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Kompaktwissen Biologie

In mehreren Bänden, die sich jeweils auf ein Fach im Kanon der Lebenswissen-
schaften konzentrieren, bietet das Kompaktwissen Biologie Studierenden das ide-
ale Material für die Prüfungsvorbereitung und nach der Prüfung ein kompaktes
Nachschlagewerk auf hohem Niveau. Kurz und prägnant präsentieren sie das
gesamte notwendige Wissen auf wenig Raum – und decken zudem die Anforde-
rungen des für Mediziner wichtigen Gegenstandskatalogs vollständig ab. Indem
die Bände der Buchreihe Kompaktwissen den Inhalt ähnlich strukturieren, wie
er in den Vorlesungen abgehandelt wird, erhalten sie die fachlichen Zusammen-
hänge, wodurch sie auch vorlesungsbegleitend genutzt werden können.

Mehr Informationen zu dieser Reihe auf http://www.springer.com/series/ 13606


Olaf Schmidt

Genetik und
Molekularbiologie
Autor: Olaf Schmidt
Essen
Nordrhein-Westfalen
Deutschland

Herausgeber: Olaf Fritsche

Kompaktwissen Biologie
ISBN 978-3-662-50273-0   ISBN 978-3-662-50274-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7

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Planung: Merlet Behncke-Braunbeck


Grafiken: Dr. Martin Lay, Breisach

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Die eingetragene Gesellschaft ist Springer-Verlag GmbH Germany
Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
V

Vorwort zur Reihe Kompaktwissen

„So dünn? Und das soll ein Lehrbuch sein?“, werden Sie sich vermutlich fragen, wenn
Sie zum ersten Mal einen Band aus der Reihe Kompaktwissen in den Händen halten.
Falls Sie die Reihe bereits kennen, haben Sie sicherlich schon bemerkt, dass jeder Band
auf rund 200 Seiten die gleichen Informationen bereithält wie ein herkömmliches
Lehrbuch von 1000 Seiten. Wie ist das möglich?

Das Kompaktwissen verzichtet auf die ausführlichen Erklärungen und zahlreichen


Beispiele, mit denen andere Lehrbücher ihre Seiten füllen. Stattdessen setzt es ganz
auf knappe und klare Darstellungen von Fakten, Zusammenhängen und Prinzipien –
sowohl im Text als auch bei den Abbildungen. Die Bände sind gewissermaßen der
Espresso unter den Lehrbüchern.

Damit eignen sie sich besonders …

… zur Nachbereitung der Lehrveranstaltungen an der Universität oder Hochschule.


Das Wissen der Vorlesung oder des Seminars ist in den Büchern strukturiert aufge-
führt und kann so schnell wiederholt werden.

… zur Vorbereitung auf Prüfungen. Die Bücher bieten den Lernstoff ohne Ballast
und im richtigen Kontext an. Sie verschaffen damit einen Überblick und liefern das
nötige Faktenwissen. Speziell für Mediziner wurde der Inhalt des Gegenstandskatalogs
berücksichtigt und aufgenommen.

… zum Nachschlagen. Wenn Sie im Laufe des späteren Studiums oder nach dessen
Abschluss Teile Ihres früheren Wissens vergessen haben, können Sie es mit wenig
Zeitaufwand wieder auffrischen.

Jeder Band Kompaktwissen behandelt ein Thema aus dem Fächerkanon der Lebens-
wissenschaften, sodass die Reihe insgesamt auf wenig Raum das Wissen zur Biologie
und ihren Schwesterwissenschaften, wie es zum Bachelor oder zum ersten Staatsex-
amen verlangt wird, zusammenfasst.

Die Autoren, der Herausgeber und der Verlag hoffen, Ihnen damit eine wertvolle Hilfe
für das Studium und die Prüfungsvorbereitung an die Hand zu geben.

Dr. Olaf Fritsche


Heidelberg, Juni 2016
Vorwort des Autors

Selten schaffen es wissenschaftliche Ergebnisse bis in die Tagesschau. Bei der Genetik
ist das anders: Sequenzierung des menschlichen Erbguts, Embryonen mit drei Eltern,
neueste Methoden zur Manipulation des Erbguts – immer wieder kommen derartige
Schlagwörter in den Nachrichten vor. Offensichtlich ist diese Wissenschaft nicht ganz
unbedeutend. Die Genetik ist in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu einer
Leitwissenschaft „mutiert“.

Der Zuwachs an Wissen hat die Genetik-Lehrbücher enorm anschwellen lassen. Wer
sich jetzt Prüfungs- und Berufswissen aneignen möchte, muss straffen und weiß nicht
wie. Wer eine Antwort auf eine Frage sucht, muss viel blättern und lesen. Vielleicht
kann dieses Buch dem Leser die lästige Arbeit abnehmen. Wenn das gelingt und das
Buch nützlich und hilfreich ist, so ist es auch das Verdienst meiner Testleser und Kol-
leginnen und Kollegen, die mich auf Fehler und Wege zur Verbesserung aufmerksam
gemacht haben. Daher möchte ich mich sehr herzlich bedanken bei Jan Mantke, Luca
David Simon, Sara Rezaei, Felike Haase und Dagmar Knopf.

Die Idee zu dieser Buchreihe hatte Olaf Fritsche, dem ich dafür danke, dass ich mit
diesem Genetik-Band an der Reihe mitwirken kann, und dem ich für zahlreiche
Hinweise zur Verbesserung Dank schulde.

Ich möchte mich auch bedanken bei Merlet Behncke-Braunbeck vom Springer-
Verlag, die dieses Projekt mit ins Leben gerufen hat, und bei Meike Barth, für ihre
sehr freundliche Unterstützung und hilfreiche Begleitung, als dieses Buch allmählich
Gestalt annahm.

Olaf Schmidt
Essen, Juni 2016
VII

Einleitung

Vererbungslehre ist der alte deutsche Name für Genetik. Griffig und prägnant ist
er immer noch. Denn die Genetik befasst sich mit den Vererbungsvorgängen. Sie
beschreibt Aufbau und Organisation des genetischen Materials, erforscht die Gesetz-
mäßigkeiten und Vorgänge zum Erhalt desselben, zu seiner Weitergabe, seiner Ver-
änderung und der Ausprägung der im Erbgut gespeicherten Information.
Der Blick der Genetik ist weit. Daher gibt es eigene, umfangreiche Genetik-­
Vorlesungen, Seminare und Praktika an Universitäten und Hochschulen. Als Teil-
gebiet der allgemeinen Biologie ist sie nicht auf bestimmte Organismen beschränkt,
sondern nimmt alle Lebewesen und Lebensformen ins Visier, sucht nach Gemein-
samkeiten und Unterschieden zwischen ihnen. Deswegen vergleicht dieser Band in
den ersten Kapiteln immer wieder die drei Domänen Bakterien, Archaeen und Euka-
ryoten miteinander.
Der Band Kompaktwissen Genetik ist dabei so aufgebaut, wie die Themen an
den meisten Universitäten/Hochschulen auch vorgestellt werden: Er beginnt mit der
Beschreibung des genetischen Materials und den grundlegenden Vorgängen der Rep-
likation, Transkription und Translation. Anschließend geht er über zu den Gebieten
Regulation, Mutation und Reparatur und kommt zu den spezielleren Themen wie
der medizinisch ausgerichteten Humangenetik und Teilgebieten wie der Entwick-
lungsgenetik. Aufgrund der Sequenzierung kompletter Genome ist die Genomik zu
einem eigenständigen Gebiet herangewachsen, das hier mit seiner Vorgehensweise
und seinen Fragestellungen vorgestellt wird. Eine Übersicht über Methoden und
Modellorganismen beendet den Band.
Dank der unglaublichen Fortschritte in der Genetik kann man viele Phänomene
auf zellulärer und molekularer Ebene verstehen und beschreiben. Es gelingt immer
besser, lückenlose Erklärungsketten für komplexe Vorgänge zu formulieren. Hier
verschmelzen Genetik und Molekularbiologie und sind nicht mehr voneinander zu
trennen. Diese Betrachtung der modernen Genetik als molekular ausgerichtete Dis-
ziplin hat dem Buch den Titel gegeben.
IX

Inhaltsverzeichnis

1 Das genetische Material. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


1.1 Nachweis der DNA als Erbmolekül. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.1 Das transformierende Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.2 Radioaktive Markierung von Viren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.3 Lokalisation von DNA und RNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2 Chemie von DNA und RNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.1 Das einzelne Nucleotid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.2 Die Verknüpfung der Nucleotide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3 Die Struktur der DNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3.1 Das Doppelhelixmodell von Watson und Crick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3.2 Konformationen der DNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.3 Schmelzen und Hybridisieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.4 RNA-Moleküle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2 Organisation des Erbguts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13


2.1 Struktur des Chromosoms und Organisation des Genoms bei Bakterien. . . . . . 14
2.1.1 Größenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.1.2 Topologie von DNA-Ringen und Verdrillung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.1.3 Ordnung durch DNA-bindende Proteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.1.4 Organisation von Genen und nichtcodierende DNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.1.5 Wiederholungssequenzen und bewegliche DNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.1.6 Plasmide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2 Genom von Archaeen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.3 Genom von Eukaryoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.3.1 Größe, Komplexität und Teilgenome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2.3.2 Organisationsebenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.3.3 Färbemethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3.4 Klassifizierung von DNA-Abschnitten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.3.5 Gestalt von Metaphasechromosomen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.3.6 Ungewöhnliche Chromosomen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.3.7 Struktur des Genoms bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.3.8 Mitochondriengenom und Plastom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.3.9 Viren und Bakteriophagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3 DNA-Replikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.1 Prinzipien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.1.1 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.1.2 Enzymfunktionen und Hilfsproteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.1.3 Startpunkte der Replikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.1.4 Syntheserichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.2 Initiation der Replikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.2.1 Initiation bei Bakterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
X Inhaltsverzeichnis

3.2.2 Initiation bei Archaeen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39


3.2.3 Initiation bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.3 Elongation der Replikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.3.1 Elongation bei Bakterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.3.2 Elongation bei Archaeen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.3.3 Elongation bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.4 Termination der Replikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.4.1 Termination bei Bakterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.4.2 Termination bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.5 Replikation ohne Zellteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.6 Kontrolle der Replikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.6.1 Kontrolle bei Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.6.2 Kontrolle bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.7 Phagen und Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
3.8 Replikation des Mitochondrien- und Plastidengenoms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

4 Transkription. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.1 Überblick und Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.2 Funktionell gleiche Elemente und Strukturen bei Bakterien, Archaeen
und Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.2.1 RNA-Polymerase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.2.2 Regulierende DNA-Elemente (cis-Elemente). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.2.3 Regulierende Proteine (trans-Faktoren). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.3 Prinzip der Transkriptionsinitiation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.4 Initiation bei E. coli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.4.1 Aufbau der RNA-Polymerase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.4.2 Aufbau der Promotoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.5 Initiation bei Archaeen und Eukaryoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.5.1 RNA-Polymerase und Promotoren von Archaeen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.5.2 Eukaryotische RNA-Polymerasen und ihre Promotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.5.3 Aufbau des Präinitiationskomplexes für die Pol II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.6 Elongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.6.1 Elongation bei E.coli. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.6.2 Elongation bei Archaeen und Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.7 Termination. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.7.1 Terminaton bei Bakterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.7.2 Termination bei Archaeen und Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.8 Prozessierung von Transkripten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.8.1 Prozessierung bei Bakterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.8.2 Prozessierung bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.9 RNA-Editing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

5 Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.1 Überblick und Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5.2 Der genetische Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5.3 tRNA-Moleküle als Dolmetscher („Adaptoren“). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
5.3.1 Struktur der tRNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
XI
Inhaltsverzeichnis

5.3.2 Beladung der tRNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80


5.3.3 Der Wobble-Effekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
5.4 Das Ribosom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
5.4.1 Struktur der Ribosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
5.5 Translation bei Bakterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.5.1 Initiation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.5.2 Elongation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.5.3 Termination. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
5.5.4 Geschwindigkeit und Genauigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
5.6 Translation bei Archaeen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.7 Translation bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.7.1 Initiation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.7.2 Elongation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
5.7.3 Termination. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
5.8 Prozessierung von Proteinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
5.8.1 Proteinfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
5.8.2 Spaltung und Transport von Proteinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
5.8.3 Chemische Veränderungen und Modifikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
5.8.4 Proteinspleißen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
5.9 Abbau von Proteinen, Degradation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

6 Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei


Prokaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.1.1 Notwendigkeit zur Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.1.2 Allgemeine Regulationsmöglichkeiten und beteiligte Elemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.1.3 Regulationsebenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
6.1.4 DNA-bindende Proteine bei Pro- und Eukaryoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
6.2 Regulation der Transkription bei Prokaryoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.2.1 Einleitung und grundsätzliche Regulationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
6.2.2 Das lac-Operon von E. coli : Regulation eines Abbauwegs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
6.2.3 Das trp-Operon von E. coli : Regulation eines Synthesewegs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
6.2.4 Regulation an der DNA des Phagen λ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
6.2.5 Regulation über σ-Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
6.2.6 Stringente Kontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
6.2.7 Riboswitches (RNA-Schalter). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
6.3 Regulation der Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
6.3.1 Antisense-RNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
6.3.2 CRISPR/Cas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

7 Regulation der Genexpression bei Eukaryoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111


7.1 Allgemeiner Vergleich zur Regulation bei Prokaryoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2 Gewebe- und entwicklungsspezifische Regulation der Globingene beim
Menschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2.2 Differenzielle Genexpression der Globingene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
7.3 Regulation der Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
XII Inhaltsverzeichnis

7.3.1 Regulation der RNA-Polymerase-I-Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115


7.3.2 Regulation der RNA-Polymerase-II-Gene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
7.3.3 Regulation der RNA-Polymerase-III-Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
7.4 Signaltransduktion bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
7.4.1 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
7.4.2 Beispiele für Signalwege: vom äußeren Signal zur
Regulation der Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
7.4.3 cAMP und CREB-Signalweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
7.4.4 Steroidhormone. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
7.5 Regulation der Translation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
7.5.1 eIF4E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
7.5.2 eIF2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
7.6 Regulatorische RNA-Moleküle und RNA-Interferenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
7.6.1 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
7.6.2 Ablauf mit siRNAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
7.6.3 Ablauf mit miRNAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
7.6.4 Ablauf mit piRNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
7.7 Epigenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
7.7.1 Chromatin-Remodeling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
7.7.2 Histonmodifikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
7.7.3 DNA-Methylierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

8 Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131


8.1 Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
8.2 Mitose und Meiose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
8.2.1 Zusammenfassung zur Meiose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
8.2.2 Kernphasenwechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
8.2.3 Phasen der Meiose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
8.2.4 Besondere Aspekte zur Mitose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
8.3 Mendel'sche Regeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
8.3.1 Mendels Kreuzungsexperimente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
8.3.2 Erste Mendel'sche Regel: Uniformitätsregel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
8.3.3 Zweite Mendel'sche Regel: Spaltungsregel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
8.3.4 Dritte Mendel'sche Regel: Unabhängigkeitsregel
oder Neukombinationsregel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
8.4 Statistik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
8.5 Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
8.6 Biologische und physikalische Genkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
8.7 Abweichungen von den Mendel'schen Regeln und Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . 147
8.7.1 Abweichungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
8.7.2 Vererbung ohne Mendel'sche Regeln: cytoplasmatisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
8.7.3 Haploide Organismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
8.8 Geschlechtsbestimmung und -ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
8.8.1 Phänotypische Geschlechtsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
8.8.2 Genotypische Geschlechtsbestimmung und
Fehlbildungen beim Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
XIII
Inhaltsverzeichnis

8.9 Populationsgenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154


8.9.1 Der Genpool. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
8.9.2 Frequenzen und das Hardy-Weinberg-Gesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

9 Rekombination und Variabilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157


9.1 Homologe Rekombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
9.1.1 Modelle für die homologe Rekombination. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
9.1.2 Genkonversion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
9.1.3 Proteine der Rekombination bei E. coli. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
9.1.4 Proteine der Rekombination bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
9.2 Ortsspezifische Rekombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
9.2.1 Allgemeines und Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
9.2.2 Der Ablauf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
9.2.3 Die Rekombinasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
9.3 Illegitime Rekombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.3.1 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.3.2 DNA-Transposons. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.3.3 Poly(A)-Retrotransposons bei Eukaryoten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

10 Horizontaler Gentransfer bei Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175


10.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
10.2 Konjugation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
10.2.1 Das F-Plasmid. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
10.2.2 Integration und Exzision. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
10.2.3 Ablauf der Konjugation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
10.2.4 Frühe Genkartierung bei E. coli. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
10.3 Transduktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
10.3.1 Der Aufbau von Phagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
10.3.2 Infektionswege von Phagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
10.3.3 Aufnahme chromosomaler DNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
10.3.4 Folgen für die Empfängerzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
10.4 Transformation und Transfektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
10.4.1 Transformation bei Bakterienzellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
10.4.2 Transfektion bei eukaryotischen Zellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

11 Mutationen und DNA-Reparatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187


11.1 Ursachen von Mutationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
11.1.1 Physikalische Strahlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
11.1.2 Chemische Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
11.1.3 Biologische Ursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
11.2 Mutationsklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
11.2.1 Punktmutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
11.2.2 Strukturelle Anomalien oder Aberrationen
oder Chromosomenmutationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
11.2.3 Numerische Aberrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
11.3 Häufigkeit von Mutationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
XIV Inhaltsverzeichnis

11.4 Spontane und induzierte Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207


11.5 Mechanismen zur Aufhebung von Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
11.6 Reparatur von DNA-Schäden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
11.6.1 Direkte Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
11.6.2 Basenexzisionsreparatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
11.6.3 Nucleotidexzisionsreparatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
11.6.4 Mismatch-Reparatur (Fehlpaarungsreparatur). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
11.6.5 Reparatur von DNA-Brüchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
11.6.6 SOS-Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
11.6.7 Brustkrebs und DNA-Reparatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

12 Humangenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
12.1 Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
12.1.1 Kennzeichen mendelnder Erbgänge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
12.1.2 Kennzeichen mitochondrialer Erbgänge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
12.1.3 Schwierigkeiten bei der Interpretation von Stammbäumen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
12.1.4 Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Genen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
12.2 Untersuchungsmethoden in der Humangenetik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
12.2.1 Pränataldiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
12.2.2 Genetischer Fingerabdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
12.2.3 Kartierung von Krankheitsgenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
12.2.4 Assoziationsstudien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
12.2.5 Nachweis von Mutationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
12.3 Komplexe Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
12.3.1 Diabetes mellitus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
12.3.2 Allgemeines zu Krebs und Tumorgenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
12.3.3 Tumorsuppressorgene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
12.3.4 Onkogene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
12.3.5 Mutatorgene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
12.4 Behandlung erblich bedingter Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

13 Immungenetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
13.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
13.1.1 Einteilung des Immunsystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
13.1.2 Die genetische Komplexität der erworbenen Immunantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
13.2 B-Lymphocyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
13.2.1 Einteilung der Antikörper. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
13.2.2 Struktur der Antikörper oder Immunglobuline. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
13.3 Aufbau der Immunglobulingene und Antikörpervielfalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
13.4 T-Zell-Rezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
13.5 Haupthistokompatibilitätskomplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

14 Entwicklungsgenetik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
14.1 Entwicklungsphasen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
14.2 Die Entwicklung von Drosophila . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
14.2.1 Ablauf der Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
14.2.2 Genetische Charakteristika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
XV
Inhaltsverzeichnis

14.2.3 Musterbildung und Einteilung der Gene nach Stadien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252


14.2.4 Maternale Gene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
14.2.5 Zygotische Gene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
14.2.6 Homöotische Gene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
14.3 Entwicklungsgene bei Arabidopsis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
14.3.1 Mutanten von Arabidopsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
14.3.2 Das ABC-System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
14.4 Apoptose – programmierter Zelltod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
14.5 Stammzellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
14.5.1 Embryonale Stammzellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
14.5.2 Kerntransfer und Klonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
14.5.3 Somatische Stammzellen und induzierte pluripotente Stammzellen. . . . . . . . . . . . . 260
14.5.4 Transfer und Keimbahntherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

15 Genomik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
15.1 Überblick und Einteilung des Gebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
15.2 Kartierung von Genomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
15.2.1 Biologische Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
15.2.2 Physikalische Karten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
15.2.3 Sequenzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
15.2.4 Annotierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
15.3 Variabilität und Individualität im menschlichen Genom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
15.3.1 Einzelnucleotidpolymorphismen und Einzelnucleotidvarianten. . . . . . . . . . . . . . . . . 270
15.3.2 Kopienzahlvarianten (CNVs). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
15.3.3 Mikrosatelliten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
15.4 Funktionelle Genomik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
15.4.1 Untersuchung des Transkriptoms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
15.4.2 Proteomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
15.5 Komparative Genomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
15.6 Evolution des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

16 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
16.1 Isolierung von Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
16.1.1 Isolierung von DNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
16.1.2 Isolierung von RNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
16.1.3 Präparation von Plasmid-DNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
16.2 Polymerasekettenreaktion (PCR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
16.2.1 Standard-PCR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
16.2.2 Nested PCR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
16.2.3 RT-PCR (Reverse-Transkriptase-PCR). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
16.2.4 Multiplex-PCR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
16.2.5 Echtzeit-PCR (real-time PCR). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
16.3 Gelelektrophorese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
16.4 Blotting und Hybridisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
16.5 DNA-Sequenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
16.5.1 DNA-Sequenzierung nach Sanger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
16.5.2 Pyrosequenzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
XVI Inhaltsverzeichnis

16.5.3 Hochdurchsatzsequenzierung: Next Generation Sequencing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292


16.5.4 Sequenzierung von RNA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
16.6 Klonierung von DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
16.7 Transgene Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
16.7.1 Gene-Targeting oder gezielte Genmanipulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
16.7.2 Konditionale Knock-out-Mäuse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
16.7.3 Knock-down. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
16.8 Genome Editing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
16.8.1 CRISPR/Cas9-System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
16.8.2 TALEN (transcription activator-like effector nuclease). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
16.9 Modellorganismen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
16.9.1 Escherichia coli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
16.9.2 Bäcker- oder Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
16.9.3 Taufliege (Drosophila melanogaster). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
16.9.4 Caenorhabditis elegans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
16.9.5 Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
16.9.6 Zebrabärbling oder Zebrafisch (Danio rerio). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
16.9.7 Hausmaus (Mus musculus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
1 1

Das genetische Material


1.1 Nachweis der DNA als Erbmolekül – 2
1.1.1 Das transformierende Prinzip – 2
1.1.2 Radioaktive Markierung von Viren – 3
1.1.3 Lokalisation von DNA und RNA – 4

1.2 Chemie von DNA und RNA – 4


1.2.1 Das einzelne Nucleotid – 5
1.2.2 Die Verknüpfung der Nucleotide – 6

1.3 Die Struktur der DNA – 7


1.3.1 Das Doppelhelixmodell von Watson und Crick – 7
1.3.2 Konformationen der DNA – 9
1.3.3 Schmelzen und Hybridisieren – 9

1.4 RNA-Moleküle – 10

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_1
2 Kapitel 1 · Das genetische Material

z Worum geht es?


42
1 Genetik als Wissenschaft von der Vererbung untersucht den Aufbau des genetischen Materials,
seine Eigenschaften, Funktionen und die Prozesse der Vererbung. Dieses Kapitel stellt den Aufbau
des genetischen Materials vor. In verschiedenen Experimenten konnte als Träger der Erbanlagen
DNA nachgewiesen werden. Diese besteht aus einer Abfolge von Nucleotiden. Deren wichtigs-
ter Baustein ist der Basenanteil, von dem es vier Varianten gibt. Die dreidimensionale Struktur
der DNA beschreibt man mit dem Modell der Doppelhelix. Die zweite genetisch wichtige Mole-
külklasse bilden RNA-Moleküle. Sie übernehmen vielfältige Funktionen bei der Umsetzung der
genetischen Information und ihrer Regulation.

1.1 Nachweis der DNA als Erbmolekül

Die DNA ist der Träger der Erbanlagen. Sie speichert die Information für die Bildung und Erhal-
tung eines Organismus.
Heute spricht man statt von Erbanlagen oder Erbfaktoren von Genen, die Gesamtheit der
Gene eines Organismus heißt Genom. Gene sind begrenzte Abschnitte der DNA, welche die
Information für die Herstellung eines RNA-Moleküls enthalten (siehe 7 Kap. 4 Transkription).
Das Genom von Viren oder Bakteriophagen (Viren, die Bakterien infizieren, wörtlich: „Bakte-
rienfresser“) kann auch aus RNA bestehen. Somit besitzen alle lebenden Zellen DNA- bzw. RNA-
Moleküle, egal ob sie zu den Bakterien (Bacteria), zu den Archaeen (Archaea) oder zu den Euka-
ryoten (Eukarya) gehören.
DNA und RNA sind die Abkürzungen für die englischen Ausdrücke deoxyribonucleic acid
und ribonucleic acid, also Desoxyribonucleinsäure und Ribonucleinsäure.
Als Erster isolierte Friedrich Miescher 1869 in Tübingen DNA und sprach von „Nuclein“. Es han-
delte sich jedoch nicht um reine DNA, sondern um ein DNA-Protein-Gemisch. Erst später gelang
die Isolierung von reiner Nucleinsäure, und dieser Begriff wurde gebräuchlich. Mit der Unter-
suchung der Chromosomen drängte sich immer mehr die Frage auf, aus welchem Stoff die Gene
bestehen. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts identifizierten mehrere Wissenschaftler
die Chromosomen als Träger der Gene im Zellkern. Allerdings sind Chromosomen Komplexe aus
DNA und Proteinen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hielt man sogar die Proteine für die Gene,
weil sie so verschieden aufgebaut waren und man damit die genetische Vielfalt eher erklären konnte.

1.1.1 Das transformierende Prinzip

Ein Sinneswandel setzte erst nach und nach ein. Er begann Ende der 1920er-Jahre dank einer
Reihe von Experimenten, die Frederick Griffith begann und Oswald Avery mit Kollegen fort-
setzte. Griffith arbeitete mit zwei Stämmen des Bakteriums Streptococcus pneumoniae, das
Lungenentzündungen hervorrufen kann (. Abb. 1.1).
55 Der S-Stamm hat seinen Namen vom glatten (engl. smooth) Aussehen der Kolonien. Die
Bakterienzellen bilden eine Schleimkapsel und entgehen somit dem Immunsystem, sie sind
virulent. Griffith infizierte Mäuse mit dem Stamm, woraufhin diese starben (.  Abb. 1.1a).
55 Der R-Stamm sieht rau aus (engl. rough). Diese Zellen können keine Schleimkapsel bilden
und sind nichtvirulent, Mäuse überleben daher eine Infektion (. Abb. 1.1b).
1.1 · Nachweis der DNA als Erbmolekül
3 1

Tot Lebend
S-Stamm R-Stamm
Virulenter Stamm Nichtvirulenter Stamm
a b

Virulenter Stamm
(durch Hitze abgetötet)

Virulenter Stamm Lebend Tot


(durch Hitze
Nichtvirulenter
abgetötet)
Stamm
c d

. Abb. 1.1  Die Experimente von Griffith

Griffith führte weitere Experimente durch:


55 Mäuse überleben eine Infektion, wenn der S-Stamm vorher durch Hitze abgetötet wurde
(. Abb. 1.1c).
55 Sie sterben jedoch, wenn sie mit dem hitzeabgetöteten S-Stamm und dem lebenden
R-Stamm infiziert werden (. Abb. 1.1d).

Offenbar ist die Erbinformation zum Auslösen der Krankheit hitzestabil. Sie übersteht die Pro-
zedur, die lebenden Zellen können sie aufnehmen und verwerten. Griffith sprach vom transfor-
mierenden Prinzip. Avery zeigte später, dass es sich dabei um DNA handelt. Die Aufnahme und
Verwertung nackter DNA durch eine Zelle wird Transformation genannt und ist bis heute eine
alltägliche Methode im Labor.

1.1.2 Radioaktive Markierung von Viren

Alfred Hershey und Martha Chase konnten diese Ergebnisse 1952 bestätigen. Sie experimen-
tierten mit dem Darmbakterium Escherichia coli (E. coli) und seinem Phagen T2. Hershey und
Chase infizierten E.coli mit mehreren Varianten von T2, deren DNA und Proteinhülle sie unter-
schiedlich radioaktiv markiert hatten: Die Phagen-DNA enthielt radioaktiven Phosphor (32P)
und die Proteinhülle radioaktiven Schwefel (35S). Das Element Phosphor kommt in DNA, aber
nicht in Proteinen vor, Schwefel dagegen in Proteinen, aber nicht in DNA. Durch die radioaktive
Markierung ließ sich der Weg der Komponenten verfolgen (. Abb. 1.2).
Kurz nach Adsorption und Beginn des Infektionszyklus, also nach Injektion des Phagenerb-
guts in die Wirtszelle, untersuchten Hershey und Chase die Bakterien. Sie fanden darin und später
4 Kapitel 1 · Das genetische Material

Proteinhülle
42
1 mit 35S markiert
DNA
mit 32P markiert
32P
Adsorption

32P

32P 32P

Freisetzen der DNA-freie


fertigen Phagen Phagenhülle
wird entfernt
32P 32P

32P
32P

Synthese und
Zusammenbau
der Phagen

. Abb. 1.2  Die Experimente von Hershey und Chase

in den freigesetzten fertigen Phagen den radioaktiven Phosphor. Folglich war die DNA weiter-
gegeben worden, nicht aber das Protein. Das Ergebnis überzeugte nicht alle, aber doch weitere
Wissenschaftler, dass das Erbgut aus DNA und nicht aus Proteinen besteht.

1.1.3 Lokalisation von DNA und RNA

In Zellen ohne Zellkern, den Prokaryoten, liegt die DNA im Cytoplasma. Zu den Prokaryoten
gehören Bakterien und Archaeen.
In Zellen mit Zellkern, den Eukaryoten, findet man DNA im Zellkern und in Mitochondrien
und Plastiden, jedoch nicht im Cytoplasma. Zu den Eukaryoten zählen Einzeller mit Zellkern
und Mehrzeller: Pilze, Pflanzen und Tiere.
RNA liegt bei Prokaryoten im Cytoplasma vor, bei Eukaryoten im Zellkern, in den Mitochon-
drien und Plastiden sowie im Cytoplasma.

1.2 Chemie von DNA und RNA

Chemisch gesehen sind DNA und RNA sehr ähnliche Moleküle. Sie können eine beträchtliche
Größe annehmen und damit zu den Makromolekülen zählen: sehr große Moleküle, die aus klei-
neren Bausteinen bestehen.
1.2 · Chemie von DNA und RNA
5 1
Die Bausteine haben eine bestimmte Abfolge. Darin ist die Information gespeichert wie in
der Abfolge von Buchstaben in Wörtern. Die Bausteine von DNA und RNA heißen Nucleotide.
Daher bezeichnet man Nucleinsäuren auch als Polynucleotide.

1.2.1 Das einzelne Nucleotid

Jedes Nucleotid von DNA und RNA besteht aus drei Bausteinen:
55 Aus einem Phosphatrest der Phosphorsäure. Er wird durch das „A“ in DNA für Säure
(engl. acid) angezeigt.
55 Aus einem Fünffachzucker, der Pentose: 2′-Desoxyribose in der DNA und Ribose in
der RNA. „2′-Desoxy“ deutet an, dass dem zweiten Kohlenstoffatom des Zuckers eine
OH-Gruppe fehlt.
55 Aus einer von vier Basen. Diese sind variabel.

Nucleotide heißen beispielsweise Desoxyadenosin-5′-monophosphat, kurz dAMP, oder Adenosin-


5′-triphosphat, kurz ATP. Die Substrate, die die Zelle für den Aufbau von DNA und RNA verwen-
det, sind die Triphosphate, also (d)ATP, (d)CTP, dTTP bzw. UTP (in der RNA, s. u.) und (d)GTP.
ATP und GTP sind nicht nur Bausteine von DNA und RNA, sondern übernehmen zusätz-
lich Aufgaben im Energiestoffwechsel und als Signalmoleküle.

z Der Basenanteil
Die Basen der DNA sind (. Abb. 1.3):
55 Adenin (A),
55 Thymin (T),
55 Guanin (G) und
55 Cytosin (C).

In der RNA ersetzt Uracil (U) das Thymin. Dem Uracil fehlt die 5-Methylgruppe des Thymins.
Chemisch gesehen gehören Adenin und Guanin zu den Purinen, Thymin, Uracil und Cytosin
zu den Pyrimidinen.
Zur Benennung werden die Kohlenstoffatome der Basen durchnummeriert von 1 bis 6 (Pyri-
midine) bzw. 1 bis 9 (Purine) und die Kohlenstoffatome des Zuckers von 1′ bis 5′, gelesen als
„eins Strich“ (engl. prime). So kann man angeben, welche Atome an Reaktionen der DNA und
der RNA beteiligt sind.
Von Bedeutung für bestimmte Prozesse ist es außerdem, ob Adenin und/oder Cytosin (bei
Mikroorganismen) oder nur Cytosin (bei Pflanzen oder Tieren) eine Methylgruppe tragen und
als N6-Methyladenin bzw. 5-Methylcytosin vorliegen.
In reifen RNA-Molekülen findet man noch andere Basen, weil die Zelle einige Nucleotide
nach Bildung eines RNA-Moleküls chemisch verändert oder in bestimmten RNA-Molekülen
ungewöhnliche Basen von vornherein vorkommen (siehe 7 Kap. 4, Transkription).

z Der Zuckeranteil als zentrale Nucleotidkomponente


Jeder Zucker ist mit einem Phosphatrest und einer Base verbunden. Die Bindung des Stickstoffs
einer Base an die Pentose heißt N-glykosidische Bindung und ergibt ein Nucleosid, also ein Nuc-
leotid ohne Phosphat: Adenosin, Guanosin, Cytidin, Thymidin und Uridin.
6 Kapitel 1 · Das genetische Material

42
1

. Abb. 1.3  Die fünf Basen der DNA und RNA und ihre Verknüpfung über Wasserstoffbrücken in der DNA-
Doppelhelix (nach Schaaf und Zschocke 2013)

Der Phosphatrest ist über eine Esterbindung an den 5′-Kohlenstoff des Zuckers
geknüpft. Die Veresterung oder die Auflösung der Esterbindung sind wichtige Reaktionen
der Nucleotide bzw. der Nucleinsäuren bei der Replikation, der Transkription sowie bei
Reparaturprozessen.

1.2.2 Die Verknüpfung der Nucleotide

Über die 3′-OH-Gruppe kann ein Nucleotid mit dem Phosphatrest am Kohlenstoffatom 5′ eines
zweiten Nucleotids eine Veresterung eingehen, wodurch eine Phosphodiesterbindung entsteht.
Die 3′-OH-Gruppe des zweiten Nucleotids kann sich mit dem Phosphatrest eines dritten ver-
knüpfen usw. Auf diese Weise ergibt sich ein Polynucleotid, eine Nucleinsäure (. Abb. 1.4). Sie
1.3 · Die Struktur der DNA
7 1
NH2

5'-Ende N
N
OH A Adenosin
O P O N N
O
O– H H
O
H H
O H
N
NH
G Guanosin
O P O
N N NH2
O– O
H H
O
H H
O H H3C
NH
T Thymidin
O P O
N O
O– O
H H
NH2
H H
O H
N
HO C Cytidin
OH O P O
O N O
O– O
H H
H H
H H H H
OH H OH H
2'-Desoxyribose 3'-Ende
. Abb. 1.4  Die Verknüpfung der Nucleotide zu einem DNA-Strangausschnitt und die 2′-Desoxyribose (nach
Fritsche 2015)

besteht aus einem Rückgrat, in dem sich Zucker- und Phosphatgruppen abwechseln. Von den
Zuckergruppen gehen die Basen ab.
Die Basen sind die eigentlichen Informationsträger. Ihre Abfolge oder Sequenz trägt die
Erbinformation.
Man notiert die Sequenzen mit dem 5′-Phosphat voran (5′-Ende) in Richtung der 3′-OH-
Gruppe (3′-Ende), beispielsweise 5′-TGGTACACAT-3′ oder 5′-UCUGGAGACU-3′.
Die Länge einer DNA gibt man in Basenpaaren (bp) an. Ab 1000 bp schreibt man Kilobasen
(kb), ab 1000 kb Megabasen (Mb), ab 1000 Mb Gigabasen (Gb). Gelegentlich findet man Angaben
des DNA-Gehalts in Picogramm (pg).

1.3 Die Struktur der DNA

1.3.1 Das Doppelhelixmodell von Watson und Crick

Francis Crick und James Watson schlugen 1953 das bis heute gültige Modell der DNA als Dop-
pelhelix vor. Grundlegend sind die Chargaff-Regeln (nach Erwin Chargaff), die das Verhältnis
8 Kapitel 1 · Das genetische Material

42
1

Große Furche

Kleine Furche
3,3 nm

2,37 nm
a B-DNA b

. Abb. 1.5  Kalottenmodell (a) und Strickleitermodell (b) der B-Form der DNA (nach Schaaf und Zschocke 2013)

der Basen zueinander angeben. Demnach ist bei jedem Organismus der Adeninanteil genauso
groß wie der Thyminanteil und der Guaningehalt genauso groß wie der Cytosingehalt. Watson
und Crick verwerteten experimentelle Daten von Röntgenbeugungs- oder Röntgendiffraktions­
experimenten an DNA-Kristallen. Dabei beschießt man die Kristalle mit Röntgenstrahlen. Aus
dem Muster hinter der Probe schließt man auf die Struktur der Moleküle. Diese Methode bildet
noch heute ein wichtiges Verfahren zur Strukturaufklärung von Proteinen.
Das Modell der Doppelhelix beschreibt die DNA folgendermaßen (. Abb. 1.5):
55 DNA liegt in Zellen doppelsträngig vor. Zwei Polynucleotideinzelstränge sind umeinander
gewunden und bilden eine verdrehte Strickleiter oder rechtsgängige Doppelhelix.
55 Die Basen Adenin (A) und Thymin (T) sowie Guanin (G) und Cytosin (C) sind jeweils
komplementär zueinander und bilden Watson-Crick-Basenpaarungen.
55 Zusammengehalten werden die Stränge über Wasserstoffbrückenbindungen. Davon
entstehen zwei zwischen AT bzw. TA und drei zwischen GC bzw. CG.
55 Damit legt die Sequenz des einen Strangs die Sequenz des anderen (komplementären)
Strangs fest.
55 Die Orientierung ist dabei gegenläufig oder antiparallel. Dem 5′-Ende des einen Strangs
liegt das 3′-Ende des zweiten gegenüber und umgekehrt. Außen liegt das Rückgrat der
Zucker-Phosphat-Kette. Dass sich jeweils eine Purinbase mit einer Pyrimidinbase paart,
sichert den gleichen Abstand zwischen den Strängen.
1.3 · Die Struktur der DNA
9 1
1.3.2 Konformationen der DNA

55 Die beschriebene Raumstruktur oder Konformation der DNA bezeichnet man als B-Form
der DNA. Charakterisiert ist sie durch eine kleine und große Furche, einen Helixdurch-
messer von 2 nm und einer Windung, die etwa 10 bp umfasst. Die B-Form ist die gängige
Konformation in lebenden Zellen.
55 Die A-Form ist die „kristalline“ oder wasserarme bis wasserfreie Struktur mit größerem
Durchmesser, geringerem Basenabstand zueinander und abweichenden Furchen. Sie
beispielsweise wasserfreien Sporen von Bakterien vor, mit deren Hilfe die Mikroorga-
nismen Mangelzustände überdauern.
55 Die Zickzackform der Z-DNA hat einen kleineren Durchmesser als die B-Form, schwächer
ausgeprägte Furchen und ist linksgängig. Man nimmt an, dass ein DNA-Molekül von der
B-Form in die Z-Form übergehen kann, wenn das für bestimmte Prozesse notwendig ist.

Die Struktur der Furchen ist wichtig, weil viele Proteine sich dort an die DNA binden und darüber
Prozesse regulieren. Das ist nur möglich, wenn Furchungstiefe und -breite die Bindung zulas-
sen. Vermutlich kann die Zelle über die Konformation Reaktionen an der DNA kontrollieren.

1.3.3 Schmelzen und Hybridisieren

Die DNA-Sequenz ist typisch für jede Art von Organismen, daher weist jede Art einen spezifi-
schen Gehalt an GC- und AT-Paaren auf.
Die Paarung der DNA-Stränge über Wasserstoffbrückenbindungen verleiht der DNA beson-
dere Eigenschaften:
55 Die Wasserstoffbrücken lassen sich trennen oder aufschmelzen.
55 Die Trennung erfolgt durch Erhitzen oder durch Chemikalien und ist umkehrbar, also
reversibel.
55 Die Wasserstoffbrücken formen sich spontan neu, wenn man die äußeren Bedingungen
wieder ändert.

Den unterschiedlichen GC-Gehalt nutzt man aus, um Schmelzkurven zu erstellen (. Abb. 1.6).
Das war vor allem früher ein Weg, um die DNA-Moleküle von verschiedenen Arten zu verglei-
chen. Je höher der GC-Gehalt einer DNA ist, desto mehr Wasserstoffbrücken müssen aufgebro-
chen werden und desto höher ist ihre Schmelztemperatur TM.
Überführt man die Doppelstränge in Einzelstränge, nennt man das auch Denaturierung. Sie
lässt sich mit UV-Licht von 260 nm Wellenlänge verfolgen. Einzelstränge absorbieren stärker als
Doppelstränge, sodass man beim Erhöhen der Temperatur eine Zunahme der Absorption beob-
achten kann. Diese Absorption bei 260 nm trägt man in Schmelzkurven gegen die Temperatur auf.
Die Schmelztemperatur ist die Temperatur, bei der die DNA zu 50 % denaturiert vorliegt.
Kühlt man den Ansatz ab, verbinden sich die Einzelstränge wieder zu Doppelsträngen, was man
als Renaturierung oder Annealing bezeichnet.
Renaturiert man nicht zusammengehörende DNA-Einzelstränge verschiedener Arten oder
DNA-Einzelstränge mit RNA, spricht man von Hybridisierung. Je genauer die Nucleotidabfolge
übereinstimmt, desto fester verbinden sich die Einzel- zu Doppelsträngen und desto näher sind
die Arten miteinander verwandt bzw. umso mehr entspricht die RNA der DNA.
DNA-RNA-Hybridisierungen führt man beispielsweise durch, wenn man wissen möchte,
ob in einem Gewebe ein Gen aktiv ist und dann eine mRNA von dem DNA-Abschnitt bildet. Je
10 Kapitel 1 · Das genetische Material

Einzelsträngige
42
1 DNA

1,4

Denaturierung
Relative Absorption bei 260 nm

schreitet fort
1,3
Temperatur, bei der
eine vollständige
Trennung der
DNA-Stränge
1,2 erfolgt

Denaturierung
beginnt
1,1

Doppelsträngige DNA Schmelz-


temperatur

1,0
30 50 70 90 110
Tm Temperatur (°C)

. Abb. 1.6  Schmelzkurve von DNA

nachdem, wie man die Reaktionsbedingungen wählt (wie stringent sie sind), kann man Hybri-
disierungen zwischen unterschiedlichen Nucleinsäuren erlauben oder ausschließen.
In der heutigen Laborpraxis zeichnet man keine Schmelzkurven auf, sondern markiert eine
der Nucleinsäuren radioaktiv oder mit einem Fluoreszenzfarbstoff. In der Regel nimmt man dafür
die kleinere Sequenz, z. B. die RNA. Sie dient als Sonde. Erhält man am Ende ein radioaktives oder
ein Fluoreszenzsignal, hat sich die Sonde an die andere Nucleinsäure gebunden.
Die DNA-Chip-Technologie nutzt das Prinzip aus, um im großen Maßstab Sequenzen auf
Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu untersuchen (siehe 7 Abschn. 15.4.1).

1.4 RNA-Moleküle

RNA unterscheidet sich im Aufbau und Vorkommen in mehreren Punkten von DNA:
55 Die Base Thymin ist durch Uracil ersetzt.
55 RNA enthält als Zuckerbaustein Ribose. Dieser Zucker trägt am zweiten und dritten
C-Atom je eine OH-Gruppe (. Abb. 1.7).
55 In manchen RNA-Molekülen kommen ungewöhnliche Basen vor, z. B. Pseudouridin in
tRNAs.
55 RNA-Moleküle liegen einzel- oder doppelsträngig vor.
1.4 · RNA-Moleküle
11 1
. Abb. 1.7  Struktur der Ribose (nach Mülhardt 2013) HO
OH
O
H H

H H
OH OH
Ribose

55 In Eukaryoten kommen RNA-Moleküle nicht nur im Zellkern, in den Mitochondrien und


Plastiden vor, sondern auch im Cytoplasma.

In einigen Viren und Phagen besteht das Genom aus doppelsträngiger RNA.
Doppelsträngige RNA-Moleküle oder RNA-Molekülabschnitte sind sonst die Ausnahme:
55 Sie treten vorübergehend während der Bildung regulatorischer RNA-Moleküle und
innerhalb der mRNAs auf, um damit bestimmte Prozesse (bei der Transkription oder
Translation) zu steuern.
55 Sie sind dauerhaft in den tRNAs (TransferRNAs) anzutreffen, welche die Aminosäuren
zum Ort der Proteinbiosynthese transportieren.

Doppelsträngige RNA-Abschnitte sind eine Sekundärstruktur des Moleküls. Diese heißt Haar-
nadelschleife (engl. hair pin oder stem loop).
Haarnadelschleifen bilden sich aus, wenn zwei Abschnitte desselben Moleküls zueinander
komplementär sind. Grundsätzlich kann auch die DNA Haarnadeln formen, wenn sie einzelsträn-
gig vorliegt. Das ist möglich, wenn eine Sequenz zweimal hintereinander mit geringem Abstand
zwischen den Abschnitten auftritt, wobei beide Abschnitte die entgegengesetzte Richtung zuei-
nander haben, sich also wie Spiegelbilder zueinander verhalten. Diesen Fall nennt man Inverted
Repeat. Von einem Palindrom spricht man, wenn ein Abschnitt in sich selbst spiegelsymmetrisch
aufgebaut ist (wie das Wort Lagerregal). Haarnadeln in der DNA wirken sich jedoch oft störend
für die Prozesse in der Zelle aus. Deswegen binden sich beispielsweise während der Replikation
schnell stabilisierende Proteine an Einzelstrangabschnitte der DNA.

z Funktionen der RNA


Die verschiedenen Typen von RNA-Molekülen kennzeichnet man mit kleinen Buchstaben vor
der Abkürzung. Man grenzt zwei große Gruppen voneinander ab:
55 Die erste Gruppe bilden die Messenger-oder mRNAs. Sie sind die Zwischenstufen auf dem
Weg zur Bildung eines Proteins und daher codierend.
55 Die größere Gruppe umfasst nichtcodierende RNAs oder ncRNAs. Sie sind Funktions-
moleküle, die in Zellprozesse eingreifen, diese ermöglichen oder regulieren. Dazu zählen
die rRNA, tRNA, snRNA, snoRNA, miRNA und siRNA. Sie machen mit mehr als 90 %
auch den Löwenanteil der RNA-Menge aus. Davon bilden rRNA-Moleküle wiederum
den Großteil. Die Vorsilbe „prä“ kennzeichnet jeweils ein Vorläufermolekül, das weiter
bearbeitet wird.

Die Aufgaben der einzelnen RNA-Typen:


55 Boten-RNA, Messenger-RNA, mRNA: Codierung von Information für die Synthese von
Proteinen
12 Kapitel 1 · Das genetische Material

55 Transfer RNA, tRNA: Transfer von Aminosäuren an die mRNA während der
42
1 Proteinbiosynthese
55 ribosomale RNA, rRNA: Aufbau von Ribosomen, Funktion in der Proteinbiosynthese
55 Mikro-RNA, miRNA: Regulation der Translation
55 small interfering RNA, siRNA: Regulation der Translation
55 piwi interacting RNA, piRNA: Unterdrückung der Retrotransposition während der
Spermatogenese
55 small nuclear RNA, snRNA: Spleißen von mRNA
55 small nucleolar RNA, snoRNA: Reifung der rRNA-Moleküle
55 7SL-RNA: Proteintranslokation durch Membranen
55 long noncoding RNA, lncRNA: Regulation der Genexpression
13 2

Organisation des Erbguts


2.1 Struktur des Chromosoms und Organisation des
Genoms bei Bakterien – 14
2.1.1 Größenvergleich – 14
2.1.2 Topologie von DNA-Ringen und Verdrillung – 14
2.1.3 Ordnung durch DNA-bindende Proteine – 15
2.1.4 Organisation von Genen und nichtcodierende DNA – 16
2.1.5 Wiederholungssequenzen und bewegliche DNA – 16
2.1.6 Plasmide – 16

2.2 Genom von Archaeen – 17

2.3 Genom von Eukaryoten – 18


2.3.1 Größe, Komplexität und Teilgenome – 18
2.3.2 Organisationsebenen – 19
2.3.3 Färbemethoden – 22
2.3.4 Klassifizierung von DNA-Abschnitten – 23
2.3.5 Gestalt von Metaphasechromosomen – 25
2.3.6 Ungewöhnliche Chromosomen – 25
2.3.7 Struktur des Genoms bei Eukaryoten – 26
2.3.8 Mitochondriengenom und Plastom – 29
2.3.9 Viren und Bakteriophagen – 31

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_2
14 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

z Worum geht es?


Nachdem das erste Kapitel den molekularen Aufbau des genetischen Materials vorgestellt hat,
wird jetzt seine Organisation besprochen. Das Genom ist bei Pro- und Eukaryoten auf mehrere
2 DNA- Moleküle verteilt. Den Hauptanteil daran haben DNA-Moleküle in den Chromosomen. In
den prokaryotischen Zellen der Bakterien und Archaeen ist das Chromosom oft zirkulär (ring-
förmig). Es enthält die lebenswichtigen Gene. Weitere Gene liegen auf kleineren, meist zirkulä-
ren DNA- Molekülen, den Plasmiden. Bei Eukaryoten ist der Hauptanteil im Kern in mehreren
linearen Chromosomen organisiert und stellt das Kerngenom dar. Die Mitochondrien und Plas-
tiden enthalten ebenfalls DNA. Egal, ob die DNA linear oder zirkulär vorkommt, sie ist deutlich
länger als die Zellen. Damit sie sich nicht verknotet, geben unspezifische DNA-bindende Pro-
teine ihr eine Ordnung.

2.1 Struktur des Chromosoms und Organisation


des Genoms  bei Bakterien

2.1.1 Größenvergleich

Das Genom von E. coli umfasst rund 4,6 Mb (4,6 ×106 bp) und ist damit etwa mittelgroß.
Die Größe bakterieller Chromosomen liegt zwischen etwas mehr als 100 kb und über 10 Mb.
Die geringste Anzahl an Genen haben endosymbiontisch lebende Bakterien oder Krankheits-
erreger wie die Mycoplasmen. Da sie viele Nährstoffe von ihrem Wirt beziehen, müssen sie selbst
nicht mehr so viele Stoffe herstellen und kommen schon mit wenigen Hundert Genen aus. E. coli
stellt seine Stoffwechselprodukte jedoch selbst her und benötigt dafür mehr als 4000 Gene.
Beispiel: Mycoplasma genitalium besitzt nur ein einziges Gen für die Biosynthese von Ami-
nosäuren, E. coli K12 verfügt über mehr als 130.

2.1.2 Topologie von DNA-Ringen und Verdrillung

Bakterien verteilen ihre lebenswichtigen Gene auf ein Chromosom (Beispiel: E. coli) oder auf
zwei (Beispiel: Agrobacterium tumefaciens). Da es nicht dem strukturierten Aufbau von euka-
ryotischen Chromosomen entspricht, spricht man einschränkend vom Bakterienchromosom.
Meistens sind Bakterienchromosomen zirkulär, es kommen aber auch lineare Chromoso-
men vor (Beispiel: Streptomyces coelicolor), A.tumefaciens besitzt ein zirkuläres und ein lineares
Chromosom. Lineare Chromosomen müssen gesondert geschützt sein, denn ein freies DNA-
Ende deutet die Zelle als Fehler oder Schaden und beginnt eventuell mit dem Abbau der DNA.
Zum Schutz sind Proteine an die Enden gebunden, oder die DNA bildet Haarnadelschleifen aus,
wodurch die Enden doppelsträngig sind.
Das Chromosom liegt nicht willkürlich verteilt im Cytoplasma vor, sondern füllt einen
begrenzten Raum aus, das Nucleoid, und einzelne Abschnitte sind an bestimmte Positionen
in der Zelle gekoppelt. So liegen der DNA-Abschnitt, mit dem die Replikation beginnt, und der
Replikationsapparat in der Mitte der Zelle.
Eine höhere Ordnung erhält das Chromosom über eine weitere Verdrillung der DNA und
mittels DNA-bindender Proteine.
Die Verdrillung heißt Überspiralisierung (engl. supercoiling): Schneidet man einen Strang
auf und dreht ihn so um den zweiten, dass man die Windung herausnimmt, fehlt der DNA auf
2.1 · Struktur des Chromosoms und Organisation des Genoms
15 2
. Abb. 2.1  Superhelikale Konformation
ringförmiger DNA

ihrer Gesamtlänge eine Windung. Verknüpft man die Enden dann wieder miteinander, steht die
DNA so unter Spannung, dass sie sich in sich selbst verdreht und kompakter wird (. Abb. 2.1).
Eine herausgenommene Windung nennt man negatives Supercoiling, eine eingeführte Windung
positives Supercoiling. Solche Erscheinungsformen der DNA heißen Topoisomere.
Die Zelle verwendet zum Supercoiling besondere Enzyme, die Topoisomerasen.
55 Typ-I-Topoisomerasen brechen einen Strang auf,
55 Typ-II-Topoisomerasen brechen beide Stränge auf. Sie benötigen ATP.

Die Topoisomerase II, die positives Supercoiling entspannt und negatives Supercoiling bewirkt,
heißt Gyrase. Da sie für ein Bakterium lebensnotwendig ist, dient sie als Angriffspunkt für
Antibiotika.
Topoisomerasen sind eingebunden in die Replikation, Rekombination, Reparatur und Tran-
skription, allgemein in alle Prozesse, bei denen sich die DNA-Windungen ändern.

2.1.3 Ordnung durch DNA-bindende Proteine

Die DNA-bindenden Proteine für die höhere Ordnung der DNA zählen zu den generellen oder
unspezifischen DNA-Bindeproteinen. Sie müssen also keine bestimmte Nucleotidabfolge in der
DNA erkennen, um sich an diese zu heften. Spezifische DNA-Bindeproteine für die Transkrip-
tion sind auf bestimmte Sequenzen angewiesen.
Die wichtigsten Proteine zum Formen von DNA sind die nucleoidstrukturierenden Proteine
(nucleoid proteins):
55 Histonähnliche Proteine, H-NS oder histone like nucleoid structuring proteins. Ihr Name
weist auf die funktionelle Verwandtschaft zu den eukaryotischen Histonen hin: Mehrere
positiv geladene Aminosäuren binden sich an die negativ geladenen Phosphatreste der
DNA.
55 Hitzeinstabile HU-Proteine, heat unstable nucleoid proteins.

Unter besonderen Lebensbedingungen werden weitere DNA-bindende Proteine aktiv.


16 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

Die strukturierenden Proteine legen die superspiralisierte DNA in weitere Schlaufen. Es ergibt
sich ein Bild mit einem Proteinkern, aus dem überspiralisierte DNA-Schleifen wie Strahlen her-
ausragen. So passt die etwa 1,6 mm lange DNA von E. coli in die nur 2 µm lange Zelle.
2
2.1.4 Organisation von Genen und nichtcodierende DNA

Das Genom besteht aus nichtcodierenden und codierenden Abschnitten. Von den codierenden
Sequenzen bildet die Zelle eine RNA-Kopie.
Innerhalb der nichtcodierenden Abschnitte gibt es Sequenzen mit besonderen Funktionen:
55 Der Abschnitt, an dem die Zelle die Replikation der DNA beginnt (der Replikationsur-
sprung ori, origin of replication) oder endet (ter, termination).
55 Signalsequenzen wie Promotor und Operator, welche die Transkription regulieren.
55 Bindungsstellen für Proteine mit verschiedenen Aufgaben. Sie liegen in der Regel
zwischen den Genen.

Nichtcodierende Sequenzen innerhalb von Genen kennt man nur von einigen Bakterien, hier
insbesondere in rRNA- und tRNA-Genen. Insgesamt ist der Anteil nichtcodierender DNA
gering, bei E. coli beträgt er etwa ein Zehntel. Diese Sequenzen haben vor allem regulatorische
Funktionen.
Bei Bakterien sind funktionell zusammenhängende Gene meistens zu Einheiten organisiert,
einzeln liegende Gene kommen seltener vor. So gewährleistet die Zelle, dass Gene für einen Stoff-
wechselweg zusammen reguliert und abgelesen werden. Eine solche Einheit bezeichnet man als
Operon. Die Zelle transkribiert alle Gene eines Operons zusammen als polycistronische mRNA.
Die mRNA für ein einzelnes Gen heißt monocistronisch.

2.1.5 Wiederholungssequenzen und bewegliche DNA

Die meisten Gene kommen nur in einem Exemplar im Genom vor. Bekannte Ausnahmen
sind die rRNA-Gene. E. coli besitzt z. B. sieben Operons (rrn-Operons) mit den Genen für
rRNA- Moleküle.
Bei einigen Bakterien liegen auch zwischen den Genen kurze Nucleotidfolgen, die sich mehr-
mals im Genom wiederholen. Solche kurzen Wiederholungen nennt man repetitive Sequenzen.
Bei Prokaryoten ist ihre Zahl gering, bei Eukaryoten hoch.
Andere DNA-Elemente kommen mehrfach im Genom vor, ohne dass man sie zu den repeti-
tiven Sequenzen zählt. Es handelt sich dabei um bewegliche DNA. Ihre Position im Genom und
ihre Anzahl variiert. Man unterscheidet Insertionselemente (IS-Elemente) und Transposons.
Transposons können DNA-Abschnitte, die sie umschließen, an eine andere Stelle im Genom
verschieben. Dieser Vorgang wird als Transposition bezeichnet (siehe 7 Abschn. 9.3).
Außerdem können sich einige Plasmide und manche Phagen in das Chromosom integrieren.

2.1.6 Plasmide

Plasmide sind selbstständige genetische Elemente. Sie sind nicht Teil des Chromosoms und
werden von der Zelle unabhängig repliziert.
2.2 · Genom von Archaeen
17 2
Plasmide sind in der Regel als extrachromosomale DNA nicht in das Chromosom integriert.
Typen, die sich auch in das Bakterienchromosom integrieren und später wieder herausschnei-
den können, heißen Episom.
Sie sind meistens ringförmig, aber es gibt auch lineare Plasmide, vor allem bei Streptomyce-
ten. Die Größe schwankt beträchtlich von weniger als 1 kb bis zu mehreren Mb.
Die Zahl der Exemplare eines Plasmids innerhalb einer Zelle ist charakteristisch für das
jeweilige Plasmid:
55 Low-copy-Plasmide kommen in 1–10 Kopien pro Zelle vor.
55 High-copy-Plasmide liegen in mehr als 20 Kopien vor.

Eine Zelle kann verschiedene Plasmide beherbergen, vorausgesetzt sie gehören zu verschiedenen
Inkompatibilitätsgruppen. Ein Plasmid duldet kein anderes aus derselben Gruppe neben sich in
der Zelle. Welche Plasmide kombiniert werden können, bestimmen die Inc-Gene.
Plasmide können Artgrenzen überschreiten, das gleiche Plasmid kann also bei verschiede-
nen Arten vorkommen. Bakterien können viele Plasmide durch horizontalen Transfer an andere
Zellen übertragen (siehe 7 Abschn. 10.2).
Die Gene auf Plasmiden sind oft nicht überlebenswichtig, verschaffen ihren Trägern aller-
dings einen Vorteil unter bestimmten Lebensbedingungen:
55 Resistenzplasmide verleihen dem Wirt Resistenz gegenüber Antibiotika.
55 Abbau- oder Degradationsplasmide verschaffen Zugang zu einer besonderen Nahrungsquelle.
55 Bacteriocinplasmide codieren die Synthese von Bacteriocinen, die andere Bakterien
hemmen oder töten.
55 Virulenzplasmide codieren Toxine oder andere Pathogenitätsfaktoren, die einen Stamm
zum Krankheitserreger machen.

Medizinisch sind diese Plasmide wichtig für die Entstehung von Krankheiten oder für die Ver-
breitung der Antibiotikaresistenzgene, ökologisch sind sie interessant für den Abbau von umwelt-
gefährdenden Stoffen, und gentechnologisch dienen sie als Werkzeuge für die Klonierung von
Genen (siehe 7 Abschn. 16.6).

2.2 Genom von Archaeen

Will man die Genome der Archaeen beschreiben, sieht man ein Bild, das einem immer wieder
begegnet: Archaeen zeigen Gemeinsamkeiten mit Bakterien, weisen aber gleichzeitig Merkmale
auf, die sie mit Eukaryoten gemeinsam haben und die bei Eukaryoten komplexer sind. Grob
gesagt, ähneln Stoffwechselgene eher den Pendants bei Bakterien, Gene für Replikation, Tran-
skription und Translation eher den Gegenstücken von Eukaryoten.
Gemeinsamkeiten der Genome von Archaeen und Bakterien:
55 Die Chromosomen sind ringförmig.
55 Die meisten Archaeen haben wenige Chromosomen, in der Regel ein einziges (Sulfolobus
acidocaldarius), andere zwei (Haloarcula marismortui), selten mehr als zwei.
55 Ihre Größe ist der Genomgröße von Bakterien vergleichbar, von einigen Hundert kb bis
wenige Mb.
55 Vor allem funktionell zusammenhängende Gene sind auch bei Archaeen in Operons
organisiert, sodass sie polycistronische mRNAs bilden.
55 Ebenfalls findet man Insertionselemente in ihnen und Plasmide.
18 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

Archaeen und Bakterien haben im Laufe der Evolution viele Gene ausgetauscht, vor allem, wenn
sie im selben Habitat leben. So soll rund ein Viertel der Gene des thermophilen Bakterium Ther-
motoga maritima ursprünglich aus Archaeen stammen.
2 Zum Aufwickeln des DNA-Fadens verwenden Archaeen Histonproteine. Während Bakterien
Proteine nutzen, die mit den eukaryotischen Histonen nur funktionell verwandt sind, besitzen die
Archaeen zu den Eukaryoten verwandte (homologe) Gene und Proteine. Archaeen ohne
Histone verwenden für die DNA-Strukturierung wie Bakterien histonähnliche Proteine.

2.3 Genom von Eukaryoten

2.3.1 Größe, Komplexität und Teilgenome

Die Genome der Eukaryoten sind erheblich größer als prokaryotische Genome. Während sich
die Anzahl der Basenpaare von Prokaryoten in der Größenordnung zwischen 105 und 107 bp
bewegt, reicht sie bei Eukaryoten von 106–1011 bp.
55 Die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae verfügt über rund 1,2 × 107 bp.
55 Die Säugergenome liegen in der Größenordnung von 109 bp, also im Gigabasenbereich,
Beispiel: Mensch 3,3 Gb.
55 Nicht zwingend besitzen komplexere Organismen ein größeres Genom.
55 Beispiel: Erdkröte (Bufo bufo). Ihr Genom ist etwa doppelt so groß wie das des Menschen.
55 Zudem steigt die Anzahl der Gene nicht mit der Komplexität an.
55 Beispiel: Die Taufliege Drosophila melanogaster verfügt über rund 13.500 Gene, der
einfache Fadenwurm Caenorhabditis elegans über etwa 19.000 Gene und der Mensch über
etwa 23.000 Gene. Die Angaben schwanken allerdings bis zu 30.000.
55 Die komplexere Organisation eines Organismus schlägt sich jedoch in einer höheren
Anzahl von Proteinen nieder.

Dass ein größeres Genom nicht zwingend (proportional) mehr Gene besitzt, liegt an der Organi-
sation des Erbguts. Eukaryotische Genome zeigen einen erheblich größeren Anteil nichtcodieren-
der DNA. Nichtcodierende Abschnitte kommen zwischen den Genen und innerhalb der Gene vor.
Das Missverhältnis zwischen Anzahl der Basenpaare und Anzahl der Gene nennt man C-Wert-
Paradox. Der C-Wert entspricht der DNA-Menge in einem haploiden, also einfachen Chromoso-
mensatz. Den haploiden Chromosomensatz, gekennzeichent als „n“, findet man in Geschlechts-
zellen. In den meisten Körperzellen (somatischen Zellen) der meisten Eukaryoten kommt jedes
Chromosom zweimal vor, also ein doppelter oder diploider Chromosomensatz, 2n. Vor allem
bei Pflanzen finden sich auch polyploide Sätze. Der moderne Saatweizen beispielsweise hat einen
hexaploiden Chromosomensatz.
Das Kerngenom ist verteilt auf lineare Chromosomen. Auch hier besteht keine Beziehung
zwischen der Anzahl der Chromosomen und der Komplexität des Organismus. Die Bäcker-
hefe hat 16 Chromosomen, die Taufliege 4. Chromosomenzahl und -aufbau sind allerdings ein
Ergebnis der Evolution. So besitzt der Mensch 23 verschiedene Chromosomen, der verwandte
Schimpanse 24.
Das Kerngenom der Eukaryoten (ncDNA, nucleus) wird ergänzt um das Genom in den
Organellen:
55 Mitochondrien-DNA (mtDNA) und
55 Plastiden-DNA bei Pflanzen (Plastom, ptDNA, in Chloroplasten auch cpDNA genannt).
2.3 · Genom von Eukaryoten
19 2
Die DNA in den zwei Organelltypen fasst man gelegentlich zusammen als Plasmotyp oder
Plasmon. Das Plasmon ist in der Regel zirkulär. Rein quantitativ fällt es kaum ins Gewicht. Aber
es besitzt eine begrenzte Autonomie gegenüber dem Kerngenom.
Ein Sonderfall ist der Einzeller Giardia lamblia ist: Er besitzt keine Mitochondrien, vermut-
lich hat er sie im Laufe der Evolution wieder verloren.
Plasmide kommen bei Einzellern, Pilzen und Pflanzen vor.

2.3.2 Organisationsebenen

Im Kern liegt die DNA als Chromatin vor, als Komplex mit Proteinen und RNA-Molekülen.
Nimmt man die Gesamt-DNA einer menschlichen Zelle zusammen, kommt man auf eine
Länge von mehr als 1 m. Um sie im Zellkern unterzubringen, wird das Chromatin auf mehreren
Ebenen dicht gepackt. Dabei müssen Abschnitte der DNA für Proteine zugänglich sein, weil
die Zelle sonst Prozesse wie die Transkription oder die DNA-Reparatur nicht ausführen kann.
Deshalb ist die DNA nicht überall und nicht immer gleich dicht gepackt. Während der Inter-
phase (siehe 7 Abschn. 3.6.2 Zellzyklus) sind viele Bereiche zugänglich, während der Zellteilun-
gen ist die DNA verpackt und stark kondensiert. Man unterscheidet mehrere Ebenen, in denen
die DNA organisiert ist (. Abb. 2.2).

z Histone und der 10-nm-Faden


Mit wenigen Ausnahmen geht man von einer einheitlichen Packung der DNA bei Eukaryoten
aus. Die Proteine im Chromatin unterscheidet man in Histone und Nicht-Histone.
Histone bewirken die erste Packung zu einem Faden von 10 nm Durchmesser (. Abb. 2.3).
Wie wichtig die Proteine sind, sieht man daran, dass sie evolutionär stark konserviert sind. Das
heißt, ihre Sequenz hat sich von einfachen Einzellern bis zu komplexen Vielzellern nur sehr
wenig verändert.
Die Histone H2A, H2B, H3 und H4 sind die Core-Histone. Sie bilden zusammen eine Art
Tonne, das Histonoktamer. Jedes Histon kommt darin zweimal vor. Während der Spermatoge-
nese ersetzen die Protamine die Histone.
Funktional gesehen ist das Oktamer eine Art Spule, um welche sich die DNA wickelt. Oktamer
und DNA zusammen nennt man Nucleosom. Durch Experimente mit einer DNA-abbauenden
Nuclease konnte man ermitteln, wie lang das DNA-Stück in einem Nucleosom ist. Als man die
Nuclease kurz einwirken ließ, fand man beim Menschen 200 bp lange Abschnitte. Ließ man der
Nuclease mehr Zeit für den Abbau, verkürzte sich das Stückchen auf 146 bp. Daraus schloss man,
dass sich diese 146 bp fest um das Oktamer wickeln und vor dem Abbau geschützt sind, während
eine freie Linker-DNA die Nucleosomen verbindet. Die Länge der Linker-DNA variiert bei ver-
schiedenen Zellen und Arten zwischen 20 und 60 bp.
Zwischen den Nucleosomen liegt das fünfte Histon, H1. H1 heißt auch Linker-Histon. Es
bindet sich an die Linker-DNA und das Nucleosom und führt diese näher zueinander.

z Histone wechselwirken mit verschiedenen Proteinen:


55 Histone enthalten relativ viel Arginin und Lysin. Diese basischen Aminosäuren binden
die DNA über deren negative Ladung.
55 Für wichtige Vorgänge wie die Transkription muss die Zelle diese Bindung auflockern,
damit die DNA zugänglich wird. Acetylasen heften dazu einen Acetylrest an diese
Aminosäuren.
20 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

Chromatin

2
DNA 2 nm Histone Nicht-Histon-Proteine

2 x H2A, 2 x H2B
2 x H3, 2 x H 4

H1

Linker-DNA Nucleosomencore

Nucleosom

DNA-Faden 10 nm

Chromatinfaser 30 nm

. Abb. 2.2  Organisationsebenen: von der DNA zum Chromatin (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Andere Proteine hängen einen Phosphat- oder Methylrest an.


55 Proteine der SWI/SNF-Familie (von engl. switch) verschieben die Histone auf der DNA,
sodass die gleichmäßige Ordnung aufgebrochen wird. Proteine der ISWI-Familie (imitator
of switch) arbeiten entgegengesetzt.

z Weitere Strukturebenen
Mithilfe von Proteinen wird die DNA weiter verpackt (. Abb. 2.3). Früher sprach man von:
55 Sekundärstruktur: Der 10-nm-Faden legt sich in superhelikale Schlaufen, welche die
Nucleosomen aufwickeln. Der entstehende 30-nm-Faden wird Solenoid genannt,
55 Tertiärstruktur: Gerüstproteine (scaffold-Proteine) bewirken die Bildung einer Art Rosette.
Die Gerüstproteine sind Nicht-Histon-Proteine.
55 Quartärstruktur: Der Rosettenfaden legt sich in helikale Windungen und bilden den
Chromatidfaden. Mit der Quartärstruktur ist die Transportform während der Metaphase
der Zellteilungen erreicht (Metaphasechromosomen).
2.3 · Genom von Eukaryoten
21 2

DNA

H1-Histon
Offene Nucleo-
somenstruktur

Linker-DNA
Nucleosomencore Nucleosomencore

DNA

10 nm Oktamer

Chromatin-
faser 30 nm

Schleifen-
strukturen
600 nm

Metaphase- Schwesterchromatiden
chromosom

. Abb. 2.3  Das Nucleosom und weitere Strukturebenen zur Verpackung der DNA (nach Buselmaier und
Tariverdian 2007)
22 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

Ob und in welcher Form der 30-nm-Faden in der Zelle vorkommt, ist umstritten.
In einigen Abschnitten der Chromosomen unterscheidet sich der Grad der DNA-Konden-
sierung während der Zellteilung und der Interphase. Da die Zelle während der Interphase die
2 gespeicherte Information der DNA abruft, muss die DNA für Proteine zugänglich sein. Ihr Ver-
packungsgrad ist somit an transkriptionsaktiven Abschnitten geringer. Diese Abschnitte lassen
sich nicht so gut anfärben.
55 Die Regionen mit aufgelockerter DNA heißen Euchromatin. Vor der Zellteilung wird das
Euchromatin ebenfalls kondensiert.
55 Das Heterochromatin ist in der Regel transkriptionsinaktiv und bleibt daher auch während
der Interphase kondensiert.

Die Zelle repliziert das Heterochromatin später als das Euchromatin.

2.3.3 Färbemethoden

z Bänderung
Metaphasechromosomen sind aufgrund der Kondensierung der langen DNA schon ungefärbt
im Lichtmikroskop zu sehen und daher beliebte Studienobjekte für die Forschung. Für Untersu-
chungen an Tieren und dem Menschen isoliert man die Chromosomen meist aus Lymphocyten.
Färbt man die Chromosomen an, sind sie noch besser erkennbar.
55 Den Giemsa-Farbstoff verwendet man für verschiedene Färbetechniken. Am bedeu-
tendsten ist das Verfahren, das zur G-Bänderung führt (. Abb. 2.4): Erst gibt man zu den
Chromosomen die Protease Trypsin, dann den Farbstoff. Man erhält ein Muster aus hellen
und dunklen G-Banden oder negativen und positiven Banden.

Wenn man an Stelle der Trypsinbehandlung die Proteine mittels Hitze denaturiert und dann
anfärbt, tauschen die hellen und dunklen Banden ihr Aussehen, daher der Name R-Banden für
reversed banding. R-Banden entsprechen den hellen G-Banden.
55 Der Farbstoff Quinacrin erzeugt Q-Banden. Sie sind identisch mit den G-Banden.

. Abb. 2.4  Schematische Darstellung eines Metaphasechromosoms mit G-Banden (nach Buselmaier und
Tariverdian 2007)
2.3 · Genom von Eukaryoten
23 2
Die Bänderung geht einher mit weiteren Eigenschaften, in denen sich helle und dunkle Banden
unterscheiden. Sie erklären letztlich das Färbeverhalten. In der Regel gilt:
55 Die hellen Banden sind GC-reich, und das Chromatin ist weniger gefaltet. Sie replizieren
früh und sind reich an bestimmten Genen.
55 Die dunklen Banden sind das Gegenteil: AT-reich, stärker gefaltet, replizieren spät und
sind arm an Genen.

In hellen Banden findet man vor allem Housekeeping-Gene oder Haushaltsgene. Diese Gene
werden stärker abgelesen als andere, weil sie für Grundfunktionen der Zelle, also die Erhaltung
des Zellhaushalts, notwendig sind. Die Abschnitte beherbergen allerdings auch gewebe- oder ent-
wicklungsspezifische Gene. Demgegenüber liegen in den dunklen Banden nur gewebe- oder
entwicklungsspezifische Gene, die überwiegend stumm bleiben.
Die Bänderung ist für jedes Chromosom so charakteristisch, dass das Muster mit den G-Ban-
den in der pränatalen Diagnostik des Menschen verwendet wird. Je nach Mitosestadium sind die
Chromosomen noch locker oder schon stark kondensiert und die Banden noch zahlreich und fein
oder schon zu wenigen Hell-dunkel-Blöcken verschmolzen. Liegt eine Auflösung mit mindestens
400 Banden pro haploidem Chromosomensatz vor, ordnet man die Chromosomen nach absteigen-
der Größe und erhält das Karyogramm eines Menschen. Es erlaubt erste Aussagen über numerische
oder strukturelle Veränderungen der Chromosomen und mögliche erblich bedingte Krankheiten.

z Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH)
Die FISH ist eine Methode zur Untersuchung von Chromosomen mit höherer Auflösung als die
Bänderungstechniken. Man setzt sie vor allem dann ein, wenn man ein bestimmtes chromoso-
males Segment untersuchen möchte, z. B. wenn der Verdacht besteht, dass dieses Segment fehlt
und einer Erkrankung zugrunde liegt (siehe 7 Abschn. 15.2.2).
Dazu markiert man eine einzelsträngige DNA-Sonde mit einem Fluoreszenzfarbstoff und
lässt sie gegen die Chromosomen hybridisieren. Man setzt dabei eine Testsonde und anschlie-
ßend eine Kontrollsonde mit jeweils unterschiedlicher Farbe ein, um die erfolgreiche Versuchs-
durchführung zu bestätigen. Die Untersuchung erfolgt mikroskopisch. Die FISH ist geeignet für
die Chromosomen der Metaphase und der Interphase.

z Vergleichende genomische Hybridisierung (CGH, comparative genomic hybridization)


Die CGH arbeitet ebenfalls mit markierter DNA, basiert aber darauf, dass man zwei genomische DNA-
Proben einsetzt und diese unterschiedlich markiert. Da man die CGH vorzugsweise für die Tumor-
cytogenetik verwendet, stammt die eine genomische DNA aus einer Tumorzellpopulation, die andere
dient als Referenz und kommt aus einer normalen Kontrollperson. Beide DNAs lässt man kompetitiv
gegen Metaphasechromosomen hybridisieren. Man analysiert die farblich unterschiedlichen Mar-
kierungen, und aus dem Mustervergleich schließt man auf Abweichungen in den Chromosomen.

2.3.4 Klassifizierung von DNA-Abschnitten

Die Chromosomen der Eukaryoten zeichnen sich auch durch Funktionsabschnitte oder -ele-
mente aus. Solche Abschnitte muss ein Chromosom besitzen, wenn es in der Zelle stabil erhalten
bleiben und in der Mitose verteilt werden soll. Bekannt sind folgende Elemente:
55 Centromere,
55 Telomere,
55 Replikationsursprünge
24 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

Telomer

p-Arm Paarungsdomäne der


2 Chromosomenarme

Paarungsdomäne der
Centromere

Innere Platte
Centromer Mittlere (trilaminare
Äußere Organisation)

Corona

Zentrale Domäne

q-Arm

Schwesterchromatiden

. Abb. 2.5  Organisation des Centromers und der Telomere am Metaphasechromosom

(. Abbildung 2.5, Telomere und Replikationsursprünge: siehe 7 Kap. 3, Replikation).


Centromere sind die Orte, an denen die Chromatiden eines Chromosoms verbunden sind
und an die sich die Spindelfasern anheften, um die Chromosomen während der Mitose und
Meiose gleichmäßig auf die Tochterzellen zu verteilen. Das macht die Centromere zu einer genar-
men Region, sie gehören zum Heterochromatin. Seine Funktion erfüllt dieses Element über eine
Wechselwirkung aus charakteristischen DNA-Sequenzmotiven einerseits und DNA-bindenden
Proteinen andererseits.

z Aufbau der Centromer-DNA:


55 Charakteristisch sind repetitive Sequenzen. Kleine Abschnitte liegen tausendfach hinter-
einander vor.
55 Beim Menschen ist das Grundelement die 171 bp lange alphoide DNA, weil sie in alpha-
Satelliten (s. u.) vorkommt. Je nach Chromosom liegen davon 1500 bis 30.000 Kopien vor.
Die Centromere umfassen somit zwischen 0,3 und 5 Mb.
55 Bei der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) liegt ein vergleichbarer Aufbau vor: Ein
Grundelement von 180 bp wird mehrfach wiederholt und verleiht den Centromeren eine
Ausdehnung von 0,9–1,2 Mb.
55 Verschiedene Proteine heften sich an das Centromer und bilden bei Säugetieren und
vielen Wirbellosen eine dreischichtige Struktur. In jeder Schicht oder Platte findet man
charakteristische Proteine. Beispielsweise bei Säugern mehrere CENPs (centromere
proteins): CENP-A und B im inneren Bereich. Die Proteine sind mit der DNA und den
2.3 · Genom von Eukaryoten
25 2
Histonen verbunden. An den äußeren Proteinen setzen die Mikrotubuli des Spindelap-
parats an. Den Proteinkomplex nennt man Kinetochor.
55 Hinzu treten nichtspezifische Proteine wie Proteinkinasen und eine Topoisomerase.
55 Die Bäckerhefe zeigt einen abweichenden Aufbau des Centromers. Sie hat ein einziges
kurzes DNA-Element von 125 bp, an welches sich mehrere Proteine binden.

Ohne Centromer und Kinetochor kann die Zelle die Chromosomen nicht korrekt auf die Toch-
terzellen aufteilen.

2.3.5 Gestalt von Metaphasechromosomen

Das typische Bild der Metaphasechromosomen vieler Organismen zeigt sie mehr oder weniger
x-förmig mit den zwei Chromatiden, die an einer Region, der Paarungsdomäne, verbunden sind.
Um dieses Bild zu erhalten, hat man die Zellen vorher mit Colchicin behandelt. Das Gift der
Herbstzeitlosen stoppt die Mitose, weil es den Aufbau des Spindelapparats verhindert.
Die Lage des Centromers dient zur einfachen Bestimmung der Chromosomen:
55 Bei akrozentrischen Chromosomen befindet sich das Centromer eher im Endbereich.
55 Liegt es mehr mittig, handelt es sich um ein metazentrisches Chromosom.

In der Regel liegt das Centromer meist zwischen einer mittleren und einer endständigen Position.
Bei der Chromosomenanalyse eines Karyogramms legt man die Centromeren auf eine Linie.
Auf diese Weise sieht man die unterschiedlich langen Arme auf einen Blick und kann die Bände-
rung vergleichen. Die kurzen Chromosomenarme heißen beim Menschen p-Arm (franz. petit =
klein), die langen q-Arm (franz. queue = Schweif, Schwanz). Bei Drosophila spricht man von L-
und R- (linkem und rechtem) Arm.
An den kurzen Armen der akrozentrischen Chromosomen 13, 14, 15, 21 und 22 des Men-
schen stechen weitere Strukturen hervor. Sichtbar werden sie nach Anfärbung mit Silbersalzen
im Elektronenmikroskop. Man sieht dann dunkle Bereiche, die Kernkörperchen oder Nucleoli
(Singular: Nucleolus). Der chromosomale Abschnitt heißt entsprechend Nucleolusorganisatorre-
gion, NOR, früher auch SAT genannt. Die NOR enthält die wichtigen rRNA-Gene, die besonders
stark transkribiert werden. Die zahlreichen rRNA-Moleküle assoziieren sich dann mit Proteinen.

2.3.6 Ungewöhnliche Chromosomen

55 Minichromosomen oder Mikrochromosomen findet man bei Vögeln, einigen Reptilien,


Fischen und Amphibien. Sie sind kurz, aber genreich. Von den 39 Chromosomen des
Hühnergenoms sind 33 Minichromosomen. Sie machen lediglich etwa ein Viertel der
DNA-Menge aus, tragen aber drei Viertel der Gene.
55 Holozentrische oder holokinetische Chromosomen zeichnen sich durch mehrere
Centromere und Kinetochore aus, die über das Chromosom verteilt sind. Man findet sie
beispielsweise bei dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans.
55 B-Chromosomen sind zusätzliche oder überzählige Chromosomen, möglicherweise
Bruchstücke von anderen Chromosomen. Verbreitet sind sie vor allem bei Pflanzen, aber
auch bei Pilzen und Tieren.
26 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

55 Lampenbürstenchromosomen sind in erster Linie aus den Oocyten von Amphibien


bekannt. Ihren Namen haben sie nach ihrem Aussehen erhalten. Die DNA ist während
der Meiose entkondensiert. Es werden DNA-Bereiche transkribiert, die keine sinnvollen
2 Proteine ergeben. Man kennt diese Chromosomen seit Jahrzehnten, doch sind sie bis heute
rätselhaft.
55 Polytänchromosomen sind das Ergebnis eines unvollständigen Zellzyklus. Die Zelle
verdoppelt oder vermehrt die DNA, aber die Mitose unterbleibt. Es bilden sich Bündel
von einigen oder zahlreichen Chromatiden, die in Kontakt bleiben. Das Phänomen ist vor
allem von Insekten bekannt.

2.3.7 Struktur des Genoms bei Eukaryoten

Um einen besseren Überblick über komplexe eukaryotische Genome zu bekommen, versucht


man Ordnung in das Erbgut zu bringen. Dazu kann man die DNA nach verschiedenen Krite-
rien einteilen (. Abb. 2.6).
55 Nach der Information:
44proteincodierend oder
44nichtproteincodierend.
55 Nach der Kopienzahl:
44Einzelgene,
44wiederholte Gene (z. B. proteincodierende Histongene, nichtproteincodierendes
U6-snRNA-Gen)
44Genfamilien.

z Einteilung des Genoms nach Information


55 Gene und genähnliche Sequenzen. Ein Gen ist nach der allgemeinen Definition ein
Abschnitt im Erbgut, der die Information zur Herstellung einer RNA trägt.
44Strukturgene codieren Strukturproteine oder Enzyme.
44Gene, die grundlegend benötigt werden, bezeichnet man als Haushaltsgene.
44Regulatorgene codieren Transkriptionsfaktoren oder Repressoren.

. Abb. 2.6  Anteile am Kerngenom (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)


2.3 · Genom von Eukaryoten
27 2
Transkription

Promotor Exon 1 Intron 1 Exon 2 Intron 2 Exon 3 Terminator


a

Basenpaare 90 116 222 646 126

P E I E I E T
b

Transkriptionsstart Termination

. Abb. 2.7  Allgemeiner Aufbau eines eukaryotischen Gens (a) und das beta-Globingen (b) des Menschen

55 Extra- oder intragene DNA. Diese hat man früher verächtlich als junk- oder Müll-DNA
bezeichnet. Mittlerweile erkennt man in ihr jedoch zunehmend eine Bedeutung, die vor
allem in der Regulation liegt.

Die Gene sind in der Regel wie Mosaike gestückelt und bestehen aus codierenden Exons und
nichtcodierenden Introns (. Abb. 2.7).
55 Exons können nur einige wenige Basenpaare bis mehrere Tausend Basenpaare umfassen.
55 Introns reichen von einigen Tausend bis mehreren Hunderttausend Basenpaaren. Sie sind
nur Bestandteil der Prä-RNA, aber nicht der reifen RNA (siehe 7 Abschn. 4.8.2, Spleißen).
55 Auch die Abschnitte mit regulatorischer Funktion wie der Promotor sind Teil des Gens.

Hinter der Bezeichnung „genähnliche Sequenzen“ verbergen sich evolutionäre Fußspuren:


Genfragmente und Pseudogene.
55 Genfragmente sind Reste von Genen, die durch Rekombinationen entstanden sind.
55 Pseudogene enthalten Stoppcodons und/oder Insertionen/Deletionen („Indels“, zusätz-
liche oder fehlende Basen) und sind daher nichtfunktionelle Kopien von Genen. Man
unterscheidet zwei Typen:
44Konventionelle Pseudogene verfallen mit der Zeit. In ihnen häufen sich Mutationen
an, weil die DNA-Abschnitte nicht benötigt werden. Die Funktion kann von anderen
Kopien im Genom erfüllt werden. Unter Umständen entsteht aus ihnen ein Gen mit
einer neuen Funktion.
44Ein prozessiertes Pseudogen hat seinen Ursprung in einer mRNA. Die Zelle hat diese
mRNA wieder in eine DNA umgeschrieben und in das Genom integriert. Dort liegt die
Gensequenz jedoch ohne Promotor vor und bleibt stumm.

Das Genom des Menschen umfasst etwa 20.000 Pseudogene. Sie sind mit noch funktionstüchti-
gen Genen verwandt. Beispiel: Pseudogene der Globingene.

z Einteilung des Genoms nach der Kopienzahl


Genfamilien:
55 Die 5S-rRNA-Gene bilden eine einfache oder klassische Multigenfamilie. Tandemartig
28 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

hintereinander findet man immer die gleiche Sequenz, insgesamt mehr als 2000
Genkopien der 5S-rRNA.
55 Die Mitglieder einer komplexen Genfamilie unterscheiden sich in ihrer Sequenz. Beispiele
2 sind die proteincodierenden alpha- und beta-Globingene. Je zwei Globine vom Typ alpha
und beta bauen das Hämoglobin auf. Sowohl von alpha als auch von beta gibt es mehrere
verwandte Gene, die eine Familie bilden. Die Zelle liest die verschiedenen Gene zu unter-
schiedlichen Stadien der Entwicklung ab.
55 Darüber hinaus gibt es weitere Globingene, beispielsweise für ein Myoglobin oder
Cytoglobin, sodass man Multigenfamilien gelegentlich zu einer Superfamilie
zusammenfasst.

Sind Gene innerhalb eines Organismus verwandt, wie das Myoglobin- und das Cytoglobingen,
spricht man von paralogen Genen. Verwandte Gene bei verschiedenen Organismen, also Maus-
und Mensch-Myoglobingen, nennt man orthologe Gene.

Repetitive Elemente:
Sie bilden eine eigene Gruppe. Funktionen sind meist nicht bekannt. Sie unterscheiden sich in
ihrer Länge und in der Kopienzahl.
Hochrepetitive Sequenzen oder Satelliten-DNA liegen in der Regel tandemartig vor. Man
gruppiert sie nach der Größe des Elements. Die Angaben zu den Längen und zur Wiederholungs-
zahl schwanken in der Literatur.
55 Mikrosatelliten (STR, short tandem repeats) sind ein bis wenige Basenpaare lang und bilden
Cluster von wenigen Hundert Basenpaaren Länge. Zusätzlich sind Mikrosatelliten noch
über das Genom verteilt. Da sich ihre Länge bei den Menschen individuell unterscheidet
(Längenpolymorphismus), nutzt man sie für den genetischen Fingerabdruck.
55 Minisatelliten (ebenfalls als STR angesehen) sind etwa 10–100 bp lange Stückchen,
die 5 bis 50 Mal wiederholt werden. Auch Minisatelliten unterscheiden sich
sehr zwischen den Individuen und heißen daher VNTR-Loci (variable nucleotide/number
of tandem repeats). Man nutzt sie ebenfalls für den genetischen Fingerabdruck.
55 Die alphoide DNA oder Alpha-Sequenzwiederholungen in den Centromeren zeichnet
sich durch mehrere Hundert oder Tausend bp lange Sequenzen aus, die bis zu einer Million
Mal wiederholt werden. Man nennt sie auch Makrosatelliten.

Mittelrepetitive Sequenzen werden im Unterschied zur Satelliten-DNA in der Regel transkri-


biert. Damit einhergehend sind sie mobile Elemente, die sich über das Genom bewegen. Vermut-
lich werden sie dafür in eine RNA-Zwischenstufe transkribiert und durch das Enzym Reverse
Transkriptase wieder in DNA umgeschrieben, die sich in das Genom integriert. Ein Hinweis auf
diesen Mechanismus ist die Poly(A)-Sequenz in vielen Elementen.
55 Die langen Elemente oder LINEs (long interspersed nuclear elements) können mehrere
kb lang sein und bis zu 100.000 Mal im menschlichen Genom vorliegen. Die bekannteste
Untergruppe sind die im Menschen über 6 kb langen LINE1-Elemente mit einem
Promotor für die RNA-Polymerase II und einem Gen für eine Reverse Transkriptase. Der
Anteil am menschlichen Genom beträgt etwa 20 %.
55 Die kurzen Elemente oder SINEs (short interspersed nuclear elements) bestehen aus
kürzeren Grundsequenzen. Ein Beispiel sind Alu-Elemente. Ihren Namen haben sie von
der Erkennungssequenz für das Restriktionsenzym AluI (aus Arthrobacter luteus). Sie
2.3 · Genom von Eukaryoten
29 2
sind etwa 300 bp lang und kommen mehr als eine Million Mal im menschlichen Genom
vor. Alu-Elemente besitzen einen Promotor für die RNA-Polymerase III. Ihr Anteil am
menschlichen Genom liegt bei etwa 10 %.
55 LTR-Retrotransposons sind zwischen 5 und 10 kb groß, die Kopienzahl überschreitet
die Hunderttausend. Namensgebend sind die endständigen long terminal repeats von
mehreren Hundert bp Länge. Auch sie nutzen eine Reverse Transkriptase. Ihr Anteil am
menschlichen Genom beträgt rund 8 %.

LINEs und SINEs fasst man zusammen zu den Retroposons oder Non-LTR-Retrotransposons,
wenn sie von den LTR-Retrotransposons abgegrenzt werden sollen.

2.3.8 Mitochondriengenom und Plastom

Nach der Endosymbiontentheorie sind Mitochondrien und Plastiden aus früher eigenständigen
Prokaryoten hervorgegangen. Als Beleg dafür dient unter anderem die Ähnlichkeit zwischen
den Genomen. Sie sind in ihrer Organisation und in einzelnen Sequenzen näher verwandt mit
prokaryotischen Genomen als mit dem Kerngenom.

z Mitochondriengenome
Mitochondriale Chromosomen sind meist zirkulär und kommen in mehreren Kopien vor. Beim
Menschen sind es etwa zehn. Lineare Formen kennt man aus verschiedenen Einzellern. Die mito-
chondriale DNA wird mit mtDNA abgekürzt.
Die Größe der Mitochondriengenome variiert. Auch hier gilt, dass komplexere Lebewesen
kein komplexeres Erbgut in dem Organell haben. Die menschliche mtDNA ist rund 16,6 kb klein,
das Genom der Bäckerhefe ist mit 85,8 kb erheblich größer und das der Pflanze Arabidopsis tha-
liana ist mit 367 kb mehr als 20-mal so groß.
Beim Menschen ist das Mitochondriengenom sehr kompakt und enthält somit nur wenig
nichtcodierende DNA (. Abb. 2.8). Es trägt die Information für rRNAs, einige tRNAs und für 13
Proteine der Atmungskette.
Beispiel: Von den 13 Untereinheiten des Komplex IV (Cytochrom-c-Oxidase) sind nur drei
mitochondrial codiert.
Weitere Proteine der Mitochondrien sind kerncodiert. Bei manchen Organismen ist der
Anteil mitochondrial codierter tRNAs so gering, dass ihre Mitochondrien auf tRNAs aus dem
Cytoplasma angewiesen sind.
Größere Mitochondriengenome enthalten weitere Gene, aber auch Introns und extragene
Bereiche.
Pflanzliche Mitochondrien weisen zuweilen Plasmide auf und zeigen überraschende Beson-
derheiten: Man fand Chloroplasten-DNA im Mitochondriengenom und umgekehrt, die soge-
nannte promiske oder promiskuitive DNA.
Mitochondrien replizieren unabhängig von den Chromosomen. Die Weitergabe der Mito-
chondrien an die Nachkommen erfolgt beim Menschen, bei den meisten Säugetieren und bei
Angiospermen über die Mutter (uniparental maternal), bei Hefen hingegen biparental und bei
vielen Gymnospermen über den Vater (uniparental paternal).
Mutationen sind in der mtDNA etwa zehnmal häufiger als in der Kern-DNA, und Schäden
in der mtDNA sind korreliert mit dem Alterungsprozess.
30 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

. Abb. 2.8  Mitochondriale DNA des Menschen und ihre Gene (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

z Plastiden
Pflanzen besitzen Plastiden, die über eigene DNA verfügen. Die Gesamtheit der genetischen
Information dieser Organellen nennt man Plastom. Für diese DNA verwendet man die Abkür-
zung ptDNA.
Die ptDNA ist in der Regel zirkulär, lineare Formen bilden die Ausnahme. Eine so auffällige
Variationsbreite wie die mtDNA zeigt die ptDNA nicht. So sind Genome der Chloroplasten relativ
einheitlich groß und liegen meist zwischen 120 und 170 kb. Größere Genome kommen jedoch
vor. Hier gilt wiederum, dass keine Verbindung zwischen Größe und Komplexität besteht. Reis
(Oryza sativa) hat mit einer 134,5 kb langen cpDNA ein kleineres Chloroplastengenom als die
Grünalge Chlamydomonas reinhardtii mit 203 kb.
Der Aufbau der cpDNA (oder ctDNA, . Abb. 2.9) aus Chloroplasten ist einheitlicher als bei
der mitochondrialen mtDNA. Bei vielen niederen und höheren Pflanzen gliedert sich die cpDNA
in vier Abschnitte. Zwei Inverted Repeats liegen gegenläufig zueinander vor und sind getrennt
durch jeweils einen kurzen und langen Einzelkopieabschnitt, LSC für large single copy und SSC
für small single copy.
Das Chloroplastengenom ist auch genreicher als die mtDNA. Es umfasst mehr als 100 Gene.
Dazu gehören alle RNA-Gene, die rRNA-Gene liegen in den Inverted Repeats. Chloroplasten sind
somit nicht auf den Transport von tRNAs aus dem Cytoplasma angewiesen. Dagegen sind nur
wenige Proteine der Chloroplasten auf der cpDNA codiert, die meisten ihrer Gene liegen auf der
Kern-DNA. Zu den cpDNA-codierten Proteinen gehören beispielsweise
55 etwa ein Drittel der ribosomalen Proteine,
2.3 · Genom von Eukaryoten
31 2
atpA
atpE
atpH
rbcL atpI
psaA psaB
atpE
atpB
psbJ LSC
psaJ psbL psbM
psbF
psbE
psbB psbC
Oryza sativa psbD
psbH psbN psbI
cpDNA
psbK
~134,5 Kb

psbA
IRB IRA
16S
SSC

16S 4,5S 23S


5S
psaC

23S
4,5S
5S

. Abb. 2.9  Chloroplasten-DNA von Oryza sativa

55 viele Proteinkomponenten für die Photosynthese,


55 die große Untereinheit für das Enzym Rubisco oder Ribulose-1,5-Bisphosphat-Carbo-
xylase/Oxygenase zur CO2-Fixierung.

Die Vererbung ähnelt derjenigen der mtDNA. Bei Angiospermen ist sie meist mütterlich, bei
einigen Arten biparental, bei Gymnospermen auch väterlich.

2.3.9 Viren und Bakteriophagen

Viren befallen eukaryotische Zellen, Bakteriophagen Bakterien. Letztere kürzt man gern als
Phagen ab.
Viren und Phagen sind keine eigenständige Lebewesen. Für Vererbung oder Stoffwechsel
sind sie auf Organismen angewiesen. Dabei infizieren sie eine Wirtszelle, nutzen deren Replika-
tions- und Proteinbiosyntheseapparat aus und vermehren sich auf deren Kosten. Sie sind folg-
lich recht spezifisch an einen Wirt oder einen Zelltyp angepasst.
Trotz ihrer geringen Komplexität zeigen die Genome eine große Vielfalt. Das Erbgut
kann aus einzelsträngiger DNA oder RNA bestehen oder aus doppelsträngiger DNA oder
RNA. Liegt ein RNA-Strang vor, unterscheidet man, ob er direkt als mRNA für die Trans-
lation dient (Plusstrang) oder als Vorlage (Minusstrang) für einen komplementären RNA-
Strang, der erst dann translatiert wird. Bei einigen RNA-Viren schreibt die Reverse Transkrip-
tase die RNA zunächst in eine DNA um. Die genaueren Abläufe werden in 7 Kap. 3 (Repli-
kation) vorgestellt. Das Genom kann linear oder zirkulär vorliegen. Segmentierte Genome
sind ebenfalls bekannt.
32 Kapitel 2 · Organisation des Erbguts

Die Größe des Genoms liegt meist im ein- bis unteren dreistelligen kb-Bereich. Das Mimi-
virus erreicht indes 1,2 Mb. Virengenome sind nicht zwingend größer als Phagengenome. Der
E.-coli- Phage λ (Lambda) hat ein Genom von 48,5 kb, das Säuger-Poliovirus ist dagegen 7,5 kb
2 kurz. Schaut man sich beispielhaft drei E.-coli-Phagen an, erkennt man hier eine Beziehung zwi-
schen Genomgröße und Anzahl der Gene. Die 3,6 kb von MS2 enthalten vier Gene, φX174 hat
eine 5,4 kb DNA und elf Gene, und die rund 169 kb von T4 beherbergen rund 300 Gene.
Kleine Phagengenome besitzen überlappende Gene. Bei φX174 ist ein komplettes Gen Teil
der Nucleotidsequenz eines anderen Gens. Beide codieren unterschiedliche Proteine, weil die
Gene verschiedene Leserahmen nutzen.
Gene von Viren und Phagen codieren häufig folgende typische Proteine:
55 eine eigene RNA-Polymerase,
55 Reifungsproteine,
55 Hüll- oder Verpackungsproteine,
55 Regulatorproteine.

Einige Viren und Phagen können sich in das Wirtsgenom integrieren. Die Zelle repliziert sie
dann zusammen mit dem Chromosom und gibt somit auch die DNA an die Tochterzellen weiter.
Das erinnert an die Plasmide. Tatsächlich hat man eine evolutive Verwandtschaft festgestellt
zwischen einigen bakteriellen Plasmiden und Phagen. Im eukaryotischen Genom haben solche
Viren ihre Spuren in repetitiven Elementen hinterlassen. Manche beweglichen Elemente waren
früher Viren, die ihre Infektiosität verloren haben.
33 3

DNA-Replikation
3.1 Prinzipien – 34
3.1.1 Überblick – 34
3.1.2 Enzymfunktionen und Hilfsproteine – 35
3.1.3 Startpunkte der Replikation – 37
3.1.4 Syntheserichtung – 37

3.2 Initiation der Replikation – 38


3.2.1 Initiation bei Bakterien – 38
3.2.2 Initiation bei Archaeen – 39
3.2.3 Initiation bei Eukaryoten – 39

3.3 Elongation der Replikation – 40


3.3.1 Elongation bei Bakterien – 41
3.3.2 Elongation bei Archaeen – 41
3.3.3 Elongation bei Eukaryoten – 41

3.4 Termination der Replikation – 42


3.4.1 Termination bei Bakterien – 42
3.4.2 Termination bei Eukaryoten – 43

3.5 Replikation ohne Zellteilung – 45

3.6 Kontrolle der Replikation – 45


3.6.1 Kontrolle bei Bakterien – 46
3.6.2 Kontrolle bei Eukaryoten – 46

3.7 Phagen und Viren – 48

3.8 Replikation des Mitochondrien- und


­Plastidengenoms – 50

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_3
34 Kapitel 3 · DNA-Replikation

z Worum geht es?


Die Replikation sorgt für eine Verdopplung der DNA und ist ein grundlegender Vorgang in
allen Zellen. Sie gewährleistet, dass bei der Weitergabe des Erbgutes an Tochterzellen beide das
komplette Erbgut erhalten und im Normalfall keine Information verloren geht. Da die Struk-
tur der DNA bei Bakterien, Archaeen, Eukaryoten, Phagen und DNA-Viren gleich ist, gleicht
sich auch der Mechanismus der Replikation in seinen Prinzipien. Der Ablauf unterteilt sich
42
3 in drei Phasen.
Insbesondere die Initiation der Replikation wird genau kontrolliert. Die Replikation in Orga-
nellen zeigt ebenso Variationen wie die von Viren und Phagen.

3.1 Prinzipien

3.1.1 Überblick

Im Wesentlichen zeigt die Replikation folgende Charakteristika:


Sie erfolgt semikonservativ, ein Strang bleibt erhalten, der zweite wird nachsynthetisiert.
Mehrere Enzyme arbeiten koordiniert und führen die Replikation gemeinsam aus. Das eigent-
liche Syntheseenzym ist stets eine DNA-Polymerase.
Hilfsproteine unterstützen die Enzyme.
Die Replikation erfolgt nur in eine Richtung: vom 5′-Ende zum 3′-Ende der DNA, daher unter-
scheiden sich die Synthesen an den beiden Strängen. Daraus folgt eine kontinuierliche Synthese
des einen Strangs und eine diskontinuierliche, aber gleichzeitige Synthese des zweiten.
Die Replikation ist sehr genau, aber nicht fehlerfrei. Die Enzyme erkennen und korrigieren
viele Fehler, aber nicht alle.
Es gibt festgesetzte Startpunkte für die Replikation, die wichtig für die Replikationskon­
trolle sind.
Man unterteilt den Ablauf in die drei Phasen: Inititation, Elongation und Termination.
Abweichungen vom allgemeinen Muster gibt es bei der Replikation der DNA von Viren und
Phagen sowie der Mitochondrien- und Plastiden-DNA.

z Semikonservativer Mechanismus
Aufgrund der Basenpaarung ist der Weg zur Verdopplung im Grunde vorgezeichnet. Denn kennt
man die Nucleotidfolge des einen Strangs, kann man den komplementären Strang ergänzen. Das
entspricht in der Praxis dem semikonservativen Mechanismus (. Abb. 3.1): Die Zelle trennt die
DNA-Doppelhelix in ihre zwei Stränge auf und stellt zu den getrennten Einzelsträngen jeweils
einen neuen Gegenstrang her. Der alte Strang dient als Vorlage, also Matrize (engl. template),
für die Herstellung des neuen Gegenstrangs. Nach der Replikation bestehen dann beide DNA-
Helices aus je einem alten und einem neuen Strang.
Theoretisch möglich wären noch zwei andere Mechanismen, der konservative und der
dispersive.
Beim konservativen Mechanismus bliebe die alte DNA aus alten Strängen bestehen und die
neue DNA bestünde aus zwei neuen Strängen.
Beim dispersiven Mechanismus sollte es eine Art Mosaik geben. In beiden DNA-Molekülen
würden sich zufällig alte und neue Abschnitte abwechseln.
3.1 · Prinzipien
35 3
Dispersiv Konservativ Semikonservativ
Erwartete Erwartete Erwartete Beobachtete
DNA-Dichte DNA-Dichte DNA-Dichte DNA-Dichte
Elterliche DNA-
Doppelhelix
DNA nach der
1. Replikation
DNA nach der
2. Replikation

. Abb. 3.1  Das Meselson-Stahl-Experiment beweist die semikonservative Replikation

z Meselson-Stahl-Experiment
Matthew Meselson und Franklin Stahl führten 1958 mit dem Bakterium Escherichia coli ein Expe-
riment durch, um die Frage nach dem Mechanismus der Replikation zu beantworten (. Abb. 3.1).
Im Detail ist der Versuch zwar eher historisch interessant, das Prinzip der Markierung von Mole-
külen wendet man jedoch heute noch an.
Will man den Weg von Molekülen verfolgen, markiert man sie, um sie so indirekt sichtbar
zu machen. Früher verwendeten die Wissenschaftler dazu oft radioaktive Isotope, heute markiert
man in der Regel mithilfe von Fluoreszenzfarbstoffen.
Meselson und Stahl nahmen das Stickstoffisotop 15N, das ein Neutron mehr im Kern besitzt
als das häufigere Isotop 14N und deshalb schwerer ist. Sie ließen E. coli so lange auf einem Nähr-
medium mit dem schweren Stickstoff in Form von Ammoniumchlorid (15NH4Cl) wachsen, bis
die DNA nur 15N enthielt. Darauf folgte eine erste neue Generation und damit eine Verdopp-
lung der DNA auf 14N-Medium. Meselson und Stahl untersuchten die DNA über Dichtegradien-
tenzentrifugation und fanden nur halbschwere DNA („beobachtete Dichte“, . Abb. 3.1), deren
Stickstoff jeweils zur Hälfte den beiden Isotopen angehörte. Nach einer weiteren Verdopplung
der DNA auf 14N-Medium, enthielt die nächste Generation von Bakterien teilweise normale
und teilweise halbschwere DNA. Aus diesen Ergebnissen und dem Bild nach der dritten Gene-
ration schlossen die Forscher auf den semikonservativen Mechanismus. Die Resultate konnte
man an Eukaryoten über Markierungen mit radioaktivem Wasserstoff in einer der Basen (3H-­
Thymidin) bestätigen.

