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Priewe/Tümmers (Hrsg.),
Das Erste
Kompendium Vorklinik
978-3-540-32877-3
Jürgen Ernst, Sven Krantz, Martin Witt
Chemie Physik
Biologie – GK1
Mit 152 Abbildungen und 32 Tabellen
123
Prof. Dr. Jürgen Ernst Prof. Dr. Sven Krantz
Auf dem Uhlberg 2 Universität Greifswald
53127 Bonn Institut für Med. Biochemie u. Molekularbiologie
Sauerbruchstraße
17487 Greifswald
Prof. Dr. med. Martin Witt
TU Dresden
Institut für Anatomie
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Reihenherausgeber:
Jesko Priewe
Daniel Tümmers
medicu(r)s GbRmbH
Hauptstraße 580
53347 Alfter
info@medicurs.de
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Vorwort
DIE Klippe im Medizinstudium ist und bleibt das Physikum, oder wie es nunmehr seit kurzer Zeit
genannt wird, das erste Staatsexamen.
Wir widmen uns seit mittlerweile knapp fünf Jahren der professionellen Bewältigung dieser Hürde,
indem wir medicu(r)s – ein Repetitorium für Medizinstudenten – gegründet und seit dieser Zeit schon
zahlreiche Studenten erfolgreich durch die Vorbereitung und die anschließende Prüfung geleitet haben.
Im Jahr 2004 kam der Springer Verlag mit der Bitte auf uns zu, Fachbücher zur Prüfungsvorbe-
reitung auf das neue erste Staatsexamen zu erarbeiten. Wir haben unsere Zusage an die Bedingung
geknüpft, dass die Bücher sowohl enge klinische Bezüge enthalten müssen, als auch durch eine sinnvoll
dosierte Didaktik geprägt sein sollen. Beide Aspekte haben in diesem Buch ihre Umsetzung auf
besondere Weise gefunden: Zum einen stellen unsere Klinikboxen schon erste klinische Bezüge her.
Zum anderen bieten die Mindmaps einen strukturierten Überblick über den Inhalt der jeweiligen
Kapitel und die Merke-Boxen, sowie Prüfungsfallstricke geben eine Gewichtung vor, worauf Sie in der
Vorbereitung besonders achten sollten.
Dieses Buch ist streng nach dem aktuellen GK1 gegliedert, um Ihnen, liebe Leser, den Weg zu ebnen,
sich strukturiert vorzubereiten, ohne einen thematischen Aspekt zu übersehen oder zu vernachlässigen.
Wir möchten uns in diesem Zusammenhang bei unseren Autoren Herrn Prof. Dr. Ernst,
Herrn Prof. Dr. Krantz und Herrn Prof. Dr. Witt für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit
bedanken.
Des Weiteren möchten wir uns beim Springer Verlag bedanken, der letztlich das Erscheinen des
Buches ermöglicht hat. Hier danken wir insbesondere Frau Kathrin Nühse für die stets gute und
konstruktive Zusammenarbeit und Frau Sigrid Janke für das professionelle Projektmanagement.
Zum Schluss danken wir unseren Ehefrauen Nadine und Petra für ihren Rückhalt, ihre Geduld
und häufige Rücksichtnahme.
Unser großer Wunsch ist es, dass Ihnen, liebe Leser, dieses Buch bei der Bewältigung Ihrer Prüfung
hilft und Sie sich im Nachhinein gerne an die »Zeit des Lernens und Leidens« zurückerinnern.
Wir Autoren des vorliegenden Repetitoriums der Physik, Chemie und Biologie für Mediziner haben
uns der Aufgabe gestellt, die vom GK1 geforderten naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse mög-
lichst übersichtlich darzustellen und ihre Bedeutung für die Medizin durch typische Anwendungsbei-
spiele aus Medizin und Alltag anschaulich zu machen. Wir glauben, dass uns dazu unsere langjährige
Erfahrung mit der Problematik befähigt, wie man den eigentlich fachfremden Medizinern das für sie
Wichtige in unseren Fächern durch Vorlesungen und Praktika vermittelt. Als involvierte Dozenten in
dem von den Herausgebern angebotenen Repetitorium für Medizinstudenten war es für uns deshalb
besonders reizvoll, unsere dort verwendeten Skripte nochmals genau nach dem GK1 zu überarbeiten
und in Buchform herauszubringen. Wir hoffen, den mit Wissensstoff von so viel Fächern überhäuften
Medizinstudenten mit diesem Band nicht nur einen knappen und zugleich anregenden Leitfaden für
»Das Erste« geben zu können, sondern auch einen bleibenden Zugang zu aktuellen und allgemeinen
naturwissenschaftlichen Fragestellungen. Wir danken Frau Susanne Meinrenken für das kompetente
Lektorat.
Daniel Tümmers
geboren 1976 in Hamm, verheiratet. Studium der Humanmedizin an der Universität
Bochum von 1998 bis 2002. Studium der Biologie, Germanistik und Pädagogik an der
Universität Essen von 2002 bis 2006. 2003 Gründung der Firma medicu(r)s GbRmbH.
Geschäftsführer der medicu(r)s GbRmbH von 2003 bis heute. 2006 Staatsarbeit zum
Thema: »Das Arzt-Patienten-Gespräch«. Herausgeber des Bandwerkes »Das Erste –
kompakt« mit den Einzelwerken: »Chemie, Physik, Biologie«; »Biochemie«; »Medi-
zinische Psychologie und Soziologie«; »Anatomie«; »Physiologie«. Herausgeber des
Kompendiums »Das Erste – kompakt . Kompendium Vorklinik« im Springer-Verlag
Heidelberg.
VII
Der Autor
Jürgen Ernst
geboren 1936 in Nürnberg. Studium der Physik an den Universitäten Erlangen und
Heidelberg, 1965 Promotion mit experimenteller Arbeit am Max-Planck-Institut für
Kernphysik in Heidelberg. 1966 Assistent am Institut für Strahlen- und Kernphysik
der Universität Bonn. 1971 Habilitation, 1980 Ernennung zum Professor C3. Längere
Forschungsaufenthalte an Beschleunigerlaboratorien in Berkeley CA, Rochester N.Y.,
Vancouver B.C. und Orsay bzw. Saclay bei Paris. Lehrtätigkeit: u. A. Atom- und Kern-
physik für Nebenfächler, insbesondere Biologen, Einführung in die Physik für Me-
diziner, Zahnmediziner und Pharmazeuten, Leitung zugehöriger Physikpraktika.
Sven Krantz
1940 in Gotenhafen geboren, Medizinstudium von 1959-65 an der Ernst Moritz Arndt-
Universität Greifswald, seit 1966 am Institut für Biochemie in Greifswald, Promotion
1965, Habilitation 1976, Facharzt für Biochemie 1971, 1980 Berufung zum Professor,
2005 Eremetierung.
Martin Witt
geboren 1956 in Göttingen. Studium der Humanmedizin in Turin, Graz und Hamburg.
1984-1994 am Anatomischen Institut Tübingen, dort Promotion und Habilitation für
Anatomie. 1994 bis 2005 am Institut für Anatomie an der Technischen Universität
Dresden, seitdem im Interdisziplinären Zentrum für Riechen und Schmecken der
Medizinischen Fakultät der TU Dresden. Forschungsaufenthalte an der Bowman Gray
University (Winston-Salem, NC) und Tokyo University (Faculty of Frontier Sciences).
Verheiratet mit einer Historikerin; zwei Kinder, die auf keinen Fall Ärztinnen werden
wollen. Hobby: Verirren in der Dresdner Heide.
Chemie Physik Biologie: Das neue Lehrbuch
8 Ionisierende Strahlung
Mind Map
Im Jahr 1896 entdeckte Henri Becquerel die Radio- uranylsulfat lag. 110 Jahre danach kann man geringste
aktivität von Uran mit den damals rätselhaften α-, β- Spuren ionisierender Strahlung nachweisen, wobei dies
und γ-Strahlen. Die Aufklärung der Natur dieser in der Dosimetrie heute immer noch über die Schwär-
Strahlen erschloss in den Folgejahren neue Gebiete, zung von Filmmaterial funktioniert. In der Röntgendia-
die Atom-, Kern- und Elementarteilchenphysik. Die Ra- gnostik hingegen wird der Film mehr und mehr durch
dioaktivität verschiedenster Substanzen ermöglicht digitale Aufzeichnung ersetzt.
heute eine Vielzahl von Detektionsverfahren wie z. B. In der Medizin muss bei allen Anwendungen von
die Szintigraphie. ionisierenden Strahlen immer der Kompromiss zwi-
Im Jahr 1895 entdeckte Wilhelm Konrad Röntgen schen Nutzen und Schaden gesucht werden. Dies gilt
Physik
die im deutschen Sprachraum nach ihm benannte für Patienten, aber natürlich auch für das medizinische
Röntgenstrahlen. Sie sind seitdem unentbehrliches Personal. Für den persönlichen Strahlenschutz (und
2.5.1 Genmutationen
Klinik-Box: klinisch
relevantes Wissen für
die Praxis
Navigation: Seitenzahl
Inhaltliche Struktur: und Kapitelnummer
klare Gliederung durch für die schnelle Orien-
alle Kapitel tierung
. Tab. 7.2. Brechzahl von Stoffen STPD und Grenzwinkel der Totalreflexion zu Luft für gelbes Na-Licht der Wellenlänge =
589 nm Tabelle: klare Über-
Feststoff n αTR Fl. Stoff, Gas n αTR sicht der wichtigsten
Eis 1,310 49,8° Luft 1,0003 − Fakten
Quarzglas 1,459 43,3° Wasser 1,333 48,6°
Flintglas 1,613 38,3° Benzol 1,501 41,8°
Diamant 2,417 24,4° Methyleniodid 1,628 37,9°
7.2.2 Abbildung durch Reflexion spiegel von Kraftfahrzeugen, da sie einen großen Raum-
an Spiegeln winkel erfassen.
Auf die Gesetze der Abbildung mit Konkav- und
Konstruiert man nach dem in 7 Kapitel 6.2.3 bespro- Konvexspiegeln und ihre Bildfehler wird hier nicht
chenen Reflexionsgesetz »Einfallswinkel = Ausfalls- näher eingegangen, da sie im Prinzip dieselben sind wie
winkel« die von einzelnen Punkten eines Gegenstandes für Linsen (s. u.).
ausgehenden Lichtstrahlen, so findet man bei einem
ebenen Spiegel Folgendes: die reflektierten Strahlen Merke
scheinen von einem Abbild des Gegenstandes herzu- Ebener Spiegel: Bild virtuell, hinter dem Spiegel Merke: das Wich-
kommen, das in gleichem Abstand wie der Gegenstand im gleichen Abstand wie Gegenstand.
hinter der Spiegelfläche zu stehen scheint. Generell Konkaver Spiegel: Brennweite f=R/2, R Krüm-
tigste auf den Punkt
nennt man solche Abbildungen virtuell, da man am mungsradius; für Gegenstandsweite g<f Bild vir- gebracht
vermeintlichen Ort des Bildes es nicht durch eine Matt- tuell und vergrößert.
scheibe oder einen Film aufnehmen oder sichtbar Konvexer Spiegel: Brennweite f=-R/2; für Gegen-
machen kann. Bekanntlich erscheint bei einfacher Spie- standsweite g>0 Bilder stets virtuell und ver-
gelung im virtuellen Bild immer rechts und links gegen- kleinert.
über dem Original vertauscht.
e 0 = 8, 854 ◊10 -12 As/(Vm) ist die Dielektrizitätskon- Doppelbindungen, die mehr als 9 C-Atome von der
stante, ε die Permittivitätszahl, die angibt, um welchen Carboxylgruppe entfernt sind, werden durch Dehy-
Faktor sich die Kraftwirkung abschwächt, wenn der drierungen nicht eingeführt.
Raum zwischen den Ladungen mit nichtleitendem Für die Nomenklatur der C-Atome und Doppel-
Stoff (Dielektrikum) gefüllt ist. Für Vakuum ist ε = 1. bindungen in Fettsäuren gelten folgende Regeln:
Zwei gleich große Ladungen q mit ungleichem Vorzei- 4 das C-Atom 1 ist die Carboxylgruppe;
4 das der Carboxylgruppe benachbarte C-Atom 2
wird als α-C-Atom, die folgenden als β-, γ- usw.
bezeichnet. Die endständige Methylgruppe erhält
die Kennzeichnung ω;
4 die Stellung einer Doppelbindung wird durch das
Symbol Δ gekennzeichnet. Die Zählung beginnt am
C1 der Carboxylgruppe.
a Prüfungsfallstricke Prüfungsfallstricke:
Unter der Bezeichnung ω3 oder ω6 werden unge- hilft erfolgreich
sättigte Fettsäuren aufgeführt, die eine Doppel-
durch die Prüfung
bindung 2 oder 5 Stellen vor der ω-endständigen
Methylgruppe enthalten.
Inhaltsverzeichnis
1.14.3 Zytokinese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Biologie 1.14.4 Mitose-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.15 Meiose (Reifeteilung) . . . . . . . . . . . . . 12
1.15.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1 Allgemeine Zellbiologie, Zellteilung 1.15.2 Verlauf der 1. Reifeteilung . . . . . . . . . . 13
und Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.15.3 Verlauf der 2. Reifeteilung . . . . . . . . . . 14
1.1 Zellbegriff und zelluläre Struktur- 1.16 Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.16.1 Apoptose (programmierter Zelltod) . . . 14
1.2 Plasmamembran . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.16.2 Nekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3 Zellkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.17 Zellkommunikation und Signal-
1.4 Cytoplasma, Cytosol . . . . . . . . . . . . . 5 Transduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.5 Ribosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.6 Endoplasmatisches Retikulum . . . . . . . 5 2 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.6.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Organisation und Funktion
1.6.2 Raues Endoplasmatisches Retikulum . . . 6 eukaryontischer Gene . . . . . . . . . . . . 18
1.6.3 Glattes Endoplasmatisches Retikulum . . 6 2.1.1 Aufbau und Replikation der DNA . . . . . 18
1.7 Golgi-Komplex (Golgi-Apparat) . . . . . . 6 2.1.2 DNA-Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.7.1 Stapel (Diktyosomen) von flachen Zister- 2.1.3 Genbegriff, Transkription und
nen (Sacculi) und peripheren Vesikeln . . 6 Prozessierung der RNA . . . . . . . . . . . . 18
1.7.2 Cis-, Mittel- und Trans-Cisternen . . . . . . 6 2.1.4 Regulation der Genexpression . . . . . . . 19
1.8 Exozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.1.5 Differenzielle Genaktivität als Grundlage
1.9 Endozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 von Entwicklung und Differenzierung . . 19
1.9.1 Intrazelluläre Aufnahme von Stoffen 2.1.6 Translation und genetischer Code . . . . . 19
durch Plasmamembranvesikel . . . . . . . 6 2.1.7 Anzahl von Genen . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.9.2 Rezeptor-vermittelte (spezifische) 2.1.8 Repetitive Elemente . . . . . . . . . . . . . . 19
Endozytose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2 Chromosomen des Menschen . . . . . . . 19
1.9.3 Pinozytose (unspezifische Endozytose) 2.2.1 Normale Chromosomenmorphologie . . 20
für lösliche Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.2.2 Differenzielle Darstellung der
1.9.4 Endosom (Endozytose-Vesikel) Chromosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
mit frühen und späten Formen . . . . . . . 6 2.2.3 Molekulare Zytogenetik . . . . . . . . . . . 20
1.9.5 Phagozytose (Partikel) . . . . . . . . . . . . 7 2.3 Formale Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.9.6 Transzytose und Caveolae (mit Caveolin) 7 2.3.1 Begriffe und Symbole . . . . . . . . . . . . . 20
1.10 Lysosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3.2 Mendelsche Gesetze . . . . . . . . . . . . . 20
1.10.1 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3.3 Autosomaldominanter/kodominanter
1.10.2 Heterophagie, Phagosom . . . . . . . . . . 7 Erbgang, multiple Allelie . . . . . . . . . . . 21
1.10.3 Autophagie: Bedeutung bei der 2.3.4 Autosomal-rezessiver Erbgang . . . . . . . 21
Erneuerung von Zellstrukturen . . . . . . . 8 2.3.5 X-chromosomaler Erbgang . . . . . . . . . 22
1.10.4 Telolysosomen (Residualkörper) . . . . . . 8 2.3.6 Imprinting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.10.5 Sekretion lysosomaler Enzyme . . . . . . . 8 2.3.7 Mitochondriale Vererbung . . . . . . . . . 22
1.11 Peroxisomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3.8 Multifaktorielle Vererbung . . . . . . . . . . 23
1.12 Mitochondrien . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4 Gonosomen, Geschlechtsbestimmung
1.13 Zytoskelett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 und -differenzierung . . . . . . . . . . . . . 23
1.13.1 Mikrotubuli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4.1 X-, Y-Chromosom und pseudoautoso-
1.13.2 Intermediärfilamente . . . . . . . . . . . . . 11 male Region. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.13.3 Aktinfilamentsystem . . . . . . . . . . . . . 11 2.4.2 X-Inaktivierung – Gleichberechtigung
1.13.4 Spectrin und Membranzytoskelett . . . . 11 des Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.14 Zellzyklus und Zellteilung (Mitose) . . . . 11 2.4.3 Geschlechtsdifferenzierung . . . . . . . . . 23
1.14.1 Zellzyklus – Interphase . . . . . . . . . . . . 11 2.5 Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.14.2 Mitose und ihre Stadien . . . . . . . . . . . 12 2.5.1 Genmutationen . . . . . . . . . . . . . . . . 24
XII Inhaltsverzeichnis
5.5.1 Schaltung von Strom- und Spannungs- 6.1.2 Beschreibung harmonischer und
messgeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 gedämpfter Schwingungen . . . . . . . . . 106
5.5.2 Eigenschaften von Spannungsquellen . . 86 6.1.3 Erzwungene Schwingungen . . . . . . . . 107
5.5.3 Kirchhoffsche Gesetze . . . . . . . . . . . . 86 6.1.4 Periodische anharmonische Vorgänge . . 107
5.5.4 Leistung und Energie im elektrischen 6.2 Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Stromkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 6.2.1 Elementare Eigenschaften von Wellen . . 108
5.6 Elektrische Kapazität . . . . . . . . . . . . . 87 6.2.2 Überlagerung von Wellen . . . . . . . . . . 108
5.6.1 Allgemeine Eigenschaften der Kapazität 87 6.2.3 Phänomene bei der Ausbreitung
5.6.2 Kapazität des Plattenkondensators . . . . 87 von Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
5.6.3 Serien- und Parallelschaltungen von 6.3 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Kondensatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.1 Wichtige Schallgrößen . . . . . . . . . . . . 110
5.6.4 Zeitverhalten bei Auf- und Entladung 6.3.2 Schallerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . 111
eines Kondensators . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.3 Schallausbreitung in Materie . . . . . . . . 111
5.7 Elektrizitätsleitung . . . . . . . . . . . . . . 88 6.3.4 Menschliches Hörvermögen,
5.7.1 Elektrizitätsleitung in Festkörpern . . . . . 88 Schallpegelmaße . . . . . . . . . . . . . . . 112
5.7.2 Elektrizitätsleitung in Flüssigkeiten . . . . 89 6.3.5 Sonographie und andere Schalltechniken 113
5.7.3 Elektrizitätsleitung in Gasen . . . . . . . . 90 6.4 Elektromagnetische Wellen . . . . . . . . . 114
5.7.4 Elektrizitätsleitung im Vakuum . . . . . . . 91
5.8 Elektrische Spannungen an Grenzflächen, 7 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Diffusionsspannungen . . . . . . . . . . . . 92 7.1 Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.8.1 Kontaktspannung an Metall-Metall- 7.1.1 Eigenschaften des Lichts . . . . . . . . . . . 118
Grenzfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 7.1.2 Lichtquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.8.2 Diffusionsspannungen an Metall- 7.1.3 Lichtmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Elektrolyt-Grenzflächen . . . . . . . . . . . 92 7.2 Geometrische Optik . . . . . . . . . . . . . . 120
5.8.3 Diffusionsspannungen an Grenzfläche 7.2.1 Reflexion, Brechung und Dispersion
Elektrolyt-Elektrolyt . . . . . . . . . . . . . . 93 von Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
5.9 Magnetische Größen, elektromagnetische 7.2.2 Abbildung durch Reflexion an Spiegeln 121
Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.2.3 Abbildung durch dünne Linsen . . . . . . 121
5.9.1 Magnetisches Feld, Kraftfluss . . . . . . . . 94 7.2.4 Abbildung durch Linsensysteme
5.9.2 Lorentzkraft und Drei-Finger-Regel . . . . 94 und dicke Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . 122
5.9.3 Wirkungsweise von Drehspul- 7.2.5 Linsenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 7.2.6 Strahlengang im Auge . . . . . . . . . . . . 123
5.9.4 Magnetische Dipole . . . . . . . . . . . . . . 95 7.2.7 Sehfehler und ihre Behebung . . . . . . . 124
5.9.5 Kernspin- und Elektronenspin- 7.3 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
magnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 7.3.1 Beugung an Spalt, Kreisblende und Gitter;
5.9.6 Elektromagnetische Induktion . . . . . . . 97 Auflösung des Mikroskops . . . . . . . . . 125
5.9.7 Selbstinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.3.2 Polarisation von Licht . . . . . . . . . . . . . 126
5.9.8 Faradayeffekt oder Magnetrotation . . . . 98 7.3.3 Optische Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . 127
5.10 Wechselspannung, Wechselstrom . . . . . 98 7.4 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . 127
5.10.1 Wechselstromgrößen . . . . . . . . . . . . . 98 7.4.1 Vergrößerungen . . . . . . . . . . . . . . . . 127
5.10.2 Wechselstromwiderstände, Leistung 7.4.2 Kamera und Projektor . . . . . . . . . . . . 128
in Wechselstromkreisen . . . . . . . . . . . 99 7.4.3 Photometrie und Spektralphotometer . . 128
5.10.3 Transformator . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 7.4.4 Lupe und Lichtmikroskop . . . . . . . . . . 129
5.10.4 Serienschwingkreis . . . . . . . . . . . . . . 100 7.4.5 Röntgen-, UV- und Elektronenmikroskope 130
5.10.5 Parallelschwingkreis, Hertzscher Dipol . . 101
5.11 Menschlicher Körper im elektrischen 8 Ionisierende Strahlung . . . . . . . . . . 132
Stromkreis, Schutzmaßnahmen . . . . . . 101 8.1 Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
5.11.1 Stromschädigungen . . . . . . . . . . . . . 101 8.1.1 Radioaktives Zerfallsgesetz . . . . . . . . . 134
5.11.2 Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 102 8.1.2 α-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
8.1.3 β-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6 Schwingungen und Wellen . . . . . . . 104 8.1.4 γ-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6.1 Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8.1.5 Paarbildung und Paarvernichtung . . . . . 135
6.1.1 Oszillatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8.2 Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . 136
XV
Inhaltsverzeichnis
2 Genetik – 16
Teil ausgeschleust (Exozytose) und zum Teil recycelt. Es nellen liegen sie entweder in freier Form im Cytoplas-
wird Dosenpfand erhoben. Wenn die Firma pleite ma vor, oder sie sind an das endoplasmatische Retiku-
macht, platzen die Müllcontainer, und es verbreitet sich lum gebunden.
ein unangenehmer Duft. Die Untereinheiten eines Ribosoms bestehen aus
Im Folgenden werden einige Zellorganellen nicht einer 40S- und einer 60S-Untereinheit (S wie Svedberg).
weiter besprochen, da dies in den Kapiteln der Bioche- Beide Einheiten zusammen ergeben nach Bindung an
mie erfolgt. mRNA die 80S-Partikel. Die Svedberg-Einheiten ver-
halten sich als Maßgaben für die Sedimentations-
geschwindigkeit nicht additiv. Beide Einheiten nehmen
1.2 Plasmamembran den ankommenden mRNA-Strang in die Zange und
bilden einen Initiationskomplex, der die Translation,
GK Biochemie, 7 Kap. 6.3. d. h. die Umsetzung des Nucleotid-Codes in eine Amino-
säuresequenz einleitet.
Um Zeit zu sparen, können mehrere Ribosomen
1.3 Zellkern gleichzeitig mehrere Ketten eines künftigen (Poly)pep-
tids zusammensetzen. Diese Komplexe bezeichnet man
GK Biochemie, 7 Kap. 6.4. als Polysomen.
1.6.2 Raues Endoplasmatisches Retikulum gebundener Substanzen erfolgt über eine Fusion sekre-
Biologie
1.6.3 Glattes Endoplasmatisches Als Endozytose im weiteren Sinne bezeichnet man die
Retikulum Aufnahme von Stoffen durch Vesikel, die sich von der
Plasmamembran abschnüren. Man kann weiter diffe-
Das glatte ER (sER) ist der Syntheseort der Membran- renzieren in
phospholipide, der Steroidhormone, der Biotransfor- 4 Pinozytose und
mation der Xenobiotika (d. h. Detoxifizierung, aber 4 Phagozytose.
auch »Toxifizierung«, z. B. mit Cytochrom P-450), der
Gluconeogenese und der Speicherung von Ca2+.
1.9.2 Rezeptor-vermittelte (spezifische)
Endozytose
1.7 Golgi-Komplex (Golgi-Apparat)
(GK Biochemie 7 Kap. 6.9) Die Rezeptor-vermittelte Endozytose wird dadurch
eingeleitet, dass sich an der zytoplasmatischen Seite der
1.7.1 Stapel (Diktyosomen) von flachen Plasmamembran das Hüllprotein Clathrin anlagert.
Zisternen (Sacculi) und peripheren Aus diesem Abschnitt (coated pit) entsteht dann ein
Vesikeln flüssigkeitsgefülltes Bläschen (coated vesicle). Clathrin
löst sich bald wieder von der Vesikelmembran ab
Der Golgi-Apparat ist ein meist kappenförmig über (. Abb. 1.3a–h). Das noch membranumschlossene ein-
dem Zellkern liegender, weitmaschiger Zisternenraum, verleibte Material wird als Phagosom oder Endosom
der polar organisiert ist. bezeichnet.
e f
a b c d g h
. Abb. 1.3a–h. Formen der Stoffaufnahme, -verarbeitung hierbei Flüssigkeiten (c). Bei der Transzytose (d) erfolgt nach
und -abgabe. Diffusion (a); Aufnahme mechanismus durch der Aufnahme durch Pinozytose ein Durchschleusmechanis-
Endozytose, Abgabe durch Exozytose (b–d): Phagozytose (b), mus ohne merkliche Veränderung des Inhalts. Vorgänge bei
Pinozytose (c), Transzytose (d). Bei der Phagozytose werden der rezeptormediierten Mikropinozytose im molekularen
korpukuläre Elemente aufgenommen und von den Enzymen Bereich (e–h): Initialstadium: Liganden haben sich an die
der Lysosomen (Ly) abgebaut. Die niedermolekularen Spalt- Rezeptoren gebunden. Durch Anlagerung von Clathrin hat
produkte diffundieren aus dem Heterophagolysosom in das sich ein »coated pit« gebildet (e). Ablösung von der Plas-
Grundplasma (dünne Pfeile). Evtl. bleibt ein Restkörper (R), mamembran (f); ein »coated vesicle« ist entstanden (g);
der durch Exozytose eliminiert wird. Grubdsätzlich gleich ist die Clathrinmoleküle lösen sich von seiner Oberfläche und
der Mechanismus bei der Pinozytose. Aufgenommen werden kehren zur Plasmamembran zurück (h). (Schiebler 1997)
größere Partikel oder Zellen phagozytiert, die hetero- 1.10.4 Telolysosomen (Residualkörper)
phagische Vakuolen (Phagosomen, Heterophagoso-
men) bilden (. Abb. 1.4). Wenn das »Opfer« durch Selbstverständlich schluckt bzw. produziert die Zelle so
Oberflächenmolekülen der Fresszelle erkannt und ge- manches, womit selbst die härtesten Lysosomen nicht
bunden wird (Opsonisation), fusioniert das Phagosom zurechtkommen. Beispiele für solche als Telolysosomen
mit prälysosomalen Organellen (Endosomen) oder bezeichnete Relikte sind Lipofuscingranula, die mit recht
Lysosomen und wird zum Phagolysosom. Wenn für heterogenem Material gefüllt sind und als pigmentartige
den Wirt alles gut geht, wird der Gast verdaut. Substanz lichtmikroskopisch sichtbar sind (Alterspig-
Allerdings können sich aufgenommene Bakterien ment). Auch Tusche, Kohle, Asbest sind unverdaulich.
auch als Phagosomen in ihren Wirtszellen vermehren,
diese dann erdrücken und abtöten, um sich anschlie-
ßend im Wirtsorganismus zu verbreiten (z. B. Legionel- 1.10.5 Sekretion lysosomaler Enzyme
len-Pneumonie oder Tuberkulose).
Lysosomale Enzyme können auch sezerniert werden.
Osteoklasten besitzen eine ganze Batterie lysosomaler
1.10.3 Autophagie: Bedeutung bei der Enzyme (z. B. Kathepsin K), mit denen sie die organi-
Erneuerung von Zellstrukturen sche Matrix zerlegen. Spermien besitzen im Akrosom
einen scharf gemachten Golgi-Apparat, der lysosomale
Unter Autophagozytose versteht man die Kapazität Enzyme zur Auflösung der Zona pellucida der Eizelle
einer Zelle, gebrauchtes Material nicht einfach auszu- entlässt (Akrosomreaktion).
spucken, sondern gezielt von noch intakten Strukturen
zu sequestrieren, in Membranen zu verpacken und mit
Lysosomen zu einem Autolysosom zu verschmelzen. 1.11 Peroxisomen
Nach kurzer Zeit ist der »Mageninhalt« unkenntlich
geworden und das Autolysosom nicht mehr als solches Peroxisomen sind sphärische membranumgrenzte Or-
zu erkennen. ganellen, die kristalline Einschlüsse in der Matrix (Urat-
1.13 · Zytoskelett
9 1
a
1.14 · Zellzyklus und Zellteilung (Mitose)
11 1
1.13.3 Aktinfilamentsystem
Metaphase. Kondensierung der Chromosomen und Der Mitose-Index gibt Auskunft über die Teilungs-
Chromosomenanalyse, Entstehung der Metaphasen- geschwindigkeit von Zellen. Es wird die Anzahl von
platte. Mitosen in Prozent der Gesamtpopulation einer be-
stimmten Zellart angegeben. Dies kann die proliferative
Anaphase. Die Chromatiden trennen sich. Die Kine- Aktivität eines Tumors beschreiben.
tochor-Mikrotubuli verkürzen sich durch Depolyme-
risation am (+)-Ende. Die Chromatiden werden zu den
Spindelpolen gezogen. Die Pol-Mikrotubuli verlängern 1.15 Meiose (Reifeteilung)
sich durch Polymerisation und üben eine Schubkraft
auf die Pole aus (durch Motorproteine). Die Meiose ist die Grundlage für die Reifung und Ver-
mehrung der männlichen und weiblichen Keimzellen
Telophase. Entspiralisierung der Chromatiden, Wie- (Samenzellen und Eizellen).
deraufbau der Kernhülle.
1.15.1 Definition
1.15.3 Verlauf der 2. Reifeteilung Nekrose bezeichnet den Unfalltod der Zellen, die meist
größere Gewebeabschnitte einschließen, z. B. Unter-
Die 2. Teilung (Meiose II) ist eine Mitose ohne S-Phase gang von Herzmuskelgewebe bei Hypoxie (Herzin-
(DNA-Replikation), da die DNA-Verdopplung ja be- farkt). Die Zellmembranen werden durchlässig, Lyso-
reits vorher stattgefunden hat. Ansonsten verläuft diese somen entlassen ihre aggressiven Enzyme.
Teilung formal ab wie eine reguläre Mitose. Es entstehen GK Biochemie 7 Kap. 5.5.3.
4 Zellen mit haploidem Chromosomensatz.
2 Genetik
Mind Map
Abgesehen vom Hexenwahn und Atomkraft erfreut reiche kleine Fehler kann die Zelle durch Reparaturmaß-
sich kaum ein anderes Gebiet einer derartig leben- nahmen beheben; jedoch gelingt das nicht immer. Falls
digen, manchmal bizarre Züge annehmenden Diskus- größere Sequenzen nicht am richtigen Ort repliziert
sion unter gebildeten Laien wie die Genetik. Grund- werden, spricht man von Mutationen, die meist zur Syn-
lage der Genetik ist die Organisation bestimmter these abnormer Proteine führen. Andererseits kann mit
Nucleotidsequenzen auf den Chromosomen. Diese als Hilfe der Gentechnologie der Informationsschlüssel
Gene bezeichneten Strukturen kodieren die Umschrift geknackt werden und der Einbau systematisch falsch
in die »Exekutive«, die Proteine. Sowohl während der synthetisierter Proteine durch adäquate Eingriffe ins
Zellteilung als auch bei der Vererbung werden diese Genom verhindert werden.
Informationen an Tochterzellen weitergegeben. Zahl-
18 Kapitel 2 · Genetik
eukaryontischer Gene
Fehler in der Polymerisationsrichtung 5’-3’ können
2.1.1 Aufbau und Replikation der DNA durch eine zusätzliche Exonuclease-Aktivität der Poly-
merase I behoben werden. Sie kann nachträglich
Eine der strukturellen Grundlagen für die Vererbung falsche Nucleotide ausschneiden und durch richtige
individueller Merkmale ist die Desoxyribonucleinsäure ersetzen. Auf diese Weise ist die Replikation nahezu
(DNA). fehlerfrei (1 Fehler pro 109 Nucleotide!). Auch UV-in-
duzierte Defekte (z. B. Strangbrüche, Dimerisierung
Aufbau von Basen) können in begrenztem Maße auf diese Wei-
Die DNA besteht aus 2 um eine gemeinsame Achse ge- se reduziert werden.
wundenen Polynucleotidsträngen (Doppelhelix). Die
Basis bilden Ketten aus Zucker (Ribose) und Phosphat.
Nach innen sind Basen angebracht. Beide Stränge 2.1.3 Genbegriff, Transkription
der DNA sind komplementär zueinander. Die Basen und Prozessierung der RNA
der DNA sind Adenin und Guanin (Purin-Basen), so-
wie Thymin und Cytosin (Pyrimidin-Basen). Die Ri- Gene sind Informationseinheiten. Es handelt sich um
bonucleinsäure (RNA) enthält anstelle von Thymin die DNA-Abschnitte, die im Allgemeinen ein einzelnes
Base Uracil. Die Basen sind spezifisch gepaart: A-T; Protein oder eine RNA codieren. Ein solcher Ab-
G-C. schnitt ist in aufeinander folgende Regionen gegliedert,
Ein Nucleosid ist die Verbindung einer Base mit die codierende und nichtcodierende Sequenzen besit-
einer Ribose; ein Nucleotid ist die Verbindung eines zen. Es gibt Promotoren, Exons, Introns und Termina-
Nucleosids mit einem Phosphat. Nucleotide sind die toren:
Bausteine der DNA. 4 Am Promotor beginnt der Start der Transkription
Die DNA-Stränge verlaufen antiparallel. Der Zu- (Umschrift von DNA in einen komplementären
sammenhalt erfolgt über Wasserstoff-Brücken und hy- RNA-Strang).
drophobe Bindungen. 4 Der Terminator ist für die Abschaltung der Um-
Man unterscheidet: schrift zuständig.
4 Die Primärstruktur zeigt die Reihenfolge der Nu- 4 Dazwischen liegende codierende Abschnitte heißen
cleotide. Exons.
4 Die Sekundärstruktur zeigt die Doppelstrang- 4 Dazwischen liegende nichtcodierende Abschnitte
Helix, und heißen Introns.
4 die Tertiärstruktur die räumliche Struktur des
ganzen Moleküls. Nucleotidsequenzen mit eingefügten Stop-Codons
können nicht translatiert werden. Die gesamte Nucleo-
Prinzip der DNA-Replikation tidsequenz ist somit ein Pseudogen.
Ausgang für die Vervielfachung der DNA ist die enzy- Die RNA-Kette nach der Transkription enthält also
matische Entwicklung (Entspiralisierung) der Doppel- nichtcodierende und codierende Nucleotidsequenzen.
helix durch Helicasen. Topoisomerasen sorgen für Normalerweise werden danach die Introns heraus-
Verminderung der Spannung durch gezielte Einzel- geschnitten und die übrigen Exons wieder zusammen-
strangbrüche. DNA-Bindungsproteine verhindern eine geführt (Splicing), sodass eine funktionelle RNA-Se-
erneute Nucleotidpaarung. quenz entsteht, die später translatiert (in ein Protein
Die eigentliche Replikation beginnt mit der Aktivi- umgeschrieben) werden kann.
tät der DNA-Polymerase. Sie benötigt ein Startermole- Allerdings können die Exon-Abschnitte auch falsch
kül (Primer), eine RNA-Sequenz. Die Polymerisation zusammengeführt werden. Veränderungen werden
erfolgt in 5’-3’-Richtung. Die RNA-Primer werden dann u. a. fälschlicherweise als Stop-Codons interpretiert,
durch DNA ersetzt. Neugebildete DNA-Tochterstränge die eine Translation verhindern.
werden schließlich durch Ligasen wieder zusammen-
gesetzt. Jeder Tochterstrang bildet zusammen mit einem KLINIK
Einzelstrang des elterlichen Doppelstrangs das neue Einige Formen der Thalassämie (Anämie-Sonder-
DNA-Molekül (semikonservative Replikation). form) beruhen auf Fehlern beim Splicing für die
Hämoglobin-codierenden Sequenzen.
2.2 · Chromosomen des Menschen
19 2
Hemmstoffe der Transkription sind z. B. Actinomycin 4 Wichtige Codewörter: AUG (Start); UAA, UAG,
(Bindung an die DNA, Blockierung der DNA-Polyme- UGA (Stop).
rase), α-Amanitin, Rifampicin (Bindung und Beein- 4 Der genetische Code ist universell. Alle Organis-
flussung der Aktivität der RNA-Polymerase). men besitzen den gleichen Schlüssel.
KLINIK
2.1.4 Regulation der Genexpression Aufgrund der Universalität des genetischen Codes
ist es möglich, z. B. humanes Insulin in Bakterien zu
Gene der Eukaryonten werden im Gegensatz zu denen »züchten«.
der Prokaryonten sämtlich kontrolliert. Die Trans-
kriptionsrate kann aktiviert werden (Induktion durch
Enhancer). Das Gegenteil nennt man Repression (durch Vervielfältigung einzelner Gene führt zu redundanten
Silencer). Hormone wirken entweder als Induktoren Genen. Genfamilien entstehen durch Mutationen
oder Repressoren. Mehr dazu in 7 Kap. 5.2.6, GK Bio- in redundanten Genen, deren Mitglieder eine hohe
chemie. Homologie aufweisen. Beispiele dafür sind die Iso-
enzyme der Laktatdehydrogenasen und die Hämo-
globin-Genfamilie: Diese besteht aus 5 Genen. Eines
2.1.5 Differenzielle Genaktivität codiert Myoglobin (nur im Muskel), und die 4 anderen
als Grundlage von Entwicklung für die Hämoglobinketten α, β, γ, δ (nur im Erythro-
und Differenzierung zyten).
Die Translation ist die Umschrift der aus dem Zellkern 2.1.8 Repetitive Elemente
exportierten Messenger-RNA in Protein. Die Protein-
synthese findet an den Ribosomen statt (GK Biochemie Das Genom liegt in mehr oder weniger häufigen Kopien
und 7 Kap. 1.5). Die Information über die zu synthe- vor. Die Häufigkeit von Genen lässt sich einteilen in
tisierenden Aminosäuresequenzen liefert der gene- 4 einmalige Gene: 1–10 Kopien,
tische Code. 4 mittelrepititive Gene: 10–1000 Kopien und
4 hochrepititive Gene: mehr als 1000 Kopien.
Prinzip und »Universalität« des genetischen
Codes Der Anteil repetitiver DNA an der Gesamt-DNA be-
Aus 4 verschiedenen Basen werden Sequenzen gebildet, trägt etwa 30%, der einmaligen Gene etwa 70%.
die die Zelle in Proteine umsetzt. Er hat folgende Eigen-
schaften:
4 Der genetische Code ist degeneriert, da beim Tri- 2.2 Chromosomen des Menschen
plett-Code und 4 zur Verfügung stehenden Basen
64 (43) Möglichkeiten für nur 20 Aminosäuren exis- Das menschliche Genom enthält 46 Chromosomen.
tieren. Der Chromosomensatz ist diploid (2n). Autosomen
4 Der genetische Code ist nicht überlappend, d. h. sind geschlechtsunabhängige Chromosomen (44). Hin-
das 3. Nucleotid eines Codons (Codeworts) ist nicht zu kommen 2 Gonosomen (XY, geschlechtsdeterminie-
zugleich das 1. Nucleotid des nächsten Codons. Dies rende Chromosomen):
beweisen Punktmutationen (Austausch nur einer 4 XX: weibliches Genom,
Aminosäure). 4 XY: männliches Genom.
20 Kapitel 2 · Genetik
2.2.1 Normale Chromosomenmorphologie 4 Genotyp: Beide Allele eines Gens auf den homo-
Biologie
Merke
Werden Individuen gekreuzt, die sich genetisch in
mehr als einem Merkmal unterscheiden, werden a Dd dd Dd dd
die Anlagenpaare jedes Merkmals unabhängig von
den anderen nach dem Spaltungsgesetz auf die
Tochtergeneration verteilt. Dd Dd
X-chromosomal-dominanter Erbgang
Biologie
2.3.6 Imprinting
. Abb. 2.2a–c. Autosomal rezessive Vererbung (r: krankes
Allel, R: gesundes Allel). Vererbung durch ein erkranktes
Unter »Imprinting of genes« versteht man die differen-
Elternteil und ein homozygot gesundes Elternteil (a). Verer-
bung durch ein erkranktes Elternteil und ein heterozygotes
zielle Genaktivität väterlicher und mütterlicher Gene
Elternteil (b). Vererbung durch zwei Konduktoren (c). (Buchta in der frühen Embryogenese. Dies kann zur Variabilität
Sönnichsen 2003) der Ausprägung führen, je nachdem, ob es (trotz der
Mendel-Regeln für Autosomen) auf einem väterlichen
oder mütterlichen Chromosom liegt. Im Prinzip gibt es
4 beide Eltern Konduktoren (heterozygot): 25% er- 3 Möglichkeiten als Ursache:
krankte Kinder, 75% phänotypisch gesund, 2∕3 4 Das Merkmal wird gonosomal vererbt,
Konduktoren; 4 elterliche Genprägung für die geschlechtsabhängige
4 ein Elternteil gesund, der andere heterozygoter Ausprägung eines Allels (entdeckt durch Kern-
Konduktor: alle Kinder phänotypisch gesund, 50% transplantation von Mäusen). Beispiel: Insulin-ähn-
Konduktoren. licher Wachstumsfaktor 2 (IGF-2) ist durch elter-
liche Prägung maternal inaktiv,
4 das Merkmal wird extrachromosomal vererbt, z. B.
2.3.5 X-chromosomaler Erbgang über die Mitochondrien (s. u.).
F1 XY
XY xX XY xX
F2
xX xY XX XY
F3
xx xY Xx XY
die weiblichen Mitochondrien. Mitochondrial festge- Y-Chromosom) wandert die primordiale Keimzelle in
legte Merkmale sind daher immer mütterlich (z. B. die die Rindenregion der undifferenzierten Gonadenan-
mitochondriale Enzephalomyopathie). lage und induziert die Entwicklung eines Ovars und
die Umbildung der Müller-Gänge zu Tuben und Utero-
vaginaltrakt.
2.3.8 Multifaktorielle Vererbung
Genmutationen
Mutationen sind Veränderungen im Genom, die zu
einer Veränderung der Expression bestimmter Merk- Transkriptionsfehler, die nicht repariert werden, kön-
male führen. Man unterscheidet: nen zufällige Ereignisse in Keimbahn- und somatischen
4 Genmutationen, Zellen sein. Induzierte Mutationen sind durch toxische/
4 Spontanmutation, chemische Einflüsse oder durch ionisierende Strahlen
4 induzierte Mutationen, (z. B. Harrisburg, Tschernobyl) zurückzuführen.
4 somatische Mutationen,
4 Chromosomenmutationen und KLINIK
4 Mosaike. Xeroderma pigmentosum ist eine sehr, sehr seltene
(typisch GK!) autosomal-rezessiv vererbbare Er-
krankung, bei der Reparaturenzyme der DNA be-
2.5.1 Genmutationen troffen sind. UV-Exposition schädigt die epiderma-
len Zellen. Folge sind maligne Hauttumoren bereits
Genmutationen sind Veränderungen der Nucleotidse- in früher Kindheit.
quenz der DNA eines Gens. Sie können Folge sein von:
4 Basensubstitution: Ersatz einer Base durch eine
andere (Punktmutation),
4 Basendeletion; Nucleotide gehen verloren, 2.5.4 Strukturelle Chromosomen-
4 Baseninsertion: neue Basen werden zusätzlich ein- mutationen
gefügt,
4 ungleichem Crossing over (Genkonversion): Ein Strukturelle Chromosomenmutationen sind mikros-
Genabschnitt eines Chromosoms wird als Bruch- kopisch, im Karyogramm sichtbare Veränderungen der
stück beim Crossing-over in das homologe Chro- Chromosomenstruktur (Chromosomenaberration).
mosom eingefügt (Duplikation). Da dies Folgen für eine ganze Menge von Genen hat,
sind die Folgen sehr oft letal. Im günstigen Falle kommt
es zu schweren Fehlbildungen. Es gibt folgende Typen
2.5.2 Folge von Genmutationen von Chromosomenaberrationen:
Die Folge von Genmutationen ist eine verringerte oder Deletion: Verlust eines Chromosomenarms.
fehlende Synthese der mRNA und damit Verände-
rungen der Aminosäuresequenz der jeweiligen Poly- KLINIK
peptidkette. Falls die Promotorregion gestört wird, Deletion des kurzen Arms des Chromosoms 5 führt
wird das gesamte Gen inaktiviert. Bei Veränderungen zum Cri-du-Chat-Syndrom (Katzenschreisyndrom).
des Stop-Codons entsteht ein abnormal langes oder Dieser Verlust ist zufällig. Die Häufigkeit ist etwa
verkürztes Protein. 1:50.000. Es sind 5-mal mehr Mädchen als Jungen
betroffen.
