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»Mit Heideggers Eintreffen in Marburg begann für das philoso-

Heideggers

Heideggers Marburger Zeit


phische Denken eine neue Epoche.«
Hans-Georg Gadamer

Marburger Zeit
Themen, Argumente,
­Konstellationen
Forum

Forum
8
Heidegger

Heidegger
HeideggerForum

Vittorio Klostermann
Heid­eg­gers Marburger Zeit
Herausgegeben von
Günter Figal

Beirat
Damir Barbarić (Zagreb)
Thomas Buchheim (München)
Donatella Di Cesare (Rom)
Michael Großheim (Rostock)
John Sallis (Boston)

Heid­eg­gerForum
Heid­eg­gers Marburger Zeit
Themen, Argumente,
Konstellationen

Herausgegeben von
Tobias Keiling

VittorioKlostermann
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind
im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© Vittorio Klostermann GmbH · Frankfurt am Main · 2013


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Satz: post scriptum, www.post-scriptum.biz
Druck und Bindung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm
Printed in Germany
ISSN 1868-3355
ISBN 978-3-465-04173-3
Inhalt

Vorwort 9

Tobias Keiling
Einleitung 11

Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit

Simone Neuber
Wie spricht es sich eigentlich? Heid­eg­ger zum Ich-Gebrauch 39

Hélder Telo
Who is responsible for das Man? 57

Jan Puc
Das Selbstsein
Eine Kritik von Heid­eg­gers Begriff der eigentlichen Existenz 71

Christophe Perrin
L’impropriété de l’authenticité
Sur le sens propre de l’Eigentlichkeit chez Heid­eg­ger 83

Rede und Logos

Marco Casu
Heid­eg­gers Hermeneutik des Geredes 101

Charlotte Gauvry
»En tant que herméneutique« et »en tant que apophantique«
La lecture herméneutique du logos de 1925–1926 115

Diego D’Angelo
Die Bedeutung ohne Worte und der Leib
Zwischen Tafeln, Monaden und Spiegeln 129
6 Inhalt

Sein, Zeit, Natur

Dimitrios Yfantis
Zeitlichkeit und Temporalität
Die Konzeption der Fundamentalontologie
in der Marburger Zeit 143

Aaron Shoichet
From Brentano to Heid­eg­ger:
locating the »question of the meaning of being« 163

Raoni Padui
The Problem of Nature in Heid­eg­ger’s Marburg Period 177

Guang Yang
Kehrseite der Bewegung
Zu Heid­eg­gers Verständnis der Ruhe in den
Marburger Vorlesungen und der Φύσις-Abhandlung 191

Phänomenologie, Verstehen und Wahrheit

Martina Philippi
Phänomenologie als methodische Kritik
von Selbstverständlichkeit 207

Christos Hadjioannou
Befindlichkeit as retrieval of Aristotelian διάθεσις
Heid­eg­ger reading Aristotle in the Marburg years 223

Claudia Serban
La phénoménologie de la conscience
comme fuite devant le Dasein :
l’interprétation heideggérienne de Husserl
à Marbourg en 1923–1924 237

Choong-Su Han
Die Struktur der Verklammerung
im Wesen der Wahrheit 255
Inhalt 7

Geschichte und Freiheit

Guillaume Fagniez
»Comprendre l’historicité« : Heid­eg­ger
et la correspondance de Dilthey et Yorck 269

Gerhard Thonhauser
Wechselseitige Gegenlektüren:
Was hätte Heid­eg­ger für seine Konzeption des Augenblicks
von Kierkegaard lernen können? 289

Jerome Veith
Destruktion and Repetition:
Freedom and Historical Belonging in Heid­eg­ger 305

Fernando Rodrigues
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens
Eine Interpretation der Metaphysik des Daseins im Lichte
der letzten Marburger Vorlesung Martin Heid­eg­gers 319

Tatjana Noemi Tömmel


»Wie bereit ich’s, daß Du wohnst im Wesen?«
Heid­eg­ger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen
in den Marburger Jahren 335

Daniel Kersting
Heid­eg­gers »Sein zum Tode« –
Eine normativ-praktische Relektüre 351

Sylvain Camilleri
La première intervention de Heid­eg­ger dans le séminaire
néo-testamentaire de Bultmann (WS 1923/1924) 367

Edition
Martin Heid­eg­gers Referat über den Römerbrief im Seminar
»Die Ethik des Paulus« (Prof. Rudolf Bultmann, WS 1923/24),
10. Januar 1924. Nach dem Protokoll von Martin Stallmann 383
Vorwort

Der vorliegende Band versammelt die Beiträge zur dritten Nach­


wuchstagung der Martin-Heid­eg­ger-Gesellschaft, die vom 22.–24.
November 2011 in Marburg an der Lahn stattgefunden hat. Die Bei­
träge erschließen die verschiedenen Themen, die Heid­eg­ger in seiner
Zeit dort beschäftigt haben. Einige konzentrieren sich mehr auf sys­
tematische Problemstellungen und Argumente vor allem der prakti­
schen Philosophie Heid­eg­gers, andere auf rezeptionsgeschichtliche
und interpretative Konstellationen.
Mein Dank gilt allen, die in Marburg aus ihrer wissenschaftlichen
Arbeit vorgetragen und sich mit Enthusiasmus, Offenheit und kriti­
scher Strenge an den Diskussionen beteiligt und dadurch zum Ge­
lingen des Gesprächs über Heid­eg­gers Marburger Zeit das Maßgeb­
liche beigetragen haben. Das Universitätsarchiv der Philipps-Uni­
versität Marburg erlaubt mir freundlicherweise, ein bislang nicht
ediertes Protokoll eines Referates von Heid­eg­ger hier zu veröffent­
lichen. Andrea Esser danke ich für die freundliche Einladung an die
Universität und ins Marburger Schloss, Malte Dreyer für perfekte
Organisation und unermüdliche logistische Unterstützung.
Für die Möglichkeit, diese Tagung auszurichten und für die
Übernahme der Druckkosten gilt mein Dank der Martin-Heid­eg­
ger-Gesellschaft. Besonders ihrem Vorsitzenden Günter Figal danke
ich für das Vertrauen, das er mir auf vielfältige Weise entgegenbringt.

Freiburg, im November 2012 Tobias Keiling


Einleitung

»Mit Heid­eg­gers Eintreffen in Marburg begann … für das philoso­


phische Denken eine neue Epoche.«1 – So erinnert sich Hans-Georg
Gadamer an Heid­eg­gers Marburger Zeit, und nicht nur Heid­eg­gers
eigenes Schaffen, auch die anhaltende Wirkung von Sein und Zeit
und den anderen in Marburg verfassten Schriften und Vorlesungen,
geben diesem Diktum recht. Seit diese Texte in der Gesamtausgabe
vorliegen, wird immer deutlicher, wie sich Heid­eg­ger in Marburg
philosophisch entwickelt hat, welche Ideen, Lektüren und Begeg­
nungen diese Zeit prägten und welche Wege Heid­eg­gers Denken in
Marburg nahm. Als Ergebnis der »Übergangsarbeit«2 der Marbur­
ger Zeit hat Heid­eg­ger mit Sein und Zeit einen Text geschaffen, der
zur Mitte seines Denkens werden sollte, und dies auch und gerade
deshalb, weil dieses Werk Heid­eg­gers unvollendet geblieben ist. In
einer Anmerkung zur letzten Seite heißt es in diesem Sinne, das Buch
stelle einen Weg des Denkens da, aber »nicht ›den‹ einzigen«.3 Dass
Sein und Zeit das in der Einleitung gesteckte Ziel nicht erreicht und
Fragment geblieben ist, ist nur ein Anzeichen für die Komplexität,
die wesentliche Schwierigkeit und innere Spannung der Themen,
Argumente und Konstellationen, mit denen Heid­eg­ger sich in Mar­
burg beschäftigt hat. Im systematischen Zentrum dieser Beschäfti­
gung steht die »Seinsfrage« als »ontologische Fundamentalfrage«.4
Doch suggeriert dies, aus jenem Zentrum ließe sich das Ganze von
Heid­eg­gers Philosophie, zumindest in einer seiner Phasen, überbli­

1 Hans-Georg Gadamer, Heid­eg­ger und die Sprache, in: Hermeneutik im


Rückblick, Gesammelte Werke, Band 10, Tübingen 1995, 14–30, hier 16.
2 Martin Heid­eg­ger, Brief an Karl Jaspers vom 24. Mai 1926, in: Martin
Heid­eg­ger / Karl Jaspers, Briefwechsel 1920 –1963, hrsg. von Walter Biemel
und Hans Saner, Frankfurt am Main 1990, 64.
3 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 576.
4 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 576.
12 Einleitung

cken und die Topographie von Heid­eg­gers Denken auf einem ein­
zigen Denkweg erkunden.
Die Beiträge dieses Bandes lassen daran zweifeln, dass es möglich
oder sogar sinnvoll ist, von Heid­eg­gers Denken eine Antwort auf
diese eine Leitfrage zu erwarten. Heid­eg­ger ist eben »nicht ›den‹ ein­
zigen« Denkweg gegangen, und wesentlich ergiebiger scheint es da­
her, der komplexen Entfaltung seines Denkens in ganz verschiedene
Richtungen zu folgen. Bereits die Formulierung der Frage nach dem
Sein, nach dem Sinn von Sein oder nach der Wahrheit des Seins, ist
für Heid­eg­ger bekanntlich ein eigenes Problem, das nicht nur keiner
einfachen Lösung zugänglich, sondern nur aus anderen Problem-
und Sachzusammenhängen heraus zu diskutieren ist: aus dem Sein
des Daseins, aus dem Sinn der Sorge, aus dem Wesen der Wahrheit.
Hinter diesen Wendungen stecken verschiedene und durchaus kon­
kurrierende Wege des ontologischen Denkens. Bereits am Ende von
Sein und Zeit korrigiert Heid­eg­ger sein Ziel deshalb und schreibt,
den »Streit hinsichtlich der Interpretation des Seins« 5 entfachen zu
wollen, und dazu leisten gerade die Arbeiten der Marburger Zeit
einen großen Beitrag.
Das heißt natürlich nicht, dass es für Heid­eg­ger nicht einen Zu­
sammenhang gab, auf den die Seinsfrage in Sein und Zeit abzielte,
nämlich eben den Zusammenhang von Sein und Zeit, der in der Zeit­
lichkeit des Daseins erfahrbar wird, das deshalb der maßgebliche
Gegenstand der existenzialen Analyse und phänomenologischen
Explikation sein muss. Aber bereits das fundamentalontologische
Projekt einer Ausarbeitung der Seinsfrage im Lichte der Zeitlich­
keit des Daseins (unabhängig davon, ob das Projekt gelingt oder
nicht), integriert in der Form, die wir kennen, so viele heterogene
Momente, dass deren Gesamtzusammenhang sich keiner einzelnen
Perspektive erschließt. Gerade deshalb aber eröffnet der für Heid­
eg­ger gescheiterte Text einen einzigartigen Ort philosophischer Be­
schäftigung, und gleiches gilt für die anderen Texte Heid­eg­gers der
zwanziger Jahre. ›Marburger Zeit‹ ist deshalb als eine Anzeige für
ebenjenes Bündel von Themen, Argumenten und Interpretationen
anderer Philosophien zu verstehen, das in Sein und Zeit zwar sein
wichtiges Dokument hat, dessen Zentrum aber in keinem einzel­
nen Sachproblem und dessen Lösung liegt, sondern in die Vielzahl
der textuellen und sachlichen Bezüge auseinandergeht. Es gibt kei­

5 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 576.


Einleitung 13

nen linearen Fortschritt des Denkens, der sich in Abschnitte eintei­


len ließe, und in dem ›Marburg‹ eine bestimmte Phase des Denkens
Martin Heid­eg­gers benennen könnte. Dass sich der Sinn des ›Mar­
burger‹ Heideg­gers nur in kontextualisierenden und beschreibenden
Interpretationen ergibt, die aus der Komplexität der Problemlagen
einzelne abschichten und andere ausblenden, macht gerade die be­
sondere Intensität dieser Epoche philosophischen Denkens aus. Die
Fülle an Themen, die sich auf diese Weise in durchaus radikalen
Neuansätzen und Reformulierungen erschließt, macht deutlich, dass
die Uneinheitlichkeit des Denkens keine Schwäche ist, die dessen
Interpreten beheben müssten, sondern eine Stärke.
Die einzelnen Beiträge des vorliegenden Bandes versuchen, sol­
che den Horizont erweiternden und nicht einengenden Interpreta­
tionen zu entwickeln. Dabei ist auffällig, dass sich unter der Vielfalt
der Perspektiven keine Interpretationsrichtung als überlegen oder
ein Thema als dominant erweist. Zudem sind es interessanterweise
gerade die Bruchstellen des Heid­eg­gerschen Entwurfs einer Funda­
mentalontologie, an denen die Interpretationen am besten ansetzen
können, um Heid­eg­ger mit Heid­eg­ger denken zu können, was auch
eine Kritik an seinem Denken immer wieder fordert.

Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit

Eine dieser Bruchstellen der Marburger Zeit ist die Unterscheidung


von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit, die den zweiten Abschnitt
von Sein und Zeit beherrscht. Doch der Gehalt dieser Unterschei­
dung, ihre Plausibiliät und ihre Verbindlichkeit ergeben sich keines­
wegs selbstverständlich aus diesem Text. Die Möglichkeit eigentli­
cher Existenz und ihr Gegenbild eines uneigentlichen Lebens for­
dern vielmehr von sich aus eine interpretative und phänomenale
Konkretsierung, die sich nicht allein auf den Text von Sein und Zeit
beziehen kann. Wie spricht es sich eigentlich? fragt deshalb Simone
Neuber und konzentiert sich mit dieser Frage darauf, wie sich im
menschlichen Leben ein eigentliches Dasein sprachlich artikuliert.
Damit isoliert sie die Möglichkeit eigentlichen Sprechens aus dem
Zusammenhang der Zeitlichkeit des Daseins, in den Heid­eg­ger das
Problem in Sein und Zeit stellt. So wird es möglich, Heid­eg­gers Auf­
wertung der Sprache der Dichtung in den dreißiger Jahren dem Ver­
fallensein des uneigentlichen Daseins an das Gerede des Mans gegen­
14 Einleitung

überzustellen. Auch auf die Frage, worin die »modale Indifferenz«6


von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit bestehe, die Heid­eg­ger
nennt, lässt sich so eine Antwort geben: Die sprachliche Verständ­
lichkeit der Welt und des In-der-Welt-seins geht dem Gerede des
Mans, als der uneigentlichen Sprache, ebenso voraus wie den bei­
den Formen eigentlichen Sprechens, die Neuber untersucht: dem
Schweigen als Antwort auf den Ruf des Gewissens wie dem »rein
Gesprochenen«7 der dichterischen Sprache. Dichtung bezieht sich,
so Neubers Analyse, auf die eigentlichen und uneigentlichen Mög­
lichkeiten unseres Ich-sagens zurück und enthält deshalb wesent­
liche Implikationen für das jemeinige Selbst- und Weltverständnis.
Dass die Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlich­
keit und die Entscheidung zwischen beiden auf die Instanz zurück­
führt, die Heid­eg­ger zwar nicht ›Ich‹, aber ›Dasein‹ nennt, diskutiert
Hélder Telo im zweiten Beitrag dieses Bandes. Die Frage, die sein
Beitrag stellt – Who is responsible for ›das Man‹? – ist einerseits klar
zu beantworten: Es sind nicht die Anderen, sondern das Dasein
selbst, das nicht nur für die Uneigentlichkeit seiner Existenz, son­
dern auch für die uneigentlichen Gemeinschaftserfahrungen verant­
wortlich ist, die Heid­eg­ger als die »Diktatur«8 des Man beschreibt.
Nichtsdestotrotz fragt das Dasein hinter diese Diktatur auch immer
zurück, und gerade in seiner radikalen Individualität kann es gar
nicht anders. Die Selbstverständlichkeit unseres Weltzugangs, die
die Zuhandenheit des Seienden freilegt, wird konstitutiv unterbro­
chen von der Notwendigkeit, die Welt in ihren Möglichkeiten auf
die Verantwortlichkeit des Daseins zurückzubeziehen, und erst in
dieser Übernahme des In-der-Welt-seins liegt die Möglichkeit einer
eigentlichen Existenz. Im mit den Anderen geteilten Erscheinen der
Welt gibt es eine geteilte Freiheit, doch gibt es diese nur, insoweit das
›Freigeben‹ der Anderen gelingt.9
Die geteilte Freiheit ist also auf die Partizipation des eigenen Da­
seins angewiesen. Freiheit kommt nicht aus einem falsch verstande­
nen anti-sozialen Affekt, sondern aus der im Vorhinein immer schon
geteilten Welt. Worum es auch dem eigentlichen Mitsein daher nur
gehen kann, ist jene Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen, für

6 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 71 und 309.


7 Heid­eg­ger, Die Sprache, GA 12, 14.
8 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 169.
9 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 164–165.
Einleitung 15

die das Man steht. Nicht die Sozialität als solche ist am Man pro­
blematisch, sondern dass das Man – mit einem späteren Ausdruck
Heid­eg­gers gesagt – ein »zerbrochenes Wir« ist, eine »Masse, in der
jeder ›ich, ich‹ sagt«10 und sich gerade deshalb nicht in seiner Indivi­
dualität vor anderen Individuen zeigen kann. Eigentlich zu existie­
ren heißt demnach, auch die radikale Fraglichkeit und wesentliche
Undurchsichtigkeit des eigenen Daseins gerade öffentlich zu leben,
da die Vorstellung, das es auf der Welt nur ein autarkes »›ich, ich‹«
gibt, zu jenen Illusionen gehört, die aus dem Verfallen des Daseins
an das Man entspringen. Die Verantwortung für die Diktatur des
Mans muss jeder bei sich suchen, ohne doch jene Transparenz zu
finden, die es erlauben würde, beim Man nicht länger ›mitzuma­
chen‹ und so das »zerbrochene Wir« zu einem Ganzen zu machen.
Die von Telo an Sein und Zeit gestellte Frage macht klar, dass in
jedem Versuch, selbstbestimmt zu existieren, das Dasein sich sol­
chen Fragen radikal selbst zu stellen hat, ohne diese aus sich selbst
beantworten zu können.
Verweist man die Frage nach der eigentlichen Existenz mit Heid­
eg­ger an das verfallende Dasein zurück, so ist damit allerdings noch
nicht hinreichend geklärt, welche konkreten Lebensmöglichkei­
ten sich als eigentliche bestimmen lassen. Die Differenz zwischen
Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit droht zu einer nur negativen
Freiheit zu werden.11 Mit Heid­eg­ger gesagt: Die existenziale For­
derung nach einem eigentlichen Selbstein muss sich existenziell, also
in konkreten Möglichkeiten des eigenen Lebens, erkennen lassen.
Die eigene Verantwortung für das Man anzuerkennen und die kriti­
sche Selbstbefragung, die dies freisetzen kann, stellt dabei sicher eine
Möglichkeit dar, mit Heid­eg­ger den Gedanken eigentlicher Existenz
zu konkretisieren. Jan Puc untersucht in seinem Beitrag jedoch kri­
tisch Heid­eg­gers Versuch im zweiten Abschnitt von Sein und Zeit,
in der Stimmung der Angst und im Ruf des Gewissens die Mög­
lichkeit eines solchen eigentlichen Existierens zu verankern und die
eigentliche Existenz so weiter zu konkretisieren. Beide Phänomene

10 Heid­eg­ger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA 38, 43.
Vgl. Hans Bernhard Schmid, Wir-Intentionalität. Kritik des ontologischen
Individualismus und Rekonstruktion der Gemeinschaft, Freiburg / München
2005, 300 –308.
11 Zur sogenannten »Differenz der Freiheit« vgl. Günter Figal, Martin
Heid­eg­ger. Phänomenologie der Freiheit, dritte Auflage Weinheim 2000,
157–272.
16 Einleitung

machen darauf aufmerksam, dass eigentliches Existieren nur einem


Selbst möglich ist, das einer Situation entschlossen begegnen kann,
deren paradoxe Struktur Puc herausarbeitet: Das Selbst versteht sich
als Raum von Möglichkeit, die bekanntlich die »ursprünglichste und
letzte positive ontologische Bestimmtheit des Daseins«12 ausmacht;
zugleich müssen wir aber akzeptieren, dass sich Möglichkeit im Da­
sein immer nur als Vielheit einander ausschließender Handlungs­
möglichkeiten zeigt. Entschlossenes, eigentliches Selbstsein akzep­
tiert also eine wesentliche Distanz gegenüber den eigentlichen Mög­
lichkeiten und macht so darauf aufmerksam, dass das Selbst eine
eigentümliche Identität mit sich selbst hat, die aus keiner einzelnen
Möglichkeit seiner selbst zu gewinnen ist. Aber gerade hier setzt
Pucs Kritik an: Wie sieht die Identität dieses Selbst konkret aus? Ist
es nicht gerade typisch für Prozesse der Selbstwerdung, dass habi­
tuelle Verhaltensweisen dazu führen, das bestimmte Möglichkeiten
in besonderer Weise zu mir gehören, meine sind? Was ist, wenn ich
mich in einer bestimmten Möglichkeit, ich selbst zu sein, selbst zu
finden meine? – Der ontologische Entwurf des eigentlichen Selbst­
seins muss sich an bestimmten ontischen Phänomenen, existenti­
ell, ausweisen lassen, wenn selbst die Bezeugung der Eigentlichkeit
durch das Gewissen unbestimmt gelassen hat, wie dieses eigentliche
Selbstsein aussieht. Gelingt diese Rückkehr zum Ontischen nicht,
verlieren Heid­eg­gers Beschreibungen für sich genommen, unab­
hängig von ihrem systematischen Kontext und ihrer argumentati­
ven Funktion, an Überzeugungskraft. Wie Puc zeigt, kann Heid­
eg­ger besonders der Erfahrung nur schwer Rechnung tragen, dass
wir uns bestimmten Möglichkeiten unseres Daseins überlassen und
uns in diesen authentisch wiederfinden und mit diesen identifizie­
ren. Dass wir uns mit bestimmten Dingen beschäftigen und bereit
sind, Dinge zu lernen, die aus dem alltäglichen Besorgen nicht ge­
fordert sind, um uns selbst zu ›verwirklichen‹, kann Heid­eg­ger nicht
in seine Beschreibung eigentlicher Existenz aufnehmen. Eigentliche
Existenz, so Pucs Vorschlag, könnte dagegen gerade in der Bewe­
gung zwischen der Unbestimmtheit der Entschlossenheit und den
bestimmten Lebensmöglichkeiten bestehen, die nicht weniger ›mich‹
ausmachen als die Unbestimmtheit des eigentlichen Lebens. Anders
gesagt: Eigentliches Existenzieren geschieht nicht durch einen radi­
kalen Bruch mit dem Alltäglichen, der immer nur fiktiv sein könnte,

12 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 191.


Einleitung 17

sondern im Schritt von der modalen Indifferenz von Eigentlichkeit


und Uneigentlichkeit zur als solchen erkannten und gelebten Dif­
ferenz beider.
Wie die Ununterschiedenheit von Eigentlichkeit und Uneigent­
lichkeit mit Heid­eg­gers Forderung einhergehen kann, das eigent­
liche Dasein zu wählen, wie, anders gesagt, Uneigentlichkeit not­
wendig und zugleich Eigentlichkeit möglich sein kann, interessiert
auch Christophe Perrin, der aus dem Problem der Übersetzung
von Eigentlichkeit (als authenticité oder authenticity) entwickelt,
warum eine Ethik der Eigentlichkeit (Jean-Paul Sartre, Charles Tay­
lor, Lionel Trilling) für Heid­eg­ger undenkbar bleibt: Die Struktur
der Unterscheidung, wie Heid­eg­ger sie beschreibt, ist zu komplex,
um sie der Dichotomie von gut und böse analog zu verstehen. Das
menschliche Dasein steht nicht einfach in der Entscheidung zwi­
schen verschiedenen abgrenzbaren Handlungsmöglichkeiten, son­
dern seine faktische Existenz birgt vielfache Mischphänomene. Die
Freiheit des Daseins ist keineswegs so, dass es sich autonom auf
eine Seite schlagen könnte. Ontologisch gerät deshalb immer mehr
in Zweifel, dass sich Dasein überhaupt als ein Seiendes bestimmen
lässt, für das vorgegebene Kategorien von Notwendigkeit und Mög­
lichkeit überhaupt hinreichend sind. Vielmehr gewinnen beide Kate­
gorien erst ihren Sinn aus dem Dasein – das dann eher als Ort jenes
komplexen Gefüges von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit ist, das
sich durch die modale Indifferenz beider und die Entschlossenheit
als eigene Phänomene des Daseins verkompliziert.13
Die konstitutive ›ethische‹ Unentschiedenheit und das Faktum
der ständigen Differenzierung beider Existenzweisen, die Heid­eg­
ger ein »faktisches Ideal des Daseins«14 behaupten lässt, aber dieses
Ideal nicht weiter konkretisieren, verweist allerdings auf ein unge­
löstes Problem der Fundamentalontologie auf der fundamentalsten
Stufe ihrer Analysen: Als Ort auch der ontologischen Differenz von
Sein und Seiendem ist das Dasein schwerlich als eigentliches oder
uneigentliches Seiendes zu verstehen, vielmehr letztlich überhaupt
kein Seiendes. Ausdrücklich hat Heid­eg­ger diese Konsequenz in

13 Diana Aurenque hat daher Heid­eg­gers Ethik primär als ein Denken des
ἦθος im Sinne von ›Ort‹ und ›Aufenthalt‹ erörtert. Vgl. Diana Aurenque,
Ethosdenken. Auf der Spur einer ethischen Fragestellung im Denken Heid­
eg­gers, Freiburg / München 2011.
14 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 411.
18 Einleitung

den Beiträgen zur Philosophie (1935/36, GA 65) gezogen, wo er


zwischen Dasein als Seiendem und Da-sein als Seinsbezeichnung
unterscheidet.15

Rede und Logos

Drei Beiträge dieses Bandes untersuchen Heid­eg­gers Versuch, die


Bestimmung des Menschen als ζώον λόγον ἔχον durch eine Ausein­
andersetzung mit der Sprache innerhalb der Daseinsanalytik einen
neuen Sinn zu geben und öffnen sich schrittweise den anderen Tex­
ten Heid­eg­gers über Sein und Zeit hinaus. Auch hier sind es die
uneigentlichen, vermeintlich ›bloß‹ ontischen Phänomene, die sich
als so entscheidend erweisen, dass die Philosophie sie nicht zurück­
lassen kann, ohne ihre Anschaulichkeit zu verlieren. Das Problem
der Rückkehr zum Ontischen, das bereits in den konkreten Mög­
lichkeiten, eigentlich zu sein, impliziert war, ließe sich als ein zweites
Grundproblem der Marburger Zeit benennen. Marco Casu zeigt,
wie Heid­eg­ger im Rückgriff auf die antike Kritik der Sophistik in
einer ähnlichen Problemlage eine eigene Hermeneutik des Geredes
entwickelt, die gerade darauf zielt, den positiven Verständnisgewinn
zu sichern, der aus einer Auseinandersetzung mit dem alltäglichen,
weltverlorenen Sprechen zu gewinnen ist. Auch wenn die Rede –
Heid­eg­gers Übersetzung von λόγος – das »existenzial-ontologische
Fundament«16 des Geredes ist, so gewinnt diese Bestimmung nur
in ihrer existenziellen Erfahrbarkeit ihre Konkretion, so dass eine
kritische Rehabilitation des Geredes für die deskriptive Überzeu­
gungskraft von Heid­eg­gers Sprachphilosophie entscheidend wird.
Was Rede eigentlich sein kann, zeigt sich erst in der Auseinander­
setzung mit dem Gerede. Als Diskrimen fungiert dabei die Zeige­
kraft des Sprechens: Wird etwas gezeigt, löst sich der dem Sprechen
inhärente Anspruch auf Sachlichkeit also ein, unterbricht dies das
Gerede und legt die eigentlichen Möglichkeiten der Rede offen, das
Beredete auch wirklich zu treffen.
Nicht nur im Schweigen (wie Heid­eg­ger in Sein und Zeit aus­
drücklich festhält) und in der dichterischen Sprache (wie Heid­eg­
ger dies zuerst in den Grundproblemen der Phänomenologie und

15 Vgl. etwa Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 300 –301.


16 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 213.
Einleitung 19

dann ausführlich in Der Ursprung des Kunstwerkes formuliert) liegt


demnach eine eigentliche Spracherfahrung, die für die eigentliche
Existenz verbindlich sein kann. Bereits im wohlverstandenen all­
täglichen Gerede, an den Bruchstellen des beliebigen, ungefähren
Redens über eine Sache erscheint diese Sache selbst, wenn auch als
etwas, das vom Man unverstanden bleibt, und deshalb mit dem An­
spruch verbunden ist, die Sache angemessen zur Sprache zu brin­
gen. Die Sprache kann sich dem Anspruch der Sache nie entziehen.
Heid­eg­ger fordert, wie Casu zeigt, eine in ausgezeichneter Weise
kritische Auseinandersetzung mit dem Gerede, die sogar über die
Bedingungen, wie sich das Sprechen auf die Dinge beziehen kann,
eigens Rechenschaft ablegt, indem sie die Faktizität des Geredes
nicht einfach hinnimmt, sondern das Gesagte auf die Möglichkeit
abklopft, es neu zu sagen und neu auf das Beredete ausrichtet. Ge­
rade weil keine Sprache fester Grund des Daseins sein kann, gilt es,
den Interpretationsspielraum auch des alltäglichsten Sprechens da­
raufhin zu untersuchen, was in diesem Wahres steckt. Hermeneutik
ist also, mit Heid­eg­ger gesagt, ein »modifiziertes Ergreifen«17 jener
verfallenen Existenz, zu der das Gerede gehört. Deshalb bedarf es
einer eigenen Hermeneutik des Geredes.
Wenn das so ist, lässt sich auch die philosophische Logik nicht
mehr einfach auf eine aussagenlogische-semantische Konzeption
von λόγος gründen, sondern muss ein eigenes, dezidiert hermeneu­
tisches Fundament haben. Charlotte Gauvry zeichnet nach, wie
sich aus der am Neukantianismus orientierten Logikbegründung in
Heid­eg­gers Dissertations- und Habilitationsschriften eine lebens­
weltliche Situierung als wesentlich für Heid­eg­gers Beschreibung von
Sinn- und Bedeutungskonstitution entwickelt. In den Marburger
Vorlesungen von 1925 und 1926 lässt sich diese Entwicklung hin zur
Behandlung der Aussagenlogik in Sein und Zeit nachzeichen. Dass
die Aussage ein »abkünftiger Modus« einer primär lebensweltlichen
Auslegung sein soll, wie Heid­eg­ger schon im Titel von § 33 Sein
und Zeit sagt, lässt sich so als eine aus den frühen Schriften hervor­
gehende Radikalisierung der Logikbegründung Emil Lasks lesen,
die Heid­eg­ger früh rezipiert hat, die jedoch erst in den Marburger
Vorlesungen ihren Dreh- und Angelpunkt findet, wenn Heid­eg­ger
in Logik. Die Frage nach der Wahrheit (Wintersemester 1925/26,
GA 21) das »apophantische Als« der Aussage vom »hermeneuti­

17 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 233 und 238.


20 Einleitung

schen Als«18 der Bedeutsamkeit der Welt klar unterscheidet, zugleich


aber mit der »als«-Struktur auch einen Ort benennen kann, in dem
sich Aussagenlogik und Lebenswelt berühren. Was genauer diese
Verbindung leistet, kann hier auch schon wie in Sein und Zeit als
verschiedene, nämlich als ursprüngliche und abgeleitete Formen von
Wahrheit expliziert werden. Wahrheit wird so aus dem Problem der
Logikbegründung heraus zum Schlüsselbegriff für den Übergang
der impliziten Bedeutsamkeit der Lebenswelt, der vorprädikativen
und vortheoretischen in explizit logische Bedeutung.
Nach Sein und Zeit – und sicherlich aufgrund der Engführung
des Verhältnisses von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit mit der
Überlegung, dass »Dasein gleichursprünglich in Wahrheit und
Unwahrheit«19 sei – ist diese Beschreibung für Heid­eg­ger jedoch
erneut zum Problem geworden, und die Frage nach der Begrün­
dung der Logik fordert eine weitere Ausarbeitung, die Heid­eg­ger in
der Vorlesung Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang
von Leibniz (Sommersemester 1928, GA 26) auf die Frage ausrich­
tet, was es eigentlich heißt, etwas zu begründen, und deshalb den
bei Leibniz entwickelten Satz vom Grund diskutiert. In seinem Bei­
trag zeigt Diego D’Angelo, wie sich durch diese Fragestellung die
Sprachkonzeption Heid­eg­gers wiederum erweitert oder verkompli­
ziert, wenn Heid­eg­ger in der Auseinandersetzung mit der Monado­
logie auf die Bindung sprachlichen Sinns an den menschlichen Leib
zu sprechen kommt. Die Begründung von propositionaler Sprache
in einer Pragmatik wird um Überlegungen ergänzt, ähnlich wie die
Leibnizsche Monade das Ganze der Welt spiegele, spiegele sich im
Dasein die Welt wider – die apperzeptive Bündelung von Welt im
Dasein sei aber nur vermittels des Leibes möglich, in den das Dasein
»zersplittert«20 sei. Dass das »apophantische als« im »hermeneuti­
schen als« gründet, bedeutet dann auch, dass es in diesem freien,
leiblichen und handelnden »Urverstehen«21 der Welt festgemacht
ist. D’Angelo möchte diesen Gedanken im Rekurs auf Husserl sys­
tematisch ausarbeiten und versteht ihn als eine Ergänzung zu einer
pragmatistischen Sein und Zeit-Interpretation (Hubert Dreyfus,
Robert Brandom), die die Leibbezogenheit der im Handeln konsti­

18 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 144.


19 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 294.
20 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 173.
21 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 247.
Einleitung 21

tuierten Bedeutung nicht thematisiert. War Heid­eg­ger in Sein und


Zeit noch überzeugt, Leiblichkeit sei eine »hier nicht zu behan­
delnde Problematik«,22 erscheint die skizzenhafte Rehabilitation der
Leiblichkeit als ein wesentlicher Gedanke der Leibniz-Vorlesung.

Sein, Zeit, Natur

Den im engeren Sinne ontologischen Fragen ist der dritte Abschnitt


des Bandes gewidmet, doch wirkt die problematische Unterschei­
dung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit und das Thema der
Rückkehr zum Ontischen in die theoretische Philosophie in vielfa­
cher Weise hinein. Dimitrios Yfantis rekonstruiert in seinem Bei­
trag das für die Ausrichtung von Heid­eg­gers Denken in der Mar­
burger Zeit zentrale Projekt einer Ontologie im Horizont der Zeit.
Dieser soll nach der Systematik von Sein und Zeit eine fundamen­
talontologisch ausgerichtete Daseinsanalytik vorausgehen, welche
die Zeitlichkeit des Daseins als den Sinn seines Seins aufweist, um
von hier aus eine temporale Interpretation des Seins selbst zu ent­
wickeln. Auch die Analyse der Zeitlichkeit des Daseins erweist sich
dabei als durch das Verhältnis von Eigentlichkeit und Uneigent­
lichkeit bestimmt, dessen Urform im kairologischen Zeitverständnis
der paulinischen Briefe zu finden ist, die Heid­eg­ger in der Vorle­
sung Einleitung in die Phänomenologie der Religion (Winterse­
mester 1920/21, GA 60) interpretiert. In Sein und Zeit säkularisiert
und formalisiert Heid­eg­ger die eschatologische Unterscheidung der
verworfenen und der im Glauben erretteten Existenz mit dem Ziel,
auf die beiden diesen Existenzweisen korrespondierenden Zeit­erfah­
rungen seine formal-existenziale Interpretation der Zeitlichkeit des
Daseins aufzubauen. Es wundert wenig, dass das Problem, ob es ei­
nen dritten, indifferenten Modus zwischen Eigentlichkeit und Un­
eigentlichkeit gebe und wie dieser zu bestimmen wäre, im Hinblick
auf die Zeitlichkeit des Daseins wieder auftaucht, wenn Heid­eg­ger
die eigentliche Zeitlichkeit (die sich durch die Ekstasen des Vorlau­
fens, der Wiederholung und des Augenblicks auszeichnet) auch als
»ursprüngliche«23 zu fassen versucht. Damit hängt zusammen, dass
auch in der neuen Ausarbeitung des fundamentalontologischen Pro­

22 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 145.


23 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 437.
22 Einleitung

jektes in den Grundproblemen der Phänomenologie (Sommerse­


mester 1927, GA 24) der Übergang von der Zeitlichkeit des Daseins
zur Temporalität des Seins scheitert: Es gelingt Heid­eg­ger nicht, die
ursprüngliche und eigentliche Zeitlichkeit des Daseins als den Sinn
des Seins als solchen plausibel zu machen. Dadurch bleibt nicht nur
fraglich, ob die Zeitlichkeit des Daseins und die Temporalität des
Seins dasselbe Phänomen sind. Auch der zeitliche Sinn der Onto­
logie als erster Wissenschaft erweist sich als problematisch, da die
explizite Seinsauslegung einerseits aus dem vorontologischen Seins­
verständnis und dessen dreidimensionalem Zeitverständnis erwächst,
andererseits als Thematisierung des Seins einen unleugbar präsenti­
alen Charakter aufweist. Dass diese Rückbindung der Ontologie an
die am Leitfaden des existenziellen Gegensatzes zwischen Eigent­
lichkeit und Uneigentlichkeit konzipierte Daseinsanalytik schei­
tert, führt in eine systematische Aporie, die die Kehre in Heid­eg­
gers Denken nach der Rückkehr aus Marburg wesentlich motiviert.
Während Yfantis’ Beitrag durch den Aufweis der zentralen
Schwierigkeit des fundamentalontologischen Projektes die für Heid­
eg­ger entscheidende Bruchstelle in der temporalen Ontologie mar­
kiert, geht Aaron Shoichet in seinem Beitrag der Frage nach, wie
sich Heid­eg­gers Fragen nach dem Sinn von Sein gegenüber der On­
tologie verhält, die Franz Brentano in seiner Dissertation entwickelt.
Brentanos Dissertation, die nach seiner eigenen Aussage Heid­eg­gers
Weg in die Philosophie geleitet hat,24 reformuliert die aristotelische
Frage nach der einen Bedeutung des Seienden als die Frage nach der
Einheit der Kategorien. Der Grund dafür ist im Vorrang der Kate­
gorie der Substanzialität zu suchen, von der Brentano ausgeht: Sub­
stanzen sind nicht nur das im eigentlichen Sinne Seiende, im Unter­
schied zu den anderen Bedeutungen des Seienden, die Brentano als
»uneigentlich«25 qualifiziert. Brentano versucht zu zeigen, dass sich
aus der ersten Kategorie die anderen Kategorien auf dem Wege einer
Analogie entwickeln lassen und die aristotelischen Kategorien sich
demnach systematisieren und als notwendig deduzieren lassen. Dass
darin eine wesentliche Verkürzung liegt, weil die Einheit der Kate­
gorien als den ›eigentlichen‹ Bedeutungen des Seienden noch nicht
die Verbindung zu den anderen, ›uneigentlichen‹ Bedeutungen klärt,

24 Vgl. Heid­eg­ger, Mein Weg in die Phänomenologie, GA 14, 93.


25 Franz Brentano, Über Aristoteles. Nachgelassene Aufsätze, Hamburg
1986, 167–169.
Einleitung 23

macht Heid­eg­ger erst in der Freiburger Vorlesung vom Sommer 1931


(Aristoteles, Metaphysik Θ 1–3, GA 33) deutlich. In der Marburger
Zeit lehnt Heid­eg­ger Brentanos Verständnis der Seinsfrage und des­
sen Lösung des Kategorienproblems nicht ab, vielmehr bringt die
Einleitung zu Sein und Zeit die »Einheit der Analogie« explizit mit
der »Einheit [des] transzendental ›Allgemeinen‹«26 in Verbindung,
ohne dass Heid­eg­ger klären würde, ob oder wie Sein oder Zeit ana­
log (zueinander) gedacht werden könnten.
Heid­eg­ger zielt mit Sein und Zeit, so ließen sich Shoichets Über­
legungen ergänzen, zwar auf ein gänzlich anderes Einheitsmoment
als die Analogie: auf die in der Zeitlichkeit des Daseins erfahrbare
Temporalität des Seins. Macht man sich jedoch klar, dass die Tem­
poralität des Seins sich in Heid­eg­gers Interpretation als das Ein­
heitsmoment der von Kant deduzierten Kategorien erweist, die sich
gemäß den horizontalen Schemata der Zeitlichkeit zeigen, scheint
Brentanos Versuch, die Seinsfrage als Frage nach der Einheit der
Kategorien zu stellen, trotz der Verkürzung, die dies mit sich bringt,
doch als ein wesentliches systematisches Vorbild für Heid­eg­gers Be­
zugnahme auf das Schematismuskapitel zu sein, in dem der Über­
gang von den Kategorien (den eigentlichen Bedeutungen des Sei­
enden nach Brentano) zur Erfahrung (die auch das ›uneigentlich‹
Seiende einschließt) geleistet werden sollte. Wenn die aristotelische
Ontologie die Verbindung der Kategorien zur οὐσία als Seiendheit
thematisiert, dann die kantische Ontologie den Zeitbezug der Ka­
tegorien. Heid­eg­ger versucht aus dieser Perspektive mit der kanti­
schen Transzendentalphilosophie einen Schritt über Brentanos Lö­
sung des Kategorienproblems hinaus zu tun und wirklich vom Sein
zur Zeit zu gelangen, um die Frage nach der Einheit aller Bedeutun­
gen des Seienden, einschließlich der nicht-kategorialen, zu fassen.
Der dritte Beitrag des Abschnitts diskutiert das Scheitern der
Marburger Fundamentalontologie Heid­eg­gers mit einem anderen
begrifflichen Schwerpunkt, aber weiterhin mit Blick auf das Pro­
blem des nicht kategorial fassbaren Seins: Raoni Padui zeigt, wie
seit der Marburger Prolegomena-Vorlesung (Prolegomena zur Ge­
schichte des Zeitbegriffs, Sommersemester 1920, GA 20) die hier­
archisierende Unterscheidung zwischen den ontologischen Modi
von Zuhandenheit und Vorhandenheit des innerweltlichen Seienden
durch Phänomene verkompliziert wurde, die Heid­eg­ger als Phä­

26 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 2.


24 Einleitung

nomene der Natur, als Naturmacht oder Leben identifiziert und


die sich der Unterscheidung der beiden ontologischen Erfahrungs­
weisen sperren. Weder überzeugt es Heid­eg­ger, diese lediglich im
Hinblick auf ihre praktische Relevanz, also als allein ›zuhanden‹ zu
klassifizieren, noch ist der Einbruch dieser Phänomene mit jener
theoretisierenden Entweltlichung gleichzusetzen, die nach Heid­eg­
gers Beschreibung die Naturwissenschaften bestimmt. Vielmehr ist
der Welteingang dieser Entitäten kategorial unfassbar, womöglich
verstörend und sogar gewaltsam, so dass sie eine eminente Gren­
zerfahrung von Sinn darstellen und damit aus der Perspektive der
Daseinsanalyse einen »Grenzfall des Seins von möglichem inner­
weltlichem Seienden«.27 Damit ist aber auch der Weg versperrt, diese
Ereignisse zu bloß ontischen Phänomenen zu erklären, die für die
Kategorienbildung der Ontologie nicht weiter relevant wären. Sie
dagegen allein außerhalb der Welt des Daseins zu lokalisieren, käme
der Einführung eines ›Dings-an-sich‹ gleich.
Diese beiden Grundentscheidungen der Ontologie Kants – die
Einführung eines Dings an sich und die Rückführung eines empiri­
schen (ontischen) Realismus auf einen transzendentalen (ontologi­
schen) Idealismus – versucht Heid­eg­ger zu vermeiden und dennoch
Kants Lehre vom Schematismus in die Temporalitätsproblematik zu
integrieren. Das aber heißt, denjenigen Situationen eminent ontolo­
gische Relevanz zuzugestehen, in denen ›Natur‹ nicht als allein ka­
tegorial, als Korrelat von Naturwissenschaften (als vorhanden) oder
als lebensweltlich-praktisch relevant (zuhanden) bestimmt, sondern
als unsinnig oder unverständlich erscheint. Dass dies geschieht, lässt
sich, so Heid­eg­gers Überzeugung, nicht leugnen. Allein die onto­
logische Bedeutung dieser Negativitätsphänomene ist offen. Padui
macht darauf aufmerksam, dass es die spezifische Unbestimmtheit
solcher Naturerfahrungen gewesen sein könnte, die Heid­eg­ger den
entscheidenden Anlass gibt, am Ende der Marburger Zeit mit dem
Gedanken der Metontologie aus der Leibnizvorlesung neu anzu­
setzen. Hier macht Heid­eg­ger nämlich darauf aufmerksam, dass die
bereits in Sein und Zeit hervorgehobene »faktische Existenz des
Daseins« nicht nur »eine Totalität des Seienden« voraussetze – also
eine reale Welt – , sondern dass diese wiederum als das »faktische
Vorhandensein der Natur«28 zu verstehen sei. Damit kommt es aber

27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 88.


28 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 199.
Einleitung 25

zu einer ontologischen Rehabilitation des in spezifischer Weise un­


bestimmten Seins der Natur, wenn deren Seinsart zu jener Faktizi­
täten gezählt wird, die für die Konstitution von Welt entscheidend
sind. Von hier aus ist es nur noch ein Schritt zur Thematisierung von
Natur als sich konstitutiv dem Verstehen verschließender Erde, die
Heid­eg­ger in den dreißiger Jahren und prominent im Ursprung des
Kunstwerkes versucht.
Guang Yang verfolgt in seinem Beitrag einen anderen zentra­
len Aspekt in Heid­eg­gers Bestimmung der Natur, das Verhältnis
von Ruhe und Bewegung in den verschiedenen Interpretationen
der aristotelischen Physik, die Heid­eg­ger entwickelt. In den beiden
Marburger Vorlesungen aus den Jahren 1924 (Grundbegriffe der
aristotelischen Philosophie, GA 18) und 1926 (Grundbegriffe der
antiken Philosophie, GA 22) sind Ruhe und Bewegung für Heid­eg­
ger nicht als Phänomene in der Natur relevant, sondern als ontolo­
gische Grundbegriffe, die den Charakter des menschlichen Daseins
beschreiben sollen. Die Interpretationen der aristotelischen Natur­
philosophie zielen darauf, einen Vorrang der Bewegung herauszu­
stellen, der das Seiende als Möglichkeitsraum lebensweltlicher Ma­
nipulationen erscheinen lässt, so dass nichts absolut ruht, sondern
nur in Bezug auf eine zukünftig mit ihm auszuführende Tätigkeit
unbewegt ist. In den dreißiger Jahren dagegen, genauer in der Ab­
handlung Über Wesen und Begriff der Physis (1939, GA 9) kom­
men Ruhe und Bewegung als eminente Naturphänomene zur Spra­
che, und in dieser, aus der fundamentalontologischen Perspektive
gelösten Hinsicht, wird klar, dass umgekehrt als in den Marburger
Interpretationen der Ruhe ein Vorrang vor der Bewegung zugespro­
chen werden muss.
Yang zeigt, dass der entscheidende Unterscheid darin zu suchen
ist, dass Ruhe nun als eine positive δύναμις des Seienden verstanden
werden kann, die mehr ist als das bloße Fehlen von Tätigkeit. Mög­
lichkeit, so zeigt sich, ist nicht nur die »ursprünglichste und letzte
positive ontologische Bestimmtheit des Daseins«,29 sondern ist eine
Kategorie, die mit zum Erscheinen des Seins überhaupt gehört und
sich vom Möglichkeitscharakter des Daseins her nicht hinreichend
bestimmen lässt: Der dispositionale Möglichkeitsraum, der sich in
der Zurückhaltung von Bewegung zeigt, wenn Dinge ruhen, ist nicht
koextensiv mit dem Spielraum menschlicher Manipulationsmöglich­

29 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 191.


26 Einleitung

keiten, sondern geht über ihn hinaus. Heid­eg­gers wachsende Auf­


merksamkeit auf das Phänomen der Ruhe trägt deshalb dazu bei,
dass Möglichsein nicht allein dem Dasein zuzuschreiben. Vielmehr
könnte es sich hier um eine noch zu stark an die klassische Phä­
nomenologie angelehnte Bestimmung des Phänomenalen handeln,
die Möglichsein nicht als real, sondern als Möglichkeit allein im
Bewusstsein versteht und der gerade deshalb das eigene Sein der
Natur sich entzieht.

Phänomenologie, Verstehen und Wahrheit

Der vierte Abschnitt arbeitet methodische Aspekte von Heid­eg­gers


Vorgehen heraus. Leitend ist dabei die Einsicht, dass Heid­eg­gers
Marburger Zeit in besonderer Weise in den Diskussionszusammen­
hang der Phänomenologie gehört.30 Martina Philippi entwickelt in
ihrem Beitrag einen systematischen Vergleich zwischen der Phäno­
menologie der Husserlschen Krisis der europäischen Wissenschaften
(1936) und Heid­eg­gers Sein und Zeit (1927), der der Frage nachgeht,
inwieweit sich die Bestimmung des phänomenologischen Vorgehens
als eine Kritik an (vermeintlicher) Selbstverständlichkeit verstehen
lässt. Bei Husserl steht dafür die Notwendigkeit, naive Alltags­
annahmen wie die Grundannahmen von Wissenschaft zu hinterfra­
gen, die den Evidenzbezug und den Anspruch der Phänomenologie
auf Wesensdeskription relativiert. Außerdem fordert Husserl in der
Krisis eine Fundierung der Wissenschaften in der Lebenswelt, deren
eigene Radikalisierung Heid­eg­ger zu diesem Zeitpunkt schon vor­
gelegt hat, wenn er nicht nur die wissenschaftliche Tätigkeit, son­
dern auch den Wahrheitsgehalt von Wissenschaft als relativ auf das
menschliche Dasein versteht. Dadurch, dass Heid­eg­ger die existen­
zialen Bedingungen nicht nur von Wissenschaft, sondern auch von
Philosophie benennt, gibt Heid­eg­ger den Anspruch auf Vorausset­
zungslosigkeit auf und rehabilitiert so jene Selbstverständlichkeiten,
die die Phänomenologie Husserls ganz zu überwinden angesetzt
hatte. Die Unhintergehbarkeit von Selbstverständlichkeit macht
Philippi dabei nicht nur am Verfallen und den mit dem ›Man‹ asso­

30 Vgl. dazu Walter Biemel, Heid­eg­gers Stellung zur Phänomenologie in


der Marburger Zeit, Gesammelte Schriften, Band 1, Stuttgart / Bad Cannstatt
1996, 265–333.
Einleitung 27

zierten Phänomenen (Neugier, Gerede, Zweideutigkeit) fest, son­


dern an der Gestimmtheit menschlicher Existenz, die jedes Denken
und phänomenologische Beschreiben in die konkrete Verstehens­
situation zurückbindet, mit allen ungeprüften Selbstverständlichkei­
ten, die es darin geben mag. Damit aber öffnet sich auch die Frage,
welches die genuin phänomenologische Stimmung ist. Dieser Frage,
so könnte man ergänzen, gehen die Beiträge zur Philosophie in den
dreißiger Jahren dadurch nach, dass sie der Grundstimmung des
philosophischen Neuanfangs große Aufmerksamkeit schenken und
sie als jene »Verhaltenheit des Suchens«31 bestimmen, die der phä­
nomenologischen Urteilsenthaltung und Deskription nicht fremd
sein kann.
Dass in einer solchen Grundierung des Verstehens durch das, was
Heid­eg­ger Befindlichkeit nennt, mehr steckt als eine bloß ›subjek­
tive‹ Einfärbung des Erlebens, zeigt Christos Hadjioannou durch
eine genealogische Untersuchung dieses Begriffs. Wieder sind es
die Aristoteles-Interpretationen, die sich für Heid­eg­ger als frucht­
bar erweisen, um festgefahrene Dichotomien zu hinterfragen, denn
›Befindlichkeit‹ ist die Übersetzung, die Heid­eg­ger für das aristo­
telische διάθεσις in Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie
(1924, GA 18) gibt. Heid­eg­ger unternimmt in dieser Vorlesung das
in dem als Natorpbericht (1922)32 bekannt gewordenen Manuskript
skizzierte Programm einer »phänomenologischen Interpretation«33
der aristotelischen Schriten, mit dem sich Heid­eg­ger um die Mar­
burger Professur beworben hatte. Es ist kennzeichnend für dieses
Programm, dass Heid­eg­ger die ontologische Verfassung des mensch­
lichen Lebens nur durch eine Auseinandersetzung mit der theore­
tischen Philosophie Aristoteles’ und insbesondere durch eine In­
terpretation der Physik zu erreichen glaubt. Das spielt auch in die
Analyse des menschlichen πάθος hinein, die Heid­eg­ger in der Mar­
burger Vorlesung entwickelt: Um überhaupt in eine Stimmung ge­
bracht zu werden, braucht es eine Offenheit für einen äußeren An­
stoß, den Heid­eg­ger mit Aristoteles als ein durchaus ›objektives‹

31 Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 398.


32 Martin Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles.
Ausarbeitung für die Marburger und die Göttinger Philosophische Fakultät,
hrsg. von Günter Neumann, Stuttgart 2002. Auch in: Heid­eg­ger, Phänome­
nologische Interpretationen zu Aristoteles, GA 62.
33 Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (Einzel­
ausgabe), 5.
28 Einleitung

Geschehen zu verstehen sucht, nämlich als Bewegtheit als Grund­


bestimmung des Seins überhaupt.34 In der Vorlesung des folgenden
Semesters (Platon: Sophistes, 1924/25, GA 19) kann Heid­eg­ger da­
her das Sich-befinden vom Endpunkt einer kontinuierlichen Bewe­
gung her verstehen – sei es die Lokalisierung eines sich bewegen­
den Dinges oder der bestimmte ›Zustand‹ eines Menschen; beide,
Position (θέσις) und (menschliche) Disposition (διάθεσις) sind, so
versteht Heid­eg­ger Aristoteles, eine ἕξις.35 Damit ergibt sich, wie
Hadjioannou zeigt, eine allgemeine ontologische Bestimmung des
Bewegtwerdens. Dennoch bemüht sich Heid­eg­ger, beide Phäno­
mene wieder zu trennen, da die spezifisch menschliche (und, wie
man im Vorblick auf Sein und Zeit sagen dürfte: zeitliche) Bewe­
gung von einem geometrischen (und damit für Aristoteles: räumli­
chen) Verständnis von Bewegung unterschieden werden muss, um
die Bewegtheit der Welt vom Dasein aus verstehen zu können, wie
es Heid­eg­gers Absicht war.
Auf dem Weg zu Sein und Zeit greift Heid­eg­ger also zwar
auf Aristoteles Naturphilosophie zurück, um den Charakter des
menschlichen Daseins zu klären. Soll der fundamentalontologische
Ansatz gelingen, muss das In-Sein der Dinge in der Welt vom In-
sein des Daseins aber auch wieder wesentlich verschieden sein, da
nur der Sinn der Daseinsbewegung zeitlich ist. Sowohl die Versuche,
Ruhe und Bewegung als ein Phänomen zu thematisieren, das zum
Dasein des Menschen wie zum Seienden im Ganzen gehört, als auch
der Rückgang auf die aristotelische Physik zur Erläuterung mensch­
licher Stimmungen umreißen ein weiteres zentrales Thema der Mar­
burger Zeit, das Heid­eg­ger im Natorpbericht bereits vor seiner Be­
rufung auch schon als Forschungsprogramm skizziert hatte: Das
Sein von Bewegung zu verstehen, ohne sich klassischen Unterschei­
dungen von Subjekt und Objekt, Vorstellung und Kausal­ereignis
unterzuordnen. Erstaunlich ist jedoch, wie offensiv Heid­eg­ger Texte,
die ›objektive‹, physikalische Kategorien entwickeln, zur ontolo­
gischen Bestimmung des menschlichen Daseins heranzieht – und
wie umgekehrt diese Interpretationen, eben weil sie sich eigent­lich
an anderen Zusammenhängen orientierten, eine Dezentrierung des
Subjektiven bewirken und Heid­eg­ger wieder dem Realis­mus Aristo­

34 Vgl. Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (Ein­


zelausgabe), 41–43, 57, 64–75.
35 Vgl. Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 104.
Einleitung 29

teles’ näher bringen, allen voran der Natur als Form von Äußerlich­
keit und dem Interesse an der Eigenständigkeit von beobachtbaren
Bewegungen. Auch wenn die ekstatische Struktur der Existenz in
der Zeitlichkeitsanalyse ihre wirkungsmächtigste Form gefunden
hat: Heid­eg­gers Vorlesungen eröffnen auch ganz andere und nicht
weniger innovative Möglichkeiten zu verstehen, wie Menschen der
sie umgebenden Welt ausgesetzt sind, die umgekehrt ihr Weltver­
halten erst ermöglicht.
Neben Aristoteles ist Husserl der zweite wichtige Gesprächspart­
ner Heid­eg­gers, wenn es um die Relevanz von Bewegungsphänome­
nen geht. Dabei geht es darum, wie sich die eigenen wissenschaftlich-
theoretischen Absichten von anderen Interessen durchkreuzt sehen
und die Eigenbewegung der Welt in das menschliche Dasein hinein­
spielt. Dass sich die Dynamik der Welt von der Dynamik des eigenen
Daseins her verstehen lasse, spielt auch entscheidend in Heid­eg­gers
Husserl-Interpretation in der ersten Marburger Vorlesung Einfüh­
rung in die phänomenologische Forschung (1923/24, GA 17) hin­
ein. Claudia Serbans Beitrag arbeitet heraus, dass das zentrale Mo­
tiv dieser Vorlesung eine sehr spezifische Kritik an Husserl ist: Die
Phänomenologie übergehe das Grundphänomen der menschlichen
Existenz, das Heid­eg­ger Sorge nennt, und vergebe so die Chance,
deren einzigartigen Zugang zur Lebenswelt in die Phänomenologie
zu integrieren. Damit verliere die Phänomenologie auch die eigene
»Bewegtheit des Daseins«, die von einer in falsches Theoretisieren
abgleitenden »Beruhigung«36 stillgestellt wird und so die ursprüng­
liche »Unruhe«37 des sich um etwas sorgenden Daseins nicht thema­
tisieren kann. Darin wird, so zeigt Serban, auch in der Existenz des
Menschen jenes ontologische Verständnis von Ruhe und Bewegung
deutlich, das Heid­eg­ger an Aristoteles gewinnt, und das den Mög­
lichkeitscharakter des Daseins fassen soll. Die Bewegtheit des Da­
seins und damit sein authentisches Sein gehen verloren, sobald das
Dasein auf intentionales Objektbewusstsein reduziert wird – und
eben dies ist das problematische Ziel der Phänomenologie Husserls,
die das Absehen auf Gewissheit aus dem cartesianischen Metho­
denkanon übernimmt. Dem Dasein, so hält Heid­eg­ger 1925 fest,

36 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 224


und 225.
37 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 61.
30 Einleitung

ist allein seine eigene Fraglichkeit die einzige »Grundgewissheit«.38


Eigen­bewegung ist also auch ein existenziell relevantes hermeneu­
tisches Phänomen.
Choong-Su Han verfolgt das vielfach präsente Motiv der Biva­
lenz und der Frage nach dem Dritten in einer vergleichenden In­
terpretation verschiedener Momente in Heid­eg­gers Wahrheitsden­
ken. Auch hier kommt es auf eine Eigenbewegung an, die Heid­
eg­ger als eine Dynamisierung von Wahrheit versteht. Han zeigt in
einer genealogischen Untersuchung, dass die Grundstruktur einer
Verklammerung von Wahrheit und Unwahrheit, die besonders für
Heid­eg­gers Denken nach Sein und Zeit kennzeichnend ist, ihren
Ursprung ebenfalls in der Auseinandersetzung mit Aristoteles in der
Marburger Zeit hat. Das systematische Problem, dass Heid­eg­ger in
Logik – Die Frage nach der Wahrheit (1925/26, GA 21) beschäftigt,
ist der Erkenntniswert einer Aussage, der durch ein Entdecken des
Seienden über die bloße Satzwahrheit hinausgeht. Das wird daran
deutlich, dass ein falscher Satz etwas – mit Heid­eg­gers Übersetzung
des aristotelischen ἀληθεύειν gesagt – »entdecken« und ein wahrer
Satz etwas »verdecken« (ψεύδεσθαι) kann. Entscheidend dafür ist,
dass das Verbinden und Trennen von Eigenschaften wahrheitsre­
levant ist, aber sich diese Wahrheit nicht nach der Richtigkeit ei­
ner einzelnen Aussage, sondern nach dem semantischen Gehalt der
Prädikate bemisst, die dem Gegenstand einer Aussage zugespro­
chen werden. Eine Aussage ist also nur insofern wahr, als sie auch
tatsächlich ›entdeckende‹ Prädikate zuspricht, die die Situation er­
schließen, in der die Aussage getätigt wird. Propositionale Sprache
hat dann aber den Maßstab ihrer Wahrheit außer sich, nämlich in der
Sinngebung der Worte, die sie in ihren Sätzen gebraucht und deren
entdeckender Kraft. Heid­eg­ger versucht daher in verschiedenen An­
läufen dieses hermeneutisch-semantische Geschehen von Wahrheit
(als Entdecken) und Falschheit (als Verdecken) zu verstehen, indem
er es zuerst (in Sein und Zeit) in der Wahrheit und Unwahrheit des
Daseins und zwar genauer in dessen Zeitlichkeit und dem Verfallen
an die Gegenwart, dann (im Kunstwerkaufsatz) im Geschehen der
Unverborgenheit und zuletzt (in Zeit und Sein) im Ereignis lokali­
siert. Han diskutiert, wie Heid­eg­ger in verschiedenen Anläufen ver­
sucht, das Phänomen der innigen Verklammerung von Wahrheit und
Unwahrheit und deren Eigendynamik zu verstehen, und während

38 Heid­eg­ger, Prolegomena, 20, 437.


Einleitung 31

das Ungenügen einer aussagenlogischen Wahrheitsanalyse, die die


Verbindung als Bivalenz von wahr und falsch versteht, eindeutig ist,
fällt es Heid­eg­ger offenkundig schwer, anzugeben, wie diese Verbin­
dung als eine im Phänomenalen selbst zu verstehen ist und wodurch
diese Verklammerung von Wahrheit und Unwahrheit möglich wird.

Geschichte und Freiheit

Die Beiträge des fünften Abschnitts nehmen die Frage nach der ei­
gentlichen Existenz wieder auf, erläutern sie aber in neuer Weise,
indem sie nach der authentischen Weise fragen, in der Geschichte
zu sein, und versuchen, Eigentlichkeit als eminente Erfahrung von
Freiheit zu thematisieren. Klarerweise spielt auch hier die Eigendy­
namik eines das Dasein umgreifenden Geschehens eine Rolle, das
Heid­eg­ger hier aber (noch) nicht als natürliche Bewegung oder als
Wahrheitsgeschehen versteht, sondern als geschichtliches Gesche­
hen. Guillaume Fagniez arbeitet in seinem Beitrag heraus, wie sich
in Heid­eg­gers Lektüre des Briefwechsels zwischen Wilhelm Dilthey
und Graf Yorck von Wartenburg seine eigene Geschichtsphiloso­
phie zuspitzt; die Geschichte zu leben und sie nicht zu betrachten
wird im § 77 von Sein und Zeit zur zentralen Forderung eines au­
thentischen Verhältnisses zur Geschichte, die damit weder ein in
irgendeinem Sinne objektiver »Kräftekonnex«,39 noch eine interna­
listisch misszuverstehende Bewusstseinsleistung ist – dass Dilthey
beide Auffassungen vertritt, ist der Kern der Kritik, die Heid­eg­
ger aus den Briefen von Yorcks aufnimmt. Von Yorck wird so zum
Vorläufer von Heid­eg­gers eigenem Projekt einer Destruktion der
Geschichte der Ontologie mit dem Ziel, das Sein des menschlichen
Lebens zu klären und es als in spezifischer Weise bewegtes zu verste­
hen. Während die Seinsfrage so den Fokus für die Interpretationen
der Philosophiegeschichte vorgibt, wird durch diese Interpretatio­
nen vor allem die Eigendynamik dieser Geschichte deutlich, die sich
nicht auf eine lineare Entwicklung reduzieren lässt.
Wie eine solche Eigendynamik des geschichtlichen und zeitli­
chen Lebens im Moment erfahrbar wird, ist die systematische Ver­
bindung zum Beitrag von Gerhard Thonhauser. Ausgehend von
den wenigen Verweisen auf Kierkegaard in den Fußnoten zu Sein

39 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 528.


32 Einleitung

und Zeit interpretiert Thonhauser Kierkegaard mit dem Ziel, Heid­


eg­gers Konzeption des Augenblicks auch durch den Rückgriff auf
Kierke­gaard zu plausibilisieren. Augenblick ist nach der Systema­
tik von Sein und Zeit die authentische Erfahrung der Zeitstufe der
Gegenwart, die sich nicht mehr in den alltäglichen Vorhaben der
Sorge verfängt, sondern sich dem öffnet, was eine Situation fordert
und so »das eigentliche ›Da‹ [erschließt]«.40Augenblickserfahrung
hat für Heid­eg­ger also eine zeitliche wie eine situative Komponente,
aber wie beide zusammengehen, klärt Heid­eg­ger nicht. Der Bei­
trag nimmt also das ontologische Problem auf, wie sich Praesenz
(Heid­eg­gers Begriff für die Temporalisierung der Gegenwart in den
Grundproblemen der Phänomenologie) und Augenblick zueinan­
der verhalten können, wendet sich aber an die Inspirationsquelle
für Heid­eg­gers Augenblicksbegriff, um dann mit seiner Leitfrage
eine alternative Wirkungsgeschichte aufzuzeigen: Was hätte Heid­
eg­ger für seine Konzeption des Augenblicks von Kierkegaard lernen
können? Die Frage, wie der Augenblick als eine authentische Erfah­
rung der Zeitdimension der Gegenwart verstanden und ontologisch
fruchtbar gemacht werden kann, leitet jedoch nicht nur Heid­eg­gers
Interesse an Kierkegaard, sondern auch seine Kritik. Thonhauser
zeigt, dass Heid­eg­gers Interpretation von Der Begriff Angst aller­
dings einseitig ist, da sie die Momente nicht berücksichtigt, die eine
Eigentlichkeit der Gegenwart in Heid­eg­gers Sinne ausmachen wür­
den: das Durchbrechen der Vorstellung von Zeit als Sukzession (von
Innerzeitigkeit, wie Heid­eg­ger diese in Sein und Zeit nennt) und
die Bestimmung des Augenblicks als Erfahrung der Endlichkeit des
Selbst. Mehr noch: Heid­eg­gers Konzeption des Augenblicks ließe
sich durch Kierkegaards Schriften stärken, etwa dadurch, dem däni­
schen nærværende (›Nahesein‹) Aufmerksamkeit zu schenken, mit
dem Kierkegaard jene prekäre Gegenwartserfahrung fasst, die Heid­
eg­ger in den Feldweg-Gespräche (1944/45, GA 77) als Nähern ver­
standen wissen möchte. Der Situationsbezug des Geschehens wäre
damit ausgeprägter, als dies in der zeitlichen Dynamik des Vorlau­
fens in die Zukunft und dem Zurückkommen in den Augenblick
deutlich wird. Damit gerät aber in Frage, ob die authentische Ge­
genwart sich überhaupt noch vom Zeitverlauf her fassen lässt. Heid­
eg­ger selbst hat mit Zeit und Sein (1962, GA 14) bekanntlich eben

40 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 459.


Einleitung 33

das Nähern als »Einheit der eigentlichen Zeit«41 und ursprüngliche


Dimension bestimmt, in der die drei Zeitdimensionen zusammen­
spielen.
In den letzten Kapiteln von Sein und Zeit hätte Heid­eg­ger die
Frage nach der Erfahrungsweise von Zeitlichkeit noch dahingehend
beantwortet, dass sich die zeitliche Existenz des Menschen zuerst
nicht als Nähe, sondern als Erfahrung der Geschichte konkretisiert.
Eine authentische Gegenwartserfahrung ist also wesentlich eine
Verortung in der recht verstandenen Geschichte, die sich wiederum
als Aneignung der philosophischen Tradition fassen lassen muss.
­Jerome Veith geht in seinem Beitrag der Frage nach, wie Heid­eg­ger
diese Verortung versteht, indem er den Natorpbericht und den § 74
von Sein und Zeit über die Grundverfassung der Geschichtlich­
keit des Dasein interpretiert. In diesen beiden Texten ist das Prob­
lem zentral, wie die Möglichkeiten, sich zur Geschichtlichkeit des
menschlichen Lebens zu verhalten, mit der Geschichte selbst zusam­
mengehen, sich also Lebensbewegtheit und Geschichte zueinander
verhalten. Um dieses Problem zu lösen, bieten sich bereits in Sein
und Zeit erstaunlicherweise weder die Zeitlichkeitsanalyse noch die
formal bleibende Bestimmung von Geschichtlichkeit allein an, son­
dern der hermeneutisch zu erschließende, sozusagen materiale Ge­
halt der Geistesgeschichte. Heid­eg­ger versteht im eminenten Sinne
geschichtliches Denken nämlich als die Aufklärung des Lebens über
seine eigene Geschichtlichkeit, die mit der Forderung nach Destruk­
tion der Philosophiegeschichte aus dem Natorpbericht einhergeht
und damit eine phänomenologisch-hermeneutische Relektüre phi­
losophischer Texte fordert. Während Sein und Zeit mit der Aus­
richtung der Destruktion auf die Seinsfrage der Geschichtlichkeit
ein ausgezeichnetes Ziel vorschreibt, so zeigt Veith, dass für Heid­
eg­ger der breiter angelegte Versuch bestimmend bleibt, die »endli­
che Freiheit«42 zu verstehen, die innerhalb der Geschichte als Ge­
schehen und Schicksal in den Möglichkeiten besteht, sich zu dieser
Geschichte zu verhalten. Ein freies Zugehören zur Geschichte zu
denken, ließe sich so als Motivation von Heid­eg­gers Geschichts­
philosophie verstehen, die jedoch immer nur in konkreten Frage­
stellungen von Aneignung und Destruktion geschichtlicher Ideen
zu leben ist. Auch Heid­eg­ger selbst, so ließe sich dies ergänzen, hat

41 Heid­eg­ger, Zeit und Sein, GA 14, 20.


42 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 508.
34 Einleitung

diese Freiheit in seinen immer neuen Anläufen zur Interpretation


philosophischer Texte gefunden.
Dem Problem der Freiheit widmet sich auch der Beitrag von
Fernandro Rodrigues, allerdings nicht im Kontext der Geschichts­
philosophie, sondern als Phänomen der Metaphysik des Daseins,
die Heid­eg­ger in der letzten Marburger Vorlesung entwirft. Dabei
rückt im besonderen ein Motiv in den Vordergrund: die Relevanz
des Seienden für die Ontologie, die sich für Heid­eg­ger in der Leib­
nizvorlesung als Bindung des Daseins an das Seiende im Ganzen
und das Leben ausspielt. Rodrigues verfolgt diese Leitbegriffe, um
die spezifisch metaphysische Freiheit zu verstehen, die das Dasein
für Heid­eg­ger in der Leibnizvorlesung auszeichnet. Nur wenn diese
phänomenologisch fassbar wird, kann das fundamentalontologische
Projekt gelingen, was für Heid­eg­ger nun in der Leibnizvorlesung
überraschenderweise gerade heißt, Metaphysik zu treiben. Die De­
struktion der Philosophiegeschichte steht hier also durchaus noch
im Horizont ihrer Aneignung und dem Versuch, in neuer Weise
metaphysisch zu denken. Dies meint für Heid­eg­ger jene bereits
mehrmals beobachtete Rückkehr zum Ontischen zu vollziehen:
Die Frage nach dem »ontischen Fundament«43 der Ontologie, die
Heid­eg­ger im letzten Paragraphen von Sein und Zeit stellt, lässt
sich nicht mehr einfach dadurch beantworten, dass es das existen­
zialontologisch analysierte Dasein ist, dass die »Funktion der Fun­
dierung übernehmen«44 kann. Vielmehr soll in der letzen Marburger
Vorlesung gezeigt werden, dass es Seinsverständnis nur geben kann,
wenn es die »faktische Existenz des Daseins« und das »faktische
Vorhandensein der Natur«45 gibt. Gerade im Versuch, die Ermögli­
chung menschlicher Freiheit zu denken, kommt also die ontologi­
sche Relevanz vorkategorialer Naturerfahrungen erneut zum Vor­
schein. Damit wird die Freiheit des Daseins aber nicht mehr aus der
ekstatischen Struktur der Zeitlichkeit oder dem existenzialanaly­
tischen Verständnis von Geschichte verstanden, sondern aus einer
spezifischen Bindung an alles Seiende, zu dem das Dasein sich ver­
hält. Auch eine eigentliche Existenz vereinzelt dann nicht angesichts
des Todes und lässt das Dasein aus seiner Zukunft auf die Situation

43 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 576. Vgl. Heid­eg­ger, Grundprobleme


der Phänomenologie, GA 24, 26.
44 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 576.
45 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 199.
Einleitung 35

zurückkommen, in der es sich befindet, sondern führt sogar zu den


Dingen der Welt zurück, an die das Dasein wesentlich gebunden
ist. Sich auf die Dinge zu beziehen gelingt dann nur in einer Logik
der Bindung aus Freiheit an das Seiende, das verstanden und über
das ausgesagt wird. Klarerweise setzt das Dasein sich damit auch
der Dynamik der Welt aus, die Heid­eg­ger hier nicht mehr zeitlich,
sondern als »Spielraum der Wahl« 46 zwischen verschiedenen Ver­
haltensmöglichkeiten beschreibt. In der ersten Vorlesung nach der
Rückkehr nach Freiburg (Einleitung in die Philosophie, Winterse­
mester 1928/29, GA 27) kann die ekstatische Weltoffenheit des Da­
seins und das Einwirken eines bewegten Seins sogar noch radikaler
verstanden werden: »›Welt‹ ist der Titel für das Spiel, das die Trans­
zendenz spielt.« 47 – Die Metaphysik des Daseins ist so in Rodrigues’
Interpretation nicht mehr nur ein werkgeschichtliches Kurisoum
der letzten Marburger Jahre Heid­eg­gers, sondern lässt sich als den
Versuch begreifen, Phänomene zu thematisieren, in denen das Sei­
ende für den Menschen in besonderer Weise wichtig, nämlich zur
Ermöglichung seiner Freiheit entscheidend wird. Auch die Unter­
scheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit und die Frage
nach dem eigentlichen Leben ließen sich so aus dieser Ontologie
der Freiheit neu verstehen.

Liebe, Tod, Glauben

Drei Einzelstudien zu Phänomen, in denen Heid­eg­ger in verschiede­


nen Weisen die Endlichkeit des Daseins und die Verbindlichkeit des
Ontischen zu fassen sucht, beschließen den Band. Dabei zeigt sich
erneut, wie Heid­eg­gers Interpretationen der Philosophiegeschichte
von eigenen systematischen Interessen geleitet sind und Heid­eg­
ger nicht nur Kierkegaard, sondern auch antike christliche Autoren
phänomenologisch zu interpretieren versucht. Dabei überschreiten
gerade die Ergebnisse solcher geschichtlichen Interpretationen das
jeweilige Forschungsparadigma.
Dies gilt besonders für das Thema der ersten Studie: Tatjana
Tömmel untersucht in ihrem Beitrag Heid­eg­gers auf Augustinus
zurückgehende Liebesdefinition amo: volo ut sis. Liebe ist danach

46 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 247–248.


47 Heid­eg­ger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, 312.
36 Einleitung

der Wunsch, dass der Andere ›sei‹. Wie dieses mögliche, ihm an­
gemessene Sein des Anderen aussieht, erörtert Heid­eg­ger auf ver­
schiedene Weisen – denn davon ist abhängig, ob eine liebende Be­
ziehung zum Anderen als dessen Freigabe verstanden werden kann
oder sich in ihr nur der Wunsch ausdrückt, den Anderen nach ei­
nem bestimmten Bilde zu formen. Liebe wird, so verstanden, zum
zentralen Phänomen eigentlicher Sozialität und die Einwände gegen
Heid­eg­gers Konzeption eigentlichen Mitseins bündeln sich in der
Frage nach den Voraussetzungen und Implikationen seines Liebes­
begriffs. Während bei Augustinus die Liebe zum Anderen sich an
der Liebe Gottes ausrichtet, löst Heid­eg­ger den Liebesbegriff aus
der christlichen Theologie und der Ontologie, die aus dieser folgt.
Nicht das Geschaffensein, sondern sein eigenstes Möglichsein ma­
chen das Wesen des Anderen aus, auf den sich die authentische Liebe
bezieht. Tömmel macht aber darauf aufmerksam, dass sich dann
die Frage stellt, wie genau – wenn nicht theologisch – sich die zwei
Menschen verbindende Wahrheit verstehen lässt, die Heid­eg­ger nach
der Rückkehr nach Freiburg – in der Vorlesung Einleitung in die
Philosophie – auch explizit als Bedingung geteilter Eigentlichkeit
versteht. Auch wenn ein geteilter Gottesglaube bei Augustinus das
Paradigma der Liebesbeziehung darstellt: Heid­eg­ger zielt auf eine
sakulärisierte Öffnung dieser Bestimmung.
Das Problem einer sozialen Erfahrung von Eigentlichkeit be­
schäftigt auch Daniel Kersting in seiner normativ-praktischen
Relektüre der Todesanalyse von Sein und Zeit. Heid­eg­gers Bestim­
mung des Todes als Möglichkeit eröffnet eine Erste-Person-Per­
spektive auf den Tod. Darin liegt, wie Kersting betont, ein wich­
tiges kritisches Potential von Heid­eg­gers Analyse. Der Rückbezug
auf das je eigene Dasein ermöglicht es nämlich, sich von solchen
Todesverständnissen zu lösen, die den Tod auf etwas Alltägliches
reduzieren oder ihn bloß aus einer Perspektive der dritten Person
betrachten wollen. Zugleich macht die bloße Bezüglichkeit auf die
Vollzugsperspektive des individuellen Daseins und die Jemeinigkeit
des Todes allerdings schwer verständlich, wie sich ein eigentliches
Todesverhältnis öffentlich und womöglich in mit Anderen geteilter
Weise leben lässt. Am Tod wird wie an wenig anderen Phänomen
deutlich, wie schwer sich die in einer fast formalen Bestimmung des
Selbsts geforderte Besinnung auf das Eigene in konkreten, mit ande­
ren geteilten Lebensformen verwirklichen lässt – was aber insbeson­
dere dann geboten scheint, wenn die Gefahr, in einem uneigentlichen
Einleitung 37

Todesverhältnis zu leben, seit Sein und Zeit nicht geringer geworden


ist. In einer normativ-praktischen Hinsicht kommt es gerade darauf
an, die Todesanalyse auf die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich
des Todes zu beziehen und diese für weitere Reflexion offen zu
halten. Insoweit dies nicht gelingt, läuft die von Heid­eg­ger ausge­
machte »Freiheit zum Tode«48 Gefahr, zu einem bloßen Mythos zu
werden und ihr kritisches Potential zu verlieren. Die Gemeinschaft
der Sterblichen, wenn es sie gibt, könnte nur eine kritische und phi­
losophisch aufgeklärte sein. Darauf weist die Konzeption von Sein
und Zeit vielleicht am deutlichsten hin, wenn Heid­eg­ger betont, dass
durch ein authentisches Verhalten zum Ende des eigenen Daseins
nicht nur die eigenen Möglichkeiten als endliche verstanden wer­
den und das Dasein dadurch für diese frei. Zugleich »bannt das Da­
sein die Gefahr, aus seinem endlichen Existenzverständnis her die es
überholenden Existenzmöglichkeiten der Anderen zu verkennen«.49
Zur Endlichkeit des eigenen Lebens gehört es dann aber auch, an­
dere Möglichkeiten zu achten, sich zum eigenen Tod zu verhalten.
Sylvain Camilleri kommentiert in seinem Beitrag ein hier zu­
erst ediertes Protokoll eines Referats, das Heid­eg­ger im Privatsemi­
nar von Rudolf Bultmann über Die Ethik des Paulus hielt. Das am
Ende des Bandes publizierte Protokoll vom 10. Januar 1924 fasst
Heid­eg­gers ersten bekannten wissenschaftlichen Vortrag in Mar­
burg zusammen. Heid­eg­ger entwickelt darin eine phänomenologi­
sche Interpretation des Römerbriefs, die den Glauben nicht als eine
Eigenschaft und Möglichkeit des Menschen unter anderen, sondern
als seine fundamentale Seinsweise thematisiert. Diese zeichnet sich
dadurch aus, dass das τέλος des Glaubens die Gegenwart des ewigen
Lebens (ζωὴ αἰώνιον) in der Sorge um das eigene Leben ist. Camilleri
arbeitet im Vergleich mit anderen zeitgenössischen Interpreten die
Besonderheit von Heid­eg­gers Lesart des Römerbriefs heraus, die
die Ausrichtung auf ein Ende und die zeitliche Struktur des Glau­
bens nicht als eschatologisches Theologem, sondern als konkrete
und zeitliche Glaubenserfahrung verstehen will. Für den Gläubi­
gen sind Glauben und Selbstsorge das Selbe. Auch das sittliche Le­
ben ordnet sich für Heid­eg­ger dieser Identität unter: Ethische Fra­
gen stellen sich dem Gläubigen als Fragen innerhalb seiner Sorge
um den eigenen Glauben. Auch das Sich-einlassen in eine konkrete

48 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 353.


49 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 350.
38 Einleitung

Situa­tion – sei es verstanden als augenblicklich-vorlaufendes oder


als Näherkommen zum Entfernten –, versteht Heid­eg­ger hier als
authentische Glaubenserfahrung.
Struktur und Zielsetzung dieser Interpretation nehmen offen­
kundig Grundgedanken der Bestimmung der Eigentlichkeit in Sein
und Zeit vorweg und machen darauf aufmerksam, wie Heid­eg­ger
in der Marburger Zeit theologische Figuren aufnimmt und durch
den Bezug auf die Probleme einer auf die Zeit und auf Phänomene
der Bewegung ausgerichteten Ontologie diese Figuren formalisieren,
systematisieren und so wesentlich säkularisieren kann. Das Refe­
rat im Bultmann-Seminar zeigt, wie bestimmte Grundgedanken ge­
rade durch die interpretatorische Loslösung aus einem Kontext für
Heid­eg­ger relevant bleiben und in ganz eigene Richtungen entfaltet
werden können. Diese Kontextualisierung ist ein weiteres Beispiel
dafür, wie Heid­eg­ger vorgibt, dass er nicht als Dogmatiker zu lesen
ist, sondern gerade in der Marburger Zeit auf ganz verschiedenen
Wegen unterwegs war, die – um im Bild zu bleiben – die offene Weite
des philosophischen Denkens erschließen.
Simone Neuber
Wie spricht es sich eigentlich?
Heid­eg­ger zum Ich-Gebrauch

Es gibt, so die These, eine Dimension der Uneigentlichkeit in Sein


und Zeit, für die Heid­eg­gers Konzeption eines eigentlichen Seins
zum Tode kaum eine Lösung bereiten kann, da ihr wesentlicher
Grund ein Problem der Sprache ist. Um dies zu zeigen, soll zu­
nächst der Art und Weise nachgegangen werden, wie Heid­eg­ger die
Verkürzungen der bisherigen Ontologie in einer Tendenz des Da­
seins, sich bezüglich seiner selbst zu versehen, spiegelt (1.), um diese
in zweifacher Hinsicht auf die Sprache zurückzuführen (3., 4.). Die
positive Basis, die eigentliches und uneigentliches Verstehen trägt,
soll zuvor mit Heid­eg­ger als modal indifferente erarbeitet werden
(2.), ehe abschließend gezeigt werden kann, wie besagte strukturelle
Problematik auf die Dichtung als Modus der eigentlichen bzw. ur­
sprünglichen Bezeugung vorausdeutet.

Annäherung: Das Destruktionsprogramm und die Spiegelthese

Einige Präliminarien: Aus Heid­eg­gers Destruktionsprogramm folgt,


dass dasjenige, was die zu destruierenden Ontologien thematisiert
haben, in ihnen irgendwie, wenn auch nicht eigentlich thematisiert
ist. Für die Sache heißt das, dass sie von einer Art ist, dass sie sich für
ein dergestalt uneigentliches Erfassen eignet.1 Sofern es sich um un­

1 Diese Verwendung des Wortes wird im Folgenden wichtig sein, wenn sie
auch nicht der terminologischen Verwendung Heid­eg­gers entspricht, die er
einführt mit: »Die beiden Seinsmodi der Eigentlichkeit und Uneigentlich­
keit – diese Ausdrücke sind im strengen Wortsinne terminologisch gewählt –
gründen darin, daß Dasein überhaupt durch Jemeinigkeit bestimmt ist. Die
40 Simone Neuber

eigentliche Theoriebildung handelt, liegen zwei Interpretationsmög­


lichkeiten nahe: i. Dasjenige, was erfasst ist, nur eben uneigentlich,
ist von der Art, dass es sich genuin der theoretischen Thematisierung
entzieht; alternativ ii. ist die Uneigentlichkeit der Theoretisierung
nur zufällig, was zunächst nahe liegt, da Heid­eg­ger als Theoretiker
eine Fundierung der Ontologie vorschlägt.
Eine weitere Vorbemerkung: Heid­eg­ger zufolge ist die Ausbil­
dung der Ontologie eine ontische Möglichkeit des Daseins.2 Sie
entwächst dem Faktum, dass schon das vorphilosophische Dasein
ein Seinsverständnis mitbringt, wodurch Heid­eg­gers fundamenta­
lontologische Vorgehensweise begründet ist. Damit ergibt sich das
Desiderat, die Verbindung von uneigentlicher Theorie und vor­onto­
logischem Seinsverständnis zu klären, wofür es folgende Optionen
gibt: i. Bislang war alles Verständnis uneigentlich, auch das vor­
onto­logische, weil etwa eine wesentliche Voraussetzung uneinge­
holt blieb; ii. die kritische Stelle ist der Übergang des vorontologi­
schen Seinsverständnisses zur Theorie, also die Art und Weise, wie
die Fundamente artikuliert werden.
Heid­eg­ger scheint zwischen beiden Erklärungsmöglichkeiten zu
schwanken, und das wird im Folgenden deutlich werden. Zunächst
soll Option ii. stark gemacht werden. Für diese ist ins Feld zu führen,
dass Heid­eg­ger nicht nur die Ausbildung der Ontologie als ontische
Möglichkeit des Daseins ausweist, sondern auch die Ausbildung der
uneigentlichen Ontologie in einer ganz bestimmten ontischen Ten­
denz verankert.
Heid­eg­ger, so die These, die fortan als Spiegelthese bezeichnet
wird, spiegelt die Verstellungen der Ontologie in einer generellen
Tendenz des vortheoretischen Daseins, sich in seinem Verstehen be­
züglich seiner selbst zu versehen und dergestalt uneigentlich zu sein.
Hierbei rekurriert er auf eine doppelte Verstellungstendenz, sofern
das Dasein sich zunächst und zumeist aus der Welt und aus der herr­
schenden Auslegung des Man versteht.3

Uneigentlichkeit des Daseins bedeutet aber nicht etwa ein ›weniger‹ Sein oder
einen ›niedrigeren‹ Seinsgrad.« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 57). Warum
es durchaus sinnvoll ist, diesen weiten Begriff vorzuschlagen, der nicht mit
der Jemeinigkeit verknüpft ist, wird sich zeigen.
2 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 27.
3 Es mag noch mehrere geben, etwa den Hang des Daseins, sich nach Er­
wartungen des Mans zu richten, doch sind diese Verstellungen für uns we­
niger interessant.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 41

Gehen wir diesen Tendenzen nach, so zeigt sich eine Gemein­


samkeit, nämlich die Reluzenz4 der jeweiligen Selbsthabe, i. e. das
indirekte und vermittelte Selbstgegebensein, einmal durch Weltbe­
schäftigung, einmal durch Gerede und das Man. Diese geteilte Re­
luzenz mag nahe legen, dass beide Weisen der Selbsthabe gerade
aufgrund ihrer Mittelbarkeit auch uneigentliche Modi der Selbst­
habe sind.5 Uneigentlichkeit wäre demgemäß die reluzente Selbst­
habe überhaupt, mithin jede Form des Sichverstehens, das nicht der
fundamentalen Selbstaneignung des Daseins entwächst.6
Diese Interpretation liegt nahe, dennoch soll sie hier nicht geteilt
werden, weil sie eine wesentliche Differenz der beiden Reluzenzdi­
mensionen, die indes für eine nichtontologische7 Theorie des Selbst
gerade fruchtbar gemacht werden kann, unterschlägt. Während ers­
tere Dimension nur eine schwache Selbstverlorenheit darstellt, so­
fern das Dasein eine bestimmte Selbstaneignung, die Heid­eg­ger aus
bestimmten Gründen für nötig erachtet, unterlässt, bedeutet letztere
eine spezifische Entstellung, die das Dasein – eventuell sogar: noto­
risch – erfährt, wenn es versucht, sich selbst thematisch zu werden.
Es sei daher vorgeschlagen, nur die entstellende Selbsthabe als
uneigentlichen Modus des Verstehens aufzufassen. Die Unterlas­
sung der expliziten Selbsthabe scheint zwar auch im weiten Sinne
uneigentlich, sofern das Dasein sich nicht auf die Fundamente seines

Dreyfus benennt gleichfalls drei Aspekte der Verfallenheit (vgl. Hubert


L. Dreyfus, Being in the World. A Commentary on Heid­eg­ger’s Being and
Time, Division I, Cambridge Mass 1990, 225), wenn er unterscheidet: »ab­
sorption in the world, to language, and to a sort of reflexivity«. Ob letztere
problematisch ist, wird zu überlegen sein.
4 Zur Einführung von Reluzenz als »Bewegung des Lebens in der begeg­
nishaften Richtung auf es selbst« vgl. Heid­eg­ger, Phänomenologische Inter­
pretationen zu Aristoteles, GA 61, 119. Vom Bewegungsaspekt wird hier,
wie überhaupt vom Problem der Zeitlichkeit, abstrahiert.
5 So etwa Taylor Carman, Heid­eg­ger’s Analytic, Cambridge Mass. 2003,
270.
6 Was wiederum für (i.) spräche, denn dann wäre naheliegend, dass es kaum
vortheoretische Eigentlichkeit geben kann.
7 Für den Sinn des ›Nichtontologischen‹ vgl. Hans-Peter Falk, Wahrheit
und Subjektivität, Freiburg 2010, v. a. den Teil C des Werkes, wenn dieser
auch nicht mit Heid­eg­ger, sondern mit Wittgenstein vorgeht. Diese Verwen­
dung entspricht natürlich nicht derjenigen Heid­eg­gers, sofern mit nichtonto­
logisch nur eine Theorie des Selbst gemeint ist, die Personalität als primitiv
betrachtet, also weder eine Dimension des Mentalen reifiziert noch damit
einem Reduktionismus das Wort redet.
42 Simone Neuber

Verstehens besinnt,8 doch ist die Möglichkeit deren Freilegung damit


freilich präjudiziert, was aus theoretischen Gründen zunächst offen
gelassen werden soll, obschon Heid­eg­ger in Sein und Zeit noch von
der Möglichkeit der Transparenz just dieser Gründe ausgeht.9 Es
sei daher vorgeschlagen, dass es sich bei der impliziten Selbsthabe
nicht um Uneigentlichkeit im engen Sinne handelt, sondern um just
das, was Heid­eg­ger mitunter als »modale Indifferenz« ins Feld führt.
Diese soll nun Gegenstand der Betrachtung sein.

Eigentlichkeit, Uneigentlichkeit und modale Indifferenz

Heid­eg­gers Modi des Verstehensvollzugs und der Existenz schei­


nen disjunktiv10 gefasst, so dass sich das Feld in Eigentlichkeit und
Uneigentlichkeit teilt, und so wird es auch zumeist in der Literatur
dargestellt. Demgemäß liegt nahe, dass das vorontologische Dasein
zunächst und zumeist gleichfalls uneigentlich ist. Es wurde bereits
angedeutet, dass die Scheidung zu grob ist, denn eigentliche und
uneigentliche Selbstbezugnahme sind etwas anderes als die Unter­
lassung der Selbstthematisierung. Um dem Unterschied Rechnung
zu tragen, soll versucht werden, Heid­eg­gers Rede von modaler In­
differenz11 hierfür zu reservieren.12

8 Die Aufwertung dieser Dimension der reluzenten Selbsthabe scheint be­


sonders dann verlockend, wenn der Versuch aufgegeben wird, in der Tat ein
Fundament der Bezugnahme phänomenologisch auszuweisen.
9 Beispielhaft sind die zahlreichen Durchsichtigkeitsdesiderate, die unge­
achtet der Endlichkeitsthese von einem Transparentismus zeugen, der erst
später überwunden wird.
10 So auch das Gros der Interpreten, etwa wörtlich Carl Friedrich Geth­
mann, Verstehen und Auslegung. Das Methodenproblem in der Philosophie
Martin Heid­eg­gers, Bonn 1974, 267.
11 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 71: »Dasein existiert. Dasein ist ferner Sei­
endes, das je ich selbst bin. Zum existierenden Dasein gehört die Jemeinigkeit
als Bedingung der Möglichkeit von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit. Da­
sein existiert je in einem dieser Modi, bzw. in der modalen Indifferenz ihrer.«
12 Es sei jedoch zugestanden, dass die disjunktive Interpretation keinesfalls
einfach irrt, denn Heid­eg­ger fasst oft dasjenige, was hier exponiert wer­
den soll, als uneigentliches Verstehen und uneigentliche Selbsthabe. Umso
wichtiger wird daher sein, nicht nur den Unterschied zwischen unterlassener
Explikation und Fehlexplikation hervorzuheben, sondern auch darzulegen,
warum es so nahe liegt, sie beide mitunter als Modi der Uneigentlichkeit
gleichzusetzen. Vgl. dazu Fußnote 30.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 43

Beginnen wir wiederum mit einigen Präliminarien: Dasein ist be­


stimmt durch die Sorgestruktur und durch Jemeinigkeit, und die
eignen ihm qua Dasein. Zunächst und zumeist bewegt sich das Da­
sein hantierend in der Welt, verfallen, wie Heid­eg­ger das nennt. Das
klingt nach Uneigentlichkeit, doch sei diese vorschnelle Implika­
tion hier suspendiert, denn zunächst ist augenfällig, dass Heid­eg­
ger, wenn er die hantierende Weltlichkeit des Daseins in den Blick
nimmt, zunächst eine maximalholistische Dimension stark macht,
die auf besondere Weise das Dasein als Sorge zu exponieren und re­
flektieren scheint. Gemäß diesem Holismus kommen weder Einzel­
dinge als solche noch das Dasein selbst eigens in den Blick, sondern
scheinen ineinander. Es sei diesbezüglich an Heid­eg­gers Zeugana­
lysen erinnert: »Ein Zeug ›ist‹ strenggenommen nie«13; in der Vor­
lesung des Jahres 1919 konfrontiert Heid­eg­ger etwa auch das Da­
sein primär Situationen im Sinne von Zeitgefügen, die die Entwurfs­
struktur genuin noch reflektieren, ehe der Situationszusammenhang
»explodiert«.14 Die explizite Hinblicknahme auf etwas als etwas ist
immer erst nachträglich, also Analyse einer ursprünglichen Synthese.
Was ist von diesem Modus schlichten Hantierungsholismus im
Kontext der Frage nach Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit zu
halten?15 Zwar bemerkt Heid­eg­ger, dass hierbei das Weltphänomen16
gleichfalls übersprungen werde, das liegt aber daran, dass hier über­
haupt nichts theoretisch eingeholt und reflektiert ist. Weltwissen
sowie Sichwissen sind praktisch und implizit. In ihrer Implizitheit
ist die Sorge schierer Reflex, wenn auch sehr wohl diese Welt17 das

13 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 92.


14 Ich verdanke diesen Hinweis Charles Guignon, Philosophy and Authen­
ticty. Heid­eg­ger’s Search for a Ground of Philosophizing, in: Mark Wrat­
hall / Jeff Malpas (Hrsg.), Heid­eg­ger, authenticity, and modernity: essays in
honor of Hubert L. Dreyfus, Cambridge Mass 2000, 79 –101, 85. Vgl. dazu
die Nachschrift von Oskar Becker in: Heid­eg­ger, Die Idee der Philosophie,
GA 56/57, 205–214, hier 206.
15 Zum propädeutischen Charakter der Zeuganalysen für die Eigentlich­
keitsproblematik vgl. auch Dieter Thomä, Die Zeit des Selbst und die Zeit
danach. Zur Kritik der Textgeschichte Martin Heid­eg­gers 1910 –1976, Frank­
furt am Main 1990, 339.
16 Im Sinne der ›formalen‹ Idee von Weltlichkeit; vgl. Heid­eg­ger, Sein und
Zeit, GA 2, 110.
17 Wobei es nicht darum gehen soll, der Zeugwelt und damit dem hantie­
renden Dasein einen Primat zuzusprechen, sondern dem hier ausgewiesenen
Holismus, der sich nun einmal an der Zeugwelt zeigt.
44 Simone Neuber

Dasein als Sorge genuin zu reflektieren scheint. Die Welt ist derge­
stalt Totalreflex der Sorge, nur bleibt dieser Reflex eben unreflektiert.
Man kann nun mit der Tür ins Haus fallen und sagen, das schiere
Faktum, dass der Reflex unreflektiert bleibt, sei hinreichend, hier
Uneigentlichkeit zu diagnostizieren,18 doch ist Langsamkeit geboten.
Dass wir mit gutem Recht von modaler Indifferenz sprechen kön­
nen, liegt meines Erachtens daran, dass das Selbst überhaupt nicht
zum Thema wird und damit eben auch weder gemäß noch unge­
mäß. Das Dasein ist selbstvergessen, aber nicht, weil es sich vergäße,
sondern weil es sich ganz implizit hat. Vor dem Hintergrund, dass
Heid­eg­ger den alternativen Ontologien unter anderem eine Reifi­
kation des Subjekts des Verstehens vorwirft, ist klar, dass das sich
derart reluzent habende Dasein gewiss nicht reifiziert, schlicht, weil
es nichts reifiziert.
Um den Unterschied zwischen Unterlassung und Fehlexplika­
tion einzuholen, sei vorgeschlagen, dass erst mit der Ausbildung von
so etwas wie (selbstbezüglicher) Minimaltheorie Uneigentlichkeit
im prägnanten Sinne ins Spiel kommt.19 Uneigentlich ist das Dasein,
sofern es nicht nur selbstverloren in der Welt ist, sondern entwe­
der das isolierte und reifizierte Innerweltliche zur Grundlage einer
Selbstreflexion macht oder aber ontologische Theorien im weiten
Sinne, wobei sich zeigen wird, dass erstere Verstellung in gewisser
Hinsicht in letzterer fundiert ist. Der Aspekt der prägnanten Un­
eigentlich­keit, den hier ins Zentrum gerückt werden soll, ist also ein
solcher der Explikation bzw. der expliziten Selbsthabe. Es ist eine
Uneigentlichkeit, die im Explizitmachen des Immerschonverstan­
denen das Immerschonverstandene in eine Weise des Gegebenseins

18 So Gethmann, Verstehen und Auslegung 266, obschon auch er die Eigent­


lichkeitsthematik durchaus in einer Explikationsproblematik einbettet.
19 Man mag einwenden, dass auch die vorprädikative, einfach erschließende
Ebene dahingehend uneigentlich ist, als doch die Wertigkeit und Bedeutsam­
keit der Zeug- und Dingwelt einfach von der herrschenden Auslegung ab­
hängen. Wenn dies jedoch eine Form der Uneigentlichkeit darstellt, dann ist
fraglich, wie eine dem gegenüber stehende Form der Eigentlichkeit denkbar
ist, denn eine private Aneignungs- und Interpretationspraxis auszubilden,
verbietet sich wohl. Bestenfalls könnte man hier den individuellen Stil als
Ausdruck der Aneignung der allgemein herrschenden Konvention bemühen.
Ein triftigerer Einwand scheint darin zu bestehen, dass es schwer wird,
ein Kriterium zu finden, was denn als genuine Minimaltheorie gilt. Dieses
Problem wird hier nicht erörtert, doch sei es als bedenkenswert betont.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 45

überführt, die ihm nicht eignet.20 Uneigentlichkeit ist also eine Un­
eigentlichkeit der Präsentmachung, der Auslegung, des expliziten
und artikulierenden Verstehens.21

Reifikationsparallelen

Als primäres Thematisierungs- und Selbstthematisierungsproblem


spiegelt diese Dimension der Uneigentlichkeit den Umschlag wi­
der, den Heid­eg­ger mit der Vergegenständlichung im Übergang vom
hermeneutischen zum apophantischen ›als‹ anspricht. Heid­eg­ger be­
merkt diesbezüglich eine dem Explizitwerden eigene »Hebung«,22
durch welche die der Sache wesentlichen oder eben: eigentlichen
Eigenschaften erst als solche in den Blick kommen, um ihr in einem
Akt der prädikativen Bezugnahme zugesprochen zu werden. Sind
die Eigenschaften aus der Sache geschöpft und ihr eigen, so ist die
Erfassung korrekt, sind sie es nicht, dann ist sie falsch.
Um ein Kandidat für eine derartige Bezugnahme zu sein, muss
die Sache einige Minimalbedingungen erfüllen: Sie muss etwa ein
herausgreifbares Partikulare sein, um durch ein logisches Subjekt
bezeichnet zu werden, sie muss allgemeine Seiten haben, die in der
Prädikation ausgesagt werden. Und sie muss existieren, wirklich und
vorhanden sein, denn Bezugnahmen auf das, was nicht ist, scheitern
ab ovo.
Das derartige Wirkliche, Vorhandene, Partikulare, das sich als
Fall eines Allgemeinen zeigt, hat sich gegenüber dem holistisch er­
schlossenen Zeug modal gewandelt. Diese modale Verwandlung affi­
ziert auch dasjenige, was Bezug darauf nimmt, i. e. das hinblickende
Dasein. Mindestens blickt es, statt zu werkeln, ferner wird es nicht
mehr vom jeweiligen Zeug für eine Weile ›verweilt‹, um sich darin
als Sorge reluzent zu haben,23 sondern ist reflektiert als ein Erken­

20 Zu einer zumindest ähnlichen Sichtweise vgl. Taylor Carman, Must We


Be Inauthentic?, in: Mark Wrathall / Jeff Malpas (Hrsg.), Heid­eg­ger, authenti­
city, and modernity: essays in honor of Hubert L. Dreyfus, Cambridge Mass.
2000, 13–28, der den »generic drift of dicsourse« (20) zum Problem macht.
21 Vgl. den Hang zum »universale[n] Daseinsverständnis« (Heid­eg­ger, Sein
und Zeit, GA 2, 236), in dem das Dasein »entfremdet« ist.
22 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 143.
23 Man mag einwenden, das Verweilen sei in der Hantierwelt uneigentlich,
sofern das Dasein von Begebenheit zu Begebenheit ohne endlichen Fixpunkt
46 Simone Neuber

nendes, Bezugnehmendes, als gleichfalls raumzeitlich Verortetes und


gleichfalls Jetzt-Seiendes, das etwas als etwas erkennt, weil es sich
eben auf allgemeines Erfassen versteht. Spricht Heid­eg­ger von der
»Bodenlosigkeit« der Bezugnahme, so hat er zwar das Man und des­
sen Gerede im Blick, doch zeichnet das Bodenlose sich hier schon
ab. Der urteilenden Bezugnahme und der Theorie liegt schlicht der
Hang zur Abstraktion und zum Allgemeinen inne, welcher das Da­
sein seinerseits erfasst.24
Die Probleme der urteilenden oder besser: referentiellen Bezug­
nahme25 scheinen fern der Heid­eg­gerschen Eigentlichkeitsproble­
matik zu sein, doch das sind sie nicht. Zum einen betrifft die Gege­
benheitsverschiebung, die das Zeug bei seinem Thematischwerden
in der sehenlassenden Rede erfährt, das Dasein nicht minder; zum
anderen scheint der hier skizzierte Bezugnahmemodus das Da­
sein auf besondere Weise in ein explizites und damit uneigentliches
Selbstverhältnis zu treiben, wie nun gezeigt werden soll.

Vom Ich-Sagen

Wird das Selbst sich selbst minimaltheoretisch zugänglich, i. e. ist


es sich artikulierend erschlossen, so ist es nicht minder logisches

strebt, doch soll an dieser Stelle davon abstrahiert werden, ob die Todes­erfah­
rung in der Tat die adäquate Möglichkeit ist, die wesentliche Endlichkeit,
welche die eigentliche Zeitlichkeit eröffnet, auszuweisen.
24 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 210: »Die Als-Struktur der Auslegung
hat eine Modifikation erfahren. Das ›Als‹ greift in seiner Funktion der Zueig­
nung des Verstandenen nicht mehr aus in eine Bewandtnisganzheit. Es ist be­
züglich seiner Möglichkeiten der Artikulation von Verweisungsbezügen von
der Bedeutsamkeit, als welche die Umweltlichkeit konstituiert, abgeschnit­
ten. Das ›Als‹ wird in die gleichmäßige Ebene des nur Vorhandenen zurück­
gedrängt. Es sinkt herab zur Struktur des bestimmenden Nur-sehen-lassens
von Vorhandenem.« Mit dem, was in Kürze zum Ich-Gebrauch und darin
waltenden Selbstverständnis gesagt wird, mag man gleichfalls bemerken, das
Dasein verstehe sich nicht mehr aus der Welt und seinem In-der-Welt-Sein,
sondern als etwas, das eine bestimmte Funktion hat, eine wesentliche aus­
tauschbare Rolle spielt.«
25 Die Differenz sei hier großzügig übergangen, doch ist Heid­eg­gers Ur­
teilskritik eher eine solche am logischen Subjekt. Hierauf kann in diesem
Rahmen jedoch nicht eingegangen werden.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 47

Subjekt, das sich mit dem Pronomen der ersten Person Singular an­
spricht, auf sich mit »ich« referiert und sich als »ich« ausspricht.26
Die Probleme des Ich-Gebrauchs scheinen eher in einen witt­
gensteinschen Kontext zu gehören, und überhaupt mag man ein­
wenden, dass die uneigentliche Selbsthabe, wenn überhaupt der
Sprache, dann doch eher dem Gerede des Man als der referierenden
Selbstbezugnahme entwächst. Dennoch fällt auf, dass Heid­eg­ger in
§ 64, wenn er »Sorge und Selbstheit« zum Thema macht, das Man
und sein Gerede gerade hinsichtlich seiner Tendenz zum besonders
vehementen Ich-Sagen anspricht: »›Ich‹ meint das Seiende, dem es
um das Sein des Seienden, das es ist, geht. Mit ›Ich‹ spricht sich die
Sorge aus, zunächst und zumeist in der ›flüchtigen‹ Ich-Rede des
Besorgens. Das Man-selbst sagt am lautesten und häufigsten Ich-Ich,
weil es im Grunde nicht eigentlich es selbst ist und dem eigentlichen
Seinkönnen ausweicht.«27
Lassen wir die einleitende Minimalerklärung des Ich-Gebrauchs
beiseite, so ist das Interessante die Verbindung von Ich-Sagen und
Uneigentlichkeit, die hier aufleuchtet. Das Ich-Sagen des Man
scheint daher besonders vehement, weil das Man-Selbst »dem ei­
gentlichen Seinkönnen ausweicht«. Ich-Sagen ist dergestalt eine
Funktion der Flüchtigkeit. Warum das so ist, machen Heid­eg­gers
Reflexionen auf das Phänomen der Abständigkeit deutlicher: »Im
Besorgen dessen, was man mit, für und gegen die Anderen ergriffen
hat, ruht ständig die Sorge um einen Unterschied gegen die Anderen
[…] Das Miteinandersein ist – ihm selbst verborgen – von der Sorge
um diesen Abstand beunruhigt.«28
Bringen wir das laute Ich-Sagen und die Sorge um Abgrenzung
und Abstand zusammen, so scheint sich folgende Sicht zu bieten:
Das Dasein im Man sagt deswegen besonders laut ›ich‹, weil es denkt,
sich nur so abheben zu können, was aber voraussetzt, dass es denkt,
sich überhaupt abheben zu müssen. Denkt es aber, sich abheben
zu müssen, dann denkt es, dass es ohne Abhebung im Einerlei ver­

26 Diese beiden Dimensionen entsprechen grob dem Subjekt- und Objekt­


gebrauch von »Ich«, die Wittgenstein unterscheidet, und die sich, wie sich
gleich zeigt, auch bei Heid­eg­ger als entschiedene Zweideutigkeit zeigen. Zur
Unterscheidung vgl. Ludwig Wittgenstein, Das Blaue Buch, Werkausgabe
Band 5, Frankfurt am Main 1984, 15–116, hier 106.
27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 426.
28 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 168.
48 Simone Neuber

sinken würde, dessen indistinkter Fall es ist.29 Durch das laute Ich-
Sagen will das Dasein sich also aus dem Allgemeinen heben, um ein
Besonderes zu sein. Dabei versieht es sich freilich hinsichtlich seiner
Natur, denn es ist nicht ein Besonderes im Allgemeinen, sondern ein
je genuin Einzigartiges.
Offensichtlich ist dieses Dasein auf andere Weise uneigentlich
als der selbstverlorene Hantierer. Es schreit sich heraus, und indem
es sich auf eine bestimmte Weise meinend herausschreit, hat es sich
verloren.
Indes ist es natürlich nicht so, dass dieses uneigentliche Dasein
nicht irgendwie wüsste, dass es kein Fall einer Gattung ist. Irgend­
wie weiß es sehr wohl um seine Einzigartigkeit, und irgendwie
spricht es sich als solche aus.30 Dennoch meint es sich, indem es sich
ausspricht, gleichzeitig auf eine sich verfehlende Weise. Diesbezüg­
lich konstatiert Heid­eg­ger: »Im Ich-sagen spricht sich das Dasein als
In-der-Welt-sein aus. Aber meint denn das alltägliche Ich-sagen sich
als in-der-Welt-seiend? Hier ist zu scheiden. Wohl meint das Dasein
ich-sagend das Seiende, das es je selbst ist. Die alltägliche Selbstaus­
legung hat aber die Tendenz, sich von der besorgten ›Welt‹ her zu
verstehen. Im ontischen Sich-meinen versieht es sich bezüglich der
Seinsart des Seienden, das es selbst ist.«31
Aus dem Zitat wird deutlich, dass es sich beim Modus des Ich-
Gebrauchs und der vermeintlich selbstartikulierenden Selbsthabe
um ein wesentlich zweideutiges Phänomen handelt, das zwischen
Selbstartikulation und Selbstsubsumption oszilliert. Was diese
Zweideutigkeit unterhält, ist just die Sprache mit ihrem Hang zur
Allgemeinheit, der nun auch die Selbsterfassung des Ichs und da­
mit seine Selbsthabe und sprachliche Selbstverwahrung auszeichnet.

29 Wobei es freilich eine ganz allgemeine Form wählt, die bestenfalls das
Besondere, nicht hingegen das Einzigartige reflektiert. Das Man ist dabei
natürlich keine Gattung, vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 171.
30 Um dieser impliziten Wissen Rechnung zu tragen, mag man Heid­eg­ger
etwa mit Wittgenstein und Sidney Shoemaker unter die Arme greifen, um
hier eine akriteriale Verwendungsweise stark zu machen, dergestalt das Da­
sein gerade nicht auf die Idee kommt, sich mit anderen zu verwechseln. Zum
akriterialen und identifikationsfreien Ich-Gebrauch, der entsprechend ver­
wechslungsimmun ist vgl. u. a. Wittgenstein, Das Blaue Buch, sowie: Sidney
Shoemaker, Self-Reference and Self-Awareness, Journal of Philosophy 65
(1968), 555–567.
31 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 426.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 49

Die Spiegelthese lässt vermuten, dass der Selbstverschluss in der


vermeintlichen Selbsterfassung der Theorie nicht minder eignet.
Dies, so legt es Heid­eg­ger nahe, ist daher leicht übersehbar, weil die
Theorie eine ähnliche Zweideutigkeit ausbildet. Dabei begeht die
Tradition keinesfalls den naiven Fehler, Kategoriales und Existenzi­
ales nicht irgendwie zu trennen. Nein, sie weiß implizit so sehr um
die Differenz wie sie sie in der Explikation die Differenz einebnet,
was einerseits vor die Notwendigkeit der Destruktion führt, gleich­
zeitig aber auch prima facie deren Möglichkeitsbedingung ist, sofern
in der verzerrenden Selbsterfassung qua Verstehen Selbstverstehen
implizit ist, wenn auch eben nur implizit, wobei die Explikation das
Implizite gerade verleugnet.
Deutlich wird die in der Spiegelthese angesprochene Engführung
mit Bezug auf das Problem der Selbsthabe in Heid­eg­gers Kritik an
Kants »Ich denke«.32 Zu erinnern ist vornehmlich an Heid­eg­gers Be­
tonung, dass Kants »Ich denke« relativ zum intentionalen Korrelat
(»ich denke etwas«) bestimmt ist, wobei wiederum dem Weltcha­
rakter des intendierten ›etwas‹ nicht Rechnung getragen werde, ein
Vorwurf, dessen Berechtigung hier offen bleiben soll. Auch Heid­
eg­gers drittletzter Absatz von Sein und Zeit deutet in dieselbe Rich­
tung, wenn die Verdinglichung des Bewusstseins auf die generelle
Vorhandenheitsontologie zurückgeführt wird. Wenn sich Heid­eg­ger
dort die Frage stellt: »Allein was bedeutet Verdinglichung? ­Woraus

32 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 425–426: »Woran liegt es aber, daß Kant
den echten phänomenalen Ansatz beim ›Ich denke‹ ontologisch nicht aus­
werten kann und zum ›Subjekt‹, das heißt zum Substanziale zurückfallen
muß? Das Ich ist nicht nur ›Ich denke‹ sondern ›Ich denke etwas‹. Allein
betont Kant nicht selbst immer wieder, das Ich bleibe auf seine Vorstellungen
bezogen und sei ohne sie nichts? Diese Vorstellungen aber sind für ihn das
›Empirische‹, das vom Ich ›begleitet‹ wird, die Erscheinungen, denen es ›an­
hängt‹. Kant zeigt aber nirgends die Seinsart dieses ›Anhängens‹ und ›Beglei­
tens‹. Im Grunde aber wird sie verstanden als ständiges Mitvorhandensein
des Ich mit seinen Vorstellungen. Kant vermied zwar die Abschnürung des
Ich vom Denken, ohne jedoch das ›Ich denke‹ selbst in seinem vollen We­
sensbestande als ›Ich denke etwas‹ anzusetzen und vor allem ohne die onto­
logische ›Voraussetzung‹ für das ›Ich denke etwas‹ als Grundbestimmtheit
des Selbst zu sehen. Denn auch der Ansatz des ›Ich denke etwas‹ ist ontolo­
gisch unterbestimmt, weil das ›Etwas‹ unbestimmt bleibt. Wird darunter ver­
standen ein innerweltliches Seiendes, dann liegt darin unausgesprochen die
Voraussetzung von Welt; und gerade dieses Phänomen bestimmt die Seins­
verfassung des Ich mit, wenn anders es soll so etwas sein können wie ›Ich
denke etwas‹.«
50 Simone Neuber

entspringt sie? Warum wird das Sein gerade ›zunächst‹ aus dem Vor­
handenen ›begriffen‹ und nicht aus dem Zuhandenen, das doch noch
näher liegt? Warum kommt diese Verdinglichung immer wieder zur
Herrschaft? Wie ist das Sein des ›Bewußtseins‹ positiv strukturiert,
so daß Verdinglichung ihm unangemessen bleibt?«33, so tut sich das
Spannungsverhältnis auf, um das es letztlich geht, nämlich jenes
zwischen einer positiven Bestimmung der Struktur an sich und der
fruchtbaren Einsicht, die sich im eingangs extrapolierten Totalreflex
der Sorge aus der Welt auftat und welche andeutet, dass letztlich nur
die dem Anschein selbst wesentliche Dialektik, die sich am intentio­
nalen Korrelat selbst entzündet, eine nichtontisch gefasste Bezug­
nahme fundieren kann, die letztlich gerade darin eigentlich ist, als
sie gar keine Theorie der Bezugnahme mehr ist.

Die Ausweisung der Grundlage der möglichen Rede von Sorge

Obige zwei Fassungen bilden den Knackpunkt, zwischen i. einer


Fassung, die sich um eine positive, nichtreluzente Selbsthabe be­
müht, und ii. einer Konzeption, die zum Wohle einer starken nich­
tontischen Konzeption von Selbstheit deren positive Uneinholbar­
keit anerkennt, um aus der Dimension modal indifferenter Reluzenz
Kapital zu schlagen. Letztere bestünde etwa darin, den Gewinn der
existenzialen Analytik dadurch zu verbuchen, mit ihr zunächst für
die theoretische Insuffizienz der bisherigen Theorien zu plädieren,
tragen sie dem Leben nicht Rechnung. In der Folge könnte ein alter­
natives Modell vorgeschlagen werden, eben das einer (praktischen)
Selbstbezüglichkeit endlichen Sichverhaltens. Diese Argumentation
hätte die Durchschlagkraft einer Erklärung, die durch ihre explana­
torischen Vorzüge besticht; sie verbände sich früher oder später mit
dem Problem der Bestimmung und der Artikulation des Innerwelt­
lichen respektive der Selbstartikulation, denn just hier deutete sich ja
das Problem der Holismussprengung an; sie wäre indes nicht phäno­
menologisch im Sinne der Selbstausweisung der theoretischen Basis;
ferner büßte sie, damit einhergehend, deren vermeintliche Evidenz
und Gewissheit ein, so dass unter Umständen offen bliebe, ob die
Ausweisung der Selbstheit dieser angemessen ist.34

33 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 576.