3.1.2 Enzymfunktionen und Hilfsproteine

Im Wesentlichen führen fünf Enzymfunktionen die Replikation aus.


55 Topoisomerasen lösen das topologische Problem, das sich aus der Helixstruktur der
DNA ergibt: Trennt man die Stränge auf und entspiralisiert die DNA, beginnt eine
DNA mit freiem Ende zu rotieren. Nimmt man beispielsweise für das menschliche
Chromosom 1 eine Länge von 250 Mb an und umfasst eine Windung 10 bp, so müsste
36 Kapitel 3 · DNA-Replikation

. Abb. 3.2  Überblick über die an einer 5'


Replikationsgabel aktiven Enzyme und
3'
Proteine 5'-3'-Exonuclease

)
nd
tra
gs
42
3

in
Primase

gg
(la
SSB

ng
ra
st
ts
är
Primase

w
ck
Helikase


3'
5'

SSB

Vo
r
w
är
ts
DNA-Polymerase III

stra
Holoenzym

ng
(le
ad
in
gs
tra
nd
)
5'
3'

sich das Chromosom 25 Mio. Mal drehen. Topoisomerasen lösen das Problem, indem
sie einen Einzelstrangbruch (Typ I) oder einen Doppelstrangbruch (Typ II) in die
DNA einführen. Sie entwinden die DNA, nehmen dadurch die Spannung heraus und
schließen die Lücke(n) wieder. Während der Replikation arbeiten sie vor dem eigentlichen
Replikationsapparat.
55 Helikasen spalten unter ATP-Verbrauch die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen
den Basen. Dadurch öffnen sie die DNA-Doppelhelix und erzeugen Einzelstränge
(. Abb. 3.2).
55 Primasen synthetisieren ein Startmolekül aus wenigen Nucleotiden, den Primer. Der
Primer besteht aus RNA, die Primasen sind somit RNA-Polymerasen.
55 DNA-Polymerasen lesen die Nucleotidfolge eines Einzelstrangs ab und stellen dazu den
neuen komplementären Strang her, indem sie Desoxynucleosidtriphosphate (dNTPs) als
DNA-Bausteine verknüpfen. Sie sind somit die eigentlichen Syntheseenzyme.
55 Ligasen verknüpfen Stücke eines DNA-Strangs miteinander.

z Hilfsproteine
Einzelstrangbindende Proteine binden sich nach dem Öffnen der DNA an Einzelstränge. Damit
stabilisieren sie die Abschnitte und verhindern, dass sich die DNA wieder schließt Helikasen, Pri-
masen, Polymerasen und Hilfsproteine bilden zusammen einen Komplex, das Replisom.
Die Enzyme und Proteine führen zum Teil zusammen mit anderen Proteinen auch die Rekom-
bination und Reparatur aus. Diese Prozesse sind miteinander gekoppelt.
3.1 · Prinzipien
37 3
3.1.3 Startpunkte der Replikation

Die Replikation beginnt nur an festgelegten Stellen, den Replikationsursprüngen. Bei Bakte-
rien nennt man diese DNA-Abschnitte origin of replication (ori), bei Hefe spricht man von der
autonomously replicating sequence (ARS).
E. coli hat einen Replikationsursprung, die Hefe Saccharomyces cerevisiae besitzt mehrere
Hundert, der Mensch und die Maus haben mehrere Zehntausend. Das ist notwendig, weil die
Neusynthese eines Säugetierchromosoms sonst viel zu lange dauerte.
Über die Initiation findet im Wesentlichen auch die Regulation statt.
Initiatorproteine erkennen einen ori bzw. die ARS und binden sich daran. An diesen Stellen
wird die DNA geöffnet. Schematisch ergeben sich zwei gegenüberliegende Ypsilons, die Repli-
kationsgabeln. Es entsteht dadurch eine Replikationsblase, die sich dann zunehmend vergrö-
ßert, indem sich die Replikationsgabeln voneinander wegbewegen. Denn die Enzyme arbeiten
während der Elongation bidirektional in beide Richtungen.
Ein Replikon ist eine Replikationseinheit, die von diesem ori oder ARS aus bis zur Termina-
tion reicht. Bei E. coli ist somit das gesamte Chromosom ein Replikon, bei Eukaryoten gibt es auf
jedem Chromosom mehrere Replikons.

3.1.4 Syntheserichtung

Jeder DNA-Strang hat ein 5′-Phosophatende und ein 3′-OH-Ende. Das 5′-Ende trägt eine Phos-
phatgruppe am 5′-C-Atom des Zuckers, das 3′-C-Atom besitzt eine OH-Gruppe. Die zwei DNA-
Stränge der Doppelhelix liegen gegenläufig zueinander vor, antiparallel.
Alle bekannten DNA-Polymerasen arbeiten nur in eine Richtung: Sie lesen die Matrize vom
3′-Ende zum 5′-Ende hin ab und bauen den neuen Strang von 5′ nach 3′ auf.
Beim Einbau eines Nucleosidtriphosphats in den neu zu synthetisierenden DNA-Strang
bindet die Polymerase unter Abspaltung von Pyrophosphat den verbleibenden Phosphatrest
mit einer Esterbindung an das 3′-C-Atom am Ende der vorhandenen Kette. Die Abspaltung des
Pyrophosphats liefert die notwendige Energie.
Wenn sich das Replisom auf der DNA fortbewegt und die Doppelhelix öffnet, bewegt es sich
auf dem einen Strang von 3′ nach 5′ fort, auf dem anderen von 5′ nach 3′. Das bedeutet:
55 Nur an dem einen Strang kann unmittelbar die Synthese beginnen. Hier entsteht der
Leitstrang (gelegentlich Vorwärtsstrang genannt), bei dem das Replisom dem Matrizen-
strang von 3′ nach 5′ folgt. Am gegenläufigen Strang wächst der Folgestrang (Rückwärts-
strang), dessen Matrize das Replisom von 5′ nach 3′ abfährt.
55 Daraus folgt, dass die Synthese des Leitstrangs in einem Stück oder kontinuierlich von 5′
nach 3′möglich ist. Denn er wächst in die gleiche Richtung, wie sich die Replikationsgabel
fortbewegt.
55 Die Synthese des Folgestrangs ist aber nur diskontinuierlich möglich, weil die Synthese-
richtung weg von der Replikationsgabel erfolgt. Also muss die Helikase immer wieder
einen längeren Einzelstrangabschnitt erzeugen, damit die Synthese erneut einsetzen kann.
Die Polymerase repliziert diesen Abschnitt, bis sie auf das Stück stößt, das sie unmittelbar
zuvor hergestellt hat. Auf diese Weise entstehen Teilstücke, die man Okazaki-Fragmente
nennt. Sie haben bei Bakterien etwa eine Länge von 1000–2000 bp, bei Eukaryoten nur
von 200 bp. Das liegt möglicherweise daran, dass 200 bp mit einem Nucleosom
assoziiert sind.
38 Kapitel 3 · DNA-Replikation

3'
Leitstrang
5' Vorwärtsstrang
Folgestrang
3' Rückwärtsstrang
(aus Okazaki-
Fragmenten) mit Schleife
5'
42
3
Laufrichtung der Replikationsgabel

. Abb. 3.3  Die Bildung einer Schlaufe am Rückwärtsstrang ermöglicht die simultane Replikation

Wäre die DNA gestreckt, so müsste die Polymerase beim Folgestrang erst auf dem Rückwärts-
strang entlanggleiten (von der Replikationsgabel weg), sich nach Abschluss eines Okazaki-Frag-
ments schließlich von der DNA lösen und nach vorn springen, um sich erneut an die DNA zu
binden. Das wäre zu aufwendig. Stattdessen bildet der Rückwärtsstrang eine Schleife (. Abb. 3.3).
Er macht sozusagen einen U-turn, sodass die Verlängerung in Richtung der Replikationsgabel
möglich ist. Durch die Einschlaufung können zwei Polymerasen arbeiten, sich in Richtung der
Replikationsgabel fortbewegen und Leit- und Folgestrang parallel synthetisieren. Die Größe der
Schlaufe entspricht dabei der Länge eines Okazaki-Fragments.

3.2 Initiation der Replikation

Die Initiation dient der Vorbereitung, bis die DNA-Polymerase ihre Arbeit aufnimmt. Sie umfasst
mehrere Teilschritte:
55 Identifizierung des Replikationsursprungs durch ein Initiatorprotein,
55 Öffnen und Entwinden der DNA,
55 Stabilisierung der Einzelstränge und
55 Synthese eines RNA-Primers.

3.2.1 Initiation bei Bakterien

Der Replikationsursprung bei E. coli heißt oriC (chromosomal origin of replication). Wenn von
hier aus die Replikation bidirektional jeweils gleich schnell voranschreitet, treffen sich die Rep-
likationsgabeln am gegenüberliegenden Ende des Ringchromosoms. Dort endet dann die Rep-
likation, es kommt zur Termination, der Abschnitt heißt terC.
Zwischendurch ähnelt das Replikon dem griechischen Großbuchstaben Theta (Θ), man
spricht daher von der Theta-Struktur.
55 OriC umfasst etwa 245 bp. Er beinhaltet zwei Sequenzmotive.
44Dreimal kommt an einem Ende ein AT-reiches Motiv von je 13 bp vor. Die zwei Wasser-
stoffbrückenbindungen der A-T-Paarung erleichtern das Aufschmelzen der DNA.
44Fünfmal taucht ein kürzeres, 9 bp langes Motiv auf, verstreut über den Rest von oriC.
Dieses kürzere Motiv ist die DnaA-Box.

Der Initiationsprozess läuft am OriC ab:


1. Rund 30 Moleküle des Initiatorproteins DnaA binden sich an die fünf DnaA-Boxen, sodass
sich die Helix um die DnaA-Moleküle wie um eine Tonne herumwickelt und sich auf einer
Länge von etwa 60 bp öffnet.
3.2 · Initiation der Replikation
39 3
2. Als Nächstes greift die Helikase DnaB ein, unterstützt von dem Hilfsprotein DnaC. DnaC
tritt recht schnell wieder aus dem Komplex aus. Helikase-DnaB-Moleküle öffnen die Helix
weiter zu längeren Einzelsträngen. Dazu bewegen sie sich von 5′ nach 3′ auf den Einzel-
strängen fort.
3. Zur Stabilisierung und zum Schutz vor Nucleasen binden sich mehrere Moleküle des
Einzelstrangbindeproteins SSB (single strand binding protein) an die zwei Stränge. Sie
werden später von Replikationsmediatorproteinen (RMPs) entfernt.
4. Die Helikase DnaB aktiviert die Primase DnaG. Die Primase stellt einen RNA-Primer von elf
bis zwölf Nucleotiden her, erst am Vorwärts-, dann am Rückwärtsstrang. Am Rückwärts-
strang muss die Primase im Folgenden immer wieder Primer für die Okazaki- Fragmente
herstellen. Ein Primer ist notwendig, weil die DNA-Polymerasen ein vorhandenes 3′-OH-
Ende benötigen, um daran eine 5′-Phosphatgruppe zu hängen.

Wenn die Helikase die DNA weiter auftrennt, läuft ihr eine Topoisomerase II (die Gyrase) voraus,
um die Überwindungen herauszunehmen.

3.2.2 Initiation bei Archaeen

Die Archaeen stehen in diesem Kapitel vor den Eukaryoten, weil sich die eukaryotische Zelle
(vermutlich) aus den Archaeen entwickelt hat. Das spiegelt sich darin wider, dass Archaeen- und
Eukaryotenproteine miteinander verwandt sind, der Replikationsapparat bei den Archaeen
aber einfacher aufgebaut ist.
Einige Abläufe und Enzyme entsprechen ihren Gegenstücken bei Bakterien, tragen aber
einen anderen Namen.
55 Auch Archaeen besitzen ein ringförmiges Chromosom.
55 Es kommen Arten mit einem Replikationsursprung vor, es gibt aber auch Arten mit zwei
oder drei Ursprungsorten.
55 Sie enthalten mehrere Origin Recognition Boxes genannte Motive.
55 Daran bindet sich ein Initiatorproteinkomplex ORC, origin recognition complex, aus
mehreren Proteinen.
55 Die MCM-Proteine, minichromosome maintenance proteins, bauen die Helikase auf.
55 Mehrere Einzelstrangbindende Proteine, das replication protein A, RPA, stabilisieren die
Einzelstränge.
55 Die MCM-Proteine führen die Primasen für die Synthese der Primer an die DNA heran.

3.2.3 Initiation bei Eukaryoten

Der genaue Ablauf der Initiation bei Eukaryoten ist von mehreren Faktoren abhängig:
55 Es gibt sehr unterschiedliche Organismen, darunter Einzeller, Mehrzeller und
Gewebeorganismen.
55 Innerhalb der Gewebeorganismen sind die Bedingungen für die Replikation unter-
schiedlich. Embryonale Zellen teilen sich schneller und sollten die Replikation beschleu-
nigen können. Ausdifferenzierte Zellen teilen sich dagegen in der Regel nicht mehr.
55 Die Zelle muss mehrere Prozesse innerhalb des Zellzyklus koordinieren. So ist die
Replikation mit der Zellteilung und damit auch mit der Auflösung der Kernmembran
verknüpft. Bei Einzellern gehen Replikation und Zellteilung mit der Vermehrung
40 Kapitel 3 · DNA-Replikation

einher. Bei höheren Pflanzen und Tieren sind sie mit der Differenzierung und/oder dem
Wachstum gekoppelt.
55 Die Chromosomen sind länger, es kann mehrere Zehntausend Replikationsstartpunkte geben.

Die Zelle aktiviert ihre zahlreichen Replikationsursprünge nicht gleichzeitig. Es gibt eine
Reihenfolge:
42
3 1. Zuerst repliziert sie das Euchromatin,
2. dann das Heterochromatin,
3. zum Schluss folgen die Centromere der Chromosomen.

Das Centromer ist ein besonderer Abschnitt, der als Letzter repliziert wird. Vermutlich können
embryonale Zellen die Replikation vorantreiben, indem sie mehrere Replikationsursprünge
gleichzeitig aktivieren.
Recht gut untersucht ist die Initiation bei Hefe (S. cerevisiae). In vitro kann man die Initita-
tion mittlerweile nachbilden. Dazu sind 16 Proteine notwendig.
Als Replikationsursprünge hat man mehrere 200 bp lange Abschnitte identifiziert und sie
autonomously replicating sequence (ARS oder ARS-Element) getauft. Eine ARS besitzt vier
Motive, A, B1, B2 und B3.
Die Abschnitte A und B1 bilden die Erkennungssequenz für den Initiatorproteinkomplex
ORC, origin recognition complex, aus sechs Proteinen. Die Aktivierung eines Replikationsur-
sprungs nennt man auch „feuern“ oder „zünden“.
Der Initiationsprozess verläuft in aufeinanderfolgenden Schritten:
1. Der ARS-Bindungsfaktor 1, ABF1, bindet sich an B3 und spannt die DNA dadurch wohl so
weit, dass sie sich an B2 öffnet.
2. Nun lagern sich weitere Proteine an: Das Cdc6-Protein (cell division cycle) und die
MCM-Proteine mit der Helikasefunktion.
3. Das einzelstrangbindende Protein RPA (replication protein A) hat Ähnlichkeit zu dem
gleichnamigen Protein bei Archaeen.
4. Anders als E. coli nutzt die Hefe für die Initiation Untereinheiten einer DNA-Polymerase
(Polymerase α) mit Primasefunktion. Sie bauen einen RNA-Primer aus acht bis zehn
Nucleotiden auf. Überraschenderweise bleibt der ORC auch nach der Initiation an die
DNA gebunden. Vermutlich markiert er diesen Abschnitt somit als bereits repliziert, und
die zahlreichen Replikationsursprünge koordinieren darüber die Replikation.

Zwar unterscheiden sich die Sequenzen der Replikationsursprünge bei Eukaryoten deutlich,
vom Mechanismus her gesehen betrachtet man die Hefe aber als Modell auch für den Menschen.

3.3 Elongation der Replikation

Die Elongation ist die Synthesephase der DNA-Replikation. Eine Polymerase verarbeitet Des-
oxynucleosidtriphosphate, indem sie an das freie 3′-OH-Ende des bereits eingebauten Nucleo-
tids das 5′-Phosphatende eines neuen hängt. Dabei spaltet sie zwei Phosphatreste von dem neuen
Nucleosidtriphosphat ab und knüpft eine Phosphodiesterbindung.
Sowohl Pro- als auch Eukaryoten verfügen über mehrere DNA-Polymerasen. Eine ist jeweils
das Hauptenzym während der Replikation, sie heißt dann Replikase. Weitere Polymerasen
beteiligen sich an der Reparatur von DNA-Schäden, entfernen den RNA-Primer mittels einer
5′-3′-­Exonucleaseaktivität oder replizieren bei Eukaryoten die Mitochondrien-DNA.
3.3 · Elongation der Replikation
41 3
Die Hauptenzyme bei Bakterien und Eukaryoten besitzen eine 3′-5′-Exonucleaseaktivität.
Diese dient zur Korrektur und wird als proof-reading oder Korrekturlesefunktion bezeichnet.
Hat eine Polymerase ein falsches Nucleotid an das 3′-Ende gehängt, erkennt sie, dass die Basen-
paarung ausbleibt, und entfernt das Nucleotid wieder.
Damit wird klar, warum die Synthese nur in eine Richtung möglich ist: Würde die Polyme-
rase jeweils ein neues Nucleotid an das 5′-Phosphatende heften, wo sich drei Phosphatreste und
somit die Energie für die Verknüpfung befinden, so würde die Exonuclease mit dem (falschen)
Nucleotid auch die Energie für die Verknüpfung entfernen. Für den Einbau des richtigen Nuc-
leotids stünden keine energiereichen Bindungen mehr zur Verfügung und die Synthese müsste
stoppen.

3.3.1 Elongation bei Bakterien

Die Replikase bei E. coli ist die DNA-Polymerase III. Neben der Polymerasefunktion zeigt sie die
3′-5′-Exonucleaseaktivität für das Korrekturlesen. Sie besteht aus mehreren Untereinheiten,
im Kern aus den Untereinheiten α (alpha, Polymerasefunktion), ε (epsilon, Exonuclease) und
θ (theta, verbindet DNA-Polymerase-III-Dimere). Die Untereinheiten β (beta) und γ (gamma)
bilden eine Gleitklammer, mit deren Hilfe die Polymerase auf der DNA entlanggleitet, weitere
Untereinheiten wirken zur Unterstützung.
Die Polymerase I (auch Kornberg-Enzym genannt) wirkt an der Replikation und an der
Reparatur mit. Sie verfügt über alle drei Enzymfunktionen: 5′-3′-Exonucleasefunktion, um
die RNA-Primer zu entfernen, Polymerasefunktion, um die Lücken wieder aufzufüllen, und
3′-5′-Exonucleaseaktivität.
Nach Ersetzen der RNA-Primer durch DNA-Nucleotide verknüpft die DNA-Ligase die Nuc-
leotide mit einer Phosphodiesterbindung.
Die Polymerasen II, IV und V sind an der DNA-Reparatur beteiligt.

3.3.2 Elongation bei Archaeen

Die Proteine von Archaeen sind verwandt mit denen von Eukaryoten und nach ihnen benannt
worden. Auch Archaeen verfügen über mehrere DNA-Polymerasen.
55 Das Trimer PCNA bildet die ringförmige Gleitklammer, um dem Polymerasedimer Halt
an der DNA zu geben. Es hat seinen Namen von seinem eukaryotischen Vorbild erhalten:
proliferating cell nuclear antigen.
55 PCNA muss stets neu aufgebaut und aufgeladen werden, daran wirkt das Hilfsprotein RFC
mit, replication factor C, auch Klammerlader genannt. Das Zusammenspiel ähnelt den
Untereinheiten β und γ der Polymerase III von E. coli.
55 Auch hier beendet eine DNA-Ligase die Elongation.

3.3.3 Elongation bei Eukaryoten

Die Zahl der bei Eukaryoten bekannten Polymerasen ist mittlerweile zweistellig. Zur Unter-
scheidung hat man sie mit griechischen Buchstaben versehen. Dabei muss man aufpassen, um
sie nicht mit den Untereinheiten der Polymerase III von E. coli zu verwechseln. Auch hier kann
42 Kapitel 3 · DNA-Replikation

DNA-Polymerase
Einzelstrang-
3’
bindendes Protein
Helicase 5’
3’
42
3 Klammer (PCNA)

Klammerlader (RFC)
5’
Primase
RNA-Primer Laufrichtung der Replikationsgabel

. Abb. 3.4  DNA-Elongation am Vorwärts- und Rückwärtsstrang bei Eukaryoten

man manchen Enzymen noch eine 3´-5´-Exonucleaseaktivität oder eine Exonucleaseaktivität


in 5´-3´-Richtung zuweisen.
Die wichtigsten DNA-Polymerasen sind:
55 Die DNA-Polymerase α vermittelt zwischen der Initiation und Elongation, weil sie eine
Primase- und Polymeraseaktivität besitzt. Der Primer besteht erst aus RNA, dann aus
DNA.
55 Die Replikase ist die DNA-Polymerase δ. Sie kann auch Korrekturlesen. In der Zelle liegt
sie als Dimer vor (. Abb. 3.4).
55 Die Polymerase ε findet man ebenfalls in der Replikationsgabel und bei der Reparatur,
während die Polymerase β an der DNA-Reparatur mitwirkt und die Polymerase γ in
Plastiden und Mitochondrien vorliegt.

Die RNA-DNA-Primer werden erst durch die RNaseH entfernt, dann durch die flap-Endonuclease
FEN1 (auch MF1 genannt).
Von den Archaeen bekannt ist die Gleitklammer, das PCNA-Trimer, und ihr „Steigbügelhal-
ter“, der Klammerlader RFC. Dieser hält und sichert auch bei Eukaryoten die Polymerase an der
DNA und erhöht ihre Leistung, die Prozessivität.
Die DNA-Ligase verbindet die Okazaki-Fragmente, sie beteiligt sich außerdem an Repa-
raturvorgängen (Nucleotidexzisionsreparatur und Basenexzisionsreparatur, 7 Kap. 11 ,
DNA-Reparatur).
Mutationen in den Genen für die Polymerasen sind oft die Ursache für schwerwiegende Syn-
drome. Mutationen in den zwei Allelen des LIG1-Gens des Menschen führen zur DNA-­Ligase-
I-Defizienz. Patienten zeigen verzögertes Wachstum, Immunschwäche und sind empfindlicher
gegenüber Sonnenlicht.

3.4 Termination der Replikation

3.4.1 Termination bei Bakterien

Die Replikation bei E. coli endet am Terminator oder Terminus, gegenüber vom oriC.
3.4 · Termination der Replikation
43 3
Die ter-Sequenz enthält mehrfach ein Bindungsmotiv, an das sich das Protein Tus (termi-
nus utilizing substance) bindet. Tus stoppt die DnaB-Helikase. Es ist vielleicht eher einem Ventil
vergleichbar, weil es eine Orientierung zeigt und die Passage der Helikase in die eine Richtung
erlaubt, nicht jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Die Tus-Moleküle liegen in umgekehr-
ter Orientierung zueinander auf der DNA, sodass die DnaB-Helikase aus der einen Richtung
ein Tus-Protein noch überfahren kann, dann von einem anderen in umgekehrter Orientierung
aber gestoppt wird.
Die Proteine des Replisoms lösen sich von der DNA.
Bilden die DNA-Moleküle zwei ineinander verschlungene Ringe, öffnen Topoisomerasen II
die DNA und trennen die Ringe. Solche Strukturen heißen Catenane.
Für die Replikation des Chromosoms benötigt E. coli etwa 40 min.

3.4.2 Termination bei Eukaryoten

Eine Terminationssequenz und Tus-ähnliche Proteine sind wohl nicht bei allen Eukaryoten erfor-
derlich. Auch bei Eukaryoten können Topoisomerasen DNA-Moleküle entwirren, die eigentliche
Trennung erfolgt in der Mitose allerdings über einen aufwendigeren Mechanismus.

z Problem der Replikation der Chromosomenenden (Telomere)


Da eukaryotische Chromosomen linear sind, müssten sie nach jeder Replikationsrunde ein
Stück kürzer werden, weil der Folgestrang nicht vollständig wäre. Zwei mögliche Situationen
bereiten dabei Probleme:
55 Am 3′ Ende des Rückwärtsstrangs wird kein Primer angesetzt, und das letzte Okazaki-
Fragment wird nicht gebildet. Das passiert, wenn der Abstand zum vorletzten Fragment
weniger als 200 bp beträgt. Ein neues Okazaki-Fragment wird jedoch erst nach 200 bp
wieder initiiert. Also wird das letzte Stück zum Ende hin nicht repliziert, und die Zelle
verliert es in der nächsten Replikation.
55 Am 3′-Ende des Rückwärtsstrangs sitzt ein RNA-Primer. Wird er entfernt, kann die
Lücke nicht geschlossen werden, weil die DNA-Polymerase keine DNA-Nucleotide als
Anschlusspunkt vorfindet.

Eukaryotische Zellen müssen daher die Telomere separat replizieren.


Wie die Centromere zeichnen sich die Enden durch besondere Sequenzmerkmale aus. Bei
Ciliaten, Pflanzen und Tieren findet man mehrere Hundert Wiederholungen eines kurzen Motivs
hintereinander. Protozoen wie die Ciliaten sind dafür dankbare Modellorganismen, weil sie zu
bestimmten Entwicklungsphasen ihre Chromosomen zerkleinern und alle Teilstücke mit Telo-
meren ausstatten. Bei dem Ciliaten Tetrahymena ist das charakteristische Motiv 5′TTGGGG3′,
beim Menschen 5′TTAGGG3′.
Zusätzlich steht ihnen ein besonderes Enzym, die Telomerase, zur Verfügung (. Abb. 3.5)

z Replikation der Telomere


Die Telomerase ist eine Reverse Transkriptase. Sie stellt also nach einer RNA-Matrize einen
komplementären DNA-Abschnitt her. Die Telomerase ist ein Ribonucleoprotein, das aus RNA
und Protein besteht.
44 Kapitel 3 · DNA-Replikation

5’

3’
UC
UA AC
AA UU
C C C CAA C C C CAA C C C – 5' AA C C C CAA C
GG GG T TGG GG T T GG GG T TGG GG T T GG GG – 3'
42
3
a
5’

3’
UC
UA AC
AA UU
C C C CAA C C C CAA C C C AA C C C C AA C
GG GG T TGG GG T T GG GG T TGG GG T T GG GG T T G

b
5’

3’
UC
UA AC
AA UU
C C C CAA C C C CAA C C C AA C C C C AA C
GG GG T TGG GG T T GG GG T TGG GG T T GG GG T T G

5’

3’
UC
UA AC
AA UU
C C C CAA C C C CAA C C C AA C C C C AA C
GG GG T TGG GG T T GG GG T TGG GG T T GG GG T T G GG GT TG

. Abb. 3.5  Replikation der Telomere durch die Telomerase

Die notwendige RNA ist Bestandteil des Enzyms. Das RNA-Stück ist beim Menschen 450
Nucleotide lang. Es bindet sich an das komplementäre Telomermerkmal der DNA mit der
Sequenz 5′TTAGGG3′, ragt aber über dessen Ende hinaus. Dieses überhängende Ende dient
nun als Matrize, und die Telomerase kann anhand dieser Matrize die DNA-Sequenz am 3′-Ende
verlängern. Das reicht aus, um der DNA-Polymerase die Synthese eines weiteren Okazaki-Frag-
ments zu erlauben.

z Kontrolle des Prozesses


Entscheidend ist das Protein TRF1. Es baut eine negative Rückkopplungsschleife auf.
55 Sind die Telomere lang genug, binden sich TRF1-Proteine daran und führen zu einer
Faltung der DNA(der T-Schleife), sodass sie für die Telomerase nicht zugänglich ist.
55 Verkürzen sich die Telomere allerdings, binden sich zu wenige TRF1-Moleküle daran, die
Faltung kommt nicht zustande, und die Telomerase bindet sich an die DNA.
3.6 · Kontrolle der Replikation
45 3
z Telomere und Altern
Die Telomerase ist bei Säugern nur in der frühen Embryonalphase aktiv, also in embryonalen
Stammzellen, nach der Geburt jedoch nur in Reproduktionszellen, proliferierenden Lymphocy-
ten und Stammzellen des Knochenmarks
Danach werden die Telomere bei den Replikationen kürzer, und man kann an ihrer Länge
das Alter eines Organismus ablesen. Als schottische Wissenschaftler zum ersten Mal ein Tier
klonten (das Schaf Dolly) und dafür einen Zellkern aus einer adulten Zelle in eine Eizelle ein-
setzten, kam das Tier in genetischer Hinsicht schon alt auf die Welt.
Sind die Telomere zu kurz, lebt eine Zelle zwar weiter, kann sich jedoch nicht mehr teilen.
Das bedeutet das Ende der Zelllinie. Damit dürften die Telomere mit der Alterung der Zellen in
Verbindung stehen.
Manche Wissenschaftler nehmen an, dass sich an die verkürzten Telomere keine Proteine
mehr als Schutzkappen heften können. Fehlt jedoch diese Proteinkappe, können Reparaturen-
zyme die Enden falsch verknüpfen, und der Zellzyklus ist unterbrochen.
Krebszellen hingegen altern nicht. In mehr als 80 % der menschlichen Tumorzellen findet
man aktive Telomerasen.

3.5 Replikation ohne Zellteilung

Auf die Replikation der DNA folgt manchmal keine Kern- und Zellteilung. Diesen Fall nennt
man Endomitose. Sie führt zur Vermehrung der Chromosomenzahl in der Zelle.
Man kann mehrere Typen unterscheiden:
55 Bei der Polytänie bleiben die replizierten Chromatiden in Kontakt zueinander. Sie bilden
dann Polytänchromosomen. Man findet sie beispielsweise in Suspensorzellen von Samen-
pflanzen. Sehr gut untersucht sind die hochpolytänen Speicheldrüsenchromosomen von
Drosophila und einigen Zuckmücken.
55 In polyploiden Zellkernen trennen sich die Chromatiden voneinander und es kommt zur
Vervielfältigung des Chromosomensatzes. Beispiel: die Spinndrüsen des Seidenspinners.
Die Autopolyploidie bei Kulturpflanzen zählt man nicht dazu.
55 Findet zwar eine Kernteilung statt, aber keine Zellteilung, liegen anschließend mehrere
Zellkerne in der Zelle vor. Diese polyenergiden Zellen findet man zum Beispiel in
Leberzellen. Syncytien gehören nicht dazu. Sie sind durch Verschmelzung von Zellen
entstanden.

3.6 Kontrolle der Replikation

Bei der Replikation kontrolliert die Zelle


55 die einmalige Synthese, damit das Erbgut nicht vervielfacht wird,
55 die Verteilung der DNA, damit jede Tochterzelle einmal das komplette Erbgut erhält.

Am Beginn der Replikation liegt ein point of no return. Einmal in Gang gebracht, stoppt die Rep-
likation nicht mehr.
Eukaryoten koppeln die Replikation mit der Kern- und Zellteilung . Die eukaryoti-
sche Zelle hat Kontrollstellen eingebaut, welche die Zelle passieren muss, um im Zellzyklus
voranzuschreiten.
46 Kapitel 3 · DNA-Replikation

Falls die DNA zu viele Schäden aufweist oder eine Replikation nicht möglich ist, schaltet sich
das Selbstmordprogramm der Zelle ein. Die Apoptose, der programmierte Zelltod, läuft ab. Wie
gefährlich die unkontrollierte Zellteilung ist, sieht man an Tumorzellen.

3.6.1 Kontrolle bei Bakterien


42
3
Die Aussagen beziehen sich wieder auf E. coli.
Die Kontrolle muss während der Initiation erfolgen. Nach der Initiation kann das Bakterium
die Replikation nicht mehr stoppen.
Es gibt zwei Kontrollmechanismen:
55 Da DnaA das einzige Initiationsprotein ist, muss die erste Kontrolle über DnaA geschehen.
Das aktive DnaA-Protein (DnaA mit gebundenem ATP) bindet sich an DnaA-Boxen und
leitet die Initiation ein. Diese Boxen liegen auch im Promotor des dnaA-Gens. Das Protein
kann sich folglich an den eigenen Promotor heften und damit seine eigene Transkription
hemmen. Über diese Rückkopplung reguliert es sich selbst (Autoregulation).
55 Um zu unterscheiden, ob die Replikation vom oriC schon erfolgt ist oder nicht, überprüft
die Zelle den Methylierungsgrad der Adenine in der Sequenz GATC. In der alten DNA
sind beide Adenine methyliert. In frisch replizierter DNA hat die Dam-Methylase das
Adenin im neuen Strang aber noch nicht methyliert. Die DNA liegt hemimethyliert
vor. In dieser Form heftet sich das Protein SeqA an die DNA und befestigt sie an der
Zellmembran. So lange ist der Zutritt von DnaA zu den Boxen nicht möglich. Erst im
vollmethylierten Zustand löst sich die DNA wieder und erlaubt DnaA den Zugang.

Für schnelle Zellteilungen beginnt E. coli eine neue Replikationsrunde, bevor es die alte abge-
schlossen hat.

3.6.2 Kontrolle bei Eukaryoten

Die Replikation ist eine von vier Phasen, die eine sich teilende Zelle immer wieder durchläuft.
Hintereinander ergeben sie den Zellzyklus.
55 In der Mitose oder M-Phase teilen sich der Zellkern und die Zelle.
55 G1-, S- und G2-Phase fasst man zur Interphase zusammen.
44Die G1-Phase (G von gap, eine Zwischenphase) ist die genetisch aktive Phase. In ihr
finden Transkription und Translation sowie andere Aktivität statt. Die Zelle wächst in
dieser Zeit.
44In der Synthese- oder S-Phase läuft die DNA-Replikation ab.
44Daran schließt sich die G2-Phase an als zweite Zwischenphase, die die Mitose vorbereitet.
55 Ausdifferenzierte Zellen gehen oft von der Mitose aus in die G0-Phase über. Sie ähnelt der
G1-Phase, es folgt danach aber keine S-Phase mehr.

Von den vier Übergängen sind drei so kritisch, dass die Zelle zuvor Kontrollstellen oder check-
points eingerichtet hat. Es handelt sich um die Übergänge
55 von der G1-Phase in die S-Phase,
55 von der G2-Phase in die M-Phase sowie
3.6 · Kontrolle der Replikation
47 3

M i t o se
Cyclin
e
as

G1
G 2 - Ph

-Ph a se
Cyclinabhängige
Kinase

Mitose-Promoting-
S- P h Faktor
a se

. Abb. 3.6  Cyclinabhängige Kinasen kontrollieren mithilfe ihrer Bindungspartner den Zellzyklus

55 die Kontrolle der Spindeln während der Mitose. Kontrolliert wird beispielsweise
44ob die DNA frei von Schäden ist,
44ob die Versorgung mit Nährstoffen ausreichend ist (beim Übergang von G1 zu S) und
44ob die Replikation und Reparatur der DNA abgeschlossen sind (beim Übergang von
G2 zu M).

Der Zellzyklus schreitet nur voran, wenn die Bedingungen für den Wechsel gut erscheinen. Der
bevorzugte Modellorganismus für die Studien zur Kontrolle des Zellzyklus ist die Hefe.
Zu den Schlüsselfaktoren der Kontrolle gehören:
55 Proteinkinasen und Proteasen (diese Enzyme sind immer wieder bei der Kontrolle von
Vorgängen im Spiel),
55 Zellzyklusgene cdc (cell division cycle) mit ihren Proteinen (siehe Initiation der Repli-
kation: Cdc6),
55 cyclinabhängige Kinasen CDK (. Abb. 3.6, cyclin-dependent kinases).
55 Cycline sind Proteine, deren Konzentration sich im Zellzyklus ändert.
55 Kinasen sind Enzyme, die an Aminosäurereste anderer Proteine Phosphatgruppen
hängen und die Aktivität dieser Proteine dadurch ändern. Ihre Konzentration
bleibt im Zellzyklus gleich. Die Kontrolle verschiebt sich somit auf die Ebene der
Cyclinkonzentration.
55 Die CDK sind inaktiv, wenn sie allein vorliegen. Mit den Cyclinen bilden sie aktive
Komplexe.
55 Cyclin und CDK bilden einen Proteinkomplex, den Mitose-Promoting-Faktor. Er leitet die
Mitose ein.

Die Kontrollstelle G1-S liegt unmittelbar vor der Initiation der Replikation. Bei der Hefe heißt er
START-Punkt, bei Säugern Restriktionspunkt.
Die Kontrolle der Aktivierung eines Replikationsursprungs teilt die Initiation in zwei Phasen
und verknüpft sie mit der G1-Phase. Für die Hefe beschreibt man den Ablauf folgendermaßen
(. Abb. 3.7):
48 Kapitel 3 · DNA-Replikation

a b
Inaktive
MCM-Helikase Cdc45
DDK + CDK

Helikase-
Beladungs-
42
3 beladungs-
komplex
faktoren
Aktive
CMG-Helikase
GINS

G1 S
G1-Phase, CDK CDK DDK

c d
Mcm10 DNA-Polymerase
-Primase

. Abb. 3.7  Initiation der DNA-Replikation bei der Hefe (nach Weinreich 2015; mit freundlicher Genehmigung
der Nature Publishing Group)

1. Beladung der DNA mit MCM-Helikasen: In der G1-Phase ist die Aktivität der CDK gering.
Dadurch kann ein Helikase-Beladungs-Komplex die Replikationsursprünge mit je zwei
MCM-Helikasen beladen. Alle Ursprünge werden nur einmal beladen. Die Helikasen sind
noch inaktiv, die Beladungsproteine lösen sich wieder (. Abb. 3.7a).
2. Aktivierung der Helikasen: Im zweiten Schritt steigt zunächst die Aktivität der CDK vor
der S-Phase an. Während der G1-Phase hatte sich zudem eine weitere Kinase, die DDK
(Dbf4-dependent kinase, Dbf4-abhängige Kinase) angesammelt.

CDK und DDK phosphorylieren mehrere Substrate und bewirken damit, dass einerseits keine
weiteren MCM-Helikasen auf die DNA geladen werden, dass andererseits die Proteine Cdc45 und
GINS sich an die Helikasen binden. Das Gebilde heißt jetzt CMG-Helikase-Komplex (. Abb. 3.7b).
Nach Eintritt des Proteins Mcm10 (für das Entwinden der DNA, . Abb. 3.7c) und der α-­
Polymerase (Primase, . Abb. 3.7d) nimmt er seine Arbeit auf.

3.7 Phagen und Viren

Die Replikation bei Bakteriophagen und Viren liefert nicht eine, sondern bis zu hundert neue
DNA-Kopien, weil daraus entsprechend viele neue Phagen/Viren entstehen.
Die Variationen im Ablauf hängen von der Genomstruktur ab:
55 Besteht das Genom aus DNA oder RNA?
55 Liegt es einzelsträngig (ss) oder doppelsträngig (ds) vor?
55 Bildet die ssRNA den sogenannten Plus- oder Minusstrang. Ein Plusstrang kann als mRNA
dienen, die direkt translatiert wird.

Sowohl einige DNA-Viren als auch RNA-Viren, die Retroviren, benötigen für die Replikation ein
RNA- oder DNA-Zwischenprodukt.
3.7 · Phagen und Viren
49 3

3'
5'
5'

5'

. Abb. 3.8  Replikation über den rolling-circle-Mechanismus

z Replikation von ds-DNA-Viren


Die Synthese bei Viren mit linearer ds-DNA ähnelt der Replikation linearer Chromosomen ohne
Telomerasen: Nach dem Abbau der Primer liegen überhängende 3′-Enden vor. Komplementäre
Enden lagern sich aneinander und ermöglichen das Auffüllen mithilfe der Polymerase.
Adenoviren nutzen Proteinprimer und kommen ohne Okazaki-Fragmente aus.
Das Genom von Viren mit zirkulärer ds-DNA wie λ repliziert die Wirtszelle nach dem rolling-­
circle-Mechanismus (. Abb. 3.8), der an ein Fließband erinnert und von der Replikationsgabel
abweicht.
1. Nach einem Einzelstrangbruch in dem „äußeren“ Strang der Ring-DNA kann das 3′-Ende
unmittelbar verlängert werden.
2. Es verdrängt dabei das 5′-Ende und läuft ununterbrochen im Kreis um den „inneren“
Strang herum.
3. An dem immer länger werdenden, freien 5′-Ende entstehen dann Okazaki-Fragmente.
4. Die neu synthetisierten DNA-Kopien hängen also hintereinander. Man nennt sie conca-
temere DNA. Enzyme trennen sie in Einzel-Virengenome.

Auch Plasmide als ringförmige ds-DNA replizieren nach dem rolling-circle-Mechanismus. Das
Gen für das Initiationsprotein liegt auf dem Plasmid. Genprodukte des Plasmids kontrollieren
auch seine Kopienzahl. Liegt es einmal pro Zelle vor, wird seine Replikation anders kontrolliert
als bei höherer Kopienzahl.

z Replikation von ds-RNA-Viren und Minusstrang-ss-RNA-Viren


Viren mit dsRNA wie Reoviren besitzen eine RNA-abhängige RNA-Polymerase. Das Virus bringt
diese mit in die Wirtszelle. Das Enzym verwendet zunächst nur den Minusstrang als Matrize,
um mehrere Plusstränge zu synthetisieren. Damit liegt eine Art von konservativem Replikations-
mechanismus vor.
Auch ss(-)RNA-Viren benötigen eine RNA-abhängige RNA-Polymerase

z Retroviren (Plusstrang-ss-RNA)
Retroviren wie HIV sind RNA-Viren mit ssRNA, die als Plusstrang vorliegt. Der Plusstrang wird
jedoch nicht direkt als mRNA translatiert, sondern mithilfe des Enzyms Reverse Transkriptase
(RT) in DNA umgeschrieben. Nach der Ergänzung des komplementären DNA-Strangs schleust
sich die ds-DNA in das Wirtsgenom ein und liegt als Provirus vor (7 Kap. 10).

z Replikation von Viren mit partiell doppelsträngier DNA


Auch manche dsDNA-Viren enthalten RT. Es sind dies die mit den Retroviren verwandten
Hepadnaviren wie das Hepatitis B Virus. Neben dem Besitz der Reversen Transkriptase zeigen
sie eine zweite Auffälligkeit: Ihre DNA ist nicht durchgängig doppelsträngig. Abschnittsweise
liegt sie einzelsträngig vor. Nach einer Infektion erfolgt als Erstes der Lückenschluss über ein
50 Kapitel 3 · DNA-Replikation

H-Ring
L-Ring D-Loop
or
iC

42
3
oriC

. Abb. 3.9  Asymmetrische Replikation in Mitochondrien über eine D-Schleife

RNA-Zwischenprodukt. Die RT synthetisiert an der RNA einen DNA-Strang. Anders als Retro-
viren integrieren sich Hepadnaviren jedoch nicht in das Kerngenom.

3.8 Replikation des Mitochondrien- und Plastidengenoms

Das Genom von Mitochondrien und Plastiden ist meist zirkulär. Die verantwortliche Polyme-
rase γ ist mit der Polymerase I von Prokaryoten verwandt. Allerdings wird sie vom Kern codiert.
Die Kontrolle der Replikation erfolgt zwar vom Kern aus, aber sie ist nicht an die Replika-
tion der Kern-DNA gekoppelt.
Die Replikation der zirkulären Säuger-mtDNA verläuft nach der gängigen Vorstellung nach
dem Verdrängungsmechanismus, also nicht über die Replikationsgabel. Man spricht auch von
der Verdrängungsreplikation. Die Replikation ist asymmetrisch.
Ausgangspunkt dafür ist ein Abschnitt, in dem die mtDNA dreisträngig vorliegt und eine
sogenannte D-Schleife bildet: Während sich in dem Mitochondriengenom fast durchgehend der
innere Heavy- oder H-Strang und der äußere Light- oder L-Strang komplementär aneinander
lagern, bindet sich an einer Stelle ein RNA-Primer an den H-Strang. Dieser Abschnitt ist der ori.

z Der Ablauf
1. Der Primer verdrängt am ori den L-Strang, sodass dieser von seinem komplementären
Gegenstrang gelöst ist. Daher stammt die Bezeichnung Verdrängungsreplikation oder -
mechanismus und D-Schleife von displacement (. Abb. 3.9).
2. Zunächst dient der H-Strang als Matrize für einen neuen L-Strang.
3. Die Replikation beginnt an dem Primer, er wird zu einem neuen L-Strang verlängert. Der
neue Strang ist komplementär zum H-Strang und verdrängt somit den alten L-Strang mehr
und mehr. Der L-Strang löst sich also weiter von dem H-Strang ab und liegt zunehmend
einzelsträngig vor.
4. Erst nach etwa zwei Dritteln der Replikationsrunde liegt auch der ori des L-Strangs frei,
jetzt synthetisiert eine Primase dazu eine kurze komplementäre RNA, die als Primer dient.
5. Die Polymerase verlängert diesen Primer, sodass sie einen neuen H-Strang herstellt.

In einigen Chloroplasten sieht man auch zwei Verdrängungsschleifen. Auch hier läuft die Rep-
likation asymmetrisch.
51 4

Transkription
4.1 Überblick und Grundbegriffe – 52

4.2 Funktionell gleiche Elemente und Strukturen bei


Bakterien, Archaeen und Eukaryoten – 54
4.2.1 RNA-Polymerase – 54
4.2.2 Regulierende DNA-Elemente (cis-Elemente) – 55
4.2.3 Regulierende Proteine (trans-Faktoren) – 56

4.3 Prinzip der Transkriptionsinitiation – 57

4.4 Initiation bei E. coli – 57


4.4.1 Aufbau der RNA-Polymerase – 57
4.4.2 Aufbau der Promotoren – 59

4.5 Initiation bei Archaeen und Eukaryoten – 60


4.5.1 RNA-Polymerase und Promotoren von Archaeen – 60
4.5.2 Eukaryotische RNA-Polymerasen und ihre Promotoren – 60
4.5.3 Aufbau des Präinitiationskomplexes für die Pol II – 62

4.6 Elongation – 64
4.6.1 Elongation bei E. coli – 64
4.6.2 Elongation bei Archaeen und Eukaryoten – 64

4.7 Termination – 65
4.7.1 Terminaton bei Bakterien – 65
4.7.2 Termination bei Archaeen und Eukaryoten – 66

4.8 Prozessierung von Transkripten – 66


4.8.1 Prozessierung bei Bakterien – 66
4.8.2 Prozessierung bei Eukaryoten – 67

4.9 RNA-Editing – 72

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_4
52 Kapitel 4 · Transkription

z Worum geht es?


Die DNA ist ein Bauplan, sie speichert die Information für den Bau und die Erhaltung eines
Organismus. Damit die Zelle biochemische Prozesse ausführen kann, muss sie die Information
auslesen und nach diesem Plan RNA-Moleküle und Proteine herstellen. Realisiert wird diese
Information durch die Genexpression. Sie umfasst zwei Schritte: Erstens die Transkription – die
Zelle stellt von einem begrenzten DNA-Abschnitt eine Abschrift aus komplementärer RNA her.
Zweitens die Translation – die RNA-Sequenz wird in ein Protein übersetzt (s. 7 Kap. 5). Auch die
Transkription ist ein Vorgang, der bei Bakterien, Archaeen und Eukaryoten nach einem Grund-
4 schema gleich abläuft, aber jeweils Variationen erfährt. Im Vergleich zur Replikation sind die
Unterscheide zwischen den drei Zelltypen allerdings zahlreicher und markanter.

4.1 Überblick und Grundbegriffe

Bei der Transkription liest die Zelle einen definierten DNA-Abschnitt von einem Startpunkt bis
zu einem Endpunkt ab und stellt dabei nach der Nucleotidfolge eines Strangs eine RNA-Kopie
her (. Abb. 4.1).
55 Das Produkt einer Transkription heißt Transkript.
55 Alle RNAs einer Zelle zusammen bilden das charakteristische Transkriptom.
55 Bei Bakterien unterscheidet es sich je nach Umwelt- und Lebensbedingungen der jewei-
ligen Art.
55 In Säugerzellen beispielsweise unterscheidet sich das Transkriptom der einzelnen Zellen
wie Leber- oder Nervenzellen voneinander.

Man unterteilt auch die Transkription in Initiation, Elongation und Termination (. Abb. 4.1).
Da das Transkriptom je nach Zelltyp und Lebensbedingungen charakteristisch ist, wendet
die Zelle mehr Mühe auf die Initiation auf und kontrolliert sie sehr differenziert.

z RNA-Moleküle
Es gibt unterschiedliche Klassen von RNA-Molekülen, die man nach ihrer Funktion einteilt und
benennt.

Initiation Termination
(Transkriptionsstart) (Transkriptionsende)
Stromaufwärts/+ Stromabwärts/–
+1

DNA
Silencer Enhancer Promotor
+ Elongation
(RNA-Polymerase- (RNA-Synthese)
Bindungsstelle)
UTR UTR
5' 3' RNA-Transkript
ATG (Start) UAG (Stop)
Offenes Leseraster

. Abb. 4.1  Grundbegriffe zum Verständnis der Transkription. Enhancer und Silencer sind Regulationselemente,
die vor allem bei Eukaryoten wichtig sind
4.1 · Überblick und Grundbegriffe
53 4
55 Messenger-RNAs (mRNAs) enthalten die Information für die Herstellung von Proteinen,
sie werden nach der Transkription translatiert.
44Eine mRNA ist dabei länger als der Bereich, der in ein Protein übersetzt wird. Den
Bereich, der das Protein codiert, nennt man offenen Leserahmen oder offenes Lese­
raster (ORF, open reading frame).
44Zwei kurze untranslatierte Abschnitte (UTR, untranslated region) flankieren den ORF
am 5′- und am 3′Ende.
44Die mRNA von Prokaryoten enthält oft hintereinander die Information für die Trans-
lation mehrerer Proteine, man nennt sie polycistronische RNA.
44Bei Eukaryoten kommen demgegenüber fast nur monocistronische RNAs vor, welche
die Information für ein einziges Protein bereithalten.
55 An die Synthese der ribosomalen RNAs (rRNA) und der Transfer-RNAs (tRNA) schließt sich
keine Translation an.
44Die rRNAs bauen zusammen mit Proteinen die Ribosomen auf, die Orte der
Translation.
44Die tRNAs führen während der Translation die Aminosäuren zum Ribosom.
55 In den vergangenen Jahren haben Genetiker zudem einen Zoo verschiedener kleinerer
RNA-Moleküle zusammengestellt. Diese RNAs regulieren die Genaktivität oder helfen
mit, die anderen RNAs zu bearbeiten.
44Mikro- oder miRNAs wirken über einen speziellen Mechanismus, die RNA-Interferenz
(RNAi), an der Regulierung der Genaktivität mit.
44Small interfering oder siRNAs sind verwandt mit den miRNAs und erfüllen ähnliche
Funktionen.
44Guide- oder gRNAs dirigieren Prozesse, beispielsweise beim Editing.
44Small nucleolar oder snoRNAs wirken an der Prozessierung und Modifikation anderer
RNAs mit und bilden zusammen mit Proteinen die snoRNP: small nucleolar ribonucleo-
protein particles.
44Small nuclear oder snRNAs wirken beim Spleißen (oder Splicen) mit und bilden
zusammen mit Proteinen die small nuclear ribonucleoprotein particles. Diese werden
gerne auch als „snurps“ bezeichnet.
44Long non-coding oder lncRNAs sind lange nichtcodierende RNAs mit Funktionen für
die Genregulation (siehe 7 Abschn. 8.8.2). Manche Autoren fassen die kurzen (bis 40
Nucleotide) nichtcodierenden RNAs zur Gruppe der short/small non-coding RNAs
(sRNA) zusammen und stellen sie der lncRNA gegenüber.

z Veränderungen an den RNA-Molekülen


Nach der Termination ist eine RNA noch nicht gebrauchsfertig. Insbesondere bei Eukaryoten
wird ein RNA-Molekül während der Transkription (cotranskriptional) und danach (posttran-
skriptional) noch bearbeitet. Dieses Bearbeiten fasst man unter dem Begriff Prozessieren oder
Prozessierung (processing) zusammen (. Abb. 4.2):
55 Dazu gehören Veränderungen am 5′ und am 3′-Ende.
44Das 5′-Ende bekommt eine als Cap bezeichnete Kappe,
44das 3′-Ende einen Poly(A)-Schwanz (poly(A) tail). Das A steht für „Adenin“.
55 Beim Spleißen (Splicing) und auch beim alternativen Spleißen schneiden besondere
Komplexe, die Spleißosomen, Introns genannte Abschnitte heraus und setzen die RNA neu
zusammen.
54 Kapitel 4 · Transkription

5' Intron Exon Intron Exon Intron Exon 3'-Präkursor-mRNA


18S 5,8S 28S

18S 5,8S 28S mRNA

4
18S-rRNA
+ 33 Proteine A P
= 40S-Untereinheit

28S- + 5,8S-rRNA
+ 5S-rRNA
+ 49 Proteine
= 60S-Untereinheit

. Abb. 4.2  Prozessierung der eukaryotischen rRNA für den Aufbau der Ribosomen (nach Buselmaier und
Tariverdian 2007)

55 Beim alternativen Spleißen werden aus einer RNA-Vorlage unterschiedliche mRNA-­


Moleküle für verschiedene Proteine erzeugt.
55 Durch RNA-Editing oder Redigieren werden einzelne Nucleotide in der RNA verändert.

Die eukaryotische proteincodierende RNA ist somit eine direkte Kopie der DNA, die noch nicht
für den Gebrauch fertig ist. Manche Autoren bezeichnen dieses direkte Transkript als hetero-
gene nucleäre RNA (hnRNA).

4.2 Funktionell gleiche Elemente und Strukturen bei Bakterien,


Archaeen und Eukaryoten

4.2.1 RNA-Polymerase

Das entscheidende Enzym ist wie schon bei der Replikation eine Polymerase, die DNA-­abhängige
RNA-Polymerase, meist nur RNA-Polymerase genannt. E. coli besitzt nur eine RNA-Polymerase,
eukaryotische Zellen haben drei verschiedene.

z Eigenschaften der RNA-Polymerase:


55 Sie liest die DNA von 3′ nach 5′ ab,
55 synthetisiert die RNA von 5′nach 3′,
55 benötigt keine Primer,
55 verwendet die Nucleosidtriphosphate ATP, CTP und GTP, aber UTP anstelle von TTP,
55 besitzt keine Nucleasefunktion, sie baut daher mehr Fehler ein,
55 stellt nur zu einem definierten Abschnitt von einem DNA-Strang die komplementäre
RNA her.
4.2 · Funktionell gleiche Elemente und Strukturen bei Bakterien
55 4
Für den abgelesenen DNA-Strang existieren mehrere Namen: Matrizenstrang, Template, Gegen-
sinnstrang oder codogener Strang.
Der gegenüberliegende Strang entspricht in seiner Nucleotidabfolge der entstehenden RNA-
Sequenz, wobei anstelle von Thymin die Base Uracil steht. Er heißt codierender Strang, Nicht-
matrizenstrang oder Sinnstrang.
Beide Stränge der DNA können grundsätzlich als codogener Strang dienen. Welches jeweils
der codogene Strang ist, kann von Gen zu Gen wechseln.
Die Fehlerrate der Transkription ist höher als bei der Replikation. Für die Zelle ergibt
sich daraus kein größerer Schaden, weil die Fehler nicht gespeichert werden. Die Zelle über-
wacht die korrekte Transkription (RNA-Überwachung oder surveillance) und hat mehrere
Mechanismen zur Verfügung, um mRNAs abzubauen. Zudem kann die RNA-Polymerase
ein Gen mehrfach transkribieren, und sie macht den gleichen Fehler höchstwahrscheinlich
kein zweites Mal.

4.2.2 Regulierende DNA-Elemente (cis-Elemente)

Die Lage von DNA-Abschnitten wird im Zusammenhang mit der Transkription relativ zur ersten
Base angegeben, die in RNA umgesetzt wird.
55 Dieses Nucleotid selbst erhält als Transkriptionsstart die Nummer +1. Eine Nummer 0
gibt es nicht. Alle folgenden Nucleotide werden der Reihe nach durchnummeriert. Man
sagt, sie liegen stromabwärts. Der offene Leserahmen kann sich bis zu mehrere Hundert
Nucleotide stromabwärts befinden.
55 Nucleotide, die vor dem Transkriptionstart und damit stromaufwärts liegen, erhalten
negative Nummern. Die Nummern steigen mit der Entfernung vom Startnucleotid an.

Verschiedene DNA-Elemente ermöglichen die Transkription oder beeinflussen sie:


55 Ein bestimmter DNA-Abschnitt ist für die Initiation der Transkription verantwortlich.
Er fördert die Transkription (engl. promote) und heißt daher Promotor oder
Promoter.
55 Bei Bakterien ist der Promotor die Erkennungssequenz für die RNA-Polymerase. Zwar
unterscheiden sich die Promotoren von Art zu Art und auch innerhalb einer Art vonein-
ander, aber sie bestehen alle aus vergleichbaren kurzen Boxen oder Abschnitten vor dem
eigentlichen Transkriptionsstart.
55 Bei Eukaryoten sehen Promotoren nicht so einheitlich aus, oft kommen mehrere Promo-
torelemente zusammen, sodass es einen basalen oder Core-Promotor gibt, der zwar allein
ausreichend, aber nicht sehr effektiv ist. DNA-Abschnitte stromaufwärts oder stromab-
wärts ergänzen ihn.
55 Bei Eukaryoten wirken an der Regulation der Initiation DNA-Sequenzen mit, die weit weg
vom Genort liegen können.
44Enhancer verbessern oder verstärken die Transkription,
44Silencer unterdrücken sie.
55 Dabei gilt, dass beispielsweise ein Enhancer auch mehrere Gene beeinflussen kann
(. Abb. 4.1 und 4.3).
55 Die Transkription endet, wenn die RNA-Polymerase auf ein Terminationssignal trifft.
56 Kapitel 4 · Transkription

. Abb. 4.3  Regulation des Transkriptionsstarts bei Eukaryoten durch mehrere Faktoren (nach Buselmaier und
Tariverdian 2007)

4.2.3 Regulierende Proteine (trans-Faktoren)

Auch Proteine spielen eine erhebliche Rolle bei der Transkription. Für die Transkription sind
sowohl DNA- als auch RNA-bindende Proteine wichtig. Letztere führen zusammen mit RNA-
Molekülen beispielsweise das Spleißen und das Editing aus.

z Nichtspezifische DNA-bindende Proteine


Dazu gehören die Verpackungsproteine der DNA, also die Histone der Eukaryoten und die Nuc-
leoidproteine der Bakterien.
Besonders Histone stellen eine Hürde für die Genaktivierung dar. Da sie die DNA verpa-
cken, ist die Helix für spezifische DNA-bindende Proteine (. Abb. 4.3) nicht mehr zugänglich
und ruht.

z Spezifische DNA-bindende Proteine


Sie haben eine bestimmte Ziel- oder Erkennungssequenz, an die sie sich heften. Auch die RNA-
Polymerase fällt in diese Gruppe.
Da das Transkriptom einer Zelle die Lebens- und Umweltbedingungen widerspiegelt, nutzt
die Zelle Proteine, die Informationen aufnehmen und letztlich die Transkription aktivieren oder
deaktivieren.
4.4 · Initiation bei E. coli
57 4
55 Bei Eukaryoten unterscheidet man zwei verschiedene Typen von Transkriptionsfaktoren:
44Die generellen Transkriptionsfaktoren binden sich an die jeweilige RNA-Polymerase.
Sie bilden die Grundausstattung für eine allgemeine oder basale Transkription.
44Die spezifischen Transkriptionsfaktoren aktivieren die Transkription als Antwort auf
ein Signal. Sie werden auch als spezielle oder regulatorische Faktoren bezeichnet. Viele
Signalweiterleitungswege in der Entwicklung werden durch die speziellen Transkrip-
tionsfaktoren erst möglich.
55 Transkriptionsaktivatoren lagern sich an Enhancer an und fördern die Transkription
dadurch.
44Coaktivatoren können sie darin unterstützen.
44Repressoren und Corepressoren bewirken das Gegenteil.
Mit der Bindung der Proteine an die DNA und untereinander geht eine Krümmung oder ein
Biegen der DNA einher.

4.3 Prinzip der Transkriptionsinitiation

In allen Zelltypen lassen sich vier Phasen der Transkriptionsinitiation erkennen:


1. Die RNA-Polymerase heftet sich an die DNA und gleitet auf ihr entlang bis zu einem
Promotor.
2. Sie erkennt den Promotor und bleibt dort stehen, eventuell unterstützen Hilfsproteine sie
dabei. Damit bildet sie den geschlossenen Promotorkomplex (. Abb. 4.4).
3. Die Polymerase öffnet die Doppelhelix über einen Abschnitt von etwa zwei Windungen,
der den Transkriptionsstart +1 enthält. Jetzt liegt der offene Promotorkomplex vor. Die
Polymerase hat ihre Konformation verändert und beginnt mit der Transkription.
4. Die Polymerase bewegt sich voran und verlässt den Promotor (Promotorfreigabe oder
promotor clearance). Oft sind dafür mehrere Anläufe nötig. Lässt die Polymerase den
Promotor dann hinter sich, geht die Inititation in die Elongation über.

4.4 Initiation bei E. coli

4.4.1 Aufbau der RNA-Polymerase

Escherichia coli besitzt eine RNA-Polymerase aus fünf Untereinheiten: α, β, β′, σ und ω (alpha,
beta, beta′, sigma und omega). In dieser Zusammensetzung spricht man vom Holoenzym. Die
enzymatisch entscheidende Einheit ist β, α ist zweifach vorhanden.
Der σ-Faktor (Sigma-Faktor) ist wichtig, um den Promotor zu erkennen. Nach der Initiation
löst er sich aus dem Komplex (. Abb. 4.4).
Ohne σ-Faktor liegt das Core-Enzym vor und führt die Elongation aus. Die Untereinheiten
β und β′ sind eng verwandt mit Untereinheiten des eukaryotischen Enzyms und haben Kernauf-
gaben wie die Bindung von Nucleotid und DNA.
Insgesamt sind die Unterschiede zwischen bakterieller und eukaryotischer Polymerase groß
genug, dass man zur Bekämpung bakterieller Infektionen Antibiotika einsetzen kann, welche
die Polymerase hemmen.
Beispiele: Rifampicin (aus der Klasse der Rifamycine), Streptolydigin.
58 Kapitel 4 · Transkription

RNA-Polymerase

Core-Promotor
σ
5' 3'
3' 5'

4
5' 3'
3' 5'

Geschlossener Promotorkomplex

5' 3'
3' 5'

Offener Promotorkomplex
+ A TP/GTP

5' 3'
3' 5'

Synthese abortiver Initialtranskriptionskomplex


RNA-Moleküle
ATP
+ GT P σ
CTP
UT P
Beginn der Elongationsphase

5' 3'
3'
3' 5'

5' Elongationskomplex

. Abb. 4.4  Transkriptionsstart mit dem Ablösen des σ-Faktors aus der RNA-Polymerase
4.4 · Initiation bei E. coli
59 4
4.4.2 Aufbau der Promotoren

Promotoren enthalten zwei signifikante Abschnitte, die Grundelemente:


55 Für den Transkriptionsstart muss die DNA geöffnet werden. Das ist umso leichter möglich,
je mehr A und T vorkommen. So hat man eine AT-reiche Sequenz um −10 herum identi-
fiziert: die TATA- oder Pribnow-Box (manche Autoren verwenden „TATA-Box“ nur für
Eukaryoten, „Pribnow-Box“ nur für Bakterien).
55 Bei −35 liegen sechs Nucleotide, an die sich der σ-Faktor bindet. Hier erkennt der σ-Faktor
den Promotor.
55 Diese Grundelemente sind durch ein Zwischenstück von 15 bis 18 Nucleotiden getrennt.

Im Detail unterscheiden sich Promotorsequenzen sowohl von Genen verschiedener Bakterien


als auch die von Genen innerhalb einer Art wie E. coli. Ihnen allen ist aber der grundsätzliche
Aufbau gemeinsam.
55 Durch den Vergleich kann man eine Art ideale Sequenz erstellen, die in dieser Abfolge
vielleicht nicht vorkommt, die aber angibt, welches Nucleotid an den Positionen am
häufigsten ist.
55 Man nennt sie Consensussequenz. Je mehr ein tatsächlicher Promotor der idealen
Consensussequenz ähnelt, desto besser bindet sich der σ-Faktor daran. Seine Affinität ist
also höher.
55 Auf dieser Grundlage unterscheidet man starke von schwachen Promotoren.

Um Gene abgestimmt auf Umwelt- und Lebensbedingungen zu transkribieren, nutzen Bakte-


rien verschiedene σ-Faktoren, die jeweils andere Konsensussequenzen erkennen (. Abb. 4.5).
55 Der Standardfaktor für die durchschnittliche Lebenslage bei E. coli ist σ70.
55 Auf besondere Situationen wie einen Hitzeschock oder Nahrungsstress reagiert das
Bakterium, indem es mittels anderer σ-Faktoren andere Promotoren erkennt und die Gene
anschaltet.

Core-Promotor-Sequenzen –35-Region –10-Region


(Pribnow-Box) +1
17 Nucleotide 6 Nucleotide
lac-Operon 5' TTTACA TATGAT
+1
17 Nucleotide 7 Nucleotide
trp-Operon 5' T T GA C A TTAACT
+1
16 Nucleotide 7 Nucleotide
tRNATyr 5' TTTACA TATGAT
+1
16 Nucleotide 7 Nucleotide
a recA 5' T T GA T A TATAAT

Consensussequenzen

UP-Element +1
–59 –38 –35 15–18 Nucleotide –10 6–7 Nucleotide
5' NNAAA AA T A T T T T NNNA A A NNN T T GA C A TATAAT
TT T

b Core-Promotor

. Abb. 4.5  Verschiedene Promotoren bei E. coli (a) und die Consensussequenz (b)
60 Kapitel 4 · Transkription

Der DNA-Abschnitt von −40 bis zum Transkriptionsstart +1 gilt als Core-Promotor. Weitere
stromaufwärts liegende Elemente unterstützen ihn und verstärken die Promotorwirkung:
55 Bei −50 liegen die upstream-Elemente oder upstream activator sequences (UAS). Sie sind
etwa 20 bp lang und AT-reich. An die up-Elemente bindet sich die α-Untereinheit der
Polymerase.
55 Stromaufwärts liegen möglicherweise FIS-Bindungsstellen für den Stimulatonsfaktor FIS,
factor for inversion stimulation, der die Promotionswirkung noch weiter erhöht. So ergeben
sich besonders starke Promotoren, wie sie vor den rRNA-Operons von E. coli liegen.
4 Starke Promotoren vor den rRNA-Genen sind sinnvoll, denn die Gene müssen sehr häufig
transkribiert werden, sonst beschränken sie die Proteinsynthese.

4.5 Initiation bei Archaeen und Eukaryoten

4.5.1 RNA-Polymerase und Promotoren von Archaeen

Wie Bakterien haben Archaeen einen einzigen Typ von Polymerase. Sie ist verwandt mit der
bakteriellen und den eukaryotischen Polymerasen und besteht aus mehr als zehn Untereinhei-
ten. Mit den Eukarya haben sie gemeinsam, dass nicht die Polymerase den Promotor erkennt.
Die Funktion des bakteriellen σ-Faktors ist ausgelagert auf externe Proteine. Diese Faktoren
kommen zusammen, binden sich an die DNA und schaffen damit erst die Arbeitsbühne für die
Polymerase.
Promotoren von Archaeen sind noch nicht so gut untersucht. Als wichtige Merkmale gelten:
55 Promotoren besitzen eine TATA-Box bei −25 bis −30.
55 Der Transkriptionsstart liegt innerhalb eines Initiatorelements.
55 Die TATA-Box ist die Zielsequenz für das TATA-Box-bindende Protein, aTBP. Es ist
verwandt mit dem eukaryotischen TBP, „a“ steht für archaeal.
55 Stromaufwärts von der TATA-Box liegt ein DNA-Abschnitt, an den sich ein weiterer
Transkriptionsfaktor heftet: TFB. Dementsprechend heißt das DNA-Motiv TFB response
element.
55 Optional kann ein weiterer Transkriptionsfaktor, TFE, die Initiation fördern. Er kommt bei
schwachen Promotoren zum Einsatz.

4.5.2 Eukaryotische RNA-Polymerasen und ihre Promotoren

Die Initiation bei Eukaryoten ist komplexer und gestattet feinere Differenzierungen als bei Pro-
karyoten. Diese größere Variabilität ist an mehreren Umständen sichtbar:
55 Fünf RNA-Polymerasen I bis V transkribieren jeweils ihnen zugeordnete Gene.
55 Die Promotorsequenzen zeigen mehr Variationen und werden ergänzt um weitere
regulatorische Sequenzen.
55 Es gibt eine Vielfalt und Differenzierung an weiteren Faktoren wie Transkriptionsfaktoren
und Aktivatoren.

Die RNA-Polymerasen IV und V transkribieren siRNAs bei Pflanzen.


Dieser Abschnitt behandelt die RNA-Polymerasen I bis III, ihre Gene und die Promotoren,
an die sich die Enzyme binden.
4.5 · Initiation bei Archaeen und Eukaryoten
61 4
z RNA-Polymerase I
Die RNA-Polymerase I besteht aus 14 Untereinheiten.
Sie transkribiert eine Prä-rRNA, aus der die 5,8S-rRNA, 18S-rRNA und 28S-rRNA hervorge-
hen. In einem Spacer-Abschnitt der DNA liegt zudem ein Promotor für eine regulatorische pRNA.
55 Die Promotoren für die Polymerase I liegen zwischen den geclusterten rRNA-Genen in
intergenen Spacern.
55 Die Polymerase benötigt keine TATA-Box.
55 Der Core-Promotor reicht von −50 bis +20 (die Angaben schwanken in der Literatur) und
enthält ein AT-reiches ribosomales Initiatorelement (ribosomaler Initiator, rInr).
55 Stromaufwärts liegende Elemente (upstream control elements oder upstream promoter
elements) unterstützen die Promotorwirkung.

Die Synthese und Prozessierung der rRNAs erfolgt konzentriert in bestimmten Zentren des
Zellkerns, den Nucleoli.

z RNA-Polymerase II
Das Enzym setzt sich aus zwölf Untereinheiten zusammen.
Es transkribiert proteincodierende Gene, lncRNAs und miRNAs. Es ist der Angriffspunkt für
das Gift σ-Amanitin aus dem Grünen Knollenblätterpilz.
Promotoren für die RNA-Polymerase II ähneln am meisten den bisher bekannten bakteriellen
Promotoren. Den Abschnitt von −35 bis +25 betrachtet man als Core-Promotor. Dazu kommen
stromaufwärts oder stromabwärts weitere Promotor-Elemente, sodass sich der Promotor aus-
dehnt bis −200. Für die Region von −200 bis zum Core-Promotor findet man auch die Bezeich-
nung proximaler Promotor.
Folgende Elemente bauen die Promotoren auf:
55 Bei −30 liegt eine TATA-Box, sie ist aber nicht zwingend vorhanden. Beim Menschen
kommt sie in etwa einem Drittel der Promotoren vor. Der Abschnitt ähnelt der bakteriellen
−35- bis −10-Region.
55 Nicht weit von der TATA-Box liegt stromaufwärts oder stromabwärts ein TFIIB recognition
element (BRE): BREu (upstream) bzw. BREd (downstream). Es arbeitet gewissermaßen als
Verlängerung der TATA-Box. Ein BRE unterstützt die Bindung der generellen Transkrip-
tionsfaktoren TFIIB und TFIID.
55 Ein pyrimidinreiches Initiatorelement (Inr-Element) kann hinzutreten, braucht aber
ebenfalls nicht vorzuliegen. Es umfasst wie bei Archaea das Startnucleotid +1. Dieses liegt
wenige bp bis mehrere Hundert bp vor dem späteren Translationsstart und gegenüber von
einem Adenin.
55 Ein motif ten element (MTF) stromabwärts von +1 unterstützt den Initiator und fördert die
Initiation.
55 Weiter stromabwärts findet man das downstream promotor element (DPE), etwa im
Bereich von +28 bis +32, vor allem in Promotoren ohne TATA-Box.

Die Elemente sind nicht sehr hoch konserviert, deswegen weisen Consensussequenzen mehrere
variable Stellen aus.
Weitere Regulationselemente für die spezifische Regulation treten proximal oder distal
hinzu. Sie dienen als Zielsequenzen für spezifische Transkriptionsfaktoren, sowohl für Aktiva-
toren als auch für Repressoren. Oft wirken mehrere Elemente mit ihren DNA-bindenden Pro-
teinen zusammen.
62 Kapitel 4 · Transkription

Die Vermittlung oder Koordination erfolgt hierbei über den Mediator, einen Komplex aus
rund 30 Proteinen. Man könnte ihn als Relais- oder Schaltstelle ansehen, weil er eine Brücke dar-
stellt zwischen der RNA-Polymerase II und den Transkriptionsfaktoren. Er nimmt die Informa-
tion von den Nicht-Promotor-Regulationselementen auf und leitet sie an die RNA-Polymerase
weiter. Beispiele: Kernhormonrezeptoren, Tumorsuppressorprotein p53.
55 Proximale Regulationselemente:
44Proximal und (oft) stromaufwärts liegen Response-Elemente.
44Mit Response-Elementen antwortet eine Zelle auf Signale.
4 44Sie sind die Bindungsstelle für regulatorische Transkriptionsfaktoren. Diese werden
z. B. über die Signaltransduktion aktiviert.
44Beispiel: das cAMP-Response-Element (CRE), daran binden sich das CRE-bindende
Protein (CREB) und weitere Faktoren.
55 Distale Regulationselemente:
44Zu den distalen Elementen gehören Enhancer und Silencer. Sie sind wichtig für
Differenzierungen und bei der Embroynalentwicklung.
44Sie können bis 100 kb entfernt vom Promotor und stromaufwärts oder stromabwärts
liegen, sogar in Introns.
55 Sie dienen als Bindungsstellen für Aktivatoren, Repressoren oder Isolatoren, die alle mit
generellen Transkriptionsfaktoren wechselwirken.
44Isolatoren oder Isolatorelemente wirken wie Platzanweiser: Sie weisen den Enhancern
oder Silencern gezielt bestimmte Promotoren zu, damit diese über die große Entfernung
nicht wahllos irgendeinen Promotor aktivieren.
44Der CCCTC-bindende Faktor (CTCF) heftet sich an die Isolatoren.

An der Ausbildung des Initiationskomplexes beteiligen sich derart viele Faktoren, dass eine
Gesamtstruktur vom Ausmaß der Ribosomen entsteht. Nicht zuletzt die Chromatinstruktur
wirkt entscheidend mit, wenn die DNA gebogen wird. Gelegentlich liest man dafür den Begriff
Transkriptosom.

z RNA-Polymerase III
Die RNA-Polymerase III ist aus 17 Untereinheiten aufgebaut.
Sie synthetisiert tRNAs, die 5S-rRNA und kleinere RNAs (U6-snRNA, 7SL-RNA).
Die Promotoren für die Polymerase III unterteilt man in drei Gruppen.
55 Die Promotoren können jeweils eine TATA-Box enthalten.
55 In den Promotor-Typen I und II liegen regulierende Elemente innerhalb der codierenden
Sequenz.
55 Typ I enthält Box A und C mit Intermediärelement,
55 Typ II enthält Box A und B.
55 An die Boxen binden sich Transkriptionsfaktoren.
55 In Typ III kommt zu einer echten TATA-Box noch ein upstream element.

4.5.3 Aufbau des Präinitiationskomplexes für die Pol II

Die Aufgabe der RNA-Polymerase bei Eukaryoten ist nur die Synthese der RNA.
Die Erkennung des Promotors ist ausgelagert. Die Funktion des σ-Faktors übernehmen
mehrere einzelne Proteine, die in ihrem Zusammenspiel die sehr feine Regulation ermöglichen.
Sie schaffen eine Arbeitsgrundlage für die RNA-Polymerase.
4.5 · Initiation bei Archaeen und Eukaryoten
63 4
Jede Polymerase benötigt ihre eigenen Faktoren. Die Zuordnung spiegelt sich in dem Namen
wider: Die sieben allgemeinen oder generellen Transkriptionsfaktoren der Polymerase II heißen
TFIIA, B, D, E, F, H und S (spezielle Transkriptionsfaktoren: s. 7 Abschn. 7.3). Sie verfügen über
eine DNA-Bindungsdomäne und können die Promotor-Elemente (TATA-Box, Inr, BRE, DPE)
erkennen.
Der Präinitiationskomplex wird schrittweise gebildet:
1. Der Aufbau beginnt mit dem TFIID, einem Komplex aus dem TATA-Box-bindendem
Protein (TBP) und 14 TBP-assoziierten Faktoren, TAFs.
44Das TBP enthält eine spezifische Domäne, um die TATA-Box zu erkennen und sich an
den Promotor zu binden. Funktionell entspricht es somit dem bakteriellen σ-Faktor.
TBP errichtet buchstäblich eine Art Grundlage oder Plattform für weitere Faktoren.
Als Charakterisierung des TBP sagt man gern, es sitze wie ein „Sattel“ auf der DNA. Es
kommt auch in den Transkriptionsfaktoren der Polymerasen I und III vor.
44Die TAFs unterstützen die TBP-Bindung an die TATA-Box und wirken als Coaktiva-
toren. Ist kein TATA-Element vorhanden, erkennen sie einen Inr oder ein DPE und
heften sich daran. Die TAFs sind die kommunizierenden Elemente. TAF1 hat besondere
Enzymfunktionen für die Modulation an den Histonen: Acetylierung von H3 und H4,
Phosphorylierung von H2B, Ubiquitinierung von H1.
44Ist weder eine TATA-Box vorhanden noch ein Inr-Element, springen (Transkriptions-)
Aktivatoren ein, um Motive wie GC-Boxen (GGGCGG) zu erkennen oder andere kurze
Sequenzen.
2. Nacheinander treten nun die sieben TFII-Proteine hinzu und bilden den Präinitiations-
komplex aus.
44TFIIA und B stabilisieren TFIID.
Das TBP biegt die DNA so weit, dass TFIIB einen besseren Zugang zur DNA bekommt.
TFIIB legt den Transkriptionsstart fest.
44TFIIH hat Helikasefunktion und öffnet die DNA.
Mit dieser Eigenschaft ist es auch wichtig für die DNA-Reparatur
(Nucleotidexzisionsreparatur).
Fehler in den TFIIH-Untereinheiten XPB und XPD verursachen das erbliche Cockay-
ne-Syndrom und Xeroderma pigmentosum (7 Abschn. 11.6.3).
Zudem ist TFIIH eine Kinase und phosphoryliert einen Abschnitt der größten Unter-
einheit der Polymerase II. Dieser Abschnitt der Polymerase liegt am C-Terminus
und heißt carboxyterminale Domäne (CTD). Er ist bei Säugern ein Motiv aus sieben
Aminosäuren – Tyr-Ser-Pro-Thr-Ser-Pro-Ser – und kommt 52-mal vor. Zwei Serinreste
können jeweils phosphoryliert werden. Diese Phosphorylierung ist entscheidend für die
Aktivierung des Inititationskomplexes.
44TFIIH tritt außerdem in Wechselwirkung mit regulatorischen Transkriptionsfaktoren
wie p53 oder E2F, wirkt somit als Cofaktor.
44Der Mediator kann TFIIH unterstützen und so den Transkriptionsstart nochmals
stimulieren. Der Mediatorkomplex gehört zu den Coaktivatoren oder -faktoren.
3. Die beteiligten Faktoren haben die Polymerase positioniert und gewissermaßen eingespannt.
Durch die geballte Phosphorylierung, als Hyperphosphorylierung bezeichnet, löst der Initia-
tionskomplex die Blockade, und die Polymerase beginnt mit der Transkription. Wie bei der
bakteriellen Initiation markiert erst die Promotor-Clearance den Übergang in die Elongation.

Die Arbeitsbühne wird anschließend nicht komplett abgebaut. Die Faktoren TFIID, A und H
bleiben installiert. So kann die Zelle schneller eine erneute Transkription starten.
64 Kapitel 4 · Transkription

z Wirkung von Repressoren


Beispiele: Die Hefeproteine Mot1 und NC2 binden sich beide an das TBP. Mot1 führt zur Ablö-
sung des TBP von der DNA, NC2 verhindert den Einbau von TFIIA und B und somit den Aufbau
des Präinitiationskomplexes.

4.6 Elongation

4 4.6.1 Elongation bei E.coli

Nach neun bis elf Nucleotiden ist der Elongationskomplex bei E. coli stabil.
55 Er überspannt die Transkriptionsblase (Transkriptionsauge) von 12–14 bp, wo die DNA
geöffnet vorliegt und wo sich die neue RNA mit der DNA paart.
55 Der Abschnitt, den die RNA-Polymerase abdeckt, ist etwa 30 bp lang.
55 Die RNA tritt durch einen eigenen Kanal aus dem Enzym heraus.

Da die RNA-Polymerase immer wieder pausiert, kann man die durchschnittliche Geschwindig-
keit nur grob mit bis zu 80 Nucleotiden pro Sekunde angeben.
Ein Grund für das Pausieren kann der Einbau eines falschen Nucleotids sein. Das Enzym
läuft dann zurück (backtracking):
1. Das 3′-Ende löst sich von der DNA.
2. Es rutscht in einen zweiten Ausgangskanal hinein und blockiert die Polymerase vollends.
3. Als Pannenhelfer greifen GreA und GreB ein. Man bezeichnet sie auch als Elongations-
faktoren oder Spaltungsfaktoren. Sie dringen in den zweiten Kanal ein, aktivieren die
Polymerase, und das 3′-Ende des Transkripts wird abgespalten.
4. Die Polymerase kann die Synthese fortsetzen.

4.6.2 Elongation bei Archaeen und Eukaryoten

Auch bei Archaeen und Eukaryoten geht die Initiation erst nach einigen Nucleotiden in die Elon-
gation über. Ebenso stoppt die RNA-Synthese immer wieder. Dem bakteriellen GreA und GreB
entspricht bei Archaaen ein Elongationsfaktor TFS. Bei Eukaryoten ist das Pausieren nach etwa
30 Nucleotiden indes notwendig, um die 5′-Cap anzuhängen.
Während die Synthese bakterieller Transkripte nach Minuten beendet ist, dauert beispiels-
weise die Synthese der Prä-mRNA des menschlichen Dystrophingens 16 h.
Hinzu kommt die besondere Chromatinstruktur: Die DNA ist um die Nucleosomen gewi-
ckelt. Die Transkription erfordert also weitere Faktoren:
55 positive und negative Faktoren,
55 Faktoren, welche die Assoziierung mit den Histonen lösen.
Beispiele:
44TFIIS entspricht bei Säugern den bakteriellen GreA und B. Er hilft bei der Überwindung
des Pausierens und spaltet die RNA.
44Elongin C (eine Proteinuntereinheit des TFIIB) gehört zu den „Muntermachern“ und
aktiviert die Polymerase.
44P-TEFb (positive transcription elongation factor b) ist ebenfalls ein positiver Faktor. Er
phosphoryliert negative Faktoren wie NELF (negative elongation factor). Unphospho­
ryliert fördert NELF das Pausieren der Polymerase.
4.7 · Termination
65 4
44Der Faktor CSB ist auch an der DNA-Reparatur beteiligt. Mutationen in dem Gen für
CSB führen beim Menschen zum Cockayne-Syndrom.
44FACT ist bei Säugern ein Elongationsfaktor (facilitates chromatin transcription), der mit
den Histonen H2A und H2B interagiert.

4.7 Termination

4.7.1 Terminaton bei Bakterien

Bei Bakterien unterscheidet man zwei Mechanismen zur Beendigung der Transkription.

z Rho-unabhängiger Mechanismus
Dieser wird auch als intrinsische Termination bezeichnet (. Abb. 4.6a)

DNA 5' 3'


5' 3' 3' 5'
3' CGGCGGT C GACCGCCG UUUUUUUUUUU 5'
AAAAAAAAAAA
GC

5'
CG

RNA-Polymerase RNA-Polymerase
GG
CU

Labile Hybridhelix mRNA


5'
G
A
CC

GC-reiche, palindrome Sequenz


CG
GC

mRNA

5' 3'
3' 5'

5' 3'
5'
3' CGGCGGT C GACCGCCG UUUUUUUUUUU 5'
AAAAAAAAAAA

G C
C G ATP ADP + Pi
C G
5' G C
C G
C G
A U
G C
Terminationsschleife 5' 3'
3' 5'

5'

5' 3'
3' CGGCGGT C GACCGCCG AAAAAAAAAAA 5'
5' 3'
UUUUUUUUUUU 3' 3' 5'
G C
C G 3'
C G 5'
5' G C
C G
C G
A U
G C

a b

. Abb. 4.6  Termination: rho-unabhängig (a) und rho-abhängig (b)


66 Kapitel 4 · Transkription

Hier ist ein DNA-Motiv wesentlich. Das auslösende Sequenzmotiv ist ein GC-reiches Palin-
drom, an das sich Adeninreste anschließen.
1. Der schwache Zusammenhalt zwischen den Uracilresten der RNA und den Adeninresten
der DNA bewirkt, dass die Polymerase pausiert.
2. Guanine und Cytosine innerhalb des RNA-Einzelstrangs gehen Wasserstoffbrücken-
bindungen ein und bilden einen internen Doppelstrangabschnitt, der Haarnadelstruktur
oder kurz Haarnadel, hairpin oder stem-loop genannt wird.
3. Die Haarnadel zieht förmlich die RNA aus dem Elongationskomplex und beendet die
4 Transkription.
4. Antiterminatoren stabilisieren den U-A-Doppelstrangabschnitt, die Polymerase pausiert
nicht mehr und die Haarnadel kann sich nicht ausbilden. Beispiel: Protein Q des Phagen λ.

z Rho-Faktor-abhängige Termination (. Abb. 4.6b)


Namensgebend ist das Proteinhexamer Rho (ρ). Es heftet sich an sogenannte rut-Stellen der tran-
skribierten RNA (rho-utilization sites). Unter ATP-Verbrauch bewegt sich das ρ-Hexamer auf die
Polymerase zu. Hat die Polymerase angehalten, kann ρ sie einholen. Mit seiner Helikasefunktion
trennt das Hexamer die RNA von der DNA.

4.7.2 Termination bei Archaeen und Eukaryoten

Auch Archaeen nutzen für die Termination Palindromstrukturen und wohl auch
Terminationsfaktoren.
Bei Eukaryoten erfolgt die Termination bei den drei Polymerasen unterschiedlich:
55 Die Polymerase I wird von dem Transkriptionsterminationsfaktor, TTFI, gestoppt. Er
blockiert die Polymerase, und der Elongationskomplex löst sich auf.
55 Die Polymerase III erkennt ein Terminationssignal der DNA.
55 Die Termination der Transkription durch die Polymerase II ist verknüpft mit der Polyade-
nylierung (s. u.). Hat die Polymerase II das Signal für die Polyadenylierung transkribiert,
läuft sie noch weiter, während Proteine das Signal erkennen, die RNA schneiden und
polyadenylieren.

4.8 Prozessierung von Transkripten

Sowohl Pro- als auch Eukaryoten bearbeiten ihre RNA-Moleküle während und/oder nach der
Transkription, sodass aus den Prä-RNAs reife RNAs werden.

4.8.1 Prozessierung bei Bakterien

z Prozessierung von rRNAs und tRNAs und Editing von rRNAs


Sieben rrn-Operons kommen bei E. coli vor. Sie enthalten die DNA für die (in dieser Reihenfolge)
16S-, 23S- und 5S-rRNA und dazwischen tRNA-Gene. Weitere tRNA-Gene liegen einzeln oder
geclustert verstreut im Genom.
RNasen trennen die Transkriptabschnitte voneinander:
4.8 · Prozessierung von Transkripten
67 4
1. Die RNA-Polymerase stellt zunächst ein großes Primärtranskript her. Es umfasst die
Gene für die rRNAs und tRNAs. Spacer-Sequenzen liegen zwischen den späteren, reifen
RNA-Molekülen.
2. In diesem Primärtranskript bilden die Abschnitte für die rRNAs jeweils Haarnadeln, die
tRNAs bilden schon ihre charakteristischen Kleeblätter aus.
3. Mehrere RNasen (RNase III, E, P, D) setzen an diesen Sekundärstrukturen an und
schneiden die rRNAs und tRNAs heraus, zerschneiden die Prä-tRNAs und trimmen sie
zurecht.

Einzelne Nucleotide der Prä-rRNAs werden beim RNA-Editing noch verändert. Dazu gehören
Methylierung, Umwandlung zu Pseudouridin u. a.
Umfangreicher ist das RNA-Editing der Prä-tRNAs. Ungewöhnliche Basen sind gerade das
Markenzeichen für tRNAs. Hierzu gehören Dihydrouridin oder Inosin. Die Zelle nimmt dazu
Veränderungen vor wie Methylierung, Desaminierung, Isomerisierung der Base, Austausch von
Sauerstoff gegen Schwefel, oder sie tauscht ein ganzes Nucleotid aus.

z Prozessierung vom mRNAs


Mittlerweile kennt man auch aus Bakterien mRNAs mit nichtcodierenden Abschnitten. Da sich
bei Bakterien die Translation direkt an die Transkription anschließt, muss das Herausspleißen
schnell erfolgen. Dies geschieht autokatalytisch aus der RNA, weil es sich um Introns der Gruppe
I (s. u.) handelt.

4.8.2 Prozessierung bei Eukaryoten

Bei Eukaryoten werden die Prä-mRNA-Moleküle am umfangreichsten prozessiert (. Abb. 4.7).


Das reife mRNA-Molekül entsteht durch
55 Capping: Die mRNA erhält eine 5′-Cap.
55 Splicing oder Spleißen: Die Zelle schneidet aus einem RNA-Molekül Introns heraus und
setzt die Exons zusammen.
55 Tailing: Die mRNA bekommt einen Poly(A)-Schwanz am 3′-Ende.

z Capping
Wenn die Polymerase II 25 bis 30 Nucleotide synthetisiert hat, setzen drei Enzyme dem 5′-Ende
der mRNA eine Kappe aus einem 7-Methyl-Guanosin oder m7G auf.
Die ausführenden Enzyme stehen in Kontakt mit der hyperphosphorylierten carboxytermi-
nalen Domäne der Polymerase II, CTD, und sichern somit das Capping direkt nach dem Start.
Die snRNAs bekommen G-Caps mit anderen Methylierungen. Die Cap hat mehrere
Funktionen:
55 Sie schützt vor Nucleaseabbau.
55 Sie gewährleistet die Initiation der Translation und das Spleißen.
55 Sie ist für den Export aus dem Zellkern wichtig.

z Spleißen
Das Spleißen oder Splicing ist ein Vorgang, bei dem die Introns aus RNA-Molekülen entfernt und
die verbleibenden Exons in richtiger Reihenfolge zusammengesetzt werden.
68 Kapitel 4 · Transkription

Promotor- Transkriptions-
Region start
Startcodon Stoppcodon Polyadenylierungs-
(ATG) (TAA/TAG/TGA) signal

5' GT AG GT AG AATAAA …CA … TTT …


DNA Exon1 Intron1 Exon2 Intron2 Exon3

5'UTR 3'UTR
Transkription
4 AUG
Polyadenylierungs-
Stopp signal
RNA
primäres Exon1 GU AG Exon 2 GU AG Exon3 AAUAAA
Transkript 3'UTR
5'UTR Intron1 Intron 2

Capping, Spleißen, Polyadenylierung

AUG Stopp
RNA
7-Methyl-
reifes Exon1 Exon 2 Exon3 AAAAAAA Poly(A)-Schwanz
Guanosin
Transkript
5'UTR 3'UTR

. Abb. 4.7  Transkription und begleitende Prozesse bei Eukaryoten mit Signalsequenzen (nach Schaaf und
Zschocke 2013)

Man charakterisiert Introns als nichtcodierende, Exons als codierende Abschnitte. In einem
Intron kann jedoch ein kleineres Gen lokalisiert sein (. Abb. 4.8).
Die Länge der Introns erreicht bis zu mehrere Tausend bp, Exons sind erheblich kürzer. Bei-
spiele: Die 117 Introns des Typ-VII-Kollagen-Gens (31 kb) machen 72 % des Gesamtgens aus,
die 78 Introns des Dystrophingens (2400 kb) sogar 98 %.
Gespleißt werden die Prä-mRNAs, -tRNAs und -rRNAs im Kern sowie RNAs in Mitochon-
drien und Chloroplasten.
Der Spleißprozess kann einfach oder komplex ablaufen:
55 Im einfachsten Fall arbeitet ein Intron selbstständig oder autokatalytisch, es spleißt sich
selbst heraus.
55 Komplexer ist der Vorgang in sogenannten Spleißosomen. Hier kommen etliche Proteine
und rRNA-Moleküle zusammen. Da beim Spleißen keine Nucleotide verloren gehen
dürfen, muss es so korrekt wie möglich erfolgen. Dazu bilden Consensussequenzen die
Grundlage.

. Abb. 4.8  Im Intron 26 des Gens für Neurofibromatose Typ I liegen drei kleine Gene (nach Buselmaier und
Tariverdian 2007)
4.8 · Prozessierung von Transkripten
69 4
z Das einfache Spleißen
Anhand des Ablaufs unterteilt man mehrere Typen des einfachen Spleißens:
55 Gruppe-I- und Gruppe-II-Introns
44Das Spleißen erfordert keine weiteren Proteine, es erfolgt autokatalytisch.
44Die RNA ist ein Ribozym, eine Ribonucleinsäure, die enzymatisch arbeitet.
44Gruppe-I-Introns kommen in Prä-rRNAs im Zellkern von Einzellern, in RNAs von
Organellen und von Bakterien vor. Das Spleißen benötigt ein externes Guanosin oder
Guanosinphosphat. Es legt sich an die Intron-Exon-Grenze, die 3′-OH-Gruppe greift
ein Phosphoratom an der 5′-Spleißstelle an und trennt Exon und Intron voneinander.
44Gruppe-II-Introns in Organellen und bei Prokaryoten kommen ohne externe Moleküle
aus. Hier übernimmt ein Adenosin mit einer 2′-OH-Gruppe, das sich im Intron
befindet, die Aufgabe des externen angreifenden Guaninnucleotids. Es greift eine Stelle
im Intron an und verknüpft sich zu einem Lasso oder Lariat.
55 Introns von tRNA-Genen
44Das Spleißen basiert auf ATP-abhängigen Ribonucleasereaktionen. Das Enzym besitzt
eine Esterase-, Kinase- und Ligasefunktion, um die Enden letztlich wieder miteinander
zu verknüpfen.
44Diesem Weg ähnelt auch das Spleißen bei Archaeen. Sie besitzen Introns in rRNA- und
tRNA-Genen, die eine Ribonuclease herausschneidet.

z Die Speißosomen
Diese Variante des Spleißens kommt bei den meisten eukaryotischen Genen vor. Wie in Grup-
pe-II-Introns wird dabei ebenfalls ein Lasso gebildet (. Abb. 4.9).
Chemisch gesehen ist der Ablauf in Gruppe-II-Introns und in den Spleißosomen eine zwei-
fache Umesterung.
1. Die 2′-OH-Gruppe des inneren Adenosins greift das Startnucleosid des Introns am
5´-Exon-Intron-Übergang an. Das Adenosin knüpft sich an das Nucleosid, bildet eine
5′-2′-Phosphodiesterbindung, gibt das Exon frei und bildet das Lasso.

Donatorstelle Akzeptorstelle
Branch site
Exon 1 GU A AG Exon 2

Schnitt an der 5'- Exon-Intron-Grenze

Exon 1 GU A AG Exon 2

Lassobildung
UG

Exon 1 A AG Exon 2

Schnitt an der 3'- Exon-Intron-Grenze


UG

Exon 1 Exon 2 A AG

. Abb. 4.9  Vereinfachte Darstellung des Spleißens (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)
70 Kapitel 4 · Transkription

2. Die 3′-OH-Gruppe des letzten Exon-nucleosids greift das Intron an der 3′-Spleißstelle an,
spaltet es heraus und verbindet sich mit dem ersten Nucleosid des nachfolgenden Exons.
Das Lasso fällt heraus.

Das Spleißen mit einem Spleißosom erfüllt mehrere Anforderungen:


55 Der Vorgang muss exakt erfolgen. Ein Fehler an den Exon-Intron-Grenzen oder ein
Spleißen an einer Stelle, die gar kein Exon-Intron-Übergang ist, verändert die nachfol-
gende mRNA und somit die Aminosäuresequenz (s. u., Mutationen).
4 55 Introns überspannen eventuell mehrere Tausend Nucleotide. Die Prä-mRNA könnte sich
dadurch selbst „verknoten“ und unerwünschte Sekundärstrukturen ausbilden.
55 Die Exons müssen geordnet aufeinander folgen und nicht in zufälliger Reihung.

Das Spleißosom nutzt mehrere Mechanismen für die Präzision:


55 Consensussequenzen markieren die Exon-Intron-Grenzen.
44GU-AG-Introns. Am häufigsten sind GU die ersten beiden Nucleotide des Introns an der
5′-Spleißstelle (Donorstelle) und AG die letzten beiden Nucleotide an der 3′-Spleiß-
stelle (Akzeptorstelle). Vor dem AG liegen einige Pyrimidinnucleotide.
44AU-AC-Introns. Ein anderer, seltenerer Typ sind die AU-AC Introns.
55 Kleine, uracilreiche RNAs bilden das katalytische Zentrum. Sie heißen U1-, U2-, U4-, U5-
und U6-snRNAs oder small nuclear-RNAs.
55 snRNPs. An die U-snRNAs binden sich Proteine. Sie koordinieren und regulieren den
Vorgang und bringen die räumlich getrennten Nucleotide zueinander. Die entste-
henden Mischkomplexe heißen small nuclear ribonucloproteins, kurz snRNPs oder
„Snurps“.
55 Spleißfaktoren. Zusätzlich zu den snRNPs kommen noch Spleißfaktoren hinzu. Beispiel:
SR-Proteine.

Das eigentliche Spleißen wird vorbereitet, wenn die snRNA des U1-snRNP die 5′-Spleißstelle
erkennt und sich anheftet:
55 Spleißfaktoren verteilen sich auf die Consensussequenzen und führen Donor- und
Akzeptorstelle zueinander.
55 Der U2-snRNP bindet sich an die Intronregion mit dem angreifenden Adenosin und wird
dann zur Donorstelle gelenkt. Dabei helfen RNA-bindende Proteine mit, z. B. setzt sich das
branch point binding protein an den Adenosinverzweigungspunkt.
55 Das Spleißosom ist dynamisch: Proteine ändern ihre Konformation: Während die U4/
U6-snRNPs (enthält die zwei snRNAs) und U5-snRNP eintreten, tritt das U1-snRNP aus
dem Komplex aus, und auch U4-snRNP verlässt ihn wieder. Die snRNAs arrangieren sich,
und das Spleißen läuft ab.

Wie das Capping und Tailing ist auch das Spleißen an die Transkription gekoppelt. Die
hyperphosphorylierte CTD führt den Spleißapparat an die Prä-mRNA. Eine Untergruppe
der SR-Proteine stellt dazu die Verbindung her, sie heißen CTD-assoziierte SR-ähnliche Pro-
teine (CASP).
Durch Mutationen an den Spleißstellen kommt es zu Fehlern.
Beispiel beim Menschen: Bei der Erbkrankheit β-Thalassämie bilden die Betroffenen zu wenig
β-Globin. Hier sind verschiedene Mutationen in Splice-sites der Introns bekannt, die den β-Glob-
in-Mangel verursachen.
4.8 · Prozessierung von Transkripten
71 4
. Abb. 4.10  Mögliche Wege
des alternativen Spleißens Exonskipping

Gegenseitiger Ausschluss

Alternative 5'-Donorspleißstellen

Alternative 3'-Akzeptorspleißstellen

Intronretention

z Das alternative Spleißen


Die Zelle kann manche Exons auswählen, andere weglassen, sodass aus einem Gen verschiedene
Proteine werden können. Das nennt man alternatives oder differenzielles Spleißen.
Dabei kommen verschiedene Möglichkeiten vor (. Abb. 4.10).
55 Am häufigsten: Exons werden ausgelassen, in der reifen mRNA folgt auf das erste
vielleicht das dritte Exon (exon skipping).
55 Gegenseitiger Ausschluss: Die mRNA enthält immer eines von zwei Exons, aber nicht
beide.
55 In einem Exon liegen mehrere Spleißstellen vor. Die Zelle erkennt alternative 5′-Donor-
oder 3′-Akzeptorspleißstellen.
55 Die reife mRNA behält Introns (intron retention). Dies kommt bei Pflanzen, Pilzen und
Protozoen häufiger vor als bei Tieren.

Alternatives Spleißen ermöglicht, in einem DNA-Molekül noch mehr Information zu speichern,


weil aus einem DNA-Molekül mehrere Proteine hergestellt werden. Damit erklärt man die für
den komplexen Menschen relativ geringe Anzahl an Genen.
Beispiel von Drosophila: Bei der Ausprägung des Geschlechts spleißen Männchen und Weib-
chen mehrere Prä-mRNAs unterschiedlich. Es ergeben sich jeweils verschiedene funktionstüch-
tige Proteine, die das Geschlecht ausprägen.
Beispiele beim Menschen:
55 Die Exons für das SLO-Protein im Innenohr werden in vielen verschiedenen Variationen
gespleißt. Dadurch kommen im Ohr viele Isoformen des Proteins vor, die letztlich dazu
dienen, den Bereich der Wahrnehmung von Frequenzen zu erweitern.
55 Das Peptidhormon Calcitonin senkt den Calciumgehalt. Genau wie das verwandte
Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) wird es von dem CALCA-Gen codiert. Durch
gewebespezifisches alternatives Spleißen bilden Zellen von dem primären mRNA-Trans-
kript in der Schilddrüse überwiegend Calcitonin in der Schilddrüse und in bestimmten
Nervenzellen vorwiegend CGRP.

Beim trans-Spleißen werden Exons aus mehreren verschiedenen Prä-mRNA-Molekülen mit-


einander verbunden. Um die RNAs für das trans-Spleißen zu kennzeichnen, erhalten sie am
5′-Ende eine kurze Leader-Sequenz angeheftet, die SL-RNA (spliced leader RNA). Diese Variante
72 Kapitel 4 · Transkription

des Spleißens kommt beispielsweise beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans und bei den Try-
panosomen vor, den Erregern der Schlafkrankheit.

z Regulation beim alternativen Spleißen


Stoppt die RNA-Polymerase während der Transkription, kann der Spleißapparat alternative
schwache Spleißstellen erkennen und nutzen. Für den Stopp gibt es verschiedene Gründe:
55 Regulatorische Sequenzen in Exons oder Introns, an die sich Proteine binden.
44Spleiß-Enhancer-Elemente fördern den Vorgang,
4 44Spleiß-Silencer-Elemente unterdrücken ihn.
Mutationen in solchen Sequenzen können beim Menschen Erbkrankheiten verursachen.
Humangenetiker führen einen Typus der spinalen Muskelatrophie auf eine Punktmu-
tation in einem Splice-Enhancer von SMN1 zurück.
55 Die Aktivität der SR-Proteine.

z Tailing
Am 3′-OH-Ende des Transkripts fügt die Poly(A)-Polymerase einen Adeninschwanz aus 100 bis
200 Nucleotiden an. Diese Polymerase arbeitet unabhängig von einer Matrize.
1. Die Polymerase II transkribiert bei Säugertieren das charakteristische Poly(A)-Signal
AAUAAA, etwa 20 bis 30 Nucleotide stromabwärts folgt ein CA, dahinter folgt nach zehn
bis 20 Nucleotiden ein GU-reicher Abschnitt.
Die Polymerase führt mehrere Proteine mit:
44den Spezifitätsfaktor für Spaltung und Polyadenylierung (CPSF, cleavage and polyade-
nylation specificity factor),
44den Stimulationsfaktor für die Spaltung (CstF, cleavage stimulation factor)und
44Spaltungsfaktoren (cleavage factor) CFI und CFII.
2. Sobald die Polymerase das Polyadenylierungssignal transkribiert hat, wechseln diese
Faktoren von dem Enzym auf die RNA über.
3. Die mRNA wird nach dem CA geschnitten.
4. Die Poly(A)-Polymerase synthetisiert den Poly(A)-Schwanz, und poly(A)-bindende
Proteine heften sich an ihn und stabilisieren ihn.