KLINIK
Ein schönes Beispiel für eine Punktmutation ist die
autosomal-rezessiv vererbte Sichelzellanämie. Der Inversion: Fehlgeschlagene Reparatur eines Nucleotid-
Austausch der Aminosäure Val gegen Glu in der abschnitts und verkehrte Wiedereingliederung der Se-
Hämoglobin-β-Kette (HbS) führt zu abnormer Sauer- quenz in den DNA-Strang.
stoffbindungskapazität und Formveränderungen
des Erythrozyten bei Desoxygenierung. Massiver Translokation: Verlagerung eines Fragments an eine
Abbau der Erythrozyten in der Milz führt zu anä- andere Position des Chromosoms. Wenn das Genom
mischen Krisen. Selektionsvorteil der Erkrankten und die Expression der Gene nicht weiter beeinträch-
besteht in höherer Resistenz gegenüber Malaria. tigt ist, spricht man von balancierter Translokation.
Reziproke Translokation ist der Austausch zweier
Chromosomenfragmente zwischen nichthomologen
Chromosomen. Die Robertson-Translokation bezeich-
net eine zentrische Fusion, d. h. es verschmelzen 2 Chro-
mosomen am Zentromer und verlieren die kurzen Arme.
2.6 · Klonierung und Nachweis von Genen bzw. Genmutationen
25 2
Falls nur wenig Gene verloren gehen, ist diese Transloka- KLINIK
tion balanciert (z. B. am Chromosom 14 und 21). Beispiel für Mosaikbildung: Mosaik-Trisomie 21 (in
2% der Individuen mit Down-Syndrom). Hier kommt
KLINIK es erst nach der 1. Zellteilung zur Aberration. Je
Eine asymmetrische Translokation (größerer Teil mehr normale Mitosen vorausgegangen sind, desto
des Chromosom 22 transloziert mit dem kleinen weniger ist der Phänotyp des Down-Syndroms aus-
Arm des Chromosom 9) findet sich bei der Chroni- geprägt.
schen Myeloischen Leukämie (sog. Philadelphia-
Chromosom).
Eine Chimäre ist ein Individuum oder Gewebe, das aus
Zellen verschiedenen Genotyps präzygoter Herkunft be-
steht, z. B. als Folge von Fehlern bei der Befruchtung.
2.5.5 Nummerische Chromosomen-
mutationen
2.5.7 Mutationen in Somazellen
Unter nummerischen Chromosomenaberrationen
versteht man Fehlverteilungen von Chromosomen Mutationen, die nur in Körperzellen vorkommen, er-
während der Meiose. Folge ist eine abnorme Anzahl zeugen ein Mosaikmuster.
von Chromosomen im Karyogramm. Falls ein Chro- Ein Beispiel für somatische Mutationen in der
mosom nur einmal vorhanden ist, spricht man von Krebsentstehung ist die Entstehung des Burkitt-Lym-
Monosomie, bei 3facher Ausgabe spricht man von Tri- phoms: Das Proto-Onkogen »myc« erhält durch eine
somie. Translokation (beteiligt sind Arme der Chromosomen 8
Beispiele für nummerische Chromosomenaberra- und 14) einen neuen Promotor der Immunglobulin-
tionen sind: Gene und wird intensiv transkribiert (Philadelphia-
4 Ullrich-Turner-Syndrom: Genotyp XO (Monoso- Chromosom, 7 Kap. 2.5.4).
mie des X-Chromosoms); weiblich, 90% Abortrate;
Häufigkeit bei ausgetragenen Schwangerschaften
mit XO-Syndrom: 1:3000‒1:5000; Symptome: 2.6 Klonierung und Nachweis von
Minderwuchs, Amenorrhoe, Nackentransparenz Genen bzw. Genmutationen
(Pterygium colli).
4 Klinefelter-Syndrom: Genotyp: XXY; Symptome: Unter Klonierung versteht man die Vermehrung gene-
Körpergröße erhöht, Hodenatrophie, Gynäkomas- tisch identischer Organismen. Dies kann auf zellulärer
tie, Azoospermie. Ebene geschehen (z. B. Züchtung monoklonaler
4 XYY-Syndrom: phänotypisch männlich, selten, Antikörper), oder gesamte Organismen und Indivi-
Symptome: psychische Labilität. duen betreffen (Dolly). Folgende Methoden stehen da-
4 Triplo-X: Genotyp: XXX, Non-disjunction, Häu- für zur Verfügung:
figkeit 1:800‒1:1000, phänotypisch weitgehend un-
auffällig (Lernbehinderungen bei 70%).
4 Trisomie 21 (Down-Syndrom): Häufigste Chro- 2.6.1 Gentechnologische Methoden
mosomenaberration; häufigste Form: Non-dis-
junction (95%); spontan, keine Erbkrankheit. Häu- Voraussetzung für die Herstellung eines Klons ist es,
figkeit: abhängig vom mütterlichen Alter. Risiko für gewünschte Nucleotidsequenzen zu identifizieren, iso-
eine 25-jährige Frau: 0,1%; für eine 46-jährige Frau: lieren und zu vervielfältigen. Mit Restriktionsendonu-
9%. Auch das väterliche Alter spielt eine Rolle, ist kleasen werden bestimmte Sequenzen der DNA ge-
aber nicht statistisch belegt. trennt. Es gibt zur Vervielfachung 2 Möglichkeiten:
4 Gentransfer. Bei der Transformation (= Transfek-
tion) können von einer Spezies (z. B. Mensch, Maus,
2.5.6 Mosaike und Chimären Tyrannosaurus Rex) DNA-Abschnitte auf DNA
eines Bakteriums überführt werden. Auf diese Weise
Unter Mosaiken versteht man das Vorliegen genetisch können fremde Gene in Plasmide eingeführt wer-
verschiedener Zelllinien. Ursache sind Chromosomen- den (Plasmid ist ringförmige extrachromosomale
fehlverteilungen in der Mitose (mitotische Non-dis- DNA, die sich unabhängig von dem Hauptgenom
junction). des Bakteriums replizieren kann). Da der genetische
26 Kapitel 2 · Genetik
Code universell ist, können Einzelstränge von Gast Ort des betreffenden Gens. Hierbei werden Restrik-
Biologie
und Wirt-DNA bei Einsatz derselben Restriktions- tionsenzyme verwendet, die palindromische Sequenzen
enzyme neu kombinieren. Auf diese Weise wird die von 4‒8 Basenpaaren erkennen und in ihnen schnei-
Gast-DNA in das Plasmid eingebaut und kann ver- den. Die Länge der von diesen markierten Endonukle-
mehrt werden (Klonierung durch In-vitro-DNA- asen zerschnittenen Fragmente kann elektrophoretisch
Rekombination). Man kann testen, ob die Transfor- bestimmt werden. Sie weicht bei Mutationen vom nor-
mation erfolgreich war, indem man z. B. ein Gen für malen Gen ab. Dies bezeichnet man als Restriktions-
eine Antibiotika-Resistenz einfügt und nachsieht, ob Fragment-Längen-Polymorphismus.
die vermehrten Organismen unanfällig gegen das
Antibiotikum geworden sind.
4 Polymerase-Chain-Reaction (PCR, s. u.). 2.6.5 Genetische Beratung
und vorgeburtliche Diagnostik
2.6.2 Polymerase-Chain Reaction (PCR) Genetisches »Fingerprinting« ist nach derzeitiger (2006)
Rechtsauffassung in der BRD freiwillig. Es gilt die
Bei der Polymerase-Kettenreaktion werden DNA- oder Nicht-Direktivität als Grundlage für die genetische Be-
RNA-Sequenzen im Reagenzglas vervielfältigt. Grund- ratung, d. h., Daten dürfen nur nach ausdrücklicher
lage ist die Eigenschaft der Polymerasen, neue Nucleo- Genehmigung des Patienten/Probanden weiterverwen-
tide immer nur an eine definierte kurze Nucleotidse- det werden (z. B. für Vaterschaftsgutachten, Alimen-
quenz (Primer) anzuhängen. Die Primersequenzen tenklagen). Ausnahme sind ausreichende Verdachts-
müssen bekannt sein. Sie sind komplementär zur DNA momente bei schwerwiegenden Straftaten, etwa bei
oder RNA der Zellen bzw. des Gewebes, in der man Kapitaldelikten.
dessen Nucleotidgehalt bestimmen möchte.
Man wirft also einen Köder (Komplementär-Nucleo- Vorgeburtliche Diagnostik
tid) in den Teich und wartet, ob der dazu passende Fisch (GK Anatomie 7 Kap. 1.1.4)
anbeißt. Um das über eine gewisse Nachweisgrenze zu Nummerische und strukturelle Chromosomenaberra-
führen, wird das Polymerisationsprodukt in vielen Zyk- tionen können vorgeburtlich mit Hilfe der Amniozen-
len unter Hitzeeinwirkung (Denaturierung der DNA) tese oder der Chorionbiopsie festgestellt werden.
vermehrt (amplifiziert). Die DNA-Polymerase (Taq-Po- 4 Amniozentese (4. Monat). Nach der Aspiration
lymerase) ist hitzeresistent, sonst geht es nicht. von Fruchtwasser können Amnionzellen kultiviert
4 Vorteil: Man spart sich das Klonen. Superempfind- werden. Anschließend kann ein Karyogramm an-
lich, schnell, billig. gefertigt werden. Indikation sind erhöhtes Alter der
4 Nachteil: Katastrophe für Gauner. Die Reaktion ist Mutter (bzw. des Vaters!), bekannte Chromoso-
so empfindlich, dass sie viele Übeltäter kriminalis- menaberrationen in der Familie. 97% dieser »Risiko-
tisch überführt, die ihre biologischen Spuren am mütter« tragen ein normales Kind aus.
Tatort vergessen haben. 4 Chorionbiopsie (8. Woche). Die Zellen der Chorion-
zotten können ohne Anzüchtung direkt analysiert
werden.
2.6.3 Direkter Nachweis
von Genmutationen
2.7 Entwicklungsgenetik
Ein weiteres Anwendungsgebiet der PCR ist der Nach- (7 Kap. 2.1.5)
weis von Genmutationen. Spezifische Nucleotidsequen-
zen eines Gendefekts werden amplifiziert. Die müssen 2.7.1 Analyse von Entwicklungsprozessen
natürlich bekannt sein. an transgenen Tieren
in Eizellen der Maus mikroinjiziert werden. Eine wei- Dieses Gleichgewicht kann verschoben werden durch
tere Möglichkeit ist die gezielte Veränderung einzelner folgende Faktoren:
Gene durch Manipulation embryonaler Mausstamm- 4 Gründereffekt: Abspaltung einer kleinen Popula-
zellen. tion von einer größeren, die dadurch für ein Allel
eine größere Frequenz verursacht (Abspaltung
Transgene Tiere einer Gruppe vom Festland auf eine Insel). Die
Bei sog. »Knock-out-Mäusen« werden totipotente geno- und phänotypische Variabilität bei Insel-
Stammzellen im Blastozystenstadium schwangerer Mäu- Emigranten sinkt; diese Population ist also leichter
se entnommen. Aus diesen werden Nucleotidsequenzen vom Aussterben bedroht.
für interessante Proteine aus der DNA herausgeschnit- 4 Inzucht: Gehäuftes Auftreten seltener Gene in
ten. Die beschnittenen Sequenzen werden dann anderen kleinen Gruppen, z. B. Habsburger Lippe.
schwangeren Mäusedamen reimplantiert. Diese zusätz- 4 Fitness: Fähigkeit eines Individuums, besonders
lichen Zellen beteiligen sich an der Embryonalentwick- resistente und überlebensfähige Nachkommen zu
lung und lassen genetisch chimäre Mäuse entstehen. produzieren.
Natürlich kann man auch eine Nucleotidsequenz hinzu 4 Selektion: Auswahl nach Fitness. Heterozygote
tun, z. B. für den Rüssel eines Elefanten (das wäre dann Träger des HbS (Sichelzellanämie)-Gens haben ei-
eine »Knock-in-Elefantenrüssel-Maus«). nen Selektionsvorteil, denn sie sind resistenter ge-
Nach einigen Kreuzungen unter Anwendung der genüber Malaria als Nicht-Träger des HbS-Gens.
Mendel-Regeln kann man dann an homozygoten
Tieren beobachten, welche Auswirkung das Fehlen der
durch das fehlende Gen kodierten Proteine hat. Im 2.8.2 Wirkung von Selektion und Zufall
Umkehrschluss hat man dann vielleicht Hinweise auf
die Funktion dieses Proteins bzw. Gens. 7 Kap. 2.8.1.
Die Populationsgenetik beschäftigt sich mit der Häu- Unter einem genetischen Polymorphismus (Sequenz-
figkeit des Auftretens der Allele eines Gens in Popula- variation) versteht man das Vorhandensein von mehr
tionen. als 2 Allelen eines Gens in einer Population. Die Auftre-
tenswahrscheinlichkeit der Genvariation muss größer
als 1% sein, sonst handelt es sich um eine Mutation. Gen-
2.8.1 Hardy-Weinberg-Gesetz produkte eines Enzyms werden bei Ausprägung eines
genetischen Polymorphismus Alloenzyme genannt.
Die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung werden
angewandt, um das Auftreten dominanter und rezes-
siver Merkmale zu berechnen. Diese stehen miteinander
im Gleichgewicht, das Hardy und Weinberg anhand von
statistischen Berechnungen beschrieben haben. Grund-
voraussetzung ist eine zufällige Paarung bzw. Durchmi-
schung der Bevölkerung (Panmixie). Eine nichtzufällige
Paarung von Individuen, also Paarung von Individuen,
die z. B. nur grüne Zöpfe besitzen, ist Selektion.
Merke
Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht ist der Zustand
einer Population, bei der, Panmixie vorausgesetzt
und Selektion ausgeschlossen, Allel- und Geno-
typhäufigkeiten in der Folge der Generationen
konstant sind.
Biologie
29 3
der Bakterien
KLINIK Mykoplasmen
Penicillin stört die Synthese der Zellwand, indem Mykoplasmen sind zellwandlose Bakterien. Da sie wenig
es die Vernetzung der Mureinuntereinheiten ver- stabil sind, sind Mykoplasmen polymorph.
hindert.
Toxine
Bakterien können Toxine bilden, die die Pathogenität
Der unterschiedliche Aufbau der Zellwand reflektiert ausmachen. Exotoxine sind kleine Eiweiße, die vom
das unterschiedliche Verhalten bei der Gramfärbung. Bakterium ausgeschieden werden (z. B. Botulinustoxin).
Gramnegative Bakterien besitzen eine weitere äußere Endotoxine sind Membranbestandteile bestimmter
Membran, aus der sich der violette Gram-Farbstoff gramnegativer Bakterien.
herauswaschen lässt. Diese äußere Membran enthält
sog. Lipopolysaccharide (LPS), die oft eine toxische
Wirkung der Bakterien verursachen. 3.2.3 Geißeln, Pili (Fimbrien)
len mit bestimmten Resistenzen bzw. Sensitivitäten zu Repressorgen blockiert. Diese Blockade kann aufge-
Biologie
3.4 Bakteriengenetik
3.4.3 Antibiotikaresistenz aus evolutions-
3.4.1 Bakterienchromosom, Plasmide biologischer Sicht
(7 Kap. 3.2.7)
Resistenzfaktoren gegen Antibiotika sind den F-Fak-
Im Bakterienchromosom ist die DNA des Bakteriums toren ähnlich und werden durch Konjugation über-
lokalisiert (s. o.). Außerdem besitzt das Bakterium extra- tragen. Ein angereicherter Resistenzfaktor einer Bakte-
chromosomale DNA, die als Plasmid vorliegt. In der rienpopulation kann sich zunächst im eigenen Stamm
DNA gibt es keine Histone. ausbreiten, aber auch in anderen Bakterienarten. Wird
ein Resistenzfaktor aus einer harmlosen Zelle (z. B.
Operon-Modell der Genregulation E. coli) auf einen hochpathogenen Stamm (z. B. Salmo-
Auf der DNA befinden sich Strukturgene für die Pro- nella) übertragen, ist Holland in Not.
teinsynthese und Operatorgene, die wiederum die Etwas weniger gefährlich sind Resistenzen, die
Transkription der Strukturgene kontrollieren. Die Pro- durch Mutationen entstanden sind.
motorregion liegt vor dem Operatorgen und initiiert Bei Antibiotika-Gabe besteht die Gefahr, dass die
die Transkription. Die Einheit aus Promotor-, Opera- mutierten Zellen weiter wachsen und sich unter diesem
tor- und Strukturgenen heißt Operon. Selektionsdruck vermehren. Die unkritische Verab-
Beispiel der Regulation bei E. coli: Das Lactose- reichung von Antibiotika (Therapie banaler Grippen,
Operon enthält die Strukturgene für die Enzyme des Beimengung ins Viehfutter, Zahnpasta etc.) ist daher
Laktosestoffwechsels. Falls keine Laktose vorhanden immer mit der Gefahr verbunden, resistente Bakterien
ist, wird der Operator des Lactose-Operons durch ein zu züchten.
3.6 · Viren
33 3
KLINIK
Eine in der Klinik gefürchtete Candidainfektion
ist die systemische Candidamykose mit Candida 3.6 Viren
Sepsis. Sie betrifft v. a. immun geschwächte Pa-
tienten und es kommt zur hämatogenen Aussaat 3.6.1 Virusbegriff
von Candida-Species mit Absiedlung in verschie-
dene Organe. Viren sind Makromoleküle, die sich nur auf Kosten
anderer Organismen ernähren und vermehren können.
Je nach Wirtspräferenz gibt es Viren, die Bakterien be-
fallen (Bakteriophagen, bakterielle Viren), eukaryon-
3.5.2 Wachstumsformen tische tierische Viren und pflanzliche Viren.
bei Anheftung und Injektion der Nukleinsäuren in die Der wirksamste Schutz gegen bekannte, epidemisch
Wirtszelle von Bedeutung sind. auftretende Virusinfektionen ist die Impfung. Hierbei
Als obligate Zellparasiten ist Viren nur daran ge- wird die Tatsache ausgenutzt, dass der Organismus die
legen, ihr genetisches Material wie ein Kuckucksei Proteinstruktur von Viren nach Impfung mit abge-
anderswo ausbrüten (transkribieren) zu lassen. Eine schwächten oder abgetöteten Erregern wieder erkennt
Hülle aus Protein erkennt geeignete Wirtszellen. und unschädlich macht.
Viren sind nicht nur hervorragende Modelle für
das Verständnis molekularbiologischer Vorgänge,
sondern leider auch Erreger für zahlreiche Erkran- 3.7 Prionen
kungen.
Prionen (engl. proteinaceous infectious particle) sind
sehr kleine infektiöse Molekülkomplexe. Sie kommen
3.6.3 Vermehrung und Genetik in tierischen Organismen natürlicherweise vor, können
normalerweise vom Organismus korrigiert werden. Sie
Viren vermehren sich durch folgende Mechanismen: enthalten kein eigenes genetisches Material. Physio-
4 Adsorption: Die tierischen Viren vermehren sich, logischerweise sollen Prionen auch eine Rolle bei der
indem sie sich zunächst an die ausgewählte Zelle Neurogenese spielen.
anheften.
4 Penetration: Nach Fusion der Virushülle mit der
Zellmembran wird das Capsid in die Wirtszelle in- 3.7.1 Theorien zu Aufbau und Vermehrung
jiziert. Es folgt das Restvirus nach, den die Wirts-
zelle phagozytiert. Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CFD)
4 Uncoating: In der Wirtszelle wird sodann die Pro- Die CFD ist eine sehr selten auftretende Erkrankung,
teinhülle des Virus-Nucleotids aufgelöst, somit das die auf der Veränderung gesunder Proteine in Nerven-
Genom des Virus freigesetzt. zellen des Gehirns durch abnorm gefaltete Prion-
4 Replikation: Der Apparat der Wirtszelle repliziert proteine beruht. Folge ist eine Art Klumpenbildung
nun die fremde Nukleinsäure und Proteine. der Proteine und Induktion von Apoptose der Nerven-
4 Maturation und Liberation: Am Ende wird alles zellen. Der diagnostische Begriff »spongioforme
zu neuen Viren zusammengesetzt, die dann aus der Enzephalopathie« bezeichnet die schwammartige Auf-
Zelle ausgeschleust werden. Dabei geht die Wirts- lockerung des Nervengewebes befallener Gehirnre-
zelle durch Lyse meist zugrunde. gionen.
Die Übertragungsweise ist ungeklärt. Es gibt spora-
Tumorviren dische, genetische Faktoren und übertragene Formen
Falls virale Gene in das Genom der Wirtszelle ein- (selten). Eine Variante mit ähnlichen Symptomen, aber
gebaut werden (Viren als Vektoren), können diese besser verstandenem Übertragungsmodus ist die BSE
zu Tumorzellen transformiert werden. Die Viren be- (Bovine spongioforme Enzephalopathie).
nötigen reverse Transkriptase, d. h., RNA wird mit
diesem viralen Enzym in DNA umgeschrieben. Solche
Viren heißen Retroviren. Beim Menschen ist dies für 3.8 Ausgewählte Kapitel
die adulte T-Zell-Leukämie (HTL-V1), die Haarzell- aus der Ökologie mit Bezügen
Leukämie (HTL-V2) sowie HTL-V3 (HIV) nachge- zur Mikrobiologie
wiesen.
3.8.1 Stoffkreisläufe
Virostatika
Ansatzpunkte für eine spezifische Therapie sind Medi- Kreisläufe für Stickstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff
kamente, die in die Replikation des Virus eingreifen sind wichtig für das Wachstum und Vermehrung der
Interferone sind streng spezies-spezifische, zelleigene organischen Materie.
Abwehrproteine, die bei einer Virusinfektion freige-
setzt werden. Sie unterdrücken auf noch nicht ganz Stoffkreislauf des Stickstoffs
geklärte Weise die Virusentwicklung, u. a. durch Verän- Der Stickstoffanteil der Luft beträgt zwar 78%, aber nur
derung der Zellmembranen, die Bildung eines Transla- wenige Mikroorganismen können ihn als molekularen
tionshemmers und eines exotischen Nucleotids. Stickstoff verwenden, z. B. Bakterien und Blaualgen.
3.8 · Ausgewählte Kapitel aus der Ökologie mit Bezügen zur Mikrobiologie
35 3
Pflanzen können Stickstoff in der Regel nur als Nitrat Populationen können sich verändern. Zu den Dichte-
oder Ammoniak aufnehmen. unabhängigen begrenzenden Faktoren (Gedränge-Fak-
Die Eutrophierung von Gewässern beruht auf der tor) zählen:
übertriebenen Zufuhr von Phosphat, das in Dünger 4 Abiotische Faktoren: Verknappung von Wasser
und Waschmitteln enthalten ist. Dies führt zu verstär- und Nahrung, Klimaänderungen, Unwetter, sowie
ktem Algenwachstum, besonders gefragt sind solche, 4 Biotische Faktoren: Seuchen, Konkurrenzverhal-
die ohne Sauerstoff auskommen (Anaerobier). Sie ten, Parasitenbefall.
produzieren Giftgas (Methan, Schwefelwasserstoffe).
Es kommt zur Faulschlammbildung, der zum Abster- Auch Dichte-abhängige Faktoren beeinflussen die
ben der Lebewesen führt (Umkippen eines Gewässers). Größe einer Population, z. B. die Anzahl ihrer Mit-
Nachgelieferter Sauerstoff könnte das kompensieren. glieder selbst (steigende Zahl von Räubern führt zur
Kläranlagen entlasten die biologischen Systeme, Nahrungsmittelknappheit und Dezimierung der Räu-
indem organische Abwasseranteile kontrolliert in anor- berdichte). Der Sozialindex bezeichnet die Geschlech-
ganische Endprodukte zerlegt werden. terproportion innerhalb einer Population.
2 Mechanik – 48
4 Wärmelehre – 68
5 Elektrizitätslehre – 78
7 Optik – 116
. Tab. 1.1. Die 7 Basisgrößen und Basiseinheiten des . Tab. 1.2. Kurzschreibweise von Zehnerpotenzen
SI-Systems
Vor- Kurz- Zehner- Vor- Kurz- Zehner-
Basisgröße Basiseinheit Zeichen silbe form potenz silbe form potenz
im SI-System
Deka da 101 Dezi d 10–1
Länge Meter m
Hekto h 102 Centi c 10–2
Zeit Sekunde s
Kilo k 103 Milli m 10–3
Masse Kilogramm kg
Mega M 106 Mikro μ 10–6
Elektrische Stromstärke Ampere A
Giga G 109 Nano n 10–9
Temperatur Kelvin K
Tera T 1012 Piko p 10–12
Stoffmenge Mol mol
Lichtstärke Candela cd
Merke
Wird eine zusammengesetzte physikalische Größe
sammengestellt. So hat z. B. die Massendichte ρ eines nicht in einer SI-kohärenten Einheit angegeben,
Stoffs wegen ρ=Masse/Volumen die SI-Einheit kg/m3. so rechnet man sie in eine SI-kohärente Einheit um,
Winkel werden entweder im Gradmaß angegeben, indem man jede angegebene Einheit in Basisein-
wobei 1° dem 360. Teil des Vollkreises entspricht, oder heiten des SI-Systems umrechnet.
als das Verhältnis vom zugehörigen Kreisbogen s zum
Radius r. Dieses dimensionslose Verhältnis wird in der
Einheit Radiant angegeben: Um das Sprechen oder Schreiben von sehr kleinen oder
4 1 Radiant=1 rad=1 m∕1 m; großen physikalischen Größen zu vereinfachen, drückt
4 aus α/360°u2π=1 folgt: 1 rad entspricht einem man gern die zugehörigen Zehnerpotenzen durch ent-
Winkel α=360°/2π=57,296°. sprechende Vorsilben bzw. vor die SI-Einheit gestellte
4 Umgekehrt entspricht 1°=2π/360=0,0174533 rad. Kurzformen aus, wie in . Tabelle 1.2 angegeben.
Skala (Messlatte, Waage, Thermometer, Druckmessge- Erwartungswert <x> um den Wert Δx abweichen, des-
rät, Amperemeter usw.) oder bestimmt die zu messende sen Wahrscheinlichkeit durch eine Gaußsche Normal-
Größe indirekt durch elektrische Verfahren, die ein ge- verteilung der Breite σ gegeben ist. Diese σ-Breite wird
eichtes Zählwerk betätigen (z. B. Gas- und Strom- und dann als Maß für den zufälligen Fehler genommen und
Wasserverbrauchzähler) oder neuerdings durch digi- auch als Streubreite bezeichnet. Ca. ⅔ aller Messwerte
tale Anzeigen. Messungen von physikalischen Größen sind im Intervall ±σ zu erwarten, ⅓ außerhalb.
sind immer fehlerbehaftet. Die Messfehler werden auf Der maximale Fehler einer Einzelmessung setzt
zwei Ursachen zurückgeführt: sich aus der Summe der Beträge des geschätzten sys-
4 systematische Fehler und tematischen und zufälligen Fehlers zusammen. Wird
4 zufällige (so genannte statistische) Fehler. der so definierte absolute Fehler durch die Messgröße
selbst dividiert, erhält man den so genannten relativen
Der systematische Fehler geht auf Unzulänglichkeiten Fehler einer Messung.
der Messapparatur zurück. Zum einen ist die Kalibrie-
rung einer Apparatur immer fehlerbehaftet, zum ande- Merke
ren können Temperatur- oder Druckschwankungen Der absolute Fehler hat dieselbe Einheit wie das
oder andere zeitlich sich ändernde Umwelteinflüsse Messergebnis. Der relative Fehler ist dimensionslos
Einfluss auf die Kalibrierung haben. (Angabe meist in %).
Merke
Kennt man die störenden Faktoren einer Messung
quantitativ, so kann gegebenenfalls auf den syste- 1.2.3 Mittelwert, Streuung und Fehler
matischen Fehler korrigiert werden. des Mittelwerts
1 n 1
2
Dx = Â (xi - x ) = s ¥ .
n(n - 1) i =1 n
1.3 · Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen
43 1
1.2.4 Fehlerfortpflanzung 1.3 Zusammenhänge zwischen
physikalischen Größen
Ist eine physikalische Größe durch mehr als eine Mess-
größe zu bestimmen, so tragen die Fehler jeder Mess- Die Abhängigkeit einer physikalischen Größe von ande-
größe zum Gesamtfehler bei. Betrachten wir der Ein- ren wird in der Physik durch so genannte Größenglei-
fachheit halber nur den maximalen Fehler, so gelten je chungen ausgedrückt. Das heißt, die gefundenen Zu-
nach funktionalem Zusammenhang der Messgrößen sammenhänge von physikalischen Größen werden in
folgende wichtige Regeln: mathematische Formeln oder Gesetze gefasst. Dabei
muss sich das Produkt der Einheiten auf der rechten Sei-
Merke te der Gleichung so zusammenfassen lassen, dass das
Bei der Summation oder Differenzbildung von Ergebnis mit dem Produkt der Einheiten auf der linken
Messgrößen addieren sich die absoluten Fehler Seite übereinstimmt. Um dies zu prüfen, muss man unter
der einzelnen Summanden und Minuenden. Umständen alle verwendeten Einheiten in entsprechende
Setzt sich die zu messende Größe aus dem Pro- Basiseinheiten z. B. des SI-Systems umrechnen.
dukt oder dem Quotienten einzelner Messgrößen Die folgenden Unterabschnitte geben eine Über-
zusammen, so addieren sich die relativen Fehler sicht über die wichtigsten mathematischen Funktionen
der einzelnen Faktoren. und ihren grafischen Verlauf.
Die anschauliche Bedeutung der Proportionali- Abstände aller Messpunkte von der Ausgleichsgeraden
tät ist: Die Größe y ändert sich in gleichem Maß (pro- minimal wird.
zentual oder relativ) wie die Größe x, von der sie ab-
hängt.
Mathematisch gilt allgemein: Die Tangente durch 1.3.4 Die Hyperbel und Darstellung
einen Punkt x der durch die Funktion f(x) gegebenen der umgekehrt proportionalen
Kurve hat eine Steigung, die durch den Differenzial- Abhängigkeit
quotienten, d. h. die erste Ableitung der Funktion f ’(x)
Physik
definiert ist: m=f ’(x)=dy∕dx. Er geht für 2 beliebig nahe Im Falle der umgekehrten Proportionalität (y=c/x) än-
gelegene Punkte aus dem Differenzenquotienten her- dert sich die Größe y in gleichem Maß (prozentual oder
vor. relativ) wie die Größe 1/x, von der sie abhängt. Oder
anders gesagt, sind 2 physikalische Größen umgekehrt
proportional, wenn ihr Produkt yux=c konstant ist.
1.3.3 Die Anpassung von Ausgleichs- Wächst x um einen Faktor, so vermindert sich y um
geraden denselben Faktor.
Grafisch entspricht diese Relation einer Hyperbel.
Bei mehreren gegebenen Messpunkten mit Fehler- Da man eine Gerade an gegebene Daten mit Messfeh-
balken besteht die Auswertung einer Messung häufig lern leichter anpassen kann als an eine Hyperbel, lässt
darin, dass man an die Messdaten eine lineare Funk- sich durch die Substitution z=1/x die Hyperbelfunktion
tion, d. h. eine Gerade anpasst, aus deren Steigung in eine Gerade durch den Ursprung umwandeln: y=cuz
und/oder Achsenabschnitt man die gewünschte (. Abb. 1.3).
Information erhalten will. Mithilfe eines durchsich-
tigen Lineals findet man am leichtesten die gesuchte
Ausgleichsgerade, indem man das Lineal so anlegt, 1.3.5 Das Rechnen mit Potenzen
dass möglichst gleich viele Messpunkte oberhalb wie und Logarithmen
unterhalb der Linealkante liegen und die Abwei-
chungen der Messpunkte von der Geraden möglichst Multipliziert man eine Zahl oder ihr Symbol n-mal
klein sind. mit sich selbst, so schreibt man das Ergebnis verein-
Mathematisch bzw. per Computerprogramm facht an, z. B. 10u10u10u10=104. Diese Schreibweise
macht man das, indem man die Lage der Ausgleichsge- hat auch noch Bedeutung, wenn n keine ganze Zahl ist,
raden solange variiert, bis die Summe der Quadrate der sondern eine beliebige reelle, positive oder negative
y = 12– x
1 y = 3–x
y = 1–x
0 1 2 3 x
1.3 · Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen
45 1
Zahl, und wenn man statt der Basis 10 eine beliebige KLINIK
positive Zahl a einsetzt. Es gelten dabei folgende In Physik und Chemie sowie in Physiologie und Bio-
Regeln: chemie rechnet man gern mit Logarithmen, wenn
Messergebnisse im Bereich von vielen Größenord-
Merke nungen variieren, wie z. B. bei der Angabe von Laut-
anuam=an+m; an∕am=an–m; a0=1, weil an∕an=an–n=a0; stärken in der Akustik (Phonmaß in 7 Kap. 6.3.4)
(an)m=anum; a1∕n=n√a, da (a1/n)n=an/n=a1=a. oder der Azidität von Lösungen (pH-Wert in
Beim Rechnen mit sehr großen und/oder kleinen 7 Kap. 5.7.2).
Zahlen ist es vorteilhaft, alle Zahlen in Zehnerpo-
tenzen zu schreiben und Letztere dann zusammen-
zufassen.
Als Beispiel: 0,00000156u75.400.000/314.000= 1.3.6 Die Exponenzialfunktion und das
1,56u7,54/3,14u10–6+7–5=3,746u10-4. Rechnen mit Logarithmen zur Basis e
1
y
100 y=e x 120° 60°
1
α
sin α
10
Physik
10 –1 1
cos α
1
0,1
240° 300°
–1
0,001
0 1 2 3 4 5 6 7 x
2 Mechanik
Mind Map
Leben ist synonym mit der Vorstellung von Bewe- Zur Beschreibung chemischer Vorgänge ist der Be-
gung: lebende Körper oder einzelner Glieder ändern griff der Stoffmenge ein außerordentlich praktischer
ihre räumliche Lage mit der Zeit, Körperflüssigkeiten und nützlicher. Bezogene Größen sind physikalischen
strömen, Nervenerregungen breiten sich aus, Organis- Größen, die u.a. pro Masse (spezifische Größen), Volu-
men senden und empfangen Schall- und Lichtwellen. men (Dichten) oder Stoffmenge (molare Größen) defi-
Begrifflich unterscheidet man gleichförmige und niert sind.
beschleunigte Abläufe sowohl bei geradlinigen wie Für den Mediziner sind die Eigenschaften fester
auch bei kreisförmigen Bewegungen. Die formel- Körper bei Verformung wichtig für das Verständnis der
mäßige Beschreibung dieser Bewegungen fasst man Ursache von Knochenbrüchen und Bandscheiben-
unter dem Begriff Kinematik zusammen. vorfällen. Auch die Reißfestigkeit von Nähmaterial wie
Während die Kinematik nur die Bewegungen von Prolene gehört zu diesem Themenkreis.
Körpern beschreibt, handelt die Dynamik von Kräf- Der allseitig wirkende Druck in Flüssigkeiten, wie
ten, die auf massebehaftete Körper einwirken und im Bremssystem eines Autos oder modernen Fahrrads,
ihren Bewegungszustand ändern. Grundlage der Phy- ist das zentrale Funktionselement in solchen Systemen.
sik bewegter Körper sind die Newtonschen Axiome. Auch in der Medizin werden diese Drucke als Blutdruck,
Bei Bewegungen um ein Zentrum spielen Dreh- Augeninnendruck und osmotischer Druck gemessen.
moment, Trägheitsmoment und Drehimpuls dieselbe Der mit der Tiefe zunehmende Schweredruck ist für den
Rolle wie Kraft, Masse und Impuls bei linearen Bewe- Auftrieb von Körpern in Flüssigkeiten verantwortlich.
gungen. In der Medizin sind die resultierenden Ge- Die Moleküle eines Mediums üben anziehende
setze von Hebelwirkung, Schwerpunkt und Gleich- Kräfte aufeinander aus, was an der Oberfläche von Flüs-
gewicht wichtig für das Verständnis vieler Werkzeuge, sigkeiten zur Ausbildung einer Oberflächenspannung
Maschinen und Körperfunktionen, wie z. B. vom Ab- führt. An der Grenzfläche zu einem anderen Medium
lauf der Kraftübertragung beim Fahrrad fahren. erfahren diese Moleküle eine stärkere oder schwächere
Energie, Arbeit und Leistung sind zentrale Be- Anziehung zu den Molekülen des anderen Mediums.
griffe der Physik und Chemie sowie der Physiologie Diese Kräfte sind verantwortlich für das Verhalten von
und Biochemie. In der Medizin kommen sie bei Mes- Flüssigkeiten in Kapillaren, für die Existenz von Seifen-
sungen der Leistungsfähigkeit von Patienten mit Hilfe blasen und in der Medizin für die Gewinnung einer
von Ergometern vor oder bei der Bestimmung des kapillaren Blutprobe oder die Größe von Tropfen aus
Energieumsatzes der aufgenommenen Nahrung. Arzneifläschchen.
Körperliche Arbeit geht immer einher mit Wärmeer- Die Gesetzmäßigkeiten bei der Strömung von Flüs-
zeugung und deren Abfuhr durch Verdunstung. Auch sigkeiten und Gasen sind grundlegend für das Verständ-
der Mediziner sollte wissen, was die bei Geräten und nis der Vorgänge bei Atmung, Blutkreislauf, Infusion und
Maschinen angegebenen Leistungsangaben in Watt Injektion.
bedeuten.
50 Kapitel 2 · Mechanik
. Tab. 2.1. Wichtige Größen und Beziehungen für lineare . Tab. 2.2. Wichtige Größen und Beziehungen für lineare
Bewegungen bei konstanter Geschwindigkeit Bewegungen bei konstanter Beschleunigung ohne/mit
Anfangsgeschwindigkeit
Physikalische Sym- Formel SI-Einheit
Größe bol Physikalische Formel SI-Ein-
Größe heit
Mittlere Ge- s - s Ds m/s=Meter/
v v= 2 1=
schwindigkeit t2 - t1 Dt Sekunde Konstante Be- dv Dv
a= @ = konst . m/s2
schleunigung a dt Dt
Physik
Momentane Ds ds m/s=Meter/
v v = lim =
Geschwindig- Dt Æ0 Dt dt Sekunde Momentan- v(t) = a ¥ t m/s
keit geschwindig-
Zurückgelegter s s = v ¥t m=Meter keit v ( t )
Weg t
Position s(t )
s( t ) = Ú v ( t ) ¥ dt = 21 ¥ a ¥ t 2 m
als Funktion 0
der Zeit
2.1 Bewegungen Geschwindig- v (t ) = v 0 + a ¥ t m/s
keit v (t ) bei
2.1.1 Lineare Bewegungen Anfangs-
geschwindig-
keit v 0
Die wichtigsten physikalischen Größen für geradlinige
Bewegungen und ihre Beziehungen zueinander sind in Position s(t ) s(t ) = v 0 ¥ t + 21 ¥ a ¥ t 2 m
. Tabelle 2.1 zusammengestellt. bei Anfangs-
Legt ein Körper im Zeitintervall Δt=t2–t1 die Weg- geschwindig-
strecke Δs=s2–s1 zurück, so definiert der Differenzen- keit v 0
quotient v=Δs/Δt dessen mittlere Geschwindigkeit im
gegebenen Zeitintervall.
Die momentane Geschwindigkeit des Körpers er-
hält man aus dem Differenzialquotienten v(t)=ds/dt, Weg gleich dem Integral über die Geschwindigkeit nach
wenn man den Quotienten v=Δs/Δt für beliebig kurze der Zeit (. Tab. 2.2).
Zeitintervalle betrachtet. Das heißt, die Momentan- t
n
geschwindigkeit ist die erste Ableitung des Weges nach s (t ) = Â v(ti ) ¥ Dti = Ú v (t ) ¥ dt .
der Zeit. Ihr entspricht im Weg-Zeit-Diagramm die i=1 0
Steigung der Kurve im entsprechenden Zeitpunkt
(. Abb. 2.1). Der nach den Regeln der Integration gewonnene Faktor
Eine konstante Geschwindigkeit v=konstant stellt ½ ist grafisch in . Abbildung 2.2 direkt sichtbar, da die
sich deshalb im Diagramm als ein gerades Kurvenstück Dreiecksfläche bis zu jedem beliebigen Punkt t ja gleich
dar, da ja die Geschwindigkeit als Steigung definiert ist. ½uv(t)ut ist.
Der in der Zeit t zurückgelegte Weg ist dann propor- Setzt man in die Formeln von . Tabelle 2.2 für a die
tional zur vergangenen Zeit. Erdbeschleunigung g=9,81 m/s2 ein, so erhält man die
Ändert sich die Geschwindigkeit mit der Zeit, so Gesetze des freien Falls, wobei man bei Höhe Null star-
definiert der entsprechende Differenzen- bzw. Diffe- tet und die Falltiefe s(t) berechnet. Um die Strecke s zu
renzialquotient a die wichtige physikalische Größe Be- durchfallen, braucht der Körper die Zeit t = 2s g und
schleunigung. Sie hat die Dimension Weg/Zeit2. Eine hat dann die Geschwindigkeit v = 2s ¥ g .
negative Beschleunigung entspricht dabei einer Ab-
bremsung bzw. einer Beschleunigung in entgegenge-
setzter Richtung. 2.1.2 Kreisförmige Bewegungen
Bei konstanter Beschleunigung a (mit v(0)=0)
nimmt die Geschwindigkeit linear mit der Zeit zu. Im Die wichtigsten Größen bei kreisförmigen Bewegungen
Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm (. Abb. 2.2) ent- und ihre Beziehungen zueinander sind in . Tabelle 2.3
spricht dann der bei konstanter Beschleunigung zu- zusammengestellt.
rückgelegte Weg der Fläche unter der Kurve v(t), da sich Bewegt sich ein Punkt mit konstanter Geschwin-
der Weg aus vielen kleinen Teilstücken Δs=v(t)uΔt zu- digkeit v um den Mittelpunkt eines Kreises im Abstand
sammensetzt. Mathematisch ist dann der zurückgelegte R, so legt er die Strecke Kreisumfang (=2πuR) in der
2.2 · Impuls, Kraft, Kräfte
51 2
1 w s–1=Hz=
. Abb. 2.1. Geschwindigkeit als Steigung im Weg-Zeit- Umlauffrequenz f= =
T 2p Hertz
Diagramm: Konstante Geschwindigkeit entspricht einer
Geraden mit konstantem Differenzenquotienten, die momen- Geschwindigkeit 2p ◊ R
v =w ¥R = m/s
tane Geschwindigkeit v(t) ist exakt gleich der Steigung der {R = Kreisradius} T
Tangente ds/dt in jedem Punkt der Kurve. (Harten 2006)
Zentripetalbe- aj = R ¥ w 2 = v ¥ w = v 2 R m/s2
schleunigung
Merke
Alle periodischen Vorgänge wie Schwingungen
und Wellen, aber auch Wechselströme und Wech-
selspannungen können durch gleichförmige Kreis-
bewegungen dargestellt werden (. Abb. 1.5).
2.3.1 Drehmoment
nische Arbeit W das Produkt aus Kraft mal Weg, ge- 2.5.2 Dichten bzw. volumenbezogene
nauer das Produkt aus Kraftkomponente in Richtung Größen
des Weges F ¥ cos a und Weg s.
Die Massendichte (Dichte) wird in kg/m3 oder g/cm3
Merke angegeben. Zu den Dichten zählen auch Konzentra-
W = F ¥ cos a ¥ s , wobei α den Winkel zwischen tionen, die in g/l Lösungsmittel oder als Molkonzen-
Weg- und Kraftrichtung bedeutet. tration in mol/l oder mol/m3 zu schreiben sind.
Die SI-Einheit der Arbeit ist:
Physik
2.5 Mengengrößen, bezogene Die wichtigsten Begriffe werden in . Tabelle 2.5 erklärt.
Größen
Längenänderung x gerichtet. Ist die Verformung rever- Flüssigkeitsvolumen ausgeübt, so wirkt im Volumen
sibel (elastisch), so speichert sie die potenzielle Energie ein richtungsunabhängiger hydrostatischer Druck
W = 1/ 2 D ¥ x 2 .
Eine universelle Schreibweise des Hookeschen p = F A [Pa].
Gesetzes lautet:
Anwendungen sind:
s = E ¥ Dl l = e ¥ E , 4 Manometer,
4 hydraulische Presse zur Kraftverstärkung, da
wobei e = Dl l die relative Längenänderung (Dehnung F2 >> F1 für A2 >> A1 gemäß p = F1 A1 = F2 A2 .
oder Stauchung) bezeichnet und die wirkende Druck-
bzw. Zugspannung durch s = F A (Kraft F pro Quer-
schnittsfläche A) definiert ist. 2.7.2 Schweredruck und Auftrieb
Die nur noch material- aber nicht mehr geometrie-
abhängige Größe E ist der so genannte Elastizitätsmo- Flüssigkeiten sind praktisch inkompressibel, d.h. ihr
dul. E und σ werden in der Einheit Pascal (1 Pa=1 N/m2) Kompressionsmodul Q nach DV V = p Q ist sehr
angegeben. groß. Bereits ohne von Außen aufgeprägten Druck
Ähnliche Beziehungen gelten für quer zu einer nimmt im Schwerefeld der Erde der hydrostatische
Angriffsfläche wirkende Verformungen, die man Druck p in Flüssigkeiten mit der Tiefe h linear zu.
Scherung nennt (die auch in die Beschreibung von Es gilt: p = rFl ¥ g ¥ h [Pa],
Torsionen eingeht). Sie ist durch den ebenfalls wenn ρFl die Dichte der Flüssigkeit in kg/m3,
materialunabhängigen Schermodul G gekennzeich- g=9,81 m/s2 und die Tiefe h in m eingesetzt wird.
net. Da immer G < E gilt, führen Scher- und Torsions- Genau 10,33 m Wassersäule (für ρFl=1000 kg/m3)
spannungen zu größeren Verschiebungen und daher entsprechen danach dem Normaldruck von
leichter zu Brüchen als gleich große Zug- oder Druck- 1013,25 hPa.
spannungen. Wegen der Zunahme des Schweredrucks mit der
Das Hookesche Gesetz gilt nur für den linearen elas- Tiefe erfahren alle in Flüssigkeiten (und Gasen) eintau-
tischen Bereich von Verformungen. chenden Körper eine der Schwerkraft entgegengesetzte
Auftriebskraft:
Merke
Das Archimedische Prinzip lautet: Der Auftrieb ist
gleich dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit!
2.8.1 Oberflächenspannung
KLINIK Kontinuitätsgleichung
Die Oberflächenspannung ist auch für das Tropfen- Die Stromstärke I einer Flüssigkeits- oder Gasströmung
volumen aus einem Arzneifläschchen mit dem ist das durch einen Querschnitt fließende Volumen
Außendurchmesser d verantwortlich: pro Zeiteinheit I = DV Dt [m3/s]. Da Flüssigkeiten
praktisch inkompressibel sind, muss sich die jeweilige
p ¥ d ¥s
VTropfen = . Strömungsgeschwindigkeit v mit dem Querschnitt A
r¥g
ändern.
