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Muslimfeindlichkeit –

Eine deutsche Bilanz


2023
1

Vorwort

Musliminnen und Muslime sind seit vielen Jahr-


zehnten Teil unserer Gesellschaft. Dennoch wer-
den sie oftmals wegen ihres Glaubens angefeindet,
ausgegrenzt und ausgeschlossen. Das erleben
auch Menschen, die für Muslime gehalten werden.

In Deutschland leben ca. 5,5 Millionen Menschen


muslimischen Glaubens, von denen die Mehrheit
deutsche Staatsangehörige sind. Wenn wir also
über Muslim- oder Islamfeindlichkeit sprechen,
dürfen wir nicht vergessen, dass sie keine abstrakte
Gruppe, sondern konkret unsere Kolleginnen,
Nachbarn, Schulkameraden und Freundinnen trifft.

Was ist Muslimfeindlichkeit genau? Wie wirkt


sich Muslimfeindlichkeit auf unterschiedliche Wir müssen Tendenzen der Ausgrenzung und
Bereiche unseres Lebens und Alltags aus? Und Spaltung frühzeitig aufhalten und entschieden
was können wir tun, um Muslimfeindlichkeit in für den Fortbestand unseres freiheitlichen
Deutschland zu begegnen? demokratischen Zusammenlebens eintreten.

Mit diesen und anderen – häufig bislang wenig Ich danke den Expertinnen und Experten des
untersuchten – Fragestellungen hat sich in den Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlich-
letzten Jahren im Auftrag des Bundesinnenminis- keit daher ausdrücklich auch für die konkreten
teriums der Unabhängige Expertenkreis Muslim- Handlungsempfehlungen, die darauf zielen,
feindlichkeit beschäftigt. Mit seinem Abschluss- Muslimfeindlichkeit in Deutschland besser zu
bericht wird nun erstmals eine umfassende bekämpfen. Sie richten sich an vielfältige Stellen in
Bestandsaufnahme über das Phänomen Muslim- Politik und Verwaltung, aber auch an nichtstaat­
feindlichkeit in Deutschland, seine Wirkweisen liche Akteure und unsere Gesellschaft insgesamt.
und Erscheinungsformen vorgelegt.
Denn der Bericht zeigt auch: Es liegt an uns – an
Dass die Menschen in Deutschland sicher leben jeder und jedem Einzelnen – hinzusehen und zu
können, ist oberste Maxime staatlichen Handelns. handeln.
Ich habe immer deutlich gesagt: Wir dürfen Hass
und Hetze keinen Raum lassen und müssen Es gilt nun, sich ernsthaft mit den Empfehlungen
uns geschlossen allen Formen von Rassismus, des vorliegenden Berichtes auseinanderzusetzen
Extremismus und gruppenbezogener Menschen- und entschlossen gegen Muslimfeindlichkeit
feindlichkeit entgegenstellen. vorzugehen.

Nancy Faeser
Bundesministerin des Innern und für Heimat
2 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 1

Inhaltsverzeichnis 2

Zusammenfassung Abschlussbericht UEM 6

Zentrale Handlungsempfehlungen 16

1 Muslimfeindlichkeit: Ein (un)sichtbares und reales Problem für alle!  19


1.1 Zusammensetzung des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit ..................................... 20
1.1.1 Ziele des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit ................................................... 21
1.1.2 Arbeitsweise des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit .................................... 21

2 Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung  23


2.1 Arbeitsdefinition: Muslimfeindlichkeit ......................................................................................................... 23
2.2 Begriffsdiskussion der Kernkonzepte ............................................................................................................ 24
2.2.1 Islamfeindlichkeit .................................................................................................................................. 25
2.2.2 Islamstereotyp und Islamfeindbild ................................................................................................... 26
2.3 Antimuslimischer Rassismus ............................................................................................................................ 28
2.4 Historische Traditionslinien ............................................................................................................................. 31
2.5 Zum Verhältnis von Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus ................................................................ 32
2.6 Der Diskurs um Islamkritik .............................................................................................................................. 38
2.7 Instrumentalisierung von Muslimfeindlichkeit ........................................................................................... 40

3 Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland  43


3.1 Muslimfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung ................................................................................. 44
3.1.1 Übersicht zur Studienlage .................................................................................................................... 44
3.1.2 Facetten von Muslimfeindlichkeit ...................................................................................................... 46
3.1.3 Muslimfeindliche Einstellungen in Deutschland im Zeitvergleich ............................................. 47
3.1.4 Deutschland im europäischen Vergleich .......................................................................................... 55
3.1.5 Erklärungsfaktoren und Verbreitung in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ................. 56
3.2 Muslimfeindliche Straftaten ............................................................................................................................ 64
3.2.1 „Islamfeindliche Straftaten“ in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik .................................... 65
3.2.2 Übergriffe auf Moscheen ..................................................................................................................... 69
3.3 Muslimfeindliche Übergriffe und Diskriminierung .................................................................................... 70
3.3.1 Fallzahlen der Antidiskriminierungs­stelle des Bundes .................................................................. 71
3.3.2 NGOs mit Fokus auf Betroffene von muslimfeindlicher Diskriminierung ................................ 73
3.4 Fazit ...................................................................................................................................................................... 74
3.5 Handlungsempfehlungen................................................................................................................................. 76

4 Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit  78


4.1 Debatte über das Kopftuch (Hijab) ................................................................................................................ 78
Inhaltsverzeichnis 3

4.2 Beschneidungsdebatte ..................................................................................................................................... 81


4.3 Debatte über den Bau von Moscheen ........................................................................................................... 83
4.4 Debatte um „Ehrenmorde“ .............................................................................................................................. 86
4.5 Debatte um den „politischen Islam(-ismus)“ .............................................................................................. 88
4.6 Karikaturendebatte ........................................................................................................................................... 90
4.7 Debatte über „Clankrimi­nalität“ ..................................................................................................................... 93
4.8 Debatte über die „Kölner Silvesternacht“ ..................................................................................................... 95
4.9 Die „Kontaktschuld“-Frage ............................................................................................................................. 98

5 Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive  102


5.1 Die Relevanz der Betroffenenperspektive ................................................................................................. 102
5.2 Studien zu Diskrimi­nierungs­erfahrungen und Herausforderungen bei ihrer Erfassung ................. 104
5.2.1 Quantitative Studien........................................................................................................................... 105
5.2.2 Qualitative Studien ............................................................................................................................. 106
5.3 UEM-Hearing Betroffenenperspektive ...................................................................................................... 107
5.3.1 Dimensionen von Antimuslimischem Rassismus ........................................................................ 108
5.3.2 Veränderungen des Ausmaßes und der Erscheinungsformen von Antimuslimischem
Rassismus ............................................................................................................................................. 110
5.3.3 Umgang mit Antimuslimischem Rassismus .................................................................................. 111
5.3.4 Benannte Leerstellen in der Bekämpfung von Antimuslimischem Rassismus ...................... 112
5.3.5 Zusammenfassung und Bewertung ................................................................................................ 112
5.4 UEM-Fallstudie zu Auswirkungen von Moscheeangriffen auf Gemeindemitglieder ...................... 113
5.5 BAMF-Studie zu Diskrimi­nierungs­erfahrungen in der muslimischen Bevölkerung ......................... 114
5.6 UEM-Studie zu muslimischen Perspektiven (MuPe) in Deutschland .................................................. 118
5.6.1 Ergebnisse des quantitativen Teils .................................................................................................. 119
5.6.2 Ergebnisse des qualitativen Teils .................................................................................................... 126
5.7 Fazit ................................................................................................................................................................... 132
5.8 Handlungsempfehlungen ............................................................................................................................. 134

6 Bildung  136
6.1 Die pädagogische Programmatik in schulischer und außerschulischer Bildung ............................... 137
6.2 Die Phase der frühkind­lichen Bildung und Vorschule ............................................................................ 138
6.3 Muslimfeindlichkeit in der Schule ............................................................................................................... 140
6.3.1 Institutionelle und strukturelle Rahmenbedingungen ............................................................... 140
6.3.2 Erfahrungen und Wahrnehmungen von Schüler*innen und Lehrkräften im Fokus .............. 146
6.4 Hochschulen .................................................................................................................................................... 152
6.4.1 Muslimfeindlichkeit auf dem Campus ........................................................................................... 153
6.4.2 Forschungsförderung und -inhalte ................................................................................................. 154
6.5 Muslimfeindlichkeit im Kontext von außer­schulischer Bildung ........................................................... 155
6.5.1 Leerstellen in der außerschulischen politischen Bildung .......................................................... 155
6.5.2 Fortbildungen zu Muslimfeindlichkeit ........................................................................................... 158
6.5.3 Barrieren für Muslim*innen in der Kinder- und Jugendhilfe ..................................................... 159
6.5.4 Herausforderungen für muslimische Jugendverbände .............................................................. 162
6.6 Muslimfeindliche und rassistische Nebeneffekte von Radikalisierungs-
und Extremismusprävention ........................................................................................................................ 163
4 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

6.7 Fazit ................................................................................................................................................................... 166


6.8 Handlungsempfehlungen ............................................................................................................................. 167

7 Medien  170
7.1 Muslimfeindlichkeit in deutschen Massenmedien .................................................................................. 170
7.1.1 Vom stereotypen Mediendiskurs zur multikulturellen Öffentlichkeit:
Eine theoretische Einführung .......................................................................................................... 171
7.1.2 Forschungsstand .................................................................................................................................. 174
7.1.3 UEM-Studie zu Presse und Fernsehen ........................................................................................... 177
7.1.4 Wirkung von Muslimfeindlichkeit in Massenmedien .................................................................. 185
7.1.5 UEM-Hearing mit Journalist*innen zu Ursachen und Entstehungsbedingungen
von Muslimfeindlichkeit .................................................................................................................... 186
7.2 Muslimfeindlichkeit im deutschsprachigen Internet .............................................................................. 194
7.2.1 Muslimfeindlicher Hass im Internet: Eine theoretische Einführung ....................................... 195
7.2.2 Forschungsstand ................................................................................................................................. 196
7.2.3 UEM-Data-Mining-Studie ................................................................................................................ 198
7.2.4 Wirkung von Muslimfeindlichkeit im Netz ................................................................................... 203
7.2.5 UEM-Studie zu Instagram ................................................................................................................ 207
7.3 Christliche Medien .......................................................................................................................................... 212
7.3.1 UEM-Studie zu christlichen Onlinemedien .................................................................................. 213
7.3.2 Zu den Ergebnissen der UEM-Studie ............................................................................................. 213
7.4 Fazit ................................................................................................................................................................... 217
7.5 Handlungsempfehlungen ............................................................................................................................. 219

8 Politik  221
8.1 Muslimfeindlichkeit in der Exekutive ......................................................................................................... 221
8.1.1 Säkularismus und Institutioneller Rassismus: Eine theoretische Einführung
zu Muslimfeindlichkeit im liberal-demokratischen Staat .......................................................... 222
8.1.2 Politische Führungsämter .................................................................................................................. 224
8.1.3 Polizei .................................................................................................................................................... 231
8.1.4 Andere Behörden ................................................................................................................................ 235
8.2 Muslimfeindlichkeit in der Legislative ........................................................................................................ 237
8.2.1 Rassismus, Verfassungsfeindlichkeit und wehrhafte Parteiendemokratie:
Eine theoretische Einführung .......................................................................................................... 238
8.2.2 Politische Parteien ............................................................................................................................. 240
8.2.3 Der Deutsche Bundestag ................................................................................................................... 249
8.2.4 Muslimische Repräsentanz in deutschen Parteien und im Bundestag ................................... 255
8.2.5 Muslimfeindlichkeit in rechtsextremen politischen Bewegungen ........................................... 256
8.3 Muslimfeindlichkeit in der Judikative ......................................................................................................... 257
8.3.1 Vertrauen als Grundlage des Rechtsstaats ................................................................................... 257
8.3.2 Herausforderungen der Rechtspraxis zur Vermeidung von Muslimfeindlichkeit ................. 259
8.3.3 Muslimfeindliche Aspekte der rechtspolitischen Debatte um „Paralleljustiz“ und
„Parallelgesellschaften“ .................................................................................................................... 267
8.4 Fazit ................................................................................................................................................................... 269
8.5 Handlungsempfehlungen ............................................................................................................................. 270
Inhaltsverzeichnis 5

9 Religionspolitik  272
9.1 Das deutsche Religions­verfassungsrecht .................................................................................................. 272
9.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für muslimisches Leben in Deutschland ........................... 272
9.1.2 Reichweite und Grenzen der Religionsfreiheit .............................................................................. 275
9.1.3 Gefährdung der Religionsfreiheit für Muslim*innen durch gesellschaftliche Vorbehalte .. 276
9.2 UEM-Studie: „Die Islam­politik der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.
Entwicklungen, Positionen und Konfliktlinien“ ....................................................................................... 278
9.2.1 Die Haltung der demokratischen Parteien im Vergleich ............................................................ 279
9.2.2 Tendenzen zu offener Haltung ........................................................................................................ 282
9.2.3 Tendenzen zu Abgrenzung und zu Muslimfeindlichkeit ............................................................ 283
9.3 UEM-Hearing mit Religionsbeauftragten der im Bundestag vertretenen Parteien ......................... 284
9.3.1 Bündnis 90/Die Grünen ..................................................................................................................... 285
9.3.2 CDU/CSU .............................................................................................................................................. 286
9.3.3 Die Linke ............................................................................................................................................... 287
9.3.4 Freie Demokratische Partei (FDP) ................................................................................................... 288
9.3.5 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ......................................................................... 288
9.3.6 Alternative für Deutschland (AfD) .................................................................................................. 289
9.3.7 Zusammenfassung und Bewertung ................................................................................................ 289
9.4 Bedeutung interreligiöser Verständigung ................................................................................................. 290
9.4.1 Islam und Muslim*innen in inter­religiösen und gesellschaftlichen
Begegnungsformaten ........................................................................................................................ 290
9.5 Fazit ................................................................................................................................................................... 297
9.6 Handlungsempfehlungen ............................................................................................................................. 298

10 Kultur  300
10.1 Muslimfeindlichkeit im deutschen Film .................................................................................................... 300
10.1.1 Unterhaltungsmedien: Rassismuskritik vs. Reproduktion antimuslimischer Stereotype ... 301
10.1.2 Forschungen zu Migration und Islam im Film ............................................................................. 302
10.1.3 UEM-Film-Studie ............................................................................................................................... 305
10.2 Muslimfeindlichkeit im deutschen Theater .............................................................................................. 310
10.2.1 Eine theoretische Einordnung der Analyseergebnisse ............................................................... 311
10.2.2 Islam und Muslim*innen auf deutschen Bühnen ........................................................................ 312
10.3 Muslimfeindlichkeit im deutschen Ausstellungswesen ................................................................. 317
10.3.1 Gegenwärtige Debatten in der Museums­forschung ..................................................................... 318
10.3.2 UEM-Hearing mit Expert*innen ..................................................................................................... 319
10.4 Fazit ................................................................................................................................................................... 326
10.5 Handlungsempfehlungen ............................................................................................................................. 327

Literaturverzeichnis  329

Verzeichnisse  388

Externe Expertisen: Studien, Gutachten und Hearings  392

Impressum 396
6 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Zusammenfassung Abschlussbericht UEM

Gleichberechtigte Teilhabe: bewusster Diskriminierung und Angriffen aus


Auftrag und Lebensgrundlage des dem rechtsradikalen und rechtspopulistischen
Spektrum der Gesellschaft und Parteienland-
demokratischen Rechtsstaats schaft beginnen. Eine Fülle repräsentativer Unter-
suchungen zeigt, dass sich Muslimfeindlichkeit
Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am in großen Teilen der Bevölkerung findet. Unbe-
demokratischen Rechtsstaat ist dessen zentraler wusste Vorverständnisse, Fehlinformationen und
Auftrag und eine weitgehend geteilte Erwartung pauschale Ängste, aber auch strukturelle Benach-
in Gesellschaft und staatlichen Institutionen. teiligungen führen zu einer rechtsstaatswidrigen
Ebenso wichtig ist ein vorurteilsfreier und res- und feindlichen Spaltung der Gesellschaft in ein
pektvoller Umgang im Alltagsleben. Das gilt auch ‚Wir‘ und ‚die Anderen‘. Den ‚Anderen‘ werden
für die muslimische Bevölkerung als eine der am dabei (vermeintlich) unveränderbare und nega-
meisten unter Druck stehenden Minderheiten im tive Eigenschaften zugeschrieben, die vor allem
Land. Der Einsatz für die Gleichberechtigung aller im Gegensatz zum Eigenbild der ‚Wir‘-Gruppe
ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe; er darf stehen. Diese Veranderung (vom Engl.: „othering“,
nicht auf die von Benachteiligung Betroffenen s. Unterkapitel ↗ 2.3) ist ein weit verbreitetes
abgeschoben werden. Phänomen und betrifft neben Muslim*innen
auch andere marginalisierte Gruppen – wie nicht
Die in Deutschland vorhandenen rechtlichen und zuletzt die Berichte zu Antisemitismus (Unab-
institutionellen Mechanismen bieten das Poten- hängiger Expertenkreis Antisemitismus 2017)
zial, auf die Bedarfe im Zuge der zunehmenden und Antiziganismus (Unabhängige Kommission
Pluralität der Gesellschaft einzugehen. Allerdings Antiziganismus 2021) deutlich aufzeigen. Insofern
bestehen in vielerlei Hinsicht Leerstellen, was schließt dieser Kommissionsbericht in diesen
die Gleichstellung und -behandlung von Mus- beiden Bereichen an seine Vorläufer an und zeigt
lim*innen betrifft. So beruht die Rechtsordnung Parallelen auf, die sich auch im erstmaligen Lage-
der Bundesrepublik Deutschland auf historischen bericht „Rassismus in Deutschland“ der Beauf-
Entwicklungen, die sich an Gegebenheiten und tragten der Bundesregierung für Antirassismus
Erwartungen der früher in religiöser Hinsicht auf vom Januar 2023 finden (vgl. Die Beauftragte
das Christentum hin zentrierten Gesellschaft aus- der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge
gerichtet haben. Es bedarf daher einer intensiven und Integration / Die Beauftragte der Bundes-
Überprüfung, ob und inwieweit in der Gegenwart regierung für Antirassismus 2023). Im Bereich des
die religiöse und weltanschauliche Heterogenität Rechtsextremismus werden deutliche ideologische
im Sinne gleichberechtigter Teilhabe tatsächlich Verbindungen zwischen Muslimfeindlichkeit und
bereits umgesetzt wurde und wo noch Handlungs- Antisemitismus sichtbar. Jenseits dieses Bereichs
defizite bestehen. ist zumindest eine Korrelation zwischen beiden
erkennbar.
Staat und Gesellschaft wirken bei der Gestaltung
des Zusammenlebens im Alltag eng zusammen,
nicht nur institutionell, sondern auch in Selbst-
verständnis und Erwartungen der Bevölkerung.
Gerade hier zeigen sich Problemlagen der Mus-
limfeindlichkeit, welche nicht erst bei offener,
Zusammenfassung Abschlussbericht UEM 7

Muslimfeindlichkeit: Was ist das? Wie andere Formen der Diskriminierung auch,
betrifft Muslimfeindlichkeit Prozesse innerhalb
Was verstehen wir unter dem Begriff „Muslim- der Gesellschaft und den Staat insgesamt. Es ist
feindlichkeit“? Er zielt zunächst auf die sozial- entscheidend, dass sich gerade auch diejenigen,
psychologische Dimension ab, also auf Vorurteile die nicht unmittelbar diskriminiert werden,
gegen bzw. die Abwertung von Muslim*innen. solidarisch verhalten. Die Essenz des Rechtsstaats
Die existierenden Problemlagen werden damit liegt im Schutz von Minderheitenrechten, bis-
aber nur teilweise erfasst. So gibt es Formen von weilen auch entgegen der Mehrheitsmeinung
Islamfeindlichkeit, die sich pauschal oder auf der wie etwa bei der nicht zulässigen Einschränkung
Grundlage von Fehl- und Desinformation gegen religiöser Rechte von Minderheiten. Der vorlie-
den Islam als Religion richten und damit eher gende Bericht richtet sich dementsprechend an
mittelbar auch gegen Muslim*innen und gegen alle Menschen und Organisationen im Land, etwa
jene, die als solche wahrgenommen werden. im Sinne einer erforderlichen politischen Bildung
Darüber hinaus bestehen aber auch institutionelle auf allen Ebenen.
und strukturelle Probleme einer (oftmals unbe-
wussten) Diskriminierung und Abwertung, die
mit dem neu formulierten, nicht notwendig mit Was leistet dieser Bericht?
einem Schuldvorwurf verbundenen Begriff des
Antimuslimischen Rassismus (AMR) beschrieben Der UEM hat in einer Arbeitsphase von zweiein-
werden. Solche strukturellen Benachteiligungen halb Jahren konkrete Problemlagen der Muslim-
zeigen sich sehr deutlich z. B. beim Zugang zum feindlichkeit in wichtigen Bereichen von Politik,
Arbeits- und Wohnungsmarkt oder bei Übergrif- Bildung, Medien, Kultur, Justiz, Verwaltung und
fen auf kopftuchtragende Frauen im öffentlichen Alltagsleben identifiziert, analysiert und Hand-
Raum, aber auch im institutionellen Rahmen. lungsempfehlungen formuliert. Aus Kapazitäts-
gründen war exemplarisches Arbeiten erforder-
Die Arbeitsdefinition des UEM für den Begriff der lich; nicht alle wichtigen Themen und Felder
Muslimfeindlichkeit enthält auch die genannten konnten berücksichtigt werden und noch offene
strukturellen Dimensionen: Untersuchungsfelder werden benannt. Neben
einer Bestandsaufnahme von Erkenntnissen lag
ein Schwerpunkt der Arbeit in der Ausleuchtung
Muslimfeindlichkeit (auch: Antimuslimischer bislang nicht ausreichend erforschter Bereiche
Rassismus) bezeichnet die Zuschreibung durch Studien und Hearings mit relevanten
pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, Akteur*innen. Die unbestrittenen Probleme eines
rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften islamisch-religiös begründeten Extremismus
gegenüber Muslim*innen und als muslimisch sind nicht Gegenstand des Arbeitsauftrags des
wahrgenommenen Menschen. Dadurch wird UEM, sondern wurden anderweitig behandelt.
bewusst oder unbewusst eine ‚Fremdheit‘ oder
sogar Feindlichkeit konstruiert. Dies führt zu
vielschichtigen gesellschaftlichen Ausgrenzungs-
und Diskriminierungsprozessen, die sich dis-
kursiv, individuell, institutionell oder strukturell
vollziehen und bis hin zu Gewaltanwendung
reichen können.
8 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Zusammenfassung der ‚rückständigen‘ Religion. Im Zusammenhang mit


Erkenntnisse aus den jeweiligen migrationspolitischen Themen wird Muslim*innen
eine mangelnde Integrationsfähigkeit unterstellt
Handlungsbereichen sowie die Neigung, sich angeblich bewusst abzu-
grenzen und Kontakte zu Andersgläubigen zu
Gesellschaftliches Lagebild: Muslimfeindlich- meiden. Im Zusammenhang mit religionsbezoge-
keit in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet nen Themen wird der Islam pauschal mit Gewalt,
Extremismus und Rückständigkeit verknüpft und
Anhand von Daten aus wissenschaftlich über­ dementsprechend Muslim*innen eine Affinität zu
zeugenden repräsentativen Studien(-reihen), der Gewalt, Extremismus und patriarchalen Wertvor-
polizeilichen Kriminalitätsstatistik sowie über stellungen unterstellt. Insofern sind Muslim*innen
die Dokumentation von muslimfeindlichen Fällen (und als solche wahrgenommene Personen) in
seitens von Antidiskriminierungsstellen, Beratungs­ doppelter Hinsicht von Stigmatisierung betroffen.
organisationen und anderen NGOs konnten ein Besonders problematisch ist die Gleichsetzung
erstes Lagebild über das Ausmaß antimuslimischer von muslimischer Frömmigkeit mit Fundamen-
Vorbehalte und Vorfälle sowie deren unterschied- talismus, die mit massiver Ablehnung religiöser
liche Erscheinungsformen erstellt und Leerstellen Ausdrucksweisen von Muslim*innen einhergeht
identifiziert werden. Die Einführung der gesonder- und sogar mit der Bereitschaft, Grundrechtsein-
ten Erfassung „islamfeindlicher Straftaten“ in der schränkungen im Bereich der Religionsfreiheit
polizeilichen Kriminalitätsstatistik in der Kategorie für Muslim*innen zu befürworten und ihnen das
politisch motivierte Kriminalität (PMK) ist ein Recht auf gleiche Teilhabe abzuerkennen. Diese
wichtiger Meilenstein in der Beobachtung muslim- Vorbehalte mögen aus Unkenntnis entstehen und
bzw. islamfeindlich motivierter Hasskriminalität. zunächst Ausdruck von Skepsis sein, ohne dass
Sie weist aber auch noch einige Schwächen auf. sich daraus automatisch bewusste Feindseligkeiten
ableiten lassen. Sie bieten aber einen gefährlichen
Repräsentative Studien zur Erfassung unter- Nährboden und ein Einfallstor für antidemokra-
schiedlicher Erscheinungsformen von Muslim- tische Gruppierungen, die mit muslimfeindlichen
feindlichkeit sind rar. Dennoch liefern einige Themen an die gesellschaftliche Mitte anknüpfen.
renommierte Survey-Reihen über einen längeren Gerade in Regionen, in denen es an persönlichen
Zeitraum belastbare Daten, die in der Zusammen- Begegnungen mit Muslim*innen mangelt und
schau wichtige Hinweise auf das Ausmaß und dadurch kein Korrektiv zu verbreiteten Vorbehal-
die unterschiedlichen Facetten muslimfeind- ten existiert, können diese ungehindert Raum grei-
licher Einstellungen in Deutschland geben. Aus fen. Praktische Auswirkungen zeigen sich nach den
ihnen wird deutlich, dass Muslimfeindlichkeit Daten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
kein gesellschaftliches Randphänomen darstellt, insbesondere in Diskriminierungserfahrungen auf
sondern in weiten Teilen der deutschen Bevölke- dem Arbeitsmarkt. Die Ergebnisse der gesichteten
rung verbreitet ist und sich seit vielen Jahren auf quantitativen Studien zeigen zudem, dass Muslim-
einem beständig hohen Niveau hält – abgesehen feindlichkeit mit anderen Formen der Menschen-
von leichten Schwankungen. Etwa jede*r Zweite feindlichkeit zusammenhängt, d. h., dass Personen,
in Deutschland stimmt muslimfeindlichen Aus- die muslimfeindliche Einstellungen aufweisen,
sagen zu. Dabei kommt es zu Überschneidungen beispielsweise auch eher zu antisemitischen Hal-
von verschiedenen Vorbehalten und Abwertun- tungen tendieren. Muslimfeindlichkeit ist in ihrer
gen, weil Muslim*innen zum einen als besonders menschenfeindlichen Dimension demnach als Teil
‚fremde‘ Zuwander*innen wahrgenommen werden einer antidemokratischen Ideologie zu verstehen.
und zum anderen als Angehörige einer angeblich
Zusammenfassung Abschlussbericht UEM 9

Muslimische Perspektiven auf Muslimfeindlich- Während je nach gesellschaftlicher Positionierung


keit: Abwertungen und Anfeindungen gehören graduelle Unterschiede in Ausmaß und Intensi-
zum Alltag vieler Muslim*innen und als solche tät der erfahrenen Diskriminierung auszumachen
wahrgenommener Menschen sind, kann für fast alle Betroffenen festgestellt
werden, dass die erlebten Abwertungs- und Aus-
Antimuslimischer Rassismus (AMR) stellt eine grenzungserfahrungen nicht nur singuläre Ereig-
gesellschaftliche Realität und ein Querschnitts- nisse, sondern in unterschiedlichem Maße wieder-
phänomen dar. Um ihn zu begreifen, ist die Per- kehrende und mitunter sehr belastende negative
spektive der Betroffenen entscheidend. Aus den Erfahrungen darstellen.
umfangreichen Untersuchungen des UEM wird
deutlich, dass Muslim*innen vielfältige gesell- Diskriminierung erleben die Betroffenen zumeist
schaftliche Diskriminierungserfahrungen auf an Orten verstärkter gesellschaftlicher Inter-
einem insgesamt hohen Niveau machen. Dabei aktion und Teilhabe. Neben dem allgemeinen
unterscheiden sich die Diskriminierungserfah- öffentlichen Raum sind dies insbesondere die drei
rungen je nach gesellschaftlicher Positionierung Schlüsselbereiche Bildung, Arbeitswelt und Woh-
der Betroffenen. Tendenziell berichten jüngere nungsmarkt. Zudem treten regelmäßig medial
Menschen und Personen mit einem höheren sehr präsente diskursive Schlüsselereignisse ein,
Bildungsabschluss häufiger von Diskriminierungs­ z. B. dschihadistisch-terroristische Anschläge,
erfahrungen. Sie scheinen einen höheren Anspruch Debatten über Fluchtmigration oder auch rassisti-
an gesellschaftliche Teilhabe und eine größere sche Buchpublikationen, die noch einmal zu ver-
Sensibilität für Diskriminierung zu haben. stärkten antimuslimisch-rassistischen Äußerun-
gen führen und auch vermehrte Anfeindungen
Die gravierendsten Unterschiede sind hinsicht- nach sich ziehen. Die Umgangsstrategien damit
lich der Religiosität der Befragten auszumachen. sind verschieden, Betroffenen fällt jedoch die Ver-
Personen, die sich als religiös beschreiben, Teil arbeitung von rassistischen Erlebnissen leichter,
einer muslimischen Organisation sind oder reli- wenn sie auf stärkende Ressourcen zurückgreifen
giös konnotierte Kleidung tragen, erfahren den können. Dazu zählen soziale Netzwerke, gesell-
massivsten AMR. Insbesondere kopftuchtragende schaftlicher Status, Bildung, Wissen über Rassis-
Frauen berichten von besonders drastischen mus und ein positives Selbstwertgefühl.
Formen von Anfeindungen. Ersichtlich wird aber
auch, dass bereits die phänotypische Einordnung Da Betroffene kaum Kenntnis von Beratungs-
als Muslim*in genügt, um AMR zu erfahren. und Unterstützungsangeboten haben, wenden
sie sich nur vereinzelt an professionelle Stellen.
Deutlich wird auch, dass sich die befragten Perso- Auch werden justiziable Vorfälle, wie körperliche
nen geschlechtsspezifischen rassistischen Zuschrei- Angriffe, Beleidigungen oder Belästigungen, nur
bungen ausgesetzt sehen. Muslimische Frauen selten zur Anzeige gebracht, sodass die Anzahl
berichten, dass sie nicht als selbstbestimmt wahr- antimuslimisch-rassistischer Straftaten wahr-
genommen werden. Männer sehen sich hingegen scheinlich deutlich höher liegt, als die Zahlen der
verstärkt Zuschreibungen von Aggressivität und polizeilichen Kriminalitätsstatistik ausweisen.
Gewalt ausgesetzt.
10 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

„Jungen, die ‚Scheiße bauen‘, und Mädchen, Rassistisches Wissen über Muslim*innen wird
die ‚verheiratet werden‘“:1 Muslimfeindlichkeit auch über Bildungsmaterialien vermittelt. Die
im Bildungsbereich als individuelles und Untersuchung bundesweiter Lehrpläne und
institutionelles Gewaltphänomen Schulbücher zeigt, dass der Islam überwiegend
im Kontext von Konflikten thematisiert wird und
Muslimische Schüler*innen, Studierende und Schüler*innen muslimfeindlichen Positionen
Lehrende erleben Muslimfeindlichkeit bzw. Anti- und Narrativen ausgesetzt sind. Darüber hinaus
muslimischen Rassismus im Bildungsbereich auf findet sich im Bereich der schulischen und
vielfältige Art und Weise. Generell stehen ihre außerschulischen Bildung immer häufiger eine
muslimischen Identitätsbezüge unverhält­nismäßig sicherheitspolitische Perspektive auf Muslim*in-
stark im Vordergrund und bilden häufig in pau- nen. Präventionsarbeit gegen Extremismus und
schal kulturalisierender Weise den Deutungsrah- Radikalisierung fokussiert vor allem Muslim*in-
men für ihr Verhalten. Insbesondere herausfor- nen, was eine stigmatisierende Wirkung erzeugt.
derndes Handeln und Benehmen wird bei ihnen Zudem werden Muslim*innen weniger als Opfer
einseitig auf ‚den Islam‘ bzw. ‚die muslimische islamistischer Gewalt gesehen, sondern auf
Kultur‘ zurückgeführt. In diesem komplexitätsre- diskriminierende Weise primär als potenzielle
duzierenden und kulturalisierenden Blick auf Mus- Täter*innen identifiziert.
lim*innen zeigen sich auch geschlechterspezifische
Zuschreibungen und Vorurteile: Muslimische Mäd- Antimuslimischer Rassismus wird im Bildungs-
chen gelten häufig als unterdrückte Opfer und bereich nur allmählich als Problem im gesell-
Jungen als gewalttätig und frauenfeindlich. Die schaftlichen Zusammenleben verstanden und
wiederkehrende Identifizierung und Anrufung2 adressiert. Erste spezifische Fortbildungsmaß-
von Muslim*innen als (problematische) ‚Andere‘ nahmen von Trägern der politischen Bildung
wirkt sich ausgrenzend und benachteiligend auf sie sind inzwischen ebenso zu finden wie vereinzelte
aus. Muslimischsein gilt mittlerweile als anschluss- Erwähnung in ausgeschriebenen Förderprogram-
fähiges Begründungsmuster für die Schlechter- men. Kurioserweise wird Muslimfeindlichkeit
stellung von Muslim*innen, etwa bei Leistungsbe- häufig im Bereich der Extremismus- und Isla-
wertungen oder Schulempfehlungen. So werden mismusprävention verortet, statt sie als eigen-
beispielsweise Tests von Jugendlichen mit einem ständige Ideologie der Ungleichwertigkeit zu
arabischen bzw. türkischen Namen negativer beur- deklarieren. Zugleich wird in außerschulischen
teilt als es ihrem Leistungsvermögen entspricht. Bildungsangeboten immer wieder vermeintlich
relevantes Wissen über ‚die Muslim*innen‘ oder
In der Kinder- und Jugendhilfe begegnen muslimi- ‚den Islam‘ zu vermitteln versucht, wodurch die
sche Kinder und Jugendliche häufig strukturellen Vorstellung einer grundsätzlichen und unver-
Barrieren und begrenzten Teilhabemöglichkeiten. änderlichen Fremd- und Andersheit von Mus-
Angebote der Kinder- und Jugendarbeit erreichen lim*innen weiter verfestigt wird. Einer solchen
sie nicht explizit, womit ihnen geringere Möglich- Logik nach benötigen Fachkräfte Wissen über
keiten politischer Partizipation offenstehen, wie ‚den Islam‘, um kompetent im Umgang mit einer
sie beispielsweise in den Strukturen der Jugendver- einzelnen muslimischen Person zu sein. Ins-
bandsarbeit durch den Deutschen Bundesjugend- gesamt braucht es dringend höhere fachliche
ring und die Landesjugendringe möglich wären. Standards und mehr professionelle Fort- und

1 Aus Scharathow 2014: 255.


2 Der Philosoph Louis Althusser bezeichnet mit Anrufung die Akte des Identifizierens und damit des Selbst- und Fremderkennens,
die Subjekte erst hervorbringen (vgl. Althusser 1977).
Zusammenfassung Abschlussbericht UEM 11

Weiterbildungsangebote zu Antimuslimischem Ursachen für Verzerrungen im Medienbild sind


Rassismus für (angehende) Lehrkräfte sowie in einem anonymisierten Hearing mit führenden
andere (pädagogische) Fachkräfte. deutschen Redakteur*innen ermittelt worden.
Im Ergebnis zeigen sich durchaus einige Poten-
Nicht zuletzt bleibt eine dringende Frage unange- ziale und auch positive Veränderungen in deut-
tastet: diejenige nach dem Umgang mit Religion schen Medien, besonders aber ein großer Reform-
und religiös motivierten Bedarfen im Bildungs- stau. Zu den Problemen zählen eine begrenzte
bereich. Immer häufiger drehen sich Konflikte an Sensibilisierung der Chefredaktionen für Muslim­
Schulen und auch anderen Orten um die Frage, feindlichkeit, ein starker Einfluss kommerzieller
wie viel Religion eine sich zunehmend säkulari- Motive, erhöhter populistischer Druck auf
sierende Gesellschaft verträgt. Zumeist wird diese Redaktionen, begrenzter Zugriff auf muslimische
Frage stellvertretend am Islam bzw. den Bedarfen Quellen sowohl im In- als auch im Ausland, eine
von Muslim*innen diskutiert. Dies kommt nicht starke Stellung umstrittener ‚Islamexpert*innen‘
von ungefähr, denn im öffentlichen Diskurs um als Autor*innen, eine noch immer begrenzte
Religion (bzw. Religionsfreiheit), religiöse Vielfalt muslimische Diversität in deutschen Nachrichten-
und Säkularität wird die Frage nach der Rolle des redaktionen, Mängel in der journalistischen Ethik
Islams immer (mit-)verhandelt. und Ausbildung.

Viel schlechte Presse für den Islam und Auch christliche Medien haben in sehr unter-
Muslim*innen schiedlicher Intensität an einseitigen medialen
Islamdiskursen teil. Entsprechend ist Antimusli-
Eine repräsentative Studie des UEM hat gezeigt, mischer Rassismus hier durchaus sowohl thema-
dass der Islam und Muslim*innen in den großen tisch als auch strukturell zu finden. Islam- und
deutschen Medien – Presse wie auch Fernsehen, Muslimfeindlichkeit unterscheiden sich dort,
lokal wie auch national ausgerichtet – nach wie wo sie innerhalb dieser Medien auftreten, nicht
vor insbesondere in negativen Themenkontexten grundsätzlich von vorhandenen antimuslimi-
in Erscheinung treten. Diese Konfliktperspektive schen Mustern. Ausgewogene Berichte finden sich
ist trotz Abweichungen bei einzelnen Medien in z. T. in denselben Medien, die zugleich durchaus
der Regel bei Zeitungen stark und im Fernsehen auch einseitige oder abwertende Beiträge veröf-
sogar extrem stark ausgeprägt. Während von Mus- fentlichen. Insgesamt jedoch fehlen Darstellun-
lim*innen ausgeübte Gewalt und auf religiöse Fak- gen alltäglicher Lebenswelten von Muslim*innen.
toren verengte Debatten um ‚Integration‘ stark im
Fokus der Medien stehen, ist gegen Muslim*innen Im Bereich der Medienwirkung weist der bishe-
gerichtete und in der Regel rechtsextremistische rige Forschungsstand trotz einiger Lücken darauf
Gewalt nur ein Randthema. Langfristige Stereotype hin, dass das verbreitete Negativbild der Medien
des Islams (frauenfeindlich, gewalttätig, fanatisch muslimfeindliche Einstellungen in der Bevöl-
usw.) werden bis in die Gegenwart in den Nach- kerung konsolidiert oder sogar verstärkt. Das
richtenmedien durch eine selektive Themenset- einseitige, negative Islambild kann zu Vertrauens-
zung reproduziert. Es fehlt eine Diversifizierung verlusten bei Muslim*innen wie auch zur Förde-
der Themenpalette, die konstruktive Aspekte der rung rechtsextremer Gewalthandlungen führen.
muslimischen Lebensrealität stärker einbezieht. Muslimfeindlichkeit fällt im Internet sprachlich
Muslim*innen treten zudem nach wie vor kaum wie inhaltlich noch drastischer aus als in den
als Sprecher*innen in Erscheinung und werden in Massenmedien. Der UEM veranlasste die bislang
hohem Maße objektifiziert. größte Data-Mining-Studie zu Muslimfeindlich-
keit im deutschsprachigen Netz. Diese warnt vor
12 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

einer starken Tendenz großer Plattformen wie Der deutsche Staat hat mit der Einrichtung der
Twitter, 4Chan, Telegram und Facebook, die Reli- Deutschen Islam Konferenz 2006 zwar einen
gion des Islams sowie Muslim*innen pauschal wichtigen Schritt in Richtung Anerkennung des
als gewalttätig, terroristisch, intolerant, frauen- Islams und der Muslim*innen unternommen.
feindlich und antisemitisch zu charakterisieren Dem steht aber eine zu starke Fokussierung auf
sowie verschwörungstheoretische Ideen (z. B. Muslim*innen als Verdachtsfälle und Sicher-
über einen drohenden Bevölkerungsaustausch) heitsrisiken statt auch als Opfer von Rassismus
zu kolportieren. Deutsche soziale Medien bilden entgegen. Dazu zählen u. a. die zu geringe Beach-
demnach einen „toxischen Diskursraum“, dessen tung rechtsextremer Muslimfeindlichkeit in
rassistische Sprechakte pogromartige Gewalt wie Verfassungsschutzberichten und intransparente
in Hanau fördern können. Der Zusammenhang Regelungen der Ablehnung von Muslim*innen
zu niedrigschwelliger Gewalt (gegen Moscheen, im Übertritt in den öffentlichen Dienst. Entgegen
im Alltag) muss besser untersucht werden. dem öffentlichen Eindruck liegen belastbare Stu-
dien über Muslimfeindlichkeit im Polizeiapparat,
Positiv zu vermerken bleibt, dass vor allem Insta- die auf eine hohe Anfälligkeit in der Polizei für
gram und auch YouTube-Kommentare einen muslimfeindliche Motive hindeuten, bereits vor.
gewissen Raum für eine muslimische Gegen­öffent­ Die Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von
lichkeit gerade für junge Menschen schaffen. muslimfeindlichen Straftaten durch die Polizei
Im Vordergrund stehen hierbei nicht religiöse hingegen erfolgen nicht optimal. Was andere
Themen, sondern Erfahrungen mit Muslimfeind­ deutsche Behörden betrifft, ist Muslimfeindlich-
lichkeit und Fragen des Alltags. Es entsteht ein keit kaum erforscht.
wachsendes und bislang wenig genutztes Reservoir
an Gesprächspartner*innen für den Journalismus. Für die Legislative gilt, dass Parteien zwar recht-
lich ein erweiterter Meinungsspielraum zusteht,
Muslimfeindliche Positionen im Zentrum der die Demokratie insgesamt aber wehrhaft anti-
Demokratie? Wie in der Regierung, in Parteien, rassistisch sein muss. Nach einer umfassenden
im Bundestag und in Gerichten antimuslimische Aktualisierung des Forschungsstands kommt
Stereotype bedient werden der UEM zu dem Ergebnis, dass die AfD die ein-
zige Partei im Deutschen Bundestag mit einem
Das deutsche politische System basiert auf den manifest muslimfeindlichen Programm ist. Bei
Grundsätzen der liberalen Demokratie, die der CDU/CSU und auch gelegentlich bei anderen
Neutralität des Staates und Diskriminierungsfrei- Parteien lassen sich zwar latente Formen durch
heit im staatlichen Raum verlangt. In der Praxis verminderte Anerkennung und ein Konfliktbild
des Handelns der Exekutive zeigt sich in den des Islams erkennen. Alle Parteien außer der AfD
letzten Jahrzehnten mit Blick auf Muslim*innen benennen jedoch mittlerweile das Problem der
jedoch eine gewisse Widersprüchlichkeit in Äuße- Muslimfeindlichkeit, wenngleich unklare Formu-
rungen und Handlungen der politischen Führung lierungen, Schwankungen in der Programmatik
sowie der Sicherheits-, Polizei- und anderen und eine mangelnde Differenzierung der Agenda
Behörden. Auf der Ebene deutscher politischer erkennbar werden. Ein klares Bekenntnis zur ver-
Führungsämter (Bundespräsidenten u. a.) lassen besserten Repräsentation von Muslim*innen als
sich bis heute neben inkludierenden auch pau- größter Minderheit in Deutschland in Parteien
schal exkludierende Bemerkungen erkennen, die und Ämtern fehlt.
den Islam explizit nicht als „Teil Deutschlands“
einstufen, was im Kontext der latenten Muslim-
feindlichkeit diskutiert werden muss.
Zusammenfassung Abschlussbericht UEM 13

Im Bundestag zeigt sich auch nach Einzug der Nur ein Thema, wenn es brennt: Die
AfD keine Diskursverschiebung nach rechts und deutsche islambezogene Religionspolitik
auch – von einzelnen Ausnahmen abgesehen –
kein Ansteckungseffekt, sondern eine klare anti- Das deutsche Religionsverfassungsrecht ist his-
rassistische Abgrenzung der anderen Parteien torisch vor dem Hintergrund einer früher domi-
gegenüber der AfD. Deren Präsenz hat allerdings nierenden christlichen Prägung gewachsen. Es
zu einer neuen Polarisierung und zu neuen Sag- ist heute säkular – aber nicht laizistisch, sondern
barkeiten im Parlament geführt, indem von der religionsoffen – und bietet deshalb grundsätzlich
AfD muslimfeindliche Positionen im Zentrum eine gute Basis für gleichberechtigte Teilhabe
der deutschen Demokratie geäußert werden. Es auch im öffentlichen Raum. Kernelemente des
lässt sich bei anderen Parteien zudem eine starke Religionsverfassungsrechts sind staatliche Neu-
Sicherheitsfokussierung der Islamdebatte erken- tralität und Gleichbehandlung aller Religionen
nen, während dringend notwendige Reformen im und Weltanschauungen. Das schlägt sich in einer
Bereich des Strukturellen Rassismus (z. B. Refor- Fülle gerichtlicher Entscheidungen zugunsten
men der Behörden) nicht erörtert oder beschlos- muslimischer Beteiligter nieder. Allerdings
sen werden. bildet die konkrete Umsetzung des Religions-
verfassungsrechts in wichtigen Bereichen wie
Die Justiz pflegt nach ihrem Selbstverständnis Schulwesen, Seelsorge oder finanzieller Unter-
ein hohes professionelles Ethos der Gesetzesbin- stützung sozialer Aktivitäten die gewandelten
dung in Neutralität und Objektivität. Bewusste Verhältnisse noch nicht hinreichend ab. Zudem
Verletzungen dieses Ethos sind sehr selten; in schlagen sich in manchen Bereichen, insbeson-
der Regel wird das geltende Recht sorgfältig und dere im Hinblick auf den Umgang mit religiös
unparteiisch angewendet. Problempotenzial liegt konnotierter Kleidung (Kopftuch), Vorverständ-
vor allem in unbewussten Vorverständnissen nisse nieder, die zu sachlich nicht hinreichend
(„unconscious biases“), negativen Pauschalisie- begründbaren Einschränkungen der Teilhabe an
rungen, Fehlzuschreibungen von nicht religions- öffentlichen Ämtern führen. Ferner besteht in
bedingten Problemen und Fehlinformationen weiten Teilen der Bevölkerung ein erkennbarer
bzw. Unsicherheiten im Hinblick auf muslimische Bedarf an Information über die Bedeutung der
Belange. Das zeigt auch eine erstmalige, vom Religionsfreiheit als Grundrecht auch für Minder-
UEM veranlasste Studie der Entscheidungspraxis heiten. Die öffentliche Debatte über die religiös
im Familienrechtsbereich. Soziale und religiös- begründete Beschneidung von Jungen wies teil-
weltanschauliche Diversität ist gerade im juristi- weise deutliche Zeichen von Muslimfeindlichkeit
schen Bereich immer noch stark unterentwickelt. wie auch Antisemitismus auf. Weiterhin besteht
Insbesondere der weitreichende Ausschluss kopf­ in Deutschland ein Manko wegen der fehlenden
tuchtragender Musliminnen auf der Basis unzurei- Erarbeitung von den heutigen Verhältnissen
chender Tatsachenbestimmung ist schädlich. Ins- angemessenen Regelungen der individuellen und
gesamt bedarf es einer grundlegenden Ergänzung kollektiven Religionsfreiheit für alle sowie einer
der juristischen Ausbildung sowie einschlägiger stimmig-systematischen Religionspolitik, welche
Fortbildungsmaßnahmen mit dem Ziel besserer der gesellschaftlichen Wirklichkeit und den Teil-
Information und größerer Sensibilisierung. haberechten aller gerecht wird.
14 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Auch aufgrund dieses Mankos werden im Bun- religiöse Pluralität anerkannt, religiöse Vielfalt
destag mehr anlassbezogene als grundsätzliche dargestellt und insbesondere muslimische Diver-
Debatten zum Thema Islam geführt. Der Über- sität wahrgenommen werden kann.
blick über die Positionierungen der im Bundestag
vertretenen Parteien zu islampolitischen Fragen Terror, Islamisierung und Orientalisierung:
verdeutlicht diese Ad-hoc-Erörterungen grund- Die Kunst- und Kulturszene im Fokus
sätzlicher religionsrechtlicher Fragen im Auf und
Ab tagespolitischer Ereignisse. Weiterhin zeigt Muslimfeindlichkeit ist ein Phänomen, das sich
sich die Lückenhaftigkeit bei der Befassung mit auch in Kunst und Kultur feststellen lässt. So zeigt
islambezogenen Fragen anhand der mit den reli- eine umfassende Analyse der Islamdarstellung
gionspolitischen Sprecher*innen der Parteien im deutschsprachigen Film, dass knapp 90 Pro-
geführten Interviews. Bei allen Einzelfragen rund zent der untersuchten Filme einen thematischen
um das Thema Islam in Deutschland und in allen Negativbezug aufweisen. Im Mittelpunkt stehen
demokratischen Parteien wird eine gewisse Band- Geschichten über Terroranschläge, Radikalisie-
breite zwischen Skepsis und – teilweise mit Ein- rung, Kriege und Frauenunterdrückung, womit
schränkungen versehener – Offenheit gegenüber sich die filmische Themenpalette des Islams auf
den Anliegen von Muslim*innen deutlich. Zudem wenige Konflikt- und Krisenthemen verengt. Ein
wird bei allen Parteien – teilweise unter Nen- Übergewicht problemorientierter Filmgenres
nung bestimmter Bedingungen – eine deutliche (Drama, Thriller, Krimi) und die verbreitete Ver­
Anerkennungsbereitschaft in Hinblick auf sich wendung visueller Islamstereotype (kopftuch­
wandelnde soziale Verhältnisse erkennbar. Diese tragende Frauen als filmischer Hinweis auf
geht einher mit einer konstruktiven Suche nach „Ghettos“) tragen zur Darstellung des Islams als
Lösungen zur Beantwortung strittiger Fragen und bedrohlich, repressiv und nicht-zugehörig bei.
nach sinnvollen Regelungen zu kultureller und Die Vielfalt muslimischer Lebensentwürfe und
religiöser Vielfalt. Einzig bei der AfD-Fraktion fin- -geschichten bleibt in deutschsprachigen Film-
den sich ausgesprochen abgrenzend-rassistische, produktionen weitestgehend unsichtbar. Statt das
verunglimpfende, verallgemeinernde islam- und Potenzial fiktionaler Unterhaltungsmedien zu
muslimfeindliche Positionen. nutzen, um neue und alltagsnahe Geschichten zu
erzählen und damit auch der konfliktorientierten
Der interreligiöse Dialog in seinen vielgestaltigen Nachrichtenagenda etwas entgegenzusetzen, wird
Dimensionen ist hierzulande etabliert, wenn auch letztere im Filmbereich vielmehr fortgeschrieben
nicht immer die Voraussetzung der Augenhöhe und verfestigt.
gewährleistet ist. Er hat sich in den vergangenen
beiden Jahrzehnten intensiviert und weiterent- Die Präsenz islambezogener Themen auf deutschen
wickelt. Neben interreligiösen Initiativen und Theaterbühnen lässt eine ähnliche Problematik
fachwissenschaftlichen Einrichtungen umfasst er erahnen. Auch wenn die Forschungslage hier
eine Vielzahl an Formaten und Ebenen der Begeg- ausgesprochen lückenhaft ist, konnte der UEM
nung und des Austauschs. Zunehmend wird der mittels eines einschlägigen Gutachtens erste
Islam auch als ein Inlandsphänomen anerkannt Hinweise auf inhaltliche Schwerpunktsetzungen
und wahrgenommen. Islambezogene Religions- erhalten. So ist etwa das ‚Islamisierungs‘-Narrativ
politik sollte daher nicht auf Integrationspolitik in verschiedenen Theaterproduktionen aufge­
beschränkt sein oder durch gut gemeinte Förder­ griffen worden, wobei statt einer sachorientier­
programme einseitige Wahrnehmungen von ten Islamkritik kulturalistische Stereotype
muslimischen Gläubigen reproduzieren. Es gilt, fortgeschrieben wurden. Beobachter*innen des
weiterhin Programme zu entwickeln, durch die Feldes beklagen zudem schon seit längerem eine
Zusammenfassung Abschlussbericht UEM 15

fehlende Sichtbarkeit des Islams im Allgemeinen. begrenzt‘ präsentiert wird. Gegenwartsdarstellun-


Auch Theaterschaffende mit muslimischen Iden- gen werden zudem häufig von (wohlmeinenden)
titätsbezügen sind sowohl auf als auch hinter der Klischees und Stereotypen dominiert. Obwohl
Bühne immer noch eine Seltenheit. Nachhaltig diverse, innovative Projekte existieren, die insbe­
positiv wirken sich hingegen die Entstehung eines sondere die Gemeinsamkeiten und Wechselbe-
postmigrantischen Theaters sowie die dezidiert ziehungen zwischen Islam und ‚westlicher‘ Welt
rassismuskritischen und diversitätsorientierten hervorheben, scheint es im Museumsbereich
Produktionen aus, die überwiegend in der freien noch viel Raum für positive – und v. a. strukturell
Theaterszene angesiedelt sind. Beide tragen dazu nachhaltige – Entwicklungen zu geben. So man-
bei, muslimische bzw. als muslimisch wahrge­nom­ gelt es etwa an Fachpersonal mit Islamexpertise
mene Theaterschaffende sowie positiv besetzte sowie an einer generell diversitätsorientierten
Islamthemen auf deutschen Bühnen präsenter zu Personalpolitik. Zudem werden als muslimisch
machen. wahrgenommene Kunstschaffende nicht selten
kulturalisiert und so auf eine ‚islamische Kunst‘
Im Bereich der Museen schilderten die zu einem festgeschrieben. Insgesamt bedarf es auch hier
Hearing eingeladenen Expert*innen Herausforde- einer größeren Bereitschaft, sich mit den eigenen
rungen sowohl auf inhaltlicher als auch auf struk- (häufig stereotypen) Islamvorstellungen kritisch
tureller Ebene. So tragen u. a. museumshistorische auseinanderzusetzen und dies auch in den muse-
Entwicklungen dazu bei, dass der Islam bis heute alen Raum zu transportieren.
überwiegend als fern, fremd und ‚kulturräumlich
16 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Zentrale Handlungsempfehlungen

Die folgenden Handlungsempfehlungen die- ergriffen wurden, die in diesem Bericht auch
nen der dringend erforderlichen konsequenten benannt werden. Es bleibt aber noch viel zu tun.
Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit (alternativ: Die folgenden Handlungsempfehlungen betreffen
Antimuslimischem Rassismus) auf allen staatli- teilweise auch andere gesellschaftliche Gruppen
chen und gesellschaftlichen Ebenen. Naturgemäß und übergreifende Probleme (z. B. Antisemitismus,
beziehen sie sich vorwiegend auf notwendige Klassismus). Entsprechend dem Arbeitsauftrag
Verbesserungen. Dabei soll nicht übersehen wer- beziehen sie sich jedoch weitestgehend auf die
den, dass bereits viele wirkungsvolle Maßnahmen Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit.

Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

1. den Schutz von Muslim*innen im gesamten öffentlichen Raum durch den Staat umfassend
zu gewährleisten.

2. Muslimfeindlichkeit und Rassismus stärker zusammenzudenken: Muslimfeindlichkeit


resultiert nicht allein aus Vorbehalten dem Islam gegenüber, sondern speist sich auch
aus rassistischen Motiven. Daher empfehlen wir die gesellschaftspolitische Anwendung
des Konzepts Muslimfeindlichkeit im Sinne der ausgearbeiteten Definition des UEM,
die eine rassismuskritische Perspektive beinhaltet. Dieser Aspekt sollte bspw. in staatlichen
Fördermaßnahmen stärker berücksichtigt werden.

3. die Einrichtung eines fachlich breit aufgestellten Sachverständigenrats und die Ernennung
einer*eines Bundesbeauftragten für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit. Der Sach­
verständigenrat hat die Aufgabe, mit der*dem Bundesbeauftragten zusammenzuarbeiten,
diese*n zu beraten und unabhängig und regelmäßig die Öffentlichkeit zu informieren.

4. eine Strategie der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung und Förderung von
gleich­berechtigter Teilhabe und Repräsentation von Personen mit muslimischen Identi­
tätsbezügen in allen staatlichen Einrichtungen und Handlungsstrukturen. Der Staat
sollte eine Vorbildfunktion einnehmen und dieser mit bindenden Zielvorgaben, Öffent­
lichkeitsarbeit und gezielten Kampagnen gerecht werden.

5. die Etablierung von rassismuskritischen, diversitäts- und religionssensiblen Fort- und


Weiterbildungen für verschiedene Berufsgruppen und in allen staatlichen Einrichtungen
(z. B. in Schulen, Kitas, Sicher­heitsbehörden, kommunalen Verwaltungen, Medienhäusern,
Kultureinrichtungen, in der Justiz und im Justizvollzug sowie im Gesundheitssystem), um
insbesondere für Muslimfeindlichkeit und institutionelle Formen von Rassismus zu sensibili­
sieren. Für angehende Beamt*innen sollten sie verpflichtender Teil der Ausbildung werden.
Zentrale Handlungsempfehlungen 17

6. den Auf- und Ausbau von Beschwerde-, Melde- und Dokumentationsstellen und von
Antidiskrimi­nierungs- und Beratungsstellen mit Expertise zu Muslimfeindlichkeit sowie
die entsprechende Qualifizierung ihrer Beschäftigten. Insbesondere an Schulen besteht
großer Bedarf.

7. die Förderung und den nachhaltigen Ausbau von Empowerment-Maßnahmen für


Betroffene von muslimfeindlicher (Mehrfach-)Diskriminierung durch entsprechende
Bundes- und Landesprogramme.

8. der Kultusministerkonferenz eine fächerübergreifende Überarbeitung der Lehrpläne und


Schulbücher, um darin enthaltene muslimfeindliche Inhalte zu streichen und eine kritische
Auseinandersetzung mit muslimfeindlichen Positionen und Narrativen zu gewährleisten.
Dafür sollten im Rahmen der Bund-Länder-Kommission entsprechende Richtlinien
erarbeitet werden, die auf Länderebene Verbindlichkeit bei der Auseinandersetzung mit
Muslimfeindlichkeit im schulischen Kontext schaffen.

9. den Ausbau und die Verstetigung der Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit als eigen­
ständigen Themenbereich der politischen Bildung und ihrer Förderpraxis, z. B. über das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die Bundeszentrale
sowie die Landeszentralen für politische Bildung.

10. die gleichberechtigte Teilhabe muslimischer Akteur*innen und Organisationen an


staatlichen Förderungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, insbesondere im
kulturellen und sozialen Bereich (z. B. Jugend- und Wohlfahrtsverbände, Pflege, Träger­
schaft von Bildungseinrichtungen, Studienwerke, Akademien).

11. die Initiierung und Förderung von rassismuskritischen Studien zu Muslimfeindlichkeit


sowie die Förderung anwendungsorientierter Grundlagenforschung und praxisbegleitender
Forschung zu Maßnahmen gegen Muslimfeindlichkeit, z. B. durch entsprechende Förder­
richtlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

12. eine Diversifizierung der in vielen Medien noch immer einseitig konfliktorientierten
Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen inklusive einer stärkeren Berück­
sichtigung lebens­weltlicher Themen. Dafür ist insbesondere eine thematische Sensibilisie­
rung für das Thema Muslimfeindlichkeit auf Leitungsebene der Medienhäuser erforderlich.

13. ein konsequenteres Vorgehen gegen muslimfeindliche Straftaten im Netz (z. B. Hatespeech),
u. a. durch eine Anpassung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und den Ausbau von
behördlichen Strukturen zur Strafverfolgung.

14. die bessere Verankerung des Themas Muslimfeindlichkeit in der journalistischen Selbst­
regulierung, u. a. durch Erwähnung von Muslimfeindlichkeit im Pressekodex des Deutschen
Presserats (§ 12) und verbesserte muslimische Repräsentanz in den Gremien des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks.
18 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

15. die nachhaltige Förderung von Film- und Theaterproduktionen, welche die Vielfalt
muslimischer Lebenswelten thematisieren und so im öffentlichen Raum sichtbar machen.
Für den Museumsbereich empfiehlt der UEM ebenfalls gezielte Öffnungsprozesse hin­
sichtlich der Darstellung des Islams und muslimischen Lebens, um verbreitete Stereotype
in islambezogenen Kunst- und Kulturausstellungen zu vermeiden.

16. eine verbesserte Medienkompetenzschulung im Bereich Muslimfeindlichkeit für Schulen


sowie als Teil der außerschulischen Bildung.

17. die Verbesserung und Erweiterung des Antidiskriminierungsrechts auf Bundes- und
Landesebene und seiner Umsetzung, wie z. B. angemessene (proaktive) Vorkehrungen
gegen Diskriminierung, die Dokumentation von Rechtsfolgen von Gesetzen im Hinblick
auf ihre diskriminierende Wirkung und ein Verbandsklagerecht.

18. die Initiierung und den Ausbau einer systematischen Dokumentation von muslimfeind­
lichen Einstellungen und Praktiken bei Polizei-, Sicherheits- und anderen Behörden
(z. B. in Bezug auf „racial profiling“). Auch sollten muslimfeindliche Taten in Bundes- und
Länderstatistiken und den Verfassungsschutzberichten explizit ausgewiesen werden.

19. eine ergänzende Neufassung von § 5a (3) des Deutschen Richtergesetzes in der Ausbildung
der Richter*innen: „Die Vermittlung der Pflichtfächer erfolgt auch in Auseinandersetzung
mit dem nationalsozialistischen Unrecht, dem Unrecht der SED-Diktatur sowie mit
Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit und anderen Formen gruppen-
bezogener Menschenfeindlichkeit.“

20. allen Parteien, Strategien zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit zu entwickeln, sie
zum Gegenstand von Parlamentsdebatten und Gesetzesvorlagen zu machen und sich
für mehr Repräsentanz von muslimischen Politiker*innen zu engagieren.
Muslimfeindlichkeit: Ein (un-)sichtbares und reales Problem für alle! 19

1 Muslimfeindlichkeit: Ein (un-)sichtbares


und reales Problem für alle!
Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am suchungen zeigt, dass sich Muslimfeindlichkeit
demokratischen Rechtsstaat ist dessen zentraler in großen Teilen der Bevölkerung findet. Unbe-
Auftrag und eine weitgehend geteilte Erwartung wusste Vorverständnisse, Fehlinformationen und
in Gesellschaft und staatlichen Institutionen. pauschale Ängste, aber auch strukturelle Benach-
Ebenso wichtig ist ein diskriminierungsfreier und teiligungen führen zu einer rechtsstaatswidrigen
respektvoller Umgang im Alltagsleben. Das gilt und feindlichen Spaltung der Gesellschaft in ein
auch für die muslimische Bevölkerung als eine ‚Wir‘ und ‚die Anderen‘. Den ‚Anderen‘ werden
der am meisten unter Druck stehenden Minder- dabei (vermeintlich) unveränderbare und nega-
heiten im Land. Der Einsatz für die Gleichberech­ tive Eigenschaften zugeschrieben, die vor allem
tigung aller ist eine gesamtgesellschaftliche Auf- im Gegensatz zum Eigenbild der ‚Wir‘-Gruppe
gabe; er darf nicht auf die von Benachteiligung stehen. Diese Veranderung (vom Engl.: „othering“,
Betroffenen abgeschoben werden. s. Unterkapitel ↗ 2.3) ist ein weit verbreitetes
Phänomen und betrifft neben Muslim*innen
Die in Deutschland vorhandenen rechtlichen und auch andere marginalisierte Gruppen – wie nicht
institutionellen Mechanismen bieten das Poten- zuletzt die Berichte zu Antisemitismus (Unab-
zial, auf die Bedarfe im Zuge der zunehmenden hängiger Expertenkreis Antisemitismus 2017)
Pluralität der Gesellschaft einzugehen. Allerdings und Antiziganismus (Unabhängige Kommission
bestehen in vielerlei Hinsicht Leerstellen, was Antiziganismus 2021) deutlich aufzeigen. Inso-
die Gleichstellung und -behandlung von Mus- fern schließt dieser Kommissionsbericht in diesen
lim*innen betrifft. So beruht die Rechtsordnung beiden Bereichen an seine Vorläufer an und zeigt
der Bundesrepublik Deutschland auf historischen Parallelen auf, die sich auch im erstmaligen Lage-
Entwicklungen, die sich an Gegebenheiten und bericht „Rassismus in Deutschland“ der Beauf-
Erwartungen der früher in religiöser Hinsicht auf tragten der Bundesregierung für Antirassismus
das Christentum hin zentrierten Gesellschaft in vom Januar 2023 finden (vgl. Die Beauftragte
Deutschland ausgerichtet haben. Es bedarf daher der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge
einer intensiven Überprüfung, ob und inwieweit und Integration / Die Beauftragte der Bundes-
in der Gegenwart die religiöse und weltanschau- regierung für Antirassismus 2023). Im Bereich des
liche Heterogenität im Sinne gleichberechtigter Rechtsextremismus werden deutliche ideologische
Teilhabe tatsächlich schon umgesetzt ist, und wo Verbindungen zwischen Muslimfeindlichkeit und
noch Handlungsdefizite bestehen. Antisemitismus sichtbar. Jenseits dieses Bereichs
ist zumindest eine Korrelation zwischen beiden
Staat und Gesellschaft wirken bei der Gestaltung erkennbar.
des Zusammenlebens im Alltag eng zusammen,
nicht nur institutionell, sondern auch in Selbst-
verständnis und Erwartungen der Bevölkerung.
Gerade hier zeigen sich Problemlagen der Mus-
limfeindlichkeit, welche nicht erst bei offener,
bewusster Diskriminierung und Angriffen aus
dem rechtsradikalen und rechtspopulistischen
Spektrum der Gesellschaft und Parteienland-
schaft beginnen. Eine Fülle repräsentativer Unter-
20 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abbildung 1.1: Wirkungsmodell Muslimfeindlichkeit: Gesellschaftliche Mechanismen


und Auswirkungen

Schwächung der Demokratie

Ungleiche Teilhabe und mangelnde Anerkennung

Diskriminierung

Antimuslimische
Behördliche Praktiken Institutionelle und
Einstellungen in der
und Policies gesellschaftliche Strukturen
Bevölkerung

Gesellschaftliche Wissensbestände und Diskurse über Islam und Muslim*innen

Quelle: eigene Darstellung Unabhängiger Expertenkreis Muslimfeindlichkeit.

Der UEM hat in einer Arbeitsphase von zweiein- 1.1 Zusammensetzung des
halb Jahren konkrete Problemlagen der Muslim- Unabhängigen Experten­
feindlichkeit in wichtigen Bereichen von Politik,
Bildung, Medien, Kultur, Justiz, Verwaltung und
kreises Muslimfeindlichkeit
Alltagsleben identifiziert, analysiert und Hand-
lungsempfehlungen formuliert. Aus Kapazitäts- Das BMI hat nach den rassistisch motivierten
gründen war exemplarisches Arbeiten erforder- Anschlägen in Hanau vom 19. Februar 2020 im
lich; nicht alle wichtigen Themen und Felder September 2020 den Unabhängigen Expertenkreis
konnten berücksichtigt werden und noch offene Muslimfeindlichkeit einberufen. Dieser wurde mit
Untersuchungsfelder werden benannt. Neben Wissenschaftler*innen sowie Akteur*innen zivil-
einer Bestandsaufnahme von Erkenntnissen lag gesellschaftlicher Organisationen besetzt, die sich
ein Schwerpunkt der Arbeit in der Ausleuchtung mit Ausdrucksformen, Wirkungsweisen und der
bislang nicht ausreichend erforschter Bereiche Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit befassen.
durch Studien und Hearings mit relevanten
Akteur*innen. Die unbestrittenen Probleme eines
islamisch-religiös begründeten Extremismus sind
nicht Gegenstand des Arbeitsauftrags des UEM,
sondern wurden anderweitig behandelt.
Muslimfeindlichkeit: Ein (un-)sichtbares und reales Problem für alle! 21

Karima Benbrahim, Informations- und 1.1.1 Ziele des Unabhängigen Expertenkreises


Dokumentationszentrum für Antirassismus- Muslimfeindlichkeit
arbeit Nordrhein-Westfalen (IDA-NRW)
Fast jede Auseinandersetzung mit Muslimfeind-
Saba-Nur Cheema, Goethe-Universität Frankfurt lichkeit beginnt mit einer Irritation, was bereits
am Main / Bildungsstätte Anne Frank die Benennung des Problems betrifft: Ist nun
Islamophobie, Islamfeindlichkeit oder Antimusli-
Dr. Yasemin El-Menouar, Bertelsmann Stiftung mischer Rassismus der ‚richtige‘ Terminus? Daher
hat sich der UEM in grundlegender Weise mit
Prof. Dr. Karim Fereidooni, dem Phänomen Muslimfeindlichkeit auseinan-
Ruhr-Universität Bochum dergesetzt.

Prof. Dr. Kai Hafez, Universität Erfurt Er hat sich damit zum Ziel gesetzt, ein bisher
wenig beachtetes und ebenso kaum erforsch-
Özcan Karadeniz, Verband binationaler Familien tes Phänomen in seinen offenen und subtilen
und Partnerschaften e. V. Erscheinungsformen sowie Wirkungsweisen
beschreibbar zu machen. Außerdem soll deutlich
Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick, werden, weshalb Muslimfeindlichkeit als ein
Goethe-Universität Frankfurt am Main gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen ist
– und nicht nur ein Problem für die Betroffenen
Prof. Dr. Mathias Rohe, Friedrich-Alexander- darstellt. Neben diesem Informations- und Wis-
Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg sensgehalt über Muslimfeindlichkeit in Deutsch-
land versteht sich der vorliegende Bericht als
Prof. Dr. Christine Schirrmacher, Beitrag zur (Politik-)Beratung und hilft idealer-
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn weise auf politischer und behördlicher Ebene als
und Evangelisch-Theologische Fakultät (ETF), Leitfaden bei Gestaltungsfragen und Entschei-
Löwen dungsfindungen.

1.1.2 Arbeitsweise des Unabhängigen


Aus gesundheitsbedingten bzw. beruflichen Grün- Expertenkreises Muslimfeindlichkeit
den sind die Mitglieder Prof. Dr. Iman Attia und
Dr. Yasemin Shooman ausgeschieden. Nina Mühe Die Arbeit des UEM begann im September 2020
ist verstorben; ihr früher Tod hat die Mitglieder und endet mit einer pandemiebedingten Verzöge-
des UEM sehr erschüttert. Ihrer wird in großer rung von einem halben Jahr am 30. Juni 2023.
Anerkennung ihrer Verdienste gedacht. Insgesamt fanden in dieser Zeit rund 90 Sitzungen
in Plenum, Arbeitsgruppen und Gesprächsrunden
Die Vertretung und Koordinierung des Experten- mit Expert*innen statt.
kreises wurde Prof. Dr. Mathias Rohe mit Karima
Benbrahim als Stellvertreterin anvertraut und am Die Zusammensetzung des UEM mit Personen
Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Dis-
(EZIRE) der Friedrich-Alexander-Universität Erlan- ziplinen und zivilgesellschaftlichen Kontexten
gen-Nürnberg angesiedelt. In der Koordinierungs- zeugt von einer wünschenswerten Pluralität.
stelle waren die wissenschaftlichen Mitarbeite- Diese wurde selbstverständlich im Arbeitsprozess
rinnen Nevruz Karadas, Dr. Sabrina Schmidt und deutlich: Auch weil das Phänomen Muslimfeind-
vertretungsweise Kirsten Wünsche tätig. lichkeit erst relativ kurz als solches erforscht
22 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

und benannt wird, sind die Zugänge und Analyse­ Der UEM sieht das hier weitestgehend vorge-
ansätze zum Teil sehr verschieden. So gibt es nommene Gendern mit einem Gender-Stern
beispielsweise in Bezug auf Begrifflichkeiten für als Teil seiner inhaltlichen Arbeit. Damit soll
bestimmte Phänomene unterschiedliche Präfe- die Geschlechtervielfalt jenseits eines binären
renzen und Definitionen. Eine gewisse sprach- Geschlechtermodells betont und auch sprachlich
liche Vereinheitlichung für den Bericht wurde die Gleichstellung aller Menschen, unabhängig
erreicht, jedoch hat die plurale Autor*innenschaft von ihrem Geschlecht und ihrer Geschlechter-
sicherlich ihren Ausdruck gefunden. Der Inhalt identität, ausgedrückt werden.
des Berichts wurde trotz solcher unterschiedlicher
Akzente im Konsens verabschiedet.
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 23

2 Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung

Für Muslimfeindlichkeit liegt bislang keine kon- Muslimfeindlichkeit – die in dem vorliegenden
sensuale Definition vor. Daher widmet sich der Bericht als gleichwertig betrachtet und zum Teil
Bericht zunächst der Begriffsklärung zu diesem synonym verwendet werden. Im Folgenden
Phänomen, für das im Wissenschaftsdiskurs verwenden wir den Begriff Muslimfeindlichkeit
heute v. a. die Konzepte Islamfeindlichkeit sowie und haben davon abgeleitet eine synthetisierte
Antimuslimischer Rassismus verwendet werden. Arbeitsdefinition entwickelt.
Was allgemein als Diskriminierung von Mus-
lim*innen sowie muslimisch wahrgenommenen
Personen verstanden werden kann, erfährt je 2.1 Arbeitsdefinition:
nach Begriff und dahinterstehendem Konzept Muslimfeindlichkeit
unterschiedliche theoretische Schwerpunktset-
zungen. Zudem haben sich die Konzepte jeweils Die Vorurteilsforschung versteht Muslimfeind-
unterschiedlich historisch entwickelt. Für den lichkeit als individuelle Einstellung gegenüber
vorliegenden Bericht stellt diese Konzeptvielfalt Muslim*innen und allen Menschen, die als solche
einen Gewinn dar. Erst durch sie wird das Phäno- wahrgenommen werden. Nach unserem Ver-
men Muslimfeindlichkeit in seiner Vielschichtig- ständnis schließt Muslimfeindlichkeit jedoch auch
keit, gesellschaftlichen Relevanz und Reichweite strukturelle Erscheinungsformen mit ein, die
sichtbar. sich im öffentlichen Diskurs, in gesellschaftlichen
Strukturen und Handlungspraxen äußern; diese
Dem Bericht vorangestellt ist eine Arbeitsdefini­ führen zu Ausgrenzungen und Benachteili­gungen.
tion, die die verschiedenen Konzepte aufgreift Muslim*innen werden dabei zu gesellschaftlich
und verbindet. Sie beschreibt die vielfältigen Anderen gemacht, indem ihnen negative Eigen-
Erscheinungsformen von Muslimfeindlichkeit, schaften zugeschrieben werden: Sie gelten vielfach
verortet sie in ihren gesellschaftlichen Kontexten als rückständig, gefährlich, durch ihre Religion
und macht ihre geschichtliche Entwicklung deut- unterdrückt bzw. schwer integrierbar. Diese
lich. Zudem bildet sie die Grundlage für die am Fremdzuschreibungen erklären Muslim*innen
Anfang des Berichts formulierten Handlungsemp- wahlweise zu kulturell, religiös oder national­
fehlungen. Der Definition folgt eine ausführliche staatlich Nichtzugehörigen. Dabei greifen Prozesse
Darstellung der Kernkonzepte Islamfeindlichkeit der Rassifizierung und Dichotomisierung, durch
und Antimuslimischer Rassismus, die mit Blick auf die scheinbar gegensätzliche Gruppen konstruiert
Vorzüge und Limitierungen kritisch diskutiert und in einer Logik der Wir-Sie-Unterscheidung
werden. Ergänzt werden sie durch die Begriffe hierarchisch zueinander positioniert werden.
Islamstereotyp und Islamfeindbild, die Prozesse Diese Prozesse wirken stigmatisierend und sind
des Fremdmachens und Abwertens auf der Mikro­ eng mit praktischen Ausgrenzungsmechanismen
ebene gesellschaftlicher Diskurse beschreiben. verflochten. In ihren konkreten Erscheinungs-
Ziel dieses Kapitels ist es, die Konzeptgrundlage formen ist Muslimfeindlichkeit auf verschiedenen
des vorliegenden Berichts zu erläutern, ohne dies gesellschaftlichen Ebenen angesiedelt und tritt
mit einem universellen Geltungsanspruch zu dort in unterschiedlichen Ausprägungen auf.
verbinden. Die Mitglieder des UEM verwenden
in ihrer eigenen Arbeit und ihren Publikationen
z. T. unterschiedliche Begriffe und Konzepte –
allen voran Antimuslimischer Rassismus sowie
24 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Der vorliegende Bericht hat zum Ziel, auf Basis Perspektive als auch vor dem Hintergrund einer
empirisch fundierter Analysen geeignete Hand- spezifischen Vorstellung von Gesellschaft for-
lungsempfehlungen zum Abbau bzw. zur Prä- muliert, die auf den Prinzipien von Pluralität,
vention von Muslimfeindlichkeit zu formulieren. Anerkennung, Teilhabe, Chancengleichheit und
Diese werden sowohl aus rassismuskritischer3 sozialer Gerechtigkeit basiert.

Der UEM definiert Muslimfeindlichkeit wie folgt:

Muslimfeindlichkeit (auch: Antimuslimischer Rassismus) bezeichnet die


Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger
und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Mus­lim*innen und als muslimisch
wahrgenommenen Menschen. Dadurch wird bewusst oder unbewusst eine
‚Fremdheit‘ oder sogar Feind­lichkeit konstruiert. Dies führt zu vielschichtigen
gesellschaftlichen Ausgrenzungs- und Diskriminierungsprozessen, die sich
diskursiv, individuell, institutionell oder strukturell vollziehen und bis hin zu
Gewalt­anwendung reichen können.

2.2 Begriffsdiskussion der Der „Bertelsmann-Religionsmonitor“ von 2019


Kernkonzepte bestätigt dies: 52 Prozent der deutschen Nicht-
Muslim*innen empfinden den Islam als bedroh-
Verschiedene Umfragen belegen seit Jahren kon- lich, lediglich 36 Prozent sehen in ihm eine
stant hohe Ablehnungswerte gegenüber Mus- Bereicherung (vgl. Pickel 2019: 3). Auch der Ver-
lim*innen und der Religion des Islams seitens der gleich mit anderen Religionen macht klar, dass
deutschen Mehrheitsbevölkerung. So zeigt die Christentum, Judentum und Buddhismus in der
„Leipziger Autoritarismus Studie“ von 2020, dass gesellschaftlichen Wahrnehmung deutlich positi-
Muslimfeindlichkeit in West- und Ostdeutschland ver abschneiden (vgl. Pollack/Müller 2013: 37).
stark ausgeprägt ist. In Ostdeutschland geben
55 Prozent der befragen Personen an, sich „durch Festzuhalten ist, dass Vorbehalte gegenüber dem
die vielen Muslime […] wie ein Fremder im eige- Islam und Muslim*innen bei einem erheblichen
nen Land“ (Decker et al. 2020: 64) zu fühlen. Mit Teil der deutschen Gesellschaft vorhanden sind.
gut 45 Prozent sind es allerdings auch in West- Zur Beschreibung und Erklärung dieses Phäno-
deutschland nahezu die Hälfte der Befragten (vgl. mens haben sich im Wissenschaftsdiskurs verschie­
ebd.). Laut „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert- dene Erklärungsansätze etabliert. Internatio­nal
Stiftung haben im Zeitraum von 2002 bis 2019 ca. gebräuchlich ist der englische Begriff „islamo­
20 bis 30 Prozent der Befragten muslimfeindliche phobia“, der durch den britischen Thinktank
Einstellungen (vgl. Zick/Berghan/Mokros 2019: 83). Runnymede Trust etabliert wurde (vgl. 1997).

3 Die rassismuskritische Perspektive begreift Rassismus als ein soziales Phänomen, das in allen gesellschaftlichen Bereichen verankert
ist. Rassismus wird dabei nicht als Problem Einzelner verstanden, sondern als eine gesellschaftliche Ordnung, die wiederum Handlungen,
Wahrnehmungen und Teilhabechancen sowie auch soziale Beziehungen beeinflusst. Bestehende gesellschaftliche Zusammenhänge werden
auf Machtbeziehungen und die Verteilung von Privilegien und Diskriminierungsstrukturen untersucht (vgl. Mecheril/Melter 2009: 13–22).
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 25

Dieser stand jedoch recht schnell in der Kritik, Gruppen“ ist (Zick/Hövermann/Krause 2015: 65).
u. a. weil er fälschlicherweise nahelegt, dass es Islamfeindlichkeit – in neueren Ausgaben als
sich bei antimuslimischen Einstellungen um Muslimfeindlichkeit bezeichnet – stellt dabei eine
„übertriebene Angstgefühle handele und nicht um der vielzähligen Abwertungsformen der GMF dar.
folgenreiche Ressentiments“ (Pfahl-Traughber
2019). Im deutschen Kontext setzte sich hingegen Schaut man nun auf die konkrete Bestimmung
früh der Begriff Islamfeindlichkeit durch. jenes Begriffs, lässt sich zunächst eine Konzept-
erweiterung erkennen, die im Laufe der Lang­
2.2.1 Islamfeindlichkeit: Fokus auf subjektive zeitstudie vorgenommen wurde: Während sich
Einstellungen Islamfeindlichkeit anfänglich noch stark auf
das Individuum konzentrierte und dabei die Ein-
Der Begriff Islamfeindlichkeit basiert auf der lang- stellungskomponenten kognitive Abwertung,
jährigen Tradition empirischer Feindbild- und affektive Ablehnung und distanzierte Verhaltens­
Stereotypenforschung, die in der Sozialpsycho- absicht umfasste (vgl. Leibold/Kühnel 2003: 201),
logie disziplinär verankert ist (vgl. Zick 1997). Der werden in neueren Definitionen auch gesell­
Begriff hat den Vorteil, mit ihm subjektive und schaftliche Effekte berücksichtigt. So schafften
soziale Ursachenfaktoren für antimuslimische Küpper zufolge islamfeindliche Vorurteile „ein
Einstellungen genau identifizieren und so Hand- Zusammengehörigkeitsgefühl und soziale Identi-
lungsempfehlungen für die pädagogische und tät für eine Mehrheitsgesellschaft, die sich selbst
soziale Praxis auf Basis genauer Zahlen formulie- immer weniger in religiösen Kategorien definiert“
ren zu können. und legitimierten zudem Ungleichheiten, die
eben jene Mehrheitsgesellschaft „in nahezu allen
Auch wenn mittlerweile regelmäßig Studien zur wichtigen Lebensbereichen begünstigen“ (2010:
Verbreitung von islamfeindlichen Einstellungen 212). Dabei setzt sich das inhaltliche Spektrum
veröffentlicht werden, so gehen wegweisende von Islamfeindlichkeit aus verschiedenen Aspek-
Erklärungsansätze und Erhebungsinstrumente ten zusammen. Diese umfassen
v. a. auf die Langzeitstudie „Deutsche Zustände“
(2002–2011) zurück (vgl. Heitmeyer 2015). Im Mit- „religiöse Begründungen der Ungleichwertigkeit
telpunkt steht das Konzept der Gruppenbezogenen (generalisierter Scharia-Verdacht), weltliche
Menschenfeindlichkeit (GMF), demzufolge sich Begründungen (kulturelle Passung), rassistische
verschiedene Formen der Abwertung vulnerab- Begründungen (Charakter, Aussehen) oder
ler Gesellschaftsgruppen (u. a. Muslim*innen) zu politische Begründungen (Terrorunterstellung)“
einem zusammenhängenden Syndrom verdichten. (Zick 2012: 36).
Deren Kern bildet eine „Ideologie der Ungleich-
wertigkeit“. In ihr kommt die generelle Überzeu- Im GMF-Modell wird Islamfeindlichkeit als Ein-
gung zum Ausdruck, jene Gruppen seien weniger stellungsphänomen operationalisiert. Dabei ste-
wert als die Gruppe, der man sich selbst zuordnet hen institutionelle, strukturelle und diskursive
(vgl. Zick et al. 2008: 366–367). Bei GMF handelt Erscheinungsformen im Hintergrund. Die Studie
es sich Zick und Kolleg*innen zufolge weder um prüft mittels statistischer Verfahren, worin mög-
ein gesellschaftliches Randphänomen noch um liche Ursachen für islamfeindliche Einstellungen
isolierte Einzelmeinungen. Vielmehr spiegelt sie liegen könnten. Ausgehend von der Tatsache, dass
„ein breites, kollektiv weithin geteiltes Meinungs- nicht alle Personen einer nicht-muslimischen
muster wider“, das „keine individuelle Disposition Mehrheitsgesellschaft in Art und Ausmaß gleich
im Sinne eines Charakterzuges [darstellt], sondern islamfeindlich sind, ließen sich v. a. die Faktoren
Ausdruck der Abwertung von Gruppen durch Alter, Bildung und Religionszugehörigkeit als
26 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

relevante Erklärungsvariablen ausmachen. So 2.2.2 Islamstereotyp und Islamfeindbild:


weisen Ältere, Personen mit niedriger Bildung Fokus auf die Mikrostrukturen
sowie solche, die sich stark mit dem christlichen islamfeindlicher Diskurse
Glauben identifizieren, eine signifikant höhere
Feindlichkeit auf (vgl. Zick 2012: 42). Dasselbe gilt Mithilfe einer Feindbild- und Diskursforschung,
für bestimmte sozial geteilte Dispositionen, etwa die v. a. Texte untersucht, lassen sich zudem
eine hohe Identifikation mit der Nation, die Nei- Erkenntnisse über die Qualität öffentlich zirku-
gung zum autoritären Denken, soziale Dominanz- lierende Islambilder gewinnen. Diese sind für
orientierungen sowie ein kultureller Homogeni- die Frage nach der Entstehung antimuslimischer
tätsglaube – all diese Faktoren sind bei Personen Einstellungen und deren gesellschaftlichen Kon-
besonders ausgeprägt, die in Umwelten leben, texten von zentraler Bedeutung. In modernen
in denen Bedrohungs- und Ohnmachtsgefühle Gesellschaften werden jene Islambilder v. a. durch
stark verbreitet sind („abwärtsdriftende Krisen- die Medien vermittelt. Um sie zu analysieren,
regionen“4) und eine breite Zustimmung zu islam- greifen einschlägige Arbeiten der Medien- und
feindlichen Haltungen vorherrscht (vgl. ebd.: 43). Kommunikationswissenschaft auf die Grund-
Hingegen wirkten nachhaltige Kontakte zu Mus- begriffe Stereotyp und Feindbild zurück (vgl.
lim*innen vorurteilsreduzierend – ein Befund, u. a. K. Hafez 2002a; 2002b). Während es sich bei
der auch von verschiedenen anderen Studien Stereotypen um sozial geteilte Pauschalurteile
bestätigt wurde (z. B. K. Hafez/Schmidt 2015). handelt, die auch positive Konnotationen tragen
können (z. B. bei orientalistischen Exotisierungen
Zusammenfassend hat die Verwendung des wie dem Bauchtanz), sind Feindbilder immer
Begriffs Islamfeindlichkeit den Vorteil, dass er negativ aufgeladen. Sie konstruieren Gegner-
seinen Schwerpunkt auf individuelle Einstellun- schaften, indem sie komplexe gesellschaftliche
gen legt, die mittels etablierter Frage-Items und Beziehun­gen in ein simples „Freund-Feind-
statistischer Verfahren wissenschaftlich ermittelt Schema“ ordnen (vgl. Kleinsteuber 2003: 208).
werden können. Zudem bringt der Begriff eine Dabei fungieren sie als „spezifische Form sozialer
Reihe von Erklärungsansätzen mit sich, die über Vorurteile“ (Nicklas 1977: 90), da sie neben gene-
die individuellen und sozialen Ursachen von ralisierenden Zuschrei­bungen auch emotionale
Islamfeindlichkeit Aufschluss geben. Auch wenn Elemente enthalten und darüber hinaus feind-
die Instrumente standardisierter Einstellungsfor- liche Handlungsabsichten nahelegen. Feindbilder
schung es nur bedingt erlauben, latente, diskursive bringen mit anderen Worten rhetorisch in Stel-
sowie ‚positive‘ Formen von Muslimfeindlichkeit lung – in ihnen entfalten sich gesellschaftliche
wie Exotismus5 oder Paternalismus zu erfassen, so Bedrohungsszenarien. Feindbilder rufen dazu auf,
ist der Begriff der Islamfeindlichkeit doch sehr auf jene Bedrohungen mit geeigneten Abwehr-
geeignet, offen rassistische und kulturalistische maßnahmen zu reagieren.
Haltungen6 bevölkerungsweit zu ermitteln.