Der Poly(A)-Schwanz erfüllt mehrere Funktionen:


55 Schutz vor Abbau durch Exonucleasen,
55 Interaktion mit Proteinen für den Transport aus dem Kern heraus,
55 Sicherung der Translation.

4.9 RNA-Editing

Eukaryoten editieren rRNAs, tRNAs, mRNAs und miRNAs durch sequenzspezifische Insertion
oder Deletion (Beispiel: Pan-Editing, s. u.) oder enzymatische Modifikation.
55 Häufig kommen Desaminierungen von Adenosin zu Inosin vor. Die Umwandlung erfolgt
mittels der Adenosindesaminasen für RNA (ADAR, adenosine desaminase acting on RNA).
Eine A-zu-I-Desaminierung in einer mRNA führt dazu, dass sich eine andere tRNA an das
Codon heftet. Denn die tRNA liest das Inosin als Guanosin und baut eine andere Amino-
säure in das Protein ein.
4.9 · RNA-Editing
73 4
Säugetiere editieren so Prä-mRNAs, um verschiedene Glutamat- oder Serotoninrezeptoren
herzustellen.
55 Ein anderes Beispiel ist die Umwandlung von Cytidin zu Uridin.
Das passiert beispielsweise in der menschlichen Prä-mRNA für das Apoliporotein B.
Davon gibt es zwei Formen für den Transport von Lipiden im menschlichen Körper:
Leberzellen bilden ein langes Protein (Apo-B 100), Darmzellen eine verkürzte Variante
(Apo-B 48). Das kleinere Apo-B 48 entsteht wegen einer enzymatischen Desaminierung
von Cytidin in der Prä-mRNA. Daraus resultiert ein Uridin und damit ein Stoppcodon.

Um rRNA-Moleküle zu editieren, stellen Eukaryoten weitere kleine RNA-Moleküle her, die im


Nucleolus vorkommen. Daher der Name small nucleolar RNAs oder snoRNAs. Die snoRNAs
steuern Methylierungen in den Prä-RNAs und sind sehr spezifisch. Für (fast) jede zu verändernde
Position in der Prä-rRNA gibt es eine eigene snoRNA. Sie agieren zusammen mit Proteinen in
snoRNPs genannten Ribonucleoproteinpartikeln. Die snoRNAs haben die Funktion einer gui-
deRNA oder gRNAs. So bezeichnet man RNAs, welche die Zielnucleotide festlegen.

z Editing bei Trypanosomen


In großer Zahl findet man gRNAs in den Mitochondrien von Trypanosomen. Trypanosoma brucei
verursacht beim Menschen die Afrikanische Schlafkrankheit. Trypanosomen besitzen ein beson-
deres Mitochondriengenom, das auch Kinetoplast-DNA genannt wird. Es besteht aus vielen, bis
zu mehreren Tausend kleinen DNA-Ringen (Minicircles) und einigen wenigen, großen DNA-
Ringen (Maxicircles).
Die Maxicircles enthalten Kryptogene. Diese werden erst durch das Editing zu vollständigen
Genen. Notwendig dafür sind die gRNAs, die von den Minicircles codiert werden. Sie bekom-
men an ihr 3′-Ende einen Poly-Uridin-Schwanz (Poly(U)-Schwanz) angehängt. Sie sind komple-
mentär zu den Prä-mRNAs der Kryptogene, lagern sich an und insertieren U in die Prä-mRNAs,
sodass diese ihr richtiges Leseraster erhalten. Das Uridin stammt aus dem 3′-Poly(U)-Schwanz.
Da das Editing nicht nur einzelne Nucleotide betrifft, sondern im großen Maßstab abläuft, hat
man es Pan-Editing getauft.
75 5

Translation
5.1 Überblick und Grundbegriffe – 76

5.2 Der genetische Code – 77

5.3 tRNA-Moleküle als Dolmetscher („Adaptoren“) – 79


5.3.1 Struktur der tRNA – 79
5.3.2 Beladung der tRNA – 80
5.3.3 Der Wobble-Effekt – 81

5.4 Das Ribosom – 81


5.4.1 Struktur der Ribosomen – 82

5.5 Translation bei Bakterien – 84


5.5.1 Initiation – 84
5.5.2 Elongation – 84
5.5.3 Termination – 87
5.5.4 Geschwindigkeit und Genauigkeit – 87

5.6 Translation bei Archaeen – 88

5.7 Translation bei Eukaryoten – 88


5.7.1 Initiation – 88
5.7.2 Elongation – 89
5.7.3 Termination – 90

5.8 Prozessierung von Proteinen – 90


5.8.1 Proteinfaltung – 91
5.8.2 Spaltung und Transport von Proteinen – 91
5.8.3 Chemische Veränderungen und Modifikationen – 92
5.8.4 Proteinspleißen – 93

5.9 Abbau von Proteinen, Degradation – 93

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_5
76 Kapitel 5 · Translation

z Worum geht es?


Die Translation ist einer der grundlegenden Vorgänge in allen lebenden Zellen. Sie markiert den
zweiten Schritt nach der Transkription, um die in der DNA gespeicherte Information über eine
mRNA in Proteine zu übersetzen. Somit stellt sie die eigentliche, in den Ribosomen ablaufende
Proteinbiosynthese dar. Die daran beteiligten Komponenten und der Vorgang sind im Prinzip
sowohl bei Bakterien, Archaeen und Eukaryoten als auch in den Mitochondrien und Chloro-
plasten gleich. Bei Prokaryoten beginnt die Zelle mit der Translation, während die Transkrip-
tion noch läuft, bei Eukaryoten muss die Zelle die mRNA vor der Translation aus dem Zellkern
ins Cytoplasma transportieren. Ebenso wie die Replikation und die Transkription teilt man die
Translation ein in Initiation, Elongation und Termination. Nach der Synthese können die Pro-
5 teine durch posttranslationale Modifikationen noch weiter bearbeitet und verändert werden.

5.1 Überblick und Grundbegriffe

Das Prinzip der Translation lässt sich mit dem Morsen vergleichen. So wie im Morsealphabet
eine Folge akustischer Zeichen übersetzt wird in einen Buchstaben des lateinischen Alphabets,
so übersetzt eine Zelle eine Folge von drei Basen in eine Aminosäure (. Abb. 5.1).

z An der Translation sind folgende Moleküle beteiligt:


55 ein mRNA-Molekül,
55 rRNAs und zahlreiche Proteine, welche zusammen die Ribosomen aufbauen (die rRNAs
üben die entscheidende Peptidyltransferasefunktion aus),
55 tRNAs, um die Aminosäuren an die Ribosomen heranzuführen (die eigentlichen
„Dolmetscher“ bei der Translation sind tRNAs mit Aminosäure, sogenannte
Aminoacyl-tRNAs),
55 für das erste Codon, das Startcodon, eine besondere Initiator-tRNA, die nur hier eingesetzt wird,
55 Translationsfaktoren für die Koordinierung der einzelnen Schritte (Initiations-, Elonga-
tions- und Terminationsfaktoren),
55 GTP als Energieträger,
55 im weiteren Umkreis: Enzyme, welche die tRNAs spezifisch mit den Aminosäuren beladen:
Aminoacyl-tRNA-Synthetasen.

Ribosom
Codons

mRNA 5' U G C U U C G C C G G A G A A 3'

tRNA
H H O H O H O H O
Anfang des
Polypeptids/Proteins H N N C C N C C N C C N C C
(Aminoende, H H CH 2 H CH 2 H CH 3 H H O
N-Terminus)
SH

Cystein Phenylalanin Alanin Glycin

. Abb. 5.1  Prinzip der Translation


5.2 · Der genetische Code
77 5
Die wesentlichen Strukturen und Abläufe der Translation sind bei allen Organismen
gleich:
55 Die Einheit von drei Basen, das Basentriplett, heißt Codon.
55 Im genetischen Code ist festgelegt, welches Codon welche Aminosäure codiert.
55 Die eigentlichen Orte und Maschinen der Proteinbiosynthese sind die Ribosomen. Sie
setzen sich an die mRNA und führen die jeweiligen tRNAs heran.
55 Dabei lagert sich eine tRNA mit drei Basen komplementär an ein Codon an. Diese drei
Basen der tRNA nennt man Anticodon.
55 Die tRNA-Moleküle weisen alle eine charakteristische zwei- und dreidimensionale Struktur
auf. Es kommen auch ungewöhnliche Basen in den tRNAs vor.
55 Die Aminosäure hängt am 3′-Ende. Jede tRNA trägt eine spezifische Aminosäure.
55 Die Ribosomen wandern die mRNA von 5′ nach 3′ entlang, führen die benötigten tRNAs
heran und übertragen die mitgeführte Aminosäure an die weiter wachsende Aminosäure-
oder Polypeptidkette.

5.2 Der genetische Code

Die Anzahl der Basenbausteine, die für eine Aminosäure stehen, ergibt sich mathematisch.
55 Um Codewörter für die 22 proteinogenen Aminosäuren bilden zu können, sind bei vier
verschiedenen Buchstabenbasen (A, C, G und U) mindestens drei Buchstaben pro Wort
notwendig.
55 Hat man an einer Position vier Basen zur Auswahl, könnte man damit bei einem Verhältnis
Basen:Aminosäuren von 1:1 nur vier Aminosäuren codieren.
55 Kombiniert man die vier Basen auf zwei Positionen, hätte man 42 = 4 × 4 = 16 Kombina-
tionen von Codons.
55 Erst bei drei Positionen hat man mit vier Basen 43 = 4 × 4 × 4 = 64 Möglichkeiten und
damit mehr Codons zur Verfügung, als Aminosäuren zu codieren sind (. Tab. 5.1).

Die Eigenschaften des genetischen Codes folgen direkt oder indirekt aus der Codierung in
Basentripletts:
55 Er ist ein Triplettcode: Drei Basen codieren eine Aminosäure.
55 Der Code ist degeneriert oder redundant. Mehrere Codons codieren die gleiche Amino-
säure, sie sind synonym.
55 Er ist nahezu universell bei allen Lebewesen.
44Auch das Startcodon für die Translation und somit die erste Aminosäure sind fast
überall gleich.
44Es gibt Ausnahmen von diesem Standardcode (s. u.).
55 Er ist kommafrei und in der Regel nicht überlappend:
44Lückenlos schließt sich in der mRNA Codon an Codon an.
44Jede Base ist nur Teil eines einzigen Codons und nicht mehrerer.
44Ausnahmen bilden die Phagen mit dicht gepackten und dabei überlappenden
Genen.

Die Zuordnung der Aminosäuren zu den Codons wird häufig als Codesonne dargestellt. Die
Basen werden von innen (5′-Ende) nach außen (3′-Ende) abgelesen. Die Nummern werden bei
der Angabe des Tripletts weggelassen.
78 Kapitel 5 · Translation

. Tab. 5.1  Genetischer Code für 20 Aminosäuren und Stoppcodons (nach Schaaf und Zschocke 2013)

Erstes Zweites Drittes Codierte Abkürzung


Nukleotid Nukleotid Nukleotid ­Aminosäure

A A A oder G Lysin Lys, K

U oder C Asparagin Asn, N

C jedes Threonin Thr, T

G A oder G Arginin Arg, R

5 U oder C Serin Ser, S

U U, C oder A Isoleucin Ile, I

G Methionin (Start) Met, M

C A A oder G Glutamin Gln, Q

U oder C Histidin His, H

C jedes Prolin Pro, P

G jedes Arginin Arg, R

U jedes Leucin Leu, L

G A A oder G Glutamat Glu, E

U oder C Aspartat Asp, D

C jedes Alanin Ala, A

G jedes Glycin Gly, G

U jedes Valin Val, V

U A A oder G (Stopp) Ter, X

U oder C Tyrosin Tyr, Y

C jedes Serin Ser, S

G A (Stopp) Ter, X

G Tryptophan Trp, W

U oder C Cystein Cys, C

U A oder G Leucin Leu, L

U oder C Phenylalanin Phe, F

Das Startcodon ist meistens 5′-AUG-3′ (selten: GUG oder CUG). In der Tabelle kann man
von links nach rechts ablesen, dass AUG Methionin codiert. Einige Protozoen verwenden alter-
native Startcodons.
Es gibt drei Stoppcodons, für die keine tRNAs vorhanden sind.
Die Organismen zeigen artspezifische Vorlieben für einzelne Codons. Sie haben eine cha-
rakteristische Codonverwendung (Codon Usage oder Codon Bias).
55 Verwendet eine Art ein für sie seltenes Codon, kann das zum Abbruch der Translation
führen.
5.3 · tRNA-Moleküle als Dolmetscher („Adaptoren“)
79 5
55 Daher muss man die Codon Usage berücksichtigen, wenn man ein menschliches Protein
gentechnologisch von Bakterien synthetisieren lassen möchte.
55 Unterscheidet sich ein Gen zweier Menschen an einer Position und ist dabei ein seltenes
Codon beteiligt, kann sich das auf die Proteinsynthese und damit gesundheitlich
auswirken.

Abweichungen vom Standardcode findet man in den Mitochondrien beispielsweise von Säugern
oder Pilzen. UGA bedeutet darin nicht „Stopp“, sondern codiert Tryptophan, ebenso im Genom
des Prokaryoten Mycoplasma spec. Einige Protozoen (Trypanosomen, Paramecien) weichen im
Kerngenom von dem Standard ab, UAG bedeutet dann nicht „Stopp“, sondern codiert Glutamin.
Eine Umwidmung eines Codons führt zum Einbau von Selenocystein, Sec, (21. Aminosäure)
oder Pyrrolysin, Pyl, (22. Aminosäure).
55 Ob die Ribosomen Selenocystein verwenden, hängt nicht vom Codon selbst ab, sondern
vom Kontext: Folgt auf UGA in der mRNA eine Sequenz, die eine Haarnadel ausbildet, so
führt UGA eben nicht zum Stopp, sondern ein Elongationsfaktor erkennt darin das Signal,
eine mit Sec beladene tRNA zum Ribosom zu führen.
55 Einige methanogene Archaeen bauen Pyrrolysin in ihre Proteine ein. Vermutlich codiert
das „Stoppcodon“ UAG direkt Pyl, weil es seine Funktion als Stoppcodon verloren hat.

5.3 tRNA-Moleküle als Dolmetscher („Adaptoren“)

Die tRNAs (Transfer-RNAs) sind das verbindende Glied zwischen der mRNA und einer Amino-
säuresequenz, dem Protein. Bakterien nutzen 30 bis 45 verschiedene tRNAs, Eukaryoten bis zu 50.

5.3.1 Struktur der tRNA

Die Struktur der tRNAs (. Abb. 5.2) zeigt Gemeinsamkeiten:


55 Eine tRNA ist relativ kurz, die Länge reicht von 74 Basen bis über 90.
55 Als RNA-Molekül ist sie einzelsträngig. Jedoch können ihre Basen intramolekular Wasser-
stoffbrücken eingehen und dadurch Haarnadelstrukturen ausbilden.
55 Aus den Haarnadeln folgt eine Struktur, die zweidimensional als Kleeblattstruktur
dargestellt und auch als solche bezeichnet wird. Die Haarnadelstrukturen bilden die
drei Kleeblätter und sind benannt nach der Anticodon-Funktion (Anticodonschleife)
oder nach auffälligen Basen (TψC-Schleife enthält ψ = Pseudouridin, D-Schleife enthält
Dihydrouridin).
55 Zwischen Anticodon- und TψC-Schleife kann eine weitere Schleife unterschiedlicher
Länge ausgebildet sein: die V-Schleife oder variable Schleife.
55 Die tRNAs von Bakterien, Archaeen und Eukaryoten haben die gleiche Sekundärstruktur, an
einigen Stellen sogar gleiche Basen, die vor allem für eine stabile Tertiärstruktur wichtig sind.
55 Dreidimensional ähnelt ein tRNA-Molekül einem in sich verdrehten L. Das 5′- und das
3′-Ende bilden über Wasserstoffbrücken zusammen den Akzeptorarm. Das 3′-Ende läuft
zum Ende hin einzelsträngig aus mit den Basen CCA. Am OH-Ende hängt die Aminosäure.

Obwohl die Struktur der tRNAs hoch konserviert ist, gibt es neben der V-Schleife noch weitere
Abweichungen vom Standard. Man findet sie in tRNAs der Mitochondrien von Wirbeltieren. So
kann z. B. die D-Schleife fehlen.
80 Kapitel 5 · Translation

. Abb. 5.2  Zweidimensionale


Darstellung der tRNA für Serin (nach I G A

ip
A A
U
Buselmaier und Tariverdian 2007)

A A A G A
C U
U

U
U U U Me

U
C
G
G
H2 e

C
H2 U A A

G
M
Di G G

C
U G
G C

C
H 2U G G

G C
5 OMe

Me
C C C

G
G

Ac

G
A G

U U

C
C
DHU-Schleife

A
G

G
U
G T

G U U G U C G C C A
A A C

C
T C-

U C

C
G Schleife
A G

G C
pG

Serin

5.3.2 Beladung der tRNA

Die Schreibweise zeigt an, welche Aminosäure eine tRNA trägt. Eine tRNA für Methionin
schreibt man tRNAMet und liest sie als Methionyl-tRNA. Ist sie korrekt mit Methionin beladen,
schreibt man Met-tRNAMet.
Die Aminoacyl-tRNA-Synthetasen beladen die tRNA in zwei Schritten mit der vorgesehe-
nen Aminosäure:
1. Das Enzym aktiviert die Aminosäure. Dazu spaltet es von ATP ein Pyrophosphat ab und
hängt das verbleibende AMP an die Aminosäure an. Es entsteht ein Molekül Aminoacyl-AMP.
2. Das Enzym verestert unter Abspaltung von AMP die COOH-Gruppe der Aminosäure mit
der OH-Gruppe der Ribose am 3′-Ende der tRNA.

Wechselwirkung und Beladung müssen korrekt erfolgen, damit die Translation fehlerfrei erfolgt.
Bei den Aminosäuren, die sich ähneln, kommen Fehler häufiger vor.
55 Valin und Isoleucin unterscheiden sich kaum, sodass die Synthetase für Isoleucin zunächst
gelegentlich Valin an die tRNAIle hängt.
55 Mithilfe einer Editing-Aktivität (editing activity) korrigiert sie den Fehler und spaltet Valin
wieder ab.

Je nachdem, ob die Verbindung an der 2′-OH-Gruppe oder an der 3′-OH-Gruppe der Ribose
erfolgt, ordnet man die Synthetase der Klasse I (2′-OH) oder der Klasse II (3′-OH) der Enzyme zu.
5.4 · Das Ribosom
81 5
Die zwei Klassen von Aminoacyl-tRNA-Synthetasen unterscheiden sich darüber hinaus auch sehr
deutlich in der Struktur des aktiven Zentrums und in der Interaktion mit der tRNA.
Bei einigen Bakterien und Archaeen liegen für Glutamin und Asparagin keine eigenen
Synthetasen vor. Das heißt, dass die Aminoacyl-tRNA-Synthetase die tRNAGlutamin und
tRNAAsparagin erst mit Glutaminsäure bzw. Asparaginsäure belädt. Ein zweites Enzym, eine
Transamidase, wandelt dann die Säure in das gewünschte Amid (Glutamin oder Aspara-
gin) um.
Weitere Beispiele für nachträgliche Modifikationen sind bei Prokaryoten und Organellen
die Umwandlung von Methionin zu N-Formylmethionin, das beim Start der Translation einge-
setzt wird, und bei Pro- wie bei Eukaryoten die Umwandlung von Serin zu Selenocystein an der
tRNA für Selenocystein.

5.3.3 Der Wobble-Effekt

Die Genauigkeit der Beladung ist der erste Schritt, um die genetische Information
fehlerfrei umzusetzen. Der zweite Schritt ist die Wechselwirkung zwischen Anticodon und
Codon.
Da man eine Nucleinsäure stets vom 5′- zum 3′-Ende angibt, paart sich die erste Base des
Codons mit der dritten des Anticodons und umgekehrt. Man darf sich diese Paarung allerdings
nicht linear übereinander vorstellen. Die Anticodonschleife der tRNA ist etwas verdreht oder
gekrümmt. Daher erfolgt die Interaktion nicht passgenau, und zwischen der dritten Codonbase
und der ersten des Anticodons kommt es zum Wobble-Effekt. Damit ist gemeint, dass es hier
nicht nur zu den Watson-Crick-Basenpaarungen kommt.
Auch eigentlich falsche Paarungen sind hier möglich, allerdings nicht alle.
55 Bei Bakterien beobachtet man G-U sowie Paare von Inosin (I) mit A, C oder U.
55 Ist die erste Base im Anticodon beispielsweise ein G, kann ihr gegenüber ein reguläres C,
aber auch ein U liegen.
55 Ist diese Position umgekehrt mit einem U besetzt, kann es sich mit einem regulären A oder
G paaren.

Mit dem Wobble-Effekt erklärt man, dass für einige Codons die dritte Base variabel ist, um eine
Aminosäure zu codieren und die Zelle daher tRNAs einsparen kann. Sie muss nicht für jedes
Codon eine eigene tRNA im Genom bereitstellen.
55 Deswegen lesen Bakterien ihre mRNAs mit rund 30 tRNAs ab.
55 Bei Eukaryoten findet man den Wobble-Effekt zwar ebenfalls mit den genannten
Paarungen, im Kerngenom jedoch nicht so häufig. Daher nutzt der Mensch mehr (48)
tRNA-Moleküle.

5.4 Das Ribosom

Für die korrekte Positionierung der beiden RNA-Moleküle sind vor allem die Struktur und Funk-
tion des Ribosoms entscheidend. Sie sind die Orte und „Maschinen“ der Proteinbiosynthese und
fungieren als Ribozyme aus rRNA-Molekülen und Proteinen, wobei die rRNAs die enzymatischen
Funktionen ausüben, wohingegen die Proteine eher unterstützend wirken.
82 Kapitel 5 · Translation

. Abb. 5.3  Modelldarstellung eines 60S-Untereinheit


eukaryotischen Ribosoms mit den drei
Bindungsstellen (nach Schaaf und Zschocke 2013)

E P A
5' 3'
mRNA

40S-Untereinheit
A = Akzeptorstelle
P = Peptidylstelle
E = Exitstelle
5
5.4.1 Struktur der Ribosomen

Funktionelle Ribosomen bestehen aus zwei Untereinheiten. Um ihre Größe anzugeben, schaut
man sich das Sedimentationsverhalten während einer Zentrifugation an und verwendet die Maß-
einheit S (Svedberg).
55 Das 70S-Ribosom der Prokaryoten setzt sich zusammen aus einer kleinen 30S- und einer
großen 50S-Untereinheit.
55 Im Cytoplasma der Eukaryoten bilden eine kleine 40S-Untereinheit und eine große
60S-Untereinheit ein 80S-Ribosom(. Abb. 5.3).

Beide Untereinheiten sind Komplexe aus rRNAs und Proteinen:


55 In der kleinen Untereinheit findet man jeweils die mittelgroße rRNA (16S-rRNA bei
Prokaryoten, 18S-rRNA bei Eukaryoten) und die S-Proteine (small). Die S-Proteine sind
durchnummeriert, also S1, S2 usw. Bei Prokaryoten sind es 21 Proteine, bei Eukaryoten 33
(. Abb. 5.4).
55 Die kurzen und die langen rRNAs (5S und 23S bei Prokaryoten, 5S, 5,8S und 28S bei
Eukaryoten) bauen zusammen mit L-Proteinen (large) die große Untereinheit auf. Bei
Prokaryoten sind es 31 Proteine, bei Eukaryoten 49. Aus historischen Gründen stimmen
Anzahl und Nummerierung hier nicht überein.
55 Die kleine Untereinheit sorgt für die Bindung an die mRNA, fördert die Paarung von
mRNA und tRNA und transportiert die mRNA weiter.
55 Die große Untereinheit verknüpft die Aminosäuren miteinander, sie führt die
Peptidyltransferaseaktivität aus. Sie hat auch einen Ausgangskanal für die wachsende
Peptidkette.

Ribosomen haben drei Bindungsstellen für die tRNA (. Abb. 5.3):


55 An die Aminoacylstelle oder A-Stelle bindet sich die beladene tRNA.
55 An der Peptidylstelle oder P-Stelle verknüpft das Ribosom eine Aminosäure mit der
Peptidkette.
55 Von der Exitstelle oder E-Stelle verlässt die unbeladene tRNA das Ribosom.

Die Unterschiede zwischen bakteriellen und eukaryotischen Ribosomen sind Ansatzpunkte,


um bakterielle Infektionen zu bekämpfen. Antibiotika greifen dabei in erster Linie in die bakte-
rielle Translation ein, zum Teil auch in die Translation in den Mitochondrien und Chloroplasten,
5.4 · Das Ribosom
83 5

Reaktionszentrum

50S

mRNA 30S

Wachsende
a Peptidkette

Prokaryoten Eukaryoten
70S-Ribosom 80S-Ribosom
29 nm 32 nm

21 nm 22 nm

2,8 × 10 6 Da ~ 4,2 × 10 6 Da

50S-Untereinheit 30S-Untereinheit 60S-Untereinheit 40S-Untereinheit

1,8 × 10 6 Da 1 × 10 6 Da

23S-rRNA 31 16S-rRNA 21 28S-rRNA 49 18S-rRNA 33


~ 3000 b Proteine ~ 1500 b Proteine ~ 5000 b Proteine ~ 2000 b Proteine
5,8S-rRNA
~ 160 b
5S-rRNA 5S-rRNA
~ 120 b ~ 120 b
b

. Abb. 5.4  Aufbau der Ribosomen

und hemmen die Vermehrung oder töten die Bakterien ab. Zu diesen Antibiotika zählen bei-
spielsweise Erythromycine (A, B, C), Streptomycin und Tetracyclin.
Dass es evolutionäre Konservierungen gibt, zeigt beispielsweise das SBDS-Gen. Man
findet das Gen bei allen Archaeen und Eukaryoten. Man nimmt an, dass das Protein eine
grundsätzliche Funktion bei der Zusammensetzung der Ribosomen hat. Mutationen in
84 Kapitel 5 · Translation

dem Gen rufen im Menschen das Shwachman-Bodian-Diamond-Syndrom hervor mit exo-


kriner Insuffizienz der Bauchspeicheldrüse, Funktionsstörungen des Knochenmarks und
Skelettanomalien.

5.5 Translation bei Bakterien

Während der Translation sind Ribosomen nicht starr, sondern dynamische Gebilde, ihre Kon-
formation ändert sich also während des Prozesses.
Pro Sekunde verknüpfen sie 15 bis 20 Aminosäuren. In der Regel translatieren mehrere Ribo-
5 somen gleichzeitig eine mRNA. Es entsteht ein perlenkettenartiges Polyribosom oder Polysom.
Trotz ihrer Komplexität läuft die Translation mit den benötigten Aminosäuren, Energieträ-
gern und einer mRNA auch in vitro ab.

5.5.1 Initiation

An der Initiation beteiligt sind


55 die mRNA,
55 die zwei Untereinheiten des Ribosoms,
55 die beladene fMet-tRNAfMet als Initiator-tRNA,
55 drei Initiationsfaktoren (IF) und GTP als Energiequelle.

z Ablauf der Initiation:


Es entsteht das mit der mRNA beladene Ribosom:
1. Anfangs sind die zwei Untereinheiten getrennt (. Abb. 5.5):
44IF3 ist mit der kleinen Untereinheit assoziiert, die er stabilisiert. Er verhindert den
Zusammenschluss mit der großen Untereinheit.
44IF1 besetzt die A-Stelle.
44IF2 dirigiert die Initiator-tRNA in die P-Stelle. Sie trägt ein Methionin mit einer Formyl-
gruppe an der Aminogruppe.
2. Die kleine Untereinheit lagert sich an die mRNA an. Dazu dient eine Consensussequenz,
die wenige Nucleotide vor dem Startcodon AUG liegt. Sie bindet sich an eine komple-
mentäre Sequenz in der 16S-rRNA. Diese Ribosomenbindestelle (RBS) der mRNA heißt
Shine-Dalgarno-Sequenz. Bei E. coli lautet die Consensussequenz AGGAGGU.
3. IF1 und IF3 treten aus dem Komplex aus.
4. Unter Spaltung von GTP vermittelt der IF2 die Assoziation mit der großen Untereinheit
und verlässt ebenfalls den nun fertigen 70S-Initiationskomplex.

Als Ergebnis ist die mRNA im Ribosom gebunden und die Initiatior-tRNA sitzt in der P-Stelle.

5.5.2 Elongation

An der Elongation sind zusätzlich drei Elongationsfaktoren (EF-Tu, EF-Ts, EF-G) und die belade-
nen tRNAs beteiligt (. Abb. 5.7). Als Energieträger dienen GTP-Moleküle.
5.5 · Translation bei Bakterien
85 5
C H3
S
C H2
fMet-tRNA
O C H2 O
Peptidyl Aminoacyl-tRNA 3'
O C C NH C
(P-Site) (A-Site)
P-5' H H
GTP
IF3 GTP
30S IF2 IF2
IF1 IF1 IF1
P A IF3 IF3
fMet Shine-Dalgarno-Sequenz

5' AUG 3' mRNA


Startcodon

GDP
IF2 Pi 2. Aminoacyl-tRNA

IF2 GTP
5' 3' 5' AUG 3'
IF1
2. Aminoacyl- P A 16S rRNA IF3
tRNA fMet 2. Amino- fMet
IF1 IF3 50S
säure 30S-Initiationskomplex
pt
Pe

idb in d u n g

70S

. Abb. 5.5  Initiation der Translation: Zusammenbau des Ribosoms

. Abb. 5.6  Über EF-Ts wird EF-Tu/GTP wiederhergestellt


EF-Ts
GDP
EF-Tu/GDP

GTP

Aminoacyl- EF-Tu/GTP
tRNA EF-Ts
86 Kapitel 5 · Translation

Die Elongationsfaktoren unterstützen die katalytischen Vorgänge im Ribosom:


55 Der Faktor EF-Tu oder EF-1A heftet sich an eine beladene tRNA und führt sie an die
A-Stelle heran. EF-Tu liefert auch über gebundenes GTP die Energie für die Verknüpfung
von fMet auf die zweite Aminosäure zu einer Dipeptidyl-tRNA. Die Dipeptidyl-tRNA sitzt
in der A-Stelle.
55 Der Faktor EF-Ts oder EF-1B versorgt EF-Tu nach der GTP-Spaltung mit frischem GTP
(. Abb. 5.6).
55 Der dritte Faktor EF-G oder EF-2 braucht ebenfalls GTP. Er vermittelt nun das Vorrücken
auf der mRNA um ein Codon. Die Dipeptidyl-tRNA rutscht in die P-Stelle, die A-Stelle
ist frei.
5
Die Einzelschritte der Elongation wiederholen sich immer wieder:
1. Eine beladene tRNA tritt in den Komplex ein, sie besetzt dabei die A-Stelle.
2. Die 23S-rRNA führt die Peptidyltransferaseaktivität aus: Sie überträgt die vorhandene
Aminosäure(kette) auf die neu hinzugekommene Aminosäure. Dass die erste Amino-
säure, das N-Formylmethionin, an der Aminogruppe den Formylrest trägt, sichert die
Verknüpfungsrichtung: Die neue Aminosäure wird mit der Carboxylgruppe der schon
vorhandenen verbunden.

Aminoacyl-tRNA
EF-Tu/GTP

E P A E P A
5' 5'

EF-Tu/GDP
E P A E P A
5' 5'

EF-G/GTP E P A
5'

EF-G/GDP

. Abb. 5.7  Elongation: Eine tRNA besetzt nacheinander die drei Bindungsstellen
5.5 · Translation bei Bakterien
87 5
3. Das Ribosom rutscht drei Nucleotide weiter und die Peptidyl-tRNA in die P-Stelle.
4. Die unbeladene tRNA verlässt über die E-Stelle das Ribosom.

Nicht immer rückt das Ribosomen um drei Nucleotide vor. An einigen mRNAs nutzen Bakterien
und andere Organismen die programmierte Rasterverschiebung (programmed frameshifting),
um von einer mRNA verschiedene Proteine zu gewinnen. Dabei bewegt sich das Ribosom bei-
spielsweise zurück oder springt nach vorn und führt die begonnene Translation in einem neuen
Leseraster weiter.
Beispiel: E. coli kommt auf diesem Weg von dem dnaX-Gen zu zwei verschiedenen Unter-
einheiten für seine DNA-Polymerase III.

5.5.3 Termination

An der Termination sind bei E. coli drei Terminationsfaktoren oder Freisetzungsfaktoren (RF1
bis RF3, release factor) beteiligt und ein Ribosomenrecyclingfaktor (RRF, ribosome recycling
factor).
Die Termination löst den Komplex aus Ribosom, mRNA und Polypeptid in mehreren Schrit-
ten auf:
1. Sobald in die A-Stelle ein Stoppcodon gelangt, besetzen je nach Codon RF1 oder RF2 die
A-Stelle, weil es keine tRNA mit entsprechendem Anticodon gibt.
2. Das synthetisierte Protein löst sich aus dem Komplex,
3. RF3 vermittelt die Ablösung von RF1 oder RF2 aus dem Ribosom. Dafür ist wieder GTP
notwendig.
4. Der Elongationsfaktor EF-G bewirkt zusammen mit dem RRF die Aufspaltung des
Ribosoms in die Untereinheiten, sodass sich nun IF3 wieder an die kleine Untereinheit
anlagert und die erneute Zusammenlagerung unterbindet.

5.5.4 Geschwindigkeit und Genauigkeit

Die Geschwindigkeit der Translation beträgt etwa 20 Transferasereaktionen pro Sekunde.


Die Fehlerrate der Translation liegt bei 0,1–0,5 %. Für die Translation besitzen Zellen keinen
proof-reading-Mechanismus.
Fehler können bei mehreren Prozessen geschehen:
55 Bei der Beladung der Aminoacyl-tRNA,
55 beim Anlagern der beladenen tRNA an das Ribosom,
55 bei der Paarung von Codon und Anticodon.

Die Zelle nimmt die Fehler jedoch aus mehreren Gründen in Kauf:
55 Die Fehler werden nicht gespeichert. Bei der Replikation wird ein Fehler dagegen an die
Nachkommen weitergegeben.
55 Die Zelle produziert von einer mRNA mehrere Proteine, bei denen wahrscheinlich nicht
der gleiche Fehler auftritt. Es entstehen dadurch ausreichend korrekte Proteine.
55 Ein Zellmechanismus erkennt die falsche Tertiärstruktur eines fehlerhaften Proteins und
sorgt dafür, dass es abgebaut wird.
88 Kapitel 5 · Translation

5.6 Translation bei Archaeen

Das vorliegende Wissen zur Translation bei Archaeen ist geringer. Wie bei der Transkription
nehmen Archaeen eine Art Zwischenstellung zwischen Bakterien und Eukaryoten ein, indem
sie Gemeinsamkeiten mit den anderen beiden Zelltypen zeigen.

z Gemeinsamkeiten zwischen Archaeen und Bakterien:


55 Die Ribosomen gehören zum 70S-Typ.
55 Viele Gene haben eine Shine-Dalgarno-Sequenz.
55 Einige Elongationsfaktoren ähneln sich.
5 z Gemeinsamkeiten zwischen Archaeen und Eukaryoten:
55 Die Initiationsfaktoren sind homolog. Auch ihre Anzahl ist größer als bei Bakterien: Bei
Archaeen sind es elf Initiationsfaktoren (aIF), bei Eukaryoten zwölf.
55 Die Startaminosäure ist unformyliertes Methionin.
55 Einige Elongationsfaktoren sind mit den eukaryotischen Faktoren verwandt.
55 Der einzige bekannte Terminationsfaktor ähnelt einem eukaryotischen Faktor.

5.7 Translation bei Eukaryoten

5.7.1 Initiation

Die Initiation bei Eukaryoten zeigt einige Gemeinsamkeiten zum Ablauf bei Bakterien:
55 Es entsteht ein Komplex aus dem Ribosom, der mRNA und der beladenen tRNA in der
P-Stelle, die ein Startcodon AUG erkennt.
55 GTP dient als Energieträger.

Es gibt aber auch eine Reihe von Unterschieden zwischen der eukaryotischen Translation und
dem bakteriellen Prozess:
55 Eukaryotische mRNA-Moleküle besitzen keine Shine-Dalgarno-Sequenz.
55 Die Zahl der Initiationsfaktoren ist bei Eukaryoten höher, ihr Aufbau ist komplexer.
55 Als Aminosäure der Initiator-tRNA dient Methionin statt N-Formylmethionin.
55 Eine Helikaseaktivität im eIF4 spaltet unter ATP-Verbrauch mögliche Sekundärstrukturen.

Zwei eukaryotische Initiationsfaktoren (eIF) sind besonders wichtig:


55 Die Met-tRNA ist an den Faktor eIF2 gebunden. Er besteht aus drei Untereinheiten, welche
die tRNA, GTP und weitere eIFs binden. Diese weiteren Faktoren vermitteln die Bindung
an die kleine Untereinheit. Den Komplex aus eIF2, tRNA und GTP nennt man ternären
Komplex.
55 An die mRNA setzt sich der komplexe Faktor eIF4. Er heißt Cap-Bindungskomplex, weil er
sich an die 5′-Cap einer eukaryotischen mRNA heftet. Der eIF4 besteht aus vier weiteren
eIFs. Einer davon ist der Faktor eIF4G, der einerseits für die Bindung an die kleine Unter-
einheit des Ribosoms notwendig ist, sich andererseits auch an diejenigen Proteine (PABP)
bindet, die an den Poly(A)-Schwanz geheftet sind. Somit erfasst eIF4F beide Enden der
mRNA, formt sie zu einem Ring und bindet sie an die ribosomale Untereinheit (. Abb. 5.8).
5.7 · Translation bei Eukaryoten
89 5
. Abb. 5.8  Initiation über die Wechselwirkung des eIF4G AAU
mit den PABP
PABP
3'
elF4G
m7G AUG
elF4E elF4A

z Ablauf der Initiation:


1. Der Präinitiationskomplex bewegt sich auf der mRNA fort und sucht sie nach dem
Startcodon ab (ribosome scanning). Während des Scannings wird ATP hydrolysiert. Die
Helikaseaktivität löst unter ATP-Verbrauch eventuelle Sekundärstrukturen in der langen
mRNA auf, damit der Komplex voranschreiten kann.
2. Das Startcodon wird durch eine Consensussequenz identifiziert, die Kozak-Sequenz mit
Startcodon. Sie lautet ACCAUGG bei Tieren und AAAAUGU bei Hefen.
3. Ist das Startcodon erkannt, hält der Komplex an. Der Faktor eIF5 ermöglicht unter
GTP-Spaltung den Zusammenbau mit der großen ribosomalen Untereinheit.

Manche mRNAs verzichten auf die 5′-Cap und das Scanning. Diese mRNAs verfügen über
eine interne Ribosomeneintrittsstelle (IRES). Es ist quasi ein Expressstart für die Proteinbio-
synthese. Daher findet man IRES vor allem in viralen mRNAs, damit die Zelle rasch virale Pro-
teine herstellt, und in mRNAs für Stressproteine, um schnell auf eine bedrohliche Situation zu
antworten.

5.7.2 Elongation

Die Elongation von Bakterien und Eukaryoten ähneln sich mehr als die Initiation.
Die unterstützenden Elongationsfaktoren (eEF) haben die gleichen Funktionen wie ihre
bakteriellen Pendants:
55 eEF1A entspricht dem bakteriellen EF-Tu. Der Faktor führt die beladene tRNA heran und
liefert gebundenes GTP als Energieträger.
55 eEF1B entspricht dem bakteriellen EF-Ts. eEF1B belädt eEF1A mit neuem GTP.
55 eEF2 entspricht dem bakteriellen EF-G und ermöglicht unter GTP-Spaltung die Fortbe-
wegung des Ribosoms.

Der Faktor eEF2 ist außerdem durch zwei weitere Eigenschaften interessant:
55 Er fungiert in gewisser Weise als Schaltstelle: Wird er phosphoryliert, so verlangsamt
sich die Translation. Einige Säugetiere nutzen diese Phosphorylierung, um den geringeren
Bedarf an Proteinen für den Winterschlaf anzupassen.
55 Zweitens ist eEF2 der Angriffspunkt für das Diphtherietoxin, genauer: die histidinähnliche
Aminosäure Diphthamid in dem Elongationsfaktor (. Abb. 5.9). Das Toxin überträgt
ADP-Ribose unter Abspaltung von Nicotinamid auf Diphthamid und blockiert somit eEF2
in seiner Funktion, die Translation stoppt.

Die Einzelschritte des Elongationsprozesses entsprechen dem Ablauf bei Bakterien.


90 Kapitel 5 · Translation

EF2
(inaktiv)
H H O
N C C
C H2
AD P
C H3
O N
H 3C N C H 3
H2C N Diphthamid
C H2 C H2 C H
OH HO (His-Derivat)
Diphtherietoxin C O
5 O NH 2
NAD + Nicotinamid

. Abb. 5.9  Das Diphtherietoxin modifiziert eEF2 und blockiert die Translation

5.7.3 Termination

Auch die Termination zeigt zu dem bakteriellen Prozess weitgehend Übereinstimmungen.


55 Der eukaryotische Faktor eRF1 entspricht den bakteriellen Freisetzungsfaktoren (release
factors) RF1 und 2. Er erkennt alle drei Stoppcodons und führt zur Freisetzung des
Proteins.
55 Ein zweiter Faktor heißt eRF3. Er besitzt GTPase-Aktivität und sorgt wohl für die
Ablösung von eRF1 vom Ribosom.

5.8 Prozessierung von Proteinen

So wie die Zelle RNA-Moleküle noch prozessiert, um reife RNAs zu erhalten, so verändert die
Zelle auch Proteine während der Translation (cotranslational) oder danach (posttranslational),
bis diese einsatzfähig sind.
Die Prozessierung umfasst:
55 Proteinfaltung: Die Polypeptidkette erhält ihre dreidimensionale korrekte Tertiär-
struktur, in der sie aktiv ist. Dazu gehört auch die Faltung für den Transport in oder durch
Membranen.
55 Proteolytische Spaltung: Proteasen trennen Abschnitte von den Enden ab oder spalten
das Protein in Teilstücke. Wichtig ist die Abspaltung eines Signalpeptids, das den
Transport in eine Membran oder aus der Zelle heraus veranlasst.
55 Chemische Veränderung oder Modifikation: Manche Aminosäuren erhalten vorüber-
gehend oder dauerhaft eine chemische Gruppe angehängt.
55 Proteinspleißen: Analog zu den Introns in RNAs gibt es in einigen Proteinen Inteine:
Abschnitte, die herausgeschnitten werden. Die verbleibenden Exteine setzt die Zelle dann
wieder zum funktionellen Protein zusammen.

Die Vorgänge kommen oft kombiniert vor. So muss die Zelle ein Protein erst proteolytisch spalten,
damit es anschließend richtig gefaltet werden kann.
5.8 · Prozessierung von Proteinen
91 5
5.8.1 Proteinfaltung

Während kleine Proteine spontan die richtige räumliche Struktur einnehmen können, ist die
Zahl der möglichen Anordnungen bei großen Proteinen zu hoch. Sie benötigen darum Chape-
rone genannte Hilfsproteine.
Es gibt zwei Gruppen von Chaperonen:
55 Hitzeschockproteine und
55 Chaperonine.

z Hitzeschockproteine
Hitzeschockproteine bildet die Zelle bei hohen Temperaturen. Die Namen von eukaryotischen
Proteinen bestehen aus dem Kürzel Hsp und einer Zahl, die die ungefähre Molekülmasse angibt,
Beispiel Hsp70. Hitzeschockproteine kommen sowohl bei Pro- als auch bei Eukaryoten vor.
Sie übernehmen mehrere Funktionen:
55 Sie tragen zur korrekten Faltung bei,
55 sie unterstützen den Transport von Proteinen durch Membranen,
55 sie lösen Verklumpungen von Proteinen auf, die sich nach Hitzeeinwirkung gebildet haben,
55 sie helfen Proteinen, sich zu einem Komplex zusammenzulagern.

Chaperone erfüllen ihre Aufgaben, indem sie hydrophobe Aminosäuren abschirmen.


55 Bei E. coli heften sich beispielsweise mehrere DnaK genannte Proteine an hydrophobe
Aminosäuren,
55 schirmen sie so im wässrigen Milieu der Zelle ab
55 und führen dann die Proteinbereiche zusammen, die im aktiven Protein beieinander liegen.
55 Dazu bindet und löst sich DnaK mehrfach unter ATP-Verbrauch.
55 DnaJ fördert die ATP-Aktivität von DnaK, und das Protein GrpE entfernt das entstandene ADP.
55 DnaJ und GrpE sind unterstützende Cochaperone.

Bei Eukaryoten entspricht Hsp70 dem DnaK von E. coli und Hsp40 entspricht DnaJ.

z Chaperonine
Chaperonine kommen als Komplexe vor, beispielsweise GroEL/GroES bei E. coli und Hsp60
und Hsp10 bei Eukaryoten. Das ungefaltete Protein gelangt in einen Hohlraum des Chapero-
nins, woraufhin dieses unter ATP-Verbrauch seine Konformation ändert. Freigesetzt wird das
korrekt gefaltete Protein.

5.8.2 Spaltung und Transport von Proteinen

Die Spaltung durch Proteasen bietet zwei Möglichkeiten.


55 Enzyme spalten Endstücke ab. Beispiel: Melittin, Hauptbestandteil im Bienengift. Damit
das Gift dem Produzenten selbst nicht schadet, stellt die Zelle erst eine inaktive Vorstufe
her, Promelittin. Diese wird herausgeschleust (sezerniert oder sekretiert). Außerhalb der
Zelle wird die Vorstufe durch Abspaltung eines Endstücks in die aktive Form umgewandelt.
55 Enzyme schneiden Abschnitte heraus oder zerlegen das Protein in Teilproteine. Beispiele:
virale Proteine. So codieren die Gene gag, pol und env des menschlichen HI-Virus jeweils
92 Kapitel 5 · Translation

zunächst Polyproteine, welche die Proteasen dann in Einzelproteine aufspalten. Vom


env (envelope)-Gen entstehen somit die Hüllproteine. Auch manche Peptidhormone von
Wirbeltieren werden erst als Polyprotein synthetisiert, bis die Zelle dann mehrere einzelne
Hormone herausschneidet.

Insulin ist ein Beispiel, das beide Spaltungen kombiniert. Das Präproinsulin setzt sich zusam-
men aus N-terminalem Signalpeptid, B-, C- und A-Kette. Durch Entfernen des Signalpeptids
entsteht das Proinsulin. B- und A-Kette bilden Disulfidbrücken, die mittlere C-Kette wird her-
ausgeschnitten, sodass dann Insulin vorliegt.

5 z Einbau in die Membran und Sekretion von Proteinen


Ein N-terminales Signalpeptid enthält charakteristischerweise hydrophobe Aminosäuren. Es
ist allgemein verantwortlich für den Einbau eines integralen Membranproteins in die Membran
oder für den Transport durch eine Membran.
Der Zeitpunkt des Transports liegt entweder nach der Translation (posttranslational) oder
während der Translation (cotranslational). Modellhaft sind die Abläufe bei E. coli. Die beiden
Varianten verlaufen nach dem gleichen Muster:
1. Erkennungsproteine heften sich an das Signalpeptid.
2. Ein Proteinkomplex übernimmt den Transport.
3. Eine Signalpeptidase trennt die Signalsequenz ab.

Der Hauptweg ist der posttranslationale Transport oder Sec-Weg (secretion-Weg).


1. Das Protein ist dabei noch ungefaltet.
2. Die ersten Proteine heißen SecA und SecB. Sie erkennen das Signalpeptid,
3. führen das Protein an das Sec-Translocon in der Membran heran,
4. und das Protein wird energieabhängig aus der Zelle herausgeschleust.
5. Eine Signalpeptidase in der Membran spaltet die Signalsequenz ab, und Chaperone
verhelfen zur Faltung.

Der cotranslationale Weg verhilft zum Einbau von Proteinen in die Membran oder zur
Sekretion.
55 Der Baustein, der die Signalsequenz erkennt, heißt bei E. coli SRP (signal recognition
particle) und besteht aus einem Protein und einer RNA.
1. Der SRP-Komplex führt das Protein an die Membran heran, indem er sich an einen
Rezeptor in der Membran bindet (FtsY).
2. Der Rezeptor reicht das Protein weiter an das Sec-Translocon, das zusammen mit dem
Protein YidC das Protein während der Translation in die Membran einfädelt.
3. Die Signalpeptidase in der Membran spaltet schließlich die Signalsequenz ab.
55 Einen ähnlichen SRP-abhängigen Weg kennt man auch aus Archaeen und Eukaryoten.
Bei Eukaryoten ist die 7SL-RNA Bestandteil des Erkennungskomplexes. Der SRP-Rezeptor
wird SR abgekürzt.

5.8.3 Chemische Veränderungen und Modifikationen

Die Zellen verändern Aminosäuren nach der Translation, indem sie kleine oder komplexe che-
mische Gruppen an bestimmte Aminosäuren hängen.
5.9 · Abbau von Proteinen, Degradation
93 5
55 Kleine Gruppen sind Acetyl-, Methyl- und Phosphatgruppen.
55 Komplexe Gruppen umfassen Zuckerreste, Fettsäuren oder Biotin (Vitamin B7 oder H).
55 Die komplexen Gruppen sind zwar nicht auf Eukaryoten beschränkt, hier allerdings
deutlich häufiger zu finden als bei Bakterien.

Die Art der angehängten chemischen Gruppe bestimmt die Funktion:


55 Acetyl-, Methyl- oder Phosphatreste wirken wie Schalter und dienen somit der Regulation.
44Die Acetyl- und Methylreste der Histone regulieren die DNA-Verpackung und damit
auch die Genaktivität (epigenetische Mechanismen, s. 7 Abschn. 7.6).
44Phosphorylierungen regulieren beispielsweise Enzyme, die Signaltransduktion und
Wechselwirkungen zwischen Proteinen.
44Im Zuge der Replikation spielte die hyperphosphorylierte CTD der Polymerase eine
wichtige Rolle.
44Solche Veränderungen zur Regulation sind naturgemäß nicht dauerhaft.
55 Angehängte Zuckerreste (durch Glykosylierung) bestimmen oft die Lokalisation eines
Proteins in der Zelle.
55 Ebenso die Verknüpfung mit Fettsäuren (Acylierung), in diesem Fall die Lokalisation in
der Membran.
55 Die Biotinylierung (Verknüpfung mit Biotin) ist beispielsweise essenziell für Enzyme, die
Kohlenstoffdioxid oder eine Carboxygruppe übertragen.

5.8.4 Proteinspleißen

Das Proteinspleißen ist ein autokatalytischer Prozess. Das Protein selbst schneidet (meist)
einen Intein genannten Abschnitt heraus und setzt die verbleibenden zwei Exteine genannten
Abschnitte wieder zusammen. Die Trennstellen nennt man Spleißstellen. Vergleicht man ihre
Sequenzen, findet man ebenfalls einige Übereinstimmungen.
Die meisten Inteine sind zusätzliche sequenzspezifische Endonucleasen, die ihr eigenes Gen
aufschneiden. Dabei läuft ein intein homing genannter Vorgang ab: Besitzt die Zelle eine zusätz-
liche Kopie des Gens ohne inteincodierenden Abschnitt (Intein-Minus-Gen), kann die Intein-
Endonuclease diese Genkopie an den Extein-Intein-Grenzen auftrennen. Die Zelle erkennt den
DNA-Bruch als Schaden und repariert ihn, indem sie den inteincodierenden Abschnitt kopiert
und einfügt. Aus dem Minus-Gen wird dadurch ein Plus-Gen. Da das Intein so für seine eigene
Verbreitung sorgt, bezeichnet man die DNA als eigennützig (selfish DNA). Es sind einige Hundert
Fälle dazu bekannt bei Bakterien, Archaeen und Eukaryoten.

5.9 Abbau von Proteinen, Degradation

Proteine haben eine begrenzte Lebensdauer.


Die Proteine einer Zelle lassen sich in zwei große Gruppen einordnen:
55 Haushaltsproteine müssen immer vorhanden sein, um die Basisfunktionen aufrechtzu-
halten. Zu ihnen gehören beispielsweise Proteine der Atmungskette.
55 Alle anderen Proteine oder Nicht-Haushaltsproteine synthetisiert die Zelle als Anpassung
an die jeweiligen Umwelt- und Lebensbedingungen. Dies trifft beispielsweise für
Transkriptionsfaktoren und Proteine für die Replikation zu.
94 Kapitel 5 · Translation

Die Zusammenstellung der Nicht-Haushaltsproteine wird reguliert, indem benötigte Proteine


synthetisiert und überflüssige abgebaut werden. Die dafür zuständigen Prozesse müssen schnell
und selektiv sein.
Das Signal für die Lebensdauer eines Proteins findet sich an seinem N-Terminus. Es wird als
Degron bezeichnet. Die Zelle spaltet nach der Translation bei vielen Proteinen das N-terminale
Methionin oder Formylmethionin ab, wodurch eine neue Aminosäure als Degron den N-Ter­
minus bildet. Es gibt dabei zwei Gruppen:
55 Stabilisierende Aminosäuren wie Alanin oder Serin erhöhen die Halbwertszeit.
55 Destabilisierende Aminosäuren wie Phenylalanin, Tryptophan oder Tyrosin verkürzen bei
E. coli die Lebensdauer des Proteins.
5
Die Abbauwege der Proteine sind bei Eukaryoten besser bekannt:
55 Proteasome sind große Proteinkomplexe, die spezifisch markierte Proteine zu Peptiden
zerlegen (. Abb. 5.10).

O
Ubiquitin C Ub
76 AS iqu
O– itin
H – S – E1
ATP

AMP + PPi Abzubauendes


H 2O Protein
2 Pi
O
Ubiquitin C – S – E1 20S-Kernkomplex
19S-Komplexe (14 + 14 -UE)
Substraterkennung 3 proteolytische
H – S – E2 – SH Aktivitäten

H – S – E1 – SH

O
Ubiquitin C – S – E2 b

Abzubauendes
Protein
Ubiquitin-
Protein
Ligase (E3)
H – S – E2

O N Abzubauendes
Ubiquitin C – N – CH 2 – CH 2 – CH 2 – CH 2 – C – H Protein
H C
a Lysin

. Abb. 5.10  Die Enzyme E1 bis E3 übertragen in einer Reaktionsfolge mit Thioestern und unter ATP-Verbrauch
Ubiquitin auf das abzubauende Protein (a), bevor dieses vom Proteasom erkannt und abgebaut wird (b)
5.9 · Abbau von Proteinen, Degradation
95 5
55 In Lysosomen genannten Organellen werden unspezifisch Proteine, Lipide und Nuclein-
säuren abgebaut. Meistens werden Proteine mit längerer Halbwertszeit in Lysosomen von
Proteasen verdaut.

Für den Abbau im Proteasom erhält das Protein eine Markierung mit dem Peptid Ubiquitin:
1. Enzyme übertragen erst eine Ubiquitinkette auf einen Lysinrest des Proteins.
2. Danach werden an das vorhandene Ubiquitin weitere Ketten gehängt, sodass das
abzubauende Protein mit bis zu zehn Ketten ubiquitiniert ist.
3. Anschließend wird das Protein entfaltet und im Proteasom zu kleinen Peptiden
zerschnitten.
4. Peptidasen bauen die Peptidfragmente ab.

Vorsicht: Vom Aufbau her verwandt mit Ubiquitin sind SUMO-Proteine (small ubiqutin-related
modifier). Sie werden auch an Proteine gebunden, erfüllen aber andere Funktionen:
55 Sie verhindern die Anheftung von Ubiquitin,
55 sie schalten eine andere Proteinfunktion ein,
55 sie beeinflussen die Beweglichkeit von Kernproteinen.
97 6

Regulation der Genexpres-


sion: Allgemeines und
Regulation bei
Prokaryoten
6.1 Grundlagen – 98
6.1.1 Notwendigkeit zur Regulation – 98
6.1.2 Allgemeine Regulationsmöglichkeiten und beteiligte
­Elemente – 98
6.1.3 Regulationsebenen – 99
6.1.4 DNA-bindende Proteine bei Pro- und Eukaryoten – 99

6.2 Regulation der Transkription bei Prokaryoten – 102


6.2.1 Einleitung und grundsätzliche
Regulationsmöglichkeiten – 102
6.2.2 Das lac-Operon von E. coli : Regulation eines
Abbauwegs – 103
6.2.3 Das trp-Operon von E. coli : Regulation eines
Synthesewegs – 104
6.2.4 Regulation an der DNA des Phagen λ – 106
6.2.5 Regulation über σ-Faktoren – 106
6.2.6 Stringente Kontrolle – 107
6.2.7 Riboswitches (RNA-Schalter) – 108

6.3 Regulation der Translation – 108


6.3.1 Antisense-RNA – 108
6.3.2 CRISPR/Cas – 108

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_6
98 Kapitel 6 · Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei Prokaryoten

z Worum geht es?


Die vorhergehenden Kapitel stellten dar, wie die Information in den Genen abgelesen und expri-
miert wird. Hier geht es um die Regulation der Genexpression auf den verschiedenen Ebenen wie
DNA, Transkription oder Translation. DNA-bindende Proteine sind bei Pro- wie bei Eukaryoten
von entscheidender Bedeutung. Für die Bindung an die DNA besitzen sie bestimmte Sequenzen,
die Motive genannt werden. Prokaryoten regulieren die Expression vor allem auf der Ebene der
Transkription, im Zentrum steht die Regulation des Operons. Die Regulation der Translation
erfolgt mittels Antisense-RNA.

6.1 Grundlagen

6.1.1 Notwendigkeit zur Regulation


6
Pro- und Eukaryoten müssen kontrollieren und regulieren, welche Geninformation sie zu
welchem Zeitpunkt nutzen. Die jeweilige regulierte und an Bedingungen angepasste Expres-
sion bezeichnet man als differenzielle Genexpression oder -aktivität.
Die Schwerpunkte der differenziellen Genexpression sind unterschiedlich:
55 Prokaryoten reagieren auf wechselnde Umweltbedingungen, Reize und
Wachstumsbedingungen.
44Ein Darmbakterium findet im Darm mehr Nährstoffe vor als außerhalb des Darms.
Es kann diese Stoffe aufnehmen und sich die Synthese z. B. von Aminosäuren sparen.
In nährstoffarmer Umgebung muss es diese selbst herstellen. Je nach Zuckerquelle
produziert es nur die dafür notwendigen Abbauenzyme und unterdrückt die Synthese
anderer Abbauenzyme.
44Bodenbakterien wie Bazillen müssen längere Zeiten mit Trockenheit oder Nährstoff-
mangel überdauern. Dafür bilden sie Dauerformen, die Sporen, deren Bildung sie über
ein eigenes Genprogramm einleitet.
55 Auch Eukaryoten müssen auf sich ändernde Umweltbedingungen, Reize und Wachstums-
bedingungen reagieren. Hinzu kommt, dass viele Eukaryoten Mehrzeller sind, die aus ein
und derselben Zygote hervorgehen. Die späteren Zellen besitzen alle die gleiche Erbinfor-
mation, aber die Zellen differenzieren sich in verschiedene Zelltypen.
44So unterscheiden sich eine menschliche Leber- und Nervenzelle in der Proteinaus-
stattung erheblich.
44Als Grundlage dafür lesen die Zellen unterschiedliche Gene ab, andere bleiben
unbeachtet.

6.1.2 Allgemeine Regulationsmöglichkeiten und beteiligte Elemente

Man unterscheidet zwei Varianten der Regulation:


55 Bei der negativen Regulation unterdrückt ein Repressor die Genexpression.
55 Bei der positiven Regulation veranlasst ein Aktivator die Genexpression.

Beide Formen kommen bei Pro- und Eukaryoten vor. Sehr grob gesagt ist die negative Kontrolle
eher bei Prokaryoten von Bedeutung, die positive Kontrolle bei Eukaryoten.
6.1 · Grundlagen
99 6
Ausgeübt wird die Kontrolle von regulatorischen DNA-Elementen – unmittelbar vor Genen
liegend oder weit davon entfernt (s. 7 Abschn. 4.2.2) – und regulatorischen Genen. Bei den
Produkten der regulatorischen Gene handelt es sich entweder um RNA-Moleküle oder um
DNA-bindende Proteine. In den meisten Fällen binden sich die Proteine an die regulatorischen
DNA-Elemente.

6.1.3 Regulationsebenen

Es gibt mehrere Ebenen der Regulation:


1. Veränderung auf DNA-Ebene: Die Rekombination von DNA als Regulationsmechanismus
kennt man von Pro- und Eukaryoten. Dabei wird die DNA umgebaut durch Deletion oder
Inversion.
44Beispiel bei Prokaryoten: Das pathogene Bakterium Salmonella enterica kann
verschiedene Flagellen bilden. Die Flagellen nutzt es zur Fortbewegung, gleichzeitig
sind es Antigene, die der Wirtsorganismus zur Abwehr erkennt und ausnutzt. Durch
Umschalten auf die Synthese eines anderen Flagellinproteins kann das Bakterium
der Immunabwehr entgehen. Der „Schalter“ besteht aus einem Promotor, der durch
Inversion seine Leserichtung ändert und je nach Orientierung verschiedene Gene
abliest. Das Phänomen heißt Phasenvariation.
44Beispiel bei Eukaryoten: Die Antikörpervielfalt des Menschen beruht darauf, dass
DNA-Elemente zur Synthese der Immunproteine modulartig zusammengesetzt werden
und es dabei zu Deletionen, Mutationen und Inversionen kommt (s. 7 Abschn. 13.3).
2. Veränderung auf Chromatinebene: Vor allem bei Eukaryoten ist die DNA unterschiedlich
methyliert, und Histone können acetyliert, phosphoryliert, methyliert oder ubiquitiniert
sein. Dadurch ist die DNA für DNA-bindende Proteine verschieden gut zugänglich und
wird besser oder schlechter abgelesen (s. Epigenetik, 7 Abschn. 7.6).
3. Transkription: Die Bildung von RNA-Molekülen wird an- oder abgeschaltet.
4. Prozessierung von mRNA: Eukaryotische Zellen verändern ihre mRNA-Moleküle so, dass
sie darüber die Stabilität beeinflussen oder den Transport ins Cytoplasma.
5. Translation: Die Bildung von Proteinen wird ermöglicht oder nicht.
6. Posttranslation: Durch Modifikationen an den Proteinen beeinflusst die Zelle die Aktivität
von Proteinen und auch ihre Lebensdauer.

6.1.4 DNA-bindende Proteine bei Pro- und Eukaryoten

z Unterscheidung von unspezifischen und spezifischen DNA-bindenden Proteinen


DNA-bindende Proteine sind für Pro- wie Eukaryoten grundlegend für die Genregulation. Man
unterscheidet zwischen unspezifischen und spezifischen DNA-bindenden Proteinen.
55 Zu den unspezifischen DNA-bindenden Proteinen gehören beispielsweise die Histone
bei Eukaryoten und die histonähnlichen Proteine bei Prokaryoten. Sie erfordern keine
besondere DNA-Sequenz, um sich anzulagern.
55 Die spezifischen DNA-bindenden Proteine lagern sich nur an bestimmte Sequenzen.
Sie gestatten die Regulation einzelner Gene bei Pro- und Eukaryoten und erlauben eine
Reaktion auf die physiologische Situation der Zelle.
100 Kapitel 6 · Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei Prokaryoten

Da die Vielfalt der spezifischen DNA-bindenden Proteine bei Eukaryoten größer ist als bei Pro-
karyoten, nimmt man für Eukaryoten eine weitere Einteilung vor:
55 Die generellen (oder allgemeinen) Transkriptionsfaktoren (s. 7 Kap. 4) ermöglichen eine
basale Transkription, die ständig abläuft, wenngleich auf einem niedrigen Niveau.
55 Die regulatorischen (oder spezifischen) Transkriptionsfaktoren (s. 7 Kap. 7) stimulieren
die Transkription, indem sie diese auf bestimmte Signale hin hochregulieren.

Die spezifischen Proteine der Pro- und Eukaryoten zeichnen sich durch Strukturmerkmale aus:
Sie besitzen Motive von 20 bis 60 Aminosäuren, die für die Bindung verantwortlich sind. Diese
Abschnitte oder Domänen mit bestimmter Funktion lagern sich in der Regel in die große Furche
der DNA und entfalten ihre Wirkung.
Viele spezifische DNA-bindende Proteine interagieren über eine zweite Domäne mit anderen
Proteinen (den allgemeinen Transkriptionsfaktoren, Coaktivatoren), um die Regulation abzu-
6 stimmen, oder sorgen beispielsweise für die Lokalisation im Zellkern.

z Strukturmotive für die Bindung an die DNA


Man ordnet die Proteine nach dem charakteristischen Aufbau des Strukturmotivs verschiede-
nen Gruppen zu:
55 Bei Prokaryoten:
44Helix-turn-Helix (Helix-Kehre-Helix, . Abb. 6.2):
Das Helix-turn-Helix-Motiv ist das typische Motiv bei Prokaryoten. Zwei α-Helices sind
über eine Kehre aus wenigen Aminosäuren (turn) verbunden. Die zweite Helix ist die
Erkennungshelix für die große Furche.
Beispiele: lac-Repressor, λ-Repressor (s. u.).
55 Bei Eukaryoten:
44Homöodomäne:
Sie ist mit dem prokaryotischen Helix-turn-Helix-Motiv verwandt, mit 60 Amino-
säuren aber länger. Drei α-Helices sind hintereinander angeordnet, der turn liegt
zwischen zweiter und dritter Helix. Die dritte ist die Erkennungshelix, sie lagert sich
in die große Furche. Viele Proteine mit der Homöodomäne spielen eine Rolle bei der
Zelldifferenzierung und der Gestaltbildung von Organismen.
Beispiele: UBX bei Drosophila, Oct-Faktoren wie Oct4 (Transkriptionsfaktoren in
embryonalen Stammzellen).
Der entsprechende Abschnitt der DNA in dem Gen heißt Homöobox und man spricht
von den HOX-Genen. Einige Proteine mit Homöodomäne binden sich an DNA und
RNA, Beispiel: Bicoid bei Drosophila (für die Ausbildung der anterior-posterioren
Körperachse).
Homöotische Gene sind evolutionär hoch konserviert.
44Basische Helix-loop-Helix-Domäne (bHLH):
Zwei Helices mit basischen Aminosäuren sind über eine Schleife verbunden. Die
Domäne kommt oft in Proteinen vor, die sich an Enhancer binden.
Beispiel für Transkriptionsfaktoren mit bHLH: Die E12/E47-Proteine aktivieren die
Expression von Immunglobulingenen.
44Zinkfingerdomäne (. Abb. 6.1):
Mehrere Aminosäuren legen sich in eine Schleife um ein Zinkion, das sie koordinativ
binden. So entsteht der Eindruck eines Fingers mit dem Metallatom an der Wurzel. Je
nachdem, ob zwei Cysteine und zwei Histidine das Zinkion binden oder vier Cysteine,
6.1 · Grundlagen
101 6

C H C H C H

Zn Zn Zn

C H C H C H

+ –
H 3N COO

Bildet Bildet
-Helix -Faltblatt

. Abb. 6.1  Struktur der Zinkfingerdomäne

Helix-turn-Helix Leucin-Zipper
+
NH 3

Hydrophobe
Wechselwirkungen

Schleife
+
„turn“ NH3 COO –
Erkennungshelix COO – b

H-Brücken DNA

a
. Abb. 6.2  Helix-turn-Helix-Domäne und Leucin-Zipper

spricht man von Cys2-His2-Zinkfingern oder Cys4-Zinkfingern. Proteine können


jeweils einige wenige Zinkfinger ausbilden oder bis über 30.
Beispiele: Krüppel bei Drosophila, der Transkriptionsfaktor TFIIIA für die RNA-Poly-
merase III.
44Basische Leucin-Zipper-Domäne (bZip-Domäne, . Abb. 6.2):
Das Motiv besteht aus zwei langen α-Helices. Die eine Helix enthält basische, die andere
hydrophobe Aminosäuren. Jede siebte Aminosäure ist Leucin. Die Helices können sich
102 Kapitel 6 · Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei Prokaryoten

aneinanderlagern und sich somit wie ein Reißverschluss schließen. Die Helices können
auch auf zwei getrennte Proteine verteilt sein.
44Beispiele: CREB-Proteine oder Myc.

6.2 Regulation der Transkription bei Prokaryoten

6.2.1 Einleitung und grundsätzliche Regulationsmöglichkeiten

Prokaryoten kontrollieren ihre Transkription als Antwort auf äußere oder innere Signale. Zu
den Signalen gehören
55 die Versorgung mit Nährstoffen (Zucker, Aminosäuren) oder verschiedenen
Stickstoffquellen,
6 55 die Temperatur,
55 die Sauerstoffkonzentration,
55 die Bakteriendichte (Quorum sensing).

Im einfachen Fall ist das Signal ein Stoff, beispielsweise ein Zucker, der durch ein Membran-
protein ins Zellinnere gelangt und dort direkt mit einem DNA-bindenden Protein interagiert
(s. 7 Abschn. 6.2.2).
In den Fällen der Signaltransduktion erkennt die Zelle das äußere Signal, leitet es ins Zell-
innere und wandelt es um.
Beispiel: Das Zweikomponentensystem besteht aus zwei Proteinen:
55 Eine Sensorkinase reagiert spezifisch auf das Umweltsignal. Sie ist in der Membran
verankert. Auf die Wahrnehmung des äußeren Signals hin ändert sie ihre Konfor-
mation und phosphoryliert im Zellinneren einen eigenen Histidinrest (Selbst- oder
Autophosphorylierung).
55 Ein intrazelluläres Protein, der Antwortregulator, reagiert auf die Veränderung an der
Sensorkinase. Es handelt sich meist um ein DNA-bindendes Protein, oder es interagiert
mit einem solchen.

Eine Phosphatase schaltet den Signalweg ab.


Die Signaltransduktionswege oder -kaskaden sind bei Prokaryoten im Vergleich zu Euka-
ryoten recht einfach und schnell.
Die Zelle reguliert die Transkription, indem sie diese
55 anschaltet, also aktiviert oder positiv kontrolliert
55 oder abschaltet, reprimiert oder negativ kontrolliert.

Daran können sich mehrere Proteine beteiligen:


55 Die Regulatoren:
44Aktivatoren aktivieren Gene,
44Repressoren unterdrücken sie.
55 Es kann sein, dass diese Proteine ihre Wirkung allein erzielen oder dass weitere Moleküle
unterstützend notwendig sind: Coaktivatoren und Corepressoren.
55 Ein Repressor wird dabei durch seinen Corepressor erst aktiv, das heißt, erst dann schaltet
er die Transkription ab. Der Gegenspieler zum Corepressor heißt Induktor, er inaktiviert
einen Repressor, sodass dadurch die Transkription angeschaltet wird.
6.2 · Regulation der Transkription bei Prokaryoten
103 6
366734 Ausschnitt aus dem E. coli-Genom 360473

Allolactose
LacI Repression – LacI
inaktiv LacI –35 –40 +1
aktiv + Derepression
5' 3'
PlacI lacI CBS P O1 lacZ lacY lacA
3' 5'
CAP +
mRNA mRNA
Positive
cAMP Operon
Regulation

. Abb. 6.3  Das lac-Operon unter positiver und negativer Kontrolle

6.2.2 Das lac-Operon von E. coli: Regulation eines Abbauwegs


Bei Bakterien sind die Strukturgene für Stoffwechselwege, z. B. für den Abbau des Zuckers
Lactose, in der Regel geclustert. Sie liegen im Genom direkt hintereinander und werden gemein-
sam transkribiert.
Eine solche Transkriptionseinheit heißt Operon. Ein Operon besteht aus einem Promotor
und einem Operator als Regulationselementen und den nachfolgenden Strukturgenen. Es steht
unter der Kontrolle eines Regulatorproteins, dessen Promotor und Gen nicht Teil des Operons
ist und woanders im Genom liegt.
Das lac-Operon dient seit Jahren als Paradigma für das Operonmodell. Es wird induziert
und dadurch erst transkribiert. Das Operon umfasst neben Promotor und Operator die Gene
für den Stoffwechsel von Lactose.
1. Das lacZ-Gen codiert die β-Galactosidase. Das Enzym wandelt Lactose in die isomere
Allolactose um und spaltet den Zucker in Glucose und Galactose.
2. Das lacY-Gen codiert den Membrantransporter für Lactose, die Permease.
3. lacA codiert eine Transacetylase mit nicht endgültig geklärter Funktion.

Das lac-Operon unterliegt einer doppelten Kontrolle (. Abb. 6.3).


Über den lac-Repressor (codiert von lacI) ist das Operon negativ induzierbar:
1. Wenn Lactose nicht vorliegt, bindet sich der Repressor an den Operator und blockiert die
Bindung der RNA-Polymerase an die DNA. Allerdings ist die negative Kontrolle nicht
komplett, eine minimale Transkription findet statt. Das ist wichtig, damit in der Membran
Permeasemoleküle vorliegen und den Eintritt in die Zelle erlauben.
2. Findet die Zelle Lactose im Medium vor, nimmt es den Zucker durch die Permease auf.
3. In der Zelle wandelt die β-Galactosidase Lactose in Allolactose um. Vier Moleküle binden
sich an ein Repressortetramer.
4. Das Repressortetramer ändert dadurch seine Konformation, löst sich vom Operator und
gibt den Promotor für die Bindung der RNA-Polymerase frei.

Der zweite Mechanismus ist eine positive Kontrolle und von Glucose abhängig:
1. So lange Glucose als Zucker vorliegt, bevorzugt E. coli diese Energiequelle, denn Lactose
müsste erst gespalten werden.
Allgemein verhindert Glucose die Transkription von Strukturgenen für den Abbau anderer
Zucker (Galactose, Maltose u. a.), man nennt das Phänomen Katabolitrepression.
104 Kapitel 6 · Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei Prokaryoten

2. Verringert sich der Glucosegehalt jedoch, so steigt in der Zelle die Menge des Second
Messengers cAMP an.
3. cAMP bindet sich an CAP (catabolite activator protein), auch CRP genannt (cAMP receptor
protein). CAP ändert nach der Anlagerung von cAMP seine Konformation, es wird
aktiviert, bindet sich nun an die CAP-Bindestelle (CBS) der DNA und fördert die Bindung
der RNA-Polymerase an den Promotor.

Die Verschaltung von Glucose- und Lactosestoffwechsel erfolgt über das Phosphotransferase-
system (PTS, eigentlich Phosphoenolpyruvat-PTS). Phosphoenolpyruvat (PEP) ist ein Kohlen-
hydrat aus dem Glucoseabbau.
Das Phosphotransferasesystem veranschaulicht die Bedeutung von Phosphorylierungen.
55 Das PTS transportiert mittels spezifischer Transporter Zuckermoleküle in die Zelle und
phosphoryliert sie.
6 55 Die EIIA-Domäne der Glucose-Permease verknüpft Zuckertransport mit Genregulation.
55 In Abwesenheit von Glucose ist die EIIA-Domäne phosphoryliert. Dieser Zustand
aktiviert das Enzym Adenylat-Cyclase, das aus ATP den Second Messenger cAMP herstellt.
55 In Anwesenheit von Glucose wird der Phosphatrest von EIIA entfernt und letztlich auf
Glucose übertragen. Die Aktivierung der Adenylat-Cyclase bleibt aus, das nichtphospho­
rylierte EIIA hemmt zusätzlich die Lactose-Permease LacY, Lactose gelangt nicht in die
Zelle (Induktorausschluss).

6.2.3 Das trp-Operon von E. coli : Regulation eines Synthesewegs

Das trp-Operon umfasst die Gene für die Synthese der Aminosäure Tryptophan (Trp). Wenn kein
Tryptophan im Nährmedium vorhanden ist, muss E. coli die Aminosäure herstellen. Ist es hingegen
vorhanden, schaltet das Bakterium die Transkription ab und spart die Energie für die Synthese ein.
Das trp-Operon gliedert sich in
55 den Promotor,
55 den Operator,
55 fünf Strukturgene für die Synthese von Trp aus Chorisminsäure,
55 ein weiteres Kontrollelement, die Leader-Sequenz oder Leitsequenz (trpL), zwischen dem
Operator und dem ersten Strukturgen,
55 das Gen trpR für einen Repressor in einiger Entfernung. Der Repressor vermag sich allein
nicht an den Operator zu binden.

Das trp-Operon unterliegt ebenfalls doppelter Kontrolle.


55 Die erste Kontrolle dient als Beispiel für negative Repression.
44In Abwesenheit von Trp findet die RNA-Polymerase ungehindert Zugang zum
Promotor und transkribiert die Strukturgene.
44In Anwesenheit von Trp bindet sich die Aminosäure jedoch an den Repressor und
aktiviert ihn: Er ändert seine Konformation, heftet sich an den Operator und verhindert
somit, dass sich die RNA-Polymerase an den Promotor bindet.
55 Die zweite Kontrolle führt einen neuen Mechanismus ein, die Attenuation. Sie kontrolliert
nicht die Initation wie die bisherigen Wege, sondern die Elongation der Transkription.
Die Attenuation führt zu einem vorzeitigen Abbruch, falls die negative Repression nicht
vollständig war.
6.2 · Regulation der Transkription bei Prokaryoten
105 6
5' 3'
Promotor Operator Leader Attenuator trpE trpD trpC trpB trpA t t'
3' 5'

U A
–AAAGGU UGGUGGCGCACUUCCUGAAAC GGGCAGUGUAU CACCA UGCGUAAAGCAAUCAG AUACCCAGCCCGCCUAAU G GCGGGCU UUUUUUU–mRNA
Region 1 Region 2 Region 3 Region 4

Met Lys Ala Ile Phe Val Leu Lys Gly Trp Trp Arg Thr Ser

. Abb. 6.4  Ausschnitt aus der Sequenz des trp-Operons

RNA-
DNA
Polymerase
1 2
mRNA
Ribosom 3 4

a Leader-Peptid

RNA-
DNA
Polymerase
mRNA 1 4

Leader-Peptid Ribosom

2 3

. Abb. 6.5  Regulation des trp-Operons durch Attenuation. Die Ziffern kennzeichnen die vier Abschnitte, die
Haarnadeln ausbilden können

Der Schlüssel zum Verständnis liegt in dem Leader trpL. Er weist besondere Strukturmerkmale
auf (. Abb. 6.4):
55 einen offenen Leserahmen von 14 Codons, zwei davon für Tryptophan,
55 vier Abschnitte oder Regionen, welche die Ausbildung von verschiedenen Haarnadeln der
mRNA erlauben. Diese Unterregion des Leaders heißt Attenuator.

Die Wirksamkeit der Attenuation basiert darauf, dass bei Bakterien die Translation an die Tran-
skription gekoppelt abläuft.
55 Sollte es in Anwesenheit von Trp zur Transkription des Operons kommen, so beginnt
E. coli mit der Translation.
1. Ribosomen und Trp-tRNATrp heften sich an die Codons der Leader-Sequenz.
2. Während sich die Ribosomen an den Abschnitt lagern, bilden die hinteren Abschnitte
die Haarnadel aus (. Abb. 6.5a).
106 Kapitel 6 · Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei Prokaryoten

3. Diese Sekundärstruktur stoppt jedoch die RNA-Polymerase und damit die weitere
Transkription.
55 In Abwesenheit von Trp ist die entsprechende tRNA unbeladen. Folglich ist der Attenuator
frei und kann aus seinen vorderen Bereichen 2 und 3 eine Haarnadel ausbilden. Diese Struktur
stoppt die RNA-Polymerase jedoch nicht, und die Transkription läuft weiter (. Abb. 6.5b).

Attenuation findet man bei E. coli auch in weiteren Aminosäureoperons, beispielsweise in denen
für Histidin oder Leucin, aber auch bei anderen Bakterien.

6.2.4 Regulation an der DNA des Phagen λ

Der Phage λ (Lambda) ist ein beliebtes Beispiel für verschachtelte Regulationen. Sobald der Phage
6 λ seine DNA in eine E.-coli-Wirtszelle injiziert hat, sind zwei grundverschiedene Wege möglich:
55 Vermehrung, Herstellung neuer Phagen, Zerstörung der Wirtszelle (lytischer Zyklus)
55 oder Integration der DNA ins Wirtsgenom und Weitergabe mit jeder Zellteilung von
E. coli (lysogener Zyklus, s. 7 Abschn. 9.2.2 und 10.3.2).

Je nachdem, welcher Weg eingeschlagen wird, werden verschiedene Gene exprimiert und andere
reprimiert. Der λ-Repressor (vom cI-Gen codiert, mit Helix-turn-Helix-Motiv) ist dazu die zen-
trale Schaltstelle.
55 Lysogener Zyklus. Ist die DNA in das E.-coli-Chromosom integriert, hält der λ-Repressor
diesen Zustand aufrecht. Dimere des Proteins heften sich an Operatoren und lassen nur
noch die Expression von cI zu, während sie die Transkription anderer λ-Gene und somit
den lytischen Weg verhindern.
55 Lytischer Zyklus. Schlägt λ nach der Infektion den lytischen Weg ein, so unterdrückt der
Cro-Repressor (von cro codiert, ebenfalls mit Helix-turn-Helix-Motiv) die Expression von
cI. Das Cro-Protein wird daher auch Antirepressor genannt.

Die cI- und cro-Gene und die Zielsequenzen der zwei Repressoren sind verschachtelt und über-
lappen einander.
Ob es nach der Infektion zum lytischen oder zum lysogenen Zyklus kommt, hängt davon
ab, welcher Repressor sich eher an seine Zieloperatoren heftet. Denn dadurch unterbindet er die
Expression des jeweils anderen Repressorgens.
Der Repressor ist ein Angriffspunkt der SOS-Antwort von E. coli. Darunter versteht man ein
Notfallprogramm, das die Zelle in kritischen Situationen anschaltet (UV-Bestrahlung, chemi-
sche Mutagenese, s. 7 Abschn. 11.6.6). Es sichert das Überleben, der Preis dafür ist eine erhöhte
Mutationsrate. Innerhalb dieser Antwort induziert die Zelle die Bildung der RecA-Protease. RecA
spaltet (auch) den λ-Repressor. Damit ist der Weg frei für den lytischen Zyklus.

6.2.5 Regulation über σ-Faktoren

Die RNA-Polymerase ist aufgebaut aus dem Core-Enzym und dem σ-Faktor (s. 7 Abschn. 4.4.1).
Der σ-Faktor ist jedoch nur für die Promotorerkennung wichtig. Nach der Initiation der Tran-
skription löst er sich von dem Core-Enzym.
55 Der Standard-σ-Faktor bei E. coli ist σ70.
6.2 · Regulation der Transkription bei Prokaryoten
107 6
70

rpoH-Gen

mRNA

32 Abbau

RNA-Polymerase

Fördert
den Abbau
Hemmt 32
die Bindung
Hitzeschockgene

Hitzeschockproteine,
u. a. Dnaj

. Abb. 6.6  Unter bestimmten Bedingungen kommt es zur Bildung des σ32-Faktors. Mit diesem Faktor ist die
Transkription weiterer Gene möglich (Hitzeschockproteine). Diese fördern wiederum den Abbau des σ-Faktors,
sodass das System sich selbst reguliert

55 Unter besonderen Umständen (vor allem Stress) ist einer von sechs anderen σ-Faktoren
notwendig, die sich an andere −35- und −10-Regionen des Promotors binden.
55 Sie erkennen Promotoren von Genen, welche die Anpassung an die Stresssituation gewähr-
leisten. σ32 ist beispielsweise für die Hitzeschockreaktion und Bildung der Hitzeschock-
proteine wichtig (. Abb. 6.6).

Bacillus subtilis liefert weitere Beispiele für den Einsatz verschiedener σ-Faktoren als Antwort auf
äußere Umstände. Nährstoffmangel ist beispielsweise ein Auslöser für die Bildung einer Endo-
spore. Die Sporen zeigen keine erkennbare Stoffwechselaktivität und erlauben dem Bakterien,
„schlechte Zeiten“ zu überdauern.
55 Die Sporenbildung oder Sporulation ist ein Prozess in mehreren Stufen, bei dem die
Mutterzelle in ihrem Plasma die Spore bildet.
55 Die Stufen laufen kaskadenartig ab. Auf unterschiedlichen Stufen kommen für die Genex-
pression die verschiedenen σ-Faktoren zum Einsatz.
55 Die Sporulation gilt als ein Beispiel für eine Zelldifferenzierung bei Bakterien.

6.2.6 Stringente Kontrolle

Bedeutung und Ablauf der stringenten Kontrolle:


55 Die stringente Kontrolle greift bei Aminosäuremangel ein, wenn die Zelle daraufhin die
Vermehrungsrate drosseln muss.
55 Als Antwort reduziert sie die Synthese von rRNA und tRNA und fährt die Bildung von
Ribosomen herunter.
55 Auslöser sind unbeladene tRNAs. Sie aktivieren ein Enzym, das mit den Ribosomen
assoziiert ist, die pppGpp-Synthetase, auch stringent factor genannt.
108 Kapitel 6 · Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei Prokaryoten

55 Das Enzym führt letztlich zur Synthese von ppGpp. Dieses Guanosintetraphosphat
arbeitet zusammen mit seinem Hilfsprotein DksA (DnaK suppressor A), bindet sich an
die RNA-Polymerase an den Promotoren der rrn-Operons und hemmt das Enzym. Das
ppGpp ist ein Signalnucleotid oder Alarmon.

6.2.7 Riboswitches (RNA-Schalter)

Riboswitches ähneln der Attenuation. Grundlage sind Elemente in mRNAs, die Sekundärstruk-
turen ausbilden, welche zum Abbruch der Transkription führen oder die Translation verhindern.
Während in der Attenuation aber die mRNA allein die Strukturen ausbildet, binden sich für die
Riboswitches Liganden an die mRNA und leiten die Ausbildung der Sekundärstrukturen ein.
Als Liganden fungieren Cofaktoren, Nucleotide oder Aminosäuren. Sie binden sich bevorzugt
6 an den 5′-UTR (untranslatierte Region) der mRNA.
Beispiel: Die Synthese von Vitamin B12. Wenn das Vitamin vorhanden ist, bindet es sich an
den 5′-UTR, der Riboswitch wird „eingeschaltet“. Die mRNA wird nicht mehr translatiert, weil
die Ribosomenbindestelle jetzt verdeckt ist. In Abwesenheit von B12 bildet die mRNA andere
Sekundärstrukturen aus und die Ribosomenbindestelle ist für die Translation zugänglich.

6.3 Regulation der Translation

6.3.1 Antisense-RNA

Bakterien regulieren überwiegend die Transkription. Eine Möglichkeit, die Translation zu kon­
trollieren, basiert auf der Synthese einer Antisense-RNA. Komplementär zu einer mRNA oder nur
zu einem Abschnitt einer mRNA stellt die Zelle ein RNA-Molekül her, das sich an diese mRNA
bindet und die Translation verhindert.
55 Beispiel: Kontrolle des ompF-Gens bei E. coli.
Das Genprodukt OmpF ist ein Porenprotein in der äußeren Membran, das Wasser und
Ionen hindurchlässt. Die Expression des Gens ist der Regelfall.
Ändert sich die Osmolarität des Außenmediums, muss die Zelle Ein- oder Austritt durch
OmpF verhindern und die Proteinmenge reduzieren. Dazu induziert sie die Synthese des
micF-Gens (mRNA-interfering complementary RNA) für eine nichtcodierende RNA. Die
RNA ist komplementär zum 5′-UTR-Ende der ompF-mRNA. Sie lagert sich an die mRNA,
verdeckt somit die Ribosomenbindestelle und unterbindet die Translation.

6.3.2 CRISPR/Cas

Das CRISPR/Cas-System hat man bei Archaeen und Bakterien gefunden. Es arbeitet mit regu-
latorischen RNA-Molekülen, um eine Immunität gegen Phagen-DNA aufzubauen (. Abb. 6.7).
Es ist das prokaryotische Pendant zur eukaryotischen RNA-Interferenz, die ebenfalls auf
regulatorischen RNAs aufbaut und fremde DNA damit abwehrt.
Das Besondere an dem CRISPR/cas-Mechanismus ist die adaptive Immunität. Die Bakte-
rien passen sich an die Phagen an und geben ihre Immunität an die Tochterzellen weiter. Der
Schlüssel dazu: Bakterien bauen Phagen-DNA in den CRISPR-Locus auf ihrem Chromosom ein.
6.3 · Regulation der Translation
109 6

Immunisierung

Repeats

L 1 2 3 4 5 6

a cas-Gene Spacer

Guide-RNA
Cas-Komplex
(crRNA)

Protospacer

Immunität
b

. Abb. 6.7  Etablierung einer Immunität gegen Phagen über das CRISPR/Cas-System (nach Marraffini 2015; mit
freundlicher Genehmigung der Nature Publishing Group)

Cascade Prä-crRNA Cas9 tracrRNA Cas6 Prä-crRNA


Prä-crRNA

Cas10-
Komplex

PAM
Cas3 PAM

Transkript

a Typ I b Typ II c Typ III

. Abb. 6.8  Je nach beteiligten Cas-Proteinen und Struktur der crRNA unterscheidet man drei Typen des
Mechanismus. PAM bei Typ I und II steht für protospacer adjacent motif, es ist ein kurzes Motiv vor dem Protospacer.
Cas3, Cas6 und Cas9 sind Nucleasen (nach Marraffini 2015; mit freundlicher Genehmigung der Nature Publishing
Group)
110 Kapitel 6 · Regulation der Genexpression: Allgemeines und Regulation bei Prokaryoten

z Aufbau des Locus


CRISPR steht für clustered regularly interspaced short palindromic repeats. Der Locus setzt sich
zusammen aus
55 einer Leitsequenz (dem Leader) mit einem Promotor für die Transkription,
55 den 24–48 bp (die Angaben schwanken) kurzen palindromen Repeats und
55 20–72 bp kurze Spacer, welche die Phagen-DNA enthalten.

Repeats und Spacer folgen abwechselnd aufeinander. Neue Phagen-DNA-Abschnitte baut die
Zelle hinter der Leitsequenz ein. Nicht weit von dem CRISPR-Locus liegen die cas-Gene (CRISPR
associated genes), deren Produkte bei der Phagenabwehr mithelfen.

z Mechanismus
1. Die Zelle transkribiert zunächst den CRISPR-Abschnitt als lange Prä-crRNA und spaltet
6 diese in die kleineren crRNAs (CRISPR-derived RNA) oder psiRNAs (prokaryotic siRNA).
2. Die als Guide-RNA dienenden crRNAs und die Cas-Proteine bilden zusammen
Ribonucleoproteine.
3. Die crRNA aus den Spacern ist komplementär zur eingedrungenen Phagen-DNA
(Protospacer), lagert sich an diese Sequenz an und löst den Abbau der Phagen-DNA aus
(. Abb. 6.7 und 6.8).

Das CRISPR/Cas9-System hat sich zu einem wichtigen Werkzeug im Laboralltag entwickelt, wenn
man Mutationen in Gene einbauen will (s. 7 Abschn. 16.8 Genome Editing).
111 7

Regulation der Genexpres-


sion bei Eukaryoten
7.1 Allgemeiner Vergleich zur Regulation bei
Prokaryoten – 113

7.2 Gewebe- und entwicklungsspezifische Regulation


der Globingene beim Menschen – 113
7.2.1 Allgemeines – 113
7.2.2 Differenzielle Genexpression der Globingene – 114

7.3 Regulation der Gene – 115


7.3.1 Regulation der RNA-Polymerase-I-Gene – 115
7.3.2 Regulation der RNA-Polymerase-II-Gene – 116
7.3.3 Regulation der RNA-Polymerase-III-Gene – 117

7.4 Signaltransduktion bei Eukaryoten – 117


7.4.1 Überblick – 117
7.4.2 Beispiele für Signalwege: vom äußeren Signal zur
­Regulation der Transkription – 118
7.4.3 cAMP und CREB-Signalweg – 120
7.4.4 Steroidhormone – 120

7.5 Regulation der Translation – 121


7.5.1 eIF4E – 121
7.5.2 eIF2 – 122

7.6 Regulatorische RNA-Moleküle und RNA-


Interferenz – 122
7.6.1 Überblick – 122

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_7
7.6.2 Ablauf mit siRNAs – 123
7.6.3 Ablauf mit miRNAs – 124
7.6.4 Ablauf mit piRNA – 124

7.7 Epigenetik – 125


7.7.1 Chromatin-Remodeling – 126
7.7.2 Histonmodifikationen – 126
7.7.3 DNA-Methylierung – 128
7.2 · Gewebe- und entwicklungsspezifische Regulation
113 7
z Worum geht es?
Im Vergleich zur Genexpression bei Prokaryoten verläuft die eukaryotische Regulation erheb-
lich feiner und abgestufter. Globingene veranschaulichen das Phänomen der differenziellen Gen-
expression beim Menschen. Bei Eukaryoten gibt es ein sehr differenziertes Zusammenspiel von
allgemeinen und spezifischen Transkriptionsfaktoren, die sich an die DNA binden. Signalwege
illustrieren, wie Zellen auf ein äußeres Signal hin mit der Regulation der Expression reagieren.
Das Gebiet der Epigenetik umfasst regulatorische RNAs, Veränderungen der Histonproteine
und der DNA.

7.1 Allgemeiner Vergleich zur Regulation bei Prokaryoten

Die Regulation unterscheidet sich bei Eukaryoten zum Teil deutlich von der bei Prokaryoten:
55 Eukaryoten regulieren in der Regel einzelne Gene und keine Operons.
55 Transkription und Translation der Kern-DNA sind räumlich getrennt. Die Transkription
findet im Zellkern statt, die Translation im Cytoplasma.
55 Auch Eukaryoten nutzen zur Regulation das Prinzip DNA-bindender Proteine. Es ist
erheblich facettenreicher, so ist die Vielfalt DNA-bindender Motive deutlich größer
(s. 7 Abschn. 6.1.4).
55 Promotorelemente zeigen mehr Variationen im Aufbau.
55 Weitere cis-regulatorische Elemente kommen hinzu.
55 Die beteiligten Faktoren konkurrieren oder kooperieren miteinander.
55 Sie wirken direkt oder indirekt auch über weite Strecken in der DNA hinweg.
55 Bei Eukaryoten spielen chemische Modifikationen an der DNA eine erhebliche Rolle. Die
Veränderung der Chromatinstruktur geht einher mit der Regulation der Expression.
55 Die Vielfalt und Anzahl regulatorischer RNA-Moleküle ist größer als bei Prokaryoten.

7.2 Gewebe- und entwicklungsspezifische Regulation


der Globingene beim Menschen

7.2.1 Allgemeines

Der Mensch besitzt mehrere Globingene (. Abb. 7.1), die zu verschiedenen Zeiten in verschie-
denen Geweben exprimiert werden. Die Globinproteine, die zusätzlich einen Häm-Cofaktor
enthalten, transportieren Sauerstoff in verschiedenen Zellen:
55 Das Hämoglobin transportiert Sauerstoff in Erythrocyten,
55 Myoglobin in Muskelzellen,
55 Neuroglobin in Nervenzellen,
55 Cytoglobin kommt in fast allen Zellen vor.

Hämoglobin (Hb) ist ein Tetramer, es besteht aus zwei Proteinenketten zweier verschiedener
Globine. Man bezeichnet die verschiedenen Varianten mit griechischen Buchstaben (α, β, γ, δ ε,
ζ). Die Proteine von adulten Säugetieren sind vor allem vom α- und β-Typ.
Thalassämien sind Erkrankungen des Blutes, bei denen die Zellen nicht ausreichend Globine
bilden.
114 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

J1 J2
5' 3'

31 32 99 100 141
Pseudogene

Chromosom 16 5' 3'

Embryonal Adult

J1 J2
5' 3'

30 31 104 105 146


Pseudogen

7 Chromosom 11 5' 3'

Embryonal Fetal Adult

. Abb. 7.1  Organisation der Globingene auf den Chromosomen 16 und 11 (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Bei den häufigeren β-Thalassämien fehlen die β-Ketten, sie gehen auf Fehler beim
Spleißen zurück (s. 7 Abschn. 4.8.2).
55 Bei den selteneren α-Thalassämien fehlen die α-Ketten. Die häufigste Ursache für
α-Thalassämien ist ein ungleiches Crossing over während der Meiose mit der Folge einer
Deletion.

7.2.2 Differenzielle Genexpression der Globingene

z Die entwicklungsspezifische Expression


Die Expression ändert sich während der Embryobnalentwicklung:
55 Bis zur achten Woche kommt Hb Gower 1 vor, es besteht aus zwei ζ- (zeta-) und zwei
ε- (epsilon-)Proteinketten mit hoher Bindungsaffinität für Sauerstoff,
55 Ab der achten Woche kommt HbF (F für fetal) vor, bestehend aus zwei α- und zwei
γ-Ketten, außerdem Hb Gower 2 aus zwei α- und zwei ε-Ketten sowie Hb Portland aus zwei
ζ- und zwei γ-Ketten,
55 Etwa ab dem 6. Monat und nach der Geburt macht HbA1 mit 97 % den Löwenanteil aus, es
besteht aus zwei α- und zwei β-Ketten, dann kommen HbA2 (2,5 %) aus zwei α- und zwei
δ-Ketten und HbF (0,5 %).

Die Ursache für die unterschiedliche Zusammensetzung während der Entwicklung liegt in den
unterschiedlichen Bedingungen für den Sauerstofftransport und, daran gekoppelt, in dem
Sauerstoffaustausch mit dem mütterlichen Blut. Solange der Embryo über keinen eigenen Blut-
kreislauf verfügt, muss das Hämoglobin Sauerstoff mit höherer Affinität binden als das Hämo-
globin der Mutter. Erfolgt später die bessere Versorgung über die Lungen, darf das Globin eine
geringere Bindungsaffinität aufweisen.
Die Expression der Globinsynthese ist außerdem gewebespezifisch und erfolgt:
7.3 · Regulation der Gene
115 7
55 während der ersten drei Monate im Dottersack,
55 anschließend in Leber und Milz,
55 nach der Geburt im Knochenmark.

7.3 Regulation der Gene

In 7 Kap. 4 über die Transkription wurde die Initiation der Transkription und damit auch der Prä-
initiationskomplex vorgestellt. An seinem Aufbau sind die allgemeine Transkriptionsfaktoren
und eine RNA-Polymerase beteiligt. Als Antwort auf ein Signal sind spezielle Transkriptions-
faktoren notwendig (auch regulatorische oder spezifische Transkriptionsfaktoren genannt), um
die Transkriptionsrate zu erhöhen.
Die Einteilung erfolgt in Aktivatoren oder Repressoren. Zusätzliche Cofaktoren (Coak-
tivatoren oder Corepressoren) unterstützen oder behindern sie dabei. Cofaktoren können
auch Enzyme sein, welche die DNA verändern, z. B. Histon-Acetyltransferasen. Weitere DNA-­
Elemente sind ebenfalls beteiligt.
Der Regulationsapparat setzt sich somit zusammen aus:
55 allgemeinen Transkriptionsfaktoren für eine basale Transkription,
55 speziellen Transkriptionsfaktoren für die zelltypspezifische und zeitliche Expression,
55 Cofaktoren für die Unterstützung und Feinregulation,
55 dem Mediatorkomplex (verknüpft Transkriptionsfaktoren miteinander und mit der
RNA-Polymerase),
55 Chromatinmodulatoren,
55 cis-Elementen.

Die allgemeinen Transkriptionsfaktoren hängen von der RNA-Polymerase ab. Eine Ausnahme
davon bildet das TATA-Box-bindende Protein oder TBP, das jede der drei folgenden Polymerasen
benötigt. Die speziellen Transkriptionsfaktoren sind je nach Gen unterschiedlich und sehr spezifisch.

7.3.1 Regulation der RNA-Polymerase-I-Gene

Die RNA-Polymerase I transkribiert die meisten rRNA-Moleküle (5,8S, 18S und 28S). Die von der RNA-
Polymerase I synthetisierten rRNAs machen rund 80 % der gesamten RNA-Menge einer Zelle aus.
Generelle Transkriptionsfaktoren sind der
55 upstream binding factor (UBF), der sich an das upstream-Promotorelement bindet,
55 der SL1-Komplex (Selektivitätskomplex oder TFIB). Der SL1-Komplex enthält auch das
TBP (TATA-Box-bindendes Protein).

Eine Hochregulation ist wichtig, weil für die Zellteilung die Menge der rRNAs verdoppelt werden
muss. Beteiligt daran sind u. a.
55 die Erhöhung der UBF-Konzentration,
55 der Transkriptionsinitiationsfaktor TIFIA,
55 cyclinabhängige Kinasen (CDK1, 2 und 4), die in die Regulation des Zellzyklus involviert
sind und UBF phosphorylieren.

Der Auslöser für die Regulation sind Wachstumsfaktoren.


116 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

a Allgemeine Amplifikation

mRNA-
Gene Transkripte Myc

Myc

Promotor

Zelle

b Selektive Amplifikation c Enhancer-Invasion


Enhancer
Transkriptions-
7
Myc
faktoren W

X Y Z X Y Z Myc Y Myc
X Z

. Abb. 7.2  Wege, wie Myc Gene reguliert: In einigen Zellen führt Myc zu einer allgemeinen Amplifikation
der Expression (a), zusammen mit anderen Transkriptionsfaktoren arbeitet Myc selektiv (b), abnormal erhöhte
Myc-Konzentrationen bewirken eine Wechselwirkung mit Enhancern und eine erhöhte Expression über das
chromosomale Looping (c) (nach Dang 2014; mit freundlicher Genehmigung der Nature Publishing Group)

7.3.2 Regulation der RNA-Polymerase-II-Gene

Den Präinitiationskomplex bauen die RNA-Polymerase II und die allgemeinen Transkriptions-


faktoren (TFIIA, B, D, E, F, H und S) auf. Die Transkriptionsfaktoren besitzen DNA-Bindungs-
domänen, um Promotorelemente zu erkennen (s. 7 Kap. 4, Transkription).

z Regulatorische Transkriptionsfaktoren
Sie binden sich sequenzspezifisch an die DNA und erlauben die differenzierte Regulation.
Beispiele:
55 Sp1 (specificity protein 1) besitzt drei Zinkfinger und bindet sich an GC-Boxen im proxi-
malen Promotor. Es ist beteiligt an mehreren Prozessen (Zelldifferenzierung, -wachstum,
Apoptose u. a.). Es kann mit etlichen Proteinen interagieren.
55 Das Myc/Max-Heterodimer mit einem bHLH-Motiv und Leucin-Zipper (. Abb. 7.2).

z Enhancer und Isolatoren


Enhancer sind cis-regulatorische DNA-Elemente, die in großer Entfernung des Zielpromotors
liegen können. Ihre Orientierung spielt dabei keine Rolle.
Wegen der großen Entfernung besteht die Gefahr, dass der Enhancer auf einen anderen als
seinen Zielpromotor wirkt. Das verhindern Isolatoren und die bekannten Promotorelemente.
Beispiel: Das autoregulatorische Element 1 (AE1) bei Drosophila ist von zwei Genen etwa
gleich weit entfernt, von Sex combs reduced (Scr) und von fushi tarazu (ftz). Sein Zielpromotor ist
der von ftz, die Aktivierung erfolgt zielgenau, weil der ftz-Promotor eine TATA-Box beinhaltet,
der Scr- Promotor hingegen Inr und DPE.
7.4 · Signaltransduktion bei Eukaryoten
117 7
z Locus-Kontrollregionen
Eine Locus-Kontrollregion (LCR) erhöht die Expression von gekoppelten Genen der Genfami-
lien, ist gewebespezifisch und abhängig von der Zahl der Kopien.
Beispiel: Vor den β-Globingenen liegen vier LCRs mit Bindestellen für Transkriptionsfakto-
ren, z. B. NF-E2. Anders als bei Enhancern zeigen sie ihre Wirkung abhängig von der Position.
Enhancer und LCR haben gemeinsam, dass sie über weite Strecken die Transkription
beeinflussen.

7.3.3 Regulation der RNA-Polymerase-III-Gene

Die RNA-Polymerase III transkribiert von drei verschiedenen Promotortypen aus. Unabhängig
vom Promotortyp ist für den Präinitiationskomplex der TFIIIB-Komplex nötig. Er besteht aus drei
Untereinheiten, dem TBP, BRF1/2 und BDP1. Abhängig vom Promotortyp kommen generelle
Transkriptionsfaktoren hinzu wie TFIIIA oder C.