Dabei steht ρ für die Dichte der Flüssigkeit und g Die Umformung I = DV dt = A ¥ Ds Dt = A ¥ v =
die Erdbeschleunigung. Umgekehrt misst man konst. führt zur Kontinuitätsgleichung A1 ¥ v1 = A2 ¥ v2 ,
beim Stalagmometer die Oberflächenspannung d. h., die Fließgeschwindigkeiten verhalten sich umge-
bei bekannter Größe von VTropfen , ρ, d und g. kehrt proportional zu den Rohrquerschnitten.
Bernoullische Gleichung
Je schneller eine Strömung ist, umso höher ist dort
2.8.2 Kapillarwirkung ihre kinetische Energie pro Volumen. Die Größe
pStau = rFl ¥ v Fl
2 nennt man Staudruck, der als An-
Kapillaranhebung: Grenzt eine Flüssigkeit an einen druck einer Strömung spürbar ist.
festen Körper und überwiegen die Adhäsionskräfte die Für reibungsfreie Strömungen gilt wegen Energie-
Kohäsionskräfte, so ist die Flüssigkeit benetzend und erhaltung die so genannte Bernoullische Gleichung:
steigt im Schwerefeld an der Wand hoch (. Abb. 2.4 pGesamt = pStatisch + pStau = konst .
links). Der Meniskus ist nach oben gekrümmt. Für die Dabei wird unter pStatisch der örtlich wirkende hy-
Steighöhe h einer in eine Flüssigkeit eintauchenden Ka- drostatische Druck verstanden. Die Bernoullische Be-
pillaren vom Radius r erhält man mit den anderen be- ziehung erklärt die Abnahme des statischen Drucks
reits erklärten Größen h = 2s (r ¥ g ¥ r)[m]. mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit und er-
Kapillardepression: Umgekehrt sinkt bei nicht be- klärt u.a.
netzenden Flüssigkeiten, wie Quecksilber, der Flüssig- 4 die Saugwirkung von Wasserstrahlpumpen und
keitsspiegel im Kapillarrohr unter den der Umgebung, Zerstäubern,
2.9 · Strömung von Flüssigkeiten und Gasen
57 2
Laminare Strömungen sind relativ langsame, wirbel- Bei Sedimentationsvorgängen entweder im Schwe-
freie Strömungen, auch wenn in verschiedenen Schich- refeld der Erde (1) oder im Beschleunigungsfeld
ten (Lamellen) unterschiedliche Geschwindigkeiten der Zentrifuge (2) stellen sich die »Fallgeschwin-
angetroffen werden. So bildet sich in Röhren ein para- digkeiten« v stets so ein, dass die Reibungskräfte FR
belförmiges Geschwindigkeitsprofil aus – mit maxima- gleich der um den Auftrieb der Körper verminderten
ler Geschwindigkeit in der Mitte des Rohrs und v=0 an beschleunigenden Kräfte sind. Die sich daraus erge-
der Rohrwand (. Abb. 2.5). benden unterschiedlichen Geschwindigkeiten zweier
Bei diesen so genannten Newtonschen Flüssig- in Dichte und/oder Radius differierenden Stoffe füh-
keiten ist der Volumenstrom durch eine Röhre propor- ren im Laufe der Zeit zur räumlichen Trennung der
tional zum Druck. Im Gegensatz dazu stehen die Nicht- beiden.
Newtonschen Flüssigkeiten – auch Bluttransport durch Im ersten Fall ist FR = rK ¥ VK ¥ g - rFl ¥ VK ¥ g ,
Kapillaren gehört dazu –, deren Strömung im Extremfall während im zweiten Fall gilt:
der von Zahnpasta gleicht. FR = (rK ¥ VK - rFl ¥ VK ) ¥ R ¥ w 2 .
58 Kapitel 2 · Mechanik
setz von Hagen-Poiseuille. Für die Volumenstromstärke durch alle Teile. Bei der Parallelschaltung von Rohren
gilt: fällt über allen der Druck gleich stark ab, es addieren
p ¥ r4 ¥ p sich dann die Ströme bzw. die Kehrwerte der Leitungs-
IV = [m3/s]. widerstände.
8 ¥h ¥l
Hier bedeuten r den Rohrradius, l die Rohrlänge und p Merke
den Druckabfall über die Länge l. Da die maximale Ge- r4-Gesetz: Der Leitungswiderstand von Rohren ist
schwindigkeit auch noch vom Rohrradius anhängt umgekehrt proportional zu r4.
(. Abb. 2.5), ist die Stromstärke proportional zu r4.
Als Reibungswiderstand R definiert man den Quo-
tienten: In 7 Kapitel 5.4.2 der Elektrizitätslehre wird der Gesamt-
widerstand von Serien- und Parallelwiderständen for-
R = p IV = 8h ¥ l (p ¥ r 4 ). melmäßig beschrieben. Dabei entsprechen hier Druck
und Volumenstromstärke dort elektrischer Spannung
Diese Formel erklärt die starke r-Abhängigkeit der und Stromstärke.
Strömungswiderstände von Kapillaren beim Blutkreis-
lauf des Menschen.
Physik
61 3
Mind Map
Die kleinste Einheit des Lebens ist die Körperzelle. tische Strahlungen auch Teilchencharakter haben,
Ihre wesentlichen Eigenschaften und möglichen Ver- tragen die Gesetze der Quantenmechanik exakt Rech-
haltensweisen werden durch die im Zellkern stecken- nung, während die Gesetze der klassischen Physik hier
den Informationsträger festgelegt, die DNS-Riesen- oft versagen. Aber für unsere nur an die alltäglichen
moleküle. Leben bedeutet Stoffwechsel durch den Phänomene der Makrowelt angepassten Vorstellungen
programmierten Auf- und Abbau und Transport von erscheinen die Aussagen der Quantenphysik ebenso
Molekülen innerhalb der Zelle und von Zelle zu Zelle. wie die der Relativitätstheorie oft paradox.
Eine ähnliche Hierarchie existiert für die Atome, Materielle Stoffe kommen bei nicht zu hohen Tem-
die kleinsten materiellen Bausteine der Moleküle. Die peraturen im festen, flüssigen oder gasförmigen Aggre-
Wechselwirkung mit anderen Atomen spielt sich im gatszustand vor. Beim menschlichen Körper zählen
Wesentlichen über die Valenzelektronen der äußeren Knochen, Zähne, Bindegewebe, Haut und Haar und
Schalen der Atomhülle ab, aber die Zahl der Protonen vieles andere mehr zu den festen, Blut, Lymphe, Spei-
im Atomkern legt die chemische Natur des Atoms chel, Tränen und Urin zu den flüssigen, und Sauerstoff,
fest. Der Tatsache, dass die kleinsten Konstituenten Stickstoff und Kohlendioxid in der Lunge zu den
der Materie auch Wellencharakter und elektromagne- wesentlichen gasförmigen Bestandteilen.
62 Kapitel 3 · Struktur der Materie
wobei die Ai die relativen Atommassen der beitragen- tischen Abstoßung durch die gleichnamig positiv gela-
den Elemente i der Ordnungszahl Zi und ci deren rela- denen Protonen im Kern. Beim α-Zerfall und bei der
tive Häufigkeit im betrachteten Molekül bedeuten. Kernspaltung treibt diese Abstoßung jedoch die gela-
denen Kernbruchstücke auseinander.
der Medizin bei PET-Scannern (Positronenemis- külen, Atomen und Kernen ausmessen, und so auf deren
sionstomographie, 7 Kap. 8.1.5) als Strahlungsquelle innere Struktur schließen.
dient. Nach der Quantenmechanik hat das Elektron (s. u.)
Die Äquivalenz von Energie und Masse wird be- einen diskreten Grundzustand (n=1) und diskrete
sonders bei der Kernspaltung deutlich: Die Summe der Anregungen (n>1), während nach der klassischen Phy-
Massen der Spaltfragmente ist um den Betrag geringer sik die um den Kern kreisenden Elektronen kontinuier-
als die Masse des spaltfähigen Kerns, der der frei wer- lich Energie abstrahlen und schließlich in den Kern
denden kinetischen Energie der Spaltfragmente ent- stürzen müssten. Die Konsequenz wäre, dass Atome
Physik
spricht (Massendefekt!). Die kinetische Energie eines höchstens Kerndurchmesser hätten und keine diskreten
Teilchens beträgt Energiezustände. Diese sind aber der Garant dafür, dass
Ekin = (m - m0 ) ¥ c 2 , und geht für v<<c in die klas- es chemisch stabile Moleküle gibt, weil bei nicht zu
sische Formel Ekin = 1 2 m0 ¥ v 2 über. hohen Temperaturen die Zitterbewegung von sto-
ßenden Teilchen nicht den nächsthöheren Molekül-
Merke zustand anregen kann, der evtl. zu Molekülaufbruch
Atomare Energieeinheit: 1 eV=1,602u10–19 J. oder zu anderen Konfigurationen führt.
Gesamtenergie E=m(v)uc2 (v bzgl. System des Da die DNS der Zelle besonders fest gebunden ist,
Beobachters). ist sie besonders temperaturbeständig und wird im All-
E0(e–)=511 keV≈0,5 MeV; gemeinen unverändert vererbt.
E0(p)=938 MeV≈1000 MeV.
Quantenmechanische Atomstruktur
Die Naturkonstante h und die Elementarladung e gehen
Quantenphysik und Plancksches auch in die Beschreibung der diskreten n Bindungszu-
Wirkungsquantum stände eines einzelnen Elektrons im Feld eines Kerns
Dem Wellenaspekt von materiellen Teilchen wie dem der Ordnungszahl Z ein:
Elektron, aber auch von Atomen und Molekülen, trägt
die Quantenmechanik ebenso Rechnung wie dem Teil- En = -13, 6 ¥ Z 2 ¥ n -2 eV.
chenaspekt von Licht und anderen elektromagnetischen
Strahlungen. Für Teilchen der Masse m und der Ge- Je größer n, umso kleiner ist die Bindungsenergie des
schwindigkeit v berechnet man die zugehörige de-Bro- Elektrons. Man nennt n die Hauptquantenzahl (n=1,
glie-Wellenlänge nach l = h (m ¥ n ) . 2, 3, …).
Umgekehrt kann die Energie von elektromag- Im Bohrschen Atommodell kam man zu dieser
netischen Wellen nach E = h ¥ f nur gequantelt emit- Formel, indem man forderte, dass der Bahndrehimpuls
tiert oder absorbiert werden, wobei f die Frequenz der L=rumuv=luh/2π des den Kern im Abstand r umkrei-
Strahlung ist. senden Elektrons als ganzzahliges Vielfaches von h/2π
In beiden Fällen ist dieselbe Konstante h wichtig: gequantelt ist (Nebenquantenzahl l=0, 1, 2,…).
das Plancksche Wirkungsquantum h=6,626ⴛ10–34 Js. Gleiche Ergebnisse liefern die quantenmecha-
In der Atomphysik drückt man 1 As in Einheiten der nischen Formeln von Heisenberg und Schrödinger.
Elementarladungen e aus (s. o.) und erhält dann Dabei hat die quantenmechanische Beschreibung des
Atoms die anschauliche Vorstellung aufgegeben, dass
h=4,136u10–15 eVs. die Elektronen auf Kreis- oder Ellipsenbahnen den
Kern umkreisen. Man berechnet stattdessen die Vertei-
Merke lung von Aufenthaltwahrscheinlichkeiten des Elek-
De-Broglie-Wellenlänge: l = h ( m ¥ n ). trons, die als Elektronenwolken bildhaft dargestellt
Lichtquantenenergie E(f)=huf=huc/λ (wegen f=c/λ werden.
auch als Funktion der Lichtwellenlänge λ). Danach gibt es für jedes l<n genau (2ⴛl+1) räum-
liche Verteilungen des Elektrons hinsichtlich der Rich-
tung eines magnetischen Feldes (magnetische Quan-
Quanten des sichtbaren Lichts haben eine Energie von tenzahl m=–l,–l+1, …, 0, …, +l). Jeder dieser Subzu-
einigen eV, Quanten der harten Röntgenstrahlung von stände kann wiederum auf zwei Weisen besetzt werden,
um die 100 keV (. Tab. 6.2 in 7 Kap. 6.4). Durch hoch- weil der Eigendrehimpuls des Elektrons S=½ⴛh/2π
auflösende Spektroskopie elektromagnetischer Strah- sich nur parallel oder antiparallel zu einem gegebenen
lung vom Infraroten bis zur γ-Strahlung kann man dis- Magnetfeld ausrichten kann (magnetische Spinquan-
krete Übergänge zwischen den Energieniveaus in Mole- tenzahl mS=±½).
3.2 · Festkörper, Flüssigkeiten, Gase
65 3
Dies gibt zusammenaddiert für jedes n jeweils 2n2 Nachlassen der Spannungen wieder zurück. Allerdings
mögliche Zustände. kommt es bei zu großen Kräften zu plastischen Verfor-
Im Prinzip besetzen bei einem neutralen Atom die mungen (nicht-Hookescher Bereich) oder gar zum
Z Elektronen alle so gegebenen Zustände mit der größ- Bruch.
ten Bindungsenergie, wobei der Reihe nach alle durch Man unterscheidet
die Hauptquantenzahl n gegebenen Schalen bzw. die 4 Festkörper mit kristalliner Struktur (mit regelmä-
durch die Nebenquantenzahl gegebenen Unterschalen ßiger Anordnung von Atomen bei Metallen, oder
gefüllt werden. von Molekülen [z. B. bei verschiedenen Zuckern],
oder von positiven und negativen Ionen bei Salzen
Merke mit Ionenbindung) von
Pauli-Prinzip: 2 Elektronen können nicht denselben 4 festen Stoffen ohne erkennbare symmetrische Struk-
Zustand bevölkern, sie müssen sich mindestens in tur (z. B. Gläser, amorphe Stoffe).
einer der 4 Quantenzahlen n, l, m, mS unterscheiden!
Viele Kunststoffe, wie z. B. Gummi, enthalten lang
gestreckte Molekülfäden, die unterschiedlich stark ver-
Im Sprachgebrauch der Physik und Chemie werden netzt sind. Die zusätzliche Einlagerung verschiedener
Elektronen mit der Hauptquantenzahl n=1, 2, 3 und 4 Stoffe ermöglicht z. B. bei Autoreifen ganz spezielle
entsprechend der K-, L-, M- und N-Schale zugeordnet, Eigenschaften hinsichtlich Dehnbarkeit, Festigkeit,
während die Buchstaben s, p, d, f und g Orbitale mit den Abrieb und Temperaturverhalten. Noch komplexer in
Nebenquantenzahlen l=0, 1, 2, 3 und 4 kennzeichnen. Aufbau und Eigenschaften sind die Gewebe von Pflanze,
Ein bestimmter Orbital ist zusätzlich durch die magne- Tier und Mensch.
tische Quantenzahl m charakterisiert und wird maxi- Als Funktion der Temperatur führen die Atome
mal von 2 Elektronen mit ms=±½ bevölkert (7 Kap. GK bzw. Moleküle (kurz Teilchen) Schwingungen um die
Chemie 1.2). Ruhelage aus. Jedes Teilchen hat bezüglich jeder der
Die Schalenvorstellung gründet auf dem Ergebnis, 3 Raumrichtungen die Freiheitsgrade der kinetischen
dass für Elektronen der Hauptquantenzahl n der mitt- und der potenziellen Energie, also insgesamt 6 Frei-
lere Abstand vom Atomkern proportional zu n2/Z ist, heitsgrade.
also stark mit n anwächst. Nach der kinetischen Theorie der Wärme ist die
Da sich aber im Atom mit Z>1 die Elektronen ge- mittlere Energie pro Freiheitsgrad
genseitig abstoßen und die inneren Schalen die Kern- Ef=½kuT mit k=1,38u10–23 J/K (k ist die Boltz-
ladung für die äußeren Schalen abschirmen, geben die mannkonstante, T die absolute Temperatur).
bisherigen Ausführungen nur ein ungefähres Bild von Tatsächlich haben die meisten Metalle näherungs-
den wahren Verhältnissen. weise die molare Wärmekapazität (Regel von Dulong
Generell gilt, dass für die chemischen Eigenschaf- und Petit): Cw(molar)=6u½kuNA≈25 J/(Kumol).
ten der Atome praktisch nur Elektronen der äußer-
sten Schale bzw. Unterschale verantwortlich sind
(Näheres zum Periodensystem der Elemente und 3.2.2 Flüssigkeiten
zur chemischen Bindung von Atomen zu Molekülen
7 Kap. Chemie 1.3 und 2). Übersteigt die Energie der statistischen Temperaturbe-
wegung die Energie, die ein Teilchen an die umgebenden
Teilchen des Kristallgitters gebunden hat, so kann es
3.2 Festkörper, Flüssigkeiten, Gase sich frei gegen die anderen bewegen; man sagt, ein Stoff
schmilzt und geht in seine flüssige Phase über. Dabei
3.2.1 Festkörper muss bei der Schmelztemperatur dieselbe Schmelz-
wärme aufgewendet werden, die bei der Erstarrung der
Feste Stoffe zeichnen sich dadurch aus, dass die sie Flüssigkeit als Erstarrungswärme frei wird.
konstituierenden Moleküle oder Atome aufgrund an- Im Allgemeinen haben Schmelzen eine geringere
ziehender Kräfte eine räumlich feste Lage zueinander Dichte als ihr fester Aggregatszustand, sodass der feste
haben. Bei nicht zu großen Zug-, Druck- oder Scher- Körper in ihnen zu Boden sinkt (Ausnahme Eis in Was-
spannungen verschieben sich die Moleküle etwas ge- ser: ρEis≈0,9uρWasser). Flüssigkeiten bilden unter der Ein-
geneinander. Die dadurch bewirkte Formänderung des wirkung der Schwerkraft eine zu dieser senkrechte Ober-
makroskopischen Körpers wird durch die Elastizitäts- fläche aus (7 Kap. 2.8), weil die Teilchen dort nur noch
und Schermodule (7 Kap. 2.6) beschrieben, sie geht bei die anziehenden van-der-Waals-Kräfte der darunter be-
66 Kapitel 3 · Struktur der Materie
findlichen Teilchen spüren. Teilchen an der Oberfläche zwei Stößen ist viel größer als ihr Durchmesser und die
erhalten mit zunehmender Temperatur immer leichter bei Zusammenstößen mit anderen Molekülen wir-
so viel Energie, dass sie die verbleibende Bindungsenergie kenden van-der-Waals-Kräfte spielen bei den im All-
an die umgebenden Moleküle aufbringen und als ver- gemeinen elastischen Zusammenstößen von Teilchen
dampftes Teilchen in den Gasraum übergehen. eine vernachlässigbare Rolle ‒ das Verhalten von Gasen
Umgekehrt können Teilchen aus der Dampfphase wird dann in guter Näherung durch punktförmige Teil-
an der Flüssigkeitsoberfläche kondensieren, wobei die chen beschrieben. Jedes Teilchen hat die mittlere Ener-
zum Verdampfen notwendige Energie (Siedewärme) gie 3/2kⴛT entsprechend den in 7 Kapitel 3.2.1 bespro-
Physik
4 Wärmelehre
Mind Map
Alles Leben, insbesondere tierisches und mensch- Wasserdampf abgegeben. Um den Atmungsvorgang
liches Leben, ist nur in einem engen Temperaturbe- quantitativ beschreiben und verstehen zu können,
reich möglich. Deshalb ist es auch notwendig, dass muss man den Zusammenhang der interessierenden
wir Temperatur − wie sonst kaum eine physikalische Zustandsgrößen und die Partialdrücke der beteiligten
Größe − direkt sinnlich wahrnehmen können. Aller- Gase und Dämpfe kennen.
dings können wir mit unserem Temperatursinn nur Sofern Moleküle sich nicht ab einer bestimmten
qualitativ angeben, ob das gefühlte Objekt kälter Temperatur zersetzen, kommen die aus ihnen zusam-
oder wärmer als die empfindende Haut ist. Da sich mengesetzten Stoffe in der festen, flüssigen und gas-
aber sehr viele physikalische Größen mit der Tempe- förmigen Phase vor. Vertraut sind uns das Schmelzen
ratur ändern, gibt es technisch viele Möglichkeiten, von Eis und einigen Metallen, das Verdunsten und
Temperaturen zu messen. Sieden von Wasser und das sich Verflüchtigen von Rei-
Temperatur ist ein Maß für die mittlere Energie nigungsmitteln und medizinischen Sprays.
pro Freiheitsgrad, die die Moleküle in Gasen, Flüssig- Lebende Systeme bedienen sich praktisch aller
keiten oder Festkörpern haben. Wärme ist eine Ener- bekannten Transportarten, um Materie, Wärme und In-
gieform, für die zusammen mit anderen Energie- formation mit ihren Subsystemen und der Umgebung
formen der Satz von der Erhaltung der Gesamtener- auszutauschen. Einer der Mechanismen der Wärme-
gie eines abgeschlossenen Systems gilt. Das besagt übertragung ist z. B. die Konvektion.
der 1. Hauptsatz der Wärmelehre. Der 2. Hauptsatz Die vielen Möglichkeiten, die feste, flüssige und
beinhaltet u.a., welcher Bruchteil davon bei Kreis- gasförmige Stoffe haben, sich in den jeweils anderen
prozessen maximal in mechanische Arbeit umgesetzt Medien zu lösen, finden alle Anwendung in der Medi-
werden kann. Auch bei körperlicher Tätigkeit wandelt zin. Elementar ist beispielsweise die Lösung, also Ab-
sich die chemische Energie der aufgenommenen sorption, von Sauerstoff in Blut. Eigenschaften und
Nahrung überwiegend in Wärme um. Diese muss Zeitverhalten dieser verschiedenen Stoffgemische hän-
abgeführt werden, damit sich die Temperatur des gen wesentlich von der thermischen Bewegung der
Körpers nicht zu stark erhöht. Dabei spielt die Wärme- gelösten Teilchen ab, bei festen Körpern noch stark von
kapazität des Körpers eine wichtige Rolle. deren Oberflächenstruktur.
Bei der Atmung wird in der Lunge aus der Luft
Sauerstoff aufgenommen und Kohlendioxid und
70 Kapitel 4 · Wärmelehre
doch die absolute Temperatur T, die in Kelvin [K] ge- tur, andere nutzen die Zunahme des Widerstandes von
messen wird. Wie in 7 Kapitel 3.2 bereits ausgeführt, Metallen zur Messung hoher Ofentemperaturen. Die
haben bei einem gleichmäßig erwärmten Körper alle Infrarotstrahlung, die Körperoberflächen bereits bei
anregbaren Freiheitsgrade die gleiche mittlere Energie Zimmertemperatur aussenden, kann gut zur Messung
Ef=½kT. Für das Teilchen eines Gases bedeutet dies von Temperaturverteilungen mithilfe von Infrarotka-
meras herangezogen werden, da die Intensität I propor-
Ekin = 1 2 mv 2 = 3 2 kT . tional zu T4 variiert (Plancksches Strahlungsgesetz).
4 Die Entropie eines abgeschlossenen Systems das 3fache der geleisteten Arbeit als Wärme abgeführt
nimmt im thermodynamischen Gleichgewicht ein werden (Näheres dazu 7 Kap. 4.5).
Maximum an, es stellt sich der wahrscheinlichste
Zustand ein (z. B. Temperaturausgleich bei Kontakt
oder Mischung zweier Stoffe unterschiedlicher 4.3 Gaszustand
Temperatur).
4 Wärmeenergie lässt sich nie vollständig in mecha- 4.3.1 Zustandsgrößen und allgemeine
nische Energie oder eine andere makroskopische Gasgleichung
Physik
T0=273,15 K), so erhält man einheitlich für alle idealen Ein typisches Beispiel dafür ist der sichtbare Atemnebel
Gase ein Molvolumen Vmolar=22,4 l. in kalter Winterluft.
Werden je 2 Zustandsgrößen als konstant voraus- Die absolute Luftfeuchtigkeit gibt die Wasser-
gesetzt, so erhält man die folgenden Gasgesetze mit dampfdichte ρD in g/m3 an. Unter relativer Luftfeuch-
z. T. historischen Namen (grafische Darstellung in tigkeit versteht man das Verhältnis von absoluter Luft-
. Abb. 4.1): feuchtigkeit zu Sättigungsdampfdichte bei der betrach-
4 Gesetz von Boyle-Mariotte: p~1/V (n und T sind teten Temperatur der Luft. Die Temperatur, bei der
konstant) (Isothermen in . Abb. 4.1a). Für 2 Zu- Wasserdampf an einer kälteren Oberfläche gerade kon-
stände gilt: p1/p2=V2/V1. densiert, nennt man den Taupunkt. Seine Messung
4 1. Gesetz von Gay-Lussac: V~T (n und p sind kon- erlaubt die Angabe der absoluten Luftfeuchtigkeit bei
stant) (Isobaren in . Abb. 4.1b). Für 2 Zustände gilt: Kenntnis der Sättigungsdampfdichte als Funktion der
V1/V2=T1/T2 oder ΔV/V0=ΔT/T0. Temperatur. Das in Wohnräumen verwendete Haar-
4 2. Gesetz von Gay-Lussac: p~T (n und V sind kon- hygrometer beruht auf der Längenänderung des
stant) (Isochoren in . Abb. 4.1c). Für 2 Zustände menschlichen Haares mit der Luftfeuchtigkeit.
gilt: p1/p2=T1/T2 oder Δp/p0=ΔT/T0.
Merke
Merke Absolute Luftfeuchtigkeit: Wasserdampfdichte
Zustandsgleichung für ideale Gase: puV=nuRuT. in g/m3.
Allgemeine Gaskonstante: R=8,31 J/(mol K). Relative Luftfeuchtigkeit: Wasserdampfdichte/
Molvolumen: Vmolar=22,4 l unter Sättigungsdampfdichte.
Normalbedingungen: p0=1013,25 hPa, T0=273,15 K. Taupunkt: Temperatur, bei der Luftfeuchtigkeit
kondensiert.
4.5.2 Wärmetransport
durch Stofftransport
. Abb. 4.2. pT-Phasendiagramm mit Grenzkurven: I) Sub-
limationskurve, II) Schmelzkurve, III) Dampfdruckkurve, Die Einnahme von heißen oder kalten Nahrungsmit-
TP= Tripelpunkt, KP= kritischer Punkt (gestrichelt qualitativ für teln oder Getränken ist die trivialste Form der Über-
Wasser, 7 Kap. 3.2, TP und KP . Tab. 3.2). (nach Harten 2006) tragung von Wärmemengen. Auch beim Blutkreislauf
4.6 · Stoffgemische
75 4
wird warmes Blut aus dem Körperinneren über die Ar- wenn man Körper von der Rotglut bis zur Weißglut
terien in die meist kühleren Gliedmaßen gepumpt, wo- erhitzt, im Spektrum des sichtbaren Lichts.
bei es nach dem Gegenstromprinzip das in den Venen Nach dem Strahlungsgesetz von Stefan-Boltz-
zum Herzen fließende kühlere Blut aufwärmt, sodass mann ist die Strahlungsleistung pro m2 insgesamt
zu große Temperaturunterschiede vermieden werden S = s ¥ T 4 [W/m2] mit σ=5,67u10–8 W/(m2K–4).
können. Die abgestrahlte Leistung P=AuS [W] (A strah-
Im Gegensatz zu dieser erzwungenen Konvektion lende Fläche) steigt mit der 4. Potenz der Temperatur,
steht der Wärmetransport von Flüssigkeiten oder Gasen d. h. ein Faktor 2 in T erhöht P auf die 16fache Strah-
durch die normale Konvektion: Ein heißer fester Kör- lungsleistung.
per erwärmt das fluide Medium. Dieses dehnt sich aus Auf der Tagseite der Erde empfängt und reflektiert
und erfährt im Schwerefeld der Erde einen Auftrieb. unser Planet Energie von der Sonne im Bereich des
Dadurch wird eine Strömung in Gang gesetzt, die sichtbaren Lichts, auf Tag- und Nachtseite strahlt da-
Wärme abführt und zugleich dem Wärmespender wie- gegen die Erde ständig infrarotes Licht gemäß ihrer
der kühleres Medium zum Aufheizen zuführt. Auf die- Oberflächentemperatur aus. Im Alltag benutzen wir
sem Prinzip beruht die Wirkung von Heizkörpern in Infrarotlampen und -strahler als Wärmequellen.
Zimmern, die Bildung von Aufwinden über erwärmten
Böden, ja letztlich das ganze Wettergeschehen, wie die Merke
Bildung von Tiefdruckgebieten und Wirbelstürmen Dampfdruck von Wasser bei 37°C: 63 hPa!
über dem sommerwarmen Meer der Karibik.
KLINIK
4.5.3 Wärmetransport durch Verdunstung Vereisen durch Verdampfungskühlen!
Infrarotlampen- und Kurzwellenbestrahlung:
Eine besondere, sehr effektive Wärmeübertragung Erwärmung von tiefer liegendem Gewebe.
durch Stofftransport ist die Verdunstung von Wasser.
Die Wasser verdampfende Körperoberfläche gibt dabei
an den fortgetragenen Dampf die hohe Verdampfungs-
enthalpie von 2.255 kJ/kg ab. Für den Menschen ist 4.6 Stoffgemische
wichtig, dass der Dampfdruck der umgebenden Luft
merklich kleiner als der Sättigungsdampfdruck von 4.6.1 Absorption und Adsorption
ca. 63 hPa bei der Körpertemperatur von 37°C ist. Hohe
Luftfeuchtigkeit bei hoher Außentemperatur wird des- Gase können sich wie feste Stoffe in Flüssigkeiten lösen,
halb als unangenehme Schwüle empfunden. Bei den man spricht dann von Absorption. Bei konstanter
sehr hohen Temperaturen in Saunen muss die Luft sogar Temperatur T ist die Konzentration bzw. Stoffmengen-
extrem trocken sein, damit der Partialdruck von Wasser- dichte c des gelösten Gases proportional zu seinem Par-
dampf nicht den Sättigungsdampfdruck bei 37°C über- tialdruck p im Außenraum.
steigt und Kondensation von Dampf einsetzt. Diesen Zusammenhang gibt das Henry-Daltonsche
In der Medizin wendet man Kühlung durch Ver- Gesetz wieder: c=pⴛK(T) [mol/l].
dunstung beim Betäuben durch Vereisen an. Geeignet Die Materialkonstante K(T) nimmt im Allgemeinen
sind dafür Flüssigkeiten mit hohem Dampfdruck bei mit steigender Temperatur ab. Ein Beispiel aus dem All-
ca. 37°C und großer Verdampfungsenthalpie. tag ist das explosionsartige Aufschäumen von Kohlen-
dioxid aus Bier, Mineralwasser oder Sekt aus unge-
nügend gekühlten Flaschen.
4.5.4 Wärmetransport
durch Temperaturstrahlung KLINIK
Bei der Taucherkrankheit kommt es durch zu
Alle Körper strahlen je nach Temperatur ein konti- schnelles Auftauchen aus großen Tiefen zum Frei-
nuierliches Spektrum elektromagnetischer Wellen aus werden von physikalisch gelöstem Stickstoff in
und absorbieren das von anderen empfangene. Bei der Form von Bläschen.
extrem niedrigen Temperatur von 3 K liegt das Maxi-
mum der Intensität im Bereich von Radiowellen (kos-
mische Hintergrundstrahlung), bei Temperaturen zwi- In der Medizin wird statt der Molkonzentration das pro
schen –50°C und +50°C noch im Infrarotbereich, und Lösungsmittelvolumen VLM gelöste Gasvolumen Vn
76 Kapitel 4 · Wärmelehre
geben. p0 - p n1
V p Raoultsches Gesetz: = ;
Es gilt: n = a Gas . p0 n 0 + n1
VLM pn p Dampfdruck bei ν1 Molen gelöster Stoff in ν0 Mo-
Einige Bunsensche Löslichkeitskoeffizienten len Flüssigkeit, p0 Dampfdruck des reinen Lösungs-
α=Vn(pGas=pn)/VLM [cm3/cm3] für Gase der Luft, Äther mittels.
und einige Narkosegase in Wasser sind in . Tabelle 4.2
für 37,5°C zusammengestellt.
KLINIK
Eine für Ionen semipermeable Zellwand haben z. B.
die roten Blutkörperchen. Der osmotische Druck
des Zellinneren wie der des Blutserums beträgt
ca. 730 kPa. Damit die Erythrozyten bei Infusionen
nicht platzen oder zusammenschrumpfen, muss
die in Notfällen infundierte physiologische Koch-
salzlösung isotonisch sein und eine Konzentration
von ≈9 g/l NaCl haben. Wegen der Dissoziation von
NaCl in Wasser in 2 Ionen muss die berechnete
Stoffmengenkonzentration von NaCl doppelt ein-
gesetzt werden.
Physik
79 5
5 Elektrizitätslehre
Mind Map
Wenn durch Blitzeinschlag in einem Haushalt Licht, kommt. Deshalb spielen elektrische Kapazitäten in
Herd und Heizung ausgehen und Telefon, Fernseher Form von Kondensatoren nur als Kurzzeitspeicher für
und Computer nicht mehr funktionieren, dann mer- schnell ablaufende Vorgänge eine bedeutende Rolle: so
ken wir, wie wichtig für uns der elektrische Strom in der Hochfrequenztechnik, aber auch bei der Erre-
und die von ihm gespeisten Geräte sind, und wie gungsfortleitung in Nerven.
gefährlich natürliche elektrische Entladungen sein Elektrische Ströme setzen immer frei bewegliche
können. Andererseits wird auch unser Herzschlag elektrische Ladungen voraus, die durch die wirkende
durch elektrische Impulse ausgelöst. Bei jedem Ner- Kraft elektrischer Felder bewegt werden. Je nach Medium
venreiz fließen Ionenströme durch Zellmembranen. sind es unterschiedliche Ladungsträger und Mechanis-
Dass Leben gerade im Minutiösen so stark auf elek- men, die für die Elektrizitätsleitung verantwortlich sind.
trischen Phänomenen beruht, ist letzten Endes nicht Metalle bestehen aus einem positiven Ionengitter
so verwunderlich, wenn man sich bewusst macht, mit frei beweglichen Elektronen unterschiedlicher Ab-
dass fast alle Erscheinungen unserer materiellen Welt lösearbeit, Elektrolyte aus gelösten positiven und nega-
auf der in 7 Kapitel 3 angesprochenen elektromagne- tiven Ionen unterschiedlicher Beweglichkeit. Kommen
tischen Wechselwirkung beruhen – bestehen ja die zwei verschiedene, leitende Medien in Kontakt, so wer-
Atome selbst aus elektrisch geladenen Teilchen, die den durch Diffusion bewegliche Ladungsträger so lange
durch elektrische Kräfte zusammengehalten werden. ausgetauscht, bis die sich dabei aufbauenden elek-
So wie das von der Erde ausgehende Gravitations- trischen Felder diese Prozesse zum Stillstand bringen. Je
feld den Raum spürbar durchdringt und die Erdbe- nachdem, ob man die Grenzfläche Metall-Metall,
schleunigung die jeweils herrschende Feldstärke re- Metall-Elektrolyt, oder Elektrolyt-Elektrolyt mit selektiv
präsentiert, so gehen auch von Ladungen elektrische ionendurchlässigen Membranen betrachtet, kommt es
Felder aus, die auf andere Ladungen Kräfte ausüben zu unterschiedlichen Potenzialdifferenzen zwischen den
und Ladungen auf elektrisch leitenden Materialien sich berührenden Medien. Auch die Ruhe- und Aktions-
verschieben. potenziale von lebenden Zellen werden durch solche
Alle elektrischen Geräte und Maschinen, die wir Austauschprozesse erklärt.
im Alltag benutzen, funktionieren nur dann ordent- James Clerk Maxwell hat von 1861 bis 1864 heraus-
lich, wenn sie an Stromquellen, seien es Batterien gefunden, dass elektrische und magnetische Phänomene
oder Steckdosen, unter einer bestimmten Spannung zwei sich ergänzende Erscheinungen der elektromagne-
angeschlossen werden. All diese Geräte erbringen tischen Wechselwirkung sind. Spannungstransforma-
eine bestimmte Leistung, die sich aus Spannung und toren, Dynamos und elektrische Motoren beruhen auf ihr.
Strom errechnen lässt. Magnetische Felder werden durch bewegte, elektrische
Bei der Strömung von Flüssigkeiten ist der Strö- Ladungen erzeugt. In der modernen Medizin werden
mungswiderstand durch den Quotienten aus Druck starke Magnetfelder bei der Magnetresonanztomogra-
und Volumenstrom definiert. Analog wird der elek- phie (MRT) benötigt. Dank der Magnetokardiographie
trische Widerstand eines Bauelements im Stromkreis und Magnetoenzephalographie kann man ohne opera-
als Quotient von Spannung und Stromstärke ange- tiven Eingriff sehr schwache, zeitlich veränderliche
geben. Dieser Widerstand kann mithilfe verschie- Magnetfelder registrieren, die von Herz, Nerven und Ge-
dener Größen berechnet werden. hirn ausgehen, aber auch jeder anderen Körperzelle.
Zur Speicherung von elektrischer Energie dienen Unsere elektrische Energieversorgung in Haushalt
in Alltag und Technik zumeist Batterien, bei denen und Arbeitswelt, in ärztlicher Praxis und Klinik basiert
durch chemische Prozesse ständig positive und nega- zumeist auf dem Strom aus der Steckdose (zumeist
tive Ladungen neu erzeugt werden, solange ein Ent- über Parallelschaltungen), dem Wechselstrom. Selbst
ladungsstrom zwischen den Polen der Batterie fließt. die Batterien von Notebooks, Handys und Digitalkame-
Die statische Speicherung von Ladungen ist nur be- ras werden über entsprechende Trafos geladen. Daher
grenzt möglich, da mit zunehmender Ladungsdichte müssen für den sicheren Umgang mit den technisch so
die elektrische Feldstärke so stark anwächst, dass es bedeutsamen Wechselstromgeräten einige grund-
zu Spannungsdurchbrüchen und Entladungen legende Dinge beachtet werden.
80 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre
Im
elektrischen
Feld wird auf eine Ladung q die Kraft
F = q ◊ E [N] ausgeübt, wobei auf eine positive Ladung
eine Kraft in Richtung des Feldes wirkt, auf eine nega-
tive Ladung in entgegengesetzter Richtung. Die SI-Ein- a
heit der elektrischen Feldstärke ergibt sich nach der
Auflösung der obigen Gleichung nach E zu N/As=Nm/
(Asm)=V/m unter Benutzung der Äquivalenz von
1 Nm=1 J= 1 VAs. (Zur Definition der Einheit Volt [V],
7 Kap. 5.3). Die absolute Stärke des Feldes im Abstand r
von einer Punktladung Q ist nach dem Coulombschen
1 Q
Gesetz gegeben durch E = .
4pe 0 ◊ e r122
Merke
Elektrische Feldlinien geben die Richtung der 5.2.3 Leiter im elektrischen Feld
Coulomb-Kraft auf eine Ladung im Raum an, ihre
Dichte ist ein Maß für die Feldstärke. Es gilt F = q ◊ E . Körper, die für elektrischen Strom durchlässig sind,
nennt man Leiter. Dazu gehören v. a. Metalle sowie
Flüssigkeiten und Gase, die wie Elektrolyte und Plas-
Auf einen frei beweglichen Dipol wird in einem inho- men frei bewegliche Ionen enthalten. Bringt man einen
mogenen Feld, das z. B. von einer Punktladung q aus- Leiter in ein elektrisches Feld, so bewirkt dieses eine
geht, ein Drehmoment und eine Kraft ausgeübt. Der Verschiebung der frei beweglichen Ladungen auf
Dipol wird so gedreht, dass das Dipolmoment in die dessen Oberfläche genau dorthin, wo die Feldlinien
Richtung des Feldes zeigt und gleichzeitig der Dipol ein- und austreten. Diesen Vorgang nennt man In-
eine Kraft in den Bereich höherer Feldstärke erfährt, da fluenz. Für kurze Zeit fließt ein Strom; solange, bis
die gleichnamige Ladung des Dipols weniger stark ab- die verschobenen Ladungen ein Gegenfeld aufgebaut
82 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre
a b c d
Physik
. Abb. 5.3a–d. Influenzversuch (schematisch): (a) In das Platten kein Feld mehr herrscht (c). Trennt man die leitende
(nahezu) homogene Feld E0 eines Plattenkondensators werden Verbindung der Platten und zieht sie in den feldfreien Raum
zwei miteinander leitend verbundene Platten gebracht (b). Es hinaus, so herrscht zwischen ihnen ein Feld vom Betrag E0 ,
erfolgt Ladungstrennung durch das Feld E0 , bis zwischen den aber in entgegengesetzter Richtung (d). (Harten 2006)
haben, welches das verursachende Feld gerade kom- tion ist die oben erwähnte Permittivitätszahl ε. Das Di-
pensiert. elektrikum setzt das Feld im Inneren um den Faktor ε
Die damit verbundene Ladungstrennung ver- herab und erhöht die Kapazität von Kondensatoren mit
anschaulicht . Abbildung 5.3; dadurch wird der Raum Isolatorfüllung um diesen Faktor (7 Kap. 5.6).
zwischen den gezeigten Elektroden feldfrei. Auf diesem
Prinzip beruht auch die Schutzwirkung eines Draht- Merke
käfigs (Faradaykäfig) vor elektrischen Feldern und den Verschiebungspolarisation: Elektrisches Feld
gefährlichen Strömen, die sie im lebenden Körper her- erzeugt molekulare Dipole durch Influenz.
vorrufen können. Orientierungspolarisation: Elektrisches Feld
richtet bereits vorhandene molekulare Dipole
Merke aus.
Faradaykäfig: Das Innere eines elektrisch leiten-
den Körpers, der sich in einem elektrischen Feld
befindet, ist feldfrei.
5.3 Elektrisches Potenzial,
elektrische Spannung
5.2.4 Isolatoren im elektrischen Feld 5.3.1 Elektrisches Potenzial
und potenzielle Energie
Stoffe, die keine frei beweglichen Elektronen oder Ionen
enthalten, heißen Isolatoren. Im elektrischen Feld wer- Bewegt man eine positive Ladung Q entgegengesetzt (!)
den aber auch hier die Elektronen gegen die positiven zur Richtung des elektrischen Feldes E längs des
Weges
Kernladungen der ansonsten elektrisch neutralen Mo- Δs, so verrichtet man die Arbeit: DW = -Q ¥ E ¥ Ds =
leküle verschoben. Es findet eine so genannte Verschie- Q ¥ E ¥ Ds und erhöht dadurch die potenzielle Energie
bungspolarisation statt mit demselben Effekt wie bei der Ladung um ΔUpot(Q)=ΔW. Genauso vergrößert
Leitern, dass die Oberfläche des Isolators aufgeladen man durch Anheben einer Masse gegen die Richtung
erscheint, während das Feld im Inneren des Isolators der Erdbeschleunigung deren potenzielle Energie um
abgeschwächt wird. ΔUpot(m)=muguΔs.
Besonders stark ist dieser Effekt, wenn der Isolator Diese potenzielle Energie kann man wieder in ge-
bereits molekulare Dipole wie die besprochenen H2O- leistete Arbeit oder Beschleunigung eines Teilchens der
Moleküle enthält, die sich dann leicht vom elektrischen Masse m umsetzen, wenn die Ladung in Richtung des
Feld ausrichten lassen (Orientierungspolarisation). Feldes geführt wird. Dabei kann man wie im Fall der
Das Maß für die Polarisierbarkeit eines Isolatormate- Schwerkraft für Rechnungen den Nullpunkt der poten-
rials durch Verschiebungs- und Orientierungspolarisa- ziellen Energie willkürlich festlegen.
5.3 · Elektrisches Potenzial, elektrische Spannung
83 5
Merke
Elektrische Feldstärke E = - gradU [V/m].
Im homogenen Feld des Plattenkondensators ist
E = U d = konst . [V/m], d = Plattenabstand.
Merke
Serienschaltung: Die Widerstände addieren sich.
n gleich große Widerstände in Serie haben zu-
sammen den n-fachen Widerstand des einzelnen
Widerstands.
Potenziometerschaltung
Bei der Potenziometerschaltung kann man an einem
Schiebewiderstand nach . Abbildung 5.6 leicht Span-
nungen U1=U0uR1/(R1+R2) abgreifen. Beim belasteten . Abb. 5.7. Belastete Potenziometerschaltung: Beim belas-
Spannungsteiler nach . Abbildung 5.7 geht in das Tei- teten Spannungsteiler geht in das Teilungsverhältnis noch die
lungsverhältnis noch die Parallelschaltung von Rx und Parallelschaltung von Rx und R1 ein. (Harten 2006)
R1 ein.
Kompensationsschaltung
Eine stromlose Spannungsmessung erlaubt die Schal-
tung in . Abbildung 5.8, bei der die Spannung der zu
messenden Spannungsquelle Ux durch eine abgegrif-
fene, messbare Gegenspannung gerade so kompensiert
wird, dass ein empfindliches Strommessinstrument
keinen Ausschlag mehr zeigt (Nullinstrument). Die
Methode eignet sich insbesondere für Spannungsquel-
len mit sehr hohem Innenwiderstand. . Abb. 5.8. Kompensationsschaltung: Bei der Spannungs-
messung durch Kompensation wird die zu messende Span-
Wheatstonesche Brückenschaltung nung Ux durch eine abgegriffene Gegenspannung gerade so
Bei der Wheatstoneschen Brückenschaltung variiert kompensiert, dass das Strommessinstrument nichts mehr
man das (evtl. auf einer Skala ablesbare) Verhältnis der anzeigt. (Harten 2006)
Widerstände R1/R2 solange, bis ein empfindliches Galva-
nometer (Nullinstrument) keinen Ausschlag mehr zeigt
(. Abb. 5.9). Dann gilt U1=U3 und U2=U4 zusammen mit
I1=I2 und I3=I4. Mit Ui=RiuIi erhält man R3/R4=R1/R2.
Ist R4 ein geeigneter Vergleichswiderstand, so kann
ein unbekannter Widerstand Rx=R3 bestimmt werden.
den Knoten herein- und herausfließenden Ströme sich eine Glühbirne von 100 W in 24 h die elektrische Ener-
zu null addieren (müssen, sonst würde sich ja der Kno- gie von 100 Wu24u3600 s = 8,64u106 J oder 2,4 kWh.
ten aufladen).
