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Springer-Lehrbuch

Das Erste – kompakt


Herausgeber
Jesko Priewe
Daniel Tümmers
Konzept
PD. Dr. Dr. Oliver Friedrich
Jesko Priewe
Daniel Tümmers

Weitere Titel dieser Reihe:


Friedrich, Physiologie – GK1
978-3-540-36479-5

Krantz, Biochemie – GK1


978-3-540-36470-2

Schön, Medizinische Psychologie und Soziologie – GK1


978-3-540-36361-3

Witt, Anatomie – GK1


978-3-540-36367-5

Priewe/Tümmers (Hrsg.),
Das Erste
Kompendium Vorklinik
978-3-540-32877-3
Jürgen Ernst, Sven Krantz, Martin Witt

Chemie Physik
Biologie – GK1
Mit 152 Abbildungen und 32 Tabellen

123
Prof. Dr. Jürgen Ernst Prof. Dr. Sven Krantz
Auf dem Uhlberg 2 Universität Greifswald
53127 Bonn Institut für Med. Biochemie u. Molekularbiologie
Sauerbruchstraße
17487 Greifswald
Prof. Dr. med. Martin Witt
TU Dresden
Institut für Anatomie
Fetscherstraße 74
01307 Dresden

Reihenherausgeber:
Jesko Priewe
Daniel Tümmers
medicu(r)s GbRmbH
Hauptstraße 580
53347 Alfter
info@medicurs.de

ISBN-13 978-3-540-36485-6 Springer Medizin Verlag Heidelberg


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Planung: Renate Scheddin, Kathrin Nühse, Heidelberg


Projektmanagement: Sigrid Janke, Heidelberg
Lektorat: Dr. med. Susanne Meinrenken, Freiburg

Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin


Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg
SPIN 11796756

Gedruckt auf säurefreiem Papier 15/2117 – 5 4 3 2 1 0


V

Vorwort
DIE Klippe im Medizinstudium ist und bleibt das Physikum, oder wie es nunmehr seit kurzer Zeit
genannt wird, das erste Staatsexamen.
Wir widmen uns seit mittlerweile knapp fünf Jahren der professionellen Bewältigung dieser Hürde,
indem wir medicu(r)s – ein Repetitorium für Medizinstudenten – gegründet und seit dieser Zeit schon
zahlreiche Studenten erfolgreich durch die Vorbereitung und die anschließende Prüfung geleitet haben.
Im Jahr 2004 kam der Springer Verlag mit der Bitte auf uns zu, Fachbücher zur Prüfungsvorbe-
reitung auf das neue erste Staatsexamen zu erarbeiten. Wir haben unsere Zusage an die Bedingung
geknüpft, dass die Bücher sowohl enge klinische Bezüge enthalten müssen, als auch durch eine sinnvoll
dosierte Didaktik geprägt sein sollen. Beide Aspekte haben in diesem Buch ihre Umsetzung auf
besondere Weise gefunden: Zum einen stellen unsere Klinikboxen schon erste klinische Bezüge her.
Zum anderen bieten die Mindmaps einen strukturierten Überblick über den Inhalt der jeweiligen
Kapitel und die Merke-Boxen, sowie Prüfungsfallstricke geben eine Gewichtung vor, worauf Sie in der
Vorbereitung besonders achten sollten.
Dieses Buch ist streng nach dem aktuellen GK1 gegliedert, um Ihnen, liebe Leser, den Weg zu ebnen,
sich strukturiert vorzubereiten, ohne einen thematischen Aspekt zu übersehen oder zu vernachlässigen.
Wir möchten uns in diesem Zusammenhang bei unseren Autoren Herrn Prof. Dr. Ernst,
Herrn Prof. Dr. Krantz und Herrn Prof. Dr. Witt für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit
bedanken.
Des Weiteren möchten wir uns beim Springer Verlag bedanken, der letztlich das Erscheinen des
Buches ermöglicht hat. Hier danken wir insbesondere Frau Kathrin Nühse für die stets gute und
konstruktive Zusammenarbeit und Frau Sigrid Janke für das professionelle Projektmanagement.
Zum Schluss danken wir unseren Ehefrauen Nadine und Petra für ihren Rückhalt, ihre Geduld
und häufige Rücksichtnahme.
Unser großer Wunsch ist es, dass Ihnen, liebe Leser, dieses Buch bei der Bewältigung Ihrer Prüfung
hilft und Sie sich im Nachhinein gerne an die »Zeit des Lernens und Leidens« zurückerinnern.

Bonn, Juli 2006


Daniel Tümmers und Jesko Priewe

Wir Autoren des vorliegenden Repetitoriums der Physik, Chemie und Biologie für Mediziner haben
uns der Aufgabe gestellt, die vom GK1 geforderten naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse mög-
lichst übersichtlich darzustellen und ihre Bedeutung für die Medizin durch typische Anwendungsbei-
spiele aus Medizin und Alltag anschaulich zu machen. Wir glauben, dass uns dazu unsere langjährige
Erfahrung mit der Problematik befähigt, wie man den eigentlich fachfremden Medizinern das für sie
Wichtige in unseren Fächern durch Vorlesungen und Praktika vermittelt. Als involvierte Dozenten in
dem von den Herausgebern angebotenen Repetitorium für Medizinstudenten war es für uns deshalb
besonders reizvoll, unsere dort verwendeten Skripte nochmals genau nach dem GK1 zu überarbeiten
und in Buchform herauszubringen. Wir hoffen, den mit Wissensstoff von so viel Fächern überhäuften
Medizinstudenten mit diesem Band nicht nur einen knappen und zugleich anregenden Leitfaden für
»Das Erste« geben zu können, sondern auch einen bleibenden Zugang zu aktuellen und allgemeinen
naturwissenschaftlichen Fragestellungen. Wir danken Frau Susanne Meinrenken für das kompetente
Lektorat.

Bonn, Greifswald und Dresden, August 2006


Jürgen Ernst, Sven Krantz und Martin Witt
Die Herausgeber
Jesko Priewe
geboren 1974 in Bonn-Bad Godesberg, verheiratet. Studium der Humanmedizin an
der Ruhr-Universität-Bochum und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
Bonn, Studium der Gesundheitsökonomie, Akademie Prof. Dr. Braunschweig, Köln.
2003 Gründung der Firma medicu(r)s GbRmbH. Geschäftsführer der medicu(r)s
GbRmbH von 2003 bis heute. Seit 2006 Tätigkeit in der Klinik für Innere Medizin am
Marienhospital Euskirchen. Herausgeber des Bandwerkes »Das Erste – kompakt« mit
den Einzelwerken: »Chemie, Physik, Biologie«; »Biochemie«; »Medizinische Psycho-
logie und Soziologie«; »Anatomie«; »Physiologie«. Herausgeber des Kompendiums
»Das Erste – kompakt . Kompendium Vorklinik« im Springer-Verlag Heidelberg.

Daniel Tümmers
geboren 1976 in Hamm, verheiratet. Studium der Humanmedizin an der Universität
Bochum von 1998 bis 2002. Studium der Biologie, Germanistik und Pädagogik an der
Universität Essen von 2002 bis 2006. 2003 Gründung der Firma medicu(r)s GbRmbH.
Geschäftsführer der medicu(r)s GbRmbH von 2003 bis heute. 2006 Staatsarbeit zum
Thema: »Das Arzt-Patienten-Gespräch«. Herausgeber des Bandwerkes »Das Erste –
kompakt« mit den Einzelwerken: »Chemie, Physik, Biologie«; »Biochemie«; »Medi-
zinische Psychologie und Soziologie«; »Anatomie«; »Physiologie«. Herausgeber des
Kompendiums »Das Erste – kompakt . Kompendium Vorklinik« im Springer-Verlag
Heidelberg.
VII

Der Autor
Jürgen Ernst
geboren 1936 in Nürnberg. Studium der Physik an den Universitäten Erlangen und
Heidelberg, 1965 Promotion mit experimenteller Arbeit am Max-Planck-Institut für
Kernphysik in Heidelberg. 1966 Assistent am Institut für Strahlen- und Kernphysik
der Universität Bonn. 1971 Habilitation, 1980 Ernennung zum Professor C3. Längere
Forschungsaufenthalte an Beschleunigerlaboratorien in Berkeley CA, Rochester N.Y.,
Vancouver B.C. und Orsay bzw. Saclay bei Paris. Lehrtätigkeit: u. A. Atom- und Kern-
physik für Nebenfächler, insbesondere Biologen, Einführung in die Physik für Me-
diziner, Zahnmediziner und Pharmazeuten, Leitung zugehöriger Physikpraktika.

Sven Krantz
1940 in Gotenhafen geboren, Medizinstudium von 1959-65 an der Ernst Moritz Arndt-
Universität Greifswald, seit 1966 am Institut für Biochemie in Greifswald, Promotion
1965, Habilitation 1976, Facharzt für Biochemie 1971, 1980 Berufung zum Professor,
2005 Eremetierung.

Martin Witt
geboren 1956 in Göttingen. Studium der Humanmedizin in Turin, Graz und Hamburg.
1984-1994 am Anatomischen Institut Tübingen, dort Promotion und Habilitation für
Anatomie. 1994 bis 2005 am Institut für Anatomie an der Technischen Universität
Dresden, seitdem im Interdisziplinären Zentrum für Riechen und Schmecken der
Medizinischen Fakultät der TU Dresden. Forschungsaufenthalte an der Bowman Gray
University (Winston-Salem, NC) und Tokyo University (Faculty of Frontier Sciences).
Verheiratet mit einer Historikerin; zwei Kinder, die auf keinen Fall Ärztinnen werden
wollen. Hobby: Verirren in der Dresdner Heide.
Chemie Physik Biologie: Das neue Lehrbuch

Mind Map: grafische


Übersicht der wich-
tigsten Kapitelinhalte,
kombiniert mit einer 120 Kapitel 8 · Ionisierende Strahlung
Zusammenfassung

8 Ionisierende Strahlung

Mind Map
Im Jahr 1896 entdeckte Henri Becquerel die Radio- uranylsulfat lag. 110 Jahre danach kann man geringste
aktivität von Uran mit den damals rätselhaften α-, β- Spuren ionisierender Strahlung nachweisen, wobei dies
und γ-Strahlen. Die Aufklärung der Natur dieser in der Dosimetrie heute immer noch über die Schwär-
Strahlen erschloss in den Folgejahren neue Gebiete, zung von Filmmaterial funktioniert. In der Röntgendia-
die Atom-, Kern- und Elementarteilchenphysik. Die Ra- gnostik hingegen wird der Film mehr und mehr durch
dioaktivität verschiedenster Substanzen ermöglicht digitale Aufzeichnung ersetzt.
heute eine Vielzahl von Detektionsverfahren wie z. B. In der Medizin muss bei allen Anwendungen von
die Szintigraphie. ionisierenden Strahlen immer der Kompromiss zwi-
Im Jahr 1895 entdeckte Wilhelm Konrad Röntgen schen Nutzen und Schaden gesucht werden. Dies gilt
Physik

die im deutschen Sprachraum nach ihm benannte für Patienten, aber natürlich auch für das medizinische
Röntgenstrahlen. Sie sind seitdem unentbehrliches Personal. Für den persönlichen Strahlenschutz (und

Leitsystem: Hilfsmittel der medizinischen Diagnostik und Therapie.


Die Radioaktivität wurde von Becquerel durch die
für die Prüfung) ist es wichtig zu wissen, dass die Dosis-
leistung um den Faktor 4 abnimmt, wenn man den Ab-
Schwärzung einer in einer Schublade lichtdicht ein- stand zur Strahlungsquelle verdoppelt.
schnelle Orientierung gepackten Photoplatte entdeckt, auf der Kalium-

über alle Kapitel und


den Anhang

2.5.1 Genmutationen

Genmutationen sind Veränderungen der Nucleotidse-


quenz der DNA eines Gens. Sie können Folge sein von:
4 Basensubstitution: Ersatz einer Base durch eine
andere (Punktmutation),
4 Basendeletion; Nucleotide gehen verloren,
4 Baseninsertion: neue Basen werden zusätzlich ein-
gefügt,
4 ungleichem Crossing over (Genkonversion): Ein
Aufzählungen: Lern- Genabschnitt eines Chromosoms wird als Bruch-
inhalte übersichtlich stück beim Crossing-over in das homologe Chro-
mosom eingefügt (Duplikation).
präsentiert

2.5.2 Folge von Genmutationen


5.1.3 Coulomb-Kraft
Die Folge von Genmutationen ist eine verringerte oder
Elektrisch geladene Körper üben anziehende Kräfte fehlende Synthese der mRNA und damit Verände-
aufeinander aus, wenn sie ungleichnamig geladen sind, rungen der Aminosäuresequenz der jeweiligen Poly-
während sich gleichnamig geladene abstoßen. Dies peptidkette. Falls die Promotorregion gestört wird,
Verhalten drückt das Coulombsche Gesetz quantitativ wird das gesamte Gen inaktiviert. Bei Veränderungen
aus, wobei wie bei der Gravitation (7 Kap. 2) die Kraft des Stop-Codons entsteht ein abnormal langes oder
umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes verkürztes Protein.
zwischen den punktförmig gedachten Ladungen ist:
KLINIK
1 Q1 ◊ Q2 Ein schönes Beispiel für eine Punktmutation ist die
F = [N];
4pe 0 ◊ e r122 autosomal-rezessiv vererbte Sichelzellanämie. Der
Austausch der Aminosäure Val gegen Glu in der
Gleichungen, Carbonsäuren sind Kohlenwasserstoffverbindungen Hämoglobin-β-Kette (HbS) führt zu abnormer Sauer-
Formeln, Gesetze mit einer Carboxylgruppe (–COOH). Die Carboxyl- stoffbindungskapazität und Formveränderungen
und Theoreme gruppe dissoziiert ein Proton ab und geht in das Carbo- des Erythrozyten bei Desoxygenierung. Massiver
xylatanion COO– über. Dieses Anion ist Mesomerie-sta- Abbau der Erythrozyten in der Milz führt zu anä-
bilisiert. Carbonsäuren sind schwache Elektrolyte. Die mischen Krisen. Selektionsvorteil der Erkrankten
Azidität aliphatischer Carbonsäuren ist geringer als die besteht in höherer Resistenz gegenüber Malaria.
aliphatischer Sulfonsäuren.

. Abb. 2.11. Carbonsäurederivate

Klinik-Box: klinisch
relevantes Wissen für
die Praxis
Navigation: Seitenzahl
Inhaltliche Struktur: und Kapitelnummer
klare Gliederung durch für die schnelle Orien-
alle Kapitel tierung

7.2 · Geometrische Optik


121 7

. Tab. 7.2. Brechzahl von Stoffen STPD und Grenzwinkel der Totalreflexion zu Luft für gelbes Na-Licht der Wellenlänge =
589 nm Tabelle: klare Über-
Feststoff n αTR Fl. Stoff, Gas n αTR sicht der wichtigsten
Eis 1,310 49,8° Luft 1,0003 − Fakten
Quarzglas 1,459 43,3° Wasser 1,333 48,6°
Flintglas 1,613 38,3° Benzol 1,501 41,8°
Diamant 2,417 24,4° Methyleniodid 1,628 37,9°

7.2.2 Abbildung durch Reflexion spiegel von Kraftfahrzeugen, da sie einen großen Raum-
an Spiegeln winkel erfassen.
Auf die Gesetze der Abbildung mit Konkav- und
Konstruiert man nach dem in 7 Kapitel 6.2.3 bespro- Konvexspiegeln und ihre Bildfehler wird hier nicht
chenen Reflexionsgesetz »Einfallswinkel = Ausfalls- näher eingegangen, da sie im Prinzip dieselben sind wie
winkel« die von einzelnen Punkten eines Gegenstandes für Linsen (s. u.).
ausgehenden Lichtstrahlen, so findet man bei einem
ebenen Spiegel Folgendes: die reflektierten Strahlen Merke
scheinen von einem Abbild des Gegenstandes herzu- Ebener Spiegel: Bild virtuell, hinter dem Spiegel Merke: das Wich-
kommen, das in gleichem Abstand wie der Gegenstand im gleichen Abstand wie Gegenstand.
hinter der Spiegelfläche zu stehen scheint. Generell Konkaver Spiegel: Brennweite f=R/2, R Krüm-
tigste auf den Punkt
nennt man solche Abbildungen virtuell, da man am mungsradius; für Gegenstandsweite g<f Bild vir- gebracht
vermeintlichen Ort des Bildes es nicht durch eine Matt- tuell und vergrößert.
scheibe oder einen Film aufnehmen oder sichtbar Konvexer Spiegel: Brennweite f=-R/2; für Gegen-
machen kann. Bekanntlich erscheint bei einfacher Spie- standsweite g>0 Bilder stets virtuell und ver-
gelung im virtuellen Bild immer rechts und links gegen- kleinert.
über dem Original vertauscht.

e 0 = 8, 854 ◊10 -12 As/(Vm) ist die Dielektrizitätskon- Doppelbindungen, die mehr als 9 C-Atome von der
stante, ε die Permittivitätszahl, die angibt, um welchen Carboxylgruppe entfernt sind, werden durch Dehy-
Faktor sich die Kraftwirkung abschwächt, wenn der drierungen nicht eingeführt.
Raum zwischen den Ladungen mit nichtleitendem Für die Nomenklatur der C-Atome und Doppel-
Stoff (Dielektrikum) gefüllt ist. Für Vakuum ist ε = 1. bindungen in Fettsäuren gelten folgende Regeln:
Zwei gleich große Ladungen q mit ungleichem Vorzei- 4 das C-Atom 1 ist die Carboxylgruppe;
4 das der Carboxylgruppe benachbarte C-Atom 2
wird als α-C-Atom, die folgenden als β-, γ- usw.
bezeichnet. Die endständige Methylgruppe erhält
die Kennzeichnung ω;
4 die Stellung einer Doppelbindung wird durch das
Symbol Δ gekennzeichnet. Die Zählung beginnt am
C1 der Carboxylgruppe.
a Prüfungsfallstricke Prüfungsfallstricke:
Unter der Bezeichnung ω3 oder ω6 werden unge- hilft erfolgreich
sättigte Fettsäuren aufgeführt, die eine Doppel-
durch die Prüfung
bindung 2 oder 5 Stellen vor der ω-endständigen
Methylgruppe enthalten.

Harmonische Schwingungen Schlüsselbegriffe:


Man nennt eine Schwingung harmonisch, wenn die sind fett bzw. kursiv
schwingende Größe durch die folgende Sinusfunktion hervorgehoben
beschrieben werden kann: .
Anschaulich beschreibt diese Gleichung die Projek-
tion eines Punkts auf die y-Achse, während sich der
Punkt gleichmäßig auf einem Kreis um den Ursprung
b
bewegt (. Abb. 1.5). Die in . Tabelle 2.3 eingeführten
. Abb. 5.1a,b. Dipol: a Schematische Darstellung eines physikalischen Größen, die auch zur Beschreibung von
 
Dipols mit Dipolmoment p = q ¥ l ; b Dipol des Wassermole- Wechselstrom in 7 Kapitel 5.10 benutzt werden, gelten
küls, schematisch. (Harten 2006) auch hier.

Zahlreiche Abbildungen: Verweis auf Abbildungen


veranschaulichen komplizierte und Tabellen: deutlich
und komplexe Sachverhalte herausgestellt und leicht
zu finden
XI

Inhaltsverzeichnis
1.14.3 Zytokinese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Biologie 1.14.4 Mitose-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.15 Meiose (Reifeteilung) . . . . . . . . . . . . . 12
1.15.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1 Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung 1.15.2 Verlauf der 1. Reifeteilung . . . . . . . . . . 13
und Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.15.3 Verlauf der 2. Reifeteilung . . . . . . . . . . 14
1.1 Zellbegriff und zelluläre Struktur- 1.16 Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.16.1 Apoptose (programmierter Zelltod) . . . 14
1.2 Plasmamembran . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.16.2 Nekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3 Zellkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.17 Zellkommunikation und Signal-
1.4 Cytoplasma, Cytosol . . . . . . . . . . . . . 5 Transduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.5 Ribosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.6 Endoplasmatisches Retikulum . . . . . . . 5 2 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.6.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Organisation und Funktion
1.6.2 Raues Endoplasmatisches Retikulum . . . 6 eukaryontischer Gene . . . . . . . . . . . . 18
1.6.3 Glattes Endoplasmatisches Retikulum . . 6 2.1.1 Aufbau und Replikation der DNA . . . . . 18
1.7 Golgi-Komplex (Golgi-Apparat) . . . . . . 6 2.1.2 DNA-Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.7.1 Stapel (Diktyosomen) von flachen Zister- 2.1.3 Genbegriff, Transkription und
nen (Sacculi) und peripheren Vesikeln . . 6 Prozessierung der RNA . . . . . . . . . . . . 18
1.7.2 Cis-, Mittel- und Trans-Cisternen . . . . . . 6 2.1.4 Regulation der Genexpression . . . . . . . 19
1.8 Exozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.1.5 Differenzielle Genaktivität als Grundlage
1.9 Endozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 von Entwicklung und Differenzierung . . 19
1.9.1 Intrazelluläre Aufnahme von Stoffen 2.1.6 Translation und genetischer Code . . . . . 19
durch Plasmamembranvesikel . . . . . . . 6 2.1.7 Anzahl von Genen . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.9.2 Rezeptor-vermittelte (spezifische) 2.1.8 Repetitive Elemente . . . . . . . . . . . . . . 19
Endozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Chromosomen des Menschen . . . . . . . 19
1.9.3 Pinozytose (unspezifische Endozytose) 2.2.1 Normale Chromosomenmorphologie . . 20
für lösliche Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2.2 Differenzielle Darstellung der
1.9.4 Endosom (Endozytose-Vesikel) Chromosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
mit frühen und späten Formen . . . . . . . 6 2.2.3 Molekulare Zytogenetik . . . . . . . . . . . 20
1.9.5 Phagozytose (Partikel) . . . . . . . . . . . . 7 2.3 Formale Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.9.6 Transzytose und Caveolae (mit Caveolin) 7 2.3.1 Begriffe und Symbole . . . . . . . . . . . . . 20
1.10 Lysosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3.2 Mendelsche Gesetze . . . . . . . . . . . . . 20
1.10.1 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3.3 Autosomaldominanter/kodominanter
1.10.2 Heterophagie, Phagosom . . . . . . . . . . 7 Erbgang, multiple Allelie . . . . . . . . . . . 21
1.10.3 Autophagie: Bedeutung bei der 2.3.4 Autosomal-rezessiver Erbgang . . . . . . . 21
Erneuerung von Zellstrukturen . . . . . . . 8 2.3.5 X-chromosomaler Erbgang . . . . . . . . . 22
1.10.4 Telolysosomen (Residualkörper) . . . . . . 8 2.3.6 Imprinting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.10.5 Sekretion lysosomaler Enzyme . . . . . . . 8 2.3.7 Mitochondriale Vererbung . . . . . . . . . 22
1.11 Peroxisomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3.8 Multifaktorielle Vererbung . . . . . . . . . . 23
1.12 Mitochondrien . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4 Gonosomen, Geschlechtsbestimmung
1.13 Zytoskelett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 und -differenzierung . . . . . . . . . . . . . 23
1.13.1 Mikrotubuli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4.1 X-, Y-Chromosom und pseudoautoso-
1.13.2 Intermediärfilamente . . . . . . . . . . . . . 11 male Region. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.13.3 Aktinfilamentsystem . . . . . . . . . . . . . 11 2.4.2 X-Inaktivierung – Gleichberechtigung
1.13.4 Spectrin und Membranzytoskelett . . . . 11 des Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.14 Zellzyklus und Zellteilung (Mitose) . . . . 11 2.4.3 Geschlechtsdifferenzierung . . . . . . . . . 23
1.14.1 Zellzyklus – Interphase . . . . . . . . . . . . 11 2.5 Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.14.2 Mitose und ihre Stadien . . . . . . . . . . . 12 2.5.1 Genmutationen . . . . . . . . . . . . . . . . 24
XII Inhaltsverzeichnis

2.5.2 Folge von Genmutationen . . . . . . . . . 24 3.6.1 Virusbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33


2.5.3 Spontane und induzierte Genmutationen 24 3.6.2 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.5.4 Strukturelle Chromosomenmutationen 24 3.6.3 Vermehrung und Genetik . . . . . . . . . . 34
2.5.5 Nummerische Chromosomenmutationen 25 3.7 Prionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.5.6 Mosaike und Chimären . . . . . . . . . . . . 25 3.7.1 Theorien zu Aufbau und Vermehrung . . 34
2.5.7 Mutationen in Somazellen . . . . . . . . . . 25 3.8 Ausgewählte Kapitel aus der Ökologie
2.6 Klonierung und Nachweis von Genen mit Bezügen zur Mikrobiologie . . . . . . . 34
bzw. Genmutationen . . . . . . . . . . . . . 25 3.8.1 Stoffkreisläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.6.1 Gentechnologische Methoden . . . . . . . 25 3.8.2 Nahrungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.6.2 Polymerase-Chain Reaction (PCR) . . . . . 26 3.8.3 Regulation der Populationsgröße
2.6.3 Direkter Nachweis von Genmutationen 26 in einem Ökosystem . . . . . . . . . . . . . 35
2.6.4 Indirekter Nachweis von Genmutationen 26 3.8.4 Wechselbeziehungen zwischen
2.6.5 Genetische Beratung und vorgeburtliche artverschiedenen Organismen . . . . . . . 35
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.7 Entwicklungsgenetik . . . . . . . . . . . . . 26
2.7.1 Analyse von Entwicklungsprozessen
an transgenen Tieren . . . . . . . . . . . . . 26 Physik
2.8 Populationsgenetik . . . . . . . . . . . . . . 27
2.8.1 Hardy-Weinberg-Gesetz . . . . . . . . . . . 27
2.8.2 Wirkung von Selektion und Zufall . . . . . 27 1 Grundbegriffe des Messens und
2.8.3 Genetische Polymorphismen . . . . . . . . 27 der quantitativen Beschreibung . . . . 38
1.1 Physikalische Größen und Einheiten . . . 40
3 Grundlagen der Mikrobiologie 1.1.1 Skalare und vektorielle Größen . . . . . . . 40
und Ökologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1.1.2 Basisgrößen und Basiseinheiten des
3.1 Morphologische Grundformen Internationalen Einheitensystems . . . . . 40
der Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.1.3 SI-kohärente Einheiten, Kurzschreibweise
3.2 Aufbau und Morphologie der Bakterien- von Zehnerpotenzen . . . . . . . . . . . . . 41
zelle (Procyte) . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.2 Messen und Unsicherheiten beim Messen 42
3.2.1 Unterschiede zur Eucyte . . . . . . . . . . . 30 1.2.1 Systematische und zufällige Fehler . . . . 42
3.2.2 Zellwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.2.2 Erwartungswert, σ-Breite einer
3.2.3 Geißeln, Pili (Fimbrien) . . . . . . . . . . . . 30 Normalverteilung, maximaler Fehler,
3.2.4 Kapsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 absoluter und relativer Fehler . . . . . . . 42
3.2.5 Zellmembran (Zytoplasmamembran) . . . 31 1.2.3 Mittelwert, Streuung und Fehler
3.2.6 Ribosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 des Mittelwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.2.7 Nucleoid (Kernäquivalent), 1.2.4 Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . 43
Bakterienchromosom, Plasmide . . . . . . 31 1.3 Zusammenhänge zwischen
3.2.8 Sporen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 physikalischen Größen . . . . . . . . . . . . 43
3.3 Wachstum der Bakterien . . . . . . . . . . . 31 1.3.1 Grafische Darstellungen . . . . . . . . . . . 43
3.3.1 Stoffwechsel (Verhalten gegenüber 1.3.2 Die Geradengleichung und Darstellung
Sauerstoff ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 der linearen und proportionalen
3.3.2 Bakterienkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.3.3 Wachstum und Vermehrung . . . . . . . . 32 1.3.3 Die Anpassung von Ausgleichsgeraden 44
3.4 Bakteriengenetik . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3.4 Die Hyperbel und Darstellung der umge-
3.4.1 Bakterienchromosom, Plasmide . . . . . . 32 kehrt proportionalen Abhängigkeit . . . 44
3.4.2 Übertragung von Genmaterial . . . . . . . 32 1.3.5 Das Rechnen mit Potenzen und
3.4.3 Antibiotikaresistenz aus evolutions- Logarithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
biologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3.6 Die Exponenzialfunktion und das Rechnen
3.5 Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 mit Logarithmen zur Basis e . . . . . . . . . 45
3.5.1 Lebensweise, medizinische Bedeutung 33 1.3.7 Die Winkelfunktionen . . . . . . . . . . . . . 46
3.5.2 Wachstumsformen . . . . . . . . . . . . . . 33
3.5.3 Vermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
3.5.4 Synthese von Stoffen . . . . . . . . . . . . . 33 2.1 Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.6 Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.1.1 Lineare Bewegungen . . . . . . . . . . . . . 50
XIII
Inhaltsverzeichnis

2.1.2 Kreisförmige Bewegungen . . . . . . . . . 50 4.1.3 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . 70


2.2 Impuls, Kraft, Kräfte . . . . . . . . . . . . . . 51 4.2 Wärme, Wärmekapazität . . . . . . . . . . . 70
2.2.1 Die Newtonschen Axiome . . . . . . . . . . 51 4.2.1 Energie in Form von Wärme . . . . . . . . . 70
2.2.2 Reibungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.2.2 Wärmekapazität . . . . . . . . . . . . . . . . 70
2.2.3 Zentrifugalkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.2.3 1. Hauptsatz der Wärmelehre . . . . . . . . 71
2.3 Drehmoment, Trägheitsmoment, 4.2.4 Reversible und irreversible Prozesse;
Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
2.3.1 Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.2.5 2. Hauptsatz der Wärmelehre . . . . . . . . 71
2.3.2 Schwerpunkt, stabiles und labiles 4.2.6 Geschlossene und offene Systeme . . . . 72
Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.3 Gaszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
2.3.3 Trägheitsmoment und Drehimpuls . . . . 53 4.3.1 Zustandsgrößen und allgemeine
2.4 Arbeit, Energie, Leistung . . . . . . . . . . . 53 Gasgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
2.4.1 Arbeit und potenzielle Energie, 4.3.2 Dämpfe, insbesondere Wasserdampf . . . 73
kinetische Energie, Leistung . . . . . . . . 53 4.4 Änderung des Aggregatzustandes . . . . 73
2.5 Mengengrößen, bezogene Größen . . . . 54 4.4.1 Phasenübergänge von Wasser
2.5.1 Spezifische Größen bzw. massebezogene bei Erwärmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4.4.2 pT-Phasendiagramme . . . . . . . . . . . . 74
2.5.2 Dichten bzw. volumenbezogene Größen 54 4.4.3 Siedeverzug und Unterkühlung . . . . . . 74
2.5.3 Stoffmenge und molbezogene Größen 54 4.5 Wärmetransport, Transportphänomene 74
2.5.4 Stoffgemische . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4.5.1 Wärmetransport durch Wärmeleitung . . 74
2.6 Verformung fester Körper . . . . . . . . . . 54 4.5.2 Wärmetransport durch Stofftransport . . 74
2.6.1 Elastische Verformungen . . . . . . . . . . 54 4.5.3 Wärmetransport durch Verdunstung . . . 75
2.6.2 Nichtelastische und bleibende 4.5.4 Wärmetransport durch Temperatur-
Verformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.7 Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.6 Stoffgemische . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2.7.1 Druck in Flüssigkeiten und Gasen . . . . . 55 4.6.1 Absorption und Adsorption . . . . . . . . . 75
2.7.2 Schweredruck und Auftrieb . . . . . . . . . 55 4.6.2 Lösungen von festen Stoffen in
2.8 Kräfte an Grenzflächen . . . . . . . . . . . . 56 Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
2.8.1 Oberflächenspannung . . . . . . . . . . . . 56 4.6.3 Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
2.8.2 Kapillarwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4.6.4 Diffusion durch Membranen . . . . . . . . 76
2.9 Strömung von Flüssigkeiten und Gasen 56 4.6.5 Osmose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.9.1 Reibungsfreie Strömung von Flüssigkeiten 56
2.9.2 Strömung von Flüssigkeiten und Gasen 5 Elektrizitätslehre . . . . . . . . . . . . . . . 78
mit innerer Reibung . . . . . . . . . . . . . . 57 5.1 Elektrische Ladung, elektrische
Stromstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
3 Struktur der Materie . . . . . . . . . . . . 60 5.1.1 Elektrische Ladungen . . . . . . . . . . . . . 80
3.1 Aufbau der Atome und Atomkerne . . . . 62 5.1.2 Elektrischer Strom . . . . . . . . . . . . . . . 80
3.1.1 Konstituenten der Atome und 5.1.3 Coulomb-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Atomaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5.2 Elektrische Feldstärke . . . . . . . . . . . . . 81
3.1.2 Atomare Größen und Einheiten . . . . . . 62 5.2.1 Definition der elektrischen Feldstärke . . . 81
3.1.3 Vier fundamentale Wechselwirkungen . . 63 5.2.2 Elektrische Feldlinien . . . . . . . . . . . . . 81
3.1.4 Konsequenzen aus Quantenmechanik 5.2.3 Leiter im elektrischen Feld . . . . . . . . . . 81
und Relativitätstheorie . . . . . . . . . . . . 63 5.2.4 Isolatoren im elektrischen Feld . . . . . . . 82
3.2 Festkörper, Flüssigkeiten, Gase . . . . . . . 65 5.3 Elektrisches Potenzial, elektrische
3.2.1 Festkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
3.2.2 Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5.3.1 Elektrisches Potenzial und potenzielle
3.2.3 Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
5.3.2 Elektrische Spannung . . . . . . . . . . . . 83
4 Wärmelehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 5.3.3 Prinzip des Oszilloskops . . . . . . . . . . . 83
4.1 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.4 Elektrischer Widerstand . . . . . . . . . . . 84
4.1.1 Temperaturskalen . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.4.1 Ohmscher Widerstand, Ohmsches Gesetz 84
4.1.2 Thermische Ausdehnung von Flüssigkeiten 5.4.2 Wichtige Schaltungen . . . . . . . . . . . . 84
und festen Körpern . . . . . . . . . . . . . . 70 5.5 Elektrischer Stromkreis . . . . . . . . . . . . 86
XIV Inhaltsverzeichnis

5.5.1 Schaltung von Strom- und Spannungs- 6.1.2 Beschreibung harmonischer und
messgeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 gedämpfter Schwingungen . . . . . . . . . 106
5.5.2 Eigenschaften von Spannungsquellen . . 86 6.1.3 Erzwungene Schwingungen . . . . . . . . 107
5.5.3 Kirchhoffsche Gesetze . . . . . . . . . . . . 86 6.1.4 Periodische anharmonische Vorgänge . . 107
5.5.4 Leistung und Energie im elektrischen 6.2 Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Stromkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 6.2.1 Elementare Eigenschaften von Wellen . . 108
5.6 Elektrische Kapazität . . . . . . . . . . . . . 87 6.2.2 Überlagerung von Wellen . . . . . . . . . . 108
5.6.1 Allgemeine Eigenschaften der Kapazität 87 6.2.3 Phänomene bei der Ausbreitung
5.6.2 Kapazität des Plattenkondensators . . . . 87 von Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
5.6.3 Serien- und Parallelschaltungen von 6.3 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Kondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.1 Wichtige Schallgrößen . . . . . . . . . . . . 110
5.6.4 Zeitverhalten bei Auf- und Entladung 6.3.2 Schallerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . 111
eines Kondensators . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.3 Schallausbreitung in Materie . . . . . . . . 111
5.7 Elektrizitätsleitung . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.4 Menschliches Hörvermögen,
5.7.1 Elektrizitätsleitung in Festkörpern . . . . . 88 Schallpegelmaße . . . . . . . . . . . . . . . 112
5.7.2 Elektrizitätsleitung in Flüssigkeiten . . . . 89 6.3.5 Sonographie und andere Schalltechniken 113
5.7.3 Elektrizitätsleitung in Gasen . . . . . . . . 90 6.4 Elektromagnetische Wellen . . . . . . . . . 114
5.7.4 Elektrizitätsleitung im Vakuum . . . . . . . 91
5.8 Elektrische Spannungen an Grenzflächen, 7 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Diffusionsspannungen . . . . . . . . . . . . 92 7.1 Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.8.1 Kontaktspannung an Metall-Metall- 7.1.1 Eigenschaften des Lichts . . . . . . . . . . . 118
Grenzfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 7.1.2 Lichtquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.8.2 Diffusionsspannungen an Metall- 7.1.3 Lichtmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Elektrolyt-Grenzflächen . . . . . . . . . . . 92 7.2 Geometrische Optik . . . . . . . . . . . . . . 120
5.8.3 Diffusionsspannungen an Grenzfläche 7.2.1 Reflexion, Brechung und Dispersion
Elektrolyt-Elektrolyt . . . . . . . . . . . . . . 93 von Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
5.9 Magnetische Größen, elektromagnetische 7.2.2 Abbildung durch Reflexion an Spiegeln 121
Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.2.3 Abbildung durch dünne Linsen . . . . . . 121
5.9.1 Magnetisches Feld, Kraftfluss . . . . . . . . 94 7.2.4 Abbildung durch Linsensysteme
5.9.2 Lorentzkraft und Drei-Finger-Regel . . . . 94 und dicke Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . 122
5.9.3 Wirkungsweise von Drehspul- 7.2.5 Linsenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 7.2.6 Strahlengang im Auge . . . . . . . . . . . . 123
5.9.4 Magnetische Dipole . . . . . . . . . . . . . . 95 7.2.7 Sehfehler und ihre Behebung . . . . . . . 124
5.9.5 Kernspin- und Elektronenspin- 7.3 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
magnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 7.3.1 Beugung an Spalt, Kreisblende und Gitter;
5.9.6 Elektromagnetische Induktion . . . . . . . 97 Auflösung des Mikroskops . . . . . . . . . 125
5.9.7 Selbstinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.3.2 Polarisation von Licht . . . . . . . . . . . . . 126
5.9.8 Faradayeffekt oder Magnetrotation . . . . 98 7.3.3 Optische Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . 127
5.10 Wechselspannung, Wechselstrom . . . . . 98 7.4 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . 127
5.10.1 Wechselstromgrößen . . . . . . . . . . . . . 98 7.4.1 Vergrößerungen . . . . . . . . . . . . . . . . 127
5.10.2 Wechselstromwiderstände, Leistung 7.4.2 Kamera und Projektor . . . . . . . . . . . . 128
in Wechselstromkreisen . . . . . . . . . . . 99 7.4.3 Photometrie und Spektralphotometer . . 128
5.10.3 Transformator . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 7.4.4 Lupe und Lichtmikroskop . . . . . . . . . . 129
5.10.4 Serienschwingkreis . . . . . . . . . . . . . . 100 7.4.5 Röntgen-, UV- und Elektronenmikroskope 130
5.10.5 Parallelschwingkreis, Hertzscher Dipol . . 101
5.11 Menschlicher Körper im elektrischen 8 Ionisierende Strahlung . . . . . . . . . . 132
Stromkreis, Schutzmaßnahmen . . . . . . 101 8.1 Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
5.11.1 Stromschädigungen . . . . . . . . . . . . . 101 8.1.1 Radioaktives Zerfallsgesetz . . . . . . . . . 134
5.11.2 Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 102 8.1.2 α-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
8.1.3 β-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6 Schwingungen und Wellen . . . . . . . 104 8.1.4 γ-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6.1 Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8.1.5 Paarbildung und Paarvernichtung . . . . . 135
6.1.1 Oszillatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8.2 Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . 136
XV
Inhaltsverzeichnis

8.2.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung . . . . . 136 2.5.2 Stereoisomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . 169


8.2.2 Spektrum der Röntgenstrahlung . . . . . . 136 2.5.3 Enantiomere, Diastereomere . . . . . . . . 169
8.2.3 Strahlungsleistung von Röntgenröhren 136 2.5.4 Fischer-Projektion, D/L-Nomenklatur . . . 170
8.2.4 Bildentstehung bei Röntgenaufnahmen 137 2.5.5 Konformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8.3 Nachweis ionisierender Strahlen . . . . . . 137
8.3.1 Strahlungsdetektoren . . . . . . . . . . . . 137 3 Stoffumwandlungen . . . . . . . . . . . . 172
8.3.2 Dosimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3.1 Homogene Gleichgewichtsreaktionen . . 174
8.4 Strahlenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . 139 3.1.1 Chemisches Gleichgewicht . . . . . . . . . 174
8.4.1 Wechselwirkung energiereicher Photonen 3.1.2 Kinetik, Thermodynamik . . . . . . . . . . . 174
mit Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.1.3 Gekoppelte Reaktionen . . . . . . . . . . . 176
8.4.2 Wechselwirkung energiereicher 3.2 Heterogene Gleichgewichts-
geladener Teilchen mit Materie . . . . . . 139 reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
3.2.1 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
3.2.2 Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
3.2.3 Oberflächenprozesse . . . . . . . . . . . . . 177
Chemie 3.3 Säure-/Base-Reaktionen . . . . . . . . . . . 177
3.3.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
3.3.2 Dissoziationsabhängige Größen . . . . . . 179
1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3.3.3 Beispiele, Anwendung . . . . . . . . . . . . 179
1.1 Makroskopische Erscheinungsformen 3.3.4 Neutralisation, Puffer . . . . . . . . . . . . . 180
der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3.3.5 Lewis-Säuren/Basen . . . . . . . . . . . . . . 181
3.4 Redox-Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 181
2 Aufbau und Eigenschaften 3.4.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3.4.2 Einfache Reaktionsgleichungen . . . . . . 181
2.1 Atome, Isotope, Periodensystem . . . . . . 148 3.4.3 Elektrochemische Zellen . . . . . . . . . . . 181
2.1.1 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.4.4 Redox-Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 182
2.1.2 Ordnungszahl, Kernladungszahl, 3.4.5 Biochemische Redox-Reaktionen . . . . . 182
Massenzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.5 Bildung und Eigenschaften der Salze . . . 182
2.1.3 Isotope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.5.1 Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
2.1.4 Elemente, Moleküle . . . . . . . . . . . . . . 149 3.5.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
2.1.5 Periodensystem . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.5.3 Schwerlösliche Salze . . . . . . . . . . . . . 182
2.1.6 Biochemisch wichtige Elemente . . . . . . 151 3.5.4 Elektrochemische Anwendung . . . . . . . 183
2.2 Chemische Bindungen . . . . . . . . . . . . 154 3.5.5 Biochemisch wichtige Salze . . . . . . . . . 183
2.2.1 Atombindung, Ionenbindung . . . . . . . 154 3.6 Ligandenaustausch-Reaktionen . . . . . . 183
2.2.2 Polarität von Molekülen . . . . . . . . . . . 155 3.6.1 Ligandenaustausch-Reaktionen,
2.2.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
2.2.4 Biochemisch wichtige Bindung . . . . . . 156 3.6.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
2.2.5 Metallkomplexe (koordinative Bindung) 156 3.7 Additions-/Eliminierungsreaktionen . . . 183
2.3 Azyklische Kohlenstoffverbindungen, 3.7.1 Additionen, Eliminationen . . . . . . . . . . 184
einfache funktionelle Gruppen . . . . . . . 157 3.7.2 Reaktionen der Carbonylgruppe . . . . . . 184
2.3.1 Kohlenwasserstoffe . . . . . . . . . . . . . . 157 3.7.3 Tautomerie, Kondensation . . . . . . . . . 184
2.3.2 Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.8 Substitutionsreaktionen . . . . . . . . . . . 184
2.3.3 Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.8.1 Reaktionsablauf, reaktive Teilchen . . . . . 184
2.3.4 Isomerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.8.2 Reaktionen am gesättigten Kohlen-
2.3.5 Funktionelle Gruppen . . . . . . . . . . . . 160 stoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
2.3.6 Homologe Reihen . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.8.3 Reaktionen am ungesättigten
2.3.7 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Kohlenstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . 184
2.3.8 Physikalische Eigenschaften . . . . . . . . 167 3.8.4 Carbonsäureamide . . . . . . . . . . . . . . 185
2.4 Carbo- und Heterozyklen . . . . . . . . . . 167 3.8.5 Aromaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
2.4.1 Zykloalkane, Aromaten . . . . . . . . . . . . 167 3.9 Sonstige Reaktionen . . . . . . . . . . . . . 186
2.4.2 Heterozyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3.9.1 Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
2.5 Stereochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3.9.2 Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
2.5.1 Konfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3.9.3 »Anorganische« Säuren . . . . . . . . . . . 186
XVI Inhaltsverzeichnis

4 Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . 188 7 Nucleotide, Nucleinsäuren,


4.1 Monosaccharide . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Chromatin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
4.1.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 7.1 Nucleotide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
4.1.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 7.1.1 Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
4.1.3 Schreibweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 7.1.2 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
4.1.4 Stereochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 7.2 Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
4.1.5 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7.2.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
4.2 Disaccharide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 7.2.2 Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
4.2.1 Klassifizierung, Aufbau . . . . . . . . . . . . 192 7.2.3 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
4.2.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 7.3 Chromatin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
4.2.3 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 7.3.1 Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
4.3 Oligo- und Polysaccharide . . . . . . . . . . 193
4.3.1 Klassifizierung, Aufbau . . . . . . . . . . . . 193 8 Vitamine, Vitaminderivate,
4.3.2 Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Coenzyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
8.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
5 Aminosäuren, Peptide, Proteine . . . . 196 8.1.1 Definition und Klassifikation . . . . . . . . 224
5.1 Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 8.1.2 Herkunft und Stabilität . . . . . . . . . . . . 224
5.1.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 8.1.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
5.1.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 8.2 Biochemischer Mechanismus . . . . . . . . 235
5.1.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 8.3 Pathobiochemie . . . . . . . . . . . . . . . . 235
5.1.4 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
5.2 Peptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 9 Grundlagen der Thermodynamik
5.2.1 Klassifizierung und Aufbau . . . . . . . . . 201 und Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
5.2.2 Peptidbindungen . . . . . . . . . . . . . . . 202 9.1 Grundbegriffe der Energetik und Kinetik 237
5.2.3 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
5.3 Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
5.3.1 Klassifizierung, Aufbau . . . . . . . . . . . . 203
5.3.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
5.3.3 Strukturaufklärung . . . . . . . . . . . . . . 206

6 Fettsäuren, Lipide . . . . . . . . . . . . . . 208


6.1 Fettsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
6.1.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
6.1.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
6.1.3 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
6.1.4 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
6.2 Acylglycerine . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
6.2.1 Klassifizierung, Struktur . . . . . . . . . . . 211
6.2.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
6.3 Sphingolipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
6.3.1 Klassifizierung, Struktur . . . . . . . . . . . 212
6.3.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
6.4 Steroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
6.4.1 Klassifizierung, Struktur . . . . . . . . . . . 212
Biologie

1 Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung


und Zelltod – 2

2 Genetik – 16

3 Grundlagen der Mikrobiologie


und Ökologie – 28
Biologie
3 1

1 Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung


und Zelltod
Mind Map
Nach Virchow ist die Zelle als Ausgangspunkt allen Gesamtorganismus dient. Normalerweise ist diese Art
Lebens die kleinste organisatorisch selbstständige Taktung durch Regulationsmechanismen vorgeschrie-
Einheit des Körpers (cum grano salis). Man sollte ben. Sinn der normalen Proliferation ist die Staffelüber-
jedoch ihre Autonomie nicht überschätzen, denn sie gabe an jüngere Kandidaten, da das Leben der Zellen
ist eingebunden in ein sorgsam austariertes Gleich- gewebsspezifisch begrenzt ist. Der regulierte Todesfall
gewicht mit anderen Zellen, zu denen sie mit zahl- ist die Apoptose, der »plötzliche Herztod« der Zelle die
reichen Kommunikationsmitteln Kontakt hält. Nekrose.
Ihr Charakter ist dualer Natur; einerseits muss sie Im Extremfall können sich jedoch Zellpopulationen
an sich selbst denken, Strukturproteine herstellen aus dem Gesamtverband lösen und unabhängig von
und für Nachkommen sorgen. Andererseits ist sie Teil anderen Geweben »Unsinn« treiben und die Taktung
des Räderwerks, das das System am Laufen hält. Die zugunsten kaum geregelter Proliferation aufgeben, wie
Zeit und Energie, die sie für Nachwuchs und sich es z. B. Tumorzellen tun.
selbst verwendet, geht von der Zeit ab, die sie dem
4 Kapitel 1 · Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung und Zelltod

1.1 Zellbegriff und zelluläre Die Zelle als Fabrik


Biologie

Strukturelemente Man kann die eukaryontische Zelle vergleichen mit


einer großen Fabrik, z. B. einer Autofabrik. Der Chef
Die Zelle gilt (neben den Mitochondrien) als kleinste und Aufsichtsrat, Streikkomitee etc, sitzen im Zellkern
organisatorische Einheit, die in der Lage ist, sich selbst (Nucleus) und entscheiden über Wohl und Wehe der
zu reproduzieren. Organismen können in 2 unter- Firma. Produktionsentscheidungen werden über e-mails
schiedliche Zellformen eingeteilt werden: oder Boten (messenger-RNA) ans Fließband in der
4 Prokaryonten und Werkhalle adressiert und herausgegeben. An den Fließ-
4 Eukaryonten. bändern (Ribosomen des rauen endoplasmatischen
Retikulums) werden diese Entscheidungen umgesetzt
Die Prokaryonten besitzen keinen Zellkern. Sie sind (Translation), und es entsteht erst einmal die grobe
zwar stammesgeschichtlich älter, dies macht sie jedoch Karosserie (Proteine), die dann in anderen Bereichen
nicht weniger primitiv: ihre Parademitglieder, Bakte- mit allem möglichen Zusatzbehör (Reifen, Motor, Kur-
rien, sind sehr hartnäckig und erfolgreich, und auch belwelle) ergänzt wird. In der Zelle entspricht dies dem
dies beruht zu einem guten Teil auf angepasstes Verhal- Golgi-Apparat bzw. dem glatten endoplasmatischen
ten in ihren jeweiligen Umgebungen. Ihr Durchmesser Retikulum, in der Glykosylierung und Lipoprotein-
beträgt etwa 1–10 μm. synthese stattfinden (. Abb. 1.1).
Bakterien verhalten sich hinsichtlich ihrer Teilungs- Das fertige Auto wird dann aus dem Werksgelände
fähigkeit, des DNA-Gehalts ähnlich wie Mitochon- herausgefahren, wobei bestimmte Tore geöffnet wer-
drien. Diese Ähnlichkeit gibt die Endosymbionten- den müssen (Carrier, Exozytose). Die Energie für den
theorie wieder, wonach Mitochondrien phagozytierten Produktionsablauf wird über lokale Kraftwerke (Mito-
und gezähmten Bakterien entsprechen. chondrien) umgesetzt. Gängige konvertible Währung
Die Eukaryonten besitzen einen echten membran- ist der Bio-Dollar (ATP). Müll und Abfallprodukte wer-
umschlossenen Zellkern. Zu ihnen gehören alle höhe- den zum Teil in internen, gut isolierten Müllcontainern
ren mehrzelligen Organisationsformen, Pflanzen und zwischengelagert und verkleinert (Lysosomen), zum
Pilze. Die Zellen haben einen Durchmesser von
8–150 μm. Die eukaryontischen Zellen gehen grund-
sätzlich aus undifferenzierten Zellen hervor, die sich
nach zahlreichen Teilungsvorgängen differenzieren.
Zwar ist jede Zelle unabhängig von benachbarten Indi-
viduen; dies wird allerdings durch einen ausgeprägten
Kommunikationsapparat (z. B. direkte Zellverbindun-
gen, Adhäsionsmoleküle oder hormonartige Substan-
zen) eingeschränkt. Jedoch gibt es auch große Zellver-
bände, deren Zellen sich durch Verschmelzung (Synzy-
tium) spezialisieren. Beispiele sind Skelettmuskelzellen
oder der Synzytiotrophoblast der Plazenta.
Dessen ungeachtet spezialisieren sich fast alle ein-
kernigen Zellen innerhalb ihrer Organsysteme. Ihre
Größen und Formen sind außerordentlich variabel. Zu
den größten Zellen zählt die Skelettmuskelfaser (GK
Physiologie, 7 Kap. 13), die bis 50 cm (Zentimeter!)
lang werden kann, aber Tausende von Kernen enthalten
muss, um zu überleben. Auch Nervenzellen zählen mit
bis zu 100 μm großen Zellleibern und bis 50 cm langen
Fortsätzen zu den Elefanten unter den Zellen.
. Abb. 1.1. Schema einer polarisierten Zelle (Epithelzelle).
»O815-Zellen« sind meist Drüsenzellen mit Durch-
D: Desmosom mit einstrahlenden Intermediärfilamenten;
messern um die 20 μm (z. B. Hepatozyten). Zu den
E: Endozytose; F: Filamente; G: Glykogengranula; GO: Golgi-
kleineren, aber feineren gehört das rote Blutkörperchen Apparat; K: Zellkern; L: Lipidtröpfchen; Ly: Lysosom; Mi: Mito-
(Erythrozyt), das seinen Kern herausgeworfen und sich chondrien; MiT: Mikrotubuli; MuK: Multivesikulärkörper;
ganz auf die Sauerstoffbindung spezialisiert hat. MV: Mikrovilli; Nu: Nucleolus; PO: Peroxisomen; RER: raues
endoplasmatisches Retikulum; SG: Sekretgranula; V: Vakuole;
C: Centriol. (Schiebler 1997)
1.6 · Endoplasmatisches Retikulum (GK Biochemie)
5 1

Teil ausgeschleust (Exozytose) und zum Teil recycelt. Es nellen liegen sie entweder in freier Form im Cytoplas-
wird Dosenpfand erhoben. Wenn die Firma pleite ma vor, oder sie sind an das endoplasmatische Retiku-
macht, platzen die Müllcontainer, und es verbreitet sich lum gebunden.
ein unangenehmer Duft. Die Untereinheiten eines Ribosoms bestehen aus
Im Folgenden werden einige Zellorganellen nicht einer 40S- und einer 60S-Untereinheit (S wie Svedberg).
weiter besprochen, da dies in den Kapiteln der Bioche- Beide Einheiten zusammen ergeben nach Bindung an
mie erfolgt. mRNA die 80S-Partikel. Die Svedberg-Einheiten ver-
halten sich als Maßgaben für die Sedimentations-
geschwindigkeit nicht additiv. Beide Einheiten nehmen
1.2 Plasmamembran den ankommenden mRNA-Strang in die Zange und
bilden einen Initiationskomplex, der die Translation,
GK Biochemie, 7 Kap. 6.3. d. h. die Umsetzung des Nucleotid-Codes in eine Amino-
säuresequenz einleitet.
Um Zeit zu sparen, können mehrere Ribosomen
1.3 Zellkern gleichzeitig mehrere Ketten eines künftigen (Poly)pep-
tids zusammensetzen. Diese Komplexe bezeichnet man
GK Biochemie, 7 Kap. 6.4. als Polysomen.

1.4 Cytoplasma, Cytosol 1.6 Endoplasmatisches Retikulum


(GK Biochemie, 7 Kap. 6.8)
GK Biochemie, 7 Kap. 6.
1.6.1 Definition

1.5 Ribosomen Das endoplasmatische Retikulum (ER) ist ein membran-


gebundenes netzförmiges Schlauch-System, das man in
An den Ribosomen findet die Proteinsynthese statt ein raues (mit Ribosomen besetztes) ER und ein glattes
(. Abb. 1.2). Als nicht membranumschlossene Orga- ER unterteilen kann.

. Abb. 1.2. Endoplasmatisches


Retikulum und Ribosomen. Raue 40s
Form in Gestalt von abgeplatteten
Membransäcken. Sie stehen unter-
einander und mit der Kernhülle in 60s
kontinuierlicher Verbindung. Glattes
endoplasmatisches Retikulum in
Gestalt von gewundenen, verzweig-
ten Tubuli. Oben: 3 Ribosomen, auf-
gebaut aus 2 Untereinheiten und
verbunden durch den »Faden« der
m-RNA. Anlagerung an die Membran
des endoplasmatischen Retikulums
während der Proteinsynthese und
Abgabe eines Proteinmakromoleküls
(blau) in den Raum des endoplasma-
tischen Retikulums. (Schiebler 1997)
6 Kapitel 1 · Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung und Zelltod

1.6.2 Raues Endoplasmatisches Retikulum gebundener Substanzen erfolgt über eine Fusion sekre-
Biologie

torischer Vesikel mit der Plasmamembran. Dieser


Das rER ist der Ort der Synthese von sekretorischen, Mechanismus wird auch verwendet, um Teile der Plas-
lysosomalen und Membranproteinen; zudem werden mamembran zu erneuern.
Kommunikationspeptide (Signalpeptide, Signalerken-
nungspartikel und Signalerkennungspartikel-Rezeptor)
hergestellt. Auch einfache Modifikationen der Proteine, 1.9 Endozytose
z. B. N-Glykosylierung, Hydroxylierung und Disulfid- (GK Physiologie, 7 Kap. 1.2.2)
brückenbildung werden hier vorgenommen. Das rER
dient auch als Speicherreservoir für Zellprodukte. 1.9.1 Intrazelluläre Aufnahme von Stoffen
durch Plasmamembranvesikel

1.6.3 Glattes Endoplasmatisches Als Endozytose im weiteren Sinne bezeichnet man die
Retikulum Aufnahme von Stoffen durch Vesikel, die sich von der
Plasmamembran abschnüren. Man kann weiter diffe-
Das glatte ER (sER) ist der Syntheseort der Membran- renzieren in
phospholipide, der Steroidhormone, der Biotransfor- 4 Pinozytose und
mation der Xenobiotika (d. h. Detoxifizierung, aber 4 Phagozytose.
auch »Toxifizierung«, z. B. mit Cytochrom P-450), der
Gluconeogenese und der Speicherung von Ca2+.
1.9.2 Rezeptor-vermittelte (spezifische)
Endozytose
1.7 Golgi-Komplex (Golgi-Apparat)
(GK Biochemie 7 Kap. 6.9) Die Rezeptor-vermittelte Endozytose wird dadurch
eingeleitet, dass sich an der zytoplasmatischen Seite der
1.7.1 Stapel (Diktyosomen) von flachen Plasmamembran das Hüllprotein Clathrin anlagert.
Zisternen (Sacculi) und peripheren Aus diesem Abschnitt (coated pit) entsteht dann ein
Vesikeln flüssigkeitsgefülltes Bläschen (coated vesicle). Clathrin
löst sich bald wieder von der Vesikelmembran ab
Der Golgi-Apparat ist ein meist kappenförmig über (. Abb. 1.3a–h). Das noch membranumschlossene ein-
dem Zellkern liegender, weitmaschiger Zisternenraum, verleibte Material wird als Phagosom oder Endosom
der polar organisiert ist. bezeichnet.

1.7.2 Cis-, Mittel- und Trans-Cisternen 1.9.3 Pinozytose (unspezifische Endo-


zytose) für lösliche Stoffe
Die polare Organisation zeigt sich in einem Cis- und
Trans-Golgi-Netzwerk. Die cis-Seite ist dem ER, bzw. Pinozytose nennt man die Einschleusung kleinster,
dem Zellkern zugewandt, die trans-Seite zellkernfern: flüssiger Substrate, die keinen Rezeptor benötigen.
hier werden die fertigen Moleküle in Vesikel abge-
schnürt und ggf. zur Plasmamembran verfrachtet.
Der Golgi-Apparat ist der Ort der posttransla- 1.9.4 Endosom (Endozytose-Vesikel)
tionalen Modifikation und Sortierung der Proteine wie mit frühen und späten Formen
O-Glykosylierung, Sulfatierung und Abspaltung von
Polypeptidketten (z. B. Insulin). Hier werden Glykoli- Das inkorporierte vesikuläre Material (Endosom; Pha-
pide und Polysaccharide konstruiert. gosom) wird entweder im Zytoplasma freigesetzt oder
aber geht durch Verschmelzung der Vesikelmembran
mit der Membran von Lysosomen in ein Phagolysosom
1.8 Exozytose über (7 Kap. 1.9.7).
(GK Physiologie 7 Kap. 1.2.2)

Der Sinn zellulärer Bemühungen liegt u. a. im Export


ihrer Produkte in den Extrazellulärraum. Die Abgabe
1.10 · Lysosomen
7 1

e f

a b c d g h

. Abb. 1.3a–h. Formen der Stoffaufnahme, -verarbeitung hierbei Flüssigkeiten (c). Bei der Transzytose (d) erfolgt nach
und -abgabe. Diffusion (a); Aufnahme mechanismus durch der Aufnahme durch Pinozytose ein Durchschleusmechanis-
Endozytose, Abgabe durch Exozytose (b–d): Phagozytose (b), mus ohne merkliche Veränderung des Inhalts. Vorgänge bei
Pinozytose (c), Transzytose (d). Bei der Phagozytose werden der rezeptormediierten Mikropinozytose im molekularen
korpukuläre Elemente aufgenommen und von den Enzymen Bereich (e–h): Initialstadium: Liganden haben sich an die
der Lysosomen (Ly) abgebaut. Die niedermolekularen Spalt- Rezeptoren gebunden. Durch Anlagerung von Clathrin hat
produkte diffundieren aus dem Heterophagolysosom in das sich ein »coated pit« gebildet (e). Ablösung von der Plas-
Grundplasma (dünne Pfeile). Evtl. bleibt ein Restkörper (R), mamembran (f); ein »coated vesicle« ist entstanden (g);
der durch Exozytose eliminiert wird. Grubdsätzlich gleich ist die Clathrinmoleküle lösen sich von seiner Oberfläche und
der Mechanismus bei der Pinozytose. Aufgenommen werden kehren zur Plasmamembran zurück (h). (Schiebler 1997)

1.9.5 Phagozytose (Partikel) 1.10 Lysosomen

Zur Phagozytose sind besonders spezialisierte Zellen in 1.10.1 Eigenschaften


der Lage. Fresszellen bilden Ausläufer (Filopodien), mit
denen sie das Objekt der Begierde ausloten und angrei- Lysosomen sind rund bis oval und kommen in allen
fen. Heterophagosomen sind membranumschlossene Zellen (außer Erythrozyten) vor. Sie werden bis zu 1 μm
Vesikelinhalte, die in der Zelle ein ungewisses Schicksal groß. Ihre Doppelmembran ist besonders solide (mit
erwartet (7 Kap. 1.10.2). einer Art Glykocalix versehen), die sie vor dem che-
misch aggressiven Inhalt schützt.
Im Lysosom herrscht eine hohe Protonenkonzentra-
1.9.6 Transzytose und Caveolae tion (pH 4,5–5). Die zahlreichen sauren Hydrolasen
(mit Caveolin) beherrschen die Kunst des Zerstörens von Proteinen,
Lipiden, Glykogen, Glykosaminoglycanen, Oligosaccha-
Eine Sonderform der Stoffaufnahme ist die Transzytose. riden etc. Die lysosomalen Enzyme werden vom Golgi-
Hier werden Vesikelinhalte ohne weitere Veränderung Netzwerk abgeschnürt. Dies geschieht durch einen spe-
im Transitverkehr durch die Zelle hindurchgewinkt. zifischen Rezeptor, der den Mannose-6-Phosphatrest der
Caveolae sind kleine (50–100 nm) Plasmamembran- Enzyme erkennt und bindet. Diese Reste werden dann
Invaginationen, die mit dem Membranprotein Caveolin zu einer späten Reifeform der Endosomen geleitet, vom
ausgestattet sind. Sie können die Endozytose (bei eini- Rezeptor getrennt und in das Lysosom transportiert.
gen Viren und Bakterientoxinen) bzw. die Transzytose
(z. B. bei Rezeptor-vermitteltem Albumintransport)
einleiten. 1.10.2 Heterophagie, Phagosom

Die lysosomale Aktivität ist wichtig bei der Abwehr von


Infektionen durch Mikroorganismen. Hierbei werden
8 Kapitel 1 · Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung und Zelltod

. Abb. 1.4. Schematische Darstel-


Biologie

lung des GERL-Komplexes (Golgi-


Apparat-Endoplasmatisches Retiku-
lum-Lysosomen) und der Funktion
der Lysosomen. (Schiebler 1997)

größere Partikel oder Zellen phagozytiert, die hetero- 1.10.4 Telolysosomen (Residualkörper)
phagische Vakuolen (Phagosomen, Heterophagoso-
men) bilden (. Abb. 1.4). Wenn das »Opfer« durch Selbstverständlich schluckt bzw. produziert die Zelle so
Oberflächenmolekülen der Fresszelle erkannt und ge- manches, womit selbst die härtesten Lysosomen nicht
bunden wird (Opsonisation), fusioniert das Phagosom zurechtkommen. Beispiele für solche als Telolysosomen
mit prälysosomalen Organellen (Endosomen) oder bezeichnete Relikte sind Lipofuscingranula, die mit recht
Lysosomen und wird zum Phagolysosom. Wenn für heterogenem Material gefüllt sind und als pigmentartige
den Wirt alles gut geht, wird der Gast verdaut. Substanz lichtmikroskopisch sichtbar sind (Alterspig-
Allerdings können sich aufgenommene Bakterien ment). Auch Tusche, Kohle, Asbest sind unverdaulich.
auch als Phagosomen in ihren Wirtszellen vermehren,
diese dann erdrücken und abtöten, um sich anschlie-
ßend im Wirtsorganismus zu verbreiten (z. B. Legionel- 1.10.5 Sekretion lysosomaler Enzyme
len-Pneumonie oder Tuberkulose).
Lysosomale Enzyme können auch sezerniert werden.
Osteoklasten besitzen eine ganze Batterie lysosomaler
1.10.3 Autophagie: Bedeutung bei der Enzyme (z. B. Kathepsin K), mit denen sie die organi-
Erneuerung von Zellstrukturen sche Matrix zerlegen. Spermien besitzen im Akrosom
einen scharf gemachten Golgi-Apparat, der lysosomale
Unter Autophagozytose versteht man die Kapazität Enzyme zur Auflösung der Zona pellucida der Eizelle
einer Zelle, gebrauchtes Material nicht einfach auszu- entlässt (Akrosomreaktion).
spucken, sondern gezielt von noch intakten Strukturen
zu sequestrieren, in Membranen zu verpacken und mit
Lysosomen zu einem Autolysosom zu verschmelzen. 1.11 Peroxisomen
Nach kurzer Zeit ist der »Mageninhalt« unkenntlich
geworden und das Autolysosom nicht mehr als solches Peroxisomen sind sphärische membranumgrenzte Or-
zu erkennen. ganellen, die kristalline Einschlüsse in der Matrix (Urat-
1.13 · Zytoskelett
9 1

Oxidase) und an der Membran enthalten. Ihre Aufgabe Merke


besteht im Abbau komplexer Lipide wie Prostaglandine
Colchicin, ein Alkaloid der Herbstzeitlose, bindet
und Leukotriene.
an Tubulin-Dimere und kann die Polymerisation
Näheres GK Biochemie 7 Kap. 3.3.2 und 7 Kap.
verhindern. Somit werden die Zellen an der Teilung
3.8.2.
gehindert.
Vinblastin ist ein weiteres Mitosegift, das
1.12 Mitochondrien Tubulinkomplexe präzipitiert.

Mitochondrien sind fadenförmige bis sphärische Orga-


nellen, die mit einer Doppelmembran versehen sind. Zilien und Geißeln
Die innere Membran ist zur Oberflächenvergrößerung Zilien und Geißeln sind komplexe Organellen, deren
in Cristae oder Tubuli differenziert. An der Innenmem- Hauptanteil Mikrotubuli darstellen. Organisationszen-
bran liegen die Glieder der Atmungskette und der ATP- trum sind die im Zytoplasma gelegenen Basalkörper
Synthese. In der Matrix liegen die Helferchen des Citrat- (Kinetosome). Sie bestehen aus Mikrotubuli in der An-
zyklus und der Lipidoxidation. Näheres dazu GK Bio- ordnung 9u3. Diese Tripletts bestehen aus 13 Protofila-
chemie, 7 Kap. 3. menten und 2 unvollständigen Mikrotubuli (A-Tubulus
Mitochondrien besitzen ein eigenes Genom mit dop- und B-Tubulus). Alle 9 Tripletts sind miteinander ver-
pelsträngiger zirkulärer DNA und Ribosomen (70S). Da bunden.
die Spermien bei der Invasion der Eizelle ihre Mitochon- Zentriolen sind so aufgebaut wie Kinetosomen, sie
drien nicht mitnehmen, enthalten alle Zellen nur mütter- liegen paarweise im rechten Winkel zueinander vor.
liche Mitochondrien. Dies spielt in der genetischen Ahnen- Zilien sind dünne Ausläufer des Cytoplasmas, die
forschung und in der Kriminalistik eine gewisse Rolle. von der Plasmamembran umgeben sind. Die Triplett-
anordnung wird in dem Zilienfortsatz als Duplett mit
einem zentralen Mikrotubuluspaar weitergeführt
1.13 Zytoskelett (9u2+2-Struktur). Die Doppelringe sind durch Pro-
teinbrücken (Nexin) miteinander verbunden. Jede
Das Zytoskelett ist ein dreidimensionales Netzwerk, das A-Untereinheit der Mikrotubuli trägt ein Hakenpaar,
das gesamte Cytosol durchzieht. Es gliedert sich nach das aus Dynein besteht. Dies ist für die Motilität der
dem Durchmesser seiner Strukturen in Zilien verantwortlich (. Abb. 1.5a–c).
4 Mikrotubuli (25 nm),
4 Intermediärfilamente (10 nm) und Vorkommen
4 Aktin- oder Mikrofilamente (7 nm). Zilien kommen in Flimmerepithelien vor (Respirations-
trakt, Urogenitaltrakt, Eitransport), sie sind 5–10 μm
lang. Im Respirationstrakt schlagen die Zilien larynx-
1.13.1 Mikrotubuli wärts, um Schleim und Fremdkörper dort effektiv ab-
husten zu können.
Mikrotubuli sind Zylinder aus Tubulin. Sie entstehen Nicht bewegliche Zilien gibt es in sensorischen Epi-
auf der Grundlage von Dimeren, die als gerichtete Mole- thelien (z. B. Riechepithel). Hier fehlen die Dynein-
küle mit einem schnell wachsenden Plus- und Minus- arme.
pol polymerisieren. Der Minuspol ist dem Zentrosom Geißeln sind besonders lange Zilien. Sie kommen
im Zentrum der Zelle zugekehrt. bei Säugern nur im Spermium vor. Die Bakteriengeißeln
Die Polymerisation befindet sich in einem stän- sind dagegen aus Flagellin aufgebaut.
digen Gleichgewicht von Anbau und Abbau.
KLINIK
Spindelapparat Beim erblichen Kartagener-Syndrom fehlen die
Während der Prophase der Zellteilung (Mitose) poly- Dyneinarme der Zilien und Geißeln. Folge sind
merisieren zahlreiche Mikrotubuli. Sie kommen aus Unfruchtbarkeit und schwere Bronchialerkran-
dem Mikrotubulus-Organisationszentrum (MTOC, kungen. Ein relativ häufiger Situs inversus spricht
Zentrosom), das häufig Zentriolen enthält. Die Spindel- für die Bedeutung des Zilienschlags während der
fasern ziehen entweder zur Äquatorialebene oder zu Frühentwicklung bei der richtigen Anordnung
den Kinetochoren; diese sind Spindelansatzregionen der Organe.
jeder Chromatide.
10 Kapitel 1 · Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung und Zelltod

. Abb. 1.5a–c. Oberflächendifferen-


Biologie

zierung von Zellen. Oben: Mikrovilli


(Darmepithel); lichtmikroskopische
Dimension (a), elektronenmikrosko-
pische Dimension (b), molekularer
Aufbau (c). Unten: Zilien (respirato-
risches Epithel); lichtmikroskopische
Dimension (a), elektronenmikrosko-
pische Dimension (b), molekularer
Aufbau (c): C1 Zilie im Querschnitt,
C2 Kinetosom im Querschnitt; blau
Dyneinarme. (Schiebler 1997)

a
1.14 · Zellzyklus und Zellteilung (Mitose)
11 1

Merke 1.13.4 Spectrin und Membranzytoskelett

Aufgaben der Zilien und Geißeln:


Spectrin ist ein Zellmembran-assoziiertes Filament, das
5 Erhaltung der Zellform.
dem Aufbau nach Myosin ähnelt. Es wird besonders
5 Polarität der Bewegung.
bei der Formgebung der Erythrozyten gebraucht. Ist es
5 Organisator der Zelldemokratie: Gerechte
defekt, kommt es zur pathologischen Abkugelung der
Verteilung von Organellen und Makromo-
Zellen (Sphärozytose). Spectrin ist weiterhin mit dem
lekülen.
transmembranösen Glykophorin verbunden, das auf-
grund seiner zahlreichen Sialinsäurereste der Zelle
eine negative Ladung gibt und so die Agglutination ver-
1.13.2 Intermediärfilamente hindert.

Intermediärfilamente haben einen Durchmesser zwi-


schen dem von Mikrotubuli und Aktin (ca. 10–12 nm). 1.14 Zellzyklus und Zellteilung
(Mitose)
KLINIK
Als besonders heterogene, aber zelltypspezifische 1.14.1 Zellzyklus – Interphase
Gruppe werden Intermediärfilamente in der klini-
schen Praxis (z. B. Tumordiagnostik) oft als Kenn- Die Periode von einer Zellteilung zur nächsten heißt
filament für die Herkunft von Zellen herangezogen Zellzyklus. Dieser unterteilt sich in unterschiedlich
(. Tab. 1.1). lange Stadien: Mitosephase (Teilung von Zellleib und
Zellkern) und Interphase (. Abb. 1.6). Diese besteht aus
G1-, S- und G2-Phase. Die Dauer kann erheblich variie-
Die nukleäre Lamina besteht ebenfalls aus Intermediär- ren; schnell proliferierende Zellen brauchen 12–24 h für
filamenten, die sich innerhalb der inneren Kernmem- einen Zyklus. Die Interphase ist generell wesentlich län-
bran befinden. ger als die Mitosephase.

1.13.3 Aktinfilamentsystem

Aktinfilamente sind die kleinsten Filamente (5–7 nm


im Durchmesser). Zwei gewundene Stränge aus Aktin-
Monomeren werden in ihrer Gesamtheit als Filamente
bezeichnet. Aktin gibt es in allen Zellen, es spielt eine
herausragende Rolle bei der Motilität der Zelle, aber
auch bei der Signaltransduktion und bei Zellkon-
takten.
Die besondere Interaktion mit Myosin ist in Muskel-
zellen zur Perfektion getrieben. Siehe hierzu GK Physio-
logie u. Biochemie.

. Tab. 1.1. Zelltypspezifische Klassen der Intermediär-


filamente
Muskelzellen Desmin . Abb. 1.6. Zellzyklus. Während der Interphase wächst die
Epithelzellen Cytokeratin Zelle in der G1-Phase heran und bildet ihre charakteristischen
Strukturen aus. Der Bestand der Zellorganellen wird wieder
Gliazellen Glial fibrillary acidic protein aufgebaut. Nach der präsynthetischen G1-Phase efolgt in der
(GFAP) S-Phase die Reduplikation der DNA. Am Ende der G2-Phase
Nervenzellen Neurofilamente schicken sich die Zellen zur Mitose (M-Phase) an. Eine G0-Phase
weisen nur Zellen auf, die sich auf speziellen Reiz hin teilen.
Mesenchym-Derivate Vimentin (z. B. Endothelzellen,
Die G0-Phase liegt im Nebenschluss. D: differenzielle Teilung.
Fibroblasten)
(Schiebler 1997)
12 Kapitel 1 · Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung und Zelltod

4 G1-Phase: Hier findet der zellspezifische Stoff- 1.14.3 Zytokinese


Biologie

wechsel statt, die Zelle hypertrophiert, Zellorganel-


len werden gebildet. Bei postmitotischen Zellen Die Zytokinese vervollständigt die Trennung der geneti-
(Zellen, die sich nicht mehr teilen) geht es in den schen Informationen durch die äquale Teilung in 2 Toch-
Seitenweg der G0-Phase. terzellen. Die Teilungsfurche kommt durch einen kon-
5 Die S-Phase ist der Zeitraum zwischen den Zelltei- traktilen Ring aus Aktin und Myosin zustande. Die Mi-
lungen, in der die Verdoppelung der DNA in jedem krotubuli depolymerisieren und tun so, als wäre nichts
Chromosom stattfindet. Sinn der Übung ist letzt- gewesen. Die Zellorganellen organisieren sich neu.
endlich eine gerechte Aufteilung des genetischen
Materials auf Tochterzellen, die in der Interphase KLINIK
vorbereitet wird. Schwesterchromatiden werden Die Telomerase-Theorie
durch Cohesin bis zur Teilung zusammengehalten. Telomere sind, vergleichbar den Plastikringen an
Der Zeitraum bis zur Mitose (M-Phase) wird durch den Enden von Schuhbändern, zu Beginn eines
zwei Pausen (Lücken; Gaps) überbrückt. DNS-Strangs angebracht. Bei jeder Zellteilung ver-
5 G2-Phase: Hier werden Synthesefehler entlarvt und kürzen sich die Telomere, da sie nicht mitkopiert
beseitigt. werden und damit verloren gehen. Dadurch ver-
kürzen sich die Telomere so lange, bis die DNA an-
geknabbert wird. Die Zelle kann sich nicht mehr
1.14.2 Mitose und ihre Stadien teilen und stirbt.
Andererseits können sich DNA-Stränge unkon-
In der Mitose werden die Schwesterchromatiden aus- trolliert verbinden und Wucherungen einleiten. Das
einander gerissen und auf die Tochterzellen verteilt. Sie Enzym Telomerase ist in der Lage, vor der Replika-
werden sich nie wieder sehen. Die Mitose dauert rund tion der DNA dem Strang einige Bausteine hinzuzu-
1 h und besteht aus 6 Phasen: Prophase, Prometaphase, fügen, die anstelle der Telomere bei der Zellteilung
Metaphase, Anaphase, Telophase und Zytokinese. verloren gehen. Die Zellalterung könnte also aufge-
halten werden. Natürlicherweise kommt Telome-
Prophase. Die Zelle wird rund und die Chromosomen rase überwiegend in Krebszellen und Immunzellen
werden sichtbar. Histone werden phosphoryliert und vor, sodass sich bei ihrer Verwendung die Frage
die Zentrosomen teilen sich. nach einem erhöhten Krebsrisiko stellt – warten wir
also mit der Unsterblichkeit noch ein wenig.
Prometaphase. Depolymerisation des Kernlaminins
und Abbau der Kernhülle, Bildung der Mitosespindel,
Anheftung der Chromosomen an die Mikrotubuli der
Spindel. 1.14.4 Mitose-Index

Metaphase. Kondensierung der Chromosomen und Der Mitose-Index gibt Auskunft über die Teilungs-
Chromosomenanalyse, Entstehung der Metaphasen- geschwindigkeit von Zellen. Es wird die Anzahl von
platte. Mitosen in Prozent der Gesamtpopulation einer be-
stimmten Zellart angegeben. Dies kann die proliferative
Anaphase. Die Chromatiden trennen sich. Die Kine- Aktivität eines Tumors beschreiben.
tochor-Mikrotubuli verkürzen sich durch Depolyme-
risation am (+)-Ende. Die Chromatiden werden zu den
Spindelpolen gezogen. Die Pol-Mikrotubuli verlängern 1.15 Meiose (Reifeteilung)
sich durch Polymerisation und üben eine Schubkraft
auf die Pole aus (durch Motorproteine). Die Meiose ist die Grundlage für die Reifung und Ver-
mehrung der männlichen und weiblichen Keimzellen
Telophase. Entspiralisierung der Chromatiden, Wie- (Samenzellen und Eizellen).
deraufbau der Kernhülle.

1.15.1 Definition

Da bei der Befruchtung ein männlicher und weib-


licher Chromosomensatz zu einer diploiden Zelle zu-
1.15 · Meiose (Reifeteilung)
13 1

. Abb. 1.7. Reifeteilung, Meiose. Die


beiden homologen Chromosomen
(aus dem Satz ist hier nur ein Paar
gezeichnet) sind schwarz und blau
gekennzeichnet. Bei der Chiasma-
bildung ist zur Vereinfachung, im
Gegensatz zum tatsächlichen Vor-
gang, nur eine Überkreuzung darge-
stellt. Einzelheiten zu den Begriffen
im Text. (Schiebler 1997)

sammengeführt werden, muss der Chromosomen- Merke


satz beider zunächst diploider Stammzellpartner
Die Meiose hat folgende Ziele: Reduktion des diplo-
um die Hälfte reduziert werden (Meiose I). Die Zelle
iden Chromosomensatzes (2n) auf den haploiden Satz
ist diploid und hat ihre DNA verdoppelt (Präleptotän).
(n) und Rekombination des genetischen Materials.
Sie besitzt einen doppelten Chromosomensatz mit
4 Chromatiden pro Chromosomenpaar. Am Ende
der 1. Reifeteilung stehen 2 Zellen mit einfachem
Chromosomensatz, aber noch 2 Chromatiden pro 1.15.2 Verlauf der 1. Reifeteilung
Chromosom. In der 2. Reifeteilung (ähnlich einer
Mitose) enstehen 4 Zellen mit einfachem Chromo- Prophase I
somensatz und einer Chromatide pro Chromosom Die Prophase dauert bei der Spermatogenese 24 d. Die
(. Abb. 1.7). Eizellreifung beginnt in der Embryonalzeit, wird bis zur
14 Kapitel 1 · Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung und Zelltod

Pubertät im Ruhestadium Diktyotän gestoppt und erst 1.16 Zelltod


Biologie

13–50 Jahre später vollendet.


4 Leptotän: Beginn der Kondensation der Chromo- Der Tod ist jeder Zelle sicher. Sie kann diesen Vorgang
somen, entweder als endogenes Selbstmordprogramm induzie-
4 Zygotän: Paarung der homologen Chromosomen; ren (Apoptose) oder aber aufgrund toxischer Umwelt-
Bindung durch einen synaptonemalen Komplex. bedingungen (z. B. Hypoxie, physikalische oder che-
4 Pachytän: Vollständige Paarung der Chromoso- mische Attacken) zugrunde gehen (Nekrose).
men. Überkreuzungen (Crossing-over) homologer
Segmente der väterlichen und mütterlichen Chroma-
tiden. Überkreuzte Segmente werden ausgetauscht: 1.16.1 Apoptose (programmierter Zelltod)
Rekombination.
4 Diplotän: Der synaptonemale Komplex verschwin- Dieser Vorgang betrifft meist nur einzelne Zellen eines
det, beide getrennte Chromosomen sind sichtbar. Gewebes. Das genetisch determinierte Programm invol-
Nur an den Überkreuzungsstellen hängen sie zu- viert eine Reihe von Enzymen (wichtig: Caspasen) und
sammen (Chiasmata). Chromatin-abbauende Proteine.
4 Diakinese: Weitere Kondensierung der Chromo- Morphologische Merkmale: Kondensierung und
somen, Ablösung von der Kernmembran. Die Fragmentierung des Chromatins, zunächst bleiben Zell-
Schwesterchromatiden haften im Zentromer, und organellen (z. B. Mitochondrien) intakt.
die anderen Chromatiden hängen noch an den
Chiasmata zusammen. Merke
Ein Beispiel für physiologische Apoptose in der
Metaphase I, Anaphase I, Interkinese und Embryonalzeit ist die Reduktion der Interdigital-
Entstehung zweier haploider Tochterkerne gewebe (Weichteile zwischen den Fingern und
In der Metaphase I werden die gepaarten homologen Zehen), die bei Donald Duck als Schwimmhäute
Chromosomen in der Äquatorialebene ausgerichtet. In erhalten geblieben sind.
der Anaphase I lösen sich die Chiasmata, und die homo-
logen Chromosomen werden voneinander getrennt.
Am Ende der Telophase I stehen 2 Zellen mit je einem Mehr dazu GK Biochemie 7 Kap. 5.5.3.
haploiden Chromosomensatz: 22 Autosomen und 1
Geschlechtschromosom (Reduktion komplett).
1.16.2 Nekrose

1.15.3 Verlauf der 2. Reifeteilung Nekrose bezeichnet den Unfalltod der Zellen, die meist
größere Gewebeabschnitte einschließen, z. B. Unter-
Die 2. Teilung (Meiose II) ist eine Mitose ohne S-Phase gang von Herzmuskelgewebe bei Hypoxie (Herzin-
(DNA-Replikation), da die DNA-Verdopplung ja be- farkt). Die Zellmembranen werden durchlässig, Lyso-
reits vorher stattgefunden hat. Ansonsten verläuft diese somen entlassen ihre aggressiven Enzyme.
Teilung formal ab wie eine reguläre Mitose. Es entstehen GK Biochemie 7 Kap. 5.5.3.
4 Zellen mit haploidem Chromosomensatz.

Merke 1.17 Zellkommunikation


Bei männlichen Individuen sind alle 4 Spermatiden und Signal-Transduktion
gleichwertig. Bei weiblichen Individuen entwickelt
sich nur eine Zelle zur Eizelle, die anderen bilden GK Biochemie 7 Kap. 18.1.4, Physiologie 7 Kap. 1.2.
Abortivformen (Polkörper).
In der Meiose kann es zu Fehlverteilungen der
Chromosomen kommen (Non-Disjunction). Eine
Tochterzelle bekommt dann ein Chromosom mehr,
das der anderen fehlt (7 Kap. 2.5).
Biologie
17 2

2 Genetik

Mind Map
Abgesehen vom Hexenwahn und Atomkraft erfreut reiche kleine Fehler kann die Zelle durch Reparaturmaß-
sich kaum ein anderes Gebiet einer derartig leben- nahmen beheben; jedoch gelingt das nicht immer. Falls
digen, manchmal bizarre Züge annehmenden Diskus- größere Sequenzen nicht am richtigen Ort repliziert
sion unter gebildeten Laien wie die Genetik. Grund- werden, spricht man von Mutationen, die meist zur Syn-
lage der Genetik ist die Organisation bestimmter these abnormer Proteine führen. Andererseits kann mit
Nucleotidsequenzen auf den Chromosomen. Diese als Hilfe der Gentechnologie der Informationsschlüssel
Gene bezeichneten Strukturen kodieren die Umschrift geknackt werden und der Einbau systematisch falsch
in die »Exekutive«, die Proteine. Sowohl während der synthetisierter Proteine durch adäquate Eingriffe ins
Zellteilung als auch bei der Vererbung werden diese Genom verhindert werden.
Informationen an Tochterzellen weitergegeben. Zahl-
18 Kapitel 2 · Genetik

2.1 Organisation und Funktion 2.1.2 DNA-Reparatur


Biologie

eukaryontischer Gene
Fehler in der Polymerisationsrichtung 5’-3’ können
2.1.1 Aufbau und Replikation der DNA durch eine zusätzliche Exonuclease-Aktivität der Poly-
merase I behoben werden. Sie kann nachträglich
Eine der strukturellen Grundlagen für die Vererbung falsche Nucleotide ausschneiden und durch richtige
individueller Merkmale ist die Desoxyribonucleinsäure ersetzen. Auf diese Weise ist die Replikation nahezu
(DNA). fehlerfrei (1 Fehler pro 109 Nucleotide!). Auch UV-in-
duzierte Defekte (z. B. Strangbrüche, Dimerisierung
Aufbau von Basen) können in begrenztem Maße auf diese Wei-
Die DNA besteht aus 2 um eine gemeinsame Achse ge- se reduziert werden.
wundenen Polynucleotidsträngen (Doppelhelix). Die
Basis bilden Ketten aus Zucker (Ribose) und Phosphat.
Nach innen sind Basen angebracht. Beide Stränge 2.1.3 Genbegriff, Transkription
der DNA sind komplementär zueinander. Die Basen und Prozessierung der RNA
der DNA sind Adenin und Guanin (Purin-Basen), so-
wie Thymin und Cytosin (Pyrimidin-Basen). Die Ri- Gene sind Informationseinheiten. Es handelt sich um
bonucleinsäure (RNA) enthält anstelle von Thymin die DNA-Abschnitte, die im Allgemeinen ein einzelnes
Base Uracil. Die Basen sind spezifisch gepaart: A-T; Protein oder eine RNA codieren. Ein solcher Ab-
G-C. schnitt ist in aufeinander folgende Regionen gegliedert,
Ein Nucleosid ist die Verbindung einer Base mit die codierende und nichtcodierende Sequenzen besit-
einer Ribose; ein Nucleotid ist die Verbindung eines zen. Es gibt Promotoren, Exons, Introns und Termina-
Nucleosids mit einem Phosphat. Nucleotide sind die toren:
Bausteine der DNA. 4 Am Promotor beginnt der Start der Transkription
Die DNA-Stränge verlaufen antiparallel. Der Zu- (Umschrift von DNA in einen komplementären
sammenhalt erfolgt über Wasserstoff-Brücken und hy- RNA-Strang).
drophobe Bindungen. 4 Der Terminator ist für die Abschaltung der Um-
Man unterscheidet: schrift zuständig.
4 Die Primärstruktur zeigt die Reihenfolge der Nu- 4 Dazwischen liegende codierende Abschnitte heißen
cleotide. Exons.
4 Die Sekundärstruktur zeigt die Doppelstrang- 4 Dazwischen liegende nichtcodierende Abschnitte
Helix, und heißen Introns.
4 die Tertiärstruktur die räumliche Struktur des
ganzen Moleküls. Nucleotidsequenzen mit eingefügten Stop-Codons
können nicht translatiert werden. Die gesamte Nucleo-
Prinzip der DNA-Replikation tidsequenz ist somit ein Pseudogen.
Ausgang für die Vervielfachung der DNA ist die enzy- Die RNA-Kette nach der Transkription enthält also
matische Entwicklung (Entspiralisierung) der Doppel- nichtcodierende und codierende Nucleotidsequenzen.
helix durch Helicasen. Topoisomerasen sorgen für Normalerweise werden danach die Introns heraus-
Verminderung der Spannung durch gezielte Einzel- geschnitten und die übrigen Exons wieder zusammen-
strangbrüche. DNA-Bindungsproteine verhindern eine geführt (Splicing), sodass eine funktionelle RNA-Se-
erneute Nucleotidpaarung. quenz entsteht, die später translatiert (in ein Protein
Die eigentliche Replikation beginnt mit der Aktivi- umgeschrieben) werden kann.
tät der DNA-Polymerase. Sie benötigt ein Startermole- Allerdings können die Exon-Abschnitte auch falsch
kül (Primer), eine RNA-Sequenz. Die Polymerisation zusammengeführt werden. Veränderungen werden
erfolgt in 5’-3’-Richtung. Die RNA-Primer werden dann u. a. fälschlicherweise als Stop-Codons interpretiert,
durch DNA ersetzt. Neugebildete DNA-Tochterstränge die eine Translation verhindern.
werden schließlich durch Ligasen wieder zusammen-
gesetzt. Jeder Tochterstrang bildet zusammen mit einem KLINIK
Einzelstrang des elterlichen Doppelstrangs das neue Einige Formen der Thalassämie (Anämie-Sonder-
DNA-Molekül (semikonservative Replikation). form) beruhen auf Fehlern beim Splicing für die
Hämoglobin-codierenden Sequenzen.
2.2 · Chromosomen des Menschen
19 2

Hemmstoffe der Transkription sind z. B. Actinomycin 4 Wichtige Codewörter: AUG (Start); UAA, UAG,
(Bindung an die DNA, Blockierung der DNA-Polyme- UGA (Stop).
rase), α-Amanitin, Rifampicin (Bindung und Beein- 4 Der genetische Code ist universell. Alle Organis-
flussung der Aktivität der RNA-Polymerase). men besitzen den gleichen Schlüssel.

KLINIK
2.1.4 Regulation der Genexpression Aufgrund der Universalität des genetischen Codes
ist es möglich, z. B. humanes Insulin in Bakterien zu
Gene der Eukaryonten werden im Gegensatz zu denen »züchten«.
der Prokaryonten sämtlich kontrolliert. Die Trans-
kriptionsrate kann aktiviert werden (Induktion durch
Enhancer). Das Gegenteil nennt man Repression (durch Vervielfältigung einzelner Gene führt zu redundanten
Silencer). Hormone wirken entweder als Induktoren Genen. Genfamilien entstehen durch Mutationen
oder Repressoren. Mehr dazu in 7 Kap. 5.2.6, GK Bio- in redundanten Genen, deren Mitglieder eine hohe
chemie. Homologie aufweisen. Beispiele dafür sind die Iso-
enzyme der Laktatdehydrogenasen und die Hämo-
globin-Genfamilie: Diese besteht aus 5 Genen. Eines
2.1.5 Differenzielle Genaktivität codiert Myoglobin (nur im Muskel), und die 4 anderen
als Grundlage von Entwicklung für die Hämoglobinketten α, β, γ, δ (nur im Erythro-
und Differenzierung zyten).

Die differenzielle Genexpression gewährleistet ent-


wicklungs- und gewebsspezifische Proteinmuster. Ein 2.1.7 Anzahl von Genen
Beispiel dafür ist die Aktivierung der Globingene (für
embryonale, fetale und adulte Hämoglobine), die ent- Die DNA-Menge im menschlichen Zellkern beträgt etwa
sprechend der Funktionsanforderung für die O2-Bin- 6u10-12 g. Dabei sind DNA-Sequenzen mehrfach vor-
dung zu unterschiedlichen Entwicklungszeitpunkten handen (repetitive DNA). Säuger besitzen 3u106 Gene,
unterschiedlich exprimiert werden. von denen nur 3u104 exprimiert (d. h. transkribiert und
translatiert) werden. Die spontane Mutationsrate beträgt
etwa 1 pro 109 bis 1 pro 1010 Nucleotide.
2.1.6 Translation und genetischer Code

Die Translation ist die Umschrift der aus dem Zellkern 2.1.8 Repetitive Elemente
exportierten Messenger-RNA in Protein. Die Protein-
synthese findet an den Ribosomen statt (GK Biochemie Das Genom liegt in mehr oder weniger häufigen Kopien
und 7 Kap. 1.5). Die Information über die zu synthe- vor. Die Häufigkeit von Genen lässt sich einteilen in
tisierenden Aminosäuresequenzen liefert der gene- 4 einmalige Gene: 1–10 Kopien,
tische Code. 4 mittelrepititive Gene: 10–1000 Kopien und
4 hochrepititive Gene: mehr als 1000 Kopien.
Prinzip und »Universalität« des genetischen
Codes Der Anteil repetitiver DNA an der Gesamt-DNA be-
Aus 4 verschiedenen Basen werden Sequenzen gebildet, trägt etwa 30%, der einmaligen Gene etwa 70%.
die die Zelle in Proteine umsetzt. Er hat folgende Eigen-
schaften:
4 Der genetische Code ist degeneriert, da beim Tri- 2.2 Chromosomen des Menschen
plett-Code und 4 zur Verfügung stehenden Basen
64 (43) Möglichkeiten für nur 20 Aminosäuren exis- Das menschliche Genom enthält 46 Chromosomen.
tieren. Der Chromosomensatz ist diploid (2n). Autosomen
4 Der genetische Code ist nicht überlappend, d. h. sind geschlechtsunabhängige Chromosomen (44). Hin-
das 3. Nucleotid eines Codons (Codeworts) ist nicht zu kommen 2 Gonosomen (XY, geschlechtsdeterminie-
zugleich das 1. Nucleotid des nächsten Codons. Dies rende Chromosomen):
beweisen Punktmutationen (Austausch nur einer 4 XX: weibliches Genom,
Aminosäure). 4 XY: männliches Genom.
20 Kapitel 2 · Genetik

2.2.1 Normale Chromosomenmorphologie 4 Genotyp: Beide Allele eines Gens auf den homo-
Biologie

logen Chromosomen (Gesamtheit aller genetisch


Der Karyotyp erzählt über die Anzahl der Chro- festgelegten Merkmale).
mosomen und Geschlecht (Schreibweise: 46,XX für 4 Phänotyp: Erscheinungsbild eines Individuums,
die Frau und 46,XY für den Mann). Diese Information resultierend aus Genotyp und Umweltfaktoren
lässt sich aus einem histologischen Bild der in der Meta- (Ausprägung eines Merkmals).
phase arretierten Chromosomen bestimmen (Karyo- 4 Homozygotie: Vorhandensein zweier gleicher Al-
gramm). lele an einem Genort homologer Chromosomen.
Kriterien für die Typisierung sind Länge, Lage 4 Heterozygotie: Vorhandensein zweier verschiedener
des Zentromers (metazentrisch, submetazentrisch, sub- Allele an einem Genort homologer Chromosomen.
telozentrisch, akrozentrisch) und Bandenmuster 4 Dominanz: Allel, dessen Genprodukt auch im he-
(7 Kap. 2.2.2). terozygoten Zustand den Phänotyp bestimmt.
Größe und Lage des Zentromers ergeben 7 Grup- 4 Kodominanz: Manifestation beider verschiedener
pen (A‒G). Gene im Phänotyp (z. B. Blutgruppenantigene AB).
4 Rezessives Allel: Allel, dessen Genprodukt nur
dann den Phänotyp prägt, wenn es homozygot vor-
2.2.2 Differenzielle Darstellung liegt.
der Chromosomen 4 Penetranz: Häufigkeit, mit der sich ein Gen mani-
festiert.
Das chromosomale Bandenmuster kann mit spezifi- 4 Expressivität: Stärke, mit der sich ein Gen manife-
scher Färbung dargestellt und kartographiert werden. stiert.
Die Färbung mit Quinacrin lässt im Fluoreszenzmikros-
kop Q-Banden aufleuchten. Eine weitere Technik ist die
Anfärbung mit Giemsa-Lösung nach Vorbehandlung 2.3.2 Mendelsche Gesetze
mit Trypsin: dies resultiert in G-Banden.
Mendels Beobachtungen beruhten auf der Hypothese,
dass Erbfaktoren (Gene) von der Elterngeneration (P)
2.2.3 Molekulare Zytogenetik an die Tochtergeneration (F) weitergegeben werden.
Die erste Tochtergeneration heißt F1, die zweite F2.
Besonders sensitiv für die Kartierung von Genen ist die Beide Allele eines Gens werden über haploide Keimzel-
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) zum len weitergereicht und zufällig neu kombiniert.
Nachweis von Mikrodeletionen sowie als Grundlage
der Interphasezytogenetik und der vergleichenden 1. Mendelsches Gesetz: Uniformitätsgesetz
Zytogenetik. Diese Technik kommt auch ohne Mitose-
Arretierung aus, da Fluoreszenz-markierte Chromo- Merke
somen auch in der Interphase nachgewiesen werden Alle Individuen der Tochtergeneration aus der
können. Kreuzung reinerbiger, homozygoter Eltern sind
gleich (uniform).

2.3 Formale Genetik


Aus 2 Eltern P mit den Merkmalen AA und aa werden
Die formale Genetik beschreibt die Regeln (oder Ge- in der F1-Generation 4 Nachkommen mit den Merk-
heimnisse) der Vererbung. malen: Aa, Aa, Aa, Aa.

2. Mendelsches Gesetz: Spaltungsgesetz


2.3.1 Begriffe und Symbole (Segregationsgesetz)

Folgende Begriffe sind für die Genetik wichtig: Merke


4 Gen: Linearer Abschnitt auf einem Chromosom, Werden die heterozygoten Individuen der Tochter-
vererbbare Einheit eines Merkmals. generation F1 untereinander gekreuzt, spaltet sich
4 Allel: Eine von 2 oder mehr alternativen Formen die F2-Generation in einem bestimmten Verhältnis:
eines Gens, das sich am selben Genort zweier ho- 1:2:1(Genotyp) oder 1:3 (Phänotyp).
mologer Chromosomen befindet.
2.3 · Formale Genetik
21 2

Aus 2 Individuen von F1 mit den Merkmalen Aa und


Aa werden in der F2-Generation 4 Nachkommen mkt Dd dd
folgenden Merkmalen: AA, Aa, Aa, aa.

3. Mendelsches Gesetz: Unabhängigkeitsgesetz

Merke
Werden Individuen gekreuzt, die sich genetisch in
mehr als einem Merkmal unterscheiden, werden a Dd dd Dd dd
die Anlagenpaare jedes Merkmals unabhängig von
den anderen nach dem Spaltungsgesetz auf die
Tochtergeneration verteilt. Dd Dd

Dies gilt für Gene auf Chromosomen, die weit genug


voneinander entfernt liegen, sodass sie durch Crossing-
over getrennt werden (was Mendel noch nicht wusste).
Ausnahmen sind zu nah beieinander liegende Gene, die +
meist gemeinsam vererbt werden.
b Dd dd Dd dd

2.3.3 Autosomaldominanter/ kodomi-


. Abb. 2.1a, b. Autosomal-dominante Vererbung. Vererbung
nanter Erbgang, multiple Allelie
durch einen heterozygot kranken Elternteil. D: krankes, d:
gesundes Allel (a). Vererbung durch zwei heterozygot erkrank-
Bei einem autosomal-dominanten Erbgang befindet te Eltern. D: krankes, d: gesundes Allel. Das homozygote Kind
sich das betreffende Merkmal auf einem Autosom. (+) zeigt in der Regel stärker ausgeprägte Symptome (b).
Wenn das Merkmal dominant ist, genügt es bereits, (Buchta-Sönnichsen 2003)
wenn es nur auf einem der homologen Chromosomen
liegt, um das Merkmal phänotypisch auszuprägen.
Autosomal-dominante physische Merkmale sind sel- . Tab. 2.1. Vererbung der Blutgruppenmerkmale
ten, da noch die Information des homologen Chromo-
Genotyp Phänotyp
soms aufgerufen werden kann (Beispiel: Brachydaktylie).
Bei der Analyse der Stammbäume kann man folgen- AA, AO A
de Situationen durchspielen, was für die genetische Be- BB, BO B
ratung wichtig ist (. Abb. 2.1a, b): AB AB
4 ein heterozygoter Elternteil: 50% Erkrankungs-
0 0
wahrscheinlichkeit (. Abb. 2.1a),
4 beide Eltern heterozygot: 75% der Kinder erkrankt, M MM
25% homozygot (. Abb. 2.1b), N NN
4 ein Elternteil homozygot: alle Kinder erkrankt, aber
MN MN
keines homozygot, natürlich.
4 Beispiel für einen kodominanten Erbgang ist das
ABO-Blutgruppensystem. Bei Heterozygotie sind
beide Allele eines Merkmals gleichzeitig ausgeprägt Beispiele für einen autosomal-rezessiven Erbgang
(. Tab. 2.1). sind: Phenylketonurie, Albinismus, Taubstummheit.
Hier gilt (. Abb. 2.2a–c):
4 beide Eltern erkrankt (d. h. homozygot): alle Kin-
2.3.4 Autosomal-rezessiver Erbgang der erkrankt;
4 ein Elternteil erkrankt, der andere gesund: keine
Bei einem autosomal-rezessiven Erbgang würde sich ein erkrankten Kinder, aber alle sind Konduktoren;
Defekt im Phänotyp nur bei Homozygotie bemerkbar 4 ein Elternteil erkrankt, der andere Konduktor (he-
machen. Heterozygote Träger erkranken nicht, können terozygot): 50% der Kinder erkrankt, 50% Konduk-
aber als Überträger (Konduktoren) fungieren. toren;
22 Kapitel 2 · Genetik

X-chromosomal-dominanter Erbgang
Biologie

rr RR Hier ist das Merkmal bei Mann und Frau manifest.


Dieser Erbgang ist selten. Beispiel: Vitamin-D-resis-
tente Rachitis. Es gilt:
4 Vater Krankheitsträger: alle Töchter erkranken, alle
Söhne gesund;
4 Mutter heterozygot: 50% aller Kinder erkrankt;
4 Mutter homozygot erkrankt: alle Kinder krank.
a rR rR rR rR
X-chromosomal-rezessiver Erbgang
Hier ist das Merkmal beim Mann immer manifest (he-
rr RR mizygot), die Frau ist nur Konduktorin, da sie ja noch
ein Merkmal auf dem anderen X-Chromosom in Re-
serve hat (. Abb. 2.3). Es gilt:
4 Vater (hemizygot) erkrankt, Mutter homozygot ge-
sund: alle gesund, aber alle Töchter sind Kondukto-
rinnen;
4 Mutter Konduktorin, Vater gesund: 50% der Söhne
b rr rR rr rR erkrankt, 50% der Töchter Konduktorinnen;
4 Mutter Konduktorin, Vater erkrankt: 50% der
Söhne erkrankt, 50% der Töchter erkrankt, 50% der
rR rR Töchter Konduktorinnen.
4 Mutter homozygot, Vater gesund: alle Söhne er-
krankt, 50% der Töchter Konduktorinnen.

Beispiele für einen X-chromosomal-rezessiven Erb-


gang sind: Muskeldystrophie Typ Duchenne (DMD),
Hämophilie A, Grünblindheit, Rotblindheit.
c rr rR rR rR

2.3.6 Imprinting
. Abb. 2.2a–c. Autosomal rezessive Vererbung (r: krankes
Allel, R: gesundes Allel). Vererbung durch ein erkranktes
Unter »Imprinting of genes« versteht man die differen-
Elternteil und ein homozygot gesundes Elternteil (a). Verer-
bung durch ein erkranktes Elternteil und ein heterozygotes
zielle Genaktivität väterlicher und mütterlicher Gene
Elternteil (b). Vererbung durch zwei Konduktoren (c). (Buchta in der frühen Embryogenese. Dies kann zur Variabilität
Sönnichsen 2003) der Ausprägung führen, je nachdem, ob es (trotz der
Mendel-Regeln für Autosomen) auf einem väterlichen
oder mütterlichen Chromosom liegt. Im Prinzip gibt es
4 beide Eltern Konduktoren (heterozygot): 25% er- 3 Möglichkeiten als Ursache:
krankte Kinder, 75% phänotypisch gesund, 2∕3 4 Das Merkmal wird gonosomal vererbt,
Konduktoren; 4 elterliche Genprägung für die geschlechtsabhängige
4 ein Elternteil gesund, der andere heterozygoter Ausprägung eines Allels (entdeckt durch Kern-
Konduktor: alle Kinder phänotypisch gesund, 50% transplantation von Mäusen). Beispiel: Insulin-ähn-
Konduktoren. licher Wachstumsfaktor 2 (IGF-2) ist durch elter-
liche Prägung maternal inaktiv,
4 das Merkmal wird extrachromosomal vererbt, z. B.
2.3.5 X-chromosomaler Erbgang über die Mitochondrien (s. u.).