7.4 Signaltransduktion bei Eukaryoten

7.4.1 Überblick

Die Signaltransduktion gewährleistet die Reaktion auf Signale aus der Außenwelt (äußere Umge-
bung oder andere Körperzellen), die dann auf DNA-Ebene Prozesse in Gang setzt. Beispiele:
Reaktion auf Sinnesreize, Krankheitserreger oder Hormone.
Grundsätzlich umfasst die Signaltransduktion die Informationsweiterleitung in die Zelle
und ihre Umsetzung. Am Ende steht die Transkriptionskontrolle, jedoch werden auch Stoff-
wechselwege (Enzymreaktionen oder Transportvorgänge) beeinflusst.
Die folgenden möglichen Komponenten findet man immer wieder in Signalkaskaden
(. Abb. 7.3):
55 Das äußere Signal ist ein Stoff (ein Ligand), der sich an seinen Rezeptor bindet. Dieses
Signal ist der primäre Botenstoff. Durch die Bindung des Liganden verändert der Rezeptor
seine Konformation. Damit ändert sich auch die cytoplasmatische Domäne, und sie inter-
agiert mit einem anderen Molekül in der Zelle.
55 Das Signal gelangt durch die Membran hinweg in die Zelle und bindet sich an ein anderes
Protein.
55 Die Signalweitergabe löst den Transport eines Transkriptionsfaktors in den Zellkern aus.
55 Phosphorylierungen mittels Kinasen regulieren die Proteinaktivität. Phosphorylierungen
sind die wichtigste posttranslationale Modifikation.
55 Bei Eukaryoten unterscheidet man zwei Klassen von Kinasen: Serin/Threonin-Kinasen
(Ser/ Thr-Kinasen) und Tyrosin-Kinasen (Tyr-Kinasen). Kinasen kommen im Cytoplasma
und im
55 Zellkern vor, aber auch die Membranrezeptoren können eine Kinasefunktion haben. Ihre
Gegenspieler sind die Phosphatasen.
55 Rezeptoren sind oft verbunden mit GTP-Proteinen (oder kurz G-Proteinen). Das sind
Proteine, die GTP binden und zu GDP hydrolysieren.
44Monomere G-Proteine sind klein; trimere G-Proteine bestehen aus den drei Unterein-
heiten α, β und γ und sind membranständig.
118 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

Spezifische Ligand- Cytoplasma-Zellkern- Phosphorylierung von Proteinen


Rezeptor-Interaktion Translokation durch Kinasen

Ligand Plasmamembran
P
Rezeptor Cytoplasma Kinase
Nucleus Protein Protein
Plasmamembran Phosphatase
Cytoplasma
a b c

Bildung von Second-Messenger-


G-Protein als Schalter Molekülen (z. B. cAMP) Abbau von Proteinen
NH2
ATP Protein
O O O N
N
–O P O P O P O
N N
O– O– O– O
GDP GTP Protea-
RAS RAS Ubiquiti-
GEF
7 Adenylat- nierung som
NH2
Inaktiv Aktiv OH OH

GAP Cyclase N
N

O O O
N N
Ub
P Ub
–O O cAMP Ub
d e OH f Ub

. Abb. 7.3  Komponenten von Signalübertragungswegen

44Haben sie GTP gebunden, sind sie aktiv und interagieren mit anderen Proteinen der
Signalkette. Ist GDP gebunden, sind sie inaktiv.
44G-Proteine stehen in der Kaskade zwischen Rezeptor und einem Second Messenger:
Sie können Enzyme aktivieren, die Second Messenger herstellen oder abbauen.
Beispielsweise aktivieren sie die Adenylat-Cyclase, die cAMP synthetisiert.
55 Die Signalweiterleitung bindet einen sekundären Botenstoff oder Second Messenger
ein. Beispiele dafür sind cAMP, cGMP, Calciumionen oder IP3 (Inositoltriphosphat).
Sekundäre Botenstoffe wirken nicht spezifisch auf ein Gen, sondern vervielfältigen das
Signal. So schalten Zellen mehrere – bis zu hundert – Gene an, wenn sie die Konzentration
von cAMP erhöhen.

7.4.2 Beispiele für Signalwege: vom äußeren Signal zur Regulation


der Transkription

z MAP-Kinase-Signalweg (mitogen activated protein kinase, MAPK, . Abb. 7.4)


Signale: Wachstumsfaktoren
Wirkung: Förderung des Zellwachstums
Wichtige Komponenten: mehrere Kinasen, Tyr- ebenso wie Ser/Thr-Kinasen, das
G-Protein Ras
Ablauf:
1. Ein Wachstumsfaktor bindet sich an seine Rezeptormoleküle, die darauhin ein Dimer bilden.
2. Der Rezeptor ist eine Rezeptor-Tyrosin-Kinase. Die Tyrosin-Kinase ist in der cytoplas-
matischen Domäne lokalisiert, womit die Moleküle des Dimers sich gegenseitig
phosphorylieren.
7.4 · Signaltransduktion bei Eukaryoten
119 7

Ligand Rezeptor-
Tyrosin-
Kinase Inaktiv Aktiv
Plasmamembran
RAS P P RAS RAS MAPKKK
P P GDP GTP
(Raf )
P P
GTP GDP ATP
Cytoplasma ADP
GrB SOS
Substrat MAPKK
P
(cytoplasmatisch) (MEK)

P ATP
ADP
ADP ATP
P Substrat ADP ATP MAPK
P
P (nucleär) (Erk)

DNA Nucleus

. Abb. 7.4  Der MAP-Kinase-Signalweg

3. Daraufhin kann sich das Adaptermolekül Grb2 andocken.


4. Grb2 holt das Protein SOS heran zu einem Komplex aus Rezeptor mit Ligand, Grb2 und SOS.
5. Das SOS-Protein aktiviert Ras. Ras ist ein G-Protein und wichtiger Schalter.
6. Das aktive GTP-Ras bringt eine Kaskade von drei Kinasen in Gang, die jeweils das
nachgeschaltete Protein phosphorylieren.
7. Erst phosphoryliert GTP-Ras die Ser/Thr-Kinase Raf.
8. Raf phosphoryliert dann MEK.
9. Als Drittes hängt MEK an die Ser/Thr-Kinase Erk einen Phosphatrest. Erk ist eine
MAP-Kinase. Um die Hierarchie in der Kaskade oberhalb der MAP-Kinase zu verdeut-
lichen, nennt man Raf auch MAP-Kinase-Kinase-Kinase und MEK MAP-Kinase-Kinase.

Das phosphorylierte Erk aktiviert Transkriptionsfaktoren im Cytoplasma, die dann in den Zell-
kern gelangen. Es dringt aber auch selbst in den Zellkern und aktiviert dort Transkriptionsfak-
toren, beispielsweise die bZip-Proteine AP1 oder das Protein Elk1.
Die Zelle muss den Weg streng kontrollieren, sonst kommt es zur Hyperproliferation. Eine
Ras-Mutante wirkt daher als Onkoprotein.

z JAK-STAT-Signalweg
Signale: Cytokine (Interferon γ, Interleukin IL-1β, IL-6, TNF-α u. a.)
Wirkung: Zellwachstum, Zelldifferenzierung, Migration, Überleben von Immunzellen Wich-
tige Komponenten: JAK (Janus-Kinase oder just another kinase: eine Tyr-Kinase) und ein STAT-
Protein (signal transducer and activator of transcription: ein Transkriptionsfaktor). Beim Men-
schen kennt man sieben verschiedene STAT-Proteine.
Ablauf:
1. Ein Cytokin heftet sich an seine Rezeptormoleküle. Die zwei Rezeptormoleküle lagern sich
dann zu einem Dimer zusammen. Auf der cytoplasmatischen Seite der Rezeptormoleküle
ist die JAK am Rezeptor angelagert.
120 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

2. Die Bindung des Cytokins an den Rezeptor aktiviert die JAK.


3. Die Kinase phosphoryliert sich selbst, interagiert mit einem STAT-Protein und phospho­
ryliert es.
4. Dieses löst sich von dem Rezeptor-JAK-Komplex, dimerisiert und gelangt in den Zellkern.

Im Zellkern binden sich die STAT-Dimere an ihre Zielsequenzen der zu regulierenden Gene.
Zu diesen Genen gehören beispielsweise: CL-1, es verhindert eine Apoptose, und Gene für die
Regulation von Interleukin IL-4.
Mutationen in Genen der beteiligten Proteine verursachen Erkrankungen des Immunsys-
tems, z. B. Leukämien, Lymphome.

7.4.3 cAMP und CREB-Signalweg

Signale: verschiedene, z. B. Hormone wie Adrenalin oder Glucagon


7 Wirkung: vielfältig, Differenzierung verschiedener Zellarten
Wichtige Komponenten: G-Protein-gekoppelter Rezeptor, der sekundäre Botenstoff cAMP,
Proteinkinase K, Transkriptionsfaktor CREB, Coaktivator CBP
Ablauf:
1. Ein Ligand bindet sich an den G-Protein-gekoppelten Rezeptor. In Verbindung mit diesem
Komplex steht die Adenylat-Cyclase. Die Aktivierung des G-Proteins aktiviert die Cyclase.
2. Das Enzym stellt cAMP aus ATP her. Der sekundäre Botenstoff bindet sich an die Protein-
kinase A (PKA) und aktiviert sie.
3. Die PKA besteht aus zwei regulatorischen und zwei katalytischen Untereinheiten. Nach der
Aktivierung lösen sich die katalytischen Untereinheiten ab und gelangen in den Zellkern.
4. Dort phosphorylieren sie den Transkriptionsfaktor CREB, ein bZIP-Protein.
5. Das phosphorylierte CREB heftet sich an seine DNA-Zielsequenz. Die Sequenz heißt cAMP
response element oder CRE. Daher CREB: CRE-binding Protein.
6. CREB interagiert mit den allgemeinen Transkriptionsfaktoren TFIIB und D.
7. Zudem aktiviert es ein weiteres Protein, den Coaktivator CBP (CREB-binding protein). CBP
acetyliert Histone (und andere Proteine) und stellt somit die Verbindung zum Chromatin-
Remodeling her.

Auch andere Signalwege führen zu CREB und aktivieren es. In diesen Wegen fehlt cAMP, andere
Proteinkinasen ersetzen darin die PKA.
Die verschiedenen Signalwege kreuzen sich: crosstalk. Damit sich die Wege nicht stören, ent-
halten die jeweiligen regulatorischen DNA-Sequenzen nicht nur das CRE, sondern auch andere
Elemente. In unterschiedlicher Kombination gestatten sie dann eine differenzierte Regulation.
Da die Komponenten so vielfältig eingesetzt werden, zeigen Mutationen im CBP-Gen des
Menschen auch vielfältige Auffälligkeiten. Patienten mit dem Rubinstein-Taybi-Syndrom sind
geistig stark eingeschränkt, minderwüchsig, haben abstehende Daumen und/oder große Zehen
und Missbildungen in inneren Organen.

7.4.4 Steroidhormone

Auslöser: Steroidhormone: Glucocorticoide, Östrogene, Ecdyson


7.5 · Regulation der Translation
121 7
Wirkung: vielfältig
Wichtige Komponente: intrazellulärer Rezeptor
Ablauf für Glucocorticoide:
1. Die Steroidhormone gehören zu den Lipiden. Daher kann das Hormon problemlos die
lipophile Zellmembran durchtreten und in das Cytoplasma gelangen.
2. Es bindet sich dort an den Glucocorticoidrezeptor (GR), der mit weiteren Proteinen einen
Komplex bildet.
3. Diese Proteine lösen sich dann von dem Steroid-GR.
4. Der Steroid-GR-Komplex ändert seine Konformation, tritt durch die Kernmembran in
den Zellkern, heftet sich dort als Dimer an seine DNA-Zielsequenz, das Glucocorticoid-
Response-Element (GRE), und aktiviert die Transkription.

Beispiel: Bedeutung des Androgenrezeptors


1. Ein Enzym setzt das Geschlechtshormon Testosteron zunächst in Dihydrotestosteron
(DHT) um.
2. DHT bindet sich dann an den Androgenrezeptor, AR, im Zellkern und aktiviert diesen.
3. AR ist ein Transkriptionsfaktor. Der aktivierte AR schaltet die Genexpression mehrerer
Gene an, sodass sich männliche Geschlechtsmerkmale ausbilden.

Mutationen im AR-Gen auf dem X-Chromosom bewirken somit, dass Testosteron nicht wirkt
und sich auch bei männlichem Karyotyp ein weiblicher Phänotyp ausbildet. Das Ausmaß dieser
Androgeninsensitivität oder -resistenz kann unterschiedlich ausgeprägt sein, bis hin zu testi-
kulärer Feminisierung.

7.5 Regulation der Translation

Die Zelle reguliert die Translation im Initiationsschritt. Sie bestimmt die Effizienz unter anderem
über Abschnitte der mRNA.
55 Dafür ist die Erkennung des Startcodons AUG Voraussetzung. In 7 Kap. 5 wurde die
Kozak-Sequenz vorgestellt. Weicht die Umgebung von AUG von der Kozak-Sequenz ab, so
ist die Initiation schlechter.
55 Auch Sekundärstrukturen, vor allem im 5′-UTR, verhindern die flüssige Initiation.
55 Die eigentliche Regulation der Translation läuft vor allem über die zwei Translationsfak-
toren eIF4E und eIF2.

7.5.1 eIF4E

Funktion von eIF4E:


55 Der Faktor eIF4E bindet sich an die Cap-Struktur am 5′-Ende einer mRNA.
55 An den Poly(A)-Schwanz am 3′-Ende heftet sich der Faktor eIF4G, der wiederum mit 4E
interagiert und somit herbeiführt, dass die mRNA einen Ring bildet.
55 Repressoren verhindern diesen Ringschluss. Die Proteine binden sich an 4E, sie heißen
eIF4E-bindende Proteine, eIF4E-BP. Sie besitzen das gleiche Bindungsmotiv wie 4G
und verhindern dadurch die Interaktion von 4E und 4G, also den Ringschluss und die
Initiation.
122 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

Als Regulationsschalter fungieren wieder Phosphorylierungen:


55 Im aktiven Zustand ist eIF4E phosphoryliert.
55 Dephosphoryliertes eIF4E unterdrückt die Translation.
55 Über äußere Signale wie Cytokine und Wachstumsfaktoren stellt die Zelle die Verbindung
her zur Signalstransduktion. So kann ein Signalweg zu phosphorylierten eIF4E-BPs
führen, die Phosphorylierung verhindert die Bindung und erlaubt die Interaktion
zwischen 4E und 4G.
55 Eine wichtige Ser/Thr-Kinase ist mTOR (mammalian Target of Rapamycin. Rapamycin
ist ein Wirkstoff gegen Pilzinfektionen und unterdrückt Immunreaktionen nach
Transplantationen).
55 Die Kinase mTOR ist in Signalketten eingebunden. Sie fördert die Initiation auf zwei
Wegen: Sie phosphoryliert die eIF4E-BP und eine weitere Kinase, welche letztlich die
Herstellung ribosomaler Proteine fördert.

7 7.5.2 eIF2

Der Faktor eIF2 bildet in der Initiation einen ternären Komplex mit der Initiatior-RNA Met-­
tRNAMet und GTP. Es entsteht dann eIF2-GDP, und die Zelle muss den Faktor regenerieren mittels
des Austauschfaktors eIF2B.
Der Faktor eIF2 besteht aus drei Untereinheiten. Die α-Untereinheit trägt ein Serin, das phos-
phoryliert wird. In diesem Zustand bilden jedoch die eIF2-Faktoren einen stabilen Komplex. Der
Zelle fehlt dann freier eIF2, und die Proteinsynthese stoppt.

7.6 Regulatorische RNA-Moleküle und RNA-Interferenz

Regulatorische RNAs kommen bei Prokaryoten sowie bei verschiedensten Eukaryoten wie Pilzen,
Pflanzen, Wirbellosen und Wirbeltieren einschließlich der Säugetiere vor. Sie sind von Bedeutung
für die Abwehr von Viren, die Kontrolle der Expression, für Krankheiten einschließlich Krebs.
Wissenschaftler nutzen diese RNAs inzwischen für die Diagnostik, als Therapiemöglichkeiten
und als Werkzeuge im Laboralltag.

7.6.1 Überblick

RNA-Interferenz ist ein Vorgang, der Gene auf RNA-Ebene ausschaltet. Als wesentliches Cha-
rakteristikum tritt doppelsträngige RNA auf.
Die Klasse der regulatorischen RNA-Moleküle umfasst:
55 siRNA: kleine interferierende RNA oder small interfering RNA,
55 miRNA: Mikro-RNA,
55 piRNA: piwi-interagierende RNA (piwi interacting RNA).

Der Mechanismus der Interferenz für siRNA und miRNA ist ähnlich, Ähnlichkeiten zu piRNA
sind erst zum Ende des Wegs vorhanden.
7.6 · Regulatorische RNA-Moleküle und RNA-Interferenz
123 7
z Allgemeiner Ablauf:
Der Kernvorgang für den siRNA- und miRNA-Weg arbeitet mit zwei Komponenten:
55 einer RNase vom Typ III: Dicer spaltet dsRNA-Moleküle in kleinere doppelsträngige
RNA-Schnipsel,
55 einem Proteinkomplex: RISC-Komplex (RNA-induced silencing complex). Zur Unter-
scheidung spricht man vom siRISC und miRISC.
44Er enthält ein Argonautenprotein.
44Das Argonautenprotein nimmt die dsRNAs auf,
44spaltet einen Strang ab und
44nutzt den anderen, um komplementäre mRNA-Moleküle damit einzufangen.
44Bindet sich dieser einzelsträngige Köder an eine Ziel-mRNA, so wird diese abgebaut
und nicht translatiert.
Am Anfang des piRNA-Wegs steht einzelsträngige RNA, im weiteren Verlauf tritt jedoch auch ein
Komplex mit einem RNA-Köder auf, der komplementäre RNA einfängt und abbaut.

z Argonautenproteine:
Argonautenproteine besitzen drei Domänen:
55 Die PAZ-Domäne (benannt nach den Proteinen Piwi, AGO, Zwille) bindet das 3′-Ende
von siRNA und miRNA.
55 Die Mid-Domäne bindet das 5′-Ende.
55 Die Piwi-Domäne ist eine RNase und übernimmt somit die Spaltung.

Man teilt die Familie in zwei Unterfamilien ein.


55 Ago-Proteine sind weiter verbreitet. Sie arbeiten vornehmlich mit siRNA und miRNA. Das
menschliche Ago2-Protein heißt auch Slicer.
55 Die Piwi-Proteine kommen in erster Linie in der Keimbahn vor und bearbeiten piRNA.

7.6.2 Ablauf mit siRNAs

Der Weg beginnt mit langen dsRNAs. Diese sind das Ergebnis beispielsweise einer Virusinfek-
tion bei Pflanzen oder eines genomischen Transkripts der Zelle, transkribiert von der RNA-­
Polymerase III.
1. Das Enzym Dicer spaltet im Cytoplasma die lange dsRNA in kürzere Fragmente. Erst diese
21–25 bp kleinen dsRNAs nennt man siRNAs.
2. RISC bindet die Einzelstränge und unterscheidet sie nach der Asymmetrieregel: Der
Strang mit dem schwächer gepaarten 5′-Ende gilt als Leitstrang und wird von dem RISC
gebunden. Der andere Begleit- oder Passagierstrang wird abgebaut.
3. RISC bindet den Leistrang so, dass die Basen nach außen zeigen und einen Köder für eine
komplementäre mRNA bilden.
4. Findet der Komplex eine komplementäre RNA, wird sie von dem Argonautenprotein
zerschnitten. Exonucleasen bauen die Produkte weiter ab.

Die siRNAs kommen zwar in Zellen natürlich vor (endogene siRNAs), doch meist stellt man
siRNAs als Werkzeuge her, um Gene stillzulegen (. Abb. 7.5).
124 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

100 %
Menge

mRNA
siRNA
Instabiles Protein
Stabiles Protein

Zeit

. Abb. 7.5  Nach Transfektion von siRNA in eine Zelle sinkt die Menge von mRNA und bei einem Protein mit
geringer Halbwertszeit (instabiles Protein) auch dessen Menge (nach Mülhardt 2013)

7.6.3 Ablauf mit miRNAs

7 Die miRNAs sind in Zellen deutlich weiter verbreitet, man findet sie bei allen höheren Eukaryo-
ten. Sie werden von eigenen Genen codiert oder liegen in Introns anderer Gene. Die miRNAs
sind etwa 21 bp kurze, nichtcodierende RNA-Moleküle, die vornehmlich von der RNA-Poly-
merase II transkribiert und anders als siRNAs gewonnen werden:
1. Die Polymerase stellt ein primäres einzelsträngiges miRNA-Transkript (pri-miRNA,
primary-miRNA) her, das charakteristische Haarnadeln ausbildet.
2. Im Zellkern beginnt die Vorarbeit. Eine RNase vom Typ III spaltet die Haarnadeln ab. Das
Enzym heißt bei Tieren Drosha und dicerähnliches Enzym Dcl1bei Pflanzen.
3. Das Ergebnis ist die Prä-miRNA (pre-miRNA, precursor miRNA) mit Einzelstrangab-
schnitten, die dann ins Cytoplasma gelangt.
4. Dicer trennt die Einzelstränge ab und liefert eine dsRNA mit 21 bp.
5. Der miRISC wählt einen Leitstrang aus und bindet die nun reife miRNA.

Die Bindung an ein Zieltranskript ist oft nicht so vollständig wie bei einer siRNA, bei Tieren
kann sie auf die seed-Region (Nucleotide 2 bis 8 der miRNA) beschränkt sein. Der weitere Weg
zur Stilllegung eines Gens hängt von der Komplementarität ab, der Abbau wie bei einer siRNA
ist nur eine Möglichkeit (. Abb. 7.6).

7.6.4 Ablauf mit piRNA

Die piRNAs sind in Vorkommen und Funktion deutlich eingeschränkter. Man findet sie in der
männlichen Keimbahn, wo ihre Aufgabe darin besteht, schädliche Transpositionen zu unter-
drücken, die über eine RNA-Zwischenstufe laufen.
Ihren Namen haben die RNAs von ihrer Bindung an die Piwi-Unterfamilie der Argonauten-
proteine. Die piRNAs sind mit 24–31 bp etwas länger als siRNAs und miRNAs. Die Sequenz
eines piRNA-Gens ist komplementär zur einem Transposontranskript.
Da die Zelle eine einzelsträngige RNA als Vorläufer für die piRNA herstellt, fällt der Dicer-
Schritt hier weg.
1. Eine Antisense-piRNA wird von Piwi-Proteinen an ein Sense-Transkript eines mobilen
Elementes gebunden, getrimmt und geschnitten, sodass das ein Stück des ehemaligen
Transposons jetzt eine Sense-piRNA geworden ist.
7.7 · Epigenetik
125 7
CRISPR-vermittelte Interferenz Eukaryotische RNA-Interferenz

Fremde DNA Fremde RNA

Nucleus
CRISPR-Locus
Herkunft piRNA-Locus miRNA-Locus
Repeat Repeat Repeat
CRISPR-
Drosha
Transkription

? miRNA siRNA
Cas oder RNase III
crRNA RNA-Synthese piRNA 3' Dicer
5' 3'
crRNA-geführter Überwachungskomplex RNA-induzierter Silencing-Komplex
Cas-Proteine AGO/PIWI
Seed Seed
5' 3' Interferenz 5'

Zielinterferenz Zielinterferenz

. Abb. 7.6  Gegenüberstellung von CRISPR-Mechanismus und eukaryotischer RNA-Interferenz (nach


Wiedenheft, Sternberg und Doudna 2012; mit freundlicher Genehmigung der Nature Publishing Group)

2. Damit kann der Proteinkomplex ein Antisense-Transkript des Transposons binden und
ausschalten.

7.7 Epigenetik

Epigenetik umfasst die Phänome, die für die Genexpression und -funktion wichtig sind, aber
nicht in der Abfolge der Basen gespeichert sind. Sie basiert auf Modifikationen der Histone und
der DNA-Basen, die Veränderungen in der Regulation während der Entwicklung und Differen-
zierung erzeugen. Manche Autoren zählen hierzu auch die RNA-Interferenz und die Dosiskom-
pensation des X-Chromosoms.
Das Epigenom (die Gesamtheit der epigenetischen Information) ist stabil und bleibt
während der Zellteilungen erhalten. Das Epigenom unterliegt aber Umwelteinflüssen. Der
Ernährungszustand der Mutter während der Schwangerschaft wirkt sich auf die epigenetischen
Zustände der Nachkommen aus. Dadurch können die Nachkommen anfälliger werden für
Erkrankungen oder Störungen.
Epigenetische Regulation bildet die Basis für die genetische Prägung oder das Imprinting.
Die Expression mancher Gene ist dann abhängig davon, ob es sich um das mütterliche oder
das väterliche Allel handelt. Dabei exprimiert die Zelle nur das vom Vater oder von der Mutter
stammende Gen.
Beispiel: Igf2-Gen (insulin-like growth factor) der Maus. Der Embryo exprimiert nur das väter-
liche Allel. (s. Prader-Willi-/Angelman-Syndrom, 7 Abschn. 12.1.3).
55 In der frühen Phase der Keimzellentwicklung löscht die Zelle das alte Muster und erstellt
später ein neues, geschlechtsspezifisches Muster.
55 Für das Imprinting sind vor allem Methylierungen der DNA durch Methyltransferasen
verantwortlich. Die Regulation geht von einem Imprinting Center aus (IC) aus.
126 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

7.7.1 Chromatin-Remodeling

In der dicht gepackten Form ist die DNA abgeschottet vom Transkriptionsapparat. Die Verän-
derungen der Chromatinstruktur und chemische Veränderungen an der DNA verhindern oder
erlauben den besseren Zugriff von Proteinen auf die DNA.
Auf der ersten Stufe der Verpackung ist die DNA um Histonoktamere gewickelt und bildet
mit diesen die Nucleosomen. In den Nucleosomen ist die DNA jedoch nicht zugänglich. Beim
Remodeling ordnen Proteine, die Chromatin-Remodeling-Komplexe, die Nucleosomen unter
ATP-Verbrauch so um, dass bisher verdeckte Promotorabschnitte freigelegt werden.
Beispiel: SWI-SNF Komplex bei Drosophila und beim Menschen: Er lockert die Ordnung der
Nucleosomen auf, erzeugt eine unregelmäßigere Abfolge und verschiebt so die DNA auf den
Nucleosomen. ISWI-Proteine kehren den Prozess wieder um. Chromatin-Remodeling-Kom-
plexe stehen mit DNA-bindenden Proteinen in Kontakt und führen diese an die frei geworde-
nen Bereiche.

7
7.7.2 Histonmodifikationen

z Überblick (. Abb. 7.7)


Die Histone der Nucleosomen haben zwei Domänen:
55 eine für die Assoziation mit anderen Histonen,
55 die zweite für die Bindung der DNA.

Da die DNA negativ geladen ist, besitzt diese zweite Domäne positiv geladenen Aminosäurereste.
Hier kommt es zu den Modifikationen. Es sind vier Reaktionen:
55 Phosphorylierung,
55 Acetylierung,

HATs MBD2
KDMs + HDACs
HMTs UHRF1
HP1 TET
DNMTs BRG1 TDG

DNA Histon-
oktamer

Aufbau Proteine, die die Abbau


der Modifikation Modifikation auslesen der Modifikation

. Abb. 7.7  Überblick über die Etablierung und Entfernung epigenetischer Information an den
Histonen und der DNA. Die Abkürzungen stehen für Enzyme: HAT, HMT, DNMT, KDM, HDAC: s. Text, HP1:
Heterochromatinprotein 1, BRG1: Brahma-related gene 1, MBD2: Methyl-CpG- bindendes Domänenprotein,
UHRF1: Protein, das Methylierung erhält, TET: ten eleven translocation Dioxygenase, TDG: Thymin-DNA-Glykosylase
7.7 · Epigenetik
127 7
55 Methylierung und
55 Ubiquitinierung.

Alle vier zusammen ergeben den Histoncode.


Wichtig sind vor allem die Methylierung und Acetylierung durch Enzyme. Diese gelangen als
Teil von Proteinkomplexen und durch die Wechselwirkung mit den Proteinen an ihren Zielort.

z Methylierung
Ein methyliertes Histon aktiviert oder reprimiert die Transkription. Das ist abhängig von der
Aminosäure und ihrer Position. Zielaminosäuren für die Methylierung sind in der Regel Lysin
und Arginin.
55 Histon-Methyltransferasen (HMT) übertragen einen Methylrest.
55 Histon-Demethylasen (HDM) entfernen ihn. Spezifische Methylasen heißen z. B. Lysin-
Demethylasen (KDM, K steht im Ein-Buchstaben-Code der Aminosäuren für Lysin).

Beispiele:
55 Eine bekannte Methylierung ist H3K4me3. Das bedeutet, im Histon H3 befindet sich
an der vierten Position ein Lysin (Abkürzung K), das drei Methylgruppen trägt. Die
Methylierung von Lysin liegt in der Nähe von Promotoren. Im Zusammenspiel mit
weiteren Proteinen, die H3K4me3 erkennen, führt die Modifikation zu einer Öffnung des
Chromatins und sie aktiviert die Transkription.
55 In der Nähe von stillgelegten Genen hat man H3K9me2 identifiziert, während man im
genarmen, konstitutiven Heterochromatin H3K9me3 gefunden hat.
55 Die Positionseffekt-Variegation bei Drosophila zeigt den Einfluss von Heterochromatin:
Durch eine Inversion gelangt das aktive white-Gen in den Heterochromatinbereich des
Chromosoms und wird stillgelegt (. Abb. 7.8).

z Acetylierung
Acetylierungen lockern das dicht gepackte Chromatin auf und fördern die Transkription.
55 Histon-Acetyltransferasen (HAT) übertragen den Acetylrest,
55 Histon-Deacetylasen (HDAC) entfernen ihn.

white-Gen

Die Inversion bringt das white-Gen in den


Heterochromatin
Heterochromatinbereich, wodurch es
stillgelegt wird

Heterochromatin-
ausdehnung

. Abb. 7.8  Positionseffekt-Variegation bei Drosophila


128 Kapitel 7 · Regulation der Genexpression bei Eukaryoten

Transkriptions-
faktor
Promotor

Repeats Enhancer Aktives Gen Inaktives Gen


5mC

Invertebraten
5mC

Vertebraten

CGI- CG-armer
Promotor Promotor

. Abb. 7.9  Die Verteilung von methyliertem Cytosin in Genomen von Wirbellosen und Wirbeltieren. Die

7 Balkenhöhe entspricht dem Methylierungsgrad. Bei Wirbeltieren unterscheidet man CpG-Inseln (CGI) von CG-
armen Abschnitten. Bei Wirbeltieren sind die entscheidenden Abschnitte vor aktiven Genen nicht methyliert (nach
Schübeler 2015; mit freundlicher Genehmigung der Nature Publishing Group)

Mütterlich Väterlich

Körperzellen

Primordiale
Imprinting-Muster
Keimzellen
gelöscht

Gameten
Geschlechtsspezifische
Imprinting-Erneuerung
BEFRU
CHTU NG

Zygote
Korrektes Imprinting-Muster hergestellt
und permanent etabliert

Mütterlich imprimiert
Väterlich imprimiert

. Abb. 7.10  Genomisches Imprinting: Während der Bildung der Gameten bekommen die Chromosomen ein
neues Imprinting-Muster (nach Schaaf und Zschocke 2013)

7.7.3 DNA-Methylierung

Diese Veränderung der Chromatinstruktur betrifft die DNA direkt.


55 Cytosinbasen erhalten einen Methylrest und werden zu 5-Methylcytosin bei Eukaryoten.
Die Methylierung erfolgt nach der Replikation gezielt durch DNA-Methyltransferasen
(DNMT).
7.7 · Epigenetik
129 7
55 Mehrfache Methylierungen der DNA unterdrücken die Transkription bei Wirbeltieren
und Pflanzen.
55 Transkriptionsaktive Bereiche sind hingegen unmethyliert (. Abb. 7.9).
55 In Krebszellen ist das Methylierungsmuster verändert, oft ist es untermethyliert.
55 Das Muster ändert sich während der Reifung der Gameten (. Abb. 7.10).
55 Bevorzugtes Ziel für die Methylierungen/Demethylierungen sind die 5′-CpG3′-Stellen
(das kleine P steht für den Phosphatrest). Aufgrund der Basenkomplementarität liegt im
gegenüberliegenden Strang ebenfalls ein CpG vor, und die Methylierungen bündeln sich.
Mehrere CpG, die CpG-Inseln, findet man oft in der Nähe von Transkriptionsstartstellen,
vor allem in der Nähe der Promotoren für Haushaltsgene.
55 Nichtmethylierte CpG-Inseln findet man oft in der Nähe von H3K4me3.
131 8

Formalgenetik und
Geschlechtsbestimmung
8.1 Grundbegriffe – 133

8.2 Mitose und Meiose – 134


8.2.1 Zusammenfassung zur Meiose – 135
8.2.2 Kernphasenwechsel – 135
8.2.3 Phasen der Meiose – 136
8.2.4 Besondere Aspekte zur Mitose – 141

8.3 Mendel'sche Regeln – 142


8.3.1 Mendels Kreuzungsexperimente – 142
8.3.2 Erste Mendel'sche Regel: Uniformitätsregel – 143
8.3.3 Zweite Mendel'sche Regel: Spaltungsregel – 144
8.3.4 Dritte Mendel'sche Regel: Unabhängigkeitsregel oder Neu-
kombinationsregel – 144

8.4 Statistik – 145

8.5 Kopplung – 146

8.6 Biologische und physikalische Genkarten – 146

8.7 Abweichungen von den Mendel'schen Regeln und


Ausnahmen – 147
8.7.1 Abweichungen – 147
8.7.2 Vererbung ohne Mendel'sche Regeln:
cytoplasmatisch – 148
8.7.3 Haploide Organismen – 148

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_8
8.8 Geschlechtsbestimmung und -ausbildung – 149
8.8.1 Phänotypische Geschlechtsbestimmung – 149
8.8.2 Genotypische Geschlechtsbestimmung und Fehlbildungen
beim Menschen – 150

8.9 Populationsgenetik – 154


8.9.1 Der Genpool – 154
8.9.2 Frequenzen und das Hardy-Weinberg-Gesetz – 155
8.1 · Grundbegriffe
133 8
z Worum geht es?
Die Formalgenetik umfasst die klassische Genetik mit den Vererbungsregeln nach Mendel, den
sogenannten Mendel'schen Regeln, der Weitergabe genetischer Informationen von einer Gene-
ration zur nächsten und der Ausprägung des Phänotypen. Man unterscheidet bei Eukaryoten
zwei Kernteilungen, Mitose und Meiose. Die Meiose ist die Voraussetzung zur Bildung der Keim-
zellen, in ihr werden Chromosomen gebrochen und neu verknüpft (Rekombination). Genkar-
ten geben die Lage von Genen an. Die Geschlechtsbestimmung erfolgt bei höheren Organismen
genotypisch. Fehler während der Rekombination können die Ursache für Fehlbildungen beim
Menschen sein. Die Populationsgenetik untersucht Vererbungsvorgänge in Populationen.

8.1 Grundbegriffe

z Charakterisierung von Genen


Organismen und Individuen sind gekennzeichnet durch Merkmale und unterscheiden sich in
der konkreten Ausprägung eines Merkmals voneinander. Vererbbare Merkmale sind in den
Genen codiert, zum Teil prägen sie sich durch die Mitwirkung der Umwelt aus. Ein Merkmal ist
eine beobachtbare Eigenschaft. Ein klassisches Beispiel ist die Blütenfarbe. Es muss aber keine
mit bloßem Auge sichtbare Eigenschaft sein, sondern kann auch beispielsweise ein bestimmter
Stoffwechselweg oder eine Antibiotikaresistenz sein.
Oft kommt ein Gen bei Organismen in verschiedenen Erscheinungsformen vor, man spricht
von Allelen. Bei multipler Allelie kennt man von einem Gen zahlreiche Allele. Beispiel: Allele im
AB0-Blutgruppensystem des Menschen.
Dasjenige Allel, das natürlicherweise bei einem Organismus häufig vorkommt oder das man als
Erstes identifiziert hat, bezeichnet man als den Wildtyp (symbolhaft oft durch ein „+“ wiedergegeben).
Sind bei einem diploiden Organismus die Allele eines Gens gleich, nennt man ihn homo-
zygot, sind sie unterschiedlich, ist er heterozygot. Liegt ein Gen oder ein Chromosom (wie das
X-Chromosom bei Männern) nur einfach vor, spricht man von Hemizygotie.
Der Genotyp gibt an, welche Allele bei einem Individuum vorliegen. Der Phänotyp ist das
Resultat des Genotyps, das äußere Erscheinungsbild des Organismus. In der Regel konzent-
riert man sich dabei auf ein einzelnes oder wenige Merkmale, deren Vererbung man untersucht.

z Allele für das gleiche Merkmal können miteinander konkurrieren:


55 In einem heterozygoten Phänotyp kann ein Allel zu einem sichtbaren Merkmal führen
und das von dem anderen Allel codierte Merkmal überdecken oder zurückdrängen. Das
Merkmal des ersten Allels ist dominant, das zweite rezessiv (Beispiel: Blütenfarben). Den
Erbgang nennt man dominant-rezessiv.
55 Bei einer Kodominanz der Allele zeigen sich beide Merkmale, man sieht also bei heterozy-
gotem Genotypen beide Ausprägungen des homozygoten Genotypen (Beispiel: mensch-
liche Blutgruppe AB).
55 Ergeben zwei Allele einen Phänotypen, der zwischen den Phänotypen bei Homozygotie
liegt, spricht man von einem intermediären Erbgang. Er wird oft von einem unvollständig
dominanten Merkmal verursacht.

z Schreibweise
Betrachtet man die Vererbung von Merkmalen, gibt man für Allele nur einen Buchstaben als
Symbol an. Ein kursiver Großbuchstabe A steht für das Allel des dominanten Merkmals, ein
134 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

Kleinbuchstabe a für das rezessive. So steht Aa für einen heterozygoten Genotypen. Mehrere
Gene listet man hintereinander auf: AAbb.
Liegen die Gene auf einem Chromosom eng beieinander, so werden sie zusammen vererbt
und bilden eine Kopplungsgruppe. Dann gibt man den Genotypen pro Chromosom an und
trennt durch Schräg- oder Bruchstrich die Chromosomen: ABc/abc. Die Lage eines Gens auf
einem Chromosom ist sein Genort oder Genlocus (Plural: -loci).

z Einflüsse von Genen


Die Korrelation zwischen Genotyp und Phänotyp ist nicht immer simpel und nicht in allen
Fällen ergibt der gleiche Genotyp den gleichen Phänotypen. Ob ein Gen tatsächlich zur Aus-
prägung eines Phänoypen führt oder nicht, gibt die Penetranz an. Bei vollständiger Penetranz
führt das Gen immer zur Ausbildung des Merkmals, bei unvollständiger Penetranz nicht. Die
Eigenschaft ist unter Umständen gar nicht vorhanden. Penetranz ist zur Beschreibung erblich
bedingter Erkrankungen wichtig (7 Kap. 12, Humangenetik).
Sind Individuen beispielsweise trotz gleicher Mutation von einer Erbkrankheit unterschied-
lich stark betroffen, liegt eine variable Expressivität des Genotyps vor.
Ist ein Merkmal wie bei einer erblich bedingten Krankheit auf ein einzelnes Gen zurückzu-
8 führen, ist es monogen. Ein polygenes Merkmal wird von vielen Genen erzeugt. Umgekehrt
kann ein Gen auch mehrere Merkmale bestimmen oder ausprägen, was man als Pleiotropie
bezeichnet. Ist ein solches Gen beim Menschen mutiert, ergeben sich oft ungewöhnliche Kom-
binationen von Symptomen.

z Unterscheidung von Merkmalen


Merkmale lassen sich in zwei Kategorien einordnen:
55 Bei qualitativen Merkmalen kann man Eigenschaften klar gegeneinander abgrenzen, z. B.
weiße oder rote Blütenfarbe.
55 Bei quantitativen Merkmalen findet man einen kontinuierlichen, stetigen Übergang. Sie
sind mess- oder zählbar und werden oft von mehreren Allelen oder sogar von mehreren
Genen und/oder der Umwelt bestimmt.
55 Die Reaktionsnorm ist der genetisch festgelegte Bereich, in dem sich das Merkmal
ausprägen kann, beispielsweise die Größe von Individuen.

Bestimmen Gene und Umweltfaktoren zusammen das äußere Erscheinungsbild, gibt man als
Maß für die Erblichkeit einer Eigenschaft die Heritabilität (h2) an. Taucht ein Merkmal immer
wieder auf, wenn die Träger genetisch verwandt oder identisch sind, die Umweltfaktoren jedoch
verschieden, so ist es eher genetisch verursacht.
Eine bekannte Methode, mit der sich ein Merkmal auf eine genetische Ursache oder auf die
Umwelt zurückführen lässt, ist die Zwillingsforschung:
55 Zweieiige Zwillinge unterscheiden sich genetisch, unterliegen aber gleichen
Umweltbedingungen.
55 Eineiige Zwillinge, die bei verschiedenen Adoptiveltern aufwachsen, sind genetisch
identisch, unterliegen aber verschiedenen Umweltbedingungen.

8.2 Mitose und Meiose

Bakterien, Archaeen und Eukaryoten verdoppeln ihre DNA, teilen sich und verteilen die DNA
auf die Tochterzellen.
8.2 · Mitose und Meiose
135 8
Es gibt zwei Prozeduren zur Kernteilung:
55 Die Mitose verteilt „nur“ die Chromosomensätze gleichmäßig auf die Tochterzellen. Sie
erzeugt also genetisch (weitgehend) identische Tochterzellen. Sie kommt bei Prokaryoten
und Eukaryoten vor.
55 Demgegenüber sorgt die Meiose oder Reifeteilung zusammen mit der anschließenden
Befruchtung für eine Rekombination der DNA und Neukombination der Chromosomen.
Damit erhöht sie die genetische Vielfalt und ist ein entscheidender Faktor der Evolution.
Sie läuft in zwei Teilungen ab, Meiose I und II, die zweite Teilung entspricht im Ablauf der
Mitose. Die Meiose kommt nur bei Organismen vor, die sich sexuell fortpflanzen, also bei
höheren Pflanzen und Tieren.

Bei eukaryotischen Zellen sind die Teilungen in den Zellzyklus aus Interphase mit den Phasen
G1, S und G2 sowie die Kern- und Zellteilung integriert.

8.2.1 Zusammenfassung zur Meiose

z Ergebnisse der Meiose


55 Sie reduziert in der ersten Teilung den doppelten Chromosomensatz auf einen einfachen
Satz. Aus diploiden Zellen werden haploide. Daher der Zweitname für die Meiose I:
Reduktionsteilung.
55 Sie trennt die homologen Chromosomen zufällig, verteilt also mütterliche und väterliche
Chromosomen nach dem Zufallsprinzip auf die Tochterzellen (Segregation). In einer
menschlichen Keimzelle sind bei 23 Chromosomenpaaren 223 Kombinationen möglich,
für eine Zygote ergeben sich damit 246 Kombinationen.
55 In der zweiten Teilung werden die Schwesterchromatiden getrennt. Gelegentlich findet
man den Ausdruck Äquationsteilung für die Meiose II.

Am Ende der Meiose sind aus einer Zelle, die jeweils zwei homologe Chromosomen mit jeweils
zwei Schwesterchromatiden enthielt, vier Zellen entstanden mit jeweils einer Chromatide.

z Bedeutung der Prophase I


Man unterteilt die Meiose I und II in Phasen mit den gleichen Namen und bezeichnet sie als Pro-
phase I und II, Metaphase I und II, Anaphase I und II, Telophase I und II.
Genetisch interessant ist die Prophase I. In ihr lagern sich die homologen Chromosomen
parallel aneinander, sie bilden Bivalente, überkreuzen sich (Crossing over) und tauschen wech-
selseitig die überkreuzten Abschnitte aus. Ein väterliches Chromosom erhält somit einen mütter-
lichen Abschnitt und umgekehrt (. Abb. 8.1). Diese Neuzusammenstellung der DNA (Rekom-
bination) erzeugt also homologe Chromosomen mit neuen Kombinationen der Allele (neuen
Kopplungsgruppen). Die Zellen heißen Rekombinanten.
Die haploiden Zellen aus der Meiose verschmelzen später bei der Befruchtung und erzeu-
gen eine diploide Zygote.

8.2.2 Kernphasenwechsel

Je nachdem, wann Meiose und Befruchtung aufeinander folgen, ist der entstehende Organis-
mus ein Diplont, Haplont oder Haplo-Diplont (. Abb. 8.2).
136 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

Homologenpaarung und
Position der Crossing over in Gametentypen
der Prophase I der Meiose

A B
A b
Einfach-
Crossing- a × b
a B
Genkopplung
aufgehoben
over

A B
A B
Doppelt-
Crossing-
over
a × × ab a b
Genkopplung
erhalten

A B
A b
Dreifach-
Crossing- a × × × b a B
Genkopplung
aufgehoben
8 over

A B
A B
Vierfach-
Crossing-
over
a × × × × b a b
Genkopplung
erhalten

. Abb. 8.1  Crossing over führt zu neuen Kopplungsgruppen

55 Diplonten sind Tiere (und manche Einzeller).


55 Beispiel Mensch: Aus der Zygote entwickelt sich der Organismus mit diploiden Körper-
zellen (Somazellen). Die spezialisierten Keimdrüsen produzieren haploide Gameten:
Eizellen und Spermien.
55 Viele Pilze und einige Einzeller sind Haplonten. Die entstandene Zygote teilt sich unmit-
telbar nach der Befruchtung meiotisch und erzeugt haploide Sporen. Aus ihnen wachsen
haploide Organismen heran, die haploide Gameten bilden, aus denen die Zygote entsteht.
55 Viele Pflanzen und manche Einzeller sind Haplo-Diplonten. Aus der Zygote entwickelt sich
ein diploider Organismus (Sporophyt). Bestimmte Zellen teilen sich meiotisch und bilden
haploide Meiosporen. Aus diesen wächst ein haploider Organismus heran (Gametophyt),
der haploide Gameten bildet, die wieder zur Zygote fusionieren.

8.2.3 Phasen der Meiose (. Abb. 8.3)

z Meiose I
In der S-Phase hat die Zelle die DNA von jedem homologen Chromosomenpaar verdoppelt. Jedes
Chromatid liegt vierfach vor. Der C-Wert gibt den Gesamt-DNA-Gehalt an: 4C. Die zwei Chro-
matiden eines Chromosoms heißen Schwesterchromatiden. Die Zelle tritt in die Meiose I ein.
8.2 · Mitose und Meiose
137 8
Haplont Diplont
(viele Pilze und einige Einzeller) (Tiere und manche Einzeller)
Gameten
Gameten
n
n Zygote Befruchtung
Befruchtung 2n n n n n Zygote
Sporen Meiocyte II
n n n n 2n
n n n n
M ei n n
os Meiocyte I
e se
n io 2n
2n

e
M
n

2n
n
M

os
os
it

e
t
2n Mi
a n b
n 2n
Haplo-Diplont
(viele Pflanzen und einige Einzeller)

Gameten
n Zygote
Befruchtung 2n
n
2n
h yt

n
G a metop

os
M it

Sp o r o p h y t
M i t o se

2n
n

ei
M

n n os
e
n n
2n
Sporen n n
2n
Meiocyte II
c Meiocyte I

. Abb. 8.2  Kernphasenwechsel und der Lebenszyklus von Organismen

1. Prophase I: Die Prophase I rekombiniert die homologen Chromosomen und schafft neues
genetisches Material. Um diesen Prozess exakter zu erfassen, unterteilt man die Prophase
in weitere Stadien:
44Leptotän: Die Telomere genannten Chromosomenenden der Autosomen (so
bezeichnet man alle Chromosomen mit Ausnahme der Geschlechtschromosomen) sind
mit der Kernmembran verbunden. Die Chromosomen liegen noch als lange, dünne
Fäden vor. Die homologen Chromosomen sind voneinander getrennt.
44Zygotän: Paarungsbeginn.
138 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

Interphase Prophase I: Leptotän Prophase I: Zygotän

1
2 1

Inter -
locking
3 2

3
X

A B C

Prophase I: Pachytän Späte Prophase Anaphase I

2 3

3 2 1
8 3
1

X X
2
D E F

Metaphase II Anaphase II

3 X 2 1 3 2 1
3 2 1 3 2 1

G H
Telophase II

. Abb. 8.3  Die einzelnen Stadien und Phasen der Meiose am Beispiel von drei Autosomen und dem
X-Chromosom. Beim Interlocking sind Homologe zwischen anderen Paarungschromosomen eingeschlossen

–– Die homologen Chromosomen richten sich von den Telomeren her aus und lagern
sich aneinander. Den Prozess der Paarung nennt man Synapsis. Die zusammen-
liegenden Chromosomen heißen Bivalente. Will man hervorheben, dass in einem
Bivalent vier Chromatiden vorliegen, verwendet man den Ausdruck Tetrade.
–– Ein Proteingerüst hält die Bivalente zusammen. Chromosomen und Proteingerüst
zusammen bilden den synaptonemalen Komplex.
8.2 · Mitose und Meiose
139 8
44Pachytän: vollständige Paarung.
–– Die Bivalente sind jetzt voll ausgebildet und beginnen die Kondensierung, sie
verkürzen und verdicken sich.
–– Die Nicht-Schwesterchromatiden eines homologen Chromosomenpaares
überkreuzen sich (Crossing over). Längere Chromosomen überkreuzen sich oft
mehrfach.
–– Die Geschlechtschromosomen (Gonosomen) sind oft unterschiedlich aufgebaut.
Das Y-Chromosom des Menschen ist beispielsweise deutlich kürzer als das X-Chro-
mosom. Sie besitzen aber jeweils zueinander kurze homologe Bereiche, die pseudo-
autosomale Region. Dort kommt es bei den Gonosomen zum Crossing over (s. u.).
44Diplotän: Die Chromosomen verdicken sich weiter.
–– Die homologen Chromosomen bewegen sich voneinander weg, bleiben aber an
den Crossing-over-Punkten noch durch sichtbare Kreuzstrukturen, sogenannte
Chiasmata (Singular Chiasma), verbunden.
–– Es kommt schließlich zum Bruch der Chromatiden und zur Neuverknüpfung
(Rekombination) von mütterlichen und väterlichen DNA-Abschnitten.
–– Die Zelle baut allmählich den synaptonemalen Komplex ab.
44Diakinese: Die Trennung der homologen Chromosomen geht weiter, ebenso die
Verdickung. Die Chromosomen lösen sich von der Kernmembran, diese beginnt sich
aufzulösen. Der Kern tritt in die nächste Meiosephase ein.
2. Metaphase I: Die Kernmembran löst sich auf. Die Chromosomen ordnen sich in der
Äquatorialebene an. Sie sind jetzt stark kondensiert.
3. Anaphase I: Die Spindelfasern ziehen die homologen Chromosomen zu den Polen der
Zelle. Dadurch erfolgt die Segregation genannte zufällige Trennung und Verteilung väter-
licher und mütterlicher Chromosomen.
4. Telophase I: Die Zelle bildet neue Kernhüllen, und es formen sich neue Zellkerne um die
getrennten Chromosomen.

In einigen Fällen geht die Zelle direkt von der Anaphase I in die Prophase II der zweiten Teilung
über. Ansonsten folgt eine kurze Zwischenstufe, die Interkinese, in der die Chromosomen ihre
Struktur etwas auflockern.

z Meiose II und Mitose


Formal sind die Meiose II und die Mitose einander sehr ähnlich.
55 Während die erste Teilung (Meiose I) die homologen Chromosomen rekombiniert und
getrennt hat, trennt die Meiose II die unterschiedlichen Schwesterchromatiden.
55 Die Mitose von Körperzellen trennt die Schwesterchromatiden der homologen Chromo-
somenpaare. Es entstehen zwei Tochterzellen, die jeweils beide homologen Chromo-
somenpaare, bestehend aus je einem Chromatid, besitzen.
55 Die Zellen nach der Meiose II haben einen C-Wert 1C, die Zellen der Mitose 2C.

Die Phasen der Schwesterchromatidenteilung:


1. Prophase II: Nach der Interkinese verdichten sich die Chromosomen wieder. Spindelfasern
bilden sich an entgegengesetzten Polen. Die Kernhülle beginnt sich aufzulösen.
2. Metaphase II: Die Chromosomen sind stark kondensiert und ordnen sich wieder in der
Äquatorialebene an. Die Kinetochore, an denen die Spindelfasern ansetzen, zeigen zu den
Polen.
140 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

. Abb. 8.4  Meiose I und II Urgeschlechtszelle


in der Spermatogenese

Spermatogonien I. Vermehrungsperiode

II. Wachstumsperiode
Spermatocyten I

III. Reifungs- oder


Meiose I
Spermatocyten II Reduktionsperiode
Präspermatiden
Meiose II
Spermatiden
IV. Umbildungsperiode
Spermien

8 3. Anaphase II: Die Centromeren teilen sich, und die Spindelfasern ziehen die Chromatiden
zu den entgegengesetzten Polen.
4. Telophase II: Die Chromosomen lockern sich wieder auf (Entspiralisierung).
Lamine (s. u. 7 Abschn. 8.2.4) werden dephosphoryliert, dadurch ermöglichen sie den
Wiederaufbau der Kernhülle.

Der Spindelapparat bei der Mitose und Meiose bildet zwei Pole aus Mikrotubulistrukturen. Er
erscheint sternförmig.
1. Die Centrosomen organisieren den Spindelapparat. Ein Paar Centriolen (bestehend
aus Mikrotubuli) bildet ein Centrosom. Während der S-Phase wird das Centrosom
verdoppelt.
2. Vor Beginn der Teilung trennen sich die Centrosomen und bewegen sich jeweils zu den
Polen.
3. Die Centrosomen schieben die Mikrotubuli zu den Polen.
4. An den Mikrotubuli kommen zwei Transporterproteine vor: Dynein und Kinesin. Sie
ermöglichen den gerichteten, entgegengesetzten Transport an den Mikrotubuli. Dazu
binden sie ihre „Fracht“ und bewegen sich an den Mikrotubuli entlang.
5. Während der Metaphase lagern sich die Chromosomen in der Äquatorialplatte und bilden
eine sternförmige Struktur (Monaster).
6. Wenn sie während der Anaphase zu den Polen gezogen werden, bilden sich zwei stern-
förmige Strukturen (Diaster).
7. Geht die Zelle in die Zellteilung über, bildet sie einen kontraktilen Ring aus Actin und
Myosin, der die Zelle ein- und zusammenschnürt, bis die Membranen aufeinandertreffen
und sich zwei getrennte Zellen bilden.
8. Die Mikrotubuli depolymerisieren wieder.

z Bildung von Gameten (Spermien und Eizellen)


Die Meiose beim Menschen ist eingebettet in die Gametogenese, in welcher der Körper Gameten
bildet (. Abb. 8.4).
8.2 · Mitose und Meiose
141 8
1. Am Anfang liegen primordiale Keim(bahn)zellen vor. Sie wandern während der Embryo-
genese in die Anlagen für die Keimdrüsen (Gonaden) ein und bilden dort Spermato-
gonien oder Oogonien.
2. In den Gonadenanlagen teilen sich die Zellen zunächst mitotisch. In den Hoden läuft dann
die Spermatogenese ab, im Eierstock die Oogenese.

Spermatogenese:
1. Ein Teil der Spermatogonien wandert zu den Hodenkanälchen und wird nun als primäre
Spermatocyten bezeichnet. Ein Teil bleibt als „Reservoir“ zurück und kann sich bis ins
hohe Alter mitotisch teilen und später zu Spermien werden.
2. Die primären Spermatocyten durchlaufen die Meiose I und werden zu sekundären
Spermatocyten, diese durchlaufen die Meiose II und bilden dann insgesamt vier Sperma-
tiden. In der Spermiogenese reifen sie zu Spermien heran.

Oogenese:
Die Oogenese verläuft asymmetrisch.
1. Oogonien differenzieren sich zu primären Oocyten. Die Mitosen enden im ersten Lebensjahr.
2. Primäre Oocyten teilen sich in der Meiose I in eine große sekundäre Oocyte und einen
kleinen Polkörper.
3. Das Diplotän der Prophase I kann allerdings Monate bis Jahre dauern. Dieses Stadium des
angehaltenen Diplotäns heißt Dictyotän.
4. Das Ergebnis der Meiose II ist dann eine große Eizelle und drei kleine Polkörper. Nur die
Eizelle kann befruchtet werden.

In männlichen Zellen treten im Durchschnitt etwa 55 Crossing over pro Zelle auf, in der weibli-
chen Zelle können es um die 80 sein.

z Fehler
Mögliche Fehler während der Zellteilungen, die zu Mutationen führen, sind:
55 Non-Disjunction (Nondisjunktion). Gepaarte Chromosomen werden in der Anaphase I nicht
getrennt. Die resultierenden Zellen weisen Chromosomen dann in Über- oder Unterzahl auf.
55 Dieser Fall kann auch in der Anaphase II oder in einer normalen Mitose eintreten und
dann die Schwesterchromatiden betreffen.
55 Nichthomologe Chromosomen lagern sich aneinander und rekombinieren.

Fehler während der Meiose haben Auswirkungen auf die Nachkommen, Fehler in der Mitose
führen zu einem Mosaik im Gewebe: Es weist normale Zellen und solche mit der Mutation auf.

8.2.4 Besondere Aspekte zur Mitose

z Die Einleitung der Mitose


Sie erfolgt durch den Mitose-Promoting-Faktor (oder maturation-promoting factor, MPF):
55 Der MPF ist ein Cyclin-CDK-Proteinkomplex.
55 Am Ende der G2-Phase wird der MPF durch Umphosphorylierungen aktiviert.
55 MPF phosphoryliert mehrere Proteine (Beispiel: Histon H1 und H3, Lamine) und ermög-
licht den Eintritt in die Mitose.
142 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

Wichtig für die Auflösung des Zellkerns ist der Einfluss auf die Lamine. Diese filamentösen Pro-
teine tragen zur Stabilität der inneren Kernmembran bei. Man unterscheidet A-Typ-Lamine und
B-Typ-Lamine.
Die von dem MPF phosphorylierten Proteine führen zur:
55 Depolymerisation der Lamine. Die Lamine lösen sich von ihren Bindungspartnern in
der Kernhülle, wodurch sich die Kernlamina und die Kernhülle auflösen. B-Typ-Lamine
bleiben an Membranfragmente gebunden.
55 Kondensation des Chromatins.
55 Ausbildung des Spindelapparats aus Mikrotubuli. Mikrotubuli bestehen aus zahlreichen
Tubulinproteinmolekülen. Kinetochormikrotubuli setzen am Kinetochor an und reichen
zu einem Pol, polare Mikrotubuli erstrecken sich vom Pol durch die Zelle zum anderen Pol.

z Mitose und Krebs


Der Mitoseindex berechnet das Verhältnis von Zellen in einer Population, die sich in der Mitose
befinden, zur Zahl der Zellen in der Population. Er ist ein Maß für die zelluläre Proliferation
und dient als Prognosefaktor, um die Wirkung einer Chemotherapie vorhersagen zu können.
Mithilfe von Proteinantigenen wie KI-67 kann man den Anteil proliferierender Zellen in
8 einer Population bestimmen. Während des Zellzyklus verändert das Protein seine Lokalisation,
was sich nachweisen lässt. Geeignet sind auch Antikörper gegen die DNA-Klammer PCNA
(s. 7 Abschn. 3.3.3). PCNA ist ein möglicher Angriffspunkt für eine Chemotherapie.

8.3 Mendel'sche Regeln

8.3.1 Mendels Kreuzungsexperimente

Johann Gregor Mendel führte in den 1860er-Jahren zahlreiche Kreuzungsversuche mit Erbsen
durch.
55 Er untersuchte die Beziehung zwischen Genotyp und Phänotyp bei verschiedenen
Kreuzungen.
55 Er postulierte, dass es einzelne Erbfaktoren geben müsse,
55 und erkannte, dass jede Generation diese an die Nachkommen weitergibt.

Mendel kreuzte Erbsenrassen,


55 die sich in einem Merkmal (monohybride Kreuzung) oder in zwei Merkmalen (dihybride
Kreuzung) unterschieden, also ein bzw. zwei Merkmalspaare bildeten (z. B. Blütenfarbe,
Samenform);
55 die homozygot waren.

Die Ausgangspflanzen bildeten die Eltern- oder Parentalgeneration (P). Eine einzelne Pflanze
entspricht dabei einem Elter. Die Nachkommen stellten die Tochter- oder Filialgeneration dar.

z Durchführung einer Kreuzung:


55 Mendel übertrug mit einem Pinsel Pollen des einen Elter auf die Stempel des zweiten
Elter. Die Staubgefäße der zweiten Pflanze hatte er entfernt, um Selbstbefruchtung zu
verhindern. Diese kommt sonst bei Erbsen vor und bringt die homozygoten Pflanzen
hervor.
8.3 · Mendel'sche Regeln
143 8
. Abb. 8.5  Uniformitätsregel,
dargestellt im Punnett-Schema
Punnett-Schema
Phänotyp
P-Generation A
Genotyp × Aa
AA aa
P-Generation
a
Gametentypen der
A a
P-Generation

F1-Generation Aa

55 Er führte auch das umgekehrte Experiment durch, die reziproke Kreuzung, und nahm
von der zweiten Pflanze den Pollen und übertrug ihn auf die erste. So zeigte er, dass die
Ausprägung des Merkmals (z. B. Samenform: glatt oder runzelig) nicht an das Geschlecht
gebunden war.
55 Mendel sammelte die Früchte und säte sie aus. So erhielt er die Nachkommen, die 1.
Filialgeneration (F1).
55 Diese wertete er aus, kreuzte dann die Pflanzen der F1 untereinander, erzeugte so eine 2.
Filialgeneration (F2) und wertete diese ebenfalls aus.
55 Da sich die Eltern der Parentalgeneration in einem Merkmal unterschieden, waren die
Individuen der F1-Generation Hybride oder Bastarde.

8.3.2 Erste Mendel'sche Regel: Uniformitätsregel

Kreuzt man homozygote Individuen miteinander, die sich in einem Merkmalspaar unterschei-
den, so sind die Nachkommen in der F1 uniform und heterozygot und zeigen den gleichen Phä-
notyp, sind also uniform (daher als Uniformitätsregel bezeichnet).
Beispiel:
55 Das Merkmalspaar ist die farbige bzw. weiße Blüte.
55 Die Nachkommen der F1 haben alle farbige Blüten. Das Allel für „farbig“ zeigt sich
dominant, erhält also einen großen Buchstaben, beispielsweise A. Das Allel für „weiß“ ist
rezessiv und bekommt den kleinen Buchstaben a.
55 Der Elter mit farbigen Blüten und dem Genotypen AA erzeugt nur Gameten mit A, der
Elter mit den weißen Blüten und dem Genotypen aa erzeugt nur Gameten mit a. Die
Zygote der F1 enthält somit Aa, der Phänotyp ist farbig.
55 Für die Darstellung einer solchen Kreuzung wählt man heute meist ein Punnett-Schema
oder -Quadrat (. Abb. 8.5).

Das Punnett-Schema erlaubt eine schnelle Übersicht über die möglichen Geno- und Phänoty-
pen, vor allem bei mehreren Allelen. Man zeichnet eine Tabelle und trägt in die oberste Zeile
die möglichen Genotypen der weiblichen Gameten, in die erste Spalte die möglichen Genoty-
pen der männlichen Gameten. Aus dem Schnittpunkt oder den Schnittpunkten folgen die mög-
lichen Genotypen der Zygote.
Bei einem intermediären Erbgang, bei dem sich das dominante Allel in der F1 unvollständig
ausprägt, liegt der Phänotyp zwischen dem der Eltern. Rote und weiße Blüten führen zu rosa
Blüten der F1, aber auch hier ist die F1 uniform. Die Farben von Blüten oder dem Gefieder von
144 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

A a
Phänotyp AA Aa
F1-Generation
A
Genotyp Aa × Aa
F1-Generation
Aa aa
Gametentypen der
A a A a
F1-Generation a

. Abb. 8.6  Spaltungsregel, dargestellt im Punnett-Schema

Vögeln sind typische Beispiele für intermediäre Erbgänge. Meist codiert das dominante Allel ein
Enzym für die Farbstoffsynthese, dessen Dosis durch den heterozygoten Genotypen zu gering ist.

8.3.3 Zweite Mendel'sche Regel: Spaltungsregel


8
Kreuzt man die uniformen, heterozygoten Individuen der F1 untereinander, so spalten sich die
Phänotypen der Nachkommen in der F2 im (statistischen) Verhältnis 3:1 auf, die Genotypen
im Verhältnis 1:2:1 (Spaltungsregel, . Abb. 8.6).
Die F1-Individuen verteilen in der Meiose die homologen Chromosomen und können zwei
verschiedene Gameten bilden: A oder a. Damit sind drei Kombinationen der Zygote möglich: AA,
aa oder Aa. Das Punnett-Schema zeigt die Zahlenverhältnisse und illustriert, dass die Kreuzung
dreimal zu farbigen Blüten führt (AA und Aa) und einmal zu weißen (aa).

8.3.4 Dritte Mendel'sche Regel: Unabhängigkeitsregel oder


Neukombinationsregel

Kreuzt man homozygote Individuen, die sich in zwei Merkmalspaaren unterscheiden, so sind
die Ausprägungen frei kombinierbar, und die F2 bringt neue Phäntoypen hervor (Unabhängig-
keits- oder Neukombinationsregel).
Die Ursache für die freie Kombinierbarkeit der Merkmale liegt in der Meiose I.
55 Die väterlichen und mütterlichen Chromosomen werden zufällig auf die Tochterzellen
verteilt.
55 Wenn die Gene für die Merkmalsausprägung auf zwei getrennten Chromosomen liegen,
so kann die F1 Gameten bilden, in denen wieder die zwei väterlichen Chromosomen
(z. B. mit den rezessiven Allelen) in eine Tochterzelle gelangen und die zwei mütterlichen
Chromosomen (dann mit den dominanten Allelen) in die andere,
55 oder ein väterliches und ein mütterliches Chromosom werden kombiniert und neu
verteilt.

Beispiel:
Die Merkmalspaare glatte (R)/runzelige (r) Samenoberfläche und grüne (I)/gelbe (i) Samen-
farbe liegen auf getrennten Chromosomen (. Abb. 8.7). Die P-Generation mit den Genotypen
RRII („glatt und grün“) und rrii („runzelig und gelb“) bildet die Gameten RI und ri. Die Zygote
8.4 · Statistik
145 8
F1 IR
I R
ir
I R
i r
F2 IR Ir iR ir
i r
II RR II Rr Ii RR Ii Rr
IR

II Rr II rr Ii Rr Ii rr
Ir

I i I i Ii RR Ii Rr ii RR ii Rr
iR
R r r R
Ii Rr Ii rr ii Rr ii rr
IR ir Ir iR ir
a b

. Abb. 8.7  Unabhängigkeitsregel, dargestellt im Punnett-Schema

enthält dann den Genotypen RrIi. Somit sind die Individuen der F1-Generaton uniform hetero-
zygot („glatt und grün“), und die erste Regel ist bestätigt.
Das Punnett-Schema zeigt, welche Gameten die F1 bildet, welche Genotypen und Phäno-
typen daraus resultieren und welche neuen Kombinationen sich zeigen. Die vier Phänotypen
spalten sich im Verhältnis 9:3:3:1 auf. Kombiniert man ein dominant-rezessives Merkmal mit
einem unvollständig dominanten, ändert sich das Verhältnis und fächert sich weiter auf.

z Test-, Rückkreuzung
Will man einen unbekannten Genotypen von Pflanzen der F2 ermitteln, so führt man eine Test-
oder Rückkreuzung durch.
55 Dazu kreuzt man die Pflanze mit dem unbekannten Genotypen mit einer Pflanze, von der
man weiß, dass sie homozygot rezessiv ist.
55 Resultieren aus dieser Kreuzung zwei Phänotypen (bei einem Merkmal), so war der Elter
mit unbekanntem Genotypen heterozygot.

8.4 Statistik

Die Aufspaltungsverhältnisse 3:1 oder 9:3:3:1 sind gemittelte statistische Werte. Tatsächlich
kommen aus einer Kreuzung bei beispielsweise 416 Gesamtnachkommen die zwei Phänoty-
pen der F2 vielleicht im Verhältnis 318:98 heraus, also 3,24:1. Mendel hatte vergleichbare Werte
erhalten und auf 3:1 gerundet.
Ob die Abweichungen geringfügig sind und daher vernachlässigbar oder ob sie die Regel
widerlegen, errechnet man mit dem chi-Quadrat-Test (χ²-Test). Die Grundlage dafür bilden die
tatsächlichen Werte (observed number, O) von 318 und 98 und die theoretischen Werte (expec-
ted number, E) bei 416 Gesamtindividuen. Bei einem 3:1-Verhältnis und 416 Gesamtindividuen
hätte man erwartet (E): 312:104. O (318, 98) und E (312, 104) weichen für die zwei Phänotypen
also um +6 bzw. −6 ab. Gemäß der Formel für den Test
χ² = ∑ (O − E)2/E für n = 2 Phänotypen
ergibt sich χ² = 36/312 + 36/104 = 0,46.
146 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

Statistiker erlauben meist eine 5 %ige Abweichung von der „reinen Theorie“ und liefern
Tabellen zur Einordnung des chi-Quadrat-Werts.
Die tabellarischen Vergleichswerte sind dabei Freiheitsgraden (degrees of freedom, df) zuge-
ordnet: df = Anzahl der Phänotypen −1.
55 Je höher der Freiheitsgrad, desto größer darf chi-Quadrat sein, weil mehr Phänotypen
mehr Schwankungen mit sich bringen.
55 Wenn eine 5-prozentige Abweichung erlaubt ist, dann darf bei einem Freiheitsgrad
chi-Quadrat laut statistischer Tabellen nicht größer als 3,841 sein, um die ursprüngliche
Arbeitshypothese zu bestätigen.

8.5 Kopplung

Mendel wusste nicht, dass seine untersuchten Merkmale tatsächlich von Genen auf zwei ver-
schiedenen Chromosomen codiert waren.
Liegen zwei Gene auf einem Chromosom nahe beieinander, bilden sie eine Kopplungs-
gruppe. Sie werden gemeinsam vererbt, und die dritte Mendel'sche Regel trifft nicht zu.
8 Ein Crossing over in der Meiose hebt die Kopplung auf.
55 Bei vollständig gekoppelten Genen passiert das nicht. Aber je weiter entfernt zwei Gene
auf einem Chromosom voneinander sind, desto wahrscheinlicher ist ein Crossing over und
desto größer ist ihre Rekombinationshäufigkeit (RF).
55 Gene, die nahe an den zwei Enden eines Chromosoms liegen, erscheinen dann nicht mehr
wie gekoppelt, sondern wie auf getrennten Chromosomen liegend. Die RF kann 50 % nicht
überschreiten.

Betrachtet man Gene, die auf einem Chromosom liegen, so ergeben sich nach einem Crossing
over Abweichungen in den Zahlenverhältnissen der Mendel'schen Regeln. Da andererseits das
Zahlenverhältnis nie exakt erreicht wird, muss man bei mehreren Merkmalen entscheiden, ob
die Abweichungen noch „statistisch“ sind oder auf eine Kopplung hindeuten. Dazu wendet man
wieder den chi-Quadrat-Test an.

8.6 Biologische und physikalische Genkarten

Genkarten geben die Lage von Genen und regulatorischen Elementen im Genom an. Die erste
Genkarte stellte man für Drosophila auf.
Die Vorgehensweise stützt sich auf die Wahrscheinlichkeiten von Rekombinationen:
55 Man untersucht, ob nach Kreuzungen Merkmale in neuer Kombination auftreten. Eine
neue Kombination ist ein Hinweis auf eine homologe Rekombination.
55 Je häufiger man Rekombinationen feststellt, desto weiter entfernt sind zwei Genloci auf
einem Chromosom.
55 Um festzustellen, ob ein zweifaches Crossing over stattgefunden hat, arbeitet man mit drei
Merkmalen. Man spricht von einer Drei-Faktor-Kreuzung.
55 So gelingt es, Gene relativ zueinander zu kartieren und damit die Reihenfolge zu bestimmen.

Man sieht dabei die Gene nicht als ausgedehnte DNA-Abschnitte an, sondern als punktuelle Gen-
marker. Als Einheit führte man zu Ehren des Genetikers Thomas Hunt Morgan das Centimorgan
(cM) ein. 1 cM entspricht einer Rekombinationshäufigkeit von 1 %.
8.7 · Abweichungen von den Mendel'schen Regeln und Ausnahmen
147 8
Die Methode lässt indes außer Acht:
55 Oft ergeben sich mehrere Crossing over in einem Chromosom.
55 Ein Crossing over unterdrückt wiederum ein weiteres in seiner unmittelbaren Nachbar-
schaft (Chiasmainterferenz).
55 Bei weiblichen Organismen ergeben sich mehr Crossing over als bei männlichen.
55 In der Nähe der Telomere erfolgen Crossing over häufiger als in der Nähe eines
Centromers.

Für eine biologische Genkarte des Menschen und die Kartierung von Krankheitsgenen unter-
suchte man unter anderem Familienstammbäume und Polymorphismen (s. a. 7 Abschn. 15.2).
Durch die Sequenzierung ganzer Genome ist das Kreuzungsverfahren weitgehend aus der
Mode gekommen. Die Genomsequenzierung führt zu einer physikalischen oder molekularen
Karte, bei der die Basenabfolge bestimmt wird. Größen und Abstände gibt man somit in bp, kb
oder Mb an.
Da eine einzelne Sequenz noch keine Information über die Funktion liefert, hat man in Daten-
banken Sequenzinformationen und experimentelle Ergebnisse zu Annotierungen von Genomen
(s. 7 Abschn. 15.2.4) vereinigt.

8.7 Abweichungen von den Mendel'schen Regeln und Ausnahmen

8.7.1 Abweichungen

Deutliche Abweichungen von den Zahlenverhältnissen in der F2 haben ihre Ursache oft in meh-
reren Genwirkungen oder in Wechselwirkungen, wenn Gene einander beeinflussen. Die Fell-
farbe ist dafür ein bekanntes Beispiel:
Kreuzt man Mäuse einer F1 mit gelber Fellfarbe untereinander, spalten sich die Nachkom-
men im Verhältnis „gelbe“ Mäuse: „normale“ Mäuse von 2:1 auf. Das Verhältnis weicht von
3:1 ab, weil das Allel AY, das die Gelbfärbung verursacht, zwar heterozygot dominant ist, aber
homozygot letal wirkt. Das bedeutet, der Genotyp AYAY ist nicht lebensfähig und kommt deshalb
nicht vor.
Solche Letalfaktoren oder letalen Gene sind pleiotrop, sie kontrollieren mehrere Merkmale.
Heterozygot führt das eine Merkmal zu einem besonderen Phänotypen, wegen des zweiten Merk-
mals führt der homozygote Genotyp jedoch zum Tod.
Beispiele:
55 Von Ratten kennt man eine Knorpelanomalie, die homozygot einen abnormalen Brustkorb
und Herzversagen hervorruft.
55 Menschen mit der autosomal-rezessiven Erbkrankheit Xeroderma pigmentosum sterben
oft in den ersten Lebensjahren wegen eines Defekts in DNA-Reparaturenzymen.

Neben Letalgenen gibt es noch weitere Ursachen für abweichende Zusammensetzungen der
Filialgenerationen:
55 Bei der Epistase überdeckt eine homozygote Kombination eines Allels die Expression
von anderen Genen, die sich an der Ausbildung eines Merkmals wie der Fellfarbe betei-
ligen. Bei Mäusen verhindert die Kombination cc die Fellfarbe, die Tiere sind Albinos,
unabhängig von den anderen Genen. Die anderen Gene prägen ihren Phänotypen also
nicht aus und liefern damit ein Beispiel für unvollständige Penetranz.
148 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

55 Unterdrückt ein dominantes Allel ein dominantes Allel eines zweiten Gens, liegt
Suppression vor. Bei Primeln bewirkt beispielsweise ein dominantes Allel die Malvidin-
synthese. Das dominante Allel eines anderen Gens unterdrückt dies jedoch.
55 Ein modifizierendes Gen oder Modifier-Gen bestimmt die Intensität eines Phänotyps.
Die Fellfarbe von Mäusen verblasst dadurch. Beim Menschen kann ein Modifier-Gen eine
monogene Erkrankung verschlimmern.
55 Von Erbsen kennt man rote Blüten, die von zwei Genen hervorgerufen werden, wenn diese
jeweils mindestens einmal im dominanten Allel vorliegen. Die zwei Allele ergänzen sich
und zeigen komplementäre Genwirkung.

8.7.2 Vererbung ohne Mendel'sche Regeln: cytoplasmatisch

Das Kerngenom kontrolliert die meisten Merkmale. Man bezeichnet sie als mendelnde Merk-
male und sagt, „sie mendeln“. Beim Menschen zählen dazu die Blutgruppen und monogene
Erbkrankheiten.
Demgegenüber unterliegt das Erbgut in Mitochondrien oder Plastiden nicht den Mendel'-
8 schen Regeln.
55 Es wird davon unabhängig vererbt, weil es anders repliziert wird (s. 7 Abschn. 3.8).
55 Zudem erfolgt die Weitergabe statistisch: Die Tochterzellen erhalten nicht zwingend die
gleiche Anzahl an Organellen.
55 In Zellen können unterschiedliche Mitochondrien oder Plastiden vorliegen, wenn die
DNA mutiert und repliziert wird.
44Haben die Organellen den gleichen Genotypen, spricht man von Homoplasmie.
44Unterscheiden sich die Organellen, liegt Heteroplasmie vor. In diesem Fall kann es
passieren, dass sich die zwei Organelltypen so unterschiedlich auf die Tochterzellen
verteilen, dass eine Zelle überwiegend das Organell mit der Mutation erhält und dann
beispielsweise kein Chlorophyll mehr synthetisiert und farblos ist.
55 Die cytoplasmatische Vererbung betrifft auch endosymbiontische Bakterien, die im
Zellplasma leben.

8.7.3 Haploide Organismen

Haplonten (s. 7 Abschn. 8.2.2) bieten Vorteile für die genetische Analyse:
55 Da sie zu Zygoten fusionieren, die sich meiotisch teilen, kann man an ihnen alle Aspekte
der Meiose studieren.
55 Man braucht nur eine Meiose zu untersuchen und nicht zwei unterschiedliche wie bei
diploiden Organismen mit Meiosen in männlichen und weiblichen Gameten.
55 Da die Organismen haploid leben, hat man keine Probleme mit Dominanz und Rezessi-
vität. Der Genotyp zeigt sich unmittelbar im Phänotypen.
55 Sie sind einfache, billige, schnell wachsende Untersuchungsobjekte.
55 Viele Organismen wie Pilze und Bäckerhefe sind auch biotechnologisch relevant.

Bei der Tetradenanalyse vergleicht man die vier Sporen eines Organismus, die aus einer Meiose
der Zygote hervorgehen. Die Methode wird zum Studium von Crossing over, Interferenz und
abnormen Chromosomensätzen eingesetzt.
8.8 · Geschlechtsbestimmung und -ausbildung
149 8
Pilze zieht man auch heran, um die mitotische Rekombination und Segregation zu unter-
suchen. Ein Modellorganismus ist z. B. der Gießkannenschimmel Aspergillus. Sein Sporenträger
sieht aus wie ein Gießkannenstrahl.
1. Dazu sind diploide Zellen notwendig, die man erhält, indem man zwei haploide Kulturen
vermischt.
2. Die Hyphen verschmelzen, und es liegen zunächst zwei unterschiedliche Kerne im
Cytoplasma. Die Zelle ist ein Heterokaryon.
3. Schließlich verschmelzen die zwei Kerne spontan, wodurch die Zelle diploid wird.
4. Diese teilt sich erst meiotisch, anschließend mitotisch.

8.8 Geschlechtsbestimmung und -ausbildung

Sex erhöht die genetische Variabilität und ermöglicht Anpassungen an neue Umweltbedingungen.
Wie bei vielen Phänomenen hat sich Geschlechtsausbildung in der Evolution unterschied-
lich entwickelt.

8.8.1 Phänotypische Geschlechtsbestimmung

Die phänotypische Geschlechtsbestimmung


55 erfolgt durch Umweltfaktoren (Umgebungstemperatur, chemische Signale u. a.),
55 geschieht erst nach der Befruchtung und
55 legt die Geschlechter zahlenmäßig oft so fest, dass sich kein Verhältnis von 1:1 ergibt.
55 Man findet sie bei sehr verschiedenen Tiergruppen wie Rädertierchen, Nematoden,
Krebsen, Schildkröten, Eidechsen und Krokodilen.

Ob warme oder kalte Umgebungstemperaturen des Geleges zu Männchen oder Weibchen


führen, ist unterschiedlich.
55 Bei Eidechsen oder Krokodilen lösen kühle Temperaturen die Festlegung auf Weibchen
aus, warme Temperaturen auf Männchen, eine mittlere Temperatur erzeugt beide
Geschlechter.
55 Bei Schildkröten ist es umgekehrt: „Kalt“ ergibt Männchen, „warm“ ergibt Weibchen.
55 Es ist aber auch bei allen drei genannten Gruppen möglich, dass extremere
Temperaturen zu Weibchen führen, während mittlere Temperaturen Männchen
hervorbringen.
55 Als Erklärung nimmt man an, dass die zuständigen Promotoren temperaturabhängig
reagieren. Die Zellen regulieren über die Genregulation die Produktion von Enzymen für
die Hormonbildung.

Chemische Signale für die Geschlechtswahl stammen oft von Artgenossen. Man kennt beispiels-
weise im Meer lebende Igelwürmer (Bonellia viridis), deren adulte weibliche Tiere Pheromone
bilden.
55 Trifft eine undifferenzierte Igelwurmlarve auf ein adultes weibliches Tier, nimmt dieses die
Larve auf.
55 Signale der Weibchen lösen die Entwicklung zu Männchen aus, die im Uterus der
Weibchen leben.
150 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

8.8.2 Genotypische Geschlechtsbestimmung und Fehlbildungen beim


Menschen

Die genotypische Geschlechtsbestimmung


55 beruht auf Gonosomen und darauf lokalisierten Genen,
55 legt mit der Befruchtung das genetische Geschlecht fest,
55 führt in der Regel zu einem Geschlechterverhältnis von ungefähr 1:1.

z Pflanzen
Bei Pflanzen findet man nur in wenigen Fällen zwei phänotypisch unterscheidbare Individuen,
wie man es von Tieren oft gewohnt ist. Diese Pflanzen nennt man diözisch oder zweihäusig. Sie
bilden männlich und weiblich getrennte Pflanzen mit verschiedenen Blüten aus. Diözie ist unter
den Pflanzenfamilien zwar weit verbreitet, aber nicht häufig. Nur einige Familien sind ausschließ-
lich zweihäusig, z. B. die Weidengewächse.
Die meisten Pflanzen (z. B. Mais) sind monözisch oder einhäusig. Sie haben männliche und
weibliche Blüten auf einer Pflanze. Allerdings kann der Anteil männlicher oder weiblicher Blüten
überwiegen. Die Gesamtpflanze ist damit zwar „zwittrig“, den Ausdruck verwendet man jedoch
8 ebenso wie „getrenntgeschlechtlich“ nur für Tiere.

z Tiere
Bei Tieren gibt es verschiedene Wege, das Geschlecht festzulegen.
55 Haplodiploidie kommt beispielsweise bei Bienen, Ameisen oder Käfern vor. Deren
Männchen sind in den allermeisten Fällen haploid. Sie entstehen aus unbefruchteten Eiern
oder aus befruchteten, die eine Hälfte des Chromosomensatzes wieder verlieren. Weibchen
entstehen aus befruchteten Eiern und sind (bzw. bleiben) diploid.
55 Bei Drosophila legt das Verhältnis von X-Chromosomen zu Autosomen das Geschlecht fest
(s. u.).
55 Bei Säugern und Vögeln bestimmen zwei unterschiedliche Gonosomen (Geschlechtschro-
mosomen) das Geschlecht. Sie ergeben verschiedene Gameten, was als Heterogametie
bezeichnet wird.
44Bei Säugern besitzen die männlichen Tiere zwei verschiedene Geschlechtschromo-
somen, X und Y (s. u.).
44Bei Vögeln sind die Weibchen hemizygot mit W- und Z-Chromosom, die Männchen
sind mit einem ZZ-Satz homozygot. Dieses System kommt beispielsweise auch bei
Schlangen vor.

Da sich die Geschlechter in Quantität und/oder Qualität der Chromosomen unterscheiden,


haben sie unterschiedlich viele Genprodukte und müssen ihre Gendosis ausbalancieren. Diese
Dosiskompensation geschieht, indem die Zelle ein X-Chromosom transkriptionell stilllegt oder
inaktiviert (z. B. bei Säugern) oder indem sie ein Chromosom hyperaktiviert (z. B. das X-Chro-
mosom bei Drosophila-Männchen).
Drosophila
Auch Drosophila besitzt X- und Y-Chromosomen. Doch das Y-Chromosom spielt keine
Rolle für die Geschlechtsbestimmung. Dafür ist der Geschlechtsindex (I) entscheidend, der das
Verhältnis von X-Chromosomen (X) zu Autosomen (A) angibt. Genauer gesagt bezieht er sich
auf Autosomensätze, denn es kommen auch tri- und tetraploide Tiere vor. Auch die Zahl der
8.8 · Geschlechtsbestimmung und -ausbildung
151 8
X-Geschlechtschromosomen ist variabel, denn sie verringert oder erhöht sich durch mitotische
Non-Disjunction.
55 Ist I = X/A größer als oder gleich 1, entstehen Weibchen.
55 Beispiele: (2X, 2A) oder (2X, 2Y, 2A) oder (3X, 2A).
55 Ist I = X/A = 0,5 oder kleiner, resultieren daraus Männchen.
55 Beispiele: (X, Y, 2A) oder (2X, 4A).
55 Liegt der Wert für I zwischen 0,5 und 1, sind die Tiere Intersexe. Beispiele: (3X, 4A) oder
(2X, 3A).

Die molekularen Faktoren für die Geschlechtsbestimmung von Drosophila sind die Genpro­
dukte von „Sexgenen“, die alternativ gespleißt werden.
55 Wenn I = 0,5 oder kleiner ist und damit das Verhältnis auf Seiten der Autosomen liegt, so
spleißt die Zelle die prä-mRNA des sxl-Gens (sex lethal) so, dass ein Stoppcodon resultiert
und kein Sxl-Protein entsteht.
Das fehlende Sxl-Protein hat Auswirkungen auf das alternative Spleißen bei den trans-
former-Genen (tra).
Letztlich resultiert daraus das DsxM-Protein (doublesex), das weibliche Differenzie-
rungsgene unterdrückt.
55 Bei einem Verhältnis zugunsten des X-Chromosoms spleißt die Zelle die mRNA von sxl
alternativ und bildet ein Sxl-Protein.
Das vorhandene Sxl-Protein erzeugt andere Spleißprodukte der tra-Gene, und am
Ende der Reaktionsfolge steht ein DsxF-Protein, das männliche Differenzierungsgene
unterdrückt.

Bei Drosophila wird auch die Augenfarbe geschlechtsgebunden vererbt. Der Wildtyp von Dro-
sophila trägt rote Augen. Das Merkmal „weiße Augen“ liegt auf dem X-Chromosom. Kreuzt man
homozygote Weibchen mit weißen Augen mit rotäugigen Männchen, die ein X und ein Y-Chro-
mosom besitzen, so kommen rotäugige Weibchen und weißäugige Männchen heraus. Denn die
weiblichen Nachkommen verfügen jetzt über ein Wildtyp-X-Chromosom, während die hemi-
zygoten männlichen Nachkommen nur das Merkmal „weiße Augen“ auf dem einen X-Chromo-
som geerbt haben – neben dem Y-Chromosom.

z Säugetiere
Bei Säugern legen die Gonosomen das genetische Geschlecht fest.
55 Männliche Säugetiere besitzen ein X-Chromosom und ein deutlich kleineres
Y-Chromosom.
55 Weibliche Individuen haben zwei X-Chromosomen.
44Nach der Lyon-Hypothese von Mary Frances Lyon legen weibliche Zellen ein X-Chro-
mosom still und gleichen somit die zusätzliche Kopie aus. Dieser epigentische Vorgang
wird X-Inaktivierung oder Lyonisierung genannt.
44Dieses Chromosom ist dann stark kondensiert, transkriptionsinaktiv und im Licht-
mikroskop als Barr-Körperchen erkennbar, in Leukocyten als sogenannte Drumsticks
(. Abb. 8.8a, b).

Ob die Zelle das mütterliche oder väterliche X-Chromosom inaktiviert, ist ein Zufallsergebnis.
Unterscheiden sich die Chromosomen durch eine Mutation, dann ist in manchen Zellen das
mutierte Exemplar stillgelegt, in anderen das normale. Das weibliche Individuum ist folglich
152 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

. Abb. 8.8  Barr-Körperchen einer


Patientin mit XXX (a), Drumsticks oder
Trommelschlägel einer Frau mit XX (b)
(nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

ein genetisches Mosaik. Tatsächlich ist nicht das komplette Chromosom inaktiv. Die Zelle tran-
skribiert noch rund ein Fünftel der Gene. Deswegen unterscheiden sich Frauen mit dem Ullrich-­
Turner-Syndrom (45, X0) von Frauen mit normalem Genotyp 46, XX.
Da die starke Kondensierung in der nächsten Generation wieder aufgehoben wird, spricht
man von einem fakultativen Heterochromatin im Gegensatz zum konstitutiven Heterochro-
matin am Centromer.
Die Kontrolle der X-Inaktivierung geht von einer Region aus, die man X-chromosome- inac-
tivation-centre (XIC) nennt. Diese Region enthält mehrere Gene, eine entscheidende Rolle über-
nimmt das XIST-Gen (X inactive-specific transcript).
55 Die Zelle stellt eine XIST-RNA her, die sich an das X-Chromosom anlagert und es umhüllt
(Xi specific transcript). Die RNA wird nicht translatiert. Es handelt sich also um eine
lncRNA.
55 XIST wechselwirkt mit Enzymen, welche die Histone und die DNA modifizieren.

Männliche Spermien des Menschen verhalten sich je nach Typ des Gonosoms im Zellkern
unterschiedlich.
55 Transportieren sie ein X-Chromosom, leben sie länger im weiblichen Genitaltrakt.
55 Transportieren sie ein Y-Chromosom, schwimmen sie jedoch schneller.

Dadurch verschiebt sich das Verhältnis der Geschlechter bei den Geburten leicht auf die Seite
männlicher Nachkommen zu 1,05:1.
8.8 · Geschlechtsbestimmung und -ausbildung
153 8
. Abb. 8.9  Pseudoautosomale Regionen 1 und 2 der
menschlichen Gonosomen (nach Buselmaier und Tariverdian
2007)
PAR 1

p
SRY
p

q
Y

PAR 2

Die Gonosomen tragen an den Enden pseudoautosomale Regionen, PAR (. Abb. 8.9).
55 PAR1 (etwa 2,6 Mb) am Ende des kurzen Arms, PAR2 (etwa 0,32 Mb) am Ende des langen Arms.
55 Hier ereignen sich Crossing over, in PAR1 obligatorisch, in PAR2 selten. Aufgrund von
Rekombinationsereignissen hat man vor kurzem eine PAR3 beschrieben.
55 Die PAR sind von der X-Inaktivierung ausgeschlossen.

Die Geschlechtsentwicklung geht vom SRY-Gen aus (sex determining region of Y). Es liegt auf
dem kurzen Arm des Y-Chromosoms außerhalb der PAR.
55 SRY codiert einen Transkriptionsfaktor, den hodenbestimmenden Faktor (testis deter-
mining factor, Mensch: TDF, Maus: Tdf), der die Entwicklung von indifferenten Keimzellen
zu Hoden einleitet.
Die Hoden bilden das Androgen Testosteron. Nach Umwandlung in Dihydrotestosteron
(DHT) aktiviert DHT den Androgenrezeptor, der die Transkription weiterer geschlechts-
bestimmender Gene anschaltet.
55 Fehlt das SRY-Gen, entwickeln sich die Gonadenanlagen zu Ovarien.

Das genetische Geschlecht muss nicht übereinstimmen mit dem gonadalen Geschlecht, das
durch vorhandene männliche oder weibliche Gonaden bestimmt wird, oder mit dem hormona-
len Geschlecht, das von den Sexualhormonen abhängig ist.

z Medizinische Aspekte von Fehlbildungen bei Säugetieren


Verschiedene Abweichungen stören die Geschlechtsentwicklung:
55 Gelangt das SRY-Gen durch fehlerhafte Rekombination auf ein X-Chromosom, so entwi-
ckelt das Individuum einen männlichen Phänotyp bei weiblichem Karyotyp (46, XX).
154 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

Überführt man per Mikroinjektion ein SRY-Genkonstrukt in Oocyten von Mäusen mit
XX-Genotyp, erzeugt man männliche Mäuse.
55 Auf dem langen Arm des Y-Chromosoms liegen auch Gene für die Spermienreifung.
Mutationen können zur Azoospermie führen. Die Reifung unterbleibt, und es fehlen
Samenzellen im Ejakulat. Die zuständigen Gene sind auf drei Regionen verteilt und werden
Azoospermiefaktor a–c (AZFa–c) genannt.
44Die Azoospermie aufgrund gestörter Spermienreifung heißt nichtobstruktive
Azoospermie.
44Eine Verstopfung der Samenleiter wäre die Ursache für die obstruktive
Azoospermie.
55 Das AR-Gen für den Androgenrezeptor liegt auf dem X-Chromosom. Durch eine
Mutation kann die Funktion teilweise oder vollständig ausfallen.
44Ein partieller Funktionsverlust ruft verschiedene sexuelle Zwischenstufen hervor.
44Betroffene mit vollständigem Funktionsverlust entwickeln zunächst Hoden und bilden
Testosteron, aber das Gewebe kann darauf nicht reagieren und die Transkription nicht
aktivieren. Man spricht von Androgenresistenz, einem Androgeninsensitivitäts-
syndrom oder testikulärer Feminisierung. Die Patienten entwickeln sich anatomisch
8 weiter zur Frau, allerdings mit blind endender Vagina und ohne Gebärmutter. Die
Hoden liegen innen.
Entwickeln sich die Gonaden fehlerhaft mit Störung der Fertilität, so spricht man allgemein von
einer Gonadendysgenesie.
55 Bei der XX-Gonadendysgenesie sind die Ovarien unterentwickelt und fehlerhaft. Sie
bilden sogenannte Stranggonaden ohne Follikel und endokrines Gewebe. Die XX-Gona-
dendysgenesie kommt isoliert oder zusammen mit weiteren Symptomen bei verschiedenen
Syndromen vor wie dem Denys-Drash-Syndrom durch Mutationen im WT1-Gen. Da
die Ursache Mutationen in einzelnen Genen sein können, erscheint der Karyotyp dann
weiblich normal.
55 Auch bei der XY-Gonadendysgenesie spricht man von Stranggonaden. Die Sertoli-­Zellen
des fetalen Hodens, die normalerweise das Anti-Müller-Hormon (AMH) bilden, fehlen.
Durch den Mangel an AMH bleibt der Müller-Gang als die Genitalanlage für Eileiter,
Scheide und Gebärmutter bestehen. Es bildet sich ein weiblicher Phänotyp mit Hypogona-
dismus aus. Die Ursache können strukturelle Aberrationen des Y-Chromosoms sein, aber
auch Mutationen in einzelnen Genen wie dem SRY-Gen oder dem WT1-Gen, das auch bei
XX-Gonadendysgenesien betroffen sein kann.

8.9 Populationsgenetik

Die Populationsgenetik befasst sich mit dem Vorkommen von Allelen in einer Population sowie
deren Häufigkeiten und Veränderungen mit der Zeit.

8.9.1 Der Genpool

Eine Population ist definiert als Gesamtheit aller Individuen einer Gruppe, die sich fortpflanzen
können und eine neue Generation bilden. Alle Gene und Allele, die in dieser Population vor-
kommen, bilden den Genpool.
8.9 · Populationsgenetik
155 8
Ein Genpool ist nicht stabil. Mehrere Faktoren haben Einfluss auf seine Zusammensetzung:
55 Genetische Faktoren: Mutation, Rekombination.
55 Evolutionäre Faktoren: Selektion, Migration, Isolation. Ändert sich der Genpool durch
Zufallsabweichungen, liegt genetische Drift vor. Das kann sich in kleinen Populationen
auswirken. Ein Sonderfall ist der Gründereffekt (Founder-Effekt). Dabei geht die
Ausbreitung eines Allels auf den Genotypen eines oder weniger Individuen während der
Stammesgründung oder -etablierung zurück. Aus medizinischer Sicht ist dieser Effekt bei
der Verbreitung von Erbkrankheiten von Bedeutung.
55 Faktoren bei der Partnerwahl: Als Paarungssiebung wird die Auswahl eines bestimmten
Phänotypen und damit Genotypen als Partner bezeichnet, umgangssprachlich mit „gleich
und gleich gesellt sich gern“ zusammengefasst. Beispielsweise heiraten Gehörlose oft
untereinander.
55 Tatsächliche Abweichungen von der Panmixie. Unter Panmixie oder random mating
versteht man die idealisierte Annahme, dass sich jeder Vertreter des einen Geschlechts mit
gleicher Wahrscheinlichkeit mit jedem Vertreter des anderen Geschlechts paaren kann.
Inzucht ist ein deutliches Beispiel für eine Abweichung von der Panmixie.
55 Weitere Faktoren sind beispielsweise Infektionskrankheiten, Ernährung und kulturell-­
gesellschaftliche Einflüsse.

8.9.2 Frequenzen und das Hardy-Weinberg-Gesetz

Die Häufigkeit von Allelen kann man mithilfe des Hardy-Weinberg-Gesetzes berechnen. Dabei
geht man von idealisierten Bedingungen aus:
55 Die Paarungen erfolgen zufällig.
55 Die Population ist sehr groß.
55 Zwischen den Populationen erfolgt keine Migration.
55 Es ereignen sich keine Mutationen.
55 Die Allele unterliegen nicht der Selektion.

Der zentrale Begriff ist die Frequenz. Unter Genfrequenz versteht man die Häufigkeit eines Allels
an einem Genlocus in einer Population.
55 Kommt in einer Population nur ein Allel, A, vor, so ist seine Frequenz p(A) = 1,0.
55 Kommt neben A noch das Allel a mit der Frequenz q(a) vor, so ist p(A) + q(a) = 1,0, oder
bezogen auf p gilt: p(A) = 1 − q(a).
55 Man unterscheidet Frequenzen eines Genotyps von den Frequenzen eines Allels.
55 Der Genotyp AA wird mathematisch ausgedrückt als p2, pq steht für Aa und q2 steht für aa.
55 Die Häufigkeit und Verteilung der Genotypen gehorcht dem 1. Binominalsatz (p + q)2 und
es gilt p2+2pq+q2= 1 (. Abb. 8.10).

Rechenbeispiel: Eine autosomal-rezessiv vererbte Krankheit (aa = q2) kommt bei einem von
40.000 Neugeborenen vor, die Indizidenz beträgt also 1:40.000. Dann ist q2 = 1/40.000, q = 1/200
= 0,005 und p ≈ 1. Heterozygote (Überträger) kommen dann mit einer Häufigkeit von 2pq = 0,01
= 1/100 oder 1:100 vor. 2pq ist die Heterozygotenfrequenz.
Beispiele für autosomal-rezessive Erkrankungen in Europa mit gerundeten Werten:
55 Mukoviszidose/Cystische Fibrose: Inzidenz 1:2000, Heterozygotenfrequenz 1:22
55 Sichelzellanämie: Inzidenz 1:10.000, Heterozygotenfrequenz 1:50
156 Kapitel 8 · Formalgenetik und Geschlechtsbestimmung

. Abb. 8.10  Darstellung des Hardy- Allelfrequenzen


q p
Weinberg-Gesetzes mit entsprechenden p+q=1
Flächengrößen (nach Schaaf und
Zschocke 2013) Genotypfrequenzen
qp
(p + q)(p + q) = 1
p2 + 2pq + q2 = 1

p p²

q q2 pq
q p

55 Phenylketonurie: Inzidenz 1:10.000, Heterozygotenfrequenz 1:50


8 55 Tay-Sachs-Erkrankung: Inzidenz 1:25.000, Heterozygotenfrequenz 1:80

Solche Angaben beziehen sich immer auf bestimmte Populationen und ändern sich im Lauf der
Evolution.
55 In Gebieten mit Malaria kommt das Sichelzellallel deutlich häufiger vor, weil der gesunde
Konduktor (Aa) einen Evolutionsvorteil, in diesem Fall einen Heterozygotenvorteil,
besitzt:
44Homozygot Gesunde (AA) sterben eher an Malaria.
44An Sichelzellanämie Erkrankte (aa) können an der Krankheit sterben.
55 Die Isolation von Ethnien führt oft zu Blutsverwandtschaft und somit zu einer höheren
Indizidenz für Krankheiten. Unter den Aschkenasim (mittel-, nord- und osteuropäische
Juden) ist beispielsweise die Tay-Sachs-Erkrankung rund zehnmal so häufig wie in der
übrigen Bevölkerung.
55 Bekannt ist die weltweit unterschiedliche Verteilung der Blutgruppen des AB0-Systems.
55 Die Lactoseintoleranz erwachsener Menschen ist eine evolutionär ursprüngliche Eigen-
schaft. Sie beträgt in Asien zum Teil mehr als 80 %, in Europa nimmt sie von Süden nach
Norden hin ab und liegt in Dänemark/Schweden bei 2–5 %. Die Mehrheit in Skandinavien
bildet also auch als Erwachsene noch Lactase.
55 Entwickelt und durchgesetzt hat sich diese Lactasepersistenz seit der Einführung der
Viehmilchwirtschaft und dem Verzehr lactosehaltigen Käses.
55 Genetisch geht sie zurück auf zwei SNPs im MCM6-Gen. Das Genprodukt ist zwar für die
DNA-Replikation wichtig, innerhalb zweier Introns liegen aber regulatorische Elemente
für das Lactasegen. Durch die Polymorphismen wirken sie als Enhancer.
55 Angeborener Lactasemangel, der schon bei Säuglingen eine Intoleranz gegenüber Lactose
bewirkt, ist hingegen eine autosomal-rezessive Erkrankung.
55 Auch die Evolution der Gene für die Isoformen der Speichelamylase geht einher mit
Lebens- und Ernährungsbedingungen des Menschen.
157 9

Rekombination und
Variabilität
9.1 Homologe Rekombination – 158
9.1.1 Modelle für die homologe Rekombination – 158
9.1.2 Genkonversion – 161
9.1.3 Proteine der Rekombination bei E. coli – 161
9.1.4 Proteine der Rekombination bei Eukaryoten – 163

9.2 Ortsspezifische Rekombination – 165


9.2.1 Allgemeines und Bedeutung – 165
9.2.2 Der Ablauf im Überblick – 166
9.2.3 Die Rekombinasen – 166

9.3 Illegitime Rekombination – 169


9.3.1 Überblick – 169
9.3.2 DNA-Transposons – 169
9.3.3 Poly(A)-Retrotransposons bei Eukaryoten – 172

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_9
158 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

z Worum geht es?


Beim Vorgang der Rekombination entstehen durch Bruch und Wiederverknüpfung zwei neue
DNA-Moleküle. Auf diesem Weg erhöht die Rekombination die genetische Vielfalt. Somit ist sie
von grundlegender Bedeutung für Pro- und Eukaryoten, aber auch für Viren und Phagen. Sie
ist geknüpft an andere Vorgänge wie Meiose, Replikation, Reparatur von Doppelstrangbrüchen,
Konjugation oder Infektion durch Viren oder Phagen. Man unterscheidet drei Mechanismen:
homologe, ortsspezifische und illegitime Rekombination. Alle drei nutzen jeweils charakteristi-
sche Enzyme. Die zufällige neue Zusammenstellung der väterlichen und mütterlichen homologen
Chromosomen (ohne physischen Austausch) in der Meiose ist hingegen eine Neukombination.

9.1 Homologe Rekombination

Unter einer homologen Rekombination versteht man den wechselseitigen Bruch mit Wiederver-
knüpfung zwischen langen, identischen oder annähernd identischen DNA-Sequenzen.
Die homologe Rekombination tritt ein,
55 um eine Störung als Ursache für eine unterbrochene Replikation zu beheben,
55 um Doppelstrangbrüche zu reparieren,
55 bei Eukaryoten während der Meiose und
55 bei Prokaryoten während der Konjugation. Beteiligt sind das Chromosom und ein
9 Plasmid.

Von zentraler Bedeutung ist jeweils ein Protein, das zwischen Bakterien (RecA), Archaeen (RadA)
und Eukaryoten (Rad51) konserviert ist.

9.1.1 Modelle für die homologe Rekombination

Um den Ablauf zu verstehen und zu beschreiben, begann man in den 1960er-Jahren Modelle
aufzustellen.

z Holliday-Modell
Das bekannteste Modell heißt nach seinem Erstbeschreiber Holliday-Modell (. Abb. 9.1).
55 Zwei homologe DNA-Moleküle liegen zunächst gepaart aneinander.
55 Das Modell setzt voraus, dass in jeweils einem Strang der zwei DNA-Moleküle ein Bruch
vorliegt.
55 Die gebrochenen DNA-Stränge in gleicher Orientierung leiten die Rekombination ein, also
beispielsweise die zwei Stränge in 5′-3′-Richtung.
55 Sie tauschen ihre Position und werden neu verknüpft, sodass sie sich überkreuzen. Die
entstehende Struktur nennt man Holliday-Struktur(. Abb. 9.2).