Entsprechend ist die Summe der Spannungen aller
Widerstände einer Masche (z. B. aus R1, R3 und dem 5.6 Elektrische Kapazität
Widerstand des Strommessinstruments in . Abb. 5.9)
gleich null, wenn man alle Spannungen der Reihe nach im 5.6.1 Allgemeine Eigenschaften
(oder gegen den) Uhrzeigersinn misst. Das heißt die Po- der Kapazität
tenzialdifferenz = Spannung nach einem Umlauf ist null.
Die Kapazität oder das Fassungsvermögen C eines
Merke Kondensators ist definiert als Ladung Q durch Span-
n nung U: C=Q/U [F]. Die SI-Einheit der Kapazität ist das
1. Kirchhoffsches Gesetz, Knotenregel: Â Ii = 0.
i =1
Farad mit 1 Farad=1 F=1 As/V. Die im Kondensator
n gespeicherte Energie ist gegeben durch das Integral
2. Kirchhoffsches Gesetz, Maschenregel: Â Ui = 0 Q0 Q0
i =1 Q Q2
W = Ú U (Q)dQ = Ú dQ = 0 [J], da jede bei der
0 0 C 2C
Spannung U zugeführte Ladung dQ die Energie um
5.5.4 Leistung und Energie im elektrischen UdQ erhöht. Durch Umformen erhält man die alterna-
Stromkreis tiven Ausdrücke W = ½C ¥ U 02 = ½Q0 ¥ U 0 .
Beispiel
Die abgegebene Energie W, z. B. in Joulescher Wärme,
ist gegeben durch W=Put [J]. Zum Beispiel verbraucht
88 Kapitel 5 · Elektrizitätslehre
i =1 = = = exp -
U0 Q0 I0 R ¥C
Werden dagegen n Kondensatoren in Reihe geschaltet,
so werden bei Anlegen der Spannung U alle mit dersel- Die genannten Größen fallen exponenziell mit der
ben Ladung Q aufgeladen, aber die Spannungsabfälle Zeit ab (. Abb. 5.13). Die Zeit, in der sie auf exp{–1} =1/
Ui=Q/Ci an den einzelnen Kondensatoren addieren e≈0,37 abgefallen sind, ist durch die Zeitkonstante τ=RC
sich: gegeben. Für die Aufladung eines Kondensators über
U 1 n
1 einen Widerstand in Reihe mit einer Spannungsquelle
= =Â . U0 gilt die obige Beziehung für Strom und Spannung am
Q CGesamt i =1 Ci
Widerstand R, während Spannung und Ladung am Kon-
desator nach der Formel:
Merke
Bei parallel geschalteten Kondensatoren addieren U C (t ) Q(t ) t
sich die Kapazitäten, bei hintereinander geschal-
U0
=
Q0 ( {
= 1- exp -
R ¥C })
teten die Kehrwerte der Kapazitäten: genau umge-
kehrt wie bei den Ohmschen Widerständen! mit t ansteigen und den Sättigungswerten U0 bzw. Q0
zustreben.
. Abb. 5.12. Kondensatorentladung. Nach Umlegen des . Abb. 5.13. Zeitverhalten der Kondensatorentladung.
Schalters wird der aufgeladene Kondensator über einen Spannung, Ladung und Entladungsstrom werden exponen-
Ohmschen Widerstand entladen. (Harten 2006) ziell mit der Zeit kleiner. Das bedeutet, dass jede zu einem
beliebigen Zeitpunkt t angelegte Tangente die Abszisse nach
Ablauf der Zeitkonstanten τ=RC trifft. (Harten 2006)
5.7 · Elektrizitätsleitung
89 5
Dabei repräsentiert der Index i die beitragenden Gasmolekül genügend Energie gewonnen hat, um ein
Anionen und Kationen der Lösung, zi die Zahl der La- Elektron aus ihm herauszuschlagen.
dungen pro Ion und ni die Dichte der Ladungsträger, Die Ionisationsenergie beträgt einige Elektronvolt
sowie μi ihre Beweglichkeit. Diese hängt von der Größe (7 Kap. 3.1.4). Beide, das stoßende und das herausge-
der Ionen und der Zähigkeit der Flüssigkeit ab. schlagene Elektron, werden nun weiter beschleunigt,
Die bei der Elektrolyse an den Elektroden ankom- lösen weitere Elektronen durch weitere Zusammen-
menden Ionen geben dort ihre Ladung Q ab und wer- stöße aus, sodass sich eine Elektronenlawine aus-
den, evtl. auch in anderer chemischer Form, dort abge- bildet, die schließlich auf die Anode trifft. Die bei der
Physik
schieden. Misst man die Stromstärke I und die Dauer t Ionisation erzeugten positiven Ionen wandern lang-
der Elektrolyse, so ist nach dem Faradayschen Gesetz samer in Richtung Kathode und fangen Elektronen aus
die Zahl der abgeschiedenen Mole N von Ionen mit der dem Gas oder den Wänden ein, können aber evtl. bei
Ladungszahl z: I ¥ t = Q = z ¥ F ¥ N [As]. der Rekombination wiederum ionisierendes Licht
Die Faradaykonstante F=NAⴛe=96.484 As/mol aussenden.
ist das Produkt aus Avogadrozahl und Elementar- Führen erste Startereignisse zu lokaler Erhitzung
ladung. Mit Masse M ist die abgeschiedene Masse des Gases oder zur Emission von wiederum ionisie-
m=MuN. rendem (UV-)Licht, so werden ständig neue Elektro-
nen-Ionenpaare erzeugt und die Entladung brennt
Merke selbstständig weiter. Das erfordert geeignete Strom-
Faradaysches Gesetz der Elektrolyse: begrenzungen, z. B. Vorwiderstände, welche die anlie-
I ¥ t = Q = z ¥ F ¥ N mit F=NAⴛe =96.484 As/mol. gende Spannung und damit die Feldstärke soweit he-
rabsetzen, dass ein konstanter Strom fließt.
Diese selbstständige Gasentladung kennzeichnet
Die Ladungstrennung von in nichtleitenden Flüssig- beispielsweise Kohlebogen- und Quecksilberdampf-
keiten suspendierten geladenen kolloidalen Partikeln lampen, oder die heißen Bögen, die zum Lichtbogen-
nennt man Elektrophorese. Die charakteristischen schweißen von Metallen zwischen zwei Elektroden
Unterschiede in der Beweglichkeit von Ionen größerer gezündet werden, aber auch Glimmlampen und
Moleküle macht man sich bei der Analyse von Stoffen Leuchtstoffröhren. Bei Letzteren wird das bei Ioni-
in der Papier- und Gel-Elektrophorese zunutze. sations- und Rekombinationsprozessen emittierte
UV-Licht über fluoreszierende Wandverkleidungen
KLINIK in sichtbares Licht umgewandelt. Zum Starten der
Eine Abwandlung der Elektrophorese ist die Ionto- Entladung wird UV-Licht aus kleinen Zusatzlampen
phorese, bei der dissoziierte Pharmaka mittels an oder aus Quecksilberdampfbeimischungen verwen-
Elektroden gelegte Spannungen durch feuchte Haut det.
oder Zellmembranen hindurchgeleitet werden.
Merke
Selbstständige Gasentladung: Freie Elektronen
lösen durch Stoßionisation im elektrischen Feld
5.7.3 Elektrizitätsleitung in Gasen weitere Elektronen aus; eine Strombegrenzung der
Elektronenlawine ist erforderlich.
Unter Normaldruck leiten Gase praktisch nicht, da die
Elektronen z. B. in N2, O2 und CO2-Molekülen sehr fest
gebunden sind. Erst bei Feldstärken zwischen Elektro- Man spricht von unselbstständiger Gasentladung,
den >3 MV/m = 3 kV/mm kommt es zu Spannungs- wenn eine Entladung nur durch äußere Einflüsse zu-
durchbrüchen. Mit gängigen Feldstärken kommt es erst stande kommt, z. B. durch ionisierende Strahlung oder
bei Vorvakuumdrücken von einigen hPa zu selbst- durch die Ionen in Flammen oder geladene Rauch-
ständigen Gasentladungen. Diese kommen durch Stoß- teilchen (Prinzip von Rauchmeldern).
ionisation mit anschließender Bildung von Elektronen-
lawinen zustande. Ein freies Elektron aus der Kathode Merke
oder aus einem Ionisationsprozess aus der kosmischen Unselbstständige Gasentladung kommt durch
Höhenstrahlung oder der natürlichen Radioaktivität äußere Einflüsse wie ionisierende Strahlung, Dis-
wird im elektrischen Feld beschleunigt. Infolge des soziation bei hohen Temperaturen und geladene
geringen Gasdrucks ist die mittlere freie Weglänge so Mikroteilchen zustande.
groß, dass es beim nächsten Zusammenstoß mit einem
5.7 · Elektrizitätsleitung
91 5
Konzentrationselemente
Tauchen zwei Elektroden aus dem gleichen Metall in
Elektrolyten gleicher Art, aber unterschiedlicher Kon-
zentration n1 und n2, die durch eine poröse Wand in
. Abb. 5.16. Das Thermoelement als Fernthermometer. leitendem Kontakt stehen, so hängt die jetzt messbare
Messung der Temperatur Tx mit einem in °C kalibrierten Potenzialdifferenz UG nach obiger Formel nur von log
Thermoelement. Die Vergleichslötstelle befindet sich in n1/n2 ab, solange keine Ionendiffusion durch die Wand
Eiswasser von 0°C. (Harten 2006) stattfindet.
5.8 · Elektrische Spannungen an Grenzflächen, Diffusionsspannungen
93 5
Merke
Rechte-Hand-Regel: Zeigt der Daumen in Rich-
tung des Stroms, so zeigen die Finger in die Rich-
tung des magnetischen Feldes, in Richtung des
Physik
Merke
Magnetische Feldstärke in Spule der Länge l mit
n Windungen: H=nuI/l [A/m].
Magnetische Flussdichte: B = F A = mm0 ¥ H[T].
. Abb. 5.17. Magnetfeld um stromdurchflossenen Leiter. Einheit T= Tesla =Vs/m2.
Ein stromdurchflossener Draht umgibt sich mit ringförmig Magnetischer Fluss F = B ¥ A [Vs].
geschlossenen Magnetfeldlinien, die in der Ebene senkrecht Magnetische Feldkonstante μ0=1,256u10–6 Vs/Am.
zum Draht durch ausgerichtete Eisenfeilspäne sichtbar
Permeabilität μ: dimensionslose Materialkonstante,
werden; ihre Richtung folgt aus der Rechte-Hand-Regel.
A: die von der Flussdichte B senkrecht durchsetzte
(Harten 2006)
Fläche.
5.9.1 Magnetisches Feld, Kraftfluss Ein stromdurchflossener Leiter, der über die Länge l
senkrecht zur Stromrichtung von einer magnetischen
Nach den Maxwellschen Gleichungen sind elektrische Flussdichte B durchsetzt wird, erfährt eine Kraft senk-
Ströme untrennbar mit magnetischen Feldern verbun- recht zu
Strom und
Flussdichte, die so genannte Lorentz-
den. Nach . Abbildung 5.17 ist jeder stromdurch- kraft F = l ¥ I ⊗ B [N].
flossene Draht von ringförmig geschlossenen magne- Hier steht das Zeichen ⊗ für das Vektorprodukt
tischen Feldlinien umgeben, eine Kompassnadel würde zweier Größen; die resultierende Größe, hier die Kraft
5.9 · Magnetische Größen, elektromagnetische Induktion
95 5
5.9.5 Kernspin- und Elektronenspin- magnetischen Feldes, sodass die magnetischen Momente
magnetismus von Elektronen und Kernen mit Spinquantenzahl j=½
2, von Kernen mit z. B. j =5/2 6 Möglichkeiten haben, sich
Freie Elektronen besitzen ein mit dem Eigendrehimpuls unter dem Winkel α gegen die z-Richtung des magne-
oder Spin verknüpftes magnetisches Moment. Das im tischen Feldes zu orientieren (Richtungsquantelung).
Atom gebundene Elektron hat außerdem ein mit dem Der Winkel α ist durch die Formel cosa = m I
Bahndrehimpuls zusammenhängendes magnetisches definiert, mit m=–j, –(j–1),…, +(j–1), j.
Moment. Gleiches gilt auch für Protonen und Neu- Im magnetischen Feld präzedieren die magneti-
Physik
tronen im Atomkern. Allerdings kompensieren sich im schen Momente um die z-Richtung auf einem Kegel mit
Kern die Spins und Bahndrehimpulse einer je geraden dem Öffnungswinkel α. Die verschiedenen Spineinstel-
Anzahl von Protonen und Neutronen zu null, sodass lungen haben je nach ihrer Orientierung zum Magnet-
nur Kerne mit einer ungeraden Anzahl von Protonen feld unterschiedliche relative potenzielle Energien:
oder Neutronen, d. h. einem überzähligen Nukleon,
überhaupt einen Gesamtdrehimpuls (Kernspin ver- EPot = - mm B cos a = -g ¥ I ¥ B cos a = -(g ¥ ¥ m) ¥ B .
kürzt genannt) I≠0 und ein damit einhergehendes ma-
gnetisches Moment besitzen. Die Differenz zwischen benachbarten Einstellungen
Der Betrag des Gesamtdrehimpuls I berechnet mit (m±1) und m beträgt DEPot = w L = g ¥ ¥ B =
sich nach den quantenmechanischen (q. m.) Regeln 2 mm ¥ B . Für μm>0 herrscht die kleinste potenzielle
aus der Spinquantenzahl j (j ganz- oder halbzahlig) zu Energie bei Ausrichtung in Feldrichtung vor, bei α = 90°
I = j ¥ ( j + 1) , dabei ist = h 2p die q. m.-Einheit ist Epot=0, und Epot ist maximal bei antiparalleler Aus-
des Drehimpulses und h das Plancksche Wirkungs- richtung. Die Größe ωL ist die so genannte Larmor-
quantum. frequenz, nämlich die Winkelgeschwindigkeit, mit der
Die wichtigsten Daten zu Elektron, Proton und ei- das magnetische Moment um die Richtung des magne-
nigen Kernen sind in . Tabelle 5.1 zusamengestellt. Um tischen Feldes präzediert. Die zugehörige Frequenz
der in Lehrbüchern üblichen Darstellung zu genügen, fL=(2π–1)ⴛγB einer hochfrequenten Radiowelle trans-
verwenden wir im Folgenden für das magnetische Dipol- portiert zugleich Energiequanten E=hfL, die der Ener-
moment pm die alternative Schreibweise μm=pm/μ0 giedifferenz benachbarter m-Zustände entsprechen,
(Am2) (μ0 = magn. Feldkonstante nach 7 Kap. 5.9.1). also durch Absorption oder Emission Übergänge zwi-
Das magnetische Moment μm kann parallel oder schen den m-Zuständen ermöglichen.
antiparallel zum Spin I ausgerichtet sein, entsprechend Bei den j=½-Teilchen Elektron und Proton sind
einem positiven oder negativen Vorzeichen. Spin und die zwei m-Zustände entsprechend dem zugehörigen
magnetisches Moment sind durch das gyromagnetische Boltzmannfaktor nicht völlig gleich stark besetzt
Verhältnis γ=μm/I [Hz/T] miteinander verknüpft. Nach (DE pot = h ¥ f L = 2mm,z ¥ B ): Für Protonen als Sonde
den q. m. Gesetzen hat jeder Spin I mit der Quantenzahl sind wegen der Kleinheit von μm,z(Proton) bei Zimmer-
j genau (2j+1) Einstellmöglichkeiten zur Richtung eines temperatur und B=1T nur ca. 7 Protonen weniger als
Die magnetischen Momente sind in Einheiten des Bohrschen Magnetons mB = e /2me und des Kernmagnetons
mK = e / 2mp = mB / 1837 angegeben.
5.9 · Magnetische Größen, elektromagnetische Induktion
97 5
Merke
Stromabfall bei RL-Glied aus Spule und Wider-
stand: I (t ) = I0 ¥ exp( - t t ) mit der Zeitkonstanten
τ=R/L.
Physik
Effektivwerte die Wurzel aus Mittelwert ihres Quadrats gekehrt proportional zur Kreisfrequenz ω und zur
über eine Periode T=1/f an: Kapazität C nach RC=1/(ωC) [V/A] ab.
4 Umgekehrt eilt die bei der Induktionsspule ange-
U eff = U 02 ¥ sin2 (w ¥ t ) = U 0 1 2 = U 0
legte Spannung dem Strom um 90° voraus.
2 ª 0, 71 ¥ U 0 , I eff = I 0 2 ª 0, 71 ¥ I 0
gilt entsprechend. Merke
Mathematisch ist es gleichbedeutend, ob man die Eselsbrücke: »LUI« LoU vor I
Zeitabhängigkeit durch die Sinus- oder die Cosinusfunk-
tion beschreibt, da cos(ωt)=sin(ωt+π/2) ist; der Cosinus
eilt gewissermaßen dem Sinus um π/2 oder 90° voraus. Der induktive Blindwiderstand wächst mit ω gemäß
Wichtig zu wissen: Das europäische Stromnetz RL=ωL [V/A].
wird mit f=50 Hz betrieben bei Ueff=230 V (U0≈325 V), Man nennt die Größen RC und RL Blindwiderstän-
das japanische und nordamerikanische mit 60 Hz bei de, weil sie im zeitlichen Mittel keine Leistung auf-
Ueff=110 V. Der effektive Leistungsverlust Peff durch nehmen. Da Strom und Spannung in beiden Fällen
Wärmeabgabe am Ohmschen Widerstand ist bei Wech- eine Phasendifferenz von π/2 aufweisen, ist P (C , L) =
selstrom im zeitlichen Mittel gegeben durch U (t ) ¥ I (t ) = U 0 ¥ I 0 ¥ sin(wt ) ¥ sin(wt + p 2) = 0 . Die-
se Eigenschaften erklären sich durch die folgenden
Peff = U 0 ¥ I 0 ¥ sin2 (w ¥ t ) = 1 2 ¥ U 0 ¥ I 0 = U eff ¥ I eff . Überlegungen:
Die Aufladung des Kondensators durch den Strom
Da Strom und Spannung immer in Phase sind, wird wie beschreiben die Formeln Q(t)=CuU(t) und I(t)=dQ/dt.
zuvor über sin2ωt gemittelt, mit folgenden einfachen Für U(t)=U0usin(ωt) folgt nach den Differenziations-
»Merke«-Formeln: regeln:
Merke I(t)=CudU(t)/dt=CU0ωucos(ωt)=CU0ωusin(ωt+π/2)!
Für sinusförmigen Wechselstrom mit Scheitelwerten
I0 bzw. U0 gelten mit Ueff=U0 /√2 bzw. Ieff =I0 /√2 die- Der Widerstand RC berechnet sich formal zu RC=U0/
selben Regeln wie bei Gleichstrom für Leistung I0=1/(Cω).
und Ohmschen Widerstand: Peff = Ueff uIeff [W] bzw. Die Induktionsspannung UL(t) an der Spule kom-
Reff=Ueff /Ieff [Ω]. pensiert immer die angelegte Spannung U(t). Wir
gehen vom Strom I(t)=I0usin(ωt) aus. Dann ist U(t)=
−UL(t)=LudI/dt = LωI0ucos(ωt)=LωI0usin(ωt+π/2)!
KLINIK Entsprechend ist der Widerstand der Spule RL=U0/
In der Medizin werden periodische, aber nicht- I0=Lω.
sinusförmige Ströme u. a. zur Reizung von Muskel-
nerven, aber auch als Herzschrittmacher einge- Merke
setzt. Auch die bei EKG-Aufnahmen gemessenen Die frequenzabhängigen Scheinwiderstände von
Spannungen sind in etwa periodisch, aber nicht Spulen der Selbstinduktion L und Kondensatoren
sinusförmig, und werden nach anderen Kategorien der Kapazität C sind RL=Lω und RC=1/(Cω). Die an-
interpretiert (GK Physiologie, 7 Kap. 3.1.4). gelegte Spannung eilt bei der Spule dem Strom um
90° voraus und hinkt dem Strom beim Kondensator
um 90° nach.
. Tab. 5.2. Stromleistung und Stromwiderstände bei der Phasendifferenz φ von Strom und Spannung
Scheinleistung P=Ueff uIeff Scheinwiderstand Z=Ueff/Ieff
Wirkleistung PW=cosφuUeffuIeff Wirkwiderstand RW=cosφuUeff/Ieff
Blindleistung PB=sinφuUeffuIeff Blindwiderstand RB=sinφuUeff/Ieff
Physik
werden und verbraucht dadurch vor dem Stromzähler nerator, der eine feste Wechselspannung U0 in einem
Energie. Daher wird darauf geachtet, dass für den Pha- weiten Frequenzbereich bereitstellt, so steigt der durch-
senwinkel möglichst φ≈0 eingehalten wird. gelassene Strom erst stark mit der Frequenz an, erreicht
ein Maximum und fällt dann stetig zu hohen Frequenzen
immer weiter ab. Berücksichtigt man die in 7 Kapi-
5.10.3 Transformator tel 5.10.2 erwähnten Phasen zwischen Strom und Span-
nung in allen drei Bauteilen, so erhält man den Gesamt-
Umschließen zwei Spulenwicklungen mit den Win- scheinwiderstand oder die Impedanz der Schaltung:
dungszahlen n1 und n2 zwei gegenüberliegende Seiten
eines Weicheisenkerns, so verhalten sich nach dem In- Z (w ) = R2 + (Lw - 1 Cw )2 .
duktionsgesetz die Spannungen an beiden Spulen wie
die Windungszahlen, während die Ströme zu ihnen Man erkennt, das die Impedanz Z(ω) ein Minimum
umgekehrt proportional sind: U1/U2=n1/n2=I2/I1. Letz- erreicht, wenn der Ausdruck in Klammern null wird.
teres gilt, weil die abgegebene Leistung auf der Sekun- Dies ist bei der Kreisfrequenz w 0 = 1 LC der Fall, bzw.
därseite P2=U2uI2 =U1uI1=P1 gleich der auf der Primär- bei der Frequenz f 0 = 1 (2p LC ). Je nach Größe des
seite sein muss, wenn man von kleinen Ummagnetisie- Ohmschen Dämpfungswiderstandes ergibt sich das in
rungsverlusten absieht. . Abbildung 5.21 gezeigte Resonanzverhalten. Die An-
Transformatoren spielen in der Energieversorgung ordnung stellt bei scharfer Abstimmung einen Durch-
eine unverzichtbare Rolle, da durch die Hochspan- lassfilter für einen Bereich um die Resonanzfrequenz
nungstransformation geringere Stromstärken erforder- ω0 dar.
lich sind und damit die Verluste in den Zuleitungen, die
mit P=RuI2 gehen, minimiert werden. So werden die in
den Stromgeneratoren erzeugten Spannungen von
10–20 kV auf bis zu 400 kV hochtransformiert und für A
UCo
10
In allen elektronischen Geräten, z. B. PC’s, stellen
Amplitudenverhältnis z =
KLINIK Merke
Bei medizinischen Untersuchungen und Anwen-
Verhaltensmaßregeln gegen Stromschläge:
dungen mit Strom führenden Geräten ist es außer-
5 Nicht mit feuchten Händen arbeiten.
dem sehr wichtig, dass Arzt, Patient und Anwen-
5 In Badewannen keine elektrischen Geräte
dungsgerät möglichst auf gleichem Erdpotenzial
bedienen.
sind, damit ungewollte Ableitströme und Berüh-
5 Füße gut isoliert auf den Boden stellen.
rungsspannungen vorgegebene Grenzwerte nicht
5 Immer eine Hand möglichst in der Tasche,
überschreiten.
denn Hand-zu-Handströme gehen über das
Herz.
5 Mit Spannungsprüfer Stromleiter ermitteln.
5 Nur Werkzeuge mit gut isoliertem Griff ver-
wenden.
Physik
105 6
Mind Map
Schwingungen sind je nach Frequenz und Stärke potenzen variieren kann und je nachdem als angenehm
wohltuend (sich wiegen) oder höchst unangenehm (Musik) oder störend (»Nagel auf Tafel«) empfunden
(gerüttelt werden). Bei Pendel oder Schaukel sind wird. Unser Gehör umfasst nur einen Frequenzbereich
sie als periodische Abläufe gut sichtbar. Durch rhyth- von 3 Zehnerpotenzen, aber wir nutzen Ultraschall bis
misches Anstoßen im richtigen Takt kann man jedes 10 GHz.
System »aufschaukeln«, was physikalisch ausgedrückt Nur für Licht, einem winzigen Ausschnitt aus dem
heißt, eine erzwungene Schwingung mit der Reso- weiten Spektrum elektromagnetischer Wellen, hat
nanzfrequenz anzufachen. der Mensch Sensoren, nämlich die Augen. Die Nutzung
Seilwellen, die von einer hin- und herschwingen- des ganzen Spektrums elektromagnetischer Wellen mit
den Hand erzeugt werden, vermitteln uns ebenso wie Hilfe von Radio, Fernsehen, Handy, WLAN- und Infrarot-
Wasserwellen und auch Pulswellen ein anschauliches Schnittstellen ermöglicht heute die rasche, nicht mehr
Bild vom Phänomen Welle. Die Ausbreitung von ortsgebundene Kommunikation in unserer Informa-
Wellen und viele Phänomene bei ihrem Auftreffen auf tionsgesellschaft. Computer- und Kernspintomogra-
Hindernisse oder andere Medien lassen sich mathe- phie vermitteln uns einen tieferen Einblick in die ver-
matisch gut beschreiben. borgene Innenwelt des Körpers, Radaraufnahmen
Vom morgendlichen Weckerrasseln über Handy- von Flugzeugen und Satelliten ein umfassendes Bild
klingeln, Autohupen, Musik- und Nachrichtensen- der Welt im Großen. Mit Laserstrahlen werden Holo-
dungen bis zum abendlichen Bettgeflüster nehmen gramme von Gegenständen aufgenommen; man
wir durch Schallwellen Informationen aus unserer benutzt sie, scharf gebündelt, als präzise Schneide- und
Umgebung auf, wobei die Intensität über 12 Zehner- Fräswerkzeuge, auch in der Medizin.
106 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen
z. B. beim Fadenpendel eine sich ständig wiederho- Kraft. Setzt man die o. g. Sinusfunktion in diese Diffe-
lende Umwandlung von kinetischer Energie in poten- renzialgleichung ein und differenziert 2-mal, so erhält
zielle Energie und umgekehrt beobachten. Ähnlich man daraus die Beziehung D/m = ω2, bzw. nach Einset-
verhält sich eine zwischen zwei Federn fixierte Masse, zen von ω=2πf=2π/T für die Schwingungsdauer das
die horizontal hin und her schwingt, eine hin und her Ergebnis:
schwingende Wassersäule in einem U-Rohr oder der in
7 Kapitel 5.10.5 diskutierte Parallelschwingkreis, wo T = 2p m D .
elektrostatische und magnetische Felder sich gegensei-
tig erzeugen und abbauen. D ist die so genannte Federkonstante, T die Dauer einer
Schwingende, in Rahmen fest eingespannte Saiten, vollen Schwingung, f=1/T die Schwingungsfrequenz.
und Luftsäulen in verschieden geformten Röhren sind Ähnliche Überlegungen führen beim Parallel-
Ton- und Klangquellen der meisten Musikinstrumente. schwingkreis aus Spule und Kondensator zu T = 2p LC
Bei den Saiten setzt sich die durch beispielsweise Zup- (7 Kap. 5.10.5).
fen in die elastische Dehnung gesteckte Energie in Be- Für das Fadenpendel findet man bei kleinen
wegungsenergie der Saiten um, und diese wieder zu- Auslenkwinkeln die analoge Differenzialgleichung
rück in Dehnung. Bei oszillierenden Luftsäulen geht muguα(t)=−mulud2α(t)/dt2 mit der masseunabhängigen
lokaler Überdruck in Bewegungsenergie sich ausdeh- Lösung T = 2p l g .
nender Luft über und umgekehrt. Beim so genannten Sekundenpendel dauert eine
Allgemein gilt: Schwingungen können dann ent- Halbschwingung genau 1 s, dies trifft für die Erdbe-
stehen, wenn die Gesamtenergie eines Systems zwei schleunigung g=9,81 m/s2 genau bei einer Fadenlänge
Energieformen aufweist, die sich mit einer gewissen von l=99,4 cm zu.
Zeitverzögerung ineinander umwandeln.
Merke
Die Sinusfunktion y (t ) = y 0 ¥ sin(w ¥ t + j ) be-
6.1.2 Beschreibung harmonischer schreibt die Zeitabhängigkeit harmonischer
und gedämpfter Schwingungen Schwingungen mit Schwingungsamplitude y0,
relativer Phase φ, Frequenz f, Kreisfrequenz ω,
Harmonische Schwingungen Schwingungsdauer T und ω=2πf=2π/T.
Man nennt eine Schwingung harmonisch, wenn die
schwingende Größe durch die folgende Sinusfunktion
beschrieben werden kann: y(t ) = y0 ¥ sin(w ¥ t + j ) . Gedämpfte Schwingungen
Anschaulich beschreibt diese Gleichung die Projek- Ohne Energiezufuhr im richtigen Rhythmus kommen
tion eines Punkts auf die y-Achse, während sich der alle Schwingungen durch Reibungsverluste zur Ruhe.
Punkt gleichmäßig auf einem Kreis um den Ursprung . Abbildung 6.1 zeigt die immer kleiner werdenden
bewegt (. Abb. 1.5). Die in . Tabelle 2.3 eingeführten Ausschläge einer gedämpften Schwingung. Die Höhe
physikalischen Größen, die auch zur Beschreibung von der Amplituden nimmt exponenziell nach der Formel
Wechselstrom in 7 Kapitel 5.10 benutzt werden, gelten y0(t)=y00uexp(–δt) ab.
auch hier. Jede Dämpfung erniedrigt auch die Frequenz
Aus der Umlaufzeit wird jetzt die Schwingungs- der Schwingung. Für eine zur Geschwindigkeit der
dauer oder Periode, aus der Umlauffrequenz die Fre- Bewegung proportionale Dämpfung erhält man
quenz. Die Größe y(t) bedeutet die momentane Aus- w D = w 2 - d 2 , wenn δ<ω.
lenkung, y0 die maximale Auslenkung oder Amplitu- Ist die Dämpfung so groß, dass δ=ω wird, so führt
de. Der Phasenwinkel φ=ωuΔt gibt an, um wie viel die das System keine Schwingungen mehr aus, sondern
Phase einer Schwingung einer anderen gleicher Fre- kommt näherungsweise in einer Periode der ungedämpf-
quenz voraus ist (φ>0) oder hinterher hinkt (φ<0). ten Schwingung zur Ruhe (aperiodischer Grenzfall).
6.1 · Schwingungen
107 6
geht bei ω≈ω0 rasch durch 90° und wird mit ω>>ω0
immer mehr gegenphasig (φ→180°). Dieses Verhalten
wird in . Abbildung 5.21 für die Kondensatorspannung
des diskutierten Serienschwingkreises anschaulich dar-
gestellt. Je nach Dämpfung durch verschiedene ohmsche
Widerstände ist das Resonanzverhalten in der Umge-
bung der Resonanzfrequenz ω0 unterschiedlich ausge-
prägt.
Merke
Erzwungene Schwingungen: In der Umgebung
der Resonanzfrequenz eines Oszillators wird die
Amplitude der erzwungenen Schwingung sehr
groß; ihr Phasenwinkel relativ zur jeweiligen Phase
des Generators geht durch 90°.
. Abb. 6.1. Gedämpfte Schwingung. Die blau gezeichnete
Kurve verbindet die Maximalausschläge der Schwingung und
fällt exponenziell ab. (Harten 2006)
6.1.4 Periodische anharmonische
Bei noch stärkerer Dämpfung mit δ>ω kehrt das Sys- Vorgänge
tem sehr langsam in die Ruhelage zurück (Kriechfall).
Bei den in 7 Kapitel 5.9.3 diskutierten Drehspulinstru- Alle periodischen Schwingungen, die sich nicht durch
menten macht man absichtlich die Dämpfung gerade so eine Sinusfunktion oder durch Überlagerung einiger
stark, dass der aperiodische Grenzfall eintritt, damit die weniger Sinusfunktionen beschreiben lassen, bezeich-
Zeiger nicht erst lange hin- und herschwingen. net man als anharmonisch: Das ist z. B. ein perio-
discher Rechteckimpuls, oder eine Kippschwingung,
Merke die ein linearer Anstieg auf einen Höchstwert und
Gedämpfter Oszillator: Bei nicht zu großer Dämp- ein praktisch plötzlicher Abfall auf null mit nachfol-
fung δ<ω nimmt die Amplitudenhöhe mit exp(–δt) gendem Wiederanstieg auf den Höchstwert usw. kenn-
ab. Im aperiodischen Grenzfall (δ=ω) kommt das zeichnet.
System in ca. einer Periode der ungedämpften Solche Sägezahnspannungen werden z. B. für die
Schwingung zur Ruhe. gleichmäßige Horizontalablenkung des Elektronen-
strahls beim Oszilloskop genutzt (7 Kap. 5.3.3). Auch die
verschiedenen Spannungsableitungen der periodischen
Herzaktionen (EKG-Aufnahmen) zählen zu den anhar-
6.1.3 Erzwungene Schwingungen monischen Schwingungen.
Solche Signale werden meist durch elektronische
Regt man eine der schwingungsfähigen Größen der be- Verstärker sichtbar gemacht, die nie völlig verzerrungs-
schriebenen Oszillatoren durch einen Frequenzgene- frei arbeiten, deren Verhalten gegenüber sinusförmigen
rator mit konstanter Amplitude periodisch an, so beo- Signalen aber in einem großen Frequenzbereich leicht
bachtet man erzwungene Schwingungen im angekop- zu testen ist. Daher ist es von großer Bedeutung, dass
pelten System: man jedes beliebige periodische Signal y(t) als eine
4 Bei kleinen Kreisfrequenzen ω<<ω0 folgt der Oszil- Summe von Sinus- und Cosinusschwingungen definier-
lator fast ohne Phasen- und Amplitudenunterschied ter Frequenzen darstellen kann. Nach dem Theorem
der Vorgabe des Generators. von Fourier ist nämlich:
4 In der Nähe der Eigenfrequenz ω0 des Oszillators
•
steigt die Amplitude der Schwingung des Oszillators y(t ) = Â ai cos(i ¥ w ¥ t ) + bi sin(i ¥ w ¥ t ) .
steil an, erreicht etwa bei ω0 ein Maximum und i =0
4 fällt dann zu hohen, aufgeprägten Frequenzen
ω>>ω0 wieder steil ab. In den meisten Fällen genügt es, die unendliche Reihe
nach wenigen Schritten abzubrechen, da die Koeffi-
Der Oszillator gerät bei ω≈ω0 in Resonanz, er wird zum zienten ai und bi zu höheren Frequenzen iuω hin rasch
Resonator. Die Phase der erzwungenen Schwingung sehr klein werden und vernachlässigt werden können.
108 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen
Der Koeffizient a0 für i=0 repräsentiert einen konstan- tungen im Raum aus, so breitet sich eine Kugelwelle
ten Beitrag wegen cos(0)=1, während a1 und b1 die Stär- aus:
ke der Grundfrequenz f=ω/2π der anharmonischen
Schwingung beschreiben. A
f (r , t ) = 0 cos(w ¥ t - k | r | +j ) ,
Bei vorgegebenem Signalverlauf der Schwingung |r |
kann man heute mithilfe der Fourieranalyse die Ko-
effizienten ai und bi in Sekundenschnelle ermitteln. wo auf allen Kugeloberflächen im Abstand λ gleiche
Wenn man weiß, welchen Einfluss Übertragungsgeräte Phasen herrschen.
Physik
auf die Frequenzen der einzelnen sinusförmigen Unter der Intensität I [W/m2] einer Kugelwelle
Schwingungen haben, lässt sich schnell deren Antwort- versteht man die ausgestrahlte Energie pro Zeit und pro
funktion berechnen und analysieren. Fläche senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Ganz all-
gemein ist I proportional zum zeitlichen Mittel des
Merke
Quadrats der Amplitudenfunktion f (r , t ) und damit zu
Die Fourieranalyse erlaubt, jedes beliebige perio- A02 r 2 , d. h., die Intensität nimmt mit dem Quadrat des
dische Signal als Summe von Sinus- und Cosinus- Abstands von der Strahlungsquelle ab.
funktionen von ganzzahligen Vielfachen der Grund- Steht die Schwingungsrichtung senkrecht zur Rich-
frequenz darzustellen. tung der Ausbreitungsgeschwindigkeit, so spricht man
von Transversalwellen (Seilwellen, Wasserwellen und
andere Wellen auf Oberflächen, alle elektromagne-
tischen Wellen wie Radiowellen und Licht).
6.2 Wellen Findet die Schwingung in Richtung der Ausbreitung
statt, so haben wir es mit Longitudinalwellen zu tun
6.2.1 Elementare Eigenschaften (Schallwellen in Gas, Flüssigkeiten und Festkörpern).
von Wellen Transversalwellen, die immer in gleicher Richtung
schwingen, nennt man polarisierte Wellen, die Erzeu-
Wenn sich die Schwingung eines Oszillators in Form gung einer bestimmten Ausrichtung der Schwingungs-
von periodischen Änderungen elektromagnetischer ebene Polarisation. Rotiert über eine Wellenlänge die
Felder oder von Druck- und Dichteschwankungen Ausrichtung der Schwingungsebene einmal im Kreis,
eines Mediums im Raum ausbreitet, spricht man von so spricht man von zirkular polarisierten Wellen.
Wellen. Die betroffenen physikalischen Größen sind Longitudinalwellen sind nicht polarisierbar.
dann eine Funktion von Ort und Zeit.
Betrachtet man nur die Ausbreitung in einer Di- Merke
mension (z. B. eine Seilwelle), so wird die Welle be- Phasengeschwindigkeit von Wellen: c=fuλ [m/s].
schrieben durch A(z , t ) = A0 cos(w ¥ t ∓ k ¥ z + j ). Transversalwellen schwingen senkrecht zur
Hier sind A0 die Amplitude, ω=2πf die zugehörige Ausbreitungsrichtung, Longitudinalwellen in Rich-
Kreisfrequenz zur Frequenz f, k=2π/λ [m–1] ist die Wel- tung der Ausbreitung. Die Schwingungsrichtung
lenzahl, λ die Wellenlänge, φ eine Startphase, und z von Transversalwellen kann man ausrichten (Polari-
und t der örtliche und zeitliche Abstand vom Ursprung sation), die von Longitudinalwellen nicht.
der Welle. Das (+)-Zeichen beim kz-Term steht für eine
von rechts nach links laufende Welle, das (–)-Zeichen
für die normal von links nach rechts laufende. Die KLINIK
Wellenlänge λ entspricht dabei dem kleinsten Abstand Die Pulswellengeschwindigkeit c der Welle, die
von zwei Orten, die die gleiche Phase in Richtung der bei jedem Herzschlag erzeugt wird, wird als Quo-
Wellenausbreitung haben. tient von der Laufstrecke der Welle ΔI(von zentral
Aus der Bedingung für eine konstante Phase als nach peripher) und der Laufzeit Δt gemessen:
Funktion von Ort und Zeit, nämlich ωt-kz=0, folgt die c=ΔI/Δt.
für Wellen aller Art geltende Phasengeschwindigkeit
der Welle: c=fuλ [m/s] wegen c=z/t=ω/k.
Breitet sich eine Welle im Raum senkrecht zur
x-y-Ebene (also in z-Richtung) aus, womit die Phase 6.2.2 Überlagerung von Wellen
nur von der Koordinate z abhängt, so handelt es sich
um eine ebene Welle mit A(x,y,z,t)=A(z,t) (s. o.). Geht Bei der Überlagerung von Wellen treten Interferenzen
dagegen eine Welle von einem Punkt in alle Rich- auf, wenn zwei Wellen gleiche Richtung und gleiche
6.2 · Wellen
109 6
Wellenlänge haben und ihre Phasendifferenz praktisch 6.2.3 Phänomene bei der Ausbreitung
nicht von der Zeit abhängt. Diese Wellen nennt man von Wellen
kohärent. Unter der Kohärenzlänge versteht man den
maximalen Gangunterschied zwischen zwei Wellen- Treffen ebene Wellen unter einem bestimmten Winkel
zügen (oder Teilen eines Wellenzugs), bei dem man auf ein ebenes Hindernis aus einem anderen Medium,
gerade noch Interferenz beobachten kann. Zum Bei- so wird ein Teil reflektiert, der andere läuft unter Ände-
spiel liefern Laser kohärentes monochromatisches Licht rung seiner Richtung und Geschwindigkeit im anderen
mit sehr großen Kohärenzlängen. Medium weiter. Diese Erscheinungen heißen Reflexion
Zwei Wellen gleicher Wellenlänge ohne feste Pha- und Brechung. Man kann sie nach dem Huygensschen
senbeziehung sind inkohärent. Prinzip erklären:
Überlagern sich beispielsweise zwei ebene Wellen Jeder Punkt einer vorgegebenen Wellenfront ist Aus-
gleicher Frequenz und Amplitude nach o. g. Formel, gangspunkt einer Elementar- oder Kugelwelle. Wenn
aber mit einem Phasenunterschied von Δφ=φ1–φ2, so man diese Elementarwellen zu einem späteren Zeitpunkt
führt die Verwendung des Additionstheorems für Co- überlagert, so ist deren Einhüllende die neue Wellen-
sinusfunktionen für die resultierende Welle zum Aus- front.
druck: Dies macht . Abbildung 6.2 für Reflexion und
Brechung anschaulich. Die Geschwindigkeit der ein-
A(x , y , z , t ) = 2 A0 cos{w ¥ t - k ¥ z + Dj 2} ¥ cos( Dj 2) . fallenden und reflektierten Welle ist größer ist als die
der gebrochenen Welle. Die gebrochene Welle hat des-
Verschwindet die Phasendifferenz zwischen beiden halb einen kürzeren Weg zurückgelegt als die reflek-
Wellen (Δφ=0), so verdoppelt sich die Amplitude und tierte. Nach einfachen geometrischen Überlegungen
die Intensität wächst um den Faktor 4 an; dagegen lö- findet man für Einfallswinkel α, Ausfallswinkel αc der
schen sich beide Wellen gegenseitig aus, wenn Δφ = π reflektierten und Ausfallswinkel β der gebrochenen
wird. Auslöschung und Verstärkung sind ganz typische Welle die Gesetzmäßigkeiten für
Interferenzphänomene! 4 Reflexion: α=αc oder Einfallswinkel = Ausfallswin-
Überlagern sich zwei Wellen gleicher Frequenz und kel, und
Amplitude bei gleichen Phasenwinkeln, aber entgegen- 4 für Brechung: sinα/sinβ=c1/c2=n12 (Snelliussches
gesetzter Laufrichtung, so bildet sich eine stehende Brechungsgesetz).
Welle folgender Form aus:
Alle Winkel werden vom Lot zur Mediengrenze aus zur
A(z , t ) = -2 A0 ¥ cos(w ¥ t ) ¥ cos(z ¥ 2p l ) . jeweiligen Richtung der Welle gemessen; die Aus-
breitungsgeschwindigkeit der einfallenden Welle in
An allen Orten mit z=0,±λ/2,±λ,±3/2uλ, … findet man Medium 1 ist c1, die Geschwindigkeit der gebrochenen
Schwingungsbäuche genannte Maxima bzw. Minima, Welle in Medium 2 c2. Das Verhältnis der beiden Ge-
an allen Orten mit z=±λ/4,±¾uλ,±5/4uλ, … Schwin- schwindigkeiten definiert den so genannten Brechungs-
gungsknoten genannte Nullstellen der ortsabhängigen index n12 für den Übergang von Medium 1 nach Medi-
Cosinusfunktion. Der Abstand der Schwingungsbäuche um 2.
bzw. Knoten untereinander beträgt eine halbe Wellen- Hängt der Brechungsindex von der Wellenlänge ab
länge. Derartige stehende Wellen bilden sich leicht bei (dn12(λ)/dλ≠0), so laufen bei schrägem Einfall auf
Stäben und offenen oder halb offenen Röhren durch Medium 2 Wellen unterschiedlicher Wellenlänge unter
Reflexion von Schallwellen an den Enden aus; auch die verschiedenen Ausfallswinkeln β(λ) weiter. Dieses
Schwingungen von Saiten kann man als Überlagerung Phänomen nennt man die Dispersion, die von der
an den festen Enden reflektierten Wellen interpretieren Wellenlängenabhängigkeit der Geschwindigkeit in ver-
(Näheres unter 7 Kap. 6.3.3). schiedenen Medien verursacht wird.
Treffen ebene Wellen auf eine Öffnung in einer un-
Merke durchlässigen Wand, die sehr klein gegenüber der Wel-
Kohärente Wellen haben gleiche Wellenlänge und lenlänge ist, so geht nach dem Huygensschen Prinzip
Richtung und zeitlich konstante Phasenunter- von ihr eine Kugelwelle aus, die den gesamten Raum
schiede. Ihre Überlagerung führt zu Verstärkung hinter der Wand erfasst. Dies gilt auch umgekehrt, wenn
bis Auslöschung, bei entgegengesetzt zueinander die ebene Welle auf ein Hindernis der Größe d<<λ ein-
laufenden Wellen zu stehenden Wellen mit orts- fällt. Das Ausfallen von Elementarwellen führt zur
festen Knoten und Schwingungsbäuchen. Streuung der Welle auch unter großen Winkeln gegen
die einfallende Welle, da die Kugelwellen am Rande des
110 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen
ziehen, dann entspricht der Schallamplitude die maxi- auch als typisch erkannt werden können (Konsonanten,
male Teilchenauslenkung x~. Zischlaute, aufschlagende Regentropfen, Klatschen).
Es wird von Schallwellen nur Energie, aber nicht Schall lässt sich auch elektrisch erzeugen, indem
Materie transportiert. Schallwellen sind Longitudinal- man entweder Luft durch Anregung von magnetisier-
wellen, die beteiligten Teilchen schwingen in Ausbrei- baren Folien zu erzwungenen Schwingungen anregt,
tungsrichtung um ihre Ruhelage, sie können deswegen oder durch piezoelektrische Kristalle und Keramiken,
nicht polarisiert werden. die ihre Dicke geringfügig in Proportion zur angelegten
Im Gegensatz zu transversalen Oberflächenwellen Feldstärke ändern. Derartige Piezoscheiben, z. B. aus
(Wasserwellen, Erdbebenwellen auf der Erdoberfläche, Quarz haben eine dickenabhängige mechanische Eigen-
Scherungs- und Torsionswellen auf Festkörpern) hängt frequenz. Sie sind der präzise Taktgeber aller Quarz-
die Schallgeschwindigkeit c im Allgemeinen nur von uhren und werden auch zur Ultraschallerzeugung bei
den Eigenschaften des Mediums, nicht aber von der Reinigungsgeräten und Sonographen genutzt.
