den Tractus spinothalamicus lateralis und
sind. Sie werden vorwiegend in Pflanzen oder Bak- anterior sowie den Tractus spinoreticularis. Die
terien synthetisiert. Bis auf das Vitamin D können dünnen, markarmen Fasern des Vorderseitenstrangs
sie vom menschlichen Körper nicht selbst hergestellt treten vom Spinalganglion kommend über die Hin-
werden, weshalb eine ausreichende Vitaminzufuhr terwurzeln ins Rückenmark ein und kreuzen unmit-
von zentraler Bedeutung ist. Vitamine werden zu- telbar nach der Umschaltung auf das zweite Neuron
Vorteil, selektiver 293

im Hinterhorn, so dass sie entlang der gesamten Vorteil, selektiver (engl. selective advantage) Ein se-
Bahn kontralateral und somatotopisch verlaufen. lektiver Vorteil eines Individuums ist gemäß der Evo-
Läsionen des Vorderseitenstrangs führen dazu, dass lutionstheorie der Vorteil, den dieses Individuum
kontralaterale Schmerz-, Druck- und Temperatur- gegenüber seinen Konkurrenten in Bezug auf Nah- V
reize nicht mehr wahrgenommen werden. rungsquellen sowie zugängliche Reproduktionspart-
ner hat. Dieser selektive Vorteil liegt in den Erban­
Vorderwurzel (engl. ventral root) Über die Vorder- lagen begründet und sichert diesem Individuum in
wurzel der Spinalnerven verlassen efferente Nerven- ständiger Konkurrenz mit anderen Individuen seiner
bündel das Rückenmark und transportieren Signale Art das Überleben und erhöht seine Fitness, da dieser
vom ZNS in den Körper, so dass z. B. eine Muskel- Vorteil die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass dieses
kontraktion erzeugt wird. Individuum seine Gene weitergeben wird.
W W
Wachstumshormon (engl. growth hormone; Syn. eingesetzt. Durch Injektion eines Betäubungsmittels
soma­totropes Hormon) Ein nichtglandotropes Hor- (z. B. Natriumamytal) in die linke oder rechte Arte-
mon, das im Hypophysenvorderlappen produziert ria carotis wird die jeweils ipsilaterale Hemisphäre
wird. Reguliert wird die Freisetzung des Wachs- anästhesiert. Vor der Injektion wird der Patient ge-
tumshormons durch das Growth-Hormone-Releas­ beten zu zählen. Wenn er nach Einsetzen der Betäu-
ing-Hormone (GHRH) und durch das Growth-Hor- bung nicht mehr in der Lage ist, weiter zu zählen, so
mone-Inhibiting-Hormone (GHIH), welche beide wurde die für Sprache dominante Hemisphäre be-
aus dem Hypothalamus stammen. Besonders in der täubt, wenn er weiter zählen kann, die nichtsprach-
Kindheit hat das GH Bedeutung, da es für die nor- dominante. Bei Betäubung einer Gehirnhälfte kann
male körperliche Entwicklung wichtig ist (z. B. Län- die andere Gehirnhälfte auf Sprache, Wahrnehmung
genwachstum). Es wirkt auf viele Körperzellen und und Gedächtnis geprüft werden.
fördert somit Knochenwachstum und Eiweißsyn-
these. Kommt es zu Störungen wie Minderproduk­ Wahnvorstellung 7 Halluzination
tion oder vermehrter Ausschüttung dieses Hormons,
so resultieren hypophysärer Zwergwuchs bzw. Rie- Wahrnehmung (engl. perception) Wahrnehmung be-
senwuchs. Grund für diese Störungen kann z. B. ein zeichnet den Vorgang der Reizverarbeitung sowie
Tumor in der Hypophyse sein. deren Ergebnis. Sie bezieht sich sowohl auf die ­äußere
Umwelt wie auch auf die eigene Person (Innen­welt)
Wachstumskegel (engl. growth cone) Der lange Aus- und wird sowohl durch den äußeren Sinneseindruck
läufer einer Nervenzelle wird als Axon bezeichnet, an als auch durch individuelle (Lern-) Erfahrungen, Er-
dessen Vorderende sich der Wachstumskegel befin- wartungen und andere innere Zustände bestimmt.
det. Dieser verfügt über fußartige und fühlerartige Ebenso haben die Lenkung der Aufmerksamkeit und
Ausläufer (Lamellipodien und Filopodien), durch die auch Habituationsprozesse einen Einfluss auf die
sich die Nervenzelle ihren Weg durch das Gewebe Wahrnehmung.
bahnt und Kontakte zu anderen Nervenzellen her-
stellt. Der Wachstumskegel dient der Nervenzelle zur WAIS 7 Wechsler-Intelligenztest
Bahnung neuer Verknüpfungen mit anderen Ner-
venzellen. Dabei kommt die Zelle in Berührung mit Wanderwelle (engl. progressive wave) Bezeichnet
anderen Zellen, welche ihr den Weg weisen, indem die Resonanzschwingung der cochlearen Mem­b­
sie kurz an die Nervenzelle anbinden und diese dann ranen (Basilarmembran) bei eintreffenden akus­
wieder abstoßen. Dadurch fällt der Wachstumskegel tischen Reizen. Die dabei entstehende Welle läuft
in sich zusammen und seine Ausläufer ziehen sich von der Schneckenbasis zur Schneckenspitze (Apex)
zurück. Nach einer Ruhephase sucht das Axon einen und weist dabei in Abhängigkeit von der Frequenz
neuen Weg. Bei derartigen Kontakten können aber des Reizes an einer bestimmten Stelle eine maxi­
auch dauerhafte Verknüpfungen entstehen. male Amplitude auf. Die kontinuierlich sich ändern
den Eigenschaften der Basilarmembran sind Grund-
Wada-Test (engl. Wada test) Der Wada-Test dient lage für das Zustandekommen von Wanderwellen.
zur Überprüfung der Funktionen einer Hemisphäre, Nahe der Schneckenbasis ist die Membran relativ
insbesondere der Sprachfunktion. Vor allem vor dick und steif und zeigt Resonanz bei hohen Fre-
chirurgischen Eingriffen ins Gehirn wird dieser Test quenzen. Zur Schneckenspitze hin wird sie dünner
Wechsler-Intelligenztest 295

und schlaffer und reagiert auf Töne mit niedriger Webersches Gesetz (engl. Weber’s Law) Ein Grund-
Frequenz. satz der Psychophysik. Dieses Gesetz besagt, dass
Veränderungen eines Reizes einen bestimmten Bruch­
Wärmekonduktion (engl. heat conduction; Syn. teil des Ausgangsreizes betragen müssen, wenn die
Wärmediffusion, Wärmeleitung) Konduktion ist die Veränderung als Empfindungsunterschied bemerkt
Wärmeübertragung von Molekül zu Molekül in werden soll (7 Unterschiedsschwelle). So muss sich W
Feststoffen oder ruhenden Flüssigkeiten. Sie wird bspw. 1 kg um mind. 100 g, also um 1/10 vergrößern,
durch einen Temperaturunterschied zwischen Mo- damit ein fühlbarer Unterschied bemerkt wird.
lekülen ausgelöst. Die Wärme fließt aufgrund der ­Weber (1795–1878) fasste das Gesetz für Gewicht-,
Eigenbewegung der Teilchen vom Ort der höheren Druck- und Längenbestimmungen ab. Später wurde
zum Ort der niedrigeren Wärmekonzentration, d. h. es von Fechner (1801–1887) erweitert und über­
von der wärmeren in die kältere Region. Dieser Wär- tragen auf Licht-, Schall-, Distanz- und andere Schät-
mefluss erfolgt bis zum Temperaturausgleich und zungen. So wurde es zum sogenannten psychophy-
dabei geht keine Wärme verloren. Konduktion ist sischen Gesetz.
das Gegenteil von Konvektion. Bei dieser Übertra-
gungsart wird die Wärme in Gasen und Flüssigkeiten Wechsler Adult Intelligence Scale 7 Wechsler-Intel-
durch strömende Materie mitgenommen. ligenztest