4 Mit „Krisenregion“ ist ein Lebensumfeld gemeint, das von den dort lebenden Menschen als prekär und besonders anfällig für z. B.
ökonomische Krisen wahrgenommen wird (vgl. Zick et al. 2012: 43).
5 Exotisierende Bilder vom ‚Orient‘ gehen mit einer Faszination für seine vermeintliche „Fremdheit und Andersartigkeit“ einher,
wobei auf diese Bilder „eigene Fantasien und Wünsche projiziert“ werden. So wird in orientalistischen Diskursen etwa der Schleier zum
„Symbol für Erotik und freie Sexualität“ (Attia 2009: 99–100). Bühl zufolge stellt die Orientalisierung „eine Variante der Exotisierung dar
und benutzt den Orient als eine Art Spiegel des westlich-kolonialen Blicks, der sich auf diese Weise seiner vermeintlichen Überlegenheit
versichert“ (2017: 167).
6 Kulturalistische Ausformungen islamfeindlicher Haltungen wurden in der Langzeitstudie „Deutsche Zustände“, die mit dem
GMF-Konzept operiert, u. a. über die Items „Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt“ (Ablehnung) sowie
„Islamische und westeuropäische Wertvorstellungen lassen sich miteinander vereinbaren“ (Ablehnung) erhoben (Leibold et al. 2015: 184).
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 27

Islamstereotype und Islamfeindbilder sind kei- Dabei lassen sich Stereotype und Feindbilder auch
nesfalls Phänomene der neueren Zeitgeschichte. danach unterscheiden, wie direkt sie formuliert
Auch wenn sich die gesellschaftliche Wahrneh­ sind. Manifest sind Feindbilder etwa dann, wenn
mung des Islams im Nachgang der islamistischen Muslim*innen explizit abgelehnt und abgewertet
Terroranschläge vom 11. September 2001 nach- werden (z. B. in der Behauptung fehlender kultu-
weislich verschlechterte (vgl. Foroutan 2012), reller Passfähigkeit). Allerdings ist eine derart
zeigen historische Analysen die jahrhundertealte offen rassistische Rhetorik mit dem liberalen
Existenz antimuslimischer Symboliken (s. u.). Als Selbstbild westlicher Gesellschaften kaum verein-
Elemente antimuslimischer Diskurse – wahlweise bar. Zu beobachten ist daher schon seit längerem
auch als rassistisches Gesellschaftswissen bezeich- ein Wandel des öffentlichen Diskurses zu latenten
net – sind Islamstereotype beharrlich.7 Sie werden und unterschwelligen rassistischen Stereotypen.
über moderne Medien, popkulturelle Ausdrucks- In der Islamberichterstattung der Medien sind
formen und andere Sozialisationskanäle (Bildung, diese in Problemdeutungen (Frames) und einem
Familie) tradiert und sind fest im kulturellen überwiegend konfliktorientierten Themenspek-
Gedächtnis verankert. Dabei unterliegen sie trotz trum zu finden. Durch sie ist der Mediendiskurs
ihrer essenzialisierenden Grundstruktur zeitge- zum Thema Islam überwiegend einseitig negativ
nössischen Schwankungen (s. o.), die nicht selten ausgerichtet. Es entstehen sogenannte diskursive
mit größeren gesellschaftlichen Diskursverän- Hegemonien, also dominante Perspek­tiven auf
derungen einhergehen. So wurde etwa durch die den Islam, die eine Negativwahrneh­mung der Reli-
Öffnung des Staatsbürgerschaftsrechts, durch die gion sowie muslimischer Personen begünstigen.
Migrant*innen die deutsche Staatsbürgerschaft
erwerben konnten, eine „neue Fremdkategorie“ Zusammenfassend ermöglicht die Berücksichti­
(Bitzl/Kurze: 2021: 477) geschaffen, die nun Mus- gung der Begriffe Islamstereotyp und Islam­feind­
lim*innen in den Fokus rückte.8 bild, die textlichen und visuellen Diskurs­elemente
medialer bzw. öffentlicher Debatten über den
Wir haben es bei Islamstereotypen und Islam- Islam konkret zu benennen. Im Rahmen der
feindbildern zudem mit Spiegelbildkomplexen Arbeitsdefinition Muslimfeindlichkeit werden sie
zu tun.9 Dabei werden an ‚die Anderen‘ all jene als elementare Bausteine antimuslimischer Dis-
Attribute ausgelagert, mit denen man sich selbst kurse betrachtet. Da es ihnen – genauso wie dem
nicht identifizieren kann oder möchte. Während Begriff der Islamfeindlichkeit – jedoch an Erklä-
Stereotype hier erneut v. a. auf generalisierende rungskraft für strukturelle und institutio­nelle
Aussagen über Muslim*innen und als solche Formen von Muslimfeindlichkeit fehlt, wird für
Wahrgenommene zielen, liegt bei Feindbildern diesen Bereich auf die Theorie des Antimuslimi-
der Schwerpunkt auf der Erzeugung akuter schen Rassismus zurückgegriffen.
Bedrohungsszenarien. Diese kommen z. B. in ver-
breiteten Narrativen von ‚muslimischen Parallel­
gesellschaften‘, ‚Islamisierung‘ und ‚kultureller
Überfremdung‘ zum Ausdruck.

7 Dröge 1967 spricht an dieser Stelle von kulturüberdauernden, kulturepochalen Bildern.


8 Spielhaus spricht in diesem Zusammenhang von „einer Neubestimmung des nationalen Selbstverständnisses in Abgrenzung zur
religiösen Minderheit der Muslime“ (2013: 171).
9 K. Hafez 2002b weist im Bereich der Auslandsberichterstattung die kommunikative Konstruktion verschiedener Feindbildtypen nach.
Neben kulturellen existieren etwa auch anthropologische Feindbilder, wobei es sich bei letzteren um eine Rassifizierung muslimisch
markierter Menschen im klassisch biologistischen Sinne handelt.
28 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

2.3 Antimuslimischer Rassismus: der Rassifizierung statt (Festlegung von vermeint-


Fokus auf institutionelle und lich natürlichen Gruppen und ihrer Beschaffenheit,
vgl. Unterkapitel ↗ 2.1). Diese liefern Begründun-
strukturelle Ausgrenzungen gen für die nachteiligen Lebensbedingungen der
rassifizierten Gruppe und lassen sie dadurch legi-
Vorbemerkung zum Rassismusbegriff tim erscheinen.

Der Begriff Rassismus ist vorbelastet, daher bedarf Solche gesellschaftlichen Prozesse, in denen
er zunächst einer Einordnung. Seine historischen ‚Andere‘ erst sozial hergestellt werden und dann
Ursprünge gehen auf Ideologien und Praxen zwischen ‚Wir‘ und den ‚Anderen‘ unterschieden
zurück, die Menschen hierarchisch entlang bio- wird, haben den Zweck, „Identität zu produzieren
logischer Merkmale in angebliche ‚Menschenras- und Identifikationen abzusichern“ (Hall 1989: 919;
sen‘ unterteilten. In der Epoche des europäischen vgl. a. Rommelspacher 1995). Sie sind jedoch nicht
Kolonialismus und Imperialismus wurden u. a. gleichzusetzen mit einem populären Verständnis
Ausbeutung, Sklaverei, Assimilationspolitik und von Rassismus als beabsichtigte, zielgerichtete,
Genozide auf diese Weise gerechtfertigt. Auch unmittelbare rassistische Gewalt. Vielmehr ist
den Verbrechen im Nationalsozialismus oder damit ein System gesellschaftlich produzierten
während der staatlichen Apartheid in Südafrika ‚rassistischen Wissens‘ gemeint, in das wir auf ver-
lagen rassistische Vorstellungen zugrunde. schiedenen Ebenen involviert sind. Dieses System
bringt laut Terkessidis einen „Apparat“ hervor, in
Lange Jahre wurde Rassismus in Deutschland vor dem sich diskriminatorische Praxis und Wissens-
allem mit derartigen Verbrechen gleichgesetzt. bestände gegenseitig stützen (vgl. 2004: 100–109).
Während sich in den letzten Jahrzehnten die
wissenschaftliche Bedeutung des Begriffs hin zu Antimuslimischer Rassismus
kulturellen Dimensionen als zentraler Bestand-
teil rassistischer Ausgrenzungsmechanismen Das Konzept des Antimuslimischen Rassismus
verändert hat, weckt er in weiten Teilen der (AMR) zählt heute zu den maßgeblichen Ansätzen
Bevölkerung weiterhin v. a. Assoziationen mit zur Erforschung von Muslimfeindlichkeit. Folgt
rechtsextremen Gewalttaten. Die Verwendung man den einschlägigen Definitionen, so handelt
des Begriffs und die Thematisierung von Rassis- es sich beim AMR um eine spezifische Form des
mus lösen daher wiederkehrend Empörung und Neo- bzw. Kulturrassismus, der sich dadurch aus-
entschiedene Zurückweisung aus. Dabei wird zeichnet, dass nicht mehr die Existenz verschie-
zumeist davon ausgegangen, dass ein absichtsvol- dener ‚Menschenrassen‘ und deren vermeintliche
les Handeln bzw. eine verwerfliche oder gar bos- zivilisatorische Wertunterschiede behauptet
hafte Gesinnung vorliegen müssen. werden, sondern die „Unaufhebbarkeit“ (Balibar
1992: 28) kultureller Differenzen. Nicht mehr bio-
In der Rassismusforschung wird jedoch mittler- logische Faktoren, sondern „die Kultur und ihre
weile unter Rassismus ein von Macht gekennzeich- determi­nierende Wirkung auf das Individuum
netes soziales Verhältnis in unserer Gesellschaft [rücken] in den Mittelpunkt“ (Scherschel 2006: 42).
verstanden: ein gesellschaftlicher „Prozess der
Konstruktion von Bedeutungen“ (Miles 1989: 9), Attia zufolge setzt sich AMR aus den Kompo­nenten
der zur Legitimation sozialer Ausschließungs­ Essenzialisierung und Dominanz zusammen, wobei
praxen von bestimmten Gruppen dient. Unter erstere gleich mehrere Teilprozesse beschreibt: die
den gesellschaftlichen Bedingungen unterschied­ Homogenisierung von Individuen zu Gruppen
licher Chancen und Ressourcen finden Prozesse (,die‘ Muslim*innen), deren Polarisierung und
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 29

Abgrenzung vom Eigenen (,wir‘ vs. ‚die Anderen‘) Rassismustheoretiker*innen lässt sich AMR daher
sowie die Naturalisierung bzw. Kulturalisierung auch nur als Komplex denken, in dem rassifizie-
gesellschaftlicher Verhältnisse, deren historische, rende Wissenselemente – etwa Vorstellungen von
politische und soziale Bezüge dabei weitestge- Muslim*innen als Vertreter*innen einer gänzlich
hend ausgeblendet werden (vgl. 2013: 7–8). Finden anderen Kultur – und ausgrenzende Handlungs-
derartige Essen­zialisierungen im Kontext gesell- praxen – etwa die Benachteiligung von muslimi-
schaftlicher Machtbeziehungen statt, in denen schen Personen auf dem Arbeitsmarkt – untrenn-
die Privilegien der einen legitimiert und die bar miteinander verbunden sind (vgl. Terkessidis
Be­nachteiligungen der anderen verdeckt werden, 2004: 100–101). Dem vorliegenden Bericht bietet
tritt Rassismus als umfassendes gesellschaftliches das Konzept die Möglichkeit, die Entstehungsbe-
Verhältnis in Erscheinung. Mit ihm entsteht, was dingungen von Muslimfeindlichkeit nicht ledig-
Rommelspacher als Dominanzkultur bezeichnet – lich innerhalb einzelner Subjekte, Bevölkerungs-
eine Gesellschaftsstruktur, in der „unsere ganze gruppen oder gesellschaftlicher Teilsysteme zu
Lebensweise, unsere Selbstinterpretationen sowie lokalisieren (z. B. in Mediendiskursen), sondern sie
Bilder, die wir vom Anderen entwerfen, in Kate- in ihren spezifischen sozialen Kontexten, ihren
gorien der Über- und Unterordnung gefasst sind“ Abhängigkeiten und historischen Tradierungen
(1995: 22). zu erörtern. Dabei stellt die Komponente der
Dominanz letztlich die maßgebliche Gemeinsam-
Mit dem Konzept des Otherings (vgl. Said 1979) keit mit anderen Formen der Ungleichbehandlung
lässt sich zudem nachvollziehen, dass sich in anti- dar (Sexismus, Klassismus, Heteronormativität
muslimischen Fremdbildern immer auch umge- etc.), deren diskursive und praktische Verflech-
drehte Selbstwahrnehmungen spiegeln. Castro tungen mit Muslimfeindlichkeit mithilfe des
Varela und Dhawan sprechen hier von einem AMR-Konzepts ebenfalls herausgearbeitet werden
„komplexe[n] Prozess des Fremd- oder Different- können (z. B. im Falle von sexistisch-rassistischen
Machens, der über eine dualistische Logik funkti- Zuschreibungen an muslimische Frauen).
oniert, an dessen Ende ‚die Anderen‘ vis-à-vis dem
‚abendländischen Selbst‘ stehen“ (2007: 31). Zweitens sensibilisiert das Konzept für den wirk-
lichkeitsformenden Charakter von Sprache und
Als Analysekonzept zeichnet sich AMR nun insbe- die Diskrepanzen, die sich zwischen Bezeich-
sondere durch drei Vorzüge aus: Erstens begreift nungen und empirischen Sachverhalten ergeben
es antimuslimische Diskriminierungen als ein können. So betonen Forschende seit Jahren, dass
mehrdimensionales und intersektionales Phä- Rassismen auf kommunikativen Konstruktions-
nomen. Entsprechend lassen sich Erscheinungs- prozessen basieren – wobei die Gruppe der Mus-
formen antimuslimischer Diskriminierung auf lim*innen als einheitliches Großkollektiv erst
individueller, diskursiver, institutioneller sowie durch sprachliche Zuschreibungen und objekti-
struktureller Ebene erkennen und analysieren vierende Wissensproduktionen erschaffen wurde
(vgl. Attia 2013: 6). Dabei treten subjektive Ein- (vgl. Said 1979). Konkret zeigt sich dies etwa darin,
stellungsmuster, mediale Repräsentationen des dass von antimuslimischen Attribuierungen nicht
Islams, benachteiligende Handlungsroutinen in nur praktizierende Muslim*innen betroffen sind,
Institutionen sowie gesellschaftlich verankerte sondern auch Personen, die etwa aufgrund von
Machtdynamiken nicht nur als Einzelphäno- Migrationserfahrungen muslimisch markiert wer­
mene in Erscheinung. Vielmehr bilden sie ein den (vgl. Shooman 2014). Shooman führt dies auf
Geflecht aus intersektionalen Beziehungen und eine „Ethnisierung“ der Kategorie Muslim*in zurück,
gegenseitigen Verstärkungen, das erst in rassis- die häufig synonym zu Herkunftsbezeichnungen
mustheoretischer Perspektive sichtbar wird. Für wie Türk*in und Araber*in verwendet werde.
30 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Dabei gerate „die muslimische Identität“ (ebd.: Orient- und Islamdiskurse durch Bedrohungsnar-
65) zum Klassifikationsmerkmal, das Muslim*in- rative (vgl. K. Hafez 2002b: 235–240) – durchaus
nen und muslimisch wahrgenommenen Perso- zu verzeichnen sind. Diese Einordnung des AMR-
nen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds Begriffs ermöglicht die eingehende Auseinander-
zugeschrieben wird. Zudem findet im privaten setzung mit den Wissensquellen, Akteur*innen
sowie öffentlichen Diskurs über ‚den‘ Islam bis- und Produktionsweisen antimuslimischer Symbo­
weilen eine unverhältnismäßige Fokussierung auf liken in gegenwärtiger, aber auch in historischer
muslimische Identitäts- bzw. Kontextbezüge statt Perspektive. Wichtig ist bei alledem die Feststel-
– treffend als „Muslimisierung von Muslimen“ lung, dass der AMR-Begriff Strukturen jenseits
(Amirpur 2011: 197) bezeichnet –, die andere individueller Verantwortlichkeiten beschreibt.
Persönlichkeitsmerkmale in den Hintergrund Mit anderen Worten: Auch wer sich bestimmter
treten lassen. Da es zu den zentralen Aufgaben des Ausdrücke und Narrative des antimuslimischen
vorliegenden Berichts gehört, antimuslimische Rassismus bedient, ist nicht automatisch ein*e
Zuschreibungen innerhalb verschiedener gesell- Rassist*in im klassischen Sinne. Viel eher zeigt
schaftlicher Debattenräume aufzuspüren, bietet dies, wie etabliert und ‚normal‘ antimuslimisches
das Konzept des AMR auch hierfür einen passen- Wissen ist.
den heuristischen Zugriff. Dabei stellt die Tatsa-
che, dass in rassismustheoretischer Perspektive Aus der Theorie des Antimuslimischen Rassismus
die Wissensbestände und die Praktiken ihrer ergeben sich diverse konzeptuelle Anknüpfungs-
Durchsetzung im Mittelpunkt stehen – und nicht punkte mit dem sozialpsychologisch fundierten
die Frage nach den Motiven und Intentionen – Begriff der Islamfeindlichkeit. Während erstere
eine zusätzliche Möglichkeit dar, auch latente, insbesondere symbolisch-praktische Verflechtun-
alltägliche und unbewusst reproduzierte Formen gen, strukturelle Ausformungen sowie historische
von Muslimfeindlichkeit (in Medien, Alltagsge- Tradierungen fokussiert, richtet letzterer den
sprächen, politischen Diskursen etc.) der Analyse Blick auf die subjektive Dimension islamfeind-
zugänglich zu machen. licher Einstellungen und bietet eine Reihe von
Erklärungsansätzen, um deren Ursachen besser
Drittens erlaubt das Konzept des AMR auch zeit- zu verstehen. Die Theorie des AMR, in der jene
vergleichende Analyseperspektiven, etwa zur subjektiven Dimensionen von Islamfeindlichkeit
Frage, wie sich antimuslimische Vorstellungs- und weniger ausgearbeitet sind, kann ihn gewinnbrin-
Bildwelten historisch entwickelt haben bzw. wel- gend ergänzen.
cher tradierter Symboliken sich heutige Diskurse
in Medien, Politik und Öffentlichkeit bedienen.
Zugrunde liegt dabei die erkenntnistheoretische
Einsicht, dass derzeitig zirkulierende antimuslimi-
sche Wissensbestände nicht lediglich reale politi-
sche Konfliktlagen spiegeln, sondern Bestandteil
eines geschichtlich gewachsenen, kulturellen
Gedächtnisses sind. Verschiedene historische, lite-
ratur- und kulturwissenschaftliche Untersuchun-
gen belegen dabei die Persistenz antimuslimischer
Symboliken (vgl. z. B. Said 1979; Attia 2009;
Naumann 2010; Höfert 2010), auch wenn mitunter
Ambivalenzen und Diskursschwankungen – etwa
die Ablösung anerkennender sowie exotisierender
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 31

2.4 Historische Traditionslinien Zahlreiche stereotype Zuschreibungen finden sich


vor allem in den hoch- und spätmittelalterlichen
Historisch betrachtet ist Islam- und Muslimfeind- Polemiken (Ausbreitung mit dem Schwert, sexu-
lichkeit in Europa kein gänzlich neues Phänomen, elle Zügellosigkeit etc.) grundgelegt. Texte, die um
den Islam als das ‚Andere‘ im Gegenüber zum eine Verständigung bemüht sind, bleiben dem-
‚Eigenen‘ zu beschreiben, besitzt hier eine lange gegenüber in der Minderzahl und wurden lange
Diskurstradition. Die Geschichte der Begegnung Zeit nur spärlich rezipiert (vgl. Goddard 2020).
zwischen nahöstlich-muslimischen Gesellschaf-
ten und dem sogenannten „christlichen Europa“10 Die in der abendländischen Wahrnehmung vor-
war zweifelsohne stets auch von Konflikt, Abgren- herrschenden Muster einer Angst vor dem Islam
zung, Konkurrenz, Aggression und entsprechen- und seiner gewaltvollen Expansion wurden vor
der Polemik durchsetzt. Hingegen fanden Zeiten allem durch die osmanischen Kriege im 15. bis
und Gegebenheiten des friedlichen Zusammen- 17. Jahrhundert ausgeweitet (vgl. Höfert 2010). In
lebens, der Verständigung, des kulturellen Aus- deren Zuge verankerte sich das Feindbild der ‚Tür-
tauschs (wie der durch Übersetzung arabischer kengefahr‘ – im Sinne einer Bedrohung des christ-
Werke geleistete Wissenstransfer) im Allgemeinen lichen Abendlandes durch den Islam – in Europa
weit weniger Beachtung. Die Abgrenzung vom und wurde zum dominierenden Wahrnehmungs-
Islam als Antithese Europas erweist sich hier als muster. Wenngleich sich diese Muster im Zuge
ein durchgängiges Muster (vgl. Konrad 2010: 46), der Neuzeit und der Aufklärung auch wandelten,
wobei Islam und Muslim*innen schon früh als blieben die Wahrnehmungsweisen doch höchst
territoriale und religiöse Bedrohung wahrgenom- ambivalent: Es entstand eine nicht minder prob-
men wurden.11 lematische Begeisterung für den ‚Orient‘, die auf
das Exotische gerichtet war, bei der nicht mehr
Die mittelalterliche Theologie und antiislamische religiöse, sondern säkulare Kriterien bestimmend
Kontroversliteratur des lateinischen Westens wurden (Stichwort Orientalismus). Damit einher-
enthält zahlreiche Abwertungen des Islams, der gehend formte sich ein europäisches Überlegen-
zunächst als eine christliche Irrlehre eines falschen heitsdenken aus, das Europa und den Islam als
Propheten verstanden wurde (vgl. Bobzin 2018; zwei gegensätzliche ‚Zivilisationen‘ zu bestimmen
Colpe 2002). Die christliche Theologie sah sich suchte (vgl. Konrad 2010). Insbesondere zur Zeit
insbesondere durch den Anspruch der neuen des Kolonialismus verstärkte sich dies, sodass
Glaubensgemeinschaft, der Koran sei die letzt- man z. B. auch in Deutschland auf dem Berliner
gültige Offenbarungsschrift, herausgefordert. Ent- Kolonialkongress 1884 unter anderem über die
sprechend wurde nicht nur der islamische Prophet „Gefahr der Islamisierung“ (Keskinkilic 2019: 35)
Mohammed in polemischen Verzerrungen als sprach.
‚Lügenprophet‘ dargestellt, sondern auch der
Koran als gefährliches ‚Fabelbuch‘ herabgewürdigt
und missachtet und als Ursache für die Gewalt
der ‚Sarrazenen‘ angeführt. Hierbei war die Kennt-
nis islamischer Quellen in der Regel gering.

10 Europa ist durchaus christlich geprägt. Darüber hinaus existieren jedoch auch vielfältige andere identitätsstiftende Einflüsse. In den
aktuellen Debatten über die „kulturelle Identität Deutschlands oder Europas“ scheint der Begriff mitunter verwendet zu werden, um
„den Islam von Europa abzugrenzen“ (Marx 2021: 61). In diesem Fall wird er zu einem Argument, das eine vermeintliche Unvereinbarkeit
von Muslim*innen mit ‚westlichen‘ Wertvorstellungen behauptet.
11 Wenngleich im Mittelalter diverse Völker Küsten Südeuropas und Mittelmeerinseln angriffen, galten (in den Erzähltraditionen)
vor allem die arabischen Muslim*innen als feindliche Macht, auf die die Kreuzzüge antworten sollten (vgl. Cardini 1999: 31).
32 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

2.5 Zum Verhältnis von (vgl. 2017b). (S. a. zum jüdisch-muslimischen


Muslimfeindlichkeit und Dialog Kapitel ↗ 9.4.1.2)

Antisemitismus Auch in der pädagogischen Arbeit wird das Ver-


hältnis von Antisemitismus und Muslimfeind-
Der UEM soll Muslimfeindlichkeit unter ande- lichkeit rege diskutiert. Hier steht die Frage im
rem „auf Schnittmengen mit antisemitischen Zentrum, inwiefern die Sensibilisierung für
Haltungen“12 untersuchen. Die Diskussion über Antisemitismus bzw. Muslimfeindlichkeit unter-
das Verhältnis von Muslimfeindlichkeit und Anti- schiedlicher Bildungskonzepte bedarf. Reicht
semitismus wird seit einigen Jahren in wissen- es, beide Phänomene unter dem Konzept der
schaftlichen, pädagogischen sowie öffentlichen Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu
Diskursen geführt (vgl. u. a. Schiffer/Wagner 2021; subsumieren oder gar als eine von vielen Diskri-
Botsch et al. 2012). Dabei sind die zentralen Fra- minierungsformen zusammenzufassen, ohne die
gen jeweils andere: Aus wissenschaftlicher Sicht jeweiligen Spezifika zu benennen?
wird beispielsweise diskutiert, ob aktuelle Formen
der Ausgrenzung von Muslim*innen in Europa Insgesamt zeigt sich, dass es einer Verhältnisbe-
hinsichtlich ihrer Funktion mit dem Antisemi- stimmung von (rassistischer) Muslimfeindlichkeit
tismus im 19. Jahrhundert zu vergleichen sind. und Antisemitismus bedarf. Im Folgenden sollen
Gelegentlich wird in öffentlichen Diskursen über drei Fragestellungen kurz umrissen werden:
die These diskutiert, „Muslime seien die Juden
von heute“. Dies war beispielsweise nach einer 1. Was ergibt der Vergleich des Antisemitismus
Konferenz der Technischen Universität Berlin im im 19. Jahrhundert mit aktuellen Formen von
Jahr 2008 der Fall, die mit ihrem Titel „Feindbild Muslimfeindlichkeit?
Muslim – Feindbild Jude“ (Benz 2009) zu hitzigen 2. Was unterscheidet die Ideologien des Anti-
Reaktionen und Debatten in der Presse führte. semitismus und des Rassismus?
3. Inwiefern sind aktuelle Erscheinungsformen
Offizielle Vertreter*innen von jüdischen Orga- von Antisemitismus und Rassismus gegen
nisationen machen dabei auf die Gefahr für Muslim*innen miteinander verflochten?
beide Glaubensgruppen seitens rechtsextremer
Akteur*innen aufmerksam, wie beispielsweise 1. Was ergibt der Vergleich des Antisemitismus
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, im 19. Jahrhundert mit aktuellen Formen von
in der Vergangenheit häufig betonte. Er wies Muslimfeindlichkeit?
zwar darauf hin, „Muslime sind nicht die Juden
von heute“ (2020), jedoch gebe es Parallelen in Vorneweg: Es besteht ein fundamentaler Unter-
der jeweiligen Diskriminierung. Schuster zufolge schied zwischen einer Gleichsetzung und einem
habe der Rechtsextremismus sowohl Jüdinnen Vergleich der beiden Phänomene hinsichtlich der
und Juden als auch Muslim*innen als Angriffsziel. Fragestellung. Erstere widmet sich keiner seriösen
In diesem Zusammenhang warnt er etwa auch Auseinandersetzung, denn Muslimfeindlichkeit
vor der offen muslimfeindlich agierenden AfD, hat Antisemitismus nicht ersetzt oder abgelöst
die heute vorwiegend gegen Muslim*innen Stim- und beide Phänomene existieren bis heute. In
mung mache. Dies könne in Zukunft jedoch auch ihren heutigen Erscheinungsformen gibt es Paral-
(wieder) verstärkt Jüdinnen und Juden betreffen lelen und Unterschiede (s. dazu die Fragen 2 und 3).

12 Pressemitteilung des BMI vom 1. September 2020. Online abrufbar:


https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2020/09/expertenkreis-muslimfeindlichkeit.html/ [30.01.2023].
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 33

Ein systematischer Vergleich hinsichtlich der Fra- seinem Essay von 1879. Darin schrieb er über die
gestellung ist dagegen zulässig – auf der Ebene deutsche Identität und die (Nicht-)Zugehörigkeit
der Semantik, der Diskurse und Stereotype und der Jüdinnen und Juden zur Nation und forderte,
ihrer Funktionen –, denn er kann dazu beitragen, Jüdinnen und Juden sollen „Deutsche werden,
das bisher wenig beachtete Phänomen der Mus- sich schlicht und recht als Deutsche fühlen […];
limfeindlichkeit besser zu verstehen und dessen denn wir wollen nicht, daß auf die Jahrtausende
Abgrenzung zum Phänomen Antisemitismus zu germanischer Gesittung ein Zeitalter deutsch-
schärfen. Eine vergleichende Perspektive kann jüdischer Mischcultur folge“, da viele Jüdinnen
auch herausarbeiten, dass beide Phänomene tat- und Juden nichts anderes seien als „deutsch
sächlich weniger mit den realen Objekten der redende Orientalen“. Sarrazin sprach 2010 in
Ablehnung zu tun haben als vielmehr mit einer einem Interview zu seinem Bestseller „Deutsch-
Vorstellung von ihnen, die als Projektionsfläche land schafft sich ab“ über Einwanderungspolitik
zur Stabilisierung der eigenen kollektiven Identi- und erklärte, man müsse „ganz klar machen,
tät dient (vgl. Shooman 2015). Ein systematischer, dass die, die einwandern, sich vermischen sollten.
wissenschaftlich fundierter Vergleich ist damit Wir, die Deutschen waren dazu immer sehr gut
keine Verharmlosung des Antisemitismus oder in der Lage, die Juden übrigens weitgehend auch.“
gar des Holocausts, wie häufig von Kritiker*innen (Sarrazin 2010) Für Brumlik sind solche Aussagen
eines Vergleichs eingewendet wird. Dabei steht beispielhaft für semantische Überschneidungen
in keiner ernstzunehmenden Arbeit zur Debatte, in gegenwärtigen muslimfeindlichen Diskursen
dass die Situation von Muslim*innen im heutigen mit jenen des modernen Antisemitismus des
Europa mit der staatlich organisierten, systemati- 19. Jahrhunderts, in denen sich die Furcht vor
schen Entrechtung und Verfolgung der europäi- dem angeblichen Verlust eigener Werte und
schen Jüdinnen und Juden in der Nazizeit, die zum kultureller Errungenschaften äußert.
industriell organisierten Massenmord von sechs
Millionen Menschen führte, zu vergleichen wäre. Kritiker*innen eines solchen Vergleichs betonen
dagegen die fundamentalen Unterschiede zwi-
Aus historischer Perspektive erfolgt ein zulässiger schen dem Antisemitismus im späten Kaiser-
Vergleich beispielsweise mit Blick auf die antise- reich und der heutigen Muslimfeindlichkeit (vgl.
mitischen Diskurse des 18. und 19. Jahrhunderts. Schwarz-Friesel/Friesel 2012; Bunzl 2005). So
Debatten über Prozesse jüdischer Emanzipation – wurde die mühsam errungene rechtliche Gleich-
das heißt der rechtlichen Gleichstellung und stellung von Jüdinnen und Juden vehement und
des sozialen Aufstiegs von Jüdinnen und Juden – öffentlich bekämpft: sei es durch die Gründung
lassen sich als Abwehrreflexe verstehen und der Antisemitenliga 1879, die Berufung des
sind damit, so Befürworter*innen des Vergleichs, antijüdischen Kongresses in Dresden 1882 oder
mit den heutigen Konflikten über die voran- die Gründung des Antisemitentags in Bochum
schreitende gesellschaftliche Partizipation von 1889. Allein der Begriff Antisemitismus und die
Muslim*innen zu vergleichen (vgl. Topolski 2018; dazugehörige Ideologie sind Geistesprodukte
Brumlik 2012). Brumlik stellt die These auf, dass von deutschen Intellektuellen, die die Exklusion
die „Furcht […] oder die Feindschaft gegen den von Jüdinnen und Juden zu einer politischen
Islam“ (2012: 76) strukturelle Gemeinsamkeiten und kulturellen Bewegung machten (vgl. Bunzl
mit einer historischen Form der Jüdinnen- und 2005). Zudem geschah dies in einem autoritären
Judenfeindschaft des 19. Jahrhunderts aufweise. Gesellschaftskontext vor über 150 Jahren, in dem
Er vergleicht die Thesen des rechtspopulistischen antisemitische Einstellungen und Äußerungen
Buchautors Thilo Sarrazin mit denen des antise- öffentlich artikuliert und nicht sanktioniert
mitischen Historikers Heinrich von Treitschke in wurden. Dabei verfestigte sich jener Antisemitis-
34 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

mus zu einem „kulturellen Code“, wie Volkov die ten zwischen Islamismus und Muslimfeindlichkeit
politische Kultur des Kaiserreichs beschreibt: „Das immer wieder aufs Tableau zu heben. Um jedoch
Bekenntnis zum Antisemitismus wurde zu einem mögliche Zusammenhänge seriös wissenschaftlich
Signum kultureller Identität, der Zugehörigkeit zu analysieren und beleuchten zu können, bedarf es
einem spezifischen kulturellen Lager“ (2000: 23). umfangreicher weiterer Forschungen.

Deutlich anders verhält es sich dagegen mit 2. Was unterscheidet die Ideologien des
der heutigen Muslimfeindlichkeit in Europa, die Antisemitismus und des Rassismus gegen
sich erst im Zuge der verstärkten Einwanderung Muslim*innen?
von Muslim*innen aufgrund von geopolitischen
Konflikten sowie dem zunehmenden Erfolg Ein wesentlicher Unterschied zwischen Antisemi-
populistischer Bewegungen stärker und vehe- tismus und Muslimfeindlichkeit bzw. der rassisti-
menter äußert. Dabei werden offene und eindeu- schen Ausgrenzung von Muslim*innen besteht in
tig muslimfeindliche Positionen in großen Teilen den jeweiligen Ideologien sowie hinsichtlich ihrer
der Gesellschaft – sowie in Medien und Politik – Funktion. Bezieht man sich bei Muslimfeindlich-
mindestens problematisiert und häufig verurteilt. keit auf Rassismustheorien (wie AMR), können die
Auch der vorliegende Bericht ist das Ergebnis Weltbilder der rassistischen und antisemitischen
einer staatlichen Intervention, die dezidiert den Ideologie miteinander verglichen werden.
Abbau von Muslimfeindlichkeit zum Ziel hat.
In diesem Zusammenhang erklärte Rommelspacher,
Ein weiterer zentraler Unterschied zwischen den Antisemitismus unterscheide vom Rassismus,
der Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden
im 19. Jahrhundert und der heutigen Muslim- „dass er psychoanalytisch gesprochen eher von
feindlichkeit betrifft ihr Zustandekommen, wie ‚Über-Ich Projektionen‘ genährt wird und den
Kritiker*innen des Vergleichs anführen (vgl. Anderen ein Zuviel an Intelligenz, Reichtum und
Schwarz-Friesel/Friesel 2012): So sei die Feind- Macht zuschreibt, während der koloniale Rassis-
schaft gegenüber Jüdinnen und Juden völlig mus stärker von ‚Es-Projektionen‘ bestimmt
unbegründet gewesen, vielmehr sei sie nach ist, die den Anderen besondere Triebhaftigkeit,
den Worten von Adorno und Horkheimer eine Sexualität und Aggressivität unterstellen“
„pathische“ (1987: 219), also krankhafte Projek- (Rommelspacher 2009: 26).
tion. Dagegen sei die heutige Feindschaft gegen
Muslim*innen auch mit der Wahrnehmung des Entsprechend kann die Abwertung von Mus-
gewaltbereiten Islamismus sowie Übergenera- lim*innen durch das rassistische Weltbild erklärt
lisierungen bestimmter im Islam verbreiteter werden: Im Rassismus wird der rassifizierte Andere
Phänomene zu erklären. Diese Unterscheidung ist durch Abwertung und den Vorwurf mangelnder
jedoch empirisch nicht belegt und argumentativ Modernität und kollektiver Unzivilisiertheit
stark verkürzt. Sie birgt die Gefahr, Muslimfeind- fremdgemacht. Beides sind gleichsam klassische
lichkeit zu ‚legitimieren‘. Stereotype und Feindbilder des antimuslimischen
Rassismus. Im antisemitischen Denken dagegen
Abschließend sei hier angemerkt, dass kaum eine werden „die Juden“ als Repräsentanten der
Arbeit über aktuelle Diskurse um Muslimfeind- Moderne und somit als Zerstörer*innen einer
lichkeit und antimuslimischen Rassismus ohne besseren Vergangenheit imaginiert. Dominierend
den – berechtigten – Verweis auf die islamistischen im Antisemitismus ist das Phantasma der All-
Attentate vom 11. September 2001 auskommt. Dies macht der „Juden“, das mit dem Glauben an eine
trägt dazu bei, die Frage nach etwaigen Kausalitä- „Weltverschwörung“ (Cohn 1998) korrespondiert.
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 35

Eine solche Überzeugung bietet die Gelegenheit, Ex-Muslim*innen bzw. aus dem Islam heraus
„sich selbst als Opfer zu sehen und sich vorzu- Konvertierte ein, die von Teilen des öffentlichen
stellen, beherrscht und ausgebeutet zu werden“ Diskurses und insbesondere von rechtspopulis-
(Messerschmidt 2005: 139). Das Gefühl der Unter- tischen Akteur*innen als „aufgeklärt“ oder „Vor-
legenheit und der Ohnmacht unterscheidet sich kämpfer*innen“ bezeichnet werden – nicht selten,
diametral vom (Kolonial-)Rassismus, in dem um eine muslimfeindliche Agenda mit „authen-
die Überlegenheit der ‚weißen Rasse‘ die Recht- tischen“ Stimmen zu unterfüttern (vgl. Shooman
fertigung von Ausbeutung und Versklavung war. 2014). Dies bedeutet dennoch nicht, dass diese
So ist im Antisemitismus die Vernichtung des Personen aufgrund ihres Aussehens oder Namens
Anderen das Ziel, während im rassistischen Welt- nicht trotzdem von Antimuslimischen Rassismus
bild eine imaginierte Überlegenheit den eigenen betroffen sind. Dem „Stigma Muslim“ zu entkom-
Herrschaftsanspruch legitimiert. men, ist aus rassismustheoretischer Perspektive
kaum möglich, denn rassifizierende Zuschreibun-
Dagegen spielt die Frage nach der Religion in bei- gen finden auch dann statt, wenn sie nicht mit
den Phänomenen eine Rolle. Die Rassifizierung den individuellen Selbstbildern der Betroffenen
religiöser Zugehörigkeit ist dabei ein Vorgang, der übereinstimmen.
sowohl im Antisemitismus als auch im gegen-
wärtigen Rassismus gegenüber Muslim*innen in Dazu kommt eine immer wieder reproduzierte
unterschiedlicher Weise seinen Ausdruck findet. Vorstellung, dass Muslim*in-Sein und Deutsch-
In antimuslimischen Diskursen verschränken Sein unvereinbar wären – ein bekanntes anti-
sich Kategorien wie Religion, Kultur und Ethnizi- semitisches Motiv, wie unter anderem im oben
tät (vgl. Shooman 2015). Unter dem Deckmantel genannten Beispiel von Treitschkes deutlich wird,
der Islamkritik werden dabei häufig rassistische das Jüdinnen und Juden als nicht-zugehörig zur
Annahmen über Muslim*innen getroffen, die Nation erklärt. Der Rassenantisemitismus ent-
jedoch keine aufgeklärte Religionskritik darstel- stand am Ende des 19. Jahrhunderts und basierte
len (vgl. Unterkapitel ↗ 2.6). Ganz gleich, welche auf modernen, pseudowissenschaftlichen Ras-
Bezüge sie selbst zum Islam haben oder ob sie sentheorien, die jede religiöse Konversion und
sich überhaupt als muslimisch definieren, wird gesellschaftliche Assimilation der Jüdinnen und
Muslim*in-Sein mit Herkunft verknüpft. Jene Juden von vornherein für unmöglich erklärt. Die
Logik legt nahe, dass man vom Islam ‚abstammen‘ früheren Stereotype, Bilder und Praktiken, die
könne. Deutlich wird dies beispielsweise in einem primär auf religiöser Basis als Antijudaismus ent-
Werbetext des rechtsextremen Kopp-Verlags über standen, wurden weitertradiert; so wurde aus der
ein 2015 publiziertes Buch: „Detailliert und ohne konstruierten christlich-jüdischen Dichotomie
Rücksicht auf die Denkverbote der Politischen eine deutsch-jüdische, die auf einem rassistischen,
Korrektheit beschreibt Bestsellerautor Udo Ulfkotte, völkisch-nationalistischen Verständnis beruhte
wie Europa zu einer Kolonie des Islam wird.“ Hier und die Grundlage des nationalsozialistischen
artikuliert sich in eindeutiger Weise die Rassifizie- Antisemitismus wurde.
rung von Muslim*innen, indem sie wahnhaft als
Kolonisator*innen imaginiert werden. In den Vergleichsdebatten wurde ein Aspekt noch
kaum beachtet: Verschwörungsfantasien, die
Muslim*innen, die sich von ihrer Religion abwen- sich sowohl in antisemitischen als auch in anti-
den oder konvertieren, bleiben aufgrund der oben muslimischen Ideologien finden. Während es im
beschriebenen Verknüpfung von Religion, Kultur Antisemitismus die ‚jüdische Weltverschwörung‘
und Ethnizität dauerhaft als Muslim*innen ist, findet sich besonders in der rechtspopulisti-
markiert. Eine Sonderrolle nehmen dabei jene schen und -extremen Ideologie das Phantasma
36 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

der ‚Islamisierung‘. Dieses wird als Drohkulisse Moschee überfallen, wählte dann jedoch eine Syna­
gegen migrationsgesellschaftliche Realitäten und goge, da hier die „einzige Möglichkeit“ bestünde,
Öffnungsdiskurse verbreitet. Der Glaube an die „wenigstens einen Juden“ umzubringen – dann
Gefahr einer ‚Islamisierung‘ und die damit aus- hätte „es sich schon gelohnt“ (aus dem vorher im
gedrückte Angst vor Muslim*innen widerspricht Internet veröffentlichten Manifest). Das rechts-
jedoch gewissermaßen einem rassistischen Über- extreme Bekennerschreiben zeigt in gewisser
legenheitsgefühl. Dies macht deutlich, dass rassis- Sicht, wie „Intersektionalität von rechts“ (Mendel/
mustheoretische Ausführungen nicht für jeden Cheema/Arnold 2022) und damit die Verfloch-
Ausdruck von Muslimfeindlichkeit ausreichen. tenheit verschiedener Phänomene funktioniert.
Ein systematischer Vergleich der Semantik des Und doch gibt der Text auch Hinweise auf die
Phantasmas der ‚Weltverschwörung‘ mit dem der bereits ausgeführten Unterschiede beider Ideo-
‚Islamisierung‘ könnte weitere Erkenntnisse über logien: Im antisemitischen Phantasma über die
die Verwobenheit aktueller Erscheinungsformen ‚Allmacht der Juden‘ wird deutlich, wie hier die
von Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit Herausforderungen einer komplexen modernen
bringen (vgl. Cheema 2020). Gesellschaft als ‚jüdische Machenschaft‘ gedeutet
werden. Rassismus gilt dagegen als ein soziales
3. Inwiefern sind aktuelle Erscheinungsformen Dominanzverhältnis, in dem es um Ausbeutung
von Antisemitismus und Rassismus gegen und Beherrschung geht. Damit zählen Jüdinnen
Muslim*innen miteinander verflochten? und Juden, wie Holz und Kiefer es formulieren,
weder zur Eigen- noch zur Fremdgruppe der
Dass sich Antisemitismus und Muslimfeindlich- Anderen in der binären Ordnung des Rassismus.
keit ideologisch, historisch sowie in aktuellen In dieser dichotomen Weltanschauung werden
Erscheinungsformen voneinander unterscheiden, Jüdinnen und Juden zu einer „Figur des Dritten“.
ist insbesondere aus wissenschaftlicher Perspek­ Sie werden als „Weltfeind“ konstruiert und nicht
tive relevant. Für die politische Bekämpfung bei- als „‚normale‘ Nation, Rasse oder Religion“ (Holz/
der Formen von Menschenfeindlichkeit sollte das Kiefer 2010: 123–124).
Zusammendenken bzw. die Verflochtenheit beider
Phänomene im Fokus stehen. Dies soll anhand Während sich der Hass gegen Muslim*innen wie
eines Beispiels ausgeführt werden. gegen Jüdinnen und Juden in der rechtsextremen
Ideologie explizit äußert, zeigen sozialwissen-
Der Hass gegen beide Minderheiten findet in der schaftliche Studien, dass es in der breiten Gesell-
rechtsextremen Ideologie zusammen. Die Atten- schaft Korrelationen zu anderen Feindschafts-
täter von Halle, Christchurch, Pittsburgh und ideologien geben kann. So zeigte z. B. Pickel 2019,
Buffalo waren alle Verfechter der rechtsextremen dass Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit
Verschwörungserzählung vom „großen Austausch“. häufig gemeinsam auftreten, wenn auch in unter-
In der Verschwörung finden sich unter anderem schiedlichen Ausmaßen. Die These der Korrela-
sexistische, antisemitische und rassistische tion ist allerdings umstritten, da etwa eine neuere
Elemente: Feminist*innen seien schuld an den Studie des Sachverständigenrats für Integration
sinkenden Geburtsraten der westlichen Welt und Migration (SVR) den Zusammenhang als rela-
und die daraus resultierende – und von linken tiv gering einschätzt (vgl. Friedrichs/Storz 2022).
Eliten unterstützte – Masseneinwanderung aus
muslimischen Ländern werde von Jüdinnen und In sozialen Medien ist das Zusammenwirken von
Juden orchestriert. Im Manifest des Attentäters Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit wie-
von Halle (2019) äußerte sich diese Wahnvorstel- derum häufiger zu beobachten. Eine Studie des
lung sehr konkret. Er wollte ursprünglich eine Institute for Freedom of Faith & Security in Europe
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 37

zeigte, wie antisemitische Hassbotschaften sowie sismus – nicht zuletzt angesichts der gemeinsa-
Hetze gegen Muslim*innen in sozialen Netzwerken men Bedrohung seitens rechtsextremer Gruppen –
während der Corona-Pandemie deutlich zunahmen sinnvoll sein. Aus der Perspektive der Betroffenen,
(vgl. Rose 2021). Antisemitische Postings knüpften der Jüdinnen und Juden und Muslim*innen, ist
der Studie zufolge an Verschwörungsfantasien die gemeinsame Solidarität für viele ein wichtiger
an: Jüdinnen und Juden würden die Pandemie Anspruch (s. dazu Kapitel ↗ 9.4.1.2). Im öffentli-
kontrollieren oder die Maßnahmen ausnutzen, chen Diskurs wird dagegen häufig das Bild einer
um Macht zu erlangen. Muslim*innen hingegen „Opferkonkurrenz“ gezeichnet (vgl. Mendel/
wurde unterstellt, einen ‚Corona-Dschihad‘ zu Cheema/Arnold 2022): Ist der Antisemitismus
führen und das Virus absichtlich zu verbreiten. eine größere Bedrohung als die Muslimfeind­
lichkeit? Auch hier sei nochmal auf Schuster
Mit Blick auf die AfD und ihre Wähler*innen zeigt verwiesen, der zu dieser Frage bereits vor einiger
sich laut einer Studie der Universität Leipzig eben- Zeit deutlich machte:
falls eindeutig, wie antisemitische und muslim-
feindliche Positionen miteinander einhergehen. „Muslime sind nicht die Juden von heute.
Zwar sind innerhalb der rechtspopulistischen und Antisemitismus darf man nicht mit dem anti-
-extremen Partei häufig ‚projüdische‘ Stimmen muslimischen Rassismus gleichsetzen. Beide
zu hören; dies lässt sich jedoch als perfide Strate- Diskriminierungsformen sind aufs Schärfste zu
gie entlarven. Auch hierzu äußerte sich Schuster verurteilen. Wir müssen aber ganz klar sagen:
schon früh: „Hier wird das Thema, sich besonders Parallelen gibt es immer, doch bei einer Gleich-
angeblich für Juden zu engagieren, einfach einge- setzung verharmlosen wir die unterschiedlichen
setzt, um massiv erneut gegen Muslime zu hetzen, Diskriminierungsformen, tun den konkreten
und dafür die jüdische Gemeinschaft heranzu- Menschen Unrecht und geben einer völlig
nehmen, das ist mehr als dreist“ (Schuster 2017a). unnötigen Opferkonkurrenz einen unnötig
Jüdinnen und Juden seien wie Muslim*innen großen öffentlichen Raum.“ (Schuster 2020)
von der Stimmungsmache der AfD bedroht. Eine
Untersuchung ihres Auftritts auf Twitter zeigt, Häufig spielt in dieser Konkurrenzlogik eine
dass Antisemitismus ausschließlich im Zusam- besondere Rolle, dass antisemitische Taten auch
menhang mit Muslim*innen benannt wird, um von Muslime*innen ausgehen. Diese Debatte ver-
letztlich eigene antisemitische Haltungen zu läuft entlang zweier Fronten: Auf der einen Seite
überdecken (vgl. Niedick 2020: 209). Diese „ein- wird Rassismus gegen Muslim*innen als Grund
seitige Instrumentalisierung des Antisemitismus­ gesehen, antisemitische Ausdrücke unter Mus-
vorwurfs zeigt vielmehr die Verschränkung von lim*innen nicht zu thematisieren – was für die
antimuslimischem Rassismus und Antisemitis- Betroffenen verheerende Konsequenzen hat und
mus innerhalb der AfD“ (ebd.: 211). Antisemitismus unter Muslim*innen verharmlost.
Stattdessen wird auf die Gefahr der Vereinnah-
Trotz der relevanten Unterschiede bezüglich der mung von rechtsextremer Seite verwiesen. Und
Ideologien und ihrer Funktionen kann das ver- tatsächlich werden solche Vorfälle von rechten
stärkte Zusammendenken von Antisemitismus Kreisen für ihre antimuslimische Agenda genutzt,
und Muslimfeindlichkeit auf politischer Ebene so wie die AfD den Antisemitismus lediglich für
mit Blick auf mögliche Handlungsmaßnahmen ihre antimuslimische Agenda instrumentalisiert.
und die Bekämpfung jeglicher Formen von Ras- Der Rekurs auf das erfundene „christlich-jüdische
38 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abendland“13 wird letztlich genau dann eingesetzt, zu Antimuslimischem Rassismus ist dies noch
wenn es um die Abgrenzung zu Muslim*innen nicht ausreichend thematisiert worden. Im Fol-
geht. Auf der anderen Seite werden Muslim*innen genden wird anhand von drei Mechanismen erör-
als die größte Bedrohung für Jüdinnen und Juden tert, welchen Kriterien Islamkritik unterliegt und
dargestellt – und die Gefahr von rechts relativiert inwiefern diese eine aufgeklärte religionskritische
(vgl. Cheema 2019). Die Bekämpfung von Anti- Auseinandersetzung mit dem Islam erschweren.
semitismus und Muslimfeindlichkeit kann aller-
dings nur dann glaubwürdig und damit effektiv Pauschalisierung: Wie kann eine an Menschen-
sein, wenn sie keine Hierarchisierung und Opfer- rechten orientierte Kritik an islamisch artiku-
konkurrenzen zulässt. lierten Handlungen aussehen, die gleichzeitig
Pauschalurteile über ‚die Muslime‘, ihre Herab-
setzung und Ausgrenzung oder eine Relativierung
2.6 Der Diskurs um Islamkritik von realen Problemen vermeidet (vgl. Cheema
2020)? Für die Differenzierung zwischen einer
Ein weiteres Schlagwort im Diskurs über Islam Kritik am Islam und der Reproduktion von rassis-
und Muslim*innen ist das der Islamkritik. Zahl- tischen Denkmustern braucht es die Definition
reiche Expert*innen werden im öffentlichen Dis- der Grenze zwischen religionskritischer Aufklä-
kurs als Islamkritik*innen bezeichnet, wenn sie rung und einer kulturkämpferischen Spaltung der
Kritik an der Religion oder auch an bestimmten Gesellschaft (vgl. Bielefeldt 2011: 135). Eine pola-
Ausprägungen wie dem Salafismus bzw. an der risierende Kritik, die Pauschalisierungen nutzt
religiösen Praxis bestimmter Muslim*innen üben. und Individuen eine „unveränderliche kollektive
Bei Islamkritik handelt es sich um einen vagen Mentalität“ (ebd.: 141) zuschreibt, ist mit einer reli-
Begriff, denn was genau sie ausmacht, konnten gionskritischen Auseinandersetzung nicht verein-
bisherige Definitionsversuche weder abschlie- bar. Pauschale Urteile über ‚die Muslime‘ und ‚den
ßend noch allgemeingültig klären (vgl. u. a. Bade Islam‘ homogenisieren Muslim*innen und stellen
2013; Schneiders 2012 und 2015; Schirrmacher sie unter Generalverdacht. Gewaltvolle Handlun-
2022). Hinzu kommt, dass antimuslimische Aus- gen, die islamisch begründet werden – beispiels-
sagen jenseits konkreter Kritik im öffentlichen weise terroristische Anschläge, patriarchale Ver-
Diskurs jahrelang als Islamkritik gelabelt wurden. hältnisse oder antisemitische Gewalt – sind dabei
So etwa im Fall der Pegida-Bewegung (kurz für: nicht zu relativieren, sondern müssen differenziert
Patriotische Europäer gegen die Islamisierung analysiert werden. Biskamp kritisiert, dass in der
des Abendlandes), die heute als rassistisch und Forschung bis dato ein „binäres Bild vom Sprechen
rechtsextrem eingestuft wird, zunächst jedoch als über Islam und Muslime“ (2016: 83) entstanden ist.
„islamkritische“ Bewegung galt.14 Er bemängelt, dass die Problematisierung islami-
scher Gewalthandlungen wiederum zu pauschal
Trotz der Vagheit des Begriffs Islamkritik kann die als rassistische Zuschreibungspraxis delegitimiert
Zulässigkeit von Kritik an bestimmten islamisch wird. Grund dafür sei das gesellschaftspolitische
legitimierten Ausdrucksformen oder Handlungen Klima, in dem antimuslimische Ressentiments
nicht verneint werden. In der bisherigen For- weit verbreitet sind. Sachorientierte und differen-
schung zu Islam- und Muslimfeindlichkeit sowie zierte Kritik muss folglich möglich sein.

13 Die sprachliche Konstruktion eines „christlich-jüdischen Abendlands“ rekurriert auf eine vermeintlich christlich-jüdische
Wertegemeinschaft, die historisch nicht existierte. Sie fokussiert im Wesentlichen darauf, Muslim*innen aus einer auf diese Weise
imaginierten Gemeinschaft zu exkludieren.
14 Z. B. häufig in der ARD-Tagesschau, u. a. auch auf tagesschau.de im Interview mit dem ehemaligen Direktor der Sächsischen
Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter am 15. Dezember 2014 (vgl. Richter 2014).
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 39

Perspektiven: In öffentlichen Debatten ist wieder­ Pluralismus: Aus kommunikationstheoretischer


holt zu beobachten, dass Missstände in islamisch Sicht muss außerdem das Ganze des islambezo-
geprägten Gesellschaften ‚islamisiert‘ und damit genen Diskurses – z. B. in Medien und politischen
fälschlich als unausweichliche Folge der Zuge- Debatten – in den Blick genommen werden. Die
hörigkeit einer Bevölkerungsmehrheit zum Islam individuelle Kritik an islamisch motivierten
erklärt werden. Eine an Menschenrechten orien- Verhältnissen ist legitim und wichtig, der Islam-
tierte Perspektive definiert hingegen zunächst diskurs als Ganzes kann aber durch selektive
Probleme (z. B. patriarchalische Strukturen bzw. Wahrnehmung, ständige Wiederholung und ein-
Haltungen und ihre Folgen) und wendet sich im seitige Fokussierung auf bestimmte Kritikpunkte,
zweiten Schritt den konkreten Akteur*innen bzw. die den Gegenstand der Kritik nicht in seinen
ideologischen Begründungen für solche Phäno­ unterschiedlichen Erscheinungsformen würdigt,
mene zu. Mit dieser rechtsstaatsorientierten wiederum in unangemessener Form generalisie-
Perspektive werden willkürliche Zuschreibungen ren. Es ist verkürzt, die Realität einer Weltreligion
und eine Essenzialisierung des Islams bzw. von und ihrer Gläubigen, die mehr als 1,5 Milliarden
Muslim*innen vermieden. Das Beispiel patriar- Menschen ausmachen, auf negative Assoziationen
chalischer Strukturen macht deutlich, dass Islam- und Sachkontexte (Terrorismus, Frauenfeindlich-
kritik auch ohne pauschalisierende Aussagen den keit usw.) zu reduzieren, ohne eine gewisse For-
Gang ihrer Argumente und vor allem das Framing men- und Lebensvielfalt (Volksreligiosität, theolo-
unbedingt im Blick behalten muss. Mit dem Islam gische Varianten, säkularisierte Handlungspraxen
verbundene Phänomene lassen sich in der Regel usw.) zur Kenntnis zu nehmen (vgl. K. Hafez 2002b:
aus verschiedenen (theoretischen) Blickwinkeln 59–65). Die moderne Diskursanalyse beschäftigt
interpretieren. Ein Religionsframe, der automa- sich mit diesen komplexen Abbildungsprozessen
tisch die Religion für alles negative verantwortlich nicht nur in einzelnen Texten, sondern in ganzen
macht (nach dem Motto: „Im Koran steht ja …“) Mediengattungen. Müller et al. (vgl. 2007) haben in
greift zu kurz, um soziale Phänomene zu erklären. diesem Zusammenhang zu Recht festgestellt, dass
So sind beispielsweise soziale, ökonomische, poli- im Islamkontext Stereotype oft nicht mehr mani-
tische oder psychologische Begründungen für ein fest formuliert werden („der fanatische Muslim“),
und dasselbe Phänomen – z. B. auch für islamisch dass sie aber „unterschwellig die Themenstruktur
begründeten Terrorismus – in ihrer Viel­falt wichtig, der Berichterstattung [steuern]“ (ebd.: 141). Diesen
um keine künstlich fundierte oder zumindest stark Vorgang wollen wir als „diskursstrukturelle Mus-
verkürzte Islamkritik zu praktizieren. Deutungs- limfeindlichkeit“ bezeichnen.
und Perspektivenvielfalt in Form von Frames sind
bei der Islamkritik unbedingt anzuraten, auch Das Problem, das hier entsteht, ähnelt dem zwi-
um eine globale interkulturelle Vergleichbarkeit schen individuellem und Strukturellem bzw. Ins-
zu sichern. Man spricht leicht von „islamischer titutionellen Rassismus. Auch wenn eine einzelne
Gewalt“; „christliche Gewalt“ hingegen erscheint Person eine bestimmte Kritik an einer islamisch
für Phänomene wie die russisch-orthodoxe motivierten Praxis vielfach zu Recht übt, ist sie
Begründung des Ukrainekrieges oder Gewalt- Teil einer Diskursprägung, die in ihrer Gesamtheit
taten von protestantischer und katholischer Seite einen generalisierenden Charakter trägt und
in Irland nach wie vor absurd. Das Framing folgt damit rassistische Routinen ausprägen kann.
in diesen Fällen ganz unterschiedlichen Logiken, Der Islam erscheint dann am Ende mehr als eine
unter denen die Perspektivenvielfalt leidet. Darü- politische Ideologie und nicht als eine Religion
ber hinaus wird eine rechsstaatswidrige Ungleich- mit diversen Lehren und Praxen. Es werden
behandlung gegebenenfalls gleicher Problemla- Bilder und Vorstellungen von Muslim*innen
gen für Staat und Gesellschaft erzeugt. kolportiert, die sie entweder stigmatisieren oder
40 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

viktimisieren. Dies bedeutet nicht, dass Islam- Auf Grundlage der benannten Kriterien muss
kritik, die sich auf einen konkreten Gegenstand jeweils am konkreten Einzelfall entschieden wer-
richtet, nicht richtig und wichtig wäre, sondern den, ob bestimmte Äußerungen über den Islam
dass Pluralismus und Vielfältigkeit wichtige Leit- lediglich kritisch oder muslimfeindlich zu ver-
gedanken bei der Bekämpfung von Muslimfeind- stehen sind. Mit diesem 3-P-Test soll eine Hilfe­
lichkeit sein sollten. Und es bedeutet, dass nicht stellung gegeben werden, um Kritik am Islam
nur einzelne Akteur*innen in einer Gesellschaft von Muslimfeindlichkeit zu unterscheiden – und
für Muslim­feindlichkeit verantwortlich sind, son- somit konkrete Aussagen differenziert analysieren
dern Gatekeeper*innen in den Institutionen und und beurteilen zu können.
die Institutionen als Ganzes in der Pflicht sind,
denn nur sie haben den Überblick und den Ein-
fluss, Diskursroutinen grundlegend zu ändern. 2.7 Instrumentalisierung von
Muslimfeindlichkeit
Die Übergänge zwischen Islamkritik und Muslim-
feindlichkeit können zusammenfassend anhand Muslimfeindlichkeit ist ein weltweit verbreitetes
der drei dargestellten Kriterien definiert werden.15 Phänomen, das sich durch bestimmte Bild- und
Kritik am Islam kann muslimfeindlich sein, wenn Diskursstrukturen auszeichnet und von diversen
Akteur*innen – Individuen, Gruppen und Insti-
1. eine Pauschalisierung erfolgt. Wenn beispiels­ tutionen – in den unterschiedlichsten Bereichen
weise bei Gewalttaten von Islamist*innen verbreitet wird und im Alltag Diskriminierungen
Muslim*innen pauschal unterstellt wird, erzeugt. Bei der Frage der instrumentellen
gewalttägig und gefährlich zu sein. Nutzung von Muslimfeindlichkeit denkt man
2. Perspektiven eindimensional bleiben. Wenn unwillkürlich an rechtsradikale, fremdenfeind-
eine sexistische oder homophobe Tat einer liche, aber auch an politische Institutionen im
muslimischen Person (allein) mit ihrer reli- Zusammenhang mit strukturellem Rassismus.
giösen Zugehörigkeit erklärt wird, während Gegenüber anderen Teilen des vorliegenden
soziale, politische, historische und andere Berichts, die sich diesen Fragen gezielt zuwenden,
Problemlagen wie Erklärungsansätze nicht in sollen im nachfolgenden Unterkapitel einige Bei-
Betracht gezogen werden. spiele zeigen, dass auch Muslim*innen selbst und
3. Pluralismus ausgelassen wird. Wenn zwar hier insbesondere islamistische Akteur*innen
nicht pauschalisiert wird und durchaus andere unter umgekehrten Vorzeichen – als vorgebliche
Erklärungsansätze für Gewalttaten herange­ Verteidigung des Islams – den Vorwurf der Mus-
zogen werden, der Diskurs aber insgesamt limfeindlichkeit instrumentalisieren können. An
von Negativschlagzeilen über den Islam und die Stelle des pauschalen Negativbilds vom Islam
Muslim*innen dominiert wird. In diesem Fall rückt hier der nicht minder pauschale Vorwurf
ist die Kritik möglicherweise legitim, doch der Muslimfeindlichkeit der westlichen Welt. Isla-
ist auch der Gesamtkontext zu betrachten: mistische Akteur*innen werden so zu Co-Kon­
Werden die Vielfalt sowie andere Auslegungs- strukteur*innen eines angeblichen islamisch-
praxen des Islams berücksichtigt? westlichen Kultur- und Religionskampfes im glo-
balen Maßstab mit konkreten Auswirkungen auf

15 An dieser Stelle war der 3-D-Test des israelischen Politikers Natan Scharanski (vgl. 2004) über die Trennung von Kritik an Israel und
Antisemitismus eine Inspiration für die Entwicklung eines Tools, welches bei der Trennung von Kritik am Islam und Muslimfeindlichkeit
hilft. Scharanski geht davon aus, dass Antisemitismus unter dem Deckmantel der Kritik an Israel immer dann vorliegt, wenn eine
Dämonisierung des Staates Israel angestrebt, ein Doppelstandard angelegt bzw. eine Delegitimierung Israels betrieben wird.
Muslimfeindlichkeit: Eine Begriffsbestimmung 41

das plurale Zusammenleben von Muslim*innen jedoch so stark, dass er zu islamischen Revolu-
und Nicht-Muslim*innen. tionen im Nahen und Mittleren Osten aufrief. Er
wurde von der iranischen Regierung finanziert,
Nachstehend soll die Instrumentalisierung von gründete 1972 das Muslim Institute in London,
Muslimfeindlichkeit exemplarisch am Fall Salman 1992 sogar ein „Muslim Parliament“. Rushdies
Rushdies dargestellt werden. Verweise auf weitere Buch sah er als Zeichen für den westlichen Hass
Fälle strategischer Instrumentalisierung stellen und die Verschwörung gegen den Islam. Es ist bis
Ergänzungen dar. Die Auswahl erhebt keinen heute unklar, ob Chomeinis Fatwa ursprünglich
Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll das Siddiquis Idee war, da er unmittelbar vor deren
Problem an sich kenntlich machen. Es werden Verkündung in Iran war und mit den führenden
keine Fälle aus dem dschihadistisch-terroristi- Kreisen Kontakt hatte. Im Vereinigten König-
schen Bereich gewählt, sondern bewusst niedrig- reich initiierte Siddiqui eine Kampagne gegen
schwelligere Kampagnen aus dem islamistischen Rushdie und war mit dem Vorwurf einer west­
Bereich, da diese auf Debatten in der Mitte der lichen Verschwörung gegen den Islam Dauergast
Gesellschaft zielen. in Presse und Rundfunk. Er stärkte damit das
in westlichen Medien vorherrschende Bild einer
Die mehr als 30 Jahre andauernde Affäre um den fanatischen muslimischen Welt, die sich gegen
britisch-indischen Schriftsteller Rushdie ist durch die Meinungsfreiheit wendet – und dies, obwohl
das Attentat auf ihn im August 2022 erneut in das die Fatwa Chomeinis außerhalb der staatlich
öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Kontroverse kontrollierten Medien Irans und teilweise Pakis-
begann im Jahr 1989, als der damalige Revolu- tans etwa in arabischen Medien weitgehend
tionsführer Irans, Ayatollah Chomeini, Rushdie auf Ablehnung stieß (vgl. K. Hafez 2000; 2002b:
und seine Verleger*innen in einem islamischen 240–265). Die kampagnenartige Instrumentali-
Rechtsgutachten (Fatwa) wegen der Veröffent- sierung des Vorwurfs der Muslimfeindlichkeit
lichung des Werks „Die satanischen Verse“ 1988 zur Zuspitzung des islamisch-westlichen Kon-
mit einem Todesurteil belegte. Eine theologische flikts und zur Förderung von islamischen Revo-
Begründung lieferte Chomeini nicht, sodass offen lutionen durch eine spezifische Akteur*innen-
blieb, ob der Tatbestand der Apostasie (Abfall vom konstellation, zu der neben westlichen Medien
Glauben) oder der Blasphemie (Gotteslästerung) und Akteur*innen auch Islamist*innenen wie
im Zentrum stand. Entscheidend an dieser Stelle Siddiqui gehörten, wird hier sehr augenfällig.
ist jedoch, dass neben dem iranischen Revolu-
tionsführer noch andere islamische Akteur*innen Weitere Beispiele für eine Instrumentalisierung
eingriffen. Erst durch ihr Wirken über einen des Vorwurfs der Muslimfeindlichkeit lassen sich
längeren Zeitraum und nachfolgende Ereignisse auch in jüngerer Vergangenheit finden. So insze-
(von gewaltsamen Demonstrationen im Vereinig- nierte sich etwa der türkische Präsident Recep
ten Königreich und Südasien bis hin zum späteren Tayyip Erdoğan als Wortführer der „islamischen
Attentat auf Rushdie) erhielt die Fatwa ihre fatale Welt“ und rief einige Tage nach dem Mord an dem
Dynamik (vgl. Kapitel ↗ 4.6). französischen Lehrer Samuel Paty – der im Unter-
richt zum Thema Meinungsfreiheit Mohammed-
Als extrem einflussreich erwies sich dabei der Karikaturen zeigte – Muslim*innen weltweit zu
britisch-muslimische radikale Islamist Kalim einem Boykott gegen Frankreich auf. Von Rabat
Siddiqui (vgl. Kara 2017). Als Journalist für The bis nach Islamabad zog sich die Welle der Empö-
Guardian verfügte er über sehr gute Beziehun- rung gegen Frankreich und Emmanuel Macron,
gen zur britischen Regierung. Mit der Iranischen denn die Reaktionen des französischen Präsidenten
Revolution 1978/79 radikalisierte er sein Denken wurden als weitere Stigmatisierung europäischer
42 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Muslim*innen betrachtet (vgl. El-Difraoui/ (s. a. Kapitel ↗ 7.2.3). Aus verschiedenen Versatz-
Berges 2022). Weite Teile der türkischen Presse stücken wird ein pauschales Bedrohungsszenario
deuteten den Mord als „Inside-Job“ der franzö­ konstruiert, demzufolge eine einheitlich konstru-
sischen Regierung und als Inszenierung, um ierte islamische Identität und Lebensweise unter-
letztlich den Islam und Muslim*innen in Europa drückt werde, wodurch ein dichotomes Weltbild
zu unterdrücken (vgl. Ercan 2022). von „sie gegen uns“ entsteht. Opfer-Täter-Ana-
logien dienen der Verstärkung und Emotionali-
Allerdings gibt es nicht nur Beispiele aus dem sierung dieses Vorwurfs. Anschlussfähig werden
Ausland, in denen das Opfernarrativ strategisch solche Deutungsangebote insbesondere durch
verwendet wird. Auch hierzulande instrumen- reale Diskriminierungs- und Marginalisierungs-
talisieren insbesondere islamistische Gruppen erfahrungen von Muslim*innen. Junge und noch
antimuslimischen Rassismus als Beweis einer wenig gefestigte Menschen drohen so, den offe-
angeblichen Feindschaft „des Westens“ gegen- rierten einfachen Wahrheiten und den postulier-
über Muslim*innen (vgl. Korucu/Nordbruch 2020; ten Strategien der Selbstabgrenzung aufzusitzen
Schmitt 2019; Schneider et al. 2019). So nutzen (vgl. Kulaçatan/Behr/Agai 2017).
islamistische Gruppen wie die Initiative „Genera-
tion Islam“, der YouTube-Kanal Botschaft des Islam Anhand der aufgeführten Beispiele sollte nun
und der TikTok-Kanal Muslim Interaktiv rechts­ deutlich geworden sein, dass markante Ereig-
terroristische Anschläge wie in Hanau, Online- nisse, die in Deutschland das Bild des ‚fanatischen
hetze gegen muslimisches Leben in Deutschland Islams‘ befördert haben, auch unter Beteiligung
sowie stereotype mediale Darstellungen des Islams fundamentalistischer Akteur*innen gezielt skan-
und von Muslim*innen gezielt für ihre Zwecke dalisiert wurden.
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 43

3 Daten und Fakten zum Ausmaß von


Muslimfeindlichkeit in Deutschland
Seit etwa 20 Jahren weisen unterschiedliche feindlichkeit ist daher eine wichtige Grundlage.
Studien immer wieder nach, wie stark Muslim- Ziel dieses Kapitels ist die Darstellung der aktu-
feindlichkeit in Deutschland verbreitet ist und ellen Datenlage zu den Erscheinungsformen von
wie stark sich dieses negative Klima mittlerweile Muslimfeindlichkeit in Deutschland und deren
verfestigt hat. Jede*r Zweite in Deutschland ist Entwicklung über die Zeit. Folgende Datenquellen
laut dem Religionsmonitor der Bertelsmann Stif- werden betrachtet:
tung islamfeindlich eingestellt; dieser hohe Wert
hat sich über die Zeit kaum verändert (vgl. Pickel • Repräsentative Studien, die Hinweise liefern
2019: 81–82). 45 Prozent der Bevölkerung lehnt über das Ausmaß an muslimfeindlichen
eine*n muslimische*n Bürgermeister*in für die Einstellungen in der Bevölkerung, zeitliche
eigene Gemeinde ab – allein aufgrund der Glau- Entwicklungen sowie Erklärungsfaktoren.
benszugehörigkeit (vgl. Ahrens 2018: 2–3). Jede*r Muslimfeindliche Einstellungen sind nicht
Dritte fordert die Einschränkung der islamischen gleichzusetzen mit diskriminierendem Ver-
Glaubensausübung und stimmt damit gegen das halten, können sich im Alltag aber durchaus in
Grundrecht auf Glaubensfreiheit (vgl. Baumann/ Diskriminierung von Muslim*innen oder so
Schulz/Thiesen 2022: 422). Dies sind nur einige wahrgenommenen Menschen äußern und bis
Beispiele, die zeigen, welche Tragweite muslim- hin zu Gewalt reichen (s. Kapitel ↗ 2). Reprä-
feindliche Vorbehalte haben können – für die sentative Studien bieten somit eine wichtige
Betroffenen selbst, aber auch für die Gesellschaft Grundlage zur Einschätzung des muslimfeind-
als Ganze. Sie schränken die gleichberechtigte lichen Potenzials in der Gesamtgesellschaft.
Teilhabe von Muslim*innen und so wahrgenom­ • Die Kriminalitätsstatistiken, die islamfeindli-
menen Menschen ein (vgl. Weichselbaumer 2020), che Straftaten seit 2017 gesondert erfassen.
aber können auch die Grundfesten unserer • Dokumentationen von muslimfeindlichen
Demo­kratie aushöhlen, wenn Vorbehalte mit Vorfällen seitens Antidiskriminierungsstellen,
Forderungen nach Grundrechtsbeschneidungen Beratungsorganisationen und anderen NGOs,
einhergehen, wie das obige Beispiel illustriert. die entweder eigene Dokumentationsstellen
Die im rechten Spektrum zu verortende Partei aufgebaut haben oder – wenn es sich um Bera-
AfD konnte mit ihrer islamfeindlichen Agenda tungsstellen handelt – Fälle mit muslimfeind-
an verbreitete Vorbehalte anknüpfen und hat es lichem Hintergrund gesondert erfassen.
so in den Bundestag geschafft. Letztlich zeigen
auch die jährlichen Kriminalitätsstatistiken, die Die Analyse der vorliegenden Daten macht gleich-
islamfeindliche Straftaten seit 2017 gesondert zeitig Lücken sichtbar, die die Einschätzung des
erfassen, dass Muslimfeindlichkeit auch in Gewalt tatsächlichen Ausmaßes an Muslimfeindlichkeit
umschlagen kann und ein massives Sicherheits- erschweren. Lücken resultieren einerseits aus der
problem darstellt. unzureichenden Erfassungspraxis im Rahmen
der Kriminalitätsstatistik; die im Jahr 2017 einge-
Um Muslimfeindlichkeit wirksam bekämpfen führte Erfassung islamfeindlicher Straftaten kann
zu können, bedarf es zunächst eines Überblicks zwar als wichtiger Meilenstein bezeichnet werden,
über das Ausmaß und die Facetten dieser Form zeichnet aber noch ein unvollständiges Bild der
der Menschenfeindlichkeit. Eine möglichst gute tatsächlichen Fälle in Deutschland (zum Hellfeld
und differenzierte Dokumentation von Muslim- vs. Dunkelfeld s. Unterkapitel ↗ 3.2.2). Anderer-
44 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

seits ist die noch unzureichende Datenlage auf die nicht als Alternative für auf Rassismus-Theorien
geringe Meldebereitschaft seitens der Betroffenen basierende Konzepte zu verstehen. Vielmehr ist
zurückzuführen. Ohne Hinweise auf solche Vor- die sozialpsychologische Vorurteilsforschung, die
fälle von den Betroffenen selbst kann nur schwer eine zentrale Säule in der Analyse von Muslim-
dagegen vorgegangen werden (s. a. Kapitel ↗ 4). feindlichkeit darstellt, als gesamtgesellschaftliches
Phänomen zu begreifen, das sich in Einstellungen,
aber auch in institutionellen Praxen und gesell-
3.1 Muslimfeindliche Einstel­ schaftlichen Strukturen aus­drücken kann.
lungen in der Bevölkerung
Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten
Seit rund 20 Jahren wird im Rahmen repräsen- Datenquellen vorgestellt, die für die Darstellung
tativer Studien zu Muslimfeindlichkeit geforscht. der Ergebnisse genutzt wurden. Im zweiten
Auch wenn die Forschung zur Ablehnung von Schritt werden die Indikatoren zur Messung von
Muslim*innen und ihrer Religion im Vergleich zu Muslimfeindlichkeit sowie ihre unterschiedlichen
anderen Formen der Menschenfeindlichkeit noch Facetten diskutiert. Im Anschluss werden die
relativ jung ist, liegen mittlerweile umfangreiche Ergebnisse zum Ausmaß von muslimfeindlichen
und belastbare Daten zum Ausmaß und zur Ent- Einstellungen präsentiert. Anschließend werden
wicklung von muslimfeindlichen Einstellungen zentrale Erklärungsfaktoren von Muslimfeind-
in der deutschen Bevölkerung vor. Insbesondere lichkeit näher beleuchtet. In einem Fazit werden
die großen und renommierten Studienreihen wie die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst
die Mitte-Studien oder der Religionsmonitor stel- und Leerstellen aufgezeigt.
len wichtige Datenquellen dar (eine Übersicht zu
herangezogenen Studien und dazugehörigen Pub- 3.1.1 Übersicht zur Studienlage
likationen bietet das nächste Unterkapitel ↗ 3.1.1).
Zurzeit erfassen fünf aktive16 Studienreihen regel-
Quantitative Studien zu Muslimfeindlichkeit mäßig muslimfeindliche Einstellungen und wie-
basieren auf Konzepten der Vorurteilsforschung derholen dies in der Regel alle ein bis drei Jahre
(vgl. Zick/Küpper/Heitmeyer 2011), die Muslim- (für eine Übersicht über die Erhebungszeitpunkte
feindlichkeit als individuelles Einstellungsmuster s. ↗ Tab. 3.1). Diese Studien nutzen allerdings
erfassen und damit für die quantitative Forschung relativ wenige Items17, sogenannte Kurzskalen, da
zugänglich machen. Dennoch werden Vorurteile diese in einen sehr umfangreichen Fragebogen zu
in dieser Forschungsrichtung nicht auf die indi- unterschiedlichen Themen – sogenannte Mehr-
viduelle Ebene beschränkt, sondern als sozial themenbefragungen – inkludiert sind (siehe z. B.
geteilte Kategorien aufgefasst und gesamtgesell- ALLBUS). Daher werden in diesen Studienreihen
schaftlich verortet. Zusammenhangs­analysen nur wenige Facetten von Islam- und Muslim-
können ermitteln, in welchen Bevölkerungsteilen feindlichkeit erfasst.
Vorurteile besonders verbreitet sind, was weitere
Schlüsse über Kontextbedingungen und Vermitt­
lungswege erlaubt. Insofern ist die auf sozial-
psychologischen Vorurteilskonzepten basierende
quantitative Erforschung von Muslimfeindlichkeit

16 Die GMF-Surveys endeten mit der Erhebung 2011.


17 Items werden die einzelnen Fragen einer Umfrage genannt. Zur Messung von Muslimfeindlichkeit sind meist verschiedene Items
notwendig, die gemeinsam Aussagen über das Ausmaß an Muslimfeindlichkeit erlauben. Verschiedene Items zu einem Thema werden auch
Skalen genannt; sind es wenige Items, handelt es sich um Kurzskalen.
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 45

Tabelle 3.1: Bundesweite Studienreihen mit Daten zu muslimfeindlichen Einstellungen

02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

ALLBUS X X X X

FES-Mitte-Studien X X X X X X

GMF-Surveys X X X X X X X X X X

Leipziger M-A-S X X X X X X

Religionsmonitor X X X X X

ZuGleich X X

Eine Studie wird hier nur aufgeführt, wenn der Item-Wortlaut zur Abfrage von Muslimfeindlichkeit in verschiedenen Erhebungsjahren
zumindest teilweise derselbe ist und so zeitliche Entwicklungen sichtbar werden. Markierung im Jahr der Erhebung; verbundene Zellen
markieren eine Erhebung über den Jahreswechsel hinweg.

1. Die „Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozial- kontinuierlich jedes Jahr zwei Items zum Grad der
wissenschaften“ (ALLBUS) wird seit 1980 durch Zustimmung zu folgenden Aussagen:
das GESIS-Institut durchgeführt. Dessen Erhe- a) „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich
bungen 2012, 2016 und 2021 (vgl. Terwey/Baltzer manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.“
2013; GESIS 2017; Baumann/Schulz/Thiesen b) „Muslimen sollte die Zuwanderung nach
2022) haben jeweils die gleichen fünf Items zu Deutschland untersagt werden.“
Muslim- bzw. Islamfeindlichkeit verwendet, die Diese beiden Items wurden auch in andere Studien­
mit dieser vergleichsweise langen Zeitspanne reihen aufgenommen, so dass zu diesen Ergebnisse
besonders interessant sind. für einen relativ langen Zeitraum vorliegen.

2. Mit den sogenannten „Mitte-Studien“ der 4. Seit 2002 führt das Kompetenzzentrum für
Friedrich-Ebert-Stiftung (FES-Mitte-Studien: vgl. Rechtsextremismus- und Demokratieforschung
Decker/Weißmann/Kiess/Brähler 2010; Decker/ der Universität Leipzig die „Leipziger Mitte-Studien“
Kiess/Brähler 2012; Zick/Klein 2014; Zick/Küpper/ durch, die seit 2018 „Leipziger Autoritarismus-
Krause 2016; Zick/Küpper/Berghan 2019; Zick/ Studien“ heißen (Leipziger M-A-S: vgl. Decker/Kiess/
Küpper 2021) kommt 2010 eine weitere Studien- Brähler 2014; Decker/Kiess/Brähler 2016: Decker/
reihe im zweijährigen, teilweise auch jährlichen, Brähler 2018; Decker/Brähler 2020; Decker/Kiess/
Rhythmus hinzu, die Muslimfeindlichkeit als Heller/Brähler 2022: 70–72). Sie erheben im
Facette der Gruppenbezogenen Menschenfeind- Zwei-Jahres-Rhythmus ebenfalls immer mit den
lichkeit (GMF) versteht und erhebt. zwei gleichen Items „Muslimfeindschaft“ in der
deutschen Bevölkerung.18
3. Die Studienreihe „Gruppenbezogene Menschen-
feindlichkeit“ des Bielefelder Instituts für interdis- 5. Der „Religionsmonitor“ der Bertelsmann Stiftung
ziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (GMF- wird seit 2007 im Rhythmus von vier bis sechs
Surveys: einen Überblick gibt Zick/Berghan/ Jahren durchgeführt und erhebt seit 2012 regel-
Mokros 2019) erhob seit dem Jahr 2002 bis 2011 mäßig Daten zu Muslimfeindlichkeit als Teilaspekt
religiöser Toleranz (vgl. Pollack/Müller 2013;

18 Von 2006 bis 2012 fungierte die Friedrich-Ebert-Stiftung als Kooperationspartnerin des Kompetenzzentrums, ab 2016 die
Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Otto-Brenner-Stiftung und die Heinrich-Böll-Stiftung. Mit letzteren besteht die Kooperation seit 2018 fort
(vgl. Universität Leipzig 2023).
46 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Pickel 2013; Halm/Sauer 2017; Pickel 2019). Die SVR-Integrationsbarometer, s. Sachverständigen-


Besonderheit ist die Möglichkeit des Vergleichs rat für Integration und Migration 2022).
mit Einstellungen zu anderen Religionen und
Religionsgemeinschaften. Außerdem ist der Reli- 3.1.2 Facetten von Muslimfeindlichkeit
gionsmonitor ländervergleichend, so etwa 2007
zwischen 21 Ländern. Konzepte zur Unterscheidung verschiedener
Facetten von Muslimfeindlichkeit sind noch in
6. Auch die Studienreihe „Zugehörigkeit und der Entwicklung begriffen. Die verschiedenen
Gleichwertigkeit“ (ZuGleich) der Stiftung Mercator Studienreihen, die das Thema in ihre regelmäßige
erhob in den vier Studien Zick/Preuß 2014, Zick/ Erhebungspraxis integriert haben, verwendeten
Preuß 2016, 2018 in Zick/Preuß 2019 und zuletzt zumindest in der Anfangsphase unterschiedliche
2020 in Zick/Krott 2021 Muslimfeindlichkeit. Begriffe (s. Kapitel ↗ 2) wie Islamfeindlichkeit,
Diese bildet eine von drei Facetten der GMF, die -feindbild, -stereotyp, Muslimfeindschaft und
daneben ‚Fremdenfeindlichkeit‘ und die Abwer- andere Synonyme. Dementsprechend beziehen
tung von Geflüchteten umfasst. sich die teils sehr unterschiedlichen Indikatoren,
die zur Messung eingesetzt werden, auf verschie-
Bei der ZuGleich-Studienreihe bleibt allerdings dene Facetten, was sich auch in den Ergebnissen
unklar, wie die Autor*innen die Items zu Muslim- widerspiegelt. So erfasst die Zustimmung zur
feindlichkeit operationalisieren: Bei den Erhe- häufig eingesetzten Aussage „Muslimen sollte die
bungen 2014 und 2020 wurden unterschiedliche Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“
Items genutzt, 2016 und 2018 wird nicht über (vgl. u. a. Frindte/Dietrich 2017) eine Ablehnung
Items zu Muslimfeindlichkeit berichtet. Daher von Muslim*innen als Migrant*innen, während
werden in den folgenden Darstellungen die Items die Zustimmung zum Item „Der Islam ist eine
der ZuGleich-Studienreihe nicht berücksichtigt. Religion der Intoleranz“ (vgl. u. a. Zick/Küpper/
Hövermann 2011) allein auf die Wahrnehmung
Neben den bundesweiten Studienreihen haben der Religion abzielt. Es ist zwar davon auszugehen,
sich teilweise auch wiederkehrende Bevölke- dass Menschen, die den Islam pauschal als eine
rungsbefragungen auf Länderebene etabliert, intolerante Religion verstehen, auch stärkere
die Muslimfeindlichkeit als Teil eines größeren Vorbehalte gegenüber Muslim*innen haben.
Themenkomplexes erfassen. Der „Sachsenmoni- Beide Einstellungen beziehen sich aber auf unter-
tor“ (vgl. Pickel/Yendell 2021) setzte im Jahr 2016 schiedliche Adressat*innen und drücken nicht
mit einer wiederkehrenden Datenerhebung zum das Gleiche aus. Zudem haben sie thematisch
Thema ein. Auch der „Thüringen Monitor“ (vgl. unterschiedliche Bezüge; die erste Aussage stellt
Reiser et al. 2019) zählt zu diesen Instrumenten. den Bezug zum Thema Migration her, während
die zweite stärker auf Wertvorstellungen abzielt.
Neben dem regelmäßigen Monitoring dieser Empirische Studien weisen darauf hin, dass die
genannten Survey-Reihen gibt es zudem zahlrei- Unterscheidung verschiedener Dimensionen von
che repräsentative Studien, die muslimfeindliche Muslimfeindlichkeit sinnvoll ist, um die Ursachen
Einstellungen punktuell für einen bestimmten von Muslimfeindlichkeit sowie inhaltliche Ver-
Zeitpunkt erfassen, aber durch den Vergleich schiebungen des Phänomens und Entwicklungs-
mit Studien mit ähnlichen Items durchaus einen dynamiken besser zu verstehen (vgl. ↗ Tab. 3.2).
Eindruck zur Verbreitung, zum Ausmaß und So ist erstens zwischen unterschiedlichen Adres-
zur Entwicklung von Muslimfeindlichkeit in der sat*innen, gegen die sich die Ablehnung bzw. die
deutschen Bevölkerung geben können (z. B. der Vorurteile richten können, zu unterscheiden (vgl.
Diekmann 2022; Uenal 2016; Pfahl-Traughber 2012);
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 47

diese können sich einerseits gegen Muslim*innen einer Neigung zu Gewalt und Extremismus sowie
richten, andererseits gegen den Islam als Religion. eine pauschale Bedrohungswahrnehmung. Eine
Auch wenn sich der Bericht explizit mit Muslim- weitere Ebene zur Differenzierung von Muslim-
feindlichkeit befasst, sind Erkenntnisse zu Ein- feindlichkeit ist drittens die Unterscheidung von
stellungen gegenüber dem Islam eine wichtige muslimfeindlichen Einstellungen auf der einen und
Ergänzung – zumal zwischen beiden Phänomenen Verhaltensabsichten auf der anderen Seite, also
Zusammenhänge bestehen: Die Abwertung der inwiefern Muslimfeindlichkeit mit einem diskri-
Religion ist häufig verknüpft mit einer Abwertung minierenden Verhaltenspotenzial verbunden ist.
von Muslim*innen (vgl. Diekmann 2017; 2022).
Zweitens äußern sich muslimfeindliche Einstel- Die auf diesen Überlegungen basierende – in
lungen in der Regel mit Bezug auf vier Themen- ↗ Tab. 3.2 dargestellte – Heuristik wird im Fol-
bereiche (vgl. Janzen et al. 2019; s. a. Unterkapitel genden als Grundlage zur Systematisierung,
↗ 3.1.5.5): Die Zuschreibung von Rückständigkeit, Auswahl und kompakten Darstellung der Vielzahl
die sich vor allem in der pauschalen Unterstel- an quantitativen Daten zu Muslimfeindlichkeit,
lung patriarchaler Geschlechterverhältnisse aus- deren Ausmaß und zeitlichen Entwicklungsverlauf
drückt, einer mangelnden Integrationsfähigkeit, genutzt.

Tabelle 3.2: Facetten von Muslimfeindlichkeit

Einstellungen (Beispiel) Verhalten(-sabsichten) (Beispiel)

Rückständigkeit Zuschreibung der Unterdrückung von Frauen Zustimmung zum Kopftuchverbot

Mangelnde Integra- Zuschreibung einer Segregationsneigung von Forderung von verpflichtenden Integrationsmaßnahmen,
tionsfähigkeit Muslim*innen z. B. Integrationstest für Muslim*innen

Neigung zu Gewalt Zuschreibung höheren Gewaltpotenzials und Legitimation von sicherheitspolitischen Maßnahmen
und Terror Veranlagung zu Extremismus gegenüber Muslim*innen und stärkeren Grenzkontrollen

Bedrohung und Abstraktes Bedrohungsempfinden durch die Zustimmung zu einem Zuwanderungsverbot für
soziale Distanz vermeintliche (Über-)Präsenz von Muslim*innen Muslim*innen

3.1.3 Muslimfeindliche Einstellungen in griffen, die ähnliche Indikatoren zu unterschied-


Deutschland im Zeitvergleich lichen Zeitpunkten eingebunden haben. Diese
sind teilweise zwar nicht identisch formuliert und
Wie bereits dargestellt, gibt es mittlerweile eine daher nicht eins zu eins zu vergleichen, können
Reihe von repräsentativen Studien, die Muslim- aber in ihrer Summe doch einen guten Eindruck
feindlichkeit als Teilaspekt eines größeren The- über die Verbreitung der entsprechenden Facette
menkomplexes untersuchen. Allerdings gibt es von Muslimfeindlichkeit vermitteln.
nur wenige Items, die sich zur Messung von Mus-
limfeindlichkeit etabliert haben und in verschie- 3.1.3.1 Pauschale Vorbehalte: Bedrohungsgefühle
denen Studien repliziert bzw. über mehrere Jahre und soziale Distanz
hinweg erhoben werden. Die im Folgenden prä-
sentierten Indikatoren und Befunde sind geeignet, Relativ allgemein formulierte Items zu Bedro-
um das Ausmaß an Muslimfeindlichkeit sowie hungsgefühlen und Ängsten gegenüber Islam und
ihre unterschiedlichen Facetten gut abzubilden; Muslim*innen sowie einem generellen Misstrauen
für den Zeitvergleich wurde unter anderem auf ihnen gegenüber sind ohne einen thematischen
Erhebungen verschiedener Studien zurückge- Bezug besonders gut geeignet, um das Gesamtaus-
48 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

maß an Vorbehalten zu ermitteln – unabhängig 2018 umbenannt in Leipziger Autoritarismus-


von den jeweiligen Hintergründen, die durchaus Studie) sowie den seit 2014 durchgeführten Mitte-
variieren können. Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung enthalten, so
dass wir hier die Zustimmung zu dieser Aussage
Ein guter Indikator, der allgemeine Vorbehalte über einen relativ großen Zeitraum darstellen
gegenüber Muslim*innen abbilden kann, ist die können (siehe ↗ Abb. 3.1). Die Aussage suggeriert,
Zustimmung zum Statement „Durch die vielen dass Muslim*innen nicht dazugehören („Othe-
Muslime fühle ich mich manchmal wie ein Frem- ring“) und bringt somit eine klare Abgrenzung zu
der im eigenen Land“. Dieses Item wurde 2003 bis ihnen durch eine Wir-Sie-Unterscheidungslogik
2011 im Rahmen der GFM-Surveys erhoben – und zum Ausdruck, die für eine empfundene große
ist seit 2014 in den Leipziger-Mitte-Studien (seit soziale Distanz steht.