Wellenlänge oder Frequenz ab.
Als Wellenwiderstand oder Impedanz ZW ist der KLINIK
Quotient ZW=p~/v~ [kg/(m2s)] definiert. Für ebene Piezoelektrische Kristalle werden auch zur Ultra-
Wellen gilt ZW=ρuc. Die Schallstärke oder Schallinten- schallerzeugung benutzt.
sität ist als Energiestromdichte gegeben durch
I = 1 2 r ¥ v~2 ¥ c [W/m2].
6.3.3 Schallausbreitung in Materie
ρ ist die Dichte des Mediums, der Ausdruck ½ρuv~2 die
Energiedichte, die mit Schallgeschwindigkeit transpor- Schallwellen, die von einer punktförmigen Schallquelle
tiert wird. ausgehen, sind Kugelwellen, können aber in der Umge-
Führt man wie bei Wechselstrom Effektivwerte für bung eines kleinen Empfängers in größerer Entfernung
Schallschnelle und -wechseldruck ein, so lässt sich die als ebene Wellen approximiert werden. Die Schallge-
Schallstärke alternativ als I=v~effup~eff=v~eff2uZW= schwindigkeit hängt wesentlich von den elastischen
p~eff2/ZW [W/m2] schreiben. Eigenschaften des Mediums und dessen Dichte ab. Für
Gase gilt unabhängig vom herrschenden Druck:
6.3.2 Schallerzeugung cp ¥ R ¥T
c= .
cv ¥ Mmolar
Alle mechanisch schwingungsfähigen Oszillatoren
(7 Kap. 6.1.1) können zu Schallquellen werden, wenn cp und cv sind die molaren Wärmekapazitäten bei kon-
sie Schwingungen auf ein Medium übertragen, das stantem Druck bzw. Volumen, R die allgemeine Gaskon-
Energie in Form von Schallwellen fortträgt. So werden stante, Mmolar die molare Masse in kg/mol, T die Tem-
beim Sprechen in der Stimmritze die Stimmbänder je peratur in K.
nach Anspannung durch die vorbei streichende Luft zu So beträgt die Schallgeschwindigkeit:
bestimmten Schwingungen angeregt, besonders stark 4 in Eisen 5170 m/s,
zu solchen Frequenzen, die in dem durch Mund, Zunge 4 in Wasser von 20°C 1476 m/s,
und Rachen geformten Hohlraum stehende Wellen 4 in Luft von 0°C 331 m/s und von 27°C 347 m/s.
ausbilden. Dies gilt insbesondere für die Gesangs- 4 Im menschlichen Körper variiert die Geschwindig-
stimme. keit je nach der Dichte des Gewebes. Beispiele:
Die Dämpfung der stehenden Wellen durch Schall- c(Gehirn)=1530 m/s, c(Muskel) =1568 m/s, c(Kno-
ausstrahlung kann dabei durch nachströmende Luft chenmark)=1700 m/s, c(Knochen) =3600 m/s.
kompensiert werden.
Bei Instrumenten werden meist nicht nur ein Ton Trifft eine Schallwelle aus Medium 1 senkrecht auf eine
einer bestimmten Frequenz angeregt, sondern mehrere »Wand« aus Medium 2, so wird je nach der Differenz der
Obertöne, deren Frequenzverhältnis zu der des Grund- Wellenwiderstände ein Teil der Welle reflektiert. Für den
tons oft durch einen rationalen Bruch wie 2/1, 3/2, 4/3 Druckamplituden-Reflektionsfaktor r=p~refl/p~einf
usw. beschrieben werden kann. Ihre Anzahl und An- erhält man die Formel: r=(ZW,2–ZW,1)/(ZW,2+ZW,1).
regungsstärken machen die typische Klangfarbe eines Ferner gilt: Intensität Irefl=Ieinfur2. Danach wird
Instruments aus. Dagegen enthalten Geräusche kom- die Schallwelle praktisch vollständig reflektiert, wenn
plexere Frequenzspektren, die in ihrer Abfolge aber sich die Impedanzen beider Medien sehr stark unter-
112 Kapitel 6 · Schwingungen und Wellen
scheiden. Sowohl ZW,2≈∞ als auch ZW,1≈∞ ergeben von 10 cm bis 10 m (f=3400 Hz bzw. 34 Hz) gut hörbar
r=±1. Die Vorzeichen von r haben nur mit den Phasen bleiben, während sich die beim Flüstern verwendeten
zu tun. Nur wenn beide Wellenwiderstände etwa gleich sehr hohen Frequenzen (λ<<10 cm) schon mit den
groß sind, tritt die Welle praktisch reflexionsfrei ins Händen gut »abschatten« lassen.
andere Medium über. Auf die komplizierte Schallübertragung vom
äußeren Ohr über Trommelfell, Hammer, Amboss und
KLINIK Steigbügel auf das Innenohr kann hier aus Platzgrün-
Deshalb verwendet man bei der Sonographie ein den nicht näher eingegangen werden (GK Anatomie,
Physik
besonderes Koppelgel zur Verringerung der Re- 7 Kap. 11). Der komplexe Mechanismus vermindert
flexionsverluste beim Übergang von der Schall- jedenfalls die starken Reflexionsverluste, die bei direk-
sonde zur Haut. ter Beschallung des wässrigen Mediums der Perilymphe
im Corti-Organ entstünden.
Die schnelle Bewegung der mit der Frequenz der Welle Merke
schwingenden Teilchen verursacht Reibung, was eine Reflexionsverluste beim Übergang von Schall-
Erwärmung des durchstrahlten Mediums zur Folge wellen von einem Medium in ein anderes werden
hat. Die Reibungskraft ist proportional zur Schall- durch ähnlich große Wellenwiderstände Z=ρuc
schnelle, was zu einem exponenziellen Abfall der Am- beider Medien klein gehalten.
plituden der Schallschnelle und des Schalldrucks mit
den Abklingkoeffizienten α führt: v~=v~0uexp(-αz)
und p~=p~0uexp(-αz).
Die Intensität der Welle klingt dann mit I=I0uexp 6.3.4 Menschliches Hörvermögen,
(–μz) ab. Für den Schwächungskoeffizienten μ gilt, da Schallpegelmaße
v~ proportional zu p~ ist, die Beziehung μ=2α.
Eine anschaulichere Größe ist die Halbwertsdicke Für das junge menschliche Ohr sind Frequenzen von
h, nach der die Intensität in der durchstrahlten Schicht etwa 20 Hz bis 20.000 Hz hörbar. Tiefere Frequenzen
auf die Hälfte abgesunken ist: Die Auflösung der Glei- als 20 Hz (Infraschall) können nur noch vom ganzen
chung I0/2=I0uexp(–μh) nach h durch Logarithmie- Körper als Vibrationen gefühlt werden. Frequenzen
rung beider Seiten der Gleichung führt zu h=ln2/ über 20.000 Hz bis 1 GHz bezeichnet man als Ultra-
μ=0,693/μ=0,693/2α. schall. Er ist für viele Tiere wie Fledermäuse und
Die Halbwertsdicke nimmt mit wachsender Fre- Hunde noch bis ca. 100 kHz wahrnehmbar. Fre-
quenz ab, d. h. die Absorption nimmt zu. Die Halb- quenzen höher als 1 GHz liegen im Bereich des Hyper-
wertsdicke hängt auch sehr stark von der Art des durch- schalls.
strahlten Gewebes ab. So sinkt bei f=0,9 MHz die Halb- Das menschliche Gehör ist am empfindlichsten
wertsdicke h von 500 cm für Wasser über Fett (7,7 cm), für Frequenzen zwischen 1000 und 3000 Hz. Die Hör-
Gehirn (3,6 cm) und Muskel (2,7 cm) auf h=0,2 cm bei schwelle liegt bei der Frequenz von 1000 Hz bei einer
Knochen ab. Bei der Frequenz f= 2,5 MHz verringern Intensität I1000=10–12 W/m2, bei 3000 Hz ist die Emp-
sich diese Werte um etwa den Faktor 2,8. Bei der Sono- findlichkeit des Gehörs am größten. Bei etwa 1 W/m2
graphie von Organen muss daher die unterschiedlich ist die Schmerzgrenze erreicht, es können keine Fre-
starke Schallabsorption von Geweben berücksichtigt quenzen mehr unterschieden werden. Diesen 12 Zeh-
werden. nerpotenzen umfassenden Bereich erfasst der Mensch
Die Reflexion von Schall spielt auch für die Akustik dadurch, dass die Empfindungsstärke in etwa propor-
von Räumen eine große Rolle. Ist die Dämpfung durch tional zum Logarithmus der Intensität ist (Weber-
das Material der Wände zu gering, so treten mehrfache Fechner-Gesetz). Man hat deshalb ein frequenzunab-
Reflexionen auf, der Raum hallt. Dagegen trägt in hängiges Schallpegelmaß:
schalltoten, reflexionsarmen Räumen die Stimme nicht
weit, was gegebenenfalls nur in Tonaufnahmestudios P=log(I/In) [Bel]=10ulog(I/In) [dB (Dezibel)]
erwünscht ist.
Schallwellen werden auch stark gebeugt, wenn Öff- definiert, indem man sich bei diesem relativen Maß
nungen oder Hindernisse von der Größenordnung der immer auf eine Normintensität von In=10–12 W/m2 be-
Wellenlänge oder kleiner sind. Die Beugung ist dafür zieht. (Dem entspricht eine Wechseldruckamplitude
verantwortlich, dass hinter Bäumen, Personen und Tür- p~eff=2u10–5 Pa, die sich aus I=p~eff2/ZW und ZW-Luft≈
öffnungen Musik und Sprache im Wellenlängenbereich 400 kg/(m2s) ergibt).
6.3 · Schallwellen
113 6
. Abb. 6.3. Spektrale Empfindlichkeit des menschlichen Schallstärken bzw. Schallpegel in db (rechts) variieren über
Gehörs. Die eingezeichneten Kurven entsprechen Tönen viele Größenordnungen. Nur bei 1000 Hz ist die Phonskala
gleicher Lautstärke von 4 bis 120 Phon. Die zugehörigen per definitionem streng logarithmisch. (Harten 2006).
Verdoppelt sich die Intensität einer Schallquelle z. B. Die Skala in Phon ist nicht streng logarithmisch,
von 10-6 auf 2u10-6 W/m2, so wächst der Schallpegel von wie . Abbildung 6.3 für das durchschnittliche Gehör
60 dBauf63 dBan(10ulog(2u106/1012)=10ulog(2u10+6)= über alle Frequenzen verdeutlicht. . Tabelle 6.1 gibt
10u(log2+log10+6)=10u(0,30103+6)=63). So führt jede einige Beispiele, wie laut wir verschiedene Situationen
Änderung um den Faktor 2 bzw. 10 in der Intensität zu bzw. Geräusche empfinden.
einer Änderung des Pegels um 3 bzw. 10 db!
Einer Schalldämmung von 20 dB entspricht demnach Merke
einer Verringerung der Intensität auf 1%, sodass dadurch Weber-Fechnersches Gesetz:
z. B. Lärm von 57 dB auf 37 dB herabgedämpft wird. Schallpegel P=10ulog(I/In) [dB (Dezibel)],
Da das menschliche Ohr gleiche Schallintensitäten In=10–12 W/m2.
im zugänglichen Frequenzbereich höchst unterschied- Phon-Maß: Ein Ton ist so laut in Phon wie eine
lich laut empfindet, hat man zusätzlich das Phon-Maß gleich laut empfundene Schallquelle in Dezibel
der Lautstärke P eingeführt: Ein Ton ist so laut in Phon bei f=1000 Hz.
wie eine gleich laut empfundene Schallquelle in De-
zibel bei der Frequenz von 1000 Hz. Dabei wurde über
das Hörempfinden vieler normal hörender Menschen
gemittelt. Der Hörschwelle bei 1000 Hz wurden 4 Phon 6.3.5 Sonographie und andere
zugeordnet. Schalltechniken
dert, wobei noch je nach Anpressdruck bestimmte webe, während der Stein durch eine Druckampli-
Frequenzbereiche durch Resonanz mit der Metall- tude von bis zu 0,1 GPa in sandartige Stücke zer-
glocke hervorgehoben werden können. trümmert wird. Heute werden in der klinischen
3. Ultraschalldiagnosegeräte beruhen auf dem Echo- Praxis die Stoßwellen von elektrohydraulischen
lotverfahren. Danach wird aus dem Zeitintervall Δt (Funkenstrecke), elektromagnetischen oder piezo-
zwischen Aussendung und Empfang eines sehr elektrischen Generatoren erzeugt und über eine
kurzen Schallimpulses die Entfernung d eines re- mit Wasser gefüllte Kunststoffblase (Koppelbalg) in
flektierenden Körpers in Luft oder Flüssigkeit be- das Körpergewebe reflexionsarm weitergeleitet.
Physik
7 Optik
Mind Map
Wenn ein Mensch das Licht der Welt erblickt, tritt mit von Christiaan Huygens vorgeschlagenen Wellennatur
dem Sehsinn der Letzte von fünf Sinnen in Aktion, der des Lichts erklärt, wird er stark angefeindet, denn man
fortan bei ausreichender Beleuchtung über scharfe war mit Newton von der Teilchennatur des Lichts über-
bunte Bilder am genauesten über die neue Umge- zeugt. Young hoffte, »dass die Wissenschaft der Optik
bung informiert. Die Augen nehmen dabei das Re- Nutzen daraus ziehen wird, selbst wenn die Theorie zu-
flexionsvermögen von Oberflächen wahr, das sich letzt widerlegt werden sollte«. Dies tun wir bis heute,
mittels Lichtmessungen präzise bestimmen lässt. wissen aber, dass der alte Streit durch den Welle-Teil-
In der geometrischen Optik vernachlässigt man chen-Dualismus gelöst ist.
weitgehend die Welleneigenschaften von Licht, ins- Mit Fernrohren, Kameras und Mikroskopen
besondere die Beugung, und ersetzt die Richtung von machen wir uns Bilder vom Mikro- bis zum Makro-
Wellenfronten durch Lichtstrahlen, quasi als die Flug- kosmos, projizieren sie auf Fotopapier oder werfen sie
spur von Lichtteilchen. Hierdurch lassen sich optische an die Wand. Die unterschiedlichsten Techniken der
Fehler des menschlichen Auges und deren Korrektur Abbildung kommen zur Anwendung, doch sind nur
durch Linsen sehr gut beschreiben. wenige Gesetze der Optik dabei zu beachten. Andere
In seinem Werk »Optik« stellt Isaac Newton 1704 optische Geräte messen Brechungsindizes und spek-
seine Erkenntnisse und Beobachtungen über trale Emissionen oder auch das Absorptionsvermögen
Brechung und Dispersion von Licht vor. Er beschreibt (Photometer) und die optische Aktivität von Substan-
darin auch die nach ihm benannten »Newtonschen zen und Materialien.
Ringe«. Als Thomas Young diese 1801 als Folge der
118 Kapitel 7 · Optik
7.1 Licht
KLINIK
In der Endoskopie verwendet man biegsame
Glasfasern als verlustarme Lichtleiter, das einmal
Physik
mente die Strahlungsenergie in andere Energieformen In der Telekommunikation werden heute durch Glas-
um. So erzeugt man im Strahlungsthermoelement fasern nach demselben Prinzip wie bei der Endoskopie
durch Erwärmung einer Lötstelle eine messbare Ther- riesige Datenmengen über weite Strecken effektiv über-
mospannung. Bei der Photozelle nach . Abbildung 7.2 tragen.
löst Licht über den lichtelektrischen Effekt Elektronen Der Begriff »Dispersion von Licht« steht für die
aus einer Photokathode aus, die von einer lichtdurch- Wellenlängenabhängigkeit der Geschwindigkeit des
lässigen Anode gesammelt werden. Lichts in Medien und damit für die Variation von Brech-
Bei Bolometern nutzt man die Widerstandsände- zahl und Brechungswinkel mit der Farbe des Lichts.
rungen von Halbleitern oder geschwärzten Platinfolien . Abbildung 7.3 zeigt als Beispiel die Dispersionskurve
infolge ihrer Erwärmung durch Absorption von Strah- von Flintglas. Die Dispersion des Lichts wird bei Gitter-
lung, insbesondere von Infrarotstrahlung aus. In der und Prismenspektrographen für die Untersuchung von
ladungsträgerfreien Sperrschichtzone einer Photodiode Emissionsspektren genutzt (7 Kap. 7.3.1 und 7.4).
kann Licht durch den inneren Photoeffekt Elektronen
ins Leitungsband heben und zugleich Löcher (Defekt- Merke
elektronen) erzeugen, die abgesaugt werden und mess- Medium mit Brechungsindex n=c/cn. Es gilt
bare Ströme liefern (7 Kap. 5.7.1). Schließlich werden cn=fuλn.
auch lichtempfindliche Photoemulsionen benutzt, um Da f vorgegeben, ist die Wellenlänge λn=λVak/n.
über ihre Verfärbung oder Schwärzung die über eine Für Brechungsindizes n1 und n2 gegen Vakuum gilt:
gewisse Zeit gesammelte Strahlung zu erfassen. Snelliussches Brechungsgesetz:
sinα1/sinα2=c1/c2=n2/n1
Grenzwinkel der Totalreflexion:
7.2 Geometrische Optik αTR=arcsin(n2/n1), n1>n2.
. Tab. 7.2. Brechzahl von Stoffen STPD und Grenzwinkel der Totalreflexion zu Luft für gelbes Na-Licht der Wellenlänge =
589 nm
Feststoff n αTR Fl. Stoff, Gas n αTR
Eis 1,310 49,8° Luft 1,0003 −
Quarzglas 1,459 43,3° Wasser 1,333 48,6°
Flintglas 1,613 38,3° Benzol 1,501 41,8°
Diamant 2,417 24,4° Methyleniodid 1,628 37,9°
7.2.2 Abbildung durch Reflexion spiegel von Kraftfahrzeugen, da sie einen großen Raum-
an Spiegeln winkel erfassen.
Auf die Gesetze der Abbildung mit Konkav- und
Konstruiert man nach dem in 7 Kapitel 6.2.3 bespro- Konvexspiegeln und ihre Bildfehler wird hier nicht
chenen Reflexionsgesetz »Einfallswinkel = Ausfalls- näher eingegangen, da sie im Prinzip dieselben sind wie
winkel« die von einzelnen Punkten eines Gegenstandes für Linsen (s. u.).
ausgehenden Lichtstrahlen, so findet man bei einem
ebenen Spiegel Folgendes: die reflektierten Strahlen Merke
scheinen von einem Abbild des Gegenstandes herzu- Ebener Spiegel: Bild virtuell, hinter dem Spiegel
kommen, das in gleichem Abstand wie der Gegenstand im gleichen Abstand wie Gegenstand.
hinter der Spiegelfläche zu stehen scheint. Generell Konkaver Spiegel: Brennweite f=R/2, R Krüm-
nennt man solche Abbildungen virtuell, da man am mungsradius; für Gegenstandsweite g<f Bild vir-
vermeintlichen Ort des Bildes es nicht durch eine Matt- tuell und vergrößert.
scheibe oder einen Film aufnehmen oder sichtbar Konvexer Spiegel: Brennweite f=-R/2; für Gegen-
machen kann. Bekanntlich erscheint bei einfacher Spie- standsweite g>0 Bilder stets virtuell und ver-
gelung im virtuellen Bild immer rechts und links gegen- kleinert.
über dem Original vertauscht.
Lässt man ein schmales paralleles Strahlenbündel
senkrecht auf einen sphärisch gekrümmte Spiegel
fallen, 7.2.3 Abbildung durch dünne Linsen
4 so durchlaufen die Strahlen bei einem Hohlspiegel
(Konkavspiegel, Krümmungsradius R) im Abstand In der Optik ist eine Linse ein durchsichtiger, rotations-
R/2 vom Spiegel einen scharfen Fokus: hier hat man symmetrischer Glaskörper, der von 2 Kugelflächen ver-
einen reellen Brennpunkt mit der Brennweite schiedener oder gleicher Krümmung begrenzt ist. Die
f=R/2. Achse der Rotationssymmetrie nennt man die optische
4 Bei einem Konvexspiegel vom gleichen Krüm- Achse der Linse.
mungsradius R laufen die Strahlen nach der Re-
flexion divergent auseinander, aber sie scheinen Sammellinse. Ist die Linse in der Mitte dicker als am
von einem Fokus oder Brennpunkt hinter der Kugel- Rand, so fokussiert sie ein längs der optischen Achse
fläche ebenfalls im Abstand R/2 herzukommen. einfallendes Bündel paralleler Strahlen in einem Brenn-
Hier hat man einen virtuellen Brennpunkt mit der punkt hinter der Linse. Sie ist dann eine Sammellinse
Brennweite f=-R/2. und ihre Brennweite, grob der Abstand des Fokus von
der Linsenmitte, wird positiv gerechnet.
Hohlspiegel, wie sie z. B. der Zahnarzt verwendet, bil-
den die Umgebung stark vergrößert ab, solange der Zerstreuungslinse. Ist die Linse in der Mitte dünner als
Gegenstand sich innerhalb der Brennweite f=R/2 der am Rand, so defokussiert sie das Parallelstrahlenbündel
Spiegel befindet. Gegenstände im Abstand g>R/2 vom so, dass die divergenten Strahlen von einem Fokus vor
Spiegel produzieren reelle Bilder, sie liegen für g>>R der Linse herzukommen scheinen. Zerstreuungslinsen
nahe am Fokus, wo z. B. Hobbyastronomen Sterne des dieser Art ordnet man negative Brennweiten bzw.
Nachthimmels fotografisch aufnehmen können. Brechkräfte zu.
Konvexe Spiegel erzeugen immer verkleinerte vir- Man kann zeigen, dass das Brechungsgesetz für
tuelle Bilder der Umgebung, sie dienen z. B. als Seiten- kugelflächenbegrenzte Linsen scharfe Fokussierungen
122 Kapitel 7 · Optik
und Abbildungen in guter Näherung vorhersagt, Ab- len; er wird bei virtuellen Bildern durch die rückwärtige
weichungen machen sich erst für Randstrahlen be- Verlängerung der dann divergenten Strahlen gefunden.
merkbar (Linsenfehler 7 Kap. 7.2.5).
Wir betrachten zunächst die Abbildungseigen- Merke
schaften dünner, symmetrischer, bikonvexer bzw. Linsengleichung: 1/f=1/g+1/b.
bikonkaver Linsen in Luft. Sie haben bild- und gegen- Lateralvergrößerung: V=B/G =b/g.
standsseitig die gleiche Brennweite f=±0,5ur/(nL–1). Brechkraft einer Linse: φ=1/f [dpt=m–1].
Sie wird von der Linsenmitte aus gerechnet, ebenso
Physik
Merke
Merke Linsenfehler (Punkte werden unscharf abge-
Verallgemeinerte Linsengleichung: bildet).
n/g+n’/b=φ=n/f=n’/f’. Sphärische Aberration: fRand<fMitte
Der Gegenstand mit der Gegenstandsweite g Chromatische Aberration: fviolett<frot
befindet sich im Medium mit dem Brechungsindex n, Astigmatismus: f||≠f=.
das Bild mit der Bildweite b entsteht im Medium n’.
φ ist die verallgemeinerte Brechkraft.
je nach Alter
Brechzahl der Augenlinse n 1,358
Brechzahl von Kammerwasser und 1,3365
Glaskörper n’
Größe der Augenpupille Ø= 2R 2–8 mm
Abstand Hauptpunktemitte vom Scheitel 1,475 mm
der Hornhaut
. Abb. 7.6. Horizontalschnitt durch ein menschliches Auge. Abstand der Hauptpunkte bzw. der Haupt- 0,254 mm
Der Strahlengang durch Hornhaut und Linse und Glaskörper ebenen
findet in einer Umgebung mit größerem Brechungsindex Abstand der Knotenpunkte 0,254 mm
als Luft statt und entspricht daher der linken Seite von
. Abb. 7.5. (Harten 2006) Hintere Brennweite (zu Retina) bei ent- 22,80 mm
spanntem Auge
Vordere Brennweite (zu Luft) bei entspann- 17,05 mm
KLINIK tem Auge
Kleinkinder können auf etwa 7 cm vom Auge ent-
Abstand Mitte Knotenpunkte von Mitte 5,75 mm
fernte Nahpunkte akkomodieren, was einer zusätz-
Hauptpunkte
lichen Brechkraft von etwa 14 dpt entspricht. Im
hohen Alter geht die Akkomodationsfähigkeit der
Linse praktisch verloren. die gelbliche Augenlinse ebenso wie der gelbe Fleck
blaues und violettes Licht relativ stark absorbieren. Da-
mit wird dort, wo die Auflösung am größten ist, ins-
Der Mensch nimmt Licht durch 2 Arten von Sehzellen besondere bei großer Helligkeit, die spektrale Emp-
wahr: findlichkeit zum Roten hin verschoben, wo die Disper-
4 Die so genannten Stäbchen vermögen nur zwi- sionskurve im Allgemeinen einen flacheren Verlauf hat
schen hell und dunkel zu unterscheiden und sind (. Abb. 7.3).
nur für das Sehen in der Dämmerung geeignet.
4 Das Farbensehen vermitteln 3 Arten von Sehzellen, Merke
so genannte Zäpfchen, die auf unterschiedliche Brechkraft φ des menschlichen Auges.
Wellenlängenbereiche mit Maxima im Roten, Hornhaut: ≈43 dpt;
Grünen und Blauen empfindlich sind. Augenlinse: ≈16 dpt;
Akkomodationsvermögen Δφ der Augenlinse
Zäpfchen liegen besonders dicht in der Netzhautgrube sinkt bei Erwachsenen im Laufe des Lebens von
(Fovea, Durchmesser 0,3 mm) im Zentrum des gelben ≈12 dpt auf ≈1 dpt.
Flecks (Durchmesser 2 mm) und haben dort Abstände
von etwa 5 μm. Dieser Abstand entspricht dem maxi-
malen Auflösungsvermögen des Auges bei der kleinsten
Pupillenöffnung von einem Durchmesser von 2 mm, 7.2.7 Sehfehler und ihre Behebung
wo das Zerstreuungsscheibchen infolge der sphärischen
Aberration etwa so groß ist wie die durch Beugung an Alle Fehlsichtigkeiten des menschlichen Auges, die
der Pupille hervorgerufene Unschärfe (7 Kap. 7.3.1, nicht auf Unebenheiten der Hornhaut, Trübungen der
Beugung an Kreisblende). Die anatomische Auflösung Linse oder Degeneration der Retina zurückzuführen
des Auges entspricht also der physikalisch möglichen! sind, sondern auf einfache geometrische Abweichungen
Die chromatische Aberration kann das Auge zwar von der idealen Anatomie, können durch geeignete
nicht aufheben, sie wird aber dadurch vermindert, dass Brillen behoben werden.
7.3 · Wellenoptik
125 7
Merke
Spalt: Intensitätsminima für sinα=kuλ/d für
k=0, 1, 2, 3 ...
d= Spaltbreite, α= Ablenkwinkel,
kuλ= Gangunterschied.
Gitter: Intensitätsmaxima für sinα=kuλ/d mit
k=0, 1, 2, 3 ...
Physik
gungsmaxima auf, wenn der in . Abbildung 7.7 erklärte Wie in 7 Kapitel 6.4 erläutert wurde, ist Licht als trans-
Gangunterschied g=kuλ, also von Spalt zu Spalt ein versale elektromagnetische Welle polarisierbar. Folgen-
ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist, da sich de Verfahren bewirken, dass der elektrische Feldvektor
dann die Beiträge aller Spalte konstruktiv addieren, nur in einer Ebene schwingt:
während bei allen nicht ganzzahligen Gangunterschie- 4 Streuung: Licht ist polarisiert, wenn der Winkel
den die Beiträge aller Spalte sich weitgehend gegensei- Lichtquelle – Streuzentrum – Beobachter verschie-
tig auslöschen. Es gilt: den von 0° ist. So ist das Blau des Himmels als
Intensitätsmaxima für sinα=kⴛλ/d mit k=0,1, Streulicht an Molekülen unter 90° zur Sonne sogar
2, 3 …. total polarisiert, da die zu Resonanzschwingungen
Die mit der Beugung verbundene Dispersion von angeregten elektrischen Dipolfelder dann nur
Gittern steigert sich mit der Ordnung k, allerdings mit Feldkomponenten senkrecht zur Streuebene
auf Kosten der Intensität. Deshalb verwendet man schwingen. Bienen können die Polarisationsrich-
häufig Gitter statt Prismen zur Analyse von Emissions- tung des Streulichts wahrnehmen und benutzen
linien bei Spektrometern und zur Monochromatisie- diese Fähigkeit zur Orientierung.
rung von Licht bei Spektralphotometern (. Abb. 7.8 in 4 Reflexion: Wird Licht an durchlässigen Medien
7 Kap. 7.4.3). wie Glas oder Wasser reflektiert, so ist der reflek-
tierte Strahl total polarisiert, und zwar senkrecht
Auflösung optischer Geräte zur Streuebene, wenn der reflektierte Strahl senk-
Nach der eingehenden Theorie von Ernst Abbé kann recht zum gebrochenen Strahl steht. Nach dem
man bei einer optischen Abbildung die Spalte eines Git- Brechungsgesetz (7 Kap. 6.2.3) ist dann wegen
ters nur dann noch getrennt wahrnehmen, wenn min- sinβ=sin(180°-α-90°)=cosα der so genannte Brew-
destens zwei Beugungsmaxima von der Öffnung des sterwinkel gegeben durch tanα=n2/n1. Für die Re-
abbildenden Systems erfasst werden. Diese Überlegung flexion an Wasser (n2(H2O)=1,33 und n1(Luft)≈1)
liefert die Formel für den kleinsten noch auflösbaren ist das der Winkel von 53°. So kann man mit Pol-
Abstand zweier Punkte bei Betrachtung im Mikroskop, filterbrillen, die nur senkrecht zur Wasserober-
nämlich: d=0,61ⴛλ/(nⴛsinα). fläche polarisiertes Licht durchlassen, störende
Der Kehrwert 1/d bezeichnet die (maximal mög- Reflexe bei Gegenlicht stark mindern.
liche) Auflösung des Mikroskops. Der Faktor 0,61 be- 4 Dichroismus und Doppelbrechung: Manche Kris-
rücksichtigt kreisförmige Linsenöffnungen, die Brech- talle wie Turmalin spalten einfallendes Licht in 2
zahl n im Nenner die Verkürzung der Wellenlänge, senkrecht zueinander polarisierte Strahlen auf, in
wenn der Raum zwischen Deckglas und Objektiv durch die so genannten ordentlichen und außerordent-
eine Immersionsflüssigkeit ausgefüllt wird. Der Win- lichen Strahlen. Sie haben für beide Komponenten
kel α entspricht dem halben Öffnungswinkel, den die unterschiedliche Brechungsindizes und ungleiches
Objektivlinse erfasst. Den Faktor nⴛsinα bezeichnet wellenlängenabhängiges Absorptionsvermögen, so-
man als nummerische Apertur. dass sie je nach Richtung der Polarisation des ein-
7.4 · Optische Instrumente
127 7
das Linsensystem wird wie in . Abbildung 7.5 durch tionsspektralanalyse von chemisch aufbereiteten
2 Hauptebenen repräsentiert, bis auf Unterwasserka- Blutproben wichtige Erkenntnisse über die Konzen-
meras mit Brechzahlen nc=n. tration vieler Bestandteile des Bluts und damit
Will man die Tiefenschärfe (auch Schärfentiefe) über den Gesundheitszustand der untersuchten
vergrößern, so muss die Blende auf Kosten der Hellig- Patienten gewinnen, z. B. über den Sauerstoffge-
keit verkleinert werden, damit die Lichtbündel, die von halt, Blutfettwerte, die Anteile der verschiedenen
Punkten ausgehen, die auf der Ebene des Films keinen Cholesterine usw.
scharfen Fokus haben, etwa so schmal werden wie die
Ortsauflösung bei scharfem Bild. Die Blendenzahl
BZ=f/D ist als das Verhältnis von Brennweite f zu Blen- Das Prinzip eines Spektralphotometers (vielfach be-
dendurchmesser D definiert. nutzt in etlichen Praktika) zeigt die . Abbildung 7.8.
Die Tiefenschärfe ist beim Projektor kein Problem, Das Licht des beleuchteten Spalts Sp.1 wird durch ein in
um aber das projizierte Bild möglichst lichtstark zu etwa symmetrisch durchlaufenes Prisma in ein konti-
machen, wird durch einen Kondensor möglichst viel nuierliches Farbenspektrum zerlegt und auf die Ebene
Licht der Lampe, auch von hinten gespiegeltes, auf den von Spalt Sp.2 fokussiert. Die Anordung erklärt zu-
abzubildenden Film geworfen, mit einem Fokus in der gleich das Prinzip des Prismenspektrographen. Die Dis-
Objektivlinse, sodass auf der Projektionswand kein stö- persion ist am größten beim minimalen Ablenkwinkel
rendes Bild der Lichtquelle zu sehen ist. δmin. Dieser ergibt sich aus dem brechenden Winkel φ
und dem mittleren Brechungsindex n(l ) aus der Bezie-
Merke hung: n(l ) =sin(φ/2+δmin/2)/sinφ/2. Für weißes Licht
Kamera: Blendenzahl BZ=f/D beobachtet man die folgende Farbfolge mit zunehmen-
D=Blendendurchmesser, f Brennweite. Abbildungs- der Brechung: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett.).
maßstab gemäß der Linsengleichung V=B/G=b/g. Der verschiebbare Spalt lässt nur Licht eines schma-
len Wellenlängenbereichs durchtreten. Dieses Licht
durchläuft dann parallel eine Küvette mit der zu untersu-
chenden Substanz und wird dann auf eine Photozelle zur
Messung der Intensität fokussiert. In der Küvette sei eine
Lösung der zu analysierenden Substanz mit der Konzen- Stärkere Vergrößerungen sind möglich, wenn man
tration c eingefüllt, d sei die durchstrahlte Schichtdicke, ein bereits vergrößertes Zwischenbild mit der Lupe
K(λ) sei der wellenlängenabhängige Extinktionskoeffi- betrachtet. Das ist das Prinzip des Mikroskops nach
zient. . Abbildung 7.9. Dazu befindet sich das Objekt sehr
Bei nicht allzu starken Konzentrationen wächst die nahe am Brennpunkt der Objektivlinse sehr kurzer
Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon absorbiert wird, Brennweite. Das stark vergrößerte, reelle Zwischenbild
linear mit der Konzentration, ist aber unabhängig von liegt im Fokus der Okularlinse, die das entspannte
der bereits durchlaufenen Schichtdicke. Nach den Ge- Auge als Lupe benutzt.
setzen der Statistik führt dies (7 Kap. 8.1.1 und 8.4.1) zu Der Abstand b des Zwischenbildes vom Objektiv ist
einer exponenziellen Abnahme der Lichtintensität mit formal als Summe der Objektivbrennweite fOB und der
Schichtdicke und Konzentration. so genannten Tubuslänge t definiert. Die Tubuslänge der
Dies entspricht genau dem Gesetz von Lambert- meisten Mikroskope beträgt konventionell 18 cm, was
Beer: I (l ) = I 0 (l ) ¥ exp(- K (l ) ¥ c ¥ d ) . garantiert, dass man ohne Schwierigkeiten bei normaler
Das Verhältnis I(λ)/I0(λ) bezeichnet man auch Sitz- und Tischhöhe durch ein Mikroskop schauen
als Durchlässigkeit oder Transmission D(λ). Logarith- kann.
miert man die Gleichung mit dem dekadischen Loga- Eine kleine Rechnung mit dieser Definition der
rithmus, so erhält man die gleichwertige, alternative Tubuslänge ergibt für die laterale Vergrößerung des
Form: Zwischenbildes V=b/g=t/fOB. Zusammen mit der Lupen-
E(l ) = log( I 0 (l ) I (l )) = log e ¥ K (l ) ¥ c ¥ d = vergrößerung des Okulars ist danach die Gesamtver-
e (l ) ¥ c ¥ d . Hier bezeichnet E(λ) die Extinktion und
ε(λ) den dekadischen Extinktionskoeffizienten.
Merke
Gesetz von Lambert-Beer:
E = log(I0 I ) = e ( l ) ¥ c ¥ d
mit d=Schichtdicke, ε(λ) dekadischer Extinktions-
koeffizient, c Konzentration.
größerung des Mikroskops gegeben durch (das Pro- immer stärker absorbiert wird und es nur wenige Gläser
dukt!): V=t/fOBⴛs0/fL. wie Quarzglas gibt, die sich zum Bau von Linsen eignen.
Andererseits wird Röntgenstrahlung praktisch nicht
KLINIK gebrochen (n≈1), sodass man nur durch Beugung an
Da nach Abbé (. Kap. 7.3.1) die Beugung an der gebogenen Einkristallen überhaupt eine nennenswerte
Objektivlinse kleinere Abstände als etwa die Wellen- Fokussierung erreichen kann.
länge des verwendeten Lichts von ca. 400 bis Viel effektiver ist die Verwendung von hoch ener-
750 nm nicht mehr auflösen lässt, sind nur Mikros- getischen Elektronenstrahlen, die sich besonders durch
Physik
kopvergrößerungen von maximal 1000 sinnvoll, magnetische Felder sehr gut ablenken und fokussieren
was für Einzeller und die meisten Bakterien genügt, lassen. Die ihnen zugeordnete de-Broglie-Wellenlänge
aber nicht mehr für Viren. (7 Kap. 3.1.4) beträgt z. B. für 100-keV-Elektronen nur
0,0037 nm. Trotz einer nummerischen Apertur von nur
etwa 0,01 können Elektronenmikroskope gegenüber
Bei der normalen Hellfeldbeleuchtung entstehen Kon- dem Lichtmikroskop noch 1000-mal kleinere Struk-
traste durch unterschiedliches Absorptionsvermögen. turen bis zu einer Größe von 0,2 nm auflösen. Zur Bild-
Voraussetzung ist eine gute Ausleuchtung des mikro- aufnahme werden Filme, Leuchtschirme oder elektro-
skopischen Objekts durch geeignete Kondensoren, die nische Bildwandler verwendet. Beim Rasterelektro-
die gleiche nummerische Apertur (7 Kap. 7.3.1) wie das nenmikroskop wird die rechteckige Probe zeilenweise
Objektiv haben und das Licht auf das Objekt voll kon- in Piezotechnik mit einem feinen Elektronenstrahl ge-
zentrieren. Reichen die Kontraste nicht aus, arbeitet rastert und die Intensität von Sekundärelektronen in
man gerne mit Dunkelfeldkondensoren, bei denen das Transmission oder Reflexion gemessen.
Objektiv nicht mehr die Strahlen der Beleuchtung von Auf völlig andere Weise funktionert das Raster-
der Seite her erfasst, sondern nur die Streustrahlung tunnelmikroskop (Physiknobelpreis 1986). Hier wird
von Konturen des Objekts. die Oberfläche einer Probe mit einer sich bis zu einem
Andere Möglichkeiten, geringe Kontraste sichtbar Metallatom verjüngenden Spitze auf negativem Poten-
zu machen, bietet die Verwendung von polarisiertem zial abgetastet. Durch den Piezoeffekt kann die Sonden-
Licht (Polarisationsmikroskopie) oder die Mikrosko- spitze so fein im Subnanometerbereich gesteuert wer-
pie des Fluoreszenzlichts geeigneter Präparate bei Be- den, dass sie die Probe nie berührt, aber ihr so nahe
leuchtung mit UV-Licht (Fluoreszenzmikroskopie). kommt, dass durch den Tunneleffekt ein Elektronen-
Die noch viel aufwändigere Phasenkontrastmikros- strom fließt. Rastert man nun die Probe wie beim
kopie soll hier nur insoweit erwähnt werden, als man Rasterelektronenmikroskop und regelt den Abstand
hier bei völlig durchsichtigen Strukturen der Dicke d der Sonde auf konstanten Tunnelstrom, so kann man
mit dem Brechungsindex nc nur noch die Phasenver- aus der Variation dieser Regelspannung Strukturen
schiebungen nutzen kann, die durch den Gangunter- von der Größe der Atome »sichtbar« machen.
schied (n–nc)ud gegenüber der ungestörten Welle zu-
stande kommen. Merke
Mithilfe der Elektronen- und Rastertunnelmikros-
Merke kopie lassen sich Strukturen atomarer Dimensionen
Vergrößerung der Lupe und des Okluars: auflösen.
VL=s0/fL bis VL=s0/fL+1;
Vergrößerung des Mikroskops: V=t/fOBus0/fL
Konventionelle Tubuslänge t=18 cm;
Bezugssehweite s0=25 cm.
8 Ionisierende Strahlung
Mind Map
Im Jahr 1896 entdeckte Henri Becquerel die Radio- uranylsulfat lag. 110 Jahre danach kann man geringste
aktivität von Uran mit den damals rätselhaften α-, β- Spuren ionisierender Strahlung nachweisen, wobei dies
und γ-Strahlen. Die Aufklärung der Natur dieser Strah- in der Dosimetrie heute immer noch über die Schwär-
len erschloss in den Folgejahren neue Gebiete, die zung von Filmmaterial funktioniert. In der Röntgendia-
Atom-, Kern- und Elementarteilchenphysik. Die Ra- gnostik hingegen wird der Film mehr und mehr durch
dioaktivität verschiedenster Substanzen ermöglicht digitale Aufzeichnung ersetzt.
heute eine Vielzahl von Detektionsverfahren wie z. B. In der Medizin muss bei allen Anwendungen von
die Szintigraphie. ionisierenden Strahlen immer der Kompromiss zwi-
Im Jahr 1895 entdeckte Wilhelm Konrad Röntgen schen Nutzen und Schaden gesucht werden. Dies gilt
die im deutschen Sprachraum nach ihm benannte für Patienten, aber natürlich auch für das medizinische
Röntgenstrahlen. Sie sind seitdem unentbehrliches Personal. Für den persönlichen Strahlenschutz (und
Hilfsmittel der medizinischen Diagnostik und Therapie. für die Prüfung) ist es wichtig zu wissen, dass die Dosis-
Die Radioaktivität wurde von Becquerel durch die leistung um den Faktor 4 abnimmt, wenn man den Ab-
Schwärzung einer in einer Schublade lichtdicht ein- stand zur Strahlungsquelle verdoppelt.
gepackten Photoplatte entdeckt, auf der Kalium-
134 Kapitel 8 · Ionisierende Strahlung
8.1 Radioaktivität
Folgekern mit der Massenzahl A-4 (. Tab. 8.1). Der 8.1.4 γ-Zerfall
α-Zerfall tritt im Allgemeinen nur bei sehr schweren
Kernen auf, wo die Coulomb-Abstoßung der Protonen Ebenso wie Elektronen in der Atomhülle können sich
immer größer wird und die besonders fest gebun- auch Protonen und Neutronen im Kern in langlebigen,
denen α-Teilchen den Kern eigentlich spontan verlas- diskreten Anregungszuständen, in so genannten isome-
sen könnten, wenn sie nicht durch einen hohen, ab- ren Zuständen, befinden. Durch spontane Emission
stoßenden Potenzialwall daran sehr stark gehindert von diskreter elektromagnetischer Strahlung in Form
würden. von γ-Quanten gehen diese Kerne dann in tiefer liegen-
Alle langlebigen, natürlich vorkommenden Isotope de Zustände oder den Grundzustand des Kerns über.
mit A>209 sind α-Emitter, z. B. 232Th (T1/2=14u109 Jahre), Dabei ändert sich weder die Zahl der Protonen und
238U (4,5u109 Jahre) und viele der Folgekerne aus ihren Neutronen im Kern noch die Massenzahl! Typische
Zerfallsketten, darunter 226Ra (1600 Jahre). γ-Quantenenergien liegen im Bereich von 10 keV bis
zu einigen MeV.
KLINIK
Aus 226Ra lassen sich wegen seiner »kurzen« Halb- KLINIK
wertszeit hochaktive Präparate für medizinische Bei der Szintigraphie beispielsweise der Schild-
Therapien herstellen. drüse macht man sich diesen Zerfall zunutze. Das
eingesetzte 99m-Tc-Pertechnetat wird von der
Schilddrüse wie Jod aufgenommen und ist in Re-
gionen mit hoher hormoneller Aktivität in hoher
8.1.3 β-Zerfall Konzentration vorhanden. Es ist ein reiner γ-Strah-
ler und dieser Zerfall lässt sich detektieren und
Der β-Zerfall von Kernen wird durch die in 7 Kapi- quantitativ auswerten.
tel 3.1.3 diskutierte schwache Wechselwirkung verur-
sacht. Dabei geht ein Kern durch Emission eines Elek-
trons (β−-Zerfall eines Neutrons im Kern) oder Posi-
trons (β+-Zerfall eines Protons im Kern) in einen 8.1.5 Paarbildung und Paarvernichtung
Nachbarkern gleicher Massenzahl A über mit
Wechselwirkt ein hochenergetisches Photon mit einem
A
NZ Æ A
N -1( Z + 1) beim β−-Zerfall oder Kern oder Elektron als Rückstoßpartner, so kann ein
A
NZ Æ A
N +1( Z - 1) beim β+-Zerfall. Elektron-Positron-Paar erzeugt werden. Die Schwelle
liegt nach der berühmten Formel von Einstein E=muc2
Da es sich dabei um einen Dreikörperzerfall handelt bei Eγ=2meⴛc2, d. h. bei 1022 keV. Die Wahrschein-
(β±-Teilchen, Neutrino/Antineutrino und Restkern), lichkeit für diesen Prozess ist proportional zu Z2 der
sind die β+-Energien nicht diskret, sondern kontinuier- durchstrahlten Materie und spielt nur für sehr hoch-
lich verteilt. energetische Photonen eine starke Rolle.
Die schwache Wechselwirkung ist auch für den Die bei β+-Zerfall oder Paarbildung durch γ-Quan-
K-Einfangprozess verantwortlich, wo sich ein Proton ten erzeugten Positronen werden in Materie auf
des Kerns mit einem Hüllenelektron vereinigt und zu Geschwindigkeit null abgebremst. Sie existieren aller-
einem Neutron wird unter Aussendung eines Neutrinos dings nur Bruchteile von Nanosekunden, da sie durch
(7 Kap. 3.1.3). Diese Variante des β+-Zerfalls kommt Einfang eines Elektrons in zwei genau entgegen-
stark zum Tragen, wenn die Energie für die Positron- gesetzt auseinander fliegende γ-Quanten von 511 keV
emission nicht ausreicht. zerstrahlen. Dies ist der inverse Prozess zur Paarbil-
Das natürlich vorkommende Isotop 40K zeigt alle dung.