Wärmekonvektion (engl. heat convection) Als Wechsler-Intelligenztest (engl. Wechsler adult intel-
­ ärmekonvektion wird der Vorgang bezeichnet, bei
W ligence scale) Nach ihrem Autor David Wechsler
dem aufgrund von Temperaturunterschieden in (1896–1981) benannte Reihe von Intelligenztests.
Flüssigkeiten oder Gasen Strömungen entstehen, so 1939 wurde in den USA die »Wechsler Bellevue
dass Wärme von einer Stelle zu einer anderen trans- ­Intelligence Scale« veröffentlicht, die 1955 eine um-
portiert wird. Bei Erwärmung einer Flüssigkeit fassende Überarbeitung erfuhr: »Wechsler Adult
nimmt deren Dichte ab. Daraus folgt, dass sie nach Intelligence Scale« (WAIS). Darauf wurde eine deut-
oben steigt und die kältere, dichtere Flüssigkeit nach sche Version, der »Hamburg Wechsler Intelligenz-
unten sinkt. Im Gegensatz zu dieser natürlichen test für Erwachsene« (HAWIE), erstellt, später eine
Konvektion kann dieser Vorgang auch dadurch er- Version für Kinder (HAWIK) vorgestellt. Wechsler
zeugt werden, dass die Flüssigkeit einem Druckunter­ orientierte sich bei der Konzeption seines Tests an
schied ausgesetzt wird, so dass eine Strömung ent- dem Intelligenzmodell Spearmans, welches besagt,
steht. Die Wärmekonvektion dient der Wärmeab­ dass bei Intelligenzmessverfahren immer zwei Fak-
gabe und der physiologischen Wärmeregulation. toren zum Ausdruck kommen: ein gemeinsamer,
genereller Intelligenzfaktor (g-Faktor) und ein auf-
Wasserlabyrinth, Morrissches (engl. Morris water gabenspezifischer Intelligenzfaktor (s-Faktor). Die
maze) Eine standardisierte Versuchsanordnung für aktuelle Version für Erwachsene, der HAWIE-R
Verhaltensexperimente mit Nagetieren, speziell Rat- (1991), besteht aus 11 Untertests, davon stellen sechs
ten und Mäuse. Es handelt sich dabei um ein rundes, Verbal- und fünf Handlungstests dar. Beipiele für
mit trübem Wasser gefülltes Becken, dessen Rand Ver­baltests sind »Allgemeines Wissen«, »Wortschatz«
mit »Orientierungsmarkern« versehen ist. An einer und »Rechnerisches Denken«, im Handlungsteil soll-
Stelle ist knapp unter der Wasseroberfläche eine un- ten die Probanden »Bilder ergänzen« oder »Bilder
sichtbare Plattform aus Plexiglas angebracht. Im Ex- ordnen« können. Die Durchführung und Auswer-
periment sollen die Tiere lernen, möglichst schnell tung durch einen Testleiter ist standardisiert, es wer-
diese »rettende Insel« (wieder) zu finden und sich den bspw. Frageformulierungen, die Vorlage des
deren Position zu merken. Abgezielt wird auf die Reizmaterials oder die Bewertung nur teilweise rich-
Untersuchung von Gedächtnisleistungen, insbeson- tiger Antworten genau durch das Manual vorge­
dere räumliches Lernen. Beispielsweise versucht man geben. Es kann sowohl der Gesamt-IQ errechnet als
anhand von Knockout-Mäusen die für diese Art von auch ein Profil über alle Untertests erstellt werden.
Lernen verantwortlichen Gene zu identifizieren. Letzteres ist besonders nützlich bei der Untersuchung
296 Wernicke-Aphasie

und Einstufung klinischer Fälle (d. h. Schwankungen Männchen im Urin ausgelöst wird. Dieser Effekt, bei
zwischen verschiedenen »Intelligenzbereichen« wer- dem alleine der Geruch von Männchen als Stimula-
den deutlicher). tion ausreicht, tritt v. a. bei Mäusen auf und wurde
erstmalig 1956 von W. K. Whitten beschrieben.
Wernicke-Aphasie (engl. Wernicke’s aphasia) Pa­tien­
W ten mit einer Wernicke-Aphasie weisen eine Hirn- Wiederaufnahme 7 Reuptake
schädigung im sog. Wernicke-Areal auf. Die Wer­
nicke-Aphasie wird auch rezeptive Aphasie genannt Wirbeltiere 7 Vertebraten
und zeichnet sich durch Defizite beim Verständnis
gesprochener Sprache, durch die sog. Worttaubheit, Wirkstoffeffekt (engl. drug effect) Der Wirkstoff­
aus. In diesem Fall ist es Betroffenen nicht möglich, effekt beschreibt die Veränderungen der physiolo-
Gesprochenes zu verstehen, wenn es auch wahr­ gischen Prozesse und des Verhaltens eines Organis-
genommen wird. Patienten mit einer Wernicke- mus nach Verabreichung eines bestimmten Wirk-
Aphasie produzieren bedeutungslose Sprache, die stoffes. Der Wirkstoffeffekt der meisten Opiate ist
allerdings flüssig und grammatikalisch richtig ist. z. B. eine herabgesetzte Schmerzsensibilität, kombi-
Meist sind sich die Betroffenen ihrer Defizite nicht niert mit Sedierung, Muskelrelaxation und anderen
bewusst. Erscheinungen.

