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Heideggers Marburger Zeit
Heideggers Marburger Zeit
Heideggers
Marburger Zeit
Themen, Argumente,
Konstellationen
Forum
Forum
8
Heidegger
Heidegger
HeideggerForum
Vittorio Klostermann
Heideggers Marburger Zeit
Herausgegeben von
Günter Figal
Beirat
Damir Barbarić (Zagreb)
Thomas Buchheim (München)
Donatella Di Cesare (Rom)
Michael Großheim (Rostock)
John Sallis (Boston)
HeideggerForum
Heideggers Marburger Zeit
Themen, Argumente,
Konstellationen
Herausgegeben von
Tobias Keiling
VittorioKlostermann
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind
im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Vorwort 9
Tobias Keiling
Einleitung 11
Simone Neuber
Wie spricht es sich eigentlich? Heidegger zum Ich-Gebrauch 39
Hélder Telo
Who is responsible for das Man? 57
Jan Puc
Das Selbstsein
Eine Kritik von Heideggers Begriff der eigentlichen Existenz 71
Christophe Perrin
L’impropriété de l’authenticité
Sur le sens propre de l’Eigentlichkeit chez Heidegger 83
Marco Casu
Heideggers Hermeneutik des Geredes 101
Charlotte Gauvry
»En tant que herméneutique« et »en tant que apophantique«
La lecture herméneutique du logos de 1925–1926 115
Diego D’Angelo
Die Bedeutung ohne Worte und der Leib
Zwischen Tafeln, Monaden und Spiegeln 129
6 Inhalt
Dimitrios Yfantis
Zeitlichkeit und Temporalität
Die Konzeption der Fundamentalontologie
in der Marburger Zeit 143
Aaron Shoichet
From Brentano to Heidegger:
locating the »question of the meaning of being« 163
Raoni Padui
The Problem of Nature in Heidegger’s Marburg Period 177
Guang Yang
Kehrseite der Bewegung
Zu Heideggers Verständnis der Ruhe in den
Marburger Vorlesungen und der Φύσις-Abhandlung 191
Martina Philippi
Phänomenologie als methodische Kritik
von Selbstverständlichkeit 207
Christos Hadjioannou
Befindlichkeit as retrieval of Aristotelian διάθεσις
Heidegger reading Aristotle in the Marburg years 223
Claudia Serban
La phénoménologie de la conscience
comme fuite devant le Dasein :
l’interprétation heideggérienne de Husserl
à Marbourg en 1923–1924 237
Choong-Su Han
Die Struktur der Verklammerung
im Wesen der Wahrheit 255
Inhalt 7
Guillaume Fagniez
»Comprendre l’historicité« : Heidegger
et la correspondance de Dilthey et Yorck 269
Gerhard Thonhauser
Wechselseitige Gegenlektüren:
Was hätte Heidegger für seine Konzeption des Augenblicks
von Kierkegaard lernen können? 289
Jerome Veith
Destruktion and Repetition:
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 305
Fernando Rodrigues
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens
Eine Interpretation der Metaphysik des Daseins im Lichte
der letzten Marburger Vorlesung Martin Heideggers 319
Daniel Kersting
Heideggers »Sein zum Tode« –
Eine normativ-praktische Relektüre 351
Sylvain Camilleri
La première intervention de Heidegger dans le séminaire
néo-testamentaire de Bultmann (WS 1923/1924) 367
Edition
Martin Heideggers Referat über den Römerbrief im Seminar
»Die Ethik des Paulus« (Prof. Rudolf Bultmann, WS 1923/24),
10. Januar 1924. Nach dem Protokoll von Martin Stallmann 383
Vorwort
cken und die Topographie von Heideggers Denken auf einem ein
zigen Denkweg erkunden.
Die Beiträge dieses Bandes lassen daran zweifeln, dass es möglich
oder sogar sinnvoll ist, von Heideggers Denken eine Antwort auf
diese eine Leitfrage zu erwarten. Heidegger ist eben »nicht ›den‹ ein
zigen« Denkweg gegangen, und wesentlich ergiebiger scheint es da
her, der komplexen Entfaltung seines Denkens in ganz verschiedene
Richtungen zu folgen. Bereits die Formulierung der Frage nach dem
Sein, nach dem Sinn von Sein oder nach der Wahrheit des Seins, ist
für Heidegger bekanntlich ein eigenes Problem, das nicht nur keiner
einfachen Lösung zugänglich, sondern nur aus anderen Problem-
und Sachzusammenhängen heraus zu diskutieren ist: aus dem Sein
des Daseins, aus dem Sinn der Sorge, aus dem Wesen der Wahrheit.
Hinter diesen Wendungen stecken verschiedene und durchaus kon
kurrierende Wege des ontologischen Denkens. Bereits am Ende von
Sein und Zeit korrigiert Heidegger sein Ziel deshalb und schreibt,
den »Streit hinsichtlich der Interpretation des Seins« 5 entfachen zu
wollen, und dazu leisten gerade die Arbeiten der Marburger Zeit
einen großen Beitrag.
Das heißt natürlich nicht, dass es für Heidegger nicht einen Zu
sammenhang gab, auf den die Seinsfrage in Sein und Zeit abzielte,
nämlich eben den Zusammenhang von Sein und Zeit, der in der Zeit
lichkeit des Daseins erfahrbar wird, das deshalb der maßgebliche
Gegenstand der existenzialen Analyse und phänomenologischen
Explikation sein muss. Aber bereits das fundamentalontologische
Projekt einer Ausarbeitung der Seinsfrage im Lichte der Zeitlich
keit des Daseins (unabhängig davon, ob das Projekt gelingt oder
nicht), integriert in der Form, die wir kennen, so viele heterogene
Momente, dass deren Gesamtzusammenhang sich keiner einzelnen
Perspektive erschließt. Gerade deshalb aber eröffnet der für Heid
egger gescheiterte Text einen einzigartigen Ort philosophischer Be
schäftigung, und gleiches gilt für die anderen Texte Heideggers der
zwanziger Jahre. ›Marburger Zeit‹ ist deshalb als eine Anzeige für
ebenjenes Bündel von Themen, Argumenten und Interpretationen
anderer Philosophien zu verstehen, das in Sein und Zeit zwar sein
wichtiges Dokument hat, dessen Zentrum aber in keinem einzel
nen Sachproblem und dessen Lösung liegt, sondern in die Vielzahl
der textuellen und sachlichen Bezüge auseinandergeht. Es gibt kei
die das Man steht. Nicht die Sozialität als solche ist am Man pro
blematisch, sondern dass das Man – mit einem späteren Ausdruck
Heideggers gesagt – ein »zerbrochenes Wir« ist, eine »Masse, in der
jeder ›ich, ich‹ sagt«10 und sich gerade deshalb nicht in seiner Indivi
dualität vor anderen Individuen zeigen kann. Eigentlich zu existie
ren heißt demnach, auch die radikale Fraglichkeit und wesentliche
Undurchsichtigkeit des eigenen Daseins gerade öffentlich zu leben,
da die Vorstellung, das es auf der Welt nur ein autarkes »›ich, ich‹«
gibt, zu jenen Illusionen gehört, die aus dem Verfallen des Daseins
an das Man entspringen. Die Verantwortung für die Diktatur des
Mans muss jeder bei sich suchen, ohne doch jene Transparenz zu
finden, die es erlauben würde, beim Man nicht länger ›mitzuma
chen‹ und so das »zerbrochene Wir« zu einem Ganzen zu machen.
Die von Telo an Sein und Zeit gestellte Frage macht klar, dass in
jedem Versuch, selbstbestimmt zu existieren, das Dasein sich sol
chen Fragen radikal selbst zu stellen hat, ohne diese aus sich selbst
beantworten zu können.
Verweist man die Frage nach der eigentlichen Existenz mit Heid
egger an das verfallende Dasein zurück, so ist damit allerdings noch
nicht hinreichend geklärt, welche konkreten Lebensmöglichkei
ten sich als eigentliche bestimmen lassen. Die Differenz zwischen
Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit droht zu einer nur negativen
Freiheit zu werden.11 Mit Heidegger gesagt: Die existenziale For
derung nach einem eigentlichen Selbstein muss sich existenziell, also
in konkreten Möglichkeiten des eigenen Lebens, erkennen lassen.
Die eigene Verantwortung für das Man anzuerkennen und die kriti
sche Selbstbefragung, die dies freisetzen kann, stellt dabei sicher eine
Möglichkeit dar, mit Heidegger den Gedanken eigentlicher Existenz
zu konkretisieren. Jan Puc untersucht in seinem Beitrag jedoch kri
tisch Heideggers Versuch im zweiten Abschnitt von Sein und Zeit,
in der Stimmung der Angst und im Ruf des Gewissens die Mög
lichkeit eines solchen eigentlichen Existierens zu verankern und die
eigentliche Existenz so weiter zu konkretisieren. Beide Phänomene
10 Heidegger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA 38, 43.
Vgl. Hans Bernhard Schmid, Wir-Intentionalität. Kritik des ontologischen
Individualismus und Rekonstruktion der Gemeinschaft, Freiburg / München
2005, 300 –308.
11 Zur sogenannten »Differenz der Freiheit« vgl. Günter Figal, Martin
Heidegger. Phänomenologie der Freiheit, dritte Auflage Weinheim 2000,
157–272.
16 Einleitung
13 Diana Aurenque hat daher Heideggers Ethik primär als ein Denken des
ἦθος im Sinne von ›Ort‹ und ›Aufenthalt‹ erörtert. Vgl. Diana Aurenque,
Ethosdenken. Auf der Spur einer ethischen Fragestellung im Denken Heid
eggers, Freiburg / München 2011.
14 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 411.
18 Einleitung
teles’ näher bringen, allen voran der Natur als Form von Äußerlich
keit und dem Interesse an der Eigenständigkeit von beobachtbaren
Bewegungen. Auch wenn die ekstatische Struktur der Existenz in
der Zeitlichkeitsanalyse ihre wirkungsmächtigste Form gefunden
hat: Heideggers Vorlesungen eröffnen auch ganz andere und nicht
weniger innovative Möglichkeiten zu verstehen, wie Menschen der
sie umgebenden Welt ausgesetzt sind, die umgekehrt ihr Weltver
halten erst ermöglicht.
Neben Aristoteles ist Husserl der zweite wichtige Gesprächspart
ner Heideggers, wenn es um die Relevanz von Bewegungsphänome
nen geht. Dabei geht es darum, wie sich die eigenen wissenschaftlich-
theoretischen Absichten von anderen Interessen durchkreuzt sehen
und die Eigenbewegung der Welt in das menschliche Dasein hinein
spielt. Dass sich die Dynamik der Welt von der Dynamik des eigenen
Daseins her verstehen lasse, spielt auch entscheidend in Heideggers
Husserl-Interpretation in der ersten Marburger Vorlesung Einfüh
rung in die phänomenologische Forschung (1923/24, GA 17) hin
ein. Claudia Serbans Beitrag arbeitet heraus, dass das zentrale Mo
tiv dieser Vorlesung eine sehr spezifische Kritik an Husserl ist: Die
Phänomenologie übergehe das Grundphänomen der menschlichen
Existenz, das Heidegger Sorge nennt, und vergebe so die Chance,
deren einzigartigen Zugang zur Lebenswelt in die Phänomenologie
zu integrieren. Damit verliere die Phänomenologie auch die eigene
»Bewegtheit des Daseins«, die von einer in falsches Theoretisieren
abgleitenden »Beruhigung«36 stillgestellt wird und so die ursprüng
liche »Unruhe«37 des sich um etwas sorgenden Daseins nicht thema
tisieren kann. Darin wird, so zeigt Serban, auch in der Existenz des
Menschen jenes ontologische Verständnis von Ruhe und Bewegung
deutlich, das Heidegger an Aristoteles gewinnt, und das den Mög
lichkeitscharakter des Daseins fassen soll. Die Bewegtheit des Da
seins und damit sein authentisches Sein gehen verloren, sobald das
Dasein auf intentionales Objektbewusstsein reduziert wird – und
eben dies ist das problematische Ziel der Phänomenologie Husserls,
die das Absehen auf Gewissheit aus dem cartesianischen Metho
denkanon übernimmt. Dem Dasein, so hält Heidegger 1925 fest,
Die Beiträge des fünften Abschnitts nehmen die Frage nach der ei
gentlichen Existenz wieder auf, erläutern sie aber in neuer Weise,
indem sie nach der authentischen Weise fragen, in der Geschichte
zu sein, und versuchen, Eigentlichkeit als eminente Erfahrung von
Freiheit zu thematisieren. Klarerweise spielt auch hier die Eigendy
namik eines das Dasein umgreifenden Geschehens eine Rolle, das
Heidegger hier aber (noch) nicht als natürliche Bewegung oder als
Wahrheitsgeschehen versteht, sondern als geschichtliches Gesche
hen. Guillaume Fagniez arbeitet in seinem Beitrag heraus, wie sich
in Heideggers Lektüre des Briefwechsels zwischen Wilhelm Dilthey
und Graf Yorck von Wartenburg seine eigene Geschichtsphiloso
phie zuspitzt; die Geschichte zu leben und sie nicht zu betrachten
wird im § 77 von Sein und Zeit zur zentralen Forderung eines au
thentischen Verhältnisses zur Geschichte, die damit weder ein in
irgendeinem Sinne objektiver »Kräftekonnex«,39 noch eine interna
listisch misszuverstehende Bewusstseinsleistung ist – dass Dilthey
beide Auffassungen vertritt, ist der Kern der Kritik, die Heideg
ger aus den Briefen von Yorcks aufnimmt. Von Yorck wird so zum
Vorläufer von Heideggers eigenem Projekt einer Destruktion der
Geschichte der Ontologie mit dem Ziel, das Sein des menschlichen
Lebens zu klären und es als in spezifischer Weise bewegtes zu verste
hen. Während die Seinsfrage so den Fokus für die Interpretationen
der Philosophiegeschichte vorgibt, wird durch diese Interpretatio
nen vor allem die Eigendynamik dieser Geschichte deutlich, die sich
nicht auf eine lineare Entwicklung reduzieren lässt.
Wie eine solche Eigendynamik des geschichtlichen und zeitli
chen Lebens im Moment erfahrbar wird, ist die systematische Ver
bindung zum Beitrag von Gerhard Thonhauser. Ausgehend von
den wenigen Verweisen auf Kierkegaard in den Fußnoten zu Sein
der Wunsch, dass der Andere ›sei‹. Wie dieses mögliche, ihm an
gemessene Sein des Anderen aussieht, erörtert Heidegger auf ver
schiedene Weisen – denn davon ist abhängig, ob eine liebende Be
ziehung zum Anderen als dessen Freigabe verstanden werden kann
oder sich in ihr nur der Wunsch ausdrückt, den Anderen nach ei
nem bestimmten Bilde zu formen. Liebe wird, so verstanden, zum
zentralen Phänomen eigentlicher Sozialität und die Einwände gegen
Heideggers Konzeption eigentlichen Mitseins bündeln sich in der
Frage nach den Voraussetzungen und Implikationen seines Liebes
begriffs. Während bei Augustinus die Liebe zum Anderen sich an
der Liebe Gottes ausrichtet, löst Heidegger den Liebesbegriff aus
der christlichen Theologie und der Ontologie, die aus dieser folgt.
Nicht das Geschaffensein, sondern sein eigenstes Möglichsein ma
chen das Wesen des Anderen aus, auf den sich die authentische Liebe
bezieht. Tömmel macht aber darauf aufmerksam, dass sich dann
die Frage stellt, wie genau – wenn nicht theologisch – sich die zwei
Menschen verbindende Wahrheit verstehen lässt, die Heidegger nach
der Rückkehr nach Freiburg – in der Vorlesung Einleitung in die
Philosophie – auch explizit als Bedingung geteilter Eigentlichkeit
versteht. Auch wenn ein geteilter Gottesglaube bei Augustinus das
Paradigma der Liebesbeziehung darstellt: Heidegger zielt auf eine
sakulärisierte Öffnung dieser Bestimmung.
Das Problem einer sozialen Erfahrung von Eigentlichkeit be
schäftigt auch Daniel Kersting in seiner normativ-praktischen
Relektüre der Todesanalyse von Sein und Zeit. Heideggers Bestim
mung des Todes als Möglichkeit eröffnet eine Erste-Person-Per
spektive auf den Tod. Darin liegt, wie Kersting betont, ein wich
tiges kritisches Potential von Heideggers Analyse. Der Rückbezug
auf das je eigene Dasein ermöglicht es nämlich, sich von solchen
Todesverständnissen zu lösen, die den Tod auf etwas Alltägliches
reduzieren oder ihn bloß aus einer Perspektive der dritten Person
betrachten wollen. Zugleich macht die bloße Bezüglichkeit auf die
Vollzugsperspektive des individuellen Daseins und die Jemeinigkeit
des Todes allerdings schwer verständlich, wie sich ein eigentliches
Todesverhältnis öffentlich und womöglich in mit Anderen geteilter
Weise leben lässt. Am Tod wird wie an wenig anderen Phänomen
deutlich, wie schwer sich die in einer fast formalen Bestimmung des
Selbsts geforderte Besinnung auf das Eigene in konkreten, mit ande
ren geteilten Lebensformen verwirklichen lässt – was aber insbeson
dere dann geboten scheint, wenn die Gefahr, in einem uneigentlichen
Einleitung 37
1 Diese Verwendung des Wortes wird im Folgenden wichtig sein, wenn sie
auch nicht der terminologischen Verwendung Heideggers entspricht, die er
einführt mit: »Die beiden Seinsmodi der Eigentlichkeit und Uneigentlich
keit – diese Ausdrücke sind im strengen Wortsinne terminologisch gewählt –
gründen darin, daß Dasein überhaupt durch Jemeinigkeit bestimmt ist. Die
40 Simone Neuber
Uneigentlichkeit des Daseins bedeutet aber nicht etwa ein ›weniger‹ Sein oder
einen ›niedrigeren‹ Seinsgrad.« (Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 57). Warum
es durchaus sinnvoll ist, diesen weiten Begriff vorzuschlagen, der nicht mit
der Jemeinigkeit verknüpft ist, wird sich zeigen.
2 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 27.
3 Es mag noch mehrere geben, etwa den Hang des Daseins, sich nach Er
wartungen des Mans zu richten, doch sind diese Verstellungen für uns we
niger interessant.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 41
Dasein als Sorge genuin zu reflektieren scheint. Die Welt ist derge
stalt Totalreflex der Sorge, nur bleibt dieser Reflex eben unreflektiert.
Man kann nun mit der Tür ins Haus fallen und sagen, das schiere
Faktum, dass der Reflex unreflektiert bleibt, sei hinreichend, hier
Uneigentlichkeit zu diagnostizieren,18 doch ist Langsamkeit geboten.
Dass wir mit gutem Recht von modaler Indifferenz sprechen kön
nen, liegt meines Erachtens daran, dass das Selbst überhaupt nicht
zum Thema wird und damit eben auch weder gemäß noch unge
mäß. Das Dasein ist selbstvergessen, aber nicht, weil es sich vergäße,
sondern weil es sich ganz implizit hat. Vor dem Hintergrund, dass
Heidegger den alternativen Ontologien unter anderem eine Reifi
kation des Subjekts des Verstehens vorwirft, ist klar, dass das sich
derart reluzent habende Dasein gewiss nicht reifiziert, schlicht, weil
es nichts reifiziert.
Um den Unterschied zwischen Unterlassung und Fehlexplika
tion einzuholen, sei vorgeschlagen, dass erst mit der Ausbildung von
so etwas wie (selbstbezüglicher) Minimaltheorie Uneigentlichkeit
im prägnanten Sinne ins Spiel kommt.19 Uneigentlich ist das Dasein,
sofern es nicht nur selbstverloren in der Welt ist, sondern entwe
der das isolierte und reifizierte Innerweltliche zur Grundlage einer
Selbstreflexion macht oder aber ontologische Theorien im weiten
Sinne, wobei sich zeigen wird, dass erstere Verstellung in gewisser
Hinsicht in letzterer fundiert ist. Der Aspekt der prägnanten Un
eigentlichkeit, den hier ins Zentrum gerückt werden soll, ist also ein
solcher der Explikation bzw. der expliziten Selbsthabe. Es ist eine
Uneigentlichkeit, die im Explizitmachen des Immerschonverstan
denen das Immerschonverstandene in eine Weise des Gegebenseins
überführt, die ihm nicht eignet.20 Uneigentlichkeit ist also eine Un
eigentlichkeit der Präsentmachung, der Auslegung, des expliziten
und artikulierenden Verstehens.21
Reifikationsparallelen
Vom Ich-Sagen
strebt, doch soll an dieser Stelle davon abstrahiert werden, ob die Todeserfah
rung in der Tat die adäquate Möglichkeit ist, die wesentliche Endlichkeit,
welche die eigentliche Zeitlichkeit eröffnet, auszuweisen.
24 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 210: »Die Als-Struktur der Auslegung
hat eine Modifikation erfahren. Das ›Als‹ greift in seiner Funktion der Zueig
nung des Verstandenen nicht mehr aus in eine Bewandtnisganzheit. Es ist be
züglich seiner Möglichkeiten der Artikulation von Verweisungsbezügen von
der Bedeutsamkeit, als welche die Umweltlichkeit konstituiert, abgeschnit
ten. Das ›Als‹ wird in die gleichmäßige Ebene des nur Vorhandenen zurück
gedrängt. Es sinkt herab zur Struktur des bestimmenden Nur-sehen-lassens
von Vorhandenem.« Mit dem, was in Kürze zum Ich-Gebrauch und darin
waltenden Selbstverständnis gesagt wird, mag man gleichfalls bemerken, das
Dasein verstehe sich nicht mehr aus der Welt und seinem In-der-Welt-Sein,
sondern als etwas, das eine bestimmte Funktion hat, eine wesentliche aus
tauschbare Rolle spielt.«
25 Die Differenz sei hier großzügig übergangen, doch ist Heideggers Ur
teilskritik eher eine solche am logischen Subjekt. Hierauf kann in diesem
Rahmen jedoch nicht eingegangen werden.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 47
Subjekt, das sich mit dem Pronomen der ersten Person Singular an
spricht, auf sich mit »ich« referiert und sich als »ich« ausspricht.26
Die Probleme des Ich-Gebrauchs scheinen eher in einen witt
gensteinschen Kontext zu gehören, und überhaupt mag man ein
wenden, dass die uneigentliche Selbsthabe, wenn überhaupt der
Sprache, dann doch eher dem Gerede des Man als der referierenden
Selbstbezugnahme entwächst. Dennoch fällt auf, dass Heidegger in
§ 64, wenn er »Sorge und Selbstheit« zum Thema macht, das Man
und sein Gerede gerade hinsichtlich seiner Tendenz zum besonders
vehementen Ich-Sagen anspricht: »›Ich‹ meint das Seiende, dem es
um das Sein des Seienden, das es ist, geht. Mit ›Ich‹ spricht sich die
Sorge aus, zunächst und zumeist in der ›flüchtigen‹ Ich-Rede des
Besorgens. Das Man-selbst sagt am lautesten und häufigsten Ich-Ich,
weil es im Grunde nicht eigentlich es selbst ist und dem eigentlichen
Seinkönnen ausweicht.«27
Lassen wir die einleitende Minimalerklärung des Ich-Gebrauchs
beiseite, so ist das Interessante die Verbindung von Ich-Sagen und
Uneigentlichkeit, die hier aufleuchtet. Das Ich-Sagen des Man
scheint daher besonders vehement, weil das Man-Selbst »dem ei
gentlichen Seinkönnen ausweicht«. Ich-Sagen ist dergestalt eine
Funktion der Flüchtigkeit. Warum das so ist, machen Heideggers
Reflexionen auf das Phänomen der Abständigkeit deutlicher: »Im
Besorgen dessen, was man mit, für und gegen die Anderen ergriffen
hat, ruht ständig die Sorge um einen Unterschied gegen die Anderen
[…] Das Miteinandersein ist – ihm selbst verborgen – von der Sorge
um diesen Abstand beunruhigt.«28
Bringen wir das laute Ich-Sagen und die Sorge um Abgrenzung
und Abstand zusammen, so scheint sich folgende Sicht zu bieten:
Das Dasein im Man sagt deswegen besonders laut ›ich‹, weil es denkt,
sich nur so abheben zu können, was aber voraussetzt, dass es denkt,
sich überhaupt abheben zu müssen. Denkt es aber, sich abheben
zu müssen, dann denkt es, dass es ohne Abhebung im Einerlei ver
sinken würde, dessen indistinkter Fall es ist.29 Durch das laute Ich-
Sagen will das Dasein sich also aus dem Allgemeinen heben, um ein
Besonderes zu sein. Dabei versieht es sich freilich hinsichtlich seiner
Natur, denn es ist nicht ein Besonderes im Allgemeinen, sondern ein
je genuin Einzigartiges.
Offensichtlich ist dieses Dasein auf andere Weise uneigentlich
als der selbstverlorene Hantierer. Es schreit sich heraus, und indem
es sich auf eine bestimmte Weise meinend herausschreit, hat es sich
verloren.
Indes ist es natürlich nicht so, dass dieses uneigentliche Dasein
nicht irgendwie wüsste, dass es kein Fall einer Gattung ist. Irgend
wie weiß es sehr wohl um seine Einzigartigkeit, und irgendwie
spricht es sich als solche aus.30 Dennoch meint es sich, indem es sich
ausspricht, gleichzeitig auf eine sich verfehlende Weise. Diesbezüg
lich konstatiert Heidegger: »Im Ich-sagen spricht sich das Dasein als
In-der-Welt-sein aus. Aber meint denn das alltägliche Ich-sagen sich
als in-der-Welt-seiend? Hier ist zu scheiden. Wohl meint das Dasein
ich-sagend das Seiende, das es je selbst ist. Die alltägliche Selbstaus
legung hat aber die Tendenz, sich von der besorgten ›Welt‹ her zu
verstehen. Im ontischen Sich-meinen versieht es sich bezüglich der
Seinsart des Seienden, das es selbst ist.«31
Aus dem Zitat wird deutlich, dass es sich beim Modus des Ich-
Gebrauchs und der vermeintlich selbstartikulierenden Selbsthabe
um ein wesentlich zweideutiges Phänomen handelt, das zwischen
Selbstartikulation und Selbstsubsumption oszilliert. Was diese
Zweideutigkeit unterhält, ist just die Sprache mit ihrem Hang zur
Allgemeinheit, der nun auch die Selbsterfassung des Ichs und da
mit seine Selbsthabe und sprachliche Selbstverwahrung auszeichnet.
29 Wobei es freilich eine ganz allgemeine Form wählt, die bestenfalls das
Besondere, nicht hingegen das Einzigartige reflektiert. Das Man ist dabei
natürlich keine Gattung, vgl. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 171.
30 Um dieser impliziten Wissen Rechnung zu tragen, mag man Heidegger
etwa mit Wittgenstein und Sidney Shoemaker unter die Arme greifen, um
hier eine akriteriale Verwendungsweise stark zu machen, dergestalt das Da
sein gerade nicht auf die Idee kommt, sich mit anderen zu verwechseln. Zum
akriterialen und identifikationsfreien Ich-Gebrauch, der entsprechend ver
wechslungsimmun ist vgl. u. a. Wittgenstein, Das Blaue Buch, sowie: Sidney
Shoemaker, Self-Reference and Self-Awareness, Journal of Philosophy 65
(1968), 555–567.