3 erwähnten β-Zerfallsarten und wandelt sich mit einer
Halbwertszeit von 1,28u109 Jahren in 40Ca und 40Ar KLINIK
um. Es kommt auch im Körper des Menschen vor und Der gleichzeitige Nachweis beider γ-Quanten wird
verrät sich durch eine durchdringende 1,46 MeV beim Positronenemissions-Tomographen (PET)
γ-Strahlung aus dem ersten angeregten Zustand in 40Ar. in der Medizin benutzt, um z. B. die genauen Zen-
Die durch die kosmische Höhenstrahlung ständig tren hoher Gehirnaktivität festzustellen, da sich an
gebildeten Isotope des Kohlenstoffs (14C) und Wasser- diesen Stellen die ins Blut injizierten radioaktiven
stoffs (3H=Tritium) sind dagegen nur schwer nachzu- β+-Präparate besonders stark anreichern.
weisen.
136 Kapitel 8 · Ionisierende Strahlung
8.2.3 Strahlungsleistung
von Röntgenröhren
. Abb. 8.2. Aufbau und Schaltung einer Röntgenröhre,
schematisch. UH ist die Heizspannung der Glühkathode, Nur grob etwa 1% oder weniger der Leistung einer
U die Anodenspannung. Näheres im Text. (Harten 2006) Röntgenröhre wird in Form von Röntgenstrahlung
8.3 · Nachweis ionisierender Strahlen
137 8
emittiert. Der gesuchte Bruchteil R lässt sich abschätzen 8.3 Nachweis ionisierender Strahlen
nach
8.3.1 Strahlungsdetektoren
R=PRöntgen/(IAuUA)≈10–9uZuUA.
Elektronischer Nachweis
Für z. B. Wolfram als Anode (Z=74) und eine Anoden- In 7 Kapitel 5.7.3 wurden bereits zwei Nachweisgeräte
spannung von 100.000 V ist R=0,0074 bzw. R=0,74%. vorgestellt: Ionisationskammer und Geiger-Müller-
Die Strahlungsleistung PRöntgen ist demnach proportio- Auslösezählrohr. Kennt man das aktive Volumen, die
nal zum Heizstrom der Kathode, die ja den Anoden- Füllung und das Ansprechvermögen dieser Detektoren
strom steuert, aber proportional zur Anodenspannung für bestimmte Strahlungsarten, kann man insbesonde-
im Quadrat. re bei der Ionisationskammer quantitativ auf die Ionen-
dosisleistung der Strahlung (7 Kap. 8.3.2) schließen.
Weiß man, welche Energie notwendig ist, um im Mittel
8.2.4 Bildentstehung im durchstrahlten Medium ein Ionenpaar zu erzeugen,
bei Röntgenaufnahmen lässt sich auch die Energiedosisleistung angeben.
Einen direkteren Nachweis der Energie bzw. des
Röntgenstrahlung durchdringt Materie praktisch ge- Energieverlusts einer Strahlung erlaubt das Propor-
radlinig (Brechungsindex n≈1,0). Bei medizinischen tionalzählrohr. Es wird bei geringerer Spannung
Röntgenaufnahmen schwärzt das von einer möglichst als das Auslösezählrohr betrieben, sodass ein zur
punktförmigen (!) Quelle ausgehende Strahlenbündel anfänglichen Zahl der gebildeten Ionen und damit zur
den Röntgenfilm nach Durchgang durch den zu unter- Energie proportionales Signal am Widerstand der
suchenden Körper. Die Aufnahmetechnik ist die einer . Abb. 5.15 abgegeben wird. Noch schärfere Energie-
Zentralprojektion (Schattenwurf), wobei die hohe signale geben die ladungsträgerfreien Zonen von
Z4- bis Z5-Abhängigkeit des Photoeffekts für starke Halbleiterdetektoren aus Silizium oder Germanium
Kontraste sorgt, insbesondere bei der Aufnahme von ab, wo für ein Elektron-Elektron-Lochpaar etwa nur
Knochengewebe, da Calcium mit Z=20 im Vergleich zu ein Zehntel der Energie aufgewendet werden muss, die
Z=8 und Z=6 für Sauerstoff bzw. Kohlenstoff, die im für ein Ionenpaar im Zählgas der zuvor genannten
Weichteilgewebe dominieren, sehr viel stärker absor- Gasdetektoren notwendig ist. Denn die Statistik der
biert. primär erzeugten Ladungsträger ist für die Energieauf-
Die Anodenspannung richtet sich v. a. nach der lösung verantwortlich!
verlangten »Härte« der Strahlung, die für optimalen Während die Zeitauflösung der bisher betrachteten
Kontrast von den Absorptionseigenschaften der zu Detektoren im Bereich von 1 μs liegt, was Zählraten bis
durchstrahlenden Schicht abhängt. Anodenstrom und einige 104/s erlaubt, kann man durch die Aufnahme
Bestrahlungszeit werden dann so eingestellt, dass der von Lichtblitzen, die ionisierende Strahlen in flüssigen
Röntgenfilm genügend belichtet und die Aufnahme oder festen Szintillatorsubstanzen auslösen, bis unter
nicht verwackelt wird. 1 ns kommen, und damit Zählraten bis über 107/s ver-
Bei der Computertomographie nimmt man mit kraften.
einem Nadelstrahl die durchgelassene Intensität hinter Wichtige Szintillatormaterialien sind NaI, CsI
dem zu untersuchenden Körperteil mit einem Detektor und BaF2. Von den erzeugten Photonen treffen einige
auf und tastet so eine Schnittebene von der Dicke des (n) auf die lichtempfindliche Photokathode eines Se-
Nadelstrahls unter verschiedenen Aufnahmerichtungen kundärelektronenvervielfachers, wo sie durch Photo-
ab. Dann geht man zur benachbarten Ebene über usw. effekt je ein Elektron herausschlagen. Jedes dieser Elek-
Aus den Punkt für Punkt abgespeicherten Intensitäten tronen wird nun im Vakuum durch eine positive Span-
lassen sich dann mithilfe geeigneter Computerpro- nung von 100 bis 200 V auf eine spezielle Elektrode
gramme Schnittbilder des Körperinneren erzeugen. (Dynode) beschleunigt, wo es k≈2‒4 Sekundärelek-
tronen herausschlägt. Diese werden auf eine weitere
Merke Dynode beschleunigt, jedes löst wiederum k Elektro-
Röntgenaufnahmen basieren auf Zentralprojek- nen aus, und dieses Spiel wiederholt sich bis zu 12-mal,
tion des durchstrahlten Objekts. Der Film sollte sodass im Beispiel die Anode schließlich durch den
sich möglichst direkt hinter dem Objekt befinden, Stromimpuls von nuk12 Elektronen einen deutlichen
um die Vergrößerung zu minimieren und um Spannungseinbruch erleidet. Dieser kräftige Span-
höchste Bildschärfe zu erzielen. nungsimpuls ist proportional zur Zahl der Elektronen
und damit zu n bzw. zur Energie des einfallenden Teil-
138 Kapitel 8 · Ionisierende Strahlung
chens oder γ-Quants und kann durch die nachfolgende 4 für Protonen und Neutronen variieren die Bewer-
Elektronik leicht verarbeitet werden. tungsfaktoren q je nach Energie zwischen 2 und 10,
und
Nichtelektronischer Nachweis 4 für Elektronen, Positronen, Röntgen- und γ-Strah-
Ionisierende Strahlung erzeugt in Photoemulsionen lung ist der Bewertungsfaktor q=1.
auf ähnliche Weise latente Bilder wie normales Licht.
Durch die nachfolgende Entwicklung werden die getrof- Häufig stößt man noch auf die frühere Dosiseinheit
fenen Silberhologenidkörner geschwärzt. Die Schwär- »Rad« sowie die biologisch wirksame Einheit »Rem«
Physik
zung kann durch so genannte Densitometer (Photo- (röntgen equivalent men). Entsprechend gilt: 1 Rad=
meter) quantitativ bestimmt und so die Stärke der Strah- 1 rd=0,01 Gy; 1 Rem=1 rem=0,01 Sv.
lung auch über lange Zeiten aufsummiert gemessen Die Einheit der Ionendosis ist das »Röntgen«. Es
werden. Da ionisierende Strahlungen meist viel schwä- gilt für trockene Luft: 1 Röntgen=1 R=2,58u10–4 As/kg,
cher als Licht absorbiert wird, benutzt man spezielle wobei 1 R der Energiedosis von ≈1 Gy entspricht.
Techniken, wie dickere Schichten oder Lumineszenz- Unter der Dosisleistung PE versteht man die Do-
folien, um die Wirkung zu erhöhen. Um die nicht ioni- sis/Zeit. Die natürliche mittlere Strahlenbelastung ist
sierenden Neutronen nachzuweisen, setzt man den z. B. in Deutschland PE=1 mSv/a (a= annus = Jahr). Die
Emulsionen Lithium- oder Borverbindungen zu, in zusätzliche mittlere Strahlenbelastung durch die Me-
denen Neutronen über Kernreaktionen α-Teilchen aus- dizin beträgt ≈1,5 mSv/a. Eine Dosisleistung von
lösen. Für Röntgenaufnahmen und Filmdosimeter stellt PE=50 mSv/a=5 rem/a entspricht der maximal zuläs-
die Industrie spezielle Filme her. sigen Belastung strahlenüberwachter Personen. Um die
Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten, be-
folgt man am besten das ALARA-Prinzip (as low as
8.3.2 Dosimetrie reasonably achievable).
Merke
Absorption von Röntgen- und γ-Strahlung: Absor-
bermaterial von k Halbwertsdicken D1/2=0,7/μ [cm]
lässt 100/2k% der einfallenden Intensität durch und
absorbiert 100u(1–½k)%. μ= Schwächungskoeffizient
[cm–1].
Chemie
1 Grundlagen – 142
3 Stoffumwandlungen – 172
4 Kohlenhydrate – 188
1 Grundlagen
Mind Map
Materie ist eine von der Energie abgegrenzte stoff- Aggregatzuständen vor. Masse und Energie sind in-
liche Masse. Ein Raum, der frei von Materie ist, wird einander umwandelbar.
Vakuum genannt. Materie kommt in verschiedenen
144 Kapitel 1 · Grundlagen
1.1 Makroskopische Erscheinungs- Die durchschnittliche Molmasse der Luft beträgt 28,9.
formen der Materie Diese Zahl ist für die Interpretation von Druck- und
Volumenmessungen von Bedeutung.
Materie kann auf keinem Wege geschaffen oder ver- Bei einem flüssigen System können verschiedene
nichtet werden, sie kann aber verändert werden. Atome Phasen auftreten, falls die beteiligten Flüssigkeiten nicht
und Moleküle sind die Bausteine der Materie. Man un- oder nur begrenzt mischbar sind. Kleine Öltröpchen in
terscheidet zwischen festen, flüssigen und gasförmigen Wasser bilden ein zweiphasiges, heterogenes System.
Aggregatzuständen der Materie. Lösungen sind homogene Gemische verschiedener
Im festen Aggregatzustand besitzt Materie den Stoffe. Im engeren Sinne sind Lösungen flüssige Ge-
höchsten Ordnungsgrad. Es überwiegen die anziehen- mische verschiedener Komponenten, in denen die Part-
den Kräfte zwischen den Atomen bzw. Molekülen. Die ner molekular-dispers vorliegen. Abgesehen von den so
meisten Festkörper haben kristalline Struktur. Eine glei- genannten idealen Lösungen (zwischenmolekulare
che Substanz kann verschiedene kristalline Strukturen Kräfte aller beteiligten Komponenten sind gleich groß,
Chemie
ausbilden (z. B. Kohlenstoff als Diamant oder Graphit). was bei sehr großen Verdünnungen erreichbar ist)
Festkörper können auch amorphe Strukturen bilden. spielen die echten Lösungen die wichtigste Rolle. Von
Im flüssigen Aggregatzustand ist der Ordnungs- diesen echten Lösungen sind die kolloidal-dispersen
grad geringer. Die Atome und Moleküle sind aufgrund Lösungen und Emulsionen zu unterscheiden. Wichtige
der höheren Wärmebewegung nicht mehr an feste Typen von Lösungen sind:
Plätze im Gefüge gebunden. Die anziehenden Kräfte 4 Lösungen von Gasen in Gasen als homogene Ge-
zwischen den Atomen oder Molekülen sind jedoch mische (s. o.);
noch so stark, dass die Substanz ein begrenztes Volu- 4 Lösungen von Gasen in Flüssigkeiten; die Auflösung
men einnimmt und eine Oberfläche ausbildet. von Gasen in Flüssigkeiten wird als Absorption be-
Im gasförmigen Aggregatzustand ist die räumliche zeichnet. Die Löslichkeit des Gases (von Gasen) ist
Anordnung aufgehoben. Gase füllen den zur Verfügung proportional dem Gasdruck (Partialdruck) (Henry-
stehenden Raum aus. Die Eigenschaften der Substanz Dalton’sches Gesetz) (GK Physik, 7 Kap. 4.6.1). Die
werden durch die Wärmebewegung (Brown’sche Mole- Löslichkeit von Gasen in Wasser ist sehr unter-
kularbewegung) bestimmt. schiedlich. Je 1 l Wasser lösen sich bei Raumtempe-
Welchen Aggregatzustand ein Stoff einnimmt, ist ratur 0,88 l CO2, 0,023 l CO, 0,0311 l O2.
abhängig von: 4 Lösungen von Flüssigkeiten in Flüssigkeiten; Flüs-
4 seiner Art, sigkeiten können miteinander unbegrenzt misch-
4 der Temperatur und bar (Ethanol/Wasser), unvollständig mischbar
4 dem Druck (s. Zustandsdiagramme des Wassers). (Phenol/Wasser) oder nicht mischbar sein (Emul-
sionen).
Den Übergang vom festen in den flüssigen Aggregatzu- 4 Lösung vom festen Stoffen in Flüssigkeiten; dies ist
stand bezeichnet man als Schmelzen, den Übergang in der Natur in Verbindung mit Wasser der meist
vom flüssigen in den gasförmigen Zustand als Ver- verbreitete Lösungstyp. Die in wässriger Lösung
dampfen. Die Temperaturen, bei denen diese Über- befindlichen Ionen oder Moleküle umgeben sich
gänge bei einem Normaldruck von 101,3 kPascal statt- mit einer Wasserhülle (Hydratation, Hydrathülle).
finden, werden als Schmelz- bzw. Siedetemperatur be-
zeichnet. Beim entgegengesetzten Prozess spricht man Wenn man NaCl (Kochsalz) in Wasser auflöst, ist Was-
von Erstarren (Erstarrungspunkt) und Kondensieren ser das Lösemittel und NaCl das Gelöste. Unter Löslich-
(Kondensierungspunkt). keit versteht man die maximale Menge eines Stoffs, die
Phasen sind Zustandsformen von Stoffen. Eis, flüs- das Lösungsmittel bei einer bestimmten Temperatur
siges Wasser und Wasserdampf sind drei Phasen des aufnehmen kann. Die Löslichkeit eines Stoffs ist abhän-
Wassers. Ein gasförmiges System weist nur eine einzige gig von der Temperatur. Die Dichte von Lösungen mit
Gasphase auf, da sich Gase beliebig mischen (homo- der Konzentration des Gelösten zu, der Dampfdruck
genes System). Beispiel für eine homogene Gasphase ist und Schmelzpunkt ab. Dagegen steigen Siedepunkt
die Luft. Die uns umgebende Luft ist ein Gemisch ver- und osmotischer Druck an.
schiedener Gase: Emulsionen sind disperse Systeme von zwei oder
4 Sauerstoff (O2) = 21 Vol-%, mehreren miteinander nicht mischbaren Flüssigkeiten.
4 Stickstoff (N2) = 78 Vol-%, Die eine der flüssigen Phasen bildet das Dispersions-
4 Kohlendioxid (CO2) = 0,05 Vol-%, mittel (äußere, zusammenhängende Phase), in dem die
4 Edelgase (v. a. Argon) = 0,05 Vol-%. andere Phase (innere, disperse Phase) in Form von
1.1 · Makroskopische Erscheinungsformen der Materie
145 1
Tröpfchen verteilt ist. In Abhängigkeit von der Größe Aerosole sind kolloide Systeme aus Gasen mit darin
der dispergierten Teilchen unterscheidet man: verteilten kleinen festen oder flüssigen Teilchen (Durch-
4 Makro-Emulsionen (grob-dispers; Teilchendurch- messer 10–3–10–7 cm). Sind die dispergierten Teilchen
messer um 10–2 cm) und fest, bezeichnet man das System als Staub oder Rauch.
4 Mikro-Emulsionen (kolloid-dispers, Teilchen- Bei flüssigen Teilchen handelt es sich um Nebel. Das
durchmesser um 10–6 cm). bedeutendste natürliche Aerosol ist die Lufthülle der
Erde. Die physiologischen Wirkungen von Aerosolen
Die meisten Emulsionen besitzen jedoch eine unein- sind von der stofflichen Zusammensetzung und der
heitliche Teilchengröße, sie sind polydispers. Viele na- Teilchengröße abhängig. Das Einatmen und die Re-
türliche und technische Emulsionen bestehen aus Was- sorption über die Lunge von Aerosolpartikeln kann
ser und Ölen oder Fetten als nichtlösliche Phasen. In therapeutische und pathogene (toxische) Bedeutung
Abhängigkeit vom Mengenverhältnis der Phasen beste- haben. Sprays für die unterschiedlichsten Verwendun-
hen zwei Möglichkeiten der Verteilung: gen enthalten Aerosole.
4 Öl in Wasser-Emulsion (O/W), bei der Wasser die Festkörper können in so vielen Phasen vorkommen
äußere und Öl die innere Phase bildet (Milch, wie verschiedene Kristallformen auftreten. Phasenum-
Mayonnaise); wandlungen sind Übergänge wie Dampf-Flüssigkeit
4 Wasser in Öl-Emulsion (W/O), bei der Öl die äußere (Kondensation) und Kristallisation (flüssig-fest).
und Wasser die innere Phase bildet (Butter, Marga-
rine, Salben).
KLINIK
Von biologischer Bedeutung sind die Emulgierung
von Fetten im Dünndarm durch Gallensäuren und
der Transport von Lipiden im Blut (Lipoproteine).
In der Ernährung spielen Emulsionen wie Milch,
Butter, Mayonnaise, Margarine, Salatsoßen eine
wichtige Rolle. Als Kosmetika und Pharmazeutika
für Salbengrundlagen werden sowohl O/W- als
auch W/O-Emulsionen angewendet.
Chemie
147 2
Mind Map
Das Erkennen chemischer Zusammenhänge, wie und ihrer chemischen Bindungen erfordert einige ele-
Ablauf chemischer Reaktionen, Wertigkeit und Reak- mentare Kenntnisse über den Atombau und die Grund-
tivität von Elementen, Strukturen von Molekülen lagen des Periodensystems der Elemente.
148 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie
sen) von Verbindungen werden durch Addition der Nucleon zusammengefasst. Die Nucleonenzahl ist iden-
entsprechenden Atommassen erhalten. Ein Gramm- tisch mit der Massezahl eines Elements.
molekül wird auch als Mol bezeichnet und entspricht
der molaren Masse eines Moleküls. Das Molekularge- Merke
wicht ist eine dimensionslose Zahl der Molmasse (rela- Radioaktive Isotope senden Strahlung aus, deren
tive Molmasse). Aktivität in Zerfallsakten angegeben wird.
1 Grammatom bzw. 1 Mol enthalten 6,023u1023 Ato- α-Strahlung ist die Abgabe von He2+-Kernen
me bzw. Moleküle (NL= Avogadro/Loschmidt’sche (2 He 2+ =D-Teilchen) mit geringer Tiefenwirkung;
4
Ein Atom besteht aus einem kleinen Kern und einer Die Atomhülle enthält die negativ geladenen Elektronen
größeren Hülle. Die wichtigsten Kernbausteine sind mit sehr geringer Masse. Die Anzahl von Protonen und
Protonen und Neutronen. Protonen sind positive La- Elektronen in einem Atom ist gleich. Elektronen kreisen
dungsträger. Neutronen verhalten sich elektrisch neu- in bestimmten Bahnen (Schalen) um den Kern.
tral. In den Protonen und Neutronen sind 99,8% der
Atommasse konzentriert. Die Masse von Protonen und
Neutronen ist etwa gleich. . Tab. 2.1. Schalen und Besetzung
Die Protonenzahl der Atome unterschiedlicher Ele-
mente ist verschieden. Daher ist die Protonenzahl der Schale Quanten- Anzahl der Name Gesamt
zahl (n) Elektronen
Atome (Elemente) eine charakteristische Größe. Sie wird
als Kernladungszahl bezeichnet und ist identisch mit K 1 2 s 2
der Ordnungszahl der Elemente im Periodensystem. L 2 2 s
6 p 8
M 3 2 s
2.1.3 Isotope
6 p
10 d 18
Die Anzahl der Neutronen in einem Element können
N usw.
verschieden sein. Daher gibt es Elemente mit gleicher
2.1 · Atome, Isotope, Periodensystem
149 2
Bei 10Ne1s22s2p6 wäre die L-Schale abgeschlossen Atome als Elementareinheiten der Materie verbin-
den sich zu Molekülen.
Der Aufbau der Elektronenhülle erfolgt in der Gesetz der konstanten Proportionen. Bei einer chemi-
Weise, dass die Zustände geringerer Elektronendichte schen Reaktion ist die Summe der Massen der Reak-
zuerst besetzt werden (z. B. K-, L-, M-Schale). Innerhalb tanden gleich der Summe der Massen der Endprodukte.
der Schalen gibt es unterschiedliche Energieniveaus der Das Massenverhältnis zweier sich zu einer chemischen
Elektronenverteilung (s, p, d usw.). Elektronen haben Verbindung vereinigender Elemente (Atome) zu Mole-
einen gegensätzlichen Drehsinn auf ihren Bahnen. külen ist konstant.
Die s-Bahnen können maximal 2, die p-Bahnen
maximal 6 Elektronen enthalten. Gesetz der multiplen Proportionen. Die Massenver-
Demzufolge lässt sich die Elektronenkonfigura- hältnisse zweier sich zu verschiedenen Verbindungen
tion von Wasserstoff- und Kohlenstoffatomen wie folgt vereinigender Elemente stehen zueinander im Verhält-
angeben: nis einfacher ganzer Zahlen.
1 1
1 H =1s , das bedeutet, die K-Schale ist mit einem
Elektron im s-Niveau besetzt;
12C =1s22s22p2 oder K2s22p2; das bedeutet, die
6
2.1.5 Periodensystem
K-Schale ist mit 2 Elektronen aufgefüllt, die 2s-Bahn
ebenfalls, aber das p-Niveau mit nur 2 von 6 möglichen Die Ordnungszahl bestimmt den Platz eines Elements
Elektronen (K bedeutet abgeschlossene K-Schale). im Periodensystem (PSE). Damit werden auch jedem
Der Aufbau der Elektronenhülle biologisch wich- Element die Elektronenzustände oder Elektronen-
tiger Atome lässt sich wie in . Tabelle 2.2 darstellen. konfigurationen zugeordnet. Wasserstoff hat die Ord-
Orbitale sind die wahrscheinlichsten Zustände nungszahl 1. Das Edelgas Helium (2He) besitzt 2 Pro-
eines Elektrons in seinen Schalen. Ein Orbital umfasst tonen und damit die Ordnungszahl 2. Die zweite
maximal 2 Elektronen. Periode beginnt mit dem Element Lithium (3Li). Die
Für den s-Zustand besitzt ein Orbital Kugelsym- Periode endet mit dem Edelgas Neon (10Ne).
metrie. Für den p-Zustand werden 3 gerichtete Orbi-
tale mit den Daten px, py und pz in einen dreidimensina- Perioden. Die Horizontalen der Tabelle heißen Perio-
len Raum projiziert. den. Es gibt 8 Hauptgruppen entsprechend der Anord-
Elektronen bestimmen nung von meist 8 Elementen in einer horizontalen Pe-
4 die Valenz, riode.
4 die Bildung chemischer Bindungen,
4 den Ablauf chemischer Reaktionen und Gruppen. Elemente mit verwandten chemischen und
4 die optischen Eigenschaften der Elemente. physikalischen Eigenschaften und vergleichbarer ho-
mologer Elektronenkonfiguration werden zu Gruppen
Die Valenz eines Atoms besagt, wie viel Elektronen zusammengefasst und senkrecht zu einander angeord-
aus der äußeren Schale abgegeben oder aufgenommen net. Die Elemente einer Gruppe besitzen die gleiche
werden müssen, um Edelgaskonfiguration (maximale Anzahl von Außenelektronen.
Elektronenzahl in der äußeren Schale) zu erreichen. Die am weitesten links stehenden Gruppen I bis III
Durch Aufnahme von Energie können Elektronen (Alkali-, Erdalkali-, Erdmetalle) sind die Metalle, die ihre
ihre Bahnen verlassen (Übergang von einem Grund- Außenelektronen leicht abgeben und Kationen bilden.
150 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie
0 I II
1 0 1 2 1
Nn H He
2 2 3 4 5 6 7 8 9 10 2
He Li Be B C N O F Ne
3 10 11 12 13 14 15 16 17 18 3
Ne Na Mg Al Si P S Cl Ar
Chemie
4 18 19 20 31 32 33 34 35 36 4
Ar K Ca Ga Ge As Se Br Kr
5 36 37 38 49 50 51 52 53 54 5
Kr Rb Sr In Sn Sb Te J Xe
6 54 55 56 81 82 83 84 85 86 6
Xe Cs Ba Tl Pb Bi Po At Rn
7 86 87 88 7
Rn Fr Ra
Die Tabelle enthält nur die Hauptgruppen, die Nebengruppenelemente wurden weggelassen. Über den Elementsymbolen ist
die Ordnungszahl angegeben.
Die Gruppen 0 und VIII sind identisch.
In der I. Hauptgruppe sind die Alkalimetalle zu- aufnehmen und Anionen bilden. Ihre Elektronenaffi-
sammengefasst. Sie gehen leicht unter Abgabe eines nität ist hoch. Die in der VI. Hauptgruppe (Chalkogene)
Elektrons in einwertige Kationen über. Sie reagieren auftretenden Sauerstoff (O) und Schwefel (S) sind
z. T. heftig mit Wasser, Sauerstoff und Halogenen, z. B. Nichtmetalle.
Die Elemente der VII. Hauptgruppe (Salzbildner,
Na + H 2O Æ Na + + OH - + 1 /2 O2 Halogene), z. B. Chlor (Cl), Brom (Br) und Iod (I) tre-
ten in der Natur wegen ihrer hohen Reaktionsfähigkeit
Die Elemente der II. Hauptgruppe heißen Erdalkali- nur in Form ihrer Verbindungen auf.
metalle. Ihre Reaktion mit Wasser, Sauerstoff und Ha- Die am weitesten rechts stehende Gruppe VIII ist die
logenen ist ähnlich zu den Alkalimetallen, aber weniger der Edelgase, deren äußere Schale mit Elektronen voll
heftig. besetzt ist und die deshalb sehr reaktionsträge sind.
Die Elemente der III. Hauptgruppe sind abgesehen Die Hauptgruppenelemente I bis VIII werden von
von Bor (B) ebenfalls metallisch. den Nebengruppenelementen (Ib–VIIIb) unterschieden.
Für die Gruppe IV sind der Kohlenstoff (C) und der Alle Nebengruppenelemente sind Metalle.
Schwefel (S) repräsentativ. Die Elemente der IV. Haupt-
gruppe sind überwiegend Nichtmetalle. Merke
Die Gruppe V ist die Phosphorgruppe (P). Die in Die Ordnungszahl (= Kernladungszahl) bestimmt
der V. Hauptgruppe befindlichen Stickstoff (N) und den Platz eines Elements im PSE. Damit werden
Phosphor (P) sind Nichtmetalle. auch jedem Element die Elektronenzustände oder
Die Gruppen VI und VII sind die klassischen Nicht- 6
metalle (Chalkogene, Halogene), die Elektronen leicht
2.1 · Atome, Isotope, Periodensystem
151 2
I2 bildet mit Stärke eine blau gefärbte Einschlussverbin- Zink kommt in verschiedenen natürlichen Isoto-
dung (Stärkenachweis). pen vor. Es ist Bestandteil verschiedener Metalloenzy-
Einige chemische Verbindungen ähneln in ihrer me, wie der pankreatischen Carboxypeptidasen und
chemischen Reaktivität den Halogenen und werden des- einigen Matrixmetalloproteinasen. Zink bildet mit
halb als Pseudohalogene bezeichnet. Die Thiocyanate Insulin Komplexe.
(SCN–), auch Rhodanide genannt, sind nur als Salze Mangan ist Bestandteil von Enzymen, wie der
stabil. Sie sind gute Komplexbildner. Im Stoffwechsel Arginase. Es kommt als Bestandteil der Mn-Superoxid-
entstehen sie als Entgiftungsprodukte von CN–-Ionen dismutase in hohen Konzentrationen in den Mitochon-
mit Schwefel. drien vor.
Molybdän ist essenzieller Bestandteil einiger Flavin-
Edelgase enzyme, wie z. B. der Xanthinoxidase.
Helium (He), Neon (Ne), Argon (Ar), Krypton (Kr) Kobalt ist Bestandteil des Vitamins B12. Dieses
und Xenon (Xe) kommen neben dem radioaktiven Zer- spielt als Coenzym von Methylierungen und Isome-
Chemie
fallsprodukt Radon (Rn) in der Luft vor. Sie bilden die risierungen im Stoffwechsel eine wichtige Rolle. Kobalt
VIII. Hauptgruppe der Elemente im PSE und schließen gehört zu den wenigen reinen Elementen, die keine
jeweils eine Periode ab. Aufgrund ihrer aufgefüllten natürlichen Isotope haben.
äußeren Elektronenschale sind sie sehr reaktionsträge.
Trotzdem ist es gelungen, u. a. Halogenide und Oxide KLINIK
von ihnen herzustellen. H, O, C und N bilden 96% der Körpermasse des
Menschen. N, K, C, Mg, S, P und Cl machen etwa
Übergangselemente 3% aus, die Spurenelemente in ihrer Gesamtheit
Übergangselemente sind Nebengruppenelemente und weniger als 1%. Es gib etwa 12 Spurenelemente,
Metalle. Sie bilden Verbindungen über vorwiegend keines von ihnen hat einen Anteil von >0,01%.
koordinative Bindungen aus. Als Spurenelemente im
menschlichen Organismus haben sie eine erhebliche
biologische Bedeutung. Wichtige Spurenelemente sind
4 Chrom (24Cr, VI. Nebengruppe), 2.2 Chemische Bindungen
4 Molybdän (42Mo, VI. Nebengruppe),
4 Mangan (25Mn, VII. Nebengruppe), Die Theorie der chemischen Bindung erklärt, wodurch
4 Zink (30Zn, II. Nebengruppe), sich Atome zu Molekülen (chemischen Verbindungen)
4 Kobalt (27Co, VIII. Nebengruppe) und vereinen und warum diese stabil oder instabil sind.
4 Kupfer (29Cu, I. Nebengruppe).
Eisen (26Fe, VIII. Nebengruppe) mit einem Bestand von 2.2.1 Atombindung, Ionenbindung
3 g in einem 70 kg schweren Menschen ist ein Über-
gangselement zwischen Spuren- und Massenelementen, Atombindung
zu denen C, H, O, N, P, Cl, Na, K, Ca und Mg gehören. Die einfachste kovalente Bindung liegt im Wasserstoff-
molekül vor:
KLINIK
Eisen tritt in biologischen Systemen als Fe2+ und 2H Æ H 2
Fe3+ auf. Es ist das Zentralatom von Fe-Protoporphy-
rinkomplexen, die bei Elektronenübertragungen Dabei bringt jedes H-Atom sein Außenelektron in die
(Cytochrome) und beim O2-Transport (Hämoglobin, Bindung ein. Das gebildete Elektronenpaar ist beiden
Myoglobin) als prosthetische Gruppe von Proteinen Bindungspartnern gleichermaßen zugehörig, sodass
eine wichtige Rolle spielen. Transport- und Speicher- jedes H-Atom im Molekül Edelgaskonfiguration
proteine für Eisen (Transferrin, Ferritin) enthalten es (He) besitzt. Dies ist für die Bildung und Stabilität einer
in stabiler Bindung im dreiwertigen Zustand. kovalenten Bindung das entscheidende Kriterium.
Elemente, die mehr als ein ungepaartes Elektron in
ihrer Außenschale besitzen, können mehrere Elektro-
Kupfer ist Bestandteil verschiedener Enzyme, z. B. nenpaare und damit Mehrfachbindungen (Zweifach-,
der Ferrooxidase des Blutplasmas (Caeruloplasmin), Dreifachbindungen) ausbilden.
der Cu-Zn-Superoxiddismutase und der Cytochrom- In kovalenten Verbindungen ist die Elektronen-
oxidase. dichte zwischen den gebundenen Atomen maximal.
2.2 · Chemische Bindungen
155 2
Kovalente Bindungen sind räumlich streng gerichtet Die Ionisierungsenergie ist ein thermodynami-
und bewirken die Symmetrie des Moleküls. sches Maß für die Fähigkeit, Elektronen abzugeben
An der kovalenten Bindung sind Elektronen ein- bzw. aufzunehmen.
fach besetzter s- und/oder p-Orbitale beteiligt, die ein Die Ionisierungsenergie nimmt innerhalb einer
mit zwei mit gegensinnigem Spin besetztes Molekül- Periode von links nach rechts zu. Elemente mit einem
orbital aufbauen. Ist die Gleichheit der Bindungspart- großen Atomradius, die im PSE unmittelbar einem
ner, wie z. B. bei H2 oder Cl2 gegeben, sind solche Ver- Edelgas folgen (Alkalimetalle, I. Hauptgruppe), benö-
bindungen unpolar, d. h. die Elektronendichte erreicht tigen nur eine geringe Ionisierungsenergie. Die bei Auf-
in der Mitte zwischen den bindenden Atomen ein nahme eines Elektrons frei werdende Energie ist be-
Maximum. sonders groß, wenn der Atomradius klein ist und das
Elektronenpaare werden durch den Bindungsstrich Element im PSE vor einem Edelgas angeordnet ist
»-« bzw. durch einen Doppelpunkt »:« symbolisiert. (Halogene, VII. Hauptgruppe).
Die polarisierte Atombindung entsteht, wenn die
Bindungspartner nicht identisch sind. Aufgrund der Prüfungsfallstricke
Elektronegativität eines Bindungspartners ist das Elek- Unter Ionisierungspotenzial versteht man die
tronenpaar nicht mehr symmetrisch zwischen beiden Energie, die aufgewandt werden muss, um das am
lokalisiert, sondern zum elektronegativen Atom ver- schwächsten gebundene Elektron abzutrennen.
schoben. Dadurch wird das gesamte Molekül polari-
siert. Elektronegativität ist das unterschiedliche Be-
streben von Atomen, Elektronen eines gebundenen Bekanntestes Beispiel für eine Ionenbeziehung ist das
Atoms anzuziehen. Die Elektronegativität ist nicht mit Salzgitter der Kochsalzkristalle (NaCl-Kristalle). Im
der Elektronenaffinität zu verwechseln, die auf einer Kristallgitter ordnen sich die einzelnen Ionen so an,
Elektronenübernahme beruht. dass sie das geringste Volumen einnehmen und ein
Elektronenaffinität ist die Energie, die aufgebracht Minimum an elektrostatischer Energie aufweisen.
werden muss, damit ein Atom oder Ion ein Elektron
aufnimmt.
Polarisierte Atombindungen können als ein Über- 2.2.2 Polarität von Molekülen
gang zur Ionenbindung aufgefasst werden.
Der Begriff Polarität dient der Charakterisierung des
Ionenbindung polaren Charakters einer Bindung (s. o.) oder eines
Wie schon beschrieben, geben die Elemente der I. und Lösungsmittels. Polare Gruppen sind funktionelle
II. (zum Teil auch der III.) Hauptgruppe die Elektronen Gruppen in einem Molekül, deren Elektronenvertei-
ihrer äußeren Schale leicht ab und bilden positiv ge- lung in dem Molekül ein elektrisches Dipolmoment
ladene Kationen, während die Elemente der VI. und induziert. Sie sind u. a. für den hydrophilen Charakter
VII. Hauptgruppe leicht Elektronen aufnehmen, um einer Substanz verantwortlich. Polare Verbindungen
ihre äußere Schale unter Bildung negativ geladener sind z. B. solche mit einer Ionenbindung oder solche
Anionen zu komplettieren. Dadurch erreichen Anionen mit einem Dipolmoment und polarisierter kovalenter
und Kationen in Bezug auf ihre Elektronen Edelgas- Bindung. Zwitterionen, wie die Aminosäuren, sind di-
konfiguration und damit den energetisch günstigsten polare Verbindungen.
Zustand.
Anionen und Kationen ziehen einander an. Diese
elektrostatische Anziehung ist die Grundlage der Ionen- 2.2.3 Beispiele
bindung. Voraussetzung ist, dass sich die Elektronega-
tivitäten, d. h. das Bestreben, Elektronen zu binden, Methan und die homologe Reihe der Alkane sind
der beteiligten Atome deutlich unterscheiden. Beispiele für eine unpolare Atombindung zwischen C
Innerhalb des PSE nimmt die Elektronegativität in und H.
den Perioden von links nach rechts zu. Da die elektro- Wasser bildet einen permanenten Dipol infolge der
statische Bindung durch ein elektrisches Feld zustande hohen Elektronegativität des O-Atoms, welches die
kommt, ist sie ungerichtet. Bindungselektronen von den H-Atomen abzieht. Auch
Die Bindungsenergie beträgt etwa 400 kJ/mol und die Alkylderivate des Wassers (Alkanole) besitzen in
entspricht damit einer Atombindung. Zum Vergleich abgeschwächter Form diese Eigenschaften.
hat eine Wasserstoffbrücke nur eine Bindungsenergie
von 10–40 kJ/mol.
156 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie
2.2.5 Metallkomplexe
(koordinative Bindung)
H-Brücken können sich intra- und intermolekular aus- Die Wertigkeit des Zentralions ist für die Koordina-
bilden. tionszahl nicht von Bedeutung. So haben Fe(II) und
Fe(III) die gleiche Koordinationszahl 6.
London-van der Waal’sche Bindungskräfte Auch durch koordinative Bindungen wird die
Auch zwischen elektrisch neutralen, apolaren Mole- Edelgaskonfiguration angestrebt. Die metallischen
külen oder Molekülgruppen spielen elektrostatische Eigenschaften des Zentralatoms oder Zentralions wer-
Bindungskräfte eine Rolle. Durch die Elektronenbewe- den maskiert. Die Gesamtladung eines Metallkom-
gung um die Atome wird ein Dipol induziert, welcher plexes ist gleich der Summe der Ladungen aus Ligand
in einer benachbarten Gruppe ebenfalls ein Dipol- und Zentralion.
moment hervorruft. Die Dipole ziehen sich gegenseitig Chelat-Komplexe sind zyklische Verbindungen
an. Die Bindungskräfte sind schwach. Sie spielen je- von Metallen mit Gruppierungen, die einsame Elektro-
doch bei der Stabilisierung von Strukturen in biologisch nenpaare oder Elektronenlücken enthalten. Es sind Ver-
wichtigen Makromolekülen eine herausragende Rolle. bindungen, in denen ein einzelner Ligand mehr als eine
Voraussetzung zur Ausbildung dieser Bindungen ist Koordinationsstelle im Metall besetzt, d. h. mindestens
eine sehr enge räumliche Nachbarschaft. zweizähnig ist. Die Zahl der gebundenen Liganden
hängt von der Koordinationszahl des Zentralatoms ab.
2.3 · Azyklische Kohlenstoffverbindungen, einfache funktionelle Gruppen
157 2
(Acetylen), welches mit Luft explosive Gemische bildet pelbindung nicht möglich. Durch eine sp2-Hybridisie-
und aufgrund seiner hohen Verbrennungstempera- rung, die durch Umlagerung eines 2s-Elektrons und
turen zum Schweißen von Metallen verwendet wird. zweier p-Elektronen auf ein Energieniveau zustande
Alkine spielen in der Humanbiologie keine Rolle. kommt (1s23p2-Hybridorbitale, jeweils mit einem Elek-
tron besetzt) entstehen 3 trigonal angeordnete Valen-
zen, die sich in einer Ebene befinden. Das vierte, nicht
2.3.2 Formeln hybridisierte Elektron befindet sich im 2pz1-Orbital.
Durch Überlappung zweier pz-Orbitale entsteht eine
Formeln der azyklischen Kohlenstoffverbindungen S-Bindung als Bestandteil einer Doppelbindung (ein
sind: Orbital kann nur aus 2 Elektronen mit gegensätzlichem
4 CH4 = Methan; Spin bestehen).
4 CH3–CH3 = Ethan;
4 CH3–(CH2)n–CH3 = allgemeine Formel der Merke
Alkane; Die Hybridisierung ist keine physikalische Er-
4 CH3– = Methylrest; scheinung, sondern eine Erklärung für die Bindungs-
4 CH3–CH2– = Ethylrest; zustände der Elektronen.
4 CH2⫽CH2 = Ethen; CH2⫽CH– = Vinylrest;
CH2⫽C–CH⫽CH2⫽ Methylbutadien (Isopren).
Prüfungsfallstricke
CH3
Kohlenstoffverbindungen, die über eine Einfach-
bindung miteinander verbunden sind, besitzen
2.3.3 Bindungen eine freie Drehbarkeit um ihre bindenden Atome.
Durch Doppelbindungen ist die freie Drehbarkeit
In organischen Verbindungen geht der Kohlenstoff 4 aufgehoben.
kovalente Bindungen ein. Kohlenstoff bildet sowohl
mit elektropositiven als auch elektronegativen Ele-
menten kovalente Bindungen aus. Etwa 2 Mio. solcher Im Gegensatz zu den unpolaren C–C- und C–H-Bin-
organischen Kohlenstoffverbindungen sind bekannt. dungen besitzen Bindungen zwischen Kohlenstoff und
Die Vielfalt ergibt sich daraus, dass der Kohlenstoff anderen Elementen polaren Charakter. Der Grad der
mit sich über einfache, zweifache und auch dreifache Polarität lässt sich zur Beurteilung der Reaktions-
kovalente Bindungen lineare (aliphatische) oder auch fähigkeit der entsprechenden Moleküle abschätzen. Die
ringförmige (e) Verbindungen aufbauen kann und mit Elektronegativität der Elemente nimmt innerhalb einer
Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Halogenen Periode des PSE von links nach rechts zu. Die Folge ist,
und Metallen Bindungen eingeht. dass die C-O-Bindung polarer ist als die C-N-Bindung:
Kohlenstoff hat im Grundzustand die Elektronen- C–N<C–O<C–F.
konfiguration 1s22s22p2, also nur 2 ungepaarte Elektro- Eine stark polare Atombindung induziert in anderen
nen, mit denen über 2 Atombindungen kein Oktett (Edel- Teilen des Moleküls Elektronenverschiebungen, wodurch
gaszustand) erzeugt werden kann. Im angeregten Zu- an sich unpolare Atombindungen ebenfalls polarisiert
stand, der mit geringer Energiezufuhr erreichbar ist, geht werden, die als I-Effekte (induktiv) bezeichnet werden.
die Elektronenkonfiguration in eine 1s22s12p3-Anordung Der (–)I-Effekt wird durch elektronenanziehende
über (sp3-Hybridisierung = ein Hybrid ist ein Misch- Atome ausgeübt. Dazu gehören folgende Gruppen:
ling). Das 2s-Elektron und die 3 p-Elektronen bewegen
sich auf einem neuen gleichen Energieniveau. Dadurch –N+–R3, –N–R2, –NH2, –NO2, –CN, >C⫽O,
erhält das C-Atom 4 gleiche Valenzen, die tetraedrisch in –COOH, –OH.
einem Valenzwinkel von 109,5° angeordnet sind.
Diese Elektronenzustände können Molekülorbitale Der (+)I-Effekt wird durch elektronenabstoßende
vom Typ der V-Bindungen (Einfachbindungen, Orbi- Atome verursacht:
tale mit 2 Elektronen) aufbauen, wie z. B. in Methan
CH4 oder Ethan CH3–CH3. –CH3, –CH2R, –CHR2, –COO–.
Kohlenstoffatome können miteinander auch Mehr-
fachbindungen (ungesättigte Verbindungen) in Form Durch den (–)I-Effekt wird die Dissoziation der Carbo-
von Doppel- und Dreifachbindungen eingehen. Die xylgruppe (–COOH) begünstigt, durch den (+)I-Effekt
sp3-Hybridisierung ist für die Ausbildung einer Dop- erschwert.
160 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie
In ungesättigten konjugierten und aromatischen . Abb. 2.3. Drei Beispiele für das Prinzip der Strukturisomere
Bindungssystemen wird der Mesomerie-Effekt (M-Ef- der Bruttoformel C4H10O
fekt) beobachtet. Formal betrachtet bedeutet er, dass
die Lage der Doppelbindung einer Atomgruppierung
nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Es sind ledig-
Chemie
2.3.4 Isomerien
. Abb. 2.4. Beispiel einer Cis-trans-Isomerie
Chemisch und physikalisch verschiedene Verbindun-
gen können die gleiche Brutto- oder Summenformel,
aber verschiedene Strukturformeln aufweisen. Dies be- Doppelbindung wandert. Tautomere stehen miteinan-
zeichnet man als Isomerie. der im chemischen Gleichgewicht. Die Keto-Enol-
Isomere lassen sich unterteilen in Tautomerie ist die wichtigste (Umlagerung, intramole-
4 Konstitutionsisomere (= Strukturisomere) und kularer Ortswechsel von Atomen).
4 Stereoisomere (= optische Isomere). Stereoisomerie (optische Isomerie) wird in Kon-
figurationsisomerie und Konformationsisomerie unter-
Bei den Konstitutionsisomeren ist innerhalb des Mole- teilt (7 Kap. 2.5).
küls die Reihenfolge von Atomen oder Atomgruppen Cis-trans-Isomerie (geometrische Isomerie) ge-
verschieden. Bei den Stereoisomeren ist die Reihenfol- hört neben der Enantiomerie und Diastereomerie zur
ge der Atome gleich, die räumliche Anordnung jedoch Gruppe der Konfigurationsisomerien. Sie tritt an Dop-
unterschiedlich. pelbindungen auf (. Abb. 2.4).
Sequenzisomere unterscheiden sich in der Reihen- 4 Cis bedeutet, die Gruppen sind in einer Richtung
folge der miteinander verbundenen Atome. angeordnet,
Für die Bruttoformel C4H10O können 7 verschie- 4 trans bedeutet, sie stehen einander gegenüber.
dene Strukturisomere angegeben werden. Drei Beispiele
kennzeichnen das Prinzip (. Abb. 2.3). Trans-Formen sind energetisch begünstigt.