Abbildung 3.1: Zustimmung zu der Aussage „Durch die vielen Muslime fühle ich mich manchmal
wie ein Fremder im eigenen Land“ in verschiedenen Studien 2003–2022 (in %)

100 %

80 %

56
60 % 50 47
43
39 39 39 38
40 % 35 34 32
31 30
32 35 35
20 %

0%
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022

GMF Surveys Leipziger M-A-S FES-Mitte-Studien

Quellen: eigene Darstellung auf Grundlage des GMF-Surveys (Zick/Berghan/Mokros 2019: 80–83), der Leipziger M-A-S (Decker/Kiess/
Brähler 2014: 57–58; Decker/Kiess/Brähler 2016: 49–50; Decker/Brähler 2018: 101–102; Decker/Brähler 2020: 64–65; Decker/Kiess/Heller/
Brähler 2022: 70–72) und der FES-Mitte-Studien (Zick/Klein 2014: 67; Zick/Küpper/Krause 2016: 44–45; Zick/Küpper/Berghan 2019: 70–71).

Die hier im Zeitverlauf gezeigten Ergebnisse ver- Die FES-Mitte-Studie kommt im selben Erhe-
deutlichen durchweg relativ stark ausgeprägte bungszeitraum in den Jahren 2014 bis 2018 zu
Vorbehalte: Rund ein Drittel der Bevölkerung deutlich niedrigeren Zustimmungswerten zwi-
stimmte bereits 2003 der vorgegebenen Aussage schen 32 und 35 Prozent. Die unterschiedlichen
zu. Dieser Anteil ist über die Zeit angestiegen, Ergebnisse sind vermutlich auf die eingesetzten
was für eine Zunahme muslimfeindlicher Ein- Erhebungsmodi in beiden Studien zurückzufüh-
stellungen in der Bevölkerung spricht. Die Leip- ren: Während die FES-Mitte-Studie repräsentative
ziger-Autoritarismus-Studie kommt 2018 sogar Telefonbefragungen durchgeführt hat – wie auch
auf Werte von über 50 Prozent, die im Laufe der die GFM-Surveys –, arbeitet die Leipziger-M-A-S-
Pandemie wieder auf einen Anteil von 38 Prozent Studie mit Face-to-Face-Interviews, wobei diese
absinken. sensiblen Fragen anhand eines selbstausgefüllten
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 49

Fragebogens und somit unter Bedingungen der Abbildung 3.2: Ablehnung einer/s muslimischen
Anonymität beantwortet worden sind. Damit Bürgermeisterin/Bürgermeisters in der eigenen
konnten Effekte sozialer Erwünschtheit weitest- Gemeinde (in %)
gehend reduziert werden, die unter Anwesenheit
einer*s Interviewenden bei Telefonbefragungen
60 %
nicht ausgeschlossen werden können. Somit ist
50 %
davon auszugehen, dass die tatsächlichen Zustim- 50 50
40 %
mungen zur abgefragten Aussage durchaus etwas 37
30 %
höher liegen, als es die GFM-Surveys wie auch die
20 %
FES-Mitte-Studie ermittelt haben.
10 %
0%
Interessanter als die exakten Prozentwerte ist 2012 2016 2021
jedoch die Entwicklungsdynamik: Ersichtlich
werden eine relative Kontinuität und situative Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von ALLBUS-Studien
(Terwey/Baltzer 2013: 215; GESIS 2017: 230; Baumann/Schulz/
Anstiege bei bestimmten Ereignissen, z. B. im
Thiesen 2022: 429).19
Rahmen der Debatte um Geflüchtete im Jahr 2016.
Währenddessen verzeichneten beide Studien zu Ein weiteres Item, das den Grad sozialer Distanz
diesem muslimfeindlichen Statement höhere zu Muslim*innen gut abbilden kann, ist die
Zustimmungen, die sich mit Abebben der Debatte Zustimmung zur (gegenderten) Aussage „Ich hätte
wieder auf das Anfangsniveau einpendelten. Die- nichts gegen einen muslimischen Bürgermeister
ses Muster ist bereits früher in den GFM-Surveys in meiner Gemeinde“, die in den Umfragen des
zu beobachten: Sie dokumentierten Anstiege 2006 ALLBUS zu verschiedenen Erhebungszeitpunk-
und 2007 infolge der islamistisch motivierten ten in gegenderter Form eingesetzt wurde und
Anschläge in Madrid 2004 und London 2005. Aus- besonders starke Ablehnung auslöst. Allein auf die
gehend von diesen Werten und Dynamiken sind stärkste Form der Ablehnung (1 „stimme über-
aktuell bei rund einem Drittel bis 40 Prozent der haupt nicht zu“ auf einer Skala bis 7) fallen 2012
Bevölkerung relativ starke muslimfeindliche Vor- bereits 31 Prozent der Stimmen, 2016 sind es 32
behalte zu finden. und 2021 immer noch 22 Prozent. Zählt man auch
die anderen Antwortkategorien mit teilweiser
Diese Ergebnisse bestätigt auch der Religionsmo- Ablehnung hinzu, kommt man auf 50 Prozent für
nitor. Im Rahmen einer Nacherhebung der Daten 2012 und 2016 sowie auf 37 Prozent 2021. Dieser
Ende 2014, in der dieses Item einmalig eingesetzt Befund zeigt, dass zwar die Wahrnehmung von
wurde, kommt er auf rund 40 Prozent der Befrag- Muslim*innen als ‚Andere‘ abgenommen hat,
ten, die dieser Aussage zustimmen (vgl. Vopel/ aber immer noch wesentliche Anteile der Bevöl-
El-Menouar 2015: 8). Im Rahmen des Religions- kerung sie nicht als gleichberechtigte Mitglieder
monitors 2017 ermittelt die Frage „Wie sehr ver- der deutschen Gesellschaft wahrnehmen und
trauen Sie Muslimen?“ einen Anteil von 41 Pro- anerkennen.
zent, die angeben, Muslimen pauschal „gar nicht“
oder „wenig“ zu vertrauen (vgl. Pickel 2019: 74). Wenn es um pauschale Vorbehalte gegenüber der
Religion des Islams geht, dann fallen die Werte
insgesamt sogar höher aus als bei der Ablehnung
von Muslim*innen. Zur Messung von islamfeind­

19 Die Daten von ALLBUS lassen sich unter den im Literaturverzeichnis angegebenen URLs abrufen. Die Seitenzahlen beziehen sich auf
die jeweiligen Variablen-Reports, die unter „Codebücher“ heruntergeladen werden können.
50 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

lichen Einstellungen auf einer allgemeinen Ebene Die Ergebnisse zeigen, dass die Zustimmung zu
eignet sich insbesondere die Frage „Als wie be­droh­ islamfeindlichen Einstellungen zwar über die
lich oder wie bereichernd nehmen Sie den Islam Zeit leichten Schwankungen unterliegt, aber im
wahr?“, die der Religionsmonitor der Bertelsmann Großen und Ganzen Konstanz aufweist: Rund
Stiftung seit 2012 erhebt20 . Ein weiteres Item, das die Hälfte der Bevölkerung nimmt den Islam
sich dazu eignet, ist der im ALLBUS erhobene pauschal als Bedrohung wahr; ein etwas größerer
Grad der Zustimmung zur Aussage „Der Islam Anteil ist der Meinung, der Islam passe nicht in
passt in die deutsche Gesellschaft“; Ergebnisse die deutsche Gesellschaft, und markiert damit
liegen hier für die Jahre 2012 und 2021 vor. den Islam als nicht zugehörig.

Abbildung 3.3: Pauschale Ablehnung des Islams im Zeitvergleich (in %)

100 %

80 %
66

60 % 55
57 54
53 52
40 %

20 %

0%
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022

Ablehnung der Aussage „Der Islam passt in die deutsche Gesellschaft“


Wahrnehmung des Islam als Bedrohung

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage der Studien Religionsmonitor (Pickel 2019: 13; Vopel/El-Menouar 2015: 8) und ALLBUS
(Terwey/Baltzer 2013: 212; Baumann/Schulz/Thiesen 2022: 424).

3.1.3.2 Vorurteile und Zuschreibung von befasst, kommt zu dem Ergebnis, dass rund
Rückständigkeit 38 Prozent der Befragten der Aussage „Muslimi-
sche Frauen sind unterdrückt“ zustimmen (Janzen/
Repräsentative Studien zu Vorurteilen, aus denen Ahrens 2022: 7–8). In der Regel sind Vorurteile
hervorgeht, dass der Islam pauschal als rück- unter Jüngeren seltener verbreitet, so dass der
ständige Religion wahrgenommen bzw. mit der Anteil derjenigen, die dieser Aussage zustimmen,
Unterdrückung von Frauen assoziiert wird, sind in der Gesamtbevölkerung deutlich höher liegen
rar. Eine aktuelle Studie unter jungen Menschen dürfte. Hier zeigt sich eine große Kluft zwischen
im Alter von 14 bis 29 Jahren, die sich mit unter- Lebensrealität der muslimischen Bevölkerung
schiedlichen Facetten von Muslimfeindlichkeit und ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung; eine

20 Die Frage wird im Rahmen einer umfangreichen Fragenbatterie gestellt: „Wenn Sie an die Religionen denken, die es auf der Welt gibt.
Als wie bedrohlich oder bereichernd nehmen Sie folgende Religionen wahr? Christentum, Islam, Judentum, Hinduismus, Buddhismus,
Atheismus, religiöse Vielfalt im Allgemeinen.“ Antwortoptionen: sehr bedrohlich, eher bedrohlich, eher bereichernd, sehr bereichernd,
weder bedrohlich noch bereichernd (vgl. El-Menouar 2023; Pickel 2019; K. Hafez/Schmidt 2015; Pollack/Müller 2013).
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 51

groß angelegte Studie des Bundesamts für Mig- 3.1.3.3 Vorurteile und Zuschreibung von
ration und Flüchtlinge hat bereits vor rund zehn Gewalt und Terror
Jahren gezeigt, dass die Benachteiligung von
Frauen primär mit sozioökonomischen Faktoren Im Jahr 2012 ist mit einem Anteil von 47 Prozent
in Zusammenhang steht – und weniger mit reli- rund die Hälfte der Bevölkerung der Meinung,
giösen (vgl. Becher/El-Menouar 2013). dass die Nähe von Islam und Terror im Islam
selbst angelegt sei (vgl. Decker/Kiess/Brähler
Studien älteren Datums kommen sogar auf deut- 2012: 92). Im Jahr 2021 stimmen unter jungen
lich stärker verbreitete Vorurteile zur Benachteili- Erwachsenen im Alter von 14 bis 29 Jahren rund
gung von muslimischen Frauen: Im Rahmen einer 17 Prozent der Aussage „Der Islam ruft zu Gewalt
repräsentativen Befragung aus dem Jahr 2008 auf“ zu (Janzen/Ahrens 2022: 9–10). Es ist davon
haben über drei Viertel der Befragten die Meinung auszugehen, dass dieses Vorurteil in der Gesamt-
vertreten, dass „die muslimischen Ansichten über bevölkerung stärker verbreitet ist. Dieses Bild
Frauen unseren Werten widersprechen“ (Zick/ vom Islam wird teilweise auch auf Muslim*innen
Küpper/Hövermann 2011: 70–72). Im Jahr 2010 übertragen. In einer aktuellen Repräsentativbe-
antworteten 82 Prozent der Bevölkerung auf die fragung des ALLBUS haben 46 Prozent der Bevöl-
Frage, was sie mit dem Islam assoziieren, mit „die kerung den „Eindruck, dass unter den in Deutsch-
Unterdrückung der muslimischen Frau“ (Pollack land lebenden Muslimen viele Fanatiker sind“
2014: 20–21). Die im Jahr 2012 veröffentlichte (Baumann/Schulz/Thiesen 2022: 430–431). Fünf
FES-Mitte-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Jahre zuvor waren es mit 51 Prozent zwar etwas
58 Prozent der Befragten der Ansicht sind, dass mehr Menschen, die so gedacht haben (vgl. GESIS
„die islamische Welt rückständig [sei] und sich den 2017) – aber dieser Anteil hat sich bis heute nicht
neuen Realitäten [verweigere]“; ein ähnlich hoher wesentlich reduziert. Das heißt, Muslim*innen in
Anteil mit 56 Prozent stimmt der Aussage zu: „Der Deutschland und Menschen, die als solche wahr-
Islam ist eine archaische Religion, unfähig sich an genommen werden, sind mit einem weit verbrei-
die Gegenwart anzupassen“ (Decker/Kiess/Brähler teten Generalverdacht konfrontiert – auch wenn
2012: 92). Mit Blick auf die allgemeinen Vorbehalte lediglich zwölf Prozent so weit gehen und der
mit Bezug auf den Islam, die wie im vorangegan- Mehrheit der muslimischen Bevölkerung unter-
genen Abschnitt dargelegt noch heute ähnlich stellen, islamistischen Terrorismus gerechtfertigt
hoch sind wie vor zehn Jahren, kann davon aus- zu finden (vgl. Zick/Küpper 2021: 189–190). Dies
gegangen werden, dass auch das allgemeine Bild kann weitreichende Folgen und massive Benach-
des Islams als rückständige Religion, das vor allem teiligung nach sich ziehen. Es ist eine große Unsi-
mit der Unterdrückung von Frauen assoziiert cherheit in Bezug auf muslimische Religiosität
wird, auch heute noch ähnlich stark verbreitet ist. festzustellen – muslimische Frömmigkeit kann
Aktuelle Studien decken diese Facette von Mus- deshalb mit Fundamentalismus verwechselt wer-
limfeindlichkeit jedoch nur unzureichend ab. den. Der Religionsmonitor hat mehrfach gezeigt,
dass weder Religion im Allgemeinen noch ein-
zelne Religionen und Religionsgemeinschaften
im Widerspruch zur Demokratie stehen. Minder-
heiten mit fundamentalistischen Einstellungen
sind religionsübergreifend, auch unter Säkularen
zu finden und nicht einzelnen Religionsgemein-
schaften vorbehalten (vgl. Halm/Sauer 2017;
El-Menouar 2023; Pickel 2019).
52 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

3.1.3.4 Vorurteile im Bereich Integration Migrationsgeschichte pflegt (vgl. Pfündel/Stichs/


Tanis 2021: 164): So haben 86 Prozent mindestens
Ein ebenfalls stark verbreitetes Vorurteil ist, dass gelegentliche Kontakte in ihrem Freundeskreis,
Muslim*innen angeblich nur unter sich leben rund 80 Prozent sogar in der eigenen Familie,
und den Kontakt zur nicht-muslimischen Bevöl- jeweils etwa zwei Drittel sogar häufig Kontakt.
kerung weitgehend vermeiden würden. So ist Umgekehrt hat aber nur eine kleine Minderheit
sogar mit 43 Prozent ein großer Anteil der jungen der nicht-muslimischen Bevölkerung tatsächlich
Menschen in Deutschland im Alter von 14 bis Freizeitkontakte zu Muslim*innen, woraus sich
29 Jahren der Meinung, „Muslime leben gerne schließen lässt, dass bei Teilen der nicht-mus-
in eigenen Stadtteilen“, und 37 Prozent denken, limischen Bevölkerung lebensweltliche Kontakte
dass „Muslime lieber unter sich bleiben“ (Janzen/ zu Muslim*innen fehlen (vgl. Halm/Sauer 2017:
Ahrens 2022: 9–10). Es ist davon auszugehen, dass 31–32; Vopel/El-Menouar 2015: 12).
in der Gesamtbevölkerung ein deutlich größerer
Anteil Muslim*innen pauschal eine Segregations- 3.1.3.5 Muslimfeindliche Forderungen
neigung unterstellt (vgl. Leibold/Kühnel 2006).
Häufig sind muslim- sowie islamfeindliche Vor-
Große Teile der Bevölkerung haben zudem den behalte und Vorurteile unbewusst und werden als
Eindruck, dass Muslim*innen sich grundsätzlich solche nicht erkannt oder reflektiert. Aber auch
nicht gut integrieren würden. Zwischen 44 Pro- sie können sich in diskriminierendem Verhalten
zent (Bevölkerung ohne Migrationshintergrund) niederschlagen und sind deshalb nicht weniger
und 46 Prozent (mit Migrationshintergrund) folgenreich als bewusste Ablehnung. Besonders
lehnen folgende Aussage ab: „Die in Deutschland drastisch wird Muslim- und Islamfeindlichkeit
lebenden Muslime integrieren sich gut in die aber dann, wenn damit sehr bewusst (politische)
deutsche Gesellschaft.“ (Friedrichs/Storz 2022: 14) Forderungen gegen Muslim*innen gestellt wer-
den, die gegen Menschenrechte verstoßen. Dies
Diese Befunde zeigen, dass sich das Bild einer ist z. B. dann der Fall, wenn Einschränkungen der
mangelnden Integrationsbereitschaft und Segre- Religionsfreiheit und anderer Grundrechte pau-
gationsneigung hartnäckig in Deutschland hält – schal für eine ganze Religionsgemeinschaft befür-
quer durch unterschiedliche Bevölkerungs- und wortet oder gar gefordert werden.
Altersgruppen. Auch hier zeigt sich eine große
Kluft zwischen der Wahrnehmung und den Ein durchgängig in verschiedenen Studienreihen
Lebensrealitäten der muslimischen Bevölkerung. eingesetztes Item ist der Grad der Zustimmung
Die Ergebnisse des Religionsmonitors widerlegen zu folgender Aussage: „Muslimen sollte die
dieses Vorurteil (vgl. Halm/Sauer 2017): Ganz Zuwanderung nach Deutschland untersagt wer-
im Gegenteil verfügt die große Mehrheit der in den.“ Dabei handelt es sich um eine besonders
Deutschland lebenden Muslim*innen sogar über muslimfeindliche Aussage, da hier mit den mus-
(sehr) häufige Freundschaftsbeziehungen mit limfeindlichen Haltungen politische Forderungen
der nicht-muslimischen Bevölkerung. Über drei verknüpft werden.
Viertel der Muslim*innen berichten über häufige
bzw. sehr häufige interreligiöse Freizeitkontakte. Im Rahmen der GFM-Surveys liegen dazu Daten
Auch die Studie „Muslimisches Leben in Deutsch- von 2003 bis 2011 vor; ab 2014 liegen Ergebnisse
land“ des Bundesamts für Migration und Flücht- der beiden Mitte-Studienreihen vor, die teils
linge zeigt, dass die muslimische Bevölkerung – zu sehr unterschiedlichen Befunden kommen
entgegen verbreiteten Vorurteilen – sehr wohl (s. ↗ Abb. 3.4). Hier ist wiederum zu vermuten,
über vielfältige Kontakte zur Bevölkerung ohne dass diese auf die unterschiedlichen Erhebungs-
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 53

modi zurückzuführen sind. Während die Leipziger- modus nimmt also auch die eingesetzte Antwort-
Mitte-Studien die Beantwortung dieser sensiblen skala Einfluss auf das Antwortverhalten, so dass
Fragen unter möglichst großer Anonymität die Ergebnisse nicht eins zu eins vergleichbar sind.
durchführten, fanden die FES-Mitte-Studien Die Unterschiede zwischen den Erhebungsergeb-
telefonisch statt. Letztere können wie bereits nissen erreichten jeweils rund 20 Prozentpunkte –
erwähnt mit größerem sozial erwünschtem Ant- bis auf das Erhebungsjahr 2016, in dem die Ergeb-
wortverhalten einhergehen. Besonders groß sind nisse beider Studien mit 35 und 41 Prozent relativ
die Ergebnisunterschiede für die Erhebungen nah beieinander lagen. Dies ist mit den gesell-
in den Jahren 2018 (18 vs. 44 %) und 2020 (9 vs. schaftlichen Debatten im Rahmen der sogenann-
27 %). Ab 2018 wechselte die FES-Mitte-Studie ten ‚Flüchtlingskrise‘ und dem zu dem Zeitpunkt
von einer vier- zu einer fünfstufigen Antwort- sehr negativen Meinungsklima zu erklären, was
skala und führte eine neutrale Antwortoption ein; vermutlich mit geringeren Hemmschwellen bei
erfahrungsgemäß ‚flüchten‘ sich viele Befragte der Äußerung muslimfeindlicher Statements ein-
auf diese, um keine klare Position artikulieren herging.
zu müssen. Neben dem eingesetzten Erhebungs-

Abbildung 3.4: Zustimmung zu „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt
werden“ (in %)

100 %

80 %

60 %

41 44
37
40 %
27 24 24 29 29 27 29
26 23
21 35
20 %
18 18
9
0%
2000 2005 2010 2015 2020 2025

GMF Surveys Leipziger M-A-S FES-Mitte-Studien

Quellen: eigene Darstellung auf Grundlage der FES-Mitte-Studien (Zick/Klein 2014: 67; Zick/Küpper/Krause 2016: 44–45; Zick/Küpper/
Berghan 2019: 70–71; Zick/Küpper 2021: 188–189), des GMF-Surveys (Zick/Berghan/Mokros 2019: 80–83) und der Leipziger M-A-S (Decker/
Kiess/Brähler 2014: 57–58; Decker/Kiess/Brähler 2016: 49–50; Decker/Brähler 2018: 101–102; Decker/Brähler 2020: 64–65; Decker/Kiess/
Heller/Brähler 2022: 70–72).

Wenn die Erhebungsmodi berücksichtigt werden, zunehmen, was für eine relativ große Empfäng-
lassen die Ergebnisse folgenden Schluss zu: Insge- lichkeit der Bevölkerung für muslimfeindliche
samt ist der Anteil der Bevölkerung, der ein Ver- Debatten und deren Mobilisierungs- und Spal-
bot von einer Zuwanderung von Muslim*innen tungspotenzial spricht.
fordert, in den letzten 20 Jahren zurückgegangen
und befindet sich heute bei 29 Prozent. Je nach
Debattenlage können diese Anteile aber situativ
54 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abbildung 3.5: Forderung nach Einschränkung der Religionsfreiheit für Muslim*innen (in %)

60 %
59

47
40 % 43
41

32
30

20 %

A B A B A B
0%
2012 2016 2021
A „Die Ausübung des islamischen Glaubens in Deutschland sollte eingeschränkt werden.“
B „Islamische Gemeinschaften sollten vom Staat beobachtet werden.“

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von ALLBUS-Studien (Terwey/Baltzer 2013: 211, 214; GESIS 2017: 226, 229;
Baumann/Schulz/Thiesen 2022: 422, 428).

Dies bestätigt sich auch mit Blick auf die Ergeb- In einer repräsentativen Untersuchung, bei der
nisse der ALLBUS zu Forderungen nach Einschrän- verschiedene Länder verglichen wurden, schnei-
kungen der Religionsfreiheit der in Deutschland det Deutschland bei der konkreten Umsetzung
lebenden Muslim*innen (s. ↗ Abb. 3.5). So befür- von Glaubensfreiheit besonders schlecht ab
wortete 2012 fast jede*r Zweite die Aussage (vgl. Pollack 2014): Während noch auf abstrakter
„Islamische Gemeinschaften sollten vom Staat Ebene 81 (West) bzw. 75 Prozent (Ost) der Befrag-
beobachtet werden“, was einer allgemeinen Ver- ten angeben, dass alle Religionen respektiert
dächtigung und Stigmatisierung muslimischer werden sollten, fällt diese Zustimmung bei der
Gemeinden gleichkommt. Dieser Anteil steigt konkreten Frage nach dem Bau von Moscheen in
2016 sogar auf fast 60 Prozent, sinkt aber nach sich zusammen: Nur noch 28 (West) bzw. 20 Pro-
der Fluchtmigration und mit Abebben der Islam- zent (Ost) sind für das Recht auf den Bau von
debatten wieder auf das Niveau von 2012 bzw. Moscheen – für Minarette sprechen sich sogar
liegt sogar leicht darunter. nur noch 18 (West) bzw. 12 Prozent (Ost) aus. Eine
weitere repräsentative Studie fragt umgekehrt
Im Jahr 2012 fordert zudem ein Drittel der Bevöl- danach, ob der Bau von öffentlich sichtbaren
kerung, die Ausübung des islamischen Glaubens Moscheen in Deutschland eingeschränkt werden
einzuschränken und stimmt damit für eine solle; dem stimmen 42 Prozent der Befragten zu
Beschneidung der grundrechtlich gesicherten (vgl. Foroutan et al. 2014: 35). Das sind bemerkens-
Religionsfreiheit. Dieser Anteil steigt um zehn werte Ergebnisse, wenn man bedenkt, dass der
Prozentpunkte im Jahr 2016 und pendelt sich Moscheebau und die Repräsentation der Mus-
2021 wieder auf dem Niveau von 2012 ein. lim*innen durch eigene Gotteshäuser Teil gelun-
gener Integration und Ausdruck von Glaubens-
freiheit und sozialräumlicher Anerkennung von
Muslim*innen ist (vgl. ebd.: 34–35).
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 55

Eine andere Studie verweist anhand der Daten 3.1.4 Deutschland im europäischen Vergleich
des Religionsmonitors darauf, dass bei Fragen
der Religionsfreiheit die negative Religionsfrei- Der Fokus des vorliegenden Berichts ist Deutsch-
heit (die Freiheit vor jeglicher Religion) besonders land. Daher wird hier auf eine umfassende Dar-
betont wird und die Menschen bereit sind, Ein- stellung des internationalen Forschungsstands
schränkungen in Bezug auf die positive Religions- verzichtet. Um die Ergebnisse jedoch in einen
freiheit (zur Religionsausübung) hinzunehmen. größeren Kontext zu stellen, werden im Folgen-
Beispielsweise wird das Tragen von religiösen den ausgewählte Daten für vergleichbare Länder
Symbolen in der Öffentlichkeit von vielen Men- präsentiert. Ländervergleichende Studien wie der
schen abgelehnt (vgl. El-Menouar 2019), was auch Religionsmonitor zeigen, dass Muslimfeindlichkeit
auf den zunehmenden Anteil von Menschen ohne nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern in
Konfessionszugehörigkeit zurückzuführen ist. weiten Teilen Westeuropas verbreitet ist (vgl. Pickel
2019). So sind 2017 auch in Frankreich, dem Ver-
Die dargestellten Ergebnisse weisen darauf hin, einigten Königreich, der Schweiz und Österreich
dass Muslim*innen aus verschiedenen Richtun- ähnlich große Anteile wie in Deutschland Mus-
gen in den Fokus geraten – einerseits mit Blick lim*innen gegenüber pauschal misstrauisch; dies
auf die Debatten im Umgang mit Zuwanderung, betrifft jeweils Anteile zwischen 35 und 41 Prozent,
andererseits mit Blick auf Wandlungsprozesse wobei das Misstrauen in Deutschland am stärksten
im religiösen Feld aufgrund von Entkirchlichung ausgeprägt ist (s. ↗ Abb. 3.6). Ebenfalls große Anteile
sowie religiöser Pluralisierung – die beide weit der Bevölkerungen dieser Länder sehen im Islam
über die muslimische Bevölkerung hinausreichen eine Bedrohung: Etwa jede*n Zweite*n betrifft
und das gesellschaftliche Selbstverständnis ins- dies neben Deutschland auch in Österreich und
gesamt betreffen. der Schweiz; im Vereinigten Königreich und in
Frankreich fällt dieses Bedrohungsempfinden mit
35 und 38 Prozent ebenfalls stark aus, aber weni-
ger drastisch als in den zuvor genannten Ländern.

Abbildung 3.6: Islam- und muslimfeindliche Einstellungen im europäischen Vergleich (in %)

60 %

52
50
47
40 % 41
38 38 39
37
35 35

20 %

A B A B A B A B A B
0%
Deutschland Österreich Schweiz Frankreich Großbritannien

A Wahrnehmung des Islams als Bedrohung B pauschales Misstrauen gegenüber Muslim*innen

Quelle: Religionsmonitor (Pickel 2019: 74, 82).


56 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Eine frühere Studie aus dem Jahr 2014 kommt zu 3.1.5.1 Muslimfeindlichkeit als Facette Gruppen-
dem Ergebnis, dass Deutschland bei dieser Form bezogener Menschenfeindlichkeit
der Menschenfeindlichkeit zwar am schlechtesten
abschneidet, aber wir es hier mit einer gesamt- Im Rahmen der GFM-Surveys wird Gruppenbezo-
europäischen Gemengelage zu tun haben (vgl. gene Menschenfeindlichkeit als mehrdimensiona-
Pollack 2014). Insgesamt ist festzustellen, dass es les Konstrukt begriffen und Muslimfeindlichkeit
an einem EU-weiten Monitoring von Muslim- als eine Ausprägung dessen verortet. Zusammen-
feindlichkeit mangelt. Die vorliegenden Studien hangsanalysen zwischen diesen unterschiedlichen
liefern jedoch Hinweise, dass Muslimfeindlich- Dimensionen legen offen, dass es teils relativ hohe
keit auch in anderen europäischen Ländern weit Korrelationen21 zwischen ihnen gibt. Besonders
verbreitet ist und deshalb Maßnahmen zu deren stark sind die Korrelationen zwischen Muslim-
Bekämpfung nicht nur national, sondern auch auf feindlichkeit und sogenannter ‚Fremdenfeindlich-
Ebene der EU verstärkt werden sollten. keit‘, die primär Einstellungen zu Zuwander*in-
nen erfasst (vgl. Heitmeyer 2005). Die sehr hohe
3.1.5 Erklärungsfaktoren und Verbreitung in Korrelation in Höhe von 0,9 lässt darauf schließen,
unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen dass zwischen Zuwander*innen und Muslim*in-
nen wenig unterschieden wird; Menschen, die
Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargelegt, Zuwander*innen ablehnen, lehnen mit hoher
dass Muslimfeindlichkeit in weiten Teilen der Wahrscheinlichkeit auch Muslim*innen ab. Eine
Bevölkerung verbreitet ist. Es handelt sich um weitere Studie zeigt zudem einen starken Zusam-
eine gesamtgesellschaftliche Problematik, die menhang zu Einstellungen gegenüber Geflüchte-
die Mitte der deutschen Bevölkerung betrifft. ten auf (vgl. Celik/Pickel 2019). Das heißt, dass sich
Ein relativ großer Anteil leitet aus diesen Sicht- Vorbehalte gegenüber Zuwander*innen, Geflüch-
weisen zudem politische Forderungen ab, was teten und Muslim*innen überlagern und damit
besonders deutlich zeigt, dass Einstellungen in argumentativ unterschiedliche Anschlussmög-
Verhalten(-sabsichten) umschlagen können. Zur lichkeiten vorhanden sind, um muslimfeindliche
Entwicklung von Maßnahmen zur Prävention Ressentiments zu aktivieren und zu reproduzieren
und Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit ist es – sowohl im Rahmen von Integrations-, asylrecht-
von besonderer Relevanz, die relevanten Hebel lichen sowie religionspolitischen Debatten.
für ein nachhaltiges Vorgehen zu identifizieren.
Verschiedene Studien weisen auf signifikante Zudem weisen statistische Analysen einen relativ
Zusammenhänge hin, die Auskunft darüber geben, starken Zusammenhang in Höhe von 0,3 und
in welchen Bevölkerungsgruppen muslimfeindli- 0,4 zwischen muslimfeindlichen und antisemiti-
che Einstellungen besonders stark verbreitet sind schen Einstellungen nach. Das heißt, Menschen
und unter welchen Bedingungen sie geringer aus- mit antisemitischen Haltungen sind mit hoher
fallen. Zentrale Befunde aus diesen vertiefenden Wahrscheinlichkeit auch muslimfeindlich ein-
Analysen werden im Folgenden näher beleuchtet. gestellt (vgl. Zick 2021; Zick/Berghan/Mokros
2019; Zick et al. 2016; Zick/Küpper/Heitmeyer
2011). Zu ähnlichen Befunden kommt auch eine
aktuelle Studie des Sachverständigenrats für

21 Korrelationskoeffizienten können Werte zwischen 0 und + bzw. −1 annehmen. Je stärker der Wert von 0 abweicht bzw. sich der
Zahl 1 nähert – unabhängig davon, ob positiv oder negativ ausgeprägt –, umso stärker der Zusammenhang zwischen den untersuchten
Merkmalen. Ein perfekter Zusammenhang von +1, der empirisch nie auftritt, würde besagen, dass Personen mit Merkmal A alle auch das
Merkmal B aufweisen, wenn etwa alle Personen mit muslimfeindlichen Einstellungen gleichzeitig antisemitisch wären. Daraus könnte
geschlussfolgert werden, dass beide Indikatoren dasselbe messen.
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 57

Integration und Migration: Befragte, die der Aus- 3.1.5.2 Politische Orientierung und Religion
sage „Juden haben zu viel Einfluss“ zustimmen,
befürworten auch eher, dass der Staat islamische Die politische Orientierung scheint für das Thema
Gemeinschaften beobachten solle, unterstellen Muslimfeindlichkeit eine wichtige Rolle zu spie-
Muslim*innen pauschal eine Tendenz zum Fana- len; diese besitzt die größte Erklärungskraft, um
tismus und lehnen einen muslimischen Bürger- Unterschiede in muslimfeindlichen Positionen zu
meister in der eigenen Gemeinde häufiger ab erklären (vgl. Janzen/Ahrens 2022; Öztürk 2021).
(vgl. Friedrich/Storz 2022: 46–47); die Zusammen- So findet sich ein besonders starkes Ausmaß an
hänge sind relativ stark (Korrelationskoeffizient: muslimfeindlichen Einstellungen bei Personen,
0,4). Diese Zusammenhänge finden sich auch bei die sich im politischen Spektrum rechts verorten;
Personen mit Migrationshintergrund, vor allem unter diesen stimmen mit 77 Prozent deutlich
unter (Spät-)Aussiedler*innen (vgl. ebd.). Die vor- mehr Menschen muslimfeindlichen Einstellun-
liegenden Erkenntnisse weisen darauf hin, dass gen zu als Personen, die sich politisch eher links
Muslimfeindlichkeit in dieser Kombination Teil verorten (5 bis 13 %, vgl. Zick/Küpper/Berghan
eines antipluralistischen und -demokratischen 2019: 94). Je weiter rechts sich eine Person ver-
Weltbilds sein kann (vgl. Pickel 2019; Decker/ ortet, umso höher die Zustimmungen zu muslim-
Brähler 2018; 2020; Zick/Küpper 2021). Ein solches feindlichen Statements. Eine Aufschlüsselung der
Weltbild zeichnet sich somit nicht allein durch Ergebnisse nach den Parteipräferenzen deckt auf,
die Ablehnung von Muslim*innen aus, sondern dass Muslimfeindlichkeit unter Anhänger*innen
ist häufig antisemitisch aufgeladen und wird mit der AfD mit Abstand am stärksten ausgeprägt ist,
menschenfeindlichen Forderungen verknüpft gefolgt von Nichtwähler*innen, Anhänger*innen
(vgl. Pickel 2019). Entsprechende Weltbilder zeich- der FDP sowie der CDU/CSU (vgl. ebd.: 96–97; s. a.
nen sich zudem durch autoritäre Einstellungen Kapitel ↗ 8 und ↗ 9). Zudem gibt es relativ hohe
und eine soziale Dominanzorientierung aus (vgl. Zusammenhänge zwischen muslimfeindlichen
Frindte/Dietrich 2017). Diese Befunde sprechen Einstellungen und solchen zur Demokratie: Per-
dafür, dass Muslimfeindlichkeit in dieser Form sonen mit einem illiberalen Demokratieverständ-
kein isoliertes Phänomen darstellt, sondern Teil nis, einem Misstrauen in die liberale Demokratie
einer demokratiefeindlichen Ideologie ist, die sich sowie Personen mit einem Gefühl der politischen
nicht allein gegen Muslim*innen wendet, sondern Machtlosigkeit neigen zu Muslimfeindlichkeit.
gegen die Grundlagen der liberalen Demokratie Besonders stark ausgeprägt ist diese unter Perso-
insgesamt. Schätzungen gehen davon aus, dass der nen mit einem manifesten rechtsextremen Bild
Bevölkerungsanteil mit einem solchen Weltbild (vgl. Zick/Küpper 2021: 204). Diese Befunde unter-
zwar mit etwa 13 Prozent in West- und 20 Prozent streichen erneut die Relevanz von Muslimfeind-
in Ostdeutschland eine Minderheit darstellt, aber lichkeit für die Gesellschaft insgesamt und ihre
mit muslimfeindlichen Ressentiments auf breite demokratischen Grundlagen.
Resonanz stößt und damit Anknüpfungspunkte
an die Mitte der Gesellschaft findet (vgl. Pickel Auch religiöse Sichtweisen spielen eine Rolle:
2019: 13–14). Muslimfeindlichkeit kann als ein Unter Angehörigen der freikirchlich-evangelischen
Kontinuum beschrieben werden, dessen Spektrum Gemeinden sowie unter orthodoxen Christ*innen
von unbewussten Vorbehalten, die unreflektiert finden sich ausgeprägtere Formen von Muslim-
übernommen werden, bis hin zu einem ideolo- feindlichkeit (vgl. Öztürk 2021: 356–357). Ver-
gisch verfestigten Antipluralismus reichen kann, tiefende Analysen zeigen jedoch, dass dahinter
der häufig mit einer antimuslimischen politischen ein rigideres Glaubensverständnis steht, Religion
Agenda sowie Antisemitismus und anderen For- oder Religiosität als solche dagegen haben kei-
men der Menschenfeindlichkeit einhergeht. nen Effekt auf Muslimfeindlichkeit (vgl. Janzen/
58 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Ahrens 2022: 482). Dies konnte bereits im Rah- stärker ins Gewicht und wird bei Christ*innen
men des Religionsmonitors ermittelt werden ähnlich negativ bewertet (vgl. ebd.: 3–5).
(vgl. Pickel 2019: 49; El-Menouar 2023: 171–172).
3.1.5.3 Die Rolle von soziodemografischen
Geringer fällt Muslimfeindlichkeit dagegen bei Faktoren
Personen mit einem hohen Demokratievertrauen
aus, mit ausgeprägter Zivilcourage sowie bei Muslimfeindlichkeit ist quer durch die Mitte der
solchen, die über den nationalen Kontext hinaus- Gesellschaft verbreitet (vgl. K. Hafez/Schmidt
denken und den Zusammenhalt der Gesellschaft 2015) und nicht allein in einzelnen Bevölkerungs-
auf Ebene der EU angesiedelt sehen (vgl. Zick/ segmenten zu finden. Während bei anderen For-
Küpper/Berghan 2019: 237–238). men der Menschenfeindlichkeit der Bildungsgrad
eine wichtige Rolle spielt und höher Gebildete
Eine Vignetten-Studie22 mit den Daten des Reli- seltener empfänglich sind für Vorbehalte, trägt
gionsmonitors 2017 ist zudem der Frage nach- eine hohe Bildung nur bedingt zu einer Korrektur
gegangen, welche Faktoren für die Ablehnung von von Vorbehalten gegenüber Muslim*innen und
Menschen mit Migrationsbezügen eine Rolle ihrer Religion bei (vgl. ebd.; Uenal 2016: 78). Han-
spielen (vgl. Helbling/Jäger/Traunmüller 2022): delt es sich um muslimfeindliche Statements, so
In diesem Zusammenhang haben sie auch geprüft, stimmen höher Gebildete diesen zwar seltener
welchen Unterschied eine muslimische Religions- zu; dies trifft aber nur eingeschränkt zu bei islam-
zugehörigkeit sowie die religiöse Orientierung feindlichen Aussagen, also wenn die Ablehnung
(säkular, liberal, fromm, fundamentalistisch) gegen die Religion gerichtet ist. Hier zeigen Perso-
für feindliche Einstellungen ihnen gegenüber nen mit einem Hochschulabschluss ein vergleich-
machen. Die Autoren arbeiten in den Analysen bares Niveau an Islamfeindlichkeit wie Personen
klar heraus, dass muslimische Zuwander*innen mit einem niedrigen Bildungsabschluss (vgl. ebd.;
und Geflüchtete nicht aufgrund ihrer Religions- Dietrich/Frindte 2017). Es kann aber davon aus-
zugehörigkeit stärker abgelehnt werden als andere, gegangen werden, dass sich die Motive für eine
sondern vor allem aufgrund eines Fundamenta- Ablehnung unterscheiden; für höher Gebildete
lismusverdachts. Werden den Befragten zufällig spielen Argumente der angeblichen Rückständig-
fiktive Personen präsentiert, die in einem Beispiel keit des Islams sowie eine allgemeine Religions-
christlich, einem anderen muslimisch (aber sonst skepsis sicherlich im Vergleich eine wichtigere
identisch) sind, so fällt deren Bewertung ähnlich Rolle (s. a. Unterkapitel ↗ 3.1.5.5). Darauf verweist
aus, wenn ihre religiöse Orientierung jeweils kons- der Zusammenhang zwischen einem Misstrauen
tant gehalten wird: Säkulare sowie liberal religiöse gegenüber religiösen Menschen im Allgemeinen
Muslim*innen wie Christ*innen werden beide ver- und Muslimfeindlichkeit (vgl. K. Hafez/Schmidt
gleichbar positiv bewertet, während die Bewertung 2015; Pollack 2014). Dies verweist auf Lücken im
von frommen Muslim*innen wie Christ*innen Bildungsbereich bei der Vermittlung von (inter-)
etwas negativer ausfällt. Am negativsten fallen aber religiösen Kompetenzen im Allgemeinen und zu
die Haltungen zu fundamentalistischen Christ*in- muslimischem Leben im Besonderen (s. Kapi-
nen wie Muslim*innen aus. Das heißt, Fundamen­ tel ↗ 6). Wie die Analysen im vorangegangenen
talismus fällt gegenüber Religionszugehörigkeit Abschnitt zu Zusammenhängen mit anderen
Formen der Menschenfeindlichkeit jedoch zeigen,

22 Eine Vignetten-Studie, auch faktorieller Survey genannt, ist eine spezielle Erhebungstechnik im Rahmen größerer standardisierter
Befragungen (Surveys), mittels derer der Einfluss der Merkmale von Personen, Situationen oder anderen Objekten auf die Wahrnehmung,
Beurteilung oder die Einstellung von Menschen erhoben werden kann (vgl. Auspurg/Hinz 2015).
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 59

braucht es Bildungsansätze, die bei der Akzep- Mitte betroffen ist, können muslimfeindliche
tanz von Pluralität im Allgemeinen ansetzen und Vorbehalte verstärken.
zu einer Auseinandersetzung mit den eigenen
stigma­tisierenden – auch muslimfeindlichen – Ein relativ starker Zusammenhang lässt sich für
Haltungen anregen. das Alter feststellen (s. ↗ Abb. 3.7): Jüngere Men-
schen äußern seltener muslimfeindliche Ein-
Der sozioökonomische Status einer Person nimmt stellungen (vgl. K. Hafez/Schmidt 2015: 19–20).
insgesamt eine nachrangige Rolle ein (vgl. Pickel/ Das wird darauf zurückgeführt, dass sie eher
Yendell 2016: 296–297); muslimfeindliche Ein- persönliche Kontakte zu Muslim*innen in Schule
stellungen sind in hohem Maße auch unter wohl- und Ausbildung haben, während ältere häufig in
habenden Personen verbreitet. Unabhängig vom einem homogenen Umfeld aufgewachsen sind
Einkommen steht aber das Gefühl, benachteiligt und auch im Alltag seltener Berührungspunkte
zu sein, in einem engeren Verhältnis zu muslim- mit der muslimischen Bevölkerung haben.
feindlichen Einstellungen (vgl. Yendell 2014) und
geht mit Forderungen nach einem Zuwanderungs­ Dennoch sind die Anteile unter jungen Erwachse-
stopp für Muslim*innen einher (vgl. Pickel/Yendell nen zwischen 16 und 24 Jahren, die im Islam eine
2021). Abstiegsängste, die sich gerade in Krisen- Bedrohung sehen, mit 38 Prozent relativ hoch –
zeiten verstärken können, wie es aktuell der Fall wenn auch deutlich geringer als unter älteren
ist und wovon insbesondere die gesellschaftliche Personen.

Abbildung 3.7: Bedrohungswahrnehmung des Islams nach Altersgruppen (in %)

70 %

60 %
60
57
50 % 55

47
40 %

38
30 %

20 %

10 %

0%
16–24 Jahre 25–39 Jahre 40–54 Jahre 55–69 Jahre 70 Jahre und älter

Quelle: Religionsmonitor (K. Hafez/Schmidt 2015: 19).

Auch die regionalen Unterschiede verweisen schätzungsweise zwei Prozent der Muslim*innen
auf die Bedeutung des persönlichen Kontakts in Deutschland leben, sind muslim- bzw. islam-
und inwieweit dementsprechend ein vielfältiges feindliche Einstellungen deutlich stärker ausge­
Lebensumfeld als gesellschaftliche Normalität prägt als in Westdeutschland (vgl. Pickel 2019: 13).
wahrgenommen wird. In Ostdeutschland, wo Es zeigt sich aber ein ähnliches Gefälle, wenn
60 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

die Ergebnisse für Nord- und Süddeutschland tät ausweichen und dort zusammenleben. In sol-
aufgeschlüsselt werden: Im Norden sind ent- chen sozial benachteiligten Stadtgebieten ist auch
sprechende Einstellungen weniger stark verbrei- die Quote an Einwanderer*innen und entspre-
tet (vgl. K. Hafez/Schmidt 2015: 20–21). Zudem chend die religiöse Pluralität sehr hoch. Zugleich
zeigen Analysen, dass es eine wichtige Rolle spielt, sind diese Bezirke, gemessen an den klassischen
ob eine Person in einem städtischen Umfeld Statusindikatoren Bildung, Beruf und Einkommen,
lebt und somit die Wahrscheinlichkeit größer ist, besonders prekär verortet. Dies verweist auf Kon-
mit Muslim*innen in Kontakt zu treten, oder in fliktpotenziale, die soziale Segregationsprozesse in
ländlichen Regionen, wo kaum Muslim*innen benachteiligten Stadtgebieten bergen können. Aber
leben (vgl. ebd.: 54). In einer Studie kann nach- auch die Segregation von wohlhabenden Vierteln,
gewiesen werden, dass sich die regionalen Unter- die in sozioökonomischer Hinsicht relativ homo-
schiede nivellieren, wenn die Kontaktintensität gen sind und auch wenig religiöse wie migrations-
zu Muslim*innen kontrolliert wird (vgl. Foroutan/ bedingte Vielfalt aufweisen, kann antimuslimische
Simon/Canan 2019: 8). Vorbehalte verschärfen. Hier sind dringend stadt-
politische Maßnahmen erforderlich.
3.1.5.4 Persönliche Kontakte im Alltag
als mögliches Korrektiv Kontakte auf Augenhöhe wie Freundschafts-
beziehungen können vor der Entstehung von
Der sogenannten Kontakthypothese zufolge Vorbehalten schützen, wenn dadurch auch Ähn-
können Kontakte untereinander gegenseitige lichkeiten und gemeinsame Interessen sichtbar
Vorurteile abbauen (vgl. Allport 1954). Es wird werden und nicht allein die Unterschiede im
aber immer wieder darauf hingewiesen, dass der Fokus stehen. Gibt es dagegen seltene bis keine
Kontakt eine gewisse Qualität aufweisen muss und Berührungspunkte zu Menschen anderer Reli-
nicht jeder Kontakt gleichermaßen dazu geeignet gion und Herkunft, insbesondere zu Muslim*in-
ist, Vorurteile abzubauen, bzw. sogar das Gegenteil nen – wie es in großen Teilen Ostdeutschlands
bewirken kann (vgl. Pettigrew 1998). Dies bestä- und in ländlichen Regionen der Fall ist – fallen
tigt sich empirisch in vielen Studien: Wer häufig muslim- und islamfeindliche Einstellungen
interreligiöse Freizeitbeziehungen hat, hat weniger deutlich stärker aus. Möglicherweise treten dann
Vorbehalte gegenüber Muslim*innen (vgl. Öztürk anstelle realer Erfahrungen fiktive, sogenannte
2021; Pickel 2019; Halm/Sauer 2017). Diese Bezie- parasoziale, Kontakte auf. So können beispiels-
hung zwischen Kontakten und Vorurteilen findet weise aus den Medien entnommene Informa-
sich aber nur bis zu einem gewissen Grad. Sobald tionen als Erfahrungswissen (vgl. Horton/Wohl
der Eindruck entsteht, in einen Minderheitensta- 1956; Pickel/Yendell 2016) fungieren. Insofern
tus zu geraten, kann genau der gegenteilige Effekt kann von einem massiven Einfluss medialer
und eine stärkere Ablehnung von Muslim*innen Debatten zu Muslim*innen und ihrer Religion,
eintreten (vgl. K. Hafez/Schmidt 2015: 51–59). die überwiegend einseitig auf Probleme fokus-
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn z. B. das siert sind (vgl. El-Menouar 2019a; 2019b; 2016;
eigene Wohnumfeld mehrheitlich durch Men- El-Menouar/Becker 2010; Frindte 2013; Frindte/
schen anderer Religion geprägt ist, was als Indika- Haußecker 2010; K. Hafez 2010), ausgegangen
tor für einwanderungsbedingte Vielfalt und sozio- werden (s. Kapitel ↗ 7). Dies scheint aber nicht
ökonomische Benachteiligung gewertet werden für alle Medien gleichermaßen zu gelten, denn
kann. Einkommensschwache und verstärkt sozialer die Präferenz für die öffentlich-rechtlichen Fern-
Diskriminierung ausgesetzte Haushalte müssen sehsender ist mit geringerer Muslimfeindlichkeit
häufig erzwungenermaßen auf solche günstigen verknüpft (vgl. Dietrich/Frindte 2017; Müller et
Quartiere mit geringerer Wohn- und Lebensquali- al. 2017).
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 61

3.1.5.5 Erkenntnisse aus qualitativen Studien mit Blick auf den eigenen Status im gesellschaft-
lichen Gefüge, da sie Angehörige der abgewer-
Qualitative Forschungsarbeiten erlauben anhand teten Gruppe häufig als statusgleiche Personen
von Tiefeninterviews Einblicke in typische Denk- am Arbeitsplatz oder im eigenen Viertel erleben,
und Sprachmuster von Muslimfeindlichkeit mit denen sie in einem Konkurrenzverhältnis
sowie die Quellen, aus denen sie gespeist werden: stehen. Hier funktioniert Rassismus als Erklärung
beispielsweise Familie, Freundeskreis bzw. Medien. für gesellschaftliche Probleme; eigene Frustra-
Fokusgruppen-Diskussionen – eine in der quali­­ tionserfahrungen werden so kanalisiert und auf
tativen Sozialforschung häufig eingesetzte bestimmte gesellschaftliche Gruppen projiziert.
moderierte Diskussion mehrerer Teilnehmender – Schon Allport (1954) kam im Rahmen seiner
liefern zudem Hinweise, wie diese Muster in sogenannten „Sündenbock-Theorie“ zu dem
Gruppensituationen aktiviert, verbreitet und Schluss, dass auf als „psychologische Minderhei-
reproduziert werden. ten“ wahrgenommene Menschen – das können
unter Umständen Einwander*innen, Schwarze,
Dabei nimmt die qualitative Forschung primär regionale Gruppen oder Angehörige bestimmter
das Rassismuskonzept zu Hilfe und knüpft an die Religionen sein – Aggressionen projiziert und sie
Arbeit von Jäger 1996 an, dessen Studie zu Rassis- für gesellschaftliche Missstände verantwortlich
mus im deutschen Alltag als ein Meilenstein in gemacht werden. Mit der zunehmenden Gentri-
der Erforschung von Rassismus im Allgemeinen fizierung von Lebensräumen und zunehmender
gilt. Kernergebnis ist, dass nahezu alle Interview- sozialer Ungleichheit könnte sich diese Problema-
ten, die mit Blick auf Alter, Herkunft und Bildung tik in Zukunft verschärfen.
variierten, ein allgemeines Misstrauen und Ableh-
nung gegenüber einer als fremd wahrgenom- Im Gegensatz dazu kommen Personen aus aka-
menen Gruppe äußern. Der als ‚fremd‘ erachtete demischen Milieus seltener in Kontakt mit Ange-
Personenkreis wird pauschal als problematisch hörigen der rassistisch abgewerteten Gruppe und
betrachtet, ohne dass diese Wahrnehmung einer stehen nach eigenem Empfinden in einem „asym-
selbstkritischen Reflexion unterzogen wird. metrischen Verhältnis zum Fremden“ (Scherschel
Typisch ist zudem, dass diesen ‚Fremden‘ eine 2006: 148); Akademiker*innen artikulieren Vorbe-
imaginierte ‚Wir‘-Gruppe entgegengestellt wird. halte häufiger mit Bezug auf Wertvorstellungen
Von dieser wird die Fremdgruppe nicht nur als und gehen davon aus, dass die Vorstelllungen der
besonders verschieden wahrgenommen, sondern abgewerteten Gruppe mit den Wertvorstellungen
‚die Fremden‘ werden auch mit einer negativen der eigenen oder mit denen der hiesigen Gesell-
Bewertung belegt. Als weiteres Charakteristikum schaft unvereinbar seien. Das Bedrohungsemp-
von Rassismus leitet der Autor aus seiner For- finden rührt hier aus der Befürchtung, Opfer von
schung die Vorstellung einer Unveränderbarkeit Gewalt werden zu können oder mit persönlichen
dieser zugeschriebenen Eigenschaften ab. Eine Einschränkungen rechnen zu müssen. Die eigene
andere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es Gruppe bzw. Gesellschaft wird dabei als „modern,
sich beim Rassismus um eine soziale Ressource zivilisiert und mit Blick auf die Geschlechter-
handelt, die je nach sozialem Ort und histori- frage als gleichberechtigt entworfen“ (ebd.) und
schem Zeitpunkt einen variablen Inhalt anneh- die abgewertete Gruppe diesem Bild diametral
men kann und milieuspezifisch unterschiedlich entgegengestellt. Mit zunehmenden sozialen Auf-
artikuliert wie argumentativ eingebettet wird (vgl. stiegsprozessen kann sich das milieuspezifische
Scherschel 2006). Bei Personen mit einem niedri- Bedrohungsgefühl verschieben.
geren Bildungsniveau und Berufsstand rührt die
Abwertung meist aus einem Bedrohungsgefühl
62 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Eine 2007 veröffentlichte Studie prüft am Beispiel dem Ergebnis, dass umgekehrt vielen Menschen,
des Moscheebaus, inwieweit rassistische Denk- die als ‚Migrationsandere‘ oder ‚kulturell Fremde‘
und Sprachmuster gegenüber Muslim*innen wahrgenommen werden, ein muslimischer
wirksam sind (vgl. Sammet 2007). Dabei ist fest- Glaube unterstellt wird, was die „Ethnisierungs-
zustellen, dass sich starke Differenzen in den These“ untermauert (vgl. Kaddor/Karabulut/
vertretenen Positionen auftaten und das Thema Pfaff 2018). Zudem werden rassistische Konzepte
besonders stark polarisierte. Eine besondere häufig mit Alltagserfahrungen verknüpft und
Rolle spielten der Studie zufolge die Meinungs- so immer wieder bestätigt und aktualisiert (vgl.
führer*innen, die entweder verschärfend oder Schmidt 2022: 197–239); sie sind deshalb struk-
differenzierend in die Diskussion eingriffen und turell verankert und werden oft nicht als Vor-
ihren Verlauf maßgeblich beeinflussten. Die behalte erkannt, sondern für objektives Wissen
Gruppendynamik spielt somit eine wichtige Rolle. gehalten. Als Beispiel kann hier die Debatte zur
Die Vorbehalte richteten sich primär auf ange- Kölner Silvesternacht 2016 angeführt werden, die
nommene Werteunterschiede, indem z. B. in fast antimuslimische Vorbehalte mit der Kritik an pat-
allen Diskussionen die Situation von Christ*in- riarchalen Geschlechtervorstellungen verknüpft,
nen in muslimischen Ländern thematisiert wurde dadurch plausibilisiert und reproduziert hat
sowie die angeblich mangelnde Trennung von (vgl. El-Menouar 2016; s. a. Unterkapitel ↗ 4.8).
Religion und Politik dort. Das heißt, dass prob-
lematische Ereignisse in muslimisch geprägten 3.1.5.6 Muster und Bezüge antimuslimischer
Ländern, die es ohne Frage gibt, pauschal auf den Ressentiments
Islam zurückgeführt und auf hier lebende Mus-
lim*innen projiziert wurden. Zusammenfassend Insgesamt lassen sich anhand qualitativer Studien
lässt sich aus der Studie ableiten: Der Islam wird zu Muslimfeindlichkeit vier typische Denk- und
sowohl als ‚fremde Kultur‘ als auch als ‚fremde Sprachmuster von antimuslimischen Einstellun-
Religion‘ thematisiert, wobei in der Kulturdimen- gen feststellen, die vergleichbar sind mit allgemei-
sion Tendenzen zur Ausgrenzung deutlicher wer- nen Mustern von Rassismus.
den, während in der Religionsdimension stärker
auch nach Gemeinsamkeiten gesucht wird (vgl. 1. Zuschreibung des „Fremdseins“: Hier wird häufig
Sammet 2007). Als erster Befund mit Blick auf die der in der rassismuskritischen Forschung übliche
Fragestellung dieses Kapitels lässt sich ableiten, Begriff des Otherings verwendet, womit ausge-
dass Abgrenzungen zu Muslim*innen vor allem drückt werden soll, dass in diesem Prozess Islam
mit Blick auf unterstellte Werteunterschiede vor- und Muslim*innen „ver-andert“ werden. In die-
genommen werden. Shooman (2014) stellt zudem sem Prozess werden ihnen Attribute zugeschrie-
fest, dass der Moscheebau mit Ängsten vor Macht- ben, die die ‚Anderen‘ vom fiktiven ‚Wir‘ unter-
und Statusverlust verknüpft wird und somit auch scheidbar machen und abwerten (vgl. Kaddor/
hier rassistische Muster der Abwertung aufgrund Karabulut/Pfaff 2018; Shooman 2014; Attia 2009).
eines empfundenen Konkurrenzverhältnisses Die Befunde der Studien unterstreichen, dass die
wirksam werden. attestierte Nicht-Zugehörigkeit von Muslim*in-
nen als unveränderbar wahrgenommen wird und
Eine weitere Studie kommt zu dem Schluss, dass eine Reduzierung auf das vermeintliche ‚Anders-
antimuslimische Ressentiments häufig mit phä- sein‘ erfolgt, indem dies stets in den Vordergrund
notypischen Merkmalen verknüpft und somit gestellt wird.
Muslim*innen ethnisiert und damit quasi als
‚Rasse‘ konstruiert werden (vgl. Attia 2009). Eine
aktuelle Studie unter Jugendlichen kommt zu
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 63

2. Abwertung bzw. Hierarchisierung: So schildert Erscheinungsbild von Muslim*innen“ (ebd.: 25)


Attia (2009), dass die Äußerungen der Interviewten deutlich. Die zugeschriebenen Eigenschaften
häufig von der Wahrnehmung der eigenen Kul- werden teilweise als derart unveränderlich wahr-
tur als höherwertig geleitet sind. Dies impliziert genommen, dass auch von
eine Abwertung der als ‚islamische Andere‘ wahr-
genommenen Personen. Ein ähnliches Konzept 4. einer Naturalisierung als Muster für antimus­
benennt Shooman mit dem Pars-pro-Toto-Denken, limischen Rassismus gesprochen wird (vgl.
das die Haltung im Sinne von „uns zeichnen Shooman 2014).
die Besten aus, sie die Schlechtesten“ (2014: 196,
Herv.i.O.) meint. Zudem seien „gängige Orientalis- Diese Muster werden vor allem mit folgenden
men“ nach wie vor präsent, die die „abendländi- typischen Themen bzw. Narrativen (s. a. dazu
sche Kultur als Ort des Fortschritts“ charakteri- Janzen et al. 2019) verbunden und immer wieder
sierten und dem gegenüber von einer generellen aktualisiert:
„Rückschrittlichkeit des Islams“ (ebd.) ausgingen.
Auf ein ähnliches Verständnis ist außerdem die 1. Patriarchale Geschlechtervorstellungen und
von Shooman ebenfalls geschilderte Hierarchi- Unterdrückung von Frauen: Ein wichtiger thema­
sierung von Migrant*innen-Gruppen zurückzu- tischer Bezugspunkt in der antimuslimischen
führen (vgl. ebd.: 37). Attia (2009) beobachtete in Eigenschaftszuschreibung ist das stereotyp attri-
diesem Zusammenhang das Muster der Umdeu- buierte Geschlechterverhältnis. Nach Attia (2009)
tungen von Erfahrungen: Positive Primärkontakte spielt dieses in der Essenzialisierung und Dicho-
mit Muslim*innen werden nicht mit ‚dem Islam‘ tomisierung von ‚islamischer‘ und ‚westlicher‘
in Verbindung gebracht. Dieses Phänomen ist in Kultur eine zentrale Rolle. Shooman (2014) stellt
der Stereotypenforschung bereits bekannt: Verhält ebenso fest, dass emanzipatorische Argumente
sich ein Mitglied der Fremdgruppe negativ, wird instrumentalisiert und so gegen ‚den Islam‘ in
dieses Verhalten in der Beschreibung eher abs- Stellung gebracht werden. Und auch Scherschel
trakt nacherzählt. Damit wird die Regelhaftigkeit beschreibt, dass in der Zuschreibung zur eigenen
dieses negativen Verhaltens für die Fremdgruppe Gruppe, „die Geschlechterfrage als gleichberech-
deutlich gemacht. Zeigt eines ihrer Mitglieder tigt entworfen“ (2006: 235) wird – im Gegensatz
andersherum positiv bewertetes Verhalten, wird zur Fremdgruppe. Kaddor, Karabulut und Pfaff
dies konkret nacherzählt, um damit die Ausnahme (2018) sehen im Narrativ der Unterdrückung die
deutlich zu machen. Auf diesem Weg werden also Verbindung der Themen Geschlecht und Gewalt.
die Stereotype der erzählenden Person wiederge- Hier beruhen die antimuslimischen Vorbehalte
geben (vgl. Maass 1999). auf der generellen Zuschreibung eines patriar-
chalen Männerbildes, von Dominanzverhalten
3. Homogenisierung: Ein typisches Muster in der und Gewaltbereitschaft sowie einer stereotypen
Zuschreibung von Eigen- und Fremdgruppen- Annahme, muslimische Männer würden ihre
merkmalen ist außerdem die Homogenisierung Frauen unterdrücken und ihre Rechte missachten.
von Gruppen. So erläutern Kaddor, Karabulut und
Pfaff (2018), dass beispielsweise der muslimische 2. Mangelnde Integrationsfähigkeit und -bereitschaft:
Glaube mehrheitlich Menschen zugeschrieben Ein weiteres studienübergreifend wiederkehrendes
wird, die als ‚Migrationsandere‘ oder ‚kulturell Thema ist die Integrationsdebatte. Scherschel (2006)
Fremde‘ konstruiert werden. Unterschiede inner- stellt fest, dass Integration zwar zugestanden wird,
halb dieser Gruppe werden weitestgehend ausge- aber die ‚ausländische Gruppe‘ in integrations­fähig
blendet. In ihrer Untersuchung wurden „generali- und -unfähig unterteilt und somit die ‚Fremdgruppe‘
sierende Vorurteile über das Verhalten und das teils rassistisch, teils nicht-rassistisch konstruiert
64 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

wird. Dieser Bezugspunkt ist auch bei antimus­ Muslim*innen einhergehen kann. Eine wesent-
limischen Ressentiments typisch. Muslim*innen liche Rolle dabei spielt, inwieweit Muslim*innen
wird dabei typischerweise unterstellt, dass sie als der Eigengruppe zugehörig und damit als
vornehmlich unter sich bleiben wollen (Diskus- einem selbst ähnlich empfunden oder als Fremde
sion um Parallelgesellschaften), um angeblich gesehen und damit einem selbst eher unähnlich
ungestört nach ihren – abweichenden – Wert- bis hin zu als potenzielle Gefahr wahrgenom-
vorstellungen leben zu können (s. a. Becker/ men werden. Dies wird in der soziologischen
El-Menouar 2014); verschiedene Studien haben Forschung auch als Ausmaß sozialer Distanz
jedoch die These sogenannter muslimischer Paral- beschrieben (vgl. Park 1924; Steinbach 2004). Der
lelgesellschaften bereits widerlegt (z. B. Pfündel/ Grad sozialer Distanz und damit einhergehender
Stichs/Tanis 2021). Ebenfalls ist festzustellen, dass Abgrenzung kommt durch allgemeines Miss-
Integration „als alleinige Bringschuld von Zuge- trauen und Bedrohungsempfinden und damit
wanderten und deren Nachkommen“ (Kaddor/ eine affektive Ebene zum Ausdruck.
Karabulut/Pfaff 2018: 25) verstanden wird und
die Rolle sozioökonomischer bzw. benachteili-
gender Faktoren keine Berücksichtigung findet. 3.2 Muslimfeindliche Straftaten
Shooman (2014) kann hierzu eine Erklärung
bieten: Häufig wird das Nützlichkeitstopos ver- Muslimfeindliche Vorfälle werden erst seit weni-
wendet, also die Fremdgruppe hinsichtlich ihrer gen Jahren gesondert erfasst. Die Einführung
Zweckdienlichkeit auf- oder abgewertet. eines gesonderten Erfassungssystems im Rahmen
der Kriminalitätsstatistik ist ein Meilenstein
3. Affinität zu Gewalt und Terror: Die Zuschreibung und Ausdruck eines zunehmenden öffentlichen
von einer Affinität zu Gewalt und Terror wird vor Bewusstseins über die Existenz und Tragweite von
allem mit islamischem „Fundamentalismus“ in Muslimfeindlichkeit als eine Form der Menschen-
Verbindung gebracht und durch die Interviewten feindlichkeit. Neben den amtlichen Kriminali-
mit einer daran geknüpften „Angst vor einer ver- tätsstatistiken, die das BMI jährlich veröffentlicht,
meintlichen Islamisierung einer nicht-muslimi- dokumentieren einige NGOs muslimfeindliche
schen Mehrheitsgesellschaft“ (Kaddor/Karabulut/ Straftaten und Diskriminierungspraxen. Sie
Pfaff 2018: 25) geäußert. Durch ein solches Isla- stellen immer wieder fest, dass die so dokumen-
mismus-Narrativ werden außerdem „verallgemei- tierten Fälle weit über den amtlichen Zahlen
nernde Vorurteile über die Gewaltbereitschaft von liegen (vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung
Muslim*innen“ verbreitet und Gewalt dabei als für Migration, Flüchtlinge und Integration/Die
durch religiöse Quellen ‚legitimiert‘“ (ebd.) erachtet. Beauftragte der Bundesregierung für Antirassis-
mus 2023; Winterhagen 2020). Sie sind jedoch
4. Das Narrativ der Bedrohung ist als weiteres schwer vergleichbar, da die Kriterien der Erfas-
Thema zu finden – auch als Identitätsbedro- sung seitens der NGOs nicht einheitlich sind. An
hung bezeichnet (vgl. Janzen et al. 2019; Kaddor/ dieser Stelle kann der UEM lediglich die vorlie-
Karabulut/Pfaff 2018) –, das ein allgemeines genden Datenquellen in groben Zügen skizzieren
Bedrohungsgefühl durch die Präsenz von Mus- und auf Leerstellen verweisen. Eine genauere
lim*innen bzw. ‚des Islams‘ zum Ausdruck bringt. Beurteilung setzt eine ausführliche Analyse vor-
Dies ist aber nicht auf bestimmte inhaltliche aus, die den Rahmen des Berichts sprengen würde.
Themen beschränkt, sondern verdichtet die
bereits dargestellten Denk- und Sprachmuster
zu einem Fremd- bis hin zum Feindbild, was mit
einer Abgrenzungs- und Ausgrenzungspraxis von
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 65

3.2.1 „Islamfeindliche Straftaten“ in der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür


polizeilichen Kriminalitätsstatistik vorliegen, dass sie aufgrund von Vorurteilen des
Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zuge-
In Deutschland werden „Islamfeindliche Straf- hörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit,
taten“ in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik sozialen Status, physische und/oder psychische
erst seit 2017 gesondert als „politisch motivierte Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/
Kriminalität“ (PMK) erfasst. Die Kategorie mus- sexuelle Identität, sexuelle Orientierung, äußeres
limfeindlich wird dabei nicht verwendet; der klare Erscheinungsbild begangen werden.“ (BKA 2023)
Bezug der Tat zur Religionszugehörigkeit einer
Person, also Islamfeindlichkeit, ist ausschlag­gebend. Dabei können die Straftaten angefangen von
Islamfeindliche Straftaten sind eine Unterkate- Beleidigung (§185 StGB) über Volksverhetzung
gorie von Hasskriminalität – neben sogenannten (§130) und Bedrohung (§241) bis hin zu Sach-
‚fremdenfeindlichen‘, rassistischen, antiziganisti- beschädigung (§304) und gefährlicher Körper-
schen, antisemitischen Straftaten sowie solchen, verletzung (§224) reichen. 2017 betrug die Zahl
die sich gegen sonstige Religionen und ethnische der islamfeindlichen Straftaten 1.075 Fälle, 2018
Zugehörigkeiten richten.23 Hass­kriminalität wird lag die Zahl bei 910 Fällen, 2019 bei 950, 2020 bei
dabei wie folgt definiert: 1.026 und 2021 sank sie erstmals auf 726 Fälle.
Der überwiegende Teil der Straftaten ist dem
„[P]olitisch motivierte Straftaten, wenn in Phänomenbereich PMK-rechts zuzuordnen, also
Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Straftaten aus rechtsextremer Motivlage.

Tabelle 3.3: Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund von 2017 bis 2021 laut PMK-Statistik

2017 2018 2019 2020 2021

PMK – rechts 994 840 856 945 588

PMK – links 3 4 2 1 3

PMK – ausländische Ideologie 1 9 7 7 13

PMK – religiöse Ideologie 18 16 22 24 25

PMK – nicht zuzuordnen 59 41 63 49 103

Insgesamt 1075 910 950 1026 732

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von Statistiken in BMI 2018: 6 sowie BMI/BKA 2020: 6; 2022: 11.

Angriffe gegen Moscheen werden von wenigen und sank in den Folgejahren wieder ab bis auf
NGOs und muslimischen Akteur*innen seit 2010 54 im Jahr 2021 (s. a. Unterkapitel ↗ 3.2.2). Inwie-
gezählt; seit 2019 wird das Angriffsziel in der PMK weit es sich bei den geringeren Zahlen 2021 um
bundesweit abgestimmt erfasst. Diese Zahl unter- einen langfristigen Rückgang muslimfeindlicher
liegt über die Jahre größeren Schwankungen: Straftaten handelt, ist schwer zu beurteilen; dies
Während 2010 noch 22 Fälle gezählt wurden, stieg kann möglicherweise auf die Corona-Pandemie
die Anzahl kontinuierlich bis auf 238 Fälle 2017 zurückgeführt werden, in der muslimisches

23 Eine ausführliche Beschreibung der Erfassungslogik von PMK findet sich im Expertenbericht Antisemitismus (vgl. Unabhängiger
Expertenkreis Antisemitismus 2017: 29–35).
66 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Leben weniger sichtbar war und es daher auch limischer Trägerschaft wie Vereinsstätten sowie
weniger Anlässe für islamfeindliche Straftaten auf religiöse Repräsentant*innen ausgeweitet,
gab. Werden zu den Angriffen auf Moscheen auch kommt man beispielsweise 2019 auf insgesamt
Übergriffe auf Friedhöfe und andere Orte in mus- 184 strafrelevante Fälle (s. ↗ Tab. 3.4).

Tabelle 3.4: Islamfeindliche Straftaten 2019 mit dem Angriffsziel religiöse Einrichtungen, Symbole
oder Repräsentant*innen

Straftat Strafgesetzbuch (StGB) Fälle

Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen § 86 1

Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86a 24

Öffentliche Aufforderung zu Straftaten § 111 5

Hausfriedensbruch § 123 1

Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten § 126 8

Volksverhetzung § 130 64

Gewaltdarstellung § 131 1

Belohnung und Billigung von Straftaten § 140 3

Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen § 166 22

Störung der Religionsausübung § 167 1

Beleidigung § 185 18

Körperverletzung § 223 3

Gefährliche Körperverletzung § 224 3

Nötigung § 240 1

Bedrohung § 241 7

Diebstahl § 242 1

Sachbeschädigung § 303 15

Gemeinschädliche Sachbeschädigung § 304 5

Verstoß gegen Versammlungsgesetz - 1

Summe 184

* Im Rahmen des KPMD-PMK wurde ein Angriffszielkatalog zum 1. Januar 2019 bundesweit vereinbart. Dieser ist – wie der Themenfeldkatalog –
hierarchisch aufgebaut und in Oberangriffsziele (OAZ) und Unterangriffsziele (UAZ) untergliedert. Bezogen auf die Fragestellung sind
folgende Angriffsziele einschlägig: UAZ „Begegnungsstätte/Kulturverein“, OAZ „Friedhof“, UAZ „Moschee“, OAZ „Religionsgemeinschaft“,
UAZ „Religiöse Einrichtung“, UAZ „Religiöser Repräsentant“, UAZ „Religiöses Symbol“ und/oder UAZ „Sonstige Religionsstätte“. In Verbindung
mit dem Themenfeld „islamfeindlich“ sowie der Nennung eines oder mehrerer der vorgenannten Angriffsziele sind aktuell 184 Fälle in der
Fallzahlendatei LAPOS für das Jahr 2019 erfasst.
Quelle: Bundesdrucksache 19/17069 vom 6. Februar 2020. S. 13. Online abrufbar: https://dserver.bundestag.de/btd/19/170/1917069.pdf
[14.04.2023].
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 67

Letztlich hängt die Validität der Daten auch davon sich auch die Kategorien „rassistisch“, „ausländer-“
ab, wie trennscharf die Zuordnung einer Straftat und „fremdenfeindlich“ zur Beschreibung einer
als islamfeindlich möglich und praktikabel ist muslimfeindlichen Tat (s. hierzu Unterkapitel
anhand des zugrundeliegenden Kategoriensystems. ↗ 3.1). Aber nicht allein Hasskriminalität, sondern
auch das Themenfeld Asyl- bzw. Ausländerthe-
Die Beurteilung einer politisch motivierten Straftat matik können Fälle enthalten, die als islam- bzw.
folgt einer vierdimensionalen Struktur (s. ↗ Abb. 3.8). muslimfeindlich einzustufen sind. Wie Studien
Inwieweit es sich bei einer solchen Straftat um ein zeigen, überlagern sich im Falle von Muslimfeind-
islamfeindliches Delikt handelt, kann mittels der lichkeit rassistische, islamfeindliche und soge-
vierten Dimension bzw. anhand der Spezifikation nannte fremdenfeindliche Motive und können
des Themenfelds erfolgen. Hasskriminalität ist sich auch gegen Geflüchtete und deren Unter-
dabei eines von verschiedenen Themenfeldern, künfte richten. Das heißt: Häufig verbirgt sich
die Auskunft über das Tatmotiv geben. Innerhalb hinter der Ablehnung von Geflüchteten und Ein-
dieses Felds ist die konkrete Bezugsgruppe, auf die wander*innen eine muslimfeindliche Haltung;
sich der Hass richtet, möglichst genau zu benen- Muslim*innen, Geflüchtete und Migrant*innen
nen. Neben der Kategorie „islamfeindlich“ eignen werden häufig gleichgesetzt.

Abbildung 3.8: Die vier Dimensionen der PMK-Statistik

1. Deliktsqualität 2. Phänomenbereiche 3. Extremistische Qualität 4. Themenfelder

Propagandadelikte PMK – Links Links


Themenfeldübersicht
„Verschlusssache –
nur für den Dienstgebrauch“
PMK – Rechts Rechs
Politisch motivierte
Kriminalität
(ohne Propagandadelikte) PMK –
Ausländer
ausländische Ideologie

Politisch motivierte PMK –


Sonstige
Gewaltkriminalität religiöse Ideologie

PMK –
Terrorismus
nicht zuzuordnen

Quelle: Lang 2018: 3.

Insofern ist davon auszugehen, dass in der Kri- Hintergrund haben. „Täter*innen können eine
minalitätsstatistik große Teile der als rassistisch, Person aufgrund ihrer ethnischen Zugehörig-
ausländer- und fremdenfeindlich24 eingestuften keit, Hautfarbe, religiösen Kleidung, Sprache
Fälle sowie der gesondert erfassten Fälle gegen oder ihres Namens als Muslim*in identifizieren/
Geflüchtete in Teilen einen muslimfeindlichen wahrnehmen und angreifen“ (Hyökki et al. 2022: 8).

24 Die Kategorie ‚fremdenfeindlich‘ suggeriert, es handele sich bei den Opfern tatsächlich um ‚Fremde‘. Häufig betrifft es aber Menschen,
die hier geboren und aufgewachsen sind. Es wird empfohlen, den Begriff durch Othering zu ersetzen, da dieser klarer benennt, dass
den Betroffenen die Zugehörigkeit abgesprochen wird und sie zu ‚Fremden‘ gemacht werden (s. a. Unterkapitel ↗ 3.1.5.6). Im Falle von
Antisemitismus klassifiziert der Bundesverband RIAS e. V. (Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus) Othering als eine
Erscheinungsform und verwendet den Begriff in seinem Monitoring (vgl. 2021: 61).
68 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Auch durch die Möglichkeit der Zuordnung einer Das Bundeskriminalamt (BKA) möchte die Pers-
Tat zu mehreren Kategorien wird die mangelnde pektive des Opfers durchaus berücksichtigen: „Bei
Trennschärfe dieser Kategorien vermutlich nicht der Würdigung der Umstände der Tat ist neben
gelöst. Allein die Anzahl der sogenannten auslän- anderen Aspekten auch die Sicht der/des Betroffe-
derfeindlichen Straftaten beliefen sich 2021 auf nen miteinzubeziehen.“ (2016: 5, Fußnote 1) Aller-
4.735 Fälle und liegt damit um mehr als das sechs- dings stellt die 2017 veröffentlichte Studie der
fache über der Zahl islamfeindlicher Straftaten. Europäischen Agentur für Grundrechte fest, dass
die Betroffenen ihre Religion als Teil ihrer ethni-
Neben der mangelnden Trennschärfe der einge- schen Herkunft sehen und somit als Hauptgrund
setzten Kategorien bedarf es auch ausgewiesener für Diskriminierung ihre ethnischen Bezüge
Kompetenzen der ermittelnden Beamt*innen, um nennen, ohne explizit auf den Religionsbezug
eine Tat korrekt als islamfeindlich einzuordnen. zu verweisen (vgl. FRA 2017: 29–30). Erschwe-
Die PMK spiegelt somit lediglich die polizeiliche rend kommt hinzu, dass es sich bei der PMK um
Einschätzung einer Tat wider. Vor dem Hinter- eine Eingangsstatistik handelt (vgl. Lang 2018: 5).
grund der noch geringen Sensibilität in Bezug auf Häufig wird das Tatmotiv aber erst im Laufe der
Muslimfeindlichkeit kann davon ausgegangen Ermittlungen und des Prozesses bekannt. Daher
werden, dass die muslimfeindliche Dimension werden Erfassungslücken auch auf das Fehlen
einer Tat oft nicht erkannt wird (s. a. Lang 2018). einer Verlaufsstatistik zurückgeführt und für
Die Sensibilisierung für Rassismus wird seitens einen stärkeren Informationsaustausch zwischen
der Bundespolizei unter Polizeibeamt*innen Polizei und Justiz plädiert (vgl. ebd.: 8).
erst seit 2019 in Form von Modellprojekten
getestet.25 Zudem wird bemängelt, dass die Pers- Des Weiteren ist davon auszugehen, dass nur ein
pektive des Opfers bei der Einordnung der Tat zu geringer Teil der muslimfeindlichen Vorfälle und
wenig berücksichtigt wird. Zivilgesellschaftliche Straftaten auch tatsächlich gemeldet werden. Die
Monitoring-Stellen, die Beratungsanfragen von große Kluft zwischen offiziell erfassten muslim-
betroffenen Menschen dokumentieren, kommen feindlichen Vorfällen und den von Betroffenen
zum Teil auf deutlich abweichende Zahlen. Der tatsächlich erlebten Übergriffen macht obige
Verband der Beratungsstellen für Betroffene Studie besonders deutlich: Nur zwölf Prozent der
rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Fälle werden seitens der Betroffenen gemeldet
weist etwa in seiner Jahresbilanz26 rund ein Drittel (vgl. FRA 2017; s. a. Kapitel ↗ 5.3.2). Entsprechend
mehr rechte Gewalttaten als die Strafverfolgungs- ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Zah-
behörden und die Verfassungsschutzämter aus len zu muslimfeindlichen Vorfällen und Strafta-
(vgl. 2018). Die Diskrepanz ergebe sich vor allem ten deutlich höher liegen als die dokumentierten
aus dem Umstand, dass für Beratungsstellen die Fälle. Dies verweist auf die Bedeutung der Melde-
Wahrnehmung der Opfer ausschlaggebend sei und Anzeigenbereitschaft der Betroffenen bei der
(vgl. Kleffner 2018). Allerdings ist zu fragen, inwie- Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit (darauf
weit die Erfassung der Taten einheitlichen Krite- gehen wir in Unterkapitel ↗ 5.6.1 gesondert ein).
rien folgt und die entsprechenden Zahlen somit
vergleichbar sind.

25 Vgl. Bundestagsdrucksache 19/17069 vom 6.2.2020: Antimuslimischer Rassismus und Diskriminierung von Muslimen in Deutschland.
S. 11. Online abrufbar: https://dserver.bundestag.de/btd/19/170/1917069.pdf [23.03.2023].
26 Für rechte, rassistische und antisemitische Angriffe in Ostdeutschland, Berlin und Schleswig-Holstein.
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 69

3.2.2 Übergriffe auf Moscheen 2019 hat sich im Rahmen des Antidiskriminierungs­
verbandes FAIR international – Federation against
Neben den Statistiken des BKA werden islam- Injustice and Racism die Initiative „Brandeilig“
feindliche Übergriffe auch von unterschiedlichen gegründet, die ebenfalls Übergriffe auf Moscheen
zivilgesellschaftlichen Akteuren dokumentiert. dokumentiert und speziell diese Form von Mus-
Für Übergriffe sind hier vor allem die Antidiskri- limfeindlichkeit sichtbar machen möchte. Folgende
minierungsstelle des Verbands Türkisch-Islami- Arbeitsdefinition legt sie zugrunde:
sche Union der Anstalt für Religion (ADS DITIB)
zu nennen, die Übergriffe auf Moscheen und „Unter einem Moscheeangriff erfassen wir alle
andere religiöse Einrichtungen seit 2015 doku- Angriffe auf Einrichtungen, die von Muslimen
mentiert. Sie erfasst folgende Fälle: zu religiösen Zwecken genutzt werden oder
von denen der/die Täter eine solche Nutzung
„Als ‚Moscheeübergriffe‘ werden alle Vorkomm- annehmen. Hierzu gehören auch Räumlich-
nisse/Taten erfasst, welche sich entweder direkt keiten, Gegenstände oder Veranstaltungen,
gegen das Gebäude der Moschee richten, gegen die in einem rechtlichen oder tatsächlichen
Gebäude, die unmittelbar zum Moscheekomplex Zusammenhang zu einer solchen Einrichtung
gehören, sowie Gebetsräume in öffentlichen stehen (Bibliotheken, Veranstaltungsräume,
Einrichtungen (Flughäfen, Krankenhäuser, Wohneinheiten, Jugendeinrichtungen, Ver-
Universitäten etc.). Als Vorkommnis/Tat wird einsfahrzeuge, Mülltonnen, Aktivitäten unter
hier jede strafrechtlich relevante sowie nicht freiem Himmel u. Ä.). Auch Drohbriefe oder gar
strafrechtlich relevante Form der gezielten Bombendrohungen werten wir als ‚Angriff‘.
Beein­trächtigung, Beleidigung, Sachbeschädi­ Bedrohungen jeglicher Art sind vom Gesetzgeber
gung, des Angriffs etc. erfasst, welche sich gegen als ‚Gefährdungsdelikt‘ kategorisiert und gelten
die Moschee/den Gebetsraum als Symbol der als Straftaten, die mit Freiheitsstrafe geahndet
Religion des Islam richten (d. h. nicht explizit werden können.“ (FAIR International [Brandeilig]
gegen Einzelpersonen gerichtet sind). So fallen 2019)
z. B. auch an die Moscheen adressierten ‚Droh-
briefe‘ unter die Kategorie ‚Moscheeübergriffe‘. Im Unterschied zur Definition der ADS DITIB
Eine Einstufung der Tatmotive findet nur bei wird hier die Wahrnehmung des Täters bzw. der
eindeutiger Motivlage wie beispielsweise Haken- Täterin in den Fokus gerückt; auch betroffene
kreuz-Graffitis oder Ermittlungsergebnissen Einrichtungen, die lediglich als muslimisch wahr-
statt.“ (Paffrath 2017: 7) genommen werden, werden erfasst.

Im Unterschied zu den dokumentierten Fällen


der PMK-Statistik des BKA, das das Angriffsziel
„Moschee“ eng definiert und andere Einrichtun-
gen in religiöser Trägerschaft gesondert erfasst,
werden bei der ADS DITIB jegliche Einrichtungen
in religiöser Trägerschaft berücksichtigt. Zudem
erfassen letztere auch Fälle, die nicht strafrecht-
lich relevant sind. Daher sind die Zahlen nicht
direkt miteinander vergleichbar.
70 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abbildung 3.9: Übergriffe auf Moscheen (siehe jeweilige Definition zu Moschee)

250 %
238

200 %

148 141
150 %
111 107 112 115
97 104
105
100 % 77 99
64 103 73
94
54 78 66
50 % 68
53 45
44 41
0%
2021 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014

PMK ADS DITIB FAIR international

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von Angaben des BMI, der ADS DITIB und FAIR international auf Anfrage des UEM im Januar 2023.

Die ADS DITIB hat sich zum Ziel gesetzt, Anlauf- tragen, dass islamfeindliche Straftaten zur Anzeige
stelle für Opfer von Diskriminierung und Rassis- gebracht werden und entsprechend ein polizeili-
mus zu sein und stellt einen digitalen Melde- ches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
bogen für entsprechende Vorfälle bereit. Es ist
davon auszugehen, dass sich primär Gemeinden
der DITIB an die ADS ihres Verbands richten; ihr 3.3 Muslimfeindliche Übergriffe
Anspruch ist es aber, auch Vorfälle zu erfassen, die und Diskriminierung
muslimische Gemeinden und Organisationen
anderer Verbände erfassen. In den letzten Jahren haben sich verschiedene
öffentlich geförderte Organisationen, Netzwerke
Insgesamt sind die jeweils dokumentierten Zah- und Meldestellen gegründet, die sich die Beratung
len aufgrund der unterschiedlichen Erfassungs- und Stärkung von Anfeindungen und Diskri-
systeme nur schwer vergleichbar; insbesondere minierung Betroffener zum Ziel gesetzt haben.
für 2017 kommt es zu großen Unterschieden; Dabei handelt es sich primär um Vorfälle, die in
während die ADS DITIB weniger als 50 Fälle zählt, der Regel unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit
dokumentiert Brandeilig nahezu 100 Übergriffe; liegen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
in der PMK-Statistik sind es dagegen mit fast 250 (ADS Bund) sowie die Einrichtungen auf Landes-
Fällen mehr als doppelt so viele – allein nach dem ebene sind wichtige Anlauf- und Beschwerdestel-
eng gefassten Kriterium „Moschee“ und „straf- len, die für alle Menschen mit Diskriminierungs-
rechtlich relevant“. Die Statistiken des BKA liefern erfahrungen offenstehen. Des Weiteren gibt es
die validesten Zahlen, da sie einer klar definierten verschiedene Initiativen und Organisationen, die
Systematik folgen – auch wenn nach wie vor von sich gezielt an Betroffene von Muslimfeindlich-
einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden keit richten. Insofern sind die Dokumentationen
muss (s. Kapitel ↗ 4). Dennoch können ergän- dieser Organisationen eine wichtige Datenquelle.
zende Dokumentationen durch NGOs dazu bei- Zu beachten ist aber, dass ihre jährlichen Fall-
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 71

zahlen auf Beratungsanfragen seitens Betroffener ten Merkmale und Lebensbereiche abspielen.
basieren und somit nicht die tatsächliche Ent- Laut dem Jahresbericht 2021 bezogen sich rund
wicklung von muslimfeindlichen Vorfällen abbil- sieben Prozent aller Beratungsanfragen auf das
den können, sondern lediglich Aussagen über die Merkmal „Religion“ als Diskriminierungsmotiv.
Meldebereitschaft der Betroffenen zulassen. Dieser Anteil ist seit 2016 gleichbleibend. Eine
auf Anfrage des UEM durchgeführte Auswertung
3.3.1 Fallzahlen der Antidiskriminierungs­ der Anfragen zu Diskriminierung aufgrund der
stelle des Bundes Religion und speziell in Bezug auf Muslime zeigt,
dass seit 2010 jährlich zwischen 22 und 81 Anfra-
Die ADS Bund unterteilt die Beratungsanfragen gen gestellt werden, wobei zwischen 2020 und
nach verschiedenen Diskriminierungsmotiven. 2021 eine deutliche Zunahme zu verzeichnen ist:
Dabei handelt es sich um Diskriminierungserfah- Die Zahl hat sich innerhalb eines Jahres nahezu
rungen, die in der Regel unterhalb der Schwelle verdoppelt und liegt erstmals bei 81 Fällen
der Strafbarkeit liegen und sich größtenteils zwi- (s. ↗ Abb. 3.10). Inwiefern sich dies um einen Trend
schen Privaten im Rahmen der durch das Allge- zunehmender Meldebereitschaft handelt, kann zu
meine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschütz- diesem Zeitpunkt nicht genauer beurteilt werden.