Geschlechtsgebundene Merkmale befinden sich über-


wiegend auf dem X-Chromosom, von dem der Mann 2.3.7 Mitochondriale Vererbung
eines hat (XY), und die Frau 2 (XX). Das Y-Chromo-
som ist klein und genetisch bis auf das »Sex regulating Da die männliche Gamete vor der Invasion in die Ei-
Y Gen« (SRY) unbedeutend. zelle seine Mitochondrien abwirft, erhält die Zygote nur
2.4 · Gonosomen, Geschlechtsbestimmung und -differenzierung
23 2

. Abb. 2.3. X-chromosomal-rezes-


sive Vererbung; x: krankes Allel, xY XX
X: gesundes Allel. (Buchta Sönnichsen P
2003)

F1 XY

XY xX XY xX

F2

xX xY XX XY

F3

xx xY Xx XY

die weiblichen Mitochondrien. Mitochondrial festge- Y-Chromosom) wandert die primordiale Keimzelle in
legte Merkmale sind daher immer mütterlich (z. B. die die Rindenregion der undifferenzierten Gonadenan-
mitochondriale Enzephalomyopathie). lage und induziert die Entwicklung eines Ovars und
die Umbildung der Müller-Gänge zu Tuben und Utero-
vaginaltrakt.
2.3.8 Multifaktorielle Vererbung

Bei der multifaktoriellen Vererbung (Polygenie) sind 2.4.2 X-Inaktivierung – Gleichberechtigung


mehrere Gene für die Ausprägung eines Merkmals ver- des Mannes
antwortlich. Umgekehrt kann eine Störung unterschied-
liche genetische Ursachen haben (Heterogenie). Bei- Weibliche Individuen besitzen ein zweites X-Chromo-
spiel für die multifaktorielle Vererbung ist die primäre som, haben also im Prinzip doppelt soviel X-chromo-
Hypertonie. Falls das Merkmal nicht kontinuierlich somal-gebundene Gene wie männliche Individuen.
verteilt ist, macht sich eine Störung erst bei Überschrei- Zur Herstellung von Gleichberechtigung verzichtet die
ten eines Schwellenwerts bemerkbar. Frau (freiwillig?) auf die Expression der Gene eines der
Die angeborene Hüftluxation ist ein Beispiel für beiden X-Chromosomen (Lyon Hypothese). Das inak-
einen multifaktoriellen Schwellenwerteffekt. tivierte Chromosom erscheint in der Zelle als Ge-
schlechtschromatinkörperchen (Barr-Körperchen). In
den Kernen segmentkerniger Granulozyten imponie-
2.4 Gonosomen, Geschlechtsbe- ren sie als Drumsticks (Trommelschlägel).
stimmung und -differenzierung

2.4.1 X-, Y-Chromosom und pseudo- 2.4.3 Geschlechtsdifferenzierung


autosomale Region
Hormone sind Genregulatoren. Der Anti-Müller-In-
Obwohl das Y-Chromosom recht spärlich mit Genen hibitionsfaktor kann durch Bindung an die DNA auf
ausgestattet ist, spielt es bei der Geschlechtsdetermina- die Differenzierung von Wolff- und Müller-Gang Ein-
tion eine entscheidende Rolle. Das SRY-Gen liegt auf fluss nehmen, indem er dafür sorgt, dass weibliche Ab-
dem kurzen Arm des Y-Chromosoms, benachbart zur schnitte des Genitaltrakts nicht ausgebildet werden.
pseudoautosomalen Region. Es bestimmt durch die Ex-
pression bestimmter Transkriptionsfaktoren das männ-
liche Geschlecht. Fehlt das SRY-Genprodukt (bzw. ein
24 Kapitel 2 · Genetik

2.5 Mutationen 2.5.3 Spontane und induzierte


Biologie

Genmutationen
Mutationen sind Veränderungen im Genom, die zu
einer Veränderung der Expression bestimmter Merk- Transkriptionsfehler, die nicht repariert werden, kön-
male führen. Man unterscheidet: nen zufällige Ereignisse in Keimbahn- und somatischen
4 Genmutationen, Zellen sein. Induzierte Mutationen sind durch toxische/
4 Spontanmutation, chemische Einflüsse oder durch ionisierende Strahlen
4 induzierte Mutationen, (z. B. Harrisburg, Tschernobyl) zurückzuführen.
4 somatische Mutationen,
4 Chromosomenmutationen und KLINIK
4 Mosaike. Xeroderma pigmentosum ist eine sehr, sehr seltene
(typisch GK!) autosomal-rezessiv vererbbare Er-
krankung, bei der Reparaturenzyme der DNA be-
2.5.1 Genmutationen troffen sind. UV-Exposition schädigt die epiderma-
len Zellen. Folge sind maligne Hauttumoren bereits
Genmutationen sind Veränderungen der Nucleotidse- in früher Kindheit.
quenz der DNA eines Gens. Sie können Folge sein von:
4 Basensubstitution: Ersatz einer Base durch eine
andere (Punktmutation),
4 Basendeletion; Nucleotide gehen verloren, 2.5.4 Strukturelle Chromosomen-
4 Baseninsertion: neue Basen werden zusätzlich ein- mutationen
gefügt,
4 ungleichem Crossing over (Genkonversion): Ein Strukturelle Chromosomenmutationen sind mikros-
Genabschnitt eines Chromosoms wird als Bruch- kopisch, im Karyogramm sichtbare Veränderungen der
stück beim Crossing-over in das homologe Chro- Chromosomenstruktur (Chromosomenaberration).
mosom eingefügt (Duplikation). Da dies Folgen für eine ganze Menge von Genen hat,
sind die Folgen sehr oft letal. Im günstigen Falle kommt
es zu schweren Fehlbildungen. Es gibt folgende Typen
2.5.2 Folge von Genmutationen von Chromosomenaberrationen:

Die Folge von Genmutationen ist eine verringerte oder Deletion: Verlust eines Chromosomenarms.
fehlende Synthese der mRNA und damit Verände-
rungen der Aminosäuresequenz der jeweiligen Poly- KLINIK
peptidkette. Falls die Promotorregion gestört wird, Deletion des kurzen Arms des Chromosoms 5 führt
wird das gesamte Gen inaktiviert. Bei Veränderungen zum Cri-du-Chat-Syndrom (Katzenschreisyndrom).
des Stop-Codons entsteht ein abnormal langes oder Dieser Verlust ist zufällig. Die Häufigkeit ist etwa
verkürztes Protein. 1:50.000. Es sind 5-mal mehr Mädchen als Jungen
betroffen.
KLINIK
Ein schönes Beispiel für eine Punktmutation ist die
autosomal-rezessiv vererbte Sichelzellanämie. Der Inversion: Fehlgeschlagene Reparatur eines Nucleotid-
Austausch der Aminosäure Val gegen Glu in der abschnitts und verkehrte Wiedereingliederung der Se-
Hämoglobin-β-Kette (HbS) führt zu abnormer Sauer- quenz in den DNA-Strang.
stoffbindungskapazität und Formveränderungen
des Erythrozyten bei Desoxygenierung. Massiver Translokation: Verlagerung eines Fragments an eine
Abbau der Erythrozyten in der Milz führt zu anä- andere Position des Chromosoms. Wenn das Genom
mischen Krisen. Selektionsvorteil der Erkrankten und die Expression der Gene nicht weiter beeinträch-
besteht in höherer Resistenz gegenüber Malaria. tigt ist, spricht man von balancierter Translokation.
Reziproke Translokation ist der Austausch zweier
Chromosomenfragmente zwischen nichthomologen
Chromosomen. Die Robertson-Translokation bezeich-
net eine zentrische Fusion, d. h. es verschmelzen 2 Chro-
mosomen am Zentromer und verlieren die kurzen Arme.
2.6 · Klonierung und Nachweis von Genen bzw. Genmutationen
25 2

Falls nur wenig Gene verloren gehen, ist diese Transloka- KLINIK
tion balanciert (z. B. am Chromosom 14 und 21). Beispiel für Mosaikbildung: Mosaik-Trisomie 21 (in
2% der Individuen mit Down-Syndrom). Hier kommt
KLINIK es erst nach der 1. Zellteilung zur Aberration. Je
Eine asymmetrische Translokation (größerer Teil mehr normale Mitosen vorausgegangen sind, desto
des Chromosom 22 transloziert mit dem kleinen weniger ist der Phänotyp des Down-Syndroms aus-
Arm des Chromosom 9) findet sich bei der Chroni- geprägt.
schen Myeloischen Leukämie (sog. Philadelphia-
Chromosom).
Eine Chimäre ist ein Individuum oder Gewebe, das aus
Zellen verschiedenen Genotyps präzygoter Herkunft be-
steht, z. B. als Folge von Fehlern bei der Befruchtung.
2.5.5 Nummerische Chromosomen-
mutationen
2.5.7 Mutationen in Somazellen
Unter nummerischen Chromosomenaberrationen
versteht man Fehlverteilungen von Chromosomen Mutationen, die nur in Körperzellen vorkommen, er-
während der Meiose. Folge ist eine abnorme Anzahl zeugen ein Mosaikmuster.
von Chromosomen im Karyogramm. Falls ein Chro- Ein Beispiel für somatische Mutationen in der
mosom nur einmal vorhanden ist, spricht man von Krebsentstehung ist die Entstehung des Burkitt-Lym-
Monosomie, bei 3facher Ausgabe spricht man von Tri- phoms: Das Proto-Onkogen »myc« erhält durch eine
somie. Translokation (beteiligt sind Arme der Chromosomen 8
Beispiele für nummerische Chromosomenaberra- und 14) einen neuen Promotor der Immunglobulin-
tionen sind: Gene und wird intensiv transkribiert (Philadelphia-
4 Ullrich-Turner-Syndrom: Genotyp XO (Monoso- Chromosom, 7 Kap. 2.5.4).
mie des X-Chromosoms); weiblich, 90% Abortrate;
Häufigkeit bei ausgetragenen Schwangerschaften
mit XO-Syndrom: 1:3000‒1:5000; Symptome: 2.6 Klonierung und Nachweis von
Minderwuchs, Amenorrhoe, Nackentransparenz Genen bzw. Genmutationen
(Pterygium colli).
4 Klinefelter-Syndrom: Genotyp: XXY; Symptome: Unter Klonierung versteht man die Vermehrung gene-
Körpergröße erhöht, Hodenatrophie, Gynäkomas- tisch identischer Organismen. Dies kann auf zellulärer
tie, Azoospermie. Ebene geschehen (z. B. Züchtung monoklonaler
4 XYY-Syndrom: phänotypisch männlich, selten, Antikörper), oder gesamte Organismen und Indivi-
Symptome: psychische Labilität. duen betreffen (Dolly). Folgende Methoden stehen da-
4 Triplo-X: Genotyp: XXX, Non-disjunction, Häu- für zur Verfügung:
figkeit 1:800‒1:1000, phänotypisch weitgehend un-
auffällig (Lernbehinderungen bei 70%).
4 Trisomie 21 (Down-Syndrom): Häufigste Chro- 2.6.1 Gentechnologische Methoden
mosomenaberration; häufigste Form: Non-dis-
junction (95%); spontan, keine Erbkrankheit. Häu- Voraussetzung für die Herstellung eines Klons ist es,
figkeit: abhängig vom mütterlichen Alter. Risiko für gewünschte Nucleotidsequenzen zu identifizieren, iso-
eine 25-jährige Frau: 0,1%; für eine 46-jährige Frau: lieren und zu vervielfältigen. Mit Restriktionsendonu-
9%. Auch das väterliche Alter spielt eine Rolle, ist kleasen werden bestimmte Sequenzen der DNA ge-
aber nicht statistisch belegt. trennt. Es gibt zur Vervielfachung 2 Möglichkeiten:
4 Gentransfer. Bei der Transformation (= Transfek-
tion) können von einer Spezies (z. B. Mensch, Maus,
2.5.6 Mosaike und Chimären Tyrannosaurus Rex) DNA-Abschnitte auf DNA
eines Bakteriums überführt werden. Auf diese Weise
Unter Mosaiken versteht man das Vorliegen genetisch können fremde Gene in Plasmide eingeführt wer-
verschiedener Zelllinien. Ursache sind Chromosomen- den (Plasmid ist ringförmige extrachromosomale
fehlverteilungen in der Mitose (mitotische Non-dis- DNA, die sich unabhängig von dem Hauptgenom
junction). des Bakteriums replizieren kann). Da der genetische
26 Kapitel 2 · Genetik

Code universell ist, können Einzelstränge von Gast Ort des betreffenden Gens. Hierbei werden Restrik-
Biologie

und Wirt-DNA bei Einsatz derselben Restriktions- tionsenzyme verwendet, die palindromische Sequenzen
enzyme neu kombinieren. Auf diese Weise wird die von 4‒8 Basenpaaren erkennen und in ihnen schnei-
Gast-DNA in das Plasmid eingebaut und kann ver- den. Die Länge der von diesen markierten Endonukle-
mehrt werden (Klonierung durch In-vitro-DNA- asen zerschnittenen Fragmente kann elektrophoretisch
Rekombination). Man kann testen, ob die Transfor- bestimmt werden. Sie weicht bei Mutationen vom nor-
mation erfolgreich war, indem man z. B. ein Gen für malen Gen ab. Dies bezeichnet man als Restriktions-
eine Antibiotika-Resistenz einfügt und nachsieht, ob Fragment-Längen-Polymorphismus.
die vermehrten Organismen unanfällig gegen das
Antibiotikum geworden sind.
4 Polymerase-Chain-Reaction (PCR, s. u.). 2.6.5 Genetische Beratung
und vorgeburtliche Diagnostik

2.6.2 Polymerase-Chain Reaction (PCR) Genetisches »Fingerprinting« ist nach derzeitiger (2006)
Rechtsauffassung in der BRD freiwillig. Es gilt die
Bei der Polymerase-Kettenreaktion werden DNA- oder Nicht-Direktivität als Grundlage für die genetische Be-
RNA-Sequenzen im Reagenzglas vervielfältigt. Grund- ratung, d. h., Daten dürfen nur nach ausdrücklicher
lage ist die Eigenschaft der Polymerasen, neue Nucleo- Genehmigung des Patienten/Probanden weiterverwen-
tide immer nur an eine definierte kurze Nucleotidse- det werden (z. B. für Vaterschaftsgutachten, Alimen-
quenz (Primer) anzuhängen. Die Primersequenzen tenklagen). Ausnahme sind ausreichende Verdachts-
müssen bekannt sein. Sie sind komplementär zur DNA momente bei schwerwiegenden Straftaten, etwa bei
oder RNA der Zellen bzw. des Gewebes, in der man Kapitaldelikten.
dessen Nucleotidgehalt bestimmen möchte.
Man wirft also einen Köder (Komplementär-Nucleo- Vorgeburtliche Diagnostik
tid) in den Teich und wartet, ob der dazu passende Fisch (GK Anatomie 7 Kap. 1.1.4)
anbeißt. Um das über eine gewisse Nachweisgrenze zu Nummerische und strukturelle Chromosomenaberra-
führen, wird das Polymerisationsprodukt in vielen Zyk- tionen können vorgeburtlich mit Hilfe der Amniozen-
len unter Hitzeeinwirkung (Denaturierung der DNA) tese oder der Chorionbiopsie festgestellt werden.
vermehrt (amplifiziert). Die DNA-Polymerase (Taq-Po- 4 Amniozentese (4. Monat). Nach der Aspiration
lymerase) ist hitzeresistent, sonst geht es nicht. von Fruchtwasser können Amnionzellen kultiviert
4 Vorteil: Man spart sich das Klonen. Superempfind- werden. Anschließend kann ein Karyogramm an-
lich, schnell, billig. gefertigt werden. Indikation sind erhöhtes Alter der
4 Nachteil: Katastrophe für Gauner. Die Reaktion ist Mutter (bzw. des Vaters!), bekannte Chromoso-
so empfindlich, dass sie viele Übeltäter kriminalis- menaberrationen in der Familie. 97% dieser »Risiko-
tisch überführt, die ihre biologischen Spuren am mütter« tragen ein normales Kind aus.
Tatort vergessen haben. 4 Chorionbiopsie (8. Woche). Die Zellen der Chorion-
zotten können ohne Anzüchtung direkt analysiert
werden.
2.6.3 Direkter Nachweis
von Genmutationen
2.7 Entwicklungsgenetik
Ein weiteres Anwendungsgebiet der PCR ist der Nach- (7 Kap. 2.1.5)
weis von Genmutationen. Spezifische Nucleotidsequen-
zen eines Gendefekts werden amplifiziert. Die müssen 2.7.1 Analyse von Entwicklungsprozessen
natürlich bekannt sein. an transgenen Tieren

Gentransfer ist nicht nur in Bakterien möglich. Die


2.6.4 Indirekter Nachweis Möglichkeiten der Gentechnologie erlauben es im Prin-
von Genmutationen zip, DNA von jeder beliebigen Spezies in eine andere zu
verpflanzen.
Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus Die Analyse der Transkripte von Genen in Abhän-
Voraussetzung für den indirekten Nachweis von Gen- gigkeit von der Zeit lässt sich sehr »hübsch« in Maus-
mutationen ist die Kenntnis über den chromosomalen modellen studieren. Hierbei können DNA-Fragmente
2.8 · Populationsgenetik
27 2

in Eizellen der Maus mikroinjiziert werden. Eine wei- Dieses Gleichgewicht kann verschoben werden durch
tere Möglichkeit ist die gezielte Veränderung einzelner folgende Faktoren:
Gene durch Manipulation embryonaler Mausstamm- 4 Gründereffekt: Abspaltung einer kleinen Popula-
zellen. tion von einer größeren, die dadurch für ein Allel
eine größere Frequenz verursacht (Abspaltung
Transgene Tiere einer Gruppe vom Festland auf eine Insel). Die
Bei sog. »Knock-out-Mäusen« werden totipotente geno- und phänotypische Variabilität bei Insel-
Stammzellen im Blastozystenstadium schwangerer Mäu- Emigranten sinkt; diese Population ist also leichter
se entnommen. Aus diesen werden Nucleotidsequenzen vom Aussterben bedroht.
für interessante Proteine aus der DNA herausgeschnit- 4 Inzucht: Gehäuftes Auftreten seltener Gene in
ten. Die beschnittenen Sequenzen werden dann anderen kleinen Gruppen, z. B. Habsburger Lippe.
schwangeren Mäusedamen reimplantiert. Diese zusätz- 4 Fitness: Fähigkeit eines Individuums, besonders
lichen Zellen beteiligen sich an der Embryonalentwick- resistente und überlebensfähige Nachkommen zu
lung und lassen genetisch chimäre Mäuse entstehen. produzieren.
Natürlich kann man auch eine Nucleotidsequenz hinzu 4 Selektion: Auswahl nach Fitness. Heterozygote
tun, z. B. für den Rüssel eines Elefanten (das wäre dann Träger des HbS (Sichelzellanämie)-Gens haben ei-
eine »Knock-in-Elefantenrüssel-Maus«). nen Selektionsvorteil, denn sie sind resistenter ge-
Nach einigen Kreuzungen unter Anwendung der genüber Malaria als Nicht-Träger des HbS-Gens.
Mendel-Regeln kann man dann an homozygoten
Tieren beobachten, welche Auswirkung das Fehlen der
durch das fehlende Gen kodierten Proteine hat. Im 2.8.2 Wirkung von Selektion und Zufall
Umkehrschluss hat man dann vielleicht Hinweise auf
die Funktion dieses Proteins bzw. Gens. 7 Kap. 2.8.1.

2.8 Populationsgenetik 2.8.3 Genetische Polymorphismen

Die Populationsgenetik beschäftigt sich mit der Häu- Unter einem genetischen Polymorphismus (Sequenz-
figkeit des Auftretens der Allele eines Gens in Popula- variation) versteht man das Vorhandensein von mehr
tionen. als 2 Allelen eines Gens in einer Population. Die Auftre-
tenswahrscheinlichkeit der Genvariation muss größer
als 1% sein, sonst handelt es sich um eine Mutation. Gen-
2.8.1 Hardy-Weinberg-Gesetz produkte eines Enzyms werden bei Ausprägung eines
genetischen Polymorphismus Alloenzyme genannt.
Die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung werden
angewandt, um das Auftreten dominanter und rezes-
siver Merkmale zu berechnen. Diese stehen miteinander
im Gleichgewicht, das Hardy und Weinberg anhand von
statistischen Berechnungen beschrieben haben. Grund-
voraussetzung ist eine zufällige Paarung bzw. Durchmi-
schung der Bevölkerung (Panmixie). Eine nichtzufällige
Paarung von Individuen, also Paarung von Individuen,
die z. B. nur grüne Zöpfe besitzen, ist Selektion.

Merke
Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht ist der Zustand
einer Population, bei der, Panmixie vorausgesetzt
und Selektion ausgeschlossen, Allel- und Geno-
typhäufigkeiten in der Folge der Generationen
konstant sind.
Biologie
29 3

3 Grundlagen der Mikrobiologie


und Ökologie
Mind Map
Zu den größten Feinden höherer Vertebraten (ein- jedoch ihren Platz als lebensnotwendige Partner in
schließlich Homo sapiens) scheinen Mikroorganis- einem globalen biologischen Gleichgewicht. Nichts-
men zu gehören. Wir (Presse, vox populi) erkennen sie destotrotz im Folgenden ein paar Steckbriefe zu Bak-
in unserem anthropozentrischen Weltbild als Stören- terien, Pilzen und Viren.
friede, die Krankheiten verursachen, vernachlässigen
30 Kapitel 3 · Grundlagen der Mikrobiologie und Ökologie

3.1 Morphologische Grundformen


Biologie

der Bakterien

Bakterien sind Einzeller, Prokaryonten. Sie besitzen


keinen Zellkern.
Man kann sie ihrer Form nach einteilen in:
4 Kokken (Staphylo-, Strepto- und Diplokokken),
4 Stäbchen (Enterobacteriaceae, Gattung Bacillus),
4 schraubenförmige Bakterien (Spirillen, Trepone-
men) und
4 Vibrionen (z. B. Vibrio cholerae).

3.2 Aufbau und Morphologie


der Bakterienzelle (Procyte)

3.2.1 Unterschiede zur Eucyte

Es gibt einige markante Unterschiede der Prokaryonten


gegenüber den Eukaryonten. Einen Zellkern gibt es
nicht. Der Stoffwechsel findet im Zytoplasma statt, es
fehlen kompartimentierte Organellen. Die Zellgrenzen
bestehen aus einer Zellwand und der Zellmembran.
Mitochondrien fehlen ebenfalls. Die Größe beträgt zwi-
schen 1 und 5 μm (. Abb. 3.1). . Abb. 3.1. Elektronenmikroskopische Aufnahme dreier
Bakterien (L: Legionellen, Pfeile), die von einer Wirtszelle (hier:
Amöbe) phagozytiert wurden und sich in ihrem Phagosom
3.2.2 Zellwand vermehren. Am Ende geht die Amöbe zugrunde und entlässt
die Legionellen. Balken: 250 nm

Fast alle Bakterien besitzen eine Zellwand. Sie enthält


Murein, eine Verbindung aus N-Actylmuraminsäure Grampositive Bakterien, die mit Penicillin traktiert
und N-Acetylglucosamin. Sie sind durch kurze Peptide worden sind, verlieren ihre Zellwand und werden zu
und Pentaglycine zum »Mureinsacculus« verknüpft. L-Formen, die normalerweise zugrunde gehen.

KLINIK Mykoplasmen
Penicillin stört die Synthese der Zellwand, indem Mykoplasmen sind zellwandlose Bakterien. Da sie wenig
es die Vernetzung der Mureinuntereinheiten ver- stabil sind, sind Mykoplasmen polymorph.
hindert.
Toxine
Bakterien können Toxine bilden, die die Pathogenität
Der unterschiedliche Aufbau der Zellwand reflektiert ausmachen. Exotoxine sind kleine Eiweiße, die vom
das unterschiedliche Verhalten bei der Gramfärbung. Bakterium ausgeschieden werden (z. B. Botulinustoxin).
Gramnegative Bakterien besitzen eine weitere äußere Endotoxine sind Membranbestandteile bestimmter
Membran, aus der sich der violette Gram-Farbstoff gramnegativer Bakterien.
herauswaschen lässt. Diese äußere Membran enthält
sog. Lipopolysaccharide (LPS), die oft eine toxische
Wirkung der Bakterien verursachen. 3.2.3 Geißeln, Pili (Fimbrien)

Merke Geißeln (Flagellen) benutzen eine Reihe von Bakterien


Gramnegative Bakterien sind in der Regel weniger zur Fortbewegung. Sie können einzeln (monotrich)
empfindlich gegenüber Penicillin oder endogenen oder mehrfach (polytrich) vorhanden sein. Die Art und
Bakteriostatika (z. B. Lysozym). Anzahl der Geißeln kann als taxonomisches Merkmal
herangezogen werden.
3.3 · Wachstum der Bakterien
31 3

Der grundsätzliche Unterschied zu Kinozilien der 3.2.8 Sporen


Eukaryonten besteht im Einbau von Flagellin anstelle
von Tubulin. Die Geißeln sind auch nicht von der Zell- Sporen sind äußerst langlebige und wetterresistente Ge-
membran umhüllt. schöpfe einiger Bakterien. Da sie im Innern des Bak-
Fimbrien (Pili) sind kleinere Oberflächendifferen- teriums gebildet werden, heißen sie auch Endosporen.
zierungen, mit deren Hilfe sich Bakterien an Wirts- Sie sind wasserarm und besitzen eine hohe Resistenz
organismen anheften können. Sexpili sind innen hohle gegen hohe Temperaturen, Trockenheit und Desinfek-
Pili, die bei der Konjugation und dem Genausausch der tionsmittel.
Bakterien eine Rolle spielen.
Merke
Bekannte und gefürchtete Sporenbildner sind
3.2.4 Kapsel Bacillus anthracis (Milzbrand), Clostridium botuli-
num (Botulismus), und Clostridium tetani (Wund-
Kapseln bestehen aus Polysacchariden und Polypep- starrkrampf).
tiden, die einige Bakterien (z. B. Pneumokokken) um
sich herum bilden können. Sie tragen zur Pathogenität
bei, da sie die Anheftung an Substrate bzw. Wirtszellen
erleichtern. Außerdem schützen sie das Bakterium vor 3.3 Wachstum der Bakterien
der Phagozytose.
Bakterien vermehren sich in Abhängigkeit von Tempe-
ratur, Sauerstoffgehalt und Nährstoffgehalt.
3.2.5 Zellmembran (Zytoplasmamembran)

Die Zellmembran besteht aus einer Lipiddoppelschicht 3.3.1 Stoffwechsel


und ist ähnlich strukturiert wie bei Eukaryonten. An (Verhalten gegenüber Sauerstoff)
ihr finden zahlreiche Stoffwechselvorgänge statt. Sie
sind Träger der Enzyme der Atmungskette, Enzyme für Manche mögen und brauchen Sauerstoff (obligate
die Synthese der Zellwand, Permeasen, Transferpro- Aerobier), manche verabscheuen ihn wie der Teufel das
teine, und Sensorproteine. Weihwasser (obligate Anaerobier). Diese gewinnen ihre
Energie aus der Gärung. Sie besitzen keine Enzyme
der Atmungskette. Fakultativ anaerobe Bakterien kön-
3.2.6 Ribosomen nen sich mit und ohne Sauerstoff vermehren (z. B.
Escherischia coli).
Bakterien besitzen 70S-Ribosomen (30S+50S), im Un-
terschied zu den Ribosomen der Eukaryonten (80S=
40S+60S). 3.3.2 Bakterienkultur

Bakterienkulturen kann man den Bakterien als künst-


3.2.7 Nucleoid (Kernäquivalent), liches Substrat anbieten. Je nach Zusammensetzung
Bakterienchromosom, Plasmide gibt es für verschiedene Bakterien Unterschiede des
Substratoptimums.
Das Kernäquivalent (»Nucleoid«) besteht aus dem Bak- Hauptbestandteile der Nährmedien sind Wasser,
terienchromosom, in dem die DNA organisiert ist. Die Mineralsalze und Glucose. Manche Kulturen verlangen
DNA ist zirkulär und besitzt keine Histone. Weiterhin zusätzlich Vitamine, Aminosäuren, Nucleotide. Diese
enthalten Bakterien extrachromosomale zirkuläre DNA, Medien kann man mit Agarose zu einem inerten Gel
die von derjenigen des Bakterienchromosoms unab- verfestigen.
hängig ist (Plasmid). In ihnen sind wenige Gene loka- Oftmals wachsen nach der Inokulation (Auftragen
lisiert, die aber aus humanpathologischer Sicht von eines Bakterienabstrichs) von Mischpopulationen ver-
Bedeutung sein können, nämlich Träger von Resistenz schiedene Kolonien (genetisch identische Nachkom-
und Virulenzgenen (7 Kap. 3.4.2). men eines Bakteriums) heran, die dann zu Reinkul-
turen weitergezüchtet werden können.
Selektivmedien (z. B. garniert mit unterschied-
lichen Antibiotika) kann man Zellen anbieten, um Zel-
32 Kapitel 3 · Grundlagen der Mikrobiologie und Ökologie

len mit bestimmten Resistenzen bzw. Sensitivitäten zu Repressorgen blockiert. Diese Blockade kann aufge-
Biologie

isolieren. hoben werden, wenn Laktose ankommt und an das


Repressorprotein bindet (Repressor-Inaktivierung).

3.3.3 Wachstum und Vermehrung


3.4.2 Übertragung von Genmaterial
Die Wachstumsgeschwindigkeit von Bakterien hängt
von Temperatur, Sauerstoff-, und Nährstoffgehalt ab. In Bakterien sind sehr aktiv im Genaustausch. Dies be-
einer Kultur verläuft eine typische Wachstumskurve in trifft sowohl den internen Genverkehr als auch den
5 Stadien: »interbakteriellen«. DNA-Abschnitte, die von einer
1. Anlaufphase (lag-Phase): Anpassung der Kultur an Stelle des Genoms an eine andere hüpfen können,
die Rahmenbedingungen. heißen Transposons. Dies kann man auch gentech-
2. Exponenzielle Phase (log-Phase): exponenzielles nisch ausnutzen. Gene können auf folgende Weise
Wachstum; die Wachstumsrate ist am höchsten, die übertragen werden:
Generationszeit (Zeit, in der sich die Zahl der An- 4 Konjugation: Übertragung von Nucleotidsequen-
gehörigen verdoppelt) am kleinsten. zen durch F-Pili (filopodienartige Strukturen, die
3. Retardationsphase: allmählich geht der Treibstoff die direkte Kontinuität einer Zelle an eine andere
aus, es kommt zur Verlangsamung des Wachs- herstellt; ähnlich wie ein Space Shuttle an eine
tums. Raumstation). Hierbei werden Fertilitätsgene durch
4. Stationäre Phase: keine weitere Vermehrung der (F+)-Zellen auf Zellen übertragen, die diese Gene
Zellen. nicht besitzen, (F-)-Zellen. Der Fertilitätsfaktor
5. Deklinationsphase: Absoluter Nährstoffmangel liegt auf einem Plasmid, das sich als Besonderheit
sorgt für das Absterben der Zellen. Die Zellzahl in die Chromosomen-DNA der F-Zelle integrieren
schrumpft. kann. Wenn man will, handelt es sich um bakte-
riellen Sex.
Merke 4 Transduktion: Übertragung von Genen durch
Die Generationszeit für E. coli liegt bei 20 min, Bakteriophagen (Viren, die Bakterien befallen): un-
bei Treponema pallidum bei 4–15 h, und bei spezifische Transduktion.
Mycobacterium tuberculosis bei 18 h. 4 Transformation: Aufnahme fremder DNA (meist
experimentell). Die Integration der DNA in die auf-
nehmende Zelle hängt von deren Kompetenz ab.

3.4 Bakteriengenetik
3.4.3 Antibiotikaresistenz aus evolutions-
3.4.1 Bakterienchromosom, Plasmide biologischer Sicht
(7 Kap. 3.2.7)
Resistenzfaktoren gegen Antibiotika sind den F-Fak-
Im Bakterienchromosom ist die DNA des Bakteriums toren ähnlich und werden durch Konjugation über-
lokalisiert (s. o.). Außerdem besitzt das Bakterium extra- tragen. Ein angereicherter Resistenzfaktor einer Bakte-
chromosomale DNA, die als Plasmid vorliegt. In der rienpopulation kann sich zunächst im eigenen Stamm
DNA gibt es keine Histone. ausbreiten, aber auch in anderen Bakterienarten. Wird
ein Resistenzfaktor aus einer harmlosen Zelle (z. B.
Operon-Modell der Genregulation E. coli) auf einen hochpathogenen Stamm (z. B. Salmo-
Auf der DNA befinden sich Strukturgene für die Pro- nella) übertragen, ist Holland in Not.
teinsynthese und Operatorgene, die wiederum die Etwas weniger gefährlich sind Resistenzen, die
Transkription der Strukturgene kontrollieren. Die Pro- durch Mutationen entstanden sind.
motorregion liegt vor dem Operatorgen und initiiert Bei Antibiotika-Gabe besteht die Gefahr, dass die
die Transkription. Die Einheit aus Promotor-, Opera- mutierten Zellen weiter wachsen und sich unter diesem
tor- und Strukturgenen heißt Operon. Selektionsdruck vermehren. Die unkritische Verab-
Beispiel der Regulation bei E. coli: Das Lactose- reichung von Antibiotika (Therapie banaler Grippen,
Operon enthält die Strukturgene für die Enzyme des Beimengung ins Viehfutter, Zahnpasta etc.) ist daher
Laktosestoffwechsels. Falls keine Laktose vorhanden immer mit der Gefahr verbunden, resistente Bakterien
ist, wird der Operator des Lactose-Operons durch ein zu züchten.
3.6 · Viren
33 3

KLINIK Sexuelle (generative) Fortpflanzung: Die ge-


Daher gilt für die Therapie mit Antibiotika, dass schlechtliche Fortpflanzung gelingt durch die Ver-
eine ausreichend hohe Konzentration über eine schmelzung zweier Gameten.
gewisse Zeitdauer (nicht abbrechen, wenn es
scheinbar besser geht!) verabreicht werden muss.
Mutanten kann man am ehesten erwischen, indem 3.5.4 Synthese von Stoffen
man mehrere Antibiotika kombiniert.
Für die klinische Praxis fallen Pilze durch einige syn-
thetische Spezialitäten auf:
4 Mykotoxine (Aflatoxine) sind ein Qualitätspro-
3.5 Pilze dukt von Aspergillus flavus. Aflatoxin ist als po-
tentes Kanzerogen bekannt.
3.5.1 Lebensweise, medizinische 4 α-Amanitin stammt vom Knollenblätterpilz und
Bedeutung ist ein populäres Gift (so sehen es die Menschen),
das schon ganze Familien nach dem Verzehr ver-
Pilze sind heterotrophe Eukaryonten. Sie besitzen Zell- meintlicher Champignons aus dem Wege geräumt
wände, die aus Chitin sind. Als Saprophyten (Faul- hat. Es ist hepatotoxisch.
stoffverwerter) ernähren sie sich von Stoffwechsel- 4 Antibiotika, z. B. Penicillin, Gift (so sehen es Bak-
produkten anderer Organismen. Alternativ genießen terien) von Penicillum notatum. Es hemmt die Zell-
sie das Miteinander (als Symbionten) oder eher Gegen- wandsynthese der grampositiven Bakterien.
einander (als Parasiten) mit anderen lebenden Lebe- 4 Ergotamin (von Claviceps purpurea) führt zur
wesen. Kontraktion der Uterusmuskulatur. Außerdem hat
Humanpathogene Pilze als Verursacher von Myko- es halluzinogene Wirkungen.
sen sind z. B.:
4 Dermatophyten: Sie befallen Haut und Hautan- KLINIK
hangsgebilde, z. B. Nägel und Haare. Das Gift eines einzigen Knollenblätterpilzes (ca.
4 Hefen (z. B. Candida albicans): Verdauungstrakt 50 g) genügt, um lebensgefährliche Vergiftungen
und Genitalbereich. bei einem Menschen mit einem Gewicht von 70 kg
4 Schimmelpilze: Respirationstrakt. hervorzurufen.

KLINIK
Eine in der Klinik gefürchtete Candidainfektion
ist die systemische Candidamykose mit Candida 3.6 Viren
Sepsis. Sie betrifft v. a. immun geschwächte Pa-
tienten und es kommt zur hämatogenen Aussaat 3.6.1 Virusbegriff
von Candida-Species mit Absiedlung in verschie-
dene Organe. Viren sind Makromoleküle, die sich nur auf Kosten
anderer Organismen ernähren und vermehren können.
Je nach Wirtspräferenz gibt es Viren, die Bakterien be-
fallen (Bakteriophagen, bakterielle Viren), eukaryon-
3.5.2 Wachstumsformen tische tierische Viren und pflanzliche Viren.

Pilze bilden ein fadenförmiges Geflecht, das Myzel.


Zellfäden des Myzels sind die Hyphen. Sie können 3.6.2 Aufbau
kompartimentiert sein oder ein Kontinuum bilden.
Im Unterschied dazu sind Sprosspilze (Hefen) hy- Zelluläre Strukturen, Ribosomen oder ein eigener
phenlos. Zellstoffwechsel fehlen den Viren. Die Größe der Viren
liegt zwischen 20 nm (Poliomyelitis-Virus) und 300 nm
(Mumpsvirus). Sie enthalten entweder nur eine DNA
3.5.3 Vermehrung in Doppelstrang- oder Einzelstrangform oder RNA.
Die Nukleinsäuren sind in einen Proteinmantel gehüllt
Asexuelle Fortpflanzung: Pilze pflanzen sich asexuell (Capsid). In großen Bakteriophagen liegt die DNA
durch Zerfall von Hyphen fort, die Sporen entlassen. (oder RNA) im Kopf, an dem ein Schwanz heftet. Dieser
34 Kapitel 3 · Grundlagen der Mikrobiologie und Ökologie

kann zusätzlich kleine Stacheln (spikes) besitzen, die Impfung


Biologie

bei Anheftung und Injektion der Nukleinsäuren in die Der wirksamste Schutz gegen bekannte, epidemisch
Wirtszelle von Bedeutung sind. auftretende Virusinfektionen ist die Impfung. Hierbei
Als obligate Zellparasiten ist Viren nur daran ge- wird die Tatsache ausgenutzt, dass der Organismus die
legen, ihr genetisches Material wie ein Kuckucksei Proteinstruktur von Viren nach Impfung mit abge-
anderswo ausbrüten (transkribieren) zu lassen. Eine schwächten oder abgetöteten Erregern wieder erkennt
Hülle aus Protein erkennt geeignete Wirtszellen. und unschädlich macht.
Viren sind nicht nur hervorragende Modelle für
das Verständnis molekularbiologischer Vorgänge,
sondern leider auch Erreger für zahlreiche Erkran- 3.7 Prionen
kungen.
Prionen (engl. proteinaceous infectious particle) sind
sehr kleine infektiöse Molekülkomplexe. Sie kommen
3.6.3 Vermehrung und Genetik in tierischen Organismen natürlicherweise vor, können
normalerweise vom Organismus korrigiert werden. Sie
Viren vermehren sich durch folgende Mechanismen: enthalten kein eigenes genetisches Material. Physio-
4 Adsorption: Die tierischen Viren vermehren sich, logischerweise sollen Prionen auch eine Rolle bei der
indem sie sich zunächst an die ausgewählte Zelle Neurogenese spielen.
anheften.
4 Penetration: Nach Fusion der Virushülle mit der
Zellmembran wird das Capsid in die Wirtszelle in- 3.7.1 Theorien zu Aufbau und Vermehrung
jiziert. Es folgt das Restvirus nach, den die Wirts-
zelle phagozytiert. Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CFD)
4 Uncoating: In der Wirtszelle wird sodann die Pro- Die CFD ist eine sehr selten auftretende Erkrankung,
teinhülle des Virus-Nucleotids aufgelöst, somit das die auf der Veränderung gesunder Proteine in Nerven-
Genom des Virus freigesetzt. zellen des Gehirns durch abnorm gefaltete Prion-
4 Replikation: Der Apparat der Wirtszelle repliziert proteine beruht. Folge ist eine Art Klumpenbildung
nun die fremde Nukleinsäure und Proteine. der Proteine und Induktion von Apoptose der Nerven-
4 Maturation und Liberation: Am Ende wird alles zellen. Der diagnostische Begriff »spongioforme
zu neuen Viren zusammengesetzt, die dann aus der Enzephalopathie« bezeichnet die schwammartige Auf-
Zelle ausgeschleust werden. Dabei geht die Wirts- lockerung des Nervengewebes befallener Gehirnre-
zelle durch Lyse meist zugrunde. gionen.
Die Übertragungsweise ist ungeklärt. Es gibt spora-
Tumorviren dische, genetische Faktoren und übertragene Formen
Falls virale Gene in das Genom der Wirtszelle ein- (selten). Eine Variante mit ähnlichen Symptomen, aber
gebaut werden (Viren als Vektoren), können diese besser verstandenem Übertragungsmodus ist die BSE
zu Tumorzellen transformiert werden. Die Viren be- (Bovine spongioforme Enzephalopathie).
nötigen reverse Transkriptase, d. h., RNA wird mit
diesem viralen Enzym in DNA umgeschrieben. Solche
Viren heißen Retroviren. Beim Menschen ist dies für 3.8 Ausgewählte Kapitel
die adulte T-Zell-Leukämie (HTL-V1), die Haarzell- aus der Ökologie mit Bezügen
Leukämie (HTL-V2) sowie HTL-V3 (HIV) nachge- zur Mikrobiologie
wiesen.
3.8.1 Stoffkreisläufe
Virostatika
Ansatzpunkte für eine spezifische Therapie sind Medi- Kreisläufe für Stickstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff
kamente, die in die Replikation des Virus eingreifen sind wichtig für das Wachstum und Vermehrung der
Interferone sind streng spezies-spezifische, zelleigene organischen Materie.
Abwehrproteine, die bei einer Virusinfektion freige-
setzt werden. Sie unterdrücken auf noch nicht ganz Stoffkreislauf des Stickstoffs
geklärte Weise die Virusentwicklung, u. a. durch Verän- Der Stickstoffanteil der Luft beträgt zwar 78%, aber nur
derung der Zellmembranen, die Bildung eines Transla- wenige Mikroorganismen können ihn als molekularen
tionshemmers und eines exotischen Nucleotids. Stickstoff verwenden, z. B. Bakterien und Blaualgen.
3.8 · Ausgewählte Kapitel aus der Ökologie mit Bezügen zur Mikrobiologie
35 3

Pflanzen können Stickstoff in der Regel nur als Nitrat Populationen können sich verändern. Zu den Dichte-
oder Ammoniak aufnehmen. unabhängigen begrenzenden Faktoren (Gedränge-Fak-
Die Eutrophierung von Gewässern beruht auf der tor) zählen:
übertriebenen Zufuhr von Phosphat, das in Dünger 4 Abiotische Faktoren: Verknappung von Wasser
und Waschmitteln enthalten ist. Dies führt zu verstär- und Nahrung, Klimaänderungen, Unwetter, sowie
ktem Algenwachstum, besonders gefragt sind solche, 4 Biotische Faktoren: Seuchen, Konkurrenzverhal-
die ohne Sauerstoff auskommen (Anaerobier). Sie ten, Parasitenbefall.
produzieren Giftgas (Methan, Schwefelwasserstoffe).
Es kommt zur Faulschlammbildung, der zum Abster- Auch Dichte-abhängige Faktoren beeinflussen die
ben der Lebewesen führt (Umkippen eines Gewässers). Größe einer Population, z. B. die Anzahl ihrer Mit-
Nachgelieferter Sauerstoff könnte das kompensieren. glieder selbst (steigende Zahl von Räubern führt zur
Kläranlagen entlasten die biologischen Systeme, Nahrungsmittelknappheit und Dezimierung der Räu-
indem organische Abwasseranteile kontrolliert in anor- berdichte). Der Sozialindex bezeichnet die Geschlech-
ganische Endprodukte zerlegt werden. terproportion innerhalb einer Population.

3.8.2 Nahrungskette 3.8.4 Wechselbeziehungen zwischen


artverschiedenen Organismen
Die Nahrungskette besteht aus folgenden Gliedern:
4 Produzenten: dies sind Organismen, die aus an- Das Zusammenleben verschiedener Kulturen bereitet
organischen Substanzen und Licht organische Ver- deren Angehörigen allenthalben Kopfzerbrechen. In
bindungen aufbauen. Zu ihnen gehören Pflanzen der Biologie gibt es dort mehrere Konzepte:
und einige Bakterien (autotrophe Organismen). 4 Bei der Symbiose finden sich Individuen zweier
4 Konsumenten: Dies sind Teilnehmer der Nahrungs- Arten zusammen, um gemeinsam voneinander zu
kette,die andere artspezifische Verbindungen auf- profitieren. Was täten die Rindviecher (die sich be-
bauen. Man kann sie einteilen in herbivore und kar- kanntlich von cellulosehaltigem Material ernähren:
nivore Konsumenten (heterotrophe Organismen). Gras) ohne Individuen, die über cellulose-abbauen-
de Enzyme verfügen? In ihren Pansen arbeiten ent-
Die Produzenten haben jedoch Eigenkosten. Abge- sprechend ausgestattete Ciliaten. Darmbakterien des
zogen von der Bruttoprimärproduktion müssen Steu- Menschen produzieren Vitamin K. Ohne dieses läuft
ern, Abgaben, Strafen, Zölle (d. h. Wärmeenergie, At- nichts (oder eher zuviel) in der Blutgerinnung.
mungsverlust). Erst die Nettoprimärproduktion steht 4 Kommensalismus ist das Zusammenleben von
den Konsumenten zum Aufbau der Biomasse zur Ver- Nachbarn, die nichts voneinander hören und sehen.
fügung. Niemand hat einen Nutzen, und keiner einen Scha-
den (Fressgemeinschaft. Beispiel: Mensabetrieb
oder neosozialistischer Wohnblock).
3.8.3 Regulation der Populationsgröße 4 Parasitismus: Parasiten leben in einem Organis-
in einem Ökosystem mus, ernähren sich von ihm und schaden ihm. Im
Pflanzenreich wäre die Mistel ein Beispiel, die als
Die Populationsökologie befasst sich mit individuellen schmarotzender Epiphyt auf anderen Bäumen lebt
Reaktionen von Angehörigen einer Art, die in einem und von dessen Detritus lebt. Im menschlichen
Biotop leben (z. B. öffentlicher Dienst). Organismus kommen zahlreiche Hautbakterien
Charakteristika einer Population sind: vor, die sich an der nahrhaften Epidermis gut tun.
4 Größe, Parasiten sind ärztliches Großkampfgebiet, denn
4 Dichte und etwa 1 Milliarde Menschen sind von Parasiten be-
4 Struktur, die wiederum untergliedert werden kann troffen (Flöhe, Läuse, Hundebandwurm, Anophe-
in Sozialstruktur und Altersstruktur. les-Mücke u. v. a. m.).
Physik

1 Grundbegriffe des Messens und der


quantitativen Beschreibung – 38

2 Mechanik – 48

3 Struktur der Materie – 60

4 Wärmelehre – 68

5 Elektrizitätslehre – 78

6 Schwingungen und Wellen – 104

7 Optik – 116

8 Ionisierende Strahlung – 132


Physik
39 1

1 Grundbegriffe des Messens


und der quantitativen Beschreibung
Mind Map
Die Physik beschäftigt sich mit fundamentalen, quan- Messung einfacher physikalischer Größen: Der Arzt
titativ erfassbaren Erscheinungen der unbelebten ermittelt Körpergröße und Gewicht (Körpermasse) des
und belebten Natur und beschreibt die gefundenen Patienten, seine momentane Temperatur, die Pulsfre-
Gesetzmäßigkeiten mithilfe von geeigneten physika- quenz, den systolischen und diastolischen Blutdruck. Er
lischen Größen. notiert die Höhe der Temperatur in °C, die Körpergröße
Auch die Medizin kann auf die Verwendung in cm, die Zahl der Herzpulse pro Minute, den Blutdruck
von physikalischen Größen und Vorstellungen nicht in mmHg-Säule und zieht daraus erste Schlüsse auf den
verzichten. Einmal, weil auch Chemie, Biochemie, Zustand des Patienten.
Pharmakologie und auch die Physiologie auf physi- Diese physikalischen Werte werden in Basisgrößen
kalischen Erkenntnissen aufbauen, zum anderen, und Basiseinheiten des SI-Systems dokumentiert, und
weil die vielen technischen Hilfsmittel der Apparate- zur besseren Interpretation grafisch dargestellt oder
medizin ohne physikalisches Grundverständnis nicht mithilfe von Formeln gewonnen, z. B. bei der Berech-
gefahrlos genutzt werden können. So beginnt die nung des Mittelwerts oder der Standardabweichung
ärztliche Untersuchung eines Patienten meist mit der ausgewertet.
40 Kapitel 1 · Grundbegriffe des Messens und der quantitativen Beschreibung

1.1 Physikalische Größen


und Einheiten

1.1.1 Skalare und vektorielle Größen

In Tabellen oder Formeln werden physikalische Grö-


ßen meist durch charakteristische Buchstaben des latei-
nischen oder griechischen Alphabets symbolisiert, z. B.
Physik

steht häufig m für Masse, ρ für die Dichte, p für Druck


und f für Frequenz.
Physikalische Größen, die eine bestimmte Rich-
tung im Raum haben, nennt man vektorielle oder ge-
richtete Größen (Vektoren) im Gegensatz zu skalaren
oder ungerichteten Größen, so genannten Skalaren. . Abb. 1.2. Vektoraddition: Die Zerlegung eines räumlichen

Zum Beispiel haben die Geschwindigkeit eines Körpers Vektors a in seine 3 senkrecht zu einander stehenden Kom-
  
oder die auf ihn wirkenden Kräfte immer bestimmte ponenten ax , ay und az . (Harten 2006)
Richtungen, nicht aber dessen Masse, Energie oder
Temperatur.
Addition, aber trägt den zu subtrahierenden Vektor
Merke entgegen seiner Richtung auf. Die Zerlegung eines

Skalare Größe = MaßzahluEinheit räumlichen Vektors a in seine 3 senkrecht zu einander
  
Vektorielle Größe = BetraguRichtunguEinheit stehenden Komponenten ax , a y und az zeigt . Abbil-
dung 1.2.

Die Produktbildung von Zahlenwert und Einheit ist rein Prüfungsfallstricke


formal und erlaubt damit das Zusammenfassen bzw. das Die Größe Zeit hat nur eine zeitliche Richtung und
Kürzen von Einheiten in Formeln, wo mehrere physika- ist deshalb kein Vektor!
lische Größen miteinander kombiniert werden. Das
Mal-Zeichen wird oft nicht ausgeschrieben, z. B. in
quantitativen Angaben wie Körpergröße L=186 cm.
Der vektorielle Charakter einer physikalischen 1.1.2 Basisgrößen und Basiseinheiten des
Größe wird häufig durch einen Pfeil über ihrem Buch- Internationalen Einheitensystems
stabensymbol angegeben, die Richtung selbst ist durch
die Komponenten eines so genannten Einheitsvektors Für physikalische Größen werden häufig sehr unter-
der Länge 1 bezüglich der 3 Raumachsen festgelegt. schiedliche Einheiten benutzt. So kann ein Zeitintervall
Multipliziert man diese mit dem Betrag des Vektors, in Jahren, Monaten, Wochen, Stunden, Minuten oder
so erhält man die Komponenten des Vektors in den Sekunden angegeben werden, Längen werden je nach
3 Raumrichtungen. Objekt oder Land in Vielfachen oder Bruchteilen von
Das Vorgehen bei der Addition von 2 Vektoren be- Metern, Zoll, Fuß, Yard oder Meilen ausgedrückt, was
schreibt die . Abbildung 1.1. Bei der Subtraktion eines bei der Beschreibung von zusammengesetzten Größen
Vektors von einem anderen verfährt man wie bei der wie »Geschwindigkeit = Weg durch Zeit« eine ver-
wirrende Vielzahl von Einheiten möglich macht (von
Meter/Sekunde bis Meilen/Stunde), die ineinander
umzurechnen jeweils besondere Umrechnungsfaktoren
erfordern.
Man hat deshalb für wissenschaftliche Zwecke das so
genannte Internationale Einheitensystem (SI-System)
entwickelt, in dem sich jede physikalische Größe als eine
von 7 Basisgrößen oder eine Kombination von diesen
darstellen lässt, und zwar in der Einheit des entspre-
. Abb. 1.1. Vektoraddition. Man trägt den zu addierenden chenden Potenzprodukts von Basiseinheiten. Die 7 Basis-
Vektor von der Pfeilspitze des Ausgangsvektors aus auf. Die größen des SI-Systems, ihre Basiseinheiten und die für
resultierende Summe zeigt der blaue Pfeil an. (Harten 2006) sie zu gebrauchenden Zeichen sind in . Tabelle 1.1 zu-
1.1 · Physikalische Größen und Einheiten
41 1

. Tab. 1.1. Die 7 Basisgrößen und Basiseinheiten des . Tab. 1.2. Kurzschreibweise von Zehnerpotenzen
SI-Systems
Vor- Kurz- Zehner- Vor- Kurz- Zehner-
Basisgröße Basiseinheit Zeichen silbe form potenz silbe form potenz
im SI-System
Deka da 101 Dezi d 10–1
Länge Meter m
Hekto h 102 Centi c 10–2
Zeit Sekunde s
Kilo k 103 Milli m 10–3
Masse Kilogramm kg
Mega M 106 Mikro μ 10–6
Elektrische Stromstärke Ampere A
Giga G 109 Nano n 10–9
Temperatur Kelvin K
Tera T 1012 Piko p 10–12
Stoffmenge Mol mol
Lichtstärke Candela cd
Merke
Wird eine zusammengesetzte physikalische Größe
sammengestellt. So hat z. B. die Massendichte ρ eines nicht in einer SI-kohärenten Einheit angegeben,
Stoffs wegen ρ=Masse/Volumen die SI-Einheit kg/m3. so rechnet man sie in eine SI-kohärente Einheit um,
Winkel werden entweder im Gradmaß angegeben, indem man jede angegebene Einheit in Basisein-
wobei 1° dem 360. Teil des Vollkreises entspricht, oder heiten des SI-Systems umrechnet.
als das Verhältnis vom zugehörigen Kreisbogen s zum
Radius r. Dieses dimensionslose Verhältnis wird in der
Einheit Radiant angegeben: Um das Sprechen oder Schreiben von sehr kleinen oder
4 1 Radiant=1 rad=1 m∕1 m; großen physikalischen Größen zu vereinfachen, drückt
4 aus α/360°u2π=1 folgt: 1 rad entspricht einem man gern die zugehörigen Zehnerpotenzen durch ent-
Winkel α=360°/2π=57,296°. sprechende Vorsilben bzw. vor die SI-Einheit gestellte
4 Umgekehrt entspricht 1°=2π/360=0,0174533 rad. Kurzformen aus, wie in . Tabelle 1.2 angegeben.

Im Examen wird häufig nach geometrischen Abhän- Beispiele


gigkeiten gefragt. Die wichtigsten Formeln sind in den Dehnt sich ein Gas bei einem konstanten Druck
folgenden Merksätzen für Kreise und Kugeln vom Ra- von 1000 mb um 1 l aus, so wird die Arbeit W=
dius r und für Zylinder mit Radius r und Höhe h zusam- 1000 mbaru1 dm3 geleistet. Da 1 mbar=1 hPa=100 Pa
mengestellt: und 1 l=(0,1 m)3=10–3 m3 entspricht, ist W=1000u100u
10–3 Pam3=100 Nm (s. o.). Die Lichtgeschwindigkeit
Merke c=3u108 m/s=300.000 km/s lässt sich so auch als
Kreis: Umfang U=2πur; Fläche A=πur2. c=0,3 Gm/s oder c=30 cm/ns schreiben.
Kugel: Oberfläche O=4πur2; Volumen V=4∕3uπur3.
Zylinder: Oberfläche A=2πur2+2πuruh; Volumen Merke
V=πur2uh. Obwohl das kg die Basiseinheit der Masse im SI ist,
schreibe man nie für 1 mg (1 Milligramm) 1 μkg,
da das k in kg bereits eine Vorsilbe darstellt. Damit
man nicht m für Milli mit m für Meter verwechselt,
1.1.3 SI-kohärente Einheiten, Kurzschreib- schreibe man bei zusammengesetzten Einheiten
weise von Zehnerpotenzen das m für Meter hinter die andere Einheit, da z. B.
Nm immer als NewtonuMeter, aber mN auch als
Die Einheit einer physikalische Größe ist SI-kohärent, Millinewton interpretiert werden kann.
wenn sie sich mit Faktoren 1 auf SI-Basiseinheiten zu-
rückführen lässt. Daher sind Produkte aus SI-kohä-
renten Einheiten wieder SI-kohärent: z. B. ergibt das
Produkt aus Druck mal Volumen automatisch die geleis-
tete Ausdehnungsarbeit eines Gases in NewtonuMeter
(Nm) an, wenn der Druck in Pascal (1 Pa=1 kgum–1
us–2) und das Volumen in m3 angegeben wird.
42 Kapitel 1 · Grundbegriffe des Messens und der quantitativen Beschreibung

1.2 Messen und Unsicherheiten 1.2.2 Erwartungswert, σ-Breite einer


beim Messen Normalverteilung, maximaler Fehler,
absoluter und relativer Fehler
1.2.1 Systematische und zufällige Fehler
Den Wert der zu messenden Größe bei einer unbegrenz-
Die Messung einer physikalischen Größe geschieht wie ten Zahl von Fällen nennt man ihren Erwartungswert.
folgt: Man vergleicht entweder optisch die zu messende Wiederholt man eine Messung unter den gleichen
Größe mit einer in entsprechenden Einheiten geeichten äußeren Bedingungen, so wird das Messergebnis vom
Physik

Skala (Messlatte, Waage, Thermometer, Druckmessge- Erwartungswert <x> um den Wert Δx abweichen, des-
rät, Amperemeter usw.) oder bestimmt die zu messende sen Wahrscheinlichkeit durch eine Gaußsche Normal-
Größe indirekt durch elektrische Verfahren, die ein ge- verteilung der Breite σ gegeben ist. Diese σ-Breite wird
eichtes Zählwerk betätigen (z. B. Gas- und Strom- und dann als Maß für den zufälligen Fehler genommen und
Wasserverbrauchzähler) oder neuerdings durch digi- auch als Streubreite bezeichnet. Ca. ⅔ aller Messwerte
tale Anzeigen. Messungen von physikalischen Größen sind im Intervall ±σ zu erwarten, ⅓ außerhalb.
sind immer fehlerbehaftet. Die Messfehler werden auf Der maximale Fehler einer Einzelmessung setzt
zwei Ursachen zurückgeführt: sich aus der Summe der Beträge des geschätzten sys-
4 systematische Fehler und tematischen und zufälligen Fehlers zusammen. Wird
4 zufällige (so genannte statistische) Fehler. der so definierte absolute Fehler durch die Messgröße
selbst dividiert, erhält man den so genannten relativen
Der systematische Fehler geht auf Unzulänglichkeiten Fehler einer Messung.
der Messapparatur zurück. Zum einen ist die Kalibrie-
rung einer Apparatur immer fehlerbehaftet, zum ande- Merke
ren können Temperatur- oder Druckschwankungen Der absolute Fehler hat dieselbe Einheit wie das
oder andere zeitlich sich ändernde Umwelteinflüsse Messergebnis. Der relative Fehler ist dimensionslos
Einfluss auf die Kalibrierung haben. (Angabe meist in %).

Merke
Kennt man die störenden Faktoren einer Messung
quantitativ, so kann gegebenenfalls auf den syste- 1.2.3 Mittelwert, Streuung und Fehler
matischen Fehler korrigiert werden. des Mittelwerts

Führt man eine Messung n Mal in gleicher Weise mit


Der zufällige Fehler geht zum einen auf die Ungenau- Messwerten xi durch, so kann man den Erwartungswert
igkeit zurück, mit der jeder Ablesevorgang verknüpft der Messgröße durch den so genannten Mittelwert
ist. Selbst bei digitalen Anzeigen beinhaltet die letzte
Ziffer immer eine Unsicherheit von einer Einheit der 1 n
x= Â xi
letzten Stelle, da man ja nicht weiß, ob dieser Wert n i =1
gerade erreicht wurde oder der nächsthöhere Wert
gerade noch nicht! Zum anderen kann die zu messende abschätzen, um den die Messwerte gemäß einer Nor-
Größe selbst eine statistische sein, d. h., eine, für die malverteilung der Breite σ streuen, wobei σ als Stan-
zwar eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für den Ein- dardabweichung bezeichnet wird:
tritt angenommen wird, aber die Messung aufgrund
einer begrenzten Zahl von Fällen (z. B. bei Patienten-
1 n
statistiken oder von Zerfällen bei der Radioaktivität) s= Â (xi - x )2
n - 1 i =1
mit einer inhärenten statistischen Unsicherheit be-
haftet ist, die sich jedoch mathematisch abschätzen
lässt. Der wahre gesuchte Wert (Erwartungswert) ist dann
mit hoher Wahrscheinlichkeit im Intervall ± Dx um
den Mittelwert x herum zu finden. Dieser Fehler des
Mittelwerts berechnet sich nach der Formel:

1 n 1
2
Dx = Â (xi - x ) = s ¥ .
n(n - 1) i =1 n
1.3 · Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen
43 1
1.2.4 Fehlerfortpflanzung 1.3 Zusammenhänge zwischen
physikalischen Größen
Ist eine physikalische Größe durch mehr als eine Mess-
größe zu bestimmen, so tragen die Fehler jeder Mess- Die Abhängigkeit einer physikalischen Größe von ande-
größe zum Gesamtfehler bei. Betrachten wir der Ein- ren wird in der Physik durch so genannte Größenglei-
fachheit halber nur den maximalen Fehler, so gelten je chungen ausgedrückt. Das heißt, die gefundenen Zu-
nach funktionalem Zusammenhang der Messgrößen sammenhänge von physikalischen Größen werden in
folgende wichtige Regeln: mathematische Formeln oder Gesetze gefasst. Dabei
muss sich das Produkt der Einheiten auf der rechten Sei-
Merke te der Gleichung so zusammenfassen lassen, dass das
Bei der Summation oder Differenzbildung von Ergebnis mit dem Produkt der Einheiten auf der linken
Messgrößen addieren sich die absoluten Fehler Seite übereinstimmt. Um dies zu prüfen, muss man unter
der einzelnen Summanden und Minuenden. Umständen alle verwendeten Einheiten in entsprechende
Setzt sich die zu messende Größe aus dem Pro- Basiseinheiten z. B. des SI-Systems umrechnen.
dukt oder dem Quotienten einzelner Messgrößen Die folgenden Unterabschnitte geben eine Über-
zusammen, so addieren sich die relativen Fehler sicht über die wichtigsten mathematischen Funktionen
der einzelnen Faktoren. und ihren grafischen Verlauf.

Beispiele 1.3.1 Grafische Darstellungen


Die Seiten a und b eines rechteckigen Zimmers werden
mit einer Messlatte von 2 m Länge ausgemessen, wobei Bei grafischen Darstellungen trägt man am besten jede
bei jedem Anlegen der Latte ein Messfehler von ±0,5 cm physikalische Größe, geteilt durch die verwendete Ein-
in Rechnung zu stellen ist. heit, also einen dimensionslosen Zahlenwert, gemäß
der entsprechend beschrifteten Koordinatenachse auf.
a=a1+a2+a3, b=b1+b2 Dann machen auch halb- oder doppellogarithmische
a1=200 cm, a2=200 cm, a3=100 cm; b1=200 cm, Auftragungen Sinn: z. B. trägt man bei einer Fieber-
b2=185 cm. kurve auf der Ordinate den Verlauf der Zahlenwerte
Temperatur/°C gegen die Zahlenwerte Zeit/h auf der
Dann ist Δa=±1,5 cm und Δb=±1 cm, bzw. die rela- Abszisse auf, bei radioaktiven Zerfällen log(Aktivität/
tiven Fehler lauten Δa∕a=±1,5/500=±0,3% und Δb/b= Bq) gegen Zeit/s.
1/385=±0,26%.
Der Umfang U=2(a+b)=2(500+385) cm=1770 cm
ist dann auf ΔU=±2(1,5+1) cm=±5 cm, bzw. auf 1.3.2 Die Geradengleichung
ΔU/U=5/1770=±0,28% genau bestimmt. und Darstellung der linearen und
Die Zimmerfläche A=aub=192.500 cm2=19,25 m2 proportionalen Abhängigkeit
hat dann
einen relativen Fehler von ΔA/A=Δa/a+Δb/b=± Die einfachste Abhängigkeit einer physikalischen
(0,3+0,26)%=±0,56%, bzw. Größe von einer anderen ist eine lineare Abhängigkeit,
eine absolute Ungenauigkeit von ΔA=0,0056uA= die in der grafischen Darstellung die Form einer Gera-
±0,11 m2. den annimmt:
In Wirklichkeit sind die tatsächlichen Unsicher-
y=f(x)=mux+c.
heiten kleiner als der so berechnete maximale Fehler, da
sich Fehler ja unter Umständen kompensieren können. Dabei ist m=tagα die Steigung der Geraden und c der
Deshalb werden bei genaueren Abschätzungen die Achsenabschnitt bei x=0 (. Abb. 1.3). Die Steigung der
Quadrate der absoluten bzw. relativen Fehler addiert Geraden für 2 beliebige Punkte P1(x1,y1) und P2(x2,y2)
und als Gaußscher Fehler die Quadratwurzel aus der auf der Geraden ist grafisch gegeben durch den Diffe-
resultierenden Summe genommen. renzenquotienten (. Tab. 1.3):
m=(y2–y1)/(x2–x1)=Δy/Δx.
Für den Fall c=0 geht die Gerade durch den Ursprung
und y ist direkt proportional zu x mit dem Proportio-
nalitätsfaktor m.
44 Kapitel 1 · Grundbegriffe des Messens und der quantitativen Beschreibung

Die anschauliche Bedeutung der Proportionali- Abstände aller Messpunkte von der Ausgleichsgeraden
tät ist: Die Größe y ändert sich in gleichem Maß (pro- minimal wird.
zentual oder relativ) wie die Größe x, von der sie ab-
hängt.
Mathematisch gilt allgemein: Die Tangente durch 1.3.4 Die Hyperbel und Darstellung
einen Punkt x der durch die Funktion f(x) gegebenen der umgekehrt proportionalen
Kurve hat eine Steigung, die durch den Differenzial- Abhängigkeit
quotienten, d. h. die erste Ableitung der Funktion f ’(x)
Physik

definiert ist: m=f ’(x)=dy∕dx. Er geht für 2 beliebig nahe Im Falle der umgekehrten Proportionalität (y=c/x) än-
gelegene Punkte aus dem Differenzenquotienten her- dert sich die Größe y in gleichem Maß (prozentual oder
vor. relativ) wie die Größe 1/x, von der sie abhängt. Oder
anders gesagt, sind 2 physikalische Größen umgekehrt
proportional, wenn ihr Produkt yux=c konstant ist.
1.3.3 Die Anpassung von Ausgleichs- Wächst x um einen Faktor, so vermindert sich y um
geraden denselben Faktor.
Grafisch entspricht diese Relation einer Hyperbel.
Bei mehreren gegebenen Messpunkten mit Fehler- Da man eine Gerade an gegebene Daten mit Messfeh-
balken besteht die Auswertung einer Messung häufig lern leichter anpassen kann als an eine Hyperbel, lässt
darin, dass man an die Messdaten eine lineare Funk- sich durch die Substitution z=1/x die Hyperbelfunktion
tion, d. h. eine Gerade anpasst, aus deren Steigung in eine Gerade durch den Ursprung umwandeln: y=cuz
und/oder Achsenabschnitt man die gewünschte (. Abb. 1.3).
Information erhalten will. Mithilfe eines durchsich-
tigen Lineals findet man am leichtesten die gesuchte
Ausgleichsgerade, indem man das Lineal so anlegt, 1.3.5 Das Rechnen mit Potenzen
dass möglichst gleich viele Messpunkte oberhalb wie und Logarithmen
unterhalb der Linealkante liegen und die Abwei-
chungen der Messpunkte von der Geraden möglichst Multipliziert man eine Zahl oder ihr Symbol n-mal
klein sind. mit sich selbst, so schreibt man das Ergebnis verein-
Mathematisch bzw. per Computerprogramm facht an, z. B. 10u10u10u10=104. Diese Schreibweise
macht man das, indem man die Lage der Ausgleichsge- hat auch noch Bedeutung, wenn n keine ganze Zahl ist,
raden solange variiert, bis die Summe der Quadrate der sondern eine beliebige reelle, positive oder negative

. Abb. 1.3. Gerade und Hyperbel:


grafische Darstellung proportionaler y
und umgekehrt proportionaler Ab- 3 y=x
hängigkeit

y = 12– x

1 y = 3–x

y = 1–x

0 1 2 3 x
1.3 · Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen
45 1

Zahl, und wenn man statt der Basis 10 eine beliebige KLINIK
positive Zahl a einsetzt. Es gelten dabei folgende In Physik und Chemie sowie in Physiologie und Bio-
Regeln: chemie rechnet man gern mit Logarithmen, wenn
Messergebnisse im Bereich von vielen Größenord-
Merke nungen variieren, wie z. B. bei der Angabe von Laut-
anuam=an+m; an∕am=an–m; a0=1, weil an∕an=an–n=a0; stärken in der Akustik (Phonmaß in 7 Kap. 6.3.4)
(an)m=anum; a1∕n=n√a, da (a1/n)n=an/n=a1=a. oder der Azidität von Lösungen (pH-Wert in
Beim Rechnen mit sehr großen und/oder kleinen 7 Kap. 5.7.2).
Zahlen ist es vorteilhaft, alle Zahlen in Zehnerpo-
tenzen zu schreiben und Letztere dann zusammen-
zufassen.
Als Beispiel: 0,00000156u75.400.000/314.000= 1.3.6 Die Exponenzialfunktion und das
1,56u7,54/3,14u10–6+7–5=3,746u10-4. Rechnen mit Logarithmen zur Basis e

Die Exponenzialfunktion ex zur Basis e=2,72… spielt


Im Prinzip lässt sich jede positive reelle Zahl als Potenz eine wichtige Rolle bei der Beschreibung physikalischer
einer bestimmten Basis schreiben. So ist z. B. 2=100,30103. Vorgänge wie Populationswachstum bei konstanter Re-
Den Exponenten zur Basis 10, der die Zahl 2 wieder- produktionsrate bzw. Schwächung von Licht und Rönt-
gibt, bezeichnet man als den Logarithmus von 2 zur genstrahlung beim Durchgang durch Materie oder
Basis 10: log102=log2 mit log2=0,30103. Für das Rech- Abfall der Aktivität von radioaktiven Präparaten mit
nen mit Logarithmen gilt daher entsprechend den oben der Zeit.
aufgeschriebenen Regeln für Potenzen Folgendes, wo- Ihre mathematische Bedeutung liegt darin, dass sie
bei man mit loga immer log10a meint: die einzige Funktion ist, deren Ableitung f c(x) wieder die
Funktion f(x) selbst ist. Die Funktion ex wächst ab einem
Merke bestimmten x stärker als jede Funktion xn. Die Funk-
log(aub)=loga+logb; log(a/b)=loga–logb; tionen ex und e–x sind in . Abbildung 1.4 dargestellt.
logan=nuloga; log10=1; log1=log100=0ulog10=0. Für x=1 hat sich die Funktion e1 um den Faktor e
Also ist: erhöht, bzw. sie ist bei e–1 um den Faktor e auf 1∕e abge-
log1012=12ulog10=12; fallen.
log10–8=-8; Trägt man die Funktion y=c1uexp(–c2ux), die z. B.
log(6,023u1023)=log6,023+23=23,78 den radioaktiven Zerfall beschreibt (7 Kap. 8), im halb
logarithmischen Maßstab zur Basis e auf (mit lna ist

. Tab. 1.3. Die Winkelfunktionen


Funktion Definiton Zusammenhang Vorzeichen Typische Werte
1., 2., 3., 4. Quadrant
sin a = Gegenkathete = cos (90∞- a) + + − − sin0°=0,00
Hypothenuse sin30°=0,50
= 1- cos2 a
sin45°=0,71
sin60°=0,87
sin90°=1,00
cos a = Ankathete = sin (90∞- a ) + − − + cos0°=1,00
Hypothenuse cos30°=0,87
= 1- sin2 a
cos45°=0,71
cos60°=0,50
cos90°=0,00
tan a = Gegenkathete sin a + − + − tan0°=0,00
=
1 Ankathete cos a tan30°=0,58
=
cot a für a £ 10∞ : tan45°=1,00
sin a @ tan a tan60°=1,73
tan90°=± ∞
46 Kapitel 1 · Grundbegriffe des Messens und der quantitativen Beschreibung

1
y
100 y=e x 120° 60°

1
α

sin α
10
Physik

10 –1 1
cos α
1

0,1
240° 300°
–1

0,01 y = e–x . Abb. 1.5. Darstellung der Winkelfunktionen auf dem


Einheitskreis

0,001
0 1 2 3 4 5 6 7 x

. Abb. 1.4. Die Exponenzialfunktionen y=ex und y=e–x bei


halblogarithmischer Auftragung

immer logea gemeint!), so erhält man eine abfallende


Gerade: z=lny=lnc1–c2ux=c1c–c2ux (. Abb. 1.4). Auf
diese Weise kann man leicht eine Ausgleichsgerade an
gemessene, exponenziell abfallende Werte anpassen!
Für das Rechnen mit Potenzen und Logarithmen
zur Basis e gelten analog dieselben Gesetze wie in Ab-
schnitt 1.3.5. Potenzen zur Basis e rechnet man in Zeh-
nerpotenzen um, gemäß ex=10xuloge=10xu0,4343. Umge-
kehrt gilt: 10x=exuln10=exu2,3026.

1.3.7 Die Winkelfunktionen

Die viel benutzten Winkelfunktionen sind über die


3 Seiten Gegenkathete, Ankathete und Hypotenuse
eines rechtwinkligen Dreiecks nach . Abbildung 1.5
und . Tabelle 1.3 definiert. Die Winkelfunktionen wer-
den bei der Zerlegung von vektoriellen Größen wie
Kraft und Impuls in ihre Komponenten gebraucht und
sind für die Beschreibung periodischer Vorgänge un-
entbehrlich.
Physik
49 2

2 Mechanik

Mind Map
Leben ist synonym mit der Vorstellung von Bewe- Zur Beschreibung chemischer Vorgänge ist der Be-
gung: lebende Körper oder einzelner Glieder ändern griff der Stoffmenge ein außerordentlich praktischer
ihre räumliche Lage mit der Zeit, Körperflüssigkeiten und nützlicher. Bezogene Größen sind physikalischen
strömen, Nervenerregungen breiten sich aus, Organis- Größen, die u.a. pro Masse (spezifische Größen), Volu-
men senden und empfangen Schall- und Lichtwellen. men (Dichten) oder Stoffmenge (molare Größen) defi-
Begrifflich unterscheidet man gleichförmige und niert sind.
beschleunigte Abläufe sowohl bei geradlinigen wie Für den Mediziner sind die Eigenschaften fester
auch bei kreisförmigen Bewegungen. Die formel- Körper bei Verformung wichtig für das Verständnis der
mäßige Beschreibung dieser Bewegungen fasst man Ursache von Knochenbrüchen und Bandscheiben-
unter dem Begriff Kinematik zusammen. vorfällen. Auch die Reißfestigkeit von Nähmaterial wie
Während die Kinematik nur die Bewegungen von Prolene gehört zu diesem Themenkreis.
Körpern beschreibt, handelt die Dynamik von Kräf- Der allseitig wirkende Druck in Flüssigkeiten, wie
ten, die auf massebehaftete Körper einwirken und im Bremssystem eines Autos oder modernen Fahrrads,
ihren Bewegungszustand ändern. Grundlage der Phy- ist das zentrale Funktionselement in solchen Systemen.
sik bewegter Körper sind die Newtonschen Axiome. Auch in der Medizin werden diese Drucke als Blutdruck,
Bei Bewegungen um ein Zentrum spielen Dreh- Augeninnendruck und osmotischer Druck gemessen.
moment, Trägheitsmoment und Drehimpuls dieselbe Der mit der Tiefe zunehmende Schweredruck ist für den
Rolle wie Kraft, Masse und Impuls bei linearen Bewe- Auftrieb von Körpern in Flüssigkeiten verantwortlich.
gungen. In der Medizin sind die resultierenden Ge- Die Moleküle eines Mediums üben anziehende
setze von Hebelwirkung, Schwerpunkt und Gleich- Kräfte aufeinander aus, was an der Oberfläche von Flüs-
gewicht wichtig für das Verständnis vieler Werkzeuge, sigkeiten zur Ausbildung einer Oberflächenspannung
Maschinen und Körperfunktionen, wie z. B. vom Ab- führt. An der Grenzfläche zu einem anderen Medium
lauf der Kraftübertragung beim Fahrrad fahren. erfahren diese Moleküle eine stärkere oder schwächere
Energie, Arbeit und Leistung sind zentrale Be- Anziehung zu den Molekülen des anderen Mediums.
griffe der Physik und Chemie sowie der Physiologie Diese Kräfte sind verantwortlich für das Verhalten von
und Biochemie. In der Medizin kommen sie bei Mes- Flüssigkeiten in Kapillaren, für die Existenz von Seifen-
sungen der Leistungsfähigkeit von Patienten mit Hilfe blasen und in der Medizin für die Gewinnung einer
von Ergometern vor oder bei der Bestimmung des kapillaren Blutprobe oder die Größe von Tropfen aus
Energieumsatzes der aufgenommenen Nahrung. Arzneifläschchen.
Körperliche Arbeit geht immer einher mit Wärmeer- Die Gesetzmäßigkeiten bei der Strömung von Flüs-
zeugung und deren Abfuhr durch Verdunstung. Auch sigkeiten und Gasen sind grundlegend für das Verständ-
der Mediziner sollte wissen, was die bei Geräten und nis der Vorgänge bei Atmung, Blutkreislauf, Infusion und
Maschinen angegebenen Leistungsangaben in Watt Injektion.
bedeuten.
50 Kapitel 2 · Mechanik

. Tab. 2.1. Wichtige Größen und Beziehungen für lineare . Tab. 2.2. Wichtige Größen und Beziehungen für lineare
Bewegungen bei konstanter Geschwindigkeit Bewegungen bei konstanter Beschleunigung ohne/mit
Anfangsgeschwindigkeit
Physikalische Sym- Formel SI-Einheit
Größe bol Physikalische Formel SI-Ein-
 Größe heit
Mittlere Ge- s - s Ds m/s=Meter/
v v= 2 1=
schwindigkeit t2 - t1 Dt Sekunde Konstante Be- dv Dv
a= @ = konst . m/s2
schleunigung a dt Dt
Physik

Momentane Ds ds m/s=Meter/
v v = lim =
Geschwindig- Dt Æ0 Dt dt Sekunde Momentan- v(t) = a ¥ t m/s
keit geschwindig-
Zurückgelegter s s = v ¥t m=Meter keit v ( t )
Weg t
Position s(t )
s( t ) = Ú v ( t ) ¥ dt = 21 ¥ a ¥ t 2 m
als Funktion 0
der Zeit
2.1 Bewegungen Geschwindig- v (t ) = v 0 + a ¥ t m/s
keit v (t ) bei
2.1.1 Lineare Bewegungen Anfangs-
geschwindig-
keit v 0
Die wichtigsten physikalischen Größen für geradlinige
Bewegungen und ihre Beziehungen zueinander sind in Position s(t ) s(t ) = v 0 ¥ t + 21 ¥ a ¥ t 2 m
. Tabelle 2.1 zusammengestellt. bei Anfangs-
Legt ein Körper im Zeitintervall Δt=t2–t1 die Weg- geschwindig-
strecke Δs=s2–s1 zurück, so definiert der Differenzen- keit v 0
quotient v=Δs/Δt dessen mittlere Geschwindigkeit im
gegebenen Zeitintervall.
Die momentane Geschwindigkeit des Körpers er-
hält man aus dem Differenzialquotienten v(t)=ds/dt, Weg gleich dem Integral über die Geschwindigkeit nach
wenn man den Quotienten v=Δs/Δt für beliebig kurze der Zeit (. Tab. 2.2).
Zeitintervalle betrachtet. Das heißt, die Momentan- t
n
geschwindigkeit ist die erste Ableitung des Weges nach s (t ) = Â v(ti ) ¥ Dti = Ú v (t ) ¥ dt .
der Zeit. Ihr entspricht im Weg-Zeit-Diagramm die i=1 0
Steigung der Kurve im entsprechenden Zeitpunkt
(. Abb. 2.1). Der nach den Regeln der Integration gewonnene Faktor
Eine konstante Geschwindigkeit v=konstant stellt ½ ist grafisch in . Abbildung 2.2 direkt sichtbar, da die
sich deshalb im Diagramm als ein gerades Kurvenstück Dreiecksfläche bis zu jedem beliebigen Punkt t ja gleich
dar, da ja die Geschwindigkeit als Steigung definiert ist. ½uv(t)ut ist.
Der in der Zeit t zurückgelegte Weg ist dann propor- Setzt man in die Formeln von . Tabelle 2.2 für a die
tional zur vergangenen Zeit. Erdbeschleunigung g=9,81 m/s2 ein, so erhält man die
Ändert sich die Geschwindigkeit mit der Zeit, so Gesetze des freien Falls, wobei man bei Höhe Null star-
definiert der entsprechende Differenzen- bzw. Diffe- tet und die Falltiefe s(t) berechnet. Um die Strecke s zu
renzialquotient a die wichtige physikalische Größe Be- durchfallen, braucht der Körper die Zeit t = 2s g und
schleunigung. Sie hat die Dimension Weg/Zeit2. Eine hat dann die Geschwindigkeit v = 2s ¥ g .
negative Beschleunigung entspricht dabei einer Ab-
bremsung bzw. einer Beschleunigung in entgegenge-
setzter Richtung. 2.1.2 Kreisförmige Bewegungen
Bei konstanter Beschleunigung a (mit v(0)=0)
nimmt die Geschwindigkeit linear mit der Zeit zu. Im Die wichtigsten Größen bei kreisförmigen Bewegungen
Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm (. Abb. 2.2) ent- und ihre Beziehungen zueinander sind in . Tabelle 2.3
spricht dann der bei konstanter Beschleunigung zu- zusammengestellt.
rückgelegte Weg der Fläche unter der Kurve v(t), da sich Bewegt sich ein Punkt mit konstanter Geschwin-
der Weg aus vielen kleinen Teilstücken Δs=v(t)uΔt zu- digkeit v um den Mittelpunkt eines Kreises im Abstand
sammensetzt. Mathematisch ist dann der zurückgelegte R, so legt er die Strecke Kreisumfang (=2πuR) in der
2.2 · Impuls, Kraft, Kräfte
51 2

. Tab. 2.3. Wichtige Größen und Beziehungen für kreis-


förmige Bewegungen
Physikalische Symbol/Formel SI-Ein-
Größe heit
Winkelgeschwin- dj 2p
w= = s–1
digkeit oder dt T
Kreisfrequenz
2p
Umlaufperiode T= s
w

1 w s–1=Hz=
. Abb. 2.1. Geschwindigkeit als Steigung im Weg-Zeit- Umlauffrequenz f= =
T 2p Hertz
Diagramm: Konstante Geschwindigkeit entspricht einer
Geraden mit konstantem Differenzenquotienten, die momen- Geschwindigkeit 2p ◊ R
v =w ¥R = m/s
tane Geschwindigkeit v(t) ist exakt gleich der Steigung der {R = Kreisradius} T
Tangente ds/dt in jedem Punkt der Kurve. (Harten 2006)
Zentripetalbe- aj = R ¥ w 2 = v ¥ w = v 2 R m/s2
schleunigung

Bahngeschwindigkeit eines umlaufenden Punktes stän-


dig ändert, erfährt er eine Zentripetalbeschleunigung
aφ zum Mittelpunkt des Kreises, die proportional zu
Radius R und zu ω2 ansteigt.

Merke
Alle periodischen Vorgänge wie Schwingungen
und Wellen, aber auch Wechselströme und Wech-
selspannungen können durch gleichförmige Kreis-
bewegungen dargestellt werden (. Abb. 1.5).

2.2 Impuls, Kraft, Kräfte

2.2.1 Die Newtonschen Axiome

Das 1. Axiom formuliert das Trägheitsgesetz: Ein Kör-


per der Masse m verharrt im Zustand der Ruhe oder der
gleichförmigen Bewegung, solange keine äußere Kräfte
 
an ihm angreifen. Dann ist die Größe Impuls p = m ¥ v
[kgum/s] zeitlich konstant. Einer zeitlichen Änderung
 dp
des Impulses entspricht eine Kraft: F = . Bei elas-
dt
. Abb. 2.2. Freier Fall: Beschleunigung, Geschwindigkeit tischen wie nichtelastischen Stößen von 2 Körpern
und Falltiefe (Position) als Funktion der Zeit. (Harten 2006) ist die Summe aller Impulse vor und nach dem Stoß
konstant, d. h., der Gesamtimpuls ist hier eine so ge-
nannte Erhaltungsgröße.
Umlaufperiode T zurück. Er hat dabei die konstante, Das 2. Axiom beinhaltet das so genannte Kraft-

radiusunabhängige Winkelgeschwindigkeit ω (Win- gesetz F = a ¥ m : Kraft wird als Masse mal Beschleu-
kel/Zeit). Der Kehrwert der Umlaufperiode ist die Um- nigung definiert. Die auf einen Körper wirkende Kraft
lauffrequenz f. Die absolute Bahngeschwindigkeit ist beschleunigt einen Körper der Masse m in Richtung
 
proportional zu ω und R. Da sich die Richtung der dieser Kraft mit a = F / m .
52 Kapitel 2 · Mechanik

. Tab. 2.4. Übersicht über die verschiedenen Arten der Reibung


Reibungsart Wirkungsrichtung Merkmale
Haftreibung Reibungskraft entgegengesetzt gerichtet Haftreibung ist wichtig beim Gehen und Spurhalten
zu angreifender Kraft. von Reifen. Sie muss bei Verschieben eines Körpers
erst überwunden werden, ...
Gleitreibung Reibungskraft wirkt der Richtung der ... bevor er bei geringerem Kraftaufwand gleitet. Zwi-
Physik

Geschwindigkeit des Körpers entgegen. schen festen Körpern geschwindigkeitsunabhängig.


Rollreibung Reibungskraft wirkt der Richtung der Rollreibung ist wesentlich kleiner als Gleitreibung.
Geschwindigkeit des Körpers entgegen. Durch Erfindung des Rades genutzt!
Innere Reibung bei Reibungskraft wirkt der Richtung der Diese ist proportional zur Geschwindigkeit. Flüssige
Flüssigkeiten und Geschwindigkeit des Körpers entgegen. Schmiermittel schonen feste Teile!
Gasen

Merke Energie von der Oberfläche des bewegten Körpers auf


Die SI-Einheit der Kraft heißt Newton, es gilt: die des umgebenden Mediums und auf ihn selbst in
1 Newton=1 N=1 kgum/s2. Form von Wärme übertragen. Man unterscheidet ver-
schiedene Arten der Reibung, deren Eigenschaften in
. Tabelle 2.4 zusammengefasst sind.
Eine besondere Kraft ist die Schwerkraft: Jeder Körper
der Masse m erfährt auf der Erdoberfläche eine zum KLINIK

Erdmittelpunkt gerichtete Kraft der Größe F = m ¥ g Die Gelenkflüssigkeit verringert als flüssiges Schmier-
2
(g=9,81 m/s ). Die Schwerkraft ist eine Folge der gegen- mittel den Abrieb in Gelenken; mangelnde Produk-
seitigen Anziehung von Massen nach dem Newtonschen tion führt zu Entzündungen, Verschleiß und Gelenk-
m ¥m versteifung (Arthrose).
Gravitationsgesetz: F12 = g 1 2 2 .
r12
Dieses erlaubt uns, die Masse der Erde zu bestim-
men: Wir setzen für F12=9,81 N, für m1=1 kg, für den
Erdradius r12=6366 km und für die Gravitationskon- 2.2.3 Zentrifugalkräfte
stante γ=6,68u10–11 Nm2/kg2 ein, und erhalten nach
Auflösung der Gleichung nach m2 für die Erdmasse den Ein Körper der Masse m, der sich im Abstand R von
Wert von 5,95u1024 kg. der Drehachse eines rotierenden Systems der Frequenz
Das 3. Axiom handelt vom  Gesetz »actio = reac- ω befindet, bewirkt die Zentripetalbeschleunigung
tio«: Übt ein Körper die Kraft F auf einen anderen aus, (. Tab. 2.3), eine Zentripetalkraft FZp = m ¥ R ¥ w 2,
so wirkt dieser auf den
 ersteren mit der exakt gleich die ihn zwangsweise auf Kreiskurs hält. Wegen des
großen Gegenkraft - F zurück. 3. Newtonschen Axioms bzw. wegen des Trägheits-
prinzips erfährt der Körper eine dem Betrag nach gleich
KLINIK große Zentrifugalkraft weg von der Drehachse, die
Wer einen Patienten mit einer gewissen Muskel- man beim Karussell fahren selbst erleben kann. Die
kraft hochhebt, erfährt ein zusätzliches Gewicht in einer Zentrifuge erzielbaren Zentrifugalbeschleu-
derselben Größe. Der zusätzlich belastete Boden nigungen sind leicht ein Vielfaches der Erdbeschleu-
übt auf die Füße eine entsprechende Gegenkraft nigung g, was zur Trennung durch unterschiedlich
aus – es herrscht Kräftegleichgewicht. schnelle Sedimentation in Medizin und Technik be-
nutzt wird: z. B. erreicht man etwa 1000 g schon bei
Drehfrequenzen von 50 Hz im Abstand von R=10 cm
(7 Kap. 2.9.2).
2.2.2 Reibungskräfte

Bewegte Körper, auf die keine beschleunigenden Kräfte


wirken, werden durch Reibung verlangsamt und kom-
men schließlich ganz zur Ruhe. Durch Reibung wird
2.4 · Arbeit, Energie, Leistung
53 2
2.3 Drehmoment, Trägheits-
moment, Drehimpuls

2.3.1 Drehmoment

Greift eine Kraft an einem Körper nach  . Abbildung 2.3


unter dem Winkel β im Abstand l vom Drehzentrum
an, so wirkt auf den Körper das Drehmoment
| T |= l ¥ sin b ¥ F . Der effektive Hebelarm leff = l ¥ sin b
. Abb. 2.3. Effektiver Hebelarm. Zur Definition des effek-
ist der kürzeste Abstand der Kraftwirkungslinie und
tiven Hebelarms leff=lusinβ und der Kraftwirkungslinie, längs
der Drehachse. Für β=90° ist das Drehmoment maxi-
der eine Kraft F ein Drehmoment bezüglich der Drehachse
mal. Ein um eine Achse drehbarer Körper bleibt in ausübt. (Harten 2006)
Ruhe, wenn sich alle angreifenden Drehmomente zu
null addieren. Das führt zum so genannten Hebelge-
setz für an Hebelarmen senkrecht angreifende Kräfte Schwerpunkt angreifende Gewicht erzeugt, das den
(β=90°): Schwerpunkt wieder in die ursprüngliche Lage zurück-
führt. Er ist im labilen Gleichgewicht, wenn bereits die
Merke kleinste Bewegung zu einem Drehmoment bezüglich
Kraft mal Kraftarm = Last mal Lastarm oder einer tiefer liegenden Drehachse führt und ihn um-
F1 ¥ l 1 = F2 ¥ l 2 kippen lässt. Bei indifferentem Gleichgewicht ist keine
Die SI-Einheit des Drehmoments ebenso wie Lage stabiler als die andere, dies gilt z. B. für Kugeln,
der Arbeit ist kgum2/s2 bzw Nm. Walzen oder Räder.

KLINIK 2.3.3 Trägheitsmoment und Drehimpuls


Bei vielen medizinischen Geräten (Zangen, Sche-
ren) wird das Hebelgesetz als Kraftverstärker ge- Der Drehimpuls eines Körpers aus n Massenstücken i
nutzt: F2 = F1 ¥ (l1 / l2 ) , wobei die von der Hand aus- bezüglich einer Drehachse ist gegeben durch
geübte Kraft F1 im Verhältnis der Hebelarme l1 : l2  n   
J = Â mi ¥ ri2 ¥ w = Q ¥ w , wobei w die Winkelge-
verstärkt wird. Umgekehrt will man mit Pinzetten i =1

und Spreizen bei großem Kraftaufwand durch schwindigkeit und der Pfeil auf w die Richtung der
geringe Bewegung in größerer Entfernung etwas Drehachse angibt. Als Trägheitsmoment bezeichnet
n
fassen oder weit auseinander drücken. man den Ausdruck Q = Â mi ¥ ri2 , wobei jede Masse i
i =1
proportional zum Quadrat ihres Abstands von der
Drehachse beiträgt.
2.3.2 Schwerpunkt, stabiles Verringert man den Abstand ri, so nimmt das Träg-
und labiles Gleichgewicht heitsmoment stark ab. Da aber ohne wirkendes äußeres
Drehmoment der Drehimpuls konstant bleibt (vgl. 1.
Der Schwerpunkt eines Körpers ist der Punkt, bei dem Newtonsches Axiom), erhöht sich dann die Rotationsfre-

sich im Schwerefeld alle wirkenden Drehmomente zu quenz w entsprechend. Zum Beispiel zieht bei der Pirou-
n
null addieren: Â mi ¥ g ¥ leff
i = 0. ette die Schlittschuhläuferin die ausgestreckten Arme
i =1 rasch zum Körper, was bei konstantem Drehimpuls die
Einfache physikalische Probleme kann man so be- Rotationsfrequenz um die eigene Achse stark erhöht.
handeln, als ob die gesamte Masse des Körpers im
Schwerpunkt vereinigt ist. Je nach Haltung liegt der
Schwerpunkt beim Sportler innerhalb oder außerhalb 2.4 Arbeit, Energie, Leistung
des Körpers. So muss beim Hochsprung zwar der ge-
samte Körper über die Latte fliegen, aber sein Schwer- 2.4.1 Arbeit und potenzielle Energie,
punkt bleibt beim Fosbury-Flop dank der Bein- und kinetische Energie, Leistung
Armarbeit Kraft sparend stets unterhalb.
Ein Körper ist im stabilen Gleichgewicht, wenn Wird ein Körper durch eine konstante Kraft entlang der
eine kleine Verkippung ein Drehmoment über das im Wegstrecke s bewegt, so bezeichnet man als mecha-
54 Kapitel 2 · Mechanik

nische Arbeit W das Produkt aus Kraft mal Weg, ge- 2.5.2 Dichten bzw. volumenbezogene
nauer das Produkt aus Kraftkomponente in Richtung Größen
des Weges F ¥ cos a und Weg s.
Die Massendichte (Dichte) wird in kg/m3 oder g/cm3
Merke angegeben. Zu den Dichten zählen auch Konzentra-
W = F ¥ cos a ¥ s , wobei α den Winkel zwischen tionen, die in g/l Lösungsmittel oder als Molkonzen-
Weg- und Kraftrichtung bedeutet. tration in mol/l oder mol/m3 zu schreiben sind.
Die SI-Einheit der Arbeit ist:
Physik

1 Joule=1 J=1 Nm=1 kgum2/s2.


2.5.3 Stoffmenge und molbezogene
Größen
Wird Arbeit gegen die Richtung der Schwerkraft geleis-
tet, indem ein Körper der Masse m um die Höhe h an- Der Begriff des Mols ist eine sehr praktische Hilfsgröße
gehoben wird, so erhöht sich dadurch seine potenzielle in Chemie und Physik und begegnet einem im klini-
Energie um den Betrag E pot = m ¥ g ¥ h . Man nennt schen Alltag bei vielen Laborparametern. Die Teilchen-
diese Energie potenzielle Energie, weil sie z. B. durch zahlmenge eines Stoffs (kurz Stoffmenge) wird in der
den freien Fall wiedergewonnen werden kann, also Einheit Mol angegeben.
nicht verloren gegangen ist. Beim freien Fall ohne Luft- Dabei bedeutet ein Mol eines Stoffs stets die Menge
reibung gilt für den zurückgelegten Weg h = 12 g ¥ t 2 von 6,023u1023 Teilchen einer Substanz (zur Definition
(s. o.) und für die Geschwindigkeit v = g ¥ t . Dabei ist t des Mols und der Avogadrokonstante (7 Kap. 3.1.2).
die Falldauer für die Strecke h. Dabei wandelt sich die Stoffmengenbezogene (molare) Größen sind z. B. die
potenzielle Energie ganz in Bewegungsenergie um, wo- molare Masse in g/mol oder die molaren Schmelz-
raus sich die wichtige Beziehung für die so genannte oder Verdampfungswärmen in J/mol und schließlich
kinetische Energie ergibt: das molare Volumen, das bekanntlich für alle (idealen)
Gase 22,4 l/mol beträgt. Allgemeine Gasgleichung
Ekin (v ) = E pot (h) = m ¥ g ¥ 12 g ¥ t 2 = 12 m ¥ v 2 . (7 Kap. 4.3).

Sie nimmt danach mit dem Quadrat der Geschwindig-


keit zu. 2.5.4 Stoffgemische
Den Quotienten aus Arbeit/Zeit für die in einer
bestimmten Zeit geleistete Arbeit bezeichnet man als Der Anteil eines Stoffs in einem Stoffgemisch wird
Leistung: P = W / t . Die Leistung wird in der SI-Einheit durch den Gehalt = Teilmenge/Gesamtmenge ange-
Watt [W] gemessen. geben, entweder in Prozent oder bei sehr kleinen An-
teilen in ppm (parts per million). Die Summe aller Ge-
Merke halte muss dabei eins ergeben. Unter Menge kann man
1 Watt=1 W=1 Joule/Sekunde=1 J/s. fallweise
1 kW=1 Kilowatt (häufig gebrauchte Leistungseinheit). 4 die Masse,
1 kWh=1 Kilowattstunde=3,6u106 Ws=3.600.000 J. 4 das Volumen,
4 die Stoffmenge oder
4 die Teilchenzahl verstehen.

2.5 Mengengrößen, bezogene Die wichtigsten Begriffe werden in . Tabelle 2.5 erklärt.
Größen

2.5.1 Spezifische Größen 2.6 Verformung fester Körper


bzw. massebezogene Größen
2.6.1 Elastische Verformungen
Dazu gehören die spezifische Wärmekapazität, gemes-
sen in J/(kguK), das spezifische Volumen in m3/kg, die Verformt man einen Körper (z. B. Draht oder Spiral-
spezifischen Umwandlungswärmen bei Schmelzen feder), so ist die erzielte Längenänderung x der wir-
und Sieden in J/kg, aber auch die temperaturunabhän- kenden Kraft F proportional. Es gilt das Hookesche
gige Konzentrationsangabe Molalität cm, die in mol/kg Gesetz: F = D ¥ x . Mit D bezeichnet man die Feder-
angegeben wird. konstante. Die Rückstellkraft –F ist entgegengesetzt zur
2.7 · Druck
55 2

. Tab. 2.5. Definition des Massen-, Volumen- und Stoffmengengehalts


Gehalt = Teilmenge/Gesamtmenge Dimensionslose Einheit
Massengehalt = Masse des gelösten Stoffs/Masse der Lösung Gewichtsprozent Gew.%, ppm
Volumengehalt = Volumen des gelösten Stoffs/Volumen der Lösung Volumenprozent, Vol.%
Stoffmengengehalt = Stoffmenge des gelösten Stoffs/Stoffmenge der Lösung Molenbruch, Atomprozent At.%

Längenänderung x gerichtet. Ist die Verformung rever- Flüssigkeitsvolumen ausgeübt, so wirkt im Volumen
sibel (elastisch), so speichert sie die potenzielle Energie ein richtungsunabhängiger hydrostatischer Druck
W = 1/ 2 D ¥ x 2 .
Eine universelle Schreibweise des Hookeschen p = F A [Pa].
Gesetzes lautet:
Anwendungen sind:
s = E ¥ Dl l = e ¥ E , 4 Manometer,
4 hydraulische Presse zur Kraftverstärkung, da
wobei e = Dl l die relative Längenänderung (Dehnung F2 >> F1 für A2 >> A1 gemäß p = F1 A1 = F2 A2 .
oder Stauchung) bezeichnet und die wirkende Druck-
bzw. Zugspannung durch s = F A (Kraft F pro Quer-
schnittsfläche A) definiert ist. 2.7.2 Schweredruck und Auftrieb
Die nur noch material- aber nicht mehr geometrie-
abhängige Größe E ist der so genannte Elastizitätsmo- Flüssigkeiten sind praktisch inkompressibel, d.h. ihr
dul. E und σ werden in der Einheit Pascal (1 Pa=1 N/m2) Kompressionsmodul Q nach DV V = p Q ist sehr
angegeben. groß. Bereits ohne von Außen aufgeprägten Druck
Ähnliche Beziehungen gelten für quer zu einer nimmt im Schwerefeld der Erde der hydrostatische
Angriffsfläche wirkende Verformungen, die man Druck p in Flüssigkeiten mit der Tiefe h linear zu.
Scherung nennt (die auch in die Beschreibung von Es gilt: p = rFl ¥ g ¥ h [Pa],
Torsionen eingeht). Sie ist durch den ebenfalls wenn ρFl die Dichte der Flüssigkeit in kg/m3,
materialunabhängigen Schermodul G gekennzeich- g=9,81 m/s2 und die Tiefe h in m eingesetzt wird.
net. Da immer G < E gilt, führen Scher- und Torsions- Genau 10,33 m Wassersäule (für ρFl=1000 kg/m3)
spannungen zu größeren Verschiebungen und daher entsprechen danach dem Normaldruck von
leichter zu Brüchen als gleich große Zug- oder Druck- 1013,25 hPa.
spannungen. Wegen der Zunahme des Schweredrucks mit der
Das Hookesche Gesetz gilt nur für den linearen elas- Tiefe erfahren alle in Flüssigkeiten (und Gasen) eintau-
tischen Bereich von Verformungen. chenden Körper eine der Schwerkraft entgegengesetzte
Auftriebskraft:

2.6.2 Nichtelastische und bleibende FA = rFl ¥ g ¥ VFl ,


Verformungen
wobei VFl das in die Flüssigkeit eintauchende Volu-
Bei größeren Zug- oder Druckspannungen kommt es zu men ist.
nichtlinearen elastischen und dann zu bleibenden plas- Ein Körper vom Volumen VK und der mittleren
tischen Verformungen, bis schließlich bei der so genann- Dichte ρK schwimmt, wenn FA>mug bzw. FA>ρKu
ten Bruchspannung der gedehnte Körper zerreißt. VKug ist.
Aus der Eintauchtiefe des oberen, zylinderförmigen
Teils eines Aräometers kann man die Dichte einer Flüs-
2.7 Druck sigkeit sehr genau bestimmen, da

2.7.1 Druck in Flüssigkeiten und Gasen rFl = rK ¥ VK VFl = konst . VFl .

Wird über einen Zylinderstempel vom Querschnitt A


eine Druckkraft F auf ein abgeschlossenes Gas- oder
56 Kapitel 2 · Mechanik

Merke
Das Archimedische Prinzip lautet: Der Auftrieb ist
gleich dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit!

2.8 Kräfte an Grenzflächen


Physik

2.8.1 Oberflächenspannung

Kohäsionskräfte nennt man die anziehenden Kräfte, die


die Moleküle einer Flüssigkeit aufeinander ausüben.
Adhäsionskräfte nennt man die anziehenden . Abb. 2.4. Kapillaranhebung und -depression (Näheres im
Kräfte zwischen Molekülen einer Flüssigkeit und den Text). (Harten 2006)
Molekülen einer festen Umgebung.
Da die Moleküle an der Oberfläche zu Luft (oder
Vakuum) keine Partner haben, kompensieren sich der Meniskus ist nach unten gekrümmt, wie . Abbil-
hier die anziehenden Kräfte nicht wie im Inneren dung 2.4 rechts zeigt.
der Flüssigkeit, sie erfahren eine Kraft nach innen, die
zur Ausbildung einer möglichst kleinen Oberfläche
führt. 2.9 Strömung von Flüssigkeiten
Als charakteristische Oberflächenspannung σ be- und Gasen
zeichnet man den Quotienten:
s = DW DA [N/m], wobei DW die geleistete Ar- 2.9.1 Reibungsfreie Strömung
beit ist, um die Oberfläche um DA zu vergrößern. von Flüssigkeiten

KLINIK Kontinuitätsgleichung
Die Oberflächenspannung ist auch für das Tropfen- Die Stromstärke I einer Flüssigkeits- oder Gasströmung
volumen aus einem Arzneifläschchen mit dem ist das durch einen Querschnitt fließende Volumen
Außendurchmesser d verantwortlich: pro Zeiteinheit I = DV Dt [m3/s]. Da Flüssigkeiten
praktisch inkompressibel sind, muss sich die jeweilige
p ¥ d ¥s
VTropfen = . Strömungsgeschwindigkeit v mit dem Querschnitt A
r¥g
ändern.
Dabei steht ρ für die Dichte der Flüssigkeit und g Die Umformung I = DV dt = A ¥ Ds Dt = A ¥ v =
die Erdbeschleunigung. Umgekehrt misst man konst. führt zur Kontinuitätsgleichung A1 ¥ v1 = A2 ¥ v2 ,
beim Stalagmometer die Oberflächenspannung d. h., die Fließgeschwindigkeiten verhalten sich umge-
bei bekannter Größe von VTropfen , ρ, d und g. kehrt proportional zu den Rohrquerschnitten.

Bernoullische Gleichung
Je schneller eine Strömung ist, umso höher ist dort
2.8.2 Kapillarwirkung ihre kinetische Energie pro Volumen. Die Größe
pStau = rFl ¥ v Fl
2 nennt man Staudruck, der als An-

Kapillaranhebung: Grenzt eine Flüssigkeit an einen druck einer Strömung spürbar ist.
festen Körper und überwiegen die Adhäsionskräfte die Für reibungsfreie Strömungen gilt wegen Energie-
Kohäsionskräfte, so ist die Flüssigkeit benetzend und erhaltung die so genannte Bernoullische Gleichung:
steigt im Schwerefeld an der Wand hoch (. Abb. 2.4 pGesamt = pStatisch + pStau = konst .
links). Der Meniskus ist nach oben gekrümmt. Für die Dabei wird unter pStatisch der örtlich wirkende hy-
Steighöhe h einer in eine Flüssigkeit eintauchenden Ka- drostatische Druck verstanden. Die Bernoullische Be-
pillaren vom Radius r erhält man mit den anderen be- ziehung erklärt die Abnahme des statischen Drucks
reits erklärten Größen h = 2s (r ¥ g ¥ r)[m]. mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit und er-
Kapillardepression: Umgekehrt sinkt bei nicht be- klärt u.a.
netzenden Flüssigkeiten, wie Quecksilber, der Flüssig- 4 die Saugwirkung von Wasserstrahlpumpen und
keitsspiegel im Kapillarrohr unter den der Umgebung, Zerstäubern,
2.9 · Strömung von Flüssigkeiten und Gasen
57 2

4 das Entfachen von Schwingungen an den Stimm-


bändern des Kehlkopfs und an den Zungen von
Musikinstrumenten.

Die Bernoullische Beziehung spielt zudem eine ent-


scheidende Rolle bei der Blutdruckmessung. Unter-
halb der angelegten Manschette hört man den Herz-
schlag erst dann, wenn der systolische Druck den
Manschettendruck übersteigt. In dem dann durch die
. Abb. 2.5. Laminare Strömung in einer Röhre: Der ebene
Arterie strömenden Blut erniedrigt sich aber der stati- Schnitt durch das paraboloide Geschwindigkeitsprofil
sche Druck und der größere Manschettendruck schnürt ergibt eine parabelförmige Geschwindigkeitsverteilung.
die Arterie wieder ab, was als Schlag hörbar wird. Dies (Harten 2006)
geht solange, bis der Manschettendruck auf das Niveau
des konstanten diastolischen Drucks abgefallen ist und
deshalb kein Verschluss der Arterie mehr stattfindet. Turbulente Strömungen sind durch Wirbelbil-
dung gekennzeichnet. Mithilfe der Reynold-Zahl lässt
KLINIK sich abschätzen, ob laminare oder turbulente Strömung
Bei Blutdruckmessungen wird der Druck traditionell zu erwarten ist: Re = rFl ¥ v ¥ r h . Dabei bedeuten ρFL
noch in der Einheit Torr=mmHg oder mm Queck- die Dichte, v die Geschwindigkeit der Flüssigkeit und r
silbersäule angegeben. Da 760 mmHg dem Normal- den Rohrradius.
druck von 1013,25 hPa (1 hPa=1 mbar) entsprechen,
gilt für die Umrechnung 1 mmHg=1,333 hPa. Merke
Hinweis auf laminare Strömung
Re = r ¥ v ¥ r h <1100!

2.9.2 Strömung von Flüssigkeiten


und Gasen mit innerer Reibung Stokessches Gesetz für bewegte Körper,
Sedimentationsvorgänge
Laminare und turbulente Strömungen Die Reibungskraft FR auf einen in laminarer Strömung
In Rohren bewegen sich Flüssigkeitsteilchen je nach mit der Geschwindigkeit v sich bewegenden kugelför-
Ort unterschiedlich schnell. Das führt zu Reibungskräf- migen Körper mit Radius r gibt das Stokessche Gesetz
ten und Energieverlust durch Reibung. Der Koeffizient an: FR = 6p ¥ h ¥ r ¥ v [N].
der inneren Reibung oder Zähigkeit η [Paus] einer
Flüssigkeit ist über die Kraft F definiert, die man auf- KLINIK
bringen muss, um eine Platte der Fläche A im Abstand Wichtige Anwendungen dieses Gesetzes sind in
d über einen glatten Untergrund mit der Geschwindig- der Medizin die Blutsenkung und die Trennung
keit v zu ziehen: von Körpern unterschiedlicher Größe und Dichte
mit Hilfe von Schwerkraft oder Zentrifugen.
FRe ibung = h ¥ A ¥ v d [N].

Laminare Strömungen sind relativ langsame, wirbel- Bei Sedimentationsvorgängen entweder im Schwe-
freie Strömungen, auch wenn in verschiedenen Schich- refeld der Erde (1) oder im Beschleunigungsfeld
ten (Lamellen) unterschiedliche Geschwindigkeiten der Zentrifuge (2) stellen sich die »Fallgeschwin-
angetroffen werden. So bildet sich in Röhren ein para- digkeiten« v stets so ein, dass die Reibungskräfte FR
belförmiges Geschwindigkeitsprofil aus – mit maxima- gleich der um den Auftrieb der Körper verminderten
ler Geschwindigkeit in der Mitte des Rohrs und v=0 an beschleunigenden Kräfte sind. Die sich daraus erge-
der Rohrwand (. Abb. 2.5). benden unterschiedlichen Geschwindigkeiten zweier
Bei diesen so genannten Newtonschen Flüssig- in Dichte und/oder Radius differierenden Stoffe füh-
keiten ist der Volumenstrom durch eine Röhre propor- ren im Laufe der Zeit zur räumlichen Trennung der
tional zum Druck. Im Gegensatz dazu stehen die Nicht- beiden.
Newtonschen Flüssigkeiten – auch Bluttransport durch Im ersten Fall ist FR = rK ¥ VK ¥ g - rFl ¥ VK ¥ g ,
Kapillaren gehört dazu –, deren Strömung im Extremfall während im zweiten Fall gilt:
der von Zahnpasta gleicht. FR = (rK ¥ VK - rFl ¥ VK ) ¥ R ¥ w 2 .
58 Kapitel 2 · Mechanik

Hierbei sind ρK und VK Dichte und Volumen des KLINIK


kugelförmigen Sediments, g die Erdbeschleunigung, R Eine Verengung der Kapillargefäße um 12%
der Abstand des Teilchens von der Rotationsachse und (z. B. durch Rauchen) führt bereits zu einer Ver-
ω die Winkelgeschwindigkeit der Zentrifuge. minderung der Durchblutung um 40%!

Hagen-Poiseuillesches Gesetz für laminare


Strömung in Röhren Sind mehrere Rohre in Serie miteinander verbunden,
Die laminare Strömung in Röhren beschreibt das Ge- so addieren sich die Widerstände bei gleichem Strom
Physik

setz von Hagen-Poiseuille. Für die Volumenstromstärke durch alle Teile. Bei der Parallelschaltung von Rohren
gilt: fällt über allen der Druck gleich stark ab, es addieren
p ¥ r4 ¥ p sich dann die Ströme bzw. die Kehrwerte der Leitungs-
IV = [m3/s]. widerstände.
8 ¥h ¥l
Hier bedeuten r den Rohrradius, l die Rohrlänge und p Merke
den Druckabfall über die Länge l. Da die maximale Ge- r4-Gesetz: Der Leitungswiderstand von Rohren ist
schwindigkeit auch noch vom Rohrradius anhängt umgekehrt proportional zu r4.
(. Abb. 2.5), ist die Stromstärke proportional zu r4.
Als Reibungswiderstand R definiert man den Quo-
tienten: In 7 Kapitel 5.4.2 der Elektrizitätslehre wird der Gesamt-
widerstand von Serien- und Parallelwiderständen for-
R = p IV = 8h ¥ l (p ¥ r 4 ). melmäßig beschrieben. Dabei entsprechen hier Druck
und Volumenstromstärke dort elektrischer Spannung
Diese Formel erklärt die starke r-Abhängigkeit der und Stromstärke.
Strömungswiderstände von Kapillaren beim Blutkreis-
lauf des Menschen.
Physik
61 3

3 Struktur der Materie

Mind Map
Die kleinste Einheit des Lebens ist die Körperzelle. tische Strahlungen auch Teilchencharakter haben,
Ihre wesentlichen Eigenschaften und möglichen Ver- tragen die Gesetze der Quantenmechanik exakt Rech-
haltensweisen werden durch die im Zellkern stecken- nung, während die Gesetze der klassischen Physik hier
den Informationsträger festgelegt, die DNS-Riesen- oft versagen. Aber für unsere nur an die alltäglichen
moleküle. Leben bedeutet Stoffwechsel durch den Phänomene der Makrowelt angepassten Vorstellungen
programmierten Auf- und Abbau und Transport von erscheinen die Aussagen der Quantenphysik ebenso
Molekülen innerhalb der Zelle und von Zelle zu Zelle. wie die der Relativitätstheorie oft paradox.
Eine ähnliche Hierarchie existiert für die Atome, Materielle Stoffe kommen bei nicht zu hohen Tem-
die kleinsten materiellen Bausteine der Moleküle. Die peraturen im festen, flüssigen oder gasförmigen Aggre-
Wechselwirkung mit anderen Atomen spielt sich im gatszustand vor. Beim menschlichen Körper zählen
Wesentlichen über die Valenzelektronen der äußeren Knochen, Zähne, Bindegewebe, Haut und Haar und
Schalen der Atomhülle ab, aber die Zahl der Protonen vieles andere mehr zu den festen, Blut, Lymphe, Spei-
im Atomkern legt die chemische Natur des Atoms chel, Tränen und Urin zu den flüssigen, und Sauerstoff,
fest. Der Tatsache, dass die kleinsten Konstituenten Stickstoff und Kohlendioxid in der Lunge zu den
der Materie auch Wellencharakter und elektromagne- wesentlichen gasförmigen Bestandteilen.
62 Kapitel 3 · Struktur der Materie

3.1 Aufbau der Atome 3.1.2 Atomare Größen und Einheiten


und Atomkerne
Atomare Masseneinheit und relative Atommasse
3.1.1 Konstituenten der Atome Da die Masse der Atome sehr klein ist, gibt man sie
und Atomaufbau praktischerweise als Vielfaches der atomaren Massen-
einheit u an, die einem Zwölftel der Masse des neu-
Atomaufbau tralen 12C-Atoms entspricht.
Die nur chemisch unteilbaren Atome bestehen aus 2
Physik

sehr unterschiedlichen Teilen: Merke


4 dem winzigen, positiv geladenen Kern, der aber u = 121 m12C =1,66ⴛ10–27 kg
fast die gesamte Masse des Atoms enthält,
4 und der negativ geladenen Elektronenhülle.
Damit lassen sich die Massen von Atomen und Mole-
Der Kern enthält 2 weitere Bestandteile (auch Nukle- külen als relative Atom- bzw. Molekülmasse Ar schrei-
onen genannt): ben: Ar = m u (dimensionslos).
4 positiv geladene Protonen und
4 etwa ebenso schwere, ungeladene Neutronen. Definition der Stoffmenge über die Teilchenzahl
und molare Masse
Die Eigenschaften der 3 Elementarteilchen und die Zu- Mit diesen Begriffen definiert man auch die Einheit
sammensetzung des aus ihnen gebildeten Atoms sind der Stoffmenge Mol, die ja eine Basiseinheit des SI-Sys-
in . Tabelle 3.1 zusammengefasst. tems ist.
Protonen und Elektronen tragen eine genau ent-
gegengesetzt gleiche Ladung. Nur die gegenseitige elek- Merke
trostatische Anziehung, allgemeiner gesagt, die elek- Ein Mol eines Stoffs besteht aus genau so viel Teil-
tromagnetische Wechselwirkung, hält Kern und chen NA, wie in 12 g des Kohlenstoffisotops 12C ent-
Hülle zusammen. Sie ist auch für die Wechselwirkung halten sind.
der Elektronen der Hülle untereinander und mit den Die Avogadro-Konstante NA berechnet
Hüllenelektronen benachbarter Atome oder Moleküle sich daher zu NA=(12 g/mol)/(12uu)=6,022u1023 Teil-
verantwortlich. chen/mol.
Die Anzahl der Protonen im Kern ist gleich der
Ordnungszahl Z, die der Zahl der Elektronen im neu-
tralen Atom entspricht. Atome (oder allgemein Nuklide, Entsprechend ist die molare Masse M einer Verbin-
wenn Kernaspekte berührt werden) mit gleichem Z, dung bzw. eines Stoffs gegeben durch
aber unterschiedlicher Neutronenzahl N nennt man M = Ar [in g/mol], oder messtechnisch durch
Isotope. M = mStoff nStoff [g/mol],
Als Massenzahl A bezeichnet man die Summe wobei mStoff die Masse eines Stoffs und nStoff die er-
A=Z+N. Im Allgemeinen ist bei stabilen Atomen N≥Z mittelte Zahl der Mole des Stoffs sind.
(Ausnahme 3He!). Ist die Zusammensetzung eines Moleküls bekannt,
Die Protonen und Neutronen werden im Atom- so ist seine molare Masse
kern durch die starke Wechselwirkung der Nukleonen n
untereinander trotz der Coulombabstoßung der Pro- M = Â Ai (Zi ) ¥ ci [g/mol],
tonen sehr fest gebunden. i =1

. Tab. 3.1. Eigenschaften der Bestandteile und Zusammensetzung des Atoms


Name Masse Ladung Radius
Proton mp=1,673u10–27 kg e+=1,602u10–19 As ≈10–6 nm
Neutron mn≈mp 0,0 As ≈10–6 nm
Elektron me=mp/1836 e–=-e+ <10–6 nm
Atomkern ≈ (Z+N)ump Zue+ ≈10–5 nm
Atomhülle Zume Zue– ≈10–1 nm
3.1 · Aufbau der Atome und Atomkerne
63 3

wobei die Ai die relativen Atommassen der beitragen- tischen Abstoßung durch die gleichnamig positiv gela-
den Elemente i der Ordnungszahl Zi und ci deren rela- denen Protonen im Kern. Beim α-Zerfall und bei der
tive Häufigkeit im betrachteten Molekül bedeuten. Kernspaltung treibt diese Abstoßung jedoch die gela-
denen Kernbruchstücke auseinander.

