Sie sind auf Seite 1von 7

DREI BERICHTE AUS DEM BELAGERTEN WIEN 1683.

PCBI.IC1KKT VON

OBERSTLIEUTENANT VON DUNCKER.

Digilized by Google
Motto: „Xe virlntcs .sileantur.“

Die folgenden drei Berichte an Kaiser Leopold I., von


denen zwei gerade in den kritischesten Tilgen der Belagerung,
zu jener Zeit, als der Fall des Burg-Ra velins nicht mehr aufzu-
halten schien, aus dem arg bedrängten Wien abgesendot wurden,
tragen das Gepräge anschaulichster Unmittelbarkeit, Sie geben,
wenn sie auch dem feststehenden Geschichtsbilde keine neue
Färbung verleihen, doch ein überaus lebhaftes Colorit der die
Stadt bedrohenden und ohne Hilfe von Aussen kaum mehr abzu-
wendenden Gefahr.
Es sind ausserdem fast die einzigen Berichte an den
Monarchen, welche aus der belagerten Stadt an denselben gelangt
und erhalten geblieben sind; auch sichert die Persünlichkeit der
Schreibenden ihnen Beachtung. Zwei dieser Schreiben sind von
dem 72jährigen Vorsitzenden des „geheimen Deputierten-Collegiums“
dem FZM. und Vice-Präsidenten des Hofkriegsrathes Caspar Zdenek
Grafen von Caplirs, Freiherr von Sulevic, das andere von dem
Stadt-Commandanten FZM. Ernst Rüdiger Grafen Starhemberg.
Die Berichte befanden sich unter den Acten der „alten Registratur“
des Hofkriegsrathes, welche nunmehr dem k. und k. Kriegs-Archive
einverleibt ist.

Da sie grösstentheils chiflFriert sind und ein Chiffre-Schlüssel


für dieselben nicht vorlag, blieben sie bisher in ihren we.sent-
lichsten Theilen unbekannt und unbenutzt
Renner veröffentlichtein seinem Werke: „Wien iin Jahre 1683“
nur die nicht chiffrierten Stellen der beiden Briefe vom 1. Sep-

Digitized by Google
2()8 iMinoker.

toiiibiT mul bedauert, dass deren Lösunfr ohne Schlüssel un-


möglich sei. ’)

Die freundliche Unterstützung eines bewiihrten Fachmannes


ermöglichte jetzt erst die Uebertragung der AetenstUcke und hie-
durch deren Veröffentlichung.

I.

FZM. Graf Capllrs an Kaiser Leopold.


Di-r Brief ist vom 12. .Xufust n.nh der vergeblichen Bestumiunf: de.s Bnift-
Itavvlins dnreh die .THnitschareii, eine UntemehmnnR. welche dcai Türken p.>Ken
2ö(Xi Mann kostete, verfaewt. Kin Sehrcdlcen (rleichlaiitenden oder ähnlichen Inhaltes
ward am nämlichen Tase von Graf Caplirs au den HerzoK von l.othriniiren gerichtet.’)
.ledcnfalls hat Georj; Kokschitzky, der am 13. .Autrnst Abends 11 Uhr mit Briefen

an den Herzog von Lothrintten ladm Schottenthore die Stadt verlicss, dieses
Sohreilmn für den Kaiser initRenommen.
.\m Morpen dc-s l.ü. .\upu.st schon Ulcerpab der kühne Bote dem im läiper zu
.“<tillfried an der March weilenden kai.serliehen Keldlierm die l)e|K'schen.")