Wernicke-Areal (engl. Wernicke’s area) Nach seinem Wirkungsort (engl. site of action) Stelle auf oder in
Entdecker benanntes Sprachzentrum im mittleren bestimmten Zellen, an der Wirkstoffe mit den Zellen
und hinteren Teil des Gyrus temporalis superior der des Organismus interagieren, um diese biochemisch
linken Hemisphäre (Brodmann-Areale 44 und 45). zu beeinflussen. Dies können z. B. Rezeptoren in der
Das Wernicke-Areal ist Teil des auditiven Assozia­ Membran einer Zelle sein. Erreicht ein Wirkstoff
tionskortex und ist für das Erkennen und Verstehen ­seinen Wirkungsort nicht, so kann er keinen Ein-
von Worten von großer Bedeutung. Eine Läsion fluss auf den Organismus ausüben.
dieses Bereiches führt zur Wernicke-Aphasie.
Wisconsin-Kartensortiertest (engl. Wisconsin Card
Wernicke-Geschwind-Modell (engl. Wernicke-Ge- Sorting Test) Der Wisconsin-Kartensortiertest
schwind model) Einflussreiches Modell über die kor- (WCST; Grant und Berg 1948, Heaton 1981, modi-
tikale Lokalisation der Prozesse von Sprachrezeption fizierte Version von Nelson 1976) ist ein diagnosti-
und -verarbeitung sowie der Sprachproduktion. sches Verfahren der Neuropsychologie, welches bei
Nach dem Modell sind folgende Regionen in der einem Patienten die Fähigkeit zur Konzeptbildung
­linken Hirnhälfte nacheinander an diesen Prozessen und Kategorisierung erfasst. Diagnostik mit diesem
beteiligt: (1.) primärer visueller Kortex und Gyrus Verfahren ist bei Patienten mit Störungen von Pla-
angularis (gelesene Sprache) bzw. primärer audito- nungs- und Kontrollfunktionen sinnvoll (7 Persevera­
rischer Kortex (gehörte Sprache), (2.) Wernicke- tion). Der Patient hat die Aufgabe, entsprechend
Areal, (3.) Fasciculus arcuatus, (4.) Broca-Areal und bestimmter Vorlagen Karten in bestimmte Kate­
(5.) primärer motorischer Kortex. Dabei wird im gorien zusammenzulegen. Er erhält dabei Falsch-
Wernicke-Areal die Sprache auf ihre Bedeutung hin oder Richtig-Rückmeldungen vom Versuchsleiter.
analysiert und somit »verstanden«. Ist eine gespro- Im Testablauf müssen auch Kategoriewechsel er-
chene Antwort notwendig, wird im Broca-Areal ein kannt werden.
entsprechender motorischer Ausführungsplan ge-
bildet und der primärmotorische Kortex für die Aus- Wolffscher Gang (engl. Wolffian duct) Der Wolffsche
führung aktiviert. Gang (benannt nach seinem Entdecker Kaspar Fried-
rich Wolff) ist der Vorläufer der inneren männlichen
Whitten-Effekt (engl. Whitten effect) Whitten-Effekt Geschlechtsorgane bei Embryonen und ist anfangs
meint Synchronisation des Menstruationszyklus bei Embryonen beider Geschlechter vorhanden.
mehrerer Weibchen, der durch Pheromone eines Etwa im dritten Schwangerschaftsmonat verküm-
Wo-versus-was-Theorie 297

mert er bei weiblichen Embryonen. Bei männlichen Sprachworte zu verstehen bei uneingeschränkter
Embryonen entwickeln sich ab dieser Zeit aus dem Hörfähigkeit. Sie wird durch eine Schädigung im
Wolffschen Gang der Samenleiter, die Bläschendrüse Wernicke-Areal oder durch Unterbrechung der audi­
und die Nebenhoden. Die Entwicklung des Wolff- tiven Nervenbahnen, die zu diesem Areal führen,
schen Gangs wird durch die Androgene Testosteron verursacht. Tritt die reine Worttaubheit zusammen
und Dihydrotestosteronstimuliert. mit einer transkortikalen sensorischen Aphasie auf, W
spricht man von einer Wernicke-Aphasie.
Wortform-Dyslexie (engl. visual word form dyslexia)
Die Wortform-Dyslexie wird auch Buchstabier-Dys- Wo-versus-was-Theorie (engl. What-and-where
lexie genannt und bezeichnet eine Störung des Le- theory) Die Wo-versus-was-Theorie bezieht sich auf
sens, bei welcher Patienten schriftliche Worte als die Einteilung des visuellen Systems in den ventralen
Ganzes nicht mehr erkennen oder aussprechen (»was«) und den dorsalen (»wo«) Pfad. Während der
­können. Die Patienten sind allerdings in der Lage, ventrale Pfad mit dem primären visuellen Kortex
Worte zu lesen, wenn sie zunächst jeden einzelnen beginnt und durch den Temporallappen verläuft,
Buchstaben des Wortes nacheinander benennen, so können Informationen für den dorsalen Pfad auch
dass das Lesen stark verlangsamt ist. Ist die Wort- von subkortikalen Strukturen wie dem Thalamus
form-Dyslexie besonders stark ausgeprägt, kann es stammen, ohne direkte Informationen aus dem pri-
jedoch auch zu Buchstabenverwechslungen beim mären visuellen Kortex zu erhalten. Der dorsale Pfad
Buchstabieren kommen, so dass Fehler beim Lesen verläuft durch den Parietallappen und enthält Neu-
entstehen. Patienten mit einer Wortform-Dyslexie rone, die für die Vorbereitung visuomotorischer
sind in der Lage, von anderen Personen oder von Handlungen von Bedeutung sind. Der ventrale Pfad
ihnen selbst ausgesprochene Worte zu verstehen. enthält unterdessen sehr spezialisierte Areale, die
Farbe, Form und Textur von Objekten detektieren
Worttaubheit, reine (engl. pure word deafness) Un- und ist verantwortlich für das bewusste Erleben bei
ter reiner Worttaubheit versteht man die Unfähigkeit der Objektwahrnehmung.
Y
Y Yerkes-Dodson-Gesetz (engl. Yerkes-Dodson law) kann die Leistung bis zu einem Spitzenwert gestei-
Nach Robert Yerkes (Psychologe und Zoologe) und gert werden (Leistungsoptimum). Erhöht sich das
John D. Dodson (Psychologe) beschreibt dieses Ge- Erregungsniveau über das erforderliche Maß, kommt
setz den Zusammenhang zwischen Leistungsfähig- es zu Leistungsdruck, Stress, Belastung und Leis-
keit und Erregungsniveau (Aktiviertheit) eines Indi- tungsabfall (supraoptimaler Bereich). Entscheidend
viduums. Zwischen der physiologischen Aktivierung bei dieser Kurve ist, dass es eine individuell unter-
und der Leistungsfähigkeit besteht ein umgekehrter schiedliche Reaktivität gibt, also Menschen ganz
U-förmiger Zusammenhang. Bei Unterforderung unterschiedlich auf ein erhöhtes Aktivierungsniveau
bleibt der Mensch hinter seinen Möglichkeiten zu- zu reagieren gewohnt sind. Dabei spielen auch situa­
rück, es entsteht ein Leistungsleck (suboptimaler tive Faktoren eine Rolle, z. B. momentane Ängstlich-
Bereich). Auf einem mittleren Erregungsniveau keit oder aktuelle Umgebungseinflüsse.
Z
Zahlengedächtnistest (engl. digit span test) Zahlen- sches Sehen bezeichnet das Tagsehen, was durch die
gedächtnistests werden eingesetzt, um insbesondere Zapfen bei Beleuchtungsstärke von mehr als 0,02–
die Merkfähigkeit bzw. das Kurzzeitgedächtnis zu 0,05 Lux ermöglicht wird. Es konzentriert sich auf Z
überprüfen, aber auch um das Langzeitgedächtnis zu den Bereich der Fovea, da an dieser Stelle die meisten
testen. Sie sind häufig Bestandteil von Intelligenztests Zapfen vorkommen. Die Sehschärfe beim photo-
und können auch als Teil von neuropsychologischen pischen Sehen ist hoch und es können Farben wahr-
Testbatterien eingesetzt werden (bspw. nach Hirnver- genommen werden.
letzungen oder auch bei Demenzen). Einer der be-
kanntesten Zahlengedächtnistests ist ein Subtest des Zeitgeber (engl. Zeitgeber) Als Zeitgeber bezeichnet
HAWIE-R (Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für man Hinweisreize, die Menschen und Tiere nutzen,
Erwachsene), bei dem Zahlenreihen nachgesprochen um ihre Aktivität und den zirkadianen Rhythmus
werden müssen. Dabei handelt es sich um sieben mit den Umgebungsbedingungen (z. B. Tag und
Zahlenfolgen, bei denen jede Zahlenreihe eine Ziffer Nacht) zu synchronisieren. Es wird unterschieden
mehr als die vorhergehende Zahlenreihe enthält. Als zwischen physikalischen Zeitgebern (z. B. Licht)
Zahlengedächtnistests gelten auch kurze Texte, in und sozialen Zeitgebern (z. B. Essenszeiten). Eine
­denen viele Zahlen vorkommen, die man nach einem Veränderung der Zeitgeber (z. B. nach Überschrei-
Tag oder einer Woche nochmals wiedergeben soll. ten von Zeitzonen) führt zu einer Veränderung im
zirkadianen Rhythmus.
Zapfen (engl. pl. cones) Zapfen sind lichtempfindliche
Photorezeptoren, die sich in der Retina (Netzhaut) Zelladhäsionsmoleküle (engl. pl. cell adhesion mo­
des Auges befinden. In der Fovea centralis (gelber lecules) Transmembrane Proteine, die eine Interak­
Fleck) ist die Dichte der Zapfen am größten und zur tion zwischen Zellen (Adhäsion) oder der Zelle und
Peripherie hin nimmt diese ab. Zapfen sind verant- der extrazellulären Matrix (Kommunikation) er-
wortlich für die Farbwahrnehmung, allerdings sind möglichen. Man unterscheidet vier Hauptgruppen:
sie weniger lichtsensitiv als Stäbchen, so dass man im Selektine vermitteln z. B. das Anheften von Leuko-
Dunkeln keine Farben mehr erkennen kann. In den zyten an der Gefäßwand und die Migration dieser
Zapfen kommt es zur Signaltransduktion, d. h. die Zellen zu entzündetem Gewebe; Integrine verknüp-
eintreffenden Lichtwellen (physikalische Reize) wer- fen das Zytoskelett mit der umgebenden extrazellu-
den in elektrische Signale umgewandelt. Dabei exis- lären Matrix und ermöglichen so die Kommunika­
tieren drei Arten von Zapfen: Blaurezeptoren (S-Zap- tion zwischen Zellen. Diese beiden Arten von Zell­
fen, reagieren am stärksten auf Licht mit ca. 430 nm adhäsionsmolekülen gehen heterophile Bindungen
Wellenlänge), Grünrezeptoren (M-Zapfen, max. Re- ein. Zelladhäsionsmoleküle, die homophile Bindun­
aktion auf ca. 530 nm Wellenlänge) und Rotrezepto­ gen eingehen, gewährleisten eine Selektivität in
ren (L-Zapfen, max. Reaktion bei ca. 560 nm Wellen- der Zelladhäsion und haben v. a. eine bedeutende
länge). Die verschiedenen Farben werden auf der Rolle in der Entwicklung des Organismus. Ca++-ab-
Ebene der Retina dadurch kodiert, dass die drei Zap- hängige Cadherine und Ca++-unabhängige NCAMs
fenarten in unterschiedlichen Verhältnissen feuern. (nerve cell adhesion molecule) spielen eine Rolle in
der Migration von Nervenzellen und der Bildung
Zapfensehen (engl. photopic vision; Syn. photopi­ von zusammenhängendem Gewebe (z. B. Organe).
sches Sehen, Farbsehen) Zapfensehen oder photopi­ NCAMs werden durch ihre strukturelle Ähnlichkeit
300 Zelle, amakrine