Tautomere unterscheiden sich voneinander nur Beide Verbindungen unterscheiden sich grund-
durch die Stellung eines H-Atoms, welches um eine sätzlich in ihren physikalischen und chemischen Eigen-
schaften.
Über Stereoisomerien 7 Kap. 2.5.
. Tab. 2.4. Konstitutionsisomere und Stereoisomere
Konstitutionsisomerie Stereoisomerie
Sequenzisomerie Konfigurationsisomerie 2.3.5 Funktionelle Gruppen
Tautomerie Cis-trans-Isomerie
4 Keto-Enol-Tautomerie Funktionelle Gruppen bestimmen die Vielfalt orga-
Enantiomerie
4 Lactam-Lactim-Tautomerie 4 Diastereomerie
nisch-chemischer Reaktionen. Dazu gehören:
4 Epimerie 4 Hydroxyl-Gruppen (–OH),
4 Anomerie 4 Sulfhydryl-Gruppen (–SH),
4 Amino-Gruppen (–NH2),
Konformationsisomerie
4 Imino-Gruppen (⫽NH),
2.3 · Azyklische Kohlenstoffverbindungen, einfache funktionelle Gruppen
161 2
4 Keto- (Oxo-) Gruppen (⫽CO) und Lactone sind »innere Ester«, wobei die Esterbin-
4 Carboxyl-Gruppen (–COOH). dung innerhalb eines Moleküls zwischen der COOH-
und OH-Gruppe erfolgt, z. B. Gluconsäurelacton.
Hydroxyl- und Sulfhydrylverbindungen Reagieren 2 Alkohole unter Wasserabspaltung mit-
OH- und SH-Gruppen können an lineare oder zy- einander, entsteht ein Ether.
klische Kohlenwasserstoffe gebunden sein.
C2 H 5OH + HOH 5C2 Æ C2 H 5 - O - H 5C2 + H 2O
Alkohole. Alkylreste, die eine Hydroxyl-Gruppe (OH- (Diethylether)
Gruppe) enthalten, nennt man Alkohole (Alkanole).
Alkohole bilden eine homologe Reihe der allgemeinen Der Diethylether hat Anwendung als Narkosemittel ge-
Formel CnH2n+1OH. Die Verbindungen sind durch das funden. Ether-Luft-Gemische sind hoch explosiv. Des-
Suffix –ol gekennzeichnet (z. B. Methanol) oder man halb ist seine Verwendung als Lösungsmittel gering.
hängt die Bezeichnung Alkohol an den Alkylrest an, Unter Wasserabspaltung (Eliminierung) entstehen
z. B. Methylalkohol. Man unterscheidet: aus Alkoholen ungesättigte Alkene.
4 primäre Alkohole: Vernüpfung mit einem Kohlen-
wasserstoffrest –CH2OH; CH 3 - CHOH - CH 3 Æ CH 3CH = CH 2 + H 2O
4 sekundäre Alkohole: Verknüpfung mit 2 Kohlen-
wasserstoffresten ⫽CHOH; Mercaptane können als Alkylderivate des Schwefel-
4 tertiäre Alkohole: Verknüpfung mit 3 Kohlenwas- wasserstoffs H2S aufgefasst werden. Sie bilden im Ge-
serstoffresten {COH. gensatz zu den Alkanolen keine H-Brücken miteinan-
der aus und die SH-Gruppe dissoziiert im Alkalischen
Primäre Alkohole sind Methanol CH3OH und Ethanol ein Proton ab (schwache Säure).
C2H5OH. Ein sekundärer Alkohol ist iso-Propanol; ein
tertiärer Alkohol ist tertiäres Butanol (. Abb. 2.5a, b). C2 H 5 - SH Æ C2 H 5 - S - + H +
Man kann aliphatische Alkohole als Alkylderivate
des Wassers auffassen. Sie besitzen ein Dipolmoment Die Salze nennt man Mercaptide. Schwermetallionen
und bilden demzufolge ebenfalls Molekülassoziate über (Hg2+, Pb2+) bilden mit Mercaptanen schwer lösliche
die Ausbildung von H-Brücken. Infolge ihrer Fähigkeit Mercaptide.
H-Brücken auszubilden, sind kurzkettige Alkohole mit
Wasser gut mischbar. In wässriger Lösung dissoziiert 2C2 H 5 - SH + Hg 2 + Æ (C2 H 5 - S)2 Hg
die OH-Gruppe nicht.
Durch Oxidation entstehen aus primären Alkoho- Die SH-Gruppe ist leicht oxidierbar und bildet Disul-
len Aldehyde (–CHO), aus sekundären Alkoholen Ke- fide (Disulfidbrücken). Dadurch können Redox-Sys-
tone (⫽CO). Tertiäre Alkohole sind nicht oxidierbar. teme aufgebaut werden.
Reagiert ein Alkohol unter Wasserabspaltung mit
einer Säure, entsteht ein Ester. C2 H 5 - SH + HS - C 2 H 5 Æ C2 H 5 - S - S - C2 H 5 + 2H
C O + HO R C O R
OH
. Abb. 2.9. Umlagerung des Hydroxyketons in die Endiolform und Übergang in ein Diketon
a b
166 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie
2.4.2 Heterozyklen
der Atome, Atomgruppen und Bindungen im Molekül wie Bild und Spiegelbild verhalten. Man bezeichnet sie
ohne Berücksichtigung von räumlichen Richtungen. dann als Enantiomere.
Die Begriffe Konstitution und Struktur werden syno-
nym verwendet.
Moleküle mit gleicher Konstitution aber unter- 2.5.3 Enantiomere, Diastereomere
schiedlicher Konfiguration nennt man Konfigurations-
isomere (7 Kap. 2.3.4). Konfigurationsisomere, zu de- Die Enantiomerie (Spiegelbildisomerie, Chiralität)
nen auch die Enantiomere gehören, wandeln sich nicht beschreibt Isomere, die sich zueinander wie Bild und
ineinander um. Spiegelbild verhalten. Chiralität beruht auf der asym-
Konformationsisomere (s. u.) sind leicht inei- metrischen Substitution eines C-Atoms einer Verbin-
nander umwandelbar. dung, d. h. die 4 Valenzen eines Kohlenstoffs sind mit 4
Der Unterschied zwischen Konstitution, Konfigu- unterschiedlichen Gruppen besetzt (Chiralitätszen-
ration und Konformation lässt sich an den folgenden tren). Dadurch entstehen 2 stabile, zueinander spiegel-
Beispielen erkennen (. Abb. 2.21). bildliche, nicht deckungsgleiche Formen, die Enantio-
mere, mit gleichen physikalischen und chemischen
Eigenschaften.
2.5.2 Stereoisomerie Optische Isomere drehen die Ebene eines linear
polarisierten Lichtstrahls nach rechts (+) oder links (–).
Stereoisomere (= optische Isomere) sind auch Konfi- Der DrehwinkelD ist eine charakteristische Stoffkon-
gurationsisomere. Konfigurationsisomere können sich stante. Ein razemisches Gemisch (Razemat) besteht
170 Kapitel 2 · Aufbau und Eigenschaften der Materie
Chemie
aus einem 1:1-Gemisch beider optischen Antipoden einander, z. B. am C2 der Glucose zu C2 der Mannose
und ist optisch nicht aktiv. und/oder zu C4 der Galactose.
Anomerie beschreibt die unterschiedliche Stellung
der OH-Gruppe am glycosidischen C-Atom von ringge-
2.5.4 Fischer-Projektion, D/L-Nomenklatur schlossenen Pentosen oder Hexosen (DE-Stellungen).
Durch die Halbacetalbildung entsteht ein neues Asym-
Die optischen Antipoden unterscheiden sich durch metriezentrum. Anomere wandeln sich in wässriger
die räumliche Anordnung der an das asymmetrische Lösung ineinander um.
C-Atom gebundenen Liganden (. Abb. 2.22). Bezugs-
Merke
molekül ist das Glyceral.
Steht die typische funktionelle Gruppe rechts, ent- Die spezifische Drehung polarisierten Lichts zweier
sprechend der Konfiguration des D-Glycerals, werden Enantiomere hat den gleichen Betrag, aber ein
die Verbindungen der D-Konfiguration zugeordnet, ent- umgekehrtes Vorzeichen.
sprechend umgekehrt der L-Konfiguration. Wie die aus-
gewählten Beispiele zeigen, hat der optische Drehsinn Ein prochirales Zentrum hat im Falle eines C-Atoms
(+), (–) nichts mit der chemischen D- und L-Konfigu- drei verschiedene Substituenten. Prochiral ist z. B.
ration am asymmetrischen C-Atom zu tun. die CH2-Gruppe im Butan. Wird ein H-Atom durch
Konfigurationsisomere, die nicht den Enantiome- eine OH-Gruppe ersetzt, entsteht chirales 2-Butanol
ren zugeordnet werden können, sind durch die Dias- (. Abb. 2.23).
tereomerie beschreibbar. Dazu gehören die Epimerie
und die Anomerie. Alle Diastereomere sind optisch
aktiv, haben jedoch unterschiedliche physikalische 2.5.5 Konformation
und auch chemische Eigenschaften.
Unter Epimerie versteht man die unterschiedliche Konformation ist die räumliche Anordnung von
Stellung einer OH-Gruppe verschiedener Isomere zu Atomen oder Atomgruppen eines Moleküls mit defi-
H C OH HO C H zum H C OH HO C H
Vergleich
CH2OH CH2OH CH3 CH3
3 Stoffumwandlungen
Mind Map
Chemische Reaktionen beschreiben Stoffumwand- zeichnen dynamische Zustände, die durch das Massen-
lungen, d. h. die Wechselwirkungen, die sich zwischen wirkungsgesetz beschrieben werden. Chemische Gleich-
miteinander reagierenden Atomen oder Molekülen gewichte sind durch äußere Zwänge (Druck, Tempe-
abspielen. Fast alle biochemischen Reaktionen sind ratur) veränderbar. Reaktionen, die an Grenzflächen
Gleichgewichtsreaktionen, die meist in homogenen stattfinden, sind heterogen.
Systemen ablaufen. Chemische Gleichgewichte kenn-
174 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen
A + B ´ AB
V = Vhin - Vrück = 0 3.1.2 Kinetik, Thermodynamik
Der Zusammenhang zwischen der freien Standard- Lebewesen sind im thermodynamischen Sinne offene
enthalpie und der Gleichgewichtskonstante ist durch Systeme.
die folgende Beziehung gegeben: Es gibt zwei Hauptformen der Energie:
4 Kinetische Energie in Form der Brown’schen Mole-
DG 0 = - RT ln K kularbewegung kann nicht zur Leistung von Arbeit
herangezogen werden.
Da ein System im chemischen Gleichgewicht keine 4 Potenzielle Energie in Form z. B. von Wärme wird
Arbeit leisten kann ('G=0), bilden sich im Zellstoff- zur Leistung von Arbeit genutzt.
3.1 · Homogene Gleichgewichtsreaktionen
175 3
Erster Hauptsatz der Thermodynamik Die Stoßtheorie besagt, dass die Reaktionsgeschwin-
Jeder chemische Stoff hat unter gegebenen Bedingun- digkeit durch die Zahl der Zusammenstöße der Reak-
gen einen gegebenen Energieinhalt. Verschiedene Ener- tanden in der Zeiteinheit (s) bestimmt wird und von
gieformen sind ineinander überführbar. Allerdings der Konzentration der Stoffe abhängt. Nur der Zusam-
kann Energie nicht von einem kälteren auf einen wärme- menstoß besonders energiereicher Reaktanden führt
ren Körper übertragen werden. Energie kann weder zu einer Reaktion. Dabei spielen auch sterische Fak-
erschaffen noch vernichtet werden. Die innere Energie toren eine Rolle. Der reaktive Stoß zwischen 2 Atomen
eines abgeschlossenen Systems ist konstant. Die innere oder Molekülen erfolgt über die Bildung einer transien-
Energie U eines Systems (kalorischer Zustand) wird in ten Gruppierung, die als Übergangszustand oder akti-
Form von Wärme Q und/oder Arbeit A abgegeben. vierter Komplex bezeichnet wird und nach einer sehr
kurzen Lebensdauer (ca. 10–12 s) spontan zerfällt.
U I - U II = DU = Q + A Die Thermodynamik lässt keine Aussagen zur Ge-
schwindigkeit des Ablaufs chemischer Reaktionen zu.
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik Sie beschreibt nur die Möglichkeit.
Dieser Hauptsatz ermöglicht Aussagen zur Wahrschein-
lichkeit des Ablaufs chemischer Reaktionen (Triebkraft Merke
chemischer Umsetzungen). Freiwillig ablaufende chemische Reaktionen sind
Zustandsgrößen sind: exergon, d. h. es wird Energie frei, die zur Leistung
4 H= Gesamtenthalpie (»Wärmeinhalt«); von Arbeit nutzbar ist (negative freie Enthalpie
4 G= freie Enthalpie, Maß für die Arbeitsfähigkeit (–'G)). Trotzdem muss ein bestimmter Betrag an
eines Systems; Aktivierungsenergie aufgebracht werden, um die
4 S= Entropie, Maß für den Ordnungszustand eines Reaktion zu starten. Endergone Reaktionen (+'G)
Systems. können auf Kosten einer exergonen Reaktion ab-
laufen (energetische Kopplung). Viele biochemi-
Betrachtet werden die Änderungen der Zustands- sche Reaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen,
größen. die durch das Massenwirkungsgesetz beschreibbar
4 'H='G+T'S; T= absolute Temperatur in K sind. Da ein System im chemischen Gleichgewicht
4 'G='H-T'S. keine Arbeit leisten kann ('G=0), bilden sich in
4 'G= negativ: Energie liefernder, freiwillig ab- lebenden Organismen Fließgleichgewichte aus.
laufender Vorgang (exergon);
4 'G= positiv: Energie erfordernder, nicht frei-
willig ablaufender Vorgang (endergon); Kinetik
4 'G=0: chemisches Gleichgewicht, keine Leis- Die Reaktionskinetik erklärt die Geschwindigkeit des
tung von Arbeit möglich. AblaufschemischerReaktionen.DieReaktionsgeschwin-
digkeit v ist definiert durch die Umwandlung eines
»Standardenthalpie 'Go«: freie Enthalpie, wenn alle Ausgangsprodukts A zum Endprodukt Y.
Reaktionspartner in der Einheitskonzentration 1 mol/l
vorliegen. -d[ A]/ dt = +d[Y ]/ dt = v (Stoffumwandlung in der
Die Entropie in abgeschlossenen Systemen strebt Zeiteinheit mol/s)
einem Maximum zu. Lebende Systeme sind als offene
Systeme bestrebt, die Entropiezunahme zu minimieren. Reaktionen 1. Ordnung und monomolekulare Reaktionen
4 'S > 0: freiwillige Reaktion; Zerfallsreaktionen sind meist monomolekular.
4 'S < 0: Reaktion kann nicht stattfinden;
4 'S = 0: Gleichgewichtszustand. A Æ x + y ; v = -d[ A]/ dt = k[ A]; k=Geschwindig-
keitskonstante
Aktivierungsenergie
Aktivierungsenergie ist die Energie, die einem System Die Reaktionsgeschwindigkeit ist proportional der
zugeführt werden muss, um auch eine exergone Reak- Konzentration des Ausgangsstoffs.
tion zu starten. Der exponenzielle Kurvenverlauf einer Reaktions-
Die Stoßtheorie als auch die Theorie des aktivier- kinetik 1. Ordnung kann durch Logarithmieren linea-
ten Komplexes (Übergangszustand) beschreibt die Wir- risiert werden.
kung und das Zustandekommen von Aktivierungs- Die Halbwertszeit ist ein Kennzeichen von Reak-
energie. tionen 1. Ordnung. Sie ist definiert als die Zeit, die not-
176 Kapitel 3 · Stoffumwandlungen
kül minimiert seine Kontakte mit Wasser, in dem es Um Lösungen unterschiedlicher Ionen mit einan-
eine möglichst kleine Oberfläche schafft, und stört die der vergleichen zu können, wurde der empirische Be-
Ausbildung der Wasseraggregate in seiner Umgebung, griff der Ionenstärke μ eingeführt:
da keine Wasserstoffbrücken ausgebildet werden kön-
nen. Dadurch orientieren sich die Wassermoleküle an m = 0, 5Sw 2c (w= Wertigkeit, c= molare Konzen-
sich selbst und nehmen in der Nachbarschaft hydro- tration).
phober Gruppen einen höheren Ordnungszustand ein
(Abnahme von Entropie). Hydrophobe Effekte spielen KLINIK
eine sehr große Rolle bei der Ausbildung und Aufrecht- Die Ionenstärke ist von medizinischer Bedeutung,
erhaltung makromolekularer Strukturen des Lebens. da alle Ionenwirkungen und die Wechselwirkung
Die Dielektrizitätskonstante des Wassers verursacht von Ionen mit Proteinen von ihr abhängen.
die elektrolytische Dissoziation, d. h. Wasser wirkt la-
dungstrennend auf Elektrolyte. Diese sind Säuren, Basen
Chemie
oder Salze. Die gebildeten Ionen umgeben sich sofort mit Lösungen unterscheiden sich von reinem Wasser durch
einer Hydrathülle. Protonen (H+) bilden mit Wasser ein einen erhöhten Siedepunkt und einen erniedrigten Ge-
Hydronium- oder Hydroxonium-Ion (H3O+), auf dessen frierpunkt.
formelmäßiger Darstellung z. B. bei der Dissoziation von Die in Wasser gelösten Ionen üben einen osmo-
Säuren allerdings verzichtet wird. tischen Druck aus, der der Anzahl (genauer der Akti-
Die Bildung von Ionen erhöht die elektrische Leit- vität) der gelösten Ionen entspricht. Ein osmotischer
fähigkeit von Wasser drastisch. Die Leitung von Strom Druck entwickelt sich an semipermeablen Membranen
ist mit einem Stofftransport verbunden. Ionen mit nega- und kann definiert werden als ein Druck, der ausgeübt
tiver Ladung wandern zur Anode (Anionen), Ionen werden muss, um den Konzentrationsausgleich ge-
mit positiver Ladung wandern zur Kathode (Kationen) löster Stoffe oder auch Wasser an der Membran zu ver-
in einem elektrischen Gleichstromfeld. hindern.
Stoffe, die in Wasser in Ionen dissoziieren, nennt Der kolloidosmotische Druck ist ein Spezialfall an
man Elektrolyte. Man unterscheidet starke und semipermeablen Membranen. Er entsteht, wenn Kol-
schwache Elektrolyte. loide, z. B. Proteine, sich an einer Seite der Membran
befinden, die sie aufgrund ihrer Molekülgröße nicht
Starke Elektrolyte dissoziieren vollständig. Dazu ge- permeieren können.
hören die meisten Salze, Mineralsäuren sowie die Basen In Gegenwart geladener Kolloide, z. B. Proteine, an
der Alkalimetalle (z. B. Natronlauge NaOH, Kalilauge einer semipermeablen Membran kommt es zu einer
KOH). Ungleichverteilung von Anionen und Kationen, die
Donnan-Verteilung (falsch auch Donnan-Gleich-
Schwache Elektrolyte dissoziieren unvollständig in gewicht) genannt wird. Ursache für diese Verteilung ist
wässrigen Lösungen. Ihr Dissoziationsverhalten ist das Erreichen von Elektroneutralität an beiden Seiten
durch das Massenwirkungsgesetz für Gleichgewichts- der semipermeablen Membran. Das Produkt von Anio-
reaktionen beschreibbar. Die Dissoziation schwacher nen und Kationen ist auf beiden Seiten gleich. Die La-
Elektrolyte hängt von ihrer Konzentration in wässrigen dung des Kolloids bewirkt die ungleiche Verteilung
Lösungen ab. Mit zunehmender Verdünnung nimmt diffusibler An- und Kationen.
sie zu, bis auch schwache Elektrolyte bei starker Ver- In biologischen Systemen ist eine Donnan-Vertei-
dünnung vollständig dissoziiert sind. lung selten, da an den biologischen Membranen selek-
Gegensätzlich geladene Ionen üben in wässriger tive Transportsysteme für An- und Kationen wirken.
Lösung eine elektrostatische Anziehung auf einander
aus, sodass ihre im thermodynamischen Sinne wirk- Merke
samen Aktivitäten geringer sind als ihre molaren Kon- Ohne Wasser gibt es kein Leben. Aufgrund ihres Di-
zentrationen. Der Faktor, mit dem die Konzentration polcharakters assoziieren Wassermoleküle über die
der Ionen multipliziert werden muss, um ihre Aktivität Bildung von H-Bindungen zu hochmolekularen
zu erhalten, wird Aktivitätskoeffizient fa genannt: Aggregaten, die Hydrathüllen um Ionen und polare
Stoffe ausbilden und die physikochemischen Eigen-
a=fac schaften des Wassers bestimmen. Durch seine Po-
larität ermöglicht es die Löslichkeit polarer Stoffe,
Erst bei sehr starker Verdünnung wird fa=1 (ideale Lö- 6
sung).
3.3 · Säure-/Base-Reaktionen
179 3
3.3.4 Neutralisation, Puffer Basen werden durch Salze aus starken Säuren und
schwachen Basen gepuffert
Neutralisation
Bei der Reaktion einer Säure mit einer Base entsteht ein NH 4Cl + NaOH Æ NH 3 + H 2O + NaCl
Salz, welches in wässriger Lösung in Ionen dissoziiert
(Neutralisation). Das System NH3/NH4Cl funktioniert ähnlich. Bei Zu-
gabe von NaOH entsteht NH3.
HCl + NaOH Æ NaCl + H 2O Das Säureanion ist in der Lage, Protonen zu binden;
NaCl Æ Na + + Cl - die Säure dissoziiert Protonen bei Zugabe von Hydro-
xyl-Ionen entsprechend dem chemischen Gleichge-
Als Ampholyte bezeichnet man Verbindungen, die so- wicht ab. Das System ist erschöpft, wenn Säure bzw.
wohl mit Säuren als auch mit Basen Salze bilden. Amino- Säureanion verbraucht sind.
säuren sind Ampholyte. Die Pufferkapazität ist am pKa-Wert am höchsten,
Chemie
CH 3COO - + Na + + H 2O Æ CH 3COOH + Na + + OH - Der pH-Wert von Pufferlösungen lässt sich mittels der
NH 4 + + Cl - + H 2O Æ NH 3OH + Cl - + H + Henderson-Hasselbalch-Gleichung berechnen. Diese
Gleichung ist eine Anwendung des Massenwirkungs-
Säuren werden durch Reaktion von Nichtmetalloxiden gesetzes auf schwache Elektrolyte.
(Säureanhydride) mit Wasser, Basen entsprechend
durch Reaktion von Metalloxiden (Basenanhydride) [Säureanion] [Salz]
pH = pK a + lg = pK a + lg
mit Wasser gebildet: [Säure] [Säure]
e–
bzw.
Auch für Nichtmetalle lässt sich eine Spannungsreihe 3.4.5 Biochemische Redox-Reaktionen
aufstellen. Oben stehen Se und S, unten Cl und F. F
besitzt das positivste Potenzial aller Oxidationsmittel. Bei biologischen Oxidationsprozessen ist Sauerstoff
Die Oxidationszahl (Oxidationsstufe, -zustand, selten direkter Reaktionspartner. Die häufigsten Oxida-
-wert, Ladungswert, Valenzzahl) ist diejenige Ladung, tionsreaktionen sind Dehydrierungen. Für Details GK
die ein Atom in einem Molekül besäße, wenn das Mole- Biochemie 7 Kap. 3.4 Biologische Oxidation.
kül aus lauter Ionen aufgebaut wäre. Die Oxidations-
zahl ist demzufolge eine vorzeichenbehaftete Kenn-
größe zur Charakterisierung einzelner Atome in einer 3.5 Bildung und Eigenschaften
Verbindung. In Formeln wird die Oxidationszahl in der Salze
Klammern mit römischen Ziffern angegeben, z. B.
Fe(III)Cl3. Das bedeutet, das Eisenatom hat 3 Elektro- 3.5.1 Bildung
nen abgegeben, ist also 3-wertig. Man kann diese elek-
Chemie
trochemische Wertigkeit auch als kleine arabische Zif- Salze sind heteropolare Verbindungen einer von
fer über das Elementsymbol setzen H-Ionen verschiedenen Kationenart und einer von
-2 +4 +4 +6 -3 +2
OH-Ionen verschiedenen Anionenart.
H 2S , SO2, SO3-2, K 2 SO4, NH 3, NO. Anorganische Salze entstehen aus
4 der Reaktion von Metallen, Metalloxiden oder Me-
Metalle in den Gruppen I–III des PSE bilden Ionen tallhydroxiden mit Säuren, z. B.
mit positiven Ladungen, deren Zahl gleich der Grup- Fe+2HCloFeCl2+H2;
pennummer ist. In diesen Fällen ist die Oxidations- 4 aus der Reaktion von Säuren mit Basen (Neutrali-
zahl gleich der Gruppennummer. Die Summe aller sation) NaOH+HCLoNaCl+H2O.
Oxidationszahlen in einem neutralen Molekül ist 0
(KMnO4=K+1Mn+7O4–8). Die Oxidationszahl von Was-
serstoff beträgt +1, von Sauerstoff –2. 3.5.2 Eigenschaften
Elektrolyse (elektrolytische Zersetzung) besteht in Das Fe(II) im Häm des Hämoglobins oder Myoglobins
einer beim Stromdurchgang durch einen Elektrolyten kann O2 oder CO binden. CO kann den Sauerstoff aus
hervorgerufenen chemischen Veränderung. Sendet seinen Bindungen am Häm verdrängen und umge-
man Gleichstrom durch eine HCl-Lösung, so wandern kehrt. Co im Cobalamin (Vitamin B12) kann mit ver-
die Kationen H+ zur Kathode und die Cl–-Ionen zur schiedenen Liganden binden.
Anode (Anionen). Der Strom wandelt die Ionen an Im weiteren Sinne sind die Ionenaustausch- und
den Polen in elektrisch neutrale Atome um, wobei die Affinitätschromatographie (Lehrbücher der Bio-
sich Redox-Reaktionen abspielen. An der Kathode chemie) Beispiele für Ligandenaustausch-Reaktionen.
erfolgt eine Reduktion, an der Anode eine Oxidation,
wobei H+-Ionen an der Kathode in neutrale H-Atome
übergehen, die sich zu H2-Gas vereinen, und an der 3.7 Additions-/Eliminierungs-
Anode Cl– zu Cl oxidiert und Chlorgas Cl2 gebildet reaktionen
wird.
Man unterscheidet folgende Reaktionsarten:
Merke 4 Aufspaltung einer Atombindung durch Homo-
Bei der Elektrolyse handelt es sich um eine Um- oder Heterolyse;
kehrung der in einem galvanischen Element ablau- 4 Additionsreaktionen als Anlagerungen;
fenden Redox-Reaktionen, wenn man durch eine 4 Eliminierungsreaktionen als Abspaltung;
Gleichstromquelle mit genügender Spannung eine 4 Substitutionsreaktionen als Ersatz;
Umkehr des Elektronenflusses erzwingt. 4 Umlagerungen von Atomgruppen.
Addition an –C⫽C- und –C⫽O-Doppelbindungen zu. Aldol ist die Abkürzung für Aldehydalkohol.
Eine Addition kann auch an Moleküle mit einem freien
Elektronenpaar erfolgen. Additionsreaktionen können
nucleophil und elektrophil sein. Eine wichtige Additions- 3.8 Substitutionsreaktionen
reaktion ist die Anlagerung von Wasser an eine Doppel-
bindung unter Ausbildung eines Alkohols. 3.8.1 Reaktionsablauf, reaktive Teilchen
Unter Eliminierung versteht man intramolekulare
Abspaltungen von 2 Atomen oder Atomgruppen (Ionen, Man unterscheidet nucleophile (anionoide), elektro-
Moleküle) aus einem Kohlenstoff-Gerüst, die zu unge- phile (kationoide) und radikalische Substitutionen.
sättigten Verbindungen führen. Die biologisch wich-
tigste Eliminierung ist die Dehydratisierung (Abspal-
tung von Wasser aus Alkoholen). 3.8.2 Reaktionen am gesättigten
Kohlenstoffatom
3.7.2 Reaktionen der Carbonylgruppe Erfolgt die Ablösung des bisherigen Liganden vom
C-Atom unter Mitnahme beider Bindungselektronen
Aldehyde können leicht zu Carbonsäuren (R-COOH) als Anion, so muss auch der neue Substituent ein Anion
oxidiert werden (7 Kap. 2.3.5). Sie besitzen deshalb redu- sein. Der neu eintretende Substituent ist nucleophil.
zierende Eigenschaften. Ketone sind nicht oxidierbar. Die Substitution ist anionoid, nucleophil (SN).
Stickstoffbasen (NH3, Hydrazin, aliphatische Löst sich der alte Ligand unter Zurücklassung der
Amine) reagieren mit der polaren Carbonylgruppe un- Bindungselektronen als Kation ab, muss der neue Sub-
ter Bildung Schiff ’scher Basen (Aldimine; Ketimine), stituent ebenfalls ein Kation sein: elektrophile, katio-
da nucleophile Reagenzien leicht an die Carbonyl- noide Substitution (SE).
gruppe addiert werden können. Nimmt der alte Ligand nur ein Bindungselektron
Die Addition eines Alkohols an eine Carbonyl- mit (Homolyse), muss der neue Substituent ein Elek-
gruppe eines Aldehyds führt zu einem Halbacetal. Ent- tron in die Bindung einbringen. Er ist ein Radikal. Der
stammt die CO-Gruppe aus einem Keton entstehen Reaktion liegt eine radikalische Substitution (SR) zu-
Hemiketale. grunde.
Reagiert die OH-Gruppe des Halbacetals mit einem
weiteren Alkohol entsteht unter Ausbildung einer Ether-
bindung ein Acetal. 3.8.3 Reaktionen am ungesättigten
Kohlenstoffatom
Merke
Das Diamid der Kohlensäure ist der Harnstoff.
Chemie
189 4
4 Kohlenhydrate
Mind Map
Kohlenhydrate treten als Mono-, Di-, Oligo- und Poly- sidische (acetalische) Bindungen zu Di- und Polysac-
saccharide auf. Sie spielen als Reservesubstanzen chariden zusammen. Über N-glycosidische Bindungen
und Energielieferanten sowie Strukturbestandteile im mit N-haltigen Agluconen entstehen Nucleoside sowie
menschlichen Organismus eine wichtige Rolle. Mono- pharmakologisch bedeutsame Verbindungen (Herz-
saccharide entsprechen überwiegend der Summen- glycoside).
formel CnH2nOn. Monosaccharide treten über glyco-
190 Kapitel 4 · Kohlenhydrate
4.1.1 Klassifizierung Freie Hexosen liegen immer als Pyranosen vor. Glu-
cose, Fructose, Galactose und Mannose sind Hexosen,
Monosaccharide sind die einfachen Verbindungen der gut wasserlöslich und kristallisierbar. Ribose und
Kohlenhydrate. Ihre Grundformel ist Cn(H2O)n. Sie ent- 2-Desoxyribose sind die häufigsten Pentosen. Sie sind
halten neben Hydroxyl- auch Carbonylgruppen. Steht nicht durch Hefe vergärbar.
die Carbonylgruppe am ersten C-Atom (Aldehyd), Die häufigsten im menschlichen Organismus vor-
werden die Vertreter Aldosen genannt. Eine Carbonyl- kommenden Monosaccharide sind D-Pentosen und
gruppe am zweiten C-Atom (Keton) definiert Ketosen. D-Hexosen (Enantiomere). Diese liegen nur in äußerst
geringer Menge als lineare Aldehyde oder Ketone vor.
Merke Durch eine intramolekulare Halbacetalbildung zwi-
Monosaccharide sind Oxidationsprodukte mehr- schen der Carbonylgruppe und einer Hydroxylgruppe
Chemie
Merke
Hexosen. Monosacccharide besitzen optisch aktive
Bei den Zuckeralkoholen ist der Carbonyl-Sauer-
C-Atome. Man unterscheidet D- und L-Zucker.
stoff zu einer Hydroxylgruppe reduziert, z. B.
Monosaccharide bilden ein inneres Halbacetal, wo-
D-Glyceraldehyd wird zu Glycerol reduziert. Dieser
durch ein neues Asymmetrie-Zentrum entsteht
Alkohol wird nicht mehr mit D und L klassifiziert,
(Anomerie). Unter Epimerie versteht man die unter-
weil er nicht chiral ist.
schiedliche Stellung einer OH-Gruppe verschie-
dener Isomere zu einander, z. B. C2 der D-Glucose
Aldosen und Ketosen weisen in alkalischen Lösungen zu C2 der D-Mannose und/oder zu C4 der D-Galac-
reduzierende Eigenschaften auf. Durch Oxidation von tose. Die acetalische (glycosidische) OH-Gruppe
Monosacchariden entstehen 3 verschiedene Carbon- besitzt eine hohe Reaktionsfähigkeit.
säuren: Physiologisch wichtige Hexosen sind Glucose,
4 Onsäuren, Oxidation am acetalischen C1-Atom; Galactose, Mannose, Fructose. Die wichtigsten
4 Uronsäuren, Oxidation an der primären alkoho-
Chemie
Lactose (Milchzucker) ist ein E-Galactosid. Sie be- meist in Verbindung mit Peptiden, Proteinen und Lipi-
steht aus Galactose und Glucose, die 1,4-E-glycosidisch den vor. Wichtige Vertreter sind Proteoglycane und Gly-
gebunden sind. Sie ist ein 1,4-E-D-Galactopyranosido- cosaminoglycane.
D-glucopyranosid. Alle diese Disaccharide entsprechen
dem Monocarbonyl-Typ.
Saccharose (Rohrzucker, Kochzucker) enthält eine 4.3.2 Struktur
Dicarbonylbindung zwischen Glucose und Fructose.
Dabei ist die Glucose D-glycosidisch, die Fructose Stärke besteht aus 2 Komponenten, der Amylose und
E-glycosidisch gebunden. Ihre Struktur entspricht einem dem Amylopectin. Amylose ist ein aus 1,4-D-glyco-
1-D-D-Glucopyranosido-2-E-D-fructofuranosid. sidisch linear verbundenen Glucoseresten aufgebautes
Polysaccharid. Sie ist wasserlöslich und bildet mit Iod
Merke eine blaue Einschlussverbindung. Im Amylopectin
Trehalose ist ein 1,1-D-D-Glucopyranosido-D-glu- liegen Verzweigungen der Molekülketten durch 1,6-D-
copyranosid, die in der Hämolymphe von Insekten glycosidisch gebundene Glucosemoleküle neben den
vorkommt. 1,4-Bindungen vor. Amylopectin quillt in Wasser. Stär-
kemoleküle sind aus 104 bis mehr als 105 Glucoseein-
heiten aufgebaut. Stärke ist das Reservekohlenhydrat
von Pflanzen und ein wichtiges Nahrungsmittel.
4.2.3 Reaktionen Glycogen, das Reservekohlenhydrat tierischer Or-
ganismen, ähnelt in seinem Aufbau dem Amylopectin,
Disaccharide mit Dicarbonylbindungen vom Trehalose- ist aber stärker verzweigt und hat ein wesentlich hö-
Typ wirken nicht reduzierend und zeigen keine Muta- heres Molekulargewicht (Leberglycogen 5u106, Mus-
rotation (Beispiel: Saccharose). kelglycogen 106). Durch die büschelförmigen Verzwei-
Disaccharide mit Monocarbonylbindungen vom gungen ist die Molekülgestalt kugelförmig.
Maltose-Typ wirken reduzierend und zeigen Mutaro-
tation, weil sie noch eine freie glycosidische OH-Grup- Merke
pe besitzen (Beispiele: Maltose, Isomaltose, Cellobiose, Die Hauptglycogenvorräte befinden sich in Mus-
Lactose). kulatur und Leber. Der Glycogengehalt der Mus-
kulatur beträgt maximal 1% des Feuchtgewichts
(insgesamt 250 g). In der Leber sind es 10% (ins-
4.3 Oligo- und Polysaccharide gesamt 150 g). Glycogen kommt außer in den Ery-
throzyten in allen Körperzellen vor.
4.3.1 Klassifizierung, Aufbau
Oligosaccharide bestehen aus 3–10 Monosacchariden, Zellulose ist Bestandteil pflanzlicher Zellwände. Sie
Polysaccharide aus mehr als 10 Monosacchariden, die bildet faserartige Strukturen aus. Dies wird durch den
O-glycosidisch miteinander verbunden sind. Aufbau aus E-1,4-verknüpften Glucoseeinheiten er-
Oligosaccharide aus Mannose, Galactose und reicht. Zellulose kann im Magen-Darm-Trakt des Men-
Aminozuckern sind Bestandteil von Glycoproteinen. schen nicht abgebaut werden (Ballaststoff).
Die Kohlenhydrat-Ketten sind O-glycosidisch über Weitere in der Natur verbreitete Polysaccharide
Serin/Threonin bzw. N-glycosidisch über Asparagin an sind
die Proteine gebunden. Sie enthalten häufig endständig 4 Inulin, bestehend aus 1,2-E-glycosidisch ver-
N-Acetyl-Neuraminsäure oder Fucose. knüpften Fructosemolekülen, kann zu Nierenfunk-
Oligosaccharide, gebunden an Sphingosin (Gang- tionsdiagnostik verwendet werden;
lioside) oder Polyprenole (z. B. an Dolicholphosphate) 4 Pectine, aus Galacturonsäure aufgebaut, die mit
sind Bestandteil von Glycolipiden. Methanol verestert ist, bewirkt das Gelieren von
Polysaccharide werden in Homo- und Hetero- Fruchtsäften;
glycane unterschieden. 4 Chitin, ein aus N-Acetylglucosamin bestehendes
Homoglycane sind nur aus einem Monosaccharid Kohlenhydrat; ist die Gerüstsubstanz von Insekten
aufgebaut. Wichtige Vertreter sind die Stärke, das Gly- und Krebsen;
cogen und die Zellulose. 4 Dextran, bestehend aus 1,6-D-glycosidisch verbun-
Am Aufbau von Heteroglycanen beteiligen sich ver- denen Glucosemolekülen, ist Bestandteil von Infu-
schiedene Monosaccharide. Heteroglycane kommen sionslösungen.
194 Kapitel 4 · Kohlenhydrate
Der Heteroglycananteil der Proteoglycane wird durch Glycosaminoglycane binden erhebliche Mengen an
Glycosaminoglycane repräsentiert. Wasser und Kationen.
Diese bestehen aus langen Ketten sich wiederholen-
der Disaccharideinheiten aus einem Aminozucker und Prüfungsfallstricke
einer Uronsäure bzw. Galactose. Wichtige Vertreter Glycosaminoglycane sind keine Bestandteile des
sind: Zytoskeletts, sondern der Interzellularsubstanz und
4 Hyaluronsäure: [1,4-E-N-Acetylglucosamin-1,3- der Basalmembranen.
E-glucuronat]n; Heparin ist keine Komponente des Bindege-
4 Chondroitin-6-sulfat: [1,4-E-N-Acetylgalactosa- webes, sondern Bestandteil der Granula von Mast-
min-6-sulfat-1,3-E-glucuronat]n; zellen und Granulozyten.
4 Chondroitin-4-sulfat: [1,4-E-N-Acetylgalactosa-
min-4-sulfat-1,3-E-glucuronat]n;
4 Dermatansulfat: [1,4-E N-Acetylgalactosamin-4- Merke
Chemie
Mind Map
Aminosäuren sind die monomeren Bestandteile von besitzen übergeordnete Strukturen, die unter dem Be-
Peptiden und Proteinen. Die Peptidbindung (Säure- griff Konformation zusammengefasst werden können.
amidbindung) ist das grundlegende Bauprinzip Die Konformation bestimmt die Funktionen der Pro-
der Aminosäuresequenz. Polypeptide und Proteine teine.
198 Kapitel 5 · Aminosäuren, Peptide, Proteine
5.1 Aminosäuren
R CH COOH bzw. R CH COO–
5.1.1 Klassifizierung
NH2 N+H3
Aminosäuren enthalten die beiden funktionellen (Zwitterion)
Gruppen –NH2 und –COOH. Von besonderer Bedeu-
tung als Bestandteil von Peptiden und Proteinen sind . Abb. 5.1. Allgemeine Formel der L-D-Aminosäuren
die L-D-Aminosäuren der in . Abbildung 5.1 darge-
stellten allgemeinen Formel.
Ferner sind sie Ausgangsstoffe für biologisch wich- 4 Aminosäuren mit aliphatischen oder zyklischen
tige Verbindungen (z. B. Hormone). Resten,
Daneben haben auch E- und G-aminosubstituierte 4 Aminosäuren mit zusätzlichen funktionellen
Carbonsäuren Stoffwechselbedeutung. Gruppen, z. B. –NH2, –COOH, OH–, SH–, Imida-
Chemie
Eine Einteilung der proteinogenen Aminosäuren zol-, Indol-, Phenyl-, Guanidino- und Säureamid-
kann nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen: gruppen,
4 nach der Anzahl der C-Atome, ganismus synthetisiert werden können oder nicht:
4 nach der Hydrophilie bzw. Hydrophobizität (Eigen- Essenzielle Aminosäuren müssen mit der Nahrung
schaften) der Seitenkette R. zugeführt werden. Dazu gehören Val, Leu, Ile, Phe,
Trp, Lys, Met, Thr und His. Die nichtessenziellen
Die letzte, nach funktionellen Gesichtspunkten erfolgte Aminosäuren (Gly, Ala, Ser, Cys, Asp, Glu, Asn, Gln,
Einteilung wird in der Biochemie bevorzugt. Pro, Arg, Tyr) werden im Stoffwechsel gebildet.
Apolare aliphatische oder aromatische Seiten- Nicht proteinogene Aminosäuren (mehr als 100 in
ketten besitzen die Aminosäuren Glycin (Gly, G), Ala- den verschiedensten Organismen) üben spezielle Stoff-
nin (Ala, A), Valin (Val, V), Leucin (Leu, L), Isoleucin wechselfunktionen aus. Beispiele aus der menschlichen
(Ile, I), Methionin (Met, M), Prolin (Pro, P), Phenylala- Biochemie sind Ornithin, Citrullin, Dihydroxyphenyl-
nin (Phe, F) und Tryptophan (Trp, W) (. Abb. 5.2). alanin, Homocystein, Homoserin, 5-Hydroxytrypto-
Polare, ungeladene Seitenketten haben die Amino- phan.
säuren Serin (Ser, S), Threonin (Thr, T) (Hydroxyl-
gruppe), Asparagin (Asn, N), Glutamin (Gln, Q) (Säure-
amidgruppe), Cystein (Cys, C) (Sulfhydrylgruppe), 5.1.2 Eigenschaften
Selenocystein (Sec) (Selenwasserstoffgruppe) und Tyro-
sin (Tyr, Y) (p-Hydroxyphenylgruppe) (. Abb. 5.3). Mit Ausnahme des Glycins sind Aminosäuren optisch
Polare, geladene Seitenketten treten in den Amino- aktiv. Die 22 in Proteinen vorkommenden Aminosäuren
säuren Asparaginsäure (Asp, D), Glutaminsäure (Glu, E) (proteinogene Aminosäuren) gehören der L-Konfi-
(Carboxylgruppe = saure Aminosäuren) (. Abb. 5.4), guration an.
Histidin (His, H) (Imidazolrest), Lysin (Lys, K) (H-Ami-
nogruppe), Arginin (Arg, R) (Guanidinogruppe). Die
letzten 3 Aminosäuren werden als basische Amino- Prüfungsfallstricke
säuren bezeichnet (. Abb. 5.5). Prolin ist keine Aminosäure, sondern eine
Eine weitere Einteilungsmöglichkeit ergibt sich Pyrrolidincarbonsäure.
mit der Frage, ob Aminosäuren im menschlichen Or-
. Abb. 5.4. Asparaginsäure und Glutaminsäure als Aminosäuren mit polaren, geladenen Seitenketten (saure Aminosäuren)
Chemie
. Abb. 5.5. Histidin, Lysin und Arginin als Aminosäuren mit polaren, geladenen Seitenketten (basische Amniosäuren)
. Abb. 5.9. Transfiguration der Peptidbindung Zu Verbindungen mit Peptidstruktur gehören zahl-
reiche Hormone (. Tab. 5.1).
Das Tripeptid Glutathion (Glu-Cys-Gly) ist auf-
Merke grund seiner SH-Gruppe in Redox-Reaktionen der
Je nach Anzahl der aufbauenden Aminosäuren er- Zellen einbezogen und spielt eine wichtige Rolle bei der
hält man Di-, Tri- oder Oligopeptide (bis 10 Amino- Abwehr oxidativen Stresses (. Abb. 5.10).
Chemie
Prüfungsfallstricke
An welchen Pol eines elektrischen Gleichstrom-
feldes wandert ein Peptid mit der Sequenz Glu-His- 5.2.2 Peptidbindungen
Trp-Ser-Gly-Leu-Arg-Pro-Gly bei pH 3 oder pH 11?
6 Zu Peptidbindungen siehe die Ausführungen in
7 Kap. 5.2.1 und 7 Kap. 5.3.2.
Proteine sind lineare unverzweigte Polykondensations- Homologe Proteine. Die Aminosäuresequenz ist ge-
produkte von Aminosäuren. Sie sind Kolloide. Sie netisch determiniert. Proteine, die von einem gemein-
weisen osmotische Eigenschaften auf, die als kolloid- samen Urgen abstammen, werden als homologe Pro-
osmotischer oder onkotischer Druck bezeichnet teine bezeichnet (z. B. die Proteine der Globin- und
werden. Proteine sind Polyelektrolyte aufgrund ihres Immunglobulin-Superfamilien). Sie sind das Ergebnis
Gehalts an sauren und basischen Aminosäuren. einer divergenten Evolution.
Proteine sind molekulare Maschinen, die Moleküle Der Sequenzvergleich homologer Proteine ergibt,
selektiv erkennen, binden, transportieren oder ver- 4 dass bestimmte Aminosäuren in der Sequenz nicht
ändern. Sie leisten chemische und mechanische Arbeit. austauschbar, also invariant und essenziell für die
Proteine üben demzufolge viele Funktionen im Orga- Struktur und Funktion sind;
nismus aus (. Tab. 5.2). 4 dass konservierte Reste einen Austausch mit che-
misch sehr ähnlichen Resten zulassen (Asp-Glu,
Proteinstrukturen aber nicht Asp-Arg) und deshalb ebenfalls struk-
Primärstruktur turell bedeutsam sind;
Die Aminosäuresequenz oder die Primärstruktur 4 dass variable Aminosäuren, v. a. an der Protein-
ist die Folge der über Peptidbindungen verbundenen oberfläche lokalisiert, ausgetauscht werden, ohne
Aminosäuren in einem Peptid bzw. Protein. Die Se- Veränderungen in Struktur und Funktion zu indu-
quenz wird so geschrieben, dass die Aminosäure mit zieren. Nur etwa 40% der Aminosäuren in der
freier NH2-Gruppe links (N-terminales Ende) und die Cytochrom c-Familie (Evolutionsdauer ca. 2 Mil-
liarden Jahre) sind variant, was beweist, dass sich
in der Evolution Sequenzmotive mit essenziellen
. Tab. 5.2. Funktionen von Proteinen
Funktionen durchsetzen konnten.