3.1.3 Vier fundamentale Wechsel- Schwache Wechselwirkung


wirkungen Dagegen ist die schwache Wechselwirkung für die radio-
aktiven Elementumwandlungen durch den β-Zerfall
Man hat in der Natur 4 verschiedene Weisen entdeckt, verantwortlich:
wie geladene und ungeladene Elementarteilchen und 4 Beim normalen β−-Zerfall zerfällt ein Neutron des
die aus ihnen geformten materiellen Teilchen (Atome, Kerns in ein Proton, ein Elektron und ein praktisch
Moleküle, usw.) miteinander wechselwirken: masseloses, elektrisch neutrales Antineutrino nach
4 Gravitation, n Æ p + e- + n ,
4 elektromagnetische Wechselwirkung, 4 der β+-Zerfall läuft dagegen – sofern energetisch
4 starke Wechselwirkung und möglich – nach dem Muster p Æ n + e + + n ab.
4 schwache Wechselwirkung.
Dabei werden ein positiv geladenes Elektron (Positron)
Gravitation und ein ungeladenes Neutrino emittiert, während das
Die schwächste Kraft ist die Gravitation, sie beschreibt Neutron im Kern gebunden bleibt (7 Kap. 8.1.3). Neu-
die Anziehung, die Körper allein aufgrund ihrer Masse trino und Antineutrino unterliegen nur der schwachen
aufeinander ausüben. Sie wurde bereits in 7 Kapitel 2.2.1 Wechselwirkung und tragen ihre kinetische Energie
abgehandelt. Sie ist für die Schwerkraft auf der Erde praktisch ungehindert fort.
und die Bewegung von Monden, Planeten, Fixsternen
und Galaxien im Kosmos verantwortlich, kann aber
hinsichtlich der Kräfte zwischen Elementarteilchen, 3.1.4 Konsequenzen aus Quanten-
Atomen und Molekülen völlig vernachlässigt werden. mechanik und Relativitätstheorie

Elektromagnetische Wechselwirkung Wichtige Ergebnisse der Relativitätstheorie


Für die Wechselwirkung von Elektronen untereinander Die Lichtgeschwindigkeit c ist unabhängig vom Be-
und mit dem Atomkern sind praktisch nur die elek- zugssystem – d. h., Licht wird nicht schneller oder lang-
trischen und magnetischen Kräfte zwischen den La- samer, wenn sich die Quelle mit hoher Geschwindigkeit
dungen und den durch sie hervorgerufenen Strömen auf mich zu oder von mir weg bewegt. Daraus schloss
sowie die von ihnen ausgehenden elektromagnetischen Einstein 1905, dass eine bestimmte räumliche Struktur
Strahlungen (7 Kap. 6.4) von Bedeutung. So gut wie al- und der von einer Uhr angezeigte Zeitablauf in einem
lein auf dieser Kraft basieren alle uns bekannten physi- relativ zu mir bewegten Bezugssystem sich in berechen-
kalischen und chemischen Eigenschaften fester, flüs- barer Weise davon unterscheiden, was ich in dem Sys-
siger und gasförmiger Stoffe. tem beobachte, in dem ich ruhe.
Wichtigste Folgerung Einsteins für den Laien aber
Merke ist die berühmte Formel:
Für elektromagnetische Wellen im Vakuum ist
die Lichtgeschwindigkeit c=3u108 m/s, und es gilt E = m ¥ c 2 = g ¥ m0 ¥ c 2 .
stets: l ¥ f = c [m/s] (λ Wellenlänge [m], f Frequenz
[s–1, Hz]). Sie bedeutet, dass die Gesamtenergie E eines Teilchens
immer proportional zu seiner Masse ist (Energie-
Masse-Äquivalenz). Die Masse m eines Teilchens der
Starke Wechselwirkung Ruhemasse m0 wächst mit der Geschwindigkeit v ge-
Die 2 weiteren bekannten Naturkräfte, die so genannte 1
starke und die schwache Wechselwirkung, spielen nur mäß dem Faktor g = .
1 - v 2 c2
für die Welt im Kleinsten, dem Atomkern und den ihn
bildenden Protonen und Neutronen, eine maßgebliche Die Gesamtenergie in Form der Ruhemasse ist
Rolle. Die starke Wechselwirkung ist die Kraft, die Pro- allerdings nur in besonderen Fällen in andere Ener-
tonen und Neutronen im Atomkern auf kleinstem gieformen umwandelbar, so bei der Positron-Elek-
Raum zusammenhält, trotz der starken elektrosta- tron-Vernichtungsstrahlung in 2 γ-Quanten, die in
64 Kapitel 3 · Struktur der Materie

der Medizin bei PET-Scannern (Positronenemis- külen, Atomen und Kernen ausmessen, und so auf deren
sionstomographie, 7 Kap. 8.1.5) als Strahlungsquelle innere Struktur schließen.
dient. Nach der Quantenmechanik hat das Elektron (s. u.)
Die Äquivalenz von Energie und Masse wird be- einen diskreten Grundzustand (n=1) und diskrete
sonders bei der Kernspaltung deutlich: Die Summe der Anregungen (n>1), während nach der klassischen Phy-
Massen der Spaltfragmente ist um den Betrag geringer sik die um den Kern kreisenden Elektronen kontinuier-
als die Masse des spaltfähigen Kerns, der der frei wer- lich Energie abstrahlen und schließlich in den Kern
denden kinetischen Energie der Spaltfragmente ent- stürzen müssten. Die Konsequenz wäre, dass Atome
Physik

spricht (Massendefekt!). Die kinetische Energie eines höchstens Kerndurchmesser hätten und keine diskreten
Teilchens beträgt Energiezustände. Diese sind aber der Garant dafür, dass
Ekin = (m - m0 ) ¥ c 2 , und geht für v<<c in die klas- es chemisch stabile Moleküle gibt, weil bei nicht zu
sische Formel Ekin = 1 2 m0 ¥ v 2 über. hohen Temperaturen die Zitterbewegung von sto-
ßenden Teilchen nicht den nächsthöheren Molekül-
Merke zustand anregen kann, der evtl. zu Molekülaufbruch
Atomare Energieeinheit: 1 eV=1,602u10–19 J. oder zu anderen Konfigurationen führt.
Gesamtenergie E=m(v)uc2 (v bzgl. System des Da die DNS der Zelle besonders fest gebunden ist,
Beobachters). ist sie besonders temperaturbeständig und wird im All-
E0(e–)=511 keV≈0,5 MeV; gemeinen unverändert vererbt.
E0(p)=938 MeV≈1000 MeV.
Quantenmechanische Atomstruktur
Die Naturkonstante h und die Elementarladung e gehen
Quantenphysik und Plancksches auch in die Beschreibung der diskreten n Bindungszu-
Wirkungsquantum stände eines einzelnen Elektrons im Feld eines Kerns
Dem Wellenaspekt von materiellen Teilchen wie dem der Ordnungszahl Z ein:
Elektron, aber auch von Atomen und Molekülen, trägt
die Quantenmechanik ebenso Rechnung wie dem Teil- En = -13, 6 ¥ Z 2 ¥ n -2 eV.
chenaspekt von Licht und anderen elektromagnetischen
Strahlungen. Für Teilchen der Masse m und der Ge- Je größer n, umso kleiner ist die Bindungsenergie des
schwindigkeit v berechnet man die zugehörige de-Bro- Elektrons. Man nennt n die Hauptquantenzahl (n=1,
glie-Wellenlänge nach l = h (m ¥ n ) . 2, 3, …).
Umgekehrt kann die Energie von elektromag- Im Bohrschen Atommodell kam man zu dieser
netischen Wellen nach E = h ¥ f nur gequantelt emit- Formel, indem man forderte, dass der Bahndrehimpuls
tiert oder absorbiert werden, wobei f die Frequenz der L=rumuv=luh/2π des den Kern im Abstand r umkrei-
Strahlung ist. senden Elektrons als ganzzahliges Vielfaches von h/2π
In beiden Fällen ist dieselbe Konstante h wichtig: gequantelt ist (Nebenquantenzahl l=0, 1, 2,…).
das Plancksche Wirkungsquantum h=6,626ⴛ10–34 Js. Gleiche Ergebnisse liefern die quantenmecha-
In der Atomphysik drückt man 1 As in Einheiten der nischen Formeln von Heisenberg und Schrödinger.
Elementarladungen e aus (s. o.) und erhält dann Dabei hat die quantenmechanische Beschreibung des
Atoms die anschauliche Vorstellung aufgegeben, dass
h=4,136u10–15 eVs. die Elektronen auf Kreis- oder Ellipsenbahnen den
Kern umkreisen. Man berechnet stattdessen die Vertei-
Merke lung von Aufenthaltwahrscheinlichkeiten des Elek-
De-Broglie-Wellenlänge: l = h ( m ¥ n ). trons, die als Elektronenwolken bildhaft dargestellt
Lichtquantenenergie E(f)=huf=huc/λ (wegen f=c/λ werden.
auch als Funktion der Lichtwellenlänge λ). Danach gibt es für jedes l<n genau (2ⴛl+1) räum-
liche Verteilungen des Elektrons hinsichtlich der Rich-
tung eines magnetischen Feldes (magnetische Quan-
Quanten des sichtbaren Lichts haben eine Energie von tenzahl m=–l,–l+1, …, 0, …, +l). Jeder dieser Subzu-
einigen eV, Quanten der harten Röntgenstrahlung von stände kann wiederum auf zwei Weisen besetzt werden,
um die 100 keV (. Tab. 6.2 in 7 Kap. 6.4). Durch hoch- weil der Eigendrehimpuls des Elektrons S=½ⴛh/2π
auflösende Spektroskopie elektromagnetischer Strah- sich nur parallel oder antiparallel zu einem gegebenen
lung vom Infraroten bis zur γ-Strahlung kann man dis- Magnetfeld ausrichten kann (magnetische Spinquan-
krete Übergänge zwischen den Energieniveaus in Mole- tenzahl mS=±½).
3.2 · Festkörper, Flüssigkeiten, Gase
65 3

Dies gibt zusammenaddiert für jedes n jeweils 2n2 Nachlassen der Spannungen wieder zurück. Allerdings
mögliche Zustände. kommt es bei zu großen Kräften zu plastischen Verfor-
Im Prinzip besetzen bei einem neutralen Atom die mungen (nicht-Hookescher Bereich) oder gar zum
Z Elektronen alle so gegebenen Zustände mit der größ- Bruch.
ten Bindungsenergie, wobei der Reihe nach alle durch Man unterscheidet
die Hauptquantenzahl n gegebenen Schalen bzw. die 4 Festkörper mit kristalliner Struktur (mit regelmä-
durch die Nebenquantenzahl gegebenen Unterschalen ßiger Anordnung von Atomen bei Metallen, oder
gefüllt werden. von Molekülen [z. B. bei verschiedenen Zuckern],
oder von positiven und negativen Ionen bei Salzen
Merke mit Ionenbindung) von
Pauli-Prinzip: 2 Elektronen können nicht denselben 4 festen Stoffen ohne erkennbare symmetrische Struk-
Zustand bevölkern, sie müssen sich mindestens in tur (z. B. Gläser, amorphe Stoffe).
einer der 4 Quantenzahlen n, l, m, mS unterscheiden!
Viele Kunststoffe, wie z. B. Gummi, enthalten lang
gestreckte Molekülfäden, die unterschiedlich stark ver-
Im Sprachgebrauch der Physik und Chemie werden netzt sind. Die zusätzliche Einlagerung verschiedener
Elektronen mit der Hauptquantenzahl n=1, 2, 3 und 4 Stoffe ermöglicht z. B. bei Autoreifen ganz spezielle
entsprechend der K-, L-, M- und N-Schale zugeordnet, Eigenschaften hinsichtlich Dehnbarkeit, Festigkeit,
während die Buchstaben s, p, d, f und g Orbitale mit den Abrieb und Temperaturverhalten. Noch komplexer in
Nebenquantenzahlen l=0, 1, 2, 3 und 4 kennzeichnen. Aufbau und Eigenschaften sind die Gewebe von Pflanze,
Ein bestimmter Orbital ist zusätzlich durch die magne- Tier und Mensch.
tische Quantenzahl m charakterisiert und wird maxi- Als Funktion der Temperatur führen die Atome
mal von 2 Elektronen mit ms=±½ bevölkert (7 Kap. GK bzw. Moleküle (kurz Teilchen) Schwingungen um die
Chemie 1.2). Ruhelage aus. Jedes Teilchen hat bezüglich jeder der
Die Schalenvorstellung gründet auf dem Ergebnis, 3 Raumrichtungen die Freiheitsgrade der kinetischen
dass für Elektronen der Hauptquantenzahl n der mitt- und der potenziellen Energie, also insgesamt 6 Frei-
lere Abstand vom Atomkern proportional zu n2/Z ist, heitsgrade.
also stark mit n anwächst. Nach der kinetischen Theorie der Wärme ist die
Da sich aber im Atom mit Z>1 die Elektronen ge- mittlere Energie pro Freiheitsgrad
genseitig abstoßen und die inneren Schalen die Kern- Ef=½kuT mit k=1,38u10–23 J/K (k ist die Boltz-
ladung für die äußeren Schalen abschirmen, geben die mannkonstante, T die absolute Temperatur).
bisherigen Ausführungen nur ein ungefähres Bild von Tatsächlich haben die meisten Metalle näherungs-
den wahren Verhältnissen. weise die molare Wärmekapazität (Regel von Dulong
Generell gilt, dass für die chemischen Eigenschaf- und Petit): Cw(molar)=6u½kuNA≈25 J/(Kumol).
ten der Atome praktisch nur Elektronen der äußer-
sten Schale bzw. Unterschale verantwortlich sind
(Näheres zum Periodensystem der Elemente und 3.2.2 Flüssigkeiten
zur chemischen Bindung von Atomen zu Molekülen
7 Kap. Chemie 1.3 und 2). Übersteigt die Energie der statistischen Temperaturbe-
wegung die Energie, die ein Teilchen an die umgebenden
Teilchen des Kristallgitters gebunden hat, so kann es
3.2 Festkörper, Flüssigkeiten, Gase sich frei gegen die anderen bewegen; man sagt, ein Stoff
schmilzt und geht in seine flüssige Phase über. Dabei
3.2.1 Festkörper muss bei der Schmelztemperatur dieselbe Schmelz-
wärme aufgewendet werden, die bei der Erstarrung der
Feste Stoffe zeichnen sich dadurch aus, dass die sie Flüssigkeit als Erstarrungswärme frei wird.
konstituierenden Moleküle oder Atome aufgrund an- Im Allgemeinen haben Schmelzen eine geringere
ziehender Kräfte eine räumlich feste Lage zueinander Dichte als ihr fester Aggregatszustand, sodass der feste
haben. Bei nicht zu großen Zug-, Druck- oder Scher- Körper in ihnen zu Boden sinkt (Ausnahme Eis in Was-
spannungen verschieben sich die Moleküle etwas ge- ser: ρEis≈0,9uρWasser). Flüssigkeiten bilden unter der Ein-
geneinander. Die dadurch bewirkte Formänderung des wirkung der Schwerkraft eine zu dieser senkrechte Ober-
makroskopischen Körpers wird durch die Elastizitäts- fläche aus (7 Kap. 2.8), weil die Teilchen dort nur noch
und Schermodule (7 Kap. 2.6) beschrieben, sie geht bei die anziehenden van-der-Waals-Kräfte der darunter be-
66 Kapitel 3 · Struktur der Materie

findlichen Teilchen spüren. Teilchen an der Oberfläche zwei Stößen ist viel größer als ihr Durchmesser und die
erhalten mit zunehmender Temperatur immer leichter bei Zusammenstößen mit anderen Molekülen wir-
so viel Energie, dass sie die verbleibende Bindungsenergie kenden van-der-Waals-Kräfte spielen bei den im All-
an die umgebenden Moleküle aufbringen und als ver- gemeinen elastischen Zusammenstößen von Teilchen
dampftes Teilchen in den Gasraum übergehen. eine vernachlässigbare Rolle ‒ das Verhalten von Gasen
Umgekehrt können Teilchen aus der Dampfphase wird dann in guter Näherung durch punktförmige Teil-
an der Flüssigkeitsoberfläche kondensieren, wobei die chen beschrieben. Jedes Teilchen hat die mittlere Ener-
zum Verdampfen notwendige Energie (Siedewärme) gie 3/2kⴛT entsprechend den in 7 Kapitel 3.2.1 bespro-
Physik

als Kondensationswärme wieder frei wird. chenen 3 Freiheitsgraden der Bewegung.


Im Dampf über einer Flüssigkeit hängen die sich im Beim Aufprall der Gasteilchen auf die begrenzenden
thermodynamischen Gleichgewicht einstellende Teil- Wände werden die Teilchen reflektiert. Dabei wird die
chenzahldichte und der Partialdruck des Dampfs nur Komponente des Impulses senkrecht zur Wand umge-
von der Temperatur ab, beide steigen exponenziell mit kehrt, und da der Impuls erhalten bleibt, nimmt die
der Temperatur an. Übersteigt der Dampfdruck einer Wand den doppelten Betrag der Impulskomponente 2ΔP
Flüssigkeit den äußeren Luftdruck, so bilden sich bei der in der Stoßzeit Δt auf. Wegen F=2ΔP/Δt übt jedes reflek-
dadurch definierten Siedetemperatur bereits im Inne- tierte Teilchen eine Kraft F pro cm2 Wandfläche aus, was
ren der Flüssigkeit aufsteigende Blasen, die Flüssigkeit sich bei millionenfachem Aufprall pro Sekunde als gleich-
siedet, und geht mit der Zeit ganz in die Dampfphase mäßiger Druck p auf die Wand bemerkbar macht.
über. . Tabelle 3.2 zeigt am Beispiel von Wasser, wie Das ist der wesentliche Punkt der kinetischen Gas-
Dampf- und Flüssigkeitsdichte sowie der Dampfdruck theorie. Die genaue Rechnung führt zum Ergebnis
von der Temperatur abhängen und welche spezifischen p=NukuT, d. h., der Gasdruck ist der Teilchenzahl-
Wärmemengen bei Phasenübergängen aufgebracht wer- dichte N und der absoluten Temperatur T proportional
den müssen bzw. in umgekehrter Richtung frei werden. (7 Kap. 4.3.1).
Es gilt für die . Tabelle 3.2: ρFl=Dichte von Wasser, Die molare Wärmekapazität von Gasen bei
ρD=Dichte von Wasserdampf. Die Schmelzwärme ΛE konstantem Druck hängt noch von der Zahl der zur
und die Siedewärme ΛS müssen am Schmelzpunkt bei Verfügung stehenden Freiheitsgrade (Cw=nfu½kuT
0°C bzw. bei der Siedetemperatur von 100°C für den [J/(Kumol)]) ab: Zu den 3 Freiheitsgraden der trans-
Phasenübergang Eis Wasser bzw. Wasser Dampf aufge- latorischen Bewegung kommen bei mehratomigen
bracht werden. Am Tripelpunkt existieren alle 3 Phasen Molekülen noch die Freiheitsgrade von Rotations-,
gleichzeitig. Am kritischen Punkt haben Flüssigkeit Vibrations- und Knickschwingungen hinzu, sofern
und Dampf dieselbe Dichte und unterscheiden sich die Temperatur ausreicht, diese diskreten quanten-
auch sonst nicht mehr. mechanischen Energiezustände anzuregen. Wenn nicht,
spricht man von eingefrorenen Freiheitsgraden.

3.2.3 Gase Merke


Kinetische Gastheorie:
Gase nehmen im Unterschied zu Flüssigkeiten jeden zur Energie pro Freiheitsgrad ½kuT [J],
Verfügung stehenden Raum ein. Bei Temperaturen T Druck p=NukuT [Pa],
weit über der Siedetemperatur einer Flüssigkeit haben Boltzmannkonstante k=1,38u10–23 J/K,
Dämpfe mehr und mehr die Eigenschaften von Gasen: Teilchenzahldichte N [m–3], absolute Temperatur T [K].
Die mittlere freie Weglänge von Teilchens zwischen

. Tab. 3.2. Eigenschaften von reinem Wasser bei verschiedenen Temperaturen θ.


θ/°C ρFl/kg m–3 ρD/g m–3 pD/hPa Kommentar
0 999,868 4,85 6,10 ΛE=334,6 kJ/kg
0,0075 999,869 4,85 6,10 Tripelpunkt
4 1000,00 6,40 8,13 Höchste Dichte
37 991,4 45,4 62,7 Körpertemperatur
100 958,3 600 1013,25 ΛS=2255 kJ/kg
374,2 196,94 196940 221,1u103 Kritischer Punkt
Physik
69 4

4 Wärmelehre

Mind Map
Alles Leben, insbesondere tierisches und mensch- Wasserdampf abgegeben. Um den Atmungsvorgang
liches Leben, ist nur in einem engen Temperaturbe- quantitativ beschreiben und verstehen zu können,
reich möglich. Deshalb ist es auch notwendig, dass muss man den Zusammenhang der interessierenden
wir Temperatur − wie sonst kaum eine physikalische Zustandsgrößen und die Partialdrücke der beteiligten
Größe − direkt sinnlich wahrnehmen können. Aller- Gase und Dämpfe kennen.
dings können wir mit unserem Temperatursinn nur Sofern Moleküle sich nicht ab einer bestimmten
qualitativ angeben, ob das gefühlte Objekt kälter Temperatur zersetzen, kommen die aus ihnen zusam-
oder wärmer als die empfindende Haut ist. Da sich mengesetzten Stoffe in der festen, flüssigen und gas-
aber sehr viele physikalische Größen mit der Tempe- förmigen Phase vor. Vertraut sind uns das Schmelzen
ratur ändern, gibt es technisch viele Möglichkeiten, von Eis und einigen Metallen, das Verdunsten und
Temperaturen zu messen. Sieden von Wasser und das sich Verflüchtigen von Rei-
Temperatur ist ein Maß für die mittlere Energie nigungsmitteln und medizinischen Sprays.
pro Freiheitsgrad, die die Moleküle in Gasen, Flüssig- Lebende Systeme bedienen sich praktisch aller
keiten oder Festkörpern haben. Wärme ist eine Ener- bekannten Transportarten, um Materie, Wärme und In-
gieform, für die zusammen mit anderen Energie- formation mit ihren Subsystemen und der Umgebung
formen der Satz von der Erhaltung der Gesamtener- auszutauschen. Einer der Mechanismen der Wärme-
gie eines abgeschlossenen Systems gilt. Das besagt übertragung ist z. B. die Konvektion.
der 1. Hauptsatz der Wärmelehre. Der 2. Hauptsatz Die vielen Möglichkeiten, die feste, flüssige und
beinhaltet u.a., welcher Bruchteil davon bei Kreis- gasförmige Stoffe haben, sich in den jeweils anderen
prozessen maximal in mechanische Arbeit umgesetzt Medien zu lösen, finden alle Anwendung in der Medi-
werden kann. Auch bei körperlicher Tätigkeit wandelt zin. Elementar ist beispielsweise die Lösung, also Ab-
sich die chemische Energie der aufgenommenen sorption, von Sauerstoff in Blut. Eigenschaften und
Nahrung überwiegend in Wärme um. Diese muss Zeitverhalten dieser verschiedenen Stoffgemische hän-
abgeführt werden, damit sich die Temperatur des gen wesentlich von der thermischen Bewegung der
Körpers nicht zu stark erhöht. Dabei spielt die Wärme- gelösten Teilchen ab, bei festen Körpern noch stark von
kapazität des Körpers eine wichtige Rolle. deren Oberflächenstruktur.
Bei der Atmung wird in der Lunge aus der Luft
Sauerstoff aufgenommen und Kohlendioxid und
70 Kapitel 4 · Wärmelehre

4.1 Temperatur thermometern, die als Schalter dienen können. Der


thermischen Volumenausdehnung β bedienen sich
4.1.1 Temperaturskalen Thermometer mit Alkohol- oder Quecksilberfüllung
(klassisches Fieberthermometer) oder gasgefüllte Ther-
Die im Alltag gebräuchliche Celsiusskala hat 2 Fix- mometer.
punkte beim Schmelz- und Siedepunkt des reinen Was- Neuere Thermometer mit digitaler Anzeige be-
sers unter Normaldruck (1013,25 hPa), entsprechend ruhen auf der starken Abnahme des elektrischen Wider-
0°C und 100°C. Die Basisgröße des SI-Systems ist je- standes von Halbleitern wie Silicium mit der Tempera-
Physik

doch die absolute Temperatur T, die in Kelvin [K] ge- tur, andere nutzen die Zunahme des Widerstandes von
messen wird. Wie in 7 Kapitel 3.2 bereits ausgeführt, Metallen zur Messung hoher Ofentemperaturen. Die
haben bei einem gleichmäßig erwärmten Körper alle Infrarotstrahlung, die Körperoberflächen bereits bei
anregbaren Freiheitsgrade die gleiche mittlere Energie Zimmertemperatur aussenden, kann gut zur Messung
Ef=½kT. Für das Teilchen eines Gases bedeutet dies von Temperaturverteilungen mithilfe von Infrarotka-
meras herangezogen werden, da die Intensität I propor-
Ekin = 1 2 mv 2 = 3 2 kT . tional zu T4 variiert (Plancksches Strahlungsgesetz).

Das heißt, dass beim absoluten Nullpunkt (T=0 K) der


Kelvinskala alle Teilchen ruhen. Der 2. Fixpunkt der 4.2 Wärme, Wärmekapazität
Kelvinskala ist der Tripelpunkt des reinen Wassers bei
273,16 K (0,01°C, . Tab. 3.2). Die Unterteilung dieses 4.2.1 Energie in Form von Wärme
Intervalls erfolgt in gleichen Schritten wie bei der
Celsiusskala, sodass eine Temperaturdifferenz in K gleich Wärme ist die Energie, die einem Körper bei Erhöhung
der in °C ist, lediglich die Nullpunkte der beiden Skalen seiner Temperatur zugeführt wird. Sie wird in der SI-Ein-
sind gegeneinander verschoben. Die Zahlenwerte beider heit Joule [J] gemessen. Die noch häufig gebrauchte
Skalen rechnet man wie folgt ineinander um: Wärmeeinheit »Kalorie« [cal] ist die Wärmemenge, die
nötig ist, um 1 g Wasser von 14,5°C auf 15,5°C zu erwär-
Merke men. Im SI-System sind 4,184 J=1 cal.
Kelvinskala: T/K=θ/°C+273,15
Celsiusskala: θ/°C=T/K–273,15
Temperaturdifferenz: Δ θ/°C=ΔT/K. 4.2.2 Wärmekapazität

Bei Erwärmung oder Abkühlung eines Körpers um die


Temperatur ΔT wird die Wärmemenge ΔQ=CuΔT auf-
4.1.2 Thermische Ausdehnung von genommen oder abgegeben. Die materialabhängige
Flüssigkeiten und festen Körpern Konstante C [J/K] wird Wärmekapazität genannt.
Unter dem Wasserwert versteht man die Wärme-
Die thermische Ausdehnung von festen Körpern der kapazität von Gefäßen, die für kalorimetrische Unter-
Länge l0 bei 0°C nimmt mit der Celsiustemperatur zu suchungen gebraucht werden.
nach l(q ) = l0 ¥ (1 + a ¥ q ). Als spezifische Wärmekapazität bezeichnet man
Für die thermische Ausdehnung von Flüssigkeiten die massebezogene Wärmekapazität c=C/m. Sie beträgt
und Festkörpern vom Volumen V0 bei 0°C gilt entspre- demnach für Wasser (s. o.) 4,2 kJ/(kguK). Bezieht man
chend V (q ) = V0 ¥ (1 + b ¥ q ), wobei die linearen und sich auf stattdessen auf die Zahl der Mole n, so erhält man
kubischen Ausdehnungskoeffizienten α und β in der die molare Wärmekapazität cmolar=C/n [J/(moluK)].
Einheit °C–1 angegeben werden. Für feste Körper gilt
β≈3α. Merke
Die Temperatur eines Körpers der Masse m und der
spezifischen Wärmekapazität c wird um ΔT erhöht,
4.1.3 Temperaturmessung wenn man ihm die Wärmeenergie ΔQ=cumuΔT [J]
zuführt.
Zur Messung der Temperatur kann man im Prinzip je-
den physikalischen Effekt heranziehen, der eine starke
Temperaturabhängigkeit zeigt. Große Unterschiede in
den Koeffizienten α benutzt man beim Bau von Bimetall-
4.2 · Wärme, Wärmekapazität
71 4
4.2.3 1. Hauptsatz der Wärmelehre die Wahrscheinlichkeit ½, sich im ersten Behälter auf-
zuhalten, aber dass sich per Zufall alle wieder in ihm
Die innere Energie U eines Körpers ist eine ihn u. a. ansammeln, ist beliebig unwahrscheinlich:
charakterisierende Zustandsgröße. Für Wärme wie für Grob abgeschätzt ist die Wahrscheinlichkeit P=(½)n
alle anderen Formen der Energien gilt der Satz von der für n=10 Gasmoleküle bereits <10–3, sie ist für 100 Teil-
Erhaltung der Gesamtenergie eines abgeschlossenen chen bereits <10–30, d. h. verschwindend gering. Selbst
Systems. wenn pro Sekunde 1015 Möglichkeiten realisiert wür-
Wie in 7 Kapitel 3 des Abschnitts GK Chemie den, würde es 1015 s≈3,2u107 Jahre für nur 100 Teilchen
dargestellt, sollen bei einem System positive Werte dauern, bis der gesuchte Fall statistisch wieder eintreten
Energieaufnahme und negative Energieabgabe in Form würde.
von Wärme Q oder geleisteter Arbeit W bedeuten: Ein Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit eines Sys-
ΔQ=ΔU+ΔW. Das heißt, die zugeführte Wärme plus temzustandes ist die Zustandsgröße Entropie S [J/K].
der in das System gesteckten Arbeit erhöhen die innere Änderungen der Entropie sind über den Ausdruck
Energie des Systems. ΔS=ΔQ/T definiert.
Wichtige Anwendungen sind: bei der isother- Ob ein Prozess 1→2 reversibel oder irreversibel
men Ausdehnung eines Gases (ΔU=0) bei konstan- ist, untersucht man dadurch, dass man das System
tem Druck leistet die zugeführte Wärme Arbeit nach über den Prozess 2→1 wieder in den Ausgangszu-
Q=–W=puΔV. stand zurückführt und dabei die Entropieänderung
Ohne Wärmeaufnahme oder -abgabe laufen adia- 2
dQ 1 dQ
batische Prozesse (Q=0) ab. Arbeit wird auf Kosten der DS = Ú +Ú misst. Gilt für diesen Kreisprozess
inneren Energie verrichtet (ΔU, W<0) oder dient ihrer 1 T 2 T

Erhöhung (W>0). ΔS=0, so ist der Vorgang 1→2 reversibel, während


es sich bei ΔS>0 um einen irreversiblen Prozess
Merke handelt.
1. Hauptsatz der Wärmelehre: Man kennt keine Kreisprozesse mit ΔS<0, bei denen
Wärme ist eine Energieform: Q=ΔU-W. Die dem demnach die Gesamtentropie abnimmt. Der Wirkungs-
System zugeführte Wärme Q erhöht die innere grad η=W/Q (geleistete Arbeit W zu aufgenommener
Energie U und verrichtet Arbeit W (dann W<0). Wärme Q) einer Wärmekraftmaschine, die einen Kreis-
T -T
prozess reversibel durchläuft, beträgt hC = hoch niedrig
Thoch
(Carnotscher Kreisprozess, S. Carnot, 1824).
4.2.4 Reversible und irreversible Prozesse; Dabei wird die Wärmemenge Q aus einem Reser-
Entropie voir mit der Temperatur Thoch entnommen, der Bruch-
teil ηQ=W in Arbeit umgewandelt, und die Wärme-
Reversible Prozesse. Wenn ein Fadenpendel hin und menge (1–η)Q an das Reservoir mit Tniedrig abgegeben.
her schwingt, findet periodisch ein Wechsel von maxi- Da die Bereitstellung von Tniedrig<<TUmwelt selbst einen
maler kinetischer zu maximaler potenzieller Energie hohen Energieaufwand bedeutet, muss Thoch möglichst
statt. Man nennt solche Vorgänge reversible Prozesse: groß gewählt werden, um einen möglichst hohen Wir-
Ein System kehrt ohne zusätzlichen Energieaufwand kungsgrad zu erzielen. Das heißt, Wärmekraftmaschi-
wieder in den gewählten Ausgangszustand zurück. nen laufen bei hohen Verbrennungstemperaturen am
Aufgrund der statistischen Natur der Wärme sind nur besten.
wenige thermodynamische Prozesse reversibel, z. B. Steckt man umgekehrt Arbeit in einen reversiblen
das Verdampfen einer Flüssigkeit durch Energiezufuhr Kreisprozess, indem man Wärme von einem Reservoir
bzw. die Kondensation dieses Dampfs durch Energie- niedriger auf ein solches höherer Temperatur transpor-
abgabe. tiert, so kommt man zum Prinzip der idealen Wärme-
Einen irreversiblen Prozess veranschaulicht das pumpe oder Kältemaschine, je nachdem, welches Re-
folgende Beispiel: Lässt man Gas aus einem vollen Be- servoir man betrachtet.
hälter in ein ebenso großes evakuiertes Gefäß strömen,
so findet in kurzer Zeit wegen der hohen Geschwindig-
keit der Gasteilchen Druckausgleich statt. Der umge- 4.2.5 2. Hauptsatz der Wärmelehre
kehrte Prozess, dass sich alle Teilchen wieder im ur-
sprünglich vollen Behälter aufhalten, wird von selbst Der 2. Hauptsatz der Wärmelehre umfasst folgende Aus-
praktisch nie eintreten. Jedes Teilchen hat zwar für sich sagen:
72 Kapitel 4 · Wärmelehre

4 Die Entropie eines abgeschlossenen Systems das 3fache der geleisteten Arbeit als Wärme abgeführt
nimmt im thermodynamischen Gleichgewicht ein werden (Näheres dazu 7 Kap. 4.5).
Maximum an, es stellt sich der wahrscheinlichste
Zustand ein (z. B. Temperaturausgleich bei Kontakt
oder Mischung zweier Stoffe unterschiedlicher 4.3 Gaszustand
Temperatur).
4 Wärmeenergie lässt sich nie vollständig in mecha- 4.3.1 Zustandsgrößen und allgemeine
nische Energie oder eine andere makroskopische Gasgleichung
Physik

Energieform umwandeln, bzw.


4 es gibt kein Perpetuum mobile der zweiten Art. Zustandsgrößen
Das heißt, es gibt keine Maschine, die unter Abküh- Gase und Dämpfe, auch Gemische von Gasen und
lung eines Wärmereservoirs Wärme zu 100% in Dämpfen, gekennzeichnet durch den Index i, werden
Arbeit umwandelt, ohne an ein zweites Reservoir durch die folgenden 4 Zustandsgrößen beschrieben:
Wärme abzugeben. 1. Das betrachtete Volumen V,
4 Alle realen Wärmekraftmaschinen beruhen auf 2. die Anzahl der Mole ni jeder Gaskomponente
irreversiblen Kreisprozessen aufgrund von Rei- im Volumen V mit der Gasdichte ρi=niⴛMi/V
bungsverlusten und Wärmeabgabe durch unvoll- (Mi=molare Masse),
kommene Isolierung. Sie haben deshalb stets einen 3. den partiellen Gasdruck pi jeder Komponente des
geringeren Wirkungsgrad η als der oben vorge- Gemischs,
stellte Carnotsche Kreisprozess. 4. die absolute Temperatur T.

Merke Allgemeine Gasgleichung


Für den Wirkungsgrad η jeder realen Wärmekraft- Unter der Voraussetzung punktförmiger Teilchen ohne
Thoch - Tniedrig attraktive Wechselwirkung folgt aus der kinetischen
maschine gilt h < hC = .
Thoch Gastheorie die Zustandsgleichung für ideale Gase:
pⴛV=nⴛRⴛT.
R=8,31 J/(mol K) ist die allgemeine Gaskonstante.
Das Verhalten von realen Gasen (alle Edelgase, so-
4.2.6 Geschlossene und offene Systeme wie die Hauptbestandteile der Luft nach . Tabelle 4.1)
wird durch diese Gleichung bis zu tiefen Temperaturen
Kennzeichen eines geschlossenen Systems ist, dass weit unter 0°C sehr gut beschrieben. Sie gilt auch nähe-
kein Materieaustausch, sondern nur Energieaustausch rungsweise für Wasserdampf sowie für Narkosegase bei
mit der Umgebung möglich ist. Dazu gehört beispiels- den in der Medizin angewendeten Drücken. Die Zu-
weise die oben erwähnte ideale Wärmekraftmaschine standsgleichung gilt separat für jede Komponente eines
nach Carnot und der Stirlingsche Heißluftmotor. Gasgemischs.
Bei offenen Systemen verlässt pro Zeiteinheit eine Der Gesamtdruck p ist gleich der Summe über alle
bestimmte Materiemenge das System und eine nicht Partialdrücke pi, wobei die Zahl der Mole ni im Volu-
unbedingt gleiche tritt neu in das System ein. Zu den men jeweils proportional zum Partialdruck pi ist.
offenen Systemen gehören nicht nur Dampfmaschine, Sind 3 Zustandsgrößen bekannt, so kann die vierte
Otto- und Dieselmotor, sondern auch alle Lebewesen berechnet werden. Berechnet man z. B. das Volumen
von den Einzellern bis zum Menschen. Durch die Auf- eines Mols unter Normalbedingungen (p0=1013,25 hPa,
nahme von Sauerstoff der Luft und Brennstoff in Form
von Benzin, Öl oder Nahrung sind diese offenen Sys-
teme in der Lage, durch »Verbrennung« mechanische, . Tab. 4.1. Zusammensetzung von trockener Luft
chemische und thermische Energie zu gewinnen, und Gas Volumen- Massen- Partialdruck
sich selbst ohne Entropiezuwachs am »Laufen« zu anteil in % anteil in % in hPa
halten. N2 78,084 75,56 791,19
Im dynamischen Gleichgewicht wird natürlich die
O2 20,946 23,1 212,23
gleiche Materiemenge wieder ausgeschieden, zusam-
men mit der Abgabe von Wärme an ein »Reservoir« mit Ar 0,934 1,28 9,46
der Temperatur der Umgebung. Der Wirkungsgrad η CO2 0,033 0,045 0,33
für Muskelarbeit beträgt ca. 25–30%, d. h., bei körper-
Summe ca. 100 ca. 100 ca. 1013,25
licher Arbeit muss zusätzlich zum normalen Umsatz
4.4 · Änderung des Aggregatzustandes
73 4

T0=273,15 K), so erhält man einheitlich für alle idealen Ein typisches Beispiel dafür ist der sichtbare Atemnebel
Gase ein Molvolumen Vmolar=22,4 l. in kalter Winterluft.
Werden je 2 Zustandsgrößen als konstant voraus- Die absolute Luftfeuchtigkeit gibt die Wasser-
gesetzt, so erhält man die folgenden Gasgesetze mit dampfdichte ρD in g/m3 an. Unter relativer Luftfeuch-
z. T. historischen Namen (grafische Darstellung in tigkeit versteht man das Verhältnis von absoluter Luft-
. Abb. 4.1): feuchtigkeit zu Sättigungsdampfdichte bei der betrach-
4 Gesetz von Boyle-Mariotte: p~1/V (n und T sind teten Temperatur der Luft. Die Temperatur, bei der
konstant) (Isothermen in . Abb. 4.1a). Für 2 Zu- Wasserdampf an einer kälteren Oberfläche gerade kon-
stände gilt: p1/p2=V2/V1. densiert, nennt man den Taupunkt. Seine Messung
4 1. Gesetz von Gay-Lussac: V~T (n und p sind kon- erlaubt die Angabe der absoluten Luftfeuchtigkeit bei
stant) (Isobaren in . Abb. 4.1b). Für 2 Zustände gilt: Kenntnis der Sättigungsdampfdichte als Funktion der
V1/V2=T1/T2 oder ΔV/V0=ΔT/T0. Temperatur. Das in Wohnräumen verwendete Haar-
4 2. Gesetz von Gay-Lussac: p~T (n und V sind kon- hygrometer beruht auf der Längenänderung des
stant) (Isochoren in . Abb. 4.1c). Für 2 Zustände menschlichen Haares mit der Luftfeuchtigkeit.
gilt: p1/p2=T1/T2 oder Δp/p0=ΔT/T0.
Merke
Merke Absolute Luftfeuchtigkeit: Wasserdampfdichte
Zustandsgleichung für ideale Gase: puV=nuRuT. in g/m3.
Allgemeine Gaskonstante: R=8,31 J/(mol K). Relative Luftfeuchtigkeit: Wasserdampfdichte/
Molvolumen: Vmolar=22,4 l unter Sättigungsdampfdichte.
Normalbedingungen: p0=1013,25 hPa, T0=273,15 K. Taupunkt: Temperatur, bei der Luftfeuchtigkeit
kondensiert.

4.3.2 Dämpfe, insbesondere Wasserdampf


4.4 Änderung des Aggregat-
Der Unterschied von Gasen und Dämpfen ist ein gra- zustandes
dueller. Wie in 7 Kapitel 3.2 ausgeführt, steigt bei Flüs-
sigkeiten der Sättigungsdampfdruck und die zuge- 4.4.1 Phasenübergänge von Wasser
hörige Sättigungsdampfdichte exponenziell mit der bei Erwärmung
Temperatur an. Solange der partielle Dampfdruck
wesentlich kleiner als der Sättigungsdampfdruck ist, Als Funktion der Temperatur kommen die meisten
gilt für Dämpfe in guter Näherung die Zustandsglei- Stoffe in verschiedenen Aggregatzuständen vor. Er-
chung für ideale Gase. wärmt man einen festen Körper unter konstanter Wär-
Übersteigt der Partialdruck den Sättigungsdampf- mezufuhr, so wird er nach Erreichen des Schmelz-
druck bei Abkühlung auf eine niedrigere Temperatur, punkts so lange bei der Schmelztemperatur verharren,
so kondensiert so viel Dampf in Form von Nebeltröpf- bis er völlig in die flüssige Phase übergegangen ist. Die
chen aus, bis wieder Sättigungsdampfdichte erreicht ist. in diesem Zeitintervall abgegebene Wärme wurde als
Schmelzwärme zur Auflösung der kristallinen Struk-
tur des erstarrten Körpers verbraucht. Diese absorbierte
Wärme wird beim Erstarren der Schmelze wieder als
Erstarrungswärme frei (schützt Blüten vor Frost durch
Besprühen mit Wasser!).
Nach Erreichen des Siedepunkts der Flüssigkeit
bleibt die Temperatur erneut stehen, bis der letzte flüs-
sige Rest verdampft ist, da jetzt die zugeführte Wärme
ganz für die Verdampfungswärme (Verdampfungsen-
a b c thalpie) der Flüssigkeit aufgewendet wird. Umgekehrt
wird beim Verflüssigen des Dampfs diese gespeicherte
. Abb. 4.1a–c. Das Verhalten von idealen Gasen bei kon- Energie als Kondensationswärme wieder frei (Vor-
stanter Molzahl und einer weiteren konstanten Zustands- sicht: Verbrühungsgefahr!). Beide Phasenübergänge
größe: a Isothermen bei T=konst.; b Isobaren bei p=konst.; werden in der Labortechnik als billige Hilfsmittel zur
c Isochoren bei V=konst. (Harten 2006) Erzeugung konstanter Temperaturen verwendet.
74 Kapitel 4 · Wärmelehre

4.4.2 pT-Phasendiagramme gefährlichen Siedeverzug von überhitzten Flüssigkeiten


(Abhilfe durch Siedesteine) oder umgekehrt zu unter-
Eine genaue Untersuchung zeigt, dass Schmelz- und bliebener Kondensation von Wasserdampf zu Nebel-
insbesondere Siedetemperaturen noch vom herrschen- tröpfchen (Regenmacher versprühen Silberjodid zum
den Gasdruck abhängig sind. Deshalb ist insbesondere Abregnen von Wolken).
die Verdampfungsenthalpie keine Konstante, denn sie Ähnliche Phänomene treten beim Übergang von
enthält neben der Ablösearbeit der Moleküle aus der flüssig zu fest auf: Glas ist z. B. eine unterkühlte Schmel-
Flüssigkeit noch die Volumenausdehnungsarbeit gegen ze, die manchmal erst nach Jahrhunderten auskristal-
Physik

den herrschenden Druck. Im pT-Phasendiagramm las- lisiert.


sen sich alle Phasenübergänge gut als Funktion von
Druck und Temperatur darstellen (. Abb. 4.2).
Auch feste Stoffe haben einen Dampfdruck und 4.5 Wärmetransport,
können durch Sublimation direkt in die Dampfphase Transportphänomene
übergehen (z. B. Jod, Kampfer, Eis). Auch der umge-
kehrte Prozess findet bei Überschreiten des Sättigungs- 4.5.1 Wärmetransport
dampfdrucks statt (z. B. Raureif). Die qualitativ von durch Wärmeleitung
anderen Stoffen abweichende Schmelzkurve für Wasser
lässt Eis bei hohen Drucken schmelzen und ermöglicht Wärme kann auf prinzipiell 4 Arten von einem Kör-
so z. B. das Gleiten von Schlittschuhen. per auf den anderen oder die Umgebung übertragen
werden:
Merke 4 Wärmeleitung,
Schmelzen: festoflüssig 4 Konvektion,
Erstarren: flüssigofest 4 Verdunstung und
Sublimieren: festogasförmig 4 Temperaturstrahlung.
(Re)Sublimieren: gasförmigofest
Verdampfen: flüssigogasförmig Diese werden im Folgenden v. a. in Bezug auf den
Kondensieren: gasförmigoflüssig menschlichen Körper erklärt.
Auch ohne materiellen Transport fließt Wärme
vom heißeren zum kälteren Teil eines festen oder flüs-
sigen Mediums, oder von einem Medium zum anderen.
4.4.3 Siedeverzug und Unterkühlung Die Ursache dafür sind Stöße von freien Elektronen im
Leitungsband von Metallen mit anderen Elektronen
Phasenübergänge geschehen nicht unbedingt genau und die statistische Übertragung der Schwingungs-
dann, wenn man durch Temperaturänderungen die energie einzelner Moleküle im Kristallgitter auf die
Grenzkurve erreicht: Sie setzen häufig das Vorhan- nächsten Nachbarn. Diesen statistischen Vorgang nennt
densein von Keimen (raue Oberflächen, Staubteilchen, man Wärmediffusion.
Bakterien etc.) voraus. Fehlen diese, so kommt es zum Der Wärmestrom IW ist proportional zum nega-
tiven Temperaturgradienten −T/dx und zum dazu senk-
DT
rechten Querschnitt A nach: IW = - lW ¥ A ¥ [J/s].
Dx
Die materialabhängige Wärmeleitfähigkeit λW
II KP [W/(Kum)] ist besonders groß für Metalle und in etwa
proportional zur elektrischen Leitfähigkeit. Deshalb
III rührt man heiße Suppen lieber mit dem Holzlöffel um
als mit einem aus Metall!
TP

4.5.2 Wärmetransport
durch Stofftransport
. Abb. 4.2. pT-Phasendiagramm mit Grenzkurven: I) Sub-
limationskurve, II) Schmelzkurve, III) Dampfdruckkurve, Die Einnahme von heißen oder kalten Nahrungsmit-
TP= Tripelpunkt, KP= kritischer Punkt (gestrichelt qualitativ für teln oder Getränken ist die trivialste Form der Über-
Wasser, 7 Kap. 3.2, TP und KP . Tab. 3.2). (nach Harten 2006) tragung von Wärmemengen. Auch beim Blutkreislauf
4.6 · Stoffgemische
75 4

wird warmes Blut aus dem Körperinneren über die Ar- wenn man Körper von der Rotglut bis zur Weißglut
terien in die meist kühleren Gliedmaßen gepumpt, wo- erhitzt, im Spektrum des sichtbaren Lichts.
bei es nach dem Gegenstromprinzip das in den Venen Nach dem Strahlungsgesetz von Stefan-Boltz-
zum Herzen fließende kühlere Blut aufwärmt, sodass mann ist die Strahlungsleistung pro m2 insgesamt
zu große Temperaturunterschiede vermieden werden S = s ¥ T 4 [W/m2] mit σ=5,67u10–8 W/(m2K–4).
können. Die abgestrahlte Leistung P=AuS [W] (A strah-
Im Gegensatz zu dieser erzwungenen Konvektion lende Fläche) steigt mit der 4. Potenz der Temperatur,
steht der Wärmetransport von Flüssigkeiten oder Gasen d. h. ein Faktor 2 in T erhöht P auf die 16fache Strah-
durch die normale Konvektion: Ein heißer fester Kör- lungsleistung.
per erwärmt das fluide Medium. Dieses dehnt sich aus Auf der Tagseite der Erde empfängt und reflektiert
und erfährt im Schwerefeld der Erde einen Auftrieb. unser Planet Energie von der Sonne im Bereich des
Dadurch wird eine Strömung in Gang gesetzt, die sichtbaren Lichts, auf Tag- und Nachtseite strahlt da-
Wärme abführt und zugleich dem Wärmespender wie- gegen die Erde ständig infrarotes Licht gemäß ihrer
der kühleres Medium zum Aufheizen zuführt. Auf die- Oberflächentemperatur aus. Im Alltag benutzen wir
sem Prinzip beruht die Wirkung von Heizkörpern in Infrarotlampen und -strahler als Wärmequellen.
Zimmern, die Bildung von Aufwinden über erwärmten
Böden, ja letztlich das ganze Wettergeschehen, wie die Merke
Bildung von Tiefdruckgebieten und Wirbelstürmen Dampfdruck von Wasser bei 37°C: 63 hPa!
über dem sommerwarmen Meer der Karibik.

KLINIK
4.5.3 Wärmetransport durch Verdunstung Vereisen durch Verdampfungskühlen!
Infrarotlampen- und Kurzwellenbestrahlung:
Eine besondere, sehr effektive Wärmeübertragung Erwärmung von tiefer liegendem Gewebe.
durch Stofftransport ist die Verdunstung von Wasser.
Die Wasser verdampfende Körperoberfläche gibt dabei
an den fortgetragenen Dampf die hohe Verdampfungs-
enthalpie von 2.255 kJ/kg ab. Für den Menschen ist 4.6 Stoffgemische
wichtig, dass der Dampfdruck der umgebenden Luft
merklich kleiner als der Sättigungsdampfdruck von 4.6.1 Absorption und Adsorption
ca. 63 hPa bei der Körpertemperatur von 37°C ist. Hohe
Luftfeuchtigkeit bei hoher Außentemperatur wird des- Gase können sich wie feste Stoffe in Flüssigkeiten lösen,
halb als unangenehme Schwüle empfunden. Bei den man spricht dann von Absorption. Bei konstanter
sehr hohen Temperaturen in Saunen muss die Luft sogar Temperatur T ist die Konzentration bzw. Stoffmengen-
extrem trocken sein, damit der Partialdruck von Wasser- dichte c des gelösten Gases proportional zu seinem Par-
dampf nicht den Sättigungsdampfdruck bei 37°C über- tialdruck p im Außenraum.
steigt und Kondensation von Dampf einsetzt. Diesen Zusammenhang gibt das Henry-Daltonsche
In der Medizin wendet man Kühlung durch Ver- Gesetz wieder: c=pⴛK(T) [mol/l].
dunstung beim Betäuben durch Vereisen an. Geeignet Die Materialkonstante K(T) nimmt im Allgemeinen
sind dafür Flüssigkeiten mit hohem Dampfdruck bei mit steigender Temperatur ab. Ein Beispiel aus dem All-
ca. 37°C und großer Verdampfungsenthalpie. tag ist das explosionsartige Aufschäumen von Kohlen-
dioxid aus Bier, Mineralwasser oder Sekt aus unge-
nügend gekühlten Flaschen.
4.5.4 Wärmetransport
durch Temperaturstrahlung KLINIK
Bei der Taucherkrankheit kommt es durch zu
Alle Körper strahlen je nach Temperatur ein konti- schnelles Auftauchen aus großen Tiefen zum Frei-
nuierliches Spektrum elektromagnetischer Wellen aus werden von physikalisch gelöstem Stickstoff in
und absorbieren das von anderen empfangene. Bei der Form von Bläschen.
extrem niedrigen Temperatur von 3 K liegt das Maxi-
mum der Intensität im Bereich von Radiowellen (kos-
mische Hintergrundstrahlung), bei Temperaturen zwi- In der Medizin wird statt der Molkonzentration das pro
schen –50°C und +50°C noch im Infrarotbereich, und Lösungsmittelvolumen VLM gelöste Gasvolumen Vn
76 Kapitel 4 · Wärmelehre

. Tab. 4.2. Bunsensche Löslichkeitskoeffizienten α für Wasser bei 37,5°C


θ/°C N2 O2 CO2 Äther Ethrane Halothan
37,5 0,0123 0,024 0,567 14 0,76 0,74

korrigiert auf Normaldruck (pn=1013,25 hPa) ange- Merke


Physik

geben. p0 - p n1
V p Raoultsches Gesetz: = ;
Es gilt: n = a Gas . p0 n 0 + n1
VLM pn p Dampfdruck bei ν1 Molen gelöster Stoff in ν0 Mo-
Einige Bunsensche Löslichkeitskoeffizienten len Flüssigkeit, p0 Dampfdruck des reinen Lösungs-
α=Vn(pGas=pn)/VLM [cm3/cm3] für Gase der Luft, Äther mittels.
und einige Narkosegase in Wasser sind in . Tabelle 4.2
für 37,5°C zusammengestellt.

Merke 4.6.3 Diffusion


V p
Volumengehalt gelöster Gase: n = a Gas
VLM pn Die chaotische thermische Bewegung von Molekülen
mit α = Bunsenscher Löslichkeitskoeffizient, in Flüssigkeiten und Gasen – die Brownsche Molekül-
pn=1013,25 hPa, pGas gemessener Gasdruck in hPa. bewegung – führt dazu, dass sich räumliche Konzentra-
tionsunterschiede im Lauf der Zeit ausgleichen. Diesen
Vorgang meint der Begriff »Diffusion«. Der statistische
Moleküle von Gasen und Flüssigkeiten können sich Massentransport wird als Diffusionsstrom Ii der Stoff-
auch an die Oberfläche von festen Stoffen anlagern, man komponente i quantitativ erfasst. Er ist – ähnlich wie
nennt das Adsorption. Besonders geeignet sind Körper bei der Diffusion von Wärme – dem Konzentrations-
mit großer innerer Oberfläche wie Aktivkohle oder gefälle grad(c)=Dci Dx und dem Querschnitt A pro-
Knochenkohle, die es bis zu einer spezifischen Ober- portional, dessen Normale die Richtung dieses Gradi-
fläche von 400 m2/g bringen. enten hat.
Dc
Das Diffusionsgesetz lautet: Ii = - Di ¥ A ¥ i
Merke [mol/s]. Dx
Absorption: Flüssigkeiten lösen Gasmoleküle. Der Diffusionsstrom ist dem Gradienten des Stoff-
Adsorption: Festkörperoberflächen binden Gas- mengenkonzentration entgegengesetzt gerichtet. Der
moleküle. Diffusionskoeffizient Di ist der mittleren freien Weg-
länge zwischen 2 Stößen und der mittleren Geschwin-
digkeit der Moleküle proportional. Im lebenden Körper
trägt dieser Prozess zum Stofftransport in den Zellen
4.6.2 Lösungen von festen Stoffen von Lunge, Niere und anderen Geweben bei (GK Phy-
in Flüssigkeiten siologie 7 Kap. 1).

Werden feste Stoffe wie Zucker oder Kochsalz in Wasser Merke


gelöst, so erhöht sich der Siedepunkt der Lösung und Diffusionsgesetz
 (1. Ficksches Gesetz der Dif-
ihr Gefrierpunkt senkt sich ab. Dies ist gleichbedeutend fusion): j = -D ¥ grad (c ) .

mit einer Absenkung des Dampfdrucks des Lösungs- j ist die Diffusionsstromdichte in Richtung des
mittels, wodurch sich auch der Tripelpunkt der Lösung stärksten Abfalls der Stoffkonzentration c, D der
(. Abb. 4.2) verschiebt. Für nicht zu hohe Stoffmengen- Diffusionskoeffizient.
dichten des gelösten Stoffs ist die Dampfdruckernied-
rigung proportional zur Anzahl der gelösten Mole (dis-
soziierte Moleküle wie NaCl→Na++Cl– zählen dabei
doppelt). Diesen Sachverhalt beschreibt das Raoult- 4.6.4 Diffusion durch Membranen
sche Gesetz (s. u.). Es wird zur Bestimmung der rela-
tiven Molekülmasse bei bekannter Masse einer gelösten Moleküle können auch durch sehr dünne Membranen,
Substanz verwendet. wie sie Zellwände darstellen, diffundieren, wenn auch
4.6 · Stoffgemische
77 4

der Diffusionskoeffizient D wesentlich kleiner ist als


der der Zellflüssigkeit. Praktisch fällt der Konzentra-
tionsunterschied Δc voll über der Membrandicke d ab.
Das Diffusionsgesetz lässt sich dann wie folgt modi-
D
fizieren: j = - Dc = - P ¥ Dc , wobei P=D/d den auch
d
ohne Kenntnis von D und d messbaren Permeabilitäts-
koeffizienten bezeichnet. Für Glucose von 37°C beträgt
P=6 mm/s für D=3u10–5 mm2/s und eine Einheitsmem-
. Abb. 4.3. Pfeffersche Zelle zur Messung des osmotischen
bran von d=5 nm.
Drucks: Durch die semipermeable Membran der Zelle diffun-
diert so lange Flüssigkeit, bis der hydrostatische Überdruck im
Merke
Steigrohr Δp=ρgΔh gleich dem osmotischen Druck ist. (nach
Diffusionsstrom durch eine Membran: Harten 2006)
j = - P ¥ Dc; P=Permeabilitätskoeffizient.

Wie erwähnt, gilt das Gesetz von Van-t´Hoff nur nähe-


rungsweise: Da Mmolar(NaCl)=(23+35,5) g/mol, ergibt
4.6.5 Osmose sich rechnerisch für 9 g NaCl pro Liter Wasser ein etwas
höherer osmotischer Druck von 793 kPa als der experi-
Ein Sonderfall ist die Diffusion durch halb durchlässige mentell festgestellte.
Wände. Feine Poren in semipermeablen Membranen
lassen nur die kleineren Moleküle des Lösungsmittels Merke
passieren, z. B. H2O-Moleküle, nicht aber die Moleküle Van-t’Hoffsches Gesetz für den osmotischen
des gelösten Stoffs. Dies führt bei einem abgeschlossenen Druck:
Volumen des gelösten Stoffs zum Aufbau eines Über- pOsm=cuRuT [Pa];
drucks bis zu einem maximalen Grenzwert, dem os- Konzentration c=ν/V=V–1um/Mmolar [mol/m3],
motischen Druck. Er kann z. B. mithilfe der Pfefferschen Temperatur T [K], Gaskonstante R=8,31 J/(moluK).
Zelle nach . Abbildung 4.3 gemessen werden.
Für niedrige Konzentrationen gilt näherungsweise
– in Analogie zum allgemeinen Gasgesetz – das Gesetz KLINIK
von Van-t’Hoff: pOsm=cⴛRⴛT [Pa], wobei die Kon- Die experimentell festgestellte isotonische Konzen-
zentration c in mol/m3, T in Kelvin und die Gaskon- tration der physiologischen Kochsalzlösung beträgt
stante R in J/(moluK) einzusetzen sind. 0,9 Gew.% oder 9 g/l.

KLINIK
Eine für Ionen semipermeable Zellwand haben z. B.
die roten Blutkörperchen. Der osmotische Druck
des Zellinneren wie der des Blutserums beträgt
ca. 730 kPa. Damit die Erythrozyten bei Infusionen
nicht platzen oder zusammenschrumpfen, muss
die in Notfällen infundierte physiologische Koch-
salzlösung isotonisch sein und eine Konzentration
von ≈9 g/l NaCl haben. Wegen der Dissoziation von
NaCl in Wasser in 2 Ionen muss die berechnete
Stoffmengenkonzentration von NaCl doppelt ein-
gesetzt werden.
Physik
79 5

5 Elektrizitätslehre
Mind Map
Wenn durch Blitzeinschlag in einem Haushalt Licht, kommt. Deshalb spielen elektrische Kapazitäten in
Herd und Heizung ausgehen und Telefon, Fernseher Form von Kondensatoren nur als Kurzzeitspeicher für
und Computer nicht mehr funktionieren, dann mer- schnell ablaufende Vorgänge eine bedeutende Rolle: so
ken wir, wie wichtig für uns der elektrische Strom in der Hochfrequenztechnik, aber auch bei der Erre-
und die von ihm gespeisten Geräte sind, und wie gungsfortleitung in Nerven.
gefährlich natürliche elektrische Entladungen sein Elektrische Ströme setzen immer frei bewegliche
können. Andererseits wird auch unser Herzschlag elektrische Ladungen voraus, die durch die wirkende
durch elektrische Impulse ausgelöst. Bei jedem Ner- Kraft elektrischer Felder bewegt werden. Je nach Medium
venreiz fließen Ionenströme durch Zellmembranen. sind es unterschiedliche Ladungsträger und Mechanis-
Dass Leben gerade im Minutiösen so stark auf elek- men, die für die Elektrizitätsleitung verantwortlich sind.
trischen Phänomenen beruht, ist letzten Endes nicht Metalle bestehen aus einem positiven Ionengitter
so verwunderlich, wenn man sich bewusst macht, mit frei beweglichen Elektronen unterschiedlicher Ab-
dass fast alle Erscheinungen unserer materiellen Welt lösearbeit, Elektrolyte aus gelösten positiven und nega-
auf der in 7 Kapitel 3 angesprochenen elektromagne- tiven Ionen unterschiedlicher Beweglichkeit. Kommen
tischen Wechselwirkung beruhen – bestehen ja die zwei verschiedene, leitende Medien in Kontakt, so wer-
Atome selbst aus elektrisch geladenen Teilchen, die den durch Diffusion bewegliche Ladungsträger so lange
durch elektrische Kräfte zusammengehalten werden. ausgetauscht, bis die sich dabei aufbauenden elek-
So wie das von der Erde ausgehende Gravitations- trischen Felder diese Prozesse zum Stillstand bringen. Je
feld den Raum spürbar durchdringt und die Erdbe- nachdem, ob man die Grenzfläche Metall-Metall,
schleunigung die jeweils herrschende Feldstärke re- Metall-Elektrolyt, oder Elektrolyt-Elektrolyt mit selektiv
präsentiert, so gehen auch von Ladungen elektrische ionendurchlässigen Membranen betrachtet, kommt es
Felder aus, die auf andere Ladungen Kräfte ausüben zu unterschiedlichen Potenzialdifferenzen zwischen den
und Ladungen auf elektrisch leitenden Materialien sich berührenden Medien. Auch die Ruhe- und Aktions-
verschieben. potenziale von lebenden Zellen werden durch solche
Alle elektrischen Geräte und Maschinen, die wir Austauschprozesse erklärt.
im Alltag benutzen, funktionieren nur dann ordent- James Clerk Maxwell hat von 1861 bis 1864 heraus-
lich, wenn sie an Stromquellen, seien es Batterien gefunden, dass elektrische und magnetische Phänomene
oder Steckdosen, unter einer bestimmten Spannung zwei sich ergänzende Erscheinungen der elektromagne-
angeschlossen werden. All diese Geräte erbringen tischen Wechselwirkung sind. Spannungstransforma-
eine bestimmte Leistung, die sich aus Spannung und toren, Dynamos und elektrische Motoren beruhen auf ihr.
Strom errechnen lässt. Magnetische Felder werden durch bewegte, elektrische
Bei der Strömung von Flüssigkeiten ist der Strö- Ladungen erzeugt. In der modernen Medizin werden
mungswiderstand durch den Quotienten aus Druck starke Magnetfelder bei der Magnetresonanztomogra-
und Volumenstrom definiert. Analog wird der elek- phie (MRT) benötigt. Dank der Magnetokardiographie
trische Widerstand eines Bauelements im Stromkreis und Magnetoenzephalographie kann man ohne opera-
als Quotient von Spannung und Stromstärke ange- tiven Eingriff sehr schwache, zeitlich veränderliche
geben. Dieser Widerstand kann mithilfe verschie- Magnetfelder registrieren, die von Herz, Nerven und Ge-
dener Größen berechnet werden. hirn ausgehen, aber auch jeder anderen Körperzelle.
Zur Speicherung von elektrischer Energie dienen Unsere elektrische Energieversorgung in Haushalt
in Alltag und Technik zumeist Batterien, bei denen und Arbeitswelt, in ärztlicher Praxis und Klinik basiert
durch chemische Prozesse ständig positive und nega- zumeist auf dem Strom aus der Steckdose (zumeist
tive Ladungen neu erzeugt werden, solange ein Ent- über Parallelschaltungen), dem Wechselstrom. Selbst
ladungsstrom zwischen den Polen der Batterie fließt. die Batterien von Notebooks, Handys und Digitalkame-
Die statische Speicherung von Ladungen ist nur be- ras werden über entsprechende Trafos geladen. Daher
grenzt möglich, da mit zunehmender Ladungsdichte müssen für den sicheren Umgang mit den technisch so
die elektrische Feldstärke so stark anwächst, dass es bedeutsamen Wechselstromgeräten einige grund-
zu Spannungsdurchbrüchen und Entladungen legende Dinge beachtet werden.
80 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

5.1 Elektrische Ladung, Merke


elektrische Stromstärke
Eigenschaften stromdurchflossener Leiter:
5.1.1 Elektrische Ladungen 5 Erwärmung,
5 Abscheidung von Stoffen aus Salzlösungen,
5 ringförmig geschlossene Magnetfelder.
Wie bereits in 7 Kapitel 3 erläutert, treten positive und
negative Ladungen in der Natur nur als ganzzahliges
Vielfaches einer Elementarladung e auf:
Physik

4 Protonen, Kerne und Metallionen in wässriger Lö- 5.1.3 Coulomb-Kraft


sung (so genannte Kationen) tragen positive La-
dungen, Elektrisch geladene Körper üben anziehende Kräfte
4 Elektronen und Anionen wie Cl– und SO4– negative aufeinander aus, wenn sie ungleichnamig geladen sind,
Ladungen. während sich gleichnamig geladene abstoßen. Dies
Verhalten drückt das Coulombsche Gesetz quantitativ
In Metallen und Halbleitern gibt es Elektronen, die aus, wobei wie bei der Gravitation (7 Kap. 2) die Kraft
sich frei im Kristallgitter bewegen können; in Plasmen, umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes
hochionisierten Gasen, kommen alle genannten La- zwischen den punktförmig gedachten Ladungen ist:
dungsträger vor.
1 Q1 ◊ Q2
F = [N];
4pe 0 ◊ e r122
5.1.2 Elektrischer Strom
e 0 = 8, 854 ◊10 -12 As/(Vm) ist die Dielektrizitätskon-
Ähnlich wie die Wassermenge pro Zeiteinheit, die einen stante, ε die Permittivitätszahl, die angibt, um welchen
Rohrquerschnitt passiert, einen Flüssigkeitsstrom dar- Faktor sich die Kraftwirkung abschwächt, wenn der
stellt (gemessen in kg/s oder m3/s), definiert der Fluss Raum zwischen den Ladungen mit nichtleitendem
von elektrischen Ladungen ΔQ pro Zeitintervall Δt Stoff (Dielektrikum) gefüllt ist. Für Vakuum ist ε = 1.
durch eine bestimmte Fläche ΔA den Zwei gleich große Ladungen q mit ungleichem Vorzei-
4 elektrischen Strom I=ΔQ/Δt [A] und
4 die Stromdichte j=ΔI/ΔA [A/m2].

Als konventionelle Stromrichtung hat man (willkür-


lich) die Flussrichtung positiver Ladungen vom Pluspol
einer Stromquelle über einen »Verbraucher« im Außen-
raum zu ihrem Minuspol festgelegt; sie ist der Fluss-
richtung negativer Ladungen wie Elektronen von Minus
a
nach Plus genau entgegengesetzt. Innerhalb einer Strom-
quelle wie einer Batterie fließt der Strom konventionell
stets vom Minus nach Plus!
Da man den elektrischen Strom sehr viel leichter
und genauer messen kann als Ladungen, wird im SI-Sys-
tem der elektrische Strom I in der Basiseinheit Ampere
[A] gemessen und Ladungen Q entsprechend in der
Einheit AmpereuSekunden [As]. Sind elektrische
Ströme als Funktion der Zeit konstant, so handelt es
sich um Gleichstrom (I = konstant), wechselt der Strom
periodisch das Vorzeichen, so spricht man von Wech-
selstrom. Dabei ist der sinusförmige Wechselstrom von
besonderer Bedeutung für Haushalt und Technik
(7 Kap. 5.10).
b

. Abb. 5.1a,b. Dipol: a Schematische Darstellung eines


 
Dipols mit Dipolmoment p = q ¥ l ; b Dipol des Wassermole-
küls, schematisch. (Harten 2006)
5.2 · Elektrische Feldstärke
81 5

chen im Abstand l stellen einen Dipol dar (. Abb. 5.1a),


dessen Kraftwirkung auf eine weitere Ladung bei
größeren Abständen (r>>l ) nicht mehr spürbar ist.
Wassermoleküle (. Abb. 5.1b) sind näherungsweise
solche Dipole. Das Produkt aus Ladung
 q und l ist das

so genannte Dipolmoment p = q ◊ l [Asm].

5.2 Elektrische Feldstärke


5.2.1 Definition der elektrischen Feldstärke

Im
 elektrischen
 Feld wird auf eine Ladung q die Kraft
F = q ◊ E [N] ausgeübt, wobei auf eine positive Ladung
eine Kraft in Richtung des Feldes wirkt, auf eine nega-
tive Ladung in entgegengesetzter Richtung. Die SI-Ein- a
heit der elektrischen Feldstärke ergibt sich nach der
Auflösung der obigen Gleichung nach E zu N/As=Nm/
(Asm)=V/m unter Benutzung der Äquivalenz von
1 Nm=1 J= 1 VAs. (Zur Definition der Einheit Volt [V],
7 Kap. 5.3). Die absolute Stärke des Feldes im Abstand r
von einer Punktladung Q ist nach dem Coulombschen
1 Q
Gesetz gegeben durch E = .
4pe 0 ◊ e r122

5.2.2 Elektrische Feldlinien

Verfolgt man grafisch die Richtung des elektrischen


Feldes im Raum, so zeichnet man eine so genannte
Feldlinie. Verfolgt man die in gleichmäßigen Winkelab- b
ständen von einer punktförmigen Ladung oder von den
. Abb. 5.2a,b. Feldlinienverteilungen. Typische Feldlinienver-
zwei Ladungen eines Dipols ausgehenden Feldlinien, so teilungen a einer Punktladung, b eines Dipols. (Harten 2006)
erhält man die in . Abbildung 5.2a, b gezeigten ty-
pischen Feldlinienbilder. Ihre Dichte ist ein Maß für
die Feldstärke. Danach nimmt die Feldstärke beim Di- gestoßen wird als die nähere ungleichnamige. Dieser
pol in größerer Entfernung stärker ab als bei der Punkt- Vorgang spielt sich auch bei der Hydratation ab, bei der
ladung, während sie im Plattenkondensator (. Abb. 5.3a sich Ionen mit passend ausgerichteten Wassermole-
und . Abb. 5.4) nahezu konstant ist. külen umgeben.

Merke
Elektrische Feldlinien geben die Richtung der 5.2.3 Leiter im elektrischen Feld
Coulomb-Kraft auf eine Ladung im Raum an, ihre
 
Dichte ist ein Maß für die Feldstärke. Es gilt F = q ◊ E . Körper, die für elektrischen Strom durchlässig sind,
nennt man Leiter. Dazu gehören v. a. Metalle sowie
Flüssigkeiten und Gase, die wie Elektrolyte und Plas-
Auf einen frei beweglichen Dipol wird in einem inho- men frei bewegliche Ionen enthalten. Bringt man einen
mogenen Feld, das z. B. von einer Punktladung q aus- Leiter in ein elektrisches Feld, so bewirkt dieses eine
geht, ein Drehmoment und eine Kraft ausgeübt. Der Verschiebung der frei beweglichen Ladungen auf
Dipol wird so gedreht, dass das Dipolmoment in die dessen Oberfläche genau dorthin, wo die Feldlinien
Richtung des Feldes zeigt und gleichzeitig der Dipol ein- und austreten. Diesen Vorgang nennt man In-
eine Kraft in den Bereich höherer Feldstärke erfährt, da fluenz. Für kurze Zeit fließt ein Strom; solange, bis
die gleichnamige Ladung des Dipols weniger stark ab- die verschobenen Ladungen ein Gegenfeld aufgebaut
82 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

a b c d
Physik

. Abb. 5.3a–d. Influenzversuch (schematisch): (a) In das Platten kein Feld mehr herrscht (c). Trennt man die leitende
(nahezu) homogene Feld E0 eines Plattenkondensators werden Verbindung der Platten und zieht sie in den feldfreien Raum
zwei miteinander leitend verbundene Platten gebracht (b). Es hinaus, so herrscht zwischen ihnen ein Feld vom Betrag E0 ,
erfolgt Ladungstrennung durch das Feld E0 , bis zwischen den aber in entgegengesetzter Richtung (d). (Harten 2006)

haben, welches das verursachende Feld gerade kom- tion ist die oben erwähnte Permittivitätszahl ε. Das Di-
pensiert. elektrikum setzt das Feld im Inneren um den Faktor ε
Die damit verbundene Ladungstrennung ver- herab und erhöht die Kapazität von Kondensatoren mit
anschaulicht . Abbildung 5.3; dadurch wird der Raum Isolatorfüllung um diesen Faktor (7 Kap. 5.6).
zwischen den gezeigten Elektroden feldfrei. Auf diesem
Prinzip beruht auch die Schutzwirkung eines Draht- Merke
käfigs (Faradaykäfig) vor elektrischen Feldern und den Verschiebungspolarisation: Elektrisches Feld
gefährlichen Strömen, die sie im lebenden Körper her- erzeugt molekulare Dipole durch Influenz.
vorrufen können. Orientierungspolarisation: Elektrisches Feld
richtet bereits vorhandene molekulare Dipole
Merke aus.
Faradaykäfig: Das Innere eines elektrisch leiten-
den Körpers, der sich in einem elektrischen Feld
befindet, ist feldfrei.
5.3 Elektrisches Potenzial,
elektrische Spannung
5.2.4 Isolatoren im elektrischen Feld 5.3.1 Elektrisches Potenzial
und potenzielle Energie
Stoffe, die keine frei beweglichen Elektronen oder Ionen
enthalten, heißen Isolatoren. Im elektrischen Feld wer- Bewegt man eine positive Ladung Q entgegengesetzt (!)
den aber auch hier die Elektronen gegen die positiven zur Richtung des elektrischen Feldes E längs des
 Weges

Kernladungen der ansonsten elektrisch neutralen Mo- Δs, so verrichtet man die Arbeit: DW = -Q ¥ E ¥ Ds =
leküle verschoben. Es findet eine so genannte Verschie- Q ¥ E ¥ Ds und erhöht dadurch die potenzielle Energie
bungspolarisation statt mit demselben Effekt wie bei der Ladung um ΔUpot(Q)=ΔW. Genauso vergrößert
Leitern, dass die Oberfläche des Isolators aufgeladen man durch Anheben einer Masse gegen die Richtung
erscheint, während das Feld im Inneren des Isolators der Erdbeschleunigung deren potenzielle Energie um
abgeschwächt wird. ΔUpot(m)=muguΔs.
Besonders stark ist dieser Effekt, wenn der Isolator Diese potenzielle Energie kann man wieder in ge-
bereits molekulare Dipole wie die besprochenen H2O- leistete Arbeit oder Beschleunigung eines Teilchens der
Moleküle enthält, die sich dann leicht vom elektrischen Masse m umsetzen, wenn die Ladung in Richtung des
Feld ausrichten lassen (Orientierungspolarisation). Feldes geführt wird. Dabei kann man wie im Fall der
Das Maß für die Polarisierbarkeit eines Isolatormate- Schwerkraft für Rechnungen den Nullpunkt der poten-
rials durch Verschiebungs- und Orientierungspolarisa- ziellen Energie willkürlich festlegen.
5.3 · Elektrisches Potenzial, elektrische Spannung
83 5

die Batterien für Taschenlampen und einfache CD-


Player eine Quellspannung von 1,5–3 V, Autobatterien
meist von 12 V. In Zeichnungen deutet man Batterien
meist durch einen kurzen und einen langen Strich an,
wobei der Pluspol immer mit dem langen Strich ge-
meint ist (. Abb. 5.4). »Spannung« und »Potenzial« ist
daher nicht dasselbe. Dies wird wichtig bei der Betrach-
tung des Membran»potenzials« in der Physiologie.

Merke

Elektrische Feldstärke E = - gradU [V/m].
Im homogenen Feld des Plattenkondensators ist
E = U d = konst . [V/m], d = Plattenabstand.

5.3.3 Prinzip des Oszilloskops


. Abb. 5.4. Feld- und Potenzialverlauf beim Plattenkonden-
sator: Feldlinien (blau) und Äquipotenziallinien (schwarz) für Das Oszilloskop ist ein unentbehrliches Hilfsmittel,
das nahezu homogene Feld im Plattenkondensator und der um Phasen, Amplituden und Frequenzen von schnell
zugehörige Verlauf des Potenzials auf einer geraden Feldlinie. ablaufenden Vorgängen zu bestimmen. Im Prinzip
(Harten 2006) werden Elektronen aus einer Glühkathode extrahiert
und auf einen Leuchtschirm, der als Anode dient, hin
beschleunigt und fokussiert.
Den Zuwachs des elektrischen Potenzials defi- Dieser Strahl wird durch zwei aufeinander folgende
niert der ladungsunabhängige Ausdruck: elektrische Felder abgelenkt, die man an horizontal und
 vertikal angebrachten Plattenpaaren erzeugt. Auf die

DUpot (Q) ∏ Q = DU = - E ¥ Ds [V]. Vertikalablenkung wird das zu untersuchende Signal
U(t), geeignet verstärkt, gegeben. So lässt sich auf einem
Das Potenzial wird in der SI-konformen Einheit Volt Schirm die Signalamplitude in der Einheit V/cm ab-
angegeben, die Feldstärke ist dann gegeben
 durch den lesen und die Zeitdauer einer vollen Schwingung be-
negativen Gradienten des Potenzials E = - gradU . stimmen, da die Horizontalablenkung über eine säge-
Verbindet man Orte gleichen Potenzials im Raum zahnähnliche Kippspannung periodisch mit einstell-
oder in einer Projektion auf die Fläche, so erhält man barer Anstiegszeit (Ablenkdauer) pro cm erfolgt.
bei Wahl einer Abfolge von konstanten Potenzialdiffe- Nach Erreichen des rechten Bildrandes springt der
renzen eine bildliche Darstellung des Potenzialverlaufs Strahl zurück. Die horizontale Ablenkung wiederholt
in Form von Äquipotenziallinien. Diese stehen immer sich, wenn die vertikale Ablenkung eine einstellbare
senkrecht zu den Feldlinien des gleichen elektrosta- Triggerschwelle überschreitet.
tischen Problems. . Abbildung 5.4 zeigt beispielsweise Auf diese Weise kann man stehende Bilder von pe-
den Feld- und Potenziallinienverlauf beim realen Plat- riodischen wie aperiodischen Signalen erzeugen, oder
tenkondensator. ein Spektrum schneller, ähnlich geformter Signale un-
terschiedlicher Höhe bei Nachleuchten des Bildschirms
Merke praktisch gleichzeitig sichtbar machen. Dazu wird an
Äquipotenziallinien und Feldlinien stehen immer Drehschaltern die Vertikalablenkung in Einheiten der
senkrecht zueinander. Spannung/cm und die benötigte Horizontalablenkung
in Zeit/cm eingestellt.

5.3.2 Elektrische Spannung

Für die meisten technischen Anwendungen sind nicht


absolute Potenziale, sondern nur Potenzialdifferenzen
wichtig, die man als Spannung bezeichnet. So haben
84 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

5.4 Elektrischer Widerstand Merke


5.4.1 Ohmscher Widerstand, Elektrischer Widerstand: R = U I [W];
Ohmsches Gesetz Widerstand eines Drahts der Länge l, des Quer-
schnitts A und der Resistivität ρ [Ωm]:
Elektrischer Widerstand, Resistivität und Leitwert R = r ◊ l A[W];
Leitwert G=R–1u[Ω–1] und el. Leitfähigkeit
Der elektrische Widerstand R eines Bauelements in
σ=ρ–1u[Ω–1m–1] sind die Inversen des Widerstands
einem Stromkreis ist als Quotient aus anliegender
Physik

bzw. der Resistivität.


Spannung U und durchfließendem Strom I definiert:
R=U/I [Ω].
Der Widerstand wird in der Einheit Ohm [Ω] ge-
messen, wobei 1 Ω = 1 V/A ist. Strom-Spannungs-Kennlinie, Ohmsches Gesetz
Der Widerstand eines Drahts R ist proportional zur Trägt man den gemessenen Strom durch einen be-
Länge l und ungekehrt proportional zum Querschnitt stimmten Widerstand gegen die anliegende Spannung
A: R = r ◊ l A[W]. auf, so erhält man seine charakteristische Strom-Span-
Die materialabhängige Resistivität ρ variiert nach nungs-Kennlinie:
. Abbildung 5.5 über mehr als 30 Zehnerpotenzen und 4 Bei metallischen Drähten beobachtet man meist
wird in der SI-Einheit [Ωm] angegeben. Generell gilt, ein nichtlineares Abbiegen zu kleineren Werten mit
dass der Widerstand der Metalle mit steigender Tempe- steigender Spannung,
ratur zunimmt, während er von Halbleitern, Elektro- 4 bei schlecht leitenden Stoffen meist ein überpro-
lyten und schlecht leitenden Materialien im Allgemei- portionales Wachsen des Stroms.
nen abnimmt. Besondere Legierungen wie Konstantan
sind weitgehend temperaturunabhängig. Widerstände, die unabhängig von der anliegenden
Unter dem Leitwert G eines Bauelements versteht Spannung einen konstanten Wert haben, nennt man
man das Inverse seines Widerstands: G=1/R [S], wobei Ohmsche Widerstände. Das sind die meisten Metalle
1 S = 1 Siemens = 1 Ω–1 ist. Entsprechend versteht man bei konstanter Temperatur.
unter der elektrischen Leitfähigkeit σ eines Materials
das Inverse der Resistivität ρ. Merke
Ohmsches Gesetz: R = U/I = konst., unabhängig
von I!. Nur für Ohmsche Widerstände gilt das
Ohmsche Gesetz.

5.4.2 Wichtige Schaltungen

Serienschaltung von Widerständen


Liegen n Widerstände in Serie, so fließt durch sie alle
der gleiche Strom I und der Spannungsabfall an allen
n n
Widerständen zusammen beträgt U = Â U i = Â Ri ◊ I .
n i =1 i =1
R = U I = S Ri ist folglich der Gesamtwiderstand
i =1
der Serienschaltung.

Merke
Serienschaltung: Die Widerstände addieren sich.
n gleich große Widerstände in Serie haben zu-
sammen den n-fachen Widerstand des einzelnen
Widerstands.

. Abb. 5.5. Resistivitäten: Bereich vorkommender Resistivi-


täten; der Restwiderstand ist der Tieftemperaturwiderstand
vor Einsetzen der Supraleitung. (Harten 2006)
5.4 · Elektrischer Widerstand
85 5
Parallelschaltung von Widerständen
Liegen n Widerstände parallel, so liegt an allen die gleiche
Spannung U und die Summe der Ströme durch alle
n n U
Widerstände beträgt I = Â Ii = Â .
i =1 i =1 Ri
1 n 1
Dann ist = I U = Â der Gesamtleitwert G=
R i =1 Ri
I/U=1/R der Serienschaltung, woraus sich nach Inver-
. Abb. 5.6. Potenziometerschaltung: Das Konstruktionsprin-
sion leicht der Gesamtwiderstand berechnen lässt.
zip des Spannungsteilers ist links gezeigt, rechts die Schalt-
Merke skizze. (Harten 2006)

Parallelschaltung: Die Leitwerte addieren sich.


n gleich große Widerstände, parallel geschaltet,
haben zusammen den (1/n)-fachen Gesamtwider-
stand des einzelnen.

Potenziometerschaltung
Bei der Potenziometerschaltung kann man an einem
Schiebewiderstand nach . Abbildung 5.6 leicht Span-
nungen U1=U0uR1/(R1+R2) abgreifen. Beim belasteten . Abb. 5.7. Belastete Potenziometerschaltung: Beim belas-
Spannungsteiler nach . Abbildung 5.7 geht in das Tei- teten Spannungsteiler geht in das Teilungsverhältnis noch die
lungsverhältnis noch die Parallelschaltung von Rx und Parallelschaltung von Rx und R1 ein. (Harten 2006)
R1 ein.

Kompensationsschaltung
Eine stromlose Spannungsmessung erlaubt die Schal-
tung in . Abbildung 5.8, bei der die Spannung der zu
messenden Spannungsquelle Ux durch eine abgegrif-
fene, messbare Gegenspannung gerade so kompensiert
wird, dass ein empfindliches Strommessinstrument
keinen Ausschlag mehr zeigt (Nullinstrument). Die
Methode eignet sich insbesondere für Spannungsquel-
len mit sehr hohem Innenwiderstand. . Abb. 5.8. Kompensationsschaltung: Bei der Spannungs-
messung durch Kompensation wird die zu messende Span-
Wheatstonesche Brückenschaltung nung Ux durch eine abgegriffene Gegenspannung gerade so
Bei der Wheatstoneschen Brückenschaltung variiert kompensiert, dass das Strommessinstrument nichts mehr
man das (evtl. auf einer Skala ablesbare) Verhältnis der anzeigt. (Harten 2006)
Widerstände R1/R2 solange, bis ein empfindliches Galva-
nometer (Nullinstrument) keinen Ausschlag mehr zeigt
(. Abb. 5.9). Dann gilt U1=U3 und U2=U4 zusammen mit
I1=I2 und I3=I4. Mit Ui=RiuIi erhält man R3/R4=R1/R2.
Ist R4 ein geeigneter Vergleichswiderstand, so kann
ein unbekannter Widerstand Rx=R3 bestimmt werden.

. Abb. 5.9. Die Wheatstonesche Brückenschaltung dient


der Präzisionsmessung von Widerständen; sie ist abgeglichen,
wenn die Brückenbedingung R1/R2=R3/R4 erfüllt ist. (Harten
2006)
86 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre
Physik

. Abb. 5.11. Spannungsquelle mit Innenwiderstand. Nur


. Abb. 5.10. Schaltung von Messinstrumenten. Ein Span- im Ersatzschaltbild sind Leerlaufspannung U0 und Innen-
nungsmesser liegt immer parallel zum zu prüfenden Wider- widerstand Ri räumlich getrennt. Die Klemmenspannung
stand (Verbraucher …), ein Strommesser in Reihe zu ihm. UK=U0–Ri×I senkt die Leerlaufspannung infolge des Span-
(Harten 2006) nungsabfalls am Innenwiderstand ab. Bei Kurzschluss fließt
der Kurzschlussstrom IK=U0/Ri mit UK=0. (Harten 2006)

5.5 Elektrischer Stromkreis Merke


Voltmeter erfordern möglichst hohe Innenwider-
5.5.1 Schaltung von Strom- stände, Amperemeter möglichst geringe Innen-
und Spannungsmessgeräten widerstände.

Messgeräte für Strom und Spannung sind zumeist Dreh-


spulinstrumente, deren Wirkungsweise in 7 Kapitel 5.9
erklärt wird. Der Strom durch die Spule bewirkt einen 5.5.2 Eigenschaften von Spannungs-
zu ihm proportionalen Zeigerausschlag, der auf einer quellen
geeichten Skala abgelesen wird.
Um Strom und Spannung an einem »Verbraucher« Jede Stromquelle besitzt einen Innenwiderstand Ri,
(wie der Glühbirne in . Abb. 5.10) zu messen, schaltet der die effektive Spannung beim Zuschalten eines Last-
man das Voltmeter parallel und das Amperemeter in widerstandes (»Verbrauchers«) mindert (. Abb. 5.11).
Serie zu diesem. Damit die Zeiger nicht in der falschen Der Innenwiderstand kann durch folgende charakteris-
Richtung ausschlagen, schaltet man den Plus- und Mi- tische Größen ermittelt werden:
nuspol eines Instruments immer gemäß der konven- 4 Leerlaufspannung U0 = Spannung ohne zuge-
tionellen Stromrichtung von (+) nach (–) im Strom- schalteten Verbraucher.
kreis. 4 Klemmspannung UK=U0–RiⴛI bei zugeschalte-
Volt- und Amperemeter unterscheiden sich dabei tem Verbraucher.
nur hinsichtlich der Ohmschen Widerstände der Spu- 4 Kurzschlussstrom IK=U0/Ri maximaler Strom bei
len. Um die Strommessung eines Amperemeters (rot in Kurzschluss.
. Abb. 5.10) nicht zu verfälschen, muss das Voltmeter
(schwarz in . Abb. 5.10) einen möglichst hohen Innen- Der Innenwiderstand Ri kann durch die Messung der
widerstand RV besitzen, damit der Strom IV=U/RV Klemmspannung und des Verbraucherstroms bzw. des
möglichst klein wird. Einer Verfälschung der Messung Kurzschlussstroms bei jeweils bekannter Leerlaufspan-
kann man auch nicht dadurch entgehen, dass man das nung bestimmt werden.
Amperemeter direkt vor den Verbraucher in . Abbil-
dung 5.10 setzt; denn dann würde das Voltmeter auch
den Spannungsabfall UA=RAuI über dem Amperemeter 5.5.3 Kirchhoffsche Gesetze
mitmessen.
Das Amperemeter sollte jedenfalls bei beiden Schal- Um Einzelströme und -spannungen in einem Netzwerk
tungen einen möglichst geringen Innenwiderstand von Widerständen zu bestimmen, wendet man die
haben, weil es sonst als starker »Verbraucher« im Kirchhoffschen Gesetze für Knoten und Maschen an,
Stromkreis fungieren würde. Rechnerisch kann man z. B. auf die Verhältnisse bei einer nicht abgeglichenen
die Innenwiderstände von Messinstrumenten immer Wheatstone-Brücke nach . Abbildung 5.9. Danach gilt
berücksichtigen. z. B. für die beiden dreiarmigen Knoten zwischen R1
und R2 bzw. zwischen R3 und R4, dass die Summe der in
5.6 · Elektrische Kapazität
87 5

den Knoten herein- und herausfließenden Ströme sich eine Glühbirne von 100 W in 24 h die elektrische Ener-
zu null addieren (müssen, sonst würde sich ja der Kno- gie von 100 Wu24u3600 s = 8,64u106 J oder 2,4 kWh.
ten aufladen).
Entsprechend ist die Summe der Spannungen aller
Widerstände einer Masche (z. B. aus R1, R3 und dem 5.6 Elektrische Kapazität
Widerstand des Strommessinstruments in . Abb. 5.9)
gleich null, wenn man alle Spannungen der Reihe nach im 5.6.1 Allgemeine Eigenschaften
(oder gegen den) Uhrzeigersinn misst. Das heißt die Po- der Kapazität
tenzialdifferenz = Spannung nach einem Umlauf ist null.
Die Kapazität oder das Fassungsvermögen C eines
Merke Kondensators ist definiert als Ladung Q durch Span-
n nung U: C=Q/U [F]. Die SI-Einheit der Kapazität ist das
1. Kirchhoffsches Gesetz, Knotenregel: Â Ii = 0.
i =1
Farad mit 1 Farad=1 F=1 As/V. Die im Kondensator
n gespeicherte Energie ist gegeben durch das Integral
2. Kirchhoffsches Gesetz, Maschenregel: Â Ui = 0 Q0 Q0
i =1 Q Q2
W = Ú U (Q)dQ = Ú dQ = 0 [J], da jede bei der
0 0 C 2C
Spannung U zugeführte Ladung dQ die Energie um
5.5.4 Leistung und Energie im elektrischen UdQ erhöht. Durch Umformen erhält man die alterna-
Stromkreis tiven Ausdrücke W = ½C ¥ U 02 = ½Q0 ¥ U 0 .

Wird in einem Schaltkreis der Widerstand R (Glühbirne, Merke


Ohmscher Widerstand, Motor etc.) vom Strom I durch- Kapazität = Ladung/Spannung C=Q/U [F].
flossen und fällt an ihm die Spannung U ab, so beträgt 1 F=1 Farad=1 As/V.
die umgesetzte elektrische Leistung P=UⴛI [W]. Die
Leistung kann in Form von Joulescher Wärme/Zeit,
aber auch mechanischer oder chemischer Energie/Zeit
erbracht werden. Da ja der Widerstand durch R=U/I 5.6.2 Kapazität des Plattenkondensators
definiert ist, lässt sich die abgegebene Leistung auf dreier-
lei Weise schreiben: Bei dem bereits in 7 Kapitel 5.2 und 5.3 gezeigten
Plattenkondensator ist die Kapazität umgekehrt pro-
P=UⴛI=U2/R= I2ⴛR. portional zum Abstand d der Kondensatorplatten
und proportional zu ihrer Fläche A. Die Formel lautet:
Zum Beispiel ist der Leitungsverlust von Zuleitungs- CPK = e 0e ¥ A / d [F].
kabeln proportional zum Quadrat des durchfließenden Die Füllung des Raums zwischen den Platten mit
Stroms. Daher transportiert man elektrische Leistung einem Dielektrikum (7 Kap. 5.2) der Permittivitätszahl
über weite Strecken mit Hilfe von Hochspannungs- ε kann die Kapazität wesentlich erhöhen:
leitungen. Der übertragenen Leistung P=UuI entspricht 4 Für Vakuum und Luft ist ε≈1,
ein benötigter Strom I=P/U. Der Leitungsverlust 4 für reines Wasser ist ε=81.
P´=RuP2/U2 sinkt demnach bei konstanter übertragener 4 Die Werte von ε für gängige Kondensatorfüllungen
Leistung mit U2, dem Quadrat der übertragenen Span- variieren zwischen 2 und 6,
nung U (nicht Spannungsabfall RuI über Zuleitung!). 4 für spezielle Kondensatorkeramiken liegt ε zwischen
30 und 3000.
Merke
Elektrische Leistung P, die ein Widerstand im Merke
Stromkreis aufnimmt: Kapazität des Plattenkondensators
P=UⴛI, P=U2/R, P=I2 ⴛR [W]; C PK = e 0e ¥ A / d [F] mit Plattenfläche A, Platten-
1 Watt=1 W=1 VuA=1 J/s=1 Nm/s. abstand d, Permittivitätszahl ε.

Beispiel
Die abgegebene Energie W, z. B. in Joulescher Wärme,
ist gegeben durch W=Put [J]. Zum Beispiel verbraucht
88 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

5.6.3 Serien- und Parallelschaltungen Gleichzeitig ist die Spannung am Widerstand R u I


von Kondensatoren entgegengesetzt gleich der Spannung am Kondensator
UR(t)=–UC(t)=RuCudUC/dt, da beide sich nach der
Sind n Kondensatoren parallel geschaltet, so werden Maschenregel zu null addieren. Die Lösung der damit
alle mit derselben Spannung U aufgeladen und die Ka- aufgestellten Differenzialgleichung liefert das gesuchte
pazitäten addieren sich: Zeitverhalten von Spannung, Ladung und Strom:
n
CGesamt = Â Ci . U C (t ) Q(t ) I (t ) t
{ }.
Physik

i =1 = = = exp -
U0 Q0 I0 R ¥C
Werden dagegen n Kondensatoren in Reihe geschaltet,
so werden bei Anlegen der Spannung U alle mit dersel- Die genannten Größen fallen exponenziell mit der
ben Ladung Q aufgeladen, aber die Spannungsabfälle Zeit ab (. Abb. 5.13). Die Zeit, in der sie auf exp{–1} =1/
Ui=Q/Ci an den einzelnen Kondensatoren addieren e≈0,37 abgefallen sind, ist durch die Zeitkonstante τ=RC
sich: gegeben. Für die Aufladung eines Kondensators über
U 1 n
1 einen Widerstand in Reihe mit einer Spannungsquelle
= =Â . U0 gilt die obige Beziehung für Strom und Spannung am
Q CGesamt i =1 Ci
Widerstand R, während Spannung und Ladung am Kon-
desator nach der Formel:
Merke
Bei parallel geschalteten Kondensatoren addieren U C (t ) Q(t ) t
sich die Kapazitäten, bei hintereinander geschal-
U0
=
Q0 ( {
= 1- exp -
R ¥C })
teten die Kehrwerte der Kapazitäten: genau umge-
kehrt wie bei den Ohmschen Widerständen! mit t ansteigen und den Sättigungswerten U0 bzw. Q0
zustreben.

5.6.4 Zeitverhalten bei Auf- und 5.7 Elektrizitätsleitung


Entladung eines Kondensators
5.7.1 Elektrizitätsleitung in Festkörpern
Zunächst betrachten wir die Entladung des aufge-
ladenen Kondensators nach . Abbildung 5.12 über den In allen Festkörpern sind die Elektronen der inneren
Widerstand R. Der Kondensator ist bei der Spannung Schalen fest an den jeweiligen Atomkern gebunden,
U0 mit der Ladung Q0 aufgeladen. Der Entladungs- während die im isolierten Atom schwächer gebundenen
strom I(t) ist gleich dQ/dt und damit gleich CudUC/dt. Elektronen der äußeren Schale(n) keinem einzelnen

. Abb. 5.12. Kondensatorentladung. Nach Umlegen des . Abb. 5.13. Zeitverhalten der Kondensatorentladung.
Schalters wird der aufgeladene Kondensator über einen Spannung, Ladung und Entladungsstrom werden exponen-
Ohmschen Widerstand entladen. (Harten 2006) ziell mit der Zeit kleiner. Das bedeutet, dass jede zu einem
beliebigen Zeitpunkt t angelegte Tangente die Abszisse nach
Ablauf der Zeitkonstanten τ=RC trifft. (Harten 2006)
5.7 · Elektrizitätsleitung
89 5

ins Leitungsband angehobenen Elektronen ex-


ponenziell an. Gleichzeitig tragen dann auch
die entstandenen Fehlstellen, positiv geladene
»Löcher« im Valenzband zur Stromleitung bei.
Wird nämlich die Lücke von anderen Valenzelektro-
nen gefüllt, so wandert die Lücke wie ein positives
Elektron durch den Halbleiterkristall (Löcherlei-
tung). Nach demselben Prinzip finden Halbleiter
auch als Detektoren für ionisierende Strahlung
Verwendung, indem letztere Elektronen aus dem
a
Valenzband ins Leitungsband befördert und so bei
b b’ c
angelegter Spannung einen Stromimpuls auslöst
(7 Kap. 8). Generell gilt für die Stromdichte:
. Abb. 5.14a–c. Bändermodell der Elektrizitätsleitung.
a Isolatoren, b Valenzband (wirkt als Leitungsband), b’ Leiter j=σⴛE=eⴛnⴛμⴛE, wobei σ die elektrische Leitfä-
und c Halbleiter. higkeit (7 Kap. 5.4), e=1,6u10–19 As die Elementarla-
dung, n [m–3] die Ladungsträgerdichte, μ [m2/(Vs)]
die Beweglichkeit der Elektronen und E das elek-
Atom mehr zuzuordnen sind. Sie gehören gewisser- trische Feld bedeuten. Die mittlere Driftgeschwin-
maßen allen positiven Atomrümpfen des umgebenden digkeit der Ladungsträger ist durch vD=μuE [m/s]
Kristallgitters an. gegeben.
Nach nur quantenmechanisch verständlichen Re-
geln können die äußeren Elektronen nur bandartige Merke
Energiezustände bevölkern, zwischen denen mehr oder Leitfähigkeit σ=eunuμ [Ω–1m–1].
weniger große Energielücken vorhanden sind. Die e = Elementarladung, Ladungsträgerdichte n [m–3].
Elektronen der äußersten Schale bevölkern das so ge- Ladungsträgerbeweglichkeit μ [m2/(Vs)].
nannte Valenzband. Bei voller (Unter-)Schale tragen Driftgeschwindigkeit vD=μuE [m/s].
sie wegen des Pauli-Prinzips nicht zur elektrischen
Leitung bei, sondern nur Elektronen in der nächsten
(Unter-)Schale, dem bei tiefen Temperaturen leeren
Leitungsband. Das Bändermodell kann die großen 5.7.2 Elektrizitätsleitung in Flüssigkeiten
Unterschiede der elektrischen Leitfähigkeit gut erklä-
ren (. Abb. 5.14): Legt man eine Spannung an gegenüber liegende Elek-
Für . Abbildung 5.14a–c gilt: troden, die in eine Flüssigkeit eintauchen, so wirken auf
a) Bei den Isolatoren befinden sich bei Raumtempe- alle in der Flüssigkeit befindlichen Ladungen Kräfte in
ratur praktisch keine Elektronen im Leitungsband Richtung der Elektrode mit der entgegengesetzten Pola-
und der Energieabstand zum Valenzband (>2 eV) rität.
ist so groß, dass nur bei sehr hohen Temperaturen In Flüssigkeiten wie Wasser dissoziieren viele Stoffe,
oder sehr hohen Feldstärken Elektronen aus dem insbesondere Salze in Ionen, man spricht dann von
Valenz- ins Leitungsband »gehoben« werden und Ionenleitung. Positiv geladene Ionen (Kationen) wer-
größere Ströme fließen (z. B. in Form von Span- den durch das elektrische Feld zur negativen Kathode
nungsdurchbrüchen). hin bewegt, negative Ionen (Anionen) zur positiven
b) Im Gegensatz dazu befinden sich bei Leitern be- Anode. Wasser selbst ist schwach leitend, da es in gerin-
reits Elektronen im nur teilweise gefüllten Va- gem Umfang in H+- und OH–-Ionen dissoziiert. Nach
lenzband (wirkt als Leitungsband, bc) oder Elek- dem Massenwirkungsgesetz ist das Produkt beider
tronen wechseln aus dem vollen Valenzband in das Konzentrationen bei Zimmertemperatur konstant:
überlappende, benachbarte Leitungsband. Beide cn(H+)ucn(OH–)=10–14 (mol/l)2. Die Stärke der H+-Ionen-
Effekte sind für die sehr hohe Leitfähigkeit von Me- konzentration gibt der pH-Wert an, mit pH=–log{cn(H+)/
tallen verantwortlich. (mol/l)}.
c) Einen Sonderstatus nehmen Halbleiter wie Sili- Bei pH=7 ist Wasser neutral, bei pH<7 sauer (hö-
cium ein. Bei ihnen ist die Energielücke zwischen here H+-Konzentration) und bei pH>7 alkalisch.
dem praktisch leeren Leitungsband und dem Va- Die Leitfähigkeit von Flüssigkeiten ist – ähnlich wie
n
lenzband nicht so groß (<2 eV). Mit zunehmender bei Metallen – gegeben durch s = e zini mi .
Temperatur steigt die Zahl der aus dem Valenz- i =1
90 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

Dabei repräsentiert der Index i die beitragenden Gasmolekül genügend Energie gewonnen hat, um ein
Anionen und Kationen der Lösung, zi die Zahl der La- Elektron aus ihm herauszuschlagen.
dungen pro Ion und ni die Dichte der Ladungsträger, Die Ionisationsenergie beträgt einige Elektronvolt
sowie μi ihre Beweglichkeit. Diese hängt von der Größe (7 Kap. 3.1.4). Beide, das stoßende und das herausge-
der Ionen und der Zähigkeit der Flüssigkeit ab. schlagene Elektron, werden nun weiter beschleunigt,
Die bei der Elektrolyse an den Elektroden ankom- lösen weitere Elektronen durch weitere Zusammen-
menden Ionen geben dort ihre Ladung Q ab und wer- stöße aus, sodass sich eine Elektronenlawine aus-
den, evtl. auch in anderer chemischer Form, dort abge- bildet, die schließlich auf die Anode trifft. Die bei der
Physik

schieden. Misst man die Stromstärke I und die Dauer t Ionisation erzeugten positiven Ionen wandern lang-
der Elektrolyse, so ist nach dem Faradayschen Gesetz samer in Richtung Kathode und fangen Elektronen aus
die Zahl der abgeschiedenen Mole N von Ionen mit der dem Gas oder den Wänden ein, können aber evtl. bei
Ladungszahl z: I ¥ t = Q = z ¥ F ¥ N [As]. der Rekombination wiederum ionisierendes Licht
Die Faradaykonstante F=NAⴛe=96.484 As/mol aussenden.
ist das Produkt aus Avogadrozahl und Elementar- Führen erste Startereignisse zu lokaler Erhitzung
ladung. Mit Masse M ist die abgeschiedene Masse des Gases oder zur Emission von wiederum ionisie-
m=MuN. rendem (UV-)Licht, so werden ständig neue Elektro-
nen-Ionenpaare erzeugt und die Entladung brennt
Merke selbstständig weiter. Das erfordert geeignete Strom-
Faradaysches Gesetz der Elektrolyse: begrenzungen, z. B. Vorwiderstände, welche die anlie-
I ¥ t = Q = z ¥ F ¥ N mit F=NAⴛe =96.484 As/mol. gende Spannung und damit die Feldstärke soweit he-
rabsetzen, dass ein konstanter Strom fließt.
Diese selbstständige Gasentladung kennzeichnet
Die Ladungstrennung von in nichtleitenden Flüssig- beispielsweise Kohlebogen- und Quecksilberdampf-
keiten suspendierten geladenen kolloidalen Partikeln lampen, oder die heißen Bögen, die zum Lichtbogen-
nennt man Elektrophorese. Die charakteristischen schweißen von Metallen zwischen zwei Elektroden
Unterschiede in der Beweglichkeit von Ionen größerer gezündet werden, aber auch Glimmlampen und
Moleküle macht man sich bei der Analyse von Stoffen Leuchtstoffröhren. Bei Letzteren wird das bei Ioni-
in der Papier- und Gel-Elektrophorese zunutze. sations- und Rekombinationsprozessen emittierte
UV-Licht über fluoreszierende Wandverkleidungen
KLINIK in sichtbares Licht umgewandelt. Zum Starten der
Eine Abwandlung der Elektrophorese ist die Ionto- Entladung wird UV-Licht aus kleinen Zusatzlampen
phorese, bei der dissoziierte Pharmaka mittels an oder aus Quecksilberdampfbeimischungen verwen-
Elektroden gelegte Spannungen durch feuchte Haut det.
oder Zellmembranen hindurchgeleitet werden.
Merke
Selbstständige Gasentladung: Freie Elektronen
lösen durch Stoßionisation im elektrischen Feld
5.7.3 Elektrizitätsleitung in Gasen weitere Elektronen aus; eine Strombegrenzung der
Elektronenlawine ist erforderlich.
Unter Normaldruck leiten Gase praktisch nicht, da die
Elektronen z. B. in N2, O2 und CO2-Molekülen sehr fest
gebunden sind. Erst bei Feldstärken zwischen Elektro- Man spricht von unselbstständiger Gasentladung,
den >3 MV/m = 3 kV/mm kommt es zu Spannungs- wenn eine Entladung nur durch äußere Einflüsse zu-
durchbrüchen. Mit gängigen Feldstärken kommt es erst stande kommt, z. B. durch ionisierende Strahlung oder
bei Vorvakuumdrücken von einigen hPa zu selbst- durch die Ionen in Flammen oder geladene Rauch-
ständigen Gasentladungen. Diese kommen durch Stoß- teilchen (Prinzip von Rauchmeldern).
ionisation mit anschließender Bildung von Elektronen-
lawinen zustande. Ein freies Elektron aus der Kathode Merke
oder aus einem Ionisationsprozess aus der kosmischen Unselbstständige Gasentladung kommt durch
Höhenstrahlung oder der natürlichen Radioaktivität äußere Einflüsse wie ionisierende Strahlung, Dis-
wird im elektrischen Feld beschleunigt. Infolge des soziation bei hohen Temperaturen und geladene
geringen Gasdrucks ist die mittlere freie Weglänge so Mikroteilchen zustande.
groß, dass es beim nächsten Zusammenstoß mit einem
5.7 · Elektrizitätsleitung
91 5

Dieser Prozess findet u. a. in der Ionisationskammer


statt, mit der die Stärke ionisierender Strahlung gemes-
sen werden kann: In einem definierten Gasvolumen
werden von zwei großflächigen Elektroden alle primär
gebildeten Elektronen und positiven Ionen gesammelt.
Die Feldstärke wird gerade so hoch gewählt, dass alle
Ladungen möglichst ohne zu rekombinieren abgesaugt
werden, es aber noch nicht zu sekundären Ionisationspro-
zessen kommt. Der gemessene Strom ist dann ein Maß . Abb. 5.15. Geiger-Müller-Zählrohr. Die von einem ionisie-
renden Teilchen in Drahtumgebung ausgelöste Elektronen-
für die Dosisleistung der Strahlung (7 Kap. 8.3.2).
lawine führt zum kurzzeitigen Zusammenbruch der angeleg-
Merke ten Spannung, der als Zählimpuls am Widerstand abgegriffen
wird. (Harten 2006)
Ionisationskammer sammelt primär erzeugte La-
dungsträger und erlaubt so die Dosimetrie ionisie-
render Strahlung. schen Röhren, Fernseh- und Röntgenröhren (7 Kap. 8.2)
usw. Verwendung finden. In beiden Fällen muss min-
destens die Bindungsenergie der Elektronen (Austritts-
Wird eine Elektrode der Ionisationskammer durch ei- arbeit) durch das Feld oder thermische Energie aufge-
nen sehr dünnen Draht im Zentrum eines Rohrs er- bracht werden. Durch die Regelung des Heizstroms der
setzt, den man über einen Vorwiderstand positiv auf- Glühkathode kann die Stromstärke in den Röhrenge-
lädt und in dessen Umgebung dann sehr hohe Feldstär- räten variiert werden. Diese Geräte wirken wie die Va-
ken auftreten, und die andere Elektrode als äußerer kuumdiode als Gleichrichter, da die kalte Anode bei
Zylinder ausgebildet, so hat man das Geiger-Müller- Umpolung keine Elektronen abgibt!
Zählrohr nach . Abbildung 5.15 vor sich. Jedes ionisie- Auch positive und auch negative Ionen praktisch
rende Teilchen, das das Gasvolumen durchquert, führt aller Elemente können durch geeignete Ionenquellen
durch nachfolgende sekundäre Ionisationen zu einer ins Vakuum emittiert werden. Solche wurden weltweit
Elektronenlawine, welche die im Anodendraht gespei- in Forschungslaboratorien für Hoch- und Niederener-
cherte Ladung neutralisiert. giebeschleuniger entwickelt.
Die Wiederaufladung des Drahts dauert gerade so
lange, dass die gebildeten positiven Ionen, die den Draht KLINIK
schlauchartig umgeben, wieder abgesaugt bzw. neutra- In der Medizin stehen neuerdings neben dem
lisiert worden sind und nicht zur weiteren Bildung freier klassischen Betatron und Synchrotron für die Be-
Elektronen führen. Der Zusammenbruch der Spannung schleunigung von Elektronen zur Produktion von
am Vorwiderstand wird dann als Signal für ein einzelnes Gammastrahlen auch Beschleuniger für Proto-
Teilchen abgegriffen und, evtl. verstärkt, gezählt. nen zur Verfügung, da Protonenstrahlen gesundes
Gewebe, das bei Krebstherapien meistens durch-
Merke quert werden muss, weniger schädigen als Gam-
Geiger-Müller-Zählrohr: Einzelne, ionisierende mastrahlen (7 Kap. 8.4.2).
Teilchen lösen kurzzeitige Elektronenlawinen aus,
was die Messung von Zählraten erlaubt.
Merke
Um Elektronen für Beschleunigungszwecke ins
Vakuum zu emittieren, muss zuerst die Austritts-
5.7.4 Elektrizitätsleitung im Vakuum arbeit, z. B. durch thermische Energie (Glühemis-
sion), aufgebracht werden.
Das Vakuum selbst ist nicht leitend, solange nicht La-
dungsträger von außen eingebracht werden. Dies er-
möglichen z. B. die hohen Feldstärken in der Umge-
bung von negativ aufgeladenen metallischen Spitzen: es
werden Elektronen abgelöst und beschleunigt (Feld-
emission).
Technisch bedeutsamer ist die Glühemission von
Elektronen aus beheizten Kathoden, wie sie bei Braun-
92 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

5.8 Elektrische Spannungen Merke


an Grenzflächen,
Diffusionsspannungen Thermoelemente nutzen die Temperaturabhängig-
keit der Kontaktspannung zur Temperaturmessung.
5.8.1 Kontaktspannung an Metall-Metall-
Grenzfläche
5.8.2 Diffusionsspannungen an Metall-
Kontaktspannung Elektrolyt-Grenzflächen
Physik

In der Grenzfläche von zwei verschiedenen, innig ver-


bundenen Metallen diffundieren die Elektronen aus dem Diffusionsspannung an Grenzfläche
Metall mit der höheren Elektronenanzahldichte stärker Metall-Elektrolyt
in das andere Metall als umgekehrt. Letzteres lädt sich Wenn eine Metallelektrode in einen Elektrolyten ein-
dadurch negativ, das Erstere positiv auf, bis durch das taucht, in dem ein Salz desselben Elements gelöst ist
entstandene Feld die Diffusionsströme in beiden Rich- (z. B. Silber in Silbernitratlösung), so gibt es nach
tungen gleich groß sind. Diese Kontaktspannung (Gal- Nernst einen Lösungsdruck πs=nsukuT (ähnlich dem
vanispannung) ist nicht direkt messbar, da sich in einem Dampfdruck in 7 Kap. 4.3.2), mit dem das Metall als
Messkreis alle Galvanispannungen zu null addieren. positives Ion in Lösung geht (im Beispiel als Ag+-Ion).
Die Metallelektrode lädt sich dadurch negativ auf und
Thermospannung das in einer dünnen Grenzschicht entstandene elek-
Die Kontaktspannung hängt jedoch wie alle Diffusions- trische Feld wirkt schließlich der weiteren »Ablösung«
prozesse von der Temperatur ab. Verbindet man zwei von Ionen durch seine rücktreibende Kraft entgegen.
verschiedene Metalle wie Kupfer und Konstantan durch Es kommt zu einem thermodynamischen Gleich-
zwei Lötstellen mit einem dazwischen geschalteten gewicht. Die Potenzialdifferenz UG zwischen Lösung
Messinstrument nach . Abbildung 5.16, und hält die und Elektrode berechnet sich nach der Nernstschen
eine auf einer konstanten Vergleichstemperatur wie Gleichung zu
Eiswasser von 0°C, so kann die andere Lötstelle als
Temperaturfühler benutzt werden. Mit einem solchen 1 kT ns 1 n
UG = ln = 59, 5 mV log s .
Thermoelement misst man die kleine Differenz der z e no z no
temperaturabhängigen Galvanispannungen.
Dabei bedeutet z die Zahl der Ladungen pro Ion, k die
Boltzmannkonstante, e die Elementarladung, ns ist die
Sättigungsanzahldichte der Metallionen nahe der Elek-
trode und n0 die entsprechende Anzahldichte der Lö-
sung. Die absolute Temperatur T ergibt mit T=300 K
und nach Einsetzen der Konstanten den rechten Teil
der Formel.
Die Galvanispannung UG ist, wie zuvor, nicht di-
rekt messbar. Die oben diskutierte Anordnung Metall-
Metallsalzlösung funktioniert als nichtpolarisierbare
Elektrode, wie sie zur Messung von Membranspan-
nungen benutzt werden kann, da sich bei Stromtrans-
port durch die Grenzschicht keine anderen Stoffe ab-
scheiden, die durch neue Galvanispannungen stören
würden.