zu den Immunglobulinen auch als Immunglobulin- Zelle, neurosekretorische (engl. neurosecretory cell)
Superfamilie bezeichnet. Spezielle Nervenzellen, die auf Signale von anderen
Nervenzellen mit Ausschüttung von Hormonen in
Zelle, amakrine (engl. amacrine cell) Amakrine Zel- die Körperflüssigkeit oder Speicherorgane reagieren.
len, auch kurz Amakrine genannt, sind spezialisierte Über diese Flüssigkeiten erreichen die Hormone zu
Neuronen, die an der neuronalen Verschaltung der einem späteren Zeitpunkt die Zielzellen im Körper.
Retina beteiligt sind. Sie sind speziell für laterale Kerne des Hypothalamus enthalten besonders viele
Wechselwirkungen in der Retina verantwortlich und neurosekretorische Zellen, die u. a. die Releasing-
verbinden Bipolarzellen mit den Ganglienzellen. Be- und Inhibiting-Hormone sowie Oxytozin und Vaso-
teiligt sind sie allerdings nur an der Informationsver- pressin produzieren.
Z arbeitung auf der lateralen Bahn, vertikal findet eine
direkte Verschaltung von den Rezeptorzellen über Zellmembran (engl. cell membrane) Die Zell­­
die Bipolarzellen zu den Ganglienzellen statt. Die membran umgibt die lebende Zelle und wird bei
laterale Bahn verläuft von den Rezeptorzellen auf Pflanzenzellen auch Plasmalemma genannt. Die
Bipolarzellen und von da aus verteilen die amakri- Zell­membran ist die Grundlage aller Stoffwechsel­
nen Zellen die Information weiter auf mehrere Gan- prozesse, die bei lebenden Organismen auftreten.
glienzellen. Neben den amakrinen sind Horizontal- Durch sie wird der Austausch von Stoffen zwischen
zellen an der Informationsverarbeitung der lateralen dem Zell­inneren und -äußeren (und auch außerhalb
Bahn beteiligt. des Organis­mus) selektiv beschränkt, sie bietet zu-
gleich Schutz vor und Kontakt zu anderen Zellen.
Zelle, antigenpräsentierende (engl. antigen present­ Die Bio-membranen bestehen zumeist aus einer
ing cell) Fresszellen, die aufgenommene Stoffe mit- Doppellipid­schicht mit ein- und aufgelagerten Pro-
hilfe chemischer Substanzen zerlegen und in ihrer teinen.
Membran Bruchstücke dieser phagozytierten Stoffe
zusammen mit Proteinen des eigenen Hauptgewe- Zellnekrose (engl. single cell necrosis) Der Begriff
beverträglichkeitskomplexes (MHC) präsentieren. Zellnekrose bezeichnet in der Medizin den Zelltod
Die Präsentation der Antigen-Bruchstücke ist in von Einzelzellen im lebenden Organismus (Gewebe-
der Regel die Voraussetzung für die Aktivierung des untergang). Ursache ist eine lokale Gewebeschä­
spezifischen Immunsystems. T- und B-Lympho- digung, die mit der Fragmentierung der Zellen (Zell-
zyten erkennen meist den Krankheitserreger erst brüche) einhergeht, d. h. die Zellen platzen auf und
nach entsprechender Verdauung und Präsentation laufen aus. Es kommt zu einer Enzündungsreaktion
durch die antigenpräsentierenden Zellen (APC). Zu und zur unumkehrbaren Degeneration der Zellen.
den APC gehören Zellen des Monozyten-Makro- Meist bleiben nach der Regeneration Narben im
phagen-Systems und dendritische Zellen. Bindegewebe zurück.