31 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 426.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 49
32 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 425–426: »Woran liegt es aber, daß Kant
den echten phänomenalen Ansatz beim ›Ich denke‹ ontologisch nicht aus
werten kann und zum ›Subjekt‹, das heißt zum Substanziale zurückfallen
muß? Das Ich ist nicht nur ›Ich denke‹ sondern ›Ich denke etwas‹. Allein
betont Kant nicht selbst immer wieder, das Ich bleibe auf seine Vorstellungen
bezogen und sei ohne sie nichts? Diese Vorstellungen aber sind für ihn das
›Empirische‹, das vom Ich ›begleitet‹ wird, die Erscheinungen, denen es ›an
hängt‹. Kant zeigt aber nirgends die Seinsart dieses ›Anhängens‹ und ›Beglei
tens‹. Im Grunde aber wird sie verstanden als ständiges Mitvorhandensein
des Ich mit seinen Vorstellungen. Kant vermied zwar die Abschnürung des
Ich vom Denken, ohne jedoch das ›Ich denke‹ selbst in seinem vollen We
sensbestande als ›Ich denke etwas‹ anzusetzen und vor allem ohne die onto
logische ›Voraussetzung‹ für das ›Ich denke etwas‹ als Grundbestimmtheit
des Selbst zu sehen. Denn auch der Ansatz des ›Ich denke etwas‹ ist ontolo
gisch unterbestimmt, weil das ›Etwas‹ unbestimmt bleibt. Wird darunter ver
standen ein innerweltliches Seiendes, dann liegt darin unausgesprochen die
Voraussetzung von Welt; und gerade dieses Phänomen bestimmt die Seins
verfassung des Ich mit, wenn anders es soll so etwas sein können wie ›Ich
denke etwas‹.«
50 Simone Neuber
entspringt sie? Warum wird das Sein gerade ›zunächst‹ aus dem Vor
handenen ›begriffen‹ und nicht aus dem Zuhandenen, das doch noch
näher liegt? Warum kommt diese Verdinglichung immer wieder zur
Herrschaft? Wie ist das Sein des ›Bewußtseins‹ positiv strukturiert,
so daß Verdinglichung ihm unangemessen bleibt?«33, so tut sich das
Spannungsverhältnis auf, um das es letztlich geht, nämlich jenes
zwischen einer positiven Bestimmung der Struktur an sich und der
fruchtbaren Einsicht, die sich im eingangs extrapolierten Totalreflex
der Sorge aus der Welt auftat und welche andeutet, dass letztlich nur
die dem Anschein selbst wesentliche Dialektik, die sich am intentio
nalen Korrelat selbst entzündet, eine nichtontisch gefasste Bezug
nahme fundieren kann, die letztlich gerade darin eigentlich ist, als
sie gar keine Theorie der Bezugnahme mehr ist.
37 Was natürlich dafür sprechen könnte, dass es das Problem nicht gibt,
doch scheint mir die textuelle Basis hinreichend stark, obschon die affinen
Zeitlichkeitsprobleme in der Tat eine Komplexion bereiten, von der hier ab
strahiert wird.
38 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 177, wo Heideggers vielsagende
Randnotiz »Unwahr. Sprache ist nicht aufgestockt, sondern ist das ursprüng
liche Wesen der Wahrheit als Da.« zu finden ist.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 53
39 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 466. Ähnlich Dreyfus, der dem eigent
lichen Dasein eine Verweigerung des ›being fascinated‹ von der Welt beilegt.
Vgl. Dreyfus, Being in the World, 228.
40 Vgl. dazu parallel Augustinus, Confessiones X, 29.40: Per continentiam
quippe colligimur et redigimur in unum, a quo in multa defluximus (»Durch
Enthaltsamkeit wird der Mensch gesammelt und zurückgeführt in die Ein
heit, von der entfernt er ins Vielerlei zerflossen war.«). Zu Heideggers Aus
einandersetzung sei verwiesen auf: Heidegger, Einleitung in die Phänome
nologie der Religion, GA 60.
Hier ist der Ort für einen Nachtrag, denn oben wurde gesagt, meine In
terpretation müsse motivieren, warum die nicht im starken Sinne uneigent
liche, modal indifferente Selbsthabe mitunter als uneigentliche erscheint. Ein
Grund besteht darin, dass vortheoretische Selbsthabe eben noch vortheore
tisch ist, daher nicht eigentlich im Sinne von: theoretisch durchdrungen und
angeeignet. Mit der Andeutung der Relevanz des Augustins-Reflexes kommt
ein zweiter Grund ins Spiel: die hantierende ›Ankehr‹ an Welt kann nun als
bloß sich verlierender Modus der Selbsthabe erscheinen.
54 Simone Neuber
Reflexionen auf die Dichtung gestützt. So liest sich eine Passage aus
der Vorlesung des Sommersemesters 1927 als Echo auf das hier ver
handelte Problem, wenn Heidegger Rilkes Artikulationsmodus als
Beispiel anführt, »wie elementar … die Welt, das heißt, das In der
Welt sein … aus den Dingen uns entgegenspringt«.45 Ausgeschlach
tet werden diese Überlegungen freilich ab den dreißiger Jahren46.
Der Dichter, der mit Hölderlin ins Zentrum rückt, ist in seiner
radikalen Isolation nahezu das singulare tantum der Eigentlichkeit.47
Gerade als so Einzelner kann ihm theoretisch etwas zugebilligt wer
den, was dem eigentlichen Dasein in Sein und Zeit – der Subjektivis
musverdacht und das Problem einer Privatsprache lassen grüßen –
nicht billig war: die Ausbildung einer eigentlichen oder ursprüng
lichen Artikulationsform. Diese erscheint nun als die den Anderen
freigebende Artikulation, welche genau darin Freigabe ist, als sie die
Sorge als wesentliche Inständigkeit in einer so erschlossenen Welt
aufscheinen lässt.
Offenkundig muss sich hierbei das jeweilige und eigentliche
Selbstsein kollektivieren, denn eigentliches Sprechen kann nur das
künftig ist. Meine starke These deutet die Konsequenz an, in die Heidegger
zu laufen scheint, dass nämlich, wenn eine ursprüngliche Bezugnahme mög
lich sein soll, diese, so sie die Sprache einschließen will, von einer Art sein
muss, dass diese Sprache genau die praktische Dimension bzw. den Vollzug
artikulieren muss. Zur Kraft der Thesen vgl. Tugendhat, Selbstbewusstsein
und Selbstbestimmung, 181. Zuzustimmen ist Tugendhat allerdings, wenn er
Heideggers Ich-These kritisiert und bemerkt: »Heidegger irrt sich also schon
im Ansatz, wenn er meint, auf die Frage ›wer bin ich?‹ könnte geantwortet
werden ›ich‹ oder ›ich selbst‹.« (Tugendhat, Selbstbewusstsein und Selbstbe
stimmung, 234)
45 Heidegger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 246. Auch
hier bemerkt Heidegger wieder, dass Uneigentlichkeit zum faktischen Dasein
gehört, also Eigentlichkeit nur eine Modifikation darstellt, was mit obiger
Interpretation unvereinbar scheint. Indes ist es dies nur dann, wenn obige
Äquivokation der Uneigentlichkeiten vorgenommen wird, denn ein eigent
licher Modus der Bezugnahme bleibt freilich ›uneigentlich‹ im Sinne von
weltreluzent und hantierend.
46 Man mag anmerken, die Frage der eigentlichen Selbstbezeugung sei hin
sichtlich ihres transzendentalphilosophischen und konstitutiven Auswei
sungsmoments unersetzlich, weil das Dasein etwa anders seiner Endlichkeit
gar nicht eigens gewahr werden kann. Das soll hier offen bleiben.
47 Heidegger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA 38, 157:
»Die Vereinzelung in der Einsamkeit kann in einzigartiger Weise für das
Ganze wirksam sein.«
56 Simone Neuber
48 Heidegger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA 38, 163:
»Jetzt wird deutlich, warum der Charakter des Selbst nicht in der Rückbe
züglichkeit des Ich, des Subjekts, besteht … Wenn wir sagen: Dasein ist je
meines, so kann das nach der grundsätzlichen Sprengung der Ichheit und
Subjektivität nicht mehr bedeuten, dieses Dasein werde in das einzelne Ich
zurückgenommen und von ihm mit Beschlag belegt, sondern »Dasein ist
je meines« besagt eben, dass mein Sein dem Miteinander und Füreinander
übereignet ist.« Die Vorlesung endet mit einem Paragrafen zur Dichtung als
»ursprünglicher Sprache«.
49 Heidegger, Besinnung, GA 66, 156.
Hélder Telo
Who is responsible for das Man?
6 This does not mean that they do not appear to us as being what they are
independently of our will. Yet, it is life’s structure that allows them to appear
as being »in themselves«. Cp. Heidegger, Being and Time, GA 2, 118, where
Heidegger says that this existential referrals are what discloses beings in their
»substanzielles« »An-sich«.
7 We use the word »work« here in the sense of something that is done or
is to be done, and not in the sense of an activity that involves our exertion.
8 So the first order of referential determinations we have considered is
dependent on the determination that comes from the work we have in our
hands.
Who is responsible for ›das Man‹? 61
The others
11 This sharing of the appearing is, however, something that occurs inside
my own sphere, otherwise I would have no idea of it. It is required that in
myself there be something like a giving away (a Weggeben), to use an expres
sion from Heidegger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, 133.
12 Cp. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 161–162, where Heidegger speaks
of a innerweltlich Freigeben (a freeing within the world).
13 The fact that the others are always determined by the for-the-sake-of-
oneself does not involve a negation of the possibility of altruism but, as Heid
egger sometimes stresses, it is in fact what allows us to explain such a possi
bility. The concern with others and even the self-sacrifice are still an answer
to my originary project, a way of determining my existence. Cp. Heidegger,
Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 394; Heidegger, Meta
physische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 172.
14 Heidegger, Heidegger, Der Begriff der Zeit (Vortrag 1924), GA 64, 115.
Who is responsible for ›das Man‹? 63
Das Man
as an independent being in this union«. All these meanings are present when
Heidegger uses the expression in this context.
17 Cp. Heidegger, Prolegomena, GA 20, 336; Heidegger, Sein und Zeit, 168.
18 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 168.
19 Cp. Heidegger, Prolegomena, GA 20, 337.
Who is responsible for ›das Man‹? 65
Now, with all this we start seeing the answer to our question. All
the shine and all the power of das Man comes from Dasein itself and
the need it has of determining its own existence. Otherwise, with
out this need, the way of interpreting that corresponds to das Man
would not be able to seduce us and would have no power over us.
So the ultimate responsible for das Man is Dasein itself, which is
under its dominion. It is Dasein’s existential constitution that makes
this dominion possible.
The falling
Yet, how is that possible? How can Dasein empower das Man, and
then be submitted to it? In order to understand this, we have to
consider what Heidegger calls the falling (Verfallen). The falling is
a movement of Dasein itself. As said previously, the fundamental
concern with its own being, Dasein’s being for-the-sake-of-itself,
makes possible the very complex network of referrals or meanings
that articulate our tasks and determine all beings that appear to us.
But although Dasein’s existence makes all this possible, it is not in
such a way that this existence has a clear view of itself. Dasein loses
sight of this »transcendental act« of making everything possible and
so it seems Dasein has nothing to do with the determinations of the
world.28 Everything seems to be completely independent from Da
sein’s existential disclosure and even the meaning of things (or their
importance) seems to be dependent exclusively on them. Yet this
appearance of independence results from the fact that Dasein does
not confront itself explicitly with the act of deciding the meaning of
to one’s self and to the inner problematicity of one’s existence is what pri
marily constitutes what Heidegger calls authenticity (Eigentlichkeit). When
this happens, however, it does not involve a complete neutralization of das
Man, only of its power over us. Indeed, in such a situation Dasein is still
able to recognize that there are different ways of interpreting (even if Dasein
realizes that it only has a problematic access to them) and the adoption of
them as one’s own is still a temptation – especially considering the hardship
Dasein has to face in being authentic.
28 Indeed, the falling determines the way beings appear to us and also our
ontological conceptions of them. This is why Heidegger establishes a con
nection between the falling and the normal interpretion of being that regards
it as a Vorhandenes.
68 Hélder Telo
life and everything in it. Such a distraction is, then, what allows the
meanings to work on their own and start determining (even domi
nating) the distracted Dasein.29 This is the falling Heidegger is talk
ing about and it is the basis of the everydayness and the absorption
we considered before.
This phenomenon is hard to grasp completely, especially if we
try to determine the extent to which Dasein is responsible for it.
Heidegger says that Dasein flees from itself or escapes itself (that
is, escapes a transparent relation with itself and all the hardship that
would ensue, being aware that itself must determine everything in its
life)30. Such a fleeing or escaping would presuppose a clear notion of
that from which one is escaping – and so Dasein would not be able
to distract itself completely from itself. But if Dasein’s self (and the
global decision of meaning it implies) is not concealed, then there is
no falling. So how are we to understand this ambiguity that seems
to characterize the falling? On the one hand Dasein must move itself
into the falling, the impulse cannot come from the exterior, because
all determination in Dasein’s sphere is ultimately derived from the
self; on the other hand, Dasein must not be fully conscious that this
is happening, so that the required torpor may occur, enabling the
derived determinations to become autonomous and move Dasein
on their own.31
29 The falling does not imply that Dasein stops having a relation with the
totality of its life as such (that is, with the for-the-sake-of-itself and the de
cision of meaning that comes from it) – otherwise Dasein would not be able
to understand the seemingly independent moments of its life and their mean
ings. What happens is that Dasein starts identifying itself with these derived
moments of life, starts reducing itself to them and forgets that its life is larger
than this. Thus the derived moments of meaning become independent and
start seducing and determining Dasein, which no longer has a transparent
relation with its own existence. That is what Heidegger has in view when he
presents the main features of the falling, saying that the being-in-the-world
is in itself tempting, tranquillizing, alienating and entangling. Cp. Heideg
ger, Prolegomena, GA 20, 388–389; Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 235–237.
All these aspects are inseparable and constitute a kind of existential inertia
or, as Heidegger says, a vortex or an eddy (Wirbel), which is not exterior to
Dasein or derived from some being other than Dasein but is the way Dasein
acts or moves, the direction it gives to its own transcendental action.
30 On the notion of »fleeing« or flight (Flucht), cp. for instance Heidegger,
Sein und Zeit, GA 2, 245–252.
31 Perhaps we could venture a solution to this apparent contradiction, saying
that the explicit interpretation Dasein normally has of itself and all beings
Who is responsible for ›das Man‹? 69
(which constitutes a kind of surface of its own being) tends to have no clue
that something like the falling is happening. In the depths of its own being
(that is, in the transcendental actions that constitute existence and its mo
ments), Dasein must always have a contact with existence as such and only
when we presuppose such constant contact can we conceive the falling as an
aversio, a turning away from oneself – something that is possible by the de
velopment of the aforementioned surface, that hides away that which Dasein
in a certain way never forgets.
32 Heidegger sometimes points explicitly to this action of Dasein which em
powers das Man. Cp. for instance Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 173 and
490, where Heideggers uses expressions like »to cut oneself off from oneself«
and »to choose das Man as one’s ›hero‹.«
Jan Puc
Das Selbstsein
Eine Kritik von Heideggers Begriff
der eigentlichen Existenz1
1.
2.
Verflechtung mit der Welt kann aber nicht mehr gewonnen werden
als die schlichte Identität des Menschen und seiner Möglichkeiten.
Dagegen wird der Mensch erst durch das Phänomen des Selbstseins,
anhand dessen sich sein Selbstbezug herausbildet, vollständig be
stimmt. Die Identität als Selbstbezug ist aber nicht mit der schlich
ten Identität von Dasein und Möglichkeit identisch. Die schlichte
Identität genügt zur Definition des Menschen nicht mehr.
Welche Konsequenzen für das menschliche Selbstverständnis hat
jedoch der von Heidegger beschriebene Prozess der Selbstwerdung?
Die Antwort darauf verbirgt sich in der Unterscheidung der zwei
Identitätstypen, die dem Menschen eigen sind. Ein entschlossener
Mensch erhält den Bezug zur Last des Daseins dadurch aufrecht,
dass er sie in ihrer doppelten Gestalt übernimmt: erstens in der Not
wendigkeit, das Andrängen konkreter Möglichkeiten zu meistern
und zweitens im Aufgeben mancher seiner Möglichkeiten durch
die Wahl anderer. Beides weist in dieselbe Richtung – es stellt die
schlichte Identität mit diesen einen oder mit jenen anderen Lebens
möglichkeiten in Frage. Das Selbstverständnis der entschlossenen
Existenz spiegelt gerade die Unterbrechung der schlichten Identität
wider. Die Distanznahme zu Möglichkeiten entsteht gerade durch
das Bewusstsein davon, dass ein Selbstsein in keiner Möglicheit be
steht, die ein Mensch sein könnte. Das Übernehmen der Last des
Daseins ist zwar notwendigerweise mit einer Möglichkeit-Werdung
verbunden, mit einer Konkretisierung des Möglichseins. Aber auch
wenn der Mensch nicht er selbst sein kann, ohne eine Möglichkeit
zu werden, identifiziert er sich doch selbst mit keiner seiner Mög
lichkeiten. Er ist entschlossen, nur weil ihm seine Differenz zu der
Möglichkeit, die er ist, klar ist, das heißt die Unverhältnismäßigkeit
der schlichten Identität für die Abgrenzung des menschlichen Seins.
Ein entschlossener Mensch ist nicht er selbst um einer seiner Mög
lichkeiten willen, sondern weil er sich als derjenige erfährt, der die
Last annimmt. Keine Lebensmöglichkeit ist also für die Umgren
zung seiner Identität ausreichend. Wie gänzlich und intensiv er auch
eine bestimmte Möglichkeit zu sein versucht, er findet sich selbst
darin faktisch nicht und umgekehrt verliert sich selbst mit ihrem
eventuellen Verlust auch nicht. Für sein Selbstverständnis ist auch
typisch, dass kein Lebensweg mehr sein ›eigener‹ ist als ein anderer,
denn gerade der Zug des ›Meines-seins‹ ist vom Übernehmen der
doppelten Last des Daseins, also von einer gewissen Handlung dem
Lebensweg gegenüber abhängig. Deshalb bindet sich der Entschlos
Das Selbstsein 77
3.
Es gibt faktisch ein Phänomen, das das Selbstsein anders denn als
ein Übernehmen der Last des Daseins enthüllt. Es ist nämlich das
Finden der bedeutenden Möglichkeit, die ich bin, das Enthüllen der
Möglichkeit, in der ich mich selbst finde. Mich selbst zu finden be
deutet, mich in meinen Möglichkeiten zu orientieren, festzustellen,
welche tatsächlich meine ist und welche zu mir nicht passt, auch
wenn ich sie ebenfalls sein könnte. Der unterschiedliche Wert der
Möglichkeiten lässt sich nicht bestreiten und gerade das Suchen, Fin
den, Annehmen und Ablehnen verschiedener Möglichkeiten gehö
ren zu den Grundmodi, anhand deren ich Möglichkeiten unter
schiedliche Werte zuschreiben kann. Zur Orientierung in der Welt
gehört das Suchen des eigenen Platzes, wie auch der Lebensmöglich
keiten – seien es wichtige Lebensrollen, seien es Tätigkeiten, die wir
mit großen Emotionen erleben, oder seien es unsere ganz unauffäli
gen Gewohnheiten –, die uns faktisch erfüllen oder erfüllen werden.
Die Möglichkeit, die ich zur Bestimmung meiner Identität für un
entbehrlich halte, gründet sich nicht auf die für den entschlossenen
Lebensstil typische Distanz zu Möglichkeiten. In einer für mich we
sentliche Möglichkeit bin ich ich selbst nicht aufgrund des Überneh
mens der Last des Daseins, sondern dadurch, dass ich mich mit einer
bestimmten Möglichkeit identifiziere und mit einer anderen nicht.
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die wir nur im geringen Maße
sind, denn wir gestatten ihnen nicht – aus welchen Gründen auch
immer – uns zu bestimmen, sondern bleiben auf Distanz. Im Gegen
78 Jan Puc
satz zur Vielheit der Möglichkeiten, die wir sind und von denen wir
trotzdem nicht sagen würden, sie seien tatsächlich unsere, gibt es nur
wenige, die wir zur Abgrenzung unserer Individualität für unent
behrlich halten. Die Wichtigkeit einer solchen Möglichkeit besteht
gerade darin, dass ihr der Mensch seine Identität überlassen kann.
Aber was bedeutet das, sich einer Möglichkeit zu überlassen? Jede
Möglichkeit, obwohl sie unsere oder für uns ist, stellt eine eigen
artige Kraft dar. Jede Verwirklichung der Möglichkeit fordert not
wendig Respekt für die Bezüge, die sie ausmachen. Das Sichunter
werfen unter diese Bezüge ist notwendige Bedingung für jedwede
Tätigkeit, unabhängig davon, ob die Möglichkeit selbst ein Mittel
für weitere Möglichkeiten ist, oder nicht. Dieser Verzicht auf eine
Distanznahme gegenüber den Bewegungen, den Bezügen oder den
Kräften, die eine bestimmte Möglichkeit konstituieren, macht die
gesuchte Erfahrung des Sichüberlassens aus. Für ein besseres Ver
ständnis davon, worin diese Identität des Menschen besteht, müssen
die sie formenden Wirkbezüge erforscht werden.
Erstens kann die Frage gestellt werden: Wenn für das Sich-einer-
bestimmten-Möglichkeit-überlassen ein Sich-ihr-unterwerfen not
wendig ist, ist damit gemeint, dass ich im Bezug zu ihr passiv bleibe,
während diese Möglichkeit aktiv auf mich wirkt? Für das beschrie
bene Phänomen ist tatsächlich die Verminderung des eigenen Wil
lens wesentlich, der einen solchen Augenblick nicht als ein Mittel
zu einem anderen Zweck betrachten und sich auf diese Weise damit
abfinden kann. Sich selbst in einer bestimmten Möglichkeit zu fin
den, bedeutet ihre ganze Struktur samt ihren inneren Bezügen als
eigene zu entdecken, nicht aber, sie zum Entdecken von sich selbst
zu gebrauchen. ›Ich habe mich in ihr entdeckt‹ lässt sich dann sa
gen, oder sogar: ›Dank ihrer habe ich entdeckt, wer ich eigentlich
bin.‹ Die Tätigkeit als solche verliert dadurch sicherlich nicht an
Nützlichkeit und an Zweckmäßigkeit, aber mein Selbstentdecken
geschieht nicht dank ihrer Einordnung in die Zweckstrukturen, son
dern dank meiner Unterwerfung unter die Struktur der Tätigkeit. In
dieser Hinsicht bin ich tatsächlich nicht aktiv. Die in sich bestimmte
Tätigkeit regt mich an, ihr zufolge zu handeln, und wenn diese An
regung nicht mit einer Schicht ihr äußerlicher Zwecke überdeckt ist,
trete ich eher auf als jemand, der sich von dieser Tätigkeit bestimmen
lässt, denn als jemand, der sie bestimmt.
Die Erfahrung der Passivität, die darin liegt, stellt jedoch nur die
eine Hälfte des beschriebenen Phänomens dar. Sein anderer kons
Das Selbstsein 79
titutiver Zug ist der Akt des Sichüberlassens. Gerade mein eigenes
Handeln gegenüber dieser Möglichkeit zeigt mich selbst als einen
aktiven Bestandteil der Situation. Diese Aktivität besteht in der An
lehnung an die konkrete Struktur der Möglichkeit, die nicht durch
die Wahl geschieht – ich wähle nicht, in welcher Möglichkeit ich
mich befinden werde –, sondern in der Fähigkeit, sie durch die ei
gene Aufmerksamkeit und durch das Interesse an ihr zu entdecken.
Die Struktur der Tätigkeit ist kein gleichgültiges, unbestimmtes Wir
ken, das wir durch unseren eigenen Akt übernehmen und formen
und ihm so durch die Einordnung in unser Leben einen Sinn gäben.
Die Tätigkeit, der wir uns überlassen, ist bereits an sich sinnvoll, aber
durch unser Interesse entdecken wir ihre tieferen Strukturen, ihr ei
genes Agieren. Falls sich der Mensch in einer seiner Möglichkeiten
findet, gehört es deshalb zu dieser Erfahrung, zu lernen, diese Tätig
keit als seine eigene anzunehmen und in dieser er selbst zu sein. Ge
rade dieses Entdecken des zuvor verhüllten Wirkens, das Erlernen
des Selbstseins durch das Meistern der Tätigkeit und das Interesse
oder die Aufmerksamkeit, die jemand dieser widmet, sind Aktivitä
ten, durch die er sich einer bestimmten Tätigkeit überlässt. In jeder
von diesen Aktivitäten wird er von der Struktur der Tätigkeit selbst
geleitet und dennoch ist er in keiner dieser Aktivitäten passiv. Das
Sichüberlassen an eine Möglichkeit ist als ein wechselseitiges Wirken
zu verstehen: Das Interesse gegenüber der eigenen Tätigkeit enthüllt
ihre Struktur und die Struktur dieser Tätigkeit bestimmt ihrerseits
die konkrete Handlung des Menschen und erfüllt seine Identität.
Ähnlich wie bei der Entschlossenheit beruht die Individualität
auch im Falle des hier untersuchten Selbstseinsmodus auf der Un
verwechselbarkeit. Diese Unverwechselbarkeit erhält sich als ein
lebendiger Bezug zwischen jener privilegierten Möglichkeit auf
recht, die die Identität des Menschen erfüllt, und dem Menschen, der
sich von eben dieser Möglichkeit angesprochen derselben überlässt.
Durch seinen Akt wird er sich sowohl der Unverwechselbarkeit
dieser Möglichkeit als auch der Unverwechselbarkeit seines eige
nen Platzes bewusst, den er dank ihrer unter verschiedenen anderen
Möglichkeiten gewonnen hat.
Da ein solches Selbstsein nicht unter den Begriff der Entschlos
senheit fällt, muss es vom Standpunkt der Philosophie Heideggers
als eine bloß ontische Möglichkeit des Menschen, als eine schlichte
Identifizierung mit einer von seinen Möglichkeiten erscheinen. Die
beschriebene Wechselseitigkeit zeigt allerdings, dass die Erfüllung
80 Jan Puc
d’hiver 1925/1926, Logik. Die Frage nach der Wahrheit – plus pré
cisément dans un développement qui fait figure d’ébauche littérale
du § 9 de Sein und Zeit –, fait d’elle un motif central d’une hermé
neutique de la facticité commuée en analytique existentiale et dans
laquelle, couplée à l’Uneigentlichkeit, l’Eigentlichkeit est présentée
comme l’une des « possibilités fondamentales de l’être du Dasein ».5
Or cette possibilité, l’étant que je suis ne la saisit jamais d’emblée
pour Heidegger, voire ne la saisit jamais vraiment. De prime abord
et le plus souvent, le Dasein n’est pas maître de lui-même, puisqu’il
n’est pas même celui qu’il est. Le « On (Man) » l’est, lui6, et il est
lui, incapable d’exister de sa propre autorité tel un ‹ auteur respon
sable › – ce que signifie proprement en grec αυθέντησ, dérivé d’αὐτός
et duquel dérive αυθέντικος. D’où notre embarras. Car le problème
est, d’un côté, de traduction : comment rendre ‹ Eigentlichkeit › dans
notre langue quand Heidegger interdit de le faire par ‹ authenticité ›
(Echtheit)? Mais il est, de l’autre, d’interprétation : comment com
prendre l’Eigentlichkeit comme un possible quand Heidegger dé
crit son contraire comme nécessaire? Et inutile de préciser que tout
est lié : pour interpréter, il faut traduire, et pour traduire interpréter.
Du texte au mot
5 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 228. Formule
quasi identique en 1927 : « les possibilités fondamentales de l’existence » –
Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 403.
6 Voir Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 172 : « De prime abord, ‹ je › ne ‹ suis ›
pas au sens du Soi-même propre, mais je suis les autres selon la guise du
On. C’est à partir de celui-ci et comme celui-ci que, de prime abord, je suis
‹ donné › à moi-‹ même ›. Le Dasein est de prime abord On et le plus souvent,
il demeure tel ». Le point est acquis dès 1922 : « C’est le ‹ on › qui en fait vit
la vie de l’individu » – Heidegger, Anzeige der hermeneutischen Situation,
GA 62, 358.
7 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 56.
L’impropriété de l’authenticité 85
rapport à mon être – soit mon ipséité14. Si mon être est dès lors l’en
jeu du fait que je me mette en jeu, puisque je m’y mets en personne,
je ne peux le faire semble-t-il que comme un je. Dans ces conditions,
le Dasein s’écrit au singulier et appelle la première personne. Il faut
donc affirmer avec Didier Franck que « la mienneté est le rapport du
Dasein à son être qui rend possible le pronom Je. Le Je dérive de la
mienneté et non la mienneté du Je, le même du moi-même précède
le moi »15, et ajouter avec Jean-Luc Marion que « si le Soi ne déter
minait pas le Je, aucun étant ne serait tel qu’il puisse se mettre en
lui-même en jeu dans son être même – précisément parce qu’aucun
même ne serait alors accessible ».16 S’ensuit que plus profond que le
moi se tient le soi, celui-là n’étant que le dérivé de celui-ci et celui-ci
pouvant sans doute déterminer celui-là de deux manières distinctes.