Konzentrationselemente
Tauchen zwei Elektroden aus dem gleichen Metall in
Elektrolyten gleicher Art, aber unterschiedlicher Kon-
zentration n1 und n2, die durch eine poröse Wand in
. Abb. 5.16. Das Thermoelement als Fernthermometer. leitendem Kontakt stehen, so hängt die jetzt messbare
Messung der Temperatur Tx mit einem in °C kalibrierten Potenzialdifferenz UG nach obiger Formel nur von log
Thermoelement. Die Vergleichslötstelle befindet sich in n1/n2 ab, solange keine Ionendiffusion durch die Wand
Eiswasser von 0°C. (Harten 2006) stattfindet.
5.8 · Elektrische Spannungen an Grenzflächen, Diffusionsspannungen
93 5

Merke lichkeiten der Ionen sehr unterschiedlich sind wie im


Fall μ(Cl–)<<μ(H+), erhält man wieder die einfache
Spannung eines Konzentrationselements nach
Nernstsche Gleichung.
1 n
Nernst: UG = 59 , 5 mV log 1 bei 300 K und Kon-
z n2 Diffusionsspannung an ionenselektiven
zentrationen unterschiedlichen Teilchen n1 und n2. Membranen
Bei ionenselektiven Membranen, wie sie die ca. 5 nm
dünnen Zellmembranen lebender Zellen darstellen,
Spannungsreihe und galvanische Elemente geht neben der Konzentration der Ionen noch deren
Metalle haben, wie oben erwähnt, Lösungstensionen unterschiedliche Durchlässigkeit durch die Membran
πs, die sehr unterschiedlich sind. Ordnet man sie nach (Permeabilität) in die Diffusionsspannung an der
abnehmender Lösungstension an, so erhält man die Membran ein. Bei Körperzellen spielt insbesondere die
Voltasche Spannungsreihe: Al, Zn, Fe, Cd, Ni, Pb, wesentlich größere Permeabilität von K+-Ionen gegen-
H, Cu, Ag, Hg, Au, Pt. über den Na+-Ionen eine bedeutsame Rolle. Während
Je weiter links ein Element steht, umso leichter gibt außerhalb der Zelle Na+-Ionen 10-mal häufiger sind als
es Elektronen ab und geht in Lösung, umso »unedler« ist innerhalb, sind umgekehrt K+-Ionen innen 30-mal häu-
es im Gegensatz zu den rechts stehenden »Edel«metallen. figer als außen.
In der Mitte steht Wasserstoff, der als Bezugselektrode Die Membranspannung der lebenden Zelle be-
dient. trägt ca. –70 mV zwischen innen (–) und außen (+),
Tauchen zwei Elektroden aus verschiedenen Metal- woraus sich eine Feldstärke von ≈14 MV/m in der
len in denselben Elektrolyten (z. B. aus Kupfer und Zink Membran ergibt. Man findet die Beziehung
in verdünnte Schwefelsäure), so erhält man ein so ge-
nanntes galvanisches Element. Die Potenzialdifferenz PK cKa + PNacNa
a + P ci
U Membran = 59, 5 mV ¥ log Cl Cl
zwischen beiden Elektroden beträgt dann im Beispiel: PK cK + PNacNa + PCl cCa l
i i

U=UG(Cu)–UG(Zn)={0,35–(–0,76)} V=1,11 V. für die Konzentrationen von Kalium-, Natrium- und


Chlorionen außerhalb (a) und innerhalb (i) der Zelle.
Da die Lösungstension von Zink größer als die von Dieses Membranpotenzial wird ständig durch aktives
Kupfer ist, agiert die Zinkelektrode als Kathode und Pumpen von Ionen aufrechterhalten (Ruhepotenzial).
Kupfer als Anode. Bei der lokalen Erregung einer Nerven- oder Mus-
kelzelle ändert sich das Membranpotenzial kurzzeitig
durch Öffnung von Ionenkanälen, insbesondere für
5.8.3 Diffusionsspannungen an Grenz- Na+-Ionen. Die plötzliche Änderung der Permeabilität
fläche Elektrolyt-Elektrolyt von Na-Ionen um etwa das 100fache führt zu einem
nur wenige ms andauernden Aktionspotenzial von
Diffusionsspannung bei nichtionenselektiver ca. +30 mV, dann schließen sich die Ionenkanäle
Membran wieder und das Ruhepotenzial stellt sich rasch wieder
Werden zwei verschiedene Elektrolyte durch eine ionen- ein.
durchlässige Membran getrennt, so baut sich – in Abhän- Das pulsartige Aktionspotenzial bewirkt in seiner
gigkeit von der Beweglichkeit und der Konzentration der lokalen Umgebung die gleiche Depolarisation des Ruhe-
Ionen – zwischen beiden Seiten der Membran ein Diffu- potenzials von –70 mV auf +30 mV, mit dem Effekt,
sionspotenzial auf, das durch die folgende Modifikation dass sich das Aktionspotenzial als Signalpuls längs einer
der o. g. Nernstschen Gleichung berechnet werden kann. Nervenfaser mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 m/s
Wir betrachten eine Membran, die zwei Bereiche ausbreitet (GK Physiologie, 7 Kap. 1, 7 Kap. 12).
unterschiedlicher Konzentration n1 und n2 eines Elek-
trolyten wie z. B. Salzsäure HCl trennt, und erhalten für Merke
die Diffusionsspannung den Ausdruck: Durch Änderung der Membranpermeabilität für
Na+- und K+-Ionen können lebende Zellen rasch
kT m (H + ) - m (Cl - ) n1 vom Ruhepotenzial in das Aktionspotenzial
U Diff = ln .
e m (H + ) + m (Cl - ) n2 wechseln (Depolarisation). Die Repolarisation
erfolgt durch transiente Erhöhung der K+-Leit-
Hier sind μ(H+) und μ(Cl–) die entsprechenden Ionen- fähigkeit.
beweglichkeiten nach 7 Kapitel 5.7.2. Wenn die Beweg-
94 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

sich stets quer zum Draht in Richtung der Feldlinien


stellen. Die Richtung der magnetischen Feldlinien ist
dabei durch die Rechte-Hand-Regel definiert.

Merke
Rechte-Hand-Regel: Zeigt der Daumen in Rich-
tung des Stroms, so zeigen die Finger in die Rich-
tung des magnetischen Feldes, in Richtung des
Physik

Nordpols einer Kompassnadel.

Wickelt man Draht gleichmäßig um ein dünnwandiges,


nicht Strom leitendes Rohr vom Radius R, und lässt
durch die so gebildete Drahtspule der Länge L mit n
Windungen den Strom I fließen, dann addieren
sich die von jedem Stückchen Draht produzierten
magnetischen Felder insgesamt zu einem homogenen
Magnetfeld H innerhalb der Spule, dessen Stärke durch
H=nuI/L [A/m] gegeben ist.
Bei der Induktion, die später erörtert wird, gehen
die Größen magnetische Flussdichte B und magneti-
scher Fluss Φ ein. Sie sind proportional zum magne-
tischen Feld H:
B = F A = mm0 ¥ H [Tesla=T=Vs/m2], sowie
F = B ¥ A [Vs].
Hierbei sind μ0=1,256ⴛ10–6 Vs/Am die magne-
tische Feldkonstante und μ die Permeabilität, eine di-
mensionslose Materialkonstante; die Größe A=πR2 stellt
die Querschnittsfläche der Spule dar, die von der (hier
homogenen) Flussdichte B senkrecht durchsetzt wird.

Merke
Magnetische Feldstärke in Spule der Länge l mit
n Windungen: H=nuI/l [A/m].
Magnetische Flussdichte: B = F A = mm0 ¥ H[T].
. Abb. 5.17. Magnetfeld um stromdurchflossenen Leiter. Einheit T= Tesla =Vs/m2.
Ein stromdurchflossener Draht umgibt sich mit ringförmig Magnetischer Fluss F = B ¥ A [Vs].
geschlossenen Magnetfeldlinien, die in der Ebene senkrecht Magnetische Feldkonstante μ0=1,256u10–6 Vs/Am.
zum Draht durch ausgerichtete Eisenfeilspäne sichtbar
Permeabilität μ: dimensionslose Materialkonstante,
werden; ihre Richtung folgt aus der Rechte-Hand-Regel.
A: die von der Flussdichte B senkrecht durchsetzte
(Harten 2006)
Fläche.

5.9 Magnetische Größen, elektro-


magnetische Induktion 5.9.2 Lorentzkraft und Drei-Finger-Regel

5.9.1 Magnetisches Feld, Kraftfluss Ein stromdurchflossener Leiter, der über die Länge l
senkrecht zur Stromrichtung von einer magnetischen
Nach den Maxwellschen Gleichungen sind elektrische Flussdichte B durchsetzt wird, erfährt eine Kraft senk-
Ströme untrennbar mit magnetischen Feldern verbun- recht zu
 Strom und
 Flussdichte, die so genannte Lorentz-
den. Nach . Abbildung 5.17 ist jeder stromdurch- kraft F = l ¥ I ⊗ B [N].
flossene Draht von ringförmig geschlossenen magne- Hier steht das Zeichen ⊗ für das Vektorprodukt
tischen Feldlinien umgeben, eine Kompassnadel würde zweier Größen; die resultierende Größe, hier die Kraft
5.9 · Magnetische Größen, elektromagnetische Induktion
95 5

ten. Die Spule ist gegenüber der Schleife in der Abbil-


dung um 90° gedreht, sodass der durch die Spiralfedern
zugeführte Strom ein maximales, zum Strom propor-
tionales Drehmoment durch die senkrecht vom Feld
durchdrungenen Teile der Spulendrähte bewirkt. Der
an der Spule befestigte Zeiger bleibt in der Stellung
stehen, wo sich die Drehmomente von Spule und Spi-
ralfedern gerade kompensieren.
Das Drehspulinstrument dient nicht nur als Strom-
messer, sondern kann auch als Spannungsmesser bei
bekanntem Innenwiderstand benutzt werden (U=RuI).
Bei Verwendung einer eingebauten Batterie mit be-
kannter Spannung U0 ist es auch als Ohmmeter ver-
. Abb. 5.18. Leiterschleife im Magnetfeld. Eine um die wendbar (R=U0/I).
horizontale Achse drehbare Leiterschleife wird bei Stromfluss
in die gezeichnete Stellung gedreht, in der die Lorentzkraft
kein Drehmoment mehr bewirkt. (Harten 2006) 5.9.4 Magnetische Dipole

   Das Magnetfeld einer kurzen Spule unterscheidet sich im


F, steht auf der Ebene, die durch die Größen I und B Außenraum praktisch nicht von dem in . Abbildung 5.2
aufgespannt wird, nach der Drei-Finger-Regel (s. u.) gezeigten elektrischen Dipolfeld. Auch stabförmige Per-
senkrecht! Der Betrag der Kraft ist durch das nebenste- manentmagnete zeigen dieselbe Feldverteilung.
hende einfache Produkt gegeben, wenn für das B-Feld Einen magnetischen Dipol der Stärke pm [SI-Ein-
nur die Komponente senkrecht zum Strom I genom- heit: Vsm] kann man sich durch zwei entgegengesetzt
men wird: | F |= l ¥ I ¥ B^ I . gleich starke magnetische Ladungen Φ [Vs] im Abstand
So wird eine nach . Abbildung 5.18 um eine hori- l realisiert denken. Die Richtung vom Süd- zum Nord-
zontale Achse drehbare Leiterschleife bei Stromfluss in pol (S→N) des magnetischen Moments definiert seine
die gezeichnete Stellung gedreht, wo keine Drehmomen- Ausrichtung. Teilt man jedoch einen Permanentmagne-
te mehr wirken, nur noch Kräfte. Bei Elektromotoren ten in der Mitte, so erhält man dadurch keine Trennung
dreht sich die Spule dank der Trägheit über diesen toten in einen Nord- und Südpol, sondern wiederum zwei
Punkt hinweg: Wird dann der Strom zu diesem Zeit- Permanentmagnete. Daraus schließt man, dass es in der
punkt umgepolt, so erfährt die Spule ein weiteres Dreh- Natur keine separaten Nord- und Südpole gibt, sondern
moment in derselben Richtung bis zur nächsten Um- alle Magnetfelder von ringförmig bewegten Ladungen
polung nach 180° usw. bzw. elektrischen Strömen verursacht werden.
Im homogenen Magnetfeld wird auf ein magne-
Merke 
  
tisches Moment das Drehmoment M = pm ⊗ H bzw.
Drei-Finger-Regel für die Lorentzkraft F = l ¥ I ⊗ B : | M |= pm ¥ H ^ pm ausgeübt. Die Achse des Drehmo- 

Zeigt der Daumen in Richtung des Stroms I, der ments steht dabei senkrecht auf der durch pm und H
Zeigefinger in Richtung der Flussdichte B, so gibt gebildeten Ebene, das magnetische Moment wird in
der Mittelfinger die Richtung der Lorentzkraft F auf die Richtung des magnetischen Feldes gedreht. So zeigt
die Leiterlänge L an. der Nordpol einer Kompassnadel immer zum Südpol
des erdmagnetischen Dipolfeldes (Hhorizontal≈24 A/m);
letzterer liegt paradoxerweise im Norden.
In ein inhomogenes Magnetfeld wird ein frei dreh-
5.9.3 Wirkungsweise von Drehspul- bares magnetisches Moment zusätzlich hineingezogen
instrumenten analog zum Dipol im elektrostatischen Fall (7 Kap. 5.2).

Alle von Elektromotoren erzeugten Drehmomente Merke


haben ihre Ursache in der Lorentzkraft; sie wirkt auch Magnetische Dipolmomente (Ausrichtung SoN)
in allen Drehspulinstrumenten. Ähnlich wie in . Ab- werden im homogenen Magnetfeld in die (NoS)-
bildung 5.18 befindet sich statt der Leiterschleife eine Richtung des Feldes gedreht, ins inhomogene Feld
durch Spiralfedern festgehaltene, reibungsarm dreh- auch hineingezogen.
bare Spule im konstanten Feld eines Permanentmagne-
96 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

5.9.5 Kernspin- und Elektronenspin- magnetischen Feldes, sodass die magnetischen Momente
magnetismus von Elektronen und Kernen mit Spinquantenzahl j=½
2, von Kernen mit z. B. j =5/2 6 Möglichkeiten haben, sich
Freie Elektronen besitzen ein mit dem Eigendrehimpuls unter dem Winkel α gegen die z-Richtung des magne-
oder Spin verknüpftes magnetisches Moment. Das im tischen Feldes zu orientieren (Richtungsquantelung).
Atom gebundene Elektron hat außerdem ein mit dem Der Winkel α ist durch die Formel cosa = m  I
Bahndrehimpuls zusammenhängendes magnetisches definiert, mit m=–j, –(j–1),…, +(j–1), j.
Moment. Gleiches gilt auch für Protonen und Neu- Im magnetischen Feld präzedieren die magneti-
Physik

tronen im Atomkern. Allerdings kompensieren sich im schen Momente um die z-Richtung auf einem Kegel mit
Kern die Spins und Bahndrehimpulse einer je geraden dem Öffnungswinkel α. Die verschiedenen Spineinstel-
Anzahl von Protonen und Neutronen zu null, sodass lungen haben je nach ihrer Orientierung zum Magnet-
nur Kerne mit einer ungeraden Anzahl von Protonen feld unterschiedliche relative potenzielle Energien:
oder Neutronen, d. h. einem überzähligen Nukleon,
überhaupt einen Gesamtdrehimpuls (Kernspin ver- EPot = - mm B cos a = -g ¥ I ¥ B cos a = -(g ¥  ¥ m) ¥ B .
kürzt genannt) I≠0 und ein damit einhergehendes ma-
gnetisches Moment besitzen. Die Differenz zwischen benachbarten Einstellungen
Der Betrag des Gesamtdrehimpuls I berechnet mit (m±1) und m beträgt DEPot = w L = g ¥  ¥ B =
sich nach den quantenmechanischen (q. m.) Regeln 2 mm ¥ B . Für μm>0 herrscht die kleinste potenzielle
aus der Spinquantenzahl j (j ganz- oder halbzahlig) zu Energie bei Ausrichtung in Feldrichtung vor, bei α = 90°
I =  j ¥ ( j + 1) , dabei ist  = h 2p die q. m.-Einheit ist Epot=0, und Epot ist maximal bei antiparalleler Aus-
des Drehimpulses und h das Plancksche Wirkungs- richtung. Die Größe ωL ist die so genannte Larmor-
quantum. frequenz, nämlich die Winkelgeschwindigkeit, mit der
Die wichtigsten Daten zu Elektron, Proton und ei- das magnetische Moment um die Richtung des magne-
nigen Kernen sind in . Tabelle 5.1 zusamengestellt. Um tischen Feldes präzediert. Die zugehörige Frequenz
der in Lehrbüchern üblichen Darstellung zu genügen, fL=(2π–1)ⴛγB einer hochfrequenten Radiowelle trans-
verwenden wir im Folgenden für das magnetische Dipol- portiert zugleich Energiequanten E=hfL, die der Ener-
moment pm die alternative Schreibweise μm=pm/μ0 giedifferenz benachbarter m-Zustände entsprechen,
(Am2) (μ0 = magn. Feldkonstante nach 7 Kap. 5.9.1). also durch Absorption oder Emission Übergänge zwi-
Das magnetische Moment μm kann parallel oder schen den m-Zuständen ermöglichen.
antiparallel zum Spin I ausgerichtet sein, entsprechend Bei den j=½-Teilchen Elektron und Proton sind
einem positiven oder negativen Vorzeichen. Spin und die zwei m-Zustände entsprechend dem zugehörigen
magnetisches Moment sind durch das gyromagnetische Boltzmannfaktor nicht völlig gleich stark besetzt
Verhältnis γ=μm/I [Hz/T] miteinander verknüpft. Nach (DE pot = h ¥ f L = 2mm,z ¥ B ): Für Protonen als Sonde
den q. m. Gesetzen hat jeder Spin I mit der Quantenzahl sind wegen der Kleinheit von μm,z(Proton) bei Zimmer-
j genau (2j+1) Einstellmöglichkeiten zur Richtung eines temperatur und B=1T nur ca. 7 Protonen weniger als

. Tab. 5.1. Charakteristische Daten für Elektronen- und Kernspinresonanzmessungen


Sonde bzw. Spinquanten- μm,z/μB bzw. γ/2π in MHz/T Häufigkeit in Rel. Empfindlichkeit
Isotop zahl μm,z/μK natürl. Isotopen- bzgl. gleicher
gemisch in % Anzahl wie 1H
e ½ 1,00116 28026 ----- -----
1H ½ 2,79847 42,58 99,98 1
13C ½ 0,70216 10,72 1,11 1,59u10–2
14N 1 0,40357 3,08 99,64 1,01u10–3
17O 5⁄ –1,8930 –5,77 0,04 2,91u10–2
2

19F ½ 2,6275 40,06 100 8,30u10–1


23Na 3⁄ 2,2161 11,26 100 9,27u10–2
2

Die magnetischen Momente sind in Einheiten des Bohrschen Magnetons mB = e /2me und des Kernmagnetons
mK = e / 2mp = mB / 1837 angegeben.
5.9 · Magnetische Größen, elektromagnetische Induktion
97 5

1 Mio im antiparallelen Zustand gegenüber 1 Mio im 5.9.6 Elektromagnetische Induktion


parallel ausgerichteten Zustand, andererseits sind in
1 mm3 Wasser ca. 7u1019 Protonen, also immerhin ca. So wie die elektromagnetische Wechselwirkung
5u1014 weniger Protonen im höheren Niveau. Magnetfelder durch elektrische Ströme hervorruft, in-
Das Messprinzip für Untersuchungen mithilfe der duziert sie umgekehrt in elektrischen Leitern Span-
Kernspin- und Elektronenspinresonanzmethode nungen, wenn sich der Magnetfluss relativ zum Leiter
kann im Folgenden nur angedeutet werden: Ein kurzer ändert. Diesen Vorgang nennt man elektromagne-
Radiowellenimpuls mit der Larmorfequenz fL führt tische Induktion.
durch Absorption der Strahlung zu einer Gleichbeset- Diese soll anhand von . Abbildung 5.18 veran-
zung der beiden Spinzustände. Die sich danach wieder schaulicht werden: Dreht man die Leiterschleife mit
einstellende Nichtgleichbesetzung zur Emission von einem angeschlossenen Voltmeter um 90° in der Zeit t,
Radiowellen derselben Frequenz, die mithilfe eines sodass die durch Pfeile angedeutete Flussdichte die
Empfängers aufgenommen wird. Schleife nicht mehr durchsetzt, so beobachtet man
Die Stärke des Signals ist proportional zur Anzahl am Instrument einen Spannungsstoß Φ. Der ist gleich
der reagierenden Teilchen (hier Protonen oder Elektro- dem über die Zeit integrierten Produkt aus Spannung
nen). Aus der Schnelligkeit der Dämpfung des Signals und Zeit, und ist in diesem Spezialfall gleich dem
kann man je nach Versuchsanordnung den Einfluss des Produkt aus der von der Leiterschleife umschlossenen
Energieaustauschs der Sondenteilchen mit umliegen- Fläche A und der vollen magnetischen Kraftflussdichte
t
den Molekülen messen (Spin-Gitter-Wechselwirkung), B: - DF = - B ¥ A = Ú U (t )dt[Vs].
0
oder die Emission wird durch die Magnetfelder der be- Allgemein gültiger ist die differenzielle Darstellung:
nachbarten Atome mit Spin gedämpft, die die Reso-
nanzbedingung durch Frequenzverschiebung stören U (t ) = - d F(t ) dt = - d(BA (t ) ¥ A) dt ,
(Spin-Spin-Wechselwirkung).
Da die Art der chemischen Bindung des Sondenteil- wobei mit BA (t ) die Komponente des homogenen
chens einen Einfluss auf die Resonanzfrequenz hat, kann Feldes B(t) gemeint ist, die die Fläche A senkrecht
man Resonanzspektren durch Feinabstimmung der Fre- durchsetzt, also parallel zur Flächennormalen ist. Das
quenz fL oder Durchstimmung eines kleinen Zusatz- Minuszeichen trägt der Tatsache Rechnung, dass ein
feldes bei fester Frequenz gewinnen. Auf diese Weise von der Spannung U durch den Widerstand der Schlei-
kann man auf Details der chemischen Bindung schließen fe induzierter Strom ein Magnetfeld aufbauen würde,
oder sich der Analytik unbekannter Stoffe widmen. das der Änderung des erzeugenden Feldes entgegen-
Die in der Medizin zunehmend mit großem Erfolg wirkt (Lenzsche Regel).
benutzten Kernspintomographen (MRT) oder NMR- Wichtig ist, dass es für die Höhe der induzierten
Geräte (nuclear magnetic resonance) funktionieren Spannung nur auf die relative zeitliche Änderung des
nach dem gleichen Prinzip. Zu der spektakulären Orts- Kraftflusses BA (t ) durch die Schleife ankommt, egal ob
auflösung dieser Geräte kommt man, indem man dem sich die Schleife im konstanten Magnetfeld dreht, oder
hohen homogenen B-Feld – das über 2 T stark sein ob umgekehrt das Magnetfeld um die feststehende
kann ‒ feine Gradientenfelder in x-, y- und z-Richtung Schleife bewegt wird, oder ob man bei fester Geometrie
überlagert, sodass jedes Raumelement (voxel) separat das Magnetfeld zeitlich ändert, z. B., indem man es
durch die zugehörige Resonanzfrequenz fL vB ange- durch eine Spule erzeugt.
sprochen werden kann. Zur Erhöhung des Kontrasts Ersetzt man die Leiterschleife in . Abbildung 5.18
kann man auch für jedes Raumelement die Stärke der durch eine Spule gleicher Dimension mit n Windungen,
verschiedenen angeführten Dämpfungsarten per Com- so gilt folgende wichtige Formel:
puter auswerten und bildhaft darstellen.
Merke
Merke Induzierte Spannung in einer Spule mit n Win-
Elektronen- und Kernspinresonanz: Einstrahlung dungen: U(t ) = -n ¥ d F(t ) dt
von Radiowellen führt zu Übergängen zwischen
zwei benachbarten m-Zuständen im magnetischen
Feld bei der Larmorfrequenz w L = g ¥ B .
γ=μm/I= gyromagnetisches Verhältnis, 5.9.7 Selbstinduktion
μm = magnetisches Moment, I = Spin des Sonden-
teilchens. Schließt man eine mit Weicheisen gefüllte Spule mit n
Windungen (Induktionsspule) über einen Schalter
98 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

zierte Spannung verminderte Batteriespannung. Die


Spuleninduktivität berechnet sich aus den bekannten
Größen zu L = mm0n2 ¥ A l .

Merke
Stromabfall bei RL-Glied aus Spule und Wider-
stand: I (t ) = I0 ¥ exp( - t t ) mit der Zeitkonstanten
τ=R/L.
Physik

. Abb. 5.19. Versuch zur Selbstinduktion. Der Schutzwider-


stand RS erlaubt die allmähliche Entladung der Induktions-
5.9.8 Faradayeffekt oder Magnetrotation
spule nach Öffnen des Schalters. (Harten 2006)

Schickt man ein linear polarisiertes Lichtbündel durch


eine durchsichtige, optisch inaktive Substanz wie z. B.
Glas, das in gleicher Richtung von einem Magnetfeld
durchsetzt wird, so wird die Polarisationsebene des
Lichts proportional zur Stärke des Magnetfeldes H und
der Länge l der durchquerten Schicht um den Winkel α
gedreht: a = V ¥ l ¥ H.
V ist die materialabhängige Verdetsche Konstante.
Dieser Effekt wird Magnetrotation oder Faradayeffekt
genannt.
. Abb. 5.20. Zeitverhalten des Stroms bei Selbstinduktion:
Anstieg und Abfall der Stromstärke nach Ein- und Ausschal- Merke
ten einer Induktionsspule nach . Abb. 5.19. entsprechend Faradayeffekt: Optisch inaktive Substanzen drehen
den unterschiedlichen, jeweils wirkenden Zeitkonstanten die Polarisationsebene, wenn sie parallel zur Rich-
τ=R/L. (Harten 2006)
tung des Lichts von einem Magnetfeld der Stärke H
durchsetzt werden. Für den Drehwinkel gilt:
nach . Abbildung 5.19 »ein« und nach einiger Zeit α=VuluH. V ist eine materialabhängige Konstante, l
wieder »aus«, so beobachtet man an dem dazwischen die wirksame Länge.
geschalteten Amperemeter den in . Abbildung 5.20
dargestellten zeitlichen Verlauf des Stroms. Nach der
bereits erwähnten Lenzschen Regel induziert das sich
verändernde Feld der Spule eine Spannung UI, die der 5.10 Wechselspannung,
zeitlichen Änderung des Feldes, und damit des Stroms Wechselstrom
dI/dt proportional ist. Beim Ausschalten wirkt diese
Spannung allein. Es gilt: 5.10.1 Wechselstromgrößen

UI(t)=RⴛI(t)=−LⴛdI(t)/dt. Von besonderer Bedeutung in unserem Alltag ist der


sinusförmige Wechselstrom I(t) bzw. die zugehörige
R ist der gesamte Ohmsche Widerstand von Schutz- Wechselspannung U(t), deren Werte sich mit der Fre-
spule und Induktionsspule. Die Konstante L (SI-Einheit quenz f (zugehörige Kreisfrequenz ω=2πf ) regelmäßig
Henry=H=Vs/A) trägt den Namen Induktivität oder wiederholen:
Selbstinduktionskoeffizient. Die Lösung der Diffe-
renzialgleichung führt wie im Fall der Entladung eines I (t ) = I 0 ¥ sin(w ¥ t ) bzw. U (t ) = U 0 ¥ sin(w ¥ t + j ).
Kondensators zu einer exponenziell abfallenden Strom-
stärke (. Abb. 5.20): I (t ) = I 0 ¥ exp(- t t ) mit der Zeit- I0 und U0 sind die so genannten Scheitelwerte oder
konstanten t = L R . Amplituden, die Strom bzw. Spannung beim Wert von
Entsprechend erklärt sich auch der langsamere An- ωt=π/2 erreichen (sin(π/2) = 1!). Der Phasenwinkel φ
stieg des Stroms beim Einschalten, da hier in die Zeit- berücksichtigt evtl. Unterschiede in der Phase von
konstante nur der kleinere ohmsche Widerstand der Strom und Spannung (s. u.). Da die Mittelwerte von
Spule eingeht; andererseits wirkt hier die um die indu- Strom und Spannung gleich null sind, gibt man als ihre
5.10 · Wechselspannung, Wechselstrom
99 5

Effektivwerte die Wurzel aus Mittelwert ihres Quadrats gekehrt proportional zur Kreisfrequenz ω und zur
über eine Periode T=1/f an: Kapazität C nach RC=1/(ωC) [V/A] ab.
4 Umgekehrt eilt die bei der Induktionsspule ange-
U eff = U 02 ¥ sin2 (w ¥ t ) = U 0 1 2 = U 0
legte Spannung dem Strom um 90° voraus.
2 ª 0, 71 ¥ U 0 , I eff = I 0 2 ª 0, 71 ¥ I 0
gilt entsprechend. Merke
Mathematisch ist es gleichbedeutend, ob man die Eselsbrücke: »LUI« LoU vor I
Zeitabhängigkeit durch die Sinus- oder die Cosinusfunk-
tion beschreibt, da cos(ωt)=sin(ωt+π/2) ist; der Cosinus
eilt gewissermaßen dem Sinus um π/2 oder 90° voraus. Der induktive Blindwiderstand wächst mit ω gemäß
Wichtig zu wissen: Das europäische Stromnetz RL=ωL [V/A].
wird mit f=50 Hz betrieben bei Ueff=230 V (U0≈325 V), Man nennt die Größen RC und RL Blindwiderstän-
das japanische und nordamerikanische mit 60 Hz bei de, weil sie im zeitlichen Mittel keine Leistung auf-
Ueff=110 V. Der effektive Leistungsverlust Peff durch nehmen. Da Strom und Spannung in beiden Fällen
Wärmeabgabe am Ohmschen Widerstand ist bei Wech- eine Phasendifferenz von π/2 aufweisen, ist P (C , L) =
selstrom im zeitlichen Mittel gegeben durch U (t ) ¥ I (t ) = U 0 ¥ I 0 ¥ sin(wt ) ¥ sin(wt + p 2) = 0 . Die-
se Eigenschaften erklären sich durch die folgenden
Peff = U 0 ¥ I 0 ¥ sin2 (w ¥ t ) = 1 2 ¥ U 0 ¥ I 0 = U eff ¥ I eff . Überlegungen:
Die Aufladung des Kondensators durch den Strom
Da Strom und Spannung immer in Phase sind, wird wie beschreiben die Formeln Q(t)=CuU(t) und I(t)=dQ/dt.
zuvor über sin2ωt gemittelt, mit folgenden einfachen Für U(t)=U0usin(ωt) folgt nach den Differenziations-
»Merke«-Formeln: regeln:

Merke I(t)=CudU(t)/dt=CU0ωucos(ωt)=CU0ωusin(ωt+π/2)!
Für sinusförmigen Wechselstrom mit Scheitelwerten
I0 bzw. U0 gelten mit Ueff=U0 /√2 bzw. Ieff =I0 /√2 die- Der Widerstand RC berechnet sich formal zu RC=U0/
selben Regeln wie bei Gleichstrom für Leistung I0=1/(Cω).
und Ohmschen Widerstand: Peff = Ueff uIeff [W] bzw. Die Induktionsspannung UL(t) an der Spule kom-
Reff=Ueff /Ieff [Ω]. pensiert immer die angelegte Spannung U(t). Wir
gehen vom Strom I(t)=I0usin(ωt) aus. Dann ist U(t)=
−UL(t)=LudI/dt = LωI0ucos(ωt)=LωI0usin(ωt+π/2)!
KLINIK Entsprechend ist der Widerstand der Spule RL=U0/
In der Medizin werden periodische, aber nicht- I0=Lω.
sinusförmige Ströme u. a. zur Reizung von Muskel-
nerven, aber auch als Herzschrittmacher einge- Merke
setzt. Auch die bei EKG-Aufnahmen gemessenen Die frequenzabhängigen Scheinwiderstände von
Spannungen sind in etwa periodisch, aber nicht Spulen der Selbstinduktion L und Kondensatoren
sinusförmig, und werden nach anderen Kategorien der Kapazität C sind RL=Lω und RC=1/(Cω). Die an-
interpretiert (GK Physiologie, 7 Kap. 3.1.4). gelegte Spannung eilt bei der Spule dem Strom um
90° voraus und hinkt dem Strom beim Kondensator
um 90° nach.

5.10.2 Wechselstromwiderstände, Leistung


in Wechselstromkreisen Im allgemeinen Fall müssen v. a. bei Spulen noch
Ohmsche Widerstände berücksichtigt werden. Sie be-
Schließt man Kondensatoren unterschiedlicher Kapa- wirken, dass der Phasenunterschied von Strom und
zität C bzw. Induktionsspulen verschiedener Indukti- Spannung φ≠π/2 wird. Man spricht in diesem Zusam-
vität L an eine Wechselstromspannungsquelle an und menhang laut . Tabelle 5.2 von Schein-, Blind- und
misst Strom und Spannung mit geeigneten Instru- Wirkleistungen und entsprechenden Widerständen.
menten, so macht man die folgenden Beobachtungen: Der Scheinwiderstand wird häufig auch als Impedanz
4 Bei Kondensatoren eilt die Phase des Stroms der bezeichnet. Zwar belasten Blindleistungen nicht den
Spannung am Kondensator um 90° (π/2) voraus Energieverbrauchszähler, aber der entsprechende
und der kapazitive Blindwiderstand nimmt um- Blindstrom muss durch Ohmsche Leiter herangeführt
100 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

. Tab. 5.2. Stromleistung und Stromwiderstände bei der Phasendifferenz φ von Strom und Spannung
Scheinleistung P=Ueff uIeff Scheinwiderstand Z=Ueff/Ieff
Wirkleistung PW=cosφuUeffuIeff Wirkwiderstand RW=cosφuUeff/Ieff
Blindleistung PB=sinφuUeffuIeff Blindwiderstand RB=sinφuUeff/Ieff
Physik

werden und verbraucht dadurch vor dem Stromzähler nerator, der eine feste Wechselspannung U0 in einem
Energie. Daher wird darauf geachtet, dass für den Pha- weiten Frequenzbereich bereitstellt, so steigt der durch-
senwinkel möglichst φ≈0 eingehalten wird. gelassene Strom erst stark mit der Frequenz an, erreicht
ein Maximum und fällt dann stetig zu hohen Frequenzen
immer weiter ab. Berücksichtigt man die in 7 Kapi-
5.10.3 Transformator tel 5.10.2 erwähnten Phasen zwischen Strom und Span-
nung in allen drei Bauteilen, so erhält man den Gesamt-
Umschließen zwei Spulenwicklungen mit den Win- scheinwiderstand oder die Impedanz der Schaltung:
dungszahlen n1 und n2 zwei gegenüberliegende Seiten
eines Weicheisenkerns, so verhalten sich nach dem In- Z (w ) = R2 + (Lw - 1 Cw )2 .
duktionsgesetz die Spannungen an beiden Spulen wie
die Windungszahlen, während die Ströme zu ihnen Man erkennt, das die Impedanz Z(ω) ein Minimum
umgekehrt proportional sind: U1/U2=n1/n2=I2/I1. Letz- erreicht, wenn der Ausdruck in Klammern null wird.
teres gilt, weil die abgegebene Leistung auf der Sekun- Dies ist bei der Kreisfrequenz w 0 = 1 LC der Fall, bzw.
därseite P2=U2uI2 =U1uI1=P1 gleich der auf der Primär- bei der Frequenz f 0 = 1 (2p LC ). Je nach Größe des
seite sein muss, wenn man von kleinen Ummagnetisie- Ohmschen Dämpfungswiderstandes ergibt sich das in
rungsverlusten absieht. . Abbildung 5.21 gezeigte Resonanzverhalten. Die An-
Transformatoren spielen in der Energieversorgung ordnung stellt bei scharfer Abstimmung einen Durch-
eine unverzichtbare Rolle, da durch die Hochspan- lassfilter für einen Bereich um die Resonanzfrequenz
nungstransformation geringere Stromstärken erforder- ω0 dar.
lich sind und damit die Verluste in den Zuleitungen, die
mit P=RuI2 gehen, minimiert werden. So werden die in
den Stromgeneratoren erzeugten Spannungen von
10–20 kV auf bis zu 400 kV hochtransformiert und für A
UCo

die Haushalte auf 230 V herabgesetzt.


Uo

10
In allen elektronischen Geräten, z. B. PC’s, stellen
Amplitudenverhältnis z =

Transformatoren nicht nur die Niedervolt-Versor-


gungsspannungen für die Halbleiterbausteine, sondern
auch die Hochspannungen für die Röhrenmonitore be-
reit. Im Haushalt verwenden wir heute zusätzlich viele
5
kleine Trafos zum Aufladen der Batterien (≥1,2 V) für
Handys, Digitalkameras, CD-Spieler usw. Der benö-
tigte Gleichstrom wird dabei durch Gleichrichter und B
Glättungskondensatoren erzeugt.
1
C
Merke 0
0 50 100
Strom- und Spannungsübersetzung beim Trans- Generatorfrequenz f/Hz
formator: U1/U2=n1/n2=I2/I1.

. Abb. 5.21. Resonanzkurven für Serienschwingkreis. Auf-


getragen ist das Verhältnis der Spannungen am Kondensator
UC0 zur Generatorspannung U0 als Funktion der Generatorfre-
5.10.4 Serienschwingkreis
quenz f. Die Kurven A, B und C gelten für Ohmsche Widerstän-
de von R=11, 48 und 148 Ω. Die Induktivität der Spule beträgt
Schaltet man eine Induktionsspule, einen Kondensator L=0,5 H, die Kapazität des Kondensators C=25 μF. Der Quotient
und einen Ohmschen Widerstand in Serie an einen Ge- UC0/U0 entspricht dem Verhältnis RC(ω)/Z(ω). (Harten 1999)
5.11 · Menschlicher Körper im elektrischen Stromkreis, Schutzmaßnahmen
101 5

. Abb. 5.22a–d. Schwingender Dipol. Einzelheiten im Text. (Harten 2006)

Merke stäbe als schwingende Dipole nach . Abbildung 5.22a–d


darstellen (Hertzscher Dipol). Geht man von entgegen-
Impedanz der Serienschaltung von Spule, Konden-
gesetzt aufgeladenen Enden des Stabes auf (a), so baut
sator und Ohmschen Widerstand als Funktion der
der Entladungsstrom ringförmig geschlossene Magnet-
Frequenz: Z (w ) = R 2 + (Lw - 1 Cw )2 .
felder auf (b), die wiederum bei ihrem Abbau (s. a. Se-
rienschaltung) die Enden des Stabs mit umgekehrter
Polarität aufladen (c).
5.10.5 Parallelschwingkreis, Nach der weiteren vollständigen Entladung hat sich
Hertzscher Dipol bei maximalem Strom ein magnetisches Feld in der Ge-
genrichtung zu (b) aufgebaut (d) usw.. Da sich aber die
Ein komplementäres Verhalten zur Serienschaltung elektrischen und magnetischen Felder im Raum mit
von Ohmschem Widerstand, Spule und Kondensator Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, wirken die räumlich
zeigt die Parallelschaltung der drei Bauelemente. entfernteren Teile nicht mehr auf den Dipol zurück,
Schließt man diesen Parallelschwingkreis an eine fre- lösen sich vom Dipol und breiten sich als elektroma-
quenzvariable Spannungsquelle an, so ist der Wechsel- gnetische Welle mit der Frequenz f0 im Raum aus.
stromleitwert G(ω) (Kehrwert der Impedanz Z(ω)) Das sind die von Heinrich Hertz 1888 entdeckten
gegeben durch: elektromagnetischen Wellen, die sich mit Lichtge-
schwindigkeit ausbreiten. Ihre elektrischen und magne-
G(w ) = 1 Z (w ) = 1 R2 + (Cw - 1 Lw )2 . tischen Felder induzieren sich gegenseitig und stehen
immer senkrecht aufeinander (Näheres in 7 Kap. 6).
Für die Kreisfrequenz w 0 = 1 LC ist der Klammeraus-
druck unter der Wurzel null und der Leitwert minimal, Merke
d.h. aber, der Widerstand ist jetzt maximal für Fre- Der Hertzsche Dipol ist ein räumlich offenener
quenzen in der Umgebung von ω0 (Sperrkreis). Im Parallelschwingkreis aus Spule und Kondensator,
Grenzfall R→∞ wird bei der Kreisfrequenz ω0 die Impe- von dem sich elektromagnetische Wellen ablösen:
danz unendlich groß, der aufgeladene Kondensator Elektrische und magnetische Felder induzieren
entlädt sich über die Induktionsspule, die ein magne- sich gegenseitig, stehen senkrecht aufeinander
tisches Feld aufbaut, das den Entladungsstrom zu hin- und breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus.
dern sucht, bis schließlich mit dem Maximalwert des
Stroms auch das magnetische Feld maximal und der
Kondensator ganz entladen ist.
Der folgende Abbau des Magnetfeldes hält den 5.11 Menschlicher Körper
Strom aufrecht, bis der Kondensator umgekehrt aufge- im elektrischen Stromkreis,
laden ist. Dann beginnt das Spiel in umgekehrter Rich- Schutzmaßnahmen
tung von Neuem. Das heißt, die elektrische Energie
pendelt in diesem Parallelschwingkreis zwischen dem 5.11.1 Stromschädigungen
elektrostatischen Feld im Kondensator und dem magne-
tischen Feld in und um die Spule hin und her. Alle inneren Organe, Muskeln und Herz werden durch
Ein Parallelschwingkreis für sehr hohe Resonanz- vom Nervensystem ausgehende elektrochemische
frequenzen ω0 erfordert sehr kleine Kapazitäten und Impulse angesteuert; in den Zellen selbst finden stän-
Induktionsspulen, wie sie im Extremfall kurze Metall- dig elektrochemische Prozesse statt. Insofern kann das
102 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre

Innere des menschlichen Körpers wegen der in den


Zellen und im Blutplasma gelösten Ionen (7 Kap. 5.8.3)
als gut leitender Elektrolyt betrachtet werden. Ledig-
lich die Haut stellt nach . Abbildung 5.23 einen grö-
ßeren, allerdings spannungsabhängigen Widerstand
dar, er ist für trockene Haut mit bis zu 6 kΩ am
größten.
Elektrische Ströme, die durch den menschlichen
Physik

Körper gehen, können deshalb die natürliche Funktion


der Zellen, insbesondere die der Nerven- und Muskel-
zellen stören oder völlig zum Erliegen bringen, und wenn
sie Herzflimmern verursachen, sogar tödlich sein.
Weitere Schädigungen sind Verbrennungen durch
die von größeren elektrischen Strömen entwickelte
Wärme. . Abb. 5.23. Grenzkurven der Widerstandskennlinien
Im nachstehenden »Merke«-Hinweis (nach Harten menschlicher Leichen: oben für zarte Gelenke, trockene Haut;
2006) sind die Wirkungen von Gleich- und Wechsel- unten für starke Gelenke, feuchte Haut. (Harten 2006)
strom bis 50 Hz aufgelistet. Generell ist nur Hantieren
mit Spannungsquellen bis ca. 5 V ungefährlich. Das
Prüfen einer 9 V-Batterie mit der Zunge ist bereits sehr adrige Kabel mit brauner, blauer und gelbgrüner
schmerzhaft. Ist man gut geerdet, z. B., wenn man in Kunststoffisolierung, die in Schukodosen enden. Ge-
der Badewanne sitzt, so können schon die 24 V gefähr- räte, die keine berührbaren metallischen Teile enthal-
lich werden, die noch für Modelleisenbahnen und Pup- ten, werden über flache Zweipolstecker angeschlossen.
penstuben erlaubt sind. Der Strom fließt vom spannungsführenden Phasen-
leiter (meist braun) über den Verbraucher zum Null-
KLINIK leiter (meist blau), der im versorgenden Transformator
Mit der Einwirkungsdauer steigt die schädigende geerdet ist.
Wirkung von Strömen. Deshalb ist – auch zum Der normale Schukostecker verbindet nun über
eigenen Schutz – bei Rettungsaktionen erst die die gelbgrüne Ader metallische Geräteteile mit den bei-
Stromzufuhr zu unterbrechen, bevor man sich dem den über den Zweipolöffnungen der Dose befindlichen
Unfallopfer selbst zuwendet. Schutzkontakten. Diese sind über das fortgeführte gelb-
grüne Kabel hinter dem Sicherungskasten (vom Ver-
braucher aus gesehen) mit dem Nullleiter verbunden.
Merke Kommt nun der metallische Teil des Geräts durch Be-
Wirkungen von Gleich- und Wechselstrom schädigungen mit dem Phasenleiter in Kontakt, so ist
bis 50 Hz: auch dieses auf Erdpotenzial und der Strom fließt über
<0,4 mA: keine spürbare Wirkung, den geerdeten Schutzleiter ab. Durch die normale, vor-
0,4−4 mA: geringe, aber merkliche Wirkung, geschaltete Sicherung wird der Strom nämlich nur
5–25 mA: erhebliche Störungen, dann unterbrochen, wenn er ein vorgegebenes Höchst-
25−80 mA: Bewusstlosigkeit, reversibler Herzstill- maß überschreitet.
stand, Einen weiteren Schutz bieten die so genannten Feh-
>100 mA: Verbrennungen, Herzstillstand. lerstromschutzschalter (»FI«-Sicherungen). Diese un-
terbrechen die Stromzuführung sehr rasch, sobald die
Differenz der Ströme in Phasen- und Nullleiter einen
bestimmten Grenzwert (meist 30 mA) überschreitet.
5.11.2 Schutzmaßnahmen Auf diese Weise ist man auch dann noch geschützt,
wenn man durch Unachtsamkeit ein Strom führendes
Um sich und andere vor Stromschlägen zu schützen, Kabel oder ein nicht geerdetes spannungsführendes
gibt es neben Verhaltensmaßregeln, welche die unten Bauteil berührt, oder wenn in einem schmorenden Ka-
angegebenen »Cave«-Hinweise zusammenfassen, eine bel ein Leckstrom zum Schutzleiter fließt. Kabelbrände
Reihe von Vorkehrungen, die inzwischen bei Elektro- sind besonders gefährlich, da sie meist sehr giftige Gase
installation Stand der Technik sind: So verlegt man entwickeln, die rasch zum Tod durch Ersticken führen
heute in Häusern zur Stromversorgung nur noch drei- können.
5.11 · Menschlicher Körper im elektrischen Stromkreis, Schutzmaßnahmen
103 5

KLINIK Merke
Bei medizinischen Untersuchungen und Anwen-
Verhaltensmaßregeln gegen Stromschläge:
dungen mit Strom führenden Geräten ist es außer-
5 Nicht mit feuchten Händen arbeiten.
dem sehr wichtig, dass Arzt, Patient und Anwen-
5 In Badewannen keine elektrischen Geräte
dungsgerät möglichst auf gleichem Erdpotenzial
bedienen.
sind, damit ungewollte Ableitströme und Berüh-
5 Füße gut isoliert auf den Boden stellen.
rungsspannungen vorgegebene Grenzwerte nicht
5 Immer eine Hand möglichst in der Tasche,
überschreiten.
denn Hand-zu-Handströme gehen über das
Herz.
5 Mit Spannungsprüfer Stromleiter ermitteln.
5 Nur Werkzeuge mit gut isoliertem Griff ver-
wenden.
Physik
105 6

6 Schwingungen und Wellen

Mind Map
Schwingungen sind je nach Frequenz und Stärke potenzen variieren kann und je nachdem als angenehm
wohltuend (sich wiegen) oder höchst unangenehm (Musik) oder störend (»Nagel auf Tafel«) empfunden
(gerüttelt werden). Bei Pendel oder Schaukel sind wird. Unser Gehör umfasst nur einen Frequenzbereich
sie als periodische Abläufe gut sichtbar. Durch rhyth- von 3 Zehnerpotenzen, aber wir nutzen Ultraschall bis
misches Anstoßen im richtigen Takt kann man jedes 10 GHz.
System »aufschaukeln«, was physikalisch ausgedrückt Nur für Licht, einem winzigen Ausschnitt aus dem
heißt, eine erzwungene Schwingung mit der Reso- weiten Spektrum elektromagnetischer Wellen, hat
nanzfrequenz anzufachen. der Mensch Sensoren, nämlich die Augen. Die Nutzung
Seilwellen, die von einer hin- und herschwingen- des ganzen Spektrums elektromagnetischer Wellen mit
den Hand erzeugt werden, vermitteln uns ebenso wie Hilfe von Radio, Fernsehen, Handy, WLAN- und Infrarot-
Wasserwellen und auch Pulswellen ein anschauliches Schnittstellen ermöglicht heute die rasche, nicht mehr
Bild vom Phänomen Welle. Die Ausbreitung von ortsgebundene Kommunikation in unserer Informa-
Wellen und viele Phänomene bei ihrem Auftreffen auf tionsgesellschaft. Computer- und Kernspintomogra-
Hindernisse oder andere Medien lassen sich mathe- phie vermitteln uns einen tieferen Einblick in die ver-
matisch gut beschreiben. borgene Innenwelt des Körpers, Radaraufnahmen
Vom morgendlichen Weckerrasseln über Handy- von Flugzeugen und Satelliten ein umfassendes Bild
klingeln, Autohupen, Musik- und Nachrichtensen- der Welt im Großen. Mit Laserstrahlen werden Holo-
dungen bis zum abendlichen Bettgeflüster nehmen gramme von Gegenständen aufgenommen; man
wir durch Schallwellen Informationen aus unserer benutzt sie, scharf gebündelt, als präzise Schneide- und
Umgebung auf, wobei die Intensität über 12 Zehner- Fräswerkzeuge, auch in der Medizin.
106 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen

6.1 Schwingungen Allen mechanischen schwingungsfähigen Syste-


men, wie der von zwei Federn gehaltenen Masse (Feder-
6.1.1 Oszillatoren pendel), ist gemein, dass die Auslenkung y der Masse m
aus der Ruhelage proportional zur rücktreibenden Kraft
Oszillatoren sind schwingungsfähige Systeme. Eine ist: Duy(t) = −mud2y(t)/dt2.
Schwingung ist ein Vorgang, der sich in gleichen Zeit- Der rechte Ausdruck mit der zweifachen Ableitung
abständen wiederholt und den ein periodischer Wech- nach der Zeit ist die auslenkungsbedingte Beschleuni-
sel von Energieformen charakterisiert. So kann man gung; diese mal der Masse ergibt die rücktreibende
Physik

z. B. beim Fadenpendel eine sich ständig wiederho- Kraft. Setzt man die o. g. Sinusfunktion in diese Diffe-
lende Umwandlung von kinetischer Energie in poten- renzialgleichung ein und differenziert 2-mal, so erhält
zielle Energie und umgekehrt beobachten. Ähnlich man daraus die Beziehung D/m = ω2, bzw. nach Einset-
verhält sich eine zwischen zwei Federn fixierte Masse, zen von ω=2πf=2π/T für die Schwingungsdauer das
die horizontal hin und her schwingt, eine hin und her Ergebnis:
schwingende Wassersäule in einem U-Rohr oder der in
7 Kapitel 5.10.5 diskutierte Parallelschwingkreis, wo T = 2p m D .
elektrostatische und magnetische Felder sich gegensei-
tig erzeugen und abbauen. D ist die so genannte Federkonstante, T die Dauer einer
Schwingende, in Rahmen fest eingespannte Saiten, vollen Schwingung, f=1/T die Schwingungsfrequenz.
und Luftsäulen in verschieden geformten Röhren sind Ähnliche Überlegungen führen beim Parallel-
Ton- und Klangquellen der meisten Musikinstrumente. schwingkreis aus Spule und Kondensator zu T = 2p LC
Bei den Saiten setzt sich die durch beispielsweise Zup- (7 Kap. 5.10.5).
fen in die elastische Dehnung gesteckte Energie in Be- Für das Fadenpendel findet man bei kleinen
wegungsenergie der Saiten um, und diese wieder zu- Auslenkwinkeln die analoge Differenzialgleichung
rück in Dehnung. Bei oszillierenden Luftsäulen geht muguα(t)=−mulud2α(t)/dt2 mit der masseunabhängigen
lokaler Überdruck in Bewegungsenergie sich ausdeh- Lösung T = 2p l g .
nender Luft über und umgekehrt. Beim so genannten Sekundenpendel dauert eine
Allgemein gilt: Schwingungen können dann ent- Halbschwingung genau 1 s, dies trifft für die Erdbe-
stehen, wenn die Gesamtenergie eines Systems zwei schleunigung g=9,81 m/s2 genau bei einer Fadenlänge
Energieformen aufweist, die sich mit einer gewissen von l=99,4 cm zu.
Zeitverzögerung ineinander umwandeln.
Merke
Die Sinusfunktion y (t ) = y 0 ¥ sin(w ¥ t + j ) be-
6.1.2 Beschreibung harmonischer schreibt die Zeitabhängigkeit harmonischer
und gedämpfter Schwingungen Schwingungen mit Schwingungsamplitude y0,
relativer Phase φ, Frequenz f, Kreisfrequenz ω,
Harmonische Schwingungen Schwingungsdauer T und ω=2πf=2π/T.
Man nennt eine Schwingung harmonisch, wenn die
schwingende Größe durch die folgende Sinusfunktion
beschrieben werden kann: y(t ) = y0 ¥ sin(w ¥ t + j ) . Gedämpfte Schwingungen
Anschaulich beschreibt diese Gleichung die Projek- Ohne Energiezufuhr im richtigen Rhythmus kommen
tion eines Punkts auf die y-Achse, während sich der alle Schwingungen durch Reibungsverluste zur Ruhe.
Punkt gleichmäßig auf einem Kreis um den Ursprung . Abbildung 6.1 zeigt die immer kleiner werdenden
bewegt (. Abb. 1.5). Die in . Tabelle 2.3 eingeführten Ausschläge einer gedämpften Schwingung. Die Höhe
physikalischen Größen, die auch zur Beschreibung von der Amplituden nimmt exponenziell nach der Formel
Wechselstrom in 7 Kapitel 5.10 benutzt werden, gelten y0(t)=y00uexp(–δt) ab.
auch hier. Jede Dämpfung erniedrigt auch die Frequenz
Aus der Umlaufzeit wird jetzt die Schwingungs- der Schwingung. Für eine zur Geschwindigkeit der
dauer oder Periode, aus der Umlauffrequenz die Fre- Bewegung proportionale Dämpfung erhält man
quenz. Die Größe y(t) bedeutet die momentane Aus- w D = w 2 - d 2 , wenn δ<ω.
lenkung, y0 die maximale Auslenkung oder Amplitu- Ist die Dämpfung so groß, dass δ=ω wird, so führt
de. Der Phasenwinkel φ=ωuΔt gibt an, um wie viel die das System keine Schwingungen mehr aus, sondern
Phase einer Schwingung einer anderen gleicher Fre- kommt näherungsweise in einer Periode der ungedämpf-
quenz voraus ist (φ>0) oder hinterher hinkt (φ<0). ten Schwingung zur Ruhe (aperiodischer Grenzfall).
6.1 · Schwingungen
107 6

geht bei ω≈ω0 rasch durch 90° und wird mit ω>>ω0
immer mehr gegenphasig (φ→180°). Dieses Verhalten
wird in . Abbildung 5.21 für die Kondensatorspannung
des diskutierten Serienschwingkreises anschaulich dar-
gestellt. Je nach Dämpfung durch verschiedene ohmsche
Widerstände ist das Resonanzverhalten in der Umge-
bung der Resonanzfrequenz ω0 unterschiedlich ausge-
prägt.

Merke
Erzwungene Schwingungen: In der Umgebung
der Resonanzfrequenz eines Oszillators wird die
Amplitude der erzwungenen Schwingung sehr
groß; ihr Phasenwinkel relativ zur jeweiligen Phase
des Generators geht durch 90°.
. Abb. 6.1. Gedämpfte Schwingung. Die blau gezeichnete
Kurve verbindet die Maximalausschläge der Schwingung und
fällt exponenziell ab. (Harten 2006)
6.1.4 Periodische anharmonische
Bei noch stärkerer Dämpfung mit δ>ω kehrt das Sys- Vorgänge
tem sehr langsam in die Ruhelage zurück (Kriechfall).
Bei den in 7 Kapitel 5.9.3 diskutierten Drehspulinstru- Alle periodischen Schwingungen, die sich nicht durch
menten macht man absichtlich die Dämpfung gerade so eine Sinusfunktion oder durch Überlagerung einiger
stark, dass der aperiodische Grenzfall eintritt, damit die weniger Sinusfunktionen beschreiben lassen, bezeich-
Zeiger nicht erst lange hin- und herschwingen. net man als anharmonisch: Das ist z. B. ein perio-
discher Rechteckimpuls, oder eine Kippschwingung,
Merke die ein linearer Anstieg auf einen Höchstwert und
Gedämpfter Oszillator: Bei nicht zu großer Dämp- ein praktisch plötzlicher Abfall auf null mit nachfol-
fung δ<ω nimmt die Amplitudenhöhe mit exp(–δt) gendem Wiederanstieg auf den Höchstwert usw. kenn-
ab. Im aperiodischen Grenzfall (δ=ω) kommt das zeichnet.
System in ca. einer Periode der ungedämpften Solche Sägezahnspannungen werden z. B. für die
Schwingung zur Ruhe. gleichmäßige Horizontalablenkung des Elektronen-
strahls beim Oszilloskop genutzt (7 Kap. 5.3.3). Auch die
verschiedenen Spannungsableitungen der periodischen
Herzaktionen (EKG-Aufnahmen) zählen zu den anhar-
6.1.3 Erzwungene Schwingungen monischen Schwingungen.
Solche Signale werden meist durch elektronische
Regt man eine der schwingungsfähigen Größen der be- Verstärker sichtbar gemacht, die nie völlig verzerrungs-
schriebenen Oszillatoren durch einen Frequenzgene- frei arbeiten, deren Verhalten gegenüber sinusförmigen
rator mit konstanter Amplitude periodisch an, so beo- Signalen aber in einem großen Frequenzbereich leicht
bachtet man erzwungene Schwingungen im angekop- zu testen ist. Daher ist es von großer Bedeutung, dass
pelten System: man jedes beliebige periodische Signal y(t) als eine
4 Bei kleinen Kreisfrequenzen ω<<ω0 folgt der Oszil- Summe von Sinus- und Cosinusschwingungen definier-
lator fast ohne Phasen- und Amplitudenunterschied ter Frequenzen darstellen kann. Nach dem Theorem
der Vorgabe des Generators. von Fourier ist nämlich:
4 In der Nähe der Eigenfrequenz ω0 des Oszillators

steigt die Amplitude der Schwingung des Oszillators y(t ) = Â ai cos(i ¥ w ¥ t ) + bi sin(i ¥ w ¥ t ) .
steil an, erreicht etwa bei ω0 ein Maximum und i =0
4 fällt dann zu hohen, aufgeprägten Frequenzen
ω>>ω0 wieder steil ab. In den meisten Fällen genügt es, die unendliche Reihe
nach wenigen Schritten abzubrechen, da die Koeffi-
Der Oszillator gerät bei ω≈ω0 in Resonanz, er wird zum zienten ai und bi zu höheren Frequenzen iuω hin rasch
Resonator. Die Phase der erzwungenen Schwingung sehr klein werden und vernachlässigt werden können.
108 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen

Der Koeffizient a0 für i=0 repräsentiert einen konstan- tungen im Raum aus, so breitet sich eine Kugelwelle
ten Beitrag wegen cos(0)=1, während a1 und b1 die Stär- aus:
ke der Grundfrequenz f=ω/2π der anharmonischen
Schwingung beschreiben.  A 
f (r , t ) = 0 cos(w ¥ t - k | r | +j ) ,
Bei vorgegebenem Signalverlauf der Schwingung |r |
kann man heute mithilfe der Fourieranalyse die Ko-
effizienten ai und bi in Sekundenschnelle ermitteln. wo auf allen Kugeloberflächen im Abstand λ gleiche
Wenn man weiß, welchen Einfluss Übertragungsgeräte Phasen herrschen.
Physik

auf die Frequenzen der einzelnen sinusförmigen Unter der Intensität I [W/m2] einer Kugelwelle
Schwingungen haben, lässt sich schnell deren Antwort- versteht man die ausgestrahlte Energie pro Zeit und pro
funktion berechnen und analysieren. Fläche senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Ganz all-
gemein ist I proportional zum zeitlichen Mittel des
Merke 
Quadrats der Amplitudenfunktion f (r , t ) und damit zu
Die Fourieranalyse erlaubt, jedes beliebige perio- A02 r 2 , d. h., die Intensität nimmt mit dem Quadrat des
dische Signal als Summe von Sinus- und Cosinus- Abstands von der Strahlungsquelle ab.
funktionen von ganzzahligen Vielfachen der Grund- Steht die Schwingungsrichtung senkrecht zur Rich-
frequenz darzustellen. tung der Ausbreitungsgeschwindigkeit, so spricht man
von Transversalwellen (Seilwellen, Wasserwellen und
andere Wellen auf Oberflächen, alle elektromagne-
tischen Wellen wie Radiowellen und Licht).
6.2 Wellen Findet die Schwingung in Richtung der Ausbreitung
statt, so haben wir es mit Longitudinalwellen zu tun
6.2.1 Elementare Eigenschaften (Schallwellen in Gas, Flüssigkeiten und Festkörpern).
von Wellen Transversalwellen, die immer in gleicher Richtung
schwingen, nennt man polarisierte Wellen, die Erzeu-
Wenn sich die Schwingung eines Oszillators in Form gung einer bestimmten Ausrichtung der Schwingungs-
von periodischen Änderungen elektromagnetischer ebene Polarisation. Rotiert über eine Wellenlänge die
Felder oder von Druck- und Dichteschwankungen Ausrichtung der Schwingungsebene einmal im Kreis,
eines Mediums im Raum ausbreitet, spricht man von so spricht man von zirkular polarisierten Wellen.
Wellen. Die betroffenen physikalischen Größen sind Longitudinalwellen sind nicht polarisierbar.
dann eine Funktion von Ort und Zeit.
Betrachtet man nur die Ausbreitung in einer Di- Merke
mension (z. B. eine Seilwelle), so wird die Welle be- Phasengeschwindigkeit von Wellen: c=fuλ [m/s].
schrieben durch A(z , t ) = A0 cos(w ¥ t ∓ k ¥ z + j ). Transversalwellen schwingen senkrecht zur
Hier sind A0 die Amplitude, ω=2πf die zugehörige Ausbreitungsrichtung, Longitudinalwellen in Rich-
Kreisfrequenz zur Frequenz f, k=2π/λ [m–1] ist die Wel- tung der Ausbreitung. Die Schwingungsrichtung
lenzahl, λ die Wellenlänge, φ eine Startphase, und z von Transversalwellen kann man ausrichten (Polari-
und t der örtliche und zeitliche Abstand vom Ursprung sation), die von Longitudinalwellen nicht.
der Welle. Das (+)-Zeichen beim kz-Term steht für eine
von rechts nach links laufende Welle, das (–)-Zeichen
für die normal von links nach rechts laufende. Die KLINIK
Wellenlänge λ entspricht dabei dem kleinsten Abstand Die Pulswellengeschwindigkeit c der Welle, die
von zwei Orten, die die gleiche Phase in Richtung der bei jedem Herzschlag erzeugt wird, wird als Quo-
Wellenausbreitung haben. tient von der Laufstrecke der Welle ΔI(von zentral
Aus der Bedingung für eine konstante Phase als nach peripher) und der Laufzeit Δt gemessen:
Funktion von Ort und Zeit, nämlich ωt-kz=0, folgt die c=ΔI/Δt.
für Wellen aller Art geltende Phasengeschwindigkeit
der Welle: c=fuλ [m/s] wegen c=z/t=ω/k.
Breitet sich eine Welle im Raum senkrecht zur
x-y-Ebene (also in z-Richtung) aus, womit die Phase 6.2.2 Überlagerung von Wellen
nur von der Koordinate z abhängt, so handelt es sich
um eine ebene Welle mit A(x,y,z,t)=A(z,t) (s. o.). Geht Bei der Überlagerung von Wellen treten Interferenzen
dagegen eine Welle von einem Punkt in alle Rich- auf, wenn zwei Wellen gleiche Richtung und gleiche
6.2 · Wellen
109 6

Wellenlänge haben und ihre Phasendifferenz praktisch 6.2.3 Phänomene bei der Ausbreitung
nicht von der Zeit abhängt. Diese Wellen nennt man von Wellen
kohärent. Unter der Kohärenzlänge versteht man den
maximalen Gangunterschied zwischen zwei Wellen- Treffen ebene Wellen unter einem bestimmten Winkel
zügen (oder Teilen eines Wellenzugs), bei dem man auf ein ebenes Hindernis aus einem anderen Medium,
gerade noch Interferenz beobachten kann. Zum Bei- so wird ein Teil reflektiert, der andere läuft unter Ände-
spiel liefern Laser kohärentes monochromatisches Licht rung seiner Richtung und Geschwindigkeit im anderen
mit sehr großen Kohärenzlängen. Medium weiter. Diese Erscheinungen heißen Reflexion
Zwei Wellen gleicher Wellenlänge ohne feste Pha- und Brechung. Man kann sie nach dem Huygensschen
senbeziehung sind inkohärent. Prinzip erklären:
Überlagern sich beispielsweise zwei ebene Wellen Jeder Punkt einer vorgegebenen Wellenfront ist Aus-
gleicher Frequenz und Amplitude nach o. g. Formel, gangspunkt einer Elementar- oder Kugelwelle. Wenn
aber mit einem Phasenunterschied von Δφ=φ1–φ2, so man diese Elementarwellen zu einem späteren Zeitpunkt
führt die Verwendung des Additionstheorems für Co- überlagert, so ist deren Einhüllende die neue Wellen-
sinusfunktionen für die resultierende Welle zum Aus- front.
druck: Dies macht . Abbildung 6.2 für Reflexion und
Brechung anschaulich. Die Geschwindigkeit der ein-
A(x , y , z , t ) = 2 A0 cos{w ¥ t - k ¥ z + Dj 2} ¥ cos( Dj 2) . fallenden und reflektierten Welle ist größer ist als die
der gebrochenen Welle. Die gebrochene Welle hat des-
Verschwindet die Phasendifferenz zwischen beiden halb einen kürzeren Weg zurückgelegt als die reflek-
Wellen (Δφ=0), so verdoppelt sich die Amplitude und tierte. Nach einfachen geometrischen Überlegungen
die Intensität wächst um den Faktor 4 an; dagegen lö- findet man für Einfallswinkel α, Ausfallswinkel αc der
schen sich beide Wellen gegenseitig aus, wenn Δφ = π reflektierten und Ausfallswinkel β der gebrochenen
wird. Auslöschung und Verstärkung sind ganz typische Welle die Gesetzmäßigkeiten für
Interferenzphänomene! 4 Reflexion: α=αc oder Einfallswinkel = Ausfallswin-
Überlagern sich zwei Wellen gleicher Frequenz und kel, und
Amplitude bei gleichen Phasenwinkeln, aber entgegen- 4 für Brechung: sinα/sinβ=c1/c2=n12 (Snelliussches
gesetzter Laufrichtung, so bildet sich eine stehende Brechungsgesetz).
Welle folgender Form aus:
Alle Winkel werden vom Lot zur Mediengrenze aus zur
A(z , t ) = -2 A0 ¥ cos(w ¥ t ) ¥ cos(z ¥ 2p l ) . jeweiligen Richtung der Welle gemessen; die Aus-
breitungsgeschwindigkeit der einfallenden Welle in
An allen Orten mit z=0,±λ/2,±λ,±3/2uλ, … findet man Medium 1 ist c1, die Geschwindigkeit der gebrochenen
Schwingungsbäuche genannte Maxima bzw. Minima, Welle in Medium 2 c2. Das Verhältnis der beiden Ge-
an allen Orten mit z=±λ/4,±¾uλ,±5/4uλ, … Schwin- schwindigkeiten definiert den so genannten Brechungs-
gungsknoten genannte Nullstellen der ortsabhängigen index n12 für den Übergang von Medium 1 nach Medi-
Cosinusfunktion. Der Abstand der Schwingungsbäuche um 2.
bzw. Knoten untereinander beträgt eine halbe Wellen- Hängt der Brechungsindex von der Wellenlänge ab
länge. Derartige stehende Wellen bilden sich leicht bei (dn12(λ)/dλ≠0), so laufen bei schrägem Einfall auf
Stäben und offenen oder halb offenen Röhren durch Medium 2 Wellen unterschiedlicher Wellenlänge unter
Reflexion von Schallwellen an den Enden aus; auch die verschiedenen Ausfallswinkeln β(λ) weiter. Dieses
Schwingungen von Saiten kann man als Überlagerung Phänomen nennt man die Dispersion, die von der
an den festen Enden reflektierten Wellen interpretieren Wellenlängenabhängigkeit der Geschwindigkeit in ver-
(Näheres unter 7 Kap. 6.3.3). schiedenen Medien verursacht wird.
Treffen ebene Wellen auf eine Öffnung in einer un-
Merke durchlässigen Wand, die sehr klein gegenüber der Wel-
Kohärente Wellen haben gleiche Wellenlänge und lenlänge ist, so geht nach dem Huygensschen Prinzip
Richtung und zeitlich konstante Phasenunter- von ihr eine Kugelwelle aus, die den gesamten Raum
schiede. Ihre Überlagerung führt zu Verstärkung hinter der Wand erfasst. Dies gilt auch umgekehrt, wenn
bis Auslöschung, bei entgegengesetzt zueinander die ebene Welle auf ein Hindernis der Größe d<<λ ein-
laufenden Wellen zu stehenden Wellen mit orts- fällt. Das Ausfallen von Elementarwellen führt zur
festen Knoten und Schwingungsbäuchen. Streuung der Welle auch unter großen Winkeln gegen
die einfallende Welle, da die Kugelwellen am Rande des
110 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen

Hindernisses wegen fehlender Partner nicht mehr zum


Aufbau der ebenen Welle beitragen können.
Je größer die Öffnung wird, umso größer werden
die Abstände der Zentren der Elementarwellen in der
Öffnung, sodass unter gewissen Winkeln zur Einfalls-
richtung alle Kugelwellen Partner haben, zu denen sie α α′
Phasenunterschiede von λ/2 haben und so sich alle zu-
sammen gegenseitig auslöschen, während sie unter an-
Physik

deren Winkeln konstruktiv interferieren.


Letztlich liefert die einfallende Welle auch hinter
einer größeren Öffnung nie eine völlig scharf begrenzte,
sondern es treten immer Interferenzen in der Umge- β
bung des geometrisch durch die Öffnung definierten
Strahlbündels auf. Dieses Faktum nennt man Beugung.
Dieselben Beugungsphänomene treten übrigens auf,
wenn eine ebene Welle auf ein Hindernis auftrifft: je
kleiner das undurchlässige Objekt, umso unschärfer ist . Abb. 6.2. Erklärung von Reflexion und Brechung nach
der »Schatten«, den die Welle wirft. Auf verschiedene Huygens. Von den Elementarzentren an der Oberfläche
Aspekte der Beugung wird in 7 Kapitel 6.3 der Akustik gehen zeit- und damit phasenverschoben neue Kugelwellen
und in den 7 Kapiteln 7.3 und 7.4 der Optik näher ein- aus, die sich wieder zur reflektierten und gebrochenen
gegangen. ebenen Welle zusammensetzen. Im unteren Medium ist die
Ausbreitungsgeschwindigkeit geringer, was den kleineren
Merke Ausfallswinkel β erklärt. (nach Harten 1999)

Huygenssches Prinzip: Jeder Punkt einer vorge-


gebenen Wellenfront ist Ausgangspunkt einer KLINIK
Kugelwelle. Wenn man diese Elementarwellen Den Dopplereffekt nutzt man in der Medizin zur
zu einem späteren Zeitpunkt überlagert, so ist Messung der Strömungsgeschwindigkeit von Blut
deren Einhüllende die neue Wellenfront. Es erklärt mithilfe von Ultraschall. Hier sind die Blutzellen die
sowohl die Phänomene Reflexion und Brechung reflektierenden Streuzentren.
wie auch Streuung und Beugung an kleinen
Öffnungen und Hindernissen. Dispersion bedeu-
tet die Abhängigkeit des Brechungsindex von der Merke
Wellenlänge. Dopplereffekt: Eine Relativgeschwindigkeit von
Wellenquelle und -empfänger führt für den Beo-
bachter zu einer Frequenz- und Wellenlängenver-
Bewegen sich Quelle (Q) und Beobachter (B) einer schiebung.
Welle relativ zueinander mit der Relativgeschwin-
digkeit v, so ändern sich Frequenz und Wellenlänge
für den Beobachter bzw. Empfänger für v/c<<1 wie
folgt (c=Geschwindigkeit der Welle im ruhenden 6.3 Schallwellen
Medium):
6.3.1 Wichtige Schallgrößen
f B = f Q ¥ (1 ± v c) und l B = lQ (1 ± v c) .
Schallwellen sind periodische Druck- und damit Dichte-
Die beobachte Frequenz erhöht sich, wenn sich Quelle schwankungen, die sich in materiellen Medien ausbrei-
und Empfänger aufeinander zu bewegen (+), während ten. Die zugehörige physikalische Größe ist der Schall-
sich die beobachte Wellenlänge verkleinert. Das Umge- wechseldruck p~(t). Alternativ kann man Schall auch
kehrte tritt ein, wenn sich beide voneinander entfernen als periodische Geschwindigkeitsschwankungen be-
(−). Dies Phänomen ist in Optik und Akustik unter schreiben, die die Teilchen an jedem Ort des Mediums
dem Namen Dopplereffekt bekannt. Er wird bei der mit der Frequenz der Welle durchführen. Die zugehö-
Geschwindigkeitskontrolle von Fahrzeugen mit Radar- rige Größe nennt man Schallschnelle v~(t), die zuge-
geräten ausgenutzt durch die Messung der Dopplerver- hörige Amplitude kürzen wir mit v~ ab. Man kann sich
schiebung reflektierter Wellen. auch auf die periodische Auslenkung der Teilchen be-
6.3 · Schallwellen
111 6

ziehen, dann entspricht der Schallamplitude die maxi- auch als typisch erkannt werden können (Konsonanten,
male Teilchenauslenkung x~. Zischlaute, aufschlagende Regentropfen, Klatschen).
Es wird von Schallwellen nur Energie, aber nicht Schall lässt sich auch elektrisch erzeugen, indem
Materie transportiert. Schallwellen sind Longitudinal- man entweder Luft durch Anregung von magnetisier-
wellen, die beteiligten Teilchen schwingen in Ausbrei- baren Folien zu erzwungenen Schwingungen anregt,
tungsrichtung um ihre Ruhelage, sie können deswegen oder durch piezoelektrische Kristalle und Keramiken,
nicht polarisiert werden. die ihre Dicke geringfügig in Proportion zur angelegten
Im Gegensatz zu transversalen Oberflächenwellen Feldstärke ändern. Derartige Piezoscheiben, z. B. aus
(Wasserwellen, Erdbebenwellen auf der Erdoberfläche, Quarz haben eine dickenabhängige mechanische Eigen-
Scherungs- und Torsionswellen auf Festkörpern) hängt frequenz. Sie sind der präzise Taktgeber aller Quarz-
die Schallgeschwindigkeit c im Allgemeinen nur von uhren und werden auch zur Ultraschallerzeugung bei
den Eigenschaften des Mediums, nicht aber von der Reinigungsgeräten und Sonographen genutzt.
Wellenlänge oder Frequenz ab.
Als Wellenwiderstand oder Impedanz ZW ist der KLINIK
Quotient ZW=p~/v~ [kg/(m2s)] definiert. Für ebene Piezoelektrische Kristalle werden auch zur Ultra-
Wellen gilt ZW=ρuc. Die Schallstärke oder Schallinten- schallerzeugung benutzt.
sität ist als Energiestromdichte gegeben durch

I = 1 2 r ¥ v~2 ¥ c [W/m2].
6.3.3 Schallausbreitung in Materie
ρ ist die Dichte des Mediums, der Ausdruck ½ρuv~2 die
Energiedichte, die mit Schallgeschwindigkeit transpor- Schallwellen, die von einer punktförmigen Schallquelle
tiert wird. ausgehen, sind Kugelwellen, können aber in der Umge-
Führt man wie bei Wechselstrom Effektivwerte für bung eines kleinen Empfängers in größerer Entfernung
Schallschnelle und -wechseldruck ein, so lässt sich die als ebene Wellen approximiert werden. Die Schallge-
Schallstärke alternativ als I=v~effup~eff=v~eff2uZW= schwindigkeit hängt wesentlich von den elastischen
p~eff2/ZW [W/m2] schreiben. Eigenschaften des Mediums und dessen Dichte ab. Für
Gase gilt unabhängig vom herrschenden Druck:

6.3.2 Schallerzeugung cp ¥ R ¥T
c= .
cv ¥ Mmolar
Alle mechanisch schwingungsfähigen Oszillatoren
(7 Kap. 6.1.1) können zu Schallquellen werden, wenn cp und cv sind die molaren Wärmekapazitäten bei kon-
sie Schwingungen auf ein Medium übertragen, das stantem Druck bzw. Volumen, R die allgemeine Gaskon-
Energie in Form von Schallwellen fortträgt. So werden stante, Mmolar die molare Masse in kg/mol, T die Tem-
beim Sprechen in der Stimmritze die Stimmbänder je peratur in K.
nach Anspannung durch die vorbei streichende Luft zu So beträgt die Schallgeschwindigkeit:
bestimmten Schwingungen angeregt, besonders stark 4 in Eisen 5170 m/s,
zu solchen Frequenzen, die in dem durch Mund, Zunge 4 in Wasser von 20°C 1476 m/s,
und Rachen geformten Hohlraum stehende Wellen 4 in Luft von 0°C 331 m/s und von 27°C 347 m/s.
ausbilden. Dies gilt insbesondere für die Gesangs- 4 Im menschlichen Körper variiert die Geschwindig-
stimme. keit je nach der Dichte des Gewebes. Beispiele:
Die Dämpfung der stehenden Wellen durch Schall- c(Gehirn)=1530 m/s, c(Muskel) =1568 m/s, c(Kno-
ausstrahlung kann dabei durch nachströmende Luft chenmark)=1700 m/s, c(Knochen) =3600 m/s.
kompensiert werden.
Bei Instrumenten werden meist nicht nur ein Ton Trifft eine Schallwelle aus Medium 1 senkrecht auf eine
einer bestimmten Frequenz angeregt, sondern mehrere »Wand« aus Medium 2, so wird je nach der Differenz der
Obertöne, deren Frequenzverhältnis zu der des Grund- Wellenwiderstände ein Teil der Welle reflektiert. Für den
tons oft durch einen rationalen Bruch wie 2/1, 3/2, 4/3 Druckamplituden-Reflektionsfaktor r=p~refl/p~einf
usw. beschrieben werden kann. Ihre Anzahl und An- erhält man die Formel: r=(ZW,2–ZW,1)/(ZW,2+ZW,1).
regungsstärken machen die typische Klangfarbe eines Ferner gilt: Intensität Irefl=Ieinfur2. Danach wird
Instruments aus. Dagegen enthalten Geräusche kom- die Schallwelle praktisch vollständig reflektiert, wenn
plexere Frequenzspektren, die in ihrer Abfolge aber sich die Impedanzen beider Medien sehr stark unter-
112 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen

scheiden. Sowohl ZW,2≈∞ als auch ZW,1≈∞ ergeben von 10 cm bis 10 m (f=3400 Hz bzw. 34 Hz) gut hörbar
r=±1. Die Vorzeichen von r haben nur mit den Phasen bleiben, während sich die beim Flüstern verwendeten
zu tun. Nur wenn beide Wellenwiderstände etwa gleich sehr hohen Frequenzen (λ<<10 cm) schon mit den
groß sind, tritt die Welle praktisch reflexionsfrei ins Händen gut »abschatten« lassen.
andere Medium über. Auf die komplizierte Schallübertragung vom
äußeren Ohr über Trommelfell, Hammer, Amboss und
KLINIK Steigbügel auf das Innenohr kann hier aus Platzgrün-
Deshalb verwendet man bei der Sonographie ein den nicht näher eingegangen werden (GK Anatomie,
Physik

besonderes Koppelgel zur Verringerung der Re- 7 Kap. 11). Der komplexe Mechanismus vermindert
flexionsverluste beim Übergang von der Schall- jedenfalls die starken Reflexionsverluste, die bei direk-
sonde zur Haut. ter Beschallung des wässrigen Mediums der Perilymphe
im Corti-Organ entstünden.

Die schnelle Bewegung der mit der Frequenz der Welle Merke
schwingenden Teilchen verursacht Reibung, was eine Reflexionsverluste beim Übergang von Schall-
Erwärmung des durchstrahlten Mediums zur Folge wellen von einem Medium in ein anderes werden
hat. Die Reibungskraft ist proportional zur Schall- durch ähnlich große Wellenwiderstände Z=ρuc
schnelle, was zu einem exponenziellen Abfall der Am- beider Medien klein gehalten.
plituden der Schallschnelle und des Schalldrucks mit
den Abklingkoeffizienten α führt: v~=v~0uexp(-αz)
und p~=p~0uexp(-αz).
Die Intensität der Welle klingt dann mit I=I0uexp 6.3.4 Menschliches Hörvermögen,
(–μz) ab. Für den Schwächungskoeffizienten μ gilt, da Schallpegelmaße
v~ proportional zu p~ ist, die Beziehung μ=2α.
Eine anschaulichere Größe ist die Halbwertsdicke Für das junge menschliche Ohr sind Frequenzen von
h, nach der die Intensität in der durchstrahlten Schicht etwa 20 Hz bis 20.000 Hz hörbar. Tiefere Frequenzen
auf die Hälfte abgesunken ist: Die Auflösung der Glei- als 20 Hz (Infraschall) können nur noch vom ganzen
chung I0/2=I0uexp(–μh) nach h durch Logarithmie- Körper als Vibrationen gefühlt werden. Frequenzen
rung beider Seiten der Gleichung führt zu h=ln2/ über 20.000 Hz bis 1 GHz bezeichnet man als Ultra-
μ=0,693/μ=0,693/2α. schall. Er ist für viele Tiere wie Fledermäuse und
Die Halbwertsdicke nimmt mit wachsender Fre- Hunde noch bis ca. 100 kHz wahrnehmbar. Fre-
quenz ab, d. h. die Absorption nimmt zu. Die Halb- quenzen höher als 1 GHz liegen im Bereich des Hyper-
wertsdicke hängt auch sehr stark von der Art des durch- schalls.
strahlten Gewebes ab. So sinkt bei f=0,9 MHz die Halb- Das menschliche Gehör ist am empfindlichsten
wertsdicke h von 500 cm für Wasser über Fett (7,7 cm), für Frequenzen zwischen 1000 und 3000 Hz. Die Hör-
Gehirn (3,6 cm) und Muskel (2,7 cm) auf h=0,2 cm bei schwelle liegt bei der Frequenz von 1000 Hz bei einer
Knochen ab. Bei der Frequenz f= 2,5 MHz verringern Intensität I1000=10–12 W/m2, bei 3000 Hz ist die Emp-
sich diese Werte um etwa den Faktor 2,8. Bei der Sono- findlichkeit des Gehörs am größten. Bei etwa 1 W/m2
graphie von Organen muss daher die unterschiedlich ist die Schmerzgrenze erreicht, es können keine Fre-
starke Schallabsorption von Geweben berücksichtigt quenzen mehr unterschieden werden. Diesen 12 Zeh-
werden. nerpotenzen umfassenden Bereich erfasst der Mensch
Die Reflexion von Schall spielt auch für die Akustik dadurch, dass die Empfindungsstärke in etwa propor-
von Räumen eine große Rolle. Ist die Dämpfung durch tional zum Logarithmus der Intensität ist (Weber-
das Material der Wände zu gering, so treten mehrfache Fechner-Gesetz). Man hat deshalb ein frequenzunab-
Reflexionen auf, der Raum hallt. Dagegen trägt in hängiges Schallpegelmaß:
schalltoten, reflexionsarmen Räumen die Stimme nicht
weit, was gegebenenfalls nur in Tonaufnahmestudios P=log(I/In) [Bel]=10ulog(I/In) [dB (Dezibel)]
erwünscht ist.
Schallwellen werden auch stark gebeugt, wenn Öff- definiert, indem man sich bei diesem relativen Maß
nungen oder Hindernisse von der Größenordnung der immer auf eine Normintensität von In=10–12 W/m2 be-
Wellenlänge oder kleiner sind. Die Beugung ist dafür zieht. (Dem entspricht eine Wechseldruckamplitude
verantwortlich, dass hinter Bäumen, Personen und Tür- p~eff=2u10–5 Pa, die sich aus I=p~eff2/ZW und ZW-Luft≈
öffnungen Musik und Sprache im Wellenlängenbereich 400 kg/(m2s) ergibt).
6.3 · Schallwellen
113 6

. Abb. 6.3. Spektrale Empfindlichkeit des menschlichen Schallstärken bzw. Schallpegel in db (rechts) variieren über
Gehörs. Die eingezeichneten Kurven entsprechen Tönen viele Größenordnungen. Nur bei 1000 Hz ist die Phonskala
gleicher Lautstärke von 4 bis 120 Phon. Die zugehörigen per definitionem streng logarithmisch. (Harten 2006).

Verdoppelt sich die Intensität einer Schallquelle z. B. Die Skala in Phon ist nicht streng logarithmisch,
von 10-6 auf 2u10-6 W/m2, so wächst der Schallpegel von wie . Abbildung 6.3 für das durchschnittliche Gehör
60 dBauf63 dBan(10ulog(2u106/1012)=10ulog(2u10+6)= über alle Frequenzen verdeutlicht. . Tabelle 6.1 gibt
10u(log2+log10+6)=10u(0,30103+6)=63). So führt jede einige Beispiele, wie laut wir verschiedene Situationen
Änderung um den Faktor 2 bzw. 10 in der Intensität zu bzw. Geräusche empfinden.
einer Änderung des Pegels um 3 bzw. 10 db!
Einer Schalldämmung von 20 dB entspricht demnach Merke
einer Verringerung der Intensität auf 1%, sodass dadurch Weber-Fechnersches Gesetz:
z. B. Lärm von 57 dB auf 37 dB herabgedämpft wird. Schallpegel P=10ulog(I/In) [dB (Dezibel)],
Da das menschliche Ohr gleiche Schallintensitäten In=10–12 W/m2.
im zugänglichen Frequenzbereich höchst unterschied- Phon-Maß: Ein Ton ist so laut in Phon wie eine
lich laut empfindet, hat man zusätzlich das Phon-Maß gleich laut empfundene Schallquelle in Dezibel
der Lautstärke P eingeführt: Ein Ton ist so laut in Phon bei f=1000 Hz.
wie eine gleich laut empfundene Schallquelle in De-
zibel bei der Frequenz von 1000 Hz. Dabei wurde über
das Hörempfinden vieler normal hörender Menschen
gemittelt. Der Hörschwelle bei 1000 Hz wurden 4 Phon 6.3.5 Sonographie und andere
zugeordnet. Schalltechniken

In der Medizin kommt Schall und insbesondere Ultra-


. Tab. 6.1. Typische Lautstärken in Phon (nach Harten)
schall in einer Reihe von sehr unterschiedlichen Tech-
Blätterrauschen 10 Phon niken zur Anwendung:
Flüstern 20 Phon 1. Diagnose mittels Auskultation. Mithilfe des Ste-
Umgangssprache 50 Phon
thoskops werden akustische Signale aus dem Kör-
perinneren störungsfrei empfangen.
Starker Straßenlärm 70 Phon
2. Diagnose mittels Perkussionsmethode. Hier wird
Presslufthammer in der Nähe 90 Phon mithilfe des Stethoskops das durch Beklopfen der
Motorrad in nächster Nähe 100 Phon Körperoberfläche erzeugte Geräusch durch ein
komplexes Zusammenspiel frequenzabhängiger
Flugzeugmotor in 3 m Entfernung 120 Phon
Reflexion und Absorption charakteristisch verän-
114 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen

dert, wobei noch je nach Anpressdruck bestimmte webe, während der Stein durch eine Druckampli-
Frequenzbereiche durch Resonanz mit der Metall- tude von bis zu 0,1 GPa in sandartige Stücke zer-
glocke hervorgehoben werden können. trümmert wird. Heute werden in der klinischen
3. Ultraschalldiagnosegeräte beruhen auf dem Echo- Praxis die Stoßwellen von elektrohydraulischen
lotverfahren. Danach wird aus dem Zeitintervall Δt (Funkenstrecke), elektromagnetischen oder piezo-
zwischen Aussendung und Empfang eines sehr elektrischen Generatoren erzeugt und über eine
kurzen Schallimpulses die Entfernung d eines re- mit Wasser gefüllte Kunststoffblase (Koppelbalg) in
flektierenden Körpers in Luft oder Flüssigkeit be- das Körpergewebe reflexionsarm weitergeleitet.
Physik

stimmt: d=½cuΔt (c jeweilige Schallgeschwindig-


keit). Durchläuft der reflektierte Impuls mehrere
Medien mit unterschiedlicher Schallgeschwindig- 6.4 Elektromagnetische Wellen
keit, so müssen die unterschiedlichen Laufzeiten
aufaddiert werden. Die Messung der reflektierten Elektromagnetische Wellen sind Transversalwellen.
Intensität enthält auch die Anteile, die die Dämp- Das elektrische und das magnetische Feld schwingen in
fung des Schalls im durchstrahlten Gewebe ver- zueinander senkrecht stehenden Richtungen und beide
ursacht hat (A-scan). Ändert man noch die seit- senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Als Richtung der
liche Lage der Schallsonde, so erhält man zwei- Polarisation wird die Schwingungsebene des elek-
dimensionale Bilder der Hindernisse (B-scan). trischen Feldes gewählt. Im Vakuum und näherungs-
Variiert man auch die Richtung des Sendekopfs, so weise auch in Luft breiten sich alle elektromagnetischen
kann man mit Hilfe computertomographischer Wellen mit Lichtgeschwindigkeit c≈3u108 m/s aus, un-
Methoden sogar räumliche Schnittbilder des Kör- abhängig davon, ob sich Sender und Empfänger auf-
perinneren gewinnen. Ferner kann man über die einander zu oder voneinander wegbewegen, in Ein-
Doppler verschiebung der reflektierten Frequenz klang mit Einsteins Relativitätstheorie.
auf Bewegungsabläufe des Herzens (Echokardiogra- Die in 7 Kapitel 6.2.3 diskutierten Formeln für den
phie) und Strömungsverhalten des Bluts schließen Dopplereffekt sind gute Näherungen für v/c<0,1. In
(7 Kap. 6.2.3). 7 Tabelle 6.2 ist das sich über 15 Zehnerpotenzen in
4. Lithotripter. Schließlich ist noch die Zertrümme- Wellenlänge, Frequenz und Quantenenergie erstrecken-
rung von Nierensteinen durch mikrosekunden- de Spektrum der elektromagnetischen Wellen zusam-
lange Stoßwellen zu erwähnen. Diese wurden ab mengestellt: Angegeben ist bei der Wellenlänge die
1980 zunächst durch explosionsartige Funkenent- jeweilige untere Grenze, die obere ist durch die untere
ladungen in einem mit Wasser gefüllten Hohlellip- Grenze der vorangehenden Zeile definiert. Umgekehrt
soid ausgelöst und in den zweiten Brennpunkt des ist bei Frequenz und Quantenenergie die oberen Grenze
Ellipsoids auf den Nierenstein des in Wasser gela- notiert, die untere ist in der vorangehenden Zeile zu
gerten Patienten fokussiert. Da sich das biologische finden. Bei der Gammastrahlung sind nur die Ober-
Gewebe akustisch fast wie Wasser verhält, erfährt grenze der Wellenlänge und die Untergrenze von Fre-
die Stoßwelle kaum Energieverluste im Körperge- quenz und Energie aufgeführt.

. Tab. 6.2. Spektrum der elektromagnetischen Wellen


Bereich Wellenlänge λ/m Frequenz f/Hz Quantenenergie E/eV
Wechselströme ≥10000 ≤3u104 ≤1,24u10–10
Langwellen ≥1000 ≤3u105 ≤1,24u10–9
Mittelwellen ≥100 ≤3u106 ≤1,24u10–8
Kurzwellen ≥10 ≤3u107 ≤1,24u10–7
Ultrakurzwellen ≥1 ≤3u108 ≤1,24u10–6
Mikrowellen/Radar ≥10–4 ≤3u1012 ≤1,24u10–2
Infrarotstrahlung ≥780u10–9 ≤3,84u1014 ≤1,59
Sichtbares Licht ≥380u10–9 ≤7,89u1014 ≤3,26
UV-Strahlung ≥10–9 ≤3u1017 ≤1240
Röntgenstrahlung ≥10–11 ≤3u1019 ≤1,24u105
Gammastrahlung ≤10–11 ≥3u1019 ≥1,24u105
Physik
117 7

7 Optik

Mind Map
Wenn ein Mensch das Licht der Welt erblickt, tritt mit von Christiaan Huygens vorgeschlagenen Wellennatur
dem Sehsinn der Letzte von fünf Sinnen in Aktion, der des Lichts erklärt, wird er stark angefeindet, denn man
fortan bei ausreichender Beleuchtung über scharfe war mit Newton von der Teilchennatur des Lichts über-
bunte Bilder am genauesten über die neue Umge- zeugt. Young hoffte, »dass die Wissenschaft der Optik
bung informiert. Die Augen nehmen dabei das Re- Nutzen daraus ziehen wird, selbst wenn die Theorie zu-
flexionsvermögen von Oberflächen wahr, das sich letzt widerlegt werden sollte«. Dies tun wir bis heute,
mittels Lichtmessungen präzise bestimmen lässt. wissen aber, dass der alte Streit durch den Welle-Teil-
In der geometrischen Optik vernachlässigt man chen-Dualismus gelöst ist.
weitgehend die Welleneigenschaften von Licht, ins- Mit Fernrohren, Kameras und Mikroskopen
besondere die Beugung, und ersetzt die Richtung von machen wir uns Bilder vom Mikro- bis zum Makro-
Wellenfronten durch Lichtstrahlen, quasi als die Flug- kosmos, projizieren sie auf Fotopapier oder werfen sie
spur von Lichtteilchen. Hierdurch lassen sich optische an die Wand. Die unterschiedlichsten Techniken der
Fehler des menschlichen Auges und deren Korrektur Abbildung kommen zur Anwendung, doch sind nur
durch Linsen sehr gut beschreiben. wenige Gesetze der Optik dabei zu beachten. Andere
In seinem Werk »Optik« stellt Isaac Newton 1704 optische Geräte messen Brechungsindizes und spek-
seine Erkenntnisse und Beobachtungen über trale Emissionen oder auch das Absorptionsvermögen
Brechung und Dispersion von Licht vor. Er beschreibt (Photometer) und die optische Aktivität von Substan-
darin auch die nach ihm benannten »Newtonschen zen und Materialien.
Ringe«. Als Thomas Young diese 1801 als Folge der
118 Kapitel 7 · Optik

7.1 Licht

7.1.1 Eigenschaften des Lichts

Das sichtbare Licht ist nur ein kleiner Ausschnitt aus


dem weiten Spektrum elektromagnetischer Wellen. Er
umfasst Wellenlängen von 380 bis 780 nm. Die anschlie-
ßenden Bereiche zu längeren und kürzeren Wellenlän-
Physik

gen, zum infraroten und ultravioletten Teil des Spek-


trums, sind in . Tabelle 6.2 zusammengestellt. Das für
unsere Augen unsichtbare Infrarotlicht empfinden wir
insbesonders mit der Haut in der Umgebung der Augen
als Wärmestrahlung, die von heißen Körpern wie Hei-
zungen oder Infrarotstrahlern ausgeht. Infrarotlicht
dient heute auch der Nachrichtenübertragung und macht
z. B. Personen in Nachtsichtgeräten erkennbar.
Die energiereichere UV-Strahlung benötigt der
Mensch in gewissem Umfang zur Synthese von Vitamin
D, sie ist aber im Übermaß schädlich und kann zu
Strahlenschäden bis hin zu Verbrennungen der Haut . Abb. 7.1. Spektrum eines schwarzen Strahlers. Erst
oder zu Hautkrebs führen. Andererseits ist es letztlich ab Temperaturen von 3000 K hat das sichtbare Licht
die Photosynthese, auf der alles Leben auf Erden be- (0,38 μm<λ<0,78 μm) einen wesentlichen Anteil an der
ruht. Gesamtausstrahlung. (Harten 2006)
Die . Tabelle 6.2 enthält auch die zugehörigen Fre-
quenzen f=c/λ, die sich aus der Konstanz der Lichtge- Gegenstände unterschiedlich hell und farbig sehen,
schwindigkeit im Vakuum ergeben, sowie die Energien liegt in deren von der Wellenlänge abhängigen, unter-
der entsprechenden Lichtquanten, die nach der Planck- schiedlichen Reflexions- und Absorptionsvermögen
schen Formel Ef=hf berechnet wurden. R(λ) bzw. A(λ). Es gilt das Gesetz R(λ)+A(λ)=1.
Dass Licht einer bestimmten Frequenz oder Wel- Ferner gilt, dass ein Körper proportional zu sei-
lenlänge in wohl definierten Energieportionen (Quan- nem Absorptionsvermögen A(λ) elektromagnetische
ten) absorbiert wird, beweist der lichtelektrische Effekt: Strahlung der Wellenlänge λ emittiert. Ein Körper mit
Licht kann aus Metalloberflächen Elektronen heraus- A(λ)=1 heißt »schwarzer Körper«, der alle Strahlung
schlagen, deren Energie Ee gleich der Quantenenergie absorbiert und nichts reflektiert. Er ist zugleich ein
minus der Bindungsenergie (Ablösearbeit) EB der Elek- »schwarzer Strahler«, der nach dem Planckschen
tronen ist, unabhängig von der Intensität des Lichts, nur Strahlungsgesetz entsprechend seiner Temperatur ein
abhängig von der Frequenz nach Ee=hf–EB. Umgekehrt kontinuierliches Spektrum elektromagnetischer Wellen
entspricht die Energiedifferenz beim »Sprung« eines aussendet, das fürs Auge als Rotglut (ab etwa 200°C)
Elektrons aus einem diskreten Zustand in ein tiefer lie- über Gelbglut bis zur Weißglut (ab etwa 2000°C) sicht-
gendes diskretes Niveau genau der Energie eines Licht- bar wird.
quants (7 Kap. 8.2.2 »Charakteristische Röntgenstrah- Bei diesen Temperaturen liegt der größte Teil des
lung«). Spektrums noch im Infraroten, wie . Abbildung 7.1
verdeutlicht. Höhere Lichtausbeuten als die her-
Merke kömmlichen Glühbirnen haben Leuchtstoffröhren
Wellenlängenbereich des Lichts: 380–780 nm (7 Kap. 5.7.3). Hier regt das zumeist produzierte UV-
Quantenenergiebereich des Lichts: 3,26–1,59 eV Licht höhere Zustände in Molekülen der Wandverklei-
dung an, die beim Stufenzerfall sichtbares Licht größe-
rer Wellenlänge abstrahlen. Diesen Vorgang nennt man
Fluoreszenz, wenn er praktisch ohne merkliche Ver-
7.1.2 Lichtquellen zögerung stattfindet, und Phosphoreszenz, wenn lang-
lebige Zwischenzustände bevölkert werden, die ein
Dass genügend heiße Körper Licht aussenden, nutzt die sekunden- bis stundenlanges Nachleuchten möglich
Menschheit seit der Erfindung des Feuermachens für machen. Beide Erscheinungen werden durch den Ober-
Lagerfeuer, Kerzen und Fackeln. Die Ursache, dass wir begriff Lumineszenz beschrieben.
7.1 · Licht
119 7

Da die einzelnen Moleküle ihre Anregungsenergie menschlichen Sehvermögens umgerechnet werden:


spontan als Lichtquanten emittieren, ist das von vielen Φ(λ)=683ⴛΦem(λ)ⴛV(λ) [lm].
»Sendern« ausgehende Licht im Allgemeinen inko- Für die gaußförmige V(λ)-Kurve gilt: An den Rän-
härent, d. h. die Phasen der von den einzelnen Zentren dern sind V(380 nm)=V(780 nm)=0, das Maximum ist
ausgehenden Wellen sind unkorreliert. Allerdings sti- mit V(555 nm)=1 erreicht. Die Lichtstärke I ist als der
muliert ein bereits vorhandenes Wellenfeld bereits an- in ein Raumwinkelelement ΔΩ emittierte Lichtstrom
geregte Moleküle zu gleichphasiger, kohärenter Emis- ΔΦ definiert: I=ΔΦ/ΔΩ [cd].
sion, und zwar umso stärker, je intensiver und kohä- Die SI-Einheit Candela [cd] ist die Lichtstärke
renter das Wellenfeld bereits ist. einer monochromatischen Lichtquelle der Wellenlänge
Diese Tatsache nutzt man beim Bau von Lasern von 555 nm, deren Strahlungsstärke ΔΦem(λ)/ΔΩ in
(LASER = Light Amplification by Stimulated Emission der vorgegebenen Richtung (1/683) W/sr beträgt. Folg-
of Radiation). Natürlich findet dann auch verstärkt der lich ist 1 Lumen=1 lm=1 cdⴛsr.
umgekehrte Vorgang, die Absorption von Quanten Die Lichtstärke pro Fläche AS einer Lichtquelle ist
unter Schwächung des Wellenfeldes statt, sodass die be- die Leuchtdichte L(α)=I(α)/(ASⴛcosα) [cd/m2]. Kör-
teiligten 2 Niveaus normalerweise gleich stark besetzt per mit rauen, diffus reflektierenden Flächen strahlen
werden. Beim Laser verhindert man das, indem man aber Licht gemäß dem Lambertschen Cosinusgesetz
das obere Niveau über ein noch höher angeregtes, kurz- I(α)=I(0)ⴛcosα aus. Das bedeutet eine konstante
lebigeres drittes Niveau ständig auffüllt (Besetzungsin- Leuchtdichte, egal unter welchem Winkel α zur Norma-
version). Man erzeugt ein intensives Wellenfeld durch len der Senderfläche AS man die Lichtquelle betrachtet.
die Bildung von stehenden Wellen zwischen verspiegel- Gerade dies trifft auch für Sonne und Mond zu, die am
ten Wänden. Rand so hell wie in der Mitte sind!
Der austretende intensive Laserstrahl ist extrem Wie stark die Fläche AE eines Körpers durch den
kohärent und hat eine nur sehr geringe Divergenz. Er Lichtstrom Φ erhellt wird, gibt die Beleuchtungsstärke
kann deshalb extrem scharf fokussiert werden. Die E=Φ/AE [lx] an. Sie wird in der Einheit Lux gemessen,
hohe Energiedichte im Fokus führt in der absorbie- wobei 1 Lux=1 lx=1 lm/m2 ist. Typische Beleuchtungs-
renden Oberfläche eines Körpers zu so hohen Tem- stärken sind in . Tabelle 7.1 zusammengestellt.
peraturen, dass dieser an der getroffenen Stelle unter
Umständen sogar verdampft. Heute werden Laser als Merke
vielseitige Schneide-, Fräs- und »Brenn«-Werkzeuge in Lichtmessgrößen mit der entsprechenden Einheit
Medizin und Technik genutzt, ohne sie wäre die popu- und Kurzform
läre Datenspeicherung auf CDs und DVDs mithilfe von Lichtstrom: Lumen [lm]
entsprechenden Brennern nicht möglich. Lichtstärke: Candela [cd=lm/sr]
Leuchtdichte: Candela/m2 [cd/m2]
Merke Beleuchtungsstärke: Lux [lx=lm/m2]
Schwarze Körper absorbieren völlig die auf sie
treffende Strahlung und emittieren ein kontinuier-
liches Spektrum, dessen Intensitätsverteilung nur Zur Messung der Intensität des einfallenden oder re-
von der Temperatur abhängt. flektierten Lichts wandelt man durch geeignete Instru-
Laser-Licht ist extrem kohärent und energiescharf.
Lumineszenz: Absorbiertes Licht wird bei größerer
Wellenlänge wieder ausgestrahlt. Prompte Aus- . Tab. 7.1. Typische Beleuchtungsstärken
strahlung nennt man Fluoreszenz, verzögerte
Beleuchtung Beleuchtungs-
Phosphoreszenz.
stärke in Lux
Vollmond 0,25
Beginn der Farbwahrnehmung 3
7.1.3 Lichtmessung
Sollwert für Straßenbeleuchtung 0,5–30
Wohnzimmerbeleuchtung 100–200
Da das menschliche Auge für verschiedene Wellen-
längen unterschiedlich empfindlich ist, muss die elek- Arbeitsplatz je nach Aufgabe 300–4000
tromagnetische Strahlungsleistung einer Lichtquelle Bedeckter Himmel bei Tag 1000–2000
Φem(λ) [Watt] über die so genannte V(λ)-Kurve auf
Sonnenschein bei klarem Himmel 5500–70.000
den entsprechenden Lichtstrom Φ(λ) [Lumen, lm] des
120 Kapitel 7 · Optik

. Tabelle 7.2 gibt für einige Stoffe die Brechzahl und


den Grenzwinkel der Totalreflexion für gelbes Na-Licht
an. Die Totalreflexion wird technisch schon lange in
Umkehrprismen von Fernrohren genutzt.

KLINIK
In der Endoskopie verwendet man biegsame
Glasfasern als verlustarme Lichtleiter, das einmal
Physik

total reflektierte Licht kann die Faser nicht mehr


verlassen.
. Abb. 7.2. Photozelle. Näheres im Text. (Harten 2006)

mente die Strahlungsenergie in andere Energieformen In der Telekommunikation werden heute durch Glas-
um. So erzeugt man im Strahlungsthermoelement fasern nach demselben Prinzip wie bei der Endoskopie
durch Erwärmung einer Lötstelle eine messbare Ther- riesige Datenmengen über weite Strecken effektiv über-
mospannung. Bei der Photozelle nach . Abbildung 7.2 tragen.
löst Licht über den lichtelektrischen Effekt Elektronen Der Begriff »Dispersion von Licht« steht für die
aus einer Photokathode aus, die von einer lichtdurch- Wellenlängenabhängigkeit der Geschwindigkeit des
lässigen Anode gesammelt werden. Lichts in Medien und damit für die Variation von Brech-
Bei Bolometern nutzt man die Widerstandsände- zahl und Brechungswinkel mit der Farbe des Lichts.
rungen von Halbleitern oder geschwärzten Platinfolien . Abbildung 7.3 zeigt als Beispiel die Dispersionskurve
infolge ihrer Erwärmung durch Absorption von Strah- von Flintglas. Die Dispersion des Lichts wird bei Gitter-
lung, insbesondere von Infrarotstrahlung aus. In der und Prismenspektrographen für die Untersuchung von
ladungsträgerfreien Sperrschichtzone einer Photodiode Emissionsspektren genutzt (7 Kap. 7.3.1 und 7.4).
kann Licht durch den inneren Photoeffekt Elektronen
ins Leitungsband heben und zugleich Löcher (Defekt- Merke
elektronen) erzeugen, die abgesaugt werden und mess- Medium mit Brechungsindex n=c/cn. Es gilt
bare Ströme liefern (7 Kap. 5.7.1). Schließlich werden cn=fuλn.
auch lichtempfindliche Photoemulsionen benutzt, um Da f vorgegeben, ist die Wellenlänge λn=λVak/n.
über ihre Verfärbung oder Schwärzung die über eine Für Brechungsindizes n1 und n2 gegen Vakuum gilt:
gewisse Zeit gesammelte Strahlung zu erfassen. Snelliussches Brechungsgesetz:
sinα1/sinα2=c1/c2=n2/n1
Grenzwinkel der Totalreflexion:
7.2 Geometrische Optik αTR=arcsin(n2/n1), n1>n2.