34 In diesem Sinne mag die Anmerkung in Heid­eg­gers Handexemplar ver­
Heidegger zum Ich-Gebrauch 51

Heid­eg­ger wählt den zweiten Weg, indem er davon ausgeht, das


Dasein müsse sich jenseits des Ontischen und Zuhandenen rein
und frei aus sich heraus verstehen, wenn es sich aus diesem Verste­
hen auch auf die Welt zurückwendet und seine Nichtigkeit aner­
kennt. Dieser Schritt, das Dasein eigentlich und als Ganzes »in die
Vorhabe«35 zu stellen, ist gute phänomenologische Tradition. Den­
noch scheint die isolierende Hinblicknahme auf das Dasein zum
Wohle dessen eigentlicher Selbstbezeugung durch den schweigenden
Ruf des Gewissens vor dem Hintergrund des bislang Dargelegten
vor gravierende Probleme zu führen, beziehungsweise gravierende
Probleme gerade nicht zu lösen.
Prima facie ist das, was sich im Selbstoffenbarwerden der Struktu­
ren des Existenzialen zeigt, wenn sich der modal indifferente Vollzug
auf seine Bedingungen zurückwendet und sich selbst durchsichtig
wird, maximal unverstellt und unmittelbar, wofür Heid­eg­ger unter
anderem den Totalzusammenbruch der herrschenden Auslegungs­
strukturen des Man bürgen lässt. Wo nichts ist, daraus man sich
verstehen und versehen kann, scheint das Dasein sich rein aus sich
zu verstehen, wobei zum »sich« die eigene Sterblichkeit und die we­
sentliche Negativität gehören.
In dieser schieren Immanenz ruft nur das Gewissen, das sonst
vom Gerede des Man übertönt wird, schweigend das Dasein zu sich
selbst, aus sich selbst, wohlgemerkt, was freilich kein Sonderereignis
ist, sondern die Natur der immer schon alles fundierenden Selbst­
habe. Was sich ändert, ist nur der mit dem Schweigen suspendierte
entschieden zweideutige Selbstbezug.36 Das Dasein ist in die Ein­
deutigkeit seiner Existenz als je es selbst zurückgeführt.
Heid­eg­gers Pointen, die mit der Selbstvereinzelung verbunden
sind, sollen hier nicht in Frage gestellt werden. Wohl aber soll auf­

standen werden, wo Heid­eg­ger den Mangel as ›Ichheit‹, den er im Fließ­


text unter anderem als Selbstverlorenheit fasst, ergänzt und vielleicht sogar
kommentiert als: »Oder gerade auch echte Selbstheit gegenüber der elenden
Ichlichkeit.« Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 155.
35 Zur expliziten Programmatik vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 306–
313.
36 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 427: »Das eigentliche Selbstsein sagt als
schweigendes gerade nicht ›Ich-Ich‹, sondern ›ist‹ in der Verschwiegenheit
das geworfene Seiende, als welches es eigentlich sein kann. Das Selbst, das die
Verschwiegenheit der entschlossenen Existenz enthüllt, ist der ursprüngliche
phänomenale Boden für die Frage nach dem Sein des ›Ich‹.«
52 Simone Neuber

gezeigt werden, dass Heid­eg­gers sich bezeugende Selbstheitskon­


zeption keine positive Antwort auf das bislang ausgewiesene Pro­
blem gibt.37
Betrachten wir das genauer. Oben wurde gesagt, die Reifikati­
onstendenz und die Uneigentlichkeit im Sinne der zweideutigen Be­
zugnahme entwüchsen der Artikulationsform. Entsprechend scheint
nötig, dieser Einhalt zu gebieten, um sie positiv umzuwenden, soll
Eigentlichkeit möglich sein. Heid­eg­ger kommt dem nach, indem er
den schweigenden Ruf des Gewissens bemüht. In seiner radikalen
reifikationslosen Offenheit scheint Schweigen zunächst ein guter
Kandidat für eine nichtnormierende und nichtrestringierende Be­
zeugung eines schieren Möglichseins. Das zugestanden, vermag es
in seiner Negativität aber gerade nicht, dem positiven Weltbezug, der
sich ja auch sprachlich artikuliert und bezeugt, Rechnung zu tragen
oder diesen anzuleiten. Die positive Aneignung der Bezeugung der
Bedeutsamkeit liegt dann aber brach, ja mehr: Die sprachliche Be­
zugnahme auf sich selbst scheint unabdingbar mit einer uneigentli­
chen Selbsthabe einherzugehen.
Dass es mit dem entschlossenen Dasein nicht zu einer positiven
Aneignung der Bedeutsamkeit, um diese eigentlich zu artikulieren,
kommt, ist durchaus konsequent. Bildete nämlich das vereinzelte
Dasein in der Tat auf dem Boden der Isolation diese expressive Di­
mension aus, so mündete dies nicht nur in eine Privatsprache, der
Heid­eg­ger durch den Ort der verlautenden Sprache, die eine Funk­
tion des Kollektivs ist, korrekt den Boden entzogen hat,38 sondern
käme auch einem Modell sich setzender Subjektivität recht nahe,
das Heid­eg­ger ja gerade nicht sucht. Als Geworfenes und in einer
vorsubjektivistischen Ganzheit Aufgehendes nicht in der Lage, ei­
nen Modus nichtzweideutiger Selbstartikulation und nichtverzer­
render Bezugnahme auf etwas als etwas auszubilden, bleibt Heid­
eg­ger nicht mehr, als dem eigentlichen Dasein eine gewisse Indif­
ferenz gegenüber Innerweltlichem beizulegen. So diagnostiziert er
etwa eine gewisse Gleichgültigkeit gegen dasjenige, was im Besorgen

37 Was natürlich dafür sprechen könnte, dass es das Problem nicht gibt,
doch scheint mir die textuelle Basis hinreichend stark, obschon die affinen
Zeitlichkeitsprobleme in der Tat eine Komplexion bereiten, von der hier ab­
strahiert wird.
38 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 177, wo Heid­eg­gers vielsagende
Randnotiz »Unwahr. Sprache ist nicht aufgestockt, sondern ist das ursprüng­
liche Wesen der Wahrheit als Da.« zu finden ist.
Heidegger zum Ich-Gebrauch 53

ansteht,39 was ein Schatten der augustinischen Selbstverbarrikadie­


rung gegen die Vielen und die Lockungen der Welt zu sein scheint,
die Heid­eg­ger in die Eigentlichkeitskonzeption einwandern lässt.
Das ist mehr als ein vernachlässigbarer Reflex der Tradition, denn im
augustinisch-kierkegaardschen Licht verschieben sich die positiven
Momente auch einer theoretischen Bestimmung der Selbstheit im
Sinne einer ontonomischen Reluzenz in Richtung einer eigentlichen
Selbstheit, auf deren Boden es so scheint, als sei das Sichverstehen
aus Weltlichem überhaupt das Problem.
Es kommt so eine Dimension der Eigentlichkeit auf, die mit dem
Problem der zweideutigen Selbstbeziehung recht wenig zu tun hat.
Sie erlaubt nicht nur, die drängende Frage nach dem Modus der ad­
äquaten, ursprünglichen und in diesem Sinne: eigentlichen Artiku­
lation zu verschieben, um es Augustinus und Kierkegaard zunächst
gleichzutun und die Wahl des Selbst prävalent zu machen, sondern
sie modifiziert auch die Bewertung der holistisch-reluzenten Selbst­
habe, die nun als schlechte Verlorenheit und Zerflossenheit gefasst
werden kann, aus der eine Rückeroberung der Selbstheit geboten
scheint, die aber, wenn sie überhaupt gelingen kann, sicherlich für
unser Problem keine Lösung bereiten kann.40
Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch hiermit Pointen ver­
bunden sein könnten. So könnte man etwa anführen, es sei eben
die Natur des Daseins, derart entfremdet und zweideutig zu sein,
doch tut dies Heid­eg­ger nicht. Ferner mag man anführen, die Ver­

39 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 466. Ähnlich Dreyfus, der dem eigent­
lichen Dasein eine Verweigerung des ›being fascinated‹ von der Welt beilegt.
Vgl. Dreyfus, Being in the World, 228.
40 Vgl. dazu parallel Augustinus, Confessiones X, 29.40: Per continentiam
quippe colligimur et redigimur in unum, a quo in multa defluximus (»Durch
Enthaltsamkeit wird der Mensch gesammelt und zurückgeführt in die Ein­
heit, von der entfernt er ins Vielerlei zerflossen war.«). Zu Heid­eg­gers Aus­
einandersetzung sei verwiesen auf: Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänome­
nologie der Religion, GA 60.
Hier ist der Ort für einen Nachtrag, denn oben wurde gesagt, meine In­
terpretation müsse motivieren, warum die nicht im starken Sinne uneigent­
liche, modal indifferente Selbsthabe mitunter als uneigentliche erscheint. Ein
Grund besteht darin, dass vortheoretische Selbsthabe eben noch vortheore­
tisch ist, daher nicht eigentlich im Sinne von: theoretisch durchdrungen und
angeeignet. Mit der Andeutung der Relevanz des Augustins-Reflexes kommt
ein zweiter Grund ins Spiel: die hantierende ›Ankehr‹ an Welt kann nun als
bloß sich verlierender Modus der Selbsthabe erscheinen.
54 Simone Neuber

schiebung einer primär theoretischen Frage auf Heid­eg­gers letzt­


lich performative und praktische Antwort deute an, dass schon die
theoretische Frage ganz falsch gestellt war,41 weil etwa das Dasein
sich gar nicht theoretisch, sondern praktisch auf sich bezieht, und
dieser praktische Bezug sei eben die Wahl. Doch auch hiermit wäre
freilich eine Dimension der Praxis der Uneigentlichkeit anheim ge­
stellt, nämlich die Sprachpraxis, vor allem, wenn sie das jemeinige
Selbst als ›ich‹ zum Thema hat, um ihm etwa Eigenschaften zu prä­
dizieren.42 Dies wäre eigentümlich und nur dann vermeidbar, wenn
das Problem der sprachfundierten Uneigentlichkeit gleichfalls an­
erkannt wird, was freilich auf der Grundlage des vereinzelten Da­
seins nicht gelöst werden kann, soll es sich nicht als Subjekt poe­
tisch setzen.
Heid­eg­ger selbst scheint davon auszugehen, dass das Problem
des uneigentlichen Verstehens erst dann gelöst ist, wenn im sprach­
lichen Selbst- und Weltbezug die holistischen oder gar die Bezug­
nahme bedingenden Momente selbst artikuliert werden,43 um so die
schiere Abstraktionstendenz der Rede gleichsam aufzuheben, was
freilich eine starke These ist.44 Dennoch ist sie durch Heid­eg­gers

41 So Thomä, der anstelle einer Reflexionsphilosophie eine Selbstaneig­


nungsphilosophie würdigt. Vgl. Thomä, Die Zeit des Selbst, 143; ähnlich
Ernst Tugendhat, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung. Sprachanaly­
tische Interpretationen, Frankfurt 1997, mit dem Hinweis auf ein primär
praktisches Sich-zu-sich-Verhalten.
42 Zu diesem Problem vgl. auch Tugendhat, Selbstbewusstsein und Selbst­
bestimmung, hier 185, der indes die Lösung in der »mitverstandenen« (186)
Bedeutung sieht, nicht in einem Problem, dem auch formell Rechnung zu
tragen wäre, was damit in Verbindung stehen mag, dass er Heid­eg­gers starke
Abkehr von einer Vorhandenheitsontologie nicht teilt.
43 Vgl. Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 244–
247, wo Heid­eg­ger eine längere Passage Rilkes zitiert, mit dem Hinweis, es
gehe um die grundsätzliche Frage, »ob das existierende Dasein gemäß seiner
Existenzmöglichkeit ursprünglich genug ist, um die mit seiner Existenz im­
mer schon enthüllte Welt noch eigens zu sehen, zum Wort zu verhelfen und
dadurch für andere ausdrücklich sichtbar zu machen«. Die enge Verflechtung
von Sehen und Artikulation sei betont.
44 Es ist denn auch im Vergleich zu Tugendhats starker und schwacher These,
wie mit der Vorhandenheitsontologie umzugehen ist, die wesentlich stärkere
These; die schwache These besagt ihm zufolge, dass »ich bin« eben einen ganz
anderen Sinn hat als »ist« im Sinne von Vorhandenheit, und es auch diesem
Sinn entsprechend verstanden wird; die stärkere ist nach Tugendhat, dass
beide nicht nur verschieden sind, sondern der letzte Sinn von ersterem ab­
Heidegger zum Ich-Gebrauch 55

Reflexionen auf die Dichtung gestützt. So liest sich eine Passage aus
der Vorlesung des Sommersemesters 1927 als Echo auf das hier ver­
handelte Problem, wenn Heid­eg­ger Rilkes Artikulationsmodus als
Beispiel anführt, »wie elementar … die Welt, das heißt, das In der
Welt sein … aus den Dingen uns entgegenspringt«.45 Ausgeschlach­
tet werden diese Überlegungen freilich ab den dreißiger Jahren46.
Der Dichter, der mit Hölderlin ins Zentrum rückt, ist in seiner
radikalen Isolation nahezu das singulare tantum der Eigentlichkeit.47
Gerade als so Einzelner kann ihm theoretisch etwas zugebilligt wer­
den, was dem eigentlichen Dasein in Sein und Zeit – der Subjektivis­
musverdacht und das Problem einer Privatsprache lassen grüßen –
nicht billig war: die Ausbildung einer eigentlichen oder ursprüng­
lichen Artikulationsform. Diese erscheint nun als die den Anderen
freigebende Artikulation, welche genau darin Freigabe ist, als sie die
Sorge als wesentliche Inständigkeit in einer so erschlossenen Welt
aufscheinen lässt.
Offenkundig muss sich hierbei das jeweilige und eigentliche
Selbstsein kollektivieren, denn eigentliches Sprechen kann nur das

künftig ist. Meine starke These deutet die Konsequenz an, in die Heid­eg­ger
zu laufen scheint, dass nämlich, wenn eine ursprüngliche Bezugnahme mög­
lich sein soll, diese, so sie die Sprache einschließen will, von einer Art sein
muss, dass diese Sprache genau die praktische Dimension bzw. den Vollzug
artikulieren muss. Zur Kraft der Thesen vgl. Tugendhat, Selbstbewusstsein
und Selbstbestimmung, 181. Zuzustimmen ist Tugendhat allerdings, wenn er
Heid­eg­gers Ich-These kritisiert und bemerkt: »Heid­eg­ger irrt sich also schon
im Ansatz, wenn er meint, auf die Frage ›wer bin ich?‹ könnte geantwortet
werden ›ich‹ oder ›ich selbst‹.« (Tugendhat, Selbstbewusstsein und Selbstbe­
stimmung, 234)
45 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 246. Auch
hier bemerkt Heid­eg­ger wieder, dass Uneigentlichkeit zum faktischen Dasein
gehört, also Eigentlichkeit nur eine Modifikation darstellt, was mit obiger
Interpretation unvereinbar scheint. Indes ist es dies nur dann, wenn obige
Äquivokation der Uneigentlichkeiten vorgenommen wird, denn ein eigent­
licher Modus der Bezugnahme bleibt freilich ›uneigentlich‹ im Sinne von
weltreluzent und hantierend.
46 Man mag anmerken, die Frage der eigentlichen Selbstbezeugung sei hin­
sichtlich ihres transzendentalphilosophischen und konstitutiven Auswei­
sungsmoments unersetzlich, weil das Dasein etwa anders seiner Endlichkeit
gar nicht eigens gewahr werden kann. Das soll hier offen bleiben.
47 Heid­eg­ger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA 38, 157:
»Die Vereinzelung in der Einsamkeit kann in einzigartiger Weise für das
Ganze wirksam sein.«
56 Simone Neuber

eigentliche Sprechen der Vielen sein. So bemerkt Heid­eg­ger in sei­


ner Logik-Vorlesung des Jahres 1934, Jemeinigkeit besage gerade
(sprachliche) Übereignug ins Miteinander und Füreinander und
bestehe gerade nicht in einer Zurückbeugung des Selbst auf sich
selbst.48 Obschon Heid­eg­ger hierbei darum bemüht ist, Kontinu­
itätslinien mit Sein und Zeit aufzuzeigen, zeigt sich, dass er die la­
tent solipsistische Selbsthabe hier entschieden kollektiviert, um sie
in einem Modus eigentlicher (wenn auch politisch problematischer)
Sprachgemeinschaftlichkeit zu überführen.
»Der Mensch ist Jener, von dem, um ihn in seinem Wesen zu
denken, das Denken wegdenken muss«49, so Heid­eg­ger in seiner
Besinnung. Hieraus spricht das generelle Problem einer Phänome­
nologie des Selbst, das der Tatsache geschuldet ist, dass das stand­
punkthafte Leben sich dem Blick auf sich selbst entzieht. Soll dem,
und das scheint das Projekt, eigentlich Rechnung getragen werden,
dann scheint der λόγος gerade vom Selbst als latent reifiziertes »ich«
absehen zu müssen, um eher das Dasein als den Ort des Lichtens
bzw. das Faktum des Erscheinens selbst zu verdichten.

48 Heid­eg­ger, Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache, GA 38, 163:
»Jetzt wird deutlich, warum der Charakter des Selbst nicht in der Rückbe­
züglichkeit des Ich, des Subjekts, besteht … Wenn wir sagen: Dasein ist je
meines, so kann das nach der grundsätzlichen Sprengung der Ichheit und
Subjektivität nicht mehr bedeuten, dieses Dasein werde in das einzelne Ich
zurückgenommen und von ihm mit Beschlag belegt, sondern »Dasein ist
je meines« besagt eben, dass mein Sein dem Miteinander und Füreinander
übereignet ist.« Die Vorlesung endet mit einem Paragrafen zur Dichtung als
»ursprünglicher Sprache«.
49 Heid­eg­ger, Besinnung, GA 66, 156.
Hélder Telo
Who is responsible for das Man?

The analysis of das Man plays an important role in Heid­eg­ger’s


description of the structure of life during his period in Marburg. It
shows how we normally do not decide the meaning of our life and
its moments. Rather we live under the »dictatorship« of »das Man«
and this decides the meaning of everything for us.1 But who is re­
sponsible for this power of das Man over us?
In fact, there is a tendency to interpret what Heid­eg­ger says as if
all this were the result of some kind of external influx passing from
the others around each Dasein into Dasein’s sphere, so that these
others would be the party responsible for the dictatorship of das
Man. Indeed, this power of das Man over us seems to imply the
reference to the others around us which dictate what we do, think
and say. For what can be more obvious than the fact that we are in­
fluenced by the others? There is a kind of social pressure that often
ends up affecting and determining us.2
In what follows, however, we will endeavor to demonstrate that
this interpretation of das Man is incompatible with the changes of
perspective which characterize the Analytic of Dasein. The origin
of the power of das Man cannot lie outside Dasein’s sphere, but it
must result from an internal movement of the structure of being-in-
the-world itself – so that Dasein itself is what is responsible for its
own subservience to das Man.

1 We find the notion of Diktatur in Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 169.


2 Heid­eg­ger himself sometimes suggest that the others are an active party,
the party responsible for das Man. He says, for instance: »It [sc. Dasein] is
not; the others haven taken its being away from it«. (Heid­eg­ger, Sein und
Zeit, GA 2, 168). The translations of Being and Time are based on Heid­eg­
ger, Being and Time. A translation of Sein und Zeit, translated by Joan Stam­
baugh, Albany (New York) 1996 (sometimes with minor changes).
58 Hélder Telo

In order to prove this, there are a few fundamental features of the


Analytic of Dasein that we should keep in mind.

The notions of Dasein, existence and world

First of all, we should consider Heid­eg­ger’s description of the being


that each of us is – namely, Dasein. This notion does not designate a
being that is simply there, occupying a position in space. The »there«
Heid­eg­ger is referring to is the there of the appearing of beings. Da­
sein is first and foremost this space of awareness, of having access
to beings. This does not mean that there are the many beings we all
know and among them there is another being which is aware of what
is around it. Such a conception would imply a point of view from
outside Dasein, that has access to this being and the others around it.
Yet, Dasein »does not simply occur among other beings«.3 Its access
to beings is not something located in the middle of a well-known
reality. This access is where everything appears, where Dasein finds
itself and all other beings. It is the basis or the foundation of reality;
everything we know is located in it and it therefore has a completely
problematic nature.
So Dasein is primarily this access, but it is not an anonymous ac­
cess. Everything that appears appears to someone and this someone
is not an uninvolved or impartial spectator. Dasein is concerned with
itself (namely with what will become of itself), and so it is concerned
with the appearing of beings and with these beings. Dasein’s future
is at stake in the »there« of the appearing and not in such a way that
Dasein is a mere spectator (albeit passionate) of the course of its life.
Rather, Dasein carries the burden of being forced to decide what
will become of itself.
All this corresponds to the notion of existence, which determines
the appearing that we are. It brings with it many existential deter­
minations, related to our concern with ourselves. But besides these
there are also things and their »objective« determinations, which
seem wholly independent from our existence. So how are these two
kinds of determinations to be articulated? Is there an objective layer
and then the pure addition of existential determinations – a kind of

3 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 16.


Who is responsible for ›das Man‹? 59

subjective pair of glasses through which we see things? Or is there


a more intrinsic connection between the two layers?
The answer to this can be found in Heid­eg­ger’s analysis of what
he presents as our constitution of being: the being-in-the-world (In-
der-Welt-sein). By »world« Heid­eg­ger does not mean the totality of
beings that may appear to us. It is a different kind of totality and
it is crucial to determine which. Heid­eg­ger starts by analyzing the
»being-in« as such. He shows that this »in« is not primarily a cogni­
tive access to beings. We are always already taking care of business,
which is our primary access to what there is, and cognition can only
occur as a modification or development of this primary access.
Moreover, the beings as such to which we have access are not pure
objects and Heid­eg­ger demonstrates this through an analysis of tools
(Zeuge). In this kind of being it is clearer than in any other that their
essence is constituted of a referral (Verweisung) to one possibility
of being (something Dasein can achieve through it, something that
is relevant in some way to Dasein). If one does not understand this
possibility, one cannot disclose this being as the being that it is. Yet
the existential referrals that constitute the beings that appear to us
are much more complex than this and Heid­eg­ger neglects to empha­
size that appropriately. Tools and things in general are seen by us as
dangerous or safe, as beautiful or ugly, as useful or detrimental, or
as neither one thing nor the other.4 They refer to many possibilities
and all this constitutes the aspect of the being that appears to us. So
there is always much more than a pure object (a pure Vorhandenes)
before us.5 Indeed, even many of the »objective« properties of things
are in a way existential, insofar as they are understood in relation
to us (for instance, the warmth or coldness, the size, the softness
or hardness). As for the »pure« objective determinations (the so-
called primary qualities), their appearing does not happen by itself,
but they also require the referral to a possibility of ours. They are
something we look at to pass the time, to learn more, etc. So, the
only way of something showing itself is if there is a being concerned

4 In fact, even what is irrelevant is seen as such in relation to our own


existence and is therefore completely different from an irrelevant being for
someone for whom everything would be irrelevant.
5 The notion of Vorhandenes expresses the mere occurrence of something
and what Heid­eg­ger is trying to say is that what seems to be a mere occur­
rence is indeed something very different from what we have before us.
60 Hélder Telo

with itself. Only this concern or care makes it possible to see or to


have an access to something.
In this sense all objective determinations are dependent on our
existential structure.6 But this structure is in fact much more com­
plex. Heid­eg­ger points in this direction when he shows that tools
do not simply refer to a possibility (or a set of possibilities that they
accomplish) but they refer to other tools and constitute with them
conglomerates which we call workshops. These workshops have a
particular work in view and so Heid­eg­ger speaks of a Werkwelt –
the world of a work.7 Indeed, things refer to their possibilities, but
these possibilities are subordinate to one major task or purpose. This
major task articulates everything in the workshop and determines
what everything is in it. And just as in workshops things are thus
determined, so in life every being that appears to us is determined by
the tasks we are doing (be it a task stricto sensu, be it something like
resting or simply doing nothing, which is also a kind of thing we do).
Everything appears as irrelevant or relevant, as a nuisance or helpful
to what we are doing at the moment. The Werkwelt encompasses
and organizes all beings that appear to us and that is why Heid­eg­
ger calls it a world. It is already a form of totality that transcends its
parts and determines each of them.8
This kind of totality, however, is not yet the totality Heid­eg­ger
has in view when he speaks of the world. Indeed, each task we strive
to fulfil refers to something else – not only in the sense that we do
some things in order to accomplish something else, which will in
turn allow us to accomplish some other thing, but also because each
task and each chain of tasks refers to our existence as a whole, insofar
as anything we do is a response to the fact that we need to determine
our life. This is the ultimate basis or foundation of all the appearing,
which determines every task, all the networks of tasks and all the

6 This does not mean that they do not appear to us as being what they are
independently of our will. Yet, it is life’s structure that allows them to appear
as being »in themselves«. Cp. Heid­eg­ger, Being and Time, GA 2, 118, where
Heid­eg­ger says that this existential referrals are what discloses beings in their
»substanzielles« »An-sich«.
7 We use the word »work« here in the sense of something that is done or
is to be done, and not in the sense of an activity that involves our exertion.
8 So the first order of referential determinations we have considered is
dependent on the determination that comes from the work we have in our
hands.
Who is responsible for ›das Man‹? 61

things that appear in them. Heid­eg­ger points to this unifier of all


the appearing when, in the examples he gives, he refers everything
Dasein does to the for-the-sake-of-itself (Umwillen seiner selbst).
This for-the-sake-of-itself is the primary project of being, the pri­
mary concern with oneself, which makes possible or enables all the
particular projects and concerns we normally have.9 This is what
constitutes the world in the Heid­eg­gerian sense. When Dasein is
said to be in-the-world, what is meant is that it is always in this basic
project, this basic concern, this being-for-the-sake-of-itself.
This is then the particular structure of Dasein. It is an unitary
event, where all determinations, all the meaningfulness or signifi­
cance (the Bedeutsamkeit) return from one single moment, the cen­
tral moment of existence, the for-the-sake-of-itself.

The others

In all this description there is still no reference to others. All the


world seems to be reduced to the concern that a given Dasein has
with itself. Yet Dasein is not alone. So how does Heid­eg­ger conceive
of the others inside this framework?
Firstly, he says that Dasein is being-with (Mitsein). This means
Dasein is open to the possibility of others; it understands this possi­
bility.10 In fact, more than this, each Dasein (say I, for instance) en­
counters factically many others. These others are also a Dasein – that
is, an universal appearing wherein everything appears to them. Yet
this appearing is not a completely parallel universe to my own. There
is, to a certain extent, something like a shared appearing. The things
I see are not regarded as something accessible only to me, but they
also appear to others. Besides, the appearing that constitutes these
others also has an existential constitution; it also refers ultimately
to a for-the-sake of oneself. So the things that appear to them also
have a referential nature, also refer to possibilities of them – and to

9 It corresponds to what Heid­eg­ger calls das Ermöglichende, that is, that


which makes something possible or the enabling power. Cp. Heid­eg­ger, Die
Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 526.
10 This opening to the possibility of others, this understanding of another, is
what makes possible the appearing of another. It is also what makes solitude
possible. Otherwise, even if there were no one else beside it, Dasein would
not be able to regard itself as being lonely.
62 Hélder Telo

a greater or lesser degree I am able to follow these referrals, so that


the things also appear to me in accordance with this. So the appearing
is not the appearing of a private world, but there is something like a
world-with (a Mitwelt)11 – that is, a very complex network of paths
crossing, overlapping and working together or against each other.
This suggests that Dasein is not for-the-sake-of-myself, but for-
the-sake-of-ourselves. The question, however, is more complicated
than this. Our knowing about the others and their concerns plays
an important role in the determination of our own course in life. In
a certain way, I understand that they are for-the-sake-of-themselves,
but that is something that helps me guide myself in life. They are
determined by referrals to the possibilities of being that they open
to me. They are my friends, people I care about, people I need – or
precisely the opposite. All this decides how they appear to me. They
always have some kind of insertion in my life. So in a certain sense
they are also an inner-worldly being.12 The world-with is a part of
the world in the Heid­eg­gerian sense.13
This also means that, for the other, I am a particular kind of in­
ner-worldly being, determined by the kind of insertion I have in
his existence. In fact, in a certain sense we are confined to our own
existence, we understand everything from our own for-the-sake-
of-myself and we cannot really follow what the other is. We cannot
see through his eyes (that is, through his existence). As Heid­eg­ger
says: »I never have the Dasein of the other in the original way, the
sole appropriate way of having Dasein: I never am the other«.14 The
only adequate access to one’s life is living it. That is the only way
of knowing how life and everything in it »feels« (that is, appears)

11 This sharing of the appearing is, however, something that occurs inside
my own sphere, otherwise I would have no idea of it. It is required that in
myself there be something like a giving away (a Weggeben), to use an expres­
sion from Heid­eg­ger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, 133.
12 Cp. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 161–162, where Heid­eg­ger speaks
of a innerweltlich Freigeben (a freeing within the world).
13 The fact that the others are always determined by the for-the-sake-of-
oneself does not involve a negation of the possibility of altruism but, as Heid­
eg­ger sometimes stresses, it is in fact what allows us to explain such a possi­
bility. The concern with others and even the self-sacrifice are still an answer
to my originary project, a way of determining my existence. Cp. Heid­­eg­ger,
Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 394; Heid­eg­ger, Meta­
physische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 172.
14 Heid­eg­ger, Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit (Vortrag 1924), GA 64, 115.
Who is responsible for ›das Man‹? 63

to someone.15 We are not able to follow what is involved in there


being another Dasein.
Yet, in spite of this, it is not that we regard the others as being a
complete mystery. As we said, we see referrals pertaining to them
in the things that appear to us. So they are in a certain way deter­
mined for us. This determination, however, is basically a pragmatic
determination, which defines their insertion in our lives and how we
should act towards them. Because of this, we believe we have already
deciphered the essential about them, but in fact we are distracted
from the fullness of life that constitutes another.

Das Man

Let us now consider Heid­eg­ger’s description of das Man. Heid­eg­ger


introduces das Man in Being and Time as the answer to who Dasein
is in everydayness. This is a surprising answer. Proximally and for
the most part (zunächst und zumeist) the Dasein that I am is not I.
But how can the Dasein that I am not be I and how can das Man be
the answer to who Dasein is?
First we must determine what the everydayness Heid­eg­ger is
speaking of is. This is not a matter of statistics. One could do the
same thing everyday, but if, every time one did it, one were to be
full of doubts, there would be no everydayness in the sense Heid­
eg­ger intends here. What characterizes everydayness is existential
security. The fundamental questions of life are solved, the path one
has to follow is determined and one can focus all one’s attention on
each particular moment of life. There is a domestication of life and
this allows for the particular kind of movement that Heid­eg­ger calls
»being absorbed in the world of taking care of things« (Aufgehen in
der besorgten Welt).16 This absorption in the tasks one has at hand,
in the Werkwelt in a broader sense, is such that it neglects the referral

15 This is something Heine expresses wonderfully when he says: »Denn


jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und
mit ihm stirbt, unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.« Heinrich
Heine, Säkularausgabe. Werke, Briefwechsel, Lebenszeugnisse, volume 6,
Berlin 1986, 63.
16 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 167. This sense of the verb aufgehen
means not only »to be absorbed in something«, but also »to find one’s fulfil­
ment in something« or even »to unite oneself with something and disappear
64 Hélder Telo

to the for-the-sake-of-itself. There is an obscuration or concealing


of the »grounding« project and an obscuration or concealment of
one’s self. One reduces oneself to an uprooted and impersonal pos­
sibility of being, a possibility which anyone else can assume as their
own. It is available to all and it may be assumed by many. This is
what Heid­eg­ger has in view when he says that each Dasein is what
it does or also that the others are what they do.17
From here we can understand the first characteristic of das Man
that Heid­eg­ger mentions: distantiality (Abständigkeit). In every­
day life, Dasein is concerned with the difference between itself and
the others. Dasein compares itself with others, and tries to keep up
with them or to keep ahead of them. In any case, the diagnosis of
one’s situation is relative to the others. They play a crucial role in
determining how we are doing and what are we to do. That is why
Heid­eg­ger says that, »as everyday being-with-one-another, Dasein
stands in subservience [Botmäßigkeit] to the others«.18 Now this
subservience does not imply that they pressure us into being like
this or that. If it were so, we could pretend to be like them, but that
would not define who we are. Indeed, we do not live as they live in
the sense that we simply imitate them, but we have the same perspec­
tive about things and life in general that they have. The subservience
is to this perspective the others have and normally we do not even
realize that we have not decided the meaning of things and life in
general. We see the meanings the others give to life and the things in
it as the true meaning of all this. There is a way of interpreting (an
Ausgelegtheit) which seems to guide the others and we start sharing
in it. This is the way in which we belong to the others or, as Heid­
eg­ger says, the way in which we are lived by the others.19
Yet, who are these others who are the origin of this way of inter­
preting that is assumed by us? They are not necessarily all the oth­
ers that exist. Indeed, there are many differences in the way people
regard life and things in it – and we may adopt the perspective of
some of them and not of others. It is also not necessarily the ma­
jority. We may follow a minority or just one person – be it alive or

as an independent being in this union«. All these meanings are present when
Heid­eg­ger uses the expression in this context.
17 Cp. Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 336; Heid­eg­ger, Sein und Zeit, 168.
18 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 168.
19 Cp. Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 337.
Who is responsible for ›das Man‹? 65

dead. We may even follow a person or a group that we imagine will


one day come. All these alternatives are possible and that is because
what truly matters is that the way of interpreting things be already
decided.20
It is also possible that we have misunderstood the others and the
meaning everything has for them. If we consider what we said be­
fore, that a Dasein cannot have a direct and perfect access to what
the others are and how their world is constituted, then the chance
of there being a misunderstanding increases greatly. Besides, das
Man not only determines our understanding of ourselves, but also
the way we understand the others. »Everyone is the other, and no
one is himself«.21 Everyone’s existence is concealed by das Man,
the abstraction, the indeterminate we. That is why das Man »is not
this and not that one, not oneself and not some and not the sum of
them all«. It is »the neutrum«.22 So not only can Dasein choose this
or that way of interpreting in order to assume the role of das Man
(depending on who Dasein chooses as a relevant role model), but in
a certain sense das Man cannot even be derived from these or those
persons’ existence, insofar as we normally interpret them already
from the point of view of das Man.

20 In fact, Heid­eg­ger’s analysis of das Man is not simply an attack against


mass society or the way society in general (even if not massified) dictates
the way we should behave, speak and perhaps even think. Granted that this
is suggested by Heid­eg­ger’s words, but what he is actually intending is a
much deeper phenonenon that may very well affect us even when we try to
be different from everyone else. In such a case there may also be a prescrip­
tion given by others of what really matters (for instance, being different or
being so regarding this or that). Heid­eg­ger himself considers this possibility,
when he says that »we withdraw from the ›great mass‹ the way one [man]
withdraws«. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 169. The interpretations of
das Man we find in many authors, which reduce this phenomenon to its
more obvious occurrences (social norms, behaviours, etc.), therefore miss
the point of what is being said. Cp. for instance Jean Greisch, Ontologie et
Temporalité. Esquisse d’une interprétation intégrale de Sein und Zeit, Paris
1994, 166–167; Hubert Dreyfus, Being-in-the-World. A Commentary on
Heid­eg­ger’s Being and Time, division I, Cambridge / London 1991, 152–162;
­Howard ­Tuttle, The Crowd is Untruth. The Existential Critique of Mass
Society in the Thought of Kierkegaard, Nietzsche, Heid­eg­ger, and Ortega y
Gasset, New York 1996, 66–67.
21 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 170.
22 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 169.
66 Hélder Telo

This is made clear in other features Heid­eg­ger presents of das


Man. He speaks of the »averageness« (Durchschnittlichkeit), that
is, the concern that nothing and no one stands out, and he also
speaks of the »levelling down« (Einebnung) of all possibilities of
being. Everything is reduced to the same level. This constitutes what
Heid­eg­ger calls »publicness« (Öffentlichkeit) – a common or shared
world where the understanding of everything is dimmed, yet we
see ourselves as having a perfect understanding of it all. This public
world, with its public understanding, its public way of interpreting,
is produced by das Man. We lose sight of our own existence, its
radical problematicity, and we adopt a way of interpreting that de­
termines all things, ourselves and the others. In this sense, das Man
becomes our self, it replaces our existence and the role it had in de­
termining all inner-worldly beings.23 Everything receives its deter­
mination from das Man, from this way of interpreting that has been
established as the appropriate way of interpreting one’s whole life.
Das Man therefore affects the whole being-in-the-world and is a
way of relating to it. It gives an orientation, a route to life. Because
of this, it is something very helpful to Dasein. It disburdens Dasein;
Dasein no longer has to determine everything and face the intrin­
sic problematicity of its existence. Heid­eg­ger stresses precisely this
disburdening (Entlastung).24 He also says that it meets a tendency
of Dasein itself, the tendency to »take things easy and make them
easy«.25 We appreciate the easiness and avoid the hardness and hard­
ship. That is why it is important for us to adopt a way of interpreting
things and not having to decide the meaning of everything from the
start.26 We conceal our own existence and the existence of others and
we can go on living, taking care of business.27

23 Heid­eg­ger speaks of a Man-selbst. Cp. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2,


172.
24 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 170.
25 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 170.
26 Especially because it may prove to be extremely difficult or even impos­
sible to determine the meaning of life and all its moments.
27 Given all this, what is then the alternative to the dominion of das Man?
It is the discovery of oneself as being a Dasein – that is, the discovery of the
universal nature of what one is and how everything depends on one’s de­
cisions about its meaning. This corresponds to an isolation (Vereinzelung)
of Dasein, which does not mean that we stop being aware of the particular
others around us. It means that their ways of interpreting life stop having the
capacity to define the meaning of one’s life and all its moments. This return
Who is responsible for ›das Man‹? 67

Now, with all this we start seeing the answer to our question. All
the shine and all the power of das Man comes from Dasein itself and
the need it has of determining its own existence. Otherwise, with­
out this need, the way of interpreting that corresponds to das Man
would not be able to seduce us and would have no power over us.
So the ultimate responsible for das Man is Dasein itself, which is
under its dominion. It is Dasein’s existential constitution that makes
this dominion possible.

The falling

Yet, how is that possible? How can Dasein empower das Man, and
then be submitted to it? In order to understand this, we have to
consider what Heid­eg­ger calls the falling (Verfallen). The falling is
a movement of Dasein itself. As said previously, the fundamental
concern with its own being, Dasein’s being for-the-sake-of-itself,
makes possible the very complex network of referrals or meanings
that articulate our tasks and determine all beings that appear to us.
But although Dasein’s existence makes all this possible, it is not in
such a way that this existence has a clear view of itself. Dasein loses
sight of this »transcendental act« of making everything possible and
so it seems Dasein has nothing to do with the determinations of the
world.28 Everything seems to be completely independent from Da­
sein’s existential disclosure and even the meaning of things (or their
importance) seems to be dependent exclusively on them. Yet this
appearance of independence results from the fact that Dasein does
not confront itself explicitly with the act of deciding the meaning of

to one’s self and to the inner problematicity of one’s existence is what pri­
marily constitutes what Heid­eg­ger calls authenticity (Eigentlichkeit). When
this happens, however, it does not involve a complete neutralization of das
Man, only of its power over us. Indeed, in such a situation Dasein is still
able to recognize that there are different ways of interpreting (even if Dasein
realizes that it only has a problematic access to them) and the adoption of
them as one’s own is still a temptation – especially considering the hardship
Dasein has to face in being authentic.
28 Indeed, the falling determines the way beings appear to us and also our
ontological conceptions of them. This is why Heid­eg­ger establishes a con­
nection between the falling and the normal interpretion of being that regards
it as a Vorhandenes.
68 Hélder Telo

life and everything in it. Such a distraction is, then, what allows the
meanings to work on their own and start determining (even domi­
nating) the distracted Dasein.29 This is the falling Heid­eg­ger is talk­
ing about and it is the basis of the everydayness and the absorption
we considered before.
This phenomenon is hard to grasp completely, especially if we
try to determine the extent to which Dasein is responsible for it.
Heid­eg­ger says that Dasein flees from itself or escapes itself (that
is, escapes a transparent relation with itself and all the hardship that
would ensue, being aware that itself must determine everything in its
life)30. Such a fleeing or escaping would presuppose a clear notion of
that from which one is escaping – and so Dasein would not be able
to distract itself completely from itself. But if Dasein’s self (and the
global decision of meaning it implies) is not concealed, then there is
no falling. So how are we to understand this ambiguity that seems
to characterize the falling? On the one hand Dasein must move itself
into the falling, the impulse cannot come from the exterior, because
all determination in Dasein’s sphere is ultimately derived from the
self; on the other hand, Dasein must not be fully conscious that this
is happening, so that the required torpor may occur, enabling the
derived determinations to become autonomous and move Dasein
on their own.31

29 The falling does not imply that Dasein stops having a relation with the
totality of its life as such (that is, with the for-the-sake-of-itself and the de­
cision of meaning that comes from it) – otherwise Dasein would not be able
to understand the seemingly independent moments of its life and their mean­
ings. What happens is that Dasein starts identifying itself with these derived
moments of life, starts reducing itself to them and forgets that its life is larger
than this. Thus the derived moments of meaning become independent and
start seducing and determining Dasein, which no longer has a transparent
relation with its own existence. That is what Heid­eg­ger has in view when he
presents the main features of the falling, saying that the being-in-the-world
is in itself tempting, tranquillizing, alienating and entangling. Cp. Heid­eg­
ger, Prolegomena, GA 20, 388–389; Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 235–237.
All these aspects are inseparable and constitute a kind of existential inertia
or, as Heid­eg­ger says, a vortex or an eddy (Wirbel), which is not exterior to
Dasein or derived from some being other than Dasein but is the way Dasein
acts or moves, the direction it gives to its own transcendental action.
30 On the notion of »fleeing« or flight (Flucht), cp. for instance Heid­eg­ger,
Sein und Zeit, GA 2, 245–252.
31 Perhaps we could venture a solution to this apparent contradiction, saying
that the explicit interpretation Dasein normally has of itself and all beings
Who is responsible for ›das Man‹? 69

In any case, let us finish by considering the complex answer the


Analytic of Dasein has to give us regarding who is responsible for
das Man. On the one hand, das Man refers to the others (even if it
is problematic who these others are and how well we understand
them, or if we can understand them at all). The others give us a way
of interpreting life, the meaning of things and what we have to do.
So they seem to be responsible for this. Yet, the others and their way
of interpreting would be completely inert if it were not for Dasein’s
falling. Such movement in the core of Dasein is required in order to
make the others’ way of interpreting things attractive. Only when
Dasein relinquishes the act of explicitly determining the meaning
of beings is it possible for das Man to take control over this Dasein.
Dasein delivers the control to the others, who, as an element internal
to Dasein’s sphere, are used by Dasein with the purpose of easily
determining its existence.32 In sum, there is no attraction and no in­
fluence which are not motivated by an essential movement of our­
selves. Therefore, the dictatorship of das Man not only does not go
against Dasein’s self-determining, but in order to be possible it ac­
tually requires self-determining (even though a negative mode of it).

(which constitutes a kind of surface of its own being) tends to have no clue
that something like the falling is happening. In the depths of its own being
(that is, in the transcendental actions that constitute existence and its mo­
ments), Dasein must always have a contact with existence as such and only
when we presuppose such constant contact can we conceive the falling as an
aversio, a turning away from oneself – something that is possible by the de­
velopment of the aforementioned surface, that hides away that which Dasein
in a certain way never forgets.
32 Heid­eg­ger sometimes points explicitly to this action of Dasein which em­
powers das Man. Cp. for instance Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 173 and
490, where Heid­eg­gers uses expressions like »to cut oneself off from oneself«
and »to choose das Man as one’s ›hero‹.«
Jan Puc
Das Selbstsein
Eine Kritik von Heid­eg­gers Begriff
der eigentlichen Existenz1

Im folgenden Text wird es mir um zwei Begriffe des Selbstseins ge­


hen, von denen der eine in Heid­eg­gers Sein und Zeit bei der Abgren­
zung der authentischen Existenz des Menschen eine entscheidende
Rolle spielt, während der andere in den Modus der Uneigentlich­
keit abgeschoben wird. Ich werde den zentralen Begriff des frühen
Heid­eg­ger – das Selbstsein – nehmen, um zu zeigen, dass sich hinter
seiner Individualitätstheorie eine Entscheidung für einen bestimm­
ten Identitätsbegriff verbirgt. Weiterhin möchte ich eine Alternative
bieten, die potentiellen Einwänden von der Heid­eg­gerschen Posi­
tion aus standhalten kann, und in der Abschlussüberlegung zeigen,
dass es für die Bestimmung der menschlichen Existenz notwendig
ist, zwei verschiedene Begriffe des Selbstseins ins Spiel zu bringen.
Zuerst stelle ich kurz Heid­eg­gers Auffassung der Angst und des
Gewissens als zwei Schlüsselerfahrungen für seine Konzeption des
Selbstwerdens vor (1.), dann zeige ich, mit welchem Identitätsbegriff
Heid­eg­ger arbeitet und vor welche Entscheidung er den Menschen
stellt und welches Selbstverständnis er ihm zuordnet (2.) Schliess­
lich stelle ich einen alternativen Begriff von Individualität vor (3.).

1 Die vorliegende Studie ist im Rahmen des Forschungsvorhabens Philo­


sophical Investigations of Body Experiences: Transdisciplinary Perspectives
(Czech Science Foundation, P 401/10/1164) und Phenomenological Theo­
ries of Corporeity and Incarnate Subject (Science Foundation of the Charles
University, 75910) entstanden.
72 Jan Puc

1.

Heid­eg­ger bestimmt den Menschen als Seinkönnen, bzw. Möglich­


keit. Was dieses Seinkönnen für den Menschen bedeutet, erweist sich
nicht allein im bloßen ›gestimmt verstehenden Besorgen‹, sondern in
drei »ursprünglichen« Erfahrungen: der Angst, dem Gewissen und
der Erfahrung des Todes. Diese drei Möglichkeiten verweisen, jede
auf ihre Art, auf den dreifachen Grundcharakter von Möglichkeit.
In der folgenden Auslegung werde ich mich auf die Angst und auf
das Gewissen konzentrieren.
Die Angst reißt den Menschen in erster Linie aus jeglichem Sinn
heraus, das ist ebenfalls aus allen Strukturen, die er2 sich aufgrund
der öffentlichen Deutung der Welt angeeignet hat. Das Phänomen
des »Lastcharakters des Daseins«,3 das heißt die Tatsache, dass der
Mensch handeln soll, obwohl er in der Angst dazu nicht fähig ist,
stellt ihn angesichts des Bedeutsamkeitsverlustes in der Angst vor
die Aufgabe, in die Welt der Handlung zurückzukehren und die ver­
schiedenen Sinnkonstellationen in der Welt wieder in eigene Hände
zu nehmen. Da ihm durch die Angst jeglicher Sinn entzogen wird,
ist es nun an ihm, am Einzelnen, Stellung zu den Möglichkeiten von
Sinn zu nehmen. Gerade in diesem Akt des Übernehmens seiner
Welt, das allein an ihm liegt, besteht der Unterschied zwischen der
eigentlichen und der uneigentlichen Existenz des Menschen. Eben
diese Rückkehr aus der Angst ermöglicht es mir, mich selbst als
zurückkehrenden wahrzunehmen. Auch habe ich die Möglichkeit,
diesen Akt vor mir selbst zu verbergen, wenn ich ihn, mit einzelnen
Aufgaben viel zu beschäftigt, schlicht übersehe. Die Hinwendung
zur Individualität, wie Heid­eg­ger sie beschreibt, erfolgt also in zwei
Schritten: Die Angst wirft den Menschen zuerst in die Einsamkeit
der andrängenden, sinnentleerten Welt. Dann ermöglicht sie ihm,
zurückzukehren und die Angelegenheiten seines Lebens wieder in
die eigenen Hände zu nehmen und sich dabei der Leistung dieses
Übernehmens auch bewusst zu sein.
Die Erfahrung der Angst führt zu einer gewissen Distanz zwi­
schen ihm selbst und all dem, was er in der Welt besorgt. Dies bedeu­
tet nicht, dass die einzelnen Aufgaben ihm ab dem Moment weniger

2 Der sprachlichen Einfachheit halber verwende ich im folgenden männ­


liche Personalpronomen für ›den‹ Menschen.
3 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 179.
Das Selbstsein 73

dringend erschienen oder dass er eine besondere Macht erhielte, sie


effektiv zu lösen. Der Unterschied zum ›üblichen‹ Handeln liegt
vielmehr darin, dass er überhaupt fähig ist, sich selbst von dem, wo­
mit er sich beschäftigt, in einem nicht trivialen Sinne zu unterschei­
den. Ob und wie sich die Erfahrung der Angst im Umgang mit Men­
schen und Dingen in der Welt genau widerspiegelt, wird von Heid­
eg­ger offen gelassen. Doch soviel ist sicher: Die einzelnen Dinge und
ihre Relationen, die der Mensch in der Welt besorgt, nehmen ihn in
Anspruch und üben dadurch eine gewisse Macht über ihn aus. Um
frei und individuell zu sein, muss der Mensch diese Macht als zu ihm
gehörig annehmen und in diesem Akt erweist er sich selbst als derje­
nige, der auch ihre Last übernimmt. Kann er die Macht der anderen
Menschen und der Dinge nicht integrieren, gerät er wiederum in die
Angst. Wenn diese Überlegung zutrifft, dann kann ein Mensch nicht
mehr dadurch hinreichend definiert sein, womit er sich beschäftigt.
Er muss auch als Stellung nehmender in Betracht gezogen werden.
Eben dies legt das Phänomen der Angst offen.
Das Gewissen stellt den Menschen vor eine Wahl, die er bereits
getroffen hat oder die er treffen soll. Oft macht das Gewissen so­
gar eine Wahl sichtbar, die sich unwillkürlich abgespielt hat, oder
zeigt eine Wahl in Situationen an, in denen es bloß selbstverständ­
liche Handlungen zu geben schien. Die Wahl ist nur als eine unter
verschiedenen Alternativen möglich, und das Gewissen betont den
Charakter ihrer gegenseitigen Ausschließlichkeit. Im Blick auf das
Gewissen besteht die Wendung zum Selbstsein also im Annehmen
dieser Negativität der Möglichkeiten, und zwar sowohl auf der
Seite der Faktizität, also in der Akzeptanz meiner eigenen Situation,
als auch auf der Seite des Entwurfs, also der Akzeptanz dessen, dass
ich nur einige für mich bedeutsame Möglichkeiten realisiere.
Jenes Phänomen, das Heid­eg­ger die Negativität der Geworfen­
heit nennt, unterstreicht die Situiertheit der Möglichkeiten: Wenn
ich jede Situation von einem Rahmen aus betrete, der für sie bereits
fertig ist und feststeht und den ich nicht ändern kann, muss ich ein­
fach hinnnehmen, dass dies meine Ausgangsposition ist, von der
aus ich mich auf die Dinge beziehe. Ich muss hinnehmen, dass ich
in keiner anderen Situation bin. Nur wenn meine Handlung auf die
alternative Situiertheit Bezug nimmt und so von den aktuell nicht-
existierenden Alternativen umgeben wird, wird meine Geworfen­
heit von der Negativität durchdrungen. Heid­eg­ger unterstreicht die
wesentliche Situationsgebundenheit der Handlung also mithilfe der
74 Jan Puc

Negativität der Geworfenheit. Anzunehmen, wer ich bin, bedeutet


mich gegenüber dem abzugrenzen, das ich nicht bin.
Im Unterschied dazu besteht die Negativität des Entwurfs im
Annehmen der Tatsache, dass ich bei der Wahl meiner Lebensmög­
lichkeiten sie grundsätzlich nicht alle werde realisieren können. Die
eine Möglichkeit schließt die andere aus.4 Auch dieser Zug am Ent­
wurfsdenken ist ein Resultat der Gewissensanalyse, denn gerade
diese hat den Finger auf das »Entweder – Oder« der Möglichkeiten
gelegt. Mein Selbstsein besteht demzufolge im Annehmen dieses
Charakters des Entwerfens, der inhärenten Begrenzung und Exklu­
sivität meiner Möglichkeiten. Nur weil sie sich ausschließen, können
Möglichkeiten meine sein. Die Wichtigkeit der Akzeptanz dessen
erweist sich in dem Moment, in dem ich durch die Realisierung der
einen Möglichkeit die andere aufgebe und ich also »einen Teil von
mir« auf Kosten eines anderen realisiere. Obwohl also etwas für
mich Wesentliches ›weniger‹ wird, werde ich Heid­eg­ger zufolge ge­
rade dadurch ich selbst. Heid­eg­gers Bestimmung der Freiheit hat
also nicht das Auffinden einer eindeutigen Werteordnung zum Ziel,
die diesen Konflikt lösen würde, sondern Freiheit liegt im Anneh­
men dieser Situation als etwas, das unvermeidlich zum Leben da­
zugehört. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn wir einen Bezug
zu den nicht-realisierten Möglichkeiten aufrechterhalten. Eben dies
ist mit dem Gedanken der Last angedeutet.
Der Akt des Annehmens ist nicht selbstverständlich, er liegt an
mir und nähert mich einerseits dem an, der ich bereits geworden
bin, und verschärft andererseits das Bewusstsein für die Wahl mei­
ner gerade eintretenden Möglichkeiten. Eben dieses Annehmen be­
deutet, dass ich die Möglichkeiten nicht nur bin, sondern dass ich
zu ihnen Stellung nehme. In einer wirklichen Wahlsituation, in der
ich einen Wert aufgebe, um einen anderen zu wählen, trage ich die
Last dessen, was ich nicht gewählt habe, und die Last des Wissens
um diesen Kreuzweg bezeichnet mich als denjenigen, der sie ertra­
gen muss. Tatsächlich eine Wahl zwischen meinen Möglichkeiten
zu haben befreit mich gerade nicht von der Last, wählen zu müssen,
sondern offenbart nur die Notwendigkeit, dass niemand anderes als
ich selbst diese Last zu tragen hat. Auch in der Geworfenheit über­
nehme ich durch das Annehmen dessen, was ich bin, die gänzliche
Last der Tatsache, dass ich nichts Anderes bin.

4 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 378.


Das Selbstsein 75

Fasst man diese Bestimmungen zusammen, dann besteht das


Selbstwerden also in der Antwort auf die gegenseitige, vom Ge­
wissen enthüllte Ausschließlichkeit der Möglichkeiten, konkret im
Annehmen der eigenen Situation angesichts anderer Situationen, wie
auch im Annehmen der Last der nicht-gewählten zukünftigen Mög­
lichkeiten. Den Akt, mit dem sich der Mensch in diesen beiden Er­
fahrungen über sein Selbstsein Klärung verschafft, kann Heid­eg­ger
deshalb das Annehmen des »Lastcharakters des Daseins«5 nennen.
Genau das macht auch den Gehalt von Heid­eg­gers Begriff der Ent­
schlossenheit aus.

2.

Die Entschlossenheit kann als ein Existieren im Einklang mit der


Tatsache bestimmt werden, dass der Mensch wesentlich Möglichkeit
ist und mit den Bedingungen, unter denen er dies ist. Der Mensch
kann sich als Möglichkeit nur unter der Bedingung ursprünglich
erblicken, dass er in und aus der Möglichkeit heraus einen Bezug
zum Lastcharakter des Daseins aufrechterhält. Dieser Bezug zum
Lastcharakter des Daseins meint allerdings, dass der Mensch mit
seinen Möglichkeiten nicht einfach identisch ist, sondern dass er
sie übernehmen muss. Damit gerät die ganze Konzeption an den
Rand eines formal-logischen Paradoxes: Der Mensch ist und ist zu­
gleich nicht seine Möglichkeiten. Er ist sie, weil er fähig ist, mittels
seiner Handlung etwas zu erreichen, weil er selbst etwas geschehen
machen und eine Änderung verwirklichen kann und weil er einige
von seinen Möglichkeiten aufgibt, um andere sein zu können. Zu­
gleich ist er seine Möglichkeiten aber nicht, weil er zu seinen eigenen
Möglichkeiten einen Bezug entwickelt. Sein Selbstsein geschieht in
der Form »Ich übernehme die Last meiner Möglichkeiten als meine
­eigene«. Gerade als derjenige, der sich auf sie bezieht, ist ein Mensch
nicht dasjenige, auf dass er sich bezieht. Im Übernehmen der Last
des Daseins kommt also eine wesentliche Distanz gegenüber den
eigenen Möglichkeiten zum Wort.
Im ersten Teil von Sein und Zeit wird der Mensch durch das defi­
niert, was er im gestimmten Verstehen besorgt, denn diese seine Tä­
tigkeit in der Welt spiegelt wider, wer er ist. Aus dem Phänomen der

5 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 179.


76 Jan Puc

Verflechtung mit der Welt kann aber nicht mehr gewonnen werden
als die schlichte Identität des Menschen und seiner Möglichkeiten.
Dagegen wird der Mensch erst durch das Phänomen des Selbstseins,
anhand dessen sich sein Selbstbezug herausbildet, vollständig be­
stimmt. Die Identität als Selbstbezug ist aber nicht mit der schlich­
ten Identität von Dasein und Möglichkeit identisch. Die schlichte
Identität genügt zur Definition des Menschen nicht mehr.
Welche Konsequenzen für das menschliche Selbstverständnis hat
jedoch der von Heid­eg­ger beschriebene Prozess der Selbstwerdung?
Die Antwort darauf verbirgt sich in der Unterscheidung der zwei
Identitätstypen, die dem Menschen eigen sind. Ein entschlossener
Mensch erhält den Bezug zur Last des Daseins dadurch aufrecht,
dass er sie in ihrer doppelten Gestalt übernimmt: erstens in der Not­
wendigkeit, das Andrängen konkreter Möglichkeiten zu meistern
und zweitens im Aufgeben mancher seiner Möglichkeiten durch
die Wahl anderer. Beides weist in dieselbe Richtung – es stellt die
schlichte Identität mit diesen einen oder mit jenen anderen Lebens­
möglichkeiten in Frage. Das Selbstverständnis der entschlossenen
Existenz spiegelt gerade die Unterbrechung der schlichten Identität
wider. Die Distanznahme zu Möglichkeiten entsteht gerade durch
das Bewusstsein davon, dass ein Selbstsein in keiner Möglicheit be­
steht, die ein Mensch sein könnte. Das Übernehmen der Last des
Daseins ist zwar notwendigerweise mit einer Möglichkeit-Werdung
verbunden, mit einer Konkretisierung des Möglichseins. Aber auch
wenn der Mensch nicht er selbst sein kann, ohne eine Möglichkeit
zu werden, identifiziert er sich doch selbst mit keiner seiner Mög­
lichkeiten. Er ist entschlossen, nur weil ihm seine Differenz zu der
Möglichkeit, die er ist, klar ist, das heißt die Unverhältnismäßigkeit
der schlichten Identität für die Abgrenzung des menschlichen Seins.
Ein entschlossener Mensch ist nicht er selbst um einer seiner Mög­
lichkeiten willen, sondern weil er sich als derjenige erfährt, der die
Last annimmt. Keine Lebensmöglichkeit ist also für die Umgren­
zung seiner Identität ausreichend. Wie gänzlich und intensiv er auch
eine bestimmte Möglichkeit zu sein versucht, er findet sich selbst
darin faktisch nicht und umgekehrt verliert sich selbst mit ihrem
eventuellen Verlust auch nicht. Für sein Selbstverständnis ist auch
typisch, dass kein Lebensweg mehr sein ›eigener‹ ist als ein anderer,
denn gerade der Zug des ›Meines-seins‹ ist vom Übernehmen der
doppelten Last des Daseins, also von einer gewissen Handlung dem
Lebensweg gegenüber abhängig. Deshalb bindet sich der Entschlos­
Das Selbstsein 77

sene streng genommen an keine Möglichkeit mehr als an eine andere,


sondern an den Akt des Übernehmens als solchen.
Da das Übernehmen der Last des Daseins laut Heid­eg­ger der
einziger Weg zu einem Selbstverständnis darstellt, das nicht mit der
schlichten Identität des Menschen mit seinen Möglichkeiten rechnet,
bedeutet nicht entschlossen zu sein dasselbe wie sich nur ontisch zu
verstehen, sich also als einfach identisch mit Möglichkeiten zu verste­
hen. Für jedes Selbstverständnis, in dem das Leben nicht als die Auf­
gabe erscheint, die Last des eigenen Daseins zu übernehmen, muss
also das Phänomen des Selbstseins unenthüllt bleiben. Es gibt kein
Selbst ohne die Annahme des Lastcharakters des Daseins. Gerade in
diesem Punkt können wir jedoch gegen Heid­eg­ger argumentieren.

3.

Es gibt faktisch ein Phänomen, das das Selbstsein anders denn als
ein Übernehmen der Last des Daseins enthüllt. Es ist nämlich das
Finden der bedeutenden Möglichkeit, die ich bin, das Enthüllen der
Möglichkeit, in der ich mich selbst finde. Mich selbst zu finden be­
deutet, mich in meinen Möglichkeiten zu orientieren, festzustellen,
welche tatsächlich meine ist und welche zu mir nicht passt, auch
wenn ich sie ebenfalls sein könnte. Der unterschiedliche Wert der
Möglichkeiten lässt sich nicht bestreiten und gerade das Suchen, Fin­
den, Annehmen und Ablehnen verschiedener Möglichkeiten gehö­
ren zu den Grundmodi, anhand deren ich Möglichkeiten unter­
schiedliche Werte zuschreiben kann. Zur Orientierung in der Welt
gehört das Suchen des eigenen Platzes, wie auch der Lebensmöglich­
keiten – seien es wichtige Lebensrollen, seien es Tätigkeiten, die wir
mit großen Emotionen erleben, oder seien es unsere ganz unauffäli­
gen Gewohnheiten –, die uns faktisch erfüllen oder erfüllen werden.
Die Möglichkeit, die ich zur Bestimmung meiner Identität für un­
entbehrlich halte, gründet sich nicht auf die für den entschlossenen
Lebensstil typische Distanz zu Möglichkeiten. In einer für mich we­
sentliche Möglichkeit bin ich ich selbst nicht aufgrund des Überneh­
mens der Last des Daseins, sondern dadurch, dass ich mich mit einer
bestimmten Möglichkeit identifiziere und mit einer anderen nicht.
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die wir nur im geringen Maße
sind, denn wir gestatten ihnen nicht – aus welchen Gründen auch
immer – uns zu bestimmen, sondern bleiben auf Distanz. Im Gegen­
78 Jan Puc

satz zur Vielheit der Möglichkeiten, die wir sind und von denen wir
trotzdem nicht sagen würden, sie seien tatsächlich unsere, gibt es nur
wenige, die wir zur Abgrenzung unserer Individualität für unent­
behrlich halten. Die Wichtigkeit einer solchen Möglichkeit besteht
gerade darin, dass ihr der Mensch seine Identität überlassen kann.
Aber was bedeutet das, sich einer Möglichkeit zu überlassen? Jede
Möglichkeit, obwohl sie unsere oder für uns ist, stellt eine eigen­
artige Kraft dar. Jede Verwirklichung der Möglichkeit fordert not­
wendig Respekt für die Bezüge, die sie ausmachen. Das Sichunter­
werfen unter diese Bezüge ist notwendige Bedingung für jedwede
Tätigkeit, unabhängig davon, ob die Möglichkeit selbst ein Mittel
für weitere Möglichkeiten ist, oder nicht. Dieser Verzicht auf eine
Distanznahme gegenüber den Bewegungen, den Bezügen oder den
Kräften, die eine bestimmte Möglichkeit konstituieren, macht die
gesuchte Erfahrung des Sichüberlassens aus. Für ein besseres Ver­
ständnis davon, worin diese Identität des Menschen besteht, müssen
die sie formenden Wirkbezüge erforscht werden.
Erstens kann die Frage gestellt werden: Wenn für das Sich-einer-
bestimmten-Möglichkeit-überlassen ein Sich-ihr-unterwerfen not­
wendig ist, ist damit gemeint, dass ich im Bezug zu ihr passiv bleibe,
während diese Möglichkeit aktiv auf mich wirkt? Für das beschrie­
bene Phänomen ist tatsächlich die Verminderung des eigenen Wil­
lens wesentlich, der einen solchen Augenblick nicht als ein Mittel
zu einem anderen Zweck betrachten und sich auf diese Weise damit
abfinden kann. Sich selbst in einer bestimmten Möglichkeit zu fin­
den, bedeutet ihre ganze Struktur samt ihren inneren Bezügen als
eigene zu entdecken, nicht aber, sie zum Entdecken von sich selbst
zu gebrauchen. ›Ich habe mich in ihr entdeckt‹ lässt sich dann sa­
gen, oder sogar: ›Dank ihrer habe ich entdeckt, wer ich eigentlich
bin.‹ Die Tätigkeit als solche verliert dadurch sicherlich nicht an
Nützlichkeit und an Zweckmäßigkeit, aber mein Selbstentdecken
geschieht nicht dank ihrer Einordnung in die Zweckstrukturen, son­
dern dank meiner Unterwerfung unter die Struktur der Tätigkeit. In
dieser Hinsicht bin ich tatsächlich nicht aktiv. Die in sich bestimmte
Tätigkeit regt mich an, ihr zufolge zu handeln, und wenn diese An­
regung nicht mit einer Schicht ihr äußerlicher Zwecke überdeckt ist,
trete ich eher auf als jemand, der sich von dieser Tätigkeit bestimmen
lässt, denn als jemand, der sie bestimmt.
Die Erfahrung der Passivität, die darin liegt, stellt jedoch nur die
eine Hälfte des beschriebenen Phänomens dar. Sein anderer kons­
Das Selbstsein 79

titutiver Zug ist der Akt des Sichüberlassens. Gerade mein eigenes
Handeln gegenüber dieser Möglichkeit zeigt mich selbst als einen
aktiven Bestandteil der Situation. Diese Aktivität besteht in der An­
lehnung an die konkrete Struktur der Möglichkeit, die nicht durch
die Wahl geschieht – ich wähle nicht, in welcher Möglichkeit ich
mich befinden werde –, sondern in der Fähigkeit, sie durch die ei­
gene Aufmerksamkeit und durch das Interesse an ihr zu entdecken.
Die Struktur der Tätigkeit ist kein gleichgültiges, unbestimmtes Wir­
ken, das wir durch unseren eigenen Akt übernehmen und formen
und ihm so durch die Einordnung in unser Leben einen Sinn gäben.
Die Tätigkeit, der wir uns überlassen, ist bereits an sich sinnvoll, aber
durch unser Interesse entdecken wir ihre tieferen Strukturen, ihr ei­
genes Agieren. Falls sich der Mensch in einer seiner Möglichkeiten
findet, gehört es deshalb zu dieser Erfahrung, zu lernen, diese Tätig­
keit als seine eigene anzunehmen und in dieser er selbst zu sein. Ge­
rade dieses Entdecken des zuvor verhüllten Wirkens, das Erlernen
des Selbstseins durch das Meistern der Tätigkeit und das Interesse
oder die Aufmerksamkeit, die jemand dieser widmet, sind Aktivitä­
ten, durch die er sich einer bestimmten Tätigkeit überlässt. In jeder
von diesen Aktivitäten wird er von der Struktur der Tätigkeit selbst
geleitet und dennoch ist er in keiner dieser Aktivitäten passiv. Das
Sichüberlassen an eine Möglichkeit ist als ein wechselseitiges Wirken
zu verstehen: Das Interesse gegenüber der eigenen Tätigkeit enthüllt
ihre Struktur und die Struktur dieser Tätigkeit bestimmt ihrerseits
die konkrete Handlung des Menschen und erfüllt seine Identität.
Ähnlich wie bei der Entschlossenheit beruht die Individualität
auch im Falle des hier untersuchten Selbstseinsmodus auf der Un­
verwechselbarkeit. Diese Unverwechselbarkeit erhält sich als ein
lebendiger Bezug zwischen jener privilegierten Möglichkeit auf­
recht, die die Identität des Menschen erfüllt, und dem Menschen, der
sich von eben dieser Möglichkeit angesprochen derselben überlässt.
Durch seinen Akt wird er sich sowohl der Unverwechselbarkeit
dieser Möglichkeit als auch der Unverwechselbarkeit seines eige­
nen Platzes bewusst, den er dank ihrer unter verschiedenen anderen
Möglichkeiten gewonnen hat.
Da ein solches Selbstsein nicht unter den Begriff der Entschlos­
senheit fällt, muss es vom Standpunkt der Philosophie Heid­eg­gers
als eine bloß ontische Möglichkeit des Menschen, als eine schlichte
Identifizierung mit einer von seinen Möglichkeiten erscheinen. Die
beschriebene Wechselseitigkeit zeigt allerdings, dass die Erfüllung
80 Jan Puc

der eigenen Identität mit einer bestimmten Möglichkeit nicht die


schlichte Identität von Dasein und Möglichsein ist. Auch hier ist
ein Bezug zur Möglichkeit notwendig, doch hat dieser Bezug nicht
denselben Distanzcharakter wie die Entschlossenheit. Das Erfahren
der eigenen Aktivität, sei es das Sichüberlassen an eine bestimmte
Möglichkeit oder das Übernehmen der Last des Daseins, beruht
im Selbstbezug des Menschen – der Mensch bezieht sich auf die
Möglichkeit, die er ist. Aber während die Entschlossenheit von der
konkreten Möglichkeit, die ich werde, solcherart abhängt, dass ich
ihre Last meistere, tritt die Möglichkeit im Sichüberlassen nicht als
existentiell belastend, als schwer auf, sie drängt mich nicht, sondern
spricht mich durch ihre Nähe an und ich überlasse mich ihr. Diese
Möglichkeit bemächtigt sich meiner nicht, obschon sie mein Selbst­
sein ganz konkret bestimmt.
Diese Überlegung hat uns einen Anhaltspunkt für die Beantwor­
tung eines potentiellen Einwandes gewährt, der aus der Heid­eg­gers
Position extrapoliert werden kann. Der Einwand lautet, es seien nur
zwei Typen von Identität denkbar. Der Mensch sei (1) entweder
mit sich selbst schlicht (ontisch) identisch, beachte eine mögliche
Handlung gegenüber sich selbst nicht und verhülle also sein Sein
im Selbstbezug, oder aber er (2) verschaffe sich (ontologisch) einen
Bezug zu sich selbst durch das Übernehmen der Last des eigenen
Daseins. Die Erfahrung des Sichüberlassens an eine bestimmte Mög­
lichkeit hat aber gezeigt, dass der Mensch ein Selbstbezug sein und
zugleich in der Nähe konkreter Möglichkeiten bleiben kann. Des­
halb darf dieser Selbstseinsmodus nicht für eine Art Nicht-Eigent­
lichkeit der Existenz gehalten werden, die sich durch das Verfallen
daran, wie man Dinge macht, als Sichverlieren in den Tätigkeiten
des Besorgens definiert. Auch wenn ich durch die Tätigkeitstruktur,
der ich mich unterwerfe, geführt oder getragen werde, verliere ich
deswegen den eigenen, meinen Selbstbezug garantierenden Akt des
Michüberlassens nicht. Mein Ich, mein Selbstsein tritt hier in einer
anderen Gestalt auf, doch nicht weniger deutlich als meine.
Die Verklammerung der beiden Selbstseinsmodi hat Folgen für
das Selbstverständnis. Im Grunde genommen kann sich der Mensch
sowohl aus jedem »Extrem« separat, als auch aus ihrer Überschnei­
dung heraus verstehen. Der nur entschlossene Mensch lässt keine
Lebensmöglichkeit sein Selbstsein bestimmen. Er kann zwar den
Angstzustand nicht aktiv hervorrufen, aber gerade durch seine Ent­
schlossenheit nimmt er das Risiko auf sich, dass er ihn häufiger als
Das Selbstsein 81

andere Menschen erfahren wird, weil ihm alle Möglichkeiten mit


Rücksicht auf sein Selbstsein gleichmäßig ungenügend erscheinen.
Aus diesem Blickwinkel überrascht nicht einmal die Bemerkung
Heid­eg­gers, dass sich der entschlossene Mensch über seine Angst
freut.6 Denn falls er tatsächlich entschlossen ist, kann ihm die Angst
eigentlich nichts mehr entziehen, und im Gegenteil kann er sich
selbst (wieder) gewinnen. Dagegen läuft der Mensch, der sich nur
in der Identifikation mit jener Möglichkeit, die er als seine eigene
gefunden hat, hält, Gefahr für andere Möglichkeiten nicht länger
offen zu sein. Sobald er aber einen wirklichen Konflikt verschie­
dener Möglichkeiten in sich entdeckt, muss er sich zwischen ih­
nen entscheiden und so die Last der ungewählten Möglichkeiten
tragen. Dabei ist aber ausschlaggebend, ob er diese Last künftig in
seine Identität hineinreden und diese unterbrechen lässt, oder ob
er diese vielmehr ausschließen und weiter eine reine Möglichkeit
suchen wird.
Der Mensch ist jedoch nicht gezwungen, das eine oder das andere
Extrem als seines anzunehmen. Macht er sich selbst keinen eindeu­
tigen Begriff des Selbstseins, sondern versteht sich als eine Über­
schneidung zweier verschiedener Konzeptionen des Selbstseins,
dann entdeckt er, wie die eine Konzeption der anderen widerspre­
chen und sie sich zugleich im gegenseitigen Wechselbezug ergänzen
können. Sich selbst sowohl aus dem Lastcharakter des Daseins als
auch aus dem Sichüberlassen an bestimmte Möglichkeiten zu ver­
stehen, schließt letztendlich aber zweierlei Gefahren in sich: Einer­
seits kann unsere Identifikation mit einer bestimmten Möglichkeit
eine Flucht vor der Last des Daseins werden. Andererseits kann ein
bloß durch die Entschlossenheit geführtes Selbstverständnis eine der
Situation unangemessene Vergrößerung der Last mit sich bringen,
sodass wir die konkreten Möglichkeiten, die wir sind, übersehen.
Das Drama des menschlichen Seins besteht gerade im Suchen des
eigenen Platzes zwischen diesen zwei Extremen.

6 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 410 –411.


Christophe Perrin
L’impropriété de l’authenticité
Sur le sens propre de l’Eigentlichkeit chez Heid­eg­ger

Des concepts heideggériens typiquement marbourgeois, celui


d’Eigentlichkeit laisse pantois. N’étant forgé ni à Marbourg, ni par
Heid­eg­ger, il n’en est pas moins le porte-drapeau de ce « jargon de
l’authenticité » qu’avec Adorno1, d’aucuns reprochent au natif de
Messkirch de développer en quittant le Bade-Wurtemberg pour la
Hesse, après avoir été nommé Extraordinarius à la Philipps-Univer­
sität. Si, sous la plume heideggérienne, Eigentlichkeit vient qualifier
le comprendre dès 1921/19222, avant que son contraire, Uneigent­
lichkeit, ne précise la tradition en 19233, l’usage régulier d’un tel mot
par Heid­eg­ger entre 1923 et 1927 lui vient en effet de Husserl qui,
dans sa Philosophie der Arithmetik de 1891, reconnaît lui-même
l’hériter de Brentano.4 D’ailleurs, le sens de cet emploi est, au dé­
part, commun au maître et à son élève : il s’agit par Eigentlichkeit
de désigner la compréhension adéquate visée dans l’attitude phéno­
ménologique dans sa différence avec celle de l’attitude naturelle qui
ne l’est pas. Mais la conceptualisation originale connue par la notion
dans le cours donné par Heid­eg­ger à Marbourg durant le semestre

1 Theodor W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit. Zur Deutschen Ideologie,


Frankfurt am Main, 1964.
2 Voir Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles, GA 61,
62 et 189.
3 Voir Heid­eg­ger, Ontologie, GA 63, 75.
4 Edmund Husserl, Philosophie der Arithmetik, Hua XII, 193 (note) :
« Dans ses cours d’université F. Brentano a insisté depuis toujours avec la
plus grande force sur la différence entre représentations ‹ eigentlich › et re­
présentations ‹ uneigentlich ›. C’est à lui que je dois d’avoir profondément
compris l’extrême importance de la représentation uneigentlich dans toute
notre vie psychique ».
84 Christophe Perrin

d’hiver 1925/1926, Logik. Die Frage nach der Wahrheit – plus pré­
cisément dans un développement qui fait figure d’ébauche littérale
du § 9 de Sein und Zeit –, fait d’elle un motif central d’une hermé­
neutique de la facticité commuée en analytique existentiale et dans
laquelle, couplée à l’Uneigentlichkeit, l’Eigentlichkeit est présentée
comme l’une des « possibilités fondamentales de l’être du Dasein ».5
Or cette possibilité, l’étant que je suis ne la saisit jamais d’emblée
pour Heid­eg­ger, voire ne la saisit jamais vraiment. De prime abord
et le plus souvent, le Dasein n’est pas maître de lui-même, puisqu’il
n’est pas même celui qu’il est. Le « On (Man) » l’est, lui6, et il est
lui, incapable d’exister de sa propre autorité tel un ‹ auteur respon­
sable › – ce que signifie proprement en grec αυθέντησ, dérivé d’αὐτός
et duquel dérive αυθέντικος. D’où notre embarras. Car le problème
est, d’un côté, de traduction : comment rendre ‹ Eigentlichkeit › dans
notre langue quand Heid­eg­ger interdit de le faire par ‹ authenticité ›
(Echtheit)? Mais il est, de l’autre, d’interprétation : comment com­
prendre l’Eigentlichkeit comme un possible quand Heid­eg­ger dé­
crit son contraire comme nécessaire? Et inutile de préciser que tout
est lié : pour interpréter, il faut traduire, et pour traduire interpréter.

Du texte au mot

« L’étant que nous avons pour tâche d’analyser, nous le sommes à


chaque fois nous-mêmes. L’être de cet étant est à chaque fois le mien.
Dans son être, cet étant se rapporte lui-même à son être. En tant
qu’étant de cet être, il est remis à son propre être ».7 Ainsi commence
le § 9 de Sein und Zeit d’où Heid­eg­ger tire aussitôt pour « consé­
quences » deux déterminations fondamentales du Dasein, à savoir,

5 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 228. Formule
quasi identique en 1927 : « les possibilités fondamentales de l’existence » –
Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 403.
6 Voir Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 172 : « De prime abord, ‹ je › ne ‹ suis ›
pas au sens du Soi-même propre, mais je suis les autres selon la guise du
On. C’est à partir de celui-ci et comme celui-ci que, de prime abord, je suis
‹ donné › à moi-‹ même ›. Le Dasein est de prime abord On et le plus souvent,
il demeure tel ». Le point est acquis dès 1922 : « C’est le ‹ on › qui en fait vit
la vie de l’individu » – Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation,
GA 62, 358.
7 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 56.
L’impropriété de l’authenticité 85

d’une part, l’« existentialité (Existenzialität) » : son « ‹ essence › […]


réside dans son existence », et, d’autre part, la « mienneté (Jemeinig­
keit) » : « l’être dont il y va pour cet étant en son être est à chaque
fois mien ».8 Pour comprendre cette ‹ essence ›9 qui se tient dans une
existence, il faut bien sûr réapprendre ce qu’exister veut dire. Car
exister ne signifie pas ex-sistere pour Heid­eg­ger, autrement dit se
tenir hors de ses causes et détenir un être en tentant de se maintenir
comme tel, mais bien au contraire ek-stare, se poser hors de soi pour
se rapporter à l’être, le porter, l’endurer, bref le prendre en charge
sur tel ou tel mode. Exister, en somme, revient à « avoir-à-être (Zu-
sein) »10 son être, faire de l’être le projet de son être, et cela toujours
et depuis toujours, tant c’est d’emblée que le Dasein se trouve non
pas placé face à des possibilités, mais jeté malgré lui devant elles. Le
Dasein est ainsi « pouvoir-être (Seinkönnen) ».11 Il n’est qu’en tant
qu’il peut être. Or, parce qu’il « se rapporte à son être comme à sa
possibilité la plus propre »12 et que toute possibilité par lui choisie
ou refusée est pour lui une façon de se déterminer, c’est avec lui de
l’être lui-même qu’il s’agit à tout moment. En se décidant en effet,
le Dasein s’investit lui certes, mais il investit aussi tout le champ de
l’étant, sa manière d’être décidant de celle de tout ce qui l’entoure.
C’est dire l’importance du fait que le Dasein est en lui-même « en-
vue-de-soi-même (umwillen seiner selbst) ».13 Aussi est-ce un rap­
port à soi qu’inaugure l’existentialité et que constitue la mienneté.
On saisit ici l’étroite complicité de l’existentialité et de la mienneté :
si le fait que j’ai à être mon être est une tâche qui est mienne, le fait
d’être à chaque fois mien, c’est-à-dire le fait d’être un Dasein à pro­
prement parler, est à être. En somme, l’être de l’étant que je suis à
chaque fois ne peut être mien que si je m’y rapporte résolument. Par
conséquent, l’important n’est pas que je sois, mais que je sois moi,
moi qui suis. Être moi n’est pas un fait accompli, solidaire de la pré­
donation d’un moi-substance ; être moi est un faire infini, tributaire
de l’engagement pour telle ou telle possibilité d’être qui définit mon

8 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 56.


9 Les guillemets de licence sont nécessaires, le mot n’ayant pas ici le sens de
l’essentia ou de la quidditas de la métaphysique classique. Heid­eg­ger y insiste
assez en 1946 – Heid­eg­ger, Brief über den Humanismus, GA 9, 325–329.
10 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 56.
11 Le terme affleure en 1924 – Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 78.
12 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 57.
13 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 314, 433, 440 et 482.
86 Christophe Perrin

rapport à mon être – soit mon ipséité14. Si mon être est dès lors l’en­
jeu du fait que je me mette en jeu, puisque je m’y mets en personne,
je ne peux le faire semble-t-il que comme un je. Dans ces conditions,
le Dasein s’écrit au singulier et appelle la première personne. Il faut
donc affirmer avec Didier Franck que « la mienneté est le rapport du
Dasein à son être qui rend possible le pronom Je. Le Je dérive de la
mienneté et non la mienneté du Je, le même du moi-même précède
le moi »15, et ajouter avec Jean-Luc Marion que « si le Soi ne déter­
minait pas le Je, aucun étant ne serait tel qu’il puisse se mettre en
lui-même en jeu dans son être même – précisément parce qu’aucun
même ne serait alors accessible ».16 S’ensuit que plus profond que le
moi se tient le soi, celui-là n’étant que le dérivé de celui-ci et celui-ci
pouvant sans doute déterminer celui-là de deux manières distinctes.
De fait comme en droit, poser qu’il m’appartient de m’appartenir,
n’est-ce pas supposer que je puis être mon être comme ne l’être pas?
Heid­eg­ger ne le fait pas seulement entendre : il l’affirme en vérité.
Dans la mesure où la possibilité, « comme existential », est « la déter­
minité ontologique positive la plus originaire et ultime du Dasein »17,
selon lui, cet étant porte en lui « une possibilité de lui-même d’être
lui-même ou de ne pas être lui-même »18, si bien qu’il « peut se ‹ choi­
sir › lui-même en son être, se gagner, ou bien se perdre ».19 À partir
de l’hiver 1925, Heid­eg­ger parle d’Eigentlichkeit pour désigner ce
gain, d’Uneigentlichkeit pour indiquer cette perte, et précise que
ces « deux modes » d’être « se fondent dans le fait que le Dasein est
absolument mien ».20 Parce que celui-ci « a d’une certaine manière
en main son propre être »21, lui est propre cette propriété d’être ou
non en propre, de s’assumer ou de s’esquiver, de coïncider avec son
être ou de le manquer. Si chacun peut être un Dasein, il n’y a donc
que moi qui puisse être un Dasein pour moi. C’est pourquoi le pro­

14 La définition de l’ipséité est tout à fait claire en 1927 : « L’ipséité – le fait


que pour cet étant il y aille dans son être de son pouvoir-être lui-même » –
Heid­eg­ger, Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 422.
15 Voir Didier Franck, Heid­eg­ger et le problème de l’espace, Paris 1986, 31.
16 Voir Jean-Luc Marion, Réduction et donation. Recherches sur Husserl,
Heid­eg­ger et la phénoménologie, Paris 1989, 158.
17 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 191.
18 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 17.
19 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 57.
20 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 229.
21 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 391.
L’impropriété de l’authenticité 87

blème n’est pas de savoir si, ontiquement, le Dasein c’est moi, mais
de savoir si, ontologiquement, je suis suffisamment moi pour être
sur le mode du Dasein adéquat.22 Or la chose n’est pas aussi simple
que l’on croit, tant le Dasein ne prête généralement pas attention à
l’être qu’il est, pour cette raison même qu’il l’est. Il en résulte qu’il
ne se tient d’ordinaire ni sur un mode, ni sur l’autre, mais dans une
« remarquable indifférence (merkwürdige Indifferenz) »23, en vertu
de laquelle il n’est ni tout à fait lui-même, ni tout à fait un autre. Voilà
en définitive un troisième régime d’être24, et non le moindre puisque
le premier dans les faits. Occupé par ce qu’il fait au quotidien, le
Dasein ne se soucie pas de lui et, par suite, ne prend pas part à cette
‹ partie › qu’il doit jouer : son existence.25 Bien qu’il soit sa possibilité,
au lieu de décider de son être, il se laisse être, porté « par le monde
où il est » et emporté par « l’impulsion à vivre ».26 D’où suit le « ni­
vellement des possibilités » qui sont les siennes « à la mesure de ce
qui est de prime abord disponible » et, pis, l’« aveuglement du pos­
sible comme tel », tant il « se satisfait auprès du simplement ‹ réel › ».27
« Faire et, en faisant, se faire » a beau dire Jules Lequier avant Sartre :
pour le Dasein qui, ce faisant, se fait le sujet qu’il n’est pas, cela ne
vaut pas. En raison de « son identification préoccupée (besorgendes
Aufgehen) »28 aux étants avec lesquels il a affaire, dans son auto-ex­
plicitation quotidienne, le Dasein ne se voit que dans leur reflet et se
mécomprend essentiellement.29 Faudrait-il parler d’inauthenticité?

22 Rappelons qu’adéquat vient du latin adaequatus, participe passé


d’adaequare, c’est-à-dire ‹ rendre égal à › depuis le 1er siècle avant notre ère,
et, à partir du latin chrétien de Tertullien, ‹ correspondre exactement à › – cf. le
chapitre 8 de son De anima.
23 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 230.
24 Choisissant, dans son analytique existentiale, d’interpréter le Dasein
« dans l’indifférence de son de-prime-abord-et-le-plus-souvent » – Heid­eg­ger,
Sein und Zeit, GA 2, 58 –, Heid­eg­ger entérine ce point : « Au Dasein existant
appartient la mienneté comme condition de possibilité de l’Eigentlichkeit et
de l’Uneigentlichkeit. Le Dasein existe à chaque fois en l’un de ces modes,
ou dans leur indifférence modale » – Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 71.
25 Que l’on ne s’étonne pas de cette métaphore qui nous est directement
soufflée par Heid­eg­ger lui-même, lorsqu’il écrit du Dasein que, « existant, il
s’est à chaque fois déjà aménagé un espace de jeu (Spielraum) » – Heid­eg­ger,
Sein und Zeit, GA 2, 486.
26 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 259.
27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 258.
28 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 172.
29 C’est là le phénomène thématisé en 1927 sous le vocable de « réflexion »
88 Christophe Perrin

Assurément pas, et à double titre. D’abord parce que qui ne joue


pas ne peut pas plus perdre qu’il ne peut gagner. Ensuite parce que
même à penser que qui ne joue pas ne peut que perdre, il pourrait
fort bien le faire avec authenticité – auquel cas l’on devrait dire que
qui perd gagne. Au vu de ce que Heid­eg­ger déclare en 1925/1926, les
traductions françaises – aussi bien qu’anglaises d’ailleurs – d’Eigent­
lichkeit et d’Uneigentlichkeit – ‹ authenticité ›/‹ inauthenticité › ou
‹ authenticity ›/‹ inauthenticity › – consistent en des impropriétés.
Accordant que « les modes de l’Eigentlichkeit et de l’Uneigentlich­
keit » peuvent « se croiser avec le mode de l’authenticité (Echtheit)
ou de l’inauthenticité (Unechtheit) », Heid­eg­ger fait remarquer en
effet qu’« il y a une Eigentlichkeit inauthentique, c’est-à-dire un fait
d’être auprès de soi inauthentique du Dasein, comme il y a une au­
thentique Uneigentlichkeit, c’est-à-dire une authentique perte crois­
sante de soi-même ».30 En 1927, le point est encore plus net :

De manière nicht eigentlich, cela signifie : non point tels que


nous pouvons nous appartenir en propre fondamentalement. […]
L’auto-compréhension moyenne du Dasein prend le soi comme
un-eigentlich. Cette auto-compréhension non-propre du Dasein
ne désigne absolument pas une auto-compréhension inauthentique
(unecht). Au contraire, cet ‹ être-soi › quotidien au sein de l’être pas­
sionnément pris par les choses, caractéristique de l’existence facti­
cielle, peut très bien être authentique (echt), tandis que toute in­
vestigation extravagante dans les recoins de l’âme peut être au su­
prême degré inauthentique, voire pathologique dans sa prétention.
L’auto-compréhension impropre du Dasein à partir des choses n’est
ni inauthentique ni spécieuse, comme si ce n’était pas le soi, mais
quelque chose d’autre qui fût compris par là, se donnant prétendu­
ment pour le soi.31

ou « réfraction (Rückstrahlung) » – Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 22 – et


dont Heid­eg­ger précise à ses étudiants qu’il ne désigne pas, « comme c’est
généralement le cas, l’autofascination de l’ego replié sur lui-même, mais un
ensemble de relations, comme l’atteste l’acception optique du terme. Se réf­
léchir (reflektieren) signifie alors se réfracter sur quelque chose (sich an et­
was brechen), en rejaillir, c’est-à-dire se montrer en se reflétant sur quelque
chose » – Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 226.
30 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 226–227.
31 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 228.
L’impropriété de l’authenticité 89

Sous la figure du On, le Dasein quotidien n’est pas spécialement


inauthentique. Faisant ce que l’on fait d’ordinaire en étant tout à ce
qu’il fait, comment n’agirait-il pas de manière authentique? Existante,
la solution au problème de traduction qui se pose alors consiste à
rendre Eigentlichkeit / Uneigentlichkeit par ‹ propriété ›/‹ impro­
priété ›. Pertinente, elle l’est à condition d’entendre strictement les
deux mots dans le sens qui est le leur quand ils qualifient justement
des mots – ainsi lorsque l’on parle de la propriété ou de l’impropriété
de tel ou tel terme – et signifient le caractère de ce qui convient ou de
ce qui ne convient pas. On ne saurait faire mieux qu’à parler d’‹ ap­
propriement › et d’‹ inappropriement › – mais ce dernier substantif
serait dans notre langue un néologisme. Va donc pour ‹ propriété ›,
mais à condition de maintenir une légère différence entre les adjectifs
eigen / uneigen – ‹ propre ›/‹ impropre › – et eigentlich / uneigentlich
– ‹ approprié ›/‹ inapproprié › –, ce qui est loin d’être toujours le cas.
Préférons cela dit ici la saisie de l’esprit au souci de la lettre.
En rendant Eigentlichkeit autrement que par ‹ authenticité ›, on se
libère surtout d’une difficulté herméneutique, à savoir l’équivoque et
les connotations axiologiques nécessairement véhiculées par un tel
équivalent français – ou anglais – qui, au demeurant, constitue une
catégorie précise dans l’histoire des idées. Éminemment moderne,
l’authenticité est une notion issue de la philosophie des Lumières et
de l’idée selon laquelle l’homme est un être doté d’une profondeur
intérieure, dans laquelle la vérité est à trouver. L’authenticité s’avère
du coup à la fois une valeur et un idéal. Surgissant également dans
un horizon social, elle renvoie à la nostalgie d’une vie plus naturelle,
éprouvée par des nobles déracinés et fatigués de ce que Norbert
Elias nomme la « société de cour », où le masque et la composition
sont de rigueur. Au XIX e siècle, la bourgeoisie prussienne et le mou­
vement romantique conféreront à ce thème une dimension éthique
et politique. L’authenticité sera bientôt tenue pour l’apanage d’une
bourgeoisie fière de son sol natal et finira par s’opposer à l’artifice et
au cosmopolitisme d’une aristocratie encline à préférer, à sa propre
culture, celle d’une France hégémonique intellectuellement et ter­
ritorialement. Aussi deviendra-t-elle le motif cardinal d’une esthé­
tique spécifique sacralisant la pureté des origines, avant de voir sa
définition enrichie par les travaux de Lionel Trilling32 et de Charles

32 Voir Lionel Trilling, Sincerity and Authenticity, Cambridge 1972.


90 Christophe Perrin

Taylor33, dans le cadre de ce qui se nomme aujourd’hui « l’éthique


de l’authenticité ».34 Or, à prêter attention à ce que déclare Heid­eg­
ger, sa réflexion sur l’Eigentlichkeit ne répond pas à une question
de valeur mais à une question de grammaire pour ainsi dire, sinon à
une question d’accord : dans la mesure où son être lui permet de ne
pas le faire, le Dasein parvient-il à exister en personne, à la première
personne, ou, sans même être quelqu’un, est-il abonné, pour ne pas
dire condamné à la troisième d’entre elles?35

Du mot au texte

Car il faut l’avouer, les propos heideggériens quant à l’Eigentlichkeit


sont, dans le cours du semestre d’hiver 1925/1926 comme dans le
traité de 1927, nimbés d’une certaine ambiguïté. Si ce ne sont donc
pas deux mais trois possibilités modales d’existence que notre au­
teur reconnaît au Dasein – se gagner, se perdre ou ne pas jouer –, à
dire vrai il en évoque encore deux autres – « ne se gagner jamais, ou
se gagner seulement ‹ en apparence › »36, c’est-à-dire se perdre fon­
damentalement en substance –, qui reviennent à la deuxième. Est-ce
à dire que la perte – l’Uneigentlichkeit –, qui l’emporte sur le gain
– l’Eigentlichkeit –, l’emporte aussi sur le non-jeu – l’Indifferenz –?

33 Voir Charles Taylor, Ethics of Authenticity, Cambridge 1992.


34 Évidemment, la locution évoque aussi bien Sartre – songeons aux liv­
res de Linda A. Bell, Sartre’s Ethics of Authenticity, Tuscaloosa 1989, ou
d’Yvan Salzmann, Sartre et l’authenticité. Vers une éthique de la bienveillance,
Genève 2000 – et, par suite, ne peut convenir à Heid­eg­ger. Qu’il suffise pour
s’en convaincre de se remémorer la mise au point de 1946 sur l’essentielle
différence de l’analytique existentiale avec l’existentialisme – voir Heid­eg­ger,
Brief über den Humanismus, GA 9, 321–340.
35 Certes, « le Dasein, disant ‹ Je ›, vise l’étant qu’il est à chaque fois lui-
même ». Mais généralement séduit par l’étant qu’il manie et spontanément
réduit à lui, « dans le ‹ Je › » du « dire-Je ‹ naturel › » toujours « s’exprime le
soi-même que, de prime abord et le plus souvent, je ne suis pas » – Heid­eg­
ger, Sein und Zeit, GA 2, 426. Aussi suis-je On, autant dire personne, ce que
Heid­eg­ger souligne dès 1924 : « Ce que (chacun) est et sa manière d’être, c’est
personne. Il n’est personne et pourtant tous ensemble ; tous ne sont pas eux-
mêmes. Ce ‹ personne › par lequel dans la quotidienneté nous-mêmes sommes
vécus, c’est le ‹ On › » – Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 113, mais
aussi 27, 29, 53, 76, 120 ; Ontologie, GA 63, 32 ; Prolegomena, GA 20 341,
et bien sûr Sein und Zeit, GA 2, 170 –171, 235, 336, 356, 369.
36 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 2, 57.
L’impropriété de l’authenticité 91

À moins que le non-jeu conduise à la perte, en sorte qu’il empêche­


rait tout gain? Mais dans les deux cas, l’existence est-elle encore un
jeu? À ses étudiants marbourgeois, Heid­eg­ger explique que, « de
prime abord et le plus souvent, le Dasein ne s’est pas encore ga­
gné en propre, il ne s’est pas encore trouvé lui-même », sinon « s’est
perdu », sans que cet état de fait soit l’apanage de la jeunesse, dans
laquelle on se cherche, mais l’apanage de « la vie la plus vivante »,
celle où « occupé, stimulé, intéressé, réjoui »37, on est ce que l’on fait
et, par là même, ne fait pas ce que l’on est. Dès lors, l’Uneigentlich­
keit n’est-elle pas un destin, et un destin sisyphéen? Avancée, l’hy­
pothèse a pourtant déjà été réfutée, et à bon droit.38 Non : quoiqu’il

37 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 229.


38 Si Hubert Dreyfus et Jane Rubin ont défendu cette idée – « Kierke­
gaard, Division II and Later Heid­eg­ger », in: Hubert L. Dreyfus, Being-
in-the World. A Commentary on Heid­eg­ger’s Being and Time, Division I,
Cambridge 1991, 299 –, Taylor Carman l’a combattue. Méthodique, celui-ci
résume leur raisonnement. Flottant selon eux, le concept heideggérien de
déchéance, ce mouvement par lequel quotidiennement le Dasein perd de
vue son être propre en succombant au monde et à l’être-explicité public du
On, la ferait tantôt désigner « a permanent structural feature of being-in-
the-world that constantly inclines us toward an inauthentic mode of exis­
tence », tantôt « the motivated result of Dasein’s temptation to ‹ flee › from
its own nullity » – « Must we be Inauthentic? », in: Mark Wrathall et Jeff
Malpas, Heid­eg­ger, Authenticity and Modernity. Essays in Honor of Hu­
bert L. Dreyfus, Cambridge 2000, 1, 14. Dans cette perspective, « inauthen­
ticity becomes both inevitable and incomprehensible », inévitable au sens
d’implacable puisque, que la déchéance soit constitutive ou dérivée, dans
les deux cas, le Dasein ne saurait y échapper, et incompréhensible puisque,
d’un côté, la déchéance générerait une tendance à fuir et, de l’autre, ce serait
la fuite du Dasein devant lui-même qui générerait la déchéance. Or, arguant
de ce que « no existential structure of being-in-the-world can be identical
with one of Dasein’s merely existentiell modes », Taylor Carman rappelle
la nécessaire distinction de la déchéance (Verfallen) et de la fuite (Flucht).
Soit, d’ordinaire le Dasein fuit bien l’état qui est le sien, autrement dit se
fuit, se dérobe, se dissipe dans les étants intramondains. Mais bien que « le
détournement écarte du Dasein » – Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 245 –,
si celui-ci se manque lui-même comme Dasein, cette absence à soi en mode
propre reste malgré tout pour lui une présence à soi, même si sur le mode
de la privation seulement, cela dans la mesure où il ne fuit que devant lui-
même. Dès lors, « dans le devant-quoi de la fuite, le Dasein se ‹ confronte ›
justement à lui. C’est seulement dans la mesure où le Dasein, ontologique­
ment, est essentiellement transporté devant lui-même par l’ouverture qui lui
appartient en général qu’il peut fuir devant lui » – Heid­eg­ger, Sein und Zeit,
GA 2, 245. Bref, si la fuite quotidienne du Dasein dans le On manifeste sa
92 Christophe Perrin

la connaisse d’emblée, le Dasein n’est pas voué à l’Uneigentlichkeit.


Existant spontanément en se pensant subsistant, à l’instar des étants
dont il assure chaque jour l’agencement dans le monde ambiant, sans
doute ignore-t-il qu’il lui appartient de s’approprier son être. Dé­
cidant de tout sauf de lui, il court donc inconsciemment à sa perte.
Cependant, à la fuite devant soi répond toujours pour lui l’assomp­
tion possible, tant « le Dasein est constamment ‹ plus › qu’il n’est
factuellement » ; « en revanche », précise Heid­eg­ger, « il n’est jamais
plus qu’il n’est facticement, parce que le pouvoir-être appartient es­
sentiellement à sa facticité. Mais le Dasein, en tant qu’être-possible,
n’est jamais non plus moins, s’il est vrai qu’il est existentialement ce
qu’il n’est pas encore en son pouvoir-être ».39 Traduisons : sans que
soit toujours déjà moi cet étant que je suis, je le suis pour avoir à
l’être. Être soi-même implique par là même de le devenir, et la preuve
qu’‹ on › le peut, pour notre auteur, n’est autre qu’il le faut, nul n’y
parvenant d’emblée.
Prenons-en acte, non point ombrage : « l’Uneigentlichkeit du
Dasein ne signifie point […] un ‹ moins ›-être ou un degré d’être
‹ plus bas › »40 ; « inversement, l’existence appropriée n’est pas quelque
chose qui flotte au-dessus de la quotidienneté échéante ».41 Heid­
eg­ger l’assure : « l’interprétation ontologico-existentiale n’émet pas
[…] d’énoncé ontique sur la ‹ corruption de la nature humaine ›, […]
parce que sa problématique est antérieure à tout énoncé sur la cor­
ruption ou l’intégrité ».42 En bon phénoménologue, notre auteur ne
prescrit rien, il décrit. Loin de vouloir établir qui de l’Eigentlich­
keit ou de l’Uneigentlichkeit constitue le meilleur mode d’existence,
par-delà les critères du bon ou du mauvais – l’éthique –, sinon du
bien et du mal – la morale –, il entend simplement mettre à jour le
mode d’être originaire du Dasein. Car au fond, pourquoi un tel
étant peut-il se perdre? Réponse : parce qu’il peut se gagner. Peut-
être objectera-t-on que l’on ne peut perdre ce que l’on n’a jamais
eu. Alors il faudra répondre que, depuis le départ, l’on ‹ s’a ›, cela

déchéance, c’est parce que la déchéance engendre précisément la fuite. Le


mode existentiel visible rend manifeste la structure existentiale invisible
qui en rend compte. Du coup, pas plus que la déchéance n’est inintelligible,
l’Uneigentlichkeit n’est infaillible.
39 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 193.
40 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 58.
41 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 238.
42 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 238.
L’impropriété de l’authenticité 93

parce que, comme le dira Levinas, « on n’est pas, on s’est ».43 Bien
sûr, être à soi, au sens d’être à chaque fois sien, n’est pas encore
être soi. Mais justement : lorsqu’il manque à lui-même, c’est bien
toujours comme Dasein que le Dasein se manque. C’est dire que
l’Uneigentlichkeit prend appui sur son autre pour se déployer. En
d’autres termes, « l’Uneigentlichkeit a une possible Eigentlichkeit
à son fondement. L’Uneigentlichkeit caractérise un mode d’être
où le Dasein peut se placer et s’est aussi le plus souvent toujours
déjà placé, mais où il ne doit pas nécessairement et constamment
se placer. Parce que le Dasein existe, il se détermine à chaque fois
en tant qu’étant comme il est à partir d’une possibilité qu’il est ».44
Ainsi, l’Eigentlichkeit s’avère la ratio essendi de l’Uneigentlichkeit
et celle-ci la ratio cognoscendi de celle-là. L’Eigentlichkeit rend
compte de l’Uneigentlichkeit, mais ne peut être trouvée qu’à partir
d’elle. Écoutons ­Michel Haar, à qui nous n’en voudrons pas de parler
d’authenticité tant il clarifie la question :

l’authenticité ‹ fonde › l’inauthenticité, mais seulement au plan du


possible, c’est-à-dire d’un projet. Au plan du réel, le « progrès » va
de l’inauthentique à l’authentique […]. C’est seulement après coup,
quand et à chaque fois que l’inauthenticité a été surmontée, qu’elle
se révèle comme le possible qu’elle était et qu’elle demeure […]. Que
tout gain d’authenticité soit fragile et probablement voué à retom­
ber dans le champ le plus large et plus immédiat du ‹ On › qui défi­
nit la réalité établie, ne supprime pas la supériorité ontologique du
possible sur le réel. L’authenticité est fondative parce qu’elle fait de
l’inauthenticité brute une possibilité de l’existence.45

Étant bien clair que le On est le qui du Dasein quotidien, le pas­


sage au soi-même approprié ne peut se faire qu’à partir de lui. En ce
sens, « l’authenticité ne se dévoile qu’à même le ‹ on ›, et en somme
par son expérience. C’est là qu’elle peut se comprendre elle-même.
L’‹ inauthentique › est l’expérience du Dasein. L’‹ authenticité › n’est

43 Emmanuel Levinas, De l’existence à l’existant, Paris 1981, 38.


44 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 344–345.
45 Michel Haar, « La métaphysique dans Sein und Zeit », in: La fracture de
l’histoire. Douze essais sur Heid­eg­ger, Grenoble 1994, 105.
94 Christophe Perrin

rien d’autre que ce qui s’y joue et ce qui s’y décide »46 écrit Jean-Luc
Nancy à grand renfort de guillemets. Conséquence : le soi-même
approprié constitue « une modification existentielle du On comme
existential essentiel »47 qui, réciproquement, apparaît comme « une
modification existentielle »48 de lui. Autant dire que le On et le soi-
même ne s’opposent pas diamétralement. Il n’y a entre eux aucune
incompatibilité : c’est la continuité, la complémentarité, sinon la so­
lidarité qui domine, dans la mesure où il peut y avoir « modifica­
tion, mais pas suppression totale »49 de l’un par l’autre. Bref, ceux-ci
vont de pair, et s’ils peuvent se modifier l’un l’autre en se commuant
l’un en l’autre, leur changement n’affecte pas fondamentalement le
Dasein, vu qu’il en porte intrinsèquement la possibilité – et sans
doute aussi la responsabilité.50 Conséquence de la conséquence :
l’Eigentlichkeit n’étant, « existentialement », qu’une « saisie modi­
fiée (modifiziertes Ergreifen) »51 de l’Uneigentlichkeit, autrement
dit une appréhension corrigée du rapport de soi à soi, elle ne pourra
manifestement pas résider dans le renversement pur et simple du
mouvement quotidien qui, de l’identification au monde, mène di­
rectement au On. Le Dasein ne semble pas invité par Heid­eg­ger à
trouver son être propre contre ce qu’il vit de prime abord et le plus
souvent. Même si le maniement ordinaire des étants intramondains
œuvre, il est vrai, à son détournement, il ne s’agit pas pour lui de
rompre avec ce qu’il fait habituellement. L’Eigentlichkeit ne peut
faire sans la quotidienneté, car celle-ci « détermine le Dasein même

46 Jean-Luc Nancy, « Fragments de la bêtise », in: Le temps de la réflexion,


Paris 1988, 9, 20.
47 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 173.
48 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 420.
49 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 243.
50 Sur la responsabilité du Dasein, Heid­eg­ger écrit : « Comprenant l’appel, le
Dasein laisse le soi-même le plus propre agir sur soi à partir du pouvoir-être
qu’il a choisi. Ainsi seulement peut-il être responsable » – Heid­eg­ger, Sein
und Zeit, GA 2, 382. Jean-Luc Nancy soutient pour sa part que le Dasein est
« responsable de l’existence, en tant qu’elle ne lui est pas attribuée comme une
essence, mais adressée comme un appel – un appel (‹ amical ›) à qui émane de
sa propre différence, ou de l’indétermination d’être selon laquelle il existe »
– « La décision d’existence », in: Jean-Pierrre Cometti et Dominique Janicaud,
« Être et temps » de Martin Heid­eg­ger. Questions ouvertes et voies de recher­
che, Marseille 1989, 254.
51 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 238.
L’impropriété de l’authenticité 95

lorsqu’il ne s’est pas choisi le On pour ‹ héros › ».52 Dans ces condi­
tions, demandons-nous avec Peter Sloterdijk « qui montre qu’il est
‹ lui-même › ou seulement On? », puisque l’auteur de Sein und Zeit
« sait mettre à la torture et – disons-le honnêtement – à la torture
d’une ‹ platitude des profondeurs › manifeste, le lecteur qui attend
l’‹ authentique › avec impatience ».53
C’est dans la deuxième section de l’opus magnum que la réponse
est donnée, réponse que nous nous bornerons à rappeler : incarne
l’Eigentlichkeit le « Dasein résolu (entschlossene Dasein) »54 qui,
rappelé à lui-même par l’appel de la conscience, s’ouvre aux pos­
sibilités qui sont les siennes en les saisissant personnellement pour
en faire la « situation (Situation) »55 qu’il veut proprement exister.
Si le Dasein sous la figure du On subit, le Dasein sous la figure du
soi-même choisit. L’accès à soi-même passe ainsi par le retour à soi
dans la « re-saisie d’un choix (Nachholen einer Wahl) ».56 Or, si nous
avons la possibilité de nous ouvrir ou non au champ des possibles,
comme celle de décider ou non des possibilités à saisir, en somme
si nous sommes libres d’être libres ou de ne l’être pas, l’essentiel
n’est pas de décider ceci plutôt que cela, mais de décider de décider,
de se décider à la décision, de s’engager du côté de l’option contre
la résignation. « C’est dans le choix du choix que le Dasein se rend
pour la première fois possible son pouvoir-être approprié »57 affirme
Heid­eg­ger qui, par là, n’a nul besoin d’en dire plus sur l’Eigentlich­
keit. Nous qui, à chaque début d’année, prenons des résolutions le
savons bien : dans la résolution, l’important n’est pas ce que nous
voulons, mais le fait que nous nous voulions vouloir. Alors que, dans
la préoccupation, le Dasein décide des étants du monde, dans la ré­
solution, le Dasein décide de soi, donc du soi. Le rapport de soi à soi,
l’existence stricto sensu, est par là même « en tant que telle décision
d’existence », « décision d’exister (et / ou de ne pas exister), et donc
de décider (et / ou de ne pas décider) », et Jean-Luc Nancy d’ajouter :
« en (se) décidant, le Dasein s’ouvre ses propres possibilités – mais
il ne les ouvre, et il ne s’y ouvre, que moyennant cette possibilité

52 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 490.


53 Peter Sloterdijk, Critique de la raison cynique, Paris 1987, 260 –261.
54 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 395.
55 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 397.
56 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 356.
57 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 356 (trad. mod.).
96 Christophe Perrin

la plus propre, qui est précisément sa décision. En elle, l’ouverture


se décide comme ouverture, l’existence se décide existante, et l’être
s’approprie ».58
On l’aura compris : l’existence appropriée ne nous arrache ni
au monde, ni à l’affairement que nous connaissons d’ordinaire en
lui. Parce qu’elle-même « se tient en une telle préoccupation »59, le
propre de l’existence en mode propre ne diffère en rien de l’exis­
tence en mode impropre, sinon en ce que l’étant qui la mène ne se
rapporte cette fois plus aux possibilités qui surviennent qu’à les ré­
férer à sa possibilité la plus propre – celle qu’il est pour lui – et à en
décider dorénavant en conscience, c’est-à-dire dans la transparence
à soi. Aussi n’est-ce pas le quid qui change, mais le quomodo.60 Du
coup, « l’authentique peut avoir exactement l’air de l’inauthentique »,
et « la différence authentique-inauthentique se montre plus énigma­
tique qu’elle ne l’est en vérité ».61 Insistons-y : la résolution permet
l’Eigentlichkeit, non pas dans tel ou tel choix, mais dans le choi­
sir lui-même, dans l’engagement du côté du choix. La résolution
est même « l’Eigentlichkeit, prise en souci dans le souci et possible
comme souci, du souci lui-même ».62 C’est la raison pour laquelle il
ne saurait y avoir de recommandations particulières, de recettes, de
préceptes ou autre modèle63 de l’Eigentlichkeit. Au grand dam de

58 Jean-Luc Nancy, « La décision d’existence », in: Jean-Pierrre Cometti et


Dominique Janicaud, « Être et temps » de Martin Heid­eg­ger. Questions ou­
vertes et voies de recherche, Marseille 1989, 228, 232 et 254.
59 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 466.
60 Alphonse de Waelhens l’affirmait déjà : « ce n’est point en faisant ceci ou
cela que nous existons authentiquement, c’est en le faisant d’une certaine
manière et dans une certaine perspective » – La philosophie de Martin Heid­
eg­ger, Leuven 1969, 173.
61 Peter Sloterdijk, Critique de la raison cynique, Paris 1987, 260 et 262.
62 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 398 (trad. mod.).
63 En 1946, Heid­eg­ger reviendra sur le fait qu’il n’y a pas à chercher des in­
dications pratiques dans Sein und Zeit : « cette pensée qui, pensant la vérité
de l’être, détermine l’essence de l’humanitas comme ek-sistence à partir de
l’appartenance de l’ek-sistence à l’être, reste-t-elle seulement une représen­
tation théorique de l’être et de l’homme, ou peut-on en tirer en même temps
d’une telle connaissance des indications valables pour la vie pratique et uti­
lisables par elle? La réponse est celle-ci : cette pensée n’est ni théorique ni
pratique. Elle se produit avant cette distinction. Pour autant qu’elle est, cette
pensée est la pensée de l’être dans l’être et rien d’autre […]. Une telle pensée
n’a pas de résultat. Elle ne produit aucun effet ». Au demeurant, « plus essen­
tiel que l’établissement de règles est la découverte par l’homme du séjour en
L’impropriété de l’authenticité 97

son auditoire marbourgeois qui le presse à dire à quoi être résolu,


Heid­eg­ger reste muet. Pour lui, tout est dit, et cela suffit à faire
en sorte que l’Eigentlichkeit ne soit pas « un idéal d’existence vide
(leeres Existenzideal) ».64 Dès lors, « ne sommes-nous pas en plein
idéalisme? ». 65
Heid­eg­ger a beau le nier66, difficile d’interdire à la question de se
poser, surtout lorsqu’elle nous est soufflée et que notre auteur ne
fait rien pour l’éviter. Indiquant qu’il ne s’emploiera pas à la carac­
térisation des possibilités existentielles du pouvoir-être approprié
du Dasein67, il confesse ouvertement parler avec la résolution d’une
manière d’être idéale : « l’interprétation ontologique de l’existence
du Dasein que nous venons de conduire ne repose-t-elle point sur
une conception ontique déterminée de l’existence appropriée, sur un
idéal factice du Dasein? Réponse : effectivement ».68 L’aveu est d’ail­
leurs conforté par un silence élogieux lorsque le problème du critère
décisif de l’existence appropriée est formulé au § 63 de l’Haupt­
werk, dans l’enchaînement de dix-sept questions, dont celle-ci – la
seconde d’entre elles – est assurément rhétorique : « n’y a-t-il pas, à
la base de l’interprétation exposée de la propriété et de la totalité du
Dasein, une conception ontique de l’existence, qui, en tout état de
cause, ne saurait être obligatoire pour tout un chacun? ».69 Mais en
accordant ce point, Heid­eg­ger établit finalement que, plutôt qu’un
idéal, l’Eigentlichkeit constitue davantage un postulat qui, à ses yeux,

vue de la vérité de l’être » – Heid­eg­ger, Brief über den Humanismus, GA 9,


358 et 361.
64 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 398. « Ni un titre vide, ni une idée fictive »
lit-on une page plus loin – Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 399.
65 Michel Haar, Heid­eg­ger et l’essence de l’homme, Grenoble 1990, 36.
66 Voir Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 410 : « La résolution […] ne pro­
vient pas […] d’un ‹ idéalisme › qui survolerait l’existence et ses possibilités,
mais […] jaillit de la compréhension dégrisée de possibilités fondamentales
factices du Dasein ».
67 « Présenter les possibilités existentielles factices en leurs traits capitaux
et leurs connexions, les interpréter en leur structure existentiale, cette tâche
s’inscrit dans les cadres de l’anthropologie existentiale thématique. Par rap­
port à l’intention fondamental-ontologique de la présente recherche, la dé­
limitation existentiale du pouvoir-être approprié attesté dans la conscience
à partir du Dasein et pour le Dasein lui-même peut être considérée comme
suffisante » – Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 399.
68 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 411.
69 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 413–414.
98 Christophe Perrin

« n’attend pas simplement que nous le reconnaissions », mais « doit


être conçu en sa nécessité positive à partir de l’objet thématique de la
recherche ».70 Il n’y a pas à en rougir cela dit. Pareil postulat n’est pas
tant posé par lui qu’imposé par ce qu’il étudie. Si la phénoménologie
s’emploie à montrer plutôt qu’à démontrer en effet, si elle entend
surtout dévoiler, elle ne le peut logiquement que pour un élément
qui, au préalable, a été occulté. Par suite, l’analytique existentiale ne
peut mettre à jour le véritable sens d’être de cet étant singulier qu’est
le Dasein qu’à partir d’une « idée ‹ présupposée › de l’existence en gé­
néral ».71 « Comment les démarches de l’analyse de la quotidienneté
inappropriée se régl[er]aient-elles, sinon sur ce concept préalable de
l’existence? ».72 Pour interpréter le sens d’être de l’étant que je suis
et dont l’« essence » consiste en l’existence, il faut ainsi présupposer
l’idée de l’existence. Circulus viciosus? Non : c’est là la simple tra­
duction de la structure fondamentale du souci. Or à quoi revient
réellement une telle présupposition? Guidée par la compréhension
d’être qui se trouve dans le Dasein lui-même, celle-ci revient à pen­
ser l’existence comme le fait de l’étant que je suis à chaque fois moi-
même et qui s’avère un pouvoir-être pour lequel il y va d’être cet
étant. Retour est donc fait à l’existentialité et à la mienneté et, par là,
notre boucle est bouclée.
Notre problème était, d’un côté, de traduction : comment rendre
« Eigentlichkeit » dans notre langue quand Heid­eg­ger interdit de
le faire par ‹ authenticité ›? Nous l’avons résolu : le terme de ‹ pro­
priété › semble le mieux indiqué pour équivaloir à celui d’Eigentlich­
keit, puisque dans l’Eigentlichkeit le Dasein existe en mode propre.
Notre problème était, de l’autre, d’interprétation : comment com­
prendre l’Eigentlichkeit comme un possible quand Heid­eg­ger décrit
son contraire comme nécessaire? Nous l’avons solutionné : si elle
n’est pas première chronologiquement, l’Eigentlichkeit l’est onto­
logiquement pour l’étant chez qui « plus haut que l’effectivité se
tient la possibilité ».73 S’ensuit qu’exister ne consiste pas d’abord à
co­ïncider avec soi, mais à se poser hors de soi, à s’extasier. Dans cette
perspective, le propre du Dasein est d’être impropre, à tout le moins
de toujours pouvoir l’être et de ne jamais s’en priver. Le Dasein est

70 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 411.


71 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 415.
72 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 415.
73 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 51–52.
L’impropriété de l’authenticité 99

donc aussi bien de n’être pas ce qu’il est, et « c’est seulement parce
qu’[…] il est ce qu’il sera ou ne sera pas, qu’il peut se dire à lui-même
compréhensivement : ‹ Deviens ce que tu es! › ».74 La paradoxale for­
mule de Pindare reprise par Heid­eg­ger prend ici toute sa dimension.
Mais gardons-nous bien, alors que la définition de l’Eigentlichkeit
est claire et clairement ontologique – « l’Eigentlichkeit doit être en­
tendue ici au sens littéral de se posséder en propre en étant auprès de
soi-même (Bei-sich-selbst-sich-zu-eigen-haben) »75 –, de vouloir en
offrir une description ontique. Tous ceux qui s’y sont essayés l’ont
fait en recourant à des motifs – la liberté, l’engagement, la responsa­
bilité … – qui peuvent être qualifiés d’existentialistes. Gageons donc
que, à Marbourg comme ailleurs, Heid­eg­ger ne s’y refuse pas sans
raison, la première étant sans doute que s’y employer n’est peut-être
rien d’autre que faire preuve d’inauthenticité.

74 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 193–194. Voir Pindare, Pyhtiques, II, 72.
75 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 390.
Marco Casu
Heid­eg­gers Hermeneutik des Geredes

Streng dich jetzt noch mehr an und unterzieh dich


jenen Übungen, die scheinbar unnütz sind und von
der Menge als dummes Gerede [ἀδολεσχία] bezeichnet
werden – tu das, solange du noch jung bist. Sonst wird
dir die Wahrheit entgehen.
Platon, Parmenides, 135d2

Paragraph 35 in Heid­eg­gers Sein und Zeit, der dem Phänomen des


Geredes gewidmet ist, beginnt mit den folgenden Worten: »Der
Ausdruck Gerede soll hier nicht in einer herabziehenden Bedeu­
tung gebraucht werden«.1
In Heid­eg­gers opus magnum bezeichnet das ›Gerede‹ bekannt­
lich den ersten Modus des Verfallens des Daseins. An diesem Begriff
arbeitete Heid­eg­ger die gesamte Marburger Zeit hindurch: ab dem
letztem Semester der frühen Freiburger Zeit (dem Sommersemester
1923), über die Abhandlung und den Vortrag über den Begriff der
Zeit (1924) und die Vorlesungen über Platons Sophistes (1924/1925)
bis hin zu den Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs und –
natürlich – Sein und Zeit (1927).2 Das Gerede wird in Sein und Zeit
nicht nur an erster Stelle, also vor der ›Neugier‹ und der ›Zweideu­

1 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 222.