De fait comme en droit, poser qu’il m’appartient de m’appartenir,
n’est-ce pas supposer que je puis être mon être comme ne l’être pas?
Heidegger ne le fait pas seulement entendre : il l’affirme en vérité.
Dans la mesure où la possibilité, « comme existential », est « la déter
minité ontologique positive la plus originaire et ultime du Dasein »17,
selon lui, cet étant porte en lui « une possibilité de lui-même d’être
lui-même ou de ne pas être lui-même »18, si bien qu’il « peut se ‹ choi
sir › lui-même en son être, se gagner, ou bien se perdre ».19 À partir
de l’hiver 1925, Heidegger parle d’Eigentlichkeit pour désigner ce
gain, d’Uneigentlichkeit pour indiquer cette perte, et précise que
ces « deux modes » d’être « se fondent dans le fait que le Dasein est
absolument mien ».20 Parce que celui-ci « a d’une certaine manière
en main son propre être »21, lui est propre cette propriété d’être ou
non en propre, de s’assumer ou de s’esquiver, de coïncider avec son
être ou de le manquer. Si chacun peut être un Dasein, il n’y a donc
que moi qui puisse être un Dasein pour moi. C’est pourquoi le pro
blème n’est pas de savoir si, ontiquement, le Dasein c’est moi, mais
de savoir si, ontologiquement, je suis suffisamment moi pour être
sur le mode du Dasein adéquat.22 Or la chose n’est pas aussi simple
que l’on croit, tant le Dasein ne prête généralement pas attention à
l’être qu’il est, pour cette raison même qu’il l’est. Il en résulte qu’il
ne se tient d’ordinaire ni sur un mode, ni sur l’autre, mais dans une
« remarquable indifférence (merkwürdige Indifferenz) »23, en vertu
de laquelle il n’est ni tout à fait lui-même, ni tout à fait un autre. Voilà
en définitive un troisième régime d’être24, et non le moindre puisque
le premier dans les faits. Occupé par ce qu’il fait au quotidien, le
Dasein ne se soucie pas de lui et, par suite, ne prend pas part à cette
‹ partie › qu’il doit jouer : son existence.25 Bien qu’il soit sa possibilité,
au lieu de décider de son être, il se laisse être, porté « par le monde
où il est » et emporté par « l’impulsion à vivre ».26 D’où suit le « ni
vellement des possibilités » qui sont les siennes « à la mesure de ce
qui est de prime abord disponible » et, pis, l’« aveuglement du pos
sible comme tel », tant il « se satisfait auprès du simplement ‹ réel › ».27
« Faire et, en faisant, se faire » a beau dire Jules Lequier avant Sartre :
pour le Dasein qui, ce faisant, se fait le sujet qu’il n’est pas, cela ne
vaut pas. En raison de « son identification préoccupée (besorgendes
Aufgehen) »28 aux étants avec lesquels il a affaire, dans son auto-ex
plicitation quotidienne, le Dasein ne se voit que dans leur reflet et se
mécomprend essentiellement.29 Faudrait-il parler d’inauthenticité?
Du mot au texte
parce que, comme le dira Levinas, « on n’est pas, on s’est ».43 Bien
sûr, être à soi, au sens d’être à chaque fois sien, n’est pas encore
être soi. Mais justement : lorsqu’il manque à lui-même, c’est bien
toujours comme Dasein que le Dasein se manque. C’est dire que
l’Uneigentlichkeit prend appui sur son autre pour se déployer. En
d’autres termes, « l’Uneigentlichkeit a une possible Eigentlichkeit
à son fondement. L’Uneigentlichkeit caractérise un mode d’être
où le Dasein peut se placer et s’est aussi le plus souvent toujours
déjà placé, mais où il ne doit pas nécessairement et constamment
se placer. Parce que le Dasein existe, il se détermine à chaque fois
en tant qu’étant comme il est à partir d’une possibilité qu’il est ».44
Ainsi, l’Eigentlichkeit s’avère la ratio essendi de l’Uneigentlichkeit
et celle-ci la ratio cognoscendi de celle-là. L’Eigentlichkeit rend
compte de l’Uneigentlichkeit, mais ne peut être trouvée qu’à partir
d’elle. Écoutons Michel Haar, à qui nous n’en voudrons pas de parler
d’authenticité tant il clarifie la question :
rien d’autre que ce qui s’y joue et ce qui s’y décide »46 écrit Jean-Luc
Nancy à grand renfort de guillemets. Conséquence : le soi-même
approprié constitue « une modification existentielle du On comme
existential essentiel »47 qui, réciproquement, apparaît comme « une
modification existentielle »48 de lui. Autant dire que le On et le soi-
même ne s’opposent pas diamétralement. Il n’y a entre eux aucune
incompatibilité : c’est la continuité, la complémentarité, sinon la so
lidarité qui domine, dans la mesure où il peut y avoir « modifica
tion, mais pas suppression totale »49 de l’un par l’autre. Bref, ceux-ci
vont de pair, et s’ils peuvent se modifier l’un l’autre en se commuant
l’un en l’autre, leur changement n’affecte pas fondamentalement le
Dasein, vu qu’il en porte intrinsèquement la possibilité – et sans
doute aussi la responsabilité.50 Conséquence de la conséquence :
l’Eigentlichkeit n’étant, « existentialement », qu’une « saisie modi
fiée (modifiziertes Ergreifen) »51 de l’Uneigentlichkeit, autrement
dit une appréhension corrigée du rapport de soi à soi, elle ne pourra
manifestement pas résider dans le renversement pur et simple du
mouvement quotidien qui, de l’identification au monde, mène di
rectement au On. Le Dasein ne semble pas invité par Heidegger à
trouver son être propre contre ce qu’il vit de prime abord et le plus
souvent. Même si le maniement ordinaire des étants intramondains
œuvre, il est vrai, à son détournement, il ne s’agit pas pour lui de
rompre avec ce qu’il fait habituellement. L’Eigentlichkeit ne peut
faire sans la quotidienneté, car celle-ci « détermine le Dasein même
lorsqu’il ne s’est pas choisi le On pour ‹ héros › ».52 Dans ces condi
tions, demandons-nous avec Peter Sloterdijk « qui montre qu’il est
‹ lui-même › ou seulement On? », puisque l’auteur de Sein und Zeit
« sait mettre à la torture et – disons-le honnêtement – à la torture
d’une ‹ platitude des profondeurs › manifeste, le lecteur qui attend
l’‹ authentique › avec impatience ».53
C’est dans la deuxième section de l’opus magnum que la réponse
est donnée, réponse que nous nous bornerons à rappeler : incarne
l’Eigentlichkeit le « Dasein résolu (entschlossene Dasein) »54 qui,
rappelé à lui-même par l’appel de la conscience, s’ouvre aux pos
sibilités qui sont les siennes en les saisissant personnellement pour
en faire la « situation (Situation) »55 qu’il veut proprement exister.
Si le Dasein sous la figure du On subit, le Dasein sous la figure du
soi-même choisit. L’accès à soi-même passe ainsi par le retour à soi
dans la « re-saisie d’un choix (Nachholen einer Wahl) ».56 Or, si nous
avons la possibilité de nous ouvrir ou non au champ des possibles,
comme celle de décider ou non des possibilités à saisir, en somme
si nous sommes libres d’être libres ou de ne l’être pas, l’essentiel
n’est pas de décider ceci plutôt que cela, mais de décider de décider,
de se décider à la décision, de s’engager du côté de l’option contre
la résignation. « C’est dans le choix du choix que le Dasein se rend
pour la première fois possible son pouvoir-être approprié »57 affirme
Heidegger qui, par là, n’a nul besoin d’en dire plus sur l’Eigentlich
keit. Nous qui, à chaque début d’année, prenons des résolutions le
savons bien : dans la résolution, l’important n’est pas ce que nous
voulons, mais le fait que nous nous voulions vouloir. Alors que, dans
la préoccupation, le Dasein décide des étants du monde, dans la ré
solution, le Dasein décide de soi, donc du soi. Le rapport de soi à soi,
l’existence stricto sensu, est par là même « en tant que telle décision
d’existence », « décision d’exister (et / ou de ne pas exister), et donc
de décider (et / ou de ne pas décider) », et Jean-Luc Nancy d’ajouter :
« en (se) décidant, le Dasein s’ouvre ses propres possibilités – mais
il ne les ouvre, et il ne s’y ouvre, que moyennant cette possibilité
donc aussi bien de n’être pas ce qu’il est, et « c’est seulement parce
qu’[…] il est ce qu’il sera ou ne sera pas, qu’il peut se dire à lui-même
compréhensivement : ‹ Deviens ce que tu es! › ».74 La paradoxale for
mule de Pindare reprise par Heidegger prend ici toute sa dimension.
Mais gardons-nous bien, alors que la définition de l’Eigentlichkeit
est claire et clairement ontologique – « l’Eigentlichkeit doit être en
tendue ici au sens littéral de se posséder en propre en étant auprès de
soi-même (Bei-sich-selbst-sich-zu-eigen-haben) »75 –, de vouloir en
offrir une description ontique. Tous ceux qui s’y sont essayés l’ont
fait en recourant à des motifs – la liberté, l’engagement, la responsa
bilité … – qui peuvent être qualifiés d’existentialistes. Gageons donc
que, à Marbourg comme ailleurs, Heidegger ne s’y refuse pas sans
raison, la première étant sans doute que s’y employer n’est peut-être
rien d’autre que faire preuve d’inauthenticité.
74 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 193–194. Voir Pindare, Pyhtiques, II, 72.
75 Heidegger, Prolegomena, GA 20, 390.
Marco Casu
Heideggers Hermeneutik des Geredes
tion der ἀδολεσχία , die Heidegger später aus den Charaktern des
Theophrastus aufnimmt, genauer aus dem dritten Charakter, jenem
des Schwätzers, wo es heißt: »Er setzt sich zu einem hin, den er gar
nicht kennt [so in der Eisenbahn oder sonstwo], und erzählt ihm
eine lange Lobrede auf seine eigene Frau, oder er erzählt ihm, was
er heute Nacht geträumt hat, oder er geht im einzelnen durch, was
es heute Mittag gegeben. Wenn das so weitergeht, wenn der Andere
noch weiter zuhört, sagt er, daß die Menschen heute viel schlechter
sind als früher und daß der Weizen auf dem Markt teurer geworden
sei, daß heute viele Fremde in der Stadt seien, daß seit den Diony
sien das Meer wieder schiffbar sei [lauter Selbstverständlichkeiten]
und daß, wenn Zeus es mehr regnen ließe, es besser werden würde,
was er nächstes Jahr ernten werde, und wie überhaupt das Leben
schwer sei«.7
Diese antike Darstellung scheint auch heutzutage als Grundlage
für eine gute Definition des Geredes dienen zu können. Doch diese
Definition ist – genau wie jede andere – ihrerseits nur ›Gerede‹, wenn
sie ein wahres, ein umfassendes Verständnis des Phänomens ver
deckt. Es gibt mindestens eine weitere Bedeutung des Begriffes Ge
rede, denn wenn Heidegger die Philosophie von Sokrates, Platon
und Aristoteles unter dem Titel »Kampf gegen das Gerede« zusam
menfasst, meint er nicht bloß die Dummheit der Menschen in ihrem
Alltag: »So bewegt sich das alltägliche Dasein in einer doppelten Ver
decktheit: zunächst in der bloßen Unkenntnis, sodann aber in einer
viel gefährlicheren Verdecktheit, insofern das Entdeckte durch das
Gerede zur Unwahrheit wird. Mit Bezug auf diese doppelte Ver
decktheit ist eine Philosophie vor die Aufgabe gestellt, einmal posi
tiv erstmalig zu den Sachen vorzubrechen, zum anderen gleichzeitig
den Kampf gegen das Gerede aufzunehmen. Beide Tendenzen sind
die eigentlichen Antriebe der geistigen Arbeit des Sokrates, Platos
und Aristoteles’. Ihr Kampf gegen Rhetorik und Sophistik ist das
Zeugnis dafür«.8
Das Gerede zeigt also nicht – oder zumindest nicht nur – die
Selbstverständlichkeiten des oben beschriebenen Schwätzers, also
nicht nur die ›Un-rede‹, nicht nur das ›Geschwätz‹ der Kneipe oder
der beim Friseur gelesenen Boulevardpresse, sondern auch eine ge
fährlichere Art der ›Rede‹: jene der Universitätsvorlesung oder des
heißt: Sie bedeutet.16 Das Bedeutete, also das Beredete, das Worüber
der Rede, kann nicht bloß transitiv gesagt werden. Das Beredete
liegt nicht im Geredeten als ›Gehalt‹, weil es nie ›an-sich‹, sondern
jeweils nur ›irgendwie‹ gezeigt werden kann. Zwischen dem Gerede
ten und dem Beredeten gibt es also etwas: kein eigentliches ›Etwas‹,
aber auch kein ›Nichts‹, sondern ein ›Wie‹. Dieses Wie, das Wie des
Vollzugs, wird aber zunächst und zumeist bei wissenschaftlichen
Aussagen und so auch beim alltäglichen Gerede nicht in Betracht
gezogen. Was verdeckt wird, ist die Tatsache, dass das Beredete nur
entdeckt wird, indem es zugleich teilweise verdeckt ist, also das Fak
tum, dass jede Rede ursprünglich eine ›Rede-Wendung‹ ist. Gerade
eine solche, häufig verwendete Redewendung, ein berühmtes chi
nesisches Sprichwort nämlich, kann diese Verdeckung des ›Wie‹ des
Redens illustrieren: »Wenn der Weise auf den Mond zeigt, schaut
der Dumme auf den Finger.« Der Dumme achtet lediglich darauf,
was aufzeigt und nicht darauf, was aufgezeigt wird; er versteht das
deiktische Moment der Aussage nicht. Ebenso versteht das Dasein
die ›Verweisung‹ der Bedeutung, das heißt die Bedeutsamkeit und
demzufolge die Geschichtlichkeit sowohl eines Wortes als auch einer
Rede – wie der Rede, die in jedem Wort enthalten ist – nicht, indem
es sich im Gerede hält. Auf jeden Fall wendet man sich – so Heid
egger – im Gerede nicht jenem zu, was gezeigt oder be-deutet wird.
Man beachtet nicht das ›Be-redete‹, den Mond, sondern zunächst
und zumeist nur jenes, was zeigt oder be-deutet, das ›Geredete‹, also
die Hand. Während der alltägliche Gebrauch der Sprache nur auf
die Hand achtet, die aufzeigt, macht ihr theoretischer Gebrauch den
entgegengesetzten Fehler: Er beachtet nur den Mond, und somit
nur den Gehalt der Anzeige, besser gesagt der ›Aussage‹, also nur
das, was vor der Hand steht. Beide Einstellungen, missverstehen das
Wesen der Sprache, weil sie es in einem dinglichen Sinne betrachten.
Sie halten für ›Wesen‹ das, was nach Heidegger in einem modalen
Sinne als ›wesen‹ – und damit als Verb, als tätige Bewegung – schon
definierbar, wenn auch noch nicht definiert ist.
Bei der Auseinandersetzung mit den Begriffen von ›Gerede‹ und
›Aussage‹ versucht sich Heidegger an der schweren Aufgabe, jenes,
was zeigt und das, was gezeigt wird, begrifflich zusammen zu brin
gen. Er versucht, das Faktum formal anzuzeigen, dass das Zeigen
selbst, also das Reden, beide Momente – jenen des Zeigens und jenen
des gezeigt Werdens – vereint und ›sammelt‹. Das Reden bringt also
Finger und Mond, ›Geredetes‹ und ›Beredetes‹, zusammen, vereint
dabei aber nicht ein für alle mal, sondern jedes Mal nur ›irgendwie‹.
Als Modi der Ausgesprochenheit der Rede befinden sich beide, ›Ge
rede‹ und ›Aussage‹, in einem gewissem Verhältnis zur Rede selbst,
die das »existenzial-ontologische Fundament«17 der Sprache ist, je
doch auf verschiedene Weise. Das Wort ›Gerede‹ selbst zeigt bereits
diese wesentliche Verbindung auf: Heidegger wählt ›Gerede‹ (und
nicht beispielsweise ›Geschwätz‹), um das Ge-rede auf die Rede zu
rückführen zu können. Oder eigentlich umgekehrt (es ist aber in
der Tat dasselbe): um die Rede selbst auf das Gerede zurückführen
zu können. Während die Aussage als »abkünftiger Modus der Aus
legung« und damit der Rede zu verstehen ist, ist jeder eigentliche
Redevollzug erst durch das Gerede ermöglicht. Der Hauptgrund,
weshalb die Sophistik beziehungsweise jeder Kenntnisverkauf im
mer noch in der Zeitungsbranche und auf Kongressen wächst und
gedeiht, ist die Grundannahme, das alltägliche Gerede – so wie bei
spielsweise auch die Dichtung – sei nur Geschwätz, etwas nutzloses;
etwas, das echter Kenntnis entbehrt. Und dies ist gerade der ent
scheidende Punkt: Was Heidegger verweigert und nicht akzeptiert,
ist eben diese scharfe Trennung zwischen begründeter ›Rede‹ und
einer unbegründeten ›Un-rede‹ der Alltäglichkeit oder der Dich
tung, also die Trennung zwischen so genannter ›Kenntnis‹ und ›Un
kenntnis‹. Schon immer, so Heidegger, ist da ein Verständnis, das
zunächst im alltäglichen ›Gerede‹ verortet ist. In der Tat: Es »be
deutet terminologisch ein positives Phänomen, das die Seinsart des
Verstehens und Auslegens des alltäglichen Daseins konstituiert. Die
Rede spricht sich zumeist aus und hat sich schon immer ausgespro
chen. Sie ist Sprache. Im Ausgesprochenen liegen aber dann je schon
Verständnis und Auslegung […]. Es ist nicht so, daß je ein Dasein
unberührt und unverführt durch diese Ausgelegtheit vor das freie
Land einer ›Welt‹ an sich gestellt würde, um nur zu schauen, was
ihm begegnet«.18
Jeder Redevollzug zeigt ein irgendwie geartetes Verhältnis zu den
vorherigen Redevollzügen. Macht man sich das klar, verliert die Aus
sage ihre Objektivität und somit den Grund ihrer Autorität: Jede
Rede entstammt einem ›Geredeten‹ und nicht einer noetischen und
selbst«.33 Die Stimme des Volkes, das Gerede braucht jemanden, der
seine Ausgelegtheit auslegt oder vollzieht. Wie die stumme, tote
Sprache durch Heideggers Stimme im Unterricht zu neuem Leben
erweckt wurde – Heideggers Marburger Studenten bekunden dies
noch Jahre später begeistert und beeindruckt – ist jedes Gerede, also
jede »alltägliche Ausgelegtheit«, in die das Dasein zunächst hinein
wächst, auf ihre Auslegung angewiesen: »In ihr [Ausgelegtheit] und
aus ihr und gegen sie vollzieht sich alles echte Verstehen, Auslegen
und Mitteilen, Wiederentdecken und neu Zueignen«.34
Auslegung vollzieht sich im, aus und gegen das Gerede – also
nicht nur ›gegen‹ es. Heideggers Diskurs ist demnach kein Kampf
gegen das Gerede, oder zumindest ist er es nicht ausschließlich. Sein
Kampf ist vielmehr eine Hermeneutik, die dem Gerede, der mensch
lichen Faktizität entstammt und zu ihm und ihr zurückkehrt: Weder
ist die Verfallenheit des Daseins ein »Fall« aus einem reineren und
höheren »Urstand«, noch ist die »eigentliche Existenz« des Men
schen etwas, was über der verfallenden Alltäglichkeit schwebt – viel
mehr ist sie existential und nur ein »modifiziertes Ergreifen« dersel
ben.35 Die Rede selbst muss daher als ein »modifiziertes Ergreifen«
des Geredes gelesen werden: Dieses existenzial-ontologische Fun
dament, in dem sich »die volle, durch Verstehen, Befindlichkeit und
Verfallen konstituierte Erschlossenheit des Da« artikuliert, die Rede
selbst also, ist letztlich kein fester Grund, keine letzte Begründung.36
Die Rede gründet sich selbst im alltäglichen Gerede. Weil es keine
objektive, un-sprachliche und also un-bedeutende Erfahrungs-Mög
lichkeit gibt, ist eigentlich jede Wieder-Entdeckung nur aufgrund
einer schicksalhaften Verdeckung und jede Erfahrung nur vom
Hörensagen her ursprünglich möglich. Die Verdeckung ursprüng
licher Bedeutungen ist dabei keine »schlechte und beklagenswerte
ontische Eigenschaft, die vielleicht in fortgeschrittenen Stadien der
Menschheitskultur beseitigt werden könnte«37 und es bedarf keiner
»moralisierenden Kritik«.
Die Verdeckung ist unausweichlich und notwendig, weil gerade
darin die menschliche Faktizität, die menschliche Endlichkeit be
steht: Erfahrung, ›Ver-fall‹ auf jeden Fall, ist immer faktisch. Es gibt
aber zwei Weisen, dieser Notwendigkeit zu begegnen: Die Faktizität
kann anerkannt werden oder nicht. Sie wird nicht anerkannt, indem
der Bezug zwischen Geredetem und Beredetem als ›sicher‹ angese
hen wird und so das Wie des Redevollzuges nicht ins Auge gefasst,
geschweige denn in Frage gestellt wird. Gerade als besonders objek
tiv geltende Aussagen stehen in der Gefahr einer solchen Täuschung:
Die Geschichtsschreibung, die jeden Tag, jeden Moment durch Zei
tungsartikel und andere Medienbeiträge erweitert wird, beschreibt
nicht bloß Tatsachen, vielmehr schreibt sie Erfahrungsmöglichkei
ten vor, zunächst und zumeist in der Weise der Verdeckung; dies
geschieht, gerade weil die Mitteilung zunächst und zumeist als ein
bloßes Geben und Bekommen von immer neuen Informationen er
scheint. Der Anschein eines harmlosen Informationsaustausches
beruht nicht zuletzt auf der Art des journalistischen ›Sprechens‹:
Weil die Informationen, also der Gegenstand des jeweils Gerede
ten, in der Weise des Zuhandenen dargestellt werden, fällt es leicht,
zu denken, das ›Subjekt‹ könne sie hören, halten und benutzen, es
könne also, anstatt zugleich transformiert und somit potenziell do
miniert zu werden, nur informiert werden. Aus dem Begriff des
›Hörens‹ lassen sich Worte wie gehorchen, hörig oder gehören ab
leiten. Sie zeigen deutlich die wesentlich unfreie Position desjenigen,
der hört, auf. Jede »moralisierende Kritik« sieht die Unfreiheit der
Masse im Alltag und fordert eine Befreiung in der Zukunft oder in
der Innerlichkeit des Subjektes. So werden Freiheit und Unfreiheit,
Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit, Rede und Gerede noch einmal
schicksalhaft getrennt.
Heideggers Weg ist ein anderer.
Charlotte Gauvry
« En tant que herméneutique »
et « en tant que apophantique »
La lecture herméneutique du logos de 1925–1926
maines objectifs […] ne sont rien d’autre que les domaines de validité ou de
« souveraineté logique » de certaines catégories déterminées », 74.
14 Dewalque, Objectualité et domaine de validité, 68. Voir Emil Lask, Die
Logik der Philosophie und die Kategorienlehre. Eine Studie über den Herr
schaftsbereich der logischen Form, in Gesammelte Schriften, (GS par la suite),
Band II, Tübingen 1923 ; trad. fr. par J.-F. Courtine, M. de Launay, D. Pra
delle et Ph. Quesne, La logique de la philosophie et la doctrine des catégories,
Paris 2002.
15 Wilhelm Windelband, Von System der Kategorien, Tübingen, Freiburg /
Leipzig 1900.
16 Eduard von Hartmann, Kategorienlehre, Leipzig 1896.
17 Heidegger, Frühe Schriften, GA 1, 288.
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 119
30 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 24: « Die Grund
frage der Logik die Dimension des philosophischen Fragens noch nicht er
reicht hat ».
31 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128.
32 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 130.
33 Pour cette citation et la suivante, Heidegger, Logik. Die Frage nach der
Wahrheit, GA 21, 135: « Der Satz ist nicht das, darin Wahrheit erst möglich
wird, sondern umgekehrt, der Satz ist erst in der Wahrheit möglich » et « Satz
ist nicht der Ort der Wahrheit, sondern Wahrheit der Ort des Satzes. »
124 Charlotte Gauvry
34 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 135: « Das Entde
cken der Aussage ist ein nichtverdeckendes Entdecken, d. h. die Strucktur der
Aussagewahrheit ist grundsätzlich die der Falschheit. Im Ganzen gesprochen:
das Wahr- oder Falschseinkönnen, das das Aussagen charakterisiert, muß in
seiner Möglickeit auf eine und dieselbe Struktur des logos gebaut sein ».
35 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 143: « Aufwei
sendes Sehenlassen des beredeten Seienden ».
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 125
36 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 143: « Der vor
handene Gebrauchsding muß bekannt sein, d. h. zugänglich z. B. in dem,
wozu es dient, in dem, als was es gebraucht ist und für den Gebrauch begeg
net – zum Schreiben darauf. Dieses Wozu selbst ist bekannt und verständlich ».
37 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 144: « Unser ori
entiertes Sein zu den Dingen und Menschen bewegt sich in dieser Struktur
des : etwas als etwas – kurz : hat die Als-Struktur ».
38 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 145: « Man muß
dabei verstehen, daß dieses « Als » nicht der Prädikation qua Prädikation pri
mär eigentlich ist, sondern vor ihr liegt, so daß es die Prädikationstrucktur
erst ermöglicht ».
126 Charlotte Gauvry
lève pas d’une saisie thématique […] elle relève – en gros – de notre
« comportement ». […] Dans ce comportement en tant que compor
tement, ce qui est signifié, quand nous l’analysons, est toujours déjà
compris […] mais de manière non thématique »39. Le discours apo
phantique (logos) repose donc toujours déjà sur une articulation non
thématique qu’il doit déterminer, celle du comportement.
Par ailleurs, Heidegger précise le caractère existential de cette
compréhension pré-thématique. En tant que Dasein, je suis tou
jours déjà structurellement un être-comprenant de l’orientation des
choses de mon monde environnant (Umweltdinge) : « Je suis – en
tant que Dasein : parlant-marchant-comprenant – en commerce
compréhensif ».40 Aussi cette « compréhension » primaire et préa
lable à toute énonciation est-elle une indication formelle de ce qu’est
le Dasein en tant que Dasein. C’est un existential41.
La structure du logos et des énoncés se précise en conséquence.
C’est en tant que comprenant que le Dasein peut s’exprimer et thé
matiser des énoncés. Même le silence ou le repos du Dasein (die
Dumpfheit) est un mode de la compréhension. Aussi, vraiment
comprendre le sens d’un énoncé comme « ce tableau est noir » re
quiert une interprétation de ce qui est signifié et compris. Le logos et
le sens sont donc reconduits à une signification plus originaire : au
commerce quotidien avec les choses du monde qui m’environnent.
Pour spécifier la distinction entre deux modes de compréhension,
la compréhension primaire du comportement et la compréhension
prédicative de l’énoncé, Heidegger distingue « l’en tant que » hermé
neutique dont on a précisé la structure (qu’on peut expliciter par le
comportement) et « l’en tant que » apophantique. Ce deuxième « en
tant que » caractérise la structure de la prédication. Cette structure
39 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 146: « Die Als-
Struktur gehört – roh gesprochen – zu unserem « Verhalten ». […] In diesem
als-haften Verhalten, dem Bedeuten ist, wenn wir analysieren, je schon immer
etwas verstanden. […] aber unthematisch ».
40 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 146: « Ich bin –
qua Dasein: sprechend-gehend-verstehend – verstehender Umgang ».
41 Voir Jean-François Courtine, Les Recherches logiques de Martin Heideg
ger. De la théorie du jugement à la vérité de l’être, in: Heidegger 1919 –1929,
De l’herméneutique de la facticité à la métaphysique du Dasein, éd. par Jean-
François Courtine, Paris 1996, 25. Voir le passage du cours de Logique de
1925–26 auquel renvoie Courtine : Heidegger, Logik. Die Frage nach der
Wahrheit, GA 21, 146–147.