7.2.1 Reflexion, Brechung und Dispersion


von Licht

Die Begriffe Reflexion, Brechung und Dispersion


wurden bereits in 7 Kapitel 6.2.3 eingeführt und die Ge-
setze der Reflexion und das Snelliussche Brechungsge-
setz vorgestellt.
Das Snelliussche Brechungsgesetz weist einen
interessanten Aspekt auf, wenn Licht von Medium 1
in ein anderes Medium 2 mit geringerer Brechzahl
übergeht (n1>n2). Der Sinus des Austrittswinkels α2
berechnet sich nach dem Brechungsgesetz zu sinα2=
sinα1ⴛn1/n2. Da der Sinus nicht größer als 1 werden
kann, gibt es einen maximalen Winkel α1=αTR, für den
α2=90° wird: αTR=arcsin(n2/n1). Das ist der Grenzwin-
kel der Totalreflexion, da für α1≥αTR das Licht Me-
dium 1 nicht mehr verlassen kann und an der Grenz-
schicht zu Medium 2 total reflektiert wird. . Abb. 7.3. Dispersionskurve von Flintglas. (Harten 2006)
7.2 · Geometrische Optik
121 7

. Tab. 7.2. Brechzahl von Stoffen STPD und Grenzwinkel der Totalreflexion zu Luft für gelbes Na-Licht der Wellenlänge =
589 nm
Feststoff n αTR Fl. Stoff, Gas n αTR
Eis 1,310 49,8° Luft 1,0003 −
Quarzglas 1,459 43,3° Wasser 1,333 48,6°
Flintglas 1,613 38,3° Benzol 1,501 41,8°
Diamant 2,417 24,4° Methyleniodid 1,628 37,9°

7.2.2 Abbildung durch Reflexion spiegel von Kraftfahrzeugen, da sie einen großen Raum-
an Spiegeln winkel erfassen.
Auf die Gesetze der Abbildung mit Konkav- und
Konstruiert man nach dem in 7 Kapitel 6.2.3 bespro- Konvexspiegeln und ihre Bildfehler wird hier nicht
chenen Reflexionsgesetz »Einfallswinkel = Ausfalls- näher eingegangen, da sie im Prinzip dieselben sind wie
winkel« die von einzelnen Punkten eines Gegenstandes für Linsen (s. u.).
ausgehenden Lichtstrahlen, so findet man bei einem
ebenen Spiegel Folgendes: die reflektierten Strahlen Merke
scheinen von einem Abbild des Gegenstandes herzu- Ebener Spiegel: Bild virtuell, hinter dem Spiegel
kommen, das in gleichem Abstand wie der Gegenstand im gleichen Abstand wie Gegenstand.
hinter der Spiegelfläche zu stehen scheint. Generell Konkaver Spiegel: Brennweite f=R/2, R Krüm-
nennt man solche Abbildungen virtuell, da man am mungsradius; für Gegenstandsweite g<f Bild vir-
vermeintlichen Ort des Bildes es nicht durch eine Matt- tuell und vergrößert.
scheibe oder einen Film aufnehmen oder sichtbar Konvexer Spiegel: Brennweite f=-R/2; für Gegen-
machen kann. Bekanntlich erscheint bei einfacher Spie- standsweite g>0 Bilder stets virtuell und ver-
gelung im virtuellen Bild immer rechts und links gegen- kleinert.
über dem Original vertauscht.
Lässt man ein schmales paralleles Strahlenbündel
senkrecht auf einen sphärisch gekrümmte Spiegel
fallen, 7.2.3 Abbildung durch dünne Linsen
4 so durchlaufen die Strahlen bei einem Hohlspiegel
(Konkavspiegel, Krümmungsradius R) im Abstand In der Optik ist eine Linse ein durchsichtiger, rotations-
R/2 vom Spiegel einen scharfen Fokus: hier hat man symmetrischer Glaskörper, der von 2 Kugelflächen ver-
einen reellen Brennpunkt mit der Brennweite schiedener oder gleicher Krümmung begrenzt ist. Die
f=R/2. Achse der Rotationssymmetrie nennt man die optische
4 Bei einem Konvexspiegel vom gleichen Krüm- Achse der Linse.
mungsradius R laufen die Strahlen nach der Re-
flexion divergent auseinander, aber sie scheinen Sammellinse. Ist die Linse in der Mitte dicker als am
von einem Fokus oder Brennpunkt hinter der Kugel- Rand, so fokussiert sie ein längs der optischen Achse
fläche ebenfalls im Abstand R/2 herzukommen. einfallendes Bündel paralleler Strahlen in einem Brenn-
Hier hat man einen virtuellen Brennpunkt mit der punkt hinter der Linse. Sie ist dann eine Sammellinse
Brennweite f=-R/2. und ihre Brennweite, grob der Abstand des Fokus von
der Linsenmitte, wird positiv gerechnet.
Hohlspiegel, wie sie z. B. der Zahnarzt verwendet, bil-
den die Umgebung stark vergrößert ab, solange der Zerstreuungslinse. Ist die Linse in der Mitte dünner als
Gegenstand sich innerhalb der Brennweite f=R/2 der am Rand, so defokussiert sie das Parallelstrahlenbündel
Spiegel befindet. Gegenstände im Abstand g>R/2 vom so, dass die divergenten Strahlen von einem Fokus vor
Spiegel produzieren reelle Bilder, sie liegen für g>>R der Linse herzukommen scheinen. Zerstreuungslinsen
nahe am Fokus, wo z. B. Hobbyastronomen Sterne des dieser Art ordnet man negative Brennweiten bzw.
Nachthimmels fotografisch aufnehmen können. Brechkräfte zu.
Konvexe Spiegel erzeugen immer verkleinerte vir- Man kann zeigen, dass das Brechungsgesetz für
tuelle Bilder der Umgebung, sie dienen z. B. als Seiten- kugelflächenbegrenzte Linsen scharfe Fokussierungen
122 Kapitel 7 · Optik

und Abbildungen in guter Näherung vorhersagt, Ab- len; er wird bei virtuellen Bildern durch die rückwärtige
weichungen machen sich erst für Randstrahlen be- Verlängerung der dann divergenten Strahlen gefunden.
merkbar (Linsenfehler 7 Kap. 7.2.5).
Wir betrachten zunächst die Abbildungseigen- Merke
schaften dünner, symmetrischer, bikonvexer bzw. Linsengleichung: 1/f=1/g+1/b.
bikonkaver Linsen in Luft. Sie haben bild- und gegen- Lateralvergrößerung: V=B/G =b/g.
standsseitig die gleiche Brennweite f=±0,5ur/(nL–1). Brechkraft einer Linse: φ=1/f [dpt=m–1].
Sie wird von der Linsenmitte aus gerechnet, ebenso
Physik

wie die Gegenstandsweite g und die Bildweite b. Der


Krümmungsradius r der die Linse begrenzenden
Kugelflächen und die Brechzahl nL des verwendeten 7.2.4 Abbildung durch Linsensysteme
Glases legen die Brechkraft der Linse φ=1/f [dpt] und dicke Linsen
fest.
Die Linsenstärken werden in der Einheit Dioptrie Kombiniert man 2 dünne Linsen beliebiger Brennweite
[1 dpt=1/m] angegeben. Den Zusammenhang zwi- im Abstand d, so ist die Gesamtbrechkraft Φ des Linsen-
schen Bild-, Gegenstands- und Brennweite vermittelt systems gegeben durch Φ=1/F=1/f1+1/f2–d/(f1uf2).
die Linsengleichung: 1/f=1/g+1/b. Allerdings bleibt die Frage offen, von wo aus die
Das Verhältnis von Bildgröße B und Gegenstands- Gesamtbrennweite F gerechnet wird, und nach welchem
größe G ist die Lateralvergrößerung V, die über die Verfahren sich Bildpunkte konstruieren lassen. Dieselbe
Beziehung V=B/G=b/g leicht berechnet werden kann. Frage erhebt sich hinsichtlich der Abbildung durch
Während die Abbildung mit Konkavlinsen (f<0) immer dicke Linsen, insbesondere wenn Bild- und Gegen-
virtuelle und verkleinerte Bilder liefert, da b<0 und standsraum aus verschiedenen Medien bestehen.
V=–|f|/(|f|+g), erzeugen Konvexlinsen nur für g<f virtu- Die erfreuliche Antwort ist, dass man alle im vor-
elle, dann aber immer vergrößerte Bilder V=–f/(f–g). hergehenden Abschnitt gemachten Gesetzmäßigkeiten
Für reelle Abbildungen gilt: und Konstruktionsverfahren, etwas modifiziert, über-
4 Für f<g <2f ist die Bildweite b>2f und damit V>1, nehmen kann, wenn man von den in . Abbildung 7.5
4 bei g=2f ist b=g und eine 1:1-Abbildung erreicht, vorgestellten Kardinalelementen optische Achse, 2
und Hauptebenen, 2 Brennpunkten und 2 Knotenpunk-
4 für g>2f wird b<2f und V<1. ten ausgeht. Dort, wo nach Durchgang durch das Lin-
sensystem oder die dicke Linse ein von links (oder
Zum Auffinden des Bildpunkts P’ geht man nach . Ab- rechts) einfallender Parallelstrahl den gegebenenfalls
bildung 7.4 vor und folgt wenigstens 2 der 3 charakte- rückwärts verlängerten Brennstrahl nach Verlassen des
ristischen Strahlen, die vom einem Punkt P des Gegen- Systems schneidet, liegt die zugehörige Hauptebene, die
standes ausgehen, den man am besten außerhalb der senkrecht zur optischen Achse steht und diese im so
optischen Achse wählt. Das Bild dieses Punktes ist der genannten Hauptpunkt schneidet. Der Zentralstrahl
Schnittpunkt der bildseitigen charakteristischen Strah- wird jetzt durch 2 parallele Richtungsstrahlen PK und
KcPc ersetzt, die Knotenpunkte K und Kc haben den-
selben Abstand wie die beiden Hauptebenen und liegen
um die Differenz der Brennweiten von ihren zuge-
hörigen Hauptebenen entfernt. Sind die Medien und
damit die Brennweiten rechts und links gleich groß, so
fallen die Knotenpunkte mit den Hauptpunkten zu-
sammen.
Da sich die Brennweiten in den jeweiligen Medien
wie deren Brechungsindizes verhalten, nämlich f:f c=
n:nc, führt man die folgende verallgemeinerte Linsen-
. Abb. 7.4. Auffinden des Bildpunkts durch drei charakte- gleichung ein: n/g+nc/b=φ=n/f=nc/f c.
ristische Strahlen: Der schwarz gezeichnete, von links achsen-
φ ist die verallgemeinerte Brechkraft. Sind die bei-
parallel einlaufende Strahl wird rechts zum Brennstrahl;
analog wird der blaue Brennstrahl (Lichtwege sind umkehr-
den Medien identisch, so kürzt sich der Brechungsin-
bar) rechts zum Parallelstrahl. Der strichpunktierte Zentral- dex n heraus und die Brechkraft φ ist wieder durch 1/f
strahl wird nicht abgeknickt und geht mit den beiden ande- definiert. Die beschriebenen Überlegungen gelten auch
ren Strahlen durch den Bildpunkt P’ des Gegenstandpunkts P. für Zylinderlinsen, allerdings nur in der Ebene ihrer
(Harten 2006) Krümmung.
7.2 · Geometrische Optik
123 7

3. Astigmatismus und Bildfeldwölbung. Für Punkte


außerhalb der optischen Achse erscheint die abbil-
dende Linse in Richtung der optischen Achse und
senkrecht dazu unterschiedlich gekrümmt, selbst
bei Abbildung eines Punkts mit schmalen Strahlen-
bündeln. Deshalb liegen scharfe Bilder auf 2 ver-
schieden gekrümmten Bildschalen, die sich auf der
optischen Achse berühren. Erscheint das Bild auf
der einen Schale als Punkt, so wird es auf der ande-
ren zu einem Strich, zwischen beiden Schalen wird
wird das Abbild eines Punkts ein unscharfes Kreuz.
. Abb. 7.5. Kardinalelemente bei verschiedenen Brechungs- Korrigierende Systeme bezeichnet man als Anastig-
indizes in Bild- und Gegenstandsraum. Die drei charakteris- maten. Dieselben astigmatischen Erscheinungen
tischen Strahlen sind eingezeichnet. Der Zentralstrahl in zeigen abbildende Kugelflächen, die in 2 zueinan-
. Abb. 7.5 wird durch den Richtungsstrahl PK, K’P’ durch die
der senkrechten Richtungen unterschiedlich stark
Knotenpunkte K und K’ ersetzt. Der Abstand KK’ ist gleich dem
gekrümmt sind, was auch beim menschlichen Auge
Abstand der Hauptebenen, die Mitte von KK’ hat den Abstand
f-f’ von der Mitte der Hauptebenen. (nach Harten 1999)
häufig der Fall ist (7 Kap. 7.2.7).

Merke
Merke Linsenfehler (Punkte werden unscharf abge-
Verallgemeinerte Linsengleichung: bildet).
n/g+n’/b=φ=n/f=n’/f’. Sphärische Aberration: fRand<fMitte
Der Gegenstand mit der Gegenstandsweite g Chromatische Aberration: fviolett<frot
befindet sich im Medium mit dem Brechungsindex n, Astigmatismus: f||≠f=.
das Bild mit der Bildweite b entsteht im Medium n’.
φ ist die verallgemeinerte Brechkraft.

7.2.6 Strahlengang im Auge

7.2.5 Linsenfehler Das menschliche Auge ist in . Abbildung 7.6 im Schnitt


dargestellt. Die gewölbte Hornhaut und die Augen-
Alle in den 7 Kapiteln 7.2.2 bis 7.2.4 vorgestellten abbil- linse bilden zusammen mit Kammerwasser und Glas-
denden Systeme bilden Punkte des Gegenstandraums körper ein optisches System, das vor den Augen be-
nicht völlig scharf ab, außerdem produzieren sie Ver- findliche Gegenstände auf die Netzhaut (Retina) abbil-
zeichnungen von großflächigen Mustern, was hier nur det. Die wichtigsten optischen Daten zu Brennweiten,
am Rande erwähnt wird. Zu Unschärfen tragen 3 Ef- Lage der Hauptebenen und Knotenpunkte usw. sind in
fekte bei: . Tabelle 7.3 zusammengestellt.
1. Sphärische Aberration. Bei Linsen mit Kugel- Die Abbildung eines Punkts durch die 3 charakte-
flächenschliff werden die Randstrahlen etwas stär- ristischen Strahlen nach 7 Kapitel 7.2.4 entspricht der
ker gebrochen (fRand<fMitte). Daher wird ein Punkt von . Abbildung 7.5, allerdings liegt hier das Auge als
durch ein die ganze Linse erfassendes Strahlenbün- Medium mit der höheren Brechzahl auf der linken
del als Zerstreuungsscheibchen abgebildet. Abhilfe Seite, spiegelbildlich zu . Abbildung 7.6. Um von un-
schaffen so genannte Aplanate, das sind aufwän- endlich auf einen Nahpunkt in 25 cm Abstand zu akko-
digere, nicht kugelflächenmäßig geschliffene Lin- modieren, ändert der ringförmig die Augenlinse um-
sen oder geeignete Linsensysteme. schlingende Ziliarmuskel die Krümmung und Dicke
2. Chromatische Aberration. Aufgrund der Disper- der Linse, sodass sie eine zusätzliche Brechkraft von
sion des Linsenmaterials wird im Allgemeinen vio- 4 dpt erhält.
lettes Licht am stärksten gebrochen, rotes Licht am
wenigsten (fviolett<frot). Das führt bei der Abbildung
durch nicht monochromatisches Licht zu unschar-
fen Bildern mit farbigen Rändern. Abhilfe leisten
geeignete Kombinationen aus Gläsern verschieden
starker Dispersion, so genannte Achromate.
124 Kapitel 7 · Optik

. Tab. 7.3. Optische Daten des menschlichen Auges


Krümmungsradius der Hornhaut ≈7,83 mm
Brechkraft der Hornhaut ≈43 dpt
Brechkraft der Augenlinse, entspanntes ≈16 dpt
Auge
Akkomodationsfähigkeit der Augenlinse +(1–14) dpt
Physik

je nach Alter
Brechzahl der Augenlinse n 1,358
Brechzahl von Kammerwasser und 1,3365
Glaskörper n’
Größe der Augenpupille Ø= 2R 2–8 mm
Abstand Hauptpunktemitte vom Scheitel 1,475 mm
der Hornhaut

. Abb. 7.6. Horizontalschnitt durch ein menschliches Auge. Abstand der Hauptpunkte bzw. der Haupt- 0,254 mm
Der Strahlengang durch Hornhaut und Linse und Glaskörper ebenen
findet in einer Umgebung mit größerem Brechungsindex Abstand der Knotenpunkte 0,254 mm
als Luft statt und entspricht daher der linken Seite von
. Abb. 7.5. (Harten 2006) Hintere Brennweite (zu Retina) bei ent- 22,80 mm
spanntem Auge
Vordere Brennweite (zu Luft) bei entspann- 17,05 mm
KLINIK tem Auge
Kleinkinder können auf etwa 7 cm vom Auge ent-
Abstand Mitte Knotenpunkte von Mitte 5,75 mm
fernte Nahpunkte akkomodieren, was einer zusätz-
Hauptpunkte
lichen Brechkraft von etwa 14 dpt entspricht. Im
hohen Alter geht die Akkomodationsfähigkeit der
Linse praktisch verloren. die gelbliche Augenlinse ebenso wie der gelbe Fleck
blaues und violettes Licht relativ stark absorbieren. Da-
mit wird dort, wo die Auflösung am größten ist, ins-
Der Mensch nimmt Licht durch 2 Arten von Sehzellen besondere bei großer Helligkeit, die spektrale Emp-
wahr: findlichkeit zum Roten hin verschoben, wo die Disper-
4 Die so genannten Stäbchen vermögen nur zwi- sionskurve im Allgemeinen einen flacheren Verlauf hat
schen hell und dunkel zu unterscheiden und sind (. Abb. 7.3).
nur für das Sehen in der Dämmerung geeignet.
4 Das Farbensehen vermitteln 3 Arten von Sehzellen, Merke
so genannte Zäpfchen, die auf unterschiedliche Brechkraft φ des menschlichen Auges.
Wellenlängenbereiche mit Maxima im Roten, Hornhaut: ≈43 dpt;
Grünen und Blauen empfindlich sind. Augenlinse: ≈16 dpt;
Akkomodationsvermögen Δφ der Augenlinse
Zäpfchen liegen besonders dicht in der Netzhautgrube sinkt bei Erwachsenen im Laufe des Lebens von
(Fovea, Durchmesser 0,3 mm) im Zentrum des gelben ≈12 dpt auf ≈1 dpt.
Flecks (Durchmesser 2 mm) und haben dort Abstände
von etwa 5 μm. Dieser Abstand entspricht dem maxi-
malen Auflösungsvermögen des Auges bei der kleinsten
Pupillenöffnung von einem Durchmesser von 2 mm, 7.2.7 Sehfehler und ihre Behebung
wo das Zerstreuungsscheibchen infolge der sphärischen
Aberration etwa so groß ist wie die durch Beugung an Alle Fehlsichtigkeiten des menschlichen Auges, die
der Pupille hervorgerufene Unschärfe (7 Kap. 7.3.1, nicht auf Unebenheiten der Hornhaut, Trübungen der
Beugung an Kreisblende). Die anatomische Auflösung Linse oder Degeneration der Retina zurückzuführen
des Auges entspricht also der physikalisch möglichen! sind, sondern auf einfache geometrische Abweichungen
Die chromatische Aberration kann das Auge zwar von der idealen Anatomie, können durch geeignete
nicht aufheben, sie wird aber dadurch vermindert, dass Brillen behoben werden.
7.3 · Wellenoptik
125 7

Kurzsichtigkeit (Myopie): Menschen, die Gegenstände 7.3 Wellenoptik


sehr nahe ans Auge halten müssen, um sie scharf zu
sehen, nennt man kurzsichtig. Ihr Augapfel ist zu lang, 7.3.1 Beugung an Spalt, Kreisblende und
sodass scharfe Bilder weit entfernter Objekte bei ent- Gitter; Auflösung des Mikroskops
spanntem Auge schon vor der Retina entstehen (Fern-
punkt<∞). Nur bei sehr kurzer Gegenstandsweite ist die Die Quantennatur des Lichts spielt, grob gesagt, solange
Bildweite groß genug, um die Netzhaut zu erreichen. keine Rolle, als nicht danach gefragt wird, wann und wo
Zur Korrektur benutzt der Kurzsichtige Brillen mit kon- ein einzelnes Photon emittiert, gebeugt oder absorbiert
kaven Gläsern, deren negative Brechkraft die selbst bei wird. Nach dem in 7 Kapitel 6.2.3 vorgestellten Huygens-
entspanntem Auge zu große Brechkraft vermindert. schen Prinzip lässt sich die Beugung von Licht an
Spalt und Gitter gut durch die Interferenz von Wellen
Weitsichtigkeit (Hyperopie): Menschen, deren Aug- erklären.
apfel zu kurz ist, können Gegenstände selbst bei starker
Akkomodation der Linse nur in großer Entfernung, Beugung am Spalt
wenn überhaupt, scharf sehen, da ein scharfes Bild erst Trifft eine ebene monochromatische Lichtwelle der
hinter der Retina entstehen würde. Abhilfe schaffen Wellenlänge λ nach . Abbildung 7.7 auf einen Spalt
hier Brillen mit konvexen Linsen, deren zusätzliche der Breite D, so wird unter dem Winkel α keine Strah-
Brechkraft die Bildweite verringert. Da mit zunehmen- lung beobachtet, wenn der Gangunterschied g zwi-
dem Alter die Akkomodationsfähigkeit der Augenlinse schen der rechten und linken Spaltbacke genau λ
nachlässt, werden in der Jugend normalsichtige Men- beträgt. Denn dann hat jede von einem Punkt des
schen im Alter meist weitsichtig. Hier helfen besonders Spalts ausgehende Kugelwelle einen eine halbe Spalt-
Gläser mit zunehmender Brechkraft im unteren Be- breite entfernten Partner, der bezüglich der Richtung α
reich der Brille, durch den normalerweise nahe Objekte genau den Gangunterschied von λ/2 hat, was zur Aus-
betrachtet werden. Diese Varioluxgläser kompensieren löschung in Richtung α führt. Auslöschung tritt eben-
so die mangelnde Akkomodationsfähigkeit des Auges. falls ein, wenn der Gangunterschied g=kuλ zwischen
den Spaltbacken beträgt. Entsprechend lautet die
Astigmatismus: Bei den meisten Menschen ist die Regel:
Wölbung der Hornhaut nicht völlig gleichmäßig; sie 4 Intensitätsminima für sinα=kⴛλ/D mit k=1, 2,
entspricht nicht der einer Kugel, sondern eher einem 3 …;
Rotationsellipsoid, dessen Oberfläche in 2 senkrecht 4 Intensitätsmaxima für sinα=(k+½)ⴛλ/D mit k=1,
zueinander stehenden Richtungen unterschiedlich stark 2, 3 …;
gewölbt ist. Die entstehenden Verzeichnungen und Un- 4 Unter α=0°, dem breiten Beugungsmaximum
schärfen werden in 7 Kapitel 7.2.5 beschrieben. Abhilfe nullter Ordnung, ist die Intensität am größten.
schaffen hier Zylinderlinsen, deren Stärke und Ausrich-
tung für jedes Auge so bestimmt werden müssen, dass Beugung an Kreisblenden
mit der zusätzlichen Brechkraft in der Fokussierungs- Rechnungen in 2 Dimensionen ergeben für eine Kreis-
richtung der geringeren Krümmung die der dazu senk- blende vom Radius R für das 1. Beugungsminimum:
rechten Richtung erreicht wird. Durch geeignete Form- sinα=0,61ⴛλ/R.
gebung der Gläser einer Brille kann man heute alle hier Nun kann man bei Abbildungen 2 Punkte gerade
diskutierten Fehlsichtigkeiten kompensieren. noch als getrennt erkennen, wenn das Maximum des
einen Beugungsscheibchens in das 1. Beugungsmini-
Merke mum des anderen fällt. Für das menschliche Auge er-
Eselsbrücke: gibt sich bei kleinster Pupille (. Tab. 7.3) und der im
Konvexe Linse: wie ein Berg Medium verkürzten Wellenlänge λc=555/nc nm der
Konkave Linse: wie ein Tal Abstand des 1. Minimums aus der Gleichung sinα=Δx/
Definitionen: f=0,61uλc/R. Das Ergebnis Δx=5,77 μm entspricht der
Kurzsichtig: Augapfel zu lang, Fernpunkt<∞,
anatomisch möglichen Auflösung (7 Kap. 7.2.6).
Konkavlinse.
Weitsichtig: Augapfel zu kurz oder φ zu klein,
Konvexlinse. Beugung am Gitter
Astigmatismus: Hornhautwölbung eines Rota- Für die Spektralanalyse von Licht sind Gitter von
tionsellipsoids, Zylinderlinse verstärkt Brechkraft in großer Bedeutung. Ein Gitter besteht aus Hunderten
Ebene der geringsten Krümmung. von feinen Spalten im Abstand der Gitterkonstanten d.
Umgekehrt wie bei der Beugung am Spalt treten Beu-
126 Kapitel 7 · Optik

Merke
Spalt: Intensitätsminima für sinα=kuλ/d für
k=0, 1, 2, 3 ...
d= Spaltbreite, α= Ablenkwinkel,
kuλ= Gangunterschied.
Gitter: Intensitätsmaxima für sinα=kuλ/d mit
k=0, 1, 2, 3 ...
Physik

jetzt d= Gitterkonstante = Abstand benachbarter


Spalte.
Mikroskopauflösung nach Abbé:
d=0,61uλ/(nusinα).
. Abb. 7.7. Zur Beugung am Spalt. Unter dem Winkel α, α= halber Öffnungswinkel des Objektivs, n Brech-
für den der Gangunterschied zwischen rechter und linker zahl der Immersionsflüssigkeit.
Spaltbacke eine Wellenlänge λ beträgt, interferieren die
Huygensschen Elementarwellen destruktiv. (Harten 2006)
7.3.2 Polarisation von Licht

gungsmaxima auf, wenn der in . Abbildung 7.7 erklärte Wie in 7 Kapitel 6.4 erläutert wurde, ist Licht als trans-
Gangunterschied g=kuλ, also von Spalt zu Spalt ein versale elektromagnetische Welle polarisierbar. Folgen-
ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist, da sich de Verfahren bewirken, dass der elektrische Feldvektor
dann die Beiträge aller Spalte konstruktiv addieren, nur in einer Ebene schwingt:
während bei allen nicht ganzzahligen Gangunterschie- 4 Streuung: Licht ist polarisiert, wenn der Winkel
den die Beiträge aller Spalte sich weitgehend gegensei- Lichtquelle – Streuzentrum – Beobachter verschie-
tig auslöschen. Es gilt: den von 0° ist. So ist das Blau des Himmels als
Intensitätsmaxima für sinα=kⴛλ/d mit k=0,1, Streulicht an Molekülen unter 90° zur Sonne sogar
2, 3 …. total polarisiert, da die zu Resonanzschwingungen
Die mit der Beugung verbundene Dispersion von angeregten elektrischen Dipolfelder dann nur
Gittern steigert sich mit der Ordnung k, allerdings mit Feldkomponenten senkrecht zur Streuebene
auf Kosten der Intensität. Deshalb verwendet man schwingen. Bienen können die Polarisationsrich-
häufig Gitter statt Prismen zur Analyse von Emissions- tung des Streulichts wahrnehmen und benutzen
linien bei Spektrometern und zur Monochromatisie- diese Fähigkeit zur Orientierung.
rung von Licht bei Spektralphotometern (. Abb. 7.8 in 4 Reflexion: Wird Licht an durchlässigen Medien
7 Kap. 7.4.3). wie Glas oder Wasser reflektiert, so ist der reflek-
tierte Strahl total polarisiert, und zwar senkrecht
Auflösung optischer Geräte zur Streuebene, wenn der reflektierte Strahl senk-
Nach der eingehenden Theorie von Ernst Abbé kann recht zum gebrochenen Strahl steht. Nach dem
man bei einer optischen Abbildung die Spalte eines Git- Brechungsgesetz (7 Kap. 6.2.3) ist dann wegen
ters nur dann noch getrennt wahrnehmen, wenn min- sinβ=sin(180°-α-90°)=cosα der so genannte Brew-
destens zwei Beugungsmaxima von der Öffnung des sterwinkel gegeben durch tanα=n2/n1. Für die Re-
abbildenden Systems erfasst werden. Diese Überlegung flexion an Wasser (n2(H2O)=1,33 und n1(Luft)≈1)
liefert die Formel für den kleinsten noch auflösbaren ist das der Winkel von 53°. So kann man mit Pol-
Abstand zweier Punkte bei Betrachtung im Mikroskop, filterbrillen, die nur senkrecht zur Wasserober-
nämlich: d=0,61ⴛλ/(nⴛsinα). fläche polarisiertes Licht durchlassen, störende
Der Kehrwert 1/d bezeichnet die (maximal mög- Reflexe bei Gegenlicht stark mindern.
liche) Auflösung des Mikroskops. Der Faktor 0,61 be- 4 Dichroismus und Doppelbrechung: Manche Kris-
rücksichtigt kreisförmige Linsenöffnungen, die Brech- talle wie Turmalin spalten einfallendes Licht in 2
zahl n im Nenner die Verkürzung der Wellenlänge, senkrecht zueinander polarisierte Strahlen auf, in
wenn der Raum zwischen Deckglas und Objektiv durch die so genannten ordentlichen und außerordent-
eine Immersionsflüssigkeit ausgefüllt wird. Der Win- lichen Strahlen. Sie haben für beide Komponenten
kel α entspricht dem halben Öffnungswinkel, den die unterschiedliche Brechungsindizes und ungleiches
Objektivlinse erfasst. Den Faktor nⴛsinα bezeichnet wellenlängenabhängiges Absorptionsvermögen, so-
man als nummerische Apertur. dass sie je nach Richtung der Polarisation des ein-
7.4 · Optische Instrumente
127 7

fallenden Lichts in verschiedenen Farben erschei- Merke


nen (daher der Name Dichroismus). Die käuflichen
Die Intensität von polarisiertem Licht durch die Po-
Polarisationsfilter gehören zu diesen Substanzen;
larisator-Analysator-Anordnung hängt vom Winkel
bei ihnen wird die eine Komponente jedoch so
φ zwischen beiden Polarisationsrichtungen ab:
stark absorbiert, dass nach einer kleinen Schicht-
I=I0ⴛcos2φ.
dicke nur noch Licht einer Polarisationsrichtung
durchgelassen wird. Beim glasklaren Nicolschen
Prisma wird der ordentliche Strahl an einer geeig-
neten Schnittfläche des Kalkspats total reflektiert 7.4 Optische Instrumente
und dann absorbiert, sodass nur der außerordent-
liche Strahl mit seiner Polarisationsrichtung übrig 7.4.1 Vergrößerungen
bleibt.
Wichtig ist zunächst der Begriff Sehwinkel. Unter dem
Merke Sehwinkel versteht man den Winkel α, unter dem ein
Polarisiertes Licht kann durch Streuung, Reflexion Objekt dem Betrachter erscheint, definiert durch das
und Doppelbrechung erzeugt werden. Verhältnis Gegenstandsgröße G zu Abstand g des
Gegenstandes, also tanα=G/g. Da für Winkel unter 10°
Tangens und Sinus höchstens 1% vom Winkel α im
Bogenmaß abweichen, kann man sich im Allgemeinen
7.3.3 Optische Aktivität die Umrechnung von tanα in α schenken.
Der Begriff der »Vergrößerung« hat im Sprach-
Optisch aktiv heißen Stoffe, welche die Polarisations- gebrauch der Physik 3 etwas unterschiedliche Defini-
richtung von polarisiertem Licht proportional zur Kon- tionen, je nachdem, ob man vom bewaffneten Auge
zentration c (bei Lösungen) und zur durchlaufenen ausgeht oder reine Bildergrößen meint.
Strecke L drehen. Viele organische Moleküle kommen 1. Laterale Vergrößerung: Sie wurde bereits in 7 Ka-
in 2 spiegelsymmetrischen Strukturen vor (Enantio- pitel 7.2.3 definiert. Sie gibt an, um welchen Faktor
mere), von denen die eine Art rechts- und die andere Art ein Bild linear größer oder kleiner ist als der abge-
linksdrehend ist. Sie werden von lebenden Organismen bildete Gegenstand. Vergrößerung V = B/G=b/g.
meist unterschiedlich metabolisiert; so ist Trauben- 2. Sehwinkelvergrößerung bei Teleskopen: Für den
zucker rechtsdrehend, daher der Name Dextrose. Auch Benutzer eines Fernrohrs oder Opernglases ist
der durch Magnetfelder induzierte Faradayeffekt die Sehwinkelvergrößerung entscheidend, also das
(7 Kap. 5.9.8) macht sonst optisch inaktive Stoffe optisch Verhältnis »Sehwinkel mit zu Sehwinkel ohne
aktiv. Instrument« Für das astronomische, auf Kepler zu-
Die Drehung der Polarisationsebene wird gemes- rückgehende Fernrohr ist V=fObjektiv:fOkular. Seine
sen, indem man durch einen Polarisator polarisiertes Länge ist gleich der Summe der Brennweiten von
Licht erzeugt, und zunächst, ohne die zu messende Subs- Objektiv- und Okularlinse.
tanz, die Polarisationsrichtung des so genannten Ana- 3. Sehwinkelvergrößerung bei Lupe und Mikros-
lysators senkrecht zu der des Polarisators einstellt, so- kop: Auch hier vergleicht man »Sehwinkel mit zu
dass kein Licht durchtreten kann (φ=90°). Die durch- Sehwinkel ohne Instrument«, allerdings muss letz-
gelassene Intensität geht mit I=I0ⴛcos2φ. terer allgemein verbindlich festgelegt werden, da
Bringt man dann die Probe zwischen Polarisator sich ja die Nahpunkte des Menschen je nach Alter
und Analysator, so bewirkt deren Drehung der Polari- und Fehlsichtigkeit stark unterscheiden. Man hat
sationsebene, dass der Analysator Licht durchlässt. deshalb als Bezugssehweite s0=25 cm festgelegt,
Durch Nachdrehen der Polarisationsrichtung des Ana- die etwa dem Nahpunktabstand bei Erwachsenen
lysators erreicht man wieder völlige »Dunkelheit« und entspricht.
bestimmt so den Drehwinkel Δφ. Bei Kenntnis des tem-
peratur- und wellenlängenabhängigen Drehvermögens Merke
φ(λ, δ) [°/(dmugucm–3)] einer Substanz lässt sich dann Laterale Vergrößerung: V=B/G=b/g.
deren Konzentration c aus Δφ=φ(λ, δ)ⴛc ⴛL berech- Optische Vergrößerung für das bewaffnete
nen. Dies ist das Messverfahren der klassischen Saccha- Auge: Sehwinkel mit Instrument zu Sehwinkel
rimetrie. ohne Instrument. Bei Lupe und Mikroskop: Bezugs-
sehweite s0=25 cm.
128 Kapitel 7 · Optik

7.4.2 Kamera und Projektor 7.4.3 Photometrie und Spektral-


photometer
Kameras bilden Gegenstände meist in unterschied-
licher Entfernung auf das Format eines lichtempfind- Viele organische Moleküle absorbieren Licht als Funk-
lichen Films oder Pixel eines Fotochips ab. Um die in tion der Wellenlänge auf sehr charakteristische Weise.
7 Kapitel 7.2.5 diskutierten Linsenfehler möglichst ge-
ring zu halten, setzt sich das Objektiv guter Kameras KLINIK
aus mehreren Linsen zusammen. Die Abbildung durch So kann man in der Medizin mithilfe der Absorp-
Physik

das Linsensystem wird wie in . Abbildung 7.5 durch tionsspektralanalyse von chemisch aufbereiteten
2 Hauptebenen repräsentiert, bis auf Unterwasserka- Blutproben wichtige Erkenntnisse über die Konzen-
meras mit Brechzahlen nc=n. tration vieler Bestandteile des Bluts und damit
Will man die Tiefenschärfe (auch Schärfentiefe) über den Gesundheitszustand der untersuchten
vergrößern, so muss die Blende auf Kosten der Hellig- Patienten gewinnen, z. B. über den Sauerstoffge-
keit verkleinert werden, damit die Lichtbündel, die von halt, Blutfettwerte, die Anteile der verschiedenen
Punkten ausgehen, die auf der Ebene des Films keinen Cholesterine usw.
scharfen Fokus haben, etwa so schmal werden wie die
Ortsauflösung bei scharfem Bild. Die Blendenzahl
BZ=f/D ist als das Verhältnis von Brennweite f zu Blen- Das Prinzip eines Spektralphotometers (vielfach be-
dendurchmesser D definiert. nutzt in etlichen Praktika) zeigt die . Abbildung 7.8.
Die Tiefenschärfe ist beim Projektor kein Problem, Das Licht des beleuchteten Spalts Sp.1 wird durch ein in
um aber das projizierte Bild möglichst lichtstark zu etwa symmetrisch durchlaufenes Prisma in ein konti-
machen, wird durch einen Kondensor möglichst viel nuierliches Farbenspektrum zerlegt und auf die Ebene
Licht der Lampe, auch von hinten gespiegeltes, auf den von Spalt Sp.2 fokussiert. Die Anordung erklärt zu-
abzubildenden Film geworfen, mit einem Fokus in der gleich das Prinzip des Prismenspektrographen. Die Dis-
Objektivlinse, sodass auf der Projektionswand kein stö- persion ist am größten beim minimalen Ablenkwinkel
rendes Bild der Lichtquelle zu sehen ist. δmin. Dieser ergibt sich aus dem brechenden Winkel φ
und dem mittleren Brechungsindex n(l ) aus der Bezie-
Merke hung: n(l ) =sin(φ/2+δmin/2)/sinφ/2. Für weißes Licht
Kamera: Blendenzahl BZ=f/D beobachtet man die folgende Farbfolge mit zunehmen-
D=Blendendurchmesser, f Brennweite. Abbildungs- der Brechung: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett.).
maßstab gemäß der Linsengleichung V=B/G=b/g. Der verschiebbare Spalt lässt nur Licht eines schma-
len Wellenlängenbereichs durchtreten. Dieses Licht
durchläuft dann parallel eine Küvette mit der zu untersu-
chenden Substanz und wird dann auf eine Photozelle zur
Messung der Intensität fokussiert. In der Küvette sei eine

. Abb. 7.8. Spektralphotometer. Näheres im Text. (Harten 2006)


7.4 · Optische Instrumente
129 7

Lösung der zu analysierenden Substanz mit der Konzen- Stärkere Vergrößerungen sind möglich, wenn man
tration c eingefüllt, d sei die durchstrahlte Schichtdicke, ein bereits vergrößertes Zwischenbild mit der Lupe
K(λ) sei der wellenlängenabhängige Extinktionskoeffi- betrachtet. Das ist das Prinzip des Mikroskops nach
zient. . Abbildung 7.9. Dazu befindet sich das Objekt sehr
Bei nicht allzu starken Konzentrationen wächst die nahe am Brennpunkt der Objektivlinse sehr kurzer
Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon absorbiert wird, Brennweite. Das stark vergrößerte, reelle Zwischenbild
linear mit der Konzentration, ist aber unabhängig von liegt im Fokus der Okularlinse, die das entspannte
der bereits durchlaufenen Schichtdicke. Nach den Ge- Auge als Lupe benutzt.
setzen der Statistik führt dies (7 Kap. 8.1.1 und 8.4.1) zu Der Abstand b des Zwischenbildes vom Objektiv ist
einer exponenziellen Abnahme der Lichtintensität mit formal als Summe der Objektivbrennweite fOB und der
Schichtdicke und Konzentration. so genannten Tubuslänge t definiert. Die Tubuslänge der
Dies entspricht genau dem Gesetz von Lambert- meisten Mikroskope beträgt konventionell 18 cm, was
Beer: I (l ) = I 0 (l ) ¥ exp(- K (l ) ¥ c ¥ d ) . garantiert, dass man ohne Schwierigkeiten bei normaler
Das Verhältnis I(λ)/I0(λ) bezeichnet man auch Sitz- und Tischhöhe durch ein Mikroskop schauen
als Durchlässigkeit oder Transmission D(λ). Logarith- kann.
miert man die Gleichung mit dem dekadischen Loga- Eine kleine Rechnung mit dieser Definition der
rithmus, so erhält man die gleichwertige, alternative Tubuslänge ergibt für die laterale Vergrößerung des
Form: Zwischenbildes V=b/g=t/fOB. Zusammen mit der Lupen-
E(l ) = log( I 0 (l ) I (l )) = log e ¥ K (l ) ¥ c ¥ d = vergrößerung des Okulars ist danach die Gesamtver-
e (l ) ¥ c ¥ d . Hier bezeichnet E(λ) die Extinktion und
ε(λ) den dekadischen Extinktionskoeffizienten.

Merke
Gesetz von Lambert-Beer:
E = log(I0 I ) = e ( l ) ¥ c ¥ d
mit d=Schichtdicke, ε(λ) dekadischer Extinktions-
koeffizient, c Konzentration.

7.4.4 Lupe und Lichtmikroskop

Um den Sehwinkel (7 Kap. 7.4.1) kleiner Objekte zu


vergrößern, führt man sie näher ans Auge heran. Dies
hat aber ein Limit beim persönlichen Nahpunkt, im
Mittel bei der Bezugssehweite von s0=25 cm. Das ein-
fachste Hilfsmittel, den Sehwinkel zu vergrößern, ist
eine Konvexlinse hoher Brechkraft, die Lupe, die man
für ein möglichst großes Gesichtsfeld dicht vor das
Auge hält. Liegt der Gegenstand der Größe G ungefähr
im Brennpunkt der Lupe (Brennweite fL), so erreichen
die von ihm ausgehenden Strahlen als Paralellstrahlen
das entspannte Auge, dass dann ein virtuelles, ver-
größertes Bild im Unendlichen unter dem Sehwinkel
tgα=G/fL sieht. Bezogen auf den Sehwinkel unter 25 cm
ist dann die Lupenvergrößerung VL=s0/fL.
Hält man die Lupe so, dass das virtuelle Bild in der
Entfernung von b=s0 erscheint, so erreicht man die
maximale Lupenvergrößerung von VL=s0/fL+1, denn . Abb. 7.9. Strahlengang im Mikroskop. Nähere Erklärung
nach der Linsengleichung ist mit negativer Bildweite b im Text. In der Ebene des Zwischenbildes kann ein Okular-
(virtuelles Bild!) 1/fL=1/g–1/s0 mit B/G=s0/g=s0/fL+1. mikrometer eingesetzt werden. Eine konvexe Feldlinse in der
Im Extremfall erzielt man mit Lupen bis zu 25fache Nähe dieser Ebene stört die Abbildung nicht, vergrößert aber
Vergrößerungen. das Gesichtsfeld. (Harten 2006)
130 Kapitel 7 · Optik

größerung des Mikroskops gegeben durch (das Pro- immer stärker absorbiert wird und es nur wenige Gläser
dukt!): V=t/fOBⴛs0/fL. wie Quarzglas gibt, die sich zum Bau von Linsen eignen.
Andererseits wird Röntgenstrahlung praktisch nicht
KLINIK gebrochen (n≈1), sodass man nur durch Beugung an
Da nach Abbé (. Kap. 7.3.1) die Beugung an der gebogenen Einkristallen überhaupt eine nennenswerte
Objektivlinse kleinere Abstände als etwa die Wellen- Fokussierung erreichen kann.
länge des verwendeten Lichts von ca. 400 bis Viel effektiver ist die Verwendung von hoch ener-
750 nm nicht mehr auflösen lässt, sind nur Mikros- getischen Elektronenstrahlen, die sich besonders durch
Physik

kopvergrößerungen von maximal 1000 sinnvoll, magnetische Felder sehr gut ablenken und fokussieren
was für Einzeller und die meisten Bakterien genügt, lassen. Die ihnen zugeordnete de-Broglie-Wellenlänge
aber nicht mehr für Viren. (7 Kap. 3.1.4) beträgt z. B. für 100-keV-Elektronen nur
0,0037 nm. Trotz einer nummerischen Apertur von nur
etwa 0,01 können Elektronenmikroskope gegenüber
Bei der normalen Hellfeldbeleuchtung entstehen Kon- dem Lichtmikroskop noch 1000-mal kleinere Struk-
traste durch unterschiedliches Absorptionsvermögen. turen bis zu einer Größe von 0,2 nm auflösen. Zur Bild-
Voraussetzung ist eine gute Ausleuchtung des mikro- aufnahme werden Filme, Leuchtschirme oder elektro-
skopischen Objekts durch geeignete Kondensoren, die nische Bildwandler verwendet. Beim Rasterelektro-
die gleiche nummerische Apertur (7 Kap. 7.3.1) wie das nenmikroskop wird die rechteckige Probe zeilenweise
Objektiv haben und das Licht auf das Objekt voll kon- in Piezotechnik mit einem feinen Elektronenstrahl ge-
zentrieren. Reichen die Kontraste nicht aus, arbeitet rastert und die Intensität von Sekundärelektronen in
man gerne mit Dunkelfeldkondensoren, bei denen das Transmission oder Reflexion gemessen.
Objektiv nicht mehr die Strahlen der Beleuchtung von Auf völlig andere Weise funktionert das Raster-
der Seite her erfasst, sondern nur die Streustrahlung tunnelmikroskop (Physiknobelpreis 1986). Hier wird
von Konturen des Objekts. die Oberfläche einer Probe mit einer sich bis zu einem
Andere Möglichkeiten, geringe Kontraste sichtbar Metallatom verjüngenden Spitze auf negativem Poten-
zu machen, bietet die Verwendung von polarisiertem zial abgetastet. Durch den Piezoeffekt kann die Sonden-
Licht (Polarisationsmikroskopie) oder die Mikrosko- spitze so fein im Subnanometerbereich gesteuert wer-
pie des Fluoreszenzlichts geeigneter Präparate bei Be- den, dass sie die Probe nie berührt, aber ihr so nahe
leuchtung mit UV-Licht (Fluoreszenzmikroskopie). kommt, dass durch den Tunneleffekt ein Elektronen-
Die noch viel aufwändigere Phasenkontrastmikros- strom fließt. Rastert man nun die Probe wie beim
kopie soll hier nur insoweit erwähnt werden, als man Rasterelektronenmikroskop und regelt den Abstand
hier bei völlig durchsichtigen Strukturen der Dicke d der Sonde auf konstanten Tunnelstrom, so kann man
mit dem Brechungsindex nc nur noch die Phasenver- aus der Variation dieser Regelspannung Strukturen
schiebungen nutzen kann, die durch den Gangunter- von der Größe der Atome »sichtbar« machen.
schied (n–nc)ud gegenüber der ungestörten Welle zu-
stande kommen. Merke
Mithilfe der Elektronen- und Rastertunnelmikros-
Merke kopie lassen sich Strukturen atomarer Dimensionen
Vergrößerung der Lupe und des Okluars: auflösen.
VL=s0/fL bis VL=s0/fL+1;
Vergrößerung des Mikroskops: V=t/fOBus0/fL
Konventionelle Tubuslänge t=18 cm;
Bezugssehweite s0=25 cm.

7.4.5 Röntgen-, UV- und Elektronen-


mikroskope

Im Prinzip könnte man durch die wesentlich kürzeren


Wellenlängen von UV- oder Röntgenlicht höher auflö-
sende Mikroskope bauen. Dem steht allerdings ent-
gegen, dass UV-Licht zu kürzeren Wellenlängen hin
Physik
133 8

8 Ionisierende Strahlung

Mind Map
Im Jahr 1896 entdeckte Henri Becquerel die Radio- uranylsulfat lag. 110 Jahre danach kann man geringste
aktivität von Uran mit den damals rätselhaften α-, β- Spuren ionisierender Strahlung nachweisen, wobei dies
und γ-Strahlen. Die Aufklärung der Natur dieser Strah- in der Dosimetrie heute immer noch über die Schwär-
len erschloss in den Folgejahren neue Gebiete, die zung von Filmmaterial funktioniert. In der Röntgendia-
Atom-, Kern- und Elementarteilchenphysik. Die Ra- gnostik hingegen wird der Film mehr und mehr durch
dioaktivität verschiedenster Substanzen ermöglicht digitale Aufzeichnung ersetzt.
heute eine Vielzahl von Detektionsverfahren wie z. B. In der Medizin muss bei allen Anwendungen von
die Szintigraphie. ionisierenden Strahlen immer der Kompromiss zwi-
Im Jahr 1895 entdeckte Wilhelm Konrad Röntgen schen Nutzen und Schaden gesucht werden. Dies gilt
die im deutschen Sprachraum nach ihm benannte für Patienten, aber natürlich auch für das medizinische
Röntgenstrahlen. Sie sind seitdem unentbehrliches Personal. Für den persönlichen Strahlenschutz (und
Hilfsmittel der medizinischen Diagnostik und Therapie. für die Prüfung) ist es wichtig zu wissen, dass die Dosis-
Die Radioaktivität wurde von Becquerel durch die leistung um den Faktor 4 abnimmt, wenn man den Ab-
Schwärzung einer in einer Schublade lichtdicht ein- stand zur Strahlungsquelle verdoppelt.
gepackten Photoplatte entdeckt, auf der Kalium-
134 Kapitel 8 · Ionisierende Strahlung

8.1 Radioaktivität

8.1.1 Radioaktives Zerfallsgesetz

Beim α-, β- und γ-Zerfall (s. u.) zerfallen instabile


Atome (genau genommen Atomkerne oder kurz Kerne)
spontan in stabile oder wiederum radioaktive Atome.
Betrachtet man viele Atome derselben Art, so findet
Physik

man charakteristische Zeiten, in denen im Mittel ein


bestimmter Bruchteil zerfallen bzw. noch nicht zerfal-
len ist. Am gebräuchlichsten ist die Angabe der Halb-
wertszeit T1/2, die Zeit, nach welcher die Hälfte der
Atome zerfallen bzw. noch vorhanden ist. Die genann-
ten Zerfallsprozesse sind durch äußere Einwirkungen
(Temperatur, Druck, chemische Umgebung) praktisch
nicht zu beeinflussen.
Um den Kernzerfall mathematisch zu beschreiben,
ist wichtig zu wissen, dass jedes Atom eines radioakti-
ven Isotops eine charakteristische Zerfallswahrschein-
lichkeit λ hat, pro Zeiteinheit zu zerfallen. Sind N(t)
Atome zur Zeit t vorhanden, so gibt die Aktivität A(t)
an, wie viele Zerfälle pro Zeiteinheit zu erwarten sind.
Es gilt dann natürlich:
A(t)=λⴛN(t), wobei die Abnahme pro Zeit –dN(t)/
dt=A(t) ist. . Abb. 8.1. Radioaktiver Zerfall von 222Rn: Näheres im Text.
Die Stärke der Aktivität wird in der Einheit Becquerel (Harten 2006)
[Bq] ausgedrückt (1 Bq=1 s–1). Durch den Zerfall ver-
ringert sich die Zahl der radioaktiven Kerne N(t) mit
der Zeit. Diese Abnahme beschreibt das radioaktive Der Anteil der bereits zerfallenen Kerne beläuft sich
Zerfallsgesetz durch Lösung der Differenzialgleichung entsprechend auf {1–(½)k}.
–dN(t)/dt=λuN(t) mit dem Ergebnis formal gleich der Misst man mit einem Detektor in einer bestimmten
Lösung in 7 Kapitel 5.6.4: Messzeit ND Zerfälle, so ist die statistische Unsicher-
N(t)=N(0)ⴛexp(–λⴛt). Dabei ist N(0) die Zahl der heit aufgrund der Zufälligkeit der Ereignisse in guter
vorhandenen Atome/Kerne zur Zeit t=0. Näherung ΔND=±√ND. Die relative Genauigkeit der
Nach der so genannten mittleren Zerfallszeit τ=1/ Messung in Prozent beträgt ΔND/ND=±100/√ND%,
λ ist nur noch der Bruchteil e–1=1/e≈0,37 von ursprüng- z. B. 4% bei N=625.
lich N(0) Atomen vorhanden. Die oben bereits erläu-
terte Halbwertszeit berechnet sich dann zu Merke
Aktivität A(t)=λⴛN(t), λ=Zerfallswahrscheinlich
T1/2=ln2/λ≈ 0,7/λ ≈ 0,7τ. keit eines Kerns pro Zeiteinheit.
Mittlere Lebensdauer τ=1/λ.
Die . Abbildung 8.1 zeigt die Zeitabhängigkeit des ra- Halbwertszeit T1/2=ln2/λ≈0,7/λ=0,7τ.
dioaktiven Zerfalls von 222Rn in linearer (o.) und loga- Nach k Halbwertszeiten ist von anfänglicher
rithmischer (u.) Auftragung. Die grafische Auftragung Aktivität und Zahl der Atome noch der Bruchteil
bestätigt die Halbwertszeit von 3,825 und die mittlere ½k vorhanden.
Zerfallszeit von 5,518 Tagen.
Muss man die Zahl der noch nicht zerfallenen oder
die Zahl der zerfallenen Kerne oder die Aktivität nach
einer bestimmten Zeit t ohne Rechner abschätzen, so 8.1.2 α-Zerfall
drückt man diese Zeit durch die Zahl k der in t ver-
gangenen Halbwertszeiten T1/2 aus. Die anfängliche Beim radioaktiven α-Zerfall wird aus einem Atomkern
Aktivität ist dann ebenso wie die Zahl der noch nicht ein Heliumkern 24 He ++ von einigen MeV Energie aus-
zerfallenen Kerne auf den Bruchteil (½)k abgefallen. gestoßen, es entsteht nach NA Z Æ NA --42 (Z - 2) + 24 He ein
8.1 · Radioaktivität
135 8

Folgekern mit der Massenzahl A-4 (. Tab. 8.1). Der 8.1.4 γ-Zerfall
α-Zerfall tritt im Allgemeinen nur bei sehr schweren
Kernen auf, wo die Coulomb-Abstoßung der Protonen Ebenso wie Elektronen in der Atomhülle können sich
immer größer wird und die besonders fest gebun- auch Protonen und Neutronen im Kern in langlebigen,
denen α-Teilchen den Kern eigentlich spontan verlas- diskreten Anregungszuständen, in so genannten isome-
sen könnten, wenn sie nicht durch einen hohen, ab- ren Zuständen, befinden. Durch spontane Emission
stoßenden Potenzialwall daran sehr stark gehindert von diskreter elektromagnetischer Strahlung in Form
würden. von γ-Quanten gehen diese Kerne dann in tiefer liegen-
Alle langlebigen, natürlich vorkommenden Isotope de Zustände oder den Grundzustand des Kerns über.
mit A>209 sind α-Emitter, z. B. 232Th (T1/2=14u109 Jahre), Dabei ändert sich weder die Zahl der Protonen und
238U (4,5u109 Jahre) und viele der Folgekerne aus ihren Neutronen im Kern noch die Massenzahl! Typische
Zerfallsketten, darunter 226Ra (1600 Jahre). γ-Quantenenergien liegen im Bereich von 10 keV bis
zu einigen MeV.
KLINIK
Aus 226Ra lassen sich wegen seiner »kurzen« Halb- KLINIK
wertszeit hochaktive Präparate für medizinische Bei der Szintigraphie beispielsweise der Schild-
Therapien herstellen. drüse macht man sich diesen Zerfall zunutze. Das
eingesetzte 99m-Tc-Pertechnetat wird von der
Schilddrüse wie Jod aufgenommen und ist in Re-
gionen mit hoher hormoneller Aktivität in hoher
8.1.3 β-Zerfall Konzentration vorhanden. Es ist ein reiner γ-Strah-
ler und dieser Zerfall lässt sich detektieren und
Der β-Zerfall von Kernen wird durch die in 7 Kapi- quantitativ auswerten.
tel 3.1.3 diskutierte schwache Wechselwirkung verur-
sacht. Dabei geht ein Kern durch Emission eines Elek-
trons (β−-Zerfall eines Neutrons im Kern) oder Posi-
trons (β+-Zerfall eines Protons im Kern) in einen 8.1.5 Paarbildung und Paarvernichtung
Nachbarkern gleicher Massenzahl A über mit
Wechselwirkt ein hochenergetisches Photon mit einem
A
NZ Æ A
N -1( Z + 1) beim β−-Zerfall oder Kern oder Elektron als Rückstoßpartner, so kann ein
A
NZ Æ A
N +1( Z - 1) beim β+-Zerfall. Elektron-Positron-Paar erzeugt werden. Die Schwelle
liegt nach der berühmten Formel von Einstein E=muc2
Da es sich dabei um einen Dreikörperzerfall handelt bei Eγ=2meⴛc2, d. h. bei 1022 keV. Die Wahrschein-
(β±-Teilchen, Neutrino/Antineutrino und Restkern), lichkeit für diesen Prozess ist proportional zu Z2 der
sind die β+-Energien nicht diskret, sondern kontinuier- durchstrahlten Materie und spielt nur für sehr hoch-
lich verteilt. energetische Photonen eine starke Rolle.
Die schwache Wechselwirkung ist auch für den Die bei β+-Zerfall oder Paarbildung durch γ-Quan-
K-Einfangprozess verantwortlich, wo sich ein Proton ten erzeugten Positronen werden in Materie auf
des Kerns mit einem Hüllenelektron vereinigt und zu Geschwindigkeit null abgebremst. Sie existieren aller-
einem Neutron wird unter Aussendung eines Neutrinos dings nur Bruchteile von Nanosekunden, da sie durch
(7 Kap. 3.1.3). Diese Variante des β+-Zerfalls kommt Einfang eines Elektrons in zwei genau entgegen-
stark zum Tragen, wenn die Energie für die Positron- gesetzt auseinander fliegende γ-Quanten von 511 keV
emission nicht ausreicht. zerstrahlen. Dies ist der inverse Prozess zur Paarbil-
Das natürlich vorkommende Isotop 40K zeigt alle dung.
3 erwähnten β-Zerfallsarten und wandelt sich mit einer
Halbwertszeit von 1,28u109 Jahren in 40Ca und 40Ar KLINIK
um. Es kommt auch im Körper des Menschen vor und Der gleichzeitige Nachweis beider γ-Quanten wird
verrät sich durch eine durchdringende 1,46 MeV beim Positronenemissions-Tomographen (PET)
γ-Strahlung aus dem ersten angeregten Zustand in 40Ar. in der Medizin benutzt, um z. B. die genauen Zen-
Die durch die kosmische Höhenstrahlung ständig tren hoher Gehirnaktivität festzustellen, da sich an
gebildeten Isotope des Kohlenstoffs (14C) und Wasser- diesen Stellen die ins Blut injizierten radioaktiven
stoffs (3H=Tritium) sind dagegen nur schwer nachzu- β+-Präparate besonders stark anreichern.
weisen.
136 Kapitel 8 · Ionisierende Strahlung

Wärme muss durch Kühlung mit destilliertem Wasser


. Tab. 8.1. Zerfallsarten
oder mit Öl abgeführt werden.
Zerfallsart Emission ΔZ ΔN ΔA
α-Zerfall 4He++ –2 –2 –4
8.2.2 Spektrum der Röntgenstrahlung
β–-Zerfall Elektron, n +1 –1 0
β+-Zerfall Positron, ν –1 +1 0 Bremsstrahlung
K-Einfang nur Neutrino ν –1 +1 0 Durch die Elektronen und Atomkerne des Anoden-
Physik

γ-Zerfall γ-Quant 0 0 0 materials werden die Strahlelektronen stark abgelenkt.


Dabei strahlen sie so genannte Bremsstrahlung in Form
eines kontinuierlichen elektromagnetischen Spek-
trums aus, das bei einer minimalen Grenzwellenlänge
Merke endet. Diese berechnet sich nach der in 7 Kapitel 3.1.4
Paarbildung: γ-QuantoElektron-Positron-Paar. angegebenen Formel, wenn man als maximale Energie
Paarvernichtung: Elektron-Positron-Paaro2 eines Röntgenquants eUAnode einsetzt:
γ-Quanten.
hc 1, 24 ¥ 10 -6
l= = m.
eU Anode U Anode

8.2 Röntgenstrahlung Charakteristische Röntgenstrahlung


Die Elektronen der Atome des Anodenmaterials befin-
8.2.1 Erzeugung von Röntgenstrahlung den sich in verschiedenen Bindungsenergiezuständen
(Schalen), charakterisiert durch die Hauptquantenzahl n
Röntgenstrahlung wird in hochevakuierten Röntgen- (7 Kap. 3.1.4). Beim Aufprall der Elektronen auf die
röhren (. Abb. 8.2) erzeugt, die ähnlich aufgebaut sind Anode werden auch Elektronen aus den inneren Scha-
wie Oszillographenröhren. Allerdings dient statt des len mit n=1, und 2 herausgeschlagen. Auf die dann frei
Bildschirms eine hitzebeständige Schwermetallplatte gewordenen Plätze (Pauli-Prinzip) springen schwächer
(meist aus Wolfram) als Anode. Auf sie prallt ein von gebundene Elektronen äußerer Schalen und strahlen
einem Heizdraht ausgehender, durch den so genannten dabei die Energiedifferenz ECh in Form der so genann-
Wehneltzylinder fokussierter Elektronenstrahl und er- ten charakteristischen Röntgenstrahlung ab, die stark
zeugt dabei die aus zwei Komponenten bestehende von der Ordnungszahl Z des Materials abhängt.
Röntgenstrahlung (7 Kap. 8.2.2). Die bei der Abbrem- Für Übergänge von der L- zur K-Schale erhält man
sung des Elektronenstrahls in der Anode abgegebene die zugehörigen Energien der γ-Quanten:

ECh=En=2–En=1=–13,6ⴛZ2ⴛ(½2–1) eV=10,2ⴛZ2 eV.

Die Übergänge von der L(n=2)- und M(n=3)-Schale


zur K(n=1)-Schale treten als die so genannten kα- und
kß-Linien im Spektrum auf. Entsprechend gibt es
Übergänge von höheren Schalen zur L-Schale (L-Li-
nien), allerdings bei viel niedrigeren Energien. Durch
die Messung der Intensitäten der charakteristischen
Röntgenstrahlung, die von Material ausgeht, das mit
ionisierenden Strahlen beschossen wird, kann man des-
sen Elementzusammensetzung bestimmen (Röntgen-
fluoreszenzmethode).

8.2.3 Strahlungsleistung
von Röntgenröhren
. Abb. 8.2. Aufbau und Schaltung einer Röntgenröhre,
schematisch. UH ist die Heizspannung der Glühkathode, Nur grob etwa 1% oder weniger der Leistung einer
U die Anodenspannung. Näheres im Text. (Harten 2006) Röntgenröhre wird in Form von Röntgenstrahlung
8.3 · Nachweis ionisierender Strahlen
137 8

emittiert. Der gesuchte Bruchteil R lässt sich abschätzen 8.3 Nachweis ionisierender Strahlen
nach
8.3.1 Strahlungsdetektoren
R=PRöntgen/(IAuUA)≈10–9uZuUA.
Elektronischer Nachweis
Für z. B. Wolfram als Anode (Z=74) und eine Anoden- In 7 Kapitel 5.7.3 wurden bereits zwei Nachweisgeräte
spannung von 100.000 V ist R=0,0074 bzw. R=0,74%. vorgestellt: Ionisationskammer und Geiger-Müller-
Die Strahlungsleistung PRöntgen ist demnach proportio- Auslösezählrohr. Kennt man das aktive Volumen, die
nal zum Heizstrom der Kathode, die ja den Anoden- Füllung und das Ansprechvermögen dieser Detektoren
strom steuert, aber proportional zur Anodenspannung für bestimmte Strahlungsarten, kann man insbesonde-
im Quadrat. re bei der Ionisationskammer quantitativ auf die Ionen-
dosisleistung der Strahlung (7 Kap. 8.3.2) schließen.
Weiß man, welche Energie notwendig ist, um im Mittel
8.2.4 Bildentstehung im durchstrahlten Medium ein Ionenpaar zu erzeugen,
bei Röntgenaufnahmen lässt sich auch die Energiedosisleistung angeben.
Einen direkteren Nachweis der Energie bzw. des
Röntgenstrahlung durchdringt Materie praktisch ge- Energieverlusts einer Strahlung erlaubt das Propor-
radlinig (Brechungsindex n≈1,0). Bei medizinischen tionalzählrohr. Es wird bei geringerer Spannung
Röntgenaufnahmen schwärzt das von einer möglichst als das Auslösezählrohr betrieben, sodass ein zur
punktförmigen (!) Quelle ausgehende Strahlenbündel anfänglichen Zahl der gebildeten Ionen und damit zur
den Röntgenfilm nach Durchgang durch den zu unter- Energie proportionales Signal am Widerstand der
suchenden Körper. Die Aufnahmetechnik ist die einer . Abb. 5.15 abgegeben wird. Noch schärfere Energie-
Zentralprojektion (Schattenwurf), wobei die hohe signale geben die ladungsträgerfreien Zonen von
Z4- bis Z5-Abhängigkeit des Photoeffekts für starke Halbleiterdetektoren aus Silizium oder Germanium
Kontraste sorgt, insbesondere bei der Aufnahme von ab, wo für ein Elektron-Elektron-Lochpaar etwa nur
Knochengewebe, da Calcium mit Z=20 im Vergleich zu ein Zehntel der Energie aufgewendet werden muss, die
Z=8 und Z=6 für Sauerstoff bzw. Kohlenstoff, die im für ein Ionenpaar im Zählgas der zuvor genannten
Weichteilgewebe dominieren, sehr viel stärker absor- Gasdetektoren notwendig ist. Denn die Statistik der
biert. primär erzeugten Ladungsträger ist für die Energieauf-
Die Anodenspannung richtet sich v. a. nach der lösung verantwortlich!
verlangten »Härte« der Strahlung, die für optimalen Während die Zeitauflösung der bisher betrachteten
Kontrast von den Absorptionseigenschaften der zu Detektoren im Bereich von 1 μs liegt, was Zählraten bis
durchstrahlenden Schicht abhängt. Anodenstrom und einige 104/s erlaubt, kann man durch die Aufnahme
Bestrahlungszeit werden dann so eingestellt, dass der von Lichtblitzen, die ionisierende Strahlen in flüssigen
Röntgenfilm genügend belichtet und die Aufnahme oder festen Szintillatorsubstanzen auslösen, bis unter
nicht verwackelt wird. 1 ns kommen, und damit Zählraten bis über 107/s ver-
Bei der Computertomographie nimmt man mit kraften.
einem Nadelstrahl die durchgelassene Intensität hinter Wichtige Szintillatormaterialien sind NaI, CsI
dem zu untersuchenden Körperteil mit einem Detektor und BaF2. Von den erzeugten Photonen treffen einige
auf und tastet so eine Schnittebene von der Dicke des (n) auf die lichtempfindliche Photokathode eines Se-
Nadelstrahls unter verschiedenen Aufnahmerichtungen kundärelektronenvervielfachers, wo sie durch Photo-
ab. Dann geht man zur benachbarten Ebene über usw. effekt je ein Elektron herausschlagen. Jedes dieser Elek-
Aus den Punkt für Punkt abgespeicherten Intensitäten tronen wird nun im Vakuum durch eine positive Span-
lassen sich dann mithilfe geeigneter Computerpro- nung von 100 bis 200 V auf eine spezielle Elektrode
gramme Schnittbilder des Körperinneren erzeugen. (Dynode) beschleunigt, wo es k≈2‒4 Sekundärelek-
tronen herausschlägt. Diese werden auf eine weitere
Merke Dynode beschleunigt, jedes löst wiederum k Elektro-
Röntgenaufnahmen basieren auf Zentralprojek- nen aus, und dieses Spiel wiederholt sich bis zu 12-mal,
tion des durchstrahlten Objekts. Der Film sollte sodass im Beispiel die Anode schließlich durch den
sich möglichst direkt hinter dem Objekt befinden, Stromimpuls von nuk12 Elektronen einen deutlichen
um die Vergrößerung zu minimieren und um Spannungseinbruch erleidet. Dieser kräftige Span-
höchste Bildschärfe zu erzielen. nungsimpuls ist proportional zur Zahl der Elektronen
und damit zu n bzw. zur Energie des einfallenden Teil-
138 Kapitel 8 · Ionisierende Strahlung

chens oder γ-Quants und kann durch die nachfolgende 4 für Protonen und Neutronen variieren die Bewer-
Elektronik leicht verarbeitet werden. tungsfaktoren q je nach Energie zwischen 2 und 10,
und
Nichtelektronischer Nachweis 4 für Elektronen, Positronen, Röntgen- und γ-Strah-
Ionisierende Strahlung erzeugt in Photoemulsionen lung ist der Bewertungsfaktor q=1.
auf ähnliche Weise latente Bilder wie normales Licht.
Durch die nachfolgende Entwicklung werden die getrof- Häufig stößt man noch auf die frühere Dosiseinheit
fenen Silberhologenidkörner geschwärzt. Die Schwär- »Rad« sowie die biologisch wirksame Einheit »Rem«
Physik

zung kann durch so genannte Densitometer (Photo- (röntgen equivalent men). Entsprechend gilt: 1 Rad=
meter) quantitativ bestimmt und so die Stärke der Strah- 1 rd=0,01 Gy; 1 Rem=1 rem=0,01 Sv.
lung auch über lange Zeiten aufsummiert gemessen Die Einheit der Ionendosis ist das »Röntgen«. Es
werden. Da ionisierende Strahlungen meist viel schwä- gilt für trockene Luft: 1 Röntgen=1 R=2,58u10–4 As/kg,
cher als Licht absorbiert wird, benutzt man spezielle wobei 1 R der Energiedosis von ≈1 Gy entspricht.
Techniken, wie dickere Schichten oder Lumineszenz- Unter der Dosisleistung PE versteht man die Do-
folien, um die Wirkung zu erhöhen. Um die nicht ioni- sis/Zeit. Die natürliche mittlere Strahlenbelastung ist
sierenden Neutronen nachzuweisen, setzt man den z. B. in Deutschland PE=1 mSv/a (a= annus = Jahr). Die
Emulsionen Lithium- oder Borverbindungen zu, in zusätzliche mittlere Strahlenbelastung durch die Me-
denen Neutronen über Kernreaktionen α-Teilchen aus- dizin beträgt ≈1,5 mSv/a. Eine Dosisleistung von
lösen. Für Röntgenaufnahmen und Filmdosimeter stellt PE=50 mSv/a=5 rem/a entspricht der maximal zuläs-
die Industrie spezielle Filme her. sigen Belastung strahlenüberwachter Personen. Um die
Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten, be-
folgt man am besten das ALARA-Prinzip (as low as
8.3.2 Dosimetrie reasonably achievable).

Röntgenstrahlung wird wie die bereits in 7 Kapitel 8.1.4 KLINIK


besprochene γ-Strahlung durch Photo- und Compton- Die Intensität der Strahlung einer punktförmigen
effekt in statistischen Einzelprozessen absorbiert oder Quelle nimmt mit dem Quadrat des Abstands ab.
gestreut (7 Kap. 8.4.1). Die dabei entstehenden Elektro- Das heißt: verdoppelt sich der Abstand, so sinkt die
nen ionisieren Gase und erzeugen bei ihrer Abbrem- Dosisleistung um den Faktor 4! Zur Auswertung
sung freie Radikale in Flüssigkeiten und biologischem der Strahlenbelastung des Personals radiologischer
Gewebe. Dasselbe gilt für Elektronen- und Positronen- Abteilungen ist z. B. Ärzten vorgeschrieben, ein
strahlen aus dem β-Zerfall. Filmdosimeter am Körper zu tragen.
Andere geladene Teilchenstrahlen, wie Protonen,
α-Teilchen und schwere Ionen, verlieren ihre Energie in
Materie auf noch kürzerem Wege und verursachen in Merke
der jeweils durchquerten Körperzelle aufgrund der viel Energiedosis DW=W/m [Gy].
höheren Ionisationsdichte eine wesentliche größere Äquivalentdosis DE=quDW [Sv].
biologische Schädigung als Elektronen. Die zelleigenen Bewertungsfaktor q=1 für Elektronen, Positro-
Reparaturmechanismen greifen dann häufig nicht nen, Röntgen- und γ-Strahlung, q=2-10 für Neu-
mehr, die Zelle stirbt ab oder entartet. Dieser Umstand tronen und Protonen, q=20 für α-Strahlen.
wird durch die relative biologische Wirksamkeit der Die Dosisleisung ist umgekehrt proportional
Strahlung mittels des RBW-Faktors q berücksichtigt. zum Quadrat des Abstandes von der punktför-
Als Energiedosis DW bezeichnet man die von migen Strahlungsquelle.
einem bestrahlten Körper absorbierte Energie W pro
Masse m: DW=W/m [Gy]. Die zugehörige SI-Einheit
Gray ist durch 1 Gray=1 Gy=1 J/kg definiert.
Die Äquivalentdosis DE berücksichtigt die oben
erwähnte relative biologische Wirksamkeit der Strah-
lung mittels des RBW-Faktors q, sie wird in der Einheit
Sievert [Sv] gemessen: DE=qⴛDW [Sv].
Die RBW-Faktoren sind unterschiedlich:
4 Für z. B. α-Strahlen und schwere Ionen gilt ein Fak-
tor q=20,
8.4 · Strahlenwirkungen
139 8
8.4 Strahlenwirkungen 8.4.2 Wechselwirkung energiereicher
geladener Teilchen mit Materie
8.4.1 Wechselwirkung energiereicher
Photonen mit Materie Das Ionisationsvermögen von Ionen durch Stöße mit
Elektronen der durchstrahlten Materie ist proportional
Absorption von Röntgen- und γ-Strahlung zum Quadrat ihrer Ladungszahl und in etwa umge-
Die Intensität beider Strahlen wird beim Durchgang kehrt proportional zur ihrer Geschwindigkeit. Sie schä-
durch Materie analog dem Gesetz von Lambert-Beer digen daher durchstrahltes Gewebe hauptsächlich am
geschwächt. Der Vorgang ist wie der radioaktive Zer- Ende ihrer Reichweite und sind daher zur gezielten Be-
fall ein statistischer: es gibt also eine Wahrscheinlich- handlung tief liegender Tumore besonders geeignet. In
keit μ pro cm Schichtdicke eines bestimmten Materials, der Tat sind zurzeit aufwändige Protonenbeschleuniger
dass ein Photon absorbiert wird (Schwächungsko- für diese Zwecke im Bau.
effizient μ [cm-1]). Die Intensität I(x) nimmt deshalb α-Teilchen aus dem radioaktiven Zerfall verlieren
exponenziell mit der durchstrahlten Schichtdicke x ab: so rasch ihre Energie, dass einige cm Luft oder ein Stück
I(x)=I(0)ⴛexp(-μ ⴛx). Papier genügen, um sie völlig abzubremsen. Wegen die-
Die entsprechende Halbwertsdicke D1/2, in der 50% ser kurzen Reichweite und der daraus resultierenden
aller einfallenden Photonen absorbiert werden, ist ge- hohen Ionisationsdichte im bestrahlten Gewebe wer-
geben durch D1/2=ln2/μ=0,7/μ. Entsprechend lassen k den α-Strahler in der Medizin zur gezielten Abtötung
Halbwertsdicken 100/2k% der einfallenden Strahlung von oberflächlichem Tumorgewebe eingesetzt (RBW-
noch durch und absorbieren 100u(1-½k)%. Zur Ab- Faktor q=20, 7 Kap. 8.3.2).
sorption von γ-Quanten tragen 3 verschiedene Prozesse β-Teilchen bzw. schnelle Elektronen aus dem radio-
bei: aktiven Zerfall werden wegen ihrer hohen Geschwin-
1. Photoeffekt. Beim Photoeffekt überträgt ein digkeit viel schwächer abgebremst als die ca. 8000fach
γ-Quant seine Energie vollständig auf ein Elektron schwereren α-Teilchen, aber viel stärker gestreut. Die
der Atomhülle, das im Allgemeinen aus dem Atom geringere Ionisationswahrscheinlichkeit von schnellen
herausgeschleudert wird. Die Wahrscheinlichkeit Teilchen erklärt sich durch die kürzere Zeit, die pro
für diesen Prozess ist proportional zu Z4 bis Z5, Wechselwirkung mit den Hüllenelektronen der Absor-
nimmt aber stark mit der Energie ~1/Eγ3 ab. beratome zur Verfügung steht. Die Reichweite von
2. Comptoneffekt. Beim Comptoneffekt verliert ein Elektronen und Positronen aus dem β-Zerfall liegt in
γ-Quant einen Teil seiner Energie durch einen Stoß der Größenordnung von mm in Körpergewebe. Da
mit einem praktisch freien Elektron der äußeren schnelle Elektronen auch Bremsstrahlung mit größerer
Hülle eines Atoms und ändert dabei seine Rich- Reichweite produzieren (7 Kap. 8.2.2) und stark gestreut
tung. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Prozess ist werden, sind sie für direkte Bestrahlungen weniger ge-
proportional zur Ordnungszahl Z des Absorbers eignet als die besser kollimierbare Gammastrahlung,
und nimmt 1/Eγ ab. die Elektronen aus Betatrons und Synchrotrons bei Ab-
3. Paarbildung. Die Absorption von γ-Quanten bremsung erzeugen.
durch die Produktion von Elektron-Positron-Paa-
ren ist nur bei hohen Energien möglich (7 Kap. 8.1.5)
und kommt für Röntgenstrahlung nicht in Be-
tracht.

Merke
Absorption von Röntgen- und γ-Strahlung: Absor-
bermaterial von k Halbwertsdicken D1/2=0,7/μ [cm]
lässt 100/2k% der einfallenden Intensität durch und
absorbiert 100u(1–½k)%. μ= Schwächungskoeffizient
[cm–1].
Chemie

1 Grundlagen – 142

2 Aufbau und Eigenschaften der Materie – 146

3 Stoffumwandlungen – 172

4 Kohlenhydrate – 188

5 Aminosäuren, Peptide, Proteine – 196

6 Fettsäuren, Lipide – 208

7 Nucleotide, Nucleinsäuren, Chromatin – 216

8 Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme – 222

9 Grundlagen der Thermodynamik


und Kinetik – 236
Chemie
143 1

1 Grundlagen

Mind Map
Materie ist eine von der Energie abgegrenzte stoff- Aggregatzuständen vor. Masse und Energie sind in-
liche Masse. Ein Raum, der frei von Materie ist, wird einander umwandelbar.
Vakuum genannt. Materie kommt in verschiedenen
144 Kapitel 1 · Grundlagen

1.1 Makroskopische Erscheinungs- Die durchschnittliche Molmasse der Luft beträgt 28,9.
formen der Materie Diese Zahl ist für die Interpretation von Druck- und
Volumenmessungen von Bedeutung.
Materie kann auf keinem Wege geschaffen oder ver- Bei einem flüssigen System können verschiedene
nichtet werden, sie kann aber verändert werden. Atome Phasen auftreten, falls die beteiligten Flüssigkeiten nicht
und Moleküle sind die Bausteine der Materie. Man un- oder nur begrenzt mischbar sind. Kleine Öltröpchen in
terscheidet zwischen festen, flüssigen und gasförmigen Wasser bilden ein zweiphasiges, heterogenes System.
Aggregatzuständen der Materie. Lösungen sind homogene Gemische verschiedener
Im festen Aggregatzustand besitzt Materie den Stoffe. Im engeren Sinne sind Lösungen flüssige Ge-
höchsten Ordnungsgrad. Es überwiegen die anziehen- mische verschiedener Komponenten, in denen die Part-
den Kräfte zwischen den Atomen bzw. Molekülen. Die ner molekular-dispers vorliegen. Abgesehen von den so
meisten Festkörper haben kristalline Struktur. Eine glei- genannten idealen Lösungen (zwischenmolekulare
che Substanz kann verschiedene kristalline Strukturen Kräfte aller beteiligten Komponenten sind gleich groß,
Chemie

ausbilden (z. B. Kohlenstoff als Diamant oder Graphit). was bei sehr großen Verdünnungen erreichbar ist)
Festkörper können auch amorphe Strukturen bilden. spielen die echten Lösungen die wichtigste Rolle. Von
Im flüssigen Aggregatzustand ist der Ordnungs- diesen echten Lösungen sind die kolloidal-dispersen
grad geringer. Die Atome und Moleküle sind aufgrund Lösungen und Emulsionen zu unterscheiden. Wichtige
der höheren Wärmebewegung nicht mehr an feste Typen von Lösungen sind:
Plätze im Gefüge gebunden. Die anziehenden Kräfte 4 Lösungen von Gasen in Gasen als homogene Ge-
zwischen den Atomen oder Molekülen sind jedoch mische (s. o.);
noch so stark, dass die Substanz ein begrenztes Volu- 4 Lösungen von Gasen in Flüssigkeiten; die Auflösung
men einnimmt und eine Oberfläche ausbildet. von Gasen in Flüssigkeiten wird als Absorption be-
Im gasförmigen Aggregatzustand ist die räumliche zeichnet. Die Löslichkeit des Gases (von Gasen) ist
Anordnung aufgehoben. Gase füllen den zur Verfügung proportional dem Gasdruck (Partialdruck) (Henry-
stehenden Raum aus. Die Eigenschaften der Substanz Dalton’sches Gesetz) (GK Physik, 7 Kap. 4.6.1). Die
werden durch die Wärmebewegung (Brown’sche Mole- Löslichkeit von Gasen in Wasser ist sehr unter-
kularbewegung) bestimmt. schiedlich. Je 1 l Wasser lösen sich bei Raumtempe-
Welchen Aggregatzustand ein Stoff einnimmt, ist ratur 0,88 l CO2, 0,023 l CO, 0,0311 l O2.
abhängig von: 4 Lösungen von Flüssigkeiten in Flüssigkeiten; Flüs-
4 seiner Art, sigkeiten können miteinander unbegrenzt misch-
4 der Temperatur und bar (Ethanol/Wasser), unvollständig mischbar
4 dem Druck (s. Zustandsdiagramme des Wassers). (Phenol/Wasser) oder nicht mischbar sein (Emul-
sionen).
Den Übergang vom festen in den flüssigen Aggregatzu- 4 Lösung vom festen Stoffen in Flüssigkeiten; dies ist
stand bezeichnet man als Schmelzen, den Übergang in der Natur in Verbindung mit Wasser der meist
vom flüssigen in den gasförmigen Zustand als Ver- verbreitete Lösungstyp. Die in wässriger Lösung
dampfen. Die Temperaturen, bei denen diese Über- befindlichen Ionen oder Moleküle umgeben sich
gänge bei einem Normaldruck von 101,3 kPascal statt- mit einer Wasserhülle (Hydratation, Hydrathülle).
finden, werden als Schmelz- bzw. Siedetemperatur be-
zeichnet. Beim entgegengesetzten Prozess spricht man Wenn man NaCl (Kochsalz) in Wasser auflöst, ist Was-
von Erstarren (Erstarrungspunkt) und Kondensieren ser das Lösemittel und NaCl das Gelöste. Unter Löslich-
(Kondensierungspunkt). keit versteht man die maximale Menge eines Stoffs, die
Phasen sind Zustandsformen von Stoffen. Eis, flüs- das Lösungsmittel bei einer bestimmten Temperatur
siges Wasser und Wasserdampf sind drei Phasen des aufnehmen kann. Die Löslichkeit eines Stoffs ist abhän-
Wassers. Ein gasförmiges System weist nur eine einzige gig von der Temperatur. Die Dichte von Lösungen mit
Gasphase auf, da sich Gase beliebig mischen (homo- der Konzentration des Gelösten zu, der Dampfdruck
genes System). Beispiel für eine homogene Gasphase ist und Schmelzpunkt ab. Dagegen steigen Siedepunkt
die Luft. Die uns umgebende Luft ist ein Gemisch ver- und osmotischer Druck an.
schiedener Gase: Emulsionen sind disperse Systeme von zwei oder
4 Sauerstoff (O2) = 21 Vol-%, mehreren miteinander nicht mischbaren Flüssigkeiten.
4 Stickstoff (N2) = 78 Vol-%, Die eine der flüssigen Phasen bildet das Dispersions-
4 Kohlendioxid (CO2) = 0,05 Vol-%, mittel (äußere, zusammenhängende Phase), in dem die
4 Edelgase (v. a. Argon) = 0,05 Vol-%. andere Phase (innere, disperse Phase) in Form von
1.1 · Makroskopische Erscheinungsformen der Materie
145 1

Tröpfchen verteilt ist. In Abhängigkeit von der Größe Aerosole sind kolloide Systeme aus Gasen mit darin
der dispergierten Teilchen unterscheidet man: verteilten kleinen festen oder flüssigen Teilchen (Durch-
4 Makro-Emulsionen (grob-dispers; Teilchendurch- messer 10–3–10–7 cm). Sind die dispergierten Teilchen
messer um 10–2 cm) und fest, bezeichnet man das System als Staub oder Rauch.
4 Mikro-Emulsionen (kolloid-dispers, Teilchen- Bei flüssigen Teilchen handelt es sich um Nebel. Das
durchmesser um 10–6 cm). bedeutendste natürliche Aerosol ist die Lufthülle der
Erde. Die physiologischen Wirkungen von Aerosolen
Die meisten Emulsionen besitzen jedoch eine unein- sind von der stofflichen Zusammensetzung und der
heitliche Teilchengröße, sie sind polydispers. Viele na- Teilchengröße abhängig. Das Einatmen und die Re-
türliche und technische Emulsionen bestehen aus Was- sorption über die Lunge von Aerosolpartikeln kann
ser und Ölen oder Fetten als nichtlösliche Phasen. In therapeutische und pathogene (toxische) Bedeutung
Abhängigkeit vom Mengenverhältnis der Phasen beste- haben. Sprays für die unterschiedlichsten Verwendun-
hen zwei Möglichkeiten der Verteilung: gen enthalten Aerosole.
4 Öl in Wasser-Emulsion (O/W), bei der Wasser die Festkörper können in so vielen Phasen vorkommen
äußere und Öl die innere Phase bildet (Milch, wie verschiedene Kristallformen auftreten. Phasenum-
Mayonnaise); wandlungen sind Übergänge wie Dampf-Flüssigkeit
4 Wasser in Öl-Emulsion (W/O), bei der Öl die äußere (Kondensation) und Kristallisation (flüssig-fest).
und Wasser die innere Phase bildet (Butter, Marga-
rine, Salben).

In einer Emulsion ist die Oberfläche der verteilten Flüs-


sigkeit erheblich vergrößert. Der Energieinhalt des Sys-
tems nimmt zu und die Stabilität ab. Demzufolge ist die
Entstehung einer Emulsion an die Zufuhr von Energie
gebunden (z. B. Mischung der Phasen durch Rühren,
Schütteln).

KLINIK
Von biologischer Bedeutung sind die Emulgierung
von Fetten im Dünndarm durch Gallensäuren und
der Transport von Lipiden im Blut (Lipoproteine).
In der Ernährung spielen Emulsionen wie Milch,
Butter, Mayonnaise, Margarine, Salatsoßen eine
wichtige Rolle. Als Kosmetika und Pharmazeutika
für Salbengrundlagen werden sowohl O/W- als
auch W/O-Emulsionen angewendet.
Chemie
147 2

2 Aufbau und Eigenschaften der Materie

Mind Map
Das Erkennen chemischer Zusammenhänge, wie und ihrer chemischen Bindungen erfordert einige ele-
Ablauf chemischer Reaktionen, Wertigkeit und Reak- mentare Kenntnisse über den Atombau und die Grund-
tivität von Elementen, Strukturen von Molekülen lagen des Periodensystems der Elemente.
148 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

2.1 Atome, Isotope, Periodensystem Kernladungszahl (Ordnungszahl), aber unterschied-


lichen Atommassen. Diese Elemente werden als Iso-
2.1.1 Begriffe tope bezeichnet. Reinelemente bestehen nur aus einem
Isotop, z. B. Co oder I. Künstlich hergestellte Isotope
Ein Atom ist die kleinste Baueinheit eines Elements. sind häufig radioaktiv, d. h. sie zerfallen unter Aussen-
Atome treten in ganzzahligen Verhältnissen zu Mole- dung von Strahlung in andere Elemente.
külen zusammen. Ein Molekül ist die kleinste Einheit Beispiel: Wasserstoff-Isotope 11H (Wasserstoff);
einer chemischen Verbindung. 2 H (Deuterium); 3 H (Tritium).
1 1
Die Atommasseeinheit wird auf 1/12 der Masse Die obere Zahl gibt die Anzahl von Protonen und
des Kohlenstoffatoms 12C, die 12 beträgt, bezogen. Die Neutronen an (Massezahl), die untere ist die Kernla-
Atommasseneinheit ist das Grammatom. Das Atomge- dungs- bzw. Ordnungszahl (=1 beim H und seinen Iso-
wicht ist die dimensionslose Angabe der Atommasse topen).
(relative Atommasse). Molmassen (molekulare Mas- Die Summe von Protonen und Neutronen wird als
Chemie

sen) von Verbindungen werden durch Addition der Nucleon zusammengefasst. Die Nucleonenzahl ist iden-
entsprechenden Atommassen erhalten. Ein Gramm- tisch mit der Massezahl eines Elements.
molekül wird auch als Mol bezeichnet und entspricht
der molaren Masse eines Moleküls. Das Molekularge- Merke
wicht ist eine dimensionslose Zahl der Molmasse (rela- Radioaktive Isotope senden Strahlung aus, deren
tive Molmasse). Aktivität in Zerfallsakten angegeben wird.
1 Grammatom bzw. 1 Mol enthalten 6,023u1023 Ato-  α-Strahlung ist die Abgabe von He2+-Kernen
me bzw. Moleküle (NL= Avogadro/Loschmidt’sche (2 He 2+ =D-Teilchen) mit geringer Tiefenwirkung;
4

Zahl). β-Strahlung, Elektronenstrahlung, besteht in


der Emittierung von Elektronen e– aus Neutronen
Merke des Atomkerns mit mäßiger Tiefenwirkung;
Eine NaCl-Lösung der Konzentration 0,05 mmol/ γ-Strahlung ist eine hochfrequente, energie-
l=5u10–5 mol/l enthält etwa 30u1018 Na+-Ionen reiche Röntgenstrahlung mit hoher Tiefenwirkung.
und 30u1018 Cl–-Ionen. Durch die Abgabe eines D-Teilchens geht ein
1 Mol eines idealen Gases hat bei 0°C und 1 Bar radioaktives Element in seiner Periode um 2 Stellen
ein Volumen von 22,4 l. nach links, die Ordnungszahl wird um 2 kleiner.
Durch Abgabe eines Elektrons aus einem Neutron
rückt ein radioaktives Element aufgrund des Zu-
gewinns eines Protons eine Stelle nach rechts der
2.1.2 Ordnungszahl, Kernladungszahl, Periode.
Massenzahl

Ein Atom besteht aus einem kleinen Kern und einer Die Atomhülle enthält die negativ geladenen Elektronen
größeren Hülle. Die wichtigsten Kernbausteine sind mit sehr geringer Masse. Die Anzahl von Protonen und
Protonen und Neutronen. Protonen sind positive La- Elektronen in einem Atom ist gleich. Elektronen kreisen
dungsträger. Neutronen verhalten sich elektrisch neu- in bestimmten Bahnen (Schalen) um den Kern.
tral. In den Protonen und Neutronen sind 99,8% der
Atommasse konzentriert. Die Masse von Protonen und
Neutronen ist etwa gleich. . Tab. 2.1. Schalen und Besetzung
Die Protonenzahl der Atome unterschiedlicher Ele-
mente ist verschieden. Daher ist die Protonenzahl der Schale Quanten- Anzahl der Name Gesamt
zahl (n) Elektronen
Atome (Elemente) eine charakteristische Größe. Sie wird
als Kernladungszahl bezeichnet und ist identisch mit K 1 2 s 2
der Ordnungszahl der Elemente im Periodensystem. L 2 2 s
6 p 8
M 3 2 s
2.1.3 Isotope
6 p
10 d 18
Die Anzahl der Neutronen in einem Element können
N usw.
verschieden sein. Daher gibt es Elemente mit gleicher
2.1 · Atome, Isotope, Periodensystem
149 2

zustand in angeregte Zustände). Die Rückkehr in den


. Tab. 2.2. Elektronenhülle ausgewählter Atome
Grundzustand ist mit einer Energiefreisetzung, z. B. als
Atom 1s 2s 3s Licht oder Fluoreszenz, verbunden.
1H 1s1 K-Schale
Ist abge-
2He 1s2
schlossen 2.1.4 Elemente, Moleküle
6C 1s2 2s2 2s2
Atome verbinden sich zu Molekülen. Sie gehen dazu
7N 1s2 2s2 2p3
verschiedene Bindungen ein.
8O 1s2 2s2 2p4
1s2 2s2 2p5 Merke
9F

Bei 10Ne1s22s2p6 wäre die L-Schale abgeschlossen Atome als Elementareinheiten der Materie verbin-
den sich zu Molekülen.

Der Aufbau der Elektronenhülle erfolgt in der Gesetz der konstanten Proportionen. Bei einer chemi-
Weise, dass die Zustände geringerer Elektronendichte schen Reaktion ist die Summe der Massen der Reak-
zuerst besetzt werden (z. B. K-, L-, M-Schale). Innerhalb tanden gleich der Summe der Massen der Endprodukte.
der Schalen gibt es unterschiedliche Energieniveaus der Das Massenverhältnis zweier sich zu einer chemischen
Elektronenverteilung (s, p, d usw.). Elektronen haben Verbindung vereinigender Elemente (Atome) zu Mole-
einen gegensätzlichen Drehsinn auf ihren Bahnen. külen ist konstant.
Die s-Bahnen können maximal 2, die p-Bahnen
maximal 6 Elektronen enthalten. Gesetz der multiplen Proportionen. Die Massenver-
Demzufolge lässt sich die Elektronenkonfigura- hältnisse zweier sich zu verschiedenen Verbindungen
tion von Wasserstoff- und Kohlenstoffatomen wie folgt vereinigender Elemente stehen zueinander im Verhält-
angeben: nis einfacher ganzer Zahlen.
1 1
1 H =1s , das bedeutet, die K-Schale ist mit einem
Elektron im s-Niveau besetzt;
12C =1s22s22p2 oder K2s22p2; das bedeutet, die
6
2.1.5 Periodensystem
K-Schale ist mit 2 Elektronen aufgefüllt, die 2s-Bahn
ebenfalls, aber das p-Niveau mit nur 2 von 6 möglichen Die Ordnungszahl bestimmt den Platz eines Elements
Elektronen (K bedeutet abgeschlossene K-Schale). im Periodensystem (PSE). Damit werden auch jedem
Der Aufbau der Elektronenhülle biologisch wich- Element die Elektronenzustände oder Elektronen-
tiger Atome lässt sich wie in . Tabelle 2.2 darstellen. konfigurationen zugeordnet. Wasserstoff hat die Ord-
Orbitale sind die wahrscheinlichsten Zustände nungszahl 1. Das Edelgas Helium (2He) besitzt 2 Pro-
eines Elektrons in seinen Schalen. Ein Orbital umfasst tonen und damit die Ordnungszahl 2. Die zweite
maximal 2 Elektronen. Periode beginnt mit dem Element Lithium (3Li). Die
Für den s-Zustand besitzt ein Orbital Kugelsym- Periode endet mit dem Edelgas Neon (10Ne).
metrie. Für den p-Zustand werden 3 gerichtete Orbi-
tale mit den Daten px, py und pz in einen dreidimensina- Perioden. Die Horizontalen der Tabelle heißen Perio-
len Raum projiziert. den. Es gibt 8 Hauptgruppen entsprechend der Anord-
Elektronen bestimmen nung von meist 8 Elementen in einer horizontalen Pe-
4 die Valenz, riode.
4 die Bildung chemischer Bindungen,
4 den Ablauf chemischer Reaktionen und Gruppen. Elemente mit verwandten chemischen und
4 die optischen Eigenschaften der Elemente. physikalischen Eigenschaften und vergleichbarer ho-
mologer Elektronenkonfiguration werden zu Gruppen
Die Valenz eines Atoms besagt, wie viel Elektronen zusammengefasst und senkrecht zu einander angeord-
aus der äußeren Schale abgegeben oder aufgenommen net. Die Elemente einer Gruppe besitzen die gleiche
werden müssen, um Edelgaskonfiguration (maximale Anzahl von Außenelektronen.
Elektronenzahl in der äußeren Schale) zu erreichen. Die am weitesten links stehenden Gruppen I bis III
Durch Aufnahme von Energie können Elektronen (Alkali-, Erdalkali-, Erdmetalle) sind die Metalle, die ihre
ihre Bahnen verlassen (Übergang von einem Grund- Außenelektronen leicht abgeben und Kationen bilden.
150 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

. Tab. 2.3. Periodensystem der Elemente

0 I II

1 0 1 2 1
Nn H He

0 I II III IV V VI VII VIII

2 2 3 4 5 6 7 8 9 10 2
He Li Be B C N O F Ne

3 10 11 12 13 14 15 16 17 18 3
Ne Na Mg Al Si P S Cl Ar
Chemie

4 18 19 20 31 32 33 34 35 36 4
Ar K Ca Ga Ge As Se Br Kr

5 36 37 38 49 50 51 52 53 54 5
Kr Rb Sr In Sn Sb Te J Xe

6 54 55 56 81 82 83 84 85 86 6
Xe Cs Ba Tl Pb Bi Po At Rn

7 86 87 88 7
Rn Fr Ra

0 I II III IV V VI VII VIII

Die Tabelle enthält nur die Hauptgruppen, die Nebengruppenelemente wurden weggelassen. Über den Elementsymbolen ist
die Ordnungszahl angegeben.
Die Gruppen 0 und VIII sind identisch.

In der I. Hauptgruppe sind die Alkalimetalle zu- aufnehmen und Anionen bilden. Ihre Elektronenaffi-
sammengefasst. Sie gehen leicht unter Abgabe eines nität ist hoch. Die in der VI. Hauptgruppe (Chalkogene)
Elektrons in einwertige Kationen über. Sie reagieren auftretenden Sauerstoff (O) und Schwefel (S) sind
z. T. heftig mit Wasser, Sauerstoff und Halogenen, z. B. Nichtmetalle.
Die Elemente der VII. Hauptgruppe (Salzbildner,
Na + H 2O Æ Na + + OH - + 1 /2 O2 Halogene), z. B. Chlor (Cl), Brom (Br) und Iod (I) tre-
ten in der Natur wegen ihrer hohen Reaktionsfähigkeit
Die Elemente der II. Hauptgruppe heißen Erdalkali- nur in Form ihrer Verbindungen auf.
metalle. Ihre Reaktion mit Wasser, Sauerstoff und Ha- Die am weitesten rechts stehende Gruppe VIII ist die
logenen ist ähnlich zu den Alkalimetallen, aber weniger der Edelgase, deren äußere Schale mit Elektronen voll
heftig. besetzt ist und die deshalb sehr reaktionsträge sind.
Die Elemente der III. Hauptgruppe sind abgesehen Die Hauptgruppenelemente I bis VIII werden von
von Bor (B) ebenfalls metallisch. den Nebengruppenelementen (Ib–VIIIb) unterschieden.
Für die Gruppe IV sind der Kohlenstoff (C) und der Alle Nebengruppenelemente sind Metalle.
Schwefel (S) repräsentativ. Die Elemente der IV. Haupt-
gruppe sind überwiegend Nichtmetalle. Merke
Die Gruppe V ist die Phosphorgruppe (P). Die in Die Ordnungszahl (= Kernladungszahl) bestimmt
der V. Hauptgruppe befindlichen Stickstoff (N) und den Platz eines Elements im PSE. Damit werden
Phosphor (P) sind Nichtmetalle. auch jedem Element die Elektronenzustände oder
Die Gruppen VI und VII sind die klassischen Nicht- 6
metalle (Chalkogene, Halogene), die Elektronen leicht
2.1 · Atome, Isotope, Periodensystem
151 2

Sauerstoffatome haben in der äußeren Schale 6 Elek-


Elektronenkonfigurationen zugeordnet. Ele- tronen, die sich unter Aufnahme von 2 Elektronen zur
mente mit verwandten chemischen und physika- Edelgaskonfiguration ergänzen. Zwei Elektronen der
lischen Eigenschaften und vergleichbarer homo- äußeren Schale sind ungepaart (einsame Elektronen)
loger Elektronenkonfiguration werden zu Gruppen und erklären die chemische Reaktivität des Sauerstoffs.
zusammengefasst und senkrecht zu einander an- Gasförmiger Sauerstoff liegt in Molekülform O2
geordnet. Die Elemente einer Gruppe besitzen die vor. Besonders reaktiv ist atomarer Sauerstoff (O). Die
gleiche Anzahl von Außenelektronen. Elektronegativität des Sauerstoffs ist sehr hoch und
Die Horizontalen der Tabelle heißen Perioden. wird nur noch durch das Halogen Fluor (F) (VII. Haupt-
Es gibt 8 Hauptgruppen und 8 Nebengruppen ent- gruppe) übertroffen.
sprechend der Anordnung von meist 8 Elementen Sauerstoff bildet Oxide mit Metallen. Weiterhin liegt
in einer horizontalen Periode. Allgemeine Folge- Sauerstoff in vielen Nichtmetalloxiden und organischen
rungen aus dem PSE sind bezogen auf die Haupt- Verbindungen kovalent gebunden vor. Nichtmetalloxide
gruppen: links stehen die ausgeprägten Metalle; bilden in wässriger Lösung Säuren, Metalloxide Basen.
rechts sind die Nichtmetalle angeordnet.
Metalle sind elektropositiv, Nichtmetalle SO3 + H 2O Æ HSO4 - + H +
elektronegativ. Die Nebengruppenelemente sind CaO + H 2O Æ Ca2 + + 2OH -
Metalle.
Ozon (O3) ist dreiatomiger Sauerstoff und entsteht bei
der Einwirkung atomaren O auf O2 unter Energie-
verbrauch, z. B. beim Betrieb von Höhensonnen und
2.1.6 Biochemisch wichtige Elemente Röntgengeräten. Ozon wirkt stark oxidierend und rei-
zend auf Schleimhäute durch Freisetzung atomaren O.
Natrium, Kalium, Magnesium und Calcium Wasserstoffperoxid (H2O2), Kovalenz zwischen 2
Natrium (11Na), Kalium (19K) gehören der I. Haupt- Sauerstoffatomen (H:O:O:H), führt zu einer stark oxi-
gruppe, Magnesium (12Mg) und Calcium (20Ca) der II. dierenden Verbindung von biologischer Bedeutung.
Hauptgruppe des PSE an. Na und K als Alkali- und Mg H2O2 zerfällt sehr leicht in Wasser und atomaren Sauer-
und Ca als Erdalkalimetalle besitzen gemeinsame Ei- stoff. Dadurch ist es ein Oxidationsmittel. Sein Zerfall
genschaften. Sie sind sehr reaktive Elemente. Sie geben wird durch Schwermetall-Ionen beschleunigt.
leicht ihre Außenelektronen ab (Na, K ein e–, Mg, Ca Anorganische Peroxide, z. B. Na2O2, sind von den
zwei e–) und bilden mit Säuren leicht Salze. Alkali- und Erdalkalimetallen bekannt. Sie sind Oxid-
anzien.
KLINIK Organische Peroxide sind u. a. die Hydroperoxide
Na+-Ionen sind die wichtigsten extrazellulären, und Persäuren.
K+-Ionen wichtige intrazelluläre Ionen. Ca2+- sowie Weitere reaktive Sauerstoffderivate mit oxidierender
Mg2+-Ionen spielen eine Rolle bei der intrazellu- Wirkung sind das Superoxidanion-Radikal O2–., wel-
lären Regulation von Stoffwechselprozessen. Mg2+ ches bei autoxidativen Prozessen und in der biologischen
bildet Komplexe mit ATP, Ca2+-Ionen sind Enzym- Oxidation entsteht sowie das Hydroxyl-Radikal OH*.
Aktivatoren und steuern die neuromuskuläre Er-
regbarkeit. Die anorganischen Bestandteile von O2 - + H 2O2 Æ OH - + OH * + O2
Knochen und Zähnen enthalten Ca-Phosphat-
Verbindungen. Diese Reaktion wir durch Fe- und Cu-Ionen beschleu-
nigt.

Sauerstoff, Schwefel und ihre Modifikationen Merke


Die Elemente Sauerstoff (8O) und Schwefel (16S) ge- In biologischen Systemen ist Sauerstoff selten
hören zur VI. Hauptgruppe des PSE, den Chalko- direkter Oxidationspartner. Die meisten Oxidations-
genen. reaktionen sind Dehydrierungen.
Sauerstoff (1. Element der VI. Hauptgruppe) ist das
häufigste Element der Erdoberfläche. Neben O2 gibt
es in der Atmosphäre noch das Ozon (O3). Sauerstoff Schwefel (S) zeigt mit Sauerstoff nur wenig Ähnlich-
ist ein farb- und geruchloses Gas, welches sich mit fast keit, obwohl er die gleiche Elektronenkonfiguration in
allen Elementen zu Oxiden verbinden kann. der äußeren Schale besitzt.
152 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

Neben Schwefelwasserstoff und die sich von ihm KLINIK


ableitenden Sulfiden sind die Schwefeloxide und die Die Sulfonamide, Amide der Sulfonsäuren, sind Che-
sich aus ihnen ergebenden Säuren sowie die Thioschwe- motherapeutika mit antibakteriellen Wirkungen.
felsäure wichtig.
Schwefelwasserstoff (H2S) ist ein hoch toxisches
Gas (giftiger als HCN = Blausäure). Im Alkalischen Stickstoff und Phosphor
kann es schrittweise 2 Protonen abgeben und in S2– Stickstoff (7N) und Phosphor (15P) sind Elemente der V.
übergehen. Hauptgruppe des PSE. Sie können durch Abgabe von
H2S bildet mit Schwermetallen schwer lösliche Sul- 5 Elektronen oder durch Aufnahme von 3 Elektronen in
fide, z. B. HgS, PbS, CuS. die äußere Schale die Edelgaskonfiguration erreichen.
Schwefeldioxid (SO2) entsteht bei der Verbren- Molekularer Stickstoff (N2) ist ein farb- und ge-
nung von elementarem Schwefel (S). ruchloses Gas. Es ist reaktionsträge, da hohe Energie-
Es ist das Anhydrid der schwefligen Säure: mengen aufgebracht werden müssen, um molekulares
Chemie

N2 in seine Atome zu spalten.


SO2 + H 2O Æ H 2SO3 Stickstoff gehört zu den elektronegativen Elemen-
ten und kann verschiedene Oxide bilden, von denen
Die Salze der schwefligen Säure sind die Hydrogensul- NO ein Gas mit wichtiger physiologischer Bedeutung
fite und Sulfite, z. B. NaHSO3 und Na2SO3. ist. NO und NO2 bilden die Säureanhydride der salpe-
Schwefeltrioxid (SO3) entsteht bei der Verbren- trigen (HNO2) und Salpetersäure (HNO3).
nung elementaren Schwefels sowie bei der katalytischen Außerdem kommen zahllose NH-haltige Verbin-
Oxidation von SO2. Es ist das Anhydrid der Schwefel- dungen in der Natur vor.
säure: Phosphor (P) tritt in mehreren Modifikationen auf
(weiß, rot, schwarz). Weißer P ist selbstentzündlich und
SO3 + H 2O Æ H 2SO4 sehr giftig. Er ist sehr reaktiv. Die anderen Modifikatio-
nen reagieren träger.
Schwefelsäure ist eine starke Mineralsäure. Ihre Salze Phosphor tritt infolge seiner Reaktionsfähigkeit nie
sind die Sulfate, z. B. Na2SO4. elementar, sondern in Form beständiger Phosphate auf.
Konzentrierte Schwefelsäure ist ein Oxidations-
mittel. Sie reagiert mit organischen Molekülen unter Stickstoffverbindungen
Wasserentzug und zerstört sie. Stickstoff (N2, 1. Element der V. Hauptgruppe) besteht
Thiosulfat (S2O32–) entsteht bei der Reaktion von aus den Isotopen 14N und 15N, wobei das erstgenannte
Schwefel mit Sulfiten: Isotop 200-mal häufiger vorkommt als das letztge-
nannte.
S + SO32 - Æ S2O32 - Die wichtigste Stickstoff-Wasserstoff-Verbindung ist
der Ammoniak (NH3). Infolge seiner hohen Verdamp-
Thioschwefelsäure ist unbeständig. Die Thiosulfate fungswärme findet NH3 Anwendung in der Kältetechnik.
spalten leicht S ab. Dadurch kann Cyanid CN– (das Säu- Wässrige NH3-Lösungen sind schwache Basen:
reanion der Blausäure) entgiftet werden:
NH 3 + H 2O Æ NH 4 + + OH -
2-
CN - + SO3 Æ SCN - (Thiocyanat ) + SO32 -
Chemisch sind Ammonium-Ionen (NH4+) den Alkali-
Na2S2O3 dient als Fixiersalz in der Fotografie, da die metallen, insbesondere dem Kalium (K), ähnlich.
Thiosulfat-Ionen mit Silberhalogeniden komplex bin- Ammonium-Ionen sind Brönstedt-Säuren. Sie spie-
den und sie löslich machen. len auch eine wichtige Rolle im Stoffwechsel der Orga-
Sulfonsäuren sind organische Derivate der Schwe- nismen.
felsäure mit dem Rest –SO3H als funktioneller Gruppe. Hydroxylamin (NH2OH) und Stickstoffwasser-
In den Sulfonsäuren ist das Schwefelatom direkt mit stoffsäure (H3N) sind weitere N–H-Verbindungen.
dem C-Atom eines organischen Rests verbunden. Man Hydroxylamin und seine Verbindungen sind Reduk-
unterscheidet aliphatische, aromatische und hetero- tionsmittel. Azide sind die Salze der H3N. Sie sind
zyklische Sulfonsäureverbindungen. Die Säurestärke Hemmer von Atmungsenzymen.
der Sulfonsäuren entspricht derjenigen von anorgani- Die Stickstoffoxide Distickstoffmonoxid (N2O),
schen Säuren. Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2)
sowie die von ihnen abgeleiteten Säuren salpetrige
2.1 · Atome, Isotope, Periodensystem
153 2

Säure (HNO2) und Salpetersäure (HNO3) sind hier zu HPO4 2 - Æ PO4 3 - + H +


nennen. (tertiäres Phosphat , pK a 3 = 12, 3)

KLINIK Demzufolge ist Phosphorsäure eine dreibasische Säure.