2 Vgl. Heid­eg­ger, Ontologie, GA 63, 31, 32 und 62; Heid­eg­ger, Der Begriff
der Zeit (Vortrag 1924), GA 64, 29 –30, 34–36, 38 und 118; Heid­eg­ger, Platon:
Sophistes, GA 19, 16, 25, 195–197, 306 und 410 –411; Heid­eg­ger, Prolego­
mena, GA 20, 370 –376, 377–378, 383–388 und 416–417.
102 Marco Casu

tigkeit‹, in Betracht gezogen; es zeigt auch im Vergleich zu jenen eine


unbestreitbare Priorität: Das Gerede nämlich ist es, das vor-schreibt,
wie und was gesehen, erwartet, getan und erlebt werden soll.3
Es scheint Heid­eg­ger dabei notwendig, hervorzuheben, dass der
Begriff des ›Geredes‹ nicht in seiner möglichen negativen Konnota­
tion, als »herabziehend« zu verstehen ist. In diesem Fall könnte die
Darstellung Heid­eg­gers als »eine moralisierende Kritik des alltäg­
lichen Daseins« erscheinen, die heute – bei zunehmender Vermas­
sung und Homogenisierung der globalen Gesellschaft – immer noch
und immer mehr aktuell wäre.4 Obwohl sich Heid­eg­ger mehrmals
ausdrücklich gegen dieses Missverständnis ausspricht, liegt eine sol­
che Interpretation angesichts einiger Briefe aus den zwanziger Jah­
ren nahe. Gegenüber Jaspers beschreibt Heid­eg­ger eine wachsende
Unzufriedenheit mit Marburg – eine Unzufriedenheit weniger mit
seiner Arbeit als mit Marburg selbst und der gedanklichen Leere
der Stadt.5
Das Gerede und die Gefahr, sich in ihm zu verlieren, ist ein origi­
näres Thema der Philosophie. Kierkegaard spricht bekanntlich von
snak, also von ›Geschwätz‹. Schon viel früher beschrieb Seneca die
turba: etwas Störendes und Unheimliches. Der Charakter des vul­
gus imprudens, zu dessen Mitteilenden auch berühmte oder gebil­
dete Menschen zählen können, besteht gerade darin, dass das Le­
ben im nutzlosen Geschwätz den Händen entgleitet, gleichsam aus
ihnen heraus ›fließt‹ (diffluit) – diese Metapher des defluxio, des
Herausfließens, hat Heid­eg­ger schon in Freiburg im Kontext der
Begriffe von ›Verfallenheit‹ und ›Uneigentlichkeit‹ von Augustinus
übernommen.6
Das im antiken Griechenland gebräuchliche ἀδολεσχία – von
λέσχη, das im Allgemeinen einen geschützten Versammlungsort, an
dem gesprochen werden kann, bezeichnet – kann verschiedene Be­
deutungen haben: Vom Versammlungsort des Rates bis zu einem
Sammelpunkt von Müßiggängern und Schwätzern kann es vieles
bezeichnen. Letztere Bedeutung von λέσχη begründet eine Defini­

3 Vgl. Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 36.


4 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 222.
5 Vgl. Martin Heid­eg­ger / Karl Jaspers, Briefwechsel 1920 –1963, Frankfurt
am Main 1990, 49 –69.
6 Vgl. beispielsweise Heid­ eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus,
GA 60, 192–193.
Heideggers Hermeneutik des Geredes 103

tion der ἀδολεσχία , die Heid­eg­ger später aus den Charaktern des
Theophrastus aufnimmt, genauer aus dem dritten Charakter, jenem
des Schwätzers, wo es heißt: »Er setzt sich zu einem hin, den er gar
nicht kennt [so in der Eisenbahn oder sonstwo], und erzählt ihm
eine lange Lobrede auf seine eigene Frau, oder er erzählt ihm, was
er heute Nacht geträumt hat, oder er geht im einzelnen durch, was
es heute Mittag gegeben. Wenn das so weitergeht, wenn der Andere
noch weiter zuhört, sagt er, daß die Menschen heute viel schlechter
sind als früher und daß der Weizen auf dem Markt teurer geworden
sei, daß heute viele Fremde in der Stadt seien, daß seit den Diony­
sien das Meer wieder schiffbar sei [lauter Selbstverständlichkeiten]
und daß, wenn Zeus es mehr regnen ließe, es besser werden würde,
was er nächstes Jahr ernten werde, und wie überhaupt das Leben
schwer sei«.7
Diese antike Darstellung scheint auch heutzutage als Grundlage
für eine gute Definition des Geredes dienen zu können. Doch diese
Definition ist – genau wie jede andere – ihrerseits nur ›Gerede‹, wenn
sie ein wahres, ein umfassendes Verständnis des Phänomens ver­
deckt. Es gibt mindestens eine weitere Bedeutung des Begriffes Ge­
rede, denn wenn Heid­eg­ger die Philosophie von Sokrates, Platon
und Aristoteles unter dem Titel »Kampf gegen das Gerede« zusam­
menfasst, meint er nicht bloß die Dummheit der Menschen in ihrem
Alltag: »So bewegt sich das alltägliche Dasein in einer doppelten Ver­
decktheit: zunächst in der bloßen Unkenntnis, sodann aber in einer
viel gefährlicheren Verdecktheit, insofern das Entdeckte durch das
Gerede zur Unwahrheit wird. Mit Bezug auf diese doppelte Ver­
decktheit ist eine Philosophie vor die Aufgabe gestellt, einmal posi­
tiv erstmalig zu den Sachen vorzubrechen, zum anderen gleichzeitig
den Kampf gegen das Gerede aufzunehmen. Beide Tendenzen sind
die eigentlichen Antriebe der geistigen Arbeit des Sokrates, Platos
und Aristoteles’. Ihr Kampf gegen Rhetorik und Sophistik ist das
Zeugnis dafür«.8
Das Gerede zeigt also nicht – oder zumindest nicht nur – die
Selbstverständlichkeiten des oben beschriebenen Schwätzers, also
nicht nur die ›Un-rede‹, nicht nur das ›Geschwätz‹ der Kneipe oder
der beim Friseur gelesenen Boulevardpresse, sondern auch eine ge­
fährlichere Art der ›Rede‹: jene der Universitätsvorlesung oder des

7 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 305.


8 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 16.
104 Marco Casu

philosophischen Kongresses, philosophischer Zeitschriften oder der


meist gelesenen und ›zuverlässigsten‹ Texte und Zeitungen, kurzum
alles, was die Beschaffung von Informationen und Kenntnissen, die
›Kenntnisnahme‹ – oft gegen eine Gebühr – versichert oder zu ver­
sichern verspricht.9 Diese Art Gerede »verdeckt vor allem, sofern es
das Entdecken retardiert, nämlich retardiert durch die zugehörige
Vermeintlichkeit eines Schon-entdeckt-habens«.10 Der eigentliche
Kampf Platons ist somit der Kampf gegen das ›sophistische Gerede‹,
das die σοφία in ›handliche Auskünfte‹ zerschlägt und daher als et­
was ›Zuhandenes‹ verkauft.11
Und umgekehrt: Der Sophist ist ein Meister der Verhöhnung des
Gegners und reduziert dessen Rede auf leeres Gerede. Der Gerede-
Vorwurf ist in der Tat noch heutzutage eine mächtige Waffe im Dis­
kurs der philosophischen Strömungen und Positionen: Das, was den
als fundamental betrachteten Grundannahmen und Axiomen zu wi­
dersprechen scheint, was sie in Frage stellen könnte, wird oft als
›Un-Philosophie‹ und ›Un-Rede‹, also als Gerede im sophistischen
Sinne abgetan, als Geschwätz gar im abwertendsten Sinne des Wor­
tes, nämlich in dem Sinne, der zur Vernichtung des Anderen führt.
Heid­eg­ger selbst war und ist von diesem Vorwurf betroffen, beson­
ders im Kontext ›analytischer‹ Philosophie. Anstelle einer kritischen
Lektüre steht gar der gänzliche Verzicht auf eine Beschäftigung mit
den Texten Heid­eg­gers. Fällt derartige ›Kritik‹ auf ›fruchtbaren‹ Bo­
den, so steht sie in der Gefahr, einem der Hauptcharaktere des Ge­
redes selbst, dem »Hörensagen«, zu entsprechen: »Das Gesagtsein,
das Diktum, der Ausspruch stehen jetzt ein für die Echtheit und
Sachgemäßheit der Rede und ihres Verständnisses. Und weil das
Reden den primären Seinsbezug zum beredeten Seienden verloren
bzw. nie gewonnen hat, teilt es sich nicht mit in der Weise der ur­
sprünglichen Zueignung dieses Seienden, sondern auf dem Wege
des Weiter- und Nachredens. Das Geredete als solches zieht weitere
Kreise und übernimmt autoritativen Charakter. Die Sache ist so, weil
man es sagt«.12 Die ›Herrschaft‹ des Gesagtseins, des ›Gesagten‹ und

9 Heid­eg­ger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 376. Vgl.


Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 29; Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2,
170.
10 Heid­eg­ger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 377–378.
11 Vgl. Heid­eg­ger, Aus einem Gespräch von der Sprache, GA 12, 95.
12 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 224.
Heideggers Hermeneutik des Geredes 105

also des ›Geredeten‹, tritt in Heid­eg­gers Marburger Überarbeitung


des Begriffes deutlich hervor. Zunächst und zumeist hält man sich
nach Heid­eg­ger an das ›Geredete‹, an das ›Gesagte‹, an das ›Gespro­
chene‹, sowie an das ›Geschriebene‹. Doch das ›Geredete‹ ist eigent­
lich nur eines der ›konstitutiven Momente‹ der Rede. Es gibt weitere
›konstitutive Momente‹: vor allem das ›Worüber‹ der Rede, bezie­
hungsweise das ›Be-redete‹. Es ist gerade dieses Moment, das dem
Verständnis im alltäglichen Gerede entgeht: »Man versteht nicht so
sehr das beredete Seiende, sondern man hört schon nur auf das Gere­
dete als solches. Dieses wird verstanden, das Worüber nur ungefähr,
obenhin; man meint dasselbe, weil man das Gesagte gemeinsam in
derselben Durchschnittlichkeit versteht«.13 Wichtig ist in diesem Zu­
sammenhang die Verwendung des Adverbs ›ungefähr‹ – ›Un-gefähr‹
in der Bedeutung von ›ohne-Gefahr‹, ohne Mühe: »Das Gerede ist
die Möglichkeit, alles zu verstehen ohne vorgängige Zueignung der
Sache. Das Gerede behütet schon vor der Gefahr, bei einer solchen
Zueignung zu scheitern. Das Gerede, das jeder aufraffen kann, ent­
bindet nicht nur von der Aufgabe echten Verstehens, sondern bildet
eine indifferente Verständlichkeit aus, der nichts mehr verschlossen
ist«.14 Auf dem Wege des Weiter- und Nachredens zieht also das Ge­
redete als solches weitere Kreise – eine Kreisbewegung, die jedoch ir­
gendwo und irgendwann ihren Anfang nehmen muss: Das Geredete
muss geredet worden sein. Das alltägliche Gerede ist dabei in gewis­
ser Weise »Opfer sophistischer Überredung«: Es ist das ›Produkt‹
einer Rede, die in ihrer alltäglichen Kreisbewegung zunehmend an
Bedeutung für den Hörer gewinnt, die aber doch schon am Anfang
irgendeine Autorität gehabt haben muss.15
Diese Autorität ist auf der »Echtheit« und »Sachgemäßheit« der
Rede begründet: Die Autorität der Rede geht aus ihrer ›Objektivität‹
hervor, und damit aus der Objektivität der Wissenschaft, der Histo­
rie, des Journalismus. Die Rede erscheint sogar im eigentlichen Sinne
als ›Rede‹ nur indem sie objektiv ist, nur indem sie etwas neutral sagt.
Hierin liegt ein bedeutendes Missverständnis, das zunächst gram­
matisch zusammengefasst und erörtert werden muss: Die Rede sagt
nicht bloß etwas. Vielmehr sagt sie »etwas über etwas« – und das

13 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 224.


14 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 224.
15 Vgl. Günter Figal, Martin Heid­ eg­ger. Phänomenologie der Freiheit,
Weinheim 2000, 177.
106 Marco Casu

heißt: Sie bedeutet.16 Das Bedeutete, also das Beredete, das Worüber
der Rede, kann nicht bloß transitiv gesagt werden. Das Beredete
liegt nicht im Geredeten als ›Gehalt‹, weil es nie ›an-sich‹, sondern
jeweils nur ›irgendwie‹ gezeigt werden kann. Zwischen dem Gerede­
ten und dem Beredeten gibt es also etwas: kein eigentliches ›Etwas‹,
aber auch kein ›Nichts‹, sondern ein ›Wie‹. Dieses Wie, das Wie des
Vollzugs, wird aber zunächst und zumeist bei wissenschaftlichen
Aussagen und so auch beim alltäglichen Gerede nicht in Betracht
gezogen. Was verdeckt wird, ist die Tatsache, dass das Beredete nur
entdeckt wird, indem es zugleich teilweise verdeckt ist, also das Fak­
tum, dass jede Rede ursprünglich eine ›Rede-Wendung‹ ist. Gerade
eine solche, häufig verwendete Redewendung, ein berühmtes chi­
nesisches Sprichwort nämlich, kann diese Verdeckung des ›Wie‹ des
Redens illustrieren: »Wenn der Weise auf den Mond zeigt, schaut
der Dumme auf den Finger.« Der Dumme achtet lediglich darauf,
was aufzeigt und nicht darauf, was aufgezeigt wird; er versteht das
deiktische Moment der Aussage nicht. Ebenso versteht das Dasein
die ›Verweisung‹ der Bedeutung, das heißt die Bedeutsamkeit und
demzufolge die Geschichtlichkeit sowohl eines Wortes als auch einer
Rede – wie der Rede, die in jedem Wort enthalten ist – nicht, indem
es sich im Gerede hält. Auf jeden Fall wendet man sich – so Heid­
eg­ger – im Gerede nicht jenem zu, was gezeigt oder be-deutet wird.
Man beachtet nicht das ›Be-redete‹, den Mond, sondern zunächst
und zumeist nur jenes, was zeigt oder be-deutet, das ›Geredete‹, also
die Hand. Während der alltägliche Gebrauch der Sprache nur auf
die Hand achtet, die aufzeigt, macht ihr theoretischer Gebrauch den
entgegengesetzten Fehler: Er beachtet nur den Mond, und somit
nur den Gehalt der Anzeige, besser gesagt der ›Aussage‹, also nur
das, was vor der Hand steht. Beide Einstellungen, missverstehen das
Wesen der Sprache, weil sie es in einem dinglichen Sinne betrachten.
Sie halten für ›Wesen‹ das, was nach Heid­eg­ger in einem modalen
Sinne als ›wesen‹ – und damit als Verb, als tätige Bewegung – schon
definierbar, wenn auch noch nicht definiert ist.
Bei der Auseinandersetzung mit den Begriffen von ›Gerede‹ und
›Aussage‹ versucht sich Heid­eg­ger an der schweren Aufgabe, jenes,
was zeigt und das, was gezeigt wird, begrifflich zusammen zu brin­
gen. Er versucht, das Faktum formal anzuzeigen, dass das Zeigen
selbst, also das Reden, beide Momente – jenen des Zeigens und jenen

16 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 27.


Heideggers Hermeneutik des Geredes 107

des gezeigt Werdens – vereint und ›sammelt‹. Das Reden bringt also
Finger und Mond, ›Geredetes‹ und ›Beredetes‹, zusammen, vereint
dabei aber nicht ein für alle mal, sondern jedes Mal nur ›irgendwie‹.
Als Modi der Ausgesprochenheit der Rede befinden sich beide, ›Ge­
rede‹ und ›Aussage‹, in einem gewissem Verhältnis zur Rede selbst,
die das »existenzial-ontologische Fundament«17 der Sprache ist, je­
doch auf verschiedene Weise. Das Wort ›Gerede‹ selbst zeigt bereits
diese wesentliche Verbindung auf: Heid­eg­ger wählt ›Gerede‹ (und
nicht beispielsweise ›Geschwätz‹), um das Ge-rede auf die Rede zu­
rückführen zu können. Oder eigentlich umgekehrt (es ist aber in
der Tat dasselbe): um die Rede selbst auf das Gerede zurückführen
zu können. Während die Aussage als »abkünftiger Modus der Aus­
legung« und damit der Rede zu verstehen ist, ist jeder eigentliche
Redevollzug erst durch das Gerede ermöglicht. Der Hauptgrund,
weshalb die Sophistik beziehungsweise jeder Kenntnisverkauf im­
mer noch in der Zeitungsbranche und auf Kongressen wächst und
gedeiht, ist die Grundannahme, das alltägliche Gerede – so wie bei­
spielsweise auch die Dichtung – sei nur Geschwätz, etwas nutzloses;
etwas, das echter Kenntnis entbehrt. Und dies ist gerade der ent­
scheidende Punkt: Was Heid­eg­ger verweigert und nicht akzeptiert,
ist eben diese scharfe Trennung zwischen begründeter ›Rede‹ und
einer unbegründeten ›Un-rede‹ der Alltäglichkeit oder der Dich­
tung, also die Trennung zwischen so genannter ›Kenntnis‹ und ›Un­
kenntnis‹. Schon immer, so Heid­eg­ger, ist da ein Verständnis, das
zunächst im alltäglichen ›Gerede‹ verortet ist. In der Tat: Es »be­
deutet terminologisch ein positives Phänomen, das die Seinsart des
Verstehens und Auslegens des alltäglichen Daseins konstituiert. Die
Rede spricht sich zumeist aus und hat sich schon immer ausgespro­
chen. Sie ist Sprache. Im Ausgesprochenen liegen aber dann je schon
Verständnis und Auslegung […]. Es ist nicht so, daß je ein Dasein
unberührt und unverführt durch diese Ausgelegtheit vor das freie
Land einer ›Welt‹ an sich gestellt würde, um nur zu schauen, was
ihm begegnet«.18
Jeder Redevollzug zeigt ein irgendwie geartetes Verhältnis zu den
vorherigen Redevollzügen. Macht man sich das klar, verliert die Aus­
sage ihre Objektivität und somit den Grund ihrer Autorität: Jede
Rede entstammt einem ›Geredeten‹ und nicht einer noetischen und

17 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 213.


18 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 225.
108 Marco Casu

unsprachlichen Korrelation zwischen Subjekt und Objekt. Heid­eg­


ger verneint die Kategorien von ›Unkenntnis‹ und ›Kenntnis‹, weil
er eine Priorität und Neutralität sinnlicher (wie jeder) Gegebenheit
verneint, besonders im Bezug auf das Primat des Sehens. Zudem
lehnt er eine Priorität und Neutralität der sprachlichen bzw. phone­
tischen und graphischen Gegebenheit, durch welche die mitgeteilten
›Informationen‹ und ›Kenntnisse‹ sich mitteilen müssen, ab. Schon
immer und jedes Mal wieder ist das Dasein in einen Bedeutungs­
zusammenhang geworfen: »›Zunächst‹ hören wir nie und nimmer
Geräusche und Lautkomplexe, sondern den knarrenden Wagen, das
Motorrad. Man hört die Kolonne auf dem Marsch, den Nordwind,
den klopfenden Specht, das knisternde Feuer. Es bedarf schon einer
sehr künstlichen und komplizierten Einstellung, um ein reines ›Ge­
räusch‹ zu ›hören‹«.19
Kurz danach schreibt Heid­eg­ger: »Sogar dort, wo das Sprechen
undeutlich oder gar die Sprache fremd ist, hören wir zunächst ›unver­
ständliche‹ Worte und nicht eine Mannigfaltigkeit von Tondaten«.20
Beide Zitate handeln vom Verhältnis zwischen ›Ver-nehmen‹ und
›Hören‹, und so in gewisser Weise zwischen ›Wahr-Nehmung‹ und
›Sprache‹; sie kehren oft fast wörtlich in der Marburger Zeit wieder
und haben etliche Entsprechungen in Heid­eg­gers Werk, sie stehen
jenseits von jedem Periodisierungs-Kriterium oder dem Versuch, ei­
nen, seinen Denkweg darzustellen – schon ab der bekannten Kriegs­
notsemester-Vorlesung bis zum Gespräch mit George.21 Beispiels­
weise wiederholt Heid­eg­ger sich fast wörtlich in den Holzwegen:
»Niemals vernehmen wir […] im Erscheinen der Dinge zunächst
und eigentlich einen Andrang von Empfindungen, zum Beispiel
Töne und Geräusche, sondern wir hören den Sturm im Schornstein
pfeifen, wir hören das dreimotorige Flugzeug, wir hören den Mer­
cedes im unmittelbaren Unterschied zum Adler-Wagen […]. Wir
hören im Haus die Tür schlagen und hören niemals akustische Emp­
findungen oder auch nur bloße Geräusche. Um ein reines Geräusch
zu hören, müssen wir von den Dingen weghören, unser Ohr davon
abziehen, das heißt ›abstrakt hören‹«.22 Das Ver-Nehmen ist also zu­

19 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 217.


20 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 218.
21 Vgl. Heid­eg­ger, Die Idee der Philosophie und das Weltanschauungspro­
blem, GA 56–57, 81; Heid­eg­ger, Das Wesen der Sprache, GA 12, 153.
22 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 10 –11.
Heideggers Hermeneutik des Geredes 109

nächst kein ›reines Vernehmen‹. Die vernehmende Ver-nunft selbst


ist daher ›unrein‹. Durch die Verneinung einer Priorität sinnlicher
Gegebenheit verneint Heid­eg­ger auch die traditionelle Auffassung
des ›Subjektes‹ und der ›Zeit‹, bzw. die des Subjektes in der Zeit;
also die Auffassung, nach der das Subjekt als der stabile Kern ei­
ner stetigen Fortentwicklung und Veränderung betrachtet wird, der
in der Zeit Informationen, Erlebnisse und Kenntnisse ansammelt.
Diese Verneinung dient bekannten Erörterungen in Sein und Zeit
als Grundlage – etwa der des Phänomens der ›Mitteilung‹: Diese ist
»nie so etwas wie ein Transport von Erlebnissen, zum Beispiel Mei­
nungen und Wünschen aus dem Inneren des einen Subjekts in das
Innere des anderen […]. Aussagende Mitteilung, die Benachrichti­
gung zum Beispiel, ist ein Sonderfall der existenzial grundsätzlich
gefassten Mitteilung«.23 Die Mitteilung ist keine bloße und ›neutrale‹
Benachrichtigung. Sie teilt nicht – durch die Materialität ihrer Laute
und Buchstaben – noetische, immaterielle und unsprachlich erwor­
bene Gehalte mit, die es zuvor in der Innerlichkeit des Gesprächs­
partners sowie des Lesers nicht gab und die durch die Mitteilung
übergeben und gehalten werden, um danach weitergegeben, bzw.
weiter- und nachgeredet zu werden.24 Die Mitteilung muss dagegen
»in einem ontologisch weiten Sinne« verstanden werden. Ein klares
Beispiel wurde gerade innerhalb der Erörterung des Wortes »Mittei­
lung« dargebracht. Auch nach Heid­eg­gers Erörterung des Begriffes
in Sein und Zeit wird das Wort ›Mitteilung‹ wie zuvor geschrie­
ben, vernommen und ausgesprochen. Es bleibt sich ontisch gleich.
Als innerweltlich Seiendes untersteht es keinerlei Veränderung. Seit
Heid­eg­gers Erörterung kann das Wort ›Mitteilung‹ aber auch anders
gehört werden, und das heißt es bleibt ontologisch nicht dasselbe,
oder: Es bleibt sozusagen ὡς μή (als-nicht) dasselbe.25
Dem ist so, gerade weil das Reden nicht nur Benachrichtigung ist,
sondern auch offenbarende ›Bekundung‹: Rede informiert nicht nur,
sondern transformiert auch.26 Es wird aber nicht allein die Bedeu­
tung des Wortes transformiert; vielmehr kann das Wort selbst anders
gehört werden, wenn auch das Dasein selbst anders geworden ist.

23 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 215.


24 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 215.
25 Vgl. Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,
120 –121.
26 Vgl. Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit (Vortrag 1924), GA 64, 27.
110 Marco Casu

Die Mitteilung teilt nämlich auch – und eigentlich zunächst – eine


Stimmung mit, weil sie unausweichlich dieser Stimmung entstammt.
Das, was mitgeteilt wird, ist also nicht nur etwas, das gelesen und
gehört wird, sondern auch – und eigentlich zunächst – eine Weise
zu lesen und zu hören. Der Bekundungszusammenhang transfor­
miert das Wort nicht zwangsläufig auf ontischer Ebene, also nicht in
seiner objektiv wahrnehmbaren Wirklichkeit, sondern vielmehr auf
der Ebene seiner Ontologie, in seiner Möglichkeit. Entscheidend ist
der Zusammenhang, also der Satzzusammenhang oder die Weise, auf
welche das Wort in den Satz eintritt, oder auf welche das Ausspre­
chen des Wortes vollzogen wird: Der »Tonfall«, die »Modulation«,
das »Tempo« der Rede – kurzum: Die »Art des Sprechens«, also ge­
rade das ›Wie des Vollzuges‹, transformiert die Bedeutung und den
Hörenden und kann somit eine verborgene Bedeutung erscheinen
lassen; eigentlich wieder erscheinen.27 Mit dem Wie des Vollzuges,
dem Wie der Rede-Wendung, geschieht eine Wendung des Wortes.28
Dieses Phänomen ist häufig auf interlingualer Ebene erfahrbar.
Wenn wir ein neues Wort vernehmen, können wir es aufgrund des
Zusammenhanges, aufgrund der Rede, in die es eingebettet ist, ver­
stehen. Auch innerhalb einer Sprache kann derartiges beobachtet
werden – allerdings nicht in Hinsicht auf ein neues Wort, das ge­
hört wird, sondern in Hinsicht auf eine ›neue‹, eine ›andere‹ Art,
ein und dasselbe Wort zu hören. Ein Wort kann nämlich verschie­
dene Bedeutungen haben, obwohl nur eine im alltäglichen Ge­
brauch vorherrscht – so beispielsweise das griechische τὰ μαθήματα:
»τὰ μαθήματα bedeutet für die Griechen dasjenige, was der Mensch
im Betrachten des Seienden und im Umgang mit den Dingen im
voraus kennt: von den Körpern das Körperhafte, von den Pflan­
zen das Pflanzliche, von den Tieren das Tierhafte, vom Menschen
das Menschenartige. Zu diesem schon Bekannten, das heißt Ma­
thematischen, gehören neben dem Angeführten auch die Zahlen.
Wenn wir auf dem Tisch drei Äpfel vorfinden, dann erkennen wir,
daß es deren drei sind. Aber die Zahl drei, die Dreiheit, kennen wir
schon. Das besagt: Die Zahl ist etwas Mathematisches. Nur weil
die Zahlen das gleichsam aufdringlichste Immer-schon-Bekannte
und somit das Bekannteste unter dem Mathematischen darstellen,
deshalb wurde alsbald das Mathematische als Benennung dem Zahl­

27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 215.


28 Vgl. Heid­eg­ger, Aus einem Gespräch von der Sprache, GA 12, 118.
Heideggers Hermeneutik des Geredes 111

mässigen vorbehalten«.29 τὰ μαθήματα bezieht sich also ursprünglich


nicht allein auf die Zahl, sondern auch auf das Wort und somit auf
das Wissen, das in ihm von vornherein liegt. Dass sich die ›Mathe­
matik‹ heute nur mit Zahlen beschäftigt zeigt, dass eine der beiden
ursprünglichen Bedeutungen die anderen überlagert hat – dies auf­
grund der ›beruhigenden Dynamik‹, die Heid­eg­ger schon früh als
das Wesen der Tradition der Metaphysik erkennt, wenn er sie 1920
»Sicherungstendenz« nennt und sie in Sein und Zeit das Herzstück
der Geredeanalyse darstellen lässt.30
Die Zahl als ›Schon-Bekanntes‹ weist unbestreitbar mehr Sicher­
heit auf als das Wort. Die verborgene ursprüngliche Bedeutung des
Begriffes τὰ μαθήματα – hier sozusagen die Bedeutung der Bedeu­
tung selbst – geht aber durch die Übersetzung nicht einfach ver­
loren. Sie vibriert leise im Wort fort und kann nochmals erfahren
werden. Das, was Freud »unbewusste Erinnerung« nennt, wird von
Heid­eg­ger auf das ›Außen‹ der Sprache zurückgeführt. Die Über­
lieferung tradiert weder ›durch‹ das ›genetische Erbe‹ noch ›durch‹
die ›Geschichte der Begriffe‹, sondern bewahrt im Wort verbor­
gene Bedeutungen, die nochmals gehört werden können – immer
jedoch im Kontext einer Rede. Gleiches gilt in Sein und Zeit für die
Übersetzung des griechischen ζῷον λόγον ἕχον als animal rationale,
bzw. »vernünftiges Lebewesen«. Diese Übersetzung – obwohl nicht
›falsch‹ – »verdeckt den phänomenalen Boden«, dem diese Defini­
tion des Daseins »entnommen« ist.31
Nach dem griechischen Sprachsinn war der λόγος zunächst die
Rede, nicht explizit die ›Vernunft‹; die Differenz wird mit den fol­
genden Ausführungen Heid­eg­gers deutlich: »Dabei ist noch zu be­
achten, dass die Griechen […] viel stärker in der öffentlichen Spra­
che und Rede leben, als wir es gewohnt sind. Denken heißt für sie
eigentlich öffentlich diskutieren. Weder das Buch noch gar die Zei­
tung spielten eine Rolle. Das Denken als Auseinandersetzen, als Ent­
scheiden über Wahrheit und Falschheit, ist öffentliches Gespräch«.32
Heid­eg­ger meint das Ge-rede, die Stimme des Volkes und macht
deutlich: »Aber oft verstummt diese Stimme und ermattet in sich

29 Martin Heid­eg­ger, Die Zeit des Weltbildes, GA 5, 78.


30 Vgl. Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,
45–49.
31 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 219.
32 Heid­eg­ger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, 57.
112 Marco Casu

selbst«.33 Die Stimme des Volkes, das Gerede braucht jemanden, der
seine Ausgelegtheit auslegt oder vollzieht. Wie die stumme, tote
Sprache durch Heid­eg­gers Stimme im Unterricht zu neuem Leben
erweckt wurde – Heid­eg­gers Marburger Studenten bekunden dies
noch Jahre später begeistert und beeindruckt – ist jedes Gerede, also
jede »alltägliche Ausgelegtheit«, in die das Dasein zunächst hinein­
wächst, auf ihre Auslegung angewiesen: »In ihr [Ausgelegtheit] und
aus ihr und gegen sie vollzieht sich alles echte Verstehen, Auslegen
und Mitteilen, Wiederentdecken und neu Zueignen«.34
Auslegung vollzieht sich im, aus und gegen das Gerede – also
nicht nur ›gegen‹ es. Heid­eg­gers Diskurs ist demnach kein Kampf
gegen das Gerede, oder zumindest ist er es nicht ausschließlich. Sein
Kampf ist vielmehr eine Hermeneutik, die dem Gerede, der mensch­
lichen Faktizität entstammt und zu ihm und ihr zurückkehrt: Weder
ist die Verfallenheit des Daseins ein »Fall« aus einem reineren und
höheren »Urstand«, noch ist die »eigentliche Existenz« des Men­
schen etwas, was über der verfallenden Alltäglichkeit schwebt – viel­
mehr ist sie existential und nur ein »modifiziertes Ergreifen« dersel­
ben.35 Die Rede selbst muss daher als ein »modifiziertes Ergreifen«
des Geredes gelesen werden: Dieses existenzial-ontologische Fun­
dament, in dem sich »die volle, durch Verstehen, Befindlichkeit und
Verfallen konstituierte Erschlossenheit des Da« artikuliert, die Rede
selbst also, ist letztlich kein fester Grund, keine letzte Begründung.36
Die Rede gründet sich selbst im alltäglichen Gerede. Weil es keine
objektive, un-sprachliche und also un-bedeutende Erfahrungs-Mög­
lichkeit gibt, ist eigentlich jede Wieder-Entdeckung nur aufgrund
einer schicksalhaften Verdeckung und jede Erfahrung nur vom
Hören­sagen her ursprünglich möglich. Die Verdeckung ursprüng­
licher Bedeutungen ist dabei keine »schlechte und beklagenswerte
ontische Eigenschaft, die vielleicht in fortgeschrittenen Stadien der
Menschheitskultur beseitigt werden könnte«37 und es bedarf keiner
»moralisierenden Kritik«.
Die Verdeckung ist unausweichlich und notwendig, weil gerade
darin die menschliche Faktizität, die menschliche Endlichkeit be­

33 Heid­eg­ger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, GA 4, 46.


34 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 225.
35 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 233 und 238.
36 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 461.
37 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 234.
Heideggers Hermeneutik des Geredes 113

steht: Erfahrung, ›Ver-fall‹ auf jeden Fall, ist immer faktisch. Es gibt
aber zwei Weisen, dieser Notwendigkeit zu begegnen: Die Faktizität
kann anerkannt werden oder nicht. Sie wird nicht anerkannt, indem
der Bezug zwischen Geredetem und Beredetem als ›sicher‹ angese­
hen wird und so das Wie des Redevollzuges nicht ins Auge gefasst,
geschweige denn in Frage gestellt wird. Gerade als besonders objek­
tiv geltende Aussagen stehen in der Gefahr einer solchen Täuschung:
Die Geschichtsschreibung, die jeden Tag, jeden Moment durch Zei­
tungsartikel und andere Medienbeiträge erweitert wird, beschreibt
nicht bloß Tatsachen, vielmehr schreibt sie Erfahrungsmöglichkei­
ten vor, zunächst und zumeist in der Weise der Verdeckung; dies
geschieht, gerade weil die Mitteilung zunächst und zumeist als ein
bloßes Geben und Bekommen von immer neuen Informationen er­
scheint. Der Anschein eines harmlosen Informationsaustausches
beruht nicht zuletzt auf der Art des journalistischen ›Sprechens‹:
Weil die Informationen, also der Gegenstand des jeweils Gerede­
ten, in der Weise des Zuhandenen dargestellt werden, fällt es leicht,
zu denken, das ›Subjekt‹ könne sie hören, halten und benutzen, es
könne also, anstatt zugleich transformiert und somit potenziell do­
miniert zu werden, nur informiert werden. Aus dem Begriff des
›Hörens‹ lassen sich Worte wie gehorchen, hörig oder gehören ab­
leiten. Sie zeigen deutlich die wesentlich unfreie Position desjenigen,
der hört, auf. Jede »moralisierende Kritik« sieht die Unfreiheit der
Masse im Alltag und fordert eine Befreiung in der Zukunft oder in
der Innerlichkeit des Subjektes. So werden Freiheit und Unfreiheit,
Eigent­lichkeit und Uneigentlichkeit, Rede und Gerede noch einmal
schicksalhaft getrennt.
Heid­eg­gers Weg ist ein anderer.
Charlotte Gauvry
« En tant que herméneutique »
et « en tant que apophantique »
La lecture herméneutique du logos de 1925–1926

Dans les cours de Fribourg de 1919 –1923, à l’encontre du néokan­


tisme de Rickert et de la phénoménologie husserlienne, Heid­eg­ger
s’inscrit dans le sillon des recherches de Dilthey pour interroger le
mode de donation de la vie. La phénoménologie de la vie des pre­
miers cours se doit de répondre à cette recherche par une « indication
formelle » (formale Anzeige) des manifestations expressives de la
vie facticielle (Faktizität)1. Car, comme le souligne Heid­eg­ger dès le
Kriegsnotsemester de 1919, dans le monde préthéorique de la vie, « il
y a » (es gibt) toujours déjà des catégories que l’on ne peut certes pas
déduire mais que l’on peut indiquer. L’environnement dans lequel
s’ancre la compréhension est toujours déjà configuré par un « fond
de compréhensibilité et d’accessibilité immédiate ».2 « Même ce qui
est absolument trivial, ce qui n’a aucune valeur est significatif »3. Ce
qui arrive « par hasard » ou ce qui est « surprenant »4 aussi. C’est ce
que Heid­eg­ger caractérise en termes de « significativité » (Bedeut­
samkeit).

1 Comme le souligne Theodore Kisiel dans son commentaire des premiers


cours, Heid­eg­ger s’intéresse à la « facticité » depuis l’époque de la Disser­
tation. C’est ce que confirme Heid­eg­ger dans une lettre adressée à Löwith,
datée du 20 août 1927. Voir Theodore Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s
Being and Time, Berkeley / Los Angeles 1995.
2 Heid­eg­ger, Grundprobleme der Phänomenologie, GA 58, 34: « Einem
Fonds von Verständlichkeiten und unmittelbaren Zugänglichkeiten ». Nous
proposerons notre traduction des cours non traduits de Heid­eg­ger.
3 Heid­eg­ger, Grundprobleme der Phänomenologie, GA 58, 104: « Auch
das Trivialste ist bedeutsam; auch das Wertloseste ist bedeutsam ».
4 Heid­eg­ger, Grundprobleme der Phänomenologie, GA 58, 108: « Das Zu-
fällige im Leben, das Überraschende ».
116 Charlotte Gauvry

On se propose ici d’interroger le rapport qu’entretient le logos


(le « discours apophantique ») avec cette significativité articulée. On
sait que le paragraphe 33 de Sein und Zeit définit l’énoncé (Aussage)
comme le « mode second » de l’explicitation (als abkünftiger Modus
der Auslegung) de cette significativité. On entend préciser la nature
de cette dérivation, qui est aussi une privation, en portant notre
attention sur les cours de transition entre la phénoménologie de la
vie de Fribourg et Sein und Zeit que sont les cours de Marbourg.
À cet égard, on accordera une attention spécifique au cours du se­
mestre d’été 1925, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs5, et
au cours du semestre suivant de l’hiver 1925–1926, Logik. Die Frage
nach der Wahrheit6.
Au préalable, il nous semble utile de commencer par analyser les
déplacements opérés dans ces cours eu égard aux premiers textes
« logiques » de 1912–1919. On montrera que dans ses premiers textes,
essentiellement dans la dissertation de 1913 puis dans l’Habilita­
tionsschrift de 1915, Heid­eg­ger adopte d’abord une conception lo­
gico-sémantique du logos en faisant des formes logiques le sol de
fondation des énoncés. Il s’agira de comprendre, et c’est la question
que nous posons, ce qui se substitue à cette fondation logique lors
du tournant herméneutique de Marbourg.

Sens et validité. 1912–1919

Pour préciser le concept de logos et la reformulation herméneutique


qui en est proposée en 1925, on ne peut faire l’économie du traite­
ment que Heid­eg­ger lui consacre avant-guerre, de 1912 à 1919. À
l’époque de la Dissertation de 1913, « Die Lehre vom Urteil im Psy­
chologismus »7, la conception heideggérienne du logos est celle de la
logique de son époque qui a le mérite d’avoir souligné, à l’encontre
de tout psychologisme, la dimension strictement logique du sens8.
En conséquence, le Heid­eg­ger de 1913 adopte une distinction stricte

5 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20; trad. fr. par A. Boutot, Problèmes fon­


damentaux à l’histoire du concept de temps, Paris 2006.
6 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21.
7 Heid­eg­ger, Frühe Schriften, GA 1, « Die Lehre vom Urteil im Psycholo­
gismus » (1913).
8 À l’encontre de Brentano et Marty qui caractérisent le jugement comme
une classe fondamentale de phénomènes psychiques et surtout de Lipps
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 117

entre « acte psychique » et « contenu logique »9. C’est à cet escient


que Heid­eg­ger reprend la célèbre distinction de Lotze et distingue le
domaine de « ce qui est » du domaine inconditionné du sens : « ce qui
vaut » (Geltung). L’enjeu de ces premières recherches est de formuler
une théorie reposant sur des énoncés valides, fondés logiquement.
Ainsi que le souligne Arnaud Dewalque dans un brillant commen­
taire de l’Habilitationsschrift de 1915–191610, Die Kategorien- und
Bedeutungslehre des Duns Scotus, les recherches du jeune Heid­eg­
ger présentent en conséquence une dimension logico-sémantique11.
Dans un mouvement critique du psychologisme, le jeune Heid­eg­ger
assigne à la logique le rôle de métathéorie. « La théorie de la théorie »
a pour fin d’articuler les différentes sciences, non pas en fonction de
leurs différences méthodologiques, mais de leur différent « domaine
d’objets » (Gegenstandsgebiete) réciproque. Or, Heid­eg­ger défend
la thèse que ces différents « domaines d’objets » sont associés à des
« domaines d’effectivité » (Wirklichkeitsbereiche) qui reposent eux-
mêmes sur des déterminations « catégorielles ». C’est en ce sens que
« toute cette entreprise peut être qualifiée de ‹ doctrine des catégo­
ries › »12. Il convient de noter, comme l’analyse très finement Arnaud
Dewalque, que ces domaines d’objectivité sont déterminés par une
contrainte de cohérence sémantique : ils « ne désignent rien d’autre
que la portée de certaines formes logiques, c’est-à-dire les domaines
à l’intérieur desquels leur application ‹ fait sens › et en dehors des­
quels, en revanche, elle aboutit à des incohérences sémantiques du
type ‹ La racine carrée de trois est plus bleue que celle des deux ›,
etc. »13. Aussi, en 1915, les énoncés logiques sont déterminés et fon­
dés par des contraintes sémantiques.

qui renvoie l’essence du jugement logique à un acte de reconnaissance. Voir


Heid­eg­ger, Frühe Schriften, GA 1, 159.
9 Heid­eg­ger, Frühe Schriften, GA 1, 23–24.
10 Arnaud Dewalque, Objectualité et domaine de validité. Sur la première
partie de l’Habilitationsschrift, in : Le jeune Heid­eg­ger. 1909 –1926, éd. par
S.-J. Arrien et S. Camilleri, Paris 2011.
11 Comme le note Dewalque, cette inflexion rapproche les recherches hei­
deggériennes de la théorie husserlienne au caractère « sémantique » et les di­
stingue en revanche des travaux de Brentano. Voir Jean-François Courtine,
Les causes de la phénoménologie, Paris 2007.
12 Dewalque, Objectualité et domaine de validité, 64. Voir Heid­eg­ger, Frühe
Schriften, GA 1, 213.
13 Dewalque, Objectualité et domaine de validité, 56. Voir aussi : « Les do­
118 Charlotte Gauvry

On connaît l’influence d’Emil Lask sur la formulation heideggé­


rienne de cette « doctrine des catégories ». On trouve déjà chez Lask
l’idée que l’on définit un domaine objectif à mesure de «‹ l’extension ›
(Umfang) du domaine de validité des formes logiques »14. À la suite
de Wilhelm Windelband15 et d’Eduard von Hartmann16, Lask en­
treprend en effet de repenser le système catégorial. Il distingue les
« catégories constitutives » (konstitutive Kategorie) adaptées à tel ou
tel domaine du réel et les « catégories réflexives » (reflexive Katego­
rie) qui rendent l’intelligibilité possible. Mais Lask refuse, à la dif­
férence des autres néokantiens de l’école de Bade, de considérer ces
catégories comme des normes transcendantes. Il considère que ces
catégories réflexives ne sont que secondaires, voire parasitaires, par
rapport aux catégories constitutives.
Il faut prendre la mesure de cet héritage pour comprendre le pro­
jet de « logique de la logique »17 auquel aspire, pour sa part, le jeune
Heid­eg­ger. On défend que si le jeune Heid­eg­ger développe avant-
guerre une conception logico-sémantique du sens qu’il abandonnera
par la suite, il trouve déjà chez Lask l’idée d’une articulation an­
té-prédicative de la vie facticielle. Heid­eg­ger retient en effet, dès 1915,
qu’on ne peut que « montrer » les « faits » et non pas les déduire :

« Le fait qu’il y ait un secteur d’effectivité, plus encore : le fait qu’il


en existe plusieurs, ne se laisse pas démontrer a priori, de façon dé­
ductive. Les faits (Tatsächlichkeiten), on ne peut que les montrer
(aufweisen). Quel est le sens de ce montrer ? Ce qui est montré se
tient en soi-même devant nous et peut, pour parler de façon imagée,
être appréhendé immédiatement, sans qu’il soit nécessaire de faire un
détour par autre chose […] Sur le plan gnoséologico-pratique, nous

maines objectifs […] ne sont rien d’autre que les domaines de validité ou de
« souveraineté logique » de certaines catégories déterminées », 74.
14 Dewalque, Objectualité et domaine de validité, 68. Voir Emil Lask, Die
Logik der Philosophie und die Kategorienlehre. Eine Studie über den Herr­
schaftsbereich der logischen Form, in Gesammelte Schriften, (GS par la suite),
Band II, Tübingen 1923 ; trad. fr. par J.-F. Courtine, M. de Launay, D. Pra­
delle et Ph. Quesne, La logique de la philosophie et la doctrine des catégories,
Paris 2002.
15 Wilhelm Windelband, Von System der Kategorien, Tübingen, Freiburg /
Leipzig 1900.
16 Eduard von Hartmann, Kategorienlehre, Leipzig 1896.
17 Heid­eg­ger, Frühe Schriften, GA 1, 288.
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 119

avons le devoir de simplement voir (nur hinzusehen), d’appréhender


effectivement tout ce qui est appréhendable. »18

De Lask, il retient donc qu’on ne peut réduire la question du sens


à la « mise en valeur » d’une matière sensible par une « relation de
valeur » (Wertbeziehung). Le sens de la valeur est toujours secon­
daire par rapport à la sphère de sens immanent du logos. En consé­
quence, Heid­eg­ger découvre que la matière sensible est toujours
déjà imprégnée de sens, avant même sa mise en forme. Il s’inscrit ici
dans l’héritage de Lask pour soutenir que : « quel que soit ce qui est
connu, quel que soit ce sur quoi des jugements sont portés, il faut
entrer dans le monde du sens, c’est seulement là que quelque chose
peut être connu et jugé »19. Aussi, c’est Lask qui introduit l’idée
que le « matériau objectif » dont on juge n’est accessible que dans
la mesure où nous vivons toujours déjà dans la dimension du sens
sans la thématiser. « C’est précisément dans la vérité que « vit » celui
qui connaît »20. C’est la thèse qu’épouse Heid­eg­ger dès ses premiers
écrits : « ce n’est que dans la mesure où je vis dans la sphère de la
validité que je sais ce qu’il en est de l’existant »21. La tâche de la « lo­
gique de la logique » et de la refonte du système catégorial consiste
à repenser la place préthéorique du domaine du sens en refusant de
poser que le domaine du sens est un domaine transcendant au réel.
Aussi, si on souscrit sans réserve au postulat formulé par Dewalque
selon lequel le premier projet « logico-sémantique » du jeune Heid­
eg­ger « échappe au cadre postérieur d’une herméneutique de la fac­
ticité et ne peut lui être annexé sans subir de torsion violente »22,
on soutient qu’on trouve, dès les premiers écrits logiques de Heid­
eg­ger, la préfiguration des thèses herméneutiques qui annoncent la
conception du « logos » des cours de Marbourg qui retiennent notre
attention. Il est clair que les recherches logiques du jeune Heid­eg­ger
présentent le mérite d’adopter un format logico-sémantique original
qui sera abandonné par la suite. Comme on va le montrer, en refusant
de faire des « formes logiques » (catégories), même « constitutives »,

18 Heid­eg­ger, Frühe Schriften, GA 1, 213. C’est la traduction qu’en propose


Dewalque dans l’article cité.
19 Lask, GS II, trad. fr. p. 107.
20 Lask, GS II, 191.
21 Heid­eg­ger, Frühe Schriften GA 1, 280.
22 Dewalque, Objectualité et domaine de validité, 55.
120 Charlotte Gauvry

la norme du sens, Heid­eg­ger prive de fondation logique les énoncés


logiques. On entend cependant montrer qu’il en propose un nou­
veau sol, par la radicalisation des thèses de Lask.

Le logos dans les Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs


de l’été 1925

On entend donc préciser le statut du logos dans la dite « seconde


philosophie herméneutique »23 de la période de Marbourg. Il s’agit
de montrer que si les catégories sémantiques ne tiennent plus lieu
de sol fondateur du discours, le discours est dérivé de l’articulation
de l’environnement (Umwelt) du monde de la vie facticielle. C’est
particulièrement frappant dans le cours de « logique » de 1925–1926.
On note cependant que, dès la partie préliminaire des Prolegomena,
en s’intéressant à la notion husserlienne d’ « intuition catégoriale »,
Heid­eg­ger définit d’emblée l’énoncé comme l’explicitation de l’arti­
culation préalable de l’environnement du comportement.
Dans le paragraphe 6 b) des Prolegomena, Heid­eg­ger précise
que le rôle de l’intuition catégoriale, entendue comme le paradigme
de toute intuition, consiste à « rendre fondamentalement visible »
la « déterminité caractéristique du monde ». « Son interprétation
et appréhension [sont] rendues possibles par l’expressivité, par le
fait qu’il est d’avance objet de discours et de débat »24 dans l’in­
tuition. De l’analyse husserlienne de la sixième Logische Untersu­
chung, Heid­eg­ger retient donc que le format expressif du monde
est toujours « d’avance » saisi par l’intuition. Dans la perception
simple (celle de la chaise de la salle de classe n°24, pour reprendre
l’exemple de Heid­eg­ger), on a une intuition de la chaise mais aussi

23 Rappelons en effet que si Heid­eg­ger prend ses distances avec l’her­méneu­


tique de Dilthey dès 1921, à partir de décembre 1923 et de la publication de la
correspondance entre Dilthey et le Comte Yorck von Wartenburg commence
une deuxième phase de réception de la pensée de Dilthey. Au printemps 1924
est publié le cinquième volume des Gesammelte Schriften de Dilthey, Die
Geistige Welt, dont Heid­eg­ger propose une recension conséquente. Aussi,
dès 1924, un nouveau rapprochement avec l’herméneutique est initié qui se
présente conjointement comme une critique de la phénoménologie husser­
lienne. Cette seconde phase culmine avec les conférences de Cassel de 1925
et le cours de l’été 1925 sur lequel nous nous appuyons.
24 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 75 ; trad. fr, 92. C’est nous qui soulignons.
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 121

de son articulation prédiscursive au sein d’un réseau de sens (Sinn­


zusammenhang). L’intuition ainsi redéfinie comme « intuition her­
méneutique » (hermeneutische Intuition)25 est une intuition compré­
hensive de l’articulation de l’environnement significatif où se trouve
la chaise.
Heid­eg­ger précise alors le lien qui nous intéresse ici entre cette
intuition compréhensive et l’« énoncé » (Aussage) qui l’exprime de
manière déterminée. L’énoncé est défini comme l’explicitation dé­
terminée de l’articulation qui se trouve toujours déjà dans l’envi­
ronnement significatif. Heid­eg­ger travaille un exemple. Par l’énoncé,
« cette chaise jaune est rembourrée », j’exprime une perception, c’est-
à-dire 1 / Je communique à autrui le fait que j’ai perçu la chaise ; 2 /
Je communique non pas seulement l’acte (le fait que je perçois) mais
aussi le contenu de la perception. Bien plus, l’énoncé manifeste aussi
l’articulation de la perception intuitive et lui adjoint une détermina­
tion. Mais cette articulation ne vient pas se surajouter à l’intuition
sensible. Car la perception sensible est toujours déjà imprégnée par
l’intuition catégoriale : « Les parties, moments, fragments de ce qui
est perçu de prime abord de façon simple sont là au contraire seule­
ment implicitement, ils ne sont pas mis en relief – ils sont là, ce qui
veut dire aussi qu’ils peuvent être mis en relief »26. L’expressivité
de l’énoncé est donc une explicitation déterminée des articulations
catégoriales toujours déjà présentes, de manière implicite, dans l’in­
tuition simple.
Cette explicitation déterminée peut être menée par des actes ca­
tégoriaux variés. On peut par exemple expliciter « l’être-jaune » de
la perception exprimée par l’énoncé « cette chaise jaune est rem­
bourrée ». L’état de choses catégorial « être-jaune », nous dit Heid­
eg­ger, est « initialement inarticulé » dans la perception mais « devient
à présent visible grâce à l’articulation » qui conduit à expliciter ce
qui était toujours déjà perçu implicitement par la perception simple.
C’est par cette intuition expressive qu’un objet se trouve énoncé
thématiquement. Cette articulation est par ailleurs constitutive de
l’objet perçu dans la mesure où « la mise en relief », par l’expression,
de « l’état de choses » « confère à la chaise une présence plus propre,
elle entre véritablement en présence. La mise en relief de la relation

25 La notion est introduite dès le Kriegsnotsemester de 1919. Voir Heid­eg­


ger, Die Idee der Philosophie, GA 56/57, 117.
26 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 83 ; trad. fr., 99. C’est nous qui soulignons.
122 Charlotte Gauvry

d’état de choses est une manière d’objectiver plus proprement la


chose préalablement donnée »27.
On retient pour notre part le caractère éminemment herméneu­
tique de cette caractérisation de l’énoncé (Aussage). Exprimer un
énoncé « cette chaise jaune est rembourrée » fondé dans une intuition
simple est la détermination d’une explicitation qui repose sur une
interprétation, dans un environnement, de la structure du compor­
tement de celui qui perçoit la chaise en tant que son usager. À une
interprétation concurrente correspond une autre explicitation et un
autre énoncé (ce que montrent les cours de Fribourg avec l’exemple
de la chaire28).

3. « En tant que apophantique » et « en tant que herméneutique »


dans le cours de l’hiver 1925–1926, Logik. Die Frage nach der
Wahrheit.

Dans le cours de Marbourg de 1925–1926, « Logik. Die Frage nach


der Wahrheit », Heid­eg­ger précise plus avant ce concept de logos et
prononce la rupture par rapport aux recherches logiques inaugurales
de 1913–1916 que nous avons présentées d’emblée.
Heid­eg­ger définit, au paragraphe 2 du cours, la logique « comme
la science de la vérité »29. Aussi c’est d’abord le concept de « vérité »
qu’il entend préciser. Après avoir rappelé dans l’avant-propos du
cours l’état des lieux de la philosophie logique de son temps – du
moins de celle dont il s’inspirait encore en 1913, Husserl et Lotze
étant alors ses références principales – Heid­eg­ger entreprend de
proposer une analyse à nouveaux frais du concept de « vérité », en
partant du De interpretatione d’Aristote. Cette reformulation pré­
suppose une destruction préalable des présupposés de la « logique »
qui était la sienne avant-guerre. Heid­eg­ger commence par souligner
l’inanité des problèmes qu’affronte la logique quand elle combat le
psychologisme, le scepticisme et le relativisme, à savoir des combats
qui étaient encore les siens en 1913. Tout autant que Lotze, c’est le
Husserl de la première Recherche logique qui est ici visé. L’inanité de

27 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 86 ; trad. fr., 102.


28 Heid­eg­ger, Die Idee der Philosophie, GA 56/57, § 14.
29 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 7: « Als Wissen­
schaft von der Wahrheit ».
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 123

ces problèmes montre que la « question fondamentale de la logique


n’a pas encore atteint la dimension de question philosophique »30.
Elle reste grevée par une conception abusive du sens en termes de
« validité ». Le but du cours de 1925–1926 est alors de déconstruire
cette conception du sens pour assurer une prise plus authentique
sur le concept de « vérité ». Ici, la rupture est consommée avec les
recherches logiques d’avant-guerre. Il ne s’agit plus de fonder logi­
quement le discours pour en faire un outil valide de la métathéorie.
Par la reformulation du concept de logos, Heid­eg­ger entend bien
plutôt contester sa primauté (et dénoncer le réquisit de validité) pour
en souligner le caractère toujours nécessairement dérivé.
Le paragraphe 11 du cours de 1925–1926 montre que la concep­
tion traditionnelle de la vérité et du logos (caractérisé ici comme
« proposition » – Satz) est grevée par trois préjugés : « 1. La proposi­
tion (Satz) est le lieu de la vérité ; 2. La vérité est un accord entre la
pensée et les étants ; 3. Aristote est l’auteur de ces deux énoncés »31.
Les deux premières assertions sont des préjugés qui proviennent
d’une mauvaise lecture du De interpretatione d’Aristote. À mieux
le lire, on comprend en revanche que, loin de faire du discours (lo­
gos) le lieu de la vérité, Aristote montre bien plutôt qu’il existe une
multiplicité de discours, ce que mentionnait déjà le paragraphe 8 des
Prolegomena : il faut distinguer le discours optatif, le discours impé­
ratif, le discours interrogatif, la prière, etc. C’est le génie d’Aristote
que de distinguer le domaine du discours apophantique du domaine
de la rhétorique ou de la poésie32. Aussi, c’est à la condition d’une
dissolution des trois préjugés précédemment cités que l’on peut es­
pérer obtenir une prise sur le concept de « vérité » et comprendre que
« la proposition n’est pas le lieu où la vérité devient d’abord possible,
mais à l’inverse c’est la proposition qui n’est possible que dans la vé­
rité »33. « Ce n’est pas la proposition qui est le lieu de la ­vérité mais

30 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 24: « Die Grund­
frage der Logik die Dimension des philosophischen Fragens noch nicht er­
reicht hat ».
31 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128.
32 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 130.
33 Pour cette citation et la suivante, Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der
Wahrheit, GA 21, 135: « Der Satz ist nicht das, darin Wahrheit erst möglich
wird, sondern umgekehrt, der Satz ist erst in der Wahrheit möglich » et « Satz
ist nicht der Ort der Wahrheit, sondern Wahrheit der Ort des Satzes. »
124 Charlotte Gauvry

bien au contraire la vérité qui est le lieu de la proposition ». C’est


dans cette perspective que le concept de logos est redéterminé.
Heid­eg­ger entreprend de clarifier, au paragraphe 12 de son cours,
la structure fondamentale du logos et du phénomène de la significa­
tion. L’analyse repose sur une reformulation du concept de vérité : la
« vérité » n’est pas une « valeur » qui vient se surajouter à la proposi­
tion. Si une proposition est « vraie », c’est qu’elle est structurellement
découverte (entdecken) en tant que découvrement d’un recouvre­
ment (verdecken) : « La découverte de l’énoncé est une découverte
non-recouverte (ein nichtverdeckendes Entdecken), c’est dire que
la structure de la vérité de l’énoncé est fondamentalement la même
que celle de la fausseté. Pour le dire de manière synthétique : le pou­
voir-être-vai ou faux caractéristique de l’énoncé doit être fondé, en
sa possibilité, sur une structure identique du logos »34. La structure
de la vérité comme de la fausseté est une structure de « découvre­
ment ». Cette structure est précisément celle du logos. C’est ce que
Heid­eg­ger entend clarifier en déterminant la structure primitive du
logos comme la structure du comportement : l’ « en tant que » her­
méneutique.
Dans le paragraphe 12 de son cours, Heid­eg­ger définit le logos
comme le « laisser voir indicatif des étants dont on parle »35. Cette
structure monstrative renvoie toujours à un « comprendre primaire »,
celui du commerce quotidien avec les pragmata. C’est ce que pré­
cise Heid­eg­ger en travaillant l’exemple d’un énoncé : « ce tableau
est noir ». La prédication « être noir » présuppose un « en tant que »
plus originaire : l’« en tant que » herméneutique de la structure du
comportement. « Ce tableau est noir » a un sens en tant qu’il s’ins­
crit dans l’environnement significatif qui prédéfinit son sens. Cela
n’a de sens de dire qu’un tableau est noir que si l’on sait déjà ce
qu’est un tableau et comment l’utiliser : « L’objet d’usage là-devant
[vorhan­dene] [le tableau en l’occurrence] doit être connu, c’est-à-
dire accessible, par exemple, à partir de ce à quoi il sert, comme ce
pour quoi il est utile et par l’usage par lequel on s’en sert – pour

34 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 135: « Das Entde­
cken der Aussage ist ein nichtverdeckendes Entdecken, d. h. die Strucktur der
Aussagewahrheit ist grundsätzlich die der Falschheit. Im Ganzen gesprochen:
das Wahr- oder Falschseinkönnen, das das Aussagen charakterisiert, muß in
seiner Möglickeit auf eine und dieselbe Struktur des logos gebaut sein ».
35 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 143: « Aufwei­
sendes Sehenlassen des beredeten Seienden ».
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 125

écrire dessus. Ce « pour quoi » [wozu] est lui-même connaissable


et compréhensible »36. Aussi, ce n’est pas une limitation que de res­
treindre l’analyse des énoncés aux énoncés portant sur des choses
de notre environnement quotidien. Car le sens des énoncés – même
théoriques – est toujours dérivé, par privation pourrait-on dire, de
la compréhension primaire de notre quotidienneté. Cette compré­
hension primaire des choses du monde selon le commerce qu’on en
fait est toujours déjà signifiante. C’est une erreur conceptuelle – celle
d’une certaine métaphysique néocartésienne – que de croire en la
primauté d’une donation d’objets « sans signification » (bedeutungs­
frei) à laquelle on « accolerait » (ankleben) ensuite de la signification.
L’environnement (Umwelt) dans lequel nous sommes plongés avant
de parler est toujours déjà signifiant.
Heid­eg­ger précise la structure de ce « comprendre » primaire :
« notre façon d’être orienté vers les choses et les gens se meut se­
lon la structure du : quelque chose en tant que quelque chose – en
bref : elle a la structure de l’en tant que (Als-Struktur) »37. Cette
« Als-Struktur » est primairement anté-prédicative. Certes, on peut
user d’énoncés prédicatifs comme « le tableau est noir » ou insister
de manière thématique sur le fait qu’on énonce le tableau « en tant
que plus noir (schwarzer) ». Mais « on doit bien comprendre que
cet « en tant que » n’est pas primairement authentique en tant que
prédication mais que [l’en tant que authentique] le précède de telle
manière que c’est lui qui rend possible la structure prédicative »38.
Cette structure anté-prédicative de « l’en tant que herméneutique »
qui structure toujours déjà tout mode primaire de compréhension
n’est pas elle-même saisie de manière thématique. On la saisit en tant
qu’on se comporte dans un environnement en usant de ses différents
outils, du tableau par exemple. « La structure de l’en tant que ne re­

36 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 143: « Der vor­
handene Gebrauchsding muß bekannt sein, d. h. zugänglich z. B. in dem,
wozu es dient, in dem, als was es gebraucht ist und für den Gebrauch begeg­
net – zum Schreiben darauf. Dieses Wozu selbst ist bekannt und verständlich ».
37 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 144: « Unser ori­
entiertes Sein zu den Dingen und Menschen bewegt sich in dieser Struktur
des : etwas als etwas – kurz : hat die Als-Struktur ».
38 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 145: « Man muß
dabei verstehen, daß dieses « Als » nicht der Prädikation qua Prädikation pri­
mär eigentlich ist, sondern vor ihr liegt, so daß es die Prädikationstrucktur
erst ermöglicht ».
126 Charlotte Gauvry

lève pas d’une saisie thématique […] elle relève – en gros – de notre
« comportement ». […] Dans ce comportement en tant que compor­
tement, ce qui est signifié, quand nous l’analysons, est toujours déjà
compris […] mais de manière non thématique »39. Le discours apo­
phantique (logos) repose donc toujours déjà sur une articulation non
thématique qu’il doit déterminer, celle du comportement.
Par ailleurs, Heid­eg­ger précise le caractère existential de cette
compréhension pré-thématique. En tant que Dasein, je suis tou­
jours déjà structurellement un être-comprenant de l’orientation des
choses de mon monde environnant (Umweltdinge) : « Je suis – en
tant que Dasein : parlant-marchant-comprenant – en commerce
compréhensif ».40 Aussi cette « compréhension » primaire et préa­
lable à toute énonciation est-elle une indication formelle de ce qu’est
le Dasein en tant que Dasein. C’est un existential41.
La structure du logos et des énoncés se précise en conséquence.
C’est en tant que comprenant que le Dasein peut s’exprimer et thé­
matiser des énoncés. Même le silence ou le repos du Dasein (die
Dumpfheit) est un mode de la compréhension. Aussi, vraiment
comprendre le sens d’un énoncé comme « ce tableau est noir » re­
quiert une interprétation de ce qui est signifié et compris. Le logos et
le sens sont donc reconduits à une signification plus originaire : au
commerce quotidien avec les choses du monde qui m’environnent.
Pour spécifier la distinction entre deux modes de compréhension,
la compréhension primaire du comportement et la compréhension
prédicative de l’énoncé, Heid­eg­ger distingue « l’en tant que » hermé­
neutique dont on a précisé la structure (qu’on peut expliciter par le
comportement) et « l’en tant que » apophantique. Ce deuxième « en
tant que » caractérise la structure de la prédication. Cette structure

39 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 146: « Die Als-
Struktur gehört – roh gesprochen – zu unserem « Verhalten ». […] In diesem
als-haften Verhalten, dem Bedeuten ist, wenn wir analysieren, je schon immer
etwas verstanden. […] aber unthematisch ».
40 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 146: « Ich bin –
qua Dasein: sprechend-gehend-verstehend – verstehender Umgang ».
41 Voir Jean-François Courtine, Les Recherches logiques de Martin Heid­eg­
ger. De la théorie du jugement à la vérité de l’être, in: Heid­eg­ger 1919 –1929,
De l’herméneutique de la facticité à la métaphysique du Dasein, éd. par Jean-
François Courtine, Paris 1996, 25. Voir le passage du cours de Logique de
1925–26 auquel renvoie Courtine : Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der
Wahrheit, GA 21, 146–147.
La lecture herméneutique du ‹ logos › de 1925–1926 127

est présentée sur un mode privatif comme un « nivellement » de la


compréhension primaire authentique : « dans l’accomplissement de
l’énoncé dans la forme de la prédication, à savoir de l’énoncé au
sens d’énoncé catégorial, la compréhension primaire « en tant que »
est nivelée (sich nivelliert) à la pure et simple détermination des
choses »42. L’énonciation privative retire de la circulation les objets
qu’elle caractérise en les déterminant comme simple être-sous-la-
main (Vorhandenheit). Ainsi le domaine du logos est-il le domaine
de cette détermination privative qui retire les objets de l’environne­
ment où ils étaient orientés. De ce domaine du sens de l’énoncé, il
faut distinguer le domaine toujours déjà signifiant de l’environne­
ment quotidien dans lequel le Dasein s’oriente primairement, selon
le mode de la préoccupation. Ici s’annoncent les distinctions bien
connues du paragraphe 33 de Sein und Zeit entre le domaine pré­
dicatif du logos, le domaine articulé du sens explicité et le domaine
de la « signification » ou plus exactement de la « significativité » (Be­
deutsamkeit) toujours première.

En conclusion, on retient que le cours de l’été 1925 et surtout celui


du semestre d’hiver 1925–1926 introduisent une rupture sans retour
avec la « doctrine des catégories » adoptée par les recherches logiques
du jeune Heid­eg­ger. Si cette rupture est largement préfigurée par les
cours de Fribourg, le cours de 1925–1926 précise très explicitement
que l’articulation du logos est dérivée de l’articulation primaire et
prédiscursive de l’environnement de la préoccupation. C’est l’arti­
culation primaire du monde de la vie significatif qui tient lieu de sol,
non pas de validation mais de structuration, des énoncés.
On comprend le sens de cette reformulation qui entend rompre
définitivement avec la conception théorisante et objectivante des
« domaines d’objets » de Bade. Il est cependant légitime de se deman­
der si cette dérivation, qui procède par privation, peut tenir lieu de
fondation logique du sens, plus exactement si, en récusant le concept
de « validité » et en reconduisant le sens à l’interprétation d’une ar­
ticulation primaire, la reformulation herméneutique du sens ne met
pas en péril l’exigence de validité objective du sens.

42 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 152: « In dem
Aussagevollzug in der Form der Prädikation, und zwar im Sinne der kate­
gorischen Aussage, nivelliert sich das primär verstehende « als » zugleich in
der reinen einfachen Dingbestimmung ».
Diego D’Angelo
Die Bedeutung ohne Worte und der Leib
Zwischen Tafeln, Monaden und Spiegeln

Tafeln und Bedeutungen ohne Worte

Was fragt ein Kind, wenn es fragt, was etwas sei? Was ist das, was
am Anfang, vor jeder Theorie, gegeben ist? Gibt es überhaupt et­
was, das an sich gegeben ist? Oder sollte man vielmehr von Anfang
an von Interpretation sprechen? Selbstverständlich ist dies eine der
Hauptfragen der Phänomenologie, und zu behaupten, dass Heid­eg­
ger sich ständig mit den in dieser Frage liegenden Problemen ausei­
nandergesetzt hat, ist auch keine Neuigkeit. In diesem Beitrag be­
absichtige ich, diese Frage im Hinblick auf die hermeneutische Als-
Struktur zu diskutieren (Abschnitt 1 und 2), und im Anschluss daran
eine mögliche Eröffnung zum Begriff des Leibes zu versuchen, auch
dank der Beiträge von Leibniz und der Phänomenologie Husserls
(Abschnitt 3).
Diese Problemkonstellation findet eine erste und bedeutsame
Behandlung in der Vorlesung mit dem Titel Logik. Die Frage nach
der Wahrheit, die Heid­eg­ger im Wintersemester 1925/26 an der
Universität Marburg hielt. Hier wird nämlich eine erste Antwort
auf die Frage, »Was ist das, was am Anfang gegeben ist?« ausdrück­
lich formuliert: »Was zuerst – in einem noch zu bestimmenden
Sinne – ›gegeben‹ ist, ist das zum Schreiben, zum Aus- und Einge­
hen, zum Beleuchten, zum Sitzen; das heißt Schreiben, Aus- und
Eingehen, Sitzen und dergleichen sind etwas, worin wir uns von
vornherein bewegen: Was wir kennen, wenn wir uns auskennen und
was wir lernen, sind diese Wozu«.1 Heid­eg­ger bezieht sich auf seine
Konzeption, nach der die Dinge etwas … wozu sind; eine Kon­

1 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 144.


130 Diego D’Angelo

zeption, die dann noch ausführlicher in Sein und Zeit formuliert


werden wird. Einige Seiten vorher hatte Heid­eg­ger am Beispiel der
Tafel die Sache noch deutlicher ausgedrückt: »Die Tafel ist nämlich
dann in einem eigentlichen Sinne leibhaftig da, in ihrer eigensten
Wirklichkeit, die sie je haben kann, sofern sie in dem gebraucht
wird, was sie ist«.2
Die Gegebenheit der Dinge stimmt demzufolge mit dem über­
ein, was wir mit ihnen anfangen können. Die Art des Umgangs mit
dem »nächstbegegnenden Seienden«, wie es in Sein und Zeit heißt,
ist nicht das vernehmende Erkennen, sondern das Hantieren, das
gebrauchende Besorgen;3 in dieser primären Schicht unseres Ver­
stehens heißt ›etwas verstehen‹ also so viel wie ›etwas handhaben‹.
Klar ist aus Heid­eg­gers Perspektive aber auch, dass die Dinge zu­
erst in einem Bedeutungszusammenhang auftauchen; sie sind nie
für sich selbst und allein uns gegeben, sondern nur in einer Ver­
flechtung mit den anderen anwesenden Dingen, die eine Verflech­
tung auf der Ebene der Bedeutung ist. Diese schon immer vorent­
deckte »Bewandtnisganzheit«,4 um es mit § 18 von Sein und Zeit
auszudrücken, gibt es sogar dann, wenn wir noch keine Sprache
zur Verfügung haben. Mehr noch: Nur auf die schon immer offene
Bedeutsamkeit hin kann eine Sprache überhaupt entstehen. Diese
Bedeutsamkeit der Dinge, die Bedeutung ›ohne Worte‹, wie wir sie
nennen könnten, ist die Unterschicht, die für jedes aktuelle Sprechen
notwendig und in diesem vorausgesetzt ist. Aber was ist eine Bedeu­
tung ohne Worte? Es fällt nicht leicht zu verstehen, dass ein Ding
etwas bedeutet in einer nicht-sprachlichen Hinsicht. Es bietet sich
daher an, eine pragmatische Auffassung des Begriffs ›Bedeutung‹
zu entwickeln, die eben auf den Seiten von Logik. Die Frage nach
der Wahrheit besonders deutlich wird. Denn ganz in diesem Sinne
fährt Heid­eg­ger fort, wenn er ›Zutunhaben-mit‹ und Verstehen mit­
einander in Verbindung bringt: »In dem primären Verstehen des
Zutunhabens-mit ist das Verstandene oder Be-deutete aufgeschlos­
sen. Damit ist dem Verstehen selbst die Möglichkeit zugewachsen,
den Aufschluss, das ›Resultat‹ gleichsam für sich zu nehmen und
zu verwahren – Das Resultat des Bedeutens ist je eine Bedeutung,

2 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 104.


3 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA2, 90.
4 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA2, 112.
Die Bedeutung ohne Wort und der Leib 131

nicht etwa eine sogenannte übliche Wortbedeutung, sondern dieser


primären Bedeutung kann jetzt ein Wort zufallen«.5
Mit anderen Worten: Nur wenn wir schon einen Aufschluss über
etwas haben, wie Heid­eg­ger dies nennt, wenn es uns also, mit einem
anderen, späteren Ausdruck gesagt, erschlossen ist, können wir die­
sen Aufschluss auch zur Sprache und zum Ausdruck bringen. Und
dieses Aufgeschlossen-Sein der Sache ist genau das, was Heid­eg­
ger meint, wenn er von Bedeutung in diesem Sinne spricht. Wenige
Seiten später wird diese Auffassung des Problems erneut hervorge­
hoben: »Die Bedeutungs-Mannifaltigkeit ist nur möglich auf dem
Grunde und im Medium von Bedeutung überhaupt«.6 Doch gibt es
keine ausgezeichnete Art und Weise, eine Sache zu handhaben, die
sie in ihrer Bedeutung erschließt. Es ist nämlich die Konstitution des
Daseins selbst, die dieses (erschließende) Verhältnis zu den Dingen
ermöglicht. Dieses Verhältnis nimmt die Struktur des ›Als‹ also in
sich auf. Heid­eg­ger sagt dies sehr klar: »Jedes Vorsichhaben und
Vernehmen von Dingen hält sich in diesem Aufschluss über sie, den
sie einem primären Bedeuten aus dem Wozu verdanken. Jedes Vor­
sichhaben und Vernehmen von etwas ist in ihm selbst ein ›Haben‹
von etwas als etwas«.7

Die logische Als-Struktur in der Monade, oder:


vom Reden ohne Worte

Die Als-Struktur spielt also bei der Konstitution der wortlosen Be­
deutung eine besondere Rolle. Wir haben etwas vor uns, so sagt
Heid­eg­ger, und schon deshalb wird diese Sache als etwas anderes
erfasst. Damit ist klar, dass es keine ›bloßen Dinge‹ gibt, sowie auch
keine ›Dinge an sich‹, die wir irgendwie als abstrakte denken könn­
ten. Diese Abstraktheit ist nämlich nur eine nachträgliche Setzung,
die nichts Ursprüngliches an sich hat. Was hingegen ›am Anfang‹
steht, sind immer Dinge als etwas und zwar als etwas anderes: Dinge,
die auf etwas anderes verweisen. Und diese Verweisung (und nur sie),
gibt uns die Möglichkeit, die Dinge zu vernehmen und zu verstehen.
Verstehen wird, insbesondere in Sein und Zeit, zu einem terminus

5 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 151.


6 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 153.
7 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 144.
132 Diego D’Angelo

technicus, dem Heid­eg­ger einige wichtige Seiten widmet. Was heißt


es also, dass die Dinge immer ›als‹ etwas anderes verstanden werden?
Eine mögliche Antwort darauf kann man in der Vorlesung mit dem
Titel Metaphysische Anfangsgrunde der Logik aus dem Jahr 1928
finden. Hier wird das Denken auf eine Art und Weise beschrieben,
die eigentlich eine Umformulierung der Konzeption des Verstehens
aus Sein und Zeit ist, erschienen 1927, also im Jahr vor der Vorle­
sung; dennoch sind die aus dieser Konzeption gezogenen Schlussfol­
gerungen in Heid­eg­gers Hauptwerk so noch nicht enthalten.
Jedes Denken wird nämlich als ein Bestimmen aufgefasst, »in
der einfachsten Form: das Bestimmen von etwas als etwas«.8 Dieses
Denken ist ferner »ein Verhalten des Daseins und damit eine Art
zu sein, – zu sein als Seiendes zu anderen Seienden«.9 Diese Kon­
zeption des Denkens als Bestimmen ist sozusagen eine andere Fas­
sung der Abhandlung über dieses Thema in Sein und Zeit. Dennoch
sieht die Fragestellung in diesem Text etwas anders aus als dort, und
dies führt auch zu einer Antwort, die nicht unmittelbar identisch
mit der von Sein und Zeit ist. Heid­eg­ger nimmt nämlich mit Be­
zug auf Leibniz dieses Bestimmen des Denkens als eine Art Drang
in einer sehr aufschlussreichen Weise auf. Die Monade, als welche
hier das Dasein bestimmt ist, habe den »Drang als ihren metaphy­
sischen Grundzug«:10 Sie spiegelt die Dinge wider – und diese Wi­
derspiegelung muss als perceptio oder repraesentatio, das heißt aber
auch als Denken, als Verstehen aufgefasst werden. In Heid­eg­gers
Worten: »Die Monade ist im Grunde ihres Wesens vor-stellend, re-
präsentierend«.11 Und »dieses Vorstellen ist aber nicht als ein pures
Anstarren zu verstehen, sondern als Perzeption«.12
Die Widerspiegelung (die etwas ›vor-stellt‹) ist also eine Grund­
bestimmung des Auffassens und Verstehens. Auch die Als-Struktur
soll daher als eine solche Bewegung der Widerspiegelung zu ver­
stehen sein: Das eröffnet die Möglichkeit, die Beziehung zwischen
dem, der versteht (oder der vernimmt), und dem, was zu verstehen
ist (oder das zu vernehmen ist) als aktiv und geschichtet darzustellen.
»Das Spiegeln«, schreibt Heid­eg­ger, »ist nicht ein starres Abbilden,

8 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 26.


9 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 35.
10 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 103.
11 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 112.
12 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 113.
Die Bedeutung ohne Wort und der Leib 133

sondern es selbst drängt als solches zu neuen vorgezeichneten Mög­


lichkeiten seiner selbst«.13 Wer oder was zeichnet aber diese Mög­
lichkeiten vor? Inwiefern sind sie Möglichkeiten »seiner selbst«?
Wer oder was »drängt« eigentlich? – ›Wir‹, oder noch schlechter
›das Dasein‹ sind keine gültigen Antworten auf diese Frage. Denn
um ein ›Wir‹ oder ein ›Dasein‹ zu haben, das heißt, um ›drängen‹ zu
können, muss die Welt schon ›da sein‹, aber ein Verhältnis zu den
Dingen schafft in erster Linie nicht die Sache, auf die Bezug genom­
men wird, die gespiegelt wird, sondern vor allem dasjenige, das Be­
zug nimmt und spiegelt: das Dasein (als Dasein). Diese Zirkularität
kann nicht auf das Dasein selbst zurückgehen und aus diesem ent­
stehen, weil es das Dasein als In-der-Welt-Sein nur innerhalb dieser
Zirkularität gibt – doch bereits dieses Problem zu formulieren ist
für Heid­eg­ger höchst problematisch. Denn die Zirkularität des Ver­
stehens als Spiegeln unterläuft den Vorrang des Daseins als Grund
des Verstehens. Das Verstehen würde eben durch das Spiegeln einer
Fundierung im Dasein entzogen, es ist mehr als ein Existenzial des
Daseins unter anderen.
Diese Problemkonstellation führt Heid­eg­ger zu einer erneuten
Untersuchung der Welt. Die Welt ist kein objektivierbarer Gegen­
stand, sondern sie ist immer nur auf das Dasein hin. Die Welt ist
im Grunde genommen überhaupt kein ›Was‹, vielmehr ein ›Wie‹.14
Dieses Wie ist aber nur durch unser Handeln mit den Dingen mög­
lich. Es ist nicht so, dass es eine ›Was-Welt‹ gäbe, die dann zu einer
›Wie-Welt‹ wird, da wir sie manipulieren, oder zu der wir in Bezug
treten, sondern umgekehrt: Die Wie-Welt ist die Welt, die wir mani­
pulieren, und nur weil das so ist, kann die Welt selbst als ein Etwas
›betrachtet‹ werden. Am Anfang steht dagegen nur die Korrelation
zwischen einem handelnden Dasein und einer Welt, deren Elemente
vom Dasein manipuliert werden. Im Phänomen der Freiheit nun
bringt Heid­eg­ger die Charakterisierung der Welt durch das Dasein
mit der Zirkularität des spiegelnden Verstehens zusammen: »Die
Welt, primär gekennzeichnet durch das Umwillen, ist die ursprüng­
liche Ganzheit dessen, was sich das Dasein als freies zu verstehen
gibt. Freiheit gibt sich zu verstehen, sie ist das Urverstehen, das heißt
der Urentwurf dessen, was sie selbst ermöglicht«.15

13 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 121.


14 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 223.
15 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 247.
134 Diego D’Angelo

Dieses Urverstehen geschieht natürlich vor der Sprache: Die


Vorsprachlichkeit nicht nur von Bedeutung, sondern auch der Rede
wird an dieser Stelle besonders deutlich. Aus dieser Beschreibung
folgt unmittelbar, dass es hier nicht um ein Ausdrücken und auch
nicht um eine wörtliche Vermittlung geht. Dass die Rede im Sinne
Heid­eg­gers vorsprachlich zu verstehen ist, betont auch Dreyfus in
seinem Kommentar zu Sein und Zeit: Dreyfus unterscheidet näm­
lich pointiert vier verschiedene Schichten der Rede, von denen nur
die letzte mit Worten zu tun hat.16 Das Verstehen, um das es in Sein
und Zeit geht, ist kein apophantisches Verstehen, sondern ein her­
meneutisches Verstehen, auf dem das apophantische aufbaut. Und
dieses hermeneutische Verstehen ist eben vorsprachlich.17 Vorprä­
dikatives und hermeneutisches Verstehen sind aber jetzt mit der
pragmatischen Konzeption der Bedeutung in Verbindung zu brin­
gen: Die Als-Struktur ist die fundamentale Struktur dieses Verste­
hens, das deshalb selbst nicht anders als pragmatisch aufgefasst wer­
den kann. Wenn wir eine Hermeneutik ohne Worte haben, dann
kann eine solche Hermeneutik nur zu einer Pragmatik werden. Das
Handlungsgefüge, das in der Marburger Vorlesung herausgearbei­
tet wird, kommt im Hauptwerk Heid­eg­gers aber nur implizit zur
Geltung. Das Verstehen wird hier vielmehr in einer allgemeineren
Verflechtung von Begriffen dargestellt, die den entscheidenden prag­
matischen Ausgangspunkt verdecken.
Das Verstehen ist nämlich nach § 31 von Sein und Zeit, wie be­
kannt, eine existenziale Struktur (neben der Befindlichkeit), in der
das Sein des ›Da‹ sich hält.18 In diesem Sinne ist das Verstehen die
Erschlossenheit des In-der-Welt-Seins im ›Worumwillen‹: Das Ver­
stehen geschieht dem ›Seinkönnen‹ des Daseins gemäß, und der
Spielraum dieses Seinkönnens ist der Entwurf und damit auch der
Spielraum des Verstehens. Die entworfene Möglichkeit im Verste­
hen bewegt sich aber immer in Richtung eines Zuhandenen, das ei­
nem Worumwillen als (Handlungs-)Möglichkeit des Dasein gebührt.

16 Hubert Dreyfus, Being-in-the-World. A Commentary on Heid­eg­ger’s


Being and Time, Division I, Cambridge Mass. / London 1993, 217.
17 Diese Auffassung des Problems ist auch in Logik. Die Frage nach der
Wahrheit sehr deutlich formuliert: »Die grundsätzliche Bewegung: nicht von
Sprache zur Rede, sondern von Rede zur Sprache« (Heid­eg­ger, Logik. Die
Frage nach der Wahrheit, GA 21, 134), und ebenso: »Der vorprädikative
Charakter der Als-Struktur ist ausdrücklich zu betonen« (GA 21, 88).
18 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 190.
Die Bedeutung ohne Wort und der Leib 135

Heid­eg­ger schreibt nämlich: »Das Zuhandene ist als solches entdeckt


in seiner Dienlichkeit, Verwendbarkeit, Abträglichkeit«.19 Bereits
das ausdrücklich (aber nicht prädikativ) Verstandene besitzt also die
Struktur des Etwas als Etwas. Jetzt sollte klar sein, dass diese Auf­
fassung des Zuhandenen nicht aussagend ist, sondern immer wieder
pragmatisch und hermeneutisch zu verstehen ist. Wenn man also die
Als-Struktur als ›Um-zu‹ versteht, dann wird alles klarer: Das Zu­
handene ist dazu da, um zu …, und in diesem Sinne ist es auch als
etwas anderes da – das heißt, dass das Zuhandene verstanden wird
als das, was wir mit ihm anfangen können.
Die Artikulation dieser Verständlichkeit, die aus ›Als‹ und ›Um-
zu‹ besteht, hängt daher eng mit der Rede zusammen: »Die befind­
liche Verständlichkeit des In-der-Welt-Seins spricht sich als Rede
aus«.20 Die Rede ist also der Ausdruck des Als und des Um-zu der
Bindung (nach einem Wort, das Heid­eg­ger in dem Kurs über Leib­
niz anwendet) zwischen Dasein und Welt. Diese Rede muss als λόγος
in seinem ursprünglichen griechischen Sinne verstanden werden, das
heißt als ein Verhalten, das das Seiende zeigt, oder besser gesagt,
enthüllt als ἀληθέυειν. So gewinnt der ganze Begriff des λόγος ei­
nen pragmatischen Sinn. Das hängt auch mit der Interpretation der
Sprache zusammen, nach der auch das Hören und Sprachverstehen
eine Als-Struktur besitzt: Wir vernehmen keine bloße Laute, so­
wie wir keine bloße Wahrnehmungen haben. Die Sprache und die
Erfahrung geschehen immer nur innerhalb einer Verflechtung von
›Als‹ und Verweisungen.
Zusammenfassend könnte man also sagen: Die Rede ist das Ver­
mögen des vorsprachlichen Sagens. Hier geht es gar nicht um das
Erzeugen von Zeichen und Anzeichen, sondern nur um das urver­
stehende und freie In-Sein, das Sein im Erscheinen des Seins, wel­
ches wiederum nur handelnd, pragmatisch möglich ist. Ich ›rede‹
im Sinne Heid­eg­gers auch dann, wenn ich mit dem Hammer häm­
mere. Ich rede immer auf die zuhandenen Bedeutungen hin, auf jene
Bedeutungen, die immer schon als Handlungsmöglichkeit zu ver­
stehen sind. In der amerikanischen Heid­eg­ger-Interpretation hat
Robert Brandom behauptet, dass Dasein immer schon propositi­
onal sei, auch wenn es Zuhandenheit ›redet‹. Brandom versteht die
Sprachlichkeit der Rede aber vom Gerede her und vom Gerede gibt

19 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 192.


20 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 214.
136 Diego D’Angelo

Brandom eine triviale Interpretation, der zufolge gossip (als eine


Kommunikation, die nur mittels Aussagen stattfindet) eine gute
Übersetzung für dieses Wort wäre.21 Die ursprünglich positive und
nicht aussagende Sprachlichkeit des Daseins schon auf der Ebene der
Dinge, die in der Zuhandenheit der Bedeutungen selbst liegt, wird
so aber gerade verdeckt.
Nebenbei sei hier darauf hingewiesen, dass es dieser Heid­eg­
gerschen Konzeption beschieden ist, sich zu verändern: Eine erste
Umformulierung, nach der auch die Rede sprachlich oder wörtlich
stattfindet, ist schon in den Vorlesungen an der Universität Freiburg
im Wintersemester 1929/1930 zu finden, und eine endgültige Um­
deutung der Rede kommt in dem Vortrag Hölderlin und das Wesen
der Dichtung aus dem Jahr 1936 vor. Hier heißt es nämlich, dass die
Dichtung »die worthafte Stiftung des Seins«22 ist, und weiter: »Im
Wort-Werden der Welt besteht gerade das eigentliche Gespräch, das
wir sind«.23 Beide Zitate beweisen eine Kehre gegenüber der Kon­
zeption, die wir hier zu analysieren versuchen.
Im Leibniz-Kurs der Marburger Zeit kann dagegen die Rede ein­
fach als »mit dem Hammer hämmern« veranschaulicht werden. Aber
diesmal interpretiert Heid­eg­ger die Rede noch deutlicher als fun­
damentale existentielle Struktur, nämlich als Ek-stasis der Monade,
die das Dasein immer schon ist. Diese Ek-stasis stellt hier das kon­
stitutive Außer-sich-Sein des Daseins dar, insofern es redet. – Aber
was oder wer redet hier? Wird einfach geredet, oder redet ›man‹?
Ausgerechnet in diesem Kurs, wo solche Probleme so ausdrücklich
und wirklich grundsätzlich diskutiert werden, finden wir auch eine
passende Antwort auf diese Fragen.

Der (zerstreute) Leib kommt ins Spiel. Leibniz und Husserl

In diesen Vorlesungen von Heid­eg­ger kommt ein Leibniz-Zitat vor,


das eigentlich nicht wörtlich wiedergegeben ist: Es wird nur auf
§ 63 der Monadologie hingewiesen, der diesen Satz enthält; die Pas­
sage der Monadologie wirft aber ein besonderes Licht auf das, was

21 Robert Brandom, Tales of the Mighty Dead. Historical Essays in the


Meta­physics of Intentionality, Cambridge Mass / London 2002, 336–337.
22 Heid­eg­ger, Erläuterung zu Hölderlins Dichtung, GA 4, 42.
23 Heid­eg­ger, Erläuterung zu Hölderlins Dichtung, GA 4, 40.
Die Bedeutung ohne Wort und der Leib 137

Heid­eg­ger über die Dynamik der Widerspiegelung behauptet. Diese


Dynamik ist hier als Fähigkeit des Daseins zu verstehen, die inner­
weltlichen Dinge in sich widerzuspiegeln. Leibniz schreibt: »Da jede
Monade in ihrem Modus ein Spiegel des Universums ist, das in voll­
kommener Ordnung geregelt ist, muss es auch eine Ordnung in dem
Vorstellenden geben, das heißt in den Perzeptionen der Seele und
folglich im Körper, dem gemäß das Universum dort vorgestellt wird
[dans le corps, suivant lequel l’univers y est représenté]«.24
Im Hinblick insbesondere auf den letzten Satz des Zitates, und
um mit Leibniz zu sprechen, könnten wir sagen, dass dann der Leib
dasjenige ist, das die Welt in eine Perspektive setzt, in der sie sich
spiegeln kann. Der Leib bildet also einen eigentlichen Gesichtspunkt
auf die Sachen. Nimmt aber Heid­eg­ger tatsächlich diese Stellung­
nahme auch für sich in Anspruch und nimmt er sie für seine philoso­
phische Konzeption des Problems auf? Heid­eg­ger bemerkt nur fast
nebenbei – aber es ist sofort klar, dass dieser Gedanke in den Vorder­
grund rücken muss, wenn man die Beziehung zum Leib hervorhebt
– einige Seiten später in einem als »Das Transzendenzproblem und
das Problem von Sein und Zeit« benannten Kapitel Folgendes: »Das
Dasein ist als faktisches je unter anderem in einen Leib zersplittert
und damit unter anderem je in eine bestimmte Geschlechtlichkeit
zwiespältig […]. Hier handelt es sich um die Kennzeichnung der
Mannigfaltigung (nicht ›Mannigfaltigkeit‹), die je in jedem verein­
zelten faktischen Dasein als solchem liegt; […] um die Aufhellung
der inneren Möglichkeit der Vermannigfaltigung, die […] in jedem
selbst liegt, und für die die Leiblichkeit einen Organisationsfaktor
darstellt. […] Mit anderen Worten: Zum Wesen des Daseins über­
haupt gehört seinem metaphysisch neutralen Begriff nach schon eine
ursprüngliche Streuung, die in einer ganz bestimmten Hinsicht Zer­
streuung ist. […] Eine andere wesentliche Möglichkeit der fakti­
schen Zerstreuung des Daseins ist seine Räumlichkeit«.25 Diese tran­
szendentale Zerstreuung wird so zu demjenigen, das am besten die
Dynamik der Widerspiegelung beschreiben kann. Das zu verstehen,
stellt meines Erachtens schon einen wichtigen Schritt dar zu einem
tieferen Verständnis Heid­eg­gers in Bezug auf die Problematik der

24 Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie, in: Ulrich Johannes Schneider


(Hrsg.), Monadologie und andere metaphysische Schriften, Leipzig 2002,
137–139; meine Hervorhebung.
25 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 173–174.
138 Diego D’Angelo

Vorsprachlichkeit der Bedeutung und seiner pragmatischen Auffas­


sung der Als-Struktur. Wenn wir schon immer ›geworfen‹ sind, sind
wir auch in einem Leib ›zerstreut‹. Was bedeutet, dieses In-einem-
Leib-Zerstreut-Sein? Bin ich nicht eben da, und nur da, wo auch
mein Leib steht?
Die Zerstreuung ist hier als die Fähigkeit zu verstehen, die wir
besitzen, unsere perceptio der Welt zu artikulieren, zum Beispiel
mittels verschiedener Sinne, oder auch noch einfacher – und phäno­
menologischer – gesagt, indem wir ein Ding mit zwei verschiedenen
Fingern fassen können, und dadurch verschiedene Aspekte dieses
Dings wahrnehmen. Aber das passiert, wie Heid­eg­ger meint, nur in­
sofern wir auch geworfen sind, das heißt, insofern wir in einer Welt
sind. Die ursprüngliche Zerstreuung ist die der Welt, die Leiblichkeit
und Räumlichkeit dann aufnehmen. Die originäre Korrelation, die
es hier zu erläutern gilt, ist deshalb die zwischen Leib und Welt, und
zwar im Hinblick darauf, dass der Leib die Welt artikuliert – da wir
nur wegen ihm zerstreut sind und die Möglichkeit haben, die Welt
immer verschieden zu verstehen. Das heißt aber auch zugleich, dass
wir die Welt hermeneutisch verstehen.
Anhand dieses Verhältnisses gewinnen wir eine weitere Möglich­
keit, das hermeneutische Als von Grund aus zu verstehen. Wir ver­
stehen ein Ding in erster Linie, wie schon angedeutet wurde, als
das, was wir mit ihm anfangen können. Und wir können etwas mit
einem Ding anfangen nur mittels unserer Organe, mittels unseres
Leibes. Das ist also unsere Zerstreuung, das ist unsere Art und Weise,
die Welt zu artikulieren. Der Leib ermöglicht es uns eben, die Welt
zu (er)fassen dank seiner Zerstreuung, das heißt aber auch, dass die
Räumlichkeit und die Ausdehnung des Leibs die Dinge und die Welt
nach diesem richten und zugleich stimmen und stiften. Die in dem
genannten Zitat vorkommenden Begriffe von Geschlechtlichkeit
und Ausdehnung des Leibes sind sehr ungewöhnlich in der Philoso­
phie Heid­eg­gers, und deshalb bieten sie herausfordernde neue Wege
der Heid­eg­ger-Interpretation. In Spiel des Leibs – und insbesondere
mit dieser Rede vom Leib als Eröffnung der Möglichkeit einer Wi­
derspiegelung der Welt – stellt natürlich Husserl einen unvermeidli­
chen Gesprächspartner dar. Zuletzt soll daher der Versuch gemacht
werden, Heid­eg­gers Überlegungen mit Husserl zu erläutern.
Natürlich ist nicht klar, wie es genau zu verstehen ist, dass das
Dasein in seinem eigenen Leib zerstreut (Heid­eg­ger sagt auch: zer­
splittert) ist. Wir haben schon auf die Mannigfaltigung (wie Heid­
Die Bedeutung ohne Wort und der Leib 139

eg­ger sagt) der perceptio hingewiesen, die darin liegt, dass die leib­
liche (Er)fassung der Dinge immer Abschattungen mit sich bringt:
Die leibliche Widerspiegelung ist ein In-Perspektive-Setzen der Welt.
Eine Spur, um das besser zu verstehen, kommt eben aus Husserl,
und insbesondere aus seiner Analyse des Leibs in seiner räumlichen
Ausdehnung.
Schon in Ideen II hat Husserl darauf hingewiesen, dass nicht
nur der Leib, sondern auch die psychische Dimension irgendwie
im Raum lokalisiert ist; auch das Psychische hätte demzufolge eine
eigene Ausbreitung, obwohl eben keine räumliche Ausdehnung.26
Die Ausdehnung des Psychischen beruht auf der Leibinterpretation
Husserls: Der Nullpunkt (Beziehungspunkt) der Wahrnehmung
wird nämlich »irgendwo im Kopf, im Auge oder hinter dem Auge«,
also leiblich lokalisiert.27 Das gilt natürlich für den sehenden Leib,
das heißt für den Leib mit seinem okulomotorischen Feld, also nur
insofern er sieht. Was der Nullpunkt der haptischen Wahrnehmung
ist, ist nicht klar: »Jedes Glied hat seine Nullstellung«28 schreibt
Husserl und zeigt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden.29
Man könnte also behaupten: Die Zerstreuung ist nicht anders zu
begreifen, als die Tatsache, dass, obwohl der Nullpunkt der sehen­
den Wahrnehmung irgendwie im Kopf lokalisiert ist, ich mit mei­
nem ganzen Leib spüre, sogar mit meinen Füßen. So kann man mit
Recht sagen, dass ich zwar in meinem Kopf, aber auch in meinen
Füßen ›bin‹. Und das wird auch klar, wenn man noch einmal die
Konstitution von Bedeutung durch Zuhandenheit in Betracht zieht:
Die Dinge stehen dem ganzen Leib gegenüber, nicht nur unserem
›Nullpunkt‹ der Sicht, sondern auch unseren Händen und unseren
Füßen gegenüber: Der Boden steht zum Beispiel viel eher unseren
Füßen als unserem Kopf gegenüber.

26 Vgl. dazu Edmund Husserl, Ideen zur einer reinen Phänomenologie


und phänomenologischen Philosophie. Zweites Buch: Phänomenologische
Unter­suchungen zur Konstitution, Husserliana IV, hrsg. von Marly Biemel,
Den Haag 1952, 67.
27 Edmund Husserl, Ding und Raum. Vorlesungen 1907, Husserliana XVI,
hrsg. von Ulrich Claesges, Den Haag 1973, 227–228.
28 Edmund Husserl, Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus
dem Nachlass. Erster Teil. 1905–1920, Husserliana XIII, hrsg. von Iso Kern,
Den Haag 1973, 184.
29 Vgl. dazu die Beilagen von Ding und Raum: »Augenbewegung: normale
Lage der Augen; Armbewegung, Handbewegung: normale Lage? Was kon­
stituiert Nullpunkte?« (Husserl, Ding und Raum, 306).
140 Diego D’Angelo

Die entscheidenden Schlussfolgerungen aus diesem Versuch einer


phänomenologischen Konkretisierung der Überlegungen Heid­eg­
gers kommen dann ins Spiel, wenn man den Unterschied zwischen
Husserls und Heid­eg­gers Begriff von Bedeutung richtig versteht.
Einerseits muss darauf hingewiesen werden, dass die Rolle des Leibs
für die Eröffnung eines Horizonts von Verweisungen auch von Hus­
serl selbst in den Cartesianischen Meditationen angedeutet wird,
wo die Leiblichkeit als Horizonthaftigkeit des Bewusstseins inter­
pretiert wird, die eine Verweisung der aktuellen Erlebnisse auf die
potentiellen ermöglicht.30 Andererseits besteht der Unterschied ins­
besondere darin, dass der Leib bei Heid­eg­ger nicht mehr in der tradi­
tionellen Schichtstruktur der Bedeutung gefangen bleibt, wie das bei
Husserl noch der Fall war – wo wir es mit bloßen Wahrnehmungen
und später hinzugefügten Bedeutungen zu tun haben. Für Heid­eg­ger
ist es der Leib, der in einen pragmatischen Zusammenhang kommt
(oder vielmehr sich in diesem immer schon vorfindet), und in die­
sem Zusammenhang die Möglichkeiten einer Verweisungs- und vor
allem Bedeutungsganzheit erschließt.
Zusammenfassend könnte man also die folgende phänomenologi­
sche Beschreibung entwickeln: Die Dinge, von denen mein Leib (in
allen seinen Wahrnehmungspunkten) umschlossen ist, spiegeln die
möglichen Tätigkeiten wider, die dieser Leib selbst auf sie ausüben
kann. Das ist das zugleich leibliche und hermeneutische Urverste­
hen, das Heid­eg­ger zu beschreiben sucht. Der Leib, dank seiner Zer­
streuung, verdunkelt einige Seiten eines Dinges: Wir vernehmen also
nur eine Spur des Dinges, einen Rest, und nur damit kann es für uns
Vernehmen und Verstehen dieses Dinges geben. Das apophantische
Als gründet im hermeneutischen Als, aber dieses wiederum ist als
pragmatische Als-Struktur zu verstehen und nur möglich, weil der
Leib ins Spiel getreten ist. Mit der amerikanischen pragmatischen In­
terpretation von Heid­eg­ger könnte man dann sagen: Die praktische
und pragmatische Welt ist der Boden für die theoretische, philoso­
phische (und wissenschaftliche) Welt, ohne dass eine propositionale
Struktur vorausgesetzt werden muss.31 Brandom behauptet zum Bei­

30 Edmund Husserl, Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge,


Husserliana I, hrsg. von Stephen Strasser, Den Haag 1963, 144.
31 Harrison Hall, Intentionality and World. Division I of Being and Time, in:
Charles Guignon (Hrsg.), The Cambridge Companion to Heid­eg­ger, Cam­
bridge Mass. 1993, 122–141.
Die Bedeutung ohne Wort und der Leib 141

spiel, dass die Dinge nichts Weiteres als »response-types« seien und
dass die Als-Struktur ein Verhalten sei, das die Dinge klassifiziere.32
Nebenbei sei bemerkt, dass das Wort »Klassifizieren« (classifying)
nicht zum Heid­eg­gerschen Kontext passt; trotzdem stimmt der An­
satz sehr genau mit unseren Ergebnissen überein – wenn auch der
Bezug auf den Leib von Brandom nicht beachtet wird. Heid­eg­gers
Überlegungen in der Leibniz-Vorlesung erlauben es also, die Be­
schreibung des praktischen Bodens vorsprachlicher Bedeutung an­
zureichern, und zwar durch eine Thematisierung der wesentlichen
Rolle des Leibes in der pragmatischen Konstitution von Bedeutung.
Die Bezugnahme auf den Leib ermöglicht es, vor allem in Bezug
auf Husserl und auf die pragmatische Heid­eg­ger-Interpretation33
den Spielraum des zerstreuten Daseins noch genauer zu definieren:
Die Begrenztheit und die »dezentrale Ordnung«34 des Leibs des Da­
seins ermöglichen es erst, die Welt in sich pragmatisch und infol­
gedessen hermeneutisch widerzuspiegeln: Der Leib richtet, stimmt
und stiftet die Welt und korrelativ das Dasein, und das eben darum,
weil das (Er)fassen immer leiblich geschieht.

32 Brandom, Tales of the Mighty Dead, 303.


33 Dass wir die pragmatische Heid­eg­ger-Interpretation in Betracht ziehen,
bedeutet aber nicht, dass wir sie in ihrer Ganzheit teilen: Das gilt insbeson­
dere für Brandom, der die erste Hälfte von Sein und Zeit als »a normative
pragmatism« (Brandom, Tales of the Mighty Dead, 324) bestimmt. Dennoch
scheint es uns sinnvoll, diese Interpretation als Anregung zu benutzen: Si­
cherlich gibt es im Werk Heid­eg­gers einige Elemente, die von einem prag­
matischen (aber nicht pragmatistischen) Gesichtspunkt besser verstanden
werden können. Der Unangemessenheit einer solchen Interpretation sind
selbst einigen ihrer Vertretern bewusst, wie zum Beispiel John Haugeland,
wenn er schreibt, dass diese Interpretation »scarcely connects at all with the
principal aim of the work, which is to reawaken the question of the sense of
being; nor does it make more than incidental contact with important topics
like anxiety, care, truth, death, conscience, authenticity, resoluteness, histo­
ricity, and time« (John Haugeland, Reading Brandom reading Heid­eg­ger, in:
European Journal of Philosophy, 13:3 (2005), 421–428).
34 Dieser Begriff wird in Günter Figal, Erscheinungsdinge, Tübingen 2011,
eingeführt und diskutiert.
Dimitrios Yfantis
Zeitlichkeit und Temporalität
Die Konzeption der Fundamentalontologie
in der Marburger Zeit

Die Reflexion über die Zeitlichkeit des Daseins und die Tempora­
lität des Seins bildet wohl das eigentliche Zentrum der Philosophie
Heid­eg­gers in Marburg. Dies bezeugen die Haupttexte aus dieser
Zeit: die Abhandlung Der Begriff der Zeit (1924), das frühe Haupt­
werk Sein und Zeit (1926/7), sowie die Vorlesungen Prolegomena
zur Geschichte des Zeitbegriffs (Sommersemester 1925) und Die
Grundprobleme der Phänomenologie (Sommersemester 1927).1 Die
Anerkennung der fundamentalen Bedeutung der Zeit für die phä­
nomenologische Daseinsexplikation und die Ontologie ist den ge­
nannten Texten – bei allen ihren Unterschieden – gemeinsam. Die
Herausstellung der Zeitlichkeit als des Ermöglichungsgrundes der
gesamten Seinsverfassung und somit auch des Seinsverständnisses
dieses Seienden mit dem eigentlichen Ziel, die Ontologie auf Basis
der Zeitlichkeit neu zu begründen, macht – zusammen mit der De­
struktion der Geschichte der Ontologie – das Programm der Fun­
damentalontologie aus, das Heid­eg­ger in Sein und Zeit durchzufüh­
ren und in der Vorlesung des Sommersemesters 1927 fortzusetzen
versuchte.2

1 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit (Abhandlung 1924), GA 64, 1–103; Heid­
eg­ger, Sein und Zeit, GA 2; Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20; Heid­eg­ger, Die
Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24.
2 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 201: »Die­
ses Ganze der Grundlegung und Ausarbeitung der Ontologie ist die Funda­
mentalontologie; sie ist 1. Analytik des Daseins und 2. Analytik der Tempo­
ralität des Seins« [meine Hervorhebung].
144 Dimitrios Yfantis

Heid­eg­gers frühe Reflexion über die Zeit

Heid­eg­gers Reflexion über die Zeit beginnt allerdings nicht erst in


Marburg, sondern hat eine längere Vorgeschichte. Dies dokumentie­
ren zwei frühere Texte, die Probevorlesung zur Erlangung der venia
legendi unter dem Titel Der Zeitbegriff in der Geschichtswissen­
schaft (1915) und die Vorlesung Einleitung in die Phänomenologie
der Religion (Wintersemester 1920/21).3
Die Probevorlesung ist ein erkenntnistheoretischer Text, der
Heid­eg­gers große Nähe einerseits zum Neukantianismus, anderer­
seits zu Husserl bekundet. Die dort unternommene Untersuchung
des Zeitbegriffs und die Differenzierung zwischen physikalischer
und historischer Zeit stehen im Kontext der »Logik als Wissen­
schaftslehre«. Hierbei geht der Versuch, die »Struktur der histo­
rischen Zeit« zu bestimmen, vom »Faktum der Geschichtswissen­
schaft« aus und liest diese Struktur an der Funktion des Zeitbegriffs
in der historischen Forschung ab. Die Vorlesung deutet nirgends die
Frage an, ob der Zeit überdies eine besondere Rolle für die Konsti­
tution der Lebensfaktizität zukommt.
Gerade diese Frage steht aber im Mittelpunkt der die Zeit betref­
fenden Ausführungen in der Vorlesung des Wintersemesters 1920/21,
in deren Hauptteil Heid­eg­ger eine Explikation der urchristlichen
Lebenserfahrung mithilfe einer Interpretation ausgewählter Passus
aus den Episteln Paulus’ unternimmt. Die Erörterung der Zeit steht
hier zwar im angezeigten religionsphänomenologischen Kontext; sie
hat gleichwohl grundsätzliche Bedeutung für Heid­eg­gers damaliges
Programm einer »hermeneutischen Phänomenologie der Faktizität«
und wirkt auch in seinen späteren Zeitanalysen unverkennbar nach.
Folgende Hinweise hierauf werden dies verdeutlichen.4

3 Heid­eg­ger, Der Zeitbegriff in der Geschichtswissenschaft, GA 1, 413–


433, und Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,
1–156. Da das Manuskript für diese Vorlesung verschollen ist, beruht ihre
Edition auf studentischen Nachschriften und wenigen Entwürfen Heid­eg­
gers selbst.
4 Eine eingehende und ausführliche Erörterung der konstitutiven Funk­
tion der Zeit für die Lebensfaktizität und deren Zeitigungsweisen liegt in
den frühen Freiburger Texten nicht vor. Daraus wird ersichtlich, dass diese
Texte das Programm der hermeneutischen Phänomenologie der Faktizität
unvollständig vorstellen. Dies muss bei jedem Versuch, dieses Programm zu
rekonstruieren und von der späteren Fundamentalontologie von Sein und
Zeit abzugrenzen, berücksichtigt werden.
Zeitlichkeit und Temporalität 145

Eines der Hauptziele der Paulusinterpretation ist die Herausstel­


lung der die urchristliche Lebenserfahrung auszeichnenden »kairo­
logischen« Zeitlichkeit. Deren Charakter bestimmt sich aus dem
eschatologischen Problem, das heißt aus dem Bezug zum endzeitli­
chen Geschehen der Wiederkunft Christi. Der Glaube – so in einer
Vorlesungsnachschrift – sei »nicht … Zustand und endgültige Selig­
keit«, sondern primär Vollzug, »vollzugsmäßiger Bezug des beküm­
merten Eingangs in die Zukunft«.5 In solchem Lebensvollzug erhalte
jeder »Augenblick« seine Bestimmung aus dem in Hoffnung und
Glauben durchhaltenden Erwarten der Wiederkunft Christi. Deren
Zeitpunkt lasse sich Paulus gemäß weder errechnen noch anhand be­
stimmter Ereignisse festlegen.6 Solcher vollzugsmäßigen Zeitlichkeit,
bei der die Zukunft und nicht die Gegenwart den Primat hat, stellt
Heid­eg­ger den objektiven Zeitbegriff entgegen, der den »Abfall«
aus jener ursprünglichen Zeitlichkeit der Lebensfaktizität darstellt.
Den beiden Zeitmodi entsprechen zwei Existenzmodi, und zwar
der »Erretteten« bzw. der »Verworfenen« oder – des religiösen Ge­
haltes entkleidet – der Eigentlichkeit bzw. der Uneigentlichkeit des
menschlichen Lebens. Heid­eg­ger wird sogar bald vom »Zeitigungs­
sinn« der Lebensfaktizität sprechen.7
Wird nun vom religionsphänomenologischen Kontext dieser
Ausführungen abgesehen, so wird ersichtlich, inwieweit sie Heid­
eg­gers spätere Zeitanalysen vorwegnehmen, und zwar vornehmlich
in zwei Punkten. Zum einen wird hier eine endliche Zeitlichkeit aus
dem Bezug zu einem unüberholbaren und gänzlich unbestimmten
endzeitlichen Geschehen gewonnen, die als eigentliche charakteri­
siert und dem objektiven Zeitbegriff existenziell scharf entgegenge­
setzt wird; die Analogien zu den Texten der Marburger Zeit werden
offensichtlich, sobald an die Stelle der Wiederkunft Christi der Tod
des Daseins gesetzt wird. Zum anderen erscheinen diese beiden Zeit­
lichkeitsmodi als für die Grundmodi der Existenz bestimmend: Mit

5 Vgl. Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,


128.
6 Heid­eg­ger bezieht sich hier auf den Passus I Thess. 5, 2, in dem der Apo­
stel schreibt, dass der Tag des Herrn wie der Dieb in der Nacht kommen
werde (… οἴδατε ὅτι ἡμέρα κυρίου ὡς κλέπτης ἐν νυκτὶ οὕτως ἔρχεται).
7 Der Zeitigungssinn wird in der Vorlesung des Wintersemesters 1921/22
eingeführt. Die Frage nach der Zeitlichkeit der menschlichen Existenz erfährt
allerdings dort eine sehr knappe Erörterung; siehe Heid­eg­ger, Phänomeno­
logische Interpretationen zu Aristoteles, GA 61, 137–140.
146 Dimitrios Yfantis

der Eigentlichkeit bzw. Uneigentlichkeit der Zeiterfahrung geht die


Eigentlichkeit bzw. Uneigentlichkeit der Existenz einher.
Dennoch lässt sich nicht behaupten, dass die beiden Kerngedan­
ken der späteren Fundamentalontologie – die Zeitlichkeit der Da­
seinsverfassung und die Temporalität des Seins – bereits hier oder
in irgendeinem der frühen Freiburger Texte formuliert sind.8 Der
Zeitigungssinn des Lebens wird zwar durch den jeweiligen Zeitmo­
dus bestimmt; es wird aber noch nicht behauptet oder gar konkret
gezeigt, dass die Zeitlichkeit den Ermöglichungsgrund der Daseins­
verfassung ausmacht. Überdies bestimmt sich zwar der Sinn des »ist«
aus demjenigen des »bin« und nicht umgekehrt, so dass die Herme­
neutik der Faktizität zugleich »prinzipielle Ontologie« ist;9 da je­
doch die Zeitlichkeit noch nicht zum Grund der Daseinsverfassung
und somit auch des Seinsverständnisses erklärt ist, ist die Idee der
temporalen Seinsinterpretation noch nicht konzipiert. Beide Grund­
gedanken werden erst in der Marburger Zeit entwickelt.

Die erste Formulierung des Programms in der Abhandlung


von 1924

Der Text, der die beiden Kerngedanken der Fundamentalontologie


explizit formuliert, ist die seinerzeit letztlich unveröffentlicht ge­

8 Der dritte Hauptbestandteil des Projektes von Sein und Zeit, die phäno­
menologische Destruktion, erscheint hingegen bereits in Texten der frühen
Freiburger Zeit. So spricht schon die sogenannte Jaspers-Rezension (Heid­
eg­ger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9, 1–44), verfasst wohl im Jahre
1920, die Idee der Destruktion der philosophischen Tradition unmissver­
ständlich aus; und der 1922 abgefasste, sogenannte Natorp-Bericht (Heid­
eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 343–420) macht kon­
krete Angaben zu ihrer Zielsetzung und Durchführung. Es darf allerdings
nicht übersehen werden, dass das Destruktionsprogramm zur Zeit der Fun­
damentalontologie von Sein und Zeit andere Ziele und Prioritäten aufweist
als zurzeit der frühen Hermeneutik der Faktizität.
9 Die Frage nach dem Zusammenhang des »bin« und des »ist« entstammt
der Vorlesung des Wintersemesters 1921/22 (Heid­eg­ger, Phänomenologi­
sche Interpretationen zu Aristoteles, GA 61, 157–181). Die Erklärung der
Hermeneutik der Faktizität zur prinzipiellen Ontologie wird im bereits er­
wähnten Natorp-Bericht (1922) explizit vollzogen (Heid­eg­ger, Anzeige der
hermeneutischen Situation, GA 62, 364).
Zeitlichkeit und Temporalität 147

bliebene Abhandlung Der Begriff der Zeit (1924).10 Da diese Ab­


handlung in vieler Hinsicht eine frühe Kurzfassung von Sein und
Zeit darstellt, mögen an dieser Stelle lediglich Hinweise auf einen
bestimmten Aspekt der Zeitauslegung, der hier deutlicher hervor­
tritt als in späteren Texten, und auf den hier erreichten Stand der
Ausarbeitung der beiden fundamentalontologischen Kerngedanken
gegeben werden.11
In der Abhandlung wird der Herausstellung des Zusammenhangs
zwischen Zeitlichkeit und Dasein der Hinweis vorausgeschickt, die­
ser Zusammenhang sei in der Tradition durchaus gesehen, wenn­
gleich nicht angemessen ausgewertet worden. Heid­eg­ger bezieht
sich hier explizit auf Aristoteles und Augustinus. Aristoteles fragt,
ob es die Zeit, definiert als »Zahl der Bewegung nach dem Früher
und Später«,12 ohne die Seele geben könne, da allein diese zu zählen
vermöge;13 und Augustinus – so Heid­eg­ger – stelle den Zusammen­
hang zwischen animus und tempus, wenngleich ohne die begriffli­
che Strenge des Aristoteles, nachdrücklicher heraus. Die Tradition
habe also dieses Wesentliche an der Zeit erfasst; sie sei aber durch
ihre Orientierung an der Bestimmung des Seins als Anwesenheit
und der Zeit als vergehender Jetztfolge daran gehindert worden, den
ursprünglichen Zusammenhang zwischen Zeit und Dasein zu er­
kennen.14 Der Bezug auf die Tradition besagt aber vornehmlich dies,

10 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit (Abhandlung 1924), GA 64, 1–103.