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 127
42 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 152: « In dem
Aussagevollzug in der Form der Prädikation, und zwar im Sinne der kate
gorischen Aussage, nivelliert sich das primär verstehende « als » zugleich in
der reinen einfachen Dingbestimmung ».
Diego D’Angelo
Die Bedeutung ohne Worte und der Leib
Zwischen Tafeln, Monaden und Spiegeln
Was fragt ein Kind, wenn es fragt, was etwas sei? Was ist das, was
am Anfang, vor jeder Theorie, gegeben ist? Gibt es überhaupt et
was, das an sich gegeben ist? Oder sollte man vielmehr von Anfang
an von Interpretation sprechen? Selbstverständlich ist dies eine der
Hauptfragen der Phänomenologie, und zu behaupten, dass Heideg
ger sich ständig mit den in dieser Frage liegenden Problemen ausei
nandergesetzt hat, ist auch keine Neuigkeit. In diesem Beitrag be
absichtige ich, diese Frage im Hinblick auf die hermeneutische Als-
Struktur zu diskutieren (Abschnitt 1 und 2), und im Anschluss daran
eine mögliche Eröffnung zum Begriff des Leibes zu versuchen, auch
dank der Beiträge von Leibniz und der Phänomenologie Husserls
(Abschnitt 3).
Diese Problemkonstellation findet eine erste und bedeutsame
Behandlung in der Vorlesung mit dem Titel Logik. Die Frage nach
der Wahrheit, die Heidegger im Wintersemester 1925/26 an der
Universität Marburg hielt. Hier wird nämlich eine erste Antwort
auf die Frage, »Was ist das, was am Anfang gegeben ist?« ausdrück
lich formuliert: »Was zuerst – in einem noch zu bestimmenden
Sinne – ›gegeben‹ ist, ist das zum Schreiben, zum Aus- und Einge
hen, zum Beleuchten, zum Sitzen; das heißt Schreiben, Aus- und
Eingehen, Sitzen und dergleichen sind etwas, worin wir uns von
vornherein bewegen: Was wir kennen, wenn wir uns auskennen und
was wir lernen, sind diese Wozu«.1 Heidegger bezieht sich auf seine
Konzeption, nach der die Dinge etwas … wozu sind; eine Kon
Die Als-Struktur spielt also bei der Konstitution der wortlosen Be
deutung eine besondere Rolle. Wir haben etwas vor uns, so sagt
Heidegger, und schon deshalb wird diese Sache als etwas anderes
erfasst. Damit ist klar, dass es keine ›bloßen Dinge‹ gibt, sowie auch
keine ›Dinge an sich‹, die wir irgendwie als abstrakte denken könn
ten. Diese Abstraktheit ist nämlich nur eine nachträgliche Setzung,
die nichts Ursprüngliches an sich hat. Was hingegen ›am Anfang‹
steht, sind immer Dinge als etwas und zwar als etwas anderes: Dinge,
die auf etwas anderes verweisen. Und diese Verweisung (und nur sie),
gibt uns die Möglichkeit, die Dinge zu vernehmen und zu verstehen.
Verstehen wird, insbesondere in Sein und Zeit, zu einem terminus
egger sagt) der perceptio hingewiesen, die darin liegt, dass die leib
liche (Er)fassung der Dinge immer Abschattungen mit sich bringt:
Die leibliche Widerspiegelung ist ein In-Perspektive-Setzen der Welt.
Eine Spur, um das besser zu verstehen, kommt eben aus Husserl,
und insbesondere aus seiner Analyse des Leibs in seiner räumlichen
Ausdehnung.
Schon in Ideen II hat Husserl darauf hingewiesen, dass nicht
nur der Leib, sondern auch die psychische Dimension irgendwie
im Raum lokalisiert ist; auch das Psychische hätte demzufolge eine
eigene Ausbreitung, obwohl eben keine räumliche Ausdehnung.26
Die Ausdehnung des Psychischen beruht auf der Leibinterpretation
Husserls: Der Nullpunkt (Beziehungspunkt) der Wahrnehmung
wird nämlich »irgendwo im Kopf, im Auge oder hinter dem Auge«,
also leiblich lokalisiert.27 Das gilt natürlich für den sehenden Leib,
das heißt für den Leib mit seinem okulomotorischen Feld, also nur
insofern er sieht. Was der Nullpunkt der haptischen Wahrnehmung
ist, ist nicht klar: »Jedes Glied hat seine Nullstellung«28 schreibt
Husserl und zeigt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden.29
Man könnte also behaupten: Die Zerstreuung ist nicht anders zu
begreifen, als die Tatsache, dass, obwohl der Nullpunkt der sehen
den Wahrnehmung irgendwie im Kopf lokalisiert ist, ich mit mei
nem ganzen Leib spüre, sogar mit meinen Füßen. So kann man mit
Recht sagen, dass ich zwar in meinem Kopf, aber auch in meinen
Füßen ›bin‹. Und das wird auch klar, wenn man noch einmal die
Konstitution von Bedeutung durch Zuhandenheit in Betracht zieht:
Die Dinge stehen dem ganzen Leib gegenüber, nicht nur unserem
›Nullpunkt‹ der Sicht, sondern auch unseren Händen und unseren
Füßen gegenüber: Der Boden steht zum Beispiel viel eher unseren
Füßen als unserem Kopf gegenüber.
spiel, dass die Dinge nichts Weiteres als »response-types« seien und
dass die Als-Struktur ein Verhalten sei, das die Dinge klassifiziere.32
Nebenbei sei bemerkt, dass das Wort »Klassifizieren« (classifying)
nicht zum Heideggerschen Kontext passt; trotzdem stimmt der An
satz sehr genau mit unseren Ergebnissen überein – wenn auch der
Bezug auf den Leib von Brandom nicht beachtet wird. Heideggers
Überlegungen in der Leibniz-Vorlesung erlauben es also, die Be
schreibung des praktischen Bodens vorsprachlicher Bedeutung an
zureichern, und zwar durch eine Thematisierung der wesentlichen
Rolle des Leibes in der pragmatischen Konstitution von Bedeutung.
Die Bezugnahme auf den Leib ermöglicht es, vor allem in Bezug
auf Husserl und auf die pragmatische Heidegger-Interpretation33
den Spielraum des zerstreuten Daseins noch genauer zu definieren:
Die Begrenztheit und die »dezentrale Ordnung«34 des Leibs des Da
seins ermöglichen es erst, die Welt in sich pragmatisch und infol
gedessen hermeneutisch widerzuspiegeln: Der Leib richtet, stimmt
und stiftet die Welt und korrelativ das Dasein, und das eben darum,
weil das (Er)fassen immer leiblich geschieht.
Die Reflexion über die Zeitlichkeit des Daseins und die Tempora
lität des Seins bildet wohl das eigentliche Zentrum der Philosophie
Heideggers in Marburg. Dies bezeugen die Haupttexte aus dieser
Zeit: die Abhandlung Der Begriff der Zeit (1924), das frühe Haupt
werk Sein und Zeit (1926/7), sowie die Vorlesungen Prolegomena
zur Geschichte des Zeitbegriffs (Sommersemester 1925) und Die
Grundprobleme der Phänomenologie (Sommersemester 1927).1 Die
Anerkennung der fundamentalen Bedeutung der Zeit für die phä
nomenologische Daseinsexplikation und die Ontologie ist den ge
nannten Texten – bei allen ihren Unterschieden – gemeinsam. Die
Herausstellung der Zeitlichkeit als des Ermöglichungsgrundes der
gesamten Seinsverfassung und somit auch des Seinsverständnisses
dieses Seienden mit dem eigentlichen Ziel, die Ontologie auf Basis
der Zeitlichkeit neu zu begründen, macht – zusammen mit der De
struktion der Geschichte der Ontologie – das Programm der Fun
damentalontologie aus, das Heidegger in Sein und Zeit durchzufüh
ren und in der Vorlesung des Sommersemesters 1927 fortzusetzen
versuchte.2
1 Heidegger, Der Begriff der Zeit (Abhandlung 1924), GA 64, 1–103; Heid
egger, Sein und Zeit, GA 2; Heidegger, Prolegomena, GA 20; Heidegger, Die
Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24.
2 Heidegger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 201: »Die
ses Ganze der Grundlegung und Ausarbeitung der Ontologie ist die Funda
mentalontologie; sie ist 1. Analytik des Daseins und 2. Analytik der Tempo
ralität des Seins« [meine Hervorhebung].
144 Dimitrios Yfantis
8 Der dritte Hauptbestandteil des Projektes von Sein und Zeit, die phäno
menologische Destruktion, erscheint hingegen bereits in Texten der frühen
Freiburger Zeit. So spricht schon die sogenannte Jaspers-Rezension (Heid
egger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9, 1–44), verfasst wohl im Jahre
1920, die Idee der Destruktion der philosophischen Tradition unmissver
ständlich aus; und der 1922 abgefasste, sogenannte Natorp-Bericht (Heid
egger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 343–420) macht kon
krete Angaben zu ihrer Zielsetzung und Durchführung. Es darf allerdings
nicht übersehen werden, dass das Destruktionsprogramm zur Zeit der Fun
damentalontologie von Sein und Zeit andere Ziele und Prioritäten aufweist
als zurzeit der frühen Hermeneutik der Faktizität.
9 Die Frage nach dem Zusammenhang des »bin« und des »ist« entstammt
der Vorlesung des Wintersemesters 1921/22 (Heidegger, Phänomenologi
sche Interpretationen zu Aristoteles, GA 61, 157–181). Die Erklärung der
Hermeneutik der Faktizität zur prinzipiellen Ontologie wird im bereits er
wähnten Natorp-Bericht (1922) explizit vollzogen (Heidegger, Anzeige der
hermeneutischen Situation, GA 62, 364).
Zeitlichkeit und Temporalität 147
18 Heidegger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 101; siehe auch 100.
19 Zum »Geistesblitz« siehe Kisiel, The Genesis of Heidegger’s Being and
Time, 230.
20 Vgl. Heidegger, Prolegomena, GA 20, 1–12. Diese Vorlesung wird von
Kisiel als »second, ontoeroteric or Husserl draft« des Projektes von Sein
und Zeit charakterisiert (Kisiel, The Genesis of Heidegger’s Being and Time,
362–420).
21 Vgl. Heidegger, Prolegomena, GA 20, 8.
22 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 269 –415.
150 Dimitrios Yfantis
Die Aufweisung der Zeitlichkeit als des Sinnes der Sorge und da
mit der gesamten existenzialen Daseinsverfassung, die anschließende
zeitliche Interpretation zentraler Existenzialien und die Aufklärung
des Verhältnisses der ursprünglichen Zeitlichkeit mit der Innerzei
tigkeit sowie dem natürlichen und philosophischen Zeitbegriff er
fahren ihre umfassendste und ausführlichste Erörterung im zwei
ten und letzten Abschnitt des veröffentlichten Textes von Sein und
Zeit. Die existenzial-zeitliche Daseinsanalytik steht aber jetzt im
Dienste des übergeordneten Zieles der temporalen Seinsinterpre
tation. Diese war einem dritten Abschnitt vorbehalten, der jedoch
letztlich nicht veröffentlicht wurde. Unternommen wird sie im letz
ten Teil der ebenfalls unvollendeten Vorlesung des Sommersemesters
1927, gehalten genau während der Zeit, da Heidegger Sein und Zeit
fortzusetzen versuchte.24
Die »eigentliche und ursprüngliche Zeitlichkeit« des Daseins
wird mithilfe der existenzialen Explikation von Tod, Gewissen und
Entschlossenheit erreicht. Sie weist drei »Ekstasen« – Zukunft, Ge
wesenheit und Gegenwart – auf und zeitigt sich aus der Zukunft.
Die eigentliche Zukunft ist das »Vorlaufen zum Tode«, bei dem das
Dasein auf diese seine äußerste und eigenste Möglichkeit zukommt.
Solche eigentliche Kunft lässt zugleich das Dasein auf seine Gewor
fenheit zurückkommen, die es immer schon gewesen ist. Das Zu
rückkommen führt zur Übernahme oder – terminologisch – »Wie
derholung« der eigenen Gewesenheit. Hierbei geschieht die Er
23 Demgemäß charakterisiert Kisiel Sein und Zeit selbst als »final, Kantian
draft« des fundamentalontologischen Projektes (Kisiel, The Genesis of Heid
egger’s Being and Time, 313).
24 Diese Vorlesung ist zwar der einzige erhaltene Text zur Frage der tempo
ralen Seinsinterpretation, jedoch nicht der erste Versuch Heideggers, diese
Thematik darzulegen. Frühere Entwürfe hat er nach eigenem Zeugnis ver
nichtet. Die Vorlesung bringt allerdings nur einen geringfügigen Teil dessen,
was Heidegger in Sein und Zeit für den dritten Abschnitt des ersten Teiles
des Werkes in Aussicht stellt.
Zeitlichkeit und Temporalität 151
haupt kein Seiendes. Sie ist nicht, sondern zeitigt sich«.27 Dies be
deutet, dass sie sich immer schon in einem existenziell bestimmten
Modus gezeitigt hat; die modal indifferenten Bestimmungen und
Charaktere sind wohl nur das Produkt einer Formalisierung der Ek
stasen der beiden Zeitigungsmodi.28
Hiermit ist jedoch die Frage, weshalb die eigentliche Zeitlichkeit
auch die ursprüngliche sein soll, noch nicht geklärt. Die nahelie
gende Antwort lautet: weil die uneigentliche Zeitlichkeit eine Mo
difikation der eigentlichen darstellt. Diese Antwort ist indes nicht
ganz befriedigend. Zunächst müsste Heidegger bei der Einführung
der beiden Modi sagen, dass die eigentliche Zeitlichkeit erst dann als
die ursprüngliche gelten kann, wenn sich die uneigentliche als ihre
Modifikation erwiesen hat.29 Ferner ist zu bemerken, dass im fakti
schen Existenzvollzug – wie Heidegger ausdrücklich erklärt – sich
der Sachverhalt umgekehrt darstellt: Die Eigentlichkeit wird aus der
Uneigentlichkeit und als deren Abwandlung gewonnen. Daher wäre
zu begründen, dass die eigentliche Zeitlichkeit zwar existenziell die
abgeleitete, existenzial aber die ursprüngliche ist. Ihr existenzialer
Vorrang stützt sich offenbar auf die Auszeichnung des Todes als
der äußersten und eigentlichsten Möglichkeit des Daseins. Wie dem
auch sei, eine explizite Begründung für die Erklärung der eigentli
chen Zeitlichkeit zur ursprünglichen liefert Heidegger nicht.
Auf die Herausstellung der Zeitlichkeit und ihrer beiden Modi
folgen: 1) die zeitliche Interpretation zentraler Existenzialien und
– nach der hier nicht darzulegenden Erörterung der Geschichtlich
keit – 2) die Aufklärung der existenzialen Genesis der Innerzeitig
keit sowie des natürlichen und philosophischen Zeitbegriffs aus der
Zeitlichkeit des Daseins.
sen, primär aber jeweils aus einer bestimmten derselben. Für die
Befindlichkeit und das Verstehen, die sich primär aus der Vergangen
heit bzw. Zukunft zeitigen, werden die jeweiligen modal bestimm
ten ekstatischen Einheiten der Zeitlichkeit herausgestellt, für das
Verstehen beispielsweise das »wiederholend augenblickliche Vor
laufen« (Eigentlichkeit) und das »vergessend gegenwärtigende Ge
wärtigen« (Uneigentlichkeit). Beim primär aus der Gegenwart sich
zeitigende Verfallen wird exemplarisch die Neugier erörtert, deren
ekstatische Einheit als »gewärtigend vergessendes Gegenwärtigen«
bestimmt wird. Hinsichtlich der Rede wird erklärt, dass sie sich als
Artikulation von Verstehen und Befindlichkeit zwar nicht aus einer
bestimmten Ekstase zeitige, aber dennoch einen Primat der Gegen
wart aufweise.30
An diesen Ausführungen lässt sich ein grundsätzliches Problem
der Gesamtsystematik der existenzialen Daseinsverfassung in Sein
und Zeit erkennen, auf das hier lediglich hingewiesen werden soll.
Es ist die Tatsache, dass das Verfallen sich hier den Existenzialien
Verstehen und Befindlichkeit zugesellt und das dritte die Erschlos
senheit bestimmende Existenzial, die Rede, gleichsam verdrängt.
Dies ist aber in zweifacher Hinsicht problematisch. Das Verfallen
ist im Gegensatz zu den drei an sich modal indifferenten Momen
ten der Erschlossenheit existenziell bestimmt, denn es gehört zum
Modus der Uneigentlichkeit des Daseins. Überdies ist das Verfallen
kein Teilmoment der Erschlossenheit, sondern eine Modifikation
derselben als ganzer, nämlich die Erschlossenheit im Modus der Un
eigentlichkeit.31 Jeder Versuch, dieses Problem zu beheben, muss
jedenfalls beachten, dass es bereits in der Bestimmung der Sorge
Modifikation der Befindlichkeit als solcher wird nicht angegeben. Siehe dazu:
Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 178–222 und 222–239.
32 Die Definition der Sorge bildet den Leitfaden für die Darlegungen des
Todes, des Gewissens und der Schuld; siehe dazu: Heidegger, Sein und Zeit,
GA 2, 332–335, 364–371 bzw. 371–383.
33 Siehe Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 465–481.
34 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 463–481.
35 Angemerkt sei hier nur der problematische Charakter der existenziellen
Bestimmung der wissenschaftlichen Verhaltung. Es ist nämlich schwer ein
zusehen, weshalb die letztlich auf dem Vorlaufen beruhende, als »verschwie
Zeitlichkeit und Temporalität 155
nun als sich in der Zeit befindende bzw. abspielende erfasst. Der
zeitliche Sinn des Uhrgebrauchs – hierin zeigt sich seine Herkunft
aus dem Besorgen – ist ein Gegenwärtigen; denn das Primäre bei
der Zeitablesung an der Uhr ist Heidegger zufolge das Jetzt-Sagen:
Jetzt ist Zeit für …
Die Zeit auf der Ebene der Zuhandenheit spricht sich in den Cha
rakteren »Jetzt, Dann und Damals« aus und weist spezifische, auf
die ursprüngliche Zeitlichkeit verweisende Strukturmomente auf:
Bedeutsamkeit, da die Zeit immer als geeignet oder ungeeignet für …
begegnet; Datierbarkeit, da zu allen Jetzt, Dann und Damals wesen
haft der Bezug auf eine Begebenheit gehört, durch die sie bestimmt
sind; Öffentlichkeit, da sie für alle zugänglich ist (»Man-Zeit«); und
schließlich Erstrecktheit oder Gespanntheit, da beispielsweise zu ei
nem Dann wesenhaft das Bis-dann gehört. Diese Strukturmomente
verweisen auf die ursprüngliche Zeitlichkeit und deren ekstatischen
Charakter.
Nun folgt aber das Dasein, wenn es die Zeit eigens untersucht,
nicht diesen Verweisen auf die ursprüngliche Zeitlichkeit; vielmehr,
geleitet durch das herrschende Verständnis des Seins als Anwe
senheit, macht es auch die Zeit selbst zu etwas Vorhandenem und
entblößt sie der Strukturmomente, die ihr als im Besorgen ausge
sprochener zukommen. Dergestalt erwächst aus dem natürlichen
Zeitverständnis der Begriff der »vorhandenen, einsinnig gerichteten
und unumkehrbaren Jetztfolge«. Dieser zuerst von Aristoteles aus
gearbeitete Zeitbegriff – so Heidegger – bleibe fortan für alle Zeit
auslegung bestimmend.38
Die entscheidende kritische Frage hinsichtlich der Ableitung der
Innerzeitigkeit aus der ursprünglichen Zeitlichkeit des Daseins lau
tet: Lässt sich aus der Gegenwart als Ekstase der Zeitlichkeit das für
die natürlich erfahrene Zeit konstitutive Jetzt tatsächlich ableiten?
Die Gegenwart ist mit der Zukunft und der Gewesenheit zugleich –
ja sie umfasst sogar in gewissem Sinne beide, das Jetzt hingegen
schließt das Noch-nicht-jetzt und das Nicht-mehr-jetzt aus;39 die
Gegenwart ist inhaltlich bestimmt und artikuliert, das Jetzt hinge
gen ein bloßes, nacktes Dass. Handelt es sich also nicht eher um he
terogene Phänomene, und zwar so, dass die aus den drei Ekstasen
»Zukunft, Gewesenheit und Gegenwart« konstituierte Zeitlichkeit
jeweils mit einem Jetzt verbunden ist und sich mit dessen Vergehen
wandelt (oder bisweilen konstant bleibt)? Das Jetzt mag zwar vom
Dasein und zunächst im Zusammenhang des Besorgens ausgespro
chen und dann mithilfe eines Absehens von den Strukturmomenten
der ausgesprochenen Zeit herausgestellt werden; dies bedeutet je
doch noch nicht, dass es von solchem Gegenwärtigen abgeleitet ist.40
ständnisses, der erfragte »Sinn« von Sein sein wird, lässt sich zwar
anhand der Daseinsanalytik postulieren; es muss nun aber konkret
gezeigt werden, wie sie das Seinsverständnis überhaupt und somit
auch die Ontologie ermöglicht.42
Der Durchführungsversuch der temporalen Seinsinterpretation
beruht auf dem bisher nicht angesprochenen horizontal-schemati
schen Charakter der Zeitlichkeit. Deren ekstatische Verfasstheit be
deutet nämlich nicht nur, dass sie sich immer in der Einheit dreier
Ekstasen zeitigt, sondern vornehmlich, dass sie in jeder ihrer Eksta
sen – wie ihre oben erwähnten phänomenalen Charaktere »Auf-
sich-zu, Zurück-auf und Begegnenlassen-von« erkennen lassen –
eine »Entrückung zu …« ist.43 Die jeweilige Entrückung ist aber
nicht völlig unbestimmt, sondern besitzt eine Vorzeichnung dessen,
wozu sie entrückt, einen je nach Zeitigungsmodus »modifizierbaren
und zur Ekstase selbst gehörigen Horizont«, genauer: ein »horizon
tales Schema«. Das Seinsverständnis soll in der ekstatischen Einheit
der horizontalen Schemata der Zeitlichkeit gründen und das Sein
somit temporale Charaktere aufweisen.44
42 Die Ontologie ist Heidegger zufolge nur die explizite Ausarbeitung des
unartikulierten vorontologischen, für allen Umgang mit dem Seienden lei
tenden Seinsverständnisses. Dass die Zeit unausgesprochen der »transzen
dentale Horizont« für das Seinsverständnis ist, lasse sich bereits an der an
tiken Ontologie erkennen, die das Sein als Anwesenheit verstehe und das
ἀεὶ ὂν zum eigentlichen Seienden erkläre. Die Zeit bilde auch den Leitfaden
für die traditionelle Unterscheidung des Seienden nach seiner Seinsweise in
zeitliches, zeitloses und überzeitliches Seiendes; allerdings werde sie hier im
vulgären Sinne verstanden. Diese ontische Unterscheidung der Seinsmodi soll
nun durch eine ontologische, das heißt temporal fundierte (Zu- und Vorhan
densein, Dasein und Mitdasein), ersetzt werden (siehe dazu: Heidegger, Die
Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 397–399, 430 und 434).
43 Heidegger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 434–436.
Die Zeitlichkeit – so Heidegger – sei »das ἐκστατικὸν schlechthin« (Heidegger,
Sein und Zeit, GA 2, 435). Diese Charakterisierung veranlasst Sallis, eine Reihe
kritischer, zum Teil durchaus berechtigter Fragen zu stellen (Sallis, Echoes:
After Heidegger, 59 –61 und 69). Sallis scheint aber nicht zu sehen, dass die
Rede von ἔκστασις sich hier nicht auf die Tatsache, dass die Zeitlichkeit drei
Ekstasen aufweist, und noch weniger auf die Entstehung der Innerzeitigkeit
aus der ursprünglichen Zeitlichkeit, sondern – wie beide soeben angegebenen
Stellen deutlich zu erkennen geben – auf die Transzendenz des Daseins bezieht.
44 Siehe hierzu: Heid egger Die Grundprobleme der Phänomenologie,
GA 24, 418–429. In Sein und Zeit ist nur an einer Stelle die Rede von ho
rizontalen Schemata. Als solche werden dort genannt: »Umwillen seiner«
(Zukunft), »Wovor der Geworfenheit oder Woran der Überlassenheit« (Ge
Zeitlichkeit und Temporalität 159
In Being and Time Heidegger opens with the claim that the »ques
tion of the meaning of being« has been forgotten in the tradition of
philosophy. He goes on to state that this question »provided a stim
ulus for the researches of Plato and Aristotle, only to subside from
then on as a theme for actual investigation.«1 A cursory reading of
Aristotle’s Metaphysics confirms that the question of the meaning
of being, in some sense at least, was indeed a theme of Aristotle’s
work. He believed that the first and primary task of philosophy is to
inquire into being qua being, into things that are insofar as they are.
Aristotle also believed that this science of being is confronted with
a problem at its very inception, for »being,« as he states, »is said in
many ways.« If there is indeed such thing as a science of being, then
there must be a unifying, central idea or principle that justifies using
this same word for all senses. It is thus a primary task of the science
of being qua being to uncover this unifying principle.2
According to Heidegger’s claims on the opening page of Being
and Time, it would seem that Aristotle was the last to raise this
question. But is this correct? It’s not if what Heidegger means by
»the meaning of being« is the same question that Franz Brentano is
posing in his dissertation, Von der mannigfachen Bedeutung des
Seienden nach Aristoteles (1862), which was not only familiar to
Heidegger, but also an important inspiration for his own inquiry.3
1 Martin Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 2. »Sie hat das Forschen von Plato
und Aristoteles in Atem gehalten, um freilich auch von da an zu verstummen –
als thematische Frage wirklicher Untersuchung.«
2 Aristotle, Metaphysica, 1003b1–6.
3 This is not obvious from Sein und Zeit alone, where Heidegger mentions
Brentano’s name only once. (Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 215.)
164 Aaron Shoichet
name but the name means the same in each case«.9 It is not merely
the word that is the same when we speak of both species as animals;
rather, they are called animals because there is a unifying meaning
that corresponds to the word »animal« in both cases. If the con
cept »being« were like the concept »animal,« then being would be
the highest genus, the highest category of everything that is said to
be. Aristotle believed, however, that it is not possible that being is
a highest genus.10 This is precisely what he means when he insists
that being is said in many ways – that being is not a genus, that be
ing tends within its very essence to disperse into a plurality. Being is
neither univocal in the sense of a genus, nor equivocal in the sense
of a homonym. Yet there must be a unifying principle that unifies
its multiple meanings while preserving this multiplicity. What, then,
could serve as this unifying principle and how are these multiple
meanings brought together?
Brentano’s answer
metaphysics is concerned solely with the real, with that which exists
independent of thought.12 This gives Brentano justification to rule
out straight away two of the four meanings of being because they
are derivative and »non-genuine« (uneigentlich).13
Accidental being is derivative because it refers to that which exists
only in dependence of something else, and not inherently or nec
essarily. Accidental being is what happens occasionally, in the way
that having four leaves belongs accidentally but not essentially to
being a clover, or the way that being musical belongs accidentally
but not essentially to being a grammarian, because even if a gram
marian were not musical he or she could still be a grammarian. As
Brentano states: »The two do not belong inherently or essentially
together; one property is not a consequence of the other and they
do not both stem from the same cause; the one has the other kata
symbebekos.«14 It follows that it is not possible to have a science of
accidental being, for science aims at generality and is concerned with
that which occurs always or for the most part.
But neither does being in the sense of truth qualify as a genuine
sense of being. Brentano insists, in accordance with Aristotle, that
truth is located primarily in judgement. Brentano is aware that Ar
istotle discusses truth in reference to things, perception and people,
but Brentano argues that these meanings of truth are derivative of
the primary meaning. He finds support for this claim not only in
the Metaphysics but also in De Interpretatione and the Categories
as well as in De Anima. As Aristotle states in the Metaphysics, »fal
sity and truth are not in things but in thought.«15 Further support
for Brentano’s claim that truth is located firstly in thought is the
observation that we can also speak of truth in reference to non-be
ing, for we can make true assertions about that which does not exist
or which exists merely in our mind.16 Moreover, Brentano points
out that the relation between the judgement and that to which the
judgement corresponds is asymmetrical. Whereas that which exists
in reality and which corresponds to a true judgement exists inde
pendent of the truth of the judgement, the contrary is not the case:
it is not the case that the truth of the judgement is independent of
that which it corresponds to. Brentano quotes Aristotle from the
ninth book of the Metaphysics, where he states: »It is not because
we are right in thinking that you are white that you are white«.