Entscheidend ist: Die Holliday-Struktur ist stabil, dabei aber dynamisch. Das heißt, die Über-
kreuzungsstelle bewegt sich strangauf- oder strangabwärts. Man spricht von branch migration
oder Wanderung der Verzweigungsstelle. Je weiter die Verzweigungsstelle wandert, desto länger
wird der Abschnitt, in dem sich jeweils zwei „fremde“ Stränge gegenüberlegen. Es entsteht eine
Heteroduplex-DNA.
9.1 · Homologe Rekombination
159 9
X Y

x y
Einzelstrangbrüche in zwei DNA-Molekülen

Gebrochene DNA-Stränge verbinden sich über Kreuz ...

... und bilden eine Holliday-Struktur

Kreuzungsstelle bewegt sich: branch migration

Enzyme lösen die Holliday-Struktur auf und


können zu verschiedenen Ergebnissen führen

Verknüpfung Verknüpfung führt zu


neuer Genkombination
Rekombinationspartner
nimmt nur einen Einzel-
strangabschnitt auf

X Y X y

x y x Y
a

X Y

x y
branch migration
X Y

b x y

. Abb. 9.1  Ablauf der homologen Rekombination (a) mit Veranschaulichung der branch migration (b)
160 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

. Abb. 9.2  Vereinfachte Darstellung einer Holliday-Struktur.


Jeder Strang hat noch seinen alten komplementären Gegenstrang,
aber auch schon seinen neuen

Dreht oder rotiert man die vier miteinander verbundenen DNA-Stränge so, dass sich die
Überkreuzungsstelle aufhebt, ergibt sich aus den vier Strängen die x-förmige Chi-Konformation.
Jetzt sind zwei Auflösungen mit verschiedenen Ergebnissen möglich.
55 Ein horizontaler Schnitt durch das Kreuz mit Neuverknüpfung ergibt, dass die DNA-
Moleküle jeweils nur einen kurzen Einzelstrangabschnitt getauscht haben.
55 Ein vertikaler Schnitt mit Neuverknüpfung führt zu einem wechselseitigen Austausch.

z Kritik am Holliday-Modell, Erweiterung durch Meselson und Radding


9 Hollidays Voraussetzung der Brüche in den Einzelsträngen gleicher Orientierung blieb pro-
blematisch. Holliday setzte eine Präzision voraus, die man nicht nachweisen konnte. Daher
wandelten Meselson und Radding das Modell ab.
Meselson und Radding gingen von einem Einzelstrangbruch in nur einem DNA-Molekül aus.
1. Der Einzelstrang dringt in einem Stranginvasion genannten Prozess buchstäblich in das
intakte DNA-Molekül ein und verdrängt sein Pendant.
2. Der verdrängte Strang lagert sich an seinen komplementären Gegenstrang des anderen
DNA-Moleküls, es entstehen eine Überkreuzungsstelle und eine D-Schleife.
3. Nachfolgend bricht der verdrängte Strang auf der Höhe der Bruchstelle im ersten
DNA-Molekül ein, und die Enden werden wieder geschlossen.

z Erweiterung durch das Doppelstrangbruchmodell


Auch die Erweiterung durch Meselson und Radding konnte nicht alle Rekombinationsphäno-
mene erklären, und man hat das Modell wiederum erweitert. Es geht davon aus, dass die zwei
Stränge eines DNA-Moleküls brechen.
Ablauf der homologen Rekombination im Doppelstrangbruchmodell:
1. Exonucleasen bauen die Einzelstränge so ab, dass jeweils ein 3′-Überhang verbleibt.
2. Das Ende eines Einzelstrangs dringt auch hier in das intakte DNA-Molekül ein, verdrängt
den Strang gleicher Orientierung und lagert sich an seinen komplementären Strang an.
3. Das freie Ende dient als Primer für DNA-Polymerase, die diesen Strang anhand der
komplementären Vorlage verlängert und den anderen weiter verdrängt.
4. Der verdrängte Strang erfasst nun das zweite Einzelstrangende und heftet sich an.
5. Damit liegt auch in diesem DNA-Molekül die Situation vor, dass die Polymerase den
Einzelstrang nach Vorlage verlängert und die Lücken schließt.
6. Die Ligase versiegelt schließlich die Enden über Kreuz und erzeugt eine zweite
Holliday-Struktur.
9.1 · Homologe Rekombination
161 9
Heteroduplex-DNA Genkonversion
(mit Mismatch-Nucleotidpaaren) (Mismatch-Reparatur) Genotyp
T C
+ +
A G

x + G C
x +
G C C G
A T T A
+ y + y
A T
G A
x y
C T

. Abb. 9.3  Heteroduplex-DNA, als Folge der Reparatur kommt es zur Genkonversion (+ steht für Wildtyp, x, y
für andere Allele)

Die Auflösung dieser Struktur ist auf mehreren Wegen möglich:


55 Die Überkreuzungsstellen werden aufgelöst, sodass es als Resultat ein Crossing over gibt.
55 Die Überkreuzungsstellen werden durch andere Enzyme aufgelöst, die das Crossing over
aufheben.
55 Enzyme schneiden die Übergangszustände, bevor überhaupt die Holliday-Strukturen
entstehen.

Auch in einer Variante des Doppelstrangbruchmodells taucht kein Crossing over auf. Dazu
nimmt man an, dass nach Stranginvasion eine Polymerase den Einzelstrang zwar ebenfalls ver-
längert, dass dieser anschließend aber wieder zu seinem ursprünglichen komplementären Strang
zurückkehrt und Ligasen dann die Enden versiegeln.
Die Vorteile des Doppelstrangbruchmodells oder seiner Varianten:
55 Es zeigt die Verknüpfung der Rekombination mit der DNA-Reparatur.
55 Es kann die Genkonversion erklären.

9.1.2 Genkonversion

Genkonversion (. Abb. 9.3) ist die Übertragung der Information von einem Allel auf das ent-
sprechende Allel des homologen DNA-Moleküls. Dabei wird das Allel im DNA-Molekül mit dem
Doppelstrangbruch zu dem anderen Allel umgewandelt, wenn die abgebauten Einzelstränge nach
der Vorlage der komplementären Gegenstränge verlängert werden.
Eine Genkonversion findet beispielsweise bei Hefen und Schimmelpilzen statt. Sie ist leicht
zu erkennen, wenn Varianten der Allele aus den meiotischen Teilungen nicht im Verhältnis 1:1
hervorgehen.

9.1.3 Proteine der Rekombination bei E. coli

Die beteiligten Proteine fallen in zwei Gruppen:


55 Die Rec-Proteine führen die ersten Schritte aus.
55 Die Ruv-Proteine übernehmen die späteren Aufgaben wie die Auflösung der
Holliday-Struktur.
162 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

Dieser Abschnitt stellt nur die wichtigsten und die rekombinationstypischen Proteine vor.
Proteine wie die SSB, Topoisomerasen oder Ligasen wirken ebenfalls an der Replikation mit
(s. 7 Abschn. 3.1.2), werden hier aber nicht mehr detailliert vorgestellt.

z Rec-Proteine (. Abb. 9.4)


Die Rec-Proteine tragen ihren Namen nach den ersten identifizierten Mutanten recA, recB usw.,
die keine Rekombination ausführen konnten. Erst später ordnete man den Genorten die Proteine
zu und nannte sie RecA(-Protein) etc.
55 RecBCD-Komplex: Der Komplex setzt sich zusammen aus den drei Untereinheiten RecB,
RecC und RecD. Er ist ebenfalls an der Replikation beteiligt und löst die Blockade, wenn
die Replikatiosgabel stoppt. Der Komplex übernimmt mehrere Funktionen:
44Er erkennt das acht Basenpaar lange Chi-Motiv, wo bevorzugt die Rekombination
stattfindet. Das Chi-Motiv ist somit ein Hotspot der Rekombination.
44RecB ist eine Helikase von 3′nach 5′. RecD führt die Helikasefunktion von 5′nach 3′aus.
44RecB arbeitet zudem als Nuclease. Der Komplex stellt die einzelsträngige DNA bereit.
44RecC ist für die spezifische DNA-Bindung wichtig. Der Komplex führt schließlich RecA
an einzelsträngige DNA heran.
55 RecA: Das RecA-Protein gilt als das zentrale Protein. Es ist ein evolutionär altes Protein,
Homologe kennt man bei Archaeen (RadA) und bei Eukaryoten (Rad51). Es leitet
außerdem die SOS-Reparatur ein. RecA tritt als Multimer auf und bindet ATP. Seine
9 Funktionen lassen sich umreißen:
44Das Protein bindet sich mit Unterstützung des RecBCD-Komplexes an einzelsträngige
DNA.
44Dabei lagern sich mehrere RecA-Moleküle an den Einzelstrang und bilden ein
Filament.

. Abb. 9.4  Die Funktionen der Rec-Proteine Chi-Sequenz RecBCD


1

ATP
ADP + Pi
2 3'
5'
ATP
ADP + Pi
3 3'
5'
ATP Beladung
ADP + Pi mit RecA
4 3'
5'
ATP
ADP + Pi
5 3'
5'

RecA-Filament
6
9.1 · Homologe Rekombination
163 9
44RecA sucht nach homologen Sequenzen und dirigiert dann die Stranginvasion.
44RecA tauscht also den intakten DNA-Strang gegen den geschnitten Einzelstrang
gleicher Orientierung aus, lässt diesen mit seinem Gegenstrang eine Doppelhelix bilden
und richtet die Holliday-Struktur ein.

z Ruv-Proteine
Die Ruv-Proteine identifizierte man in den ruv-Mutanten, die empfindlicher gegenüber
UV-Strahlung sind. So steht ruv für resistent gegenüber UV-Strahlung. Daran zeigt sich wiede-
rum die Verquickung von Rekombination und Reparatur von UV-Schäden.
Die Ruv-Proteine sind zuständig für die Wanderung der Verzweigungsstelle und für die
Auflösung der Holliday-Struktur (. Abb. 9.5).
55 RuvA erkennt die Holliday-Struktur und bindet sich daran.
55 RuvB formt aus seinen Untereinheiten einen Ring, der sich um die DNA legt. Es ist eine
Helikase, die die Verzweigungsstelle wandern lässt.
55 RuvC setzt Schnitte in der DNA und löst die Holliday-Struktur auf. RuvA und RuvB haben
sich von der DNA gelöst.

Bei E. coli rekombiniert DNA nicht nur über die genannten Proteine. Ein anderes System arbei-
tet mit anderen Helikasen, Nucleasen und weiteren Proteinen.

9.1.4 Proteine der Rekombination bei Eukaryoten

z Allgemeines
Die eukaryotische Rekombination hat man vor allem bei Saccharomyces cerevisiae untersucht.
Für Eukaryoten hat die Rekombination folgende Bedeutung:
55 Sie leitet während der Meiose ein Crossing over ein.
55 Während der Mitose tritt die Rekombinationsreparatur oder mitotische Rekombination
auf. Sie ist deutlich seltener als die meiotische Rekombination und führt selten zu
Crossing over.
55 Sie behebt eventuelle Blockaden der Replikationsgabel.
55 Sie hat spezielle Funktionen für bestimmte Gensysteme (z. B.: Paarungstypwechsel bei
Hefe, Reifung der Antikörper).

Der Einstieg in die meiotische Rekombination ist naturgemäß auf Eukaryoten beschränkt, die
Kernschritte (Strangabbau, Stranginvasion, Überkreuzung) sind mit denen bei Prokaryoten
vergleichbar.
Um die Holliday-Strukturen aufzulösen, können die Zellen verschiedene Wege mit oder
ohne Crossing over einschlagen.
In evolutionärer Hinsicht ist die Rekombination in der Meiose eine junge Weiterentwicklung
des Phänomens und ein Sonderfall. Sie kommt nur in Keimzellen der Eukaryoten vor, erzeugt
regelmäßig Crossing over und beginnt mit einem besonderen Protein, SPO11.

z SPO11
Das SPO11 (bei der Sporulation von Hefe identifiziert) leitet die Rekombination während der
Meiose ein, denn es erzeugt die Doppelstrangbrüche in einem DNA-Molekül. Für andere
Rekombinationen ist SPO11 nicht nötig. In diesen Fällen bewirken äußere Einflüsse oder
164 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

Bindung an die Überkreuzung 5' 3'


3' 5'

3' 5'
5' 3'

RuvA-Protein 5' 3'


3' 5'
bindet sich an
Holliday-Struktur 3' 5'
5' 3'

branch migation

Oben
5' 3'
3' 5'
Links Rechts
3' 5'
5' 3'
Unten

RuvB-Protein formt
9 eine Ringstruktur
und dreht die DNAs

Proteine RuvA
und RuvB lösen Links/Rechts oder Oben/Unten
sich vermutlich ab
Auflösung
5' 3'
3' 5'

3' 5'
5' 3'
Heteroduplex

5' 3'
RuvC-Protein schneidet 3' 5'
zwei Einzelstränge und löst
die Holliday-Struktur auf 3' 5'
5' 3'
a b Heteroduplex + rekombinant

. Abb. 9.5  Funktion der Ruv-Proteine und Auflösung der Holliday-Struktur

Topoisomerasen die Strangbrüche. Da SPO11 auf die Meiose beschränkt ist, kennt man auch
kein bakterielles Gegenstück.

z MRX-Komplex
Der MRX-Komplex umfasst mehrere Proteine, deren Anfangsbuchstaben zu der Abkürzung
führten: MRE11, RAD50, XRS2. Er übernimmt mehrere Aufgaben. Die wichtigste ist wohl zusam-
men mit weiteren Enyzmen die Exonucleaseaktivität, also die Bearbeitung der DNA-Enden.
Wie bei E. coli bauen Exonucleasen die DNA-Stränge an den Strangbrüchen ab und produzieren
überhängende 3′-Enden.
9.2 · Ortsspezifische Rekombination
165 9
z RAD-Proteine
Die Bezeichnung RAD leitet sich von radiation (engl. für Strahlung) ab, weil die Mutanten strah-
lungsempfindlich sind. RAD51 und DMC1 sind eukaryotische Homologe zu RecA bei E. coli,
DMC steht für disrupted meiotic cDNA. RAD-Proteine sind wie SPO11 auf die Meiose beschränkt.
Ihre Funktionen:
55 RAD51-Proteine heften sich unter der Mithilfe von Mediatorproteinen an die 3′-Enden.
Sie bilden Proteinfilamente, führen die Überhänge in das intakte DNA-Molekül ein und
suchen nach Homologien.
55 RAD52 bindet sich an DNA und Proteine und stimuliert RAD51.
55 RAD54-Proteine stabilisieren die Übergangszustände. Die RAD-Proteine rufen die
Holliday-Struktur und das Crossing over hervor.
55 RAD51C löst zusammen mit XRCC3 (X-ray repair cross-complementing protein 3) die
Holliday-Struktur auf.

z DNA-Polymerase β
Die DNA-Polymerase β verlängert die abgebauten Stränge anhand der DNA-Stränge des
intakten Moleküls. Es entstehen die Heteroduplex-DNA und die D-Schleife. Eine Ligase ver-
bindet die offenen Enden, sodass sich die zweite Holliday-Struktur oder das zweite Crossing
over bildet.

z MLH1 und MSH4


MLH1 und MSH4 reparieren Fehlpaarungen im Heteroduplexbereich. Dabei ist eine Genkon-
version möglich.

z Verschiedene Möglichkeiten der Auflösung


Die Auflösung der Holliday-Strukturen kann mit oder ohne Crossing over erfolgen.
55 Das erwähnte Doppel RAD51C-XRCC3 geht den „erwarteten“ Weg mit Crossing over.
55 Die Helikase SRS2 (suppressor of RAD six screen mutant 2) vermittelt eine Nebenvariante
ohne Crossing over. Sie entfernt RAD51 von den Einzelstrangenden und verhindert eine
zweifache Holliday-Struktur.

9.2 Ortsspezifische Rekombination

9.2.1 Allgemeines und Bedeutung

Die ortsspezifische Rekombination ist beschränkt auf spezifische, gleiche DNA-Motive, die recht
kurz sind (20–250 bp). Diese kurzen DNA-Motive dienen als Rekombinationsstellen, zwischen
denen der Prozess abläuft. Anders als bei der homologen Rekombination unterscheiden sich die
davor und dahinter liegenden DNA-Sequenzen voneinander.
Die wesentlichen Enzyme für die ortsspezifische Rekombination sind Rekombinasen, welche
die Motive erkennen, die Brüche einführen und die DNAs kreuzweise neu verknüpfen.
Diese Art der Rekombination kommt nur bei Prokaryoten und Hefen vor. Die ortsspezifi-
sche Rekombination ist von Bedeutung für:
55 den Infektionszyklus von Phagen; hier übernimmt sie die Integration und Exzision der
Phagen-DNA in das Chromosom;
166 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

55 die Genexpression über Phasenvariation;


55 die Auflösung der Chromosomendimere nach der Replikation.

9.2.2 Der Ablauf im Überblick

Der Ablauf der Rekombination hängt von der Orientierung der Rekombinationsmotive und
ihrer Lokalisation ab:
55 Die Motive können auf nur einem oder auf beiden DNA-Molekülen liegen.
55 Wenn sich die Motive auf nur einem DNA-Molekül befinden, gibt es zwei weitere
Möglichkeiten:
44Sie können antiparallel orientiert sein (Kopf an Schwanz).
44Sie können parallel ausgerichtet sein (Kopf an Kopf).
Die Rekombinasen führen in den zwei Motiven jeweils einen Doppelstrangbruch ein und ver-
knüpfen die vier Teilstücke neu über Kreuz.

z Integration von einem DNA-Molekül in ein anderes


Dies ist der Weg, wie sich Phagen-DNA in das bakterielle Chromosom integriert. Ein Rekombi-
nationsmotiv liegt auf dem Chromosom, das zweite bringt der Phage mit.
Durch den Bruch und die Neuverknüpfung über Kreuz wird die kleinere Phagen-DNA in
9 das Chromosom eingebaut.

z Exzision oder Deletion von einem DNA-Bereich aus einem DNA-Molekül


Hierfür liegen die Motive Kopf an Schwanz im Chromosom und flankieren einen Abschnitt, der
entfernt wird. Handelt es sich dabei um den Prophagen, so spricht man von Exzision, also die
Umkehrung der Integration.
Durch den Bruch und die Neuverknüpfung über Kreuz wird der Abschnitt zwischen den
Rekombinationsmotiven aus dem DNA-Molekül herausgeschnitten. Das Resultat entspricht
einer Deletion.

z Inversion
Die zwei Motive liegen Kopf an Kopf in einem DNA-Molekül und flankieren einen Bereich, der
herausgeschnitten und umgekehrt wieder eingebaut wird.
Inversionen kommen bei Phasenvariationen vor, wie sie beispielsweise in der Genexpres-
sion von Flagellengenen bei Salmonellen auftreten (s.u.).

9.2.3 Die Rekombinasen

Diese Enzyme werden nach der Aminosäure im aktiven Zentrum in zwei Familien eingeteilt:
55 Tyrosin-Rekombinasen und
55 Serin-Rekombinasen.

Die Tyrosinfamilie ist umfangreicher. Die beiden Familien sind nicht homolog zueinander.

z Tyrosin-Rekombinasen
An der Reaktion arbeiten vier Enzymmoleküle als Tetramer. Es sind jedoch immer nur zwei aktiv.
Der Ablauf ihrer Aktivität:
9.2 · Ortsspezifische Rekombination
167 9
1. Die ersten zwei aktiven Untereinheiten führen in den zwei Rekombinationsstellen jeweils
einen Einzelstrangbruch ein.
2. Kurzzeitig sind die 3′-Enden mit den Tyrosinresten kovalent verbunden.
3. Dann führen die Untereinheiten die freien 5′-Enden jeweils an den anderen Strang heran,
verknüpfen die DNAs über Kreuz und erzeugen dadurch eine Holliday-Struktur.
4. Anschließend werden diese Untereinheiten inaktiv.
5. Die bisher ruhenden Untereinheiten schneiden nun die anderen zwei DNA-Stränge und
verknüpfen auch diese über Kreuz, sodass sie auch die Holliday-Struktur wieder auflösen.

Tyr-Rekombinasen, Beispiel 1: Integration und Exzision des Phagen λ


Der E.-coli-Phage λ kann zwei verschiedene Infektionszyklen durchlaufen.
55 Der lytische Weg mündet in die Vermehrung von Phagen.
55 Der lysogene Weg führt zur Integration der Phagen-DNA in das bakterielle Genom.
Dieser Prophage vermehrt sich mit dem Bakterium und kann später seine DNA wieder
herausschneiden und den lytischen Weg einschlagen.

Die Integration und die Exzision der Phagen-DNA auf dem lysogenen Weg verlaufen über eine
ortspezifische Rekombination.
Die Rekombinase von λ heißt Integrase.
Das Charakteristische des Mechanismus:
55 Das attP-Motiv befindet sich als Rekombinationsstelle im λ-Genom, die andere Rekombi-
nationsstelle liegt als attB im Chromosom. Die Motive sind nicht identisch. Das attP-Motiv
ist komplexer.
55 Durch die Integration entstehen daher zwei verschiedene Stellen: attL und attR.
55 Die Integrase benötigt für die Rekombination weitere Proteine: für die Integration das
bakterielle IHF (integration host factor), für die Exzision IHF und das Phagenprotein Xis
(excision).
55 Durch diese Asymmetrie (IHF oder IHF + Xis) reguliert λ, ob es zur Integration oder
Exzision kommt.

Tyr-Rekombinasen, Beispiel 2: Das Cre-loxP-System (. Abb. 9.6)


Auch der Phage P1 benötigt in seinem Lebenszyklus eine Rekombinase, die Cre-Rekombi-
nase (causes recombination). Sie ist wichtig für
55 die Auflösung dimerer Chromosomen,
55 die Ringbildung linearer Phagenchromosomen.

Die Rekombinationsstelle ist 34 bp lang und wird loxP abgekürzt (locus of crossing over of P1
phage). Sie ist dreiteilig aufgebaut: in der Mitte die nicht symmetrische Crossing-over-­Region,
links und rechts flankiert und in entgegengesetzter Orientierung die Bindestellen für die
Cre-Rekombinase.

. Abb. 9.6  Insertion und Exzision über das Cre-


loxP-System

Exzision

Insertion
168 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

Das System ist recht simpel. Daher nutzt man es gern als gentechnologisches Werkzeug, um
Genome von Pro- und Eukaryoten (vor allem von Mäusen) zu untersuchen.
Tyr-Rekombinasen, Beispiel 3: Die Auflösung von Chromosomendimeren
Ein Crossing over in der Replikation mündet in ein Chromosomendimer. Für die korrekte
Aufteilung der zusammenhängenden Chromosomen auf die Tochterzellen muss das Dimer in
zwei Monomere geteilt werden. Der entsprechende Prozess ist eine ortsspezifische Rekombina-
tion, die irreversibel sein muss.
Im Gegensatz zu den beiden Beispielen zuvor arbeitet die Rekombinase als Tetramer aus den
beiden unterschiedlichen Proteinen XerC und XerD. Das Rekombinationsmotiv dif liegt in der
Nähe des Terminus der DNA, der Terminus wiederum in der Nähe des Septums.
Das Regulatorprotein ist das integrale Membranprotein FtsK, das die Zelle in das Septum
einbaut. Wenn die Zelle die Chromosomen nicht aufteilen kann, kommt der Komplex dadurch in
die Nähe von FtsK. Das Protein aktiviert XerD, und erst dann vollendet XerD die Rekombination.

z Serin-Rekombinasen
Auch die Serin-Rekombinasen treten als Tetramer auf, allerdings sind alle vier Untereinheiten
gleichzeitig aktiv, und jede Untereinheit spaltet einen Strang. Die Serin-Rekombinasen haben
spezielle Eigenschaften:
55 Sie führen zwei Doppelstrangbrüche ein.
55 Die Schnittstellen sind dabei um zwei Nucleotide versetzt.
9 55 Das 5′-Ende ist mit dem Serin des aktiven Zentrums verbunden, und das 3′-Ende ist frei.
55 Die Untereinheiten brechen und verknüpfen die DNA-Stränge in koordinierter Aktion.

Ser-Rekombinasen, Beispiel: Phasenvariation bei Salmonella


Unter der Phasenvariation bei Salmonella enterica versteht man eine variable Genexpression
mittels Inversion eines DNA-Elements.
Pathogene Salmonellen tragen Flagellen, die aus einem der beiden möglichen Flagelline H1
und H2 aufgebaut sein können. Exprimiert wird stets nur eine der Varianten. Um der Antikör-
perabwehr des Wirts zu entgehen, wechseln die Bakterien gelegentlich durch Inversion des ent-
scheidenden DNA-Abschnitts das aktive Gen.
Der entscheidende DNA-Bereich, den die Rekombination umdreht oder invertiert, liegt zwi-
schen den Rekombinationsstellen inv1 und inv2. Er enthält:
55 das hin-Gen für die Hin-Rekombinase,
55 einen Promotor für die Transkription von Genen außerhalb des Abschnitts und
55 eine Bindungsstelle für das bakterielle Protein Fis (factor for inversion stimulation).

Außerhalb des Bereichs liegen auf der einen Seite das Gen für das Flagellin H2 und für einen
Repressor, auf der anderen Seite das Gen für das Flagellin H1.
55 In dem einen Zustand sorgt der Promotor für die Expression des Gens für H2 und für den
Repressor. Dieser unterdrückt die Transkription des Gens für H1.
55 Dreht die Rekombinase das Element um, so führt der Promotor zur Expression des Gens
für H1.

Damit die Rekombinase aktiv ist, muss sie mit Fis-Proteinen wechselwirken. Die Zelle reguliert jedoch
nicht die Rekombination. Es gibt also kein äußeres Signal dafür, wann die Expression umschlägt.
9.3 · Illegitime Rekombination
169 9
9.3 Illegitime Rekombination

9.3.1 Überblick

Die illegitime Rekombination ist sequenzunabhängig. Zu ihr zählen die Ereignisse der Trans-
position und Retrotransposition.
Bei der illegitimen Rekombination bewegen sich DNA-Elemente von ihrem Ursprungsort
zufällig an einen anderen Ort im Genom, daher die Charakterisierung als illegitim. Umgangs-
sprachlich wird der Ortswechsel auch als „Springen“ bezeichnet.
Einige DNA-Elemente lassen an ihrem Ursprungsort eine Kopie zurück. Ihr Anteil im Genom
kann dadurch recht hoch sein. Bei Bakterien ist er eher gering, aber beim Menschen beträgt er
beispielsweise um die 40 %. Es sind jedoch nicht mehr alle beweglichen Elemente aktiv.
Andere DNA-Elemente werden aus ihrem Ursprungsort restlos herausgeschnitten.
Die Häufigkeit der illegitimen Rekombination wird durch Selbstregulation durch das Element
selbst oder von der Zelle herunterreguliert. Ausführende Moleküle sind dabei Proteine oder
regulatorische RNA.
Springt ein bewegliches Element in ein Gen, zerstört es dieses in der Regel. Somit erzeugen
bewegliche Elemente Mutationen und verursachen beim Menschen Krankheiten. Man nimmt
an, dass sie für eine hohe Zahl an Mutationen verantwortlich sind.
Wertfrei gesehen sind sie bedeutsam für die Evolution, beispielsweise für die Duplikation
von Genen oder von Exons beim exon shuffling. Beim exon shuffling werden Exons durch Trans-
position, Retroposition oder Crossing over neu zusammengestellt.
Es gibt zwei Klassen von DNA-Elementen , die eine illegitime Rekombination
durchführen:
55 Insertionselemente und DNA-Transposons bewegen sich direkt an den anderen Ort. Sie
stellen die Klasse-I-Transposons.
55 Poly(A)-Retrotransposons und LTR-Retrotransposons bewegen sich über eine RNA-
Zwischenstufe und bilden die Klasse-II-Transposons.

9.3.2 DNA-Transposons

z Bewegliche DNA-Elemente bei Bakterien


Die beweglichen DNA-Elemente bei Bakterien unterscheiden sich in Größe und Komplexität
voneinander.
55 Insertionselemente sind klein und einfach aufgebaut.
55 Transposons sind größer und komplexer.

z Insertionselemente
Die Insertionselemente (IS) sind recht klein. E. coli enthält verschiedene IS mit mehreren Kopien.
Die Größe liegt etwa zwischen 800 und 2000 bp. Ihr Aufbau ist einfach:
55 An den Enden sitzen ähnliche, aber nicht identische Wiederholungssequenzen
umgekehrter Orientierung (Inverted Repeats, IR) von etwa 15–41 bp.
55 Die IR flankieren mindestens einen offenen Leserahmen mit der Information für die
Transposasen. Diese Proteine nehmen das Springen oder die Transposition vor.
170 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

Die IS schneiden die Integrationsstelle als Zielsequenz so, dass versetzte Enden aus kurzen Ein-
zelstrangüberhängen entstehen. Sie setzen sich dann in die Lücke und füllen die kurzen Einzel-
strangabschnitte auf. Sie verdoppeln also die Intergrationsstelle, indem sie angrenzend an die
IR kurze direkte Wiederholungen erzeugen, die Direct Repeats.

z Transposons
Transposons (Tn) sind größer als die Insertionselemente und komplexer, denn sie enthalten
neben den Genen für die Transpositionsproteine weitere Gene. Hier findet man vor allem viele
Gene, die dem Bakterium Resistenz gegenüber einem Antibiotikum verschaffen.
Die Größe der Transposons liegt im unteren kb-Bereich. Tn9 ist 2650 bp lang, Tn10 umfasst
9300 bp.
Innerhalb der Transposons kann man zwei Gruppen unterscheiden:
55 Die einfacheren Transposons sind aufgebaut wie große IS plus Zusatzgen. IR flankieren die
Gene für die Transpositionsproteine und weitere Gene. Beispiele: Tn3 vermittelt Resistenz
gegenüber dem Antibiotikum Ampicillin, Tn501 gegenüber Quecksilbersalzen.
55 Die komplexeren oder zusammengesetzten Transposons besitzen an ihren Enden
zwei einzelne IS. Diese IS rahmen dann die Transpositionsgene und weitere Gene ein.
Tn10 verleiht beispielsweise Resistenz gegenüber Tetracyclin. Die IS sind gleich, aber
nicht zwingend identisch. Beispiel: Die Enden des Tn5 bestehen aus den IS 50 R und
IS 50 L. Allerdings ist nur das IS 50 R in der Lage, auch allein ohne den Rest des
9 Transposons zu transponieren, während das IS 50 L keine intakte Transposase mehr
codiert.

Wenn die Transposons mit Resistenzgenen in Plasmid-DNA transponieren, können sie über die
Konjugation in andere Bakterien gelangen und diesen Resistenz verleihen.

z Vorgang der Transposition


Die Transposition ist über einem von zwei Mechanismen möglich:
55 Der nichtreplikative Ablauf (cut and paste) lässt am Ursprungsort keine Kopie zurück.
Beispiel: Tn5 mit seinen IS 50.
1. Das Transposon wird aus der DNA über Doppelstrangbrüche herausgeschnitten.
2. In einem Zwischenstadium sind die zwei 5′- und 3′-Enden des Transposons kovalent
miteinander verbunden.
3. Die Transposase schneidet die Zielstelle mit freien 3′-Enden, löst die Bindungen, setzt
das Transposon hinein und füllt die Lücken wieder auf.
4. Da der Ursprungsort beschädigt zurückbleibt, muss das Reparatursystem den Doppel-
strangbruch beheben.
Der Mechanismus verändert somit den Ursprungs- wie den Zielort.
Auch dieser Mechanismus kann die Kopienzahl erhöhen, beispielsweise dann, wenn das
Transposon von dem Chromosom in ein Plasmid springt, das in höherer Kopienzahl
vorliegt und noch repliziert wird.
55 Der replikative Ablauf erhöht direkt die Kopienzahl, weil er am Ursprungsort eine Kopie
zurücklässt. Beispiel: Tn3.
1. Auch in diesem Ablauf schneidet die Transposase die Zielstelle mit freien 3′-Enden.
2. Jedoch erfolgt am Transposon nur ein Einzelstrangbruch an den Enden.
9.3 · Illegitime Rekombination
171 9
3. Die Transposase setzt das Element nun so an den Zielort, dass jeweils ein Ende eines
jeden Strangs mit der Herkunfts-DNA, das andere mit der Ziel-DNA verbunden ist.
4. Die 3′-Enden der Ziel-DNA sind die Primer für die Nachsynthese des kompletten
Transposons. Herkunfts- und Ziel-DNA sind über Kreuz miteinander verbunden und
bilden ein Cointegrat.
5. Wie bei der ortsspezifischen Rekombination löst ein Enzym, die Resolvase, diese
Struktur auf.

z Transposons bei Eukaryoten


Ac/Ds-System bei Mais  Das Transpositionssystem ist die Ursache für die Sprenkelung von
Maiskörnern am gleichen Kolben. In den Folgegenerationen tritt häufig wieder die Wild-
typfärbung auf. Die Mutation in den Pigmentgenen ist reversibel, weil sie instabil ist. Diese
Instabilität beruht auf den beweglichen Elementen, die aus den Genen wieder herausge-
sprungen sind.
Das System verfügt über zwei bewegliche Elemente:
55 Ac steht für activator. Es ist ein rund 4,6 kb langes Transposon aus IR an den Enden und Genen
für die Transpositionsproteine. Auch hier erzeugt die Transposition in der Zielstelle DR.
55 Ds bedeutet dissociation, weil man früh erkannte, dass das Phänomen mit dem Bruch der
DNA in Zusammenhang steht. Ds wirkt wie ein verkümmertes Ac, weil es zwar die IR noch
besitzt, aber weite Deletionen aufweist und nicht mehr zur eigenständigen Transposition in
der Lage ist. Es ist ein abhängiges Transposon, das für die Transposition auf Ac angewiesen ist.

P-Element bei Drosophila  Das P-Element ist ein etwa 2,9 kb langes Transposon mit 31 bp kurzen
IR. Es verursacht die Hybriddysgenese. Darunter versteht man die Fehlbildungen, wenn Männ-
chen eines P-Stamms mit Weibchen eines M-Stamms gekreuzt werden. Die Nachkommen sind
steril, tragen Mutationen und strukturauffällige Chromosomen.
Das P-Element liegt vielfach vor – in bis zu 50 Kopien –, ist aber im P-Stamm stabil. Durch
die Kreuzung wird eine aktive Transposase gebildet, und die Transposition beginnt.
Man nutzt das P-Element inzwischen als gentechnologisches Werkzeug, um transgene
Fliegen zu erzeugen. Das geschieht nach folgendem Prinzip:
55 Das bewegliche Element und die Transposasefunktion liegen auf zwei getrennten
Plasmiden. Die IR rahmen dabei den Bereich ein, der in das Genom transponieren soll.
55 Beide Plasmide werden in einen Embryo eines M-Stamms injiziert.
55 Die Transposase trägt die fremde DNA in das Genom.

Ziel der Experimente ist häufig, Gene der Fliege auszuschalten und anhand der Folgen etwas
über ihre Funktion zu erfahren.

TLE/MLE  Diese Transposons bilden eine umfangreiche Familie.


55 TLE bedeutet Tc1-like elements. Tc1 ist das namengebende Transposon, das man zuerst bei
Caenorhabditis elegans gefunden hat.
55 MLE leitet sich von mariner like elements ab; mariner ist ein bei Drosophila identifiziertes
Transposon. Tatsächlich sind die Elemente von der Hefe bis zum Menschen weit verbreitet.
Viele von ihnen besitzen jedoch kein intaktes Transposasegen mehr und sind abhängige
Transposons geworden.
172 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

9.3.3 Poly(A)-Retrotransposons bei Eukaryoten

Zu den Poly(A)-Retrotransposons gehören zwei unterschiedliche hochrepetitive Elemente:


55 LINE (long interspersed nucleotide elements) und
55 SINE (short interspersed nucleotide elements).

Sie stellen nichtvirale Retroelemente dar. Ihr Anteil im menschlichen Genom erreicht ungefähr
ein Drittel.
Zellen können die Retrotransposition auch unterdrücken. APOBEC3 ist ein Protein, das die
Transpositionshäufigkeit senkt.

z LINE
LINE am Beispiel von LINE 1 (L1, . Abb. 9.7): Das Element ist rund 6,1 kb lang. Es besteht aus
UTRs an den beiden Enden, am 3′-UTR liegt die Poly(A)-Sequenz. Die UTRs rahmen zwei Gene
für die Proteine ORF1p und ORF2p ein. ORF2p ist interessant, weil es eine doppelte Enzymak-
tivität zeigt: als Endonuclease und als Reverse Transkriptase.
Die Bewegung im Genom erfolgt über ein RNA-Zwischenprodukt:
1. Von einem internen Promotor erfolgt die Transkription von L1.
2. Die mRNA gelangt ins Cytoplasma und wird translatiert.
3. Die beiden synthetisierten Proteine heften sich gleich an die mRNA. Der Komplex wird
9 zurück in den Kern transportiert.
4. Nun schneidet die Endonuclease einen Strang der Zielstelle.
5. Über eine Wechselwirkung zwischen Poly(A)-Sequenz und Thyminen bindet sich die
mRNA an die DNA.
6. Die Reverse Transkriptase synthetisiert komplementär zur RNA den ersten DNA-Strang
nach. Sie stellt also eine cDNA her.
7. Es kommt zum zweiten, versetzten Schnitt in der Zielstelle.
8. Der zweite Strang wird synthetisiert.

Von den mehreren Hunderttausend L1-Retrotransposons im menschlichen Genom sind wohl


nur noch wenige Tausend Elemente aktiv, weil die Synthese der cDNA vorzeitig abbricht. Über
90 % der LINE-1-Kopien erreichen daher auch nicht die Länge von 6,1 kb.
Bei einigen wenigen Patienten mit der Bluterkrankheit Hämophilie A fand man eine Insertion
des L1-Elements in dem F8-Gen auf dem X-Chromosom, das den Gerinnungsfaktor VIII codiert.

z SINE
AluI als Beispiel für SINE ist ein abhängiges Retrotransposon (. Abb. 9.8). Mit seiner Länge von
rund 300 bp kann es nicht eigenständig transponieren, sondern nutzt dazu den Apparat von L1.
Der Mechanismus verläuft über die RNA des Elements:
1. Die RNA-Polymerase III transkribiert das Alu-Element und stellt ein RNA-Molekül her.

. Abb. 9.7  Aufbau eines LINE1-Elements (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)
9.3 · Illegitime Rekombination
173 9

. Abb. 9.8  Aufbau des Alu-Repeats (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

2. Die RNA stellt mithilfe der Reversen Transkriptase funktionsfähiger LINE-1-Elemente


eine cDNA her.
3. Die cDNA wird vervollständigt und integriert sich in das Genom.
4. An der Insertionsstelle entstehen durch Duplikation flankierende
Wiederholungssequenzen.

SINEs ohne eigene Reverse Transkriptase heißen Retroposons.

z LTR-Retrotransposons
LTR-Retrotransposons (. Abb. 9.9) haben ihren Namen aufgrund ihrer langen Sequenzwie-
derholungen an den Enden (LTR für long terminal repeats oder auch lange terminale Repeats)
erhalten. Die LTR flankieren Gene, unter anderem für eine Reverse Transkriptase. Im linken LTR
sitzt ein Promotor für die Transkription.
Der Ablauf hat mit der Transposition von L1 die ersten Schritte gemeinsam:
1. Vom Promotor aus beginnt die Transkription der mRNA.
2. Die mRNA gelangt ins Cytoplasma und wird translatiert.
3. Dadurch entsteht auch die Reverse Transkriptase, die dann doppelsträngige DNA
herstellt.
4. Die Transposition ähnelt derjenigen von DNA-Transposons.

Beispiel: Das endogene Retrovirus HERV (human endogenous retrovirus) von rund 9,2 kb im
menschlichen Genom. Im Gegensatz zu den Retroviren wie HIV sind die endogenen Vertreter
in der Regel nicht infektiös, weil ihnen die dafür nötigen funktionsfähigen Gene fehlen.
Es kommt auch vor, dass eine mRNA eines proteincodierenden Gens über den Weg der rever-
sen Transkription transponiert. Das Ergebnis ist dann ein prozessiertes Pseudogen.
Grundsätzlich sind Transpositionen selten. Pro Genom gibt man oft eine Transposition in
jeder Generation an. Da sie aber vorkommen, verursachen sie auch Krankheiten.
Beispiele: L1 kann in das Faktor-VIII-Gen transponieren und löst dann die Bluterkrankheit
aus. Bei einem Sprung in das Dystrophingen führt es zu Muskeldystrophie.

z Retroviren
Retroviren sind verantwortlich für Infektionen und die Entstehung von Tumoren:
55 HIV (human immune deficiency virus) kann zu AIDS führen.
55 HTLV I und II (human T cell leukemia virus oder humanes T-lymphotropes Virus), rufen
beim Menschen Leukämien hervor.

Das Wesentliche des genetischen Aufbaus:


55 Das Erbgut von Retroviren ist eine RNA mit den Merkmalen eukaryotischer mRNAs, also
mit einer 7′Methylguanosin-Cap am 5′-Ende und dem Poly(A)-Schwanz am 3′-Ende.
174 Kapitel 9 · Rekombination und Variabilität

. Abb. 9.9  Aufbau des LTR-Transposons


(P: Promotor) (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Das 5′-Ende besteht darüber hinaus aus einem Repeat (R) von 70 Nucleotiden und
innen liegend einer U5 genannten einzigartigen Sequenz (unique sequence) von etwa 70
Nucleotiden.
55 Das 3′-Ende besitzt ebenfalls den Repeat (R) von 70 Nucleotiden und eine innen liegende
unique sequence, die als U3 bezeichnet wird. Sie ist mit bis zu 800 Nucleotiden länger als die
U5-Sequenz.
55 Die Enden rahmen drei Genbereiche ein: gag (gruppenspezifisches Antigen), pol
(Polymerase) und env (envelope).
55 Nach der Translation liegen zunächst Polyproteine vor, die noch gespalten werden.
44So liefert die Expression von gag schließlich vier Proteine (nach der Molekülmasse
bezeichnet als p10, p12, p15, p30) für den Aufbau der inneren Virusstruktur.
9 44Die Expression von pol führt zu mehreren Enzymen: einer Protease, der Reversen
Transkriptase mit RNase-H-Funktion und der Integrase. Die Integrase ist eine Trans-
posase, also keine ortsspezifische Rekombinase wie die Integrase von λ.
44Die Expression von env schließlich stellt zwei miteinander verbundene Glykoproteine
zur Verfügung. Diese Glykoproteine gp70 und gp15E sind Bestandteile der Lipidhülle.

Aufbau des Viruspartikels  Im Inneren des Virus liegen zwei RNA-Moleküle, die Reverse Tran-
skriptase und tRNAs, die als Primer für das Enzym dienen. Die gag-Genprodukte bilden den
Viruskern und umhüllen die Funktionsbestandteile. Auf den Kern aufgelagert ist die Lipidhülle,
in welche die Glykoproteine gebettet sind. Die Lipidhülle stammt von der Wirtszelle.
Der Ablauf der Integration:
1. Nach der Infektion stellt die Reverse Transkriptase von den RNA-Molekülen DNA-Kopien
her.
2. Als Primer nutzt sie das 3′-Ende der mitgelieferten tRNA.
3. Nach mehreren Syntheseschritten liegt die DNA doppelsträngig vor. Erst die DNA besitzt
an den Enden die typischen LTR-Strukturen. Hier bestehen sie jetzt aus U3, Repeat und
U5.
4. Die Integrase nimmt die Transposition vor. Das Enzym schneidet versetzte Enden in
den LTR und in der Zielstelle. Die LTR-Überhänge sind jedoch kürzer. Die Virus-DNA
integriert, die Lücken werden nachsynthetisiert und die Übergänge an den LTR abgebaut.
5. Das Virus liegt jetzt als Provirus vor und gelangt mit jeder Zellteilung in die Tochterzellen.
Vom Promotor im linken LTR erfolgt die Transkription.
6. Die RNA dient als mRNA für die Translation oder als Erbgut für die nächsten
Virenpartikel.

Der Ablauf führt zu mehreren Kopien von Provirus-DNA in den Wirtschromosomen. Es können
also mehrere Insertionsmutanten entstehen.
175 10

Horizontaler Gentransfer
bei Bakterien
10.1 Überblick – 176

10.2 Konjugation – 176


10.2.1 Das F-Plasmid – 176
10.2.2 Integration und Exzision – 177
10.2.3 Ablauf der Konjugation – 178
10.2.4 Frühe Genkartierung bei E. coli – 179

10.3 Transduktion – 179


10.3.1 Der Aufbau von Phagen – 180
10.3.2 Infektionswege von Phagen – 180
10.3.3 Aufnahme chromosomaler DNA – 184
10.3.4 Folgen für die Empfängerzelle – 185

10.4 Transformation und Transfektion – 185


10.4.1 Transformation bei Bakterienzellen – 185
10.4.2 Transfektion bei eukaryotischen Zellen – 186

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_10
176 Kapitel 10 · Horizontaler Gentransfer bei Bakterien

z Worum geht es?


Bakterien können über drei Mechanismen Genmaterial untereinander austauschen: Konjugation,
Transduktion und Transformation. Das genetische Material wandert dabei von einer Donorzelle
zu einer Empfängerzelle der gleichen Generation. Man spricht von horizontalem Gentransfer. Die
Vererbung von Genmaterial an Tochterzellen wird dagegen als vertikaler Gentransfer bezeich-
net. Über eine Rekombination kann Genmaterial, das über den horizontalen Transfer in die Zelle
gelangt, stabil in das Wirtsgenom integriert werden.

10.1 Überblick

Außer von der Mutterzelle können Bakterienzellen über mehrere Mechanismen Genmaterial
von anderen Zellen erhalten:
55 Bei der Konjugation stehen die Spender- oder Donorzelle und die Empfänger- oder
Rezipientenzelle in direktem Kontakt zueinander.
55 Bei einer Transduktion wird das Genmaterial von Viren übertragen.
55 Bei einer Transformation nimmt die Zelle nackte DNA aus der Umgebung auf.

Die Aufnahme fremder DNA über diese Mechanismen wird als horizontaler Gentransfer
bezeichnet.

10.2 Konjugation
10
42
Unter Konjugation versteht man die Übertragung von DNA von einer Donorzelle in eine Rezi-
pientenzelle während eines physischen Zellkontakts, den eine Pilus genannte fädige Zellstruk-
tur herstellt.
Die Konjugation erfolgt unidirektional vom Spender zum Empfänger. Die Spenderzelle stellt
den Kontakt her und führt die Konjugation durch. Nur sie überträgt Genmaterial auf den Partner.
Der Unterschied zwischen Spender- und Empfängerzelle wird durch zusätzliche genetische
Informationen festgelegt, über die nur der Spender verfügt. Die entsprechenden Gene liegen in
der Regel auf extrachromosomalen Elementen, den Plasmiden.
Das bekannteste Konjugationssystem stellt das F-Plasmid von E. coli dar. F steht für engl. Fer-
tility oder Fertilität, weshalb das Plasmid auch Fertilitätsfaktor heißt.
Das F-Plasmid kann sich durch Rekombination in das bakterielle Chromosom integrieren
und wieder exzisionieren. Liegt es während der Konjugation als eigenständiges Plasmid vor, bleibt
es meistens das einzige Genmaterial, das übertragen wird. Ist es dagegen in das Chromosom inte-
griert, wandert häufig auch zusätzliche chromosomale DNA in die Empfängerzelle.
Zwischen Gram-positiven Bakterien ist die Konjugation auch über Transposons und nicht
über Plasmide möglich.

10.2.1 Das F-Plasmid

Die Spenderzellen, die ein extrachromosomales F-Plasmid besitzen, heißen F+-Zellen.


Ist das Plasmid in das Chromosom integriert, spricht man von Hfr-Zellen (high frequency of
recombination).
10.2 · Konjugation
177 10
. Abb. 10.1  Karte des F-Plasmids IS3
Tn1000

100
Transferregion 90 10 IS3
IS2
80 20

70 30

60 40
oriT
50

inc oriV

. Abb. 10.2  Integration des F-Plasmids über IS3 w x IS3 y z

IS3
tra-Gene

oriT
w x IS3 IS3 y z
oriT tra-Gene

Empfängerzellen ohne Plasmid werden demgegenüber F––Zellen genannt. Gelegentlich


bezeichnet man die Spender auch als männlich, die Empfänger als weiblich und charakterisiert
den Vorgang als parasexuell.
Das F-Plasmid ist rund 99 kb groß und trägt zahlreiche Gene und DNA-Elemente (. Abb. 10.1):
55 Die tra-Gene sind für den Transfer zuständig, also den Konjugationsvorgang. Der Transfer
beginnt am origin of transfer oder oriT.
55 Die rep-Gene ermöglichen die Replikation. Sie erfolgt nach dem rolling-circle-Mecha-
nismus und beginnt am oriV.
55 Das F-Plasmid besitzt eine Kopie des IS2, zwei Kopien des IS3 und eine Kopie des Tn1000.
IS-Elemente kommen auch im Chromosom vor. Über sie läuft die Rekombination ab. Da
es mehrere Kopien der IS-Elemente im Chromosom gibt, kann sich das Plasmid auch an
verschiedenen Stellen integrieren (. Abb. 10.2).
55 Die inc-Region steht für Inkompatibilität und verhindert, dass sich verwandte Plasmide in
der Zelle einnisten.

10.2.2 Integration und Exzision

Integration und Exzision laufen über die IS-Elemente in der Plasmid-DNA und der chromoso-
malen DNA ab. Die Rekombination erfolgt somit gemäß dem homologen Rekombinationsme-
chanismus (s. 7 Abschn. 9.1).
Die Exzision verläuft nicht immer exakt an den Plasmid-Chromosom-Grenzen.
178 Kapitel 10 · Horizontaler Gentransfer bei Bakterien

55 Eine Typ-I-Exzision schneidet das Plasmid nicht vollständig heraus, sondern lässt
Sequenzinformationen im Chromosom zurück. Umgekehrt enthält das Plasmid nun auch
chromosomale DNA.
44Fehlen dem herausgeschnittenen Plasmid die rep-Gene, kann es nicht mehr
replizieren.
44Sind die tra-Gene verloren gegangen, so ist kein Transfer mehr möglich.
55 Eine Typ-II-Exzision schneidet das Plasmid vollständig heraus und nimmt zusätzlich
chromosomale DNA mit. Es ist damit funktionstüchtig und überträgt zudem einen
chromosomalen Anteil.

F-Plasmide mit chromosomaler DNA heißen substituierte Plasmide oder F‘-Plasmide. Wenn sie
transferieren und chromosomale DNA mitnehmen, ist anschließend die Empfängerzelle partiell
diploid oder merodiploid für die chromosomalen Gene. Handelt es sich dabei um zwei verschie-
dene Allele eines Gens, erlangt der Empfänger neue Eigenschaften und ermöglicht Untersuchun-
gen zur Wirkung der Gendosis oder Genfunktion.

10.2.3 Ablauf der Konjugation

Ein wichtiges Gen für die Konjugation ist traA. Es codiert das Pilinprotein, das den F-Pilus
aufbaut.

10
42 z Die Phasen der Konjugation:
1. Der Pilus stellt den Kontakt zum Empfänger her, verkürzt sich dann und nähert Spender
und Empfänger einander an. Sobald der direkte Kontakt hergestellt ist, bildet sich eine
Plasmabrücke für den Transfer.
2. Der Transfer des Plasmids beginnt mit einer endonucleolytischen Spaltung eines Strangs
im oriT, sodass ein 5′-Ende vorliegt.
3. Mit einem Anheftungsproteinund dem 5′-Ende voran wird der gespaltene DNA-Strang
vom Donor in die Empfängerzelle übertragen. Der ungespaltene Strang bleibt in der
Donorzelle zurück.
4. Den jeweils fehlenden Strang ergänzt die Zelle sowohl in der Donor- als auch in der
Empfängerzelle. Dazu nutzt die Zelle chromosomal codierte und plasmidal codierte
Proteine.
5. Nach Abschluss des Transfers liegt in beiden Zellen je eine Kopie des F-Plasmids vor. Die
ursprüngliche F–-Zelle ist dadurch ebenfalls zu einer F+-Zelle geworden.

Auch eine Hfr-Zelle kann das Plasmid übertragen. Dazu ist keine Exzision des Plasmids notwen-
dig (. Abb. 10.3). Vielmehr wird jetzt das komplette Chromosom gewissermaßen wie das Plasmid
behandelt. Der Transfer beginnt am oriT, inklusive der angrenzenden Plasmidgene, erfasst dann
die folgenden chromosomalen Gene und erst ganz zum Schluss die verbleibenden Anteile des
Plasmids. Theoretisch kann auf diese Weise das ganze Chromosom inklusive des Plasmids über-
tragen werden. In der Praxis hält die Pilusröhre jedoch den Kontakt nicht so lange aufrecht, und
der Vorgang bricht vorher ab.
Da sich das Plasmid an verschiedenen Stellen integrieren und dabei jeweils zwei verschiedene
Orientierungen annehmen kann, folgen je nach Intergrationsort unterschiedliche chromosomale
Gene auf die tra-Region und werden übertragen.
10.3 · Transduktion
179 10
. Abb. 10.3  Konjugation von einer Hfr- M
N
N A A B
Zelle aus

G F E D C
F E D C B
L

N
K J H G

L K J H

M L
B A
C

G
E D K

H
J

Hfr F– Hfr F–

G
F E D C
M L K J
C B A K J H

M L
E D
H F
G A N

B
C D
B

L M N A

E F

K
G H J

Hfr F–

10.2.4 Frühe Genkartierung bei E. coli

Den Transfer von Hfr-Zellen nutzte man in der Frühzeit der Molekularbiologie aus, um die
Gene auf dem E.-coli-Chromosom zu kartieren. In den Experimenten führte man mehrere
Konjugationen durch, die nach unterschiedlich langen Zeiten unterbrochen wurden. Durch
dieses sogenannte interrupted mating wurden verschieden lange Abschnitte der Chromoso-
men übertragen.
Der Ablauf beim interrupted mating:
1. Ausgangsmaterial waren verschiedene Hfr-Stämme, bei denen das Plasmid an verschie-
denen Stelle im Chromosom integriert war.
2. Die Hfr-Stämme konjugierte man mit Stämmen, die durch den Transfer und die anschlie-
ßende Rekombination der Donor-DNA merodiploid wurden und neue Eigenschaften
erwarben.
3. Mithilfe eines Küchenmixers unterbrach man die Paarung.
4. Das Ergebnis war eine Übertragung von Genmarkern und neuen Eigenschaften in
Abhängigkeit von der Zeit.

Als Ergebnis erhielt man die Reihenfolge und die relativen Abstände der Genmarker auf dem
bakteriellen Chromosom. Die Abstände wurden in Minuten angegeben. Allerdings war die Auf-
lösung gering: Einer Minute entspricht ein DNA-Abschnitt von rund 46 kb.
Später konnte man mithilfe der Transduktion die Karte verfeinern.

10.3 Transduktion

Transduktion ist die Übertragung von DNA einer Zelle durch Phagen als Transporter. Die Über-
tragung der DNA erfolgt in mehreren Phasen:
180 Kapitel 10 · Horizontaler Gentransfer bei Bakterien

. Abb. 10.4  Der Phage λ (a) und der Phage T4 (b) (nach Mülhardt
2013)

a b

1. Der Phage infiziert eine Zelle, die zum Donor wird.


2. Das Phagengenom wird in das bakterielle Chromosom integriert.
3. Bei der Exzision wird ein Teil des Chromosoms mit ausgeschnitten.
4. Die ausgeschnittene chromosomale DNA wird mit der Phagen-DNA in die Phagenhülle
verpackt und verlässt die Donorzelle.
5. Die neuen Phagen infizieren weitere Zellen, die damit zu Empfängerzellen werden. Sie
erhalten die zusätzlich ausgeschnittene DNA der Donoren.

10.3.1 Der Aufbau von Phagen

Im einfachsten Fall bestehen Phagen aus Erbmaterial, das von einer Proteinhülle (Capsid) ver-
packt und geschützt wird. Die Hüllproteine dienen außerdem der Adsorption an den Wirt. Sie
10
42 erkennen ihr Wirtsprotein sehr spezifisch.
Das Erbmaterial kann DNA oder RNA sein, linear oder zirkulär und einzel- oder doppels-
trängig vorliegen.
Beispiele von drei E.-coli-Phagen:
55 λ hat lineare dsDNA (. Abb. 10.4).
55 ΦΧ174 hat zirkuläre ssDNA.
55 MS2 hat lineare ssRNA.

Die Morphologie der Phagen ist sehr unterschiedlich:


55 M13 ist recht einfach aufgebaut. Er ist ein langes, dünnes Filament.
55 Die Proteinhülle von MS2 bildet einen Ikosaeder, also einen nahezu kugelförmigen, regel-
mäßigen Körper mit 20 gleichseitigen Dreiecksflächen.
55 Komplizierter sind die E.-coli-Phagen der T-Reihe (T steht für Typ, . Abb. 10.4). T2 und
T4 erinnern ein wenig an frühe Raumsonden. Ein Ikosaeder verpackt die dsDNA. An ihn
schließen sich ein Kragenteil und ein röhrenförmiger Schwanzteil an. Der Schwanzteil
endet in einer Basisplatte, an welcher lange Schwanzfasern ansetzen. Die Schwanzfasern
stellen den ersten Kontakt zum Wirt her.
55 Nackte infektiöse RNA-Partikel nennt man Viroide.

10.3.2 Infektionswege von Phagen

Phagen können nach dem Infektionsweg eingeteilt werden (. Abb. 10.5):


55 Virulente Phagen programmieren ihren Wirt unmittelbar nach der Infektion so um, dass
er anfängt, bis zu 200 neue Phagen zu bilden. Nach deren Fertigstellung lysiert die Zelle
10.3 · Transduktion
181 10
Lytischer Weg

Intrazelluläre Phagenvermehrung Lyse

UV-Licht
(Induktion)
E.-coli-DNA Virus-DNA

Zellteilung

E.-coli-DNA mit
eingebauter
Virus-DNA
Lysogener Weg

. Abb. 10.5  Lysogener und lytischer Infektionszyklus

und entlässt die neuen Phagen. Damit folgen virulente Phagen immer dem lytischen
Infektionszyklus. Beispiele: T2, T4 und ΦX174.
55 Temperente Phagen können nach der Infektion zwei verschiedene Wege einschlagen:
44Beim lysogenen Infektionszyklus wird die Phagen-DNA in das Wirtschromosom
integriert. Es existiert darin als sogenannter Prophage. Für die Zelle ist der Prophage
ein Teil des Bakterienchromosoms, den sie mitrepliziert und an Tochterzellen
weitergibt. Der lysogene Zyklus kann auf ein äußeres Signal hin in den lytischen Zyklus
übergehen.
44Beim lytischen Infektionszyklus wird die Wirtszelle gezwungen, neue Phagenpartikel
herzustellen und freizusetzen.
Welchen Weg ein temperenter Phage verfolgt, hängt vom Verhältnis verschiedener
Regulationsproteine ab.

z Infektionen mit T2 und T4 als Beispiel für den lytischen Zyklus


Die Infektion mit den Phagen T2 und T4 führt schnell zur Freisetzung neuer Phagenpartikel:
1. Sobald die Schwanzfasern Kontakt zur Wirtszelle aufgenommen haben, staucht sich der
Schwanzteil zusammen und injiziert die DNA aus dem Kopf durch die Schwanzröhre in
die Zelle.
2. Das Erbgut der Phagen ist so organisiert, dass es
44die Vermehrung neuer Partikel sicherstellt,
44und die wirtseigenen Lebensvorgänge ausschaltet.
3. Man unterscheidet frühe und späte Gene.
44Die frühen Gene stehen unter der Regulation von Promotoren, die wie bei E. coli
aufgebaut sind. Dadurch kann sich die Polymerase von E. coli unmittelbar an die
Phagengene anlagern und mit der Genexpression beginnen. Die Produkte der frühen
Gene sind Enzyme zur Zerstörung der bakteriellen DNA und zur Replikation der
Phagen-DNA.
44Die späten Phagengene codieren für die Proteine des Capsids und der Schwanzstruk-
turen sowie einige Enzyme für deren Synthese.
182 Kapitel 10 · Horizontaler Gentransfer bei Bakterien

44Die Hüllproteine setzen sich von selbst zusammen und schließen dabei die replizierte
DNA des Phagen ein.
4. Das Enzym Lysozym spaltet die Zellwand von innen. Die Zelle platzt und setzt bis zu 200
neue Phagen frei.

Ein Zyklus dauert etwa 30 min.

z Infektionen mit λ als Beispiel für den lysogenen Zyklus


Der wichtigste Vertreter eines temperenten Phagen ist λ (Lambda, . Abb. 10.6). Er ist ein gut
untersuchtes Studienwerkzeug und mit entsprechenden Veränderungen seines Erbguts auch ein
wichtiges Laborwerkzeug.
Die Hülle von λ besteht aus einem ikosaedrischen Capsid und einem Schwanzstück mit
Fibern am Ende.
Das Erbgut liegt als linearer, doppelsträngiger DNA-Faden von rund 48,5 kb Länge vor.
Die Enden bestehen aus komplementären 5′-überhängenden Einzelsträngen, sodass die Basen
sich über komplementäre Paarungen verbinden können. Die λ-Enden heißen daher kohäsive
Enden oder cos-sites (von engl. cohesive: kohäsiv, klebrig). Das Genom gliedert sich in mehrere
Genbereiche:
55 Strukturgene für den Phagenkopf und den Phagenschwanz,
55 Gene für die endgültige Lyse der Wirtszelle,
55 Regulationsgene für die Replikation und den lytischen Zyklus,

10
42
Replikation
Regulation
PM PE „späte“ Regulation
PL
cII OP
cro

cI Lyse
N Q
Rekombi- PR S
cII

ga R m‘ (cos)
I

nation m
red PR‘ m

A
PI
xis
int B Phagen-
att kopf
C
D
E
b Z
U
V
„Stumme G
Region“ T
J MH
K L

Phagenschwanz

. Abb. 10.6  Karte des Phagen λ mit Zuordnung von Genfunktionen


10.3 · Transduktion
183 10
55 Regulationsgene für den lysogenen Zyklus,
55 Strukturgene für die Rekombination,
55 eine „stumme Region“, die austauschbar ist.

Die Infektion beginnt mit dem Einbringen der DNA in die Wirtszelle:
1. Bei der Injektion der Phagen-DNA kontrahiert das Schwanzstück nicht.
2. In der Wirtszelle bildet die lineare DNA über ihre cos-sites einen Ring, und die Ligase des
Wirts verbindet die Enden miteinander.
3. Die Polymerase des Wirts heftet sich an zwei Promotoren und beginnt mit der
Transkription und Translation.

Die Entscheidung für den lytischen oder lysogenen Zyklus fällt über die Konkurrenz zwischen
den Proteinen CII und Cro:
55 CII wirkt in Richtung eines lysogenen Zyklus. Das Protein ist ein Aktivator und Transkrip-
tionsfaktor, der die Transkription der Gene cI und int fördert und die Synthese des
CI-Repressors als Produkt des cI-Gens bewirkt.
55 Der CI-Repressor versetzt weite Teile des Phagengenoms in den Ruhemodus. Er wirkt in
trans und legt somit auch weitere später eindringende Lambda-Phagen still.
55 Der Repressor Cro arbeitet auf einen lytischen Zyklus zu. Er unterdrückt die Expression
des cI-Gens und fördert die Transkription der Gene für den lytischen Weg. Cro führt somit
zur Replikation der Phagen-DNA und zur Expression der Strukturgene für die Phagen-
hülle und der Lysegene.

Neben den internen Abläufen wirken sich über die Aktivitäten bakterieller Proteine auch die
Umweltbedingungen auf das Verhältnis von CII und Cro aus.

z Der Phage λ: Integration und Exzision


Die Integration des Phagengenoms im lysogenen Zyklus erfolgt nach dem Mechanismus einer
ortsspezifischen Rekombination (. Abb. 10.7).
55 Dazu nutzt der Phage Rekombinationsmotive in der Phagen-DNA und im
Bakterienchromosom:
44Das Phagenmotiv heißt attP (attachment of phage).
44Das E.-coli-Homolog heißt attB (attachment of bacterium).
55 Die Rekombination erfordert das Enzym Integrase. Es handelt sich dabei um eine
Rekombinase, die das Produkt des int-Gens des Phagen ist. Es ist ein Enzym vom
Tyrosintyp.
55 Notwendig sind außerdem bakterielle Proteine wie der IHF oder integration host factor.
55 Die Integrase spaltet die Doppelstränge von Phage und Bakterium mit versetzten
Enden etwa in der Mitte des Motivs und rekombiniert die Enden über Kreuz, sodass das
Chromosom die Phagen-DNA aufnimmt. Man spricht jetzt vom Prophagen.

Der Übergang in den lytischen Zyklus findet statt, wenn der Prophage wieder aus dem Chromo-
som herausgeschnitten wird. Diese Exzision nimmt die Integrase zusammen mit dem Enzym
Exzisionase vor, die das Produkt des xis-Gens des Phagen ist.
Die Kontrolle über den Wechsel des Zyklus hängt mit den Prozessen der SOS-Ant-
wort der Bakterienzelle zusammen. Dieser Mechanismus repariert Schäden in der DNA,
184 Kapitel 10 · Horizontaler Gentransfer bei Bakterien

gal att N R m‘ m A J att bio


DNA der lysogenen Zelle
BP‘ PB‘

gal BP‘ N
bio
J
PB‘

A
m m‘ R

gal pgl BB‘ bio


Bakterien-DNA
J N
PP‘

A R
m m‘

mA J att N R m‘
-DNA
PP‘

. Abb. 10.7  Exzision und Integration von λ über die ortsspezifische Rekombination

10
42
nimmt dafür jedoch Mutationen in Kauf. Das zentrale Protein ist der SOS-Antwort ist RecA.
Es spaltet unter anderem den Repressor cI. Die Stilllegung wird damit aufgehoben und
der lytische Zyklus eingeläutet. Dieser dauert dann rund 60 min und liefert etwa 100 neue
Phagenpartikel.

10.3.3 Aufnahme chromosomaler DNA

Die Exzision des Prophagen erfolgt nicht immer genau an den Rekombinationsstellen. Deshalb
wird häufig ein Stück chromosomaler DNA mit ausgeschnitten.
Dabei unterscheidet man zwei Varianten:
55 Bei der speziellen oder spezifischen Transduktion nimmt der Phage nur bestimmte
Wirtsgene mit. Beispiel: λ integriert sich nur in der attB-Stelle. Dieses Motiv liegt zwischen
dem Galactose- und dem Biotinoperon. Eine ungenaue Exzision nimmt somit Gene oder
Genteile aus diesen Operons mit und keine anderen.
55 Bei der generellen oder allgemeinen Transduktion kann der Phage beliebige DNA-Ab-
schnitte des Wirts mitnehmen (. Abb. 10.8). Das bakterielle Chromosom wird während
der lytischen Phase zerstückelt, sodass Bruchstücke davon zufällig in den Phagenkopf
gelangen können. Da die Menge an DNA, die ein Phagenkopf aufnehmen kann, begrenzt
ist, fehlen im Phagenpartikel unter Umständen Phagengene für den nächsten erfolgreichen
Infektionszyklus.
10.4 · Transformation und Transfektion
185 10
1. 2. 3.

Bakterien-DNA Viren-DNA

4. 5. 6.

. Abb. 10.8  Allgemeine Transduktion

10.3.4 Folgen für die Empfängerzelle

Nimmt die Empfängerzelle die übertragene bakterielle DNA auf, kann sie diese über homologe
Rekombination in ihr Chromosom integrieren. In manchen Fällen erlangt die Zelle dadurch
neue Eigenschaften.

10.4 Transformation und Transfektion

Je nach Organismus wird die Aufnahme freier Fremd-DNA in eine Zelle mit verschiedenen Begrif-
fen belegt:
55 Bei Bakterien spricht man von Transformation.
55 Bei Eukaryoten ist die Bezeichnung Transfektion üblich.

10.4.1 Transformation bei Bakterienzellen

Transformation ist die Übertragung von DNA in eine Zelle, ohne dass ein direkter Spender vor-
liegt. Es ist die Aufnahme „nackter“ DNA aus dem Medium. Die DNA kann beispielsweise von
einer abgestorbenen und lysierten Zelle stammen.
Historisch ist die Transformation relevant durch das Transformationsexperiment zum Nach-
weis von DNA als genetisches Material (s. 7 Abschn. 1.1.1).
Heutzutage nutzt man die Transformation im Wesentlichen im Labor, um eine Empfänger-
zelle genetisch zu verändern. Beispielsweise indem die Zelle ein zuvor produziertes genetisches
Konstrukt wie ein rekombinantes Plasmid aufnimmt und dessen genetische Information verwertet.
Bakterienzellen sind in unterschiedlichem Maß von Natur aus zur Transformation bereit.
Sogenannte kompetente Zellen nehmen freie DNA auf. Im Labor erhöht man die Bereitschaft
dazu, indem man die Zelle mit Elektroschocks oder Chemikalien behandelt, wodurch ihre
Membran durchlässiger wird.
186 Kapitel 10 · Horizontaler Gentransfer bei Bakterien

10.4.2 Transfektion bei eukaryotischen Zellen

Die analoge Methode, um genetisches Material in eukaryotische Zellen einzubringen heißt Trans-
fektion. Gelegentlich beschränkt man den Begriff Transfektion auf die Transformation eukaryo-
tischer Zellen mit veränderter Virus-DNA.
In der Onkologie versteht man unter Transformation allerdings den Übergang zu unkont-
rolliertem Wachstum von Zellen.

10
42
187 11

Mutationen und
DNA-Reparatur
11.1 Ursachen von Mutationen – 188
11.1.1 Physikalische Strahlung – 188
11.1.2 Chemische Veränderungen – 190
11.1.3 Biologische Ursachen – 191

11.2 Mutationsklassen – 193


11.2.1 Punktmutationen – 194
11.2.2 Strukturelle Anomalien oder Aberrationen oder Chromoso-
menmutationen – 196
11.2.3 Numerische Aberrationen – 202

11.3 Häufigkeit von Mutationen – 205

11.4 Spontane und induzierte Mutationen – 207

11.5 Mechanismen zur Aufhebung von Mutationen – 207

11.6 Reparatur von DNA-Schäden – 208


11.6.1 Direkte Reparatur – 209
11.6.2 Basenexzisionsreparatur – 209
11.6.3 Nucleotidexzisionsreparatur – 209
11.6.4 Mismatch-Reparatur (Fehlpaarungsreparatur) – 211
11.6.5 Reparatur von DNA-Brüchen – 212
11.6.6 SOS-Mechanismus – 213
11.6.7 Brustkrebs und DNA-Reparatur – 213

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_11
188 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

z Worum geht es?


Zu den Kennzeichen des Lebens gehören sowohl Fortpflanzung und Vermehrung als auch Ver-
änderung. Für alle Lebewesen ebenso wie für Phagen und Viren gilt: Das Erbgut verändert sich.
Eine vererbbare Veränderung der Nucleotidsequenz heißt Mutation. Sie ereignet sich zufällig und
ungerichtet. Dass die Gene veränderbar sind, ist eine Eigenschaft, die man als Mutabilität bezeich-
net. Ursachen von Mutationen können physikalisch, chemisch und biologisch sein. Anhand des
Umfangs der betroffenen DNA teilt man Mutationen ein in Punktmutationen, strukturelle und
numerische Aberrationen. Alle Zelltypen nutzen Mechanismen, um DNA-Schäden zu beheben.
In welchem Umfang die Zelle die DNA repariert, ist dabei von dem Schaden abhängig und betrifft
eine einzelne Base, ein Nucleotid oder mehrere Nucleotide.

11.1 Ursachen von Mutationen

Mutationen entstehen durch physikalische Strahlung, chemische Substanzen oder durch biolo-
gische Vorgänge. Der Begriff des Mutagens, also Mutationen erzeugend oder auslösend, bleibt
aber auf physikalische und chemische Ursachen beschränkt.

11.1.1 Physikalische Strahlung

Organismen können zwei Typen von Strahlung ausgesetzt sein:


55 Elektromagnetische Strahlung ist eine wellenförmige Schwingung des elektrischen und
magnetischen Felds.
55 Teilchenstrahlung besteht aus subatomaren Materieteilchen.
11
Die schädlichen Auswirkungen der Strahlung können auf verschiedene Weisen entstehen:
55 Durch unterschiedliche direkte Wechselwirkungen mit der DNA werden Teile des
Moleküls ionisiert oder energetisiert und dadurch chemisch reaktionsfreudiger:
44Sind die Basen betroffen, können sie sich chemisch verändern. Beispielsweise können
sie sich mit einer benachbarten Base zu einem Dimer verbinden.
44Ist das Rückgrat des Moleküls aus Zucker- und Phosphatgruppen betroffen, kann ein
Strangbruch auftreten.
55 Auf indirekten Wegen, indem andere Moleküle verändert werden und beispielsweise als
Radikale oder Peroxide die DNA angreifen.

Das Ausmaß der Schäden kann unterschiedlich ausfallen:


55 Punktuelle Schäden sind räumlich eng begrenzt. Hierzu zählen beispielsweise Querver-
netzungen zwischen den Basen der Einzelstränge.
55 Durch Strangbrüche kann es zu verschieden umfangreichen Deletionen oder Chromo-
somenbrüchen kommen.

z Elektromagnetische Strahlung
Die mutagenen elektromagnetischen Strahlungsarten umfassen:
55 UV-Strahlung oder ultraviolettes Licht,
55 Röntgenstrahlung und
55 Gammastrahlung.
11.1 · Ursachen von Mutationen
189 11
Sie unterscheiden sich in der Wellenlänge und damit in ihrer Energie. Gammastrahlung ist am
energiereichsten, gefolgt von Röntgenstrahlung und UV-Strahlung.
Der erbgutschädigende Mechanismus am Beispiel der Auswirkungen von UV-
Strahlung:
55 DNA absorbiert UV-Strahlung im UV-B- und UV-C-Bereich mit einem Absorptions-
maximum bei 260 nm.
55 Die UV-Strahlen lösen mit ihrer Energie chemische Reaktionen zwischen den benach-
barten Basen eines Strangs aus.
55 Vor allem aufeinanderfolgende Pyrimidine reagieren miteinander zu Dimeren wie
beispielsweise zum Cyclobutandimer, auch Cyclobutyldimer genannt, oder TT-Dimeren.
55 Erfolgt die Verbindung der Basen über die Kohlenstoffatome 6 und 4, spricht man von
6-4-Läsionen oder 6-4-Photoprodukten.
55 DNA-Sequenzen mit mehreren aufeinanderfolgenden Pyrimidinen sind besonders
anfällig für UV-Schäden. Solche mutationsgefährdeten Stellen nennt man
Hotspots.
55 Dimerisierung von Purin beobachtet man viel seltener.

Die Photoprodukte verursachen zwei Probleme:


55 Sie blockieren die RNA-Polymerase und damit die Transkription.
55 Sie lösen bei der Replikation Deletionen oder den falschen Einbau von Adenin aus.

Organismen, die der UV-Strahlung ausgesetzt sind, haben Reparatursysteme entwickelt, um


diese Schäden zu beheben.

z Teilchenstrahlung
Die verschiedenen Arten von Teilchenstrahlung bestehen aus Bausteinen der Atome, die in der
Regel durch radioaktive Zerfallsprozesse freigesetzt werden:
55 Alphastrahlung besteht aus Heliumkernen, die wiederum aus zwei Protonen und zwei
Neutronen zusammengesetzt sind. Sie sind zweifach positiv elektrisch geladen. Wegen
ihrer Größe dringen sie nicht tief in Gewebe ein.
55 Betastrahlung besteht meistens aus Elektronen. Sie sind einfach negativ elektrisch
geladen.
55 Betastrahlung aus positiv geladenen Positronen ist seltener.
55 Protonen sind Kernbausteine, die eine positive Ladung tragen.
55 Neutronen sind elektrisch neutrale Kernbausteine.

Die Wirkung auf das Erbgut geht auf die Ionisierung chemischer Moleküle zurück. Dafür gibt
es mehrere Mechanismen:
55 Langsame Teilchen kann ein Molekül direkt einfangen und dadurch deren elektrische
Ladung übernehmen.
55 Energiereichere und elektrisch neutrale Teilchen schlagen durch Effekte wie Stöße und
Streuung Elektronen oder gar Protonen aus dem Molekül heraus.
55 Treffen die Teilchen auf einen Atomkern, können sie diesen instabilisieren und einen
radioaktiven Zerfall des Kerns provozieren. Ändert sich dabei die Zahl der Protonen, passt
die Elektronenzahl des Atoms nicht mehr, um die Kernladung auszugleichen.
55 Zusätzlich können Atomkerne, die langsame Protonen aufgenommen haben,
Gammastrahlung aussenden.
190 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

11.1.2 Chemische Veränderungen

Mutagene chemische Substanzen können zwei Ursprünge haben:


55 Sie entstehen in der Zelle selbst.
55 Es sind Substanzen von außen.

z Beispiele für zelleigene Mutagene


Die mutagenen Substanzen sind Bestandteil der Zelle oder entstehen durch ihre
Stoffwechselprozesse.
55 Organismen mit Sauerstoffatmung schädigen sich im Lauf ihres Lebens durch Hydroxid-
radikale, die als Nebenprodukt der Atmungskette entstehen. Die Radikale rufen Schäden
an den Basen oder am Zucker der DNA hervor.

Die häufigste Reaktion ist die Bildung von 8-Oxoguanin. Das veränderte Nucleotid führt zum
fehlerhaften Einbau von Adenin im gegenüberliegenden Strang.
55 Wasser wirkt auf zwei Wegen:
44Es spaltet DNA hydrolytisch zwischen Zucker und Base, wodurch es zu einem Strang-
bruch kommt.
Es verändert einzelne Nucleotide chemisch, indem es in einer Desaminierung
Aminogruppen von den Basen abspaltet. Der Verlust der Base ergibt eine sogenannte
AP-Stelle, die je nach Art der betroffenen Base apurinisch oder apyrimidinisch
genannt wird.
Eine AP-Stelle stellt eine Lücke im betroffenen Strang dar, welche die Reparatur-
mechanismen einer Zelle grundsätzlich beheben können. Bei manchen Zellen wie
E. coli aktiviert diese Lücke die SOS-Antwort(s. 7 Abschn. 11.6.6), welche die Lücke zwar
11 repariert, dabei aber zu Mutationen führt.

In bakteriellen Endosporen ist der Wassergehalt reduziert, um Schäden an der DNA zu


reduzieren.

z Beispiele für äußere Mutagene


55 Basenanaloga sind Substanzen, die ähnlich wie Nucleotidbasen aufgebaut sind. Ein
Beispiel ist 5-Bromuracil (5-bU). Die DNA-Polymerase baut bei der Replikation in den
neuen Strang 5-bU anstelle von Thymin ein. Anders als Thymin liegt das Analogon aber
häufiger in einer isomeren Form (Enolform) vor, an die sich Guanin anlagert. Es kommt zu
einer Punktmutation (s. u.).
55 Desaminierende Stoffe entfernen eine Aminogruppe.
44Die Desaminierung von Adenin ergibt die Base Hypoxanthin, die sich mit Cytosin
paart.
44Desaminiertes Cytosin ist Uracil, dem gegenüber ein Adenin eingebaut wird.
CG-reiche Abschnitte sind besonders mutationsanfällig und stellen Hotspots dar. Auch die
desaminierenden Substanzen lösen Punktmutationen aus.
Beispiel: Salpetersäure, Natriumbisulfit (wirkt desaminierend auf Cytosin).
55 Alkylierende und methylierende Stoffe wie Ethylmethansulfonat und Nitrosamin rufen
Punktmutationen hervor. Beispielsweise paart sich 6-Methylguanin mit Thymin.
Diese Mutagene können auch die Replikation hemmen, weil sie wie Senfgas die DNA
quervernetzen.
11.1 · Ursachen von Mutationen
191 11
55 Interkalatorische Mutagene oder Interkalatoren schieben sich zwischen die Basen und
verursachen Frameshift-Mutationen.
Zu ihnen zählen Acridinfarbstoffe und Ethidiumbromid. Mit Ethidiumbromid
färbt man im Labor häufig nach einer Elektrophorese die DNA-Banden an. Auch
das Antibiotikum und Zellgift gegen Tumore Mitomycin C zählt zu den
Interkalatoren.
55 Mutagene wie die Aflatoxine des Schimmelpilzes Aspergillus flavus und polyzyklische
aromatische Kohlenwasserstoffe werden von körpereigenen Enzymen in reaktive Stoffe
umgewandelt, die sich an die Basen heften. Sie verändern die DNA-Struktur derart, dass sie
die Transkription und Replikation blockieren.

11.1.3 Biologische Ursachen

Normale Prozesse der Zelle können zu Mutationen führen. Diese können entstehen
55 durch Fehler während der Replikation,
55 durch Transposition,
55 durch Fehler in der Meiose.

z Fehler bei der Replikation


DNA-Polymerasen bauen gelegentlich falsche Nucleotide ein.
Die Zelle kann den Fehler häufig korrigieren. Manche Polymerasen sind zusätzlich 3′-5′-
Exonucleasen. Das ermöglicht ihnen ein Korrekturlesen oder proof reading:
55 Ist es zum Einbau einer falscher Base gekommen, paart diese sich nicht mit der gegenüber-
liegenden Base.
55 Aufgrund der unterbrochenen Helixharmonie stoppt die Polymerase kurz, die
Exonuclease schneidet die falsche Base heraus, und die Polymerase baut die
richtige ein.

Bei E. coli bleibt die Synthese des Folgestrangs auch nach dem proof reading fehlerhafter, hier
häufen sich bis zu 20-mal mehr Fehler an als im neusynthetisierten Leitstrang.
Das Korrekturlesen erkennt nicht alle Schäden. Dafür gibt es mehrere Ursachen:
55 Die Basen können in zwei verschiedenen tautomeren Formen vorliegen, in der Keto- oder
in der Enolform.
Thymin liegt meist in der Ketoform vor, gelegentlich aber in der Enolvariante. Als Enol
paart es sich mit Guanin, die Paarung wird nicht als fehlerhaft erkannt.
55 Wenn in der DNA Sequenzwiederholungen vorliegen, gerät die Replikationsmaschinerie
ins Rutschen, was als replication slippage bezeichnet wird.
Beispielsweise an Mikrosatelliten wie CA-Wiederholungen:
44Wegen der Fehler sind CA-Repeats variabel.
44Liegen schon mehrere CA-Repeats in der Matrize vor, verrutscht oft der Replikations-
apparat so weit, dass neue komplementäre Repeats vor oder hinter ihrem eigentlichen
Paarungspartner zum Liegen kommen.
44Es werden Repeats zusätzlich eingebaut oder können fehlen.

Replication slippage erzeugt also kleine Insertionen oder Deletionen, was mit dem Begriff
Indels zusammengefasst wird.
192 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

z Fehler bei der Replikation und Krankheiten


Möglicherweise sind replication slippages der Grund für bestimmte neurodegenerative
Erkrankungen des Menschen wie Chorea Huntington, das Fragile-X-Syndrom oder die
Friedreich-Ataxie.
Gemeinsam ist diesen Erkrankungen, dass bereits vorhandene Trinucleotideinheiten ver-
vielfältigt werden.
55 Bei gesunden Menschen kommt das Codon CAG für Glutamin im Huntington-Protein
sechs- bis 35-mal vor. Patienten mit Chorea Huntington weisen 36- bis 121-mal CAG auf.
Je häufiger CAG auftritt, desto stärker ist das Krankheitsbild. In der Folge degenerieren
letztlich bestimmte Nervenzellen.
55 Das FMR1-Gen liegt auf dem X-Chromosom, sein Genprodukt ist ein RNA- Bindeprotein.
Das normale FMR1-Allel umfasst zehn bis 50 Kopien des Trinucleotids CGG. Seine
Expansion ist mit zwei Syndromen assoziiert, das Krankheitsbild ist von der Anzahl
abhängig.
44Bei 50 bis 200 Kopien liegt eine Prämutation vor, sie führt zu einer Überexpression von
FMR1, allerdings erst im höheren Alter zu einem Krankheitsbild, dem Fragilen-X-asso-
ziierten Tremor-/Ataxiesyndrom (FXTAS).
44Mehr als 200 Kopien verursachen das Fragile-X-Syndrom (FXS, FRAXA), hier ist das Gen
jedoch stillgelegt, der Mangel an dem Protein bedingt letztlich geistige Behinderung,
vergrößerte Hoden bei Männern und ein längliches Gesicht.
44Bei FXTAS liegt also ein Funktionsgewinn vor (gain of function), bei FXS ein Funktions-
verlust (loss of function).

Man bezeichnet die Mutationen als dynamisch, weil sich der Prozess in nachfolgenden Repli-
kationsrunden weiter fortsetzen kann. Dabei gilt im Allgemeinen, dass eine höhere Anzahl an
11 Wiederholungen ein ausgeprägteres Krankheitsbild hervorruft.
Mit dem einfachen Verrutschen lassen sich hohe Wiederholungszahlen von Sequenzen wie
bei FXTAS und FXS eigentlich nicht mehr erklären. Eine zutreffendere Erklärung könnte sein,
dass GC-reiche Abschnitte in den Okazaki-Fragmenten Sekundärstrukturen ausbilden, die dann
eine mehrfache Replikation dieser Stellen nach sich ziehen und nicht als Fehler behoben werden.

z Transposition
Bewegliche DNA-Elemente können ebenfalls Mutationen verursachen (s. 7 Kap. 9).
Die Auswirkungen von Transpositionen hängen von der Funktion des DNA-Abschnitts, in
den sie springen, ab:
55 Sprünge in nichtcodierende Abschnitte bleiben oft ohne Wirkung.
55 Die Insertion in ein Gen kann seine Funktion beeinträchtigen oder ganz zerstören.
55 Bestimmte Transposons wirken über die Veränderung der Genexpression. Dabei sind
zwei Möglichkeiten vorhanden:
44Das Transposon kann die Transkription unterdrücken,
44oder es kann sie verstärken.

z Fehler während der Meiose


Eine fehlerhaft ablaufende Meiose macht sich auf der Ebene der Chromosomen bemerkbar:
55 Aus einem Crossing over zwischen homologen Chromosomen ohne anschließende
Trennung resultiert eine Fehlsegregation oder Non-Disjunction. Nach Befruchtung der
Keimzelle liegt eine Trisomie oder Monosomie vor (. Abb. 11.1).
11.2 · Mutationsklassen
193 11

. Abb. 11.1  Gonosomale Aneupoloidien entstehen durch Non-Disjunction während der 1. oder 2. Meiose der
Oogenese (a) oder der Spermatogenese (b) (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Nach einem Crossing over  zwischen nichthomologen Chromosomen oder Chromoso-


menabschnitten, einem sogenannten ungleichen Crossing over, verfügt eines der Chromo-
somen über zusätzliche DNA-Abschnitte, die dem anderen Chromosom fehlen.

11.2 Mutationsklassen

Von welchem Mutationstyp man spricht, ist abhängig vom Umfang der Veränderung:
55 Punktmutationen betreffen eine oder wenige Basen. Sie wirken sich meist nur auf ein Gen
aus und heißen daher auch Genmutationen.
55 Strukturelle Anomalien betreffen einen längeren DNA-Abschnitt, gelegentlich nennt man
sie auch Chromosomenmutationen.
55 Genommutationen erfassen ein komplettes Chromosom oder den Chromosomensatz,
gelegentlich bezeichnet man sie als numerische Aberrationen.
194 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

Mutationen kann man auch nach den Zellen und somit nach der Erblichkeit einteilen:
55 Somatische Mutationen betreffen Körperzellen. Sie bleiben auf den Träger beschränkt und
werden nicht weitergegeben.
55 Keimbahnmutationen betreffen Spermien, Eizellen oder die Zellen, aus denen sie hervor-
gehen. Sie werden an die Nachkommen vererbt.

11.2.1 Punktmutationen

Es gibt drei Arten von Punktmutationen:


55 Eine Substitution liegt vor, wenn bei einer Punktmutation eine Base gegen eine andere
Base ausgetauscht ist. Man unterscheidet zwei Varianten:
44Bei einer Transition wird eine Base gegen den verwandten Typ getauscht, also
Pyrimidin gegen Pyrimidin oder Purin gegen Purin (. Abb. 11.2).
44Bei einer Transversion ändert sich der Basentyp, also von einer Purin- zu einer
Pyrimidinbase oder umgekehrt.
55 Bei einer Deletion gehen eine oder wenige Nucleotide verloren.
55 Bei einer Insertion werden ein oder wenige zusätzliche Nucleotide in die DNA eingefügt.

z Auswirkungen von Punktmutationen


Die Folgen von Punktmutationen können sehr unterschiedlich ausfallen:
55 Bei einer stummen Mutation (silent mutation) entsteht ein verändertes Codon, das aber
für die gleiche Aminosäure codiert. Die Mutation wirkt sich auf der Proteinebene also
nicht aus.
55 Eine Nonsense-Mutation liegt vor, wenn durch die Mutation ein Stoppcodon entsteht
11 und die Translation dadurch abgebrochen wird. Das entstehende Protein ist unvollständig
und kann häufig seine Funktion nicht übernehmen. Die Auswirkung hängt dabei von der
Position (am Anfang oder am Ende ab).
55 Durch eine Missense-Mutation entsteht ein Codon, das für eine andere Aminosäure
codiert. Die Auswirkungen für das Protein hängen von den Eigenschaften, der Position
und der Bedeutung der veränderten Aminosäure ab:
44Hat die neue Aminosäure vergleichbare Eigenschaften wie im Wildtyp und befindet sie
sich an keiner wichtigen Stelle, ist das Protein häufig voll funktionsfähig.

Thymin

Adenin Guanin

Cytosin

. Abb. 11.2  Beziehungen zwischen Transitionen (durchgezogene Pfeile) und Transversionen (gestrichelte
Pfeile) (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)
11.2 · Mutationsklassen
195 11
44Ein Aminosäureaustausch in einem wichtigen Bereich wie der Bindungsstelle eines
Rezeptors oder der DNA-Bindungsdomäne kann die Tertiärstruktur des Proteins
verändern und es unbrauchbar machen.
44Eine veränderte Aminosäure im aktiven Zentrum eines Enzyms beeinflusst die Qualität
der Katalyse. Meistens arbeitet das Enzym schlechter oder gar nicht mehr, selten
verbessert sich die Effizienz.
55 Bei Spleißmutationen betrifft die Mutation die Spleiß-Consensussequenzen. Eine Spleiß-
stelle fällt weg oder entsteht. Exons oder Introns werden falsch gespleißt.
55 Wie sich Deletionen und Insertionen auswirken, wird davon bestimmt, ob die Anzahl der
verlorenen oder hinzugekommenen Basen durch drei teilbar ist:
44Ist die Zahl der Basen durch drei teilbar, fehlt im Protein für jede Dreiergruppe eine
Aminosäure bzw. es kommt jeweils eine Aminosäure hinzu. Die Folgen für das Protein
hängen wie bei Missense-Mutationen von den Eigenschaften und der Bedeutung der
betreffenden Aminosäuren ab.
44Enthält die Insertion um eine oder mehr Dreiergruppen ein Stoppcodon, bricht die
Translation früher ab, und das Protein ist zu kurz. Geht bei einer Deletion ein Stopp-
codon verloren, läuft die Translation weiter, und das Protein wird zu lang. In beiden
Fällen kann das Protein seine Funktion einbüßen.
44Ist die Zahl der verlorenen oder zusätzlichen Basen nicht durch drei teilbar, verschiebt
sich durch die Deletion oder Insertion das Leseraster oder der Leserahmen. Bei einer
solchen Rasterschubmutation oder Frameshift-Mutation übersetzt das Ribosom
verkehrte Dreiergruppen als Codons und synthetisiert ein Protein mit einer oft
unsinnigen Aminosäuresequenz. Häufig entsteht durch die Leserasterverschiebung ein
Stoppcodon, sodass die Proteinsynthese vorzeitig abgebrochen wird. Wichtig für die
Auswirkung ist wieder die Position. Am Ende ist die Auswirkung weniger dramatisch
als am Anfang.

Man unterteilt die Mutationen im Hinblick auf die Funktion auch in zwei Kategorien:
55 Eine Funktionsverlustmutation (loss of function mutation) inaktiviert das Gen oder
reduziert die Funktion des Genprodukts. In diese Kategorie fallen die meisten Mutationen.
55 Eine Funktionsgewinnmutation (gain of function mutation) erhöht die Aktivität.
Mutationen mit gain of function liegen oft in regulatorischen Bereichen. Tatsächlich sind
sie seltener als Mutationen mit Funktionsverlust.

Eine andere Klasse sind temperatur-sensitive Mutationen (ts-Mutationen):


55 Sie wirken sich erst ab einer bestimmten Temperatur aus.
55 Bei der permissiven Temperatur arbeitet das Protein normal, bei der restriktiven (oder
nichtpermissiven) Temperatur verliert es seine Funktion.
55 Man unterscheidet hitzelabile von kältelabilen ts-Mutationen.
55 Die Ursache für eine ts-Mutation kann der Austausch einer verwandten Aminosäure sein.
55 Mithilfe von ts-Mutanten kann man die Funktion von Proteinen untersuchen, indem man
den Organismus bei permissiver und restriktiver Temperatur vergleicht.

Beispiele für Mutationen in Globingenen und damit verbundene Krankheiten:


55 β-Thalassämien: Die Patienten bilden aufgrund von Spleißmutationen keine β-Ketten des
Hämoglobins.
55 α-Thalassämien: Die Patienten bilden keine α-Ketten des Hämoglobins. Ursache ist oft eine
196 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

Glu

Val Leu Ser Pro Ala Asp Lys Thr Asp Val Lys Ala Ala
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Val
Val His Leu Thr Pro Glu Lys Ser Ala Val Thr Ala Leu
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

. Abb. 11.3  Aminosäureaustausch bei Sichelzellanämie (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Deletion aufgrund eines ungleichen Crossing over während der Meiose.


55 Sichelzellanämie(. Abb. 11.3): Homozygote Patienten bilden abnormes Hämoglobin
(HbS) und bei geringerem Sauerstoffpartialdruck sichelförmige Erythrocyten. Ursache ist
eine Punktmutation, die in der β-Globin-Kette die Aminosäure Glutaminsäure an Position
6 durch Valin ersetzt. Heterozygote Anlageträger zeigen einen Selektionsvorteil gegenüber
Malaria.

11.2.2 Strukturelle Anomalien oder Aberrationen oder


Chromosomenmutationen
11 Mutationen können längere Abschnitte eines Chromosoms betreffen:
55 Bei einer Deletion (im Karyotyp mit del abgekürzt) fehlt ein Segment des Chromosoms.
55 Bei einer Duplikation (dup) ist ein Segment verdoppelt.
55 Bei einer Inversion (inv) ist ein Teil des Chromosoms mit falscher Richtung eingesetzt.
55 Bei einer Insertion (ins) wird ein zusätzlicher Abschnitt, der oft von einer Duplikation
stammt, in das Chromosom eingebaut.
55 Bei einer Translokation (t) wechselt ein Segment zu einem anderen Chromosom. Oft
wechseln zwei Segmente von zwei Chromosomen im Tausch. Der unten beschriebene
Spezialfall der Robertson-Translokation wird im Karyotyp mit rob abgekürzt.

Derartige Chromosomenmutationen sind häufig die Ursache


55 für komplexe erblich bedingte Krankheiten oder Fehlbildungen,
55 für wiederholte Fehlgeburten oder habituelle Aborte.

Strukturelle Anomalien entstehen, wenn ein oder mehrere Chromosomen brechen und falsch
repariert werden. Sie ergeben sich
55 als Folge einer fehlerhaften Reparatur, nachdem die DNA durch Chemikalien geschädigt
wurde,
55 oder als Folge einer Rekombination, wenn sich in der Meiose nichthomologe Chromo-
somen falsch paaren.

Strukturelle Anomalien können sich in Körperzellen ereignen oder in Keimzellen.


11.2 · Mutationsklassen
197 11
z Nomenklatur im Karyotyp
Der Karyotyp beschreibt die Eigenschaften aller Chromosomen einer Zelle. Stellt man sie geord-
net dar, erhält man ein Karyogramm.
Der Karyotyp eines Patienten umfasst dann:
55 die Anzahl der Chromosomen,
55 die Angabe der Geschlechtschromosomen,
55 eventuelle numerische oder strukturelle Aberrationen.

Die Schreibweise im Karyotyp gibt Chromosomenmutationen in einer bestimmten Reihen-


folge an:
55 erst die Art der Veränderung,
55 dann die beteiligten Chromosomen,
55 dann die Bruchpunkte in den Abschnitten der Chromosomen.

Beispiel für eine Translokation zwischen den Chromosomen 4 und 14 bei sonst normalem Karyo-
typ: 46,XY,t(4;14)(p14;q22).
Die Bruchpunkte liegen also im Abschnitt 14 (lies: „eins, vier“, nicht: „vierzehn“) auf dem kurzen
Arm von Chromosom 4 und im Abschnitt 22 („zwei, zwei“) auf dem langen Arm von Chromosom 22.

z Deletion
Bei einer Deletion geht ein Teil des Chromosoms verloren.
Man unterscheidet zwei Varianten:
55 Bei der terminalen Deletion fehlt ein Endsegment des Chromosoms.
55 Bei einer inneren oder interstitiellen Deletion ist der mittlere Abschnitt des Chromosoms
verloren gegangen (. Abb. 11.4). Die Auswirkungen können unterschiedlich sein:
44Überspannt dieser innere Abschnitt das Centromer, gehen die Endbruchstücke bei der
Zellteilung verloren, und dem Rest-„Chromosom“ fehlen die Telomere.
44Findet die Deletion innerhalb des Heterochromatins statt, kann das Individuum den
Verlust oft ohne Nachteile verschmerzen.
Beispiele für terminale Deletionen und Syndrome beim Menschen:
55 5p–: Ein Teil des kurzen Arms von Chromosom 5 fehlt. Es kommt zum Katzenschrei-
syndrom (Cri-du-chat-Syndrom): Die betroffenen Kinder schreien katzenartig. Zahlreiche
weitere Symptome sind möglich, liegen aber nicht alle gleichzeitig vor.
55 5q–: Ein Teil des langen Arms fehlt. Dies zählt zu den myelodysplastischen Syndromen
mit Anämie und Leukopenie.

z Duplikation
Eine Duplikation liegt vor, wenn die Zelle einen Chromosomenabschnitt verdoppelt
(. Abb. 11.5).
Nach der Lage und Orientierung der Kopie werden mehrere Varianten unterschieden:
55 Bei einer Tandemduplikation liegen die Segmente in gleicher Orientierung hintereinander.
55 Bei einer Inversduplikation sind sie entgegengesetzt orientiert.
55 Die Duplikation eines Exons ist ein Weg des exon shuffling. Darunter versteht man den
Mechanismus, dass neue Gene entstehen können, indem Exons neu zusammengestellt
werden (s. 7 Abschn. 9.3.1). Man erklärt die Evolution vieler Gene aufgrund von exon
shuffling.
198 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

. Abb. 11.4  Mögliche Entstehung und Folgen h h


von terminalen (a) und interstitiellen (b, c) g g
Deletionen (nach Buselmaier und Tariverdian 2007) f f
e e
d d
c c
b b
a a a

h h
g g
f f
c
e e b
d d
b c
c
b a
b a

h h
g g f
f
e e
d d
c c
b b
c a a

11 . Abb. 11.5  Entstehung von Duplikationen (nach Buselmaier und


f
Tariverdian 2007)
f e
e d

d c

c b

b c

a b

Eine Duplikation kann sich beispielsweise durch ein Crossing over zwischen Schwesterchroma-
tiden, zwischen homologen oder nichthomologen Chromosomen ereignen.
Evolutionsbiologen erklären die Entstehung der Genfamilien, der rRNA-Gene und der hoch-
repetitiven Satelliten-DNA mit Duplikationen.
Beispiel: Globingene.
55 Bei den Vorfahren des Menschen ereignete sich wohl vor etwa 800 Mio. Jahren die erste
Verdopplung eines Globin-Vorfahrgens.
55 Weitere Verdopplungen folgten, sodass schließlich mehrere Gene auf verschiedenen
Chromosomen vorlagen, die sich getrennt entwickelten.
11.2 · Mutationsklassen
199 11
55 Es entstanden die α- und β-Gene für das Hämoglobin auf den Chromosomen 16 bzw. 11,
das Myoglobingen (Chromosom 22), das Neuroglobingen (Chromosom 14) und das Gen
für Cytoglobin (Chromosom 17).

z Translokationen
Translokationen versetzen einen Chromosomenabschnitt von einem Chromosom auf ein
anderes, nichthomologes Chromosom.
Es gibt verschiedene Arten von Translokationen:
55 Eine reziproke Translokation liegt vor, wenn zwei Chromosomen Abschnitte unterein-
ander austauschen. Beispielsweise verliert Chromosom 7 ein Segment an Chromosom 12,
erhält aber seinerseits ein Teilstück von Chromosom 12.
55 Bei einer balancierten Translokation verändert sich die Gesamtmenge des Erbguts in der
Zelle nicht.
Solange bei einer Translokation keine Gene zerstört werden, ändert sich der Phänotyp des Trägers
nicht.

Findet die Mutation in der Keimbahn statt, kann eine Translokation schwerwiegende Folgen für
die Nachkommen haben. Da jedes Chromosom in zwei Exemplaren vorliegt, von denen meistens
nur eines betroffen ist, entstehen unterschiedliche Keimzellen mit und ohne mutierte Chromo-
somen. Aus ihnen gehen verschiedene Zygoten hervor:
55 Zellen, die nur unmutierte Chromosomen enthalten.
55 Zellen mit beiden Chromosomen, die an der Translokation beteiligt waren, sodass eine
balancierte Translokation vorliegt.
55 Zellen mit partieller Monosomie, die ein verkürztes Chromosom erhalten haben. Die
Keimzelle des Partners trägt mit seinem unmutierten Chromosom den fehlenden
Teil bei.
55 Zellen mit partieller Trisomie, in denen ein verlängertes Chromosom vorkommt.

Zwei Translokationen sind so häufig, dass sie eigene Namen erhalten haben.
55 Die Robertson-Translokation ereignet sich zwischen nichthomologen akrozentrischen
Chromosomen, die einen sehr kurzen und einen langen Arm haben, beim Menschen also
zwischen den Chromosomen 13, 14, 15, 21, 22 und dem Y-Chromosom.
44Die langen Arme mitsamt der Centromere verbinden sich so, dass die beiden
Centromere dicht beieinander in der Mitte eines überlangen dizentrischen
Chromosoms liegen. Man spricht von einer zentrischen Fusion (. Abb. 11.6). Die
beiden Centromere agieren wie ein einziges Centromer. Das neu gebildete Chromosom
kann daher problemlos Mitosen und Meiosen durchlaufen.
44Die kurzen Arme verbinden sich miteinander. Dabei entsteht eine Art Fusionsfussel
ohne Centromer, das bei der nächsten Zellteilung verloren geht.
Der Verlust der kurzen Arme stellt eine Deletion dar. Insgesamt wird die Zahl der
Chromosomen also um eins reduziert.
Der Träger einer balancierten Robertson-Translokation bildet je nach Segregation der
normalen und nichtnormalen Chromosomen verschiedene Keimzellen, aus denen nach
der Befruchtung mit normalen Gameten verschiedene Zygoten entstehen. Beispiele:
44Eine Keimzelle erhält das Fusionschromosom und eines der nichtfusionierten akrozen-
trischen Chromosomen. Die Zygote wird dann eine Trisomie aufweisen.
44Für die andere Keimzelle bleibt nur das zweite nichtfusionierte akrozentrische
Chromosom. Die Zygote trägt eine Monosomie (für die weiteren Fälle . Abb. 11.7).
200 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

Akrozentrische Chromosomen Translokations- Gehen verloren


chromosom

. Abb. 11.6  Entstehung einer zentrischen Fusion (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Translokationstrisomie 21

Monosomie 21

Balancierte
11 Translokation 14/21

14/21 Normal
Translokation

Translokationstrisomie 14

Monosomie 14

Normal 1. Meiose 2. Meiose

. Abb. 11.7  Entstehungswege ungewöhnlicher Zygoten. Ein Elternteil trägt eine zentrische Fusion zwischen
den Chromosomen 14 und 21 und kann verschiedene Keimzellen bilden (nach Buselmaier und Tariverdian
2007)
11.2 · Mutationsklassen
201 11
r
r q
q p
h p o
g o n h
f n f g
e m e m
d l d l
c k c k
Centromer
b j b j
a i a i

. Abb. 11.8  Entstehung einer reziproken Translokation (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Das Philadelphia-Chromosom ist ein verkürztes Chromosom 22 aufgrund einer rezi­


proken Translokation(. Abb. 11.8) zwischen den menschlichen Chromosomen 9 und 22:
t(9;22)(q34;q11).
44Das Chromosom 9 bricht im Bereich des ABL-Gens. Der Abschnitt wird in das
BCR-Gen (breakpoint cluster region) auf Chromosom 22 übertragen, es entsteht das
BCR-ABL-Gen auf Chromosom 22.
44Umgekehrt wandert ein Teil des BCR-Gens von Chromosom 22 zu Chromosom 9 und
lagert sich an den Rest des ABL-Gens.
Die Translokation verursacht bei ihren Trägern häufig Leukämie:
44Das Produkt des ABL-Gens ist eine Tyrosin-Kinase, die unter anderem an der
Regulation der Zellteilung mitwirkt. Das Produkt des BCR-ABL-Gens ist ein Fusions-
protein, bei dem die Kinaseaktivität erhalten geblieben ist.
44Die Kontrolle über das BCR-ABL-Gen liegt beim BCR-Promotor, der das fusionierte
Gen überaktiviert.
44Dadurch ist die Regulation der Zellteilung über die Tyrosin-Kinase gestört, und die
Zelle wird zur Tumorzelle. Es kann sich eine chronische myeloische Leukämie oder eine
akute lymphatische Leukämie entwickeln.
Der Austausch zwischen den Chromosomen 9 und 22 wird durch ihre benachbarten
Chromosomenterritorien im Zellkern begünstigt.