11 Den Anlass für die Abfassung der Abhandlung bildete die Publikation des
Briefwechsels Dilthey-Yorck (Wilhelm Dilthey und Graf Paul Yorck v. War­
tenburg, Briefwechsel 1877–1897, hrsg. von Erich Rothacker, Halle (Saale)
1923). Auf die Frage nach dem inhaltlichen Verhältnis zwischen der Abhand­
lung – von Kisiel als »first, hermeneutic or Dilthey draft« des Projektes von
Sein und Zeit charakterisiert (Thomas Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s
Being and Time, Berkeley / Los Angeles 1993, 315–361) – und Sein und Zeit
kann hier nicht eingegangen werden. Eine kurze Fassung ihres Inhalts stellt
übrigens der kurz vor ihr niedergeschriebene und am 25.07.1924 gehaltene
Vortrag selbigen Titels dar (Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit (Vortrag 1924),
GA 64, 105–125). Zu diesem Vortrag siehe John Sallis, Echoes: After Heid­
eg­ger, Bloomington / Indianapolis 1990, 44–55, und Kisiel, The Genesis of
Heid­eg­ger’s Being and Time, 315–321.
12 Physica 219 b 1–2: τοῦτο γάρ ἐστιν ὁ χρόνος, ἀριθμὸς κινήσεως κατὰ τὸ
πρότερον καὶ ὕστερον. Die Physik wird zitiert nach: Aristotle’s Physics, hrsg.
von William David Ross, Oxford 1936.
13 Vgl. Aristoteles, Physica 223 a 25–29.
14 Genau dies behauptet Heid­eg­ger auch in Bezug auf Kant; siehe dazu:
Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 31–33.
148 Dimitrios Yfantis

dass die phänomenologische Zeitinterpretation nicht losgelöst von


der überlieferten stattfindet, sondern vielmehr die Destruktion und
zugleich Wiederholung derselben bedeutet; sie soll das Ursprüngli­
che an ihr ergreifen und es ursprünglicher entfalten.
Was den Stand der Ausarbeitung der beiden fundamentalonto­
logischen Kerngedanken anbelangt, lässt sich Folgendes feststellen.
Der Zusammenhang der Zeitlichkeit mit dem Sein des Daseins wird
konkret ausgearbeitet; die Ausarbeitung weist allerdings erhebliche
Unterschiede zu derjenigen in Sein und Zeit auf. Der Ansatz der
temporalen Seinsinterpretation hingegen wird nur angedeutet; zu
diesem Zeitpunkt hatte Heid­eg­ger wesentliche Momente seines spä­
teren Versuches, ihn durchzuführen, offenbar noch nicht entdeckt.15
Die Zeitlichkeit wird in der Abhandlung ausdrücklich zum Sein
des Daseins erklärt, allerdings ohne die für Sein und Zeit charakte­
ristische »Tiefendimension«; denn sie fungiert hier nicht als »Sinn«
oder »Grund der Sorge« und somit der gesamten Daseinsverfas­
sung, sondern als gleichursprünglich mit anderen »ursprünglichen
Seinscharakteren«.16 Deshalb wird auch nicht versucht, eine zeitliche
Interpretation aller zentralen Seinscharaktere des Daseins wie in Sein
und Zeit durchzuführen.17 Das Fehlen einer – nach Sein und Zeit –

15 Dies lässt sich meines Erachtens behaupten, obwohl die Abhandlung im


Hinblick auf ihre Publikation kurz gefasst und offenbar nachträglich noch
gekürzt wurde (siehe das Nachwort ihres Herausgebers in: Heid­eg­ger, Der
Begriff der Zeit, GA 64, 127–133, und Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s
Being and Time, 321–322), denn die zwischen der Abhandlung und Sein und
Zeit gehaltenen Vorlesungen lassen erkennen, wie die hier noch fehlenden
Momente nachträglich gewonnen wurden.
16 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 85: »Die aufgezeigten Seins­
charaktere des Daseins … müssen als gleichursprünglich verstanden werden.
Der Strukturzusammenhang dieser Charaktere gibt in der Gleichursprüng­
lichkeit mit dem Zeitlichsein erst den vollen Sinn des Seins, der oben als die
Sorge terminologisch festgelegt wurde« [meine Hervorhebung]. In einer of­
fenbar zur Zeit der Abfassung von Sein und Zeit notierten Randbemerkung
(Anm. 2) kommentiert Heid­eg­ger: »Äußerlich!« Der soeben zitierte Passus
aus der Abhandlung zeigt, dass die Interpretation Sallis’, der zufolge Heid­
eg­ger zur Zeit der Abfassung des Vortrags Der Begriff der Zeit Dasein und
Zeit schlichtweg identifiziere, unhaltbar ist (siehe Sallis, Echoes: After Heid­
eg­ger, 53–54). Was in den frühen Texten gegenüber Sein und Zeit noch fehlt,
ist eben der Fundierungszusammenhang.
17 Eine zeitliche Interpretation erfahren in der Abhandlung nur das Besor­
gen, die Sprache und die verfallende Alltäglichkeit. Siehe hierzu: Heid­eg­ger,
Der Begriff der Zeit, 66–77.
Zeitlichkeit und Temporalität 149

umfassenden existenzial-zeitlichen Analyse lässt den existentiellen


Gegensatz zwischen eigentlicher und uneigentlicher Zeitlichkeit
umso schärfer hervortreten, worin sich die Nähe dieser Abhand­
lung zu den frühen Freiburger Texten bekundet.
Der Zusammenhang zwischen Zeit und Seinsauslegung wird nur
an zwei Stellen am Ende der Abhandlung angesprochen, und zwar
bezüglich der antiken Ontologie. Die zweite Stelle lautet: »Sein be­
sagt aber für Aristoteles […] Anwesenheit (Gegenwart). Im Lichte
dieses Seinsbegriffes ist die Zukunft das Noch-nicht-sein, die Ver­
gangenheit das Nicht-mehr-sein. Die jeweilige Interpretation des
Zeitphänomens wird so zum Diskrimen, an der [sic] sich der Seins­
sinn der jeweiligen Ontologie verrät«.18 Die Entdeckung, die Grie­
chen verstünden Sein als Anwesenheit und folglich aus einer be­
stimmten Zeitdimension, machte Heid­eg­ger im Zuge seiner intensi­
ven Aristoteles-Untersuchungen. Er selbst charakterisierte sie später
als »Geistesblitz«.19 Sie bildet den Auftakt des Programms der tem­
poralen Seinsinterpretation, das allerdings erst in den Texten nach
der Abhandlung konkrete Gestalt annimmt.
Dieses Programm wird zu Beginn der eingangs erwähnten Vor­
lesung des Sommersemesters 1925 angekündigt.20 Die Zeit wird hier
ausdrücklich zum »Index für die Scheidung und Abgrenzung der
Seinsgebiete überhaupt« erklärt; sie bilde den »Leitfaden für die
Frage nach dem Sein des Seienden und seinen möglichen Regionen«
und stehe somit »im Zusammenhang mit der Grundfrage der Philo­
sophie«, der Seinsfrage.21 Bei der Durchführung des Angekündigten
kommt jedoch Heid­eg­ger nicht über die Thematiken von Tod, Ge­
wissenhabenwollen und Schuldigsein hinaus. Im folgenden Semester
vollzieht er schließlich den letzten für die Konzeption von Sein und
Zeit entscheidenden Schritt: Er wendet sich Kant zu und unterzieht
dessen Zeitlehre sowie insbesondere diejenige vom Schematismus
einer eingehenden Auslegung.22 Diese Auslegung wird sich als be­

18 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 101; siehe auch 100.
19 Zum »Geistesblitz« siehe Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s Being and
Time, 230.
20 Vgl. Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 1–12. Diese Vorlesung wird von
Kisiel als »second, ontoeroteric or Husserl draft« des Projektes von Sein
und Zeit charakterisiert (Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s Being and Time,
362–420).
21 Vgl. Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 8.
22 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 269 –415.
150 Dimitrios Yfantis

stimmend für die Durchführung der temporalen Seinsinterpretation


im Sommersemester 1927 erweisen.23

Die unabgeschlossene Durchführung des Programms


in Sein und Zeit

Die Aufweisung der Zeitlichkeit als des Sinnes der Sorge und da­
mit der gesamten existenzialen Daseinsverfassung, die anschließende
zeitliche Interpretation zentraler Existenzialien und die Aufklärung
des Verhältnisses der ursprünglichen Zeitlichkeit mit der Innerzei­
tigkeit sowie dem natürlichen und philosophischen Zeitbegriff er­
fahren ihre umfassendste und ausführlichste Erörterung im zwei­
ten und letzten Abschnitt des veröffentlichten Textes von Sein und
Zeit. Die existenzial-zeitliche Daseinsanalytik steht aber jetzt im
Dienste des übergeordneten Zieles der temporalen Seinsinterpre­
tation. Diese war einem dritten Abschnitt vorbehalten, der jedoch
letztlich nicht veröffentlicht wurde. Unternommen wird sie im letz­
ten Teil der ebenfalls unvollendeten Vorlesung des Sommersemesters
1927, gehalten genau während der Zeit, da Heid­eg­ger Sein und Zeit
fortzusetzen versuchte.24
Die »eigentliche und ursprüngliche Zeitlichkeit« des Daseins
wird mithilfe der existenzialen Explikation von Tod, Gewissen und
Entschlossenheit erreicht. Sie weist drei »Ekstasen« – Zukunft, Ge­
wesenheit und Gegenwart – auf und zeitigt sich aus der Zukunft.
Die eigentliche Zukunft ist das »Vorlaufen zum Tode«, bei dem das
Dasein auf diese seine äußerste und eigenste Möglichkeit zukommt.
Solche eigentliche Kunft lässt zugleich das Dasein auf seine Gewor­
fenheit zurückkommen, die es immer schon gewesen ist. Das Zu­
rückkommen führt zur Übernahme oder – terminologisch – »Wie­
derholung« der eigenen Gewesenheit. Hierbei geschieht die Er­

23 Demgemäß charakterisiert Kisiel Sein und Zeit selbst als »final, Kantian
draft« des fundamentalontologischen Projektes (Kisiel, The Genesis of Heid­
eg­ger’s Being and Time, 313).
24 Diese Vorlesung ist zwar der einzige erhaltene Text zur Frage der tempo­
ralen Seinsinterpretation, jedoch nicht der erste Versuch Heid­eg­gers, diese
Thematik darzulegen. Frühere Entwürfe hat er nach eigenem Zeugnis ver­
nichtet. Die Vorlesung bringt allerdings nur einen geringfügigen Teil dessen,
was Heid­eg­ger in Sein und Zeit für den dritten Abschnitt des ersten Teiles
des Werkes in Aussicht stellt.
Zeitlichkeit und Temporalität 151

schlossenheit der jeweiligen Situation und das Gegenwärtigen des


anwesenden Seienden. Die dergestalt konstituierte Gegenwart ist
der »Augenblick«. Somit ergeben sich als Ekstasen der eigentlichen
und ursprünglichen Zeitlichkeit: Vorlaufen (Zukunft), Wiederho­
lung (Gewesenheit) und Augenblick (Gegenwart). Als durch das
Vorlaufen zum Tode sich zeitigende ist diese Zeitlichkeit endlich.25
Der so bestimmten eigentlichen Zeitlichkeit wird die uneigent­
liche entgegengesetzt. Dieser Zeitlichkeitsmodus, der das Verfallen
des Daseins an die Welt konstituiert, zeitigt sich nicht aus der Zu­
kunft, sondern aus der Gegenwart, wenngleich die Zukunft auch
hier einen gewissen Vorrang beibehält. Die Zeitigungsmodi unter­
scheiden sich also darin, welche Ekstase jeweils führend ist. Die
Ekstasen der uneigentlichen Zeitlichkeit sind: »Gewärtigen« (Zu­
kunft), »Vergessen« (Gewesenheit) und »Gegenwärtigen« (Gegen­
wart). Diese Bestimmungen der Ekstasen der beiden Zeitlichkeits­
modi werden durch »modal indifferente« Bestimmungen (»Sich-
vorweg« für die Zukunft und »Gegenwärtigen« für die Gegenwart)
sowie »phänomenale Charaktere« (»Auf-sich-zu« für die Zukunft,
»Zurück-auf« für die Gewesenheit und »Begegnenlassen-von« für
die Gegenwart) ergänzt.26
Diese Ausführungen werfen bereits zwei miteinander zusammen­
hängende Probleme auf. Die am Leitfaden des Vorlaufens und der
Entschlossenheit gewonnene Zeitlichkeit als eigentliche zu charak­
terisieren, ist durchaus konsequent und nachvollziehbar. Weshalb
soll sie aber auch die ursprüngliche sein? Heid­eg­ger verwendet zu­
nächst tatsächlich nur das Attribut »eigentlich« und fügt erst später
ohne ersichtliche Begründung das »ursprünglich« hinzu. Außerdem
ist nicht klar, wie sich die modal indifferente Bestimmung der Zeit­
lichkeit zu den beiden Modi derselben verhält; weshalb sollte nicht
gerade die modal indifferente, sich zu ihren beiden Modi ausfaltende
Zeitlichkeit die ursprüngliche sein?
Was die zuletzt gestellte Frage betrifft, ist zu beachten, was Heid­
eg­ger aus- und nachdrücklich erklärt: »Die Zeitlichkeit ›ist‹ über­

25 Siehe dazu: Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 428–438.


26 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 444–463. Der Terminus »Gegen­
wärtigen« bezeichnet die Gegenwart einerseits als uneigentliche, andererseits
im modal indifferenten Sinne. Eine Bezeichnung für die modal indifferente
Bestimmung der Gewesenheit lässt sich dem Text von Sein und Zeit nicht
entnehmen. Man könnte hierfür die bei der Definition der Sorge verwendete
Bezeichnung »Schon-sein« heranziehen.
152 Dimitrios Yfantis

haupt kein Seiendes. Sie ist nicht, sondern zeitigt sich«.27 Dies be­
deutet, dass sie sich immer schon in einem existenziell bestimmten
Modus gezeitigt hat; die modal indifferenten Bestimmungen und
Charaktere sind wohl nur das Produkt einer Formalisierung der Ek­
stasen der beiden Zeitigungsmodi.28
Hiermit ist jedoch die Frage, weshalb die eigentliche Zeitlichkeit
auch die ursprüngliche sein soll, noch nicht geklärt. Die nahelie­
gende Antwort lautet: weil die uneigentliche Zeitlichkeit eine Mo­
difikation der eigentlichen darstellt. Diese Antwort ist indes nicht
ganz befriedigend. Zunächst müsste Heid­eg­ger bei der Einführung
der beiden Modi sagen, dass die eigentliche Zeitlichkeit erst dann als
die ursprüngliche gelten kann, wenn sich die uneigentliche als ihre
Modifikation erwiesen hat.29 Ferner ist zu bemerken, dass im fakti­
schen Existenzvollzug – wie Heid­eg­ger ausdrücklich erklärt – sich
der Sachverhalt umgekehrt darstellt: Die Eigentlichkeit wird aus der
Uneigentlichkeit und als deren Abwandlung gewonnen. Daher wäre
zu begründen, dass die eigentliche Zeitlichkeit zwar existenziell die
abgeleitete, existenzial aber die ursprüngliche ist. Ihr existenzialer
Vorrang stützt sich offenbar auf die Auszeichnung des Todes als
der äußersten und eigentlichsten Möglichkeit des Daseins. Wie dem
auch sei, eine explizite Begründung für die Erklärung der eigentli­
chen Zeitlichkeit zur ursprünglichen liefert Heid­eg­ger nicht.
Auf die Herausstellung der Zeitlichkeit und ihrer beiden Modi
folgen: 1) die zeitliche Interpretation zentraler Existenzialien und
– nach der hier nicht darzulegenden Erörterung der Geschichtlich­
keit – 2) die Aufklärung der existenzialen Genesis der Innerzeitig­
keit sowie des natürlichen und philosophischen Zeitbegriffs aus der
Zeitlichkeit des Daseins.

Ad 1. Die zeitliche Interpretation geht von den Grundexistenzialen


des In-seins (Verstehen, Befindlichkeit und Rede) aus und bezieht
hierbei auch das Verfallen ein. Jedes dieser Existenzialien zeitigt sich
zwar, wie es die Zeitlichkeit verlangt, in der Einheit der drei Eksta­

27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 434.


28 Dass die Frage nach der ursprünglichen Zeitigung der Zeitlichkeit damit
nicht erledigt ist, wird sich bei der nachstehenden Erörterung der temporalen
Seinsinterpretation zeigen.
29 In diesem Sinne erklärt er ausdrücklich, dass die Charakterisierung der
Zeitlichkeit als »Zeit« erst dann begründet ist, wenn sich zeigt, dass die aus
der natürlichen Erfahrung bekannte Zeit in der Zeitlichkeit fundiert ist.
Zeitlichkeit und Temporalität 153

sen, primär aber jeweils aus einer bestimmten derselben. Für die
Befindlichkeit und das Verstehen, die sich primär aus der Vergangen­
heit bzw. Zukunft zeitigen, werden die jeweiligen modal bestimm­
ten ekstatischen Einheiten der Zeitlichkeit herausgestellt, für das
Verstehen beispielsweise das »wiederholend augenblickliche Vor­
laufen« (Eigentlichkeit) und das »vergessend gegenwärtigende Ge­
wärtigen« (Uneigentlichkeit). Beim primär aus der Gegenwart sich
zeitigende Verfallen wird exemplarisch die Neugier erörtert, deren
ekstatische Einheit als »gewärtigend vergessendes Gegenwärtigen«
bestimmt wird. Hinsichtlich der Rede wird erklärt, dass sie sich als
Artikulation von Verstehen und Befindlichkeit zwar nicht aus einer
bestimmten Ekstase zeitige, aber dennoch einen Primat der Gegen­
wart aufweise.30
An diesen Ausführungen lässt sich ein grundsätzliches Problem
der Gesamtsystematik der existenzialen Daseinsverfassung in Sein
und Zeit erkennen, auf das hier lediglich hingewiesen werden soll.
Es ist die Tatsache, dass das Verfallen sich hier den Existenzialien
Verstehen und Befindlichkeit zugesellt und das dritte die Erschlos­
senheit bestimmende Existenzial, die Rede, gleichsam verdrängt.
Dies ist aber in zweifacher Hinsicht problematisch. Das Verfallen
ist im Gegensatz zu den drei an sich modal indifferenten Momen­
ten der Erschlossenheit existenziell bestimmt, denn es gehört zum
Modus der Uneigentlichkeit des Daseins. Überdies ist das Verfallen
kein Teilmoment der Erschlossenheit, sondern eine Modifikation
derselben als ganzer, nämlich die Erschlossenheit im Modus der Un­
eigentlichkeit.31 Jeder Versuch, dieses Problem zu beheben, muss
jedenfalls beachten, dass es bereits in der Bestimmung der Sorge

30 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 444–463. Das Ergebnis hinsichtlich


der Rede bedeutet eine Differenzierung gegenüber den Ausführungen der
Abhandlung von 1924, in welcher der zeitliche Charakter der Sprache als Ge­
genwärtigen bestimmt wird (Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 74–75).
Die Abhandlung kennt jedoch die Rede als Artikulation von Verstehen und
Befindlichkeit ebenso wenig wie auch das Verstehen selbst. An dessen Stelle
steht dort die Auslegung, die nach Sein und Zeit die Ausbildung des Verste­
hens darstellt.
31 Zu beachten ist allerdings, dass die Entsprechung zwischen den Momen­
ten des Verfallens und denjenigen der Erschlossenheit überhaupt unvoll­
kommen ist. Das Verfallen ist durch »Gerede, Neugier und Zweideutigkeit«
konstituiert. Das Gerede ist Abwandlung der Rede, die Neugier Abwand­
lung der durch das Verstehen konstituierten Sicht und die Zweideutigkeit
Abwandlung der als Ausbildung des Verstehens bestimmten Auslegung. Eine
154 Dimitrios Yfantis

auftaucht; denn die Sorge wird durch »Existenzialität«, »Faktizität«


– ihnen sind Verstehen bzw. Befindlichkeit zugeordnet – und das
»verfallende Sein-bei« definiert. Und die Lösung kann nicht darin
bestehen, das Sein-bei in dieser Definition einfach als modal indif­
ferentes anstatt als verfallendes zu fassen; denn die das verfallende
Sein-bei umfassende Definition der Sorge ist unerlässlich für die
gesamte Explikation der Eigentlichkeit.32
Der zweite Schwerpunkt der zeitlichen Interpretation, der auch
für die im Folgenden zu erörternde temporale Seinsauslegung von
Bedeutung sein wird, liegt beim Besorgen und dessen Modifikation
zur theoretischen Verhaltung:33 Als ekstatische Einheit der Zeitlich­
keit des für den Umgang mit dem Zeug konstitutiven Bewendenlas­
sens wird das behaltend gewärtigende Gegenwärtigen herausgestellt.
Und was die Modifikation des Besorgens zur theoretischen Verhal­
tung anbelangt, ist das Entscheidende nicht das bloße Absehen vom
hantierenden Umgang, sondern die Wandlung des Seinsverständnis­
ses. Am Beispiel der Genesis der neuzeitlichen Physik zeigt Heid­
eg­ger, dass die Konstitution jeder Wissenschaft einen »vorgängigen
Entwurf der Seinsverfassung« des zu untersuchenden Seienden vor­
aussetzt. Solchen Entwurf der Seinsverfassung, der die Umgrenzung
des Sachgebietes und die Vorzeichnung der angemessenen Begriff­
lichkeit umfasst, bezeichnet er als »Thematisierung« und »Objekti­
vierung«. Hinsichtlich ihres zeitlichen Charakters sei die theoreti­
sche Haltung eine ausgezeichnete Gegenwärtigung, da sie lediglich
der Entdecktheit des Vorhandenen gewärtig sei; und dies bekunde
sich im Primat der Anschauung in der Erkenntnis. Die wissenschaft­
liche Verhaltung gründe aber existenziell »in einer Entschlossenheit
des Daseins, durch die es sich auf das Seinkönnen in der ›Wahrheit‹
entwirft«.34 Die Bedeutung dieser Ausführungen für das Projekt der
temporalen Seinsinterpretation wird sich im Folgenden zeigen.35

Modifikation der Befindlichkeit als solcher wird nicht angegeben. Siehe dazu:
Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 178–222 und 222–239.
32 Die Definition der Sorge bildet den Leitfaden für die Darlegungen des
Todes, des Gewissens und der Schuld; siehe dazu: Heid­eg­ger, Sein und Zeit,
GA 2, 332–335, 364–371 bzw. 371–383.
33 Siehe Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 465–481.
34 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 463–481.
35 Angemerkt sei hier nur der problematische Charakter der existenziellen
Bestimmung der wissenschaftlichen Verhaltung. Es ist nämlich schwer ein­
zusehen, weshalb die letztlich auf dem Vorlaufen beruhende, als »verschwie­
Zeitlichkeit und Temporalität 155

Ad 2. Was die Entstehung der Innerzeitigkeit sowie des natürlichen


und philosophischen Zeitbegriffs aus der Zeitlichkeit des Daseins
betrifft, ist es hilfreich, drei Ebenen zu unterscheiden.36 Die nächste,
in der Fundierungsordnung jedoch letzte Ebene bildet das natürli­
che Zeitverständnis und seine begriffliche Ausarbeitung (Ebene der
Vorhandenheit). Die ihr zugrundeliegende Ebene ist diejenige der
im Kontext des alltäglichen Besorgens begegnenden, »ausgesproche­
nen« Zeit (Ebene der Zuhandenheit). Noch tiefer liegt schließlich die
bereits erörterte ursprüngliche Zeitlichkeit, welche die Bedingung
der gesamten Daseinsverfassung und somit auch des Seinsverständ­
nisses (Ebene des Daseins) ist. Heid­eg­ger sucht die Abkünftigkeit
einerseits des »vulgären« Zeitbegriffs aus der ausgesprochenen Zeit,
andererseits dieser selbst aus der ursprünglichen Zeitlichkeit des Da­
seins nachzuweisen.37
Das besorgende Dasein erfasst die Zeit gemäß seiner Verfallens­
tendenz nicht aus seiner eigenen Existenz, sondern aus dem Be­
sorgen und dem besorgten Zuhandenen. Das alltägliche Miteinan­
dersein erfordert zudem eine für alle gemeinsame und verbindliche
zeitliche Abstimmung der besorgenden Tätigkeiten. Solche Abstim­
mung erfolgt mithilfe zunächst der Sonne, später mittels eines eigens
dafür angefertigten Zeugs, der Uhr. Der Uhrgebrauch begründet
die Innerzeitigkeit: Alles Seiende und alle Begebenheiten werden

genes, angstbereites Sichentwerfen auf das eigenste Schuldigsein« bestimmte


Entschlossenheit das Fundament für alle Wissenschaft sein soll. Diese ließe
sich wohl eher als eine eigentümliche Art des Aufgehens im Vorhandenen
und damit des Verfallens auffassen. Zu Recht bemerkt Pöggeler, dass Heid­
eg­ger zwischen uneigentlichem und eigentlichem Verfallen hätte unterschei­
den müssen (siehe Otto Pöggeler, Neue Wege mit Heid­eg­ger, Freiburg im
Breisgau / München 1992, 133). Die existenzielle Bewertung der Wissenschaft
in Sein und Zeit ist mit einer grundsätzlichen Ambivalenz und Spannung
behaftet. Diese Frage betrifft – wie sich am Ende dieses Aufsatzes zeigen
wird – auch die Ontologie als die Wissenschaft vom Sein.
36 Siehe hierzu: Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 534–564, und Heid­eg­ger,
Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 324–388. Das Verhältnis
von Zeitlichkeit und Innerzeitigkeit wird ebenso wie die Genesis des natür­
lichen Zeitverständnisses und seine Ausarbeitung im objektiven Zeitbegriff
auch in der bereits erörterten Abhandlung des Jahres 1924 eingehend darge­
legt (Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 66–80).
37 Zur Entstehung der Innerzeitigkeit sowie des natürlichen und philoso­
phischen Zeitbegriffs aus der Zeitlichkeit des Daseins siehe: Heid­eg­ger, Sein
und Zeit, GA 2, 537–564, und Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phäno­
menologie, GA 24, 362–388.
156 Dimitrios Yfantis

nun als sich in der Zeit befindende bzw. abspielende erfasst. Der
zeitliche Sinn des Uhrgebrauchs – hierin zeigt sich seine Herkunft
aus dem Besorgen – ist ein Gegenwärtigen; denn das Primäre bei
der Zeitablesung an der Uhr ist Heid­eg­ger zufolge das Jetzt-Sagen:
Jetzt ist Zeit für …
Die Zeit auf der Ebene der Zuhandenheit spricht sich in den Cha­
rakteren »Jetzt, Dann und Damals« aus und weist spezifische, auf
die ursprüngliche Zeitlichkeit verweisende Strukturmomente auf:
Bedeutsamkeit, da die Zeit immer als geeignet oder ungeeignet für …
begegnet; Datierbarkeit, da zu allen Jetzt, Dann und Damals wesen­
haft der Bezug auf eine Begebenheit gehört, durch die sie bestimmt
sind; Öffentlichkeit, da sie für alle zugänglich ist (»Man-Zeit«); und
schließlich Erstrecktheit oder Gespanntheit, da beispielsweise zu ei­
nem Dann wesenhaft das Bis-dann gehört. Diese Strukturmomente
verweisen auf die ursprüngliche Zeitlichkeit und deren ekstatischen
Charakter.
Nun folgt aber das Dasein, wenn es die Zeit eigens untersucht,
nicht diesen Verweisen auf die ursprüngliche Zeitlichkeit; vielmehr,
geleitet durch das herrschende Verständnis des Seins als Anwe­
senheit, macht es auch die Zeit selbst zu etwas Vorhandenem und
entblößt sie der Strukturmomente, die ihr als im Besorgen ausge­
sprochener zukommen. Dergestalt erwächst aus dem natürlichen
Zeitverständnis der Begriff der »vorhandenen, einsinnig gerichteten
und unumkehrbaren Jetztfolge«. Dieser zuerst von Aristoteles aus­
gearbeitete Zeitbegriff – so Heid­eg­ger – bleibe fortan für alle Zeit­
auslegung bestimmend.38
Die entscheidende kritische Frage hinsichtlich der Ableitung der
Innerzeitigkeit aus der ursprünglichen Zeitlichkeit des Daseins lau­
tet: Lässt sich aus der Gegenwart als Ekstase der Zeitlichkeit das für
die natürlich erfahrene Zeit konstitutive Jetzt tatsächlich ableiten?

38 Zu Heid­eg­gers Auslegung der Zeitauffassungen Aristoteles’, Kants, He­


gels und Bergsons siehe Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomeno­
logie, GA 24, 324–361 (Aristoteles), Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der
Wahrheit, GA 21, 251–269 (Aristoteles, Hegel und Bergson) und 400 –408
(Kant), sowie Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 565–575 (Hegel). Zu Heid­eg­
gers eingehender Auslegung der aristotelischen Zeittheorie sei der Hinweis
auf die Darstellung des Verfassers erlaubt: Dimitrios Yfantis, Die Auseinan­
dersetzung des frühen Heid­eg­ger mit Aristoteles. Ihre Entstehung und Ent­
faltung sowie ihre Bedeutung für die Entwicklung der frühen Philosophie
Martin Heid­eg­gers, Berlin 2009, 431–449.
Zeitlichkeit und Temporalität 157

Die Gegenwart ist mit der Zukunft und der Gewesenheit zugleich –
ja sie umfasst sogar in gewissem Sinne beide, das Jetzt hingegen
schließt das Noch-nicht-jetzt und das Nicht-mehr-jetzt aus;39 die
Gegenwart ist inhaltlich bestimmt und artikuliert, das Jetzt hinge­
gen ein bloßes, nacktes Dass. Handelt es sich also nicht eher um he­
terogene Phänomene, und zwar so, dass die aus den drei Ekstasen
»Zukunft, Gewesenheit und Gegenwart« konstituierte Zeitlichkeit
jeweils mit einem Jetzt verbunden ist und sich mit dessen Vergehen
wandelt (oder bisweilen konstant bleibt)? Das Jetzt mag zwar vom
Dasein und zunächst im Zusammenhang des Besorgens ausgespro­
chen und dann mithilfe eines Absehens von den Strukturmomenten
der ausgesprochenen Zeit herausgestellt werden; dies bedeutet je­
doch noch nicht, dass es von solchem Gegenwärtigen abgeleitet ist.40

Die fortgesetzte Durchführung des Programms


im Sommersemester 1927

Die Herausstellung der Zeitlichkeit als des Grundes der gesam­


ten Daseinsverfassung und die zeitliche Interpretation der Grund­
existenzialen dienen im ontologischen Projekt von Sein und Zeit
letztendlich der Ausarbeitung der Seinsfrage als temporaler Seins­
interpretation. Temporalität ist die Zeitlichkeit »als Bedingung
der Möglichkeit des vorontologischen und des ontologischen
Seinsverständnisses«.41 Dass die Zeitlichkeit als Ermöglichungs­
grund der gesamten Daseinsverfassung, somit auch des Seinsver­

39 Um ein Beispiel Heid­eg­gers selbst dafür anzuführen, dass die Gegenwart


Zukunft und Gewesenheit gewissermaßen umfasst: Die Übernahme der neu­
platonischen Begrifflichkeit durch Augustinus gehört zur philosophischen
Gegenwart (siehe hierzu: Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus).
Dass Heid­eg­ger später erklärt, die Rede von »zugleich« sei nicht sachgerecht,
drückt die festgestellte Differenz nur noch deutlicher aus; denn der Grund
dafür, dass man nicht »zugleich« sagen dürfte, ist, dass die Zeitlichkeit selbst
überhaupt nichts Zeitliches sei. Siehe dazu: Heid­eg­ger, Zeit und Sein, GA 14,
3–30, hier 18.
40 Siehe hierzu: Pöggeler, Neue Wege mit Heid­eg­ger, 130 –132. An anderem
Ort beanstandet Pöggeler, dass bei Heid­eg­ger eine echte Phänomenologie
der Zeit fehle; siehe Otto Pöggeler, Heid­eg­ger in seiner Zeit, München 1999,
49 –55.
41 Vgl. Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 388;
siehe auch 436.
158 Dimitrios Yfantis

ständnisses, der erfragte »Sinn« von Sein sein wird, lässt sich zwar
anhand der Daseinsanalytik postulieren; es muss nun aber konkret
gezeigt werden, wie sie das Seinsverständnis überhaupt und somit
auch die Ontologie ermöglicht.42
Der Durchführungsversuch der temporalen Seinsinterpretation
beruht auf dem bisher nicht angesprochenen horizontal-schemati­
schen Charakter der Zeitlichkeit. Deren ekstatische Verfasstheit be­
deutet nämlich nicht nur, dass sie sich immer in der Einheit dreier
Ekstasen zeitigt, sondern vornehmlich, dass sie in jeder ihrer Eksta­
sen – wie ihre oben erwähnten phänomenalen Charaktere »Auf-
sich-zu, Zurück-auf und Begegnenlassen-von« erkennen lassen –
eine »Entrückung zu …« ist.43 Die jeweilige Entrückung ist aber
nicht völlig unbestimmt, sondern besitzt eine Vorzeichnung dessen,
wozu sie entrückt, einen je nach Zeitigungsmodus »modifizierbaren
und zur Ekstase selbst gehörigen Horizont«, genauer: ein »horizon­
tales Schema«. Das Seinsverständnis soll in der ekstatischen Einheit
der horizontalen Schemata der Zeitlichkeit gründen und das Sein
somit temporale Charaktere aufweisen.44

42 Die Ontologie ist Heid­eg­ger zufolge nur die explizite Ausarbeitung des
unartikulierten vorontologischen, für allen Umgang mit dem Seienden lei­
tenden Seinsverständnisses. Dass die Zeit unausgesprochen der »transzen­
dentale Horizont« für das Seinsverständnis ist, lasse sich bereits an der an­
tiken Ontologie erkennen, die das Sein als Anwesenheit verstehe und das
ἀεὶ ὂν zum eigentlichen Seienden erkläre. Die Zeit bilde auch den Leitfaden
für die traditionelle Unterscheidung des Seienden nach seiner Seinsweise in
zeitliches, zeitloses und überzeitliches Seiendes; allerdings werde sie hier im
vulgären Sinne verstanden. Diese ontische Unterscheidung der Seinsmodi soll
nun durch eine ontologische, das heißt temporal fundierte (Zu- und Vorhan­
densein, Dasein und Mitdasein), ersetzt werden (siehe dazu: Heid­eg­ger, Die
Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 397–399, 430 und 434).
43 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 434–436.
Die Zeitlichkeit – so Heid­eg­ger – sei »das ἐκστατικὸν schlechthin« (Heid­eg­ger,
Sein und Zeit, GA 2, 435). Diese Charakterisierung veranlasst Sallis, eine Reihe
kritischer, zum Teil durchaus berechtigter Fragen zu stellen (Sallis, Echoes:
After Heid­eg­ger, 59 –61 und 69). Sallis scheint aber nicht zu sehen, dass die
Rede von ἔκστασις sich hier nicht auf die Tatsache, dass die Zeitlichkeit drei
Ekstasen aufweist, und noch weniger auf die Entstehung der Inner­zeitigkeit
aus der ursprünglichen Zeitlichkeit, sondern – wie beide soeben angegebenen
Stellen deutlich zu erkennen geben – auf die Transzendenz des Daseins bezieht.
44 Siehe hierzu: Heid­ eg­ger Die Grundprobleme der Phänomenologie,
GA 24, 418–429. In Sein und Zeit ist nur an einer Stelle die Rede von ho­
rizontalen Schemata. Als solche werden dort genannt: »Umwillen seiner«
(Zukunft), »Wovor der Geworfenheit oder Woran der Überlassenheit« (Ge­
Zeitlichkeit und Temporalität 159

Diesen Ansatz versucht nun Heid­eg­ger für das Zuhandensein


durchzuführen. Das Zuhandensein und sein privativer Modus
»Abhandensein« sind Abwandlungen eines Grundphänomens, das
er formal mit »Praesenz« kennzeichnet. Diese ist das horizontale
Schema der Gegenwart: Das Gegenwärtigen des Besorgens, sei es
eigentlich oder uneigentlich, entwirft sich selbst und das im Besor­
gen Gegenwärtigte auf Praesenz.45 Die Praesenz stellt mithin den
temporalen Charakter des Seinsmodus »Zuhandensein«, die Bedin­
gung der Möglichkeit für das Verstehen des Zuhandenseins und al­
len Umgang mit Zuhandenem dar.46 Allgemein: Die Zeitlichkeit als
ekstatisch-horizontaler Entwurf schlechthin ermöglicht das Seins­
verständnis überhaupt und differenziert es gemäß ihrem jeweiligen
Zeitigungsmodus, das heißt gemäß der jeweils führenden Ekstase
und dem durch sie abgewandelten Zusammenhang der horizontalen
Schemata.47 Zwar keine Begründung, jedoch eine gewichtige Bewäh­
rung für seine temporale Seinsauslegung sieht Heid­eg­ger in der anti­
ken Ontologie. Diese in ihrer ausgearbeiteten Gestalt bei Platon und
Aristoteles verstand das Sein als οὐσία , das heißt – nach Heid­eg­gers
Auslegung – als Anwesenheit und somit, wenngleich unausdrücklich,
aus der Zeitekstase der Gegenwart, also temporal.48

wesenheit) und »Um-zu« (Gegenwart); siehe Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2,


482–483.
45 Die Praesenz ist im Text nicht einheitlich gekennzeichnet. Sie wird zu­
nächst als »Horizont der Gegenwart« (Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der
Phänomenologie, GA 24, 435), bald darauf als »Grundbestimmung des ho­
rizontalen Schemas« derselben (435) und schließlich als ihr »horizontales
Schema« selbst (438) charakterisiert. Der Sache nach ist diese Unsicherheit
wohl unerheblich.
46 Genauer gesprochen – wie Heid­eg­ger auch selbst anerkennt –, handelt es
sich um eine bestimmte Form von Praesenz, da ja auch das Vorhandensein
den temporalen Charakter der Praesenz aufweist. Die Ausarbeitung der dem
Zuhandensein eigentümlichen Praesenz wird in der Vorlesung nicht zu Ende
geführt. Es ist aber klar, dass sie mit dem behaltenden Gewärtigen, welches
das Bewendenlassen charakterisiert, zusammenhängt. Die Praesenz des Vor­
handenseins wird hingegen überhaupt nicht thematisiert. Als einzige Modi­
fikation des Schemas der Praesenz wird die Absenz erörtert, was aber nicht
ganz zur ursprünglichen Bestimmung der Praesenz passt, da ihr zufolge die
Praesenz sowohl An- als auch Abwesenheit umfasst. Siehe Heid­eg­ger, Die
Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 433 und 439 –443.
47 Siehe dazu: Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24,
431–445.
48 Siehe dazu: Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24,
160 Dimitrios Yfantis

Mit der temporalen Auslegung des Zuhandenseins bringt jedoch


Heid­eg­ger einen lediglich geringfügigen Teil dessen zur Ausführung,
was er im veröffentlichten Text von Sein und Zeit in Aussicht ge­
stellt hat.49 Aber auch von seiner Unabgeschlossenheit abgesehen,
ist das Projekt der temporalen Seinsauslegung mit einer grundsätz­
lichen Aporie behaftet. Sie lässt sich folgendermaßen formulieren:
Ist die eigentliche und ursprüngliche Zeitlichkeit, wie sie im zwei­
ten Abschnitt von Sein und Zeit als Grund der Daseinsverfassung
herausgestellt wurde, und die Zeitlichkeit als Temporalität, als tran­
szendentaler Horizont des Seinsverständnisses, ein und dasselbe
Phänomen?50 Und wenn nicht, wie lässt sich ihr Zusammenhang
bestimmen?
Einen Hinweis darauf, dass die in Sein und Zeit herausgestellte
ursprüngliche Zeitlichkeit nicht die für die Grundlegung der Onto­
logie erforderliche ist, stellt bereits die Tatsache dar, dass Heid­eg­
ger in der Vorlesung des Sommersemesters 1927 seiner Darlegung
der Temporalität keine Daseinsanalytik vorausschickt und von nur
ganz wenigen Resultaten der in Sein und Zeit durchgeführten Ana­
lysen Gebrauch macht.51 Unabweisbar werden aber die genannten

448–449. Zu dieser Auslegung der antiken Ontologie siehe insbesondere


Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 21–35;
Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 170 –182; Heid­eg­
ger, Vom Wesen der menschlichen Freiheit, GA 31, 40 –109. Für eine Dar­
legung der Versuche Heid­eg­gers, diese These an Aristoteles auszuweisen,
siehe Yfantis, Die Auseinandersetzung des frühen Heid­eg­ger mit Aristoteles,
233–244, 370 –392 und 496–500. Pöggeler weist jedoch darauf hin, dass, auch
wenn die οὐσία Anwesenheit oder Gegenwart bedeutet, dies nicht zu besagen
braucht, dass die Griechen das Sein aus der Gegenwart qua Zeitdimension
verstanden (Pöggeler, Neue Wege mit Heid­eg­ger, 134–135 und 197–199).
49 Einer temporalen Interpretation bedürfen nicht nur die Grundmodi der
Seins – als solche werden in der hier besprochenen Vorlesung neben dem
Zuhandensein die Existenz, das Mitdasein und das Vorhandensein aufge­
zählt –, sondern überdies sowohl der ganze Bereich des Idealen (logische
und mathematische Entitäten) als auch zahlreiche existenziale Phänomene
(Räumlichkeit, Sprachlichkeit, Alltäglichkeit usw.), hinsichtlich deren Heid­
eg­ger an mehreren Stellen von Sein und Zeit auf Analysen verweist, die auf
die Herausstellung der Zeit als des Sinnes von Sein folgen sollten.
50 Diese Frage stellt auch Pöggeler, ohne sie jedoch näher zu erörtern (Otto
Pöggeler, Der Denkweg Martin Heid­eg­gers, dritte Auflage, Pfullingen 1990,
63–66).
51 Den Weg zur Temporalität bahnt die »phänomenologisch-kritische Dis­
kussion einiger traditioneller Thesen über das Sein« (Heid­eg­ger, Die Grund­
probleme der Phänomenologie, GA 24, 35–320).
Zeitlichkeit und Temporalität 161

Fragen, wenn Heid­eg­ger die Temporalität als die »ursprünglichste


Zeitigung der Zeitlichkeit als solcher« charakterisiert,52 womit das
schon erörterte Problem, inwiefern die eigentliche Zeitlichkeit auch
die ursprüngliche sei, in gewandelter Gestalt erneut aufbricht. Und
diese Charakterisierung ist durchaus berechtigt; denn die Zeit als
Temporalität konstituiert die Erschlossenheit des Daseins, ermög­
licht also sein Seinsverständnis und somit allen Umgang mit dem Sei­
enden, macht mithin das Dasein allererst zum Dasein. Die beiden
in Sein und Zeit herausgestellten Zeitlichkeitsmodi scheinen bloß
existenzielle Zeitigungen der Zeitlichkeit des Daseins zu sein, de­
ren Relevanz für die Grundlegung der Ontologie erwiesen werden
müsste. Relevant wären sie, wenn sich zeigen ließe, dass sie dieje­
nige Modalisierung der Temporalität qua ursprünglicher Zeitigung
der Zeitlichkeit ausmachen, welche die bereits am vorontologischen
Seinsverständnis feststellbaren Differenzierungen ermöglicht.53
Das Problem des Verhältnisses zwischen Zeitlichkeit und Tem­
poralität spitzt sich hinsichtlich der zeitlichen Verfassung der onto­
logischen Interpretation selbst sogar noch zu. Die Ontologie ist
Heid­eg­ger zufolge nur die explizite Ausarbeitung des unartikulier­
ten vorontologischen Seinsverständnisses, das allen Umgang mit
dem Seienden leitet. In solchem vorontologischen Seinsverständnis
werde Sein unausdrücklich auf Zeit entworfen. Für das Verständ­
nis etwa von Existenz ist die Zukunft und ihr horizontales Schema
»Umwillen seiner« führend. Die Konstitution der Ontologie als
Wissenschaft – so Heid­eg­ger – erfolge durch »die Vergegenständli­
chung des Seins als solchen«; denn die Vergegenständlichung sei »das

52 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 429. Schon


in Sein und Zeit wird die Ursprünglichkeit der Temporalität unterstrichen.
Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 312: »Damit [mit der Analyse der Innerzei­
tigkeit] bereitet sich das Verständnis für eine noch ursprünglichere Zeitigung
der Zeitlichkeit vor. In ihr gründet das für das Sein des Daseins konstitutive
Seinsverständnis«.
53 Die Frage nach dem Verhältnis zwischen eigentlicher Zeitlichkeit und
Temporalität, und konkret zwischen Augenblick und Praesenz, wird an ei­
ner Stelle ausdrücklich gestellt (Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phä­
nomenologie, GA 24, 434–435). Dort heißt es, dass sowohl die Praesenz als
auch der Augenblick ursprünglichere Phänomene darstellten als das Jetzt.
Identisch seien sie aber nicht; vielmehr sei die Praesenz der Horizont des
Gegenwärtigens, und zwar nicht nur des Augenblicks, sondern auch des un­
eigentlichen Gegenwärtigens. Das damit die gestellte Frage nicht beantwortet
wird, liegt auf der Hand.
162 Dimitrios Yfantis

Wesentliche jeder Wissenschaft, auch der Philosophie«.54 Es handelt


sich also um den bereits angesprochenen Thematisierungsprozess,
wenngleich die Objektivierung des Seienden nicht mit der Vergegen­
ständlichung des Seins gleichgesetzt werden darf. Der zeitliche Sinn
dieses Prozesses ist aber ein ausgezeichnetes Gegenwärtigen. Be­
deutet dies aber nicht, dass der ursprüngliche temporale Charakter
des vorontologischen Seinsverständnisses von einem praesentialen
Seinsentwurf überlagert wird? Denn wenn die Thematisierung des
Seienden seinen Seinscharakter modifiziert (aus Zuhandenem wird
Vorhandenes), wird nicht auch entsprechend die Thematisierung
des Seins den Zeitcharakter desselben modifizieren? Und wenn die
Onto­logie durch solchen praesentialen Seinsentwurf gekennzeichnet
ist, beruht sie dann nicht letztendlich auf der uneigentlichen Zeit­
lichkeit des Daseins? 55
Diese dem Projekt der daseinsanalytisch und temporal fundierten
Ontologie immanenten und schwerwiegenden Aporien trugen ge­
wiss wesentlich dazu bei, dass Heid­eg­ger es ab circa 1930 zugunsten
seiner späteren seynsgeschichtlichen Konzeption preisgab.

54 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 398.


55 Auf das Problem des temporalen Charakters der Ontologie weist auch
Figal hin (Günter Figal, Martin Heid­eg­ger. Zur Einführung, vierte Auflage,
Hamburg 2003, 89 –93). Bei der Erörterung der Thematisierung in Sein und
Zeit wird dieses Problem ausdrücklich angesprochen: »Ob jede Wissenschaft
und ob gar philosophische Erkenntnis [das heißt Seinserkenntnis] auf ein Ge­
genwärtigen zielt, bleibe hier noch unentschieden« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit,
GA 2, 480, Anm. 10). Ein Argument aber, weshalb die Vergegenständlichung
von Sein nicht den zeitlichen Sinn des Gegenwärtigens haben soll, sucht man
sowohl in Sein und Zeit als auch in der Vorlesung des Sommersemesters 1927
vergeblich.
Aaron Shoichet
From Brentano to Heid­eg­ger:
locating the »question of the meaning of being«

In Being and Time Heid­eg­ger opens with the claim that the »ques­
tion of the meaning of being« has been forgotten in the tradition of
philosophy. He goes on to state that this question »provided a stim­
ulus for the researches of Plato and Aristotle, only to subside from
then on as a theme for actual investigation.«1 A cursory reading of
Aristotle’s Metaphysics confirms that the question of the meaning
of being, in some sense at least, was indeed a theme of Aristotle’s
work. He believed that the first and primary task of philosophy is to
inquire into being qua being, into things that are insofar as they are.
Aristotle also believed that this science of being is confronted with
a problem at its very inception, for »being,« as he states, »is said in
many ways.« If there is indeed such thing as a science of being, then
there must be a unifying, central idea or principle that justifies using
this same word for all senses. It is thus a primary task of the science
of being qua being to uncover this unifying principle.2
According to Heid­eg­ger’s claims on the opening page of Being
and Time, it would seem that Aristotle was the last to raise this
question. But is this correct? It’s not if what Heid­eg­ger means by
»the meaning of being« is the same question that Franz Brentano is
posing in his dissertation, Von der mannigfachen Bedeutung des
Seienden nach Aristoteles (1862), which was not only familiar to
Heid­eg­ger, but also an important inspiration for his own inquiry.3

1 Martin Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 2. »Sie hat das Forschen von Plato
und Aristoteles in Atem gehalten, um freilich auch von da an zu verstummen –
als thematische Frage wirklicher Untersuchung.«
2 Aristotle, Metaphysica, 1003b1–6.
3 This is not obvious from Sein und Zeit alone, where Heid­eg­ger mentions
Brentano’s name only once. (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 215.)
164 Aaron Shoichet

In his letter to William Richardson in 1962, Heid­eg­ger states that


Brentano brought his attention to the question that would decide
his philosophical path and occupy him throughout his career, that is:
what is the unifying, underlying meaning of the manifold meanings
of being? (»Welches ist die all mannigfachen Bedeutungen durch­
herrschende einfache, einheitliche Bestimmung von Sein?«)4 In light
of Heid­eg­ger’s comments in his letter to Richardson, it seems like
Brentano’s question is the same question that Heid­eg­ger raises on
the opening pages of Being and Time, namely, the question of the
meaning of being. But this suggests Heid­eg­ger’s statement concern­
ing the forgottenness of being is merely provocative rhetoric, for at
least Brentano, if not many others before him, had already raised the
question. Or to make this point more constructively in the form of
a question, which shall guide the analysis in the following: if there
is some truth to Heid­eg­ger’s claim concerning the forgottenness of
being and the fact that his question has not been a theme for actual
investigation since Aristotle, then how are we to understand the
»question of the meaning of being«? More specifically, how does
this question differ from Brentano’s question?
The central aim of this text is to shed light on this difference and
identify where Heid­eg­ger diverges from Brentano.5 If we succeed
in highlighting this divergence, then two ideas ought to become a
bit clearer by the end of our analysis: firstly, the critical modesty
of Heid­eg­ger’s position, for Heid­eg­ger does not necessarily reject
Brentano’s thesis that the categories of being may be deduced from
the primary category of substance; and secondly, that there may be
some truth to Heid­eg­ger’s provocative statement at the beginning of
Being and Time concerning the forgottenness of the question of the
meaning of being, for Heid­eg­ger is indeed raising a question that is
different from Brentano’s.

4 Heid­eg­ger, Der Satz der Identität, GA 11, 145–46.


5 As Heid­eg­ger states further in his letter to William Richardson: »Diesen
Einklang können wir erst dann vernehmen, wenn zuvor gefragt und geklärt
wird: Woher empfängt das Sein als solches (nicht nur das Seiende als Seien­
des) seine Bestimmung?« (Heid­eg­ger, Der Satz der Identität, GA 11, 146)
From Brentano to Heidegger 165

The problem: »being is said in many ways«

The starting point of both Heid­eg­ger’s and Brentano’s questions is


an idea they take from Aristotle and his discussion in the Metaphys­
ics, where he states in numerous passages that »being is said in many
ways.«6 If the word being is said in many ways, Aristotle observes,
then this immediately gives rise to a problem. If there is no single
unifying meaning, it is not clear what justifies the fact that we use
the same word for instances in which the meaning differs. Being
would then be a homonym, in the way that the word organ in the
English language refers both to a part of a body and to the musical
instrument. When we use the word organ in one instance to refer to
a part of the body such as the heart, and in another instance to refer
to the musical instrument in a church, the only thing that is the same
in both instances is the word. »Things are equivocally named,« Aris­
totle states at the very beginning of the Categories, »when they have
the name only in common, the definition (or statement or essence)
corresponding with the name being different.«7 There is nothing
that unifies conceptually these two uses of the word organ; they are
equivocally named, which means it is merely coincidental that they
share the same name. While Aristotle believes that being has many
meanings, he is convinced its meaning is not equivocal. Being is not
a homonym. It is not a coincidence that the same word is used in
each case. There must be some unifying principle or idea that jus­
tifies using the word »being« in each case, even if we are unable to
fully grasp or articulate this principle.8
But neither is being a univocal term with one single meaning. An
example of a univocal term is the name of a genus, from which spe­
cific differences may be predicated – for example, the genus »ani­
mal.« The genus animal includes both horses and ox, and in both
cases when we say that »a horse is an animal« and »an ox is an an­
imal« we mean the same. In both cases the word »animal« has the
same meaning. As Aristotle says at the beginning of the Categories,
»Things are univocally named, when not only they bear the same

6 Aristotle, Metaphysica, 1003a33.


7 Aristotle, Categories. Citations are from The Categories, translated by
P. Cooke, Cambridge 1938, 1a1.
8 See Heid­eg­ger, Aristoteles, Metaphysik Θ 1–3, GA 33, 34–35.
166 Aaron Shoichet

name but the name means the same in each case«.9 It is not merely
the word that is the same when we speak of both species as animals;
rather, they are called animals because there is a unifying meaning
that corresponds to the word »animal« in both cases. If the con­
cept »being« were like the concept »animal,« then being would be
the highest genus, the highest category of everything that is said to
be. Aristotle believed, however, that it is not possible that being is
a highest genus.10 This is precisely what he means when he insists
that being is said in many ways – that being is not a genus, that be­
ing tends within its very essence to disperse into a plurality. Being is
neither univocal in the sense of a genus, nor equivocal in the sense
of a homonym. Yet there must be a unifying principle that unifies
its multiple meanings while preserving this multiplicity. What, then,
could serve as this unifying principle and how are these multiple
meanings brought together?

Brentano’s answer

Brentano’s first step in finding an answer to the problem of being


is to select the passage from the Metaphysics where Aristotle gives,
what Brentano considers to be, the most accurate and comprehen­
sive listing of the multiple meanings of being. Brentano chooses the
sixth Book where Aristotle identifies the following four: firstly, in
the sense of accidental, secondly, in the sense of being true or false,
thirdly, in the sense of the categories (of which Aristotle identifies
ten), and finally, in the sense of potential and actual. As it becomes
clear, Brentano believes that not all of these meanings belong prop­
erly to metaphysics. Brentano has a principle to distinguish between
genuine and non-genuine meanings of being and, as Franco Volpi
suggests, this principle is the distinction between the »real« and
the »objective.«11 The objective realm is that which exists only in
thought, and which does not belong properly to metaphysics, for

9 Aristotle, Categories, 1a7.


10 Aristotle, Metaphysica, 998b22. As Aristotle states: »But it is impossible
for either Unity or Being to be one genus of existing things.«
11 Franco Volpi, Brentanos Interpretation der aristotelischen Seinslehre und
ihr Einfluss auf Heid­eg­ger, in: Heid­eg­ger und die Anfänge seines Denkens.
Heid­eg­ger-Jahrbuch 1, Freiburg / München 2004, 226–242, here 234–35.
From Brentano to Heidegger 167

metaphysics is concerned solely with the real, with that which exists
independent of thought.12 This gives Brentano justification to rule
out straight away two of the four meanings of being because they
are derivative and »non-genuine« (uneigentlich).13
Accidental being is derivative because it refers to that which exists
only in dependence of something else, and not inherently or nec­
essarily. Accidental being is what happens occasionally, in the way
that having four leaves belongs accidentally but not essentially to
being a clover, or the way that being musical belongs accidentally
but not essentially to being a grammarian, because even if a gram­
marian were not musical he or she could still be a grammarian. As
Brentano states: »The two do not belong inherently or essentially
together; one property is not a consequence of the other and they
do not both stem from the same cause; the one has the other kata
symbebekos.«14 It follows that it is not possible to have a science of
accidental being, for science aims at generality and is concerned with
that which occurs always or for the most part.
But neither does being in the sense of truth qualify as a genuine
sense of being. Brentano insists, in accordance with Aristotle, that
truth is located primarily in judgement. Brentano is aware that Ar­
istotle discusses truth in reference to things, perception and people,
but Brentano argues that these meanings of truth are derivative of
the primary meaning. He finds support for this claim not only in
the Metaphysics but also in De Interpretatione and the Categories
as well as in De Anima. As Aristotle states in the Metaphysics, »fal­
sity and truth are not in things but in thought.«15 Further support
for Brentano’s claim that truth is located firstly in thought is the
observation that we can also speak of truth in reference to non-be­

12 As Brentano states at the beginning of the fourth chapter of his disser­


tation where he examines being in the sense of dynamis and ernergeia: »Da
das Seiende, als Allgemeinstes, von Allem ausgesagt wird, so folgt hieraus für
das Object der Metaphysik, daß es Alles unter sich begreift, insofern es ein
Sein außerhalb des Geistes hat, das, mit ihm Eins, in eigentlicher Weise ihm
zugehört.« (Franz Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden
nach Aristoteles. Freiburg im Breisgau 1862, 40.)
13 Vgl. Franz Brentano, Terminologie, in: Über Aristoteles. Nachgelassene
Aufsätze, Hamburg 1986, 165–189, hier 167–69.
14 Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristo­
teles, 12.
15 Aristotle, Metaphysica, 1027b26.
168 Aaron Shoichet

ing, for we can make true assertions about that which does not exist
or which exists merely in our mind.16 Moreover, Brentano points
out that the relation between the judgement and that to which the
judgement corresponds is asymmetrical. Whereas that which exists
in reality and which corresponds to a true judgement exists inde­
pendent of the truth of the judgement, the contrary is not the case:
it is not the case that the truth of the judgement is independent of
that which it corresponds to. Brentano quotes Aristotle from the
ninth book of the Metaphysics, where he states: »It is not because
we are right in thinking that you are white that you are white«.
Rather, »it is because you are white that we are right in saying so.«17
Thus being in the sense of truth is derivative in two senses: first, it
is located in human thought and does not belong to metaphysics;
second, the relation between the truth of the judgement and that
which the judgement corresponds to is accidental. The truth of the
judgement does not belong essentially to the being of that which is
judged to exist in reality.
The third sense of being that Brentano discusses – being in the
sense of potential and actual – in contrast to the first two, belongs
properly to the study of metaphysics since it refers to that which
exists independent of human understanding.18 This third sense of be­
ing is intimately connected with being in the sense of the categories,
and is therefore as central to a science of being as the latter.19 Yet for
the purpose of Brentano’s analysis this sense of being occupies a sec­
ondary role. For one, potential being is incomplete and dependent,
for it presupposes actuality, which is prior to potentiality in both
concept and in essence. Only actual being has being in the proper
sense (»nur das Wirkliche ist eigentlich seiend.«)20 But actual being
is itself lacking in determination and is so basic and simple that it
does not permit definition and can only be clarified inductively by

16 Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristo­


teles, 37.
17 Aristotle, Metaphysica, 1051b7; Brentano, Von der mannigfachen Bedeu­
tung des Seienden nach Aristoteles, 29.
18 Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristo­
teles, 33.
19 Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristo­
teles, 40.
20 Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristo­
teles, 141.
From Brentano to Heidegger 169

means of examples. Moreover, there are as many modes of actual


being as there are categories; and the number and ways in which ac­
tual being may be differentiated will only become clear in reference
to the categories.21 Only in reference to the categories is it possible
to articulate what actuality means.
Thus Brentano argues that, when Aristotle speaks of the four
meanings of being, only two of these belong properly to metaphys­
ics, and ultimately only one of these two is primarily in need of being
analyzed: that is, being in the sense of the categories, and especially
in reference to the primary category of substance, for this category
refers to that which exists in the most eminent sense.22 For this rea­
son, after having ruled out the other three meanings of being for not
offering an answer to the unifying principle, Brentano devotes the
greatest portion of his dissertation to an analysis of the categories.
Brentano’s question concerning the unifying principle of being is no
longer a question concerning how these four meanings are unified,
but rather concerning how the categories are unified. And his answer,
which finds support in the thought of the Scholastic thinkers and
may be traced to Aristotle, is that their meaning must be understood
neither equivocally nor univocally but rather analogically.
Brentano discusses two notions of analogy and suggests they are
both important for Aristole.23 The first notion of analogy is anal­
ogy in the sense of proportionality (Analogie der Proportionalität).
According to this sense, analogy consists in an equivalence in rela­
tions. It is firstly quantitative yet may also be applied to qualitative
relations as Aristotle himself states in the Nicomachean Ethics that
»as sight is good in the body, so intelligence is good in the soul, and
similarly another thing in something else.«24 But there is another,
and for Brentano, more important sense of analogy, which he refers
to as analogy to the same terminus (Analogie zum gleichen Termi­
nus).25 According to this notion of analogy, meanings are analogous

21 Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristo­


teles, 50.
22 Brentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristo­
teles, 219.
23 Brentano, Von der Mannigfachen Bedeutungen des Seienden nach Aris­
toteles, especially chapter 5, § 3, 85–98.
24 Aristotle, Ethica Nicomachea, 1096b25. Citation is from The Nicoma­
chean Ethics, translated by H. Rackham, Cambridge 1934.
25 Interestingly, Pierre Aubenque argues that the notion of analogy emplo­
170 Aaron Shoichet

insofar as they all refer in differing ways to a single, central, primary


terminus.26 A traditional example of this notion of analogy, which
Brentano adopts from Aristotle’s Metaphysics, is the phenomenon
of health. We use the concept »healthy« to describe various phe­
nomena: people, medication, diets, exercise, complexion. Although
each phenomenon relates to health differently in each case – for
some are the causes, some the effects, some the signs – they all refer
to the same thing, namely, to the health of an organism. These ad­
ditional phenomena such as medication, diet, exercise, complexion
etc. are appropriately called healthy insofar as they all relate to this
primary terminus, to the health of the organism. They are related
to each other analogically by similarly referring to this single point.
To be sure, the idea that the categories are held together analogi­
cally is not Brentano’s own discovery. Yet Brentano believes to make
an important contribution to this traditional solution by arguing
that the categories form a complete and exhaustive system that may
be derived by means of a deduction from the first terminus. Bren­
tano carries out this deduction in section 13 of his dissertation. The
first division he makes is between substance and accident. Brentano
then sets substance aside, which cannot be divided further, and di­
vides accidents into absolute accidents and relations, which corre­
spond to two ways a predicate may relate to a subject, either abso­
lutely or in relation to something else. Relations have the weakest
mode of being and are tied to substances in the weakest sense. Their
being consists entirely in the way they relate to some other being
in the way, for example, that »Socrates is whiter than Hippias« or
»Philip is the father of Alexander.« They are so loosely tied to sub­
stance that they merely touch it without modifying it.27 After set­
ting relations aside, Brentano turns to the absolute accidents, which
are closer to substantial being, and which may be divided into three

yed in this way was completely foreign to Aristotle, and was instead prima­
rily an invention of the Scholastic philosophers, especially Thomas Aquinas
(Pierre Aubenque. Les origines de la doctrine de l’analogie de l’être. Sur
l’histoire d’un contresens, in: Problèmes Aristotéliciens, Paris 2009, 239 –250.)
26 Here Brentano quotes Aristotle from the Metaphysics where Aristotle
states the following: »The term ›being‹ is used in various senses, but with
reference to once central idea and one definite characteristic, and not as me­
rely a common epithet.« (Aristotle, Metaphysica, 1003a33.)
27 Brentano, Von der Mannigfachen Bedeutungen des Seienden nach Aris­
toteles, 151.
From Brentano to Heidegger 171

classes. He divides each class into two, arriving at a total of six cat­
egories. Thus, at the end of his deduction, including the category of
substance and the category of relations, he ends up with a total of
eight categories, and not the ten that Aristotle identifies in the Cat­
egories. Brentano insists that two of these that Aristotle discusses
in the Categories should not have been included in the list, and had
Aristotle been consistent he would have also arrived at a list of eight
like Brentano. And as Brentano points out, in a decisive passage in
the Metaphysics where Aristotle claims to offer a complete list, he
does indeed list only eight categories.28
Thus by means of a deduction, Brentano believes he can account
for a complete and exhaustive list of all the possible accidents and
modalities that may be predicated of substances, all of which refer
back »analogically« to a first terminus. It is not true, then, that Ar­
istotle had no guiding principle in selecting the categories and in­
stead simply »picked them up just as they occurred to him.«29 In
Brentano’s thesis, the notion of analogy acquires a more systematic
and rigorous sense than it traditionally had. According to Brentano,
analogy does not merely mean that each category refers to the same
primary terminus in the way that the various instances of »healthy«
refer to the health of an organism. It means, moreover, that the cat­
egories form a hierarchical system that is complete and exhaustive.

Heid­eg­ger’s divergence from Brentano

Heid­eg­ger’s clearest statements on the analogy of being may be


found in the introduction of his lecture from 1931 where he dis­
cusses Aristotle’s statement in the Metaphysics that »being is said
in many ways.« The central idea guiding Heid­eg­ger’s analysis and
which helps explain his dissatisfaction with the traditional solution is
captured by his claim that what Aristotle means by »in many ways«
is ambiguous, for it corresponds to two notions of plurality. First, it
corresponds to a narrow notion of plurality in the sense of the ten
categories. Being is said in many ways in that it is said in the sense
of substance or of a quality or quantity etc. Second, the statement

28 Aristotle, Metaphysica, 1017a24; Brentano, Von der Mannigfachen Be­


deutungen des Seienden nach Aristoteles, 167–168.
29 This is Immanuel Kant’s claim in the Kritik der reinen Vernunft.
172 Aaron Shoichet

corresponds to a broader notion of plurality whereby the categories


are merely a species or subcategory of a division in which Aristotle
includes, in addition to the categories, three other meanings already
mentioned: in the sense of accidental, in the sense of true or false, and
thirdly, in the sense of potential and actual.30 In correspondence with
these two notions of plurality we may identify two distinct ques­
tions concerning their unifying principles. First, we may inquire into
the unifying principle of the more narrow notion of plurality, that is,
of the categories. According to Brentano, the unifying principle of
the categories, as we have seen, is the notion of analogy in reference
to the primary category of substance. Yet, according to Heid­eg­ger,
the notion of analogy, even if it is the unifying and systematizing
principle of the categories as Brentano argues, is merely a unifying
principle of the narrow notion of plurality. It unifies the categories
internally, but cannot unify the categories as a whole with the other
senses of being within the broader notion of plurality. That is, it
does not offer an answer to the second question, which is concerned
not merely with the inner unity of the categories, but instead with
the broader plurality to which the categories as a whole constitute
merely one of four subcategories.31
Now Heid­eg­ger is interested in the unifying principle not of the
narrow notion of plurality but instead of the broader notion. This
means that Heid­eg­ger’s analysis is not in direct opposition to the
analogy of being. In Being and Time Heid­eg­ger even expresses a
reserved approval of the traditional notion of analogy. On the open­

30 Here is the passage from the Metaphysics: »But since the simple term
›being‹ is used in various senses, of which we saw that one was accidental, and
another true (not-being being used in the sense of ›false‹); and since besides
these there are the categories, e. g. the ›what‹, quality, quantity, place, time,
and any other similar meanings; and further besides all these the potential
and actual: since the term ›being‹ has various senses, it must first be said of
what ›is‹ accidentally, that there can be no speculation about it.« (Aristotle,
Metaphysica, 1026a.)
31 Heid­eg­ger summarizes succinctly these two notions of plurality near
the end of the introduction to his lecture in the summer semester of 1931:
»Aristoteles gebraucht das πολλαχώς in einer weiteren und in einer engeren
Bedeutung. Was wir jetzt eben erorterten, war das πολλαχώς in der engeren
Bedeutung, in der die Vielfachheit der Kategorien gemeint ist. Alle Katego­
rien aber zusammen mit der ersten machen doch nur eines aus innerhalb des
weiteren πολλαχώς als τετραχώς .« (Heid­eg­ger, Aristoteles, Metaphysik Θ 1–3,
GA 33, 45.)
From Brentano to Heidegger 173

ing pages, he states in reference to Aquinas that »in medieval on­


tology ›Being‹ is designated as a transcendens,« for it transcends all
universality of genus. Heid­eg­ger goes on to state that »Aristotle
himself knew the unity of this transcendental ›universal‹ as a unity
of analogy« and thereby put the problem of being on a new basis.32
Heid­eg­ger states further at the end of the introduction that being
»is no class or genus of entities« and that its »universality is to be
sought higher up.« »Being is the transcendens pure and simple.«33
But in his lecture from 1931 his comments are, as Jean-François
Courtine makes clear,34 of a less approving tone. Heid­eg­ger insists
that the traditional solution in the form of an analogy did not resolve
the question; instead, the analogy of being is merely a title for the
most stubborn aporia in which antique philosophy and subsequent
philosophy got stuck.35 To what extent Heid­eg­ger would reject the
analogy of being insofar as it offers an account of the unifying prin­
ciple of the more narrow sense of plurality remains unclear and is

32 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 2. »Die Einheit dieses transzendental


›Allgemeinen‹ gegenüber der Mannigfaltigkeit der sachhaltigen obersten Gat­
tungsbegriffe hat schon Aristoteles als die Einheit der Analogie erkannt. Mit
dieser Entdeckung hat Aristoteles bei aller Abhängigkeit von der ontologi­
schen Fragestellung Platons das Problem des Seins auf eine grundsätzlich
neue Basis gestellt.«
33 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 38. »Das Sein als Grundthema der Phi­
losophie ist keine Gattung eines Seienden, und doch betrifft es jedes Seiende.
Seine »Universalität« ist höher zu suchen. Sein und Seinsstruktur liegen über
jedes Seiende und jede mögliche seiende Bestimmtheit eines Seienden hinaus.
Sein ist das transcendens schlechthin.«
34 In a later text Courtine seems to suggest that there are »limits« to Heid­
eg­ger’s critique of Brentano’s thesis. (Courtine, Zwischen Wiederholung und
Destruktion – die Frage nach der analogia entis, in: Heid­eg­ger und Aristote­
les. Heid­eg­ger-Jahrbuch 3, Freiburg / München 2007, 109 –129, here 126) But
in an earlier text, Courtine suggests that Heid­eg­ger is critical of Brentano
not only for focusing on the narrow sense of plurality to the exclusion of the
broader sense; according to Courtine, Heid­eg­ger attacks the guiding princi­
pal of Brentano’s attempt to systematize the notion of analogy by means of
a deduction (Courtine, La Critique Heideggérienne de l’analogia entis, in:
Les catégories de l’être. Études de philosophie ancienne et médiévale, Paris
2003, 213–239, here 217.)
35 As he states: »Die Analogie des Seins – diese Bestimmung ist keine Lö­
sung der Seinsfrage, ja nicht einmal eine wirkliche Ausarbeitung der Frage­
stellung, sondern der Titel für die härteste Aporie, Ausweglosigkeit, in der
das antike Philosophieren und damit alles nachfolgende bis heute eingemau­
ert ist.« (Heid­eg­ger, Aristoteles, Metaphysik Θ 1–3, GA 33, 46)
174 Aaron Shoichet

a question that I won’t pursue further here. What is clear, however,


is that Heid­eg­ger is critical of Brentano’s solution insofar as it pre­
tends to be a solution to the second and, what Heid­eg­ger considers
to be, more fundamental question, namely, the question concern­
ing the unifying principle of the broader notion of plurality. And it
seems it was precisely Brentano’s intention to find a solution to this
second question: to offer an account of the unifying principle of the
broader notion of plurality.
Here we may locate Heid­eg­ger’s divergence from Brentano.
Whereas Heid­eg­ger might accept Brentano’s deduction as a solution
to the question concerning the unifying principle of the narrower
notion of plurality, he believes this deduction cannot quality as a
solution to the question concerning the broader notion of plurality.
There is need of a more fundamental unifying idea, which cannot
be substance, at least not substance in the sense of first substance of
the Categories.36 Thus Heid­eg­ger is not critical of Brentano’s thesis
directly but rather indirectly, for not posing the more fundamen­
tal question, while nonetheless presenting itself as though it were a
solution to this more fundamental question. Brentano thereby re­
duces the ambiguity of the notion of plurality to the more narrow
notion, and thus covers over precisely what Heid­eg­ger considers
the more important notion of plurality,37 which Heid­eg­ger believes
posed for Aristotle the greatest challenge and the greatest threat to
a science of being qua being. In other words, Brentano did not pose
the question concerning »the meaning of being.« This suggests that
the »question of the meaning of being,« while in a certain respect
related to the question that motivated Brentano’s dissertation, is
indeed of a different nature, and it would be important to spell out
this difference – in greater detail than I have done here – in order to
make clear to what extent exactly Heid­eg­ger’s analysis does not en­
tail a radical critique of Brentano or of the tradition of philosophy
as one might be led to believe. At least his analysis is not a radical
critique of the idea of an analogy of being insofar as it serves to ac­

36 Courtine, Zwischen Wiederholung und Destruktion – die Frage nach der


analogia entis, 127.
37 Volpi suggests that deducing the categories from a single principle leads
one to question whether we thereby lose sight of the plurality even in this
narrow sense in reference to the categories (Volpi, Brentanos Interpretation
der aristotelischen Seinslehre und ihr Einfluss auf Heid­eg­ger, 240 –41).
From Brentano to Heidegger 175

count for the more narrow notion of plurality, and of the concept of
substance insofar as it serves as the unifying principle of the catego­
ries. Nor is Heid­eg­ger’s analysis necessarily a critique of Brentano’s
thesis that Aristotle’s list of eight categories may be deduced from
substance and thus constitute a complete and exhaustive list of the
possible modes of predication.
Raoni Padui
The Problem of Nature
in Heid­eg­ger’s Marburg Period

Whether it be through a rethinking of the Greek conception of


phusis or a critique of the way in which contemporary technology
discloses nature as mere resource to be exploited, it is undeniable
that the problem of nature was a central one in Heid­eg­ger’s work
after the thirties. Against this backdrop, it is surprising that in Heid­
eg­ger’s texts and seminars in his formative and important years at
Marburg one finds few articulations of any central problematic of
nature. In fact, we will see that it is actually quite difficult to recon­
struct a coherent account of nature in the early Heid­eg­ger, espe­
cially insofar as he maintains a partial allegiance to transcendental
philosophy, while already having moved beyond it into an onto­
logical problematic. In Being and Time, nature is thematized as an
innerworldly being, as an object of investigation (as vorhanden) or
practical engagement (as zuhanden), but this still requires a further
articulation of nature’s existence independent of its relationship to
Dasein’s understanding of being. While Heid­eg­ger does develop this
problem in § 43 on the ontological problem of Reality, we will see
that this account actually creates more puzzles than it solves. Much
of the difficulty here involves understanding to what extent Heid­
eg­ger remained faithful to certain Kantian strictures generally and
to Husserl’s phenomenological reductions more specifically. Nature
marks a limit-case for investigating the relationship between being
and appearing, between ontology and phenomenology, since it is
a phenomena that shows itself in such a way that seems to require
an existence beyond that which is manifest to human experience.
Because of this difficulty, the ambiguous place of nature in Heid­eg­
ger’s early phenomenological work can be seen as a testing ground
for the limits of Heid­eg­ger’s claim that »ontology is possible only
178 Raoni Padui

as phenomenology.«1 The concept of nature involves a significant


difficulty for Heid­eg­ger’s project of a phenomenological ontology.
In order to show that this is the case, I will first briefly outline
his attempt to include nature within the project of fundamental
ontology through a categorial understanding of nature, and then
demonstrate the places where Heid­eg­ger himself sees the limitation
of this approach.

Nature as Object: Categorial Nature and Reality

Heid­eg­ger initially accounts for natural entities in his phenome­


nological ontology by introducing a categorial understanding of
nature: »Ontologically and categorially understood, nature is the
boundary case of the being of possible innerworldly beings.«2 The
dominant mode of comportment towards natural entities described
in Being and Time is thematized through the category of Vorhand­
enheit, or objective presence. By understanding nature as objectively
present, one discloses entities through the primarily epistemological
standpoint of cognition of an already objectified nature. This cat­
egorical understanding of nature as objectively present is one that
skips over (Überspringen) and leaves undetermined the phenome­
non of being-in-the-world: »Instead, one tries to interpret the world
in terms of the being of the being [dem Sein des Seienden] which is
objectively present within the world [innerweltlich vorhanden] but
has not, however, even been initially discovered – in terms nature.«3
This is the sense of nature dominant in modern philosophy, and the
category of Vorhandenheit is the innerworldly determination of the
being of these beings as objectively present. Nature as objectively
present is one particular mode of being-in-the-world, one that in­
volves a peculiar process of de-worlding (Entweltlichung) the world:
»Da-sein can discover beings as nature only in a definite mode of
its being-in-the-world. This kind of knowledge has the character of
a certain »de-worlding« of the world.«4 This conception of nature

1 Heid­eg­ger, Being and Time, translated by Joan Stambaugh, State Univer­


sity of New York Press, Albany, 1996, 31; Sein und Zeit, GA 2, 48.
2 Heid­eg­ger, Being and Time 61; Sein und Zeit, GA 2, 88.
3 Heid­eg­ger, Being and Time 61; Sein und Zeit, GA 2, 88.
4 Heid­eg­ger, Being and Time 61; Sein und Zeit, GA 2, 88.
The Problem of Nature in Heidegger’s Marburg Period 179

cannot explain the happening of world since it simultaneously leaps


over and presupposes the phenomenon of world.
Instead, the handy (das Zuhandene) character of entities in our
everyday concern is for Heid­eg­ger more originary than the know­
ing objectification of nature. The latter is a modification of the for­
mer, since cognition is a »founded mode« of being-in-the-world:
»To expose what is merely objectively present, cognition must first
penetrate beyond things at hand being taken care of.«5 Only by
modifying our circumspective concern for and engagement with
innerworldly beings does something like a scientific investigation
of entities as natural entities become possible. A science of nature
must delimit a region of beings as objectively present. Nature is then
understood as a thematization of the totality of beings made present
for investigation; Natur is the object-domain of Naturwissenschaft.
But transcendence as constitutive of Dasein’s being-in-the-world is
a condition for the possibility of a natural science: »If the themati­
zation of what is objectively present – the scientific project of na­
ture – is to become possible, Dasein must transcend the beings the­
matized. Transcendence does not consist in objectivization, but is
rather presupposed by it.«6 In all of these uses of the term »nature«
that directly identify it with an epistemological process of knowing
the world as Vorhanden, Heid­eg­ger means nature in its post-Kan­
tian sense, in its restriction to a relationship to the Kantian faculty
of the understanding (Verstand) that makes possible and grounds
the objective validity of claims of natural science.7 But Heid­eg­ger
denies that Vorhandensein is the primary mode of being of nature.
Since the category of Zuhandenheit describes our primary mode
of comportment towards innerworldly beings and Vorhandenheit
can only be thematized as a modification of the former, then nature
is primarily an object of practical engagement. Of course, we can
always disengage our practical comportment, objectify a field of be­
ings, and investigate it now through the theoretical attitude: »We can
abstract from nature’s kind of being as handiness; we can discover

5 Heid­eg­ger, Being and Time, 67; Sein und Zeit, GA 2, 96.


6 Heid­eg­ger, Being and Time, 332; Sein und Zeit, GA 2, 481.
7 Heid­eg­ger himself noticed this, as is evident in his later marginal com­
ments to Being and Time where he claims that what he means in these pas­
sages is »›Nature‹ in the Kantian concept in the sense of modern physics.«
Note (b) to Being and Time, 61; Sein und Zeit, GA 2, 88.
180 Raoni Padui

and define it in its pure objective presence.«8 But nature is primarily


an object of our practical engagement, and this is what Heid­eg­ger
suggests by saying that nature is zuhanden: »the forest is a forest of
timber, the mountain a quarry of rock, the river is water power.«9
Here the tool-character of nature comes to the fore, and nature is
similar to the equipment found in the workshop. The relationship
of a farmer to her crop is not primarily one of objectification or in­
vestigation. The crop is a means of subsistence which is primarily
encountered through its referential relation of »in-order-to,« even if
the very same crop can be made the objective domain of agronomical
study. The Zuhandenheit relation to nature can be obscured by the
objectification of nature on the part of the natural sciences.
Closely related to the category of Vorhandenheit, though, is an
understanding of nature as reality. At times Heid­eg­ger suggests that
reality is nothing other than objective presence: »the being of things
initially at hand is passed over and beings are first conceived as a con­
text of things (res) objectively present. Being acquires the meaning
of reality. Substantiality becomes the basic characteristic of being.«10
At other times he differentiates the two, perhaps to reserve a more
specific sense to the ontological problem of reality.11 The question
of reality seems to pose a difficult problem for Heid­eg­ger’s phenom­
enological ontology, since from the phenomenological perspective,
the vorhanden is founded on the zuhanden, while from an onto­
logical perspective of the substantial, it appears as if the reality of
entities must have some priority. Even if nature is only accessed as
vorhanden through a modification in Dasein’s comportment, the
natural entities encountered have existence prior to that encounter.
This way of seeing all entities, including Dasein, as real and sub­
stantial leads to the notion that »the concept of reality has a peculiar
priority in the ontological problematic.«12 But Heid­eg­ger immedi­
ately denies this priority, taking a more phenomenological approach
that suggests that the reality one ascribes to entities or nature here

8 Heid­eg­ger, Being and Time, 66; Sein und Zeit, GA 2, 95.


9 Heid­eg­ger, Being and Time, 66; Sein und Zeit, GA 2, 95.
10 Heid­eg­ger, Being and Time, 187; Sein und Zeit, GA 2, 266–267.
11 »The being of Dasein was thus at the same time distinguished from the
modes of being (handiness, objective presence, reality) that characterize
beings unlike Dasein.« Heid­eg­ger, Being and Time, 211; Sein und Zeit, GA
2, 304.
12 Heid­eg­ger, Being and Time, 187; Sein und Zeit, GA 2, 267.
The Problem of Nature in Heidegger’s Marburg Period 181

is itself dependent on its space of appearing and accessibility, its


showing up in the »world«: »The real is essentially accessible only
as innerworldly beings. Every access to such beings is ontologically
based on the fundamental constitution of Dasein, on being-in-the-
world.«13 But while access depends on being-in-the-world, reality
is prior to access since it presupposes that entities exist beyond and
before this access.
The problem of reality has produced innumerous and conflicting
interpretations of the exact nature of Heid­eg­ger’s realism or idealism.
In ways analogous to Kant’s transcendental idealism and empirical
realism, Heid­eg­ger seems to present an ontological idealism coupled
with an ontic realism – the being of beings is dependent on Dasein,
but beings themselves are not. However, at an ontological level and
without the methodological and epistemological reductions allowed
for by Kant’s and Husserl’s transcendental idealisms, it becomes
difficult to create a coherent reconstruction of the relationship be­
tween these two positions. On the one hand, Heid­eg­ger seems to
make the independent existence of nature and entities nonsensical
by correlating being to Dasein, as he does in the infamous passage
in Being and Time: »However, only as long as Dasein is, that is, as
long as there is the ontic possibility of an understanding of being, »is
there« [gibt es] being.«14 Commentators who stress such moments
of being’s dependence on Dasein in Heid­eg­ger’s phenomenological
period tend to read him as some form of transcendental idealist.15
Other commentators correctly point out that any idealist or anti-re­
alist interpretation of Heid­eg­ger cannot fully cohere with the several
passages in which Heid­eg­ger defends the independent existence of

13 Heid­eg­ger, Being and Time, 188; Sein und Zeit, GA 2, 268.


14 Heid­eg­ger, Being and Time, 196; Sein und Zeit, GA 2, 281.
15 There is much debate about to what extent and in what way Heid­eg­ger
may have been a transcendental idealist. Different versions that defend an
idealist interpretation can be found in William Blattner, Heid­eg­ger’s Tempo­
ral Idealism, Cambridge University Press, Cambridge, 1999; Piotr Hoffman,
Heid­eg­ger and the Problem of Idealism, Inquiry 43, no. 4 (2000), 403–412;
and Lee Braver, A Thing of this World: A History of Continental Anti-Re­
alism, Northwestern University Press, Evanston, 2007. An excellent recent
collection of essays on this issue is edited by Steven Crowell and Jeff Malpas,
Transcendental Heid­eg­ger, Stanford University Press, Stanford, 2007. The
term »ontological idealism« is, of course, not used by Heid­eg­ger himself, but
is Blattner’s term to denote the dependence of being (not beings) on Dasein.
182 Raoni Padui

entities from Dasein and an understanding of being.16 While admit­


ting that the ontological level is dependent on Dasein, Heid­eg­ger
refuses to admit the same for entities: »The fact that reality is onto­
logically grounded in the being of Dasein cannot mean that some­
thing real can only be what it is in itself when and as long as Dasein
exists.«17 Beings or entities remain in existence independent of our
understanding of being: »Beings are independently of the experience,
cognition, and comprehension through which they are disclosed,
discovered, and determined.«18 Heid­eg­ger not only introduces the
ontological difference to explain this relationship, but also admits
that the category of reality does not exhaust the »the real«: »As we
have noted, being (not beings) is dependent upon the understand­
ing of being, that is, reality (not the real) is dependent upon care.«19
But as other commentators have shown, this appeal to a real be­
yond categorial reality, despite Heid­eg­ger’s protests to the contrary,
seems to return us to the problem of a thing in itself.20 Heid­eg­ger
wants to admit that nature as it is in itself, independent of our expe­
rience and cognition, exists on an ontic level. However, any claim to
the effect that beings exist is dependent upon Dasein’s understand­
ing of being, so the former statement appears quite literally incom­
prehensible. In fact, it is not even properly incomprehensible, but
would rather be a case for that which is non-sensical, since it is be­
yond the sphere of possible meaning and manifestation. Heid­eg­ger
elsewhere suggests that »such matters are then neither comprehensi­
ble nor incomprehensible.«21 And yet, he maintains that entities exist
in a way that outstrips the sphere of meaning. It appears impossible
to solve these difficulties in a purely epistemological register, which

16 See Taylor Carman, Heid­eg­ger’s Analytic: Interpretation, Discourse, and


Authenticity in Being and Time, Cambridge University Press, Cambridge,
2003, 155–203 and David Cerbone, World, World-Entry, and Realism in
Early Heid­eg­ger, Inquiry 38 (1995), 401–421. Carman here responds to
Blattner’s idealist reading of Heid­eg­ger, proposing that it cannot fully ac­
commodate the Heid­eg­ger’s »ontic realism«, namely, the independence of
entities from Dasein.
17 Heid­eg­ger, Being and Time, 196; Sein und Zeit, GA 2, 281.
18 Heid­eg­ger, Being and Time, 172; Sein und Zeit, GA 2, 244.
19 Heid­eg­ger, Being and Time, 196; Sein und Zeit, GA 2, 281.
20 Herman Philipse, Heid­eg­ger’s ›Scandal of Philosophy‹: The Problem of
the ›Ding an Sich‹ in ›Being and Time‹, in Crowell and Malpas, Transcen­
dental Heid­eg­ger, 169 –198.
21 Heid­eg­ger, Being and Time, 196; Sein und Zeit, GA 2, 281.
The Problem of Nature in Heidegger’s Marburg Period 183

is why Heid­eg­ger constantly maintained that the epistemological ar­


ticulation of problem of realism and idealism was in some respects a
false problem leading to false alternatives.22 This difficulty becomes
even more acute once we notice that Heid­eg­ger’s account of nature
in the twenties is already pushing beyond the properly categorial
understandings of nature that are articulated as objective presence,
handiness, and reality.

Nature Beyond the Categorial

As we have seen, there are serious problems that arise from the cate­
gorial understanding of nature, and this is the primary mode through
which Heid­eg­ger thematizes entities unlike Dasein in Being and
Time. However, a closer look at the texts suggest that Heid­eg­ger
himself was aware of the severe limitations involved in the primar­
ily epistemological encounter with reality and objectivity and the
primarily practical encounter with tools. In the very process of de­
scribing these two categorical modes of being of nature, Heid­eg­ger
seems to introduce another category for understanding nature:

We can abstract from nature’s kind of being as handiness; we can dis­


cover and define it in its pure objective presence. But in this kind of
discovery nature, nature as what »stirs and strives,« what overcomes
us [uns überfällt], entrances us as landscape, remains hidden. The
botanist’s plants are not the flowers in the hedgerow.23

The nature that overcomes (überfällt) us, that entrances (gefangen),


is not the objectively present nature of scientific study, but neither
is it simply the forest as timber for human use. Here Heid­eg­ger
seems to introduce a different categorial mode of the being of nature,
nature »as the power of nature [als Naturmacht],«24 irreducible to
­either of the two categorial modes of the being of entities operative
in Being and Time. Neither is this nature for human cognition, nor
is it for human utility.

22 Heid­eg­ger, Being and Time, 190; Sein und Zeit, GA 2, 272.


23 Heid­eg­ger, Being and Time, 66; Sein und Zeit, GA 2, 95.
24 Heid­eg­ger, Being and Time, 66; Sein und Zeit, GA 2, 95.
184 Raoni Padui

Heid­eg­ger is here admitting that the two categories for under­


standing the being of entities unlike Dasein are not exhaustive of
our relation to nature. There is at least a third relation to nature
that would neither objectify it nor use it, and as a relation to nature,
this implies that there is a third mode of being of nature as an inner­
worldly being: »›Nature‹, which ›surrounds‹ us, is indeed an inner­
worldly being, but it shows neither the kind of being of handiness
nor of objective presence as ›natural things.’«25 When we encounter
a landscape of subliminal proportions or experience the event of a
natural disaster, our experience is distinguished from one we would
have to a particular strain of viruses in a laboratory, or to a head of
broccoli in the supermarket. This is to say that nature does not fit
the twofold dimension of categorial determinations in Being and
Time.26 Furthermore, Heid­eg­ger noticed that the phenomenon of life
does not seem to fit nicely into any dichotomy between Dasein and
existent entities. In Being and Time, one finds some enigmatic sug­
gestions about the way in which life escapes the categorial determi­
nation of Vorhandenheit and yet cannot be properly understood as
constitutive only of Dasein: »Life is neither pure objective presence,
nor is it Dasein.«27 Heid­eg­ger however leaves this understanding of
life without any further thematization, and it seems to escape any
neat differentiation between Dasein and the Vorhanden. Two years

25 Heid­eg­ger, Being and Time, 195; Sein und Zeit, GA 2, 280.


26 This should not be too surprising, since it must be noted that nowhere
does Heid­eg­ger insist that the categories of Vorhandenheit and Zuhanden­
heit exhaust the domain of entities unlike Dasein. In the lecture courses
surrounding Being and Time, the phenomenological descriptions of our en­
counter with entities are not subsumed under a twofold structure, but instead
often imply a more fluid characterization based on levels of abstraction and
multiple modes of encountering. For instance, in 1925, in describing different
ways of approaching the »chairness« of the chair, Heid­eg­ger’s description
moves through three, and not two, different levels: initially the chair as envi­
ronmental thing, then as »natural thing,« and finally »by applying an appro­
priate form of research to it,« as an abstract thing: »but now it is no longer
in the perceived (chair) as environmental thing [Umweltding] or as natural
thing [Naturding]. Now I am concerned with thingness as such [Dinglich­
keit als solcher].« (Heid­eg­ger, History of the Concept of Time: Prolegomena,
translated by Theodore Kisiel, Indiana University Press, Bloomington, 1992,
39; Prolegomena, GA 20, 51) The two categories of innerworldly beings the­
matized in Being and Time should not be read in a reified manner as if they
exhausted all relations to the domain of entities.
27 Heid­eg­ger, Being and Time, 46; Sein und Zeit, GA 2, 67.
The Problem of Nature in Heidegger’s Marburg Period 185

later, in the lecture courses of 1929, Heid­eg­ger decides to tackle the


issue of the phenomenology of life, famously explaining that while
the stone has no world and is thereby »worldless,« and Dasein is an
intentional participant in the world and thereby »world-forming,«
the living is in between the two, and »the animal is poor in world.«28
This »poverty,« however, is understood privatively in relation to Da­
sein’s abilities, and in the end the lecture course seems to end aporeti­
cally, with Heid­eg­ger’s admission that neither the phenomenology of
Dasein nor the worldless category of the Vorhanden are appropriate
for understanding the living and animality, and yet without propos­
ing a categorial determination of life that is not somehow dependent
on the two, however negatively dependent.
In addition to nature as the »power of nature« and as life, there is
still another, more enigmatic, sense of nature alluded to in the early
Heid­eg­ger. Unlike these other attempts at categorial differentiation
of modes of access to innerworldly beings, Heid­eg­ger seems to de­
scribe nature in what may be called a non-categorial or pre-catego­
rial sense. This would be nature as it exists ontically, prior to and
independent of any phenomenological access. Nature lies at the limit
of world since it is simultaneously within the world and un-worlded;
this is why Heid­eg­ger claims that »nature is a boundary case of the
being [Grenzfall des Seins] of possible innerworldly beings.«29 This
mode of being, precisely because of this paradoxical existence be­
yond the phenomenon of world, is characterized as unmeaningful
(unsinnig) and incomprehensible (unverständlich). However, this
mode is never directly investigated as such, but is described and in­
dicated in terms of the other senses of nature:

All beings whose mode of being is unlike Dasein must be understood


as unmeaningful, as essentially bare of meaning as such … Objec­
tively present things encountered in Dasein can, so to speak, run
against its being, for example, events of nature [Naturereignisse]
which break in on us and destroy us.30

28 Heid­eg­ger, The Fundamental Concepts of Metaphysics: World, Finitude,


Solitude. Indiana University Press, Bloomington, 1995, 177; Die Grundbe­
griffe der Metaphysik, GA 29/30, 263.
29 Heid­eg­ger, Being and Time, 61; Sein und Zeit, GA 2, 88.
30 Heid­eg­ger, Being and Time, 142; Sein und Zeit, GA 2, 202.
186 Raoni Padui

These events of nature can happen suddenly and without warning,


thereby entering the world from their »meaningless« existence to
interrupt the innerworldly context of significance. This senseless
existence of nature is not easily circumscribed as objective presence
or handiness, and is clearly much closer to the third categorial deter­
mination of a »power« of nature. And yet Heid­eg­ger here describes
this event of nature as an objectively present. Clearly these events
of nature can be described as objectively present, we can determine
how the plate tectonics must have been active in order to give rise
to the earthquake, but is this the same as the experience of the earth­
quake as natural event? Is the world-entry of nature experienced as
objective presence?31
World-entry can be retrospectively described through categorial
determination, but the categorial determination is precisely the at­
tempt to render meaningful and comprehensible that which is first
experienced as meaningless and incomprehensible. Heid­eg­ger al­
ludes to this mode of being of nature when he claims:

Nature is what is in principle explainable and to be explained be­


cause it is in principle incomprehensible. It is the incomprehensi­
ble pure and simple [sie ist das Unverständliche schlechthin]. And
it is the incomprehensible because it is the »unworlded« world
[ent-weltlichte Welt], insofar as we take nature in this extreme sense
of the entity as it is discovered in physics.32

This is the mode of being of nature that can be properly called non-
or pre-categorial, to mark that it cannot be reduced to the category
of Vorhandenheit or any other category Heid­eg­ger proposes. It can
be subsumed under the categories, since once nature has »entered«
the world, its relationship to Dasein can take at least one of the many
modes we have described so far. But nature as the »incomprehensible
pure and simple« marks its existence prior to world-entry, which is

31 The problem of world-entry is described by Heid­eg­ger in The Metaphy­


sical Foundations of Logic, translated by Michael Heim, Indiana University
Press, Bloomington, 1984, 194; Metaphysische Anfangsgründe der Logik,
GA 26, 250 –251. The problem of Welteingang is carefully discussed and
interpreted by David Cerbone, World, World-Entry, and Realism in Early
Heid­eg­ger, 401–421.
32 Heid­ eg­ger, History of the Concept of Time, 217–218; Prolegomena,
GA 20, 298.
The Problem of Nature in Heidegger’s Marburg Period 187

why Heid­eg­ger calls it the »unworlded world.« Even though Heid­


eg­ger mentions physics here, one should be careful about directly
identifying this unworlded world and objective presence. Physics
is the attempt to render comprehensible the incomprehensible, and
thus a gap opens up between the categorial and non-categorial, anal­
ogous to the distinction between sense and reference: »It should be
observed here that all propositions and proofs given in physics or
mathematics are certainly comprehensible as propositions, as dis­
course about something, but that about which they speak [aber das,
worüber sie sprechen] is itself the incomprehensible.«33 There is a
distinction between the propositions of physics and mathematics,
which, by their very nature as propositions, must be comprehensible,
and that about which they are propositions. Nature is at the limit of
world – both interior and exterior to world – Vorhandenheit is an
objective determination of innerworldly objects that converts na­
ture to intelligibility, but unworlded nature can become intelligible
only because it is primarily and »in principle« the incomprehensible.
On the one hand, comprehension and meaning are dependent on
being-in-the-world, and it is this sphere through which Heid­eg­ger
thematizes the properly ontological sense of being. However, nature
seems to outstrip this sphere of comprehension, and thus this cor­
relation between Dasein and being: »Physical nature can only occur
as innerworldly when world, i. e. Dasein, exists. This is not to say
that nature cannot be in its own way [in ihrer eigenen Weise sein],
without occurring within a world, without the existence of a human
Dasein and thus without world.«34 But it is difficult to see what it
would mean for nature to »be in its own way« beyond its occurrence
within a world, since meaning is dependent on the very sphere that
nature outstrips. However, at other times Heid­eg­ger shrinks back
from this insight and seems to recoil to a more Husserlian and phe­
nomenological position, noticing that the positing of an existence

33 Heid­eg­ger, History of the Concept of Time, 218; Prolegomena, GA 20,


299.
34 Heid­eg­ger, Phenomenological Interpretation of Kant’s Critique of Pure
Reason, translated by Parvis Emad and Kenneth Maly, Indiana University
Press, Bloomington, 1997, 14; Phänomenologische Interpretation von Kants
Kritik der reinen Vernunft, GA 25, 19. See also his earlier remark in the same
passage: »This being may be extant within our world, it may belong to what
we come across in the world and be an innerwoldly being; but it does not
have to be that way.«
188 Raoni Padui

beyond the sphere of comprehension and being simply reintroduces


nature as a thing in itself. Thus he will also say that the independent
existence of entities is literally non-sense, or beyond the distinction
between the meaningful and the meaningless, since »only Dasein
can be meaningful or meaningless.«35 However, the problematic of
nature and the notion of an ontic (although incomprehensible) mode
existence outside of any relationship to Dasein seems to push Heid­
eg­ger beyond the limits of both phenomenology and transcendental
philosophy.

Conclusion: The Facticity of Nature and Metontology

The tension described above, between the phenomenological pri­


ority of being and the ontic priority of the reality of entities leads
Heid­eg­ger to question the very project of fundamental ontology. In
Being and Time, Heid­eg­ger still thought that the sphere of meaning
was in a specific sense the a priori for any understanding of objec­
tive entities.36 Even if the real might have an ontic priority, any ontic
meaning of being is itself accessible and dependent on the ontolog­
ical realm of meaning, of which Dasein is an indispensible partici­
pant. However, as we have seen, this makes the sense of existence
of objective entities such as nature’s independent existence radically
incomprehensible. In 1928, in his final lecture course at Marburg,
Heid­eg­ger fully acknowledges the ontic priority of nature and sug­
gests that it must lead us to an immanent overturning of the project
of fundamental ontology, »since being is there only insofar as beings
are already there.«37 In addition to the phenomenological priority of
Dasein’s understanding of being, there is a priority of the ontic and
factical existence of nature, upon which Dasein’s understanding of
being depends. Heid­eg­ger is realizing this desideratum of any onto­
logy when he states:

35 Heid­eg­ger, Being and Time, 142; Sein und Zeit, GA 2, 201.


36 Cf. »The real is essentially accessible only as innerworldly beings. Every
access to such beings is ontologically based on the fundamental constitution
of Dasein, on being-in-the-world.« Heid­eg­ger, Being and Time, 188; Sein
und Zeit, GA 2, 268.
37 Heid­eg­ger, Metaphysical Foundations of Logic, 156; Metaphysische An­
fangsgründe der Logik, GA 26, 199.
The Problem of Nature in Heidegger’s Marburg Period 189

The intrinsic necessity for ontology to turn back to its point of or­
igin can be clarified by reference to the primal phenomenon of hu­
man existence: the being »man« understands being; understanding of
being effects a distinction between being and beings; being is there
only when Dasein understands being. In other words, the possibil­
ity that being is there in the understanding presupposes the factical
existence of Dasein [faktische Existenz des Daseins], and this in turn
presupposes the factual extantness of nature [faktische Vorhanden­
sein der Natur]. Right within the horizon of the problem of being,
when posed radically, it appears that all this is visible and can be­
come understood as being, only if a possible totality of beings is
already there.38

Heid­eg­ger is suggesting a double-dependence: on the one hand, the


horizon for an understanding of being is dependent on and presup­
poses Dasein, but on the other hand, since Dasein presupposes the
facticity of nature, both seem to depend on the ontic existence of
nature as the totality of extant beings.
The project of fundamental ontology gave priority to phenom­
enological givenness, thereby claiming, in direct continuity with
Kant’s transcendental idealism and Husserl’s transcendental phe­
nomenology, that the being of nature is only comprehensible when
grounded in human access to such being. Heid­eg­ger is transgressing
the boundaries of the transcendental tradition by claiming that any
understanding of being, if properly understood in its ontological
problematic, is simultaneously dependent on the factical existence
of nature. This leads to the »overturning« (Umschlag) of ontology
to a new set of questions Heid­eg­ger briefly calls »metontology.«39
Metontology involves a »turning-around« (Kehre) of ontology
whereby it is pushed beyond its limits, »where ontology itself ex­
pressly runs back into the metaphysical ontic in which it implicitly
always remains.«40 The project of metontology, of a »metaphysical
ontic« on which all understanding of being depends, is a project

38 Heid­eg­ger, Metaphysical Foundations of Logic, 156–157; Metaphysische


Anfangsgründe der Logik, GA 26, 199.
39 Heid­eg­ger, Metaphysical Foundations of Logic, 157; Metaphysische An­
fangsgründe der Logik, GA 26, 199.
40 Heid­eg­ger, Metaphysical Foundations of Logic, 158; Metaphysische An­
fangsgründe der Logik, GA 26, 201.
190 Raoni Padui

that Heid­eg­ger proposes here but never fully develops. Instead of


creating a new ontological investigation this realization serves to
undermine the very project of fundamental ontology. Like Schelling
before him, Heid­eg­ger sees the limitations of transcendental phi­
losophy in providing for a conception of nature that does justice to
nature’s irreducibility. But instead of turning to a complementary
science of Naturphilosophie, Heid­eg­ger instead abandons transcen­
dental philosophy altogether, at least in any strong sense of the term.
This abandonment is not unrelated to the problematic place nature
holds in Heid­eg­ger’s Marburg years. From this standpoint, it is no
longer a mystery that Heid­eg­ger gives up on fundamental ontology
at the same time that he begins to rethink the notion of nature in
the western tradition.
Guang Yang
Kehrseite der Bewegung
Zu Heid­eg­gers Verständnis der Ruhe in den
Marburger Vorlesungen und der Φύσις-Abhandlung

Aufriss des Problemfelds

Die Physik von Aristoteles und das Thema der κίνησις (Bewegung
oder Bewegtheit) durchziehen Heid­eg­gers Aristoteles-Interpreta­
tion. Seine Auseinandersetzung in den zwanziger Jahren mit der
aristotelischen Physik, in der es primär um das Grundphänomen
der κίνησις geht, spielt eine ambivalente Rolle auf seinem Denkweg,
der auf Sein und Zeit zuläuft. Das ontologische und phänomeno­
logische Programm Heid­eg­gers, das vornehmlich auf die Ethik und
die Rhetorik des Aristoteles zurückgreift,1 findet in den ersten Bü­
chern der Physik unschwer Anknüpfungspunkte, wie zum Beispiel
in der ἀρχαί-Forschung und der Ausarbeitung der Grundstruktur
von κίνησις. Heid­eg­ger ist von Beginn an überzeugt, dass es Aristo­
teles in der Physik nicht auf ein bestimmtes »Seinsgebiet«, etwa auf
die Natur im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern auf die »prin­
zipielle« ontologische Bestimmung einer Seinsstruktur ankommt,2
auf die Bewegtheit (κίνησις) des Seins. Was Heid­eg­ger dabei eigent­
lich interessiert, ist jedoch weniger die Bewegung der natürlichen,
von sich aus Seienden (φύσει ὄντα),3 wie es nahe liegen würde, als

1 Vgl. Hans-Georg Gadamer, Die Geschichte der Philosophie, in: Neuere


Philosophie I, Gesammelte Werke (im folgenden: GW) Band 3, Tübingen
1987, 297–307, hier 299.
2 Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpretation ausgewählter Abhandlun­
gen des Aristoteles, GA 62, 119.
3 Vgl. Aristoteles, Physik B 1, 192b 8–14. Die Physik wird zitiert nach:
Aristotle’s Physics, hrsg. von William David Ross, Oxford 1936.
192 Guang Yang

vielmehr die Bewegtheit des faktischen, menschlichen Lebens, für


deren ontologische Auslegung die Physik den Boden bereiten soll.4
Seine Interpretation der κίνησις in den Marburger Vorlesungen ist
demnach auf Seinssinn und Bewegungscharakter des Lebens ange­
legt. Demgegenüber befreit sich Heid­eg­gers spätere Beschäftigung
mit der Physik aus dem Jahre 1939 von der interpretativen Tendenz,
κίνησις auf die Lebensbewegtheit des Daseins in der Welt hin zu be­
stimmen, indem die Bewegtheit des Seins als solche nach der Kehre
im Denken Heid­eg­gers zusehends in den Vordergrund gerückt wird.
Diese wird ihrerseits im Zusammenhang mit der οὐσία (Seiendheit)
als Anwesung und der φύσις als Wahrheitsgeschehen thematisiert.
Übereinstimmend mit der Kehre findet eine Verwandlung der
Bestimmung der Ruhe (ἠρεμία) als des Gegenphänomens der Be­
wegung statt. Die Frage nach dem Verhältnis von Bewegung und
Ruhe wird im Zusammenhang der Erläuterung der Strukturmo­
mente der κίνησις, nämlich δύναμις (Möglichkeit oder Vermögen),
ἐνέργεια (Verwirklichung oder nach Heid­eg­gers Deutung, »im Fer­
tigwerden Begriffensein«) und ἐντελέχεια (Wirklichkeit oder »Sich-
im-Fertigsein-Halten«5), diskutiert. Dabei spielt auch der Gedanke
des Entzugs (στέρησις) eine entscheidende Rolle, um die κίνησις als
den Übergang von δύναμις zu ἐνέργεια bzw. ἐντελέχεια verständlich
zu machen.
Die folgenden Überlegungen versuchen zunächst die Bestim­
mung des Phänomens der Ruhe als »Grenzfall der Bewegung«6 in
den zwei Marburger Vorlesungen aus dem Jahre 1924 und 19267 in
dem gerade genannten Kontext darzustellen und sie anschließend
mit dem Verständnis der Ruhe in der Φύσις-Abhandlung zu ver­

4 Vgl. Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpretation ausgewählter Ab­


handlungen des Aristoteles, GA 62, 119.
5 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 296.
ἐνέργεια übersetzt Heid­eg­ger in der Φύσις-Abhandlung auch mit »Im-Werk-
Stehen« in Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 286.
6 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 314.
7 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22. Das Kapi­
tel über κίνησις in dieser Vorlesung weist kaum wichtigen Unterschied zu der
Interpretation in der Vorlesung aus dem Jahr 1924 auf. Von daher behandelt
die vorliegende Untersuchung undifferenziert die beiden Vorlesungen zu­
sammen. Vgl. dazu Rudolf Bernet, Die Lehre von der Bewegung bei Aristo­
teles und Heid­eg­gers Verständnis von der Bewegtheit menschlichen Lebens,
in: Heid­eg­ger und die Griechen, hrsg. von Michael Steinmann, Frankfurt am
Main 2007, 95–122, hier 97.
Kehrseite der Bewegung 193

gleichen. Ziel dieses Vergleichs ist es zu zeigen, dass das Phänomen


der Ruhe auf dem Denkweg Heid­eg­gers zunehmend aufgewertet
wird und es sich mit der Ruhe in ihrer wesentlichen Bezogenheit auf
die Bewegung vor und nach der sogenannten Kehre anders verhält.

Das Verhältnis von Bewegung und Ruhe


in den Marburger Vorlesungen

Aristoteles führt bereits im ersten Buch der Physik die Unterschei­


dung von den zwei ἀρχαί , δύναμις und ἐνέργεια ,8 ein, um die These
der Eleaten, dass es nur eine ἀρχή bezüglich des Seienden gebe, zu
widerlegen. Damit ist auch die Aporie seiner Vorgänger angesichts
der Phänomenr des Entstehens (γένεσις) des und Vergehens (φθορά)
aufgelöst und die Möglichkeit freigelegt,9 das Sein des Werdens und
der Bewegung einsichtig zu machen, ohne gegen den Satz vom Wi­
derspruch zu verstoßen. Demnach ist die Bewegung nicht mehr das
Gegenteil von Sein, sie ist nach Heid­eg­gers Begrifflichkeit eine fun­
damentale »Wesensbestimmung«10 des Seins und macht den Sein­
scharakter dessen aus, was auf die natürliche Weise ist (φύσει ὄν).
Von den φύσει ὄντα , bemerkt Aristoteles in Physik B1, habe jedes in
sich den Anfang der Bewegung und des Stillstands.11 Demgegenüber
haben die Artefakte keinen eingewachsenen Anfang zur Bewegung.
Wenig später heißt es, die φύσις sei dann so etwas wie Anfang und
Ursache von Bewegung und Ruhe.12 Heid­eg­gers Physik-Deutung in
den zwei Marburger Vorlesungen widmet dieser Stelle der Physik
wenig Aufmerksamkeit, während in der φύσις-Abhandlung seine In­
terpretation bzw. Übersetzung gerade mit der Erläuterung der φύσις
als ἀρχή ansetzt und mit dem Rückgriff auf die vorsokratische φύσις
endet. Damit geht einher, dass das Phänomen der Ruhe (ἠρεμία) in
den Marburger Vorlesungen nicht in Hinblick auf die φύσις als sol­
che betrachtet wird.

8 Vgl. Aristoteles, Physik A 8, 191b 27–29.


9 Vgl. Aristoteles, Physik A 8, 191b 30 –34.
10 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 170.
11 Aristoteles, Physik B1, 192b 13–14: ἐν ἑαυτῷ ἀρχὴν ἔχει κινήσεως καὶ
στάσεως .
12 Aristoteles, Physik B1, 192b 20 –22: ὡς οὔσης τῆς φύσεως ἀρχῆς τινὸς καὶ
αἰτίας τοῦ κινεῖσθαι καὶ ἠρε μεῖν.
194 Guang Yang

Der Schwerpunkt von Heid­eg­gers Interpretation in den zwei


Vorlesungen liegt vielmehr auf dem dritten Buch der Physik, wel­
ches mithilfe der ontologischen Grundkategorien die Struktur von
Bewegung erforscht. Bereits die interpretierende Übersetzung von
ἐνέργεια als »Seinscharakter des Im Fertigwerden Begriffenseins«
deutet an, dass diese dem Wesen der Bewegung am nächsten steht:
»Κίνησις ist eine Weise des Daseins, ausgelegt auf ἐνέργεια.«13 Die
ἐνέργεια wird als der Vollzug der Bewegung und als das In-Bewe­
gung-Begriffensein aufgefasst. Verstanden als schlichte ἐνέργεια wäre
die Bewegung das glatte Gegenteil von Ruhe. Aber Aristoteles und
Heid­eg­ger stellen die wesentliche Bedeutung der ἐνέργεια , ἐντελέχεια
und κίνησις erst in Bezug auf die andere Kategorie, nämlich δύναμις,
heraus. Aristoteles bestimmt die κίνησις folgendermaßen: Die Wirk­
lichkeit des Möglichen als Möglichen ist die Bewegung; oder, mit
Heid­eg­gers eigentümlicher Übersetzung: »Die Bewegung ist die
ἐντελέχεια , Gegenwart des Daseienden, als des Daseinkönnenden«.14
Heid­eg­gers Betrachtung orientiert sich wie selbstverständlich an dem
von Aristoteles übernommenen Modell der τέχνη und beschreibt die
Bewegung wie folgt: »Sofern das Holz in eigentlichem Sinne als
Kastenseinkönnendes da ist, ist die Bewegung.«15 »Gegenwart« ist
Heid­eg­gers Übersetzung von ἐντελέχεια an dieser Stelle. Wenn ein
δυνάμει ὄν, zum Beispiel das Holz als das Kastenseinkönnende, als
ein so und so bestimmtes Mögliches zur Verwirklichung kommt, ist
seine Möglichkeit als solche gegenwärtig da. Diese Gegenwärtigkeit
(ἐντελέχεια) ist nur in dem »In-Arbeit-Sein«16 (ἐνέργεια) da, wenn der
Tischler das Holz bearbeitet. Auf diese Weise werden ἐντελέχεια und
ἐνέργεια zusammengedacht. Das Kastenseinkönnen des Holzes wird
in diesem Fall zu einer realen, tätigen Möglichkeit.17 Die so verstan­

13 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 296.


14 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 313.
Vgl. Aristoteles, Physik Γ 1, 201a 10 –11: ἡ τοῦ δυνά μει ὄντος ἐντελέχεια , ᾗ
τοιοῦτον, κίνηςίς ἐστιν.
15 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 313.
Zur Orientierung am Techne-Modell in diesem Zusammenhang, vgl. Günter
Figal, Gegenständlichkeit. Das Hermeneutische und die Philosophie, Tübin­
gen 2006, 373–378.
16 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 313.
17 Vgl. Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18,
378, wo Heid­eg­ger das Verhältnis von ἐνέργεια und δύνα μις so beschreibt:
»Bewegung, ἐνέργεια , vernichtet nicht die Möglichkeit, sondern erhält sie
gerade, macht ihr Da aus«.
Kehrseite der Bewegung 195

dene Möglichkeit ist keine leere logische Möglichkeit, sondern auf


die ἐντελέχεια hin bestimmt. In der Vorlesung aus dem Jahr 1926 for­
muliert dies Heid­eg­ger so: »Die Bewegung des Holzes ist das Unter­
handensein«, das heißt »bei der Herstellung unter den Händen«.18
Zugleich spricht Heid­eg­ger von »Aufdringlichkeit« und »Bereit­
heit« des Holzes, Tisch zu werden.19 Dadurch lokalisiert Heid­eg­ger
das Phänomen der Ruhe auf eine phänomenologisch sehr überzeu­
gende Weise zwischen dem noch nicht zum Baumaterial verwandel­
ten, bloßen Holz und dem Holz in der laufenden Arbeit: »Wenn der
Tischler von der Werkstatt weggegangen ist, der angefangene Kas­
ten daliegt, ist das Holz zwar nicht in Bewegung vorhanden, aber
auch nicht so wie vor der Arbeit, also bloß im ersten Sinne δυνάμει ,
sondern es ist vorhanden in Ruhe. Die Ruhe ist nur ein Grenzfall
der Bewegung: Ruhen kann nur etwas, das in sich selbst die Seins­
bestimmung hat, in Bewegung zu sein oder sein zu können.«20 Der
angefangene, daliegende Kasten ist gleichsam ein auffälliges Anzei­
chen für das Unterwegssein der Bewegung, die durch das Nichtvol­
lendetsein (ἀτελές)21 charakterisiert ist. Dennoch hält Heid­eg­ger an
dem höheren Seinsstatus der Bewegung gegenüber der Ruhe fest,
denn dasjenige, das sich gerade in Bewegung befindet, »drängt sich
[…] eigentlicher auf, als wenn es ruht«.22 Dies ist aufgrund des Vor­
rangs der ἐνέργεια gegenüber δύναμις mit Aristoteles unschwer zu
erklären.23 Heid­eg­gers Erörterung der Ruhe in diesem Kontext ori­
entiert sich überwiegend an der vorhandenen, ruhenden ὕλη, wenn­
gleich das εἶδος als τέλος der herstellenden Bewegung offensichtlich
auch das Moment der Ruhe in sich enthält. Dies vermutlich deshalb,
weil der Drang zur Bewegung nicht ohne weiteres am εἶδος festzu­
stellen ist.

18 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 171.


19 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 171. In
Sein und Zeit wird die Aufdringlichkeit im Zusammenhang der Erörterung
der Weltlichkeit und der Zeuganalyse als ein »Charakter der Vorhandenheit«
am Zuhandenen bezeichnet in Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 99.
20 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 314.
Vgl. dazu Bernet, Die Lehre von der Bewegung bei Aristoteles, 101–102.
21 Aristoteles, Physik Γ 1, 201a 6. Vgl. Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der
antiken Philosophie, GA 22, 320 –321.
22 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 323.
23 Vgl. Aristoteles, Metaphysik, Θ 8, 1050b 3–4. ὅτι πρότερον τῇ οὐσίᾳ
ἐνέργεια δυνά μεως . Die Metaphysik wird zitiert nach: Aristotle’s Metaphy­
sics, hrsg. von William David Ross, zwei Bände, Oxford 1924.
196 Guang Yang

Bezeichnend für Heid­eg­gers Verständnis der Ruhe ist zweierlei.


Einerseits versucht Heid­eg­ger, die phänomenologische und onto­
logische Ruhe gegen die faktische Nichtbewegung (ἀκινησία) ab­
zuheben: »Nicht jede ἀκινησία ist schon ἠρε μία«;24 nur dasjenige
Seiende, das sich bewegen kann, kann ruhen und sich innehalten.
Solche ontologische Bestimmung der Bewegung schließt das Phä­
nomen der Ruhe notwendigerweise ein, denn es handelt sich nicht
um den ontischen Begriff einer faktisch vollzogenen oder zu voll­
ziehenden Bewegung.25 Mit anderen Worten: Die Möglichkeit des
Ruhen-Könnens ist wesentlich der ἐνέργεια des bewegten Seienden
eingeschrieben, d. h. die ontologisch verstandene Ruhe ist »eine aus­
gezeichnete Möglichkeit des Bewegten hinsichtlich seines möglichen
Seins«.26 Daraus folgt, dass dasjenige Seiende, das sich bewegt, ruhen
und sich innehalten können muss. Darauf geht Heid­eg­gers Erörte­
rung aber nicht näher ein. Im Gegentil liegt Heid­eg­gers Anliegen
darin, die ontologisch aufgewertete Ruhe in Bezug zu ἐνέργεια und
ἐντελέχεια zu setzen und so in der Ruhe einen unruhigen Drang auf
Bewegung und Verwirklichung herauszustellen. Das Aufdringliche
an der Ruhe des unfertigen Kastens bedeutet für Heid­eg­ger »eine
höhere Anwesenheit«27 als die Anwesenheit des bloß vorhanden,
ruhenden Holzes im Wald, weil die Ruhe des unvollendeten Kas­
tens deutlich auf die Vollendung als ἔργον hin ausgespannt ist und
somit die Herstellung fordert. Strenggenommen könnte man nur das
Holz in der Werkstatt, zum Beispiel während der Mittagspause des
Handwerkers, als ruhend bezeichnen. Als Begründung greift Heid­
eg­ger auf den Begriff »Bedeutsamkeit« zurück, die das Da-sein der
Umwelt charakterisiere und zu solchen Da-sein gehört »der Da-
Charakter der Ruhe«.28 Aber die eigentliche Weise, in der die Um­
welt in ihrer Bedeutsamkeit begegnet, ist die Bewegung, das heißt
in diesem Zusammenhang die Herstellung als der Umgang mit dem
verwendbaren Holz.29 Demnach gehört das Phänomen der Ruhe
als ein defizienter, privativer Modus mit ins Da-sein der Umwelt.

24 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 314.