Rather, »it is because you are white that we are right in saying so.«17
Thus being in the sense of truth is derivative in two senses: first, it
is located in human thought and does not belong to metaphysics;
second, the relation between the truth of the judgement and that
which the judgement corresponds to is accidental. The truth of the
judgement does not belong essentially to the being of that which is
judged to exist in reality.
The third sense of being that Brentano discusses – being in the
sense of potential and actual – in contrast to the first two, belongs
properly to the study of metaphysics since it refers to that which
exists independent of human understanding.18 This third sense of be
ing is intimately connected with being in the sense of the categories,
and is therefore as central to a science of being as the latter.19 Yet for
the purpose of Brentano’s analysis this sense of being occupies a sec
ondary role. For one, potential being is incomplete and dependent,
for it presupposes actuality, which is prior to potentiality in both
concept and in essence. Only actual being has being in the proper
sense (»nur das Wirkliche ist eigentlich seiend.«)20 But actual being
is itself lacking in determination and is so basic and simple that it
does not permit definition and can only be clarified inductively by
yed in this way was completely foreign to Aristotle, and was instead prima
rily an invention of the Scholastic philosophers, especially Thomas Aquinas
(Pierre Aubenque. Les origines de la doctrine de l’analogie de l’être. Sur
l’histoire d’un contresens, in: Problèmes Aristotéliciens, Paris 2009, 239 –250.)
26 Here Brentano quotes Aristotle from the Metaphysics where Aristotle
states the following: »The term ›being‹ is used in various senses, but with
reference to once central idea and one definite characteristic, and not as me
rely a common epithet.« (Aristotle, Metaphysica, 1003a33.)
27 Brentano, Von der Mannigfachen Bedeutungen des Seienden nach Aris
toteles, 151.
From Brentano to Heidegger 171
classes. He divides each class into two, arriving at a total of six cat
egories. Thus, at the end of his deduction, including the category of
substance and the category of relations, he ends up with a total of
eight categories, and not the ten that Aristotle identifies in the Cat
egories. Brentano insists that two of these that Aristotle discusses
in the Categories should not have been included in the list, and had
Aristotle been consistent he would have also arrived at a list of eight
like Brentano. And as Brentano points out, in a decisive passage in
the Metaphysics where Aristotle claims to offer a complete list, he
does indeed list only eight categories.28
Thus by means of a deduction, Brentano believes he can account
for a complete and exhaustive list of all the possible accidents and
modalities that may be predicated of substances, all of which refer
back »analogically« to a first terminus. It is not true, then, that Ar
istotle had no guiding principle in selecting the categories and in
stead simply »picked them up just as they occurred to him.«29 In
Brentano’s thesis, the notion of analogy acquires a more systematic
and rigorous sense than it traditionally had. According to Brentano,
analogy does not merely mean that each category refers to the same
primary terminus in the way that the various instances of »healthy«
refer to the health of an organism. It means, moreover, that the cat
egories form a hierarchical system that is complete and exhaustive.
30 Here is the passage from the Metaphysics: »But since the simple term
›being‹ is used in various senses, of which we saw that one was accidental, and
another true (not-being being used in the sense of ›false‹); and since besides
these there are the categories, e. g. the ›what‹, quality, quantity, place, time,
and any other similar meanings; and further besides all these the potential
and actual: since the term ›being‹ has various senses, it must first be said of
what ›is‹ accidentally, that there can be no speculation about it.« (Aristotle,
Metaphysica, 1026a.)
31 Heidegger summarizes succinctly these two notions of plurality near
the end of the introduction to his lecture in the summer semester of 1931:
»Aristoteles gebraucht das πολλαχώς in einer weiteren und in einer engeren
Bedeutung. Was wir jetzt eben erorterten, war das πολλαχώς in der engeren
Bedeutung, in der die Vielfachheit der Kategorien gemeint ist. Alle Katego
rien aber zusammen mit der ersten machen doch nur eines aus innerhalb des
weiteren πολλαχώς als τετραχώς .« (Heidegger, Aristoteles, Metaphysik Θ 1–3,
GA 33, 45.)
From Brentano to Heidegger 173
count for the more narrow notion of plurality, and of the concept of
substance insofar as it serves as the unifying principle of the catego
ries. Nor is Heidegger’s analysis necessarily a critique of Brentano’s
thesis that Aristotle’s list of eight categories may be deduced from
substance and thus constitute a complete and exhaustive list of the
possible modes of predication.
Raoni Padui
The Problem of Nature
in Heidegger’s Marburg Period
As we have seen, there are serious problems that arise from the cate
gorial understanding of nature, and this is the primary mode through
which Heidegger thematizes entities unlike Dasein in Being and
Time. However, a closer look at the texts suggest that Heidegger
himself was aware of the severe limitations involved in the primar
ily epistemological encounter with reality and objectivity and the
primarily practical encounter with tools. In the very process of de
scribing these two categorical modes of being of nature, Heidegger
seems to introduce another category for understanding nature:
This is the mode of being of nature that can be properly called non-
or pre-categorial, to mark that it cannot be reduced to the category
of Vorhandenheit or any other category Heidegger proposes. It can
be subsumed under the categories, since once nature has »entered«
the world, its relationship to Dasein can take at least one of the many
modes we have described so far. But nature as the »incomprehensible
pure and simple« marks its existence prior to world-entry, which is
The intrinsic necessity for ontology to turn back to its point of or
igin can be clarified by reference to the primal phenomenon of hu
man existence: the being »man« understands being; understanding of
being effects a distinction between being and beings; being is there
only when Dasein understands being. In other words, the possibil
ity that being is there in the understanding presupposes the factical
existence of Dasein [faktische Existenz des Daseins], and this in turn
presupposes the factual extantness of nature [faktische Vorhanden
sein der Natur]. Right within the horizon of the problem of being,
when posed radically, it appears that all this is visible and can be
come understood as being, only if a possible totality of beings is
already there.38
Die Physik von Aristoteles und das Thema der κίνησις (Bewegung
oder Bewegtheit) durchziehen Heideggers Aristoteles-Interpreta
tion. Seine Auseinandersetzung in den zwanziger Jahren mit der
aristotelischen Physik, in der es primär um das Grundphänomen
der κίνησις geht, spielt eine ambivalente Rolle auf seinem Denkweg,
der auf Sein und Zeit zuläuft. Das ontologische und phänomeno
logische Programm Heideggers, das vornehmlich auf die Ethik und
die Rhetorik des Aristoteles zurückgreift,1 findet in den ersten Bü
chern der Physik unschwer Anknüpfungspunkte, wie zum Beispiel
in der ἀρχαί-Forschung und der Ausarbeitung der Grundstruktur
von κίνησις. Heidegger ist von Beginn an überzeugt, dass es Aristo
teles in der Physik nicht auf ein bestimmtes »Seinsgebiet«, etwa auf
die Natur im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern auf die »prin
zipielle« ontologische Bestimmung einer Seinsstruktur ankommt,2
auf die Bewegtheit (κίνησις) des Seins. Was Heidegger dabei eigent
lich interessiert, ist jedoch weniger die Bewegung der natürlichen,
von sich aus Seienden (φύσει ὄντα),3 wie es nahe liegen würde, als
und der Ruhe haben, völlig außer Betracht. An einer anderen Stelle versucht
Heidegger, auch die Natur an die Umwelt zurückzukoppeln in Heidegger,
Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 266–267. Auf das
Problematische an der Konzeption der Bedeutsamkeit und der Umwelt in
Bezug auf das Thema der Natur kann hier nicht näher eingegangen werden.
30 Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 298.
31 Heidegger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 173.
32 Heidegger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 177.
33 Heidegger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 301.
Vgl. Bernet, Die Lehre von der Bewegung bei Aristoteles und Heideggers
Verständnis von der Bewegtheit menschlichen Lebens, 102–103.
34 Damir Barbarić , Sein als Anwesung. Grundzüge der Aristoteles-Interpre
tation Martin Heideggers, in: Aneignung der Welt. Heidegger – Gadamer –
Fink, Frankfurt am Main 2007, 47–61, hier 52.
198 Guang Yang
führung des Phänomens der Bewegung und somit auch der Ruhe auf
den praktischen Umgang des Daseins in der bedeutsamen Umwelt.
Auch wenn der Bezug auf die Bewegung zum Wesen der Ruhe ge
hört, könnten umgekehrt die Fragen aufgeworfen werden, wie die
Bewegung von der Ruhe her zu verstehen ist und wie die Ruhe auf
die Bewegung zurückwirkt. Zu solchen Fragestellungen finden wir
Anlass bei Heidegger nach der Kehre.
Ruhe ist auch mehr als nur ein »Grenzfall« der Bewegung, wie Heid
egger sie in den Marburger Vorlesungen verstand. Das Phänomen
der Ruhe wird nun als das »Stillhalten« oder »Innehalten« umschrie
ben, welches die Bewegung gleichsam einschließt und umspannt,
und in welches sich die Bewegung »sammelt« und »auffängt«.50 Mit
anderen Worten bedarf die Bewegung etwas, das sich anders als die
Bewegung verhält und sie gerade deswegen aufbehalten kann. Aber
die Andersheit der Ruhe bedeutet nicht, dass die Ruhe das Gegenteil
oder die Negation von Bewegung wäre. Sie unterscheidet sich von
der Bewegung im engeren Sinne des Vollzugs und bezeichnet einen
eigentümlichen Seinscharakter der Anwesung, in deren Sammlung
die Bewegung verwahrt und aufgehoben ist. Darin liegt gerade die
höchste Bewegtheit der Bewegung. Heidegger zieht diesbezüglich
auch die Unterscheidung von κίνησις und ἐνέργεια im Sinne der voll
kommenen Wirksamkeit in Metaphysik θ heran, wonach Bewegung
(κίνησις) im engeren Sinne unvollendet (ἀτελής) ist, wie zum Beispiel
beim Abmagern und beim Gehen.51 Solche Bewegung hat nicht das
τέλος in sich, während das Sehen eine andere Art des Handelns ist
und das Ende oder Ziel (τέλος) der Bewegung in sich enthält.52 »Sol
ches Sehen ist das τέλος«, welches in seiner Ruhe die vollzughafte
und unvollendete Bewegung (κίνησις) des »Ausblickens« und des
»Sichumsehens« in sich sammelt und aufbewahrt.53 In diesem neu
bestimmten Verhältnis von Ruhe und Bewegung bleibt die Ruhe
zwar auch auf die Bewegung bezogen – anders lässt sie sich nicht
fassen –, doch ist die Bezogenheit dabei keine einseitige Abhän
gigkeit der Ruhe von der Bewegung. Man gewinnt aus Heideggers
Auslegung den Eindruck, dass der Seinscharakter der Bewegung auf
aber ist aus der δύναμις neben den Bedeutungen von »Eignung zu«
und »Bereitschaft« eine neue Bedeutung herauszulesen, nämlich die
des Zurückhaltens. Die δύναμις wird im Hinblick auf ihren Seins
charakter bestimmt als »die Weise des noch zurück- und an sich
haltenden Hervorkommens in das Aussehen, darin die Eignung sich
erfüllt«.60 Dieses Moment des An-sich-Haltens und der Zurückhal
tung der δύναμις verhält sich zu der Bewegungstendenz des »Auf
drängens« und des »Hervorkommens« wie eine Gegenbewegung.61
Sinngemäß lässt sich dieses Moment der Zurückhaltung auch mit
dem In-sich-zurück-Gehen im Geschehen der φύσις und dem Ver
bergen im Wahrheitsgeschehen (ἀλήθεια) vergleichen.62 Bezeichnet
die δύναμις in der Vorlesung aus dem Jahr 1926 die Bereitschaft des
vorhandenen Materials, gebraucht zu werden, gewinnt die δύναμις in
ihrer Zurückhaltung nunmehr einen gewissen eigenständigen Status.
δύναμις »ist eine Bewegtheit, die immer Ansichhalten einschließt«,63
wie Gadamer formuliert. Ähnlich verhält es sich mit der Ruhe, die
sich sammelt und zurückhält. Und als ein solches Moment läßt sie
sich an allen Bewegungen ablesen. Auch das Sein als φύσις ist so ge
sehen nicht allein vom Bewegungscharakter des Sich-zeigens her zu
erschließen. Heidegger selber hat diesen Aspekt der δύναμις in der
Abhandlung nicht weiter ausgeführt und ihn auch nicht ausdrück
lich auf die Ruhe hin gedeutet. Auch das Motiv der Ruhe im Verhält
nis zur Bewegung bleibt in der darauf folgenden Betrachtung ausge
blendet, in welcher sich Heidegger der Leitfrage in diesem Kontext
zuwendet, inwiefern μορφή mehr φύσις sei als ὑλη.
Der Unterschied zur Betrachtung der Bewegung und der Ruhe in
den Marburger Vorlesungen dürfte jetzt klarer geworden sein. Die
Fragestellung in der Φύσις-Abhandlung geht über den Seinscharak
ter der daseinsmäßigen Bewegtheit hinaus und erläutert das Phä
nomen der Bewegung im Licht der neu gewonnenen Bestimmung
der οὐσία als Anwesung, die letztlich auch mit der Bestimmung der
Schlusswort
Heidegger hat bereits in der Marburger Zeit das Phänomen der Ruhe
ins Auge gefasst: »Ein Ding, das ruht, […] ist nicht von jedem Cha
rakter der Bewegung abgeschnitten.«65 Allerdings gilt sein Interesse
dabei nicht der Ruhe als solcher, sondern dem spezifischen Charak
ter der Ruhe, sich auf die Bewegung hin auszuspannen. Auf diese
Weise wird die Ruhe belebt und dynamisiert. Die Aufdringlichkeit
der Ruhe entspricht der Auffassung Heideggers von Bewegung, die
in den Marburger Vorlesungen primär vom Vollzug der Bewegung
her mit dem aristotelischen Begriff der ἐνέργεια erläutert ist. Das
Aufdrängen der Ruhe gibt zu erkennen, dass sie nur eine Übergangs
phase ist und die Ausübung und den Vollzug der Bewegung dring
lich erwartet. Einer solchen gespannten, aufdringlichen Ruhe ge
genüber lässt sich in der Φύσις-Abhandlung eine gesammelte Ruhe
erkennen, welche im Zusammenhang mit der Bestimmung der οὐσία
als Anwesung und dem Gedanken der φύσις eine ausgezeichnete
Rolle im Verhältnis zur Bewegung spielt. Dabei orientiert sich Heid
eggers Deutung weitgehend an dem aristotelischen τέχνη-Modell
und macht das Moment der Ruhe im Sich-Halten am Ende der her
stellenden Bewegung und dem Im-Werk-Stehen geltend. Man kann
jedoch den Gedanken der Ruhe vom τέχνη-Modell lösen, wie Heid
egger es gelegentlich auch tut, und die Ruhe konkreter, aber auch
allgemeiner fassen. Ein dastehender Baum etwa ruht in sich, ist in
sich gesammelt und west als solcher an. Solche in sich gesammelte
Ruhe ermöglicht es, dass die Bewegungen oder die Veränderungen
aufgefangen und somit zurückgeborgen sind. Dem Sich-Zeitigen der
Bewegung der φύσει ὄντα entspricht ihr In-sich-Ruhen, und diese
beide Momente bilden zusammen eine einheitliche Hinsicht, in der
die φύσις zur Geltung kommen kann.
Martina Philippi
Phänomenologie als methodische Kritik
von Selbstverständlichkeit
Einleitung
Die Figur, die diese Merkmale auszeichnen, ist interessant, weil sie
die Frage nach der Autorität solcher Selbstverständlichkeiten auf
wirft. Zugleich stellt sie einen wertvollen Vergleichsaspekt zwischen
der husserlschen und der heideggerschen Ausprägung der Phänome
nologie dar. Durch Husserl begründet, erfuhr diese durch Heideg
ger eine deutliche Modifikation, obwohl eine Gemeinsamkeit bleibt:
Die ausdrückliche und bezugstiftende Thematisierung von Wissen
schaft und alltäglichem Lebensvollzug. Mein Beitrag soll aufzeigen,
dass die Figur von Selbstverständlichkeit und Problematisierung die
Wurzel der Phänomenologie sowohl bei Husserl als auch bei Heid
egger darstellt und ihre jeweilige Ausformung verdeutlicht. Die Idee
ist dabei, dass Heidegger in der Marburger Phase seines Denkens die
Weichenstellung erkennen lässt, die ihn von Husserls Konzept der
Phänomenologie wegführt.
Zunächst gilt es also zu zeigen, wie Husserl die Phänomenologie
als »Überführung von Selbstverständlichkeiten in Verständlichkei
ten« entwirft, und anschließend die wichtigsten Aspekte von Selbst
verständlichkeit bei Heidegger auf die Frage nach ihrer Autorität
und der Möglichkeit ihrer Überwindung zu untersuchen. Vor dem
Hintergrund der husserlschen Phänomenologie wird dabei unter
sucht, wie Heidegger im Hauptwerk seiner Marburger Zeit, Sein
und Zeit, eine methodisch-inhaltliche Analyse von Selbstverständ
lichkeit entwickelt. Der Titel »Selbstverständlichkeit« wird dabei
weiterhin verwendet, um zu kennzeichnen, wo dieses Moment der
Phänomenologie in Erscheinung tritt.
Husserls Analyse
Heideggers Analyse:
Selbstverständlichkeit in den Wissenschaften
Wie verhält sich dies bei Heidegger? Gibt es auch hier eine methodi
sche und eine inhaltliche Fragerichtung? In Sein und Zeit zeigt sich
die doppelte Aufgabe: Dem grundlegenden Methodenteil, der eine
Fundamentalontologie fordert, folgt die Durchführung der »existen
zialen Analyse«. Anders als bei Husserl sind diese beiden Komplexe
passgenau zusammengefügt: Hier steht nicht auf der einen Seite das
Methodenproblem, das gelöst werden muss, und auf der anderen
der zu untersuchende phänomenologische Gegenstand; sondern die
17 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 170: »Das Man ist überall dabei, doch so,
daß es sich auch schon immer davongeschlichen hat, wo das Dasein auf Ent
scheidung drängt. […] Es kann am leichtesten alles verantworten, weil keiner
es ist, der für etwas einzustehen braucht. Das Man ›war‹ es immer und doch
kann gesagt werden, ›keiner‹ ist es gewesen. In der Alltäglichkeit des Daseins
wird das meiste durch das, von dem wir sagen müssen, keiner war es.«
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 215
eine Form der Mitteilung, die sich nicht um ein echtes Verständnis
ihres Gegenstandes bemüht, weil sie von einem »durchschnittlichen«
Verständnis getragen wird. »Durchschnittlichkeit« ist der Titel für
die an das Gerede gekoppelte, intersubjektive Weltauslegung, in der
sich das alltägliche Dasein »zunächst und zumeist« bewegt, nämlich
immer schon im Modus des »Mitseins« mit anderen, was die Ver
ständigung auch ohne sachliche Rückbindung an den Gegenstand
ermöglicht: Bizarrerweise »kann die mitgeteilte Rede weitgehend
verstanden werden, ohne daß sich der Hörende in ein ursprünglich
verstehendes Sein zum Worüber der Rede bringt. Man […] hört
schon nur auf das Geredete als solches.«18 Dabei weist das Gerede
eine Doppelnatur auf: Zwar vermag es nichts adäquat wiederzuge
ben, bleibt über die »Durchschnittlichkeit« aber kommunizierbar,
wodurch ihm »nichts verschlossen« ist.19 Diese »Bodenlosigkeit«20
bewirkt Ähnliches wie die unreflektierte Übernahme der Tradition
in der Wissenschaft: Das Gerede verstellt den Blick auf die Welt.
Heidegger stellt fest: »Die Rede, die zur wesenhaften Seinsverfas
sung des Daseins gehört und dessen Erschlossenheit mit ausmacht,
hat die Möglichkeit, zum Gerede zu werden und als dieses das In-
der-Welt-sein […] zu verschließen und das innerweltlich Seiende
zu verdecken.«21 Hier zeigt sich ein typischer Automatismus der
Selbstverständlickeit: Das Gerede verdeckt offene Fragen, indem es
ihnen den Anschein gibt, längst geklärt zu sein. Der Automatismus
selbst bleibt dabei unentdeckt.
Die zweite Komponente ist die Neugier, die dem Gerede die The
men zuträgt. Auch sie ist ein »abkünftiger Modus« eines Existenzials,
nämlich des Verstehens. Neugier wird aktiv, wenn es gerade nichts
Bestimmtes zu besorgen gibt, die Aufmerksamkeit also frei von Auf
gaben wird und sich nach einem neuen Gegenstand umsieht.22 Ihre
als In-der-Welt-seins ledig zu werden, ledig des Seins beim nächst alltägli
chen Zuhandenen.«
23 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 229.
24 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 229 –230.
25 Tatsächlich spricht Heidegger vom »autoritativen Charakter« des Geredes,
so in Sein und Zeit, GA 2, 224: »Das Geredete als solches zieht weitere Kreise
und übernimmt autoritativen Charakter. Die Sache ist so, weil man es sagt.«
26 Und der damit verbundenen, zeitintensiven Möglichkeit »echten Schei
terns«, vgl. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 224 und 231.
27 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 235.
28 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 232.
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 217
35 Und zwar durchaus als philosophia perennis, nicht als eine weitere Schul
richtung. Vgl. Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften, Husser
liana VI, 6–8.
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 221
36 Deutlicher wird dies zwei Jahre später in Die Grundbegriffe der Meta
physik (1929/30). Die Vorlesung fragt nach der Möglichkeit einer Philoso
phie, die ihre eigene wesenhafte Zweideutigkeit (als Lehrfach, Schuldiszip
lin, Tradition, Wissensgebiet) überwindet, und stellt klar: Der Zugang zur
Philosophie kann nicht durch die Vermittlung von Wissen geschehen, son
dern muss aus dem Dasein selbst heraus erfolgen. Der Weg, den er exemp
larisch vorschlägt, führt über die Gestimmtheit der Langeweile, in der das
bislang unhinterfragte Vor-sich-Hinleben aufbricht und in ein entschlossenes,
echtes Fragen mündet. Vgl. Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik,
GA 29/30.
37 Husserl, Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie, Husserliana
XXIV, 74.
222 Martina Philippi
Bei beiden Autoren hat sich bestätigt: Das Programm der Phäno
menologie wird durch die Aufdeckung von Selbstverständlichkeit
motiviert, wodurch sich die Verflechtung von Wissenschaft und le
bensweltlicher Praxis zeigt. Entgegen der Forderung nach Voraus
setzungslosigkeit und Wissenschaftlichkeit gibt es hier tatsächlich
eine Weichenstellung Heideggers: Zwar teilt er mit Husserl noch
den phänomenologischen Grundsatz »Zu den Sachen!«; doch sein
Programm steht dem husserlschen als eine hermeneutische Unter
suchung des Menschen in seiner Welt und seinem praktischen
Lebensvollzug gegenüber.
Introduction
that the moment is indeed concrete and particular, yet it also belongs
to and maintains a relation with a structural unity as the whole.
Heidegger further explains how for Aristotle disposition occu
pies a particular position within the structural whole of the situation.
Disposition is a »middle« (μεσότης); it is an orientation that main
tains the mean, in the sense of »middle position«. Heidegger defines
this middle position as that which we »apprehend as being-equal
ly-far-away from the ends […,] that which is equally far removed
from both ends is addressed as μέσον of the matter itself«.14 Despite
the quasi-quantitative delimitation of disposition, Heidegger insists
that Aristotle acquires here an existential understanding of disposi
tion that grasps the character of Dasein’s particularity (καθ᾽ἕκαστον).
Heidegger juxtaposes disposition with geometrical position, which
is also a grasping of the particular point of relational character em
bedded into a structural whole. However geometrical position is
mathematically measurable and as such oriented towards grasping
the being of a thing, such as a line. In distinguishing the two, Heid
egger explains that for Aristotle disposition is a virtue and virtue is
neither a thing in its constitution nor does it have a thing as its ob
ject. Insofar as Aristotle defines virtue as a middle-position, thinks
Heidegger, »one can determine the mean of a thing geometrically«.15
However, in so far as Aristotle is offering an interpretation of the be
ing of Dasein, the matter is not one of pertaining to a thing (πρᾶγμα),
rather it is something that relates to us as it appears to us (πρὸς ἡμᾶς
γνωριμότερον), relative to our own being. In this context, Heidegger
warns against understanding virtue as normative ethics. Rather, vir
tue signifies a »basic relation to the being-there of human beings«.16
Comportment as continuum
sche stetig, συνεχὲς , ist. Der Punkt stellt nur die letzte und äußerste Grenze
dieses Stetigen dar.«
31 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 104.
32 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 163.
33 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 163.
232 Christos Hadjioannou
34 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 113: »Seins mit oder zu einem an
deren«.
35 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 115.
36 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 113.
37 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 114.
38 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 119.
39 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 119.
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 233
Concluding remarks
41 Heidegger, Platon: Sophistes, GA 19, 85–86: »Das ist auch dem Aristote
les nur in gewissen Grenzen gelungen, so daß er trotz der radikalen Tendenz
nicht zur letzten Ursprünglichkeit des Seins der Welt gedrungen ist. Es ist
eine Interpretation möglich, die selbst versucht, das Seiende der Welt, ab
gelöst vom griechischen Seinsbegriff, zu sehen. Das soll aber nicht hier im
Kolleg geschehen«.
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 235
l’opus magnum qui y sont présents. Ils restent en revanche assez peu
étudiés pour eux-mêmes3, comme le sont par exemple les premiers
cours de Fribourg, sur lesquels il existe déjà de nombreux ouvrages.4
Notre intention dans la présente contribution est de proposer une
lecture du premier de ces cours, non pas sous l’angle rétrospectif des
préfigurations de Sein und Zeit qui peuvent y être décelées, mais
dans la continuité et à la lumière de l’herméneutique de la facticité.
C’est la conquête de la vie facticielle qui motive et sous-tend, telle est
notre conviction, les principales objections que Heidegger adresse à
la phénoménologie de Husserl en arrivant à Marbourg : sa critique
de la conscience transcendantale comme de l’intentionnalité, de la
réduction comme de la réflexion, ou encore de l’eidétique. Nous
qualifierons les critiques que Heidegger adresse à la phénoménologie
de critiques immanentes dans la mesure où il entend, non pas dépas
ser la phénoménologie ou en sortir, mais rendre véritablement phé
noménologique ce qui, dans la phénoménologie husserlienne, reste
non phénoménologique. Ce qui est donc en question, ce n’est rien
de moins qu’une radicalisation de la phénoménologie dans le sillage
de l’herméneutique de la vie facticielle, sous la forme d’une phéno
ménologie herméneutique qui se présente comme une alternative
à la phénoménologie transcendantale et eidétique de Husserl. En
même temps, cette vaste entreprise dont nous trouvons les prin
cipaux jalons dans les cours du semestre d’hiver 1923/24 et des se
mestres d’été 1925 et 1927, agit en retour sur l’herméneutique de la
vie facticielle qui évolue et se radicalise à son tour en une analytique
Nous nous concentrerons dans ce qui suit sur le premier cours mar
bourgeois de Heidegger, Einführung in die phänomenologische
Forschung5, qui a incontestablement le statut d’un cours charnière6
entre l’herméneutique de la facticité de Fribourg et l’analytique du
Dasein. La première partie de ce cours traite du phénomène et du
logos selon Aristote et Husserl, et le premier chapitre est consacré à
une clarification du concept de phénoménologie à partir d’Aristote.
Dès le début, Heidegger présente donc le visage de la phénoméno
logie comme double : aristotélicien et husserlien. Il souligne ainsi
encore une fois que ce dont il est question pour lui, ce n’est pas la
phénoménologie comme école ou courant philosophique, mais la
phénoménologie comme possibilité7 qui ne s’épuise pas dans ses
22 Edmund Husserl, Aufsätze und Vorträge (1911–1921), Hua XXV, éd. par
Thomas Nenon et Hans Rainer Sepp, Dordrecht 1987, 3–62.