N2O, Lachgas, wird in der Narkosetechnik ange- Mischungen der K- und Na-Salze der primären und
wendet. Es ist bei Temperaturen um 37°C sehr reak- sekundären Phosphate stellen wichtige Puffersysteme im
tionsträge. NO ist ein Gas, welches erhebliche phy- pH-Bereich 6–8 in der experimentellen Medizin dar.
siologische Bedeutung als Vasorelaxans und Neuro- Phosphorsäure bildet unter Abspaltung von Wasser
transmitter hat. Polyphosphate (Diphosphosphorsäure H4P2O7, Tri-
phosphorsäure H5P3O10). Die entstandene P–O–P-
Brücke ist eine Säureanhydrid-Bindung. Nucleosid-
In Gegenwart von Sauerstoff wird NO sofort zu NO2 Triphosphate sind Polyphosphate, die in jeder Zelle
oxidiert. NO ist das Säureanhydrid für die salpetrige vorkommen und eine umfassende Stoffwechselbedeu-
Säure; NO2 das entsprechende Derivat für die Salpeter- tung haben (z. B. ATP).
säure Ca3(PO4)2 (Calciumphosphat) ist im Apatit Bestand-
teil der Hartsubstanzen von Knochen und Zähnen.
2NO + H 2O + 1/2 O2 Æ 2HNO2
2NO2 + H 2O + 1/2 O2 Æ 2HNO3 Fluor, Chlor und Iod (Halogene)
Physiologisch wichtige Vertreter der VII. Hauptgruppe
Die salpetrige Säure kann sowohl als Oxidations- als des PSE sind Fluor (9F), Chlor (17Cl) und Iod (53I). Sie
auch als Reduktionsmittel dienen. Die Salpetersäure ist werden Halogene genannt. Halogene besitzen 7 Außen-
eine starke Mineralsäure und ebenfalls ein Oxidations- elektronen und können unter Aufnahme eines Elek-
mittel. trons eine stabile Elektronenkonfiguration erreichen.
NO und NO2 besitzen ein einsames ungepaartes Durch Elektronenabgabe entstehen auch positive Halo-
Elektron in ihrer äußeren Schale. Solche Verbindungen genkationen.
sind sehr reaktionsfreudig, weil sie das Bestreben ha- Fluor ist das reaktionsfähigste chemische Element,
ben, das Elektron abzugeben, um Edelgaskonfiguration weil es eine hohe Elektronenaffinität besitzt. Es reagiert
zu erreichen. Man nennt sie Radikale. mit fast allen Elementen des PSE. Kovalente F-Verbin-
dungen sind sehr stabil. Fluor ist Bestandteil der anor-
KLINIK ganischen Knochen- und Zahnmatrix.
In der Medizin spielen solche Radikale, die sowohl Chlor, ein Gas als Cl2, ist sehr reaktionsfreudig. Es
oxidierend als auch reduzierend wirken können, reagiert mit fast allen Metallen, aber auch mit C, P und
eine wichtige Rolle. Viele Pathogenesemecha- N. In Form der Salzsäure (HCl, Hydrogenchlorid),
nismen von Krankheiten beruhen auf dem Wirken einer starken Säure, bildet es zahlreiche Salze, von
von Radikalen. denen NaCl (Koch- und Steinsalz) das bekannteste ist.
HCl wird auch von der Magenschleimhaut gebildet und
ist bei der Eiweißverdauung im Magen von Bedeutung.
Verbindungen des Phosphors Das Chlorid-Ion Cl– ist das wichtigste Anion in den
Die wichtigsten Wasserstoffverbindungen des Phos- extrazelluären Flüssigkeiten des Menschen.
phors sind Phosphin (PH3) und Diphosphin (P2H4), Von den Sauerstoffverbindungen des Chlors ist nur
die sehr giftig sind. die unterchlorige Säure (HClO) bzw. ihr Säureanion
P2O3 und P2O5 entstehen bei der Verbrennung von von physiologischer Signifikanz, weil sie im Stoffwech-
P. Sie sind die Anhydride der phosphorigen Säure sel von mononukleären Zellen gebildet werden kann,
(H3PO3) und der Phosphorsäure (H3PO4). oxidierend wirkt und bakterizide Eigenschaften hat.
Phosphorsäure als mittelstarke Säure dissoziiert Perchlorsäure (HClO4) ist ein gutes Eiweißfällungs-
schrittweise Protonen ab. Jeder Dissoziationsstufe kann mittel.
ein pKa-Wert zugeordnet werden, da sie mit der Hen-
derson-Hasselbalch-Gleichung quantifizierbar ist. KLINIK
In der Medizin spielt Iod als Spurenelement nur in
H 3 PO4 Æ H 2 PO4 - + H + kovalenter Bindung an die Schilddrüsenhormone
( primäres Phosphat, pK a1 = 2,1) Triiodthyronin und Tetraiodthyronin (Thyroxin)
H 2 PO4 - Æ HPO4 2 - + H + eine Rolle.
(sekundäres Phosphat, pK a2 = 7, 2)
154 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

I2 bildet mit Stärke eine blau gefärbte Einschlussverbin- Zink kommt in verschiedenen natürlichen Isoto-
dung (Stärkenachweis). pen vor. Es ist Bestandteil verschiedener Metalloenzy-
Einige chemische Verbindungen ähneln in ihrer me, wie der pankreatischen Carboxypeptidasen und
chemischen Reaktivität den Halogenen und werden des- einigen Matrixmetalloproteinasen. Zink bildet mit
halb als Pseudohalogene bezeichnet. Die Thiocyanate Insulin Komplexe.
(SCN–), auch Rhodanide genannt, sind nur als Salze Mangan ist Bestandteil von Enzymen, wie der
stabil. Sie sind gute Komplexbildner. Im Stoffwechsel Arginase. Es kommt als Bestandteil der Mn-Superoxid-
entstehen sie als Entgiftungsprodukte von CN–-Ionen dismutase in hohen Konzentrationen in den Mitochon-
mit Schwefel. drien vor.
Molybdän ist essenzieller Bestandteil einiger Flavin-
Edelgase enzyme, wie z. B. der Xanthinoxidase.
Helium (He), Neon (Ne), Argon (Ar), Krypton (Kr) Kobalt ist Bestandteil des Vitamins B12. Dieses
und Xenon (Xe) kommen neben dem radioaktiven Zer- spielt als Coenzym von Methylierungen und Isome-
Chemie

fallsprodukt Radon (Rn) in der Luft vor. Sie bilden die risierungen im Stoffwechsel eine wichtige Rolle. Kobalt
VIII. Hauptgruppe der Elemente im PSE und schließen gehört zu den wenigen reinen Elementen, die keine
jeweils eine Periode ab. Aufgrund ihrer aufgefüllten natürlichen Isotope haben.
äußeren Elektronenschale sind sie sehr reaktionsträge.
Trotzdem ist es gelungen, u. a. Halogenide und Oxide KLINIK
von ihnen herzustellen. H, O, C und N bilden 96% der Körpermasse des
Menschen. N, K, C, Mg, S, P und Cl machen etwa
Übergangselemente 3% aus, die Spurenelemente in ihrer Gesamtheit
Übergangselemente sind Nebengruppenelemente und weniger als 1%. Es gib etwa 12 Spurenelemente,
Metalle. Sie bilden Verbindungen über vorwiegend keines von ihnen hat einen Anteil von >0,01%.
koordinative Bindungen aus. Als Spurenelemente im
menschlichen Organismus haben sie eine erhebliche
biologische Bedeutung. Wichtige Spurenelemente sind
4 Chrom (24Cr, VI. Nebengruppe), 2.2 Chemische Bindungen
4 Molybdän (42Mo, VI. Nebengruppe),
4 Mangan (25Mn, VII. Nebengruppe), Die Theorie der chemischen Bindung erklärt, wodurch
4 Zink (30Zn, II. Nebengruppe), sich Atome zu Molekülen (chemischen Verbindungen)
4 Kobalt (27Co, VIII. Nebengruppe) und vereinen und warum diese stabil oder instabil sind.
4 Kupfer (29Cu, I. Nebengruppe).

Eisen (26Fe, VIII. Nebengruppe) mit einem Bestand von 2.2.1 Atombindung, Ionenbindung
3 g in einem 70 kg schweren Menschen ist ein Über-
gangselement zwischen Spuren- und Massenelementen, Atombindung
zu denen C, H, O, N, P, Cl, Na, K, Ca und Mg gehören. Die einfachste kovalente Bindung liegt im Wasserstoff-
molekül vor:
KLINIK
Eisen tritt in biologischen Systemen als Fe2+ und 2H Æ H 2
Fe3+ auf. Es ist das Zentralatom von Fe-Protoporphy-
rinkomplexen, die bei Elektronenübertragungen Dabei bringt jedes H-Atom sein Außenelektron in die
(Cytochrome) und beim O2-Transport (Hämoglobin, Bindung ein. Das gebildete Elektronenpaar ist beiden
Myoglobin) als prosthetische Gruppe von Proteinen Bindungspartnern gleichermaßen zugehörig, sodass
eine wichtige Rolle spielen. Transport- und Speicher- jedes H-Atom im Molekül Edelgaskonfiguration
proteine für Eisen (Transferrin, Ferritin) enthalten es (He) besitzt. Dies ist für die Bildung und Stabilität einer
in stabiler Bindung im dreiwertigen Zustand. kovalenten Bindung das entscheidende Kriterium.
Elemente, die mehr als ein ungepaartes Elektron in
ihrer Außenschale besitzen, können mehrere Elektro-
Kupfer ist Bestandteil verschiedener Enzyme, z. B. nenpaare und damit Mehrfachbindungen (Zweifach-,
der Ferrooxidase des Blutplasmas (Caeruloplasmin), Dreifachbindungen) ausbilden.
der Cu-Zn-Superoxiddismutase und der Cytochrom- In kovalenten Verbindungen ist die Elektronen-
oxidase. dichte zwischen den gebundenen Atomen maximal.
2.2 · Chemische Bindungen
155 2

Kovalente Bindungen sind räumlich streng gerichtet Die Ionisierungsenergie ist ein thermodynami-
und bewirken die Symmetrie des Moleküls. sches Maß für die Fähigkeit, Elektronen abzugeben
An der kovalenten Bindung sind Elektronen ein- bzw. aufzunehmen.
fach besetzter s- und/oder p-Orbitale beteiligt, die ein Die Ionisierungsenergie nimmt innerhalb einer
mit zwei mit gegensinnigem Spin besetztes Molekül- Periode von links nach rechts zu. Elemente mit einem
orbital aufbauen. Ist die Gleichheit der Bindungspart- großen Atomradius, die im PSE unmittelbar einem
ner, wie z. B. bei H2 oder Cl2 gegeben, sind solche Ver- Edelgas folgen (Alkalimetalle, I. Hauptgruppe), benö-
bindungen unpolar, d. h. die Elektronendichte erreicht tigen nur eine geringe Ionisierungsenergie. Die bei Auf-
in der Mitte zwischen den bindenden Atomen ein nahme eines Elektrons frei werdende Energie ist be-
Maximum. sonders groß, wenn der Atomradius klein ist und das
Elektronenpaare werden durch den Bindungsstrich Element im PSE vor einem Edelgas angeordnet ist
»-« bzw. durch einen Doppelpunkt »:« symbolisiert. (Halogene, VII. Hauptgruppe).
Die polarisierte Atombindung entsteht, wenn die
Bindungspartner nicht identisch sind. Aufgrund der Prüfungsfallstricke
Elektronegativität eines Bindungspartners ist das Elek- Unter Ionisierungspotenzial versteht man die
tronenpaar nicht mehr symmetrisch zwischen beiden Energie, die aufgewandt werden muss, um das am
lokalisiert, sondern zum elektronegativen Atom ver- schwächsten gebundene Elektron abzutrennen.
schoben. Dadurch wird das gesamte Molekül polari-
siert. Elektronegativität ist das unterschiedliche Be-
streben von Atomen, Elektronen eines gebundenen Bekanntestes Beispiel für eine Ionenbeziehung ist das
Atoms anzuziehen. Die Elektronegativität ist nicht mit Salzgitter der Kochsalzkristalle (NaCl-Kristalle). Im
der Elektronenaffinität zu verwechseln, die auf einer Kristallgitter ordnen sich die einzelnen Ionen so an,
Elektronenübernahme beruht. dass sie das geringste Volumen einnehmen und ein
Elektronenaffinität ist die Energie, die aufgebracht Minimum an elektrostatischer Energie aufweisen.
werden muss, damit ein Atom oder Ion ein Elektron
aufnimmt.
Polarisierte Atombindungen können als ein Über- 2.2.2 Polarität von Molekülen
gang zur Ionenbindung aufgefasst werden.
Der Begriff Polarität dient der Charakterisierung des
Ionenbindung polaren Charakters einer Bindung (s. o.) oder eines
Wie schon beschrieben, geben die Elemente der I. und Lösungsmittels. Polare Gruppen sind funktionelle
II. (zum Teil auch der III.) Hauptgruppe die Elektronen Gruppen in einem Molekül, deren Elektronenvertei-
ihrer äußeren Schale leicht ab und bilden positiv ge- lung in dem Molekül ein elektrisches Dipolmoment
ladene Kationen, während die Elemente der VI. und induziert. Sie sind u. a. für den hydrophilen Charakter
VII. Hauptgruppe leicht Elektronen aufnehmen, um einer Substanz verantwortlich. Polare Verbindungen
ihre äußere Schale unter Bildung negativ geladener sind z. B. solche mit einer Ionenbindung oder solche
Anionen zu komplettieren. Dadurch erreichen Anionen mit einem Dipolmoment und polarisierter kovalenter
und Kationen in Bezug auf ihre Elektronen Edelgas- Bindung. Zwitterionen, wie die Aminosäuren, sind di-
konfiguration und damit den energetisch günstigsten polare Verbindungen.
Zustand.
Anionen und Kationen ziehen einander an. Diese
elektrostatische Anziehung ist die Grundlage der Ionen- 2.2.3 Beispiele
bindung. Voraussetzung ist, dass sich die Elektronega-
tivitäten, d. h. das Bestreben, Elektronen zu binden, Methan und die homologe Reihe der Alkane sind
der beteiligten Atome deutlich unterscheiden. Beispiele für eine unpolare Atombindung zwischen C
Innerhalb des PSE nimmt die Elektronegativität in und H.
den Perioden von links nach rechts zu. Da die elektro- Wasser bildet einen permanenten Dipol infolge der
statische Bindung durch ein elektrisches Feld zustande hohen Elektronegativität des O-Atoms, welches die
kommt, ist sie ungerichtet. Bindungselektronen von den H-Atomen abzieht. Auch
Die Bindungsenergie beträgt etwa 400 kJ/mol und die Alkylderivate des Wassers (Alkanole) besitzen in
entspricht damit einer Atombindung. Zum Vergleich abgeschwächter Form diese Eigenschaften.
hat eine Wasserstoffbrücke nur eine Bindungsenergie
von 10–40 kJ/mol.
156 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

2.2.5 Metallkomplexe
(koordinative Bindung)

Besonders Ionen und Atome der Übergangsmetalle (Fe,


Cu, Zn) bilden mit Molekülen, die freie Elektronen-
paare enthalten, Verbindungen aus, die sich von den
Metallsalzen unterscheiden. Als Liganden fungieren
Halogenanionen, OH–, CN–, aber auch ungeladene
. Abb. 2.1. Unipolare Atombindung im Methan, polarisierte Moleküle wie H2O, CO, N2, NH3. Da diese Liganden
Atombindung im Wasser nur eine Koordinationsstelle am Zentralion (Atom) be-
setzen, nennt man sie einzähnig. Verbindungen mit
mehreren freien Elektronenpaaren können mehrzäh-
2.2.4 Biochemisch wichtige Bindung nige komplexe Verbindungen eingehen. Ein Beispiel für
Chemie

zweizähnige Liganden ist Ethylendiamin (H2N–CH2–


Die Wasserstoffbrückenbindung CH2–NH2). Ein sechszähniger Ligand ist Ethylendia-
Die H-Brückenbindung tritt zwischen Molekülen auf, mintetraessigsäure (EDTA).
die Wasserstoff an ein elektronegatives Atom gebunden Im Unterschied zu den kovalenten Bindungen be-
haben, wobei eine polarisierte Atombindung mit einem steht eine Komplexverbindung darin, dass der Ligand
»elektropositivierten« H-Atom entsteht (siehe polare beide Elektronen als Elektronenpaar dem Zentralatom
kovalente Bindungen). Dieser Wasserstoff geht eine zur Verfügung stellt. Am häufigsten werden 4 oder 6
elektrostatische Bindung zu einem benachbarten elek- Liganden an ein Zentralatom gebunden. Beispiel: Kup-
tronegativen Atom ein. Die H-Bindung ist deutlich fer(II)-tetraammin-Ion
schwächer als eine kovalente Bindung.
Wasserstoffbrücken führen zu Molekülaggregaten Cu2 + + 4 NH 3 Æ[Cu(NH 3 )4 ]2 +
(Cluster). Das ist die Ursache dafür, dass H2O (Wasser)
bei Raumtemperatur flüssig, H2S (Schwefelwasserstoff) Damit hat das Cu-Zentralion die Koordinationszahl 4.
jedoch ein Gas ist.
Merke
Merke Die Koordinationszahl des Zentralatoms oder
Wasserstoffbrücken spielen eine besondere Rolle Zentralions ist gleich der Zahl der Liganden
bei der Stabilisierung biologisch wichtiger Makro- (Moleküle, Ionen), die mit dem Zentralatom/Ion
moleküle, wie Proteine und Nukleinsäuren. verbunden sind.

H-Brücken können sich intra- und intermolekular aus- Die Wertigkeit des Zentralions ist für die Koordina-
bilden. tionszahl nicht von Bedeutung. So haben Fe(II) und
Fe(III) die gleiche Koordinationszahl 6.
London-van der Waal’sche Bindungskräfte Auch durch koordinative Bindungen wird die
Auch zwischen elektrisch neutralen, apolaren Mole- Edelgaskonfiguration angestrebt. Die metallischen
külen oder Molekülgruppen spielen elektrostatische Eigenschaften des Zentralatoms oder Zentralions wer-
Bindungskräfte eine Rolle. Durch die Elektronenbewe- den maskiert. Die Gesamtladung eines Metallkom-
gung um die Atome wird ein Dipol induziert, welcher plexes ist gleich der Summe der Ladungen aus Ligand
in einer benachbarten Gruppe ebenfalls ein Dipol- und Zentralion.
moment hervorruft. Die Dipole ziehen sich gegenseitig Chelat-Komplexe sind zyklische Verbindungen
an. Die Bindungskräfte sind schwach. Sie spielen je- von Metallen mit Gruppierungen, die einsame Elektro-
doch bei der Stabilisierung von Strukturen in biologisch nenpaare oder Elektronenlücken enthalten. Es sind Ver-
wichtigen Makromolekülen eine herausragende Rolle. bindungen, in denen ein einzelner Ligand mehr als eine
Voraussetzung zur Ausbildung dieser Bindungen ist Koordinationsstelle im Metall besetzt, d. h. mindestens
eine sehr enge räumliche Nachbarschaft. zweizähnig ist. Die Zahl der gebundenen Liganden
hängt von der Koordinationszahl des Zentralatoms ab.
2.3 · Azyklische Kohlenstoffverbindungen, einfache funktionelle Gruppen
157 2

KLINIK 2.3 Azyklische Kohlenstoff-


Antibiotika wie Valinomycin bilden Komplexe mit verbindungen,
K+-Ionen und wirken als Ionophore an Zellmem- einfache funktionelle Gruppen
branen. Komplexe oder Komplexbildner werden
u. a. in der Wasch- und Reinigungsmittel-, Lebens- Kohlenstoff (6C) ist das physiologisch wichtigste Ele-
mittel- und Arzneimittelindustrie verwendet. ment der IV. Hauptgruppe. C ist ein typisches Nichtme-
In der Medizin werden Chelat-Bildner zur The- tall. Von reinem Kohlenstoff sind die zwei kristallinen
rapie von Schwermetallvergiftungen verwendet. Modifikationen Diamant und Graphit bekannt.
Carbide sind Verbindungen des Kohlenstoffs mit
Metallen, wie z. B. Calciumcarbid CaC2, welches zur
Die Bildung von Komplexverbindungen ist eine Gleich- Herstellung von Ethin (Acetylen) verwendet wird.
gewichtsreaktion. Die Gleichgewichtskonstante für die Die Oxide sind Kohlenmonoxid (CO) und Kohlen-
Bildung koordinativer Bindungen ist die Komplexbil- dioxid (CO2). Kohlenmonoxid kann aufgrund seiner
dungskonstante: freien Elektronenpaare koordinative Bindungen mit
Metallen eingehen. Von physiologischer Bedeutung sind
Me + nL Æ MeLn ; K = [ MeLn ]/[ Me][nL] die Bindungen an Hämoglobin und Cytochromoxidase.
CO2 ist ein Endprodukt des Stoffwechsels und Be-
In biologischen Systemen liegen Übergangsmetalle standteil der Atemluft und Atmosphäre.
häufig in komplexen Bindungen vor. Beispiele aus der Kohlendioxid ist das Säureanhydrid der Kohlensäu-
Natur sind: re, einer schwachen Säure. Ihre Salze nennt man Carbo-
4 Hämoglobin (Fe), nate. Unter Abgabe von Protonen geht die Kohlensäure
4 andere Hämoproteine, in Hydrogencarbonat- bzw. Carbonatanionen über.
4 Cobalamine (Co) und
4 Chlorophyll (Mg). H 2O + CO2 ´ H 2CO3
H 2CO3 ´ HCO3 - + H +
Merke (Hydrogencarbonat , »Bicarbonat«)
Eine kovalente Bindung (Atombindung) kommt HCO3 - ´ CO32 - + H + (Carbonat )
dadurch zustande, dass die bindenden Atome Elek-
tronen für eine Elektronenpaarbildung zur Ver- Ein Gemisch aus Kohlensäure und Hydrogencarbonat
fügung stellen, um eine Edelgaskonfiguration zu ist ein wichtiger Puffer im Blut.
erreichen. Sie ist eine gerichtete Bindung. Eine Hydrogencarbonat bzw. Carbonate des Calciums
polarisierte Atombindung entsteht, wenn sich die sind für die Wasserhärte verantwortlich.
Bindungspartner in ihrer Elektronegativität unter-
scheiden. Ionenbeziehungen entstehen durch
elektrostatische Anziehung gegensätzlich gelade- 2.3.1 Kohlenwasserstoffe
ner An- und Kationen. Sie sind ungerichtet, da
sie sich über ein elektrisches Feld ausbilden. Die Die organische Chemie ist eine Chemie der Kohlen-
H-Brücke ist das Ergebnis der elektrostatischen wasserstoffe. Sie findet ihre Ergänzung in der Bioche-
Anziehung eines positivierten H-Atoms zwischen mie, die einerseits die Strukturen der zellaufbauenden
2 elektronegativen Atomen. Apolare Bindungen Moleküle, andererseits das Stoffwechselschicksal orga-
beruhen auf Wechselwirkungen induzierter Dipole, nischer Verbindungen in einem lebenden Organismus
die durch Bewegung der Elektronen um den Atom- untersucht. Das Kohlenstoffskelett organischer Verbin-
kern gebildet werden. Ionen von Übergangsmetal- dungen ist die Grundlage ihrer räumlichen Struktur.
len bilden komplexe Verbindungen mit Liganden, Man unterscheidet aliphatische (lineare) und zyklische
die Elektronenpaare liefern oder Elektronenlücken (ringförmige) Kohlenstoffverbindungen. Diese können
aufweisen. Triebkraft ist das Erreichen einer Edel- carbozyklischer (ausschließlich aus C-Atomen gebil-
gaskonfiguration. det) oder heterozyklischer Natur sein (neben C-Ato-
men kommen auch Heteroatome, wie N, O, S im Ring
vor). In Bezug auf die Bindungsverhältnisse ist zu un-
terscheiden zwischen
4 gesättigten Kohlenwasserstoffen,
4 ungesättigten Kohlenwasserstoffen,
4 aromatischen Kohlenwasserstoffen.
158 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

Gesättigte Kohlenwasserstoffe halten eine Doppelbindung. Vertreter sind Ethen (Ethy-


Unter gesättigten Kohlenwasserstoffen werden Verbin- len) CH2⫽CH2, Propen CH3–CH⫽CH2, Buten-(1)
dungen zusammengefasst, deren C-Atome mit Wasser- CH3–CH2–CH⫽CH2, Buten-(2) CH3–CH⫽CH–CH3
stoff abgebunden sind und die keine Mehrfachbin- usw.
dungen enthalten. Ihre einfachsten linearen Vertreter C2 bis C4 sind gasförmig, C5 bis C15 flüssig. Sie ver-
sind die Alkane (Paraffine) mit der allgemeinen Struk- brennen in Gegenwart von O2 zu CO2 und H2O.
turformel CnH2n+2. Sie bilden eine homologe Reihe Isomere können durch Kettenverzweigungen ent-
von Verbindungen mit verwandten Eigenschaften, bei stehen. An Doppelbindungen bildet sich die cis-trans-
denen sich die benachbarten Vertreter um die Gruppie- Isomerie aus.
rung CH2- voneinander unterscheiden. Wird von einem Alken ein H-Atom entfernt, erhält
Normalalkane sind Methan CH4, Ethan CH3–CH3, man die Alkenylreste, z. B.
Propan CH3–CH2–CH3, n-Butan CH3–CH2–CH2–CH3, 4 CH2=CH- Ethenylrest (Vinylgruppe) oder
n-Pentan C5H12, n-Hexan C6H14, n-Heptan C7H14 usw. 4 CH2=CH-CH2- Propenylrest (Allylgruppe).
Chemie

Beginnend beim Butan treten durch Kettenverzwei-


gung Strukturisomere auf, wie iso-Butan oder 2-Methyl- An die Doppelbindung können leicht Halogene (z. B.
butan (iso-Pentan). Br), Säuren, Wasser, Sauerstoff mittels elektrophiler
Alkylreste entstehen durch Abgabe eines H-Atoms (kationischer) Addition oder auch über radikalische
(Methylrest –CH3, Ethylrest –C2H5 usw.). Mechanismen angelagert werden. Die Anlagerung von
Bis zum Butan sind die Alkane Gase, vom Pentan bis Sauerstoff führt zu Epoxid, Ethenoxid und Peroxosäu-
zum C16 flüssig und ab C17 fest. Sie verbrennen in Gegen- ren, wie der Peressigsaure CH3CO–OOH, die als Des-
wart von O2 zu CO2 und H2O, z. T. explosionsartig (C5 infektionsmittel verwendet wird.
bis C10 Kraftstoffe). Die schwer flüchtigen flüssigen Alka- Mittels katalytischer Hydrierung (Katalysatoren
ne werden als Diesel, Heizöl und Schmierstoffe verwen- fein verteilter Metallstaub von Ni, Pd, Pt) kann Wasser-
det. Weich- und Hartparaffine dienen als Salbengrund- stoff an die Doppelbindung angelagert und eine gesät-
lagen (Vaseline), Einbettungsmedien in der Mikroskopie tigte Verbindung erhalten werden.
und Bestandteile pharmazeutischer Präparate. Alkene können zu Makromolekülen polymerisie-
Wichtige Chlorverbindungen des Methans sind ren, die zur Produktion von Einwegmaterialien für die
Methylenchlorid CH2Cl2, Chloroform CHCl3 und Medizin und Biowissenschaften verwendet werden,
Tetrachlorkohlenstoff CCl4, die als nicht brennbare Lö- z. B. Polyethylen, Polypropylen.
sungsmittel dienen. Diene und Polyene enthalten 2 oder mehrere Dop-
pelbindungen. Dabei sind folgende Konstellationen zu
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe unterscheiden:
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe enthalten im Gegen- 4 kumulierte Doppelbindung: R–CH⫽C⫽CH–R,
satz zu den Alkanen C–C-Mehrfachbindungen. Dazu 4 konjugierte Doppelbindung: R–CH⫽CH–CH⫽
gehören Alkene, Diene, Polyene und Alkine. CH–R,
Eine Doppelbindung wird durch 2 Elektronenpaare 4 isolierte Doppelbindung: R–CH⫽CH–(CH2)n–CH
bewerkstelligt, wobei zwischen V- und S-Elektronen ⫽CH–R.
unterschieden wird. Das V-Elektronenpaar entspricht
dem bindenden Elektronenpaar einer einfachen Atom- Merke
bindung. Das S-Elektronenpaar überlagert diese Ein- Verbindungen mit mehr als 2 Doppelbindungen
fachbindung. Die S-Bindung ist wesentlich schwächer werden Polyene genannt.
als die V-Bindung. Die S-Elektronen bedingen die be-
sonderen chemischen und physikalischen Eigenschaf-
ten ungesättigter Verbindungen. Die C⫽C-Doppelbin- Ein Dien mit 2 konjugierten Doppelbindungen wie das
dung ist bei Additions- und Oxidationsreaktionen eine Isopren (2-Methylbutadien) ist in der Biologie Vor-
sehr reaktionsfähige Stelle im Molekül. Mit moleku- läufermolekül für Terpene und Sterane. Physiologisch
larem Sauerstoff O2 entstehen Kettenspaltungen unter wichtige Substanzen mit konjugierten Doppelbindun-
Ausbildung von Hydroperoxiden R–O–O. gen sind die Carotenoide und Vitamin A, weiterhin
In Analogie zur Doppelbindung hat man bei der Lycopin, der rote Farbstoff der Tomate. Isolierte Doppel-
Dreifachbindung anzunehmen, dass neben der V-Bin- bindungen treten in den ungesättigten Fettsäuren auf.
dung zwei S-Bindungen vorliegen. Alkine bilden eine homologe Verbindungsreihe
Alkene (Olefine) bilden eine homologe Reihe von der allgemeinen Formel CnH2n–2. Sie enthalten Drei-
Verbindungen der allgemeinen Formel CnH2n. Sie ent- fachbindungen. Die einfachste Verbindung ist das Ethin
2.3 · Azyklische Kohlenstoffverbindungen, einfache funktionelle Gruppen
159 2

(Acetylen), welches mit Luft explosive Gemische bildet pelbindung nicht möglich. Durch eine sp2-Hybridisie-
und aufgrund seiner hohen Verbrennungstempera- rung, die durch Umlagerung eines 2s-Elektrons und
turen zum Schweißen von Metallen verwendet wird. zweier p-Elektronen auf ein Energieniveau zustande
Alkine spielen in der Humanbiologie keine Rolle. kommt (1s23p2-Hybridorbitale, jeweils mit einem Elek-
tron besetzt) entstehen 3 trigonal angeordnete Valen-
zen, die sich in einer Ebene befinden. Das vierte, nicht
2.3.2 Formeln hybridisierte Elektron befindet sich im 2pz1-Orbital.
Durch Überlappung zweier pz-Orbitale entsteht eine
Formeln der azyklischen Kohlenstoffverbindungen S-Bindung als Bestandteil einer Doppelbindung (ein
sind: Orbital kann nur aus 2 Elektronen mit gegensätzlichem
4 CH4 = Methan; Spin bestehen).
4 CH3–CH3 = Ethan;
4 CH3–(CH2)n–CH3 = allgemeine Formel der Merke
Alkane; Die Hybridisierung ist keine physikalische Er-
4 CH3– = Methylrest; scheinung, sondern eine Erklärung für die Bindungs-
4 CH3–CH2– = Ethylrest; zustände der Elektronen.
4 CH2⫽CH2 = Ethen; CH2⫽CH– = Vinylrest;
CH2⫽C–CH⫽CH2⫽ Methylbutadien (Isopren).
Prüfungsfallstricke
CH3
Kohlenstoffverbindungen, die über eine Einfach-
bindung miteinander verbunden sind, besitzen
2.3.3 Bindungen eine freie Drehbarkeit um ihre bindenden Atome.
Durch Doppelbindungen ist die freie Drehbarkeit
In organischen Verbindungen geht der Kohlenstoff 4 aufgehoben.
kovalente Bindungen ein. Kohlenstoff bildet sowohl
mit elektropositiven als auch elektronegativen Ele-
menten kovalente Bindungen aus. Etwa 2 Mio. solcher Im Gegensatz zu den unpolaren C–C- und C–H-Bin-
organischen Kohlenstoffverbindungen sind bekannt. dungen besitzen Bindungen zwischen Kohlenstoff und
Die Vielfalt ergibt sich daraus, dass der Kohlenstoff anderen Elementen polaren Charakter. Der Grad der
mit sich über einfache, zweifache und auch dreifache Polarität lässt sich zur Beurteilung der Reaktions-
kovalente Bindungen lineare (aliphatische) oder auch fähigkeit der entsprechenden Moleküle abschätzen. Die
ringförmige (e) Verbindungen aufbauen kann und mit Elektronegativität der Elemente nimmt innerhalb einer
Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Halogenen Periode des PSE von links nach rechts zu. Die Folge ist,
und Metallen Bindungen eingeht. dass die C-O-Bindung polarer ist als die C-N-Bindung:
Kohlenstoff hat im Grundzustand die Elektronen- C–N<C–O<C–F.
konfiguration 1s22s22p2, also nur 2 ungepaarte Elektro- Eine stark polare Atombindung induziert in anderen
nen, mit denen über 2 Atombindungen kein Oktett (Edel- Teilen des Moleküls Elektronenverschiebungen, wodurch
gaszustand) erzeugt werden kann. Im angeregten Zu- an sich unpolare Atombindungen ebenfalls polarisiert
stand, der mit geringer Energiezufuhr erreichbar ist, geht werden, die als I-Effekte (induktiv) bezeichnet werden.
die Elektronenkonfiguration in eine 1s22s12p3-Anordung Der (–)I-Effekt wird durch elektronenanziehende
über (sp3-Hybridisierung = ein Hybrid ist ein Misch- Atome ausgeübt. Dazu gehören folgende Gruppen:
ling). Das 2s-Elektron und die 3 p-Elektronen bewegen
sich auf einem neuen gleichen Energieniveau. Dadurch –N+–R3, –N–R2, –NH2, –NO2, –CN, >C⫽O,
erhält das C-Atom 4 gleiche Valenzen, die tetraedrisch in –COOH, –OH.
einem Valenzwinkel von 109,5° angeordnet sind.
Diese Elektronenzustände können Molekülorbitale Der (+)I-Effekt wird durch elektronenabstoßende
vom Typ der V-Bindungen (Einfachbindungen, Orbi- Atome verursacht:
tale mit 2 Elektronen) aufbauen, wie z. B. in Methan
CH4 oder Ethan CH3–CH3. –CH3, –CH2R, –CHR2, –COO–.
Kohlenstoffatome können miteinander auch Mehr-
fachbindungen (ungesättigte Verbindungen) in Form Durch den (–)I-Effekt wird die Dissoziation der Carbo-
von Doppel- und Dreifachbindungen eingehen. Die xylgruppe (–COOH) begünstigt, durch den (+)I-Effekt
sp3-Hybridisierung ist für die Ausbildung einer Dop- erschwert.
160 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

CH3 CH2 CH2 CH2 OH n-Butanol

CH3 CH CH2 OH 2-Methyl-


propanol
CH3 (iso-Butanol)
. Abb. 2.2. Carboxylat-Ion.
CH3 CH2 O CH2 CH3 Diethylether

In ungesättigten konjugierten und aromatischen . Abb. 2.3. Drei Beispiele für das Prinzip der Strukturisomere
Bindungssystemen wird der Mesomerie-Effekt (M-Ef- der Bruttoformel C4H10O
fekt) beobachtet. Formal betrachtet bedeutet er, dass
die Lage der Doppelbindung einer Atomgruppierung
nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Es sind ledig-
Chemie

lich Grenzstrukturen beschreibbar, wie am Beispiel des


Carboxylat-Ions erkennbar (. Abb. 2.2).
Mesomerie bedingt eine hohe Stabilität der Bin-
dungsverhältnisse.

2.3.4 Isomerien
. Abb. 2.4. Beispiel einer Cis-trans-Isomerie
Chemisch und physikalisch verschiedene Verbindun-
gen können die gleiche Brutto- oder Summenformel,
aber verschiedene Strukturformeln aufweisen. Dies be- Doppelbindung wandert. Tautomere stehen miteinan-
zeichnet man als Isomerie. der im chemischen Gleichgewicht. Die Keto-Enol-
Isomere lassen sich unterteilen in Tautomerie ist die wichtigste (Umlagerung, intramole-
4 Konstitutionsisomere (= Strukturisomere) und kularer Ortswechsel von Atomen).
4 Stereoisomere (= optische Isomere). Stereoisomerie (optische Isomerie) wird in Kon-
figurationsisomerie und Konformationsisomerie unter-
Bei den Konstitutionsisomeren ist innerhalb des Mole- teilt (7 Kap. 2.5).
küls die Reihenfolge von Atomen oder Atomgruppen Cis-trans-Isomerie (geometrische Isomerie) ge-
verschieden. Bei den Stereoisomeren ist die Reihenfol- hört neben der Enantiomerie und Diastereomerie zur
ge der Atome gleich, die räumliche Anordnung jedoch Gruppe der Konfigurationsisomerien. Sie tritt an Dop-
unterschiedlich. pelbindungen auf (. Abb. 2.4).
Sequenzisomere unterscheiden sich in der Reihen- 4 Cis bedeutet, die Gruppen sind in einer Richtung
folge der miteinander verbundenen Atome. angeordnet,
Für die Bruttoformel C4H10O können 7 verschie- 4 trans bedeutet, sie stehen einander gegenüber.
dene Strukturisomere angegeben werden. Drei Beispiele
kennzeichnen das Prinzip (. Abb. 2.3). Trans-Formen sind energetisch begünstigt.
Tautomere unterscheiden sich voneinander nur Beide Verbindungen unterscheiden sich grund-
durch die Stellung eines H-Atoms, welches um eine sätzlich in ihren physikalischen und chemischen Eigen-
schaften.
Über Stereoisomerien 7 Kap. 2.5.
. Tab. 2.4. Konstitutionsisomere und Stereoisomere
Konstitutionsisomerie Stereoisomerie
Sequenzisomerie Konfigurationsisomerie 2.3.5 Funktionelle Gruppen
Tautomerie Cis-trans-Isomerie
4 Keto-Enol-Tautomerie Funktionelle Gruppen bestimmen die Vielfalt orga-
Enantiomerie
4 Lactam-Lactim-Tautomerie 4 Diastereomerie
nisch-chemischer Reaktionen. Dazu gehören:
4 Epimerie 4 Hydroxyl-Gruppen (–OH),
4 Anomerie 4 Sulfhydryl-Gruppen (–SH),
4 Amino-Gruppen (–NH2),
Konformationsisomerie
4 Imino-Gruppen (⫽NH),
2.3 · Azyklische Kohlenstoffverbindungen, einfache funktionelle Gruppen
161 2

4 Keto- (Oxo-) Gruppen (⫽CO) und Lactone sind »innere Ester«, wobei die Esterbin-
4 Carboxyl-Gruppen (–COOH). dung innerhalb eines Moleküls zwischen der COOH-
und OH-Gruppe erfolgt, z. B. Gluconsäurelacton.
Hydroxyl- und Sulfhydrylverbindungen Reagieren 2 Alkohole unter Wasserabspaltung mit-
OH- und SH-Gruppen können an lineare oder zy- einander, entsteht ein Ether.
klische Kohlenwasserstoffe gebunden sein.
C2 H 5OH + HOH 5C2 Æ C2 H 5 - O - H 5C2 + H 2O
Alkohole. Alkylreste, die eine Hydroxyl-Gruppe (OH- (Diethylether)
Gruppe) enthalten, nennt man Alkohole (Alkanole).
Alkohole bilden eine homologe Reihe der allgemeinen Der Diethylether hat Anwendung als Narkosemittel ge-
Formel CnH2n+1OH. Die Verbindungen sind durch das funden. Ether-Luft-Gemische sind hoch explosiv. Des-
Suffix –ol gekennzeichnet (z. B. Methanol) oder man halb ist seine Verwendung als Lösungsmittel gering.
hängt die Bezeichnung Alkohol an den Alkylrest an, Unter Wasserabspaltung (Eliminierung) entstehen
z. B. Methylalkohol. Man unterscheidet: aus Alkoholen ungesättigte Alkene.
4 primäre Alkohole: Vernüpfung mit einem Kohlen-
wasserstoffrest –CH2OH; CH 3 - CHOH - CH 3 Æ CH 3CH = CH 2 + H 2O
4 sekundäre Alkohole: Verknüpfung mit 2 Kohlen-
wasserstoffresten ⫽CHOH; Mercaptane können als Alkylderivate des Schwefel-
4 tertiäre Alkohole: Verknüpfung mit 3 Kohlenwas- wasserstoffs H2S aufgefasst werden. Sie bilden im Ge-
serstoffresten {COH. gensatz zu den Alkanolen keine H-Brücken miteinan-
der aus und die SH-Gruppe dissoziiert im Alkalischen
Primäre Alkohole sind Methanol CH3OH und Ethanol ein Proton ab (schwache Säure).
C2H5OH. Ein sekundärer Alkohol ist iso-Propanol; ein
tertiärer Alkohol ist tertiäres Butanol (. Abb. 2.5a, b). C2 H 5 - SH Æ C2 H 5 - S - + H +
Man kann aliphatische Alkohole als Alkylderivate
des Wassers auffassen. Sie besitzen ein Dipolmoment Die Salze nennt man Mercaptide. Schwermetallionen
und bilden demzufolge ebenfalls Molekülassoziate über (Hg2+, Pb2+) bilden mit Mercaptanen schwer lösliche
die Ausbildung von H-Brücken. Infolge ihrer Fähigkeit Mercaptide.
H-Brücken auszubilden, sind kurzkettige Alkohole mit
Wasser gut mischbar. In wässriger Lösung dissoziiert 2C2 H 5 - SH + Hg 2 + Æ (C2 H 5 - S)2 Hg
die OH-Gruppe nicht.
Durch Oxidation entstehen aus primären Alkoho- Die SH-Gruppe ist leicht oxidierbar und bildet Disul-
len Aldehyde (–CHO), aus sekundären Alkoholen Ke- fide (Disulfidbrücken). Dadurch können Redox-Sys-
tone (⫽CO). Tertiäre Alkohole sind nicht oxidierbar. teme aufgebaut werden.
Reagiert ein Alkohol unter Wasserabspaltung mit
einer Säure, entsteht ein Ester. C2 H 5 - SH + HS - C 2 H 5 Æ C2 H 5 - S - S - C2 H 5 + 2H

C2 H 5OH + HOOC - CH 3 Æ Eine stärkere Oxidation überführt die SH-Gruppe in


C2 H 5 - O - OC - CH 3 + H 2O die Sulfonsäure –SO3H.
(Essigsäureester des Ethanols) Die SH-Gruppe kann unter Ausbildung von Thio-
estern mit Säuren reagieren.
Die hydrolytische Spaltung eines Esters mit einer Base
wird Verseifung genannt. Esterbindungen sind säure- C2 H 5 - SH + HOOC - C 3 Æ
und alkalilabil. C2 H 5 - S - OC - CH 3 + H 2O

Thioether entstehen formal durch Reaktion zweier


CH3 Mercaptane unter Abspaltung von H2S:
CH3
CHOH CH3 C OH C2 H 5 - SH + HS - C 2 H 5 Æ C2 H 5 - S - C2 H 5 + H 2S
a CH3 b
CH3 Dimethylsulfoxid und Diethylsulfoxid sind Lösungsmit-
tel, die als Oxide der entsprechenden Thioether aufge-
. Abb. 2.5a, b. Iso-Propanol (a) und tertiäres Butanol (b) fasst werden können (CH3–SO–CH3; C2H5–SO–C2H5).
162 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

Amine Die Nomenklatur ist unterschiedlich:


Amine entstehen durch Substitution der H-Atome des 4 aliphatische Aldehyde erhalten das Suffix »-al« am
Ammoniaks (NH3) durch Alkyl-, Aryl- oder heterozy- Stammkohlenwasserstoff, z. B. Ethanal;
klische Reste. Demzufolge unterscheidet man: 4 zyklische Aldehyde werden durch Anhängen des
4 primäre Amine R–NH2, z. B. Methylamin Worts -aldehyd an das Ringsystem gekennzeichnet,
CH3–NH2; z. B. Pyridinaldehyd;
4 sekundäre Amine R2–NH, z. B. Dimethylamin 4 aliphatische Ketone erhalten das Suffix »-on« am
(CH3)2NH; Stammkohlenwasserstoff, z. B. Butanon;
4 tertiäre Amine R3N, z. B. Trimethylamin (CH3)3N. 4 Benennung der beiden Reste und -keton, z. B. Me-
thylethylketon (Butanon).
Amine sind die klassischen organischen Basen. Wäss-
rige Lösungen von Aminen erhöhen die OH–-Konzen- Aldehyde können leicht zu Carbonsäuren (R–COOH)
tration. Die wichtigsten Salze der Amine sind die Hy- oxidiert werden. Sie besitzen deshalb reduzierende
Chemie

drochloride. Eigenschaften. Ketone sind nicht oxidierbar.


Stickstoffbasen (NH3, Hydrazin, aliphatische Amine)
R - NH 2 + H - OH Æ R - NH 3 + + OH - reagieren mit der polaren Carbonylgruppe unter Bildung
R - NH 2 + H - Cl Æ R - NH 3+ + Cl - Schiff ’scher Basen (Aldimine; Ketimine), da nucleo-
phile Reagenzien leicht an die Carbonylgruppe addiert
Primäre und sekundäre Amine können mit Alkylresten werden können.
substituiert werden, z. B. R–NH–CH3. Quartäre Ammo-
niumverbindungen mit einer positiven Ladung entste- = C = O + NH 2 - R Æ = C = N - R + H 2O
hen, wenn 4 Alkylreste an den Stickstoff gebunden wer-
den, z. B. Tetramethylammonium-Salze (CH3)4N+Cl–. Die Reaktion eines Alkohols mit der Carbonylgruppe
Wichtige quartäre Ammonium-Verbindungen sind eines Aldehyds führt zu einem Halbacetal (. Abb. 2.6).
4 Cholin und seine Derivate, Entstammt die CO-Gruppe aus einem Keton, entstehen
4 Betaine, Hemiketale.
4 die quarternären Ammonium-Verbindungen des Reagiert die OH-Gruppe des Halbacetals mit einem
Glycins (CH2N+(CH3)3–COOH) sowie weiteren Alkohol, entsteht unter Ausbildung einer
4 Curare und synthetische Muskelrelaxanzien. Etherbindung ein Acetal.
Die Aldolkondensation (Aldehyddimerisation)
Aldehyde und Ketone tritt bei Aldehyden ein, die an dem der Aldehydgruppe
Charakteristische Gruppe dieser Verbindungen ist die benachbarten C-Atom mindestens ein Wasserstoffatom
Carbonylgruppe ⫽C⫽O. tragen (. Abb. 2.7).
In den Aldehyden ist die Carbonylgruppe mit Ein der Carbonylgruppe benachbartes H-Atom
einem H-Atom und Alkyl-; Aryl- oder zyklischen wandert an das O-Atom der zweiten Aldehydgruppe
Resten verknüpft, R–CHO. unter Bildung eines Alkohols. Anschließend erfolgt die
In den Ketonen ist die Carbonylgruppe mit 2 Alkyl-, Ausbildung einer neuen C–C-Bindung. Aldol ist die
Aryl- oder zyklischen Resten verbunden, R1–CO–R2. Abkürzung für Aldehydalkohol.

C O + HO R C O R

OH

. Abb. 2.6. Bildung eines Halbacetals

. Abb. 2.7. Aldolkondensation


2.3 · Azyklische Kohlenstoffverbindungen, einfache funktionelle Gruppen
163 2

. Abb. 2.8. Ascorbinsäure und Dehydroascorbinsäure

. Abb. 2.9. Umlagerung des Hydroxyketons in die Endiolform und Übergang in ein Diketon

D–Hydroxyketone zeigen 2 tautomere Formen Carbonsäuren


(Keto-Enol-Tautomerie). Carbonsäuren sind Kohlenwasserstoffverbindungen
Das Hydroxyketon lagert sich in die Endiolform mit einer Carboxylgruppe (–COOH). Die Carboxyl-
um, die stark reduzierend ist und dabei in ein Diketon gruppe dissoziiert ein Proton ab und geht in das Carbo-
übergeht (. Abb. 2.9). xylatanion COO– über. Dieses Anion ist Mesomerie-sta-
bilisiert. Carbonsäuren sind schwache Elektrolyte. Die
KLINIK Azidität aliphatischer Carbonsäuren ist geringer als die
Eine physiologisch wichtige Verbindung mit aliphatischer Sulfonsäuren.
Endiolstruktur ist die Ascorbinsäure (Vitamin C) Durch Substitutionen an der COOH-Gruppe er-
(. Abb. 2.8). hält man Carbonsäurederivate, die keine sauren Eigen-
schaften besitzen (. Abb. 2.11).
Carbonsäuren werden in Mono- und Dicarbon-
Auch einfache Ketone wie Aceton zeigen die Keto- säuren unterschieden. Mono- und Dicarbonsäuren
Enol-Tautomerie (. Abb. 2.10). sind in der Natur weit verbreitet. In der Biochemie wird
Polyhydroxyaldehyde und Polyhydroxyketone zur Bezeichnung der Säuren eine Trivialnomenklatur
bilden die Gruppe der Monosaccharide (Kohlenhy- verwendet.
drate). Wichtige Monocarbonsäuren sind Ameisensäure
H–COOH (Methansäure), Essigsäure CH3–COOH
(Ethansäure), Propionsäure CH3–CH2–COOH (Propan-
säure), Buttersäure CH3–(CH2)2–COOH (Butansäure),
Capronsäure CH3–(CH2)4–COOH (Hexansäure).
Längerkettige Carbonsäuren werden auch als Fett-
säuren bezeichnet, da sie Bestandteile von Lipiden sind.
Dazu gehören die gesättigten Monocarbonsäuren My-
ristinsäure C14H28O2 (Tetradecansäure), die Palmitin-
säure C16H32O2 (Hexadecansäure), die Stearinsäure
C18H36O2 (Octadecansäure) und Lignocerinsäure
. Abb. 2.10. Keto-Enol-Tautomerie des Acetons C24H48O2 (Tetracosansäure).
164 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

. Abb. 2.11. Carbonsäurederivate

Einfach ungesättigte Fettsäuren sind die Palmi-


toleinsäure C16H30O2 (cis-'9-Hexadecen-säure), die
Ölsäure C18H34O2 (cis-'9-Octadecensäure) und die
Chemie

Nervonsäure C24H46O2 (cis-'15-Tetracosensäure).


Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind die Linol-
säure C18H32O2 (cis-'9,12-Octadecadiensäure, Z6-Fett-
säure) mit 2 Doppelbindungen, die Linolensäure
C18H30O2 (cis-'9,12,15-Octadecatriensäure, Z3-Fett-
säure) mit 3 Doppelbindungen und die Arachidonsäure . Abb. 2.12. Benzoesäure und Nicotinsäure
C20H32O2 (cis-'5,8,11,14-Eicosatetraensäure, Z6-Fett-
säure) mit 4 Doppelbindungen.
Ungesättigte Fettsäuren liegen in den Lipidmem- Derivate der mehrfach ungesättigten Linolen- und
branen in der cis-Konfiguration vor. Sie sind weniger Arachidonsäure sind die Prostaglandine, Prosta-
hydrophob als die gesättigten Fettsäuren, weil sie die cyclin, Thromboxane und Leukotriene (Eicosa-
Ordnung hydrophober Aggregate mit gesättigten Fett- noide).
säuren beeinträchtigen. Monocarbonsäuren mit zyklischen bzw. hetero-
zyklischen Resten sind die Benzoesäure und die Nico-
Merke tinsäure (. Abb. 2.12).
Linol- und Linolensäure sind essenzielle Fett- Physiologisch wichtige Dicarbonsäuren sind die
säuren, weil sie im menschlichen Organismus Oxalsäure, Malonsäure, Bernsteinsäure und die Fumar-
nicht gebildet werden. säure (. Abb. 2.13).
Carbonsäuren bilden als schwache Säuren Salze. Sie
können ihre COOH-Gruppe unter Freisetzung von
Doppelbindungen, die mehr als 9 C-Atome von der CO2 abspalten. Diesen Prozess nennt man Decarboxy-
Carboxylgruppe entfernt sind, werden durch Dehy- lierung:
drierungen nicht eingeführt.
Für die Nomenklatur der C-Atome und Doppel- R - COOH Æ R - H + CO2
bindungen in Fettsäuren gelten folgende Regeln:
4 das C-Atom 1 ist die Carboxylgruppe; Reagieren 2 Carboxylgruppen unter Wasseraustritt
4 das der Carboxylgruppe benachbarte C-Atom 2 miteinander, entsteht ein Säureanhydrid. Dabei kann
wird als D-C-Atom, die folgenden als E-, J- usw. es sich um verschiedene Säuren handeln oder be-
bezeichnet. Die endständige Methylgruppe erhält nachbarte Carboxylgruppen in einem Molekül wie
die Kennzeichnung Z der Bernsteinsäure. In der Biochemie spielen ge-
4 die Stellung einer Doppelbindung wird durch das mischte Säureanhydride zwischen der Phosphorsäure
Symbol ' gekennzeichnet. Die Zählung beginnt am und Carbonsäuren sowie die Pyrophosphat-Bin-
C1 der Carboxylgruppe. dungen in den Nucleosid-Triphosphaten eine wichtige
Rolle.
Prüfungsfallstricke Säureamide werden im intermediären Stoffwech-
Unter der Bezeichnung ω3 oder ω6 werden unge- sel gebildet. Die Säureamidgruppe ist neutral, weil
sättigte Fettsäuren aufgeführt, die eine Doppel- aufgrund der stark Elektronen anziehenden Wirkung
bindung 2 oder 5 Stellen vor der Z-endständigen der Carbonylgruppe die Elektronendichte am N herab-
Methylgruppe enthalten. gesetzt ist, sodass die NH2-Gruppe kein Proton aufneh-
men kann.
2.3 · Azyklische Kohlenstoffverbindungen, einfache funktionelle Gruppen
165 2

. Abb. 2.13. Oxalsäure, Malonsäure,


Bernsteinsäure und Fumarsäure
(Bezeichnung der Säureanionen in
Klammern)

Merke begünstigen allerdings die Esterbindung über einen


katalytischen Effekt der Protonen.
Das Diamid der Kohlensäure ist Harnstoff CO(NH2)2.
Die Alkali-Salze von Fettsäuren sind amphiphile
Eine Säureamidgruppe enthalten die Aminosäuren
Moleküle und ordnen sich als Emulgatoren in wäss-
Glutamin und Asparagin. Die Peptidbindung ist eine
riger Lösung als Micellen an (. Abb. 2.14a, b). Die pola-
Säureamidbindung.
ren Regionen der Salze (Carboxylatanionen) sind dem
umgebenden Wasser zugewandt, während die langen
apolaren Kohlenwasserstoffketten das Wasser meiden
Prüfungsfallstricke und miteinander über hydrophobe Wechselwirkungen
Die R–CO–NH2-Gruppe eines Säureamids darf nicht und van der Waal’sche Bindungskräfte aggregieren.
mit der R–CH2–NH2-Gruppe eines Amins verwech- Micellen sind kugelförmige Strukturen, in deren Inne-
selt werden. rem andere hydrophobe Stoffe transportiert werden
können.

Ester entstehen bei der Umsetzung von Säuren mit KLINIK


Alkoholen. Die Reaktion ist eine typische Gleichge- Micellen aus Gallensäuren, Fettsäuren und Mono-
wichtsreaktion: acylglycerolen spielen bei der Resorption der
Fette im Dünndarm eine wichtige Rolle. Sie trans-
R - COOH + R ’- OH ´ R - COO - R ’+ H 2O portieren z. B. Cholesterol und die fettlöslichen
Vitamine.
Die Hydrolyse eines Esters (Umkehr der Bildung) im
Alkalischen bezeichnet man als Verseifung. Die Alkali-
Salze von Fettsäuren werden Seifen genannt. Auch eine Die meisten in der Natur vorkommenden Fette und Öle
Säurehydrolyse von Estern ist möglich. Starke Säuren sind Ester des dreiwertigen Alkohols Glycerol.

. Abb. 2.14a, b. Lipiddoppelschicht


als Modell einer Membran aus am-
piphilen Molekülen und Micelle aus
polaren Fettsäuren und einer polaren
Kopfgruppe, z. B. –COOH

a b
166 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

Die 3 OH-Gruppen des Glycerols sind mit unter- Merke


schiedlichen Fettsäuren verestert. Das entstandene Pro-
α-Ketosäuren sind stabil, während β-Ketosäuren
dukt ist ein Triacylglycerol (Triglycerid = Neutralfett).
leicht spontan decarboxylieren. So ist die Acetessig-
Wachse sind Ester hochmolekularer einwertiger
säure CH3–CO–CH2–COOH nur in Form ihrer Ester
Alkohole mit Carbonsäuren.
stabil.
Neben den Mono- und Dicarbonsäuren gibt es
noch die Hydroxy- und Ketocarbonsäuren. Physiolo-
gisch bedeutsame Hydroxycarbonsäuren sind Wichtige Ketosäuren sind die Brenztraubensäure
4 die Milchsäure (Säureanion Lactat), (Anion Pyruvat), die Oxalessigsäure, (Oxalacetat), die
4 die β-Hydroxybuttersäure (ß-Hydroxybutyrat), D-Ketoglutarsäure (α-Ketoglutarat) und die E-Keto-
4 die Äpfelsäure (Malat) und säure Acetessigsäure (Acetoacetat) (. Abb. 2.15).
4 die Citronensäure (Citrat).
Halogencarbonsäuren und Aminosäuren
Chemie

Hydroxycarbonsäuren sind relativ starke Elektrolyte. Die Halogencarbonsäuren Trifluoressigsäure (CF3–


Milchsäure und Äpfelsäure besitzen je ein asym- COOH) und Trichloressigsäure (CCl3–COOH) ge-
metrisch substituiertes C-Atom und sind demzufolge hören zu den stärksten organischen Säuren. Sie wirken
optisch aktiv. Stoffwechselbedeutung haben v. a. die stark hautverätzend. Trichloressigsäure wird als Eiweiß-
L-Milchsäure, die L-Äpfelsäure und Citronensäure. fällungsmittel verwendet.
In der Textil- und Nahrungsmittelindustrie hat die Aminosäuren enthalten die beiden funktionel-
Weinsäure (2,3-Dihydroxybernsteinsäure) große Be- len Gruppen –NH2 und –COOH. Ihre Klassifizierung
deutung. Weinsäure ist optisch aktiv und tritt in drei und ihre Eigenschaften werden unter 7 Kap. 5.1.1 und
stereoisomeren Formen auf, der L–(+)-, D(–)- und der 7 Kap. 5.1.2 beschrieben.
meso-Weinsäure, die spiegelbildidentisch und optisch
nicht aktiv ist. Die L-Form kommt in vielen Pflanzen Merke
und Früchten vor, teils in freier Form, teils als Salz mit Carbonsäuren enthalten die Carboxylgruppe
Kalium, Calcium oder Magnesium. –COOH gebunden an einen Alkylrest oder eine
Keto-(Oxo-)Carbonsäuren sind relativ starke or- zyklische Gruppierung. Sie sind schwache Säuren.
ganische Säuren, die als Stoffwechselintermediate in 6
Zellen eine wichtige Rolle spielen.

. Abb. 2.15. Ketosäuren


2.4 · Carbo- und Heterozyklen
167 2

mit Wasser. Längerkettige Fettsäuren bilden in wäss-


Carbonsäuren mit einem langkettigen Alkylrest riger Lösung Micellen. Benzol und seine Derivate sind
werden Fettsäuren genannt. Einfache Carbon- Fettlösungsmittel.
säuren sind die Essigsäure und die Propionsäure.
Hydroxy-, Keto- und Aminosäuren sowie Di- und
Tricarbonsäuren haben wichtige Stoffwechselfunk- 2.4 Carbo- und Heterozyklen
tionen. L-Aminosäuren sind die monomeren Be-
standteile von Peptiden und Proteinen. Carbon- 2.4.1 Zykloalkane, Aromaten
säuren bilden unter physiologischen Bedingungen
Ester, Säureamide und Säureanhydride. Die Zykloalkane bilden eine homologe Reihe ring-
förmiger Kohlenwasserstoffe. Der kleinste Ring ist das
Zyklopropan. Das Zyklohexan ist ein Sechserring.
Zyklohexan kann in zwei Konformationen vorlie-
2.3.6 Homologe Reihen gen: in der Sessel- und der Wannenform. Die Sessel-
form ist energetisch begünstigt (. Abb. 2.16). In Bezug
Unter einer homologen Reihe von Verbindungen ver- auf die Stellung der Substituenten unterscheidet man
steht man solche mit verwandten Eigenschaften. Ho- die a-Form mit axialer Stellung der Substituenten
mologe Reihen stellen z. B. die aliphatischen Kohlen- (a-Form: oberhalb und unterhalb der Ringebene). Die
wasserstoffe der Alkane, Alkene und Alkine dar. Auch übrigen 6 Substituenten sind annähernd in der Ring-
aus den primären Alkoholen von Alkylverbindungen, ebene äquatorial (e-Form) angeordnet.
Carbonylen und Carbonsäuren lassen sich homologe Benzol ist der klassische Vertreter dieser zyklischen,
Reihen formulieren. aus 6 C-Atomen mit formal 3 Doppelbindungen beste-
henden Kohlenwasserstoffe. Da sich diese Doppelbin-
dungen nicht exakt C-Atomen zuordnen lassen, ist die
2.3.7 Nomenklatur Verbindung Mesomerie-stabilisiert.
An solchen aromatischen Verbindungen finden
Einfache Alkane sind Methan (CH4), Ethan (C2H6), kaum Additionsreaktionen, sondern Substitutionen
Propan (C3H8), Butan (C4H10). unter Erhalt des aromatischen Charakters der Verbin-
Einfache Alkene sind Ethen (C2H4) und Propen dungen statt.
(C3H6). Benzol, Toluol und Xylol sind Lösungsmittel. Vom
Wichtige Alkohole (Alkanole) sind Methanol Alkylbenzol Xylol gibt es 3 stellungsisomere Verbin-
(CH3OH), Ethanol (C2H5OH). dungen (o-, m- und p-Xylol), die sich in den Siede-
Alkanale (Aldehyde und Ketone) sind Formalde- punkten nur geringfügig unterscheiden.
hyd (HCHO) und Acetaldehyd (CH3CHO) sowie Ace- Die Entfernung eines H-Atoms aus dem Benzol-
ton (CH3COCH3). ring führt zum Phenylrest.
Bei den Carbonsäuren sind zu erwähnen Essigsäure Durch Substitution von OH-Gruppen an den Ben-
(CH3COOH), Propionsäure (C2H5COOH). Längerket- zolring erhält man Phenole (. Abb. 2.18). Nach Anzahl
tige Carbonsäuren sind die Fettsäuren (7 Kap. 2.3.5). der OH-Gruppen ergeben sich ein- oder mehrwertige
Phenole. Durch die induktive Wirkung des S-Elektro-
nensextetts im Benzolkern kann die OH-Gruppe ein
2.3.8 Physikalische Eigenschaften

Die Verbindungen der aliphatischen Kohlenwasser-


stoffe sind
4 gasförmig (C1 bis C4),
4 flüssig (C5 bis C16) und
4 fest (ab C17).

Sie sind leicht brennbar und vermischen sich nicht


mit Wasser. Durch die Einführung hydrophiler funk-
tioneller Gruppen wird die Wasserlöslichkeit der Koh-
lenwasserstoffe erhöht. Jedoch bestimmt die Länge
der Kohlenwasserstoffketten die Wechselwirkungen . Abb. 2.16. Cyclohexan in der Sessel-Konformation
168 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie

Chinoide Strukturen sind in der Natur verbreitet


(Ubichinon, Naphtochinon (Vitamin K)).

2.4.2 Heterozyklen

Heterozyklische Kohlenwasserstoffe sind ringförmige


Kohlenwasserstoffverbindungen, in denen N, O und S
als Heteroatome anstelle von C-Atomen auftreten
(. Abb. 2.19). Diese Verbindungen spielen als Bestand-
. Abb. 2.17. Phenol und Phenolat teile von Naturstoffen eine wichtige Rolle. Von beson-
derer Bedeutung sind die N-haltigen Heterozyklen.
Heterozyklische Hydroxyverbindungen, eine für
Chemie

die Biochemie wichtige Stoffklasse, sind hydroxylierte


Pyrimidine und Purine.
Hydroxy-Pyrimidinverbindungen sind Uracil,
Thymin und Cytosin; Hydroxypurine sind Hypo-
xanthin, Xanthin und Harnsäure sowie Guanin. An
diesen Molekülen beobachtet man die Lactim-Lactam-
Tautomerie (. Abb. 2.20). Die Purinderivate Harn-
säure und ihre Salze besitzen eine geringe Wasserlös-
lichkeit.

. Abb. 2.18. Chinol (Hydrochinon) und Chinon 2.5 Stereochemie

Proton abdissoziieren. Es entstehen Phenolate. Phenol 2.5.1 Konfiguration


ist eine schwache Säure. Die phenolische OH-Gruppe
kann auch verestert und verethert werden. Konfiguration ist die räumliche Anordnung eines
Einwertige Phenole sind nicht oxidierbar. Zwei- Moleküls ohne Berücksichtigung der verschiedenen
wertige Phenole (OH-Gruppe in m- oder p-Stellung), tomanordnungen, die sich voneinander nur durch
z. B. Hydrochinone (Chinol), werden zu Chinonen die Rotation um Einfachbindungen unterscheiden.
oxidiert (Hydrochinon Reduktionsmittel, Chinon Konstitution ist eine Bezeichnung für die für jede
Oxidationsmittel = Redoxpaar) (. Abb. 2.18). chemische Verbindung charakteristische Anordnung

. Abb. 2.19. Heterozyklische Ringsysteme


2.5 · Stereochemie
169 2

. Abb. 2.20. Hydroxy-Pyrimidinverbindungen und Purinderivate

der Atome, Atomgruppen und Bindungen im Molekül wie Bild und Spiegelbild verhalten. Man bezeichnet sie
ohne Berücksichtigung von räumlichen Richtungen. dann als Enantiomere.
Die Begriffe Konstitution und Struktur werden syno-
nym verwendet.
Moleküle mit gleicher Konstitution aber unter- 2.5.3 Enantiomere, Diastereomere
schiedlicher Konfiguration nennt man Konfigurations-
isomere (7 Kap. 2.3.4). Konfigurationsisomere, zu de- Die Enantiomerie (Spiegelbildisomerie, Chiralität)
nen auch die Enantiomere gehören, wandeln sich nicht beschreibt Isomere, die sich zueinander wie Bild und
ineinander um. Spiegelbild verhalten. Chiralität beruht auf der asym-
Konformationsisomere (s. u.) sind leicht inei- metrischen Substitution eines C-Atoms einer Verbin-
nander umwandelbar. dung, d. h. die 4 Valenzen eines Kohlenstoffs sind mit 4
Der Unterschied zwischen Konstitution, Konfigu- unterschiedlichen Gruppen besetzt (Chiralitätszen-
ration und Konformation lässt sich an den folgenden tren). Dadurch entstehen 2 stabile, zueinander spiegel-
Beispielen erkennen (. Abb. 2.21). bildliche, nicht deckungsgleiche Formen, die Enantio-
mere, mit gleichen physikalischen und chemischen
Eigenschaften.
2.5.2 Stereoisomerie Optische Isomere drehen die Ebene eines linear
polarisierten Lichtstrahls nach rechts (+) oder links (–).
Stereoisomere (= optische Isomere) sind auch Konfi- Der DrehwinkelD ist eine charakteristische Stoffkon-
gurationsisomere. Konfigurationsisomere können sich stante. Ein razemisches Gemisch (Razemat) besteht
170 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie
Chemie

. Abb. 2.21. Konstitution, Konfiguration und Konformation

aus einem 1:1-Gemisch beider optischen Antipoden einander, z. B. am C2 der Glucose zu C2 der Mannose
und ist optisch nicht aktiv. und/oder zu C4 der Galactose.
Anomerie beschreibt die unterschiedliche Stellung
der OH-Gruppe am glycosidischen C-Atom von ringge-
2.5.4 Fischer-Projektion, D/L-Nomenklatur schlossenen Pentosen oder Hexosen (DE-Stellungen).
Durch die Halbacetalbildung entsteht ein neues Asym-
Die optischen Antipoden unterscheiden sich durch metriezentrum. Anomere wandeln sich in wässriger
die räumliche Anordnung der an das asymmetrische Lösung ineinander um.
C-Atom gebundenen Liganden (. Abb. 2.22). Bezugs-
Merke
molekül ist das Glyceral.
Steht die typische funktionelle Gruppe rechts, ent- Die spezifische Drehung polarisierten Lichts zweier
sprechend der Konfiguration des D-Glycerals, werden Enantiomere hat den gleichen Betrag, aber ein
die Verbindungen der D-Konfiguration zugeordnet, ent- umgekehrtes Vorzeichen.
sprechend umgekehrt der L-Konfiguration. Wie die aus-
gewählten Beispiele zeigen, hat der optische Drehsinn Ein prochirales Zentrum hat im Falle eines C-Atoms
(+), (–) nichts mit der chemischen D- und L-Konfigu- drei verschiedene Substituenten. Prochiral ist z. B.
ration am asymmetrischen C-Atom zu tun. die CH2-Gruppe im Butan. Wird ein H-Atom durch
Konfigurationsisomere, die nicht den Enantiome- eine OH-Gruppe ersetzt, entsteht chirales 2-Butanol
ren zugeordnet werden können, sind durch die Dias- (. Abb. 2.23).
tereomerie beschreibbar. Dazu gehören die Epimerie
und die Anomerie. Alle Diastereomere sind optisch
aktiv, haben jedoch unterschiedliche physikalische 2.5.5 Konformation
und auch chemische Eigenschaften.
Unter Epimerie versteht man die unterschiedliche Konformation ist die räumliche Anordnung von
Stellung einer OH-Gruppe verschiedener Isomere zu Atomen oder Atomgruppen eines Moleküls mit defi-

CHO CHO COOH COOH

H C OH HO C H zum H C OH HO C H
Vergleich
CH2OH CH2OH CH3 CH3

D(+)-Glyceral L(–)-Glyceral D(–)-Milchsäure L(+)-Milchsäure

. Abb. 2.22. Fischer-Projektion, optische Antipoden


2.5 · Stereochemie
171 2

. Abb. 2.23. Prochirale CH2-Gruppe und chirales 2-Butanol

nierter Konstitution und Konfiguration. Konforma-


tionsisomere sind alle Formen eines Moleküls, die
durch freie Drehbarkeit ineinander überführbar sind.
Bei hexazyklischen Verbindungen unterscheidet man
Sessel-, Wannen- und Twistformen, deren Substituen-
ten axial und äquatorial angeordnet sein können (Zyklo-
hexan). Die verschiedenen Formen sind ohne großen
Energieaufwand ineinander umwandelbar. Die Sessel-
form ist energetisch am stabilsten.
Chemie
173 3

3 Stoffumwandlungen

Mind Map
Chemische Reaktionen beschreiben Stoffumwand- zeichnen dynamische Zustände, die durch das Massen-
lungen, d. h. die Wechselwirkungen, die sich zwischen wirkungsgesetz beschrieben werden. Chemische Gleich-
miteinander reagierenden Atomen oder Molekülen gewichte sind durch äußere Zwänge (Druck, Tempe-
abspielen. Fast alle biochemischen Reaktionen sind ratur) veränderbar. Reaktionen, die an Grenzflächen
Gleichgewichtsreaktionen, die meist in homogenen stattfinden, sind heterogen.
Systemen ablaufen. Chemische Gleichgewichte kenn-
174 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen

3.1 Homogene Gleichgewichts- wechsel Fließgleichgewichte aus. Als Fließgleich-


reaktionen gewicht bezeichnet man einen stationären Zustand,
bei dem sich Zu- und Abfluss die Waage halten oder
3.1.1 Chemisches Gleichgewicht bei dem gleichzeitig Substrate ein- und Reaktions-
produkte ausgeschleust werden. Solche Gleichgewichte
Einphasige Gleichgewichte heißen homogen. Homogene gestatten einen Stoff- und Energieaustausch und
Gleichgewichtsreaktionen spielen sich in nur einer bilden sich demzufolge in offenen Systemen aus. Im
Phase, z. B. der wässrigen ab. Heterogene Gleichgewich- Fließgleichgewicht sind die Konzentrationen aller
te stellen sich zwischen verschiedenen Phasen ein. Zwischenprodukte und die Gesamtgeschwindigkeit
Chemische Gleichgewichte in homogenen Syste- des Stoffumsatzes konstant. Die Gesamtgeschwindig-
men spielen bei der Dissoziation schwacher Elektrolyte keit hängt vom langsamsten Teilschritt der Reaktions-
und bei vielen organisch-chemischen Reaktionen eine kette ab. Die Teilreaktionen jedoch haben unterschied-
bedeutende Rolle. liche Geschwindigkeitskonstanten und Reaktions-
Chemie

Eine chemische Reaktion befindet sich in einem geschwindigkeiten. Fließgleichgewichte werden im


chemischen Gleichgewicht, wenn die Geschwindigkeit Stoffwechsel durch allosterische »Schrittmacher-
der Hinreaktion gleich der Geschwindigkeit der Rück- Enzyme« kontrolliert. Ein Fließgleichgewicht kann
reaktion ist: Arbeit leisten.

A + B ´ AB
V = Vhin - Vrück = 0 3.1.2 Kinetik, Thermodynamik

Die Umsetzung von A und B zu AB ist nicht vollständig, Thermodynamik


sondern erreicht ein Gleichgewicht zwischen den Subs- Die Thermodynamik betrachtet die bei Zustandsände-
traten und dem Produkt. Das Gleichgewicht stellt sich rungen von Systemen (Druck, Temperatur, Zusammen-
von beiden Seiten ein. Dieses Gleichgewicht ist durch setzung usw.) stattfindenden Energieaustauschvor-
das Massenwirkungsgesetz beschreibbar: gänge.
Jede chemische Reaktion ist durch Änderung des
[ AB] energetischen Zustands beschreibbar.
K=
[ A][B] Chemische Reaktionen verlaufen unter Energie-
aufnahme oder -abgabe (Wärme, Licht, Elektrizität).
Der Quotient aus den Konzentrationen des Produkts Ein negatives Vorzeichen symbolisiert Abgabe, ein po-
AB und den Ausgangsstoffen A und B ist bei gegebenem sitives Vorzeichen Energieaufnahme. Änderungen der
Druck und gegebener Temperatur konstant und wird Gesamtenthalpie sind exo- (–) oder endotherm (+).
durch die Massenwirkungskonstante K definiert. De- Änderungen der freien Enthalpie sind exergon (–) bzw.
ren negativer dekadischer Logarithmus ist der pK- endergon (+).
Wert. Diese Bezeichnung wird den spezifischen Bedin- Das Maß der Energie ist die Kalorie (cal) bzw. das
gungen einer Reaktion angepasst, z. B. Dissoziations- Joule (J) (1 cal=4,2 J).
konstante, Aziditätskonstante (pKa), Zerfallskonstante, Man unterscheidet zwischen
Bildungskonstante. 4 geschlossenen Systemen: kein Stoffaustausch mit
Umgebung;
Prüfungsfallstricke 4 abgeschlossenen (isolierten) Systemen: kein Stoff-
Die Gleichgewichtskonstante ist abhängig von der und Energieaustausch mit Umgebung;
Temperatur. 4 offenen Systemen: Stoff- und Energieaustausch mit
Umgebung.

Der Zusammenhang zwischen der freien Standard- Lebewesen sind im thermodynamischen Sinne offene
enthalpie und der Gleichgewichtskonstante ist durch Systeme.
die folgende Beziehung gegeben: Es gibt zwei Hauptformen der Energie:
4 Kinetische Energie in Form der Brown’schen Mole-
DG 0 = - RT ln K kularbewegung kann nicht zur Leistung von Arbeit
herangezogen werden.
Da ein System im chemischen Gleichgewicht keine 4 Potenzielle Energie in Form z. B. von Wärme wird
Arbeit leisten kann ('G=0), bilden sich im Zellstoff- zur Leistung von Arbeit genutzt.
3.1 · Homogene Gleichgewichtsreaktionen
175 3

Erster Hauptsatz der Thermodynamik Die Stoßtheorie besagt, dass die Reaktionsgeschwin-
Jeder chemische Stoff hat unter gegebenen Bedingun- digkeit durch die Zahl der Zusammenstöße der Reak-
gen einen gegebenen Energieinhalt. Verschiedene Ener- tanden in der Zeiteinheit (s) bestimmt wird und von
gieformen sind ineinander überführbar. Allerdings der Konzentration der Stoffe abhängt. Nur der Zusam-
kann Energie nicht von einem kälteren auf einen wärme- menstoß besonders energiereicher Reaktanden führt
ren Körper übertragen werden. Energie kann weder zu einer Reaktion. Dabei spielen auch sterische Fak-
erschaffen noch vernichtet werden. Die innere Energie toren eine Rolle. Der reaktive Stoß zwischen 2 Atomen
eines abgeschlossenen Systems ist konstant. Die innere oder Molekülen erfolgt über die Bildung einer transien-
Energie U eines Systems (kalorischer Zustand) wird in ten Gruppierung, die als Übergangszustand oder akti-
Form von Wärme Q und/oder Arbeit A abgegeben. vierter Komplex bezeichnet wird und nach einer sehr
kurzen Lebensdauer (ca. 10–12 s) spontan zerfällt.
U I - U II = DU = Q + A Die Thermodynamik lässt keine Aussagen zur Ge-
schwindigkeit des Ablaufs chemischer Reaktionen zu.
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik Sie beschreibt nur die Möglichkeit.
Dieser Hauptsatz ermöglicht Aussagen zur Wahrschein-
lichkeit des Ablaufs chemischer Reaktionen (Triebkraft Merke
chemischer Umsetzungen). Freiwillig ablaufende chemische Reaktionen sind
Zustandsgrößen sind: exergon, d. h. es wird Energie frei, die zur Leistung
4 H= Gesamtenthalpie (»Wärmeinhalt«); von Arbeit nutzbar ist (negative freie Enthalpie
4 G= freie Enthalpie, Maß für die Arbeitsfähigkeit (–'G)). Trotzdem muss ein bestimmter Betrag an
eines Systems; Aktivierungsenergie aufgebracht werden, um die
4 S= Entropie, Maß für den Ordnungszustand eines Reaktion zu starten. Endergone Reaktionen (+'G)
Systems. können auf Kosten einer exergonen Reaktion ab-
laufen (energetische Kopplung). Viele biochemi-
Betrachtet werden die Änderungen der Zustands- sche Reaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen,
größen. die durch das Massenwirkungsgesetz beschreibbar
4 'H='G+T'S; T= absolute Temperatur in K sind. Da ein System im chemischen Gleichgewicht
4 'G='H-T'S. keine Arbeit leisten kann ('G=0), bilden sich in
4 'G= negativ: Energie liefernder, freiwillig ab- lebenden Organismen Fließgleichgewichte aus.
laufender Vorgang (exergon);
4 'G= positiv: Energie erfordernder, nicht frei-
willig ablaufender Vorgang (endergon); Kinetik
4 'G=0: chemisches Gleichgewicht, keine Leis- Die Reaktionskinetik erklärt die Geschwindigkeit des
tung von Arbeit möglich. AblaufschemischerReaktionen.DieReaktionsgeschwin-
digkeit v ist definiert durch die Umwandlung eines
»Standardenthalpie 'Go«: freie Enthalpie, wenn alle Ausgangsprodukts A zum Endprodukt Y.
Reaktionspartner in der Einheitskonzentration 1 mol/l
vorliegen. -d[ A]/ dt = +d[Y ]/ dt = v (Stoffumwandlung in der
Die Entropie in abgeschlossenen Systemen strebt Zeiteinheit mol/s)
einem Maximum zu. Lebende Systeme sind als offene
Systeme bestrebt, die Entropiezunahme zu minimieren. Reaktionen 1. Ordnung und monomolekulare Reaktionen
4 'S > 0: freiwillige Reaktion; Zerfallsreaktionen sind meist monomolekular.
4 'S < 0: Reaktion kann nicht stattfinden;
4 'S = 0: Gleichgewichtszustand. A Æ x + y ; v = -d[ A]/ dt = k[ A]; k=Geschwindig-
keitskonstante
Aktivierungsenergie
Aktivierungsenergie ist die Energie, die einem System Die Reaktionsgeschwindigkeit ist proportional der
zugeführt werden muss, um auch eine exergone Reak- Konzentration des Ausgangsstoffs.
tion zu starten. Der exponenzielle Kurvenverlauf einer Reaktions-
Die Stoßtheorie als auch die Theorie des aktivier- kinetik 1. Ordnung kann durch Logarithmieren linea-
ten Komplexes (Übergangszustand) beschreibt die Wir- risiert werden.
kung und das Zustandekommen von Aktivierungs- Die Halbwertszeit ist ein Kennzeichen von Reak-
energie. tionen 1. Ordnung. Sie ist definiert als die Zeit, die not-
176 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen

sator und Reaktanden sich in der gleichen Phase befin-


[A] ln [A] den. Bei der heterogenen Katalyse befinden sich Kata-
Steigung = – k lysator und Reaktanden in verschiedenen Phasen, z. B.
fester Platin-Katalysator und gasförmige Reaktanden.
Physiologische, hochspezifische Katalysatoren sind
die Enzyme. Sie haben weit verbreitete industrielle An-
t t wendung gefunden.

. Abb. 3.1. Reaktion 1. Ordnung mit Geschwindigkeits- Merke


konstante k Die Reaktionskinetik beschreibt einen Stoffumsatz
bzw. eine Produktbildung bezogen auf die Zeit
(Reaktionsgeschwindigkeit). Es gibt verschiedene
wendig ist, die Konzentration von A um die Hälfte zu Reaktionskinetiken, die als Reaktionen 1., 2. und
Chemie

vermindern. 0. Ordnung charakterisierbar sind. Die Halbwerts-


zeit ist ein Kennzeichen von Reaktionen 1. Ord-
0, 693 nung. Katalysatoren sind Reaktionsbeschleuniger,
t1/ 2 =
k die die Aktivierungsenergie herabsetzen, ohne das
chemische Gleichgewicht zu verändern.
Sie wird durch die Geschwindigkeitskonstante k be-
stimmt (. Abb. 3.1).

Reaktionen 2. Ordnung, bimolekulare 3.1.3 Gekoppelte Reaktionen


und pseudomonomolekulare Reaktionen
Reagieren 2 Stoffe miteinander, liegt eine bimolekulare Endergone Reaktionen können nach dem Prinzip der
Reaktion vor, deren Umsatzgeschwindigkeit wie folgt energetischen Kopplung auf Kosten einer exergonen
beschreibbar ist: Reaktion ablaufen. Im Zellstoffwechsel wird dies durch
die Bildung energiereicher Verbindungen erreicht. Als
v = -d[ A]/ dt = -d[ B]/ dt = k[ A][ B]. energiereich gelten Verbindungen, bei deren Spaltung
mehr als 20 kJ/mol Energie freigesetzt werden. Dazu
Liegt ein Reaktionspartner in einer solchen Konzentra- gehören:
tion vor, dass seine Konzentrationsänderung unbedeu- 4 Säureanhydride (z. B. ATP, PAPS);
tend ist, ergibt sich eine pseudomonomolekulare Reak- 4 Thioester (Coenzym-A-Verbindungen von Carbon-
tion 1. Ordnung. säuren);
Das ist bei vielen hydrolytischen Reaktionen der 4 Enolphosphate (Phosphoenolpyruvat);
Fall. 4 Amidinphosphate (Kreatinphosphat);
4 Sulfonium-Verbindungen (S-Adenosyl-Methionin).
Reaktionen 0. Ordnung
Bei sehr hohen Konzentrationen von A hängt die Reak- Die freie Energie 'G für gekoppelte Reaktionen errech-
tionsgeschwindigkeit nur noch von k ab: net sich als Summe der freien Energie der Einzel-
schritte. Die Gleichgewichtskonstante einer gekop-
v = d[ A]/dt = k pelten Reaktion ergibt sich aus dem Produkt der Gleich-
gewichtskonstanten der Einzelreaktionen.
Katalyse Eine biochemische Reaktion, die unter Standardbe-
Stoffe, die den Ablauf chemischer Reaktionen ohne Ver- dingungen endergon ist, kann unter physiologischen
änderung von Druck und Temperatur beschleunigen, Bedingungen spontan ablaufen, wenn die Reaktionen
nennt man Katalysatoren und den Prozess Katalyse. der Reaktanden stark von den Standardbedingungen
Katalysatoren erhöhen die Reaktionsgeschwindigkeit abweichen. Die vollständige Umsetzung eines Substrats
durch Herabsetzung der Aktivierungsenergie, ohne in ein Produkt bei positivem 'G lässt sich z. B. dadurch
im Katalyseprozess verbraucht zu werden. Das che- erreichen, dass das Produkt durch eine Folgereaktion
mische Gleichgewicht und die freie Energie ('G) der aus dem Gleichgewicht entfernt wird.
Reaktion werden nicht verändert.
Katalysen können homogen und heterogen sein.
Von homogener Katalyse ist auszugehen, wenn Kataly-
3.3 · Säure-/Base-Reaktionen
177 3

Merke Die Dissoziation von Elektrolyten, zu denen das


Wasser auch als sehr schwacher Elektrolyt gehört, lau-
Die Änderung der Gesamtenthalpie ('H) wird für
fen in einem wässrigen Milieu ab.
die Beschreibung des Energieprofils biochemischer
Wasser (H2O) macht etwa 60% der Körpermasse
Reaktionen nicht verwendet. Die Möglichkeit Arbeit
eines erwachsenen Menschen aus. Wasser ist die Grund-
zu leisten ist für die Beurteilung eines Stoffwech-
lage für das Entstehen und Fortbestehen von Leben.
selweges wichtig. Demzufolge wird die Änderung
Wasser liegt in Form von Clustern vor, die durch
der freien Enthalpie ('G) angegeben.
Wasserstoffbrücken gebildet werden. Diese Cluster
stehen in einem ständigen Austausch mit monomeren
Wassermolekülen. Durch Temperaturerhöhung auf
3.2 Heterogene Gleichgewichts- 100°C werden die Wasserstoffbrückenbindungen ge-
reaktionen sprengt und das flüssige Wasser geht in den gasförmi-
gen monomolekularen Zustand über. Bei 4°C hat Was-
3.2.1 Begriffe ser seine höchste Dichte. Beim Übergang von Wasser in
Eis unterhalb 0°C nimmt das Wasservolumen zu.
Heterogene Gleichgewichte stellen sich bei Reaktionen Das Wassermolekül ist gewinkelt und stark pola-
mit mehr als einer Phase ein. Auf heterogene Gleich- risiert. Sauerstoff hat 6 Elektronen in der äußeren
gewichte lässt sich das Massenwirkungsgesetz, welches Schale; 4 bilden 2 Elektronenpaare, die sich nicht an
für homogene Gleichgewichte gilt, nicht unmittelbar kovalenten Bindungen beteiligen. Die übrigen 2 gehen
anwenden. Man kann sich aber damit behelfen, dass Bindungen mit 2 H-Atomen ein, die infolge der Elek-
man die Reaktion als in nur einer Phase verlaufend be- tronegativität des O polarisiert sind. Schwerpunkt der
trachtet. negativen Ladung ist demzufolge der Sauerstoff, wäh-
Fest-flüssige Systeme lassen sich über das Löslich- rend die positive Ladung an den Wasserstoffatomen
keitsprodukt beschreiben (7 Kap. 3.5.3). lokalisiert ist. Damit besitzt das Molekül ein Dipol-
element, welches die Grundlage für die Ausbildung von
Wasserstoffbrückenbindungen und der Molekülag-
3.2.2 Verteilung gregate bildet. Die hohe Dielektrizitätskonstante des
Wassers ist die Grundlage für die Wechselwirkung von
Verteilung ist die Einstellung eines Gleichgewichts der Proteinen mit Ionen und polaren Nichtelektrolyten.
Konzentrationen eines Stoffs zwischen 2 nicht misch- Die Dielektrizitätskonstante (D) beschreibt die Ab-
baren Lösemitteln (Phasen), z. B. Emulsionen oder schwächung der elektrostatischen Anziehung gegen-
Aerosolen (zu Absorption und Henry-Dalton-Gesetz sätzlich geladener oder polarisierter Moleküle. Im Vaku-
7 Kap. 1). um ist D=1. Wasser hat ein D=80.
Wasser ist Lösungsmittel für anorganische und or-
ganische Stoffe. Ihre Löslichkeit (Hydrophilie) steht für
3.2.3 Oberflächenprozesse die Fähigkeit, Wasseraggregate elektrostatisch zu bin-
den und eine Hydrathülle zu bilden. Für Ionen ist das
Oberflächenaktive Eigenschaften (= grenzaktive Eigen- leicht einsehbar, aber auch organische Moleküle binden
schaften) besitzen Stoffe, die die Grenzaktivität z. B. Wasser über ihre funktionellen Gruppen (z. B. OH–,
zwischen hydrophil und hydrophob beeinflussen NH2–, ⫽CO und –COOH), die polarisierte Bindungen
(Emulgatoren). Stoffe, die die Oberflächenspannung enthalten.
des Wassers herabsetzen, nennt man Tenside (zur Ad- Als hydrophoben Effekt bezeichnet man Phäno-
sorption GK Physik, 7 Kap. 4.6.1). mene, die den Kontakt unpolarer Moleküle, wie z. B.
reiner Kohlenwasserstoffe, mit Wasser minimieren (Öl-
tröpfchen in Wasser). Hydrophobe Wechselwirkungen
3.3 Säure-/Base-Reaktionen ergeben sich aus der hohen Dielektrizitätskonstante des
Wassers. Die Grundlage des Effekts besteht darin, dass
Wasser ist Lösungsmittel für Elektrolyte und Nichtelek- die Überführung einer hydrophoben Gruppe aus einem
trolyte. Mit hydrophoben Verbindungen geht es spe- wässrigen Medium in ein hydrophobes, wasserabwei-
zielle Wechselwirkungen ein. Diese Eigenschaften be- sendes Milieu mit einer Entropieabnahme einhergeht.
ruhen auf der Molekülstruktur des Wassers. Unter den Der Ordnungszustand des hydrophoben Milieus im
Elektrolyten spielen Säuren und Basen eine besondere Vergleich zur Entropiezunahme gelöster Substanzen
Rolle. nimmt zu (Entropieabnahme). Ein hydrophobes Mole-
178 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen

kül minimiert seine Kontakte mit Wasser, in dem es Um Lösungen unterschiedlicher Ionen mit einan-
eine möglichst kleine Oberfläche schafft, und stört die der vergleichen zu können, wurde der empirische Be-
Ausbildung der Wasseraggregate in seiner Umgebung, griff der Ionenstärke μ eingeführt:
da keine Wasserstoffbrücken ausgebildet werden kön-
nen. Dadurch orientieren sich die Wassermoleküle an m = 0, 5Sw 2c (w= Wertigkeit, c= molare Konzen-
sich selbst und nehmen in der Nachbarschaft hydro- tration).
phober Gruppen einen höheren Ordnungszustand ein
(Abnahme von Entropie). Hydrophobe Effekte spielen KLINIK
eine sehr große Rolle bei der Ausbildung und Aufrecht- Die Ionenstärke ist von medizinischer Bedeutung,
erhaltung makromolekularer Strukturen des Lebens. da alle Ionenwirkungen und die Wechselwirkung
Die Dielektrizitätskonstante des Wassers verursacht von Ionen mit Proteinen von ihr abhängen.
die elektrolytische Dissoziation, d. h. Wasser wirkt la-
dungstrennend auf Elektrolyte. Diese sind Säuren, Basen
Chemie

oder Salze. Die gebildeten Ionen umgeben sich sofort mit Lösungen unterscheiden sich von reinem Wasser durch
einer Hydrathülle. Protonen (H+) bilden mit Wasser ein einen erhöhten Siedepunkt und einen erniedrigten Ge-
Hydronium- oder Hydroxonium-Ion (H3O+), auf dessen frierpunkt.
formelmäßiger Darstellung z. B. bei der Dissoziation von Die in Wasser gelösten Ionen üben einen osmo-
Säuren allerdings verzichtet wird. tischen Druck aus, der der Anzahl (genauer der Akti-
Die Bildung von Ionen erhöht die elektrische Leit- vität) der gelösten Ionen entspricht. Ein osmotischer
fähigkeit von Wasser drastisch. Die Leitung von Strom Druck entwickelt sich an semipermeablen Membranen
ist mit einem Stofftransport verbunden. Ionen mit nega- und kann definiert werden als ein Druck, der ausgeübt
tiver Ladung wandern zur Anode (Anionen), Ionen werden muss, um den Konzentrationsausgleich ge-
mit positiver Ladung wandern zur Kathode (Kationen) löster Stoffe oder auch Wasser an der Membran zu ver-
in einem elektrischen Gleichstromfeld. hindern.
Stoffe, die in Wasser in Ionen dissoziieren, nennt Der kolloidosmotische Druck ist ein Spezialfall an
man Elektrolyte. Man unterscheidet starke und semipermeablen Membranen. Er entsteht, wenn Kol-
schwache Elektrolyte. loide, z. B. Proteine, sich an einer Seite der Membran
befinden, die sie aufgrund ihrer Molekülgröße nicht
Starke Elektrolyte dissoziieren vollständig. Dazu ge- permeieren können.
hören die meisten Salze, Mineralsäuren sowie die Basen In Gegenwart geladener Kolloide, z. B. Proteine, an
der Alkalimetalle (z. B. Natronlauge NaOH, Kalilauge einer semipermeablen Membran kommt es zu einer
KOH). Ungleichverteilung von Anionen und Kationen, die
Donnan-Verteilung (falsch auch Donnan-Gleich-
Schwache Elektrolyte dissoziieren unvollständig in gewicht) genannt wird. Ursache für diese Verteilung ist
wässrigen Lösungen. Ihr Dissoziationsverhalten ist das Erreichen von Elektroneutralität an beiden Seiten
durch das Massenwirkungsgesetz für Gleichgewichts- der semipermeablen Membran. Das Produkt von Anio-
reaktionen beschreibbar. Die Dissoziation schwacher nen und Kationen ist auf beiden Seiten gleich. Die La-
Elektrolyte hängt von ihrer Konzentration in wässrigen dung des Kolloids bewirkt die ungleiche Verteilung
Lösungen ab. Mit zunehmender Verdünnung nimmt diffusibler An- und Kationen.
sie zu, bis auch schwache Elektrolyte bei starker Ver- In biologischen Systemen ist eine Donnan-Vertei-
dünnung vollständig dissoziiert sind. lung selten, da an den biologischen Membranen selek-
Gegensätzlich geladene Ionen üben in wässriger tive Transportsysteme für An- und Kationen wirken.
Lösung eine elektrostatische Anziehung auf einander
aus, sodass ihre im thermodynamischen Sinne wirk- Merke
samen Aktivitäten geringer sind als ihre molaren Kon- Ohne Wasser gibt es kein Leben. Aufgrund ihres Di-
zentrationen. Der Faktor, mit dem die Konzentration polcharakters assoziieren Wassermoleküle über die
der Ionen multipliziert werden muss, um ihre Aktivität Bildung von H-Bindungen zu hochmolekularen
zu erhalten, wird Aktivitätskoeffizient fa genannt: Aggregaten, die Hydrathüllen um Ionen und polare
Stoffe ausbilden und die physikochemischen Eigen-
a=fac schaften des Wassers bestimmen. Durch seine Po-
larität ermöglicht es die Löslichkeit polarer Stoffe,
Erst bei sehr starker Verdünnung wird fa=1 (ideale Lö- 6
sung).
3.3 · Säure-/Base-Reaktionen
179 3

Ein pH-Wert unter 7 bedeutet einen Protonenüber-


die elektrolytische Dissoziation, die Ausbildung schuss (sauer), ein pH-Wert über 7 einen Überschuss
von H-Brücken und hydrophoben Wechselwir- an Hydroxyl-Ionen (basisch).
kungen. An semipermeablen Membranen ent- Der wesentliche Fortschritt der Brönstedt’schen
stehen der osmotische und der kolloidosmotische Säuredefinition ist die funktionelle Beschreibung des
Druck. elektrolytischen Dissoziationsverhaltens von Verbin-
dungen. Danach ist eine Säure ein Molekül, welches
Protonen abdissoziieren kann und eine Base eine Ver-
bindung, die Protonen aufnehmen kann. Demzufolge
3.3.1 Definitionen sind Säure und Base ein gekoppeltes Paar:
4 SäurelBase (Säureanion)+Proton.
Wasserstoff (H) kommt in der Natur kaum ele- 4 HAlA–+H+
mentar vor, ist aber in seinen Verbindungen weit ver-
breitet. Allgemein gilt, dass starke Säuren mit schwachen Basen
Wasserstoff reagiert explosionsartig mit Sauerstoff und starke Basen mit schwachen Säuren korrespon-
(O) unter Bildung von Wasser oder mit Chlorgas unter dieren.
Bildung von Salzsäure (HCl). Das Dissoziationsverhalten schwacher Säuren bzw.
Basen ist eine Gleichgewichtsreaktion.
H 2 + 1/2 O2 Æ H 2O DH = -287kJ Der Dissoziationsgrad einer schwachen Säure ist
H 2 + Cl2 Æ 2HCl DH = -185kJ definiert als

Reaktionspartner ist atomarer Wasserstoff, d. h. das pH=0,5(pKa–lg CSäure); C= Konzentration.


molekulare Wasserstoffgas H2 muss in 2 Atome H zer-
legt werden.
Unter Abgabe eines Elektrons geht Wasserstoff in 3.3.2 Dissoziationsabhängige Größen
ein Proton (H+) über. Das Proton ist stets hydratisiert
(Hydronium-, Hydroxonium-Ion, H3O+). 7 Kap. 3.3.4
Unter Aufnahme eines Elektrons bildet sich das
Hydrid-Ion (H–). Hydride sind in Form von Metallver-
bindungen beständig. 3.3.3 Beispiele, Anwendung
Die Isotope Deuterium (D) (12 H) und Tritium (T)
(13 H) des Wasserstoffs wurden erwähnt. Eine starke Säure wie die HCl dissoziiert in wässriger
Nach der klassischen Definition sind Säuren Ver- Lösung vollständig in H+ und Cl–-Ionen, die Schwefel-
bindungen, die die Protonenkonzentration (H+) in einer säure in 2 Protonen und das SO42–-Anion. Kohlensäure
wässrigen Lösung erhöhen, Basen hingegen Verbin- H2CO3 gibt nacheinander 2 Protonen ab und geht über
dungen, die die Hydroxyl-Ionenkonzentration (OH–) Hydrogencarbonat in die Carbonate über. Phosphor-
erhöhen. säure als mittelstarke Säure dissoziiert pH-abhängig 3
Die Stärke von Säuren und Basen hängt von der H+ ab und geht letztendlich in PO43– über.
H+-Ionen- bzw. OH–-Ionenkonzentration ab. Ammoniak NH3 bildet in Wasser ein OH–-Ion, weil
Neutralisation ist die Kompensationsreaktion zwi- es in Wasser als Base ein Proton bindet (NH4+). NaOH
schen H+- und OH–-Ionen: als starke Base dissoziiert vollständig in Na+ und OH–.
Kohlensäure dissoziiert nur unvollständig. Sie ist
H + + OH - Æ H 2O im Blut mit ihrem Anion Hydrogencarbonat HCO3–
eine wichtige Puffersubstanz.
Neutrales Wasser hat einen pH-Wert von 7,0. Das be-
deutet, es enthält 10–7 mol/l H+- und 10–7 mol/l OH–- Prüfungsfallstricke
Ionen. Dieser Wert ergibt sich aus dem Ionenprodukt Ein pH-Wert von 4 bedeutet, dass die H+-Ionenkon-
des Wassers, von 10–14 mol2/l2, welches mit Hilfe des zentration 10–4 mol/l beträgt.
Massenwirkungsgesetzes berechenbar ist.
Der pH-Wert ist der negative dekadische Logarith-
mus der H-Ionenkonzentration.

–lg[H]=pH; analog dazu –lg[OH]=pOH


180 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen

3.3.4 Neutralisation, Puffer Basen werden durch Salze aus starken Säuren und
schwachen Basen gepuffert
Neutralisation
Bei der Reaktion einer Säure mit einer Base entsteht ein NH 4Cl + NaOH Æ NH 3 + H 2O + NaCl
Salz, welches in wässriger Lösung in Ionen dissoziiert
(Neutralisation). Das System NH3/NH4Cl funktioniert ähnlich. Bei Zu-
gabe von NaOH entsteht NH3.
HCl + NaOH Æ NaCl + H 2O Das Säureanion ist in der Lage, Protonen zu binden;
NaCl Æ Na + + Cl - die Säure dissoziiert Protonen bei Zugabe von Hydro-
xyl-Ionen entsprechend dem chemischen Gleichge-
Als Ampholyte bezeichnet man Verbindungen, die so- wicht ab. Das System ist erschöpft, wenn Säure bzw.
wohl mit Säuren als auch mit Basen Salze bilden. Amino- Säureanion verbraucht sind.
säuren sind Ampholyte. Die Pufferkapazität ist am pKa-Wert am höchsten,
Chemie

Merke weil unter diesen Bedingungen das Verhältnis von Salz


zu Säure gleich 1 ist (lg 1=0). Demzufolge wird der Be-
Die Umkehrung der Neutralisation wird als Hydro- reich optimaler Pufferung durch den pKa-Wert be-
lyse bezeichnet. stimmt.

Durch Hydrolyse von Salzen, die durch Neutralisation KLINIK


schwacher Säuren mit starken Basen bzw. schwacher Ein wichtiger physiologischer Puffer ist der Kohlen-
Basen mit starken Säuren entstehen, werden hydroly- säure/Hydrogencarbonat-Puffer des Bluts.
tisch OH–- bzw. H+-Ionen gebildet:

CH 3COO - + Na + + H 2O Æ CH 3COOH + Na + + OH - Der pH-Wert von Pufferlösungen lässt sich mittels der
NH 4 + + Cl - + H 2O Æ NH 3OH + Cl - + H + Henderson-Hasselbalch-Gleichung berechnen. Diese
Gleichung ist eine Anwendung des Massenwirkungs-
Säuren werden durch Reaktion von Nichtmetalloxiden gesetzes auf schwache Elektrolyte.
(Säureanhydride) mit Wasser, Basen entsprechend
durch Reaktion von Metalloxiden (Basenanhydride) [Säureanion] [Salz]
pH = pK a + lg = pK a + lg
mit Wasser gebildet: [Säure] [Säure]

SO3 + H 2O Æ H + + HSO4 - Der pKa-Wert ist der negative dekadische Logarithmus


Na2O + H 2O Æ 2Na + + OH - der Aziditätskonstante der Säure, die sich aus dem
Massenwirkungsgesetz ergibt.
Puffer
Die Dissoziation einer schwachen Säure ist eine Gleich- Merke
gewichtsreaktion, auf die das Massenwirkungsgesetz Säuren sind Verbindungen, die Protonen abdisso-
angewendet werden kann. ziieren; Basen sind Verbindungen, die Protonen
aufnehmen. Eine Säure besteht demzufolge aus
[Säureanion - ] [H + ] einem Säureanion (Base) und dissoziierbaren Pro-
Ka =
[Säure] tonen. Schwache Elektrolyte dissoziieren unvoll-
ständig. Ihr Dissoziationsverhalten ist durch das
Gemische von schwachen Säuren (Basen) und ihren Massenwirkungsgesetz beschreibbar. Gemische
Salzen werden als Puffer bezeichnet, weil sie in einem von schwachen Säuren mit Salzen starker Basen
bestimmten pH-Bereich die H-Ionenkonzentration bzw. schwachen Basen mit Salzen starker Säuren
weitgehend stabil halten. sind Puffer, die den pH-Wert wässriger Lösungen
Säuren können gepuffert werden durch alle Salze im Bereich des pK-Werts maximal stabilisieren
von schwachen Säuren und starken Basen: können.

H 3C - COONa + HCl Æ NaCl + H 3COOH

Natriumacetat wird in die schwächere Essigsäure über-


führt, die nur wenig dissoziiert.
3.4 · Redox-Reaktionen
181 3
3.3.5 Lewis-Säuren/Basen Die Nernst’sche Gleichung gestattet die Berechnung
des aktuellen Potenzials unter Berücksichtigung der
Nach der Definition von Lewis ist eine Säure eine Verbin- Konzentration der Redox-Paare:
dung, die ein Elektronenpaar akzeptieren kann und eine
Base eine Verbindung, die als Elektronenpaar-Donator RT [ Ared ] [Bn + ox ]
DE = DE 0 - ln bzw.
fungiert. Dabei entstehen kovalente Verbindungen. nF [ An + ox ] [ Bred ]
RT [cox
w. DE = DE 0 - ln
nF [cred
3.4 Redox-Reaktionen
('E0= Standard-Redoxpotenzial, bei dem alle Kompo-
3.4.1 Definitionen nenten in 1 molarer Konzentration vorliegen).

Oxidation bedeutet Abgabe von Elektronen. Reduktions-


vorgänge sind mit einer Aufnahme von Elektronen ver- 3.4.3 Elektrochemische Zellen
bunden. Beide Reaktionen sind immer gekoppelt, so-
dass man sie als Redox-Reaktionen bezeichnet. Das Standardpotenzial wird auf die Wasserstoff-Elek-
trode (0-Punkt) bezogen.
Die Wasserstoff-Elektrode besteht aus einem Platin-
3.4.2 Einfache Reaktionsgleichungen blech, welches von H2 unter 1 bar Druck umspült wird
und in eine 1 molare Salzsäure eintaucht. Gegen sie
Das Reduktionsmittel Cu+ wird zu Cu2+ oxidiert; das misst man die Spannungen von Halbzellen und schreibt
Oxidationsmittel Fe3+ zu Fe2+ reduziert (. Abb. 3.2). ihr als Bezugselektrode das Potenzial 0 zu.
Diese Redox-Reaktion kann in 2 Halbreaktionen Ordnet man die Standard-Redoxpotenziale nach
(Redox-Paare) unterteilt werden: der Größe, erhält man die elektrochemische Span-
nungsreihe. Sie ist ein Maß für die oxidierende bzw.
Fe3++e–lFe2+ (Reduktion), reduzierende Kraft des Redox-Systems. Je höher das Sys-
Cu+→Cu2++e– (Oxidation). tem in der Spannungsreihe steht, d. h. je negativer das
Normalpotenzial ist, umso stärker ist seine reduzieren-
Zusammen bilden sie ein konjugiertes Redox-Paar. de Wirkung. Die an der Spitze stehenden Metalle (K, Ca,
Verbringt man je ein Redox-Paar in eine Halbzelle, so Na, Mg) sind demnach starke Reduktionsmittel und
kann man den Elektronenfluss zwischen den Zellen als werden besonders leicht oxidiert (»unedle Metalle«).
Spannung (Redox-Potenzial E) messen.
Das Redox-Potenzial kann Arbeit leisten: Merke
Je tiefer das System in der Spannungsreihe ange-
- DG = nF DE ordnet ist, je positiver also das Normalpotenzial ist,
umso stärker ist die oxidierende Wirkung (Cu, Ag,
Hier gilt: G= freie Enthalpie, n= Anzahl der transpor- Hg, Au, Pt). Diese Metalle sind nur schwer zu oxidie-
tierten Elektronen, E= Redox-Potenzial, F= Faraday- ren (»edle Metalle«).
Konstante.

Reduktionsmittel + Oxidationsmittel ox. Reduktionsmittel + red. Oxidationsmittel

e–
bzw.

Elektronendonator (Reduktionsmittel) Elektronenakzeptor (Oxidationsmittel)



e

Fe3+ + Cu+ Fe2+ + Cu2+

. Abb. 3.2. Redox-Reaktion


182 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen

Auch für Nichtmetalle lässt sich eine Spannungsreihe 3.4.5 Biochemische Redox-Reaktionen
aufstellen. Oben stehen Se und S, unten Cl und F. F
besitzt das positivste Potenzial aller Oxidationsmittel. Bei biologischen Oxidationsprozessen ist Sauerstoff
Die Oxidationszahl (Oxidationsstufe, -zustand, selten direkter Reaktionspartner. Die häufigsten Oxida-
-wert, Ladungswert, Valenzzahl) ist diejenige Ladung, tionsreaktionen sind Dehydrierungen. Für Details GK
die ein Atom in einem Molekül besäße, wenn das Mole- Biochemie 7 Kap. 3.4 Biologische Oxidation.
kül aus lauter Ionen aufgebaut wäre. Die Oxidations-
zahl ist demzufolge eine vorzeichenbehaftete Kenn-
größe zur Charakterisierung einzelner Atome in einer 3.5 Bildung und Eigenschaften
Verbindung. In Formeln wird die Oxidationszahl in der Salze
Klammern mit römischen Ziffern angegeben, z. B.
Fe(III)Cl3. Das bedeutet, das Eisenatom hat 3 Elektro- 3.5.1 Bildung
nen abgegeben, ist also 3-wertig. Man kann diese elek-
Chemie

trochemische Wertigkeit auch als kleine arabische Zif- Salze sind heteropolare Verbindungen einer von
fer über das Elementsymbol setzen H-Ionen verschiedenen Kationenart und einer von
-2 +4 +4 +6 -3 +2
OH-Ionen verschiedenen Anionenart.
H 2S , SO2, SO3-2, K 2 SO4, NH 3, NO. Anorganische Salze entstehen aus
4 der Reaktion von Metallen, Metalloxiden oder Me-
Metalle in den Gruppen I–III des PSE bilden Ionen tallhydroxiden mit Säuren, z. B.
mit positiven Ladungen, deren Zahl gleich der Grup- Fe+2HCloFeCl2+H2;
pennummer ist. In diesen Fällen ist die Oxidations- 4 aus der Reaktion von Säuren mit Basen (Neutrali-
zahl gleich der Gruppennummer. Die Summe aller sation) NaOH+HCLoNaCl+H2O.
Oxidationszahlen in einem neutralen Molekül ist 0
(KMnO4=K+1Mn+7O4–8). Die Oxidationszahl von Was-
serstoff beträgt +1, von Sauerstoff –2. 3.5.2 Eigenschaften

Merke Man unterscheidet zwischen neutralen, sauren und


Oxidation ist Abgabe von Elektronen. Reduktion ist basischen Salzen. Bei den neutralen Salzen sind alle
Aufnahme von Elektronen. Beide Reaktionen sind ionisierbaren H-Atome der Säure durch Kationen
immer gekoppelt (Redox-Reaktionen) und bilden bzw. alle OH-Gruppen der Base, von denen sich
ein Redox-Paar. Durch Anordnung der Redox-Part- die Salze ableiten, durch andere An- bzw. Kationen er-
ner in galvanischen Halbzellen kann man den Elek- setzt.
tronenfluss als Spannung messen. Unter Bezug auf Die Salze von starken Säuren und Basen, z. B. NaCl,
die H-Elektrode wird eine Spannungsreihe der Ele- verursachen bei ihrer elektrolytischen Dissoziation
mente erhalten, die das Redox-Potenzial eines Ele- keine Veränderungen des pH-Werts. Die Hydrolyse von
ments festlegt. Dadurch wird abgeleitet, welche Salzen starker Basen mit schwachen Säuren bzw. von
Elemente als Oxidations- oder Reduktionsmittel schwachen Basen mit starken Säuren verändern den
wirken. Mittels der Nernst’schen Gleichung kann pH-Wert infolge des Dissoziationsverhaltens schwacher
das aktuelle Potenzial unter Berücksichtigung Säuren und Basen (7 Kap. 3.3.4).
der Konzentration der Redox-Paare errechnet
werden.
3.5.3 Schwerlösliche Salze

Die meisten Salze dissoziieren in wässriger Lösung voll-


3.4.4 Redox-Reaktionen ständig und sind gut wasserlöslich. Mg-, Ca- und Ba-
Sulfate besitzen eine sehr geringe Wasserlöslichkeit.
Eine wichtige Reaktion ist die Knallgasreaktion: Ihre Löslichkeit ist durch das Löslichkeitsprodukt be-
schreibbar.
2H 2 + O2 Æ H 2O + Energie Das Löslichkeitsprodukt (L) ist ein Maß für die Lös-
lichkeit von Verbindungen in Wasser. Es lässt sich unter
Anwendung des Massenwirkungsgesetzes berechnen.
Bariumsulfat (BaSO4) ist schwer wasserlöslich. Nur
wenige Barium- und Sulfat-Ionen gehen in Lösung.
3.7 · Additions-/Eliminierungsreaktionen
183 3

Ba2 + + SO4 2 - Æ BaSO4 3.6 Ligandenaustausch-Reaktionen


[ Ba2 + ][SO4 2 - ]
K= ;[Ba2 + ] ◊ [SO4 2 - ] = L 3.6.1 Ligandenaustausch-Reaktionen,
[ BaSO4 ]
Eigenschaften
Nichtdissoziiertes Bariumsulfat geht nicht in Lösung
und kann deshalb aus der Gleichung ausgeklammert Der Begriff Ligand stammt zunächst aus der Komplex-
werden. Das Löslichkeitsprodukt L stellt deshalb das Chemie für die koordinative Bindung neutraler Mole-
Produkt der in Lösung befindlichen Ionen dar. Es ist küle oder negativ geladener Ionen an ein Metall als Zen-
das Analogon zum Ionenprodukt des Wassers. tralatom oder Zentralion. Hierbei sind Austausch- bzw.
Verdrängungsreaktionen von Liganden an Komplexen
KLINIK möglich, da Komplexbildungsreaktionen durch che-
Ba2+-Ionen sind sehr toxisch. Trotzdem fand BaSO4 mische Gleichgewichte beschreibbar sind (7 Kap. 2.2.5).
als Röntgenkontrastmittel Anwendung, da sein In der Biochemie versteht man unter Liganden klei-
Löslichkeitsprodukt extrem niedrig ist, d. h. nur ne Moleküle, die an spezifische Stellen von Makromole-
sehr wenige Ba2+-Ionen in Lösung gehen. külen gebunden werden, z. B. Substrate, Coenzyme,
Effektoren und Inhibitoren an Enzyme.

3.5.4 Elektrochemische Anwendung 3.6.2 Beispiele

Elektrolyse (elektrolytische Zersetzung) besteht in Das Fe(II) im Häm des Hämoglobins oder Myoglobins
einer beim Stromdurchgang durch einen Elektrolyten kann O2 oder CO binden. CO kann den Sauerstoff aus
hervorgerufenen chemischen Veränderung. Sendet seinen Bindungen am Häm verdrängen und umge-
man Gleichstrom durch eine HCl-Lösung, so wandern kehrt. Co im Cobalamin (Vitamin B12) kann mit ver-
die Kationen H+ zur Kathode und die Cl–-Ionen zur schiedenen Liganden binden.
Anode (Anionen). Der Strom wandelt die Ionen an Im weiteren Sinne sind die Ionenaustausch- und
den Polen in elektrisch neutrale Atome um, wobei die Affinitätschromatographie (Lehrbücher der Bio-
sich Redox-Reaktionen abspielen. An der Kathode chemie) Beispiele für Ligandenaustausch-Reaktionen.
erfolgt eine Reduktion, an der Anode eine Oxidation,
wobei H+-Ionen an der Kathode in neutrale H-Atome
übergehen, die sich zu H2-Gas vereinen, und an der 3.7 Additions-/Eliminierungs-
Anode Cl– zu Cl oxidiert und Chlorgas Cl2 gebildet reaktionen
wird.
Man unterscheidet folgende Reaktionsarten:
Merke 4 Aufspaltung einer Atombindung durch Homo-
Bei der Elektrolyse handelt es sich um eine Um- oder Heterolyse;
kehrung der in einem galvanischen Element ablau- 4 Additionsreaktionen als Anlagerungen;
fenden Redox-Reaktionen, wenn man durch eine 4 Eliminierungsreaktionen als Abspaltung;
Gleichstromquelle mit genügender Spannung eine 4 Substitutionsreaktionen als Ersatz;
Umkehr des Elektronenflusses erzwingt. 4 Umlagerungen von Atomgruppen.