25 Vgl. Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 170.
26 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 516.
27 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 171.
28 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 379.
29 Vgl. Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18,
378: »Die Umwelt besorgen wir unter der Hand.« In diesem Zusammen­
hang bleibt die φύσις der φύσει ὄντα , die in sich den Ursprung der Bewegung
Kehrseite der Bewegung 197

Das Erhellende und zugleich Problematische an Heid­eg­gers Ver­


ständnis der Ruhe liegt auf der Hand. Das Phänomen der Ruhe wird
im Alltag oft übersehen, weil man sie mit dem faktischen Aufhö­
ren und damit der Negation der Bewegung gleichsetzt. Die Nicht­
bewegtheit der Ruhe soll aber nun im Sinne der στέρησις, also des
»Da der Abwesenheit«30 genommen werden. Diese Abwesenheit
muss mitgegeben sein, um die Anwesenheit der Bewegung in ei­
nem Horizont und Spielraum von Möglichkeiten verständlich zu
machen. Daraus ergibt sich, dass die Ruhe, als eine Art στέρησις, kein
schlechthinniges Nichts, sondern ein bestimmtes »Nochnicht«31 be­
deutet, das die Gegenwart der ἐνέργεια mitkonstituiert. »Mit der
Bewegung selbst schwindet die στέρησις.«32 Daraus ist jedoch nicht
zu schließen, dass man das Phänomen der Ruhe als einen Zwischen­
zustand betrachten müsste, der auf seine eigene Verwirklichung und
damit auch auf seine eigene restlose Überwindung wartet. Heid­
eg­ger behauptet zwar nicht, dass die Ruhe in der Bewegung voll­
ständig eingeholt und überwunden wird, denn auch in der ἐνέργεια
und der ἐντελέχεια gibt es Bezüge auf die δύναμις, etwa als das ru­
hende, vorhandene Material (ὕλη),33 woraus die Herstellung hervor­
geht. Doch ist die Bewegung dabei das Maßgebliche, das Moment
der Ruhe nur das Mitkonstitutive. In dem »einheitlichen Gefüge«34
der ontologisch aufgefassten Bewegtheit, das aus den zusammenge­
hörigen Strukturmomenten der δύναμις, στέρησις, ἐνέργεια und der
ἐντελέχεια besteht und sie in sich sammelt, lässt sich das Phänomen
der Ruhe dem frühen Heid­eg­ger zufolge vorzugsweise den ersten
zwei Kategorien zuordnen. Dadurch ist aber das Wesen der Ruhe
nicht eigens für sich bestimmt. Fraglich bleibt außerdem die Rück­

und der Ruhe haben, völlig außer Betracht. An einer anderen Stelle versucht
Heid­eg­ger, auch die Natur an die Umwelt zurückzukoppeln in Heid­eg­ger,
Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 266–267. Auf das
Problematische an der Konzeption der Bedeutsamkeit und der Umwelt in
Bezug auf das Thema der Natur kann hier nicht näher eingegangen werden.
30 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 298.
31 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 173.
32 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 177.
33 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 301.
Vgl. Bernet, Die Lehre von der Bewegung bei Aristoteles und Heid­eg­gers
Verständnis von der Bewegtheit menschlichen Lebens, 102–103.
34 Damir Barbarić , Sein als Anwesung. Grundzüge der Aristoteles-Interpre­
tation Martin Heid­eg­gers, in: Aneignung der Welt. Heid­eg­ger – Gadamer –
Fink, Frankfurt am Main 2007, 47–61, hier 52.
198 Guang Yang

führung des Phänomens der Bewegung und somit auch der Ruhe auf
den praktischen Umgang des Daseins in der bedeutsamen Umwelt.
Auch wenn der Bezug auf die Bewegung zum Wesen der Ruhe ge­
hört, könnten umgekehrt die Fragen aufgeworfen werden, wie die
Bewegung von der Ruhe her zu verstehen ist und wie die Ruhe auf
die Bewegung zurückwirkt. Zu solchen Fragestellungen finden wir
Anlass bei Heid­eg­ger nach der Kehre.

Die auffangende Ruhe in der Φύσις-Abhandlung

Obwohl Heid­eg­ger in seiner Auseinandersetzung mit Aristote­


les während der Marburger Zeit auch schon davon ausgegangen
ist, dass »Bewegung als solche nur möglich ist, wenn etwas ruht«,35
und das Phänomen der Ruhe einen ausgezeichneten Ausdruck für
sein ontologisches Verständnis der Bewegung darbietet, spielt die­
ses Phänomen in seinem gesamten ontologischen und phänome­
nologischen Programm keine entscheidende Rolle. Charakteris­
tisch für Heid­eg­gers Auffassung der Ruhe in dieser Phase seines
Denkens ist, dass die Ruhe sich auf die Bewegung hin ausspannt
und auf die Anwesenheit und die Zeitigung der Bewegung unru­
hig vordrängt,36 derart, dass das Wesen solcher gespannten Ruhe
ausschließlich in dieser einseitigen Bezogenheit auf die Bewegung
besteht. In der Φύσις-Abhandlung dagegen steht die Auslegung der
Ruhe nun unter dem Vorzeichen der Gedanken der οὐσία und der
φύσις, und die Frage nach dem Wesen der φύσις wird in einem brei­
teren Fragenhorizont wieder aufgenommen. Es wird nämlich nach
der »Unverborgenheit«37 (ἀλήθεια) des Seins im Ganzen gefragt, die
letztendlich auch das Wesen der φύσις ausmacht.
Heid­eg­gers Interpretation setzt ein mit der aristotelischen Be­
stimmung der φύσις als ἀρχή am Anfang des zweiten Buchs der Phy­
sik im Sinne der »Verfügung (ἀρχή) über die Bewegtheit und den
Stillstand (Ruhe)«.38 Die Beschreibung der Ruhe an dieser Stelle

35 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 239.


36 Dies hängt vermutlich zusammen mit dem Motiv der Unruhe des Lebens,
das beim frühen Heid­eg­ger die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Vgl.
Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 175.
37 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 301.
38 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 246.
Kehrseite der Bewegung 199

unter­scheidet sich noch kaum von der in den Marburger Vorlesun­


gen. Es handelt sich auch hier um die ontologische Auffassung der
κίνησις als »Bewegtheit«, welche die Ruhe als »eine Art der Bewe­
gung« in sich einschließt.39 Doch gleich anschließend bei der Erör­
terung des Ortswechsels (κίνησις κατὰ τό πον) treten neue Züge be­
züglich des Verständnisses der Ruhe hinzu: »Diejenige Ruhe, die der
Bewegtheit im Sinne des Ortswechsels entspricht, ist das Verbleiben
am selben Ort.«40 Die Pointe von Heid­eg­gers Auslegung liegt darin,
die Überschneidung verschiedener Bewegungsarten und die Über­
kreuzung von Bewegung und Ruhe aufzuzeigen. Ein dastehender
Baum – wohlgemerkt nicht mehr das Holz in der Werkstatt – ruht
am selben Ort, er ist unter dem Gesichtspunkt des Ortwechsels un­
beweglich. Zugleich unterliegt derselbe Baum aber der Bewegung
(κίνησις) in anderen Hinsichten, nämlich der Verkümmerung (φθίσις)
und der Eigenschaftsveränderung (ἀλλοίωσις),41 etwa wenn die Blät­
ter welken und der grüne Baum gelb wird. Es scheint aber dabei so,
als ob der in sich ruhende Baum gerade aufgrund seiner räumlich
unveränderlichen Ruhe imstande ist, die Bewegungen in verschie­
denen Hinsichten zu tragen und auszutragen.
Die Kernfrage nach dem Wesen der κίνησις wird im Verlauf der
Abhandlung anders als in den 20er Jahren erläutert. An Stelle des
Seinscharakters des menschlichen Daseins in der Welt ist der Ge­
danke der φύσις als »eine Art und Weise der Anwesung«42 des Seins
nach der ›Kehre‹ der Leitfaden, an dem sich die Bestimmung der Be­
wegung orientiert. Die Bewegung habe bei den Griechen »als eine
Weise des Seins den Charakter des Herkommens in die Anwesung«.43
Auch bei der herstellenden Bewegung kommt es Heid­eg­ger nicht
mehr primär auf den Vollzug des Herstellens, sondern auf die spe­
zifische Bewegtheit der Artefakte an, die »uns meist in der schwer
sichtbaren Bewegungsart des Ruhenden«44 begegnen, zum Beispiel
ein ruhend daliegendes Haus. Heid­eg­ger ordnet die Ruhe hier nicht

39 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 247. Bewegtheit


wird an dieser Stelle als eine Wesensbestimmung gegen Bewegung als einen
akzidentiellen Zustand abgehoben. Die vorliegende Untersuchung betrachtet
die beiden Begriffe allerdings meistens undifferenziert.
40 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 249.
41 Vgl. Aristoteles, Physik B 1, 192b 15.
42 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 261.
43 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 249.
44 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 250.
200 Guang Yang

mehr dem vorhandenen Holz in der Werkstatt zu, sondern dem


fertiggewordenen vollendeten Haus. Die Ruhe der resultativen
»Hergestelltheit«45 des Hauses steht in Kontrast zu den Handbe­
wegungen des Tischlers als einer Tätigkeit. Vom Aufdrängen der
Ruhe auf die Bewegung ist hier nicht mehr die Rede. In Hinblick
auf den Seinscharakter ist der Ruhe nahezu ein gleicher Stellenwert
zugesprochen wie der Bewegung. Und Ruhe und Bewegtheit sind
keine äußerlichen Eigenschaften, die den bewegten und bewegli­
chen Seienden gelegentlich zukommen, vielmehr sind die Seienden
in der Bewegtheit und der entsprechenden Ruhe, »was sie sind und
wie sie sind«.46
Es wäre aber vermessen, daraus zu folgern, dass Heid­eg­ger jetzt
dem Phänomen der Ruhe eine wichtigere Rolle als der Bewegung
zuweist. In der Abhandlung geht es Heid­eg­ger neben dem Motiv
der φύσις auch darum, die metaphysisch verstandene, zeitlose und
statische οὐσία (Seiendheit) als Bewegtheit zu fassen und somit zu
dynamisieren. Andererseits aber versucht Aristoteles – Heid­eg­gers
Interpretation zufolge –, das Wesen der Bewegung von der οὐσία
(Bestand und Anwesung) her zu denken.47 Heid­eg­gers Auslegung
der κίνησις am Ende der 30er Jahren ist im Vergleich zu den zwei
Marburger Vorlesungen von der Überbetonung des Vollzugscharak­
ters der Bewegung einigermaßen befreit. Damit zusammenhängend
wird das Phänomen der Ruhe auf eine entspanntere Weise anders
akzentuiert und bestimmt. Die gegenseitige Bezogenheit zwischen
Bewegung und Ruhe wird von Heid­eg­ger neu formuliert, indem er
sich dabei auf das ursprüngliche Verständnis der Bewegung bei den
Griechen beruft, das darin bestehe, »dass die Griechen die Bewegt­
heit aus der Ruhe begreifen«.48 Heid­eg­ger spricht in den Beiträgen
von einer »metaphysischen« Ruhe, die sich von der physikalischen
Ruhe als Negation oder Minderung der Bewegung darin unterschei­
det, dass sie »die höchste Sammlung der Bewegtheit« in sich hat.49

45 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 251.


46 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 251.
47 Vgl. Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 193. Was in Beiträge
zur Philosophie, das ein paar Jahre früher entstanden ist, über die Ruhe ge­
sagt wird, stimmt grundsätzlich mit der Auslegung in der Φύσις-Abhandlung
überein.
48 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 283–284.
49 Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 194. ›Metaphysisch‹ ist hier
nicht als Problemtitel gemeint.
Kehrseite der Bewegung 201

Ruhe ist auch mehr als nur ein »Grenzfall« der Bewegung, wie Heid­
eg­ger sie in den Marburger Vorlesungen verstand. Das Phänomen
der Ruhe wird nun als das »Stillhalten« oder »Innehalten« umschrie­
ben, welches die Bewegung gleichsam einschließt und umspannt,
und in welches sich die Bewegung »sammelt« und »auffängt«.50 Mit
anderen Worten bedarf die Bewegung etwas, das sich anders als die
Bewegung verhält und sie gerade deswegen aufbehalten kann. Aber
die Andersheit der Ruhe bedeutet nicht, dass die Ruhe das Gegenteil
oder die Negation von Bewegung wäre. Sie unterscheidet sich von
der Bewegung im engeren Sinne des Vollzugs und bezeichnet einen
eigentümlichen Seinscharakter der Anwesung, in deren Sammlung
die Bewegung verwahrt und aufgehoben ist. Darin liegt gerade die
höchste Bewegtheit der Bewegung. Heid­eg­ger zieht diesbezüglich
auch die Unterscheidung von κίνησις und ἐνέργεια im Sinne der voll­
kommenen Wirksamkeit in Metaphysik θ heran, wonach Bewegung
(κίνησις) im engeren Sinne unvollendet (ἀτελής) ist, wie zum Beispiel
beim Abmagern und beim Gehen.51 Solche Bewegung hat nicht das
τέλος in sich, während das Sehen eine andere Art des Handelns ist
und das Ende oder Ziel (τέλος) der Bewegung in sich enthält.52 »Sol­
ches Sehen ist das τέλος«, welches in seiner Ruhe die vollzughafte
und unvollendete Bewegung (κίνησις) des »Ausblickens« und des
»Sichumsehens« in sich sammelt und aufbewahrt.53 In diesem neu
bestimmten Verhältnis von Ruhe und Bewegung bleibt die Ruhe
zwar auch auf die Bewegung bezogen – anders lässt sie sich nicht
fassen –, doch ist die Bezogenheit dabei keine einseitige Abhän­
gigkeit der Ruhe von der Bewegung. Man gewinnt aus Heid­eg­gers
Auslegung den Eindruck, dass der Seinscharakter der Bewegung auf

50 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 284.


51 Aristoteles, Metaphysik Θ 6, 1048b 29. Zum Unterschied zwischen
ἐνέργεια und κίνησις bei Aristoteles vgl. J. L. Ackrill, Aristotle’s Distinction
between Energeia and Kinesis, in: New Essays on Plato and Aristotle, hrsg.
von Renford Bambrough, London 1965, 121–141.
52 Aristoteles’ Argumentation lautet so: Das Sehen enthält in sich das τέλος ,
weil einer sieht und zur gleichen Zeit immer schon gesehen hat. Dagegen geht
einer nicht und ist gleichzeitig gegangen. Vgl. Metaphysik Θ 6, 1048b 23–26.
53 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , 284. In der frühen Frei­
burger Vorlesung über Aristoteles spricht Heid­eg­ger diesbezüglich von »der
verwahrenden Zeitigung als zeitigender Verwahrung« in Heid­eg­ger, Phäno­
menologische Interpretation ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles,
GA 62, 108.
202 Guang Yang

ein von ihr verschiedenes Moment in der Anwesung angewiesen ist,


welches sich als ständig und haltbar erweist.
Die Ruhe als Sammlung der Bewegtheit versteht Heid­eg­ger in
diesem Kontext jedoch konkreter, derart, dass er abermals das aris­
totelische Modell der Herstellung in Anspruch nimmt und die Ruhe
in eine Beziehung zum ἔργον in der ἐνέργεια und zum τέλος in der
ἐντελέχεια setzt. In der ἐνέργεια ἀτελής im Sinne der unvollendeten
Her-stellung betont Heid­eg­ger jetzt nicht mehr die herstellende Ar­
beit des Tischlers, sondern das Moment des Stillhaltens und über­
setzt dementsprechend ἐνέργεια mit »Im-Werk-Stehen«.54 Das Werk
(ἔργον) ist durch das εἶδος als τέλος bestimmt, welches die κίνησις
durchzieht und am Anfang und am Ende der herstellenden Bewe­
gung steht. Die Vermengung von φύσις und τέχνη und die Orientie­
rung am Begriffspaar, ὕλη und μορφή, sind in diesem Zusammenhang
nicht unproblematisch.55 Aber abgesehen davon ist es aufschluss­
reich für unsere Fragestellung, den Versuch von Heid­eg­ger, ἐνέργεια
(das Im-Werk-Stehen) von ἐντελέχεια als das Sich-im-Ende-Haben
(ἐν τέλει ἔχει) her zu verstehen,56 mit der Bestimmung der Ruhe in
Verbindung zu bringen. Das Sich-Haben am Ende der Bewegung
zeigt solche »Ruhigkeit« an, die der οὐσία als »der in sich ständigen
Anwesung im Aussehen genügt«.57 In solche ruhige, ständige und
währende Anwesung wird die Bewegung verwahrt und aufgefan­
gen. Dergestalt vollendet sich die Bewegung geradezu in der Ruhe.58
Der Akzent bei der Erläuterung der ἐνέργεια und ἐντελέχεια ist,
wie gezeigt, deutlich anders als in den 20er Jahren, nämlich auf das
Moment des Stillhaltens und Sich-habens gelegt. Auch bei der Erör­
terung der δύναμις treten neue Züge hinzu. In den Marburger Vorle­
sungen hatte die Bewegung qua ἐνέργεια deutlich die Oberhand über
die δύναμις. Die Nichtbewegtheit eines Baumstamms zum Beispiel
ist an sich etwas Mangelhaftes und im Vergleich zur herstellenden
Bewegung eine uneigentliche Weise der Anwesenheit. Erst wenn der
Baumstamm zum Baumaterial wird und in den Herstellungsprozess
eingeht, drängt sich die δύναμις des Holzes »eigentlich«59 auf. Nun

54 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , 284.


55 Vgl. dazu Günter Figal, Heid­eg­ger als Aristoteliker, in: Zu Heid­eg­ger.
Antworten und Fragen, Frankfurt am Main 2007, 55–82, hier 81.
56 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , 284.
57 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , 286.
58 Vgl. Barbarić , Sein als Anwesung, 56.
59 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 322.
Kehrseite der Bewegung 203

aber ist aus der δύναμις neben den Bedeutungen von »Eignung zu«
und »Bereitschaft« eine neue Bedeutung herauszulesen, nämlich die
des Zurückhaltens. Die δύναμις wird im Hinblick auf ihren Seins­
charakter bestimmt als »die Weise des noch zurück- und an sich
haltenden Hervorkommens in das Aussehen, darin die Eignung sich
erfüllt«.60 Dieses Moment des An-sich-Haltens und der Zurückhal­
tung der δύναμις verhält sich zu der Bewegungstendenz des »Auf­
drängens« und des »Hervorkommens« wie eine Gegenbewegung.61
Sinngemäß lässt sich dieses Moment der Zurückhaltung auch mit
dem In-sich-zurück-Gehen im Geschehen der φύσις und dem Ver­
bergen im Wahrheitsgeschehen (ἀλήθεια) vergleichen.62 Bezeichnet
die δύναμις in der Vorlesung aus dem Jahr 1926 die Bereitschaft des
vorhandenen Materials, gebraucht zu werden, gewinnt die δύναμις in
ihrer Zurückhaltung nunmehr einen gewissen eigenständigen Status.
δύναμις »ist eine Bewegtheit, die immer Ansichhalten einschließt«,63
wie Gadamer formuliert. Ähnlich verhält es sich mit der Ruhe, die
sich sammelt und zurückhält. Und als ein solches Moment läßt sie
sich an allen Bewegungen ablesen. Auch das Sein als φύσις ist so ge­
sehen nicht allein vom Bewegungscharakter des Sich-zeigens her zu
erschließen. Heid­eg­ger selber hat diesen Aspekt der δύναμις in der
Abhandlung nicht weiter ausgeführt und ihn auch nicht ausdrück­
lich auf die Ruhe hin gedeutet. Auch das Motiv der Ruhe im Verhält­
nis zur Bewegung bleibt in der darauf folgenden Betrachtung ausge­
blendet, in welcher sich Heid­eg­ger der Leitfrage in diesem Kontext
zuwendet, inwiefern μορφή mehr φύσις sei als ὑλη.
Der Unterschied zur Betrachtung der Bewegung und der Ruhe in
den Marburger Vorlesungen dürfte jetzt klarer geworden sein. Die
Fragestellung in der Φύσις-Abhandlung geht über den Seinscharak­
ter der daseinsmäßigen Bewegtheit hinaus und erläutert das Phä­
nomen der Bewegung im Licht der neu gewonnenen Bestimmung
der οὐσία als Anwesung, die letztlich auch mit der Bestimmung der

60 Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , 286–287.


61 Vgl. Heid­eg­ger, Aristoteles, Metaphysik Θ 1–3, GA 33, 108–116. In die­
ser Vorlesung gilt Heid­eg­gers Interesse eher dem Verhältnis von δύνα μις im
Sinne der Kraft zu Unkraft und Gegenkraft, welches nicht ohne weiteres mit
dem Verhältnis von Bewegung und Ruhe oder Gegenbewegung des Zurück­
haltens gleichzusetzen ist.
62 Vgl. Heid­eg­ger, Vom Wesen und Begriff der Φύσις , GA 9, 297 und 301.
63 Hans-Georg Gadamer, Die Griechen, in: Neuere Philosophie, GW 3, Tü­
bingen 1987, 285–296, hier 291.
204 Guang Yang

φύσις als Geschehen der Un-verborgenheit (ἀλήθεια) verschmolzen


ist. Als Hervorkommen in die Anwesung verstanden ist die κίνησις
nur ein Moment der umfassenden, ganzheitlichen Anwesung, die
auch andere Seinsweisen in sich einschließt. Am ständigen Charakter
der Anwesung lässt sich das Phänomen der Ruhe aufzeigen. Auch
in Bezug auf das von sich aus entfaltende Geschehen der φύσις kann
man von »ursprünglicher Einheit«64 der Ruhe und Bewegung spre­
chen. In diesem einheitlichen, umfassenden Geschehen verhält sich
die Ruhe nicht mehr wie ein defizienter Zwischenzustand zur Be­
wegung als der Verwirklichung der vorhandenen Möglichkeit. Die
Ruhe bleibt trotz der Bezogenheit auf die Bewegung eine eigenstän­
dige Seinsweise, sie kann darüber hinaus der Bewegung zur wesent­
lichen Entfaltung und Erfüllung verhelfen. So betrachtet ist die Ruhe
dem Wesen und der Struktur der Bewegung eingeschrieben, und
die Bewegung ihrerseits ist ohne diesen wesentlichen Bezug auf die
Ruhe nicht einsichtig zu machen.

Schlusswort

Heid­eg­ger hat bereits in der Marburger Zeit das Phänomen der Ruhe
ins Auge gefasst: »Ein Ding, das ruht, […] ist nicht von jedem Cha­
rakter der Bewegung abgeschnitten.«65 Allerdings gilt sein Interesse
dabei nicht der Ruhe als solcher, sondern dem spezifischen Charak­
ter der Ruhe, sich auf die Bewegung hin auszuspannen. Auf diese
Weise wird die Ruhe belebt und dynamisiert. Die Aufdringlichkeit
der Ruhe entspricht der Auffassung Heid­eg­gers von Bewegung, die
in den Marburger Vorlesungen primär vom Vollzug der Bewegung
her mit dem aristotelischen Begriff der ἐνέργεια erläutert ist. Das
Aufdrängen der Ruhe gibt zu erkennen, dass sie nur eine Übergangs­
phase ist und die Ausübung und den Vollzug der Bewegung dring­
lich erwartet. Einer solchen gespannten, aufdringlichen Ruhe ge­
genüber lässt sich in der Φύσις-Abhandlung eine gesammelte Ruhe
erkennen, welche im Zusammenhang mit der Bestimmung der οὐσία
als Anwesung und dem Gedanken der φύσις eine ausgezeichnete
Rolle im Verhältnis zur Bewegung spielt. Dabei orientiert sich Heid­
eg­gers Deutung weitgehend an dem aristotelischen τέχνη-Modell

64 Heid­eg­ger, Einführung in die Metaphysik, GA 40, 65–66.


65 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der antiken Philosophie, GA 22, 323.
Kehrseite der Bewegung 205

und macht das Moment der Ruhe im Sich-Halten am Ende der her­
stellenden Bewegung und dem Im-Werk-Stehen geltend. Man kann
jedoch den Gedanken der Ruhe vom τέχνη-Modell lösen, wie Heid­
eg­ger es gelegentlich auch tut, und die Ruhe konkreter, aber auch
allgemeiner fassen. Ein dastehender Baum etwa ruht in sich, ist in
sich gesammelt und west als solcher an. Solche in sich gesammelte
Ruhe ermöglicht es, dass die Bewegungen oder die Veränderungen
aufgefangen und somit zurückgeborgen sind. Dem Sich-Zeitigen der
Bewegung der φύσει ὄντα entspricht ihr In-sich-Ruhen, und diese
beide Momente bilden zusammen eine einheitliche Hinsicht, in der
die φύσις zur Geltung kommen kann.
Martina Philippi
Phänomenologie als methodische Kritik
von Selbstverständlichkeit

Einleitung

In seinem kurzen Text Das Dilemma der Selbstverständlichkeit


schreibt Hans Blumenberg: »Phänomenologie ist definiert als
Überführung von Selbstverständlichkeiten in Verständlichkeiten.«1
Ist das eine Besonderheit der Phänomenologie? Schließlich ist die
Problematisierung dessen, was sich »normalerweise« »von selbst
versteht« das Tätigkeitsfeld jeder Philosophie: Philosophie fragt
nach, wo andere Wissenschaften und auch die Alltagspraxis keine
Probleme sehen. Eine Besonderheit der Phänomenologie jedoch ist,
dass sie diese »Überführung« selbst mit thematisiert – in der Selbst­
verpflichtung zum Aufweis der Methode und in der Analyse von
forschungs- und lebenspraktischen Selbstverständlichkeiten. Diese
zeichnet Folgendes aus:
1. Selbstverständlich ist, was nicht der Rede wert ist, nicht thema­
tisiert wird. Unreflektiert funktioniert es meistens, so dass eine
Thematisierung eher hinderlich wäre.
2. Dass etwas als selbstverständlich gilt, muss aber nicht heißen,
dass es diesen fraglosen Status zu Recht hätte; es wird lediglich
nicht reflektiert. In bestimmten Kontexten kann dies zu Pro­
blemen führen.
3. Was selbstverständlich gilt, erlangt seine Geltung durch den An­
schein völliger Klarheit. Ein Angriff auf solche Geltung stößt
dabei unvermeidlich auf Widerstand.

1 Hans Blumenberg, Zu den Sachen und zurück, Frankfurt am Main 2007,


S. 304.
208 Martina Philippi

4. Damit geht die Anerkennung einer Ambivalenz einher, die etwa


so formuliert werden kann: Selbstverständlichkeiten kann man
leicht auf den Leim gehen, wenn man ihre Fragwürdigkeit nicht
vor Augen behält. Weil man jedoch ohne sie keinen Schritt tun
könnte, sind sie unentbehrlich.

Die Figur, die diese Merkmale auszeichnen, ist interessant, weil sie
die Frage nach der Autorität solcher Selbstverständlichkeiten auf­
wirft. Zugleich stellt sie einen wertvollen Vergleichsaspekt zwischen
der husserlschen und der heid­eg­gerschen Ausprägung der Phänome­
nologie dar. Durch Husserl begründet, erfuhr diese durch Heid­eg­
ger eine deutliche Modifikation, obwohl eine Gemeinsamkeit bleibt:
Die ausdrückliche und bezugstiftende Thematisierung von Wissen­
schaft und alltäglichem Lebensvollzug. Mein Beitrag soll aufzeigen,
dass die Figur von Selbstverständlichkeit und Problematisierung die
Wurzel der Phänomenologie sowohl bei Husserl als auch bei Heid­
eg­ger darstellt und ihre jeweilige Ausformung verdeutlicht. Die Idee
ist dabei, dass Heid­eg­ger in der Marburger Phase seines Denkens die
Weichenstellung erkennen lässt, die ihn von Husserls Konzept der
Phänomenologie wegführt.
Zunächst gilt es also zu zeigen, wie Husserl die Phänomenologie
als »Überführung von Selbstverständlichkeiten in Verständlichkei­
ten« entwirft, und anschließend die wichtigsten Aspekte von Selbst­
verständlichkeit bei Heid­eg­ger auf die Frage nach ihrer Autorität
und der Möglichkeit ihrer Überwindung zu untersuchen. Vor dem
Hintergrund der husserlschen Phänomenologie wird dabei unter­
sucht, wie Heid­eg­ger im Hauptwerk seiner Marburger Zeit, Sein
und Zeit, eine methodisch-inhaltliche Analyse von Selbstverständ­
lichkeit entwickelt. Der Titel »Selbstverständlichkeit« wird dabei
weiterhin verwendet, um zu kennzeichnen, wo dieses Moment der
Phänomenologie in Erscheinung tritt.

Husserls Analyse

Husserl thematisiert zwei Sphären, die typischerweise von unre­


flektierten Vorannahmen geprägt sind: Die der Lebenswelt und die
der Wissenschaft. Geht es in der Wissenschaft um Grundannahmen,
die in ihrem unreflektierten Gebrauch eine Krise der Wissenschaf­
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 209

ten herbeiführen können,2 greift auf der lebensweltlichen Seite jenes


Diktum, welches nach Blumenberg die phänomenologische Aufgabe
als »Überführung von Selbstverständlichkeiten in Verständlichkei­
ten« bestimmt.3 Die Phänomenologie hat also die inhaltliche Auf­
gabe, zu thematisieren und zu problematisieren, was als selbstver­
ständlich gilt; und als wissenschaftliches Programm weist sie zudem
eine methodische Zielsetzung auf: Die Fehler im Selbstverständnis
der Wissenschaft zu korrigieren.
Diese Fehler benennt Husserl am deutlichsten in der Krisisschrift.
Ein prominenter Aspekt des husserlschen Werkes scheint hier auf:
Die Gegenüberstellung von Lebenswelt und Wissenschaft. Husserl
versucht zu verdeutlichen, dass jeder Forscher einer konkreten Le­
benswelt entstammt, auf die alle Erkenntnisse letztlich zurückzu­
führen sind. Zunächst scheinbar trivial, könnte diese Einsicht ein
schwerwiegendes Missverständnis ausräumen: Die Verwechslung
der lebensweltlich unmittelbar gegebenen Welt mit der messbaren.
Husserl zeichnet im § 9 der Krisisschrift jene naturwissenschaftliche
Entwicklung nach, die zu diesem Missverständnis geführt hat: Die
allzu begeisterte Übernahme zunehmend mathematischer Metho­
den für naturwissenschaftliche Weltbeschreibung, ausgehend von
der zunächst rein praktischen Feldmesskunst über die geometrische
zur schließlich arithmetischen Beschreibung (und Reduktion) der
sinnlich gegebenen Welt. Der Fehler besteht in der unreflektierten
Übernahme dessen, was die jeweils neue Forschergeneration von
der alten im technischen Sinn erlernt; die Ausräumung dieses Feh­
lers kann, so Husserl, nur im Bewusstmachen der übersprungenen
Reflexion geschehen.
Die inhaltliche Frage der Phänomenologie betrifft die Funkti­
onsweisen unseres Bewusstseins: Davon ausgehend, dass die Gegen­
stände uns nur vermittels unserer Bewusstseinsleistung gegeben sein
können, entwickelt Husserl eine Methode, diese zu erkennen: die
phänomenologische Reduktion. Ihr Werkzeug ist die Epoché, die
Urteilsenthaltung in Form vorläufiger Einklammerung. Denn was

2 Vgl. Edmund Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und


die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenolo­
gische Philosophie, Husserliana VI, hrsg. von Walter Biemel, Den Haag 1954,
1–17.
3 Auch Husserl benutzt diese griffige Formulierung in verschiedenen Va­
riationen, vgl. etwa Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften,
Husserliana VI, 184.
210 Martina Philippi

erforscht werden soll, ist überlagert von Vorurteilen im Wortsinne;


es gilt also, einen freien Blick auf den Untersuchungsgegenstand zu
gewinnen. Dies ist nur möglich, indem wir uns vom naheliegenden
»natürlichen« Standpunkt distanzieren, um die Fragen zu erfassen,
die auf dem natürlichen Standpunkt nicht gestellt werden. Selbst­
verständlich ist hier die Bedingung der Möglichkeit von Erkennt­
nis, die eigentlich gar nicht klar ist: Schließlich wirft sie die sehr alte
philosophische Frage auf, ob und wie wir Dinge überhaupt erken­
nen können.
Hinsichtlich des Verhältnisses des methodischen und des in­
haltlichen Aspektes sticht etwas Entscheidendes ins Auge: Husserl
selbst relativiert die Opposition von Lebenswelt und Wissenschaft.
In der Vorlesung Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie
von 1906/07 unterscheidet er zwischen den »natürlichen Wissen­
schaften« und der »Erkenntniskritik«. Erstere haben den natürli­
chen, das heißt lebensweltlichen Standpunkt inne, reflektieren also
ihre wichtigste und selbstverständlichste Grundlage nicht: Die Be­
dingung der Möglichkeit von Erkenntnis. Der »Erkenntniskritik«
fällt diese Reflexion daher als besondere Aufgabe zu.4 Für die Selbst­
reflexion der natürlichen Wissenschaften bedeutet das, dass einige
ihrer Natur nach intern nicht reflektiert werden (können!), jedoch
einer erkenntniskritischen Grundlegung bedürfen. Dies ist die Auf­
gabe der Phänomenologie.

Heid­eg­gers Analyse:
Selbstverständlichkeit in den Wissenschaften

Wie verhält sich dies bei Heid­eg­ger? Gibt es auch hier eine methodi­
sche und eine inhaltliche Fragerichtung? In Sein und Zeit zeigt sich
die doppelte Aufgabe: Dem grundlegenden Methodenteil, der eine
Fundamentalontologie fordert, folgt die Durchführung der »existen­
zialen Analyse«. Anders als bei Husserl sind diese beiden Komplexe
passgenau zusammengefügt: Hier steht nicht auf der einen Seite das
Methodenproblem, das gelöst werden muss, und auf der anderen
der zu untersuchende phänomenologische Gegenstand; sondern die

4 Vgl. Edmund Husserl, Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie.


Vorlesungen 1906–07, Husserliana XXIV, hrsg. von Ulrich Melle, Dordrecht
1984.
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 211

gesuchte Methode ist eine Fundamentalontologie, deren Adressat


das Dasein ist, und zu dessen Untersuchung stellt Heid­eg­ger die
Existenzialanalyse bereit.
Ähnlich wie Husserls wird auch Heid­eg­gers Wissenschaftskon­
zeption vom Aufdecken eines Feldes konkreter Selbstverständ­
lichkeiten motiviert: Der unüberprüft aus der Tradition übernom­
menen Basis der Wissenschaften. Hier ist es zwar nicht die Ver­
wechslung der wirklichen Lebenswelt mit ihrem »Ideenkleid«, aber
etwas ganz Ähnliches. Nach Heid­eg­ger wird alles Seiende in den
Wissenschaften als etwas »Vorhandenes« betrachtet, also als gäbe
es in jedem Fall einen unabhängig betrachtbaren Untersuchungs­
gegenstand – die Natur in den Naturwissenschaften wie der Mensch
selbst in Anthropologie oder Psychologie. Allerdings, so Heid­eg­ger,
eignet sich diese Betrachtungsweise ausschließlich für die positiven
Wissenschaften,5 die durch ihren Gegenstand konstituiert werden
und in ihm aufgehen.6 Sie bedürfen dabei umsichtiger Fundierung:
»Wissenschaftliche Forschung vollzieht die Hebung und erste Fixie­
rung der Sachgebiete naiv und roh«.7 Dass sie einer angemessenen –
das heißt ontologischen – Fundierung entbehrt, kann innerhalb der
Wissenschaft nicht deutlich werden – außer durch die Situation einer
Krise.8 Wissenschaft kann nicht gleichsam von außen auf ihre onto­
logischen Fundamente blicken. Doch dass »die positive Forschung
diese Fundamente nicht sieht und für selbstverständlich hält, ist kein
Beweis dafür, daß sie nicht zum Grunde liegen und in einem radi­
kaleren Sinne problematisch sind, als es je eine These der positiven
Wissenschaft sein kann.«9
Erst die Philosophie deckt das Fehlverständnis auf: Sie sieht den
Bedarf an einer längst überfälligen Positionierung sowohl der Wis­
senschaften als auch der Philosophie selbst, die zuallererst einsieht,
dass Wissenschaft selbst immer schon menschliche Praxis ist. »Die
Wissenschaften« sind nach Heid­eg­ger »Verhaltungen« des Daseins,

5 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 14.


6 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 519: »Jede Wissenschaft konstituiert sich
primär durch die Thematisierung.«
7 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 12. Diese Naivität drückt Heid­eg­ger
im späteren Vortrag Was heißt Denken? in dem vielzitierten Satz aus: »Die
Wissenschaft denkt nicht.« (Heid­eg­ger, Was heißt Denken?, GA 7, 133)
8 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 13; beachte die Parallele zu Husserls
Diagnose in der Krisisschrift.
9 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 67.
212 Martina Philippi

eine von verschiedenen Möglichkeiten, sich zur Welt zu verhalten.10


Dies impliziert, dass das Dasein sich selbst und seine Umwelt nicht
aus wissenschaftlicher Distanz als Erkenntnisobjekt betrachten
kann: Es muss berücksichtigen, dass es alles, was ihm wissenschaft­
lich zugänglich ist, immer schon auf eine bestimmte Weise versteht.
Wissenschaftliche Erkenntnis speist sich aus vorwissenschaftlichem
Umgang mit der Welt.11 Um überhaupt wissenschaftlicher Betrach­
tung zugänglich zu werden, muss der Gegenstand aus seinem prak­
tischen Zusammenhang gelöst werden. Dies leistet die »Themati­
sierung«, die das Seiende dahingehend freigibt, »daß es ›objektiv‹
befragbar und bestimmbar wird.«12 Ein Missverständnis liegt also
vor, wenn diese »objektive« Sichtweise der Dinge als die primäre
behandelt wird. Doch dieses Verständnis gilt in der Wissenschaft
als Selbstverständlichkeit – und zwar eine, die sich in der Tradition
zu Unrecht bewährt hat. Wie im § 9 der husserlschen Krisisschrift
beschrieben, ist nämlich die Eigendynamik der Tradition derjenige
Faktor, der im bloßen Weiterreichen von Wissen und Techniken das
Bewusstsein über die Grundlagen und ihre stetige Überprüfung ver­
nachlässigt.13
Als Ausweg aus diesem Dilemma schlägt Heid­eg­ger die Funda­
mentalontologie vor, die vor aller positiv-wissenschaftlichen The­
matik ansetzt, nämlich bei der Frage nach dem Sinn von Sein, die
auch in der philosophischen Tradition noch nicht hinreichend be­
antwortet, genauer: überhaupt richtig gestellt worden ist. Heid­eg­ger
grenzt das Dasein von allem anderen Seienden ab, da ihm als einzi­
gen die Seinsweise der Existenz eignet, das heißt das besondere Ver­
hältnis zum eigenen Sein mit der Fähigkeit, dieses selbst thematisch

10 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 16: »Wissenschaften haben als Verhal­


tungen des Menschen die Seinsart dieses Seienden (Mensch). Dieses Seiende
fassen wir terminologisch als Dasein. Wissenschaftliche Forschung ist nicht
die einzige und nicht die nächste mögliche Seinsart dieses Seienden.«
11 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 76 und 519.
12 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 480.
13 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 29: »Die hierbei zur Herrschaft kom­
mende Tradition macht zunächst und zumeist das, was sie ›übergibt‹, so
wenig zugänglich, daß sie es vielmehr verdeckt. Sie überantwortet das
Überkommene der Selbstverständlichkeit und verlegt den Zugang zu den
ursprünglichen ›Quellen‹, daraus die überlieferten Kategorien und Begriffe
z. T. in echter Weise geschöpft wurden. Die Tradition macht sogar eine sol­
che Herkunft überhaupt vergessen. Sie bildet die Unbedürftigkeit aus, einen
solchen Rückgang in seiner Notwendigkeit auch nur zu verstehen.«
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 213

werden zu lassen.14 Dies zeichnet es als den Adressaten der Seins­


frage aus. Daher muss die Fundamentalontologie die Analyse der
Existenz bereitstellen, also »existenziale Analyse« leisten. Der Titel
Phänomenologie ist somit einmal durch Heid­eg­gers Bestimmung der
Ontologie gerechtfertigt,15 zum anderen durch die Unter­suchungs­
richtung auf lebensweltliche Phänomene – denn diese bilden den
Gegenstand der Analyse eines Seins, das in seinem Umgang mit der
Welt aufgeht.
Aus dieser Skizze geht hervor, wie die Fehleinschätzung der Ge­
genstände als bloß »Vorhandenes« das unreflektierte Fundament der
Wissenschaft bildet; und wie sie die Idee und die Ausführung einer
Fundamentalontologie motiviert: Was längst hätte überprüft werden
müssen, gilt als trivial, nicht der Thematisierung wert. Dies ist fol­
genreicher als bloße Nichtbeachtung: Die Thematisierung der eige­
nen Grundlagen gehört, salopp formuliert, nicht zum wissenschaft­
lichen Tagesgeschäft und muss explizit eingefordert werden. Auch
hier geht aus der Revision der forschungspraktischen Grundannah­
men eine Untersuchung der selbstverständlichkeitslastigen Sphäre
schlechthin hervor, der Lebenswelt.16 Diese Sphäre des praktischen
Lebensvollzugs interessiert Heid­eg­ger immer dort, wo etwas sonst
Unreflektiertes problematisiert wird oder von selbst in den Fokus
tritt. In Sein und Zeit ist dies die Analyse des alltäglichen Daseins.
Ein detaillierter Blick darauf soll zeigen, wie Heid­eg­ger für die Pro­
blematik dieser unreflektierten und dennoch stärkste Geltung bean­
spruchenden Grundannahmen sensibilisiert – und welche Erklärung
er für ihre seltsame Autorität anbietet.

… und in der Lebenspraxis

Selbstverständlichkeit scheint in der Analyse der Alltäglichkeit


zunächst im Umgang mit Gegenständen auf, dem »zuhandenen«
»Zeug«, das ausschließlich auf seinen Zweck (sein »Um-zu«) hin

14 In der späteren Vorlesung Die Grundbegriffe der Metaphysik aus dem


Wintersemester 1929/30 wird diese Fähigkeit als »Weltbilden« präzisiert:
Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 261–264.
15 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 50: »Sachhaltig genommen ist die Phä­
nomenologie die Wissenschaft vom Sein des Seienden – Ontologie.«
16 Wenngleich Heid­eg­ger den Ausdruck aus guten Gründen nicht benutzt.
214 Martina Philippi

betrachtet wird. Erst sein Defekt vermag diese Perspektive aufzu­


heben. In diesem Sinne bricht der fraglose Umgang von selbst auf,
kann aber (durch Reparatur oder Ersetzung des Gegenstandes) wie­
derhergestellt werden. Anders verhält es sich bei den Grundlagen
der Weltauslegung: den Grundhaltungen des Alltags.
Bereits bei der Frage nach dem »Wer« des Daseins berührt Heid­
eg­ger dieses Phänomen. Das Dasein ist in seinem alltäglichen Le­
bensvollzug, das heißt »zunächst und zumeist«, nicht »es selbst«,
sondern das »Man-selbst«. Das bedeutet: Entscheidungen, Mei­
nungen, Einstellungen gehen nicht auf die eigensten, persönlich ge­
prüften Überzeugungen zurück, sondern auf eine Art öffentliche
Meinung, auf die der Handelnde oder Sprecher sich berufen kann –
und zwar ohne Rückbindung an eine bestimmte Person.17 Da dieses
Sammelsurium von Meinungen und Haltungen jedoch im jeweiligen
faktischen Dasein verwurzelt ist, also ihm nicht von außen oktroy­
iert wird, spricht Heid­eg­ger vom »Man-selbst«. Diese Beschreibung
leitet die Analyse des Verfallens des Daseins an die Welt ein. Diese
drückt sich in drei miteinander in Wechselwirkung stehenden Phä­
nomenen aus: Dem Gerede, der Neugier und der Zweideutigkeit.
Der Kern dieser Analyse besagt, dass das Dasein sich in seinem All­
tag von unreflektierten Ansichten und Motivationen treiben lässt.
Diese eigentümliche Haltung betrifft nun nicht mehr den konkreten
Umgang mit Zeug. Mit den genannten drei Phänomenen zeigt sie
sich darin, wie das Dasein mit Themen und Fragen oder Einstel­
lungen umgeht, worauf es sein Interesse richtet und wie es mit den
Folgen dieses Verhaltens umgeht.
Das erste Charakteristikum der Alltäglichkeit ist das Gerede. Es
geht zurück auf ein Existenzial, also eine wesensmäßige Eigenschaft
des Daseins: die Sprache. Durch sie konstituiert sich das Verstehen,
das heißt die Auslegung der Welt – weshalb das Dasein von der
Sprache maßgeblich bestimmt wird: Die Welt ist immer schon durch
Sprache erschlossen, ein davon unabhängiges Verständnis unmöglich.
Im »abkünftigen« Modus des Geredes wirkt sich die Sprache jedoch
fatal auf die Weltauslegung des Daseins aus. Gerede nennt Heid­eg­ger

17 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 170: »Das Man ist überall dabei, doch so,
daß es sich auch schon immer davongeschlichen hat, wo das Dasein auf Ent­
scheidung drängt. […] Es kann am leichtesten alles verantworten, weil keiner
es ist, der für etwas einzustehen braucht. Das Man ›war‹ es immer und doch
kann gesagt werden, ›keiner‹ ist es gewesen. In der Alltäglichkeit des Daseins
wird das meiste durch das, von dem wir sagen müssen, keiner war es.«
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 215

eine Form der Mitteilung, die sich nicht um ein echtes Verständnis
ihres Gegenstandes bemüht, weil sie von einem »durchschnittlichen«
Verständnis getragen wird. »Durchschnittlichkeit« ist der Titel für
die an das Gerede gekoppelte, intersubjektive Weltauslegung, in der
sich das alltägliche Dasein »zunächst und zumeist« bewegt, nämlich
immer schon im Modus des »Mitseins« mit anderen, was die Ver­
ständigung auch ohne sachliche Rückbindung an den Gegenstand
ermöglicht: Bizarrerweise »kann die mitgeteilte Rede weitgehend
verstanden werden, ohne daß sich der Hörende in ein ursprünglich
verstehendes Sein zum Worüber der Rede bringt. Man […] hört
schon nur auf das Geredete als solches.«18 Dabei weist das Gerede
eine Doppelnatur auf: Zwar vermag es nichts adäquat wiederzuge­
ben, bleibt über die »Durchschnittlichkeit« aber kommunizierbar,
wodurch ihm »nichts verschlossen« ist.19 Diese »Bodenlosigkeit«20
bewirkt Ähnliches wie die unreflektierte Übernahme der Tradition
in der Wissenschaft: Das Gerede verstellt den Blick auf die Welt.
Heid­eg­ger stellt fest: »Die Rede, die zur wesenhaften Seinsverfas­
sung des Daseins gehört und dessen Erschlossenheit mit ausmacht,
hat die Möglichkeit, zum Gerede zu werden und als dieses das In-
der-Welt-sein […] zu verschließen und das innerweltlich Seiende
zu verdecken.«21 Hier zeigt sich ein typischer Auto­matis­mus der
Selbstverständlickeit: Das Gerede verdeckt offene Fragen, indem es
ihnen den Anschein gibt, längst geklärt zu sein. Der Automatismus
selbst bleibt dabei unentdeckt.
Die zweite Komponente ist die Neugier, die dem Gerede die The­
men zuträgt. Auch sie ist ein »abkünftiger Modus« eines Existenzials,
nämlich des Verstehens. Neugier wird aktiv, wenn es gerade nichts
Bestimmtes zu besorgen gibt, die Aufmerksamkeit also frei von Auf­
gaben wird und sich nach einem neuen Gegenstand umsieht.22 Ihre

18 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 223.


19 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 224: »Das Gerede, das jeder aufraffen
kann, entbindet nicht nur von der Aufgabe echten Verstehens, sondern bildet
eine indifferente Verständlichkeit aus, der nichts mehr verschlossen ist.«
20 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 224.
21 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 224–225.
22 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 228–229: »Die freigewordene Umsicht
[…] tendiert aus dem nächst Zuhandenen weg in die ferne und fremde Welt.
Die Sorge wird zum Besorgen der Möglichkeiten, ausruhend verweilend die
›Welt‹ nur in ihrem Aussehen zu sehen. […] Das Dasein läßt sich einzig vom
Aussehen der Welt mitnehmen, eine Seinsart, in der es besorgt, seiner selbst
216 Martina Philippi

Charakteristika sind das »Unverweilen« bei einem Gegenstand, die


»Zerstreuung«, die sie dem Dasein bietet, und ihre »Aufenthaltslo­
sigkeit«, denn in ihrem unspezifischen Blick auf alles Mögliche ist
sie »überall und nirgends«.23 Im Ganzen zeigt sich hier eine »neue
Seinsart des alltäglichen Daseins, in der es sich ständig entwurzelt«.
Diese Eigenschaft teilt sie nicht nur mit dem Gerede, sondern sie
beide stehen in einer passgenauen Wechselbeziehung: »Das Gerede
regiert auch die Wege der Neugier, es sagt, was man gelesen und ge­
sehen haben muß. […] Diese beiden alltäglichen Seinsmodi der Rede
und der Sicht sind in ihrer Entwurzelungstendenz nicht lediglich ne­
beneinander vorhanden, sondern eine Weise zu sein reißt die andere
mit sich.« Und diese wirkt wiederum verstellend auf das Dasein zu­
rück: »Die Neugier, der nichts verschlossen, das Gerede, dem nichts
unverstanden bleibt, geben sich, das heißt dem so seienden Dasein,
die Bürgschaft eines vermeintlich echten ›lebendigen Lebens‹.«24
In diesem vermeintlich echten Leben und Verstehen diagnosti­
ziert Heid­eg­ger die zweifach charakterisierte »Zweideutigkeit«: Sie
vereint die Ununterscheidbarkeit zwischen wirklich Verstandenem
und Dahergeredetem, zwischen echtem Interesse und bloßer Neu­
gierde mit einer eigentümlichen Immunisierung des Unhinterfrag­
ten – als würde sich das Selbstverständliche dagegen wehren, in
Frage gestellt zu werden und seine Autorität zu verlieren.25 Dies
geschieht einerseits durch die Diskrepanz in der Dauer von ober­
flächlichem »Nachreden« und ernsthafter »Zueignung« eines The­
mas26 – wenn das ernsthafte Interesse eine Sache wirklich ergründet
hat, wird das Ergebnis die »öffentliche Ausgelegtheit«27 nicht mehr
berühren, die sich dann bereits etwas anderem zugewandt hat. An­
dererseits sorgt ein »gespanntes, zweideutiges Aufeinander-aufpas­
sen, ein heimliches Sich-gegenseitig-abhören«28 für die Hemmung

als In-der-Welt-seins ledig zu werden, ledig des Seins beim nächst alltägli­
chen Zuhandenen.«
23 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 229.
24 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 229 –230.
25 Tatsächlich spricht Heid­eg­ger vom »autoritativen Charakter« des Geredes,
so in Sein und Zeit, GA 2, 224: »Das Geredete als solches zieht weitere Kreise
und übernimmt autoritativen Charakter. Die Sache ist so, weil man es sagt.«
26 Und der damit verbundenen, zeitintensiven Möglichkeit »echten Schei­
terns«, vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 224 und 231.
27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 235.
28 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 232.
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 217

persönlichen Engagements. Diese Art von Immunisierung findet


bereits in der Analyse des »Man« ihren Ausdruck: Das Aufeinan­
der-aufpassen drückt die sogenannte »Abständigkeit« aus, also das
Bemühen, sich vom anderen möglichst vorteilhaft abzuheben; sie
ist ebenso ein »existenzialer Charakter des Man« wie die »Durch­
schnittlichkeit«, die im »Man« als nicht greifbare, nivellierende Ori­
entierung wirkt: »Diese Durchschnittlichkeit in der Vorzeichnung
dessen, was gewagt werden kann und darf, wacht über jede sich vor­
drängende Ausnahme. Jeder Vorrang wird geräuschlos niedergehal­
ten. Alles Ursprüngliche ist über Nacht als längst bekannt geglättet.
Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft.
Die Sorge der Durchschnittlichkeit enthüllt wieder eine wesenhafte
Tendenz des Daseins, die wir die Einebnung aller Seinsmöglichkei­
ten nennen.«29
Abständigkeit, Einebnung und Durchschnittlichkeit machen also
jene Autorität aus, die Heid­eg­ger in Anlehnung an die Umgangs­
sprache »die Öffentlichkeit« nennt und die wiederum die zweideu­
tigen Züge des Geredes und der Neugier zeigt, denn sie »regelt zu­
nächst alle Welt- und Daseinsauslegung und behält in allem Recht.
Und das nicht auf Grund eines ausgezeichneten und primären Seins­
verhältnisses zu den ›Dingen‹, […] sondern auf Grund des Nichtein­
gehens ›auf die Sachen‹, weil sie unempfindlich ist gegen alle Unter­
schiede des Niveaus und der Echtheit. Die Öffentlichkeit verdunkelt
alles und gibt das so Verdeckte als das Bekannte und jedem Zu­
gängliche aus.« Dies verführt das Dasein zur Bequemlichkeit: Ers­
tens überträgt es die Verantwortung nicht nur für die unreflektier­
ten Meinungen, sondern auch für die Entscheidung, worum es sich
kümmert, an das »Man«, so dass es durch dieses eine »Seinsentlas­
tung« erfährt, was einem »Entgegenkommen« gleichkommt, »sofern
in diesem die Tendenz zum Leichtnehmen und Leichtmachen liegt«.
Hierin liegt das entscheidende Zusammenspiel der Einzelfaktoren,
denn »weil das Man mit der Seinsentlastung dem jeweiligen Dasein
ständig entgegenkommt, behält es und verfestigt es seine hartnäckige
Herrschaft.« Diese »hartnäckige Herrschaft« hält dabei nicht an den
Selbstverständlichkeiten selbst fest, sondern an ihrem wesentlichen
Merkmal: Ihrem Anspruch auf unhinterfragte Geltung.30

29 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 169.


30 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 170.
218 Martina Philippi

Heid­eg­ger interpretiert diese Phänomene des alltäglichen Lebens­


vollzuges in Hinblick auf »Verfallenheit« und »Eigentlichkeit«. Im
Modus der Eigentlichkeit vermag das Dasein seine Möglichkeiten
zu erkennen und zu ergreifen. Wenn es sich hingegen im Wech­
selspiel von Gerede und Neugier verliert, das heißt »an die Welt
verfällt«, ist ihm nicht einmal der Mangel bewusst. Erst durch den
Blick hinter die funktionierende Eigendynamik scheint vor ihm die
Möglichkeit auf, »sein Sein zu ergreifen«. Problematisch ist hierbei,
dass das Dasein nicht gleichsam von einer »falschen« auf die »rich­
tige« Seite wechseln kann. Über die Existenziale Sprache und Sorge
sind auch deren »abkünftige Modi« im Dasein verwurzelt, und zwar
in der zunächst und zumeist unreflektierten, praktisch bestimm­
ten Alltäglichkeit. Auch nachdem das Dasein sein fremdbestimm­
tes Denken und Verhalten bemerkt, die Zweideutigkeit durchschaut
hat, wird es sich nicht vollständig von der »Diktatur« des »Man«31
lösen können, welche das Miteinanderleben notwendig beherrscht
und organisiert. Dies liegt in der Natur der Rede und in der Auto­
rität des »Man«: Obgleich sie grundsätzlich reflektiert werden kann,
liegt die Weltauslegung des »Man« jedem weiteren Verständnis und
Tun zugrunde.
Da das »Man« selbst ein Existenzial ist, also eine notwendige
Eigen­schaft des Daseins,32 prägt seine »Ausgelegtheit« immer schon
die Weltsicht: »Es ist nicht so, daß je ein Dasein unberührt und un­
verführt durch diese Ausgelegtheit vor das freie Land einer ›Welt‹
an sich gestellt würde, um nur zu schauen, was ihm begegnet. […]
Das Man zeichnet die Befindlichkeit vor, es bestimmt, was man und
wie man ›sieht‹.« Anders gesagt: Das Dasein kann jene Sichtweise,
die wesentlich auf unreflektierten Vormeinungen basiert, nicht ab­
streifen. Diese bietet jedoch die Grundlage für jede tiefere Ausein­
andersetzung, denn »in ihr und aus ihr und gegen sie vollzieht sich
alles echte Verstehen […], Wiederentdecken und neu Zueignen.«33
Was Heid­eg­ger etwas unscharf mit »echt« kennzeichnet, zielt auf
den Modus der Eigentlichkeit ab.

31 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 169.


32 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 172: »Das Man ist ein Existenzial und
gehört als ursprüngliches Phänomen zur positiven Verfassung des Daseins.«
(Im Original gesperrt.)
33 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 225.
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 219

Die hauptsächlich negative Bestimmung der Eigentlichkeit wird


in der Sekundärliteratur häufig kritisiert: Wie das Dasein mit dem
Widerspruch zwischen seiner unüberwindbaren Verhaftung im
»Man« und seinem »eigentlichen Sein« leben soll, wird nur im Gro­
ben erläutert.34 Dies genügt jedoch für unsere Zwecke. Die Lö­
sung ist die Lebenseinstellung der Entschlossenheit. Nur wer die
Fragen, die seine Existenz betreffen, nicht verdrängt, sich nicht im
sprunghaften, oberflächlich-allgemeinen Interesse des »Man« zer­
streut, kann sich selbst entwerfen. Und allein dieser Entwurf hilft
dem Dasein, mit der Angst umzugehen, die das Bedürfnis nach
­Eigentlich­keit überhaupt motiviert: Die Angst vor dem Tod, also
jene Grundstimmung, in der sich das Dasein seiner Endlichkeit be­
wusst wird. Dies schließt den Kreis: Die Angst, die das Aufbrechen
der Selbstverständlichkeit im Dasein ermöglicht, kann nur durch die
Überwindung dieser indifferenten Lebenshaltung ertragen werden.
Wesentlich sind nun folgende Ergebnisse der Existenzialanalyse:
1. Selbstverständlichkeit ist die Basis jeder ersten Weltauslegung,
und dies nicht in einem abwertenden Sinn. Sowohl das »Man«
als auch die Phänomene des »Verfallens« sind wesenhafte Cha­
rakteristika des Daseins und somit unvermeidbar.
2. Problematisch wird dies erst, wo das Dasein den Vormeinungen
den Vorzug vor der eigenen Aneignung gibt, das heißt sie nicht
als Hilfskonstruktionen zur andernfalls unbewältigbaren Welt­
erschließung behandelt und dabei sein tieferes Interesse bewahrt.
Die willkommene Entlastung von Verantwortung (und Selbst­
reflexion) trägt dazu bei, dass die Selbstverständlichkeiten sich
selbst gegen Angriff immunisieren, dagegen, in Frage gestellt zu
werden.
3. Aufgrund ihrer wesenhaften Notwendigkeit sind die Phänomene
des Verfallens nur partiell überwindbar. Zur Überwindung des
Verfallens und des Sichverlierens im »Man« ist das Erkennen des­
sen nötig, was fatalerweise zumeist nicht reflektiert wird. Diese
Aufforderung gilt gleichermaßen für den Lebensvollzug, seine
phänomenologische Analyse und die Fundamentalontologie zur
Überwindung der unzulänglichen Tradition.

34 Luckner etwa beschreibt den Entschluss zum eigentlichen Dasein als


»Wahl ohne Alternativen« (Andreas Luckner: Wie es ist, selbst zu sein. Zum
Begriff der Eigentlichkeit, in: Thomas Rentsch, Martin Heid­eg­ger. Sein und
Zeit, Berlin 2001, S. 149 –169, hier 158).
220 Martina Philippi

Dieser dritte Punkt zeigt schließlich die Verbindung zwischen Exis­


tenzialanalyse und Fundamentalontologie, zwischen Lebensvollzug
und Wissenschaftspraxis bzw. Philosophie an. Dies leitet zum ab­
schließenden Vergleich über.

Vergleich und Ergebnis

Husserls Anspruch an die Phänomenologie ist die Begründung ei­


ner neuen Philosophie35 und einer Wissenschaft, die die alten Fehler
vermeidet, also die Tradition auf die Zulässigkeit ihrer Grundlagen
prüft. Die Phänomenologie sollte dies über die Untersuchung der
Phänomene leisten, also über die Analyse von Selbstverständlich­
keiten mitsamt den Bedingungen ihrer Geltung. Untersucht wer­
den dann zwei Typen von Selbstverständlichkeit mit zweierlei Ziel­
setzung. Diejenigen der Lebenswelt sind die zu untersuchenden
Phänomene, welche zugleich die Grundlage des Forschers bzw. der
Wissenschaft sind; dies zeigt die Verbindung zwischen Lebenswelt
und Wissenschaft an. Diejenigen der Wissenschaft gilt es um ihrer
Aufdeckung willen zu untersuchen, um sichere Erkenntnis zu garan­
tieren: apodiktische Gewissheit. Dabei ist eine besondere Trennung
zu beachten: Die von Husserl so genannten »natürlichen Wissen­
schaften« reflektieren sich nicht selbst, sondern bedürfen dazu der
Erkenntniskritik.
Heid­eg­gers Anspruch an die Phänomenologie ist die Revision der
Philosophie mit Hilfe einer Fundamentalontologie. Dabei wird die
neuformulierte Frage nach dem Sinn von Sein mittels der Existen­
zial­analyse bearbeitet. Somit richtet sich das Interesse auf die lebens­
weltlichen Selbstverständlichkeiten und auf deren Überwindung, die
nur im jeweils faktischen Lebensvollzug möglich ist und außerdem
das symptomatische Phänomen der Zweideutigkeit nie ganz auszu­
merzen vermag. Auch die Selbstverständlichkeiten der Wissenschaft
sind teilweise notwendig, und zwar hinsichtlich der »positiven Wis­
senschaften«, die, aus ihrem Themenbereich heraus konstituiert, ihre
Grundlagen nicht selbst reflektieren, damit aber umso mehr auf eine
ontologische Fundierung angewiesen sind.

35 Und zwar durchaus als philosophia perennis, nicht als eine weitere Schul­
richtung. Vgl. Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften, Husser­
liana VI, 6–8.
Phänomenologie als Kritik von Selbstverständlichkeit 221

An dieser Parallele zeigt sich die Bedingtheit der Opposition von


Wissenschaft und Lebenswelt, die durch Husserls Unterscheidung
zwischen »natürlicher Wissenschaft« und »Erkenntniskritik« zwar
relativiert wird, aber ein eigenes Themenfeld bleibt. Dies liegt nicht
nur am Erkenntnisstandpunkt, der in den »natürlichen« Wissen­
schaften (im Gegensatz zur Philosophie: ganz legitim) seine Voran­
nahmen nicht überprüft; besonders Heid­eg­ger stellt klar, dass Wis­
senschaft wie jede andere »Verhaltung« des Daseins vor allem eine
Praxis ist. So weist insbesondere Heid­eg­gers Konzeption eine Ver­
flechtung von Leben und Methode auf. Zwar verknüpft auch Hus­
serl Lebenswelt und Wissenschaft, insofern der Forscher in einer
Lebenswelt steht und diese zugleich primärer Gegenstand aller wis­
senschaftlichen Analyse ist; doch während dort Programmatik und
Durchführung der phänomenologischen Methode getrennt bleiben,
die Selbst-Thematisierung der Phänomenologie also über einen ex­
pliziten Rückbezug geschehen müsste, ist die Philosophie für Heid­
eg­ger über das Moment der Gestimmtheit völlig in den praktischen
Kontext des Daseins eingebunden.36
Beiden gemeinsam ist somit die Aufdeckung von Selbstverständ­
lichkeit als Ausweg aus dem festgefahrenen Gang der Wissenschaft;
doch ihre Entwürfe weisen zwei wesentliche Unterschiede auf:
1. Den Anspruch an Wissenschaft. Beide wollen die irreführenden
Selbstverständlichkeiten aufdecken; Husserl fordert jedoch darü­
ber hinaus Apodiktizität und den Primat der Theorie: »Wahrheit
ist wahrer Satz.«37 Gegen diese Auffassung wendet sich Heid­eg­
ger explizit: »Wissenschaft überhaupt kann als das Ganze eines
Begründungszusammenhanges wahrer Sätze bestimmt werden.
Diese Definition ist weder vollständig, noch trifft sie die Wissen­

36 Deutlicher wird dies zwei Jahre später in Die Grundbegriffe der Meta­
physik (1929/30). Die Vorlesung fragt nach der Möglichkeit einer Philoso­
phie, die ihre eigene wesenhafte Zweideutigkeit (als Lehrfach, Schuldiszip­
lin, Tradition, Wissensgebiet) überwindet, und stellt klar: Der Zugang zur
Philosophie kann nicht durch die Vermittlung von Wissen geschehen, son­
dern muss aus dem Dasein selbst heraus erfolgen. Der Weg, den er exemp­
larisch vorschlägt, führt über die Gestimmtheit der Langeweile, in der das
bislang unhinterfragte Vor-sich-Hinleben aufbricht und in ein entschlossenes,
echtes Fragen mündet. Vgl. Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der Metaphysik,
GA 29/30.
37 Husserl, Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie, Husserliana
XXIV, 74.
222 Martina Philippi

schaft in ihrem Sinn.«38 Auf Heid­eg­ger muss diese apophantische


Deutung der Wissenschaft wie eine unzulässige Reduktion eines
genuin menschlichen Vermögens wirken.
2. Die Akzeptanz von Voraussetzungen. Der wissenschaftsprak­
tische Umgang mit den aufgespürten Selbstverständlichkeiten
wirft schließlich die Frage auf, die sich Husserl und Heid­eg­ger im
Rahmen ihres jeweiligen Programms selbst stellen müssen: Wie
voraussetzungslos kann Phänomenologie überhaupt sein? Auch
hier liegt die Abweichung auf der Hand: Während Husserl sich
sogar in einer Radikalisierung des cartesianischen Programms
bemüht, auf die letzte Grundlage der Wissenschaft zurückzuge­
hen (und sich damit möglicherweise ein Selbstbezüglichkeitspro­
blem einhandelt, ist die »Erkenntniskritik« doch selbst ein theo­
retisches Konstrukt), zieht Heid­eg­ger die Grenze beim Dasein.
Was dieses an Weltauslegung mitbringt, dahinter kann auch die
Phäno­menologie nicht zurückgehen.

Bei beiden Autoren hat sich bestätigt: Das Programm der Phäno­
menologie wird durch die Aufdeckung von Selbstverständlichkeit
motiviert, wodurch sich die Verflechtung von Wissenschaft und le­
bensweltlicher Praxis zeigt. Entgegen der Forderung nach Voraus­
setzungslosigkeit und Wissenschaftlichkeit gibt es hier tatsächlich
eine Weichenstellung Heid­eg­gers: Zwar teilt er mit Husserl noch
den phänomenologischen Grundsatz »Zu den Sachen!«; doch sein
Programm steht dem husserlschen als eine hermeneutische Unter­
suchung des Menschen in seiner Welt und seinem praktischen
­Lebensvollzug gegenüber.

38 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 15–16.


Christos Hadjioannou
Befindlichkeit as retrieval of
Aristotelian διάθεσις
Heid­eg­ger reading Aristotle in the Marburg years

Introduction

A genealogical investigation into the Heid­eg­gerian notion of Befind­


lichkeit as defined in Sein und Zeit directs us back to Heid­eg­ger’s
Marburg lectures on Aristotle and Plato.1 In addition to the philo­
logical fact that the word Befindlichkeit first appears in Heid­eg­ger’s
work as a translation of the Aristotelian notion of διάθεσις (disposi­
tion)2, Heid­eg­ger himself makes certain suggestive hints as to such
a relation in his analysis of Befindlichkeit in Sein und Zeit, when
he names Aristotle as the first philosopher to have investigated the
πάθη (passions) in his Rhetoric.
Heid­eg­ger considered Aristotle’s Rhetoric to constitute »the first
systematic hermeneutic of the everydayness of Being-with-one-an­
other«3 and thus saw it as particularly relevant for grounding un­
derstanding within the affective life and its accompanying moods
which, on an ontological level, it had wrongly been separated from.
Heid­eg­ger complains that »[w]hat has escaped notice is that the ba­
sic ontological Interpretation of the affective life in general has been
able to make scarcely one forward step worthy of mention since

1 I would like to thank Tziovanis Gerogakis, Andreas Vrahimis, Timothy


Secret, Josh Hayes, Tanja Staehler and Christopher Merwin, for giving me
feedback concerning the material presented here.
2 Theodore Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s Being and Time, Berkeley
1993, 293.
3 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 138.
224 Christos Hadjioannou

Aristotle«.4 These remarks are clues for the conceptual genealogy


of Befindlichkeit in Heid­eg­ger’s own philosophy.
But these remarks are mere gestures that by themselves do not
suffice in proving a genuine philosophical relationship between
Heid­eg­ger’s and Aristotle’s understanding of affective life. The phil­
osophical correspondences must be explored: to what extent does
the structure and operation that Heid­eg­ger ascribes to Befindlichkeit
in its relation to Stimmung overlap with the operation he identi­
fies in Aristotle’s notion of comportment (ἕξις) and pathos (πάθος)?
According to my reading there is a certain, albeit complex form of
continuity.
A fully comprehensive comparison between Heid­eg­ger and Ar­
istotle on this topic would require more space5. However, the basis
of this encounter can only be set by exploring Heid­eg­ger’s under­
standing of the Aristotelian notion of disposition. The most fruitful
point of entry into Heid­eg­ger’s reading of Aristotle is through the
Marburg lectures: the lecture titled Grundbegriffe der aristotelis­
chen Philosophie6, delivered during the Summer semester of 1924,
and the lecture titled Platon: Sophistes7, delivered during the Winter
semester of 1924–25.
The following exposition proceeds by these steps: Heid­eg­ger, in
his account of Dasein’s practical comportment, argues that Aris­
totle in fact offers an existential account of disposition of his own. I
will then show how Heid­eg­ger raises the question of the similarity
between Dasein’s disposition and geometrical position and how in
that context, Heid­eg­ger dismisses the similarity by maintaining that
the former is existential whereas the latter is categorial. Particular

4 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 139.


5 A recent resurge of interest in this topic has afforded us with certain ex­
cellent articles that explore the relation between Heid­eg­ger and Aristotle on
this topic in more detail. For example: Josh Hayes, Being-affected: Heid­eg­ger,
Aristotle, and the pathology of truth, in: Daniel O. Dahlstrom (ed.), Inter­
preting Heid­eg­ger, Cambridge University Press 2011, 156–173. Lou Agosta,
Heid­eg­ger’s 1924 Clearing of the Affects Using Aristotle’s Rhetoric, Book
II, in: Philosophy Today (2010: Winter), 333–345. Josh Hayes, Deconstruc­
ting Dasein: Heid­eg­ger’s Earliest Interpretations of Aristotle’s De Anima, in:
The Review of Metaphysics 61/2 (2007), 263–293. Jussi Backman, Divine and
mortal motivation: On the movement of life in Aristotle and Heid­eg­ger, in:
Continental Philosophy Review 38 (2006), 241–261.
6 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18.
7 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19.
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 225

attention is paid to the notion of continuum (συνέχον) as it is found


in the structure of comportment. I shall firstly show how the funda­
mental relational structure of comportment is understood as contin­
uum, which is derived from Aristotle’s Physics. I shall then turn to
the notion of continuum operative in Heid­eg­ger’s account of Aris­
totelian geometry. A difference between the continuum involved in
geometrical structures and the continuum involved in praxis can be
identified. However, this difference will not be one that corresponds
to the difference between present-at-hand entities and Dasein’s ex­
istence, typical of Heidegger’s differentiation between categories and
existentials. Rather both senses of continuum will be found to per­
tain to beings that are present-at-hand. Geometrical continuum will
be found to refer to spatial relations and the practical continuum to
temporal relations, both articulated in terms of presence-at-hand.
This will discredit Heid­eg­ger’s previous differentiation between geo­
metrical position and Dasein’s disposition, since the structure of
continuum they share denotes being as present-at-hand.
Yet in Heid­eg­ger’s analysis, the Aristotelian continuum derived
from the Physics has the character of »betweenness«, a character­
istic also exhibited in the continuum that constitutes the structure
of Dasein’s comportment. Finally, I shall show how Heid­eg­ger’s
analysis of Befindlichkeit in Sein und Zeit retrieves certain charac­
teristics from Aristotle’s comportment whilst clearly rejecting oth­
ers, i. e. those which pertain to Aristotle’s conception of continuum
and containment (In-Sein). Ultimately, these are the categories that
remain attached to an understanding of the world qua natural pre­
sented-at-hand beings.

Disposition and comportment in Aristotle

Heid­eg­ger analyses Aristotelian comportment in his lecture Grund­


begriffe der aristotelischen Philosophie delivered during the Summer
semester of 1924. Heid­eg­ger’s account of disposition thus occurs in
the context of analyzing human comportment. The notions of dispo­
sition and comportment denote the same phenomenon, in a similar
manner to the way in which Heid­eg­ger’s Verfassung and Befind­
lich­keit denote the same phenomenon.8 However, they do retain a

8 According to my reading, the distinction between Befindlichkeit and


226 Christos Hadjioannou

technical difference also in Aristotle, even if they denote the same


kind of quality.9 Disposition is how comportment is grasped in the
moment of resolved, i. e. virtuous, praxis. As such, disposition is the
resolved moment of comportment. Heid­eg­ger analyses comport­
ment in relation to human praxis which Heid­eg­ger calls existence.10
In so far as the grasping is virtuous, it is accompanied by reso­
luteness (προαίρεσις). Resolute comportment is directed towards the
moment, the καιρὸς. Heid­eg­ger argues that resolute comportment
captures the particular being-there in Aristotle’s understanding of
Dasein. In Heid­eg­ger’s own words, resoluteness is a comportment
that shows being-there »more precisely in its particularity […] The
Being of human beings, human being as being-there is particular, at
the moment«.11 At that very moment comportment is grasped as dis­
position: in the moment of resolution the human being grasps its Be­
ing-there as disposition.12 In other words, in the authentic moment
of resolute grasping, comportment is grasped as disposition. Despite
the concrete particularity of the situation, the virtuous grasping of
the moment is meant to »seize the moment as a whole«.13 This means

Verfassung is hermeneutically precarious as both notions refer to the same


factical phenomenon. Yet, each grasps the phenomenon from a different
angle. The safest way to distinguish the two notions is by looking at how
Heideger employs them while keeping in mind the etymologies entailed in
each word. Verfassung refers to the aspect of the existential structure that
accounts for the possibility of falling, in so far as falling is a certain mo­
vement that presupposes a stratum. In this context, Heid­eg­ger’s question
contextualizes the very notion of Verfassung eloquently: »Welche Struktur
zeigt die ›Bewegtheit‹ des Verfallens?« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 177)
Verfassung accounts for the structure that allows Befindlichkeit to fall. In
Heid­eg­ger’s own words: »Die Befindlichkeit erschließt nicht nur das Dasein
in seiner Geworfenheit und Angewiesenheit auf die mit seinem Sein je schon
erschlossene Welt, sie ist selbst die existentiale Seinsart, in der es sich ständig
an die »Welt« ausliefert, sich von ihr angehen läßt derart, daß es ihm selbst in
gewisser Weise ausweicht. Die existenziale Verfassung dieses Ausweichens
wird am Phänomen des Verfallens deutlich werden« (Heid­eg­ger, Sein und
Zeit, GA 2, 139). According to my reading, the duality of Befindlichkeit and
Verfassung emulates the Aristotelian duality of ἕξις and διάθεσις , as Heid­eg­
ger interprets them.
9 Aristotle, Organon 8b.
10 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 176.
11 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 180.
12 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 175.
13 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 191.
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 227

that the moment is indeed concrete and particular, yet it also belongs
to and maintains a relation with a structural unity as the whole.
Heid­eg­ger further explains how for Aristotle disposition occu­
pies a particular position within the structural whole of the situation.
Disposition is a »middle« (μεσότης); it is an orientation that main­
tains the mean, in the sense of »middle position«. Heid­eg­ger defines
this middle position as that which we »apprehend as being-equal­
ly-far-away from the ends […,] that which is equally far removed
from both ends is addressed as μέσον of the matter itself«.14 Despite
the quasi-quantitative delimitation of disposition, Heid­eg­ger insists
that Aristotle acquires here an existential understanding of disposi­
tion that grasps the character of Dasein’s particularity (καθ᾽ἕκαστον).
Heid­eg­ger juxtaposes disposition with geometrical position, which
is also a grasping of the particular point of relational character em­
bedded into a structural whole. However geometrical position is
mathematically measurable and as such oriented towards grasping
the being of a thing, such as a line. In distinguishing the two, Heid­
eg­ger explains that for Aristotle disposition is a virtue and virtue is
neither a thing in its constitution nor does it have a thing as its ob­
ject. Insofar as Aristotle defines virtue as a middle-position, thinks
Heid­eg­ger, »one can determine the mean of a thing geometrically«.15
However, in so far as Aristotle is offering an interpretation of the be­
ing of Dasein, the matter is not one of pertaining to a thing (πρᾶγμα),
rather it is something that relates to us as it appears to us (πρὸς ἡμᾶς
γνωριμότερον), relative to our own being. In this context, Heid­eg­ger
warns against understanding virtue as normative ethics. Rather, vir­
tue signifies a »basic relation to the being-there of human beings«.16

Comportment as continuum

The analysis of disposition in Heid­eg­ger’s lectures takes place in


the context of the discussion of πάθος. What is of interest to Heid­
eg­ger is how pathos is a fundamental characteristic of beings that
have the capacity to move.17 In analysing the kinetic phenomenon

14 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 186.


15 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 186.
16 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 179.
17 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 168.
228 Christos Hadjioannou

of πάθος, Heid­eg­ger holds that its structure can only be understood


in relation to comportment, which characterizes the »manner and
mode in which we are in such a πάθος«.18 In a certain sense, comport­
ment supplies some sort of ontological »basis« for the experience
of change through pathos: »πάθος is a ›changing‹, and accordingly
a determinate ›coming to be …‹ out of an earlier situation, but not
a changing that would have its course set for itself. Rather, it is a
mode of finding-oneself [Befindlichkeit] in the world that, at the
same time, stands in a possible relation to ἕξις«.19
According to Heid­eg­ger’s interpretation, comportment provides
the »place« of human movement in which movement can be appro­
priated or »had« as a way of being. Heid­eg­ger shows how comport­
ment is the actuality (ἐνέργεια) of having (ἔχειν): ἕξις is the ἐνέργεια
of having and of what is had.20 Heid­eg­ger thus offers an analysis of
how Aristotle understands human comportment through an anal­
ysis of having. Even though »having« has several meanings for Ar­
istotle, Heid­eg­ger identifies a unified underlying meaning. Heid­
eg­ger articulates the unified meaning to indicate »beings with the
being-character of being after a definite being-possibility, or its ne­
gation, which, in the case of negation, is the same as that of holding
off something from being genuinely as it would like to be«.21 This
shows that the structure of comportment is not static and therefore
its relational character is kinetic. In explaining the character of this
kinetic relationality, Heid­eg­ger introduces the Aristotelian notion
of continuum. According to Heid­eg­ger, one of the meanings that
Aristotle ascribes to »having«, which is the actuality of comport­
ment, is that of »holding off« something from moving (κωλύειν).22
This »holding off« has the character of continuum, says Heid­eg­ger,
both in so far as it has the character of togetherness, as well as the
character of movement. But here lies the problem: Heid­eg­ger explic­
itly mentions that the notion of continuum is drawn from Aristot­
le’s Physics where the issue is how beings of nature move.23 Besides,

18 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 168.


19 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 171.
20 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 175.
21 Compare this with what Heid­eg­ger writes in Sein und Zeit: »Die Stim­
mung erschließt nicht in der Weise des Hinblickens auf die Geworfenheit,
sondern als An- und Abkehr« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 135).
22 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 173.
23 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 174.
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 229

one can readily confirm that continuum pertains to the movement


of physical objects present-at-hand from the examples quoted by
Heidegger to illustrate »having« in the sense of »holding off«: the
example of Atlas holding the vault of heaven not letting it fall and the
example of pillars holding weights.24 It is evident that even though
the context of discussion pertains to Dasein’s affective life, the para­
digm of movement used pertains to natural objects present-at-hand.
In addition, Heid­eg­ger also points to the fact that the actuality of
»having« is also characterized as an »in-between«, a characteristic
of continuum that is attached to Heid­eg­ger’s analysis of continuum
as it is developed in Aristotle’s Physics.
Further to that, it is not only the notion of continuum that bears
the character of natural objects present-at-hand. Another character­
istic of the »having« of comportment supplied in those pages is that
of being a container (περιέχον) that has the character of »being-in«.25
The having of the container, the phenomenon of containing, is de­
fined by Aristotle as the same kind of having that the whole (ὅλον)
has of its parts (μέρη). To this extent, comportment is ascribed the
unity of the whole that has parts, in the same sense that a container
contains items inside it. Again the Aristotelian examples quoted by
Heidegger betray a world that consists of things present-at-hand:
the example of a basin containing water and the example of a ship
having sailors etc.26 Therefore, even though disposition qua mo­
ment, (i. e. in the sense of a part), which maintains a relation to the
whole is supposed to be a mode of being radically different from
a geometrical quantitative account that refers to human existence,
Aristotle’s notion of »container« fails to deliver such an existential
account. Because of Aristotle’s »contaminated« view of continuum
and containment, his understanding of comportment is grounded
within a conception of the world qua physical world. It makes up a
mode of being-in-the-world whose components make comportment
a category that betrays a world whose structural unity and whole­
ness is a »quantifiable sum«.27
Yet it is still important to see in more detail how continuum is
analysed in Heid­eg­ger’s lectures. In looking at that we will see that

24 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 174.


25 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 173.
26 Heid­eg­ger, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie, GA 18, 173.
27 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 81.
230 Christos Hadjioannou

Heid­eg­ger is right in arguing that Aristotle fastens onto the particu­


larity of sense-perception and admits the particularity given in it as
the first factual state of beings, as the continuum is itself grasped
from sense-perception. Heid­eg­ger shows how the moment, be it
disposition or geometrical position, is grounded in the immediacy
of sense-perception. In looking at Heid­eg­ger’s analysis of Aristotle’s
understanding of geometry, we will see that geometrical position has
a relational character, and as such it has the character of continuum.
In this context it is important to note that the continuous charac­
ter of position and disposition is precisely their relational character,
which is found to be of the same kind: continuous. In following this
path of analysis we will also uncover how continuum is explained in
Aristotle’s Physics, and how the characteristics of continuum identi­
fied there are also found in the continuum of comportment.

Geometry and continuum: back to sense-perception

The structure of the Aristotelian geometrical position is taken up by


Heid­eg­ger in his lecture course titled Plato’s Sophist (GA 19) deliv­
ered during the Winter semester of 1924–25. The discussion of Ge­
ometry takes place as Heid­eg­ger tries to show how theory involves
a countermovement against the immediacy of that which is given
in sense-perception (αἴσθησις), that which is given in the particular
(καθ’ἕκαστον), even though indeed it does take sense-perception as
its point of departure.28 Aristotle grounds the grasp of geometrical
position to sense perception. Geometrical structures are grasped in
mere sense-perception.29 Geometrical objects, such as the triangle,
maintain more kinship to the structure grasped by sense-percep­
tion, in comparison to arithmetic, in that they possess a continuous
structure: »This peculiar structure of the αἰσθητὸν is preserved in the
geometrical, insofar as the geometrical, too, is continuous, συνεχὲς .
The point [the geometrical position, θέσις, C. H.] presents only the
ultimate and most extreme limit of the continuous«.30

28 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 98.


29 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 117.
30 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 112: »Diese eigentümliche Struktur
des αἰσθητὸν erhält sich noch im Geometrischen, sofern auch das Geometri­
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 231

Position therefore depends on the prior grasp of the continuum of


the whole object. The underlying assumption is that the geometrical
position is a moment that denotes relation, it is a relating per se. As
such, it is a moment within a totality, in the sense that it denotes the
limits of this totality in a way that does not constitute the position
as a self-subsistent entity, but rather essentially contains within its
being a relationship with other positions within the totality. That
which lies in-between the positions themselves has the character of
continuum. The character of the whole, as well as the mode of rela­
tion between its moments, its positions, has the fundamental char­
acter of continuum. It is in reference to this mode of relation that
the Aristotelian categories of position and disposition acquire their
relational character. Heid­eg­ger, in that very analysis, again points
at the similarity between position, disposition and comportment:
»Θέσις has the same character as ἕξις, διάθεσις. Ἕξις = to find oneself
in a definite situation [sich befinden in einer bestimmten Lage], to
have something in oneself, to retain, and in retaining to be directed
toward something. Θέσις= orientation, situation; It has the character
of being oriented toward something. ἔστι δὲ καὶ τὰ τοιαῦτα τῶν πρός
τι οἷον ἕξις, διάθεσις, … θέσις (Cat. 7, 6b2  f.)«.31 However, despite
the categorical closeness between position and disposition, in that
both are modalities of continuum, there persists a differentiation
among the two that Heid­eg­ger identifies: sense-perception involved
in grasping geometrical structures in their wholeness differs from
sense-perception that grasps the practical situation in its wholeness.
As such, in so far as disposition belongs to praxis, its continuum
must be grasped differently.
In praxis, writes Heid­eg­ger, sense-perception maintains its practi­
cal character as its grasp is characterized as circumspection, whereas
in geometrical sense-perception it is a matter of pure onlooking,
a sheer inspection.32 As such, circumspection grasps the concrete
and temporally momentary in its practicality,33 whereas inspection
grasps that which is eternal in the sense of autonomous and unmove­
able (ἀκίνητον). We can imagine Heid­eg­ger finding in Aristotle two

sche stetig, συνεχὲς , ist. Der Punkt stellt nur die letzte und äußerste Grenze
dieses Stetigen dar.«
31 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 104.
32 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 163.
33 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 163.
232 Christos Hadjioannou

different ways of grasping the continuum, one pertaining to geomet­


rical sense-perception and the other to practical sense-perception;
the first supplying the understanding of the moment qua an entity’s
position, the latter qua Dasein’s disposition. However, we are not
given different accounts of continuum by Aristotle in these two re­
spects; the only distinction we have is a continuum that accounts for
time and another for space but ultimately the notion of continuum
is derived from the Physics.
Heid­eg­ger shows in greater detail how Aristotle acquires the no­
tion of continuum in the Physics. Ultimately, continuum is meant
to explain the phenomenon of co-presence, the phenomenon of
»being with and being related to one another«.34 Continuum is
determined as a mode of connectedness between things whereby
»the limit of the one that touches the other is one and the same
limit«.35 One example of continuum given in that context is when
the limits of a house are identical to the limits of another house:
continuum means that there is nothing in-between the two related
objects. Furthermore, continuum is identified as the »in-between«
itself (μεταξύ).36 Heid­eg­ger illustrates this definition of continuum
by reciting Aristotle’s example of a boat moving up stream, the
stream being the »in-between«, the medium through which mo­
tion takes place.37 »Betweenness« is the way Aristotle understands
changing being (μεταβάλλον). In Heid­eg­ger’s own words: »This ba­
sic phenomenon is the ontological condition for the possibility of
something like extension, μέγεθος: site and orientation are such
that from one point there can be a continuous progression to the
others; only in this way is motion understandable«.38 Ultimately
the character of continuum extends to characterize both time and
place (χρόνος and τό πος).39
We have thus seen how Heid­eg­ger moves into a treatment of
Aristotle’s notion of continuum through his analysis of geometrical
position and its relation to sense-perception. We have also seen how
Heid­eg­ger distinguishes between the grasp of practical sense-per­

34 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 113: »Seins mit oder zu einem an­
deren«.
35 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 115.
36 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 113.
37 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 114.
38 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 119.
39 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 119.
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 233

ception and geometrical sense-perception. In so far as disposition is


a moment of practical life, we would anticipate that Aristotle would
have supplied a notion of continuum appropriate to Dasein’s affec­
tive life. However, continuum, as Heid­eg­ger shows, is a category
that emerges out of the Physics and indicates the mode of connect­
edness between physical entities that move. The basic distinction
between the continuum involved in geometrical position and dis­
position seems to correspond to the distinction between the kind
of continuum involved in spatial relations that are devoid of move­
ment and the kind of continuum involved in temporal relations
that have movement. In this context we may even discern in Heid­
eg­ger’s reading a certain hierarchy between spatial continuum and
temporal continuum, in the sense that in so far as the very notion
of continuum occurs in order to explain kinesis of natural objects,
the continuum involved in geometry is derivative. In summation,
the distinction that Heid­eg­ger seems to find in Aristotle between
the continuum involved in disposition and that of geometrical po­
sition is not one that sustains the distinction between the mode of
being of Dasein and the mode of being of an entity present-at-hand.
Both notions of continuum refer to relations between objects pres­
ence-at-hand.40

40 Even though Heid­eg­ger does not offer a systematic grounding of quan­


tified space and time to a particular mode of manifestation of Nature, in
his lectures on Aristotle, he does it in Sein und Zeit. For example: »Das
klassische Beispiel für die geschichtliche Entwicklung einer Wissenschaft,
zugleich aber auch für die ontologische Genesis, ist die Entstehung der ma­
thematischen Physik. Das Entscheidende für ihre Ausbildung liegt weder in
der höheren Schätzung der Beobachtung der ›Tatsachen‹, noch in der ›Aus­
wendung‹ von Mathematik in der Bestimmung der Naturvorgänge – son­
dern im mathematischen Entwurf der Natur selbst. Dieser Entwurf entdeckt
vorgängig ein ständig Vorhandenes (Materie) und öffnet den Horizont für
den leitenden Hinblick auf seine quantitativ bestimmbaren konstitutiven
Momente (Bewegung, Kraft, Ort und Zeit)« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2,
362). He also makes explicit the connection between nature as present-at-
hand and continuum: »Man sieht die Stetigkeit der Zeit im Horizont eines
unauflösbaren Vorhandenen« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 423). Further
on, he explicitly refers to Aristotle: »Die erste überlieferte, thematisch aus­
führliche Auslegung des vulgären Zeitverständnisses findet sich in der ›Phy­
sik‹ des Aristoteles, das heißt im Zusammenhang einer Ontologie der Natur.
›Zeit‹ steht mit ›Ort‹ und ›Bewegung‹ zusammen«. (Heid­eg­ger, Sein und Zeit,
GA 2, 428)
234 Christos Hadjioannou

Concluding remarks

Heid­eg­ger found in Aristotle a radicality with respect to grounding


being-in-the-world to the particular that shows up in sense-per­
ception. In this context, Aristotle’s understanding of comportment
and disposition does emerge out of a commitment to the priority
of sense-perception. Heid­eg­ger juxtaposes disposition to geometri­
cal position, arguing that the former belongs to that which pertains
to Dasein’s particular way of Being and as such should not be un­
derstood quantitatively, whereas the latter belongs to mere things.
However, a more careful look at Heidegger’s analyses of Aristotle
reveals that Aristotle fails to offer an account of the structure of
comportment that is actually derived from Dasein’s particular mode
of being. Rather, the structural character of continuum is in fact un­
derstood in a similar way to how it operates in geometrical structure,
as both are derived from Aristotle’s Physics.
Whilst Heid­eg­ger does not explicitly point to these shortcomings
in his analysis of comportment and disposition, it is discernible from
his account of continuum, as it takes place in his brief analysis of
geometry, as well as from Heid­eg­ger’s own account of Befindlich­
keit and the characteristics he ascribes to it in Sein und Zeit. In his
analysis of geometry and continuum, an analysis that came after his
analysis of comportment, Heid­eg­ger tacitly says that Aristotle did
not fully develop an existential analytic. Writes Heid­eg­ger: »One
must fasten onto precisely the καθ’ἕκαστον of αἴσθησις and admit it
as the first factual state of beings. Even Aristotle was successful here
only within certain limits, and in spite of his tendency to radicality
he did not press on into the ultimate originality of the Being of the
world. There is a possible interpretation which even endeavours to
see beings of the world detached from the Greek concept of Being.
That, however, will not happen in these lectures«.41 This diagnosis
fits perfectly Aristotle’s analysis of comportment. Whilst Heid­eg­
ger does not explicitly say this, it seems to be for this reason that in

41 Heid­eg­ger, Platon: Sophistes, GA 19, 85–86: »Das ist auch dem Aristote­
les nur in gewissen Grenzen gelungen, so daß er trotz der radikalen Tendenz
nicht zur letzten Ursprünglichkeit des Seins der Welt gedrungen ist. Es ist
eine Interpretation möglich, die selbst versucht, das Seiende der Welt, ab­
gelöst vom griechischen Seinsbegriff, zu sehen. Das soll aber nicht hier im
Kolleg geschehen«.
›Befindlichkeit‹ as retrieval of Aristotelian διάθεσις 235

his analysis of Befindlichkeit in Sein und Zeit he retrieves the basic


operational character that he identifies in Aristotelian comportment.
However, simultaneously, he explicitly criticizes certain characteris­
tics of Aristotelian comportment, in particular the ones pertaining
to beings that are present-at-hand, characteristics that refer to the
structure of continuum as Aristotle derived it in his Physics: Thus in
his own account of Befindlichkeit, Heid­eg­ger will retrieve the char­
acter of being-there as »Being-In« (the World), as well as the char­
acter of »turning towards or turn away« (An- und Abkehr) from
mood.42 These are also characteristics in Aristotle’s notion of com­
portment. However, when Heid­eg­ger addresses the »insideness« of
Befindlichkeit he makes the following remarks: »In which direction
must we look, if we are to characterize Being-in, as such, phenome­
nally? […] Being-in is distinct from the present-at-hand insideness
of something present-at-hand ›in‹ something else that is present-
at-hand; Being-in is rather an essential kind of Being of this entity
itself. But in that case, what else is presented with this phenomenon
than the commercium which is present-at-hand between a subject-
present-at-hand and an Object present-at-hand? Such an interpre­
tation would come closer to the phenomenal content if we were to
say that Dasein is the Being of this ›between‹. Yet to take our ori­
entation from this ›between‹ would still be misleading«.43 Here lies
Heid­eg­ger’s criticism of Aristotle’s conception of comportment and
disposition, since the notion of »in-between« implies the character
of continuum, and the »insideness« that Heid­eg­ger criticizes here is
the insideness involved in Aristotle’s notion of container.

42 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 135.


43 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 132: »Was anderes stellt sich aber Dann
mit diesem Phänomen dar als das vorhandene commercium zwischen einem
vorhandenen Subjekt und einem vorhandenen Objekt? Diese Auslegung
käme dem phänomenalen Bestand schon näher, wenn sie sagte: das Dasein
ist das Sein dieses ›Zwischen‹. Irreführend bliebe die Orientierung an dem
›Zwischen‹ trotzdem«.
Claudia Serban
La phénoménologie de la conscience
comme fuite devant le Dasein :
l’interprétation heideggérienne de Husserl
à Marbourg en 1923–1924

Le premier enseignement fribourgeois de Heid­eg­ger culmine avec


le cours de l’été 1923, Ontologie (Hermeneutik der Faktizität), qui
résume de façon exemplaire les acquis de l’herméneutique de la vie
facticielle mise en place par Heid­eg­ger au début des années vingt.
Dès son arrivée à Marbourg, pendant le semestre d’hiver 1923–1924
(au moment où, à Fribourg, Husserl prononce son cours monumen­
tal Philosophie première), Heid­eg­ger s’adonne à un examen critique
de la méthode phénoménologique à la lumière de sa nouvelle phéno­
ménologie herméneutique. Cette critique, dont la principale cible est
incontestablement Husserl, fournit un des fils conducteurs1 les plus
féconds pour explorer son enseignement marbourgeois. Elle est en
même temps contemporaine de la transition d’une herméneutique de
la vie facticielle à une analytique du Dasein, dans une ontologisation
de plus en plus prononcée de l’herméneutique.
Les cours marbourgeois où Heid­eg­ger poursuit son débat avec
Husserl ont été commentés le plus souvent dans une perspective gé­
nétique2, c’est-à-dire, eu égard à l’éclairage qu’ils permettent d’ap­
porter sur Sein und Zeit et aux anticipations et compléments de

1 Comme le note Franco Volpi : « Heid­eg­ger hat in Marburg mindestens


drei grosse Konfrontationen durchgeführt: mit Husserl, mit Aristoteles und
[…] mit Kant », Franco Volpi, Heid­eg­ger in Marburg : die Auseinanderset­
zung mit Husserl, in : Philosophischer Literaturanzeige, 37/1 (1984), 48–69.
2 Le commentaire de référence est bien sûr celui de Theodore Kisiel, The
Genesis of Heid­eg­ger’s Being and Time, Berkeley / Los Angeles 1993.
238 Claudia Serban

l’opus magnum qui y sont présents. Ils restent en revanche assez peu
étudiés pour eux-mêmes3, comme le sont par exemple les premiers
cours de Fribourg, sur lesquels il existe déjà de nombreux ouvrages.4
Notre intention dans la présente contribution est de proposer une
lecture du premier de ces cours, non pas sous l’angle rétrospectif des
préfigurations de Sein und Zeit qui peuvent y être décelées, mais
dans la continuité et à la lumière de l’herméneutique de la facticité.
C’est la conquête de la vie facticielle qui motive et sous-tend, telle est
notre conviction, les principales objections que Heid­eg­ger adresse à
la phénoménologie de Husserl en arrivant à Marbourg : sa critique
de la conscience transcendantale comme de l’intentionnalité, de la
réduction comme de la réflexion, ou encore de l’eidétique. Nous
qualifierons les critiques que Heid­eg­ger adresse à la phénoménologie
de critiques immanentes dans la mesure où il entend, non pas dépas­
ser la phénoménologie ou en sortir, mais rendre véritablement phé­
noménologique ce qui, dans la phénoménologie husserlienne, reste
non phénoménologique. Ce qui est donc en question, ce n’est rien
de moins qu’une radicalisation de la phénoménologie dans le sillage
de l’herméneutique de la vie facticielle, sous la forme d’une phéno­
ménologie herméneutique qui se présente comme une alternative
à la phénoménologie transcendantale et eidétique de Husserl. En
même temps, cette vaste entreprise dont nous trouvons les prin­
cipaux jalons dans les cours du semestre d’hiver 1923/24 et des se­
mestres d’été 1925 et 1927, agit en retour sur l’herméneutique de la
vie facticielle qui évolue et se radicalise à son tour en une analytique

3 Quelques exceptions notables : l’ouvrage polémique de Robert Brisart, La


phénoménologie de Marbourg, ou la résurgence métaphysique chez Heid­
eg­ger à l’époque de Sein und Zeit, Bruxelles 1991 ; l’étude de Walter Biemel,
Heid­eg­gers Stellung zur Phänomenologie aus der Marburger Zeit, in: Hus­
serl, Scheler, Heid­eg­ger in der Sicht neuer Quellen, Munich 1978, 141–223 ;
les articles de Franco Volpi: Heid­eg­ger in Marburg: die Auseinandersetzung
mit Husserl (cité plus haut) et Heid­eg­ger in Marburg: die Auseinanderset­
zung mit Aristoteles, Philosophischer Literaturanzeige, 37/2 (1984), 172–188.
4 Mentionnons seulement, à titre d’exemple, l’ouvrage de Georg Imdahl,
Das Leben verstehen. Heid­eg­gers formal anzeigende Hermeneutik in den
frühen Freiburger Vorlesungen, Würzburg 1997, et celui, plus récent, de
Francisco de Lara, Phänomenologie der Möglichkeit. Grundzüge der Philo­
sophie Heid­eg­gers 1919 –1923 Munich 2008. En langue française, voir surtout
Jean Greisch, L’arbre de la vie et l’arbre du savoir. Le chemin herméneutique
de la phénoménologie heideggérienne (1919 –1923), Paris 2000.
L’interprétation heideggérienne de Husserl 239

de l’existence, en donnant de plus en plus de poids à la question de


l’être (Seinsfrage).

Nous nous concentrerons dans ce qui suit sur le premier cours mar­
bourgeois de Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische
Forschung5, qui a incontestablement le statut d’un cours charnière6
entre l’herméneutique de la facticité de Fribourg et l’analytique du
Dasein. La première partie de ce cours traite du phénomène et du
logos selon Aristote et Husserl, et le premier chapitre est consacré à
une clarification du concept de phénoménologie à partir d’Aristote.
Dès le début, Heid­eg­ger présente donc le visage de la phénoméno­
logie comme double : aristotélicien et husserlien. Il souligne ainsi
encore une fois que ce dont il est question pour lui, ce n’est pas la
phénoménologie comme école ou courant philosophique, mais la
phénoménologie comme possibilité7 qui ne s’épuise pas dans ses

5 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17.


Ce cours n’a pas encore été traduit en français ; toutes les traductions que
nous en donnons dans le corps du texte sont de notre propre main. Notons
aussi qu’il a été beaucoup moins souvent commenté que les Prolégomènes
à l’histoire du concept de temps de 1925, les Grundprobleme der Phänome­
nologie de 1927 ou les Metaphysische Anfangsgründe der Logik de 1928,
que nous citerons aussi à l’appui de notre lecture. Kisiel, par exemple, sem­
ble dès le départ minimiser l’importance du premier cours marbourgeois de
Heid­eg­ger en ne lui consacrant que cinq pages (où il est davantage question
d’Aristote que de Husserl) de son ouvrage monumental et en considérant que,
de toute façon, un reprise plus ample et plus consistante en est faite en 1925
(Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s Being and Time, 276–281, 276). À titre
d’exception, on mentionne le commentaire, très réduit pourtant, de Fried­
rich-Wilhelm von Hermann (« Husserl-Heid­eg­ger und die Sachen selbst »,
in: Hermeneutik und Reflexion, Francfort, 2000, 99 –115).
6 Voir aussi Hans-Helmuth Gander, Phänomenologie im Übergang. Zu
Heid­eg­gers Auseinandersetzung mit Husserl, in Heid­eg­ger und die An­
fänge seines Denkens, Heid­eg­ger-Jahrbuch 1 (2004), 294–306, qui reconnaît
l’importance particulière de ce cours.
7 C’est là un motif très souvent présent sous la plume de Heid­eg­ger dans
les années vingt, et qui culmine dans la célèbre déclaration de l’opus mag­
num : « Höher als die Wirklichkeit steht die Möglichkeit. Das Verständnis
der Phänomenologie liegt einzig im Ergreifen ihrer als Möglichkeit » (Mar­
tin Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 52). Dans le cours de 1923–24 aussi, il
est question de saisir et développer la phénoménologie en tant que possibi­
lité (« die Phänomenologie als Möglichkeit zu verstehen und auszubilden »,
Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 263,
souligné par l’auteur). La saisie de la phénoménologie comme possibilité est
240 Claudia Serban

r­ éalisations historiques. La critique que Heid­eg­ger adresse à Husserl


en revenant à Aristote se veut ainsi une exploration plus rigoureuse
du possible de la phénoménologie, ou une réalisation plus conforme
à son essence. À la philosophie grecque, dans son moment aristo­
télicien, Heid­eg­ger attribue le mérite phénoménologique de poser
au centre de son champ thématique l’être du monde et de l’être de
la vie8, de traiter donc de ce qui apparaît premièrement ou qui se
montre d’abord. Par rapport à ces centres d’intérêt qui suffisent à
donner une dignité phénoménologique à l’entreprise aristotélicienne,
la phénoménologie de Husserl illustre une position bien différente9 :
elle prend pour son thème privilégié, à l’instar de toute une tradition
moderne, la conscience.
À partir du constat de ce renversement thématique produit entre
Aristote et Husserl, la critique de Heid­eg­ger prend la direction d’une
mise en question de la détermination husserlienne de la phénomé­
nologie comme « science descriptive et eidétique de la conscience
transcendantale pure ».10 Dans cette caractérisation de la phénomé­
nologie, à chaque mot revient un poids important. Nous aurons
l’occasion d’y revenir. Pour l’instant, regardons de plus près ce qui
est désigné ici sous le terme de conscience : il s’agit de la « sphère
globale des vécus (Gesamtsphäre von Erlebnissen) », de la « région
de certains processus, qui ont le caractère du vécu (eine Region von
bestimmten Vorkommnissen, die den Charakter von Erlebnissen
haben) ».11 L’accès à cette sphère est fourni par la perception interne,
ce qui fait que la conscience elle-même prend le sens de « la percep­
tion interne comme percevoir de ce qui est immanent (Bewusstsein
im Sinne der inneren Wahrnehmung als Wahrnehmen des Imma­
nenten) ».12 Nous le comprenons déjà, la conversion thématique de la

certes à mettre en rapport avec la caractérisation du Dasein lui-même comme


un être du possible, comme Möglichsein.
8 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 56.
9 Heid­ eg­ger parle plus précisément d’un « Umschlag des thematischen
Feldes vom Seienden als Welt zum Seiendes des Bewusstsein » (Heid­eg­ger,
Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 49, souligné par
l’auteur).
10 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 47.
11 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 55.
12 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 55.
La phénoménologie de la conscience est indissolublement une phénoménolo­
gie de la réflexion, car avec le privilège de la perception interne comme mode
d’accès à la sphère de la conscience vient aussi celui de la réflexion. Dans le
L’interprétation heideggérienne de Husserl 241

phénoménologie entérinée par Husserl a son centre de gravité dans


ce privilège que gagne le plan d’immanence (et, avec lui, une certaine
représentation de la subjectivité comme intériorité13) au détriment
de l’horizon du monde, et dans cette inscription du vécu dans l’im­
manence à la place de son appréhension à partir de la vie qui le sous-
tend et qui est toujours vie dans un monde.14 Tout le contraste entre
une herméneutique de la vie facticielle comme être (dans) un monde
et une phénoménologie de la conscience transcendantale éclate ainsi
au grand jour.
En même temps, le trait essentiel de la phénoménologie husser­
lienne ne consiste pas, aux yeux de Heid­eg­ger, dans cette élévation
de la conscience au rang d’objet éminent de la phénoménologie, mais
dans le souci spécifique qui est à l’origine de ce geste. Dans le cours
de 1923–24, la force principale de l’interprétation heideggérienne ré­
side précisément dans cette reconduction des décisions thématiques
de Husserl à ce qui apparaît comme leur motivation profonde, à par­
tir de la considération de plus en plus centrale du souci (Sorge). Dans
cette perspective, le privilège de la conscience n’est que le symptôme
le plus éloquent d’un certain souci de la connaissance absolue. C’est
cette Sorge um die erkannte Erkenntnis15 (ou encore, um eine be­

cours de 1923–24, la réflexion est resaisie comme tendance du Dasein à la dis­


torsion (Verdrehung) : « Grundphänomen der Verdrehung, ein Grundphäno­
men, das längst als Reflexion bestimmt wurde » (Martin Heid­eg­ger, Einfüh­
rung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 288). L’accès au Dasein
se passe en revanche en dehors de toute réflexion : « Das Selbst ist dem Da­
sein ihm selbst da, ohne Reflexion und ohne innere Wahrnehmung, vor aller
Reflexion » (Martin Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie,
GA 24, 226). Voir aussi Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische
Forschung, GA 17, 287: « Wo die Reflexion fehlt, zeigt sich das Phänomen
in seinem eigensten Sinne ».
13 En 1928, Heid­ eg­ger parle d’une « Kapsel-Vorstellung des Subjekts »
qui suppose l’existence d’une limite (et la problématicité du passage) entre
l’intérieur et l’extérieur (Martin Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe
der Logik, GA 26, 205). Après 1925, la critique qu’adresse Heid­eg­ger à cette
représentation se concentre dans un seul mot qui devient de plus en plus cen­
tral : Transzendenz.
14 Heid­eg­ger rappelle dans ce contexte la conquête, par l’herméneutique de
la vie facticielle, d’une détermination de la vie comme être dans un monde
(« das Leben als Sein in einer Welt », Heid­eg­ger, Einführung in die phäno­
menologische Forschung, GA 17, 44). Martin Heid­eg­ger, Ontologie, GA 63,
80: « Dasein (faktisches Leben) ist Sein in einer Welt » (souligné par l’auteur).
15 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 58.
242 Claudia Serban

stimmte absolute Erkenntnis16) qui représente un des mots d’ordre


de l’interprétation de Husserl dans le premier cours marbourgeois
de Heid­eg­ger. Ressaisie comme expression d’un certain souci, l’en­
treprise husserlienne est reconduite à ses ressorts au sein même de la
vie facticielle17, à laquelle elle tourne pourtant le dos dans ses choix
théoriques.
La restructuration significative du champ de la philosophie par
le positionnement de la conscience au centre de la recherche, loin
d’être un geste fidèle à ce qui apparaît et pur de tout intérêt et pré­
supposé, exprime donc le « souci d’assurer et de fonder une scienti­
ficité absolue (Sorge um Sicherung und Begründung einer absoluten
Wissesnchaftlichkeit) ».18 Cela exige, plus loin, une double purifica­
tion (Heid­eg­ger parle expressément de Reinigung19) de l’être naturel
de la conscience, selon les deux axes de la réduction phénoméno­
logique : transcendantal et eidétique. Le parti-pris transcendantal
de Husserl, tout d’abord, fait voir l’enjeu d’une de ses polémiques
les plus importantes : sa critique du naturalisme, qui s’érige avant
tout contre le danger d’une naturalisation de la conscience.20 Aux
antipodes d’une telle naturalisation, le point de vue transcendantal
implique au contraire l’évacuation de toute dimension de factualité
de la conscience.21 La question qui se pose est de savoir dans quelle
mesure cette mise hors jeu de la factualité que requiert la critique du
naturalisme et qu’implique aussi l’opération phénoménologique de
la réduction n’est pas, en même temps, une perte de la facticité, donc
de l’ancrage fondamental de tout vécu, de tout acte conscient dans la
vie. C’est un soupçon que tend à confirmer, d’ailleurs, le fait que la
critique husserlienne du naturalisme va de pair avec une critique sy­
métrique de l’historicisme, comme le souligne abondamment Heid­

16 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 43.


17 Heid­eg­ger, Ontologie, GA 63, 102: « Sorgen ist Sein-in-einer-Welt und
darf nicht als ein Akt im Bewusstsein gedeutet werden ».
18 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 72.
Voir aussi 80 –81.
19 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 50,
79, 80.
20 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 79 :
« Dieses Freisein von jeglicher Natursetzung bezeichnet Husserl als ‹ trans­
zendental › ».
21 « Das Bewusstsein ist seinem Sein nach keine Tatsächlichkeit » (Heid­eg­ger,
Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 79).
L’interprétation heideggérienne de Husserl 243

eg­ger en s’appuyant notamment sur l’article de 1910 –11, publié par


Husserl dans la revue Logos, Philosophie als strenge Wissenschaft22.
Or, facticité et historicité sont inséparables23 : faire l’économie de
l’historique, mettre à l’écart la considération de l’histoire, c’est renier
implicitement la facticité.
Si nous nous tournons maintenant vers la purification de la
con­science au moyen d’une réduction eidétique, elle exprime la
conviction que c’est à une connaissance d’essence que doit se prê­
ter la con­science, que c’est la vue eidétique (Wesenserschauung)24
qui est la plus apte à l’appréhender : « la saisie d’essence est le seul
mode de saisie de la conscience transcendantale ».25 L’eidétique ex­
prime donc la conséquence de la purification transcendantale de la
conscience sur le plan de la connaissance. Ce faisant, elle révèle le
modèle ou l’idéal épistémologique qui régit le projet d’une science
de la conscience transcendantale : c’est le modèle prescrit par ces ob­
jectités effectivement pures de toute factualité que sont les idéalités
mathématiques26 et logiques. La conscience est-elle pourtant une
idéalité, un pur eidos, afin de supporter une telle séparation sans
reste du fait et de l’essence ?27 Peut-on réellement envisager quelque
chose comme une « mathesis des vécus (Mathesis der Erlebnisse) »28,
comme semble le suggérer l’idée même d’une science eidétique de
la conscience ? Ne s’agit-il pas là plutôt du « plus fondamental des
malentendus » ?29

22 Edmund Husserl, Aufsätze und Vorträge (1911–1921), Hua XXV, éd. par
Thomas Nenon et Hans Rainer Sepp, Dordrecht 1987, 3–62.
23 Voir par exemple Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Re­
ligion, GA 60, 9: « Der Begriff « faktisch » […] wird nur vom Begriff des
« Historischen » her verständlich ».
24 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 70.
25 « Nur Wesenserfassung ist die Erfassungsart des transzendental reinen Be­
wusstseins » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung,
GA 17, 80).
26 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
83 : « Ohne weiteres wird als Prototyp mathematische Naturerkenntnis zur
Grundlage gemacht » (souligné par l’auteur).
27 Comme le souligne Jacques Taminiaux : « La réduction est eidétique
précisément en se fixant sur le quid, sur cette essentia au détriment de
l’existentia » (Jacques Taminiaux, D’une idée de la phénoménologie à l’autre,
in : Lectures de l’ontologie fondamentale, Grenoble 1995, 19 –88, 65).
28 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 274.
29 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 152.
244 Claudia Serban

À travers ces questions que suscite la critique husserlienne du na­


turalisme et de l’historicisme, le souci de la connaissance absolument
assurée, que Heid­eg­ger avait placé à l’origine de l’intérêt phénomé­
nologique pour la conscience, se dévoile comme étant l’expression
d’une omission (Versäumnis) plus profonde, ou d’une certaine oc­
cultation – celle, plus précisément, de l’existence humaine, dans sa
double dimension facticielle et historique. Il appert de cette manière
que le souci de la connaissance manifeste une déficience à soi du
souci, qu’il s’agit d’une defiziente Sorge30, dans la mesure où c’est
avant tout sur le Dasein propre, et non sur la connaissance, que le
souci est censé porter.31 Inversement, le souci d’une connaissance
assurée revient à se barrer le chemin vers le Dasein humain32, donc
à se détourner de soi. (Nous y reviendrons.)
Lorsque la mise entre parenthèses de la facticité et de l’histoire
dévoile ainsi ses implications profondes, se précise du même coup
le corollaire ou le revers du souci de la connaissance qui dirige le
projet phénoménologique husserlien dans son orientation vers une
scientificité assurée : derrière ce souci se cache, selon Heid­eg­ger, une
insigne fuite ou encore angoisse devant le Dasein (Flucht vor dem
Dasein, ou Angst vor dem Dasein). Ceci constitue sans doute la cri­
tique la plus révélatrice33 que Heid­eg­ger adresse à Husserl à son ar­
rivée à Marbourg, mobilisant les acquis de son herméneutique de la
vie facticielle34 : d’avoir édifié son projet autour d’un souci directeur

30 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 90.


31 Heid­eg­ger, Ontologie, GA 63, 102 : « Sorgen besorgt sich immer irgend­
wie selbst ».
32 « Die Sorge um erkannte Erkenntnis hat das menschliche Dasein als solchen
von der Möglichkeit des Begegnens ausgeschlossen » (Heid­eg­ger, Einführung
in die phänomenologische Forschung, GA 17, 93, souligné par l’auteur).
33 Cette critique a pourtant été, de façon curieuse, très peu accentuée par
l’exégèse. Ni Kisiel, ni von Hermann ne la mentionnent dans les ouvrages
que nous avons déjà cités. Quelques exceptions : Hans-Helmuth Gander,
Selbstverständnis und Lebenswelt. Grundzüge einer phänomenologischen
Hermeneutik im Ausgang von Husserl und Heid­eg­ger, Francfort 2001, 200;
Meike Siegfried, Husserls « Angst vor dem Dasein » und Heid­eg­gers « Angst
vor der Stimme », in: Heid­eg­ger und Husserl im Vergleich, éd. par Friederike
Rese, Francfort 2010, 169 –185, 172–173 en particulier. Greisch insiste, quant
à lui, sur la « nouvelle maxime phénoménologique » que formule Heid­eg­ger
en arrivant à Marbourg : « Libérer le Dasein ! » (Greisch, L’Arbre de vie et
l’Arbre du savoir, 312).
34 En 1921–1922, sans mentionner expressément Husserl, Heid­eg­ger dé­
nonçait déjà la fuite devant la facticité qui est le revers de la poursuite de
L’interprétation heideggérienne de Husserl 245

qui se ramène à un recul devant la question de l’existence.35 Avant de


reprocher à Husserl d’avoir négligé ou du moins mal posé la ques­
tion de l’être (au sujet de la conscience comme de l’intentionnalité),
Heid­eg­ger lui attribue ici une omission tout aussi considérable de la
question de l’existence ou du Dasein. Avec le souci d’une scientificité
absolue, c’est donc la fuite devant le Dasein qui définirait les ressorts
profonds des choix philosophiques de Husserl.
C’est aussi cette fuite ou angoisse qui explique la déficience carac­
téristique du souci pour la connaissance, car il s’agit d’un souci qui
fait abstraction de sa double concrétion, facticielle et historique, qui
lui revient pourtant inéluctablement dans la mesure où le Dasein qui
se soucie est lui-même facticiel et historique.36 Dans cette perspec­
tive, il est clair que le privilège de la conscience n’a pas pu être ga­
gné à partir du phénomène de l’existence humaine ou de la manière
dont cette existence s’apparaît à elle-même, mais qu’il revient plu­
tôt à manquer ce phénomène sous l’emprise d’un souci qui conduit
à s’en détourner. Plus loin encore, à l’origine37 du souci husserlien
d’une connaissance absolument assurée et de la double omission de
la facticité et de l’historicité corrélative d’un recul devant le Dasein38,

l’objectivité : « Die sichere Objektivität ist unsichere Flucht vor der Fakti­
zität, und sie verkennt sich selbst gerade darin, dass sie aufgrund der Flucht
die Objektivität zu steigern glaubt » (Heid­eg­ger, Phänomenologische Inter­
pretationen zu Aristoteles, GA 61, 90).
35 « Die Sorge um erkannte Erkenntnis ist nichts anders als die Angst vor
dem Dasein » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung,
GA 17, 97, souligné par l’auteur). Ou encore: « Die Sorge um erkannte Er­
kenntnis ist Flucht vor dem Dasein als solches » (Heid­eg­ger, Einführung in
die phänomenologische Forschung, GA 17, 111).
36 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
106–107.
37 « Wir müssen sehen, wo die heutige Herrschaft der Sorge des Erkennens
ihre Herkunft hat, welchen Ursprüngen gegenüber sie heute entwurzelt ist »
(Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 128,
souligné par l’auteur).
38 De façon assez virulente, Heid­eg­ger y voit aussi la raison de l’incapacité
foncière de la phénoménologie husserlienne à approcher adéquatement les
phénomènes de l’existence humaine et, avec eux, le domaine des sciences de
l’esprit: « Es ist kein Zufall, dass in der heutigen Phänomenologie dieselbe
Unmöglichkeit gegeben ist, gerade in dieser grundsätzlichen Unfähigkeit,
geisteswissenschaftliche Erkenntnis überhaupt zu verstehen. So mutet er ei­
nigermassen grotesk an, dass man heute innerhalb der Geisteswissenschaften
beschäftigt ist, mit der Phänomenologie sich selbst aufzuhelfen. Der Bo­
246 Claudia Serban

Heid­eg­ger identifie la persistance d’un idéal philosophique de scien­


tificité qui domine la modernité depuis Descartes39 : c’est donc le
cartésianisme de Husserl qui est, encore une fois, en cause pour ses
défaillances phénoménologiques et, en conséquence, c’est vers Des­
cartes que se tourne l’enquête de Heid­eg­ger dans la deuxième partie
du cours de 1923–24.
Le retour à Descartes a pour objectif de préciser l’être propre
du souci en vue d’une connaissance absolument assurée, souci dont
Husserl ne s’empare pas phénoménologiquement, mais qu’il hérite
d’une tradition laissée ininterrogée.40 Par contraste avec toute Sel­
bstverständlichkeit ou assomption dogmatique de l’idéal moderne
de scientificité, Heid­eg­ger met en place, à l’occasion de ce retour à
la tradition, l’arsenal méthodologique de la destruction. Celle-ci est
requise avant tout par l’être historique du Dasein, qui situe toute
compréhension de soi sur la toile de fond d’une certaine tradition.
C’est pourquoi l’enjeu de l’approche destructive, comme Heid­eg­
ger le souligne, ne tient pas dans une meilleure restitution du passé,
mais dans une libération de l’accès au présent, au Dasein présent.41
Le but reste donc de ménager une voie vers soi-même et vers la com­
préhension de soi, de contrecarrer la fuite devant l’existence et de

den für diese spezifische Tendenz der Geschichtsfeindlichkeit liegt hier bei
Descartes » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung,
GA 17, 213, souligné par l’auteur). Ou encore, plus loin: « die Orientierung
der heutigen Philosophie an dem Bewusstsein in grundsätzliche Unmöglich­
keiten hineingetrieben wird, in Unmöglichkeiten, solche Phänomene wie
Geist, Leben, die doch immer auf Bewusstsein abgestellt sind, fassen zu kön­
nen, sofern man an diese Phänomene mit bestimmten Kategorien herantritt »
(Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 247).
39 Pour la lecture heideggérienne de Descartes, nous renvoyons à l’étude
de Jean-Luc Marion, Heid­eg­ger and Descartes, in: Martin Heid­eg­ger. Criti­
cal Assessments, éd. par Christopher E. Macann, Londres / New York 1992,
tome II, 178–206, et à la contribution récente de Christophe Perrin, L’origine
et les fondements de la question cartésienne chez Heid­eg­ger, Studia phaeno­
menologica, X (2010), 333–357). L’orientation anticartésienne que prend, à
Fribourg déjà, la critique que Heid­eg­ger adresse à Husserl a été relevée par
Virginie Palette (Heid­eg­gers früher Durchbruch zur hermeneutischen Phä­
nomenologie als Kritik des ‹ cartesianischen Weges › in Husserls Ideen I, in:
Heid­eg­ger und Husserl im Vergleich, 152–168).
40 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 147.
41 « Kritisiert werden nicht Aristoteles oder Augustinus, sondern die Gegen­
wart » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
118, souligné par l’auteur).
L’interprétation heideggérienne de Husserl 247

produire, d’une certaine façon, le contre-mouvement de cette fuite


(c’est de cette question que surgira, à la même époque, la probléma­
tique de l’Eigentlichkeit).
Qu’est-ce qui barre le chemin vers le Dasein ? De façon signi­
ficative, Heid­eg­ger repère ici le même obstacle qui était à surmon­
ter, en 1919 –20, en direction d’une science originaire de la vie : le
« règne de la connaissance théorique (Herrschaft des theoretischen
Erkenntnis) »42, le primat inconditionné de la théorie. D’autre part,
à travers le prisme cartésien, le souci de la connaissance se précise
comme « souci de la certitude (Sorge der Gewissheit) ».43 Si, dans la
première partie du cours de 1923–24, Heid­eg­ger déplorait, non sans
une certaine virulence, la « primauté d’une idée vide et fantastique de
certitude et d’évidence (Vorherrschaft einer leeren und dabei phan­
tastischen Idee von Gewissheit und Evidenz) »44 – idée qui sera plus
loin ouvertement attribuée à Husserl45 –, il apparaît à présent que
c’est en creusant le sol cartésien de la modernité philosophique que
l’on trouvera la racine de cette idée.
L’origine historique du souci pour une connaissance absolument
assurée est pourtant aussi à prendre en son sens fort, selon lequel
l’histoire est, avant tout, une dimension constitutive de l’existence
humaine46 (ce qui suffit à frapper d’absurdité toute « hostilité en­
vers l’histoire (Geschichtsfeindlichkeit) »).47 Cela veut dire que la
véritable origine de ce souci n’est pas tant dans le passé : elle est tou­
jours présente, car elle n’exprime qu’une certaine manière d’être de
celui qui se soucie, du Dasein humain. Pour cette raison, la ques­
tion la plus importante est précisément de savoir « quelle sorte de
mode d’être est, dans le Dasein même, l’être-soucieux au sens du
connaître (was für eine Seinsweise im Dasein selbst das Sorgendsein

42 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 123.