23 Voir par exemple Heidegger, Einleitung in die Phänomenologie der Re
ligion, GA 60, 9: « Der Begriff « faktisch » […] wird nur vom Begriff des
« Historischen » her verständlich ».
24 Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 70.
25 « Nur Wesenserfassung ist die Erfassungsart des transzendental reinen Be
wusstseins » (Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung,
GA 17, 80).
26 Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
83 : « Ohne weiteres wird als Prototyp mathematische Naturerkenntnis zur
Grundlage gemacht » (souligné par l’auteur).
27 Comme le souligne Jacques Taminiaux : « La réduction est eidétique
précisément en se fixant sur le quid, sur cette essentia au détriment de
l’existentia » (Jacques Taminiaux, D’une idée de la phénoménologie à l’autre,
in : Lectures de l’ontologie fondamentale, Grenoble 1995, 19 –88, 65).
28 Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 274.
29 Heidegger, Prolegomena, GA 20, 152.
244 Claudia Serban
l’objectivité : « Die sichere Objektivität ist unsichere Flucht vor der Fakti
zität, und sie verkennt sich selbst gerade darin, dass sie aufgrund der Flucht
die Objektivität zu steigern glaubt » (Heidegger, Phänomenologische Inter
pretationen zu Aristoteles, GA 61, 90).
35 « Die Sorge um erkannte Erkenntnis ist nichts anders als die Angst vor
dem Dasein » (Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung,
GA 17, 97, souligné par l’auteur). Ou encore: « Die Sorge um erkannte Er
kenntnis ist Flucht vor dem Dasein als solches » (Heidegger, Einführung in
die phänomenologische Forschung, GA 17, 111).
36 Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
106–107.
37 « Wir müssen sehen, wo die heutige Herrschaft der Sorge des Erkennens
ihre Herkunft hat, welchen Ursprüngen gegenüber sie heute entwurzelt ist »
(Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 128,
souligné par l’auteur).
38 De façon assez virulente, Heidegger y voit aussi la raison de l’incapacité
foncière de la phénoménologie husserlienne à approcher adéquatement les
phénomènes de l’existence humaine et, avec eux, le domaine des sciences de
l’esprit: « Es ist kein Zufall, dass in der heutigen Phänomenologie dieselbe
Unmöglichkeit gegeben ist, gerade in dieser grundsätzlichen Unfähigkeit,
geisteswissenschaftliche Erkenntnis überhaupt zu verstehen. So mutet er ei
nigermassen grotesk an, dass man heute innerhalb der Geisteswissenschaften
beschäftigt ist, mit der Phänomenologie sich selbst aufzuhelfen. Der Bo
246 Claudia Serban
den für diese spezifische Tendenz der Geschichtsfeindlichkeit liegt hier bei
Descartes » (Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung,
GA 17, 213, souligné par l’auteur). Ou encore, plus loin: « die Orientierung
der heutigen Philosophie an dem Bewusstsein in grundsätzliche Unmöglich
keiten hineingetrieben wird, in Unmöglichkeiten, solche Phänomene wie
Geist, Leben, die doch immer auf Bewusstsein abgestellt sind, fassen zu kön
nen, sofern man an diese Phänomene mit bestimmten Kategorien herantritt »
(Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 247).
39 Pour la lecture heideggérienne de Descartes, nous renvoyons à l’étude
de Jean-Luc Marion, Heidegger and Descartes, in: Martin Heidegger. Criti
cal Assessments, éd. par Christopher E. Macann, Londres / New York 1992,
tome II, 178–206, et à la contribution récente de Christophe Perrin, L’origine
et les fondements de la question cartésienne chez Heidegger, Studia phaeno
menologica, X (2010), 333–357). L’orientation anticartésienne que prend, à
Fribourg déjà, la critique que Heidegger adresse à Husserl a été relevée par
Virginie Palette (Heideggers früher Durchbruch zur hermeneutischen Phä
nomenologie als Kritik des ‹ cartesianischen Weges › in Husserls Ideen I, in:
Heidegger und Husserl im Vergleich, 152–168).
40 Heidegger, Prolegomena, GA 20, 147.
41 « Kritisiert werden nicht Aristoteles oder Augustinus, sondern die Gegen
wart » (Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
118, souligné par l’auteur).
L’interprétation heideggérienne de Husserl 247
53 Edmund Husserl, Die Idee der Phänomenologie, Hua II, éd. par Walter
Biemel, La Haye 1950, 29.
54 « Mit dieser Entdeckung der Intentionalität ist zum ersten Mal in der
ganzen Geschichte der Philosophie ausdrücklich der Weg für eine radikale
ontologische Forschung gegeben » (Heidegger, Einführung in die phänome
nologische Forschung, GA 17, 260, souligné par l’auteur). Et un peu plus
loin : « Die Bestimmung der Intentionalität ermöglicht erst die phänomeno
logische Forschungsmethode » (Heidegger, Einführung in die phänomeno
logische Forschung, GA 17, 263).
55 Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
271–272 : « das vorherrschende Studium der Intentionalität am Intentionalen
im Erkennen selbst orientiert ist » (souligné par l’auteur). Voir aussi Heideg
ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 169.
56 Comme l’écrit Heidegger avec radicalité : « Die Sorge der Gewissheit ist
das Verstellen des Seins » (Heidegger, Einführung in die phänomenologische
Forschung, GA 17, 283, souligné par l’auteur). Ou encore : « Die Sorge der
Gewissheit verlegt jede Frage nach dem Sein zur Frage nach dem Gegen
standsein für Wissenschaft » (Heidegger, Einführung in die phänomenolo
gische Forschung, GA 17, 283, souligné par l’auteur).
57 Tant que l’on reste orienté vers la certitude, la « chose même » de la phé
noménologie se réduit donc à ce qui se prête à une connaissance certaine :
250 Claudia Serban
61 « Das Phänomen der Angst kann ich nicht fassen als Bezogensein-auf-
etwas, sondern es ist ein Phänomen des Daseins selbst » (Heidegger, Einfüh
rung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 288). Et aussi Heidegger,
Ontologie, GA 63, 15, à propos du comprendre : « Dieses Verstehen […] ist
überhaupt kein Sichverhalten zu … (Intentionalität), sondern ein Wie des
Daseins selbst ».
62 « Das es ist ist die Bedrohung des Daseins selbst » (Heidegger, Einführung
in die phänomenologische Forschung, GA 17, 289, souligné par l’auteur).
63 Sur l’ancrage de la question de l’être dans la question du sum et sur
l’articulation de ces deux interrogations, voir la contribution récente de
Christian Sommer, (Qui) suis-je ? Quaestio augustinienne et Seinsfrage hei
252 Claudia Serban
68 Dans ses premiers cours fribourgeois, Heidegger joue assez souvent Au
gustin contre Descartes. Voir, par exemple, Heidegger, Grundprobleme der
Phänomenologie, GA 58, 205, et Heidegger, Einleitung in die Phänomeno
logie der Religion, GA 60, 298.
69 Heidegger, Prolegomena, GA 20, 437.
70 Jean-Luc Marion, Certitudes négatives, Paris 2010.
71 Car le cogito [ergo] sum cartésien ne détermine pas le sens du sum dans
son être propre. Voir Heidegger, Einführung in die phänomenologische For
schung, GA 17, 250 : « Der Sinn des sum ist entleert zum Sinn des formal-
ontologischen Etwasseins » (souligné par l’auteur).
72 Heidegger, Prolegomena, GA 20, 438, souligné par l’auteur.
Choong-Su Han
Die Struktur der Verklammerung
im Wesen der Wahrheit
die Wahrheit des Aussagesatzes,8 in Sein und Zeit die Wahrheit des
Daseins9 und in den Beiträgen zur Philosophie die Wahrheit des
Seyns.10 Wegen dieser Verschiedenheit scheint es zunächst unmög
lich, eine gemeinsame Wesensstruktur des Heideggerschen Wahr
heitsbegriffes in allen drei Schriften zu behaupten. Darüber hinaus
werden die Strukturmomente der Wahrheitskonzeption jeweils mit
einem neuen Begriffspaar benannt. Auch diese unterschiedlichen
Benennungen machen es schwieriger, die strukturelle Gleichheit der
Wahrheitskonzeption in den genannten Schriften herauszuarbeiten.
Um diese Schwierigkeiten vermeiden zu können, fokussiert der vor
liegende Beitrag auf die einheitliche und gewissermaßen formale
Struktur der Verklammerung im Heideggerschen Wahrheitsbegriff.
8 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128–129.
9 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 295.
10 Vgl. Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 349.
11 Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 348.
12 Diesen Begriff des Sichverbergens und den Begriff der Verbergung im Ab
schnitt 225 in den Beiträgen zur Philosophieverwendet Heidegger im selben
Sinne.
13 Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 349.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 259
Seins des Daseins als Zeitlichkeit auf. Aus dieser Zeitlichkeit wie
derum expliziere sich die Zeit als »Horizont alles Seinsverständ
nisses und jeder Seinsauslegung«.28 Heidegger betrachtet daher das
menschliche Dasein vornehmlich im Hinblick auf die Seinsfrage und
den Horizont der Zeit. In diesem Licht wird die Seinsverfassung des
menschlichen Daseins als »In-der-Welt-sein« bezeichnet. Diese Be
zeichnung scheint wörtlich gesehen zu bedeuten, dass der Mensch in
einem sozusagen geometrischen Raum der Welt lokalisiert ist. Die
ses Verständnis lehnt Heidegger aber ab, indem er das Wort »in« im
ursprünglichen Sinne des Wohnens versteht. Demnach bedeutet der
Ausdruck »In-der-Welt-sein«, dass der Mensch auf der Erde in der
Welt wohnt.29 Mit den Bindestrichen in der zusammengesetzten Be
zeichnung weist Heidegger darüber hinaus auf das innige Verhältnis
von menschlichem Wohnen und Welt hin, nämlich dass die Welt für
den Menschen je schon erschlossen ist.30 Das menschliche Dasein
ist »seine Erschlossenheit«.31
Durch diese neue Wesensbestimmung des Menschen setzt Heid
egger sich auch mit dem Phänomen der Wahrheit auseinander – denn
Erschlossenheit ist eine Bestimmung für Wahrheit oder zumin
dest für ein Strukturmoment von Wahrheit. Nach dem geläufigen
Wahrheitsverständnis ist eine Aussage über ein Seiendes genau dann
wahr, wenn die Aussage und das Seiende miteinander übereinstim
men. Dieses geläufige Wesen der Wahrheit im Sinne der Überein
stimmung führt Heidegger auf ihr ursprüngliches Wesen zurück,
indem er die Wahrheit der Aussage als »Entdeckung« im Sinne des
»Aufzeigens des Seienden«32 versteht. Da das Seiende nur in der er
schlossenen Welt entdeckt werden kann, gründet die Entdeckung
und Entdecktheit33 in der Erschlossenheit der Welt. Daher kann die
Wahrheit der Übereinstimmung durch die Wahrheit im Sinne von
Entdeckung hindurch auf die Wahrheit der Erschlossenheit zurück
geführt werden,34 die Heidegger als das »ursprünglichste Phänomen
40 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 141.
41 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 54.
42 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128.
43 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128.
44 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 127.
45 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 129. Und
vgl. auch Aristoteles, De interpretatione 17 a; De interpretatione wird zitiert
nach: Aristotelis De interpretatione, hrsg. von Hans Günter Zekl, Darmstadt
1998.
264 Choong-Su Han
46 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 131–133.
47 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 135.
48 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 137.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 265
49 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 140.
50 Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 140.
51 Vgl. Heidegger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 141.
52 Heidegger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 356.
53 Heidegger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 41.
54 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 223.
266 Choong-Su Han
trag Zeit und Sein besteht ein großer inhaltlicher Unterschied, wo
rauf schon die Rede vom »lichtend-verbergenden Reichen« und die
Hervorhebung der »Nähe« hinweisen.63 Damit die obengenannte
Frage nach dem Verhältnis von Klammer und Verklammerung, also
wie Heidegger Zeit, Wahrheit und Unwahrheit verbindet, beant
wortet werden kann, bedarf es einer weiteren Untersuchung von
verschiedenen Zeitverständnissen in Verknüpfung mit dem Wesen
der Wahrheit.
1 Briefwechsel zwischen Wilhelm Dilthey und dem Grafen Paul Yorck von
Wartenburg. 1877–1897, Max Niemeyer Verlag, Halle an der Saale, 1923 ;
réédité chez Georg Olms Verlag, Hildesheim / Zürich / New York, 1995.
2 Cf. Martin Heidegger und die Anfänge der Deutschen Vierteljahrsschrift
für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Eine Dokumentation, hrsg.
von J. W. Storck und Th. Kisiel, in: Dilthey-Jahrbuch 8 (1992–1993), 181–232.
3 Heidegger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 1–103.
4 Cf. Theodore Kisiel, The Genesis of Heidegger’s « Being and Time », Uni
versity of California Press, Berkeley / Los Angeles / London, 1993, 315–361.
5 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 492–533.
6 Sein und Zeit ne conserve du texte de 1924 que le montage de citations
de la correspondance, que Heidegger a inséré tel quel dans le manuscrit
(cf. Kisiel, A Philosophical Postscript: On the Genesis of Sein und Zeit, in:
270 Guillaume Fagniez
même », n’est pas aperçu par ses contemporains (notamment par les
néokantiens qui ont combattu le psychologisme latent de sa problé
matique), mais pas non plus par lui-même.11
Dans un premier temps, c’est parce que le projet inédit de penser
l’historicité de la vie souffre d’une réception à contre-sens jusque
dans son auto-interprétation chez Dilthey, qui le fait passer pour un
programme « logique » visant à défendre l’autonomie des sciences de
l’esprit contre l’hégémonie des sciences de la nature, que Heideg
ger presse quelque peu Rothacker de lui attribuer l’exemplaire de la
correspondance reçu par la revue : la recension de la correspondance
Dilthey-Yorck doit être, selon Heidegger lui-même, une « prise de
position » à l’égard de l’œuvre de Dilthey qui infléchirait décisive
ment sa réception.12 Cependant, dès sa lecture de l’ouvrage, dans
les derniers jours de l’année 1923,13 Heidegger sait que sa « recen
18 Cf. Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 185, et Sein und Zeit, GA 2,
526 ; Heidegger cite également cette formule de Yorck in Kasseler Vorträge,
158.
19 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 499.
20 Lettre du 4 décembre 1888, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck,
71 (citée par Heidegger in Sein und Zeit, GA 2, 532).
21 Heidegger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 14.
274 Guillaume Fagniez
sents chez lui sont les indices d’un paradigme esthétique central qui
guide sa conception de la vie, que nous pouvons seulement relever
très brièvement ici. Il s’agit 1°) du caractère essentiellement téléo
logique, selon Dilthey, de l’ensemble constitué par la vie psychique.
Cette finalité immanente à la vie a pour effet que « tous les proces
sus de la vie psychique collaborent en nous à la réalisation d’un tel
ensemble, s’efforcent, pour ainsi dire, de donner une forme à notre
âme [eine Gestalt der Seele zu erwirken] ».27 2°) Ce rapport (hérité
de la Critique de la faculté de juger) d’une « force formatrice » à une
« figure » qui en accomplit toutes les possibilités est présent, selon
Dilthey, dès la constitution même de l’« expérience vécue » : perce
voir, c’est d’emblée, par le pouvoir de l’imagination, donner forme
à l’expérience, qui se présente donc toujours déjà comme image ;
en ce sens, l’expérience est une incessante conversion de la force
en forme, une « métamorphose ».28 3°) Fondé implicitement sur les
deux éléments précédents, le concept de type est choisi par Dilthey
pour exprimer l’articulation du particulier et du général propre aux
sciences de l’esprit : celui-ci ne subsume pas le particulier sous l’uni
versel comme une loi, mais établit une représentation réciproque
de l’universel et du particulier. À travers un procédé comparatif,
la psychologie établit des constantes qui définissent l’« homme ty
pique », l’histoire dégage des types de conceptions du monde ; mais
le concept scientifique de type ne se déprend jamais entièrement
d’une catégorie esthétique sous-jacente : le type « conserve son ca
ractère imagé [Bildlichkeit] ».29
À travers cette correspondance omniprésente d’une force et d’une
forme, le risque est bien réel que leur unité se fasse moins dans l’unité
dynamique d’une métamorphose que dans la stabilité et l’extériorité
de ce qui doit être pris en vue par un regard ; risque qui est effective
ment pointé par Yorck dans les citations du § 77 de Sein und Zeit,
où la critique de l’« oculaire » tient une place essentielle : « Vous em
ployez l’expression ‹ métamorphose ›, qui est assurément fort éclai
rante. Je ne puis toutefois, au premier abord, la comprendre autre
ment que comme une projection optique du processus d’assimilation
qui s’accomplit dans la région invisible de la causalité ».30
Les réserves émises par Yorck à l’égard du concept de type pro
cèdent de ce même rejet du paradigme esthétique dans la démarche
psychologique et historique. D’une part, Yorck voit dans le type « la
clef qui ouvre les serrures les plus fines et les plus difficiles » ; en tant
qu’il correspond à un « sentiment de perfection », il constitue une
« mesure vitale, une catégorie historique de même importance pour la
connaissance de l’historicité que n’importe quelle catégorie logique
pour l’ontique ».31 Mais d’autre part, dans une posture qui préfigure
celle de Heidegger, Yorck rappelle Dilthey à ses intentions philoso
phiques propres : « La comparaison, écrit-il, est toujours esthétique,
elle tient toujours à la figure [Gestalt]. […] Votre concept de type est
entièrement intérieur. Il s’agit là de caractères et non de figures. »32
Heidegger peut retrouver ici le rejet du concept de « type » qu’il
a lui-même exprimé dans ses premiers cours de Fribourg, en tant
qu’il contient un moment « essentiel » ou « eidétique » qui contre
dit manifestement l’historicité de la vie. Le « type » est l’instrument
caractéristique d’une « attitude historico-objective »33 qui, quelles
que soient les intentions affichées, stabilise l’historicité de la vie en
des « figures » et fait de l’histoire un vaste panorama dont on peut
savourer le « spectacle ».34 La « tendance à typiser [Tendenz zur Typi
sierung] »35 – devenue selon Heidegger une véritable frénésie typo
logique36 – implique une orientation si déterminée vers l’intempo
rel qu’elle n’est au fond pas autre chose qu’une « lutte contre l’his
toire ».37 C’est à ce titre que Heidegger cite les passages des lettres
de Yorck qui dénoncent le caractère seulement « antiquaire » de la
prétendue « école historique », en prenant notamment pour cible
Leopold von Ranke : « Ranke, comme historien, écrit Yorck, est tout
œil, il garde par devers lui la sensation avec tout ce qu’elle a de pure
ment personnel, il s’agit de voir l’histoire, non de vivre l’histoire ».38
Vivre l’histoire et non la voir : à une histoire conçue comme une
galerie de figures « passées », tenues à distance par le regard, Yorck
oppose une histoire faite de « réalités » qui sont encore et toujours
présentes en tant qu’elles exercent – selon diverses modalités – cer
taines forces sur nous. Concept d’histoire qui est également celui
de Dilthey, de nouveau rappelé par Yorck à ses intentions propres :
« Votre conception de l’histoire est quand même celle d’un complexe
de forces, d’unités dynamiques ; la catégorie de la figure ne pourrait
s’y appliquer qu’à la condition d’être transposée ».39 Ce qui est his
torique est d’abord et avant tout à comprendre, selon l’expression
de Yorck reprise par Heidegger, comme une « virtualité ».40 Une
telle caractérisation de l’histoire (disons-le dès à présent mais nous
par Heidegger dans les Kasseler Vorträge, 177, et dans Sein und Zeit, GA 2,
529 et 531.
68 Dilthey écrit : « La Réforme était remontée à la simple expérience religi
euse vécue. Elle avait démoli tout le système de pensée objectif de la puissance
ecclésiastique » (Leibniz und sein Zeitalter, in Studien zur Geschichte des
deutschen Geistes, GS III, hrsg. v. P. Ritter, B. G. Teubner, Leipzig & Berlin,
1921, 45–46).
69 Yorck von Wartenburg, Bewußtseinsstellung und Geschichte, 4–5.
70 Sur l’expérience chrétienne comme « paradigme » de l’« aiguisement » du
soi d’une part, comme expérience du temps et de l’historicité mêmes d’autre
part, cf. respectivement Grundprobleme der Phänomenologie (1919/1920),
GA 58, 61–62, et Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60, 80.
La publication récente des passages recopiés par Heidegger dans l’Einleitung
de Dilthey (cf. Kisiel, Notes for a work on the « Phenomenology of Religious
Life » (1916–1919), in: S. J. Mc Grath et A. Wiercinski (eds.), A Companion
to Heidegger’s Phenomenology of Religious Life, Rodopi, Amsterdam / New
York, 2010) confirme que Heidegger a trouvé très tôt chez Dilthey deux
idées qui jouent un rôle majeur dans le développement de sa pensée : 1°)
l’expérience chrétienne est un retour vers soi qui va à rebours de la tendance
foncièrement « mondaine » de l’existence à laquelle la pensée grecque a donné
une forme philosophique ; 2°) cette expérience est rapidement étouffée sous
le poids de la métaphysique grecque résurgente. Cette dernière idée est re
prise, avec plus de force, voire de virulence, par Yorck, dans sa correspon
dance avec Dilthey comme dans d’autres textes auxquels Heidegger n’a pu
avoir accès.
71 Cf. lettre du 4 mars 1884, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 39
(citée par Heidegger in Sein und Zeit, GA 2, 529).
Heidegger et la correspondance de Dilthey et Yorck 285
72 Toute histoire véritable mettant dès lors en jeu ce que Yorck appelle le
« coup d’œil psycho-historique » (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck,
113). Yorck parle en ce sens d’une « règle de connaissance selon laquelle les
puissances historiques ne sont pas atteintes optiquement mais par la remon
tée de l’effet à la cause au moyen d’une expérience psychique […] Nous
n’avons pas affaire ici au christianisme en tant que religion, mais en tant
que constitution de conscience … » (Bewußtseinsstellung und Geschichte, 7).
« Nous devons répéter l’expérience de la vie, fût-ce sur le mode contemplatif,
dans la direction inverse […] La pensée doit donc chercher à revenir en deçà
d’elle-même … » (Bewußtseinsstellung und Geschichte, 9)
73 Lettre du 6 juillet 1886, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 59.
74 Lettre du 18 juin 1884, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 42. Sur
le sens de ce motif yorckien, cf. l’introduction de Iring Fetscher à Yorck von
Wartenburg, Bewußtseinsstellung und Geschichte, XXX–XXXII .
75 Lettre de Dilthey à Yorck datée d’« avant Noël 1892 », Briefwechsel zwi
schen Dilthey und Yorck, 158.
76 Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften, GS I, 364 et 386. Cf. éga
lement Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 92.
286 Guillaume Fagniez
77 Cf. à ce sujet la lettre écrite par Yorck de et sur Rome le 4 mars 1891,
Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 120.
78 Cf. Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 125. Dilthey interprète
l’opposition yorckienne à travers une catégorie qui tient bien, avant tout
de la Diesseitigkeit : « La ‹ transcendance opposée à toute métaphysique › est
justement la part héroïque et religieuse de la nature humaine, qui est capable
de renoncer à elle-même. Il nous est impossible de la concevoir. Mais nous
ne devons pas non plus l’isoler. » (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck,
146.) L’idée est récurrente, dans son œuvre, que la liberté humaine s’atteste
avant tout par la possibilité héroïque de sacrifier sa vie.
79 Plus précisément dans un passage de l’essai sur Goethe repris dans Dilthey,
Das Erlebnis und die Dichtung, GS XXVI, hrsg. v. G. Malsch, Vandenhoeck
& Ruprecht, Göttingen, 2005, 148–149. Cf. Heidegger, Der Begriff der Zeit,
GA 64, 48, et Sein und Zeit, GA 2, 331.
80 Cf. Heidegger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 49, note 21.
81 Analyses de la mort reprises à la fin du cours du semestre d’été 1925 (Pro
legomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 424–440) avant d’atteindre
leur formulation « classique » dans Sein und Zeit, GA 2, 314–354.
82 Cf. Heidegger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 51 et 58, et dans le même
volume, la conférence prononcée devant la faculté de théologie de Marbourg,
GA 64, 118 : « das Grundphänomen der Zeit ist die Zukunft. » Sein und Zeit
(§ 65) reprend cette thèse en caractérisant l’avenir comme « le phénomène
primitif de la temporalité originale et propre » (GA 2, 436).
83 Cf. Heidegger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 118: « Das Dasein […] ist die
Zeit selbst, nicht in der Zeit »; et les Kasseler Vorträge, 169: « Menschliches
Leben passiert nicht in der Zeit, sondern ist die Zeit selbst »). Le § 6 de Sein
Heidegger et la correspondance de Dilthey et Yorck 287
Aus Sein und Zeit sind vor allem die zweite und dritte Fußnote zu
Kierkegaard für die folgenden Überlegungen von Interesse.2 Die
zweite Fußnote lautet: »Im 19. Jahrhundert hat S. Kierkegaard das
Existenzproblem als existenzielles ausdrücklich ergriffen und ein
dringlich durchdacht. Die existenziale Problematik ist ihm aber so
fremd, daß er in ontologischer Hinsicht ganz unter der Botmäßig
keit Hegels und der durch diesen gesehenen antiken Philosophie
steht. Daher ist von seinen ›erbaulichen‹ Schriften philosophisch
mehr zu lernen als von den theoretischen – die Abhandlung über
Gegenlektüre Kierkegaards
in der Zeit ist und alleine der Zeit zugehört, keine Gegenwart hat«.16
Noch deutlicher wird die Unterscheidung, wenn Kierkegaard auf
die bereits genannte Feststellung: »Sobald der Geist gesetzt ist, ist
der Augenblick da«, die gegensätzliche Bestimmung folgen lässt:
»Die Natur liegt nicht im Augenblick.«17 In die Terminologie Heid
eggers übersetzt besagt dies: Die Innerzeitigkeit von nicht-mensch
lichem, innerweltlichem Seienden, inklusive des Seienden, dem die
Seinsweise Leben zukommt, kennt keinen Augenblick, denn der
Augenblick als existenziale Bestimmung der Zeitlichkeit ist der
Seinsweise des Menschen vorbehalten.
Das Ziel des folgenden Abschnitts ist es, an den Texten Kierkegaards
das Potenzial für eine Rekonzeptualisierung des Augenblicks als
ausgezeichneter Vollzugsweise der Gegenwart im Sinne des Pro
jekts von Sein und Zeit auszuweisen. Die folgenden, mitunter ver
allgemeinernden Ausführungen sollen zunächst zeigen, dass in zahl
reichen Schriften Kierkegaards unter verschiedenen – mitunter nur
schwer oder gar nicht in Einklang zu bringenden – Gesichtspunkten
der Gestus einer Doppelbewegung vollzogen wird: Diese besteht
schematisch darin, sich in einem ersten Schritt aus der Gebundenheit
an das Gegebenen zu befreien, um anschließend in einem zweiten
Schritt in einer qualifizierten Weise in diese Gegebenheiten zurück
zukehren.
Ein bekanntes Beispiel ist Johannes de Silentios Wiedergabe und
Interpretation der Abraham-Erzählung von der Opferung Isaaks in
Furcht und Zittern. In diesem Text wird das kierkegaardsche Ver
ständnis der Wiederholung, die vielleicht als die philosophisch be
deutendste Form der skizzierten Doppelbewegung charakterisiert
werden kann, am nachhaltigsten vorgetragen. Die Wiederholung
lässt sich anhand von Abraham dahingehend veranschaulichen, dass
dieser bereit ist, sich von allen weltlichen Bezügen zu lösen und in
letzter Konsequenz auch seinen über alles geliebten Sohn zu opfern,
um dann in einem zweiten – für ihn allerdings nicht antizipierbaren –
Schritt seinen Sohn und damit seine gesamte Existenz wieder zu be
kommen. Das Unglaubliche und Schockierende der Abraham-Er
zählung besteht für de Silentio einerseits darin, dass Abraham breit
war, wider jede Vernunft, ohne jedwede Sicherheit und ohne eine Be
gründung geben zu können, auf Gott zu vertrauen und seinen Sohn
zu opfern. Ebenso erstaunlich ist aber, dass Abraham Isaak am Ende
zurück bekommt und sogar gestärkt aus der Erzählung hervorgeht.