„.Mlerdurchleuchtigistcr, Grossmechtigister und UnüberwUnd-


lichister Kömisclicr Kayscr, auch zu Hungarn und Böhaimb König etc.
Allergnedigister Kayser und Herr etc. Wir hazardiren dises,
villeicht mochte, es glickseliger sein als unsere vorhergende, deren
eines vom Feinde intercipirt und mit einem Flizi-Pfeil wider
heroingeschossen i.st worden.
Mit was für Mühe man unserseits die ContrescArpe, von
welcher sich der Feindt gleich den ersten Tag über 60 Schritt wegen
der so nahen Vorstiitt und Heuser logirt, gehabt, 24 Tag manu-
tenirt und wie tapfer sieh unsere Leutho darbey erzaiget, ist nit
zu beschreiben, nunmehr aber ist der Feindt mit seiner Mine an

Pas KrippH-Arrhiv Itesitart aii»«?r dii*seu drei keine weiteren Ikfrichte an


den Kaiser ans den Tapen der Ikdiipenrnp. In der üsterreiehischen Militär-Zeitsc hrift

ist in einem im Jahre 1813 bereits veröffentlichten, im Jahre 18-14 erneuert al>-

pedniekteii Aufsätze ül»er die Belapeninp Wien« ein Bericht Starhemlierp« an den
Kaiser vom 11. Juli und ein von dera«ell)en dem Monarchen vorpelepter Oi»enitit»n»«-
Entwurf vom iiO. Juli erwähnt ;
w<» S<'he!s diese Acten pefunden halten will, ers<'heint

alter nicht weiter anpepelteii.

..Pas Kriepsjahr 1H8-3“ in ..Mittheilunpen des k. k. Krieps-Arehivs“ 1883.


S. !»8 und 190.
Eliendort 189. Anmerkunp 1.

Digitized by Google
Drei Berichte an« «lern tjclagertcn Wien 1683. 269

dem Ravelin, wir haben keine Minir umb ihmc entgegen zu gehen,
Granaten, welche man iezt am höchsten vonnüthen hotte, sein
maistens aufgangen, das Pulver nimmet sehr ab und manglen
halt vil Sachen, derer man unumgiinglich vonnöthen hett, die
Mannschafft wird alle Tag weniger, in der Liste, so uns gestern
Ubergeben worden, finden sich eintausendneinhundert und zway
Todt und Blessirte, von denen üfficieren ist der Ohrist Heister,
der Obrist der Artigleria Bentor und der Jlansfcldisehe neue
Obristlcuthenand Baron Gail, auch vil Hauptlcuth und Leuthenant
blessirt, vier Obristleuthenant als RUmplcr, Walther, Kottolinsky
und Lcslie sambt dem Obristwachtmaister vom Mansfeldischen Baron
von Gallenfels und vil Ilauptleuthe todt, die rothe Ruhr grassirt unter
denen Soldaten und Burgern gar starck, wo Ihre Durchlaucht der
Herzog von Lothringen (an den wir beraits zu verschiedenen Mahlen
geschrieben, darauf aber ob Dero.selben etwas zuekoniuien sein
mochte, einzige Nachricht nit erhalten) sich befinden, ist uns un-
wissend, weilen die Cominunication ganz gespürt. Zu beharl. kayserl.
Gnaden uns Geben
allerunterfhenigist allergehorsamb.st empfehlend.
W ien den August eintausendsechshundert H3 Deroselben zu
12.
Wien und deputirte Räthe.
hinderla-ssene General
P. S. Heut den 12. hat der Feind die Spiz von dem Ravelin
durch die Mine springen lassen und gleich darauf gesturmbt, i.st aber
doch mit Verlust 50 Todt und Blessierten, darunter ein Hauptmann,
2 Lcutenante und ein Fendrich abgetrieben worden, bey allem
deine wird man zwar nichts unterhi.ssen und thuen, was ehrlichen
Leuthon zustehet, auch wie bishero iederzeit geschehen, dem
Feindt ieden Schritt von d(un Terreno disputiren, zumahlen auch
allieraifh <lie behürige Ab.schnitt so viel es hat sein können,
gemacht worden es sein abim die feindliche Minen meisten und
;

sonderlich bey der Burgg-Pastey zu besorgen, alldieweilen selbige


weder mit Gewölbern noch Contraminen, vermittelst welcher man
dem Feiinl nachsehen könnte, versehen ist, .so mUessen wir auch
anstatt der Minirer, welche manglen, solche Leuthe gehrauehen,
welche die Sach nicht recht verstt-hen und also nicht allein an
Krfahmus sondern auch an Re.solution, indem sie, wenn sie den
Feind nrbeithen hören, nicht entgegen, sondern darvongehen, die
behürige (iualitcten zum Miniren nicht hahen. Ich, Graf Caplirs,
solle auch Kur kaysl. .Miltt. allergehorsambst nicht unberichtet las.sen.