Voir aussi Heid­eg­ger, Zur Bestimmung der Philosophie, GA 56/57, 87 : « Es
ist nicht nur der Naturalismus, wie man gemeint hat (Husserl, Logosaufsatz),
es ist die Generallherrschaft des Theoretischen, was die echte Problematik
verunstaltet ».
43 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 221.
44 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 43.
45 « Husserl hat seine ganze Arbeit der letzten Jahre darauf konzentriert,
die Idee der absoluten Evidenz aus ihr selbst zu rechtfertigen » (Heid­eg­ger,
Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 133, souligné par
l’auteur).
46 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 285.
47 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 213.
248 Claudia Serban

im Sinne des Erkennens ist) ».48 Comme l’herméneutique de la vie


facticielle l’a amplement montré dans son retour critique à Aristote,
le connaître exprime une « mobilité de l’existence (Bewegtheit des
Daseins) »49, et plus précisément une certaine aspiration au repos. Le
souci de la connaissance est ainsi à regarder comme « souci de l’apai­
sement (Sorge der Beruhigung) »50 et, par là, comme désir de se dé­
charger de l’inquiétude (Unruhe) originelle de l’existence.
Mais si le connaître lui-même ne prend tout son sens qu’à partir
du souci sous-jacent et dans l’horizon de l’existence dont il repré­
sente une certaine forme de mobilité, c’est la pertinence phénomé­
nologique d’une réduction du champ de la recherche à la conscience
qui est à nouveau remise en cause.51 La conscience ne suppose-t-elle
pas le Dasein, n’y trouve-t-elle pas son sol phénoménologique ? Car
prise en elle-même, elle demeure en situation d’indétermination on­
tologique : l’accès à l’être propre de la conscience, tout comme à
l’être de la res cogitans, est barré par la poursuite de la certitude et
de la connaissance assurée, qui oriente la connaissance avant tout
vers le domaine de l’idéalité, donc vers un domaine où la question
de l’existence ne se pose pas. Et c’est la prédominance du télos de la
certitude qui fait que la conquête de la sphère de la conscience n’est
pas une conquête phénoménologique, mais le résultat d’un présup­
posé finalement non questionné52 (à l’opposé de la Fraglichkeit in­
trinsèque de la vie facticielle qui, à l’instar d’Augustin, fait du sum
lui-même une question, voire la première et la plus insigne des ques­
tions). C’est ce présupposé du sum comme absolument certain, par

48 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 129.


49 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 224.
50 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 225.
51 « Welchen Seinscharakter das Bewusstsein hat und welcher Sorge es ent­
springt, ist die Frage, und ob diese Sorge des Erkennens Anspruch auf Ra­
dikalität hat oder ob nicht vielmehr der Rückgang auf das Thema « Da­
sein » erst die Möglichkeiten der phänomenologischen Forschung wirksam
zu machen versucht » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische
Forschung, GA 17, 198, souligné par l’auteur).
52 « Das cogito sum wird bei Husserl nicht nur nicht diskutiert, sondern als
selbstverständlich übernommen. Das Bewusstsein ist der gar nicht weiter
befragte Ansatz, auf den hin die ganze Reduktion orientiert ist » (Heid­eg­ger,
Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 267, souligné par
l’auteur). Heid­eg­ger parle aussi d’une « Aufnahme des cogito sum als certum »
(Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 268,
souligné par l’auteur).
L’interprétation heideggérienne de Husserl 249

contraste avec une problématicité reconnue exclusivement à l’être


du monde (Fraglichkeit der Welt, selon Husserl53), qui manifeste la
commune tendance de fond des entreprises cartésienne et husser­
lienne comme souci de certitude.
Si le souci de la connaissance absolument assurée peut être re­
conduit à une « fuite devant le Dasein (Flucht vor dem Dasein) »
pris dans sa facticité et historicité, le privilège thématique de la
conscience, solidaire de ce souci, laisse quant à lui indéterminé l’être
même de la conscience et manque de moyens pour arriver à une dé­
termination de cet être. Même la mise en avant de l’intentionnalité,
que Heid­eg­ger loue dans toute sa portée novatrice54 et qui suffit à
distinguer considérablement la conscience husserlienne du cogito
cartésien, pâtit de l’orientation que le souci de la théorie imprime à
la recherche phénoménologique, dans la mesure où l’intentionnalité
demeure avant tout un rapport ou un comportement théorétique.55
Si la question de l’être de la conscience fait inévitablement signe
en direction de la vie et de l’existence humaine qui en représentent
le sol facticiel, le souci de la certitude néglige et dissimule la question
de l’être et du sens du sum : seule compte, dans son optique, la pos­
sibilité de devenir objet d’une science indubitable56 ; non pas l’être
tout court, mais l’être-objet.57 Fuite devant l’être-là (Flucht vor dem

53 Edmund Husserl, Die Idee der Phänomenologie, Hua II, éd. par Walter
Biemel, La Haye 1950, 29.
54 « Mit dieser Entdeckung der Intentionalität ist zum ersten Mal in der
ganzen Geschichte der Philosophie ausdrücklich der Weg für eine radikale
ontologische Forschung gegeben » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänome­
nologische Forschung, GA 17, 260, souligné par l’auteur). Et un peu plus
loin : « Die Bestimmung der Intentionalität ermöglicht erst die phänomeno­
logische Forschungsmethode » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomeno­
logische Forschung, GA 17, 263).
55 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
271–272 : « das vorherrschende Studium der Intentionalität am Intentionalen
im Erkennen selbst orientiert ist » (souligné par l’auteur). Voir aussi Heid­eg­
ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 169.
56 Comme l’écrit Heid­eg­ger avec radicalité : « Die Sorge der Gewissheit ist
das Verstellen des Seins » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische
Forschung, GA 17, 283, souligné par l’auteur). Ou encore : « Die Sorge der
Gewissheit verlegt jede Frage nach dem Sein zur Frage nach dem Gegen­
standsein für Wissenschaft » (Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenolo­
gische Forschung, GA 17, 283, souligné par l’auteur).
57 Tant que l’on reste orienté vers la certitude, la « chose même » de la phé­
noménologie se réduit donc à ce qui se prête à une connaissance certaine :
250 Claudia Serban

Dasein) et dissimulation de l’être (Verstellen des Seins) ont donc une


origine commune dans le souci de la certitude et du connaître qui ré­
git, dans le sillage de Descartes, le projet phénoménologique husser­
lien. Mais si la poursuite de la certitude fuit simultanément le Dasein,
cela veut dire que le souci de la connaissance porte sur tout sauf sur
soi. De façon paradoxale, la phénoménologie de la conscience serait,
en dernière instance, l’expression du refus de s’adonner à la tâche de
la connaissance de soi58, de se mettre soi-même en question en reve­
nant en deçà de la certitude cartésienne du sum, vers son intrinsèque
problématicité augustinienne. Refus donc de se connaître en tant que
tel, en tant qu’être-soucieux, dans sa facticité et historicité – c’est-à-
dire (Heid­eg­ger ne le dit pas expressément ici) dans sa finitude. Le
privilège de la conscience comme être absolu est donc équivalent à
une occultation du Dasein propre comme être fini qui se soucie de
soi. De ce point de vue, l’intentionnalité même se présente comme
ce qui sert à détourner perpétuellement le Dasein de la connaissance
de soi, en l’orientant vers la connaissance d’autre chose que lui-
même.59 Car les phénomènes de l’existence – Heid­eg­ger n’en cite, de
façon significative, que des affects : joie, effroi, tristesse, angoisse60 –
échappent à une explicitation en termes intentionnels ou à partir de
l’intentionnalité : « Je ne peux pas saisir le phénomène de l’angoisse
comme être-en-rapport-avec-quelque-chose, mais il s’agit d’un phé­

« Das phänomenologische Prinzip ‹ Zu den Sachen selbst › heisst: zu ihnen,


sofern sie als Thema einer Wissenschaft in Frage kommen » ; et un peu plus
loin : « Beim Ruf der Phänomenologie ‹ Zu den Sachen selbst › heisst « Sache »
das Seiende, sofern es im Charakter einer möglichen Region für eine Wissen­
schaft begegnet. Jegliches Seiende ist durch Wissenschaft hindurch gesehen »
(Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 274
et 278).
58 « Diese Bewegtheit der Flucht des Daseins vor ihm selbst ist eine solche,
die sich nicht einfach vom Dasein wegbewegt in den spezifischen Aufent­
halt der Wissenschaft. In eins mit dieser Flucht vor ihm selbst besorgt das
Dasein die Verlegung von sich selbst. Durch diese Ontologie wird unmög­
lich gemacht, dass das Dasein qua Dasein sich selbst begegnen kann. Von
der Besorgung der Idee von Wissenschaft wird eine bestimmte Ontologie
ausgebildet und als die einzige Möglichkeit der Befragbarkeit des Daseins
festgehalten. Die Tendenz der Verschüttung des Daseins selbst » (Heid­eg­ger,
Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 287).
59 Une revalorisation considérable de l’intentionnalité sera opérée par Heid­
eg­ger plus tard, par la fondation de l’intentionnalité dans la transcendance.
60 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 288.
L’interprétation heideggérienne de Husserl 251

nomène du Dasein lui-même ».61 Autrement dit, l’intentionnalité ne


saurait prétendre nommer l’être de la conscience et rendre compte,
comme il serait requis dans ce cas, de la totalité des vécus. S’en re­
mettre sur ce point à l’intentionnalité reviendrait à assumer jusqu’au
bout la fuite devant le Dasein et devant l’effroi d’exister62, fuite qui
fournit tout le sens de la promotion de la conscience comme objet
de la recherche phénoménologique.

Résumons à présent les principales lignes de la critique heideggé­


rienne de Husserl en 1923/24 : elle consiste à identifier, derrière la
promotion de la conscience et de sa propriété la plus remarquable,
l’intentionnalité, un certain souci fondateur, le souci d’une connais­
sance absolument assurée qui ne saurait être obtenue que par la puri­
fication transcendantale et eidétique du champ de la recherche. C’est
ce même souci qui anime la prise de position contre le naturalisme et
l’historicisme, et qui mène à occulter deux dimensions constitutives
de l’existence humaine : la facticité et l’historicité. Par cette omis­
sion de la question de l’existence, le souci de la connaissance comme
souci de la certitude se révèle indissolublement solidaire d’une fuite
devant le Dasein qui est angoisse devant le fait d’être-là. Cette fuite
revient à tourner le dos à l’étrangeté et à l’inquiétude de l’existence
en recherchant la sécurité qu’apporte la connaissance certaine ; elle
revient donc à esquiver, du même coup, la tâche de la connaissance
de soi et, avec elle, la Fraglichkeit du sum, qui était un des germes
décisifs et sans doute la tâche centrale de l’herméneutique de la vie
facticielle. En même temps, ne pas interroger le sens du sum, c’est
le laisser indéterminé, ou du moins sous-déterminé, dans son être,
ce qui trahit déjà l’incapacité d’entrevoir et de poser véritablement
la Seinsfrage.63

61 « Das Phänomen der Angst kann ich nicht fassen als Bezogensein-auf-
etwas, sondern es ist ein Phänomen des Daseins selbst » (Heid­eg­ger, Einfüh­
rung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 288). Et aussi Heid­eg­ger,
Ontologie, GA 63, 15, à propos du comprendre : « Dieses Verstehen […] ist
überhaupt kein Sichverhalten zu … (Intentionalität), sondern ein Wie des
Daseins selbst ».
62 « Das es ist ist die Bedrohung des Daseins selbst » (Heid­eg­ger, Einführung
in die phänomenologische Forschung, GA 17, 289, souligné par l’auteur).
63 Sur l’ancrage de la question de l’être dans la question du sum et sur
l’articulation de ces deux interrogations, voir la contribution récente de
Christian Sommer, (Qui) suis-je ? Quaestio augustinienne et Seinsfrage hei­
252 Claudia Serban

Quelles directions prendra cette critique dans la suite de l’ensei­


gnement marbourgeois de Heid­eg­ger ? Dans le cours de l’été 1925,
Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, le phénomène de la
fuite comme Flucht des Daseins vor ihm selbst64 est ressaisi dans sa
signification existentiale indépendamment de toute exemplification
historique, notamment au § 30, dans l’analyse de la structure pri­
maire du Dasein qu’est l’Unheimlichkeit (l’étrangeté ou l’inquié­
tance, selon la traduction française du cours). C’est d’ailleurs ce phé­
nomène de la fuite, déjà entrevu à propos de la curiosité, qui mène à
dégager la structure de l’étrangeté. La fuite, note Heid­eg­ger à cette
occasion, s’enracine toujours dans une certaine peur65, et quand on
se fuit soi-même, cette peur se nomme angoisse. Mais de quoi s’an­
goisse-t-on, qu’est-ce qui fait peur au point de fuir devant soi ? Ces
questions, qui étaient laissées en suspens en 1923–24, reçoivent ici
une réponse : ce dont on s’angoisse, c’est le rien même, et ce qui est
menacé, c’est en définitive l’être-au-monde. C’est en ouvrant l’hori­
zon du rien et en faisant vaciller la stabilité de l’être-au-monde que
l’angoisse fait surgir l’étrangeté, l’inquiétance d’être-là. Radicalisée,
réduite à l’essentiel, l’angoisse ne porte même plus sur autre chose
que sur « le fait que je suis ».66 Elle est cette pure affection de l’être67,
de mon être existant, et par là, la disposition affective fondamentale
de l’être-là. Et la fuite devant le Dasein n’est, quant à elle, que la ré­
ponse apportée sur le mode du Verfallen à l’affection de l’être dans
l’angoisse et à l’étrangeté qui s’installe de son fait. C’est dans cette
assomption déficiente de l’angoisse que se trouve la profonde racine
existentiale de la fuite sous-jacente au souci, cartésien et husserlien,
de la certitude.
L’angoisse infléchit aussi le sens originaire et la certitude du sum,
cette certitude qui fait du cogito un principe et que Husserl hérite
de Descartes sans la mettre en question. Aux prises avec la Fraglich­
keit principielle du sum, inaperçue par Husserl et Descartes (mais

deggérienne, in : Le jeune Heid­eg­ger 1909 –1926, éd. par Sophie-Jan Arrien


et Sylvain Camilleri, Paris, 2011, 173–184.
64 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 391. Voir aussi Heid­eg­ger, Phänome­
nologische Interpretationen zu Aristoteles, GA 61, 123.
65 « Alles Fliehen gründet in einem Fürchten » (Heid­eg­ger, Prolegomena,
GA 20, 392).
66 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 402.
67 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 403.
L’interprétation heideggérienne de Husserl 253

présente, en revanche, au cœur la quaestio augustinienne68, question


que je me suis fait à moi-même), Heid­eg­ger découvre ce qu’il appelle
la « certitude fondamentale du Dasein »69 – une certitude somme
toute négative, s’il nous est permis de réinvestir dans ce contexte
l’expression de Jean-Luc Marion70 : celle de la mort propre qui fait
qu’à la place du cogito [ergo] sum71, il soit plus exact de dire mori­
bundus sum et de reconnaître, surtout, que « le moribundus est ce
qui donne […] son sens au sum ».72 Dans cette optique, si Husserl,
comme Descartes, a manqué le sens d’être du sum, c’est parce qu’il
n’a pas assez pris au sérieux cette ombre qui plane constamment sur
l’ego : la mort ou la possibilité du non-être (qui, pour Husserl, ne
concerne en premier lieu que l’étant intramondain, contingent, et
jamais la conscience comme être absolu).

68 Dans ses premiers cours fribourgeois, Heid­eg­ger joue assez souvent Au­
gustin contre Descartes. Voir, par exemple, Heid­eg­ger, Grundprobleme der
Phänomenologie, GA 58, 205, et Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomeno­
logie der Religion, GA 60, 298.
69 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 437.
70 Jean-Luc Marion, Certitudes négatives, Paris 2010.
71 Car le cogito [ergo] sum cartésien ne détermine pas le sens du sum dans
son être propre. Voir Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische For­
schung, GA 17, 250 : « Der Sinn des sum ist entleert zum Sinn des formal-
ontologischen Etwasseins » (souligné par l’auteur).
72 Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 438, souligné par l’auteur.
Choong-Su Han
Die Struktur der Verklammerung
im Wesen der Wahrheit

Im Zentrum des vorliegenden Beitrages steht die innere Struktur


von Heid­eg­gers Wahrheitsbegriff. Aber bevor auf diese eingegangen
wird, soll eine kurze Erklärung im Hinblick auf den Titel des Textes
gegeben werden: Das Wort »Verklammerung« mag ungewöhnlich
erscheinen. Da dieses Wort aber für die folgende Analyse als heu­
ristischer Schlüssel fungiert, muss an dessen Anfang bestimmt wer­
den, was mit dem Ausdruck der Verklammerung gemeint ist. »Ver­
klammern«: zwei Gegenstände mit einer oder mehreren Klammern
zusammenhalten oder zusammenfügen.1 Üblicherweise sind die zu­
sammengehaltenen Gegenstände gleichartig. Verklammert werden
z. B. zwei Bretter durch Schrauben. Die beiden Teile, die in Heid­
eg­gers Wahrheitsbegriff zusammengehalten werden, sind aber nicht
von der gleichen Art, sondern stehen in Opposition zueinander. Das
»Wesen der Wahrheit« gründet sich den Beiträgen zur Philosophie
zufolge auf das innige Verhältnis von »Lichtung« und »Verbergung«.2
Man mag sich das an einem Beispiel anschaulich machen: Wenn sich
das Dunkel frühmorgens lichtet, zeigt sich die Landschaft, die sich
wiederum dann verbirgt, wenn es Nacht wird. Lichtung und Verber­
gung stellen dann einen unversöhnlichen Gegensatz dar. Über diese
Gegensätzlichkeit des Verklammerten hinaus besteht aber ein wei­
teres Problem, nämlich dass Heid­eg­ger dem durch Verklammerung
vereinheitlichten Ganzen abermals den Namen des einen Teils gibt.
Als Lichtung bezeichnet Heid­eg­ger im Ursprung des Kunstwerkes
die Wahrheit, in der Lichtung und Verbergung zusammengehalten

1 Vgl. Deutsches Universalwörterbuch, sechste Auflage, Mannheim u. a.


2006, 1813; Wahrig Deutsches Wörterbuch, Gütersloh / München 2000, 1332.
2 Vgl. Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 349.
256 Choong-Su Han

sind, während er die Begriffe der Lichtung und der Wahrheit im


selben Sinne wie »Unverborgenheit« verwendet.3
Im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit der zusammengehalte­
nen Sachen muss man zunächst fragen, ob Lichtung und Verbergung
wirklich im Gegensatz zueinander stehen (wie Tag und Nacht) oder
im Grunde gleichartig sind. Dieser Frage geht der vorliegende Bei­
trag nach. Was die verwirrende Bezeichnung der Wahrheitsklammer
als »Lichtung« betrifft, muss sie nicht unbedingt für ein Problem
gehalten werden, weil diese mit den Begriffen verbundene Verwir­
rung für Heid­eg­ger zum Wesen der Wahrheit selbst gehört. Obwohl
Lichtung und Verbergung wie zwei Bretter bald zusammengehalten,
bald getrennt zu sein scheinen, besteht eine untrennbare Beziehung
zwischen ihnen. Um auf diese innige Beziehung hinzuweisen, kann
Heid­eg­ger sowohl dem verklammerten Ganzen als auch dessen Teil
den gleichen Namen geben. Eben dieses widersprüchliche, jedoch
unlösbare und verwirrende Verhältnis im Heid­eg­gerschen Wahr­
heitsbegriff bezeichnet der vorliegende Beitrag als Verklammerung.

Die Bestimmung der Wahrheitsstruktur und


die Darstellung ihres gedanklichen Ursprungs

Den Begriff der »Wahrheitsstruktur«4 erwähnt Heid­eg­ger in Sein


und Zeit. Der Wahrheitsbegriff besteht dort aus zwei Strukturmo­
menten, nämlich »Erschlossenheit« und »Verschlossenheit«. Wieder
kann man sich dies an einem Beispiel deutlich machen: Wenn bis­
her ungenutztes Land erschlossen wird, dann wird es zugänglich;
wenn der Zugang zu diesem Land jedoch verschlossen wird, dann
ist es nicht länger erreichbar. Daher nimmt ein Strukturmoment der
Wahrheit die negative Form oder die Form der »Privation«5 eines
anderen Strukturmoments an. Obwohl die beiden Momente nach
deren sprachlichen Kennzeichnungen scheinbar einen unüberbrück­
baren Gegensatz (wie Tag und Nacht, Position und Privation) dar­
stellen, sind sie im Grunde nicht voneinander getrennt, sondern eben
miteinander verklammert. Diese duale Struktur im Wahrheitsbegriff
findet sich nach Sein und Zeit, wenn auch mit neuen Termini, in den

3 Vgl. Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 41.


4 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 286 und 295.
5 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 245.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 257

Beiträgen zur Philosophie wieder. Die Wahrheitsstruktur kann also


näher als die Verklammerung von zwei nur scheinbar widersprüch­
lichen Momenten bestimmt werden. Um diese Struktur jedoch
über verschiedene Benennungen hinweg aufzuzeigen, werden die
genannten Hauptwerke betrachtet, weil Heid­eg­ger dort den Wahr­
heitsbegriff ausführlich und anschaulich darstellt. Der gedankliche
Ursprung der Verklammerungsstruktur in Heid­eg­gers Philosophie
findet sich dort jedoch nicht. Den dualen Wahrheitsbegriff entwi­
ckelt Heid­eg­ger vielmehr in der frühen Phase seines Denkens, die
seine Marburger Zeit genannt wird.6 Auf einer seiner Marburger
Vorlesungen soll daher das Hauptaugenmerk des vorliegenden Bei­
trages liegen, nämlich auf der Vorlesung Logik – Die Frage nach
der Wahrheit, die im Wintersemester 1925/26 an der Universität
Marburg gehalten wurde.7
Die Auseinandersetzung mit Heid­eg­gers Wahrheitsbegriff steht
vor der großen Schwierigkeit, den Bedeutungswandel dieses Wor­
tes innerhalb des Heid­eg­gerschen Werkes zu verstehen. Dasselbe
Wort »Wahrheit« besitzt in Heid­eg­gers Schriften, und gerade in den
hier herangezogenen Texten, sehr verschiedene Bedeutungen: In der
Vorlesung Logik – Die Frage nach der Wahrheit meint Heid­eg­ger

6 Vgl. Dorothea Frede, Stichwort: Wahrheit Vom aufdeckenden Erschlie­


ßen zur Offenheit der Lichtung, in: Dieter Thomä (Hrsg.), Heid­eg­ger-
Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart / Weimar 2003, 127–134.
7 Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Wahrheit und Unwahr­
heit in Heid­eg­gers Philosophie findet sich bereits in Büchern von John Sallis,
besonders in Double Truth, in dem Sallis Heid­eg­gers Wahrheitsfrage the­
matisiert. Er bezeichnet die Wahrheit im Sinne von Heid­eg­ger als unterbre­
chende Wahrheit (»interruptive truth«) und beruft sich auf Heid­eg­gers Texte
Sein und Zeit, die Beiträge zur Philosophie und hauptsächlich Vom Wesen
der Wahrheit. Sallis versucht, das Verständnis dieser unterbrechenden Wahr­
heit zu beschreiben. Dabei beschäftigt er sich auch mit der innigen Anhäng­
lichkeit der Unwahrheit an der Wahrheit (»intimate adherence of untruth
to truth). Sallis hebt drei Punkte hervor: Zum einen gehört die eigentliche
Unwahrheit zum Wesen der Wahrheit; zum anderen spricht Heid­eg­ger ge­
gen den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch; und schließlich ist die Un­
wahrheit noch älter als die Wahrheit. Vgl. John Sallis, Double Truth, Albany
1995, 71–106. Von Sallis’ Ansatz unterschiedet sich der vorliegende Beitrag
in zwei Hinsichten: Dieser legt die Zusammengehörigkeit von Wahrheit und
Unwahrheit in Sein und Zeit sowie in den Beiträgen zur Philosophie vor;
außerdem zeigt er den gedanklichen Ursprung dieser Zusammengehörigkeit
in der Marburger Vorlesung Logik – Die Frage nach der Wahrheit auf.
258 Choong-Su Han

die Wahrheit des Aussagesatzes,8 in Sein und Zeit die Wahrheit des
Daseins9 und in den Beiträgen zur Philosophie die Wahrheit des
Seyns.10 Wegen dieser Verschiedenheit scheint es zunächst unmög­
lich, eine gemeinsame Wesensstruktur des Heid­eg­gerschen Wahr­
heitsbegriffes in allen drei Schriften zu behaupten. Darüber hinaus
werden die Strukturmomente der Wahrheitskonzeption jeweils mit
einem neuen Begriffspaar benannt. Auch diese unterschiedlichen
Benennungen machen es schwieriger, die strukturelle Gleichheit der
Wahrheitskonzeption in den genannten Schriften herauszuarbeiten.
Um diese Schwierigkeiten vermeiden zu können, fokussiert der vor­
liegende Beitrag auf die einheitliche und gewissermaßen formale
Struktur der Verklammerung im Heid­eg­gerschen Wahrheitsbegriff.

Die Verklammerung von Lichtung und Verbergung in den Beiträgen


zur Philosophie und im Ursprung des Kunstwerkes

Im Abschnitt 225 der Beiträge zur Philosophie bestimmt Heid­eg­


ger das Wesen der Wahrheit als »Lichtung für das Sichverbergen«.11
Nach dieser Definition besteht die Wahrheit aus zwei scheinbar un­
versöhnlichen Wesensmomenten, nämlich Lichtung und Sichverber­
gen.12 Aber ihre enge Verbindung betont Heid­eg­ger nachdrücklich
und formuliert sie mit folgenden Worten: »Wahrheit ist also niemals
nur Lichtung, sondern west als Verbergung ebenso ursprünglich
und innig mit der Lichtung. Beide, Lichtung und Verbergung, sind
nicht zwei, sondern die Wesung des Einen, der Wahrheit selbst«.13
Demnach steht die Lichtung im untrennbaren Verhältnis mit der
Verbergung. Da diese innige Beziehung die beiden Wesensmomente
der Wahrheit verbindet, werden Lichtung und Verbergung im We­
sen der Wahrheit verklammert.
Die Behauptung dieser Wahrheitsstruktur gründet sich zunächst
nur auf den leeren Begriffszusammenhang, weil die zentralen Be­

8 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128–129.
9 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 295.
10 Vgl. Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 349.
11 Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 348.
12 Diesen Begriff des Sichverbergens und den Begriff der Verbergung im Ab­
schnitt 225 in den Beiträgen zur Philosophieverwendet Heid­eg­ger im selben
Sinne.
13 Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 349.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 259

griffe der Lichtung und Verbergung in den Beiträgen zur Philoso­


phie unbestimmt bleiben. Erst nach deren Klärung wird die Dua­
lität im »innig-strittigen Wesen der Wahrheit«14 deutlich. Für diese
Bestimmung soll ein anderer Text Heid­eg­gers betrachtet werden,
nämlich Der Ursprung des Kunstwerkes, in dem Heid­eg­ger erst­
mals das Begriffspaar »Lichtung / Verbergung« verwendet. Zum an­
deren spricht Heid­eg­ger in der oben zitierten Passage zwar über
das »innig-strittige Wesen der Wahrheit«, aber er erklärt nur das
innige Verhältnis von Lichtung und Verbergung. Unbestimmt bleibt
der Begriff des Strittigen, der durch den Begriff des »Streites«15 ver­
ständlich gemacht werden kann, der im Kunstwerkaufsatz erläutert
wird. Allerdings geschieht dort auch eine Verschiebung der Wahr­
heitsfrage in die Kunst, so dass sich wiederum die Probleme und
Begriffe ändern. Im Ursprung des Kunstwerkes definiert Heid­eg­ger
das Wesen des Kunstwerkes als die »Einheit«16 der beiden Wesens­
züge, das heißt der »Aufstellung einer Welt«17 und der »Herstellung
der Erde«.18 Die Welt bestimmt er als die »sich öffnende Offenheit
der weiten Bahnen der einfachen und wesentlichen Entscheidungen
im Geschick eines geschichtlichen Volkes« und die Erde als das »zu
nichts gedrängte Hervorkommen des ständig Sichverschließenden
und dergestalt Bergenden«.19 Während sich die Welt (als Offenheit)
öffne, verschließe sich die Erde (als Verschlossenheit). Deswegen
seien Welt und Erde »wesenhaft voneinander verschieden«. Aber sie
seien »niemals getrennt«, weil sich die Welt nur auf die Erde gründe
und die Erde nur die Welt durchragen könne.20 Dieses »Gegenein­
ander von Welt und Erde« im Kunstwerk bezeichnet Heid­eg­ger als
»Streit«.21 Der Streit zwischen Welt und Erde im Kunstwerk beruhe
aber auf dem »Urstreit von Lichtung und Verbergung«, den Heid­
eg­ger als »Wesen der Wahrheit« versteht.22 Lichtung definiert er als
die »offene Stelle inmitten des Seienden im Ganzen«.23 Indem das

14 Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 348.


15 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 35.
16 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 34.
17 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 32.
18 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 35.
19 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 35.
20 Vgl. Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 35 und 42.
21 Vgl. Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 35.
22 Vgl. Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 42.
23 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 41.
260 Choong-Su Han

Seiende in diese freie Lichtung hereintrete, erscheine es dort in sei­


nem unverborgenen Aussehen. Diese Lichtung sei »in sich zugleich«
die Verbergung, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sei die Ver­
bergung »der Anfang der Lichtung des Gelichteten«; zum anderen
sei die Verbergung da innerhalb des Gelichteten, und zwar derart,
dass ein unverborgenes Seiendes ein anderes unverborgenes Seiendes
verdunkele, verschleiere, verbaue und verleugne.24
Dieses Verhältnis von Lichtung und Verbergung kann durch ein
Beispiel aus dem Theater veranschaulicht werden, weil Heid­eg­ger
darauf hinweist, dass die Lichtung »niemals eine starre Bühne mit
ständig aufgezogenem Vorhang«25 ist: Die Lichtung, die bei einer
Theateraufführung eröffnet wird, ist innig mit der Verbergung ver­
bunden, weil die gelichtete Theaterbühne vor dem Anfang der Auf­
führung, während der Pause und nach dem Ende des Theaters da­
durch sich verbirgt, dass der Vorhang die Bühne verschließt. Die Of­
fenheit der Bühne und ihre Verschlossenheit sind miteinander ver­
klammert. Doch das Beispiel trägt noch weiter: Aus der Verbergung
durch den Vorhang kann eine weitere Lichtung entstehen, wenn auf
derselben Theaterbühne wieder eine andere Aufführung stattfindet.
Außerdem besteht die Verbergung auch auf der Theaterbühne wäh­
rend der Aufführung, nämlich derart, dass ein Schauspieler einen
anderen Schauspieler verdeckt. Aus diesem Beispiel wird klar, dass
die Lichtung und Verbergung der Schauspieler in jener Lichtung, die
durch Theateraufführung eröffnet wird, zusammengehören.

Die Verklammerung von Erschlossenheit und Verschlossenheit


in Sein und Zeit

Sein und Zeit beginnt mit dem Vorwurf der Seinsvergessenheit an


die traditionelle westliche Philosophie. Im Anschluss daran stellt
Heid­eg­ger die Frage nach dem »Sinn von Sein«.26 Um diese Frage
zu beantworten, analysiert er zunächst das menschliche Dasein, »das
sich je schon in seinem Sein zu dem verhält, wonach in dieser Frage
gefragt wird«.27 Diese vorbereitende Analytik zeige den Sinn des

24 Vgl. Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 40.


25 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 41.
26 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 3–4.
27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 20.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 261

Seins des Daseins als Zeitlichkeit auf. Aus dieser Zeitlichkeit wie­
derum expliziere sich die Zeit als »Horizont alles Seinsverständ­
nisses und jeder Seinsauslegung«.28 Heid­eg­ger betrachtet daher das
menschliche Dasein vornehmlich im Hinblick auf die Seinsfrage und
den Horizont der Zeit. In diesem Licht wird die Seinsverfassung des
menschlichen Daseins als »In-der-Welt-sein« bezeichnet. Diese Be­
zeichnung scheint wörtlich gesehen zu bedeuten, dass der Mensch in
einem sozusagen geometrischen Raum der Welt lokalisiert ist. Die­
ses Verständnis lehnt Heid­eg­ger aber ab, indem er das Wort »in« im
ursprünglichen Sinne des Wohnens versteht. Demnach bedeutet der
Ausdruck »In-der-Welt-sein«, dass der Mensch auf der Erde in der
Welt wohnt.29 Mit den Bindestrichen in der zusammengesetzten Be­
zeichnung weist Heid­eg­ger darüber hinaus auf das innige Verhältnis
von menschlichem Wohnen und Welt hin, nämlich dass die Welt für
den Menschen je schon erschlossen ist.30 Das menschliche Dasein
ist »seine Erschlossenheit«.31
Durch diese neue Wesensbestimmung des Menschen setzt Heid­
eg­ger sich auch mit dem Phänomen der Wahrheit auseinander – denn
Erschlossenheit ist eine Bestimmung für Wahrheit oder zumin­
dest für ein Strukturmoment von Wahrheit. Nach dem geläufigen
Wahrheitsverständnis ist eine Aussage über ein Seiendes genau dann
wahr, wenn die Aussage und das Seiende miteinander übereinstim­
men. Dieses geläufige Wesen der Wahrheit im Sinne der Überein­
stimmung führt Heid­eg­ger auf ihr ursprüngliches Wesen zurück,
indem er die Wahrheit der Aussage als »Entdeckung« im Sinne des
»Aufzeigens des Seienden«32 versteht. Da das Seiende nur in der er­
schlossenen Welt entdeckt werden kann, gründet die Entdeckung
und Entdecktheit33 in der Erschlossenheit der Welt. Daher kann die
Wahrheit der Übereinstimmung durch die Wahrheit im Sinne von
Entdeckung hindurch auf die Wahrheit der Erschlossenheit zurück­
geführt werden,34 die Heid­eg­ger als das »ursprünglichste Phänomen

28 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 24.


29 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 73.
30 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 100.
31 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 177.
32 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 288.
33 Für den präzisen Unterschied zwischen Entdecktheit und Entdeckung
vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 291–292.
34 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 292.
262 Choong-Su Han

der Wahrheit« versteht.35 Da die Erschlossenheit die »Grundart des


Daseins« ist, ist das erschließende Dasein »in der Wahrheit«.36
Dies ist jedoch nur das eine Strukturmoment von Wahrheit. Denn
da das »Verfallen« zur Seinsverfassung des Daseins gehöre, erscheine
auch das Entdeckte und Erschlossene »im Modus der Verstelltheit
und Verschlossenheit durch das Gerede, die Neugier und die Zwei­
deutigkeit«, deswegen sei auch das Dasein »seiner Seinsverfassung
nach in der Unwahrheit«. Das Dasein kann aber Heid­eg­ger zufolge
nur insofern verschlossen sein, als es zuvor auch erschlossen ist.37
Daraus zieht Heid­eg­ger folgende Konsequenz: »Das Dasein ist glei­
chursprünglich in der Wahrheit und Unwahrheit«.38 Auch in Sein
und Zeit hat die Wahrheit also ursprünglich die Struktur der Ver­
klammerung von Erschlossenheit und Verschlossenheit, also von
Wahrheit und Unwahrheit, und wieder gibt es jenes Phänomen, das
am Beispiel des Theaters so deutlich hervortritt: Selbst in der Er­
schlossenheit des Daseins gibt es Verschlossenes, selbst in der Wahr­
heit des Daseins Unwahrheit.
Aus diesen Überlegungen wird klar, dass Heid­eg­ger sich an der
Struktur der Verklammerung orientiert, wenn er das Wesen der
Wahrheit in den Beiträgen zur Philosophie und in Sein und Zeit
bestimmt, unabhängig davon, ob Wahrheit im Hinblick auf den Ur­
streit von Lichtung und Verbergung oder mit Blick auf das mensch­
liche Dasein erörtert wird. Auf den gedanklichen Ursprung dieser
Verklammerungsstruktur, der in der Marburger Vorlesung Logik –
Die Frage nach der Wahrheit liegt, finden sich zwei Hinweise in
Sein und Zeit. Um das ursprünglichste Phänomen der Wahrheit zu
erreichen, setzt Heid­eg­ger sich mit dem traditionellen Wahrheits­
verständnis auseinander, dem zufolge der Ort der Wahrheit die Aus­
sage ist. Die gleiche Zugangsweise zum Wahrheitsphänomen ver­
wendet er bereits in der soeben erwähnten Vorlesung. Außerdem
unterscheidet Heid­eg­ger in Sein und Zeit vom traditionellen Wahr­
heitsbegriff der Übereinstimmung den aristotelischen Wahrheitsbe­
griff, dem zufolge der λόγος die Seinsweise des Daseins ist, der »ent­
deckend oder verdeckend«39 sein kann. Die gleiche Interpretation

35 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 292.


36 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 292.
37 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 292–294.
38 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 295.
39 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 299.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 263

des aristotelischen Wahrheitsbegriffes findet sich ebenfalls in der


Logik-Vorlesung.40 Was sich jedoch ändert, ist Heid­eg­gers Beschrei­
bung desjenigen, das wahr oder falsch sein kann. In der Marburger
Vorlesung ist es nicht das Dasein, sondern der λόγος, verstanden als
der Aussagesatz.

Die Verklammerung von Wahr- und Falschseinkönnen


in Logik – Die Frage nach der Wahrheit

Die Vorlesung untersucht die Logik im Hinblick auf die Wahrheits­


frage. Heid­eg­ger umgrenzt das Thema der Logik, indem er die »Ge­
setzlichkeit des Gedachten« von der »Gesetzlichkeit des Denkge­
schehens« als des psychischen Geschehens unterscheidet. Da die
Wahrheit einen »Charakter des Gedachten« hat, gehört sie zum
Thema der Logik.41 Um die Wahrheit im Ursprung zu verstehen,
betrachtet Heid­eg­ger das traditionelle Wahrheitsverständnis, dem
zufolge die Wahrheit als Übereinstimmung des Denkens mit dem
Seienden im Aussagesatz besteht.42 Dieses sogenannte aristotelische
Wahrheitsverständnis sieht Heid­eg­ger aber als unbegründetes Vor­
urteil an, weil es bisher nicht zureichend interpretiert worden ist.43
Um das ursprüngliche Verständnis der Wahrheit zu gewinnen, setzt
Heid­eg­ger sich mit einzelnen Thesen von Aristoteles auseinander.44
Heid­eg­ger orientiert sich an einer Stelle aus De interpretati­
one. Dort bestimmt Aristoteles den Aussagesatz (λόγος) als etwas,
was wahr oder falsch sein (ἀληθεύειν ἢ ψεύδεσθαι) kann.45 Während
ἀληθεύειν üblicherweise mit Wahrsein und ψεύδεσθαι mit Falschsein
übersetzt wird, gibt Heid­eg­ger jedoch dieses griechische Begriffs­
paar (ἀληθεύειν / ψεύδεσθαι) nach dem ursprünglichen und aristote­
lischen Sinn mit dem deutschen Begriffspaar »Entdecken / Verde­
cken« wieder. Mit dem Begriff des Entdeckens meint er, dass etwas,

40 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 141.
41 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 54.
42 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128.
43 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 128.
44 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 127.
45 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 129. Und
vgl. auch Aristoteles, De interpretatione 17 a; De interpretatione wird zitiert
nach: Aristotelis De interpretatione, hrsg. von Hans Günter Zekl, Darmstadt
1998.
264 Choong-Su Han

was verhüllt ist, enthüllt wird. Um die Gegensätzlichkeit zwischen


ἀληθεύειν und ψεύδεσθαι deutlich zu machen, wählt Heid­eg­ger das
Wort »Verdecken« im Gegensatz zu »Entdecken« aus. Deswegen
verwendet er den Begriff des Verdeckens nicht im lexikalischen
Sinne, sondern im Sinne des Täuschens. Der verdeckende Aussage­
satz zeigt daher etwas, das anders als das Erwartete und Gemeinte
ist.46 Das ursprüngliche Wesen der Wahrheit im Aussagesatz sei nun
nicht die Übereinstimmung, sondern das Entdecken, das durch den
Satz geleistet wird. Da das Seiende zunächst entdeckt werde und erst
dann darüber etwas ausgesagt werde, sei der Aussagesatz erst in­
nerhalb der Wahrheit des Entdeckens möglich. Der Aussagesatz sei
deshalb kein Ort der Wahrheit mehr, sondern umgekehrt gründe der
Aussagesatz im Entdecken. Darüber hinaus stehe der Aussagesatz
notwendigerweise in der Alternative zwischen Entdecken und Ver­
decken, deswegen müsse der Aussagesatz entweder wahr oder falsch
sein. Da dieses Entweder / Oder im Grunde des Aussagesatzes liege,
sei das Entdecken des Aussagesatzes ein nicht verdeckendes Entde­
cken und umgekehrt sei das Verdecken des Aussagesatzes ein nicht
entdeckendes Verdecken. Damit der Aussagesatz jedoch in diese Al­
ternative zwischen Entdecken und Verdecken gestellt werden kann,
müssen sich die Wahrheit und Falschheit in ihrer Möglichkeit auf
»eine und dieselbe Struktur des λόγος« gründen.47 Aufgrund dieser
strukturellen Gleichheit gehören die Möglichkeiten der Wahrheit
und der Falschheit im Aussagesatz zusammen. Diese miteinander
verklammerten Möglichkeiten liegen dem Aussagesatz zugrunde.
Wahrheit und Falschheit sind daher nur äußerlich gegensätzlich,
strukturell aber gleichartig und innig miteinander verbunden.
Um diese Struktur zu veranschaulichen, führt Heid­eg­ger einige
Aussagesätze als Beispiel an.48 Einer dieser Sätze lautet: »Die Tafel
ist schwarz«. Dieser Aussagesatz sei wahr, weil er die Tafel entdecke,
wie die Tafel an sich sei. Während dieser wahre Aussagesatz die Ta­
fel mit dem Schwarzsein verknüpfe, trenne ein anderer Aussagesatz
– »Die Tafel ist nicht schwarz« – die Tafel vom Schwarzsein. Dieser
negative Aussagesatz sei falsch, weil er die Tafel verdecke, indem er
sie nicht in dem zeige, was sie sei. Es scheine zwar, dass die Verknüp­
fung das Entdecken (Wahrheit) und die Trennung das Verdecken

46 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 131–133.
47 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 135.
48 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 137.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 265

(Falschheit) ermögliche. Aber in den weiteren Beispielsätzen »Die


Tafel ist grau« und »Die Tafel ist nicht grau« scheine es eher umge­
kehrt, weil die Verknüpfung des ersten Aussagesatzes die Falschheit
und die Trennung des letzteren Aussagesatzes die Wahrheit möglich
mache.49 Daraus zieht Heid­eg­ger folgenden Schluss, nämlich dass
Verknüpfung und Trennung »wesenhaft«50 zu jedem Aussagesatz ge­
hören, unabhängig vom Wahrheitswert der Aussage. Nur wegen des
synthetischen Charakters des Satzes können Wahrheit und Falsch­
heit zusammengehalten werden. Unabhängig davon, ob ein Prädi­
kat zugesprochen oder abgesprochen wird, liegt die Verklamme­
rung von Wahrheit und Falschheit im Aussagesatz als solchem. Auf
dieser Basis stellt Heid­eg­ger die Frage nach dem Grund dafür, dass
der Satz wahr oder falsch, entdeckend oder verdeckend sein kann.51
Diese Frage kann im Hinblick auf den Begriff der Verklammerung
mit folgenden Worten umformuliert werden: Welche Klammer hält
Lichtung und Sichverbergen, Erschlossenheit und Verschlossenheit,
allgemein: Wahrheit und Unwahrheit zusammen?

Verklammerung und Klammer

In den Beiträgen zur Philosophie formuliert Heid­eg­ger die Zusam­


mengehörigkeit von Wahrheit und Unwahrheit mit folgenden Wor­
ten: »Das Wesen der Wahrheit ist die Un-Wahrheit«.52 Mit diesem
Satz weist er auf den Aufsatz Der Ursprung des Kunstwerkes hin,
in dem sich eine fast gleiche Formulierung findet: »Die Wahrheit ist
in ihrem Wesen Un-Wahrheit«.53 Diese innige Beziehung geht auf
die Gleichursprünglichkeit von Wahrheit und Unwahrheit in Sein
und Zeit zurück: »Das Dasein ist gleichursprünglich in der Wahr­
heit und Unwahrheit«.54 Die Zusammengehörigkeit von Wahrheit
und Unwahrheit kann sich auf verschiedenes beziehen. Also kann
sie ganz unterschiedliche Formen annehmen und in ganz verschie­
denen Begriffen artikuliert werden, so wie durch die bisherige Aus­

49 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 140.
50 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 140.
51 Vgl. Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 141.
52 Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 356.
53 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 41.
54 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 223.
266 Choong-Su Han

einandersetzung mit Heid­eg­gers Werken gezeigt wurde. Genealo­


gisch betrachtet ist, wie gesehen, die Auseinandersetzung mit dem
Aussagesatz und dessen aristotelischer Bestimmung eben der Ur­
sprung dieser Verklammerung von Wahrheit und Unwahrheit. Es
ist der Aussagesatz, der diejenige Struktur hat, die die Zusammen­
gehörigkeit von Wahrheit und Falschheit erst möglich macht. Die
Proposition, nicht etwa das menschliche Dasein, ist das Paradigma
der Verbindung von Wahrheit und Unwahrheit. Diese in seiner Mar­
burger Zeit gewonnene Einsicht in die Struktur im Wesen der Wahr­
heit hat Heid­eg­ger in seinen nachfolgenden Arbeitsphasen erweitert
und entwickelt.
Im Hinblick auf die Verklammerungsstruktur im Wesen der
Wahrheit blieb die Frage nach der Klammer bislang unbeantwortet.
Auf welches ursprüngliche Phänomen gründet sich die Struktur der
Verklammerung von Wahrheit und Unwahrheit? Auf diese Frage
antwortet Heid­eg­ger in der Vorlesung Logik – Die Frage nach der
Wahrheit, indem er folgende Frage stellt: »Was besagt es also, daß
wir nun die bisherige Betrachtung und die Phänomene, die wir in
ihr zur Sprache gebracht haben: Aussage, Wahrheit, Falschheit, Syn­
thesis, einheitlich auf diesen phänomenalen Zusammenhang der Zeit
zurückbeziehen?«55 Die Zeit ist dieser Frage nach die Vermittlerin
von Wahrheit und Unwahrheit, also die Klammer der Verklamme­
rung, oder zumindest ist dies die systematische Stelle, die Heid­eg­ger
der Zeit zugedacht hat. In Sein und Zeit stellt Heid­eg­ger zwar den
Sinn des Seins des Daseins als Zeitlichkeit dar, aber er macht nicht
deutlich, dass sich die Gleichursprünglichkeit von Erschlossenheit
und Verschlossenheit auf die Zeitlichkeit des Daseins gründet. Im
Ursprung des Kunstwerkes schreibt Heid­eg­ger dagegen in diesem
Sinne: »Unverborgenheit des Seienden, das ist nie ein nur vorhan­
dener Zustand, sondern ein Geschehnis«.56 Dieser Geschehens­
charakter der Wahrheit wird auch in den Beiträgen zur Philosophie
deutlich: »Indem Wahrheit west, Wahrheit wird, wird das Ereignis
Wahrheit. Das Ereignis ereignet, sagt nichts anderes als: Es und nur
es wird Wahrheit, wird dies, was zum Ereignis gehört, so daß eben
Wahrheit wesentlich Wahrheit des Seyns ist«.57

55 Heid­eg­ger, Logik. Die Frage nach der Wahrheit, GA 21, 135.


56 Heid­eg­ger, Der Ursprung des Kunstwerkes, GA 5, 41.
57 Heid­eg­ger, Beiträge zur Philosophie, GA 65, 349.
Die Struktur der Verklammerung im Wesen der Wahrheit 267

Der Übergang von Wahrheit zu Unwahrheit soll also zunächst


ausdrücklich zeitlich und später zumindest als ein Geschehen zu
denken sein. Daher ist es bemerkenswert, dass auf dem Heid­eg­
gerschen Denkweg das Phänomen der Zeit verschwindet, das Heid­
eg­ger sowohl in der Marburger Vorlesung als auch in Sein und Zeit
noch als Grundphänomen für die Vermittlung von Wahrheit und
Unwahrheit versteht. Aber nachdem Heid­eg­ger nicht mehr die Zeit
als die Klammer zu denken versucht, wird die Struktur der Ver­
klammerung als solche im Wesen der Wahrheit im Ursprung des
Kunstwerkes und in den Beiträgen zur Philosophie deutlicher. Wenn
Heid­eg­ger vom Werden der Wahrheit spricht, dann ist es, als ob die
Verklammerung von Wahrheit und Unwahrheit ihre eigene Klammer
wäre. Die Hervorhebung der Verklammerungsstruktur weist also
darauf hin, dass die Verbindung von Wahrheit und Unwahrheit eher
nichts mit der Klammer der Zeit zu tun hat, auf die Heid­eg­ger in den
frühen Schriften abzielte. Dazu eine letzte Überlegung.
Im 1962 gehaltenen Vortrag Zeit und Sein setzt Heid­eg­ger sich
wieder mit dem Verhältnis von Zeit (Klammer) und Sein (Verklam­
merung von Wahrheit und Unwahrheit) auseinander. Dieser Vortrag
legt dar, dass Zeit und Sein in einem untrennbaren Verhältnis stehen.
Dieses Verhältnis drückt Heid­eg­ger derart aus: »Zeit und Sein ereig­
net im Ereignis«.58 Bevor man eine voreilige Schlussfolgerung zieht,
nämlich dass Wahrheit und Unwahrheit wieder durch die Zeit ver­
klammert werden, sollte man sich also fragen, was Heid­eg­ger unter
dem Begriff der Zeit in dem genannten Vortrag versteht. Die Zeit
ist Heid­eg­gers spätem Vortrag zufolge nicht »die gewöhnlich vor­
gestellte Zeit im Sinne des Nacheinander der berechenbaren Jetzt-
Folge«,59 sondern »die ihr dreifältig lichtendes Reichen einigende
Nähe von Anwesen aus Gegenwart, Gewesenheit und Zukunft«.60
Da diese eigentliche Zeit es ermöglicht, das Sein zu denken,61 erin­
nert sie an die in Sein und Zeit geplante »Explikation der Zeit als des
transzendentalen Horizontes der Frage nach dem Sein«.62 Aber zwi­
schen dem Zeitbegriff in Sein und Zeit und dem Zeitbegriff im Vor­

58 Heid­eg­ger, Zeit und Sein, GA 14, 27.


59 Heid­eg­ger, Zeit und Sein, GA 14, 16.
60 Heid­eg­ger, Zeit und Sein, GA 14, 21.
61 Vgl. Heid­eg­ger, Zeit und Sein, GA 14, 29.
62 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 39. Zum Zusammenhang von Sein und
Zeit und Zeit und Sein vgl. Günter Figal, Martin Heid­eg­ger. Phänomenologie
der Freiheit, dritte Auflage, Weinheim 2000, 334–400.
268 Choong-Su Han

trag Zeit und Sein besteht ein großer inhaltlicher Unterschied, wo­
rauf schon die Rede vom »lichtend-verbergenden Reichen« und die
Hervorhebung der »Nähe« hinweisen.63 Damit die obengenannte
Frage nach dem Verhältnis von Klammer und Verklammerung, also
wie Heid­eg­ger Zeit, Wahrheit und Unwahrheit verbindet, beant­
wortet werden kann, bedarf es einer weiteren Untersuchung von
verschiedenen Zeitverständnissen in Verknüpfung mit dem Wesen
der Wahrheit.

63 Heid­eg­ger, Zeit und Sein, GA 14, 20.


Guillaume Fagniez
« Comprendre l’historicité » : Heid­eg­ger
et la correspondance de Dilthey et Yorck

Lorsque paraît en 1923 la correspondance échangée entre 1877 et


1897 par Wilhelm Dilthey et le comte Paul Yorck von Wartenburg1,
l’intérêt déjà ancien mais toujours vif de Heid­eg­ger pour la pensée
de Dilthey le conduit à en proposer à Erich Rothacker un compte-
rendu pour la revue que ce dernier vient tout juste de fonder, la
Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistes­
geschichte.2 Ce compte-rendu, rédigé à la fin de l’été 1924 sous le
titre Der Begriff der Zeit – qui, ayant pris les proportions d’un traité
à part entière, ne put trouver accueil dans la revue, et ne fut publié
qu’en 2004, comme tome 64 de la Gesamtausgabe3 – a pu être consi­
déré, selon l’expression de Theodore Kisiel, comme un « Dilthey
Draft » préliminaire à Sein und Zeit.4 Et, de fait, la publication de ce
texte jette une lumière nouvelle sur le chapitre 5 de la deuxième sec­
tion de Sein und Zeit, intitulé « Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit ».5
Tandis que celui-ci – et plus particulièrement son § 77, composé d’un
montage de citations des lettres de Dilthey et Yorck6 – avait long­

1 Briefwechsel zwischen Wilhelm Dilthey und dem Grafen Paul Yorck von
Wartenburg. 1877–1897, Max Niemeyer Verlag, Halle an der Saale, 1923 ;
réédité chez Georg Olms Verlag, Hildesheim / Zürich / New York, 1995.
2 Cf. Martin Heid­eg­ger und die Anfänge der Deutschen Vierteljahrsschrift
für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Eine Dokumentation, hrsg.
von J. W. Storck und Th. Kisiel, in: Dilthey-Jahrbuch 8 (1992–1993), 181–232.
3 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 1–103.
4 Cf. Theodore Kisiel, The Genesis of Heid­eg­ger’s « Being and Time », Uni­
versity of California Press, Berkeley / Los Angeles / London, 1993, 315–361.
5 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 492–533.
6 Sein und Zeit ne conserve du texte de 1924 que le montage de citations
de la correspondance, que Heid­eg­ger a inséré tel quel dans le manuscrit
(cf. Kisiel, A Philosophical Postscript: On the Genesis of Sein und Zeit, in:
270 Guillaume Fagniez

temps pu passer pour l’appendice quelque peu superflu d’un ou­


vrage pressé d’atteindre sa conclusion, il apparaît désormais comme
l’ombilic de Sein und Zeit : l’ultime trace, dans la forme achevée de
l’ouvrage, de ce qui fut sa forme embryonnaire. Nul doute, dès lors,
que les sous-couches de ce palimpseste sont autant de ressources
pour comprendre la formule énigmatique selon laquelle « l’analy­
tique temporelle existentiale préparatoire du Dasein est résolue à
se pénétrer de l’esprit du comte Yorck pour se mettre au service de
l’œuvre de Dilthey » ;7 mais elles permettent aussi et surtout – contre
la tendance pour ainsi dire « husserlienne » à tenir celle-ci pour un
problème « régional »8 – de remettre la question de l’historicité de
l’existence à sa juste place, au centre même de la question de l’être.
L’historicité est le thème que Heid­eg­ger retient en priorité de sa
lecture de la correspondance et qui doit fournir l’axe principal de
sa recension de l’ouvrage.9 Penser la vie humaine dans son histo­
ricité caractéristique, telle est l’interrogation que Heid­eg­ger avait
déjà mise au centre de sa réception de Dilthey depuis le premier
moment de sa confrontation avec le philosophe, lors du cours de
semestre d’été 1920.10 Toutefois, Heid­eg­ger tient cette interrogation
diltheyenne d’entrée de jeu pour limitée, bridée à la fois par un appa­
reil conceptuel impropre à une véritable pensée de la vie historique,
mais aussi et surtout par une perspective gouvernée par une théo­
rie de la connaissance qui cherche moins à saisir cette vie en propre
qu’à s’assurer de sa propre validité. Ce qui, aux yeux de Heid­eg­ger,
fait l’essentiel du projet diltheyen, « comprendre la vie à partir d’elle

Dilthey-Jahrbuch 8 (1992–1993), 226–227) ; de sorte que le § 77 (Sein und


Zeit, GA 2, 527–532) reprend littéralement l’essentiel de la première partie
de son essai de 1924 (Der Begriff der Zeit, GA 64, 9 –14). (En signalant les
passages de la correspondance cités par Heid­eg­ger, nous renverrons ici seu­
lement à Sein und Zeit.)
7 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 533.
8 Heid­eg­ger, Protokoll zu einem Seminar über den Vortrag « Zeit und Sein »,
GA 14, 54: « Husserl […] concevait Être et Temps comme l’ontologie régio­
nale de l’historique ».
9 Cf. la lettre à Rothacker du 21 septembre 1924 : « J’ai isolé du reste de la
correspondance la question centrale de l’historicité, et je cherche à la rendre
intelligible en explorant ce qui y est en cause … » (Martin Heid­eg­ger und
die Anfänge der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und
Geistesgeschichte, 207).
10 Cf. Heid­eg­ger, Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks,
GA 59, 149 –174.
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 271

même », n’est pas aperçu par ses contemporains (notamment par les
néokantiens qui ont combattu le psychologisme latent de sa problé­
matique), mais pas non plus par lui-même.11
Dans un premier temps, c’est parce que le projet inédit de penser
l’historicité de la vie souffre d’une réception à contre-sens jusque
dans son auto-interprétation chez Dilthey, qui le fait passer pour un
programme « logique » visant à défendre l’autonomie des sciences de
l’esprit contre l’hégémonie des sciences de la nature, que Heid­eg­
ger presse quelque peu Rothacker de lui attribuer l’exemplaire de la
correspondance reçu par la revue : la recension de la correspondance
Dilthey-Yorck doit être, selon Heid­eg­ger lui-même, une « prise de
position » à l’égard de l’œuvre de Dilthey qui infléchirait décisive­
ment sa réception.12 Cependant, dès sa lecture de l’ouvrage, dans
les derniers jours de l’année 1923,13 Heid­eg­ger sait que sa « recen­

11 Cf. Heid­eg­ger, Wilhelm Diltheys Forschungsarbeit und der gegenwär­


tige Kampf um eine historische Weltanschauung (cité dans ce qui suit: Kas­
seler Vorträge), hrsg. von F. Rodi, in: Dilthey-Jahrbuch 8 (1992–1993), 154:
Dilthey « a mésinterprété les visées de son propre travail ». Sur la non-ré­
ception de Dilthey par ses contemporains, et tout particulièrement par les
néokantiens, cf. Kasseler Vorträge, 150 et 157–158, et Prolegomena zur Ge­
schichte des Zeitbegriffs, GA 20, 19 –21, enfin Sein und Zeit, GA 2, 525 :
« l’image de Dilthey répandue aujourd’hui » en fournit un « signalement […]
qui dissimule plus qu’il ne révèle ». Il est possible du reste que cette dernière
formulation vise non seulement les néokantiens mais aussi certains repré­
sentants de l’école de Dilthey (cf. Frithjof Rodi, Die Bedeutung Diltheys für
die Konzeption von Sein und Zeit. Zum Umfeld von Heid­eg­gers Kasseler
Vorträgen (1925), in: Dilthey-Jahrbuch 4 (1986–1987), 176–177).
12 Cf. la lettre à Rothacker du 15 décembre 1923 : « […] j’apprends que la
publication des lettres de Dilthey est imminente. Si vous le jugiez opportun,
je saisirais volontiers cette occasion pour m’exprimer sur le travail de Dilthey
dans votre revue. Je suis d’avis que la mode actuelle autour de Dilthey est sur
le point de renoncer à ce qui justement est décisif dans ce travail. Au cas où
vous n’auriez pas déjà attribué l’exemplaire reçu par votre revue à quelqu’un
d’autre, je vous prie de me le faire parvenir à cette fin. […] » (Martin Heid­eg­
ger und die Anfänge der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissen­
schaft und Geistesgeschichte, 200). Cf. également la lettre du 4 janvier 1924 :
« Je souhaiterais également pouvoir peser plus tôt sur la lecture des lettres
et la façon dont on s’occupe de Dilthey … ». Cette motivation est encore
présente dans la remarque de Sein und Zeit (GA 2, 499) : « Au fond, il s’agit
uniquement, pour l’analyse qui va suivre, de contribuer pour sa part à ouv­
rir la voie à la génération actuelle dans son appropriation des recherches de
Dilthey, qui reste encore à accomplir ».
13 Cf. la lettre de Heid­eg­ger à Rothacker du 4 janvier 1924 (Martin Heid­eg­
272 Guillaume Fagniez

sion » est appelée à devenir un essai à la faveur duquel s’exposeront


ses propres nécessités philosophiques. Le changement de nature du
projet tient en grande partie au fait que Heid­eg­ger, à la lecture de
la correspondance – et c’est en cela qu’elle est une « grande décou­
verte »14 – rencontre en Yorck un porte-parole de ses propres ob­
jections à l’égard de Dilthey, qui appelle sans cesse son correspon­
dant à davantage de radicalité dans son interrogation de l’historicité,
dans un style tranchant qui contraste avec ce que Dilthey appelle
lui même son « modérantisme ».15 Toutefois, il faut renoncer, selon
nous, à comprendre la lecture de la correspondance à partir d’une
opposition – suggérée notamment par Gadamer, mais largement ac­
ceptée16 –, qui serait celle de Heid­eg­ger avec Yorck contre Dilthey.
En invitant le lecteur de Sein und Zeit à « servir l’œuvre de Dilthey »
en « cultivant l’esprit du comte Yorck », Heid­eg­ger livre avant tout
une indication herméneutique concernant la manière dont il faut
selon lui aborder l’œuvre de Dilthey : la lettre doit en être lue dans
l’esprit de Yorck, à partir d’intentions profondes qui n’ont pas été
entièrement aperçues par leur auteur, mais bien par son alter ego
philosophique.17

ger und die Anfänge der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissen­


schaft und Geistesgeschichte, 202).
14 Françoise Dastur, Heid­ eg­ger : Histoire et historicité. Le débat avec
Dilthey et Yorck von Wartenburg, in: S. Jollivet et C. Romano (éds.), Heid­
eg­ger en dialogue (1912–1930), Vrin, Paris, 2009, 14.
15 Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 126. La prudence relative de
Dilthey est celle d’un universitaire berlinois qui évolue au cœur de la vie
académique allemande, tandis que son correspondant philosophe en franc-
tireur retiré sur ses terres de Klein-Öls, en Silésie.
16 Cf. Hans-Georg Gadamer, Erinnerungen an Heid­eg­gers Anfänge, in:
Dilthey-Jahrbuch 4 (1986–1987), 14 ; Der eine Weg Martin Heid­eg­gers, in:
Neuere Philosophie I, Gesammelte Werke Band 3, Mohr, Tübingen, 1987,
420 –421 ; Erinnerungen an Heid­eg­gers Anfänge, in: Hermeneutik in Ruck­
blick, Gesammelte Werke Band 10, Mohr, Tübingen, 1995, 8–9.
17 Heid­eg­ger écrit ainsi à Rothacker, après avoir refermé la correspondance :
« Surprenante a été pour moi la supériorité du comte Yorck dans toutes les
questions philosophiques de fond ; d’instinct, il était en avance d’un demi-
siècle sur son temps. La direction dans laquelle il pousse visiblement Dilthey
est celle dans laquelle j’ai orienté mes propres présentations de Dilthey en
cours, non sans remarquer que Dilthey n’était jamais allé jusque-là ». (Lettre
du 4 janvier 1924, Martin Heid­eg­ger und die Anfänge der Deutschen Vier­
teljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 203.)
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 273

Ce qui est selon Heid­eg­ger la « visée philosophique la plus pro­


pre » de Dilthey, Yorck l’exprime en parlant de « notre intérêt com­
mun : comprendre l’historicité ».18 Or, pourquoi Dilthey ne se rend
pas jusqu’à ce que Heid­eg­ger nomme le « lieu ontologique propre »
du « problème de l’historicité », jusqu’à son « enracinement origi­
nal »19, les lettres de Yorck citées par Heid­eg­ger dans Sein und Zeit
permettent justement de le cerner ; elles permettent de signaler cer­
taines limitations de la « conceptualité » de Dilthey qui sont, inverse­
ment, autant de réquisits propres à une analyse qui entend faire plei­
nement droit à l’historicité de l’existence, vers laquelle convergent
les différents points que nous nous proposons ici d’aborder : il
s’agira en effet 1°) de comprendre la signification de l’« ocularité
[Okularität] »,20 thème central des références de Heid­eg­ger à Yorck
dans Sein und Zeit, et qui paraît résumer à lui seul la limitation fon­
damentale de la tradition de pensée de l’histoire dont Dilthey est le
représentant ; 2°) en établissant la généalogie historique (gréco-car­
tésienne) de cet esthétisme, de souligner avec Heid­eg­ger la nécessité
d’une « ontologie de l’‹ historique › »21 délivrée de cette tradition ; 3°)
de constater la conjonction chez Yorck comme chez Heid­eg­ger de
la reconnaissance d’une nécessaire « dé-struction » de l’histoire de
la métaphysique.

La critique de l’« oculaire », condamnation en appel de


l’esthétisme diltheyen

Heid­eg­ger, dans le cours du semestre d’hiver 1923–1924 Einführung


in die phänomenologische Forschung, pointe la raison principale de
l’échec de Dilthey, en réitérant à son égard le reproche d’esthétisme
qu’il avait déjà formulé dès 1920 : « Vivre dans l’histoire fut pour
Dilthey une possibilité d’existence qu’il vécut lui-même [par opposi­
tion à une « réflexion vide sur l’histoire et la conscience historique »],
mais qu’il ne parvint jamais à rendre entièrement limpide, parce que

18 Cf. Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 185, et Sein und Zeit, GA 2,
526 ; Heid­eg­ger cite également cette formule de Yorck in Kasseler Vorträge,
158.
19 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 499.
20 Lettre du 4 décembre 1888, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck,
71 (citée par Heid­eg­ger in Sein und Zeit, GA 2, 532).
21 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 14.
274 Guillaume Fagniez

lui-même s’en tenait encore à la considération traditionnelle de l’his­


toire, que je désigne pour ma part comme considération esthétique
de l’histoire gouvernée par l’idée d’humanité ».22
Ce qui est ici mis en cause, c’est en premier lieu l’extériorité
propre au regard, la distance inhérente à la vision ;23 reproche qui
relève plus généralement de la récusation globale dont le théorique
comme tel fait l’objet depuis les premiers cours de Fribourg.24 Et
d’autre part la stabilité de la forme qui ne rend pas justice au ca­
ractère essentiellement mobile de la vie, à sa temporalité. Il est in­
contestable que Dilthey a voulu concevoir la vie dans son intério­
rité propre – comprendre la vie, c’est chaque fois se transposer en
elle – comme dans sa temporalité spécifique – il n’y a rien dans la
vie qui ne soit temporel.25 De ce point de vue, il faut reconnaître sa
position singulière au sein de la tendance générale à chercher l’anhis­
torique dans l’historique.26 Mais non moins incontestablement pré­

22 Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 92.


Et dans les compléments manuscrits du même cours : « Ce qu’il a vu, il a tenté
de le rendre sur un mode esthético-artistique [aesthetisch-künstlerisch] de
présentation » (GA 17, 321). Dès son premier exposé de la philosophie de
Dilthey, au semestre d’été 1920, Heid­eg­ger avait adressé à celle-ci le reproche
d’esthétisme : « Dilthey ne voit […] le psychique que de l’extérieur – même si
ce point de vue extérieur n’est pas celui de la nature, mais celui de l’histoire
des idées – comme une figure, statique, ‹ esthétique › (l’idéal de l’harmonie).
C’est à partir de là qu’il interprète l’effectivité psychique, de là provient son
concept d’‹ ensemble › [Zusammenhang]. Tout cela est déterminé à partir de
la saisie esthétique, figurative, de la vie » (Heid­eg­ger, Phänomenologie der
Anschauung und des Ausdrucks, GA 59, 157).
23 L’extériorité ici visée pouvant elle-même trouver place dans la dimension
de l’intériorité, comme le signale cette précision donnée par Heid­eg­ger : La
« considération extérieure […] n’est pas moins en vigueur là où la person­
nalité est ‹ comprise › dans une démarche psychologique immanente ; la per­
spective objectivement imagée [objektiv bildhafte Aspekt] y est conservée.
(Cf. p. ex. Dilthey.) » (Heid­eg­ger, Anmerkungen zu Karl Jaspers « Psycho­
logie der Weltanschauungen », GA 9, 39 –40)
24 Cette critique de l’« attitude théorique » s’amorce dès la conclusion de la
thèse sur Duns Scot ; cf. Heid­eg­ger, Frühe Schriften, GA 1, 406.
25 Sur ces deux points, cf. p. ex. respectivement Dilthey, Einleitung in die
Geisteswissenschaften, GS I, hrsg. von B. Groethuysen, B. G. Teubner, Leip­
zig / Berlin, 1922, 254, et Ideen über eine beschreibende und zergliedernde
Psychologie, in: Die geistige Welt, GS V, hrsg. von G. Misch, B. G. Teubner,
Leipzig / Berlin, 1924, 200.
26 Sur ce « combat contre l’histoire », cf. Heid­eg­ger, Einleitung in die Phä­
nomenologie der Religion, GA 60, 38–52.
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 275

sents chez lui sont les indices d’un paradigme esthétique central qui
guide sa conception de la vie, que nous pouvons seulement relever
très brièvement ici. Il s’agit 1°) du caractère essentiellement téléo­
logique, selon Dilthey, de l’ensemble constitué par la vie psychique.
Cette finalité immanente à la vie a pour effet que « tous les proces­
sus de la vie psychique collaborent en nous à la réalisation d’un tel
ensemble, s’efforcent, pour ainsi dire, de donner une forme à notre
âme [eine Gestalt der Seele zu erwirken] ».27 2°) Ce rapport (hérité
de la Critique de la faculté de juger) d’une « force formatrice » à une
« figure » qui en accomplit toutes les possibilités est présent, selon
Dilthey, dès la constitution même de l’« expérience vécue » : perce­
voir, c’est d’emblée, par le pouvoir de l’imagination, donner forme
à l’expérience, qui se présente donc toujours déjà comme image ;
en ce sens, l’expérience est une incessante conversion de la force
en forme, une « métamorphose ».28 3°) Fondé implicitement sur les
deux éléments précédents, le concept de type est choisi par Dilthey
pour exprimer l’articulation du particulier et du général propre aux
sciences de l’esprit : celui-ci ne subsume pas le particulier sous l’uni­
versel comme une loi, mais établit une représentation réciproque
de l’universel et du particulier. À travers un procédé comparatif,
la psychologie établit des constantes qui définissent l’« homme ty­
pique », l’histoire dégage des types de conceptions du monde ; mais
le concept scientifique de type ne se déprend jamais entièrement
d’une catégorie esthétique sous-jacente : le type « conserve son ca­
ractère imagé [Bildlichkeit] ».29
À travers cette correspondance omniprésente d’une force et d’une
forme, le risque est bien réel que leur unité se fasse moins dans l’unité
dynamique d’une métamorphose que dans la stabilité et l’extériorité
de ce qui doit être pris en vue par un regard ; risque qui est effective­

27 Dilthey, Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie,


GS V, 176.
28 Cf. Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 58.
29 Dilthey, Beiträge zum Studium der Individualität, GS V, 280. Dans Die
Einbildungskraft des Dichters. Bausteine für eine Poetik, Dilthey distingue
le concept produit par la pensée scientifique et l’« essentiel » tel qu’il est dé­
gagé par la poésie : « les types, écrit-il, contiennent […] un accroissement du
vécu, mais non pas dans le sens d’une idéalité vide, au contraire dans celui
d’une représentation de la diversité sous une forme imagée, dont la structure
forte et claire rend compréhensible la signification d’expériences vécues de
moindre intérêt, non encore démêlées. » (Die geistige Welt. Zweite Hälfte,
GS VI, hrsg. von G. Misch, B. G. Teubner, Leipzig / Berlin, 1924, 186.)
276 Guillaume Fagniez

ment pointé par Yorck dans les citations du § 77 de Sein und Zeit,
où la critique de l’« oculaire » tient une place essentielle : « Vous em­
ployez l’expression ‹ métamorphose ›, qui est assurément fort éclai­
rante. Je ne puis toutefois, au premier abord, la comprendre autre­
ment que comme une projection optique du processus d’assimilation
qui s’accomplit dans la région invisible de la causalité ».30
Les réserves émises par Yorck à l’égard du concept de type pro­
cèdent de ce même rejet du paradigme esthétique dans la démarche
psychologique et historique. D’une part, Yorck voit dans le type « la
clef qui ouvre les serrures les plus fines et les plus difficiles » ; en tant
qu’il correspond à un « sentiment de perfection », il constitue une
« mesure vitale, une catégorie historique de même importance pour la
connaissance de l’historicité que n’importe quelle catégorie logique
pour l’ontique ».31 Mais d’autre part, dans une posture qui préfigure
celle de Heid­eg­ger, Yorck rappelle Dilthey à ses intentions philoso­
phiques propres : « La comparaison, écrit-il, est toujours esthétique,
elle tient toujours à la figure [Gestalt]. […] Votre concept de type est
entièrement intérieur. Il s’agit là de caractères et non de figures. »32
Heid­eg­ger peut retrouver ici le rejet du concept de « type » qu’il
a lui-même exprimé dans ses premiers cours de Fribourg, en tant
qu’il contient un moment « essentiel » ou « eidétique » qui contre­
dit manifestement l’historicité de la vie. Le « type » est l’instrument
caractéristique d’une « attitude historico-objective »33 qui, quelles
que soient les intentions affichées, stabilise l’historicité de la vie en
des « figures » et fait de l’histoire un vaste panorama dont on peut
savourer le « spectacle ».34 La « tendance à typiser [Tendenz zur Typi­
sierung] »35 – devenue selon Heid­eg­ger une véritable frénésie typo­
logique36 – implique une orientation si déterminée vers l’intempo­
rel qu’elle n’est au fond pas autre chose qu’une « lutte contre l’his­

30 Lettre du 28 juin 1886, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 56.


31 Lettre du 21 octobre 1895, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 191.
32 Lettre du 21 octobre 1895, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 193
(citée par Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 528).
33 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 167.
34 Cf. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 228–229.
35 Cf. Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,
44.
36 Cf. Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,
33, où il est question, littéralement, d’une « rage de typiser [Wut des Typisie­
rens] ».
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 277

toire ».37 C’est à ce titre que Heid­eg­ger cite les passages des lettres
de Yorck qui dénoncent le caractère seulement « antiquaire » de la
prétendue « école historique », en prenant notamment pour cible
Leopold von Ranke : « Ranke, comme historien, écrit Yorck, est tout
œil, il garde par devers lui la sensation avec tout ce qu’elle a de pure­
ment personnel, il s’agit de voir l’histoire, non de vivre l’histoire ».38
Vivre l’histoire et non la voir : à une histoire conçue comme une
galerie de figures « passées », tenues à distance par le regard, Yorck
oppose une histoire faite de « réalités » qui sont encore et toujours
présentes en tant qu’elles exercent – selon diverses modalités – cer­
taines forces sur nous. Concept d’histoire qui est également celui
de Dilthey, de nouveau rappelé par Yorck à ses intentions propres :
« Votre conception de l’histoire est quand même celle d’un complexe
de forces, d’unités dynamiques ; la catégorie de la figure ne pourrait
s’y appliquer qu’à la condition d’être transposée ».39 Ce qui est his­
torique est d’abord et avant tout à comprendre, selon l’expression
de Yorck reprise par Heid­eg­ger, comme une « virtualité ».40 Une
telle caractérisation de l’histoire (disons-le dès à présent mais nous

37 Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60, 38.


Cette critique heideggérienne du « type » est récurrente dans les années qui
précèdent Sein und Zeit ; signalons, de façon non exhaustive, les passages
suivants : Ontologie. Hermeneutik der Faktizität, GA 63, 59 –60, Anmer­
kungen zu Karl Jaspers « Psychologie der Weltanschauungen », GA 9, 38–39,
Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17, 93, Der Begriff
der Zeit, GA 64, 39 –40 et 91.
38 Lettre du 6 juillet 1886, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 60.
Heid­eg­ger cite cette lettre (« Ranke ist ein großes Okular, dem nicht, was
entschwand, zu Wirklichkeiten werden kann »), mais aussi la suivante, du
5 août 1886, et toute une série d’autres lettres qui vont dans le même sens
(Sein und Zeit, GA 2, 528–532).
39 Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 193 (lettre du 21 octobre 1895
citée par Heid­eg­ger in Sein und Zeit, GA 2, 528). Cf. ce propos de Dilthey :
« La réalité de Luther, de Frédéric le Grand ou de Goethe reçoit une intensité
et une vigueur accrues du fait qu’ils agissent constamment sur notre propre
moi, c’est-à-dire du fait que ce moi est déterminé par la volonté de ces puis­
sants personnages dont l’influence persiste et va toujours s’élargissant. Ils
sont pour nous des réalités parce que leur grande personnalité agit énergi­
quement sur nous » (Dilthey, Beiträge zur Lösung der Frage vom Ursprung
unseres Glaubens an die Realität der Außenwelt und seinem Recht, GS V,
114.) Cf. dans le même sens Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 144.
40 L’expression citée par Heid­eg­ger (Der Begriff der Zeit, GA 64, 12, et Sein
und Zeit, GA 2, 530) se trouve sous la plume de Yorck dans sa lettre à Dilthey
du 22 mai 1896 (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 213).
278 Guillaume Fagniez

devrons y revenir) a partie liée avec la reconnaissance du caractère


fondamentalement historique de l’existence humaine ; et c’est ce que
dit une autre lettre de Yorck citée par Heid­eg­ger : « une méditation
de soi qui n’est pas axée sur un Je abstrait mais sur mon Je dans sa
plénitude va me trouver historiquement déterminé, de même que
la physique me reconnaît cosmiquement déterminé. Exactement
comme je suis nature, je suis histoire ».41
C’est seulement en reconnaissant l’existence comme lieu où se
croisent et s’entrechoquent des forces historiques, lieu d’une lutte
de forces historiques, autrement dit par une conception polémique
de l’histoire, que l’on peut libérer l’histoire de sa conception esthé­
tique – conception polémique qui affleure dans ces citations de la
correspondance, et qui jouera un rôle essentiel au début des années
trente, où le temps et l’histoire seront déterminés comme « puissance
[Macht] ».42 Mais une telle libération de l’histoire comme virtualité
ne peut avoir lieu que dans le rapport avec la virtualité historique
même : pour parvenir à un tel concept d’histoire, il faut porter la cri­
tique de l’esthétisme, par-delà les conceptions modernes de l’histoire,
jusqu’à son origine grecque et à sa refondation cartésienne.

Vers une « ontologie de l’historique »

La critique heideggérienne de la conception diltheyenne de l’histori­


cité la reconduit en effet à deux sources, l’une grecque, l’autre carté­
sienne – deux sources auxquelles il faut nécessairement remonter s’il
s’agit de débrouiller la « confusion ontologique » qui barre le chemin
à toute conception adéquate de l’existence historique de l’homme.
La source grecque : l’« expérience ontologique originaire » à par­
tir de laquelle la Physique d’Aristote interprète le sens de l’« être-
homme », de l’« être-en-vie », est procurée par le « champ ontolo­
gique » du « commerce dans lequel il s’agit de produire, d’exécu­
ter, d’employer ». Être signifie d’abord « être-produit [Her­ge­stellt­

41 Lettre du 4 janvier 1888, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 71


(citée dans Sein und Zeit, GA 2, 530).
42 Déjà le cours de Marbourg de l’été 1928 parle de cette « puissance » du
temps, « que nous sommes nous-mêmes » et dont nous sommes « rarement
maîtres » ; cf. Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Aus­
gang von Leibniz, GA 26, 257–258.
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 279

sein] » ; mais un tel « être-produit » débouche immédiatement sur


une visibilité spécifique qui est celle de la « circonspection [Umse­
hen] » : « Avec cette production, l’objet du commerce accède à son
aspect [Aussehen] », à son eidos.43 C’est à partir de la main et de l’œil
que le noûs comprend le monde, et qu’a lieu son dévoilement pro­
prement grec, l’alèthéia.44 Ce « voir » est interprété par Heid­eg­ger
comme un certain mode d’être de l’existence – la « curiosité » – par
lequel elle se détourne d’elle-même pour se plonger dans la surface
miroitante des choses.45 En ce sens, la « considération esthétique de
l’histoire » atteste une « primauté du ‹ voir › »46 relevant d’une ten­
dance fondamentale de l’existence qui s’explicite pour la première
fois dans la pensée grecque pour se déployer ensuite dans toute l’his­
toire de la philosophie occidentale.
La source cartésienne : dans un bref préambule au montage de
citations qui ouvre la recension Der Begriff der Zeit – passage lui-
même non repris dans Sein und Zeit –, Heid­eg­ger rappelle le sens
du projet de la psychologie diltheyenne, notamment son « ancrage »
dans les « faits de conscience », dans l’« expérience intérieure » où
doivent être pris en vue « l’homme en entier » et les « processus réels
de la vie », « par opposition à toute psychologie ‹ intellectualiste › ».47
Intervient alors cette réserve aussi concise que décisive : « Mais la

43 Cf. Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 373–374.


44 Cf. Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 380 –382.
Dans une étonnante proximité avec Heid­eg­ger, les thèses développées par
Yorck insistent sur la portée ontologique de l’« ocularité », de l’« opsis » grec­
que ; mais le rapprochement trouve sa limite précisément ici : Yorck évoque
pour sa part une « lutte qui traverse toute la philosophie grecque entre idéa­
lité et technique », qui « peut être symbolisée par le conflit entre l’œil et la
main » (cf. Paul Yorck von Wartenburg, Bewußtseinsstellung und Geschichte.
Ein Fragment, hrsg. von I. Fetscher, Felix Meiner, Hamburg, 1991, 41).
45 Il s’agit du sens existential de la « curiosité », développé tout d’abord à
l’occasion d’une interprétation des Confessions de saint Augustin (Augus­
tinus und der Neuplatonismus, GA 60, 210 –227), puis de la Métaphysique
d’Aristote (Phänomenologische Interpretationen ausgewählter Abhandlun­
gen des Aristoteles, GA 62, 73–76), ramassé enfin dans le cours de 1925 (Pro­
legomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 378–384) et au § 36 de Sein
und Zeit.
46 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 227.
47 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 9. Heid­eg­ger cite ici la préface
de l’Einleitung in die Geisteswissenschaften et, comme dans Sein und Zeit
(GA 2, 529), se réfère à l’avant-propos rédigé par G. Misch pour le tome V
des Gesammelte Schriften de Dilthey.
280 Guillaume Fagniez

base méthodique de son travail de fondation demeure le mode d’ac­


cès aux cogitationes (res cogitans) et son coup d’envoi thématique
tels qu’ils ont été fondés et développés par Descartes dans ses Mé­
ditations ».48
Heid­eg­ger fait fond ici sur l’interprétation de Descartes donnée
dans le cours du semestre d’hiver 1923–1924, à la faveur d’une ex­
plication approfondie avec la phénoménologie husserlienne.49 L’es­
sai Der Begriff der Zeit indique ce qui doit être retenu de cette in­
terprétation de Descartes eu égard à la provenance de la pensée de
Dilthey50 : à travers Descartes, c’est le concept grec d’être – comme
« être-produit » et « présence [Anwesenheit] » – qui détermine l’en­
semble de la « posture méthodologique de l’anthropologie mo­
derne ». L’être du soi, entendu à partir de l’être du « monde alentour »
comme « substance », ne peut plus être interrogé avec la radicalité
requise.51 En mettant sur la sellette le caractère « personnaliste » de la
psychologie de Dilthey – comme de celle de Husserl –, l’important
§ 13 du cours de 1925 Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs
fait fond, à son tour, sur cette identification d’une ascendance carté­
sienne.52 En dernier ressort, et en dépit du sens profond de son pro­
jet d’une science autonome de l’esprit, cette psychologie interprète
le soi sur une base ontologique qui est celle de la Vorhandenheit.
La « personne », c’est l’existence comprise sur le modèle de la chose,
voire comme « chose du monde [Weltding] »53 : figée, stabilisée, elle

48 Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 9. (Souligné par Heid­eg­ger)


49 Cf. Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17.
Heid­eg­ger semble avoir rédigé sa « recension » à la fin de l’été et au début
de l’automne 1924. Cf. la lettre à Rothacker du 21 septembre 1924, Martin
Heid­eg­ger und die Anfänge der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literatur­
wissenschaft und Geistesgeschichte, 207.
50 Cf. Heid­ eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 97–103. L’essai renvoie
d’ailleurs lui-même (97, note 4) aux développements donnés dans le cadre
des exercices et des cours.
51 « La signification d’‹ être ›, dans l’énoncé sum, vise l’être du monde. » (Der
Begriff der Zeit, GA 64, 102.) Les §§ 19 –21 de Sein und Zeit consacrés à
« l’ontologie cartésienne du ‹ monde › » reviennent sur cette transmission, à la
faveur du « flou ontico-ontologique » qui entoure le concept de substance,
du mode de la Vorhandenheit à l’existence dès lors entendue comme « sujet »,
« personne », « conscience ».
52 Cf. Heid­eg­ger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 157–
182. Heid­eg­ger synthétise cette critique au § 10 de Sein und Zeit.
53 Heid­eg­ger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 173. Le
cours du semestre d’été 1927 montre de façon détaillée comment « même pour
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 281

se voit ainsi amputée de son essentielle mobilité, de l’advenir-à-soi


qui fait son historicité.
Ce que Heid­eg­ger appelle l’« attitude personnaliste »54 de Dilthey
est le signe manifeste que ce dernier ne s’est pas engagé sur cette
voie de l’« ontologie de l’historique » qu’il a lui-même contribué à
frayer. Or là est le point central et la raison d’être de la référence
de Heid­eg­ger à Yorck dans Sein und Zeit. La part « esthétique » de
la pensée de Dilthey est directement liée au fait que ses recherches
« accusent trop peu la différence générique entre l’ontique et l’histo­
rique ».55 Dilthey se saisit de ce qui se vit comme de ce qui se voit, et
transpose les catégories du visible à ce qui ne peut être que vécu. Ce
qui importe dès lors, pour mettre à exécution l’intention de penser
l’historique comme tel, c’est « de travailler à dégager positivement
et radicalement la structure catégoriale différente de l’étant qui est
nature et celle de l’étant qui est histoire (du Dasein) ».56 Or, selon
Heid­eg­ger, Yorck perçoit la tâche nécessaire de développer une lo­
gique directement puisée à la vie ; ayant repéré le « noyau de l’his­
toricité » en ceci que « le donné psychophysique en sa totalité n’est
pas (Heid­eg­ger précise ici dans une note : être = être là-devant de la
nature [Sein = Vorhandensein der Natur]) mais vit »,57 Yorck « se
mit à l’ouvrage pour arriver à saisir catégorialement l’historique par
opposition à l’ontique (l’oculaire) et à élever « la vie » à une entente
scientifique appropriée ».58
Pour être tout à fait au clair sur les distinctions mentionnées,
précisons explicitement que « être » signifie bien dans ces passages
« présence », « être là-devant », ou encore « subsistance » des choses
du monde. Au contraire, « vivre » désigne le mode d’être propre
à l’existence humaine, mode qui est celui de l’« être-historique » :
Lebendigkeit et Geschichtlichkeit ont le même sens chez Dilthey

l’interprétation de la personne […], l’horizon d’interprétation antique de


l’étant, c’est-à-dire la perspective du produire, est déterminante » (Die Grund­
probleme der Phänomenologie, GA 24, 211 et plus généralement 209 –218)
54 Cf. Heid­eg­ger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 171.
Rappelons que Heid­eg­ger a lu dès 1925 le manuscrit des Ideen II de Husserl.
55 Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 191. Cité par Heid­eg­ger in
Sein und Zeit, GA 2, 528.
56 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 527–528.
57 Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 71. Cité par Heid­eg­ger in Sein
und Zeit, GA 2, 530. (Heid­eg­ger souligne.)
58 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 531.
282 Guillaume Fagniez

et Yorck, mais aussi sous la plume du jeune Heid­eg­ger.59 Or c’est


justement parce qu’il s’agit de comprendre ce qui fait le propre de
cet « être-historique », autrement dit de le saisir dans sa distinction
d’avec l’« être » au sens de la substance, qu’il faut poser la question
de l’être comme tel. C’est bien en ce sens que Dilthey, tout en s’ap­
prochant de la question de l’être,60 lui reste extérieur : « Dilthey a pu
pousser jusqu’à cette réalité qui est véritablement au sens d’être-his­
torique, l’existence humaine. Dilthey est parvenu à faire de cette
réa­lité un donné. Il la détermine comme libre, vivante, et historique.
Mais il ne pose pas la question de l’historicité elle-même, la question
portant sur le sens d’être, sur le sens d’être de l’étant ».61
La question de l’être se présente ici comme question de l’être-his­
torique : quel est l’être de cet être qui n’est pas « présent », « subsis­
tant », mais qui est historiquement ? Comment cependant se frayer
une voie vers cette historicité ? Là encore, Yorck, tel qu’il apparaît
dans sa correspondance avec Dilthey, indique la voie.

L’historicité : expérience vive et Destruktion

Les conférences de Cassel laissent le dernier mot à Yorck, sous la


forme d’une première série de citations de la correspondance avec
Dilthey, pour soutenir la thèse selon laquelle seule une pensée vrai­
ment historique peut atteindre l’existence en tant qu’historicité.
Yorck écrit : « il n’y a pas de philosophie véritable qui ne soit histo­
rique. La séparation entre philosophie systématique et exposé histo­
rique est essentiellement erronée ».62 Cette thèse se trouve en toutes
lettres chez Dilthey, y compris dans la correspondance, où il affirme
que la « première partie de la philosophie » doit consister en ceci que
la « personne philosophante » doit « s’élever au point de vue actuel

59 Cf. Leopold von Renthe-Fink, Geschichtlichkeit. Ihr terminologischer


und begrifflicher Ursprung bei Hegel, Haym, Dilthey und Yorck, Vanden­
hoeck & Ruprecht, zweite Auflage, 1968, 78 et passim. Yorck écrit également :
« être est un dérivé de la vie, une manifestation particulière de la vie » (Brief­
wechsel zwischen Dilthey und Yorck, 203).
60 Cf. Heid­eg­ger, Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 173.
61 Heid­eg­ger, Kasseler Vorträge, 158 ; cf. également Kasseler Vorträge, 161.
62 Lettre du 11 novembre 1884 (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck,
251) citée dans les Kasseler Vorträge, 177, et dans Sein und Zeit, GA 2, 531.
Dans le même sens, cf. Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 69.
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 283

de cette conscience philosophique par l’histoire de cette conscience.


Cette histoire est la propédeutique inévitable [de la philosophie]
parce que la conscience que l’homme a de lui-même est historique ».63
Mais s’il s’agit chez Dilthey pour la conscience de comprendre son
propre point de vue, de se récupérer elle-même à travers le parcours
de ses manifestations passées, il y a chez Yorck un élément pour
ainsi dire « polémique » qui le rapproche beaucoup de la démarche
« dé-structive » heideggérienne.
« Comprendre l’historicité », élaborer une ontologie de l’existence
historique, ne peut avoir lieu que sur un mode effectivement histo­
rique, comme l’événement présent d’une confrontation avec le passé :
cela implique de remonter aux sources de notre conceptualité pré­
sente, en l’occurrence à l’interprétation grecque de l’être (comme
présence, ousia), en tant qu’elle fait obstacle à cette compréhension
de l’historique. Or cette « critique du présent »64, sens premier de
la Destruktion heideggérienne, est un trait saillant de la position
yorckienne65, et il n’est pas fortuit que Heid­eg­ger cite les lettres où
ce dernier dit non seulement que « toute histoire vraiment vivante,
qui ne se contente pas seulement de décrire la vie, est une critique »,66
mais aussi que « l’« homme moderne », c’est-à-dire l’homme depuis
la Renaissance, est bon à être enterré » : « si la science a un sol, c’est
celui du monde passé, du monde de l’Antiquité ».67

63 Lettre de juillet 1896, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 220. Le


projet diltheyen de rassembler les perspectives historique et systématique
est formulé dès la première ligne de son œuvre majeure, l’Einleitung in die
Geisteswissenschaften (cf. l’ensemble de la préface de l’ouvrage, GS I, XV –
XX ). Il est repris en ces termes mêmes de nombreuses fois par Heid­eg­ger ;
cf. p. ex. Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz,
GA 26, 9 –11.
64 Cf. Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 350.
65 Sur la « destruction » de la métaphysique chez Yorck, cf. Rodi, Die Inten­
sität des Lebens. Zur Stellung des Grafen Yorck zwischen Dilthey und Heid­
eg­ger, in: Das strukturierte Ganze. Studien zum Werk von Wilhelm Dilthey,
Velbrück Wissenschaft, Weilerswist, 2003, 239 –243. Des indications utiles
également dans Jürgen Grosse, Gestalt – Typus – Geschichtlichkeit. Yorck
von Wartenburgs Versuch, gegen die präsenzmetaphysischen Voraussetzun­
gen des Historismus anzudenken, in: Philosophisches Jahrbuch 106/I (1999).
66 Lettre du 9 mai 1881, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 19, citée
dans Sein und Zeit, GA 2, 529. Le propos est dirigé, en l’occurrence, contre
Ranke.
67 Lettres du 21 août 1889 (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 83) et
du 11 février 1884 (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 251) citées
284 Guillaume Fagniez

Cette critique yorckienne de l’homme moderne s’exerce à par­


tir de l’esprit de la Réforme luthérienne, qui consiste justement
en une remontée à la source vive de l’expérience, en l’occurrence
religieuse68 : « le point de vue chrétien est essentiellement histo­
rique parce que vitalité absolue, et par là impropre à toute mise en
forme ».69 Heid­eg­ger ne peut que s’accorder avec lui, qui dans ses
premiers cours avait reconnu dans l’expérience chrétienne le « pa­
radigme » de l’événement même de la vie, de l’advenir-à-soi qui fait
l’essentiel de l’histoire.70
L’expérience chrétienne, parce que vie au sens le plus plein, ap­
paraît donc par essence destructrice des formes dans lesquelles la
culture s’est déposée (et a fortiori du « culte de la forme » hérité des
Grecs71). Yorck, pour cerner le cœur de cette expérience, reprend
le paradigme romantique qui traverse toute l’œuvre de Dilthey et
constitue le centre de son herméneutique, à savoir l’idée de « re­

par Heid­eg­ger dans les Kasseler Vorträge, 177, et dans Sein und Zeit, GA 2,
529 et 531.
68 Dilthey écrit : « La Réforme était remontée à la simple expérience religi­
euse vécue. Elle avait démoli tout le système de pensée objectif de la puissance
ecclésiastique » (Leibniz und sein Zeitalter, in Studien zur Geschichte des
deutschen Geistes, GS III, hrsg. v. P. Ritter, B. G. Teubner, Leipzig & Berlin,
1921, 45–46).
69 Yorck von Wartenburg, Bewußtseinsstellung und Geschichte, 4–5.
70 Sur l’expérience chrétienne comme « paradigme » de l’« aiguisement » du
soi d’une part, comme expérience du temps et de l’historicité mêmes d’autre
part, cf. respectivement Grundprobleme der Phänomenologie (1919/1920),
GA 58, 61–62, et Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60, 80.
La publication récente des passages recopiés par Heid­eg­ger dans l’Einleitung
de Dilthey (cf. Kisiel, Notes for a work on the « Phenomenology of Religious
Life » (1916–1919), in: S. J. Mc Grath et A. Wiercinski (eds.), A Companion
to Heid­eg­ger’s Phenomenology of Religious Life, Rodopi, Amsterdam / New
York, 2010) confirme que Heid­eg­ger a trouvé très tôt chez Dilthey deux
idées qui jouent un rôle majeur dans le développement de sa pensée : 1°)
l’expérience chrétienne est un retour vers soi qui va à rebours de la tendance
foncièrement « mondaine » de l’existence à laquelle la pensée grecque a donné
une forme philosophique ; 2°) cette expérience est rapidement étouffée sous
le poids de la métaphysique grecque résurgente. Cette dernière idée est re­
prise, avec plus de force, voire de virulence, par Yorck, dans sa correspon­
dance avec Dilthey comme dans d’autres textes auxquels Heid­eg­ger n’a pu
avoir accès.
71 Cf. lettre du 4 mars 1884, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 39
(citée par Heid­eg­ger in Sein und Zeit, GA 2, 529).
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 285

vivre », de répéter l’expérience vécue par autrui,72 mais y ajoute un


trait polémique ou destructif : « les figures historiques doivent être
fluidifiées, sans quoi on ne fait qu’ajouter de la poussière à la pous­
sière » ;73 il faut penser « à partir du motif [aus dem Motive heraus] »
contre la « mise en forme », faire droit par conséquent à la « signi­
fication vivante » contre l’« institution dogmatique », à la « chose
[Sache] » même contre le « symbole » – oppositions qui viennent se
cristalliser dans un leitmotiv caractéristique des lettres de Yorck : « la
transcendance contre la métaphysique ! »74
On peut formuler cette opposition dans les termes diltheyens
d’une reconduction « de tous les dogmes » à « leur valeur vitale uni­
verselle », par laquelle ils sont « libérés » de leur « limitation histori­
quement justifiée » et de ce fait transformés en une « conscience de
la nature surnaturelle et sur-intelligible [überverständig] de l’histo­
ricité » ; un tel mouvement, qui ouvre le champ de ce que Dilthey
appelle une « théologie transcendantale »,75 renvoie également au
double sens que revêt chez lui la métaphysique : d’une part, une
construction philosophique morte, le « phénomène historiquement
limité » de « la métaphysique comme science », d’autre part « le sen­
timent métaphysique fondamental », la « conscience méta-physique »
qui elle, « est éternelle ».76
Pour Dilthey comme pour Yorck, il faut libérer le métaphysique
de la métaphysique – c’est-à-dire aussi libérer l’historique, la fini­

72 Toute histoire véritable mettant dès lors en jeu ce que Yorck appelle le
« coup d’œil psycho-historique » (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck,
113). Yorck parle en ce sens d’une « règle de connaissance selon laquelle les
puissances historiques ne sont pas atteintes optiquement mais par la remon­
tée de l’effet à la cause au moyen d’une expérience psychique […] Nous
n’avons pas affaire ici au christianisme en tant que religion, mais en tant
que constitution de conscience … » (Bewußtseinsstellung und Geschichte, 7).
« Nous devons répéter l’expérience de la vie, fût-ce sur le mode contemplatif,
dans la direction inverse […] La pensée doit donc chercher à revenir en deçà
d’elle-même … » (Bewußtseinsstellung und Geschichte, 9)
73 Lettre du 6 juillet 1886, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 59.
74 Lettre du 18 juin 1884, Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 42. Sur
le sens de ce motif yorckien, cf. l’introduction de Iring Fetscher à Yorck von
Wartenburg, Bewußtseinsstellung und Geschichte, XXX–XXXII .
75 Lettre de Dilthey à Yorck datée d’« avant Noël 1892 », Briefwechsel zwi­
schen Dilthey und Yorck, 158.
76 Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften, GS I, 364 et 386. Cf. éga­
lement Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 92.
286 Guillaume Fagniez

tude, l’expérience vive, de l’éternel conçu sous la forme de l’intempo­


rel, des formes figées (et donc, de nouveau, de l’esthétique).77 En un
sens, Dilthey, déclarant n’être pas chrétien « au sens spécifique »,78 va
plus loin que Yorck dans cette direction ; mais la tendance commune
aux deux amis est bien de réintégrer cette « transcendance » du méta­
physique au sein de l’immanence de la vie. Une telle transcendance
immanente de l’existence a partie liée avec la reconnaissance du ca­
ractère fondamentalement mortel de la vie, que Heid­eg­ger justement
croit retrouver – à tort ou à raison – chez Dilthey.79
C’est justement dans le texte Der Begriff der Zeit que Heid­eg­
ger met pour la première fois en lumière l’« immanence phénomé­
nologique » de la mort,80 c’est-à-dire ce fait que le rapport à la mort
détermine l’entièreté de la vie humaine, jusques et y compris au
moment présent.81 C’est à partir de ce point qu’il en vient, dans un
retournement de perspective décisif, d’une part à situer l’essence du
temps dans l’avenir,82 et d’autre part à poser la thèse que le Dasein
est le temps lui-même.83 Ces deux thèses se rejoignent dans la ca­

77 Cf. à ce sujet la lettre écrite par Yorck de et sur Rome le 4 mars 1891,
Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 120.
78 Cf. Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck, 125. Dilthey interprète
l’opposition yorckienne à travers une catégorie qui tient bien, avant tout
de la Diesseitigkeit : « La ‹ transcendance opposée à toute métaphysique › est
justement la part héroïque et religieuse de la nature humaine, qui est capable
de renoncer à elle-même. Il nous est impossible de la concevoir. Mais nous
ne devons pas non plus l’isoler. » (Briefwechsel zwischen Dilthey und Yorck,
146.) L’idée est récurrente, dans son œuvre, que la liberté humaine s’atteste
avant tout par la possibilité héroïque de sacrifier sa vie.
79 Plus précisément dans un passage de l’essai sur Goethe repris dans Dilthey,
Das Erlebnis und die Dichtung, GS XXVI, hrsg. v. G. Malsch, Vandenhoeck
& Ruprecht, Göttingen, 2005, 148–149. Cf. Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit,
GA 64, 48, et Sein und Zeit, GA 2, 331.
80 Cf. Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 49, note 21.
81 Analyses de la mort reprises à la fin du cours du semestre d’été 1925 (Pro­
legomena zur Geschichte des Zeitbegriffs, GA 20, 424–440) avant d’atteindre
leur formulation « classique » dans Sein und Zeit, GA 2, 314–354.
82 Cf. Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 51 et 58, et dans le même
volume, la conférence prononcée devant la faculté de théologie de Marbourg,
GA 64, 118 : « das Grundphänomen der Zeit ist die Zukunft. » Sein und Zeit
(§ 65) reprend cette thèse en caractérisant l’avenir comme « le phénomène
primitif de la temporalité originale et propre » (GA 2, 436).
83 Cf. Heid­eg­ger, Der Begriff der Zeit, GA 64, 118: « Das Dasein […] ist die
Zeit selbst, nicht in der Zeit »; et les Kasseler Vorträge, 169: « Menschliches
Leben passiert nicht in der Zeit, sondern ist die Zeit selbst »). Le § 6 de Sein
Heid­eg­ger et la correspondance de Dilthey et Yorck 287

ractérisation de l’historicité comme « événement du soi », « advenir à


soi » : c’est en ce sens que les conférences de Cassel peuvent dire que
« l’histoire a lieu avec moi-même ; je suis cet avoir lieu [Geschichte
geschieht mit mir selbst ; ich bin dieses Geschehen] ».84
La confrontation avec « l’œuvre de Dilthey » dans « l’esprit du
comte Yorck » prépare donc, à tout le moins, le mouvement qui
permet d’une part de penser, comme ce sera le cas dans et immé­
diatement après Sein und Zeit, une conception transcendantale de
l’histoire ;85 et d’autre part d’approfondir ce caractère d’événement
de l’historicité, cet Ereignis qui sera en quelque sorte le nom de l’être
pensé sous le schème de l’avenir et non plus celui du présent.86 Mais
une telle détermination suppose le fil directeur constamment suivi
de la question de l’historicité ; redisons-le, c’est bien la question de
l’être de l’historicité qui paraît s’élargir et ouvrir la question de l’être :
l’ontologie de l’historique n’a rien de régional, mais repose la ques­
tion de l’ontologie dans son ensemble à partir de celle de l’historicité.
Dans les dernières lignes du § 77 de Sein und Zeit, Heid­eg­ger ré­
plique à Yorck que « l’idée d’être embrasse ‹ ontique › et ‹ historique ›.
Elle est ce qui doit se laisser différencier génériquement ».87 Mais dès
lors que l’ontologie de l’historique met en lumière un mode d’être –
l’« avoir lieu », le Geschehen – qui sera bientôt reconnu comme une
façon possible de caractériser la vérité même, « radicaliser dans son
principe » le « but fondamental » de la « philosophie de la vie » tel
qu’il est formulé par Yorck – élaborer la « différence générique entre

und Zeit frappe cette formule : « Historicité [Geschichtlichkeit] veut dire


l’‹ avoir lieu › [Geschehen] du Dasein comme tel, base sur laquelle est seule­
ment possible quelque chose comme l’‹ histoire du monde › et l’appartenance
historique à l’histoire du monde » (GA 2, 27). Ces deux thèses marquent un
écart décisif par rapport à la « philosophie de la vie » de Dilthey.
84 Heid­eg­ger, Kasseler Vorträge, 174. L’identification de l’historicité et de
l’avoir-lieu de l’existence est directement liée aux deux thèses mentionnées :
« L’histoire a lieu avec moi-même ; je suis cet avoir lieu. Le devancement est
un mouvement qui conduit le Dasein à son avenir propre. Un tel se-devancer-
soi-même est le mouvement fondamental à partir d’où naît l’histoire, c’est
par lui en effet que le passé se découvre. » (Kasseler Vorträge, 174.)
85 Cf. Heid­eg­ger, Kant und das Problem der Metaphysik, GA 3, 242.
86 L’Ereignis, envisagé dans une perspective encore transcendantale, n’est
autre que ce Futurum, analogue au « schème horizontal » de la Praesenz,
dont l’absence est si remarquable dans le cours du semestre d’été 1927 (cf.
Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 429 –445).
87 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 533.
288 Guillaume Fagniez

ontique et historique »88 – paraît avoir pour conséquence nécessaire


que l’« ontique » lui-même – ou si l’on veut, plus étroitement : la
« nature » – soit essentiellement « historique ». La voie est désormais
libre vers une « histoire de l’être ».

88 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 532.


Gerhard Thonhauser
Wechselseitige Gegenlektüren:
Was hätte Heid­eg­ger für seine Konzeption des
Augenblicks von Kierkegaard lernen können?

Martin Heid­eg­gers explizite Hinweise auf Søren Kierkegaard wäh­


rend seiner Marburger Zeit beschränken sich auf drei Fußnoten in
Sein und Zeit und kurze Hinweise in einigen Vorlesungen.1 Am be­
kanntesten sind wohl Heid­eg­gers Anmerkungen in Sein und Zeit,
von denen auch die folgenden Überlegungen ihren Ausgang neh­
men möchten.

Heid­eg­ger über Kierkegaard

Aus Sein und Zeit sind vor allem die zweite und dritte Fußnote zu
Kierkegaard für die folgenden Überlegungen von Interesse.2 Die
zweite Fußnote lautet: »Im 19. Jahrhundert hat S. Kierkegaard das
Existenzproblem als existenzielles ausdrücklich ergriffen und ein­
dringlich durchdacht. Die existenziale Problematik ist ihm aber so
fremd, daß er in ontologischer Hinsicht ganz unter der Botmäßig­
keit Hegels und der durch diesen gesehenen antiken Philosophie
steht. Daher ist von seinen ›erbaulichen‹ Schriften philosophisch
mehr zu lernen als von den theoretischen – die Abhandlung über

1 Vgl. Heid­ eg­


ger, Einführung in die phänomenologische Forschung,
GA 17, 125–126; Heid­eg­ger, Prolegomena, GA 20, 404–405; Heid­eg­ger, Die
Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 408; Heid­eg­ger, Metaphysi­
sche Anfangsgründe der Logik, GA 26, 178 und 245–246.
2 Die erste Fußnote verortet Kierkegaard im Kontext der Analyse der
Angst. Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 253. Diese Thematik würde
nach einer eigenständigen Untersuchung verlangen und wird in den folgen­
den Überlegungen nicht behandelt.
290 Gerhard Thonhauser

den Begriff der Angst ausgenommen.«3 Von Heid­eg­ger werden hier


wesentliche Sachverhalte genannt, die in einer umfassenden Diskus­
sion des Verhältnisses von Heid­eg­ger und Kierkegaard nach einer
eingehenden Erörterung verlangen würden: Vor allem die Fragen
nach existenzieller und existenzialer Ebene der Analytik, dem Ver­
hältnis der beiden Ebenen und Kierkegaards Verortung in diesem
Schema sowie nach Kierkegaards Verhältnis zu Hegel und zur an­
tiken Philosophie und davon ausgehend nach seiner Stellung in der
Geschichte der abendländischen Metaphysik können hier hervor­
gehoben werden.4
Diese Fragestellungen – die für die Erörterung im Rahmen dieser
Überlegungen zu umfangreich wären – außer acht lassend, möchte
ich auf einen weiteren Sachverhalt aufmerksam machen, der mir für
die Auslegung dieser Fußnote von entscheidender Bedeutung zu
sein scheint, nämlich ihre Platzierung innerhalb der Gesamtstruk­
tur von Sein und Zeit. Die Fußnote befindet sich am Ende von § 45
(Das Ergebnis der vorbereitenden Fundamentalanalyse des Daseins
und die Aufgabe einer ursprünglichen existenzialen Interpretation
dieses Seienden), der eine Art Überleitung zum und Einleitung in
den zweiten Abschnitt von Sein und Zeit (Dasein und Zeitlichkeit)
darstellt. Dies scheint mir ein wichtiger Hinweis darauf zu sein, dass
die Bezugnahme Heid­eg­gers auf Kierkegaard in Zusammenhang mit
der Analyse der Zeitlichkeit des Daseins gesehen werden muss. In
Hinblick auf diese Thematik, so möchte ich weiter argumentieren,
sind auch die Hinweise auf Kierkegaards Der Begriff der Angst5 und
die »erbaulichen« Schriften zu verstehen.

3 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 313.


4 In einer handschriftliche Randbemerkung zu »existenzial« fügt Heid­
eg­ger hinzu: »Und zwar fundamentalontologische, d. h. auf die Seinsfrage
als solche überhaupt zielende.« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 313) Hier
scheinen mir die beiden genannten Fragekomplexe von Heid­eg­ger selbst als
entscheidend für die Behandlung seines Verhältnisses zu Kierkegaard her­
vorgehoben zu sein.
5 Der zweite Artikel im Titel (»Der Begriff der Angst«) ist eine Folge der
Lektüre der Schrift anhand der Übersetzung von Christoph Schrempf. Vgl.
Sören Kierkegaard, Der Begriff der Angst, Gesammelte Werke, Band 5, hrsg.
und übersetzt von Christoph Schrempf, erste Auflage, Jena 1912 (zweite
Auflage, Jena 1923). Mit der zweifelhaften Übersetzungstätigkeit Schrempfs
und ihren nicht zu unterschätzenden Auswirkungen auf die deutschspra­
chige Kierkegaard-Rezeption der 1920er Jahre habe ich mich an anderer
Stelle eingehend auseinandergesetzt. Vgl. Gerhard Thonhauser, Christoph
Wechselseitige Gegenlektüren 291

Wie ich im Folgenden zu zeigen versuche, beinhalten diese Schrif­


ten Themen, die Heid­eg­ger gerade im Kontext der Ausarbeitung der
Zeitlichkeit des Daseins beschäftigen. Ein weiterer Hinweis darauf
ist die dritte Fußnote zu Kierkegaard in Sein und Zeit. Diese be­
findet sich in § 68 (Die Zeitlichkeit der Erschlossenheit überhaupt)
zum Abschluss von Heid­eg­gers Ausführungen zum Augenblick, der
Bezeichnung für die eigentliche Gegenwart. Sowohl Platzierung als
auch Inhalt der Fußnote sind in der Interpretation zu beachten:
»S. Kierkegaard hat das existenzielle Phänomen des Augenblicks
wohl am eindringlichsten gesehen, was nicht schon bedeutet, daß
ihm auch die existenziale Interpretation entsprechend gelungen ist.
Er bleibt am vulgären Zeitbegriff haften und bestimmt den Augen­
blick mit Hilfe von Jetzt und Ewigkeit. Wenn K. von ›Zeitlichkeit‹
spricht, meint er das ›In-der-Zeit-sein‹ des Menschen. Die Zeit als
Innerzeitigkeit kennt nur das Jetzt, aber nie einen Augenblick. Wird
dieser aber existenziell erfahren, dann ist eine ursprünglichere Zeit­
lichkeit, obzwar existenzial unausdrücklich, vorausgesetzt.«6 Dem
Wortlaut nach äußert sich Heid­eg­ger ausgesprochen kritisch, was
Kierkegaards Verständnis des Augenblicks betrifft. Aber schon die
Platzierung der Fußnote und die Heftigkeit der Polemik rechtferti­
gen, an dieser Stelle eine Gegen- und Relektüre der Schriften Kier­
kegaards vorzunehmen. Das Resultat dieser vorwegnehmend, kann
festgehalten werden, dass ich Heid­eg­gers Ausführungen für eine
Fehllektüre der Schriften Kierkegaards, vor allem von Der Begriff
Angst, halte. Die Berechtigung dieser Einschätzung soll im folgen­
den Abschnitt nachgewiesen werden.
Zuvor kann anhand zweier weiterer Zitate Heid­eg­gers Bekräfti­
gung seiner Kritik und seine eigene, spätere Unterwanderung dieser
verfolgt werden. Zunächst bekräftigt Heid­eg­ger seine Einschätzung
in der Vorlesung Die Grundprobleme der Phänomenologie vom
Sommersemester 1927: »Das Jetzt ist aus dem Augenblick abkünf­
tig. Daher kann das Phänomen des Augenblicks nicht aus dem Jetzt
verstanden werden, wie das Kierkegaard versucht. Zwar versteht
er Augenblick in seinem Sachverhalt sehr wohl, aber es gelingt ihm
nicht, die spezifische Zeitlichkeit des Augenblicks zu exponieren,
sondern er identifiziert den Augenblick mit dem Jetzt der vulgär

Schrempfs Tätigkeit als Übersetzer und Interpret Søren Kierkegaards, Kier­


kegaard Studies Yearbook 2011, 435–464.
6 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 447–448.
292 Gerhard Thonhauser

verstandenen Zeit. Von hier aus konstruiert er die paradoxen Ver­


hältnisse des Jetzt zur Ewigkeit.«7 Zwei Jahre später jedoch scheint
Heid­eg­ger seine radikale Kritik zurückgenommen und seine Auffas­
sung revidiert zu haben, denn in der Vorlesung Die Grundbegriffe
der Metaphysik vom Wintersemester 1929/30 hält er fest: »Was wir
hier mit ›Augenblick‹ bezeichnen, ist dasjenige, was Kierkegaard
zum erstenmal in der Philosophie wirklich begriffen hat – ein Be­
greifen, mit dem seit der Antike die Möglichkeit einer vollkommen
neuen Epoche der Philosophie beginnt.«8

Gegenlektüre Kierkegaards

Heid­eg­gers Kritik an Kierkegaard kann in zwei Thesen zusammen­


gefasst werden: Die erste These besagt, dass Kierkegaard den Augen­
blick entweder ganz mit dem Jetzt der vulgär verstanden Zeit iden­
tifiziert oder doch zumindest wesentlich von diesem her bestimmt.
Die zweite erklärt, dass er Zeitlichkeit als Innerzeitigkeit versteht
und ihm daher die existenziale Explikation der Zeitlichkeit völlig
fremd bleibt. Beide Thesen sollen in der folgenden Gegenlektüre
Kierkegaards entkräftet werden.
Zur ersten These ist vorauszuschicken, dass die Thematik des
Augenblicks bei Kierkegaard äußerst komplex ist, weil dieser Be­
griff bei ihm in sehr vielen verschiedenen Kontexten und auf sehr
unterschiedliche Arten und Weisen verwendet wird. Um Ordnung
in Kierkegaards vielfältige Begriffsverwendung zu bringen, wurde
zum Beispiel versucht, einen »ästhetischen Augenblick« und einen
»ethisch-religiösen Augenblick« zu unterscheiden.9 Diese Unter­
scheidung, obwohl sie als solche bei Kierkegaard nicht explizit ge­
funden werden kann, hat mehr als nur heuristischen Wert. Es ist
wichtig zu beachten, dass – wenn hier von Kierkegaards Konzep­
tion des Augenblicks gesprochen wird – immer der ethisch-reli­
giöse Augenblick gemeint ist. Der ästhetische Augenblick ist eine
Sammelbezeichnung für vielfältige Konzeptionen des Augenblicks,

7 Heid­eg­ger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, GA 24, 408.


8 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 225.
9 Vgl. Michael Theunissen, Das Menschenbild in der »Krankheit zum
Tode«, in: Michael Theunissen und Wilfried Greve (Hrsg.), Materialien zur
Philosophie Søren Kierkegaards, Frankfurt am Main 1979, 496–510, hier 502.
Wechselseitige Gegenlektüren 293

die Kierkegaard dezidiert ablehnt: darunter fallen zum Beispiel das


Verständnis des Augenblicks als Jetzt, welches Kierkegaard in Der
Begriff Angst als eine Abstraktion von der Zeit und eine »Parodie
der Gegenwart« bezeichnet, sowie das davon abgeleitete Verständ­
nis des Augenblicks als stehendes Jetzt (nunc stans), welches er für
eine »Parodie des Ewigen« hält.10 Es geht Kierkegaard also gerade
darum, ein angemessenes Verständnis des Augenblicks gegen eine
Bestimmung des Augenblicks, die vom Jetzt ausgeht, abzuheben.
Heid­eg­ger scheint dies entweder nicht gesehen zu haben oder in
seinen Kommentaren zu verschweigen.11
Die zweite These, wonach Kierkegaard Zeitlichkeit nur als Inner­
zeitigkeit verstehe, lässt sich an den Ausführungen zur Zeit im drit­
ten Kapitel von Der Begriff Angst diskutieren. Bei dieser Lektüre
ist eine doppelte Übersetzungsarbeit zu leisten: Einerseits vom Dä­
nischen ins Deutsche, andererseits aber auch von Kierkegaards stark
von der Tradition geprägter Begrifflichkeit in eine (an den Heid­
eg­gerschen Diskurs) anschlussfähigere Terminologie. Haufniensis
bestimmt die Zeit – ganz im Sinne der Tradition – als eine unendli­
che Sukzession. Er merkt jedoch zugleich an, dass innerhalb einer
solcherart verstandenen Zeit keine Gegenwart zu finden ist: »Das

10 Vgl. Søren Kierkegaard, Der Begriff Angst, Søren Kierkegaards Skrifter


(im Folgenden: SKS) Band 4, hrsg. vom Søren Kierkegaard Forschungszent­
rum, Kopenhagen 1997, 307–462, hier 389 –390. Die Übersetzungen aus dem
Dänischen stammen sämtliche vom Verfasser.
11 Zur Bekräftigung sei auf den überaus amüsanten Sachverhalt hingewiesen,
dass das Pseudonym des Begriff Angst, Vigilius Haufniensis, Platon gegen­
über in dieser Frage bis in die Details der Formulierung die gleiche Haltung
einnimmt wie Heid­eg­ger Kierkegaard gegenüber. Er erkennt in Platon einen
Vorläufer für seine Ausführungen und schreibt auch explizit: »Was wir den
Augenblick nennen, nennt Platon το ἐξαίφνης .« (Kierkegaard, Der Begriff
Angst, SKS 4, 391) Schlussendlich folgert er aber dennoch: »Aus all diesem
erwächst Platon nun das Verdienst sich die Schwierigkeit deutlich zu machen,
aber der Augenblick bleibt doch eine lautlose, atomistische Abstraktion.«
(Kierkegaard, Der Begriff Angst, SKS 4, 387) Die Kritik läuft darauf hinaus,
dass Platon den Augenblick letztlich doch nur vom Jetzt her versteht und
ihn daher verfehlt. Auf die entsprechenden Ausführungen im Dialog Parme­
nides kann hier aus Zeitmangel nicht eingegangen werden. Es wäre anhand
einer genauen Lektüre zu zeigen, dass Kierkegaards Einwände gegen Platon
ebenso unangemessen sind wie Heid­eg­gers Kritik an Kierkegaard. Auch in
Platons Ausführungen spielt das Jetzt keine tragende Rolle, sondern dient
bestenfalls als Referenzfolie, gegen die das Verständnis »des Plötzlichen«
abzuheben ist.
294 Gerhard Thonhauser

Gegenwärtige ist unterdessen kein Begriff der Zeit.«12 Vielmehr ist


Gegenwart – und hier kommt der Begriff des Augenblicks als Be­
zeichnung für eigentliche Gegenwart ins Spiel – eine Bestimmung
des Geistes: »Sobald der Geist gesetzt ist, ist der Augenblick da.«13
Dazu sei angemerkt, dass Geist bei Kierkegaard immer individuellen
Geist meint, und es daher berechtigt ist, statt Geist hier auch jewei­
liges Selbst oder einen vergleichbaren Begriff zu lesen. Darauf folgt
die bekannte Bestimmung des Augenblicks, auf die sich auch Heid­
eg­ger bezieht: »Augenblick ist jenes Zweideutige, worin die Zeit und
die Ewigkeit einander berühren.«14 Hier ist es wichtig, den Verweis
auf Ewigkeit aus seiner Funktion für die Existenz zu verstehen; vor
allem ist zu betonen, dass dabei durchgehend an der zeitlichen Ver­
fasstheit der Existenz festgehalten wird. Die Betonung der zeitlichen
Dimension wird auch in der folgenden Bestimmung bekräftigt: »Sol­
len dagegen Zeit und Ewigkeit einander berühren, so muss es in der
Zeit sein, und nun sind wir beim Augenblick.«15 Die Emphase der
Ausführungen in Der Begriff Angst liegt folglich auf dem zeitlichen
Vollzug der Synthese des Zeitlichen und des Ewigen. Kierkegaard
denkt den zeitlichen Vollzug dabei wesentlich als endlichen. Es ist
die Aufgabe des Menschen als endliches Wesen qua Endlichkeit, die
Synthese zu vollziehen. Es zeigt sich hier, dass und wie die radikale
Endlichkeit der Vollzüge des Menschen für Kierkegaard eine zent­
rale Bedeutung gewinnt.
Dieses kierkegaardsche Verständnis der Zeitlichkeit als radi­
kal endlich-zeitlicher Vollzug der Synthese von Zeit und Ewigkeit
müsste in einer ausführlicheren Lektüre erst noch in ihren Details
nachvollzogen und anschließend mit Heid­eg­gers Verständnis der
existenzialen Zeitlichkeit gegengelesen werden. Aber auch ange­
sichts dieser wenigen Einblicke lässt sich meines Erachtens festhal­
ten, dass das hier vorgetragene Verständnis der Zeitlichkeit keines­
falls auf die Innerzeitigkeit zurückgeführt werden kann.
Ein zusätzlicher Hinweis besteht darin, dass Haufniensis in der
herangezogenen Passage ebenfalls ein Verständnis von Innerzeitig­
keit hat, welches er von der Zeitlichkeit des Menschseins abgrenzt.
Dieses ist auszumachen, wenn er schreibt, dass »das Leben, welches

12 Kierkegaard, Der Begriff Angst, SKS 4, 389.


13 Kierkegaard, Der Begriff Angst, SKS 4, 392.
14 Kierkegaard, Der Begriff Angst, SKS 4, 392.
15 Kierkegaard, Der Begriff Angst, SKS 4, 390.
Wechselseitige Gegenlektüren 295

in der Zeit ist und alleine der Zeit zugehört, keine Gegenwart hat«.16
Noch deutlicher wird die Unterscheidung, wenn Kierkegaard auf
die bereits genannte Feststellung: »Sobald der Geist gesetzt ist, ist
der Augenblick da«, die gegensätzliche Bestimmung folgen lässt:
»Die Natur liegt nicht im Augenblick.«17 In die Terminologie Heid­
eg­gers übersetzt besagt dies: Die Innerzeitigkeit von nicht-mensch­
lichem, innerweltlichem Seienden, inklusive des Seienden, dem die
Seinsweise Leben zukommt, kennt keinen Augenblick, denn der
Augenblick als existenziale Bestimmung der Zeitlichkeit ist der
Seinsweise des Menschen vorbehalten.