Abbildung 3.10: Beratungsanfragen an die ADS Bund aufgrund von Diskriminierung wegen
muslimischer Religion

100 %

81
80 %

60 %
46 45 45
43
40 40
36 37
40 %
28 29
22
20 %

0%
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
Gesamt = 492

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von Angaben der ADS Bund auf Anfrage des UEM im Februar 2023.

Fast jede Zweite der insgesamt 492 Beratungs- Arbeitgeber*innen für den Antritt einer Beschäf-
anfragen zwischen 2010 und 2021 betreffen den tigung oder einer Ausbildung das Ablegen des
Lebensbereich Arbeitsmarkt (s. ↗ Tab. 3.5): Bei- Kopftuchs. In anderen Fällen erhalten Frauen
spielsweise verlangen private oder öffentliche aufgrund ihres Kopftuchs erst gar keine Zusage,
72 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

zum Beispiel zum Absolvieren eines Praktikums der Schule ausgeschlossen oder erleben Mobbing
in Kindertagesstätten oder anderen Bildungsein- durch Lehrkräfte bzw. Mitschüler*innen.
richtungen.
Außerdem spielt die muslimische Religionszuge-
Tabelle 3.5: Beratungsanfragen an die ADS Bund hörigkeit regelmäßig bei Diskriminierungserfah-
aufgrund von Diskriminierung wegen rungen durch Ämter und Behörden (5,5 %) sowie
muslimischer Religion nach Lebensbereichen Justiz und Polizei (1,4 %) eine Rolle. Das fällt unter
das öffentliche Recht und das Grundgesetz, aber
Lebensbereich Anzahl % (gerundet) nicht unter das AGG. Führerscheinbehörden ver-
Arbeitsmarkt 234 47,6 langen etwa von Muslimas teilweise ein Lichtbild
ohne Kopftuch oder eine Glaubhaftmachung der
Private Dienstleistung/ 62 12,6
Zugang zu Gütern Religionszugehörigkeit. Gelegentlich sehen sich
Bildung 50 10,2
Ratsuchende zudem von Polizist*innen diskrimi-
niert, weil sie muslimisch sind.
Ämter/Behörden 27 5,5

Öffentlicher Raum 19 3,9 Darüber hinaus werden immer wieder Vorfälle


Wohnungsmarkt 15 3,1 außerhalb des Anwendungs- und Schutzbereichs
des AGG im öffentlichen Raum (3,9 %), im Internet
Internet/Soziale Medien 10 2,0
und auf sozialen Medien (2 %) sowie in Werbung
Werbung/Medien 9 1,8
und Medien (1,8 %) gemeldet. So werden Rat-
Privates Umfeld/Nachbarschaft 8 1,6 suchende auf der Straße oder auf Online-Platt-
Justiz/Polizei 7 1,4 formen aufgrund ihres Kopftuchs beschimpft und
beleidigt. Oder es geht darum, dass der Islam in
Freizeit/Ehrenamt/Vereine/Parteien 7 1,4
der medialen Berichterstattung als „terroristisch“
Anderer Bereich 6 1,2
inszeniert wird und Ratsuchende das als diskri-
Gesundheit/Pflege 5 1,0 minierend gegenüber Muslim*innen empfinden.
Anderer Bereich/keine Angabe 33 6,7 Aufschlussreich wäre ein Abgleich dieser Zahlen
mit den Beratungsanfragen bei den ADS auf
Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von Angaben der
ADS Bund auf Anfrage des UEM im Februar 2023.
Länderebene.

Daneben spielen sich viele Fälle im Bereich Dienst­ Betrachtet man alle Anfragen an die ADS Bund,
leistungen/private Verträge (12,6 %) ab: Ratsuchen­ so ist insgesamt eine Zunahme zu beobachten,
den wird beispielsweise aufgrund ihrer Kleider- die sich auf das Merkmal „ethnische Herkunft“
wahl (Burkini) oder wegen ihres Kopftuchs der bezieht; die letzten fünf Jahre verzeichneten
Zutritt zum Schwimmbad oder Fitnessstudio einen deutlichen Anstieg von 738 Fällen 2016
verweigert. Drei Prozent der Fälle betreffen den auf 2.080 im Jahr 2021. Genauere Erkenntnisse
Wohnungsmarkt: Ratsuchenden wird von Vermie- über die Anzahl antimuslimischer Fälle können
ter*innen oder der Hausverwaltung eine Absage diesen Zahlen nicht entnommen werden. Auch
erteilt, wenn eine Frau mit Kopftuch zur Woh- hier wäre es interessant, inwieweit es sich bei den
nungsbesichtigung erscheint. Ebenso kommt es Anfragen der Kategorie „ethnische Herkunft“ um
im Bildungsbereich – der nicht durch das AGG Anfragen seitens Muslim*innen handelt. Wie
geregelt wird, sondern durch Landesrecht – häu- bereits beschrieben, kommt es bei diesen Kate-
figer zu Beschwerden (10,2 %; s. auch Kapitel ↗ 6). gorien sowohl seitens der Betroffenen als auch
Ratsuchende werden zum Beispiel aufgrund ihres seitens der Täter*innen zu Überschneidungen
Kopftuchs vom Besuch des Unterrichts oder von und Gleichsetzungen. Die Studie „Erhebung der
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 73

Europäischen Union zu Minderheiten und Diskri- bereitzustellen und einen Transfer von erfolg-
minierung“ (FRA 2009: 5) zeigt, dass bei 43 Prozent reichen Präventionsansätzen in Bundes-, Landes-
der Muslim*innen, die Diskriminierungserfah- und kommunale Strukturen zu gewährleisten.
rungen machen, sowohl religiöse als auch ethni-
sche Faktoren eine Rolle spielen. Nur zehn Pro- Zudem hat der Kabinettsausschuss zur Bekämp-
zent gaben ausschließlich Religion als alleinigen fung von Rechtsextremismus und Rassismus ein
Faktor für erfahrene Diskriminierung an. Maßnahmenpaket beschlossen, indem auch ein
Community-basiertes Monitoring zu Islam- und
3.3.2 NGOs mit Fokus auf Betroffene von Muslimfeindlichkeit vorgesehen ist. Das Kom-
muslimfeindlicher Diskriminierung petenznetzwerk ist derzeit mit der Umsetzung
dieser Aufgabe befasst und arbeitet an einer ein-
Nur etwa jede*r zehnte Muslim*in meldet eine heitlichen Datenerfassung der islam- und mus-
erfahrene Diskriminierung; das ist das Ergebnis limfeindlichen Übergriffe (s. a. Die Beauftragte der
einer repräsentativen Studie in der muslimischen Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Bevölkerung in Deutschland (vgl. FRA 2017: 38; Integration/Die Beauftragte der Bundesregierung
2009). Das heißt: Die große Mehrheit meldet für Antirassismus 2023). Außerdem will das Netz-
erfahrene muslimfeindlich motivierte Vorfälle werk niedrigschwellige Meldemöglichkeiten für
nicht, geschweige denn bringt sie zur Anzeige. Als Betroffene schaffen. Ein sich in der Pilotphase
Hauptgrund nannten Betroffene, dass ohnehin befindendes Meldeportal „I Report“ von CLAIM
nichts unternommen oder sich ändern würde. ist seit Juni 2021 online. Ziel ist es, die Daten von
Viele sahen zudem keinen Sinn darin, Diskrimi- verschiedenen Beratungsstellen einheitlich zu
nierung zu melden, da diese „Teil ihres ganz nor- erfassen und zusammenzuführen. Über die Web-
malen Alltagslebens“ sei (FRA 2009: 3). seite www.i-report.eu/melden eingetragene Über-
griffe und Diskriminierungen fließen zunächst in
Laut einer Untersuchung von CLAIM – Allianz eine Datenbank und werden anschließend durch
gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit27 hat Fallzahlen von Beratungsstellen ergänzt und
zudem nur jede zweite Beratungsstelle ein Ver- zusammengeführt.
fahren, um muslimfeindliche Vorfälle im Bera-
tungsprozess zu identifizieren (vgl. Winterhagen Zu nennen ist auch der Verband der Beratungs-
2020: 4). Daher hat sich das seit 2020 öffentlich stellen für Betroffene rechter, rassistischer und
geförderte Kompetenznetzwerk Islam- und Mus- antisemitischer Gewalt (VBRG), der als weitere
limfeindlichkeit28 zum Ziel gesetzt, muslimfeind- Organisation verschiedene Initiativen und Mel-
lich motivierte Übergriffe und Diskriminierung destellen zur Bearbeitung und Bekämpfung von
besser zu erfassen und sichtbar zu machen. Das Muslimfeindlichkeit bündelt. Der VBRG ist ein
Netzwerk besteht aus vier Trägern der Präven- bundesweites Netzwerk von Beratungsorgani-
tionsarbeit im Themenfeld Islam- und Muslim- sationen, die sich Betroffenen rechter Gewalt
feindlichkeit und hat die Aufgabe, Informationen widmen. Daher ist der Fokus hier weiter gefasst;
bundesweit zu bündeln, fachliche Beratung Muslimfeindlichkeit wird als ein mögliches Motiv

27 CLAIM ist ein vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie
leben!“ gefördertes Projekt und wurde 2017 gegründet. 50 Organisationen engagieren sich aktuell in diesem Netzwerk. Vor allem hat sich
die Initiative zum Ziel gesetzt, für Muslimfeindlichkeit zu sensibilisieren – vor allem Entscheider*innen in Verwaltung und Politik – und
öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Dazu dient auch der Tag gegen antimuslimischen Rassismus am 1. Juli, den CLAIM
jährlich mit verschiedenen Aktionen koordinieret und den zunächst der Rat muslimischer Studierender und Akademiker ins Leben
gerufen hat.
28 Das Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit besteht aus den zivilgesellschaftlichen Trägern Teilseiend/CLAIM, Zentrum
für Europäische und Orientalische Kultur, Verband binationaler Familien und Arbeitsgemeinschaft evangelische Jugend.
74 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

von rechter Gewalt adressiert – neben Antisemi- Repräsentative Studien zur Erfassung von unter-
tismus und Rassismus im Allgemeinen. Derzeit schiedlichen Erscheinungsformen von Muslim-
sind 15 Beratungsstellen in 14 Bundesländern mit feindlichkeit sind rar; existierende Studien erhe-
über 25 Anlaufstellen und Onlineberatung für ben Teilaspekte von Muslimfeindlichkeit häufig
Betroffene rechts, rassistisch und antisemitisch im Rahmen anderer Fragestellungen. Dennoch
motivierter Gewalt im VBRG zusammengeschlos- liefern einige renommierte Survey-Reihen über
sen. Neben der Professionalisierung der Opferbe- einen längeren Zeitraum belastbare Daten, die
ratung veröffentlicht der Verband jährlich Zahlen, in der Zusammenschau wichtige Hinweise über
statistische Erhebungen sowie Analysen zur Moti- das Ausmaß und die unterschiedlichen Facetten
vation der Täter*innen, zu den Hauptbetroffenen- muslimfeindlicher Einstellungen in Deutschland
gruppen, regionalen Besonderheiten sowie zum geben. Aus ihnen wird deutlich, dass Muslim-
Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit rech- feindlichkeit kein gesellschaftliches Randphä-
ter Gewalt. Der VBRG setzt sich dafür ein, dass das nomen darstellt, sondern in weiten Teilen der
Monitoring der spezialisierten Beratungsstellen deutschen Bevölkerung verbreitet ist und sich seit
bundesweit verankert wird. vielen Jahren auf einem beständig hohen Niveau
hält – abgesehen von leichten Schwankungen.
Somit sind die bisher vorliegenden Fallzahlen von Etwa jede*r Zweite in Deutschland stimmt mus-
NGOs wenig belastbar. Die steigenden Melde- limfeindlichen Aussagen zu. Dabei kommt es
zahlen unter Muslim*innen können allenfalls als zu Überschneidungen von verschiedenen Vor-
Ausdruck einer zunehmenden Sensibilisierung behalten und Abwertungen, weil Muslim*innen
von Betroffenen gewertet werden, die teils auf die zum einen als besonders ‚fremde‘ Zuwander*in-
Beratungsarbeit der Organisationen zurückzu- nen wahrgenommen werden und zum anderen
führen ist. Daher wird hier auf die Darstellung der als Angehörige einer angeblich ‚rückständigen‘
Fallzahlen einzelner Organisationen verzichtet, da Religion. Im Zusammenhang mit migrationspoli-
diese keine validen Aussagen zum tatsächlichen tischen Themen wird Muslim*innen eine man-
Ausmaß von Muslimfeindlichkeit erlauben und gelnde Integrationsfähigkeit unterstellt sowie die
zudem aufgrund unterschiedlicher Erfassungs- Neigung, sich angeblich bewusst abzugrenzen
praxen schwer zu vergleichen sind. und Kontakte zu Andersgläubigen zu meiden. Im
Zusammenhang mit religionsbezogenen Themen
wird der Islam pauschal mit Gewalt, Extremismus
3.4 Fazit und Rückständigkeit verknüpft und dementspre­
chend Muslim*innen eine Affinität zu Gewalt,
Um Muslimfeindlichkeit wirksam bekämpfen Extremismus und patriarchalen Wertvorstellun-
zu können, bedarf es zunächst fundierter Kennt- gen unterstellt. Insofern sind Muslim*innen in
nisse über das Ausmaß antimuslimischer Vorbe- doppelter Hinsicht von Stigmatisierung betroffen.
halte und Vorfälle sowie deren unterschiedliche Besonders problematisch ist die Gleichsetzung
Erschei­nungsformen. Anhand von Daten aus von muslimischer Frömmigkeit mit Fundamen-
wissenschaftlich überzeugenden repräsentativen talismus, die mit massiver Ablehnung religiöser
Studien(-reihen), der polizeilichen Kriminalitäts­ Ausdrucksweisen von Muslim*innen einhergeht
statistik sowie der Dokumentation von muslim- und sogar mit der Bereitschaft, Grundrechtsein-
feindlichen Fällen seitens von Antidiskriminie- schränkungen im Bereich der Religionsfreiheit
rungsstellen, Beratungsorganisationen und anderen für Muslim*innen zu befürworten und ihnen das
NGOs konnten ein erstes Lagebild erstellt und Recht auf gleiche Teilhabe abzusprechen. Diese
Leerstellen identifiziert werden. Vorbehalte mögen aus Unkenntnis entstehen
und zunächst Ausdruck von Skepsis sein, ohne
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 75

dass sich daraus automatisch bewusste Feind- Informationsgrundlage, die eine wichtige Basis
seligkeiten ableiten lassen. Sie bieten aber einen für die Ahndung von muslimfeindlichen Straf-
gefährlichen Nährboden und ein Einfallstor für taten darstellt.
antidemokratische Gruppierungen, die mit mus-
limfeindlichen Themen an die gesellschaftliche Neben der polizeilichen Kriminalitätsstatistik
Mitte anknüpfen. Gerade in Regionen, in denen versuchen verschiedene Meldebehörden und
es an persönlichen Begegnungen mit Muslim*in- NGOs durch eine Dokumentation entsprechender
nen mangelt und dadurch kein Korrektiv zu Fälle auch Hinweise auf das Ausmaß an Vorfäl-
verbreiteten Vorbehalten existiert, können diese len unterhalb der Strafbarkeitsgrenze zu liefern.
ungehindert Raum greifen. Die Ergebnisse der Deren Validität ist jedoch schwer zu beurteilen.
gesichteten quantitativen Studien zeigen zudem, Aufgrund unterschiedlicher Erfassungslogiken
dass Muslimfeindlichkeit mit anderen Formen sind sie wenig vergleichbar und können zudem
der Menschenfeindlichkeit zusammenhängt, d. h. lediglich Auskunft über die Entwicklung der
dass Personen, die muslimfeindliche Einstellungen Meldebereitschaft geben. Insofern sind diese
aufweisen, beispielsweise auch eher zu antisemi- Zahlen noch nicht in der Lage, ein tatsächliches
tischen Haltungen tendieren. Hier zeigt sich sehr Abbild der Realität zu zeichnen. Studien zufolge
deutlich, dass Muslimfeindlichkeit nicht isoliert zu wird lediglich ca. jeder neunte bis zehnte Vorfall
betrachten ist – auch wenn sie einer spezifischen gemeldet. Dennoch können die gemeldeten Fälle
Logik folgt –, sondern in ihrer menschenfeindli- Hinweise liefern, welche Lebensbereiche beson-
chen Dimension als Teil einer antidemokratischen ders stark von Muslimfeindlichkeit betroffen sind.
Ideologie verstanden werden kann. Den Daten der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes zufolge betrifft das überwiegend Diskri-
Die Einführung der gesonderten Erfassung minierungserfahrungen im Bereich Arbeitsmarkt.
„islamfeindlicher Straftaten“ in der polizeilichen
Kriminalitätsstatistik für politisch motivierte Wichtig wären eine stärkere Zusammenarbeit
Kriminalität (PMK) ist ein wichtiger Meilenstein der unterschiedlichen Stellen und zunehmende
in der Beobachtung muslim- bzw. islamfeindlich Bemühungen um eine bessere Vergleichbarkeit
motivierter Hasskriminalität. Sie weist aber auch der Daten, um mehr Aufschluss über das Ausmaß
einige Schwächen auf. Eine detaillierte Bewer- an Muslimfeindlichkeit in Deutschland zu gewin-
tung der Erfassungskriterien und-praxis konnte nen. Um Aussagen über das Dunkelfeld und das
in diesem Bericht nicht vorgenommen werden. tatsächliche Ausmaß von muslimfeindlicher Dis-
Erste Analysen liefern jedoch Hinweise, dass das kriminierung und Gewalt treffen zu können, sind
genutzte Klassifikationssystem teils wenig trenn- jedoch repräsentative Studien unerlässlich. Nur
scharf ist. Des Weiteren bedarf es ausgewiesener so können Schlüsse über die gesellschaftliche Ver-
Kompetenzen der ermittelnden Beamt*innen, breitung von Muslimfeindlichkeit und Entwick-
um eine Tat korrekt als „islamfeindlich“ einzu- lungen der Diskrepanz zwischen Hellfeld und
stufen. Vor dem Hintergrund der noch geringen Dunkelfeld gezogen werden.
gesellschaftlichen Sensibilität in Bezug auf Mus-
limfeindlichkeit kann davon ausgegangen werden,
dass diese Kompetenzen nicht immer gegeben
sind. Hinzu kommt eine geringe Meldebereit-
schaft seitens der Betroffenen, sodass von einem
hohen Dunkelfeld auszugehen ist. Trotz aller
Schwächen ist die PMK-Statistik allerdings eine
zuverlässige Datenerhebung auf einer breiten
76 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

3.5 Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

› Muslimfeindlichkeit und Rassismus stärker zusammen zu denken. Muslimfeindlichkeit resultiert nicht


allein aus Vorbehalten dem Islam gegenüber, sondern speist sich auch aus rassistischen Motiven.
Daher empfehlen wir die gesellschaftspolitische Anwendung des Konzepts Muslimfeindlichkeit im
Sinne der ausgearbeiteten Definition des UEM, die eine rassismuskritische Perspektive beinhaltet.
Dieser Aspekt ist bspw. in staatlichen Fördermaßnahmen stärker zu berücksichtigen.

› die Entwicklung einer Förderrichtlinie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) zum Ausbau und zur Vernetzung der Forschung zum Themenfeld „Monitoring Muslimfeind-
lichkeit“. Es bedarf eines umfassenden sowie regelmäßigen Monitorings von muslimfeindlichen
Einstellungen in der Bevölkerung sowie ihrer Facetten und Hintergründe. Dazu wird empfohlen,
bestehende Forschung an Universitäten, wissenschaftlichen Instituten und Stiftungen zu vernetzen
und zu stärken, um vorhandenes Wissen zusammenzuführen, konzeptionell weiterzuentwickeln
und Muslimfeindlichkeit als mehrdimensionales Phänomen angemessen zu operationalisieren. Durch
den Aufbau und die Institutionalisierung von Kooperationsbeziehungen zwischen Forschung und
Zivilgesellschaft sowie der politisch-administrativen Praxis kann zudem die Übersetzung der Erkennt-
nisse in gesellschaftspolitische Maßnahmen sichergestellt werden.

› die Schaffung von Bildungsformaten für die Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit und die
Vermittlung von migrationsgesellschaftlichen Kompetenzen. Muslimfeindliche Vorbehalte sind in
weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet und werden als solche häufig nicht erkannt. Daher sollte
die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit als Querschnittsthema in der Demokratiebildung verankert
werden. Es braucht zudem Räume der Auseinandersetzung und Reflexion, beispielsweise in der
Schule und der außerschulischen Bildung, um die gesellschaftliche Sensibilisierung für diese Form
der Menschenfeindlichkeit zu erhöhen und Kompetenzen zu vermitteln.

› die Evaluation und Weiterentwicklung des Erfassungssystems islamfeindlicher Straftaten in der


polizeilichen Kriminalitätsstatistik für die Kategorie „politisch motivierte Kriminalität“ (PMK). Eine
umfassende Bewertung des PMK-Erfassungssystems konnte im Rahmen des UEM nicht geleistet
werden; erste Analysen weisen jedoch darauf hin, dass eine Überprüfung der Erfassungskriterien
sowie deren theoretischer Grundlagen für die Weiterentwicklung und Verbesserung des Erfassungs-
systems sinnvoll sein kann, beispielsweise mit Blick auf die Trennschärfe der genutzten Kategorien.
Hierzu empfehlen wir die Orientierung an aktuellen Kenntnissen aus Forschung und Praxis.
Daten und Fakten zum Ausmaß von Muslimfeindlichkeit in Deutschland 77

› die einheitliche und flächendeckende Erfassung und Dokumentation antimuslimischer Vorfälle –


auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Die Erfassung und Dokumentation von Vorfällen unterhalb
der Strafbarkeitsgrenze (nach dem Beispiel anderer Länder, die neben „hate crimes“ auch „hate
incidents“ erfassen) ermöglicht eine präzisere Einschätzung gesellschaftlicher Spannungen sowie
antimuslimischer Gefahrensituationen und kann die Grundlage für Präventions- und Interventions-
maßnahmen bilden. Die Veröffentlichung der erhobenen Daten in einer einheitlichen, bundesweiten
Datenbank kann zudem zu mehr Transparenz beitragen. Die Verstetigung der Zusammenarbeit zwischen
staatlichen Exekutivorganen (Polizeibehörden, Justiz) und NGOs sowie anderen Initiativen bei der
Erfassung antimuslimischer Straftaten kann ebenfalls zu einer Verbesserung der Datenlage beitragen.

› die Durchführung einer regelmäßigen Dunkelfeldstudie zum Ausmaß antimuslimischer Vorfälle.


Die vorliegenden Daten von Beratungsorganisationen und Meldebehörden geben aktuell lediglich die
Entwicklung der Meldebereitschaft wieder, können aber keine Auskunft über das tatsächliche Ausmaß
von muslimfeindlichen Vorfällen geben. Um das Dunkelfeld zu erhellen sowie die Kluft zwischen
Hell- und Dunkelfeld zu schließen, braucht es einerseits gesellschaftliche Sensibilisierungsmaßnahmen,
um die Meldebereitschaft zu erhöhen, und andererseits die kontinuierliche Erfassung des Dunkelfelds
durch wissenschaftliche Einrichtungen, die im Dialog mit der Praxis stehen.

› die Etablierung von rassismuskritischen, diversitäts- und religionssensiblen Fort- und Weiterbildungen
für Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften. Es braucht eine hinreichende Sensibilisierung von
Polizei und Justiz für antimuslimisch-rassistische Straftaten, sodass sie erkannt und adäquat erfasst
werden können. Wichtig ist insbesondere eine Sensibilisierung für den Umgang mit Betroffenen bei
antimuslimischen Vorfällen (im Sinne eines betroffenenzentrierten Ansatzes gemäß der EU-Richtlinie
zum Opferschutz), damit Hemmschwellen bei der Meldung von Straftaten verringert werden.
78 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

4 Öffentliche Debatten: Fallbeispiele


von Muslimfeindlichkeit

Muslimfeindlichkeit ist ein Phänomen, das sich 4.1 Debatte über das Kopftuch
in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (Hijab)
äußert – sei es in der Politik, in der Justiz, im
kulturellen Bereich oder in der Medienbericht- Seit über zwei Jahrzehnten erleben wir eine zum
erstattung. Deutlich wird dies nicht zuletzt in Teil hoch emotional geführte und polarisierende
öffentlichen Diskursen, in denen islambezogene Debatte um das Kopftuch (Hijab) muslimischer
Debatten für die Gesamtgesellschaft sichtbar Frauen. Sie geht zumeist über das konkrete Thema
werden. Dabei ist es der öffentliche Raum, der hinaus und ist verknüpft mit grundlegenden
eine entscheidende Rolle in jeder Demokratie Fragen zum Verhältnis von Politik und Religion,
spielt. Öffentliche Diskurse liefern Informationen, Religionsfreiheit und staatlicher Neutralität sowie
aber sie können durch eine undifferenzierte Dar- kultureller Identität und ‚Integration‘ einer als
stellung auch polarisieren. Sie tragen maßgeblich fremd und teilweise bedrohlich empfundenen
zur Meinungsbildung bei und beeinflussen damit Religion. Einen ersten Höhepunkt erreichten die
nicht nur die Gesellschaftsmitglieder und ihr Auseinandersetzungen, als eine muslimische
Zusammenleben, sondern auch das politische Lehrerin einforderte, im öffentlichen Schuldienst
System und dessen Entwicklung. den Hijab tragen zu dürfen. Ein gerichtlicher Weg
über alle Instanzen folgte und endete schließlich
Im Folgenden rekonstruiert der UEM neun mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
öffentliche Debatten, die von muslimfeindlicher am 24. September 2003,29 in dem die vom Ober-
Rhetorik gekennzeichnet sind. Dabei handelt schulamt Stuttgart gegen eine Hijab tragende
es sich nicht um einen vollständigen Überblick Lehramtskandidatin vorgebrachten Ausschluss-
aller relevanten Islamdebatten. Vielmehr geht es gründe zur Einstellung in den Schuldienst für
darum, bestehende muslimfeindliche Diskurse nicht zureichend erklärt wurden. Anschließend
anhand von konkreten Beispielen zu analysieren. bemühten sich die Landesparlamente um gesetz-
Den ausgewählten Fallbeispielen ist gemein, dass liche Regelungen. Acht von ihnen erließen zwi-
sie den Islam in einem besonders negativen The- schen 2004 und 2006 Gesetze, die das Tragen eines
menkontext präsentieren. Dieser Negativfokus Hijabs im Schuldienst verbieten. 2015 urteilte
ist auch das diskursive Problem einer Islamkritik das Bundesverfassungsgericht im Sinne der posi-
(vgl. Unterkapitel ↗ 2.6), die zwar oft wichtige tiven Religionsfreiheit und entschied, dass das
Kritik äußert, dabei jedoch problemfixiert bleibt pauschale Verbot religiöser Kleidung verfassungs-
und zudem häufig von denselben Autor*innen widrig sei.
und Medien vorgebracht wird.
Die ‚Kopftuchdebatte‘ verläuft nicht entlang
bestimmter parteipolitischer Lager, sondern
zieht sich durch Parteien, Kirchen und die gesell-
schaftliche Mitte. Am Hijab hat sich in ganz

29 Bundesverfassungsgericht: Leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 24. September 2003, 2 BvR 1436/02 (Entscheidung Fereshta
Ludin). Online abrufbar: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2003/09/rs20030924_2bvr143602.
html [29.03.2023].
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 79

Deutschland eine kontroverse, oft undifferen- Merkmale wie Fluchthintergrund, Geschlecht,


ziert ausgetragene Stellvertreterdebatte entfacht, Hautfarbe, Religion bzw. Kultur hierarchisiert
in der es eigentlich um Fragen der Integration, und homogenisiert. Je nach Positionierung wird
Geschlechterdiskurse und Säkularität geht. Bei ihnen ein unterschiedliches Maß an Anerken-
den abwertenden oder zumindest wenig diffe- nung, Wertschätzung und Handlungsmöglichkei-
renzierten Argumentationsmustern gegen den ten zugestanden. Die grundlegende Unterschei-
Hijab wird mitunter angenommen, dass „die dungsform beruht auf der Gegenüberstellung
muslimische Frau“ bzw. ihre Religion und Kultur eines natio-ethno-kulturellen ‚Wir‘ und ‚Ihr‘,30
rückständiger und weniger emanzipiert seien, welche durch gesellschaftliche und strukturelle
sodass durch ihre Einbindung ein Rückfall in Praktiken aufrechterhalten werden. Die ent-
die „eigene Vergangenheit“ drohe (Opratko 2019: sprechenden Zuschreibungs- und Ausgrenzungs-
225; Boos-Niazy 2022: 12–16). So werden Mus- praktiken führen zu sozialer Ungleichheit und
lim*innen bzw. ihre Religion mit dem Stigma Benachteiligung einzelner Individuen und Grup-
des bedrohlich Fremden versehen, misstrauisch pen auf intrapersoneller, struktureller, kultureller
beobachtet und kommentiert, sie werden der und institutioneller Ebene (vgl. Benbrahim 2019: 3).
Integrationsverweigerung sowie der Unterwan- So wird durch die Fremdzuschreibung des Hijabs
derung der freiheitlich-demokratischen Grund- als Symbol von nicht mit der Verfassung zu ver-
ordnung bezichtigt, sodass Diskriminierungen einbarenden Werten angenommen, dass Hijab
gegen Muslim*innen legitim erscheinen (vgl. tragende Frauen nicht die gleichen Werte teilen,
Attia/Keskinkılıç/Okcu 2021): nicht in die Gesellschaft passen und daher auch
nicht die gleichen Rechte für sich reklamieren
„Im Bedrohungsszenario des islamistischen können – womit ihren berechtigten Ansprüchen
Terrorismus werden [als] Muslim:innen [Mar- die Legitimität entzogen wird (vgl. Rommelspacher
kierte] ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen 2010: 451; Boos-Niazy 2022: 29).
Religion, Kultur und Herkunft nach als spezi-
fische Problemgruppe ins öffentliche, politische, Auch wenn es mittlerweile unter Einbeziehung
wissenschaftliche und pädagogische Visier rassismuskritischer Perspektiven gelingt, unbe-
genommen und unter Aufsicht gestellt. Das wusste Voreingenommenheit („unconcious biases“)
Bedrohungsszenario mündet in Politiken der gegenüber dem Hijab sowie Muslim*innen zu
Kriminalisierung, Verdächtigung und Über- thematisieren, erreichen diese Gegennarrative
wachung von [als] Muslimin:innen [Markierten] kaum die öffentliche Wahrnehmung. Stattdessen
als potentielle Gefährder.“ (Ebd.: 18) halten sich in der Mitte der Gesellschaft hartnä-
ckig und breitflächig stereotype Wahrnehmungen
In den Argumentationsmustern gegen den Hijab des Hijabs.
lässt sich feststellen, dass Hijab tragende Frauen
einerseits als fremd und gefährlich wahrgenom- Dass Frauen mit Hijab als einheitliche Gruppe
men und andererseits zu Opfern von per se patri­ konstruiert und angesprochen werden, gilt
archalischen und unterdrückenden Verhältnissen auch für die Thematisierung und Kritik, die sie
stilisiert werden – und paradoxerweise diese durch feministische Organisationen erfahren.
auch legitimieren wollen würden. Muslim*innen Die prominentesten Beispiele sind der Frauen-
werden anhand bestimmter (zugeschriebener) rechtsverein TERRE DES FEMMES (2006) und das

30 Dieses natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeitskonzept teilt Menschen in ‚Wir’ und ‚Nicht-Wir’ ein (vgl. Mecheril 2003) mit dem Ziel,
durch die vorgebliche Andersartigkeit und Fremdwahrnehmung ein eigenes emanzipatorisches Selbstbild zu konstruieren. Der Begriff
problematisiert und macht aufmerksam auf die alltägliche Konstruktion von Andersheit, bei der Kategorien wie „Nation“, „Ethnizität“
und „Kultur“ häufig verschwimmen.
80 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

feministische Magazin Emma, deren Kritik an Mit Blick auf die Diskurse um das Thema Hijab
patriarchalen Strukturen bei Muslim*innen in zeigt sich, wie massiv sich diese auf Betroffene in
besonders verschärfter Art und Weise stattfindet. muslimischen Communitys auswirken. Zudem
Dabei werden Kontextualisierungen wie unter- machen die immer wiederkehrenden ‚Kopftuch-
schiedliche religiöse oder kulturelle Praktiken debatten‘ deutlich, dass nicht nur die sozio-
und Sozialisierungen, muslimische Vielfalt sowie kulturelle Herkunft sowie religiöse Merkmale
die Community bzw. Gemeindezugehörigkeit bzw. Zuschreibungen eine wichtige Rolle für
(z. B. Ahmadiyya, Alevit*innen, Sunnit*innen, die Mehrfachdiskriminierung von Musliminnen
Schiit*innen sowie verschiedene Strömungen spielen, sondern auch das Merkmal Geschlecht
innerhalb der diversen Gemeinden etc.) nicht (vgl. Weichselbaumer 2016: 108–110). Muslimi-
berücksichtigt und ausgeblendet. Das Ausblenden sche Frauen mit Hijab und einem nicht-deutschen
dieser variierenden Kontexte führt zur Pauscha- Nachnamen werden stark benachteiligt und
lisierung von Muslim*innen und stilisiert sie zu haben trotz hoher Qualifikationen verhältnismä-
Opfern einer mutmaßlich von Männern domi- ßig schlechte Aussichten auf dem Arbeitsmarkt.
nierten Religionsgemeinschaft. Bereits im Jahr 2010 weist die Antidiskriminie-
rungsstelle des Bundes (vgl. Frings 2010) auf die
Seit 9/11 häufen sich die Angriffe auf Frauen und strukturelle Benachteiligung von Frauen mit
Mädchen mit Hijab. Dies hat mit dem Erstarken der Kopftuch hin. Nach der Studie von Weichsel-
Rechten zu tun sowie mit der Tatsache, dass anti- baumer (2016) vom Bonner Institut zur Zukunft
muslimische Einstellungen größere gesellschaftli- der Arbeit (IZA) müssen Frauen mit Hijab bei
che Akzeptanz finden. Durch die veränderte Bedro- gleicher Eignung und Qualifikation viermal so
hungswahrnehmung sind antimuslimisch-rassisti- viele Bewerbungen auf eine ausgeschriebene
sche Argumentationen zunehmend anschlussfähig Arbeitsstelle verschicken wie Bewerberinnen
geworden und erfüllen eine Scharnierfunktion, ohne Migrationsgeschichte, bis sie eine Ein-
wie die Leipziger Autoritarismus-Studie (Decker/ ladung zum Vorstellungsgespräch erhalten. Die
Brähler 2020) der Heinrich-Böll-Stiftung belegt. Studie widerspricht auch der wiederkehrenden
Phantomdebatte darüber, dass die Probleme
Die Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnis- von Musliminnen auf dem Arbeitsmarkt in einer
ses muslimischer Frauen, Gabriele Boos-Niazy, geringen Qualifizierung begründet lägen. Statt-
spricht von einer Verschärfung der Situation. Sie dessen bestätigt sie, dass selbst hier aufgewach-
stellt fest, dass muslimische Frauen aufgrund der sene Bewerberinnen mit besten Deutschkennt-
Sichtbarkeit ihrer religiösen Zugehörigkeit durch nissen und in Deutschland erworbener Bildung
den Hijab bei öffentlichen Auseinandersetzungen und abgeschlossener Ausbildung mit erheblichen
schneller in die Schusslinie rassistischer und rech- Benachteiligungen konfrontiert sind, wenn sie
ter Übergriffe geraten als muslimische Männer: einen türkisch klingenden Namen haben – und
noch dazu ein Bewerbungsfoto mit Hijab vorlegen.
„Die derzeitige Zunahme von Übergriffen hängt
für uns ganz klar mit einer breiten Erosion des Der Hijab dient häufig als Projektionsfläche für
Rechtsverständnisses zusammen. Wichtige antimuslimische Einstellungen und wird von
gesellschaftliche Akteure machen es vor, weite religionspolitischen Debatten über Säkularität
Teile der Bevölkerung werden davon beeinflusst. überlagert. Dabei bedienen sich Teile der Medien,
So werden selbst von den Betroffenen manche Gesellschaft und Politik klischeehafter und ste-
Diskriminierungen als so normal empfunden, reotyper Bilder. Die Projektionen reproduzieren
dass sie sie nicht mehr thematisieren.“ das Bild der unterdrückten Hijabträgerin, die fun-
(Boos-Niazy in Köhler 2019) damentalistisch sei und insgeheim verfassungs-
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 81

feindlich agiere, obwohl die Erfahrungen und 4.2 Beschneidungsdebatte


Lebensweisen vieler Muslim*innen in Deutsch-
land zeigen, dass der Glaube und emanzipato- Ende 2010 nahm ein in Köln niedergelassener
risches Denken kein Widerspruch sein müssen. Allgemeinmediziner eine Vorhautbeschneidung
Festzuhalten ist, dass das Pauschalverbot des bei einem vierjährigen Jungen auf Wunsch seiner
Hijabs das Recht auf Selbstbestimmung und Reli- muslimischen Eltern vor. Der Eingriff fand in der
gionsfreiheit von seinen Trägerinnen einschränkt Praxis des Arztes statt, der die Wunde vernähte
und daher unverhältnismäßig erscheint. Zudem und zusätzlich bei einem anschließenden Haus-
zeugen Argumente für ein ‚Kopftuchverbot‘ von besuch versorgte. Zwei Tage nach der OP setzten
einer Unkenntnis der Grundlagen eines säkularen dennoch Nachblutungen ein, sodass die Mutter
Rechtsstaats (vgl. Unterkapitel ↗ 9.1.1). Die Reli- ihren Sohn zur weiteren Versorgung ins Kranken-
gionsfreiheit ist „ein zentrales Menschenrecht, das haus brachte. Aufgrund einer Sprachbarriere
nicht aufgrund eines zu eng verstandenen Kon- kam es dort zu Verständigungsproblemen und
zepts staatlicher Neutralität beschränkt werden der Verdacht einer nicht fachgerechten Durchfüh­
darf“ (Sacksofsky 2009: 290). Mehr noch stimmen rung der Beschneidung kam auf. Im Aufnahme-
Verbote hinsichtlich religiöser Bekleidungsge- bogen der Uniklinik Köln wurde vermerkt, dass
wohnheiten nicht mit einem inklusiven Gesell- der Junge „in einer Wohnung mit einer Schere
schaftsverständnis überein (vgl. Foroutan/Simon/ ohne Anästhesie“ (Musharbash 2012) beschnitten
Coskun 2019). Statt mehrfachdiskriminierten worden sei. Die eingeschaltete Polizei informierte
Muslim*innen Teilhabe zu erleichtern, werden die Staatsanwaltschaft, die wiederum Anklage
sie in weiten Teilen der Öffentlichkeit und in wegen des Verdachts auf Körperverletzung erhob
anderen gesellschaftlichen Bereichen stigma- (vgl. Çetin/Wolter 2012: 3). Im September 2011
tisiert. In den Debatten wird außer Acht gelas- sprach das Amtsgericht Köln den angeklagten
sen, dass rassistische und rechtsextreme Gewalt Arzt frei, da die Zirkumzision fachgerecht und
besonders wegen der Sichtbarkeit eines Hjabs und nach medizinischen Standards erfolgt sei. Gegen
als Frau of Color (vgl. Benbrahim 2021a: 56) gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung
sie gerichtet wird. Antimuslimische Einstellun- ein. Am 7. Mai 2012 urteilte das Landgericht Köln,
gen werden häufig verharmlost, können aber für dass es sich bei der Beschneidung um Körperver-
Betroffene z. T. zu massiven Gewalterfahrungen letzung gehandelt habe, und argumentierte, dass
führen, im extremen Fall bis hin zum Tod wie im eine medizinisch nicht notwendige Beschneidung
Fall von Marwa El-Sherbini. Die Signalwirkung rechtswidrig sei. Auch wenn die Beschneidung
dieser antimuslimisch motivierten Tat auf Hijab religiös motiviert sei und auf Wunsch der Eltern
tragende Frauen bleibt bis heute präsent. Das vorgenommen werde, dürften Eltern nicht die
Sicherheitsbedürfnis von Frauen mit Hijab wird Beschneidung ihres einwilligungsunfähigen
nicht ausreichend wahr- und ernstgenommen. Sohnes verfügen, da dabei der Körper des Kindes
Eine Demokratie misst sich besonders daran, wie „dauerhaft und irreparabel verändert“ werde.
sie mit vulnerablen Gruppen bzw. Minderheiten Das Wohl des Kindes sei in diesem Fall höher zu
umgeht und sie schützt. bewerten als das Recht der Eltern auf Religions-
freiheit und ihr elterliches Erziehungsrecht.31

31 Vgl. Landgericht Köln: Urteil vom 07.05.2012, Az. 151 Ns 169/11. Eine religiös motivierte Beschneidung der Vorhaut eines männlichen
Säuglings ist auch mit Zustimmung der Kindeseltern eine Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB. Online abrufbar: https://openjur.
de/u/433915.html [17.02.2022].
82 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Das Urteil selbst erlangte erst Wochen später auch Jüdinnen und Juden. Und die meldeten
durch einen Zeitungsartikel öffentliche Aufmerk- sich alsbald öffentlichkeitswirksam zu Wort. Die
samkeit, löste in der Folgezeit aber eine heftige, Konferenz Europäischer Rabbiner bezeichnete
Monate andauernde Kontroverse aus. In kürzester das Kölner Urteil zur Beschneidung gut zwei
Zeit kam es in diversen Medien zu einer Fülle an Wochen nach Bekanntwerden „als schwersten
Beiträgen zu religiös motivierten Beschneidungen, Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust“
bei der rechtliche, religiöse, medizinische und (Dernbach 2012) und ihr Präsident fügte an: „Ein
politische Argumente teilweise mit großer Vehe- Verbot der Beschneidung stellt die Existenz der
menz und Emotionalität vorgebracht wurden. jüdischen Gemeinschaft in Deutschland infrage.
Immerhin ging es dabei, so könnte man anführen, Sollte das Urteil Bestand haben, sehe ich für die
um die grundsätzliche Frage, welche Freiheiten Juden in Deutschland keine Zukunft.“ (Ebd.) Auch
Religion und religiöse Praxis beanspruchen dür- angesichts von über 1,4 Milliarden beschnittenen
fen bzw. welche Grenzen ihnen gesetzt werden Männern weltweit, von deren Beschneidungen
müssen. Auffällig ist dennoch, dass verschiedene etwas mehr als 60 Prozent religiös begründet
journalistische Beiträge und auch Wortmeldungen sind (vgl. Morris et al. 2016), erzeugten das Urteil
von Wissenschaftler*innen von Polemik getra- und die Debatte internationale Aufmerksamkeit.
gen waren, während die unzähligen Kommentare Durch die historische Verantwortung Deutsch-
und Meinungsäußerungen von Leser*innen oft lands für die Schoa erhielten sie zudem eine neue
gar feindselig und mitunter hasserfüllt waren (vgl. politische Dimension. Der Bundesaußenminister
Widmann 2012: 219–227; Unabhängiger Experten- sorgte sich um das Ansehen Deutschlands und
kreis Antisemitismus 2018: 245–251). Bekannt ist kritisierte, dass das Kölner Urteil „international
dieser Duktus bereits aus verschiedenen ‚Integra- Irritationen ausgelöst“ (DER SPIEGEL online
tionsdebatten‘, die sich vornehmlich um die ver- 2012a) habe. Er forderte: „Es muss klar sein, dass
meintliche Unvereinbarkeit des Islams und damit Deutschland ein weltoffenes und tolerantes
auch von Muslim*innen mit westlich-säkularen Land ist, in dem Religionsfreiheit fest verankert
Gesellschaften drehen. Die Debatten folgen jeweils ist und in dem religiöse Traditionen wie die
der Vorstellung einer binären Gegensätzlichkeit Beschneidung als Ausdruck religiöser Vielfalt
zwischen einem archaischen, rückständigen und geschützt sind.“ (Ebd.) Die Bundeskanzlerin
barbarischen Islam einerseits und einem moder- mahnte, Deutschland dürfe nicht das einzige
nen, fortschrittlichen und zivilisierten ‚Westen‘ Land sein, in dem Jüdinnen und Juden nicht
andererseits. Wiederkehrend wird dabei öffentlich ihre Riten ausüben dürften: „Wir machen uns ja
die Modernisierungsfähigkeit und damit die sonst zur Komiker-Nation.“ (DER SPIEGEL online
gesellschaftliche Zugehörigkeit von Muslim*innen 2012b) Dass das Urteil auch Muslim*innen betraf,
infrage gestellt (vgl. Karadeniz 2021: 19–21). ließ sie derweil unerwähnt.

Neu war, dass sich in der sogenannten Beschnei- Die Debatte führte nicht nur zu empörten Reak-
dungsdebatte dieser Ansatz hin zu einer mutmaß­ tionen bei Vertreter*innen jüdischer und musli-
lich allgemeinen Religionskritik erweiterte. Solche mischer Organisationen, es kam auch zu Solida-
religiösen Rituale, so der Tenor, seien grausam risierungen untereinander und zu gemeinsamen
und gehörten in eine fremde und barbarische Welt Protestaufrufen. Unterstützung kam zudem
von gestern und nicht in die hiesige, wissenschaft­ von christlicher Seite, die in dem Verbot einen
lich aufgeklärte Sphäre (vgl. Bielefeldt 2012b: 2). schwerwiegenden Eingriff in die Religionsfreiheit
Die unter dem Deckmantel der Aufklärung vor- und in das Erziehungsrecht der Eltern sah. Anders
getragene Kritik richtete sich zunächst gegen die als bei früheren ‚Integrationsdebatten‘ wurde
religiöse Praxis von Muslim*innen, betraf aber die Beschneidungsdebatte relativ schnell von
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 83

politischer Seite eingedämmt. Das Bemühen der seelische Unversehrtheit, betroffen. Wahrschein-
Bundesregierung, die entstandene Rechtsunsi- lich handelte es sich dabei tatsächlich um einen
cherheit zeitnah gesetzgeberisch zu schließen und Konflikt, der in unserem Rechtsstaat nicht ein-
einen Rechtsfrieden herzustellen, wurde jedoch deutig geklärt werden kann, sodass die präsen-
von zahlreichen Seiten als „politischer Schnell- tierte Lösung zur Wahrung des sozialen Friedens
schuss“ angeprangert. Zu den populistischen und sinnvoll war. Besondere Brisanz lag aber auch
kulturkämpferischen öffentlichen Zuspitzungen deshalb in der Beschneidungsdebatte, weil in ihr
kam nun insbesondere in Internetforen noch eine die Grundfrage nach dem Stellenwert von Reli-
antisemitische Verschwörungsrhetorik hinzu, gion in einer säkularen Rechtsordnung enthalten
nach der die Abgeordneten des Bundestags unter ist. Und eben diese Frage steht wiederkehrend,
„jüdischem Druck“ stünden (vgl. Ionescu 2018: mehr oder weniger offen, bei Debatten über reli-
289–311). Dessen ungeachtet verabschiedete der giöse Minderheiten im Raum. Ein Grund liegt in
Deutsche Bundestag im Dezember 2012 ein dem „Versuch, eigene emotionale Vorbehalte zu
Gesetz,32 das die Beschneidung männlicher Kinder rationalisieren“ (Pollack 2012). Darüber hinaus
weitgehend legitimiert. werden dominanzgesellschaftliche Standpunkte
und ihr historisches Gewordensein in solchen
Wie eine Studie der Universität Oxford zeigen Debatten wenig reflektiert. Viele Kritiker*innen
konnte, wirkte sich die deutsche Beschneidungs- verorten sich auf einem säkularen Boden, von
debatte von 2012 gleichermaßen negativ auf dem aus sie einen universellen Geltungsanspruch
Muslim*innen wie auf Jüdinnen und Juden aus. für ihre vermeintlich neutralen Argumente bean-
Dennoch gab es einen wesentlichen Unterschied spruchen. Weder das christlich geprägte Verständ-
in der Wahrnehmung. Während die jüdische nis von Säkularität noch ein in Abgrenzung dazu
Bevölkerung bisher historisch bedingt aufgrund entstandenes atheistisches Weltbild werden kri-
der Schoa selten im Fokus von religionsfeindli- tisch reflektiert. Stattdessen werden, einem sehr
chen oder -kritischen bundesdeutschen öffentli- spezifisch christlich-europäischen Verständnis
chen Diskursen stand, war dies für Muslim*innen folgend, nach welchem Religion ein klar umris-
bereits gelebte Normalität. Entsprechend stellte sener Platz in der Gesellschaft zugewiesen ist,
der „Wandel des gesellschaftlichen Klimas und Ansprüche an religiöse Minderheiten formuliert
der Debattenkultur“ für Jüdinnen und Juden eine (vgl. Amir-Moazami 2021).
Zäsur im deutsch-jüdischen Verhältnis dar, durch
die sie laut der Studie starke Verunsicherungen
erlebten und ihr bisheriges Zugehörigkeitsgefühl 4.3 Debatte über den Bau
infrage gestellt sahen. Für Muslim*innen stellte von Moscheen
die Debatte hingegen eine Kontinuität zu den
rassistischen und antimuslimischen Diskursen Beim Neubau von Moscheen in Deutschland ent-
der Post-9/11-Ära dar (vgl. Öktem 2013: 43). stehen immer wieder Konflikte, die teils höchst
kontrovers ausgetragen werden und hierbei ein
Auch mit einigem Abstand kann die Debatte als großes Maß medialer Wirksamkeit erreichen. Die
herausfordernd erachtet werden. Durch sie waren Argumente gegen die Errichtung einer Moschee
verschiedene Grund- und Menschenrechte, wie sind vielfach Ausdruck antimuslimischer Haltun-
die Religionsfreiheit, das elterliche Sorgerecht gen. In besonderer Weise sorgen repräsentative
und das Recht des Kindes auf körperliche und Moscheeneubauten für heftige Auseinander­

32 Vgl. Bundestagsdrucksache 17/11295 vom 5. November 2012: Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer
Beschneidung des männlichen Kindes. Online abrufbar: https://dserver.bundestag.de/btd/17/112/1711295.pdf [25.09.2022].
84 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

setzungen, also vor allem jene zehn Prozent der einer ‚Orientalisierung‘ des eigenen Stadtviertels
deutschen Moscheen, die über eine Kuppel bzw. und ihr Argument, die ‚fremde‘ Architektur füge
ein Minarett verfügen und damit als islamische sich nicht in das Stadtbild ein (vgl. Schmitt 2012:
Bauten erkennbar sind (vgl. Schmitt/Klein 2019). 193). Die dritte Ebene thematisiert das Verhält-
Mehrheitlich befinden sich Moscheen und nis zwischen der Religion des Islams bzw. der
Moscheevereine in Deutschland jedoch noch islamischen Organisationen und dem säkularen
immer in umfunktionierten Gewerberäumen, Staat, aber auch das Verhältnis der Religionen
Fabrik- und Lagerhallen, Ladenlokalen oder ähn- untereinander; so wird zur Verhinderung eines
lichen Gebäuden (vgl. Stoop 2017). Die deutsch- Moscheebaus vielfach behauptet, der Islam sei
landweite Herausbildung von Moscheevereinen eine antidemokratische, totalitäre oder auch eine
begann in den 1970er-Jahren, aber nur ca. 20 Pro- antichristliche Religion (vgl. Schmitt 2012: 195).
zent der Musliminnen und Muslime sind hierzu- In dieser Linie werden z. B. auch die Predigtspra-
lande verbandlich organisiert, wobei verlässliche che oder vermeintliche islamistische Umtriebe
Zahlen nur schwer zu erheben sind (vgl. Rohe thematisiert (vgl. Stoop 2017: 321). Die kommuni-
2018: 117–125). kationsbezogene Konfliktdimension umfasst die
Prozesse der medialen Vermittlung. Die Art und
Repräsentative Moscheen sind für Moschee­ Weise der Berichterstattung ist für den Verlauf
gegner*innen in besonderer Weise Ausdruck der von Moscheebaudebatten von sehr großer Bedeu-
von ihnen befürchteten „Islamisierung des christ- tung, wie auch erste Studien zur medialen Reprä-
lichen Europas“ und werden in dieser Deutungs­ sentation von Moscheedebatten zeigen (vgl. Stoop
linie als Streben nach Dominanz bzw. territorialem 2017: 323). Hierbei kommen die bereits benannten
Machtanspruch durch ‚den Islam‘ interpretiert. Einwände der Gegner*innen zu Sprache, darüber
Grundsätzlich sind Moscheebaukonflikte kein hinaus aber auch die Frage der Finanzierung der
neues Phänomen (vgl. Leggewie 2009). Bereits Moschee und Themen wie Fundamentalismus,
in den 1990er-Jahren wurden sie in den bundes- Sexismus und Terrorismus (vgl. detaillierte The-
weiten Medien aufgegriffen, wobei sich hinsicht- menfrequenzanalyse bei Stoop 2014). In diesem
lich der Pro- und Contra-Argumentationsweisen Rahmen werden Muslim*innen als Problem
und diskutierten Themen kaum Unterschiede benannt, in Gegensatz zur deutschen Gesellschaft
zu jüngeren Auseinandersetzungen zeigen (vgl. gesetzt und damit in den Kontext einer vielfach
Schmitt 2012: 191–192). Unterschieden werden negativen Berichterstattung über ‚den Islam‘ ein-
können mit Schmitt vier – ineinander verwobene geordnet, innerhalb derer über Muslim*innen
– Ebenen des Konflikts: eine raumbezogen-städte- überwiegend in rassifizierten Bildern gesprochen
bauliche, eine ethnisch-kulturelle, eine religions- wird (vgl. Stoop 2017: 323). Auch wenn nach
und eine kommunikationsbezogene Konflikt- Analyse des UEM manche Lokalzeitungen sich
dimension, wobei in der Regel das baurechtliche durchaus um eine Einbringung von Alltäglichem
Prozedere den Konfliktablauf bestimmt (ebd.: bemühen (s. Unterkapitel ↗ 7.1.3), geht Stoop von
193; Stoop 2017: 321). Zur ersten Ebene zählen einer Tendenz zur „medientypische[n] De-thema-
Einwände von Anwohner*innen wie z. B. zuge- tisierung des Alltäglichen“ (Stoop 2017: 324) aus.
parkte Parkplätze im Ramadan, Lärmbelästigung Er sieht religiöse Fragen, alltägliche Abläufe oder
durch Veranstaltungen in der Moschee oder das soziale Engagement der Gemeinden hier nicht
die vermeintlich drohende Herausbildung von erwähnt, was zur Aufladung und Zuspitzung der
Parallelgesellschaften. Diese Einwände sind oft Konflikte beitrage (vgl. Stoop 2014: 117) – denn
emotional und politisch aufgeladen (vgl. Stoop die Konfliktthemen verhandeln weniger Sach-
2017: 321). Hinsichtlich der zweiten Ebene zu fragen als vielmehr Fragen der Anerkennung (vgl.
nennen ist z. B. die Furcht der Gegner*innen vor Stoop 2017: 324).
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 85

Von zentraler Bedeutung ist neben der medialen geführten Debatten rückten den Konflikt aller-
die politische Vermittlung. Hierfür sind die Ein- dings zunehmend ins öffentliche Interesse. 2018
stellungen der politisch Verantwortlichen vor wurde die Moschee schließlich in Anwesenheit
Ort (Stadtverwaltung und- rat, Bürgermeister*in) des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip
von großer Bedeutung, damit ein Bauvorhaben Erdoğan eröffnet. Zum einen war der Rahmen
gelingen kann und auch akzeptiert wird. Treten der Widerstände gegen den Moscheebau also
die lokalen Akteur*innen für den Moscheebau wesentlich durch die in der bürgerlichen Gesell-
ein, stehen seine Chancen gut, sofern nicht noch schaft äußerst weit verbreiteten islamfeindlichen
andere Konflikte bestehen (z. B. interne Kon- Haltungen bestimmt (vgl. K. Hafez 2013b: 106–162),
flikte der Moscheegemeinde, Konflikte zwischen zum anderen ging es in Köln aber auch um die
Moscheegemeinden oder aufgrund der Archi- Rolle der DITIB bzw. der türkischen Regierung.
tektur). Entscheidend für die Zustimmung der
Bevölkerung zum Bauprojekt ist somit neben der Neben der Sichtbarkeit war in Köln jüngst auch
öffentlichen Debatte auch die Haltung der politi- die Hörbarkeit der muslimischen Glaubenspraxis
schen Akteur*innen (vgl. Stoop 2017: 322–323). umstritten: Der gegen Widerstände aus der Bevöl-
kerung eröffneten Kölner DITIB-Zentralmoschee
Der Bau der Kölner Zentralmoschee kann als ein wurde im Oktober 2022 der fünfminütige öffent-
typisches Beispiel für Widerstände gegen die liche „Muezzinruf“ zum Freitagsgebet gestattet,
Errichtung von Moscheen gelten. Die regionalen, wie er auch an anderen, v. a. kleineren Orten in
nationalen und internationalen Medien berich- Deutschland durchaus üblich ist. Dass die Kölner
teten seit 2002 in dichter Folge über den Bau und Moschee aufgrund ihrer besonderen Sichtbarkeit
seine Planung, die bereits 1992 erstmals im Kölner und der vielfachen Kritik an der Verwobenheit der
Stadtrat thematisiert wurde (vgl. Lindner 2008; DITIB mit den Interessen des türkischen Staats
Stoop 2014). Im Jahr 2005 übernahm die Türkisch- öffentlich eine andere Aufmerksamkeit erfährt
Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) als kleinere Moscheen in ländlichen Regionen,
als alleinige Trägerin die Verantwortung für den erstaunt nicht. In Erfurt hingegen wurde für den
Neubau. Bereits 1996 hatte sich die sogenannte derzeitigen, von Protesten begleiteten Bau der
Bürgerbewegung „Pro Köln“ gegründet, die erst Ahmadiyya-Moschee die Auflage erteilt, den
durch die bundesweite Medienberichterstattung Gebetsruf vom Minarett zu unterlassen (vgl. Miga-
über den von ihr organisierten Protest gegen zin 2023). Jedoch besagen diese Streitigkeiten kaum
den Bau der Moschee in Köln-Ehrenfeld bekannt etwas über den rechtlichen Sachverhalt, denn der
und bedeutsam wurde (vgl. Überall 2010: 8). Im Gebetsruf fällt grundsätzlich in den Anwendungs-
Jahr 2004 zog die Initiative mit dem Wahlspruch bereich der im Grundgesetz verankerten Religions-
„Keine Großmoschee!“ in den Kölner Stadtrat ein freiheit (Art. 4 GG) (vgl. Rohe 2021; vgl. a. Unter­
mit dem Ziel, „die Islamisierung des Stadtbezirks kapitel ↗ 4.5). Die üblichen Lagerbildungen zur
[zu] verhindern“, und bediente sich gezielt eines Frage des Gebetsrufs übertönen dies jedoch und
dichotomen Musters (‚Wir‘ vs. ‚die Anderen‘), die Aufladung der diesbezüglichen Debatten steht
das Personen muslimischen Glaubens abwertet kaum in Relation zur faktisch geringen Relevanz
(Bozay 2008: 199). Im Frühsommer 2007 ver- des Muezzinrufs für muslimische Gläubige, denen
suchte Pro Köln, verschiedene Bürger*innenver- in aller Regel z. B. eine App als Erinnerung an die
sammlungen und Diskussionsveranstaltungen Gebetszeit genügt. Die Debatten um den Gebetsruf
als Bühne für ihre extrem rechte Propaganda zu stellen insofern letztlich Scheindiskussionen dar,
missbrauchen, meistens wurden die Rechtsex- die den Blick auf die echten, weit größeren Heraus-
tremen jedoch schnell des Saals verwiesen und forderungen für Muslim*innen in Deutschland
erhielten wenig Zustimmung. Die teils heftig verstellen (vgl. Cheema/Mendel 2022).
86 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Es ist festzuhalten, dass Moscheebaukonflikte, bei gar gewalttätigen Ehemännern. Verschleierung,


denen Islam- und Muslimfeindlichkeit wirksam Unterdrückung und schlimmstenfalls Ehrenmorde
wird, gegenwärtig vor allem um repräsentative sind Teil dieses für viele Deutsche vollkommen
Neubauten, meist in Großstädten, entstehen. Zu unverständlichen Mikrokosmos“. (Ebd.)
ihrer Vermeidung oder Eingrenzung ist primär
eine gute lokalpolitische Vermittlung und deren Im Laufe der Zeit wurde dieses Narrativ durch
mediale Begleitung hilfreich. verschiedene Ereignisse erneut aktiviert und
reproduziert – wie beispielsweise durch die
Vorfälle in der Kölner Silvesternacht 2015 (vgl.
4.4 Debatte um „Ehrenmorde“ El-Menouar 2016; s. a. Unterkapitel ↗ 4.8) und
weitere sogenannte ‚Ehrenmorde‘. Damit wird
Die Ermordung von Hatun Sürücü im Jahre 2005 der Kulturalisierung sozialer Probleme weiter
durch ihren Bruder hat die Debatte um soge- Vorschub geleistet. Ferner werden damit Vorstel-
nannte „Ehrenmorde“ und damit um die faktische lungen eines vermeintlich homogenen und unab-
oder zugeschriebene Unterdrückung der ‚musli- änderlichen Islams, der den Werten der hiesigen
mischen Frau‘ erneut entfacht. Der zu dieser Zeit Gesellschaft entgegenstehe und Frauenrechte
20 Jahre alte Bruder des Opfers gab zu Protokoll, nicht nur einschränke, sondern Gewalt bis hin
dass er den westlichen Lebensstil seiner Schwester zu Mord an Frauen legitimiere, zementiert
verachtet habe und mit dieser Tat die Ehre der (vgl. Korteweg/Yurdakul 2010).
Familie wiederherstellen wolle. Nach Absitzen
seiner Strafe wurde der Täter in die Türkei, das Politisch wurde dieses Narrativ vor allem durch
Herkunftsland seiner Eltern, abgeschoben. die Parteien CDU/CSU sowie FDP aufgegriffen
und als Legitimationsgrundlage für verstärkte
Die Tat wurde medial breit aufgegriffen und im Integrationsforderungen genutzt. Dabei wird
Kontext der Debatten zur Rolle ‚des Islams‘ bei Gewalt gegen Frauen als primär migrantisches
Integrationsproblemen in der muslimischen Problem konstruiert und muslimische Frauen
Community diskutiert (vgl. Becker/El-Menouar werden zu Opfern stilisiert (vgl. Ercan 2015).
2012). Damit konnte an bereits zuvor skizzierte Die Parteien Bündnis 90/Die Grünen sowie Die
Szenarien sogenannter „Parallelgesellschaften“ Linke dagegen versuchen, die Ereignisse in einen
angeknüpft werden, die beispielsweise in einem breiteren Kontext zu stellen und sogenannte
Leitartikel des Wochenmagazins DER SPIEGEL „Ehrenmorde“ als eine Facette eines gesamtgesell-
(2004) mit dem Titel „Allahs rechtlose Töchter“ ein schaftlichen Problems zu rahmen, um damit
Jahr zuvor thematisiert und direkt mit dem Islam die zuvor skizzierte kulturelle Engführung aufzu-
verknüpft wurden: brechen. Vereinzelt finden sich auch mediale
Beiträge, die dafür plädieren, die genannten
„Unter dem Deckmantel der ‚kulturellen Vielfalt‘ Morde als Femizide zu erfassen und nicht auf-
haben sich Parallelwelten gebildet, in denen der grund der zugeschriebenen oder faktischen
Rechtsstaat teilweise außer Kraft gesetzt scheint. (religiösen) Herkunft des Täters bzw. des Opfers
In diesen Nischen bewegen sich nicht nur poten- eine Unterscheidung vorzunehmen (vgl. Lembke
zielle Terroristen und politische Extremisten 2021). Es wird dafür plädiert, anzuerkennen,
jeder Couleur. Hier leidet auch eine unbekannte dass patriarchale Strukturen in verschiedensten
Zahl muslimischer Frauen, die in ihren Häusern kul­turellen und nationalen Kontexten existieren
fern der Heimat wie in Gefängnissen gehalten sowie in sozialen Milieus unterschiedlichster
werden. Hinter verschlossenen Türen leben sie in religiöser Prägung vorzufinden sind (s. a. Rohe
Zwangsehen, nicht selten mit ungeliebten oder 2019). Es gehe darum, die „potenzielle Tödlichkeit
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 87

patriarchaler Geschlechternormen“ anzuerkennen Tötungsdelikte charakteristischen Mustern folgen,


(Lembke 2021). und beschreiben diese wie folgt:

Eine Bestandsaufnahme aller „Ehrenmorde“, die „An honor crime is an act of violence commit-
sich zwischen 1996 und 2005 in Deutschland ted with the intent to prevent, conceal, or pun-
ereignet haben, und die Analyse von 78 Prozess- ish an act of deviance (e.g., behavioral, sexual,
akten kommen zu dem Ergebnis, dass diese moral) that is perceived to bring potential harm
Morde ohne die Berücksichtigung der kulturel- to an individual’s or family’s reputation.”
len Hintergründe nicht erklärbar sind. Gleich- (Leonard 2020: 37)
zeitig weist die Untersuchung darauf hin, dass
die Tötung der Intimpartnerin in allen Gesell- Daher ist eine Unterscheidung von Delikten aus
schaften zu den häufigsten Tötungsdelikten im anderen Motiven sinnvoll – auch im Sinne der
sozialen Nahraum gehört (vgl. Oberwittler/Kasselt Prävention und des Opferschutzes (ebd.).
2011). Insgesamt werden jährlich etwa 12 von
durchschnittlich 700 solcher Tötungsdelikte als Eine repräsentative Studie zu Geschlechterrollen-
„Ehrenmorde“ eingestuft. Dies zeigt, dass „Ehren- vorstellungen in Deutschland zeigt zudem, dass
morde“ aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive die Geschlechtergleichstellung auch in der mus-
mit 1,7 Prozent aller Femizide ein Randphäno- limischen Bevölkerung einen fest verankerten
men darstellen und mit Blick auf den Anteil der Wert darstellt. Frauen benachteiligende Familien­
muslimischen Bevölkerung (ca. 6 %) bei diesem vorstellungen können somit nicht per se mit
Bevölkerungsteil unterdurchschnittlich häufig der Konfession oder Religiosität erklärt werden.
vorkommen (vgl. ebd.). Femizide sind demnach Patriarchale Geschlechtervorstellungen sind
keineswegs auf Muslim*innen beschränkt, son- vornehmlich mit sozioökonomischen Faktoren
dern kommen religionsübergreifend vor. Dies verknüpft wie Bildungsgrad und Alter (vgl.
steht in keiner Relation zur medialen Darstellung, Becher/El-Menouar 2013).
die „Ehrenmorde“ häufig als typisch für muslimi-
sche Familien inszeniert. Als Fazit ist festzuhalten, dass auf Ehrvorstel-
lungen basierende Gewaltdelikte ein ernst zu
Eine internationale Analyse von 551 Tötungsde- nehmendes Problem sind und nicht bagatellisiert
likten, die auf Ehrvorstellungen zurückzuführen werden sollten – auch wenn sie im Bereich fami-
sind, zeigt zudem ein differenzierteres Bild (vgl. lialer Tötungsdelikte in Deutschland ein Rand-
Leonard 2020). Anders als medial dargestellt, sind phänomen darstellen. Die empirischen Erkennt-
nicht allein Frauen von solchen Gewaltdelikten nisse weisen aber darauf hin, dass die medialen
betroffen. Zu den Opfern gehören ebenfalls Paare, Debatten ein verkürztes Opfer- wie auch Täter-
die beispielsweise unehelich zusammenleben. profil zeichnen und antimuslimische Ressenti-
Zudem sind auch Männer betroffen, die in homo- ments schüren. Der Fokus auf muslimische
sexuellen Beziehungen leben. Zu konstatieren ist, Communitys verkennt, dass sogenannte „Ehren-
dass Gewaltdelikte auf Basis von Ehrvorstellun- morde“ empirisch weder religions- noch länder-
gen kultur-, länder- und religionsübergreifend spezifisch vorkommen. Die vorurteilsbehafteten
vorzufinden sind. Es zeigt sich keine besondere Vorstellungen zu den Opfern und Tätern solcher
Prädisposition für Familien aus muslimisch Delikte bergen zudem die Gefahr, dass Gewalt-
geprägten Herkunftsländern (vgl. Bates 2020). delikte dieser Art außerhalb muslimischer Milieus
Ferner stellten die Forschenden fest, dass auf übersehen bzw. nicht angemessen auf gesamt-
Ehrvorstellungen basierende Gewalt- und gesellschaftlicher Ebene thematisiert werden. Der
einseitige Fokus auf Frauen als Opfer führt zudem
88 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

dazu, dass Risiken für Männer, die ebenfalls des „legalistischen Islamismus“. Zweifellos muss
betroffen sind, unterschätzt werden. der Rechtsstaat seine demokratische und men-
schenrechtliche Ausrichtung verteidigen, dabei
Insgesamt ist festzustellen, dass die öffentlichen aber selbst stets rechtsstaatliche Prinzipien ein-
Debatten um sogenannte ‚Ehrenmorde‘ zur Kri- halten. Dazu zählen eine konkrete Problemerfas-
minalisierung der muslimischen Bevölkerung sung und die faktenbasierte Bestimmung relevan-
führen, indem sie soziale Probleme islamisieren ter Akteur*innen primär anhand ihrer Haltungen
und ‚den Islam‘ zu einer rückständigen, frauen- und Taten.
verachtenden und gewaltaffinen Religion stilisie-
ren, die angeblich einer gelingenden Integration Seit einigen Jahren ist indes eine Debatte über den
im Wege steht. Nicht aber die Religion, sondern „politischen Islam“ bzw. „politischen Islamismus“
die so geschürten Vorbehalte stehen einem gelin- entbrannt, die in erheblichen Teilen der medialen
genden Zusammenleben im Wege, da sie antiisla- und politischen Diskussion jede problemorien-
mische politische Maßnahmen legitimieren und tierte Kontur verloren hat. So stigmatisiert sie
zur Ausgrenzung der muslimischen Bevölkerung weite Teile der muslimischen Bevölkerung und
führen. ihrer Organisationen und stellt sie unter General­
verdacht. Ein Beispiel sind die Reaktionen auf
einen den rechtsstaatlichen Grundlagen ent­
4.5 Debatte um den sprechenden Hinweis der Stadt Köln ohne
„politischen Islam(-ismus)“ konkre­ten Anlass aus dem Jahr 2021 (vgl. Rohe
2021). Es handelt sich um eine Verlautbarung,
Der demokratische Rechtsstaat und seine Gesell- wonach muslimische Gemeinden beantragen
schaft werden von unterschiedlichen extremisti- können, zum Hauptgebet am Freitagmittag –
schen Ideologien und ihren Vertreter*innen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegeben-
herausgefordert. Neben Rechts- und Linksextre- heiten und der Lautstärke – für fünf Minuten
mismus sind auch Formen des religiös motivier- über Lautsprecher einen Gebetsruf erschallen zu
ten Extremismus eine Bedrohung. Bei Anwendung lassen (vgl. z. B. Irmer 2022). In der anschließen-
oder Propagierung von Gewalt ist dies offensicht- den Debatte wurde dies zum Teil pauschal als
lich. Bedrohlich für die Gesellschaft und insbe- „Triumph des politischen Islams“ gebrandmarkt,
sondere für die unmittelbar von extremistischen ohne dass auch nur ein konkreter Antrag vorlag.
Aktivitäten Betroffenen sind aber auch schon In der Konsequenz müssten verfassungsmäßig
die Durchsetzung eines ideologiegestützten Herr- verbürgte Rechte – nämlich unter bestimmten
schaftsanspruchs und ein Hinwirken auf die Voraussetzungen öffentlich zum Gebet rufen zu
Schwächung und Abschaffung demokratisch- dürfen – umstandslos aufgegeben werden, um
rechtsstaatlicher Verhältnisse durch übermäßigen Verfassungskonformität nachweisen zu können
sozialen Druck, also durch den Missbrauch von – eine bemerkenswerte Verdrehung rechtsstaat-
eigenen Freiheitsrechten zu Lasten der Freiheits- licher Grundsätze. Dabei wurden auch inhaltlich
rechte anderer (vgl. Rohe 2022c: 5). und grammatikalisch falsche, bedrohlich wir-
kende Behauptungen über den Inhalt des Gebets-
Solche Probleme zeigen sich auch im Hinblick rufs verbreitet. „Allahu Akbar“ heißt nicht „Allah
auf extremistische Akteur*innen innerhalb der ist größer als alle Religionen, alle Feinde, alle
muslimischen Bevölkerung. Die Thematik wird Menschen“ (zitiert in Domradio 2021), sondern
seit über zwei Jahrzehnten auch in Deutschland schlicht „Gott/Allah ist (unvergleichlich) groß“.
intensiv untersucht und diskutiert, mittlerweile Manche Äußerungen verdeutlichen, dass die pau-
meist unter dem nicht unproblematischen Begriff schale Ablehnung der grundrechtlich geschützten
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 89

islamischen Praxis entgegen Art. 4 Grundgesetz sationen ebenso konterkariert wie durch die
und Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskon- Forderung, mit „den Moscheegemeinden vor Ort“
vention als Hebel gegen jede Religionsausübung in einen Dialog über Transparenz in Finanzie-
im öffentlichen Raum genutzt wird (vgl. Dom- rungsfragen zu treten.34 Die freundliche Formulie-
radio 2021 mit dem Zitat „auch Kirchenglocken rung („Dialog“) täuscht nicht darüber hinweg,
seien ‚nicht mehr zeitgemäß im aufgeklärten dass damit ein genereller Verdacht formuliert
Staat‘, und ‚im Schatten der Kirchen‘ wachse und wird, der nur im Einzelfall ausgeräumt werden
gedeihe ‚der politische Islam‘“). Hier zeigen sich kann. Dies widerspricht rechtsstaatlichen Grund-
Überschneidungen zu Christentumsfeindlichkeit. sätzen: Der Gebrauch von Freiheitsrechten (Reli-
gionsausübung) ist die Regel und der – mögliche –
Das häufig vorgebrachte ‚Vergeltungsargument‘ – Missbrauch solcher Rechte eine durch Fakten
„Solange in Saudi-Arabien oder der Türkei keine zu belegende Ausnahme. Grundannahme ist die
Kirchen gebaut/Kirchenglocken geläutet werden Rechtstreue der Bewohner*innen des Landes,
dürfen, dürfen auch Muslime keinen hörbaren staatliche Intervention setzt zumindest einen
Muezzinruf ausführen“ – weist einerseits auf faktenbasierten Anfangsverdacht voraus.
die beklagenswerte Lage der Religionsfreiheit in
diesen Ländern hin. Andererseits macht es sich Generalisierende Verdächtigungen und das Her-
die Maßstäbe von Religionsdiktaturen bzw. von ausgreifen einzelner Bevölkerungsgruppen bei
Staaten, in denen die Religionsfreiheit missachtet der Bewältigung übergreifender Extremismuspro­
wird, zu eigen und verlässt damit rechtsstaatliches bleme beeinträchtigen das Vertrauen in die
Denken. Daran zeigt sich beispielhaft (vgl. Kapitel rechtsstaatliche Neutralität und Gleichbehand-
↗ 9.1 bzw. Statistiken aus Bertelsmann-Religions- lung.35 So wichtig es ist, die realen Gefährdungen
monitor), dass die Aufklärung über die Reichweite effizient anzugehen, so wichtig ist die Vermei-
der Religionsfreiheit gerade auch für Minder- dung von Kollateralschäden. Existenzen und
heiten eine Aufgabe ist, welche die Gesamtgesell- Entwicklungsmöglichkeiten von Muslim*innen
schaft betrifft. wurden immer wieder durch falsche Verdächti-
gungen massiv beeinträchtigt (z. B. unbegründete
Besonders problematisch sind derartige Debatten, Behinderungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt,
wenn sie auf solche Weise von im demokratisch- Verweigerung beruflich notwendiger Einreisevisa).
rechtsstaatlichen Grundkonsens verankerten
Beteiligten in zentralen Institutionen des Rechts- In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte von
staats geführt werden. besonderer Bedeutung (vgl. ausführlicher Rohe,
s. Fußnote ↗ 35): Es bedarf dringend der Abgren-
Exemplarisch hierfür steht ein Antrag der Frak- zung zwischen problematischem Extremismus
tion von CDU/CSU: „Finanzierung des politischen mit Herrschaftsanspruch einerseits und tradi-
Islamismus in Deutschland offenlegen und unter- tionellen, auch religiös begründeten Lebenshal-
binden“.33 Das im Grundsatz wichtige Anliegen, tungen (z. B. bei religiös konnotierter Kleidung,
die Finanzierung von rechtsstaatsgefährdendem Speisevorschriften oder Auffassungen zum
Extremismus zu unterbinden, wird durch die Geschlechterverhältnis) ohne solchen Anspruch
einseitige Fokussierung auf muslimische Organi- andererseits. Zwar mag man solche Haltungen

33 Bundestagsdrucksache 20/1012 vom 15. März 2022.


34 Ebd.: 3.
35 Vgl. die vier Stellungnahmen bei der Anhörung zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Innenausschuss am 19. September 2022 von
Mathias Rohe, Nissar Gardi, Aseim El Difraoui und Jamuna Oehlmann (Bundestags-Ausschussdrucksachen 20(4)103 A, F, H und J. Online
abrufbar: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a04_inneres/anhoerungen/909590-909590 [17.02.2023].
90 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

inhaltlich, auch scharf, kritisieren. Allerdings dür- liken bedienen. Als Bestandteile z. T. jahrelang
fen Menschen nicht aufgrund einer traditionell geführter öffentlicher Debatten prägen sie das
orientierten Religiosität aus dem rechtsstaat- gesellschaftliche Bild des Islams auf besondere
lichen Konsens hinausdefiniert werden. Dies gilt Weise. Wie lassen sich diese Debatten mit Blick
im Übrigen auch für Jüdinnen und Juden, z. B. im auf das Phänomen Muslimfeindlichkeit bewer-
Hinblick auf den Umgang der Geschlechter – ein ten? Welche Positionen waren in ihnen vorherr-
Überschneidungsbereich zum Antisemitismus. schend und inwiefern gingen diese mit tradierten
Der zweite bedeutsame Aspekt betrifft die fakten- orientalistischen Vorstellungen über ‚den Islam‘
orientierte Identifikation von Vertreter*innen und ‚den Westen‘ einher?
des religiös motivierten Extremismus. Hier ist
primär auf die vertretenen Inhalte zu achten, Zu einem der ersten Schlüsselereignisse der deut-
während eine Fokussierung auf Begegnungen schen Islamberichterstattung zählt die Fatwa gegen
(„Kontaktschuld“) ohne nähere Informationen den indisch-britischen Autor Salman Rushdie
über die Hintergründe verfehlt ist. Für die Analyse durch den iranischen Staatsführer Ayatollah
von Inhalten bedarf es allerdings entsprechen- Chomeini im Jahr 1989. Rushdie hatte ein Jahr zuvor
der Expertise, die bei manchen als Expert*innen seinen Roman „Die satanischen Verse“ veröffent-
gehandelten Aktivist*innen fehlt. Der Rechtsstaat licht, der das Leben des Propheten Mohammed
muss sich effizient verteidigen, aber Menschen fiktional porträtiert und dabei mit satirischen
und den Rechtsstaat selbst gefährdende Kollate- Überzeichnungen arbeitet. Das Buch sorgte welt-
ralschäden vermeiden. weit für Entrüstung und löste Demonstrationen
aus, die – überwiegend von islamistischen Fun-
damentalist*innen initiiert – auch gewaltvolle
4.6 Karikaturendebatte Formen annahmen.37 Die Medienaufmerksamkeit
rund um die Buchveröffentlichung und die sie
In den vergangenen Jahrzehnten kam es immer betreffenden Proteste war extensiv, wobei im libe-
wieder zu hitzigen Kontroversen um die Dar- ral-konservativen Pressespektrum die Vorstellung
stellung ‚des Islams‘ im Kontext von Satire und von einer Kulturdifferenz zwischen Islam und
politischen Karikaturen. Zu den aus deutscher Westen zum Konsens wurde (vgl. K. Hafez 2002b:
Perspektive bekanntesten Fällen gehören neben 263). Dies ging so weit, dass das Fortbestehen der
Salman Rushdies Roman „Die satanischen Verse“ multikulturellen Gesellschaft, in der Muslim*in-
insbesondere die „Mohammed-Karikaturen“ der nen friedlich neben anderen Bevölkerungsgrup-
dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten sowie pen koexistierten, grundsätzlich bezweifelt und
die satirischen Zeichnungen des französischen der Ruf nach kultureller Assimilation laut wurde
Magazins Charlie Hebdo.36 Unterzieht man die (vgl. ebd.).
Medienberichterstattung über jene Karikaturen-
debatten einer genaueren Analyse, so lassen sich Jener Unvereinbarkeitstopos wird auch in jüngeren
wiederkehrende Topoi finden, die sich – teils Debatten über die Angemessenheit islambezo-
explizit, teils latent – antimuslimischer Symbo­ gener Karikaturen immer wieder neu aufgelegt,

36 Selbstverständlich steht außer Frage, dass der despotische Umgang autokratischer Regime und islamistisch-dschihadistischer
Gruppen mit religionskritischen Karikaturist*innen, Künstler*innen und Schriftsteller*innen keiner akademischen Einordnung bedarf,
sondern eindeutiger Verurteilung und scharfen Widerspruchs. Für den Zweck des vorliegenden Berichts lohnt sich jedoch ein Blick auf die
Debattenkultur hinsichtlich dieser Vorfälle.
37 Chomeini setzte ein Kopfgeld auf Rushdie aus, das inzwischen über vier Millionen Dollar betragen soll (vgl. Steinvorth 2016). Auf
Demonstrationen wurde Rushdies Buch verbrannt, Bombenanschläge wurden in mehreren Ländern verübt und Menschen getötet, unter
ihnen der japanische Übersetzer des Buchs, Hitoshi Igarashi. Auf Rushdie selbst ist während einer Lesung im Bundesstaat New York am
12. August 2022 ein Attentat verübt worden, bei dem der Schriftsteller schwer verletzt wurde (s. a. ↗ 2.7).
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 91

so etwa anlässlich der 2006 veröffentlichten berichterstatter Bielefeldt in seinem Bericht 2016
„Mohammed-Karikaturen“ der dänischen Zeitung klarstellte: „Die Religionsfreiheit schützt nicht
Jyllands-Posten, die wochenlange Medienberichte, die Religion als solche, sondern die Freiheit des
nicht zuletzt durch die gewaltvollen Ausschrei- Einzelnen, sich einer Religion anzuschließen oder
tungen islamistischer Gruppierungen befeuert auch auf Religion zu verzichten.“ Die Religions-
(vgl. Meyer 2006: 14), nach sich zogen. Dabei titelte freiheit schließe dabei eine kritische oder auch
DER SPIEGEL „Der heilige Hass. Zwölf Moham- satirische Auseinandersetzung mit der Religion
med-Karikaturen erschüttern die Welt“ (6/2006) nicht aus. „Die Einschätzung, nach der die Mei-
und legte mit der Verwendung diverser Schlüssel- nungsfreiheit und die Religionsfreiheit in einem
codes für den Islam – arabische Schriftzeichen, unauflösbaren Spannungsverhältnis zueinander
die Farbe Grün, der Koran, eine verschleierte stehen, beruht auf einem Missverständnis.“ (Bie-
Frau – dessen Kongruenz mit dschihadistischen lefeldt 2016) Über dieses Missverständnis wurde
Gewaltaktionen und gleichzeitige Unverträglich- in der deutschen Presseberichterstattung jedoch
keit mit ‚westlichen‘ Wertestandards nahe. nicht aufgeklärt, wie Naab und Scherer in ihrer
Analyse des Mohammed-Karikaturenstreits von
Zu den medialen Kerndebatten avancierte zudem 2006 zeigen. Vielmehr standen v. a. Begrenzungen
die Frage nach dem Vorrang eines von zwei rechts- und Bedrohungen der Meinungsfreiheit im Fokus –
staatlichen Grundrechten, die durch die Islam- ohne dabei über die zentrale Bedeutung dieses
karikaturen berührt wurden: das Recht auf freie Grundrechts für das politische System als Ganzes
Meinungsäußerung oder das Recht auf Religions- zu reflektieren (vgl. 2009: 387).39
ausübung. Dabei kam auch hier eine polarisie-
rende Darstellungslogik zum Einsatz, die beide Verschiedene Studien belegen eine wiederkeh-
Grundrechte gegeneinander in Stellung brachte, rende Dichotomisierung ‚des Islams‘ gegenüber
statt die Möglichkeiten ihrer gleichzeitigen Ver- ‚dem Westen‘ bzw. der Demokratie als vermeintlich
wirklichung und Vereinbarkeit auszuloten. So ausschließlich ‚westlich-abendländische‘ Errun-
machte sich beispielsweise der Autor des Artikels genschaft im Kontext der Karikaturendebatten
„Im Mauseloch der Angst“ (Broder 2010) für eine (vgl. u. a. Sinram 2013; Naab/Scherer 2009; Görlach
uneingeschränkte Anwendung der Meinungsfrei- 2009; K. Hafez 2002b). Auch die Berichterstattung
heit stark, während er Aufrufe zur Deeskalation über die Anschläge auf die Redaktion des franzö-
und Rücksichtnahme offen verhöhnte und Mus- sischen Satiremagazins Charlie Hebdo 2015 und
lim*innen pauschal als unwissende, ehrverses- die Tötung des französischen Lehrers Samuel Paty
sene, blutrünstige Horden dämonisierte.38 bilden hierzu keine Ausnahme. Auf Ereignisebene
gehören sie in eine Reihe dschihadistisch moti-
Dabei gibt es aus juristischer Sicht zwischen vierter Versuche, eine buchstabentreue, ahistori-
Meinungs- und Religionsfreiheit gar keinen fun- sche Lesart des Korans und der Scharia gegenüber
damentalen Widerspruch, wie der UN-Sonder- dem Menschenrecht auf freie Rede gewaltvoll

38 „Millionen von Muslimen in aller Welt, die keine Zeile des Buches gelesen und den Namen noch nie gehört hatten, wollten das
Todesurteil gegen den Autor vollstreckt sehen, je schneller, desto besser, um mit seinem Blut die beschmutzte Ehre des Propheten wieder
reinzuwaschen.“ (Broder 2010)
39 Dass es an einem gesellschaftlichen Bewusstsein für den Wert einer offenen, dabei jedoch inhaltlich differenzierten (vgl. Meyer 2006)
Streitkultur mangelt, zeigen nicht zuletzt die Erfolge rechtspopulistischer Parteien, die dschihadistische Gewalttaten für ihre muslim­
feindliche Agenda instrumentalisieren. So bekundete der AfD-Politiker Alexander Gauland nach dem Angriff auf die Redaktion von
Charlie Hebdo 2015: „Das Massaker von Paris zeigt auch, wie fragil und schutzbedürftig die Grundwerte unserer Gesellschaft sind. […]
Vor diesem Hintergrund erhalten die Forderungen von ‚pegida‘ [sic!] besondere Aktualität und Gewicht“ (Locke 2015). Die hier
angesprochene Pegida-Bewegung, mittlerweile als offen rassistische und rechtsextreme Gruppe eingestuft, gelang es nur kurz nach dem
Attentat auf das Satiremagazin, 25.000 Demonstrant*innen in Dresden zu mobilisieren, „die ihren Hass auf Muslime als Solidarität mit
Charlie Hebdo und als Verteidigung der Pressefreiheit ausgeben konnten“ (Schuhler 2015: 30).
92 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

durchzusetzen.40 Mit Blick auf die Berichterstat- Bestandteil einer solchen (selbst-)kritischen Ana-
tung lässt sich auch hier der Topos des Islams als lyse wäre auch die Erwähnung von und konstruk-
gewaltbereiter und archaischer Religion wieder- tive Auseinandersetzung mit Formen von insti-
finden. So titelte der FOCUS „Das hat nichts mit tutionellem und alltäglichem Rassismus, wie er
dem Islam zu tun – Doch! Warum Muslime ihre in verschiedenen Gesellschaftsbereichen auftritt
Religion jetzt erneuern müssen – und wie die und für eine Ungleichverteilung von Chancen
Freiheit zu verteidigen ist“ (4/2015) und disqualifi- zwischen Muslim*innen und Nicht-Muslim*in-
ziert damit auf pauschale Weise Differenzierungs- nen sorgt. Es ist eben dieser soziale und politische
versuche, die auf politische bzw. ideologische Kontext, in den hinein islambezogene Karikatu-
Motive dschihadistischer Ableger verweisen, statt ren publiziert und in dem deren Nachwirkungen
den Islam als Ganzes zu beschuldigen. Bildlich problematisiert werden.
unterstrichen wird dies durch die Abbildung eines
Kalaschnikow-Maschinengewehrs im Profil. Dass In ihrer ursprünglichen Idee schießt Satire nach
eine derartige Verkürzung komplexer Ursachen- oben, ihre erklärten Feinde sind die Mächtigen,
zusammenhänge zwar journalistisch unzurei- die Obrigkeiten, die Elite im Staat und in macht-
chend, wirtschaftlich jedoch äußerst rentabel ist, vollen Institutionen der Gesellschaft. Aufgabe poli-
zeigt die erhebliche Absatzsteigerung, die diese tischer Karikaturen ist es, „Absurditäten, Macht-
Ausgabe dem Magazin bescherte (vgl. Hein 2015). missbrauch, Fehlentwicklungen, Spannungsfelder
und Widersprüche im gesellschaftlichen und
Auffällig an der Karikaturen-Berichterstattung politischen Leben [zu] kommentieren“ (Knieper
ist zudem, dass die Kritik am Inhalt der Hebdo- 2001: 266). Zwar war in den öffentlichen Debatten
Zeichnungen allenfalls am Rande aufschien. Tucholskys berühmtes Bonmot „Satire darf alles“
Diese zeigen hakennasige Araber, von Kugeln ein ständiges Schlagwort. Übersehen wurde dabei
durchlöcherte Korane und die Verspottung von jedoch häufig, dass schon dieser einschränkte:
Opfern eines Massakers. Nach dem Attentat zeigte Eine Satire, die „zur Zeichnung an einer Kriegsan-
die erste Ausgabe des Magazins eine Karikatur leihe auffordert, ist keine“ (Tucholsky 1975: 42;
schwangerer Frauen in Abayas, die sich die Bäu- s. a. Schuhler 2015: 28). Man könnte Tucholsky
che halten, mit dem Kommentar: „Boko-Haram- hier frei übersetzen: Eine Satire, die bestehende
Sexsklavinnen in Aufruhr: ‚Fasst unser Kinder- gesellschaftliche Schieflagen vertieft, statt sie
geld nicht an!‘“ Hier wird unter anderem auf das offenzulegen, um sie perspektivisch zu überwin-
gängige Stereotyp von Musliminnen als „Gebär- den, löst ihr demokratisches Potenzial nicht ein.
maschinen“ (in der Neuen Rechten „Geburten-
dschihad“) rekurriert.41 Eine rassismuskritische Eine rassismuskritische Bewertung und Einord-
Bewertung und Einordnung der Karikaturen fand nung der Karikaturen ist für ein friedvolles Mitei-
in weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft nander und eine funktionierende demokratische
dabei nicht statt. Streitkultur essenziell. Auch bedarf es einer fun-
dierteren medialen Auseinandersetzung mit dem
Grundrecht der Meinungsfreiheit an sich. Dies
wäre wichtig, um innerhalb der Zivilgesellschaft