Digiiized by Google
270 D u n c k e r.

das etliche Ta^ hero der Cominandaat Graf’ Stahrenberg an


Dissentcrie bettlegerig ist, welche ihn sehr abmattet, doch und
dessen ungeachtet efforcirt er sieh, alle valorose und vigilante
Austolten zu machen.“ ')

II.

FZM. Graf Caplirs an Kaiser Leopold.


Vom 1. SeptenilHT datiort, )K'anfwortet dieser Brief jedenfalls ein kaiserliches*
Schreiben, vcnmithlieh vom 19. August aus Passau datiert.^)
Kol.schitaky und dessen Diener 3Iiehaelovit»ch \^'iirden von FM. Starh»*ml>erg
l>ewogen, den grefälirlicheii AVeg am* der Stadt in das Feldlag^er der kaiserlichen
Armee nochmals zu versuchen und der kühne Sendlwde emdchte auch sein Ziel
glücklich. Bei der Küitkkelir scheint der brave 3Iauu jedoch den Türken in die
Hände gefallen zu .seiu.^)
Allerdurchlauclitigster, Allergnädigster Kajser,Erbkünig und
Herr Herr Ewer Kays. an uns Deputierte Riithe ah-
Jlayst.
gelassene allergdste hab ich mit allergehors. respeet er-
rescriptji

halten, wir wollten uns nicht nur die von Ewer kays. Mays. uns noch
praefigierte acht Tag, sondern bis auf den letzten Blutstropfen uns
gedulden, es ist aber die Sach dahin gediehen, dass der Graf von

Starenherg mich diesen Augeiihliek ersucht, dess Herrn Herzogen


zu Lothringen Durehl. zu berichten, dass beyde Bollwerk, als die
Burg und Lcbelhastcy bereits miuirt sein, die letztere aber seye
wegen der Enge des Orts kein Abschnit ge-
also beseliaften, dass
macht werden, noch er alsdann, wann der Feind mit Gewalt an-
tringen würde, selbige einen Tag halten koenue.
Ich habe tlieses auch Ewer Kays. Mayst. allergehors. be-
richten sollen, welche daraus dero hoch Erlcucliten Vernunft nach
allcrgdgst. zu ermessen geruhen werden, dass diesem imminirenden
Uebel durch nichts, als einen geschwinden und rigorosen Succurs
muss vorgekommen werden. Jlich damit p]wer Kays. Mays. in

jauTiotuirlicher allerunterthgstr. I)(‘votion zu beharrlichen Kays.


Huldeii und Gnaden ergebenst alss Ewer Kays. Mays. allerunter-
thänigst treu gehorsambster Va.siil
A. Caplirs.^)
*) Original. K.-A. 1683; Fase. VHI, !'/*•

..Das Kriegsjahr 1683“. S. 217.

Original. K.-A. 1633; Fase. IX, 1'/,.

Digitized by Google
Drei Berichte aiu dem Iwlagerten Wien 1683. 271

P. S. Ueberbringern diser Commissyon, so er mllndlicb dar-


bringl, ist apostirt, damit er nicht wissen solle, tviirumb er ge-
schickt ist worden.
Wien, den 7tiris 1683.“

III.

FZM. Ernst Rüdiger Graf Starhemberg an Kaiser Leopold I.


Das Sclireil)eii des Sladt-Comniandanlen vom 1. Septemlier verjcleidie: Onno
Klopp „Das Jahr 1683 uml der folgende grosse Türkeukrieg". S. Ü93 ff.