Zelle, eukaryonte (engl. eukaryote; Syn. ­Eukaryonta) Zellorganellen (engl. cell organelles) Zellorganellen
Als eukaryonte Zellen werden alle Organismen (z. B. werden in der Biologie als von einer Membran um-
Tier- und Pflanzenzellen) mit einem echten Zellkern, schlossene, funktionelle Untereinheiten einer Zelle
also einem, der die DNA enthält, bezeichnet. Die definiert. Es gibt verschiedene Arten dieser subzel-
Größe der eukaryonten Zellen übersteigt die der Pro- lulären »Organe« und jede hat ihre eigene Funktion
karyonten um das 100–1000fache, ihre Form erhal- innerhalb der Zelle (Produktion von Proteinen,
ten sie durch das Zytoskelett. Der gesteigerte Organi- Kohlenhydraten, Fetten u. v. m.). Zu den Zellorga-
sationsgrad zeigt sich in der Strukturierung der Zelle nellen gehören Chloroplasten (in Pflanzenzellen,
in Zellorganellen, die verschiedene Funktionen aus- gehören zu den Plastiden), Mitochondrien, endo-
üben. Dies ermöglicht ein besseres Funktionieren plasmatisches Retikulum (ER), Zentriolen (nur in
zellulärer Vorgänge und Transporte über größere Tierzellen), Zytoplasma, Zytoskelett, Golgi-Apparat
Entfernungen innerhalb der Zelle. Des Weiteren sind (Dyctiosom), Glyoxisome, Lysosomen, Mikrotubuli,
eukaryonte Zellen zur Proteinbiosynthese fähig. Mikrosomen, Peroxisomen, Plastiden (in Pflanzen-
Zerebellum 301

zellen), Ribosomen, Vacuole (in Pflanzenzellen), Rückenmark. Im Gehirn bildet die graue Substanz,
Vesikel, Zellkern, Zilien. überwiegend bestehend aus Nuclei (Nervenzellkör-
pern), die äußere Schicht, die weiße Substanz, be­
Zentralfurche (engl. central sulcus, central fissure) stehend aus Axonen (Leitungsbahnen) und einge­
Die Faltung der Oberfläche des menschlichen Ge- streuten Nuclei, bildet das Innere des Gehirns. Im
hirns führt zu seiner flächenmäßigen Vergrößerung Rückenmark bildet die weiße Substanz die äußere
und zu sog. Hirnwindungen (Gyri, sg. Gyrus) und und die graue Substanz die inneren Strukturen.
Furchen (Sulci, sg. Sulcus), wobei die Hirnwindun-
gen durch die Furchen voneinander getrennt wer- zentrifugal (engl. centrifugal) Zentrifugal bedeutet
den. Die Zentralfurche (Sulcus centralis) trennt den vom Zentrum bzw. Zentralnervensystem wegfüh-
Stirn- oder Frontallappen (Lobus frontalis) vom rend. Neuriten sind zentrifugal, wenn sie vom ZNS Z
Scheitel- oder Parietallappen (Lobus parietalis) ab. die Erregung zu den peripheren Erfolgsorganen (Ef-
fektoren) leiten.
Zentralkanal (engl. central canal) Im Zentrum des
Rückenmarks liegender Kanal, der den Rest des em- Zentriol 7 Zentralkörperchen
bryonalen Neuralrohrs in diesem Bereich markiert.
Während beim Menschen die inneren Hohlräume zentripetal (engl. centripetal) Zentripetal bedeutet
im Gehirn als Hirnventrikel erhalten bleiben, kommt zum Zentrum bzw. Zentralnervensystem hinfüh-
es im Bereich des Rückenmarks zum vollständigen rend. Nerven können z. B. nervöse Impulse zentri-
Verschluss des Hohlraumes. Nur die sog. Ependym- petal vom Sinnesorgan zum Zentralnervensystem
zellen markieren die frühere Position des Zentralka- weiterleiten.
nals. Der Zentralkanal hat somit keinen Einfluss auf
den Austausch der Zerebrospinalflüssigkeit (CSF). Zerebellum (engl. cerebellum; Syn. Kleinhirn) Das
Bei einigen Wirbeltieren ist der Kanal noch offen. Zerebellum ist das wichtigste Integrationszentrum
für die Koordination, Feinabstimmung, Planung so-
Zentralkörperchen (engl. Microtubuli-Organizing- wie das Erlernen von Bewegungsabläufen. Es ist ver-
Center) Ein Organell in tierischen und z. T. auch antwortlich für die Steuerung und Korrektur der
pflanzlichen Zellen, welches eine wichtige Rolle bei stützmotorischen Anteile der Haltung und Be­
der Zellteilung spielt. Das Zentriol ist 0,3 bis 0,5 μm wegung und für die Kurskorrektur langsamer und
lang und hat einen Durchmesser von 0,15μm. Es be- schneller zielmotorischer Bewegungen. Ebenso ist
findet sich in der Nähe des Zellkerns und ist aus es auch in höhere kognitive Prozesse eingebunden.
neun zylinderförmig angeordneten Mikrotubuli- Das Kleinhirn ist dorsal dem Hirnstamm aufgelagert.
Triplets aufgebaut (9 × 3; also drei Mikrotubuli bil- Neben dem Großhirn ist es die zweitgrößte Gehirn-
den ein Triplet, neun Triplets bilden ein Zentriol). struktur, bestehend aus mehreren Teilen: dem Wurm
Die Triplets werden untereinander durch Proteine (Vermis), der sich an beiden Seiten anschließende
(Nexin) zusammengehalten. Vom Zentriol aus wer- Pars media und der seitlichen Hemisphären. Die
den Mikrotubuli gebildet, was u. a. für das Zyto­ Kleinhirnrinde ist von parallel laufenden Furchen
skelett von großer Wichtigkeit ist. Vor der Zelltei- überzogen, welche der Oberflächenvergrößerung
lung (in der Interphase der Mitose) verdoppelt sich dienen. Die Rinde besteht aus drei Schichten: der
das Zentriol spontan, die zwei Zentrosome wandern Molekular-, Purkinje- und der Körnerschicht. Affe-
anschliessend an die Zellpole und bilden gleichzeitig rente Fasern, die Moos- und Kletterfasern, die für
den Ausgangspunkt für den Spindelapparat. Nach die Bewegungskoordination und -durchführung
erfolgter Kern- und Zellteilung erhält dann jede ­zuständig sind, erhalten Informationen aus dem
Tochterzelle je eines der beiden Zentralkörperchen. ­Rückenmark, dem motorischen Zentrum des Hirn­
stamm und der Körpersensorik wie dem Gleichge-
Zentralnervensystem (engl. central nervous system) wichtsorgan und der Haut- und Tiefensensibilität.
Der Begriff Zentralnervensystem (ZNS) umfasst Zusätzlich dazu erhält das Kleinhirn Informationen
bei Menschen und Wirbeltieren das Gehirn und das aus den Kortexregionen. Efferenzen gehen von den
302 Zerebrospinalflüssigkeit