40 Das Magazin wurde zur Zielscheibe islamistischer Terroristen, die ihm die „Veröffentlichung islamfeindlicher Karikaturen“
(Bauknecht 2018) vorwarfen. Ihrem Attentat im Januar 2015 fielen zwölf Menschen zum Opfer sowie kurz darauf weitere fünf auf
der Straße und in einem jüdischen Supermarkt in Paris. Paty zeigte Islam-Karikaturen in seinem Unterricht unter dem Stichwort der
Meinungsfreiheit. Er wurde 2020 von einem islamistisch motivierten Attentäter auf offener Straße enthauptet.
41 Dagegen stehen allerdings die satirischen Darstellungen beispielsweise in Rushdies „Satanischen Versen“, die nicht als rassistische
Darstellung zu kategorisieren sind.
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 93

Gegenpositionen aushalten und Kontroversen Im Gegensatz zu älteren gruppenbasierten For-


friedlich austragen zu können – auch wenn man men Organisierter Krimi­nalität (z. B. italienische
sie inhaltlich nicht teilt. oder russische „Mafia“), die in aller Regel großen
Wert auf unauffälliges Wirken legen, werden
hier von vielen Beteiligten die Rechte anderer
4.7 Debatte über „Clankrimi­ demonstrativ mit Füßen getreten, der Rechtsstaat
nalität“: Reale Probleme und seine Vertreter*innen werden offen angegrif-
fen, verhöhnt und bedroht (vgl. Polizei NRW/LKA
und toxische Debatten 2022: 17–20). Damit wird offensiv die Machtfrage
aufgeworfen und das staatliche Gewaltmonopol
In welchem Zusammenhang steht die Debatte infrage gestellt. Deutliche Reaktionen des Rechts-
um „Clankriminalität“ mit Muslimfeindlichkeit? staats sind deshalb unerlässlich. Sie müssen aller-
In genau dem Zusammenhang, der ohne seriöse dings rechtsstaatlichen Maßstäben genügen. Hier
Belege die Zugehörigkeit zum Islam als (Mit-)Ursa- beginnen die Probleme.
che der Beteiligung an besonderen Formen koor-
dinierter Kriminalität konstruiert. Das erste grundlegende Problem mit intersektio­
nalen (ethnischen und religiösen) Diskriminie-
Worum geht es? Gruppenbasierte Kriminalität rungswirkungen im Alltag besteht in der pau-
bei Menschen unterschiedlichster sozialer, eth- schalen Verdächtigung bestimmter ethnischer
nischer oder religiöser Hintergründe ist alt. Für Gruppen mit islamischer bzw. als islamisch
Gesellschaft und Rechtsstaat ist sie wegen der wahrgenommener Religionszugehörigkeit (Groß-
Potenzierung von Handlungsmöglichkeiten und familien, „Clans“) ohne hinreichend belastbare
krimineller Energie besonders gefährlich und Fakten. In der medialen Berichterstattung wird
muss deshalb mit allen rechtlich zulässigen Mit- der sehr unpräzise Begriff der „Clankriminalität“
teln bekämpft werden. Das gilt auch für koordi- häufig auf ganze bzw. mehrere Großfamilien glei-
nierte kriminelle Aktivitäten von Angehörigen chen Nachnamens bezogen (z. B. in einem wissen-
sogenannter arabischer, kurdischer, libanesischer schaftsorientierten Artikel über die Faszination
etc. „Clans“, die seit den 2010er-Jahren ein hohes des Goldes und einen spektakulären Diebstahl
Maß an medialer Aufmerksamkeit erfahren durch Mitglieder „des berüchtigten [XXX]-Clans“,
haben (erstmals Wagner 2011) und seitdem auch Willmann 2022: 34), ohne Rücksicht darauf, ob
in den Fokus polizeilicher Ermittlungen gelangt tatsächlich persönliche Verbindungen bestehen,
sind. Typische Handlungsfelder sind z. B. Rausch- und ohne Hinweis darauf, dass nur ein insgesamt
gift- und Eigentumsdelikte, Wirtschafts- und geringer Teil der Namensträger*innen tatsäch-
Schleusungskriminalität (vgl. BKA 2021: 24–28) lich kriminell aktiv ist. Dabei werden in der Tat
sowie Rohheitsdelikte und Delikte gegen die kriminell hochaktive Gruppen von Mitgliedern
sexuelle Selbstbestimmung (vgl. Polizei NRW/ dieser Familien ohne Beleg als repräsentativ für
LKA 2022: 14). die gesamte Großfamilie dargestellt. Diskriminie-
rende Verzerrungen ergeben sich zudem, wenn
Rechtsstaatlich besonders problematisch sind in Polizeistatistiken alle von bestimmten Nach-
dichte Loyalitätsstrukturen unter den Beteiligten, namensträger*innen begangenen Delikte unge-
die wegen der Bereitschaft zur Gewaltanwendung achtet ihrer Qualität (z. B. einfache Straßenver-
eine hohe Durchschlagskraft erzeugen und staat- kehrsdelikte) aufgeführt werden, was überhöhte
liche Gegenmaßnahmen besonders erschweren.
94 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Bedrohungsszenarien auslöst (vgl. Jaraba 2021: gemeinhin nicht dem christlichen Glauben zuge-
9–10; Polizei NRW/LKA 2022: 942). schrieben. Das muss aber dann auch für die Taten
eines muslimischen Schwerkriminellen gelten,
Von besonderer Bedeutung sind öffentliche wenn er sich zur Pilgerfahrt nach Mekka begibt
Darstellungen der Sachlage durch Institutionen oder in einer Moschee betet. Muslimfeindlich wir-
des Rechtsstaats. Positiv zu bewerten ist die Suche ken also auch Fehlzuschreibungen existierender
nach begrifflicher Präzision, wenn auf einfache, Probleme, deren Hauptursachen in sozio-öko­
aber verfälschende Schlagworte („Clankriminali- nomischen (z. B. Exklusionserfahrungen) oder
tät“) verzichtet wird, z. B. die Bezeichnung „krimi- kulturellen Faktoren liegen, zur Religionszugehö-
nelle Mitglieder innerhalb von [XXX] Großfami- rigkeit (vgl. Rohe/Jaraba 2015; Jaraba 2021; Elliesie/
lien“ (Polizei NRW/LKA 2022: 6). Exemplarisch für Rigoni 2022). Als muslimfeindlich ist zudem eine
das Gegenteil solcher Sorgfalt stehen die bewuss- Sensationsberichterstattung zu bewerten, die
ten Pauschalisierungen in einer für den Essener/ tatsächlich existierende Probleme wie Tötungs­
Mülheimer Polizeidienst bestimmten, auch poli­ delikte mit sogenannter „Clankriminalität“ in
zeiintern umstrittenen Broschüre. Dort wird eine Verbindung bringt und mögliche sozio-ökonomi-
angeblich „notwendige Kollektivbetrachtung“ sche Hintergründe ohne inneren Zusammenhang
angestellt, weil grundlegende relevante Denk- mit islambezogenen Themen vermischt, wie
muster auch bei nicht-kriminellen Familienmit- Schulessen-Protest gegen Schweinefleisch oder
gliedern verankert seien und auch diese zu krimi- Kopftuchdebatten (Dinger 2022: 13–16).
nellen Aktivitäten anderer schwiegen (Dienstbühl
2019: 4). Unabhängig von den zweifelhaften Besonders gefährlich werden solche Zuschrei-
faktischen Grundlagen dieser Behauptungen bungen, wenn sie sich an Repräsentant*innen
(vgl. Jaraba 2021: 6–8) tritt hier eine Form der geis- staatlicher Institutionen richten, die auf dieser
tigen Sippenhaft jenseits aller rechtsstaatlicher Grundlage in Gefahr geraten, Fehlentscheidungen
Prinzipien zutage. Ein letztlich selbst rechts- zu treffen. Eine weitere Gefahr entsteht durch
staatsgefährdendes Bedrohungsszenario wird angebliche Expertisen von Personen, die nicht
in der Zusammenfassung mit der pauschalen über das erforderliche islamwissenschaftliche
Aussage aufgebaut, es sei ein zentrales Verständ- Expert*innenwissen verfügen. Exemplarisch hier-
nis „der Clans […], dass sie sich stets im Krieg für stehen Zuschreibungen von kriminellen Akti-
befinden“, was über ihren „Eroberungswillen“ vitäten von Großfamilienmitgliedern zum Islam,
(Dienstbühl 2019: 18) dokumentiert werde. extreme Pauschalisierungen der ‚Lebenswelten‘
und inhaltlich nicht mehr nachvollziehbare
Das zweite grundlegende Problem besteht in der Aussagen zur Religion des Islam in der bereits
nicht seriös belegten Behauptung, die Religion erwähnten Broschüre für den Essener/Mülheimer
der beteiligten Straftäter*innen – hier der Islam – Polizeidienst (vgl. Dienstbühl 2019: 5–8).
sei eine wichtige oder sogar die wichtigste Ursache
für ihre Taten. Was ist die Lösung? Ein rechtsstaatskonformer,
problemorientierter Ansatz bei der Kriminali-
Wenn dem Christentum zugehörige Mafiabosse tätsbekämpfung und -prävention (vgl. Rohe 2019:
sich darum streiten, wer bei der Fronleichnams- 59–71; Elliesie/Rigoni 2022: 25–32; Ministerium der
prozession den Baldachin über der Marienstatue Justiz NRW 2022). Bestehende Probleme müssen
tragen darf, um später die nächsten Verbrechen offen angesprochen und effizient angegangen
zu planen, werden ihre kriminellen Aktivitäten werden. Nur eine faktenorientierte Problem­

42 Dort finden sich kritische Erwägungen zur Erfassungsmethodik, ohne dass daraus Konsequenzen gezogen wurden.
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 95

analyse und Ursachenforschung aber kann Krimi- mediale Berichterstattung deutlich negativer
nalität wirksam bekämpfen, ohne Kollateralschäden (vgl. ebd.). Medien und Politiker*innen über alle
zu verursachen. Pauschalisierungen und Fehl- Fraktionsgrenzen hinweg waren alarmiert und
zuschreibungen diskriminieren Menschen – z. B. sahen den sozialen Frieden bedroht. Eine anhal-
dann, wenn eine zugesagte Ausbildungsstelle nur tende Krisenberichterstattung manifestierte den
wegen eines „verdächtigen“ Nachnamens doch Eindruck einer potenziell unkontrollierbaren
nicht mehr offensteht, oder wenn ein junger Dynamik (vgl. Klemm 2017; Kreft/Uske 2016;
Mensch resignierend zu dem Schluss kommt, nur Weber 2016). Bereits in dieser Phase wurde ver-
mit einer Nachnamensänderung eine Chance auf mehrt zwischen einer vorgeblich progressiven
dem Ausbildungsmarkt zu erhalten. Der Rechts- deutschen Gesellschaft mit liberaler, emanzi-
staat muss alle schützen: Die Opfer der als „Clan- pierter Werteordnung und den als grundlegend
kriminalität“ bezeichneten Taten ebenso wie fremd- und andersartig beschriebenen flüchten-
die Opfer einer diskriminierenden Handhabung den Menschen unterschieden. Veranschaulichen
dieses Begriffs. lässt sich das an den Aussagen von Thomas Strobl,
einem der stellvertretenden Fraktionsvorsitzen-
den der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vor-
4.8 Debatte über die „Kölner sitzender der CDU in Baden-Württemberg, in der
Silvesternacht“: Ein affektiv Plenardebatte vom 1. Oktober 2015:

aufgeladener Knotenpunkt „Wir müssen gleich zu Beginn formulieren und


und die Abwehrfiguration konsequent durchsetzen, was unsere Gesell-
des sexuell übergriffigen schaftsordnung ausmacht: Das Grundgesetz
‚Anderen‘ steht über der Religion. Frauen und Männer sind
gleichberechtigt. Jeder kann leben und lieben,
2015 setzte insbesondere aufgrund der Kriege wie er will, glauben, was er will, oder auch nicht
in Syrien, Afghanistan und dem Irak eine starke glauben und seine Meinung frei äußern, solange
Flucht- und Migrationsbewegung nach Europa er die Gesetze respektiert. Diese Gesetze macht
ein. Das Bundesamt für Migration und Flücht- bei uns in Deutschland nicht der Prophet, die
linge hält etwa 890.000 Erstregistrierungen in macht bei uns in Deutschland das Parlament,
Deutschland für das Jahr fest. In dieser Zeit lässt meine Damen und Herren.“43
sich deutlich ein zivilgesellschaftliches Engage-
ment für die zugezogenen Menschen feststellen. Die Debatte über asylpolitische Maßnahmen wird
Unterstützt wurde dieser Einsatz von öffentlichen mit den Themen Geschlecht, Sexualität und Islam
Debatten, in denen Journalist*innen und Politi- verknüpft und in einer „moralisch aufgeladenen
ker*innen dieses zivilgesellschaftliche Engage- Wir-Sie-Unterscheidung“ (Hark/Villa 2017: 36)
ment stärkten. Geflüchtete wurden zwischen Juni präsentiert. Ob bei den seit der Jahrtausendwende
und September 2015 beispielsweise im öffentlich- nicht abreißenden ‚Kopftuchdebatten‘, der unter-
rechtlichen Fernsehen vielfach positiv dargestellt stellten sexuellen Unterdrückung von Muslimin-
(vgl. Maurer et al. 2021). nen, dem ‚orientalischen Patriarchat‘, dem ‚Ehr-
diskurs‘ oder der zugeschriebenen Aggressivität
Mit der Entscheidung der Bundesregierung, die junger muslimischer Männer gegenüber Homose-
festsitzenden flüchtenden Menschen aufzuneh- xualität: Wiederkehrend wird in Einwanderungs-
men, wurde ab September 2015 allerdings die und Integrationsdebatten die Vorstellung produ-

43 Bundestags-Plenarprotokoll 18/127: 12278; zitiert nach Klemm 2017: 38.


96 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

ziert, dass Sexismus inhärenter Bestandteil mus- Mit der wiederkehrenden Anrufung der Figur des
limisch oder arabisch geprägter Gemeinschaften sexuell gefährlichen jungen muslimischen Man-
sei, und dies als Beleg ihrer Nicht-Integrierbarkeit nes wurde im Verlauf der sogenannten „Flücht-
herangezogen. lingskrise“, also in einer Phase der Infragestellung
der gesellschaftlichen Ordnung, bereits früh eine
Auch während des langen „Sommers der Migra- symbolische Grenze zu genau einem solchen
tion“ wurden die migrationspolitischen Abwehr- ‚Anderen‘ manifestiert (vgl. Karadeniz/Sabel 2021b).
diskurse von einer öffentlich anprangernden
Darstellungsweise der flüchtenden Personen Ende 2015 war die gesellschaftliche Stimmung
dominiert (vgl. Karadeniz/Sabel 2021a). Sie richtete bereits massiv aufgeheizt. Viel diskutiert wurde
sich bereits früh gegen die überwiegend jungen, die Frage, wann sie vollends kippt. Dann kam die
männlichen Geflüchteten und ihre als rückstän­ Kölner Silvesternacht. „Die Nacht, die alles verän-
dig und gefährlich beschriebene Sexualität (vgl. dert“ (vgl. Aust et al. 2016). So titelte die WELT AM
Dietze 2017: 18, 281). Augstein fasste Anfang SONNTAG wenige Tage nach der Silvesternacht.
November 2015 im SPIEGEL die damals noch fast Die diskursive Wucht, die das „Ereignis Köln“ hatte,
ausschließlich fiktiven sexualpolitisch motivierten war immens. Allein in der deutschen Tagespresse
Ressentiments, die bis weit ins liberale Spektrum wurden innerhalb eines Jahres über 33.000 Artikel
hineinreichten, unter dem Titel „Männer, Monster dazu veröffentlicht (vgl. Goeßmann 2019: 11).
und Muslime“ zusammen: Hark und Villa sprechen von einem in besonderer
Weise affektiv aufgeladenen, moralischen Knoten­
„Das sexuelle Gerücht über den Ausländer punkt, der beträchtliche Gefühle mobilisieren und
schwappt gerade über. Das Erschreckende: damit auch eine realitätsprägende Kraft haben
Es wird von allen Seiten genährt. […] Jung, konnte (vgl. Hark/Villa 2017: 54).
aggressiv, mittelalterliches Frauenbild, Machos,
behandeln Frauen wie Freiwild. Die Flüchtlinge Die einer intensivierten Panik gleichende Kon­
haben noch nicht mal ihre Sachen ausgepackt, stellation verknappte schnell den Erzählstoff und
aber wir wissen schon alles über sie.“ glich ihn zugleich vertrauten Erzählmustern an
(Augstein 2015) (vgl. Becker 2022: 206). Der Umstand, dass die
Taten dem Anschein nach von geflüchteten Per-
Bedroht schien vor allem das einheimische Mäd- sonen (mit-)verübt wurden, führte rasch zu einer
chen (vgl. Dietze 2017: 282; Hark/Villa 2017: 42). grundsätzlichen Infragestellung der sogenannten
Eindrücklich wurde dies im Herbst 2015 von den „Flüchtlingspolitik“ und der daraufhin verstärkt
Vorsitzenden des Philologenverbands Sachsen- als naiv gekennzeichneten Willkommenskultur
Anhalt im Leitartikel ihrer Verbandszeitschrift (vgl. Hark/Villa 2017: 45; Messerschmidt 2016a: 159).
zum Ausdruck gebracht: Bereits am 7. Januar regten verschiedene Politi-
ker*innen Gesetzesverschärfungen hinsichtlich
„Viele der Männer kommen ohne ihre Familie des Asylrechts und der Abschiebepraxis an (vgl.
oder Frauen und sicher nicht immer mit den ZEIT ONLINE 2016). In der eigens einberufenen
ehrlichsten Absichten. […] Auch als verantwor­ Plenardebatte vom 13. Januar 2016 bekräftigte
tungsbewusste Pädagogen stellen wir uns die etwa Staatssekretär Ole Schröder: „Die Silvester-
Frage: Wie können wir unsere jungen Mädchen nacht macht deutlich, wie schwer es ist, gerade
im Alter ab 12 Jahren so aufklären, dass sie sich junge, alleinstehende Männer mit arabischer
nicht auf ein oberflächliches sexuelles Abenteuer Herkunft hier in unserem Land zu integrieren.
mit sicher oft attraktiven muslimischen Män- Die Silvesternacht macht auch deutlich, dass
nern einlassen?“ (Zit. in Deutschlandfunk 2015) jede Integrationskraft einer Gesellschaft endlich
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 97

ist.“44 In derselben Debatte konstatierte auch der Voraussetzung für die Strafbarkeit sexueller Hand-
ehemalige Vorsitzende des Innenausschusses lungen wurde nun das fehlende Einverständnis
des Deutschen Bundestags Wolfgang Bosbach: (vgl. Hark/Villa 2017: 44).
„Wir stehen nicht nur vor einer Herausforderung,
wir stehen vor einer Überforderung unseres Auffällig ist, dass in den öffentlichen Debatten
Landes. Deswegen brauchen wir eine politische um die Geschehnisse der Silvesternacht die ver-
Kurskorrektur.“45 meintliche Herkunft der Täter wichtiger wurde
als das, was den Opfern widerfuhr. Auch soziale
Vielfach werden die Ereignisse der Kölner Sil- Kontexte der Männer, die hier zu Tätern gewor-
vesternacht retrospektiv als „Wendepunkt in der den waren, wie „illegalisierte Einwanderung, sozi-
Flüchtlingspolitik“ (de Maizière 2016) bezeichnet. ale Marginalisierung bereits im Herkunftsland,
Die Bemühungen um eine Abschottung hatten Lebensbedingungen auf der Straße, Kriminalität
jedoch viel früher, bereits im Herbst 2015, begon- als Einkommensperspektive, Männlichkeitsphan-
nen. Schon damals reagierte die Politik gesetz- tasien, die Selbstwert vermitteln sollen, Dynami-
geberisch auf die steigende Zahl flüchtender ken in Männerbünden etc.“ (Messerschmidt 2016a:
Menschen und verabschiedete im Oktober 2015 159–160), flossen kaum in Betrachtungen ein.
im Bundestag das sogenannte Asylpaket I, mit Vielmehr wurde die Bedrohung zielgenau in die
wesentlichen Änderungen im Asylrecht und einer „Körper der nordafrikanischen, arabischen, mus-
Reihe an restriktiven Maßnahmen (vgl. Pro Asyl limischen Anderen“ (Mecheril/van der Haagen-
2015). Bereits im Februar 2016 folgte das Asyl- Wulff 2016: 133) eingeschrieben und eine Grenze
paket II. Es beinhaltete die Aussetzung des Fami- zwischen bedrohten und bedrohenden Körpern
liennachzugs, eine Beschleunigung des Asylver- gezogen. Diese Polarisierung ermöglichte den
fahrens, die Einstufung weiterer Länder (Marokko, Anschein der Notwendigkeit einer Abschottung,
Algerien, Tunesien) als sichere Herkunftsstaaten trotz der 3.770 Toten, die allein 2015 im Mittel-
und auch die erleichterte Ausweisung krimineller meer umkamen (vgl. International Organization
Ausländer*innen.46 Im März 2016 trat zudem das of Migration 2016).
sogenannte Flüchtlingsabkommen zwischen der
EU und der Türkei in Kraft, das die Weiterreise Mit Distanz betrachtet stellt „Köln“ nicht den
von flüchtenden Menschen in die EU verhindern verkündeten politischen „Wendepunkt in der
sollte. Die Verhandlungen dazu wurden Monate Flüchtlingspolitik“ dar. Die Maßnahmen können
zuvor aufgenommen, kamen nun aber zu schnel- durchaus auch in einer langen Reihe restriktiver
len Ergebnissen (vgl. Becker 2022: 209). Im Som- Änderungen in der Asylgesetzgebung seit Anfang
mer 2016 folgte zudem ein Integrationsgesetz, der 1990er-Jahre gesehen werden, die die Beantra-
das die Hürden für eine dauerhafte Aufenthalts- gung von Asyl in der Bundesrepublik erschwert
erlaubnis erhöhte (vgl. Maurer et al.: 7). Im Juli haben (vgl. Hark/Villa 2017: 138). Viele Reaktio-
2016 schließlich wurde auch eine grundlegende nen verdeutlichen zudem, dass die Ereignisse
Reform des Sexualstrafrechts beschlossen. Sie politisch instrumentalisiert wurden (vgl. Messer-
wurde zwar schon über Jahre von verschiedenen schmidt 2016a: 165).
Seiten angemahnt, kam aber erst durch die Ereig-
nisse der Silvesternacht zur Umsetzung. Zentrale

44 Bundestags-Plenarprotokoll 18/148: 14573; zitiert nach Klemm 2017: 42.


45 Ebd.
46 Vgl. Bundesregierung (2016): Kürzere Verfahren, weniger Familiennachzug. Asylpaket II in Kraft. 17. März. Online abrufbar:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/kuerzere-verfahren-weniger-familiennachzug-370360 [20.08.22].
98 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

4.9 Die „Kontaktschuld“-Frage „Programm zur Überprüfung der politischen


Zuverlässigkeit“ ersetzte damals das rechtsstaat-
In den vergangenen Jahren häuften sich Fälle, in liche Prinzip der Unschuldsvermutung.
denen Muslim*innen in der Öffentlichkeit eine
bedenkliche Nähe zu islamistischen Gruppen Eine solche Dimension besitzt die hiesige Proble-
oder eine entsprechende Gesinnung vorgewor- matik der gegenüber Muslim*innen vorgebrach-
fen worden ist. Den betreffenden Personen wird ten Kontaktschuld nicht. Die Kontaktschuld-
dabei zumeist unterstellt, dass sie Kontakte zu Vorwürfe kommen häufig von sogenannten
extremistischen Kreisen hätten oder ihnen eine ‚Islamexpert *innen‘ (vgl. Kapitel ↗ 2.6; ↗ 7.1.5),
kritische Distanz zu demokratiefeindlichen Posi- die versuchen, muslimische Personen des öffent-
tionen fehle. Dabei ist es oft irrelevant, welche lichen Lebens zu inspizieren und eine ihnen
Positionen die Person selbst vertritt – es reicht unterstellte problematische Gesinnung aufzu-
schon aus, zusammen mit bestimmten Personen decken (vgl. Schiffauer 2020). Dabei treffen sie
dieser Gruppierungen öffentlich (z. B. auf einer Pauschalurteile und erzeugen über mediale Skan-
Konferenz) gesehen zu werden. Die tatsächliche dalisierung besondere Aufmerksamkeit. Nicht
Qualität des Kontakts – ob es sich hierbei etwa wenige von ihnen haben dabei kaum fundierte
um ein gezieltes oder zufälliges Zusammentreffen fachliche Expertise (vgl. Schneiders 2015). Ver-
handelt, um eine flüchtige Begegnung oder eine fassungsschutzämter und andere Stellen nutzen
dauerhafte und intensive Kooperation – wird sie dennoch als wissenschaftliche Quellen. Dass
zumeist nicht erörtert (vgl. zur damit verbundenen Sicherheitsbehörden zum Schutz der freiheit-
rechtsstaatlichen Problematik Rohe, Fußnote ↗ 35). lichen demokratischen Grundordnung poten-
ziellen Gefahren nachgehen, ist ihr verfassungs-
Die Beweisführung der „(Vor-)Verurteilung“ gemäßer Auftrag, der auch aus der historischen
oder „Sippenhaftkonstruktionen“ (Eißler 2018: Erfahrung des Niedergangs der Weimarer Repu-
371) sind häufig fraglich und gleichen gelegent- blik abgeleitet ist. Jedoch erscheint es in jüngerer
lich einer öffentlichen Hetzjagd, an deren Ende Vergangenheit so, als würde sich eine regelrechte
Karrieren oder auch Existenzen zu Bruch gehen Misstrauens- und Verdachtskultur gegenüber
können. Dieser Vorgang wird als Kontaktschuld Muslim*innen (insbesondere jenen in exponierte-
bezeichnet – ein „Pseudoargument“, welches ren Positionen) etablieren. So kann der Kontakt zu
„unliebsame oder verdächtig(t)e Personen durch einem Menschen, der Besuch einer Moschee, die
Verknüpfung mit Personen, die in schlechtem Teilnahme an einer Veranstaltung oder der „Like“
Ruf (z. B. Verfassungsschutzbeobachtung) stehen, auf einem Social-Media-Beitrag bereits ausrei-
[…] diskreditier[t] oder aus[grenzt]. Wer Kontakt chen, um dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, Teil
(direkt, indirekt, auf Veranstaltungen, in Gesprä- islamistischer Netzwerkstrukturen zu sein. Erst
chen) zu vermeintlichen Verfassungsfeinden seit kurzer Zeit finden sich vereinzelte kritische
hat, ist demnach selbst einer oder zumindest ein journalistische Gegenstimmen, die das Problem
Sympathisant“ (ebd.: 371). Die Kontaktschuld- der „selbst ernannten Muslimjäger“ (Gezer 2017)
Annahme war als behördliches Instrument etwa aufgreifen.
während des Kalten Kriegs, z. B. in den USA
zur Zeit der Verfolgung tatsächlicher und angeb- Die SPIEGEL-Journalistin Gezer zeichnet nach,
licher Kommunist*innen unter Senator Joseph wie 2016 ein falscher Extremismus-Vorwurf
McCarthy, wirksam – und auch gerichtlich gegen mehrere Mitarbeitende einer hessischen
legitimiert (vgl. Perels 1998). Das sogenannte Beratungsstelle von seriösen Medien aufgegriffen
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 99

wurde.47 Die Anschuldigungen wurden von der verfasst.48 Dort wird auf die vermeintlichen
Biologin Sigrid Herrmann-Marschall vorgebracht, „Aufdeckungen“ rekurriert oder es werden auf
die seit mehreren Jahren einen Blog mit dem kuriose Weise diverse Muslim*innen des öffent­
Namen Vorwärts und nicht vergessen betreibt. Ihre lichen Lebens füreinander haftbar gemacht –
Vorwürfe führten zur vorläufigen Suspendierung dafür genügt es, mit einer verdächtigten Person
der betroffenen Mitarbeitenden und einer Wie- auf einem Podium zu sitzen oder mit den ‚falschen‘
derholung bereits erfolgter Sicherheitsprüfungen. Personen in den sozialen Medien vernetzt zu sein.
Herrmann-Marschalls Vorwürfe erwiesen sich Besorgniserregend ist, dass auch Teile der seriösen
im Nachgang als nicht haltbar. Die Einrichtung Medienlandschaft derartige Nachforschungen
und ihre Arbeit erlitten einen immensen Ver- aufgreifen und sie damit als zuverlässige Quelle
trauensverlust und Imageschaden – nicht zuletzt, aufwerten. Die Deutsche Welle würdigte Herrmann-
weil eine Richtigstellung der Vorwürfe öffentlich Marschall gar als „Islamismusberaterin“ (von Hein
kaum beachtet wurde. 2017), was in der WELT regelmäßig aufgegriffen
wird (vgl. Leubecher 2021). Der konservative „Ber-
Herrmann-Marschall selbst bezeichnet sich auf liner Kreis“ der CDU lud sie zusammen mit dem
ihrem Blog als „Islamismusexpertin“, trotz fehlen- ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg
der fachlicher Expertise oder relevanter Sprach- Maaßen ein (vgl. Richter 12.05.2019). Auch im
kenntnisse. Herrmann-Marschall durchforscht nordrhein-westfälischen Landtag war sie bereits
unter anderem Social-Media-Profile von Mus- als Sachverständige für die AfD eingeladen.49
lim*innen mit dem Ziel, Muslim*innen Verbin-
dungen zur Muslimbruderschaft, antisemitische Eine weitere Recherche über unhaltbare Extremis­
Einstellungen und Unterwanderungsstrategien musvorwürfe gegen Muslim*innen unternahm
nachzuweisen. Ihre Nachforschungen haben die Journalistin Ley. Sie beschreibt das Phänomen
dabei Mutmaßungscharakter und sind häufig „Kontaktschuld“ als Dilemma: Einerseits gebe es
bruchstückhaft und kontextlos: Person X „[…] die berechtigte Sorge vor Islamismus und anderer­
kommt von einer Einrichtung, die der Muslim- seits die Gefahr, Muslim*innen vorschnell zu
bruderschaft nahe steht“ (Blogeintrag 26.11.2019). Extremist*innen zu erklären (vgl. Ley 2021). Auf-
Oder: „In der Moschee […] waren […] problema- fällig ist, dass solche Kontaktschuldvorwürfe ins-
tische Akteure aus dem Netzwerk der Muslim- besondere gegen Muslim*innen gerichtet werden,
bruderschaft zu Gast“ (Blogeintrag 29.11.2020). die einen sozialen Aufstieg vollzogen bzw. eine
Herrmann-Marschall ordnet ihre Beobachtungen exponierte gesellschaftliche Stellung erreicht
realen Einzelpersonen und Einrichtungen zu und haben. In ihrem Gespräch mit dem Ethnologen
veröffentlicht diese regelmäßig. Das Format findet Schiffauer, der die Verdachtskultur gegenüber
Anerkennung, wenn z. B. diese Vorwürfe in rechts- Muslim*innen seit Längerem wissenschaftlich
konservativen und islamfeindlichen Blogs wie Die beobachtet, wird deutlich, dass gerade diejenigen
Achse des Guten von Henryk M. Broder perpetuiert angegriffen werden, die „all das verkörpern, was
werden. Zudem erschienen sie in der vom Unter- die Mehrheitsgesellschaft so oft von Migranten
nehmer Rafael Korenzecher herausgegebenen fordert […], die hervorragend gebildet sind, sich
Jüdischen Rundschau, für die sie regelmäßig Beiträge

47 So titelte z. B. FOCUS online am 17. März 2017 „Waren Salafismus-Berater selbst Extremisten?“ und die Frankfurter Allgemeine Zeitung
schrieb schon am 27. Februar: „Salafismus-Experten unter Verdacht“.
48 Nicht zu verwechseln mit der Jüdischen Allgemeinen, die vom Zentraltrat der Juden herausgegeben wird. Bei der Jüdischen Rundschau
handelt es sich um eine private Zeitung.
49 Vgl. Ausschussprotokoll APr 17/509 des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2019. Online abrufbar:
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA17-509.pdf [14.02.2023].
100 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

politisch engagieren, einen kritischen Blick auf Tagen die Zusammenarbeit mit ihr zunächst vor-
die eigene Community werfen“ (ebd.). erst ruhen ließ und letztlich insgesamt beendete.

Ein solches Beispiel stellt der Fall einer Kölner Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist
Rechtsanwältin und Verbandsvertreterin dar, mit die Rolle großer Medienhäuser zu hinterfragen,
dem sich der Journalist Goldmann näher aus- wenn sie häufig und wiederholt über ungeprüfte
einandersetzte. Auch bei dieser Personalie han- Kontaktschuldvorwürfe berichten. Durch die
delte es sich um eine engagierte Muslimin, die als Übernahme unbelegter Vorwürfe von Einzelper-
„Musterbeispiel einer ehrenamtlich engagierten sonen, die zunächst etwa in privaten Blogs oder
Demokratin“ gelten könne (Goldmann 2020). Als Lokalzeitungen schreiben, tragen sie mit ihrer
sie 2020 zur Beraterin im Auswärtigen Amt beru- Agenda-Setting-Funktion maßgeblich zu Skanda-
fen wurde, begann der Aufschrei zunächst in den lisierungen bei. So reicht es etwa aus, wenn große
sozialen Medien und verbreitete sich schnell. Sie Medien – wie z. B. Tagesspiegel und DIE WELT es
habe in der Vergangenheit antisemitische Proteste häufig tun – entsprechend berichten und sich
verharmlost und vertrete einen Verband, der auch andere Redaktionen bei ihrer Themenwahl daran
Extremist*innen in den eigenen Reihen dulde, orientieren („Intermedia-Agenda-Setting“).
so der Tenor (vgl. u. a. Monath 2020). So twitterte
z. B. Volker Beck (Grüne), er verstehe nicht, warum Die skizzierten Fälle stehen exemplarisch für eine
das Amt „eine Vertreterin dieses problematischen Reihe von Vorwürfen, die es in die öffentliche
Verbandes“ berufen habe (26.07.2020). Die Linken- Debatte schafften. Jedoch gibt es auch Fälle mit
Abgeordnete Sevim Dağdelen erklärte, der dama- ähnlichen Konsequenzen, die kaum öffentlich
lige Außenminister Heiko Maas mache sich im wahrgenommen wurden. Der SPIEGEL-Journalist
Kampf gegen Antisemitismus mit dieser Berufung Winter (2020) berichtete anonymisiert über den
unglaubwürdig (vgl. Monath 2020). Die damalige Fall eines muslimischen Wissenschaftlers in Sach-
AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch twitterte, sen. Aufgrund eines Artikels in der Lokalzeitung
die Berufung sei „der regierungsamtliche Kotau von 2007 geriet dieser ins Visier des Verfassungs-
vor dem Islam“ (24.07.2020). Im rechtskonserva- schutzes. In dem Artikel wurde seine gelegent-
tiven Blog Tichys Einblick wurde die Frage auf- liche Tätigkeit als Vorbeter eines muslimischen
geworfen: „Warum holt Heiko Maas Graue Wölfe Studentenvereins erwähnt. Der Verein, der mit
in das Auswärtige Amt?“ (22.07.2020). Und auch Mitteln der Universität gefördert wurde, stand
die EMMA polemisierte: „Auch MigrantInnen wiederum seit 1997 mit vager Begründung „um
sind entsetzt, es hagelte parteiübergreifende Kri- drei Ecken“ unter Beobachtung des Verfassungs-
tik. Wie konnte die Islamistin überhaupt nomi- schutzes:
niert werden?“ (2020). Die anschließende öffent-
liche Debatte ließ sachliche und differenzierte „Der Verein habe sich in einer Studentenzeitung
Auseinandersetzungen mit den Vorwürfen ver- als Zweig der Muslim Studenten Vereinigung in
missen. Vielmehr entstand eine sich selbst bestä- Deutschland vorgestellt. Diese gehöre der Isla-
tigende Erzählung und mediale Dynamik, aus mischen Gemeinschaft in Deutschland an. Und
der ein immenser öffentlicher Druck hervorging. die wiederum sei auch wegen ihrer Nähe zur
So berichteten unter anderem Tagesspiegel, DIE Muslimbruderschaft ‚Beobachtungsobjekt des
WELT und Deutschlandfunk über die Vorwürfe Verfassungsschutzes‘.“ (Ebd.)
gegen die Muslimin (vgl. Monath 2020; DIE WELT
2020; Engelbrecht 2020). Wie wirkungsvoll diese Obwohl dem Wissenschaftler keinerlei extremis-
Art der unbelegten Vorwürfe ist, zeigt sich daran, tische Tendenzen nachgewiesen werden konnten,
dass das Auswärtige Amt innerhalb von wenigen genügte seine Tätigkeit im Studentenverein, um
Öffentliche Debatten: Fallbeispiele von Muslimfeindlichkeit 101

eine „ideologische Nähe“ zu konstruieren. In der lim*innen hält eine Verdächtigungsbereitschaft


Folge wurde der Wissenschaftler aus seinen Anstel- Einzug, die das Zusammenleben unter Spannung
lungen (mehrmals) entlassen und ihm wurde setzt und die in ihrer Struktur als muslimfeind-
seitens der Universität ein Hausverbot erteilt. Der lich einzustufen ist. Ein gesellschaftlicher, in Teilen
Verfassungsschutz räumt inzwischen ein, dass rassistisch genährter Angstzustand scheint als
das Vorgehen gegen ihn teilweise rechtswidrig Legitimationsgrundlage für die Notwendigkeit
gewesen sei (vgl. ebd.). grundlegender Skepsis gegenüber Muslim*innen
und der Aushöhlung ihrer Grundrechte zu dienen.
Unbelegte Annahmen und Verunglimpfungen, Die Journalistin Gezer (2017) wirft entsprechend
die sich u. a. aus einer fehlenden Quellenkritik pointiert die Frage auf: „Wie viel Muslim darf es
speisen, erfahren medial sowie von Behördenseite sein? Wie viel verträgt dieses nervöse Land gerade?“
ein beunruhigendes Maß an Berücksichtigung Sie geht selbst darauf ein und schiebt nach: „Die
und Akzeptanz. Mögliche Folgen für zu Unrecht Antwort in diesen Tagen hieß: Nichts, nicht mal
Beschuldigte geraten dabei aus dem Blick. In das ihre Vorzeigemuslime von gestern.“ (Ebd.)
gesamtgesellschaftliche Klima gegenüber Mus-
102 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

5 Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus


aus der Betroffenenperspektive

5.1 Die Relevanz der Diskriminierung und Rassismus sind Phänomene,


Betroffenenperspektive die in den letzten Jahren verstärkt in das Bewusst-
sein der Mehrheitsgesellschaft gedrungen und
In der Auseinandersetzung mit Antimuslimischem dadurch auch vermehrt Gegenstand öffentlicher
Rassismus (AMR) ist festzustellen, dass in der For- Debatten geworden sind. Nicht nur die gewaltför-
schung und fachöffentlichen Auseinandersetzung migen bis hin zu lebensbedrohlichen Konsequen-
bisher weitestgehend die Verbreitung antimusli- zen von Rassismus erzeugen mittlerweile einen
mischer Einstellungen und deren Manifestation stärkeren gesellschaftlichen Widerhall. Auch all-
in Form antimuslimisch motivierter Straftaten im tagsrassistische Handlungen, Mikroaggressionen51
Mittelpunkt standen. Dagegen liegen noch wenige und strukturelle Diskriminierungsmechanismen
fundierte Kenntnisse darüber vor, wie Betroffene werden von einer zunehmend sensibilisierten
in Deutschland antimuslimische Ressentiments Öffentlichkeit häufiger kritisch wahrgenommen
und Muslimfeindlichkeit erleben und welche Aus- und problematisiert. Diese Entwicklungen sind
wirkungen diese auf ihre Lebensrealitäten haben. maßgeblich auf das langjährige Engagement
betroffener Menschen zurückzuführen, die sich
Gesellschaftliche Ausschlusserfahrungen50 kön- für gerechtere Verhältnisse eingesetzt und damit
nen vielfältige Auswirkungen für Betroffene gesellschaftliche Sensibilisierungsprozesse ange-
haben. Das Vertrauen in die Mehrheitsgesellschaft stoßen haben.
und in öffentliche Institutionen, das gesellschaft-
liche Zugehörigkeitsgefühl und das eigene Sicher- Unter Betroffenen gibt es nicht nur in Bezug auf
heitsempfinden können davon ebenso betroffen unmittelbare Diskriminierungserfahrungen wert-
sein wie das Selbstwertgefühl. Auch ist belegt, volle Kenntnisse; auch hinsichtlich gesellschaft-
dass Abwertungs- und Diskriminierungserfah- licher Ausgrenzungsmechanismen liegen nicht
rungen die psychische und auch die physische selten eine Sensibilität und auch ein tiefgehendes
Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen und zu Verständnis vor, die weit über ein mehrheitsgesell-
Rückzugserscheinungen führen können (vgl. schaftliches (Problem-)Bewusstsein hinausgehen.
Paradies et al. 2015; Sequeira 2015; Yeboah 2017; Der verstärkte Einbezug der Betroffenenperspek-
Scherr/Breit 2020: 59; Madubuko 2021: 81–96). tive in die Auseinandersetzung mit gesellschaft-
Daneben existieren unter Betroffenen aber auch lichen Diskriminierungsverhältnissen wird daher
vielfältige Strategien der Bewältigung und des von verschiedenen Seiten (Selbstorganisationen,
Umgangs mit gesellschaftlichen Ausgrenzungs- Interessenverbänden, zivilgesellschaftlichen Orga-
mechanismen. nisationen, kritischer Migrations- und Rassismus-

50 Gesellschaftliche Ausschluss- und Ausgrenzungsmechanismen bezeichnen strukturelle Formen der Benachteiligung, die zu
Ungleichheit beitragen bzw. diese verfestigen.
51 Der afroamerikanische Psychiater Pierce prägte Anfang der 1970er-Jahre den Begriff „Mikroaggressionen“. Er bezeichnete damit
die regelmäßigen übergriffigen Äußerungen in der alltäglichen Kommunikation von weißen gegenüber Schwarzen Menschen, die
als Angriffe auf die Würde verstanden werden können. Der Psychologe Sue erweiterte das Verständnis und beschrieb drei Kategorien
von Mikroaggressionen: Mikroangriffe als offensichtliche Übergriffe, Mikrobeleidigungen als klar erkennbare Unhöflichkeiten und
Mikroentwürdigungen als Mitteilungen, die abweisend und ausschließend sind (vgl. 2010).
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 103

forschung u. a.) bereits länger gefordert (vgl. exem- konkreten Rassismuserfahrungen weg auf die
plarisch Baumann/Egenberger/Supik 2018: 108). Vorstellung, beschuldigt zu werden. Rassismus
selbst erscheint dabei irreal und wird zu einer
Wenn soziale Ungleichbehandlung gesellschaft- Bezeichnung für stets unberechtigte Vorwürfe.“
lich tradiert ist, sich in Diskursen und Strukturen (Messerschmidt 2010: 42)
widerspiegelt und somit eine Art gelebte Normali-
tät darstellt, entsteht ein System sich gegenseitig Solche Umkehrungen können so weit gehen,
stützender Wissensbestände und diskriminieren- dass Prozesse sozialer Grenzziehungen und Aus-
der Praxis (vgl. Terkessidis 2004: 100–109). Ein sol- schlüsse mit rassistischen Pauschalzuschreibungen
ches System infrage zu stellen, ist herausfordernd. begründet werden und dadurch legitim oder gar
Bei Rassismus kommt erschwerend hinzu, dass der notwendig erscheinen. In Bezug auf Muslim*innen
Begriff vornehmlich mit rechter Gewalt assoziiert werden etwa mit der Unterstellung von Gewalt-
wird. Es fehlt das Verständnis, dass Rassismus eine affinität, mangelnder Toleranz und der generellen
in die Gesellschaft eingelassene und weitgehend Unterdrückung von Frauen gesonderte Maßnah-
akzeptierte Grundlage für die Benachteiligung von men zur Wahrung von Sicherheit, Neutralität und
Menschen ist, die als anders und fremd klassifiziert Geschlechtergerechtigkeit begründet. Durch die
werden (vgl. Balibar 1992). Trotz eines einsetzen- weite Verbreitung und hohe Zustimmung zu anti-
den gesellschaftlichen Bewusstseins für Rassismus muslimischen Ressentiments werden zudem dis-
besteht daher weiterhin eine gewisse „Schwierig- kriminierende Maßnahmen gegen Muslim*innen
keit, über Rassismus zu sprechen“ (Mecheril/Melter und ihre religiöse Praxis gesellschaftlich weniger
2010: 162). Paradoxerweise gehen mit der Themati- angezweifelt und verhältnismäßig offen kommu-
sierung konkreter Rassismuserfahrungen oder ent- niziert (vgl. hierzu auch Kapitel ↗ 3 und ↗ 7).
sprechender gesellschaftlicher Probleme vielfach
eine Reaktion der Betroffenheit durch Angehörige Vor diesem Hintergrund erscheint es wichtig, ver-
der Mehrheitsgesellschaft und ein Muster sozia- mehrt Erfahrungswissen betroffener Personen-
ler Abwehr einher.52 Rassismus thematisierenden gruppen in die Forschung und Wissensproduktion
Personen wird etwa mangelnde Sachlichkeit, über- einzubeziehen.54 Gerade für die gesellschaftspoliti-
zogene Moralisierung, Polemik und eine dadurch sche Auseinandersetzung mit Diskriminierung und
verzerrte und unglaubwürdige Wahrnehmung die Entwicklung von Antidiskriminierungsstrate-
unterstellt.53 gien und Präventionskonzepten ist Forschung, die
die Betroffenenperspektive eruiert und sichtbar
„Nach dem Muster einer Opfer-Täter-Umkehr macht, von zentraler Bedeutung (vgl. El-Mafaalani/
verlagert sich die Aufmerksamkeit von den Waleciak/Weitzel 2020: 174).

52 Zur Beschreibung struktureller Diskriminierungen durch dominante kulturelle Normen hat Rommelspacher den Begriff der
„Dominanzkultur“ (1995) entwickelt. Er verdeutlicht, dass sich Ausgrenzungen nicht durch kulturelle Verunsicherungen der Mehrheits­
gesellschaft erklären und dass auch die hier beschriebenen Mechanismen der Abwehr Teil der Aufrechterhaltung von Dominanz sind.
53 Diese Muster lassen sich auch in anderen Diskriminierungsformen wie Sexismus im Hinblick auf sexualisierte Gewalt (s. Metzner
2018) oder auch im Antisemitismus beobachten: Im Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus äußerten viele
Interviewpartner*innen die Ansicht, „dass ihre Meinungen über jüdische Themen oft als nicht ‚objektiv‘ gesehen und somit als zu
einseitig diskreditiert werden“ (2018: 98).
54 Welche schwerwiegenden Konsequenzen der Ausschluss von Erfahrungswissen Betroffener nach sich ziehen kann, demonstriert
auf besonders tragische Weise der Umgang von Sicherheitsbehörden mit der rassistisch motivierten Mordserie des sogenannten
Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Bereits 2006, also fünf Jahre vor der sogenannten Selbstenttarnung des NSU, formierten sich
Angehörige der Opferfamilien, ordneten die Taten in einen rechtsextremen Zusammenhang und demonstrierten gemeinsam mit ca. 4.000
überwiegend migrantischen Personen in Kassel unter dem Motto „Kein 10. Opfer“ (Güleç/Schaffner 2017: 63). Die Proteste fanden kaum
mediale Beachtung. Ihre Forderungen, in Richtung rechtsextremer Tatmotive zu ermitteln, wurden ignoriert. Stattdessen fokussierten sich
die behördlichen Ermittlungen weiter auf die Opfer und Angehörigen selbst, was zu deren Kriminalisierung und Stigmatisierung führte.
104 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

5.2 Studien zu Diskrimi­ Wahrnehmung bei Menschen unterschiedlich


nierungs­erfahrungen ausfällt. Sie können etwa situativ eine Diskri-
minierung wahrnehmen, obwohl sie nicht vor-
und Herausforderungen gelegen haben muss. Ebenso kann aber auch
bei ihrer Erfassung eine faktisch diskriminierende Situation für die
betroffene Person selbst nicht ersichtlich sein (vgl.
„Als Diskriminierungen gelten gewöhnlich Äuße- Sauer 2009: 146–147). Daneben sind für die Wahr-
rungen und Handlungen, die sich in herabsetzen- nehmung von Diskriminierung insbesondere der
der oder benachteiligender Absicht gegen Angehö- Grad an Sensibilität und auch der individuelle
rige bestimmter sozialer Gruppen richten“ (Hormel/ Anspruch auf Gleichbehandlung bedeutsam. Mit
Scherr 2010: 7). In Bezug auf die Erfassung von einem besser ausgebildeten Sensorium und einer
Muslimfeindlichkeit bzw. AMR bestehen verschie- höheren Anspruchshaltung steigt die Diskrimi-
dene Herausforderungen. Zwar können durch nierungswahrnehmung. Darüber hinaus sind
qualitative und quantitative Studien Indizien und auch die durch Lebensführung und -umstände
Beweise erlebter Benachteiligungen gefunden beeinflussten sozialen Rahmenbedingungen
werden. Allerdings kann nicht immer eindeutig für den Umfang von Diskriminierungserleben
nachvollzogen oder belegt werden, worin die Dis- bedeutsam. Durch vermehrte Gelegenheitsstruk-
kriminierungserfahrungen im Einzelnen begrün- turen für Diskriminierungserleben steigt tenden-
det sind. Menschen können in verschiedenen ziell auch der Umfang erlebter Diskriminierung
Dimensionen ihrer Identität von Diskriminierung (vgl. ebd.). Zusammenfassend kann festgestellt
betroffen sein und auch Mehrfachdiskriminie- werden, dass der subjektive Erfahrungshorizont in
rungen erfahren, z. B. als Muslim*in, Migrant*in Bezug auf Diskriminierung durchaus weit ist und
und als Frau (Intersektionalität). Zudem verän- Diskriminierung von Betroffenen sowohl über-
dern sich rassistische Diskurse fortwährend und als auch unterschätzt werden kann (vgl. Peucker
analog zu ihren Konjunkturen55 verändern sich 2010: 32). Erhebungen in Bezug auf Diskriminie-
auch die rassistischen Fremdzuschreibungen und rungserleben stellen somit keinen zuverlässigen
Ausgrenzungspraxen (vgl. Demirovic/Bojadzijev Indikator für das tatsächliche Ausmaß von gesell-
2002). Abwertungen und Diskriminierung können schaftlicher Diskriminierung zur Verfügung. Die
sich somit unmittelbar gegen das Muslimischsein Untersuchungen bilden aber wichtige Näherungs-
von Muslim*innen richten, genauso aber auch werte und können verschiedene Anhaltspunkte
auf ethnisch-kulturelle Zuschreibungen zurück- für gesellschaftliche Schieflagen und Missstände
geführt werden. Entsprechend gibt es Studien, die geben. So können etwa ausgehend von der sub-
beispielsweise die Diskriminierungserfahrungen jektiven Wahrnehmung Rückschlüsse auf sensible
von Türk*innen oder geflüchteten Menschen Lebensbereiche, gesellschaftliche Entwicklungen,
untersuchen, dabei aber auch die Diskriminie- den Einfluss verschiedener Faktoren oder auch auf
rungserfahrungen durch AMR (mit-)erheben (u. a. Reaktionsmuster von Betroffenen gewonnen wer-
Uslucan 2017). den. „Gesellschaft wird in vielerlei Hinsicht geprägt
durch die Wahrnehmung ihrer Mitglieder. Wenn
Eine weitere Herausforderung bei der Erfassung Menschen sich diskriminiert fühlen, hat dies
von Diskriminierung besteht darin, dass ihre Folgen“ (Baumann/Egenberger/Supik 2018: 65).

55 Rassismus unterliegt fortwährenden Wandlungs- und Anpassungsprozessen. So hat sich etwa in der jüngeren Vergangenheit ein
kultur- und religionsorientiertes Sprechen über rassistisch als anders markierte Gruppen herausgebildet – auch in Bezug auf Muslim*innen
(vgl. etwa Mecheril/Melter 2010: 153; Attia/Keskinkılıç 2016). Die Wandel- und Übertragbarkeit rassistischer Zuschreibungspraxen zeigt
sich auch andernorts. So galten etwa in der BRD noch in den 1960er-Jahren junge italienische Männer als gefährliche ‚Messerstecher‘.
In den vergangenen Jahrzehnten verschob und übertrug sich dieses Bild zunächst auf Türken und später auf Araber bzw. Nordafrikaner.
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 105

Im Folgenden wird vornehmlich auf Studien nannte die Kleidung als Grund für Diskriminie-
Bezug genommen, die explizit Diskriminierungs- rung bei der Arbeitssuche (vgl. ebd.: 14). Zudem
erfahrungen von Menschen untersuchen, die wurde etwa jede dritte Muslimin (31 %), die in
in ihrer muslimischen Identität (mit-)adressiert der Öffentlichkeit ein Kopftuch trug, aufgrund
werden. ihrer ethnischen Herkunft bzw. ihres Migrations-
hintergrunds belästigt. In den zwölf Monaten vor
5.2.1 Quantitative Studien der Erhebung wurden 16 Prozent der befragten
Muslim*innen von der Polizei kontrolliert, wobei
Zu den größten bisher vorliegenden Studien, 42 Prozent der Betroffenen annehmen, dass dies
die das Ausmaß der erlebten Diskriminierungen auf ihre ethnische Herkunft zurückzuführen sei
umreißen, zählt die von der Agentur der Euro- (vgl. ebd.: 17). Weniger als ein Viertel der Befrag-
päischen Union für Grundrechte durchgeführte ten (23 %) brachte erfahrene körperliche Über-
Erhebung zu Minderheiten und Diskriminierung griffe bei der Polizei oder einer anderen Organi­
aus dem Jahr 2018 (EU-MIDIS II, vgl. FRA 2018). sation zur Anzeige. Von den Vorfällen, die von
Dabei wurden auch die Erfahrungen von über Polizeibediensteten ausgingen, wurden 70 Prozent
10.500 muslimischen Zuwander*innen sowie nicht gemeldet. Als Hauptgrund, warum Diskri-
deren Nachkommen in 15 EU-Mitgliedstaaten minierungsvorfälle nicht gemeldet wurden, gaben
gesondert ausgewertet. Die Ergebnisse der Studie die muslimischen Befragten an, dass eine Anzeige
zeigen, dass Muslim*innen insbesondere auf- ohnehin nichts bewirken oder ändern würde
grund ihres Namens, ihrer Hautfarbe und ihres (47 %; vgl. ebd.: 16).
Erscheinungsbilds Diskriminierungen erfahren.
Mehr als die Hälfte der muslimischen Befragten Auch andere, deutschlandspezifische Unter-
(53 %), die auf Wohnungssuche waren, und etwas suchungen zeigen ein hohes Maß an Diskrimi-
weniger als die Hälfte (44 %) derjenigen, die auf nierungserfahrungen bei Muslim*innen. Eine
Arbeitssuche waren, gaben an, dass sie aufgrund Analyse des Sachverständigenrats deutscher
ihres Vor- oder Nachnamens diskriminiert wur- Stiftungen für Integration und Migration zu Dis-
den (vgl. ebd.: 14). 39 Prozent fühlten sich inner- kriminierungserfahrungen von Menschen mit
halb der fünf Jahre vor der Erhebung aufgrund Migrationshintergrund belegt etwa, dass Mus-
ihrer ethnischen Herkunft bzw. ihres Migrations- lim*innen deutlich häufiger Diskriminierungser-
hintergrunds in Bereichen des täglichen Lebens fahrungen machen (55 %) als Christ*innen (29 %)
diskriminiert (vgl. ebd.: 13). Mehr als ein Viertel oder Menschen ohne Religionszugehörigkeit
(27 %) der muslimischen Befragten gaben an, (32 %; vgl. 2018: 4).
aufgrund ihrer ethnischen Herkunft bzw. ihres
Migrationshintergrunds in den zwölf Monaten Das Zentrum für Türkeistudien erhebt in seinen
vor der Erhebung hassmotiviert belästigt worden regelmäßigen Befragungen unter türkeistäm-
zu sein. Dabei sind die Erfahrungen bei Befrag- migen Menschen in Nordrhein-Westfalen auch
ten der zweiten Generation (36 %) noch einmal Diskriminierungserfahrungen. Auffällig ist hier,
gravierender als bei denen der ersten Generation dass bei ihnen, von denen viele als Muslim*innen
(22 %; vgl. ebd.: 15). In den fünf Jahren vor der wahrgenommen werden, insbesondere 2010 zur
Erhebung haben 17 Prozent der muslimischen „Hochphase der Sarrazin-Debatte“ (Uslucan 2017:
Befragten konkrete Diskriminierungen aufgrund 136) die Höchstwerte an Diskriminierungserfah-
ihrer Religion erfahren. Auch in dieser Hinsicht rungen (81 %) ermittelt wurden. Über die Jahre
sind die Werte bei der zweiten Generation höher verzeichnet die Studie einen Rückgang; dabei
als bei der ersten Generation (22 % bzw. 15 %; vgl. zeigt sich wie in der EU-MIDIS II, dass die erste
ebd.: 14). Etwa jede dritte muslimische Frau (35 %) Generation sich seltener diskriminiert fühlt als
106 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

die folgenden. Besonders häufig werden Diskri- limischen Identität der vormals als Türk*innen,
minierungserfahrungen bei der Wohnungssuche, Geflüchtete o. ä. wahrgenommenen Menschen
in der Schule und auf der Arbeit benannt. schlägt sich auch in der qualitativen Forschung
nieder. Hier sind in den letzten Jahren einige
Hohe Werte hinsichtlich der Benachteiligung Studien57 erschienen, die sich unter Einbezug der
bei der Arbeitssuche bestätigt auch eine Studie Betroffenenperspektive mit Rassismus- und Dis-
des Wissenschaftszentrums Berlin von 2018, die kriminierungserfahrungen von Muslim*innen
zu dem Ergebnis kam, dass muslimische Bewer- sowie mit Umgangsstrategien von Betroffenen
ber*innen mit Migrationshintergrund weit befassen. Sie bieten vertiefende Erkenntnisse
weniger positive Rückmeldungen bei der Arbeits- über erlebte Ausschluss- und Diskriminierungs-
platzsuche bekommen als solche ohne Migrations- erfahrungen von Muslim*innen in verschiedenen
hintergrund, aber auch weniger als Bewerber*in- gesellschaftlichen Bereichen und institutionellen
nen mit einem in West-, Südeuropa oder Ostasien Kontexten sowie über besondere Problemlagen.
zu verortenden Migrationshintergrund (vgl.
Koopmans/Veit/Yemane 2018: 23–24). Betroffen Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
sind vor allem Frauen mit Kopftuch. Das For- die befragten Muslim*innen vielfältige Stigma-
schungsinstitut zur Zukunft der Arbeit fand 2016 tisierungs- und Diskriminierungserfahrungen
in einer Studie heraus, dass sich kopftuchtragende machen. Dass „Diskriminierungserfahrungen
Musliminnen mit türkischem Namen viermal nicht zusammenhanglose biographische Erleb-
so oft bewerben müssen wie gleichqualifizierte nisse sind, die sich temporär eingrenzen lassen“
Bewerberinnen ohne Kopftuch und mit deutschem (Logeswaran 2022: 140), zeigt sich insbesondere
Namen, um zu einem Bewerbungsgespräch ein- in den Schilderungen über wiederkehrend
geladen zu werden (vgl. Weichselbaumer 2016: 12). erfahrene negativ-pauschale Zuschreibungen.
Auch in einer von der Antidiskriminierungsstelle Sie führen nicht nur zu Ausgrenzungserfahrungen,
des Bundes in Auftrag gegebenen Studie berichten sondern auch zu sehr konkreten Benachteili-
insbesondere kopftuchtragende Frauen davon, gungen. Beschrieben werden diese in verschie-
dass sie aufgrund von Diskriminierung nicht ein- denen gesellschaftlichen Bereichen, insbeson-
gestellt worden seien (vgl. Beigang et al. 2017: 167). dere aber an Orten, an denen es zu verstärkter
Eine Studie des Bundesamts für Migration und gesellschaft­licher Interaktion kommt. Dazu
Flüchtlinge kommt zu dem Schluss, dass Frauen zählt ganz allgemein der öffentliche Raum, aber
mit Kopftuch in allen abgefragten Bereichen56 häu- auch das Bildungssystem und das Berufsleben.
figer benachteiligt werden als Frauen ohne Kopf- Ersichtlich wird auch, dass die erlebten Diskri-
tuch und Männer (vgl. Schührer 2018: 50). minierungen mitunter sehr belastend auf die
Personen wirken. Besonders in asymmetrischen
5.2.2 Qualitative Studien Machtverhältnissen, wie sie etwa in der Schule
zwischen Lehrkräften und Schüler*innen vor-
Mit dem zunehmenden Negativbild des Islams als herrschen, werden negative Zuschreibungen
‚das Andere‘ der ‚westlichen Zivilisation‘ geht eine und Diskriminierungserfahrungen als besonders
regelrechte „Muslimisierung der Muslime“ (vgl. verletzend empfunden (vgl. Unterkapitel ↗ 6.3).
Amirpur 2011) einher. Die Entdeckung der mus- Ersichtlich wird, dass Autoritäten, die im Rah-

56 Es wurden die Bereiche „Im Alltag“, „In Ämtern und Behörden“, „Auf dem Arbeitsmarkt“ sowie „Bei der Wohnungssuche“ abgefragt.
57 Eine differenzierte Bezugnahme auf die vorliegenden qualitativen Studien würde den Rahmen dieses Berichts überschreiten.
In der Zusammenfassung wird auf folgende Studien Bezug genommen: Attia/Keskinkılıç/Okcu 2021; Becker et al. 2018; Bostancı/Biel/
Neuhauser 2022; DeZIM 2022; Fereidooni 2016; Jenichen 2018; Jukschat/Lehmann 2020; Karakayali/zur Nieden 2019; Konz/Schröter 2022;
Mühe 2019; Scharathow 2014; Soliman 2019; Spielhaus 2011; Stošić/Rensch 2020; Willems 2015; Yurdakul/Hassoun/Taymoorzadeh 2018.
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 107

men eines institutionellen Auftrags agieren, eine 5.3 UEM-Hearing Betroffenen­


besondere Verantwortung tragen (vgl. Scherr/ perspektive: Beratungs­
Breit 2020: 231–232).
stellen, Jugendverbände,
Aus den Erhebungen wird zudem deutlich, dass muslimische Verbände
sich die befragten Personen geschlechtsspezi-
fischen rassistischen Zuschreibungen ausge- In den letzten Jahren haben sich einzelne zivil-
setzt sehen. Muslimische Mädchen und Frauen gesellschaftliche Organisationen verstärkt im
beschreiben, dass sie nicht als selbstbestimmt Bereich AMR engagiert. Als Fach- und Beratungs-
wahrgenommen werden. Dies gilt insbesondere stellen unterstützen sie entweder gezielt Diskri-
für kopftuchtragende Frauen, denen gegenüber minierung erfahrende Muslim*innen oder weisen
rassistische Äußerungen z. T. offen vorgetragen große Schnittmengen zu dieser Betroffenen­gruppe
werden. Jungen und Männer sehen sich hingegen auf. Dadurch besitzen sie wertvolle fachliche
tendenziell eher Zuschreibungen von Aggressivi- Einblicke in gesellschaftliche Teilsysteme und
tät und Gewalt ausgesetzt. Kenntnisse über Erscheinungsformen von AMR.
Diese Organisationen leisten z. T. Pionierarbeit
Dschihadistisch-terroristische Anschläge werden und verfügen über eine wichtige Expertise im
als eine Art Katalysator für AMR beschrieben. In Feld. Um die Diskriminierungserfahrungen von
deren Folge sehen sich Muslim*innen vermehrt Muslim*innen besser erfassen zu können, hat der
mit einer Wahrnehmung konfrontiert, die sie als UEM mit Vertreter*innen der entsprechenden
potenziell gefährlich einordnet, sodass sie einem Fach- und Beratungsstellen zwei Hearings durch-
Rechtfertigungsdruck unterliegen. geführt. Darüber hinaus wurde ein Hearing mit
Vertreter*innen islamischer Verbände umgesetzt.59
Aus den Untersuchungen lässt sich schließen, dass Sie haben eine Multiplikator*innenfunktion
den Betroffenen der Umgang mit rassistischen und können von Erfahrungen aus muslimischen
Erlebnissen leichter fällt, wenn ihnen stärkende Gemeinden berichten. Die Ergebnisse der Hea-
Ressourcen wie etwa soziale Netzwerke, gesell- rings mit Vertreter*innen von insgesamt 19 Orga-
schaftlicher Status, Bildung, Wissen über Rassis- nisationen sind nicht repräsentativ. In den Hea-
mus oder ein positives Selbstwertgefühl zur Ver- rings wurde zudem explizit nach verschiedenen
fügung stehen. Festzustellen ist zudem, dass die Facetten von Muslimfeindlichkeit gefragt, sodass
wiederkehrenden Abwertungs- und Ausschlusser- der Schwerpunkt der nachfolgend zusammenge-
fahrungen bei den Diskriminierung erfahrenden fassten Ergebnisse auf gesellschaftlichen Heraus-
Personen teilweise zu Re-Ethnisierungstenden- forderungen liegt. Der auf diese Weise vertiefte
zen58 führen. Einblick wird als wertvolle Ergänzung verstanden.
Die Ergebnisse werden im Folgenden entlang der
Befragungsstruktur und der identifizierten Berei-
che wiedergegeben.

58 Wiederholte Diskriminierungserfahrungen können dazu führen, dass die Nachfahr*innen von Einwander*innen sich stärker mit
dem Herkunftsland oder der Religion ihrer Vorfahr*innen identifizieren als die erste Generation. Diese Prozesse des Rückzugs unter
möglicherweise desintegrativ wirkender Belebung herkunftsbezogener Charakteristika oder Handlungsweisen im Alltag werden als
„Re-Ethnisierung“ beschrieben.
59 Liste der muslimischen Verbände, Beratungsstellen und Jugendverbände des Hearings Betroffenenperspektive siehe
↗ Externe Expertisen
108 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

5.3.1 Dimensionen von vermeintliche Repräsentant*innen des Islams


Antimuslimischem Rassismus oder der Muslim*innen allgemein angesprochen
und genötigt werden, stellvertretend Auskunft
Die Vertreter*innen der Organisationen und zu erteilen und dabei auch Privates preiszugeben.
Fachstellen berichten von einem hohen Maß an Um sprachfähig zu sein und erlebten Abwertun-
Rassismuserfahrungen unter Muslim*innen. gen etwas entgegensetzen zu können, sehen sich
Das Spektrum reicht dabei von alltagsweltlichen viele Schüler*innen gezwungen, sich intensiver
Mikroaggressionen und verbalen Übergriffen bis mit dem Islam auseinanderzusetzen.
hin zu tätlichen Angriffen. Neben dem öffentlichen
Alltagsleben (Straße, öffentliche Verkehrsmittel, Ein weiterer Kontext, in dem vielfach Diskrimi-
Einkaufsläden, Parkplätze etc.) finden Kontexte nierungserfahrungen gemacht würden, sei das
besondere Erwähnung, in denen sich die Betrof- Arbeitsleben, wo Muslim*innen abwertende Aus-
fenen in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden, sagen entgegengebracht werden. Bei Bewerbungs-
wie Schule, der Arbeits- und Wohnungsmarkt gesprächen würden Betroffene offen gefragt, ob
oder der Gesundheitsbereich. sie bereit seien, im Arbeitskontext auf das Tragen
eines Kopftuchs oder das Türkisch- bzw. Arabisch-
Die verzeichneten Beratungs- und Diskriminie- sprechen zu verzichten.
rungsfälle an Schulen umfassen alle Facetten von
AMR (vgl. Unterkapitel ↗ 6.3). Die Mehrzahl der „Vor allem sehen sich Betroffene dazu gezwungen,
Beschwerden gehe auf das Verhalten von Lehr- gut abzuwägen, ob sie bei einer Klage negative
kräften zurück. Es wird vermutet, dass an Schulen Konsequenzen an ihrem Arbeitsplatz oder in
die Sichtbarkeit einer muslimischen Identität von ihrer Schullaufbahn befürchten müssen.“
Schüler*innen sowie Lehrer*innen tendenziell (Orgun Özcan, FAIR international – Federation
als Bedrohung des Schulfriedens wahrgenommen against Injustice and Racism)
werde und daher eher unerwünscht sei.
Nach dem Dafürhalten der befragten Vertreter*in-
„Aus den ADAS-Daten wird eine herausstechende nen von Verbänden und Beratungsstellen wollen
Relevanz von Diskriminierung, die von Lehr- viele Vermieter*innen keine muslimischen Mie-
kräften ausgeht, deutlich: 2021 waren bei 96 % ter*innen. Auf der Wohnungssuche reiche häufig
der gemeldeten Diskriminierungsfälle Schüler*in- bereits die Nennung des Namens für eine Absage.
nen die Opfer. In weit über der Hälfte der Fälle, Auch städtische Wohnungsgesellschaften achte-
nämlich 72,5 %, ging dabei die Diskriminierung ten darauf, dass nicht zu viele Migrant*innen oder
von der Schule selbst und hier im Wesentlichen Muslim*innen in einem Objekt unterkämen.
von den Lehrkräften aus.“ (Aliyeh Yegane Arani,
Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Das Gesundheitswesen wird als weiterer Bereich
Schulen (ADAS) bei LIFE – Bildung, Umwelt, benannt, in dem Diskriminierungen von Mus-
Chancengleichheit) 60 lim*innen registriert werden. Bei ärztlichen
Behandlungen werden regelmäßig nicht-behand-
Auch FAIR international – Federation against lungsrelevante, diskriminierende Fragen gestellt.
Injustice and Racism verzeichnet die meisten Berichtet wird auch davon, dass Patient*innen
Beschwerden aus dem schulischen Bereich. Sie sich bisweilen nicht von als muslimisch wahrge-
berichten davon, dass Schüler*innen vielfach als nommenen Ärzt*innen behandeln lassen wollen.

60 Vgl. auch die ADAS-Studie (2021): „Religion und Glauben an der Schule. Diskriminierungserfahrungen muslimischer Jugendlicher
in Berliner Schulen“.
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 109

„Ein Arzt bekommt von seiner Patientin zu Berichtet wird, dass repräsentative Orte für mus-
hören, ‚ich lasse mich doch nicht von einem limisches Leben eine besondere Angriffsfläche
Nafri schänden‘.“ (Engin Karahan, Mosaik darstellen. So gibt es wiederkehrende Angriffe auf
Deutschland) Moscheen. Die Kriminalitätsstatistik verzeichnet
jährlich etwa 100 Angriffe (s. Unterkapitel ↗ 3.2.2).
Kritisiert wird insbesondere die fatale Wirkung Die Häufigkeit von Übergriffen und die geringe
antimuslimischer gesellschaftlicher Diskurse. Bedeutung, die ihnen vonseiten der Mehrheits­
Politik und Medien schaffen laut den Interview- gesellschaft beigemessen wird, führt laut Zekeriya
ten pauschalisierende Bilder rückständiger, anti- Altuğ von der DITIB auch bei den Betroffenen zu
semitischer, sexistischer und queer-feindlicher Resignationserscheinungen, sodass bei weniger
Muslim*innen. Damit tragen die Institutionen drastischen Übergriffen kaum mehr Strafanzeigen
zu einer ausgrenzenden gesellschaftlichen Kultur gestellt würden.
gegenüber Muslim*innen bei.
„Seit 2015 analysiert die DITIB Moscheeangriffe
„Muslim*innen sowie muslimisch wahr- und stellt dabei fest, dass eine eindeutige Korre-
genommene Personen werden weiterhin als lation zwischen negativer Berichterstattung und
homogene Masse verstanden – also der Islam, Moscheeübergriffen besteht. Etwa zwei Wochen
der Muslim, die kopftuchtragende Frau – und nach einem negativen Medienecho über ein
dadurch mit Fremdzuschreibungen und Vor- konkretes Ereignis oder eine Diskussion über
urteilen definiert, was zu einem defizitären Muslim*innen steigen die Fallzahlen deutlich
Weltbild auf muslimische Menschen führt.“ an“. (Zekeriya Altuğ, DITIB)
(Djalila Boukhari, Fachstelle #MehralsQueer)
Eine massive Misstrauens- und Rechtfertigungs-
Ein undifferenzierter und in Teilen verallgemei- kultur wird in Bezug auf muslimische Organi-
nernd diskreditierender Sprachgebrauch, etwa bei sationen beklagt. Sobald sie gleichberechtigte
Aussagen politischer Spitzenpolitiker*innen, bei Teilhabe einfordern, steht wiederkehrend die
Pressemitteilungen der Polizeien oder in Landes- Frage im Raum, wie es bei ihnen um die freiheit-
verfassungsschutzberichten, schlägt sich gemäß lich-demokratischen Werte bestellt sei.
dem Hearing auch in praktischen Ausgrenzungen
und gesetzgeberischen Grenzziehungen gegen- „Muslimischen Jugendlichen, die sich organisiert
über Muslim*innen nieder, beispielsweise bei der engagieren möchten, wird die Teilhabe unver-
Novellierung des Gesetzes zum Erscheinungsbild hältnismäßig erschwert. Wir müssen den poli­
von Beamt*innen. Der Umgang mit dem NSU- tischen Diskurs verändern, um muslimische
Komplex, dem rassistischen Anschlag in Hanau Organisationen und Akteur*innen eine faire
und rechtsextremen Chats innerhalb der Polizei Chance zu geben, sich einbringen zu können.“
hätten zudem das Vertrauen in staatliche Stellen (Kofi OheneDokyi, Regionale Arbeitsstellen für
massiv beeinträchtigt. Berichtet wird auch vom Bildung, Integration und Demokratie)
hohen Ausmaß an Anfeindungen in sozialen
Netzwerken, die bisweilen sogar zum Rückzug Als gravierend wurde im Rahmen des Hearings
und der Aufgabe von Social-Media-Accounts die Situation muslimischer Frauen mit Kopftuch
geführt haben. beschrieben. Sie seien verstärkt muslimfeindlicher
Gewalt ausgesetzt und ihnen gegenüber sei die
Hemmschwelle besonders gering:
110 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

„Für kopftuchtragende Frauen ist es Alltag, dass der Gesellschaft so normal geworden, dass diese
sie im öffentlichen Raum angegriffen werden.“ ihn gar nicht wahrnimmt.
(Lydia Nofal, Aktionsbündnis muslimischer
Frauen in Deutschland) Die Vertreter*innen der Fach- und Beratungsstel-
len und Verbände beobachten allesamt erhebliche
Berichtet wird zudem, dass viele Frauen Über- Verschiebungen der Grenzen des Sagbaren und
griffe und Beleidigungen nicht zur Anzeige eine zunehmend unverhohlen aggressive Artiku-
bringen, sodass von einer hohen Dunkelziffer lation von antimuslimischen Ressentiments im
ausgegangen wird (vgl. Die Beauftragte der öffentlichen Raum. Auch die Hemmschwelle für
Bundesregierung für Antirassismus 2023). verbale und physische Übergriffe ist gesunken.
Dies führe zu einer Beeinträchtigung des Sicher-
Eine potenzierte Gewalt könne immer dann heitsgefühls vieler Muslim*innen und schränke
auftreten, wenn Ungleichheitsverhältnisse ver- dadurch die Bewegungsfreiheit der Betroffenen
schränkt auftreten. Neben kopftuchtragenden im öffentlichen Raum ein.
Frauen wird auf die besondere Situation musli-
mischer und als muslimisch wahrgenommener „Antimuslimischer Rassismus ist in den letzten
queerer Geflüchteter verwiesen. Muslimisch Jahren hemmungsloser und stärker geworden“.
und queer zu sein, wird oftmals als Widerspruch (Dennis Kirschbaum, JUMA)
wahrgenommen. Das führt laut den Hearingteil-
nehmer*innen etwa dazu, dass schwule Männer Eine merkliche Diskursverschiebung und damit
im Asylverfahren demütigenden Prozessen aus- auch Verschlechterung der Situation für Mus-
gesetzt sind, sich fremdouten lassen oder Sexual- lim*innen wird durch den Einzug der AfD in den
techniken erläutern müssen. In der LGBTQIA+- Bundestag gesehen (vgl. Kapitel ↗ 8). Durch eine
Szene wird ihnen mitunter zu verstehen gegeben, strategisch inszenierte Haltung („Das wird man
dass sie dort nichts zu suchen hätten: wohl noch sagen dürfen“) werde bisher unter-
schwelliger Rassismus nun deutlicher formuliert.
„Queere Muslim*innen werden fremd definiert,
exotisiert und angefeindet. Ihre Identitäten Berichtet wird von einer Zunahme an Bedrohun-
werden ihnen aberkannt, sie werden unsichtbar gen von Moscheen. Einige Gemeinden hätten aus
gemacht und ihre Mehrdimensionalität wird Angst vor Angriffen ihre Sichtbarkeit nach außen
ihnen abgesprochen.“ (Djalila Boukhari, Fach- reduziert.
stelle #MehralsQueer)
Beobachtet wird eine gewisse Normalität von
5.3.2 Veränderungen des Ausmaßes antimuslimischen Vorurteilsstrukturen in Teilen
und der Erscheinungsformen von der Gesellschaft. Wenn sich solche Ressentiments
Antimuslimischem Rassismus ungehindert artikulieren und wechselseitig beför-
dern können, besteht laut den Expert*innen die
In Bezug auf gesellschaftliche Veränderungen Gefahr, dass Muslimfeindlichkeit vermehrt Raum
im Ausmaß und den Erscheinungsformen von erhält.
Muslimfeindlichkeit äußerten sich die Hearing-
teilnehmer*innen besorgt. Sie machen eine „Statt Aufklärung, wie bei anderen Diskrimi­
gesellschaftliche Grenzverschiebung aus, in der nierungsfällen, erleben wir bei der Thematisie-
Tabus gefallen und damit auch Hemmschwellen rung von antimuslimischem Rassismus zu oft
für Angriffe gesunken sind. AMR sei in Teilen einen Sturm der Entrüstung, auch bei rechtlich
eindeutigen Fällen. Von vielen Verantwortlichen
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 111

wird er nicht wahrgenommen bzw. als Normali- grenzungserfahrungen und ein stetig an sie heran­
tät verteidigt.“ (Aliyeh Yegane Arani, ADAS bei getragenes Denken in ‚Wir–Sie‘-Gegensätzen
LIFE – Bildung, Umwelt, Chancengleichheit) werden von Muslim*innen teilweise internalisiert.
Daher muss nicht nur AMR bekämpft, sondern
Zu bedenken wird gegeben, dass mittlerweile eine auch den Rückzugs- und Entfremdungstendenzen
ganze Generation heranwächst, für die es Nor- in muslimischen Communitys etwas entgegen-
malität ist, dass über sie und den Islam abschätzig gesetzt werden.
gesprochen wird. In diesem gesellschaftlichen
Kontext sei es schwierig, ein Unrechtsbewusstsein „Die jungen Menschen in der Vereinsarbeit sind
auszubilden. Betroffene benötigten Sensibilisie- überlastet. Selbst bei einigen sehr engagierten
rungsmaßnahmen, um ein Bewusstsein für die Mulitplikator*innen und sogenannten Change-
Unrechtmäßigkeit ihrer Abwertungs- und Aus- makern entsteht manchmal ein Gefühl, ohnehin
grenzungserlebnisse zu schaffen. nichts ändern zu können.“ (Kofi Ohene-Dokyi,
Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration
Positiv hervorgehoben wird eine einsetzende und Demokratie)
gesellschaftliche Sensibilisierung gegenüber AMR.
Immer mehr Menschen sind aufgeschreckt und Beobachtet wird zugleich ein einsetzender
setzen sich mit Muslimfeindlichkeit auseinander. Bewusstseinswandel bei Muslim*innen. Gerade
Mit dem zunehmenden Engagement dagegen ist gesellschaftspolitisch engagierte Personen spre-
laut dem Hearing aber auch eine Mobilisierung chen gemäß den Expert*innen AMR offener an
rechter Gegenkräfte zu verzeichnen. Die Gesell- und gehen in der Öffentlichkeit vermehrt dage-
schaft befindet sich diesbezüglich in einem Span- gen vor. Mit ihrem Engagement erzeugen sie ein
nungsverhältnis. stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für AMR
und nehmen eine Vorbildfunktion ein. Um Dis-
5.3.3 Umgang mit Antimuslimischem kriminierungsmechanismen und Rassismuserfah-
Rassismus rungen besser verstehen zu können, braucht es laut
dem Hearing auch einen Deutungsrahmen und
AMR stellt für Muslim*innen eine Herausfor- eine Sprechfähigkeit der Menschen zu dem Thema.
derung dar, zu der sie sich häufig in irgendeiner Hier setzen vermehrt zivilgesellschaftliche
Weise zu verhalten genötigt sehen. Im Hearing Organisationen an. Neben geleisteter Sensibili-
wurden Umgangsstrategien geschildert, die nach- sierungsarbeit wird auch über die gesetzlichen
folgend skizziert werden. Rechte der Menschen aufgeklärt. Gerade bei
Jugendlichen gibt es ein gewachsenes Selbst-
Verschiedene Hearingteilnehmer*innen bewusstsein und auch vermehrt die Fähigkeit, in
beschreiben die negativen Folgen von AMR für den öffentlichen Diskurs zu treten:
Muslim*innen. Eine als feindselig empfundene
gesellschaftliche Atmosphäre führt ihnen zufolge „Meine Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit
bei vulnerablen Gruppen teilweise zu Rückzugs- reichen bis in meine Kindheit zurück und prägen
erscheinungen. Das eingeschränkte gesellschaft- mich bis heute. Im Gegensatz zu sehr vielen in
liche Sicherheitsempfinden resultiert zudem meinem Umfeld bin ich allerdings in der glück-
in einer kalkulierten und sparsamen Nutzung lichen Lage, Diskriminierungen reflektieren und
öffentlicher Räume. Dies gilt insbesondere für benennen zu können und damit einen Umgang
Frauen und in Teilen Ostdeutschlands. Selbst bei zu finden.“ (Serap Ermiş, Alhambra Gesellschaft)
engagierten jungen Muslim*innen treten Ermü-
dungserscheinungen und Resignation auf. Aus-
112 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

5.3.4 Benannte Leerstellen in der Bekämp- rung ausgesetzt sind. Viele der dort lebenden
fung von Antimuslimischem Rassismus Muslim*innen sind geflüchtet und stehen noch
am Anfang eines Bewältigungsprozesses. Sie wis-
Kritisch wird auf die Daten geblickt, die von Ver- sen weniger über ihre Rechte und können sich
einen mit Beratungsangeboten vorliegen. Sie dadurch auch schlechter gegen erfahrene Dis-
seien wichtig, aber jeweils von deren Reichweite kriminierungen zur Wehr setzen. Angesichts der
abhängig. Hier sind regelmäßige und gründ- wenig ausgeprägten Beratungs- und Verbands-
liche Erfassungen auf belastbaren Grundlagen landschaft ist hier dringend ein Ausbau notwen-
bedeutsam. Zu bedenken wird gegeben, dass die dig. Der Bedarf an spezialisierten Beratungsstellen
Situation von Muslim*innen nicht unbedingt und entsprechendem Personal, das intersektional
durchweg schlimmer wird, sondern durch die ausgerichtete Kompetenzen besitzt, ist groß.
zunehmende Sensibilität unter Muslim*innen
und die vermehrte Aufmerksamkeit auch das Kritisiert wird auch, dass Medien regelmäßig
Meldeverhalten zunimmt. Auch in einem solchen nur auf einen kleinen Kreis von muslimischen
Fall kann laut der Hearings aber davon ausge- Repräsentant*innen zurückgreifen, wodurch viele
gangen werden, dass aktuell nur ein kleiner Teil Perspektiven unsichtbar bleiben. Medien, gerade
der muslimfeindlichen Realität sichtbar wird. Die die öffentlich-rechtlichen, tragen eine große Ver-
gesellschaftliche Sensibilität und die Meldebe- antwortung. Sie müssen sensibler werden und dif-
reitschaft nehmen zwar zu, sind aber insgesamt ferenzierter berichten, fordern die Expert*innen.
noch gering. In der Praxis gibt es zudem immer
noch relativ hohe Hürden, die überschritten wer- 5.3.5 Zusammenfassung und Bewertung
den müssen, bevor Vorfälle den Polizeibehörden
gemeldet werden. In den Hearings berichten die Vertreter*innen
der Fach- und Beratungsstellen und die Multipli-
Bemängelt wird ein insgesamt geringes Maß an kator*innen von wiederkehrenden Diskriminie-
Verständnis und Sensibilität für AMR und seine rungserfahrungen, die Muslim*innen in unter-
Wirkmechanismen. Hier werden, vor allem von schiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und auf
staatlichen Institutionen und ihren Vertreter*in- verschiedenen Ebenen (diskursiv, interpersonell
nen, mehr Kenntnisse und Kompetenzen einge- und institutionell) erfahren. Als grundlegend
fordert. Gleichbehandlung und Diskriminierungs- problematisch werden die regelmäßigen, verallge­
schutz sollten zum gesellschaftlichen Selbst- meinernd stigmatisierenden gesellschaftlichen
verständnis gehören und sich auf allen Ebenen Debatten über Muslim*innen empfunden. Die
staatlichen Handelns abzeichnen. negativen Zuschreibungen werden als Rechtfer-
tigung für gesellschaftliche Ungleichbehandlung,
„Was bitter notwendig ist, sind Fortbildungen – Ausgrenzung und vielfältige Diskriminierungen
nicht nur für Fachkräfte, sondern auch für die ausgemacht und als Hindernis für die gesell-
Verwaltung. Im Bereich Diversität und Religion schaftliche Teilhabe von Muslim*innen und den
müssen wir nach wie vor mit eklatant fehlenden gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt
Kompetenzen umgehen.“ (Aliyeh Yegane Arani, wahrgenommen.
ADAS bei LIFE – Bildung, Umwelt, Chancen-
gleichheit) In Bezug auf ein ausgemachtes Defizit an Kennt-
nissen über und Sensibilität für AMR und seine
In Bezug auf Ostdeutschland wird angemahnt, Erscheinungsformen werden nachdrücklich Fort-
dass Muslim*innen dort z. T. besonders stigma- und Weiterbildungen eingefordert. Auch sei ein
tisiert werden und einer stärkeren Diskriminie- besserer Diskriminierungsschutz für Muslim*in-
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 113

nen und als solche wahrgenommene Personen (Website: brandeilig.org) die bundesweit erste
notwendig, die AMR ausgesetzt seien. Darüber Meldestelle für Angriffe auf Moscheen in Deutsch­
hinaus wird auch der Bedarf an spezialisierten land ins Leben gerufen. Seither sammelt #brand-
Beratungsstellen – auch im Hinblick auf inter- eilig Informationen zu Moscheeangriffen, macht
sektionale Mehrfachdiskriminierungen – und sie der Öffentlichkeit zugänglich und verdeut-
Empowerment-Angeboten für Betroffene zurück- licht ihre Auswirkungen auf Betroffene. 2022 hat
gemeldet. Aufgrund einer gewissen Normalisie- das Team erste quantitative Erhebungen über
rung von antimuslimischen Ressentiments und Moscheeangriffe veröffentlicht (vgl. FAIR interna-
der Barrieren bei ihrer Benennung wird eine hohe tional 2022). Dem Bericht zufolge sind Moschee-
Dunkelziffer an Diskriminierungsfällen vermutet. gemeinden in Deutschland durchschnittlich jede
Woche Ziel eines Angriffs. Die verursachten Schä-
„Wichtig wäre, das Antidiskriminierungsrecht den reichen von rassistischen Schmierereien und
zu erweitern, ähnlich wie in Kanada und den eingeworfenen Fenstern über blutverschmierte
USA, was die Pflicht zum Vorhalt angemessener Grundstücke und hinterlassene Schweinekadaver
Vorkehrungen einschließt.“ (Aliyeh Yegane Arani, bis hin zu Einschüssen und Brandschäden. Die
ADAS bei LIFE – Bildung, Umwelt, Chancen- Aufklärungsquote der gemeldeten Vorfälle ist
gleichheit) gering (ebd.: 8–9).