„Allerdurehleuchtigster, Grossmechtigister und unüberwUnd-


lichister Römischer Kayser, auch zu llungarn und Bohaimb
König etc.

Kayser und Herr etc. Eur Kays. Mayst. aller-


Allergnedigst<-r
gd’stes Handbrietl vom 29. July habe ich in tielister Unterthenig-
keit erhalten, und darauss mit höchsten Freiden ersehen, dass Eur
Mayst. meine bishero in diser Belilgerung geleistete geringe Dienste
So allergdst aufnehiuben, die ich die Zeit meines Lebens, ab-
sonderlich aller in wehrender diser Belagerung mit Höchsten Eifer
und Darsetzung Guet und Bluets iederzeit continuiren werde und
haben mich Alle unter meinem Gommando stehenden Ofticiere
und Soldaten eines gleiclimUssigen versichert, nachdtun ich ihnen
Eur Mayst. Allergdisten Befelch und das Vertrauen, so Sie in Unss
setzen (vor welches wür Unss sambentlich unterthenigist bedanckhen),
eröffnet habe, allein bin ich getrungen Eur Kays, ^llayst. Aller-
uuterthenigist zu berichten, dass nachdeme wir den Feindt, der
sich den Peu Tag 60 Schritt vor der Contrescarpen unter favor
der so nahe gelegenen Heuser logiert, mit grosser Muhe 7 Wochen
lang von dem Wall abgehalten, er endlich unter die beede Pasteyen
Lewl und Burch gekommen und wir alle Stundt erwarten muessen,
wann er uns einen Theil davon in die Luft sprenget, weil wir
keine erfahrne Minirer, ihinc unter der Erden zu begegnen, haben,
auf die ich mich verlassen könnte, also dass nunmehro die Be-
schleinigung des Suecurses höchst nothwendig, absonderlich weil
die Lewl-Pastey so klein und eng und so Übel pro]iortiouiert, dass
darinnen kein rechtschaffener Abschnitt, der den Feindt eine Zeit
auflialten könnte, zu machen und es aus allen Umbstenden scheinet.

Digilized by t
272 Duncker. Drei Berichte aus Jem belagerten Wien 1683.

ob der Feindt noch vor Ankunflft des Succurses einen grossen


Effor thuen wolle; wir werden zwar uns nach aller Muglichkeit
widersetzen und uns alleunter der Kuina der Werckh begraben
lassen, ehender als auf einen Accort nur gedencken, allein weiss
ich nicht, ob (wann der Succurs noch lenger verweilen sollte) wir

unseren Wunsch nach würden rousciren können und weilen ich


weis, was Eur Kays. Mayst. an diesen Posto gelegen, hat mich ge-
duncket, meine Schuldigkeit zu sein, Eur Kays. Mayst. die rechte
wahre Beschaffenheit in IJntcrthenigkeit zu remonstriren, alles
Dero ferneren allergdsten Disposition alrghsbst anheimbstellend mit
nochmaligen diemuetigster Versicherung, das mich keine Kleiu-
muetigkeit dises sclirciben machet, weilen wir alle sambentlich
resolviret, uns bis auf den lezten Bluetstropffen zu wöhren, unib
uns wirdig des Allergdgsten Vertrauens, so Eur Kays. Mayst. zu
uns haben.
Wien den ersten September eintausendsechshundert 83.
Die wUr Unnss sambentlich zu dero Kaysl. Gnaden allcrunter-
thenigist Befehlen.
Ich aber verbleibe Eur Kays. Mayst. allerunterthenigister treu-
gehorsambister
Gf. Star he mb erg.

Ihro können gedenken, was für Freuden Dero


Majestät
Ankunft hier erwecken wird, weil neben der Freiheit, die von
sich Selbsten süss, wir die Gnad verhoffen und die Glori sic von
Ihro Majestät eigener Hand zu empfangen.“ ')

*) Original. Schlusssatz eigciiliiindig. K.-A. I(i83; Fase. IX, 1‘/*-

Digitized by Google

Das könnte Ihnen auch gefallen