De Silentio bezeichnet Abraham als einen »Ritter des Glaubens«19
und betont, dass es fraglich ist, ob es je einen anderen Ritter des
Glaubens gegeben hat, gleichwohl auch unser nächster Mitmensch
ein solcher Ritter sein könnte; denn eines der wesentlichen Kenn
zeichen eines Ritters des Glaubens ist es, dass er nach außen nicht
kenntlich ist. Der Ritter des Glaubens – wenn es ihn gibt – fügt sich
20 Für eine umfassende Interpretation müsste in erster Linie nach dem Status
dieser Erzählung gefragt werden; auf welche Weise versucht diese wofür zu
argumentieren? Um eine Verbindung dieser Überlegungen zu den Ausfüh
rungen in der Der Begriff Angst anzudeuten, sei angemerkt, dass die Frage
nach der Rolle, die der Bezug auf das Ewige bei Kierkegaard spielt, gerade
in Hinblick auf diese Figur der Doppelbewegung gestellt werden müsste.
21 Es ist an dieser Stelle leider nicht möglich, auf die rhetorische Dimen
sion dieser Reden einzugehen: In welchem Modus spricht Kierkegaard hier?
Welche Möglichkeiten eröffnet sein Modus des geschriebenen Sprechens?
Welchen Status haben seine Reden? Für die zum Abschluss des Beitrags in
Aussicht gestellte – wiederum von Heidegger ausgehende – Gegenlektüre
von Kierkegaards Reden wären diese Fragen zentrale Einsatzpunkte.
Wechselseitige Gegenlektüren 299
22 Beim Hören der folgenden Passage ist vor allem die sinnkonstitutive
Rolle der Rhythmik zu beachten, für welche vor allem die Interpunktion
ausschlaggebend ist. Kierkegaard selbst hat sich in umfangreichen Notizen
mit der Rolle der Interpunktion auseinandergesetzt. Vgl. Søren Kierkeg
aard, Journalen NB, SKS 20, Kopenhagen 2003, 5–130, hier 98–101. Ferner
ist Kierkegaards Anweisung an die Leserin oder den Leser, den Text laut zu
lesen, und zwar im Idealfall sich selbst laut vorzulesen, zu beachten. Vgl. z. B.
Søren Kierkegaard, Drei erbauliche Reden, SKS 5, Kopenhagen 1998, 57–106,
hier 63 und Erbauliche Reden in verschiedenem Geist, SKS 8, Kopenhagen
2004, 107–441, hier 121.
300 Gerhard Thonhauser
23 Søren Kierkegaard, Die Lilie auf dem Feld und der Vogel unter dem Him
mel, SKS 11, Kopenhagen 2006, 5–48, hier 20. Die Übersetzung dieser Pas
sage ist entnommen: Gerhard Thonhauser, Über das Konzept der Zeitlichkeit
bei Søren Kierkegaard mit ständigem Hinblick auf Martin Heidegger Frei
burg / München 2011, 193–194. Die in weiterer Folge vorgetragenen Über
legungen knüpfen auch inhaltlich an die in diesem Buch enthaltene Analyse
dieser drei Reden Kierkegaards an. Vgl. Thonhauser, Über das Konzept der
Zeitlichkeit, 177–203; zu meinem Selbstverständnis und meiner Vorgehens
weise bei der Übersetzung vgl. 211–214.
Wechselseitige Gegenlektüren 301
28 Kierkegaard, Die Lilie auf dem Feld, SKS 11, 48. Die Fortsetzung dieser
Passage, die diesen Gedanken näher ausführt, lautet: »Bedenke, was dich
betrifft wenn auch nicht als Mensch so doch als Christ, dass christlich ge
sprochen selbst die Gefahr des Todes für dich so unbedeutend ist, dass es
heißt: ›noch heute bist Du im Paradies‹ und folglich der Übergang von der
Zeitlichkeit zur Ewigkeit – der größtmögliche Abstand – so geschwind ist
[…], dass du noch heute im Paradies bist, indem Du ja christlich gesprochen
bleibst in Gott. […] Du kommst doch nicht von Gott fort, du bleibst, also
Dir-selbst-in-der-Nähe in Gott […].«
29 Einen solchen Versuch habe ich an anderer Stelle unternommen. Vgl. Ger
hard Thonhauser, »Anchibasie« oder »at være nærværende«, in: Silvia Stol
ler und Gerhard Unterthurner (Hrsg.): Entgrenzungen der Phänomenolo
gie und Hermeneutik. Festschrift für Helmuth Vetter zum 70. Geburtstag,
Nordhausen 2012, 297–324.
30 Heidegger, ἀγχιβασίη. Ein Gespräch, GA 77, 116.
31 Heidegger, ἀγχιβασίη. Ein Gespräch, GA 77, 30 –31.
Jerome Veith
Destruktion and Repetition:
Freedom and Historical Belonging in Heidegger
1988, 13n4. Cf. also Werner Marx, Heidegger and the Tradition, translated
by Theodore Kisiel, Evanston, Illinois 1982.
2 Heidegger, Das Realitätsproblem in der modernen Philosophie, GA 1.
3 Barash, Historical Meaning, 99.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 307
10 Hannah Arendt, Martin Heidegger ist achzig Jahre alt, in: Merkur 23/10
(1969), 893–902, here 894. Cited and translated in Barash, Historical Meaning,
134.
11 In Heidegger’s view, recognizing the connection between historical ex
perience and conscience also reveals the meaning-source [Sinnquelle] from
which objective-historical knowledge (especially in the historical human
sciences) originates. Cf. Heidegger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9,
33. Responsibility will surface again in Being and Time’s notion of authen
ticity, where it amounts to Dasein’s consciousness of its possibility-to-be,
and where some have attempted to locate a proto-ethics in Heidegger. Cf.
Thomas Rentsch. Zeitlichkeit und Alltäglichkeit, in: Sein und Zeit (Klassiker
Auslegen), edited by Thomas Rentsch, Berlin 2007), 199 –228, here 202n6.
12 Heidegger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9, 34.
13 Rüdiger Safranski, Martin Heidegger. Ein Meister aus Deutschland, Mu
nich 1994, 111.
14 Heidegger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9, 34.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 309
25 Cf. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 28. Unless otherwise specified, the
English translation cited here will be that of Macquarrie and Robinson, San
Francisco 1962. On Heidegger’s diagnostic approach to history, cf. Robert
Piercey, The Uses of the Past from Heidegger to Rorty, New York 2009,
127–163.
26 Thomas Sheehan and Corinne Painter, Choosing One’s Fate: A Re-Rea
ding of Sein und Zeit § 74, in: Research in Phenomenology 28 (1999), 63–82,
here 71. Emphasis in original.
27 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 493. Emphasis in original. ›Occurrence‹
is Stambaugh’s translation of Geschehen, whereas Macquarrie and Robinson
employ the less transparent term ›historizing‹.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 313
of life cannot take away from Dasein’s individuality, but rather con
stitutes a broader region of Dasein’s own existence.43
In terms of history and destiny, this region is that of a people, and
it directs fate by shaping the space of possibility of heritage. This
influence, according to Heidegger, occurs through two basic events:
communication (Mitteilung) and struggle (Kampf). The former is
the articulation of the existential possibilities contained in the given
present situation, while the latter denotes the tensions involved in
interpreting this situation according to its (often latent) possibilities.
The fully authentic occurrence of Dasein, then, amounts to both a
resolute personal choice and a choice that involves one’s ›gener
ation.’44 Thus, while it is extremely difficult to comprehend how
Heidegger conceives of social life and the interaction between fate
and destiny,45 it is even more difficult to conclude that Heidegger
favors any sort of radical individualism in Being and Time.
Heidegger’s elaboration of the structure of historicality and the
task of enacting it point to two crucial conclusions: First, that au
thentic history can no longer be conceived in terms of a past that
determines the present, and second, that freedom in relation to his
tory does not entail a neutral beginning or an expulsion of one’s
heritage. Instead, only the finite freedom of situated retrieval – in
dividual and collective – becomes the measure of the adequate ap
propriation of history.
On the one hand, these conclusions help justify Heidegger’s
stance in Being and Time as a whole. From a methodological per
spective, the entire possibility of Destruktion, of leaping into the
Historical Belonging
46 Cf. John Sallis, Where does Being and Time Begin?, in Delimitations:
Phenomenology and the End of Metaphysics, second expanded edition,
Bloomington, Indiana 1995, 98–118, here 110.
47 Cf. Günter Figal, Martin Heid egger: Phänomenologie der Freiheit,
Frankfurt am Main 1988, 23.
318 Jerome Veith
des Lebens und dies kann auch dann noch positiv interpretiert wer
den, wenn Heidegger sich nach dem Jahr 1930 und der Schrift Vom
Wesen der Wahrheit von der Metaphysik und der metaphysischen
Sprache distanziert.
der Zeit als der Wurzel jeder möglichen Begegnung, und damit als
Grund des menschlichen Verhaltens im Allgemeinen. Das ist, grob
gesagt, die Grundidee der Fundamentalontologie. Aber wenn Heid
egger sagt, die Fundamentalontologie erschöpfe nicht den Begriff
der Metaphysik, dann muss das heißen: Es gibt irgendetwas inner
halb der Metaphysik, das über das ontologische Problem hinausgeht.
Da diese Behauptung erst in der Leibniz-Vorlesung ausgesprochen
wird, ist klar, dass sich dieses Problem in Sein und Zeit überhaupt
nicht stellt. In Sein und Zeit identifiziert Heidegger nämlich impli
zit die Metaphysik mit der überlieferten Ontologie und setzt die
vollständige Destruktion der Geschichte der Ontologie (Metaphy
sik) durch die Fundamentalontologie voraus. Im Unterschied dazu
verlangt die Leibniz-Vorlesung umgekehrt den Umschlag der Fun
damentalontologie in Metaphysik. Aber warum?
Obwohl die Fundamentalontologie ursprünglich mit einer be
sonderen Art von Transzendentalphilosophie zusammenhängt –
und dadurch von jeglicher überlieferten Ontik von Eigenschaften
wesentlich zu unterscheiden ist – basiert die Fundamentalontolo
gie immer noch auf dem Problem der Seiendheit des Seienden, das
heißt, Sein wird verstanden als »das, was Seiendes als Seiendes be
stimmt, das, woraufhin Seiendes, mag es wie immer erörtert wer
den, je schon verstanden ist«.7 Das ist das Problem der traditionellen
Ontologie. Allein, der Hinweis Heideggers, die Fundamentalon
tologie erschöpfe nicht den Begriff der Metaphysik, macht auf die
Tatsache aufmerksam, dass die Philosophie sich nicht nur mit dem
ontologischen Problem der Allgemeinheit des Seienden als Seien
den befassen muss, sondern auch mit dem besonderen Problem des
Seienden im Ganzen, dem wesentlichen Zweig der aristotelischen
Metaphysik als θεολογική.
Heidegger setzt sich mit diesem Thema in seiner Leibniz-Vorle
sung auseinander, in der er eine innere Ambivalenz in Aristoteles’
Begriff der πρώτη φιλοσοφία festhält. In der Metaphysik präsentiert
Aristoteles eine Wissenschaft, deren Aufgabe in der Untersuchung
des Seienden als Seienden besteht: ἔστιν ἐπιστήμη τις ἣ θεωρεῖ τὸ ὂν
ᾗ ὄν καὶ τὰ τούτῳ ὑπάρχοντα καθ’ αὑτό.8 Das ist die Philosophie in
erstem Sinne, φιλοσοφία πρώτη, die erst viel später als »Ontologie«
bezeichnet wird.9 Ebenfalls in der Metaphysik bestimmt Aristoteles
die erste Philosophie andererseits als θεολογική, als die Wissenschaft
des Grundes »des am offensichtlichen Seienden sich bekundenden
Übermächtigen«,10 als αἴτια τοῖς φανεροῖς τῶν θείων.11 Daraus zieht
Heidegger folgenden Schluss: »Philosophie als erste Philosophie hat
also einen zweifachen Charakter, sie ist Wissenschaft vom Sein und
Wissenschaft vom Übermächtigen«. Und dem fügt er in Klammern
hinzu: »Dieser Doppelcharakter entspricht dem Zweifachen von
Existenz und Geworfenheit«.12
Heidegger weist hier nicht nur auf einen inneren Zwiespalt in der
metaphysischen Fragestellung selbst hin, auf den Ausbruch eines
Scheidewegs von großem Einfluss in der gesamten Geschichte der
Philosophie, sondern er schreibt diesen Doppelcharakter der Meta
physik der existenzialen Struktur des Menschen zu. Der metaphysi
sche Umschlag der Fundamentalontologie zeigt sich folglich als sehr
eng verbunden mit der Diagnose einer ontotheologischen Verfas
sung der Metaphysik im Allgemeinen. Daher hat die Metaphysik des
Daseins die Aufgabe, das Problem der Metaphysik zu verdeutlichen.
Dieses Thema hat Heidegger zu dieser Zeit oft durch die Wendung
von der »Grundlegung der Metaphysik« zum Ausdruck gebracht.
Eine solche Grundlegung versteht er – wie eine lapidare Formulie
rung des Kant-Buchs von 1929 bestätigt – als die Erforschung der
»Endlichkeit im Menschen«.13
Es ist merkwürdig, dass Heidegger gerade bei der Entwicklung
seiner Diagnose des zweifachen Charakters der Metaphysik bezie
hungsweise deren Spaltung in Ontologie und Theologie von einer
26 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 117. Vgl. auch 87–88. An dieser Stelle
unterscheidet Heidegger zwischen vier möglichen Bedeutungen des Wortes
Welt und legt fest, dass die Kennzeichnung des vorontologisch-existenziellen
Weltverständnisses, des Verständnisses von Welt als das, »›worin‹ ein fakti
sches Dasein als dieses ›lebt‹« (Welt-Begriff Nr. 3), durch den Ausdruck Welt
(ohne Anführungszeichen) markiert wird. In Anführungszeichen sollte der
Ausdruck »Welt« wiederum auf »das All des Seienden« hinweisen (Welt-
Begriff Nr. 1). Problematisch ist hier, dass Heidegger sich in Sein und Zeit
besonders für das Sein der Welt (Nr. 3), das heißt für die Weltlichkeit (Welt-
Begriff Nr. 4), einen rein ontologisch-existenzialen Begriff interessiert und
dass die Angewiesenheit des Daseins auf die »Welt« nicht ausdrücklich be
handelt wird. Das wurde schon in der Sekundärliteratur diagnostiziert, so
etwa wie bei Pavel Kouba, Der Sinn der Endlichkeit, Würzburg, 2005, 205:
»Als durch die faktische Existenz des Daseins erschlossen ist die Welt nicht
nur ein Verweisungszusammenhang, in den sich das besorgende Dasein ent
wirft, sondern auch das besorgte Seiende; die Welt bedeutet hier den Zusam
menhang des Besorgens selbst wie auch das Besorgte«.
27 Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, GA 3, 228.
28 Heidegger, Was ist Metaphysik?, GA 9, 110.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 329
den ist das Sichbilden des Einbruchspielraums für das jeweilige fak
tische Sichhalten des faktischen Daseins inmitten des Seienden im
Ganzen«.48 Nur aus dieser durch das Seinsverständnis bestimmten
Verbundenheit des Daseins mit dem Seienden kann die metaphy
sische Frage entstehen: »Warum ist überhaupt Seiendes und nicht
vielmehr Nichts?«49
Die Metaphysik des Daseins erhebt den Anspruch, sich als eine
Philosophie der Endlichkeit im radikalsten Sinne zu behaupten. Ihre
Aufgabe ist die Behandlung der menschlichen Verbindlichkeit ge
genüber dem Seienden im Ganzen beziehungsweise die Identifika
tion der Freiheit zur Bindung als Wesen des Menschen. Eine Inter
pretation dieses philosophischen Projektes, die sich durch den in
neren Zusammenhang der Begriffe Freiheit, Bindung und Spiel des
Lebens strukturieren lässt, zeigt ihre Vorteile: Sie holt den positiven
Aspekt der Metaphysik des Daseins nach, nämlich die hermeneuti
sche Phänomenologie der menschlichen Verbindlichkeit mit dem
Seienden im Ganzen. Nur durch eine solche immanente Lektüre
lassen sich die Vorlesungen Heideggers dieser Zeit unmittelbar nach
Sein und Zeit in ein einheitliches Ganzes einordnen, in das Projekt
einer Metaphysik des Daseins. Und auch wenn Heidegger ab Mitte
der 1930er Jahre, nach der philosophischen Kehre, zur expliziten
Verteidigung einer Überwindung der Metaphysik kommt und von
der ganzen Begrifflichkeit seines metaphysischen Projektes Abstand
nimmt, bleibt hier noch vieles über die menschliche Natur zu lernen.
nende Liebe verleugnet also den Anderen wie sich selbst, aber sie
vergißt ihn nicht. Dem Verleugnen entspricht das volo ut sis und
das rapere ad Deum. Sie verleugnet ihn, um zu seinem eigentlichen
Sein vorzustoßen.«21
Nicht die weltliche, individuelle und in ihrem Dasein zufällige
Person ist Gegenstand der Nächstenliebe, sondern der Sünder in
seiner Missionierbarkeit. Der Christ liebt im Sünder schon den po
tentiellen Gläubigen, er liebt die Möglichkeit der Umkehr in ihm
und liebt, damit er umkehre. Die Liebe bezieht sich also gerade nicht
auf die gegenwärtige Existenz des Anderen, sondern auf die Mög
lichkeit, die ihm als Geschöpf Gottes innewohnt und der er in sei
ner Vereinzelung vor Gott gewahr werden soll. Arendt lässt wenig
Zweifel daran, was sie von dieser Form der Liebe hält: mit harschen
Worten tadelt sie die augustinische vita socialis als »Mißerfolg«.22
Doch trifft sie auch Heideggers Liebesbegriff? Für Augustinus ist
Sein Geschaffensein, creatum esse, und die höchste Verwirklichung
des Geschöpfs liegt in der Rückkehr zu seinem Schöpfer. Kann
Heideggers Liebesbegriff in Anbetracht des grundsätzlichen Unter
schiedes zwischen der augustinischen Theologie und der Heideg
gerschen Ontologie mit der Liebe zu den Sündern bei Augustinus
verglichen werden? Die Frage ist nicht trivial, greift sie doch die
Diskussion darüber auf, welchen Status der Andere bei Heideg
ger eigentlich hat. Wird er als Individuum erkannt und geliebt oder
lediglich als alter eines selbstbezogenen ego »freigegeben«?23 Um
diese Fragen zu klären, gilt es zunächst auf die Quelle von volo ut
sis einzugehen.
Die Formel, die Heideggers Liebesverständnis am prägnantesten
zusammenfasst und auf die er noch Jahrzehnte später immer wie
der zurückkommt, um die Liebe zu definieren, findet sich meines
Wissens zum ersten Mal in der Vorlesung Augustinus und der Neu
platonismus vom Sommersemester 1921: »Die eigentliche Liebe hat
die Grundtendenz auf das dilectum, ut sit. Liebe ist also Wille zum
Sein des Geliebten.«24 Entgegen gängiger Annahmen bezieht sich
Heidegger also sehr wohl auf Augustinus, auch wenn sich das Zitat
nicht wörtlich bei dem Kirchenvater findet.25 Sofern der Zitatcha
rakter thematisiert wurde, begnügten sich die meisten Kommenta
toren damit, darauf zu verweisen, dass der Satz bei Augustinus so
nicht stehe und erweckten damit zum Teil den Eindruck, Heidegger
habe ihn schlicht erfunden.26 Nicht aus schulmeisterlicher Pedante
rie soll hier auf seine Herkunft eingegangen werden, sondern weil
Heideggers erste Interpretation – Jahre vor dem Brief an Arendt –
alles andere als gleichgültig für das systematische Verständnis seines
Liebesbegriffes ist.
Gewöhnlich werden zwei Stellen als mögliche Quelle für Heid
egger genannt. Zum einen Sermo Lambot 27, 3, der mit den Worten
quodcumque amat, vis ut sit Heideggers Formulierung am nächsten
kommt, allerdings erst 1952 ediert wurde und deshalb nicht in Frage
kommt.27 Wesentlich wahrscheinlicher dagegen scheint der Tracta
tus in Epistolam Ioannis ad Parthos 8, 10 zu sein, auf den sich auch
Hannah Arendt in ihrer Dissertation bezieht. Hier heißt es: »Denn
Du liebst in jenem nicht, was er ist, sondern das, was Du willst, das
er es sei.« Augustinus vergleicht die Liebe Gottes zu den Sündern
mit der Liebe eines Handwerkers zu einem Baum: Er liebe ihn nicht
in dem Sinne, daß dieser immer derselbe bleiben solle, im Gegenteil:
Er liebe, was dieser werde, nicht was er jetzt sei.28
nicht nur als autonome Handlung, sondern vor allem, weil sie den
Anderen freilässt: Der Geliebte ist nicht Mittel zum Zweck, son
dern Selbstzweck. »Nichts anderes ist Liebe, als eine Sache um ih
rer selbst Willen zu begehren,« definiert Augustinus in De diversis
quaestionibus octoginta tribus die Liebe, in einer Textstelle übrigens,
auf die Heidegger in Sein und Zeit hinweist.31 Der Liebende will
den Geliebten nicht beherrschen oder besitzen, er verfolgt nicht
sein eigenes Interesse.
Von der Herrschsucht, von der Arendt sprach, kann kaum die
Rede sein. Die Selbstlosigkeit des Wohlwollens entkräftet allerdings
noch nicht ihren Einwand, dass der Liebende den Geliebten zuguns
ten seines »eigentlichen Seins« verleugne. Nur wenn der Liebende
den Anderen liebt, wie er von sich aus ist, kann der Einwand der
Verleugnung widerlegt werden.
In der erwähnten Augustinus-Vorlesung bemerkt Heidegger, dass
der »inhaltliche Seinssinn« der Liebe »der Eigenart des geliebten
Gegenstandes entsprechen«32 müsse. Indem Heidegger auf die »Ei
genart« des Geliebten eingeht, deutet er an, dass es mit der Beja
hung allein nicht getan ist. Ohne wahrhaftes Erkennen des Geliebten
bleibt auch die höchste Anerkennung öde und leer. Verfügt die Liebe
aber über jenen Wesensblick, der den Anderen selbst sieht, scheint
Arendts Vorwurf ungerechtfertigt. Tatsächlich finden sich vor allem
in späteren Schriften Hinweise darauf, dass Heidegger mit der Liebe
einen »Wesensblick« verband. So heißt es in Erläuterungen zu Höl
derlins Dichtung die Liebe sei der »wissende Wille, der darauf denkt,
daß jegliches, das ein Wirkliches werden mag und sein kann, in die
Wahrheit seines Wesens kommt«.33 Während Verliebtheit blind sei,
flüchtig und anfällig, sei Liebe nie blind, sondern hellsichtig.34 Heid
egger ist in diesen Annahmen mit großer Wahrscheinlichkeit von
Max Schelers Schriften zur Liebe beeinflusst, die ihn schon in seiner
Dissertationszeit beeindruckten und die er 1925 wieder gelesen zu
haben scheint, wie der Briefwechsel nahelegt.35 Scheler ging davon
aus, dass das fremde Individuum nur in der Liebe, in ihr aber voll
kommen, erkannt werden könne. Das Ideal, das der Liebende im
Geliebten erblickt, sei keine Idealisierung im Sinne einer Illusion,
sondern ein Blick für das ihm eigentümliche ideale Wertwesen.36 In
Heideggers Handexemplar von Zur Phänomenologie und Theorie
der Sympathiegefühle und von Liebe und Haß ist diese Passage
bezeichnenderweise unterstrichen.37 Die Liebe will den Anderen
nicht bessern oder verändern, wenn ihr wissender Wille seinen ge
gebenen Zustand transzendiert, denn die Trennung zwischen dem,
was jemand ist und was er werden soll, zwischen Realität und Ideal,
existiert in der Liebe laut Scheler gar nicht.38 Sie selbst sei es, »die
im Gegenstande nun den je höheren Wert ganz kontinuierlich, und
zwar im Laufe ihrer Bewegung zum Auftauchen bringt – gleich als
ob er aus dem geliebten Gegenstande selbst ohne jede strebende Be
tätigung des Liebenden […] ›von selbst‹ herausströme.«39
Heidegger folgt Scheler en detail. Schon 1925 schreibt er an Han
nah Arendt, dass er sich kein Ideal zurechtmache.40 Der Akzent die
ser Aussage muss konsequenterweise auf dem »zurechtmachen«,
nicht auf dem »Ideal« liegen: Die Liebe sieht das Ideal des Anderen,
aber sie erfindet es nicht.41 So ist auch der Wesensblick kein bloß
psychologisches Verstehen oder faktisches Wissen, welchen Cha
rakter und welche Geschichte der Andere habe,42 sondern ein be
stärkendes und bejahendes Halten des Anderen in seinem Wesen:43
»Das Blicken des Geistes der Liebe bleibt nicht am Anblick haften,
sondern heftet sich selbst im Wesen des Geliebten an, um dieses,
durch das fleißige Blicken, fest in seinen Grund zurückzustellen.«44
Lieben bedeutet also, den Anderen in sein eigentliches, sein wah
res Wesen zu bringen, darin folgt Heidegger Scheler wie Augustinus.
So ist in Sein und Zeit die Fürsorge ein Wille zum eigentlichen Sein
des Anderen: »Im Wollen wird ein verstandenes, das heißt auf seine
Möglichkeiten hin entworfenes Seiendes als ein […] durch Fürsorge
in sein Sein zu bringendes ergriffen.«45 Die Fürsorge erfüllt damit
dieselbe Aufgabe wie Augustinus’ Nächstenliebe, die Heidegger in
der Vorlesung von 1921 folgendermaßen erläutert hatte: »Mitweltli
che Liebe hat den Sinn, dem geliebten Anderen zur Existenz zu ver
helfen, so daß er zu sich selbst kommt«.46 Was in Sein und Zeit nur in
wenigen Sätzen abgehandelt, ja, kaum mehr als angedeutet wurde, ist
nicht nur in der parallel entstandenen Korrespondenz, sondern auch
in späteren Vorlesungen deutlicher ausgeführt, in denen die Liebe
immer wieder als »Wille zum Sein des Geliebten« bezeichnet wird.47
Doch warum soll der Geliebte überhaupt etwas werden? Ist er
nicht schon? Warum übersetzt Heidegger nicht einfach: »Ich will,
daß Du bist«? Denn seine Fassung von 1925 – »ich will, daß Du
seist, was Du bist« – übersetzt ja nicht nur, sie legt aus: Die Liebe
bezieht sich nicht auf das gegebene Daßsein, sondern auf ein Sosein,
das es existierend einzuholen gilt. »Ich will, daß Du seiest« heißt
also eigentlich: »Ich will, daß Du wirst, was Du bist.« Die Liebe
scheint sich also weniger auf die Gegenwart, als auf die Zukunft des
Anderen zu beziehen, auf eine noch ausstehende Entwicklung, zu
der er ermutigt wird. Hat Arendt also doch Recht mit ihrer Kritik?
Verleugnet der Liebende bei Heidegger die gegenwärtige Existenz
des Geliebten zugunsten eines Wesens, die er in ihm zu entdecken
meint? – Der Einwand, in diesem Fall würde der Andere gerade als
der geliebt, der er nicht ist, scheint nur gerechtfertigt, wenn man ent
weder davon ausgeht, dass der Liebende die Eigenart des Anderen
nicht erfasst oder wenn man unberücksichtigt lässt, dass das Noch-
nicht existenzial zum Anderen gehört. Darauf aber weist Heidegger
in Sein und Zeit immer wieder hin: »Das Dasein ist aber als Mög
lichsein auch nie weniger, das heißt das, was es in seinem Seinkönnen
noch nicht ist, ist es existenzial. Und nur […] weil es ist, was es wird
bzw. nicht wird, kann es verstehend ihm selbst sagen: ›werde, was
48 Heidegger, Sein und Zeit, 145. Vgl. dazu Scheler, Phänomenologie und
Theorie der Sympathiegefühle, 60.
49 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, 334.
50 Arendt / Heidegger, Briefe, 29. Vgl. zu der Verbindung zwischen Brief
wechsel und Spätphilosophie: Piazza, L’ amour en retrait, 89.