Die Erfahrungen und fachlichen Einschätzungen Da bisher keine weiteren Forschungsarbeiten


aus den Hearings unterstreichen die Erkenntnisse zum Thema Moscheeangriffe in Deutschland
aus den bisher vorliegenden Studien zu Diskrimi- vorliegen, hat der UEM #brandeilig beauftragt,
nierungserfahrungen von Muslim*innen. Um das eine explorative Fallstudie (vgl. Gök Akca et al.
Ausmaß von antimuslimischen Diskriminierun- 2023) anzufertigen, um die Auswirkungen von
gen und ihre Auswirkungen auf Betroffene besser Moscheeangriffen auf Gemeindemitglieder näher
erfassen zu können, scheinen jedoch weitere zu beleuchten. Die Erhebungen wurden in einer
systematische Erhebungen notwendig. Angesichts deutschen Metropole und jeweils einer west-
der Bedeutung, die der UEM dieser Perspektive und ostdeutschen Großstadt durchgeführt und
beimisst, hat er die Studie „Muslimische Erfah- basieren auf problemzentrierten Interviews mit
rungen und Wahrnehmung der Muslim- und Vorstands- und Gemeindemitgliedern, die einen
Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft (MuPe)“ in massiven Angriff (Brandanschlag bzw. Beschuss)
Auftrag gegeben (s. Unterkapitel ↗ 5.6). Eine wei- ihrer Gemeinde miterlebt haben.
tere vom UEM in Auftrag gegebene explorative
Studie zu Moscheeangriffen ergänzt die gewonne- Moscheen sind nicht nur Orte der Einkehr und
nen Erkenntnisse. des Gebets, sondern häufig auch Begegnungs-
und Bildungsstätten. Für die interviewten Perso-
nen haben sie nicht nur eine religiöse Bedeutung,
5.4 UEM-Fallstudie: Eine sondern stellen auch einen Ort des inneren und
Exploration zu Auswirkungen sozialen Friedens dar. Als solcher Ort gelangten
sie nach den Angriffen stark ins Wanken. Diese
von Moscheeangriffen werden als schwere Erschütterung und Auslöser
auf Gemeindemitglieder langanhaltender Unsicherheiten beschrieben.
Die Gemeinden reagieren mit verstärkten Sicher-
Der Antidiskriminierungsverein FAIR internatio- heitsvorkehrungen und verriegelten beispiels-
nal – Federation against Injustice and Racism mit weise während der Gebetszeiten die Türen. Einige
Sitz in Köln hat 2019 mit dem Projekt #brandeilig Gemeindemitglieder lassen ihre Kinder nicht
114 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

mehr unbegleitet in die Moschee, andere bleiben Angriffe‘ wie Hakenkreuze an den Wänden oder
den Gemeindeangeboten gänzlich fern. Insgesamt zerstörte Gegenstände beseitigen Gemeindemit-
wird von belastenden psychischen Folgen berich- glieder ohne viel Aufhebens und bereits routi-
tet, etwa von situativ auflebenden Ängsten. niert. Dass die Beschädigungen und Angriffe zur
Anzeige gebracht werden sollten, ist den inter-
Bemängelt wurde in den Interviews das weitge- viewten Personen bewusst und wird von den ver-
hende Ausbleiben von Solidaritätsbekundungen antwortlichen Moscheevorständen zunehmend
und konkreten Unterstützungsangeboten seitens eingefordert.
der Mehrheitsgesellschaft. Das Ausbleiben von
Anteilnahme seitens politischer Vertreter*innen In den Interviews werden auch wiederkehrend
wird als Zeichen von Gleichgültigkeit und Aus- Bezüge zu rassistischen Erlebnissen im Alltags-
grenzung gewertet. Unterstützung erfuhren die leben hergestellt. So wird etwa von einzelnen Per-
angegriffenen Moscheen nach den Angriffen sonen beiläufig erwähnt, dass sie bestimmte Orte
insbesondere von Migrant*innenorganisationen, meiden, abends nicht mehr hinausgehen oder
anderen Moscheegemeinden und vonseiten aus- versuchen, den häufig erfahrenen Beleidigungen
ländischer Amtsträger*innen. Berichtet wurde keine Beachtung zu schenken. Während die inter-
von Besuchen türkischer Konsulatsvertreter*in- viewten Gemeindemitglieder sich teilweise mit
nen nach den Anschlägen, die auch finanzielle solchen rassistischen Übergriffen abgefunden zu
und anwaltliche Hilfen stellten. Deutlich wurde, haben scheinen, werden entsprechende Erfahrun-
dass der vorwiegend aus anderen Gemeinden und gen ihrer Kinder als sehr verletzend beschrieben.
aus dem eigenen oder elterlichen Herkunftsland
kommende Beistand das Zugehörigkeitsempfin- Aus der explorativen Studie geht hervor, dass die
den in diese Richtung stärkt. erlebten Angriffe auf Moscheen für die Gemein-
demitglieder erschütternde Folgen haben. Sie
Kritisiert wird in Teilen das Wirken der Sicherheits- führen extremistische Taten wie Moscheeangrif­fe
behörden. Die Gemeinden hätten nach Angriffen auf eine muslimfeindliche gesellschaftliche
eine vorübergehende Präsenz der Polizei begrüßt, Stimmungslage zurück. Das Ausbleiben von Soli­
diese blieb aber mehrheitlich aus. Kritik wurde darität seitens der Mehrheitsgesellschaft und
auch an dem Mangel an Sensibilität der Polizei ihrer Repräsentant*innen bestärkt ihre Annahme.
geübt. In einer Moschee betraten Beamt*innen Die Gemeinden selbst möchten diesen Zustand
die Gebetsräume mit Schuhen und Hunden. An ändern. Dafür wünschen sie sich weniger Vor-
anderer Stelle wurden Ermittlungen hinsichtlich urteile, mehr Vertrauen und bessere Beziehungen.
technischer Mängel am Gebäude durchgeführt,
obwohl der Brandanschlag durch ein Überwa-
chungsvideo dokumentiert war. Mit Unmut wurde 5.5 BAMF-Studie zu Diskrimi­
zudem geschildert, dass in einer Gerichtsverhand- nierungs­erfahrungen in der
lung das In-Brand-Setzen eines Müllcontainers an
dem Moscheegebäude nicht als Angriff gewertet
muslimischen Bevölkerung
wurde. Damit wurde der Fall auch nicht als poli-
tisch motivierte Tat gewertet und folglich nicht in Die Durchführung repräsentativer Studien in der
die polizeiliche Kriminalstatistik überführt. muslimischen Bevölkerung ist sehr aufwendig, da
es anders als beispielsweise bei katholischen oder
In den Ausführungen wird immer wieder ein evangelischen Christ*innen keine umfassenden
gewisser Gewöhnungseffekt in Bezug auf rassisti- Mitgliederregister der Gemeinden gibt, die als
sche Übergriffe erkennbar. Rückstände ‚kleinerer Grundlage für eine repräsentative Stichproben-
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 115

ziehung dienen könnten. Angaben zu Größe und kleine, alltägliche Abwertungen als belastend
Zusammensetzung der muslimischen Bevölkerung erlebt werden (vgl. Uslucan 2017).
basieren auf Schätzungen, die die Forschungsab-
teilung des Bundesamts für Migration und Flücht- ↗ Abb. 5.1 zeigt, wie häufig Personen aus musli-
linge (BAMF) erstmals 2008 vorgenommen und misch geprägten Herkunftsländern nach eigenen
2020 aktualisiert hat (vgl. Haug/Müssig/Stichs 2009; Angaben entsprechende Erfahrungen in ihrem
Stichs/Pfündel 2023). Die Studien des BAMF liefern Alltag machen. Am häufigsten berichten sie
repräsentative Aussagen zu muslimischem Leben von Erfahrungen, bei denen „sich Personen so
in Deutschland. verhalten, als ob sie besser wären“ als sie; etwa
18 Prozent der Befragten geben an, diese Erfah-
Dem UEM liegt eine noch nicht veröffentliche rung regelmäßig (mindestens mehrmals im
Auswertung der Studie „Muslimisches Leben in Monat) zu machen, weitere 30 Prozent berich-
Deutschland 2020“ (Pfündel/Stichs/Tanis 2021) ten, dass sie dies zumindest schon einmal erlebt
des BAMF zu Diskriminierungserfahrungen in haben. Eine Mehrheit von 52 Prozent gibt an,
der muslimischen Bevölkerung vor. Diese liefert diese Erfahrung noch nie gemacht zu haben. In
belastbare Daten zum Anteil der Muslim*innen in ähnlicher Häufigkeit haben Personen mit Wur-
Deutschland, die regelmäßig Benachteiligung im zeln aus muslimisch geprägten Herkunftsländern
Alltag erleben, und zur Rolle der Religionszugehö- nach eigenen Angaben eine weniger höfliche
rigkeit für die erlebte Benachteiligung (vgl. Stichs/ Behandlung im Vergleich zu anderen erlebt.
Pfündel 2023).61
Gravierendere Erlebnisse wie konkrete Belei­
Insgesamt wurden für diese Studie 4.538 Perso- di­gungen und Beschimpfungen gehören den
nen mit einer Migrationsgeschichte befragt, die Befragten zufolge seltener zu ihrem Alltag; etwa
einem von 23 muslimisch geprägten Ländern aus sechs Prozent machen diese Erfahrung mindes-
folgenden Regionen zugeordnet wurden: Naher tens mehrmals monatlich, weitere 27 Prozent
Osten, Mittlerer Osten, Nordafrika, Südosteuropa haben dies schon einmal erlebt. Mit einem Anteil
sowie Türkei. 80 Prozent der Befragten sind Mus- von zwei Dritteln war die große Mehrheit nach
lim*innen, sieben Prozent geben eine christliche eigenen Angaben noch nie Beleidigungen und
Religionszugehörigkeit an, etwa jede*r Zehnte Beschimpfungen ausgesetzt. Der Anteil der Per-
ordnet sich keiner Religion zu. Zusätzlich wurden sonen, die von noch drastischeren Erlebnissen
582 Personen ohne Migrationsbiografie befragt, wie regelmäßigen Belästigungen und Bedrohun-
sodass die Befunde für die muslimische Bevölke- gen berichten, beträgt weniger als drei Prozent.
rung gesamtgesellschaftlich eingeordnet werden Immerhin jede*r Sechste hat dies aber schon ein-
können. mal erlebt, so das Ergebnis der Erhebung.

In dieser Studie wurden Diskriminierungserfah-


rungen unter anderem anhand der „Everyday
Discrimination Scale“ (vgl. Williams 2020) gemes-
sen. In dieser Skala werden bewusst auch subtil
erscheinende Diskriminierungserfahrungen
erfasst, da davon auszugehen ist, dass nicht nur
gravierende Lebenserfahrungen, sondern auch

61 Die in der Folge angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Manuskriptfassung der Studie; daher können diese in der Layoutfassung
abweichen.
116 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abbildung 5.1: Diskriminierungserlebnisse im Alltag von Personen mit Migrationshintergrund aus


einem muslimisch geprägten Herkunftsland nach Häufigkeit (in %)

A B C D E F
Andere tun so,
3,3 4,7 10 16,9 13,2 51,9
besser zu sein
Weniger höfliche
5,7 9,6 16,9 16,3 49,3
Behandlung
Behandlung mit
4,8 9,2 16,1 15 53
weniger Respekt
Unterstellung von
4 8,9 12,2 12,7 60
fehlender Intelligenz

Löse Angst aus 3,8 6,4 8,8 77,2

Unterstellung
3,9 6,9 9,9 76,9
von Unehrlichkeit
Beleidigungen/
4,1 10,4 16,9 66,5
Beschimpfungen
Schlechterbehandlung in
3 9,4 13 73,1
Geschäft/Restaurant
Bedrohungen/
3,5 10,8 83,3
Belästigungen
0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

A Fast jeden Tag B Mind. einmal wöchentlich C Ein paar Mal monatlich
D Ein paar Mal jährlich E Weniger F Nie

Quelle: MLD 2020, Befragte im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 4.494–4.514.
Werte von unter 3 % werden nicht ausgewiesen (vgl. Stichs/Pfündel 2023: 16)

Eine zusammenfassende Analyse über alle neun und der Türkei. Die Unterschiede nach Herkunfts-
abgefragten Diskriminierungserlebnisse zeigt, ländern bleiben signifikant, auch wenn lediglich
dass „fast jede dritte Person aus einem muslimisch muslimische Religionsangehörige betrachtet wer-
geprägten Herkunftsland in mindestens einer den. Die Autorinnen schließen:
der neun erhobenen Situationen ein paar Mal im
Monat Benachteiligungen im Alltag wahr[nimmt]. „Für die Interpretation dieser Ergebnisse scheint
Bei Personen ohne Migrationsgeschichte ist es zentral, dass sich im Alltag in der Regel Indi-
rund jede fünfte“ (Stichs/Pfündel 2023: 16). Dies viduen begegnen, die nichts oder wenig von-
zeigt, dass benachteiligende Erfahrungen bei einander wissen, so dass Zuordnungen zu
Menschen mit Wurzeln in muslimisch geprägten einer stigmatisierten Gruppe auf Vermutungen
Herkunftsländern deutlich häufiger zum Alltag beruhen. Bei der Kategorisierung einer Person
gehören als bei Menschen ohne Migrationsbezüge. als muslimisch sind daher offenkundig auch
Differenziert man erstere nach ihrer Religions- Merkmale wie der Akzent, der Phänotyp oder bei
zugehörigkeit, so zeigen sich keine signifikanten Frauen das Tragen eines Kopftuchs ausschlag-
Unterschiede zwischen muslimischen und christ- gebend. Entsprechend können auch Menschen,
lichen Personen. Eine Rolle spielt allerdings die die dem Islam nicht angehören, die aber zum Bei-
konkrete Herkunftsregion: So berichten Personen spiel aufgrund ihrer regionalen Herkunft als mus-
aus Südosteuropa deutlich seltener von Benach- limisch gelesen werden, von Herabsetzungen im
teiligungen im Alltag als Personen aus dem Alltag im Zusammenhang mit antimuslimischen
Mittleren Osten, dem arabischsprachigen Raum Vorurteilen betroffen sein.“ (Ebd.: 69)
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 117

Dies weist darauf hin, dass Muslimischsein häufig das Verhalten Dritter in Alltagssituationen erfas-
mit der Herkunft aus bestimmten Ländern wie sen, mehrfach belegt worden: So wurde in einer
der Türkei oder Syrien gleichgesetzt und somit Studie deutlich, dass Frauen mit Kopftuch selte-
„ethnisiert“ wird (s. Kapitel ↗ 2). Zusammenhangs­ ner geholfen wird als Frauen ohne Kopftuch (vgl.
analysen deuten zudem darauf hin, dass Perso- Choi/Poertner/Sambanis 2022). Dennoch fallen
nen, die zwar Herkunftsbezüge zu muslimisch die Unterschiede zwischen Frauen mit und ohne
geprägten Ländern haben, aber in Deutschland Kopftuch geringer aus als erwartet: Eine weitere
geboren und aufgewachsen sind, sowie Personen experimentelle Studie zeigt beispielsweise, dass
mit höheren Bildungsabschlüssen häufiger von Frauen ohne Kopftuch bei gleicher Qualifikation
benachteiligenden Erfahrungen im Alltag berich- dreimal häufiger zu einem Bewerbungsgespräch
ten. Dies wird mit ihren höheren Erwartungen an eingeladen werden als Frauen mit Kopftuch (vgl.
gesellschaftliche Akzeptanz und Zugehörigkeit Weichselbaumer 2020). Das ist ein Unterschied von
erklärt. Zudem ist davon auszugehen, dass höher 300 Prozent, während er in der hier dargestellten
Gebildete stärker sensibilisiert sind, wenn es um Studie bei lediglich 50 Prozent liegt (s. oben). Die
Menschenfeindlichkeit geht, und diskriminie- Befunde weisen somit darauf hin, dass die Unter-
rendes bzw. abwertendes Verhalten eher erken- schiede in der wahrgenommenen Diskriminierung
nen. Daher kann dieser Befund auch dahingehend zwar reale Voraussetzungen in wichtigen Lebens-
interpretiert werden, dass Personen ohne eine bereichen widerspiegeln, aber Frauen mit Kopftuch
entsprechende Sensibilisierung diskriminierendes erfahrene Diskriminierung teilweise unterschätzen,
Verhalten ihnen selbst gegenüber seitens Dritter was möglicherweise mit einer „Normalisierung“
unterschätzen. Auch Personen mit entsprechen- häufig erlebter Erfahrungen interpretiert werden
den Herkunftsbezügen, die in Ostdeutschland kann (vgl. Unterkapitel ↗ 5.6.2).
leben, berichten häufiger von Diskriminierungs-
erfahrungen, obwohl muslimfeindliche Ein- Befragt nach den Ursachen der Benachteiligung
stellungen in ostdeutschen Bundesländern nicht wird an erster Stelle die Herkunft bzw. Abstam-
stärker verbreitet sind als beispielsweise in Süd- mung mit einem Anteil von 71 Prozent genannt,
deutschland (s. Kapitel ↗ 3). Es ist aber davon aus- gefolgt von der Religion (35 %). Mit einem Anteil
zugehen, dass aufgrund des politischen Klimas in von 41 Prozent führen Muslim*innen Diskrimi-
einigen ostdeutschen Regionen muslimfeindliche nierungserfahrungen überdurchschnittlich häu-
Einstellungen eher in abwertende Verhaltens­ fig auf ihre Religionszugehörigkeit zurück, aber
weisen übersetzt werden. betrachten diese nicht als alleinige Ursache: Ein
Großteil der Befragten vermutet, dass sowohl die
Die Autorinnen haben zudem die Rolle von sicht- Herkunft als auch die Religionszugehörigkeit eine
baren religiösen Symbolen für Benachteiligungs- Rolle spielen. Für die Betroffenen ist daher kaum
erfahrungen im Alltag analysiert (vgl. Stichs/ zu unterscheiden, ob die Zugehörigkeit zum Islam
Pfündel 2023): Der Vergleich von muslimischen oder ihre Herkunft ein Motiv für Benachteiligun-
Frauen mit und ohne Kopftuch zeigt, dass kopf- gen darstellt.
tuchtragende Frauen häufiger von einer Schlech-
terbehandlung im Alltag berichten. So berichtet Die Forscherinnen der aktuellen BAMF-Studie
jede dritte Muslimin mit Kopftuch von regelmä- zu Diskriminierungserfahrungen von Mus­lim*in­
ßigen Diskriminierungserfahrungen, während nen haben zudem untersucht, inwieweit sich
davon nur jede vierte Muslimin ohne Kopftuch Muslim*innen aus verschiedenen muslimisch
betroffen ist (Stichs/Pfündel 2023: 35). Dass kopf- geprägten Herkunftsländern in den drei Schlüs-
tuchtragende Frauen deutlich häufiger benachtei- selbereichen des alltäglichen Lebens Bildung,
ligt werden, ist durch experimentelle Studien, die Arbeit und Wohnungsmarkt benachteiligt sehen.
118 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Diese Lebensbereiche62 sind von besonderer Rele- bilden und dass die Mehrheit schon viele Jahre in
vanz, da sie maßgeblich über gesellschaftliche Deutschland lebt oder hier geboren ist, stellt dies
Teilhabe entscheiden. Die Ergebnisse zeigen, dass einen ernüchternden Befund dar. Er verdeutlicht,
insgesamt 39 Prozent der Muslim*innen, die in dass die Mehrzahl davon ausgeht, dass die Prä-
Deutschland eine Schule besucht haben, ange- misse gleichberechtigter Teilhabechancen trotz
geben haben, dass sie (viel) häufiger als (andere) langjährig bestehender Lebensbezüge nicht auf
Personen deutscher Herkunft schlechter benotet sie zutrifft“ (Stichs/Pfündel 2023: 72).
worden sind; besonders häufig geben dies Per-
sonen mit türkischen Wurzeln an (43 %). ‚Unter Insgesamt lässt die Studie erkennen, dass nicht
Personen ohne Migrationshintergrund ist dieser die tatsächliche Religionszugehörigkeit oder
Anteil mit rund 13 Prozent deutlich geringer. Religiosität ausschlaggebend ist für erfahrene
Auch bei der Stellensuche geben 39 Pro­zent der Diskriminierung, sondern vor allem die aufgrund
Muslim*innen an, (viel) häufiger benachteiligt des Erscheinungsbilds oder des Herkunftslands
worden zu sein, und wiederum sind Personen mit vermutete Religionszugehörigkeit und Religiosi-
türkischen Wurzeln am stärksten davon betrof- tät. Religion und Herkunft wirken also zusammen,
fen (44 %); unter Personen ohne Migrationsge- wie die Studie belegt. Besonders stark betroffen
schichte beträgt dieser Anteil lediglich zehn Pro- sind somit Personen, die neben einem als musli-
zent. Besonders stark fällt die wahrgenommene misch zugeschriebenen Erscheinungsbild zusätz-
Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt aus: lich religiöse Symbole wie ein Kopftuch tragen.
Hier gibt jede*r zweite Muslim*in an, im Ver- Das heißt, es kann zu Überschneidungen verschie-
gleich zu (anderen) Personen deutscher Herkunft dener Merkmale kommen, beispielsweise können
schon einmal benachteiligt worden zu sein. Wie- muslimische Frauen mit Migrationsgeschichte
derum liegt dieser Wert bei Personen türkischer nach mindestens drei Merkmalen diskriminiert
Herkunft mit 54 Prozent am höchsten, während werden – als Frau, als Muslimin und als Mensch
lediglich 15 Prozent der Personen ohne Migra- mit Migrationsgeschichte (zum Thema Intersek­
tionshintergrund davon betroffen waren. tionalität s. a. Unterkapitel ↗ 2.3).

Eine zusammenfassende Auswertung der Ergeb-


nisse über alle drei Bereiche lässt erkennen, dass 5.6 UEM-Studie zu muslimi­
mit 48 Prozent fast jede*r Zweite mit Migrations- schen Perspektiven (MuPe)
geschichte aus muslimisch geprägten Herkunfts-
ländern in mindestens einem der drei wesentli-
in Deutschland
chen Lebensbereiche Schule, Arbeit und Wohnen
über eine im Vergleich zu Personen deutscher Verschiedene repräsentative Studien belegen,
Herkunft schlechtere Behandlung berichtet. wie stark muslimfeindliche Ressentiments in
Dieser Anteil ist mit 56 Prozent bei Personen mit Deutschland verbreitet sind und wie hartnäckig
türkischen Wurzeln überdurchschnittlich hoch. sie sich halten (s. Kapitel ↗ 3). Sie können sich im
Die Autorinnen schlussfolgern: alltäglichen Zusammenleben durch abwertende
und diskriminierende Verhaltensweisen gegen-
„Berücksichtigt man, dass Türkeistämmige eine über Muslim*innen und als solche gelesenen Per-
der größten Herkunftsgruppen in Deutschland sonen äußern. Die im vorangegangenen Abschnitt

62 Lediglich etwa die Hälfte bis zu zwei Drittel der Befragten konnten diese Fragen beantworten. Entweder sind die Befragten nicht in
Deutschland zur Schule gegangen oder es liegt schon zu lange zurück oder sie haben keine Wohnung bzw. Arbeitsstelle gesucht, sodass
die Anteile der Benachteiligung sich auf die jeweils gültigen Antworten beziehen.
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 119

dargestellten Ergebnisse von Pfündel, Stichs und muserfahrungen einer formell relativ gut gebil-
Tanis (2021) zu Diskriminierungserfahrungen deten wie jungen Stichprobe. Der qualitative Teil
von Personen mit Migrationsgeschichte aus mus- obliegt an der Goethe-Universität Frankfurt
limisch geprägten Ländern zeigen eindrücklich, am Main der Leitung von Vertr.-Prof. Dr. Meltem
dass rund ein Drittel von ihnen regelmäßig mit Kulaçatan und untersucht tiefergehende Frage-
teils massiven abwertenden Verhaltensweisen stellungen über Erfahrungen und Wahrnehmun-
konfrontiert ist. Aber wie gehen sie mit solchen gen hinsichtlich Muslim- und Islamfeindlichkeit.
Erfahrungen um? Wie wirken sich abwertende Beide methodischen Zugänge ergänzen sich
und benachteiligende Erfahrungen in ihrem und sind hinsichtlich Konzeption, Diskussion
Leben aus – etwa auf ihre Lebenszufriedenheit und Interpretation aufeinander bezogen – was
oder ihr Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland? die Stärke der MuPe-Studie ausmacht. Durch den
Zu diesen Fragen liegen bisher keine quantita- Mixed-Method-Ansatz ist es möglich, ähnlich wie
tiven Studien vor, die ihnen systematisch nach- beim Studienformat „Jüdische Perspektiven“, ein
gehen und verallgemeinerbare Aussagen über breites Spektrum an Abwertungserfahrungen und
Umgangsstrategien und Auswirkungen von Mus- die entsprechenden Auswirkungen auf Betroffene
limfeindlichkeit auf den Alltag betroffener Men- sowie deren Bewältigungsstrategien abzubilden.
schen erlauben. Vor diesem Hintergrund sowie
unter der Leitidee des Studienformats „Jüdische 5.6.1 Ergebnisse des quantitativen Teils
Perspektiven auf den Antisemitismus“ (Zick et al.
2017) hat der UEM eine Mixed-Method-Studie Die quantitativen Ergebnisse der MuPe-Studie
zum Thema „Muslimische Erfahrungen und basieren auf einer Onlinebefragung von Mus-
Wahrneh­mung der Muslim- und Islamfeindlich- lim*innen in Deutschland. Diese wurden im Rah-
keit in der Gesellschaft“ (MuPe-Studie: Zick et al. men eines Online-Access-Panels befragt – also
2023) in Auftrag gegeben, die in den folgenden einem Kreis online registrierter Personen, die
Unter­ka­piteln besprochen wird. Angesichts seiner sich bereit erklärt haben, wiederholt an Befra-
begrenzten finanziellen wie zeitlichen Kapazi- gungen teilzunehmen. Die Daten der insgesamt
täten konnte der UEM mit der Beauftragung 473 Befragten sind zwar nicht repräsentativ für
nur einen ersten Schritt zur Schließung der For- die muslimische Bevölkerung, aber sie liefern
schungslücke unternehmen; daher kommt die erste wichtige Hinweise zu den Auswirkungen
Studie bei Fragen der Repräsentativität an ihre von Diskriminierungserfahrungen auf die Betrof-
Grenzen. Damit Wissenschaft, Zivilgesellschaft fenen. Die Stichprobe ist heterogen zusammen-
und Politik künftig ein umfassenderes Bild von gesetzt und enthält Daten zu einem breiten
Ausmaß und Auswirkungen muslimfeindlicher Spektrum an Diskriminierungserfahrungen, zum
Vorfälle im Alltag der Betroffenen erhalten, ist es Umgang mit diesen und zu ihren Auswirkungen
unbedingt notwendig‚ eine repräsentative Studie auf die Betroffenen, sodass über Gruppenver-
zu diesen Themen durchzuführen sowie die mus- gleiche und Zusammenhangsanalysen wichtige
limische Perspektive in regelmäßigen Abständen Erkenntnisse gewonnen werden können. Inso-
zu erfassen und mit derjenigen der statistisch fern bietet die vorliegende Studie die Möglichkeit,
erfassten Mehrheitsgesellschaft abzugleichen. anhand der Daten die Unterschiede zwischen Per-
sonen mit keinen bis seltenen und mit regelmäßi-
Der quantitative Teil der MuPe-Studie ist am gen Diskriminierungserfahrungen zu vergleichen
Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltfor- und die vielschichtigen Erfahrungen mit Muslim-
schung unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas feindlichkeit sowie die komplexen Wirkungswei-
Zick angesiedelt und gibt Auskunft über Zusam- sen und Umgangsstrategien herauszuarbeiten.
menhänge von Diskriminierungs- und Rassis-
120 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Die soziodemografische Zusammensetzung der gen betroffen sind bzw. für das Thema besonders
Stichprobe zeigt, dass überdurchschnittlich häufig sensibilisiert sind. Fast jede*r zweite Befragte
in Deutschland geborene Muslim*innen, jüngere, gibt an, mehrmals oder regelmäßig in den ver-
überdurchschnittlich gebildete Personen sowie gangenen zwölf Monaten Erfahrungen mit nicht-
Mitglieder in muslimischen Organisationen sprachlicher Abwertung wie z. B. Starren oder
erreicht werden konnten: Rund 68 Prozent der anderen abwertenden Gesten gemacht zu haben.
Befragten sind in Deutschland geboren, 92,5 Pro- Ebenfalls jede*r Zweite berichtet von mehrma-
zent sind zwischen 18 und 50 Jahre alt, 48 Prozent ligen oder regelmäßigen versteckten Andeutun-
haben Abitur oder einen Studienabschluss und gen. Die Hälfte berichtet sogar von konkreten
jede*r Zweite ist Mitglied in einer muslimischen Beleidigungen und Belästigungen. Etwas seltener
Organisation. wird über abweisendes Verhalten wie Ignorieren
berichtet, aber auch hiervon ist immerhin ein
Die Befunde zu persönlichen Erfahrungen mit Anteil von rund 44 Prozent betroffen. Mit einem
Muslimfeindlichkeit (vgl. ↗ Abb. 5.2) zeigen zudem, Anteil von rund 30 Prozent gibt fast jede*r Dritte
dass vor allem Personen erreicht wurden, die an, im vergangenen Jahr mehrfach körperlichen
besonders stark von Diskriminierungserfahrun- Übergriffen ausgesetzt gewesen zu sein.

Abbildung 5.2: Persönliche Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit (in %, n = 473, gültige Fälle, ungewichtet)

A B C D

Körperliche Angriffe 47,7 22,4 21,3 8,6


Abweisendes Verhalten
(z.B. Ignorieren,
Nicht-Antworten 27,5 28,8 31,8 11,9
bei Fragen)
Beleidigungen oder
Belästigungen 21,7 28,3 38,3 11,7

Versteckte Andeutungen 21,7 29,4 40,2 8,7

Nicht-Sprachliche Abwertung
(z.B. Blicke, Gesten, Starren) 22 29 35 14

0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %

A Nie B Einmal C Mehrmals D Regelmäßig

Quelle: eigene Analyse anhand des Datensatzes der quantitativen MuPe-Studie (Zick et al. 2023).

Die Befunde zeigen, dass besonders Personen mit entsprechenden Erfahrungen in der MuPe-
erreicht wurden, die drastischere Formen von Studie stark überre­präsentiert. Die folgenden
Muslimfeindlichkeit erleben. Im Vergleich zur Ergebnisse beruhen auf eigenen Analysen des
BAMF-Studie (Stichs/Pfündel 2023: 16; siehe UEM. Der umfassende Studien­bericht wird derzeit
auch Kap. ↗ 5.5), in der lediglich sechs Prozent von den Forschenden erstellt und zu gegebener
der Befragten von mehrmaligen Erfahrungen Zeit veröffentlicht. An dieser Stelle können ledig-
mit Bedrohungen und Belästigungen berichten lich einige Ausschnitte der Gesamtdaten präsen-
(Erfahrungen mit körperlichen Übergriffen wur- tiert werden.
den nicht gesondert erfasst), sind Muslim*innen
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 121

5.6.1.1 Wer fühlt sich besonders von limfeindlichkeit berichten: Selten bis nie erfahren
Muslimfeindlichkeit betroffen? nur neun Prozent der Befragten mit Haupt- oder
keinem Schulabschluss Muslimfeindlichkeit, bei
Für die folgenden Analysen wurden die Befragten den regelmäßigen Erfahrungen steigt ihr Anteil
anhand der Intensität erlebter Muslimfeindlich- auf 14,4 Prozent. Jedoch sind die Unterschiede
keit auf Grundlage der fünf abgefragten Erschei- unter den verschiedenen Bildungsniveaus gering
nungsformen (s. ↗ Abb. 5.2) in drei Gruppen unter- und Erfahrungen mit antimuslimischen Ressenti-
teilt und miteinander verglichen. ments bis hin zu Anfeindungen scheinen durch-
aus quer durch alle Bildungsgruppen gemacht
1. 24,4 Prozent der Befragten zeichnen sich durch zu werden. Deutliche Unterschiede zeigen sich
keine bis geringe Erfahrungen mit Muslim- jedoch bei Befragten mit einem Studienabschluss;
feindlichkeit aus („selten bis nie“). sie sind mit einem Anteil von rund 29 Prozent
2. 50,9 Prozent machen durchaus häufiger Erfah­ deutlich häufiger in der Gruppe mit keinen oder
rungen mit Muslimfeindlichkeit, sind dieser seltenen Erfahrungen vertreten als in der mit
aber nicht regelmäßig ausgesetzt („mehrmals“). regelmäßigen Erfahrungen (14 %).
3. 24,7 Prozent sind den eigenen Angaben zufolge
mit massiven Anfeindungen konfrontiert; Mit Blick auf den Wohnort zeigen sich keine
Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit gehören signifikanten Unterschiede – anders als bei der
zum Alltag dieser Menschen („regelmäßig“). BAMF-Studie –, sodass Muslim*innen, die in
den neuen Bundesländern leben, nicht häufiger
Um herauszuarbeiten, wer besonders stark von über Diskriminierungserfahrungen berichten als
Muslimfeindlichkeit betroffen ist, wurden die solche, die in den alten Bundesländern wohnen.
drei so gebildeten Gruppen mit Blick auf ihre
soziodemografische Zusammensetzung sowie
religiösen Charakteristika miteinander verglichen
(s. ↗ Tab. 5.1).

Die Ergebnisse zeigen teils deutliche Unter-


schiede. So berichten Männer mit einem Anteil
von rund 68 Prozent deutlich häufiger von regel-
mäßigen Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit
als Frauen. Zudem gibt es deutliche Altersunter-
schiede zwischen Personen, die von Erfahrungen
mit Muslimfeindlichkeit berichten, und denen, die
angeben, keine oder nur vereinzelt entsprechende
Erfahrungen gemacht zu haben. So sind mit einem
Anteil von etwa 60 Prozent jüngere Menschen
zwischen 18 und 35 Jahren unter Personen mit teil-
weise mehrmaligen und solchen mit regelmäßigen
Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit deutlich
häufiger vertreten als unter denen mit keinen
bis seltenen Erfahrungen (37 %). Mit Blick auf das
Bildungsniveau zeigen die Ergebnisse, dass ten-
denziell eher Personen mit einem niedrigen Bil-
dungsabschluss über regelmäßig erfahrene Mus-
122 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Tabelle 5.1: Soziodemografische Merkmale und Religiosität bei Personen, die unterschiedlich von
Muslimfeindlichkeit betroffen sind (in %, n = 473, gültige Fälle, ungewichtet)*

Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit


Befragte
insgesamt
Selten bis nie Mehrmals Regelmäßig

Geschlecht Männlich 58,6 53,2 67,9 58,1

Weiblich 41,4 46,3 32,1 41,6

Divers 0 0,4 0 0,2

Alter 18 bis 25 Jahre 9,1 24 19,6 19,3

26 bis 35 Jahre 28,2 37,1 42,9 36,4

36 bis 50 Jahre 48,2 33,2 33 36,8

Älter als 50 Jahre 14,5 5,7 4,5 7,5

Geburtsort Deutschland 70,3 67 67,6 67,9

Bildung Noch Schüler*in 0 3,5 0,9 2

Kein/Hauptschulsabschluss 9 13 14,4 12,4

Mittlere Reife/Fachhochschulreife 37,8 31,6 41,1 35,5

Abitur 23,4 29 27,7 27,3

Studienabschluss 28,8 19,9 14,3 20,7

Sonstiges 0 0,4 1,8 2,2

Wohnort Alte Bundesländer 89,1 89,5 90,9 89,7

Neue Bundesländer 10,9 10,5 9,1 10,3

Mitglied in muslimischer Organisation 37,8 45,2 68,8 49,2

Selbsteinschätzung: (sehr) religiös 44,1 57,6 69,7 57,3

Tragen von muslimischer Kleidung: (sehr) häufig 7,2 23,4 41,1 23,8

*Eventuelle Abweichungen in den übergeordneten Zeilen und der Gesamtzeile sind Rundungsfehler.
Quelle: eigene Analyse anhand des Datensatzes der quantitativen MuPe-Studie (Zick et al. 2023).

Gravierende Unterschiede zeigen sich vor allem setzt sind, für die ihre Religion eine wichtige Rolle
mit Blick auf die Religiosität der Befragten. Die- im Alltag spielt.
jenigen, die von besonders häufigen und drasti-
schen Formen von Muslimfeindlichkeit berichten, 5.6.1.2 Umgangsstrategien mit erfahrenen
sind überdurchschnittlich häufig Mitglieder Anfeindungen
in einer muslimischen Organisation (68,8 %),
bezeichnen sich als (sehr) religiös (69,7 %) und Die Ergebnisse zum Umgang mit erfahrener
tragen überdurchschnittlich häufig Kleidung, Diskriminierung oder Anfeindung zeigen, dass
durch die sie für Außenstehende nach eigenen ein Großteil derjenigen, die dieser regelmäßig
Angaben als Muslim*innen erkennbar sind (41,1 ausgesetzt sind, primär im privaten Umfeld nach
%), z. B. ein Kopftuch oder einen Kaftan (langes Unterstützung suchen und sich an Familie (20,5 %)
Gewand für Männer). Die Ergebnisse zeigen, dass bzw. an Freunde wenden (24,1 %). Ein großer
vor allem Muslim*innen Anfeindungen ausge- Anteil von 29 Prozent sucht zwar nach Hilfe und
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 123

Unterstützung, weiß aber nicht, an wen er oder sie 5.6.1.3 Psychische und gesellschaftliche
sich wenden soll, d. h. ein großer Anteil der stark Folgen von erfahrener Abwertung
von Muslimfeindlichkeit Betroffenen fühlt sich und Anfeindung
mit dieser Problematik alleingelassen. Mit der
Stärke der Betroffenheit steigt zudem der Anteil, Über die psychischen und gesellschaftlichen Fol-
der das Thema in der Situation offen anspricht und gen von Muslimfeindlichkeit gibt es kaum belast-
möglicherweise versucht, über die muslimfeind- bare Daten. Die MuPe-Studie hat erstmals umfas-
liche Dimension des Verhaltens aufzuklären; die- send mögliche Auswirkungen von erfahrener
ser Prozentsatz beträgt unter Muslim*innen mit Abwertung und Anfeindung von Muslim*innen
regelmäßigen muslimfeindlichen Erfahrungen erhoben. Im Rahmen dieses Berichts können ledig-
ein Viertel. Der Anteil von Betroffenen, der sich lich ausgewählte Ergebnisse präsentiert werden,
an eine professionelle Stelle wendet, ist dagegen die bereits wichtige Einblicke in die Verarbeitung
mit Werten unter einem Prozent verschwindend von Muslimfeindlichkeit seitens der Betroffenen
gering. Auf eine Nachfrage nach Kenntnis von geben. Dabei ist zwischen psychischen Belastun-
Beratungsangeboten gibt lediglich eine*r von gen, persönlichen Umgangsstrategien sowie der
zehn Befragten an, eine oder mehrere entspre- Rolle von Diskriminierungserfahrungen für die
chende Stellen zu kennen. D. h. ein Großteil der Lebensplanung zu unterscheiden. In ↗ Abb. 5.3
Befragten, die im Alltag zahlreichen Formen von sind ausgewählte Ergebnisse differenziert nach
Abwertungen bis hin zu Anfeindungen ausgesetzt Betroffenheit von Muslimfeindlichkeit dargestellt.
sind, weiß nicht, dass es entsprechende Beratungs- Zunächst ist festzustellen: Je stärker die Befragten
und Meldestellen für Betroffene gibt. Mit Blick nach eigenen Angaben von dem Thema betroffen
auf die Befragten der Studie, die bereits für Mus- sind, umso häufiger berichten sie über empfun-
limfeindlichkeit sensibilisiert sind, ist davon aus- denen Stress und Nervosität. Unter wenig bis gar
zugehen, dass in der muslimischen Bevölkerung nicht davon Betroffenen beträgt dieser Anteil
insgesamt das Wissen über Beratungsmöglichkei- rund ein Viertel, unter mäßig Betroffenen rund
ten noch geringer verbreitet ist. Zudem hat ledig- 39 Prozent und unter stark Betroffenen sogar gut
lich eine geringe Quote von unter zehn Prozent die Hälfte. Nun kann anhand der vorliegenden
den Vorfall zur Anzeige gebracht. Betrachtet man Analysen nicht beurteilt werden, ob die Ursache
diejenigen, die von justiziablen Vorfällen berich- des verstärkten Stresserlebens tatsächlich in der
ten – wie körperlichen Angriffen, Beleidigungen erfahrenen Muslimfeindlichkeit zu suchen ist.
oder Belästigungen –, so ist der Prozentsatz, der Dennoch weisen die Befunde darauf hin, dass
diese Vorfälle zur Anzeige bringt, mit elf Prozent Personen, für die diese Erfahrung zum Alltag
nur unwesentlich höher. Dieser Befund zeigt – gehört, starke psychische Belastungen aufweisen.
ähnlich wie bereits die Studie von FRA 2017 –, dass Konkreter sind die Zusammenhänge, wenn es
die Anzahl der islamfeindlichen Straftaten um um Vermeidungsverhalten oder Auswanderungs-
das Neun- bis Zehnfache höher liegen könnte, als gedanken infolge eines Unsicherheitsempfindens
die Zahlen der polizeilichen Kriminalitätsstatistik wegen Muslimfeindlichkeit geht. So berichten
ausweisen (s. Unterkapitel ↗ 3.2). rund 46 Prozent der stark Betroffenen, dass sie
aufgrund dieser Erfahrungen bestimmte Orte
meiden; unter wenig bis gar nicht Betroffenen
beträgt dieser Anteil acht Prozent. Dies verdeut-
licht, dass wahrgenommene Diskriminierung
stark in den Alltag der Menschen eingreift und
nicht nur zu einer starken Verunsicherung führt,
sondern auch zu starken Einschränkungen.
124 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Bei mehr als jeder*jedem Zweiten mit regelmäßi- mehrmaligen, aber vergleichsweise noch modera-
gen muslimfeindlichen Erfahrungen lösen diese ten Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit sind
zudem Auswanderungsgedanken aus, die bei Auswanderungsgedanken noch bei einem Viertel
rund einem Drittel bereits mit konkreten Plänen mit konkreten Auswanderungsplänen verknüpft.
verbunden sind. Das überrascht wenig, da drei Auch die Angst, überfallen zu werden, ist hier mit
Viertel von diesen Personen über Angst berichten, 52,6 Prozent bei einem geringeren Anteil verbrei-
überfallen zu werden; zu ihrem Alltag gehören tet. Dies betrifft nur eine Minderheit von Mus-
also nicht nur Erfahrungen mit Muslimfeindlich- lim*innen, die lediglich vereinzelt oder gar keine
keit, sondern auch die Angst, erneut angefeindet Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit gemacht
und überfallen zu werden. Unter Betroffenen mit haben.

Abbildung 5.3: Umgangsstrategien, nach Häufigkeit persönlich erfahrener Muslimfeindlichkeit


(in %, n = 473, gültige Fälle, ungewichtet)

0,9 (A)
Ich habe mich an eine
professionelle Stelle gewendet.
0,4 (B)
0 (C)
A 6,3
Ich habe den Vorfall offiziell
zur Anzeige gebracht.
B 8,2
C 1,8

Ich habe mit Arbeitskollegen A 7,1


oder Bekannten darüber B 5,2
gesprochen. C 9
A 16,1
Ich habe mich an andere
Muslime gewendet.
B 12,6
C 3,6
A 16,1
Ich habe die Situation
ignoriert.
B 15,6
C 10

Ich habe mit Familien- A 20,5


angehörigen darüber B 22,9
gesprochen. C 10
A 24,1
Ich habe mit Freunden oder
Bekannten gesprochen.
B 23,4
C 10
A 25
Ich habe es bereits in der
Siuation offen angesprochen.
B 10,8
C 4,5

Ich wollte mich an jemanden A 28,6


wenden, aber ich wusste B 6,1
nicht, an wen. C 16,2

A Selten bis nie B Mehrmals C Regelmäßig

Quelle: eigene Analyse anhand des Datensatzes der quantitativen MuPe-Studie (Zick et al. 2023).
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 125

Abbildung 5.4: Kenntnis von Beratungsangeboten für Betroffene von Muslimfeindlichkeit,


nach Häufigkeit persönlicher muslimfeindlicher Erfahrung (in %, n = 473, gültige Fälle, ungewichtet)

Ich vertraue darauf, dass A 60,9


Muslime in Deutschland in B 57,7
Zukunft geschützt werden. C 68,5

Ich habe Angst, A 16,2


überfallen zu werden, B 52,6
weil ich muslimisch bin. C 74,1

Ich habe Angst, A 41,8


dass die Islamfeindlichkeit B 64,1
zunehmen wird. C 71,1
A 66,4
Ich fühle mich zur deutschen
Gesellschaft zugehörig. B 64,9
C 68,8
A 70,9
Ich fühle mich in
Deutschland wohl. B 69
C 75
A 2,7
Auswanderungsabsicht B 9,1
C 18,2
A 8,1
Auswanderungsgedanken B 38,7
C 55,5
A 8,2
Vermeidung bestimmter Orte B 24
C 45,9
A 25,2
Nervös und
„gestresst“:(sehr) B 38,9
häufig C 53,1

A Selten bis nie B Mehrmals C Regelmäßig

Quelle: eigene Analyse anhand des Datensatzes der quantitativen MuPe-Studie (Zick et al. 2023).

Dennoch ist auch unter ihnen mit einem Anteil vom Betroffenheitsgrad vertraut die große Mehr-
von rund 42 Prozent die Sorge groß, dass Islam- heit der Befragten darauf, dass Muslim*innen in
feindlichkeit in Deutschland zunehmen könnte. Deutschland in Zukunft geschützt werden. Eben-
Somit haben auch Personen, die selbst kaum von falls unbeeinflusst vom Grad der Betroffenheit ist
Muslimfeindlichkeit betroffen sind, ein Bewusst- die enge Verbundenheit der Befragten zu Deutsch-
sein für die gesellschaftliche Tragweite des Pro­ land: Zwei Drittel bis drei Viertel empfinden sich
blems. als Deutschland zugehörig und fühlen sich hier
wohl – unabhängig davon, wie stark sie sich im
Insgesamt sind die Befragten aber zuversicht- Alltag diskriminiert fühlen (siehe ↗ Abb. 5.4).
lich, was den Umgang der deutschen Gesellschaft Vor dem Hintergrund von Befunden anderer Stu-
mit Muslimfeindlichkeit angeht. Unabhängig dien, die „Re-Ethnisierungsprozesse“ feststellen
126 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

(s. Unter­kapitel ↗ 5.6.2), können diese Befunde 5.6.2.1 Sichtbarkeit und Wahrnehmung
auch auf ein Umdeuten der gesellschaftlichen Antimuslimischer Rassismus- und
Zugehörigkeit zu Deutschland hinweisen: In die- Diskriminierungserfahrungen
sem Verständnis wird die Migrationsgeschichte
möglicherweise neu verortet, so wie etwa in den Bei allen interviewten Personen ist das For-
USA Minderheiten ihre Herkunft häufig betonen, schungsanliegen begrüßt worden, dezidiert als
auch wenn sie sich als Amerikaner*innen verste- Muslim*in zu Rassismus- und Diskriminie-
hen (African, Asian oder Latin American). rungserfahrungen befragt zu werden und sich
zu den Themen äußern zu können. Wichtig ist
5.6.2 Ergebnisse des qualitativen Teils den Befragten, dass mit ihnen und nicht über sie
geredet wird. Hieraus lässt sich bereits eine hohe
Im Unterschied zum quantitativen Studienteil Bedeutung des Themas für die Personen ablesen.
stehen im qualitativen alternative Interpretatio- Ihr starkes Mitteilungsbedürfnis gestattet erste
nen und wissenschaftliche Gütekriterien im Hinweise auf das jeweils aktivierte und über die
Vordergrund, also Alltagswahrnehmung hinausgehende Problem-
bewusstsein. Zugleich äußern einige Befragte
„weniger die Validität, Reliabilität und Bedenken, dass ihre Ansichten als Betroffene als
Objektivität statistisch erfasster, skalierter und weniger relevant erachtet werden könnten. Die
gewichteter Daten, sondern die Rekonstruktion Begleiterscheinungen von Zukunftsverunsiche-
und Plausibilisierung der Orientierungen und rung sind deshalb bedeutsam, weil sie auf die
Sinndeutungen dessen, was die in Gespräche Erfahrungsräume verweisen, in denen Befragte
verwickelten Personen sagen, und wie sie es und als muslimisch wahrgenommene Personen
sagen (mithin die Verhältnisbestimmung des leben und diese gestalten. Darüber hinaus geben
Expliziten und Impliziten).“ (Zick et al. 2023)63 sie Einblicke in das gesellschaftliche Klima.

Dazu hat das Forscher*innenteam innerhalb der 5.6.2.2 Die Normalisierung antimuslimischer
MuPe-Projektlaufzeit von fast einem Jahr bundes- Erfahrungen innerhalb der Gesellschaft
weit 31 qualitative Interviews geführt und analy-
siert. Der qualitative Studienteil zeichnet nach, auf Vielfach weisen die Befragten auf eine Art Nor-
welche Weise die Befragten Diskriminierungen malisierung oder auch Gewöhnung in Bezug auf
und rassistische Anfeindungen in allen Lebensbe- AMR hin. Dabei stellen sie einen Zusammenhang
reichen erfahren. Muslim- und Islamfeindlichkeit zwischen ihren alltäglichen Diskriminierungs-
bzw. Antimuslimischer Rassismus (AMR) kann und Rassismuserfahrungen und der medialen
somit als Querschnittsphänomen identifiziert Berichterstattung her. Kritisiert wird die häufige
werden. Im Folgenden werden die grundlegenden Verwendung negativ gerahmter Bilder und Nar-
Ergebnisse entlang der in den Interviews benann- rative (Framing), z. B. die Darstellung rassifizierter
ten Bereiche wiedergegeben. (und migrantisierter) Personen als stetige Bedro-
hung. Dadurch resultiere einerseits der Eindruck,
dass sie als Muslim*innen erst einmal beweisen
müssten, dass sie nicht diesen medialen und dis-
kursiven Stereotypen entsprächen. Andererseits
entstehen laut den Interviewten dadurch auch

63 Da die Studie zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Textes nur als Manuskriptfassung vorlag, muss auf die Angabe von
Seitenzahlen verzichtet werden.
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 127

Normalisierungseffekte hinsichtlich rassistischer Terror zu distanzieren. So entstünde ein ständiger


und diskriminierender Annahmen sowie Äuße- Erklärungs- und Legitimationszwang, wenn es
rungen und Handlungen (vgl. Kapitel ↗ 7). um den Islam geht.

Ersichtlich werden unter den Befragten genera- Die Äußerungen hinsichtlich der Fluchtmigration
tionsbedingte unterschiedliche Sichtweisen auf 2015/2016 heben sich von den anderen benann-
rassistische Erfahrungen und Diskriminierung. ten Schlüsselereignissen ab: Sofern die Befragten
Die erste Generation der muslimischen Einwan- nicht selbst zu dieser Personengruppe gehören,
der*innen scheint sich meist mit Feindseligkeit grenzen sie sich von den „neuen Muslim*innen“
und Rassismus abgefunden zu haben („Die sind ab. Ein Teil der Befragten sympathisiert mit den
halt so. Die wollen uns nicht, weil wir Ausländer neu nach Deutschland Eingewanderten und sieht
sind.“) (Zick et al. 2023). Die jüngere Generation sie als Teil einer muslimischen Community in
hingegen scheint ein anderes Selbstverständnis Deutschland. Andere wiederum geben an, dass
in Bezug auf gesellschaftliche Teilhabe und auch sie bestehende Vorurteile gegenüber geflüchte-
entsprechend höhere Ansprüche zu haben. Ent- ten Menschen tei­len würden. Sie sähen ihre hart
täuscht zeigen sich mehrere Befragte darüber, erkämpften Status in der deutschen Gesellschaft
dass ihre weitreichenden Bemühungen, sich an und die ihnen zuteilgewordene Anerkennung
mehrheitsgesellschaftliche Vorstellungen anzu- durch die negativen Zuschreibungen gegenüber
passen, nicht zu einer Reduzierung antimusli- geflüchteten Menschen gefährdet. Hier kann
misch-rassistischer Erlebnisse geführt haben. eine Spannung zwischen gesellschaftlichem
Anpassungsdruck und Etabliertenrechten ausge-
5.6.2.3 Globale und nationale Schlüssel- macht werden, die mit Ausschluss- und Anerken-
ereignisse und ihre Nachwirkungen nungsprozessen einhergehen.

In den Schilderungen antimuslimischer Erfah- Unter den Befragten sind zudem Strategien
rungen beziehen sich die Befragten wieder- ersichtlich, um nicht mit vor kurzer Zeit nach
kehrend auf verschiedene globale und nationale Deutschland geflüchteten Menschen gleichge-
Ereignisse, die einen diskriminierungsverstärken- setzt zu werden. Sie meiden beispielsweise ent-
den Effekt auf ihr Leben hatten. Dazu zählen sprechende Gruppen im öffentlichen Raum. Hier
scheinen gesellschaftliche Reaktionsmuster,
• die Ereignisse am 11. September 2001 in die sie z. T. selbst erfahren haben, reproduziert zu
New York, werden.
• die Fluchtmigrationsbewegungen nach
Europa vor allem in den Jahren 2015 und 2016, Jüngere Befragte berichten von zusätzlicher
• insbesondere der Umgang mit dem rassisti- mentaler sowie persönlicher Belastung seit dem
schen Attentat in Hanau am 19. Februar 2020. rassistischen Attentat in Hanau. Oft ist von einer
persönlichen Zäsur die Rede, aus der unterschied-
Die terroristischen Attentate von 9/11 werden von liche Konsequenzen resultieren. Die Befragten
den Befragten als ein einschneidender Wende- äußern sich enttäuscht in Bezug auf die Mehr-
punkt in der öffentlich-medialen Wahrnehmung heitsgesellschaft, die mediale Berichterstattung
ausgemacht. Seitdem würden Muslim*innen und die Bundes- und Landesregierungen im
pauschal als potenzielle Aggressor*innen gesehen Umgang mit dem Anschlag in Hanau. In diesem
und wiederkehrend unter Terrorismusverdacht Zusammenhang lässt sich eine Diskrepanz beob-
gestellt. Eine unmittelbare Folge sei, dass sich achten zwischen der Wahrnehmung politischer
Befragte genötigt fühlten, sich von Gewalt und Maßnahmen gegen die Bekämpfung von Ras-
128 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

sismus und der gesellschaftlichen Wirkung auf In dieser Hinsicht wird der Wunsch nach mehr
von Rassismus Betroffene. Denn kurz nach dem religiöser Bildung („religious literacy“) bzw. der
rassistischen Anschlag in Hanau beschloss die Fähigkeit, zwischen Religion, Ideologie und Politik
Bundesregierung beispielsweise die Einrichtung zu unterscheiden, geäußert.
des UEM.
Aus den Schilderungen der Befragten geht auch
Darüber hinaus berichten Befragte, wie der hervor, dass ihre Religion ihnen Kraft schenkt,
Anschlag von Hanau zu einer persönlichen Poli- um den Erschwernissen im Leben zu begegnen.
tisierung und einem verstärkten Engagement Mit dem täglichen Gebet gingen sie einer rituellen
beispielsweise in migrantischen Selbstorganisa- Praxis nach, die ihnen niemand nehmen könne.
tionen geführt habe, obgleich man bis dahin eher Auffällig ist, dass unter den jungen Befragten das
unpolitisch und auch nicht organisiert war. Daraus spirituelle Interesse ausgeprägter ist und sich mit
lässt sich folgern, dass proaktives Engagement anderen kulturellen Praktiken vermischt. Bei
eine Selbstwirksamkeitsstrategie bzw. Empower- Jüngeren ist ein großes Interesse an anderen
ment für Befragte bedeuten kann. monotheistischen Religionen, insbesondere am
Judentum, erkennbar; dies kann als ein Wunsch
5.6.2.4 Die Bedeutung von Religion nach muslimisch-jüdischen Dialogen bzw. For-
maten wahrgenommen werden.
Die Deutungen des Islams oder bestimmter isla-
mischer Glaubensinhalte divergieren bei den Viele der Befragten sprechen von einer Gespalten-
Befragten und weisen sehr unterschiedlich ausge- heit innerhalb der muslimischen Communitys,
prägte Kenntnisse und Haltungen bezüglich ihrer die sie bedauern oder als störend für das friedli-
eigenen Religion wie auch religiöser Bildung auf. che Zusammenleben bewerten. Aus der Befragung
Diese reichen von einer religiösen und religions- geht ebenfalls hervor, dass die Ächtung von Anti-
pädagogischen Belesenheit bis hin zu gering aus- semitismus und AMR unterschiedlich verläuft:
geprägtem religiösem Wissen. AMR werde im Vergleich zum Antisemitismus
(s. Unterkapitel ↗ 2.5) in den Medien weniger
Viele der Befragten nehmen Bezug auf ihre Rolle sichtbar; die Aufarbeitung von Anschlägen gegen
als unfreiwillige Religionsvermittler*innen. Moscheen und Muslim*innen sei schwächer
Fortwährend fänden sie sich in verschiedenen ausgeprägt und die Hemmschwelle für antimus­
Lebenssituationen in einer Rolle wieder, in der sie limische Äußerungen liege niedriger als bei
den Islam erklären sollen oder darlegen müssen, antisemitischen Äußerungen. Die Unterschiede
warum bestimmte Formen von Gewalt, die mit in der Sensibilisierung und Thematisierung von
dem Islam begründet werden, nicht mit der Reli- Antisemitismus liegen in der langen Geschichte
gion gleichzusetzen ist. des Antisemitismus in Deutschland und der
Verbrechen im Nationalsozialismus begründet.
„Ähm, ich würde so ein bisschen mehr wollen,
dass der interreligiöse Dialog mehr gefördert 5.6.2.5 Folgen von direkten, offenen und
wird, ja, dass mehr Aufklärung auch herrscht, ja, subtilen Formen von Antimuslimischem
dass man diese Differenzierungen, ja, zum Bei- Rassismus
spiel von Ideologien, ja, einfach auch vielleicht
nochmal klar macht, ja: Was ist vielleicht die In der MuPe-Studie werden antimuslimische
islamische Religion, ja, wo sind mehr politische Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen als
Ziele, ja, Interessen [...].“ (Zick et al. 2023) belastend beschrieben. Die Ergebnisse konzentrie-
ren sich auf das sozialräumliche Umfeld, Schule,
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 129

Beruf und religiöse Sichtbarkeit. In den Bereichen Haltungen und Angriffe sei. Als einer der zentra­
Schule und Arbeitsplatz werden die häufigsten len Befunde wird in fast allen Interviews die
negativen Zuschreibungen und Anfeindungen Wahrnehmung deutlich, dass die Präsenz und
erlebt. Befragte berichten von einer Kultur der Teilhabe von Muslim*innen in Deutschland trotz
negativen Akzeptanz, welche Muslim- und Islam- aller Bemühungen keine Selbstverständlichkeiten
feindlichkeit bzw. AMR und auch andere Formen darstellen.
von Diskriminierungen und Rassismen sanktions-
frei ermögliche. Diese Erfahrungen können als 5.6.2.6 Antimuslimische Erfahrungen an Schule
eine umfassend lebensweltliche Erschütterung und Hochschule: Unsichere Orte für
beschrieben werden, die das individuelle und Muslim*innen
gesellschaftliche Sicherheitsgefühl maßgeblich
beeinträchtigt. Einen weiteren prekären Bereich Auffällig häufig nennen die Befragten die Schule
bildet der öffentliche Nahverkehr, aber auch der als Ort für das Erleben von AMR (vgl. Kapitel ↗ 6).
öffentliche Raum an sich, und zwar insbesondere Berichtet wird vor allem von abwertenden Äuße-
dahingehend, dass Betroffene aus ihrem Umfeld rungen und Handlungen in Bezug auf den Islam,
kaum bis gar keine intervenierende Unterstützung der stellvertretend für vielfältige Zuschreibung
erfahren. von mutmaßlicher ‚Andersartigkeit‘ hinsichtlich
Herkunft, Aussehen, Sprache, Lebensstil, reli­
Befragte berichten von Vandalismus gegen giö­ser Praxis, Ethik und Moral gilt. Das geschil-
Moscheegebäude (vgl. Unterkapitel ↗ 5.4) in ihrer derte Othering vollzieht sich insbesondere über
Heimatstadt, Hakenkreuzen an den Türen und defizitäre Zuschreibungen, die auf einen als
rassistischen Parolen wie „Türken raus!“ Manch- rückständig, antiaufklärerisch, gewaltaffin, anti-
mal wird auch von „unerklärbarem Hass“ gespro- demokratisch und frauenfeindlich verstandenen
chen. Neben diesen offensichtlichen Phänomenen Islam zurückgeführt werden. Interessanterweise
wird der soziale Raum der Schule als problematisch scheinen Rassismus- und Diskriminierungser-
hervorgehoben (Zick et al. 2023; vgl. Kapitel ↗ 6). fahrungen durch erfolgreiche Bildungsbiografien
und einen damit verbundenen Milieuwechsel
Die Interviewten berichten von direkter und eher zuzunehmen. Gerade an Gymnasien scheint
subtiler rassistischer Ansprache durch ihre Leh- AMR aus einer bürgerlichen Mitte heraus artiku-
rer*innen während ihrer Schulzeit, aber auch von liert zu werden.
ähnlichen Situationen während des Studiums.
Bestimmte Vorkommnisse verdeutlichen Ausmaß Als besonders schmerzhaft-erschütternd werden
und Intensität des erlebten AMR in Schule und insbesondere rassistische Äußerungen seitens
Studium: antimuslimische Witze oder im Fasching der Lehrkräfte beschrieben. Die Interviewten
die Verkleidung als Terrorist*in, in der Schüler*in- berichten von direkter und subtiler rassistischer
nen „Allahu Akbar!“ rufend und mit dem Koran in Ansprache durch ihre Lehrer*innen während
der Hand herumlaufen (Zick et al. 2023). ihrer Schulzeit, aber auch von ähnlichen Situatio-
nen während des Studiums: „Warum brauchst
Subtilere Formen der Wahrnehmung von AMR, du das Abitur, du heiratest doch deinen Cousin“
wie feindliche Blicke oder Anstarren, werden (Zick et al. 2023). Eine Befragte schildert, wie ihre
als unangenehme Erfahrungen geschildert. Die ehemalige Lehrkraft im Englischunterricht auf
Befragten berichten davon, dass die Sichtbarkeit eine ihrer Mitschülerinnen mit Kopftuch zeigt
ihrer religiösen Zugehörigkeit insbesondere im und sie als Beispiel für einen mutmaßlich terro-
öffentlichen Raum und im öffentlichen Nah- ristischen Generaltypus markierte: „Die Terroris-
verkehr eine Angriffsfläche für antimuslimische ten sehen aus wie [Name der Schülerin]“ (ebd.).
130 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Das hoheitliche Mandat der Lehrenden und die Andere Formen von Muslim- und Islamfeind-
damit einhergehende Deutungshoheit sowie lichkeit bzw. AMR werden während der Suche
der Altersunterschied tragen in besonderer Weise nach einem Arbeitsplatz erlebt. Arbeitssuchende
zu einem Machtgefälle und der Vulnerabilität Frauen mit Kopftuch werden zwar aufgrund ihrer
der Schüler*innen bei. Ersichtlich wird aus den Qualifikationen willkommen geheißen, als Ein-
Schilderungen auch immer wieder die mangelnde stellungsvoraussetzung wird ihnen jedoch erklärt,
rassismuskritische Kompetenz des pädagogischen dass sie ihr Kopftuch abnehmen müssen, um in
Personals in Bezug auf den Umgang mit Religion der entsprechenden Firma arbeiten zu können.
und Diversität im schulischen Raum.
Insbesondere Musliminnen, die ein Kopftuch
5.6.2.7 Geschlechtsspezifische Merkmale tragen, berichten zudem mehrheitlich von körper­
von Muslimfeindlichkeit bei der lichen Übergriffen, die sie vor allem im öffentli-
Wohnungssuche, am Arbeitsplatz chen Raum erleben. Die Berichte der weiblichen
und im öffentlichen Raum Befragten deuten auch auf eine Verschränkung
von sexueller Belästigung und AMR hin.
Die Ergebnisse der MuPe-Studie deuten in Bezug
auf geschlechtsspezifische Merkmale der betrof- Männliche muslimische Interviewpartner berich-
fenen Personen auf veränderte Ausdrucksformen ten wiederum von vermehrten willkürlichen
von Muslimfeindlichkeit hin. So werden etwa polizeilichen Kontrollen, die sie im öffentlichen
Ablehnungen bei der Wohnungs- und Stellen- Raum erleben. Zudem müssen sie regelmäßig
suche mit geschlechtsspezifischen rassistisch- Fragen zu Gewalt und Terror beantworten.
stereotypen Zuschreibungen untersetzt. Eine
Interviewpartnerin berichtet, wie sie zeitgleich 5.6.2.8 Gesundheitswesen und gesundheitliche
mit ihrer Freundin die identische Zimmeranfrage Folgen von Antimuslimischem Rassismus
über ein Internetportal an eine WG stellt; ihre
Freundin wird ihrem Aussehen und Namen nach Auch wenn das Gesundheitswesen in den Inter-
als herkunftsdeutsch wahrgenommen. Beim views vergleichsweise wenig angesprochen wurde,
anschließenden WG-Casting erscheinen sie zu kann es als Ereignisort antimuslimisch-rassisti-
zweit. Die WG-Mitbewohner*innen lehnen sie scher Erlebnisse identifiziert werden. Einschlägige
mit dem Hinweis ab, sie hätten „keinen Bock auf Vorurteile gegenüber nicht-herkunftsdeutschen
Ehrenmord“ (Zick et al. 2023). Patient*innen zeichnen sich auch bei Ärzt*in-
nen und Pflegepersonal mit jener Häufigkeit ab,
Ein anderer Interviewpartner gibt folgendes wie sie für viele Berufe mit hoher Schlagzahl an
Erlebnis bei der Wohnungssuche zu Protokoll: zwischenmenschlicher Begegnung und sozialem
Kontakt signifikant zu sein scheint. In diesem
„Trotz meiner Verbeamtung habe ich zweiein- Zusammenhang sind die Aversionen gegenüber
halb Jahre eine Wohnung gesucht. Als ich einem den Patient*innen jedoch verschränkt. Mal han-
Vermieter die direkte Frage stellte, was denn delt es sich um dezidiert islamfeindliche Einstel-
gegen mich als Mieter spricht, sagte er mir, dass lungen, mal um herabsetzende Haltungen und
er nicht wollte, dass die Nachbarn jetzt ermutigt Aussagen gegenüber Patient*innen und deren
seien, kleine Bombenleger in das Haus einzu- (familiäre, andere) Begleitung.
laden.“ (Ebd.)
Einige der Gesprächspartner*innen schildern,
dass sie, wenn möglich, Ärzt*innen mit Migra-
tionshintergrund vorzögen, da sie sich bei diesen
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 131

verstanden und sicherer fühlten. Offensichtlich „Ich bin immer ready für Schlagabtausch, hab‘
wird ihnen eher eine rassismussensible Haltung mir die krassesten Redewendungen angeeignet
zugesprochen. und spreche als Einziger Hochdeutsch an der
Schule.“ (Zick et al. 2023)
Unabhängig von Alter, Milieu und Herkunft
berichten alle Befragten über seelische und men- Die vollzogenen, aber wenig anerkannten Anpas-
tale Folgen ihrer Diskriminierungs- und Rassis- sungsanstrengungen führen zusammen mit den
muserfahrungen. Auszumachen sind insbeson- erlebten Enttäuschungen und Verletzungen bei
dere Angst-, Frustrations- und Ohnmachtsgefühle. einigen Befragten zu Formen der Re-Ethnisierung
Sie äußern sich in ständigen mentalen Auseinan- (s. Unterkapitel ↗ 5.2.2), was sich in einem stär­
dersetzungsprozessen (Gedankenkarussell), sin- keren Rückbezug auf das Herkunftsland der
kendem Selbstwertgefühl und damit fehlendem Vorfahr*innen äußert. Geschildert werden aber
Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, in (depressi- auch Formen der Selbst-Ethnisierung, ein Prozess
ven) Stimmungsschwankungen, Angststörungen, des gezielten Unterlaufens und der produktiven
autoaggressivem Verhalten und Rückzugs- bzw. Umdeutung hegemonialer Zuschreibungen.
Isolationstendenzen. Einige Befragte berichten zudem davon, wie
fluide ihre Persönlichkeit geworden sei und wie
Insbesondere die Sichtbarkeit der religiösen Zuge- sie sich überall anpassen könnten.
hörigkeit zum Islam stelle im öffentlichen Raum
eine Angriffsfläche dar. Trotz eines stark ausge- Insbesondere jüngere Befragte berichten davon,
prägten Gefühls der Zugehörigkeit zu Deutsch- dass sie sich sogenannte Safe Spaces (auch „Em­
land ziehen sich die Betroffenen in der Folge powerment-Räume“ genannt) geschaffen haben,
aus Teilen der Gesellschaft und des öffentlichen die ihnen die Möglichkeit bieten, sich mit Ange-
Raums zurück. Besonders Mütter (mit Kopftuch) hörigen aus der gleichen jungen postmigranti-
berichten zudem von einer Art permanenter schen Generation über Erlebtes, Ängste, Zukunfts-
Anspannungssituation im öffentlichen Raum. Sie sorgen u. ä. auszutauschen. Im Umkehrschluss
rechnen fast durchgängig mit Anfeindungen und bedeutet das, dass offizielle kommunale Anbie-
versuchen antizipierend, ihre Kinder vor solchen ter*innen im Kontext der (sozial-)psychologi-
Situationen zu schützen. schen Beratung und Begleitung kaum aufgesucht
werden. Das deutet auf zwei weiterführende Fra-
5.6.2.9 Bewältigungsstrategien gen: Wie muss das Angebot gestaltet sein, um sol-
che Bedarfe bedienen zu können, und wie muss
Aus den Schilderungen über den persönlichen kommunale Kinder- und Jugendhilfe agieren, um
Umgang mit AMR können unterschiedliche betroffene Menschen zu erreichen, anstatt sie
Bewältigungsstrategien abgeleitet werden. Reli- abzuschreiben?
gion wird von manchen als Quelle für Kraft und
Halt im Umgang mit Widrigkeiten und auch mit
AMR genannt. Einige Befragte versuchen, ihre
täglichen Berührungspunkte mit Angehörigen
der Mehrheitsgesellschaft zu minimieren. Andere
wiederum berichten davon, dass sie sich einem
verstärkten Druck ausgesetzt sehen, sich für
antimuslimische Kommunikationsszenarien zu
wappnen:
132 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

5.7 Fazit Bildungsabschluss berichten aber tendenziell


häufiger von Diskriminierungserfahrungen.
AMR stellt eine gesellschaftliche Realität und ein
Querschnittsphänomen dar. Um ihn zu begrei- Die gravierendsten Unterschiede sind in Bezug
fen, ist die Perspektive der Betroffenen entschei- auf die Religiosität der Befragten auszumachen.
dend. Im Folgenden sollen die Erkenntnisse, die Einige Studien verdeutlichen eindrücklich, dass
der UEM aus der Auseinandersetzung mit der Personen lediglich phänotypisch als Muslim*in-
Betroffenenperspektive gewonnen hat, noch ein- nen eingeordnet werden müssen, um bereits AMR
mal zusammengefasst werden. Als Grundlage zu erfahren. Zugleich erfahren Personen beson-
dienen dem UEM die Auswertung des aktuellen ders häufig AMR, die sich als religiös beschreiben,
Forschungsstands, Hearings mit Expert*innen Teil einer muslimischen Organisation sind oder
und Multiplikator*innen, eine in Auftrag gege- religiös konnotierte Kleidung tragen. Sie berich-
bene explorative Fallstudie zu den Folgen von ten auch von besonders drastischen Formen von
Moscheeangriffen (vgl. Gök Akca et al. 2023) und Anfeindungen. Somit können Muslim*innen, für
die in Auftrag gegebene MuPe-Studie (vgl. Zick die ihre Religion sichtbar wichtig ist, als die am
et al. 2023) sowie die noch zu veröffentlichende stärksten von AMR betroffene Gruppe identifiziert
BAMF-Studie „Diskriminierungserfahrungen werden.
von Menschen aus muslimisch geprägten Her-
kunftsländern“ (vgl. Stichs/Pfündel 2023). Die meisten Studien weisen darauf hin, dass mus-
limische Frauen und unter ihnen vor allem die-
Deutlich wird, dass Muslim*innen vielfältige jenigen, die ein Kopftuch tragen, besonders stark
gesellschaftliche Diskriminierungserfahrungen diskriminiert werden. Andererseits berichten in
auf einem insgesamt hohen Niveau machen. der repräsentativen BAMF-Studie Männer häu-
Dabei unterscheiden sich ihre Erfahrungen je figer von regelmäßigen antimuslimisch-rassisti-
nach gesellschaftlicher Positionierung der Betrof- schen Erfahrungen.
fenen. Tendenziell berichten jüngere Menschen
häufiger von Diskriminierungserfahrungen als Über alle Studien hinweg wird deutlich, dass sich
ältere. Unter muslimischen Einwander*innen die befragten Personen geschlechtsspezifischen
berichten zudem Personen aus den Folgegene- rassistischen Zuschreibungen ausgesetzt sehen.
rationen von häufigerer und stärkerer Diskrimi­ Muslimische Frauen berichten, dass sie nicht als
nierung als Personen aus der ersten Einwan- selbstbestimmt wahrgenommen werden. Dies gilt
der*innengeneration. Da keine Indizien für eine insbesondere für kopftuchtragende Frauen, denen
gravierende Verschlechterung der Verhältnisse gegenüber rassistische Äußerungen auch offener
ersichtlich sind, ist davon auszugehen, dass Mus- vorgetragen werden. Männer sehen sich hingegen
lim*innen, die in Deutschland aufgewachsen verstärkt Zuschreibungen von Aggressivität und
bzw. sozialisiert sind, einerseits einen höheren Gewalt ausgesetzt.
Anspruch an gesellschaftliche Teilhabe und
zugleich eine höhere Sensibilität für Diskrimi­ Während je nach gesellschaftlicher Positionierung
nierung haben. graduelle Unterschiede in Ausmaß und Intensität
der erfahrenen Diskriminierung auszumachen
Eine Rolle in Bezug auf erfahrene Diskriminierung sind, kann für fast alle Betroffenen festgestellt
scheint auch das Bildungsniveau zu spielen. Zwar werden, dass die erlebten Abwertungs- und Aus-
trifft AMR Personen über alle formalen Bildungs- grenzungserfahrungen nicht nur singuläre Ereig-
niveaus hinweg. Diejenigen mit einem höheren nisse, sondern in unterschiedlichem Maße wieder-
kehrende negative Erfahrungen darstellen. Inso-
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 133

fern stellt AMR für viele Muslim*innen und auch Die Umgangsstrategien damit sind verschieden.
für Menschen, die als Muslim*innen wahrgenom- Alle entsprechenden Untersuchungen zeigen,
men werden, eine mitunter sehr belastende Kom- dass Betroffenen der Umgang mit rassistischen
ponente in ihrem Leben dar. Diskriminierung erle- Erlebnissen leichter fällt, wenn sie auf stärkende
ben die Betroffenen zumeist an Orten verstärkter Ressourcen zurückgreifen können. Dazu zählen
gesellschaftlicher Interaktion und Teilhabe. Neben soziale Netzwerke, gesellschaftlicher Status, Bil-
dem allgemeinen öffentlichen Raum sind dies dung, Wissen über Rassismus und ein positives
insbesondere die drei Schlüsselbereiche Bildung, Selbstwertgefühl. Nach Unterstützung sucht der
Arbeitswelt und Wohnungsmarkt. Hier treten Großteil der Diskriminierung erfahrenden Per-
auch regelmäßig Konstellationen von asymme- sonen im privaten Umfeld. Die Studien zeigen
trischen Machtverhältnissen auf. In diesen sind auf, dass viele der Betroffenen keine Kenntnis
Personen z. T. in Abhängigkeitsverhältnissen und von Beratungs- und Unterstützungsangeboten
dadurch ausgesprochen vulnerabel. Besonders haben. Viele wissen nicht, an wen sie sich wen-
gravierend ist das Verhältnis in der Schule zwi- den können, sodass sie sich häufig alleingelassen
schen Lehrkräften und ihren Schüler*innen, die fühlen. Der Anteil derjenigen, die sich an eine
viele schmerzhafte Diskriminierungserfahrungen professionelle Stelle wenden, ist verschwindend
machen. Entsprechend ist es von großer Bedeu- gering. Zudem bringt nur etwa jede zehnte Person
tung, dass Autoritäten, die im Rahmen eines insti- einen justiziablen Vorfall wie körperliche Angriffe,
tutionellen Auftrags agieren, ihrer Verantwortung Beleidigungen oder Belästigungen zur Anzeige,
gerecht werden. sodass angenommen werden kann, dass die Anzahl
der antimuslimisch-rassistischen Straftaten um
AMR ist den Betroffenen zufolge gesellschaftlich ein Vielfaches höher liegt, als die Zahlen der poli-
überall präsent und wirkt in allen Lebenslagen. zeilichen Kriminalitätsstatistik ausweisen.
Es treten jedoch regelmäßig diskursive Schlüssel-
ereignisse ein, die noch einmal verstärkte anti-
muslimisch-rassistische Artikulationen auslösen
und auch vermehrte Anfeindungen nach sich
ziehen. Solche medialen Katalysatoren, die die
Intensität der muslimfeindlichen Resonanz in der
Gesellschaft erhöhen, sind mit Muslim*innen in
Zusammenhang gebrachte Diskursereignisse. Das
können dschihadistisch-terroristische Anschläge
oder Debatten über Fluchtmigration sein oder
auch rassistische Buchpublikationen wie die von
Thilo Sarrazin. In diesen Phasen sehen sich Mus-
lim*innen noch einmal stärker mit einer Wahr-
nehmung konfrontiert, die sie als potenziell
gefährlich einordnet, sodass sie einem erhöhten
Rechtfertigungsdruck unterliegen.
134 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

5.8 Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

› die Anerkennung von Antimuslimischem Rassismus als gesellschaftliches Problem. Eine entschiedene
Positionierung durch die Politik und ein differenziert-sachliches und verantwortungsvolles Sprechen
über Muslim*innen und islamrelevante Themen seitens staatlicher Repräsentant*innen ist dringend
geboten.

› die Beauftragung einer mit Bundesmitteln finanzierten repräsentativen Studie zu den Umgangs-
strategien und Auswirkungen von Muslimfeindlichkeit auf Betroffene. Es mangelt an repräsentativen
Studien zu Diskriminierungserfahrungen, dem Umgang mit diesen sowie deren Auswirkungen auf
Betroffene. Eine erste, vom UEM in Auftrag gegebene Studie hat bereits aufgezeigt, dass systematische
Erkenntnisse auf Basis quantitativer Studien praxisrelevante Schlüsse zulassen, Leerstellen aufzeigen
und zur Entwicklung maßgeschneiderter Maßnahmen beitragen können.

› die Initiierung und Förderung von rassismuskritischen Studien zu Antimuslimischem Rassismus,


die Förderung anwendungsorientierter Grundlagenforschung und praxisbegleitender Forschung zu
Maßnahmen gegen Antimuslimischen Rassismus sowie die Förderung von Forschung in Bezug auf
Intersektionen, z. B. durch entsprechende Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung (BMBF).

› den Ausbau und die Verstetigung der Bekämpfung von Antimuslimischem Rassismus als eigen-
ständigen Themenbereich der politischen Bildung und ihrer Förderpraxis, z. B. über das Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die Bundeszentrale sowie die
Landeszentralen für politische Bildung.

› den Auf- und Ausbau von Beschwerde-, Melde- und Dokumentationsstellen sowie von Antidiskri-
minierungs- und Beratungsstellen mit Expertise zu Antimuslimischem Rassismus sowie die ent-
sprechende Qualifizierung ihrer Beschäftigten. Insbesondere an Schulen besteht großer Bedarf.

› die Etablierung von rassismuskritischen Fort- und Weiterbildungen für verschiedene Berufsgruppen
und in allen staatlichen Einrichtungen (z. B. Schulen, Kitas, Sicherheitsbehörden, kommunalen Ver-
waltungen, Medienhäusern, Kultureinrichtungen, in der Justiz (auch im Justizvollzug) und im Gesund-
heitssystem), um insbesondere für Antimuslimischen Rassismus und seine institutionellen Formen
zu sensibilisieren. Für angehende Beamt*innen sollten sie verpflichtender Teil der Ausbildung werden.

› die Förderung und den nachhaltigen Ausbau von Empowerment-Maßnahmen für Betroffene von
antimuslimischer (Mehrfach-)Diskriminierung durch entsprechende Bundes- und Landesprogramme.
Die entsprechenden Förderprogramme sollten dabei klar als gegen Antimuslimischen Rassismus
gerichtet benannt und nicht der Extremismusprävention zugeordnet werden. Gegen Letzteres spricht
sich der UEM deutlich aus, da dies zur Normalisierung antimuslimischer Narrative beiträgt.
Erfahrungen mit Antimuslimischem Rassismus aus der Betroffenenperspektive 135

› die Verbesserung und Erweiterung des Antidiskriminierungsrechts auf Bundes- und Landesebene
und seiner Umsetzung, wie z. B. angemessene (proaktive) Vorkehrungen gegen Diskriminierung, die
Dokumentation von Rechtsfolgen von Gesetzen im Hinblick auf ihre diskriminierende Wirkung und
ein Verbandsklagerecht (vgl. hierzu auch die Forderungen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses
„AGG Reform – Jetzt!“).

› die Anerkennung des Verbots der mehrdimensionalen und intersektionalen Diskriminierung und
die Überführung in die Rechtspraxis. Erscheinungsformen der Mehrfachdiskriminierung sollten im
Gesetz klar benannt werden. Beispielsweise spielen in Fällen, in denen muslimische Frauen wegen
ihres Kopftuchs in Bewerbungsverfahren abgelehnt werden, die Diskriminierungsgründe Religion,
(zugeschriebene) ethnische Herkunft und das Geschlecht eine bedeutende Rolle.

› den Schutz von Amts- und Mandatsträger*innen und zivilgesellschaftlich engagierten Personen sowie
Organisationen, die sich gegen Antimuslimischen Rassismus einsetzen, im Fall von Bedrohungen.

› den Schutz von muslimischen Gemeinden und ihre Unterstützung in Bezug auf Sicherheitsmaßnahmen.