Auch Ringchromosomen betrachtet man als Resultat von Translokationen. Bei der Mitose werden
die (vorher verdoppelten) Ringchromosomen oft regelrecht zerrissen.
Isochromosomen sind seltene Translokationen. Die Isochromosomen haben einen ihrer
beiden Arme verloren. Stattdessen tragen sie zwei Exemplare des gleichen Arms. Die Ursache
liegt darin, dass das ursprüngliche Chromosom während der Zellteilung nicht ordnungsgemäß
längsgeteilt wurde, sondern quer. Beim Menschen kommen Isochromosomen i(Xq) und i(21q)
vermehrt vor. I(21q) kann eine Ursache für das Down-Syndrom sein, das Isochromosom mit
dem langen Arm von Chromosom X für das Ullrich-Turner-Syndrom.

z Inversion
Bei der Inversion wird ein DNA-Abschnitt innerhalb eines Chromosoms gedreht (. Abb. 11.9).
Es gibt zwei Varianten:
202 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

f f
e e
d c
c d

b b

a a a b

. Abb. 11.9  Entstehung einer Inversion (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Bei einer perizentrischen Inversion umfasst der gedrehte Abschnitt das Centromer.
55 Eine parazentrische Inversion ist auf einen Arm beschränkt.

Eine Inversion macht sich unter bestimmten Bedingungen bemerkbar:


55 Falls die Bruchstellen innerhalb eines Gens liegen, so wird die Sequenz zerstört.
55 Trennt die Inversion ein Gen von seinen regulierenden Regionen und stellt es unter
die Kontrolle anderer Mechanismen, verändert sich seine Aktivität. Diese Situation
wird als Positionseffekt bezeichnet und kann ähnliche Folgen haben wie beim
Philadelphia-Chromosom.

11.2.3 Numerische Aberrationen

11 Numerische Aberrationen reichen von einzelnen, ganzen Chromosomen, die fehlen oder über-
zählig sind, bis hin zur Vervielfältigung oder Reduzierung des kompletten Chromosomensatzes,
den Genommutationen. Genommutationen kommen vor allem bei Pflanzen vor.
Begriffe zur Einteilung:
55 Euploidie: Es liegt der übliche, komplette Chromosomensatz vor. Beispielsweise in
somatischen Zellen des Menschen ein doppelter Chromosomensatz.
55 Haploidie: Die Zelle enthält einen einfachen Chromosomensatz. Beispielsweise in
Keimzellen des Menschen zu finden.
55 Polyploidie: Ein ganzer Chromosomensatz ist in Überzahl vorhanden. Beispielsweise
besitzt eine triploide Zelle einen dreifachen Chromosomensatz.
55 Aneuploidie: Die Änderung betrifft ein einzelnes Chromosom. Es handelt sich damit um
eine numerische Chromosomenaberration. Man unterscheidet mehrere Varianten:
44Hyperploidie: Es sind ein oder mehrere überzählige Chromosomen vorhanden wie
beispielsweise bei einer Trisomie.
44Hypoploidie: Es fehlen ein oder mehrere Chromosomen. Beispielsweise fehlt bei einer
Monosomie ein einzelnes Chromosom.
Im Umgang mit Aneuploidien verwendet man meist die konkreteren Begriffe Trisomie
oder Monosomie.
55 Nullisomie: Ein Paar homologer Chromosomen fehlt. Der Fall führt meist
zum Tod.
11.2 · Mutationsklassen
203 11
z Auswirkungen bei Pflanzen
Pflanzen zeigen erheblich weniger Probleme mit Aneuploidien. Von der Tomate (Lycopersicon) oder
der Gerste (Hordeum) beispielsweise sind Trisomien jedes einzelnen Chromosoms bekannt. Diese
Mutanten bilden verschiedene Fruchtformen aus. In der Züchtung ist das durchaus erwünscht.
55 Pflanzen mit Haploidie sind häufig lebensfähig.
55 Polyploidien kommen bei Pflanzen häufig vor. Die Evolution des Saatweizens ist eine
Geschichte der Polyploidisierungen in mehreren Akten. Mehrfach haben die Vorfahren
ganze Chromosomensätze anderer Gräserarten aufgenommen.

z Auswirkungen bei Tieren


Bei Tieren verursachen Aneuploidien oft erhebliche Probleme.
Für die meisten Tiere ist eine Haploidie tödlich, Ausnahmen hiervon bilden Insekten wie
Hautflügler oder Hymenoptera, zu denen beispielsweise Bienen gehören. Bei ihnen bestimmt
die Anzahl des Chromosomensatzes das Geschlecht.
55 Unbefruchtete und somit haploide Zellen entwickeln sich zu männlichen Tieren.
55 Befruchtete, diploide Zellen werden zu Weibchen.

Andere haplo-diploide Arten sind unter Spinnen und Rädertierchen zu finden.

z Medizinische relevante Aneuploidien beim Menschen


Theoretisch gibt es beim Menschen 23 verschiedene Trisomien, es sind aber längst nicht alle
lebensfähig.
Man muss zwischen den Trisomien der Autosomen und der Gonosomen unterscheiden, weil
überzählige Geschlechtschromosomen weniger gravierend sind. Beim Y-Chromosom liegt das
daran, dass es keine lebensnotwendigen Gene enthält, beim X-Chromosom an der X-Inaktivie-
rung weiterer X-Chromosomen.
Beispiele für Aneuploidien von Gonosomen:
55 Frauen mit dem Karyotyp 47,XXX sind oft phänotypisch unauffällig.
55 Liegt der Karyotyp 45,X0 vor, spricht man vom Ullrich-Turner-Syndrom. Es kommt mit
einer Häufigkeit von etwa 1:2500 vor und entsteht meist durch postzygotischen Verlust
des Y-Chromosoms, es kann allerdings auch ein Mosaik vorliegen: mos 45,X0/46,XX.
Die Frauen sind u. a. minderwüchsig und infertil. Trägt das vorhandene X-Chromosom
die Mutation für die Rot-Grün-Sehschwäche, leiden auch die Frauen an dieser
Fehlsichtigkeit.
55 Der Karyotyp 47,XXY bildet das Klinefelter-Syndrom aus. Die Häufigkeit liegt etwa bei
1:700. Man zählt dazu auch die selteneren Karyotypen wie 48,XXYY oder 48,XXXY sowie
Mosaike. Die Betroffenen sind zwar männlich, aber mit der Fettverteilung einer Frau. Sie
sind hochgewachsen und infertil.
55 Der Fall von Männern mit dem Karyotyp 47,XYY war früher umstritten, da manche der
Betroffenen als aggressiv galten und man glaubte, diesen Karyotyp unter Gefängnisin-
sassen häufiger gefunden zu haben. Der angenommene Zusammenhang ist mittlerweile
widerlegt.
55 Von den Gonosomen sind weitere Mosaike bekannt. So können Frauen mit normalem
Karyotyp auch Zellen mit Y-Chromosom besitzen (. Abb. 11.10).
204 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

. Abb. 11.10  Entstehungswege eines gonosomalen Mosaiks aufgrund von Non-Disjunctionen im


Blastocystenstadium (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

11 a b

. Abb. 11.11  Entstehungswege einer autosomalen Trisomie durch Non-Disjunction in der 1. (a) oder 2. (b)
Meiose oder durch mitotische Non-Disjunction (c) (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Aneuploidien der Autosomen wie Trisomien wiegen erheblich schwerer (. Abb. 11.11). Etwa
50 % der Fehlgeburten haben ihre Ursache in autosomalen Trisomien.
Man unterscheidet verschiedene Formen der Trisomie:
55 Bei der freien Trisomie besitzt jede Körperzelle drei Exemplare des betreffenden
Chromosoms.
11.3 · Häufigkeit von Mutationen
205 11
55 Bei einer Mosaiktrisomie gibt es eine Zelllinie mit einem dreifachen und eine Zelllinie mit
einem gewöhnlichen diploiden Chromosomensatz.
55 Bei einer partiellen Trisomie enthalten alle Zellen eine diploiden Chromosomensatz. Eines
der Chromosomen ist aber aufgrund eines duplizierten Abschnitts deutlich verlängert. In
Bezug auf die Gene dieses Abschnitts verfügen die Zellen über einen dreifachen Satz.
55 Bei einer Translokationstrisomie wurde ein Chromosom oder ein großer Teil von diesem
durch eine Translokation an ein anderes Chromosom angelagert.

Es gibt nur drei lebensfähige freie Trisomien:


55 Trisomie 13 löst das Pätau-Syndrom aus. Etwa die Hälfte der Betroffenen stirbt im ersten
Lebensmonat.
55 Trisomie 18 ist die Ursache für das Edwards-Syndrom. Die meisten Betroffenen überleben
das erste Lebensjahr nicht.
55 Trisomie 21 führt zum Down-Syndrom. Die Betroffenen erreichen das Erwachsenenalter.
Menschen mit Down-Syndrom sind meistens geistig eingeschränkt oder mental retardiert,
hinzu kommen beispielsweise Herzfehler und Gesichtsfehlbildungen. Trisomie 21 ist mit
einer Häufigkeit von 1:700 die häufigste Trisomie. Je älter die Mutter ist, desto wahrschein-
licher tritt diese Trisomie auf. Mit Anfang 40 liegt die Häufigkeit bei 1:50.

Dass diese Trisomien überhaupt lebensfähig sind, ist auf die geringe Gendichte der drei
Chromosomen zurückzuführen. Auf das Genom bezogen sind also relativ wenige Gene
verdreifacht.
Bei überlebenden Patienten mit Trisomie 8 (Warkany-Syndrom 2) liegt ein Mosaik vor. Einige
Zellen besitzen den normalen Chromosomensatz, andere sind trisom für das Chromosom 8. Der
Karyotyp lautet 46,XX/47,XX+8 oder 46,XY/47,XY+8.
Polyploidien sind bei Tier und Mensch in der Regel tödlich. Auch wenn sie beim Menschen
zunächst gar nicht so selten auftreten, nämlich dann, wenn zwei Spermien eine Eizelle befruch-
ten. Rund ein Zehntel der menschlichen Fehlgeburten hat den Karyotyp 69,XXY oder 69,XXX
(. Abb. 11.12).

11.3 Häufigkeit von Mutationen

Mutationen sind seltene Ereignisse. Um sie quantitativ zu erfassen, verwendet man den Begriff
der spontanen Mutationsrate für die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Mutation pro Genera-
tion eintritt.
Die Mutationsrate hängt von zwei Faktoren ab:
55 von der Genauigkeit der DNA-Replikation und
55 von der Effektivität des Reparaturmechanismus.

Die Fehlerrate der DNA-Synthese von E. coli liegt zunächst bei 1 auf 107 bp. Die Fehlerrate der
Gesamtreplikation des Chromosoms verringert sich durch die Reparatur auf 1 pro 1010 bis 1011.
Bei einem Mutatorphänotyp ist die Mutationsrate durch eine Mutation in einem Gen für das
Replikations- oder Reparatursystem erhöht.
Prokaryoten haben eine niedrigere Mutationsrate als Eukaryoten, wenn man die Muta-
tionsrate für Prokaryoten als Mutanten pro Gen und Vernehrungszyklus und für Eukaryoten
als Anzahl von Mutationen pro Gen und Gameten angibt. Beispielsweise haben Mäuse und
206 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

l l

ll

11
ll

ll

. Abb. 11.12  Entstehungswege einer Triploidie durch Störungen in der Spermatogenese (a) oder der
Oogenese (b) (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Menschen etwa eine Mutation pro Gen pro 105 bis 106 Gameten, Prokaryoten erreichen eine
Mutante pro Gen erst nach rund 106 bis 1010 Vermehrungen.
Man begründet den Unterschied damit, dass eukaryotische Gene größer sind und dass sich
die Zellen häufiger bis zur Bildung der Gameten geteilt haben. Mutationen können sich somit
anhäufen.
Bei höheren Eukaryoten ist die Mutationsrate in somatischen Zellen höher als in Zellen der
Keimbahn.
11.5 · Mechanismen zur Aufhebung von Mutationen
207 11
11.4 Spontane und induzierte Mutationen

Mutationen sind zufällige, statistische, spontane Ereignisse. Es ist nicht vorhersehbar, wo sie
sich ereignen. Allerdings gibt es Stellen im Genom, an denen es häufiger zu Mutationen kommt
(s. 7 Abschn. 11.1.1 und 11.1.2).
Wirbeltiere mit Immunsystem erhöhen mithilfe des Enzyms Activation Induced Cytidine
Deaminase (AID oder AICDA) die Mutationsrate in Immunzellen (s. 7 Abschn. 13.3). Diese soge-
nannten Hypermutationen sorgen für die Vielfalt der Immunglobuline und damit für mehr
Abwehrmöglichkeiten.

z Experimente zu induzierter Mutation


In den 1940er-Jahren sollte der Fluktuationstest oder das Luria-Delbrück-Experiment überprü-
fen, ob Mutationen spontan oder durch die Umweltbedingungen induziert auftreten. Für den
Versuch wurden zahlreiche Kolonien des Bakteriums E. coli nach mehreren Wachstumszyklen
mit dem tödlichen Phagen T1 infiziert und untersucht, wie viele E.-coli-Zellen resistent gegen
T1 geworden sind. Es gab zwei Hypothesen:
55 Sind Mutationen spontan und ungerichtet, so ereignen sie sich bereits während der
Wachstumsphase der Bakterien vor der Infektion. In einigen der Kulturen entstehen durch
Zufall schon sehr früh resistente Zellen, die sich anschließend stark vermehren können,
in anderen Kulturen treten resistente Zellen erst spät oder gar nicht auf und bleiben daher
niedrig in der Anzahl. Die Zahl der resistenten Zellen schwankt somit sehr stark.
55 Entstehen Mutationen als Reaktion auf äußere Veränderungen, bilden sich erst nach der
Infektion resistente Bakterien. Da alle etwa zur gleichen Zeit auftreten, schwankt die Zahl
der betroffenen Zellen zwischen den Kolonien nur wenig.

Das Experiment erbrachte eine große Streuung der Anzahlen und wies damit auf die Zufällig-
keit von Mutationen hin.
Ein Experiment von 1988 ergab jedoch, dass manche Bakterien ihre Mutationsrate als Reak-
tion auf äußere Bedingungen erhöhen können. Mutanten von E. coli, die durch eine Mutation
im lacZ-Gen keine Lactose aufnehmen konnten, zeigten bei Zusatz von Lactose eine erhöhte
Zahl von Mutationen. Ein möglicher Mechanismus für derartige adaptive Mutationen wäre der
Einsatz einer fehleranfälligeren Polymerase. Endgültig geklärt ist das Phänomen jedoch nicht.

11.5 Mechanismen zur Aufhebung von Mutationen

Es gibt mehrere mögliche Gründe, aus denen eine Mutation ohne Auswirkungen bleiben kann.
55 Stille Mutationen codieren für die gleiche Aminosäure und verändern daher nicht das
Protein.
55 Direkte Rückmutationen oder Reversionen stellen durch eine zweite Mutation an der
gleichen Stelle den Ursprungszustand wieder her. Sie sind sehr selten.
55 Bei einer Suppression unterdrückt eine zweite Mutation an einer anderen Stelle die erste
Mutation. Nach dem Ort der zweiten Mutation werden zwei Fälle unterschieden:
44Intragenisch tritt die zweite Mutation im gleichen Gen auf wie die erste. Beispielsweise
wandelt sie das Codon so, dass doch die ursprüngliche Aminosäure codiert wird. Oder
eine Insertion hebt eine Deletion wieder auf und stellt den alten Leserahmen wieder her.
208 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

55 Intergenisch ist die zweite Mutation in einem anderen Gen lokalisiert. Hierfür gibt es
mehrere Varianten:
44Eine Mutation in einer tRNA kann die Mutation verdecken. Nach dem Prinzip „Minus
mal Minus ergibt Plus“ führt die mutierte tRNA die ursprünglich codierte Aminosäure
heran.
44Ein Mutation in der U1snRNA, die am Spleißen beteiligt ist, hebt eine entsprechende
Spleißmutation auf.
44Auf Funktions- oder Proteinebene kann eine Mutation in einem Gen kompensiert
werden, wenn eine andere Mutation ein zweites Protein so verändert, dass es die
Aufgabe des nutzlosen Proteins übernimmt. Von E. coli kennt man Regulations-
mutationen im Gen für den Lactosetransporter, wodurch dieser für einen defekten
Maltosetransporter einspringen kann.

11.6 Reparatur von DNA-Schäden

In der Evolution haben sich unterschiedliche Möglichkeiten zur Reparatur von Schäden an der
DNA entwickelt, die alle nach dem gleichen Prinzip vorgehen:
55 Spezialisierte Proteine erkennen die Schadstelle,
55 entfernen diese,
55 und Enzyme der Replikation füllen die mehr oder weniger große Lücke wieder auf.

Im Einzelnen unterscheidet man zwischen folgenden Formen:


55 Direkte Reparatur: Hierbei beheben Enzyme den Schaden.
55 Basenexzisionreparatur: Bei dieser wird die defekte Base ausgetauscht.
11 55 Nucleotidexzisionsreparatur: Hierbei wird ein Teil eines DNA-Strangs ausgetauscht.
55 Mismatch-Reparatur: Diese kann zwischen altem und neuen Strang unterscheiden.
55 Reparatur von DNA-Strangbrüchen: Sie schließt sowohl Einzel- als auch Doppelstrang-
brüche schließt.
55 SOS-Reparatur: Bei dieser nimmt die Zelle Mutationen in Kauf, um die Integrität des
Genoms überhaupt zu wahren.

z Einbettung in Zellprozesse
Die DNA-Reparatur ist eingebunden in ein Zusammenspiel von Transkription, Replikation und
Reparatur. Einige Erkrankungen zeigen beispielhaft die Verknüpfungen auf:
55 Erblicher Dickdarmkrebs ohne Polyposis (hereditary nonpolyposis colorectal cancer,
HNPCC, Lynch-Syndrom) geht auf Mutationen in Genen des DNA-Mismatch-Reparatur-
systems zurück.
55 Das Bloom-Syndrom wird von Mutationen im Gen für das Bloom-Syndrom-Protein
hervorgerufen. Das Protein ist eine Helikase, die an der Reparatur, der Replikation und der
Rekombination beteiligt ist.
55 Das Werner-Syndrom (ein Progerie- oder „beschleunigte Alterung“-Syndrom) ist die
Folge von Mutationen im Gen einer weiteren Helikase, die an verschiedenen Prozessen
beteiligt ist.
55 Patienten mit Xeroderma pigmentosum (XP) sind äußerst empfindlich gegenüber
UV-Strahlen. Sie leiden an trockener, stark pigmentierter und schnell alternder Haut und
11.6 · Reparatur von DNA-Schäden
209 11
haben ein erheblich höheres Risiko, an Hautkrebs zu erkranken. Bei XP-Betroffenen ist das
System, das die UV-Schäden reparieren soll, selbst geschädigt. Die Ursache sind Mutationen
in mehreren unterschiedlichen Genen der Nucleotidexzisionsreparatur (s. 7 Abschn. 11.6.3).

11.6.1 Direkte Reparatur

Die direkte Reparatur von Schäden ist nur in wenigen Fällen möglich.
55 Alkyltransferasen entfernen Alkylgruppen. Relativ unspezifisch arbeitet das ADA-Enzym
von E. coli. Spezifischer ist die O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) des
Menschen. Sie entfernt eine Methylgruppe von Guanin. Nachdem sie die Alkylgruppe
aufgenommen hat, wird sie selbst von Proteasen abgebaut. Deswegen hat sie den Namen
„Selbstmordenzym“ bekommen.
55 Photolyasen behandeln UV-Schäden. Bei E. coli kommt die Desoxyribopyrimidin-
Photolyase vor, kurz DNA-Photolyase. Sie trennt Cyclobutyldimere. Licht mit einer
Wellenlänge zwischen 300 und 500 nm aktiviert die Photolyase. Man spricht daher von
Photoaktivierung, die DNA wird photoreaktiviert. Die Lyase kommt bei vielen Bakterien
und bei wenigen Eukaryoten vor. Die (6-4)-Photoprodukt-Photolyase einiger Arten (nicht
bei E.coli) repariert die (6-4)- Photoprodukt-Schäden.

11.6.2 Basenexzisionsreparatur

Die Basenexzisionsreparatur (BER) ist bedeutsamer als die direkte Reparatur. Sie behebt oxida-
tive Schäden, Alkylierungen und desaminierte Basen.
Beim Menschen sind an dem Mechanismus die Gene für 40 Elemente beteiligt. Verwandte
Gene findet man bei Bakterien und Archaeen.
Der Mechanismus variiert im Detail, folgt aber im Wesentlichen immer dem gleichen Verlauf:
1. Entfernen der geschädigten Base. Es entsteht eine AP-Stelle.
44Bifunktionale Glykosylasen trennen die Base ab und spalten den Einzelstrang.
44Monofunktionale Glykosylasen trennen nur die Base ab. Sie benötigen anschließend
AP-Endonucleasen, die eine Einzelnucleotidlücke herstellen.
2. Spaltung der Phosphodiesterbindung und eventuell Entfernen des Zuckers. Einige
Nucleasen schneiden auch den Zucker heraus, andere nicht. An diese schließt sich dann
eine Phosphodiesterase an.
3. Wiederauffüllen der Lücke. Polymerasen schließen die Lücke. Die Ligase versiegelt den
Einzelstrang wieder.

Beteiligt sind außerdem noch einige Proteine, die beispielsweise andere Proteine an die Scha-
densstelle heranführen oder die Hauptenzyme in ihrer Arbeit unterstützen.

11.6.3 Nucleotidexzisionsreparatur

Die Nucleotidexzisionsreparatur (NER) ist wohl der bedeutendste DNA-Reparaturmechanismus.


55 Sie erkennt und behebt größere und schwierigere DNA-Schäden wie beispielsweise
Quervernetzungen und Störungen der Helixstruktur.
210 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

55 Der Mechanismus ist weniger spezifisch.


55 Er ist ubiquitär verbreitet.

Auch bei der NER entsteht durch Herausschneiden entweder eine kürzere (short patch) oder
längere (long patch) Lücke in einem Strang, welche die Enzyme Polymerase und Ligase wieder
auffüllen und schließen.
Dieser Mechanismus findet sich bei Prokaryoten und Eukaryoten. Er läuft in den zwei Zell-
typen aber unterschiedlich mit verschiedenen Enzymen ab.
Short-patch-Reparatur bei E. coli
Bei E. coli erledigt der UvrABC-Enzymkomplex die wesentlichen Schritte:
1. Ein Kopplungsfaktor, der TRCF (transcription repair coupling factor), auch als Mfd-
Protein (mutation frequency declining) bekannt, leitet die Antwort an einem transkri-
bierten Strang ein. Er bindet sich an die Polymerase, die sich dann von der DNA löst und
den Weg frei macht für den Uvr-Komplex.
2. Der Uvr-Komplex erkennt, dass eine DNA-Helix verformt ist. Die DNA braucht dabei
keine Transkription durchzuführen.
3. Ein UvrAB-Trimer mit zwei UvrA-Proteinen und einem UvrB-Protein erkennt die
Schadensstelle und als Erstes und bindet sich an sie.
4. Die zwei UvrA-Moleküle trennen sich vom UvrB, sodass sich UvrC anlagern
kann.
5. Der UvrBC-Komplex fügt Schnitte in den DNA-Einzelstrang ein, die rund zwölf Nucleotide
um die Schadensstelle herum erfassen.
6. Eine Helikase (UvrD) trennt das short patch genannte DNA-Stückchen heraus. UvrB sichert
die Lücke.
7. UvrB führt die DNA-Polymerase I und die Ligase heran. Die Lücke wird wieder
11 aufgefüllt.

Die Long-patch-Reparatur von E. coli erzeugt eine Lücke von bis zu 2 kb. Uvr-Proteine sind auch
an dem long patch beteiligt.

z Nucleotidexzisionsreparatur bei Eukaryoten


Bei Eukaryoten unterscheidet man zwei Wege:
55 Die globale genomische Reparatur (GGR) findet an DNA im Ruhezustand statt.
55 Die transkriptionsgekoppelte Reparatur (TCR) wird eingeschaltet, wenn ein Schaden
das Vorankommen der RNA-Polymerase blockiert und die Transkription zu stoppen
droht.

Beim Menschen werden über diesen Weg die UV-Schäden auch im Dunkeln repariert, es also ist
keine Photoaktivierung notwendig.

z Das Prinzip der globalen genomischen Reparatur beim Menschen


An dem Prozess sind beim Menschen wohl mehr als 30 Proteine beteiligt. Sie sind nicht verwandt
mit den Uvr-Proteinen von E. coli.
Der Ablauf folgt dem Schema
1. Erkennen der Schadstelle,
2. Herausschneiden eines Einzelstrangabschnitts und
3. Wiederauffüllen der Lücke und Ligieren der Strangstücke.
11.6 · Reparatur von DNA-Schäden
211 11
Mehrere autosomal-rezessive Erkrankungen gehen auf Mutationen in den beteiligten Genen
zurück:
55 Xeroderma pigmentosum mit mehreren Subtypen. Sie sind den Genen XPA bis XPG
zugeordnet. Die XPB- und XPD-Proteine sind z. B. Helikasen des basalen Transkriptions-
faktors TFIIH.
55 Patienten mit Cockayne-Syndrom (CS) haben Mutationen in zwei Genen für die TCR-­
spezifischen Reparaturproteine CSA und CSB. Die Betroffenen sind körperlich und mental
retardiert.
55 Trichothiodystrophie (TTD) ist ein Krankheitsbild mit brüchigen, schwefelarmen Haaren
aufgrund von Mutationen in XPB, XPD oder in dem TTDA-Gen. Auch das TTDA-Protein
ist Bestandteil des Transkriptionsfaktors TFIIH.

z Das Prinzip der transkriptionsgekoppelten Reparatur beim Menschen


Die TCR kann man für den Menschen grob charakterisieren als schnellere GGR mit einleitenden
Faktoren. Dass die Reparatur an die Transkription gekoppelt sein kann, sieht man daran, dass
Proteine für die Reparatur die Untereinheiten des Transkriptionsfaktors TFIIH bilden.
Die Ausgangssituation bildet eine RNA-Polymerase II, die wegen eines DNA-Schadens vor
ihr stecken geblieben ist. Beim Menschen werden die Faktoren CSA und CSB aktiv und entfer-
nen die Polymerase. Weitere Faktoren stabilisieren und markieren die Stelle, und die eigentliche
Reparatur beginnt. Ihr Ablauf ist weitgehend mit dem Prozess der GGR identisch.

11.6.4 Mismatch-Reparatur (Fehlpaarungsreparatur)

Die Mismatch-Reparatur oder Fehlpaarungsreparatur unterscheidet sich von den anderen


Mechanismen in zwei Punkten:
55 Sie repariert keine Basen, die durch chemische oder physikalische Mutagene verursacht
wurden, sondern Fehlpaarungen nach der proof-reading-Kontrolle der DNA-Polymerase
bei der Replikation.
55 Beide DNA-Stränge sind aus regulären Bausteinen mit intakten Basen aufgebaut. Damit
ist für die Zelle nicht sofort erkennbar, in welchem Strang der Schaden steckt. Zur Unter-
scheidung vergleicht die Zelle den Methylierungsgrad der Stränge. Während der Tochter-
strang noch nicht durchgehend methyliert ist, trägt der alte Strang schon die methylierten
Basen.

Die beteiligten Proteine bei E. coli und ihre Funktionen:


55 MutH erkennt den Methylierungsgrad und schneidet die DNA.
55 MutS erkennt die Fehlpaarungsstelle.
55 MutH und MutS werden von einem dritten Faktor, MutL, unterstützt.

„Mut“ leitet sich ab von Mutator, weil Mutationen in diesen Genen die Fehlerquote deutlich
erhöhen.
Im Ablauf sind die Mut-Proteine für die Erkennung des auszutauschenden Strangs
verantwortlich:
1. MutS und MutL binden sich an die DNA.
2. Sie aktivieren MutH mit seiner Nucleaseaktivität.
3. MutH schneidet die DNA.
212 Kapitel 11 · Mutationen und DNA-Reparatur

4. Eine Helikase trennt die Wasserstoffbrückenbindungen.


5. Die Polymerase II und die Ligase bauen den fehlerhaften Strang neu auf und verbinden die
DNA-Fäden miteinander.

Das System ist von E. coli über die Hefe bis zum Menschen konserviert. Die Abfolge beim Men-
schen ist ähnlich, und die Proteine sind verwandt. Beispielsweise ist das menschliche MSH
homolog zu MutS. Allerdings sind beim Menschen mehr Proteine in den Reparaturprozess invol-
viert: An der Erkennung der Fehlpaarungsstelle sind mehrere Proteine beteiligt: MSH2 und 6,
MLH1 und 3, PMS1 und 2. Mutationen in den Reparaturgenen sind mit einigen Krebsformen
assoziiert. Mutationen in den Genen für MSH2, MLH1, MSH6, PMS2 verursachen das heredi-
täre non-polypöse Coloncarcinom (HNPCC).

11.6.5 Reparatur von DNA-Brüchen

Vor allem ionisierende Strahlen, Röntgenstrahlen und Chemikalien erzeugen DNA-Brüche.

z Einzelstrangbrüche
Einzelstrangbrüche sind relativ harmlos. Nach Einzelstrangbrüchen kann die Ligase jedoch nicht
sofort das Problem beheben, weil ihr nicht die notwendigen 3′OH- oder 5′-Phosphatgruppen zur
Verfügung stehen. Die Zelle muss die passenden Enden erst erzeugen. Unter Umständen schnei-
det sie dazu weitere Nucleotide heraus. An der eigentlichen Reparatur sind einige Enzyme der
Basenexzisionsreparatur beteiligt. Der Prozess läuft analog dazu ab.

z Doppelstrangbrüche
11 Viel gravierender sind Doppelstrangbrüche. Ist keine Reparatur möglich, leitet die Zelle die
­ poptose ein.
A
Man unterscheidet zwei Fälle:
55 die Reparatur durch homologe Rekombination,
55 die nichthomologe Verknüpfung von Enden.

Bei der Reparatur durch homologe Rekombination liegt mindestens eine zweite Kopie der DNA
vor. Diese muss natürlich intakt sein. Die Zelle repariert den Doppelstrangbruch, indem sie einen
Einzelstrang an das homologe Chromosom anlagert und die homologe Rekombination ausführt.
Diese Reparatur geschieht fehlerfrei.
Bei der nichthomologen Verknüpfung von Enden (nonhomologous end-joining, NHEJ) fehlt
das „Reserve“-Chromosom, das als Vorlage dient, um die Enden richtig zusammenzufügen. Die
Reparatur folgt daher einem anderen Mechanismus:
1. Bei Säugetieren fixieren die Heterodimer-Proteinkomplexe Ku70 und Ku80 die
Enden. Nucleasen des MNR-Komplexes (Mre11-Rad50-Nbs1) bereiten die Enden zur
Verknüpfung vor.
2. Im Verbund mit der DNA-abhängigen Proteinkinase verbindet die Ligase IV zusammen
mit dem Komplex XRCC4 die Enden.

Bei der Aufbereitung der Enden entstehen Mutationen wie kleine Deletionen oder Insertionen.
Die Zelle nimmt diese jedoch als geringeres Übel in Kauf, um zu überleben.
Die Immunzellen des Menschen nutzen die Mutationen des NHEJ aus. Sie erzeugen unter
anderem darüber die hohe Vielfalt an Antikörpern.
11.6 · Reparatur von DNA-Schäden
213 11
Ist der Reparaturmechanismus selbst durch Mutationen beeinträchtigt, so sind die Betrof-
fenen aufgrund immunologischer Probleme oft anfällig für Infekte oder tragen bei Mutationen
in XRCC4 ein höheres Krebsrisiko.
Dass die NHEJ-Reparatur auch während der Entwicklung der Nervenzellen und des Gehirns
wichtig ist, sieht man an der Mikrocephalie vieler Betroffenen mit Mutationen. Sie haben einen
kleineren Kopf und sind oft mental retardiert.

11.6.6 SOS-Mechanismus

Auch der SOS-Mechanismus nimmt Mutationen in Kauf. Die Zelle behebt damit Schäden, die
die Replikation verhindern. Man hat die SOS-Antwort bei Prokaryoten wie E. coli gefunden.
Zentrale Proteine sind hier das Rekombinationsprotein RecA und der Repressor LexA. Im
Gegensatz zu den anderen Reparaturproteinen wird LexA nicht direkt am Ort des Schadens aktiv,
sondern reguliert die Genexpression.
Der Ablauf erfolgt schrittweise:
1. Unter normalen Umständen bindet sich LexA als Repressor vor die Gene der SOS-Box
oder LexA-Box und verhindert deren Transkription.
2. Liegt bei einem ernsthaften Schaden ein Teil der DNA als Einzelstrang vor, bindet sich das
Protein RecA an einen solchen Einzelstrangabschnitt. Es spaltet einige Proteine, darunter
LexA.
3. Das gespaltene LexA kann sich nicht mehr an die Box binden und gibt die Gene zur
Transkription frei.

LexA reguliert mehrere wichtige Gene:


55 das recA-Gen selbst,
55 Gene, welche die Zellteilung stoppen,
55 uvrAB, die beteiligt sind an der NER sowie
55 die Gene dinB und umuDC für die Polymerasen IV und V. Diese Polymerasen haben keine
Korrekturaktivität. Sie füllen Lücken mit falschen Nucleotiden auf und erzeugen dadurch
Mutationen.

11.6.7 Brustkrebs und DNA-Reparatur

Die Integrität der DNA ist unerlässlich für die Funktion einer Zelle. Deswegen kontrolliert eine
Zelle an mehreren Checkpoints, ob ein Vorgang korrekt abgeschlossen ist, bevor sie in das nächste
Stadium eintritt.
Beim Menschen zeigen beispielsweise die Gene für die Reparaturproteine BRCA1 und 2
(Breast Cancer) die Verknüpfung zwischen DNA-Reparatur und Zellzykluskontrolle.
Erbliche Fälle von Brustkrebs gehen zurück auf Mutationen in den Genen BRCA1 oder BRCA2.
Diese vermitteln im Zusammenspiel mit weiteren Proteinen zwischen DNA-Schäden, der Repa-
ratur und dem Zellzyklus. BRCA1 und 2 gelten als Tumorsuppressorgene (s. 7 Abschn. 12.3.4).
Mutationen in den Genen sind auch mit anderen Krebsformen assoziiert. Auch Mutationen in
RAD51C führen zu Brustkrebs.
215 12

Humangenetik
12.1 Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale – 216
12.1.1 Kennzeichen mendelnder Erbgänge – 216
12.1.2 Kennzeichen mitochondrialer Erbgänge – 221
12.1.3 Schwierigkeiten bei der Interpretation von
Stammbäumen – 222
12.1.4 Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Genen – 224

12.2 Untersuchungsmethoden in der


Humangenetik – 226
12.2.1 Pränataldiagnostik – 227
12.2.2 Genetischer Fingerabdruck – 227
12.2.3 Kartierung von Krankheitsgenen – 228
12.2.4 Assoziationsstudien – 230
12.2.5 Nachweis von Mutationen – 230

12.3 Komplexe Erkrankungen – 231


12.3.1 Diabetes mellitus – 232
12.3.2 Allgemeines zu Krebs und Tumorgenetik – 234
12.3.3 Tumorsuppressorgene – 235
12.3.4 Onkogene – 237
12.3.5 Mutatorgene – 239

12.4 Behandlung erblich bedingter Krankheiten – 239

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_12
216 Kapitel 12 · Humangenetik

z Worum geht es?


Die Humangenetik untersucht menschliche Erbkrankheiten. Mendelnde Merkmale kann man
anhand von Stammbäumen analysieren. Verschiedene Phänomene wie die unvollständige Pene-
tranz des Merkmals erschweren solche Analysen. Die Pränataldiagnostik und Assoziationsstu-
dien sind Beispiele für wichtige Untersuchungsmethoden. Multifaktorielle Erkrankungen wie
Diabetes und Krebs sind sehr komplex. Innerhalb der Tumorgenetik unterscheidet man Tumor-
suppressorgene und Onkogene. Für die Behandlung erblich bedingter Krankheiten sind neue
Methoden vielversprechend.

12.1 Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale

Beim Menschen macht man sich die Mendel'schen Regeln zunutze, um den Vererbungsmodus
einer Krankheit zu bestimmen. Dabei wird die diagnostizierte Krankheit als Merkmal betrachtet.
Es gibt fünf Grundmuster (s. 7 Abschn. 12.1.1), wie ein solches Merkmal weitergegeben wird.
Diese unterscheiden sich in zwei Hinsichten:
55 Das Gen kann auf einem Autosom oder einem Gonosom und hier auf dem X-
Chromosom oder dem Y-Chromosom liegen.
55 Das Merkmal kann dominant oder rezessiv weitergegeben werden.

Die Analyse erfolgt anhand des Familienstammbaums. Im einfachsten Fall führt eine Mutation
in einem Gen immer zu demselben klar umrissenen Krankheitsbild. . Abbildung 12.1 zeigt die
standardisierten Symbole, die für Stammbäume verwendet werden.
Kennt man den Erbgang einer mendelnden Erbkrankheit, so kann man das Risiko angeben,
mit dem ein Kind betroffen sein wird. Das ist ein Kernpunkt in der humangenetischen Beratung.
Die Standarddatenbank für mendelnde Merkmale mit den Genen und den zugehörigen
Mutationen beim Menschen trägt die Bezeichnung Online Mendelian Inheritance in Men (OMIM).
12
12.1.1 Kennzeichen mendelnder Erbgänge

Merkmale, die auf Chromosomen des Zellkerns lokalisisert sind, folgen einem der fünf grund-
legenden Erbgänge:
55 autosomal-dominant,
55 autosomal-rezessiv,
55 X-gekoppelt rezessiv,
55 X-gekoppelt dominant oder
55 Y-gekoppelt.

Stoffwechselerkrankungen sind meistens rezessiv, da das noch intakte Gen den Ausfall des feh-
lerhaften Gens kompensieren kann, indem es beispielsweise aktiver ist und mehr Protein bildet.
Bei einer Haploinsuffizienz gelingt dieser Ausgleich nicht. Beispielsweise reicht die Menge
des produzierten Proteins nicht aus, wenn nur ein Gen aktiv ist. In diesen Fällen ist das Merkmal
dominant.
Die Angaben zur Häufigkeit schwanken in der Literatur oft um rund 10 %. Man unterschei-
det zwischen zwei Kennzahlen:
12.1 · Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale
217 12

oder Männliches Individuum


oder Weibliches Idividuum
oder Individuum unbekannten oder
nicht angegebenen Geschlechts
2 2 männliche Individuen, ohne Berück-
sichtigung der Stellung in der
Geschwisterreihe
3 3 Individuen, Geschlecht unbekannt
oder nicht spezifiziert
Proband

oder Ehe oder Partnerschaft


Verwandtenehe

Geschwister

Zwillinge

Eineiige Zwillinge (EZ)

Zweieiige Zwillinge (ZZ)


ZZ

Abort

Totgeburt
Schwangerschaft zur Zeit der
Untersuchung
Keine Nachkommen

»Single«, nicht verheiratet

Merkmalträger, u.U. auch Homozygoter


oder Heterozygoter
Verlässlich als Merkmalträger
bezeichnet (Anamnese etc.)
Fraglich als Merkmalträger bezeichnet
3 Verstorben
oder Kennzeichen für untersuchte Personen
o.ä. Angaben evtl. mehrerer Merkmale
100 u.U. Zahlenwerte für biochemische und
50 und andere Merkmale
+65 Sterbealter
12 J.
Alter bei Untersuchung
Hans
1912 Name, Geburtsjahr

. Abb. 12.1  Symbole in Stammbäumen (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)


218 Kapitel 12 · Humangenetik

. Abb. 12.2  Autosomal-dominanter


Erbgang mit Genotypen (nach Buselmaier
und Tariverdian 2007)

55 Die Inzidenz oder Inzidenzrate gibt an, wie viele Neuerkrankungen es in einer Gruppe
von einer bestimmten Größe in einem vorgegebenen Zeitraum gibt. Sie wird beispielsweise
als „Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr und 100.000 Einwohner“ aufgeführt.
55 Die Prävalenz umfasst alle Erkrankten in einer Gruppe von bestimmter Größe,
unabhängig vom Zeitpunkt der Erkrankung. Sie wird beispielsweise als „Zahl der
Erkrankten pro 100.000 Einwohner“ angegeben.

z Autosomal-dominanter Erbgang
Die Charakteristika eines autosomal-dominanten Erbgangs (. Abb. 12.2) sind:
55 Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen und können das verursachende Allel
weitergeben.
55 Eine erkrankte Person hat mindestens einen erkrankten Elternteil, und die Erkrankung
tritt in jeder Generation auf. Eine Ausnahme stellt die Neumutation dar, wenn die
12 Mutation das erste Mal auftritt.
55 Es reicht eine Kopie des Allels, um die Krankheit auszulösen.
55 Dieses Allel kann vom Vater oder von der Mutter weitergegeben werden.
55 Ist die Zelle für das Allel homozygot, prägt sich das Merkmal oft drastischer aus oder führt
sogar zum Tod.
55 Ist nur ein Elternteil betroffen und heterozygot, beträgt das Erkrankungsrisiko für ein
Kind 50 %.

Beispiel:
Achondroplasie. Mutationen im Fibroblastenwachstumsfaktor-Rezeptor-3-Gen (FGFR3-
Gen) auf Chromosom 4 verursachen Minderwuchs mit kurzen Extremitäten (dysproportionier-
ter Minderwuchs), übergroßen Schädel (Makrocephalus) und Fehlbildungen (Dysmorphien) des
Gesichts. Die Inzidenz in Deutschland wird meist mit 1:20.000 pro Jahr angegeben, die Werte in
verschiedenen Industrienationen reichen von rund 1:10.000 bis rund 1:30.000. 90 % aller Fälle
treten durch eine Neumutation auf.

z Autosomal-rezessiver Erbgang
Die Charakteristika eines autosomal-rezessiven Erbgangs (. Abb. 12.3) sind:
55 Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen und können das verursachende Allel
weitergeben.
12.1 · Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale
219 12
. Abb. 12.3  Autosomal-rezessiver
Erbgang mit möglichen Genotypen (nach
Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Das Merkmal prägt sich nur aus, wenn das mutierte Allel homozygot vorliegt.
55 Die Betroffenen haben phänotypisch gesunde Eltern. Diese sind aber jeweils Überträger
oder Konduktoren.
55 In blutsverwandten Ehen tritt die Krankheit häufiger auf.
55 Sind beide Eltern Überträger, beträgt das Erkrankungsrisiko für ein Kind 25 %.

Beispiele:
55 Albinismus Typ OCA 1–4. Mutationen lösen eine gestörte Synthese von Melanin aus.
Bei Typ 1 ist beispielsweise das Enzym Tyrosinase fehlerhaft, oder es fehlt gänzlich. Die
Betroffenen zeigen hellere Haut-, Haar- und Augenfarben, worunter auch blonde Haare
und blaue Augen fallen. Sind vor allem die Augen betroffen, liegt der X-chromosomal
vererbte Typ OA vor. Die Häufigkeit liegt weltweit bei etwa 1:20.000, in Afrika ist sie höher.
55 Phenylketonurie. Aufgrund von Mutationen vor allem im Phenylalanin-Hydroxylase-Gen
(PAH-Gen) erfolgt kein Abbau von Phenylalanin zu Tyrosin. Daher häuft sich Phenyl-
alanin an, was eine mentale Retardierung hervorruft. Die Inzidenz liegt in Deutschland bei
etwa 1:8000 pro Jahr.
55 Mukoviszidose oder Cystische Fibrose. Mutationen im CFTR-Gen auf Chromosom 7
lassen keinen funktionsfähigen Chloridionenkanal entstehen und bedingen zähflüs-
sigen Schleim verschiedener Drüsen. Die Indizidenz liegt bei etwa 1:2000 pro Jahr in
Deutschland.

Bei einer Compound-Heterozygotie trägt jedes der beiden Allele eine andere Mutation. Dieser
Fall tritt beispielsweise auf bei:
55 Patienten mit Mukoviszidose.
55 Patienten mit Phenylketonurie.
55 Patienten mit dem Androgenitalen Syndrom (AGS). In den Allelen für das Enzym
C21-Hydroxylase können verschiedene Mutationen wie Deletionen, Punktmutationen
oder Genkonversion auftreten. Der Ausfall des Enzyms führt zu einem Mangel an Cortisol,
der letztlich eine verstärkte Synthese androgener Hormone auslöst. In Deutschland beträgt
der Anteil an compound-heterozygoten Patienten mit AGS etwa 90 %.

z X-gekoppelter rezessiver Erbgang


Die Charakteristika des X-gekoppelten rezessiven Erbgangs (. Abb. 12.4) sind:
220 Kapitel 12 · Humangenetik

XY XX

XX XY XX

XY XX

XY XX XY XX
XX XY

XY XY XX XX XY XY XX XX

. Abb. 12.4  X-gekoppelt-rezessiver Erbgang mit möglichen Genotypen (nach Buselmaier und Tariverdian
2007)

55 Betroffen sind fast nur Männer.


55 Sie haben in der Regel phänotypisch gesunde Eltern, aber die Mutter ist Konduktorin.
55 Ist der Vater ebenfalls erkrankt und die Mutter ist Konduktorin, entsteht der falsche
Eindruck, dass die Krankheit vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde.
55 Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Frauen erkranken können:
44Der Vater ist erkrankt und die Mutter ist Konduktorin.
44Es liegt das Ullrich-Turner-Syndrom mit dem Karyotyp 45,X0 vor.
12 44Das X-Chromosom mit dem nicht geschädigtem Allel ist inaktiviert.

Beispiele:
55 Muskeldystrophie Duchenne: Die Mutationen bedingen in den meisten Fällen eine Lese­
rasterverschiebung. In der Folge bildet die Muskelzelle kein Strukturprotein Dystrophin.
Die Inzidenz in der männlichen Bevölkerung wird mit 1:3500 bis 1:4500 in verschiedenen
Industrienationen angegeben,
55 Hämophilien: Mutationen in Genen für Gerinnungsfaktoren verhindern die
Blutgerinnung:
44Bei Hämophilie A treten die Mutationen im Faktor-VIII-Gen auf. Die Inzidenz-Werte
in westlichen Populationen liegen zwischen 1:5000 bis 1:10.000 pro Jahr (für den
männlichen Anteil).
44Bei Hämophilie B sind die Mutationen im Faktor-IX-Gen, dem Christmas-Faktor,
lokalisiert. Die Inzidenz-Werte liegen für westliche Populationen bei rund 1:30.000 pro
Jahr (für den männlichen Anteil).

z X-gekoppelter dominanter Erbgang


Die Charakteristika eines X-gekoppelten dominanten Erbgangs (. Abb. 12.5) sind:
55 Betroffen sind beide Geschlechter, Frauen allerdings häufiger.
12.1 · Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale
221 12

. Abb. 12.5  X-gekoppelter-dominanter Erbgang mit möglichen Genotypen (nach Buselmaier und Tariverdian
2007)

55 Die Auswirkungen sind aber oft bei Männern größer. Nicht selten ist die Erkrankung letal.
55 Ein erkrankter Vater und eine gesunde Mutter bekommen betroffene Töchter, aber
gesunde Söhne.
55 Eine erkrankte Mutter bekommt mit einem Risiko von 50 % ein betroffenes Kind,
unabhängig vom Geschlecht.

Beispiel:
Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1 (OFD1), auch bekannt als Papillon-Léage-­Psaume-
Syndrom . Symptome sind Fehlbildungen an den Fingern, Zahnfehlstellungen und eine
Gaumenspalte.

z Y-gekoppelter Erbgang
Vom Y-gekoppelten Erbgang sind nur Männer betroffen. Ein erkrankter Vater zeugt erkrankte
Söhne.
Die Existenz dieses Erbgangs ist allerdings fraglich. Mit Sicherheit kennt man nur Defekte,
welche die Spermatogenese stören und dann völlige oder teilweise Unfruchtbarkeit verursachen.

12.1.2 Kennzeichen mitochondrialer Erbgänge

Die Charakteristika eines mitochondrialen Erbgangs sind:


55 Ursache sind Mutationen im Genom der Mitochondrien.
55 Die Weitergabe der Mitochondrien erfolgt maternal oder matrilinear über die Mutter an
die Nachkommen.
55 Der Erbgang gehorcht nicht den Mendel'schen Regeln.
55 Beide Geschlechter können von Erkrankungen durch Mutationen betroffen sein.
222 Kapitel 12 · Humangenetik

. Abb. 12.6  Mitochondriale Vererbung


mit Heteroplasmie (nach Buselmaier und Mitochondrien
Tariverdian 2007)
Mutation

Zellteilung

Zellteilung

Beispiel:
Leber'sche hereditäre Opticusneuropathie oder -atrophie (LHON). Die häufigste Mutation an
Position 11778 der mtDNA betrifft dann ein Protein des NADH-Dehydrogenasekomplexes der
Atmungskette (ND4). Sie führt zu einer verminderten ATP-Synthese. Der Energiemangel lässt
Ganglienzellen der Sehnerven absterben. Die Betroffenen erblinden etwa ab dem 15. Lebens-
jahr. Die Häufigkeit wird angegeben mit 1:50.000 bis 1:100.000.
Oft sind nicht alle Mitochondrien einer Zelle von der Mutation betroffen (. Abb. 12.6). Man
unterscheidet zwei Varianten:
55 Bei einer Heteroplasmie tragen einige Mitochondrien in der Zelle die Mutation, andere
Zellen nicht. Dafür gibt es zwei mögliche Gründe:
44In einem der Mitochondrien ist eine Neumutation entstanden.
12 44Bei der Zellteilung wurden die Mitochondrien mit und ohne Mutation ungleich auf die
Tochterzellen verteilt.
55 Bei einer Homoplasmie ist die Ausstattung der Mitochondrien einheitlich mit oder ohne
Mutation.

Durch eine „unglückliche“ Verteilung der betroffenen Mitochondrien in die Oocyten können
die Nachkommen deutlich stärker von der Krankheit betroffen sein als die Mutter. Mitochond-
riale Erbgänge zeigen dann eine unvollständige Penetranz.

12.1.3 Schwierigkeiten bei der Interpretation von Stammbäumen

Mehrere Faktoren erschweren das Ableiten eines Erbgangs aus einem Stammbaum:
55 Viele Familien sind zu klein, um ausreichend Zahlenmaterial zu liefern.
55 Die Expressivität und Penetranz eines Merkmals liegt nicht immer bei 100 %, sondern variiert.
55 Mehrere Faktoren tragen zu einem Merkmal bei.
55 Neumutationen täuschen eigentlich gesunde Eltern als Überträger vor.
55 Keimzellenmosaike ergeben unterschiedlich ausgestattete Keimzellen vom selben Elter.
12.1 · Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale
223 12
55 Chimären mischen Zellen mit unterschiedlichen Allelkompositionen.
55 Imprinting führt zu ungleicher Behandlung mütterlicher und väterlicher Gene.

Unter den Sammelbegriff „Faktor“ fallen alle Parameter, die auf ein Merkmal einwirken:
55 Gene,
55 Umwelteinflüsse,
55 epigenetische Markierungen,
55 Einfluss der Mutter während der Embryonalentwicklung,
weitere Einflüsse.

z Expressivität und Penetranz


Für dominant vererbte Krankheiten gibt man einen Grad der Penetranz an. Die Penetranz zeigt
an, wie vollständig sich ein Allel bei einem dominanten Erbgang ausprägt:
55 Eine Penetranz von 100 % bedeutet, dass sich das Merkmal immer zeigt. Beispielsweise hat
das Retinoblastom eine hohe Penetranz.
55 Bei unvollständiger Penetranz prägt sich das Krankheitsbild nicht in jedem Allelträger
aus. Die Ursache sind andere Gene oder Umweltfaktoren.

Multifaktorielle Merkmale werden nicht von einem einzelnen Gen, sondern von mehrere Fakto-
ren bestimmt. Dabei kann man keine klare Trennung ziehen zwischen unvollständig penetrant
mendelnden und multifaktoriellen Merkmalen.
Durch variable Expression zeigt sich bei verschiedenen Familienmitgliedern ein unterschied-
lich schweres Krankheitsbild. Wie bei der unvollständigen Penetranz sind andere Gene oder
Umweltfaktoren die Ursache dafür.
Beispiel:
Patienten mit dem Tumor Neurofibromatose Typ 1 können „nur“ einige Café-au-lait-Fle-
cken aufweisen, es kann aber auch der Körper von Neurofibromen bedeckt sei, und der Patient
zeigt Lerndefizite. Da das Merkmal etwa 100 % Penetranz aufweist, ist es aber immer im Phä-
notyp ausgeprägt.
Ein Sonderfall ist die Antizipation: Die Krankheit tritt bei den Kindern früher oder stärker
ausgeprägt auf als bei den Eltern.

z Neumutationen, Mosaike und Chimären


Neumutationen ereignen sich bei der Gametenbildung eines Elternteils während der meioti-
schen Teilung. Sie erschweren die Erkennung autosomal-dominanter Erbgänge, weil die Eltern
gesund sind und irrigerweise als Überträger erscheinen.

Beispiel:
Mehr als 90 % der Fälle von Achondroplasie gehen auf eine Neumutation zurück. Die Muta-
tionsrate nimmt hier mit dem Alter des Vaters zu.
Sind bei einem autosomal-dominanten Erbgang mehrere Geschwister betroffen, die Eltern
aber gesund, so sind mehrere Neumutationen unwahrscheinlich. Stattdessen ist es während einer
mitotischen Teilung in den Vorläuferzellen der Gameten zu einer Mutation gekommen. Sie führt
zu einem Keimzellmosaik, in dem einige Keimzellen die Mutation tragen, andere Keimzellen
sind mutationsfrei.
224 Kapitel 12 · Humangenetik

Beispiel:
Viele sporadische Fälle der „Glasknochenkrankheit“ Osteogenesis imperfecta gehen auf ein
Keimzellmosaik zurück. Das Risiko für ein weiteres betroffenes Kind beträgt etwa 6 %.
Chimären entstehen aus zwei verschiedene Zygoten, die miteinander fusionieren, einen Zell-
verband bilden und sich zu einem Organismus entwickeln. Patienten nach einer Knochenmarks-
transplantation sind Chimären hinsichtlich der Blutzellen.

z Imprinting
Imprinting ist eine epigenetische Markierung, welche die Herkunft eines Gens von der Mutter
oder vom Vater anzeigt und seine Expression beeinflusst.
Beispiele: Das Prader-Willi-Syndrom und das Angelman-Syndrom resultieren aus Schäden
im gleichen Abschnitt von Chromosom 15 (15q11.2–q12).
55 Prader-Willi-Syndrom. 70 % der Patienten fehlt durch eine Mikrodeletion der Abschnitt
auf dem väterlichen Chromosom. 30 % besitzen beide homologen Sequenzen, aber beide
sind mütterlichen Ursprungs, was als uniparentale Disomie bezeichnet wird (. Abb. 12.7).
Rund 1 % der Patienten zeigt einen Imprinting-Defekt. Sie sind körperlich und geistig
auffällig, besonders gilt das für ihr unstillbares Hungergefühl.
55 Angelman-Syndrom. 70 % der Patienten fehlt der Abschnitt auf dem mütterlichen
Chromosom, 5 % zeigen eine väterliche uniparentale Disomie (. Abb. 12.7). 1 % der
Patienten hat einen Imprinting-Defekt. Knapp 25 % der Patienten tragen Mutationen
in einem weiteren Gen (UBE3A-Gen). Das klinische Bild umfasst ebenfalls körperliche
und geistige Auffälligkeiten. Wegen des charakteristischen Gangs und des unmotivierten
Lachens heißt die Krankheit auch Happy-Puppet-Syndrom.

Hier sieht man deutlich:


55 Die unterschiedlichen Krankheitsbilder prägen sich aus, je nachdem, ob väterliche oder
mütterliche Sequenzen fehlen.
12 55 Ein Krankheitsbild prägt sich aus, obwohl zwei intakte Sequenzen des Gens vorliegen.

12.1.4 Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Genen

Die Stammbaumanalyse gibt Hinweise auf den Vererbungsmodus eines Merkmals. Allerdings lässt
sich das Merkmal dadurch nicht auf ein Gen oder Allel zurückführen. Dafür gibt es mehrere Gründe:
55 Mehrere Gene oder Faktoren wirken zusammen an dem Phänotypen mit, er ist also
polygen und/oder multifaktoriell. Man spricht jedoch eher von multifaktoriellen oder auch
komplexen Merkmalen oder Erkrankungen.
55 Beispiele für qualitative multifaktorielle Merkmale:
44Lippen-Kiefer-Gaumenspalten,
44Fehlbildungen des Hüftgelenks,
44Fehlbildungen des Gesichts,
44Neuralrohrdefekte.
55 Wenn gonosomale Gene mitwirken und die Ausprägung beeinflussen, verschieben sie die
Verteilung innerhalb der Geschlechter.
Beispiele:
44Angeborene Verrenkung (Luxation) des Hüftgelenks männlich zu weiblich 1:6.
44Verengung des Magenpförtners (hypertrophische Pylorusstenose) männlich zu weiblich 5:1.
12.1 · Stammbaumanalysen mendelnder Merkmale
225 12
Keimzelle A Keimzelle B Keimzelle A Keimzelle B

Zygote Zygote

UPD
c

„trisomy rescue”

UPD
a

Keimzelle A Keimzelle B Keimzelle A Keimzelle B

Zygote Zygote

„monosomy rescue”
durch Duplikation

UPD
b
„monosomy rescue”

UPD
d

. Abb. 12.7  Entstehungswege einer uniparentalen Disomie (UPD): In (a) liegt zunächst eine Trisomie, in (b)
eine Monosomie vor, die zum Preis einer UPD korrigiert wird. Die Verschmelzung von disomer und nullisomer
Keimzelle (c) ist selten. Auch eine postzygotische Korrektur ist möglich (d) (nach Schaaf und Zschocke 2013)

Man nimmt an, dass sich die auslösenden Faktoren nicht mehr in einer Art Gleichgewicht befin-
den. Die bei jedem Menschen vorhandene Anfälligkeit hat bei den Betroffenen dann einen kri-
tischen Schwellenwert überschritten (. Abb. 12.8). Bei der Pylorusstenose liegt dieser Schwel-
lenwert für Jungen niedriger als für Mädchen.
Mit der geschlechtlich ungleichen Verteilung geht der Carter-Effekt einher: Wenn die Eltern
des seltener betroffenen Geschlechts erkranken, haben sie häufiger erkrankte Kinder.
Der Phänotyp kann auf Mutationen in verschiedenen Genen zurückgeführt werden, was
man genetische Heterogenität nennt (. Abb. 12.9).
226 Kapitel 12 · Humangenetik

. Abb. 12.8  Multifaktorielle Gesund Betroffen


Vererbung mit Schwellenwerteffekt
(a). Die Schwelle kann für die
Geschlechter unterschiedlich liegen
(b) (nach Buselmaier und Tariverdian
2007)

a Schwelle Prädisposition

b Schwellen - Prädisposition
wertbereich

12

. Abb. 12.9  Genetische Heterogenität bei homozygoten Eltern kann zu gesunden Nachkommen führen (nach
Buselmaier und Tariverdian 2007)

Beispiel: Eltern, die aufgrund verschiedener autosomal-rezessiver Mutationen gehörlos sind,


können Kinder bekommen, die für jedes Gen heterozygot sind und daher hören können. Die
Kinder sind jedoch zweifach Überträger.

12.2 Untersuchungsmethoden in der Humangenetik

Die Humangenetik nutzt allgemeine genetische Methoden und Verfahren der Pränataldiag-
nostik, um verschiedene Fragen von Patienten/Ratsuchenden zu beantworten:
55 Sind bei unklaren Familienverhältnissen Menschen miteinander verwandt? (Beispiel:
Vaterschaftstest)
12.2 · Untersuchungsmethoden in der Humangenetik
227 12
55 Trägt eine Person ein Allel, das eine Krankheit ausprägt? (Beispiel: Test auf Chorea Huntington)
55 Trägt eine Person ein Allel, das eine Unverträglichkeit für ein Medikament bedingt?
(Beispiel: Test auf Antigene humaner Leukocyten, HLA)
55 Liegt bei einem Embryo ein genetischer Defekt vor?
55 Liegt bei einem Neugeborenen ein Defekt vor, sodass u. U. frühzeitig eine Therapie
notwendig wird? (Beispiel: Untersuchung von Neugeborenen auf Phenylketonurie)

12.2.1 Pränataldiagnostik

Die Pränataldiagnostik ist eingebunden in eine humangenetische Beratung. Damit steht am


Anfang eine konkrete einzelne Frage oder eine konkrete Indikation für die Untersuchung wie
beispielsweise ein Verdacht auf eine Hämophilie.
Man unterscheidet die Verfahren nach invasiven und nichtinvasiven Methoden sowie nach
dem Zeitpunkt der Untersuchung:
55 Vor der Schwangerschaft untersucht man bei einer In-vitro-Fertilisation im Rahmen einer
Präimplantationsdiagnostik (PID) die Polkörper der Eizelle oder entnimmt der Blastocyste
im Wenigzellstadium eine Zelle.
55 Für die wichtigsten invasiven Methoden während der Schwangerschaft entnimmt man
dem Umfeld des Fötus eine Probe:
44Chorionzottenbiopsie (Chorionbiopsie): Ab der 10./11. Schwangerschaftswoche kann
man mit einer Nadel 10–15 mg Zottengewebe, das den Embryo umgibt, entnehmen
und daraus DNA isolieren. Für weitere Untersuchungen kultiviert man die Zellen
(. Abb. 12.10).
44Fruchtwasseruntersuchung (Amniocentese): In der 15./16. Schwangerschaftswoche
entnimmt man mit einer Nadel 10–20 ml Fruchtwasser mit darin schwimmenden
embryonalen Zellen. Das Fruchtwasser wird aufbereitet, die Zellen werden abzentri-
fugiert und in vitro kultiviert. Nach einigen Tagen untersucht man den Karyotyp und
kann verschiedene Analysen durchführen (. Abb. 12.11).
44Nabelschnurpunktion(Chordocentese): Etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche
entnimmt man 1–2 ml Nabelschnurblut, isoliert daraus die Lymphocyten und kultiviert
sie. Die Nabelschnurpunktion dient der Diagnose von Blut- und Infektionskrankheiten
sowie möglicher Stoffwechselstörungen.

12.2.2 Genetischer Fingerabdruck

Der genetischer Fingerabdruck erlaubt die Identifizierung eines Individuums, beispielsweise


bei der Verbrechensaufklärung oder als Vaterschaftstest. Eineiige Mehrlinge lassen sich mit
ihm nicht unterscheiden.
Der Test stützt sich auf Mikrosatelliten aus zwei bis vier Basen (s. 7 Abschn. 2.3.7). Das ent-
scheidende Kriterium ist die Häufigkeit der Wiederholungen des Motivs. Die Satelliten aus vier
Basen sind verlässlicher, weil ihre Replikation störungsfreier verläuft. Für eine größere Aussa-
gekraft untersucht man mehrere Mikrosatelliten. Bei acht Mikrosatelliten liegt die Wahrschein-
lichkeit, zwei gleiche Muster zu finden, bei 1:1 Bio.
Für die Analyse vervielfältigt man die DNA-Abschnitte mit den Mikrosatelliten mittels PCR
und trennt sie elektrophoretisch nach der Länge auf. Es ergeben sich Muster der amplifizierten
228 Kapitel 12 · Humangenetik

12 . Abb. 12.10  Ablauf der Chorionzottenbiopsie (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Fragmente, die sich wegen des sogenannten Fragmentlängenpolymorphismus zwischen ver-


schiedenen Personen unterscheiden. Ein Vergleich der Muster einer Probe und einer Referenz
zeigt an, ob beide vom gleichen Individuum stammen.

12.2.3 Kartierung von Krankheitsgenen

Kopplungsstudien führt man in Familien durch, um seltene, monogene Erkrankungen zu


kartieren. Ziel ist es, die relative Lage der betreffenden Genorte zueinander zu bestimmen.
Die reine Sequenz des menschlichen Genoms gibt noch keine Auskunft über die Lage von
Krankheitsgenen.

z Polymorphismen
Als Orientierungspunkte oder DNA-Marker dienen Polymorphismen genannte Sequenz-
variationen im Genom. Ihre Positionen auf den Chromosomen sind genau bekannt und
kartiert.
Man unterscheidet verschiedene Polymorphismen:
55 Mikrosatellitenpolymorphismen, beispielsweise CA-Repeats. Sie unterscheiden sich bei
Menschen in der Zahl ihrer Wiederholungen. Es steht ein Katalog über mehr als 20.000
12.2 · Untersuchungsmethoden in der Humangenetik
229 12

. Abb. 12.11  Ablauf der Amniocentese (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Sequenzen zur Verfügung. Mikrosatelliten untersucht man mittels PCR (Polymeraseket-


tenreaktion, polymerase chain reaction).
55 Einzelnucleotidpolymorphismen (oder single nucleotide polymorphisms, SNP, lies: „snip“).
Die Varianten unterscheiden sich in einem einzelnen Basenpaar an der jeweiligen Position.
Man kennt mittlerweile mehrere Millionen SNPs, die in einer Datenbank (dbSNP) abgelegt
sind. Ein Teil der SNPs liegt in codierenden Regionen. SNPs untersucht man in großem
Maßstab mittels DNA- Chips.
55 Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus, RFLP. Wenn ein SNP eine Schnittstelle
für ein Restriktionsenzym innerhalb eines Fragments erzeugt oder auslöscht, kann man
recht einfach die DNA mehrerer Personen vergleichen, indem man die Fragmente nach
Einwirken des Restriktionsenzyms untersucht.
55 Weitere Polymorphismen setzt man für genomische Untersuchungen ein (s. 7 Abschn. 15.3).

z Wahrscheinlichkeiten für eine Kopplung


Um Krankheitsgene mithilfe der DNA-Marker zu kartieren, gleicht man die Markergenotypen
mit den Familienstammbäumen ab. Man schaut dabei nach der gemeinsamen Vererbung oder
Cosegregation von Krankheitsbild und DNA-Marker. Die Cosegregation kann verschiedene
Gründe haben:
55 DNA-Marker und Krankheitsgen sind gekoppelt, weil beide natürlicherweise auf
demselben Chromosom liegen.
230 Kapitel 12 · Humangenetik

55 DNA-Marker und Krankheitsgen liegen durch Rekombination auf demselben


Chromosom.
55 DNA-Marker und Krankheitsgen sind auf verschiedenen Chromosomen lokalisiert und
wurden zufällig gemeinsam weitergegeben.

Aus den Vererbungswegen von DNA-Marker und Krankheitsgen im Familienstammbaum errech-


net ein Algorithmus den sogenannten Likelihood-Quotienten. Der Logarithmus dieses Werts
dient als Maß für die Kopplung und wird als LOD-Score oder LOD-Wert (von „log of the odds“)
bezeichnet. Ein LOD-Wert von 3 und mehr gilt als sichere Kopplung, bei einem Wert von −2
betrachtet man die Kopplung als ausgeschlossen.
Die Kopplungsanalyse von DNA-Markern und defekten Allelen ist eine indirekte Bestim-
mung und erlaubt nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose. Für eine verlässliche Diagnose ist eine
umfassende Familienuntersuchung notwendig.

12.2.4 Assoziationsstudien

Assoziationsstudien sind vereinfacht gesagt die „große Schwester“ der Kopplungsuntersuchun-


gen, aber sie unterscheiden sich von Kopplungsuntersuchungen in mehreren Punkten:
55 Nicht Familien, sondern Populationen werden gescreent, entweder Betroffene innerhalb
einer Population oder die gesamte Population.
55 Nicht seltene, monogene, sondern häufige, komplexe Erkrankungen werden untersucht,
z. B. „Volkskrankheiten“.
55 Dabei untersucht man nicht ihre Kopplung zu Genorten, sondern ihre Beziehung zu
Allelen.

z Vorgehen
12 Um die hohe Datenzahl zu erhalten, wendet man Hochdurchsatzverfahren an. Man genotypisiert
dabei mehrere Hunderttausend SNPs, die über das Genom verstreut sind. SNPs haben gegenüber
Mikrosatelliten den Vorteil, dass sie seltener mutieren.
Bei einer genomweiten Assoziationsstudie (GWAS) genotypisiert man die SNPs innerhalb
der Gruppe der Betroffenen und einer Kontrollgruppe.
Beispiel: Verschiedene Allele machen anfällig für eine Erkrankung wie Diabetes oder Depres-
sion. Die Anwesenheit dieser Allele ist für die Erkrankung weder hinreichend noch notwendig,
sie erhöht jedoch das Risiko.
Da sich eine GWAS nicht auf ausgesuchte Kandidatengene beschränkt sondern hypothe-
senfrei das Gesamtgenom untersucht, liefert sie viele potenziell krankheitsfördernde Allele, die
vorher unbekannt waren. Das deCode-Projekt, mit dem die isländische Population untersucht
wird, ist ein Beispiel dafür.

12.2.5 Nachweis von Mutationen (. Abb. 12.12 und 12.13)

Mit der Methode des Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus kann man direkt eine Muta-
tion nachweisen, durch die eine neue Schnittstelle für ein Restriktionsenzym entstanden ist oder
eine bekannte Schnittstelle verloren gegangen ist. Ist die Mutation bekannt, so ist eine pränatale
Analyse ohne Familienuntersuchung möglich. Das Verfahren ist nahezu fehlerfrei.
12.3 · Komplexe Erkrankungen
231 12

. Abb. 12.12  Indirekte Diagnostik bei einer autosomal-rezessiven Erkrankung (nach Buselmaier und
Tariverdian 2007)

. Abb. 12.13  Direkte Diagnostik bei


einer autosomal-rezessiven Erkrankung
(nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Deletion: z. B. cF

Punktmutation: z. B. Sichelzellanämie

Die direkte Diagnostik wird beispielsweise beim Test auf Sichelzellanämie oder Chorea Hun-
tington durchgeführt. Chorea Huntington ist eine sogenannte Trinucleotiderkrankung, bei der
ein Basentriplett vervielfältigt ist. Zur Analyse wird der entsprechende Abschnitt amplifiziert
und über eine Gelelektrophorese seine Länge bestimmt.

12.3 Komplexe Erkrankungen

An komplexen Erkrankungen wirken äußere Faktoren und mehrere Gene mit. Die komplexen
Erkrankungen sind also multifaktoriell und polygen, daher zeigen sie nicht die Kennzeichen
mendelnder Erbgänge.
232 Kapitel 12 · Humangenetik

Das bedeutet:
55 Die kausale Beziehung zwischen einem Allel und der Erkrankung ist nicht so strikt wie bei
monogenen Erkrankungen, man trägt „nur“ eine genetische Prädisposition.
55 Durch den Lebensstil oder Lebenswandel kann man die Erkrankung eventuell verhindern.
Beispiele: Diabetes mellitus, Bluthochdruck (Hypertonie).

Zu den komplexen Erkrankungen zählen


55 die Volkskrankheiten der westlichen Welt,
55 seltenere Störungen wie Depressionen oder Schizophrenie,
55 Alterserkrankungen wie die Alzheimer-Demenz oder Krebs.

Der Beitrag der einzelnen Gene an der Entstehung kann unterschiedlich groß sein.
Möglich ist:
55 Einige wenige Gene haben einen großen Anteil am Ausbruch.
55 Mehrere Gene wirken gleichmäßig mit jeweils gleich großem Anteil.
55 Viele Gene mit jeweils geringem Anteil sind verantwortlich.

Epidemiologisch wird erforscht, wie häufig die einzelnen Allele in verschiedenen Population
vorkommen und ob man auch darüber erklären kann, warum in einigen Population mehr Men-
schen erkranken als in anderen.

12.3.1 Diabetes mellitus

Der Diabetes mellitus wird meist kurz „Diabetes“ oder umgangssprachlich „Zuckerkrankheit“
genannt, weil man im Blut der Betroffenen dauerhaft einen erhöhten Gehalt von Glucose findet.
Die Senkung des Glucosegehalts im Blut gesunder Menschen läuft über das Peptidhor-
12 mon Insulin:
1. Glucose bewirkt die Ausschüttung des Insulins aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreas).
2. Der Blutstrom transportiert das Insulin durch den Körper zu den Zielzellen.
3. Dort bindet es sich an ein Insulinrezeptormolekül.
4. Die Bindung löst eine Signalkaskade aus, an deren Ende die Zelle Glucose aus dem Blut
aufnimmt.

Diabetes erhöht das Risiko für tödliche Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt, aber
auch für Gefäßschäden oder Blindheit.
Man unterscheidet verschiedene Diabetesformen nach ihrer Abhängig von Insulin und
ihrem zeitlichen Auftreten. Damit verbunden sind unterschiedliche Grade der genetischen Kom-
plexität. Die drei wichtigsten Diabetesformen sind:
55 Typ-II-Diabetes,
55 Typ-I-Diabetes,
55 MODY (maturity-onset diabetes of the young).

z Typ-II-Diabetes
Der Typ-II-Diabetes zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
55 Er ist die häufigste Diabetesform, 90–95 % der Erkrankten leiden daran.
55 Die Häufigkeit in der Bevölkerung beträgt 2–5 % und macht ihn zur Volkskrankheit.
12.3 · Komplexe Erkrankungen
233 12
55 Er ist nicht von Insulin abhängig. Das gebildete Insulin reicht nicht mehr aus, um den
Blutzuckergehalt zu senken. Man spricht von Insulinresistenz.
55 Die Form trat früher vor allem im Alter auf und trug den Beinamen „Altersdiabetes“.

Typ-II-Diabetes ist das Musterbeispiel für eine komplexe Erkrankung, bei der äußere Faktoren
wie die Ernährung und genetische Faktoren verquickt sind.
Die genetische Prädisposition macht sich dadurch bemerkbar, dass sich das Erkrankungs-
risiko um 30–40 % erhöht, wenn ein Elternteil erkrankt ist.
Beispiele für genetische Faktoren (Suszeptibilitätsgene) sind:
55 das Gen für Calpain 10 (eine calciumabhängige Cystein-Protease) und
55 das Gen für den Transkriptionsfaktor TCF7L2 (oder TCF4 genannt).
55 TCF7L2 wirkt u. a. an der Insulinsekretion mit. Ein SNP innerhalb des TCF7L2-Gens gilt
derzeit als entscheidender genetischer Marker. Das Allel erhöht das Erkrankungsrisiko um
das 1,5-Fache.
55 Insgesamt haben genomweite Assoziationsstudien mittels SNPs mehr als zehn Chromoso-
menabschnitte identifiziert, die mit einem höheren Risiko einhergehen. Einige genetische
Risikofaktoren erhöhen auch das Risiko für Fettleibigkeit.

Zu den äußeren Faktoren, die einen Typ-II-Diabetes begünstigen, gehören Ernährung und
Lebensstil. Bewegung verringert das Risiko, ungesunde Ernährung erhöht es. Im 20. Jahrhun-
dert hat man festgestellt, dass einerseits in hungernden Populationen der Anteil der Diabetesfälle
zurückgeht, die Unterernährung weiblicher Embryonen oder Kinder aber andererseits deren
Erkrankungsrisiko im Alter erhöht.

z Typ-I-Diabetes
Der Typ-I-Diabetes zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
55 Er liegt in 5–10 % aller Diabetesfälle vor.
55 Die Häufigkeit in der Bevölkerung liegt bei 0,2–0,3 %.
55 Typ I ist von Insulin abhängig.
55 Er tritt meist schon in der Jugend auf.
55 Eineiige Zwillinge erkranken häufiger, es müssen aber nicht zwingend beide betroffen sein.

Anders als die an Typ-II-Erkrankten verlieren die Betroffenen die Fähigkeit, Insulin zu syntheti-
sieren. Die Ursache liegt darin, dass der Körper selbst die produzierenden β-Zellen des Pankreas
zerstört. Typ II gilt damit als Autoimmunerkrankung: Die Erkrankten bilden gegen ihr eigenes
Gewebe gerichtete Autoantikörper.
Man erklärt Typ I damit, dass die Risikopatienten Kombinationen bestimmter Allele des
HLA-Systems tragen. HLA-Gene sind von zentraler Bedeutung für die Funktion des Immun-
systems. Die Proteine präsentieren den Immunzellen Peptide als Antigene (s. 7 Abschn. 13.5).
Man bezeichnet die Kombination der Allele mehrerer gekoppelter Gene auf demselben Chro-
mosom als Haplotyp, was sich von „haploider Genotyp“ ableitet. Man nimmt an, dass äußere
Faktoren wie Virusinfektionen den krankmachenden Haplotyp veranlassen, die Autoantikör-
per zu bilden.

z MODY (maturity-onset diabetes of the young)


MODY zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
55 MODY diagnostiziert man bei jungen Erwachsenen unter 25 Jahren.
234 Kapitel 12 · Humangenetik

55 Diese Diabetesform ist eine monogene Erkrankung mit autosomal-dominantem


Erbgang.
55 Etwa 1–2 % der Diabetiker leiden an MODY.
55 Man unterscheidet wiederum mehrere MODY-Typen, abhängig von den betroffenen
Genen. Beispiele:
44Bei MODY2 ist das Glucokinasegen betroffen,
44bei MODY 10 das Insulingen,
44bei MODY 13 das Gen für einen Kaliumionenkanal. Die Betroffenen zeigen daher auch
neurologische Auffälligkeiten.

12.3.2 Allgemeines zu Krebs und Tumorgenetik

z Begriffsklärung
Auch Krebs zählt zu den komplexen Erkrankungen, weil sowohl Mutationen in Genen als auch
äußere Faktoren wie Lebensweise und Umweltfaktoren zur Entstehung beitragen.
Krebs ist eine Sammelbezeichnung für die bösartige Neubildung von Gewebe. Der Begriff
Tumor hat zwei Bedeutungen:
55 Im weiteren Sinn meint er die örtlich begrenzte Zunahme des Gewebevolumens. Die
Ursache kann nach diesem Verständnis auch eine Entzündung sein.
55 Im engeren Sinn ist ein Tumor die gut- oder bösartige Neubildung von Gewebe, die man
als Neoplasie bezeichnet.

z Ursachen und Einteilung


Die Ursache für die Neoplasie liegt im gestörten Verhalten der Tumorzellen:
55 Sie teilen sich unkontrolliert,
55 ihre Lebensdauer kann verlängert sein,
12 55 sie können sich aus ihrem ursprünglichen Zellverband herauslösen und in ein anderes
Gewebe einwandern,
55 sie verlieren ihre biochemisch-genetischen Charakteristika einer ausdifferenzierten Zelle.

Das Ausmaß dieser Eigenschaften ist unterschiedlich stark ausgeprägt, sodass man darauf die
biologische Einteilung von Tumoren aufbaut:
55 Gutartige oder benigne Tumore: Diese bestehen aus differenzierten, langsam und örtlich
begrenzt wachsenden Zellen. Sie verdrängen Nachbargewebe, infiltrieren es aber nicht.
55 Bösartige oder maligne Tumore: Diese werden auch als Krebs bezeichnet und bestehen
aus dedifferenzierten, schnell und aggressiv wachsenden Zellen. Sie zerstören umliegendes
Gewebe, verlassen ihren angestammten Gewebeverband und streuen in den Körper. Sie
sind invasiv und bilden Metastasen.
55 Semimaligne Tumore: Sie bilden zwar keine Metastasen, zerstören aber Nachbargewebe
und wachsen in dieses hinein.

Die histologische Einteilung schaut nach dem Gewebe, dem die Zellen entwicklungsbiologisch
entstammen.
Beispiele:
55 Epitheliale Tumore: entstehen aus Ektoderm und Entoderm. Hierzu gehören gutartige
Adenome, Papillome oder bösartige Carcinome.
12.3 · Komplexe Erkrankungen
235 12
55 Mesenchymale Tumore: entstehen aus dem Mesoderm. Dazu zählen gutartige Fibrome
und bösartige Sarkome.
55 Embryonale Tumore: entstehen aus undifferenziertem Gewebe. Beispiele hierfür sind
Retinoblastom und Neuroblastom.

z Krebs als genetischer Defekt


Man unterscheidet erbliche und nicht erbliche oder sporadische Krebserkrankungen. In beiden
Gruppen sind die gleichen Gene betroffen.
Eine erbliche Prädisposition liegt in etwa 5 % der Krebserkrankungen vor. Im Wesentlichen
entstehen die Mutationen in den Genen durch:
55 Punktmutationen in den somatischen Zellen,
55 Translokationen,
55 Aneuploidien,
55 Erhöhung der Kopienzahl (Amplifikation),
55 Insertionen viraler Gensequenzen,
55 Imprinting-Mutationen.

Damit Tumorzellen ihre speziellen Eigenschaften ausbilden, müssen Gene ausgeschaltet werden,
die das Zellwachstum regulieren. Viele von ihnen sind in Signalwege eingeschaltet.
Man hat die tumorauslösenden Gene in mehrere Gruppen eingeteilt:
55 Tumorsuppressorgene kontrollieren den Zellzyklus oder lösen Apoptose aus.
55 Onkogene bewirken den Übergang vom normalen zum ungebremsten Wachstum.
55 Mutatorgene beeinflussen die Mutationsrate anderer Gene. Sie werden nur gelegentlich als
eigene Gruppe tumorauslösender Gene gezählt.

12.3.3 Tumorsuppressorgene

Normalerweise verhindern Tumorsuppressorgene die Entstehung von Tumoren, indem sie das
Zellwachstum regulieren. Dazu hemmen sie die Bildung verschiedener Genprodukte:
55 auf der cytologischen Ebene beispielsweise Komponenten zur Regulation der Zellteilung,
55 auf der genetischen Ebene beispielsweise Systeme zur DNA-Reparatur.

Kann die Zelle den DNA-Schaden nicht reparieren, leitet das Gen die Apoptose ein.
Mutationen führen zu einem Verlust der Funktion (loss of function) und damit der Kont-
rolle des Wachstums.

z Zwei-Treffer-Theorie
Nach der Zwei-Treffer-Theorie oder Knudson-Hypothese müssen zwei Mutationen zusammen-
kommen, damit eine Zelle anfängt, sich unkontrolliert zu teilen. Die Mutationen schalten beide
Exemplare des Kontrollgens aus, die der Patient von seinen beiden Eltern erhalten hat.
Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Abläufe:
55 Entweder ereignen sich im Lauf des Lebens zwei sporadische Mutationen in den beiden
Allelen. Es kommt zu einer sporadischen Krebserkrankung.
55 Oder die erste Mutation ereignet sich bereits bei der Gametenentwicklung in der
Keimbahn eines Elternteils. Sie erzeugt allein keinen Krebs, bewirkt aber eine genetische
Prädisposition.
236 Kapitel 12 · Humangenetik

Die erste Mutation ist oft eine Punktmutation, die zweite beispielsweise eine Deletion eines größe-
ren Abschnitts. Sie führt zu einem Zustand, den man als Loss of Heterozygosity (LOH) bezeichnet.
Die zwei Mutationen führen zwar zur unkontrollierten Zellteilung, aber nicht zwingend zu
einem malignen Tumor. Dafür können weitere Mutationen notwendig sein. Beispielsweise ver-
läuft die Bildung eines Adenom-Carcinoms mehrstufig:
55 Die Entwicklung des colorectalen Carcinoms (Dickdarmkrebs) beginnt mit den
Mutationen im Tumorsuppressorgen APC.
55 Erst wenn weitere Gene mutieren, entwickeln sich die malignen Eigenschaften.

Beispiel 1: Das Protein p53


Eines der berühmtesten Moleküle in der Tumorgenetik ist das Protein p53. Codiert wird
dieses Protein von dem Tumorsuppressorgen TP53.
Wegen seiner Funktion nennt man p53 auch den „Genomwächter“:
55 p53 ist ein Transkriptionsfaktor.
55 p53 hat eine Schlüsselfunktion an einer Schaltstelle der Zellzykluskontrolle. Es kontrol-
liert den Übergang von der G1- zur S-Phase und stoppt die Replikation, falls Schäden in
der DNA vorliegen.
55 Das Protein p53 induziert mehrere Gene, beispielsweise das Gen für einen cyclinabhän-
gigen Kinaseinhibitor.
55 Die mittels p53 gebildeten Proteine halten den Zellzyklus an, um die DNA-Reparatur zu
ermöglichen oder, wenn das nicht gelingt, um die Apoptose einzuleiten.
55 Fällt p53 aus, lebt die Zelle weiter und häuft wegen der Schäden Mutationen an.

Mutationen in TP53 können das Li-Fraumeni-Syndrom verursachen, bei dem in frühen Lebens-
jahren verschiedene Tumoren auftreten wie Brustkrebs, Leukämie, Gehirntumore und Osteo-
sarkome. Da das DNA-Reparatursystem betroffen ist, wäre eine Chemotherapie mit mutagener
Wirkung gefährlich.
12
Beispiel 2: Retinoblastom
Das Retinoblastom ist die häufigste Krebsform am Auge bei Kindern. Erkennt man den
Tumor zu spät, greift er auch auf das Gehirn über.
Charakteristika des Retinoblastoms:
55 Die Inzidenz liegt im Mittel etwa bei 1:20.000.
55 Die Krebsform ist ein Beispiel für eine Erkrankung mit hoher Penetranz, nahezu jeder
Betroffene mit den Anlagen entwickelt ein Retinoblastom.
55 40 % der Fälle sind erblich, davon ist ein Viertel familiär, während drei Viertel von
­Neumutationen in der Keimbahn verursacht werden. Meistens sind beide Augen betroffen.
55 60 % der Fälle sind sporadisch und gehen auf somatische Mutationen in der Retina
zurück. Hierbei ist in aller Regel nur ein Auge betroffen. Diese Fälle treten erst in späteren
Jahren auf.
55 Das Retinoblastom gilt als autosomal-dominant. Aber auch hier bildet sich der Tumor
erst nach einer weiteren Mutation, einem „zweiten Treffer“ im zweiten Allel, sodass die
Betroffenen compound heterozygot sind. Da mehr als 90 % der Träger letztlich einen
Tumor entwickeln, behält man die Einstufung „dominant“ trotzdem bei.

Das Gen und die Funktion des Proteins pRb:


55 Das betroffene Gen heißt RB1, es codiert das Protein pRb.
12.3 · Komplexe Erkrankungen
237 12
55 pRb hat wie p53 eine Schaltfunktion am Übergang von der G1- zur S-Phase. Es stoppt den
Zellzyklus in der G1-Phase.
55 Das Protein pRb bindet sich an den Transkriptionsfaktor E2F und schaltet dadurch die
Transkription von Genen ab, die für die Replikation notwendig sind.
55 Zu den Zielgenen von pRb zählen DNA-Synthesegene, weitere Regulatoren für den
Phasenübergang, Protoonkogene und Apoptoseregulatoren.

Beispiel 3: Brustkrebs, BRCA1 und BRCA2


Etwa 5–10 % der Brustkrebsfälle gehen mit einer erblichen Prädisposition einher. Die
meisten Mutationen liegen in den Genen BRCA1 und BRCA2. Beide Genprodukte haben Funk-
tionen für die DNA-Reparatur und Regulation des Zellzyklus.

12.3.4 Onkogene

Onkogene sind in gewisser Weise die Gegenspieler der Tumorsuppressorgene. Während Tumor-
suppressorgene die Zellteilung hemmen, aktivieren die Onkogene die Zellteilung.
In ihrer normalen, nicht mutierten Form bezeichnet man die Gene als Protoonkogene.
Manche Wissenschaftler sprechen lieber von Onkogenen und nach der Mutation von aktivier-
ten Onkogenen.
Protoonkogene steuern Prozesse wie Wachstum, Zellteilung und Differenzierung von
Zellen.
Für den Übergang vom Protoonkogen zum Onkogen reicht eine einzige Mutation in einem
einzelnen Allel aus. Das Gen verliert keine Funktion, sondern die Mutation erzeugt einen Funk-
tionsgewinn (gain of function). Die Veränderung kann in sporadischen wie erblichen Tumoren
vorkommen.
Das Onkogen wirkt dominant.
Man unterscheidet zwei Typen von Onkogenen:
55 Virale Onkogene werden von Krankheitserregern wie Viren, aber auch Bakterien oder
eukaryotischen Parasiten in die Zelle getragen.
55 Zelluläre Onkogene sind Bestandteil des zelleigenen Genoms.

z Beispiele für virale Onkogene


Krebsauslösende Viren sind oft endogene Retroviren oder haben zelluläre Gene aufgenommen.
Humane Papillomviren (HPV) umfassen mehrere Hundert Typen. Es sind DNA-Viren, die
gutartige oder bösartige Tumoren verursachen können.
55 Zu den gutartigen Tumoren zählt man Warzen, beispielsweise Feigwarzen.
55 Zu den bösartigen Tumoren gehört der Gebärmutterhalskrebs. Die WHO empfiehlt daher
eine Impfung gegen die verursachenden HP-Viren vom Typ 16 und 18 vor dem ersten
Sexualkontakt der Mädchen.

Die Gene der Viren verhindern die DNA-Reparatur und die Apoptose.
Das Abelson-Leukämie-Virus der Maus verursacht chronische myeloische Leukämien der
B-Lymphocyten. Entscheidend ist das Abl-Gen, das eine Tyrosin-Kinase für die Signalweiterlei-
tung codiert. Ein weiteres Gen regt es zu erhöhter Aktivität an.
Verwandt mit diesem Gen ist das menschliche ABL-Gen auf Chromosom 9. Es codiert eben-
falls eine Tyrosin-Kinase (s. Philadelphia-Chromosom, 7 Abschn. 11.2.2).
238 Kapitel 12 · Humangenetik

Chromosom 8 Chromosom 14
Bruchstelle Bruchstelle

5' 3' 3' 5'

1 2 3 C C C Wechsel Vn V2 V1

Exons am MYC-Locus Konstant Variabel


Locus für die schwere Immunglobulinkette

3' 5' 5' 3'

C C C 2 3
IGH MYC

. Abb. 12.14  Translokation zur Entstehung des Burkitt-Lymphoms (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

Durch eine Translokation entsteht ein Fusionsprotein, das der Kontrolle eines anderen Pro-
motors unterliegt und verstärkt exprimiert wird.
Das Epstein-Barr-Virus und das Burkitt-Lymphom (. Abb. 12.14) erzeugen Tumorzellen,
die sich durch eine Translokation am Chromosom 8 auszeichnen, beispielsweise die balancierte
reziproke Translokation t(8;14)(q24;q32).
55 Diese Translokation bringt das MYC-Protoonkogen in die Nähe des IGH-Gens für eine
schwere Immunglobulinkette.
55 Da Lymphocyten Immunglobuline (also Antikörper) synthetisieren, überexprimieren sie
dann das MYC-Gen, das für den Transkriptionsfaktor Myc codiert.
12 55 Myc ist entscheidend wichtig für die Induktion pluripotenter Stammzellen (siehe 7 Abschn.
14.5.3).

z Beispiele für zelluläre Onkogene


Die zellulären Onkogene bzw. Protoonkogene codieren Wachstumsfaktoren, Tyrosin-Kinasen,
G-Proteine, Transkriptionsfaktoren oder Zellzyklusregulatoren.
Bekannte Beispiele liefern die Ras-Proteine. Der Name Ras stammt von Rat sarcoma.
55 Das Protein ist ein kleines G-Protein. G-Proteine oszillieren zwischen einem aktiven
Zustand mit gebundenem GTP und einem inaktiven Zustand, dann ist GDP gebunden.
Aktives Ras führt zur Aktivierung nachfolgender Kinasen und leitet letztlich die Teilung
der Zelle ein (7 Abschn. 7.4.2).
55 Ein Punktmutation in dem Protoonkogen Ha-Ras überführt es in die onkogene Form.
Damit ist das Ras-Onkoprotein dauerhaft aktiv und stimuliert die Zellteilung auch ohne
Signal von außen.

Beim Menschen gibt es drei homologe Gene zum Ras-Gen: HRAS, NRAS und KRAS. Mutatio-
nen in diesen Genen zählen zu den häufigsten Mutationen in menschlichen Tumoren. Sie sind
beteiligt an Lungen-, Dickdarm, Pankreas- oder auch Blasenkrebs.
Auch beim Menschen reicht eine Punktmutation aus, die zum Verlust der GTPase-Bindungs-
aktivität von RAS führt.
12.4 · Behandlung erblich bedingter Krankheiten
239 12
Einer der Forschungsansätze, um die Aktivität des Gens einzudämmen, setzt auf Antisense-
Moleküle und die RNA-Interferenz.

12.3.5 Mutatorgene

Mutatorgene sind an der DNA-Reparatur beteiligt. Fallen sie also aus, so kann die Zelle Schäden
in der DNA nicht ordnungsgemäß reparieren, und es kommt vermehrt zu Mutationen.
Mutationen in Mutatorgenen wirken sich rezessiv aus. Es genügt also ein intaktes Allel zum
Funktionserhalt.
Beispiele beim Menschen: Xeroderma pigmentosum und das Cockayne-Syndrom
(s. 7 Kap. 11).

12.4 Behandlung erblich bedingter Krankheiten

Grundsätzlich ist eine Behandlung auf verschiedenen Ebene möglich: von der Organtransplan-
tation (z. B. Herz oder Lunge) oder der Organprothese (z. B. Cochlea-Implantat bei Gehörlosig-
keit) bis herab zur Molekülebene, auf der man die fehlenden Stoffe wie Insulin oder den Blutge-
rinnungsfaktor VIII bei Hämophilie A ersetzt.
Auf genetischer Ebene, setzen verschiedene Methoden an, die zum größten Teil noch ent-
wickelt oder erprobt werden:
55 Somatische Gentherapie: Dabei wird eine intakte DNA-Sequenz in Zellen mit Mutation
übertragen.
44Sie erzeugt transgene Zellen und will damit den Defekt in der Sequenz beheben.
Vektoren wie Adenoviren oder nichtpathogene Retroviren schleusen die intakte DNA
in die Zelle hinein.
44Erste Erfolge erzielte man bei der Behandlung von SCID (severe combined immunodefi-
ciency), einer X-Chromosom-gekoppelten Immunschwäche.
44Die somatische Gentherapie kämpft jedoch mit zwei grundsätzlichen Problemen: der
Integration der transgenen DNA und deren Expression. Beispielsweise entwickelten
einige Patienten mit SCID eine Leukämie, weil sich die eingeschleuste DNA in ein
Onkogen inseriert hatte.
44Man hat zwar Viren entwickelt, die sich nicht mehr integrieren, hier wird das Transgen
jedoch nicht dauerhaft exprimiert, sondern nur übergangsweise (transient).
55 Genome Editing: Hierbei verändert man die DNA-Sequenz durch verschiedene Nucleasen
(7 Kap. 16):
44Zinkfingernucleasen,
44TALENS,
44CRISPR/Cas9-Endonucleasen.
44Die Systeme beheben die Mutation wie bei der normalen DNA-Reparatur.
55 RNA-Interferenz (RNAi): Dabei setzt man Antisense-RNA Moleküle ein, um die Translation
der mRNA zu unterbinden. Kleinere Antisense-Oligonucleotide können sich an mRNAs
binden und deren weitere Reifung unterbinden oder deren Abbau erzwingen. Ribozyme
zerschneiden mRNAs direkt.
241 13

Immungenetik
13.1 Überblick – 242
13.1.1 Einteilung des Immunsystems – 242
13.1.2 Die genetische Komplexität der erworbenen
Immunantwort – 242

13.2 B-Lymphocyten – 243


13.2.1 Einteilung der Antikörper – 243
13.2.2 Struktur der Antikörper oder Immunglobuline – 243

13.3 Aufbau der Immunglobulingene und


Antikörpervielfalt – 244

13.4 T-Zell-Rezeptoren – 246

13.5 Haupthistokompatibilitätskomplex – 247

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O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_13
242 Kapitel 13 · Immungenetik

z Worum geht es?


Die Immungenetik beschreibt die Vorgänge, die für die Vielfalt und Komplexität der erworbenen
Immunantwort wichtig sind. Grundlagen dazu sind bekannte Prozesse wie die Rekombination,
aber auch der Einbau von Mutationen.
Das Immunsystem ermöglicht einem Organismus, sich gegen Krankheitserreger wie Viren,
Bakterien oder Pilze zu wehren und zu verteidigen.

13.1 Überblick

13.1.1 Einteilung des Immunsystems

Die Immunabwehr höherer Tiere umfasst eine Fülle von Komponenten, die sich in zwei große
Kategorien einteilen lassen:
55 angeborene oder unspezifische Immunantwort,
55 erworbene, spezifische oder adaptive Immunantwort.

Die angeborene oder unspezifische Immunantwort ist der stammesgeschichtlich ältere Teil und
daher im Tierreich weiter verbreitet.
Die Antwort ist genetisch vorgegeben und erlaubt keine Anpassung an die Krankheitserreger.
Zur angeborenen Immunantwort gehören Abwehrmechanismen auf verschiedenen Ebenen:
55 mechanische Barrieren und Systeme wie Häute, Schleimhäute und Flimmerhärchen,
55 chemische Abwehr wie Magensäure,
55 Abwehr- und Kommunikationsmoleküle wie Interleukine und das Komplementsystem,
55 zelluläre Bestandteile wie Makrophagen, Granulocyten und natürliche Killerzellen.

Beispiel für eine angeborene Immunantwort: Entzündungsreaktionen.


Die erworbene, spezifische oder adaptive Immunantwort ist beschränkt auf Wirbeltiere. Auf-
grund der individuellen genetischen Ausstattung und der genetischen Mechanismen erlaubt sie
13 eine individuelle und anpassungsfähige Immunantwort.
Ihre Mechanismen fallen in zwei Gruppen:
55 Zu den zellulären Bestandteilen gehören die B- und T-Lymphocyten.
55 Zu den molekularen Bestandteilen gehören die Antikörper, die auch als Immunglobuline
bezeichnet werden.

Angeborene und erworbene Immunantwort kommunizieren miteinander, ebenso die zellulären


und nichtzellulären Bestandteile des Immunsystems.
Da die nichtzellulären Bestandteile wie Antikörper oder Interleukine in den Körperflüssig-
keiten Blut und Lymphe zirkulieren, fasst man sie oft zur humoralen Immunantwort (von lat.
(h)umor für Flüssigkeit, Feuchtigkeit) zusammen.

13.1.2 Die genetische Komplexität der erworbenen Immunantwort

Die erworbene Immunität zeichnet sich durch genetische Vielfalt auf drei Ebenen aus:
55 Vielfalt der Immunglobulingene und der Immunglobuline. Diese Gene sind in den
B-Lymphocyten aktiv.
13.2 · B-Lymphocyten
243 13
55 Vielfalt der T-Zell-Rezeptoren. Dabei handelt es sich um Strukturen der T-Lymphocyten.
55 Vielfalt der Gene für den Haupthistokompatibilitätskomplex (major histocompatibility
complex genes, MHC-Gene). Beim Menschen werden sie HLA (human leukocyte antigene)
genannt. Je nach Typ sind sie in speziellen Immunzellen oder in nahezu allen Körperzellen aktiv.

Die Spezifität der Immunantwort entsteht in den Immunzellen. B- und T-Lymphocyten sind
genetisch so programmiert, dass jede Zelle nur ein Antigen erkennt.
55 Nach dem ersten Antigenkontakt vermehren sich die B- und T-Zellen und lösen weitere
Schritte aus.
55 Die B-Zellen produzieren Antikörper, die T-Zellen vermitteln die zelluläre Immunität.
55 Nach dem Abklingen der Immunreaktion bleiben Gedächtniszellen zurück, die oft lebens-
lange Immunität vermitteln.
55 Bei einem zweiten Kontakt mit dem gleichen Antigen kann der Organismus dank der
Gedächtniszellen auch Jahre später schneller reagieren und den Eindringling bekämpfen.

13.2 B-Lymphocyten

13.2.1 Einteilung der Antikörper

Antikörper kommen als Monomere, Dimere oder Polymere vor (. Abb. 13.1).
Man unterscheidet fünf Klassen: IgM, A, G, E und D. Die Klasse bestimmt die Lokalisation des
Antikörpers und welche Reaktionen des Immunsystems er auslöst.
Antikörper sind membranständig oder frei zirkulierend:
1. Zunächst sind Antikörper in der Membran von B-Zellen verankert.
2. Nach einem Antigenkontakt werden die Zellen zur Proliferation angeregt.
3. Die B-Plasmazellen produzieren dann Antikörper, die sie sezernieren und die im Blut
zirkulieren. Sie heften sich an das Antigen und leiten die Zerstörung der Eindringlinge ein.

13.2.2 Struktur der Antikörper oder Immunglobuline

Antikörper gleichen sich in ihrem Aufbau (. Abb. 13.2):


55 Ein Antikörper ist ein Immunglobulinkomplex. Er besteht aus zwei gleichen schweren
Polypetidketten und zwei gleichen leichten Ketten, die über Disulfidbrücken zusammen-
gehalten werden.

. Abb. 13.1  Verschiedene


Immunglobuline und ihre
Erscheinungsformen

Monomer Dimer Pentamer


IgD, IgE, IgG IgA IgM
244 Kapitel 13 · Immungenetik

. Abb. 13.2  Allgemeiner Aufbau Strukturen


Antigen-
der Immunglobuline am Beispiel des bindungsstelle des Epitops
IgG-Antikörpers N

An
Variable Region der

tig
S S

en
N schweren Kette (VH)
S S

S S S S

S S S S

Leichte S S S S
S S
Kette S S S
C C S Variable Region der
S S leichten Kette (VL)
SS
Konstante Region der
Schwere Kette SS leichten Kette (CL)

Disulfidbrücken SS Konstante Region der


schweren Kette (CH)
SS

C C

55 Die Ketten sind untergliedert in Regionen:


44Die schweren Ketten besitzen jeweils eine variable oder V-Region, eine D-Region
(diversity), eine J-Region (joining) und drei konstante oder C-Regionen.
44Die leichten Ketten umfassen eine V-, eine J- und eine C-Region.
55 Die V-, D- und J-Regionen vermitteln die Antikörperspezifität.
44Die Enden der V-Region einer leichten und einer schweren Kette bilden zusammen
jeweils eine Antigenbindungsstelle.
44Der Abschnitt, an dem ein Antikörper ein Antigen erkennt, heißt Epitop. Bei fremden
Proteinen ist er nur wenige Aminosäuren groß.
55 Die konstante Region charakterisiert die Antikörperklasse. IgA enthält die schweren
13 Ketten α, IgD enthält δ, IgE ε, IgG γ und IgM µ.

13.3 Aufbau der Immunglobulingene und Antikörpervielfalt

Die Vielfalt der Antikörper resultiert aus den drei Vorgängen:


1. Kombination einer Vielzahl von Genen, die nur für jeweils eine Region der Polypeptidkette
codieren.
2. Ungenaue Verknüpfung dieser Gensegmente durch Rekombination.
3. Erhöhte Mutationsrate durch den Eingriff eines Enzyms.

z DNA-Rearrangment der Gene für die Regionen


Der Zelle steht eine hohe Zahl an Genen für die einzelnen Regionen zur Auswahl. Beim Men-
schen sind es beispielsweise:
55 Bei der schweren Kette rund 100 VH-Gene, 30 DH-Gene und neun JH-Gene für den
variablen Teil sowie elf Gene für den konstanten Teil.
55 Bei der leichten Kette 80 VK-Gene und 5 JK-Gene für den variablen sowie ein Gen für den
konstanten Teil.
13.3 · Aufbau der Immunglobulingene und Antikörpervielfalt
245 13
. Abb. 13.3  Ablauf der Gene für die schwere Kette
somatischen Rekombination
V V V V D D D D J J J J C

Entfernung von D- und J-Segmenten

V V V V D D J C

D D J J J

Verbindung (Rekombination) eines D- und eines J-Segments

V V V V D DJ C

Entfernung von V- und D-Segmenten

V V DJ C

V V D

VDJ-Rekombination

V V DJ C

Verbindung mit
einem C-Segment

Die Zelle rekombiniert zufällig aus jedem Bereich ein Gensegment. Grundsätzlich kann jedes
Gensegment für eine Region mit jedem Abschnitt für eine andere Region verknüpft werden. Die
Gensegmente tragen dazu an den Enden Signalsequenzen (RSS, recombination site sequences),
die den IR von Transposons ähneln.
Den Rekombinationsvorgang bezeichnet man als V(D)J-Rekombination oder somatische
Rekombination. Er verbindet ein V-Segment mit einem D-Segment, einem J-Segment und einem
C-Segment (. Abb. 13.3).
Die VDJ-Rekombination entspricht einer ortsspezifischen Transposition. Die beiden Proteine
RAG1 und RAG2 (recombination-activating gene) wirken dabei wie das Enzym Transposase. Sie
schneiden die Abschnitte heraus und verknüpfen sie.

z Zurechtschneiden
Wenn die Zelle die Gensegmente zurechtschneidet, arbeitet sie nicht nucleotidgenau. Sie verbin-
det die Genregionen über eine nichthomologe End-zu-End-Verknüpfung (NHEJ). Dabei schnei-
det sie die DNA der Elemente so, dass Lücken entstehen. Das Enzym Terminale Transferase füllt
die Lücken auf, arbeitet aber ungenau.

z Somatische Hypermutation
Das Enzym aktivierungsinduzierte Cytidin-Desaminase (Activation Induced Cytidine Deami-
nase, AID oder AICDA) erhöht die Mutationsrate der Antikörpergene:
1. Die AID entfernt von Cytosinbasen Aminoreste und wandelt sie zu Uracil um.
246 Kapitel 13 · Immungenetik

2. Die Zelle erkennt die Uracilbasen als fehlerhaft und startet die Reparatur.
3. Bei der Reparatur treten Fehler auf, die in Mutationen resultieren.

z Auswahl eines Allels


Die Zusammenstellung der unterschiedlichen Immunglobulinvarianten findet während der
Differenzierung der B-Zellen im Knochenmark statt.
Die Rekombination der Gensegmente zu einem endgültigen Ig-Gen erfolgt nur an einem der
beiden Allele, der homologe Strang bleibt unverändert. Dieser Vorgehensweise nennt man Allel-
ausschluss oder allelic exclusion.
Während der Reifung nimmt der Organismus eine Selektion vor, damit keine Antikörper
gegen körpereigenes Gewebe entstehen. Ist also diese Reifung gestört oder fehlerhaft, können
Autoimmunerkrankungen entstehen.
Nach dem ersten Kontakt mit einem Antigen rekombiniert die bereits differenzierte Zelle
später noch die konstante Region. Die Spezifität für das Antigen ändert sich dadurch nicht, wohl
aber die Antikörperklasse, weshalb man vom Klassenwechsel spricht. Die Antikörperklasse legt
die weitere Reaktion des Immunsystems fest.