Bei der Homolyse einer Atombindung wird das bin-


dende Elektronenpaar entkoppelt, sodass radikalische
3.5.5 Biochemisch wichtige Salze Verbindungen mit einem einsamen Elektron entstehen,
die schnell weiter reagieren.
Wichtige Kationen sind Na+, NH4+, K+, Mg2+, Ca2+.
Wichtige Anionen sind Cl–, HCO3–, H2PO4–. Na+ und A : B Æ A* + B *
Cl– sind die vorherrschenden Ionen der extrazellulären
Flüssigkeit. K+, Mg2+ und HCO3– kommen überwie- Homolyse ist ein grundlegender Vorgang bei der Spal-
gend intrazellulär vor. Ca2+-Ionen sind sowohl intra- tung von C–C- und C–H-Bindungen.
als auch extrazellulär von Bedeutung. Bei der Heterolyse einer Atombindung wird das
Spurenelemente liegen im Organismus überwie- Bindungselektronenpaar von einem der beiden Bin-
gend in komplexer Bindung vor. dungspartner übernommen. Es entstehen Ionen.
184 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen

A : B Æ A- + B + Hydroxyketone lagern sich in die Endiolform um,


die stark reduzierend ist und dabei in ein Diketon über-
Der Heterolyse unterliegen polarisierte Atombindun- geht (. Abb. 2.9). Eine physiologisch wichtige Verbin-
gen. Dabei können Carbanionen C– und Carbonium- dung mit Endiolstruktur ist die Ascorbinsäure (Vita-
Ionen C+ entstehen. min C) (. Abb. 2.8).
Die Aldolkondensation (Aldehyddimerisation)
tritt bei Aldehyden ein, die an dem der Aldehydgruppe
3.7.1 Additionen, Eliminationen benachbarten C-Atom mindestens ein Wasserstoffatom
tragen.
Additionsreaktionen sind Anlagerungen von Atomen Ein der Carbonylgruppe benachbartes H-Atom
oder Atomgruppen an Moleküle mit Mehrfachbin- wandert an das O-Atom der zweiten Aldehydgruppe
dungen, wobei aus den ungesättigten Molekülen gesät- unter Bildung eines Alkohols (. Abb. 2.7). Anschlie-
tigte entstehen. Eine besondere Bedeutung kommt der ßend erfolgt die Ausbildung einer neuen C-C-Bindung.
Chemie

Addition an –C⫽C- und –C⫽O-Doppelbindungen zu. Aldol ist die Abkürzung für Aldehydalkohol.
Eine Addition kann auch an Moleküle mit einem freien
Elektronenpaar erfolgen. Additionsreaktionen können
nucleophil und elektrophil sein. Eine wichtige Additions- 3.8 Substitutionsreaktionen
reaktion ist die Anlagerung von Wasser an eine Doppel-
bindung unter Ausbildung eines Alkohols. 3.8.1 Reaktionsablauf, reaktive Teilchen
Unter Eliminierung versteht man intramolekulare
Abspaltungen von 2 Atomen oder Atomgruppen (Ionen, Man unterscheidet nucleophile (anionoide), elektro-
Moleküle) aus einem Kohlenstoff-Gerüst, die zu unge- phile (kationoide) und radikalische Substitutionen.
sättigten Verbindungen führen. Die biologisch wich-
tigste Eliminierung ist die Dehydratisierung (Abspal-
tung von Wasser aus Alkoholen). 3.8.2 Reaktionen am gesättigten
Kohlenstoffatom

3.7.2 Reaktionen der Carbonylgruppe Erfolgt die Ablösung des bisherigen Liganden vom
C-Atom unter Mitnahme beider Bindungselektronen
Aldehyde können leicht zu Carbonsäuren (R-COOH) als Anion, so muss auch der neue Substituent ein Anion
oxidiert werden (7 Kap. 2.3.5). Sie besitzen deshalb redu- sein. Der neu eintretende Substituent ist nucleophil.
zierende Eigenschaften. Ketone sind nicht oxidierbar. Die Substitution ist anionoid, nucleophil (SN).
Stickstoffbasen (NH3, Hydrazin, aliphatische Löst sich der alte Ligand unter Zurücklassung der
Amine) reagieren mit der polaren Carbonylgruppe un- Bindungselektronen als Kation ab, muss der neue Sub-
ter Bildung Schiff ’scher Basen (Aldimine; Ketimine), stituent ebenfalls ein Kation sein: elektrophile, katio-
da nucleophile Reagenzien leicht an die Carbonyl- noide Substitution (SE).
gruppe addiert werden können. Nimmt der alte Ligand nur ein Bindungselektron
Die Addition eines Alkohols an eine Carbonyl- mit (Homolyse), muss der neue Substituent ein Elek-
gruppe eines Aldehyds führt zu einem Halbacetal. Ent- tron in die Bindung einbringen. Er ist ein Radikal. Der
stammt die CO-Gruppe aus einem Keton entstehen Reaktion liegt eine radikalische Substitution (SR) zu-
Hemiketale. grunde.
Reagiert die OH-Gruppe des Halbacetals mit einem
weiteren Alkohol entsteht unter Ausbildung einer Ether-
bindung ein Acetal. 3.8.3 Reaktionen am ungesättigten
Kohlenstoffatom

3.7.3 Tautomerie, Kondensation Die Reaktionen an ungesättigten Kohlenwasserstoff-


verbindungen sind v. a. Additionsreaktionen und selten
Ketone zeigen zwei tautomere Formen (Keto-Enol- Substitutionen.
Tautomerie, . Abb. 2.10). Die Tautomerie ist eine Um-
lagerungsreaktion, die als Wanderung eines Wasser-
stoffatoms um eine Doppelbindung beschrieben wer-
den kann.
3.8 · Substitutionsreaktionen
185 3
3.8.4 Carbonsäureamide 1. Ordnung. Diese sind Cl, Br, J, –CH3 (Alkylreste),
–OH, –NH2, –OR (Alkoxylreste). Es handelt sich hier-
Säureamide leiten sich vom Ammoniak NH3 durch bei um Atome oder Atomgruppen, die überwiegend
Ersatz von H durch Säurereste (R–CO- oder R–SO2-) keine Doppelbindungen enthalten.
ab. Von physiologischer Bedeutung sind die primären Substituenten 2. Ordnung dirigieren in meta
Amide von Carbonsäuren R–CO–NH2, wie Asparagin (m)-Stellung. Diese sind NO2, C⫽O, –CHO, –COOH,
und Glutamin sowie das Diamid der Kohlensäure –SO3H. Sie enthalten vielfach eine Doppelbindung.
Harnstoff. Sulfonamide sind Pharmazeutika. Der dirigierende Einfluss der Substituenten beruht
Wird eine Amidbindung zwischen den Carbo- auf ihrer Polarität. Man unterscheidet zwischen:
nylgruppen und den Aminogruppen von Amino- 4 anionoider (negativer, nucleophiler) Substitution
- - - -
säuren gebildet, entstehen Peptide. Die Bindung durch Substituenten 1. Ordnung: Cl , Br, J , -CH 3,
-+ -+ -+
wird Peptidbindung genannt. Säureamidbindungen -OH, NH 2, -OR und
entstehen auch bei der Verknüpfung der NH2-Grup-
pe des Sphingosins mit einer C24-Fettsäure (Ce- 4 kationoider (positiver, electrophiler) Substitution
+- +- +-
ramid). durch Substituenten 2. Ordnung: NO2, C = O ,
-+ - - + +- +
-COO H , - SO3 H .

3.8.5 Aromaten Ist ein negativer Substituent am Benzolring vorhanden,


so wird das bindende C-Atom positiv induziert. Die
An aromatischen Verbindungen, wie dem Benzolkern, benachbarten C-Atome sind dann alternierend negativ
finden keine Additionen, sondern Substitutionen statt. und positiv. Die umgekehrte Induktion erfolgt bei po-
Substitutionen in ortho(o)- und para(p)-Stellung sind sitiven Substituenten.
relativ gleichwertig. Substituenten, die vorwiegend in Danach kann also nach Bindung von Substituenten
diese Stellungen dirigieren, nennt man Substituenten 1. Ordnung nur eine kationoide Substitution in o- und

. Abb. 3.3. Addition, Eliminierung und Substitution


186 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen

. Abb. 3.4. Keto-Enol-Tautomerie


und Lactam-Lactim-Tautomerie
Chemie

p-Stellung erfolgen, bzw. bei der anionoiden Substitu- Prüfungsfallstricke


tion in m-Stellung.
Nucleophil – Gruppierungen, die positive Ladun-
Merke gen anziehen und (in Folge einer polarisierten Bin-
dung) einen Elektronenüberschuss haben; »kern-
Additionen, Eliminierungen und Substitutionen
suchend«.
spielen im intermediären Stoffwechsel eine wich-
Elektrophil – Gruppierungen, die infolge eines
tige Rolle (. Abb. 3.3), z. B. bei der Dehydratation
Elektronenmangels (aus einer polarisierten Bin-
von Hydroxylgruppen enthaltenden Verbindungen
dung) negative Ladungen anziehen.
oder der Wasseranlagerung an ungesättigte Kohlen-
wasserstoffe.

3.9 Sonstige Reaktionen


Eine Umlagerung bedeutet einen intramolekularen
Ortswechsel von Atomen oder Atomgruppen. Beispie- 3.9.1 Nucleinsäuren
le sind die Keto-Enol- und die Lactam-Lactim-
Tautomerie bei Ketonen bzw. bei Aminen (. Abb. 3.4) Die Pyrimidin- und Purinbasen liegen in den Nuclein-
(7 Kap. 2.3.4). säuren in der Ketoform vor (Keto-Enol-Tautomerie),
Von Kondensationsreaktionen spricht man, wenn um als komplementäre Basen (A/T bzw. U und G/C)
2 Verbindungen unter Wasseraustritt miteinander rea- über Wasserstoffbrückenbindungen miteinander in
gieren. Eine Kondensation ist stets eine Folge von Addi- Wechselwirkungen treten zu können.
tion und Eliminierung. Die Nucleotide als Monomere der Nucleinsäuren
sind über Phosphorsäurediesterbindungen miteinan-
Merke der verknüpft.
Nucleophil ist die Bezeichnung für eine Gruppe, die
als »kernliebendes« Teilchen (z. B. negativ geladene
Anionen, Carbanionen) eine elektrophile Verbin- 3.9.2 Carbonsäuren
dung angreift. Nucleophile Reaktionen können als
Addition, Eliminierung oder Substitution ablaufen. Carbonsäuren können ihre Carboxylgruppe unter
Elektrophile Reaktionen laufen als Additions- oder Abspaltung von CO2 abgeben. Den Vorgang nennt man
Substitutionsreaktionen ab. Als elektrophile Species Decarboxylierung.
reagieren positive Ionen (Kationen) oder polarisier-
te Gruppen mit einem Elektronenmangel.
3.9.3 »Anorganische« Säuren

Phosphorsäure, Schwefelsäure und Kohlensäure spie-


len im intermediären Stoffwechsel eine wichtige Rolle.
3.9 · Sonstige Reaktionen
187 3

Schwefelsäureester sind Bestandteile der Sulfatide,


der sauren Mucopolysaccharide und von Konjuga-
tionsprodukten von Aromaten, wie den Estrogenen als
Ausscheidungsprodukten. Als Säureamide (»Sulfona-
mide«) finden sie Anwendung in der Therapie bakte-
rieller Infektionen.
Phosphorsäureester sind Bestandteile des inter-
mediären Stoffwechsels. Als Säureanhydride (Poly-
phosphate) ATP, GTP, CTP und UTP spielen sie eine
wichtige Rolle.

Merke
Das Diamid der Kohlensäure ist der Harnstoff.
Chemie
189 4

4 Kohlenhydrate

Mind Map
Kohlenhydrate treten als Mono-, Di-, Oligo- und Poly- sidische (acetalische) Bindungen zu Di- und Polysac-
saccharide auf. Sie spielen als Reservesubstanzen chariden zusammen. Über N-glycosidische Bindungen
und Energielieferanten sowie Strukturbestandteile im mit N-haltigen Agluconen entstehen Nucleoside sowie
menschlichen Organismus eine wichtige Rolle. Mono- pharmakologisch bedeutsame Verbindungen (Herz-
saccharide entsprechen überwiegend der Summen- glycoside).
formel CnH2nOn. Monosaccharide treten über glyco-
190 Kapitel 4 · Kohlenhydrate

4.1 Monosaccharide 4.1.4 Stereochemie

4.1.1 Klassifizierung Freie Hexosen liegen immer als Pyranosen vor. Glu-
cose, Fructose, Galactose und Mannose sind Hexosen,
Monosaccharide sind die einfachen Verbindungen der gut wasserlöslich und kristallisierbar. Ribose und
Kohlenhydrate. Ihre Grundformel ist Cn(H2O)n. Sie ent- 2-Desoxyribose sind die häufigsten Pentosen. Sie sind
halten neben Hydroxyl- auch Carbonylgruppen. Steht nicht durch Hefe vergärbar.
die Carbonylgruppe am ersten C-Atom (Aldehyd), Die häufigsten im menschlichen Organismus vor-
werden die Vertreter Aldosen genannt. Eine Carbonyl- kommenden Monosaccharide sind D-Pentosen und
gruppe am zweiten C-Atom (Keton) definiert Ketosen. D-Hexosen (Enantiomere). Diese liegen nur in äußerst
geringer Menge als lineare Aldehyde oder Ketone vor.
Merke Durch eine intramolekulare Halbacetalbildung zwi-
Monosaccharide sind Oxidationsprodukte mehr- schen der Carbonylgruppe und einer Hydroxylgruppe
Chemie

wertiger Alkohole. kommt es zur Ausbildung von Ringen, die fünfgliedrig


(Furanosen) oder sechsgliedrig (Pyranosen) sein kön-
nen. Dabei wandert das H-Atom der Hydroxylgruppe
Entsprechend der Anzahl von C-Atomen lässt sich an den Sauerstoff der Carbonylgruppe, wobei eine ace-
eine homologe Reihe von Triosen, Tetrosen, Pentosen, talische (glycosidische) Hydroxylgruppe entsteht.
Hexosen, Heptosen usw. definieren. Daher gibt es Aldo- Dadurch wird ein neues asymmetrisch substitu-
triosen und Ketotriosen usw. iertes C-Atom gebildet (bei Aldosen am C1, bei Keto-
sen am C2), wodurch die Zucker nach der Stellung der
OH-Gruppe als D- oder E-Diastereomere (Anomere)
4.1.2 Beispiele bezeichnet werden. Bei der D-Form steht die OH-Grup-
pe unten, bei der E-Form oben in der Haworth-Projek-
Die einfachsten Monosaccharide sind die Aldotriose tion des Ringsystems. Beide Formen stehen in wäss-
Glyceral (Glyceraldehyd) und die Ketotriose Dihydro- riger Lösung im Gleichgewicht.
xyaceton. Der Glyceraldehyd (Glyceral) enthält ein Pyranosen und Furanosen sind nicht planar, wie
asymmetrisch substituiertes C-Atom und zeigt demzu- man bei der Betrachtung der Haworth-Formeln anneh-
folge optische Aktivität (Chiralität). Dihydroxyaceton men könnte. Sie können ähnlich wie Cyclohexan in der
besitzt kein stereogenes Zentrum. Sessel- oder Wannenform vorliegen. Die Sesselform ist
Erythrose ist eine aus 4 C-Atomen bestehende Al- die bevorzugte Konformation. Die Substituenten ste-
dose mit Bedeutung im Pentosephosphat-Zyklus. hen axial bzw. äquatorial (Beispiel Cyclohexan).
Wichtige Pentosen sind die Ribose und 2-Desoxy- Dabei steht bei der D-D-Glucose die glycosidische
ribose als Aldosen und die Ribulose und Xylulose als OH-Gruppe axial (d. h. nach unten senkrecht zur Ring-
Ketosen. ebene), bei der E-D-Glucose äquatorial (angenähert in
Hexosen sind Glucose, Galactose und Mannose Ringebene). Die beiden anomeren Formen wandeln
als Aldosen und die Fructose als Ketose. sich in wässriger Lösung leicht ineinander um (Mutaro-
Die aus 7 C-Atomen bestehende Sedoheptulose tation). Sie unterscheiden sich voneinander im Schmelz-
spielt nur im intermediären Stoffwechsel eine Rolle. punkt, der Löslichkeit und der spezifischen Drehung
polarisierten Lichts.
Unter Mutarotation versteht man die Erscheinung,
4.1.3 Schreibweisen dass beim Auflösen von Monosacchariden (und eini-
gen Disacchariden) in Wasser eine kontinuierliche Än-
Monosaccharide können in der offenkettigen Fischer- derung der optischen Drehung polarisierten Lichts
Darstellung, jedoch auch in Ringform in den Formel bis zum Erreichen eines Endwerts erfolgt. Dies beruht
von Haworth oder in der Sesselkonformation darge- auf der Einstellung des Gleichgewichts zwischen den
stellt werden (. Abb. 4.1). D- und E-Anomeren.
4.1 · Monosaccharide
191 4

. Abb. 4.1. Fischer-Darstellung, Haworth-Projektion und Reeves-Projektion von Monosacchariden

Merke 4.1.5 Reaktionen


Die Drehung polarisierten Lichtes (+/–) hat nichts
mit der D- oder L-Konfiguration zu tun. Die Zu- Die Reduktion von Monosacchariden führt zu mehr-
ordnung zu D- oder L-Formen der Enantiomere er- wertigen Alkoholen, z. B.
gibt sich aus der Fischer-Projektion. Die am weites- 4 Glucose zu Sorbitol,
ten von der Carbonylgruppe stehende sekundäre 4 Mannose zu Mannitol,
OH-Gruppe bestimmt die Zuordnung unter Bezug 4 Fructose zu Sorbitol und Mannitol,
auf den D- oder L-Glyceraldehyd. Anomerie wird 4 Galactose zu Galactitol.
durch die Stellung der glycosidischen OH-Gruppe
bestimmt. Epimerie der physiologisch wichtigen
Hexosen ergibt sich aus den Stellungen der
OH-Gruppe am C2 (Mannose) oder C4 (Galactose).
192 Kapitel 4 · Kohlenhydrate

Merke
Hexosen. Monosacccharide besitzen optisch aktive
Bei den Zuckeralkoholen ist der Carbonyl-Sauer-
C-Atome. Man unterscheidet D- und L-Zucker.
stoff zu einer Hydroxylgruppe reduziert, z. B.
Monosaccharide bilden ein inneres Halbacetal, wo-
D-Glyceraldehyd wird zu Glycerol reduziert. Dieser
durch ein neues Asymmetrie-Zentrum entsteht
Alkohol wird nicht mehr mit D und L klassifiziert,
(Anomerie). Unter Epimerie versteht man die unter-
weil er nicht chiral ist.
schiedliche Stellung einer OH-Gruppe verschie-
dener Isomere zu einander, z. B. C2 der D-Glucose
Aldosen und Ketosen weisen in alkalischen Lösungen zu C2 der D-Mannose und/oder zu C4 der D-Galac-
reduzierende Eigenschaften auf. Durch Oxidation von tose. Die acetalische (glycosidische) OH-Gruppe
Monosacchariden entstehen 3 verschiedene Carbon- besitzt eine hohe Reaktionsfähigkeit.
säuren: Physiologisch wichtige Hexosen sind Glucose,
4 Onsäuren, Oxidation am acetalischen C1-Atom; Galactose, Mannose, Fructose. Die wichtigsten
4 Uronsäuren, Oxidation an der primären alkoho-
Chemie

Pentosen sind Ribose und Desoxyribose. Amino-


lischen Gruppe (C6 bei Hexosen); zucker entstehen durch Ersatz der OH-Gruppe am
4 Zuckersäuren, Oxidation an beiden C-Atomen. C2 durch eine Aminogruppe. Durch Oxidation von
Hexosen am C1 entstehen Onsäuren, durch Oxida-
Im Organismus treten die Gluconsäure und die Glu- tion am C6 Uronsäuren, z. B. Glucon- und Glucuron-
curonsäure als Oxidationsprodukte der Glucose auf. säure aus Glucose. Wichtige Zuckeralkohole sind
Zuckersäuren werden nicht gefunden. das Glycerol und das Sorbitol.
Die OH-Gruppen der Monosaccharide können
verestert werden. Besondere Bedeutung besitzen Phos-
phorsäureester als Zwischenprodukte biochemischer
Reaktionen sowie als Bausteine von Nucleinsäuren, 4.2 Disaccharide
Nucleotiden und Coenzymen.
Die glycosidische OH-Gruppe ist besonders reak- 4.2.1 Klassifizierung, Aufbau
tionsfreudig. Ihre Umsetzung mit einem Alkohol führt
zu Acetalen (Glycosiden). Die acetalische Bindung ist Disaccharide sind O-Glycoside aus 2 Monosacchariden.
etherähnlich und alkalibeständig. Dabei können die glycosidischen OH-Gruppen der
Mit N-haltigen Verbindungen können N-Glyco- beiden Monosaccharide miteinander unter Wasseraus-
side gebildet werden. Der zuckerfremde Anteil wird als tritt reagieren (Dicarbonylbindung, Disaccharide vom
Aglycon bezeichnet. Wichtige physiologische N-Gly- Trehalose-Typ).
coside sind die Nucleoside und Nucleotide. Eine weitere Möglichkeit ist die Ausbildung der
Glycoside liegen entsprechend der Konfiguration am glycosidischen Bindung zwischen der glycosidischen
glycosidischen C-Atom als D- oder E-Formen vor. Gly- OH-Gruppe des einen Monosaccharids und einer alko-
coside der Fructose zeigen die Furanose-Ringstruktur. holischen Hydroxylgruppe eines zweiten Monosac-
Bei Ersatz einer Hydroxylgruppe durch eine Amino- charids (Monocarbonylbindung, Disaccharide vom
gruppe (–NH2) entstehen Aminozucker. Maltose-Typ).
Physiologisch wichtige Aminozucker sind Gluco-
samin und Galactosamin. Die Aminogruppe befindet
sich am C2. Sie kann eine Verbindung mit Ethansäure 4.2.2 Beispiele
(Essigsäure) eingehen. Dabei entstehen N-Acetyl-Ami-
nozucker. Physiologisch wichtige Disaccharide sind Maltose, Iso-
maltose, Cellobiose, Lactose und Saccharose.
Merke Maltose (Malzzucker) besteht aus zwei 1,4-D-gly-
Monosaccharide sind die kleinsten Bausteine der cosidisch verbundenen Glucosemolekülen. Sie ist ein
Kohlenhydrate. Sie stellen die Oxidationsprodukte 1,4-D-D-Glucopyranosido-D-glucopyranosid.
mehrwertiger Alkohole dar (Aldosen, Ketosen). Isomaltose wird aus zwei 1,6-D-glycosidisch ge-
Entsprechend der Anzahl der C-Atome ergibt sich bundenen Glucosemolekülen gebildet. Sie ist eine
eine homologe Reihe von Aldotriosen bzw. Keto- 1,6-D-D-Glucopyranosido-D-glucopyranose.
triosen zu den entsprechenden Pentosen und Cellobiose ist ein E-Glucosid. Zwei Glucosen sind
6 1,4-E-glycosidisch miteinander verknüpft. Sie ist ein
1,4-E-D-Glucopyranosido-D-glucopyranosid.
4.3 · Oligo- und Polysaccharide
193 4

Lactose (Milchzucker) ist ein E-Galactosid. Sie be- meist in Verbindung mit Peptiden, Proteinen und Lipi-
steht aus Galactose und Glucose, die 1,4-E-glycosidisch den vor. Wichtige Vertreter sind Proteoglycane und Gly-
gebunden sind. Sie ist ein 1,4-E-D-Galactopyranosido- cosaminoglycane.
D-glucopyranosid. Alle diese Disaccharide entsprechen
dem Monocarbonyl-Typ.
Saccharose (Rohrzucker, Kochzucker) enthält eine 4.3.2 Struktur
Dicarbonylbindung zwischen Glucose und Fructose.
Dabei ist die Glucose D-glycosidisch, die Fructose Stärke besteht aus 2 Komponenten, der Amylose und
E-glycosidisch gebunden. Ihre Struktur entspricht einem dem Amylopectin. Amylose ist ein aus 1,4-D-glyco-
1-D-D-Glucopyranosido-2-E-D-fructofuranosid. sidisch linear verbundenen Glucoseresten aufgebautes
Polysaccharid. Sie ist wasserlöslich und bildet mit Iod
Merke eine blaue Einschlussverbindung. Im Amylopectin
Trehalose ist ein 1,1-D-D-Glucopyranosido-D-glu- liegen Verzweigungen der Molekülketten durch 1,6-D-
copyranosid, die in der Hämolymphe von Insekten glycosidisch gebundene Glucosemoleküle neben den
vorkommt. 1,4-Bindungen vor. Amylopectin quillt in Wasser. Stär-
kemoleküle sind aus 104 bis mehr als 105 Glucoseein-
heiten aufgebaut. Stärke ist das Reservekohlenhydrat
von Pflanzen und ein wichtiges Nahrungsmittel.
4.2.3 Reaktionen Glycogen, das Reservekohlenhydrat tierischer Or-
ganismen, ähnelt in seinem Aufbau dem Amylopectin,
Disaccharide mit Dicarbonylbindungen vom Trehalose- ist aber stärker verzweigt und hat ein wesentlich hö-
Typ wirken nicht reduzierend und zeigen keine Muta- heres Molekulargewicht (Leberglycogen 5u106, Mus-
rotation (Beispiel: Saccharose). kelglycogen 106). Durch die büschelförmigen Verzwei-
Disaccharide mit Monocarbonylbindungen vom gungen ist die Molekülgestalt kugelförmig.
Maltose-Typ wirken reduzierend und zeigen Mutaro-
tation, weil sie noch eine freie glycosidische OH-Grup- Merke
pe besitzen (Beispiele: Maltose, Isomaltose, Cellobiose, Die Hauptglycogenvorräte befinden sich in Mus-
Lactose). kulatur und Leber. Der Glycogengehalt der Mus-
kulatur beträgt maximal 1% des Feuchtgewichts
(insgesamt 250 g). In der Leber sind es 10% (ins-
4.3 Oligo- und Polysaccharide gesamt 150 g). Glycogen kommt außer in den Ery-
throzyten in allen Körperzellen vor.
4.3.1 Klassifizierung, Aufbau

Oligosaccharide bestehen aus 3–10 Monosacchariden, Zellulose ist Bestandteil pflanzlicher Zellwände. Sie
Polysaccharide aus mehr als 10 Monosacchariden, die bildet faserartige Strukturen aus. Dies wird durch den
O-glycosidisch miteinander verbunden sind. Aufbau aus E-1,4-verknüpften Glucoseeinheiten er-
Oligosaccharide aus Mannose, Galactose und reicht. Zellulose kann im Magen-Darm-Trakt des Men-
Aminozuckern sind Bestandteil von Glycoproteinen. schen nicht abgebaut werden (Ballaststoff).
Die Kohlenhydrat-Ketten sind O-glycosidisch über Weitere in der Natur verbreitete Polysaccharide
Serin/Threonin bzw. N-glycosidisch über Asparagin an sind
die Proteine gebunden. Sie enthalten häufig endständig 4 Inulin, bestehend aus 1,2-E-glycosidisch ver-
N-Acetyl-Neuraminsäure oder Fucose. knüpften Fructosemolekülen, kann zu Nierenfunk-
Oligosaccharide, gebunden an Sphingosin (Gang- tionsdiagnostik verwendet werden;
lioside) oder Polyprenole (z. B. an Dolicholphosphate) 4 Pectine, aus Galacturonsäure aufgebaut, die mit
sind Bestandteil von Glycolipiden. Methanol verestert ist, bewirkt das Gelieren von
Polysaccharide werden in Homo- und Hetero- Fruchtsäften;
glycane unterschieden. 4 Chitin, ein aus N-Acetylglucosamin bestehendes
Homoglycane sind nur aus einem Monosaccharid Kohlenhydrat; ist die Gerüstsubstanz von Insekten
aufgebaut. Wichtige Vertreter sind die Stärke, das Gly- und Krebsen;
cogen und die Zellulose. 4 Dextran, bestehend aus 1,6-D-glycosidisch verbun-
Am Aufbau von Heteroglycanen beteiligen sich ver- denen Glucosemolekülen, ist Bestandteil von Infu-
schiedene Monosaccharide. Heteroglycane kommen sionslösungen.
194 Kapitel 4 · Kohlenhydrate

Der Heteroglycananteil der Proteoglycane wird durch Glycosaminoglycane binden erhebliche Mengen an
Glycosaminoglycane repräsentiert. Wasser und Kationen.
Diese bestehen aus langen Ketten sich wiederholen-
der Disaccharideinheiten aus einem Aminozucker und Prüfungsfallstricke
einer Uronsäure bzw. Galactose. Wichtige Vertreter Glycosaminoglycane sind keine Bestandteile des
sind: Zytoskeletts, sondern der Interzellularsubstanz und
4 Hyaluronsäure: [1,4-E-N-Acetylglucosamin-1,3- der Basalmembranen.
E-glucuronat]n; Heparin ist keine Komponente des Bindege-
4 Chondroitin-6-sulfat: [1,4-E-N-Acetylgalactosa- webes, sondern Bestandteil der Granula von Mast-
min-6-sulfat-1,3-E-glucuronat]n; zellen und Granulozyten.
4 Chondroitin-4-sulfat: [1,4-E-N-Acetylgalactosa-
min-4-sulfat-1,3-E-glucuronat]n;
4 Dermatansulfat: [1,4-E N-Acetylgalactosamin-4- Merke
Chemie

sulfat-1,3D-iduronat]n Durch die glycosidische Bindung zwischen der ace-


4 Iduronsäure ist ein Strukturisomeres der Glucu- talischen OH-Gruppe eines Zuckers mit OH-Grup-
ronsäure. pen anderer Zucker entstehen Di-, Oligo- und Po-
4 Heparin: [1,4-D-Glucosamin-1,4-E-glucuronsäure lysaccharide. Reagieren 2 Monosaccharide mittels
oder –1,4-D-Iduronsäure]n; ihrer glycosidischen OH-Gruppe miteinander, ent-
4 Keratansulfat: [1,3-E-N-Acetylglucosamin-1,4-E- stehen Disaccharide vom Dicarbonyl-Typ, die keine
galactose]n. reduzierenden Eigenschaften und Mutarotation
besitzen. Disaccharide vom Monocarbonyl-Typ re-
KLINIK duzieren und zeigen Mutarotation. Maltose, Iso-
Hyaluronsäure ist Bestandteil der Synovialflüssig- maltose, Lactose (Monocarbonyle) und Saccharose
keit, des Knorpels und der Grundsubstanz der (Dicarbonyl-Typ) sind wichtige Disaccharide.
Nabelschnur. Chondroitin- und Dermatansulfate Polysaccharide unterteilt man in Homo- und
sind am Aufbau der der extrazellulären Matrix Heteroglycane. Die Homoglycane Stärke, Glycogen
des Knorpels und des Knochens beteiligt. Hepa- und Cellulose bestehen nur aus Glucose. Die wich-
rin wirkt gerinnungshemmend und zusammen mit tigsten Heteroglycane sind die Glycosaminoglycane,
den Heparansulfaten der Endothelzellmembran die aus sich wiederholenden Disaccharideinheiten
aktivierend auf die Lipoprotein-Lipase. Heparan- aus acetyliertem oder sulfatiertem Glucosamin oder
sulfate auf der luminalen Seite der Endothelien Galactosamin und v. a. Uronsäuren bestehen.
schaffen eine nicht benetzbare Oberfläche, die Oligosaccharide sind Strukturbestandteile von
eine spontane Aktivierung der Blutgerinnung ver- Glycoproteinen und Glycolipiden. Sie enthalten
hindert. häufig endständig Neuraminsäure oder Fucose.
Ein Proteoglycan-Komplex aus Knorpel (Aggre-
can) zeigt folgenden Aufbau: an ein 400–4000 nm
langes Hyaluronsäure-Molekül sind bis zu 100 Lin-
kerproteine gebunden. Jedes Linkerprotein bindet
etwa 50 Keratansulfat- und 100 Chondroitinsulfat-
ketten. In diesem Komplex beträgt der Proteinan-
teil 5%.
Chemie
197 5

5 Aminosäuren, Peptide, Proteine

Mind Map
Aminosäuren sind die monomeren Bestandteile von besitzen übergeordnete Strukturen, die unter dem Be-
Peptiden und Proteinen. Die Peptidbindung (Säure- griff Konformation zusammengefasst werden können.
amidbindung) ist das grundlegende Bauprinzip Die Konformation bestimmt die Funktionen der Pro-
der Aminosäuresequenz. Polypeptide und Proteine teine.
198 Kapitel 5 · Aminosäuren, Peptide, Proteine

5.1 Aminosäuren
R CH COOH bzw. R CH COO–
5.1.1 Klassifizierung
NH2 N+H3
Aminosäuren enthalten die beiden funktionellen (Zwitterion)
Gruppen –NH2 und –COOH. Von besonderer Bedeu-
tung als Bestandteil von Peptiden und Proteinen sind . Abb. 5.1. Allgemeine Formel der L-D-Aminosäuren
die L-D-Aminosäuren der in . Abbildung 5.1 darge-
stellten allgemeinen Formel.
Ferner sind sie Ausgangsstoffe für biologisch wich- 4 Aminosäuren mit aliphatischen oder zyklischen
tige Verbindungen (z. B. Hormone). Resten,
Daneben haben auch E- und G-aminosubstituierte 4 Aminosäuren mit zusätzlichen funktionellen
Carbonsäuren Stoffwechselbedeutung. Gruppen, z. B. –NH2, –COOH, OH–, SH–, Imida-
Chemie

Eine Einteilung der proteinogenen Aminosäuren zol-, Indol-, Phenyl-, Guanidino- und Säureamid-
kann nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen: gruppen,

. Abb. 5.2. Aminosäuren mit apolaren aliphatischen oder aromatischen Seitenketten


5.1 · Aminosäuren
199 5

4 nach der Anzahl der C-Atome, ganismus synthetisiert werden können oder nicht:
4 nach der Hydrophilie bzw. Hydrophobizität (Eigen- Essenzielle Aminosäuren müssen mit der Nahrung
schaften) der Seitenkette R. zugeführt werden. Dazu gehören Val, Leu, Ile, Phe,
Trp, Lys, Met, Thr und His. Die nichtessenziellen
Die letzte, nach funktionellen Gesichtspunkten erfolgte Aminosäuren (Gly, Ala, Ser, Cys, Asp, Glu, Asn, Gln,
Einteilung wird in der Biochemie bevorzugt. Pro, Arg, Tyr) werden im Stoffwechsel gebildet.
Apolare aliphatische oder aromatische Seiten- Nicht proteinogene Aminosäuren (mehr als 100 in
ketten besitzen die Aminosäuren Glycin (Gly, G), Ala- den verschiedensten Organismen) üben spezielle Stoff-
nin (Ala, A), Valin (Val, V), Leucin (Leu, L), Isoleucin wechselfunktionen aus. Beispiele aus der menschlichen
(Ile, I), Methionin (Met, M), Prolin (Pro, P), Phenylala- Biochemie sind Ornithin, Citrullin, Dihydroxyphenyl-
nin (Phe, F) und Tryptophan (Trp, W) (. Abb. 5.2). alanin, Homocystein, Homoserin, 5-Hydroxytrypto-
Polare, ungeladene Seitenketten haben die Amino- phan.
säuren Serin (Ser, S), Threonin (Thr, T) (Hydroxyl-
gruppe), Asparagin (Asn, N), Glutamin (Gln, Q) (Säure-
amidgruppe), Cystein (Cys, C) (Sulfhydrylgruppe), 5.1.2 Eigenschaften
Selenocystein (Sec) (Selenwasserstoffgruppe) und Tyro-
sin (Tyr, Y) (p-Hydroxyphenylgruppe) (. Abb. 5.3). Mit Ausnahme des Glycins sind Aminosäuren optisch
Polare, geladene Seitenketten treten in den Amino- aktiv. Die 22 in Proteinen vorkommenden Aminosäuren
säuren Asparaginsäure (Asp, D), Glutaminsäure (Glu, E) (proteinogene Aminosäuren) gehören der L-Konfi-
(Carboxylgruppe = saure Aminosäuren) (. Abb. 5.4), guration an.
Histidin (His, H) (Imidazolrest), Lysin (Lys, K) (H-Ami-
nogruppe), Arginin (Arg, R) (Guanidinogruppe). Die
letzten 3 Aminosäuren werden als basische Amino- Prüfungsfallstricke
säuren bezeichnet (. Abb. 5.5). Prolin ist keine Aminosäure, sondern eine
Eine weitere Einteilungsmöglichkeit ergibt sich Pyrrolidincarbonsäure.
mit der Frage, ob Aminosäuren im menschlichen Or-

. Abb. 5.3. Aminosäuren mit polaren, ungeladenen Seitenketten


200 Kapitel 5 · Aminosäuren, Peptide, Proteine

. Abb. 5.4. Asparaginsäure und Glutaminsäure als Aminosäuren mit polaren, geladenen Seitenketten (saure Aminosäuren)
Chemie

. Abb. 5.5. Histidin, Lysin und Arginin als Aminosäuren mit polaren, geladenen Seitenketten (basische Amniosäuren)

Aufgrund ihres zwitterionischen Charakters sind pK a ( A min ogruppe) + pK a (Carboxy lg ruppe)


Aminosäuren Ampholyte, denn sie können mit Säuren IP =
2
und Basen Salze bilden. Sowohl die protonisierte Ami-
nogruppe als auch das Carboxylatanion sind schwache Für die Monoaminodicarbonsäuren Asparaginsäure
Elektrolyte, deren Ionisationsverhalten getrennt von- und Glutaminsäure liegt der isoelektrische Punkt zwi-
einander durch die Henderson-Hasselbalch-Gleichung schen den pKa-Werten der beiden Carboxylgruppen
beschrieben werden kann. im Sauren. Für die basischen Aminosäuren liegt der
Aminogruppen liegen protoniert vor (–N+H3) und IP zwischen den pK-Werten der D-Aminogruppe
können ein Proton abgeben (Säuren). Carboxylgrup- und der zweiten basischen funktionellen Gruppe im
pen sind dissoziiert (–COO–) und können ein Proton Basischen (für Lysin zwischen den pK-Werten der
aufnehmen (Basen). D- und H-Aminogruppen). Das bedeutet: Elektroneu-
Für jede Aminosäure gibt es einen pH-Wert, tralität ist nicht mit chemischer Neutralität zu ver-
an dem sie als Zwitterion vorliegt (s. o.) und demzu- wechseln.
folge im elektrischen Gleichstromfeld nicht wandert.
Dieser pH-Wert ist der isoelektrische Punkt (IP),
der für Monoaminomonocarbonsäuren zwischen den
pK-Werten der Amino- und Carboxylgruppen um
pH 6 liegt.
5.2 · Peptide
201 5
5.1.4 Reaktionen

Die Carboxylgruppe der Aminosäuren kann verestert


und amidiert werden. Die Aminogruppe ist mit Acyl-
resten umsetzbar.
Die SH-Gruppe des Cysteins kann mit einem be-
. Abb. 5.6. Bildung von Aminen durch Abspaltung einer nachbarten Cysteinrest durch Oxidation eine Disulfid-
Carboxylgruppe brücke bilden (Cystin) (. Abb. 5.7). Sulfhydrylgruppen
sind an Redox-Reaktionen beteiligt.
Die OH-Gruppen von Aminosäuren werden v. a.
Merke mit Phosphorsäure verestert.
Monoaminomonocarbonsäuren puffern am iso- Eine allgemeine Nachweisreaktion für Amino-
elektrischen Punkt nicht. säuren mit geringer Empfindlichkeit ist die Ninhydrin-
Saure und basische Aminosäuren hingegen reaktion. Der Aminosäure-Nachweis mit Fluoreszenz-
puffern am isoelektrischen Punkt. farbstoffen erhöht die Nachweisempfindlichkeit um
ein Vielfaches.

Die Abspaltung der Carboxylgruppe (Decarboxylie-


rung) führt zur Bildung von Aminen (. Abb. 5.6). 5.2 Peptide
Einige Aminosäuren unterliegen posttranslatio-
nalen Modifikationen. Diese sind:
4 Hydroxylierungen von Lysin und Prolin in den 5.2.1 Klassifizierung und Aufbau
Kollagenen,
4 Methylierungen von Lysin, Histidin, Arginin z. B. Es gibt lineare und zyklische Peptide. Aminosäuren
in Histonen, kondensieren über ihre Amino- und Carboxylgruppen
4 Acetylierung von Lysin in Histonen, unter Wasseraustritt zu Peptiden (. Abb. 5.8).
4 Phosphorylierung von Serin, Threonin und Tyro- Diese Säureamid-Bindung wird Peptidbindung
sin in vielen Enzymen, genannt. Sie ist Mesomerie-stabilisiert, d. h. die Dop-
4 J-Carboxylierung von Glutamat bei Blutgerinnungs- pelbindung ist nicht eindeutig der CO-Gruppe, son-
faktoren und anderen calciumbindenden Proteinen. dern auch anteilig der NH-Gruppierung zuzuord-
nen (partielle Doppelbindung). Sie ist sehr resistent
gegenüber Säure- oder Basenhydrolyse. Infolge der
5.1.3 Beispiele Mesomerie ist sie planar. Die in Proteinen auftretende
Peptidbindung hat überwiegend eine trans-Konfi-
Auf proteinogene und nicht proteinogene Aminosäu- guration. Eine cis-Konfiguration ist bei Peptidbin-
ren mit Stoffwechselbedeutung, essenzielle und nicht- dungen möglich, an deren Ausbildung Prolin beteiligt
essenzielle Aminosäuren wurde verwiesen. ist (. Abb. 5.9).

. Abb. 5.7. Bildung einer Disulfidbrücke

R1 CH COOH + NH2 CH R2 R1 CH CO NH CH R 2 + H2O

NH2 COOH NH2 COOH

. Abb. 5.8. Bildung von Peptiden


202 Kapitel 5 · Aminosäuren, Peptide, Proteine

R1 COOH Bei pH 3 hat das Peptid eine Nettoladung von


+2 und wandert deshalb zur Kathode. Bei pH 11
H C CO NH CH beträgt die Nettoladung –1 und damit wandert es
zur Anode.
NH2 R2

. Abb. 5.9. Transfiguration der Peptidbindung Zu Verbindungen mit Peptidstruktur gehören zahl-
reiche Hormone (. Tab. 5.1).
Das Tripeptid Glutathion (Glu-Cys-Gly) ist auf-
Merke grund seiner SH-Gruppe in Redox-Reaktionen der
Je nach Anzahl der aufbauenden Aminosäuren er- Zellen einbezogen und spielt eine wichtige Rolle bei der
hält man Di-, Tri- oder Oligopeptide (bis 10 Amino- Abwehr oxidativen Stresses (. Abb. 5.10).
Chemie

säuren). Bis zu etwa 100 Aminosäuren (Molekularge-


wicht etwa 10.000) spricht man von Polypeptiden, Merke
darüber von Proteinen. Der Übergang ist fließend. Durch Wasserabspaltung zwischen Carboxyl-
und Aminogruppen von Aminosäuren entste-
hen Peptidbindungen (Säureamidbindungen),
Die meisten Proteine enthalten bis zu 2000 Aminosäu- die Mesomerie-stabilisiert und damit planar sind.
ren, Ausnahme Titin (einkettiges Muskelprotein mit Die Peptidbindung ist das Bauprinzip von Pep-
27.000 Aminosäuren; Molekulargewicht: 3u106). Pro- tiden und Proteinen. Die Eigenschaften von
teine mit Molekulargewichten über 60.000 sind häufig Peptiden und Proteinen werden durch die Ami-
aus mehreren Polypeptidketten aufgebaut. Die physi- nosäure-Seitenketten bestimmt. Peptide
kalisch-chemischen und biologischen Eigenschaften spielen als Mediatorstoffe eine wichtige Rolle
eines Peptids werden durch seine Aminosäurereste bei physiologischen und pathologischen Pro-
bestimmt. zessen.

Prüfungsfallstricke
An welchen Pol eines elektrischen Gleichstrom-
feldes wandert ein Peptid mit der Sequenz Glu-His- 5.2.2 Peptidbindungen
Trp-Ser-Gly-Leu-Arg-Pro-Gly bei pH 3 oder pH 11?
6 Zu Peptidbindungen siehe die Ausführungen in
7 Kap. 5.2.1 und 7 Kap. 5.3.2.

. Tab. 5.1. Peptidhormone


Peptid Aminosäure- Funktion
reste
TRH (Thyreotropin releasing hormone) 3 Stimulierung der TSH-Sekretion
CRH (Corticotropin releasing hormone) 41 Stimulation der ACTH-Sekretion
ACTH (Adrenocorticotrophes Hormon) 36 Stimulierung der Glucocorticoidsynthese und -sekretion
Vasopressin 9 Blutdruckregulation, Wasserdiurese
Oxytocin 9 Stimulierung der Kontraktion glatter Muskulatur (Uterus,
Milchdrüse)
Angiotensin II 8 Aldosteronsekretion, Blutdruckregulation
Endorphine 10–30 Liganden der Opiat-Rezeptoren
Enkephaline 5 Liganden der Opiat-Rezeptoren
Insulin 51 Regulation von Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsel
Glucagon 29 Regulation des Kohlenhydratstoffwechsels
5.3 · Proteine
203 5

. Abb. 5.10. Glutathion

5.2.3 Reaktionen Aminosäure mit freier COOH-Gruppe am weitesten


rechts steht (C-terminales Ende). Dies entspricht dem
Zur Aufklärung der Struktur und Sequenz von Peptiden Verlauf der Peptidbindung –CoNH–.
spielt die Massenspektrometrie die wichtigste Rolle. Die Sequenz der Aminosäuren bestimmt die räumli-
che Struktur (Konformation) und die Funktionen. Pro-
teine können in den Zellen unterschiedliche Funktionen
5.3 Proteine ausüben. So sind die Linsen-Crystalline Strukturproteine
der Augenlinse. Sie wirken aber in anderen Körperzellen
5.3.1 Klassifizierung, Aufbau auch als Hitzeschockproteine, Chaperone und Enzyme.

Proteine sind lineare unverzweigte Polykondensations- Homologe Proteine. Die Aminosäuresequenz ist ge-
produkte von Aminosäuren. Sie sind Kolloide. Sie netisch determiniert. Proteine, die von einem gemein-
weisen osmotische Eigenschaften auf, die als kolloid- samen Urgen abstammen, werden als homologe Pro-
osmotischer oder onkotischer Druck bezeichnet teine bezeichnet (z. B. die Proteine der Globin- und
werden. Proteine sind Polyelektrolyte aufgrund ihres Immunglobulin-Superfamilien). Sie sind das Ergebnis
Gehalts an sauren und basischen Aminosäuren. einer divergenten Evolution.
Proteine sind molekulare Maschinen, die Moleküle Der Sequenzvergleich homologer Proteine ergibt,
selektiv erkennen, binden, transportieren oder ver- 4 dass bestimmte Aminosäuren in der Sequenz nicht
ändern. Sie leisten chemische und mechanische Arbeit. austauschbar, also invariant und essenziell für die
Proteine üben demzufolge viele Funktionen im Orga- Struktur und Funktion sind;
nismus aus (. Tab. 5.2). 4 dass konservierte Reste einen Austausch mit che-
misch sehr ähnlichen Resten zulassen (Asp-Glu,
Proteinstrukturen aber nicht Asp-Arg) und deshalb ebenfalls struk-
Primärstruktur turell bedeutsam sind;
Die Aminosäuresequenz oder die Primärstruktur 4 dass variable Aminosäuren, v. a. an der Protein-
ist die Folge der über Peptidbindungen verbundenen oberfläche lokalisiert, ausgetauscht werden, ohne
Aminosäuren in einem Peptid bzw. Protein. Die Se- Veränderungen in Struktur und Funktion zu indu-
quenz wird so geschrieben, dass die Aminosäure mit zieren. Nur etwa 40% der Aminosäuren in der
freier NH2-Gruppe links (N-terminales Ende) und die Cytochrom c-Familie (Evolutionsdauer ca. 2 Mil-
liarden Jahre) sind variant, was beweist, dass sich
in der Evolution Sequenzmotive mit essenziellen
. Tab. 5.2. Funktionen von Proteinen
Funktionen durchsetzen konnten.
Protein Funktion 4 Der Sequenzvergleich homologer Proteine kann
Enzym Biokatalysator zur Konstruktion phylogenetischer Stammbäume
Hormon Regulator verwendet werden.
Kollagen Bestandteile der extrazellulären
Analoge Proteine. Ähnliche Tertiärstrukturen als Be-
Matrix und des Bindegewebes
standteile von Domänen (s. u.) können sich auch un-
Membranproteine Rezeptoren, Transporter, Ionen- abhängig voneinander in der Evolution entwickeln
kanäle (konvergente Evolution). Das Ergebnis sind analoge
Actin/Myosin Muskelkontraktion, Zytoskelett Proteine.
Fibrinogen/Fibrin Blutgerinnung, Schutz vor Blut-
verlusten Sekundärstruktur
Die Sekundärstrukturen der Proteine ergeben sich
Immunglobuline Schutz vor Infektionen, Abwehr
aus der Faltung des Rückgrats der Polypeptidkette
204 Kapitel 5 · Aminosäuren, Peptide, Proteine

(–NH–CDH–CO– n in Form sich periodisch wieder- stehen aus 4 Aminosäuren, in die Prolin einbezogen ist,
holender Strukturelemente: welches die Ausbildung einer Helix nicht zulässt.
4 D-Helix; :-Schleifen bestehen aus etwa 18 Aminosäuren mit
4 E-Strukturen (Faltblätter); irregulärer Anordnung, die ebenfalls eine Richtungs-
4 E-Turns und :-Schleifen; änderung des Verlaufs einer Polypeptidkette ermög-
4 irreguläre Kettenanordnung (Knäuel). lichen.
Knäuelstrukturen sind Anordnungen der Polypep-
Die α-Helix ist eine rechtsgewundene Schraube mit tidkette, die nicht durch D- oder E-Strukturen be-
3,6 Aminosäuren pro Windung und einem Gangunter- schreibbar sind. Sie sind nicht identisch mit den Zufalls-
schied (Identitätsperiode) von 0,54 nm. Die Struktur knäueln, die bei der Proteindenaturierung entstehen.
wird durch H-Brücken stabilisiert, die sich parallel zur
Helixachse zwischen den NH- und CO-Gruppen der Tertiärstruktur
Peptidbindungen ausbilden. Die Aminosäureseiten- Die Tertiärstruktur berücksichtigt alle Aspekte der Ami-
Chemie

ketten weisen nach außen. Die durchschnittliche Länge nosäuresequenz, die über größere Abstände wirken.
einer Helix in einem globulären Protein beträgt 10 Amino- Entscheidend sind die Kontakte der Aminosäurereste
säuren =1,5 nm. Prolin unterbricht die helicale Faltung. zueinander. Bei der Tertiärstruktur berücksichtigt man
In den Kollagenen treten suprahelicale Strukturen Besonderheiten, die sich aus den Wechselwirkungen
auf. Ein Tropokollagenmolekül besteht aus 3 linksgän- sekundärer Strukturmerkmale miteinander ergeben:
gigen Einzelhelices, die sich zu einer rechtsgängigen 4 D-Proteine sind durch antiparallele Anordnungen
Tripelhelix zusammenlagern. Doppelhelices finden von D-Helices gekennzeichnet;
sich in den D-Keratinen der Haare und in den schweren 4 E-Proteine enthalten vorwiegend antiparallele
Ketten des Myosins. E-Strukturelemente;
Im β-Faltblatt ist die Polypeptidkette zick-zack- 4 reguläre D/E-Proteine, vorwiegend als E/D/E-Mo-
förmig gefaltet, wobei die gefalteten Polypeptidketten tiv, enthalten in antiparalleler Anordnung 2 E-Struk-
parallel oder antiparallel angeordnet sind. Die Struk- turen, in die eine Helix integriert ist;
turen werden durch H-Bindungen stabilisiert, die sich 4 (kleine) irreguläre D- und/oder E-Proteine enthal-
zwischen den benachbart liegenden Peptidbindungen ten neben einem hohen Anteil an Knäuelstrukturen
der Polypeptidketten aufbauen. Auch eine benachbarte D- oder E-Strukturmotive.
Helix kann über H-Brücken ß-Strukturen stabilisieren.
Die Aminosäureseitenketten ragen oben und unten aus Prüfungsfallstricke
der Faltungsebene heraus. Die Wechselwirkungen sekundärer Strukturmerk-
D–Helices können sich in E-Faltblätter umlagern male, wie z. B. ein ß/Dß-Motiv, werden auch als
(DE–Transformation). Dies ist verbunden mit einer Ab- Supersekundärstrukturen bezeichnet, die man als
nahme der Löslichkeit, z. B. Bildung von Amyloid- Gruppierungen von Sekundärstrukturen und als
aggregaten bei degenerativen Hirnerkrankungen und Übergänge zwischen der Sekundär- und Tertiär-
Prionen-Erkrankungen (Prc in Prsc). struktur betrachten kann.

KLINIK
Sowohl das unlösliche E-Amyloid bei der Alz- Domänen sind sich unabhängig voneinander faltende,
heimer-Erkrankung, Amyloidablagerungen bei getrennt voneinander liegende kompakte Bereiche
anderen Amyloidosen, als auch das PrSc-Prionen- einer Aminosäuresequenz mit eigener Sekundär- und
aggregat bei der spongiformen Enzephalitis und Tertiärstruktur innerhalb eines Proteins. Sie besitzen
der neuen Creutzfeld-Jakob-Erkrankung werden die Charakteristika eines eigenständigen Proteins mit
aus löslichen Vorläufermolekülen mit D-Helix durch bestimmten Funktionsmerkmalen (Bindung von Co-
Umlagerungen in E-Strukturen gebildet. enzymen und anderen Liganden, katalytisches Zen-
trum eines Enzyms). Die meisten Domänen umfassen
einen Polypeptidkettenabschnitt von 100–200 Amino-
Bei den D-Helices und auch bei den Faltblättern sind es säureresten. Benachbarte Domänen sind durch uncha-
die planaren Säureamidebenen, die sich zu Schrauben rakteristische Peptidsegmente verknüpft, welche leicht
oder Ziehharmonika-Strukturen falten. durch proteolytische Enzyme gespalten werden kön-
Turns ermöglichen einen Richtungswechsel im nen, ohne dass die Funktion der Domänen beeinträch-
Verlauf der Polypeptidkette, da Helices und Faltblätter tigt wird. Domänen werden von bestimmten Exons
weitgehend lineare Strukturen aufbauen. E-Turns be- (s. DNA) codiert.
5.3 · Proteine
205 5

Quartärstruktur miteinander verbinden (interchenar). Sie stabi-


Die Quartärstruktur beschreibt die Zusammensetzung lisieren die Konformation, aber bestimmen sie
eines Proteins aus identischen oder nichtidentischen nicht.
Untereinheiten mit eigener Sekundär- und Tertiär-
struktur, ihre gegenseitige räumliche Anordnung sowie Eine weitere kovalente Bindung in nur wenigen Pro-
ihre Kontakte und Wechselwirkungen. Die Unterein- teinen ist die Isopeptidbindung zwischen der J-Carbo-
heiten sind durch nichtkovalente Bindungen miteinan- xylgruppe des Glutamats und der H-Aminogruppe des
der verbunden. Die Anzahl der Untereinheiten ist meist Lysins (Fibrin, Ubiquitin).
geradzahlig. Es sind häufig 4–6.
Proteine mit Molekulargewichten über 60.000 be- Prüfungsfallstricke
stehen häufig aus Untereinheiten. Die Peptidbindung ist keine konformationsstabili-
sierende Bindung.
Prüfungsfallstricke
Eine weiter gefasste Definition der Quartärstruk-
tur umfasst alle Proteine, die aus Untereinheiten Die Auflösung der konformationsstabilisierenden Bin-
bestehen – ob sie nun kovalent (Disulfidbrücken) dungen führt zu einer Denaturierung der Proteine.
oder nichtkovalent miteinander verbunden Hierbei werden die übergeordneten Proteinstrukturen
sind. zerstört. Denaturierend wirken
4 physikalische Faktoren wie hohe Temperaturen, hohe
Drücke, ionisierende Strahlung, UV-Licht und
Konformation 4 chemische Agenzien wie Säuren und Basen, hohe
Die Gesamtheit der über die Primärstruktur hinaus- Konzentrationen an Harnstoff und Guanidin-HCl,
gehenden Strukturmerkmale wird auch als Konforma- Schwermetallionen sowie langkettige Fettsäuren
tion der Proteine bezeichnet. Ein Charakteristikum der (Na-Dodecylsulfat).
meisten Proteine ist, Liganden spezifisch über nicht-
kovalente Bindungen reversibel zu binden. Dadurch Durch Disulfidbrücken stabilisierte Proteine sind erst
werden in den Proteinen Konformationsänderungen nach Spaltung der Disulfidbindungen vollständig dena-
induziert. Als Liganden wirken Ionen, kleinmolekulare turierbar. Denaturierte Proteine entfalten sich unter
organische Verbindungen, aber auch Makromoleküle, Auflösung der übergeordneten Proteinstrukturen.
wie z. B. Proteine. Die Fähigkeit, ihre Konformation zu Sie bilden Zufallsknäuel, die miteinander aggregieren
ändern, macht Proteine zu hochspezialisierten Funk- und in Abhängigkeit vom denaturierenden Agens prä-
tionsträgern des Lebens. zipitieren können.
Unter bestimmten Umständen kann Denaturie-
Prüfungsfallstricke rung reversibel sein, sofern die Aminosäuresequenz
Die Aminosäuresequenz bestimmt die Konforma- nicht modifiziert wurde.
tion. Die Konformation ist die Grundlage für die
Funktionen eines Proteins. Merke
Denaturierung der Proteine führt zum Verlust
ihrer biologischen Funktionen.
Konformationsstabilisierende Bindungen
und Denaturierung
Konformationsstabilisierenden Bindungen sind:
4 nichtkovalent 5.3.2 Eigenschaften
4 Wasserstoffbrückenbindungen;
4 van der Waal’sche Bindungskräfte und hydro- Proteine haben folgende Eigenschaften:
phobe Wechselwirkungen; 4 Proteine sind Kolloide. An semipermeablen Mem-
4 Ionenbeziehungen zwischen protonierten basi- branen erzeugen sie einen kolloidosmotischen
schen Gruppen und Carboxylatanionen; Druck.
4 kovalent 4 Proteine sind Ladungsträger und wandern in einem
4 Disulfidbrücke zwischen 2 oxidierten SH-Grup- elektrischen Gleichstromfeld (Elektrophorese). An
pen benachbarter Cysteinreste. Diese können semipermeablen Membranen induzieren sie als ge-
innerhalb einer Polypeptidkette Schleifen aus- ladene Kolloide eine Ungleichverteilung diffusibler
bilden (intrachenar) oder Polypeptidketten Ionen (Donnan-Verteilung).
206 Kapitel 5 · Aminosäuren, Peptide, Proteine

4 Bei der Ultrazentrifugation sedimentieren Proteine Eine Einteilung nach funktionellen Gesichtspunkten
entsprechend ihrer molekularen Masse (Ausnahme aus den Sequenzdaten der humanen Genomanalyse
Lipoproteine). Die Ultrazentrifugation eignet sich könnte in Zukunft nach folgenden Gesichtspunkten
zur Bestimmung des Molekulargewichts. erfolgen:
4 Röntgenkristallographische Untersuchungen ver- 4 17% der Proteine des Proteoms (Gesamtheit aller
mitteln die dreidimensionale Struktur von Pro- Proteine des Organismus, geschätzt 100.000–
teinen. 150.000) dienen der Signaltransduktion und dem
4 Proteine lassen sich aufgrund unterschiedlicher Transport;
Größe, Ladungen und Bindungsaffinitäten rei- 4 14% sind Nucleinsäure-bindende Proteine, die der
nigen. Synthese, dem Abbau, der Reparatur, der Erken-
nung und Ablesung von Nucleinsäuren dienen;
Eine befriedigende Einteilung der Proteine unter Be- 4 10% sind Enzyme, die für den Stoffwechsel erfor-
rücksichtigung aller ihrer Eigenschaften gibt es nicht. derlich sind;
4 19% sind in sonstige Funktionen einbezogen, wie
Chemie

Proteine können Nichtproteinanteile in kovalen-


ter oder nichtkovalenter Bindung enthalten. Sie werden Motilität;
dann bezeichnet als 4 40% der Sequenzen des Proteoms sind bestimmten
4 Glycoproteine und Proteoglycane; Proteinfunktionen noch nicht zuzuordnen.
4 Lipoproteine;
4 Nucleoproteine; Merke
4 Hämoproteine; Proteine sind lineare, unverzweigte Polykonden-
4 Metalloproteine; sationsprodukte von Aminosäuren. Die Peptidbin-
4 Flavoproteine. dung ist das Bauprinzip der Aminosäuresequenz
(Primärstruktur). Die Raumstruktur der Proteine
Nach ihrer Struktur und Wasserlöslichkeit lassen sie (Konformation) wird durch die Sekundär-, Tertiär-
sich einteilen in: und Quartärstrukturen beschrieben. Die Konfor-
4 wasserlösliche, globuläre Proteine mation ist die Grundlage der Funktion. Die Dena-
4 Albumine (in reinem Wasser löslich, kein Ein- turierung von Proteinen besteht in der Auflösung
salzeffekt), konformationsstabilisierender Bindungen mit einer
4 Globuline (Einsalz-Effekt); Entfaltung der Polypeptidkette und dem Verlust
4 wasserunlösliche, fibrilläre Proteine. der Funktion.
Eine umfassende Einteilung der Proteine ist
Fibrilläre Proteine sind die Kollagene, Elastine, Keratine nicht möglich. Berücksichtigung können finden:
der Haare und Nägel. Albumine und Globuline als glo- der Anteil an Nichtproteinbestandteilen, die
buläre Proteine kommen im Blut- und Zytoplasma vor. Wasserlöslichkeit als Ergebnis von Konformationen
Faserproteine, deren Polypeptidketten lange Stränge und funktionelle Zuordnungen aus Ergebnissen
bilden, bestehen überwiegend aus einer Sekundärstruk- der Analyse des menschlichen Genoms.
tur (D-Helix). Globuläre Proteine mit annähernd kugel-
förmig gefalteten Polypeptidketten enthalten mehrere
verschiedene Sekundärstrukturen.
5.3.3 Strukturaufklärung
Merke
Einsalzeffekt: Eine bestimmte Ionenkonzentration 7 Kap. 5.3.1
ist notwendig, um Proteine in Wasser zu lösen. Die
Ionen kompensieren die hohen Dipolmomente der
Proteine und bringen ihre Hydrathülle nach Bindung
an das Protein zur Erhöhung der Löslichkeit ein.
Aussalzeffekt: Hohe Salzkonzentrationen entzie-
hen den Proteinen die Hydrathülle. Diese fallen aus
einer wässrigen Lösung im nativen Zustand aus.
Chemie
209 6

6 Fettsäuren, Lipide

Mind Map
Lipide sind eine sehr heterogene Stoffklasse, die ein kettige aliphatische Carbonsäuren. Zu den Lipiden ge-
gemeinsames Merkmal besitzt: die Unlöslichkeit in hören auch Derivate des Isoprens wie die Steroide und
Wasser. Bausteine vieler Lipide sind Fettsäuren, länger- die Vitamine A und D.
210 Kapitel 6 · Fettsäuren, Lipide

Lipide sind chemisch eine sehr heterogene Stoffklasse,


. Tab. 6.1. Funktionen von Lipiden
die in organischen Lösungsmitteln, wie Chloroform/
Methanol oder Ether, gut löslich sind. In wässrigen Lö- Lipid Funktion
sungen lösen sie sich schlecht oder gar nicht. Triacylglycerole Energiereserve, perirenales und
Man kann Lipide in verseifbare und nichtverseif- retroorbitales Strukturfett
bare Lipide einteilen: Phospholipide Membranbestandteile
Verseifbare Lipide sind Ester, die nach dem betei-
Glycolipide Membranbestandteile
ligten Alkohol eingeteilt werden:
4 Wachse: langkettiger einwertiger Alkohol und eine Cholesterol Membranbestandteil, Ausgangs-
Fettsäure; substanz für Steroidhormone, Gallen-
4 Glycerolipide, der dreiwertige Alkohol Glycerol säuren und das Vitamin D-Hormon
ist der Grundbaustein. Zu den Glycerolipiden ge- Gallensäuren Fettverdauung
hören: Steroidhormone Regulation des Kohlenhydrat- und
5 die Triacylglycerole (Neutralfette) und
Chemie

Eiweißstoffwechsels sowie der


5 Phosphoglyceride (Derivate der Phosphatid- Reproduktion
säure (Phosphatidylcholin, Phosphatidyletha- Eicosanoide Mediatorstoffe und gewebshormon-
nolamin, Phosphatidylserin, Phosphatidylino- ähnliche Substanzen
sitol);
4 Sphingolipide, deren Alkohol Sphingosin ist, mit
den Phosphorylcholin enthaltenden Sphingomye-
linen und den Glucose, Galactose, Aminozucker 6.1 Fettsäuren
und Neuraminsäure enthaltenden Glycolipiden;
4 Cholesterolester, wobei Cholesterol mit einer Fett- 6.1.1 Klassifizierung
säure verestert ist.
Fettsäuren sind langkettige, aliphatische gesättigte und
Nicht verseifbare Lipide sind: ungesättigte Carbonsäuren.
4 die Fettsäuren (gesättigt, ungesättigt, essenziell);
die Eicosanoide sind Fettsäurederivate.
4 Isoprenderivate Retinol, Phyllochinon, Tocophe- 6.1.2 Beispiele
role, Dolichol sowie das freie Cholesterol und die
sich von ihm ableitenden Steroide (Gallensäuren, Zu den Fettsäuren gehören die gesättigten Monocar-
Vitamin D-Derivate, Steroidhormone). bonsäuren Myristinsäure C14H28O2 (Tetradecansäure),
die Palmitinsäure C16H32O2 (Hexadecansäure), die
Eine weitere praktikable Einteilung der Lipide kann wie Stearinsäure C18H36O2 (Octadecansäure) und Ligno-
folgt erfolgen: cerinsäure C24H48O2 (Tetracosansäure).
4 einfache Lipide, Einfach ungesättigte Fettsäuren sind die Palmito-
5 Neutralfette und Wachse, leinsäure C16H30O2 (cis-'9-Hexadecensäure), die Öl-
4 komplexe Lipide, säure C18H34O2 (cis-'9-Octadecensäure) und die Ner-
5 Glycerophosphatide, vonsäure C24H46O2 (cis-'15-Tetracosensäure).
5 Sphingomyeline (Phospholipide des Sphingo- Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind die Linol-
sins), säure C18H32O2 (cis-'9,12-Octadecadiensäure, Z6-Fett-
5 Glycolipide, säure) mit 2 Doppelbindungen, die Linolensäure
– Cerebroside (Sulfatide), C18H30O2 (cis-'9,12,15-Octadecatriensäure, Z3-Fett-
– Ganglioside, säure) mit 3 Doppelbindungen und die Arachidonsäu-
4 Steroide, re C20H32O2 (cis-'5,8,11,14-Eicosatetraensäure, Z6-Fett-
5 Cholesterin, säure) mit 4 Doppelbindungen.
5 Gallensäuren, Ungesättigte Fettsäuren liegen in den Lipidmem-
5 Provitamin D und Steroidhormone. branen in der cis-Konfiguration vor. Sie sind weniger
hydrophob als die gesättigten Fettsäuren, weil sie die
Lipide erfüllen verschiedenartige Funktionen im Orga- Ordnung hydrophober Aggregate mit gesättigten Fett-
nismus (. Tab. 6.1). säuren beeinträchtigen.
Linol- und Linolensäure sind essenzielle Fettsäu-
ren, weil sie im menschlichen Organismus nicht gebildet
6.2 · Acylglycerine
211 6

werden. Doppelbindungen, die mehr als 9 C-Atome Diacylglycerolen 2 Hydroxylgruppen und bei den Mo-
von der Carboxylgruppe entfernt sind, werden durch noacylglycerolen nur eine Hydroxylgruppe. Neutral-
Dehydrierungen nicht eingeführt. fette mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fett-
Für die Nomenklatur der C-Atome und Doppel- säuren haben einen niedrigen Schmelzpunkt (Öle).
bindungen in Fettsäuren gelten folgende Regeln: Neutralfette sind die wichtigsten Energiereserven des
4 das C-Atom 1 ist die Carboxylgruppe; Körpers.
4 das der Carboxylgruppe benachbarte C-Atom 2
wird als D-C-Atom, die folgenden als E-, J- usw. Prüfungsfallstricke
bezeichnet. Die endständige Methylgruppe erhält Die retroorbitalen und perirenalen Fettgewebe
die Kennzeichnung Z weisen aufgrund ihres hohen Gehalts an gesät-
4 die Stellung einer Doppelbindung wird durch das tigten Fettsäuren einen hohen Schmelzpunkt auf.
Symbol ' gekennzeichnet. Die Zählung beginnt am Sie werden als »Strukturfette« nicht zur Energiege-
C1 der Carboxylgruppe. winnung abgebaut.

Prüfungsfallstricke
Unter der Bezeichnung Z3 oder Z6 werden unge- Bei den Phosphoglyceriden sind 2 Hydroxylgruppen
sättigte Fettsäuren aufgeführt, die eine Doppel- des Glycerols mit Fettsäuren verestert, wobei die an der
bindung 2 oder 5 Stellen vor der Z-endständigen sekundären alkoholischen Gruppe gebundene Fett-
Methylgruppe enthalten. säure eine mehrfach ungesättigte ist, z. B. Linolen- oder
Arachidonsäure. Die zweite primäre Hydroxylgruppe
ist mit Phosphorsäure verestert. Das einfachste Phos-
Derivate der mehrfach ungesättigten Linolen- und Ara- phoglycerid ist demnach die Phosphatidsäure.
chidonsäure sind die Prostaglandine, Prostacyclin, Durch Veresterung des Phosphorsäurerestes der
Thromboxane und Leukotriene (Eicosanoide). Phosphatidsäure mit Cholin entsteht Phosphatidyl-
cholin (Lecithin), mit Ethanolamin oder Serin die
Phosphatidylethanolamine bzw. -serine (Kephaline),
6.1.3 Eigenschaften mit Inositol das Phosphatidylinositol. Durch Abspal-
tung der Fettsäure an der sekundären Hydroxylgruppe
Fettsäuren sind infolge ihrer Alkylreste hydrophob. eines Phosphatids erhält man Lysophosphatide, die
Durch ihre Carboxylgruppe erhalten sie amphiphile hämolysierend wirken.
Eigenschaften und bilden in einem wässrigen Milieu
Micellen (. Abb. 2.14b). Merke
Phosphatidylinositol kommt nur in kleinen
Mengen in den Zellmembranen vor (etwa 1%).
6.1.4 Reaktionen Es ist ein Ankermolekül für periphere Membran-
proteine (Acetylcholin-Esterase) sowie Präcursor
Verseifen von Fetten bedeutet die chemische Spaltung für die intrazellulären Botenstoffe Inositoltrisphos-
(Hydrolyse) der Esterbindungen durch H+- oder OH–- phat (Inositol-1,4,5-Trisphosphat, IP3) und Dia-
Ionen. Seifen sind die Alkali-Salze der Fettsäuren. cylglycerol (DAG).
Fettsäuren können verestert werden, z. B. mit Car-
nitin oder Glycerol. Sie gehen Säureamidbindungen
mit Sphingosin ein. Phosphoglyceride finden sich den Zellmembranen. Sie
Ungesättigte Fettsäuren bilden mit Sauerstoff oder sind amphiphile Moleküle, d. h. sie besitzen einen hy-
seinen Radikalen leicht Peroxide. drophilen Molekülanteil, der v. a. aus dem Phosphatrest
und den mit ihm verknüpften Aminoalkoholen bzw.
Inositol besteht. Der hydrophobe Anteil wird durch die
6.2 Acylglycerine langkettigen Alkylreste bestimmt. Dadurch können sich
Lipiddoppelschichten ausbilden, welche die Grund-
6.2.1 Klassifizierung, Struktur strukturen biologischer Membranen darstellen, wobei
die Fettsäurereste über hydrophobe Kontakte sich inner-
Bei den Triacylglycerolen (Neutralfetten) sind alle halb der Schicht und die hydrophilen Anteile sich an den
3 Hydroxylgruppen des Glycerols mit Fettsäuren, Außenseiten der Schicht anordnen (. Abb. 2.14a). Die
v. a. Palmitin-, Stearin- und Ölsäure verestert, bei den Ausbildung solcher Doppelschichten geht von selbst vor
212 Kapitel 6 · Fettsäuren, Lipide

sich und wird durch die hydrophoben Wechselwirkun- Werden Oligosaccharidketten, die aus Glucose,
gen und van der Waal’sche Bindungen angetrieben. Galactose, Aminozuckern und N-Acetyl-Neuramin-
Liposomen als artifizielle Produkte aus Phospho- säure bestehen, acetalisch an die primäre OH-Gruppe
lipiden entstehen, wenn sich Lipiddoppelschichten in des Ceramids gebunden, werden Ganglioside gebildet.
Wasser zu Vesikeln orientieren. Sie ermöglichen maxi- Neuraminsäure ist in den Oligosaccharidketten immer
male Stabilität. Das Innere eines Liposoms besteht endständig.
aus einer wässrigen Phase. Liposomen eignen sich als
Vehikel für hydrophile Substanzen durch Membranen.
Lipiddoppelschichten sind für Ionen und die 6.3.2 Eigenschaften
meisten polaren Stoffe undurchlässig. Ausnahmen sind
Gase und Wasser. Vorgänge an Zellmembranen werden Die Sphingolipide sind ebenfalls amphiphil und Mem-
durch integrale und periphere Membranproteine ver- branbestandteile. Der hydrophobe Molekülanteil be-
mittelt. Die Membranfluidität wird von der Fettsäure- steht aus der säureamidartig gebundenen Fettsäure
Chemie

zusammensetzung (Länge der Fettsäuren, cis-unge- und dem langkettigen Alkylrest des Alkohols. Die hy-
sättigte Fettsäuren) und Cholesterol bestimmt. Unge- drophilen Anteile werden aus der hydrophilen Kopf-
sättigte und kurze Fettsäuren erhöhen die Fluidität. gruppe des Sphingosins mit 2 alkoholischen Gruppen
Cholesterol mindert die Membranfluidität. Membran- und der Säureamidbindung sowie durch den Phosphat-
Cholesterol ist nicht verestert. ester des Aminoalkohols Cholin oder die gebundenen
Weitere Derivate der Phosphatidsäure sind Plas- Kohlenhydrate gebildet. Die Cerebroside und Ganglio-
malogene, die etwa 10% der Phospholipide von Hirn side befinden sich immer auf der Außenseite der Zell-
und Muskulatur ausmachen. Der Unterschied zu Phos- membran. Sie kommen gehäuft in den Zellmembranen
phatidylcholin besteht darin, dass die primäre oder von Nervenzellen vor.
sekundäre alkoholische Gruppe des Glycerols nicht mit
einer Fettsäure verestert, sondern ein Fettsäurealdehyd
in Form eines Enolethers gebunden ist. 6.4 Steroide
Die Mitochondrienmembranen enthalten in beson-
ders hoher Konzentration das Cardiolipin. Es ist ein Steroide = Isoprenoide sind Polymere des Isoprens
Diphosphatidylglycerol, bei dem die beiden primären (2-Methyl-1,3-butadien).
OH-Gruppen des Glycerols mit Phosphatidsäure ver-
estert sind.
6.4.1 Klassifizierung, Struktur

6.2.2 Eigenschaften Das Kohlenstoffringsystem des Cholesterols ist das


Steran, bestehend aus 3 Cyclohexanringen und einem
7 Kap. 6.2.1 Cyclopentanring (Perhydrocyclopentanophenanthren)
(. Abb. 6.1). Im B-Ring des Sterans ist zwischen C-Atom
5 und 6 eine Doppelbindung vorhanden, am C-Atom
6.3 Sphingolipide 3 befindet sich eine Hydroxylgruppe, die verestert werden
kann. An den C-Atomen 10 und 13 stehen 2 Methyl-
6.3.1 Klassifizierung, Struktur gruppen, am C-Atom 17 eine Isooctylseitenkette.

Sphingosin ist ein ungesättigter Aminodialkohol aus Prüfungsfallstricke


18 C-Atomen. Über eine Säureamid- Bindung mit einer Das Steran-Ringsystem besteht aus 17 C-Atomen.
C24-Fettsäure, z. B. Lignocerin- oder Nervonsäure, ent-
steht die Grundverbindung der Sphingolipide, das
Ceramid. Durch Veresterung der primären OH-Grup- Unverestertes Cholesterol ist Membranbestandteil. Die
pe des Ceramids mit Cholinphosphat werden die Fettsäureester des Cholesterols stellen intrazelluläre
Sphingomyeline gebildet. Wird diese OH-Gruppe mit Speicherformen dar.
Kohlenhydraten verbunden, entstehen die Glycosphin- Vom Cholesterol leiten sich die Gallensäuren, Pro-
golipide. Wird ein Galactose- oder ein Glucosemolekül vitamin D sowie die Steroidhormone ab. Isoprenderivate
gebunden, erhält man Cerebroside. Ist ein Galactose- sind auch die Vitamine A, E und K sowie die Dolichole.
rest der Cerebroside mit Schwefelsäure verestert, ent- Gallensäuren enthalten eine um 3 C-Atome ver-
stehen Sulfatide. kürzte Seitenkette mit einer COOH-Gruppe am C17
6.4 · Steroide
213 6

. Abb. 6.1. Lipidbestandteile

sowie zusätzliche OH-Grppen. Der B-Ring ist hy- KLINIK


driert. Sie sind amidartig an Glycin (Glycocholsäuren) Lipide werden im Blut als Lipoproteine trans-
oder Taurin (Taurocholsäuren) gebunden. Sie wirken portiert.
emulgierend auf die Nahrungsfette im Verdauungs-
trakt.
Merke
Merke Lipide sind eine heterogene Stoffklasse, die sich
Dolicholphosphate übertragen Kohlenhydrate bei durch eine geringste Wasserlöslichkeit auszeich-
der Glycoproteinbiosynthese. nen. Sie dienen als Energiespeicher und der
Wärmeisolation, sie bauen Zellmembranen auf
und sie sind Hormone und Signalmoleküle. Die
Terpene sind C10-Verbindungen aus 2 Isoprenmole- wichtigsten Lipide sind Triacylglycerole (Triglyce-
külen. Sie sind Bestandteile etherischer Öle und als ride, Neutralfette), Phospholipide, Glycolipide,
Geranylphosphat Zwischenprodukte der Cholesterol- Cholesterol und Prenylderivate.
synthese. Sesquiterpene bestehen aus 15 C-Atomen Phospholipide sind Ester des Glycerols mit
(3 Isoprene). Als Farnesylphosphat spielen sie ebenfalls zwei Fettsäuren und einem Phosphatester eines
eine Rolle bei der Cholesterolsynthese. Diterpene sind Aminoalkohols, sowie die Sphingophospholipide
C20- und Triterpene C30-Verbindungen. Steroide, wie (Sphingomyeline) aus dem Aminoalkohol Sphingo-
Cholesterol, entstehen durch Zyklisierung des Triter- sin, einer C24-Fettsäure und einem Cholinphosphat-
pens Squalen. Terpene werden auch als Prenylderivate 6
bezeichnet.
214 Kapitel 6 · Fettsäuren, Lipide

ester. Die Fettsäure ist als Säureamid an das Sphin- Ganglioside enthalten längere und ver-
gosin gebunden (Ceramid) (. Abb. 6.1). Phospho- zweigte Zuckerketten mit endständiger Neuramin-
lipide sind amphiphil und finden sich zusammen säure. Prenylderivate (C10- und C15-Abkömmlinge
mit Glycolipiden und Cholesterol in Zellmembra- des Isoprens) sind Vorläufermoleküle des Choleste-
nen. Phospholipide sind nicht nur Membranbe- rols. Vom Cholesterol leiten sich die Gallensäuren,
standteile, sondern auch die Quelle von intrazellu- Steroidhormone und das Vitamin D ab. Eicosanoide
lären Botenstoffen. sind Abkömmlinge der mehrfach ungesättigten
Glycolipide sind Derivate des Ceramids. Bei Arachidonsäure.
den Cerebrosiden ist die primäre OH-Gruppe mit Neutralfette sind die wichtigste Energiereserve
Glucose oder Galactose verbunden. Die Vereste- des Organismus. Als periorbitales und perirenales
rung von Galactose mit Schwefelsäure führt zu den Fett sind sie Strukturbestandteil mit mechanischen
Sulfatiden. Funktionen. Lipoproteine sind die Lipidtranspor-
Chemie

teure des Bluts.


Chemie
217 7

7 Nucleotide, Nucleinsäuren, Chromatin

Mind Map
Nucleinsäuren (DNA, RNA) sind Makromoleküle, an Basen und Pentosen bilden Nucleoside, die mit
deren Aufbau folgende Stoffklassen beteiligt sind: Phosphorsäure verestert die Nucleotide aufbauen.
Purin- und Pyrimidin-Basen in der Lactamform, die Nucleotide sind die Monomeren der Nucleinsäuren.
Pentosen Ribose und Desoxyribose sowie Phosphor- Sie werden über Phosphorsäure-Diesterbindungen
säure. miteinander verknüpft. Chromatin ist der Nucleinsäure
(DNA)-Proteinkomplex des Zellkerns.
218 Kapitel 7 · Nucleotide, Nucleinsäuren, Chromatin

7.1 Nucleotide der Proteinsynthese, Substratkettenphosphorylie-


rung im Citratzyklus),
7.1.1 Struktur 4 bei der Aktivierung von Monosacchariden (UDP-
Glucose, UDP-Galactose, GDP-Mannose, GDP-
Bausteine der Nucleotide sind: Fucose),
4 die heterozyklischen Purin- und Pyrimidinbasen 4 bei der Aktivierung von Lipidkomponenten (CDP-
Adenin, Guanin sowie Uracil, Thymin und Cytosin Cholin, CDP-Etanolamin, CDP-Diacylglycerol) und
(in tierischer DNA kann Cytosin auch methyliert der Neuraminsäure (CMP-Neuraminsäure) sowie
als Methyl-Cytosin vorliegen), 4 als Bestandteil der Coenzyme NAD, NADP, FAD
4 Ribose oder 2-Desoxyribose und und CoA.
4 Phosphat.

Pyrimidine mit N3 und Purine mit N9 gehen eine 7.1.2 Reaktionen


Chemie

β-N-glycosidische Bindung mit dem C’1 der Ribose


bzw. 2-Desoxyribose ein und bilden N-Glycoside, die Nucleotide sind die Monomeren der Nucleinsäuren.
als Nucleoside bezeichnet werden. Durch Phosphosäurediesterbindungen zwischen dem
Durch Veresterung der OH-Gruppe am C’5 der C’3-OH des ersten Nucleotids (freies C’5-OH) und
Ribose bzw. der Desoxyribose erhält man ein Nucleo- C’5-OH der Pentosen des folgenden Nucleotids ent-
tid (. Abb. 7.1). stehen die Nucleinsäuren RNA mit Ribonucleotiden
und DNA mit Desoxyribonuleotiden.
Merke
Heterozyklische Purin- oder Pyrimidinbasen
sind mit Ribose bzw. 2-Desoxyribose β-N-glyco- 7.2 Nucleinsäuren
sidisch zu Nucleosiden verbunden. Das N9 einer
Purinbase bzw. das N3 einer Pyrimidinbase gehen 7.2.1 Klassifizierung
mit der OH-Gruppe am C’1 der Ribose bzw. Desoxy-
ribose eine etherähnliche Bindung ein. Durch Ver- Unterschieden werden:
esterung der Nucleoside mit Phosphorsäure erhält 4 Desoxyribonucleinsäuren (DNA) mit Desoxyri-
man Nucleotide. Nucleotide sind nicht nur Mono- bose als Bestandteil der Nucleotide;
mere der Nucleinsäuren, sondern sie üben auch 4 Ribonucleinsäuren (RNA) mit Ribose als Bestand-
wichtige Funktionen im Zellstoffwechsel aus. Über teil der Nucleotide.
Phosphodiesterbindungen werden Nucleotide zu
Nucleinsäuren verbunden.
7.2.2 Struktur

Freie Nucleotide haben eine große Bedeutung Nucleinsäuren haben ein links stehendes 5c-Ende und
4 im Energiestoffwechsel der Zellen (Adenylsäuresys- ein rechts stehendes 3c-Ende in der konventionellen
tem =ATP, ADP, AMP; GTP als Energiedonator in Schreibweise der Basensequenzen. Das 5c-Ende ent-

. Abb. 7.1. Ribonucleotid des


Adenins, Adenosinmonophosphat,
AMP
7.2 · Nucleinsäuren
219 7

spricht der Position des ersten und das 3c-Ende der Po- Doppelhelix 10 Basenpaare pro Windung auf einer
sition des letzten Nucleotids. Gepaarte Nucleotidsträn- Länge von 3,3 nm bei einem Durchmesser von 2,4 nm.
ge verlaufen antiparallel, d. h. einer in 5c-3c-, der andere Die Doppelhelix bildet große und kleine Furchen aus.
3c-5c-Richtung. Besonders in den großen Furchen können Proteine, die
Das Rückgrat der Nucleinsäuren bilden die Pento- bei der Regulation der Transkription eine Rolle spielen,
sephosphate. Die biologische Spezifität der Nuclein- Basensequenzen erkennen und an sie spezifisch bin-
säuren wird durch die Basenfolge geprägt. Innerhalb der den.
Nucleinsäuren treten die Basen in der Lactam-Form auf. DNA wird durch Erhitzen bis zu 90°C denaturiert.
In der DNA gibt es kein Uracil, dafür die Pyrimi- Dabei wird sie durch Auflösung der H-Brücken zwi-
dinbase Thymin. RNAs (mit Ausnahme der t-RNAs) schen den komplementären Basen in die Einzelstränge
enthalten kein Thymin, dafür Uracil. zerlegt. Bei langsamem Abkühlen lagern sich die Ein-
zelstränge wieder zur Doppelhelix zusammen (Renatu-
Desoxyribonucleinsäure (DNA) rierung). Unter experimentellen Bedingungen kann ein
DNA enthält die genetische Information für RNA und DNA-Strang auch mit einem komplementären RNA-
Proteine. Die Hauptmenge der DNA ist im Zellkern Molekül oder kleinen komplementären Oligonucleoti-
lokalisiert, nur eine vergleichsweise kleine Menge findet den spezifisch assoziieren. Der Vorgang wird Hybridi-
sich in den Mitochondrien. Die DNA von Prokaryonten sierung genannt und ist die Grundlage gentechnischer
ist überwiegend zirkulär, die DNA von Eukaryonten Untersuchungen.
bildet lange Fäden (Ausnahme zirkuläre mitochon-
driale DNA). KLINIK
Die DNA ist eine doppelsträngige Helix, in der die Southern-Blot: Abbau von DNA mit Restriktions-
beiden Stränge antiparallel angeordnet sind. Dabei endonucleasen führt zu Fragmenten unterschied-
stehen Purinbasen den Pyrimidinbasen gegenüber licher Größe. Diese Fragmente werden in einem
(A/T; G/C). Diese Basenpaarung nennt man komple- Agarosegel elektrophoretisch aufgetrennt. Vom
mentär. Damit ist das Verhältnis A/T und C/G in einer Agarosegel werden die aufgetrennten Restriktions-
DNA immer = 1. In eukaryontischer DNA überwiegen fragmente auf eine Nitrocellulose- oder Nylon-
A und T. Membran übertragen (»geblottet«) und mit geeig-
Zwischen den komplementären Basen, die sich neten radioaktiv markierten Oligonucleotiden
infolge ihrer Hydrophobizität in das Innere der Helix (Gensonden) hybridisiert. Die hybridisierten Banden
orientieren, bilden sich Wasserstoffbrücken aus (A/T=2; schwärzen einen Film und können mittels Auto-
G/C=3), die den DNA-Doppelstrang stabilisieren. Die radiographie nachgewiesen werden. Fluoreszenz-
Einhaltung der Komplementarität der Basenpaarung markierte Sonden werden ebenfalls verwendet.
bestimmt die Basensequenz in beiden Strängen. Northern-Blot: wie beim Southern-Blotting, nur
4 Codogener DNA-Strang: ATGCTAC, dass ungespaltene RNA statt DNA elektrophoretisch
4 Komplementärer DNA-Strang: TACGATG, getrennt und auf Membranen übertragen wird.
4 Komplementärer RNA-Strang: UACGAUG. Western-Blot: Proteine werden elektrophoretisch
getrennt, auf eine Membran übertragen und auf
Prüfungsfallstricke der Membran mit geeigneten Antikörpern oder
In der Basensequenz der DNA finden sich Palin- Lectinen nachgewiesen.
drome. Ein Palindrom zeichnet sich durch eine Membranen sind besser zu handhaben als die
zweizählige Symmetrieachse aus. Die Sequenz Elektrophoresegele.
vom 5’- zum 3’-Ende des einen Strangs ist gleich Polymerasekettenreaktion (PCR) dient der Ver-
der Sequenz vom 3’- zum 5’-Ende des antipa- mehrung spezifischer DNA. Der DNA-Doppelstrang
rallelen anderen Strangs, z. B. 5’–GAATTC–3’, wird bei 90°C denaturiert; nach Abkühlen auf
3’–CTTAAG–5’. Palindrome markieren Bindungs- ca. 60°C werden 2 Oligonucleotide (bestehend aus
stellen für Proteine, wie den Restriktionsendo- 15–30 Nucleotiden) zugesetzt, die dem 5‘-Ende
nucleasen. jedes DNA-Strangs komplementär sind. Die Oligo-
nucleotide geben das Raster vor, in dem die DNA
amplifiziert wird. Mittels einer temperaturbestän-
Die DNA-Schraube kommt in 3 Konformationen vor: digen DNA-Polymerase (Taq-Polymerase) werden
A, B, Z. Die B-Form überwiegt, da sie die stabilste ist. In bei über 70°C die beiden DNA-Stränge zu Doppel-
ihr stehen die Basenpaare in einem Winkel von 90° zur 6
Helixachse. Die B-Form enthält in der rechtsgängigen
220 Kapitel 7 · Nucleotide, Nucleinsäuren, Chromatin

tion in eine Aminosäuresequenz wird als Translation


strängen komplettiert. Der Reaktionszyklus kann bezeichnet.
viele Male wiederholt werden, woraus sich eine Man unterscheidet zwischen RNAs des Zellkerns
exponenzielle Zunahme der amplifizierten DNA er- und des Zytoplasmas. Im Zellkern bzw. Nucleolus kom-
gibt. Durch reverse Transkriptase kann RNA in DNA men die Vorläufermoleküle der zytoplasmatischen
umgeschrieben und amplifiziert werden. RNAs prä-m-RNA = hn-RNA, prä-r-RNA, prä-t-RNAs
c-DNA-Banken sind revers transkribierte Kopien sowie die sn-RNAs (kleine nucleare RNA) assoziiert
eines zellulären m-RNA-Pools. Reverse Transkripta- mit Proteinen vor, (RNPs). Im Zytoplasma befinden
sen überschreiben RNA in DNAs. Die aus m-RNAs sich die ribosomale RNA im Bestand der Ribosomen,
erzeugten DNA-Kopien werden c-DNAs genannt. m-RNAs, t-RNAs sowie die sc-RNA (kleine zytoplas-
Im Gegensatz zur genomischen DNA enthalten sie matische RNA) als Bestandteil des signal recognition
keine Introns. particle (Proteinsynthese 7 Kap. 5.2.1 m-RNA).
Durch DNA-Spaltung nach der PCR mit se-
Prüfungsfallstricke
Chemie

quenzspezifischen Restriktionsenzymen erhält


man Fragmente mit individual-spezifischen Res- In der biologischen Evolution waren RNAs die ersten
triktionslängenpolymorphismen (RFLPs), deren Informationen tragenden und weitergebenden
Darstellung Grundlage des genetischen Finger- sowie katalytisch aktiven Polymere (»RNA-Welt«).
abdrucks oder anderer Genpolymorphismen ist.
Diese Enzyme sind bakterielle Endonucleasen,
die im Bakterium der Eliminierung fremder DNA Messenger-RNA (m-RNA)
dienen. Sie spalten an spezifischen Sequenzmo- Die m-, messenger-RNAs (Boten-RNAs) codieren in
tiven. Sie sind unentbehrlich in der molekularbio- Form von Basentripletts die Aminosäuresequenz der
logischen Forschung. Proteine (genetischer Code). Sie enthalten an ihrem
5c-Ende eine »cap-Region« (7-Methyl-GTP), die über
eine Säureanhydrid-Bindung an die Nucleinsäure ge-
Prüfungsfallstricke bunden ist. Dadurch wird sie durch einen Angriff von
Die Synthese identischer Kopien eines doppelsträn- Exonucleasen geschützt. Die cap-Struktur ist weiterhin
gigen DNA-Abschnitts in der PCR erfordert den Ein- wichtig für den Transport aus dem Kern und die Bin-
satz DNA-komplementärer Oligonucleotide. dung der m-RNA an die kleine Untereinheit des Ribo-
soms im Prozess der Proteinbiosynthese.
Der cap-Struktur folgt nach einer kurzen Sequenz
Die DNA ist Träger der Erbinformation (Gene für Pro- nichtcodierender Nucleotide das Startcodon AUG für
teine und RNA). Die Komplementarität der Basenpaa- Methionin, gefolgt von codierenden Basentripletts und
rung ist die Grundlage für die identische Replikation Stop-Codons. Am 3c-Ende enthält sie eine Poly-A-Se-
der DNA, die Überschreibung genetischer Information quenz von bis zu 200 AMP-Nucleotiden, die für ihre
in RNA (Transkription von Genen) und die Trans- Präsenz im Zytoplasma erforderlich ist. Der m-RNA-
lation (Überschreibung einer m-RNA-Basensequenz Abbau wird durch die Abspaltung der Poly-A-Sequenz
in eine Aminosäuresequenz). eingeleitet.

Merke t-RNA
Die Gesamtheit aller Gene ist das Genom, die Ge- Die Transfer-RNAs (t-RNAs) sind die Adaptermoleküle
samtheit aller in einem Organismus oder in einer für die Proteinsynthese. Sie erkennen über ihr Antico-
Zelle vorkommenden Proteine ist ihr Proteom. don-Triplett die in Form von Basentripletts der m-RNA
(genetischer Code) enthaltene Information für die Ami-
nosäuresequenz. Sie verfügen am 3c-Ende über die
Ribonucleinsäuren (RNA) Basensequenz CCA zur spezifischen Bindung ihrer
Die im Vergleich zur DNA wesentlich kleineren RNAs Aminosäure. Infolge der Degeneriertheit des genetischen
sind prinzipiell einsträngig. Komplementäre Kettenab- Codes gibt es für die meisten Aminosäuren mehr als eine
schnitte können sich jedoch zu übergeordneten Struk- t-RNA. In Eukaryoten wurden bis 49 gefunden. Ein wei-
turen falten. Die RNAs sind in die Realisierung der teres Kennzeichen ist ihr hoher Anteil an so genannten
Erbinformation einbezogen. Sie werden an der DNA als Nebenbasen, z. B. Hypoxanthin und Thymin.
Kopien von Genen synthetisiert (Transkription). Die t-RNAs haben eine kleeblattförmige Sekundär-
Übersetzung der in der RNA gespeicherten Informa- struktur mit 4 ungepaarten Schleifen und 4 basen-
7.3 · Chromatin
221 7

gepaarten Stämmen. Die Anticodon-Schleife trägt das 7.2.3 Reaktionen


Anticodon, welches antiparallel komplementär zum
Codon der m-RNA ist. Das bedeutet, die erste Base des 7 Kap. 7.2.2
Anticodons paart mit der dritten Base des m-RNA-Co-
dons bei der Proteinbiosynthese.
Die räumliche Struktur (Konformation) der t-RNAs 7.3 Chromatin
ist L-förmig und besteht aus 2 doppelhelicalen Schen-
keln. Dadurch ergeben sich 2 einander gegenüberste- Eukaryontische DNA ist mit Histon- und Nichthiston-
hende Pole. An den Enden dieser Schenkel befinden proteinen assoziiert, die das Chromatin des Zellkerns
sich einerseits das CCA-Ende zur Bindung der Amino- aufbauen. Histone sind kleine Arginin- und Lysin-
säuren und andererseits der Anticodon-Bereich. reiche basische Proteine, die mit der sauren DNA Ver-
bindungen eingehen, die als Nucleosomen bezeichnet
r-RNA werden. Das Molekulargewicht der Histone liegt zwi-
Die ribosomale RNA (r-RNA) ist in der kleinen Unter- schen 11.000 und 25.000. Nach ihrer elektrophoreti-
einheit des Ribosoms bei Eukaryonten eine 18 S r-RNA. schen Mobilität werden sie in 5 Klassen eingeteilt: H1,
In der großen Untereinheit finden sich 28 S, 5,8 S und H2A, H2B, H3 und H4.
5 S schwere Ribonucleinsäuren. Die 18 S-RNA ist mit
33 Proteinen, die RNAs der großen Untereinheit sind
mit 49 Proteinen assoziiert, die nicht nur strukturelle 7.3.1 Struktur
Funktionen haben, sondern sich auch an der Protein-
biosynthese beteiligen. Je zwei H2A, H2B, H3 und H4 bilden ein tonnen-
Ribosomen sind Eiweiß-synthetisierende Orga- förmiges Octamer (Core-Protein), um welches sich
nellen im Zytoplasma, am endoplasmatischen Retiku- die DNA in einer Länge von 140–150 Basenpaaren
lum und in den Mitochondrien. Die mitochondrialen (1,8 Windungen) in einer linksgängigen Superhelix legt
Ribosomen entsprechen in ihrem Aufbau den Riboso- (Nucleosom). Nucleosomen sind durch eine 50–60 Ba-
men von Prokaryonten. senpaare lange Linker-DNA verbunden, an die H1 as-
Zwischen der kleinen und der großen Untereinheit soziiert ist. Diese »Perlenkette« baut die 10 nm-Fibrille
des Ribosoms wird ein Kanal gebildet, durch welchen des Chromatins auf, die genetische Aktivität besitzt und
die m-RNA im Prozess der Proteinbiosynthese hin- die Transkribierbarkeit der DNA gewährleistet.
durch befördert wird. An eine m-RNA können im Ab- Die Nucleosomen-Kette verdrillt sich zu der 30 nm-
stand von etwa 80 Nucleotiden viele Ribosomen binden Fibrille (etwa 6 Nucleosomen pro Windung), die gene-
und proteinsynthetisierende Polysomen bilden. Die ge- tisch nicht mehr aktiv ist. Mit Hilfe der Nichthiston-
bildeten Polypeptidketten treten durch einen besonde- proteine bilden sich aus der 30 nm-Fibrille hoch-
ren Kanal in der großen Untereinheit aus dem Ribosom kondensierte Schleifen, die die DNA-Strukturen in den
aus. Chromosomen bestimmen. Histon H1 »verklammert«
in der 30 nm-Fibrille benachbarte Nucleosomen.
Merke
RNA enthält Ribose und kein Thymin (Ausnahme Prüfungsfallstricke
t-RNA). Sie ist einsträngig. Komplementäre Ketten- Grundsätzlich unterscheidet man 2 unterschiedlich
abschnitte können sich jedoch zu übergeordneten stark kondensierte Formen des Chromatins:
Strukturen falten. Es gibt RNA im Kern und Zyto- 5 Euchromatin: weniger kondensiert, genetisch
plasma. Die Kern-RNA besteht aus den Vorläufer- aktiv;
RNAs für die zytoplasmatischen RNAs sowie der 5 Heterochromatin: genetisch nicht aktiv, wird
sn-RNA, die als RNPs assoziiert mit Proteinen vor- nicht transkribiert.
liegen. Im Zytoplasma treten 3 Haupt-RNA-Arten
auf: die r-RNAs, m-RNAs und t-RNAs. Histone werden nicht im Zellkern, sondern im
Es gibt 4 r-RNA-Species in den Ribosomen Zytoplasma synthetisiert. Histone sind nicht glyco-
(28S, 18S, 5,8S, 5S), die insgesamt 70% der Zell-RNA syliert.
ausmachen. Die m-RNA stellt 5–10% der zytoplas-
matischen RNA. Die t-RNAs machen 10–15% der
Zell-RNA aus. Die zytoplasmatischen RNAs sind in
die Proteinbiosynthese einbezogen.
Chemie
223 8

8 Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme

Mind Map
Vitamine sind lebensnotwendige organische Verbin- katalytischen Reaktionen (als Coenzyme) oder steu-
dungen, die im Stoffwechsel nicht oder nicht in aus- ernden Funktionen (hormonähnlich) beteiligt. Deshalb
reichender Menge gebildet werden können und mit werden für physiologische Wirkungen nur geringe
der Nahrung entweder als fertige Vitamine oder als Mengen benötigt (0,003–75 mg/Tag).
Provitamine zugeführt werden müssen. Sie sind an
224 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme

8.1 Allgemeines Dabei werden Vorgänge wie Resorption, Transport, Ver-


teilung, Speicherung und Ausscheidung berücksichtigt.
Eine ausreichende Vitaminversorgung ist bei ge-
mischter und abwechslungsreicher Kost gewährleistet.
Schwangere und stillende Frauen haben einen erhöhten 8.1.2 Herkunft und Stabilität
Vitaminbedarf, der ggf. eine Supplementierung erfor-
dert (s. Folsäure). Die Vitaminbiosynthese erfolgt in Mikroorganismen
Vitaminmangelzustände (Hypovitaminosen) ent- und Pflanzen. Eine Biosynthese durch die Darmflora ist
stehen: mit Ausnahme von Vitamin K, welches im Kolon resor-
4 bei falscher Ernährung (zu geringe Zufuhr, falsche biert werden kann, bedeutungslos.
Nahrungsmittelzubereitung), Vitamine können durch Einwirkung von Hitze,
4 bei Beeinträchtigung der intestinalen Resorption Licht, Luftsauerstoff und saure bzw. alkalische pH-Wer-
(chronische Durchfälle, Malabsorption infolge Atro- te zerstört werden. Dem ist bei der Zubereitung von
Chemie

phie der Dünndarmschleimhaut oder Darmresek- Lebensmitteln Rechnung zu tragen.


tion), Wasserlösliche Vitamine treten in das Kochwasser
4 bei erhöhtem Bedarf (Fieber, Stress, Alkohol, Rau- über.
chen, Wechselwirkungen mit Arzneimitteln) und Beim Lagern von Obst und Gemüse unterliegen
4 nach erhöhten Verlusten (z. B. Dialysen bei chro- zahlreiche Vitamine einem enzymatischen Abbau. Dem
nischer Niereninsuffizienz). lässt sich durch schnellen Verbrauch oder Lagerung bei
tiefen Temperaturen (–18°C) begegnen.
Die vielfältige Teilnahme und synergistische Wirkung
zahlreicher Vitamine als Coenzyme im Zellstoffwech-
sel führen häufig auch beim selektiven Mangel eines 8.1.3 Beispiele
Vitamins zu wenig charakteristischen Allgemeinsymp-
tomen, da mehrere Stoffwechselprozesse betroffen sein Fettlösliche Vitamine
können. Die fettlöslichen Vitamine sind in . Tabelle 8.1 zu-
Avitaminosen können zum Tod führen. sammengefasst, die Strukturformeln in . Abbildung 8.1
Hypervitaminosen sind selten und treten nur bei dargestellt.
den fettlöslichen Vitaminen A und D auf, die gespeichert
werden können. Der tägliche Bedarf ist für die einzel- Vitamin A (Retinol)
nen Vitamine sehr unterschiedlich. Ein Erwachsener Vitamin A besteht aus 4 Isopreneinheiten. Infolge
benötigt durchschnittlich 3 μg Vitamin B12, 10 μg Vita- seiner mehrfach ungesättigten Polyenstruktur ist
min D, 60–80 μg Vitamin K, 150–300 μg Folsäure, 1 mg es sehr empfindlich gegenüber Oxidation, Licht und
Vitamin A, 1,5–2 mg Vitamin B1, B2 und B6, 15–20 mg Wärme. Retinal und Retinsäure sind biologisch wich-
Niacin, 25 mg Vitamin E und etwa 75 mg Vitamin C. tige Derivate des Retinols.

Merke Vorkommen: Retinol kommt ausschließlich in tieri-


Der Bedarf an Vitaminen ist bei Säuglingen, Kin- schen Organismen vor, wo es aus den pflanzlichen Pro-
dern, schwangeren und stillenden Frauen erhöht.

. Tab. 8.1. Fettlösliche Vitamine


Vitamine sind essenzielle Nahrungsbestandteile und
Name Nomenklatur Wirksame Verbindung
für die Gesundheit des Menschen erforderlich. nach IUPAC
Vitamin A Retinol Retinol, Retinal,
8.1.1 Definition und Klassifikation Retinsäure
Provitamin A E-Carotin ECarotin
Vitamine werden nicht nach ihrer chemischen Struktur Vitamin D Calciferole Ergocalciferol (D2),
eingeteilt, sondern nach ihrer Löslichkeit: Cholecalciferol (D3)
4 Fettlösliche Vitamine: A, D, E, K; alle fettlöslichen Vitamin E Tocopherole D-E-J-G-Tocopherole
Vitamine sind Isopren-Derivate;
Vitamin K Methylnaph- Phyllochinon (K1),
4 Wasserlösliche Vitamine: B-Vitamine, Biotin, Vita-
thochinon Menachinon
min C.
8.1 · Allgemeines
225 8

. Abb. 8.1. Fettlösliche Vitamine

vitaminen, den Carotinen, gebildet wird. Leber, Milch die Resorption. Vitamin E schützt vor Oxidation im
und Milchprodukte sowie Seefische (Heilbutt, Makrele) Magendarmkanal. In der Mukosa findet eine Vereste-
sind bedeutende Vitamin-A-Quellen. rung des Retinols mit Palmitinsäure statt. Der Ester wird
von Chylomikronen aufgenommen. Über die Chylo-
Biochemie. Vitamin A wird im Dünndarm resorbiert mikronen remnants gelangt Retinol zur Leber, wo es
und zur Leber transportiert. Die Ester des Retinols gespeichert wird.
werden im Darm hydrolysiert und Retinol micellar Transport zu den Zielzellen: Im Blut wird Retinol
vollständig resorbiert. Lipide und Gallensäuren fördern gebunden an das Retinol bindende Protein (prä-Albu-
226 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme

min-Fraktion) transportiert. An den Zielzellen wird Vitamin D (Vitamin D-Hormon)


Retinol an ein zelluläres Retinol bindendes Protein Vitamin D ist ein Oberbegriff für Seco-Steroide, deren
(CRBP) abgegeben. Es gibt auch CRBPs für Retin- B-Ring aufgebrochen ist. Von Bedeutung sind das
säure. Diese transportieren Retinol (Retinsäure) in den pflanzliche Ergocalciferol (D2) und das tierische Cho-
Zellkern, wo es an einen nucleären Rezeptor (ähnlich lecalciferol (D3). Beide unterscheiden sich nur dadurch,
den T3-, Steroid-Rezeptoren) bindet und eine Protein-/ dass das pflanzliche Produkt eine Doppelbindung in
Glycoproteinsynthese initiiert. der Isooctyl-Seitenkette besitzt.

Funktion. Retinol und Retinsäure beeinflussen Wachs- Vorkommen: Vitamin D ist in nur geringen Mengen
tum und Differenzierungvon Epithelzellen und Knochen- v. a. in tierischen Produkten enthalten. Fischleberöle
gewebe. Retinol (nicht Retinsäure) spielt eine Rolle in der sind reich an Vitamin D. In Milch und Butter hängt
Embryogenese, Morphogenese und Reproduktion der Vitamin D-Gehalt von der Jahreszeit ab (Vitamin
(Spermatogenese, Oogenese, Plazenta-Entwicklung). D-Synthese im Sommer höher). Die normale Durch-
schnittskost des Mitteleuropäers ist nur eine dürftige
Chemie

Retinol kann zu Retinal und Retinsäure oxidiert


werden. Retinol und seine Oxidationsprodukte liegen Vitamin D-Quelle.
in der Zelle in 2 isomeren Zuständen vor: cis- und all- Biosynthese: Cholecalciferol kann aus 7-Dehydrochol-
trans. Retinal ist essenzieller Cofactor des Rhodopsins esterol, welches in der Leber aus Cholesterol entsteht,
(Sehvorgang s. Lehrbücher der Physiologie). gebildet werden. 7-Dehydrocholesterol wird in der
Die Integrität der Haut und Schleimhäute sowie der Haut abgelagert und durch UV-Licht (280–340 nm)
Cornea hängt von Retinol ab (Epithelschutz-Vitamin). und Wärme mittels Spaltung des B-Rings im Steran zu
Retinol kann auch als Prohormon der Retinsäure Cholecalciferol umgelagert. In der Leber wird das Cho-
aufgefasst werden, die in fast allen Zellen über einen lecalciferol zu 25-Hydroxy-Cholecalciferol (25-OH-D3)
Retinoidrezeptor im Zellkern wirkt. Zielzellen der oxidiert. In der Niere wird durch 1-Hydroxylierung
Retinsäure sind die Haut, Cornea, Schleimhäute der unter Einwirkung des Parathormons die biologisch ak-
Bronchien, Lungenepithelien und das Immunsystem. tive Form des Vitamin D3, das 1,25-Dihydroxy-Chole-
Retinsäure reguliert über Rezeptorproteine im Zell- calciferol (1,25-(OH)2-D3, Calcitriol), gebildet. Ähn-
kern die Genexpression bei der Entwicklung von Epi- lich verläuft die Aktivierung des Ergocalciferols.
thelien. Hohe Konzentrationen an 1,25-(OH)2-D3 hemmen
die 1-Hydroxylase. Dafür wird alternativ 24,25-(OH)2-D3
KLINIK gebildet, dessen biologische Bedeutung unklar ist.
Vitamin-A-Hypovitaminosen sind gekennzeich- Niedrige Konzentrationen an Phosphat stimulieren die
net durch Nachtblindheit, Xerophthalmie, Verhor- Bildung von 1,25-(OH)2-D3, hohe Konzentrationen
nung der Cornea; Hyperkeratose der Haut und wirken hemmend.
Schleimhäute; Störungen des Wachstums und der Im Blut werden die Vitamin D-Derivate gebunden
Knochenbildung bei Kindern. Hypervitaminosen an die Gc-Globuline (D2-Globuline) transportiert. Ihre
sind sehr selten. Sie zeigen eine unspezifische Ausscheidung erfolgt über die Galle. Sie unterliegen
Symptomatik: Schmerzen, Periostverdickung der einem enterohepatischen Kreislauf.
Röhrenknochen, Haarverlust.
Funktionen:
4 Vitamin D ist Regulator im Calcium- und Phos-
β-Carotin (Provitamin A) phatstoffwechsel. Es dient der Aufrechterhaltung
E-Carotin (Provitamin A) kommt nur in Pflanzen vor. des Blutcalciumspiegels!
Es wird im Dünndarm zusammen mit Fetten resor- 4 1,25-(OH)2-D3 wirkt wie ein Steroidhormon,
biert. In der Mukosa wird es zu 2 Molekülen Retinal welches die Transkription verschiedener Gene in
oxidativ gespalten. Ein Teil gelangt unverändert zur der Darmmukosa, im Knochen und in der Niere
Leber. Retinal wird zu Retinol reduziert oder zu Retin- reguliert.
säure oxidiert. 4 Darm: Induktion eines Ca-bindenden Proteins
(Calbindin, welches dem Ca-Transport durch die
Merke Mukosa dient), der alkalischen Phosphatase und
E-Carotin ist ein wichtiges Antioxidans und Ra- einer Ca2+-ATPase. Es erhöht die Permeabilität der
dikalfänger in der Lipidphase. Es inaktiviert am Mukosa für Calcium und Phosphat.
effizientesten Singulett-Sauerstoff. 4 Knochen: Durch Angriff an den Osteoklasten in
den Knochendiaphysen werden Calcium und Phos-
8.1 · Allgemeines
227 8

phat mobilisiert. In den Osteoblasten wird die Bil- Vitamin K (Antihämorrhagisches Vitamin)
dung von Kollagen, Matrixproteinen und Osteo- Das Grundgerüst des Vitamin K ist ein Methylnaphto-
calcin induziert. chinon mit isoprenoiden Seitenketten. Seine biolo-
4 Niere: Erhöhte Calciumresorption in den distalen gische Wirkung ist an das Vorhandensein einer Methyl-
Nierentubuli. gruppe am C2 des Chinonrings gebunden. Vitamin K1
ist das pflanzliche Phytomenadion. Vitamin K2 sind die
Bedarf: Vitamin D hat eine Sonderstellung, da es auf- bakteriellen Menachinone. Vitamin K3 ist ein synthe-
grund körpereigener Synthese nicht unbedingt mit tisches Produkt (Medikament), an welches im Organis-
der Nahrung zugeführt werden muss. Entscheidend ist mus eine isoprenoide Seitenkette angelagert wird. Infol-
jedoch die Sonnenexposition (Klima, Luftverschmut- ge der Hitzestabilität des Vitamins treten bei der Spei-
zung, Kleidung). sezubereitung kaum Verluste auf. In pflanzlichen und
Cholecalciferol wird Milch, Butter und Margarine tierischen Nahrungsmitteln ist es weit verbreitet. Früch-
als Nahrungsergänzungsmittel zugesetzt. te und Getreide sind allerdings arm an Vitamin K.