› die gezielte Förderung aller bisher genannten Maßnahmen im ländlichen Raum und in Ostdeutschland.
136 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

6 Bildung

Auch im Bereich der Bildung wird die zuneh- Das Kapitel fasst die bisherigen Erkenntnisse über
mende Pluralität der Gesellschaft deutlich: Mehr Islam- und Muslimfeindlichkeit im Bildungs-
als ein Drittel aller Kinder, Jugendlichen und bereich zusammen. Dabei blickt der UEM auf die
jungen Erwachsenen unter 25 Jahren in Deutsch- jeweiligen Bereiche – Kindertageseinrichtung,
land hat eine Migrationsgeschichte. Gleichzeitig Schule, Hochschule und außerschulische Bildung –
finden hier häufig Benachteiligungen aufgrund aus zwei Blickwinkeln: Zum einen geht es um
der Religion und Herkunft statt. Beispiele dafür die institutionellen und strukturellen Bedingun-
sind Ungleichbehandlung bei der Verteilung von gen, die Muslimfeindlichkeit begünstigen und
Schul- oder Studienplätzen, schlechtere Benotung damit Orte sind, in denen Muslim*innen ent-
oder abwertende Äußerungen (vgl. u. a. Gomolla/ sprechende Erfahrungen machen (können). Zum
Radtke 2007; Fereidooni 2011; Schneider/Yemane/ anderen bieten die Bildungsbereiche wiederum
Weinmann 2014; Bonefeld/Dickhäuser 2017). jeweils unterschiedliche Formate an, die für
Auch islam- und muslimfeindliche Einstellungen Muslimfeindlichkeit sensibilisieren sollen und
tragen zur Bildungsbenachteiligung bei, wie im damit gleichzeitig Orte sind, an denen Muslim-
folgenden Kapitel ausgeführt wird. feindlichkeit entschieden entgegengewirkt wird.
Entsprechend dem jeweiligen Erkenntnis- und
Zwar ist dies bisher weniger erforscht, doch Forschungsstand sind die Ausführungen in den
können Diskriminierungserfahrungen aufgrund Unterkapiteln unterschiedlich gegliedert und
der Herkunft bzw. Religion bereits in Kindertages- angereichert.
einrichtungen vorkommen. Mehr Evidenz gibt
es dagegen über die Situation in der Schule, Hoch- Häufig beziehen sich die Ausführungen auf
schule sowie an außerschulischen Bildungsorten. Studien, die die Diskriminierung von Kindern
Erzieher*innen, Lehrer*innen, Professor*innen und Jugendlichen ‚mit Migrationshintergrund‘64
sowie Schüler*innen bzw. Studierende sind ent- untersuchen, denn empirische Daten über kon-
weder selbst von Muslimfeindlichkeit betroffen krete Erscheinungsformen von Muslimfeindlich-
oder aber sie tragen zu Diskriminierungserfah- keit im Bildungsbereich sind noch gering. Mit
rungen anderer bei. Zudem finden sich die Ursa- dem umstrittenen Begriff des ‚Migrationshinter-
chen von Benachteiligung im Bildungsbereich grunds‘ sind ohnehin oft und mitunter nur musli-
in etablierten Strukturen und Normen sowie mische Religionsangehörige gemeint.
inregulären und informellen Regeln – ein Phäno-
men, das als institutionelle Form von Diskrimi- Für eine tiefgründige Untersuchung von Muslim-
nierung im Bildungsbereich beschrieben wird. feindlichkeit im vorschulischen sowie schulischen
Bereich hat der UEM neue Forschungsprojekte in
Auftrag gegeben sowie Forschungsexpertisen ein-
geholt. Zu diesen gehören

64 Beim Konzept der „Person mit Migrationshintergrund“ handelt es sich um eine deutsche, primär im wissenschaftlichen Kontext
entstandene Gruppenkonstruktion der 1990er-Jahre mit dem Ziel, die kritikwürdigen Bezeichnungen ‚Kinder ausländischer Herkunft‘
oder ‚Aussiedlerkinder‘ zu ersetzen. Im Rahmen der PISA-Studie 2000 wurde der Migrationshintergrund statistisch definiert als Merkmal
eines Kindes, von dem (mindestens) ein Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde. Insbesondere medial wurde die Kategorie zum
Synonym von Fremdheit und hat inzwischen stigmatisierendes Potenzial: „Der ‚Migrationshintergrund‘ markiert eine Grenze: zwischen
denen, die ohne nachzufragen zur ‚Wir-Gruppe‘ gehören und denen, die daraufhin beobachtet werden (können), ob sie ‚wirklich‘
dazugehören, dazugehören können und wollen“ (Stošić 2017: 95).
Bildung 137

• eine Studie zu Muslimfeindlichkeit in deut- Eine gleichzeitige und dahingehend widersprüchli-


schen Schulbüchern und Lehrplänen mit dem che Entwicklung ist die zunehmende gesellschaft-
Titel „Schulbücher und Muslimfeindlichkeit: liche Anerkennung von Vielfalt – und damit auch
Zur Darstellung von Musliminnen und Musli- von Muslim*innen –, die sich im Bildungsbereich
men in aktuellen deutschen Lehrplänen und programmatisch wie folgt äußert: In den 1990er-
Schulbüchern“ (Georg-Eckert-Institut), Jahren nahm man hier Abschied von der ‚Auslän-
• eine qualitativ angelegte Studie zu Wahrneh- derpädagogik‘, die ab dem Ende der 1970er-Jahre
mungsmustern und Vorstellungen muslimi- eine Antwort auf die Bildungsbenachteiligung
scher und nicht-muslimischer Lehrkräfte über der damals sogenannten ‚Gastarbeiterkinder‘
den Islam und muslimische Schüler*innen mit war. Als deutlich wurde, dass sie keine Gäste sind
dem Titel „Wahrnehmung über muslimische und die Pluralisierung der Gesellschaft auch im
Schülerinnen und Schüler in der Schule“ Klassenzimmer immer sichtbarer wurde, entstand
(Universität Duisburg-Essen), das Prinzip der Anerkennung von Differenz (vgl.
• ein Hearing mit Dr. Seyran Bostancı zum Prengel 1993). Demzufolge sei das Ziel einer Päda-
Thema „(Antimuslimischer) Rassismus in Kitas“ gogik der Vielfalt die Erziehung zum Umgang mit
(Deutsches Zentrum für Integrations- und Differenz und Gleichheit – eine Gleichbehand-
Migrationsforschung, DeZIM). lung von Ungleichen würde zur Benachteiligung
führen. Denn je nach sozioökonomischem und
sprachlichem Hintergrund bringen Jugendliche
6.1 Die pädagogische Program­ unterschiedliche Voraussetzungen und Erfah-
matik in schulischer und rungen mit. Auch als interkulturelle Pädagogik
bekannt, bestimmt dieses Prinzip bis heute den
außerschulischer Bildung breiten schulischen und außerschulischen Bil-
dungsbereich. Jedoch geht mit dem anerkennen-
Muslimfeindlichkeit ist in der Regel im schuli- den Blick auf Unterschiede die Gefahr der Über-
schen und außerschulischen Bereich eher selten betonung des Differenzaspekts einher. Es besteht
ein Thema, mit dem man sich als Diskriminie- die Gefahr einer Kulturalisierung und Ethnisie-
rungsform einer marginalisierten Gruppe ausein- rung von Differenz und in der Betrachtung sozia-
andersetzt. Dies ist wenig überraschend: Das Phä- ler Probleme (vgl. Diehm/Radtke 1999).
nomen selbst ist als solches gesellschaftlich kaum
bekannt bzw. wenig anerkannt. Allein der Streit Dieser kulturalisierende Blick ist nach wie vor
um die ‚richtige‘ Bezeichnung – Islamfeindlich- dominant im gesellschaftlichen Bild über Mus-
keit, Islamophobie, Antimuslimischer Rassismus lim*innen (s. Kapitel ↗ 7). Ihre vermeintliche
(s. Kapitel ↗ 2) – zeigt, dass die Bekämpfung des Andersartigkeit, Kulturdifferenz und Fremdheit
Phänomens noch in den Kinderschuhen steckt. sind dabei bekannte Assoziationen. Die betonte
Dementsprechend findet sich in etablierten schu- Anerkennung und Gleichwertigkeit eines
lischen und außerschulischen Programmen sel- bestimmten ‚kulturellen Hintergrunds‘ ist von
ten ein Hinweis auf oder die Auseinandersetzung einem essentialistischen Kulturverständnis
mit Muslimfeindlichkeit. Im Gegenteil: Muslim- geprägt: der Vorstellung, dass Kulturen statisch
feindlichkeit ist aktuell eher eine Praxis, die sich und unveränderbar sowie eindeutig bestimmten
im (außer-)schulischen Alltag äußert. So ist die Regionen zuzuordnen seien. Demnach seien
Ansprache von Muslim*innen insbesondere defi- Handlungen und Sichtweisen von Menschen
zitär: Sie gelten als Problemverursacher*innen, besser zu verstehen, wenn man ‚ihre‘ vermeint-
weniger als Betroffene von Ungleichbehandlung liche Kulturzugehörigkeit kenne (vgl. Shooman
(vgl. Unterkapitel ↗ 6.3.2.1). 2014). Obwohl die interkulturelle Pädagogik auf
138 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

die Anerkennung von Pluralität abzielt, können auswertung der Daten für 18- bis 25-Jährige
ihre Effekte stigmatisierend wirken: Die ‚Anderen‘ durchgeführt (vgl. Möller 2012), jedoch sind ver-
werden auf ihr Anderssein festgeschrieben oder gleichbare Daten für jüngere Jugendliche und
gar reduziert. Wenn das Verhalten von muslimi- Kinder nicht vorhanden. Die Frage, ob und inwie-
schen Jugendlichen auf ihre Religionszugehörig- weit muslimfeindliche Vorurteile bereits unter
keit – oder einer ihnen zugeschriebenen Kultur – Kindern anzutreffen sind, wurde empirisch bis-
zurückgeführt wird, kann dies ihren Ausschluss lang nicht erforscht. Auch generell besteht eine
als Nichtzugehörige der deutschen Gesellschaft Forschungslücke sowohl in Bezug auf die Repro-
verstärken. duktion als auch auf das Erleben von Rassismus
in der Kindheit in Deutschland. Mit einem Fokus
Als Kritik auf die interkulturelle Pädagogik ist auf antischwarzen Rassismus gibt es in den USA
der rassismuskritische Ansatz im Bildungsbereich dagegen seit Jahrzehnten mehr Erkenntnisse,
entstanden, der sich gegenwärtig zunehmend insbesondere aus entwicklungspsychologischer
verbreitet. Eine rassismuskritische Perspektive Sicht. So stellten die Psycholog*innen Clark und
begreift Ungleichheiten aufgrund von Rassismus Clark (1947) in ihrer bekannten „Puppenstudie“
als omnipräsent in der Gesellschaft – es gebe fest, dass die befragten Schwarzen Kinder im Alter
sozusagen keinen Ort ‚außerhalb‘ des Rassismus. von drei bis fünf Jahren eine Abneigung gegen-
Im Bildungsbereich bedeutet dies, dass in pädago- über der eigenen sozialen Gruppe zeigen und
gischen Lernräumen die (rassistischen) Mechanis- weiße Puppen präferieren.
men von Inklusion und Exklusion wirken – wie
beispielsweise die scheinbare Unvereinbarkeit Aus psychoanalytischer Sicht weiß man, dass
von ‚Muslimsein‘ und ‚Deutschsein‘. Diese Mecha- Kinder bereits im frühen Alter Differenzen wahr-
nismen sollten als Problem anerkannt, benannt nehmen. Jedoch wird ihnen kognitive Unfähigkeit
und entsprechend bearbeitet werden. Für die unterstellt, um Ungleichheiten und Hierarchisie-
Anerkennung von und die Auseinandersetzung rungen zu begreifen, sodass sie angeblich weder
mit Muslimfeindlichkeit in (außer-)schulischen Diskriminierung reproduzieren noch erfahren (vgl.
Bildungsbereichen scheint der rassismuskritische Van Ausdale/Feagin 2001). Entgegen dem pädago-
Ansatz geeignet. gischen Mantra „je früher, desto besser“ werden
in der frühkindlich-pädagogischen Praxis in der
Regel Vorurteilsstrukturen und Diskriminierun-
6.2 Die Phase der frühkind­lichen gen nicht explizit thematisiert (vgl. Diehm/Kuhn
Bildung und Vorschule: 2006). Es überwiegt das Bild des „unschuldigen“
Kindes (vgl. Bühler-Niederberger 2005), welches
Kinder und Vorurteile in den neuen sozialwissenschaftlichen Kind-
heitsforschungen infrage gestellt wird. Hier steht
Pädagogische Maßnahmen, die sich explizit gegen die Sicht der Kinder im Fokus, die als aktiv Han-
das Phänomen Muslimfeindlichkeit richten, delnde begriffen werden: als Subjekte, die sich
adressieren bis dato vornehmlich Jugendliche und eigenständig und kompetent ihre Welt aneignen.
Erwachsene. Diese gelten unter anderem deshalb Dies impliziert, dass Kinder durchaus Vorurteile
als Zielgruppe, da es empirische Daten über die und rassistisches Wissen lernen und reproduzie-
relevanten Einstellungen dieser Gruppe gibt: ren können. In diesem Zusammenhang sind in
In der Vorurteils- und Einstellungsforschung den letzten drei Jahrzehnten diverse Studien im
werden in der Regel Menschen im Alter von 18 bis englischsprachigen Raum durchgeführt worden,
97 Jahren befragt (vgl. Decker/Brähler 2018; Zick/ die die Anwendung von rassistischem Wissen
Küpper/Berghan 2019). Zwar wurde eine Sonder- durch Kinder, beispielsweise um ihre Spielinter-
Bildung 139

essen durchzusetzen, erforscht haben (vgl. Aboud institutionelle Handlungsroutinen (vgl. Bostancı/
1988; Van Ausdale/Feagin 2001; Katz 2003). Die Biel/Neuhauser 2022). Bei den befragten Eltern
deutschsprachige Bildungsforschung zeigt, dass handelt es sich auch um Muslim*innen, die von
unter anderem in Kitas Diskriminierung statt- muslimfeindlichen Stereotypen berichteten:
findet. So gibt es ethnografische Studien in Kin- So würden ihre Söhne etwa als „Macho“ oder
dergärten, in denen die Relevanz von einigen „Pascha“ bezeichnet. Eine Mutter berichtet, dass
Diversitätsdimensionen fokussiert wird, wie v. a. muslimische Mütter aufgrund von Personal-
beispielsweise Geschlecht (z. B. Budde/Scholand/ engpässen in der Kita ihres Kindes aufgefordert
Faulstich-Wieland 2008), Sprache (z. B. Thomauske würden, ihre Kinder früher abzuholen. Dies sei auf
2017) und Ethnizität (vgl. Machold 2015; Diehm/ die kulturalisierende Annahme zurückzuführen,
Kuhn 2006). Doch weder Rassismus noch Muslim- muslimische Frauen seien zu Hause, da sie auf-
feindlichkeit – auch nicht im Rahmen von religiö- grund traditioneller Rollenbilder nicht erwerbstä-
ser Differenz – wurden bisher aus der Perspektive tig seien (vgl. ebd.: 6). Eine österreichische Studie
von Kindern erforscht. Allerdings liegt aufgrund in elementarpädagogischen Einrichtungen zeigt,
der Ergebnisse der Studien über andere Diversitäts­ wie ein subtiler Ausschluss muslimischer Kinder
dimensionen nahe, dass bestimmte Bilder und stattfindet und dass deshalb unter anderem eine
Konstruktionen über Muslim*innen und ‚den Islam‘ stärkere Reflexion seitens pädagogischer Fach-
durchaus bei Kindern vorhanden sein können. kräfte hinsichtlich religiöser Vielfalt notwendig
sei (vgl. Hover-Reisner et al. 2017). Ähnlich sind
Aus einem Hearing, das der UEM mit der Expertin die Forderungen im Rahmen einer Studie über
Dr. Seyran Bostancı durchgeführt hat, die unter die Situation in rheinland-pfälzischen Kitas, die
anderem zu Bildungsungleichheit in der frühen anhand von Interviews mit Fachkräften und Eltern
Kindheit forscht, wurde deutlich, dass die Themen einen sozialen Ausschluss und Formen des anti-
„Islam“ und „Muslim*innen“ in Einrichtungen muslimischen Rassismus feststellt (Bundschuh/
der frühen und mittleren Kindheit insbesondere Müller 2020: 87). Die Autor*innen kritisieren, dass
im Zusammenhang mit konkreten Religionsfra- ein rassismussensibler Umgang mit (religiöser)
gen explizit werden. Es geht dabei beispielsweise Vielfalt sich nicht darin erschöpft, muslimischen
um Essensvorschriften für muslimische Kinder Kindern Essen anzubieten, das religiösen Vorschrif-
und das Feiern von islamischen Festen – wie bei- ten genüge – es müsse ein pädagogisches Gesamt-
spielsweise das Eid-Fest nach dem Ramadan. Hier konzept zum Umgang mit Vielfalt entwickelt
variiert der Umgang in den Kita-Einrichtungen werden, in dem muslimische Kinder anerkannt
von Anerkennung und Umsetzung bis hin zu werden (vgl. ebd.: 95).
Abwertung und Ablehnung.
Erfreulich ist die zunehmend sichtbare Diversität
Vereinzelt gibt es Ergebnisse über Einstellungen, in Kinderbüchern und Spielmaterial – auch hin-
Praktiken und Ausgrenzungsmechanismen in sichtlich religiöser Diversität. Die Anschaffung
Kindertageseinrichtungen aus der Wahrnehmung des Materials hängt allerdings in vielen Kitas am
von Erwachsenen, konkret von pädagogischen Engagement einzelner pädagogischer Fachkräfte.
Fachkräften und Eltern. So zeigt eine Kurzstudie Aktuell sind die divers ausgerichteten Materialien
des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismus­ in Kitas eher die Ausnahme. Bücher und Spiele,
monitors (NaDiRa) über den Umgang mit Insti­ in denen eine plurale Gesellschaft und vielfältige
tutionellem Rassismus in Berliner Kitas, wie Identitäten abgebildet werden und beispielsweise
Familien Rassismus in Kitas erfahren, etwa durch muslimische Menschen auch als positiv besetzte
diskriminierende Annahmen seitens des Perso- Hauptfiguren vorkommen, sind gerade im Kindes-
nals, Beschäftigungs- und Lernmaterialien und alter wichtig (vgl. dazu auch die Empfehlungen
140 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

von Bundschuh/Müller 2020: 98–99). Sie prägen betroffen ist. Schulen können bei der Tradierung
die Erfahrungs- und Lernprozesse der Kinder (vgl. muslimfeindlicher Stereotype in unterschiedli-
Nel 2017) und können eine präventive Wirkung cher Weise eine Rolle spielen. Als einzig verpflich-
auf die Entstehung von Vorurteilen gegenüber tende staatliche Sozialisationsinstanz spielt die
Minderheiten haben. Zudem tragen sie dazu bei, schulische Bildung für die Identitäts- und Persön-
Kinder aus marginalisierten Gruppen sichtbar zu lichkeitsentwicklung von Kindern und Jugend-
machen und sie in ihrem Selbstgefühl zu stärken. lichen eine wesentliche Rolle. Dies gilt zum einen
mit Blick auf Curricula und Lehrpläne und zum
Kindertageseinrichtungen sind als Orte der frü- anderen für das individuelle Erleben der Schü-
hen Kindheit gleichzeitig Orte der ersten sekun- ler*innen in der Schule.
dären Sozialisation, weshalb auch pädagogische
Fachkräfte eine Verantwortung für die Persön- Im Folgenden werden zunächst Analysen institu-
lichkeitsentwicklung der Kinder tragen. Diese tioneller und struktureller Rahmenbedingungen
entwickeln im Zusammenleben mit anderen in Schulen vorgestellt, die Muslimfeindlichkeit
ihre Identität und es entstehen erste Bilder über begünstigen können. Dabei gibt es bis dato wenige
andere. Pädagogische Fachkräfte begleiten sie Erkenntnisse über konkrete Erscheinungsformen
dabei, sodass deren entsprechende Aus- und von Muslimfeindlichkeit im schulischen Kontext.
Fortbildung die Voraussetzung für eine diversi- Im öffentlich-politischen sowie wissenschaftli-
tätsbewusste Erziehung ist. Allerdings ist das Fort- chen Diskurs wird eher über die Diskriminierung
bildungsangebot für die frühkindliche Bildung von Kindern und Jugendlichen ‚mit Migrations-
zur Sensibilisierung und zum Umgang mit Dis- hintergrund‘ gesprochen. Auf den zweiten Blick
kriminierung, menschenfeindlichen Ideologien wird jedoch deutlich, dass mit dem Begriff häufig
sowie religiöser Vielfalt bundesweit bisher wenig auch und manchmal sogar nur muslimische
ausgeprägt. Muslimfeindlichkeit ist dabei kein Religionsangehörige gemeint sind (vgl. Spielhaus
Thema, dem sich explizit gewidmet wird. Hierin 2013). Konflikte, in denen es konkret um (Bedarfe
besteht eine eklatante Lücke sowie die dringende von) Muslim*innen geht, folgen anhand von Bei-
Notwendigkeit, auch im frühkindlichen Bildungs- spielen. Anschließend werden bisherige Erkennt-
bereich für das Phänomen zu sensibilisieren. nisse über die Erfahrungen von Schüler*innen
und Lehrkräften mit Muslimfeindlichkeit im
schulischen Kontext vorgestellt.
6.3 Muslimfeindlichkeit
in der Schule 6.3.1 Institutionelle und strukturelle
Rahmenbedingungen:
Während es in den 1950er-Jahren das „katholische Die anonyme Diskriminierung
Arbeitermädchen vom Lande“ war, das sinnbild­
lich für die Bildungsbenachteiligung stand, ist es Die Grundidee von Schule in modernen und
heute das „muslimische Arbeitermädchen vom demokratischen Gesellschaften ist unumstritten:
türkischen Lande“, wie Weber (2003: 268) in ihrer Es geht um Bildungsgerechtigkeit. Schulen sind
Studie über Heterogenität im Schulalltag das als staatliche Organisationen in bestehende
Bild auf die heutige Schulsituation überträgt. gesellschaftliche Strukturen eingebettet. Daher
Ähnliches gilt auch für den „muslimischen Jun- sind sie kein neutraler Ort, an dem gesellschaft-
gen aus der Großstadt“ (Fereidooni 2011: 18), der liche Ungleichheits- und Diskriminierungsver-
symbolisch für den Hauptträger institutioneller hältnisse aufhören zu wirken. Im Gegenteil: In
Diskriminierung steht, da er am stärksten von zahlreichen Studien ist deutlich geworden, dass
Benachteiligung durch das deutsche Schulsystem Schulen von politischen, kulturellen und sym-
Bildung 141

bolischen Machtverhältnissen durchzogen sind So sind grundlegende „Schieflagen im Bildungs-


und damit an der (Re-)Produktion von sozialer system“ (Auernheimer 2013) entstanden, wie
Ungleichheit beteiligt sind (vgl. Gomolla/Radtke sie sich etwa in einer Überrepräsentation von
2007; Fereidooni 2011; Hormel/Scherr 2013).65 migrantischen Kindern und Jugendlichen an
Spätestens seit der Beteiligung Deutschlands an Förderschulen zeigen oder gar durch die Tatsache,
internationalen Schüler*innen-Leistungsstudien, dass Jugendliche ‚mit Migrationshintergrund‘
unter anderem der PISA-Studie der OECD im im Vergleich zu Jugendlichen ‚ohne Migrations-
Jahr 2000, ist der enge Zusammenhang zwischen hintergrund‘ die Schule viel häufiger ohne einen
Bildungsleistung und sozialer Herkunft deutlich Schulabschluss beenden. Eine Analyse von zwi-
geworden. Die Ergebnisse zeigten, dass zum schen 1979 und 1993 erstellten sogenannten Son-
Zeitpunkt der Untersuchung in keinem anderen derschulgutachten belegt das Zustandekommen
Land die Bildungsleistung so stark mit der sozialen eines überproportionalen Anteils von Kindern
Herkunft sinkt wie in Deutschland (vgl. Hovestadt/ ‚mit Migrationshintergrund‘ in Sonderschulen
Eggers 2007). Schüler*innen mit sogenanntem für Lernbehinderte (vgl. Gomolla/Radtke 2007).
‚Migrationshintergrund‘ bzw. aus sozioökono- Es handelte sich dabei insbesondere um tür-
misch schlechter gestellten Familien sind beson- kischstämmige bzw. muslimische Kinder, deren
ders von Benachteiligung betroffen. Dass Schule Lern-, Leistungs- und Integrationshindernisse
nicht nur erzieht, sondern durchaus auch als unter anderem mit „Koranschulbesuchen“ und
Institution diskriminiert, ist spätestens mit der „islamischem Fundamentalismus“ erklärt wurden
breit angelegten Studie „Herstellung ethnischer (ebd.: 212–214). Anstatt ihnen Integrationshilfen
Differenz in der Schule“ von Gomolla und Radtke anzubieten, wurde von Integrationsunwilligkeit
2007 belegt worden. Sie zeigen, dass Ungleichheit gesprochen – ein bis heute bekannter Topos im
in der Bildungsbeteiligung nicht zwangsläufig auf öffentlich-politischen Diskurs über Muslim*innen.
die individuellen Eigenschaften der Kinder oder
deren migrationsbedingte Startnachteile zurück- 6.3.1.1 Schulische Alltagskonflikte:
zuführen sei, sondern in der Organisation Schule (Islamische) Religion als „Störfaktor“
selbst erzeugt wird (s. a. Fereidooni 2011).
Wenn von religiösen Konflikten an Schulen die
Diese Form der institutionellen Diskriminierung Rede ist, geht es häufig um den Islam: sei es das
kann auch als anonyme Form der Diskriminie- Kopftuchtragen von Schülerinnen, der Sexual-
rung bezeichnet werden, denn es sind primär rou- kundeunterricht oder das Fasten in der Schule
tineartige Handlungspraktiken und bestehende während des Ramadan. In der Vergangenheit
Ordnungen, die diskriminierende Wirkungen wurden schulische Konflikte um „islamisch-
hervorbringen können. Es geht also nicht um orthodoxe Positionen“ bereits mehrere Male
böswillige und absichtlich abwertende Verhaltens­ gerichtlich entschieden (vgl. Karakaşoğlu 2010;
weisen von Einzelpersonen. Vielmehr liegt hier 2020; Hillgruber 1999):
die Annahme zugrunde, dass die Etablierung von
(staatlichen) Institutionen bestehende gesell­schaft­ So konnten sich zwei muslimische Mädchen
liche Trennlinien – beispielsweise hinsichtlich nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Geschlecht, Herkunft und anderer Differenz- (BVerwG) im August 1993 aus religiösen Grün-
merkmale – in ihr System inkorporiert hat. den vom koedukativen Sportunterricht befreien

65 Soziale Ungleichheit wird hier im engen sozialstrukturellen Sinne verstanden, nämlich als Frage nach der Zugehörigkeit zu
Sozialschichten und nach der Bildungsnähe der Herkunftsfamilie.
142 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

lassen66 – was inzwischen durch eine neuere Handlungsspielraum ausgeschöpft. Dabei wird
Entscheidung des BVerwG von 2013 als überholt im öffentlich-politischen Diskurs über solche
gilt.67 In anderer Sache konstatierte das Berliner Konfliktfälle die Differenzkonstruktion zwischen
Verwaltungsgericht im April 1997, dass das betref- ‚dem Islam‘ und ‚dem Westen‘ immer wieder
fende Lehrmaterial im Sexualkundeunterricht hergestellt. In diesem Duktus machte der Staats-
– muslimische Eltern beanstandeten Bilder von rechtler Hillgruber in seinem Essay mit antimus-
nackten Menschen – nicht gesetzeswidrig sei.68 limischen Thesen deutlich: „Wollen muslimische
Und auch beim Thema Kopftuch in der Schule Eltern ihre von westlichen Vorstellungen abwei-
gibt es eine Reihe von verfassungsrechtlichen chenden, islamischen Erziehungsziele auch in der
Auseinandersetzungen: Zwar ist das Verbot des schulischen Ausbildung ihrer Kinder verwirklicht
Tragens eines Kopftuchs durch Schülerinnen sehen, müssen sie diese auf islamische Privatschu-
z. B. während des Unterrichts rechtlich möglich, len schicken“ (1999: 545). Es ist allerdings nicht
jedoch besteht in der verfassungsrechtlichen nur die angebliche absolute Unvereinbarkeit von
Debatte weitestgehend ein Konsens darüber, dass islamischen und westlichen Werten, die ständig
ein generelles Verbot unzulässig sei (vgl. Hecker kolportiert wird. Die Diskussion über den Umgang
2022). Anders verhält es sich mit dem Kopftuchtra- mit dem Islam in Schule und Gesellschaft wird
gen von Lehrerinnen, das eine öffentliche Debatte von der zum Teil stillschweigenden Hervorhe­
und einen juristischen Streit bis heute andauern bung der eigenen (religiösen) Werte begleitet.
lässt, begonnen mit dem Fall der Lehrerin Fereshta Ausdrücklich formuliert es Hillgruber:
Ludin im Jahr 1998 in Baden-Württemberg. Zudem
entschied das Berliner Verwaltungsgericht 2009, „Wenn daher auch Muslime in Deutschland
dass die Schule ein ungestörtes Beten in einem für individuell und kollektiv in den Grenzen der all-
andere nicht ohne Weiteres zugänglichen Bereich gemeinen Gesetze Religionsfreiheit genießen,
ermöglichen müsse69 – ein Urteil, das ein Jahr so ist es gleichwohl wegen des spezifischen,
später von der Landesschulverwaltung in zweiter geschichtlichen wie sachlichen Zusammen-
Instanz wieder aufgehoben wurde70, inzwischen hangs von Christentum und politischer Kultur
durch die Entscheidung des BVerwG von 201171 ein Gebot der Selbsterhaltung dieses Staates,
wiederum überholt ist und damit bestätigt: Auch das christliche Erbe als unaufgebbaren geistigen
die Schule ist kein religionspraxisfreier Raum. Besitzstand weiterzutragen. Insbesondere die
Schule ist dafür der geeignete Ort.“ (1999: 547)
Unabhängig vom Ausgang der jeweiligen Kon-
flikte wird deutlich, dass der Umgang mit dem So wird Muslim*innen ihr Recht auf Religions-
Islam als Herausforderung oder gar als „Störung freiheit zwar zugestanden, doch dies wird an
des regulären und gewohnten Ablaufs im Schul- Bedingungen gekoppelt, die argumentativ dem
alltag“ (Karakaşoğlu 2010: 294) wahrgenommen Wunsch nach sogenannten Etabliertenvorrechten
wird. Spezifische Bedarfe von muslimischen folgt (vgl. Heitmeyer 2002).
Schüler*innen bzw. Eltern können häufig nicht
innerhalb des Schulsystems geregelt werden In diesem Zusammenhang tritt ein weiteres
und Schulleitungen bzw. Lehrkräfte sehen ihren Argument häufig auf: das Selbstverständnis als

66 Urteil vom 25. August 1993, BVerwG 6 C 8.91


67 Urteil vom 11. September 2013, BVerwG 6 C 25.12
68 Urteil vom 29. April 1997, BVerwG, VG 3 A 142.97
69 Urteil vom 29. September 2009, BVerwG,VG 3 A 984.07
70 Urteil vom 27. Mai 2010, Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, OVG 3 B 29.09
71 Urteil vom 30. November 2011, BVerwG 6 C 20.10
Bildung 143

säkularer Staat. Religion habe in der Schule nichts bzw. rechtspopulistischen Zusammenhängen zu
zu suchen, ist dabei eine gängige Haltung (vgl. finden sind. Auch innerhalb des linken Politik-
Cheema 2021). Obwohl in Deutschland ein posi- spektrums ist eine muslimfeindliche Haltung
tives Neutralitätsverständnis gilt, das die gleich- anschlussfähig, wenn Religionen grundsätzlich
mäßige Unterstützung aller Religions- und Welt­ abgelehnt und ihnen eine Rückschrittlichkeit
anschauungsgemeinschaften durch den Staat sowie antiemanzipatorische Wirkung attestiert
vorsieht, äußert sich im Raum Schule die Tendenz, wird. Eine religiöse Haltung gilt dabei schnell als
religiösen Bedarfen so wenig Raum wie möglich antimodern und irrational. Eine qualitative Studie
zu geben (vgl. Karakaşoğlu 2010; 2020). Allerdings mit nicht-muslimischen Geschichtslehrkräften
kommt es darauf an, um welche Religion es sich zeigte, dass sie die gelebte Religiosität von mus-
handelt: Nach einer Beschwerde von Eltern wurde limischen Schüler*innen als antiaufklärerisch
1995 mit einem gerichtlichen Beschluss das empfinden (vgl. Kahle 2021). Hier bedarf es einer
ver­pflichtende Anbringen eines Kruzifixes im Differenzierung, denn bisher wird im Diskurs um
Klassenzimmer in der Bayerischen Volksschul- Religion (bzw. Religionsfreiheit), religiöse Vielfalt
ordnung für verfassungswidrig erklärt. Doch bis und Säkularität die Frage nach der (il-)legitimen
heute hängt in vielen bayerischen Klassenzim- Rolle des Islams nahezu immer zentral (mit-)ver-
mern noch immer ein Kreuz. Im öffentlichen Dis- handelt (vgl. Amir-Moazami 2016). Eine solche
kurs und unter Politiker*innen wurde das Urteil verzerrte öffentliche Debatte führt wiederum zu
kritisiert, unter anderem mit Verweis auf ‚unsere‘ Pauschalurteilen, sodass an vielen Schulen die
Kultur, nämlich die geschichtlich-kulturelle Wahrnehmung von Muslim*innen negativ beein-
Prägung durch das Christentum. Ganz anders flusst wird.
läuft die Diskussion um das Kopftuchtragen mus-
limischer Lehrerinnen. Trotz des Beschlusses des 6.3.1.2 UEM-Studie: Zur Darstellung von
Bundesverfassungsgerichts von 2015, der Lehr- Musliminnen und Muslimen in aktuellen
personal das Tragen eines Kopftuchs erlaubt, wird deutschen Lehrplänen und Schulbüchern
dies durch das Neutralitätsgesetz 2021 zumindest
in Berlin wieder verunmöglicht. Schule müsse ein Das vorherrschende Bild über Muslim*innen
neutraler Raum sein, lautet dabei das Kernargu- wird außerdem mit Blick auf schulische Curricula
ment. Tatsächlich entspricht diese Haltung beinahe und Schulbücher deutlich. Schulbuchinhalte sind
der Hälfte der deutschen Bevölkerung: 49 Prozent staatlich anerkannt und reproduzieren Narrative
finden, dass Lehrerinnen das Tragen eines Kopf- über Selbst- und Fremdbilder einer Gesellschaft.
tuchs nicht erlaubt sein sollte (vgl. Foroutan et al. Die Narrative, die Jugendliche in Schulen erlernen,
2014: 35; s. a. ausführlich Unterkapitel ↗ 8.3). verstehen sich als „Seismograph[en] für Verände-
rungen im nationalen Selbstbild“, wie die Histo-
Dabei bleibt die Frage nach dem grundsätzlichen rikerin Grindel feststellt (2008: 698). Somit bieten
Umgang mit Religion unangetastet – sowohl in Schulmaterialien einen Einblick, wie es um das
der Schule als auch in der Gesellschaft als Ganzes. kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft steht –
Denn was in den genannten Fällen kaum diskutiert und wie es vermittelt wird.
wird, ist das Aufeinandertreffen einer sich stetig
säkularisierenden Gesellschaft auf immer häu- Eine Studie des Georg-Eckert-Instituts 2011 zu
figer geäußerte religiöse Bedarfe. Diese Gleich- Islamdarstellungen in europäischen Schulbü-
zeitigkeit äußert sich zum Teil in religions- sowie chern ergab, dass der Islam überwiegend im Kon-
muslimfeindlichen Haltungen und erklärt text von Konflikten thematisiert wird und mus-
beispielsweise auch, weshalb antimuslimische limische Personen selten namentlich erwähnt
Ressentiments nicht nur in rechtsextremen werden (vgl. Georg-Eckert-Institut 2011). Für den
144 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

UEM wurde die Studie mit dem Titel „Schulbü- Zusammenleben als kein relevantes Thema in der
cher und Muslimfeindlichkeit: Zur Darstellung Bildungspolitik der jeweiligen Kultusministerien
von Musliminnen und Muslimen in aktuellen erachtet wird. Muslim*innen werden – wenn
deutschen Lehrplänen und Schulbüchern“ durch überhaupt – lediglich im Kontext von Feind­
Jan Düsterhöft, Prof. Dr. Riem Spielhaus und bild­konstruktionen erwähnt, beispielsweise im
Radwa Shalaby erstellt, die zeigt, dass diese mehr- Zusammenhang mit der Kreuzzugsthematik
heitlich negative Darstellung noch immer domi- oder mit Islamismus. Die Autor*innen der Studie
niert (vgl. Düsterhöft/Spielhaus/Shalaby 2023). Im identifizieren allerdings mehrere Stellen in den
Rahmen der Studie wurden die 2021/22 gültigen Lehrplänen als „Potenziale“ zur Befassung mit
Lehrpläne der 16 Bundesländer in den Fächern Muslimfeindlichkeit. So gibt es beispielsweise
Geschichte, Politik/Sozialkunde und Geografie Themenschwerpunkte wie „Die Beseitigung von
der allgemeinen und berufsbildenden Schulen Diskriminierung“ (Lehrplan in Sachsen-Anhalt
sowie entsprechende Schulbücher untersucht. Die für Sozialkunde) oder „Interkulturelle Bildung
Lehrplananalyse ermittelt die bildungspolitische und Umgang mit Vielfalt“ (Lehrplan Berlin/
Absicht zur Thematisierung von Muslimfeind- Brandenburg für Gesellschaftswissenschaften), in
lichkeit und Muslim*innen im Schulunterricht. denen sich die Auseinandersetzung mit muslimi-
Aufbauend auf dieser wurden 761 Schulbücher schem Leben bzw. Muslimfeindlichkeit anbietet.
auf die Frage hin untersucht, inwiefern sie Mus-
lim*innen in Texten und Bildmaterialien dar- Ein weiterer Fokus der Untersuchung liegt auf
stellen und rahmen. Die Inhaltsanalyse der Studie aktuellen Schulbüchern in den genannten Unter-
untersucht zum einen mit einem offenen und richtsfächern. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass
gleichzeitig praktikablen Ansatz, inwiefern der in lediglich 50 der 761 analysierten Schulbücher
Begriff Muslimfeindlichkeit explizit in den Schul- die Auseinandersetzung mit Muslim- und Islam-
büchern verwendet wird – und erfasst gleichzeitig feindlichkeit erfolgt – mit unterschiedlichen
das gesamte begriffliche Feld rund um diese Kate- Termini, unter anderem „antimuslimisch“, „isla-
gorie (z. B. auch „Islamfeindlichkeit“, „Diskriminie- mophob“ und „islamfeindlich“. Dabei ist der
rung“, „Fremdenfeindlichkeit“, „Diversität“). Zum Kontext häufig die Thematisierung von Minder-
anderen wird jeglicher Thematisierung des Islams heitenschutz, wobei die Studienautor*innen eine
und von Muslim*innen analytisch nachgegangen, fehlende detaillierte Auseinandersetzung mit dem
um mögliche Reproduktionen muslimfeindlicher Phänomen Muslimfeindlichkeit bemängeln. So
Narrative aufzufinden. Mit diesem deskriptiven fehlt beispielsweise die Ausführung der konkreten
Vorgehen ging es den Autor*innen nicht darum, und aktuellen Erscheinungsformen von Muslim-
eine Position im Streit um Begrifflichkeiten oder feindlichkeit sowie alltäglicher, aber auch gesetz-
Ähnliches zu beziehen, sondern darum, die licher Handlungsstrategien dagegen.
Verwendung von Begriffen, Narrativen und ihren
Verschränkungen herauszuarbeiten. Die qualitative Analyse der Schulbücher ergab
weiterhin, dass der Islam und Muslim*innen
Dabei stellen die Autor*innen der Studie fest, dass häufig in folgenden thematischen Feldern Erwäh-
der Begriff Muslimfeindlichkeit – sowie verwandte nung finden: Jüdinnen und Juden, Christ*innen
Begriffe wie Islamfeindlichkeit, Islamophobie und Muslim*innen im Mittelalter (Kreuzzüge),
oder Antimuslimischer Rassismus – in keinem der Entstehung und Ausbreitung des Islams, Osma-
348 untersuchten Lehrpläne explizit Erwähnung nisches Reich, Extremismus und religiöser Fun-
findet. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass Mus- damentalismus als Gefahr für die Demokratie
limfeindlichkeit und ihre Auswir­kungen auf die sowie Frauen im Islam. Dabei stellen die Kreuz-
Betroffenen sowie auf das gesamtgesellschaftliche züge den größten Themenbereich dar, in dem
Bildung 145

Muslim*innen in aktuellen Schulbüchern vor- Die synonyme Verwendung der Bezeichnungen


kommen. Sie beschreiben das Zusammentreffen „Migrant*innen“ und „Muslim*innen“ wird
von Muslim*innen, Christ*innen sowie Jüdinnen in anderer Weise in einem Politikschulbuch im
und Juden mehrheitlich als konflikthaften Kul- folgenden Beispiel deutlich. Es geht dabei um
turkontakt. Häufig wird – manchmal explizit – auf einen Meinungsbeitrag über die Zuwanderung
Samuel Huntington rekurriert, indem von einem von Muslim*innen, in dem nahezu alle bekann-
„Clash of Civilizations“ die Rede ist. Die Thema- ten islamfeindlichen Topoi Erwähnung finden
tisierung von Extremismus und religiösem Fun- und die Nichtzugehörigkeit des Islams und von
damentalismus wird oft mit der Entstehung und Muslim*innen in Deutschland auf vermeintlich
Verbreitung des Islams verbunden (z. B. Cornelsen empathische Art behauptet wird:
Schulbuch 2009, Sek. 2, zit. in Düsterhöft/Spiel-
haus/Shalaby 2023: 33). Vereinzelt finden sich „So wie sie uns fremd erscheinen, müssen sie
oberflächliche und undifferenzierte Texte über sich zunächst sehr fremd fühlen in diesem kal-
Islam und Islamismus, in denen keine Abgren- ten Land. Sie wollen auch besser leben als zu
zung vorgenommen wird und beispielsweise Hause, trotzdem beharren sie auf ihrer Identi-
„Dschihad“ lediglich mit „Heiliger Krieg“ übersetzt tät. Das kann man nachfühlen: also Kopftücher,
wird (z. B. Mensch & Politik, Westermann 2019, Moscheen, Gebete in Schulen, Zwangsehen,
Sek. 2, zit. in Düsterhöft/Spielhaus/Shalaby 2023: Unterdrückung von Frauen. Das gehört bei etli-
34). Dabei bietet sich gerade an solchen Stellen chen zu ihrem Wir-Gefühl. Problem ist: Es kol-
eine vertiefende Auseinandersetzung mit den lidiert mit unserem Wir-Gefühl.“ (Westermann
Unterschieden zwischen Islam und islamisti- 2019, Mensch & Politik, Sek. 2, S. 365, zit. in
schem Extremismus an, indem beispielsweise der Düsterhöft/Spielhaus/Shalaby 2023: 43)
„Dschihad“ in seiner primären islamisch-religiösen
Deutung erläutert und die Instrumentalisierung Wenig überraschend ist der Bezug zu Geschlech-
des Begriffs durch Extremist*innen aufgezeigt wird. terrollen im Islam: Es geht um das Kopftuch, Ehen
und die Unterdrückung von Frauen. Entsprechend
Das Migrations- und Integrationsparadigma, in des hiesigen Islamdiskurses wird das Narrativ
dem sich Muslim*innen mit dem Narrativ der des rückständigen und antiemanzipatorischen
Nichtzugehörigkeit bzw. der dauerhaften Mig- Islams reproduziert. Eher unkommentiert bleibt
rant*innen konfrontiert sehen, findet sich nahezu die konkurrierende Darstellung von einzelnen
in allen Schulbüchern. So stellen sich beispiels- muslimischen Frauen, wie beispielsweise der ira-
weise Aufgaben für Schüler*innen in einem nischen Menschenrechtlerin Shirin Ebadi und der
Sozialkundebuch wie folgt: „Wie viele ausländi- jungen pakistanischen Nobelpreisträgerin Malala
sche Mitbürger und Mitbürgerinnen sind Mos- Yousafzai.
lems? Gibt es Probleme bei ihrer Integration in
unsere Gesellschaft?“ (Demokratie heute: Sozial- Insgesamt stellen die Autor*innen der Studie fest,
kunde – Sachsen-Anhalt, Schroedel 2010, Sek. 1, dass Schüler*innen muslimfeindlichen Positio-
S. 106, zit. in Düsterhöft/Spielhaus/Shalaby 2023: nen und Narrativen ausgesetzt sind, wie allein die
36). Mit „unsere Gesellschaft“ wird hier indirekt Rahmung der Lehrpläne und die Thematisierung
die Nichtzugehörigkeit von Muslim*innen zur in Schulbüchern zeigen. Darüber hinaus stellen
deutschen Gesellschaft behauptet, die im selben sie auch ein erhebliches Ausbaupotenzial für die
Buch mit Kapiteltiteln wie „In Nachbarschaft mit Thematisierung von muslimischem Leben einer-
Moslems“ und „Fremde sind gekommen“ eben- seits und Muslimfeindlichkeit andererseits fest.
falls reproduziert wird.
146 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

6.3.1.3 Islamischer Religionsunterricht: muslimischen Stereotypen und Vorbehalten die


Der Islam gehört in den Unterricht öffentliche Debatte darüber verläuft (vgl. Kulaça-
tan/Behr 2021). Oder aber es wird mit der Einfüh-
Trotz einiger institutioneller Schieflagen im Bil- rung des Islamunterrichts an staatlichen Schulen
dungsbereich, die Muslimfeindlichkeit begüns- häufig der Gedanke der Extremismusprävention
tigen, wurde gleichzeitig mit der Einführung des verbunden. Damit wird allerdings außer Acht
Islamischen Religionsunterrichts (IRU) eine posi- gelassen, dass die Einführung des IRU vor allem
tive Veränderung für muslimisches Leben in der die Anerkennung religiöser Pluralität in Schule
Schule erzielt. Der inzwischen in neun Bundes- und Gesellschaft bedeutet. Ausgelassen wird auch,
ländern an öffentlichen Schulen angebotene IRU dass mit dem IRU primär die religiöse Identitäts-
trägt zur Anerkennung muslimischer Schüler*in- bildung unterstützt und Schüler*innen sprech-
nen maßgeblich bei (vgl. Kulaçatan/Behr 2021).72 und konfliktfähig gemacht werden sollen. Die
Erste Evaluationen des IRU zeigen, dass dieser Instrumentalisierung des Religionsunterrichts für
große Akzeptanz bei muslimischen Schüler*innen gesellschaftspolitische Zwecke (Extremismus-
und Eltern erfährt (vgl. Uslucan 2011; Uslucan/ und Radikalisierungsprävention) stellt muslimi-
Yalçın 2018; Holzberger 2014). Auch Schullei- sche Schüler*innen in einen defizitären Zusam-
tungen, Lehrkräfte und Elternvertreter*innen menhang: Die implizite Behauptung ist dabei, dass
beurteilen den IRU überwiegend positiv. So teilen sie mehr als ihre nicht-muslimischen Mitschü-
einer Studie des Sachverständigenrats für Migra- ler*innen von einer Radikalisierung gefährdet seien.
tion und Integration zufolge etwa 80 Prozent der
befragten Lehrkräfte eine ähnliche Auffassung 6.3.2 Erfahrungen und Wahrnehmungen von
wie die Gesamtgesellschaft (etwa 70 Prozent), Schüler*innen und Lehrkräften im Fokus
dass islamischer Religionsunterricht bei Bedarf
angeboten werden sollte (vgl. SVR 2017). Zu den institutionellen Rahmenbedingungen,
die Muslimfeindlichkeit begünstigen können,
Gleichzeitig scheint sich die Situation für mus- treten Zuschreibungen auf der persönlichen
limische Schüler*innen im Zusammenhang mit Ebene hinzu. Muslimische Schüler*innen und
dem IRU zu verschlechtern (vgl. Kulaçatan/Behr Lehrkräfte machen Diskriminierungserfahrun-
2021: 267). In der öffentlichen Diskussion wird gen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, so das
der IRU hinsichtlich seiner Konzepte und Inhalte Ergebnis der ersten empirischen Studien über das
von der allgemeinen Integrationsdebatte über- Phänomen. Häufig werden problematische Aus-
schattet. Es wird beispielsweise diskutiert, welche sagen und Verhaltensweisen von muslimischen
islamische Organisation eine geeignete Partnerin Schüler*innen auf den Islam oder die ‚muslimi-
für den IRU sei, damit man – berechtigter- und sche Kultur‘ zurückgeführt. In diesem homo­
richtigerweise – keine „ausländische Einmischung“ genisierenden Blick zeigen sich auch geschlech­
befürchten müsse. Problematisch ist nicht die terspezifische Zuschreibungen und Vorurteile:
Befürchtung selbst, sondern mit welchen anti- So gelten muslimische Mädchen häufig als unter-

72 Zwar gehen die Forderungen nach einem Islamunterricht bis in die späten 1970er-Jahre zurück, doch erste Unterrichtsversuche
gab es erst in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren. In einigen Bundesländern steht er als ordentliches Fach auf dem Lehrplan (z. B. in
Hessen und Niedersachsen), in anderen werden Schulversuche in islamischem Religionsunterricht (z. B. in Rheinland-Pfalz und im
Saarland) oder der konfessionell neutralen Islamkunde (z. B. in Bayern und Schleswig-Holstein) durchgeführt. Mit der Ausnahme des
Islamischen Religionsunterrichts in Hessen, der allein von einem Verband organisiert und durchgeführt wird (der Ahmadiyya Muslim
Jamaat), werden die Lehrinhalte des Unterrichts entweder von mehreren muslimischen Organisationen gemeinsam oder aber allein vom
Staat verantwortet. 2020 nahmen in Deutschland etwa 60.000 Schüler*innen am IRU beziehungsweise an der Islamkunde teil (vgl. Ulfat/
Engelhardt/Yavuz 2020). Damit besucht die Mehrheit der muslimischen Schüler*innen keinen islamischen Religionsunterricht, sondern
einen Ethikunterricht oder christlichen Unterricht.
Bildung 147

drückte Opfer und Jungen als kriminelle ‚Paschas‘ Lehrkräften ausgingen und zu etwa 30 Prozent
(vgl. Karakaşoğlu 2010; 2020; Scharathow 2014; von ihren Mitschüler*innen. Sie berichten von
Toprak/El-Mafalaani 2017). Mit anderen Worten Ausgrenzung als „Nicht-Deutsche“, was an ihren
geht es um „Jungen, die ‚Scheiße bauen‘ und Mäd- Namen (70 %), ihrer sichtbaren Religionszugehö-
chen, die ‚verheiratet werden‘“, wie Scharathow rigkeit, insbesondere am Kopftuch (67 %), oder an
in ihrer Forschung zu Rassismuserfahrungen von bestimmten phänotypischen Merkmalen (46 %)
Jugendlichen festhält (2014: 255). Dazu kommt, wie Haut- oder Haarfarbe festgemacht wird (vgl.
dass Schulen mit einem hohen Anteil von Mus- Yegane/Willems/Moir 2021: 5). Diese Erfahrung
lim*innen häufig das Label einer ‚Problemschule‘ deckt sich mit Erkenntnissen über die Einstellung
bekommen und ihren Ruf verteidigen müssen. der deutschen Bevölkerung etwa über das Kopf-
tuch: Im Jahr 2014 gaben etwa 38 Prozent der
Im Folgenden wird zunächst das Erleben von Bevölkerung an, „wer ein Kopftuch trage, könne
Muslimfeindlichkeit aus der Sicht von Schüler*in- nicht deutsch“ sein (Foroutan et al. 2014: 26).
nen und anschließend die Perspektive von mus-
limischen und nicht-muslimischen Lehrkräften Zudem kommt es häufig zu Mobbing, physischen
dargestellt. Abschließend wird ein Blick auf die Angriffen, wie dem Herunterreißen des Kopftuchs,
hiesigen Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und zur Aufforderung, das Kopftuch abzuneh-
zu Muslimfeindlichkeit bzw. Antimuslimischem men. Dies geschieht auch mit der Androhung von
Rassismus geworfen. schlechteren Noten, falls sie es nicht tun. Musli-
mische Schülerinnen berichten von Provokatio-
6.3.2.1 Erfahrungen von muslimischen nen seitens ihrer Lehrkräfte, wie beispielsweise
Schüler*innen folgende Aussagen belegen:

Muslimische Schüler*innen sind in ihrem Schul- „Ich wurde gefragt, ob ich gezwungen wurde,
alltag häufig antimuslimischen Zuschreibungen an Krebs leide oder ob ich zwangsverheiratet
ausgesetzt, und zwar sowohl von anderen Mitschü- worden bin, die Lehrer haben alle hinter meinem
ler*innen als auch seitens des Lehrpersonals. Die Rücken über mich gesprochen.“
Erfahrungen der Jugendlichen sind deutlich mit „Ein anderer Lehrer fragte mich vor der gesamten
gesellschaftlichen Diskursen verbunden, in denen Klasse, ob ich doch nicht zum IS übergetreten bin.“
sie als ‚Ausländer‘ und (potenziell) problematisch (Yegane/Willems/Moir 2021: 29)
gelten (vgl. Scharathow 2015). In einer quantitativ-
empirisch angelegten Studie geben muslimische Solche Provokationen finden sich auch im drit-
Männer häufiger an, in der Schule diskriminiert ten Bericht der Antidiskriminierungsstelle des
worden zu sein als Frauen, die häufiger von Dis- Bundes, in dem das Mobben von muslimischen
kriminierung in öffentlichen Settings, z. B. „auf der Schülerinnen aufgrund ihres Kopftuchs häufig
Straße“ berichten (Talhout 2019). Erwähnung findet (vgl. 2017: 148–162). So werden
ähnliche abwertende Kommentare seitens des
Eine der wenigen Studien über die Erfahrung Lehrpersonals zitiert, beispielsweise:
muslimischer Schüler*innen ist die der Berliner
Anlaufstelle Diskriminierungsschutz an Schulen „Im Sportunterricht wird hin und wieder mit
(ADAS) aus dem Jahr 2021. Sie zeigt, dass mus- Hinweis auf die Sicherheit das Ablegen des Kopf-
limische Jugendliche bezüglich ihrer religiösen tuches verlangt. Alternativen, wie z. B. das von der
Identität einem ausgrenzenden Schulklima aus- FIFA entwickelte Sportkopftuch, werden von ein­
gesetzt sind. Die Teilnehmenden geben an, dass zelnen Lehrkräften nicht als Alternative akzeptiert,
diskriminierende Handlungen zu 60 Prozent von nicht einmal in Betracht gezogen.“ (Ebd.: 158)
148 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Des Weiteren sind muslimische Schüler*innen Eindimensionale Darstellungen muslimischer


mit Pauschalurteilen durch kulturalisierende Männlichkeit finden sich jedoch nicht nur in den
Annahmen konfrontiert, so wenn beispielsweise Medien, sondern auch im akademischen Bereich
die Entscheidung einer Schülerin, nach dem Abi- (vgl. Unterkapitel ↗ 6.4) – dem Bild des fremden,
tur eine Pause zu machen und erst einmal nicht gewaltbereiten und frauenunterdrückenden Man-
zu studieren, auf eine „muslimische Tradition, nes kann bereits der jugendliche Schüler kaum
schnell zu heiraten“ (Cheema 2021), zurückge- entkommen (vgl. auch Weber 2003). Dies schlägt
führt wird. Scharathow stellt fest, dass ein „Effekt sich auch in der Bewertung ihrer Leistungen nie-
dieses rassistisch strukturierten Zusammenspiels der: Migrantische Kinder werden negativer beur-
von Wissen und Macht“ beispielsweise ist, dass teilt, als es ihrem Leistungsvermögen entspricht.
„Mädchen […] wütend davon berichten, dass sie Eine Untersuchung aus dem Jahr 2017 belegt dies:
unter anderem in der Schule immer wieder als Lehrkräften wurden dabei identische Tests zur
handlungsunfähige Opfer unterstellter patriar- Bewertung vorgelegt. Die Tests, die mit türkisch
chaler Strukturen angesprochen werden, die nicht klingenden Namen versehen wurden, lagen in der
in der Lage seien, begründet eigene Entscheidun- Bewertung eine halbe Note unter dem Durch-
gen zu treffen“ (2015: 167). schnitt (vgl. Bonefeld/Dickhäuser 2017). Solche
Einzelentscheidungen von Lehrkräften, die über
Neben dem Topos des „unterdrückten Kopftuch­ die gesamte Schullaufbahn von Kindern getroffen
mädchens“ steht das Bild des „Paschas“, des werden, können nachweislich zu negativen Schul-
„muslimischen Machos“ (Munsch et al. 2007; vgl. karrieren führen (vgl. Gomolla 2015). So haben
auch: Karakaşoğlu 2020). Die Verweigerung des besonders Jugendliche türkischer und arabischer
Küchendienstes auf der Klassenfahrt wird mit der Herkunft durchschnittlich schlechtere Schulab-
„muslimischen Erziehung“ (Cheema 2020) kultu­ schlüsse und Schulnoten als Gleichaltrige ohne
ralisierend gedeutet. Der Rückgriff auf kulturalis- Migrationshintergrund (vgl. Schneider/Yemane/
tische Erklärungen für „abweichendes Verhalten Weinmann 2014).
von Kindern und Jugendlichen nichtdeutscher
Muttersprache oder Herkunft, beziehungsweise Des Weiteren sind die Schüler*innen – und ins-
nichtchristlicher Religion“ (Karakaşoğlu 2020: 93) besondere Jungen – mit dem Stigma des gewalt-
wirkt entlastend für die Institution Schule und bereiten und potenziell radikal-islamistischen
ihre Akteur*innen. So müssen Handlungsstrate- Muslims konfrontiert. Präventionsprojekte im
gien für den Umgang in solchen Konflikten nicht Bereich islamistischer Radikalisierung haben
innerhalb der Institution gesucht werden, son- hier das Potenzial, Muslim*innen pauschal unter
dern diese werden deterministisch nach außen Verdacht zu stellen (vgl. Unterkapitel ↗ 6.6). In
verlagert. Tatsächlich ist das massenmedial oft den vergangenen Jahren sind Förderungen von
vermittelte Bild des muslimischen Jungen – ganz (außer-)schulischen Präventionsmaßnahmen
nach dem Motto des provokativen Buchtitels gegen Islamismus (bzw. islamischen Fundamen-
„Muslimisch, männlich, desintegriert“ des Erzie- talismus) von staatlicher Seite stark angestiegen.
hungswissenschaftlers Toprak von 2020 – auch Zwar steht die Notwendigkeit solch vorbeugender
unter Lehrkräften weit verbreitet. Maßnahmen außer Frage. Jedoch reproduziert die
Ansprache der Zielgruppe – z. B. in den Formulie-
rungen der Ausschreibungen für Fördergelder –
häufig das Stereotyp des gewaltbereiten jungen
Muslims, wenn insbesondere ‚Muslime‘ bzw.
‚Jugendliche mit Migrationshintergrund‘ erreicht
werden sollen.
Bildung 149

6.3.2.2 Erfahrungen von muslimischen Lehrkräften Bild wird das Kopftuchtragen mit Fremdbestim-
mung und Unterdrückung verbunden. So führt
Es gibt keine Zahlen darüber, wie viele in Deutsch­ das Kopftuch bei Frauen, die es tragen, zu mehr
land unterrichtende Lehrer*innen einen musli- Diskriminierungserleben als bei denjenigen, die
mischen Hintergrund haben. In den vergangenen keines tragen (vgl. Fereidooni 2016: 160). Dabei
Jahren sind Netzwerke unter ihnen entstanden, unterliegen kopftuchtragende Lehrerinnen
wie beispielsweise „NeLe“ – laut eigener Angabe schwierigen strukturellen Bedingungen: Obwohl
das erste deutschlandweite Netzwerk für (ange- das Bundesverfassungsgericht 2015 urteilte, dass
hende) muslimische Lehrer*innen –, das 2014 ein generelles Kopftuchverbot für eine muslimi-
mithilfe des Vereins RAMSA (Rat muslimischer sche Lehrerin während des Unterrichts unzulässig
Studierender und Akademiker) aufgebaut wurde. ist, gestaltet sich die Praxis anders. Noch immer
Ein weiterer Zusammenschluss ist der 2017 sind sie mit institutionellen sowie interpersonellen
gegründete Verband für muslimische Lehrerinnen Diskriminierungen konfrontiert (vgl. Fereidooni
und Lehrer, ansässig in Dortmund. Beide Netz- 2016: 323). Dies kann sich im Lehrerzimmer äußern:
werke verstehen sich als vielfältig und unabhängig Etwa die Hälfte der befragten nicht-muslimischen
von den bestehenden Islamverbänden. Lehrkräfte einer Studie des Sachverständigenrats
deutscher Stiftungen für Integration und Migration
Muslimische Lehrkräfte sind mit Zuschreibungen (SVR) lehnt das Tragen eines Kopftuchs bei einer
aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit konfron- Lehrkraft ab (vgl. SVR 2017).
tiert, wie mehrere qualitative Erhebungen zeigen
(vgl. u. a. Georgi/Ackermann/Karakaş 2011; Bräu 6.3.2.3 Wahrnehmung des Islams und von
et al. 2013; Fereidooni 2016; Karakaşoğlu/Doğmuş Muslim*innen durch (nicht-)muslimische
2016). Lehrkräfte berichten dabei von Erfahrun- Lehrkräfte
gen mit Antimuslimischem Rassismus seitens
ihrer nicht-muslimischen Kolleg*innen. Dabei Insgesamt stellt die SVR-Studie „Vielfalt im Klas-
ginge es häufig um Unwissen, aber auch um Igno- senzimmer. Wie Lehrkräfte gute Leistung fördern
ranz gegenüber ihrer religiösen Praxis (beispiels- können“ fest, dass negative Einstellungen zu
weise den Verzicht auf Schweinefleisch). Hinzu Muslim*innen unter nicht-muslimischen Lehr-
kommen stereotype und negative Zuschreibun- kräften geringer ausfallen als bei der Allgemein-
gen, wie die angebliche Frauenfeindlichkeit und bevölkerung (vgl. SVR 2017). Dabei wird eine Dis-
Rückschrittlichkeit des Islams. Auch Lehramts- krepanz zwischen verschiedenen Generationen
studierende bzw. Referendar*innen sind von von Lehrkräften deutlich: Jüngere äußern weniger
abwertenden Zuschreibungen betroffen, was zum Vorbehalte als ältere. Außerdem werden weitere
Teil zu Unsicherheit, Rückzug sowie Zweifeln am bekannte islamfeindliche Topoi ersichtlich, wie
Lehrberuf führt (vgl. Karakaşoğlu/Doğmuş 2016). beispielsweise die angebliche Bildungsferne und
Dazu gehören gelegentlich Anfeindungen und Gewaltbereitschaft von Muslim*innen: Über ein
Vorbehalte seitens ihrer Kolleg*innen: „Jetzt kom- Drittel der Lehrkräfte hält Muslim*innen pau-
men die Ayşes auch ins Lehrerzimmer und brin- schal für weniger bildungsorientiert und weitere
gen den Islam mit“ (Kul 2013: 165), wie in einer 27 Prozent gaben an, Muslim*innen seien aggres-
Studie über Erfahrungen von Referendar*innen siver als Nicht-Muslim*innen. Die Autor*innen
eine Lehrerin zitiert wird. Insbesondere kopf­ der Studie schlussfolgern, dass sich diese Haltun-
tuch­tragende Lehrerinnen berichten von Diskri­ gen auf die Erwartung und Bewertung der Leis-
minierung und Nachteilen in ihrer beruflichen tungen von muslimischen Schüler*innen negativ
Laufbahn (vgl. Georgi/Ackermann/Karakaş 2011: auswirken können – eine Praxis, die andere
223–224). Entsprechend dem medial vermittelten Studien bereits belegt haben (vgl. u. a. Bonefeld/
150 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Dickhäuser 2017). Das Sprechen über muslimische Dabei äußert sie sich im Weiteren (selbst-)kritisch
Schüler*innen ist häufig abwertend: Sie werden zum verbreiteten Klischee über muslimische
von Lehrkräften beispielsweise als „Islamisten“ Frauen und stellt fest, dass die Religionsausübung
oder „ideologisch Verwirrte“ bezeichnet und (u. a. das Kopftuchtragen) unter Muslim*innen
Musliminnen anstatt beim Namen als „Kopftuch- sehr unterschiedlich gehandhabt wird.
mädchen“ gerufen (Kahle 2021: 600).
Auch zeigen die Interviews aus der Studie, wie
Die für den vorliegenden Bericht erstellte Studie sich Stereotype über muslimische Jungen bestän-
von Cem Serkan Yalçın unter der Leitung von dig halten. Sie würden beispielsweise mehr
Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan (Universität Duisburg- Wertschätzung als Mädchen in ihren Familien
Essen) zeigt anhand von Interviews mit insgesamt erfahren, und eine Lehrerin beschreibt sie gar
14 muslimischen und nicht-muslimischen Lehr- als „kleine Prinzen, die zuhause nichts machen
kräften an allgemeinbildenden Schulen, wie sie müssen“ (ebd.: 22).
muslimische Schüler*innen wahrnehmen. Die
nichtrepräsentative Befragung zeigt, wie sich klas- Besonders häufig, so Yalçın, findet sich die Vor-
sische antimuslimische Stereotype und Klischees stellung der besonderen Religiosität bzw. Bindung
auch bei denjenigen Lehrkräften festschreiben, zur Religion bei Muslim*innen (ebd.: 20–23).
die grundsätzlich eine offene und Vielfalt beja- So führt eine Lehrkraft aus:
hende Einstellung haben – und deckt sich damit
in Teilen mit den Ergebnissen der quantitativen „Ich glaube, dass generell die Rolle der Religion
Befragung des SVR (2017), die Uslucan ebenfalls abgenommen hat in unserer Gesellschaft und
begleitete, sowie mit Untersuchungen zum Anti- die muslimischen Schüler haben eher noch
muslimischen Rassismus in der Alltagskommuni- eine stärkere Bindung zu ihrer Religion als die
kation im Allgemeinen (vgl. Schmidt 2022). christlichen Schüler.“ (Ebd.)

Insgesamt zeigt die Studie von Yalçın (2023), dass Die angeführten Belege der Lehrkräfte für die Reli-
sich in den Wahrnehmungsmustern der Lehr- gionsbindung von Muslim*innen sind: das Fasten
kräfte gängige antimuslimische Stereotype wie- im Ramadan, das Beachten von Speisevorschriften
derfinden: traditionelles Geschlechterverhältnis, oder die Nichtteilnahme von muslimischen Mäd-
patriarchale Erziehungsmethoden und proble- chen am Schwimmunterricht. Diese doch weit
matisches bzw. aggressives Verhalten. So äußern verbreitete Annahme, Muslim*innen fühlten sich
– interessanterweise sowohl nicht-muslimische ihrer Religion verbundener als andere, wird selten
als auch muslimische – Lehrkräfte Vorbehalte hinterfragt. Dabei ist das Festhalten an Speisevor-
über die ‚traditionelle‘ Frauenrolle im Islam, die schriften oder Festen (wie z. B. Eid-ul-Fitr nach
sich unter anderem durch besonders fürsorgli- dem Ramadan) nicht unbedingt ein Indiz für eine
ches Verhalten von muslimischen Mädchen zeige stärkere Religionsbindung als bei anderen. So gilt
oder aber durch das Tragen eines Kopftuchs. Auch das Feiern von Weihnachten und Ostern seitens
spiegelt sich die häufig so konstruierte Unverein­ christlicher Schüler*innen auch nicht gleich als
barkeit von Gläubigkeit und Offenheit (oder: Reli- Indiz für eine starke Religionsbindung. Hier wird
giosität und Bildungsferne), wenn es um den Islam deutlich, dass die Vielfalt muslimischen Lebens,
geht, in einer Aussage einer Lehrerin wie folgt: die sich auch hinsichtlich der Religionspraxis
zunehmend diversifiziert, wenig bekannt ist –
„[D]iese eine Schülerin, an die ich jetzt gerade allerdings nicht nur unter Lehrkräften, sondern in
denke, die ist streng gläubig, aber sehr, sehr der Gesamtgesellschaft.
aufgeschlossen, total wissbegierig“ (ebd.: 25).
Bildung 151

Die Interviews zeigen, wie im Sprechen über Schüler*innen. Eine große Zahl der befragten
muslimische Schüler*innen eine gesellschaftliche Lehrkräfte deutete an, dass viele der kopftuch-
Ordnung deutlich wird, die häufig im öffentli- tragenden muslimischen Schülerinnen nicht dem
chen Diskurs zu beobachten ist und wenig Kritik medial vermittelnden Klischee der unterdrückten
erfährt: die selbstverständliche Unterscheidung Muslimin entsprechen. Trotz der Pauschalisie-
zwischen ‚den Deutschen‘ und ‚den Muslimen‘. rungen in einer Sprache, die zwischen ‚Wir‘ und
Hinsichtlich der Religionsbindung unterscheidet ‚Ihr‘ unterscheidet, heben dieselben Lehrkräfte
eine Lehrkraft entsprechend nicht zwischen mus- die Diversität innerhalb der muslimischen Schü-
limisch und christlich, sondern: ler*innenschaft hervor.

„[D]eswegen sind die nichtmuslimischen Kinder, Es ist wenig überraschend, dass auch Lehrkräfte
vor allem die deutschstämmigen Kinder, rein von den wirkmächtigen antimuslimischen Bil-
Deutsche, die sind natürlich in dem Tun und dern und Stereotypen geprägt sind. Und gleich-
Lassen freier, auch ihre Religion spielt fast keine zeitig sehen sie eine bestimmte Realität in den
Rolle.“ (Ebd.: 31) Schulen, die zum Teil den gängigen Bildern
widerspricht und ihre differenzierte Wahrneh-
Hier wird mit der Bestärkung von „deutsch- mung bedingt. Die Studie ist allerdings nicht
stämmig“ durch „rein Deutsche“ eine klassische repräsentativ und befragt insbesondere Lehr-
biologistisch-rassistische Konstruktion geäußert, kräfte, die im Kontakt mit muslimischen Schü-
die Muslim*innen vom Deutschsein nicht nur ler*innen sind. Interessant wäre daher durchaus
ausschließt, sondern dieses für sie grundsätz- die Frage, wie die Wahrnehmungsmuster von
lich unmöglich macht. Die Aussage einer ande- Lehrkräften ausfallen, die wenige oder kaum
ren Lehrkraft, die muslimischen Schüler*innen muslimische Schüler*innen kennen.
aggressives Verhalten unterstellt, bestärkt die
binäre Ordnung zwischen ‚Wir, die Deutschen‘ 6.3.2.4 Fortbildungen für Lehrkräfte zur
und ‚die Anderen, die Muslime‘ ebenfalls: Sensibilisierung für Muslimfeindlichkeit

„Ich glaube, deutsche Kinder sind etwas ruhiger. Obwohl die Auseinandersetzung mit Diversität
[…] [S]o ein normales durchschnittliches deut- und Heterogenität in pädagogischen Zusammen-
sches Kind, dann sind die nicht unbedingt sofort hängen seit mindestens zwei Jahrzehnten fest
aggressiv und beschimpfen sich gegenseitig. verankert ist, bleibt die Auseinandersetzung mit
Also die sind etwas zurückgezogener.“ (Ebd.: 22) Muslimfeindlichkeit und Antimuslimischem
Rassismus – wenn überhaupt – ein Thema im
Yalçın betont allerdings, dass die Befundlage Wahlpflichtbereich der Lehrer*innen-Ausbildung.
heterogen ist, denn: Sowohl nicht-muslimische Bis dato können sich Lehrkräfte also lediglich
als auch muslimische Lehrkräfte äußern ein deut- freiwillig für entsprechende Fort- und Weiter-
liches Anliegen, sich für die (religiösen) Bedarfe bildungen anmelden, die bundesweit angeboten
von muslimischen Schüler*innen engagieren zu werden. Es gibt wenige zivilgesellschaftliche
wollen, und berichten, wie sie dies bereits tun – sei Institutionen und Bildungseinrichten, die Fort-
es beispielsweise durch Rücksicht im Sportunter- bildungen für Lehrkräfte und Pädagog*innen
richt während des Ramadan oder das Beachten explizit zum Thema Muslimfeindlichkeit bzw.
der Speisevorschriften bei Schulfesten (vgl. Yalçın Antimuslimischer Rassismus dauerhaft – also als
2023: 27–28). Einige bemängeln das fehlende Teil ihres Regelangebots – anbieten. Dazu zählen
Interesse und kritisieren die „Arroganz“ (ebd.: beispielsweise:
29) von Kolleg*innen gegenüber muslimischen
152 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

• Bildungsstätte Anne Frank (Frankfurt a. M.) Maßnahme sein. Des Weiteren ist die Etablierung
• Informations- und Dokumentationszentrum von unabhängigen Beschwerdestellen sowohl für
für Antirassismusarbeit (Düsseldorf) Schüler*innen als auch für Lehramtsstudierende,
• Ufuq.de (Berlin) Referendar*innen und Lehrer*innen relevant.
• Verband binationaler Familien und Partner-
schaften (Leipzig) Auch die Auseinandersetzung mit dem Span-
• Zentrum für Europäische und Orientalische nungsfeld von Religion, Säkularität und Schule
Kultur (Leipzig) sollte zur Professionalität von Pädagog*innen
gehören. So könnte beispielsweise das Konzept
Im Sinn einer Programmatik fordern Wissen- der „religious literacy“ ein Element von Leh-
schaftler*innen schon lange ein „Pädagogisches rer*innenprofessionalität sein (vgl. Karakaşoğlu
Können in der Migrationsgesellschaft“ – so auch 2020). Damit ist weder ein interreligiöser Dialog
der Titel eines entsprechenden Buchs (Doğmus/ noch eine Expertise zu einzelnen Religionen
Karakaşoğlu/Mecheril 2016). Dabei gilt es, den gemeint, sondern ein grundlegendes Verständnis
spezifischen Rahmenbedingungen in einer von von historischen und gegenwärtigen Bedingun-
Migration geprägten Gesellschaft gerecht zu wer- gen und Ausdrucksformen religiösen Denkens
den und „gleichzeitig stereotype und stigmatisie- und Handelns.
rende Fest- und Zuschreibungen zu reflektieren
und zu vermeiden“ (ebd.: 3). Dies bedeutet, dass
Differenzsensibilität und eine Auseinander- 6.4 Hochschulen: Fehlende
setzung mit Diskriminierungsformen zur Kern- Strategien zur Bekämpfung
kompetenz von Pädagog*innen gehören sollten.
Die Ausmaße von Muslimfeindlichkeit zeigen die
von Muslimfeindlichkeit
Notwendigkeit, es als eigenständiges Phänomen
explizit aufzugreifen. Dazu gehört unter anderem Auch an Hochschulen in Deutschland gibt es
die Auseinandersetzung mit muslimfeindlichen Antimuslimischen Rassismus, den es strukturell
Stereotypen und Vorurteilen im Schulmaterial, mit in den Blick zu nehmen gilt und der in seinen
gesellschaftlichen Diskursen über Islam und Mus- vielfältigen Dimensionen dem Diskriminierungs-
lim*innen sowie mit den zum Teil rassistischen spektrum in anderen Bildungseinrichtungen
Auswirkungen auf betroffene Muslim*innen. ähnelt. Hochschulen sind jedoch im Vergleich zu
Gerade das Zusammenwirken der Phänomene Schulen als Orte von Islam- und Muslimfeind-
islamistisch begründete Gewalt einerseits und lichkeit bisher kaum untersucht. Dies erstaunt, da
Muslimfeindlichkeit andererseits führt zu einer doch anzunehmen ist, dass die für den Bildungs-
verzerrten Wahrnehmung von muslimischem bereich insgesamt gezeigten antimuslimischen
Leben, die auch im Schulalltag Herausforderun- Muster und Motive auch hier anzutreffen sind.
gen mit sich bringt. Der mehrheitlich negative, Hier besteht deutlicher Nachholbedarf für (wei-
defizitäre Blick auf muslimische Schüler*innen tere) wissenschaftliche Untersuchungen, auf den
(und Lehrer*innen) kann allerdings durch ent- an dieser Stelle nur hingewiesen werden kann.
sprechende Fort- und Weiterbildungen reflektiert Im Folgenden werden daher nur sehr begrenzte
werden, um beispielsweise Handlungsstrategien Bereiche dessen dargestellt, was Gegenstand von
im pädagogischen Alltag zu entwickeln. Dahinge- Untersuchungen sein sollte.
hend könnte die Einführung von obligatorischen
Modulen für die Sensibilisierung für Muslim- Im Mittelpunkt steht hier die institutionelle
feindlichkeit in der (Hochschul-)Ausbildung Gewährleistung des Schutzes vor Diskriminie-
von Lehrkräften und Pädagog*innen eine erste rungen an Universitäten durch entsprechende
Bildung 153

Anlauf- und Beschwerdestellen (s. Unterkapitel 6.4.1 Muslimfeindlichkeit auf dem Campus:
↗ 3.3.1). Hierbei kommt allerdings nur ein sehr Kein Schutz für Studierende durch das
begrenzter Ausschnitt des Campuslebens bzw. AGG?
des Geschehens in Lehrveranstaltungen in den
Blick. Aufgrund weitgehend fehlender Daten kön- Spätestens seit der Einführung des Allgemeinen
nen hier jedoch keine umfassenden Ausführun- Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sind auch
gen zu anderen Bereichen gemacht werden, die Hochschulen in besonderer Weise verpflichtet,
den Einschluss muslimfeindlicher Dimensionen ihre Beschäftigten vor Diskriminierung zu schüt-
analog zu den schulischen Strukturen erwarten zen: Dies schließt den Schutz vor Diskriminierung
ließen. Benannt seien diese gleichwohl, denn es aufgrund der Religion, der ethnischen Herkunft
gälte hier, z. B. Förderstrukturen für Studierende oder rassistischer Zuschreibungen ein. Entspre-
und wissenschaftliches Personal, Konzepte der chend wurden an vielen deutschen Hochschulen
Hochschuldidaktik und ihre Umsetzung in Lehr- seither entsprechende Beschwerdestellen einge-
und Lehrformen oder auch die Themenzuschnitte richtet oder auch AGG-Beauftragte benannt. Für
in der Forschungsförderung zu untersuchen. Studierende jedoch – die entsprechend der gege-
benen Strukturen im höheren Maße von Anti-
Neben den genannten strukturellen Dimensio- muslimischem Rassismus betroffen sind – gilt der
nen gälte es auch, die wissenschaftlichen Inhalte Schutz des AGG nicht.73 Gleichwohl regeln inzwi-
in den Blick (s. Unterkapitel ↗ 6.3.2) zu nehmen, schen Hochschulgesetze in einzelnen Bundes­
um sie auf diskriminierende, muslimfeindliche ländern auch den Schutz von Studierenden (vgl.
bzw. rassistische Gehalte hin zu prüfen. Zu ana- Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2020: 8),
lysieren wären hier Themen von Lehrveranstal- doch scheinen auch die Wege bis zu einer routi-
tungen, wissenschaftlichen Publikationen und nierten Umsetzung mitunter noch lang.
Fachtagungen, curriculare Schwerpunkte von
Studiengängen, die Ausrichtung von Forschungs- Spezifische Studien zu antimuslimischen Dis-
schwerpunkten und ihre personelle Besetzung kriminierungserfahrungen (und zum Schutz
sowie universitäre Leitbilder, an denen Lehre und gegen diese) an Hochschulen stellen derzeit ein
Forschung ausgerichtet werden. Ebenfalls lohnten Forschungsdesiderat dar: Zwar weisen einzelne
Studien zu den Einstellungen von Lehrenden zum (ältere) Untersuchungen nach, wie hoch der Anteil
Thema Islam bzw. gegenüber Muslim*innen. Die der Diskriminierungserfahrungen von Studieren-
hier nur benannten Felder verdeutlichen, dass die den ‚mit Migrationshintergrund‘ sei (z. B. Bleicher-
im Folgenden näher betrachteten Einrichtungen Rejditsch et al. 2014; Ebert/Heublein 2017), was
als Teil der Antidiskriminierungspraxis von Hoch- jedoch dem hier zu untersuchenden Phänomen
schulen wirklich nur ein Segment dessen darstel- nicht gerecht wird (vgl. Antidiskriminierungs-
len, was es in den Blick zu rücken lohnte. stelle des Bundes 2020: 25). Im Mittelpunkt
der Campus-Erhebungen stehen zudem meist
andere Spezifizierungen (z. B. Barrierefreiheit,
sexualisierte Gewalt), nur sehr vereinzelt werden
Diskriminierungserfahrungen aufgrund der (isla-
mischen) Religion oder rassifizierender Zuschrei-
bungen überhaupt konkret ablesbar (vgl. Anti-

73 „Beschwerdestellen gemäß § 13 AGG sind in der Regel nur für Beschäftigte der Hochschule zuständig. Sie stehen Studierenden, die
Diskriminierungserfahrungen an der Hochschule machen, daher nicht grundsätzlich offen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das
AGG als Bundesgesetz keine Wirkung im Bildungsbereich entfaltet. Das Gesetz greift im Bereich Bildung lediglich bei privatrechtlichen
Verträgen.“ (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2020: 8)
154 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

diskriminierungsstelle des Bundes 2017). Für den Tragens eines Kopftuchs, Konflikte um Gebets-
Bereich der Hochschule ist daher die generelle räume oder Gründungen von muslimischen
Frage, wie sich die entsprechenden Kategorien in Hochschulgruppen – als auch implizite Muster.
künftigen Untersuchungen besser abbilden lassen, Darunter fallen z. B. schlechtere Förderung oder
verschärft zu stellen (vgl. Baumann/Egenberger/ Benotung von muslimisch wahrgenommenen
Supik 2018: 82–103). Menschen durch Lehrende, fehlende Diversität
in Förderstrukturen und universitären Leitungs-
Ob und inwiefern sich Beschwerdestellen oder ebenen, fehlende „role models“ für wissenschaft-
andere Maßnahmen des Diskriminierungsschutzes liche Karrierewege und islamfeindliche wissen-
an Hochschulen auch dem Problem des Anti- schaftliche Positionen. Zur Beantwortung steht
muslimischen Rassismus widmen, ist anhand vielfach noch aus, welche spezifischen Strategien
einer bundesweiten Umfrage der Antidiskrimi- es gibt, um Betroffene von antimuslimischer
nierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2016 Diskriminierung zu stärken bzw. islam- und mus-
ablesbar, die Vorkommen, Ausgestaltung und limfeindliche Diskriminierung an Hochschulen
Aktivitäten entsprechender Stellen und Instanzen nachhaltig abzubauen.
untersucht (vgl. 2020: 7). Ersichtlich wurden hier-
bei u. a. drei Monita: 6.4.2 Forschungsförderung und -inhalte:
Muslim*innen als Untersuchungs­
• das generelle Fehlen eigener Beschwerde- gegenstände?
stellen an kleineren Hochschulen (bestenfalls
wird das AGG von anderen Einrichtungen wie Einerseits ist eine allgemeine Zunahme an rassis-
Gleichstellungs- oder Inklusionsbeauftragten muskritischer Forschung bzw. eine entsprechende
oder Personalräten mitbedient (vgl. ebd.: 39), Sensibilisierung im Hochschulkontext durch-
• ein Fehlen transparenter, klar geregelter bzw. aus zu verzeichnen (vgl. Mecheril/Melter 2009;
verbindlich geltender Verfahren im Beschwer- Becker 2020; Nationaler Diskriminierungs- und
defall (vgl. ebd.: 41–42), Rassismusmonitor 2023). Im Zentrum steht die
• ein Fehlen der Bekanntheit der Beschwerde- Diskussion entsprechender rassismuskritischer
stelle; dies gilt insbesondere im Falle ihrer Ansätze, die zum Teil auch islambezogen spezi-
Öffnung auch für Studierende (vgl. ebd.: 56). fiziert, vertieft und empirisch angewandt werden
(z. B. Schmidt 2022). Diese generelle thematische
Jenseits der Frage nach der Institutionalisierung Zunahme zeigt sich an einer Vielzahl von u. a.
von spezifischen Beschwerdeinstanzen für alle Publikationen, Forschungsprojekten, Veranstal-
universitären Statusgruppen rücken im Hoch- tungsreihen und Workshops. Insbesondere tragen
schulkontext noch weitere Aspekte, aber auch vielerorts auch studentische Initiativen, Projekte
Leerstellen in den Blick. Diskriminierungen und oder Gruppen sehr wesentlich zur Befassung mit
rassistische Vorkommnisse auf dem Campus Antimuslimischem Rassismus bei.
haben eine große Nähe zu den im schulischen
Kontext auftauchenden Mustern und Formen. Andererseits ist eine kritische, systematische Sicht
Nicht-repräsentative Einzelbefragungen oder auf Forschung, Lehre und Wissensproduktion
Social-Media-Formate74 nennen sowohl explizit vor allem Gegenstand einschlägiger fachwissen-
„religionsbezogene“ Ausgrenzungen und Über- schaftlicher Literatur bzw. der durch sie hervor-
griffe – wie z. B. Diskriminierung wegen des gebrachten Diskurse (vgl. Said 1979; Abdel Malek

74 Vgl. z. B. eine Umfrage der Islamischen Studierendengemeinde der Goethe-Universität Frankfurt a. M. im Jahr 2022, zu finden auf
Instagram unter: https://www.instagram.com/ihg_frankfurt/?hl=de (Einträge vom 21. Juni und 4. Juli 2022) [13.04.2023].
Bildung 155

2000; Schäbler 2011; Hallaq 2018; Amir-Moazami licher und ungeplanter Prozesse stattfindet, wird
2018) und damit nur sehr bedingt wirksam auch non-formale Bildung in einem organisierten Rah-
Denkform und Alltag an Hochschulen. Forschung men angeboten und erfolgt häufig in Gruppen.
zu diesen Fragen leistet einen wichtigen Beitrag Ihre Strukturen und auch die konzeptionellen
dazu, festgelegte Zuschreibungen und Vorstellun- Ansätze sind dabei sehr vielfältig, in der Regel
gen aufzubrechen, vor allem, wenn diese schon aber partizipativ, prozessorientiert und ganzheit-
seit Jahrhunderten bestehen und bis in gegenwär- lich angelegt. Non-formale außerschulische Bil-
tige Diskurse, Handlungsweisen und Identifika- dung findet zumeist in Form von Kursen, Semina-
tionsprozesse fortwirken. ren, Lehrgängen, Studienfahrten oder auch inter-
nationalen Jugendbegegnungen statt.
Die wissenschaftlich seit Langem aufgeworfenen
Fragen gälte es jedoch innerhalb der Fächer und Systematische Kenntnisse, inwieweit Antimusli-
Disziplinen breiter aufzunehmen und dann mischer Rassismus von Trägern der non-forma-
vor allem auch in eine veränderte Lehr- und For- len außerschulischen Bildung aufgegriffen und
schungspraxis zu überführen, um bestehende bearbeitet wird und welche Herausforderungen
thematische Engführungen aufzubrechen. Sollen gegebenenfalls existieren, liegen bislang kaum vor.
antimuslimische Festschreibungen (z. B. durch Im Folgenden beschränken wir uns deshalb dar-
eine selektive Themenauswahl, die Stereotype auf, zunächst die Anforderungen und die damit
fortschreibt) oder auch noch immer vorkom- verbundenen Herausforderungen zu formulieren,
mende Einseitigkeiten der Ausschreibungspraxis die sich aus unserem Verständnis von Antimusli-
(z. B. überproportionaler Anteil der Forschungs- mischem Rassismus für die politische Bildungs-
förderung im Bereich Extremismus/Fundamenta- arbeit zu diesem Thema ergeben. Exemplarisch
lismus im Verhältnis zu anderer islambezogener werden zudem zwei Bereiche beleuchtet, in denen
Forschung) künftig überwunden werden, ist Muslim*innen und muslimische Verbandsstruk-
es wichtig, die Voraussetzungen, Bedingungen, turen auf Barrieren treffen: zum einen die Teil-
Methoden und erkenntnisleitenden Interessen habe muslimischer Jugendverbände an Jugend-
islambezogener Wissensproduktion kritisch verbandsstrukturen und die der Muslim*innen im
weiter zu bedenken. Die hiermit verbundenen System der Kinder- und Jugendhilfe.
Einzelfragen und Implikationen können im
Rahmen dieses Berichts jedoch nicht weiter aus- 6.5.1 Leerstellen in der außerschulischen
geführt werden. politischen Bildung

Der Bund stellt mit der Bundeszentrale für poli-


6.5 Muslimfeindlichkeit tische Bildung den staatlichen Hauptakteur der
im Kontext von außer­ außerschulischen politischen Bildung. Zusätz-
lich sind in diesem Feld die Landeszentralen für
schulischer Bildung politische Bildung tätig. Daneben bringen die
sogenannten freien Träger mit ihren vielfältigen
Neben der formalen schulischen Bildung gibt Aktivitäten und Bildungsangeboten die Band-
es auch eine Reihe von strukturell verankerten breite gesellschaftlicher Ansichten im politisch
non-formalen Lernangeboten, die außerhalb des bildnerischen Feld zum Ausdruck. Zu den größ-
etablierten Lernorts Schule angeboten werden. ten Akteuren sind hier vor allem die parteinahen
Unterschieden wird dabei nach Alter zwischen politischen und die unternehmensnahen und
Erwachsenen- und Jugendbildung. Im Gegensatz gemeinnützigen Stiftungen, Gewerkschaften,
zur informellen Bildung, die im Rahmen alltäg- Unternehmer*innenverbände, Wohlfahrtsein-
156 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

richtungen sowie die kirchlichen Bildungswerke begann 2020 mit einer Verstärkung der finanziel-
und Akademien zu zählen. Während etwa bei den len Mittel. Zudem hat die aktuelle Regierung erst-
Kirchen die politische Bildung eine eher unter­ malig den umfassenden Schutz und eine bessere
geordnete Rolle spielt, hat sie bei Gewerkschaften, Unterstützung muslimischen Lebens in Deutsch-
Bildungsstätten, politischen Stiftungen oder land im Koalitionsvertrag adressiert. Dieser sieht
Zentralen für politische Bildung eine wesentlich auch explizit die Unterstützung von Vereinen
bedeutendere Rolle oder ist gar ihr Daseinszweck junger Muslim*innen in ihrer Vielfalt vor.
(vgl. Kalina 2014: 24).
Auf dem Informationsportal der Bundeszentrale
Politische Bildung ist maßgeblich von staatlicher für politische Bildung findet sich die Auseinan­
finanzieller Förderung abhängig. Die Hoheit der­setzung mit Muslimfeindlichkeit bzw. Anti­
über die jeweiligen Inhalte, Maßnahmen und muslimischem Rassismus erst seit wenigen Jahren.
Schwerpunktsetzungen liegt zwar bei den Trägern, Dabei wurde lange Zeit Muslimfeindlichkeit
Umfang und Ausrichtung der politischen Bil- lediglich als Feindseligkeit seitens Rechtsextremer
dungsangebote werden jedoch durch politische gesehen. Zwar wurde dieser verkürzte Blick, der
Schwerpunktsetzungen und staatliche Förder­ antimuslimische Einstellungen in der breiten
konjunkturen beeinflusst. Bevölkerung auslässt, mit einer fünfteiligen Text-
serie zu Antimuslimischem Rassismus korrigiert
Neben Zuschüssen der Länder und Kommunen (vgl. BpB 2019). Jedoch ist die Serie ein Abschnitt
sind es Mittel gemäß dem Dritten Buch Sozial- im Bereich „Radikalisierungsprävention Islamis-
gesetzbuch und die Förderrichtlinien und -pro- mus“ – eine Problematik, die häufiger auftritt.
gramme der einzelnen Ministerien, die als Finan- Die Thematisierung von Antimuslimischem
zierungsgrundlage für die außerschulische politi- Rassismus lediglich im Bereich der Islamismus-
sche Bildung dienen. Über die Förderprogramme prävention trägt implizit zur Perpetuierung des
werden auch seit Längerem gezielt rassistische und Topos von gewaltbereiten Muslim*innen bei
antisemitische Erscheinungen bekämpft. Nach (vgl. Unterkapitel ↗ 6.6). Analog zu anderen
einer größeren Anzahl solcher Gewalttaten wurde Themen wäre auch ein eigenständiges und stets
1992 erstmalig ein entsprechendes Aktionspro- zu aktualisierendes Dossier über verschiedene
gramm mit Bundesmitteln aufgesetzt. Seitdem Ausdrucksformen von Antimuslimischem Rassis-
werden regelmäßig über verschiedene Bundes- mus notwendig, um Grundlagentexte für die
programme politisch bildnerische Maßnahmen Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit in
gefördert, die sich gezielt mit Rechtsextremismus, der politischen Bildung zu schaffen.
Antisemitismus und Rassismus auseinandersetzen.
Häufig bleibt also die Auseinandersetzung mit
Mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ Muslimfeindlichkeit in der politischen Bildung
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, implizit, indem es allgemein um Antidiskriminie-
Frauen und Jugend wurde 2015 erstmals geson- rung oder Rassismus geht. So stellt beispielsweise
dert der Phänomenbereich „Islam- und Muslim- der größte Fachverband der politischen Jugend-
feindlichkeit“ als Handlungsfeld der politischen und Erwachsenenbildung, der Arbeitskreis deut-
Bildungspraxis aufgeführt. Insgesamt 15 Modell- scher Bildungsstätten, seit 2020 eine Onlineplatt-
projekte sind in der Förderperiode 2015–2019 form bereit, auf der Methoden und Hintergründe
gefördert worden und haben die Grundlage zu Themen wie Rassismus und Diversität zu finden
geschaffen, eine eigenständige phänomenspezi- sind. Auf der Plattform finden sich Informationen
fische pädagogische Fachpraxis aufzubauen (vgl. zu unterschiedlichen Formen von Diskriminierung,
Brand et al. 2020: 49) Die zweite Förderperiode jedoch kein Hinweis auf Muslimfeindlichkeit.
Bildung 157

6.5.1.1 Anforderungen an die außerschulische Angebote zu Antimuslimischem Rassismus finden.


politische Bildung Vielen Trägern und politischen Bildner*innen
scheint es unter den gegebenen gesellschaftlichen
Die Entwicklung eines eigenständigen politisch Umständen sinnvoll, in ihren Workshops zu
bildnerischen Schwerpunkts zu Antimuslimischem Muslimfeindlichkeit auch ‚beruhigendes‘ Wissen
Rassismus war und ist aus verschiedenen Gründen über Muslim*innen und den Islam zu vermitteln,
herausfordernd. Vorstellungen von Muslim*in- um Vorurteile abzubauen, anstatt auf rassistische
nen als Problemgruppe prägen nach wie vor auch Strukturen und die Entstehungsbedingungen
Förderprogramme und Bildungsangebote. Ins- von Vorurteilen zu blicken (vgl. Karadeniz/Sabel
besondere als sogenannte Islamismusprävention 2021b). Es ließe sich argumentieren, dass die
verstandene Bildungsangebote tragen auch dort, Nachfrage ihnen Recht gibt: Nach wie vor wer-
wo sie die Stärkung von muslimisch markierten den auch Workshops über ‚den Islam‘ oder ‚die
Jugendlichen angesichts rassistischer Verhältnisse Muslime‘ angefragt und angeboten, die Antimus-
in den Mittelpunkt stellen, zu Othering-Prozessen limischen Rassismus ganz ausklammern. Um z. B.
bei, zur „gewaltvollen Herstellung bestimmter ‚besser‘ mit muslimischen Jugendlichen umgehen
Menschen als ‚Andere‘“ (Wollrad 2010: 150; vgl. zu können, um Konflikte mit muslimischen
Unterkapitel ↗ 6.6). Mit der Zunahme an Bildungs- Familien zu verstehen usw. werden Angebote
angeboten, die sich ausdrücklich mit Antimuslimi- konzipiert, die vermeintlich relevantes Wissen
schem Rassismus beschäftigen, entstehen erstmals über Muslim*innen geben sollen. Fortbildungs-
auch durch Bundesmittel finanzierte Empower- angebote erklären dann, wie ‚der Islam‘ ist, oder
ment-Angebote, die sich fern von stigmatisieren- fragen beispielsweise: „Erziehen muslimische
den Präventions-Rhetoriken bewegen (vgl. Sabel Familien anders?“ (Fortbildung für Verwaltungs-
2022; s. a. Unterkapitel ↗ 6.3.2.4). mitarbeitende in städtischen Behörden) oder
„Welche Rolle spielt Gewalt im Islam?“ (Fortbildung
Aber auch Bildungsangebote zu Muslimfeindlich- für Multiplikator*innen). Auf diese Weise werden
keit, die sich insbesondere an weiße Menschen Fachkräfte nicht nur in der Annahme bestätigt,
richten und auf diese Weise Antimuslimischem dass konflikthaftes Verhalten von Muslim*innen
Rassismus begegnen wollen, spüren die Wirk- auf ‚ihre Kultur‘ zurückzuführen sei. Ihnen wird
mächtigkeit von antimuslimischem Othering. auch nahegelegt, den in der migrationsgesell-
Politische Bildungsangebote haben sich in den schaftlichen Realität wiederkehrend entstehenden
letzten Jahren mit der Zunahme einer öffentli- Unsicherheiten nicht mit Fachlichkeit, sondern
chen Thematisierung von Rassismus in großen mit kulturalisierender „Veranderung“ zu begegnen
Teilen von Ansätzen interkultureller Pädagogik (vgl. Karadeniz 2021).
distanziert. Die politisch bildnerische Entwick-
lung greift zunehmend Rassismustheorien auf Diese Angebotsstruktur lässt sich aber nicht
(s. Unterkapitel ↗ 6.1). Eine zunehmend ein- allein mit der Vehemenz antimuslimischer
setzende und zentrale Erkenntnis ist, dass auch Diskurse erklären. Immerhin ist es ja gerade die
in Workshop-Kontexten, die dem Wunsch fol- Aufgabe einer kritisch verstandenen politischen
gen, ‚die Anderen‘ zu verstehen, diese ‚Anderen‘ Bildungsarbeit, zu einer Kritik gesellschaftlicher
zunächst konstruiert werden. Davon grenzen Selbstbilder anzuregen (vgl. Messerschmidt
sich bildungspolitische Angebote zu Rassismus 2016b). Dafür braucht sie eine Finanzierung, die
häufig sehr deutlich ab, unabhängig davon, ob ihr eine Unabhängigkeit von der nicht zuletzt
sie stärker die individuelle oder strukturelle durch antimuslimische Diskurse geprägten
Ebene fokussieren. Diese Form von Abgrenzung Nachfrage sichert, und Wissen wie auch Kennt-
lässt sich nicht in gleichem Maß in der Breite der nisse über Rassismus, die sie nicht aus dem
158 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Bereich der religiösen Extremismuspräventions- dungs- und Workshopmaterialien aus einer ras-
arbeit schöpfen kann (vgl. Sabel 2022). sismuskritischen Perspektive. Hier stellt sich ins-
besondere die Frage, welche Bedeutung Religion
Ein Verständnis von Antimuslimischem Rassis- aus rassismuskritischer Perspektive beigemessen
mus als gesellschaftlichem Verhältnis, das auf wird (vgl. Cheema 2020). Die Auseinandersetzung
allen Ebenen von Gesellschaft wirkt, verlangt mit dem Spannungsfeld von Religion, Säkulari-
dem Bereich der politischen Bildungsarbeit viel tät und Schule gehört in gewisser Weise zu den
ab. Notwendig erscheinen dann Bildungsprozesse, Erscheinungsformen von Muslimfeindlichkeit.
die sich ebenso mit der intra- und interpersonel- Was Karakaşoğlu als Kompetenz für Lehrkräfte
len Ebene wie auch mit Diskursen, Institutionen fordert, „religious literacy“, wäre demnach auch
und Strukturen beschäftigen, die historische Kon- für die politische Bildung relevant (vgl. 2020):
tinuitäten genauso einbeziehen wie gegenwärtige Damit ist weder ein interreligiöser Dialog noch
lokale, nationalstaatliche und globale Zusammen- eine Expertise zu einzelnen Religionen gemeint,
hänge. Diese Herausforderungen teilen Träger, die sondern ein grundlegendes Verständnis von histo-
zu Muslimfeindlichkeit arbeiten, mit denen, die rischen und gegenwärtigen Bedingungen und Aus-
zu anderen Rassismen arbeiten. Insofern lassen drucksformen religiösen Denkens und Handelns.
sich hier Ansätze übertragen, wie es in der Praxis
bereits geschieht. Dahingehend ist beispielsweise Es besteht ein Bedarf an stärkerer Förderung der
der Ansatz der Rassismuskritik etabliert. Leiprecht politischen Bildungsarbeit zu Muslimfeindlich-
at al. (2011) verstehen Rassismuskritik keit und der Entwicklung von entsprechenden
Bildungsmaterialien, aber auch an der wissen-
„als kunstvolle, kreative, notwendig reflexive, schaftlichen Reflexion und der Erarbeitung von
beständig zu entwickelnde und unabschließbare, Qualitätskriterien. Notwendig ist zudem eine
gleichwohl entschiedene Praxis, die von der deutliche Trennung vom Bereich der Extremis-
Überzeugung getragen wird, dass es sinnvoll ist, musprävention.
sich nicht ‚dermaßen‘ von rassistischen Hand-
lungs-, Erfahrungs- und Denkformen regieren Für Organisationen der politischen Bildung
zu lassen“ (ebd.: 9). besteht zudem die Herausforderung, die eigene
institutionelle Praxis rassismuskritisch zu über-
Die rassismuskritische Perspektive regt die Aus- prüfen. Personalstruktur, Arbeitsbereiche, Ziel-
einandersetzung mit der eigenen Involviertheit in gruppen und Angebote müssen konsequenter-
diskriminierende Strukturen und Handlungen an. weise auf institutionell und strukturell verankerte
Dabei geht es nicht darum, einzelne Menschen als Praktiken von Antimuslimischem Rassismus
Rassist*innen zu entlarven, sondern Rassismus als überprüft und rassismuskritisch gestaltet werden
gesellschaftliches Verhältnis in seiner strukturel- (vgl. Benbrahim 2021b).
len Dimension zu thematisieren.
6.5.2 Fortbildungen zu Muslimfeindlichkeit:
An der Entwicklung dieser rassismuskritischen Sensibilisierung als Querschnitts­aufgabe
Praxis ist mittlerweile eine Vielzahl von Wis- für die Gesellschaft
senschaftler*innen und eben auch politischen
Bildner*innen beteiligt. Allerdings mangelt es Die bundesweit eher überschaubaren Angebote
noch an Konkretisierungen für den Bereich der zur Sensibilisierung für Muslimfeindlichkeit
Muslimfeindlichkeit. Auch wenn es bereits wis- (s. Unterkapitel ↗ 6.3.2.4) richten sich meistens an
senschaftliche Auseinandersetzungen hierzu gibt, Lehrkräfte und anderes pädagogisches Personal
fehlt es an entsprechenden Übersetzungen in Bil- oder als Workshop-Angebote an Jugendgruppen.
Bildung 159

Allerdings ist die Auseinandersetzung mit Mus- Qualitätsmerkmale pädagogischer Maßnahmen


limfeindlichkeit mindestens für alle staatlichen gegen Muslimfeindlichkeit sollten Folgendes
Einrichtungen und Handlungsstrukturen sowie beinhalten:
für Berufsgruppen neben schulischem Personal
ebenfalls relevant: Sicherheitsbehörden (s. Kapitel • Theoretische und selbstreflexive Auseinander-
↗ 8), Justiz (s. Unterkapitel ↗ 8.3) und Medien (s. setzung mit Muslimfeindlichkeit
Kapitel ↗ 7). Die Zusammenarbeit dieser Berufs- • Vielfalt an pädagogisch-didaktischen Methoden
felder mit Bildungseinrichtungen, die bereits • Intersektionale Perspektiven und Diskriminie-
Fort- und Weiterbildungen anbieten, ist bisher rungserfahrungen von Teilnehmenden
nur sporadisch zu beobachten. Dabei wäre eine • Freiwilligkeit der Teilnahme an Qualifizie-
verpflichtende Auseinandersetzung zum Beispiel rungsangeboten
für angehende Beamt*innen und Journalist*in- • Heterogene Teams bei der Durchführung
nen mit Erscheinungsformen von Muslimfeind- • Bildungs- und Lernräume Empowerment-
lichkeit (sowie anderen Formen von Diskriminie- orientiert und diversitätsbewusst gestalten
rung) notwendig.
Notwendig hierfür sind (zielgruppenspezifische)
Neben relevanten Berufsgruppen kann ent- Bildungsmaterialien über und gegen Muslimfeind-
sprechend dem rassismuskritischen Ansatz die lichkeit, die zur Sensibilisierung und zum Abbau
Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit von Antimuslimischem Rassismus beitragen.75
und Rassismus als Querschnittsaufgabe für die
Gesamtgesellschaft erachtet werden. Die selbst- 6.5.3 Barrieren für Muslim*innen in der
reflexive Auseinandersetzung mit Rassismus und Kinder- und Jugendhilfe
Muslimfeindlichkeit – die Auseinandersetzung
mit eigenen Bildern, Wissen (bzw. Wissenslücken) In Deutschland leben 1,6 bis 1,8 Millionen mus-
und Vorurteilen – versteht sich damit als grundle- limische Kinder und Jugendliche (vgl. Hamdan/
gende Aufgabe für jedes Mitglied einer (pluralen) Schmid 2014: 10), daraus ergibt sich eine stetig
Gesellschaft. Außerschulische Bildungsorte kön- wachsende und wichtige Zielgruppe für die Kinder-
nen solche Räume zur Verfügung stellen, indem und Jugendhilfe. Diese ist als öffentliche Für-
z. B. Volkshochschulen, Bibliotheken und kirch- sorge für die Angebote und Belange von jungen
liche Bildungshäuser entsprechende Angebote in Menschen zuständig. Sie fördert und stellt ihre
ihre Programme etablieren. individuelle und soziale Entwicklung sicher, sodass
soziale Benachteiligungen abgebaut werden können.
Konzepte der Fort- und Weiterbildungen sollen In diesem Rahmen ist die Kinder- und Jugendhilfe
entsprechend zielgruppenspezifisch ausgearbeitet in kommunalen Strukturen auch für die Interessen
werden und unterschiedliche Formate wie Work- und Anliegen von muslimischen Kindern und
shops, Seminare und Vorträge sowie kollegiale Jugendlichen verantwortlich. Allerdings ist festzu-
Fallberatung anbieten. Die Bildungsangebote stellen, dass bisher nur wenig über die unterschied-
sollen sowohl muslimische als auch nicht-mus- lichen Belange, Bedürfnisse und Interessen junger
limische Perspektiven berücksichtigen, um breite Muslim*innen in der Kinder- und Jugendhilfe
Zielgruppen erreichen zu können. Standards und bekannt ist (vgl. Böllert et al. 2020: 8).