13.4 T-Zell-Rezeptoren

T-Zell-Rezeptoren (T cell receptors, TCR) sind das Pendant der T-Lymphocyten zu den Antikör-
pern der B-Lymphocyten. TCR und Antikörper ähneln sich genetisch und strukturell.
Die Funktion der T-Zell-Rezeptoren liegt in der Erkennung von Antigenen, die von den
MHC-Komplexen anderer Körperzellen präsentiert werden. Erkennt ein Rezeptor ein Antigen,
wird er aktiviert, woraufhin sich die Genaktivität der T-Zelle verändert und sie sich zur
T-Helferzelle oder cytotoxischen T-Zelle entwickelt
Die Struktur der T-Zell-Rezeptoren weist zwei Polypeptidketten auf, die man als α und β
bezeichnet (. Abb. 13.4). Die Ketten werden über Disulfidbrücken zusammengehalten und sind
in der Zellmembran verankert. Es gibt eine variable und eine konstante Region. Die variablen
13 Regionen der Ketten binden das Antigen.
Die Gene der Rezeptorproteine gehören zur Immunglobulinsuperfamilie.
Die transkriptionsfertigen Gene entstehen durch Rekombination mehrerer Gensegmente:
55 Für die α-Kette sind das V-, J- und C-Segmente.
55 Für die β-Kette gibt es neben V-, J- und C-Segmenten zusätzlich D-Segmente.

. Abb. 13.4  Aufbau des T-Zell-Rezeptors aus seinen


Untereinheiten
13.5 · Haupthistokompatibilitätskomplex
247 13

-Mikro-
globulin

. Abb. 13.5  MHC-Klasse- . Abb. 13.6  MHC-


I-Proteinkomplex. Das Klasse-II-Proteinkomplex
β-Mikroglobulin ist eine lösliche
Untereinheit

Bei der Rekombination der Gene für T-Zell-Rezeptoren findet keine somatische Hypermuta-
tion statt.

13.5 Haupthistokompatibilitätskomplex

Den Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) bezeichnet man auch als Hauptgewebeverträg-


lichkeitskomplex oder HLA-System (humanes Leukocytenantigen-System).
Die Moleküle sind ausschlaggebend für die Unterscheidung zwischen eigenen und körper-
fremden Zellen. Sie nehmen also wie die Antikörper und die TCR eine Schlüsselrolle ein bei
Immunreaktionen und in der immunologischen Individualität, z. B. bei der Abstoßungsreak-
tion nach einer Transplantation.
Es gibt drei Klassen:
55 MHC-I-Komplexe sind auf den Oberflächen fast aller kernhaltiger Zellen zu finden
(. Abb. 13.5). Sie haben zwei Funktionen:
44An ihnen erkennen Killerzellen, dass die Zelle zum eigenen Körper gehört.
44Infizierte oder entartete Zellen präsentieren mit dem MHC-I-Komplex den cytotoxi-
schen T-Zellen Teile der fremden oder veränderten Proteine als Antigene.
55 MHC-II-Komplexe sind auf sogenannte professionelle antigenpräsentierende Zellen wie
Makrophagen und Monocyten beschränkt (. Abb. 13.6). Diese Zellen nehmen Krankheits-
erreger auf und präsentieren Peptidbruchstücke von diesen mit ihren MHC- Komplexen.
T-Helferzellen erkennen mit ihren T-Zell-Rezeptoren die Antigene und leiten eine
entsprechende Immunantwort ein.
55 MHC-III-Komplexe sind Plasmaproteine der unspezifischen Immunantwort.

MHC-Gene zählen zu den variationsreichsten Genen des Menschen. Nur eineiige Zwillinge glei-
chen sich in den MHC-Molekülen.
249 14

Entwicklungsgenetik
14.1 Entwicklungsphasen – 250

14.2 Die Entwicklung von Drosophila – 250


14.2.1 Ablauf der Entwicklung – 250
14.2.2 Genetische Charakteristika – 251
14.2.3 Musterbildung und Einteilung der Gene nach Stadien – 252
14.2.4 Maternale Gene – 252
14.2.5 Zygotische Gene – 253
14.2.6 Homöotische Gene – 254

14.3 Entwicklungsgene bei Arabidopsis – 255


14.3.1 Mutanten von Arabidopsis – 255
14.3.2 Das ABC-System – 255

14.4 Apoptose – programmierter Zelltod – 256

14.5 Stammzellen – 258


14.5.1 Embryonale Stammzellen – 259
14.5.2 Kerntransfer und Klonen – 259
14.5.3 Somatische Stammzellen und induzierte pluripotente
Stammzellen – 260
14.5.4 Transfer und Keimbahntherapie – 261

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250 Kapitel 14 · Entwicklungsgenetik

z Worum geht es?


Die Entwicklungsgenetik untersucht die Vorgänge, die zur Ausbildung komplexer vielzelliger
Organismen führen. Modellorganismen sind z. B. die Taufliege Drosophila melanogaster und
die Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana. Wichtige Prinzipien bilden mütterliche Gene und
Kaskaden von Transkriptionsfaktoren. Für die Entwicklung ist auch der programmierte Zelltod
von Bedeutung. Stammzellen, induzierte pluripotente Stammzellen und Klonen sind wichtige
Gebiete der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung.

14.1 Entwicklungsphasen

Man unterscheidet fünf Phasen der Entwicklung einer Zygote zum mehrzelligen Organismus:
1. Furchungsteilungen: Die Zygote teilt sich mehrfach direkt hintereinander, ohne dass die
Zellen wachsen. Auf die Replikation der DNA folgt unmittelbar die nächste Mitose.
2. Musterbildung: Die Zellen fangen an, sich asymmetrisch zu teilen und im Embryo
unterschiedlich zu verteilen. Räumlich und zeitlich erkennt man Unterschiede in der
genetischen Aktivität. Dadurch entwickelt der Embryo eine Polarität und man erkennt
Achsen. Bei bilateralsymmetrischen Tieren sind das zwei Achsen:
44Die dorso-ventrale Achse unterscheidet eine Vorder- oder Bauchseite und eine Rückseite.
44Die anterior-posteriore Achse führt zur Kopf-Schwanz-Orientierung.
44Bei Pflanzen bildet sich eine apikal-basale Achse von der Wachstumsspitze zu den
Wurzeln aus.
3. Morphogenese (Gestaltbildung): Der anatomisch-morphologische Bauplan wird
erkennbar.
4. Zelldifferenzierung: Die einzelnen Zelltypen entwickeln und differenzieren sich weiter.
5. Wachstum: Die Zelltypen vermehren sich, nehmen an Volumen zu und sind aktiv.

Bei den höheren Säugetieren unterscheidet man gelegentlich drei Stadien:


1. Keimstadium: Dieses beginnt mit der Befruchtung der Eizelle und erstreckt sich bis zur
Bildung der Blastocyste oder Keimblase.
2. Embryogenese oder Embryonalperiode: Diese setzt nach der Nidation oder Einnistung in
die Gebärmutterschleimhaut (beim Menschen fünf bis sechs Tage nach der Befruchtung)
14 ein. In der Embryonalperiode werden ab der dritten Entwicklungswoche die Organanlagen
ausgebildet.
3. Fetale Phase: Sie beginnt, sobald sich die inneren Organe gebildet haben, was beim
Menschen etwa in der neunten Woche der Fall ist. Der Fetus wächst nun schnell, und die
Organe und Gewebe differenzieren sich.

Insbesondere die Musterbildung ist in den vergangenen Jahren gut erforscht worden.

14.2 Die Entwicklung von Drosophila

14.2.1 Ablauf der Entwicklung

Die Entwicklung vom Ei zum adulten Tier dauert bei der Taufliege Drosophila melanogaster
neun Tage. Genetisch interessant ist jedoch vor allem die Zeit von der Reifung der unbefruchte-
ten Eizelle bis zum etwa 10 h alten Embryo.
14.2 · Die Entwicklung von Drosophila
251 14
Die Stadien vor der Befruchtung:
1. Die weibliche Urkeimzelle oder Oogonie teilt sich im mütterlichen Organismus viermal
mitotisch.
2. Von den 16 resultierenden Zellen reift eine zur Oocyte heran, die übrigen 15 genetisch
gleichen Zellen werden zu Nährzellen für die Oocyte. Sie stehen über cytoplasmatische
Verbindungen mit der Oocyte in Kontakt.
3. Vor allem die Nährzellen sind genetisch aktiv und synthetisieren mRNAs von den
mütterlichen oder maternalen Genen (maternal effect genes). Die mRNAs werden in das
Cytoplasma der Oocyte transportiert und verbleiben darin.
4. Die Translation erfolgt während der Oogenese oder erst nach der Befruchtung in der Zygote.
Die Proteine der maternalen Gene leiten die Genexpression von zygotischen Genen ein.

Die Stadien nach der Befruchtung:


1. Zunächst teilt sich nur der Kern der Zygote, nicht jedoch die Zelle. Es bildet sich somit ein
mehrkerniges Syncytium.
2. Nach acht bis neun Kernteilungen, also nach etwa 2 h, begeben sich die Kerne an die
Peripherie und bilden das syncytiale Blastoderm.
3. Einzelne Kerne wandern zum hinteren Ende, bilden Polkerne und werden später zu
Keimzellen.
4. Wenn nach weiteren Teilungen rund 6000 Kerne vorliegen, bilden sich Membranen aus,
wodurch einzelne Zellen entstehen. Das syncytiale Blastoderm wird zum zellulären,
einschichtigen Blastoderm mit Polzellen. Seit der Befruchtung sind rund 3 h vergangen.

Wenn der Embryo als syncytiales Blastoderm vorliegt, beginnt er mit der Ausbildung der ante-
rior-posterioren Achsen und der dorso-ventralen Achse.
1. Nach etwa 10 h erkennt man die Zahl und Orientierung der Segmente. Die einzelnen
Segmente bekommen ihre Identität:
44der Kopfbereich,
44der Thorax mit seinen drei Segmenten,
44und das Abdomen mit mehreren Segmenten.
2. Es folgen in den nächsten drei Tagen drei Larvenstadien.
3. Nach fünf Tagen bildet sich die Puppe.
4. Nach neun Tagen ist ein adultes Tier (Imago) vorhanden.

14.2.2 Genetische Charakteristika

Die Determination und Differenzierung kombiniert mehrere Phänomene:


55 Die Gene gliedern sich in ein hierarchisches System. Wie in einer Kaskade mit zeitlich
klarer Reihenfolge werden nacheinander Gene exprimiert.
55 Die Genprodukte sind Transkriptionsfaktoren und RNA-bindende Regulationsproteine.
55 Die mRNAs und Proteine liegen innerhalb des Embryos in verschiedenen Konzentrationen
vor. Sie bilden unterschiedliche, bestimmte Konzentrationsgradienten.
55 Die ersten Schritte werden von maternalen Genen ausgelöst. Sie schalten die Expression
der zygotischen Gene an.

Viele Erkenntnisse hat man an Mutanten gewonnen. Ihr Aussehen verlieh den Genen teils plas-
tische, teils ungewöhnliche Namen wie Krüppel oder spätzle.
252 Kapitel 14 · Entwicklungsgenetik

14.2.3 Musterbildung und Einteilung der Gene nach Stadien

Gene und ihre Produkte steuern die Entwicklung der Stadien. Bei Drosophila unterscheidet man
vor allem drei Gruppen verantwortlicher Gene:
55 Maternale Gene werden bereits vor der Befruchtung transkribiert. Die Wirkung der
Transkriptionsprodukte hängt von deren Konzentration ab, die mit zunehmender
Entfernung vom Transkriptionsort abfällt. Ein sichtbarer Effekt ist die Ausbildung der
Symmetrieachsen.
55 Zygotische Gene steuern die Bildung von Segmenten (Segmentierungsgene). Sie werden
erst nach den maternalen Genen aktiv.
55 Homöotische Gene weisen den Segmenten eine Funktion und Identität zu. Sie bestimmen
also, welche Organe und Strukturen sich im jeweiligen Segment entwickeln.

14.2.4 Maternale Gene

z Die Bedeutung maternaler Gene


Im syncytialen Blastoderm liegen die Zellkerne an der Peripherie, wo sie eine Art Schicht um das
Periplasma bilden. Hier befinden sich noch die mRNAs aus den Nährzellen, die einen gemeinsa-
men Ursprung mit der Oocyte haben und damit einen genetischen Klon darstellen.
Die von den mRNAs translatierten Proteine erzeugen über ihre Konzentrationsgradienten
Pole, die entscheidend zur Ausbildung der zwei Achsen dorso-ventral und anterior-posterior
beitragen. Sie regulieren somit morphologische Muster. Derartige Substanzen bezeichnet man
als Morphogene.

z Maternale Gene für die dorso-ventrale Achse


Exemplarisch die Regulation der drei maternalen Gene dorsal, cactus und toll.
55 Die mRNA von dorsal und das während der Oogenese translatierte Protein sind in der
Zelle zunächst gleichmäßig verteilt. Das Protein Dorsal ist ein Transkriptionsfaktor. Wenn
die Kerne an die Peripherie wandern, ändert sich seine Verteilung in der Zelle:
44Zur dorsalen Seite bleibt Dorsal im Plasma.
44Zur ventralen Seite wird Dorsal in die Kerne aufgenommen.
14 55 Die Aufnahme in den Kern hinein regulieren Toll und Cactus.
44Cactus bindet sich an Dorsal und verhindert die Aufnahme.
44Wenn Toll jedoch Cactus phosphoryliert, wird Cactus abgebaut und gibt den Weg in
den Kern für Dorsal frei.
55 Abhängig von Dorsal beginnt die Zelle mit der Expression zygotischer Gene:
44Ventral, wo Dorsal im Kern liegt, schaltet die Zelle das Gen twist an.
44Bei geringer Konzentration von Dorsal im Kern beginnt die Transkription von decapen-
taplegic (dpp).

z Maternale Gene für die anterior-posteriore Achse


Exemplarisch die Regulation der beiden maternalen Gene bicoid und nanos:
55 Die mRNA von bicoid wird mithilfe weiterer Gene an dem anterioren Ende des Eis lokalisiert.
44Das Gen codiert den Transkriptionsfaktor Bicoid.
44Das Protein bildet einen Konzentrationsgradienten über den Embryo hinweg.
14.2 · Die Entwicklung von Drosophila
253 14
55 Der Gegenspieler zur bicoid-mRNA ist die nanos-mRNA.
44Sie wird am posterioren Ende lokalisiert.
44Nanos errichtet einen umgekehrt verlaufenden Konzentrationsgradienten.
55 Auch funktionell sind Bicoid und Nanos Gegenspieler: Bicoid aktiviert das zygotische
Gen hunchback, Nanos reprimiert es. Hunchback liegt damit ebenfalls in einem Konzen-
trationsgradienten vor und reguliert die Transkription weiterer Gene für die Ausbildung
anteriorer Strukturen.

14.2.5 Zygotische Gene

Nachdem der Embryo die Grundachsen ausgebildet hat, schließt sich die für Insekten typi-
sche Segmentierung in die einzelnen Segmente an. Die Gene transkribiert der Embryo
selbst.
Segmentierungsgene sind für die Zahl und Organisation der Segmente verantwortlich.
Sie bilden eine Kaskade: Gap-Gene oder Lückengene → Paarregelgene → Segmentpolaritätsgene.

z Gapgene
Die Produkte der Gap-Gene sind Transkriptionsfaktoren.
Gap-Gene teilen den Embryo entlang der anterior-posterioren Achse grob ein. Ein Ausfall
eines Gens führt zum Verlust einer Region und damit zum Entstehen einer „Lücke“ (gap).
Beispiele: hunchback, Krüppel (den Mutanten fehlen mehrere anteriore Segmente für die
Kopf-Thorax-Ausbildung).
Gap-Gene können auch gemeinsam agieren. Beispielsweise ist hunchback ebenso an der
Regulation von Krüppel beteiligt wie an anderen Gap-Genen.
Gap-Gene sind auch die Regulatoren für die nachgeordneten Paarregelgene.
Sie wirken noch auf breiterer Region im Embryo, wenn sich die Wirkung auf den Ebenen der
Paarregelgene und der Segmentpolaritätsgene jeweils weiter eingrenzt.

z Paarregelgene
Paarregelgene regulieren die feinere Einteilung der Segmente.
Beispiele:
55 even-skipped-Mutanten haben die geradzahligen Segmente verloren und bestehen aus den
Segmenten Nummer 1, 3 usw.
55 fushi-tarazu-Mutanten bestehen nur aus den geradzahligen Segmenten.

Auch Paarregelgene interagieren miteinander.


Paarregelgene sind die übergeordneten Transkriptionsfaktoren für die Segmentpolaritätsgene.

z Segmentpolaritätsgene
Segmentpolaritätsgene regulieren innerhalb der Segmente die Ausrichtung und Polarität der
Zellen, abhängig von den Nachbarsegmenten.
Die Genprodukte sorgen dabei für die Abstimmung benachbarter Segmente, also des post-
erioren Teils eines Segments und des anterioren Teils des Nachbarsegments.
Beispiel: Bei gooseberry-Mutanten fehlen die posterioren Hälften von Segmenten. Sie sind
ersetzt durch die Spiegelbilder der anterioren Hälften der Nachbarsegmente.
254 Kapitel 14 · Entwicklungsgenetik

Weitere wichtige Segmentpolaritätsgene sind hedgehog (hh) und wingless (wg). Hedgehog
und Wingless sind integriert in wichtige Signaltransduktionswege der Zelle.
Die Konzentrationsgradienten, die hierarchische Gliederung der Gene und die Interaktionen
der Proteine auf einer Ebene führen dazu, dass die einzelnen Zellen sehr genau und differenziert
genetisch (an)gesteuert werden.

14.2.6 Homöotische Gene

Homöotische Gene legen die Identität der einzelnen Segmente fest. Beispielsweise bildet jedes
der drei thorakalen Segmente Beinpaare aus, das zweite auch die Flügel (der Dipteren), das dritte
die Halteren.
Charakteristika der homöotischen Gene und verwandter Gene:
55 Sie codieren ebenfalls Transkriptionsfaktoren.
55 Gemeinsam ist den Genen ein 180 bp langes Motiv, das man als Homöobox bezeichnet. Sie
codiert die Protein-Homöodomäne, die sich an die DNA bindet.
55 Die homöotischen Gene von Drosophila sind in zwei Komplexen organisiert:
44Dem Antennapedia-Komplex für den Kopf und den vorderen Thorax
44und dem Bithorax-Komplex für den hinteren Thorax und das Abdomen.
Die Gene bilden den homöotischen Komplex (HOM-C) und sind auf dem Chromosom
in der passenden Reihenfolge organisiert. Beispiesweise liegt das lab-Gen auf dem
Chromosom vor dem pb-Gen und ist auch dem davor liegenden Segment zugeordnet.

Die Homöobox ist bei Genen für Transkriptionsfaktoren weit verbreitet:


55 Homöobox-Gene findet man sowohl bei Pilzen und Pflanzen als auch bei Nematoden oder
Säugetieren. Sie kommen nicht nur in homöotischen Genen vor.
55 Die homöotischen Gene bilden mit homologen Genen bei anderen Tieren die Hox/HOX-
Gene. Dem HOM-C Cluster bei Drosophila entsprechen bei Säugetieren die vier HOX-
Cluster von HOX A bis HOX D.
55 Sie übernehmen beim Menschen ebenfalls Funktionen für die Entwicklung. Mutationen
sind daher verantwortlich für schwere Fehlbildungen von Gesicht und Schädel.
Beispiel: Verwandt mit dem hedgehog-Gen von Drosophila ist das Sonic Hedgehog (SHH)
14 des Menschen. Mutationen führen zu dem Krankheitsbild Holoprosencephalie, bei dem
das Frontalhirn, das Gesicht und der Schädel betroffen sind. Die Symptome sind variabel,
sie reichen von der Verschmelzung zweier Schneidezähne zu einem einzigen bis zur
Ausbildung nur eines Auges in der Gesichtsmitte (Zyklopie).
55 Bei den HOX-Genen der Wirbeltiere besteht ein Zusammenhang zwischen der Anordnung
im Cluster und der zeitlichen Expression. Vorn liegende Gene liest die Zelle während der
Entwicklung ab, bevor sie die hinteren exprimiert.
55 Proteine der Polycomb-Gruppe (PcG) remodellieren das Chromatin und schalten Hox-
Gene bei Drosophila ab.

z Weitere Tranksriptionsfaktoren
Auch die Transkriptionsfaktoren der POU-Familie enthalten eine Homöodomäne. Sie sind eben-
falls an der Entwicklung von Organismen beteiligt, beispielsweise bei Mensch, Drosophila, Cae-
norhabditis u. a., aber nicht bei Pflanzen oder Pilzen.
POU ist ein Akronym der Anfangsbuchstaben dreier Transkriptionsfaktoren (Pit-1, Oct-1/
Oct-2, Unc-86, vgl. Oct-4 bei Stammzellen).
14.3 · Entwicklungsgene bei Arabidopsis
255 14
Pax-Gene (paired-box-Gene) codieren gewebespezifische Transkriptionsfaktoren und ent-
halten eine teilweise oder vollständige Homöodomäne. paired ist ein Drosophila-Gen, die paired
box ist ebenfalls eine DNA-bindende Domäne.

14.3 Entwicklungsgene bei Arabidopsis

Der pflanzliche Modellorganismus par excellence ist die Ackerschmalwand, Arabidopsis


thaliana.
Auch Arabidopsis durchläuft eine Embryogenese, in welcher der frühe Embryo eine apikal-
basale Polaritätsachse und ein radiales Muster ausbildet.

14.3.1 Mutanten von Arabidopsis

Um die Entwicklung mit Drosophila zu vergleichen und homöotische Gene zu finden, schaut
man sich die Blütenentwicklung an. Auch wenn man mit Arabidopsis arbeitet, untersucht man
Mutanten.
Auf die Blühentwicklung bezogen unterscheidet man verschiedene Klassen von Mutationen:
55 Mutationen, welche die Blühinduktion betreffen, also den Beginn der Blütenbildung als
Reaktion auf äußere Faktoren wie Licht oder Tageslänge.
55 Mutationen, welche zu einem veränderten Aufbau der Blüten führen.
Bei ihnen findet man homöotische Mutanten, wie man sie von Drosophila kennt. Sie
führen zu abweichenden Identitäten der Blütenbestandteile:
44Die normale Blüte von Arabidopsis besteht aus jeweils einem Wirtel genannten Ring
von vier Kelchblättern, vier weißen Blütenblättern, sechs Staubblättern und zwei
Fruchtblättern. Bei den Mutanten sind die Identitäten in den Wirteln verändert.
44Klasse-A-Mutanten haben in dem äußersten oder ersten Wirtel und dem vierten Wirtel
Fruchtblätter, in den übrigen Wirteln Staubblätter.
44Klasse-B-Mutanten haben zwei äußere Wirtel aus Kelchblättern und zwei innere Wirtel
aus Fruchtblätter.
44Klasse-C-Mutanten weisen im äußersten und innersten Wirtel Kelchblätter auf,
während die Wirtel dazwischen aus Blütenblättern bestehen.

14.3.2 Das ABC-System

Aus den Mutanten lässt sich das ABC-System ableiten, aus dem hervorgeht, welche Interaktion
von Genen für welchen Typ von Blütenblatt erforderlich ist:
55 Expression von Klasse-A-Genen ergibt Kelchblätter,
55 Expression von Klasse-A- und -B-Genen ergibt Kronblätter,
55 Expression von Klasse-B- und -C-Genen ergibt Staubblätter,
55 Expression von Klasse-C-Genen ergibt Fruchtblätter.

In diesem ABC-System hat man homöotische Gene identifiziert, die ebenfalls Transkriptions-
faktoren codieren.
Die DNA-bindende Domäne ist hier die MADS-Box. MADS steht für die Anfangsbuchstaben
der Gene: MCM1 bei Saccharomyces cerevisiae (Bierhefe), ag oder agamous bei A.thaliana, def-a
256 Kapitel 14 · Entwicklungsgenetik

oder deficiens bei Antirrhinum majus (Großes Löwenmäulchen), SRF beim Menschen. Mutatio-
nen in ag oder def-a legen die Blütenorgane anders als im Wildtyp fest.
MADS-Box-Gene zählen zu den homöotischen Genen, sind mit den Homöobox-Genen
jedoch nicht weiter homolog.
Neben den homöotischen Genen kann man weitere Parallelen in der Entwicklung von Dro-
sophila und von Arabidopsis erkennen:
55 Bei beiden Organismen wirken und interagieren zahlreiche Gene auf mehreren
Ebenen.
55 Die Gene arbeiten in Kaskaden.
55 Transkriptionsfaktoren regulieren die Expression nachfolgender Gene.

14.4 Apoptose – programmierter Zelltod

Die Apoptose (. Abb. 14.1) erfüllt im Organismus zwei wesentliche Funktionen:


55 Sie ist unverzichtbarer Bestandteil für eine korrekte Entwicklung. Beispielsweise erhält die
Hand des Menschen erst dann ihre Form, wenn das Gewebe zwischen den Fingern durch
den Tod der verbindenden Zellen verschwindet.
55 Gefährliche Zellen, deren DNA irreparabel geschädigt ist oder die mit einem Virus
infiziert sind, werden über diesen Weg zerstört.

Auslöser für die Apoptose können mehrere extrinsische und intrinsische Faktoren sein, bei-
spielsweise Cortisol in Lymphocyten, Fas-Ligand oder TNF.
Im Ablauf zerstört sich die Zelle selbst und wird schließlich von Immunzellen beseitigt
(. Abb. 14.1):
1. TNF bindet sich an einen Todesrezeptor, beispielsweise den Fas-Rezeptor.
2. Die Ligand-Rezeptor-Bindung aktiviert bestimmte Enzyme, die man Caspasen nennt.
Caspasen sind Cystein-Proteasen. Ein Beispiel ist die Caspase 8.
3. Die Caspasen zersetzen verschiedene Proteine.
4. DNasen spalten die DNA.
5. Die DNA wird nach und nach fragmentiert und abgebaut. Die Kernfragmentierung nennt
man Karyorrhexis.
14 6. Das Cytoplasma schwindet.
7. In einem Karyopyknose genannten Prozess schrumpft der Zellkern und verdichtet sich das
Chromatin zu einer Masse.
8. Membranversiegelte Apoptosekörperchen (apoptotic bodies) beinhalten die Zellüberreste.
Schließlich phagocytieren Makrophagen diese Apoptosekörperchen.

Durch die Phagocytose baut der Organismus die Inhaltsstoffe weiter ab und verwertet sie
wieder. Er vermeidet dadurch auch Entzündungsreaktionen.
Man bezeichnet die Apoptose als physiologischen Zelluntergang.

z Vergleich mit verwandten Prozessen


Die programmierte Nekrose oder Nekroptose beginnt wie die Apoptose als Reaktion auf einen
aktivierten Todesrezeptor. Sie verläuft aber ohne die Beteiligung von Caspasen und endet mit
Selbstverdauung.
14.4 · Apoptose – programmierter Zelltod
257 14
Gesunde Zelle Kranke Zelle

Zelle beginnt
zu schrumpfen

Zelle zefällt
in Vesikel

3
Makrophagen phago-
cytieren die Zellreste

Die kranke Zelle wurde entfernt.


Im Gewebe wird sich die gesunde
Nachbarzelle mitotisch teilen, um
4 die Lücke zu schließen.

. Abb. 14.1  Ablauf der Apoptose

Die unkontrollierte Nekrose oder einfach Nekrose ist ein traumatischer Prozess, der nicht
vom Organismus beabsichtigt ist. Die Zelle platzt und fließt aus, wobei es zu Entzündungsreak-
tionen kommt. Oft betrifft die Nekrose nicht nur einzelne Zellen, sondern mehrere Zellen bis
zu Gewebeabschnitten.
Im Gegensatz zur Apoptose definiert man die Nekrose als pathologischen Zelluntergang.
Bei der Autophagie oder Autophagocytose baut die Zelle alte Zellbestandteile wie Proteine bis
hin zu ganzen Organellen ab. Beispielsweise werden in den Leberzellen des Menschen Mitochondrien
nach etwa zehn Tagen durch sogenannte Mitophagie zerlegt und die Bestandteile wiederverwertet.
258 Kapitel 14 · Entwicklungsgenetik

Totipotent
Oocyte

Menschlicher Fetus

Spermium
Morula

Pluripotent Blastocyste

Innere Zellmasse

Beispiele: Multipotent

Herz-Kreislauf-System Nervensystem Immunsystem

. Abb. 14.2  Totipotente, pluripotente und multipotente Stammzellen

14.5 Stammzellen

Im Lauf des Keimstadiums und der frühen Embryonalentwicklung beginnt auch die Differen-
zierung der Zellen:
1. Zunächst teilt sich die Zygote mehrfach und bildet einen kugeligen Zellhaufen. Dieser
Zellhaufen hat das gleiche Volumen wie die Zygote.
2. Ab dem 16-Zellstadium spricht man beim Menschen von der Morula.
Mit weiteren Zellteilungen sondern sich Zellen nach außen hin ab und formen eine
14 Trophoblast genannte Zellschicht. Im Inneren des Trophoblasten bilden andere Zellen
in einer flüssigkeitsgefüllten Höhle den Embryoblasten. Aus der Morula ist die Blastula
geworden. Bei höheren Säugetieren nennt man sie Blastocyste.
3. Aus dem Trophoblast werden die Placenta und die Eihäute, aus dem Embryoblast die drei
Keimblätter Ento, Ekto- und Mesoderm, aus denen sich später die Gewebe differenzieren.

Das Schicksal der Zellen im Embryo engt sich damit immer weiter ein:
55 Die Zellen werden determiniert und sind in ihrer weiteren Entwicklung ab einem
bestimmten Punkt festgelegt.
55 Je weiter sie sich zu bestimmten Zelltypen differenzieren, desto mehr nimmt ihre Entwick-
lungsfähigkeit ab.

Die Entwicklungsfähigkeit einer Zelle wird in verschiedene Kategorien eingeordnet (. Abb. 14.2):
55 Totipotenz ist die Eigenschaft einer Zelle, einen kompletten Organismus zu bilden.
44Eine Zygote oder Sporen sind also totipotent.
14.5 · Stammzellen
259 14
44Bei Pflanzen und Pilzen behalten viele Zelle die Eigenschaft dauerhaft bei, bei Tieren
geht sie nach einigen Zellteilungen verloren. Die Anzahl der Zellteilungen bis zu diesem
Punkt ist artspezifisch. Beim Menschen sind Zellen wahrscheinlich maximal bis zum
Achtzellstadium totipotent.
55 Pluripotenz ist die Eigenschaft einer Zelle, sich noch in alle Zelltypen der drei Keimblätter
und der Keimbahn zu differenzieren. Aus einer pluripotenten Zelle kann sich jedoch kein
vollständiger Organismus entwickeln.
55 Multipotente Zellen können nur noch bestimmte Zelltypen bilden.
Beispiel: Hämatopoetische Stammzellen oder Blutstammzellen im Knochenmark
differenzieren sich in die drei großen Zelltypen des Bluts: Erythrocyten, Leukocyten und
Thrombocyten.

Der Verlust der Entwicklungsfähigkeit ist die Folge einer geänderten Genexpression. Dazu
gehören umfangreiche epigenetische Vorgänge (z. B. DNA-Methylierung, modifizierte Chroma-
tinstruktur, miRNAs) und die Transkription einzelner Transkriptionsfaktoren.

14.5.1 Embryonale Stammzellen

Stammzellen sind Körperzellen, die sich in die Zelltypen und Gewebe differenzieren können.
Die Zellen des Embryoblasten bezeichnet man als embryonale Stammzellen (ES) oder pluri-
potente Stammzellen.
Sie zeigen besondere Eigenschaften:
55 Sie können sich in die drei Keimblätter und nachfolgende Zelltypen
differenzieren.
55 Grundsätzlich sind sie unsterblich, was man Immortalität nennt.
55 Sie teilen sich unbegrenzt. Die Teilung erfolgt asymmetrisch. Die Mutterzelle bleibt eine
Stammzelle, die Tochterzelle kann sich differenzieren oder den Status als Stammzelle
beibehalten.

Stammzellen besitzen ein erhebliches Potenzial für die Forschung und die Medizin:
55 Man verspricht sich von ihnen, dass sie geschädigtes Gewebe regenerieren können,
beispielsweise nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt.
55 Aus menschlichen embryonalen Stammzellen hat man bereits Neuronen gewonnen, die
Dopamin ausschütten. In Gehirnen von Mäusen und Ratten ohne die entsprechenden
Zellen konnten sie die Dopaminversorgung übernehmen.

Da man embryonale Stammzellen aus der inneren Zellmasse von Blastocysten von Embryonen
für eine eventuelle In-vitro-Fertilisaton gewinnt, sind Gewinnung und Umgang mit ihnen ethisch
höchst umstritten. Wegen unterschiedlicher ethisch-religiöser Rahmenbedingungen sind die
Gesetze dazu international verschieden.

14.5.2 Kerntransfer und Klonen

Wie frühere Experimente zeigten, sind adulte differenzierte Zellen grundsätzlich wieder repro-
grammierbar und hatten somit keine Gene verloren.
260 Kapitel 14 · Entwicklungsgenetik

Ein Schlüsselexperiment dazu ist der Kerntransfer oder die Kerntransplantation:


1. Man entnimmt einer adulten somatischen Zelle den Zellkern und überführt ihn in eine
ebenfalls entkernte Eizelle. Der Kern der adulten somatischen Zelle ersetzt somit den Kern
der Eizelle.
2. Diese veränderte Eizelle wird durch Stromstöße oder chemische Substanzen dazu
stimuliert, sich zu einem Embryo zu entwickeln.

Durch Kerntransfer gewonnene Embryonen können für verschiedene Zwecke genutzt werden:
55 Beim reproduktiven Klonen setzt man den Embryo einer Leihmutter ein, die diesen
austrägt.
55 Beim therapeutischen Klonen entwickelt sich der Embryo in der Petrischale zunächst
weiter, dann isoliert man einzelne Zellen, um daraus beispielsweise Gewebe zu gewinnen,
und zerstört den Embryo.

Beispiele:
55 Ende der 1960er-Jahre transplantierte John Gurdon Zellkerne von Darmzellen des Krallen-
frosches Xenopus und erhielt fruchtbare Individuen.
55 1996 klonten Ian Wilmut und seine Mitarbeiter das Schaf „Dolly“. Sie transferierten dazu
einen Zellkern aus Brustdrüsenzellen. Mittlerweile konnte man weitere Säugetiere auf
diese Weise klonen.

Kerntransplantationen sind mit einer Reihe von Problemen behaftet: Ihre Erfolgsquote ist gering.
Bei Dolly betrug sie 1:277.
55 Nicht alle adulten Zellen sind reprogrammierbar, das gilt beispielsweise für Nervenzellen
der Maus.
55 Die Tiere kommen genetisch alt auf die Welt. In adulten Zellen verkürzen sich die
Telomere, auch Mutationen können sich schon angehäuft haben. Dolly litt beispiels-
weise an mehreren Krankheiten und musste im Alter von sechs Jahren eingeschläfert
werden.
55 Da man bei einem derartigen Transfer nur den Kern überführt, nicht aber die Mitochon-
drien, handelt es sich bei dem Nachkommen im strengen Sinn nicht um einen genetisch
gleichen Organismus oder Klon.
14
14.5.3 Somatische Stammzellen und induzierte pluripotente
Stammzellen

Stammzellen kommen auch im adulten Organismus vor, beispielsweise im Knochenmark, in der


Leber, in bestimmten Gehirnregionen oder im Darm. Diese adulten oder somatischen Stamm-
zellen dienen der Regeneration in dem Organ.
Die Umprogrammierung ist bereits experimentell möglich:
1. Man transfiziert die Gene der vier Transkriptionsfaktoren Oct4, Sox2, Klf4 und Myc
mittels lentiviraler Vektoren in die Zellen (. Abb. 14.3).
2. Die Expression der Gene von den Vektoren erfolgt außerhalb des Zellkerns, was man als
außerörtlich oder ektopisch bezeichnet. Sie führt zu umfangreichen epigenetischen
14.5 · Stammzellen
261 14
Ausdifferen- Reprogrammierende Zwischen-
zierte Zellen Transkriptionsfaktoren stadium iPS-Zellen

Klf4 Oct4
Sox2
Myc

Oct4 Mbd3 Oct4


Mbd3
Tet2 Tet2

Ruhendes Unklare Aktivierung


Stammzellgen Situation des Gens

. Abb. 14.3  Um- oder Reprogrammieren von differenzierten Zellen mithilfe von Oct4, Sox2, Klf4, Myc. Diese
Faktoren rekrutieren Coaktivatoren wie Tet2 ebenso wie Repressoren wie Mbd3, das die Aktivierung noch
verhindern kann. Erst wenn sich Mbd3 löst, kommt es zur Aktivierung

Änderungen (z. B. durch DNA-Methylierung und Histonmodifikation) und zur Repro-


grammierung (. Abb. 14.4).
3. Einige der Zellen werden nach rund zweiwöchiger Kultivierung wieder pluripotent.

Man spricht von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Beliebtes Ausgangsma-


terial sind Zellen aus dem Nabelschnurblut oder dem Knochenmark. Inzwischen gelingt auch
die Umprogrammierung von adulten Fibroblasten.

14.5.4 Transfer und Keimbahntherapie

Die Reproduktionsmedizin will Transfertechniken mit der In-vitro-Befruchtung kombinieren,


um Erbkrankheiten zu behandeln.
Man diskutiert zwei Methoden:
55 Beim Spindeltransfer wird der Kern vor der Befruchtung ausgetauscht:
1. Man entnimmt die Kern-DNA (genauer: den Spindel-Chromosomen-Komplex) einer
Eizelle vor der Befruchtung und überträgt ihn in eine entkernte Empfängerzelle einer
zweiten Frau.
2. Nach der In-vitro-Fertilisation transplantiert man dann die Zelle.
3. Die Mitochondrien lässt man dabei in der Spenderzelle zurück.

Leidet die Spenderin an einer Mitochondropathie, vermeidet man den Transfer der Mitochon-
drien mit Mutationen und erzeugt ein gesundes Kind. Eine anschließende genetische Analyse
soll künstliche Heteroplasmie ausschließen, also sicherstellen, dass keine Mitochondrien
übertragen worden sind und geschädigte wie intakte Mitochondrien vorliegen.
262 Kapitel 14 · Entwicklungsgenetik

Somatische Zellen Zwischenstufen iPS


H3K4me2/3 Nucleosom H3K27me3
X X
Somatische
Gene
X
Frühe Pluripotenz
H3K9me2/3 Gene (Sall4)
X X
Späte Pluripotenz
Gene (Sox2)
Poised
X
Bivalente Gene
a
Unmethyliertes Cytosin 5'-Methylcytosin
X
Somatische
5'-Hydroxymethylcytosin Gene
X X
Pluripotenz
b Gene (Oct4, Esrrb)
Coaktivator

M
Histonvariante K K M
X O S X O S
Pluripotenz
c Gen (Oct4)
Nanog-interagie-
render Locus
Cohäsin

K M K M
X O S X S
? Mediator O
Pluripotenz
d Gen (Nanog)

. Abb. 14.4  Während der Induktion ändert sich der epigenetische Status in erheblichem Umfang, über
14 Zwischenstufen kommt es zu induzierten pluripotenten Stammzellen

55 Beim Vorkerntransfer nimmt man den Austausch kurz nach den Befruchtungen der zwei
Eizellen vor.

Die Methoden sind ethisch umstritten, grundsätzlich wegen des Eingriffs in die Keimbahn, der
unausgereiften Technik und weil man ein Kind erzeugt, das Erbgut von drei Personen bekommt,
also drei Eltern hat. Die rechtliche Situation zur Forschung und Durchführung ist weltweit sehr
unterschiedlich und wird diskutiert.
263 15

Genomik
15.1 Überblick und Einteilung des Gebiets – 264

15.2 Kartierung von Genomen – 264


15.2.1 Biologische Karten – 265
15.2.2 Physikalische Karten – 266
15.2.3 Sequenzierung – 268
15.2.4 Annotierung – 270

15.3 Variabilität und Individualität im menschlichen


Genom – 270
15.3.1 Einzelnucleotidpolymorphismen und
Einzelnucleotidvarianten – 270
15.3.2 Kopienzahlvarianten (CNVs) – 272
15.3.3 Mikrosatelliten – 272

15.4 Funktionelle Genomik – 273


15.4.1 Untersuchung des Transkriptoms – 273
15.4.2 Proteomik – 276

15.5 Komparative Genomik – 279

15.6 Evolution des Menschen – 280

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_15
264 Kapitel 15 · Genomik

z Worum geht es?


Die Genomik untersucht komplette Genome. Dazu gehört die Erstellung biologischer und phy-
sikalischer Karten einschließlich der Sequenzierung. Mit verschiedenen Methoden kann man
die Variabilität des menschlichen Erbguts untersuchen. Die funktionelle Genomik analysiert das
Transkriptom (die Gesamtheit der Transkripte), das Epigenom (die Gesamtheit der epigeneti-
schen Information) und das Proteom (die Gesamtheit der Proteine). Als Modellorganismen in
der genetischen Forschung dienen mehrere Arten unterschiedlicher Komplexität.

15.1 Überblick und Einteilung des Gebiets

Die Genomik ist ein junges Teilgebiet innerhalb der Genetik. Sie untersucht und vergleicht von
kompletten Genomen
55 den Aufbau,
55 die Organisation,
55 die Funktion und Interaktion genetischer Elemente,
55 die Evolution von Genen und genetischen Elementen.

Daher ergibt sich folgende Einteilung:


55 Die Untersuchung der Organisation und die Ermittlung der Sequenz fasst man auch
zusammen zur strukturellen Genomik.
55 Wenn nur die nackten Sequenzdaten vorliegen, versteht man das Genom jedoch noch
nicht. Erst die funktionelle Genomik ermittelt Gene, ihre Funktion, die Transkription und
untersucht genauer die Genprodukte. Die funktionelle Genomik untersucht daher auch
das Transkriptom, das Epigenom und das Proteom.
55 Ähnlichkeiten zwischen Sequenzen verschiedener Organismen deuten auf eine evolu-
tionäre Konservierung und Funktion hin, sie werden von der vergleichenden Genomik
herausgearbeitet.

Je nach Erkenntnisstand und Inhalt kann man drei Arbeitsebenen abgrenzen:


55 Die Kartierung ermittelt die Lage von genetischen Elementen wie Genen, markanten
DNA- Abschnitten und regulatorischen Elementen auf den Chromosomen und relativ
zueinander.
55 Die Sequenzierung bestimmt die Abfolge der Nucleotide auf den Chromosomen.
15 55 Die Annotierung schreibt den Sequenzen Bedeutungen und Funktionen zu, teilt Gene in
Kategorien ein und untersucht Genome mehrerer Organismen miteinander auf verwandte
Sequenzen.

15.2 Kartierung von Genomen

Die Kartierung eines Genoms ist die Grundlage für die späteren Arbeiten. Man unterscheidet
zwei Arten von Karten:
55 Biologische, genetische oder Kopplungskarte. Sie gibt nicht die Sequenzen der
DNA-Basen wieder, sondern spiegelt wider, wie eng die Kopplung der einzelnen
DNA-Abschnitte und/oder Marker bzw. Gene ist. Damit sagt sie nur aus, welche Regionen
häufig gemeinsam auftreten und deshalb wohl eng beieinander liegen und welche eher
locker assoziiert sind und darum wohl weiter voneinander entfernt oder auf getrennten
15.2 · Kartierung von Genomen
265 15
Chromosomen lokalisiert sind. Als Einheit wurde das centiMorgan mit dem Symbol cM
eingeführt. 1 cM entspricht einer Rekombinationshäufigkeit von 1 %. Je größer der Wert
ist, desto weniger eng ist die Kopplung zweier DNA-Abschnitte.
55 Physikalische Karte. Im Idealfall und als Ziel listet sie die Nucleotidsequenz der DNA auf.
Die Reihenfolge der DNA-Abschnitte ist auf beiden Kartentypen gleich.

15.2.1 Biologische Karten

Biologische Karten geben an, wie wahrscheinlich DNA-Abschnitte, Marker oder Gene bei der
Zellteilung miteinander verbunden bleiben. Als trennendes Element wirken Crossing over.
Bei den biologischen oder genetischen Karten richtet sich das Vorgehen nach dem Orga-
nismus. Die Arbeit mit Modellorganismen erlaubt andere Methoden als die Bestimmung einer
Genkarte des Menschen.

z Das Musterbeispiel für eine genetische Karte ist die Kartierung des Drosophila-
Genoms.
55 Man kreuzt Drosophila-Individuen mit verschiedenen Merkmalen und sucht nach neuen
Kombinationen.
55 Diese beruhen dann auf homologen Rekombinationen (s. 7 Abschn. 9.1).
55 Das Ergebnis ist eine Karte, die nicht so sehr absolute Abstände oder Orte angibt, sondern
Rekombinationshäufigkeiten und die Lage von Markern relativ zueinander.

z Kartierung des menschlichen Genoms


Für die biologische Karte des Menschen konnte man sich nicht auf Kreuzungen stützen. Man ver-
wendete individuelle Unterschiede in der Sequenz, die Polymorphismen. Der Begriff stammt aus
der Populationsgenetik. Ein Polymorphismus ist ein Sequenzunterschied, der die unterschied-
lichen Allele eines Gens ausmacht.
Man nutzte verschiedene Polymorphismen als Marker:
55 Schnittstellen für Restriktionsendonucleasen. Nach dem Einwirken der Enzyme ergeben
sich DNA-Stücke unterschiedlicher Länge. Den Effekt bezeichnet man als Restriktions-
fragmentlängenpolymorphismus (RFLP) (. Abb. 15.1).
55 Einzelnucleotidpolymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNP, lies: „snip“).
Dabei handelt es sich um Unterschiede in einzelnen Basenpaaren. Einerseits nutzt man
SNPs als Marker, andererseits erhält man dank der Sequenzierung weitere SNPs und kann
damit individuelle Unterschiede greifbar machen.
55 Mikrosatelliten genannte kurze, nichtcodierende DNA-Sequenzen von zwei bis vier Basen,
die sich wiederholen.

In den Untersuchungen wurde für mehr als 5000 Marker überprüft, wie eng gekoppelt sie auf-
traten. Das Ergebnis war eine Karte des menschlichen Genoms mit einer Auflösung von etwa
0,7 cM oder rund 520 Mb.
Die Allele oder Varianten, die auf einem Chromosom beieinander liegen, also gekoppelt sind
und zusammen vererbt werden, bilden einen Haplotyp.

z Nachteile biologischer Karten


Die biologischen Karten haben mehrere große Nachteile:
55 Die Auflösung ist gering, dadurch liefern sie wenige Details.
266 Kapitel 15 · Genomik

Proband A Proband B Proband C


1 2 3 1 3 1 2 3

DNA-Abschnitte S S
S
homologer Chromosomen

1 2 3 1 3 1 3

Schnittstellen auf den x + y x x+ y y


x y
homologen Chromosomen

A B C

x + y
Autoradiografie nach
Southern-Blot-Hybridisie- x
rung mit S als DNA-Sonde

. Abb. 15.1  Nachweis eines RFLP (nach Buselmaier und Tariverdian 2007)

55 Die Charakterisierung über die Bänderung der Chromosomen ist zu grob (. Abb. 15.2).
55 Die Größenangaben basieren auf Rekombinationen. Dadurch lassen sich die Abstände in
centiMorgan nicht in Nucleotiden umrechnen. Zusätzlich erscheinen die Genkarten von
weiblichen Individuen größer, weil in ihren Meiosen mehr Crossing over ablaufen.

15.2.2 Physikalische Karten

Physikalische Karten haben eine feine Auflösung und geben exakte Nucleotidabstände für
DNA-Abschnitte auf einem Chromosom an.

z Methoden der physikalischen Kartierung


Die verschiedenen Verfahren zum Erstellen einer physikalischen Karte lassen sich in zwei große
15 Gruppen teilen:
55 Sequenzierungsmethoden, mit denen die Nucleotidsequenz mit einer Auflösung von
einer Base ermittelt wird.
55 Nichtsequenzierungsmethoden, die eine geringere Auflösung haben. Sie werden für
schnelle Analysen oder spezielle Aufgaben angewandt.

Für physikalische Karten ohne Sequenzierung nutzt man mehrere Methoden, die sich mitein-
ander kombinieren lassen und teilweise aufeinander aufbauen:
55 Restriktionskartierung. Die Methode darf nicht mit der RFLP der biologischen Kartierung
verwechselt werden. Bei der Restriktionskartierung werden die Fragmente nach der
Behandlung mit verschiedenen Enzymen zu einer Karte kombiniert:
1. Man schneidet die DNA mit verschiedenen Restriktionsenzymen. Beispielsweise führt
man einen Verdau mit den selten schneidenden Enzymen NotI und MluI durch.
15.2 · Kartierung von Genomen
267 15

1 2 3 4 5
A B

6 7 8 9 10 11 12 X
C

13 14 15 16 17 18 350
D E 550

2000
19 20 21 22
a F G Y b

. Abb. 15.2  Karyotyp eines Mannes (a) und die Bänderung von Chromosom 11 bei verschiedenen
Kondensationsgraden (b)

2. Man trennt dann die Fragmente auf einem Agarosegel auf und bestimmt die Größe.
3. Kombiniert man anschließend die Enzyme, ergeben sich andere Fragmentlängen.
4. Computerprogramme vergleichen und ordnen die Fragmente, sodass sich eine
durchgehende Karte ergibt, die das Chromosom abbildet. Sie gibt die Abstände der
Schnittstellen mit einer Auflösung von weniger als 1 Mb an.

55 Sequence tagged sites (STS) sind DNA-Sequenzen von 200–500 bp Länge, die nur ein
einziges Mal im Genom vorkommen. Sie lassen sich mit spezifischen Primern leicht über
eine PCR erkennen und vervielfältigen. Damit dienen STS als Marker zur Identifizierung
von DNA-Abschnitten:
1. Das Chromosom wird in mehrere DNA-Fragmente zerschnitten.
2. Die DNA-Fragmente werden als Inserts in künstliche Hefechromosomen (YACs, yeast
artificial chromosomes) oder in künstliche Bakterienchromosomen (BACs, bacterial
artificial chromosomes) eingebaut. BACs basieren auf dem F-Plasmid und dürfen nicht zu
groß werden. Daher entfernt man vor dem Einbringen eines Inserts mehrere Plasmidgene.
3. Die künstlichen Chromosomen werden im jeweiligen Organismus vervielfältigt.
4. Mit spezifischen Primern und PCR wird jedes künstliche Chromosom auf die
Anwesenheit von STS überprüft.

55 Von STS zum Contig. In der Regel überlappen die Inserts der BACs, ein STS sollte also
in mehreren BACs zu finden sein. Darauf aufbauend kann man die überlappenden
BACs ordnen und es ergibt sich eine Abfolge von BACs, die das Chromosom lückenlos
überspannt. Das Ergebnis nennt man Contig (von engl. contiguous: zusammenhängend,
angrenzend; . Abb. 15.3).
268 Kapitel 15 · Genomik

B1
B2
B3
* B4
B5

a b S1 S2 S3 S4 S5
. Abb. 15.3  Überlappende Klone ergeben ein Contig aus den BACs B1 bis B5. Der Stern markiert den
Ausgangspunkt, S1 bis S5 sind STS-Marker

55 FISH, Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung. Man kann ein kurzes DNA-Stück mit einem


Fluoreszenzfarbstoff versehen und als Sonde einsetzen, die einen spezifischen DNA-Ab-
schnitt findet. Die Sonde hybridisiert mit ihrer komplementären Gegensequenz im
Chromosom, und der Farbstoff zeigt die Lage der DNA-Sequenz im Chromosom an.
Die Methode erreicht nur eine geringe Auflösung. Man setzt sie in der Diagnostik von
Erbkrankheiten ein, beispielsweise als Test für eine chromosomale Deletion.

15.2.3 Sequenzierung

Mit der Sequenzierung der DNA ermittelt man ihre Basenabfolge. Da die Sequenz, die man in
einem Durchgang sequenzieren kann, mit weniger als 1 kb nicht sehr lang ist lassen sich auch die
Inserts von BACs nicht direkt in einem Durchgang sequenzieren.
Für die Sequenzierung des menschlichen Genoms haben das staatlich geförderte Humange-
nomprojekt und das private Unternehmen Celera Genomics verschiedene Strategien angewandt:
55 Das Humangenomprojekt hat nach der kartenbasierten hierarchischen Methode
gearbeitet. Dabei wird zuerst die Lage eines DNA-Abschnitts bestimmt und danach seine
Sequenz ermittelt.
55 Celera Genomics hat die Methode der Schrotschuss-Sequenzierung angewandt. Bei
diesem Verfahren werden zunächst DNA-Abschnitte sequenziert und anschließend ihre
Lokalisation geklärt.

15 z Kartenbasierte, hierarchische Sequenzierung


Das Prinzip der hierarchischen Sequenzierung:
1. Das Humangenomprojekt erstellte zunächst eine physikalische Karte eines Contigs.
2. Einzelne Inserts wurden dann an den kartierten Restriktionsschnittstellen zerkleinert
und kloniert. Die Inserts der einzelnen Klone sollten sich überlappen, dann wurden sie
sequenziert.
3. Der Überlappungsbereich erlaubte die Anordnung und richtige Reihenfolge der kurzen
Sequenzen.

z Schrotschuss-Sequenzierung
Das Prinzip der Schrotschuss-Sequenzierung (whole genome shotgun sequencing, . Abb. 15.4):
1. Mittels mechanischer Scherkräfte, beispielsweise durch Ultraschall, zerteilt man das ganze
Genom gleichzeitig. Daraus resultieren kurze, unterschiedlich lange, zum Teil überlap-
pende Fragmente.
15.2 · Kartierung von Genomen
269 15

. Abb. 15.4  Vergleich von hierarchischer und ganzer Genom-Schrotschuss-Sequenzierung (nach Buselmaier
und Tariverdian 2007)

2. Man kloniert die Fragmente in Plasmidvektoren und sequenziert die Inserts von den
Enden her.
3. Computer suchen nach überlappenden Sequenzen und setzen die Fragmente zu einem
Contig zusammen.

Das Verfahren ist mit einigen Problemen behaftet und liefert nicht auf Anhieb die gewünschte
komplette Sequenz:
55 Wegen der unvermeidlichen Sequenzierungsfehler muss man die DNA-Sequenz
mehrfach sequenzieren. Üblich sind zehn reads genannte Lesedurchgänge, die eine
zehnfache Abdeckung oder coverage liefern.
55 Die Genome höherer Tiere und Pflanzen enthalten repetitive Sequenzen. Wenn nicht
bekannt ist, wie viele Wiederholungen aufeinander folgen, kann die berechnete Sequenz
zu kurz oder zu lang werden. Zur Absicherung sequenziert man die Enden von langen
Genomfragmenten mit bis zu 50 kb und überprüft, ob die Endsequenzen im Contig in der
richtigen Abfolge verankert sind.

Die Methode der Schrotschuss-Sequenzierung wurde zunächst an kleineren Genomen durch-


geführt. Die Sequenzierung des menschlichen Genoms war erst mit der Entwicklung leistungs-
fähigerer Computer möglich, die aus den Sequenzfragmenten eine durchgehende Folge erstellen
konnten. Inzwischen kann man mit dem Verfahren die Genome von Einzelindividuen ermitteln.
270 Kapitel 15 · Genomik

Das 1000 Genomes Project Consortium verfolgt das Ziel, die Genome von mehr als 1000 Men-
schen zu sequenzieren.

15.2.4 Annotierung

Die Annotierung weist den sequenzierten DNA-Abschnitten eine Funktion zu.


Sie stützt sich auf
55 experimentelle Daten,
55 Vergleiche mit Sequenzen anderer Genome,
55 die Identifikation bekannter Muster wie offene Leserahmen, repetitive Elementen u. a.

Der Vergleich zweier Genome mit dem Ziel, evolutionär oder funktionell konservierte Abschnitte
zu finden, heißt Alignment.
Das Ergebnis der Annotierung sind Aussagen über:
55 proteincodierende und nichtproteincodierende Gene,
55 Pseudogene,
55 RNA-Moleküle,
55 Repeats,
55 die Einordnung der Gene in Funktionskategorien wie Replikation, Regulation oder
Stoffwechsel.

15.3 Variabilität und Individualität im menschlichen Genom

Das Humangenomprojekt kombinierte die DNA-Sequenzen mehrerer Personen zu einer Refe-


renzsequenz. Diese Referenz entspricht daher nicht dem tatsächlichen Genom eines einzelnen
Menschen. Hinzu kommt, dass somatische Zellen in der Regel diploid sind und sich die Sequen-
zen der homologen Chromosomen unterscheiden.
Die Unterschiede zwischen den Individuen und zur Referenzsequenz haben mehrere gene-
tische Ursachen, die man als Polymorphismen bezeichnet:
55 Durch Einzelnucleotidpolymorphismen (SNP) und Einzelnucleotidvarianten (SNV)
liegen Gene in Form verschiedener Allele vor.
55 Mittelgroße Deletionen und Insertionen verändern die Kopienzahl einzelner Gene.
15 55 Die repetitiven Sequenzen von Mikrosatelliten werden unterschiedlich oft wiederholt.

Von den Polymorphismen wird die Mutation unterschieden:


55 Eine Mutation ist eine Abweichung, die nur bei wenigen Menschen auftritt.
55 Polymorphismen sind innerhalb einer Population häufiger anzutreffen. Sie gehen aus
Mutationen hervor, die sich erhalten und durch weitere Vererbung ausbreiten konnten.

15.3.1 Einzelnucleotidpolymorphismen und Einzelnucleotidvarianten

Die Sequenzen von DNA-Abschnitten können sich in einzelnen Basen voneinander


unterscheiden:
55 Einzelnucleotidpolymorphismen (SNPs, single nucleotide polymorphisms) sind Varia-
tionen an einer Position der DNA.
15.3 · Variabilität und Individualität im menschlichen Genom
271 15

SNP = Unterschiede in den


Nucleotidsequenzen
verschiedener Personen

Häufigkeit in der Population


94 % GA T C TGAGTACGGA T A Allel 1
6% GA T C TGAGTGCGGA T A Allel 2

. Abb. 15.5  MAF in einer Population

55 Schließt man auch Insertionen und Deletionen (Indels) von einzelnen Basen mit ein,
spricht man von Einzelnucleotidvarianten (SNVs, single nucleotide variants).

SNPs oder SNVs sind die molekularbiologische Grundlage für den klassischen Begriff „Allel“
als Erscheinungsform eines Gens.
Ein Beispiel für einen stabilen SNP ist in dem Gen für die Lactosetoleranz zu finden. Eine
Mutation, die dazu führt, dass das Enzym Lactase auch noch im Erwachsenenalter produziert
wird, hat sich bei einigen Populationen durchgesetzt. Lactosetoleranz bei Erwachsenen ist im
Norden Europas häufiger als im Süden.

z Häufigkeit von SNPs:


55 Durchschnittlich weisen menschliche Genome ein SNP auf 1000 Basen auf. Allerdings
sind SNPs nicht gleichmäßig verteilt.
55 SNPs kommen sowohl in codierenden als auch in nichtcodierenden Abschnitten vor. In
nichtcodierenden allerdings häufiger, weil sie hier keinem Selektionsdruck unterliegen.
55 Aufgrund der Häufigkeit unterteilt man SNPs in zwei Gruppen. Die häufigen kommen bei
mehr als 10 % Prozent der Bevölkerung vor, die seltenen in weniger als 10 %.
55 Datenbanken listen die minor allele frequency (MAF) in Prozent auf, sie geben also das
seltenere Allel an (. Abb. 15.5). Die Gesamtzahl für den Menschen schätzt man auf etwa 50
Mio. Sie machen die häufigsten Unterschiede im Genom zwischen Menschen aus.

z Entstehung von SNPs und SNVs:


Die Mutationen, die sich zu SNPs und SNVs entwickeln, treten durch Fehler während der „R-Pro-
zesse“ auf: Replikation, Reparatur oder Rekombination der DNA.

z Bedeutung von SNPs:


SNPs bilden die Grundlage für individuelle, vererbbare Eigenschaften wie den Phänotypen. So
können SNPs einhergehen mit:
55 der individuellen Reaktion auf Medikamente, einschließlich Nebenwirkungen,
55 komplexen Erkrankungen wie Asthma,
55 bestimmten Phänotypen wie der Haarfarbe.

Um die SNPs eines Menschen zu erfassen, arbeitet man mit DNA-Chips. Die Chips enthalten
kurze, bekannte DNA-Sequenzen, die mit passenden DNA-Abschnitten einer Probe hybridi-
sieren. Die Bindung kann beispielsweise mit Fluoreszenzmarkern sichtbar gemacht werden.
Durch diese Genotypisierung lassen sich in kurzer Zeit Tausende von SNPs eines Menschen
ermitteln.
272 Kapitel 15 · Genomik

Eine genomweite Assoziationsstudie liefert über den Vergleich der Daten von Betroffenen
einer Krankheit mit den Daten von Kontrollgruppen Hinweise auf eine Kopplung von SNPs mit
dem Krankheitsbild.

15.3.2 Kopienzahlvarianten (CNVs)

Die Unterteilung von Deletionen und Insertionen erfolgt nach der Größe des betroffenen
DNA-Abschnitts:
55 Sind nur einzelne Nucleotide verloren gegangen oder hinzugekommen, spricht man von
Einzelnucleotidvarianten (SNVs).
55 Große Verluste oder Zugewinne von mehreren Millionen Basenpaaren bezeichnet man als
strukturelle Aberration (s. 7 Abschn. 11.2.2).
55 Mittlere Veränderungen fasst man als Kopienzahlvarianten oder Kopienzahlvariationen
(CNVs, copy number variants oder variations) zusammen.

z Häufigkeit von CNVs:


55 Es sind rund 30.000 CNVs bekannt. Ihr Gesamtanteil am Genom liegt bei 12–13 %. Sie sind
damit seltener als SNPs.
55 CNVs kommen in codierenden wie in nichtcodierenden Abschnitten vor.

z Entstehung von CNVs:


Die Deletionen oder Insertionen entstehen durch Fehler bei den R-Prozessen Rekombination,
Reparatur oder Replikation der DNA.

z Bedeutung von CNVs:


Durch die Deletion oder Insertion mittelgroßer DNA-Abschnitte können ganze Gene verloren
gehen oder verdoppelt werden. Entsteht dabei eine „überschüssige“ Kopie, kann sie durch nach-
folgende Mutationen verändert werden, während das andere Exemplar die natürliche Funktion
sicherstellt. Auf diese Weise können sich neue Gene entwickeln. Kopienzahlvarianten sind daher
wichtig für die Evolution von Genen.
CNVs sind oft mit komplexen Erkrankungen assoziiert, vor allem mit geistigen Störun-
gen. Beispiel: Etwa 10 % der Fälle aus dem Spektrum der Autismusstörungen (autism spec-
trum disorders, ASDs) erklärt man mit CNVs in Genen, die am Aufbau von Nervenzellen
15 beteiligt sind.
Die Untersuchung von CNVs erfolgt wie bei SNPs mit DNA-Chips.

15.3.3 Mikrosatelliten

Mikrosatelliten sind kurze DNA-Sequenzen, die fünf- bis 100-mal wiederholt werden
(s. 7 Abschn. 2.3.7). Die Zahl der Wiederholungen an einem Ort im Genom ist individuell
unterschiedlich.

z Häufigkeit von Mikrosatelliten:


55 Mikrosatelliten kommen an Tausenden Stellen im Genom vor.
55 Sie kommen in codierenden wie nichtcodierenden Abschnitten vor.
15.4 · Funktionelle Genomik
273 15
z Entstehung von Mikrosatelliten:
55 durch slippage, Verrutschen des Replisoms während der DNA-Synthese.

z Bedeutung von Mikrosatelliten:


55 Mikrosatelliten sind hochpolymorph. Verschiedene Personen besitzen daher
am gleichen Genort unterschiedliche Anzahlen von Wiederholungen des
Nucleotidgrundmotivs.
55 Diese Eigenschaft nutzt man in der Kriminalistik zur Identifikation von Personen und
beim Vaterschaftstest zum Nachweis von Verwandtschaftsbeziehungen.

Einige Erbkrankheiten basieren auf Trinucleotidwiederholungen.


Beispiele:
55 Gesunde Menschen haben im 5′-UTR des FRM1-Gens zehn bis 50 Wiederholungen der
Folge CGG. Bei Menschen mit dem Fragilen-X-Syndrom beträgt die Wiederholungszahl
mehrere Hundert bis Tausend (s. 7 Abschn. 11.1.3, FXS, FXTAS).
55 Gesunde Menschen haben in dem Huntington-Gen sechs bis 35 Kopien der Folge CAG.
Liegt die Kopienzahl wesentlich darüber, verursacht der daraus folgende Proteindefekt
Chorea Huntington.

Größere Repeats wie die LINE s und SINE s (s. 7 Abschn. 2.3.7) verursachen weitere Polymor-
phismen, die man Retrotransposon-Insertionspolymorphismen (RIPs) nennt.

15.4 Funktionelle Genomik

Die funktionelle Genomik untersucht die Funktion von Genen und anderen Sequenzen im
Genom. Dazu erforscht sie
55 das Transkriptom als die Gesamtheit aller RNA-Moleküle in einer Zelle zu einem
bestimmten Zeitpunkt,
55 das Proteom als die Gesamtheit aller Proteine,
55 das Epigenom als die Gesamtheit der epigenetischen Information im Genom.

15.4.1 Untersuchung des Transkriptoms

Es gibt mehrere Methoden, um die mRNA einer Zelle zu erfassen:


55 Beim Northern-Blot spürt eine Sonde passende RNA auf.
55 Ein DNA-Chip arbeitet mit zahlreichen Sonden gleichzeitig und kann zwei Genome
parallel untersuchen. Die RNA wird zuvor mit dem Enzym Reverse Transkriptase in eine
cDNA umgewandelt.
55 Eine cDNA kann auch teilweise sequenziert oder mit Echtzeit-PCR vervielfältigt werden.

z Northern Blot
Der Northern-Blot ist die „klassische“ Methode, um die Transkription eines proteincodieren-
den Gens zu untersuchen:
1. Die Probe wird vorbereitet, indem sie von Proteinen und DNA gereinigt wird.
2. Die mRNA-Moleküle werden durch Gelelektrophorese nach ihrer Größe aufgetrennt.
274 Kapitel 15 · Genomik

3. Durch das Übertragen oder Blotten vom Gel auf Nitrocellulosepapier werden die mRNA-
Moleküle wieder zugänglich.
4. Sonden aus RNA oder DNA mit bekannten Sequenzen dienen als spezifische Sonden für
gesuchte RNA-Moleküle. Komplementäre Abschnitte hybridisieren zu Doppelsträngen.
Nicht hybridisierte Sonden werden ausgewaschen.
5. Die Sonden sind mit Markern wie radioaktiven Isotopen versehen und können so nachge-
wiesen werden.

Der Northern-Blot macht Aussagen zur Zusammensetzung des Transkriptoms und zur Menge
der jeweiligen mRNA. Durch den Vergleich verschiedener Proben kann man Unterschiede zwi-
schen Individuen, Entwicklungsstadien oder Gesundheitszuständen feststellen.
Im Zeitalter von Hochdurchsatztechnologien ist die Methode zu schwerfällig. Sie hat die
Nachteile, dass sie zu ungenau ist und sich nicht alle mRNAs gleichzeitig analysieren lassen.

z Hybridisierung mit dem DNA-Chip


Bei DNA-Chips oder DNA-Microarrays (. Abb. 15.6) hybridisieren ebenfalls Nucleinsäuren. Sie
arbeiten aber nur mit DNA-Molekülen:
1. Die aufgereinigte mRNA der Probe wird mit dem Enzym Reverse Transkriptase in eine
komplementäre DNA oder cDNA umgewandelt.
2. Die cDNA wird mit einem Fluoreszenzfarbstoff als Marker versetzt.
3. Auf dem Chip befinden sich in einem Array genannten Gitter Tausende einzelsträngiger
DNA-Moleküle als Sonden.
4. Die cDNAs werden auf den Chip gegeben und verbinden sich mit den passenden Sonden-
DNAs zu Hybridmolekülen. Nicht hybridisierte Moleküle werden ausgewaschen.
5. Mit Lasern und optischen Sensoren werden die Ergebnisse der Hybridisierung ausgelesen.

Durch den Einsatz verschiedener Fluoreszenzfarbstoffe, die rot und grün leuchten, lassen
sich zwei  Transkriptome gleichzeitig analysieren und miteinander vergleichen. Die Methode
arbeitet also relativ.
Beispielsweise kann die Probe aus einer normalen Zelle rot markiert sein, das Transkriptom
einer Tumorzelle grün. Dann ergeben sich für jeden Punkt im Gitter vier Möglichkeiten:
55 Farblos: Das zugehörige Gen wird von keiner der beiden Zellen transkribiert.
55 Rot: Nur die gesunde Zelle exprimiert das Gen.
55 Grün: Nur die Tumorzelle exprimiert das Gen.
15 55 Gelb: Beide Zelltypen exprimieren das Gen.

z Sequenzierung von cDNA


Die Teilsequenz einer mRNA reicht häufig schon aus, um Informationen über die Genexpres-
sion zu erhalten:
1. Die mRNA wird mit der Reversen Transkriptase in eine cDNA umgewandelt.
2. Die cDNA wird kloniert.
3. Die Enden der cDNA werden sequenziert. Die Sequenzen bezeichnet man als expressed
sequence tags (ESTs).
15.4 · Funktionelle Genomik
275 15
Normale Zellen Tumorzellen DNA-Klone

Mikrotiterplatte

mRNA

PCR
Reverse Transkription
unter Verwendung DNA wird auf
fluoreszenzmarkierter Glasträger
Nucleotide fixiert

Cy3
Cy5
cDNA

Glasträger

Gemischte cDNA
wird mit fixierter
DNA hybridisiert

Laserscanner:
Kanal 1 Kanal 2

Kanal 1 und 2 überlagert

. Abb. 15.6  Verwendung eines Chips


276 Kapitel 15 · Genomik

15.4.2 Proteomik

Die Proteomik untersucht die Gesamtheit der Proteine daraufhin,


55 wie viele Proteine vorhanden sind,
55 welche Proteine vorliegen,
55 wann oder wie lange sie in der Zelle vorkommen,
55 und sie ermittelt die Struktur von Proteinen.

Auf diese Fragen liefert das Transkriptom keine Antworten,


55 weil Prä-mRNAs zu verschiedenen Proteinen führen,
55 weil mRNAs unterschiedlich oft translatiert werden,
55 und weil die Proteine nach der Translation noch weitere Modifikationen erfahren.

Die Proteomik verfügt über verschiedene Methoden, die jeweils spezielle Ziele verfolgen:
55 Der Nachweis und die Identifikation von Proteinen erfordert häufig die Auftrennung eines
Proteingemischs.
55 Die biologischen Eigenschaften eines Proteins umfassen beispielsweise die Interaktion
mit anderen Proteinen oder DNA.

z Trennung von Proteinen


Die zweidimensionale Polyacrylamidgelelektrophorese (2D-PAGE) trennt Proteine einer Probe
in zwei Dimensionen auf:
1. Zuerst werden die Proteine in einem elektrischen Feld nach ihrer Ladung getrennt
(isoelektrische Fokussierung, IEF).
2. Anschließend werden die Proteine mit Natriumdodecylsulfat (SDS) versetzt. SDS ist
negativ elektrisch geladen und überdeckt die Eigenladung der Proteine. Die Menge
des gebundenen SDS hängt von der Masse des jeweiligen Proteins ab, sodass die zweite
Gelelektrophorese senkrecht zur ersten eine Auftrennung nach der Masse ergibt
(SDS-PAGE).
3. Die getrennten Proteine werden angefärbt (. Abb. 15.7).

Das Ergebnis ist ein zweidimensionales Muster von Proteinflecken oder Spots, die semiquan-
titativ zeigen, welche Proteine in welchen Mengen in der Probe vorliegen. Proteine in geringen
Mengen gehen allerdings leicht verloren.
15 Chromatografien wie die Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (high performance liquid
chromatography, HPLC) trennen Proteine nach ihrer Affinität zum Material der Säule. Proteine,
die stark oder eng damit wechselwirken, verbleiben länger in der Trennsäule und treten deshalb
später aus ihr aus. Die austretenden Proteine werden getrennt aufgefangen und mit einem Detek-
tor nachgewiesen und quantitativ vermessen.
Ein Massenspektrometer trennt Proteine nach ihren Massen:
1. Die Proteine werden mit Trypsin in Peptide gespalten und künstlich ionisiert.
2. Ein elektrisches Feld beschleunigt die geladenen Peptide und schickt sie durch einen
Analysator, der die Teilchen nach dem Verhältnis von Masse zu Ladung auftrennt.
3. Ein Detektor erfasst die Teilströme.
4. Das resultierende Profil wird mit Datenbanken abgeglichen.
5. Als Ergebnis erhält man eine Liste der Peptide, aus der sich auf die ursprünglichen
Proteine schließen lässt.
15.4 · Funktionelle Genomik
277 15
Mr
pH 3 Isoelektrische Fokussierung (1. Dimension) pH 11 (in KDa)
SDS-Polyacrylamidgelelektrophorese (2. Dimension)

250
150

100

75

50

37

25

20

. Abb. 15.7  2D-Gelelektrophorese

z Funktionelle Untersuchungen
Die Interaktion zweier Proteine kann man mit dem yeast two-hybrid system (Y2H) überprüfen.
55 Die Grundlage für den Test ist die Expression des Reportergens β-Galactosidase, dessen
Aktivität durch eine Färbung nachgewiesen werden kann.
55 Für die Expression ist ein Transkriptionsfaktor aus zwei Untereinheiten notwendig
(. Abb. 15.8a).

Für den Test werden die zu prüfenden Proteine und die Untereinheiten des Transkriptions-
faktors miteinander verbunden:
1. Das Protein D1 wird mit der ersten Untereinheit des Transkriptionsfaktors fusioniert,
das Protein D2 mit der zweiten Untereinheit.
2. Lagern sich D1 und D2 eng aneinander, verbinden sich auch die Untereinheiten zu
einem funktionstüchtigen Transkriptionsfaktor. Das Reportergen wird exprimiert, und
durch seine katalytische Aktivität entsteht ein blauer Farbstoff.
Interagieren die Proteine D1 und D2 nicht miteinander, bleibt die Expression der
β-Galactosidase aus, sodass es keine Blaufärbung gibt.

z Suche nach der DNA-Zielsequenz


Die Chromatinimmunpräzipitation (ChIP) weist nach, welche DNA-Abschnitte mit Proteinen
wie beispielsweise Transkriptionsfaktoren assoziiert sind (. Abb. 15.9):
1. Die gebundenen Proteine werden mittels Formaldehyd in einem Prozess, den man
cross-linking nennt, an der DNA fixiert.
2. Die Zellen und Zellkerne werden zerstört. Nucleasen oder Scherkräfte zerkleinern das
Chromatin in Fragmente.
278 Kapitel 15 · Genomik

. Abb. 15.8  Prinzip des yeast two-hybrid systems (Y2H). Es kommt a b


in (b) zur Aktivierung, weil die Bindung und Interaktion der Proteine
D1 und D2 die Aktivierungsdomäne (AD) und die Bindungsdomäne AD
(BD) wieder zusammenführt wie in (a) (nach Mülhardt 2013)
D2
AD
D1

DNA- DNA-
BD BD

Aktivierung +++ +++

Zellen

DNA-bindende Proteine

Zerschneiden der DNA

Antikörper binden sich an Proteine

Trennung der DNA von Proteinen

15

Sequenzierung der DNA

G AT C A C G G T C C AG C C T C T GC C G G A G C C C CA G T C T CC G C A G T
260 270 280 290

. Abb. 15.9  Identifizierung von DNA-Abschnitten, an die sich Proteine binden, mittels ChIP
15.5 · Komparative Genomik
279 15
3. Spezifische Antikörper gegen die Proteine binden sich an diese und fällen die Protein-
DNA-Komplexe aus (Präzipitation).
4. Die Proteine werden von der DNA gelöst.
5. Die DNA wird über verschiedene Verfahren analysiert:
44Man kann die DNA mittels PCR amplifizieren und sequenzieren. Bestimmt man die
Sequenzen mittels Hochdurchsatzsequenziertechniken (s. 7 Abschn. 16.5.3), spricht
man von ChIP-Seq.
44Man kann die DNA gegen die DNA-Sonden eines Chips hybridisieren. Das
Vorgehen heißt ChIP-Chip und ermittelt den regulatorischen Status einer Zelle.

Die Informationen fließen in das ENCODE-Projekt (encyclopedia of DNA elements) ein, das alle
funktionellen Elemente des menschlichen Genoms analysiert und charakterisiert.

15.5 Komparative Genomik

Der Vergleich der Genome verschiedener Arten erlaubt Aussagen über die Evolution der Orga-
nismen. Das Genom des Menschen wird häufig mit dem Erbgut des Schimpansen verglichen.
Es zeigt aber auch noch genetische Übereinstimmungen mit dem Genom des Bakteriums E. coli.
Konservierte Sequenzen stimmen bei mehreren Organismen überein. Sie erfüllen häufig
wichtige Funktionen von grundlegender Bedeutung. Bei großer Übereinstimmung sind die Gene
hoch konserviert, wie es beispielsweise die Histongene sind.
Sind Gene oder Gensegmente bei mehreren Arten in der gleichen Reihenfolge auf den
Chromosomen lokalisiert, spricht man von Syntänie oder Syntenie.
Beispiele:
55 Das menschliche Chromosom 20 erkennt man prinzipiell im Chromosom 2 der Maus
wieder.
55 Die Chromosomen 12 und 13 des Schimpansen zusammengenommen entsprechen dem
großen Chromosom 2 des Menschen.

z Einteilung homologer Gene


Homologe Gene haben einen gemeinsamen Ursprung. Sie codieren oft für Proteine mit glei-
chen Funktionen wie beispielsweise die Gene für die α und die β-Untereinheit des Hämoglobins.
Man unterscheidet verschiedene Formen homologer Gene:
55 Paraloge Gene sind durch die Duplikation des gemeinsamen Vorläufergens entstanden
und haben sich innerhalb einer Spezies getrennt voneinander weiterentwickelt. Beispiele
sind die Hox-Gene, die an der Bildung der Körperachsen in der Entwicklung bilateral
organisierter Tiere beteiligt sind.
55 Orthologe Gene entstehen, wenn sich eine (Ursprungs-) Art aufspaltet, sodass die homologen
Gene dann in verschiedenen Spezies liegen. Beispielsweise besitzen Mensch und Maus
orthologe Gene, die auf ein Ursprungsgen im letzten gemeinsamen Vorfahren zurückgehen.

Neben ganzen Genen können auch nur Teilabschnitte von Genen eine Funktionsverwandtschaft
aufweisen, die im Protein als Domäne auftreten. Dies ist beispielsweise bei der Homöobox der
Hox-Gene der Fall. Die entsprechende Homöodomäne der Proteine befähigt diese dazu, sich an
die DNA zu binden.
280 Kapitel 15 · Genomik

Oft entspricht eine Domäne einem Exon. Kopiert die Zelle das Exon mit der Domäne in
ein anderes Gen, so erhält das Empfängergen eine zusätzliche Funktion, und es kann ein neues
Protein entstehen. Dieses Hineinkopieren von Exons nennt man exon shuffling.

15.6 Evolution des Menschen

Bluthochdruck und Fettleibigkeit demonstrieren, dass der Mensch genetisch durch seine Evo-
lution und die früheren Lebensumstände geprägt ist:
55 Er hat sich genetisch nicht an den Überfluss von Nahrung und Bewegungsmangel der
westlichen Welt angepasst, verbraucht die Nährstoffe nicht und legt überflüssige Fettre-
serven an.
55 In jüngeren Jahren kann hoher Blutdruck die Leistungsfähigkeit sichern und „eine gesunde
Gesichtsfarbe“ signalisieren. Im Alter zählt er als Risikofaktor für eine ganze Reihe von
Komplikationen.

Der niederländische Hungerwinter 1944/1945 zeigt einen Zusammenhang zwischen geneti-


scher Prägung und Umweltfaktoren. Die Unterernährung der Mütter hatte direkt Auswirkun-
gen auf ihre Nachkommen in der Embryonalentwicklung. An einigen Genorten konnte man
epigenetische Veränderungen nachweisen, beispielsweise am IGF2-Gen, das weniger methyliert
war als in einer Vergleichsgruppe. Die im Hungerwinter Geborenen neigten in späteren Jahren
zu Fettleibigkeit.
Evolution verläuft auch in kurzen Zeiträumen. Dies wird beispielsweise an den Resistenzen
von Bakterien gegenüber Antibiotika und von Tumorzellen gegenüber Chemotherapeutika
deutlich:
1. Zufällige Mutationen erschaffen resistente Zellen, die aber in der Population bzw. im
Zellverband in der Minderheit sind.
2. Durch die Medikamente entsteht ein Selektionsdruck, der die resistenten Zellen
bevorzugt. Sie vermehren sich schneller als die nicht resistenten Konkurrenten.

Bei Chemotherapeutika kommt hinzu, dass diese Substanzen selbst mutagen sein können.

15
281 16

Methoden
16.1 Isolierung von Nucleinsäuren – 283
16.1.1 Isolierung von DNA – 283
16.1.2 Isolierung von RNA – 283
16.1.3 Präparation von Plasmid-DNA – 284

16.2 Polymerasekettenreaktion (PCR) – 284


16.2.1 Standard-PCR – 285
16.2.2 Nested PCR – 285
16.2.3 RT-PCR (Reverse-Transkriptase-PCR) – 287
16.2.4 Multiplex-PCR – 287
16.2.5 Echtzeit-PCR (real-time PCR) – 287

16.3 Gelelektrophorese – 288

16.4 Blotting und Hybridisierung – 289

16.5 DNA-Sequenzierung – 290


16.5.1 DNA-Sequenzierung nach Sanger – 290
16.5.2 Pyrosequenzierung – 291
16.5.3 Hochdurchsatzsequenzierung: Next Generation
Sequencing – 292
16.5.4 Sequenzierung von RNA – 293

16.6 Klonierung von DNA – 293

16.7 Transgene Tiere – 295


16.7.1 Gene-Targeting oder gezielte Genmanipulation – 296
16.7.2 Konditionale Knock-out-Mäuse – 296
16.7.3 Knock-down – 297

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7_16
16.8 Genome Editing – 297
16.8.1 CRISPR/Cas9-System – 297
16.8.2 TALEN (transcription activator-like effector nuclease) – 298

16.9 Modellorganismen – 299


16.9.1 Escherichia coli – 299
16.9.2 Bäcker- oder Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) – 300
16.9.3 Taufliege (Drosophila melanogaster) – 300
16.9.4 Caenorhabditis elegans – 301
16.9.5 Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) – 301
16.9.6 Zebrabärbling oder Zebrafisch (Danio rerio) – 302
16.9.7 Hausmaus (Mus musculus) – 302
16.1 · Isolierung von Nucleinsäuren
283 16
z Worum geht es?
Bestimmte Arbeitsmethoden sind in der genetischen und molekularbiologischen Forschung
zu Standards geworden. Obwohl ihr Ablauf im Detail von dem jeweiligen Experiment und dem
Laborprotokoll abhängt, sind die Grundlagen und der prinzipielle Verlauf stets gleich.

16.1 Isolierung von Nucleinsäuren

16.1.1 Isolierung von DNA

Für die Isolierung oder Extraktion von genomischer DNA gibt es verschiedene Protokolle, die
jeweils Besonderheiten der Zielzellen berücksichtigen, beispielsweise die Anwesenheit und den
Aufbau von Zellwänden bei Pflanzen bzw. Bakterien.
Im Wesentlichen basieren die Protokolle auf folgenden Prinzipien:
1. Aufschluss der Zellen. Bei tierischen Zellen reicht oft Natriumdodecylsulfat (SDS) zur
Zerstörung der Membran. Bei Bakterien muss eventuell die Zellwand durch Lysozym
aufgelöst werden. Bei Pflanzen arbeitet man mit SDS und CTAB (Cetyltrimethylammoni-
umbromid), um Polysaccharide zu entfernen.
2. Inaktivierung von DNasen und anderen Proteinen. Da DNasen zweiwertige Kationen wie
Mg2+ benötigen, gibt man den Komplexbildner EDTA hinzu, der den Enzymen die Ionen
entzieht. Zusätzlich fügt man die Proteinase K hinzu, welche die Proteine abbaut.
3. Zentrifugation. Schwerere Zelltrümmer werden in der Zentrifuge von der DNA getrennt.
4. Extraktion mit Phenol und Phenol/Chloroform. Dabei entfernt man Zell- und Protein-
reste, die sich noch in der Probe befinden. Die DNA bleibt in der wässrigen Phase
(. Abb. 16.1).
5. Präzipitation (Fällung). Ethanol entzieht der DNA die Hydrathülle, sodass sich die DNA
nicht mehr löst und ausfällt.
6. Zentrifugieren und Aufnahme in einem Puffer.

Eine andere Variante ist die Extraktion von DNA durch Säulenchromatografie mit Anionenaus-
tauschersäulen (. Abb. 16.2):
1. Die ersten drei Schritte verlaufen wie oben aufgeführt. Wegen der Umwelt- und Gesund-
heitsgefahren verzichtet man auf Phenol und Chloroform.
2. Die DNA mit ihren negativ geladenen Resten bindet sich an die positiv geladenen Gruppen
der Säulenmatrix.
3. Moleküle mit weniger negativ geladenen Resten binden sich weniger gut an das
Säulenmaterial.
4. Verändert man die Ionenstärke des Wasch- und Elutionspuffers, kann man nach und nach
Proteine, RNA-Moleküle und schließlich DNA von der Matrix ablösen (eluieren).

16.1.2 Isolierung von RNA

Die Isolierung von RNA funktioniert nach dem gleichen Prinzip.


Um den störenden Effekt von RNA abbauenden RNasen zu vermeiden, muss man einige
zusätzliche Vorkehrungen treffen:
55 Die Gefäße und Geräte werden vor der Arbeit erhitzt und sterilisiert.
284 Kapitel 16 · Methoden

+ 1 Vol. + 1 Vol.
Phe/Chl Chl

+ 1 Vol.
Phe
Interphase

DNA-Lösung

. Abb. 16.1  DNA-Isolierung über schrittweise Zugabe von Phenol und Chloroform (nach Mülhardt 2013)

Proteine Einzel-
Nucleotide rRNA strängige Plasmid-
Oligomere tRNA mRNA DNA DNA
Ausbeute

0 0,5 1 1,5 M KCl/NaCl

. Abb. 16.2  Elutionsmuster in Abhängigkeit von der Salzkonzentration (nach Mülhardt 2013)

55 Die Experimentatoren müssen Handschuhe tragen.


55 Zusätzlich können RNase-Inhibitoren zugegeben werden.

16.1.3 Präparation von Plasmid-DNA

Bei den zu extrahierenden Plasmiden handelt es sich meist um Plasmide aus/in E. coli, die man
gern als Klonierungsvektoren einsetzt. Sie werden mit kommerziellen Kits, die alle Chemika-
lien und Materialien wie Reinigungssäulen beinhalten, nach Anleitung des Herstellers isoliert.
Das Vorgehen baut auf folgenden Schritten auf:
1. Zugabe von SDS und NaOH:
44Das SDS zerstört die Membran.
44Die Natronlauge erhöht den pH-Wert so weit, dass Proteine und DNA-Moleküle
16 denaturiert werden.
2. Erniedrigung des pH-Werts. Durch die Ansäuerung renaturiert die DNA wieder. Proteine
bleiben denaturiert.
Wegen der unterschiedlichen Struktur von genomischer DNA und Plasmid-DNA
renaturieren die kleinen Plasmidringe schneller, und man kann sie abtrennen.

16.2 Polymerasekettenreaktion (PCR)

Mit der Polymerasekettenreaktion (PCR, polymerase chain reaction) vervielfältigt (amplifiziert)


man definierte DNA-Abschnitte, die man anschließend für weitere Fragestellungen einsetzt.
16.2 · Polymerasekettenreaktion (PCR)
285 16
Die wichtigsten Komponenten einer PCR sind:
55 Die Ausgangs-DNA. Sie ist doppelsträngig und enthält den Template genannten
Abschnitt, der amplifiziert werden soll.
55 Primer für den Anfangs- und Endpunkt des gewünschten DNA-Abschnitts. Die
Oligonucleotide oder „Oligos“, wie sie im Laborjargon genannt werden, haben eine
Länge von etwa 15 bis 25 Basen. Sie sind komplementär zu den 3′-Enden des Zielab-
schnitts auf beiden Strängen der DNA. Auf diese Weise begrenzen sie den Bereich der
Vervielfältigung.
55 Eine hitzestabile DNA-Polymerase. Häufig stammt das Enzym aus thermophilen
Bakterien, z. B. die Taq-Polymerase aus Thermus aquaticus. Die Polymerase verlängert die
Primer und synthetisiert die neuen DNA-Stränge von 5′ nach 3′.
55 Desoxynucleosidtriphosphate. Sie dienen als Bausteine für die neuen DNA-Stränge.
55 Ionen und Puffer. Die chemischen Bedingungen müssen dem Arbeitsbereich der
Polymerase entsprechen. Beispielsweise sind Mg2+-Ionen notwendig.

Eine PCR ist ein zyklischer Prozess. Bei jedem der 25 bis 40 Durchläufe wird die DNA verdop-
pelt, sodass die Menge exponentiell anwächst.

16.2.1 Standard-PCR

Ein Zyklus besteht aus drei Schritten, die jeweils 30 s dauern (. Abb. 16.3). Spezielle Geräte,
sogenannte Thermocycler oder Cycler, führen die PCR automatisch durch:
1. Hitzedenaturierung oder Schmelzen. Der Cycler erhöht die Temperatur auf 95 °C, sodass
sich die DNA-Stränge trennen.
2. Annealing. Der Cycler kühlt auf die spezifische Temperatur herunter, bei der sich die
Primer an ihre komplementären Abschnitte binden. Die Bindungstemperatur der Primer
ist von ihrer Länge und ihrem GC-Gehalt abhängig.
3. Synthese oder Elongation. Der Cycler erhöht die Temperatur auf 72 °C. Die Taq-­
Polymerase synthetisiert von den Primern ausgehend neue komplementäre DNA-Stränge.
Die hohe Temperatur beschleunigt die Synthese.

Am Ende der Vervielfältigung bleibt der Ansatz auf 95 °C erhitzt.


Baut man in die Primer Schnittstellen für Restriktionsenzyme ein, so kann man die gewon-
nene DNA leichter klonieren.

16.2.2 Nested PCR (. Abb. 16.4)

Anwendungsfall: Bei Proben mit einer komplexen bzw. langen DNA-Sequenzen (z. B. genomi-
scher DNA aus einem Menschen) kann es auch außerhalb des Zielabschnitts mehrere Bindestel-
len für die Primer geben. Im Laufe der PCR werden dadurch unerwünschte DNA-Abschnitte als
Nebenprodukt vervielfältigt.
Die nested PCR arbeitet mit einer zweiten PCR, bei der die Primer innerhalb der ersten
Primer liegen:
1. Die erste PCR vervielfältigt den Zielbereich und als Nebenprodukte einige andere
DNA-Abschnitte.
286 Kapitel 16 · Methoden

Denaturierung (95 °C)

Denaturierung (95 °C)

Denaturierung (95 °C)

Annealing (55 °C)


Annealing (55 °C)
Annealing (55 °C)

Elongation (72 °C)


Elongation (72 °C)

Elongation (72 °C)

. Abb. 16.3  Die ersten drei Zyklen der PCR (nach Mülhardt 2013)

SP1 AP1
1. PCR

16
SP2 AP2
2. PCR

. Abb. 16.4  Nested PCR mit einem zweitem Paar Primer (nach Mülhardt 2013)
16.2 · Polymerasekettenreaktion (PCR)
287 16
2. Eine kleine Teilmenge aus der ersten PCR setzt man für eine zweite PCR ein.
3. Für die Primer der zweiten PCR bietet nur die Ziel-DNA dem neuen Primer-Paar Bindungs-
stellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eines der Nebenprodukte zufällig auch für diese
Primer Bindungsstellen besitzt, ist extrem gering.

16.2.3 RT-PCR (Reverse-Transkriptase-PCR)

Anwendungsfall: Die RT-PCR (Reverse-Transkriptase-PCR) wird beispielsweise angewandt,


um eukaryotische Gene über die Zwischenstufen ihrer mRNA und cDNA in prokaryotische
Expressionsvektoren zu klonieren oder um das Transkriptom einer Zelle mittels PCR zu ana-
lysieren. RNA kann nicht direkt durch eine PCR vervielfältigt werden, sondern muss zuvor in
DNA umgewandelt werden.
Die RT-PCR kombiniert in zwei Teilreaktionen eine Reverse Transkription und eine anschlie-
ßende konventionelle PCR.
1. In dem ersten Teil schreibt man die RNA mithilfe des Enzyms Reverse Transkriptase in
cDNA um.
2. Die cDNA verwendet man dann als Vorlage für die PCR.

16.2.4 Multiplex-PCR

Anwendungsfall: Man amplifiziert gleichzeitig mehrere Gene oder Exons eines Gens, um zu ana-
lysieren, welche DNA-Abschnitte vorhanden sind oder fehlen.
Die Multiplex-PCR arbeitet mit mehreren Primer-Paaren für die verschiedenen DNA-­
Abschnitte gleichzeitig.
Trennt man die amplifizierten DNA-Abschnitte auf, sieht man, welche Bereiche in der Probe
vorhanden waren.
Die Multiplex-PCR wird für verschiedene medizinische Diagnosen eingesetzt:
55 Bei Erkrankungen, für die verschiedene Viren oder Bakterien verantwortlich sein können,
verrät die Multiplex-PCR den tatsächlichen Erreger.
55 Manche erblich bedingte Krankheiten gehen auf ein fehlendes Exon in einem Gen
zurück.
55 Eine Multiplex-PCR kann alle Exons gleichzeitig überprüfen.

16.2.5 Echtzeit-PCR (real-time PCR)

Anwendungsfall: Der Fortgang der Amplifikation soll in Echtzeit verfolgt werden, oder die Ver-
vielfältigung soll nur bis zu einer bestimmten Kopienzahl ablaufen.
Die Echtzeit-PCR, auch real-time PCR oder quantitative PCR, läuft unter Zugabe eines
Fluoreszenzfarbstoffs ab. Der Farbstoff wird erst aktiv, wenn er sich in doppelsträngige DNA
einlagern kann. Die Fluoreszenz nimmt daher mit der Amplifikation zu.
Da die Intensität der Fluoreszenz proportional zur Kopienzahl der DNA ist, kann die PCR
quantitativ durchgeführt werden.
288 Kapitel 16 · Methoden

16.3 Gelelektrophorese

Elektrophoresen trennen elektrisch geladene Moleküle wie DNA und Proteine mithilfe eines
angelegten elektrischen Felds. Die Moleküle wandern dabei in einem Trägermaterial.
Die Trennung erfolgt im Wesentlichen nach zwei Kriterien:
55 Je mehr Ladungen ein Molekül trägt, desto schneller wandert es im elektrischen Feld.
55 Je stärker das Molekül mit dem Trägermaterial für die Probe „wechselwirkt“, desto
langsamer wandert es. Beispielsweise halten siebartige Materialien wie Agarosegele längere
DNA-Moleküle stärker zurück als kürzere.

DNA ist aufgrund der Phosphatgruppen negativ geladen, wobei die Ladung proportional zur
Länge des Moleküls ist. DNA-Moleküle werden daher nach der Länge aufgetrennt.
Die wichtigsten Komponenten einer Gelelektrophorese sind:
55 Ein Gemisch von DNA-Molekülen als Probe.
55 Ein gelartiges Trägermaterial. In der Regel wird ein großporiges Agarosegel mit einer
Konzentration von 0,7–3 % verwendet oder ein feinporiges Polyacrylamidgel.
55 Ein elektrisch leitender Laufpuffer, in dem das Gel liegt.
55 Ein Lauffarbstoff, der schneller als die DNA wandert und den Fortschritt der Auftrennung
anzeigt, weil man die DNA während des Vorgangs nicht sehen kann.
55 Eine Elektrophoreseapparatur, zwischen deren Elektroden das elektrische Feld herrscht.
55 Ein Farbstoff zum Anfärben der DNA. Häufig wird Ethidiumbromid verwendet, das aber
mutagen ist.

Der Ablauf besteht aus zwei Teilprozessen:


1. Die Trennung der Moleküle:
a. Die Proben werden in Kammern im Gel eingebracht.
b. Nach Anlegen der Spannung wandern die negativ geladenen DNA-Moleküle im Gel auf
die positive Elektrode zu.
c. Kurz bevor der Farbstoff das Ende des Gels erreicht, bricht man die Auftrennung ab.
2. Das Anfärben der DNA. Der Farbstoff kann bereits vor der Trennungsphase zugegeben
werden oder nach deren Abschluss. Fluoreszenzfarbstoffe wie Ethidiumbromid werden
erst bei Anregung mit passendem Licht sichtbar. Ethidiumbromid emittiert beispiels-
weise im UV-Licht rötliches Licht, wenn es sich zwischen die Basen der DNA lagert, die
DNA-Moleküle sieht man dann als Banden (. Abb. 16.5).

. Abb. 16.5  Ergebnis einer Gelelektrophorese. GM: Größen­ GM A B C


16 marker, A zeigt zu viel DNA, B zeigt eine optimale DNA-Menge,
bei C war die DNA zunächst in Lösung mit hoher Salzkonzen­
tration gelöst und erscheint im Gel aufgrund des Laufverhaltens
größer (nach Mülhardt 2013)
16.4 · Blotting und Hybridisierung
289 16
Für besonders große oder kleine DNA-Moleküle gibt es spezielle Varianten der
Elektrophorese:
55 Die Pulsfeldgelelektrophorese ermöglicht die Auftrennung größerer DNA-Stücke etwa ab
15 kb, indem wechselnde oder pulsierende elektrische Felder angelegt werden.
55 Die Polyacrylamidgelelektrophorese erlaubt es, Fragmente aufzutrennen, die kleiner als
200 bp sind.

16.4 Blotting und Hybridisierung

Mit Blotting-Verfahren überträgt man DNA oder RNA nach einer Gelelektrophorese auf eine
Trägermembran, auf der die Nucleinsäuren für Sonden erreichbar sind.
Spezifische Sonden spüren anschließend über Hybridisierung passende DNA oder RNA
auf. Voraussetzung ist, dass die Sequenz der gesuchten Nucleinsäure ganz oder annähernd
bekannt ist.
Die wichtigsten Komponenten für das Blotten sind:
55 Ein Gel mit einem aufgetrennten Gemisch von Nucleinsäuren.
55 Eine Membran, auf welche die Nucleinsäuren übertragen werden. Meistens besteht die
Membran aus Nylon oder Nitrocellulose.
55 Ein Transferpuffer.

Die wichtigsten Komponenten für die Hybridisierung sind:


55 Eine Membran mit darauf geblotteter Nucleinsäure.
55 Eine radioaktiv markierte DNA-Sonde mit der passenden Komplementärsequenz zur
gesuchten Nucleinsäure.
55 Ein Röntgenfilm zur Detektion der radioaktiven Strahlung.
55 Alternativ kann man die Sonde auch mit chemischen Markern versehen. Diese sind aber
weniger sensitiv.

Beide Prozesse werden nacheinander durchgeführt. Die Bezeichnung der Methode richtet sich
nach der Art der Nucleinsäure:
55 Beim Southern-Blot weist man vorgegebene DNA-Sequenzen nach.
55 Beim Northern-Blot weist man bestimmte RNA-Sequenzen nach.

Die Vorgehensweise ist bei beiden Methoden im Prinzip gleich:


1. Das Gel mit den Nucleinsäurebanden wird in Kontakt mit der Membran gebracht. Beim
Southern-Blot stellt man einen alkalischen pH ein, um die DNA-Stränge voneinander zu
trennen.
2. Durch Kapillarkräfte, ein Vakuum oder elektrischen Strom wandern die Nucleinsäuren
aus dem Gel auf die Membran (. Abb. 16.6). Diesen Vorgang nennt man Blotten.
3. Durch UV-Licht oder Erhitzen („Backen“) kann man die Nucleinsäuren auf der Membran
fixieren.
4. Die Sonde wird durch Erhitzen in Einzelstränge zerlegt. Bei 40–60 °C hybridisiert sie
mit ihrer Zielsequenz auf der Membran. Nicht hybridisierte Sonden werden
ausgewaschen.
5. Der Röntgenfilm wird auf die Membran gelegt und durch die abgegebene β-Strahlung im
Bereich der Sonden-Nucleinsäure-Hybriden geschwärzt.
290 Kapitel 16 · Methoden

Papiertücher
Filterpapier
Membran
Gel

Schwamm
a
Brücke aus
Filterpapier

Wanne
b

. Abb. 16.6  Drei Wege zur Herstellung eines Blots (nach Mülhardt 2013)

16.5 DNA-Sequenzierung

Über eine Sequenzierung bestimmt man die Nucleotidabfolge der DNA.

16.5.1 DNA-Sequenzierung nach Sanger

Die DNA-Sequenzierung nach Sanger ist auch unter den Synonymen Didesoxymethode oder
Kettenabbruchsynthese bekannt.
Das Verfahren arbeitet nach dem Prinzip, komplementäre Stränge zu der vorliegenden DNA
zu produzieren, deren Synthese an unterschiedlichen Stellen abbricht. Die Analyse der Fragmente
verrät die Abfolge der Nucleotide.
Die wichtigsten Komponenten für die moderne Variante der Methode sind:
55 Eine Proben-DNA, deren Sequenz bestimmt werden soll.
55 Ein Sequenzier-Primer, der sich an den Startbereich der DNA heftet.
55 Eine DNA-Polymerase für die Synthese der komplementären Fragmente.
16 55 Desoxynucleosidtriphosphate (dATP, dGTP, dCTP und dTTP) als Bausteine für die
komplementären Stränge.
55 Markierte Didesoxynucleosidtriphosphate (ddATP, ddGTP, ddCTP und ddTTP) zum
Abbrechen der Synthese. Diesen Nucleotiden fehlt an der 3′-Position die Hydroxylgruppe
zum Anbinden des nächsten Nucleotids, sodass die Kette mit ihnen zwangsweise endet.
Jede Variante dieser terminalen Bausteine ist mit einem eigenen Fluoreszenzfarbstoff
markiert.

Das Vorgehen gliedert sich in zwei große Blöcke:


1. Synthesephase:
44Die Synthese des komplementären Strangs verläuft wie eine modifizierte PCR, bei der
nur ein Primer eingesetzt wird. Die DNA wird dadurch nur ergänzt, nicht amplifiziert.
16.5 · DNA-Sequenzierung
291 16

. Abb. 16.7  Ergebnis einer gelungenen Sequenzierung mit fluoreszenzmarkierten Nucleotiden (nach Mülhardt
2013)

44Die Polymerase baut meistens die herkömmlichen Desoxynucleotide in den neuen


Strang ein.
44Durch Zufall hängt die Polymerase auch Didesoxynucleotide an die Kette. Die
Synthese des betreffenden Strangs endet damit sofort. Wegen der großen Anzahl der
Synthesen geschieht dies nach jeder Base mehrmals und es entstehen Fragmente aller
Längen.
2. Analysephase:
44Die Fragmente werden in einer Kapillarelektrophorese nach ihrer Länge aufgetrennt.
44Anschließend wandern sie der Reihe nach an einem Laser vorbei, der die Marker zur
Fluoreszenz anregt. Da jede Variante von Didesoxynucleotid in einer anderen Farbe
fluoresziert, gibt das Muster direkt die DNA-Sequenz des neu synthetisierten komple-
mentären Strangs wieder (. Abb. 16.7).