KLINIK Biochemie: Vitamin K wird in den oberen Dünndarm-


Vitamin-D-Mangel führt zu Rachitis mit Hyper- abschnitten zusammen mit Lipiden resorbiert. Auch
phosphaturie und Hypophosphatämie, Ausblei- eine Resorption im Colon aus einer mikrobiellen Syn-
ben der Mineralisierung neugebildeten Knochens, these ist möglich. Im Blut wird es gebunden an VLDL
nach der Pubertät: Osteomalazie. transportiert. Es kann nicht gespeichert werden.
»Immigranten-Syndrom«: dunkle Hautfarbe
verleiht UV-Resistenz – daher ist die Cholecalcife- Funktion: Vitamin K ist Coenzym für die J-Carboxy-
rolbildung in Regionen mit geringer Sonnenein- lierung von Glutamat-Resten der Gerinnungsfaktoren
strahlung besonders vermindert. II, VII, IX, X, C und S und von calciumbindenden Pro-
Verhüllende Kleidung trägt aufgrund des dann teinen des Knochens (Osteocalcin). Die Proteine erhal-
fehlenden UV-Lichts auch zur verminderten Chole- ten nach der Carboxylierung die Fähigkeit, Ca2+-Ionen
calciferolsynthese bei. zu binden.
Die Vitamin K-abhängige Carboxylase carboxyliert
Glutamat-Reste unter Verbrauch von CO2 und O2 zu
Vitamin E (Tocopherole) J-Carboxy-Glutamat, wobei Vitamin K-Hydrochinon
Tocopherole bestehen aus einem Chromanring mit in ein Epoxid übergeht. Das Epoxid wird durch eine
einer Seitenkette aus 3 Isopreneinheiten. Die einzel- Epoxid-Reductase und eine Chinon-Reductase, die
nen Tocopherole unterscheiden sich durch die Stellung beide durch Cumarine (Vitamin K-Antagonisten) ge-
und Anzahl der Methylgruppen an der Seitenkette. hemmt werden, wieder in das funktionsfähige Hydro-
chinon überführt.
Vorkommen: Vitamin E kommt besonders reichlich Neugeborene besitzen nur geringe Vitamin K-Vor-
in Pflanzenölen, Getreideprodukten und auch in tieri- räte, da Vitamin K die Plazenta schlecht passiert.
schen Ernährungsmitteln vor.
KLINIK
Biochemie: Es wird im proximalen Dünndarm zusam- Eine Vitamin-K-Hypovitaminose manifestiert sich
men mit Fetten resorbiert. Im Blut wird es zusammen als Blutungsneigung (Hämorrhagie) und ist meist
mit den VLDL und LDL transportiert. Vitamin E wird das Ergebnis einer Dicumarol-Therapie.
nicht gespeichert. Dabei ist zu beachten: Cumarine hemmen
nicht die Vitamin K-Synthese, sondern die Synthese
Funktion: Antioxidans für ungesättigte Verbindungen Vitamin-K-abhängiger Gerinnungsfaktoren durch
(essenzielle Fettsäuren, Carotine, Vitamin A), Inakti- Blockade der Regenerierung des Vitamin-K-Epo-
vierung von Peroxiden und Radikalen. xids durch die Epoxid- und Chinon-Reduktasen.

KLINIK
Infolge seiner antioxidativen Wirkungen wird die Wasserlösliche Vitamine
therapeutische Anwendung von Vitamin E bei mit Wasserlösliche Vitamine werden in . Tabelle 8.1 zu-
oxidativem Stress in Zusammenhang stehenden sammengefasst; die Strukturformeln in . Abbildung 8.2
Syndromen in Erwägung gezogen. dargestellt.
228 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme

. Tab. 8.2. Wasserlösliche Vitamine


Name Nomenklatur nach IUPAC Wirksame Verbindung
a) B-Vitamine
Vitamin B1 Thiamin Thiamindiphosphat (TDP, TPP)
Vitamin B2 Riboflavin FMN, FAD
Vitamin B6 Pyridoxin, Pyridoxal, Pyridoxamin Pyridoxalphosphat (PALP)
Vitamin B12 Cobalamine Methyl-Cobalamin, Desoxyadenosyl-Cobalamin
Niacin Niacin NAD+/NADP+
Pantothensäure Pantothensäure Coenzym A
Folsäure Folsäure Tetrahydrofolsäure (FH4)
Chemie

b) Vitamin H Biotin
c) Vitamin C Ascorbinsäure

Vitamin B1 (Thiamin) KLINIK


Vitamin B1 besteht aus einem Pyrimidin- und einem Vitamin-B1-Mangel: Beri-Beri, die sich als kardio-
Thiazolring, die über eine Methylengruppe miteinan- vaskuläre Form und/oder als in Form neurolo-
der verbunden sind. gischer Störungen (Polyneuropathie) manifestiert.
Chronischer Alkoholkonsum kann zu einem Vita-
Vorkommen: In tierischen und pflanzlichen Lebens- min-B1-Mangel führen.
mitteln, vorrangig in Getreideprodukten. Thiamin be-
findet sich besonders im Keim und in der Aleuron-
schicht der Getreidekörner, die bei hoch ausgemahle- Vitamin B2 (Riboflavin)
nen (weißen) Mehlen entfernt wird (künstlicher Zusatz Vitamin B2 besteht aus dem heterozyklischen Isoal-
durch die Getreide-Industrie). loxazinring, an welchen der Zuckeralkohol Ribitol ge-
Neben Vollkornprodukten spielen Kartoffeln und bunden ist.
Schweinefleisch eine wichtige Rolle für die tägliche Be-
darfsdeckung. Vorkommen: Riboflavin ist im Tier- und Pflanzen-
reich weit verbreitet. Für die Ernährung sind Milch
Biochemie: Resorption im Dünndarm als freies Thia- und Milchprodukte, Fleisch und Fisch von entschei-
min über einen aktiven Na+-abhängigen Transport, bei dender Bedeutung. Weiße Mehle sind arm an Ribo-
hohem Angebot auch durch freie Diffusion. Thiamin- flavin.
phosphate werden nicht resorbiert. Nach Resorption
erfolgt Phosphorylierung in der Darmwand und Trans- Biochemie: Die Resorption erfolgt im proximalen
port zur Leber. Eine weitgehende Rückresorption fin- Dünndarm aktiv als freies Riboflavin. In der Mukosa
det in den Nierentubuli statt. wird es zu FMN phosphoryliert und im Blut gebunden
an Albumin zur Leber transportiert. Die Ausscheidung
Funktion: Als Thiamindiphosphat (TDP, TPP) Co- geschieht über die Niere.
enzym der D-Ketosäure-Dehydrogenase-Komplexe
und der Transketolase im Pentosephosphat-Zyklus Funktion: Als Bestandteil der Coenzyme FMN und
(Überträger von Aldehyden). FAD ist es prosthetische Gruppe der Flavin-Enzyme
Der Bedarf ist nicht konstant und hängt vom Ener- (Dehydrogenasen und Oxidasen).
giestoffwechsel ab (z. B. Leistungssportler haben einen
höheren Bedarf). Prüfungsfallstricke
Flavin-abhängige Oxidasen katalysieren die Bil-
dung von H2O2 bzw. von O2–. Viele dieser Oxidasen
enthalten Cu. Flavin-abhängige Dehydrogenasen
werden in der Atemkette oxidiert.
8.1 · Allgemeines
229 8

. Abb. 8.2. Wasserlösliche Vitamine


230 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme
Chemie

. Abb. 8.2 (Fortsetzung)

Der Bedarf ist am Energiestoffwechsel orientiert. hyd oxidiert, im Pyridoxamin ist die Carbonylgruppe
durch einen NH2-Rest ersetzt.
KLINIK
Reiner B2-Mangel ist sehr selten und meist mit an- Vorkommen: Vitamin B6 ist in der Natur weit verbrei-
deren Vitamin-B-Mangelzuständen assoziiert. Es tet. Fleisch und Leber sind besonders reich an Pyrido-
treten Veränderungen an der Haut, den Schleim- xin, aber auch Kartoffeln, Gemüse, Getreide, Milch und
häuten und der Cornea auf. Vitamin B2 wird nach Milchprodukte enthalten viel B6.
schweren Operationen, Alkoholmissbrauch und
bei Einnahme oraler Kontrazeptiva vermehrt be- Biochemie: Es wird schnell in den oberen Dünndarm-
nötigt. abschnitten aktiv resorbiert. In der Dünndarmmukosa
erfolgt die Phosphorylierung zum Pyridoxalphosphat
(PALP). Im Blut wird es gebunden an Albumin trans-
Vitamin B6 (Pyridoxin, Pyridoxal, Pyridoxamin) portiert. Die Eliminierung findet in der Niere als Pyri-
Es besteht aus einem Pyridinring, der die folgenden doxinsäure statt.
Substituenten trägt: eine Methylgruppe, eine Hydroxyl-
gruppe sowie 2 Hydroxymethylgruppen (Pyridoxin). Funktion: Als Coenzym Pyridoxalphosphat (PALP)
Im Pyridoxal ist eine Hydroxymethylgruppe zum Alde- spielt Vitamin B6 eine überragende Rolle im Stoff-
8.1 · Allgemeines
231 8

. Tab. 8.3. Funktionen des Vitamin B6


Enzym Funktion
Aminotransferasen Abbau von Aminosäuren an der D-Aminogruppe
Aminosäuredecarboxylase Bildung biogener Amine
Serin-Hydroxymethyl-Transferase reversible Umwandlung von Serin in Glycin
Threoninaldolase Spaltung von Threonin in Glycin und Acetaldehyd
Kynureninase Tryptophanabbau, Überführung von Kynurenin in 5-Hydroxyanthranilsäure
Threonin/Serindehydratase eliminierende Desaminierung von Serin und Threonin
Cysteindesulfhydrase eliminierende Desaminierung von Cystein
Cystathioninsynthase und Cystathioninlyase Methionin-Abbau; Cystathioninbildung und -abbau
G-Aminolävulinatsynthase Häm-Synthese
Lysyloxidase Quervernetzungen im Kollagen und Elastin
Serin-Palmitintransferase Sphingosinsynthese

wechsel der Aminosäuren (Transaminierung, eliminie- Vorkommen: Cobalamine werden nur durch Mikroor-
rende Desaminierung, Aminosäuredecarboxylasen, ganismen gebildet!
Aminosäurelyasen) (. Tab. 8.3). Cobalamin-Quellen für den Menschen sind v. a.
Der Bedarf hängt im Wesentlichen vom Protein- tierische Produkte (Leber, Niere, Herz, Eier, Milch). Ve-
(Aminosäure-) Umsatz ab. Bestimmte Medikamente, getarische Kost ist frei von Cobalaminen!
die Vitamin B6 binden (INH = Isonicotinsäurehydrazid,
Hydralazine, D-Penicillamin), erhöhen den Bedarf. Merke
Die Leber kann Cobalamin über Jahre speichern
KLINIK
(2–5 mg, täglicher Bedarf 2–3 μg)! Die Halbwerts-
Ein isolierter B6-Mangel ist sehr selten. Die Sym-
zeit des Pools beträgt 485 Tage.
ptomatik besteht in einer Dermatitis, Schlaflosig-
keit, erhöhter Reizbarkeit, Neuropathien, Fe-refrak-
tärer Anämie und einer Oxalaturie (Nephrolithiasis).
Biochemie: Die Resorption erfolgt im Ileum über spe-
zifische Rezeptoren mit dem Intrinsic Factor, einem
Vitamin B12 (Cobalamin) Glycoprotein der Parietalzellen der Magenschleimhaut,
Cobalamine besitzen ein Porphyrinring-ähnliches an den Vitamin B12 gebunden werden muss. Dabei wird
Corrin-Ringsystem mit einem zentralen Cobaltatom, der Intrinsic-factor-B12-Komplex durch einen Releas-
dessen Wertigkeit zwischen Co+ und Co3+ wechseln ing Factor (abhängig von Ca2+ und ATP) gespalten. Im
kann (. Abb. 8.3). Die Koordinationszahl ist 6. Co tätigt Blut werden Cobalamine mit Transcobalamin I und II
4 Bindungen zu den N-Atomen der Pyrrolringe, die 5. (E-Globuline) transportiert. Die Aufnahme in die He-
Bindungsstelle ist mit Dimethylbenzimidazol besetzt. patozyten erfolgt durch Endozytose, wobei Trans-
An die 6. Bindungsstelle können CN–, OH–, –CH3, cobalamin II lysosomal abgebaut wird. Transport-Co-
Desoxyadenosylreste oder H2O gebunden werden; balamin enthält Co2+. Intrazelluläres Co ist dreiwertig.
demnach kann –R in . Abbildung 8.3 sein: 60% des resorbierten Cobalamins gelangen zur
4 5c-Desoxyadenosyl = 5cDesoxyadenosylcobalamin Leber, 30% zur Muskulatur und 10% in die übrigen
4 –CH3= Methylcobalamin Organe und Gewebe.
4 –CN= Cyanocobalamin Cobalamin wird zum Teil in die Galle ausgeschie-
4 –OH= Hydroxocobalamin den und unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf.
4 –H2O= Aquocobalamin Im Zytosol wird Cobalamin in Methylcobalamin,
4 –NO2= Nitritocobalamin. in den Mitochondrien in Desoxyadenosylcobalamin
überführt und gespeichert. Desoxyadenosylcobalamin
Diese Reste haben therapeutische Bedeutung; therapeu- ist Coenzym bei der intramolekularen Umlagerung
tisch werden Cyanocobalamin oder Hydroxycobala- von Carboxylgruppen bei Methylmalonyl-CoA in Suc-
min verwendet. cinyl-CoA.
232 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme
Chemie

. Abb. 8.3. Cobalamin, Vitamin B12

Methylcobalamin ist an der Methioninsynthese aus


Homocystein zusammen mit Methyl-FH4 beteiligt. tion im Ileum ist an den Intrinsic Factor, ein
Durch diese Reaktion wird zudem FH4 für den C1-Stoff- Glycoprotein der Magenschleimhaut, gekoppelt.
wechsel regeneriert. In der Leber wird es gespeichert. Die beim Men-
schen bekannten Reaktionen sind die Remethy-
Merke lierung des Homocysteins zu Methionin,
Vitamin B12 wird ausschließlich von Mikroorganis- welche auch der Regenerierung von FH4 dient,
men gebildet. Deshalb kann nur die Zufuhr tieri- sowie die Bildung von Succinyl-CoA aus Methyl-
schen Eiweißes den Bedarf decken. Seine Resorp- malonyl-CoA.
6
8.1 · Allgemeines
233 8

KLINIK KLINIK
Ein Mangel an Vitamin B12 führt zur perniziösen Vitamin B12 als Methyl-Cobalamin ist ein essen-
Anämie und zur funikulären Spinalerkrankung. zieller Cofaktor durch die Regenerierung von
Er kommt zustande durch streng vegetarische Kost, Methyl-FH4 zu Tetrahydrofolsäure bei der Remethy-
Malabsorption durch fehlenden Intrinsic Factor lierung von Homocystein zu Methionin. Ein Mangel
(Atrophie der Magenschleimhaut, Gastrektomie), an Vitamin B12 führt auch zu einem Mangel an
Erkrankungen des Dünndarms (Sprue), Fischband- stoffwechselaktiver Tetrahydrofolsäure!
wurm-Befall. Ein Folsäuremangel ist nicht selten, da der Fol-
säuregehalt der Lebensmittel an der Grenze der
wünschenswerten Zufuhr liegt (100–150 μg/Tag).
Folsäure Er ist schwer diagnostizierbar. Hinweise gibt eine
Folsäure ist eine Pteroylglutaminsäure, bestehend aus megaloblastische Anämie, verbunden mit Leu-
einem heterozyklischen Pteridinring, p-Aminoben- ko- und Thrombozytopenie. Schwangere haben
zoesäure und Glutaminsäure. einen erhöhten Folsäure-Bedarf. Ein Folsäureman-
gel in der Schwangerschaft erhöht die Missbil-
Vorkommen: Folsäure kommt in allen tierischen und dungsrate des Föten, z. B. Spina bifida. Schwangere
pflanzlichen Nahrungsmitteln, zum Teil als Polygluta- sollten zusätzlich Folsäure aufnehmen. Alkoholiker
mat vor. Rindfleisch, Fisch und Obst sind relativ arm an haben infolge von Resorptionsstörungen ein Defi-
Folsäure. zit (Ausnahme: Biertrinker).

Biochemie: Folsäure wird als Monoglutamat zu 100%


im Dünndarm aktiv resorbiert. Die Resorption wird Niacin (Nicotinsäure, Nicotinamid)
durch Glucose und Na+-Ionen gefördert. Polyglutamate Niacin enthält einen Pyridinring, der mit einer COOH-
werden wesentlich schlechter aufgenommen. Sie müs- Gruppe (Nicotinsäure) oder einer CO–NH2-Gruppe
sen durch Carboxypeptidasen erst zum Monoglutamat (Nicotinsäureamid) substituiert ist.
abgebaut werden.
In der Mukosa und der Leber erfolgt eine Umwand- Prüfungsfallstricke
lung in die aktive Tetrahydrofolsäure (FH4) durch die Nicotinsäureamid ist Bestandteil der Coenzyme
Folatreduktase und die Dihydrofolatreduktase. Im Blut NAD+ und NADP+ für zahlreiche Dehydrogenasen.
wird Folsäure gebunden an Albumin, Transferrin und NAD ist zudem Substrat für die ADP-Ribosylierung
D2-Makroglobulin transportiert. FH4 wird über die von Proteinen.
Galle ausgeschieden, eine Rückresorption im Dünn-
darm ist möglich. Eine Ausscheidung erfolgt auch über
die Nieren. Vorkommen: Das Vitamin ist in allen pflanzlichen und
tierischen Lebensmitteln reichlich vorhanden.
Funktion: FH4 ist Coenzym im C1-Stoffwechsel als For-
myl-, Methenyl-, Formimino-, Methylen- und Methyl- Biochemie: Die Resorption findet im Dünndarm Car-
FH4 (. Tab. 8.4). Die verschiedenen C1-Verbindungen rier-vermittelt und Na+-abhängig statt. Die Ausschei-
sind in einander umwandelbar. dung erfolgt im Harn als Methylierungsprodukt.

. Tab. 8.4. Coenzym-Funktionen der Folsäure


Reaktion Funktion
Serin-Hydroxymethyl-Transferase reversible Umwandlung von Glycin in Serin zusammen mit PALP
Abbau von Formiminoglutamat Histidinabbau
Abbau von Formylkynurenin Tryptophanabbau
Spaltung von Glyoxylsäure Glycinabbau
Purinnucleotidsynthese C8 und C2 des Purinrings
Desoxythymidylatsynthese Methylierung von Uracil (dUMP) zu Thymin (dTMP) Pyrimidinnucleotidsynthese
Methylierung von Homocystein Bildung von Methionin aus Homocystein zusammen mit Methyl-Cobalamin
234 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme

Nicotinsäure kann in einem Nebenweg des Trypto- Biotin ist das Coenzym von Carboxylasen:
phan-Abbaus gebildet werden. Die Biosynthese deckt 4 Pyruvat-Carboxylase,
den Bedarf nicht. 4 Acetyl-CoA-Carboxylase,
4 Propionyl-CoA-Carboxylase.
KLINIK
KLINIK
Eine Niacinmangel-Erkrankung ist die Pellagra
Ein Mangel ist äußerst selten. Die Symptomatik ist
(Dermatitis, Demenz, Diarrhoe), die kaum mehr
unspezifisch.
beobachtet wird. Es ist zu bedenken, dass es zahl-
reiche Pharmaka gibt, die einen Niacinmangel in-
duzieren können. Vitamin C (Ascorbinsäure)
Biologisch wirksam ist die L-Ascorbinsäure, die von den
meisten Säugetieren, aber nicht vom Menschen aus Glu-
Pantothensäure cose gebildet werden kann. Sie ist leicht oxidierbar. Die
Chemie

Das Vitamin ist eine Verbindung von E-Alanin mit Oxidation wird durch Übergangsmetallionen (Cu, Fe)
D,J-Dihydroxy-E,E-dimethylbuttersäure. Es ist Bestand- beschleunigt. Sie ist sehr licht- und temperaturempfind-
teil des Coenzym A (CoA). lich. Ihr Oxidationsprodukt, die L-Dehydroascorbinsäu-
re, ist biologisch aktiv, da sie im Organismus zu L-Ascor-
Vorkommen: Pantothensäure ist in allen Lebensmitteln binsäure reduziert wird (. Abb. 8.4). Ascorbinsäure bil-
ausreichend vorhanden. Sie liegt aber nicht in freier det bei Redox-Prozessen Semidehydroascorbinsäure.
Form vor, sondern ist Bestandteil von CoA.
Vorkommen: Vitamin C ist in pflanzlichen und tie-
Biochemie: CoA wird im Dünndarm zu Pantothen- rischen Produkten weit verbreitet. Besonders hoch ist
säure abgebaut, die vollständig resorbiert wird. Im Blut sein Gehalt in frischem Obst und Gemüse. Wichtig für
wird sie an Plasmaproteine gebunden transportiert und den Vitamingehalt ist die Lagerung und Zubereitung.
über die Niere ausgeschieden.
Biochemie: Die Resorption von Ascorbinsäure findet
Funktion: Als Baustein des Coenzyms A dient sie der im Duodenum und Jejunum über einen aktiven, Na+-
Aktivierung von Carbonsäuren. abhängigen Carrier-Transport statt. Im Blut wird sie zu
Mangelerscheinungen sind sehr selten und treten etwa 24% an Plasmaproteine gebunden transportiert.
zusammen mit anderen Vitamindefiziten auf. Sie wird zu Oxalsäure, Threose, Erythrulose und Dio-
xogluconsäure abgebaut. Die Metabolite werden im
Biotin Harn ausgeschieden.
Biotin besteht aus einem Imidazol- und Thiophan-
ring, der eine Pentansäure-Seitenkette enthält, welche Funktion: Eine besondere Wirk- oder Coenzymform
es über Lysin an Carboxylasen bindet. gibt es nicht. Vitamin C ist an biochemischen Redox-
Systemen beteiligt. Es ist ein wichtiges Antioxidans.
Vorkommen: Biotin ist in der Natur weit verbreitet und 4 Ascorbinsäure als Radikalfänger:
kommt deshalb in allen Lebensmitteln in ausreichender 4 nichtenzymatische Inaktivierung des Super-
Menge vor. oxidanion-Radikals O2– unter Bildung von H2O2
und Semidehydroascorbinsäure;
Merke 4 Semidehydroascorbinsäure kann zu Ascorbin-
Das im Ei-Eiweiß vorhandene Avidin bindet Biotin säure reduziert werden.
sehr fest und verhindert seine Resorption. Ähnlich 4 Beteiligung an Hydroxylierungsreaktionen:
wirkt bakterielles Streptavidin. Von ernährungs- 4 Einbeziehung in das Cytochrom P-450 System
physiologischer Signifikanz sind diese Befunde bei der 7D-Hydroxylierung von Cholesterol
nicht. (Gallensäurenbiosynthese);
4 Dopamin-E-Hydroxylase (Bildung von Nor-
adrenalin zusammen mit Cu2+ und O2);
Biochemie: Nach Freisetzung aus seinen Eiweißbin- 4 Hydroxylierung von Tryptophan zum 5-Hy-
dungen wird es im Dünndarm Carrier-vermittelt im droxytryptophan (Serotoninbildung);
Symport mit Na+-Ionen unter Energieverbrauch resor- 4 Hydroxylierung von Prolin und Lysin (Kolla-
biert. Im Blut erfolgt der Transport zu 80% an Eiweiße gensynthese) unter Beteiligung von D-Ketoglu-
gebunden. Ausscheidungsorte sind Niere und Darm. tarat, Fe2+ und O2.
8.3 · Pathobiochemie
235 8

. Abb. 8.4. Ascorbinsäure und das Oxidationsprodukt L-Dehydroascorbinsäure

4 Beteiligung an Dioxygenase-Reaktionen: 8.2 Biochemischer Mechanismus


4 Hydroxyphenylpyruvat-Dioxygenase (Bildung
von Homogentisinsäure beim Tyrosinabbau Die wasserlöslichen Vitamine entfalten ihre Stoffwech-
zusammen mit Fe3+ und O2); selwirkungen als Bestandteile von Coenzymen. Die
4 Spaltung von Homogentisinsäure in Maleyla- fettlöslichen Vitamine A und D binden an spezifische
cetoacetat; intrazelluläre Rezeptoren und induzieren im Genom
4 Lysyloxidase (Cofaktoren D-Ketoglutarat und Fe3+) spezifische Transkriptionsprozesse. Vitamin K wirkt
zur Bildung von Quervernetzungen im Kollagen als Cocarboxylase bei der Carboxylierung von Gluta-
und Elastin; myl-Resten bei calciumbindenden Proteinen. Die Vita-
4 Bildung von Carnitin aus Lysin (6N-Trimethyl- mine A, E und C sowie die ß-Carotene sind wichtige
lysin-Hydroxylase) unter Beteiligung von D-Keto- Antioxidanzien. Das Retinal ist am Sehvorgang betei-
glutarat, Fe3+ und O2. ligt (GK Physiologie, 7 Kap. 17.2.3).
4 Peptidylglycin-D-amidierende Oxygenase amidiert
Peptide mit einem C-endständigen Glycin, indem
durch O2 Glyoxalat und H2O abgespalten werden, 8.3 Pathobiochemie
während die Aminogruppe auf die neue endstän-
dige Carboxylgruppe übertragen wird. Beispiele Zu unterscheiden ist zwischen Avitaminosen, Hypo-
sind Bombesin (Gastrin freisetzendes Peptid), vitaminosen und Hypervitaminosen. Hypervitami-
Calcitonin, Cholecystokinin, Oxytocin, Vasopres- nosen werden nur bei den fettlöslichen Vitaminen A
sin u. a.). Cofaktoren sind Fe3+ und O2. und D beobachtet. Avitaminosen und Hypovitamino-
4 Förderung der Eisenresorption im Dünndarm; sen sind das Ergebnis einer einer verminderten Zufuhr,
4 Hemmung der Nitrosamin-Bildung; Nitrosamine einer verringerten Resorption oder einer gestörten Um-
entstehen aus Nitrit (NO2–) und Aminen. Sie sind wandlung in die stoffwechselaktiven Formen.
hepatotoxisch und kanzerogen. Klinisch wichtige Hypovitaminosen sind die Ra-
4 Einflüsse auf das Immunsystem und endokrine chitis, die Nachtblindheit, die perniziöse Anämie und
Regelsysteme sind bekannt, aber noch nicht inter- die Spina bifida bei Neugeborenen als Folge eines Fol-
pretierbar. säuremangels in der Schwangerschaft. Ein allgemeiner
Vitaminmangel kann infolge chronischen Alkohol-
KLINIK missbrauchs auftreten.
Mangelerscheinungen sind Scorbut und die
Müller-Barlow-Erkrankung (kindlicher Scorbut),
die sich v. a. am Bindegewebe manifestieren. Ein
frühes Symptom eines Vitamin C-Mangels sind
Blutungen des Zahnfleischs.
Chemie
237 9

9 Grundlagen der Thermodynamik


und Kinetik
Mind Map
Die Thermodynamik beschreibt die bei Zustandsän- chemischer Reaktionen. Die Kinetik beschreibt die Ab-
derungen (z. B. chemischen Reaktionen, Temperatur) hängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit chemischer
auftretenden Energieaustauschvorgänge. Sie ge- Reaktionen von ihren Mechanismen.
stattet Aussagen über die Möglichkeit des Ablaufs

9.1 Grundbegriffe der Energetik


und Kinetik

Zu den Grundlagen und Grundbegriffen der Thermo-


dynamik und Kinetik wird auf die Ausführungen im
Kapitel 3 (besonders 7 Kap. 3.1.2 und 7 Kap. 3.1.3) ver-
wiesen.
239 A

Sachverzeichnis

– fester 144 – nicht proteinogene 199, 201


A – flüssiger 144 – nichtessenzielle 199, 201
– gasförmiger 144 – posttranslationale Modifikation
α-Amanitin 19, 33 Akkomodationsvermögen 124 201
α-Anomer 190 Akrosom-Reaktion 8 – proteinogene 198f, 201
α-Helix 204, 206 Aktinfilamentsystem 11 – saure 203
α-Strahlung 148 Aktin-Myosin-Ring, kontraktiler 12 Aminosäuresequenz 203–206, 220
α-Zerfall 63, 134–136 Aktionspotenzial 93 – Veränderung 24
AB0-Blutgruppensystem 21 Aktivierungsenergie 175f Aminozucker 192–194, 210, 212
Abbau komplexer Lipide 8f Aktivität, optische 127 Ammoniak 152, 162, 179, 185
Abbildung 95, 125f, 128f Aktivitätskoeffizient 178 Ammonium-Verbindung, quartäre
– chromatische 123, 124 Aktivkohle 76 162
– dicke Linsen 122f Albinismus 21 Amniozentese 26
– dünne Linsen 121f Aldehyd 161, 162f, 167, 184, 190–192, Ampere 41, 80f
– Eigenschaften 121–123 212, 228, 230f Amperemeter 42, 86, 98
– lineare 43 Aldol 162, 184 Amphiphilie 165, 211f, 214
– Linsensysteme 122f, 128 Aldolkondensation 162, 184 Ampholyt 180, 200
– Maßstab 128 Aldose 190, 192 Amplitude 83, 98, 100, 106–112, 114
– proportionale 44 Aliphathie 152, 157, 159, 161–163, – maximale 106
– Reflexion an Spiegeln 121 167, 184, 198f, 210 Anaerobier 31, 35
– sphärische 123, 124 Alkalimetall 150, 152, 155, 178 Analysator 127
– umgekehrt proportionale 44 Alkanal 167 Anämie, perniziöse 233, 235
Abklingkoeffizient 112 Alkane 155, 158f, 167 Anaphase 12
Ablesevorgang 42 Alkanol 155, 161, 167 Anaphase I 14
Abschnitt, codierender 18 Alkene 158, 161, 167 Anastigmaten 123
Absorption 75f, 96f, 112f, 118–120, Alkenylrest 158 Aneuploidien 25
126, 128, 130, 137, 139, 177 Alkine 158f, 167 Anion 80, 89f, 150, 153, 155, 163,
– Temperaturabhängigkeit 75f Alkohol 161f, 165–167, 184, 190–192, 166, 178f, 182–184, 186
Absorptionsspektralanalyse 128 210–213, 224, 228, 230, 233, 235 Ankathete 46
Acetal 162, 184, 192 – primärer 161, 167, 192 Anlaufphase 32
Acetaldehyd 167, 231 – sekundärer 161, 211f Anode 83, 89, 90, 91, 93, 120, 136f
Acetessigsäure 166 – tertiärer 161 Anodenspannung 136, 137
Achromate 123 Alkylderivat 155, 161 Anomerie 160, 170, 190–192
Achse, optische 121–123 Alkylrest 158, 161f, 162, 166f, 187, Anregung, diskrete 64, 135
Actinomycin 19 211f Antibiotika 26, 31, 32, 33
Actio = reactio 52 Allel 20, 21–23, 27 – Gabe 32
Acylglycerin 211f – rezessives 20 – Resistenz 32
Addition 158, 167, 183–186 Allelie, multiple 21 – – evolutionsbiologische Sicht 32f
Additionsreaktion 167, 183f Ameisensäure 163 – Therapie 32
Adenin 18, 218 Amine 162, 184, 231 Anti-Müller-Inhibitionsfaktor 23
Adhäsionskraft 56 – primäre 162 Antineutrino 63, 135
Adsorption 34, 75f – sekundäre 162 Antioxidans 226, 237, 234
Aerobier 31 – tertiäre 162 Antiparallel 18
Aerosol 145, 177 Aminogruppe 160, 200, 201 Apertur, nummerische 126, 130
Affinitätschromatographie 183 Aminosäure 155, 165–167, 180, 185, Aplanate 123
Aflatoxine 33 196–201, 202–206, 220f, 231 Apoptose 14, 34
Aggregatzustand 73f – basische 203 – morphologische Merkmale 14
– Änderung 73f – essenzielle 201 Äquipotenziallinie 83
240 Sachverzeichnis

Äquivalentdosis 138 Ausgleichsgerade 44, 46 – Zellwand 30, 31, 33


Arachidonsäure 164, 210f, 214 – Anpassung 44 – zellwandlose Formen 30
Aräometer 55 Auskultation 113 Bakterienchromosom 31, 32
Arbeit, mechanische 41, 53f, 56, 71f, Auslenkung Bakteriengenetik 32f
82 – maximale 106 Bakterienkultur 31f
Archimedisches Prinzip 56 – momentane 106 – Hauptbestandteile der Nährmedien
Arginin 199f, 200, 221 Aussalzeffekt 206 31
Aromat 167, 185, 187 Austrittsarbeit 91 – Mischpopulation 31
Ascorbinsäure 163, 184, 228, 234f Autophagie 8 – Selektivmedien 31f
Aspergillus flavus 33 Avitaminose 224, 235 Bakterienzelle, Aufbau und
Astigmatismus 123, 125 Avogadro-Konstante 54, 62, 90 Morphologie 30f
Atmungskette 9, 31 Avogadro-Zahl 148 Bakteriophagen 32, 33
– Enzymträger 31 Bandenmuster, chromosomales 20
Atom 144, 148f, 151f, 154–160, 162, Barr-Körperchen 23
164, 166, 167–170, 175, 177, 179, Basalkörper 9f
183–186, 190, 192, 199, 211–213,
B Base 18, 151f, 161f, 177–181, 182,
231 184, 186, 200, 205, 218–221
– Aufbau 62–65 β-Anomer 190 – komplementäre 186, 219f, 221
– Bausteine 62 β-Carotin 224, 226 Basenanhydrid 180
– chemische Bindung zu Molekülen β-Faltblatt 204 Basendeletion 24
65 β-Strahlung 148 Baseninsertion 24
– chemische Eigenschaften 65 β-Struktur 204 Basenpaarung 18
– Größenordnungen 62 β-Teilchen 139 Basen-Reaktion 177–181
– Konstituenten 62 β-Turn 204 Basensubstitution 24
– räumlich feste Lage 65 β-Zerfall 63, 134–136, 138, 139 Basentriplett 220
– Schalenvorstellung 65 β+-Zerfall 63, 135f Basis e 45f
Atombindung 154–156, 158f, 183f β–-Zerfall 63, 135f Basiseinheiten 40f
– polarisierte 155–157, 159, 177, Bacillus 30, 31 Basisgrößen 40f
184, 186 Bacillus anthracis 31 Becquerel (Bq) 134
Atomkern, Aufbau 62–65 Bahngeschwindigkeit 51 Beleuchtungsstärke 119
Atommasse, relative 62f Bakterieller Sex 32 Benzol 167, 185
Atommasseeinheit 148 Bakterien 4, 7, 8, 9, 19, 25, 26, 28–35 Beratung, genetische 26
Atomstruktur, quantenmechanische – Entstehung von antibiotikaresis- Beri-Beri 228
64f tenten 32f Bernoullische Gleichung 56f
ATP-Synthese (Elementar-Partikel) 4, – gramnegative 30 Beschleunigung 50f, 52, 56–58, 82,
9 – grampositive 30, 33 91, 106
Auftrieb 55f, 57, 75 – Kernäquivalent 31 – konstante 50f
Auftriebskraft 55 – L-Formen 30 Beschleunigungsarbeit 54
Auge – morphologische Grundformen 30 Beschleunigung-Zeit-Diagramm 51
– bewaffnetes 127 – Mutation 32 Beschreibung, quantitative 38–46
– Brechkraft 124 – Nukleoid 31 Besetzungsinversion 119
– Glaskörper 121, 123f – Ribosomen 31 Betatron 91, 139
– Kammerwasser 123f – schraubenförmige 30 Beugung
– Stäbchen 124 – Stoffwechsel 31 – am Gitter 125f
– Zäpfchen 124 – Übertragung von Genmaterial 32 – an Kreisblenden 125
Augenlinse 123–125 – Verhalten gegenüber Sauerstoff 31 – an Spalt 125
– Akkomodationsvermögen 124 – Vermehrung 32 Bewegung 50f
Ausdehnung, thermische 70 – Wachstum 31f – 3 Freiheitsgrade 65f
Ausdehnungskoeffizient – – exponentielles 32 Bezugssehweite 127, 129f
– kubischer 70 – – Geschwindigkeit 32 Bild
– linearer 70 – – Stadien 32 – reelles
Ausdruck, ladungsunabhängiger 83 – Wachstumskurve 32 – virtuelles 121
Ausfallswinkel 109f, 121 – Zellmembran 30, 31, 34 Bildfeldwölbung 123
Sachverzeichnis
241 A–C

Bildgröße 122 Brownsche Molekülbewegung 76 – Entspiralisierung 12


Bildweite 122f, 125, 129 Bruchspannung 55 – Trennung 12
Bindung Bruttoprimärproduktion 35 Chromatin 221
– β-N-glycosidische 218 Bunsenscher Löslichkeitskoeffizient – Fragmentierung 14
– alipathische 152, 157, 159, 76 – Kondensierung 14
161–163, 167, 184, 198f, 210 Burkitt-Lymphom 25 Chromatische Aberration 123, 124
– chemische 154–157 Butan 158, 160–163, 167, 170f Chromosom
– koordinative 154, 156f, 183 Buten 158 – Analyse 12
– kovalente 151, 153, 154–157, 159, – Darstellung 20
177, 181, 205f – Fehlverteilung während der
– N-glycosidische 193, 218 – – Meiose 25
– nichtkovalente 205f
C – – Mitose 25
– polare 155–157, 159, 177, 184, – Kondensierung 12
186 Ca2+-Speicherung 6 – menschliches 19f
– unpolare 155, 157, 159 Calciferol 224 – Morphologie
Bindungselektron 155, 183, 184 Calcitriol 226 – – normale 20
Biotin 224, 228, 234 Calcium 151, 153, 157, 166, 201, – – spezielle 20
Blastozyste 27 226f, 235 Chromosomenaberration 24f
Blendenzahl 128 Candela 41, 119 Chromosomenmutation
Blindleistung 99f Candida-Sepsis 33 – numerische 25
Blindwiderstand 99f Carbonsäure 162, 163–167, 176, 184, – strukturelle 24
– induktiver 99 185, 186, 192, 198, 210, 234 Cis-, Mittel- und Trans-Cisternen 6
– kapazitiver 99 – Carboxylgruppe 166 Cis-Golgi-Netzwerk 6
Blotting 219 Carbonsäureamid 185 Cis-Konfiguration 164, 210
Blutdruckmessung 57 Carbonylgruppe 162, 164, 167, 184, Cis-trans-Isomerie 158, 160
Blutgruppe 20, 21 185, 190–192, 230 Cisternen 6
Blutsenkung 57 Carboxylgruppe 159, 161, 163f, 166, Citratzyklus 9
Bohrsches Atommodell 64 186, 199–201, 205, 211, 235 Citronensäure 166
Bolometer 120 Carbozyklus 157, 167f Clathrin 6f
Boltzmannfaktor 96 Carnotscher Kreisprozess 71f Claviceps purpurea
Boltzmannkonstante 65f, 92 Caspasen 14 Clostridium botulinum 31
Boltzmann-Strahlungsgesetz 75 C-Atom, asymmetrisches 170 Clostridium tetani 31
Bovine spongioforme Enzephalo- Caveolae 7 Cluster 156, 177
pathie (BSE) 34 Caveolin 7 CoA 218, 231f, 234
Boyle-Mariotte-Gesetz 73 c-DNA-Bank 220 Cobalamin 157, 183, 228, 231–233
Bq (Becquerel) 134 Celsiusskala 70 Code, genetischer 19, 220
Braunsche Röhre 91 Chalkogen 150f Coenzym 154, 176, 183, 192, 204,
Brechkraft 121, 122–125, 129 Chelat-Bildner 157 218, 222–235
– Gesamtbrechkraft 122 Chelat-Komplex 156 Cohesin 12
– menschliches Auge 124 Chiasmata 14 Colchicin 9
Brechung 109f, 120–124, 126f, 128, Chimäre 25, 27 Comptoneffekt 138, 139
130, 137 Chinon 168, 210, 227 Computertomographie 137
– Kardinalelement 122f Chiralität 169, 190 Core-Protein 221
Brechungsindex 109f, 120, 122–124, Chiralitätszentrum 169 Cosinusfunktion 99, 108f
128, 130, 137 Chlor 150, 153, 158, 162, 166, 179, Coulomb-Kraft 80, 81
Brechzahl 120–124, 126, 128 183, 210 Coulombsches Gesetz 80, 81
Bremsstrahlung 136, 139 Cholecalciferol 224, 226f CRBP 226
Brennpunkt 114, 121f, 129 Cholesterin (7 Cholesterol) Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CFD) 34
– reeller 121 Cholesterol 165, 210, 212–214, 226, Cristae 9
– virtueller 121 234 Crossing over 14, 24
Brennweite 121–124, 127f, 129 Cholesterolester 210 – ungleiches 24
Brewsterwinkel 126 Chorionzottenbiopsie 26 Cyclohexan 167, 190, 212
Brönstedt’sche Säuredefinition 179 Chromatid Cystein 199, 201, 231
242 Sachverzeichnis

Cytochrom P-450 6 Diffusionsstrom 76f, 92 Doppelbindung, konjugierte 158


Cytosin 18, 168, 218 Diffusionsstrom, Membran 77 Doppelbrechung 126f
Diktyosomen 6 Doppelhelix 18
Dimethylamin 162 Doppelmembran 7, 9
Dioptrie 122 Doppelstrang 219
D Dipeptid 202 Dopplereffekt 110, 114
Diplokokken 30 Dosimetrie 91, 138
Dampf Diplotän 14 Dosiseinheit, frühere 138
– Druck 66, 73f, 75, 76, 92 Dipol 155–157, 177f Dosisleistung 91, 137f
– – Erniedrigung 76 – elektrischer 80f Down-Syndrom 25
– – Wasser 75 – – Kraft und Drehmoment 81 Drehimpuls 53, 96
– Zustand 73 – magnetischer 95 Drehmoment 53, 81, 95
Dampfdruck-Temperatur-Diagramm Dipolmoment 155f, 161 Drehspulinstrument 86, 95, 107
74 – elektrisches 80f, 155 Drehvermögen 127
Darmbakterien 35 – magnetisches 95 Drei-Finger-Regel 95
De-Broglie-Wellenlänge 64, 130 Disaccharid 190, 192f, 194 Driftgeschwindigkeit 89
Decarboxylierung 164, 186, 201 Dispersion 109f, 120, 123f, 126, 128 Druck 55f, 144, 174, 176, 178f, 186,
Dehnung 41, 55, 106 – von Licht 120 203, 205
Dehydratisierung 184 Dissoziation 153, 159, 174, 177–180, – Anwendung 55
Dehydrierung 151, 164, 182, 211 182 – diastolischer 57
Deklinationsphase 32 – elektrolytische 177–180, 182 – hydrostatischer 55
Deletion 24 Dissoziationsgrad 179 – kolloidosmotischer 178f, 203, 205
Denaturierung 205f Disulfidbrücke 161, 201, 205 – osmotischer 77, 144, 178f, 203
Densitometer 138 Disulfidbrückenbildung 6 – Spannung 55
Dermatophyten 33 D-Konfiguration 170, 191 – systolischer 57
Desmosom 4 D/L-Nomenklatur 170 Druckamplituden-Reflektionsfaktor
Desoxyribonucleinsäure (7 DNA) DNA 4, 9, 11–14, 18f, 24–27, 31–34, 111
Desoxyribose 190, 192, 218 218, 219f, 221 Dulong und Petit 65
2-Desoxyribose 190, 218 – Amplifikation 26 Dunkelfeldkondensor 130
Detektor, ionisierende Strahlung 89 – Anteil repetitiver DNA 19 Dynein 9f
Dezibel 112f – Aufbau 18 Dynode 137
D-Galactose 192 – Doppelhelix 18
D-Glucose 190, 192 – extrachromosomale zirkuläre 31
Diagnostik, vorgeburtliche 26 – Kompetenz 32
– Problemfälle 25 – Menge 19
E
Diakinese 14 – Reparatur 18
Diaster, Entstehung 12 – repetitive 19 E. coli 31, 32
Diastereomerie 160, 169f, 190 – Replikation 18 Echolotverfahren 114
Dicarbonsäure 163f, 166 – – semikonservative 18 Edelgas 144, 149, 150–153, 154,
Dichroismus 126f – Veränderung 155–157, 159
Dichte 40, 54, 55, 56, 57, 58, 65f, 81, – – Nukleotidsequenz 24 – Konfiguration 149, 151–153, 154,
90, 108, 110, 111 – – induzierte 18 155–157
Dictyotän 14 – – spontane 18 Effektivwert 99
Dielektrikum 80, 82, 87 – zirkuläre 31 Effektor 183
Dielektrizitätskonstante 80, 177f DNA-Polymerase 18f, 26 Eicosanoid 164, 210f, 214
Diene 158 – hitze-resistente 26 Eigenfrequenz 107, 111
Differenzenquotient 43f, 50f – Polarität 18, 26 Einfachbindung 158f, 168
Differenzialquotient 44, 50 – Primer 18, 26 Einfallswinkel 109, 121
Diffusion 74, 76f – Wirkung 18 Einheit
– Membran 76f DNA-Strang – abgeleitete 40f
Diffusionsgesetz 76 Domäne 203, 204 – – Herleitung aus den Basis-
Diffusionskoeffizient 76f Dominanz 20 einheiten 40f
Diffusionsspannung 92f Donnan-Verteilung 178, 205 – physikalische 40
Sachverzeichnis
243 C–F

– SI-kohärente 41 – Masse 62 Enzymträger der Atmungskette 31


– Vielfache und Teile 41 Eliminierung 161, 184–186 Erbgang
Einheitsvektor 40 Eliminierungsreaktion 183f – autosomaldominanter 21
Einsalzeffekt 206 Embryogenese 22 – autosomalrezessiver 21f
Einzelstrang 219 Emulsion 144f, 177 – kodominanter 21
Eisen 154, 182, 235 Enantiomerie 160, 169f, 190f – X-chromosomal-dominanter 22
Elastizitätsmodul 55 Ende – X-chromosomaler 22
Elektrizitätslehre 78–103 – C-terminales 203 – X-chromosomal-rezessiver 22
Elektrizitätsleitung 88–91 – 3’-Ende 218f Erdalkalimetall 150f
– in Festkörpern 88f – 5’-Ende 218f Erdbeschleunigung 50, 52, 56, 58, 82,
– in Flüssigkeiten 89f – N-terminales 203 106
– in Gasen 90f Endergon 175, 176 Erdung 102
– im Vakuum 91 Endiolform 163, 184 Ergotamin 33
Elektrode, nichtpolarisierbare 92 Endiolstruktur 163, 184 Erstarren 65, 73f
Elektrolyse 183 Endoplasmatisches Retikulum 4, 5f, 8 Erstarrungswärme 65, 73
Elektrolyt 163, 166, 174, 177f, 180, – Definition 5 Erster Hauptsatz der Thermodynaik
183, 200 – glattes 4f, 6 175
– schwaches 163, 174, 177, 178, – raues 4f, 6 Erster Hauptsatz der Wärmelehre 71
180, 200 Endoskopie 120 Erwartungswert 42
– starkes 166, 177, 178 Endosom (Endozytose-Vesikel) 6, 7f Erythrozyt 4, 7, 11, 19, 24
Elektromotor 95 Endosporen 31 – Formgebung 11
Elektron 62, 63, 64, 65, 74, 80, 82, 83, Endosymbiontentheorie 4 Escherichia coli (E. coli) 31, 32
88f, 90f, 92, 96f, 118, 120, 130, Endotoxin 30 Essigsäure 161, 163, 167, 180, 192
135–139, 148–159, 164, 167, Endozytose 4, 6f Ester 161, 165–167, 210, 213f, 225
177–179, 181–186, 200 – Pinozytose (unspezifische) 6f Ether 161, 210
– Aufenthaltswahrscheinlichkeit 64 – Rezeptor-vermittelte (spezifische) 6 Euchromatin 221
– der äußeren Schale 65 – Sonderformen 7 Eucyte (7 Eukaryont) 30
– Eigendrehimpuls 64 Endozytose-Vesikel 6, 7f Eukaryont 2, 4, 18f, 30f, 33, 219, 221
– Einfangen von einem 135 Energie 40, 52, 53f, 55, 56, 63–66 – heterotropher 33
– freies 74, 90, 96, 139 – elektrische 87 Eutrophierung von Gewässern 35
– Hülle 62 – freie 176 Examen, geometrische Abhängigkeit
– Konfiguration 149, 151, 153, 159 – freier Fall 54 41
– ungepaartes 151, 153, 154, 159 – innere 71 Exergon 174, 175, 176
– der Unterschale 65 – kinetische 54, 56, 63f, 174 Exon-Intron-Struktur 18
– Zustände, 2n2 mögliche 65 – potenzielle 54, 55, 82f, 96, 106, Exonuclease-Aktivität 18
Elektronegativität 151, 155, 157, 159, 174 Exotoxin 30
177 – Wärme 70–72 Exozytose 4f, 6f
Elektronenlawine 90f Energiedosis 137f Exponenzialfunktion 45f
Elektronenmikroskop 130 Energieform, periodischer Wechsel Expressivität 20
Elektronenpaar 154–156, 157f, 177, 106 Extinktion 129
181, 183f Energie-Masse-Äquivalenz 63 Extinktionskoeffizient 129
– freies 156f, 184 Energiezustand, diskreter 64, 66, 118
Elektronenspinmagnetismus 96f Enol 160, 163, 184, 186
Elektronenspinresonanz 97 Enterobacteriaceae 30
Elektronenwolke 64 Enthalpie, freie 174f, 177, 181
F
Elektrophil 158, 184–186 Entropie 71f, 175, 177f
Elektrophorese 90, 205, 219 – abgeschlossenes System 72 FAD 218, 228
Element 149 Entwicklungsgenetik 26f Fadenpendel 71, 106
– galvanisches 93 Entwicklungsprozessanalyse an Fadenpilz 33
– repetitives 19 transgenen Tieren 26f Faktor
Elementarladung 64, 80, 89f, 92 Enzephalopathie, spongioforme 34 – abiotischer 35
Elementarteilchen 62, 63 Enzym 151, 154, 174, 176, 183, 201, – biotischer 35
– Ladung 62 203f, 206, 220, 228, 231 Farad 51
244 Sachverzeichnis

Faradayeffekt 98, 127 Fluoreszenz 118f, 130 – Zustandsgleichung 72f


Faradaykäfig 82 Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung Gasausdehnung, isothermische 71
Faradaykonstante 90, 181 (7 FISH) Gasdichte 72
Faradaysches Gesetz 90 Fluoreszenzmikroskopie 130 Gasdruck, partieller 66, 72, 74, 76, 90
Federkonstante 54, 106 Fluss, magnetischer 94 Gasentladung
Federpendel 106 Flussdichte, magnetische 94 – selbstständige 90
Fehler Flüssigkeit – unselbstständige 90
– absoluter 42, 43 – Newtonsche 57 Gasgesetz 73
– Fortpflanzung 43 – nicht-Newtonsche 57 – allgemeines 77
– geschätzter 42 – Strömung 56–58 Gasgleichung, allgemeine 54, 72
– maximaler 42, 43 – – reibungsfreie 56f Gaskonstante 72f, 77, 111
– relativer 42, 43 – Struktur 65f Gastemperatur 72
– systematischer 42 FMN 228 Gastheorie, kinetische 66, 72
– zufälliger 42 Folsäure 224, 228, 233, 235 Gasvolumen 72, 75, 91
Fehlerstromschutzschalter 102 Fourieranalyse 108 Gaszustand 72f
Feld Freier Fall 51, 53 – Dampf 73
– elektrisches 81f Freiheitsgrad 65f Gaußsche Normalverteilung 42
– inhomogenes 81 – eingefrorener 66 Gay-Lussac-Gesetze 73
– magnetisches 94, 101, 106, 114, – Rotations-, Vibrations- und Knick- Gedrängefaktor 35
130 schwingung 66 Gefrierpunktserniedrigung 76
Feldgröße, magnetische 94 Frequenzgenerator 107 Gegenkathete 46
Feldkonstante, magnetische 94, 96 Fructose 190–193 Gegenkraft 52
Feldlinie Fumarsäure 164f Gegenstandsgröße 122, 127
– elektrische 81, 83 Funktion, lineare 44 Gegenstandsweite 121–123, 125
– – Punktladung 81 Funktionelle Gruppe 152, 155, Gegenstromprinzip 75
– magnetische 94 160–167 Gehalt 54f
– – langer gerader Draht 94 Funktionsgleichung 44 Geiger-Müller-Zählrohr 91, 137
Feldlinienbild 81 Furanose 190, 192 Geißel 9–11, 30f
Feldstärke Gel-Elektrophorese 90
– elektrische 81f, 83, 89–91, 93, 111 Gen
– magnetische 94 – Anzahl 19
Ferritin 154
G – Begriff 18
Festkörper 65, 144f – eukaryontisches, Organisation und
Fettsäure 158, 163–167, 185, 205, γ-Strahlung 148 Funktion 18f
208f, 210f, 212–214, 227 – Absorption 139 – Größe 19
– essenzielle 164, 210, 227 γ-Teilchen 139 – als Informationseinheit 18
– Hydrophobie 211 γ-Zerfall 134–136 – Kartierung 20
– ungesättigte 158, 164, 210f GABA (7 Hydroxybuttersäure) – Nachweis 25f
– – einfach 164, 210 Galactose 170, 190–194, 210, 212, – redundantes 19
– – mehrfach 164, 210 214, 218 Genaktivität (7 Genexpression)
Fibroblast 11 Galvanispannung 92 – differenzielle
Ficksches Gesetz der Diffusion 76 Gammastrahlung 114, 139 – – mütterlicher Gene 22
Filmdosimeter 138 – Produktion 91 – – väterlicher Gene 22
Fimbrien 30f Gangliosid 193, 210, 212, 214 Genetik 16–27
Fischer-Projektion 170, 190f Gaps 12 – Begriffe 20
FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridi- Gas – Entwicklungsgenetik 26f
sierung) 20 – ideales 72f – formale 20–23
Fitness 27 – Lösung in Flüssigkeiten 75 – Populationsgenetik 27
Fläche 41 – Molvolumen 73 – Symbole 20
Flagellen 9–11, 30f – Normalbedingung 73 Genetische Beratung 26
Flagellin 9, 31 – Strömung 57–58 Genetischer Code 19
Fließgleichgewicht 174f – Struktur der Materie 66 Genexpression 19, 22
Fluor 151, 153 – Volumengehalt 76 – differenzielle 19
Sachverzeichnis
245 F–H

– Grundlage von Entwicklung und – labiles 53 – – Differenzenquotient 43f, 50f


Differenzierung 19 – stabiles 53 – – Differenzialquotient 44, 50
– Induktion 19 Gleichgewichtsreaktion 157, 165, – – Zusammenhänge zwischen
– Regulation 19 174–176, 177, 178–180 43–47
– Repression 19 – heterogene 174, 177 – skalare 40
– Transkriptionsfaktoren 19 – homogene 174–179 – spezifische 54
Genkonversion 24 Gleichrichter 91, 100 – ungerichtete 40
Genmaterial, Übertragung 32 Gleichstrom 80, 99, 100 – vektorielle 40
Genmutation 24, 25f – Wirkung auf Menschen 102 – volumenbezogene 54
– Auswirkung 24 Gleitreibung 52 Größengleichung 43
– induzierte 24 Globingen 19 Großkampfgebiet, ärztliches 35
– Nachweis 26 Globingenaktivierung 19 Gründereffekt 27
– – direkter 26 Gluconeogenese 6 Grundzustand, diskreter 64
– – indirekter 26 Glucose 170, 190–194, 210, 212, 214, Gruppe
– spontane 24 218, 233f – dipolare 155
Genom 9, 17, 19f, 24, 25, 32, 206, Glühemission 91 – funktionelle 152, 155, 160–167
220, 235 Glutamin 165, 185, 199f, 233 – polare 155
– mitochondriales 22f Glycerin (7 Glycerol) Guanin 18, 168, 218
Genomanalyse, humane 206 Glycerol 165f, 192, 210–213
Genotyp 20f, 25, 27 Glycerolipid 210
Genregulation 32 Glycogen 193f
– Operon-Modell 32 Glycolipid 6, 193f, 210, 213f
H
Gentransfer 25f Glycophorin 11
Gerade, Bestimmung der Steigung Glycoprotein 193f, 206, 213, 226, 231 Haarhygrometer 73
43f Glycosaminoglycan 193f Haftreibung 52
Geradengleichung 43 Glycosid 192, 218 Hagen-Poiseuillesches Gesetz 58
Geräusch 111, 113 Golgi-Apparat (7 Golgi-Komplex) Halbacetal 162, 170, 184, 190, 192
Gesamtbrechkraft 122 Golgi-Komplex 4, 6, 7f Halbleiter 70, 80, 84, 89, 100, 120
Gesamtenergie 63f, 71, 106 Gonosom 22, 23 Halbleiterdetektor (aus Silizium oder
Gesamtenthalpie 174f, 177 G0-Phase 11 Germanium) 137
Gesamtscheinwiderstand 100 G1-Phase 12 Halbwertsdicke 112, 139
Geschlecht G2-Phase 12 Halbwertszeit 134f
– Bestimmung 23 Gramfärbung 30 Halketal (7 Hemiketal)
– Differenzierung 23 Gravitation 52, 63, 80 Halogen 150f, 153–154, 156, 158f,
Geschlechtschromatinkörperchen Gravitationsgesetz, Newtonsches 52 166
23 Grenzfall, aperiodischer 106f Halogencarbonsäure 166
Geschwindigkeit 40, 50f, 52–54, Grenzfläche 56, 92f Hämoglobin 154, 157, 183
56–58, 63f, 71, 76, 89, 93, 96, 106, – elektrische Spannung 92 Hardy-Weinberg-Gesetz 27
109, 120, 135, 139 – Elektrolyt-Elektrolyt 93 – Abweichungen 27
– Definition und Einheit 50 – Kontaktspannung 92 Hardy-Weinberg-Gleichgewicht 27
– konstante 50f – Kräfte 56 Harnstoff 165, 185, 187, 205
– mittlere 50 – Metall-Elektrolyt 92f Hauptebene 122–124, 128
– momentane 50f – Metall-Metall 92 Hauptquantenzahl 64f, 136
Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm 51 Grenzflächenkraft 56 Haworth-Projektion 190f
Gesetz Grenzwellenlänge 136 H-Brücke (7 Wasserstoffbrücke)
– der konstanten Proportion 149 Größe H-Brückenbindung 18
– der multiplen Proportion 149 – atomare 62f HbS-Gen 27
– von Lambert-Beer 129, 139 – gerichtete 40 Hebelgesetz 53
Gitter 125f – magnetische 94–98 Hefen 33
Glaskörper 121, 123f – massebezogene 54 Heisenberg 64
Gleichgewicht 53, 66, 72, 92, – physikalische 40 Helicase 18
– chemisches 160, 174, 175f, 180 – – Abhängigkeiten 43–47 Hellfeldbeleuchtung 130
– indifferentes 53 – – – grafische Darstellung 43 Hemiketal 162, 184
246 Sachverzeichnis

Henderson-Hasselbalch-Gleichung Hyperopie 125 Ion 144, 151, 155–157, 177–180,


153, 180, 200 Hypertonie, primäre 23 182–184, 186, 205f, 211f, 227, 235
Henry-Dalton’sches Gesetz 75, 144, Hypertrophie 12 – aktives Pumpen 93
177 Hypervitaminose 224, 226, 235 – Rekombination 90
Hepatozyt 4 – Vitamin A 226 Ionenaustauschchromatographie
Hertz, Heinrich 101 Hyphe 33 183
Hertzscher Dipol 101 Hyphenzerfall 33 Ionenbeziehung 155, 117, 205
Heterochromatin 221 Hypotenuse 46 Ionenbindung 155
Heterogenie 23 Hypovitaminose 224, 226, 227, 235 Ionendosis 137f
Heteroglycan 193f – Vitamin A 226 Ionenleitung 89
Heterolyse 183f – Vitamin K 227 Ionenprodukt 179, 183
Heterophagie 7f Ionenquelle 91
Heterophagolysosom 7 Ionenstärke 178
Heterozygotie 20, 21f, 27 Ionisation 90f, 137f, 139
Heterozyklus 152, 157, 162, 164,
I Ionisationskammer 91, 137
167f, 218, 228, 233 Ionisierungsenergie 155
Hexose 170, 190–192 I-Effekt 159 Ionisierungspotenzial 155
Histidin 199f, 201, 233 Iminogruppe 160 Ionophor 157
Histon 201, 221 Immersionsflüssigkeit 126 Iontophorese 90
– Phosphorylierung 12 Impedanz, elektrische 99–101, 111 IP (7 Punkt, isoelektrischer)
Histonprotein 221 Impfung 34 Isolator 82, 89
hn-RNA 220 Imprinting (of genes) 22 – elektrischer 82
Hochenergiebeschleuniger 91 Impuls, Definition und Einheit 51f Isomaltose 192–194
Hohlspiegel 121 Impulserhaltungssatz 52 Isomer 154, 158, 160, 166, 167,
Homoglycan 193f Induktion, elektromagnetische 94, 169–171, 192, 194, 226
Homolyse 183f 97f, 99–101 Isomerie 158, 160, 169
Homozygotie 20, 21–23, 27 Induktionsspule 98f, 100, 101 – optische 160, 169
Hookesches Gesetz 54f Induktivität 98, 99, 100 Isopeptidbindung 205
Horizontalablenkung 83 Influenz 81f Isopren 158f, 210, 212–214, 224, 227
Hormon 18, 198, 202f, 210, 213, 226 Infrarotstrahlung 70, 75, 114, 120 Isoprenderivat 210
Hornhaut 123–125 Inhibitor 183 Isoprenoid (7 Steroid)
Hörschwelle 112f Innenwiderstand 85, 86, 95 Isotop 62, 98, 134f, 148, 152, 154,
Hörvermögen Inositol 211 179
– menschliches 112f Instrument, optisches 127–130
– Schmerzgrenze 112 Insulin 6, 19
Hubarbeit 54 Integral 50, 87
Humangenetik, Grundlagen 16–27 Intensität 70, 75, 108–114, 118f, 125f,
J
Huygenssches Prinzip 109, 110, 125f 127–130, 136–139
Hybridisierung 159, 219 – durchgelassene 127 Joulesche Wärme 87
Hydrathülle 144, 177f, 206 – größte 125
Hydrolase, saure 7 Intensitätsmaxima 125f
Hydrolyse 165, 180, 182, 211 Intensitätsminima 125f
Hydrophilie 155, 167, 177, 199, 211f Interferenz 108f, 110, 125
K
Hydrophobizität 164f, 177–179, 199, Interkinese 14
205, 210–212, 219 Intermediär-Filamente 4, 9, 11 Kabel, dreiadriges 102
Hydrostatischer Druck 55 Internationales Einheitensystem 40f Kalibrierung 42
Hydroxybuttersäure 166 Interphase 11 Kalium 151f, 166
Hydroxylgruppe 160f, 186, 190, 192, Interphasezytogenetik 20 Kamera 128
199, 211, 212, 230, Intron 18 Kammerwasser 123f
Hydroxylierung 6 Inversion 24 Kapazität, elektrische 82, 87f, 99f,
Hydroxylradikal 151 In-vitro-DNA-Rekombination 26 101
Hydroxylverbindung 161f Inzucht 27 Kapillaranhebung 56
Hyperbel 44 Iod 150, 153 Kapillardepression 56
Sachverzeichnis
247 H–L

Kapillaren, Reihen- und Parallel- Knock-out-Maus 27 Kontinuitätsgleichung 56


schaltung 58 Knotenpunkt 122–124 Konvektion 74, 75
Kapillarwirkung 56 Knotenregel 87 – erzwungene 75
Kapsel 31 Kodominanz 20 Konvexspiegel 121
Kartagener-Syndrom 9 Kohärenz 109 Konzentration 54, 75, 76f, 89, 92f,
Karyogramm 19 Kohärenzlänge 109 127, 129, 135
Karyotyp 19 Kohäsionskräfte 56 Konzentrationselement 92f
Katalyse 176 Kohlendioxid 144, 157 Koordinationszahl 156, 231
Kathode 83, 89, 90, 91, 93, 120, 136, Kohlenhydrate 163, 188–194, 213f Koppelgel 112
137 Kohlenmonoxid 157 Körper
Kation 80, 89f, 149f, 155, 157, 178, Kohlensäure 157, 165, 179f, 185–187 – schwarzer 118f
182–184, 186, 194 – Diamid 187 – Schwimmfähigkeit 55
Keimbahn-Zelle 24 – Kohlensäure/Hydrocarbonat- Kovalente Bindung 151, 153,
K-Einfangprozess 135 Puffer des Bluts 180 154–157, 159, 177, 181, 205f
Kelvin 41, 70 Kohlenstoff 144, 148–150, 157–159, Kraft 46, 51f
Kelvinskala 70 169, 184, 212 – Grenzflächen 56
Kennlinie 48 Kohlenstoffverbindung 157–160 – zwischenmolekulare 56
Keramik, piezoelektrische 111 – alipathische 157, 167 Kraftarm 53
Kern, Aufbau 62–65 – zyklische 157 Kraftfluss 94, 97
Kernäquivalent 31 Kohlenwasserstoff 157f, 161–163, Kraftgesetz 51f
Kernhülle 165, 167f, 177, 184, 186 Kraftstoß 51f
– Abbau 12 – aromatischer 157 Krebsentstehung 25
– Fehlen 31 – gesättigter 157, 158 Kreis 41, 46, 50f, 52
– Wiederaufbau 12 – heterozyklischer 157, 168 Kreisbewegung, gleichförmige 51
Kernladungszahl (7 Ordnungszahl) – ungesättigter 157, 158 Kreisfrequenz 51, 98–101, 106f, 107
Kernlamin, Depolymerisation 12 Kokken 30, 31 Kreisprozess 71f
Kernspaltung 63, 64 Kolloid 178, 203, 205 – reversibler 71
Kernspinmagnetismus 96f Kommensalismus 35 Kriechfall 107
Kernspinresonanz 97 Kommunikationspeptid 6 Kristall, piezoelektrischer 111
Kernspintomograph (MRT) 97 Komplementarität 186, 219f, 221 Krümmungsradius 121f, 124
Keto-(Oxo-)Gruppe 161 Komponentenzerlegung 40 Kugel 41, 53, 57f
Keto-Enol-Tautomerie 160, 163, 184, Kompressionsmodul 55 Kugelfläche 121, 123
186 Kondensation 145, 184, 186, 203, Kugelwelle 108, 109f, 111, 125
Keton 161, 162f, 167, 184, 186, 190 206 Kurzschlussstrom 86
Ketosäure 166, 228 Kondensationswärme 66, 73 Kurzsichtigkeit 125
Ketose 190, 192 Kondensator 82, 87f, 99f, 101, 106, Kurzwelle 75, 114
Kinetik 175f, 236, 237 107
Kinetochor 9, 12 – Ladungs- und Energiespeicher 87
Kinetosomen 9f – Parallel- und Serienschaltung 88
Kinozilien 30 – Zeitverhalten beim Auf- und
L
Kippschwingung 107 Entladen 88
Kippspannung 83 Kondensieren 66, 73f L-α-Aminosäure 198
Kirchhoffsche Gesetze 86f Kondensor 128, 130 Lachgas 153
Klangfarbe 111 Konfiguration 168–170 Lactam-Lactim-Tautomerie 186
Kläranlage 35 Konformation 167, 169, 170f, 190, Lactat 166
Klemmspannung 86 203, 205f, 219, 221 Lacton 161
Klinefelter-Syndrom 25 Konformationsisomer 160, 169, 171 Lactose 192–194
Klonierung, gentechnologische Konjugation 31, 32 Lactose-Operon 32
Methoden 25f Konstitutionsisomer 160 Ladung 156, 177f, 182, 186, 206
Knallgasreaktion 182 Konsument – elektrische 80
Knäuel 204 – herbivorer 35 Ladungsträger 80, 89, 90, 91, 137
Knäuelstruktur 204 – karnivorer 35 Ladungstrennung 82, 90
Knochenkohle 76 Kontaktspannung, Metall-Metall 92 Laktatdehydrogenase 19
248 Sachverzeichnis

Lambert-Beer-Gesetz 129, 139 Lichtleiter 120 Luft


Lambertsches Cosinusgesetz 119 Lichtmessgrößen 119 – Partialdruck 72
Lamina, nukleäre 11 Lichtmessung 119f – Zusammensetzung 72
Länge 41 Lichtmikroskop 129f Luftfeuchtigkeit 73, 77
Längenänderung 54f Lichtquanten 118f – absolute 73
Langwelle 114 Lichtquelle 118f, 126, 128 – relative 73
Larmorfrequenz 96f Lichtstärke 41, 119 Lumen 120
Laser 109, 119 Lichtstrahl 121 Lumineszenz 118f, 138
Lastarm 53 Lichtstrom 119 Lupe 127, 129f
Lateralvergrößerung 122 Ligand 156f, 170, 183, 184, 202, – Sehwinkelvergrößerung 127
Lautstärke 45, 113 204f Lupenvergrößerung, maximale
Lebensdauer, mittlere 134 – Austauschreaktion 183 129
Leerlaufspannung 86 – Verdrängungsreaktion 183 Lux 119
Leistung 53f, 74, 87, 99f, 136 Ligase 18 Lyon-Hypothese 23
– elektrische 87 Linolensäure 164, 210 Lysin 199–201, 205, 221, 234f
Leiter 80, 81f, 82, 89, 94, 97, 99 Linolsäure 164, 210 Lysosomen 4, 6, 7f, 14
– elektrischer 81f Linse 121–130 – Akrosom-Reaktion 8
– paralleler stromdurchflossener – Augenlinse 123–125 – pH 4,5 bis 5 7
94f – Brechkraft 121, 122–125, 129 Lysozym 30
Leitfähigkeit, elektrische 74, 84, 89, 93 – dicke 122f
Leitungsband 74, 89, 120 – dünne 121f
Leitwert, elektrischer 84f, 101 – Gesamtbrechkraft 122
Lenzsche Regel 97f – konkave 122, 125
M
Leptotän 14 – konvexe 122, 125, 129
Leuchtdichte 119 Linsenarten 122, 125 Magnesium 151, 166
Leuchtschirm 83 Linsenfehler 122, 123, 128 Magnetfeld 64, 80, 94–98, 101,
Leukotriene 9 Linsengleichung 122f, 128f 127
Lewis-Base 181 – verallgemeinerte 122f – Drehmoment 95
Lewis-Säure 181 Linsensystem 122f, 128 – homogenes 94f
L-Formen 30 Lipid 145, 163–165, 193, 202, – inhomogenes 95
Liberation 34 208–214, 218, 225–227 Magnetrotation 98
Licht 45, 63f, 90, 108, 114, 118–120, – nicht verseifbares 210 Malonsäure 164f
123f, 125, 126f, 128, 130, 138 – verseifbares 210 Maltose 192–194
– Absorbtionsvermögen 118 Lipiddoppelschicht 165, 211f Mannitol 191
– Beugung Lipofuscine 8 Mannose 170, 190–193, 218
– – am Gitter 125f Lipopolysaccharid (LPS) 30 Mannose-6-Phosphat 7
– – an Kreisblenden 125 Liposom 212 Manometer 55
– – an Spalt 125 Lithotripter 114 Maschenregel 87, 88
– Brechung 120–124, 126f, 128, L-Konfiguration 170, 191, 199 Masse
130, 137 Löcherleitung 89 – molare 54, 62
– Dispersion 120, 123f, 126, 128 Logarithmusfunktion 45f – molekulare (7 Molmasse)
– Polarisation 126f London-van der Waal’sche Bindungs- Massendefekt 64
– Quantenenergiebereich 118 kräfte 156, 165, 205, 212 Massendichte 41, 54
– Reflexion 118, 120f, 126f, 130 Longitudinalwelle 108, 111 Masseneinheit, atomare 62
– Reflexionsvermögen 118 Lorentzkraft 94f Massengehalt 55
– sichtbares 114 Loschmidt’sche Zahl 148 Massenmittelpunkt 53
– Streuung 126 Löslichkeitsprodukt 177, 182f Massenwirkungsgesetz (MWG) 89,
– Totalreflexion 120f Lösung 144, 148, 151f, 155, 158, 161f, 174f, 177–180, 182
– Wellenlängenbereich 118 165, 167, 170, 177–180, 182–184, Massenwirkungskonstante 174
Lichtbündel 98, 128 190, 192f, 205f, 210, 219 Massezahl 62, 135, 148
Lichtentstehung 118f – Osmose 77 Materie 144f, 147–171
Lichtgeschwindigkeit 41, 63, 101, – osmotischer Druck 77 – Aufbau 147–171
114, 118 Lösungstension 93 – Eigenschaften 147–171
Sachverzeichnis
249 L–N

– Löslichkeit 144, 167f, 177f, 183f, Messunsicherheit – räumlich feste Lage 65


190, 204, 206, 213, 224 – absolute maximale 42 Molekulargewicht 148, 193, 202,
– makroskopische Erscheinungs- – Fortpflanzung 43 205f, 221
formen 144f – geschätzte systematische 42 Molekülmasse, relative 62
– Phase 144f, 174, 176f, 212, 226 – mittlere 42 Molenbruch
– Schmelzpunkt 144, 190, 211 – relative 42 Molkonzentration 54, 75
– Siedepunkt 144, 167, 178 – zufällige 42 Molmasse 144, 148, 206
– Struktur 60–66 Messwert 42 Molvolumen 73
– – Festkörper 65 Metallkomplex 156f Moment, magnetisches 95
– – Flüssigkeit 65f Metaphase 12, 14, 20 Monoaminomonocarbonsäure 200f
– – Gase 66 Metaphase I 14 Monocarbonsäure 163f, 210
– Wechselwirkung mit energie- Metaphasenplatte, Entstehung 12 Monosaccharid 163, 190–192, 193f,
reichen Methan 155f, 158f, 167 218
– – geladenen Teilchen 139 Methanol 161, 167, 193, 210 Mosaik 25
– – Photonen 139 Methylnaphthochinon 224 M-Phase 12
Maturation 34 Micelle 165, 167, 211 m-RNA 220f
Maus Mikrobiologie 28–35 m-RNA-Synthese, verringerte oder
– Kerntransplantationen bei Eizellen – Ökologie 34f fehlende 24
22 Mikrodeletionennachweis 20 Müller-Gang 23
– Manipulation embryonaler Maus- Mikroskop 126f, 129f Muskeldystrophie Typ Duchenne
stammzellen 27 – Auflösung 126 (DMD) 22
– Mikroinjektion in Eizellen 27 – – nach Abbé 126 Muskelzelle 4, 11
Mechanik 48–58 – Gesamtvergrößerung 129f Mutarotation 190, 193f
– Bewegung 50f – Sehwinkelvergrößerung 126 Mutation 19, 24f, 26f, 32
Meiose 12–14, 25 Mikrotubuli 4, 9–11, 12 – Auslösung durch ionisierende
– Definition 12f – Aufbau 9f Strahlen, UV-Licht und chemische
– Fehlverteilungen 25 – Bedeutung für Mitose 9 Noxen 24
Membran – Depolymerisation 12 – Nachweis 26
– Diffusion 76f – Polarität 9 – – direkter 26
– ionenselektive 93 – Struktur 9 – – indirekter 26
– nichtionenselektive 93 – Transportfunktion 9, 11 – numerische 25
– semipermeable 77 Mikrotubuli-Organisationszentrum – in Somazellen 25
Membranphospholipid 6 (MTOC) 9 – strukturelle 24
Membranprotein 6, 7 Mikrovilli 4, 10 Mutationsrate, spontane 19
Membranspannung 92f Mikrowelle 114 MWG (7 Massenwirkungsgesetz)
– Messung 92 Milchsäure 166, 170 Myc 25
Membranzytoskelett 11 Milzbrand 31 Mycobacterium tuberculosis 32
Mendelsche Gesetze 20f, 22, 27 Mitochondrien 4, 9, 14, 22f, 30 Mykoplasmen 30
Mengengrößen 54 – Fehlen in Prokaryonten 30 Mykotoxin 33
Mercaptan 161 Mitose 9, 11f, 14, 20, 25 Myopie 125
Mercaptid 161 – Definition 12 Myosin 11, 12
Merkmal, taxonomisches 30 – Fehlverteilung während der 25 Myristinsäure 163, 210
Mesomerie 160, 163, 167, 201f – Stadien 12 Myzel 33
Mesomerie-Effekt 160 Mitose-Index 12
Messen 38–46 Mitosephase 11
– Umwelteinflüsse 42 Mitosespindel, Bildung 12
– Unsicherheit 42f Mittelwelle 42, 98f, 114
N
Messenger-RNA 220f – Fehler 42
Messfehler 42f, 44 Modifikation, posttranslationale 6 Nachtblindheit 226, 235
Messung 42f Mol 54 NAD+ 228, 233
– Auswertung mit Hilfe von Molalität 54 NADP+ 228, 233
Ausgleichsgeraden 44 Molanzahl 72 Nahrungskette 35
– wiederholt gleichartige 42 Molekül 149 – Energiefluss 35
250 Sachverzeichnis

Natrium 151, 180 Objektivlinse 126, 128, 129f Palindrom 219


Nebenquantenzahl 64f O-Glycosid 192 Palmitinsäure 163, 210, 225
Nekrose 14 O-Glykosylierung 6 Palmitoleinsäure 164, 210
Nernst’sche Gleichung 92f, 181f Ohm 84 PALP 228, 230
Nettoprimärproduktion 35 Ohmmeter 95 Panmixie 27
Neuron 4 Ohmscher Widerstand 84, 86, 87, 88, Pantothensäure 228, 234
Neutralisation 179, 180, 182 95, 98–101, 107 Papier-Elektrophorese 90
Neutrino 63, 135f Ohmsches Gesetz 84 Parallelschwingkreis 101, 106
Neutron 62, 63, 96, 135, 138, 148 Ökologie 34f Parasitismus 35
Newtonsche Axiome 51f Ökosystem, Regulation der Popula- Partialdruck 66, 72, 73, 75
Newtonsches Gravitationsgesetz 52 tionsgröße 35 – Dampf 66, 72, 73, 75
Nexin 9 Okularlinse 127, 129 – Gas 72, 75
N-Glykosylierung 6 Oligopeptid 202 Pathogenität 30, 31
Niacin 224, 228, 233f Oligosaccharid 193f, 212 Pauli-Prinzip 65, 89, 136
Nicht-Direktivität 26 Ölsäure 164, 210, 211 PCR (7 Polymerase-Ketten-Reaktion)
Nichthistonprotein 221 Onkogen, zelluläres 25 Pendel 71, 106
Nichtmetall 150f, 157, 182 Onsäure 192 Penetranz 20
Nicolsches Prisma 127 Operatorgen 32 Penetration 34
Nicotinamid 233 Operon 32 Penicillin 30, 33
Nicotinsäure 164, 233f Operon-Modell 32 Pentansäure 234
Niederenergiebeschleuniger 91 Opsonisation 8 Pentose 170, 190, 192, 218, 228
NMR-Gerät 97 Optik 116–130 Pentosephosphat 190, 219, 228
Nomenklatur 162–164, 167, 170, 211, – geometrische 120–125 Peptid 167, 185, 193, 195–200,
224, 228 Orbital 149, 155, 159, 210f, 214 201–203, 204–206, 235
Non-Disjunction 14 Ordnungszahl 62f, 64, 136, 139, Peptidbindung 165, 185, 201, 202f,
Normalpotenzial 181 148f, 150 204–206
Northern-Blot 219 Organellen Peptidhormon 202
Nucleinsäure 186, 192, 206, 216, – fadenförmige bis sphärische 9 Periode 99, 196f
216–221 – sphärische membranumgrenzte 8f Periodensystem (PSE) 148, 149f, 155
Nucleoid 31 Orientierungspolarisation 82 Perkussionsmethode 113
Nucleophilie 162, 184–186 Osmose 77 Permeabilität 77, 93, 94
Nucleosid 18, 153, 164, 192, 218 Osteoklasten 8 Permeabilitätskoeffizient 77
Nucleosom 221 Oszillator 106, 107, 108, 111 Permeasen 31
Nucleotid 18, 186, 192, 216, 218, – Eigenfrequenz 107 Permittivitätszahl 80, 82, 87
219–221 – gedämpfter 107 Peroxid 151, 154, 158, 211, 227, 234
– antiparalleles 219 Oszilloskop 83, 107 – anorganisches 151
– freies 218 Oxidation 151–153, 158, 161, 168, – organisches 151
Nucleus 4 181f, 183, 190, 192, 201, 224–226, Peroxisomen 4, 8f
Nukleon 62, 96 234f Perpetuum mobile der zweiten Art
Nuklid 62 Oxidationsmittel 151f, 168, 181f 72
Nullinstrument 85 Oxidationsprodukt 190, 192, 226, PET-Scanner 64
Nullpunkt, absoluter 70 234f Phagolysosom 8
Oxidationszahl 182 Phagosom 7f, 30
Ozon 151 Phagozytose 6, 7, 8, 31
– Hemmung 31
O Phänotyp 20f, 22, 25, 27
Phase 98
Ω-Schleife 204
P – exponenzielle 32
Oberflächenprozess 177 – stationäre 32
Oberflächenspannung 56, 177 π-Bindung 158f Phasengeschwindigkeit 108
Oberflächenvergrößerung 9 Paarbildung 135f, 139 Phasenkontrastmikroskopie 130
Oberton 111 Paarvernichtung 135f Phasenübergang 66, 73f
O2-Bindung 19 Pachytän 14 – Wasser und Erwärmung 73
Sachverzeichnis
251 N–P

Phasenunterschied 99 – Kapazität 87 Prostacyclin 164, 211


Phasenwinkel 98, 100, 106f, 109 Pneumokokken 31 Prostaglandin 9, 164, 211
Phenol 144, 167f Polarisation Protein 4, 154, 156, 167, 177f, 193f,
Phenylalanin 199 – elektrische 82 198f, 201f, 203–206, 218–221,
Phenylketonurie 21 – Welle 108 225–227, 231, 233, 235
Phenylrest 167 Polarisationsfilter 127 – analoges 203
Phon-Maß 113 Polarisationsmikroskopie 130 – fibrilläres 206
Phosphat 18 Polarisator 127 – globuläres 204, 206
Phosphatidylinositol 210, 211 Polarität 155, 159, 178, 185 – homologes 203
Phosphoglycerid 210, 211 Polyene 158, 224 – lysosomales 6
Phospholipid 210, 212–214 Polygenie 23 – Primärstruktur 203, 205f
Phosphor 150, 152f, 164, 179, 186f, Polymerasekettenreaktion (PCR) 26, – Quartärstruktur 205, 206
192, 201, 210f, 218, 228, 230 219 – sekretorisches 6
Phosphoreszenz 118f Polypeptidkette – Sekundärstruktur 203f, 206
Phosphorsäure 153, 164, 179, 186f, – Abspaltung 6 – Sortierung 6
192, 201, 211, 218 – Veränderung der Aminosäure- – Tertiärstruktur 204
Phosphorsäurediesterbindung 186, sequenz 24 Proteinmuster, entwicklungs- und
218 Polysaccharid 6, 30, 31, 193f gewebsspezifische 19
Photodiode 120 Polysom 5 Proteinsynthese 4, 5, 19, 32
Photoeffekt 120, 137, 139 Populationsgenetik 27 Proteoglycan 193f, 206
Photoemulsion 120, 138 Populationsgröße, Regulation 35 Protofilamente 9
Photokathode 137 Positron 63, 135f, 138f Proton 62, 63, 80, 91, 96f, 135, 138,
Photometer 126, 128, 138 Positron-Elektron-Vernichtungs- 139, 148f, 152f, 157, 161, 163–165,
Photometrie 128f strahlung 63 168, 178–180, 200, 205
Photozelle 120, 128 Positronenemissions-Tomographie – Beschleuniger 91
pH-Wert 45, 89, 179f, 182, 200, 224 (PET) 64, 135 Provitamin A 224, 226
Phyllochinon 210, 224 Potenzfunktion 44f Prozess
Piezo 111, 130 Potenzial, elektrisches 82f – adiabatischer 71
Pili 30f, 32 – Zuwachs 83 – irreversibler 71
Pilz 33 Potenzialdifferenz 83, 87, 92f – reversibler 71
– Fortpflanzung, sexuelle (genera- Presse, hydraulische 55 PSE (7 Periodensystem)
tive) und asexuelle 33 Primärstruktur 18 Pseudogen 18
– humanpathogener 33 Primer 18 pT-Phasendiagramme 74
– Synthese von Stoffen 33 Prion 34 Puffer 153, 157, 179, 180, 201
– Vermehrung 33 Prionprotein 34 – Kohlensäure/Hydrocarbonat-
– Wachstumsformen 33 Prisma 127f Puffer des Bluts 180
Pinozytose 6f Procyte (7 Prokaryont) 30 Punkt, isoelektrischer (IP) 200f
pK-Wert 174, 180, 200 – Unterschiede zur Eucyte 30 Punktladung 81
pKa-Wert 153, 180, 200 Produzent, pflanzlicher 35 Punktmutation 19, 24
Plancksches Strahlungsgesetz 70, 75, Prohormon 226 Purin 18, 168f, 186, 218f, 233
118 Projektionsapparat 128 Purinbase 186, 218f
Plancksches Wirkungsquantum 64, Prokaryont 2, 4, 19, 30, 219, 221 Pyridin 162, 168, 230, 233
96 – Unterschiede zum Eukaryont 30 Pyridoxal 228, 230
Plasmalogen 212 Prolin 199, 201, 204, 234 Pyridoxalphosphat 228, 230
Plasmamembran 5, 6f, 9, 31 Prometaphase 12 Pyridoxamin 228, 230
– Erneuerung 6 Promotor 18 Pyridoxin 228, 230
– Fusion mit dem sektorischen Promotorregion 32 Pyrimidin 18, 168f, 186, 218f, 228,
Vesikel 6 Propan 158, 167 239
– Stoffaufnahme, intrazelluläre 6f Prophase 9, 12, 13 Pyrimidinbase 186, 218f
Plasmid 25, 31, 32 Prophase I 13f
Plattenabstand 83, 87 Propionsäure 163, 167
Plattenfläche 87 Proportionalität 44
Plattenkondensator 81f, 83, 87 Proportionalzählrohr 137
252 Sachverzeichnis

Reflexion 109f, 112, 113f, 118, 120f, – 40S- und 60S-Untereinheiten 5


Q 126f, 130 – Unterscheidung in freie oder
Quadrat des Abstands 138 – Abbildung 121 gebundene 5
Quantenenergie 114, 118 Reflexionsgesetz 121 Ribulose 190
Quantenmechanik 63–65 Reflexionsverlust 112 Richtungsquantelung 96
Quantenphysik 64 Region, pseudoautosomale 23 Rifampicin 19
Quantenzahl 64f, 96 Reibung 52, 57f, 72, 106, 112 RNA 4–5, 18–20, 24, 26, 33f, 218f,
– magnetische 64f – innere, bei Flüssigkeiten und 220f
Quartärstruktur 205 Gasen 52 – Prozessierung 18
Quelle, punktförmige 137 Reibungskraft 52 – Synthese 18
Quellspannung 83 Reibungsverlust 72, 106 – Transkription 18
Reibungswiderstand 58 – Transkriptionshemmstoffe 19
Reifeteilung (7 Meiose) 12–14, RNA-Strang
25 Robertson-Translokation 24f
R – 1., Verlauf 13f Röhre 57f, 70, 73
– 2., Verlauf 14 Rollreibung 52
Rachitis 227, 235 Rekombination 13, 14, 26 Röntgen 138
Radar 110, 114 Relativitätstheorie 63f, 114 Röntgenaufnahme 137
Radikal 151, 153, 158, 183f, 211, 226f, Replikation 220 Röntgenkristallographie 206
234 – Virus 34 Röntgenmikroskop 130
Radikalfänger 226, 234 Repressor-Inaktivierung 32 Röntgenröhre 91, 136f
Radioaktivität 42, 43, 45, 63, 90, Residualkörper 8 – Strahlungsleistung 136f
134–136, 139 Resistenzfaktor 32 Röntgenspektrum 136
Raoultsches Gesetz 76 Resistenzträger 31 Röntgenstrahlung 45, 64, 114, 118,
Rasterelektronenmikroskop 130 Resistivität 84 130, 136f, 138, 139
Rastertunnelmikroskop 130 – inverse 84 – Absorption 139
Razemat 169 Resonanz 107, 114 – Bildentstehung 137
RBW-Faktor 138, 139 Resonanzfrequenz, Durchlassfilter – charakteristische 136
Reaktion 100 – Erzeugung 136
– 0. Ordnung 176 Resonator 107 – Spektrum 136
– 1. Ordnung 175f Restriktionsendonukleasen 25f, 219 r-RNA 220, 221
– 2. Ordnung 176 Restriktionsenzym 26 Ruhemasse 63
– Base 177–181 Restriktions-Fragment-Längen- Ruhepotenzial 93
– endergone 174–176 Polymorphismus 26
– exergone 174–176 Restriktionslängenpolymorphismus
– gekoppelte 176f (RFLPs) 220
– am gesättigten Kohlenstoffatom Resublimieren 74
S
184 Retardationsphase 32
– monomolekulare 175 Retinal 224, 226, 235 σ-Bindung 158f
– pseudomonomolekulare 176 Retinol 210, 224–226 Saccharose 192–194
– Säure 177–181 Retinsäure 224, 226 Sacculi 6
– am ungesättigten Kohlenstoff- Retroviren 34 Salz 150–155, 157, 161f, 164–166,
atom 184 Reynold-Zahl 57 168, 178f, 180–183, 200, 206, 211
Reaktionsgeschwindigkeit 174, Rezessivität 20, 21–24, 27 – anorganisches 182
175f Rhodopsin 226 – basisches 182
Reaktionskinetik 175f Riboflavin 228 – Bildung 182
Rechteckimpuls 107 Ribonucleinsäure (7 RNA) – Eigenschaften 182
Rechte-Hand-Regel 94 Ribose 18, 190, 192, 218, 221 – neutrales 182
Redox-Paar 181f Ribosomen 4, 5, 9, 19, 31, 33 – saures 182
Redox-Potenzial 181f – Bindung an mRNA zu 80S-Partikeln – schwerlösliches 182f
Redox-Reaktion 181f, 183, 201f 5 Salzbildner 150, 182f
Reduktion 152f, 168, 181f, 183, 191 – Funktion 5 Salzgitter 155
Reduktionsmittel 152f, 168, 181f – mitochondriale 5 Salzsäure 153, 179, 181
Sachverzeichnis
253 Q–S

Sammellinse 121 Schwellenwerteffekt, multifaktorieller Signalpeptid 6


Sättigungsdampfdichte 73 23 Signaltransduktion 11
Sättigungsdampfdruck 73, 74, 75 Schweredruck 55 SI-kohärent 41
Sauerstoff 144, 150, 151f, 153, 158f, Schwerkraft 52, 54, 55, 57, 63, 65, 82 Sinusfunktion 99, 70f, 108
177, 179, 182, 183, 190, 192, 211, Schwerpunkt, körperlicher 53 SI-System 40f, 43, 62, 70, 80
224, 226 Schwingdauer 107 Skalare 40
Säure 151–153, 157f, 161, 163–168, Schwingkreis, elektromagnetischer Snelliussches Brechungsgesetz 109,
176, 177–181, 182, 185–187, 100f, 106f 120
198–202, 204f, 211f, 214, 220 – Parallelschwingkreis 101, 106 sn-RNA 220f
– anorganische 186f – Serienschwingkreis 100, 107 Somazelle, Mutation 25
Säureamid 164f, 167, 185, 187, 198f, Schwingung 51, 57, 65, 74, 83, Sonographie 112, 113f
201f, 204, 211, 212, 214, 233 104–114, 126 Southern-Blot 219
Säureanhydrid 152f, 157, 164, 167, – anharmonische 107f Sozialindex 35
176, 180, 187, 220 – Ausbreitung 108 Spalt 125f
Säure-Reaktion 177–181 – erzwungene 107 Spaltungsgesetz 20f
Schaden, UV-induzierter 18 – gedämpfte 106f Spannung
Schallabsorption 112f – harmonische 106 – elektrische 83
Schallamplitude 111 – ungedämpfte – – Grenzflächen 92f
Schallausbreitung 111f Schwingungsamplitude 106 – induzierte 97
Schallerzeugung 111 Sedimentation 52 – übertragene 87
Schallintensität 111, 113 Sedimentationsvorgang 57f Spannungsmesser 86, 95
Schallpegel 112f Segregationsgesetz 20f Spannungsmessung 85, 86
Schallpegelmaß 112 Sehfehler 124f – stromlose 85
Schallschnelle 110–112 Sehwinkel 127, 129 Spannungsquelle 85, 86, 88, 99, 101,
Schallstärke 111, 113 Sehwinkelvergrößerung 127 102
Schallwechseldruck 110 Sehzelle 124 Spannungsreihe 93
Schallwelle 108, 109, 110–114 Seifen 165 Spectrin 11
– Impedanz 111 Sekretabgabe 6 Spektralanalyse 125f
– medizinische Verwendung 113f Sekundärelektron 130, 137 Spektralphotometer 126, 128f
Schärfentiefe 128 Sekundärelektronenvervielfacher Spektrometer 126
Schattenwurf 137 137 Spektrum, kontinuierliches elektro-
Scheinwiderstand 99f Sekundärstruktur 18 magnetisches 136
Scheitelwert 98f Selbstinduktion 97f, 99, Spermium 8, 9, 13f
Schermodul 55, 65 Selbstinduktionskoeffizient 98 Sperrkreis 101
Scherung 55, 111 Selektion 27 Spetroskopie, hochauflösende 64
Schiff’sche Base 162, 184 Selektionsvorteil 27 S-Phase 12
Schimmelpilz 33 Selektionswirkung 27 Sphingolipid 210, 212
Schlauch-System, membran- Sensorprotein 31 Spiegel 119, 121
gebundenes netzförmiges Sequenzisomer 160 – ebener 121
(7 Endoplasmatisches Retikulum) Sequenzvariation 27 – Formen 121
Schmelzen 54, 65, 74 Serienschwingkreis 100, 107 – konkaver 121
Schmelztemperatur 65, 73 Serin 191, 199f, 211, 231, 233 – konvexer 121
Schmelzwärme 65f, 73 Sesselform 167, 171, 190f – Reflexion 121
– molare 54 Sesselkonformation 190 Spina bifida 233, 235
Schmiermittel 52 Sex, bakterieller 32 Spinquantenzahl 64, 96
Schrödinger 64 Sexpili 31 – magnetische 64
Schutzkontaktsteckdose 102 Siedepunktserhöhung 76 Spirillen 30
Schwächungskoeffizient 138 Siedetemperatur 66, 74 Splicing 18
Schwefel 150, 151f, 154, 156, 159, Siedeverzug 74 Sporen 31, 33
161, 179, 186f, 213f Siedewärme 66 Sporenbildner 31
Schwefelsäure 152, 179, 186f, 212, Signalerkennungspartikel 6 Sporenbildung 33
214 Signalerkennungspartikel-Rezeptor Sprechen 111
Schwellenwert 23 6 Sprosspilz 33
254 Sachverzeichnis

Spule 86, 94f, 97f, 99–101, 106 – – nicht elektronischer Nachweis Synchroton 91, 139
– magnetische Feldstärke 94 138 System
Spurenelement 153, 154, 183 Strahlungsdetektor 137f – geschlossenes 72
Squal 213 Strahlungsthermoelement 120 – – Entropie 72
SRY-Gen 23 Streptokokken 30 – offenes 72
Stäbchen 30 Stress, oxidativer 202, 227 – schwingungsfähiges 106, 107, 111
Stäbchen (Auge) 124 Streubreite 42 Szintigraphie 135
Stalagmomenter 56 Strom, elektrischer 80 Szintillatormaterial 137
Standardabweichung 42 Stromdichte 80, 89
Standardenthalpie 174, 175 Stromkreis
Standard-Redoxpotenzial 181 – elektrischer 84, 86f, 101–103
Staphylokokken 30 – – menschlicher Körper 101–103
T
Stärke 154, 193f – – Schutzmaßnahmen 102f
– Nachweis 154 – medizinische Untersuchung 103 Taubstummheit 21
Stauchung 55 Strommessung 86 Taupunkt 73
Staudruck 56 Stromnetz, europäisches 99 Tautomer 160, 163, 168, 184, 186
Stearinsäure 163, 210 Stromschädigung 101f Teilchen
Stefan-Boltzmann-Strahlungsgesetz – Schutzmaßnahmen 102f – mittlere Energie 66
75 Stromschlag, Verhaltensmaßregeln – mittlere freie Weglänge 66
Stereochemie 168–171, 190f 103 Teilchenauslenkung, maximale 111
Stereoisomer 160, 166, 169 Strom-Spannung-Kennlinie 84 Teilchenzahl 54, 62,
Stereoisomerie 160, 169 Stromstärke, elektrische 41, 80f, 90f, Teilchenzahldichte 66
Steroid 210, 212–214, 226f 98, 100 Teilchenzahlmenge 54, 62
Steroidhormon 6 Strömung Teilung, äquale 12
Stickstoff 144, 150, 152, 159, 162, – Flüssigkeit 56–58 Teilungsfurche 12
184 – – reibungsfreie 56f Teleskop 127
Stoff, Teilchenmenge 54 – Gas 57–58 Telolysosomen (Residualkörper) 8
Stoffaufnahme, intrazelluläre 6f – laminare 57f Telomerase 12
Stoffgemisch 54, 75–77 – – in Röhren 58 Telomerase-Theorie 12
Stoffkreislauf 34f – reibungsfreie 56f Telomere 12
– Stickstoff 34f – turbulente 57 Telophase 12, 14
Stofflösung 76 Stromweg, Körper 101f Temperatur 70, 144, 153, 156, 159,
Stoffmenge 54f, 62, 75, 76, 77 Stromwirkung, menschlicher Körper 174–177, 205, 219, 224, 234
Stoffmengengehalt 54f 101f Temperaturdifferenz 70
Stoffmengenkonzentration 76f Strukturelement, zelluläres 4f Temperaturmessung 70
Stofftransport 74, 75, 76 Strukturgen 32 Temperaturskala 70
Stoffumwandlung 172–187 Sublimieren 74 Temperaturstrahlung 74, 75
Stokessches Gesetz für bewegte Substituent 167, 170f, 184f, 190, 230 Terminator 18
Körper 57f – 1. Ordnung 185 Tertiärstruktur 18
Stoßionisation 90 – 2. Ordnung 185 Tetrahydrofolsäure 228, 233
Strahl Substitution 162f, 167, 169, 183, Tetrose 190
– außerordentlicher 126 184–186, Thalassämie 18
– ordentlicher 126 – elektrophile 158, 184–186 Theorem von Fourier 107
Strahlengang 123f, 129 – nucleophile 184–186 Theorie von Ernst Abbé 126
Strahlenwirkung 139 – radikalische 184 Thermische Ausdehnung 70
Strahler, schwarzer 118 Substitutionsreaktion 183, 184–186 Thermodynamik 174f, 236, 237
Strahlung 148 Sulfatierung 6 – 1. Hauptsatz 175
– Dosisleistung 91 Sulfhydryl-Gruppe 160f, 199, 201 – 2. Hauptsatz 175
– elektromagnetische, hochauf- Sulfhydrylverbindung 161f Thermoelement 92, 120
lösende Spetroskopie 64 Superoxidanion-Radikal 151, 234 Thermographie 64, 70, 114, 120
– ionisierende 132–139 Superoxiddismustase 154 Thermometer 42, 70, 92
– – Detektor 89 Symbiose 35 Thermospannung 92, 120
– – elektronischer Nachweis 137f Synaptonemaler Komplex 14 Thiamin 228
Sachverzeichnis
255 S–V

Thiamindiphosphat 228 Vererbung


Thymin 18, 168, 218–221f, 233
U – mitochondriale 22f
Tiefenschärfe 128 – multifaktorielle 23
Tiere, transgene 27 Übergangselement 154 – mütterliche 22f
Tochterzelle 12 Übergangsmetall 156f, 234 Verformung 54f, 65
Tocopherol 210, 224, 227 Ullrich-Turner-Syndrom 25 – bleibende 55
Ton 106, 111, 113 Ultrakurzwelle 114 – elastische 54f
Topoisomerase 18 Ultraschalldiagnosegerät 114 – nicht elastische 55
Torr 57 Ultraschallerzeugung 111 Vergiftung, lebensgefährliche 33
Torsion 55, 111 Ultrazentrifugation 206 Vergrößerung 122, 127–130, 137
Totalreflexion 120f Umfang 41 – laterale 122, 127, 129
– Grenzwinkel 120 – relativer Fehler 43 – optische 127
Toxin 7, 30, 33 Umlagerung 159f, 163, 183f, 186, – gyromagnetische 96f
Trägheitsgesetz 51 204, 231 Verschiebungspolarisation 82
Trägheitsprinzip 52 Umlauffrequenz 51, 106 Verseifung 161, 165
Transduktion 32 Umlaufperiode 51 Verteilung 145, 177f
Transferprotein 31 Umwandlungswärme 54, 74 Vertikalablenkung 83
Transferrin 154, 233 – spezifische 54 Vesikel
Transformation 25, 32 Unabhängigkeitsgesetz 21 – peripheres 6
Transformator 100, 102 Uncoating 34 – sekretorisches, Fusion mit der
– Strom- und Spannungsüber- Ungenauigkeit, absolute 43 Plasmamembran 6
setzung 100 Uniformitätsgesetz 20 Vibrio cholerae 30
Trans-Golgi-Netzwerk 6 Unsicherheit, statistische 42 Vibrionen 30
Transkriptase, reverse 34 Unterkühlung 74 Vimentin 11
Transkription 18, 219f, 226, 235 Uracil 18, 168, 218f, 233 Vinblastin 9
– Hemmstoffe 19 Urat-Oxidase 8f Virostatika 34
Translation 4–6, 18, 19, 34, 220 Uronsäure 192, 194 Virulenzgenträger 31
Translokation, reziproke 24 UV-Mikroskop 130 Virus 7, 32, 33f
Transportphänomene 74f UV-Strahlung 114, 118 – Aufbau 33f
Transposon 32 – Genetik 34
Transversalwelle 108, 114 – Übertragung von Genmaterial 34
Transzytose 7 – Vektor 34
Trehalose 192f
V – Vermehrung 34
Treponema pallidum 32 – Vermehrungszyklus 34
Treponemen 30, 32 Vakuumdiode 91 Virusbegriff 33
Triacylglycerol 166, 210, 211, 213 Valenz 149, 151, 159, 169, 182 Vitamin 154, 158, 163, 165, 168, 183f,
Triggerschwelle 83 Valenzband 89 210, 212, 214, 222–235
Triose 190 Van der Waals-Kräfte (7 London-van – A 158, 212, 224f, 226f, 235
Tripelpunkt 66, 70, 74, 76 der Waal’sche Bindungskräfte) – B1 224, 228f
– H2O 70 Van-t’Hoff-Gesetz 77 – B2 224, 228–230
Tripetid 202 Vektor 40 – B6 224, 228, 230f
Triplo-X 25 – Virus 34 – B12 154, 183, 224, 228, 231–233
Trisomie 21 25 Vektorgröße, Addition und Subtrak- – C 163, 184, 224, 228, 230, 234f
t-RNA 219, 220f tion 40 – D 210, 214, 224, 226f, 235
Tropfenvolumen, Arzneifläschchen Verdampfen 54, 66, 71, 73f, 75, 119 – D-Hormon 210, 226
56 Verdampfungsenthalpie 73f, 75 – E 212, 224f, 227, 235
Tubuli 9, 31 Verdampfungskühlen 75 – H 228, 230
Tubuslänge 129f Verdampfungswärme 54, 73 – K 168, 212, 224, 227, 235
Tumor, proliferative Aktivität 12 – molare 54 – antihämorrhagisches 227
Tumorvirus 34 Verdetsche Konstante 98 – fettlösliches 165, 224–227, 235
Turn 204 Verdunstung 74, 75 – Löslichkeit 224
Twistform 171 – Wasser 75 – wasserlösliches 224, 227, 235
Vereisen 75 Vitaminbiosynthese 224
256 Sachverzeichnis

Voltasche Spannungsreihe 93 Wasserstoffperoxid 151 Wellenlänge 63f, 108–114, 118–121,


Voltmeter 86, 97 Wasserwert 70 124, 125, 126–130, 136
Volumen 41 Weber-Fechner-Gesetz 112 Wellenlängenabhängigkeit 109, 124
– molares 54 Wechselbeziehungen artverschiede- Wellenoptik 125f
– spezifisches 54 ner Organismen 35 Wellenwiderstand 111f
Volumengehalt 55, 76 Wechselspannung 51, 98–101 Wellenzahl 108
Volumenstromstärke 56, 58 Wechselstrom 51, 80, 98–101, 102, Western-Blot 219
Vorgang, periodischer anharmo- 107, 111, 114 Widerstand
nischer 107f – Wirkung auf Menschen 102 – Draht 84
Wechselstromleistung, zeitlicher – elektrischer 84f,
Mittelwert 99 – Kompensationsschaltung 85
Wechselstromwiderstand 99f – Ohmscher 84, 86, 87, 88, 95,
W Wechselwirkung 157, 165, 167, 98–101, 107
177–179, 186, 204f, 212, 224, 235 – Parallelschaltung 85
Wachs 166, 210 – elektromagnetische 62, 63, 97f – Potentiometerschaltung 85
Wannenform 167, 171, 190 – hydrophobe 165, 177, 179, 205, 212 – Serienschaltung 84
Wärme – schwache 63, 135 – Wheatstonesche Brücke 85
– Energie 70–72 – starke 62, 63 Windungszahl 100
– Wirkungsgrad 71f Weg-Zeit-Diagramm 51 Winkelfunktion 45f
Wärmediffusion 74 Weinsäure 166 Winkelgeschwindigkeit 51, 53, 58, 96
Wärmeenergie 70, 72 Weitsichtigkeit 125 – Definition und Einheit 51
Wärmekapazität 54, 65f, 70f, 111 Welle 51, 63f, 75, 101, 104–112, 118f, Wirkleistung 99f
– molare 65f, 70, 111 125f, 130 Wirkungsgrad 71f
– – Gase bei konstantem Druck 66 – Ausbreitung 109f Wirkwiderstand 100
– spezifische 54, 70 – Auslöschung 109 Wirtszelle 8, 30, 31, 34
Wärmelehre 68–77 – Beugung 110, 112, 120 – Adhärenz 31
– adiabatischer Prozess 71 – Brechung 109f Wirtszellrezeptor 34
– 1. Hauptsatz 71 – Dispersion 109f Wolff-Gang 23
– 2. Hauptsatz 71f – ebene 108
– irreversibler Prozess 71 – elektromagnetische 63, 101, 114,
– reversibler Prozess 71 126
– Stoffgemische 75–77 – – Energie 64
X
Wärmeleistung 71 – – im freien Raum 114
Wärmeleitfähigkeit 74 – – Spektrum 114 X-Chromosom 23
Wärmeleitung 74 – – Transversalwelle 114 Xenobiotika, Biotransformation 6
Wärmemenge 66, 70, 71, 74 – – im Vakuum und in Luft 114 X-Inaktivierung 23
– Übertragung 74 – elementare Eigenschaften 108 XYY-Syndrom 25
Wärmestrahlung 75, 118 – Formen 108
Wärmestrom 74 – inkohärente 109
Wärmetheorie, kinetische 65 – Intensität 108–114
Wärmetransport 74f – Interferenz 125
Y
– Stofftransport 74, 75, 76 – Interferenzsymptome 109
– Temperaturstrahlung 75 – kohärente 109 Y-Chromosom 23
– Verdunstung 75 – Phasengeschwindigkeit 108
– Wärmeleitung 74 – Polarisation 108
Wärmeübertragung 75 – Reflexion 109f, 112, 113f
Wasserdampf 66, 72, 73, 74, 75 – stehende 109, 111, 125
Z
Wasserdampfdichte 73 – Streuung 109f
Wasserstoffbrücke 18, 155–157, 161, – Überlagerung 108f Zähigkeit 57
177–179, 205, 219 – Verstärkung 109 Zäpfchen (Auge) 124
Wasserstoffbrückenbindung 156, – zirkular polarisierte 108 Zehnerpotenz 41
177, 186, 255 Wellengleichung, eindimensionale – Kurzschreibweise 41
Wasserstoff-Elektrode 181 108 Zeitkonstante 88, 98
Sachverzeichnis
257 V–Z

Zeitverhalten von Spannung, Ladung Zerfall


und Strom 88 – Aktivität 134
Zellbiologie, allgemeine 2–14 – Neutron im Kern 135
Zelle – Proton im Kern 135
– äquale Teilung in zwei Tochter- – statistische Unsicherheit 134
zellen 12 Zerfallsgesetz, radioaktives 134
– Begriff 4f Zerfallswahrscheinlichkeit, charak-
– elektrochemische 181f teristische 134
– Evolution 2, 4 Zerfallszeit, mittlere 134
– Größe 4 Zerstreuungslinse 121
– Keimbahn-Zelle 24 Zilien 9–11
– kommunizierende Individuen 4 Zimmerfläche, relativer Fehler 43
– somatische 24 Zuckersäure 192
– Teilgeschwindigkeit 12 Zufallswirkung 27
Zellkern 4, 5, 6, 11, 19, 30 Zugspannung 55
Zellkontakt 11 Zustandsgleichung 72f
Zellmembran 11, 14, 30, 31, 34 Zustandsgröße 71, 72f
Zellmotilität 11 – absolute Temperatur 72
Zellorganellen 11f, 14 – Entropie 71
Zellparasitismus 33 – Gasdichte 72
Zellstruktur, Erneuerung 8 – innere Energie 71
Zellteilung 9, 11f, 17, 25 – Molanzahl 72
Zelltod 14 – partieller Gasdruck 72
– programmierter (7 Apoptose) – thermische 72
Zellulose 193 – Volumen 72
Zellwand 30, 31, 33 Zweiter Hauptsatz der Thermodynaik
– Synthese 31 175
Zellzyklus 11f Zwitterion 151, 198, 200
– Stadien (G0, G1, S, G2, M) 11f Zygotän 14
Zentralprojektion 137 Zykolalkan 167
Zentrifugalbeschleunigung 52 Zylinder 41, 55, 91
Zentrifugalkraft 52 Zylinderlinsen 122, 125
Zentrifuge 52, 57f Zytogenetik
Zentriolen 9 – molekulare 20
Zentripetalbeschleunigung 51, – vergleichende 20
52 Zytokinese 12
Zentripetalkraft 52 Zytoplasmamembran 31
Zentrosom 9, 12 Zytoskelett 9–11

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