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 347
menschen, 81. Vgl. dazu auch Karl Löwith, Heidegger. Denker in dürftiger
Zeit, Frankfurt am Main 1953, 83–84: »Eine solche ›Freigabe‹ ist aber nicht
der Ausdruck einer echten Verbundenheit und Verbindlichkeit, sondern eine
Versteifung auf das je eigene Sein-Können, meiner selbst wie des anderen.«
56 Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes. Das Wollen, München 1979, 338.
Daniel Kersting
Heideggers »Sein zum Tode« –
Eine normativ-praktische Relektüre
Der Tod ist wieder sichtbar in unserer Gesellschaft. Mit dieser kul
turwissenschaftlichen These beanspruchen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler gegenwärtig das Jahrhundert der Todesver
drängung und -tabuisierung für beendet erklären zu können. Hatten
Autoren wie Benjamin und Ariès noch die Verbannung des Sterbens
aus der Öffentlichkeit oder die »Zähmung des Todes« zu einem er
fahrungsarmen Sterben durch die moderne Medizin beklagt, so steht
der Tod heute wieder im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Der Bestattungsmarkt bietet audiovisuelle Grabsteine zum Kauf
an, auf denen Angehörige Nachrichten für andere Trauernde hin
terlassen können. Mittlerweile ist ein »Facebook für Tote« namens
»Stayalive« online geschaltet worden, ein »Portal«, so der Untertitel,
»für digitale Unsterblichkeit«. Bestatter bieten im Internet »Check
listen« an, um den eigenen Tod zu gestalten, und der typische Fried
hof der Nachmoderne wird ersetzt durch virtuelle Gedenkstätten
im Internet. Aus diesen empirischen Befunden könnte man schlie
ßen, dass sich die gegenwärtige Gesellschaft intensiver als früher
mit dem Faktum des Todes und der Sterblichkeit der Einzelnen
auseinandersetzt.
352 Daniel Kersting
Könnte es aber nicht sein, dass die »Neue Sichtbarkeit des Todes«1
gar nicht Ausdruck einer veränderten Einstellung zum Tod ist, son
dern die Verdrängung und Tabuisierung bloß in einem neuen Ge
wand weiterwirkt? Könnte das kulturelle »Gerede« über den Tod
uns nicht gerade davon abhalten, uns mit unserer eigenen Sterb
lichkeit auseinander zu setzten? Und kann das Verhältnis der Ein
zelnen zu ihrem Tod unter dem Slogan der »Individualisierung des
Todes« überhaupt eine angemessene Darstellung erfahren? Diese
Fragen nehmen den Gedanken in Anspruch, dass es fundamental
verschiedene Perspektiven auf den Tod gibt: dass nämlich die Per
spektive auf den eigenen Tod, die ich im Folgenden als Perspektive
der ersten Person bezeichnen will, ihrer Struktur nach ganz anders
begriffen werden muss als die Perspektive auf »den Tod« eines an
onymen Dritten, der uns im »Tatort« oder in der Körperwelten-
Ausstellung begegnet.
Martin Heidegger hat in Sein und Zeit die Ausarbeitung dieser
zwei fundamental unterschiedlichen Weisen, sich auf den Tod zu
beziehen, wie kaum ein anderer ins Zentrum seiner theoretischen
Bemühungen um eine Klärung des Todesbegriffes gestellt. Im ers
ten Teil meines Beitrages möchte ich das kritische Potential dieser
Unterscheidung freilegen. Im zweiten Teil werde ich Heideggers
existential-ontologischen Begriff des Todes problematisieren, indem
ich zeige, inwiefern die positiven Bestimmungen des »Seins zum
Tode« Gefahr laufen, einen »Mythos der Freiheit« zu konstruieren
und damit das kritische Potential der Daseinsanalyse preiszugeben.
Abschließend werde ich dafür plädieren, die Existentialontologie des
Todes um eine normativ-praktische sowie philosophisch-anthropo
logische Perspektive zu erweitern, um so schließlich auch der Gefahr
eines abstrakten und mythischen Denkens wacheren Auges begeg
nen zu können.
1.
1 Thomas Macho / Kristin Marek (Hrsg.), Die neue Sichtbarkeit des Todes,
Paderborn 2007.
Heideggers »Sein zum Tode« 353
2 Die Vorstellung vom Tod als »Möglichkeit« traf innerhalb der Heideg
ger-Rezeption immer wieder auf Unverständnis. Nicht eine Möglichkeit
sei der Tod, so meint etwa Sartre, sondern gerade die »Nichtung meiner
Möglichkeiten«. (Jean Paul Sartre, Das Sein und das Nichts, Hamburg 1993,
923) Was Heidegger aber doch mit diesem Begriff zum Ausdruck bringen
will, ist die spezifische Relation erstpersonaler Bezogenheit auf den je ei
genen Tod. Da das Dasein für Heidegger wesentlich »Seinkönnen« ist, also
ein sich Entwerfen auf Möglichkeiten hin, muss der Tod selbst, sofern der
Ausdruck »mein Tod« überhaupt einen Sinn haben soll, ebenfalls als Mög
354 Daniel Kersting
als Endpunkt des Daseins geht – darüber gibt es aus der Perspektive
des Daseins selbst, wie schon Epikur wusste, nichts zu sagen – son
dern vielmehr um die begriffliche Aufklärung der Weise, wie sich
das Dasein zu Lebzeiten zu diesem verhält bzw. verhalten kann.
Über »den Tod« können wir sinnvoll nämlich nur als »Phänomen
des Lebens«3, und über den eigenen Tod nur aus der Perspektive des
je eigenen Lebensvollzuges sprechen.4 Das kritische Potential dieser
Überlegungen möchte ich kurz an einem Beispiel demonstrieren:
Der berühmten These Thomas Nagels zufolge, ist der Tod vor
allem eins: ein Übel. Denn »die Zeit nach unserem Tod«, so Nagel,
»ist die Zeit, die uns der Tod raubt«5. In diesem Sinne erleidet, wer
früher stirbt, auch einen »komparativ größeren Schaden«6 als an
dere. Im Grunde sterben wir alle aber immer zu früh. Auch Nagels
These tritt, wie Heideggers Theorie, dezidiert mit dem Anspruch auf,
den Tod aus der Perspektive der ersten Person fassen zu können –
wie sollte auch sonst ein evaluatives Urteil über den je eigenen Tod
als Übel sinnvoll gefällt werden können. Befragt man nun aber mit
Heidegger diese Theorie auf ihre Voraussetzungen, so wird ersicht
lich, dass Nagel diesen Anspruch nicht einlöst. Zunächst hängt die
Gültigkeit der These vom Tod als Übel wesentlich von einem be
stimmen Begriff des Lebens ab. Schon die Rede davon, dass der Tod
uns »Lebensspannen«7 raubt, die wir noch erleben könnten, wenn
wir nicht gestorben wären, verrät aber die Vorstellung vom Leben
als einem objektivierten Gegenstand. Wer so spricht, fingiert sein
Leben, so hat es Ernst Tugendhat einmal ausgedrückt, als eine Wurst,
von der ein ordentliches Stück abgeschnitten ist, oder wie Heideg
ger sagt, als einen »Weg«8, der abbricht, und den wir nicht weiter
begehen können.
Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Überlegungen zur
Sorgestruktur des Daseins wäre dieses Verständnis von »Leben« al
lerdings dem Sachverhalt ganz unangemessen: Es sitzt nämlich der
substantialisierenden Vorstellung auf, das Leben sei entweder et
was Vorhandenes, dem durch den Tod ein Teil geraubt wird, oder
etwas Zuhandenes, das durch den Tod nicht weiter in Gebrauch
genommen werden kann. Beide Vorstellungen vom Leben sind des
halb unzureichend, weil sie es gerade nicht ermöglichen, »Dasein«,
also die Vollzugsperspektive des je eigenen Lebens, zu thematisieren.
Die Vorstellung vom Leben als einem Vorhandenen beansprucht
die Fiktion eines Außenstandpunktes, von dem aus wir unser ei
genes Leben mit einem fixen Anfang und Ende in den Blick neh
men könnten; und die Vorstellung vom Leben als einem Zuhan
denen stellt den Lebensbegriff von vornherein unter der Maßgabe
bestimmter Ziele und Zweckzusammenhänge dar. Demgegenüber
beansprucht die Existenziale Analytik zeigen zu können, dass die
Perspektive des Daseinsvollzuges nicht nur eine Perspektive neben
anderen darstellt, sondern selbst jeder Objektivierung des Daseins
vollzuges, also auch jeder ontischen Todesvorstellung konstitutiv
vorgeordnet werden muss.
Dieser Befund spricht den ontischen Begriffen keineswegs ihre
Geltung ab, weist ihnen aber sehr wohl einen spezifischen und klar
begrenzten Geltungsbereich (Heidegger sagt »Region«) zu. Selbst
verständlich können wir unser Leben auch nach Maßgabe biolo
gischer oder medizinischer Kriterien beschreiben, und den Tod
entsprechend als »Verenden« oder »Ableben« 9 bestimmen. Auch
können wir unser Leben als ein zielgerichtetes »Unternehmen«10 be
greifen, und es dann nach ökonomischen Maßstäben oder unter Er
folgskriterien beurteilen und den Tod etwa als einen ökonomischen
Verlust werten.
Problematisch werden diese Bestimmungen allerdings dann,
wenn wir sie für »das Ganze unseres Lebens« halten, wenn wir also
8 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 325; vgl. Ernst Tugendhat, Über den Tod,
in: Aufsätze 1992–2000, Frankfurt 2001, 67–90, hier 69.
9 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 328.
10 Robert Spaemann, Personen. Versuche über den Unterschied zwischen
»etwas« und »jemand«, Stuttgart 1996, 125.
356 Daniel Kersting
werden, in dem sich die Einzelnen nicht mehr über den bloß parti
kularen Geltungsbereich der jeweiligen Deutungsangebote aufklä
ren können – oder in den Worten Heideggers gesprochen: in dem
Maße, in dem die Uneigentlichkeit fürs Eigentliche gehalten wird.
Um das in diesem Sinne ideologiekritische Potential des Heideg
gerschen Theorems des »Man stirbt« begründen und entfalten zu
können, ist es also systematisch gefordert, die Eigentlichkeitsstruk
tur, die Heidegger in Sein und Zeit entwickelt, in Bezug auf den Tod
herauszuarbeiten. Erst dadurch kann nämlich gezeigt werden, dass
und inwiefern die Einzelnen auch in der Lage sind, ihr jeweiliges
Verfallensein an das »Man« zu durchschauen.
2.
25 Schon das erste Strukturmoment der Sorge – »die Existenz« – ist als Sein
können wesentlich »Entwurf« und damit Möglichkeitsbedingung unseres
Handelns. Auch innerhalb der Todesanalyse gibt Heidegger immer wieder
Hinweise, die den Praxisbezug seiner Überlegungen sichern sollen: So soll
das »Verstehen« kein »Begaffen eines Sinnes« sein, »sondern sich verstehen
in dem Seinkönnen, das sich im Entwurf enthüllt«. Und der Tod als Mög
lichkeit soll »im Verhalten« zu ihm ausgehalten werden. Heidegger, Sein und
Zeit, GA 2, 349.
26 Andreas Luckner, Wie es ist, selbst zu sein, 149.
27 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 157.
28 Vgl. instruktiv: Carl Friedrich Gethmann, Heideggers Konzeption des
Handelns in Sein und Zeit, in: Annemarie Gethmann-Siefert / Otto Pöggeler
(Hrsg.), Heidegger und die praktische Philosophie, Frankfurt 1988, 140 –176.
Heideggers »Sein zum Tode« 363
»entbirgt« nur, und »legt frei«, was ohnehin schon »da« ist. Damit
setzt sie aber »auf den Grund der Geschichte die Natur«,29 wie Ro
land Barthes es einmal vom Mythos sagte, fixiert und stellt still, was
eine praktische Theorie des Todes gerade als historisch kontingent
und veränderbar auszuweisen hätte.
Die Existenzialontologie weist gerade dort, wo sie Relevanz für
unsere Praxis beansprucht, eine Tendenz zur »Mythologisierung«
im Barthes’schen Sinne auf. In aller Deutlichkeit tritt diese Tendenz
in Heideggers Rede von der »Freiheit zum Tode«30 zu Tage. Dass
Heidegger trotz seiner in Sein und Zeit immer wieder kundgetanen
Absage an die Ethik am Ende seiner Todesanalyse einen der zentrals
ten Begriffe der praktischen Philosophie in seine Ontologie einspeist,
hat in der Heidegger-Rezeption bis heute für Unmut gesorgt. Worin
aber besteht das Skandalon der »Freiheit zum Tode«?
Ich meine es besteht darin, dass Heidegger in dieser Rede jeden
praktischen Sinn des Todes – also die Möglichkeit eines gestaltenden
Umgangs mit dem zukünftig eigenen Tod oder dem Tod Anderer
unter Bezugnahme auf die vielfältigen Bedingungen unseres Lebens
und Sterbens – unter dem Deckmantel der Freiheit letztlich auflöst.
Da Heidegger, wie in den vorangegangen Überlegungen gezeigt, we
der die Möglichkeit kritischer Reflexion ausarbeitet noch die Indi
vidualität des einzelnen Daseins begrifflich angemessen bestimmt,
kann auch das »Sein zum Tode« nicht als ein praktisches Verhältnis
begriffen werden. Vielmehr stellt es eine allgemeine Seinsstruktur
vor, zu der sich das Dasein gerade nicht mehr verhalten kann, son
dern die es schlicht »übernehmen« muss, bzw. zu deren Übernahme
es – der eignen Endlichkeit ansichtig – gezwungen ist.31 Gerade darin
29 Roland Barthes, Mythen des Alltags, Frankfurt 1964, 17. Roland Barthes
arbeitet die Struktur des Mythos im Rahmen seiner Zeichentheorie aus: Der
Mythos entleert ein bestimmtes Zeichen seines konkreten Gehaltes durch
die Weise der Darstellung und stattet es mit einem allgemeinen, unscharfen
»sekundären« Sinn aus. Die ideologische Dimension des Mythos besteht
darin, dass »Signifikant« und »sekundärer Gehalt« so miteinander verbun
den sind, dass sich die Einzelnen in der Rezeption des Zeichens über dessen
primären Gehalt nicht mehr aufklären können. Durch diese Struktur sind
Mythen dazu fähig, »Botschaften«, die sich der kritischen Reflexion u. U. als
problematisch darböten, als »unschuldig« erscheinen zu lassen und sie so der
Kritik zu entziehen. Vgl. Barthes, Mythen des Alltags, 85.
30 Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 353, 508–509.
31 Ich beziehe mich bezüglich der Verben »müssen« und »zwingen« auf die
Textstellen: »Im Sein zum Tode […] muß die Möglichkeit ungeschwächt als
364 Daniel Kersting
verrät sich aber die »Freiheit zum Tode« als ein »Mythos der Frei
heit«: Dass wir nämlich dann zum »eigensten Seinkönnen« befä
higt sind, wenn wir unser je einzelnes Dasein unter die allgemeine
Möglichkeit der Daseinsunmöglichkeit subsummieren, besagt ge
rade, dass wir der Freiheit genau dann am mächtigsten sind, wenn
wir uns der conditio humana am nachhaltigsten unterwerfen. Damit
dürfte aber nicht nur jeder praktische Sinn des Todes, sondern auch
jedes kritische Potential des Begriffs der Freiheit preisgegeben sein.
3.
32 Dass Heidegger den Tod des nahen Anderen aus seiner Analyse aus
geklammert hat, ist innerhalb der Rezeption von Beginn an bemerkt und
kritisiert worden. Vgl. etwa Sternberger, der dem § 47 aus Sein und Zeit
eine ganze Monographie gewidmet hat: Dolf Sternberger, Der verstandene
Tod. Eine Untersuchung zu Martin Heideggers Existenzialontologie, Leipzig
1934.
33 Vladimir Jankélévitch, Der Tod, Frankfurt 2005, 39.
34 Heidegger, Sein und Zeit, GA 2, 318. Vgl. demgegenüber: »Im trauernd-
gedenkenden Verweilen bei ihm [dem Toten, DK] sind die Hinterbliebenen
mit ihm, in einem Modus der ehrenden Fürsorge. Das Seinsverhältnis zum
Toten darf deshalb auch nicht als besorgendes Sein bei einem Zuhandenen
gefaßt werden.« (317) In diesen wenigen Sätzen zum praktischen Status des
Leichnams relativiert Heidegger dieses »nur« und zeigt die Notwendigkeit
auf, eine eigenständige, nicht auf die drittpersonale Perspektive reduzierbare
Perspektive auf den Tod der »zweiten Person« ausarbeiten zu müssen. Das
tut Heidegger dann aber nicht. Schepelmann hingegen sieht hierhin kein
Problem: Sie versucht zu zeigen, dass Heideggers »Sein zum Tode« gerade
aufgrund der Fixierung auf die erste Person-Perspektive einen konstruktiven
Beitrag zu einer Ethik des Umgangs mit dem Tod Anderer und deren Leich
366 Daniel Kersting
à Christian Sommer
ne dispense pas de faire retour aux protocoles originels): Das Problem der
Ethik bei Paulus, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und
die Kunde der älteren Kirche 23 (1924), 123–140.
4 Lettre de Rudolf Bultmann à Hans von Soden du 23 décembre 1923 re
produite par Antje Bultmann Lemke dans: Der unveröffentlichte Nachlasse
Rudolf Bultmann – Ausschnitte aus dem biographischen Material, in: Bernd
Jaspert (Hrsg.), Rudolf Bultmanns Werk und Wirkung, Darmstadt 1984, 202.
5 Lettre de Rudolf Bultmann à Friedrich Gogarten du 22 décembre 1923,
in: Rudolf Bultmann / F. Gogarten, Briefwechsel 1921–1967, 53.
6 Voir Heidegger, Das Problem der Sünde bei Luther, Protokoll von N. N.
et Heinrich Schlier, in: Bernd Jaspert, Sachgemässe Exegese. Die Protokolle
aus Rudolf Bultmanns Neutestamentlichen Seminaren 1921–1951, Marburg
1996, 29 –33.
7 On s’étonne par exemple que Bernd Jaspert (Sachgemässe Exegese, 26–27),
qui en indique clairement l’existence, n’ait pas pris la peine de les porter à la
connaissance des spécialistes.
La première intervention de Heidegger 369
ne s’enracine nulle part ailleurs que « dans la foi ».11 Le croire est
l’agir propre du devenu-chrétien, en sorte que « les impératifs en Rm
6 sont à considérer comme ceux qui singularisent et décrivent la vie
d’un authentique croyant ».12
C’est dans ce contexte que Heidegger intervient sur « la vie de
l’homme dans la foi ».13 Son point de départ est Rm 6, 2214: « Mais
maintenant, libérés du péché et devenus esclaves de Dieu, vous por
tez les fruits qui conduisent à la sanctification, et leur aboutissement,
c’est la vie éternelle ». Ce verset « où le τέλος de la vie du croyant
désigne la ζωὴ αἰώνιον caractérise l’existence du chrétien comme une
existence particulière dans la mesure où la finalité de la vie n’est autre
que la vie elle-même – que le vivre lui-même », commente Heideg
ger.15 Nous avons là une première indication: l’expérience chrétienne
de la vie facticielle se définit par une certaine tautologie. Il n’y a en
cela aucune limite, au contraire. Ce qui fait la spécificité du vécu
chrétien, c’est qu’il s’éprouve lui-même dans l’espoir d’accéder au
sentiment de la vie comme telle. Ce à quoi il aspire n’est autre que
lui-même: il vise sa propre appropriation et donc, d’une certaine
manière, son auto-compréhension. Heidegger ne nie pas que le vécu
chrétien ait tendance à se disperser, mais sa fuite en avant s’opère
dans un dispositif temporel qu’encadre la venue du Christ et son re
tour, deux événements qui déterminent sans cesse son présent même.
En effet, ne négligeons pas le contexte eschatologique de Rm 6, 22 et
la subtilité qui le caractérise. Si Paul fait du monde éternel la finalité
de la vie du croyant, jamais il ne s’appesantit sur le sujet, préférant
concentrer son propos sur ce qui en a instauré la possibilité en pre
mière instance, à savoir la vie, la mort et la résurrection du Christ,
et ce qui en marquera l’avènement, à savoir la parousie. Le « Jour »
signifiera le début d’un être-toujours-avec-le-Seigneur16; ce qui veut
dire que jusque là, le chrétien n’est, pour ainsi dire, auprès de Lui
que par intermittence. La faute en revient au péché dont il est libéré
mais qui continue de le tenter et le pousse à se disperser, c’est-à-dire
à redevenir esclave du monde. Toujours est-il que l’existence chré
tienne est son propre ennemi comme sa propre voie de salut; ce qui
la rend absolument unique en regard des religiosités qui l’entourent.
Heidegger ne se prive donc pas d’accentuer son Eigenbeständig
keit et son caractère quasi-palpable: « Cette finalité de la vie n’est
pas de celles qui se raccrochent artificiellement à la vie ; elle est bien
plutôt là dans la foi ».17 C’est bien l’idée que l’existence chrétienne se
débat avec ce qu’elle est – devenue – hic & nunc, comme en témoigne
le « maintenant » (νυνὶ) en ouverture de Rm 6, 22. Le chrétien est
croyant; la foi est donc ce qu’il est, mais elle est aussi bien que ce qu’il
a. Aussi aspire-t-il à s’avoir dans l’être afin d’accéder à cette « sanc
tification » qui fera de son existence une « vie éternelle en Christ Jé
sus notre Seigneur » (Rm 6, 22–23). Si Heidegger confirme que Paul
« voit l’existence concrète du chrétien à partir de ce τέλος »18 qu’est à
ses yeux la ζωὴ αἰώνιον, c’est qu’il suppose connue de ses auditeurs les
subtilités de la conception néo-testamentaire du temps. Contraire
ment aux Grecs, les proto-chrétiens ne distinguent pas entre le temps
et l’éternité. Cette dernière est conçue par eux, non comme le ré
sultat de la suspension ou de l’abolition du temps, mais précisément
comme le passage à une autre ère du temps infini.19 Oscar Cullmann
explique à ce sujet: « Dans le Nouveau Testament l’αἰών futur est un
futur véritable, c’est-à-dire un futur temporel. Parler de l’αἰών qui
vient, sans garder toute sa valeur à son caractère temporel, est une
interprétation philosophique ».20 Or, cette dernière est précisément
celle dont Heidegger prend le contre-pied dans sa glose de Rm 6, 22:
il vise l’existence concrète et temporelle et non celle susceptible de se
transporter dans un espace hors-temps synonyme de repos. C’est ce
que confirme la suite de l’exposé, où le philosophe explique qu’au-
delà du verset pris en exemple plus haut, la « conscience que le chré
tien a de soi, de Dieu et des possibilités de son agir est, en Rm 6, à
chaque fois caractérisée en tant que foi ».21 Il n’est certainement pas
exagéré de dire que ces trois types de conscience n’en font en réalité
qu’un en tant précisément qu’ils se rejoignent dans la πίστις. Le bap
tême en la mort de Jésus Christ a entièrement changé la donne: il a
vons ici sous une forme encore plus élaborée: « Pour l’homme, toute
possibilité d’être se tient dans le souci ».26 On pourrait croire que le
philosophe sécularise le modèle chrétien de l’existence, qu’il tire la
structure ontologique d’un schème ontique, mais cela nous semble
plutôt l’inverse en ce que la proposition précitée est mise entre pa
renthèses tandis qu’au sortir de celle-ci se trouve la formule-clé, en
l’occurrence celle selon laquelle: « Pour le chrétien, la foi est cela qui
se tient dans le souci ».27
Dans l’existence croyante, la foi recouvre donc parfaitement le
souci – ou inversement. C’est là le « sens d’être du chrétien »28 qu’on
peut tirer des documents originels du christianisme primitif. Or,
Heidegger juge que rapportée à ce sens, la signification de « l’impé
ratif » en Rm 6 « devient évidente ».29 Concrètement, cela veut dire
que l’impératif ne contredit pas l’indicatif mais s’inscrit dans son
prolongement. Les versets qui l’illustrent le mieux sont peut-être
Rm 6, 10 –11: « Car en mourant, c’est au péché que [Christ] est mort
une fois pour toutes; vivant c’est pour Dieu qu’il vit. De même vous
aussi: considérez que vous êtes morts au péché et vivants pour Dieu
en Jésus Christ ». Paul indique que ce qui doit être n’est autre que
ce qui est déjà: la mort au péché et la vie en Christ sont des réalités
pour qui sait la voir avec les « yeux du cœur » (Ep 1, 18) qui ne sont
autres que les yeux de la « foi » (2 Co 5, 7). Ces deux lieux scriptu
raires ne sont pas convoqués dans l’exposé que nous étudions mais
le sont dans une note isolée de 1918 intitulée « Le caractère donateur
dans le phénomène de la foi ».30 Ce que la foi donne, c’est justement
de comprendre qu’il n’y a pas d’écart entre l’indicatif et l’impératif,
die alle Volksgeschichte als der Sphäre des Handeln Gottes mit den Men
schen ein Ende macht ». Peut-être pouvons-nous avancer que Heidegger re
trouve par là le sens originel du terme Sitte (que Hegel ne prend pas vrai
ment en vue): une manière de se conduire, c’est-à-dire une certaine manière
d’être – ici d’être coram Deo.
34 Heidegger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
35 Heidegger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
36 Voir Natalie Depraz, Le corps glorieux. Phénoménologie pratique de la
Philocalie, des Pères du Désert et des Pères de l’Église, Leuven 2008, et An
thony J. Steinbock, Phenomenology & Mysticism. The Verticality of Reli
gious Experience, Bloomington & Indianapolis 2007. Tous deux s’appuient
en partie sur Edmund Husserl, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Texte
aus dem Nachlass (1893–1912), Husserliana XXXVIII , hrsg. von Thomas
Vongehr und Regula Giuliani, Dordrecht 2004.
37 Deux brèves remarques ici: 1. – insistons sur la dimension temporelle de
cette proposition donnée dans l’adverbe « continuellement »; 2. – précisons
que le « comme » en question est fondamentalement herméneutique.
376 Sylvain Camilleri
[78] Zum Schluss führte Herr Prof. Heidegger etwas Folgendes über
das Leben des Menschen im Glauben [79] aus:
»Röm 6, 22, wo als das <τέλος> des Lebens des Gläubigen die <ζωὴ
αἰώνιον> bezeichnet wird, charakterisiert das Dasein des Christen als
ein eigentümliches insofern, als das Ende des Lebens selbst Leben
ist. Dies Ende des Lebens ist nicht ein solches, das sich an das Leben
anschließt, sondern es ist da im Glauben. Von diesem <τέλος> aus
wird das konkrete Dasein des Christen gesehen.
Weiter ist in Röm 6 alles Bewusstsein des Christen von sich, von
Gott, von den Möglichkeiten seines Handelns charakterisiert als
Glauben. D. h. Glauben ist nicht ein Akt, sondern eine Weise des
Seins des Menschen vor Gott. Glaube ist nicht eine Eigenschaft, son
dern es ist das, was der Christ als Seiender besorgt. (Für den Men
schen steht jede Seinsmöglichkeit in der Sorge). Für den Christen
ist der Glaube das, was in der Sorge steht.
Der Imperativ wird selbstverständlich durch [80] den Sinn des
Seins des Menschen. Sofern jedes Handeln im Glauben steht, wird
sittliches Handeln als sittliches aufgehoben. Von außen gesehen ist
die Handlung des Christen sittliche Tat.
Glaubend sein umfasst das ganze Sein des Christen. Jede Situ
ation, jede Handlung durchherrscht sein lassen von dem Blick auf
Gott, das heißt glaubend sein. So bedeutet es ein Sich-stellen-in die
konkrete Situation. – In diese Richtung weisen alle Imperative. Sie
wollen das Sein des Christen im Glauben treffen.
So ist z. B. mit den <παραστήσατε> in v. 13 gemeint: ein sich hal
ten als zur Verfügung gestellt für Gott. Gläubig werden heißt aber
1 Der Text stammt aus den Protokollheften der Seminare Bultmanns, die
im Universitätsarchiv Marburg verwahrt werden (Signatur : UniA Marburg
307a Nr. 3). Die in eckigen Klammern angegebenen Seitenzahlen beziehen
sich auf die Originalpaginierung des Manuskripts, Seiten 78–81 des Proto
kollhefts. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des
Universitätsarchivs.
384 Protokoll von Heideggers Referat