Kleinhirnkernen in den Thalamus zum Nucleus Zilien (engl. pl. cilia) Allgemein ist ein Zilium ein
­ruber. härchenförmiger Zytoplasmafortsatz einer eukarion­
ten Zelle. Zilien befinden sich in verschiedenen
Zerebrospinalflüssigkeit (engl. cerebrospinal fluid; ­Körperregionen und erfüllen jeweils spezifische
Syn. Liquor) Die Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) – Aufgaben: (1.) Feine, borstenartige Haare am Augen­
oder Liquor – ist eine Flüssigkeit, die sich in den lid, die Wimpern, schützen das Auge vor eindrin-
Hohlräumen des Gehirns, den Ventrikeln, und des genden Fremdkörpern. (2.) Die mikroskopisch
Rückenmarks sowie in den Subarachnoidalräumen ­kleinen, haarförmigen Fortsätze an den Hör- und
befindet. Der Liquor entspricht in seiner Zusammen- Gleichgewichtszellen, die Hörhaare oder Stereo­
setzung der interstitiellen (extrazellulären) Flüssig- zilien, ermöglichen das Hören und die Regulation
Z keit. Die CSF erfüllt mehrere Funktionen: Sie dient des Gleichgewichtes. (3.) Die feinen Fortsätze der
als Puffer und Schutzkissen für das darunter liegende Riechzellen, die Riechhaare, sind mitbeteiligt an der
Nervengewebe, versorgt Gehirn und Rückenmark Erfassung und Weiterleitung von Gerüchen. (4.) Die
mit wichtigen Nährstoffen und transportiert im Ge- eigenbeweglichen Haare des Flimmerepithels, eines
genzug Stoffwechselprodukte ab. Normalerweise ist gefäßlosen Deckgewebes, das an seiner Oberfläche
die CSF klar, sie kann jedoch bei bestimmten Erkran- dicht mit Haaren besetzt ist, befinden sich im Uterus
kungen (z. B. einem Tumor oder einer Entzündung) und im Eileiter. Das Flimmerepithel dient zur
blutig oder trüb verfärbt sein oder eine erhöhte Men- ­Weiterleitung der Eizelle vom Eileiter in den Uterus.
ge an Bakterien aufweisen. Somit kann eine Entnah- Haarzellen sind sekundäre Sinneszellen, die keine
me der CSF durch eine Lumbalpunktion als diagnos- eigenen Nervenfortsätze besitzen und von den je-
tisches Instrument in der Neurologie angezeigt sein. weiligen afferenten Nervenfasern innerviert werden.
Die CSF wird im ­Plexus chorioideus aller vier Hirn- Auf diese Weise übermitteln sie Informationen über
ventrikel durch Blutfilterung erzeugt. den Erregungszustand der jeweiligen Region zum
Zentralnervensystem.
Zielzelle (engl. target cell) Zellen, die Rezeptoren für
ein bestimmtes Hormon oder eine andere Substanz Zingulotomie (engl. cingulotomy) Unter Zinguloto-
besitzen und somit auf die Anwesenheit des Stoffes mie versteht man einen neurochirurgischen Eingriff,
im Blutkreislauf mit Änderung ihrer Aktivität rea- bei dem uni- oder bilateral der Gyrus cinguli durch-
gieren. Die auf diese Substanz spezialisierten Rezep- trennt wird. Diese Methode kann bei Patienten mit
toren der Zielzelle können auf der Oberfläche der schwersten psychischen Störungen, beispielsweise
Zellmembran oder aber im Zellkern liegen. Bei To- ausgeprägten Zwangsstörungen, bei denen keine
leranzentwicklung kann die Anzahl an Zielzellen für ­andere Therapieform zum Erfolg geführt hat, zur
einen Stoff sinken, bei Sensibilisierung hingegen Anwendung kommen. Die Methode ist aber wegen
steigt die Rezeptorenanzahl. extremer Nebenwirkungen kontrovers diskutiert.
Mögliche Nebenerscheinung können Persönlich-
Ziliarmuskeln (engl. pl. ciliary muscles) Die Ziliar- keitsveränderungen oder auch dissoziative Zustände
muskeln sind wesentlich an der Akkommodation, sein. Bisweilen wurde die Zingulotomie auch zur
der Änderung der Brechkraft der Linse des mensch- Behandlung von Malignomschmerzen durchge-
lichen Auges, beteiligt. Sie sind ringartig um die führt, was heute aber nicht mehr praktiziert wird, da
­Linse angeordnet und kontrollieren die Zugkraft der moderne, ungefährlichere Verfahren existieren.
Zonulafasern. Bei Kontraktion der Ziliarmuskeln
wird die Zugkraft der Zonulafasern verringert, weil Zirbeldrüse 7 Epiphyse
ihr Aufhängepunkt nach vorn verlagert wird. Hier-
durch wird die Linse runder und die Nahakkom­ zirkadian (engl. circadian) Der Begriff »zirkadian«
modation möglich. Werden die Ziliarmuskeln ent- wird zur Beschreibung von physiologischen Pro­
spannt, steigt die Zugkraft der Zonulafasern und die zessen benutzt, die sich ungefähr alle 24 Stunden
Linsenkrümmung lässt nach. Auf diese Weise erfolgt wiederholen. Zu diesen Prozessen gehören z. B. die
mit dem Auge die Fernakkomodation. Produktion bestimmter Hormone, die Regulation
Zwei-Prozess-Theorie 303

der Körpertemperatur, des Blutdrucks und des ZNS 7 Zentralnervensystem


Schlafes. Der wichtigste äußere Zeitgeber für den
zirkadianen Rhythmus ist der Wechsel von Hell- Zuchtlinien, reinerbige (engl. pl. pure-bred breeding
und Dunkelperioden. Das neuronale Zentrum der lines) Jedes Merkmal eines Organismus beruht auf
zirkadianen Rhythmik, der angeborene endogene Erbinformationen von zwei Chromosomen, die der
Zeitgeber, sitzt im suprachiasmatischen Kern (SCN) Organismus jeweils von Mutter und Vater erhalten
des Hypothalamus, der Efferenzen aus der Retina hat. Sind die Informationen für ein bestimmtes
(über den retinohypothalamischen Trakt) erhält. Merkmal gleich, ist das Erbgut auf diese Eigenschaft
­Diese versorgen den SCN ohne Umschaltung mit bezogen reinerbig (homozygot). Dies wird v. a. in der
Helligkeitsinformationen aus der kontralateralen Züchtung genutzt. Zuchtlinien sind geschlossene
peripheren Retina. Zudem erhält der SCN aus dem Teilpopulationen innerhalb einer Rasse oder Popula- Z
Nucleus geniculatum laterale des Thalamus und tion, die nur mit Angehörigen ihrer eigenen Zucht­
aus dem Chiasma opticum visuelle Informationen. linie verpaart werden. Um ein bestimmtes Merkmal
Andere hypothalamische Kerne, Hypophyse, Zirbel- zu erhalten und/oder zu festigen, nimmt man eine
drüse, Septum, die aktivierenden und REM-Schlaf solche Verpaarung reinerbiger Individuen vor.
erzeugenden Regionen des Hirnstamms, Rücken-
mark und die cholinergen basalen Strukturen des Zwangshandlung (engl. compulsive act) Eine
Vorderhirn erhalten Efferenzen des SCN. Er gibt Zwangshandlung ist eine Handlung, die sich im
über die pulsatile Freisetzung von Hormonen und Rahmen einer Zwangsstörung permanent der be-
die rhythmische Entladung seiner Neurone anderen troffenen Person unwillkürlich und gegen ihren
Strukturen den endogenen Rhythmus vor. ­Willen aufdrängt. Es handelt sich dabei meist um
stereotype wiederholte Akte, die v. a. im Rahmen
Zisterne (engl. cistern) Zytologisch gesehen sind von Reinigungs- und Kontrollzwängen stattfinden.
­Zisternen die flüssigkeitsgefüllten Hohlräume des Der Zwangshandlung liegen oftmals Zwangsge­
endoplasmatischen Retikulums (ER). Mit dem Be- danken zugrunde, die durch die Handlung abge-
griff »Zisterne« werden aber auch flüssigkeitsgefüllte wehrt werden sollen.
Räume im Körper bezeichnet; die größte im Körper
vorhandene Zisterne liegt zwischen Kleinhirn und Zwangsstörung (engl. obsessive compulsive disorder)
verlängertem Rückenmark (= Cisterna cerebello­ Die Zwangsstörung ist eine psychische Störung und
medullaris) und ist mit dem IV. Hirnventrikel ver- durch das wiederkehrende Auftreten von Zwangs-
bunden. gedanken und Zwangshandlungen gekennzeichnet,
die zu einer erheblichen Beeinträchtigung im täg-
Z-Linse (engl. Z-lens) 1955 entwickelte Roger Sperry lichen Leben der betroffenen Person führen. Sie wird
eine Apparatur, die es ermöglicht, visuelle Reize la- nach ICD-10 mit F42 kodiert und zählt zu den Angst-
teralisiert, d. h. nur auf eine der beiden Hirnhemis- störungen. Auftretende Gedanken und Handlungen
phären, zu projizieren. Diese Technik, Z-Linse ge- müssen vom Patienten umgesetzt werden, auch wenn
nannt, erlaubte erstmalig die experimentelle Unter- sie diesem selbst als übertrieben oder sinnlos erschei-
suchung hemisphärenspezifischer Leistungen bei nen. Der Versuch, dem Zwang zuwider zu handeln,
Normalpersonen und Patienten. In einer Weiterent- bleibt meist erfolglos, weswegen dieser Zustand von
wicklung dieser Technik stellte Eran Zaidel 1970 Patienten als qualvoll empfunden wird.
eine Kontaktlinse vor, die auf einer Seite opaque ist
und somit den visuellen Input bei Split-Brain-Pa­ Zwei-Prozess-Theorie (engl. two-process model) Die
tienten in nur eine Hemisphäre gelangen lässt. Dies Zwei-Prozess-Theorie ist eine Lerntheorie, die erst-
funktioniert trotz Augenbewegungen, da sich die mals ausführlich von O.H. Mowrer 1957 beschrie-
Linse mit dem Auge bewegt. Zaidel und Sperry be- ben wurde. Sie versucht die Aufrechterhaltung von
nutzten diese Linse, um die unterschiedlichen Fähig­ Vermeidungsreaktionen zu erklären. Hierbei werde
keiten der linken und rechten Hemisphäre in ele- zunächst im Sinne der klassischen Konditionierung
ganten Studien zu untersuchen. eine unkonditionierte Reaktion (Angst o. ä.), die
304 Zweipunktschwelle