Protein Funktion 4 Der Sequenzvergleich homologer Proteine kann
Enzym Biokatalysator zur Konstruktion phylogenetischer Stammbäume
Hormon Regulator verwendet werden.
Kollagen Bestandteile der extrazellulären
Analoge Proteine. Ähnliche Tertiärstrukturen als Be-
Matrix und des Bindegewebes
standteile von Domänen (s. u.) können sich auch un-
Membranproteine Rezeptoren, Transporter, Ionen- abhängig voneinander in der Evolution entwickeln
kanäle (konvergente Evolution). Das Ergebnis sind analoge
Actin/Myosin Muskelkontraktion, Zytoskelett Proteine.
Fibrinogen/Fibrin Blutgerinnung, Schutz vor Blut-
verlusten Sekundärstruktur
Die Sekundärstrukturen der Proteine ergeben sich
Immunglobuline Schutz vor Infektionen, Abwehr
aus der Faltung des Rückgrats der Polypeptidkette
204 Kapitel 5 · Aminosäuren, Peptide, Proteine
(–NH–CDH–CO–n in Form sich periodisch wieder- stehen aus 4 Aminosäuren, in die Prolin einbezogen ist,
holender Strukturelemente: welches die Ausbildung einer Helix nicht zulässt.
4 D-Helix; :-Schleifen bestehen aus etwa 18 Aminosäuren mit
4 E-Strukturen (Faltblätter); irregulärer Anordnung, die ebenfalls eine Richtungs-
4 E-Turns und :-Schleifen; änderung des Verlaufs einer Polypeptidkette ermög-
4 irreguläre Kettenanordnung (Knäuel). lichen.
Knäuelstrukturen sind Anordnungen der Polypep-
Die α-Helix ist eine rechtsgewundene Schraube mit tidkette, die nicht durch D- oder E-Strukturen be-
3,6 Aminosäuren pro Windung und einem Gangunter- schreibbar sind. Sie sind nicht identisch mit den Zufalls-
schied (Identitätsperiode) von 0,54 nm. Die Struktur knäueln, die bei der Proteindenaturierung entstehen.
wird durch H-Brücken stabilisiert, die sich parallel zur
Helixachse zwischen den NH- und CO-Gruppen der Tertiärstruktur
Peptidbindungen ausbilden. Die Aminosäureseiten- Die Tertiärstruktur berücksichtigt alle Aspekte der Ami-
Chemie
ketten weisen nach außen. Die durchschnittliche Länge nosäuresequenz, die über größere Abstände wirken.
einer Helix in einem globulären Protein beträgt 10 Amino- Entscheidend sind die Kontakte der Aminosäurereste
säuren =1,5 nm. Prolin unterbricht die helicale Faltung. zueinander. Bei der Tertiärstruktur berücksichtigt man
In den Kollagenen treten suprahelicale Strukturen Besonderheiten, die sich aus den Wechselwirkungen
auf. Ein Tropokollagenmolekül besteht aus 3 linksgän- sekundärer Strukturmerkmale miteinander ergeben:
gigen Einzelhelices, die sich zu einer rechtsgängigen 4 D-Proteine sind durch antiparallele Anordnungen
Tripelhelix zusammenlagern. Doppelhelices finden von D-Helices gekennzeichnet;
sich in den D-Keratinen der Haare und in den schweren 4 E-Proteine enthalten vorwiegend antiparallele
Ketten des Myosins. E-Strukturelemente;
Im β-Faltblatt ist die Polypeptidkette zick-zack- 4 reguläre D/E-Proteine, vorwiegend als E/D/E-Mo-
förmig gefaltet, wobei die gefalteten Polypeptidketten tiv, enthalten in antiparalleler Anordnung 2 E-Struk-
parallel oder antiparallel angeordnet sind. Die Struk- turen, in die eine Helix integriert ist;
turen werden durch H-Bindungen stabilisiert, die sich 4 (kleine) irreguläre D- und/oder E-Proteine enthal-
zwischen den benachbart liegenden Peptidbindungen ten neben einem hohen Anteil an Knäuelstrukturen
der Polypeptidketten aufbauen. Auch eine benachbarte D- oder E-Strukturmotive.
Helix kann über H-Brücken ß-Strukturen stabilisieren.
Die Aminosäureseitenketten ragen oben und unten aus Prüfungsfallstricke
der Faltungsebene heraus. Die Wechselwirkungen sekundärer Strukturmerk-
D–Helices können sich in E-Faltblätter umlagern male, wie z. B. ein ß/Dß-Motiv, werden auch als
(DE–Transformation). Dies ist verbunden mit einer Ab- Supersekundärstrukturen bezeichnet, die man als
nahme der Löslichkeit, z. B. Bildung von Amyloid- Gruppierungen von Sekundärstrukturen und als
aggregaten bei degenerativen Hirnerkrankungen und Übergänge zwischen der Sekundär- und Tertiär-
Prionen-Erkrankungen (Prc in Prsc). struktur betrachten kann.
KLINIK
Sowohl das unlösliche E-Amyloid bei der Alz- Domänen sind sich unabhängig voneinander faltende,
heimer-Erkrankung, Amyloidablagerungen bei getrennt voneinander liegende kompakte Bereiche
anderen Amyloidosen, als auch das PrSc-Prionen- einer Aminosäuresequenz mit eigener Sekundär- und
aggregat bei der spongiformen Enzephalitis und Tertiärstruktur innerhalb eines Proteins. Sie besitzen
der neuen Creutzfeld-Jakob-Erkrankung werden die Charakteristika eines eigenständigen Proteins mit
aus löslichen Vorläufermolekülen mit D-Helix durch bestimmten Funktionsmerkmalen (Bindung von Co-
Umlagerungen in E-Strukturen gebildet. enzymen und anderen Liganden, katalytisches Zen-
trum eines Enzyms). Die meisten Domänen umfassen
einen Polypeptidkettenabschnitt von 100–200 Amino-
Bei den D-Helices und auch bei den Faltblättern sind es säureresten. Benachbarte Domänen sind durch uncha-
die planaren Säureamidebenen, die sich zu Schrauben rakteristische Peptidsegmente verknüpft, welche leicht
oder Ziehharmonika-Strukturen falten. durch proteolytische Enzyme gespalten werden kön-
Turns ermöglichen einen Richtungswechsel im nen, ohne dass die Funktion der Domänen beeinträch-
Verlauf der Polypeptidkette, da Helices und Faltblätter tigt wird. Domänen werden von bestimmten Exons
weitgehend lineare Strukturen aufbauen. E-Turns be- (s. DNA) codiert.
5.3 · Proteine
205 5
4 Bei der Ultrazentrifugation sedimentieren Proteine Eine Einteilung nach funktionellen Gesichtspunkten
entsprechend ihrer molekularen Masse (Ausnahme aus den Sequenzdaten der humanen Genomanalyse
Lipoproteine). Die Ultrazentrifugation eignet sich könnte in Zukunft nach folgenden Gesichtspunkten
zur Bestimmung des Molekulargewichts. erfolgen:
4 Röntgenkristallographische Untersuchungen ver- 4 17% der Proteine des Proteoms (Gesamtheit aller
mitteln die dreidimensionale Struktur von Pro- Proteine des Organismus, geschätzt 100.000–
teinen. 150.000) dienen der Signaltransduktion und dem
4 Proteine lassen sich aufgrund unterschiedlicher Transport;
Größe, Ladungen und Bindungsaffinitäten rei- 4 14% sind Nucleinsäure-bindende Proteine, die der
nigen. Synthese, dem Abbau, der Reparatur, der Erken-
nung und Ablesung von Nucleinsäuren dienen;
Eine befriedigende Einteilung der Proteine unter Be- 4 10% sind Enzyme, die für den Stoffwechsel erfor-
rücksichtigung aller ihrer Eigenschaften gibt es nicht. derlich sind;
4 19% sind in sonstige Funktionen einbezogen, wie
Chemie
6 Fettsäuren, Lipide
Mind Map
Lipide sind eine sehr heterogene Stoffklasse, die ein kettige aliphatische Carbonsäuren. Zu den Lipiden ge-
gemeinsames Merkmal besitzt: die Unlöslichkeit in hören auch Derivate des Isoprens wie die Steroide und
Wasser. Bausteine vieler Lipide sind Fettsäuren, länger- die Vitamine A und D.
210 Kapitel 6 · Fettsäuren, Lipide
werden. Doppelbindungen, die mehr als 9 C-Atome Diacylglycerolen 2 Hydroxylgruppen und bei den Mo-
von der Carboxylgruppe entfernt sind, werden durch noacylglycerolen nur eine Hydroxylgruppe. Neutral-
Dehydrierungen nicht eingeführt. fette mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fett-
Für die Nomenklatur der C-Atome und Doppel- säuren haben einen niedrigen Schmelzpunkt (Öle).
bindungen in Fettsäuren gelten folgende Regeln: Neutralfette sind die wichtigsten Energiereserven des
4 das C-Atom 1 ist die Carboxylgruppe; Körpers.
4 das der Carboxylgruppe benachbarte C-Atom 2
wird als D-C-Atom, die folgenden als E-, J- usw. Prüfungsfallstricke
bezeichnet. Die endständige Methylgruppe erhält Die retroorbitalen und perirenalen Fettgewebe
die Kennzeichnung Z weisen aufgrund ihres hohen Gehalts an gesät-
4 die Stellung einer Doppelbindung wird durch das tigten Fettsäuren einen hohen Schmelzpunkt auf.
Symbol ' gekennzeichnet. Die Zählung beginnt am Sie werden als »Strukturfette« nicht zur Energiege-
C1 der Carboxylgruppe. winnung abgebaut.
Prüfungsfallstricke
Unter der Bezeichnung Z3 oder Z6 werden unge- Bei den Phosphoglyceriden sind 2 Hydroxylgruppen
sättigte Fettsäuren aufgeführt, die eine Doppel- des Glycerols mit Fettsäuren verestert, wobei die an der
bindung 2 oder 5 Stellen vor der Z-endständigen sekundären alkoholischen Gruppe gebundene Fett-
Methylgruppe enthalten. säure eine mehrfach ungesättigte ist, z. B. Linolen- oder
Arachidonsäure. Die zweite primäre Hydroxylgruppe
ist mit Phosphorsäure verestert. Das einfachste Phos-
Derivate der mehrfach ungesättigten Linolen- und Ara- phoglycerid ist demnach die Phosphatidsäure.
chidonsäure sind die Prostaglandine, Prostacyclin, Durch Veresterung des Phosphorsäurerestes der
Thromboxane und Leukotriene (Eicosanoide). Phosphatidsäure mit Cholin entsteht Phosphatidyl-
cholin (Lecithin), mit Ethanolamin oder Serin die
Phosphatidylethanolamine bzw. -serine (Kephaline),
6.1.3 Eigenschaften mit Inositol das Phosphatidylinositol. Durch Abspal-
tung der Fettsäure an der sekundären Hydroxylgruppe
Fettsäuren sind infolge ihrer Alkylreste hydrophob. eines Phosphatids erhält man Lysophosphatide, die
Durch ihre Carboxylgruppe erhalten sie amphiphile hämolysierend wirken.
Eigenschaften und bilden in einem wässrigen Milieu
Micellen (. Abb. 2.14b). Merke
Phosphatidylinositol kommt nur in kleinen
Mengen in den Zellmembranen vor (etwa 1%).
6.1.4 Reaktionen Es ist ein Ankermolekül für periphere Membran-
proteine (Acetylcholin-Esterase) sowie Präcursor
Verseifen von Fetten bedeutet die chemische Spaltung für die intrazellulären Botenstoffe Inositoltrisphos-
(Hydrolyse) der Esterbindungen durch H+- oder OH–- phat (Inositol-1,4,5-Trisphosphat, IP3) und Dia-
Ionen. Seifen sind die Alkali-Salze der Fettsäuren. cylglycerol (DAG).
Fettsäuren können verestert werden, z. B. mit Car-
nitin oder Glycerol. Sie gehen Säureamidbindungen
mit Sphingosin ein. Phosphoglyceride finden sich den Zellmembranen. Sie
Ungesättigte Fettsäuren bilden mit Sauerstoff oder sind amphiphile Moleküle, d. h. sie besitzen einen hy-
seinen Radikalen leicht Peroxide. drophilen Molekülanteil, der v. a. aus dem Phosphatrest
und den mit ihm verknüpften Aminoalkoholen bzw.
Inositol besteht. Der hydrophobe Anteil wird durch die
6.2 Acylglycerine langkettigen Alkylreste bestimmt. Dadurch können sich
Lipiddoppelschichten ausbilden, welche die Grund-
6.2.1 Klassifizierung, Struktur strukturen biologischer Membranen darstellen, wobei
die Fettsäurereste über hydrophobe Kontakte sich inner-
Bei den Triacylglycerolen (Neutralfetten) sind alle halb der Schicht und die hydrophilen Anteile sich an den
3 Hydroxylgruppen des Glycerols mit Fettsäuren, Außenseiten der Schicht anordnen (. Abb. 2.14a). Die
v. a. Palmitin-, Stearin- und Ölsäure verestert, bei den Ausbildung solcher Doppelschichten geht von selbst vor
212 Kapitel 6 · Fettsäuren, Lipide
sich und wird durch die hydrophoben Wechselwirkun- Werden Oligosaccharidketten, die aus Glucose,
gen und van der Waal’sche Bindungen angetrieben. Galactose, Aminozuckern und N-Acetyl-Neuramin-
Liposomen als artifizielle Produkte aus Phospho- säure bestehen, acetalisch an die primäre OH-Gruppe
lipiden entstehen, wenn sich Lipiddoppelschichten in des Ceramids gebunden, werden Ganglioside gebildet.
Wasser zu Vesikeln orientieren. Sie ermöglichen maxi- Neuraminsäure ist in den Oligosaccharidketten immer
male Stabilität. Das Innere eines Liposoms besteht endständig.
aus einer wässrigen Phase. Liposomen eignen sich als
Vehikel für hydrophile Substanzen durch Membranen.
Lipiddoppelschichten sind für Ionen und die 6.3.2 Eigenschaften
meisten polaren Stoffe undurchlässig. Ausnahmen sind
Gase und Wasser. Vorgänge an Zellmembranen werden Die Sphingolipide sind ebenfalls amphiphil und Mem-
durch integrale und periphere Membranproteine ver- branbestandteile. Der hydrophobe Molekülanteil be-
mittelt. Die Membranfluidität wird von der Fettsäure- steht aus der säureamidartig gebundenen Fettsäure
Chemie
zusammensetzung (Länge der Fettsäuren, cis-unge- und dem langkettigen Alkylrest des Alkohols. Die hy-
sättigte Fettsäuren) und Cholesterol bestimmt. Unge- drophilen Anteile werden aus der hydrophilen Kopf-
sättigte und kurze Fettsäuren erhöhen die Fluidität. gruppe des Sphingosins mit 2 alkoholischen Gruppen
Cholesterol mindert die Membranfluidität. Membran- und der Säureamidbindung sowie durch den Phosphat-
Cholesterol ist nicht verestert. ester des Aminoalkohols Cholin oder die gebundenen
Weitere Derivate der Phosphatidsäure sind Plas- Kohlenhydrate gebildet. Die Cerebroside und Ganglio-
malogene, die etwa 10% der Phospholipide von Hirn side befinden sich immer auf der Außenseite der Zell-
und Muskulatur ausmachen. Der Unterschied zu Phos- membran. Sie kommen gehäuft in den Zellmembranen
phatidylcholin besteht darin, dass die primäre oder von Nervenzellen vor.
sekundäre alkoholische Gruppe des Glycerols nicht mit
einer Fettsäure verestert, sondern ein Fettsäurealdehyd
in Form eines Enolethers gebunden ist. 6.4 Steroide
Die Mitochondrienmembranen enthalten in beson-
ders hoher Konzentration das Cardiolipin. Es ist ein Steroide = Isoprenoide sind Polymere des Isoprens
Diphosphatidylglycerol, bei dem die beiden primären (2-Methyl-1,3-butadien).
OH-Gruppen des Glycerols mit Phosphatidsäure ver-
estert sind.
6.4.1 Klassifizierung, Struktur
ester. Die Fettsäure ist als Säureamid an das Sphin- Ganglioside enthalten längere und ver-
gosin gebunden (Ceramid) (. Abb. 6.1). Phospho- zweigte Zuckerketten mit endständiger Neuramin-
lipide sind amphiphil und finden sich zusammen säure. Prenylderivate (C10- und C15-Abkömmlinge
mit Glycolipiden und Cholesterol in Zellmembra- des Isoprens) sind Vorläufermoleküle des Choleste-
nen. Phospholipide sind nicht nur Membranbe- rols. Vom Cholesterol leiten sich die Gallensäuren,
standteile, sondern auch die Quelle von intrazellu- Steroidhormone und das Vitamin D ab. Eicosanoide
lären Botenstoffen. sind Abkömmlinge der mehrfach ungesättigten
Glycolipide sind Derivate des Ceramids. Bei Arachidonsäure.
den Cerebrosiden ist die primäre OH-Gruppe mit Neutralfette sind die wichtigste Energiereserve
Glucose oder Galactose verbunden. Die Vereste- des Organismus. Als periorbitales und perirenales
rung von Galactose mit Schwefelsäure führt zu den Fett sind sie Strukturbestandteil mit mechanischen
Sulfatiden. Funktionen. Lipoproteine sind die Lipidtranspor-
Chemie
Mind Map
Nucleinsäuren (DNA, RNA) sind Makromoleküle, an Basen und Pentosen bilden Nucleoside, die mit
deren Aufbau folgende Stoffklassen beteiligt sind: Phosphorsäure verestert die Nucleotide aufbauen.
Purin- und Pyrimidin-Basen in der Lactamform, die Nucleotide sind die Monomeren der Nucleinsäuren.
Pentosen Ribose und Desoxyribose sowie Phosphor- Sie werden über Phosphorsäure-Diesterbindungen
säure. miteinander verknüpft. Chromatin ist der Nucleinsäure
(DNA)-Proteinkomplex des Zellkerns.
218 Kapitel 7 · Nucleotide, Nucleinsäuren, Chromatin
Freie Nucleotide haben eine große Bedeutung Nucleinsäuren haben ein links stehendes 5c-Ende und
4 im Energiestoffwechsel der Zellen (Adenylsäuresys- ein rechts stehendes 3c-Ende in der konventionellen
tem =ATP, ADP, AMP; GTP als Energiedonator in Schreibweise der Basensequenzen. Das 5c-Ende ent-
spricht der Position des ersten und das 3c-Ende der Po- Doppelhelix 10 Basenpaare pro Windung auf einer
sition des letzten Nucleotids. Gepaarte Nucleotidsträn- Länge von 3,3 nm bei einem Durchmesser von 2,4 nm.
ge verlaufen antiparallel, d. h. einer in 5c-3c-, der andere Die Doppelhelix bildet große und kleine Furchen aus.
3c-5c-Richtung. Besonders in den großen Furchen können Proteine, die
Das Rückgrat der Nucleinsäuren bilden die Pento- bei der Regulation der Transkription eine Rolle spielen,
sephosphate. Die biologische Spezifität der Nuclein- Basensequenzen erkennen und an sie spezifisch bin-
säuren wird durch die Basenfolge geprägt. Innerhalb der den.
Nucleinsäuren treten die Basen in der Lactam-Form auf. DNA wird durch Erhitzen bis zu 90°C denaturiert.
In der DNA gibt es kein Uracil, dafür die Pyrimi- Dabei wird sie durch Auflösung der H-Brücken zwi-
dinbase Thymin. RNAs (mit Ausnahme der t-RNAs) schen den komplementären Basen in die Einzelstränge
enthalten kein Thymin, dafür Uracil. zerlegt. Bei langsamem Abkühlen lagern sich die Ein-
zelstränge wieder zur Doppelhelix zusammen (Renatu-
Desoxyribonucleinsäure (DNA) rierung). Unter experimentellen Bedingungen kann ein
DNA enthält die genetische Information für RNA und DNA-Strang auch mit einem komplementären RNA-
Proteine. Die Hauptmenge der DNA ist im Zellkern Molekül oder kleinen komplementären Oligonucleoti-
lokalisiert, nur eine vergleichsweise kleine Menge findet den spezifisch assoziieren. Der Vorgang wird Hybridi-
sich in den Mitochondrien. Die DNA von Prokaryonten sierung genannt und ist die Grundlage gentechnischer
ist überwiegend zirkulär, die DNA von Eukaryonten Untersuchungen.
bildet lange Fäden (Ausnahme zirkuläre mitochon-
driale DNA). KLINIK
Die DNA ist eine doppelsträngige Helix, in der die Southern-Blot: Abbau von DNA mit Restriktions-
beiden Stränge antiparallel angeordnet sind. Dabei endonucleasen führt zu Fragmenten unterschied-
stehen Purinbasen den Pyrimidinbasen gegenüber licher Größe. Diese Fragmente werden in einem
(A/T; G/C). Diese Basenpaarung nennt man komple- Agarosegel elektrophoretisch aufgetrennt. Vom
mentär. Damit ist das Verhältnis A/T und C/G in einer Agarosegel werden die aufgetrennten Restriktions-
DNA immer = 1. In eukaryontischer DNA überwiegen fragmente auf eine Nitrocellulose- oder Nylon-
A und T. Membran übertragen (»geblottet«) und mit geeig-
Zwischen den komplementären Basen, die sich neten radioaktiv markierten Oligonucleotiden
infolge ihrer Hydrophobizität in das Innere der Helix (Gensonden) hybridisiert. Die hybridisierten Banden
orientieren, bilden sich Wasserstoffbrücken aus (A/T=2; schwärzen einen Film und können mittels Auto-
G/C=3), die den DNA-Doppelstrang stabilisieren. Die radiographie nachgewiesen werden. Fluoreszenz-
Einhaltung der Komplementarität der Basenpaarung markierte Sonden werden ebenfalls verwendet.
bestimmt die Basensequenz in beiden Strängen. Northern-Blot: wie beim Southern-Blotting, nur
4 Codogener DNA-Strang: ATGCTAC, dass ungespaltene RNA statt DNA elektrophoretisch
4 Komplementärer DNA-Strang: TACGATG, getrennt und auf Membranen übertragen wird.
4 Komplementärer RNA-Strang: UACGAUG. Western-Blot: Proteine werden elektrophoretisch
getrennt, auf eine Membran übertragen und auf
Prüfungsfallstricke der Membran mit geeigneten Antikörpern oder
In der Basensequenz der DNA finden sich Palin- Lectinen nachgewiesen.
drome. Ein Palindrom zeichnet sich durch eine Membranen sind besser zu handhaben als die
zweizählige Symmetrieachse aus. Die Sequenz Elektrophoresegele.
vom 5’- zum 3’-Ende des einen Strangs ist gleich Polymerasekettenreaktion (PCR) dient der Ver-
der Sequenz vom 3’- zum 5’-Ende des antipa- mehrung spezifischer DNA. Der DNA-Doppelstrang
rallelen anderen Strangs, z. B. 5’–GAATTC–3’, wird bei 90°C denaturiert; nach Abkühlen auf
3’–CTTAAG–5’. Palindrome markieren Bindungs- ca. 60°C werden 2 Oligonucleotide (bestehend aus
stellen für Proteine, wie den Restriktionsendo- 15–30 Nucleotiden) zugesetzt, die dem 5‘-Ende
nucleasen. jedes DNA-Strangs komplementär sind. Die Oligo-
nucleotide geben das Raster vor, in dem die DNA
amplifiziert wird. Mittels einer temperaturbestän-
Die DNA-Schraube kommt in 3 Konformationen vor: digen DNA-Polymerase (Taq-Polymerase) werden
A, B, Z. Die B-Form überwiegt, da sie die stabilste ist. In bei über 70°C die beiden DNA-Stränge zu Doppel-
ihr stehen die Basenpaare in einem Winkel von 90° zur 6
Helixachse. Die B-Form enthält in der rechtsgängigen
220 Kapitel 7 · Nucleotide, Nucleinsäuren, Chromatin
Merke t-RNA
Die Gesamtheit aller Gene ist das Genom, die Ge- Die Transfer-RNAs (t-RNAs) sind die Adaptermoleküle
samtheit aller in einem Organismus oder in einer für die Proteinsynthese. Sie erkennen über ihr Antico-
Zelle vorkommenden Proteine ist ihr Proteom. don-Triplett die in Form von Basentripletts der m-RNA
(genetischer Code) enthaltene Information für die Ami-
nosäuresequenz. Sie verfügen am 3c-Ende über die
Ribonucleinsäuren (RNA) Basensequenz CCA zur spezifischen Bindung ihrer
Die im Vergleich zur DNA wesentlich kleineren RNAs Aminosäure. Infolge der Degeneriertheit des genetischen
sind prinzipiell einsträngig. Komplementäre Kettenab- Codes gibt es für die meisten Aminosäuren mehr als eine
schnitte können sich jedoch zu übergeordneten Struk- t-RNA. In Eukaryoten wurden bis 49 gefunden. Ein wei-
turen falten. Die RNAs sind in die Realisierung der teres Kennzeichen ist ihr hoher Anteil an so genannten
Erbinformation einbezogen. Sie werden an der DNA als Nebenbasen, z. B. Hypoxanthin und Thymin.
Kopien von Genen synthetisiert (Transkription). Die t-RNAs haben eine kleeblattförmige Sekundär-
Übersetzung der in der RNA gespeicherten Informa- struktur mit 4 ungepaarten Schleifen und 4 basen-
7.3 · Chromatin
221 7
Mind Map
Vitamine sind lebensnotwendige organische Verbin- katalytischen Reaktionen (als Coenzyme) oder steu-
dungen, die im Stoffwechsel nicht oder nicht in aus- ernden Funktionen (hormonähnlich) beteiligt. Deshalb
reichender Menge gebildet werden können und mit werden für physiologische Wirkungen nur geringe
der Nahrung entweder als fertige Vitamine oder als Mengen benötigt (0,003–75 mg/Tag).
Provitamine zugeführt werden müssen. Sie sind an
224 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme
vitaminen, den Carotinen, gebildet wird. Leber, Milch die Resorption. Vitamin E schützt vor Oxidation im
und Milchprodukte sowie Seefische (Heilbutt, Makrele) Magendarmkanal. In der Mukosa findet eine Vereste-
sind bedeutende Vitamin-A-Quellen. rung des Retinols mit Palmitinsäure statt. Der Ester wird
von Chylomikronen aufgenommen. Über die Chylo-
Biochemie. Vitamin A wird im Dünndarm resorbiert mikronen remnants gelangt Retinol zur Leber, wo es
und zur Leber transportiert. Die Ester des Retinols gespeichert wird.
werden im Darm hydrolysiert und Retinol micellar Transport zu den Zielzellen: Im Blut wird Retinol
vollständig resorbiert. Lipide und Gallensäuren fördern gebunden an das Retinol bindende Protein (prä-Albu-
226 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme
Funktion. Retinol und Retinsäure beeinflussen Wachs- Vorkommen: Vitamin D ist in nur geringen Mengen
tum und Differenzierungvon Epithelzellen und Knochen- v. a. in tierischen Produkten enthalten. Fischleberöle
gewebe. Retinol (nicht Retinsäure) spielt eine Rolle in der sind reich an Vitamin D. In Milch und Butter hängt
Embryogenese, Morphogenese und Reproduktion der Vitamin D-Gehalt von der Jahreszeit ab (Vitamin
(Spermatogenese, Oogenese, Plazenta-Entwicklung). D-Synthese im Sommer höher). Die normale Durch-
schnittskost des Mitteleuropäers ist nur eine dürftige
Chemie
phat mobilisiert. In den Osteoblasten wird die Bil- Vitamin K (Antihämorrhagisches Vitamin)
dung von Kollagen, Matrixproteinen und Osteo- Das Grundgerüst des Vitamin K ist ein Methylnaphto-
calcin induziert. chinon mit isoprenoiden Seitenketten. Seine biolo-
4 Niere: Erhöhte Calciumresorption in den distalen gische Wirkung ist an das Vorhandensein einer Methyl-
Nierentubuli. gruppe am C2 des Chinonrings gebunden. Vitamin K1
ist das pflanzliche Phytomenadion. Vitamin K2 sind die
Bedarf: Vitamin D hat eine Sonderstellung, da es auf- bakteriellen Menachinone. Vitamin K3 ist ein synthe-
grund körpereigener Synthese nicht unbedingt mit tisches Produkt (Medikament), an welches im Organis-
der Nahrung zugeführt werden muss. Entscheidend ist mus eine isoprenoide Seitenkette angelagert wird. Infol-
jedoch die Sonnenexposition (Klima, Luftverschmut- ge der Hitzestabilität des Vitamins treten bei der Spei-
zung, Kleidung). sezubereitung kaum Verluste auf. In pflanzlichen und
Cholecalciferol wird Milch, Butter und Margarine tierischen Nahrungsmitteln ist es weit verbreitet. Früch-
als Nahrungsergänzungsmittel zugesetzt. te und Getreide sind allerdings arm an Vitamin K.
KLINIK
Infolge seiner antioxidativen Wirkungen wird die Wasserlösliche Vitamine
therapeutische Anwendung von Vitamin E bei mit Wasserlösliche Vitamine werden in . Tabelle 8.1 zu-
oxidativem Stress in Zusammenhang stehenden sammengefasst; die Strukturformeln in . Abbildung 8.2
Syndromen in Erwägung gezogen. dargestellt.
228 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme
b) Vitamin H Biotin
c) Vitamin C Ascorbinsäure
Der Bedarf ist am Energiestoffwechsel orientiert. hyd oxidiert, im Pyridoxamin ist die Carbonylgruppe
durch einen NH2-Rest ersetzt.
KLINIK
Reiner B2-Mangel ist sehr selten und meist mit an- Vorkommen: Vitamin B6 ist in der Natur weit verbrei-
deren Vitamin-B-Mangelzuständen assoziiert. Es tet. Fleisch und Leber sind besonders reich an Pyrido-
treten Veränderungen an der Haut, den Schleim- xin, aber auch Kartoffeln, Gemüse, Getreide, Milch und
häuten und der Cornea auf. Vitamin B2 wird nach Milchprodukte enthalten viel B6.
schweren Operationen, Alkoholmissbrauch und
bei Einnahme oraler Kontrazeptiva vermehrt be- Biochemie: Es wird schnell in den oberen Dünndarm-
nötigt. abschnitten aktiv resorbiert. In der Dünndarmmukosa
erfolgt die Phosphorylierung zum Pyridoxalphosphat
(PALP). Im Blut wird es gebunden an Albumin trans-
Vitamin B6 (Pyridoxin, Pyridoxal, Pyridoxamin) portiert. Die Eliminierung findet in der Niere als Pyri-
Es besteht aus einem Pyridinring, der die folgenden doxinsäure statt.
Substituenten trägt: eine Methylgruppe, eine Hydroxyl-
gruppe sowie 2 Hydroxymethylgruppen (Pyridoxin). Funktion: Als Coenzym Pyridoxalphosphat (PALP)
Im Pyridoxal ist eine Hydroxymethylgruppe zum Alde- spielt Vitamin B6 eine überragende Rolle im Stoff-
8.1 · Allgemeines
231 8
wechsel der Aminosäuren (Transaminierung, eliminie- Vorkommen: Cobalamine werden nur durch Mikroor-
rende Desaminierung, Aminosäuredecarboxylasen, ganismen gebildet!
Aminosäurelyasen) (. Tab. 8.3). Cobalamin-Quellen für den Menschen sind v. a.
Der Bedarf hängt im Wesentlichen vom Protein- tierische Produkte (Leber, Niere, Herz, Eier, Milch). Ve-
(Aminosäure-) Umsatz ab. Bestimmte Medikamente, getarische Kost ist frei von Cobalaminen!
die Vitamin B6 binden (INH = Isonicotinsäurehydrazid,
Hydralazine, D-Penicillamin), erhöhen den Bedarf. Merke
Die Leber kann Cobalamin über Jahre speichern
KLINIK
(2–5 mg, täglicher Bedarf 2–3 μg)! Die Halbwerts-
Ein isolierter B6-Mangel ist sehr selten. Die Sym-
zeit des Pools beträgt 485 Tage.
ptomatik besteht in einer Dermatitis, Schlaflosig-
keit, erhöhter Reizbarkeit, Neuropathien, Fe-refrak-
tärer Anämie und einer Oxalaturie (Nephrolithiasis).
Biochemie: Die Resorption erfolgt im Ileum über spe-
zifische Rezeptoren mit dem Intrinsic Factor, einem
Vitamin B12 (Cobalamin) Glycoprotein der Parietalzellen der Magenschleimhaut,
Cobalamine besitzen ein Porphyrinring-ähnliches an den Vitamin B12 gebunden werden muss. Dabei wird
Corrin-Ringsystem mit einem zentralen Cobaltatom, der Intrinsic-factor-B12-Komplex durch einen Releas-
dessen Wertigkeit zwischen Co+ und Co3+ wechseln ing Factor (abhängig von Ca2+ und ATP) gespalten. Im
kann (. Abb. 8.3). Die Koordinationszahl ist 6. Co tätigt Blut werden Cobalamine mit Transcobalamin I und II
4 Bindungen zu den N-Atomen der Pyrrolringe, die 5. (E-Globuline) transportiert. Die Aufnahme in die He-
Bindungsstelle ist mit Dimethylbenzimidazol besetzt. patozyten erfolgt durch Endozytose, wobei Trans-
An die 6. Bindungsstelle können CN–, OH–, –CH3, cobalamin II lysosomal abgebaut wird. Transport-Co-
Desoxyadenosylreste oder H2O gebunden werden; balamin enthält Co2+. Intrazelluläres Co ist dreiwertig.
demnach kann –R in . Abbildung 8.3 sein: 60% des resorbierten Cobalamins gelangen zur
4 5c-Desoxyadenosyl = 5cDesoxyadenosylcobalamin Leber, 30% zur Muskulatur und 10% in die übrigen
4 –CH3= Methylcobalamin Organe und Gewebe.
4 –CN= Cyanocobalamin Cobalamin wird zum Teil in die Galle ausgeschie-
4 –OH= Hydroxocobalamin den und unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf.
4 –H2O= Aquocobalamin Im Zytosol wird Cobalamin in Methylcobalamin,
4 –NO2= Nitritocobalamin. in den Mitochondrien in Desoxyadenosylcobalamin
überführt und gespeichert. Desoxyadenosylcobalamin
Diese Reste haben therapeutische Bedeutung; therapeu- ist Coenzym bei der intramolekularen Umlagerung
tisch werden Cyanocobalamin oder Hydroxycobala- von Carboxylgruppen bei Methylmalonyl-CoA in Suc-
min verwendet. cinyl-CoA.
232 Kapitel 8 · Vitamine, Vitaminderivate, Coenzyme
Chemie
KLINIK KLINIK
Ein Mangel an Vitamin B12 führt zur perniziösen Vitamin B12 als Methyl-Cobalamin ist ein essen-
Anämie und zur funikulären Spinalerkrankung. zieller Cofaktor durch die Regenerierung von
Er kommt zustande durch streng vegetarische Kost, Methyl-FH4 zu Tetrahydrofolsäure bei der Remethy-
Malabsorption durch fehlenden Intrinsic Factor lierung von Homocystein zu Methionin. Ein Mangel
(Atrophie der Magenschleimhaut, Gastrektomie), an Vitamin B12 führt auch zu einem Mangel an
Erkrankungen des Dünndarms (Sprue), Fischband- stoffwechselaktiver Tetrahydrofolsäure!
wurm-Befall. Ein Folsäuremangel ist nicht selten, da der Fol-
säuregehalt der Lebensmittel an der Grenze der
wünschenswerten Zufuhr liegt (100–150 μg/Tag).
Folsäure Er ist schwer diagnostizierbar. Hinweise gibt eine
Folsäure ist eine Pteroylglutaminsäure, bestehend aus megaloblastische Anämie, verbunden mit Leu-
einem heterozyklischen Pteridinring, p-Aminoben- ko- und Thrombozytopenie. Schwangere haben
zoesäure und Glutaminsäure. einen erhöhten Folsäure-Bedarf. Ein Folsäureman-
gel in der Schwangerschaft erhöht die Missbil-
Vorkommen: Folsäure kommt in allen tierischen und dungsrate des Föten, z. B. Spina bifida. Schwangere
pflanzlichen Nahrungsmitteln, zum Teil als Polygluta- sollten zusätzlich Folsäure aufnehmen. Alkoholiker
mat vor. Rindfleisch, Fisch und Obst sind relativ arm an haben infolge von Resorptionsstörungen ein Defi-
Folsäure. zit (Ausnahme: Biertrinker).
Nicotinsäure kann in einem Nebenweg des Trypto- Biotin ist das Coenzym von Carboxylasen:
phan-Abbaus gebildet werden. Die Biosynthese deckt 4 Pyruvat-Carboxylase,
den Bedarf nicht. 4 Acetyl-CoA-Carboxylase,
4 Propionyl-CoA-Carboxylase.
KLINIK
KLINIK
Eine Niacinmangel-Erkrankung ist die Pellagra
Ein Mangel ist äußerst selten. Die Symptomatik ist
(Dermatitis, Demenz, Diarrhoe), die kaum mehr
unspezifisch.
beobachtet wird. Es ist zu bedenken, dass es zahl-
reiche Pharmaka gibt, die einen Niacinmangel in-
duzieren können. Vitamin C (Ascorbinsäure)
Biologisch wirksam ist die L-Ascorbinsäure, die von den
meisten Säugetieren, aber nicht vom Menschen aus Glu-
Pantothensäure cose gebildet werden kann. Sie ist leicht oxidierbar. Die
Chemie
Das Vitamin ist eine Verbindung von E-Alanin mit Oxidation wird durch Übergangsmetallionen (Cu, Fe)
D,J-Dihydroxy-E,E-dimethylbuttersäure. Es ist Bestand- beschleunigt. Sie ist sehr licht- und temperaturempfind-
teil des Coenzym A (CoA). lich. Ihr Oxidationsprodukt, die L-Dehydroascorbinsäu-
re, ist biologisch aktiv, da sie im Organismus zu L-Ascor-
Vorkommen: Pantothensäure ist in allen Lebensmitteln binsäure reduziert wird (. Abb. 8.4). Ascorbinsäure bil-
ausreichend vorhanden. Sie liegt aber nicht in freier det bei Redox-Prozessen Semidehydroascorbinsäure.
Form vor, sondern ist Bestandteil von CoA.
Vorkommen: Vitamin C ist in pflanzlichen und tie-
Biochemie: CoA wird im Dünndarm zu Pantothen- rischen Produkten weit verbreitet. Besonders hoch ist
säure abgebaut, die vollständig resorbiert wird. Im Blut sein Gehalt in frischem Obst und Gemüse. Wichtig für
wird sie an Plasmaproteine gebunden transportiert und den Vitamingehalt ist die Lagerung und Zubereitung.
über die Niere ausgeschieden.
Biochemie: Die Resorption von Ascorbinsäure findet
Funktion: Als Baustein des Coenzyms A dient sie der im Duodenum und Jejunum über einen aktiven, Na+-
Aktivierung von Carbonsäuren. abhängigen Carrier-Transport statt. Im Blut wird sie zu
Mangelerscheinungen sind sehr selten und treten etwa 24% an Plasmaproteine gebunden transportiert.
zusammen mit anderen Vitamindefiziten auf. Sie wird zu Oxalsäure, Threose, Erythrulose und Dio-
xogluconsäure abgebaut. Die Metabolite werden im
Biotin Harn ausgeschieden.
Biotin besteht aus einem Imidazol- und Thiophan-
ring, der eine Pentansäure-Seitenkette enthält, welche Funktion: Eine besondere Wirk- oder Coenzymform
es über Lysin an Carboxylasen bindet. gibt es nicht. Vitamin C ist an biochemischen Redox-
Systemen beteiligt. Es ist ein wichtiges Antioxidans.
Vorkommen: Biotin ist in der Natur weit verbreitet und 4 Ascorbinsäure als Radikalfänger:
kommt deshalb in allen Lebensmitteln in ausreichender 4 nichtenzymatische Inaktivierung des Super-
Menge vor. oxidanion-Radikals O2– unter Bildung von H2O2
und Semidehydroascorbinsäure;
Merke 4 Semidehydroascorbinsäure kann zu Ascorbin-
Das im Ei-Eiweiß vorhandene Avidin bindet Biotin säure reduziert werden.
sehr fest und verhindert seine Resorption. Ähnlich 4 Beteiligung an Hydroxylierungsreaktionen:
wirkt bakterielles Streptavidin. Von ernährungs- 4 Einbeziehung in das Cytochrom P-450 System
physiologischer Signifikanz sind diese Befunde bei der 7D-Hydroxylierung von Cholesterol
nicht. (Gallensäurenbiosynthese);
4 Dopamin-E-Hydroxylase (Bildung von Nor-
adrenalin zusammen mit Cu2+ und O2);
Biochemie: Nach Freisetzung aus seinen Eiweißbin- 4 Hydroxylierung von Tryptophan zum 5-Hy-
dungen wird es im Dünndarm Carrier-vermittelt im droxytryptophan (Serotoninbildung);
Symport mit Na+-Ionen unter Energieverbrauch resor- 4 Hydroxylierung von Prolin und Lysin (Kolla-
biert. Im Blut erfolgt der Transport zu 80% an Eiweiße gensynthese) unter Beteiligung von D-Ketoglu-
gebunden. Ausscheidungsorte sind Niere und Darm. tarat, Fe2+ und O2.
8.3 · Pathobiochemie
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Sachverzeichnis
Spule 86, 94f, 97f, 99–101, 106 – – nicht elektronischer Nachweis Synchroton 91, 139
– magnetische Feldstärke 94 138 System
Spurenelement 153, 154, 183 Strahlungsdetektor 137f – geschlossenes 72
Squal 213 Strahlungsthermoelement 120 – – Entropie 72
SRY-Gen 23 Streptokokken 30 – offenes 72
Stäbchen 30 Stress, oxidativer 202, 227 – schwingungsfähiges 106, 107, 111
Stäbchen (Auge) 124 Streubreite 42 Szintigraphie 135
Stalagmomenter 56 Strom, elektrischer 80 Szintillatormaterial 137
Standardabweichung 42 Stromdichte 80, 89
Standardenthalpie 174, 175 Stromkreis
Standard-Redoxpotenzial 181 – elektrischer 84, 86f, 101–103
Staphylokokken 30 – – menschlicher Körper 101–103
T
Stärke 154, 193f – – Schutzmaßnahmen 102f
– Nachweis 154 – medizinische Untersuchung 103 Taubstummheit 21
Stauchung 55 Strommessung 86 Taupunkt 73
Staudruck 56 Stromnetz, europäisches 99 Tautomer 160, 163, 168, 184, 186
Stearinsäure 163, 210 Stromschädigung 101f Teilchen
Stefan-Boltzmann-Strahlungsgesetz – Schutzmaßnahmen 102f – mittlere Energie 66
75 Stromschlag, Verhaltensmaßregeln – mittlere freie Weglänge 66
Stereochemie 168–171, 190f 103 Teilchenauslenkung, maximale 111
Stereoisomer 160, 166, 169 Strom-Spannung-Kennlinie 84 Teilchenzahl 54, 62,
Stereoisomerie 160, 169 Stromstärke, elektrische 41, 80f, 90f, Teilchenzahldichte 66
Steroid 210, 212–214, 226f 98, 100 Teilchenzahlmenge 54, 62
Steroidhormon 6 Strömung Teilung, äquale 12
Stickstoff 144, 150, 152, 159, 162, – Flüssigkeit 56–58 Teilungsfurche 12
184 – – reibungsfreie 56f Teleskop 127
Stoff, Teilchenmenge 54 – Gas 57–58 Telolysosomen (Residualkörper) 8
Stoffaufnahme, intrazelluläre 6f – laminare 57f Telomerase 12
Stoffgemisch 54, 75–77 – – in Röhren 58 Telomerase-Theorie 12
Stoffkreislauf 34f – reibungsfreie 56f Telomere 12
– Stickstoff 34f – turbulente 57 Telophase 12, 14
Stofflösung 76 Stromweg, Körper 101f Temperatur 70, 144, 153, 156, 159,
Stoffmenge 54f, 62, 75, 76, 77 Stromwirkung, menschlicher Körper 174–177, 205, 219, 224, 234
Stoffmengengehalt 54f 101f Temperaturdifferenz 70
Stoffmengenkonzentration 76f Strukturelement, zelluläres 4f Temperaturmessung 70
Stofftransport 74, 75, 76 Strukturgen 32 Temperaturskala 70
Stoffumwandlung 172–187 Sublimieren 74 Temperaturstrahlung 74, 75
Stokessches Gesetz für bewegte Substituent 167, 170f, 184f, 190, 230 Terminator 18
Körper 57f – 1. Ordnung 185 Tertiärstruktur 18
Stoßionisation 90 – 2. Ordnung 185 Tetrahydrofolsäure 228, 233
Strahl Substitution 162f, 167, 169, 183, Tetrose 190
– außerordentlicher 126 184–186, Thalassämie 18
– ordentlicher 126 – elektrophile 158, 184–186 Theorem von Fourier 107
Strahlengang 123f, 129 – nucleophile 184–186 Theorie von Ernst Abbé 126
Strahlenwirkung 139 – radikalische 184 Thermische Ausdehnung 70
Strahler, schwarzer 118 Substitutionsreaktion 183, 184–186 Thermodynamik 174f, 236, 237
Strahlung 148 Sulfatierung 6 – 1. Hauptsatz 175
– Dosisleistung 91 Sulfhydryl-Gruppe 160f, 199, 201 – 2. Hauptsatz 175
– elektromagnetische, hochauf- Sulfhydrylverbindung 161f Thermoelement 92, 120
lösende Spetroskopie 64 Superoxidanion-Radikal 151, 234 Thermographie 64, 70, 114, 120
– ionisierende 132–139 Superoxiddismustase 154 Thermometer 42, 70, 92
– – Detektor 89 Symbiose 35 Thermospannung 92, 120
– – elektronischer Nachweis 137f Synaptonemaler Komplex 14 Thiamin 228
Sachverzeichnis
255 S–V