Bei der ursprünglichen Vorgehensweise waren die Didesoxynucleosidtriphosphate radioaktiv


markiert. Weil sich die Marker so nicht voneinander unterscheiden ließen, führte man die Syn-
these in vier getrennten Ansätzen mit je einer Art von Didesoxybaustein durch. Die Auftrennung
nach der Größe erfolgte mit einem Polyacrylamidgel.

16.5.2 Pyrosequenzierung

Anwendungsfall: Kurze DNA-Stücke wie beispielsweise SNPs sollen sequenziert werden.


Die Pyrosequenzierung arbeitet nach dem Prinzip, der Polymerase nacheinander die ver-
schiedenen Bausteine anzubieten und den Einbau des jeweils passenden Nucleotids per Lichtsi-
gnal zu erkennen. Das Lichtsignal entsteht in einer Nebenreaktion.
Die wichtigsten Komponenten für die Pyrosequenzierung sind:
55 Eine Proben-DNA, deren Sequenz bestimmt werden soll.
55 Ein Sequenzier-Primer, der sich an den Startbereich der DNA heftet.
55 Eine DNA-Polymerase für die Synthese der komplementären Fragmente.
55 Desoxynucleosidtriphosphate (dATP, dGTP, dCTP und dTTP) als Bausteine für die
komplementären Stränge.
55 Die Enzyme ATP-Sulfurylase und Luciferase sowie ihre Substrate Adenosinphosphosulfat
(APS) und Luciferin und das Enzym Apyrase.

Der Prozess analysiert die Sequenz während der laufenden Synthese:


1. Der Primer bindet an die einzelsträngige DNA.
292 Kapitel 16 · Methoden

2. In den Ansatz gibt man das erste Desoxynucleosidtriphosphat, beispielsweise dCTP.


3. Die Polymerase prüft, ob der Baustein komplementär zum nächsten freien Nucleotid des
Matrizenstrangs ist.
44Passt der Baustein nicht, gibt es kein Lichtsignal.
44Passt der Baustein, baut die Polymerase ihn in die wachsende Kette ein. Dabei spaltet
sie Pyrophosphat (PPi) ab. Die ATP-Sulfurylase setzt dieses Pyrophosphat mit APS zu
ATP um. Mit dem ATP treibt die Luciferase die Oxidation von Luziferin an, wobei die
frei werdende Energie als Licht freigesetzt wird. Ein Detektor registriert das Licht.
4. Nichtgebundene getestete Bausteine werden von der Apyrase entfernt, und das nächste
Desoxynucleosidtriphosphat wird zugegeben und geprüft.

Erhält man hellere Lichtsignale, hat die Polymerase mehrmals die gleiche Base hintereinander
eingebaut.
Die Pyrosequenzierung ist geeignet für einen automatisierten Ablauf und parallele
Analysen.

16.5.3 Hochdurchsatzsequenzierung: Next Generation Sequencing

Hochdurchsatzsequenzierung oder Next Generation Sequencing (NGS) ist ein Sammelbegriff für
verschiedene Methoden, mit denen mehrere Millionen DNA-Fragmente gleichzeitig sequen-
ziert werden können.
Die Verfahren eignen sich besonders für die Analyse großer DNA-Proben:
55 Sequenzierung ganzer Genome,
55 Genotypisierung,
55 Aufnahme eines Metagenoms, also die Sequenzierung aller DNA-Moleküle in einem
Lebensraum.

Die meisten Arten von Hochdurchsatzsequenzierung folgen dem gleichen dreistufigen


Prinzip:
1. Library-Präparation. Die DNA wird in mehreren Schritten vorbereitet:
44Sie wird enzymatisch oder mechanisch fragmentiert.
44An die Enden der Fragmente werden Adaptoren oder Adapter genannte Sequenzen
angehängt. Die Adapter bestehen aus zwei Teilen:
–– einer Bindestelle für das spätere Anheften an den Träger,
–– einem Primer für die folgende Amplifikation. Die vorbereiteten Fragmente nennt
16 man DNA-Bibliothek.
2. Amplifikation. Die Vervielfältigung findet an einem festen Träger statt. Bei der Brücken-
amplifikation oder Brückensynthese ist dies eine Glasplatte einer Durchflusszelle oder
flow cell:
44Die Fragmente binden über ihre Adapter an den Träger.
44Wie bei der PCR werden die Fragmente vervielfältigt. Es entstehen lokale Cluster mit
DNA-Stücken, die alle Klone des gleichen Fragments sind. Man spricht daher von
klonaler Clusteramplifikation.
44Die DNA-Stücke werden denaturiert und die komplementären Stränge entfernt.
3. Sequenzierung. Die eigentliche Sequenzierung erfolgt über Bestimmung der Lichtsignale
beim Einbau, beispielsweise wie bei der Pyrosequenzierung.
16.6 · Klonierung von DNA
293 16
16.5.4 Sequenzierung von RNA

Für Studien zum Transkriptom müssen RNA-Moleküle oft sequenziert werden.


Die Vorgehensweise entspricht der DNA-Sequenzierung mit einer vorgeschalteten
Umwandlung:
1. Die Ziel-RNA wird isoliert.
2. Die Moleküle werden fragmentiert.
3. Das Enzym Reverse Transkriptase wandelt die RNA in cDNA um.
4. Die Analyse erfolgt mittels Hochdurchsatzsequenzierung.

16.6 Klonierung von DNA

Unter Klonierung versteht man die Produktion großer Mengen identischer Kopien eines
DNA- Moleküls.
Sie ist der erste Schritt für eine Reihe von Untersuchungen, beispielsweise:
55 Analyse von DNA-Sequenzen,
55 Veränderung der Sequenz,
55 Genkartierung,
55 Expression der Genprodukte.

Die wichtigsten Komponenten für die Klonierung sind:


55 Ein DNA-Molekül, das kloniert werden soll. Es wird auch als Insert bezeichnet, sobald es in
einen Klonierungsvektor eingesetzt wurde.
55 Ein Klonierungsvektor. Häufig verwendet man bakterielle Plasmide, die in hoher
Kopienzahl in einer Bakterienzelle vorliegen können. Andere Möglichkeiten sind Phagen-
DNA, künstliche Bakterienchromosomen (BACs) oder künstliche Hefechromosomen
(YACs).
55 Eine aufnahmebereite oder kompetente Zelle. Weit verbreitet ist das Bakterium E. coli, in
das die rekombinante DNA transformiert wird.
55 Eine Reihe von Enzymen für die Arbeit mit DNA.

Die verschiedenen Klonierungsvektoren zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus:


55 Die Aufnahmekapazitäten der Klonierungsvektoren sind begrenzt und reichen von
wenigen kb bei Plasmiden bis hin zu rund 1000 kb bei YACs (. Abb. 16.8).
55 Sie tragen Selektionsmarker genannte Gene, mit denen man überprüfen kann, ob die
Übertragung der Ziel-DNA in die Zelle gelungen ist:
44Ein Resistenzgen gegen ein Antibiotikum wie z. B. Ampicillin sorgt dafür, dass nur
(Bakterien-)Zellen mit dem Vektor auf einem antibiotikahaltigen Nährboden überleben
können. Bei diesen Zellen ist die Transformation gelungen.
44Ein Indikatorgen wie lacZ zeigt den erfolgreichen Einbau der Ziel-DNA in den Vektor
an. Der Insertionsort befindet sich innerhalb des Gens. Wurde die DNA eingefügt,
ist das lacZ-Gen funktionsuntüchtig und kann nicht mehr exprimiert werden. Das
Genprodukt lacZ ist das Enzym Galactosidase, das eine Farbreaktion hervorruft.
Eine blau gefärbte Zelle besitzt also den Vektor ohne inserierte Ziel-DNA, eine
farblose Zelle trägt einen Vektor mit Ziel-DNA. Diese Prüfung bezeichnet man als
Blau-Weiß-Screening.
294 Kapitel 16 · Methoden

Plasmid 3 kb
Phagemid 10 kb
20 kb
Cosmid 50 kb
BAC 300 kb
YAC 1000 kb

. Abb. 16.8  Klonierungsvektoren und ihre Aufnahmekapazität (nach Mülhardt 2013)

EcoRI
SacI
KpnI
SmaI
XmaI
lacZ BamHI
MCS Sal I
Ac cI
HincII
PstI
Amp pUC19 lacI SphI
2686 bp HindIII

ORI

. Abb. 16.9  Das Plasmid pUC19 mit seiner multiple cloning site (MCS) (nach Mülhardt 2013)

55 In der sogenannten multiple cloning site (MCS) befinden sich viele Schnittstellen für
Restriktionsenzyme (. Abb. 16.9).

Die Vorgehensweise erfolgt in mehreren Schritten:


1. Vorbereitung der Ziel-DNA. Das zu klonierende DNA-Molekül muss in größerer Anzahl
vorliegen und geeignete Enden für den Einbau in den Vektor aufweisen. Diese Bedin-
gungen können auf verschiedene Weisen erfüllt werden:
44Das Genom mit der Ziel-DNA wird mit Restriktionsenzymen zerschnitten, die
16 Ziel-DNA über eine Gelelektrophorese isoliert und mit einer PCR vervielfältigt.
44Die Ziel-DNA kann auch in der PCR mit Enden versehen werden, deren Sequenzen den
Schnittstellen von Restriktionsenzymen entsprechen. Dafür werden beim Amplifizieren
Primer mit der passenden Sequenz eingesetzt.
2. Insertion in den Vektor. Der Vektor wird mit dem gleichen Restriktionsenzym geschnitten
wie die Ziel-DNA. Gibt man diese in Überschuss hinzu, fügt sie sich von selbst in den
Vektor ein. Ligasen schließen die Lücken (. Abb. 16.10).
3. Transformation des Vektors in die Zielzelle. Der Vektor wird in die Wirtszelle einge-
schleust. Über die Selektionsmarker lassen sich Zellen auswählen, die tatsächlich den
Vektor mit Ziel-DNA tragen. Diese Zellen werden kultiviert und vervielfältigen bei ihrem
Wachstum die Ziel-DNA.
16.7 · Transgene Tiere
295 16
P
Fragment 1 P

Dephosphorylierung

P
Fragment 2 P
Ligation

P P
P P

P
P

. Abb. 16.10  Dephosphoryliert man DNA-Fragmente vor der Ligation, kann man die Selbstligation des Vektors
unterdrücken (nach Mülhardt 2013)

z Bibliotheken und Banken


Eine Genombibliothek, genomische Bibliothek oder Genbank besteht aus einer Sammlung
von Vektoren, in die alle DNA-Sequenzen inseriert sind, um eine bestimmte Fragestellung zu
bearbeiten.
Man unterscheidet verschiedene Typen:
55 Eine Genombibliothek umfasst die gesamte DNA eines Organismus. Jeder Vektor enthält
einen Abschnitt, alle zusammen decken das komplette Genom ab. Um die Zahl der
Konstrukte zu begrenzen, wählt man dazu Vektoren wie Cosmide oder BACs, die deutlich
größere Inserts aufnehmen können als Plasmide. Eine Genombibliothek wird häufig als
Vorbereitung auf die Sequenzierung des Genoms angelegt.
55 Eine cDNA-Bibliothek enthält das Transkriptom einer Zelle. Dazu isoliert man die mRNA
einer Zelle oder eines Gewebes und schreibt sie mithilfe der Reversen Transkriptase in
cDNA um.

16.7 Transgene Tiere

Für verschiedene Zwecke werden genetisch veränderte Tiere verwendet:


55 um komplexere Zusammenhänge zu studieren,
55 als Modelle für genetisch bedingte Erkrankungen des Menschen,
55 für die Produktion von Medikamenten.

Die traditionelle Vorgehensweise ist wenig selektiv:


1. Das gewünschte Gen wird in einen Vektor inseriert.
2. Der Vektor wird in eine befruchtete Eizelle eingebracht. Das kann beispielsweise durch
3. Mikroinjektion oder Elektroporation geschehen.
4. Der Vektor integriert sich an einem unbekannten Ort in das Genom der Eizelle.
5. Die transgene Eizelle wird in ein empfangsbereites Muttertier eingepflanzt.
296 Kapitel 16 · Methoden

Das Verfahren hat mehrere Nachteile:


55 Das Gen kann sich in ein Wirtsgen integrieren und dieses dadurch funktionslos machen.
55 Das eingeführte Gen kann nicht zielgerichtet an- oder ausgeschaltet werden.

16.7.1 Gene-Targeting oder gezielte Genmanipulation

Den Ort des Geneinbaus kann man mit flankierenden Sequenzen für eine gezielte Rekombina-
tion steuern. Dafür muss das gewünschte Gen an seinen Enden mit Basenfolgen versehen werden,
die homolog zu der Zielregion im Genom sind.
Auf diese Weise kann man verschiedene Typen von transgenen Tieren produzieren:
55 Bei Knock-out-Organismen hat man gezielt durch den Einbau des zusätzlichen Gens ein
endogenes Zielgen ausgeschaltet.
55 Bei Knock-in-Organismen wird das zusätzliche Gen eingebaut, ohne Störungen zu verursachen.

Die Überprüfung des Einbaus erfolgt über Selektionsmarker im eingeführten DNA-Stück:


55 Marker für eine positive Selektion ermöglichen transgenen Zellen das Überleben. Beispiel:
Antibiotikaresistenzgene
55 Marker für eine negative Selektion töten als eine Art Selbstmordgen die Zelle oder
hemmen ihr Wachstum. Bei einer erfolgreichen Integration in die Zielregion geht der
Selektionsmarker verloren, und die Zelle überlebt. Beispiel: Toxingene

Das Ziel von Gene-Targeting sind embryonale Stammzellen, die anschließend in eine Blasto-
cyste injiziert werden. Da der Embryo transgene Zellen und unveränderte Zellen besitzt, wächst
er als Chimäre heran.
Transgene Tiere entstehen als Nachkommen jener Chimären, bei denen die Keimzellen das
zusätzliche Gen tragen.
Gene-Targeting ist bei verschiedenen Modellorganismen als Methode etabliert. Für medizi-
nische Forschungen sind vor allem Knock-out-Mäuse und Knock-in-Mäuse verbreitet.

16.7.2 Konditionale Knock-out-Mäuse

Möchte man das Gen zelltypspezifisch ausschalten, erzeugt man konditionale Knock-out-
Mäuse und nutzt dazu das Cre-loxP-System (s. 7 Abschn. 9.2.3).
Das System umfasst mehrere Komponenten:
16 55 Cre ist eine Rekombinase, die an bestimmten Sequenzen die DNA zerschneidet und
dadurch DNA-Abschnitte aus dem Chromosom löst.
55 loxP ist die Erkennungssequenz für Cre.

Die Vorgehensweise erstreckt sich über zwei Generationen von Versuchstieren:


1. Vorbereitung der ersten Generation. Man benötigt zwei Varianten von transgenen
Tieren:
44Eine Variante trägt das Cre-Gen. Es muss so in das Genom integriert sein, dass es
unter der Kontrolle eines Promotors steht, der nur in dem späteren Zielgewebe
aktiv wird.
44Eine Variante trägt das Zielgen mit zusätzlichen loxP-Sequenzen an seinen Enden. Den
Einbau dieser Sequenzen bezeichnet man als „floxen“ (von flanked by loxP).
16.8 · Genome Editing
297 16
2. Kreuzung. Unter den Nachkommen der beiden transgenen Versionen befinden sich
Individuen, die beide Veränderungen tragen. Bei ihnen kommt es im Zielgewebe durch
den Promotor zur Expression der Cre-Rekombinase. Das Enzym führt an den
loxP-Stellen die Rekombination durch, wodurch es das Zielgen entfernt.

16.7.3 Knock-down

Beim Knock-down-Verfahren bleibt das Genom des Zielorganismus unverändert. Die Genex-
pression wird stattdessen durch RNA-Interferenz oder Inhibitoren vermindert.
Es gibt zwei Varianten:
55 Ein transienter Knock-down wirkt nur vorübergehend. Man löst ihn durch Zufuhr von
Reagenzien wie spezifischer RNA oder Inhibitoren aus.
55 Ein persistenter Knock-down mindert die Genexpression dauerhaft. Dazu muss die Zelle
einen Vektor mit dem Gen für die hemmende RNA tragen, die er dann selbst synthetisiert.

16.8 Genome Editing

Mit den Methoden des Genome Editing kann man gezielt DNA-Abschnitte in das Genom ein-
bringen, austauschen oder entfernen.

16.8.1 CRISPR/Cas9-System

Das CRISPR/Cas9-System leitet sich von einem Abwehrsystem ab, mit dem Bakterien gegen
Fremd-DNA in Form von Phagen oder Plasmiden vorgehen (s. S. 109).

z Die natürliche Funktionsweise


Das System besteht aus zwei mehrteiligen Komponenten:
55 Der CRISPR-Locus ist ein Abschnitt auf dem bakteriellen Chromosom. Er umfasst drei Elemente:
44Leader enthält einen Promotor für die Transkription der nachfolgenden Sequenzen und
regulatorische Elemente.
44Repeats sind 23–55 bp lange Sequenzen, die oft palindromisch aufgebaut sind und sich
wiederholen.
44Spacer sind 21–72 bp lange variable Sequenzen, die zwischen den einzelnen Repeats
liegen. Sie entsprechen Abschnitten der eingedrungenen Fremd-DNA.

Hinter dem Leader wechseln sich Repeats und Spacer bis zu mehrere Hundert Male ab. CRISPR
steht für clustered regularly interspaced short palindromic repeats.
55 Die cas-Gene codieren für Nucleasen, Helikasen, Integrasen und weitere Proteine für die
Arbeit mit DNA. Die Gene liegen in der Nähe des CRISPR-Locus.

Cas steht für CRISPR-associated.


Der Mechanismus ist dreiteilig:
1. Immunisierung- oder Akquisitionsphase. Beim ersten Kontakt mit einer Fremd-DNA
integriert die Zelle Fragmente davon als Spacer hinter dem CRISPR-Leader. Diese
Sequenzen stellen eine Art immunologisches Gedächtnis der Zelle dar.
298 Kapitel 16 · Methoden

2. Bearbeitungsphase. Ausgehend vom CRISPR-Locus werden spezifische RNA-Moleküle


für die verschiedenen Fremd-DNA-Fragmente hergestellt:
a. Von dem Promotor im Leader ausgehend, transkribiert die Zelle den gesamten Locus
als durchgehende Vorläufer-RNA oder Prä-crRNA.
b. Cas-Proteine prozessieren die Prä-crRNA und schneiden einzelne crRNAs heraus, die
komplementäre Abschnitte zu ihrer jeweiligen Fremd-DNA enthalten.
c. Zusammen mit der Nuclease Cas9 bildet jede crRNA einen Effektorkomplex.
3. Interferenzphase. Gelangt eine bekannte Fremd-DNA erneut in die Zelle, wird sie vom
passenden Effektorkomplex erkannt, gebunden und zerschnitten.

z Die Anwendung in der Gentechnologie


Für das Genome Editing nutzt man die hohe Spezifität des Systems und die damit verbundene
enzymatische Aktivität:
1. Man konstruiert crRNA-Moleküle, bei denen die Spacer-Sequenz durch eine RNA-Sequenz
ersetzt ist, die passend zur Zielsequenz im Genom ist.
2. Die maßgeschneiderte crRNA wird mit Cas9 kombiniert.
3. In der Zelle erkennt die RNA die Zielsequenz, und Cas9 durchschneidet beide
DNA-Stränge nahe der Bindestelle. Die Nuclease führt Doppelstrangbrüche aus.

Nach dem Schnitt der DNA gibt es zwei mögliche Reparaturwege und damit zwei verschie-
dene Ergebnisse:
55 Die Zelle repariert die Doppelstrangbrüche mithilfe des NHEJ (nonhomologous end joining,
s. 7 Abschn. 11.6.5). Da diese Reparatur fehlerhaft abläuft, kommt es zu Mutationen.
55 Man bietet der Zelle eine vorbereitete Sequenz mit entsprechenden homologen
Enden an.
55 Die Zelle repariert die Brüche nun über HDR (homology directed repair), einen Weg der
homologen Rekombinationsreparatur, und baut somit die vorbereitete Sequenz ein.

Gegenüber dem Genome Editing mithilfe von Zinkfingernucleasen oder TALENs ist das System
billiger, und die Zielsequenzen sind einfacher zu erstellen.

16.8.2 TALEN (transcription activator-like effector nuclease)

Transcription activator-like effector nucleases (TALENs) sind künstliche Fusionsproteine mit zwei
funktionellen Domänen:
16 55 Die Tal-Effector-Domäne erkennt Nucleotidsequenzen der DNA und ist für die spezifische
Bindung des Proteins verantwortlich.
55 Die Endonucleasedomäne führt einen unspezifischen Doppelstrangbruch in die
gebundene DNA ein.

Nach dem Schnitt der DNA gibt es wie beim CRISPR/Cas9-Mechanismus ebenfalls zwei ver-
schiedene Wege und Ergebnisse:
55 Nach der NHEJ ist das Gen unterbrochen.
55 Gibt man ein vorbereitetes DNA-Molekül mit passenden Enden hinzu, baut die Zelle es per
HDR an der Schnittstelle in die eigene DNA ein.
16.9 · Modellorganismen
299 16

16.9 Modellorganismen

Modellorganismen sind Spezies, an denen ein Großteil der genetischen Forschung durchgeführt
wird, die z. B. beim Menschen nicht durchführbar ist oder wofür der Mensch zu komplex ist.

z Kriterien für Modellorganismen


Geeignete Arten müssen einige Kriterien erfüllen:
55 Sie sind leicht zu untersuchen.
55 Die Generationszeit ist kurz, die Organismen vermehren sich schnell.
55 Sie sind leicht zu kultivieren oder zu pflegen, kostengünstig und anspruchslos.
55 Sie benötigen wenig Platz im Labor oder auf der Freifläche.
55 Sie erlauben Kreuzungen und erzeugen viele Nachkommen.
55 Man kennt viele verschiedene Mutanten, die man an ihren unterschiedlichen Phäno-
typen unterscheiden kann.

Für die Nomenklatur der Gene gelten Richtlinien. Hier folgen nur Kernpunkte, da die Regeln
für die einzelnen Organismen in Detailfragen sehr umfangreich sind.
55 Die Namen von Genen schreibt man kursiv, die Bezeichnungen von Proteinen in Normal-
schrift mit großem Anfangsbuchstaben.
55 Die Groß- und Kleinschreibung der Namen von Genen hängt vom Organismus ab:
44Gene von Prokaryoten schreibt man mit drei kleinen Buchstaben, die oft einen
Hinweis auf die Funktion geben. Tragen mehrere Gene den gleichen Namen, sorgt ein
angehängter Großbuchstabe für die Unterscheidung.
44Beispiel: Die lac-Gene codieren Proteine für den Lactoseabbau. Unter ihnen trägt
lacZ die Informationen für das Enzym β-Galactosidase oder LacZ.
44Für Gene höherer Tiere und des Menschen verwendet man auch nur zwei oder mehr
als drei Buchstaben. Mitglieder einer Genfamilie erhalten eine Nummer hinter den
Buchstaben.
44Beispiel: Pax3.
44Gene von Drosophila erhalten ihre Bezeichnung häufig nach dem Aussehen des
Mutantenphänotypen. Beispiel: white für weiße Augen.
44Hefegene schreibt man klein, wenn sie rezessiv sind, oder bei dominanten Genen durch-
gehend groß. Ein hochgestelltes „+“ hinter dem Namen kennzeichnet den Wildtyp.
44Bei Genen von Arabidopsis schreibt man die Wildtypallele groß, mutierte Allele klein.
Ein zusätzliches „d“ markiert eine dominante Mutation.
44Mausgene schreibt man mit großem Anfangsbuchstaben.
44Menschgene schreibt man durchgehend groß.
44Grundsätzlich sollten orthologe Gene bei Vertebraten die gleiche Bezeichnung
erhalten. Beispiel: SHH beim Menschen ist homolog zu Shh bei Maus und Ratte sowie
shh beim „Zebrafisch“, Danio rerio.

16.9.1 Escherichia coli

Escherichia coli ist ein Darmbakterium und gehört zu den Enterbacteriaceae. Von E. coli kennt
man zahlreiche Stämme, der bekannteste ist E. coli K12. Einige Stämme sind pathogen.
300 Kapitel 16 · Methoden

E. coli verfügt über etwa 4300 Gene.


E. coli ist mit großem Abstand das am häufigsten eingesetzte Bakterium in der Genetik. Die
Arbeit mit ihm hat weitreichende Erkenntnisse auf allen Gebieten gebracht unter anderem aus
den Gebieten zur Genom- und Genorganisation, Replikation, Transkription, Translation, Expres-
sion, Mutationsanalyse, Rekombination, Reparatur, horizontaler Gentransfer etc.

z Vorteile von E. coli:


55 E. coli ist anspruchslos, wächst prototroph und kann leicht unter aeroben Bedingungen
in einem Minimalmedium kultiviert werden, das nur eine Kohlenstoffquelle und Nährsalze
beinhaltet.
55 Die Bakterien vermehren sich schnell. Unter optimalen Bedingungen teilen sich die Zellen
alle 20 min.
55 E. coli wird in der Genetik auch als Werkzeug für Untersuchungen an Genen anderer
Organismen genutzt:
44Es ist der Standardwirt für Arbeiten mit rekombinanter DNA.
44Plasmide von E. coli dienen als Vektoren bei Klonierungen.

16.9.2 Bäcker- oder Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae)

Die Bäckerhefe oder Bierhefe, Saccharomyces cerevisiae, zählt zu den Echten Hefen. Die Zellen
sind rund bis oval. Der Lebenszyklus der Hefe umfasst eine einzellige diploide und eine hap-
loide Phase. Die vier Zellen einer Meiose bleiben in einem Ascus zusammen (Ascosporen). Ihre
Untersuchung ist als Tetradenanalyse bekannt.
Die Bäckerhefe besitzt etwa 6300 Gene. In ihnen sind wenige Introns und repetitive Sequen-
zen zu finden.
Die Bäckerhefe ist einer der ältesten Mikroorganismen, den die Menschheit in der Nahrungs-
mittelproduktion nutzt, beispielsweise zur Produktion von Bier, Teig und Wein.
S. cerevisiae stellt den einfachsten eukaryotischen Modellorganismus dar. An ihr wurden
Erkenntnisse zu verschiedenen Themen gewonnen wie zum Zellzyklus, zu Meiose, Rekombi-
nation und Apoptose.

z Vorteile von S. cerevisiae:


55 Die Bäckerhefe ist recht anspruchslos und leicht zu kultivieren. Sie wächst aerob, kann
aber unter anaeroben Bedingungen leben.
55 S. cerevisiae dient als Instrument für genetische Untersuchungen. Künstliche Hefechro-
16 mosomen mit Centromer und Telomer (yeast artificial chromosome, YAC) dienen als
Klonierungsvektoren, um deutlich größere Fragmente zu klonieren, als es bakterielle
Plasmide erlauben.

16.9.3 Taufliege (Drosophila melanogaster)

Die englische Bezeichnung für Drosophila melanogaster ist fruit fly, auf Deutsch heißt sie
Taufliege, wird aber häufig auch Fruchtfliege genannt. Die Fliege ist 2–3 mm lang und hat im
Wildtyp charakteristische rote Augen.
16.9 · Modellorganismen
301 16
Die Taufliege besitzt etwa 13.500 Gene.
An der Taufliege wurden Erkenntnisse auf mehreren Gebieten gewonnen, darunter zu Mutan-
ten und Mutationen, Kopplung von Genen, Kartierung von Genen, Epistase, Geschlechtschro-
mosomen, Verhaltens- und Entwicklungsgenetik.

z Vorteile von D. melanogaster:


55 Taufliegen vermehren sich schnell und in großen Mengen. Die Generationszeit beträgt
nur zehn Tage, das Weibchen legt 400 bis 500 Eier.
55 Die Fliege besitzt ein kleines Genom von drei Autosomenpaaren und einem
Geschlechtschromosomenpaar.

16.9.4 Caenorhabditis elegans

Caenorhabditis elegans gehört zu den Fadenwürmern oder Nematoden. Das adulte Tier ist etwa
1 mm lang. Sein Lebensraum sind Böden, Der Lebenszyklus beginnt nach der Eiablage mit der
Embryonalentwicklung von etwa 12–14 h, daran schließen sich vier Larvenstadien an, die 7–12 h
dauern. Unter Laborbedingungen lebt der Wurm zwei bis drei Wochen.
C. elegans besitzt etwa 19.000 Gene.
An dem Fadenwurm wurden unter anderem Erkenntnisse zu Entwicklungsgenetik, Genetik
des Alterns, Apoptose und Verhaltensgenetik gewonnen.

z Vorteile von C. elegans:


55 C. elegans ernährt sich von Bakterien und ist daher ebenfalls recht leicht im Labor zu
halten.
55 Die Zahl der somatischen Zellen ist exakt festgelegt und konstant: Beim Zwitter sind es
959 Zellen, beim Männchen 1031. Die Zahl der Keimzellen variiert jedoch. Man kennt das
Zellschicksal so genau, dass man die einzelnen Zellen in eine Abstammung oder Genea-
logie einordnen kann.
55 Die Ei- und Wurmhülle sind transparent, sodass sich die Vorgänge an den Zellen gut
beobachten lassen.

16.9.5 Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana)

Die Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana, ist der wichtigste pflanzliche Modellorganismus.


Sie rückte in den Fokus der Forschung, nachdem in den frühen 1980er-Jahren detaillierte gene-
tische Karten erstellt worden waren. Die Pflanze gehört zur Familie der Kreuzblütler. Sie ist von
Portugal und Nordafrika bis nach Ostasien verbreitet.
Die Ackerschmalwand verfügt über etwa 25.500 Gene.
Die Arbeiten mit A. thaliana lieferten Erkenntnisse zu den pflanzenspezifischen Fragen nach
der Blütenbildung, der pflanzlichen Genomorganisation, Entwicklung und Genregulation.

z Vorteile von A. thaliana:


55 Bei der Ackerschmalwand sind Selbst- und Kreuzbefruchtung möglich.
302 Kapitel 16 · Methoden

55 Die Reproduktionsrate ist hoch. Eine Pflanze produziert mehrere Tausend Samen, die mit
hoher Quote auskeimen. Die Generationszeit ist mit sechs Wochen kurz.
55 Über das Ti-Plasmid aus Agrobacterium tumefaciens kann man Fremdgene in den Modell-
organismus einschleusen und untersuchen.
55 Es gibt natürliche Mutanten. Künstliche Mutationen sind leicht zu erzeugen.

16.9.6 Zebrabärbling oder Zebrafisch (Danio rerio)

Der Zebrabärbling, Danio rerio, wird im Laborsprachgebrauch auch als Zebrafisch bezeichnet
(zebrafish ist auch die engl. Bezeichnung). Er gehört zu den Knochenfischen und ist insbeson-
dere für die Entwicklungsgenetik ein beliebter Modellorganismus geworden. Seine Lebensdauer
beträgt zwei bis vier Jahre.
Danio rerio besitzt etwa 26.000 Gene.
D. rerio liefert besonders Ergebnisse zur Entwicklungs- und Verhaltensgenetik sowie zu
Krankheiten des Menschen.

z Vorteile von D. rerio:


55 Für ein Wirbeltier ist die Zahl der Nachkommen recht hoch. Ein Weibchen legt mehr als
200 Eier ab.
55 Die Embryonen sind transparent und recht groß. Sie entwickeln sich außerhalb der
Mutter.
55 Die Embryonalentwicklung verläuft schnell: Schon nach 24 h sind in der Embryonal-
entwicklung Organe erkennbar. Die Larve schlüpft nach zwei Tagen. Nach drei bis vier
Monaten sind die Tiere geschlechtsreif.
55 Die Embryonen lassen sich relativ leicht manipulieren.
55 Wichtige Organe können nachwachsen.

16.9.7 Hausmaus (Mus musculus)

Die Maus ist dem Menschen genetisch, biochemisch, physiologisch und ethologisch sehr ähnlich.
Sie wird daher häufig zu Forschungen in der Humanbiologie und Humanmedizin verwendet,
beispielsweise bei Untersuchungen zu X-Inaktivierung, Krankheiten, Immungenetik, Verhal-
tensgenetik und Krebs.
Die Maus besitzt 20.000 bis 25.000 Gene.
16
z Vorteile der Maus:
55 Die Maus ist klein und reproduktionsfreudig. Ein Wurf umfasst acht bis zehn Jungtiere.
55 Die Generationszeit ist kurz. Von der Befruchtung bis zum geschlechtsreifen Tier vergehen
etwa neun Wochen, die Schwangerschaft dauert 21 Tage.
55 Es gibt verschiedene Linien transgener Mäuse sowie Knock-out und Knock-in Mäuse.
55 Die ethische Hemmschwelle, in den Reproduktionszyklus einzugreifen und ihn zu beein-
flussen, ist geringer als beim Menschen.
55 Die Inzucht von Geschwistertieren ist möglich.
303

Serviceteil
Stichwortverzeichnis – 304

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2017


O. Schmidt, Genetik und Molekularbiologie, Kompaktwissen Biologie,
DOI 10.1007/978-3-662-50274-7
304

Stichwortverzeichnis

σ-Amanitin  61 Adenin  5 Amplifikation  285, 292


ΦX174  32 Adenosin  5 Anämie  197
2′-Desoxyribose  5 Adenosindesaminase  72 Anaphase
30-nm-Faden  22 Adenosine desaminase acting on –– I  139
3H-Thymidin  35 RNA (ADAR)  72 –– II  140
3′-5′-Exonucleasen  191 Adenosinphosphosulfat Androgeninsensitivität  121
3′-Ende  7 (APS)  291 Androgeninsensitivitätssyn-
5-Bromuracil  190 Adenylat-Cyclase  104, 118 drom  154
5-Methylcytosin  5, 128 Adrenalin  120 Androgenitales Syndrom
5′-3′-Exonucleaseaktivität  40 Aflatoxine  191 (AGS)  219
5′-3′-Exonucleasefunktion  41 agamous-Gen  255 Androgenresistenz  121, 154
5′-Ende  7 Agarosegel  288 Androgenrezeptor  121, 153–154
6-4-Läsion  189 Ago-Protein  123 Aneuploidie  202
6-4-Photoprodukt  189 Agrobacterium tumefaciens  14, –– beim Menschen  203
6-Methylguanin  190 302 Angelman-Syndrom  224
7-Methyl-Guanosin  67 AICDA  245 Anheftungsprotein  178
7′Methylguanosin-Cap  173 AID  245 Annealing  9, 285
8-Oxoguanin  190 Akquisitionsphase  297 Annotierung  147, 270
Aktivator  62, 98, 102, 115, 183 Anomalie, strukturelle  193, 196
Akzeptorarm  79 Anti-Müller-Hormon (AMH) 
A Akzeptorstelle  70
Albinismus Typ OCA 1–4  219
154
Antibiotika  15, 57, 82, 170
A-Form  9 Alignment  270 Anticodon  77
AB0-System  156 Alkylgruppe  209 Anticodonschleife  79
Abbau von Proteinen  93 Alkylierung  209 Antikörper  163, 243
ABC-System  255 Alkyltransferase  209 –– IgA  243
Abelson-Leukämie-Virus  237 Allel  218, 220, 271 –– IgD  243
Aberration –– dominantes  133 –– IgE  243
–– numerische  193 –– Frequenz  155 –– IgG  243
–– strukturelle  196 –– Häufigkeit  155 –– IgM  243
Abl-Gen  237 –– homozygotes  219 –– Struktur  243
Abort, habitueller  196 –– rezessives  133 Antikörperklasse  244
Abschnitte, untranslatierte (UTR, –– Vorkommen  154 Antikörperspezifität  244
untranslated region)  53 Allelausschluss  246 Antikörpervielfalt  244
Absorption  9 Allolactose  103 Antiparallel  8
Ac (activator)  171 Alphastrahlung  189 Antirepressor  106
Ac/Ds-System  171 Altersdiabetes  233 Antirrhinum majus  256
Acetylgruppe  93 Alterung-Syndrom  208 Antiterminator  66
Acetylierung  126–127 Alu-Element  28, 172 Antizipation  223
Acetylrest  19 Alzheimer-Demenz  232 Antwortregulator  102
Achondroplasie  218, 223 Ameisen  150 AP-Stelle
Achse  250 Aminoacyl-AMP  80 –– apurinische  190
–– anterior-posteriore  250–252 Aminoacyl-tRNA  76 –– apyrimidinische  190
–– dorso-ventrale  250–252 Aminoacyl-tRNA-Synthetase  76, APOBEC3-Protein  172
Ackerschmalwand  301 80–81 Apoliporotein B  73
Acridinfarbstoff  191 Aminoacylstelle  82 Apoptose  46, 120, 212, 256
Actin  140 Aminosäure, proteinogene  77 Apoptosekörperchen  256
Acylierung  93 Ammoniumchlorid (15NH4Cl)  35 Apyrase  291
Adaptermolekül Grb2  119 Amniocentese  227 Äquationsteilung  135
Adaptor  292 Ampicillin  170 Äquatorialebene  139
Stichwortverzeichnis
305 A–C

AR-Gen  121, 154 Basentriplett  77 Caenorhabditis elegans  301


Arabidopsis  255 Bastarde  143 CALCA-Gen  71
Arabidopsis thaliana  24, 301 Bazillen  98 Calcitonin  71
Argonautenprotein  123 BCR-ABL-Gen  201 Calciumion  118
ARS-Bindungsfaktor 1 (ABF1)  40 BDP1  117 Calpain 10  233
Arthrobacter luteus  28 Bearbeitungsphase  298 cAMP  104, 118, 120
Aspergillus  149 Begleit- oder Passagierstrang  123 –– response element (CER)  120
Aspergillus flavus  191 Beratung, humangenetische  216 –– Response-Element (CRE)  62
Assoziationsstudie  230 Beta-Galactosidase  103 Cap  53
–– genomweite  230, 272 Beta-Globin  70 CAP (catabolite activator prote-
ATP-Sulfurylase  291 Beta-Thalassämie  70 in)  104
attB  167 Betastrahlung  189 Cap-Bindungskomplex  88
Attenuation  104 Bibliotheken  295 Cap-Struktur  121
Attenuator  105 bicoid-Gen  253 Capping  67
attL  167 Bienen  150, 203 Capsid  180–181
attP  167 Bienengift  91 Carboxyterminale Domäne  63,
attR  167 Bindung, N-glykosidische  5 67, 93
Aufspaltungsverhältnis  145 Biotin  93 Carter-Effekt  225
Augenfarbe  151 Biotinylierung  93 cas-Gen  110, 297
Ausschluss, gegenseitiger  71 Bivalente  135, 138 Cas3-Nuclease  109
Autismusstörung  272 Blastocyste  296 Cas6-Nuclease  109
Autonomously replicating Blastoderm  251–252 Cas9-Nuclease  109
sequence (ARS oder ARS- Blastula  258 Caspase  256
Element)  40 Blau-Weiß-Screening  293 Catenane  43
Autonomously replicating sequen- Bloom-Syndrom  208 CBP  120
ce (ARS)  37 Blotting  289 Cdc6-Protein (cell division
Autophagie  257 Blühinduktion  255 ­cycle)  40
Autophagocytose  257 Blütenentwicklung  255 cDNA-Bibliothek  295
Autosom  203, 216 Blutgruppe  133 CENP (centromere protein)  24
Azoospermie  154 Bluthochdruck  280 Centimorgan  146
Azoospermiefaktor  154 Bodenbakterien  98 Centriolen  140
Bonellia viridis  149 Centromer  23, 40, 140, 197
Botenstoff Cetyltrimethylammoniumbro-
B –– primärer  117
–– sekundärer  118
mid  283
CFTR-Gen  219
B-Chromosom  25 Brahma-related gene 1 cGMP  118
B-Form  9 (BRG1)  126 Chaperone  91–92
B-Lymphocyten  243 Branch migration  158 Chaperonine  91
B-Plasmazellen  243 BRCA1-Gen  213, 237 Chargaff-Regeln  7
Bacillus subtilis  107 BRCA2-Gen  213, 237 Checkpoint  46, 213
Backtracking  64 BRE  63 Chemotherapie  142
Bakterien BREd (downstream)  61 Chi-Konformation  160
–– endosymbiontische  148 BREu (upstream)  61 Chi-Motiv  162
–– Gram-positive  176 BRF1/2  117 Chi-Quadrat-Test  145
Bakterienchromosom  14 Brustkrebs  213 Chiasma  139
–– künstliches  267, 293 Bufo bufo  18 Chiasmainterferenz  147
Bakteriophagen  31, 48 Burkitt-Lymphom  238 Chimäre  223, 296
Bänderung  22 Chloroplasten  30
Banken  295 Chordocentese  227
Barr-Körperchen  151
Basen  5
C Chorea Huntington  192
Chorionbiopsie  227
–– komplementär  8 C-Region  244 Chorionzottenbiopsie (Chorion-
Basenanalogon  190 C-Wert  18, 136 biopsie)  227
Basenexzisionsreparatur C-Wert-Paradox  18 Christmas-Faktor  220
(BER)  209 C21-Hydroxylase  219 Chromatid  136
Basenpaare (bp)  7 CA-Repeats  228 Chromatin  19, 99, 254
306 Stichwortverzeichnis

–– Remodeling  126, 254 Coloncarcinom, non-polypö- –– generelles oder unspezifisches


Chromatinimmunpräzipitation ses  212 Bindeprotein  15
(ChIP)  277 Compound-Heterozygotie  219, Darmbakterium  98
–– ChIP-Chip  279 236 Dcl1-Enzym  124
–– ChIP-Seq  279 Consensussequenz  59, 70, 84, 89 DDK (Dbf4-dependent kinase)  48
Chromatinmodulator  115 Contig  267, 269 decapentaplegic (dpp)  252
Chromatografie  276 Core-Enzym  57 deficiens-Gen  256
–– Säulen-  283 Core-Histone  19 Degradation  93
Chromosom Core-Promotor  60–61 Degrees of freedom  146
–– akrozentrisches  25, 199 Corepressor  102, 115 Degron  94
–– B-Chromosom  25 Corepressoren  57 Deletion  114, 166, 194–197, 236,
–– Geschlechtschromosom  151 Cortisol  256 272
–– Größe  14 cos-sites  182 –– innere  197
–– holokinetisches  25 coverage  269 –– interstitielle  197
–– holozentrisches  25 CpG-Inseln  129 –– terminale  197
–– homologes  137, 192 Cre-loxP-System  167, 296 Denaturierung  9
–– künstliches  267 Cre-Rekombinase  167 Denys-Drash-Syndrom  154
–– Lampenbürstenchromosom  26 CREB  120 Deoxyribonucleic acid Siehe DNA
–– metazentrisches  25 CREB-Protein  102 Depression  230, 232
–– Mikrochromosom  25 CREB-Signalweg  120 Desaminierung  67, 72, 190, 209
–– Minichromosom  25 Cri-du-chat-Syndrom  197 Desoxyribopyrimidin-­
–– nichthomologes  193 CRISPR associated genes  110 Photolyase  209
–– Polytänchromosom  26 CRISPR/Cas-System  108 Determination  251
–– X  151, 203, 216 CRISPR/Cas9-System  297 Determinierung  258
–– Y  151, 203, 216 Cro-Protein  106 Diabetes  230
Chromosomenanalyse  25 Cross-linking  277 –– Formen  232
Chromosomendimer  168 Crossing over  135, 139, 146, 153, –– mellitus  232
Chromosomenmutation  193, 196 163, 192 –– MODY  233
Chromosomensatz –– ungleiches  114 –– Typ I  233
–– diploider  18 Crosstalk  120 –– Typ II  232
–– haploider  18 CRP (cAMP receptor protein)  104 Diagnostik  268
–– polyploider  18 CSB  65 –– pränatale  23
CI-Repressor  183 CTAB (Cetyltrimethylammonium- Diakinese  139
CII-Protein  183 bromid)  283 Diaster  140
Ciliaten  43 Cut and paste  170 Dicer  123
cis-Elemente  55, 115–116 Cycler  285 Dickdarmkrebs  236
CL-1-Gen  120 Cyclin-CDK-Proteinkomplex  141 –– erblicher, ohne Polyposis  208
Clusteramplifikation  292 Cycline  47 Didesoxymethode  290
CMG-Helikase-Komplex  48 Cyclobutandimer  189 dif-Motiv  168
Coaktivator  57, 63, 100, 102, 115, Cyclobutyldimer  189 Differenzierung  237, 251, 258
261 Cystische Fibrose  219 Dihydrouridin  67, 79
–– CBP  120 Cytidin  5 Dimer, TT-Dimer  189
Cochaperone  91 Cytidin-Desaminase, aktivierungs- dinB-Gen  213
Cockayne-Syndrom  63, 65, 211 induzierte  245 Diphthamid  89
Code Cytoglobin  28, 113 Diphtherietoxin  89
–– genetischer  77 Cytokine  119 Diploidie  150
–– degenerierter 77 Cytosin  5 Diplonten  136
–– Eigenschaften 77 Diplotän  139
–– redundanter 77 Direct Repeats  170
Codesonne  77
Codon  77
D Displacement  50
DksA (DnaK suppressor A)  108
–– Bias  78 D-Region  244 DNA  2
–– Usage  78 D-Schleife  50, 79, 160 –– alphoide  24, 28
Codonverwendung  78 Dam-Methylase  46 –– Chemie  4
Cofaktor  63, 115 Danio rerio  302 –– Chip  271–272
Colchicin  25 DANN –– Chloroplasten-DNA (cpDNA)  18
Stichwortverzeichnis
307 D–E

–– cpDNA  30 –– linksgängige  9 Elongation  34, 89, 285


–– ctDNA  30 –– rechtsgängige  8 Elongationsfaktoren  64, 88–89
–– Elemente  55 Doppelhelixmodell  7 –– eEF1A  89
–– extragene  27 Doppelstrangbruch  163, 168, –– eEF1B  89
–– hemimethylierte  46 212, 298 –– eEF2  89
–– heteroduplexe  158 Doppelstrangbruchmodell  160– –– TFS  64
–– intragene  27 161 Elongationskomplex  64
–– junk- oder Müll-DNA  27 Dosiskompensation  150 Elongin C  64
–– Kerngenom (ncDNA)  18 doublesex  151 Elterngeneration  142
–– Klonierung  293 Down-Syndrom  201, 205 Elution  283
–– Ligase  41 Downstream promotor element Embryo  251
–– Ligase-I-Defizienz  42 (DPE)  61 Embryoblast  258
–– Methylierung  128 DPE  63 Embryogenese  250
–– Methyltransferasen Drei-Faktor-Kreuzung  146 Embryonalentwicklung  258
(DNMT)  128 Drift, genetische  155 Embryonalperiode  250
–– Microarray  274 Drosha  124 Empfänger  176, 185
–– mitochondriale (mtDNA)  Drosophila End-zu-End-Verknüpfung, nicht-
18, 29 –– Entwicklung  250 homologe (NHEJ)  245
–– nichtcodierende  16 –– melanogaster  300 Enden
–– Phagen  166 Drumsticks  151 –– kohäsive  182
–– Plasmid  170 Ds (dissociation)  171 –– nichthomologen Verknüp-
–– Plastiden-DNA (ptDNA)  18 ds-DNA-Viren  49 fung  212
–– Polymerase  36, 40–41, 285 ds-RNA-Viren  49 Endomitose  45
–– α 42 DsxF-Protein  151 Endonuclease  209
–– β 165 DsxM-Protein  151 Endospore  107, 190
–– δ 42 Duplikation  169, 196–197 Endosymbiontentheorie  29
–– promiske  29 Durchflusszelle (flow cell)  292 Enhancer  55, 62, 116
–– promiskuitive  29 Dynein  140 Enolform  190–191
–– ptDNA  30 Dystrophingen  173 Entspiralisierung  140
–– Rearrangment  244 Entwicklungsgene  255
–– Replikation  33 Entwicklungsgenetik  249
–– selfish  93
–– Struktur  7
E Entzündungsreaktion  242, 257
env  91, 174
–– Transposon  169 Ecdyson  120 Epigenetik  125
DNA-Brüche  212 Edwards-Syndrom  205 –– epigenetischer Status  262
DNA-Elemente EF-1A  86 Epigenom  125, 273
–– cis-regulatorische  116 EF-1B  86 Episom  17
–– regulatorische  99 EF-2  86 Epistase  147
DNA-RNA-Hybridisierung  9 EF-G  84 Epstein-Barr-Virus  238
DNA-Sequenzierung  290 EF-Ts  84 Erbfaktoren  142
DnaA  38, 46 EF-Tu  84 Erbgang
DnaA-Box  38, 46 Effektorkomplex  298 –– autosomal-dominanter  218
DnaB  39 Einzelnucleotidpolymorphis- –– autosomal-rezessiver  218
DnaB-Helikase  43 mus  229, 265, 270 –– intermediärer  133, 143
DnaC  39 Einzelnucleotidvarianten  270 –– Kennzeichen  216
DnaG  39 Einzelstrangbindeprotein  39 –– mendelnder  216
DnaJ  91 Einzelstrangbruch  160, 212 –– mitochondrialer  221
DnaK  91 Eizelle  140, 222 –– X-gekoppelter dominanter  220
DNase  256 –– transgene  295 –– X-gekoppelter rezessiver  219
Dolly  260 Elektroporation  295 –– Y-gekoppelter  221
Domäne  100, 123 Element Erbkrankheit
Domänenprotein, Methyl-CpG- –– autoregulatorisches 1 –– autosomal-rezessive  211, 218
bindendes (MBD2)  126 (AE1)  116 –– Behandlung  239
Donor  176 –– cis-regulatorisches  113 –– Diagnostik  268
Donorstelle  70 –– mobiles  28 –– Häufigkeit  216
Doppelhelix –– repetitives  28 –– X-gekoppelte dominante  220
308 Stichwortverzeichnis

–– X-gekoppelte rezessive  219 –– VIII  220 FtsK-Protein  168


Erk  119 –– σ32  107 FtsY  92
Erkrankung –– σ70  106 Funktionsgewinn  192
–– autosomal-rezessive  211 Faktor-VIII-Gen  173 Funktionsgewinnmutation (gain of
–– komplexe  230–231 Färbemethode  22 function mutation)  195
–– multifaktorielle  231 Fas-Ligand  256 Funktionsverlust  192
–– neurodegenerative  192 Fehlbildungen  153, 196 Funktionsverlustmutation (loss of
–– polygene  231 –– des Gesichts  224 function mutation)  195
Erkrankungsrisiko  218–219 –– des Hüftgelenks  224 Furche  9, 100
Erythromycin  83 Fehler Furchungsteilung  250
Escherichia coli  299 –– bei der Replikation  191 fushi tarazu (ftz)  116
Ethidiumbromid  191, 288 –– bei Meiose  192 fushi-tarazu (ftz)  253
Ethylmethansulfonat  190 –– Replikationen und Krankhei- Fusionsprotein  201
Euchromatin  22, 40 ten  192
Eukaryoten  4 –– Sequenzierung  269
Euploidie  202
even-skipped-Mutant  253
–– Zellteilungen  141
Fehlgeburt  196
G
Evolution  156, 169, 197, 279 Fehlpaarungsreparatur  211 G-Bänderung  22
–– des Menschen  280 Fellfarbe  147 G-Protein  117, 238
Exitstelle  82 Feminisierung  154 G1-Phase  46
Exon  27, 68 Fertilitätsfaktor  176 G2-Phase  46
–– shuffling  197 Fettleibigkeit  280 gag  91, 174
–– skipping  71 Fettsäure  93 Galactosidase  293
Exonuclease  41 Fibroblastenwachstumsfaktor- Gameten  140
Exonucleaseaktivität  164 Rezeptor-3-Gen (FGFR3- Gametogenese  140
Expressed sequence tags Gen)  218 Gametophyt  136
(ESTs)  274 Filament  180 Gammastrahlung  188–189
Expressionsvektor  287 Filialgeneration  142 Gapgene  253
Expressivität  134, 223 –– erste (F1)  143 GC-Gehalt  9
Extein  90, 93 –– zweite (F2)  143 Gegensinnstrang  55
Extraktion  283 Fingerabdruck, genetischer  227 Gegenstrang  34
Exzision  165, 167, 177, 183 Fis (factor for inversion stimula- Gelelektrophorese  288
tion)  168 –– 2D  277
FIS-Bindungsstelle  60 –– Größenmarker  288
F Fliegen, transgene  171
Fluktuationstest  207
–– Polyacrylamid  289
–– Polyacrylamidgelelektrophore-
F‘-Plasmid  178 Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung se  276
F+-Zellen  176 (FISH)  23, 268 –– Pulsfeld-  289
F-Pilus  178 Fluoreszenzfarbstoff  268, 274 Gene
F-Plasmid  176 fMet-tRNAfMet  84 –– 5S-rRNA-Gene  27
F–-Zellen  177 FMR1-Gen  192 –– Anzahl  14, 18, 299–300
F8-Gen  172 Folgestrang  37 –– bicoid  252
Facilitates chromatin transcrip- –– diskontinuierliche Synthese  37 –– cactus  252
tion  65 Form, tautomere  191 –– CRISPR-associated  297
FACT  65 Formalgenetik  131 –– Definition  2
Faktor Fragiles-X-assoziiertes Tremor-/ –– dorsal  252
–– CSB  65 Ataxiesyndrom (FXTAS)  192 –– entwicklungsspezifische  23
–– eIF2  88, 122 Fragiles-X-Syndrom  192 –– frühe  181
–– eIF4  88 Fragmentlängenpolymorphis- –– gekoppelte  117
–– eIF4G  88, 121 mus  228 –– gewebespezifische  23
–– eIF5  89 Frameshift  191 –– homologe  279
–– eRF1  90 Frameshift-Mutation  195 –– homöotische  100, 252, 254
–– eRF3  90 Freisetzungsfaktoren  87 –– Housekeeping (Haushaltsge-
–– hodenbestimmender  153 Friedreich-Ataxie  192 ne)  23
–– IX  220 Fruchtfliege  300 –– Indikatoren  293
–– TBP-assoziierter  63 Fruchtwasseruntersuchung  227 –– letale  147
Stichwortverzeichnis
309 F–H

–– maternale (mütterliche)  251 –– komparative  279 Gründereffekt (Founder-Ef-


–– modifizierende  148 –– strukturelle  264 fekt)  155
–– nanos  253 –– vergleichende  264 Gruppe-I-Intron  69
–– Nomenklatur  299 Genommutation  193 Gruppe-II-Intron  69
–– Organisation  16 –– Pflanzen  203 GTP  76, 86, 89, 117
–– orthologe  28, 279 –– Tiere  203 Guanin  5
–– paraloge  28, 279 Genomsequenzierung  147 Guanosin  5
–– Regulation  115 Genomwächter  236 Guanosintetraphosphat  108
–– regulatorische  99 Genort  134 Gyrase  15, 39
–– Resistenzgen  293 Genotyp  133, 142
–– Selbstmordgen  296 Genotypisierung  271
–– Sexgen  151
–– späte  181
Genpool  154
Gentherapie, somatische  239
H
–– toll  252 Gentransfer, horizontaler  176 H3K4me3  127
–– tRNA-Gene  66 Gerinnungsfaktor  172 H3K9me2  127
–– Zuordnung  224 Gerste (Hordeum)  203 Haarnadel  11, 66, 105
–– zygotische  251–253 Geschlecht  153 Haarnadelschleife  11
Gene-Related Peptide (CGRP)  71 Geschlechtsausbildung  149 Haarnadelstruktur  66
Gene-Targeting  296 Geschlechtsbestimmung  131, 149 Hair pin  11
Genealogie  301 –– Drosophila  150 Haloarcula marismortui  17
Genexpression  259 –– genotypische  150 Häm-Cofaktor  113
–– differenzielle  98, 114 –– Pflanzen  150 Hämoglobin  28, 113
–– Notwendigkeit  98 –– phänotypische  149 Hämophilie  220
–– Regulation  97 –– Säugetiere  151 –– A  172
–– Regulationsebenen  99 –– Tiere  150 Haplo-Diplonten  136
–– Regulationsmöglichkeiten  98 Geschlechtschromosom  150 Haplodiploidie  150
Genfamilie  27, 117 Geschlechtsentwicklung  153 Haploidie  150, 202
–– komplexe  28 Geschlechtsindex  150 Haploinsuffizienz  216
Genfragment  27 Gestaltbildung  250 Haplonten  136
Genkarten Giardia lamblia  19 Haplotyp  233, 265
–– biologische  146 Giemsa-Farbstoff  22 Happy-Puppet-Syndrom  224
–– physikalische  146 Gießkannenschimmel  149 Hardy-Weinberg-Gesetz  155
Genkartierung  179 Gigabasen (Gb)  7 Hauptgewebeverträglichkeits-
Genkonversion  161, 165 Glasknochenkrankheit  224 komplex  247
Genlocus  134 Gleitklammer  41–42 Haupthistokompatibilitätskom-
Genmanipulation  296 Globingen  27, 113 plex (MHC)  247
Genmarker  179 Glucagon  120 Haushaltsgene  23, 26
Genmutation  193 Glucocorticoid  120 Haushaltsprotein  93
Genom  2, 270 Glucocorticoid-Response-Element Hausmaus  302
–– Einteilung nach der Kopien- (GRE)  121 Hautflügler  203
zahl  27 Glucocorticoidrezeptor (GR)  121 Heavy- oder H-Strang  50
–– Einteilung nach Information  26 Glucose  104, 232 hedgehog-Gen  254
–– Größe bei Bakterien  14 Glykosylase  209 Hefechromosom, künstliches  267,
–– Größe bei Eukaryoten  18 Glykosylierung  93 293
–– Größe der mtDNA  29 Gonadendysgenesie  154 Helikase  36, 39, 162–163, 210, 212
–– Kartierung  264 Gonosom  151, 153, 203, 216 Helix, α-Helix  100
–– Organellen  18 Gonosomen  139, 150 Helix-loop-Helix-Domäne, basi-
–– Organisation bei Archaeen  17 gooseberry  253 sche (bHLH)  100
–– Organisation bei Bakterien  14 gp15E-Protein  174 Helix-turn-Helix (Helix-Kehre-­
–– Organisation bei Eukaryoten  18 gp70-Protein  174 Helix)  100
–– Struktur bei Eukaryoten  26 GreA  64 Hemizygotie  133
–– Viren und Bakteriophagen  31 GreB  64 Hepadnaviren  50
Genombibliothek  295 GroEL/GroES  91 Hepatitis-B-Virus  49
Genome Editing  239, 297 Großes Löwenmäulchen  256 Hereditary nonpolyposis colorec-
Genomik  263 GrpE  91 tal cancer, HNPCC  208
–– funktionelle  264, 273 Heritabilität (h2)  134
310 Stichwortverzeichnis

HERV (human endogenous retro- Hochdurchsatztechnologie  274 –– individuelle  242


virus)  173 Holliday-Modell  158 –– spezifische  242
Heterochromatin  22, 40, 152, 197 Holliday-Struktur  158, 160, 163, Immungenetik  242
Heterochromatinprotein 1 167 Immunglobulin  243
(HP1)  126 Holoenzym  57 –– Gene  244
Heteroduplex-DNA  158 Holoprosencephalie  254 Immunglobulinsuperfamilie  246
Heterogametie  150 Homology directed repair Immunisierungsphase  297
Heterogenität (HDR)  298 Immunsystem  242
–– genetische  226 Homöobox  100, 254 Imprinting  125, 223–224
Heterogenität, genetische  225 Homöodomäne  100, 254 –– genomisches  128
Heterokaryon  149 Homoplasmie  148, 222 Imprinting Center  125
Heteroplasmie  148, 222 Homozygotie  133, 218 In-vitro-Fertilisaton  259
–– künstliche  261 Hormon  120 inc  177
Heterozygotenfrequenz  155 Hotspot  162, 189–190 Indel  27
Heterozygotenvorteil  156 HOX-Gene  100 Indikation  227
Heterozygotie  133, 218 Hox/HOX-Gene  254 Indikatorgen  293
Heat unstable nucleoid protein  15 HTLV (human T cell leukemia Individualität  270
Hfr-Zelle (high frequency of re- virus)  173 Indizidenz  155
combination)  178 HU-Protein, hitzeinstabiles  15 Induktion  262
Hfr-Zellen (high frequency of re- Hüll- oder Verpackungsprotein  32 Induktor  102
combination)  176 Hülle  182 Induktorausschluss  104
HilfsproteinE Humane Papillomviren (HPV)  237 Infektion  180, 183
–– RFC  41 Humangenetik –– lysogener Weg  167
Hilfsproteine  91 –– Untersuchungsmethoden  226 –– lysogener Zyklus  182
hin-Gen  168 Humangenomprojekt  268 –– lytischer Weg  167
Hin-Rekombinase  168 hunchback-Gen  253 –– lytischer Zyklus  181
Histidin  106 Hybriddysgenese  171 Initiationsfaktoren  84, 88
Histon Hybride  143 Initiationskomplex
–– Acetyltransferasen (HAT)  127 Hybridisierung  9, 289 –– 70S  84
–– Deacetylasen (HDAC)  127 –– vergleichende genomische Initiatior
–– Demethylasen (HDM)  127 (CGH, comparative genomic –– RNA  122
–– Methyltransferasen (HMT)  127 hybridization)  23 Initiator
Histoncode  127 Hydroxidradikale  190 –– ribosomaler (rlnr)  61
Histone  18, 56, 99 Hymenoptera  203 Initiator-tRNA  76, 84, 88
–– 10-nm-Faden  19 Hypermutation, somatische  245 Initiatorelement  60
Histone like nucleoid structuring Hyperphosphorylierung  63, 93 –– pyrimidinreiches (Inr-Ele-
protein  15 Hyperploidie  202 ment)  61
Histonmodifikation  126 Hyperproliferation  119 Initiatorproteinkomplex ORC
Histonoktamer  19 Hypogonadismus  154 (origin recognition com-
Histonoktamere  126 Hypoploidie  202 plex)  39–40
Hitzedenaturierung  285 Inititation  34
Hitzeschockproteine (Hsp) Inkompatibilität  17
–– Hsp10  91
Hitzeschockproteine (Hsp)  91, 107
I Inosin  67, 72
Inr  63
–– Hsp60  91 Igelwürmer  149 Insekten  203
–– Hsp70  91 IGF2-Gen  280 Insert  293
Hitzeschockreaktion  107 Igf2-Gen (insulin-like growth Insertion  194–196, 272
HIV (human immune deficiency factor)  125 Insertionselement  16, 169, 177
virus)  49, 91, 173 IGH-Gen  238 Insulin  92, 232
HLA-Gen  233 IHF (integration host factor)  183 Insulinresistenz  233
HLA-System (humanes Leukocyte- Ikosaeder  180 int-Gen  183
nantigen-System)  247 Immunantwort Integrase  167, 174, 183
HNPCC  212 –– adaptive  242 integration host factor (IHF)  167
Hochdurchsatzsequenziertech- –– anpassungsfähige  242 Integration  165, 167, 174, 177, 183
nik  279 –– erworbene  242 Intein  90, 93
Hochdurchsatzsequenzierung  292 –– humorale  242 –– Homing  93
Stichwortverzeichnis
311 I–L

Interferenzphase  298 Kaskade  253 Kopplung  146, 229


Interferon  119 Katabolitrepression  103 Kopplungsfaktor  210
Intergrationsstelle  170 Katzenschreisyndrom  197 Kopplungsgruppe  134, 146
Interkalator  191 Keimbahnmutation  194 Kopplungskarte  264
Interkinese  139 Keimbahntherapie  261 Kopplungsstudien  228
Interleukin  119 Keimblatt  258 Kornberg-Enzym  41
Interphase  46 Keimstadium  250 Korrekturlesefunktion  41
Interrupted mating  179 Keimzellenmosaik  222 Korrekturlesen  42, 191
Intron  27, 68 Keimzellmosaik  223 Kozak-Sequenz  89, 121
–– AU-AC-Intron  70 Kernfragmentierung  256 Kragenteil  180
–– GU-AG-Intron  70 Kernhormonrezeptor  62 Krankheitsgene, Kartierung  228
–– Retention  71 Kernkörperchen  25 Krebs  234
–– von tRNA-Genen  69 Kernphasenwechsel  135 –– genetischer Defekt  235
inv1  168 Kerntransfer  259 Krebserkrankung
inv2  168 Kerntransplantation  260 –– erbliche  235
Inversduplikation  197 Kette, schwere  244 –– sporadische  235
Inversion  166, 196, 201 Kettenabbruchsynthese  290 Krebszellen  45
–– parazentrische  202 KI-67-Proteinantigen  142 Kreuzung  142
–– perizentrische  202 Killerzellen  247 Kreuzungsexperimente  142
Inverted Repeats (IR)  11, 169 Kilobasen (kb)  7 Krüppel  101, 253
Inzucht  155 Kinase  47, 117 Kryptogene  73
Ionisierung  189 –– cyclinabhängige (CDK)  47, 115 Ku70  212
IP3 (Inositoltriphosphat)  118 –– Dbf4-abhängige  48 Ku80  212
Isochromosom  201 Kinesin  140
Isoform  156 Kinetochor  25
Isolator  116
Isolatorelement  62
Kinetoplast-DNA  73
Klammer  142
L
Isolatoren  62 Klammerlader  41–42 L-Protein  82
Isolierung von RNA  283 Klassenwechsel  246 L1-Retrotransposon  172
Isomerisierung  67 Kleeblattstruktur  79 lac-Operon  103
ISWI (imitator of switch)  20 Klinefelter-Syndrom  203 lac-Repressor  103
Klonen  259 lacA  103
Klonierung  293 Lactasegen  156
J Klonierungsvektor  284, 293–294
Knock-down  297
Lactasepersistenz  156
Lactose  103
J-Region  244 Knock-in  296 Lactoseintoleranz  156
JAK (Janus-Kinase)  119 Knock-out  296 Lactosetoleranz  271
JAK-STAT-Signalweg  119 –– konditionales  296 lacY-Gen  103
Knudson-Hypothese  235 lacZ-Gen  103, 293
Kodominanz  133 Lambda  32
K Kohlenwasserstoff, polyzyklischer Lamine  140, 142
Lampenbürstenchromosom  26
aromatischer  191
Käfer  150 Kombinierbarkeit, freie  144 Längenpolymorphismus  28
Kalottenmodell  8 Komplex Laufpuffer  288
Kappe  53 –– IV (Cytochrom-c-Oxidase)  29 LCR  117
Karte –– ternärer  88 Leader  110, 297
–– biologische  265 Konduktor  219 Leader-Sequenz  71, 104
–– genetische  265 Konduktorin  220 Lebensdauer  93
–– physikalische  266 Konjugation  176 Leber'sche hereditäre Opticus-
Kartierung des menschlichen Kontrolle, stringente  107 neuropathie oder -atrophie
Genoms  265 Kontrollstelle  45–46 (LHON)  222
Karyogramm  23, 197 Konzentrationsgradient  251 Leitsequenz  104, 110
Karyorrhexis  256 Kopf Leitstrang  37
Karyotyp  197 –– an Kopf  166 –– kontinuierliche Synthese  37
–– 47,XYY  203 –– an Schwanz  166 Leptotän  137
Karypyknose  256 Kopienzahlvarianten (CNVs)  272 Leserahmen, offener  53
312 Stichwortverzeichnis

Leseraster, offenes (ORF, open –– radioaktive  3 micF-Gen  108


reading frame)  53 –– von Molekülen  35 Mid-Domäne  123
Letalfaktoren  147 Massenspektrometer  276 Mikrochromosom  25
Leucin  106 Matrize (template)  34 Mikroglobulin  247
Leucin-Zipper-Domäne, basische Matrizenstrang  55 Mikroinjektion  295
(bZip-Domäne)  101 Maturation-promoting factor Mikrosatelliten (STR, short tandem
Leukämie  120, 201 (MPF)  141 repeats)  28, 227, 272
–– chronische myeloische der Maxicircles  73 Mikrosatellitenpolymorphis-
B-Lymphocyten  237 MCM-Helikase  48 mus  228
Leukopenie  197 MCM-Protein (minichromosome Mikrotubuli  142
Li-Fraumeni-Syndrom  236 maintenance protein)  39 Mimivirus  32
Library-Präparation  292 MCM-Protein (minichromosome Minichromosom  25
Ligand  117 maintenance protein),  40 Minicircles  73
Ligase  36, 162, 294 MCM1-Gen  255 Minisatelliten  28
–– IV  212 Mcm10  48 Minor allele frequency (MAF)  271
Likelihood-Quotient  230 MCM6-Gen  156 Minusstrang  31
LINEs (long interspersed nuclear Mechanismus Minusstrang-ss-RNA-Viren  49
elements)  28, 172, 273 –– dispersiver  34 miRISC  124
Linker-Histon  19 –– konservativer  34 Mismatch-Reparatur  211
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte  224 –– Rho-unabhängiger  65 Missense-Mutation  194
LOD-Score  230 –– semikonservativer  34 Mitochondrien  148, 222
LOD-Wert  230 Mediator  62–63, 115 –– biparentale Weitergabe  29
Long patch  210 Mediatorkomplex  63 –– uniparentale maternale Weiter-
Looping  116 Megabasen (Mb)  7 gabe  29
Loss of function  235 Meiose  134, 146 –– uniparentale paternale Weiter-
Loss of Heterozygosity (LOH)  236 –– I  135–136, 140 gabe  29
loxP  167 –– II  135, 139–140 Mitochondriengenom  29
LSC (large single copy)  30 –– Phasen  136 Mitochondropathie  261
LTR (long terminal repeats)  173 Meiosporen  136 Mitogen activated protein kinase
–– Retrotransposon  29, 173 MEK  119 (MAPK)  118
Luciferase  291 Melanin  219 Mitomycin C  191
Luciferin  291 Melittin  91 Mitophagie  257
Luria-Delbrück-Experiment  207 Membran  289 Mitose  46, 134, 139, 163
Luxation  224 Mendel'sche Regeln  142 –– besondere Aspekte  141
Lymphom  120 –– Abweichungen  147 –– Krebs  142
Lynch-Syndrom  208 –– Ausnahmen  147 Mitose-Promoting-Faktor  47, 141
Lyon-Hypothese  151 Merkmal  133, 216 Mitoseindex  142
Lyonisierung  151 –– monogenes  134 MLE (mariner like elements)  171
Lyse  182 –– multifaktorielles  223–224 MLH1  165
Lysin-Demethylase  127 –– polygenes  134 MNR-Komplex  212
Lysosom  95 –– qualitatives  134 Modellorganismus  299
Lysozym  182, 283 –– quantitatives  134 Modifier-Gen  148
–– unvollständig dominantes  133 Modifikation  90, 92
Meselson-Stahl-Experiment  35 MODY  233
M Met-tRNA  88, 122
Metaphase
Monaster  140
Monocyten  247
M-Phase  46 –– I  139 Monosomie  202
MADS-Box  255 –– II  139 –– partielle  199
Makrophagen  247, 256 Metaphasechromosom  20 Morphogen  252
Makrosatelliten  28 Methoden  281 Morphogenese  250
Malaria  156 Methylgruppe  5, 93 Morula  258
MAP-Kinase  119 Methylierung  67, 127 Mosaik  152, 203, 223
MAP-Kinase-Signalweg  118 –– 5′-CpG3′-Stellen  129 Mot1  64
Marker  265 Methylierungsgrad  211 Motif ten element (MTF)  61
Markierung Methylrest  20 Motive  100
–– epigenetische  224 Mfd-Protein  210 MRE11  164
Stichwortverzeichnis
313 M–P

MRX-Komplex  164 Myc-Protein  102 Nucleoid  14


MS2  32 MYC-Protoonkogen  238 Nucleoidprotein  56
MSH  212 Myc/Max-Heterodimer  116 Nucleolus  25, 61
MSH4  165 Mycoplasma  79 Nucleolusorganisatorregion
mTOR (mammalian Target of Rapa- –– genitalium  14 (NOR)  25
mycin)  122 Myoglobin  28, 113 Nucleosid  5
Mukoviszidose  219 Myosin  140 Nucleosom  19
Mukoviszidose/Cystische Fibro- Nucleotid  5
se  155 –– stromabwärts  55
Multigenfamilie  27–28
Multiple cloning site (MCS)  294
N Nucleotidexzisionsreparatur
(NER)  209–210
Multiplex-PCR  287 N-Formylmethionin  81 Nullisomie  202
Multipotenz  259 N-Terminus  94 Nylon  289
Mus musculus  302 N6-Methyladenin  5
Muskelatrophie  72 Nabelschnurpunktion  227
Muskeldystrophie  173
–– Duchenne  220
NADH-Dehydrogenasekom-
plex  222
O
Musterbildung  250, 252 Nährstoffmangel  107 O6-Methylguanin-DNA-Methyl-
Mutagen nanos-Gen  253 transferase (MGMT)  209
–– äußeres  190 NaOH  284 Oct-Faktor  100
–– interkalatorisches  191 Natriumdodecylsulfat (SDS)  283 –– Oct4  100
–– zelleigenes  190 Natronlauge  284 Okazaki-Fragmente  37
Mutant, homöotischer  255 NC2  64 Oktamer  19
Mutation frequency declining  210 ND4  222 Oligonucleotid  285
Mutation  188 Nekroptose  256 ompF-Gen  108
–– Aufhebung  207 Nekrose  256 Onkogen  237
–– biologische Ursachen  191 NELF (negative elongation fac- –– virales  237
–– dynamische  192 tor)  64 –– zelluläres  238
–– Einteilung  193 Neoplasie  234 Oocyte  140, 222, 251
–– elektromagnetische Strah- Neukombinationsregel  144 Oogenese  141
lung  188 Neumutation  222–223 Oogonie  251
–– Funktionsgewinn  195 Neuralrohrdefekt  224 Oogonien  141
–– Funktionsverlust  195 Neuroblastom  235 Operator  16, 103
–– Häufigkeit  205 Neurofibromatose Typ 1  223 Operon  16–17, 103
–– induzierte  207 Neuroglobin  113 –– rrn-Operons  16
–– intergenische  208 Neutronen  189 Organisationsebenen  19
–– intragenische  207 Next Generation Sequencing Organismus
–– Missense  194 (NGS)  292 –– haploider  148
–– Nonsense  194 Nicht-Haushaltsproteine  93 Organprothese  239
–– physikalische Strahlung  188 Nicht-Histone  19 Organtransplantation  239
–– Regulationsmutation  208 Nichtmatrizenstrang  55 oriC (chromosomal origin of repli-
–– somatische  194 Nitrocellulose  289 cation)  38
–– stille  207 Nitrosamin  190 Origin Recognition Box  39
–– stumme  194 Nomenklatur  197, 299 Origin of replication (ori)  37
–– Teilchenstrahlung  188 Non-Disjunction  141 oriT  178
–– temperatur-sensitive  195 –– mitotische  151 oriV  177
–– Thalassämie  195 Non-LTR-Retrotransposon  29 Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1
–– Ursachen  188 Nonhomologous end-joining (OFD1)  221
Mutationsklassen  193 (NHEJ)  212, 298 Osteogenesis imperfecta  224
Mutationsrate  106, 205 Nonsense-Mutation  194 Östrogen  120
Mutationstyp  193 Northern Blot  273, 289
Mutator  211 Nuclease  19, 162–163, 209, 212
Mutatorgen  239 –– Cas3  109
–– Cas6  109
P
Mutatorphänotyp  205
Muttertier, empfangsbereites  –– Cas9  109 p-Arm  25
295 Nuclein  2 P-Element  171
314 Stichwortverzeichnis

P-TEFb (positive transcription Phenylketonurie  156, 219 –– γ  42, 50


elongation factor b)  64 Philadelphia-Chromosom  201 –– ε  42
Paarregelgene  253 Phosphatase  102, 117 Polymerasekettenreaktion
Paarung, falsche  81 Phosphatgruppe  93 (PCR)  284
Paarungsdomäne  25 Phosphatrest  5, 20 Polymorphismus  228, 270
Paarungssiebung  155 Phosphoenolpyruvat (PEP)  104 –– Einzelnucleotid  265
Paarungstypwechsel  163 Phosphoenolpyruvat-PTS  104 –– Mikrosatelliten  265
PABP  88 Phosphor, radioaktiver (32P)  3 –– SNP  156
Pachytän  139 Phosphorylierung  104, 117, 122, Polynucleotide  5
paired-box-Gen  255 126, 141 Polyploidie  202
paired-Gen  255 Phosphotransferasesystem  104 Polyribosom  84
Palindrom  11, 110 Photoaktivierung  209 Polysom  84
PAM (protospacer adjacent mo- Photolyase  209 Polytänchromosom  26, 45
tif )  109 Pilinprotein  178 Polytänie  45
Pan-Editing  73 Pilus  176 Polzellen  251
Panmixie  155 Piwi-Domäne  123 Populationsgenetik  154
Papillon-Léage-Psaume-Syn- Piwi-Protein  123 Positionseffekt  202
drom  221 Plasmid-DNA –– Variegation  127
Parasexuell  177 –– Isolierung  284 pppGpp-Synthetase  107
Parentalgeneration  142 –– Präparation  284 Prä-mRNA  67
Pätau-Syndrom  205 Plasmide  16, 49, 170 Prä-rRNA  67
Pathogenitätsfaktor  17 –– Abbau- oder Degradationsplas- Prä-tRNA  67
Pax-Gene  255 mide  17 Prader-Willi-Syndrom  224
PAZ-Domäne  123 –– Bacteriocinplasmide  17 Prädisposition  233, 235
PCNA  41, 142 –– high-copy  17 Prägung, genetische  125, 280
–– Trimer  42 –– low-copy  17 Präimplantationsdiagnostik
PCR –– pUC19  294 (PID)  227
–– Echtzeit (real-time PCR)  287 –– Resistenzplasmide  17 Präinitiationskomplex  63, 89, 116
–– Multiplex  287 –– substituierte  178 –– Aufbau  62
–– nested PCR  285 –– Virulenzplasmide  17 Pränataldiagnostik  226
–– RT-PCR (Reverse-Transkriptase- Plastiden  30, 148 Präparation von Plasmid-DNA  284
PCR)  287 Plastom  18, 29–30 Präzipitation  279
–– Standard  285 Pleiotropie  134 pRb-Protein  236
Penetranz  134, 147, 222–223, 236 Pluripotenz  259 Pribnow-Box  59
Pentose  5 Plusstrang  31 Primase  36, 39
Peptidhormon  232 Plusstrang-ss-RNA  49 Primer  36, 285
Peptidylstelle  82 Point of no return  45 –– Sequenzier-  290
Peptidyltransferaseaktivität  86 pol  91, 174 Prognosefaktor  142
Permease  103 Polkerne  251 Prokaryoten  4
Pflanzen Poly(A)-Polymerase  72 proliferating cell nuclear anti-
–– diözische (zweihäusige)  150 Poly(A)-Retrotransposon  172 gen  41
–– monözische (einhäusige)  150 Poly(A)-Schwanz  67, 121, 173 Promelittin  91
Phagen Poly(A)-Schwanz (poly(A) tail)  53 Promotor  16, 55, 103
–– als Transporter  179 Poly(A)-Signal  72 –– Aufbau bei Archaeen  60
–– DNA  166 Polyacrylamidgel  288 –– Aufbau bei E. coli  59
–– Morphologie  180 Polyacrylamidgelelektrophore- –– Aufbau bei Eukaryoten  60
–– P1  167 se  276, 289 –– Clearance  57, 63
–– T1  207 Polyadenylierung  66 –– proximaler  61
–– temperente  181 Polymerase  41 –– starker/schwacher  59
–– virulente  180 –– I  66 Promotorelement  113, 116
–– λ  167 –– II  41 Promotorfreigabe  57
Phänotyp  133, 142 –– III  66 Promotorkomplex
Phase, fetale  250 –– IV  41, 213 –– geschlossener  57
Phasenvariation  99, 166, 168 –– V  41, 213 –– offener  57
Phenylalanin  219 –– α  40, 48 Promotorsequenz  59
Phenylalanin-Hydroxylase  219 –– β  42 Proof-reading  41, 87, 191, 211
Stichwortverzeichnis
315 Q–R

Prophage  183 –– von Proteinen  90 –– variable  244


Prophase –– von Transkripten  66 Regulation
–– I  135, 137 Pseudogen  27, 173 –– bei Eukaryoten  111
–– II  139 Pseudouridin  10, 79 –– bei Prokaryoten  97
Protease  47, 90–91, 174 Pulsfeldgelelektrophorese  289 –– der Gene  115
Proteasom  95 Punktmutation  194, 236 –– der Genexpression  97, 111
Protein Punnett-Schema/-Quadrat  143 –– der RNA-Polymerase-I-Ge-
–– Abbau  93 Purine  5 ne  115
–– Cactus  252 Pylorusstenose  224 –– der RNA-Polymerase-II-Ge-
–– CRE-bindendes (CREB)  62 Pyrimidine  5 ne  116
–– CTD-assoziierte SR-ähnli- Pyrophosphat  292 –– der RNA-Polymerase-III-Ge-
ches  70 Pyrosequenzierung  291 ne  117
–– DNA-bindendes  15, 56, 99 –– der Transkription bei Prokaryo-
–– nichtspezifisches 56 ten  102
–– spezifisches  56, 99
–– unspezifisches 99
Q –– der Transkription  118
–– der Translation  108, 121
–– Dorsal  252 q-Arm  25 –– eines Abbauwegs  103
–– E12/E47  100 Q-Bande  22 –– eines Synthesewegs  104
–– eIF4E-bindendes (eIF4E- Quartärstruktur  20 –– entwicklungsspezifische  113
BP)  121 Quinacrin  22 –– gewebespezifische  113
–– einzelstrangbindendes Quorum sensing  102 –– negative  98
(RPA)  40 –– Phage λ  106
–– funktionelle Untersuchung  277 –– positive  98
–– histonähnliches (H-NS)  15, 99 R –– über σ-Faktoren  106
–– Interaktion  277 Regulationsapparat  115
–– MutH  211 R-Bande  22 Regulationsebenen  99
–– MutS  211 RAD-Protein  165 Regulationselement
–– p53  236 RAD50  164 –– distales  62
–– poly(A)-bindendes  72 RAD51C-XRCC3  165 –– proximales  62
–– Polycomb-Gruppe (PcG)  254 Rädertierchen  203 Regulationsgene  183
–– Prozessierung  90 Raf  119 Regulationsmutation  208
–– Q  66 RAG1-Protein  245 Regulationsprotein, RNA-binden-
–– regulierendes  56 RAG2-Protein  245 des  251
–– RNA-bindendes  56 Random mating  155 Regulatorgene  26
–– S-Protein  82 Rapamycin  122 Regulatorprotein  32, 103, 168
–– TATA-Box-bindendes  60 Ras-Protein  119, 238 Reifeteilung  135
–– TATA-Box-bindendes)  115 Rasterschubmutation  195 Reifungsprotein  32
–– Toll  252 Rasterverschiebung, program- Rekombinanten  135
–– Transport  91 mierte (programmed frames- Rekombinase  165–166, 183
–– Trennung  276 hifting)  87 –– Cre-Rekombinase  167
Proteinfaltung  90 RB1-Gen  236 –– Enzyme  168
Proteinhülle  180 reads  269 –– Tyrosin-Rekombinase-Rekombi-
Proteinkinase  47 Reaktionsnorm  134 nase  166
–– A  120 Rec-Protein  161 Rekombination  135, 139, 157
Proteinspleißen  90, 93 RecA  162, 184 –– Chromosomenmutation  196
Proteom  273 recA-Gen  213 –– DNA-Transposon  169
Proteomik  276 RecA-Protease  106 –– Doppelstrangbruchmodell  160
Protonen  189 RecB  162 –– Enzyme  166
Protoonkogen  237 RecBCD-Komplex  162 –– fehlerhafte  153
Protozoen  43 RecC  162 –– Häufigkeit  146
Provirus  49, 174 Reduktionsteilung  135 –– Holliday-Modell  158
Prozessieren  53 Region –– homologe  158, 177, 212
Prozessierung  53 –– konstante  244 –– illegitime  169
–– bei Bakterien  66 –– pseudoautosomale (PAR)  139, –– Insertionselemente  169
–– bei Eukaryoten  67 153 –– meiotische  163
–– von mRNAs  67 –– stumme  183 –– Meselson und Radding  160
316 Stichwortverzeichnis

–– mitotische  149, 163 Replikationsstartpunkt  40 Riboswitches (RNA-Schalter)  108


–– Modelle  158 Replikationsursprung  23 Ribozyme  239
–– ortsspezifische  165 Replikationsursprung (ori, origin Ribulose-1,5-Bisphosphat-Carbo-
–– Proteine  161, 163 of replication)  16 xylase/Oxygenase  31
–– Proteine bei Eukaryoten  163 Replisom  36 Rifampicin  57
–– Rekombinationsstelle  165 Repressor  62, 64, 98, 102, 115, 121 Ringchromosom  201
–– Reparatur  161, 163 –– Cro  183 RISC-Komplex  123
–– somatische  245 –– LexA  213 RNA  2
–– Wahrscheinlichkeit  146 –– λ-Repressor  106 –– 16S-RNA  66
Rekombinationshäufigkeit Repressorn  57 –– 18S-rRNA  61
(RF)  146 Reprogrammierbarkeit  259 –– 23S-RNA  66
Rekombinationsmotiv  183 Resistenzgen  170, 293 –– 23S-rRNA  86
Rekombinationsprotein, RecA  213 Response-Element  62 –– 28S-rRNA  61
Rekombinationsvorgang  245 Restriktionsenzym  266, 285, 294 –– 5,8S-rRNA  61
Reoviren  49 Restriktionsfragmentlängenpoly- –– 5S-rRNA  62, 66
rep-Gene  177 morphismus  229–230 –– 7SL  12
Reparatur  239 Restriktionskartierung  266 –– 7SL-RNA  62, 92
–– Basenexzision  209 Restriktionspunkt  47 –– Antisense-RNA  108
–– Brustkrebs  213 Retinoblastom  223, 235–236 –– Aufbau  10
–– direkte  209 Retroposon  29, 173 –– Bindeprotein  192
–– fehlerhafte  196 Retrotransposition  169 –– Boten-RNA (mRNA)  11
–– globale genomische  210 Retrotransposon –– Chemie  4
–– Mismatch  211 –– abhängiges  172 –– CRISPR-derived  110
–– Nucleotidexzision  209–210 –– LTR-Retrotransposon  173 –– crRNA  298
–– transkriptionsgekoppelte  210 Retrovirus  48–49, 173, 237 –– doppelsträngige  11
–– von DNA-Brüchen  212 Reverse Transkriptase  28, 31, 43, –– Editing  54, 67, 72
–– von DNA-Schäden  208 49, 172, 174 –– von rRNAs  66
Repeats  110, 273, 297 Reverse Transkription  287 –– Funktionen  11
Replication factor C  41 Reverse-Transkriptase-PCR  287 –– gRNA  73
Replication protein A (RPA)  39–40 Reversion  207 –– Guide-RNA (gRNA)  53
Replication slippage  191 Rezeptor, G-Protein-gekoppel- –– heterogene nucleäre
Replikase  40, 42 ter  120 (hnRNA)  54
Replikation  34 Rezeptor-Tyrosin-Kinase  118 –– infektiöse Partikel  180
–– asymmetrische  50 Rezipient  176 –– Interferenz  108, 122, 239, 297
–– Elongation bei Archaeen  41 RF2  87 –– Isolierung  283
–– Elongation bei Eukaryoten  41 Rho (ρ)  66 –– long non-coding (lncRNA)  12,
–– Elongation  40 rho-utilization sites  66 53, 152
–– Enzyme  35 Ribonuclease  69 –– Messenger-RNA (mRNA)  11, 52
–– Hilfsproteine  36 ribonucleic acid Siehe RNA –– polycistronische 16
–– Initiation  38 Ribonucleoprotein  43, 110 –– Mikro-RNA (miRNA)  12, 53, 122,
–– bei Archaeen  39 Ribose  5, 10 124
–– bei Eukaryoten  39 Ribosom  81 –– monocistronische  53
–– Kontrolle  45 –– 30S-Untereinheit  82 –– mRNA-interfering complemen-
–– bei Bakterien  46 –– 40S-Untereinheit  82 tary  108
–– bei Eukaryoten  46 –– 50S-Untereinheit  82 –– nichtcodierende (ncRNA)  11
–– Mitochondrien  50 –– 60S-Untereinheit  82 –– Piwi interacting (piRNA)  124
–– ohne Zellteilung  45 –– 70S  82 –– piwi interacting (piRNA)  12,
–– Phagen und Viren  48 –– 70S-Typ  88 122
–– Plasmide  49 –– 80S  82 –– polycistronische  53
–– Plastiden  50 –– Scanning  89 –– Polymerase  54–55, 57, 60, 64,
–– semikonservative  34 –– Struktur  82 106
–– Startpunkt  37 Ribosomenbindestelle (RBS)  84 –– I  61, 115
–– Termination bei Bakterien  42 Ribosomeneintrittsstelle, interne –– II  61, 116, 211
–– Termination  42 (IRES)  89 –– III  62, 117, 172
–– Ursprung  37–38, 40 Ribosomenrecyclingfaktor –– Primer  39–40
Replikationsgabel  163 (RRF)  87 –– pRNA  61
Stichwortverzeichnis
317 S

–– prokaryotic siRNA  110 Säulenchromatografie  283 –– Next Generation Sequencing


–– Prozessieren von rRNAs, SBDS-Gen  83 (NGS)  292
tRNAs  66 Scaffold-Protein  20 –– Pyrosequenzierung  291
–– regulatorische  108, 122 Schäden  209 –– RNA  293
–– ribosomale (rRNA)  12, 53 Schizophrenie  232 –– Sanger-Methode  290
–– Sequenzierung  293 Schmelzen  9, 285 –– Schrotschuss  268
–– short/small non-coding Schmelzkurven  9 –– von cDNA  274
(sRNA)  53 Schmelztemperatur TM  9 Sequenzierungsfehler  269
–– Small interfering (siRNA)  53 Schrotschuss-Sequenzierung  268 Serin-Rekombinase  168
–– small interfering (siRNA)  12, Schwangerschaft  227 Serin/Threonin-Kinase  117
122 Schwanzstruktur  181 Serotoninrezeptor  73
–– small nuclear (snRNA)  12, 53 Schwanzteil  180 Sertoli-Zellen  154
–– small nucleolar (snoRNA)  12 Schwefel, radioaktiver (35S)  3 Sex combs reduced (Scr)  116
–– spliced leader (SL-RNA)  71 Schwellenwert  225 Sex determining region of Y  153
–– Transfer-RNA (tRNA)  12, 53 Schwesterchromatiden  135–136, Sex lethal  151
–– als Dolmetscher  79 139 Sexgene  151
–– Beladung 80 SCID (severe combined immuno- Shine-Dalgarno-Sequenz  84, 88
–– Struktur 79 deficiency)  239 Short-patch-Reparatur  210
–– U6-snRNA  62 SDS  284 Shwachman-Bodian-Diamond-
–– Überwachung  55 Sec-Translocon  92 Syndrom  84
–– uracilreiche  70 Sec-Weg (secretion-Weg)  92 Sichelzellallel  156
–– Zwischenprodukt  172 SecA-Protein  92 Sichelzellanämie  155, 196
RNA-DNA-Primer  42 SecB-Protein  92 Sigma-Faktor (σ-Faktor)  57, 59
RNA-Moleküle, regulatorische  122 Second Messenger  118 Signalkaskade  117
RNA-Polymerase  32 seed-Region  124 Signalpeptid  90, 92
–– RNA-abhängige  49 Segmente  253 Signaltransduktion  102, 117
RNase  67, 123–124, 174 Segmentierung  253 Signaltransduktionswege  254
Robertson-Translokation  196, 199 Segmentierungsgen  252–253 Signalweg  118
Rolling circle  49, 177 Segmentpolaritätsgene  253 Silencer  55, 62
Röntgenbeugung  8 Segregation  139, 149 SINEs (short interspersed nuclear
Röntgendiffraktion  8 Seidenspinner  45 elements)  28, 172, 273
Röntgenstrahlung  188 Sekretion  92 Single nucleotide polymorphisms
rrn-Operon  66 Sekundärstruktur  11, 20, 192 (SNP)  229, 270
Rubinstein-Taybi-Syndrom  120 Selbst- oder Autophosphorylie- single nucleotide polymorphisms
Rubisco  31 rung  102 (SNP)  265
Rückkopplungsschleife, negati- Selbstligation  295 Single nucleotide variants
ve  44 Selbstmordenzym  209 (SNVs)  271
Rückkreuzung  145 Selbstmordgen  296 Sinnstrang  55
Rückmutation  207 Selektion  246, 296 SL1-Komplex  115
Rückwärtsstrang  37 Selektionsdruck  280 Slicer  123
rut  66 Selektionsmarker  293 Slippage  273
ruv-Mutanten  163 Selektivitätskomplex  115 SLO-Protein  71
Ruv-Protein  161, 163 Selenocystein  81 Small nucleolar RNA (snoRNA)  73
selfish DNA  93 SMN1  72
Sensorkinase  102 SNP  156, 233
S Sequence tagged sites (STS)  267
Sequenz
Solenoid  20
Sonde  268
S-Phase  46 –– hochrepetitive  28 Sonic Hedgehog (SHH)  254
Saccharomyces cerevisiae  255, –– mittelrepetitive  28 SOS-Antwort  106, 183, 190
300 –– repetitive  16, 24 SOS-Mechanismus  213
Salmonella  168 Sequenzier-Primer  290 SOS-Protein  119
–– enterica  99 Sequenzierung  268, 291 SOS-Reparatur  162
Sarkom  235 –– Didesoxymethode  290 Southern Blot  289
SAT  25 –– DNA  290 Sp1 (specificity protein 1)  116
Satelliten-DNA  28 –– hierarchische  268 Spacer  67, 110, 297
Sauerstofftransport  114 –– Kettenabbruchsynthese  290 Spaltung, proteolytische  90–91
318 Stichwortverzeichnis

Spaltungsfaktoren  64, 72 Stem loop  11 T-Zellen, cytotoxische  247


Spaltungsregel  144 Steroidhormon  120 T2  3
Speißosom  69 Stimulationsfaktor T4  32
Spender  176 –– für die Spaltung (CstF, cleavage Tailing  67, 72
Spermatogenese  141 stimulation factor)  72 TALEN (transcription activator-like
Spermatogonien  141 Stimulatonsfaktor effector nuclease)  298
Spermium  140 –– FIS (factor for inversion stimula- Tandemduplikation  197
Spezifitätsfaktor für Spaltung tion)  60 Taq-Polymerase  285
und Polyadenylierung (CPSF, Stoffwechselerkrankung  216 TATA-Box  59–61, 63
cleavage and polyadenylation Stoppcodon  194 Taufliege  300
specificity factor)  72 Strahlung Tay-Sachs-Erkrankung  156
Spindelfaser  24, 139 –– Gammastrahlung  189 TBP  117
Spindeltransfer  261 –– Teilchenstrahlung  189 Teilchenstrahlung  189
Spinnen  203 Strang Telomer  23, 43
Spleiß-Enhancer  72 –– codierender  55 –– Altern  45
Spleiß-Silencer  72 –– codogener  55 Telomerase  43
Spleißen  53, 67 Strangbruch  188, 190 Telophase
–– bei Archaeen  69 Stranggonaden  154 –– I  139
–– einfaches  69 Stranginvasion  160 –– II  140
–– Regulation beim alternativen Streptococcus pneumoniae  2 Template  55, 285
Spleißen  72 Streptomyces coelicolor  14 ten eleven translocation
–– trans-Spleißen  71 Streptomycin  83 ­Dioxygenase (TET)  126
Spleißfaktoren  70 Strickleitermodell  8 ter (termination).  16
Spleißmutation  195 Stringent factor  107 ter-Sequenz  43
Spleißstellen  72, 93 Strukturgene  26, 103, 182 terC  38
Splicing  53, 67 Strukturmerkmale  100 Terminale Transferase  245
SPO11  163 Strukturmotive  100 Termination  34, 38
Sporen  98 Substitution  194 –– intrinsische  65
Sporophyt  136 Sulfolobus acidocaldarius  17 Terminationsfaktor  87–88
Sporulation  107 SUMO-Proteine (small ubiqutin- Terminationssignal  55, 66
SR-Protein  72 related modifier)  95 Tertiärstruktur  20
SRF-Gen  256 Supercoiling (Überspiralisie- Testis determining factor  153
SRP (signal recognition partic- rung)  14 Testkreuzung  145
le)  92 Suppression  148, 207 Testosteron  121, 153
SRS2 (suppressor of RAD six screen Surveillance  55 Tetracyclin  83
mutant 2)  165 Suszeptibilitätsgen  233 Tetrade  138
SRY-Gen  153–154 Svedberg  82 Tetradenanalyse  148
ss(-)RNA-Viren  49 SWI-SNF-Komplex  126 Tetrahymena  43
SSB (single strand binding prote- SWI/SNF-Familie  20 TFB  60
in)  39, 162 sxl-Gen  151 –– response element  60
SSC (small single copy)  30 Sxl-Protein  151 TFIB  115
Stammbaum  217 Symmetrieachse  252 TFII  63
–– Interpretation  222 Synapsis  138 TFIIB  61
Stammbaumanalyse  216, 224 Syncytium  251 –– recognition element (BRE)  61
Stammzellen  258, 296 Syntänie  279 TFIID  61, 63
–– adulte  260 Synthese  285 TFIIIB  117
–– embryonale  259 –– diskontinuierliche  34 TFIIS  64
–– induzierte  260 –– kontinuierliche  34 Thalassämie  113, 195
–– pluripotente  259 Syntheseenzym  36 Thermocycler  285
–– somatische  260 Syntheserichtung  37 Thermotoga maritima  18
Standardcode  77 Thermus aquaticus  285
START-Punkt  47 Thymidin  5
Startcodon  78, 121
Startpunkt  34
T Thymin  5
Thymin-DNA-Glykosylase
STAT-Protein  119 T-Helferzellen  247 (TDG)  126
Statistik  145 T-Zell-Rezeptor  246 Ti-Plasmid  302
Stichwortverzeichnis
319 T–U

Tiere, transgene  295 Transkriptionsterminationsfaktor Triplettcode  77


TLE (Tc1-like elements)  171 (TTFI)  66 Trisomie  202
TNF  256 Transkriptom  273 –– 13  205
Tochtergeneration  142 Transkriptosom  62 –– 18  205
Todesrezeptor  256 Translation  75 –– 21  205
Tomate (Lycopersicon)  203 –– bei Archaeen  88 –– 8  205
Topoisomerase  15, 35, 39, 162 –– bei Bakterien  84 –– beim Menschen  203
Topoisomere  15 –– bei Eukaryoten  88 –– freie  204
Topologie  14 –– Elongation bei Bakterien  84 –– Mosaik  205
Totipotenz  258 –– Fehler  87 –– partielle  199
Toxine  17 –– Genauigkeit  87 –– Translokation  205
tra-Gene  177 –– Geschwindigkeit  87 Trophoblast  258
traA-Gen  178 –– Initiation trp-Operon  104
trans-Faktoren  56 –– bei Bakterien  84 Trypanosomen  72–73
Transacetylase  103 –– bei Eukaryoten  88 Trypsin  276
Transamidase  81 –– Regulation  121 Tryptophan  104
Transduktion  179 –– Termination Tumor  234
–– allgemeine  184 –– bei Bakterien  87 –– bösartiger (maligner)  234
–– generelle  184 –– bei Eukaryoten  90 –– embryonaler  235
–– spezielle  184 Translationsfaktoren –– epithelialer  234
–– spezifische  184 –– eIF2  121 –– gutartiger (benigner)  234
Transfektion  185 –– eIF4E  121 –– semimaligner  234
Transfer  178, 261 Translokation  196, 199 Tumorcytogenetik  23
Transferpuffer  289 –– balancierte  199 Tumorgenetik  234
Transformation  3, 185 –– reziproke  199, 201 Tumorsuppressorgen  235
transformer-Gen (tra)  151 Transport von Proteinen  91 –– APC  236
Transition  194 Transportform  20 Tumorsuppressorprotein p53  62
Transkription Transposase  174, 245 Tumorzelle  201
–– Elongation bei Archaeen und Transposition  169–170, 173–174, Tus (terminus utilizing
Eukaryoten  64 245 ­substance)  43
–– Elongation bei E. coli  64 –– Mechanismus  170 twist-Gen  252
–– Initiation bei Archaeen und –– nichtreplikative  170 Tyrosin  219
Eukaryoten  60 –– replikative  170 Tyrosin-Kinase  117, 201
–– Initiation bei E. coli  57 –– und Mutation  192 Tyrosin-Rekombinase  166, 168
–– Initiation  57 Transposon  16, 176 Tyrosinase  219
–– Terminaton bei Bakterien  65 –– bei Eukaryoten  171 TψC-Schleife  79
–– Termination bei Archaeen und –– einfaches  170
Eukaryoten  66 –– komplexes  170
Transkriptionsaktivatoren  57
Transkriptionsfaktor  236,
–– Retrotransposon  172
–– Tn10  170
U
251–254 –– Tn3  170 U2-snRNP  70
–– E2F  237 –– Tn5  170 UBE3A-Gen  224
–– Myc  238 –– Tn501  170 Überkreuzungsstellen  161
–– Oct-1/Oct-2  254 –– Tn9  170 Überspiralisierung  14
–– Pit-1  254 –– zusammengesetztes  170 Überträger  219
–– POU-Familie  254 Transversion  194 UBF  115
–– TCF7L2  233 TRCF (transcription repair coupling Ubiquitin  95
–– TFIIIA  101 factor)  210 Ubiquitinierung  127
–– Unc-86  254 TRF1  44 UBX  100
Transkriptionsfaktoren  57, 100, Trichothiodystrophie  211 UHRF1-Protein  126
115 Trinucleotideinheit  192 Ullrich-Turner-Syndrom  152, 201,
–– allgemeine  63 Triphosphate  5 203, 220
–– generelle  57, 63 –– (d)ATP  5 Umprogrammierung  259–260
–– regulatorische  62, 116 –– (d)CTP  5 umuDC-Gen  213
–– spezifische  57 –– (d)GTP  5 Umweltfaktoren  134, 149
Transkriptionsstart  55, 60 –– dTTP  5 Unabhängigkeitsregel  144
320 Stichwortverzeichnis

Uniformitätsregel  143 Warkany-Syndrom 2  205 Zellkerne, polyploide  45


Unique sequence  174 Wasserstoffbrückenbindung  8 Zellteilung  237
Upstream activator sequences Weg –– Regulation  201
(UAS)  60 –– lysogener  167 Zelluntergang  257
Upstream binding factor –– lytischer  167 Zellzyklus  45–46, 115, 135
(UBF)  115 Werner-Syndrom  208 Zellzyklusgene cdc (cell division
Upstream control element  61 white-Gen  127 cycle)  47
Upstream promoter element  61 Wildtyp  133 Zellzykluskontrolle  213, 236
Upstream-Element  60 wingless-Gen  254 Zinkfingerdomäne  100
Uracil  5, 10 Wobble-Effekt  81 Zinkfingernuclease  298
Uridin  5 WT1-Gen  154 Zinkion  100
Urkeimzelle  251 Zwei-Treffer-Theorie  235
UV-Licht, Wellenlänge  9 Zweikomponentensystem  102
UV-Schäden  209–210
UV-Strahlung  188
X Zwillingsforschung  134
Zygotän  137
Uvr-Komplex  210 X-chromosome- inactivation-cen- Zygote, Entwicklung  250
uvrAB-Gen  213 tre (XIC)  152 Zyklus
UvrABC-Enzymkomplex  210 X-Inaktivierung  151 –– lysogener  106, 182
–– Kontrolle  152 –– lytischer  106, 181
Xenopus  260 ZZ-Satz  150
V XerC  168
XerD  168
V(D)J-Rekombination  245 Xeroderma pigmentosum  63, 147,
V-Region  244 208, 211
V-Schleife  79 Xis-Protein  167
Variabilität  157, 270 XIST-Gen (X inactive-specific
Vaterschaftstest  226–227 ­transcript)  152
Vektoren, lentivirale  260 XIST-RNA  152
Veränderungen, chemische  190 XPB  63
Verdrängungsreplikation  50 XPD  63
Verdrillung  14 XRCC3 (X-ray repair cross-comple-
Vererbung, cytoplasmatische  148 menting protein 3)  165
Vererbungsmodus  216 XRCC4  212
Verhältnis von X-Chromosomen XRS2  164
(X) zu Autosomen (A)  150
Viren  31, 48
–– humane T-lymphotrope  173
Viroid  180
Y
Vitamin Yeast two-hybrid system
–– B12  108 (Y2H)  277–278
–– B7  93 YidC-Protein  92
VNTR-Loci (variable nucleotide/
number of tandem repeats)  28
Volkskrankheiten  230, 232 Z
Vorkerntransfer  262
Vorwärtsstrang  37 Z-Chromosom  150
Z-DNA  9
Zebrabärbling  302

W Zelldifferenzierung  250
Zellen
W-Chromosom  150 –– antigenpräsentierende  247
Wachstum  237, 250 –– diploide  135
Wahrscheinlichkeitsdiagnose  –– haploide  135
230 –– kompetente  185, 293
Wanderung der Verzweigungsstel- –– polyenergide  45
le  158, 163 –– transgene  239

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