e­ igentlich durch einen unkonditionierten Reiz her- sie auch als monozygot bezeichnet. Nur 25 % der
vorgerufen wird (z. B. leicht erhöhter Puls), mit Zwillingsgeburten sind eineiig und nur 12 bis 14 von
einem bis dahin neutralen Reiz assoziiert (z. B. 1000 Frauen gebären überhaupt Zwillinge. Beide
Kaufhaus). Danach werde im zweiten Schritt im Kinder sind genotypisch (und zumeist auch phäno-
Sinne instrumenteller Konditionierung dieser nun typisch) zu 100 % identisch, durch Umwelteinflüsse
konditionierte Reiz durch eine entsprechende Reak- kommt es aber dennoch zu einer unterschiedlichen
tion vermieden (nicht mehr ins Kaufhaus gehen). Entwicklung, die sich oftmals in Persönlichkeits­
Obwohl zahlreiche Untersuchungen auf Schwächen unterschieden manifestiert. Trennt sich die befruch-
der Theorie hinweisen, wird sie sehr oft zur Erklä- tete Eizelle in den ersten drei Tagen, bilden sich zwei
rung der Entstehung verschiedener Störungen (Pa- getrennte Eihäute und Plazentae; allerdings können
Z nikstörung, Zwangsstörung) herangezogen. bis zum 13. Tag beide Eizellen in derselben Frucht-
blase liegen, so dass sich in Folge nur eine Plazenta
Zweipunktschwelle (engl. two-point discrimination entwickelt.
threshold) Die Zweipunktschwelle gilt als Abstand
zwischen zwei taktilen Reizen, bei dem diese gerade Zwillinge, zweieiige (engl. pl. dizygotic twins) Zwei-
noch als getrennt wahrgenommen werden. Sie be- eiige Zwillinge entstehen, wenn innerhalb eines
stimmt das Maß für das räumliche Auflösungsver- ­Zyklus der Frau zwei Eizellen reifen und jede dieser
mögen der Haut für taktile Reize. Eizellen von einer Samenzelle befruchtet wird. Die
beiden Eizellen müssen nicht zur gleichen Zeit be-
Zwerchfell (engl. diaphragm) Das Zwerchfell ist eine fruchtet werden, da eine Frau an mehreren Tagen
vom Nervus phrenicus innervierte dünne Muskel- fruchtbar ist. Da die beiden Eizellen von verschie-
platte, die im oberen zentralen Anteil in eine Seh- denen Spermien befruchtet werden, kann das Ge-
nenplatte (Centrum tendineum) übergeht. Es trennt schlecht der Zwillinge unterschiedlich oder gleich
bei Säugetieren Brust-und Bauchhöhle voneinander. sein. Bei zweieiigen Zwillingen hat jeder Zwilling
Seine verschiedenen Anteile setzen an Rippen, Len- eine eigene Fruchtblase und eine eigene Plazenta,
denwirbelsäule und Sternum an. Öffnungen in der diese können jedoch auch zusammen wachsen. Ihre
Muskulatur erlauben den Durchtritt von Öso­phagus, Gene stimmen wie bei normalen Geschwistern zu
Vena cava inferior, Aorta und einigen Nerven. Das 50 % überein. Zweieiige Zwillinge können auch aus
Zwerchfell ist der wichtigste Muskel für die Bauch­ einer Eizelle entstehen, die sich vor der Befruchtung
atmung. Durch die Kuppelform vergrößert eine teilt. Die zweieiigen Zwillinge haben dann von der
Kontraktion der Muskulatur den Thoraxraum und Mutter die gleichen Erbanlagen, vom Vater jedoch
verkleinert den Abdominalraum. Durch die Ver- unterschiedliche. Da in manchen Familien Zwil-
wachsungen des Zwerchfells mit der Pleura parieta- lingsgeburten gehäuft auftreten, vermutet man, dass
lis wird so das Lungenvolumen vergrößert und der eine erbliche Komponente auf Seiten der Frau eine
entstehende Unterdruck führt zur Einatmung. Beim Rolle spielt. Einen weiteren Einfluss haben Hormon-
Ausatmen entspannt sich das Zwerchfell, die Bauch- behandlungen, bei denen mehrere Eizellen reifen,
eingeweide drücken es brustwärts und durch die und das Alter der Frau, da mit zunehmendem Alter
elastischen Fasern in der Lunge zieht sich diese die Konzentration des Follikel-stimulierenden Hor-
­wieder zusammen. Außerdem dient die Zwerchfell- mons (FSH) im Blut steigt, was zu mehreren be-
kontraktion der Bauchpresse, bspw. bei der Defäka- fruchtungsfähigen Eizellen führen kann. Die statis­
tion oder dem Geburtsvorgang. tische Häufigkeit, zweieiige Zwillinge zu bekommen,
liegt bei 1:125.
Zwillinge, eineiige (engl. pl. monozygotic twins) Ein-
eiige Zwillinge entstehen, wenn eine befruchtete Zwischenhirn (engl. diencephalon) Das Zwischen-
­Eizelle sich im frühen Entwicklungsstadium in ihrer hirn ist Teil des Stammhirns und es wird rostral und
Gesamtheit teilt und jeder Teil sich selbständig wei- dorsal vom Großhirn und kaudal vom Mittelhirn
ter entwickelt. Eineiige Zwillinge entstehen also aus begrenzt. Wichtige funktionelle Strukturen des Zwi-
ein und derselben Ei- und Samenzelle, weshalb man schenhirns sind der Thalamus und der Hypothala-
Zytokin 305