Wendung gegen Heid­eg­ger

An dieser Stelle möchte ich dazu fortschreiten, das Verhältnis um­


zukehren und gegen Heid­eg­ger ins Treffen zu führen, dass es seine
eigene Konzeption des Augenblicks als eigentlicher Gegenwart ist,
von der konstatiert werden kann, dass sie schwach ist. Es ist dies
die bekannte Einschätzung, die von Otto Pöggeler in Der Denk­
weg Martin Heid­eg­gers wirkmächtig vorgetragen wurde. Pointiert
zusammengefasst lautet Pöggelers Kritik, dass in Sein und Zeit »die
Gegenwart – zumindest in ihrer Eigentlichkeit als Augenblick – leer«
bleibe; die Konzeption der Gegenwart als Augenblick scheint es
nicht zuzulassen, inhaltlich gefüllt zu werden; sofern eine solche
inhaltliche Bestimmung dennoch angesprochen wird, kommt, so
Pöggeler weiter, die Gegenwart »nur ihrer Uneigentlichkeit nach
ins Spiel«.18
Ohne Pöggelers Interpretation hier im Detail zu diskutieren –
etwa seine fragwürdige Zusammenordnung von Gegenwart und
Verfallen – möchte ich mich ihr in einer abgeschwächten Form
anschließen. Meines Erachtens kann anhand der Untersuchung
des vorliegenden Fragments von Sein und Zeit zwar eine Unter­
bestimmtheit der eigentlichen Ekstase der Gegenwart konstatiert
werden, diese muss aber nicht als eine grundsätzliche Schwierig­
keit in der Konzeption des Werkes gelesen werden, sondern kann

16 Kierkegaard, Der Begriff Angst, SKS 4, 390.


17 Kierkegaard, Der Begriff Angst, SKS 4, 392.
18 Otto Pöggeler, Der Denkweg Martin Heid­eg­gers, vierte Auflage, Pfullin­
gen 1994, 210.
296 Gerhard Thonhauser

auch als Herausforderung gesehen werden, noch einmal nach der


Gegenwart in ihrer eigentlichen Vollzugsweise als Augenblick zu
fragen. Im Einklang mit Heid­eg­ger lässt sich für eine solche eigent­
liche Konzeption der Gegenwart vorgeben, dass sie nicht an einem
spezifischen Gehalt festgemacht werden darf. Eigentlichkeit und
Uneigentlichkeit sind Vollzugsweisen derselben gehaltlichen Mög­
lichkeiten, zunächst und zumeist unserer Alltäglichkeit. Die von
Heid­eg­gers Projekt vorgegebene Herausforderung besteht folglich
in der Anzeige einer eigentlichen Vollzugsweise dieser Alltäglich­
keit. Die folgenden Ausführungen sollen die These erproben, dass
Kierkegaard für eine produktive Relektüre Heid­eg­gers in Hinblick
auf eine Bestimmung des Augenblicks als ausgezeichneter Vollzugs­
weise der Alltäglichkeit Hinweise liefern kann.

Zwei methodologische Zwischenbemerkungen

An dieser Stelle sind zwei methodologische Zwischenbemerkun­


gen angebracht. Erstens ist es naheliegend, dass Verhältnis zweier
Denker in erster Linie in Hinblick auf die historisch tatsächliche
Richtung der Rezeption zu lesen. Diese Vorgehensweise hat für jede
philosophiegeschichtliche Arbeit – und keine philosophische Ar­
beit wird sich je ganz der Fortführung der Philosophie­geschichts­
schreibung entziehen können – ihre unbestreitbare Berechtigung.
Aber ebenso spannend ist die Frage, ob das Verhältnis in einer philo­
sophisch-systematischen Untersuchung nicht auch umgedreht wer­
den kann; was im konkreten Fall bedeutet, die Frage an den Text zu
richten: Was kann für eine Rezeption Heid­eg­gers von Kierkegaard
gelernt werden?
Die vorliegende Untersuchung verfolgt zudem zweitens das Ziel,
das Verhältnis von Kierkegaard und Heid­eg­ger nicht von einem der
beiden Denker her zu bestimmen. Die Herausforderung besteht da­
rin, nicht einen der Denker zum Maßstab für die Beurteilung des
Verhältnisses zu erklären. Die Vorgabe ist, beide allererst aus ihrer
Verstrickung in das Verhältnis in den Blick zu nehmen, also aus dem
Prozess der wechselseitigen Gegenlektüre die Kriterien der Beurtei­
lung zu gewinnen.
Wechselseitige Gegenlektüren 297

Den Augenblick mit Kierkegaard vernehmen

Das Ziel des folgenden Abschnitts ist es, an den Texten Kierke­gaards
das Potenzial für eine Rekonzeptualisierung des Augenblicks als
ausgezeichneter Vollzugsweise der Gegenwart im Sinne des Pro­
jekts von Sein und Zeit auszuweisen. Die folgenden, mitunter ver­
allgemeinernden Ausführungen sollen zunächst zeigen, dass in zahl­
reichen Schriften Kierkegaards unter verschiedenen – mitunter nur
schwer oder gar nicht in Einklang zu bringenden – Gesichtspunkten
der Gestus einer Doppelbewegung vollzogen wird: Diese besteht
schematisch darin, sich in einem ersten Schritt aus der Gebundenheit
an das Gegebenen zu befreien, um anschließend in einem zweiten
Schritt in einer qualifizierten Weise in diese Gegebenheiten zurück­
zukehren.
Ein bekanntes Beispiel ist Johannes de Silentios Wiedergabe und
Interpretation der Abraham-Erzählung von der Opferung Isaaks in
Furcht und Zittern. In diesem Text wird das kierkegaardsche Ver­
ständnis der Wiederholung, die vielleicht als die philosophisch be­
deutendste Form der skizzierten Doppelbewegung charakterisiert
werden kann, am nachhaltigsten vorgetragen. Die Wiederholung
lässt sich anhand von Abraham dahingehend veranschaulichen, dass
dieser bereit ist, sich von allen weltlichen Bezügen zu lösen und in
letzter Konsequenz auch seinen über alles geliebten Sohn zu opfern,
um dann in einem zweiten – für ihn allerdings nicht antizipierbaren –
Schritt seinen Sohn und damit seine gesamte Existenz wieder zu be­
kommen. Das Unglaubliche und Schockierende der Abraham-Er­
zählung besteht für de Silentio einerseits darin, dass Abraham breit
war, wider jede Vernunft, ohne jedwede Sicherheit und ohne eine Be­
gründung geben zu können, auf Gott zu vertrauen und seinen Sohn
zu opfern. Ebenso erstaunlich ist aber, dass Abraham Isaak am Ende
zurück bekommt und sogar gestärkt aus der Erzählung hervorgeht.
De Silentio bezeichnet Abraham als einen »Ritter des Glaubens«19
und betont, dass es fraglich ist, ob es je einen anderen Ritter des
Glaubens gegeben hat, gleichwohl auch unser nächster Mitmensch
ein solcher Ritter sein könnte; denn eines der wesentlichen Kenn­
zeichen eines Ritters des Glaubens ist es, dass er nach außen nicht
kenntlich ist. Der Ritter des Glaubens – wenn es ihn gibt – fügt sich

19 Kierkegaard, Furcht und Zittern, SKS 4, 97–210, hier insbesondere 133,


141–144 und 162–171.
298 Gerhard Thonhauser

unbemerkt und unbemerkbar in die Alltäglichkeit ein; gleichwohl


hat er die in der Abraham-Erzählung vorgezeichnete Wiederholung
vollzogen und dadurch dieselbe Alltäglichkeit in ausgezeichneter
Weise wieder-holt.
Die Abraham-Erzählung de Silentios – die mit diesen wenigen
Hinweisen nur in einigen, groben Zügen nachgezeichnet wurde –20
ist in unserem Zusammenhang von Interesse in Hinblick auf die
Rückkehr in die Alltäglichkeit; das hier also – schematisch zusam­
mengefasst – eine Bewegung vollzogen wird, die zunächst in der
Bereitschaft zur Abkehr vom Alltäglichen besteht, um anschließend
in einer durch diese Abkehr qualifizierten Weise in dieselbe Alltäg­
lichkeit zurückzukehren, diese zu wiederholen. Es findet keine Ver­
änderung des Was des Gegebenen statt – die Wiederholung ist eine
Wiederholung derselben Alltäglichkeit – sondern eine Änderung des
Wie des Vollzugs dieser Gegebenheiten. Das Ziel der Bewegung ist
ein Wie des Vollzugs, das es ermöglicht, sich für das ausgezeichnete
– mit Heid­eg­ger: eigentliche – Vernehmen des Alltäglichen zu öff­
nen; gleichwohl diese Auszeichnung keine nach außen sichtbaren
Spuren hinterlässt.
Diese Bewegung der qualifizierten Wiedergewinnung der All­
täglichkeit soll in weiterer Folge unter Einbeziehung einer weiteren
Schrift aus Kierkegaards Textkorpus genauer verfolgt werden. Da­
bei folge ich in loser Weise Heid­eg­gers Hinweis auf Kierkegaards
»erbauliche Schriften«, wobei ich die drei Reden mit dem Titel Die
Lilie auf dem Feld und der Vogel unter dem Himmel herausgreife.
Innerhalb dieser drei Reden möchte ich mich wiederum auf eine
Passage aus der ersten Rede und eine weitere aus der dritten Rede
konzentrieren.21

20 Für eine umfassende Interpretation müsste in erster Linie nach dem Status
dieser Erzählung gefragt werden; auf welche Weise versucht diese wofür zu
argumentieren? Um eine Verbindung dieser Überlegungen zu den Ausfüh­
rungen in der Der Begriff Angst anzudeuten, sei angemerkt, dass die Frage
nach der Rolle, die der Bezug auf das Ewige bei Kierkegaard spielt, gerade
in Hinblick auf diese Figur der Doppelbewegung gestellt werden müsste.
21 Es ist an dieser Stelle leider nicht möglich, auf die rhetorische Dimen­
sion dieser Reden einzugehen: In welchem Modus spricht Kierkegaard hier?
Welche Möglichkeiten eröffnet sein Modus des geschriebenen Sprechens?
Welchen Status haben seine Reden? Für die zum Abschluss des Beitrags in
Aussicht gestellte – wiederum von Heid­eg­ger ausgehende – Gegenlektüre
von Kierkegaards Reden wären diese Fragen zentrale Einsatzpunkte.
Wechselseitige Gegenlektüren 299

Meine Lektüre folgt dem Leitfaden der – sicherlich nicht unum­


strittenen – These, dass in Kierkegaards Reden implizit eine alter­
native, allerdings bislang noch unbeachtete Ontologie zur Sprache
kommt. Ich möchte für diese die Bezeichnung ›sanfte Ontologie‹
vorschlagen, ohne an dieser Stelle in der Lage zu sein, diese genauer
zu charakterisieren. Der Rest dieses Beitrags kann nur erste Hin­
weise auf eine solche Ontologie liefern, die in einer umfangreicheren
Lektüre weiter verfolgt werden müsste.
Als Ausgangspunkt für die folgende Passage scheint Kierkegaard
– im Einklang mit Heid­eg­ger – festzustehen, dass das Menschsein
dadurch ausgezeichnet ist, in irreduzibler Weise in Vergangenheit
und Zukunft – in die Übernahme seiner Faktizität in der Geworfen­
heit und den Entwurf seiner Existenz in der Zukunft – eingelassen
zu sein. Vor dem Hintergrund dieser ekstatischen Aufgespanntheit
wird die Frage relevant, wie der einzelne Existierende es vermag,
diese Bezüge zu vollziehen.
Das Ziel der ersten Rede von Die Lilie auf dem Feld und der
Vogel unter dem Himmel, die mit »Schweigen« überschrieben ist,
ist es, einen Vollzug der Zukünftigkeit anzuzeigen, der es ermög­
licht – im Sinne der beschriebenen Wiederholung, aber vielleicht
mit dieser ansonsten völlig unvereinbar – den Augenblick zu treffen,
das heißt die jeweils gegebene Gegenwart in einer ausgezeichneten
Weise zu vernehmen. Die Passage, in welcher diese Bewegung auf
besonders eindringliche Weise vorgeführt wird, lautet:22 »Nur durch
Schweigen trifft man den Augenblick; indem man redet, sagt man
nur ein Wort, verpasst man den Augenblick; nur im Schweigen ist
der Augenblick. Und deswegen passierte es wohl so selten einem
Menschen, dass er in der rechten Weise dazu kam zu verstehen, wenn
der Augenblick ist, und den Augenblick richtig zu benützen, des­
wegen, weil er nicht schweigen kann. Er kann nicht schweigen und

22 Beim Hören der folgenden Passage ist vor allem die sinnkonstitutive
Rolle der Rhythmik zu beachten, für welche vor allem die Interpunktion
ausschlaggebend ist. Kierkegaard selbst hat sich in umfangreichen Notizen
mit der Rolle der Interpunktion auseinandergesetzt. Vgl. Søren Kierkeg­
aard, Journalen NB, SKS 20, Kopenhagen 2003, 5–130, hier 98–101. Ferner
ist Kierkegaards Anweisung an die Leserin oder den Leser, den Text laut zu
lesen, und zwar im Idealfall sich selbst laut vorzulesen, zu beachten. Vgl. z. B.
Søren Kierkegaard, Drei erbauliche Reden, SKS 5, Kopenhagen 1998, 57–106,
hier 63 und Erbauliche Reden in verschiedenem Geist, SKS 8, Kopenhagen
2004, 107–441, hier 121.
300 Gerhard Thonhauser

harren, daraus lässt es sich vielleicht erklären, wenn der Augenblick


gar nicht für ihn kommt; er kann nicht schweigen, daraus lässt sich
vielleicht erklären, dass er den Augenblick nicht bemerkte, als er
für ihn kam. Denn der Augenblick, obgleich schwanger mit seiner
reichen Bedeutung, schickt doch keine Boten voraus, um seine An­
kunft zu melden, dazu kommt er zu geschwind, wenn er kommt, es
ist ja nicht ein Augenblick Zeit zuvor; der Augenblick kommt auch
nicht, wie bedeutungsvoll er auch in sich selbst ist, mit Lärm oder
mit Geschrei, nein, er kommt leise, mit leichterem Schritt als der
leichteste Gang eines Geschöpfes, denn er kommt mit dem leich­
ten Schritt des Plötzlichen, schleichend kommt er: deswegen muss
man gänzlich schweigend sein, wenn man vernehmen soll ›jetzt ist
er da‹; und im nächsten Augenblick ist es vorbei, deswegen muss
man gänzlich schweigend gewesen sein, wenn es Einem glücken soll
ihn zu benützen. Und doch hängt alles vom ›Augenblick‹ ab.«23 Ich
möchte die Bedeutung dieser, zunächst vor allem durch ihre litera­
rische Qualität bestechenden Passage, anhand der Akzentuierung
einiger Grundlinien meiner Interpretation herausstellen: Erstens
scheint mir die wiederholte Hervorhebung des »ist« die rhetori­
sche Betonung der Vollzugsdimension zu markieren; in Hinblick
auf Pöggelers Einwand gegen Heid­eg­gers Konzeption des Augen­
blicks ist an Kierkegaards Ausführungen bemerkenswert, dass auch
bei ihm – trotz der feinsinnigen Detailhaltigkeit der Sprache – über­
haupt nicht davon gesprochen wird, was der Augenblick beinhaltet.
Worauf es ankommt, scheint einzig die eingenommene Haltung, das
Wie des Vernehmens zu sein.
Zweitens weist die Betonung des Schweigens darauf hin, dass der
angezeigte Vollzug nicht im heroischen Ergreifen der eigenen Exis­
tenz, nicht im selbstsicheren Entwurfs eines souveränen Subjekts
liegt; vielmehr geht es um ein Vernehmen des Zuspruchs von Ge­
genwart in der Gesamtheit ihrer jeweilig konkret gegeben Bezüge.

23 Søren Kierkegaard, Die Lilie auf dem Feld und der Vogel unter dem Him­
mel, SKS 11, Kopenhagen 2006, 5–48, hier 20. Die Übersetzung dieser Pas­
sage ist entnommen: Gerhard Thonhauser, Über das Konzept der Zeitlichkeit
bei Søren Kierkegaard mit ständigem Hinblick auf Martin Heid­eg­ger Frei­
burg / München 2011, 193–194. Die in weiterer Folge vorgetragenen Über­
legungen knüpfen auch inhaltlich an die in diesem Buch enthaltene Analyse
dieser drei Reden Kierkegaards an. Vgl. Thonhauser, Über das Konzept der
Zeitlichkeit, 177–203; zu meinem Selbstverständnis und meiner Vorgehens­
weise bei der Übersetzung vgl. 211–214.
Wechselseitige Gegenlektüren 301

Bemerkenswert daran ist einerseits, dass der Zuspruch auch über­


hört werden kann. Andererseits scheint Kierkegaard eine diachro­
nisch zeitliche Struktur des Zuspruchs anzudeuten: Der Augenblick
kommt »zu geschwind« und »mit dem leichten Schritt des Plötzli­
chen«, er kommt zu früh und steht deswegen in der Möglichkeit,
versäumt zu werden. Hier bricht eine Dimension des Entzugs auf,
eines Entzugs, der sowohl ein Brechen der Verfügungsgewalt des
Subjekts als auch die Dimension der Entzogenheit des Zuspruchs
selbst zu betreffen scheint.24
Drittens erklärt die Passage – hier lässt sich eine Parallele zum
Ritter des Glaubens herstellen – dass es zwar prinzipiell möglich,
aber ausgesprochen schwierig ist, dieses ausgezeichnete Vernehmen
des Augenblicks zu vollziehen. Über die konkrete Passage hinaus­
gehend lässt sich aus ihrem Kontext zudem erschließen, dass diese
vernehmende Haltung nicht in einem einzelnen Schritt ein und für
alle Mal gewonnen werden kann, sondern einer ständigen Anstren­
gung bedarf, die immer auch dem Scheitern ausgesetzt ist.25
Kierkegaard ist ein Meister darin, die vielfältigen Weisen des
Scheiterns unserer Existenz vorzuführen (man denke nur an die
Formen der Verzweiflung in Die Krankheit zum Tode). In Die
Lilie auf dem Feld und der Vogel unter dem Himmel hingegen
versucht er, die Möglichkeit des gelungenen Vollzuges anzuzeigen.
Entsprechend wird in der dritten Rede das gelingende Vernehmen
des Augen­blicks als Freude bezeichnet. Diese Freude charakterisiert
den ausgezeichneten Vollzug der Gegenwart als Augenblick. Die
entscheidende Passage lautet: »Was ist Freude, was ist es froh zu
sein? Es ist, in Wahrheit sich selbst gegenwärtig zu sein [at være sig
selv nærværende]; aber dies sich selbst in Wahrheit gegenwärtig zu
sein, dies ist dieses ›Heute‹, dieses heute zu sein, in Wahrheit heute
zu sein. […] Die Freude ist die gegenwärtige Zeit mit dem ganzen
Nachdruck auf: die gegenwärtige Zeit [den nærværende tid].«26

24 Gleichwohl Kierkegaard diese Entzugsdimension nicht radikal weiter ver­


folgt – vor allem nicht deren zweiten Aspekt – sondern diese Entzogenheit am
Ende der Reden im Eingelassensein in die Nähe Gottes überwinden möchte.
25 An diesem Punkt treffen Ewigkeit und Augenblick aufeinander. Ewigkeit
ist bei Kierkegaard keine Voraussetzung, sondern eine ständige Herausfor­
derung und muss in dieser Rolle für die sich endlich-zeitlich vollziehende
Existenz bedacht werden.
26 Kierkegaard, Die Lilie auf dem Feld, SKS 11, 42–43. Auch diese Überset­
zung ist entnommen: Thonhauser, Über das Konzept der Zeitlichkeit, 197.
302 Gerhard Thonhauser

Es sollen wiederum einige Grundzüge meiner Lektüre hervor­


gehoben werden: Zusätzlich zur rhetorischen Betonung der Voll­
zugshaftigkeit im »ist« markiert die Hervorhebung des »Heute« die
Komplexität der Bezugshaftigkeit der Gegenwart, die dementspre­
chend niemals eine leere ist, gleichwohl ihr Inhalt nicht festgeschrie­
ben werden kann, sondern in der jeweiligen Situation übernommen
werden muss. In Heid­eg­gers Begrifflichkeit ausgedrückt geht es da­
rum, die Jeweiligkeit als die jeweilige Weile zu vernehmen.
Um in Kierkegaards Text einzudringen, ist es aber vor allem ent­
scheidend, eigens auf das Wort »nærværende«, das hier notdürftig
mit »gegenwärtig« übersetzt wurde, zu achten. »Nærværende« ist
das Partizip Präsenz zu »være nær« (nahe sein), wobei das Parti­
zip hier ganz verbal gelesen werden muss. Es wird damit keinerlei
Form innerzeitlicher oder innerräumlicher Nähe genannt, vielmehr
kommt es darauf an, den verbalen Vollzugsaspekt von Nähe zu hö­
ren, womit eine gänzlich andere Bedeutungskonnotation anklingt,
als dies im Wort Gegenwart der Fall ist. Die Gegenwart wird bei
Kierkegaard durch die vollzugshafte Dimension der Nähe oder des
Nahen konstituiert und nicht umgekehrt. Der Vollzug des Augen­
blicks wäre dementsprechend – in einer weiteren Annäherung an
Heid­eg­ger und einem weiteren Versuch der paraphrasierenden
Übersetzung ins Deutsche – das Sich-Einfinden in die Nähe als Ver­
nehmen des Zuspruchs von Gegenwart. Die Freude läge im Vollzug
des Sich-(selbst-)in-der-Nähe-Seins, des Sich-(selbst-)in-die-Nähe-
Einfindens.27
Aber worauf verweist das »selbst« (selv) im »Sich-(selbst)«
(sig selv) des Sich-(selbst-)in-der-Nähe-Seins? Hier ist zunächst
die Klammersetzung in der Übersetzung zu rechtfertigen. Dabei
möchte ich mich einerseits auf den Unterschied des Dänischen und
des Deutschen berufen, der »selv« wie einen selbstverständlichen
Bestandteil des Wortes, »selbst« jedoch wie einen zusätzlichen Hin­

27 Zu dieser Übersetzung muss erklärt werden, dass es im Dänischen unbe­


stimmt, ja aufgrund der grammatischen Struktur der Sprache unbestimmbar
ist, ob es sich hier um einen Dativ oder einen Akkusativ handelt. Mir scheint,
dass Kierkegaard diese Doppeldeutigkeit – ob bewusst oder nicht – nutzt,
um sprachlich nachzuvollziehen, dass es sich zunächst der Sache nach um
ein Schwanken zwischen beiden Möglichkeiten der deutschen Übersetzung
handelt. Das In-der-Nähe-Sein müsste folglich ständig als In-die-Nähe-sein
verstanden werden; »nahe sein« (nærværende) wäre damit in seiner reinen
Verbalität als ständiges Geschehnis vernommen.
Wechselseitige Gegenlektüren 303

weis erscheinen lässt. Die doppelte Betonung der Selbstbezüglich­


keit evoziert eine Dimension des vorgegebenen Selbsthaften, von der
sich jedoch – zum Beispiel anhand der bekannten Anfangspassage
der Krankheit zum Tode – zeigen lässt, dass es sich dabei um keine
weitere Instanz des Selbst handelt, sondern gerade die Vollzugs­
dimension der Selbstbezüglichkeit.
Die zweite Nachfrage betrifft die Radikalität des endlich-zeitli­
chen Vollzugs von Selbst und Nähe. Wenn Kierkegaard am Ende sei­
ner Rede den Lesenden in direkter Anrede auffordert, den »Tag der
Ewigkeit« zu sehen, zu sehen, dass »für Dich ein ›Heute‹ ist, das nie­
mals ein Ende erfährt, ein Heute, in welchem Du ewig Dir-selbst-in-
der-Nähe-Bleiben kannst;«28 wenn das Sich-(selbst-)in-der-Nähe-
Sein letztlich auf ein Sich-(selbst-)in-der-Nähe-Gottes-Sein hinaus­
laufen soll, wie ernst ist es dann mit der Endlichkeit dieses Vollzugs
und der Prekarität der in der Möglichkeit des Sich-Entziehens sich
haltenden Nähe?
Gerade an diesem Punkt bedürften die Ausführungen nunmehr
wiederum einer Gegenlektüre Heid­eg­gers (im doppelten Sinne des
Genitivs). Hier wäre der Einsatzpunkt, um den Blick auf den spä­
ten Heid­eg­ger zu wenden.29 Denn vielleicht ist der Gleichklang
nicht bloß zufällig, wenn es etwa im ersten der Feldweg-Gespräche
verlautet: »Das Denken wäre dann das In-die-Nähe-kommen zum
Fernen.«30 »Das Rätsel der Nähe und Ferne,«31 das achtsame Verneh­
men des Zuspruchs, der gebührende Dank und die Freude. Sprächen
Kierkegaard und Heid­eg­ger hier gar vom Selben?

28 Kierkegaard, Die Lilie auf dem Feld, SKS 11, 48. Die Fortsetzung dieser
Passage, die diesen Gedanken näher ausführt, lautet: »Bedenke, was dich
betrifft wenn auch nicht als Mensch so doch als Christ, dass christlich ge­
sprochen selbst die Gefahr des Todes für dich so unbedeutend ist, dass es
heißt: ›noch heute bist Du im Paradies‹ und folglich der Übergang von der
Zeitlichkeit zur Ewigkeit – der größtmögliche Abstand – so geschwind ist
[…], dass du noch heute im Paradies bist, indem Du ja christlich gesprochen
bleibst in Gott. […] Du kommst doch nicht von Gott fort, du bleibst, also
Dir-selbst-in-der-Nähe in Gott […].«
29 Einen solchen Versuch habe ich an anderer Stelle unternommen. Vgl. Ger­
hard Thonhauser, »Anchibasie« oder »at være nærværende«, in: Silvia Stol­
ler und Gerhard Unterthurner (Hrsg.): Entgrenzungen der Phänomenolo­
gie und Hermeneutik. Festschrift für Helmuth Vetter zum 70. Geburtstag,
Nordhausen 2012, 297–324.
30 Heid­eg­ger, ἀγχιβασίη. Ein Gespräch, GA 77, 116.
31 Heid­eg­ger, ἀγχιβασίη. Ein Gespräch, GA 77, 30 –31.
Jerome Veith
Destruktion and Repetition:
Freedom and Historical Belonging in Heid­eg­ger

On Heid­eg­ger’s Historical Thought

Two misconceptions commonly plague approaches to Heid­eg­ger’s


stance on history. The first concerns the character of his conclusions.
Though often broadly labeled as an attempt to elaborate the ›history
of Being‹ (Seinsgeschichte), neither Heid­eg­ger’s approach nor his
ultimate position are as univocal as this phrasing suggests. There is
indeed little sense in attempting to delimit a monolithic philosophy
of history in Heid­eg­ger. Instead, one could speak of an intensifying
series of questions that pertain both to the sense of tradition as a
human phenomenon, as well as to the specific philosophical content
of the Western tradition. Heid­eg­ger is not in search of a universal
definition or summary judgment of history, but seeks instead the
character of history’s occurrence (Geschehen) and an adequate con­
ception of our freedom within it. This necessitates a transformed un­
derstanding both of history itself, as well as of those who belong to it.
The second misunderstanding pertains to Heid­eg­ger’s stance over
against his own tradition. One often takes this position to be so dis­
missive of the Western tradition as to place Heid­eg­ger in a category
completely apart from both his predecessors and his contemporaries,
thus making his work out to be more independent – and perhaps
more unfounded – than it actually is.1 To be sure, Heid­eg­ger culti­
vated a critical detachment in stressing the radicality of his thought,

1 Adorno, for instance, claims that Heid­ eg­ger’s concept of historicity


»places history at rest in the unhistorical«; cf. Theodor W. Adorno, Nega­
tive Dialektik, Frankfurt am Main 1975, 135. Cited and translated in Jeffrey
Barash, Martin Heid­eg­ger and the Problem of Historical Meaning, Boston
306 Jerome Veith

and a superficial reading of his works might compel one to conclude


that he confronts the ideas of the West simply in order to undermine
and overcome them. Yet in actuality, Heid­eg­ger’s beginnings are
rooted firmly in contemporary debates concerning historical mean­
ing, and it is largely the way in which Heid­eg­ger appropriates and
develops this subject-matter that lends itself to misconstruals of his
distance. It is thus Heid­eg­ger’s very mode of historical involvement
that is misunderstood.
While it ultimately requires a grasp of Heid­eg­ger’s entire develop­
ment to refute these misconceptions, his Marburg years (1923–1928)
yield crucial initial responses to them both. The development of a
hermeneutics of facticity in the Natorp-report confronts historical
systems with a new approach to history, opening a reflexive and pro­
treptic thematic that remains in place throughout his career. A key
section of Being and Time, moreover, elaborates the possibility of
a transformed and free involvement with tradition, hinting in turn
at Heid­eg­ger’s own approach. In what follows, we will turn to these
sources, elucidating some of the fundamental misunderstandings of
Heid­eg­ger’s historical thought. Before turning to the earliest Mar­
burg documents, however, some background is necessary.

From Verflüssigung to Destruktion

The theme of tradition has a relatively unquestioned provenance in


Heid­eg­ger’s philosophical development. His earliest published essay,
on the problem of reality in modern philosophy (1912), represents
a staunch defense of Catholic doctrines – more specifically, of Aris­
totelian-Scholastic realism – against the influence of modern philos­
ophies and attitudes.2 Taking over the neo-Thomist conviction that
»no historical modification could touch the core of human reality
and its fundamental truths,« Heid­eg­ger here defends what he calls
›critical realism‹ as just such a core that both empiricism and Kan­
tianism deviate from.3 Heid­eg­ger wants to clear a way to deal with

1988, 13n4. Cf. also Werner Marx, Heid­eg­ger and the Tradition, translated
by Theodore Kisiel, Evanston, Illinois 1982.
2 Heid­eg­ger, Das Realitätsproblem in der modernen Philosophie, GA 1.
3 Barash, Historical Meaning, 99.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 307

trans-subjective reality as we encounter it, and as the »unanimity«


of the realist tradition has conceived of it.4
If the realism-essay intends to show how the tradition of realist
thought remains valid throughout time, then the dissertation of 1913,
on the doctrine of judgment in psychologism, proceeds closer to a
thematization of time itself.5 Here Heid­eg­ger elaborates the prob­
lem of thinking the relation of logic – which is static, general, and
timeless – to reality – which is genetic, particular, and temporal. The
way out of this impasse, Heid­eg­ger asserts, is to locate the ideality of
meaning not in either the mental act of judging or the object judged,
but in the conjunction of judgment and its real situation.
The Habilitationsschrift of 1915 goes on to investigate the inten­
tionality that resides in a »living spirit« (lebendiger Geist) – a being
that is itself real, particular, and temporal.6 It is the meaning-expres­
sive act of this being by which universally valid meaning is formu­
lated. One can thus distinguish between the history of expressive
acts (the real constitution of meaning) and the philosophy of the
truth of these expressions (their ideal validity).7 From this distinction
there arises the hypothetical possibility of tracing the history of truth,
the complete and systematic account of which would involve seeing
truth as if from a timeless perspective. Even with this pure possi­
bility of systematization, however, Heid­eg­ger insists that the truth
will not be found by attending to univocal terms throughout history,
or by tracing law-like patterns.8 One must instead attend to »living
speech« (lebendige Rede) in »the peculiar mobility of its meaning.«9

4 Heid­eg­ger, Das Realitätsproblem in der modernen Philosophie, GA 1,


353.
5 Heid­eg­ger, Die Lehre vom Urteil im Psychologismus, GA 1.
6 Heid­eg­ger, Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus, GA 1,
352.
7 Heid­eg­ger, Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus, GA 1,
352.
8 Heid­eg­ger made this point even more clearly in his 1915 Habilitations­
vortrag on the concept of time in the human sciences. There he emphasized
that historical understanding deals with particularities, and is concerned not
simply with the sequence of facts and quantitative distinctions (as the natural
sciences are), but with their inner coherence [Zusammenhang] and qualita­
tive characteristics. There are no general laws under which such an investi­
gation can fall.
9 Heid­eg­ger, Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus, GA 1,
278.
308 Jerome Veith

This requires a ›liquidation‹ (Verflüssigung) of history that turns


toward the latter’s enactment (Vollzug), and away from its systema­
tized truths. To Hannah Arendt, this seemed at the time like a rend­
ing of tradition, though precisely thereby focusing on what has con­
cerned humans »from time immemorial.«10 Yet Heid­eg­ger is not
after a definitive theoretical position from which to view history as
an object, however fluid this object might be. The historical is not
of purely objective interest, but of what Heid­eg­ger calls responsi­
ble concern or ›conscience‹ (Gewissen), and by which he means to
invoke an historical mode of experience.11 After all, any stance we
inhabit is itself enacted in the stream of history, and requires a rec­
ognition of the same fluidity on our part that has been uncovered
in history itself. As if to emphasize the conjunction of these aspects,
he notes that the historical is »what we ourselves are, that which
we bear.«12 Since the traditional conceptions of history, which offer
a »false continuity and accessibility,«13 can thus be a burden to the
proper self-understanding of the present, Heid­eg­ger concludes in
his notes on Jaspers (1919 –1921) that a ›dismantling‹ (Destruktion)
of this tradition is necessary.14

Destruktion in the Natorp-Report

Heid­eg­ger’s first dedicated explication of this dismantling approach


occurs in the 1922 Natorp-report, a programmatic essay composed

10 Hannah Arendt, Martin Heid­eg­ger ist achzig Jahre alt, in: Merkur 23/10
(1969), 893–902, here 894. Cited and translated in Barash, Historical Meaning,
134.
11 In Heid­eg­ger’s view, recognizing the connection between historical ex­
perience and conscience also reveals the meaning-source [Sinnquelle] from
which objective-historical knowledge (especially in the historical human
sciences) originates. Cf. Heid­eg­ger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9,
33. Responsibility will surface again in Being and Time’s notion of authen­
ticity, where it amounts to Dasein’s consciousness of its possibility-to-be,
and where some have attempted to locate a proto-ethics in Heid­eg­ger. Cf.
Thomas Rentsch. Zeitlichkeit und Alltäglichkeit, in: Sein und Zeit (Klassiker
Auslegen), edited by Thomas Rentsch, Berlin 2007), 199 –228, here 202n6.
12 Heid­eg­ger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9, 34.
13 Rüdiger Safranski, Martin Heid­eg­ger. Ein Meister aus Deutschland, Mu­
nich 1994, 111.
14 Heid­eg­ger, Anmerkungen zu Karl Jaspers, GA 9, 34.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 309

hastily in application for his eventual position in Marburg.15 Heid­


eg­ger here elaborates a framework for any adequate historical re­
search in philosophy. However, this seemingly narrow methodolog­
ical focus is quickly broadened to include a hermeneutics of facticity,
which amounts to a reflective interpretation of human existence by
human existence.16 Such an initial approach is necessary, Heid­eg­ger
insists, due to the pernicious tendency to neglect our own histori­
cal movement in researching the past. Any adequate philosophical
research, therefore, must begin with an elucidation of ourselves and
our present situation.
If Heid­eg­ger’s prior approach fell under the general rubric of
›making-fluid‹, he now adds to this the task of making ›transparent‹
(durchsichtig), of reducing the opacity in which the present finds
itself, and applying the resulting transparency to an interpretation
of history and its sedimented concepts.17 For Heid­eg­ger, this is pre­
cisely the meaning of entering the historical realm, and it explains
his assertion that philosophical activity is itself merely an extension
of the fundamental movement of human life. By operating in and
through the present in this way, Heid­eg­ger hopes that his analy­
ses might affect both our general attitude toward the past, and our
specific dealings with concepts in the history of philosophy. The
pointed purpose of his clarification is to show that philosophy can­
not be borrowed wholesale or transmitted purely from one age to
another, and that present research cannot deign to take away from
future ages their own need and responsibility of radically question­
ing their concepts. The fluid movement characterizing all transmis­
sion of history erodes the fixity of philosophical concepts as past
results that are merely handed down, and reveals a »primordial­
ity of questioning (Frageursprünglichkeit)«18 that can (and indeed

15 Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 346. For a


recent English translation, cf. Heid­eg­ger, Indication of the Hermeneutical
Situation, in: The Heid­eg­ger Reader, edited by Günter Figal and translated
by Jerome Veith, Bloomington, Indiana 2009, 38–61.
16 Heid­eg­ger elaborates this aspect of the phrase in his 1923 lecture Onto­
logy – The Hermeneutics of Facticity, translated by John van Buren, Bloo­
mington, Indiana 1999, 11–16.
17 Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 347.
18 Cf. Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 348. In his
later thought, Heid­eg­ger will speak in similar ways about language, noting
310 Jerome Veith

should) always be made present again through an act of retrieval or


»primordial repetition.«19
It is precisely such a repetition that Heid­eg­ger seeks through
his dismantling approach. It is intended to cut across our normal
tendency to make things easy for ourselves and to cover over the
difficulties of life (which Heid­eg­ger will call ›falling‹ in Being and
Time). Preferring habit to upheaval, we are typically quite unhistor­
ical in our engagement with our traditions, in the sense that we do
not acknowledge the past as what it is: »as the other and as a recoil
against the present.«20 Instead, one tends to take over the past ›unde­
cidedly‹, without an awareness of this appropriation or of its role in
the present. Since philosophy is just an extension of factical life, this
tendency reaches all the way to philosophical concepts and paves
over their questionability. Yet just as factical life, by reacting against
its fallenness, can gain an awareness of its underlying and enacted
existence (Existenz), so an approach of ›radical understanding‹ can
lead one to recognize the past as constitutive for the present. This
entails retrieving past concerns as issues not just for the past, but
for the present as well.
Thus, Heid­eg­ger contends that the history of thought is »objec­
tively present for philosophical research in a relevant sense if and
only if it provides not diverse curiosities, but radically simple things
worthy of thought (Denkwürdigkeiten)« that »force the present
back upon itself in order to increase questionability.«21 To develop
this forcefulness, it is necessary to »loosen up the handed-down and
dominating interpretedness in its hidden motives.«22 The demand,
in other words, is to stand within the tradition differently, to finally
»rootedly (wurzelhaft)« possess what we have not yet taken over
explicitly.23
This radical self-possession echoes the authenticity that Heid­eg­
ger describes as a possibility for factical life’s overcoming of its fall­
enness, and this parallel represents more than a structural similarity.

that it is not so much an ›outcome‹ [Ergebnis] of human activity as it is an


›event‹ [Ereignis] of being; cf. Heid­eg­ger, Der Weg zur Sprache, GA 12, 258.
19 Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 350.
20 Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 349n7.
21 Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 349 –350. Em­
phasis in original.
22 Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 368.
23 Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 369.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 311

Heid­eg­ger in fact asserts the identity between the object of Destruk­


tion (the traditional concept of human nature, now termed ›factical
life‹) and the conditions of Destruktion’s possibility (its rootedness
in factical life).24 Through this identification, the character of phil­
osophical research is bound inherently to the self-interrogation of
human life: To clarify any part of life requires a retrieval of history,
and to retrieve any part of the history of thought is to participate in
the retrieval of one’s own Being. What is more, the necessity of De­
struktion – and therefore the need of philosophy in the present – is
thereby intensified, for to neglect the primordial interpretation of
factical life means consequently to renounce the possession of one­
self, to neglect existence.

Being and Time: Repetition, Tradition, Freedom

This focus on individual human existence formulates the core issue


of the existential analytic of Being and Time. Further, the revival
here of the seemingly forgotten question of Being – uncovering the
question by way of a Destruktion of the intervening and forgetful
tradition – takes the same general form of repetition that Heid­eg­ger
outlined in the Natorp-report. Thus, Heid­eg­ger is still engaged in his
dismantling project, though on different terms than before. While
Being and Time might indeed appear as a broadening of his ap­
proach, its aim is actually more focused than that of the Natorp-re­
port. This focus has three concentric aspects.
First, Heid­eg­ger seeks to uncover a singular meaning of Being, a
concept with far more definition than the Denkwürdigkeiten men­
tioned in 1922. Instead of dealing with many possible primordial
questions, Heid­eg­ger now centers on just one question and our
mode of access to it. A second point of focus is Heid­eg­ger’s in­
creasing determinacy in the characterization of history. Whereas
his 1922 text designates history as the realm of diverse questions
through which we access the ›transcendental‹ structure of life, Being
and Time defines history concisely as the forgetting of the question
of Being. This diagnosis rests on the more fundamental conclusion
that temporality, which undergirds our historicality and thus gives
rise to conceptions of history, has been misconstrued and indeed

24 I am indebted to Tobias Keiling for this insight.


312 Jerome Veith

covered over by the Western tradition. This concealment has there­


fore also hidden our ontological self-understanding.25 To recognize
and uncover the structure of temporality, then, requires more than
an investigation of a conceptual development. It is the history of
Western thought itself, not just a concept within it, that demands
Destruktion.
To reach this conclusion regarding the tradition, however, re­
quires a long analysis, and it is this that forms the third, innermost
point of focus, and the actual substance of Being and Time. The de­
tailed investigation of the everyday activity of Dasein seeks to dis­
cover not only the temporal meaning of Being, but the reasons for
the inevitable forgetting of its questionability, and the possibility of
a retrieval thereof. An account of this possibility, which constitutes
the broadest aim of the work, lies latent in Heid­eg­ger’s detailed de­
scription of Dasein’s historicality: the condition of Dasein’s capacity
to have a history to begin with, and of its ability to authentically ap­
propriate its past (to ›choose its own fate‹). We therefore turn to § 74
of Being and Time to see how Heid­eg­ger presents this historicality.
Prior to this chapter, Heid­eg­ger has already established that the
meaning of Dasein’s Being is temporality. That is to say, the whole
of Dasein, contrary to past substantializations of subjectivity, has
been determined as an ecstatical temporal movement with an incom­
plete character that is nevertheless a whole in that it is »ineluctably
becoming.«26 This being-a-whole of Dasein is thus to be viewed as
a connected occurrence (Geschehen) that »stretches along between
birth and death,« rather than as a substantive entity or focal point
in the present that runs along time in a distinct sequence of nows.27
Heid­eg­ger announces the need to examine this occurrence in more
detail, for as the ground of all historical meaning, it represents the

25 Cf. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 28. Unless otherwise specified, the
English translation cited here will be that of Macquarrie and Robinson, San
Francisco 1962. On Heid­eg­ger’s diagnostic approach to history, cf. Robert
Piercey, The Uses of the Past from Heid­eg­ger to Rorty, New York 2009,
127–163.
26 Thomas Sheehan and Corinne Painter, Choosing One’s Fate: A Re-Rea­
ding of Sein und Zeit § 74, in: Research in Phenomenology 28 (1999), 63–82,
here 71. Emphasis in original.
27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 493. Emphasis in original. ›Occurrence‹
is Stambaugh’s translation of Geschehen, whereas Macquarrie and Robinson
employ the less transparent term ›historizing‹.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 313

true »locus of the problem of history« over against such secondary


phenomena as historiography or its historical objects.28 The key is­
sues to resolve in § 74, then, are (a) how historicality is grounded in
the more general structure of temporality, and (b) how historicality
factors into historical Dasein’s constitution.29 These could be re­
phrased, respectively, as the questions of historicality’s ontological
structure and of its ontical task, or the ability to ›choose one’s fate‹
and the actual resolute decision of doing so.
a) Heid­eg­ger underscores that anticipatory resoluteness does not
merely guide Dasein’s existence in a futural direction, but that it
turns Dasein back upon its situation, upon its factical thrownness.
Put differently, Dasein’s self-understanding in terms of its own pos­
sibilities entails at the same time a return to its own fact that it ex­
ists, for it is from this facticity that Dasein’s possibilities arise to be­
gin with. These aspects are combined in Heid­eg­ger’s description of
Dasein as a »thrown projection (geworfener Entwurf).«30 Through
this broad description of temporality, we arrive at the central role
of »having-been (Gewesenheit)« in historicality, for while mortality
might disclose one’s ownmost and inevitable possibility, the factical
possibilities one chooses in resoluteness »are not to be gathered from
death« but stem from the »alreadiness« of one’s thrown situation.31
If ›having-been‹ is the ontological condition that »makes pos­
sible our factical histories, both individual and social,«32 then the
source of the concrete possibilities of existence lies in the world
into which one is thrown. Heid­eg­ger calls this source one’s ›heritage‹
(Erbe), noting that it is both something received and something to
be taken over.33 This heritage is the always-already configured realm
of disclosure that shapes and limits Dasein’s possibilities. Heid­eg­ger

28 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 496. Emphasis in original.


29 Cf. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 505. Sheehan and Painter present a
clear outline of § 74 near the end of their article (75), to which I am greatly
indebted in my analysis.
30 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 295. Emphasis in original.
31 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 504–506. »Alreadiness« is the translation
that Sheehan and Painter (72) use for Gewesenheit.
32 Sheehan and Painter, Choosing One’s Fate, 73.
33 Cf. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 507. For a detailed analysis of the va­
rious layers of Heid­eg­ger’s thought here regarding temporality, history, and
heritage, cf. Hans-Helmuth Gander, Existentialontologie und Geschichtlich­
keit, in Rentsch, Sein und Zeit, 229 –252, here 237.
314 Jerome Veith

considers these limited options under the labels of individual ›fate‹


(Schicksal) or of collective ›destiny‹ (Geschick), in order to empha­
size the ineluctable character of being thrown into them. Yet this em­
phasis also risks misconstruing Dasein’s relation to its heritage. It is
not as if fate and destiny exist apart from Dasein as a mere medium in
which it passively resides; one of the crucial culminating insights of
Being and Time is rather that we are our fate and destiny, and have
the option of being them in various ways. The whole development
of the book has in fact prepared the distinction between authenticity
and inauthenticity for this purpose, making clear that it is up to us
how we take up our ontological structure, how adequately we fulfill
the task of being what we are.
b) Following the distinction of falling and authenticity, Heid­eg­ger
notes Dasein’s capacity to take over its heritage either inexplicitly or
explicitly. The course of explicit inheritance involves several inter­
related aspects. First, it entails a resolute acceptance both of one’s
mortality and of one’s finite place in time, and this means inhabiting
the present in such a way that it becomes a ›situation‹ (Situation) or
open space of possibilities. To thus ›be‹ one’s fate entails having »a
clear vision for the accidents of the situation,« and to thereby sort
out what is actually open for choice beyond these contingencies.34
This discernment of what is open for authentic choice introduces
a second aspect, which is the freeing-up (Überlieferung) of the her­
itage for one’s own lived possibilities. In more conventional trans­
lations of Überlieferung (it would commonly be rendered as ›tradi­
tion‹), one could say that it is a handing-down or taking-over of the
heritage; however, these renderings risk characterizing the heritage
as something that is adopted uncritically, externally, or wholesale,
and thus miss the fundamentally liberating aspect of authentic his­
toricality, for the crucial point is precisely Dasein’s resolute decision
to choose at all.35 It is, as Heid­eg­ger puts it, an exercise of »finite
freedom.«36
This freedom is further borne out in a third aspect, namely the
transformative appropriation that Heid­eg­ger calls repetition (Wie­

34 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 508.


35 Sheehan and Painter (74) make a strong case for translating Überlieferung
as ›freeing-up‹, and note the Latin root of liberare in Überlieferung.
36 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 508.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 315

derholung).37 It is here that Dasein »explicitly exists as fate«38 and


becomes its history, for it gathers its possibilities as having been
already given, and delivers them over to itself as a ground for res­
olute decision. While it is an explicit decision, repetition does not
amount to a selective cognitive process; it does not require any actual
knowledge of the origin of Dasein’s possibilities, and is thus not an
archaeological step. Heid­eg­ger considers it a retrieval not because
anything is actually brought back from the past into the present,
nor because one crosses over to the past from the present, but be­
cause Dasein must respond »to a given possibility of already-open
existence.«39 This response always occurs in a present ›moment of
insight‹, underscoring that repetition does not have a telos outside
itself: It »neither abandons itself to what is past nor aims at some sort
of progress.«40 It is, in its momentary choice, both free from these
concerns and free for its own chosen possibilities.
Until now we have only considered Dasein’s historical freedom in
its fate and individuality. Yet Heid­eg­ger also indicates that authentic
Dasein, in being its collective destiny, is social. This indication is no­
toriously difficult to follow, both since Heid­eg­ger does not spell out
his thoughts here in much detail, and because it is intertwined with
debates that are far beyond the scope of our analyses here.41 Nev­
ertheless, it is worth preliminarily inspecting what Heid­eg­ger has
in mind with destiny. It may initially appear that authentic Dasein
would stand in conflict with any collective existence, both based on
Heid­eg­ger’s descriptions of publicness and the ›they‹ (das Man), and
because anticipatory resoluteness depends so crucially on Dasein’s
facing up to its ownmost personal mortality. However, this apparent
conflict relies on a conception of collectivity and its destiny as an
amalgamation of individual fates, a notion that Heid­eg­ger explicitly
rejects.42 Instead, he asserts that Dasein is equiprimordially a be­
ing-with (Mitsein), such that the involvement with this dimension

37 Stambaugh renders it as ›retrieve‹, perhaps to emphasize the active cha­


racter of the appropriation.
38 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 510.
39 Sheehan and Painter, Choosing One’s Fate, 68.
40 Sheehan and Painter, Choosing One’s Fate, 68.
41 For a good presentation of the broader issues, cf. Fred Dallmayr, The
Other Heid­eg­ger, Ithaca, New York 1993.
42 Cf. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 508.
316 Jerome Veith

of life cannot take away from Dasein’s individuality, but rather con­
stitutes a broader region of Dasein’s own existence.43
In terms of history and destiny, this region is that of a people, and
it directs fate by shaping the space of possibility of heritage. This
influence, according to Heid­eg­ger, occurs through two basic events:
communication (Mitteilung) and struggle (Kampf). The former is
the articulation of the existential possibilities contained in the given
present situation, while the latter denotes the tensions involved in
interpreting this situation according to its (often latent) possibilities.
The fully authentic occurrence of Dasein, then, amounts to both a
resolute personal choice and a choice that involves one’s ›gener­
ation.’44 Thus, while it is extremely difficult to comprehend how
Heid­eg­ger conceives of social life and the interaction between fate
and destiny,45 it is even more difficult to conclude that Heid­eg­ger
favors any sort of radical individualism in Being and Time.
Heid­eg­ger’s elaboration of the structure of historicality and the
task of enacting it point to two crucial conclusions: First, that au­
thentic history can no longer be conceived in terms of a past that
determines the present, and second, that freedom in relation to his­
tory does not entail a neutral beginning or an expulsion of one’s
heritage. Instead, only the finite freedom of situated retrieval – in­
dividual and collective – becomes the measure of the adequate ap­
propriation of history.
On the one hand, these conclusions help justify Heid­eg­ger’s
stance in Being and Time as a whole. From a methodological per­
spective, the entire possibility of Destruktion, of leaping into the

43 Cf. Gander, Existentialontologie und Geschichtlichkeit, 242. Gadamer


sees Heid­eg­ger’s conception of Mitsein as a »concession« rather than an es­
sential part of his elaborations, and takes it to be a particularly »weak idea
of the other.« This, even though the notion of thrownness contains the in­
kling of an alterity that could be developed further (which Gadamer does).
Cf. Hans-Georg Gadamer, A Century of Philosophy. A Conversation with
Riccardo Dottori, translated by Rod Coltman with Sigrid Koepke, New
York 2003, 23.
44 Many have pointed out Heid­eg­ger’s indebtedness to Dilthey for this con­
cept, though Heid­eg­ger clearly means something deeper than an ideal social
meaning. Cf. Barash, Historical Meaning, 207.
45 Ricoeur underscores the difficulty in assessing how one is to »move from
the history of every individual to the history of all.« Cf. Paul Ricoeur, Die
erzählte Zeit (Volume 3 of Zeit und Erzählung), Munich 1991, 119. Cited in
Gander, Existentialontologie und Geschichtlichkeit, 237.
Freedom and Historical Belonging in Heidegger 317

circle of present understanding in order to further explicate Being


and potentially retrieve its questionability, turns out to be grounded
in Dasein’s ability to free up its tradition and authentically grasp its
having-been.46 The need for articulation and the struggle of freeing
up an adequate interpretation of the situation that Heid­eg­ger elab­
orates in his analysis of Dasein, therefore, is itself analogous to his
own approach to the tradition, to his attempt to speak with and to
his generation, and to his desire to wrest free the question of Being
from its forgottenness.
On the other hand, and on the basis of this reflective-perform­
ative significance, the analysis of Dasein also serves to advance the
actual freeing-up of the question of Being, and thus plays a crucial
role in Heid­eg­ger’s broader philosophical development. After all,
the involvement with tradition that he has described in § 74 is not
limited to historical or theoretical projects, but belongs to the Be­
ing of human beings. If Being remains forgotten or unquestioned,
our historical nature remains unfulfilled, our freedom stifled. The
issue of freedom, therefore, is not confined to the ontical realm or
to regional ontologies, but informs the possibility of retrieving the
question of Being itself in all of its ontological profundity.47 Repe­
tition is thus not the name for a strictly philosophical task, but for
the ongoing task of authentic historical existence.

Historical Belonging

The foregoing analyses give us a glimpse into Heid­eg­ger’s incipient


approach to history, but they also indicate further developments
along the same path. Up to Being and Time, Heid­eg­ger has sought
some form of fundamental temporality that would ground and ex­
plain the fluid enactments of tradition. After his tenure in Marburg,
this schematic structure recedes in favor of a stance that highlights
the forgetting of Being and the ungrounded, eventful (ereignishaft)
character of temporal occurrence. Yet while the thorough revision of

46 Cf. John Sallis, Where does Being and Time Begin?, in Delimitations:
Phenomenology and the End of Metaphysics, second expanded edition,
Bloomington, Indiana 1995, 98–118, here 110.
47 Cf. Günter Figal, Martin Heid­ eg­ger: Phänomenologie der Freiheit,
Frankfurt am Main 1988, 23.
318 Jerome Veith

subjectivity entailed by Ereignis-thinking now seems to exceed any


individuals’ agency – including the philosopher’s own – the issue of
freedom remains central to Heid­eg­ger’s concerns.48
In fact, the finite freedom that thought is to inhabit – and which
in its phenomenological stance has revealed itself as the root of dis­
closure49 – can be equated with the open clearing of the Ereignis it­
self. Yet, as this openness is not a static container for history, but a
continual and withdrawing source, so any thought that adequately
engages this openness comes to realize that our destiny »has not yet
been decided.«50 The task that Heid­eg­ger outlines for thinking is
therefore not just a shift in philosophical perspective upon history,
but a transformed way of belonging to history.
This should make it clear that Heid­eg­ger does not seek to truly
dismantle or ›destroy‹ the tradition, nor does he think it possible or
desirable to eradicate the past’s significance in general. He may dis­
tance himself from a certain configuration of philosophy within the
Western tradition, but rather than dismissing this configuration from
an ahistorical position as just another pattern of thought, he remains
situated within history and recognizes that his own thought is still a
step within a larger temporal context. His entire process of thinking
about history, therefore, could be said to model a form of historical
involvement that would be appropriate to our finite freedom.

48 Cf. Figal, Phänomenologie der Freiheit, 275.


49 Cf. Heid­eg­ger, Vom Wesen der Wahrheit, GA 9, 177–202; On the Essence
of Truth, translated by John Sallis, in: Basic Writings, edited by David Farrell
Krell, San Francisco, 1993, 115–138.
50 Heid­eg­ger, Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens,
GA 14, 89; The End of Philosophy and the Task of Thinking, in: On Time
and Being, translated by Joan Stambaugh, Chicago 1972, 55–73.
Fernando Rodrigues
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens
Eine Interpretation der Metaphysik des Daseins im Lichte
der letzten Marburger Vorlesung Martin Heid­eg­gers1

Der vorliegende Beitrag berücksichtigt ein schwer einzuordnen­


des Kapitel in der philosophischen Geschichte Martin Heid­eg­gers,
nämlich das in der Periode unmittelbar nach Sein und Zeit (1927)
unternommene Projekt einer Metaphysik des Daseins. Trotz ihrer
entscheidenden Rolle für die Einheit der wichtigsten, unmittelbar
nach Sein und Zeit veröffentlichten Texte – Vom Wesen des Grun­
des (1929), Was ist Metaphysik? (1929), Kant und das Problem der
Metaphysik (1929) und Vom Wesen der Wahrheit (1930) – ist die
Metaphysik des Daseins erst vor kurzem Gegenstand ausführlicher
Interpretationen geworden.2 Ausgehend von der letzten Marburger
Vorlesung aus dem Sommersemester 1928 möchte ich hier die Posi­
tion vertreten, dass es bei dieser metaphysischen Wende um eine
immanente Rechenschaftspflicht Heid­eg­gers gegenüber seiner Fun­
damentalontologie gehe. Die Metaphysik des Daseins hat das Ziel,
das in Sein und Zeit nicht ausdrücklich behandelte Problem der Ver­

1 Für ihre sehr konstruktiven Anregungen in der Entwicklungsphase dieser


Arbeit bedanke ich mich herzlich bei Hélder Telo (Lissabon), Virginie Palette
(Freiburg) und Róbson Ramos dos Reis (Santa Maria, Brasilien).
2 Das Buch von François Jaran, La Métaphysique du Dasein. Heid­eg­ger et
la possibilité de la métaphysique, Bucarest 2010, spielt in diesem Kontext eine
besondere Rolle. Wichtige Hinweise auf die Notwendigkeit einer ausführ­
lichen Behandlung der Metaphysik des Daseins finden sich aber schon bei
Otto Pöggeler, Metaphysik als Problem bei Heid­eg­ger, in: Dieter Henrich /
Rolf-Peter Horstmann (Hrsg.), Metaphysik nach Kant?, Stuttgart 1988 und
bei Jean Greisch, Der philosophische Umbruch in den Jahren 1928–32. Von
der Fundamentalontologie zur Metaphysik des Daseins, in: Dieter Thomä
(Hrsg.), Heid­eg­ger-Handbuch, Stuttgart / Weimar 2003.
320 Fernando Rodrigues

bindlichkeit des Seienden im Ganzen für das Dasein zu fassen und


dadurch die Spaltung der traditionellen Metaphysik in Ontologie
und Theologie zu hinterfragen.
Ein möglicher Weg für die Interpretation der metaphysischen
Wende Heid­eg­gers, deren wichtigstes Ergebnis die explizite Identifi­
kation von Philosophie und Metaphysik ist, wäre die Untersuchung
der Rezeption seines opus magnum.3 Zwar war es für Heid­eg­ger
sicherlich wichtig, die zeitgenössische philosophische Anthropolo­
gie von seinem Werk getrennt zu sehen.4 Gerade deshalb kann ar­
gumentiert werden, es sei für Heid­eg­ger notwendig gewesen, sein
ontologisches Projekt gegenüber einem »anthropologisierenden«
Verständnis (besonders durch Max Scheler) als ein metaphysisches
zu ver­teidigen – als ob es für Heid­eg­ger letztendlich um ein Bekennt­
nis seiner metaphysischen Orientierung ginge. Jedoch ist die Meta­
physik des Daseins besser als eine immanente Auseinandersetzung
Heid­eg­gers mit seiner Fundamentalontologie als eine mit der phi­
losophischen Anthropologie der damaligen Zeit zu verstehen. Dies
möchte ich im Folgenden mit besonderer Rücksicht auf das positive
Moment der Metaphysik des Daseins zeigen.
Der Fortschritt der Gesamtausgabe Heid­eg­gers erlaubt es mitt­
lerweile zu behaupten, dass die in der Periode unmittelbar nach
Sein und Zeit situierte metaphysische Verwandlung von Heid­eg­
gers Denken das Ziel hatte, die Problematik der menschlichen Ver­
bindlichkeit gegenüber dem Seienden im Ganzen in die Entwick­
lung der Seinsfrage einzubeziehen. Was diese Inklusion fordert, ist
1. die Ausarbeitung einer neuen Diagnose der Probleme der πρώτη
φιλοσοφία des Aristoteles und 2. die Einsicht in die Grenzen der
Fundamentalontologie, so wie sie in Sein und Zeit skizziert wurde.
Ein korrektes Verständnis dieser beiden Punkte gestattet es anzu­
erkennen, dass die thematische Aufnahme einer, wie ich sie nenne,
Phänomenologie der Bindung in Heid­eg­gers Philosophie notwendig
geworden war. Der Kern dieses philosophischen Versuchs besteht
aus einer Interpretation der Phänomene Freiheit, Bindung und Spiel

3 Vgl. beispielsweise Jaran, Heid­eg­ger et la possibilité de la métaphysique,


30.
4 Besonders wird dieses Thema in der Einleitung der Vorlesung des Som­
mersemesters 1929 diskutiert. Vgl. Heid­eg­ger, Der deutsche Idealismus,
GA 28, 9 –47, wo Heid­eg­ger Stellung gegenüber den anthropologischen und
metaphysischen Tendenzen seiner Zeit nimmt. Vgl. dazu auch Heid­eg­ger,
Sein und Zeit, GA 2, 61–67.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 321

des Lebens und dies kann auch dann noch positiv interpretiert wer­
den, wenn Heid­eg­ger sich nach dem Jahr 1930 und der Schrift Vom
Wesen der Wahrheit von der Metaphysik und der metaphysischen
Sprache distanziert.

Zwiespalt im Kern der Ersten Philosophie des Aristoteles:


Heid­eg­ger vor der Metaphysik als Ontotheologie

Der Umschlag der Fundamentalontologie in eine »Metaphysik der


Existenz« wird von Heid­eg­ger in seiner Leibniz-Vorlesung des Som­
mersemesters 1928 verteidigt. Rückblickend auf das Projekt von
Sein und Zeit hält Heid­eg­ger dort fest: »Die Fundamentalontolo­
gie erschöpft nicht den Begriff der Metaphysik«.5 Eine entschei­
dende Auseinandersetzung mit der Metaphysik erfordere vielmehr
eine »metaphysische Verwandlung« der Fundamentalontologie,
ihre μεταβολή. Dies geschieht mittels einer Forschung, die vorläu­
fig Metontologie genannt wird, und kulminiert in der Metaphysik
des ­Daseins, die das Problem der Metaphysik konfrontiert.6 Dass
die Fundamentalontologie wiederum den Begriff der Metaphysik
nicht erschöpft, ist nicht selbstverständlich. Diese Aussage setzt
mindestens zweierlei voraus: 1. Die Idee der Fundamentalontolo­
gie hat Grenzen und 2. ein überraschendes Verständnis des Wesens
der Meta­physik kommt ins Spiel. Daher ist es wichtig, vorerst sum­
marisch Gedanken über diese beiden Motive zu versammeln.
Die Grundprämisse von Sein und Zeit, nach der jedes mögliche
menschliche Verhalten auf dem Verstehen von Sein des Seienden
beruht, das sich seinerseits als Zeitlichkeit erläutern lässt, ist wohl
bekannt. Das Grundproblem von Sein und Zeit wird demzufolge
schon durch die Konjunktion in dem Titel der Abhandlung hervor­
gebracht, die auf die innere Zugehörigkeit von Zeit und Sein hindeu­
tet. Sein und Zeit bewerkstelligt dadurch eine Phänomenologie der
ekstatischen Zeitlichkeit des »Da«, der »Erschlossenheit« oder der
»Lichtung« des Daseins im Menschen, als des Ortes, an dem die Be­
gegnung mit dem Seienden stattfindet. Dies zielt auf den Nachweis

5 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 199.


6 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 202: »Fun­
damentalontologie und Metontologie in ihrer Einheit bilden den Begriff der
Metaphysik«.
322 Fernando Rodrigues

der Zeit als der Wurzel jeder möglichen Begegnung, und damit als
Grund des menschlichen Verhaltens im Allgemeinen. Das ist, grob
gesagt, die Grundidee der Fundamentalontologie. Aber wenn Heid­
eg­ger sagt, die Fundamentalontologie erschöpfe nicht den Begriff
der Metaphysik, dann muss das heißen: Es gibt irgendetwas inner­
halb der Metaphysik, das über das ontologische Problem hinausgeht.
Da diese Behauptung erst in der Leibniz-Vorlesung ausgesprochen
wird, ist klar, dass sich dieses Problem in Sein und Zeit überhaupt
nicht stellt. In Sein und Zeit identifiziert Heid­eg­ger nämlich impli­
zit die Metaphysik mit der überlieferten Ontologie und setzt die
vollständige Destruktion der Geschichte der Ontologie (Metaphy­
sik) durch die Fundamentalontologie voraus. Im Unterschied dazu
verlangt die Leibniz-Vorlesung umgekehrt den Umschlag der Fun­
damentalontologie in Metaphysik. Aber warum?
Obwohl die Fundamentalontologie ursprünglich mit einer be­
sonderen Art von Transzendentalphilosophie zusammenhängt –
und dadurch von jeglicher überlieferten Ontik von Eigenschaften
wesentlich zu unterscheiden ist – basiert die Fundamentalontolo­
gie immer noch auf dem Problem der Seiendheit des Seienden, das
heißt, Sein wird verstanden als »das, was Seiendes als Seiendes be­
stimmt, das, woraufhin Seiendes, mag es wie immer erörtert wer­
den, je schon verstanden ist«.7 Das ist das Problem der traditionellen
Onto­logie. Allein, der Hinweis Heid­eg­gers, die Fundamentalon­
tologie erschöpfe nicht den Begriff der Metaphysik, macht auf die
Tatsache aufmerksam, dass die Philosophie sich nicht nur mit dem
ontologischen Problem der Allgemeinheit des Seienden als Seien­
den befassen muss, sondern auch mit dem besonderen Problem des
Seienden im Ganzen, dem wesentlichen Zweig der aristotelischen
Metaphysik als θεολογική.
Heid­eg­ger setzt sich mit diesem Thema in seiner Leibniz-Vorle­
sung auseinander, in der er eine innere Ambivalenz in Aristoteles’
Begriff der πρώτη φιλοσοφία festhält. In der Metaphysik präsentiert
Aristoteles eine Wissenschaft, deren Aufgabe in der Untersuchung
des Seienden als Seienden besteht: ἔστιν ἐπιστήμη τις ἣ θεωρεῖ τὸ ὂν
ᾗ ὄν καὶ τὰ τούτῳ ὑπάρχοντα καθ’ αὑτό.8 Das ist die Philosophie in

7 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 8.


8 Aristoteles, Metaphysica 1003a; die Metaphysik wird zitiert nach:
Aristotle’s Metaphysics, hrsg. von William David Ross, zwei Bände, Ox­
ford 1924.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 323

erstem Sinne, φιλοσοφία πρώτη, die erst viel später als »Ontologie«
bezeichnet wird.9 Ebenfalls in der Metaphysik bestimmt Aristoteles
die erste Philosophie andererseits als θεολογική, als die Wissenschaft
des Grundes »des am offensichtlichen Seienden sich bekundenden
Übermächtigen«,10 als αἴτια τοῖς φανεροῖς τῶν θείων.11 Daraus zieht
Heid­eg­ger folgenden Schluss: »Philosophie als erste Philosophie hat
also einen zweifachen Charakter, sie ist Wissenschaft vom Sein und
Wissenschaft vom Übermächtigen«. Und dem fügt er in Klammern
hinzu: »Dieser Doppelcharakter entspricht dem Zweifachen von
Existenz und Geworfenheit«.12
Heid­eg­ger weist hier nicht nur auf einen inneren Zwiespalt in der
metaphysischen Fragestellung selbst hin, auf den Ausbruch eines
Scheidewegs von großem Einfluss in der gesamten Geschichte der
Philosophie, sondern er schreibt diesen Doppelcharakter der Meta­
physik der existenzialen Struktur des Menschen zu. Der metaphysi­
sche Umschlag der Fundamentalontologie zeigt sich folglich als sehr
eng verbunden mit der Diagnose einer ontotheologischen Verfas­
sung der Metaphysik im Allgemeinen. Daher hat die Metaphysik des
Daseins die Aufgabe, das Problem der Metaphysik zu verdeutlichen.
Dieses Thema hat Heid­eg­ger zu dieser Zeit oft durch die Wendung
von der »Grundlegung der Metaphysik« zum Ausdruck gebracht.
Eine solche Grundlegung versteht er – wie eine lapidare Formulie­
rung des Kant-Buchs von 1929 bestätigt – als die Erforschung der
»Endlichkeit im Menschen«.13
Es ist merkwürdig, dass Heid­eg­ger gerade bei der Entwicklung
seiner Diagnose des zweifachen Charakters der Metaphysik bezie­
hungsweise deren Spaltung in Ontologie und Theologie von einer

9 Zu der Schöpfung des Wortes Ontologie im 17. Jahrhundert durch die


Epigonen von Descartes, zum Beispiel durch Clauberg, vgl. Heid­eg­ger,
Meta­physische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 16.
10 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 13.
11 Aristoteles, Metaphysica 1026a.
12 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 13. Nach
Heid­eg­gers Verständnis ist dieser zweifache Charakter der ersten Philosophie
des Aristoteles entscheidend für die ganze Geschichte der Metaphysik. Vgl.
zu diesem Thema: J. Uscatescu Barrón, Metaphysik als Ontotheologie. Zur
Rekonstruktion der Heid­eg­gerschen Auffassung der Geschichte der Philo­
sophie, Heid­eg­ger Studien 26 (2011), 165–182.
13 Heid­ eg­ger, Kant und das Problem der Metaphysik, GA 3, 217: »Die
Grundlegung der Metaphysik gründet in der Frage nach der Endlichkeit im
Menschen, so zwar, daß diese Endlichkeit jetzt erst Problem werden kann«.
324 Fernando Rodrigues

metaphysischen Verwandlung der Fundamentalontologie spricht.


Besonders für denjenigen, der mit dem kantischen Aspekt seines
philosophischen Projektes vertraut ist, ist es undenkbar, nicht zu
fragen: Wie kann man nach den Errungenschaften der transzenden­
talen Dialektik Kants noch über Metaphysik reden? – Ein angemes­
senes Verständnis der metaphysischen Wende Heid­eg­gers und sei­
ner expliziten Identifikation von Philosophie und Metaphysik setzt
die genaue Präzisierung der Bedeutung und des Gebrauchs dieses
Terminus voraus: Was versteht Heid­eg­ger unter Metaphysik, wenn
er sich etwa über eine Metaphysik des Daseins äußert? Wird diese
Frage hier gestellt, dann wird die Metaphysik selbst zum Problem.14
Im Folgenden wird dieses Problem vornehmlich von der letzten
Marburger Vorlesung aus betrachtet. Diese dokumentiert 1. Heid­
eg­gers Hinweise auf die Verwurzelung der ontotheologischen Spal­
tung aller Metaphysik in der Struktur Existenz / Geworfenheit und
2. die ersten Schritte der Metaphysik des Daseins als hermeneutische
Phänomenologie der menschlichen Verbindung mit dem Seienden,
besonders angewandt auf das Problem des Ursprungs der Gesetz­
lichkeit der Bestimmungen, die die Struktur der Aussage und des
Denkens im Allgemeinen kennzeichnen.

Die existenzialen Wurzeln der Spaltung der Metaphysik und die


Metaphysik des Daseins als Hermeneutik der Verbindlichkeit

Der Hinweis Heid­eg­gers auf die existenziale Basis der ontotheologi­


schen Spaltung der Metaphysik kommt in seiner Leibniz-Vorlesung
in einer konzisen Formel zum Ausdruck, nach der die Aufspaltung
oder der »Doppelcharakter« der Metaphysik »dem Zweifachen von
Existenz und Geworfenheit [entspricht]«.15 Obwohl die Aussage
nicht ausführlich dargelegt wird – was die Klärung ihrer Bedeutung
sicherlich erschwert –, lässt sie sich in dem Zusammenhang der ge­
samten Vorlesung und in Rückblick auf Sein und Zeit durchaus in­
terpretieren. Der in ihr steckende Grundgedanke lässt sich folgen­

14 Pöggeler, Metaphysik als Problem bei Heid­eg­ger, 365: »Heid­eg­ger hatte


weder die Metaphysik rehabilitiert noch der Irrationalität anheimgegeben;
er hatte sie vielmehr als Problem zu fassen versucht. In dieser Weise sprach
das Kant-Buch von der Metaphysik als Problem«.
15 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 13.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 325

dermaßen formulieren: Der innerliche Zwiespalt der Transzendenz


selbst macht die existenziale Wurzel der traditionellen Metaphysik
aus. Einerseits bildet die Transzendenz den Entwurf des Verstehens
(Existenz), andererseits bringt sie das Dasein zurück zum Seienden
als Ganzen (Geworfenheit), dergestalt, dass sie das Dasein an das
Seiende wesenhaft bindet. Diese Charakteristik der Transzendenz ist
festzuhalten. Sie bezieht sich auf das in Sein und Zeit »kaschierte«
Problem der menschlichen Anbindung an das Seiende.
Um das Thema weiter zu bearbeiten, wenden wir uns nun der
Schlussfrage von Sein und Zeit nach dem ontischen Fundament der
Fundamentalontologie zu. Die ersten Betrachtungen des letzten
Paragrafen von Sein und Zeit (§ 83) sind rein existenzial-ontolo­
gisch: Heid­eg­ger bemerkt, dass das Ziel seiner bisherigen Analy­
sen kein anderes war als »das ursprüngliche Ganze des faktischen
Daseins hinsichtlich der Möglichkeiten des eigentlichen und unei­
gentlichen Existierens existenzial-ontologisch aus seinem Grunde
zu interpretieren«.16 Der Grund eines solchen Unternehmens – der
Existenzialanalytik – ist hinlänglich bekannt: Heid­eg­ger setzt vor­
aus, dass »so etwas wie ›Sein‹ [das Ziel überhaupt der Fundamenta­
lontologie] erschlossen im Seinsverständnis [ist], das als Verstehen
zum existierenden Dasein gehört«.17 Und da »die existenzial-onto­
logische Verfassung der Daseinsganzheit in der Zeitlichkeit grün­
det […], muss eine ursprüngliche Zeitigungsweise der ekstatischen
Zeitlichkeit selbst den ekstatischen Entwurf von Sein überhaupt
ermöglichen«.18
Aber gerade innerhalb dieses Kontextes rein existenzial-ontologi­
scher Betrachtungen kommt das in Sein und Zeit kaschierte Thema
wieder hervor. Der Wiederholung der in § 7 vorgestellten Definition
von Philosophie, nach der »die Philosophie [eine] universale phä­
nomenologische Ontologie [ist], ausgehend von der Hermeneutik
des Daseins, die als Analytik der Existenz das Ende des Leitfadens
alles philosophischen Fragens dort festgemacht hat, woraus es ent­
springt und wohin es zurückschlägt«,19 fügt Heid­eg­ger hinzu, dass
diese These nicht nur nicht als eine dogmatische angesehen werden
darf, sondern auch, dass sie ein grundsätzliches und noch »einge­

16 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 575.


17 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 577.
18 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 577.
19 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 51.
326 Fernando Rodrigues

hülltes« Problem hervorbringt, das sich in folgender Frage offenbart:


»lässt sich die Ontologie ontologisch begründen oder bedarf sie auch
hierzu eines ontischen Fundamentes, und welches Seiende muss die
Funktion der Fundierung übernehmen?«20
Diese Frage hat jüngst als Anstoß für eine Interpretation der Me­
taphysik des Daseins fungiert – die sich als eine mögliche Antwort
auf diese Frage des § 83 entwickelt – als einer ontischen Rekrudes­
zenz: Die metaphysische Wende Heid­eg­gers nach der Veröffentli­
chung von Sein und Zeit sei das Zeichen des Verlustes der trans­
zendental-kritischen Perspektive für das philosophische Fragen.21
Der Grund aber, warum diese Frage genau in dem entscheidenden
Paragrafen aufkommt, gerade da, wo die immanente Kehre in die
Problematik der Temporalität des Seins vorbereitet werden sollte,
lässt sich in gewisser Weise schon innerhalb des § 83 beantworten.
Denn im Rückblick auf die ausgeführten Analysen von Sein und
Zeit schreibt Heid­eg­ger: »Die vorgängige, obzwar unbegriffliche Er­
schlossenheit von Sein ermöglicht, daß sich das Dasein als existieren­
des In-der-Welt-sein zu Seiendem, dem innerweltlich begegnenden
sowohl wie zu ihm selbst als existierendem, verhalten kann«.22 Die
Kursivschrift von Heid­eg­ger ist hier nicht willkürlich angewendet.
Sie weist darauf hin, dass der Ort, an dem das Ende des Leitfadens
alles philosophischen Fragens festgemacht ist, von dem aus alle phi­
losophische Fragestellung entspringt und wohin sie zurückschlägt,
kein freischwebender ist, auch keine Abstraktion, sondern das fakti­
sche Existieren des menschlichen Daseins in seiner unvermeidbaren
Verbundenheit mit dem Seienden im Ganzen. Das Dasein selbst ist
(als Seiendes) das ontische Fundament der Ontologie. Aber nicht nur
weil es Seinsverständnis ist, sondern grundsätzlich weil das Seins­
verständnis eine Rückbindung an das Seiende impliziert und dem­
zufolge die fundamentale metaphysische Frage nach dem Seienden
ermöglicht, und zwar in der Spaltung zwischen dem Seienden als
Seiendem und dem Seienden im Ganzen.
Diese Fragestellung ist entscheidend für das Verständnis der in
der letzten Marburger Vorlesung verteidigten metaphysischen Ver­
wandlung der Fundamentalontologie. Das Ausschlaggebende im

20 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 576.


21 Vgl. Steven Crowell, Metaphysics, Metontology, and the End of Being
and Time, Philosophy and Phenomenological Research 60/2 (2000), 307–331.
22 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 577.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 327

Kontext dieser metaphysischen Wende ist die Bindung des seins­


verstehenden Daseins an das Seiende im Ganzen, das heißt die Tat­
sache, dass das menschliche Verhalten diese Bindung immer schon
voraussetzt. Nur unter dieser Bedingung kann der Ansatz dieser
Vorlesung verstanden werden, der lautet: »Da es Sein nur gibt, in­
dem auch schon gerade Seiendes im Da ist, liegt in der Fundamen­
talontologie latent die Tendenz zu einer ursprünglichen metaphy­
sischen Verwandlung, die erst möglich wird, wenn Sein in seiner
vollen Problematik verstanden ist. Die innere Notwendigkeit, daß
Ontologie dahin zurückschlägt, von wo sie ausgegangen war, kann
man am Urphänomen der menschlichen Existenz deutlich machen:
daß das Seiende ›Mensch‹ Sein versteht; in dem Verstehen von Sein
liegt zugleich der Vollzug des Unterschiedes von Sein und Seiendem;
es gibt Sein nur, wenn Dasein Sein versteht. Mit anderen Worten: die
Möglichkeit, daß es Sein im Verstehen gibt, hat zur Voraussetzung
die faktische Existenz des Daseins, und diese wiederum das fak­
tische Vorhandensein der Natur. Gerade im Horizont des radikal
gestellten Seinsproblems zeigt sich, daß all das nur sichtbar ist und
als Sein verstanden werden kann, wenn eine mögliche Totalität von
Seiendem schon da ist«.23
Das Zitat lässt sich folgendermaßen interpretieren: Wäre das Da­
sein nur ein rein freischwebendes Verstehen von Sein, dann würde
es auch kein menschliches Verhalten geben. Denn das, was mensch­
liches Verhalten genannt wird, dieses Sich-verhalten-können des
menschlichen Daseins, beruht notwendig auch auf der Bindung des
existierenden Menschen an das Seiende im Ganzen. Das menschli­
che Verhalten in all seinen Dimensionen – mit den Dingen, mit den
anderen und mit sich selbst – ist nichts anderes als das Zurückkom­
men zu Seiendem, das von der Transzendenz ermöglicht wird. Der
philosophische Diskurs muss folglich auch die »eigentümliche Um­
wendung« vollziehen,24 die allein es ermöglicht, dass er an den Ort,
aus dem er entsprungen ist, zurückkommt, zurück »zu Seiendem«,25
zum Raum der menschlichen Bindung an das Seiende im Ganzen.
Damit aber tritt eine gewisse Zweideutigkeit des Weltbegriffes in
Sein und Zeit hervor. Dass das Dasein geworfen ist, bedeutet nicht
nur, dass es sich immer innerhalb einer bedeutsamen Bewandtnis­

23 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 199.


24 Heid­eg­ger, Die Grundbegriffe der Metaphysik, GA 29/30, 66.
25 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 577.
328 Fernando Rodrigues

ganzheit (Welt) bewegt, sondern auch, dass es sich immer inmitten


des Seienden im Ganzen (»Welt«) befindet: »Dasein hat sich, sofern
es ist, je schon auf eine begegnende ›Welt‹ angewiesen, zu seinem
Sein gehört wesenhaft diese Angewiesenheit«.26 Dass das Dasein auf
das Seiende angewiesen ist, stellt genau das »grundsätzliche« und
»eingehüllte« Problem dar, von welchem Heid­eg­ger in den letzten
Zeilen von Sein und Zeit spricht. Im Kant-Buch äußert sich Heid­
eg­ger 1929 unmissverständlich: »In Verhalten zum Seienden, das der
Mensch nicht selbst ist, findet er das Seiende schon vor als das, wo­
von er getragen wird, worauf er angewiesen ist, dessen er im Grunde
bei aller Kultur und Technik nie Herr werden kann. Angewiesen
auf das Seiende, das er nicht ist, ist er zugleich des Seienden, das er
je selbst ist, im Grunde nicht mächtig«.27 Diese Angewiesenheit auf
»Welt« – als das »All des Seienden« – wurde in Sein und Zeit zwar
erwähnt, aber nicht explizit thematisiert. Kurz nach Sein und Zeit
wird aber die Problematik des Seienden im Ganzen ausdrücklich
hervorgehoben, so wie in dem Vortrag Was ist Metaphysik?: »So si­
cher wie wir nie das Ganze des Seienden an sich absolut erfassen, so
gewiss finden wir uns doch inmitten des irgendwie im Ganzen ent­
hüllten Seienden gestellt. Am Ende besteht ein wesenhafter Unter­
schied zwischen dem Erfassen des Ganzen des Seienden an sich und
dem Sichbefinden inmitten des Seienden im Ganzen. Jenes ist grund­
sätzlich unmöglich. Dieses geschieht ständig in unserem Dasein«.28

26 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 117. Vgl. auch 87–88. An dieser Stelle
unterscheidet Heid­eg­ger zwischen vier möglichen Bedeutungen des Wortes
Welt und legt fest, dass die Kennzeichnung des vorontologisch-existenziellen
Weltverständnisses, des Verständnisses von Welt als das, »›worin‹ ein fakti­
sches Dasein als dieses ›lebt‹« (Welt-Begriff Nr. 3), durch den Ausdruck Welt
(ohne Anführungszeichen) markiert wird. In Anführungszeichen sollte der
Ausdruck »Welt« wiederum auf »das All des Seienden« hinweisen (Welt-
Begriff Nr. 1). Problematisch ist hier, dass Heid­eg­ger sich in Sein und Zeit
besonders für das Sein der Welt (Nr. 3), das heißt für die Weltlichkeit (Welt-
Begriff Nr. 4), einen rein ontologisch-existenzialen Begriff interessiert und
dass die Angewiesenheit des Daseins auf die »Welt« nicht ausdrücklich be­
handelt wird. Das wurde schon in der Sekundärliteratur diagnostiziert, so
etwa wie bei Pavel Kouba, Der Sinn der Endlichkeit, Würzburg, 2005, 205:
»Als durch die faktische Existenz des Daseins erschlossen ist die Welt nicht
nur ein Verweisungszusammenhang, in den sich das besorgende Dasein ent­
wirft, sondern auch das besorgte Seiende; die Welt bedeutet hier den Zusam­
menhang des Besorgens selbst wie auch das Besorgte«.
27 Heid­eg­ger, Kant und das Problem der Metaphysik, GA 3, 228.
28 Heid­eg­ger, Was ist Metaphysik?, GA 9, 110.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 329

Die Metaphysik des Daseins als hermeneutische Phänomenologie


der Verbindlichkeit erhebt demzufolge die Fragestellung über die
ontische Dimension des Daseins, über den unumgänglichen Cha­
rakter der Bezogenheit auf Seiendes, über das Wesen der Bindung an
das Seiende als Ganzes, und weist den Ursprung der Verbindlichkeit
eigens aus. Außerdem ermöglicht die Metaphysik des Daseins die
Formulierung der folgenden These: Wenn sich die Interpretation des
Seienden in der Geschichte der Metaphysik als eine von Grund auf
verzweigte Fragestellung entwickelte, dann ist der Grund dafür die
Tatsache einer wesentlichen inneren Spannung in der Struktur der
Transzendenz des Daseins selbst, nämlich das Geschehen der Bin­
dung an das Seiende als das andere Gesicht des Seinsverständnisses
und als Ursprung der Spannung zwischen Existenz (Möglichkeit)
und Geworfenheit (Faktizität). Dass die Bindung des Daseins an
das Seiende im Ganzen der Ursprung der Verbindlichkeit ist, die das
menschliche Verhalten in all seinen Dimensionen ausrichtet, wird im
Folgenden noch eingehender thematisiert.

Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens

In der Leibniz-Vorlesung des Sommersemesters 1928 widmet sich


Heid­eg­ger einer phänomenologischen Behandlung der »metaphysi­
schen Anfangsgründe der Logik«. Ausgehend vom herkömmlichen
Begriff der Logik als formaler Wissenschaft der Gesetzlichkeit des
Denkens vertritt Heid­eg­ger ihre philosophische Umwandlung: »Die
Logik soll anders, soll philosophisch werden!«29 Dieser Aufruf be­
ruht auf der Annahme, das Denken sei nichts anderes als eine »Ver­
haltungsweise des Daseins«.30 Jede Fragestellung über das Wesen
der Gesetzlichkeit, unter deren Regelung sich das Denken abspielt,
muss demzufolge zurück zu der Frage nach den Bedingungen der
Möglichkeit der Gesetzlichkeit im Allgemeinen führen, der Gesetz­
lichkeit des Verhaltens (des Seins zu Seiendem) des Daseins:31 »Wie

29 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 6.


30 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 24.
31 Dass »Verhalten« als Synonym für »Sein zu Seiendem« genommen wer­
den darf, ist aus unterschiedlichen Passagen von Sein und Zeit ersichtlich.
Eine explizite Identifizierung befindet sich zum Beispiel bei Heid­eg­ger, Sein
und Zeit, GA 2, 136: »Das entsprechende Verhalten (Sein) zu dem begeg­
330 Fernando Rodrigues

muß dasjenige Seiende, das solchen Gesetzen untersteht, das Dasein


selbst, verfaßt sein, um in solcher Gesetzlichkeit stehen zu können?
Wie ›ist‹ das Dasein seinem Wesen nach, daß in ihm und für es eine
solche Verbindlichkeit wie die logische Gesetzlichkeit entspringen
kann?«32
Die Grundverfassung des Daseins, zu der die Frage nach den
Bedingungen der Möglichkeit der Gesetzlichkeit als Verbindlich­
keit zurückführt, ist die Freiheit: »Die Verbindlichkeit und Gesetz­
lichkeit setzt in sich selbst als Grund ihrer eigenen Ermöglichung
die Freiheit voraus. Nur was als freies Wesen existiert, kann über­
haupt einer Gesetzlichkeit als verbindlicher verhaftet sein. Nur Frei­
heit kann Ursprung von Bindung sein. Ein Grundproblem der Lo­
gik, die Gesetzlichkeit des Denkens, enthüllt sich als ein Problem
menschlicher Existenz in ihrem Grunde, als Problem der Freiheit«.33
Heid­eg­ger weist darauf hin, dass alle »Grundsätze« – das princi­
pium identitatis, das principium contradictionis, das principium
exclusi tertii, das principium rationis sufficientis – ihr Fundament
und ihre Notwendigkeit haben, nicht weil sie »Regeln neben dem
Denken« sind, sondern weil »sie Gründe für Sätze überhaupt [sind],
Gründe, die Denken ermöglichen; und das wiederum nur, weil sie
Gründe sind für Verstehen, Existenz, Seinsverständnis, Dasein,
Urtranszendenz«.34
Der Freiheitsbegriff ist demnach zentral für die Metaphysik des
Daseins. Freiheit ist Ursprung aller Bindung und demzufolge Grund
des menschlichen Verhaltens: »Das metaphysische Grundwesen des
metaphysisch isolierten Daseins zentriert in der Freiheit«.35 Es ist
interessant zu beobachten, wie der Freiheitsbegriff sich in der letz­
ten Marburger Vorlesung sowohl auf den Begriff des Grundes be­
zieht, als auch auf den der Bindung.36 Die Implikation ist unmit­
telbar: Freiheit zum Grunde kann in dieser Vorlesung als Freiheit
zur Bindung interpretiert werden. Diese Freiheit zur Bindung, ein
begrifflicher Gewinn der Metaphysik des Daseins, macht unmiss­

nenden Zeichen ist das ›Ausweichen‹ oder ›Stehenbleiben‹ gegenüber dem


ankommenden Wagen, der den Pfeil mit sich führt«.
32 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 24.
33 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 26.
34 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 24.
35 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 175.
36 Vgl. Charles Guignon, Freedom, in: Daniel Dahlstrom (Hrsg.), Interpre­
ting Heid­eg­ger, Cambridge 2011, 79 –105, hier 96–105.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 331

verständlich, dass Freiheit der zentrale Begriff der »philosophischen


Logik« ist, der Logik als Metaphysik der Wahrheit, deren Haupt­
probleme (Un)Abhängigkeit, Bindung, Regelung und Maßstab un­
ter anderen sind.37
Diese Erklärung bietet einen Weg für die Auslegung einer der
schwierigsten Aussagen Heid­eg­gers aus dieser Zeit (1927–1930),
nämlich der Behauptung, dass »das Wesen der Wahrheit, als Richtig­
keit der Aussage verstanden, die Freiheit [ist]«.38 Ein angemessenes
Verständnis dieser Aussage hängt von der Feststellung ab, dass nur
Freiheit Ursprung von Verbindlichkeit sein kann.39 Der innerliche
Zusammenhang der Begriffe Freiheit und Wahrheit kann hier nicht
ausführlich behandelt werden. Es ist aber wichtig zu beachten, dass
die gesamte Problematik von Freiheit und Bindung genau darauf ab­
zielt, die Endlichkeit des Seins und der Wahrheit nachzuweisen, um
dadurch Phänomene wie Grenze und Maß zu verstehen, als vorgän­
gige Grundbestimmungen der Begegnung des Seienden im Ganzen.40
In Frage steht hier demnach nicht nur das komplexe Verhältnis des
Daseins mit der Welt und mit dem Sein des innerweltlichen begeg­
nenden Seienden, sondern auch das Problem des Ursprungs aller
Bestimmungen des Seiendes als Etwas und als das Worüber einer
möglichen Prädikation, das heißt die Probleme des vorprädikativen
Ursprungs der Aussage und des Charakters der Satzwahrheit.
Der Versuch Heid­eg­gers, diese beiden Probleme in Sein und Zeit
innerhalb der vorprädikativen Welt-Struktur aufzulösen, ist wohl
bekannt.41 In der Leibniz-Vorlesung aber und in dem Zusammen­
hang einer Skizzierung der Metontologie und der Metaphysik des
Daseins, wird die Welt nicht mehr nur als die Bedeutungsganzheit
und als Konkretion des möglichen Sein-könnens des Daseins ver­
standen, sondern auch als die bindende Struktur selbst, die die inner­
liche »Zerstreuung« des Daseins zusammenhält und dem »Drang«
der Existenz einen Widerstand leistet: »Wir müssen […] sehen ler­
nen, wie das Dasein aufgrund seiner metaphysischen Verfassung,
aufgrund des In-der-Welt-seins über alles Seiende der Möglichkeit
nach immer schon hinaus ist – und in diesem Hinaussein-über nicht

37 Vgl. Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 175.


38 Heid­eg­ger, Vom Wesen der Wahrheit, GA 9, 186.
39 Vgl. Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 277.
40 Vgl. Heid­eg­ger, Vom Wesen des Grundes, GA 9, 143.
41 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 204–212, 282–306.
332 Fernando Rodrigues

in das absolute Nichts stößt, sondern umgekehrt gerade in diesem


Hinaussein-über sich die Verbindlichkeit qua Welt vorhält und in
diesem Widerhalt erst und gerade sich an Seiendes halten kann und
muß«.42
Dass das Dasein sich »an Seiendes halten kann und muß«, ist
auch mit der Freiheit zur Bindung gemeint: »Das Dasein als freies
ist Weltentwurf. Dieses Entwerfen aber wird nur so entworfen, daß
das Dasein sich darin hält, und zwar derart, daß dieser freie Halt bin­
det, d. h. daß er das Dasein, in allen seinen Dimensionen der Tran­
szendenz, in einen möglichen Spielraum der Wahl stellt«.43 Dieser
»Spielraum« besteht seinerseits grundsätzlich aus dem Widerhalt der
Welt selbst gegenüber der Transzendenz des Worum-Willens des
Daseins44 und aus dem Widerstand des Seienden, »als das, wogegen
das transzendierende Dasein ohnmächtig ist«.45 Er gilt als Zeichen
dafür, dass die Transzendenz selbst spielerisch ist, wie etwa in der
Formulierung der Vorlesung Einleitung in die Philosophie: »›Welt‹
ist der Titel für das Spiel, das die Transzendenz spielt. Das In-der-
Welt-sein ist dieses ursprüngliche Spielen des Spiels, auf das ein jedes
faktische Dasein sich einspielen muß, um sich abspielen zu können,
derart, daß ihm faktisch so oder so mitgespielt wird in der Dauer
seiner Existenz«.46
Die Welt ist das Spiel der Transzendenz, das heißt Welt ist das
Spiel von Freiheit und Bindung. Nicht nur die Gesetzlichkeit des
Denkens findet ihren Grund in der Transzendenz als geregeltes Spiel,
sondern die Endlichkeit der Existenz im Allgemeinen tritt hier in
den Vordergrund als Angewiesenheit auf Seiendes, als Preisgege­
benheit, als maßgebende Verbindlichkeit. Dadurch entsteht die
»metaphysische Ohnmacht« des Daseins: »Die Metaphysik ist das
Grundgeschehen des Daseins. Sie ist das Dasein selbst«.47 Diese Aus­
sage der Antrittsrede Heid­eg­gers als ordentlicher Professor in Frei­
burg besagt nur, dass das Dasein wesenhaft verbunden ist mit dem
Seienden im Ganzen: »Das Geschehen der Transzendenz als Grün­

42 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 254.


43 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 247–248.
44 Vgl. Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 248.
45 Heid­eg­ger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik, GA 26, 279. Vgl.
dazu Lászlo Tengelyi, L’idée de métontologie et la vision du monde selon
Heid­eg­ger, Heid­eg­ger Studien 27 (2011), 137–153.
46 Heid­eg­ger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, 312.
47 Heid­eg­ger, Was ist Metaphysik?, GA 9, 122.
Freiheit, Bindung und das Spiel des Lebens 333

den ist das Sichbilden des Einbruchspielraums für das jeweilige fak­
tische Sichhalten des faktischen Daseins inmitten des Seienden im
Ganzen«.48 Nur aus dieser durch das Seinsverständnis bestimmten
Verbundenheit des Daseins mit dem Seienden kann die metaphy­
sische Frage entstehen: »Warum ist überhaupt Seiendes und nicht
vielmehr Nichts?«49
Die Metaphysik des Daseins erhebt den Anspruch, sich als eine
Philosophie der Endlichkeit im radikalsten Sinne zu behaupten. Ihre
Aufgabe ist die Behandlung der menschlichen Verbindlichkeit ge­
genüber dem Seienden im Ganzen beziehungsweise die Identifika­
tion der Freiheit zur Bindung als Wesen des Menschen. Eine Inter­
pretation dieses philosophischen Projektes, die sich durch den in­
neren Zusammenhang der Begriffe Freiheit, Bindung und Spiel des
Lebens strukturieren lässt, zeigt ihre Vorteile: Sie holt den positiven
Aspekt der Metaphysik des Daseins nach, nämlich die hermeneuti­
sche Phänomenologie der menschlichen Verbindlichkeit mit dem
Seienden im Ganzen. Nur durch eine solche immanente Lektüre
lassen sich die Vorlesungen Heid­eg­gers dieser Zeit unmittelbar nach
Sein und Zeit in ein einheitliches Ganzes einordnen, in das Projekt
einer Metaphysik des Daseins. Und auch wenn Heid­eg­ger ab Mitte
der 1930er Jahre, nach der philosophischen Kehre, zur expliziten
Verteidigung einer Überwindung der Metaphysik kommt und von
der ganzen Begrifflichkeit seines metaphysischen Projektes Abstand
nimmt, bleibt hier noch vieles über die menschliche Natur zu lernen.

48 Heid­eg­ger, Vom Wesen des Grundes, GA 9, 170.


49 Heid­eg­ger, Was ist Metaphysik?, GA 9, 122.
Tatjana Noemi Tömmel
»Wie bereit ich’s, daß Du wohnst im Wesen?«
Heid­eg­ger über Liebe und die
Eigentlichkeit des Anderen in den Marburger Jahren

Zum Hochzeitstag seines Bruders Fritz hält Heid­eg­ger am 15. Ok­


tober 1925 eine Rede über die Bedeutung von Liebe und Ehe: »Das
Fundament der Ehe ist die Liebe. Aber was ist Liebe? Nicht das,
was die Menschen gemeinhin darüber verstehen und sich wünschen.
[…] Die wahre Liebe gründet nicht in äußeren Eigenschaften, Ver­
hältnissen und Umständen. Sie ist nichts, was nach Verabredung
gegenseitig geschenkt werden könnte. Sie wächst einzig und zuerst
aus innerer Wahrhaftigkeit gegen sich selbst. Nur wo diese wach
ist, wird die Wahrhaftigkeit zum anderen möglich. […] Aus innerer
Wahrhaftigkeit und freier Selbstverantwortung sein Leben gestalten,
heißt in sich und damit zugleich im anderen die echte Liebe wecken
und wachhalten.«1
Selbstsein ist in dieser Rede die unabdingbare Voraussetzung ei­
ner echten Bindung an den Geliebten – ganz wie in Sein und Zeit
übrigens, an dem Heid­eg­ger zu dieser Zeit arbeitete. Hat das Da­
sein im Vorlaufen zum Tode erst einmal zu sich gefunden, findet es
auch auf neue Weise zu Anderen: »Aus dem eigentlichen Selbstsein
der Entschlossenheit entspringt allererst das eigentliche Miteinander,
nicht aber aus den zweideutigen und eifersüchtigen Verabredungen
und den redseligen Verbrüderungen im Man und dem, was man
unternehmen will.«2
Der Begriff der Eigentlichkeit ist sicherlich Heid­eg­gers »wir­

1 Heid­eg­ger, Zum Hochzeitstag von Fritz und Liesel Heid­eg­ger, GA 16,


52. Das Zitat im Titel: Heid­eg­ger, Amo: volo ut sis, GA 81, 109.
2 Heid­eg­ger: Sein und Zeit, Tübingen 2001, 18. Auflage, 298.
336 Tatjana Noemi Tömmel

kungsgeschichtlich folgenreichste Leistung«3 aus der Marburger


Zeit. Die Verknüpfung der Eigentlichkeit mit der Vereinzelung al­
lerdings bringt ihn in Konflikt mit einem anderen Begriff, der seine
Blütezeit in Marburg hatte: dem Mitsein. Das Eigene scheint doch
immer in Gefahr zu stehen, in der Suche nach der Anerkennung der
Anderen verleugnet zu werden.4 Daher verwundert es nicht, dass
in Zweifel gezogen wurde, »ob der methodische Solipsismus [von
Heid­eg­gers] Ansatz eine ›eigentliche‹ Form von Sozialität« zulasse.5
Tatsächlich gehört der Einwand, Heid­eg­ger habe in seinem Ringen
»um das ›Eigentliche‹ […] das Eigentliche […] – Liebe, Freundschaft,
Solidarität, Gemeinschaft«6 übersehen, zu den Gemeinplätzen der
Heid­eg­ger-Forschung. Ludwig Binswanger hatte den Eindruck,
dass »der Gemeinschaftsbezug im Sinne der Liebe keine Stätte«7 bei
Heid­eg­ger habe. Radikaler noch liest sich eine Bemerkung von Karl
Jaspers: Heid­eg­gers Philosophie sei »ohne Liebe: Daher auch im Stil
unliebenswürdig.«8 Nur wenige Autoren – darunter Jacques Derrida
und Giorgio Agamben – haben mit dieser Interpretation gebrochen.9
Doch Heid­eg­gers Philosophie ist nicht ohne Liebe.