mus. Der Thalamus hat sowohl spezifische als auch den auf eine spiralförmige Umlaufbahn um die
unspezifische Verbindungen zur Großhirnrinde. So Quelle gebracht. Je häufiger die Teilchen um diese
kommt es zu einer unspezifischen Erregung im kreisen, desto schneller werden sie, da die zu durch-
ganzen Kortex, wenn die unspezifischen Thalamus- laufenden Strecken (aufgrund der Spiralform) im-
kerne erregt werden. Eine spezifische Verbindung mer größer werden, die Wechselspannung jedoch
stellt z. B. die Verbindung vom Corpus geniculatum mit gleich bleibender Frequenz umpolt. Haben die
laterale (CGL) zum Okzipitallappen (»Sehrinde«) Teilchen die gewünschte Geschwindigkeit erreicht,
dar. Die Kerne des Hypothalamus steuern lebens- werden sie von einem Ablenkkondensator auf ihr
wichtige Funktionen wie Hunger, Durst, Fortpflan- Ziel gelenkt. Ein Zyklotron wird u. a. benutzt, um
zungsverhalten und Körpertemperatur. Des Weite­ radioaktive Marker für die Positronen-Emissions-
ren spielt der Hypothalamus auch in Zusammen­ tomographie (PET) zu produzieren. Z
arbeit mit der Hypophyse eine große Rolle bei der
Hormonregulation. Zytoarchitektonik (engl. cyto architecture) Die Zyto­
architektonik des Kortex beschreibt das Phänomen,
Zwölffingerdarm 7 Duodenum dass die Struktur der Großhirnrinde nicht durch-
gängig gleich ist, sondern dass man verschiedene
Zyanose (engl. cyanosis; Syn. Blausucht) Zyanose Zelldichten und -größen unterscheiden kann. Diese
­ ezeichnet eine blaurote Verfärbung der Haut und
b verschiedenen Variationen im Schichtenbau des
der Schleimhäute infolge einer Sauerstoffabnahme Kortex haben dazu geführt, Gebiete, in denen eine
im arteriellen Blut. Sie tritt als generalisierte Zyanose ähnliche zelluläre Struktur vorliegt, zu einem Areal
oder Akrozyanose (nur Hände, Füße, Nase und zusammenzufassen und von anderen Arealen abzu­
­Ohren sind betroffen) auf. Die vielfältigen Ursachen grenzen. Auf diese Art kann eine Kartierung der ge-
für Zyanosen werden in drei Kategorien eingeteilt: samten Großhirnrinde vorgenommen werden. Für
(1.) Angeborene Herzfehler (z. B. werden arterielles den menschlichen Kortex hat sich dabei die zyto­
und venöses Blut vermischt) oder Lungenerkran- architektonische Einteilung nach Brodmann durch-
kungen, bei denen der Gasaustausch gestört ist, (2.) gesetzt, bei welcher der Kortex in 52 Areale eingeteilt
vergrößerte arterielle Sauerstoffdifferenz bei norma- ist. Oftmals ist eine deutliche Beziehung zwischen
ler Sauerstoffsättigung des Blutes oder verlangsamte der Struktur und der Funktion des Areals erkennbar.
Blutzirkulation (Schock, Kälte, Herzinsuffizienz) Das Brodmann Areal 17 ist z. B. das primäre visuelle
oder (3.) krankhafte Hämoglobinveränderungen, Projektionsfeld.
wodurch nicht mehr genug Sauerstoff aufgenom-
men werden kann. Zytochromoxidase (engl. cytochrome oxidase) Zyto­
chromoxidase ist ein Enzym und gilt als wichtigs-
Zygote (engl. zygote) Eine Zygote ist eine befruch­ ter Bestandteil in der Atmungskette. Sie fungiert als
tete Eizelle. Sie ensteht bei der Verschmelzung der ­Katalysator für die letzte Phase der Umwandlung
Gameten, also der weiblichen Ei- und der männ- von molekularem Sauerstoff. Dabei findet in den
lichen Samenzelle. ­Mitochondrien eine Elektronenübertragung auf den
Sauerstoff unter Bildung von Wasser statt (Sauer-
Zyklotron (engl. cyclotron) Zyklotronen sind Teil- stoffreduktion zu Wasser). Eine weitere Funktion ist
chenbeschleuniger und werden in der physikalischen der Transport von Protonen über die biologische
Forschung zur Auslösung von Kernreaktionen ein- Membran. Die Zytochromaxidase wird auch als
gesetzt. Ein Zyklotron besteht aus zwei Dipolmagne- Marker für Stoffwechselaktivität einge­setzt. Mit ihr
ten, zwischen welchen sich zwei D-förmige (»D«’s kann z. B. die Stoffwechselaktivität in bestimmten
oder Dees) Elektroden befinden, die senkrecht vom Hirnregionen sichtbar gemacht werden.
Magnetfeld durchsetzt sind. Zwischen den Dees
ist ein Spalt mit einer Ionenquelle, welche die zu Zytokin (engl. cytokine) Zytokine sind eine umfang-
­beschleunigenden Teilchen erzeugt. Diese werden reiche Gruppe körpereigener Peptide oder Proteine,
durch die ständige Wechselspannung der Elektro- die von Zellen des Immunsystems produziert und
306 Zytoplasma

freigesetzt werden. Ihre Wirkungsweise ist meta- Zytoskelett (engl. cytoskeleton) Das Zytoskelett ist
botroph, d. h. sie docken an Rezeptoren der Zell­ ein zellinternes Faser- und Filamentsystem. Es dient
oberfläche an und lösen Reaktionen über Second- der Aufrechterhaltung der Zellform sowie deren
Messenger in der Zelle aus. Zytokine dienen den Veränderung. Im Zytoskelett sind die Zellformen
Immunzellen als Botenstoffe zur Kommunikation, verankert und es findet der Transport von zellulären
indem sie dafür sorgen, dass Immunzellen an Ent- Strukturen wie Mitochondrien und Vesikeln statt.
zündungsstellen verfügbar sind. Sie wirken auch als Mit dem Z. sind viele Proteine verbunden, wie z. B.
Wachstumsfaktoren für andere Zellen und können Motorproteine, die für dynamische Prozesse ver­
Gewebeschäden reparieren. Allerdings können sie antwortlich sind. Es gibt drei Hauptkomponenten
Entzündungen nicht nur fördern, sondern auch des Zytoskeletts: (1.) Die Aktinfilamente sind dyna-
Z hemmen. Zu den Zytokinen gehören Interferone, mische Polymere in Form einer Doppelhelix und
Interleukine, der Tumor-Nekrose-Faktor und Mono­ verantwortlich für die Zellform, (2.) die Mikrotu­buli
kine. Sie werden entweder nach ihrer Funktion oder sind Polymere in Form eines Hohlzylinders und von
nach dem Ort ihrer Entstehung (z. B. Lymphozyten) Bedeutung für die intrazelluläre Organisation, Kern-
benannt. teilung und die Positionierung der Organellen und
(3.) die intermediären Filamente haben struktur­
Zytoplasma (engl. cytoplasm; Syn. Zellplasma, Sarko­ gebende Aufgaben für die Plasmamembran und den
plasma) Das Zytoplasma ist der Bestandteil der Zel- Zellkern.
le, der sich zwischen der Zellwand und dem Zellkern
befindet. Es stellt, bis auf den Zellkern, den gesamten Zytosol (engl. cytosol; Syn. Protoplasma) Zytosol ist
lebenden Inhalt einer Zelle dar. Das Zytoplasma ist der biochemische Begriff für Protoplasma. Es um-
der wichtigste Ort für Stoffwechselreak­tionen inner- fasst die flüssigen Abschnitte des Zellinneren ein-
halb der Zelle und das größte Transportmedium. Es schließlich des Zellkern-Raumes.
besteht größtenteils aus der Zell­flüssigkeit und ent-
hält neben Ionen, Nährstoffen und Enzymen auch
alle Zellorganellen.

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