3 Günter Figal, Martin Heid­eg­ger zur Einführung, Hamburg 1992, 60.


4 Vgl. Thomas Rentsch, Martin Heid­eg­ger. Das Sein und der Tod. Eine
kritische Einführung, München 1989, 229.
5 Andreas Großmann, Das (sich) verdunkelnde Licht der Öffentlichkeit.
Von Heid­eg­ger zu Hannah Arendt, in: Siebzig Jahre »Sein und Zeit«. Wiener
Tagung zur Phänomenologie 1997, Frankfurt am Main 1998, 85–107, hier 97.
6 Bernd Knauber, Liebe und Sein. Die Agape als fundamental-ontologische
Kategorie, Berlin / New York 2006, 111. Vgl. auch George Pattison, Heid­
eg­ger, Augustine and Kierkegaard: Care, Time and Love, in: Craig J. N. de
Paulo (Hrsg.), The Influence of Augustine on Heid­eg­ger: The Emergence of
an Augustinian phenomenology, New York 2006, 153–186, hier 171. Adriaan
Peperzak, Der Andere und die Ontologie. Einige Bemerkungen zum Ver­
hältnis von Levinas und Heid­eg­ger, in: Annemarie Gethmann-Siefert (Hrsg.),
Philosophie und Poesie. Otto Pöggeler zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1988,
Band 2, 195–212, hier: 204.
7 Ludwig Binswanger, Grundformen und Erkenntnis menschlichen Da­
seins, Zürich 1942, 16.
8 Karl Jaspers, Notizen zu Heid­eg­ger, München 1978, 34.
9 Giorgio Agamben, Die Passion der Faktizität, Berlin 2005. Jacques Der­
rida, Heid­eg­gers Ohr, in: Politik der Freundschaft, Frankfurt am Main 2002.
Valeria Piazza, L’ amour en retrait, in: Giorgio Agamben / Valeria Piazza,
L’ ombre de l’ amour. Le concept d’ amour chez Heid­eg­ger, Paris 2003. Had­
rien France-Lanord: Martin Heid­eg­ger et la question de l’autre. II. Le partage
de l’être, in: Heid­eg­ger Studies 21 (2005), 111–131. Erst nach der Fertigstel­
lung dieses Beitrages erhielt ich Kenntnis von dem sehr ausführlichen und
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 337

Während in Sein und Zeit das Dasein seine Eigentlichkeit nicht


in der Begegnung mit Anderen, sondern in der Abkehr von ihnen
erfährt, ist es in den Briefen an Hannah Arendt vom Frühjahr 1925
das Liebesereignis, das zum Anlass einer eigentlichen Existenz wird:
»Weißt Du, daß das das Schwerste ist, was einem Menschen zu tra­
gen gegeben wird? Für alles sonst gibt es Wege, Hilfe, Grenzen und
Verstehen – hier nur bedeutet alles: in der Liebe sein = in die eigenste
Existenz gedrängt sein.«10
Die Problematik, die sich einer Untersuchung des Mitseins bei
Heid­eg­ger stellt, ist also nicht, ob das eigentliche Mitsein mehr sein
kann, als nur eine Folgeerscheinung der Eigentlichkeit,11 sondern
ob Liebe mehr ist, als ein Anlass zur eignen Selbstwerdung. Wenn
der Liebende durch die Liebe zu sich findet, was geschieht dann
mit dem Geliebten? Inwieweit nimmt Heid­eg­ger die Eigentlichkeit
des Anderen überhaupt in den Blick? – Obwohl viele Äußerungen
Heid­eg­gers den Eindruck vermitteln, der Geliebte gebe bloß einen
Anlass für den Ausbruch aus der erstarrten Alltäglichkeit, erschöpft
sich Liebe nicht in der Selbstbefreiung. Ist nicht in den Briefen an
Arendt im selben Atemzug mit der Selbsttreue auch vom »unbeding­
ten Glauben an den anderen«12 die Rede? Und heißt es hier nicht
auch: »Amo heißt volo, ut sis, sagt einmal Augustinus: ich liebe
Dich – ich will, daß Du seiest, was Du bist«?13 Die Liebe ist nicht nur
der Aufstieg aus der Höhle der Uneigentlichkeit, sondern auch die
Rückkehr zum Anderen, sie ist auch der im Augenblick erweckte,
dringende Wille, dass der andere sei, was er ist. Ziel dieses Beitrages
ist es, durch eine Untersuchung von Heid­eg­gers Liebesdefinition
volo ut sis einen differenzierteren Blick auf die »sozialontologischen
Defizite«14 seiner Daseinsanalyse zu gewinnen.

kenntnisreichen Aufsatz von Christophe Perrin, Les sources augustiniennes


du concept d’amour chez Heid­eg­ger, Revue philosophique de Louvain 107/2
(2009), 239 –267.
10 Hannah Arendt / Martin Heid­eg­ger, Briefe 1925–1975, hrsg. von Ursula
Ludz, Frankfurt am Main 1998, 31.
11 Diese Frage stellte und beantwortete Mark Michalski, Fremdwahrneh­
mung und Mitsein. Zur Grundlegung der Sozialphilosophie im Denken Max
Schelers und Martin Heid­eg­gers, Bonn 1997, 223.
12 Arendt / Heid­eg­ger, Briefe, 13.
13 Arendt / Heid­eg­ger, Briefe, 31.
14 Michael Schmidt, Ekstatische Transzendenz. Ludwig Binswangers Phä­
nomenologie der Liebe und die Aufdeckung der sozialontologischen Defi­
zite in Heid­eg­gers »Sein und Zeit«, Würzburg 2005.
338 Tatjana Noemi Tömmel

Amo: volo, ut sis – Dieser knappen Formel bedient sich Heid­eg­ger


immer wieder, um das Wesen der Liebe zu erläutern. Eine Fassung
an Elisabeth Blochmann von 1928 variiert die Übersetzung von 1925
und gibt damit einen wertvollen Hinweis, auf welche Weise Heid­
eg­ger die Liebe auslegt: »Volo ut sis, ich will, daß Du seiest, so in­
terpretiert einmal Augustinus die Liebe. Und er erkennt sie damit
als innerste Freiheit des Einen zum Anderen.«15 Noch über dreißig
Jahre später fasst Heid­eg­ger das Wesen der Liebe in die nämlichen
Worte: »Wohl die tiefste Deutung dessen, was Liebe ist, steht bei
Augustinus, in dem Wort, das lautet: ›amo volo ut sis‹, ich liebe, das
heißt, ich will, daß das Geliebte sei, was es ist. Liebe ist das Sein-
lassen in einem tieferen Sinn, demgemäß es das Wesen hervorruft.«16
Zwar ist volo ut sis Heid­eg­gers einzige Äußerung über Liebe,
die sich großer Bekanntheit erfreut; viele Interpreten hatten für die
zweimalige Verwendung in Liebesbriefen allerdings vor allem Spott
übrig und verkannten den Satz als eine Erfindung Heid­eg­gers, der
er sich bediente, um seine Geliebten in die richtige Stimmung zu
versetzen.17 Sie übersahen dabei nicht nur, wie grundlegend die De­
finition für Heid­eg­ger war, auf die er sich nicht nur in Intimbe­
ziehungen, sondern auch in Vorlesungen und Notizen, im Bezug
auf Augustinus, Schelling, Hegel, Hölderlin und Nietzsche beruft.18

15 Heid­eg­ger, Martin / Blochmann, Elisabeth: Briefwechsel 1918–1969, hrsg.


von Joachim W. Storck, Marbach 1990, 23.
16 Martin Heid­eg­ger: Ludwig von Ficker zum Gedächtnis seines achtzigsten
Geburtstages, Privatdruck, Nürnberg 1960, S. 19. Zitiert nach: Hans Kock,
Erinnerungen an Martin Heid­eg­ger, in: Ewald Richter (Hrsg.), Die Frage
nach der Wahrheit, 55–68, hier: 55.
17 Exemplarisch für diese Forschungsrichtung seien genannt: Ludger Lüt­
kehaus, Erotisch-Philosophische Lichtspiele, Der Briefwechsel zwischen
Hannah Arendt und Martin Heid­eg­ger. Zu Heid­eg­gers 25. Todestag am 26.
Mai, in: Schweizer Monatshefte für Politik, Wirtschaft, Kultur 81 (Mai 2001),
46–50. Ludger Lütkehaus: »Ich will, daß Du seist, was Du bist«. Hannah
­Arendt – Martin Heid­eg­ger: eine Liebe in Deutschland, in: Heinz Ludwig
Arnold (Hrsg.), Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur, Band 166/167,
Hannah Arendt (September 2005), 28–41. Claudio Magris, Kitsch und
Leidenschaft. Hannah Arendt und Martin Heid­eg­ger, in: Utopie und Ent­
zauberung. Geschichten, Hoffnungen und Illusionen der Moderne, Mün­
chen / Wien 1999, 258–269.
18 Vgl. Heid­eg­ger, Nietzsche. Seminare 1937 und 1944, GA 87, 168. Heid­
eg­ger, Die Metaphysik des deutschen Idealismus, GA 49, 184; Heid­eg­ger,
Gedachtes, GA 81, 109; Heid­eg­ger, Hölderlins Hymnen »Germanien« und
»Der Rhein«, GA 39, 94; Heid­eg­ger, Nietzsche, GA 6.2, 422.
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 339

Sie übersahen zum Teil auch, welcher philosophische Gehalt in der


­Augustinus-Paraphrase steckt.19 Nicht so Hannah Arendt.
Es ist wohl keine Übertreibung zu sagen, daß volo ut sis Hannah
Arendt ein Leben lang begleitet hat. Zwar ist ihre unmittelbare Reak­
tion auf Heid­eg­gers Brief vom Mai 1925 nicht bekannt, da ihr Anteil
an der Korrespondenz aus dieser frühen Phase der Bekanntschaft
nicht überliefert wurde. Mit feinem Gespür für die Ambivalenz des
Konjunktivs geht sie in späteren Texten aber der Frage nach, was
volo ut sis eigentlich bedeute. So reflektiert sie in ihrem Denktage­
buch die Bedeutungsmöglichkeiten des Zitates: Volo ut sis könne
sich sowohl auf das Wesen, das eigentliche Sein beziehen und sei
dann »nicht Liebe, sondern Herrschsucht, die unter dem Vorwand
zu bestätigen selbst noch das Wesen des Anderen zum Objekt des
eigenen Willens macht. Es kann aber auch heißen: Ich will, daß Du
seist – wie immer Du auch schließlich gewesen sein wirst. Nämlich
wissend, daß niemand ›ante mortem‹ ist, der er ist, und vertrauend,
daß es gerade am Ende recht gewesen sein wird.«20
Weniger abwägend als diese Notiz vom November 1952 ist ihre
Auseinandersetzung mit Heid­eg­gers Liebesbegriff in ihrer Disser­
tation Der Liebesbegriff bei Augustinus von 1929: Statt Zuneigung
zum Anderen zu sein diene die Liebe bei Augustinus lediglich dazu,
ihn aus der Welt zu Gott zu rufen: Non enim amas in illo quod est
sed quod vis ut sit zitiert sie den Kirchenvater und interpretiert
damit zugleich Heid­eg­gers volo ut sis: »Ich liebe nicht einfach ihn,
sondern etwas in ihm, das gerade, was er selber von sich her nicht
ist. […] Damit ist nicht nur die Isoliertheit des Liebenden gewahrt,
der auch vom nächsten nur angegangen wird, sofern er in ihm Gott
liebt, sondern die Liebe selber hat für den Anderen nur Sinn, ihn
in diese Isoliertheit – coram Deo – zu rufen. […] Die selbstverleug­

19 Ausdrücklich ausgenommen werden müssen Valeria Piazza, L’ amour en


retrait, 90; Otto Pöggeler, Bild und Technik. Heid­eg­ger, Klee und die mo­
derne Kunst. München 2002. 83–84, 91–93; Otto Pöggeler, Volo, ut sis. My­
thos und Glaube bei Heid­eg­ger, in: Mythos und Glaube. Festschrift für Gi­
orgio Penzo, Brescia 1998, 121–127. Norbert Fischer, »Deum et animam scire
cupio«. Zum bipolaren Grundzug von Augustins metaphysischem Fragen,
in: Costantino Esposito / Pasquale Porro (Hrsg.), Agostino e la tradizione
agostiniana / Augustinus und die Augustinische Tradition. Quaestio. Annua­
rio di storia della metafisica 6, Turnhout 2006, 81–101.
20 Vgl. Hannah Arendt, Denktagebuch 1950 –73, hrsg. von Ursula Ludz und
Ingeborg Nordmann, München / Zürich 2002, 276–277.
340 Tatjana Noemi Tömmel

nende Liebe verleugnet also den Anderen wie sich selbst, aber sie
vergißt ihn nicht. Dem Verleugnen entspricht das volo ut sis und
das rapere ad Deum. Sie verleugnet ihn, um zu seinem eigentlichen
Sein vorzustoßen.«21
Nicht die weltliche, individuelle und in ihrem Dasein zufällige
Person ist Gegenstand der Nächstenliebe, sondern der Sünder in
seiner Missionierbarkeit. Der Christ liebt im Sünder schon den po­
tentiellen Gläubigen, er liebt die Möglichkeit der Umkehr in ihm
und liebt, damit er umkehre. Die Liebe bezieht sich also gerade nicht
auf die gegenwärtige Existenz des Anderen, sondern auf die Mög­
lichkeit, die ihm als Geschöpf Gottes innewohnt und der er in sei­
ner Vereinzelung vor Gott gewahr werden soll. Arendt lässt wenig
Zweifel daran, was sie von dieser Form der Liebe hält: mit harschen
Worten tadelt sie die augustinische vita socialis als »Mißerfolg«.22
Doch trifft sie auch Heid­eg­gers Liebesbegriff? Für Augustinus ist
Sein Geschaffensein, creatum esse, und die höchste Verwirklichung
des Geschöpfs liegt in der Rückkehr zu seinem Schöpfer. Kann
Heid­eg­gers Liebesbegriff in Anbetracht des grundsätzlichen Unter­
schiedes zwischen der augustinischen Theologie und der Heid­eg­
gerschen Ontologie mit der Liebe zu den Sündern bei Augustinus
verglichen werden? Die Frage ist nicht trivial, greift sie doch die
Diskussion darüber auf, welchen Status der Andere bei Heid­eg­
ger eigentlich hat. Wird er als Individuum erkannt und geliebt oder
lediglich als alter eines selbstbezogenen ego »freigegeben«?23 Um
diese Fragen zu klären, gilt es zunächst auf die Quelle von volo ut
sis einzugehen.
Die Formel, die Heid­eg­gers Liebesverständnis am prägnantesten
zusammenfasst und auf die er noch Jahrzehnte später immer wie­
der zurückkommt, um die Liebe zu definieren, findet sich meines
Wissens zum ersten Mal in der Vorlesung Augustinus und der Neu­
platonismus vom Sommersemester 1921: »Die eigentliche Liebe hat
die Grundtendenz auf das dilectum, ut sit. Liebe ist also Wille zum
Sein des Geliebten.«24 Entgegen gängiger Annahmen bezieht sich

21 Hannah Arendt, Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philo­


sophischen Interpretation, hrsg. von Frauke Annegret Kurbacher, Hildes­
heim / Zürich / New York 2006, 71.
22 Arendt, Der Liebesbegriff bei Augustin, 75.
23 Vgl. die Kritik bei Karl Löwith, Das Individuum in der Rolle des Mit­
menschen, Darmstadt 1969, 79 –82.
24 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 291–292.
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 341

Heid­eg­ger also sehr wohl auf Augustinus, auch wenn sich das Zitat
nicht wörtlich bei dem Kirchenvater findet.25 Sofern der Zitatcha­
rakter thematisiert wurde, begnügten sich die meisten Kommenta­
toren damit, darauf zu verweisen, dass der Satz bei Augustinus so
nicht stehe und erweckten damit zum Teil den Eindruck, Heid­eg­ger
habe ihn schlicht erfunden.26 Nicht aus schulmeisterlicher Pedante­
rie soll hier auf seine Herkunft eingegangen werden, sondern weil
Heid­eg­gers erste Interpretation – Jahre vor dem Brief an Arendt –
alles andere als gleichgültig für das systematische Verständnis seines
Liebesbegriffes ist.
Gewöhnlich werden zwei Stellen als mögliche Quelle für Heid­
eg­ger genannt. Zum einen Sermo Lambot 27, 3, der mit den Worten
quodcumque amat, vis ut sit Heid­eg­gers Formulierung am nächsten
kommt, allerdings erst 1952 ediert wurde und deshalb nicht in Frage
kommt.27 Wesentlich wahrscheinlicher dagegen scheint der Tracta­
tus in Epistolam Ioannis ad Parthos 8, 10 zu sein, auf den sich auch
Hannah Arendt in ihrer Dissertation bezieht. Hier heißt es: »Denn
Du liebst in jenem nicht, was er ist, sondern das, was Du willst, das
er es sei.« Augustinus vergleicht die Liebe Gottes zu den Sündern
mit der Liebe eines Handwerkers zu einem Baum: Er liebe ihn nicht
in dem Sinne, daß dieser immer derselbe bleiben solle, im Gegenteil:
Er liebe, was dieser werde, nicht was er jetzt sei.28

25 Vgl. die Anmerkung der Herausgeberinnen in: Arendt / Heid­eg­ger, Briefe,


269. Allerdings weist Norbert Fischer darauf hin, dass Heid­eg­ger Augustinus’
Liebesideal sehr treffend mit den Worten »volo ut sis« zusammengefasst habe.
Norbert Fischer, Amore amoris tui facio istuc. Zur Bedeutung der Liebe im
Leben und Denken Augustins, in: Geist, Eros und Agape. Untersuchungen
zu Liebesdarstellungen in Philosophie, Religion und Kunst, hrsg. von Edith
Düsing und Hans-Dieter Klein, Würzburg 2009, 169 –189, hier 183.
26 Charles Barbour fragt gar, ob Heid­eg­ger »gelogen« habe und ob Arendt
sich Heid­eg­gers Irrtum bewußt gewesen sei. Vgl. Charles Barbour, Never
seek to tell thy love. Arendt and the secret, in: Anna Yeatman, Charles Bar­
bour, Magdalena Zolkos, Phillip Hansen (Hrsg.), Action and Appearance:
Ethics and the Politics of Writing in Arendt, New York 2011, 191.
27 Dieser wichtige Hinweis ist Norbert Fischer zu verdanken: Norbert Fi­
scher, Selbstsein und Gottsuche, in: Norbert Fischer / Friedrich Wilhelm von
Herrmann (Hrsg.), Heid­eg­ger und die christliche Tradition. Annäherung an
ein schwieriges Thema, Hamburg 2007, 86, Fußnote 74.
28 Aurelius Augustinus, Tractatus in Epistolam Ioannis ad Parthos, in:
Sancti Aurelii Augustini Hipponensis Episcopi Opera Omnia, Paris 1837.
342 Tatjana Noemi Tömmel

Ein Blick in die Vorlesung Augustinus und der Neuplatonis­


mus zeigt, dass die Keimzelle von volo ut sis tatsächlich der Trac­
tatus über den Johannes-Brief ist, allerdings nicht im 10., sondern
im 5. Abschnitt der 8. Predigt steht. In der Nachschrift von Oskar
Becker lautet Heid­eg­gers Übertragung dieser Stelle: »Jede Liebe
schließt in sich ein gewisses Wohlwollen (benevolentia) für den ein,
welcher geliebt wird. (Sinnliche Liebe = amor. Dilectio bezieht sich
auf Höherwertiges.) Wir lieben nicht so die Menschen, wie der Herr
Petrus frug: Liebst Du mich? Aber auch so sollen wir den Menschen
nicht lieben, wie die Schlemmer reden, wenn sie sagen: ich liebe
Krammetsvögel. Der Schlemmer liebt sie nur, um sie umzubringen.
Er liebt sie also, damit sie nicht sind (non esse). So darf man nicht
Menschen lieben, daß man sie in den eigenen Zweck hineinstellt.«29
Heid­eg­ger bezieht sich also auf eine andere Stelle, als Arendt an­
nahm. Aber ändert sich damit auch der Sinn von volo ut sis? Ver­
gleicht man die Stelle aus dem fünften Abschnitt mit der aus dem
zehnten, so springt der Gegensatz sofort ins Auge: Der Handwerker
›liebt‹ den Baum, weil er aus ihm Holz machen kann, ganz wie der
»Schlemmer« die Krammetsvögel ›liebt‹, weil er sie essen will – im
einen Abschnitt jedoch ist diese konsumierende Liebe geboten, im
anderen Fall ist sie sündhaft: »So darf man nicht Menschen lieben,
daß man sie in den eigenen Zweck hineinstellt.«
Die Deutung der Liebe als selbstloses Wohlwollen erklärt die
spätere Gleichsetzung von Lieben und Wollen in Heid­eg­gers eige­
ner, ex negativo gewonnener Formulierung: Aus der Umkehrung
von amat ut non sint wird zunächst dilectum, ut sit, später volo ut
sis. Heid­eg­ger unterstreicht mit Augustinus die Höherwertigkeit
der Liebe gegenüber dem Begehren und bewahrt im »Wollen« zu­
gleich den Bedeutungsumfang von diligere und optare: Die Liebe
ist kein sinnlicher Trieb, sondern Wahl und Entscheidung, sie ist,
mit anderen Worten, ein Akt der Freiheit.30 Frei ist die Liebe aber

29 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 291. Meines


Wissens führt bisher einzig Otto Pöggeler volo ut sis auf diese Stelle zurück:
Otto Pöggeler, Volo, ut sis. Mythos und Glaube bei Heid­eg­ger, in: Mythos
und Glaube. Festschrift für Giorgio Penzo. Brescia 1998, 121–127. Sowie:
Otto Pöggeler, Bild und Technik. Heid­eg­ger, Klee und die moderne Kunst,
München 2002, 84.
30 Vgl. dazu Norbert Fischer, Amore amoris tui facio istuc, 174: »Im ›deli­
gere‹ (›eligere‹) tritt das Erwählen des Geliebten hervor, nicht die blinde Gier,
die den amor verschatten kann.«
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 343

nicht nur als autonome Handlung, sondern vor allem, weil sie den
Anderen freilässt: Der Geliebte ist nicht Mittel zum Zweck, son­
dern Selbstzweck. »Nichts anderes ist Liebe, als eine Sache um ih­
rer selbst Willen zu begehren,« definiert Augustinus in De diversis
quaestionibus octoginta tribus die Liebe, in einer Textstelle übrigens,
auf die Heid­eg­ger in Sein und Zeit hinweist.31 Der Liebende will
den Geliebten nicht beherrschen oder besitzen, er verfolgt nicht
sein eigenes Interesse.
Von der Herrschsucht, von der Arendt sprach, kann kaum die
Rede sein. Die Selbstlosigkeit des Wohlwollens entkräftet allerdings
noch nicht ihren Einwand, dass der Liebende den Geliebten zuguns­
ten seines »eigentlichen Seins« verleugne. Nur wenn der Liebende
den Anderen liebt, wie er von sich aus ist, kann der Einwand der
Verleugnung widerlegt werden.
In der erwähnten Augustinus-Vorlesung bemerkt Heid­eg­ger, dass
der »inhaltliche Seinssinn« der Liebe »der Eigenart des geliebten
Gegenstandes entsprechen«32 müsse. Indem Heid­eg­ger auf die »Ei­
genart« des Geliebten eingeht, deutet er an, dass es mit der Beja­
hung allein nicht getan ist. Ohne wahrhaftes Erkennen des Geliebten
bleibt auch die höchste Anerkennung öde und leer. Verfügt die Liebe
aber über jenen Wesensblick, der den Anderen selbst sieht, scheint
­Arendts Vorwurf ungerechtfertigt. Tatsächlich finden sich vor allem
in späteren Schriften Hinweise darauf, dass Heid­eg­ger mit der Liebe
einen »Wesensblick« verband. So heißt es in Erläuterungen zu Höl­
derlins Dichtung die Liebe sei der »wissende Wille, der darauf denkt,
daß jegliches, das ein Wirkliches werden mag und sein kann, in die
Wahrheit seines Wesens kommt«.33 Während Verliebtheit blind sei,
flüchtig und anfällig, sei Liebe nie blind, sondern hellsichtig.34 Heid­
eg­ger ist in diesen Annahmen mit großer Wahrscheinlichkeit von
Max Schelers Schriften zur Liebe beeinflusst, die ihn schon in seiner
Dissertationszeit beeindruckten und die er 1925 wieder gelesen zu
haben scheint, wie der Briefwechsel nahelegt.35 Scheler ging davon

31 Aurelius Augustinus, De diversis quaestionibus octoginta tribus, in:


Sancti Aurelii Augustini Hipponensis Episcopi Opera Omnia. Paris 1837.
Heid­eg­ger, Sein und Zeit, 190, Fußnote 1.
32 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 292.
33 Heid­eg­ger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, GA 4, 90, vgl. auch
125–126.
34 Heid­eg­ger, Nietzsche, GA 6.1, 45.
35 Michalski, Fremdwahrnehmung und Mitsein, 21–22. Agamben, Die
344 Tatjana Noemi Tömmel

aus, dass das fremde Individuum nur in der Liebe, in ihr aber voll­
kommen, erkannt werden könne. Das Ideal, das der Liebende im
Geliebten erblickt, sei keine Idealisierung im Sinne einer Illusion,
sondern ein Blick für das ihm eigentümliche ideale Wertwesen.36 In
Heid­eg­gers Handexemplar von Zur Phänomenologie und Theorie
der Sympathiegefühle und von Liebe und Haß ist diese Passage
bezeichnenderweise unterstrichen.37 Die Liebe will den Anderen
nicht bessern oder verändern, wenn ihr wissender Wille seinen ge­
gebenen Zustand transzendiert, denn die Trennung zwischen dem,
was jemand ist und was er werden soll, zwischen Realität und Ideal,
existiert in der Liebe laut Scheler gar nicht.38 Sie selbst sei es, »die
im Gegenstande nun den je höheren Wert ganz kontinuierlich, und
zwar im Laufe ihrer Bewegung zum Auftauchen bringt – gleich als
ob er aus dem geliebten Gegenstande selbst ohne jede strebende Be­
tätigung des Liebenden […] ›von selbst‹ herausströme.«39
Heid­eg­ger folgt Scheler en detail. Schon 1925 schreibt er an Han­
nah Arendt, dass er sich kein Ideal zurechtmache.40 Der Akzent die­
ser Aussage muss konsequenterweise auf dem »zurechtmachen«,
nicht auf dem »Ideal« liegen: Die Liebe sieht das Ideal des Anderen,
aber sie erfindet es nicht.41 So ist auch der Wesensblick kein bloß
psychologisches Verstehen oder faktisches Wissen, welchen Cha­
rakter und welche Geschichte der Andere habe,42 sondern ein be­
stärkendes und bejahendes Halten des Anderen in seinem Wesen:43
»Das Blicken des Geistes der Liebe bleibt nicht am Anblick haften,
sondern heftet sich selbst im Wesen des Geliebten an, um dieses,
durch das fleißige Blicken, fest in seinen Grund zurückzustellen.«44
Lieben bedeutet also, den Anderen in sein eigentliches, sein wah­
res Wesen zu bringen, darin folgt Heid­eg­ger Scheler wie Augustinus.

Passion der Faktizität, 51. Heid­eg­ger bat Arendt »Scheler« mitzubringen:


­Arendt / Heid­eg­ger, Briefwechsel, 32.
36 Max Scheler, Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle
und von Liebe und Haß, Halle 1913, 61.
37 Vgl. Michalski, Fremdwahrnehmung und Mitsein, 213.
38 Scheler, Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle, 62.
39 Scheler, Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle, 62.
40 Vgl. Arendt / Heid­eg­ger: Briefe, 22. 6. 1925, 36.
41 Heid­eg­ger, Besinnung, GA 66, 63.
42 Vgl. Heid­eg­ger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, 88. Vgl. dazu Sche­
ler, Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle, 67.
43 Vgl. Heid­eg­ger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, GA 4, 143.
44 Heid­eg­ger, Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, GA 4, 143.
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 345

So ist in Sein und Zeit die Fürsorge ein Wille zum eigentlichen Sein
des Anderen: »Im Wollen wird ein verstandenes, das heißt auf seine
Möglichkeiten hin entworfenes Seiendes als ein […] durch Fürsorge
in sein Sein zu bringendes ergriffen.«45 Die Fürsorge erfüllt damit
dieselbe Aufgabe wie Augustinus’ Nächstenliebe, die Heid­eg­ger in
der Vorlesung von 1921 folgendermaßen erläutert hatte: »Mitweltli­
che Liebe hat den Sinn, dem geliebten Anderen zur Existenz zu ver­
helfen, so daß er zu sich selbst kommt«.46 Was in Sein und Zeit nur in
wenigen Sätzen abgehandelt, ja, kaum mehr als angedeutet wurde, ist
nicht nur in der parallel entstandenen Korrespondenz, sondern auch
in späteren Vorlesungen deutlicher ausgeführt, in denen die Liebe
immer wieder als »Wille zum Sein des Geliebten« bezeichnet wird.47
Doch warum soll der Geliebte überhaupt etwas werden? Ist er
nicht schon? Warum übersetzt Heid­eg­ger nicht einfach: »Ich will,
daß Du bist«? Denn seine Fassung von 1925 – »ich will, daß Du
seist, was Du bist« – übersetzt ja nicht nur, sie legt aus: Die Liebe
bezieht sich nicht auf das gegebene Daßsein, sondern auf ein Sosein,
das es existierend einzuholen gilt. »Ich will, daß Du seiest« heißt
also eigentlich: »Ich will, daß Du wirst, was Du bist.« Die Liebe
scheint sich also weniger auf die Gegenwart, als auf die Zukunft des
Anderen zu beziehen, auf eine noch ausstehende Entwicklung, zu
der er ermutigt wird. Hat Arendt also doch Recht mit ihrer Kritik?
Verleugnet der Liebende bei Heid­eg­ger die gegenwärtige Existenz
des Geliebten zugunsten eines Wesens, die er in ihm zu entdecken
meint? – Der Einwand, in diesem Fall würde der Andere gerade als
der geliebt, der er nicht ist, scheint nur gerechtfertigt, wenn man ent­
weder davon ausgeht, dass der Liebende die Eigenart des Anderen
nicht erfasst oder wenn man unberücksichtigt lässt, dass das Noch-
nicht existenzial zum Anderen gehört. Darauf aber weist Heid­eg­ger
in Sein und Zeit immer wieder hin: »Das Dasein ist aber als Mög­
lichsein auch nie weniger, das heißt das, was es in seinem Seinkönnen
noch nicht ist, ist es existenzial. Und nur […] weil es ist, was es wird
bzw. nicht wird, kann es verstehend ihm selbst sagen: ›werde, was

45 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, 194.


46 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 292.
47 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 292. Vgl. auch
Heid­eg­ger, Hölderlins Hymnen »Germanien« und »Der Rhein«, GA 39, 82;
94. Heid­eg­ger, Die gegenwärtige Lage und die künftige Aufgabe der deut­
schen Philosophie, GA 16, 316. Heid­eg­ger, Nietzsche, Ga 6.2, 422.
346 Tatjana Noemi Tömmel

du bist!‹«.48 Sofern der Liebende die Möglichkeiten des Anderen zu


erfassen vermag, sein noch nicht ausgefaltetes Sein erschließt, kann
er im Anderen lieben, was dieser noch nicht ist und ihn auffordern,
zu werden, was er ist. Mit anderen Worten: Das Verhältnis, was das
Dasein zu sich selbst hat: sich zu sagen »werde, was Du bist« – kann
es prinzipiell auch Anderen gegenüber einnehmen.
Aus dieser Perspektive erweist sich der Konjunktiv in volo ut
sis als eine in Grammatik übersetzte Ontologie: Sein ist Möglich­
sein. Auch die Liebe zu den »Krammetsvögeln« erscheint in neuem
Licht. Der Schlemmer, hatten wir gehört, liebt die Vögel, damit sie
nicht sind – er verbraucht sie also. Liebe aber soll zugleich fördern
und bewahren, nicht ge- oder gar verbrauchen. Was zunächst wie
eine recht triviale Unterscheidung wirkt, wird von Heid­eg­ger mit
radikaler Konsequenz weitergedacht: Der wahrhaft Liebende holt
den Anderen aus der Wirklichkeit in die Möglichkeit zurück. Was
wie eine Ausrichtung auf die Zukunft erschien, entpuppt sich jetzt
als eine Rückkehr zum Ursprung, denn die Möglichkeit ist Grund
und Quelle der Existenz.49
Aus diesem Grunde darf die Liebe auch keine Tätigkeit, sondern
muss ein Seinlassen des Anderen sein. »Seinlassen« oder »Gelassen­
heit« gehören bekanntlich zu den Schlüsselbegriffen von Heid­eg­gers
Spätwerk. Die Genese des Liebesbegriffs scheint zu erlauben, die­
ses Phänomen in statu nascendi zu betrachten, denn der ›Quietis­
mus‹ der Spätphilosophie kündigt sich bereits 1925 in den Briefen
an Hannah Arendt an: »was können wir tun, als einzig – uns auf­
schließen – und sein lassen, was ist. So sein lassen, daß es uns reine
Freude ist und Quelle jedes neuen Lebenstages.«50 Heid­eg­ger spielt
hier natürlich mit dem doppelten Klang des Seinlassens als in Ruhe
lassen einerseits und Schöpfen oder Hervorbringen andererseits. Der
Liebende lässt den Geliebten sein, wenn er ihn sein lässt. Deutlich
bringt Heid­eg­ger diese Koinzidenz von Schaffen und Lassen in der
zu Lebzeiten unveröffentlichten Schrift Besinnung aus den Jahren
1938/39 zum Ausdruck: »›Liebe‹ ist der Wille, daß das Geliebte sei,
indem es zu seinem Wesen finde und in ihm wese. Solcher Wille

48 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, 145. Vgl. dazu Scheler, Phänomenologie und
Theorie der Sympathiegefühle, 60.
49 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, 334.
50 Arendt / Heid­eg­ger, Briefe, 29. Vgl. zu der Verbindung zwischen Brief­
wechsel und Spätphilosophie: Piazza, L’ amour en retrait, 89.
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 347

wünscht und fordert nicht. Würdigend läßt er erst das Liebenswür­


dige als das Geliebte ›werden‹, ohne es doch zu schaffen.«51
Auch hier scheint Augustins Tractatus richtungweisend gewesen
zu sein, denn in ihm wird das Wohlwollen nicht nur von der Zweck-
Mittel-Relationen befreit, sondern auch vom Wohltun, vom Han­
deln also, unterschieden, wie die Fortsetzung der oben genannten
Nachschrift zeigt: In der Liebe »genügt das reine Wohlwollen als
solches. Wir sollen und dürfen nicht wünschen, daß es Elende gibt,
damit wir dadurch instandgesetzt werden, gute Werke zu leisten.
[…] Wünsche Dir also einen Gleichgestellten, dem du in mensch­
lichen Dingen nichts geben kannst, damit Du mit ihm unter dem
Einen steht, dem überhaupt nichts von Menschen gegeben werden
kann. In diesem optare eignest Du dir die Möglichkeit des echten
Liebens zu.«52 Liebe wird hier im Sinne einer inneren Haltung ver­
standen, die sich von der Äußerlichkeit guter Werke dezidiert ab­
grenzt. Der ideale Geliebte ist der Ebenbürtige, der nicht auf die
Hilfe in menschlichen Angelegenheiten angewiesen ist, sondern sich
rein dem »Einen« – Gott – zuwenden kann.
Heid­eg­ger hat sich diese Form des Mitseins strukturell offen­
bar zum Vorbild genommen. Nicht nur die »vorausspringende Für­
sorge« in Sein und Zeit zeugt von derselben gelassenen Enthaltung
jeder Beeinflussung des Anderen, sondern auch in späteren Tex­
ten schreibt er: »Nicht die Betulichkeit, nicht einmal das ›Einsprin­
gen‹ in Notfällen und gefährlichen Lagen ist das Kennzeichen der
Freundschaft, sondern das füreinander Dasein, das irgendwelcher
Veranstaltungen und Beweise nicht bedarf, das wirkt, indem es auf
die Beeinflussung verzichtet.«53
Doch wie steht es mit dem verbindenden Einen bei Augustinus?
Findet auch dieser Begriff Widerhall in Heid­eg­gers Denken? In
der Freiburger Vorlesung Einleitung in die Philosophie vom Win­
tersemester 1928/29 findet sich eine der aufschlussreichsten Stel­
len Heid­eg­gers über das Wesen des Mitseins. Hier – und nur hier –
sagt Heid­eg­ger deutlich, worin das ›mit-dem-Anderen‹ eigentlich
gründet. Unausgesprochen nimmt er dabei ein Motiv aus Augustins
Traktat zum Johannesbrief wieder auf, das er in der Vorlesung von

51 Heid­eg­ger, Besinnung, GA 66, 63–64.


52 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 291.
53 Heid­eg­ger, Heraklit. Der Anfang des abendländischen Denkens, GA 55,
128–129.
348 Tatjana Noemi Tömmel

1921 unkommentiert gelassen hatte. Bezeichnenderweise kommt er


nämlich über das Wahrheitsproblem auf das Mitsein zu sprechen.
Nachdem er die Meinung abgewiesen hat, Mitsein liege im gegen­
seitigen »Bewußtsein« voneinander, macht Heid­eg­ger deutlich, dass
das Gemeinschaftliche in einer beidseitigen Teilhabe am Unverbor­
genen liege: »Wahrheit ist demnach konstitutiv für die Struktur des
Miteinanderseins als einer wesentlichen Seinsart des Daseins.«54
Das Mitsein gründet also im Sein bei einem Dritten, das beiden ge­
meinsam ist, ohne dass die Form dieses Bezuges sich deswegen glei­
chen müsse. Die Vorlesung formuliert im Grunde nichts anderes als
Augus­tinus’ Empfehlung an den Gläubigen, mit seinem Nächsten
»unter dem Einen« zu stehen. Das Dasein begegnet dem Anderen
nicht direkt, von Angesicht zu Angesicht, sondern ist dem Nächs­
ten nah über den Umweg des ›Fernsten‹, der Wahrheit. So gewinnt
man den Eindruck, dass trotz des unterschiedlichen Seinsbegriffes –
Geschaffensein dort, Möglichsein hier – beide davon ausgehen, dass
die Liebe zwischen Menschen in einem höheren dritten verankert ist.
Alle hier herangezogenen Textstellen belegen, dass Heid­eg­ger die
Bedeutung der Liebe rückhaltlos bejaht, also genau jenes Manko
füllt, das ihm immer wieder vorgeworfen wurde. Liebe erweist sich
nicht nur als Form des Mitseins, die mit Eigentlichkeit nicht im Kon­
flikt liegt, sondern diese sogar ermöglicht. Dennoch dürften diese
Entdeckungen die Kritiker Heid­eg­gers kaum besänftigen, denn das
Bild, dass er uns von der Liebe zeichnet, entspricht nicht recht un­
seren Sehgewohnheiten. Trotz der konstruktiven Ansätze zu einem
Liebesbegriff, der auf Anerkennung und wechselseitiger Freigabe,
auf Sehen und Seinlassen des Geliebten beruht, scheint die eigen­
ständige Bedeutung des Anderen durch die Bindung an die Wahrheit
doch wieder in Zweifel gestellt. Gelingen kann solch ein Verhältnis
nur unter der Voraussetzung, dass beide dasselbe wollen, nämlich
unter dem »Einen« stehen. Was aber, wenn der Geliebte nicht sein­
gelassen werden will, sondern sich – horribile dictu – nach einer im
Alltäglichen sich bewährenden, wachsenden und das heißt verwirk­
lichenden Liebe sehnt?55

54 Heid­eg­ger, Einleitung in die Philosophie, GA 27, 110.


55 Karl Löwith hat die Ambivalenz der Freigabe deutlich erkannt, wenn er
sagt, dass sie eigentlich dazu dient, sich selbst vom Anderen freizuhalten:
»Die Freigabe nimmt sich selbst genau diejenige Freiheit, welche sie dem
anderen zu geben bereit ist.« Löwith, Das Individuum in der Rolle des Mit­
Heidegger über Liebe und die Eigentlichkeit des Anderen 349

Merkwürdigerweise ist Hannah Arendt auf die Verbindung zwi­


schen Liebe und Seinlassen nie eingegangen, obwohl sie sich in ih­
rem Buch über das Wollen mit Heid­eg­gers Willensbegriff ausein­
andersetzt und hier wieder auf volo ut sis zu sprechen kommt. All
ihre Zweifel, alle Kritik an der Augustinus-Paraphrase sind in die­
sem späten Werk verschwunden. Volo ut sis ist nun der Inbegriff
der höchsten Anerkennung: »Man kann etwas oder jemanden nicht
stärker bejahen, als indem man ihn liebt, nämlich ihm sagt: ich will,
daß Du bist – amo: volo ut sis.«56

menschen, 81. Vgl. dazu auch Karl Löwith, Heid­eg­ger. Denker in dürftiger
Zeit, Frankfurt am Main 1953, 83–84: »Eine solche ›Freigabe‹ ist aber nicht
der Ausdruck einer echten Verbundenheit und Verbindlichkeit, sondern eine
Versteifung auf das je eigene Sein-Können, meiner selbst wie des anderen.«
56 Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes. Das Wollen, München 1979, 338.
Daniel Kersting
Heid­eg­gers »Sein zum Tode« –
Eine normativ-praktische Relektüre

»Und selbst was den Tod anlangt: müssen wir wirklich


einmal mehr sein Wesen besingen und uns damit in die
Gefahr begeben zu vergessen, was wir noch gegen ihn
vermögen?«
R. Barthes – Mythen des Alltags

Der Tod ist wieder sichtbar in unserer Gesellschaft. Mit dieser kul­
turwissenschaftlichen These beanspruchen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler gegenwärtig das Jahrhundert der Todesver­
drängung und -tabuisierung für beendet erklären zu können. Hatten
­Autoren wie Benjamin und Ariès noch die Verbannung des Sterbens
aus der Öffentlichkeit oder die »Zähmung des Todes« zu einem er­
fahrungsarmen Sterben durch die moderne Medizin beklagt, so steht
der Tod heute wieder im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Der Bestattungsmarkt bietet audiovisuelle Grabsteine zum Kauf
an, auf denen Angehörige Nachrichten für andere Trauernde hin­
terlassen können. Mittlerweile ist ein »Facebook für Tote« namens
»Stayalive« online geschaltet worden, ein »Portal«, so der Untertitel,
»für digitale Unsterblichkeit«. Bestatter bieten im Internet »Check­
listen« an, um den eigenen Tod zu gestalten, und der typische Fried­
hof der Nachmoderne wird ersetzt durch virtuelle Gedenkstätten
im Internet. Aus diesen empirischen Befunden könnte man schlie­
ßen, dass sich die gegenwärtige Gesellschaft intensiver als früher
mit dem Faktum des Todes und der Sterblichkeit der Einzelnen
auseinandersetzt.
352 Daniel Kersting

Könnte es aber nicht sein, dass die »Neue Sichtbarkeit des Todes«1
gar nicht Ausdruck einer veränderten Einstellung zum Tod ist, son­
dern die Verdrängung und Tabuisierung bloß in einem neuen Ge­
wand weiterwirkt? Könnte das kulturelle »Gerede« über den Tod
uns nicht gerade davon abhalten, uns mit unserer eigenen Sterb­
lichkeit auseinander zu setzten? Und kann das Verhältnis der Ein­
zelnen zu ihrem Tod unter dem Slogan der »Individualisierung des
Todes« überhaupt eine angemessene Darstellung erfahren? Diese
Fragen nehmen den Gedanken in Anspruch, dass es fundamental
verschiedene Perspektiven auf den Tod gibt: dass nämlich die Per­
spektive auf den eigenen Tod, die ich im Folgenden als Perspektive
der ersten Person bezeichnen will, ihrer Struktur nach ganz anders
begriffen werden muss als die Perspektive auf »den Tod« eines an­
onymen Dritten, der uns im »Tatort« oder in der Körperwelten-
Ausstellung begegnet.
Martin Heid­eg­ger hat in Sein und Zeit die Ausarbeitung dieser
zwei fundamental unterschiedlichen Weisen, sich auf den Tod zu
beziehen, wie kaum ein anderer ins Zentrum seiner theoretischen
Bemühungen um eine Klärung des Todesbegriffes gestellt. Im ers­
ten Teil meines Beitrages möchte ich das kritische Potential dieser
Unterscheidung freilegen. Im zweiten Teil werde ich Heid­eg­gers
existential-ontologischen Begriff des Todes problematisieren, indem
ich zeige, inwiefern die positiven Bestimmungen des »Seins zum
Tode« Gefahr laufen, einen »Mythos der Freiheit« zu konstruieren
und damit das kritische Potential der Daseinsanalyse preiszugeben.
Abschließend werde ich dafür plädieren, die Existentialontologie des
Todes um eine normativ-praktische sowie philosophisch-anthropo­
logische Perspektive zu erweitern, um so schließlich auch der Gefahr
eines abstrakten und mythischen Denkens wacheren Auges begeg­
nen zu können.

1.

Die zentrale Einsicht der Heid­eg­gerschen Todesanalyse besteht da­


rin, dass ein angemessenes Verständnis des Todes allein aus der Per­
spektive des lebendigen Daseinsvollzuges heraus zur Darstellung

1 Thomas Macho / Kristin Marek (Hrsg.), Die neue Sichtbarkeit des Todes,
Paderborn 2007.
Heideggers »Sein zum Tode« 353

gebracht werden kann. Entsprechend führt diese Einsicht dazu, dass


all diejenigen Bestimmungen des Todes, die die Perspektive des Da­
seins nicht einschließen, zurückgewiesen oder in ihrem Geltungs­
bereich zumindest klar begrenzt werden müssen. Die Struktur des
»Daseinsvollzuges« hat Heid­eg­ger im ersten Abschnitt von Sein und
Zeit als »Sorge« gekennzeichnet. Mit den Ausdrücken »Existenz«,
»Faktizität« und »Verfallen« sind Strukturmerkmale der Sorge be­
nannt, durch die der »Tod des Daseins« weiter charakterisiert und
aufgeklärt werden kann. Mit dem Begriff der Existenz bringt Heid­
eg­ger den Umstand zum Ausdruck, dass wir uns im Denken und
Handeln stets auf zukünftige Möglichkeiten hin entwerfen. Der Be­
griff der Faktizität zeigt an, dass diese Möglichkeiten unter Bedin­
gungen stehen – seien sie kulturell, sozial, biologisch, psychologisch,
historisch – die wir nicht selbst in der Hand bzw. die wir nicht selbst
geschaffen haben; und der Begriff des Verfallens schließlich verweist
auf die prägenden Wirkungen, die von diesen Bedingungen auf un­
sere Selbst-, Fremd- und Weltverhältnisse ausgehen, insbesondere
dann, wenn diese Verhältnisse noch nicht ausreichend über ihre Be­
dingtheiten aufgeklärt sind.
Diese drei Strukturmerkmale der Sorge – Existenz, Faktizität und
Verfallensein – geben Heid­eg­ger das begriffliche Instrumentarium an
die Hand, mit dem er den Tod angemessen zu bestimmen versucht:
Der Tod muss seiner Ansicht nach dabei als eine »Möglichkeit« des
Daseins begriffen werden, auf die wir uns unter den vielfältigen Be­
dingungen unseres je besonderen Lebens beziehen können. Oftmals
erscheint er uns nämlich gar nicht als eine Möglichkeit, die uns selbst
betrifft, sondern wird durch kulturelle und gesellschaftliche Formen
des Umgehens mit dem Tod gleichsam zu einer unpersönlichen, bloß
»allgemeinen« Möglichkeit umgedeutet.
Dass Heid­eg­ger überhaupt vom Tod als einer Möglichkeit2 spricht,
zeigt, dass es ihm nicht um eine ontologische Bestimmung des Todes

2 Die Vorstellung vom Tod als »Möglichkeit« traf innerhalb der Heid­eg­
ger-Rezeption immer wieder auf Unverständnis. Nicht eine Möglichkeit
sei der Tod, so meint etwa Sartre, sondern gerade die »Nichtung meiner
Möglichkeiten«. (Jean Paul Sartre, Das Sein und das Nichts, Hamburg 1993,
923) Was Heid­eg­ger aber doch mit diesem Begriff zum Ausdruck bringen
will, ist die spezifische Relation erstpersonaler Bezogenheit auf den je ei­
genen Tod. Da das Dasein für Heid­eg­ger wesentlich »Seinkönnen« ist, also
ein sich Entwerfen auf Möglichkeiten hin, muss der Tod selbst, sofern der
Ausdruck »mein Tod« überhaupt einen Sinn haben soll, ebenfalls als Mög­
354 Daniel Kersting

als Endpunkt des Daseins geht – darüber gibt es aus der Perspektive
des Daseins selbst, wie schon Epikur wusste, nichts zu sagen – son­
dern vielmehr um die begriffliche Aufklärung der Weise, wie sich
das Dasein zu Lebzeiten zu diesem verhält bzw. verhalten kann.
Über »den Tod« können wir sinnvoll nämlich nur als »Phänomen
des Lebens«3, und über den eigenen Tod nur aus der Perspektive des
je eigenen Lebensvollzuges sprechen.4 Das kritische Potential dieser
Überlegungen möchte ich kurz an einem Beispiel demonstrieren:
Der berühmten These Thomas Nagels zufolge, ist der Tod vor
allem eins: ein Übel. Denn »die Zeit nach unserem Tod«, so Nagel,
»ist die Zeit, die uns der Tod raubt«5. In diesem Sinne erleidet, wer
früher stirbt, auch einen »komparativ größeren Schaden«6 als an­
dere. Im Grunde sterben wir alle aber immer zu früh. Auch Nagels
These tritt, wie Heid­eg­gers Theorie, dezidiert mit dem Anspruch auf,
den Tod aus der Perspektive der ersten Person fassen zu können –
wie sollte auch sonst ein evaluatives Urteil über den je eigenen Tod
als Übel sinnvoll gefällt werden können. Befragt man nun aber mit
Heid­eg­ger diese Theorie auf ihre Voraussetzungen, so wird ersicht­
lich, dass Nagel diesen Anspruch nicht einlöst. Zunächst hängt die
Gültigkeit der These vom Tod als Übel wesentlich von einem be­
stimmen Begriff des Lebens ab. Schon die Rede davon, dass der Tod
uns »Lebensspannen«7 raubt, die wir noch erleben könnten, wenn
wir nicht gestorben wären, verrät aber die Vorstellung vom Leben
als einem objektivierten Gegenstand. Wer so spricht, fingiert sein
Leben, so hat es Ernst Tugendhat einmal ausgedrückt, als eine Wurst,
von der ein ordentliches Stück abgeschnitten ist, oder wie Heid­eg­

lichkeit verstanden werden. Der Möglichkeitsbegriff fungiert gleichsam als


begrifflicher Garant dafür, auch wirklich die Binnen- oder Vollzugspers­
pektive des Dasein innerhalb der Theorie fassen zu können; und wer den
Möglichkeitsbegriff in Bezug auf den Tod streicht, muss einen alternativen
Begriff entwickeln, der die Relation der ersten Person auf ihren je eigenen
Tod darzustellen vermag.
3 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 328.
4 Darin liegt meines Erachtens auch der Sinn des Satzes: »Das mit dem Tod
gemeinte Enden bedeutet kein Zu-Ende-sein des Daseins, sondern ein Sein
zum Ende dieses Seienden. Der Tod ist eine Weise zu sein, die das Dasein
übernimmt, sobald es ist.« (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 326)
5 Thomas Nagel, Ist der Tod ein Übel?, in: Nagel, Letzte Fragen, Boden­
heim 1996, 24.
6 Nagel, Ist der Tod ein Übel?, 26–27.
7 Nagel, Ist der Tod ein Übel?, 25.
Heideggers »Sein zum Tode« 355

ger sagt, als einen »Weg«8, der abbricht, und den wir nicht weiter
begehen können.
Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Überlegungen zur
Sorgestruktur des Daseins wäre dieses Verständnis von »Leben« al­
lerdings dem Sachverhalt ganz unangemessen: Es sitzt nämlich der
substantialisierenden Vorstellung auf, das Leben sei entweder et­
was Vorhandenes, dem durch den Tod ein Teil geraubt wird, oder
etwas Zuhandenes, das durch den Tod nicht weiter in Gebrauch
genommen werden kann. Beide Vorstellungen vom Leben sind des­
halb unzureichend, weil sie es gerade nicht ermöglichen, »Dasein«,
also die Vollzugsperspektive des je eigenen Lebens, zu thematisieren.
Die Vorstellung vom Leben als einem Vorhandenen beansprucht
die Fiktion eines Außenstandpunktes, von dem aus wir unser ei­
genes Leben mit einem fixen Anfang und Ende in den Blick neh­
men könnten; und die Vorstellung vom Leben als einem Zuhan­
denen stellt den Lebensbegriff von vornherein unter der Maßgabe
bestimmter Ziele und Zweckzusammenhänge dar. Demgegenüber
beansprucht die Existenziale Analytik zeigen zu können, dass die
Perspektive des Daseinsvollzuges nicht nur eine Perspektive neben
anderen darstellt, sondern selbst jeder Objektivierung des Daseins­
vollzuges, also auch jeder ontischen Todesvorstellung konstitutiv
vorgeordnet werden muss.
Dieser Befund spricht den ontischen Begriffen keineswegs ihre
Geltung ab, weist ihnen aber sehr wohl einen spezifischen und klar
begrenzten Geltungsbereich (Heid­eg­ger sagt »Region«) zu. Selbst­
verständlich können wir unser Leben auch nach Maßgabe biolo­
gischer oder medizinischer Kriterien beschreiben, und den Tod
entsprechend als »Verenden« oder »Ableben« 9 bestimmen. Auch
können wir unser Leben als ein zielgerichtetes »Unternehmen«10 be­
greifen, und es dann nach ökonomischen Maßstäben oder unter Er­
folgskriterien beurteilen und den Tod etwa als einen ökonomischen
Verlust werten.
Problematisch werden diese Bestimmungen allerdings dann,
wenn wir sie für »das Ganze unseres Lebens« halten, wenn wir also

8 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 325; vgl. Ernst Tugendhat, Über den Tod,
in: Aufsätze 1992–2000, Frankfurt 2001, 67–90, hier 69.
9 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 328.
10 Robert Spaemann, Personen. Versuche über den Unterschied zwischen
»etwas« und »jemand«, Stuttgart 1996, 125.
356 Daniel Kersting

glauben, dass damit alle Dimensionen unseres Lebens angemessen


begriffen wären. Dann nämlich würde die Bedeutung, die wir un­
serem Leben und in der Folge auch unserem Tod geben, allein von
den Maßstäben der jeweiligen Wissenssysteme abhängen, und nicht
mehr von uns selbst. Das wiederum kann problematisch sein, wenn
und sofern die Übernahme solcher wissenschaftlich und kulturell
verfügbaren Deutungsangebote in das eigene Selbst- und Weltver­
hältnis nicht reflektiert wird. Genau das scheint Heid­eg­ger im Blick
zu haben, wenn er darauf hinweist, dass die »öffentliche Daseinsaus­
legung« immer schon eine »ständige Beruhigung über den Tod«11 be­
sorgt hätte. Die »beruhigende« Wirkung dieser Deutungsangebote
besteht in der Suggestion, wir erlangten durch sie einen Zugang zu
uns selbst und unserer eigenen Sterblichkeit, während wir doch »in
Wirklichkeit« – und darin besteht auch das ideologiekritische Po­
tential von Heid­eg­gers berühmter Wendung des »Man stirbt« – gar
nicht unsere eigene Sterblichkeit deuten, sondern durch diese Deu­
tungsangebote davon gerade abgehalten werden.
Heid­eg­ger hat im Theorem des »Man stirbt« eine Struktur etab­
liert, die meines Erachtens auch für die Analysen des gegenwärtigen
Umgangs mit dem Tod ein kritisches Potential entfalten kann. Ge­
rade in einer Zeit, in der allenthalben eine »Individualisierung des
Todes« durch die »Medien der Individualität«12 proklamiert wird,
erscheint es einmal mehr angebracht zu fragen: Von wessen Tod ist
eigentlich die Rede? Und in Bezug auf welche Medien und welche
Formen der Darstellung soll ein Verstehen und Umgehen mit der
eigenen Sterblichkeit und Endlichkeit überhaupt angemessen ge­
leistet werden?
Wenn wir uns allerdings die Frage nach einem angemessenen Um­
gang mit dem Tod stellen, dann richtet sich an Heid­eg­ger die Frage,
ob, und wenn ja, was Heid­eg­ger der »öffentlichen Daseinsausle­
gung« aus der Perspektive des Daseins selbst entgegenzuhalten hat.
Diese Frage stellt sich umso dringlicher, als Heid­eg­ger das »Verfal­
len« als drittes Moment der Sorge ja explizit als Existenzial bestimmt.
Damit ist zwar noch nicht per se ein umfassender Verblendungszu­
sammenhang postuliert, wohl aber die Gefahr ideologischer Selbst-
und Weltverhältnisse angezeigt, die genau in dem Maße ausgebildet

11 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 337.


12 Thomas Macho / Kristin Marek (Hrsg.), Die neue Sichtbarkeit des Todes,
Paderborn 2007, 14–15.
Heideggers »Sein zum Tode« 357

werden, in dem sich die Einzelnen nicht mehr über den bloß parti­
kularen Geltungsbereich der jeweiligen Deutungsangebote aufklä­
ren können – oder in den Worten Heid­eg­gers gesprochen: in dem
Maße, in dem die Uneigentlichkeit fürs Eigentliche gehalten wird.
Um das in diesem Sinne ideologiekritische Potential des Heid­eg­
gerschen Theorems des »Man stirbt« begründen und entfalten zu
können, ist es also systematisch gefordert, die Eigentlichkeitsstruk­
tur, die Heid­eg­ger in Sein und Zeit entwickelt, in Bezug auf den Tod
herauszuarbeiten. Erst dadurch kann nämlich gezeigt werden, dass
und inwiefern die Einzelnen auch in der Lage sind, ihr jeweiliges
Verfallensein an das »Man« zu durchschauen.

2.

Ausgehend von den bereits dargestellten Existenzialien, der Existenz


und der Faktizität der Sorge, bestimmt Heid­eg­ger die existenzial-
ontologische Struktur des Todes durch fünf Merkmale: »Der Tod
als Ende des Daseins ist die eigenste, unbezügliche, gewisse und
als solche unbestimmte, unüberholbare Möglichkeit des Daseins.«13
In diesen fünf Strukturmerkmalen des »Seins zum Tode« liegt nun
Heid­eg­ger zufolge das begriffliche Potential, um aufzeigen zu kön­
nen, wie sich das Dasein, zumindest der (ontologischen) Möglichkeit
nach, von den »Illusionen des Man«14 befreien und ein eigentliches
Verhältnis zum Tod ausbilden kann.
Da der Tod als Ende unserer Existenz das Ende aller Bezogenheit
auf die Welt und auf anderes Dasein – die Daseinsunmöglichkeit
schlecht hin – bedeutet, ist Heid­eg­ger der Ansicht, dass das eigent­
liche Gewahrwerden dieses Endes uns schon zu Lebzeiten aus allen
Bezügen reißt. Wer sich seines Todes eigentlich bewusst wird, dem
»versagt« alles »Besorgen« und alle »Fürsorge«.15 Als »unbezügli­

13 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 343.


14 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 353.
15 Heid­eg­ger relativiert diese Aussage, wenn er im nächsten Satz daran er­
innert, dass das »Versagen des Besorgens und der Fürsorge […] keineswegs
eine Abschnürung dieser Weisen des Daseins vom eigentlichen Selbstsein«
sei. Vielmehr sei das Dasein »eigentlich es selbst nur, sofern es sich als be­
sorgendes Sein bei … und fürsorgendes Sein mit … primär auf sein eigens­
tes Seinkönnen […] entwirft«. (Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 350) Um
so erstaunlicher ist es, dass dieser wichtige Befund – die »Geworfenheit«
358 Daniel Kersting

che« Möglichkeit eröffnet uns das Verhältnis zu unserem »eigens­


ten« Sterbenmüssen eine besondere Weise der Selbstbezüglichkeit,
die darin besteht, dass wir uns auf uns selbst als ein einzelnes Selbst,
und nicht auf uns selbst als ein bloß allgemeines Exemplar der Gat­
tung beziehen. Heid­eg­ger nennt diesen Selbstbezug »Jemeinigkeit«.
Derart »vereinzelt«16 soll uns schließlich ein »eigenstes Seinkönnen«
möglich werden, und in Folge auch die Übernahme von allen mögli­
chen Welt- und Mitverhältnissen als die eigenen. Das Verhältnis zum
Tod ist für das Dasein also insofern ein ausgezeichnetes Verhältnis,
als es die Eigentlichkeit aller anderen Selbst-, Mit- und Weltverhält­
nisse allererst ermöglicht.17
Nun wirft diese Konstruktion allerdings einige Fragen auf: Stellt
der Gedanken des »vereinzelten Selbst« eine angemessene Struktur
zur Verfügung, um den Anspruch, den Heid­eg­ger mit der Eigent­
lichkeitskonzeption verfolgt, einlösen zu können? Kann Heid­eg­gers
Begriff der Jemeinigkeit der Individualität des jeweils konkreten Da­
seins und dessen Tod Rechnung tragen? Und leistet die ontologische
Bestimmung des Todes einen Beitrag zur Aufklärung unserer Praxis
im Umgang mit dem Tod?
Ich komme zur ersten Frage und zitiere noch einmal Heid­eg­
ger: »Das Vorlaufen in die unbezügliche Möglichkeit zwingt das
vorlaufende Seiende in die Möglichkeit, sein eigenstes Sein von ihm
selbst her aus ihm selbst zu übernehmen.«18 Wer oder was aber ist
dieses »Selbst«, von dem her und aus dem heraus das eigenste Sein
soll geschöpft werden können? Und was findet das Dasein auf dem
Grunde seiner selbst vor? Aus allen Bezügen gelöst und von den

unserer Existenz – systematisch gar nicht in die Eigentlichkeitsstruktur


eingearbeitet wird, etwa dergestalt, dass Heid­eg­ger darlegt, wie die prak­
tischen Ansprüche meiner selbst (Perspektive der ersten Person) mit den
Ansprüchen anderer »Daseinde« (Perspektive der zweiten Person) und den
zweckrationalen Sachansprüchen meiner Umwelt (Perspektive der dritten
Person) in ein angemessen reflektiertes Verhältnis zueinander gebracht wer­
den können.
16 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 349.
17 So zumindest der Anspruch Heid­eg­gers. Ob die Todesanalyse tatsäch­
lich für den Gedankengang von Sein und Zeit zwingend und für die Eigent­
lichkeitskonzeption überhaupt systematisch erforderlich ist, ist umstritten:
Vgl. etwa: Hans-Georg Gadamer, Heid­eg­gers Wege. Studien zum Spätwerk,
Tübingen 1983, 109 –110; Günter Figal, Martin Heid­eg­ger. Phänomenologie
der Freiheit, Frankfurt am Main 1988, 221.
18 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 350.
Heideggers »Sein zum Tode« 359

Bedingtheiten der Faktizität befreit, ist das eigentliche Selbst, das


Heid­eg­ger entwirft, ein Sein ohne materiale Bestimmtheit – ein rei­
nes Sein, dessen Form ein reines Vollziehen, eben das »eigenste Sein­
können« ist. Damit entwickelt Heid­eg­ger im Theorem der Eigent­
lichkeit eine formale Figur praktischer Selbstbezüglichkeit, die jeder
materialen Bestimmung logisch vorgeordnet sein soll.19
Zunächst gilt es anzumerken, dass mit der Figur des bloßen
Selbstbezugs noch nicht erklärt werden kann, wie überhaupt ein
inhaltlich bestimmtes Verständnis des eigenen Selbst gewonnen wer­
den können soll. Vielmehr scheint die Figur des bloßen Selbstbe­
zuges das Selbst, auf das sich das Dasein bezieht, immer schon als
gegeben vorauszusetzten. An dieses bereits gegebene und im Modus
der »Angst« nur noch aufzufindende Selbst, muss nun allerdings die
Frage gerichtet werden, was es denn zur Quelle der Eigentlichkeit
autorisiert. Warum sollten die Entwürfe, die im »eigensten Selbst«
wurzeln, in irgendeiner Weise vernünftiger sein, als die Möglichkei­
ten, die uns im Modus der Uneigentlichkeit verfügbar sind?
Heid­eg­ger gibt auf diese Fragen keine direkte Antwort. Der Be­
griff der Eigentlichkeit scheint innerhalb von Sein und Zeit über­
haupt primär negativ, nämlich in Abgrenzung zu allen möglichen
Weisen der Uneigentlichkeit bestimmt zu sein. In der »Architektur«
des Daseins, dem es »in seinem Sein um dieses Sein selbst geht«20,
fungiert er gleichsam als Platzhalter für die Möglichkeit eines per­
sonalen Selbstverständnisses, welches vom Dasein selbst erarbeitet
wird. Er steht für die Möglichkeit, die Geltungsgründe der eigenen
theoretischen wie praktischen Entwürfe nicht aus externen Wissens­
systemen bloß zu übernehmen, sondern sie in der Reflexion auf den
je eigenen Lebensvollzug immer wieder neu entwerfen, begründen
und auch kritisieren zu können. Dieser im Grunde aufklärerische
Anspruch des Eigentlichkeitskonzepts wird aber innerhalb der The­
orie nicht eingelöst, da Heid­eg­ger die Reflexionspotenziale des Da­
seins begrifflich nicht zur Entfaltung bringt. Dem eigenen Tod an­
sichtig reflektiert das Dasein nicht, sondern hat Angst. Dass in der
Befindlichkeit der Angst ein ausgezeichneter Zugang zum eigenen

19 Zur Formalität des Eigentlichkeitskonzepts vgl. auch: Andreas Luckner,


Wie es ist, selbst zu sein. Zum Begriff der Eigentlichkeit, in: Thomas Rentsch
(Hrsg.), Martin Heid­eg­ger. Sein und Zeit, zweite bearbeitete Auflage, Berlin
2007, 155.
20 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 16.
360 Daniel Kersting

Selbst möglich ist, soll nicht in Abrede gestellt werden. Da dieser


Zugang im Modus der Angst aber selbst nicht noch einmal reflektiert
werden kann, wird »Eigentlichkeit« zur unreflektierten Affirmation
des eigenen Selbst. Damit wird zugleich fraglich, wie der kritische
Anspruch des Eigentlichkeitstheorems positiv eingelöst werden soll,
kann Heid­eg­ger doch nicht mehr zeigen, warum gerade das im Mo­
dus der Angst affirmierte Selbst von den Überformungen des »Man«
frei sein sollte.
Nun muss man sich fragen, ob diese Kritik dem Anliegen, das
Heid­eg­ger in Sein und Zeit verfolgt, überhaupt gerecht wird. Will
Heid­eg­ger, so könnte man seine Überlegungen stark machen, mit der
Idee des eigensten Selbst nicht im Grunde nur der Einsicht Ausdruck
verleihen, dass wir, was immer wir denken, tun und wollen, stets auf
uns selbst als letzten Bezugspunkt bezogen bleiben? Und erfährt die
Einsicht, dass je ich es bin, der denkt und fühlt und handelt, gerade
in unserem Nachdenken über Tod und Sterben nicht tatsächlich eine
wichtige Relevanz? Denn nicht nur ermöglicht das Gewahrwerden
der eigenen Endlichkeit eine ausgezeichnete Möglichkeit sich be­
wusst zu werden, wer man ist oder eigentlich sein will, sondern es
verändert sich auch die Bedeutung des eigenen Todes, wenn man
sich klar macht, dass der Tod nicht das Ende des Lebens ist – was
sollte das auch sein? – sondern immer das Ende eines jeweils indi­
viduell und konkret vollzogenen Lebens. Für diese Einsicht steht,
meinem Verständnis nach, Heid­eg­gers Begriff der »Jemeinigkeit«.
Damit komme ich zur zweiten Frage nach dem Zusammenhang von
Jemeinigkeit und Individualität.
Heid­eg­ger will mit dem Begriff der »Jemeinigkeit« des Todes die
Individualität und Besonderheit des Sterbenmüssens aus der Per­
spek­tive des Daseins selbst herausarbeiten. Um aber ein Dasein als
ein individuelles Dasein und damit auch den Tod als Tod eines In­
dividuums ausweisen zu können, bedarf es einer Begrifflichkeit, die
die sozialen und kulturellen, die interpersonalen sowie leiblichen
Bedingungen des Lebens und Sterbens darstellbar und reflektier­
bar macht. Denn was es heißt, ein individuelles Leben zu führen,
erschließt sich doch erst in Relation zum Leben anderer Menschen
sowie zu den vielfältigen Bedingungen des eigenen Lebens, unter
denen das Dasein handelt und sich in seinem Handel individuiert.
Zwar weist Heid­eg­ger im ersten Abschnitt von Sein und Zeit unter
dem Titel »Mitsein« und »Fürsorge« Interpersonalität als Existen­
zial des Daseins aus und trägt, etwa in seinen Raumanalysen, auch
Heideggers »Sein zum Tode« 361

der Leiblichkeit des Daseins Rechnung.21 Diese Bestimmungen wer­


den dann aber, vor allem im Zusammenhang mit dem Tod, gar nicht
in den Begriff der Jemeinigkeit eingearbeitet.22 Im Todeskapitel lie­
fert uns Heid­eg­ger eine »Wesensbestimmung« des Daseins und des
Todes, die nicht nur »solipsistisch«23 ist, sondern die – gemäß der
phänomenologischen Methode – auch keine historischen, kulturel­
len und sozialen Differenzen zwischen Menschen kennen darf. Da­
mit wird allerdings fraglich, ob das Konzept der Jemeinigkeit die
Individualität des Daseins und des Todes überhaupt begrifflich fas­
sen kann. Dass es nämlich in unserer Gesellschaft einen Unterschied
macht, arm oder reich, als Frau oder als Mann, als Weißer oder als
Schwarzer zu sterben; und dass der Tod in Folge von Krankheit,
Hunger oder jahrelanger Depression einen anderen Tod bedeutet,
als der Tod als Ende eines erfüllten Lebens – davon spricht der Be­
griff der Jemeinigkeit nicht. Genau diese Relationen sind es aber, in
denen sich die Individualität des Todes und das heißt auch unser
praktisches Umgehen mit dem Tod ausdrücken. Sie sind es, die zur
kritischen Beurteilung anstehen und die für die weitere Gestaltung
unseres Umgangs mit dem Tod offengehalten werden müssen. Ge­
nau dafür müssen sie aber im Rahmen einer Theorie des Todes auch
zur Darstellung gelangen. Sofern die existenziale Analytik keine Be­
griffe zu ihrer Darstellung bereitstellt, klärt auch der Begriff der Je­
meinigkeit gar nicht die Individualität des jeweiligen Daseins und
dessen Verhältnis zum Tod auf, sondern verschleiert tendenziell die
je einzigartige Individualität des Sterbenmüssens unter dem theo­
retischen, weil bloß allgemeinen Wissens darum, dass Keiner »dem
anderen sein Sterben abnehmen«24 kann. Das hat Konsequenzen für
den praktischen Anspruch der Existenzialontologie.
Dass Heid­eg­ger in seiner Todesanalyse und seinen Überlegungen
zur Eigentlichkeit einen normativ-praktischen Anspruch verfolgen,
das habe ich, obgleich in der Heid­eg­ger-Rezeption umstritten, bisher

21 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, § 26, § 23.


22 Vgl. auch die Kritik von Rentsch, der zufolge Heid­eg­ger die »Interexis­
tentialität« aus der »Sorge« (und damit auch aus dem »Vorlaufen zum Tod«)
strukturell ausgeklammert habe. Thomas Rentsch, Die Konstitution der Mo­
ralität. Transzendentale Anthropologie und praktische Philosophie, Frank­
furt 1990, 141–154.
23 Heid­eg­ger selbst spricht vom »existentiale[n] ›Solipsismus‹«. Heid­eg­ger,
Sein und Zeit, GA 2, 250.
24 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 319.
362 Daniel Kersting

vorausgesetzt.25 Im Unterschied aber zu Autorinnen und Autoren,


die Sein und Zeit etwa als eine Grundlegung der »Konstitution der
moralischen Persönlichkeit«26 lesen, bin ich dem normativ-prak­
tischen Anspruch Heid­eg­gers gegenüber skeptischer. Das Proble­
matische an diesem Anspruch liegt meines Erachtens in einer un­
aufgeklärten Vermischung zweier Bereiche, die jeweils einen unter­
schiedlichen Geltungsanspruch erheben: nämlich die Vermischung
von Ontologie als Reflexion auf die Wesensstrukturen des Seienden
und Ethik als Reflexion unserer individuellen und politischen Praxis
und der normativen Ansprüche, die wir innerhalb unserer Praxen
aneinander erheben. Dabei verstehe ich unter Praxis den Bereich
unserer Wirklichkeit, den wir durch unser individuelles sowie in­
stitutionelles Handeln selbst hervorbringen, den wir gestalten und
verändern können, und ggf. auch verändern sollten.
Heid­eg­ger meint nun, dass seine Ontologie selbst schon praktisch
sei. Legt man ein rein instrumentelles Verständnis von Praxis, wie
Heid­eg­ger es unter dem Titel des »Besorgens« ausarbeitet, zugrunde,
mag diese Einschätzung ganz richtig sein. Doch erschließt uns die
»Werkwelt des Handwerkers«27 so wenig den Raum interpersonaler
und sozialer Praxis wie die existenziale Konzeption des »Mitseins«
schon die Möglichkeitsbedingungen moralisch oder politisch ver­
antwortlichen Handelns enthält. Für einen anspruchsvollen norma­
tiv reflektierten Praxisbegriff hätte Heid­eg­ger zeigen müssen, dass
und inwiefern dem Dasein eine normativ-kritische Reflexion seiner
Welt- und Mitverhältnisse möglich ist. Diese Möglichkeit wird aber
in Sein und Zeit nicht ausgearbeitet.28 So zeigt auch die existentiale
Analytik des Todes nicht die Möglichkeiten und Grenzen unserer re­
flektierten Selbstbestimmung im Umgang mit dem Tod auf, sondern

25 Schon das erste Strukturmoment der Sorge – »die Existenz« – ist als Sein­
können wesentlich »Entwurf« und damit Möglichkeitsbedingung unseres
Handelns. Auch innerhalb der Todesanalyse gibt Heid­eg­ger immer wieder
Hinweise, die den Praxisbezug seiner Überlegungen sichern sollen: So soll
das »Verstehen« kein »Begaffen eines Sinnes« sein, »sondern sich verstehen
in dem Seinkönnen, das sich im Entwurf enthüllt«. Und der Tod als Mög­
lichkeit soll »im Verhalten« zu ihm ausgehalten werden. Heid­eg­ger, Sein und
Zeit, GA 2, 349.
26 Andreas Luckner, Wie es ist, selbst zu sein, 149.
27 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 157.
28 Vgl. instruktiv: Carl Friedrich Gethmann, Heid­eg­gers Konzeption des
Handelns in Sein und Zeit, in: Annemarie Gethmann-Siefert / Otto Pöggeler
(Hrsg.), Heid­eg­ger und die praktische Philosophie, Frankfurt 1988, 140 –176.
Heideggers »Sein zum Tode« 363

»entbirgt« nur, und »legt frei«, was ohnehin schon »da« ist. Damit
setzt sie aber »auf den Grund der Geschichte die Natur«,29 wie Ro­
land Barthes es einmal vom Mythos sagte, fixiert und stellt still, was
eine praktische Theorie des Todes gerade als historisch kontingent
und veränderbar auszuweisen hätte.
Die Existenzialontologie weist gerade dort, wo sie Relevanz für
unsere Praxis beansprucht, eine Tendenz zur »Mythologisierung«
im Barthes’schen Sinne auf. In aller Deutlichkeit tritt diese Tendenz
in Heid­eg­gers Rede von der »Freiheit zum Tode«30 zu Tage. Dass
Heid­eg­ger trotz seiner in Sein und Zeit immer wieder kundgetanen
Absage an die Ethik am Ende seiner Todesanalyse einen der zentrals­
ten Begriffe der praktischen Philosophie in seine Ontologie einspeist,
hat in der Heid­eg­ger-Rezeption bis heute für Unmut gesorgt. Worin
aber besteht das Skandalon der »Freiheit zum Tode«?
Ich meine es besteht darin, dass Heid­eg­ger in dieser Rede jeden
praktischen Sinn des Todes – also die Möglichkeit eines gestaltenden
Umgangs mit dem zukünftig eigenen Tod oder dem Tod Anderer
unter Bezugnahme auf die vielfältigen Bedingungen unseres Lebens
und Sterbens – unter dem Deckmantel der Freiheit letztlich auflöst.
Da Heid­eg­ger, wie in den vorangegangen Überlegungen gezeigt, we­
der die Möglichkeit kritischer Reflexion ausarbeitet noch die Indi­
vidualität des einzelnen Daseins begrifflich angemessen bestimmt,
kann auch das »Sein zum Tode« nicht als ein praktisches Verhältnis
begriffen werden. Vielmehr stellt es eine allgemeine Seinsstruktur
vor, zu der sich das Dasein gerade nicht mehr verhalten kann, son­
dern die es schlicht »übernehmen« muss, bzw. zu deren Übernahme
es – der eignen Endlichkeit ansichtig – gezwungen ist.31 Gerade darin

29 Roland Barthes, Mythen des Alltags, Frankfurt 1964, 17. Roland Barthes
arbeitet die Struktur des Mythos im Rahmen seiner Zeichentheorie aus: Der
Mythos entleert ein bestimmtes Zeichen seines konkreten Gehaltes durch
die Weise der Darstellung und stattet es mit einem allgemeinen, unscharfen
»sekundären« Sinn aus. Die ideologische Dimension des Mythos besteht
darin, dass »Signifikant« und »sekundärer Gehalt« so miteinander verbun­
den sind, dass sich die Einzelnen in der Rezeption des Zeichens über dessen
primären Gehalt nicht mehr aufklären können. Durch diese Struktur sind
Mythen dazu fähig, »Botschaften«, die sich der kritischen Reflexion u. U. als
problematisch darböten, als »unschuldig« erscheinen zu lassen und sie so der
Kritik zu entziehen. Vgl. Barthes, Mythen des Alltags, 85.
30 Vgl. Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 353, 508–509.
31 Ich beziehe mich bezüglich der Verben »müssen« und »zwingen« auf die
Textstellen: »Im Sein zum Tode […] muß die Möglichkeit ungeschwächt als
364 Daniel Kersting

verrät sich aber die »Freiheit zum Tode« als ein »Mythos der Frei­
heit«: Dass wir nämlich dann zum »eigensten Seinkönnen« befä­
higt sind, wenn wir unser je einzelnes Dasein unter die allgemeine
Möglichkeit der Daseinsunmöglichkeit subsummieren, besagt ge­
rade, dass wir der Freiheit genau dann am mächtigsten sind, wenn
wir uns der conditio humana am nachhaltigsten unterwerfen. Damit
dürfte aber nicht nur jeder praktische Sinn des Todes, sondern auch
jedes kritische Potential des Begriffs der Freiheit preisgegeben sein.

3.

Macht nun der Ideologieverdacht, unter den ich Heid­eg­gers Rede


von der »Freiheit zum Tode« stelle, jegliches kritische Potenzial des
»Seins zum Tode« zunichte? Oder gibt es Theorieelemente, an die
eine heutige Philosophie des Todes anschließen sollte? Wie im ers­
ten Teil dargelegt, liefern Heid­eg­gers Überlegungen zum Primat der
Daseinsperspektive und seine Kritik der Vorhandenheitsontologie
einen wichtigen Beitrag für unser Nachdenken über den Tod. In­
wiefern aber die erstpersonale Struktur des Daseins ein Potential
zur kritischen Aufklärung unserer Praxis im Umgang mit dem Tod
erlangen kann, hängt meines Erachtens maßgeblich davon ab, wie
man die Selbstbezüglichkeit des Daseins denkt. Eine rein existen­
zialistische Explikation dieses Selbstbezuges reicht, das habe ich
oben zu zeigen versucht, nicht hin, um einen kritischen Bezug auf
unsere Praxis zu gewähren. Im Anschluss an Sein und Zeit prakti­
sche Philosophie zu treiben hieße meines Erachtens vor allem die
existenzielle Dimension des Daseins um die Struktur eines reflek­
tierten praktischen Selbstverhältnisses zu erweitern. Erst vor dem
Hintergrund einer solchen Struktur kann nämlich mit dem anti-sub­
stantialistischen Anspruch der Heid­eg­gerschen Todesanalyse ernst
gemacht werden und die Idee einer praktischen Wirklichkeit des
Todes, die wir im handelnden Umgehen mit unserer eigenen Sterb­
lichkeit sowie mit dem Tod Anderer selbst erzeugen, Geltung bean­
spruchen. Dazu ist es aber auch nötig, die Begriffe, die die Analytik
gemäß ihrer phänomenologischen Methode von der Daseinsanalyse
»abgeschottet« hat, wieder in ihr Recht zu setzten. »Leiblichkeit«,

Möglichkeit verstanden, als Möglichkeit ausgebildet und im Verhalten zu ihr


als Möglichkeit ausgehalten werden.« Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 347.
Heideggers »Sein zum Tode« 365

»Interpersonalität« und »Sozialität« – das sind irreduzible Momente


unseres Daseins. Der Daseinsbegriff muss also auch diese Momente
des praktischen Selbstverhältnisses integrieren können, und zwar
nicht nur im Modus der »durchschnittlichen Alltäglichkeit«, son­
dern gerade auch im Modus der Eigentlichkeit, sofern diesem über­
haupt irgendein kritischer Sinn gegenüber dem »Man« abgewonnen
werden soll.
Eine Aufklärung dieser Begriffe für das personale Selbst- und
Fremdverhältnis dürfte schließlich auch zu einer anderen Darstel­
lung der personalen Perspektive auf den Tod führen, als Heid­eg­ger
sie leistet. Heid­eg­ger kennt nur den Tod in der ersten Person auf
der einen und die vielfältigen Objektivationen eben dieses Verhält­
nisses auf der anderen Seite. Wenn wir uns aber vergegenwärtigen,
dass sich Tod und Sterben stets in interpersonal geteilten Lebens­
zusammenhängen ereignen – in Familien, in Liebesbeziehungen, in
Freundschaften und Bekanntschaften – dann wird deutlich, dass
neben der Perspektive auf den je eigenen Tod noch eine ganz an­
dere personale Perspektive auf den Tod berücksichtigt werden muss,
nämlich die Perspektive auf den Tod eines nahestehenden Anderen.32
Diese Perspektive, die der Phänomenologe Vladimir Jankélévitch als
den »Tod in der zweiten Person«33 bezeichnet, kennt Heid­eg­gers To­
desanalyse nicht. Beim Sterben der andern, so heißt es im § 47, sind
wir »höchstens immer nur ›dabei‹«.34

32 Dass Heid­eg­ger den Tod des nahen Anderen aus seiner Analyse aus­
geklammert hat, ist innerhalb der Rezeption von Beginn an bemerkt und
kritisiert worden. Vgl. etwa Sternberger, der dem § 47 aus Sein und Zeit
eine ganze Monographie gewidmet hat: Dolf Sternberger, Der verstandene
Tod. Eine Untersuchung zu Martin Heid­eg­gers Existenzialontologie, Leipzig
1934.
33 Vladimir Jankélévitch, Der Tod, Frankfurt 2005, 39.
34 Heid­eg­ger, Sein und Zeit, GA 2, 318. Vgl. demgegenüber: »Im trauernd-
gedenkenden Verweilen bei ihm [dem Toten, DK] sind die Hinterbliebenen
mit ihm, in einem Modus der ehrenden Fürsorge. Das Seinsverhältnis zum
Toten darf deshalb auch nicht als besorgendes Sein bei einem Zuhandenen
gefaßt werden.« (317) In diesen wenigen Sätzen zum praktischen Status des
Leichnams relativiert Heid­eg­ger dieses »nur« und zeigt die Notwendigkeit
auf, eine eigenständige, nicht auf die drittpersonale Perspektive reduzierbare
Perspektive auf den Tod der »zweiten Person« ausarbeiten zu müssen. Das
tut Heid­eg­ger dann aber nicht. Schepelmann hingegen sieht hierhin kein
Problem: Sie versucht zu zeigen, dass Heid­eg­gers »Sein zum Tode« gerade
aufgrund der Fixierung auf die erste Person-Perspektive einen konstruktiven
Beitrag zu einer Ethik des Umgangs mit dem Tod Anderer und deren Leich­
366 Daniel Kersting

Dieser blinde Fleck in Heid­eg­gers Todestheorie ist aber nicht nur


ein blinder Fleck für eine praktische Philosophie des Todes, sondern
auch für eine ontologische Wesensanalyse im Sinne Heid­eg­gers. In­
dem diese nämlich beansprucht, mittels der fünf Strukturmomente
das »Wesen des Todes« ontologisch gefasst zu haben, diskreditiert
sie zugleich einen Begriff vom Tod, der die Daseinsperspektive der
zweiten Person umfasst, als unwesentlich, da dieser nicht den von
Heid­eg­ger erarbeiteten Wesenskriterien entspricht. Wer entscheidet
aber letztlich über Wesenskriterien oder allgemeiner: über die Rele­
vanz der Bedeutungen, die der Tod für das Dasein hat? Nimmt man
Heid­eg­gers Intuition der Eigentlichkeit ernst, so müsste man sagen:
Wir selbst – in dem wir uns auf unser je eigenes und mit Anderen
geteiltes Leben beziehen, und im Gespräch mit ihnen den Sinn un­
serer Sterblichkeit zu erschließen versuchen.

name zu leisten vermag. Vgl. Maja Schepelmann, Resultate einer konsequent


nicht-naturalistischen Bestimmung des Verhältnisses von Leben und Tod.
Überlegungen im Anschluss an Heid­eg­gers »Sein zum Tode«, in: Hubert
Knoblauch u. a. (Hrsg.), Der Tod, der tote Körper und die klinische Sektion,
Berlin 2010, 73–85.
Sylvain Camilleri
La première intervention de Heid­eg­ger
dans le séminaire néo-testamentaire
de Bultmann (WS 1923/1924)

à Christian Sommer

Si les circonstances exactes de la toute première rencontre entre


Heid­eg­ger et Bultmann ne sont pas documentées, les témoignages
directs et indirects sur les commencements de leur collaboration
sont plutôt nombreux. On sait que Heid­eg­ger participa réguliè­
rement aux deux Graeca organisées par Bultmann, celle pour les
Professeurs et celle pour les étudiants.1 On sait également, par les
intéressés eux-mêmes, que les deux hommes se rencontraient un
après-midi par semaine pour lire l’Évangile de Jean.2 Mais ces réu­
nions furent précédées par la participation de Heid­eg­ger au sémi­
naire néo-testamentaire de Bultmann au semestre d’hiver 1923/1924
sur le thème Die Ethik des Paulus.3 Peut-être même en furent-elles

1 Voir Martin Heid­eg­ger / Rudolf Bultmann, Briefwechsel 1925–1975,


Frankfurt am Main / Tübingen 2009, 24, 62, 69, 80, 84, 98, 111, 114, 122, 140,
141, 142, 143 et 204. Voir également Hans-Georg Gadamer, Philosophische
Lehrjahre. Eine Rückschau, Frankfurt am Main 1977, 38.
2 Voir la lettre de Martin Heid­eg­ger à Karl Jaspers du 18 juin 1924: « La
seule personnalité [de Marburg] : le théologien Bultmann, que je rencon­
tre chaque semaine » (in: Martin Heid­eg­ger / Karl Jaspers, Briefwechsel
1920 –1963, Frankfurt am Main 1990, 23). Voir également la lettre de Rudolf
Bultmann à Friedrich Gogarten du 19 octobre 1924: « De plus, un après-midi
par semaine, je lis avec Heid­eg­ger l’Évangile de Jean. J’espère retirer toutes
sortes de choses de ces rencontres » (in: Rudolf Bultmann / Friedrich Gogar­
ten, Briefwechsel 1921–1967, Tübingen 2002, 62).
3 Pour retrouver l’essentiel de ce qui s’est dit lors de ce séminaire, on con­
sultera avec profit l’article de Bultmann qui en est directement issu (quoiqu’il
368 Sylvain Camilleri

les résultats. Car c’est bien au sein de ce séminaire que le théologien


entendit le philosophe pour la première fois et se fit ses premières
impressions. Et quelles impressions! Bultmann s’en ouvre presque
immédiatement à Hans von Soden, en passe de rejoindre Marburg,
ainsi qu’à Friedrich Gogarten. Au premier il écrit: « Cette fois, le
séminaire est particulièrement instructif, car y participe notre nou­
veau philosophe Heid­eg­ger. Il vient du catholicisme, mais il est en­
tièrement protestant ».4 Et au second il confie: « Heid­eg­ger participe
au séminaire, et parmi les étudiants se trouve une série de gens très
biens, en sorte que j’ai l’impression que nous allons tous apprendre
comme il le faut ».5 De la participation de Heid­eg­ger à ce séminaire,
l’histoire a retenu son exposé magistral sur Das Problem der Sünde
bei Luther, lequel s’est déroulé sur deux séances consécutives, celles
des 14 février et 21 février 1924.6 Mais comme les dates des lettres
précitées à von Soden et Gogarten – soit les 22 et 23 décembre
1923 – le suggèrent et comme les protocoles l’indiquent, Heid­eg­ger
a pris part à bon nombre de séances avant de s’exprimer sur Luther.
Plus encore, il s’est déjà distingué dans le séminaire quelques se­
maines auparavant avec une intervention sur l’Épître aux Romains
de Saint Paul.
Cette intervention fut scrupuleusement transcrite par un étudiant
dénommé Martin Stallmann. Elle tient en trois pages, lesquelles
avaient été négligées jusqu’à aujourd’hui pour des raisons qu’on ne
s’explique pas vraiment.7 En effet, leur ton comme leur teneur jus­
tifient sans peine qu’on s’y intéresse. Elles ont bien sûr une valeur

ne dispense pas de faire retour aux protocoles originels): Das Problem der
Ethik bei Paulus, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und
die Kunde der älteren Kirche 23 (1924), 123–140.
4 Lettre de Rudolf Bultmann à Hans von Soden du 23 décembre 1923 re­
produite par Antje Bultmann Lemke dans: Der unveröffentlichte Nachlasse
Rudolf Bultmann – Ausschnitte aus dem biographischen Material, in: Bernd
Jaspert (Hrsg.), Rudolf Bultmanns Werk und Wirkung, Darmstadt 1984, 202.
5 Lettre de Rudolf Bultmann à Friedrich Gogarten du 22 décembre 1923,
in: Rudolf Bultmann / F. Gogarten, Briefwechsel 1921–1967, 53.
6 Voir Heid­eg­ger, Das Problem der Sünde bei Luther, Protokoll von N. N.
et Heinrich Schlier, in: Bernd Jaspert, Sachgemässe Exegese. Die Protokolle
aus Rudolf Bultmanns Neutestamentlichen Seminaren 1921–1951, Marburg
1996, 29 –33.
7 On s’étonne par exemple que Bernd Jaspert (Sachgemässe Exegese, 26–27),
qui en indique clairement l’existence, n’ait pas pris la peine de les porter à la
connaissance des spécialistes.
La première intervention de Heid­eg­ger 369

documentaire, mais encore une valeur intrinsèque pour des raisons


qui apparaîtront clairement au cours de leur présentation.
Cette première participation – documentée – de Heid­eg­ger aux
discussions intervient lors de la huitième séance du séminaire qui
est aussi la première de l’année civile 1924 qui se déroule le 10 jan­
vier. Cette séance s’inscrit naturellement dans le thème du séminaire :
l’éthique de Paul. Quelle en est la problématique exacte?
Pour rester simple, disons qu’il s’agit de la tension entre l’être-jus­
tifié et l’être-pécheur, qui est aussi bien tension entre un indicatif –
celui qui est devenu chrétien est effectivement libéré du péché – et
un impératif – celui qui est devenu chrétien est pourtant toujours
confronté aux puissances néfastes et doit se garder de mal agir.8 Or,
il est remarquable que, chez Paul, cette tension se concentre très
souvent dans les mêmes versets. Bultmann aborde ce problème en
formulant une question radicalement différente de celle qui domine
l’exégèse historico-critique (Baur, Holtzmann, Wernle, Weinel,
Juncker, Windisch9): « Comment l’antinomie dans les énoncés de
Paul est-elle fondée dans l’essence de la chose? Autrement dit: est-il
dans l’essence du δικαιωθείς qu’on puisse parler de son être-justifié
sous la forme d’un impératif comme sous celle d’un realis? ».10 Ré­
ponse: il y a pour le croyant une « identité entre don et action » qui

8 Voir Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), Ms 307a


Nr. 3, 56. Nous citons donc le document édité à la fin de cette étude (pages
383–384) d’après la signature des livres protocolaires rédigés à partir des sé­
minaires néo-testamentaires tenus par le théologien entre 1921 et 1951. Ces
livres ont longtemps été conservés aux Archives de la bibliothèque univer­
sitaire de Marburg sous la signature UniB Marburg 986/1–13 (voir Jaspert,
Sachgemässe Exegese, 1–2). Ils le sont désormais aux Archives de l’Université
de Marburg sous la signature UniA Marburg 307a Nr. 3. Nous utilisons cette
dernière référence avec l’aimable autorisation des Archives de l’université.
9 Les œuvres traitées, discutées et pour la plupart réfutées lors des précé­
dentes séances du séminaire sont les suivantes: Ferdinand Christian Baur,
Vorlesungen über neutestamentliche Theologie, hrsg. von Ferdinand Fried­
rich Baur, Leipzig 1864; Heinrich Julius Holtzmann, Lehrbuch der neutesta­
mentliche Theologie, Tübingen 1897; Paul Wernle, Der Christ und die Sünde
bei Paulus, Freiburg & Leipzig 1897; Heinrich Weinel, Biblische Theologie
des neuen Testaments. Die Religion Jesu und des Urchristentums, Tübingen
1911; Alfred Juncker, Die Ethik des Apostels Paulus, Band I, Halle 1904;
Hans Windisch, Taufe und Sünde im ältesten Christentum bis auf Origenes.
Ein Beitrag zur altchristlichen Dogmengeschichte, Tübingen 1908.
10 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 74.
370 Sylvain Camilleri

ne s’enracine nulle part ailleurs que « dans la foi ».11 Le croire est
l’agir propre du devenu-chrétien, en sorte que « les impératifs en Rm
6 sont à considérer comme ceux qui singularisent et décrivent la vie
d’un authentique croyant ».12
C’est dans ce contexte que Heid­eg­ger intervient sur « la vie de
l’homme dans la foi ».13 Son point de départ est Rm 6, 2214: « Mais
maintenant, libérés du péché et devenus esclaves de Dieu, vous por­
tez les fruits qui conduisent à la sanctification, et leur aboutissement,
c’est la vie éternelle ». Ce verset « où le τέλος de la vie du croyant
désigne la ζωὴ αἰώνιον caractérise l’existence du chrétien comme une
existence particulière dans la mesure où la finalité de la vie n’est autre
que la vie elle-même – que le vivre lui-même », commente Heid­eg­
ger.15 Nous avons là une première indication: l’expérience chrétienne
de la vie facticielle se définit par une certaine tautologie. Il n’y a en
cela aucune limite, au contraire. Ce qui fait la spécificité du vécu
chrétien, c’est qu’il s’éprouve lui-même dans l’espoir d’accéder au
sentiment de la vie comme telle. Ce à quoi il aspire n’est autre que
lui-même: il vise sa propre appropriation et donc, d’une certaine
manière, son auto-compréhension. Heid­eg­ger ne nie pas que le vécu
chrétien ait tendance à se disperser, mais sa fuite en avant s’opère
dans un dispositif temporel qu’encadre la venue du Christ et son re­
tour, deux événements qui déterminent sans cesse son présent même.
En effet, ne négligeons pas le contexte eschatologique de Rm 6, 22 et
la subtilité qui le caractérise. Si Paul fait du monde éternel la finalité
de la vie du croyant, jamais il ne s’appesantit sur le sujet, préférant
concentrer son propos sur ce qui en a instauré la possibilité en pre­
mière instance, à savoir la vie, la mort et la résurrection du Christ,
et ce qui en marquera l’avènement, à savoir la parousie. Le « Jour »
signifiera le début d’un être-toujours-avec-le-Seigneur16; ce qui veut
dire que jusque là, le chrétien n’est, pour ainsi dire, auprès de Lui
que par intermittence. La faute en revient au péché dont il est libéré
mais qui continue de le tenter et le pousse à se disperser, c’est-à-dire
à redevenir esclave du monde. Toujours est-il que l’existence chré­

11 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 78.


12 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 78.
13 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 78.
14 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.
15 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.
16 Voir 1 Th 4, 17, également 1 Th 2, 19; 3, 13, 4, 15; 5, 2; 5, 23; 1 Co 1, 8; 5,
5; 15, 23; 2 Co 1, 14; Ph 1, 6.10; 2, 16; Rm 2, 7; 5, 21; Ga 6, 8.
La première intervention de Heid­eg­ger 371

tienne est son propre ennemi comme sa propre voie de salut; ce qui
la rend absolument unique en regard des religiosités qui l’entourent.
Heid­eg­ger ne se prive donc pas d’accentuer son Eigenbeständig­
keit et son caractère quasi-palpable: « Cette finalité de la vie n’est
pas de celles qui se raccrochent artificiellement à la vie ; elle est bien
plutôt là dans la foi ».17 C’est bien l’idée que l’existence chrétienne se
débat avec ce qu’elle est – devenue – hic & nunc, comme en témoigne
le « maintenant » (νυνὶ) en ouverture de Rm 6, 22. Le chrétien est
croyant; la foi est donc ce qu’il est, mais elle est aussi bien que ce qu’il
a. Aussi aspire-t-il à s’avoir dans l’être afin d’accéder à cette « sanc­
tification » qui fera de son existence une « vie éternelle en Christ Jé­
sus notre Seigneur » (Rm 6, 22–23). Si Heid­eg­ger confirme que Paul
« voit l’existence concrète du chrétien à partir de ce τέλος »18 qu’est à
ses yeux la ζωὴ αἰώνιον, c’est qu’il suppose connue de ses auditeurs les
subtilités de la conception néo-testamentaire du temps. Contraire­
ment aux Grecs, les proto-chrétiens ne distinguent pas entre le temps
et l’éternité. Cette dernière est conçue par eux, non comme le ré­
sultat de la suspension ou de l’abolition du temps, mais précisément
comme le passage à une autre ère du temps infini.19 Oscar Cullmann
explique à ce sujet: « Dans le Nouveau Testament l’αἰών futur est un
futur véritable, c’est-à-dire un futur temporel. Parler de l’αἰών qui
vient, sans garder toute sa valeur à son caractère temporel, est une
interprétation philosophique ».20 Or, cette dernière est précisément
celle dont Heid­eg­ger prend le contre-pied dans sa glose de Rm 6, 22:
il vise l’existence concrète et temporelle et non celle susceptible de se
transporter dans un espace hors-temps synonyme de repos. C’est ce
que confirme la suite de l’exposé, où le philosophe explique qu’au-
delà du verset pris en exemple plus haut, la « conscience que le chré­
tien a de soi, de Dieu et des possibilités de son agir est, en Rm 6, à
chaque fois caractérisée en tant que foi ».21 Il n’est certainement pas
exagéré de dire que ces trois types de conscience n’en font en réalité
qu’un en tant précisément qu’ils se rejoignent dans la πίστις. Le bap­
tême en la mort de Jésus Christ a entièrement changé la donne: il a

17 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.


18 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.
19 Oscar Cullmann, Christ et le temps. Temps et histoire dans le christia­
nisme primitif, Paris / Neuchâtel 1947, 32 et 44.
20 Oscar Cullmann, Christ et le temps, 46.
21 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.
372 Sylvain Camilleri

détruit le vieil homme en l’homme avant d’apporter une vie nouvelle


qui n’est envisageable qu’en Dieu et pour lui, et tout ce qui pourra
se faire – ou ne pas se faire – sera une manière de prendre position
vis-à-vis de Dieu et de celui qu’on est devenu grâce à lui. La foi se
présente donc comme le dénominateur commun à toutes les dispo­
sitions de la conscience: le chrétien ne – se – vit plus à partir d’une
croyance vierge mais d’une foi modalisée par l’événement-Christ.
Pour Heid­eg­ger, il s’ensuit que « croire » n’est pas un « acte mais
une modalité de l’être devant Dieu ».22 Cette redéfinition est par­
ticulièrement puissante en ceci qu’elle est formulée sur un registre
ontologique et non sur le seul registre doxique. Croire engage l’être
tout entier, et non pas seulement le cœur ou l’intellect considérés
traditionnellement comme les organes de la vie spirituelle. La foi
l’engage dans sa totalité car il n’est rien en lui qui ne soit touché par
son effectivité. Sa manière d’être-au-monde est totalement renver­
sée; autrement dit, il se retrouve jeté dans un état de crise généralisée
aussi inédit qu’irréversible.
Il apparaît ainsi que la « foi n’est pas une propriété », une qualité
ou un vulgaire attribut, « mais plutôt cela qui préoccupe le chré­
tien en tant qu’il est ».23 Comprenons que la foi est ce qui accapare
entièrement l’existence du chrétien et, par conséquent, détermine
sa relation pratique aussi bien que sa relation théorique au monde
et même, en amont de cela, la manière dont elle est au-monde ou
dans-le-monde.24 Il est également possible de s’appuyer sur un sens
en quelque sorte ontique de la notion de Besorgen pour retrouver
une autre dimension du sens ontologique de la foi, en l’occurrence
celui de pourvoir (à) l’existence chrétienne. Littéralement: lui don­
ner ce dont elle a un besoin impérieux, lui procurer ce qui lui est
absolument nécessaire afin de survivre. Mais rappelons surtout ceci:
c’est dans le dernier des premiers cours de Freiburg prononcés au
semestre d’été 1923 que Heid­eg­ger établit clairement et distincte­
ment que le Besorgen se révèle être un symptôme de la disposi­
tion ontologique encore plus profondément ancrée en nous qu’est
la Sorge.25 Or, c’est précisément cette proposition que nous retrou­

22 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.


23 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.
24 On se reportera au § 12 de Sein und Zeit où le philosophe le redira avec
force, synthétisant les résultats des premiers cours de Freiburg et de Marburg.
25 Voir Heid­eg­ger, Ontologie, GA 63, 86 et passim. Ce lien s’annonce dès le
La première intervention de Heid­eg­ger 373

vons ici sous une forme encore plus élaborée: « Pour l’homme, toute
possibilité d’être se tient dans le souci ».26 On pourrait croire que le
philosophe sécularise le modèle chrétien de l’existence, qu’il tire la
structure ontologique d’un schème ontique, mais cela nous semble
plutôt l’inverse en ce que la proposition précitée est mise entre pa­
renthèses tandis qu’au sortir de celle-ci se trouve la formule-clé, en
l’occurrence celle selon laquelle: « Pour le chrétien, la foi est cela qui
se tient dans le souci ».27
Dans l’existence croyante, la foi recouvre donc parfaitement le
souci – ou inversement. C’est là le « sens d’être du chrétien »28 qu’on
peut tirer des documents originels du christianisme primitif. Or,
Heid­eg­ger juge que rapportée à ce sens, la signification de « l’impé­
ratif » en Rm 6 « devient évidente ».29 Concrètement, cela veut dire
que l’impératif ne contredit pas l’indicatif mais s’inscrit dans son
prolongement. Les versets qui l’illustrent le mieux sont peut-être
Rm 6, 10 –11: « Car en mourant, c’est au péché que [Christ] est mort
une fois pour toutes; vivant c’est pour Dieu qu’il vit. De même vous
aussi: considérez que vous êtes morts au péché et vivants pour Dieu
en Jésus Christ ». Paul indique que ce qui doit être n’est autre que
ce qui est déjà: la mort au péché et la vie en Christ sont des réalités
pour qui sait la voir avec les « yeux du cœur » (Ep 1, 18) qui ne sont
autres que les yeux de la « foi » (2 Co 5, 7). Ces deux lieux scriptu­
raires ne sont pas convoqués dans l’exposé que nous étudions mais
le sont dans une note isolée de 1918 intitulée « Le caractère donateur
dans le phénomène de la foi ».30 Ce que la foi donne, c’est justement
de comprendre qu’il n’y a pas d’écart entre l’indicatif et l’impératif,

cours du WS 1921/1922: voir Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpretatio­


nen zu Aristoteles, GA 61, 107, 110, 135–140, 184. On le trouve aussi dans
les cours et textes du SS 1922: voir Heid­eg­ger, Phänomenologische Interpre­
tationen ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles, GA 62, 56 sq., 65 sq.,
92, 144, 268, etc., et Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA
62, 353 sq., 388 et 410. On le retrouve enfin dans le cours du WS 1923/1924:
voir Heid­eg­ger, Einführung in die phänomenologische Forschung, GA 17,
61, 105–107, 282–287, 317, 319.
26 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.
27 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79.
28 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79 –80.
29 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 79 –80.
30 Cette note n’a été éditée et publiée que récemment par Theodore Kisiel
dans son étude: Notes for a Work on the ‹ Phenomenology of Religious Life ›
(1916–1919), in: Sean J. McGrath & Andrezj Wiercinski (Hrsg.), A Compa­
374 Sylvain Camilleri

c’est-à-dire que le second n’est qu’une manière de dire le premier


autrement: « ἀνθρώπινον λέγεν διὰ τὴ ἀσθένειαν τῆς σαρκὸς ὑμῶ » (Rm
6, 19a), c’est-à-dire: « J’emploie des mots tout humains, adaptés à
votre faiblesse ».
Puisque le problème de l’impératif en Rm 6 a principalement trait
à la parénèse – c’est du moins ainsi que l’aborde Bultmann depuis
le début de son séminaire –, Heid­eg­ger en vient à l’examiner di­
rectement du point de vue de l’éthique. Son raisonnement est des
plus simples: « Dans la mesure où tout agir se tient dans la foi, l’agir
éthique en tant qu’éthique se voit relevé ».31 Nous croyons que le
vocabulaire employé n’est pas innocent. Heid­eg­ger semble bien pen­
ser le processus de mutation du sittliches Handeln dans les termes
de l’Aufhebung hégélienne. Rm 6 démontre en effet comment Paul
affirme, nie puis relève – dépasse ou surpasse – l’agir éthique dans
sa dimension éthique. Soyons plus précis. Dans un premier temps,
l’Apôtre commence par reconnaître que la vie chrétienne a ses im­
pératifs puisqu’il exhorte les croyants à se comporter d’une certaine
manière. Dans un second temps, il conteste que ces impératifs aient
un caractère impératif en vertu de ce qu’il proclame, à savoir que
les croyants sont déjà morts au péché et vivant pour Dieu en Jésus
Christ. Dans un troisième et dernier temps, il fait éclater cette op­
position en renvoyant les chrétiens à leur foi: « Mais si nous sommes
morts avec Christ, nous croyons que nous vivrons aussi avec lui »
(Rm 6, 8). Par conséquent, l’agir éthique n’est plus compris dans l’ho­
rizon de l’éthique mais dans celui de la πίστις seule. Il peut conserver
son nom, voire même son apparence, mais son sens est transfiguré.
Considéré « de l’extérieur, écrit Heid­eg­ger, l’agir du chrétien est un
fait éthique »32. Mais vu de l’intérieur, il est devenu autre chose, en
l’occurrence un fait eschatologique, car l’agir du chrétien consiste
essentiellement à vivre en attendant la parousie, c’est-à-dire à (se)
supporter dans la foi jusqu’au retour du Christ.33

nion to Heid­eg­ger’s Phenomenology of Religious Life, Amsterdam / New


York, 2010, 320.
31 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
32 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
33 Voir sur ce point Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Reli­
gion, GA 60, 146, où le philosophe évoque le croisement de l’« eschatologie »
et de la « facticité » au sein de « heilsgeschichtlichen Fakten ». Voir également
Rudolf Bultmann, Glauben und Verstehen, Band I [1933], sechste Auflage,
Tübingen 1966, 332: « Denn er [Christus] ist die eschatologische Tat Gottes,
La première intervention de Heid­eg­ger 375

L’interprétation heid­eg­gerienne de Rm 6 laisse donc apparaître


que la foi est loin de ne concerner que la conscience car, dans le
Corpus Paulinum plus qu’ailleurs, la conscience n’existe qu’en vertu
d’un tout qui la porte à l’existence. Aussi Heid­eg­ger peut-il énoncer
que l’« être croyant embrasse l’être de l’homme dans sa totalité »34;
ce qui revient à dire qu’on ne peut croire authentiquement qu’à la
condition de s’engager sans reste dans un mode de vie, à la condition
de faire de la foi la précompréhension de tout ce qu’on vit. Notons
que ce procès s’accomplit concrètement dans une alliance d’activité
et de passivité. D’après notre philosophe, « être croyant signifie »
précisément « laisser chaque situation être dominée par le regard
en direction de Dieu ».35 Cette structure nous semble correspondre
à ce que la phénoménologie de la religion la plus récente nomme
attentionnalité, c’est-à-dire un mode de rapport à soi, à autrui, au
monde et à Dieu complémentaire mais distinct de l’intentionnalité
en ce qu’il concerne précisément das ganze Sein et non seulement
das Bewusstsein.36 On parle ici d’un s’ouvrir intégral à ce qui est ainsi
qu’à ce qui (ad)vient, d’une réceptivité opérant sur un plan subsu­
mant le cognitif et l’affectif. Car regarder en direction de Dieu n’est
pas seulement penser à Dieu ni même le sentir, mais vivre continuel­
lement comme si rien n’était possible sans Dieu.37
Heid­eg­ger résume cela en disant qu’être croyant, c’est en défi­
nitive « se-mettre-dans-la-situation concrète » où l’on ne peut plus

die alle Volksgeschichte als der Sphäre des Handeln Gottes mit den Men­
schen ein Ende macht ». Peut-être pouvons-nous avancer que Heid­eg­ger re­
trouve par là le sens originel du terme Sitte (que Hegel ne prend pas vrai­
ment en vue): une manière de se conduire, c’est-à-dire une certaine manière
d’être – ici d’être coram Deo.
34 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
35 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
36 Voir Natalie Depraz, Le corps glorieux. Phénoménologie pratique de la
Philocalie, des Pères du Désert et des Pères de l’Église, Leuven 2008, et An­
thony J. Steinbock, Phenomenology & Mysticism. The Verticality of Reli­
gious Experience, Bloomington & Indianapolis 2007. Tous deux s’appuient
en partie sur Edmund Husserl, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Texte
aus dem Nachlass (1893–1912), Husserliana XXXVIII , hrsg. von Thomas
Vongehr und Regula Giuliani, Dordrecht 2004.
37 Deux brèves remarques ici: 1. – insistons sur la dimension temporelle de
cette proposition donnée dans l’adverbe « continuellement »; 2. – précisons
que le « comme » en question est fondamentalement herméneutique.
376 Sylvain Camilleri

exister qu’à travers Dieu.38 Précisons: non pas seulement à travers le


regard que nous portons sur Dieu mais, en vertu de l’attentionnalité
précitée, à travers le regard que Dieu lui-même porte sur nous.39 Et
soulignons que la notion de Situation a dans la terminologie proto-
heid­eg­gerienne une portée foncièrement herméneutique: la « situa­
tion est pour nous quelque chose qui appartient au comprendre ac­
complissant »; elle passe pour ce qui fait « l’unité d’une multiplicité »,
en sorte qu’elle « ne saurait être limitée à un domaine d’être particu­
lier, ni même projetée dans la ‹ conscience › ».40 Elle désigne ce dans
quoi le soi se trouve irrémédiablement empêtré mais aussi ce en quoi
il est le plus proprement lui-même; par où il est absolument « néces­
saire de comprendre la situation de Paul pour comprendre les phéno­
mènes » à l’œuvre dans ses Épîtres.41 Dès lors, on n’a pas de difficulté
à saisir comment Heid­eg­ger peut soutenir que « tous les impératifs »
mentionnés en Rm 6 pointent en sa « direction ».42 Ils visent à mettre
le chrétien en face de l’état de choses qui est devenu le sien depuis
l’Événement-Christ et l’acceptation de la proclamation. Puisque sa
vie a tendance à se disperser, à fuir devant elle-même – et donc de­
vant Dieu – en dédoublant sa perception de la réalité, les impératifs
ont vocation à confronter l’homme à lui-même – et donc à Dieu. Ils
bouchent pour ainsi dire des angles morts dans lesquels le chrétien
est tenté de se réfugier contre le caractère insupportable de la dé­
tresse qui lui est imposée avant le Jour. Ce faisant, ils ne créent rien
ex nihilo, pas même une obligation; ils se contentent « d’atteindre
l’être du chrétien dans la foi ».43
Heid­eg­ger entend faire la preuve de ce qu’il avance par le texte et,
pour ce faire, se penche sur le terme « παραστήσατε » en Rm 6, 1344:
« Ne mettez plus vos membres au service du péché comme armes
de l’injustice, mais, comme des vivants revenus d’entre les morts,
avec vos membres comme armes de la justice, mettez-vous au ser­
vice de Dieu ». Ce dernier membre bénéficie d’une interprétation

38 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.


39 Cette réciproque se rapproche du propos tenu par la théologie dialec­
tique – en particulier par Barth dans le Römerbrief.
40 Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60, 90, 92
et 91.
41 Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60, 105.
42 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
43 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
44 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
La première intervention de Heid­eg­ger 377

explicitante approfondissant substantiellement sa signification ap­


parente. Notre philosophe retraduit en effet: « un se juger comme
mis à disposition de Dieu ».45 Exemple privilégié de l’impératif en
Rm 6, παραστήσατε n’indique pas une contrainte en provenance de
l’extérieur mais une nécessité toute intérieure de réorienter son soi
– et donc son attention – vers ce qui sauve en coïncidant enfin avec
l’être-chrétien qu’on est devenu. Dans cette configuration, le mot-
clé semble être celui de Hingabe. Paul enjoint effectivement à l’aban­
don en deux sens au moins: abandonner définitivement son ancienne
vie – au service de l’injustice – en réalisant qu’on est bien mort au
péché; s’abandonner à la volonté de Dieu qui a permis cette transi­
tion vers une vie nouvelle – au service de la justice. Dès lors, on ne
s’étonne pas que, trois ans auparavant, Heid­eg­ger ait pu identifier
l’« ‹ abandon › absolu », authentique « amour de Dieu », au sens le
plus propre de la « foi »46.
En clair: le mode impératif du se-disposer de Rm 6, 13 n’est en
fait qu’une variation sur le mode indicatif du croire; il ne sert qu’à le
dire autrement car, en définitive, il s’agit bien de s’abandonner afin
de se comprendre tel qu’on est déjà devenu devant Dieu ou même
en lui.47 Notons bien que si le sens de l’impératif est pour ainsi dire
bordé par la foi, c’est bien que le croyant peut se laisser être dans
une certaine disposition sans toutefois avoir de prise sur ce qu’il ad­
viendra de lui. Le chrétien se dispose, mais c’est Dieu qui dispose.
L’indicatif comme l’impératif appartiennent à Dieu et relèvent de sa
grâce. L’homme, lui, se met à la disposition du premier et s’aban­
donne aux effets de la seconde; en sorte que « devenir croyant ne
signifie pas créer de nouvelles possibilités, mais tirer parti à chaque
instant de la possibilité que le chrétien existe dans la temporalité ».48
Ici, Heid­eg­ger déploie une approche kairologique – au sens
chrétien et non hellénico-romano-hellénistique – de la proclama­
tion paulinienne.49 L’Augenblick qu’il s’agit d’exploiter n’est pas un
espace infini de liberté mais une ouverture qui se referme en un clin

45 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.


46 Heid­eg­ger, Augustinus und der Neuplatonismus, GA 60, 260.
47 Voir Heid­eg­ger, Grundprobleme der Phänomenologie, GA 58, 168.
48 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), Ms 307a
Nr.  3, 80.
49 Heid­eg­ger s’inscrit en cela dans le prolongement de son introduction
à la phénoménologie de la religion du WS 1920/1921. On prendra soin de
comparer ce cours à ceux des années 1921–1923 sur Aristote pour bien voir
378 Sylvain Camilleri

d’œil. Or, cette ouverture, expression paradoxale d’une contraction


du temps, n’est pas le lieu d’un devoir-être mais simplement celui
d’un être-là, d’un exister. C’est déjà bien assez; et c’est déjà bien
assez difficile de s’approprier son soi dans de telles circonstances.
Car rappelons que le temps est compté. L’instant est certes répé­
table, mais chacune de ses occurrences marque une avancée vers la
Fin des temps. La situation ne cesse de s’intensifier et les difficultés
de s’amplifier. Au fur et à mesure que les καιροί décrétés par Dieu
se succèdent, les chances d’être soi dans la foi s’amenuisent. Citons
Rm 13, 11 à ce propos: « Au surplus, vous savez dans quel καιρός
nous vivons: c’est déjà l’ὥρα de vous réveiller de votre sommeil, car
la salut est νῦν plus près de nous que lorsque nous avons cru pour la
première fois ». Chaque instant étant unique et irremplaçable, aucun
ne saurait être gaspillé à se projeter hors de cette hiéro-temporalité
définie triplement par le καιρός passé de la mort et de la résurrection
du Christ, par le καιρός présent de la foi et par le καιρός futur de la
parousie. Ce schéma éclaire en quel sens Heid­eg­ger avance que « la
conscience de l’existence toute entière est reliée au τέλος ».50 D’après
Paul, le τέλος ne peut être que le Christ. Or, celui-ci incarne juste­
ment les trois moments précités: au passé comme ce qui fonde la
foi, au présent comme ce dont la foi vit, au futur comme ce que la
foi attend fébrilement. Cela dit, en se reliant au Christ, le chrétien
ne tend pas à saisir l’insaisissable ou à prévoir l’imprévisible mais à
s’accomplir dans son présent qui, si tendu soit-il, demeure son seul
moyen d’épouser la temporalité saccadée dans laquelle il est entraîné
presque malgré lui. En effet, en tant que ce à travers quoi il se rap­
proche de la Fin, le présent vivant se donne comme sa finalité pri­
vilégiée. Heid­eg­ger le dit à sa manière en répétant que « le τέλος de
ma vie est la vie en tant que ζωὴ αἰώνιον, quelque chose par rapport
auquel je suis et me vois en tant que croyant ».51
Il n’y a pas d’autre solution que de s’appuyer sur sa propre vie
pour accéder à la vie éternelle décrite plus haut. Notre philosophe lie
les deux seuls versets évoqués explicitement jusqu’ici: Rm 6, 22–23
et 6, 13. Son objectif? Montrer que l’appropriation de son soi dans

la différence entre καιρός paulinien et καιρός grec – aristotélicien, mais aussi


stoïcien.
50 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), Ms 307a
Nr. 3, 80.
51 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 80.
La première intervention de Heid­eg­ger 379

le présent se concentre en dernier lieu dans l’alternative tranchante


entre mort et vie. Le salaire du péché, c’est la mort. Or, le chrétien est
mort au péché et donc revenu d’entre les morts parmi les vivants. Il
peut ainsi espérer la vie éternelle. Mais enfin: va-t-il le comprendre?,
va-t-il être celui qu’il est en vérité grâce à la grâce?, va-t-il se voir et
se vivre comme le croyant qu’il est devenu? Cette problématique a
des répercussions directes sur la question de l’éthique. La situation
ad hoc des proto-chrétiens – si près de l’événement passé de la mort
et de la résurrection et de l’événement futur de la parousie – fait que
le présent a la priorité absolue. Il n’y pas le temps pour la formation
de commandements nouveaux; il y en a à peine assez pour servir le
καιρός concrètement malgré la pression en tentant d’être à la hau­
teur de l’indicatif établi par Dieu, c’est-à-dire de vivre le temps en
croyant aimant et obéissant.
Après παραστήσατε en Rm 6, 13, Heid­eg­ger s’arrête sur le terme
« λογίζεσθε en Rm 6, 11 »52: « Ainsi vous aussi: considérez que vous
êtes morts au péché et vivant pour Dieu en Jésus Christ ». Ici en­
core, il veut être plus précis que l’exégèse courante; ce qui implique
de commencer par détruire, c’est-à-dire par exclure les compréhen­
sions de λογίζεσθε non conformes à l’accomplissement du vécu pro­
to-chrétien. Parmi elles, le philosophe en cible deux en particulier:
par λογίζεσθε , Paul « ne vise pas un statuer théorique ou bien un
disputer cogitatif ».53 Vivre pour Dieu en Jésus Christ n’est pas un
état sous-tendu par une discussion et des arguments, comme si l’on
avait besoin d’être convaincu ou de se convaincre rationnellement
qu’on est bien mort au péché pour renaître. Cette expérience n’est
pas la conséquence d’un jugement constitué54, fut-il le résultat d’une
méditation. Elle n’a pas à lutter pour s’imposer au croyant car elle
s’offre à lui immédiatement comme un don gratuit de Dieu. Pour
l’accepter, le chrétien n’a pas à réfléchir mais seulement à en tenir
compte, c’est-à-dire à en prendre conscience et à la porter à son ac­
tif (2 Co 10, 7 ; Ph 4, 8). C’est en regard de cela que Heid­eg­ger peut
ensuite définir le λογίζεσθε positivement comme « la conscience spé­
cifique que possède l’homme en tant qu’il se traite lui-même pra­

52 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 81.


53 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 81.
54 Contra Adolf Jülicher, Der Brief an die Römer, in: Johannes Weiss (Hrsg.),
Die Schriften des Neuen Testaments, Bd. II, Göttingen 1907, 36.
380 Sylvain Camilleri

tiquement, s’interroge lui-même et communie avec lui-même ».55 Il


s’agit bien de se transporter, se vivre, se voir et se comprendre dans
la situation concrète inédite dont les contours ont été esquissés plus
haut: le croyant est appelé à se compter parmi les acteurs détermi­
nants d’une histoire du salut sur le point de connaître un tournant
majeur et même décisif.
Il faut insister sur la dimension de praxis du λογίζεσθε en recon­
duisant le propos paulinien à l’alternative entre croire et ne pas croire,
qui est une décision qui ne peut se prendre qu’en son for intérieur,
non sur la base d’une démonstration logique mais d’une soumission
active à l’état de choses pour peu qu’on accepte de le reconnaître.
Heid­eg­ger fait écho à cela en parlant d’un « être circonspect vis-à-vis
de ce que je fais ».56 Ne voyons pas là un regain de prudence réflexive
mais le signe d’une décision pesante exigeant le δοκιμάζειν, cette as­
sociation improbable de l’examen avisé et de l’inspiration sponta­
née résultant de l’absorption de notre volonté dans celle de Dieu.57
Dans son Einleitung in die Phänomenologie der Religion de
1920/1921, Heid­eg­ger reconduisait le δοκιμάζειν au savoir expé­
rientiel de la foi.58 C’est précisément ce caractère expérientiel que
le philosophe s’efforce de retrouver en Rm 6, 11 en disant finale­
ment du λογίζεσθε qu’il est « accomplir explicitant de la conscience
croyante ».59 La foi n’est ni une pensée ni un cri, mais un mode du
se-vivre et du se-comprendre concrètement devant quelque chose
qui nous dépasse – qu’on situe ce quelque chose, cet Autre ou ce
Tout-Autre, Dieu, à l’intérieur ou à l’extérieur de la conscience. La
foi appelle à la clarification de sa situation. Or, si cette clarification
peut se réaliser à travers des mots, le langage qui les porte ne fait
que traduire une manière d’être-soi-dans-le-monde conforme à la
nouvelle donne chrétienne. Si donc le λογίζεσθε pointe bien vers la
conscience, il ne peut s’agir que de la conscience d’accomplir au sein
d’une existence (Da-sein) conséquente la conscience vécue de la foi
acquise en vertu de l’acceptation de la proclamation. Aussi Heid­
eg­ger peut-il déclarer que « la foi est en même temps la conscience
spécifique que le chrétien a de lui-même, en sorte que la foi do­

55 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 81.


56 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 81.
57 Voir Cullmann, Christ et le temps, 164–165.
58 Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60, 113.
59 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 81.
La première intervention de Heid­eg­ger 381

mine également la conscience de soi ».60 Ce qui distingue le chrétien


d’entre ses contemporains, c’est que sa relation au monde exclut
de faire l’économie de sa relation à soi. Quoi de plus normal étant
donné que son monde de la vie (Lebenswelt) a son centre de gravité
dans son monde propre (Selbstwelt) qui est aussi le monde de ses
expériences intérieures au premier rang desquelles celle de la foi?61
La chute de l’exposé heid­eg­gerien est à la fois dramatique et énig­
matique. Ses développements sur la vie de l’homme dans la foi en
Rm conduisent finalement le philosophe à déclarer qu’ « on ne peut
comprendre toute l’attitude dans le chapitre 6 qu’en tant que lecteur
croyant ».62 Cette affirmation doit être lue sur deux plans distincts
mais complémentaires.
Le premier plan fait référence au problème de l’empathie.63 On
ne peut prétendre accéder au sens des paroles pauliniennes à moins
de se transposer dans la situation de Paul au sens bien précis d’ac­
complir avec lui l’écriture de l’Épître64, c’est-à-dire reparcourir le
chemin motivationnel qui l’a conduit à proclamer ce qu’il proclame
comme il le proclame. On est ici aux limites du comprendre phéno­
ménologique en ceci qu’un rien sépare la fusion des horizons de la
confusion. Le second plan fait corrélativement écho à l’interroga­
tion quant à la possibilité même de comprendre philosophiquement
le Nouveau Testament qui taraude Heid­eg­ger depuis l’affirmation
ambiguë de l’a-théisme de la philosophie en 1921.65 Il faudrait croire
pour comprendre, mais comprendre intégralement demanderait un
questionnement radical que la foi n’est peut-être pas à même de
supporter. Cela dit, c’est probablement en faisant en soi l’épreuve

60 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 81.


61 Heid­eg­ger, Grundprobleme der Phänomenologie, GA 58, 61.
62 Heid­eg­ger, Referat im Bultmann-Seminar (10. Januar 1924), 81.
63 Voir Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,
85 et 88–90. Heid­eg­ger reconnaît l’extrême difficulté d’entrer en empathie
avec Paul et tente de se frayer un chemin entre deux extrêmes: ceux qui se
tiennent à distance de la situation par souci d’objectivité scientifique et au
motif que le monde ambiant de Paul ne nous est plus accessible, et ceux qui
fantasment et s’enthousiasment de trop avec l’Apôtre, faisant ainsi disparaî­
tre cet écart critique sans lequel aucune compréhension au sens propre n’est
possible.
64 Voir Heid­eg­ger, Einleitung in die Phänomenologie der Religion, GA 60,
87 et 100.
65 Voir Heid­ eg­ger, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles,
GA 61, 197; Heid­eg­ger, Anzeige der hermeneutischen Situation, GA 62, 28.
382 Sylvain Camilleri

concrète de ce paradoxe que le philosophe devient capable de dire


quelque chose d’essentiel à propos de la religiosité proto-chrétienne.
Que conclure, sinon que l’histoire de la relation entre Heid­eg­ger
et Bultmann s’origine indéniablement dans ce séminaire sur l’éthique
de Paul, autrement dit que le dialogue le plus fructueux entre la phi­
losophie et la théologie au XX e siècle s’est noué pour la première
fois autour de l’exégèse scripturaire. Cette donnée inspirera notre
remarque finale selon laquelle, en définitive, Heid­eg­ger et Bultmann
n’auront jamais été aussi proches qu’au moment où ils se sont ren­
contrés, en ce début du semestre d’hiver 1923/1924, à Marburg.
Protokoll von Heid­eg­gers Referat im Bultmann-Seminar
(Martin Stallmann)

Referat von Martin Heid­eg­ger über den Römerbrief im Seminar von


Rudolf Bultmann »Die Ethik des Paulus« (WS 1923/1924), Sitzung
am 10. Januar 1924. Text des Protokolls von Martin Stallmann.1

[78] Zum Schluss führte Herr Prof. Heid­eg­ger etwas Folgendes über
das Leben des Menschen im Glauben [79] aus:
»Röm 6, 22, wo als das <τέλος> des Lebens des Gläubigen die <ζωὴ
αἰώνιον> bezeichnet wird, charakterisiert das Dasein des Christen als
ein eigentümliches insofern, als das Ende des Lebens selbst Leben
ist. Dies Ende des Lebens ist nicht ein solches, das sich an das Leben
anschließt, sondern es ist da im Glauben. Von diesem <τέλος> aus
wird das konkrete Dasein des Christen gesehen.
Weiter ist in Röm 6 alles Bewusstsein des Christen von sich, von
Gott, von den Möglichkeiten seines Handelns charakterisiert als
Glauben. D. h. Glauben ist nicht ein Akt, sondern eine Weise des
Seins des Menschen vor Gott. Glaube ist nicht eine Eigenschaft, son­
dern es ist das, was der Christ als Seiender besorgt. (Für den Men­
schen steht jede Seinsmöglichkeit in der Sorge). Für den Christen
ist der Glaube das, was in der Sorge steht.
Der Imperativ wird selbstverständlich durch [80] den Sinn des
Seins des Menschen. Sofern jedes Handeln im Glauben steht, wird
sittliches Handeln als sittliches aufgehoben. Von außen gesehen ist
die Handlung des Christen sittliche Tat.
Glaubend sein umfasst das ganze Sein des Christen. Jede Situ­
ation, jede Handlung durchherrscht sein lassen von dem Blick auf
Gott, das heißt glaubend sein. So bedeutet es ein Sich-stellen-in die
konkrete Situation. – In diese Richtung weisen alle Imperative. Sie
wollen das Sein des Christen im Glauben treffen.
So ist z. B. mit den <παραστήσατε> in v. 13 gemeint: ein sich hal­
ten als zur Verfügung gestellt für Gott. Gläubig werden heißt aber

1 Der Text stammt aus den Protokollheften der Seminare Bultmanns, die
im Universitätsarchiv Marburg verwahrt werden (Signatur : UniA Marburg
307a Nr. 3). Die in eckigen Klammern angegebenen Seitenzahlen beziehen
sich auf die Originalpaginierung des Manuskripts, Seiten 78–81 des Proto­
kollhefts. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des
Universitätsarchivs.
384 Protokoll von Heideggers Referat

nicht neue Möglichkeiten schaffen, sondern in jedem Augenblick


die Möglichkeit ausnützen, die dem Christen in der Zeitlichkeit da
ist. Dabei ist das ganze Daseins bewusstsein bezogen auf das τέλος.
Das τέλος meines Lebens ist das Leben als <ζωὴ αἰώνιον>, etwas,
auf das zu ich bin und als Gläubiger mich sehe.
[81] In dem Sinne ist auch der Ausdruck <λογίζεσθε> in v. 11
zu verstehen. Damit ist nicht gemeint ein theoretisches Entschei­
den oder ein überlegendes Disputieren, sondern das spezifische Be­
wusstsein, das der Mensch hat, sofern er praktisch mit sich umgeht,
mit sich zu Rate geht, ein umsichtig sein, im Umkreis dessen, was
ich tue. <λογίζεσθε> ist explizierendes Vollziehen des gläubigen Be­
wusstseins. Glauben ist zugleich das spezifische Bewusstsein, das der
Christ von sich hat so, dass der Glaube auch das Selbstbewusstsein
durchherrscht.
So kann man die ganze Haltung im Kapitel 6 nur als gläubiger
Leser verstehen«. –

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