75 Die Recherche über pädagogische Bildungsmaterialien zu Antimuslimischem Rassismus ergab eine Vielzahl an Materialien in der
digitalen Vielfalt-Mediathek des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit. Bei genauer Betrachtung der
418 Materialien von geförderten Bundesprogrammen sind nur 61 als Arbeitshilfe angezeigt, darunter sind fünf pädagogische Materialien
mit pädagogisch-didaktischen Methoden zu finden. Außerhalb öffentlicher Förderprogramme sind Bildungsmaterialien gegen
Muslimfeindlichkeit noch seltener vorhanden.
160 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

In vielen Städten und Gemeinden gestalten und Räume für religiös-verbundene Themen anbieten
bereichern junge Muslim*innen das soziale (vgl. Böllert et al 2020: 10).
Zusammenleben im Kindes- und Jugendalter. Sie
sind junge Menschen mit verschiedenen Interes- Aus Sicht der Forschung lässt sich gut beschreiben,
sen und Bedürfnissen, wachsen in unterschiedli- dass muslimische Akteure in der Infrastruktur der
chen sozialen, kulturellen und religiösen Lebens- Kinder- und Jugendhilfe bisher wenig anerkannt
lagen und mit diversen Lebensentwürfen auf. und selten gefördert werden (vgl. Böllert/Schröer
Damit stellen sie ebenso wie andere junge Men- 2022: 5). Selbst wenn sie als Träger der Kinder-
schen in Deutschland eine heterogene Gruppe und Jugendarbeit die rechtlichen Voraussetzun-
dar. Dennoch werden junge Menschen, die sich gen erfüllen, führt dies nicht automatisch zur
einer muslimischen Gemeinschaft zugehörig Förderung durch Bund, Land oder Kommune.
fühlen oder Angebote religiös orientierter Träger Dieser Tatsache steht eine seit Jahren etablierte
aufsuchen, häufig als relativ homogene Gruppe Infrastruktur von muslimischen Trägern gegen-
wahrgenommen (vgl. ebd.). Zeitgleich liefert die über, die ein vielfältiges Angebot und ehrenamtli-
Forschung über muslimische Jugendkulturen ches Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit
erkenntnisreiche Beschreibungen zur Vielfältig- leisten. Neben den formalen Voraussetzungen
keit individueller Biografien und jugendkultu- treten informelle Voraussetzungen hinzu, die
reller Stile von jungen Muslim*innen. Ihre viel- durch hegemoniale und defizitorientierte Diskurse
fältigen Lebenswelten sind divers und somit auch um Muslim*innen gekennzeichnet sind und sich
ihr gegenwärtiges zivilgesellschaftliches Engage- aus Dynamiken des Verdachts- und Sicherheits-
ment in Initiativen, unabhängigen Vereinen oder diskurses speisen (vgl. Greschner 2022: 11).
Jugendgruppen (vgl. Greschner 2020: 334).
Auf lokaler bzw. kommunaler Verwaltungsebene
In einer Onlinebefragung der Arbeitsgemein- führt der Mangel an Wissen und Kenntnissen
schaft Jugendhilfe zu Angeboten der Kinder- und über muslimische Akteur*innen, Angebote
Jugendarbeit im Projekt „MuTJugend“ wurde eine und Trägerstrukturen dazu, dass muslimischen
große Anzahl junger Menschen erreicht, die sich Trägern Zugänge zur Jugendarbeit erschwert
als Muslim*innen verstehen (80,1 %). Befragt nach werden. Die kommunalen bzw. lokalen Ämter
ihrer Nutzung bestehender Angebote zeigte sich, besitzen Kenntnisse über Förderstrukturen und
dass für sie muslimische oder alevitische (Jugend-) suchen bei Selbstorganisationen nach bereits
Gruppen eine große Bedeutung haben und im bestehenden Strukturen (vgl. Böllert/Schröer
Vergleich mit anderen Angeboten deutlich öfter 2022: 7). Dabei werden oftmals Akteur*innen
besucht werden (vgl. Böllert et al. 2020: 9). und junge Muslim*innen, die die Jugendarbeit
ehrenamtlich und ohne professionelle haupt-
In den Ergebnissen bestehender Untersuchun- amtliche Strukturen in Selbstorganisation leisten,
gen lässt sich ablesen, dass junge Muslim*innen weder einbezogen noch gefördert. Die Wissens-
durch einige Angebotsbereiche der Kinder- und lücke über bestehende Strukturen von Angebo-
Jugendhilfe tendenziell selten erreicht werden, ten muslimischer Akteur*innen führt zu einer
z. B. durch die Jugendverbandsarbeit. Dies scheint Schieflage der Repräsentation. Die Bekanntheit
auch daran zu liegen, dass nur wenige Angebote von etablierten Jugendverbänden und etablierter
anerkannter Träger der Kinder- und Jugendhilfe Selbstorganisation hat oftmals mit einer lang­
für die verschiedenen Anliegen von Kindern und jährigen Vernetzungsarbeit in professionellen
Jugendlichen, die sich dem muslimischen Glau- und hauptamtlichen Strukturen zu tun, die
ben zugehörig fühlen, religionssensibel sind und neuere Angebote ehrenamtlich organisierter
Bildung 161

Selbstorganisationen ohne Förderung bzw. tanz und strukturelle Verankerung (vgl. Böllert/
finanzielle Ressourcen nicht leisten können. Schröer 2022: 5). Daher bedarf es in der Kinder-
und Jugendhilfe eines proaktiven Zugehens und
Weitere Barrieren bestehen in der Tatsache, dass Zusammenarbeitens mit Selbstorganisationen
wenige Kenntnisse über muslimische Vielfalt und Verbänden, die sich kommunal gegründet
vorhanden sind und es an Religionssensibilität haben und viel zur Jugendarbeit beitragen. Diese
fehlt. Die Unkenntnis über muslimische Vielfalt strukturellen Barrieren und Ausschlüsse von Teil-
spiegelt sich auch in der Repräsentationslücke habechancen sind bei migrantischen Vereinen
von glaubensgemeinschaftlich orientierten Ange- besonders häufig festzustellen. Sie führen zu
boten für Muslim*innen wider. Angebote, die den doppelten Diskriminierungseffekten für junge
muslimischen Glauben und die religiöse Bildung Menschen ‚mit Migrationsgeschichte‘ und musli-
adressieren, sind auf kommunaler Ebene nicht mischer Religionszugehörigkeit, da sie deren
vorhanden oder werden mit Skepsis betrachtet. Partizipationsmöglichkeiten als Interessensver-
Dies wird auch in einem Hearing deutlich, das band verhindern können:
der UEM 2021 zur Erhebung von Bedarfen und
Erfahrungswelten muslimischer Organisationen „Auf Seiten der Verwaltung bedarf es noch viel
durchführen ließ (vgl. Unterkapitel ↗ 5.3): Aufklärungsarbeit, um ein besseres Kennen-
lernen zu ermöglichen. Dabei geht es auch
„Selbstorganisierten jungen Muslim:innen darum, Vorbehalte abzubauen, die nicht selten
schlägt häufig Misstrauen entgegen. Dabei auf einer Übernahme von pauschalen Annahmen
werden nicht ihre eigenen Aussagen und und unbelegten Verdachtsmomenten gegenüber
Handlungen bewertet, sondern ihnen wird eine muslimischen Organisationen beruhen.“
Gesinnung unterstellt, was in der Regel mit (Hearing Betroffenenperspektive: Kofi Ohene-
Kontakten begründet wird.“ (Hearing Betroffe- Dokyi – RAA – Berlin [Regionale Arbeitsstellen
nenperspektive: Lydia Nofal – Aktionsbündnis für Bildung, Integration und Demokratie e. V.])
muslimischer Frauen in Deutschland)
Hierbei geht es nicht nur um eine adäquate Bera-
Die Anerkennung und Repräsentanz von Vielfalt tung und Fortbildung der Verwaltungskräfte in
muslimischen Lebens (von säkular bis religiös den Kommunen hinsichtlich ihrer Qualifizierung
praktizierend) bzw. von Glaubensgemeinschaften im Themenfeld Rassismuskritik und Migrations-
(Ahmadiyya, Sunnitentum, Schiitentum, Aleviten­ pädagogik, sondern auch um die Frage, wie sich
tum etc.) sind wichtige Voraussetzungen für eine Kommunen rassismuskritisch und migrationspä-
zielgerichtete Angebotsstruktur muslimischer dagogisch öffnen und differenzsensible Leitlinien
Kinder- und Jugendhilfe. innerhalb ihrer Einrichtungen verankern können.
Im Austausch mit Fachstellen und Trägern zeigt
Die entsprechende Forschung weist darauf hin, sich, dass die erforderlichen Veränderungen auch
dass die Aufnahme in Kommunen und Städten auf institutioneller und organisationaler Ebene
stark davon abhängt, ob einzelne Personen als eine kontinuierliche und nachhaltige fachliche
Brücke zwischen der Infrastruktur der Kinder- Begleitung erfordern, die mit punktuellen Weiter-
und Jugendhilfe bzw. ihrer Förderung und bildungsangeboten nur unzureichend abgedeckt
muslimischen Trägern fungieren können bzw. werden kann (vgl. Benbrahim 2020).
wollen (vgl. Böllert et al. 2022). Die Aufgabe von
Brückenbauer*innen ist wichtig und notwendig,
aber wenn diese ausscheiden oder diese Aufgabe
nicht mehr ausüben können, fehlt die Repräsen-
162 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

6.5.4 Herausforderungen für muslimische Im 16. Kinder- und Jugendbericht zur Förde-
Jugendverbände rung demokratischer Bildung im Kindes- und
Jugendalter (2020) vom Bundesministerium für
Die Jugendverbandsstruktur ist formal eine demo- Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
kratische Vertretung junger Menschen auf kom- wird die Etablierung und Weiterentwicklung von
munaler sowie auf Landes- und Bundesebene. muslimischen Jugendverbänden im Sinne einer
Der Zusammenschluss von Jugendverbänden und „Diversifizierung der Trägerlandschaft“ besonders
Selbstorganisationen junger Menschen ist eine für die politische Jugendbildung explizit adressiert,
demokratische Teilhabemöglichkeit, da sie als Mit- dennoch ist die strukturelle Vertretung muslimi-
glied in Landesjugendringen über Stimm- und scher und glaubensgemeinschaftlicher Jugend-
Entscheidungsbefugnis verfügen. Das Jugend- verbandsarbeit defizitär. Vor mehr als zehn Jahren
verbandssystem stellt dem Anspruch nach ein dominierten besonders die islamischen Spitzen-
institutionalisiertes demokratisches Vertretungs- und Dachverbände wie die Türkisch-Islamische
system aller jungen Menschen dar. In Bezug auf Union der Anstalt für Religion (DITIB) oder die
muslimische junge Menschen hat es allerdings Islamische Gemeinschaft Millî Görüş als Träger
ein Repräsentationsdefizit. Die Partizipation und muslimischer Jugendarbeit. Im Zuge einer kriti-
Repräsentation von jungen Muslim*innen zeigt schen Auseinandersetzung mit diesen Verbänden
sich besonders stark in ehrenamtlichen Strukturen setzte in den letzten fünf bis zehn Jahren in der
und in selbstorganisierter Jugendarbeit, aber die muslimischen Organisationslandschaft eine
Zugänge und Teilhabemöglichkeiten im Jugend- intensive Umbruchphase ein. Aus selbstorganisier-
verbandssystem bleiben verschlossen. ten und losen Initiativen von Muslim*innen der
zweiten oder dritten Einwanderungsgeneration
Der Deutsche Bundesjugendring hat sich bereits entstanden Organisationen, die auf einem mus-
2004 in einem Beschluss auf der Vollversamm- limischen Selbstverständnis gründen, allerdings
lung für eine interkulturelle Öffnung der etablier- inhaltlich und strukturell unabhängig von den
ten Jugendverbandsstrukturen für Vereine junger Spitzenverbänden agieren. Diese Selbstorganisa-
Menschen mit Migrationshintergrund ausgespro- tionen junger Muslim*innen begreifen sich als
chen. Hier kann man davon ausgehen, dass auch einen selbstverständlichen Teil der deutschen
die Aufnahme von muslimischen Selbstorgani- Zivilgesellschaft und gestalten auch Angebote der
sationen zur interkulturellenÖffnung beitragen Jugendarbeit.
sollen. Allerdings ist heute in nur sechs von 16
Landesjugendringen ein muslimischer Jugendver- „Konflikte entstehen dann, wenn muslimische
band (DITIB Jugend) als ordentliches Mitglied mit Kinder- und Jugendvereine in allen Bereichen
einem Stimmrecht vertreten. Sowohl bei den Vor- gleichberechtigt teilhaben möchten. Genau an
ständen der Landesjugendringe als auch bei den dieser Schnittstelle sollten wir die engagier-
Mitgliedern des deutschen Bundesjugendrings ten Kinder und Jugendlichen besonders vor
sind hingegen keine muslimischen Jugendver- Angriffen schützen – damit sie ihren Weg zu
bände vertreten (vgl. Greschner 2022: 11). Teilhabe weiterverfolgen können.“ (Hearing
Betroffenenperspektive: Kofi Ohene-Dokyi –
„Es wäre im Sinne der Gesamtgesellschaft, wenn RAA – Berlin [Regionale Arbeitsstellen für
muslimische Jugendverbände, die einen positiven Bildung, Integration und Demokratie e. V.])
Beitrag für die Gesamtgesellschaft leisten, in
den Bundesjungendring aufgenommen werden.“ Vereine von jungen Muslim*innen, die sich je
(Hearing Betroffenenperspektive: nach Schwerpunkt mit unterschiedlicher Gewich-
Dennis Kirschbaum – JUMA) tung an islamischen Werten orientieren und
Bildung 163

unabhängig von den etablierten Erwachsenenver- Diese Vielfalt führt auch innerhalb von muslimi-
bänden bestehen, hegen nicht zwangsläufig den schen Jugendverbänden dazu, dass verschiedene
Anspruch, Orte für Spiritualität oder Glaubens- Vorstellungen und Positionen von Religion in der
praxis zu sein. Sie verorten sich jeweils als musli- Jugendarbeit existieren. Ein Beispiel dafür ist der
mische Bildungs-, Freizeit-, Frauen- oder Jugend- anerkannte Jugendverband Bund der Alevitischen
organisationen. Die Mitglieder dieser Organi- Jugend, der sich aufgrund der Eigenständigkeit
sationen sind oft unterschiedlicher ethnischer des Alevitentums als anerkannte Religionsge-
(albanisch, türkisch, bosnisch, arabisch etc.) und meinschaft in der Mitgliedschaft sowohl musli-
konfessioneller Herkunft (alevitisch, sunnitisch, misch wie auch nicht-muslimisch verortet.
schiitisch etc.). Beispiele für außerverbandliche
muslimische Jugendorganisationen in Deutsch- Mit der Neugründung des Bündnisses für musli-
land sind: mische Jugendarbeit im Juli 2022 gelang es durch
die Bemühungen etablierter Organisationen wie
• Bund Muslimischer Pfadfinderinnen und der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Inte­
Pfadfinder e. V. (Wiesbaden) gration und Demokratie, einen wichtigen Schritt
• JUMA (jung, muslimisch, aktiv) e. V. (Berlin) zur Teilhabemöglichkeit muslimischer Jugend-
• Muslimische Jugend in Deutschland e. V. arbeit zu beginnen. Die Erfolgsbedingungen für
(Berlin) muslimische Jugendarbeit (bzw. Jugendverbands-
• Muslimisches Jugendwerk e. V. (Dortmund) arbeit) zeigen sich derzeitig nur durch eine kon-
tinuierliche und solidarische Zusammenarbeit
Bei der Darstellung der Aktivitäten der oben mit etablierten Vereinen bzw. Verbänden, die
genannten Organisationen wird ein breites eine rassismuskritische Sensibilität und Öffnung
Angebot von politischer Bildung, Umwelt- und der eigenen Organisation durchlaufen. Die Auf-
Naturschutz sowie Antidiskriminierungs- und nahme muslimischer Jugendverbandsarbeit in das
Präventionsarbeit im Bereich der religiös begrün- etablierte Verbandssystem ist dabei als erforder-
deten Radikalisierung sichtbar. Das Muslimische lich und notwendig anzusehen. Die strukturelle
Jugendwerk möchte Vorbilder für junge Mus- Teilhabemöglichkeit von jungen Muslim*innen
lim*innen schaffen und damit zu mehr Sicht- in der Kinder- und Jugendarbeit muss nachhaltig
barkeit in der Gesellschaft beitragen. Die Jugend- in den Strukturen wie dem Deutschen Bundes-
organisation beschäftigt sich unter anderem mit jugendring und in Landesjugendringen erfolgen,
dem Thema Inklusion und erarbeitet Konzepte, so können die politischen Interessen und Belange
wie junge Muslim*innen mit Einschränkungen von jungen Muslim*innen erfüllt werden.
in die Jugendarbeit eingebunden werden können.
Der Bund Muslimischer Pfadfinderinnen und
Pfadfinder Deutschlands (BMPPD) ist ein Pfad- 6.6 Muslimfeindliche und
finder*innenverband in fünf Bundesländern. rassistische Nebeneffekte
Muslimische Jugendverbände leisten einen gro-
von Radikalisierungs- und
ßen Beitrag zu zivilgesellschaftlichem Engage- Extremismusprävention
ment in Deutschland. Sie sind unterschiedlich
organisiert – moscheeverbandsabhängig oder In den vergangenen Jahren sind zahlreiche För-
als unabhängige Jugendgruppen, als lokale oder der- und Bildungsprogramme entstanden, die als
überregionale Initiativen – und repräsentieren Präventionsmaßnahmen gegen Radikalisierung
vielfältige Positionen, Perspektiven und Anliegen und Extremismus gelten. Dabei geht es um die
in Deutschland lebender junger Muslim*innen. Bekämpfung von Rechtsextremismus, linker
164 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Militanz sowie Islamismus. Besonders im Zusam- und Bildungsaufgaben hinaus auch sicherheits-
menhang mit den Ausreisen junger deutscher politischen Anforderungen gerecht zu werden.
Muslim*innen zum sogenannten Islamischen Der sicherheitspolitische Auftrag erfordert aller-
Staat wurde die pädagogische Auseinanderset- dings eine außerordentliche und angemessene
zung mit der Prävention von Islamismus ausge- Kompetenz – sowie Wissen – aufseiten der Päda-
baut. Dadurch ist eine verstärkte Ausrichtung der gog*innen, um sogenannte ‚Verdachtsfälle‘ über-
Sicherheitspolitik im Präventionsbereich zu beob- haupt einordnen zu können. Da die Ursachen für
achten. Radikalisierungsprävention zur Terroris- islamistische Radikalisierung ohnehin vielfältig,
musbekämpfung bzw. gegen Islamismus wirkt individuell und zudem untererforscht sind (vgl.
sich dementsprechend überwiegend auf Mus- Neumann et al. 2018), ist das Erlernen einer sol-
lim*innen und muslimische Organisationen aus, chen Kompetenz mit diversen Herausforderun-
was sie zu einem ‚Sicherheitsrisiko‘ für Demo- gen verbunden. Im Ergebnis führt diese Schief-
kratie und Gesellschaft konstruiert. Dabei ist von lage bis heute dazu, dass junge Muslim*innen
der Bedrohung durch den islamistischen Terror aufgrund ihrer Religion als Risikogruppe gelten
die gesamte Gesellschaft betroffen. Im Hearing und potenziell jegliche Handlung von Muslim*in-
zur Vorbereitung des UEM-Berichts wurde dazu nen als Sicherheitsrisiko betrachtet wird (vgl.
Folgendes geäußert: Bossong et al. 2022a). Dieser defizitäre Blick rich-
tet sich allerdings nicht nur auf Schüler*innen,
„Während durch den Begriff ‚Islamismus‘ nicht wie aus unserem Hearing deutlich wurde:
nur terminologisch, sondern auch diskursiv eine
Verknüpfung zu Islam sowie zu Muslim:innen „Die Eltern von muslimischen Schüler*innen
und muslimisch wahrgenommenen Personen werden häufig nicht als ernstzunehmende
hergestellt wird, fragen sich Menschen muslimi- Partner*innen wahrgenommen; stattdessen
schen Glaubens: ‚Was hat das mit mir zu tun? schwingt bei Begegnungen mitunter der
Was hat das mit meiner individuell und kollek- Radikalisierungsverdacht mit.“ (Hearing
tiv gelebten Islampraxis zu tun?‘ Schließlich ist Betroffenenperspektive: Aliyeh Yegane Arani –
Sicherheit ein unverzichtbares Grundbedürfnis Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an
aller Menschen.“ (Hearing Betroffenenperspek- Schulen (ADAS) bei LIFE – Bildung, Umwelt,
tive: Büşra Gök Akca – FAIR international – Chancengleichheit)
Federation Against Injustice and Racism)
Auch in der außerschulischen Jugendarbeit
Bildungspolitischen Akteur*innen sowie pädago- mit Muslim*innen wirkt die Verzahnung von
gischen Institutionen wird eine Schlüsselrolle bei politischer Bildung mit sicherheitspolitischen
der Bekämpfung zugeschrieben, wie das „Natio­ Anforderungen stigmatisierend. So werden im
nale Präventionsprogramm gegen islamistischen genannten Präventionsprogramm der Bundesre-
Extremismus“ der Bundesregierung ausführt gierung neben Schulen auch Moscheegemeinden
(vgl. BMI 2017). Schulen sollten dabei an der Prä- als Orte für Prävention benannt. Im Rahmen der
vention mitwirken, indem beispielsweise Päda- Förderung von Radikalisierungsprävention durch
gog*innen frühzeitig Radikalisierungstendenzen „Demokratie leben!“ des BMFSFJ wurde im För-
erkennen. So überrascht es nicht, dass etwa derzeitraum zwischen 2014 und 2019 jedes vierte
30 Prozent der befragten Lehrkräfte einer Studie Projekt gegen religiöse Radikalisierung von einem
zufolge angeben, dass Muslim*innen aggressiver muslimischen Verein durchgeführt. Hier rückt die
als Nicht-Muslim*innen seien (vgl. SVR 2017). pädagogische Arbeit in Moscheegemeinden und
Pä­­dagogische Einrichtungen wurden im Bundes- muslimischen Jugendorganisationen in sicher-
programm aufgefordert, über ihre Erziehungs- heitspolitische Interessen. Eine weitere Maß-
Bildung 165

nahme betrifft die Etablierung von sogenannten ten untersucht. Die Forschenden fokussieren
Kontaktbeamt*innen (KMI) in NRW seit 2008. dabei die diskriminierenden Wirkungen auf
Als Angehörige einer Sicherheitsbehörde fungie- unter­schiedliche Minderheiten, die von unter-
ren sie als Ansprechpersonen für muslimische schiedlichen staatlichen und nicht-staatlichen
Institutionen und sind u. a. für die Netzwerkarbeit Maßnahmen – auch Präventionsmaßnahmen –
unter den Moscheen zuständig. Es versteht sich als Zielgruppen angesprochen werden. In beiden
von selbst, dass die behördliche Zuordnung der Projekten sind die Ergebnisse abzuwarten. Sie
staatlich eingesetzten Ansprechperson in den haben die Absicht, Empfehlungen für eine „ras-
Bereich Sicherheit die Wahrnehmung von Mus- sismussensible Extremismusbekämpfung und
lim*innen als Risiko- und Sicherheitsproblem Radikalisierungsprävention“ (ebd.) zu formulieren
verstärkt. Auch spiegelt sich hier eine bestimmte sowie auf dem „Feld der pädagogischen Islamis-
Wahrnehmung von Muslim*innen wider, die in musprävention für rassismuskritische und diskri-
diversen gesellschaftlichen Bereichen zu finden minierungssensible Überlegungen“ (Bossong et al.
ist: Muslim*innen gelten als Problemverursa- 2022b: 11) zu sorgen.
cher*innen und Täter*innen. Dass Moscheen (und
Muslim*innen) allerdings in den vergangenen Es bleibt unbenommen, dass die Zielgruppen prä-
Jahren immer wieder Angriffen ausgesetzt waren ventiver Maßnahmen gegen islamistische Radika-
und sicherheitsbehördliche Maßnahmen auch lisierung nicht nach Religion oder Herkunft (bzw.
zu deren Schutz erforderlich sind, scheint in den dem ‚Migrationshintergrund‘) ausgesucht werden
Behörden weniger Beachtung zu finden. sollten. Nicht zuletzt blieb die Frage bisher unbe­
antwortet, inwiefern es einen empirischen Zusam­
Zwei aktuell laufende Forschungsprojekte unter- menhang beispielsweise zwischen ‚Migrations­
suchen den Zusammenhang von Sicherheits- hintergrund‘ und Radikalisierungspotenzial gibt.
politik und Muslimfeindlichkeit: An der Tech-
nischen Universität Dortmund untersucht eine Dass Muslim*innen auch in der Wissenschaft
Forschungsgruppe, wie sich Antimuslimischer unter defizitären Vorzeichen beforscht und
Rassismus und Islamismusprävention im Kontext „beäugt“ werden, stellt Amir-Moazami in dem von
von Schule äußern (vgl. Technische Universität ihr herausgegebenen Sammelband „Der inspi-
Dortmund 2023). Analysiert wird, inwiefern mit zierte Muslim“ fest (2018: 9). Sie beobachtet selbst-
schulischen Präventionsprogrammen gegen Isla- kritisch, wie offenkundig die Verbrämung von
mismus kontraintentionale Effekte einhergehen akademischer Wissensproduktion und politischer
(z. B. Formen der Stigmatisierung und Diskrimi- Eingriffsoption ist. Am entsprechenden Diskurs
nierung). Bisher stellen die Forschenden fest, dass beteiligte Wissenschaftler*innen würden zu einer
häufig bereits eine grundlegende Religionsaus- „Veraußergewöhnlichung“ von Muslim*innen
übung – etwa Fasten oder Kopftuchtragen – beitragen, wenn sie etwa die finanziellen Anreize
im schulischen Kontext zu Konfliktfällen führt der thematisch vorgegebenen staatlichen For-
(vgl. Bossong/Dipcin/Marquardt 2022: 138). Junge schungsförderung beanspruchen (vgl. ebd.: 30).
Muslim*innen – insbesondere Jungen – sehen
sich dabei mit dem Stigma des gewaltbereiten
und von Radikalisierung gefährdeten Muslim
konfrontiert. Ähnlich werden aktuell am For-
schungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt
„nicht-intendierte rassistische Effekte“ (vgl. For-
schungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt
2023) in der Verfolgung extremistischer Gewaltta-
166 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

6.7 Fazit Rassistisches Wissen zu Muslim*innen wird auch


über Bildungsmaterialien vermittelt. Die Untersu-
Muslimische Schüler*innen, Studierende und chung bundesweiter Lehrpläne und Schulbücher
Lehrende erleben Muslimfeindlichkeit im Bil- zeigt, dass der Islam überwiegend im Kontext von
dungsbereich auf vielfältige Art und Weise. Gene- Konflikten thematisiert wird und Schüler*innen
rell stehen ihre muslimischen Identitätsbezüge muslimfeindlichen Positionen und Narrativen
unverhältnismäßig stark im Vordergrund und bil- ausgesetzt sind. Darüber hinaus findet sich im
den häufig in pauschal kulturalisierender Weise Bereich der schulischen und außerschulischen
den Deutungsrahmen für ihr Verhalten. Insbeson- Bildung immer häufiger eine sicherheitspolitische
dere herausforderndes Handeln und Benehmen Perspektive auf Muslim*innen. Präventionsarbeit
wird bei ihnen einseitig auf ‚den Islam‘ bzw. ‚die gegen Extremismus und Radikalisierung fokus-
muslimische Kultur‘ zurückgeführt. In diesem siert vor allem Muslim*innen, was eine stigmati-
komplexitätsreduzierenden und kulturalisieren- sierende Wirkung hat. Zudem werden Muslim*in-
den Blick auf Muslim*innen zeigen sich auch nen weniger als Opfer islamistischer Gewalt gese-
geschlechterspezifische Zuschreibungen und Vor- hen, sondern auf diskriminierende Weise primär
urteile: Muslimische Mädchen gelten häufig als als potenzielle Täter*innen identifiziert.
unterdrückte Opfer und Jungen als gewalttätig
und frauenfeindlich. Die wiederkehrende Identi- Muslimfeindlichkeit wird im Bildungsbereich
fizierung und Anrufung von Muslim*innen als erst langsam als Problem im gesellschaftlichen
(problematische) ‚Andere‘ wirkt sich ausgrenzend Zusammenleben verstanden und adressiert. Erste
und benachteiligend auf sie aus. Muslimischsein spezifische Fortbildungsmaßnahmen von Trägern
gilt mittlerweile als anschlussfähiges Begrün- der politischen Bildung sind ebenso zu finden
dungsmuster für die Schlechterstellung von Mus- wie die vereinzelte Erwähnung des Themas in
lim*innen, etwa bei Leistungsbewertungen oder ausgeschriebenen Förderprogrammen. Kurioser-
Schulempfehlungen. So werden beispielsweise weise wird Muslimfeindlichkeit häufig im Bereich
Tests von Jugendlichen mit einem arabischen der Extremismus- und Islamismusprävention
bzw. türkischen Namen negativer beurteilt, als es verortet, anstatt sie als eigenständige Ideologie
ihrem Leistungsvermögen entspricht. der Ungleichwertigkeit zu deklarieren. Zugleich
wird in außerschulischen Bildungsangeboten
In der Kinder- und Jugendhilfe sind muslimische immer wieder vermeintlich relevantes Wissen
Kinder und Jugendliche häufig mit strukturellen über ‚die Muslim*innen‘ oder ‚den Islam‘ zu
Barrieren und mangelnden Teilhabemöglich- vermitteln versucht, wodurch die Vorstellung
keiten konfrontiert. Angebote der Kinder- und einer grundsätzlichen und unveränderlichen
Jugendarbeit erreichen sie deutlich seltener. Fremd- und Andersheit von Muslim*innen
Zudem hat muslimische Jugendarbeit geringere weiter verfestigt wird. Einer solchen Logik nach
Möglichkeiten politischer Partizipation (Jugend- benötigen Fachkräfte Wissen über ‚den Islam‘,
politik), beispielsweise an den etablierten Struk­ um kompetent im Umgang mit einer einzelnen
turen der Jugendverbandsarbeit über den muslimischen Person zu sein. Insgesamt braucht
Deutschen Bundesjugendring und die Landes- es dringend höhere fachliche Standards und mehr
jugendringe. Muslimische Jugendarbeit sollte professionelle Fort- und Weiterbildungsangebote
als selbstverständlicher Teil der konfessionell zu Muslimfeindlichkeit für (angehende) Lehr-
orientierten Jugendverbandsarbeit anerkannt und kräfte sowie andere (pädagogische) Fachkräfte.
gefördert werden, um eine nachhaltige deutsch-
muslimische Jugendarbeit zu etablieren.
Bildung 167

Nicht zuletzt bleibt eine dringende Frage unan- wird diese Frage stellvertretend am Islam bzw.
getastet: und zwar die nach dem Umgang mit den Bedarfen von Muslim*innen diskutiert. Dies
Religion und religiös motivierten Bedarfen im kommt nicht von ungefähr, denn im öffentlichen
Bildungsbereich. Immer häufiger drehen sich Diskurs um Religion (bzw. Religionsfreiheit), reli-
Konflikte an Schulen und auch anderen Orten um giöse Vielfalt und Säkularität wird die Frage nach
die Frage, wie viel Religion eine sich zunehmend der Rolle des Islams immer (mit-)verhandelt.
säkularisierende Gesellschaft verträgt. Zumeist

6.8 Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

› der Kultusministerkonferenz, eine dringend erforderliche, fächerübergreifende Überarbeitung der


Lehrpläne und Schulbücher zu initiieren. Im Rahmen der Bund-Länder-Kommission sollten Richtlinien
erarbeitet werden, die auf Länderebene Verbindlichkeit bei der Auseinandersetzung mit Muslimfeind-
lichkeit im schulischen Kontext schaffen.

› der Kultusministerkonferenz, für den Umgang mit religiösen Bedarfen von muslimischen Schüler*innen
in Zusammenarbeit mit muslimischen Akteur*innen Handreichungen zu entwickeln, um diese in
einen angemessenen Ausgleich mit sachlich begründeten Erfordernissen des Schulalltags und des
staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags zu bringen.

› dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Bundeszentrale
für politische Bildung (BpB) die Förderung der Behandlung von Muslimfeindlichkeit in der schulischen
und außerschulischen Bildung als eigenständiges (pädagogisches) Handlungsfeld. Schulen, Träger der
Kinder- und Jugendhilfe sowie spezialisierte Bildungsträger sollten mithilfe von Förderprogrammen
explizit dabei unterstützt werden, Angebote für die Sensibilisierung für Muslimfeindlichkeit zu ent-
wickeln. Darunter fällt auch die Entwicklung von theoretischen und methodischen Grundlagen.

› die Einrichtung von unabhängigen Beschwerdestellen für Diskriminierungsfälle an Schulen. Landes-


regierungen sollten unabhängige Anlauf- und Beschwerdestellen für Schüler*innen und Eltern
einrichten, um eine effektive und angstfreie Beschwerde zu ermöglichen. Darüber hinaus bedarf es in
den Schulen und Landesbehörden der Ernennung von Ansprechpersonen für Diskriminierungsfälle.
Diese Notwendigkeit ist nicht zuletzt aus der UN-Kinderrechtskonvention abzuleiten und damit von
Deutschland umzusetzende Staatspflicht.

› mehr Menschen mit muslimischen Identitätsbezügen als Personal des (außer-)schulischen Bildungs-
bereichs zu fördern.
168 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

› die Entwicklung von Regelangeboten zur Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften, pädagogischen
Fachkräften – darunter auch Kita-Personal – und Multiplikator*innen. Lehrende und Verantwortliche
in pädagogischen Räumen sollten im Rahmen ihrer Ausbildung als Pflichtmodul für verschiedene
Diskriminierungsformen, darunter auch Muslimfeindlichkeit, sensibilisiert werden. Außerdem sollten
sie darin gestärkt werden, entsprechende Umgangsformen im praktischen Alltag zu entwickeln.

› die Etablierung von qualitativen Standards in der politischen Bildung, angelehnt an rassismus-
kritische und intersektionale Ansätze. Die Zielgruppe ist dabei die Gesamtgesellschaft. Dabei ist das
Zusammendenken von Muslimfeindlichkeit mit anderen Formen der Diskriminierung einzubeziehen.

› die Bearbeitung von Muslimfeindlichkeit in einem religionssensiblen Ansatz zu verfolgen. Die Aus-
einandersetzung mit religiöser Pluralität und Säkularität ist für Pädagog*innen erforderlich, angelehnt
an das Konzept der „religious literacy“: Damit ist weder ein interreligiöser Dialog oder eine dezidierte
Expertise zu einzelnen Religionen gemeint, sondern ein grundlegendes Verständnis für historische
und gegenwärtige Bedingungen und Ausdrucksformen religiösen Denkens und Handelns. Dazu kann
auch die Vermittlung eines vielfältigen Islambilds gehören. Ebenso sind Aufklärungsmaßnahmen in
der Gesamtbevölkerung über die Reichweite der Religionsfreiheit notwendig.

› die Förderung und Etablierung von rassismuskritischen, religionssensiblen Fort- und Weiterbildungen
zu Muslimfeindlichkeit für die breite Bevölkerung, unabhängig von Beruf und Alter. Die Auseinander-
setzung mit Muslimfeindlichkeit und anderen Diskriminierungsformen sollte als Querschnittsaufgabe
für die Gesamtbevölkerung gelten, indem Volkshochschulen, kirchliche Zentren und Bibliotheken
entsprechende Angebote bereitstellen.

› die Bereitstellung von Wissens- und Informationsangeboten über Muslimfeindlichkeit und Anti-
muslimischen Rassismus, z. B. auf Portalen der BpB. Ein eigenständiges Dossier über Muslimfeindlich-
keit sollte über Ursprünge, Erscheinungsformen und Auswirkungen informieren.

› die Förderung von rassismuskritischen und religionssensiblen Medienkompetenzschulungen als


Angebot der außerschulischen Bildung für die Gesamtgesellschaft.

› in Einrichtungen für Kindertagesbetreuung diversitätsbewusste Spielmaterialien und Bücher


bereitzustellen, die auch die Religionsdimension miteinbeziehen und geschlechtersensible sowie
nicht-stereotype Darstellungen von Muslim*innen und muslimischen Lebenswelten zeigen.

› die Vermeidung von muslimfeindlichen Nebeneffekten in der Radikalisierungs- und Extremismus­


prävention. Die Verzahnung von (außer-)schulischer Bildung mit sicherheitspolitischen Interessen
in der Präventionsarbeit gegen Extremismus und Radikalisierung erzeugt eine stigmatisierende Wir-
kung für Muslim*innen. Die Zielgruppe in Bund- und Landesprogrammen gegen Islamismus sollte
nicht Muslim*innen bzw. Moscheegemeinden als einzige gefährdete Gruppen fokussieren.

› in Programmen gegen Muslimfeindlichkeit mit (positiven) Gegennarrativen über Islam und Muslim*in-
nen zu arbeiten. Um dem mehrheitlich von negativen Stereotypen beeinflussten Bild von Islam und
Muslim*innen entgegenzuwirken, bedarf es positiver Gegenbilder in der Bildungsarbeit. Diese können
beispielsweise die Vielfalt unter Muslim*innen aufgreifen.
Bildung 169

› die Entwicklung von Empowerment-orientierten Bildungsangeboten für den schulischen und


außerschulischen Bereich zu fördern, die sich mit den Erscheinungsformen von Muslimfeindlichkeit
in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (z. B. Schule, Medien, Kultur) auseinandersetzen.

› im Bereich der Hochschulen und Universitäten, verschiedene Formen von Rassismus und Muslim-
feindlichkeit in die Rahmenpläne und Curricula miteinzubeziehen. Die Angebote sollten sich nicht nur
an angehende Lehrkräfte, Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen richten, sondern auch für Studie-
rende im sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich etabliert werden.

› die Initiierung und nachhaltige Institutionalisierung der Forschung zum Themenfeld Muslimfeindlich-
keit bzw. Antimuslimischer Rassismus. Zu diesem bedarf die Grundlagenforschung in Deutschland
eines nachhaltigen Ausbaus durch einschlägige Professuren, Förderlinien und Studiengänge. Es
braucht interdisziplinäre Studien mit qualitativer und quantitativer Ausrichtung zu den Perspektiven,
Erfahrungen, Wahrnehmungen und Expertisen von Muslim*innen. Entsprechende Ausschreibungen
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wären erforderlich. Außerdem sollte
eine regelmäßige Förderrichtlinie zur Erforschung von muslimischen Lebenswelten von Kindern und
Jugendlichen beim Deutschen Jugendinstitut etabliert werden.

› die Aufnahme muslimischer Jugendverbandsarbeit in das etablierte Jugendverbandssystem. Die


strukturelle Teilhabemöglichkeit von jungen Muslim*innen in der Kinder- und Jugendarbeit muss
nachhaltig in Strukturen wie dem Deutschen Bundesjugendring und in Landesjugendringen erfolgen,
um die politischen Interessen und Belange von jungen Muslim*innen erfüllen zu können.

› die Initiierung und Förderung eines zivilgesellschaftlichen Netzwerks für muslimische Akteur*innen
in der politischen Bildung, um einen fachlichen Austausch und eine Vernetzung zu ermöglichen.
170 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

7 Medien

Muslimfeindlichkeit in Massenmedien wird seit Medien“ (Johannes Gutenberg-Universität


den 1990er-Jahren weltweit erforscht. Da direkte Mainz),
Kontakte zu Muslim*innen vielfach fehlen und • Qualitative Inhaltsanalyse zur muslimischen
Menschen ihr Wissen über den Islam, Muslim*in- Selbstrepräsentation in sozialen Medien
nen und die islamische Welt in hohem Maße aus „Social Media-Selbst(re)präsentation von Mus-
diesen Medien beziehen, gelten sie als Nadelöhr lim*innen in Deutschland“ (Universität Erfurt),
für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit. • Qualitative Inhaltsanalyse zum Islambild
Nicht nur zahlreiche Forschungseinrichtungen, christlicher Medien „Islamfeindlichkeit in
kirchliche Akademien und Stiftungen betonen christlichen Medien“ (Universität Bremen).
die gesellschaftliche Bedeutung des Islambilds
der Medien. Auch der frühere Bundespräsident
Johannes Rau hob die Rolle der Medien hervor; 7.1 Muslimfeindlichkeit in
die Deutsche Islam Konferenz erklärte sie bei deutschen Massenmedien
ihrer Gründung zu einem der zentralen Themen
(vgl. Deutsche Islam Konferenz 2010: 282–289). Trotz des in den letzten Jahrzehnten erkennbaren
Vieles deutet darauf hin, dass deutsche strukturellen Wandels in den Medien, der in der
Medien zwar kein einheitliches Feindbild des öffentlichen Debatte vielfach mit den „sozialen
Islams prägen. Dennoch sind mediale Islamdis­ Medien“ verknüpft wird, sind die klassischen
kurse seit Jahrzehnten von einer einseitigen Massenmedien zumindest in Deutschland die-
Negativtendenz gekennzeichnet, die deutliche jenigen mit den größten Reichweiten geblieben
Parallelen zur negativen Islamwahrnehmung (vgl. Hölig/Hasebrink 2016). Ihre Bedeutung für
der deutschen öffentlichen Meinung aufweist das gesellschaftliche Zusammenleben wie für
(vgl. Unterkapitel ↗ 3.1). Eine Mitverantwortung die Demokratie kann gar nicht groß genug einge­
der Medien für Antimuslimischen Rassismus ist schätzt werden. Sie sind Träger und Gestalter der
folglich nicht von der Hand zu weisen. Öffentlichkeit, wobei streng genommen zwischen
veröffentlichter und öffentlicher Meinung unter-
Das folgende Kapitel schafft nicht nur eine schieden werden muss, da letztere Einstellungen
um­fassende Übersicht über den Forschungs- und Meinungen der Bürger*innen beschreibt,
stand zu Massenmedien (Presse und Rundfunk), die im Wesentlichen demoskopisch erfassbar
sozialen Medien und christlichen Medien. In sind. Die Publizistik der Massenmedien ist daher
allen Bereichen sind im Auftrag des UEM auch keineswegs identisch mit Öffentlichkeit, sie
neue Forschungsprojekte initiiert worden: stellt allerdings eine wesentliche Grundlage zur
Herstellung eines gesellschaftlichen ‚Gesprächs‘
• Repräsentative Inhaltsanalyse „Analyse der bzw. Diskurses dar, der heute Nationalstaaten
Islam-Berichterstattung in deutschen Medien“ ebenso wie multinationale Sphären (z. B. die EU)
(Freie Universität Berlin), und im Ansatz die Welt als Ganzes integriert (vgl.
• Hearing des UEM mit deutschen Journalist*in- K. Hafez/Grüne 2021).
nen zu den Ursachen der Islamberichterstat-
tung (UEM), Im Folgenden soll nach einführenden theore-
• Data-Mining-Studie zur Muslimfeindlichkeit tischen Vorbemerkungen der Forschungsstand
im Bereich sozialer Medien „Begriffswelten zum Islambild und zur Muslimfeindlichkeit in
von Islamfeindlichkeit in deutschen sozialen deutschen Massenmedien dargelegt werden.
Medien 171

Es folgt eine Zusammenfassung einer aktuellen Medien noch nachweisen (vgl. Thiele 2015), die
vom UEM beauftragten repräsentativen Studie moderne Forschung ist aber zu der Erkenntnis
zur Islamberichterstattung. Danach werden die gelangt, dass der Ansatz zu eng ist, um Medientexte
Ergebnisse eines Journalist*innen-Hearings aus- zu beschreiben, die immer auch vielschichtige
führlich vorgestellt, das die Hintergrundprozesse Argumente, Fakten usw. vermitteln (vgl. K. Hafez
in großen deutschen Presse- und Rundfunkre- 2002a: 45–50).
daktionen beleuchtet, die für das Entstehen des
Islambilds verantwortlich sind und bislang kaum Die Medien- und Kommunikationswissenschaft
untersucht wurden. bedient sich daher zunehmend komplexerer
Verfahren der quantitativen und qualitativen
7.1.1 Vom stereotypen Mediendiskurs zur Inhalts-, Framing-, Diskurs- und Bildanalyse (vgl.
multikulturellen Öffentlichkeit: Rössler 2017; Darhinden 2018; Müller/Geise 2015).
Eine theoretische Einführung Mit diesen Verfahren, die in unterschiedlicher
Ausprägung von der aktuellen Islambildforschung
Es ist unmöglich, alle theoretischen Facetten der genutzt werden (vgl. Unterkapitel ↗ 7.1.2), lassen
Medienbildforschung in einem kurzen Bericht sich Aussagen medialer Texte und Bilder sowie
anzudeuten. Wie auch in anderen Kapiteln ist es ihr Bedeutungszusammenhang – der sogenannte
zielführend, von einer Zweiteilung der theore­ Text-Bild-Kontext – sehr viel präziser bestimmen.
tischen Grundlagen in konstruktivistische und Darüber hinaus lassen sich Tendenzaussagen
strukturalistische Ansätze auszugehen. Diskurs­ über Grobstrukturen in ganzen Textland­­schaften –
theoretische Ansätze widmen sich der Bestim­ den sogenannten „Diskursen“ – treffen. Zwar
mung von Inhalten von Texten und Bildern. ist es schon aufgrund der Masse der produzierten
System- und öffentlichkeitstheoretische Ansätze Medientexte unmöglich, jedes Stereotyp oder
bemühen sich um Erklärungen für Entstehung jeden Frame (Argumentmuster) einzeln zu inter-
und Wirkung der Medieninhalte. In beiden pretieren. Wir können aber z. B.
Bereichen sind mittlerweile rassismussensible
Theoriegattungen entstanden (z. B. Orientalismus- a) vorherrschende Themen-, Akteur*innen- und
kritik oder multi-ethnische Öffentlichkeitstheorie), Quellenstrukturen für ganze Mediengattungen
die uns helfen können, die Beziehungen zwischen auch über längere Zeiträume bestimmen,
deutschen Islamdiskursen und Muslimfeindlich- b) stichprobenartige Feinanalysen der Sprache
keit näher zu bestimmen. und Argumentationsgänge von signifikanten
Texten vornehmen,
Zum konstruktivistischen Theoriestrang lässt sich c) durch die Kombination beider Verfahren
sagen: Texte und mediale Bilder, auch Bewegt- Kontinuitäten und Schwankungen in Diskursen
bilder, sind so komplex, dass ihre Interpretation identifizieren.
immer davon abhängt, welchen theoretischen
Blickwinkel man wählt. Die soziopsychologische Gerade die Bestimmung der Themenstruktur der
Bildforschung beschäftigt sich vor allem mit Medientexte gibt Aufschlüsse über die Beachtungs­
Stereotypen und Feindbildern von zum Beispiel ökonomie der Medien. Letztere behandelt die
ethnischen oder religiösen Gruppen, wobei der Frage, mit welcher Themenagenda die Medien die
Begriff des „Stereotyps“ vor allem Generalisierun- Bevölkerung beim Thema Islam konfrontieren.
gen der Individuen dieser Gruppen beschreibt. Das Agenda-Setting ist die heute vorherrschende
Diese sind wertfreier als das „Feindbild“, das nur Theorie der Medienwirkung (vgl. Rössler 1997).
negative und bedrohliche Eigenschaften hervor- Sie besagt im Kern, dass Medien in offenen Gesell-
hebt. Stereotype lassen sich zwar auch in heutigen schaften zwar nicht in der Lage sind, Denken
172 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

und Einstellungen der Menschen zu bestimmen, feindlichkeit in den Blick nehmen (vgl. Vidgen/
dass sie aber sehr erfolgreich steuern, worüber Yasseri 2020).
Menschen nachdenken. Die Frage wiederum, in
welchem positiven oder negativen Kontext Islam Im zweiten, strukturalistischen Theoriebereich
und Muslim*innen auftauchen, ist für das Thema geht es um Einflüsse in und auf Medien, die als
Muslimfeindlichkeit entscheidend. Entstehungsursachen für das Islambild betrachtet
werden müssen, so unter anderem Wechsel-
Für die manifeste Muslimfeindlichkeit ist die wirkungen zwischen dem Mediensystem und
Ermittlung von Stereotypen nach der Art ‚Mus- anderen Teilsystemen wie Politik, Wirtschaft und
lime sind fanatisch‘ wichtig; auch visuelle Stereo- Lebenswelten. Klassisch ist hier die Unterschei-
type lassen sich hiermit erfassen (vgl. Petersen/ dung zwischen theoretischen Mikro- (journa-
Schwender 2009). Dies gilt auch für die Erfor- listische Ethik und Sozialisation), Meso- (inneres
schung sozialer Medien, die im Wesentlichen mit Redaktions- und erweitertes Mediensystem) und
denselben quantitativen und qualitativen Verfah- Makroebenen (Wechselwirkungen mit Politik,
ren erforscht werden wie andere Medientexte. Wirtschaft und Gesellschaft) (vgl. Shoemaker/
Für subtilere und indirekte Formen von Mus­ Reese 1996). Den ersten Bereich deckt die For-
lim­feindlichkeit hingegen ist die thematische schung zur Nachrichtenredaktion als organisier-
Gesamtstruktur der Medientexte in einer Gesell- tes Sozialsystem ab. Von Bedeutung sind hier vor
schaft entscheidend, da der diskursstrukturelle allem die Einflüsse der Medieneigner*innen, aber
Rassismus sich eben nicht nur durch klassische auch die professionellen Nachrichtenselektions-
Stereotype, sondern durch die routinehafte The- routinen, die Rolle sozialer Verhandlungen in
matisierung einer Gruppe, Religion usw. in tra- Redaktionen und der Einfluss externer Medien-
dierten Negativkontexten auszeichnet (vgl. Kapi- strukturen wie Nachrichtenagenturen, Meinungs-
tel ↗ 2). Der einzelne Text und Frame mag eine führerschaften und neuerdings auch digitaler
durchaus legitime Form der Islamkritik darstellen, Medien (vgl. Rühl 1969; Altmeppen 1999).
sofern er frei von Stereotypen oder falschen
Kausalzuschreibungen durch Frames ist (z. B. Im Konzept der interkulturellen medialen Inte­
Muslimischsein als Ursache für sogenannte ‚Clan- gration, das in Deutschland unter anderem Geißler
kriminalität‘). In der Fixierung der Medien auf und Pöttker immer wieder thematisiert haben
negative Themen aber liegt ein Diversitäts- und (vgl. 2005 und 2006), wird ein Zusammenhang
Pluralismusmangel, der als struktureller Anti- zwischen der ethnisch-religiösen Diversität einer
muslimischer Rassismus zu kennzeichnen ist, da Redaktion und der rassistischen Prägung bzw.
eine Religionsgemeinschaft wie die des Islams mit der Ausgewogenheit ihrer Berichterstattung her-
mehr als 1,5 Milliarden Muslim*innen schlicht gestellt. Diese Zusammenhänge sind jedoch kom-
differenzierter dar­gestellt werden müsste. Hier ist plex und widersprüchlich, weil Migrant*innen
nicht nur die klassische Orientalismuskritik von selbst uneinheitlich agieren und auch nicht-
Belang (vgl. Said 1979), sondern auch Forderungen migrantische Personen durchaus kultur- und
von Kommunikations­wissenschaftler*innen rassismussensibel sein können (vgl. Bedorf 2010).
nach einer ausgewogenen Berichterstattung über Beides entkräftet nicht, dass formales Wissen bzw.
Migrant*innen und die dazugehörigen Kontexte Erfahrungswissen im Umgang mit dem Islam ein
(vgl. Geißler 2010; K. Hafez 2002b: 59–65). Dies gilt wesentlicher Aspekt des Diversitätsmanagements
auch für soziale Medien, wo heute große Data- moderner Medienredaktionen sein sollten.
Mining-Projekte nicht einzelne Texte, sondern
große Textmengen analysieren und neben The- Auf der theoretischen Makroebene sind zahl-
menstrukturen auch subtile Formen von Muslim- reiche Erklärungsansätze zu finden. Eine große
Medien 173

europäische Vergleichsstudie zur Migrationsbe- heiten bzw. nicht-hegemoniale Gruppen das Bild
richterstattung hat z. B. festgestellt, dass die – der Massenmedien strukturell – also grundsätz-
in der Regel sehr negativen – Themenstellungen lich und nachhaltig – beeinflussen können (vgl.
der Medien in erheblichem Maße dem politischen Abadi 2017). Ausnahmen gibt es bei paradoxen
„Agenda-Building“ folgen, d. h. von der Politik Medienereignissen (z. B. Anfangsphasen der
lancierte Konfliktperspektiven auf Migrant*in- Deutschen Islam Konferenz oder des „Arabischen
nen medial aufgreifen und so das Medienbild Frühlings“), was auf eine gewisse Schwankungs-
prägen (vgl. ter Wal 2002: 37–39). Während der breite deutscher Mediendiskurse hinweist (vgl.
soge­nannten ‚Flüchtlingskrise‘ 2015 war ein Unterkapitel ↗ 7.1.2).
derartiger Einfluss der Politik deutlich sichtbar,
allerdings zeigte sich dort auch exemplarisch eine Eine weitere Differenzierung erfährt die Theorie
umgekehrte Wirkrichtung von den Medien zur heute durch die Frage, welche Rolle digitale
Politik. Letzteres lässt sich – zumindest in beson- Medien für Mediensysteme spielen. Der Medien-
deren Krisen­zeiten – als Kennzeichnen heutiger wandel führt zu neuen Teilöffentlichkeiten, even-
Mediengesellschaften verstehen. So haben deut- tuell sogar zu neuen Formen des Inter-Media-
sche Leitmedien im Frühjahr/Sommer 2015 frü- Agenda-Setting, demzufolge etwa soziale Medien
her als die deutsche Regierung eine Kehrtwende die klassischen Massenmedien beeinflussen.
zu einer migrationsfreundlichen Politik betrieben Insgesamt stellt sich die Frage, ob ein Struktur-
und so die Politik unter Druck gesetzt (vgl. K. wandel der Öffentlichkeit zu erkennen ist, der
Hafez 2016). Diese Eigenmacht der Massenmedien etablierte Medienlogiken verändert (vgl. Seeliger/
zeigt sich auch im gesellschaftlichen Raum, wo Sevignani 2021). Ungeachtet der großen Auf-
„Medienpaniken“ mit Blick auf vorgeblich krimi- merksamkeit für soziale Medien fehlt allerdings
nelle, das Sozialsystem belastende und schwer auch hier der letzte Beweis dafür, dass der digitale
integrierbare Zuwanderer*innen die öffentliche Medienwandel die Bedeutung von Massenmedien
Meinung beeinflussen (vgl. ter Wal 2002: 36–37). wirklich aufhebt. Für etwa 70 Prozent aller Men-
Menschen greifen bei fernen Realitäten oft auf ihr schen weltweit sind klassische Massenmedien
Medienwissen zurück, während im Nahbereich noch immer die Hauptinformationsquelle (vgl.
die Eigenerfahrung dominiert (vgl. Kruck 2008). Hölig/Hasebrink 2016). Menschen, die den sozia-
Da die meisten Menschen aber keine dauerhaften len Zusammenhalt dadurch gefährden, dass sie
Interaktionen mit Muslim*innen pflegen, sind rassistischen rechtsradikalen Parteien anhängen,
Medienwirkungen hier als grundsätzlich stark nutzen ganz unterschiedliche Medien und sind
einzuschätzen (vgl. K. Hafez/Schmidt 2015: 51–59). entgegen landläufiger Vorstellungen keines-
wegs nur auf sozialen Medien aktiv (vgl. Bürgel
Die Theorie der Wechselwirkungen zwischen et al. 2019). Gleichwohl ist das Thema „Hass im
Medien und Gesellschaft wird heute zunehmend Internet“ heute ein qualitativ ernstzunehmendes
differenziert. Zum einen sorgen Ansätze im Phänomen, das in vielen Einzelfällen ganz erheb-
Bereich der Rassismus- und Multikulturalismus- liche gesellschaftliche Auswirkungen hat, die in
Theorie für neue normative Ansprüche an der Wissenschaft häufig unter dem Begriff der
Öffentlichkeiten, in denen Migrant*innen einer Inzivilität (bspw. Hatespeech bzw. Hassrede)76
„multi-ethnischen Öffentlichkeit“ aktiv teilhaben zusammengefasst werden (vgl. K. Hafez 2017). Die
(vgl. Downing/Husband 2005). Allerdings fehlt bis gewachsene Bedeutung der Thematik ist auch
heute der empirische Beweis dafür, dass Minder- der Grund, warum der UEM im Bereich der Inter-

76 Inzivile Äußerungen und Hassrede werden in der Forschung nicht immer konzeptuell gleichgesetzt (vgl. Obermaier/Hofbauer/
Reinemann 2018), hier aber synonym verwendet.
174 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

netforschung gleich zwei Forschungsaufträge Vor allem DER SPIEGEL fiel in den 2000er- und
sowohl im Bereich Muslimfeindlichkeit als auch 2010er-Jahren durch eine Reihe reißerischer
im Bereich muslimischer Gegenöffentlichkeiten Islamtitel auf. Um nur einige Beispiele zu nennen:
in Auftrag gegeben hat (vgl. Unterkapitel ↗ 7.2.3 „Allahs blutiges Land. Der Islam und der Nahe
und ↗ 7.2.5). Osten“ (SPIEGEL Spezial 2003); „Allahs rechtlose
Töchter – Muslimische Frauen in Deutschland“
7.1.2 Forschungsstand: Entstehung und (2004); „Der heilige Hass – Zwölf Mohammed
Entwicklung des medialen „Feindbilds Karikaturen erschüttern die Welt“ (2006); „Papst
Islam“ seit dem 20. Jahrhundert contra Mohammed. Glaubenskampf um den
Islam, die Vernunft und die Gewalt“ (2006); „Der
Auch wenn nicht durchgehend von einem Koran – das mächtigste Buch der Welt“ (2007);
geschlossenen „Feindbild Islam“ der Massenme­ „Mekka Deutschland – die stille Islamisierung“
dien gesprochen werden kann, weil deutsche (2007); „Der Dschihad-Kult. Warum deutsche
Medien gewisse Nuancen in der Berichterstattung Jugendliche in den heiligen Krieg ziehen“ (2014).
zeigen, weist der Islamdiskurs deutscher Leit- Sämtliche Titelgeschichten waren nicht nur
medien in Presse und Fernsehen bei allen Unter- optisch furchteinflößend, sondern sprachlich
schieden eine deutlich negative thematische gezielt stereotyp ausgerichtet, da immer die
Grundstruktur auf. Die bis heute größte quantita- gesamte Religion des Islam angesprochen wurde.
tive Langzeituntersuchung der deutschen über- Auch die Titelgeschichte des stern-Ablegers View
regionalen Presse im Zeitraum der 1940er- bis „Islam – Die unheimliche Religion“ (10/2006) war
1990er-Jahre erfasste über 12.000 Beiträge. Diese nicht nur sprachlich pauschal (warum „Islam“
erschienen in den auflagenstärksten Wochen- und nicht islamistischer Extremismus?), sondern
magazinen DER SPIEGEL und stern sowie den wählte auch eine Bildsprache, in der sich Extre-
führenden Tageszeitungen Süddeutsche Zeitung mist*innen, Waffen, das Kopftuch und die heiligen
und Frankfurter Allgemeine Zeitung. K. Hafez Stätten von Mekka zu einer einzigen stereotypen
belegte, dass etwa 60 Prozent aller Artikel den Bilderwelt vereinten.
Islam im Kontext negativer Themen behandeln –
darunter Gewaltkonflikte wie Terrorismus sowie Javadian Namin (2009) bestätigte in einer Studie
nicht-gewaltsame Konflikte wie religiöser Funda- über DER SPIEGEL und BILD, dass 75 Prozent der
mentalismus (vgl. 2002b: 92–99). Die Werte sind Beiträge den Islam in einem negativen Kontext
die negativsten aller gemessenen Themen der thematisieren. Auch eine von K. Hafez und
Nah- und Mittelostberichterstattung – lediglich Richter 2007 durchgeführte quantitative Inhalts-
übertroffen von der Berichterstattung über akute analyse der Magazinsendungen von ARD und ZDF
Kriege. Dies zeigt, dass der Faktor Islam innerhalb der Jahre 2005/6 zeigt, dass seit den Attentaten
des Orientbilds besonders negativ ausgeprägt vom 11. September 2001 die Tendenz zur negati-
ist. Dabei lassen sich genretypische Unterschiede ven Thematisierung des Islams auch im öffentlich-
insofern erkennen, als die Negativprägung gerade rechtlichen Rundfunk auf mehr als 80 Prozent
bei den Wochenmedien noch stärker akzentuiert angestiegen ist (vgl. 2007). Zudem kam das Medi-
wird (ca. 70 %) als bei den Tageszeitungen (ca. 60 %). eninstitut Media Tenor (2014) in einer groß ange-
Erstere besitzen offensichtlich ein größeres Inte­ legten Studie zu dem Ergebnis, dass das Auftre-
resse an einer kontroversen Zuspitzung des Islam- ten des ISIS das Image des Islams in den Medien
diskurses (vgl. ebd.: 366). endgültig ruiniert hat – es ist demnach schlechter
als alle anderen gemessenen Themen. Während
repräsentative Studien insgesamt nachweisen, dass
der Islam und muslimische Personen vor allem
Medien 175

als Täter*innen politischer bzw. privater Gewalt Natürlich erfassen große quantitative und reprä-
in Erscheinung treten, wird später noch zu sentative Studien nur grundlegende Tendenzen,
erörtern sein, ob sie auch als Opfer antimuslimi- nicht aber einzelne Varianten, die z. B. zeigen,
scher Gewalt dargestellt werden (vgl. Unterkapitel dass einige Medien das Problem des Feindbilds
↗ 7.1.3). Islam selbst erkannt haben (vgl. Die Woche 2001).
Zugleich zeigen zahlreiche qualitativ ausgerich-
Angesichts der Tatsache, dass die genannten tete Inhaltsanalysen, dass nicht nur eine thema­
Medien im deutschen Mediensystem als journa­ tische Engführung das Problem ist, sondern zahl-
listische Meinungsführende tonangebend und reiche Stereotype und rassistische Zuschreibungen
also diejenigen Medien sind, an denen sich alle im Diskurs fortleben. So zeigte K. Hafez bereits
anderen orientieren (vgl. Weischenberg/Malik/ 1996, dass in der Berichterstattung über den
Scholl 2006: 359), ergaben repräsentative Stu- politisch verfolgten Autor Salman Rushdie neben
dien in den 1990er- und 2000er-Jahren eine einer legitimen Verteidigung der Meinungsfrei-
ausgeprägte Negativ- bzw. Feindbildagenda in heit auch eine sehr pauschale Gegenüberstellung
führenden deutschen Medien. Das Hauptproblem von westlicher (positiv bewertet) und islamischer
ist dabei nicht die Berichterstattung über (die in Kultur (negativ bewertet) Eingang in die Medien
der Tat zahlreichen) Probleme etwa im Kontext hielt, was an die Kulturkampfthesen Samuel Hun-
von politischer Gewalt, Emanzipation, Demo- tingtons vom „Clash of Civilizations“ erinnerte
kratiemängel usw. in der islamischen Welt und (vgl. K. Hafez 1996; 1997). 2002 wies der Autor in
unter Muslim*innen. Das Problem ist vielmehr der Berichterstattung über die Iranische Revolu-
die selektive Themenwahl und deren vielfach ste- tion massive Stereotype nach, die zum Teil auf ein
reotype Zuspitzung, die im Laufe der Jahre immer Menschenbild hinweisen, wonach Muslim*innen
negativer ausfiel und positive Entwicklungen grund­sätzlich ‚anders‘ als westliche Menschen
ausblendete. K. Hafez urteilte: „Dem zugespitzten seien (Stichwort: „Othering“), zum Beispiel unfä-
Islambild deutscher Medien fehlt ein relativieren- hig, das Religiöse vom Politischen zu trennen (vgl.
der Informationskontext, der den Rezipienten 2002b: 224–235).
in die Lage versetzt, den Stellenwert eines solchen
Phänomens wie des religiösen Extremismus In diesem Zusammenhang wäre ein aktueller
richtig einzuordnen“ (2009: 105). Stereotype Vergleich interessant, inwieweit solche Verschie­
werden in den Medien häufig nicht mehr direkt bungen des Weltbilds nicht tatsächlich perma-
formuliert, sie „steuern aber unterschwellig die nent erfolgen. Während vielfach die Rede von
Themenstruktur der Berichterstattung“ (Müller „islami(sti)schem Extremismus“ ist und damit
et al. 2017: 141). Der Islam erscheint in den zumindest impliziert wird, dass es sich um ein
Medien mehr als politische Ideologie denn als Problem des gesamten Islams handelt, wird
eine Religion (vgl. K. Hafez 2002b: 47–53, 95–96). zum Beispiel Kinderschändung in christlichen
Da die meisten Muslim*innen in Deutschland Kirchenkreisen korrekterweise als kirchlich-
den Islam als Religion praktizieren, entsteht in­stitutionelle Herausforderung betrachtet.
hier ein grundlegendes Missverhältnis und ein Begriffe wie „christliche“ oder „katholische Kin-
Spannungszustand in der Migrationsgesellschaft, derschändung“ gibt es im Grunde nicht. Ähnlich
der Muslimfeindlichkeit anheizt. Auf diese ist in verhält es sich mit Fragen wie dem christlich-
der deutschen Gesellschaft eine starke Wirkung konfessionell begründeten Terrorismus etwa in
der Medien wissenschaftlich nachgewiesen (vgl. Nordirland, der im deutschen Sprachraum deut-
Unterkapitel ↗ 7.1.4). lich seltener als „katholischer“ oder „christlicher
176 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Terrorismus“ bezeichnet wird.77 Natürlich sind sierung und Islamisierung sexueller Gewalt“ am
die Motivlagen in diesen Bereichen zum Teil Beispiel intersektionaler Muslimfeindlichkeit
unterschiedlich: Priester beziehen sich bei ihren gegenüber arabisch-islamischen Männern, die
Taten in der Regel nicht auf die Religion, anders nach der Silvesternacht 2015/16 in deutschen
als Attentäter*innen, und auch die Konjunkturen Medien vielfach pauschal als Gefahr für ‚die deut-
der Phänomene können im Zeitverlauf unter- sche Frau‘ dargestellt wurden (vgl. 2019). In einer
schiedlich ausgeprägt sein, was die Häufigkeit Untersuchung visueller Darstellungen von mehr
von Mediennennungen beeinflusst. Dennoch als Tausend Fotografien in Tages- und Wochen-
steht die Frage im Raum, ob nicht die ‚eigene‘ zeitungen stellte Amr Abu Zeid 2016 fest, dass
Religion sprach-inhaltlich deutlich differenzierter insbesondere Muslim*innen im Ausland vielfach
betrach­tet wird als andere Religionen. als ‚Sicherheitsrisiko‘, ‚kulturelle Herausforderung‘
oder als ‚primitiv‘ dargestellt werden, wobei
Solche Perspektivverschiebungen gehen auf vor allem in den Golfstaaten eine Faszination für
Techniken der selektiven Wahrnehmung zurück, exotischen Luxus hinzukommt (vgl. 2016: 131).
die stereotype Charakterisierungen und ein 2020 kam Sebastian Lemme zu dem Ergebnis,
Pars-pro-toto-Denken begünstigen. Zahlreiche dass Muslim*innen überdurchschnittlich häufig
weitere Studien haben sich damit beschäftigt, visuell markiert werden, insbesondere durch
wie durch sie Eigen- und Fremdbilder konstruiert das Kopftuch (auch wenn sehr viele Musliminnen
und generalisierende Unterscheidungen getrof- gar kein Kopftuch tragen) (vgl. 2020).
fen werden. Schiffer untersuchte im Jahr 2005
die Selektionsmechanismen des Hervorhebens, Selbstverständlich enthalten deutsche Medien-
Ausblendens und Wiederholens im medialen texte auch zahllose korrekte Informationen, sinn-
Islamdiskurs ausgiebig. Ihr zufolge werden Glau- volle Einordnungen (Framing) und kultursensible
bensgrundlagen des Islams vielfach verkürzt und Hintergründe. Deutsche Medien transportieren
unzulässig verallgemeinert, gekoppelt mit einer weitaus mehr als rassistische Stereotype, und es
stereotypen Bildsprache (vgl. 2005). Sielschott ist nicht das Anliegen der modernen Diskurs-
stellte 2011 fest, dass zwei Drittel aller relevanten forschung, die Komplexität des aktuellen Islam-
Frames in ostdeutschen Regionalzeitungen diskurses zu leugnen (vgl. Karis 2013). Auffällig
Muslim*innen für die Todesfolgen von Terroris- ist aber, dass im Falle des Islams muslimfeind-
mus verantwortlich machen und sie als kalt und liche stereotype Aussagen noch immer zahl­reich
unmoralisch darstellen (vgl. 2011). Shooman sind und als sagbar gelten können, während sie
beschrieb 2014 antimuslimische Stereotype und in anderen Bereichen viel stärker sanktioniert
Narrative, die aus ihrer Sicht einer „Rassifizierung werden. Eine Gesellschaft, die das N-Wort zuneh-
religiöser Zugehörigkeit“ zuarbeiten (vgl. 2014). mend erfolgreich aus dem Diskurs verbannt,
Hergouth und Omlor fanden 2015 heraus, dass hat mit öffentlichen pauschalen Aussagen und
alle führenden Boulevardzeitungen in Öster- falschen Vergleichen auch in Titelgeschichten
reich, Deutschland und der Schweiz (Kronen (der Islam als bedrohlich usw.) erstaunlich wenig
Zeitung, BILD und Blick) anlässlich des Charlie- Probleme. Der vorliegende Bericht versucht,
Hebdo-Anschlags den Islam und Muslim*innen diese Tendenz auch in den Beispielen der Medien-
als Bedrohung darstellten (vgl. 2015). Wigger berichterstattung (vgl. Kapitel ↗ 4) näher zu
beschrieb in einer Studie von 2019 die „Rassiali- beschreiben.

77 Eine Abfrage bei DER SPIEGEL (online), der Datenbank des größten deutschen Leitmediums, am 15. Januar 2023 ergab:
„islamischer Terrorismus“ 762 Treffer, „islamistischer Terrorismus“ 358, „islamischer Extremismus“ 172, „islamistischer Extremismus“ 74,
„katholische Kinderschändung“ 6, „christliche Kinderschändung“ 4.
Medien 177

In diesem systematischen Unterkapitel sei ledig- Wie insbesondere politische Großereignisse die
lich noch der Hinweis erlaubt, dass man den For- Berichterstattung beeinflussen und damit den
schungsstand zum zeitgenössischen Islambild oben genannten Befund einer starken Prägung
der Medien historisch einordnen sollte. Dieses der Medienagenda durch die Politik bestätigen,
war nicht immer so negativ wie in der Gegenwart. zeigen mehrere Fallstudien. Ein Forschungsteam
Vor der Islamischen Revolution in Iran 1978/79 um K. Hafez legte 2013 dar, dass in der Frühphase
wurde der Islam in deutschen Medien kaum des Arabischen Frühlings eine gewisse prag-
beachtet. Die Berichterstattung über die soge­ matische Öffnung gegenüber dem politischen
nannte ‚islamische Welt‘, insbesondere über den Islam erkennbar war (vgl. 2013a). Masoumeh
Nahen und Mittleren Osten, war zwar nicht frei Bayat ermittelte in einer Studie 2015 ein positives
von exotisierenden Klischees aller Art, allerdings Anfangsecho auf die Deutsche Islam Konferenz
gab es auch positive Stereotype. So waren z. B. (vgl. 2015).
Homestorys über Schah Reza Pahlevi oder den
Aga Khan noch bis in die 1960er-Jahre weit ver- 7.1.3 UEM-Studie zu Presse und Fernsehen:
breitet (vgl. K. Hafez 2002b: 235–240). Diese posi- Muslimfeindlichkeit bleibt prägend
tiven Berichte und Konnotationen verschwanden
allerdings schlagartig mit dem Sechs-Tage-Krieg Prof. Dr. Carola Richter und Dr. Sünje Paasch-
von 1967 zwischen Israel und den arabischen Colberg vom Institut für Publizistik- und Kom-
Staaten. Sie wichen einem stark politisierten munikationswissenschaft an der Freien Uni-
Orientbild, das mit der Iranischen Revolution versität Berlin haben im Auftrag des UEM eine
den Islam als Thema neu entdeckte. Diese Poli- aktuelle und repräsentative Studie des Islambilds
tisierung gilt übrigens auch für andere deutsch- der deutschen Presse und des Fernsehens durch-
sprachige Länder wie die Schweiz (vgl. Richter geführt (vgl. 2022). Die quantitative Inhaltsanalyse
2018). Die deutschen Medien betrachteten den konzentriert sich auf die Themen- und Akteur*in-
Islam somit lange Zeit eher als folkloristischen nenstruktur der Medien und untersucht damit
Nebenschauplatz anderer politischer und kultu- einen zentralen Baustein des Islamdiskurses.
reller Entwicklungen im Nahen und Mittleren Damit werden zwar nicht die Feinstrukturen des
Osten. Erst mit der Formierung einer starken isla- Nachrichtendiskurses analysiert (Frames, Stereo-
misch-fundamentalistischen Bewegung fingen type, Visualisierung usw.), dafür aber die zentrale
sie an, ein antiislamisches Feindbild auszuprägen Ausrichtung des Agenda-Settings auf Sach- und
(vgl. Hippler/Lueg 1993). Es ist daher auch falsch, Personenkontexte, in denen der Islam und Mus-
die Attentate von 9/11 als Erweckungsmoment lim*innen verhandelt werden, wobei vor allem auf
des medialen Islambilds zu betrachten. Sie waren die Themenvalenz (Konfliktdimension) geachtet
allenfalls ver­stärkend, wie auch eine Kette weite- wird. Die Studie erfasst die großen überregionalen
rer Ereignisse von der Karikaturendebatte 2005/6 Zeitungen Süddeutsche Zeitung, Welt, BILD und
bis zur Begründung des sogenannten ‚Kalifats‘ des die tageszeitung und deckt damit ein politisches
ISIS 2014. Rechts-Links-Spektrum sowie den ‚seriösen‘ und
den ‚Boulevard‘-Journalismus ab. Zudem werden
Diese Diskursschwankungen zeigen, dass sich Lokalzeitungen sowohl aus Regionen mit hoher
das Islambild deutscher Medien zwar vor dem wie auch mit niedriger muslimischer Wohnbe-
Hintergrund langfristig angelegter, historischer völkerung analysiert (Rheinische Post und Kölner
Stereotype entfaltete (vgl. Attia 2009) – es wurde Stadt-Anzeiger aus NRW sowie Sächsische Zeitung
allerdings von realen internationalen politischen und Freie Presse aus Sachsen). Im Fernsehbereich
Krisen aktiviert und könnte, bei einer veränderten werden als Vertreter des dualen Rundfunksystems
Weltlage, auch Veränderungen unterworfen sein. RTL als Marktführer im nachrichtlichen Bereich
178 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

bei den Privatsendern und ARD/Das Erste für nachfolgende Zusammenfassung der Ergebnisse
den öffentlich-rechtlichen Sektor ausgewählt. Die von Richter und Paasch-Colberg auf eben diesen
Analysegesamtheit umfasst die Jahre 2014 und Aspekt. Erkennbar ist die Dominanz von Themen-
2019 sowie, als weitere Aktualisierung, den Okto- bereichen wie Gewaltkonflikte und Sicherheit/
ber 2021. Im Bereich Presse werden insgesamt Recht (im Durchschnitt 52,2 % in Zeitungen und
19.490 Artikel untersucht (vgl. ebd.: 9). Während 86,7 % im Fernsehen, vgl. die folgenden ↗ Tab. 7.1
die Zeitungen auf Basis digitaler Volltextdaten- bis ↗ Tab. 7.4). Die Forscherinnen kommen in
banken erhoben werden, erfolgt die Auswahl der einer Feinanalyse über alle Themenbereiche
Fernsehstichproben in Kooperation mit der Göfak sogar zu dem Ergebnis, dass islambezogene Kon-
Medienforschung, die Langzeit-Programmfor- flikte 57 Prozent aller Zeitungs- und 89 Prozent
schung für die AG Landesmedienanstalten und der Fernsehberichte prägen (vgl. ebd.: 36–38).78
im Auftrag von ARD/ZDF betreibt (339 Beiträge) Dabei kann auch eine über die Jahre erkennbare
(vgl. ebd.: 11). Analysegesamtheit, Stichproben, leichte Steigerung von Berichten über Gewalt
Codebücher, Reliabilitätstests usw. wurden nach gegen Muslim*innen (ca. 2 %) ermittelt werden
Standardverfahren gebildet und durchgeführt (vgl. ebd.: 28). Zeitungen deuten in durchschnitt-
(vgl. ebd.: 11–13.). Die Themenanalyse deutscher lich 22,6 Prozent ihrer Berichte, die auf Themen-
Medien bestätigt den bisherigen Forschungs- bereiche wie Wirtschaft/Arbeit, Soziales, Bildung/
stand insofern, als eine langfristige Kontinuität Wissenschaft, Kultur oder Religion entfallen,
einer stark an Gewaltereignissen und anderen immerhin noch eine gewisse inhaltliche Breite
negativen Konflikthemen ausgerichteten Medien- des Islambilds an, das sonst hochpolitisiert und
berichterstattung sichtbar wird. Diese ist bei den konfliktgeprägt ist. Im Fernsehen, in den Haupt-
Zeitungen stark und im Fernsehen sogar extrem programmen von RTL und ARD/Das Erste, ver-
stark ausgeprägt und überlagert dort alles. Da für ringert sich dieser Anteil jedoch auf 3,9 Prozent
Muslimfeindlichkeit die mediale Konfliktpers- und ist damit verschwindend gering.
pektive entscheidend ist, konzentriert sich die

78 Dies ist der Fall, wenn man Konflikte aus den Bereichen „Internationales“ und „Immigration, Integration“ hinzurechnet.
Medien 179

Tabelle 7.1: Themenbereiche, Themenfelder und ausgewählte Themen nach Zeitungen


(in %, n = 1.675, auf erste Nachkomma-Stelle gerundet)**

Themenfeld SZ Welt taz BILD KSt RhP FP SäZ Gesamt

n = 330 n = 231 n = 276 n = 110 n = 245 n = 251 n = 136 n = 96 n = 1675

Konflikte 38,5 35,5 39,1 42,7 35,5 28,3 47,1 29,2 36,7

Terror, Kampfhandlungen, (Bürger-)Krieg 31,8 29,4 30,1 33,6 31,4 22,7 35,3 22,9 29,7

Krisen, Unruhen, Protest 6,7 6,1 9,1 9,1 4,1 5,6 11,8 6,3 7,0

Internationales 18,2 19 15,2 5,5 15,1 10,4 13,2 14,6 14,7

Internationale Beziehungen 10,3 9,1 4,3 2,7 7,3 6,4 5,9 5,2 7

Staatsformen und Regime 7,9 10 10,9 2,7 7,3 4 7,4 9,4 7,7

Klimaschutz - - - - 0,4 - - - 0,1

Sicherheit und Recht 15,8 13 17,4 26,4 13,5 13,1 16,2 13,5 15,5

Innere Sicherheit 12,1 10,8 14,9 18,2 9,8 9,6 12,5 10,4 12

Allgemein: Kriminalität* 0,9 0,4 0,4 0,9 0,8 0,4 2,2 1 0,8

Spezifisch: Kriminalität von muslimisch 0,6 0,9 1,4 5,5 1,6 1,2 1,5 3,1 1,6
oder ausländisch/migrantisch
attribuierten Täter*innen

Sonderthema: sog. „Ehrenmorde“* - - - - - - - - -

Sonderthema: sog. „Clankriminalität“* - 0,9 - - - - 0,7 - 0,2

Spezifisch: Amokläufe, Attentate, 2,1 1,3 0,7 1,8 1,2 1,6 1,5 - 1,4
Anschläge*

Sonderthema: Antisemitismus* 3 3,5 3,3 5,5 2 2 2,9 1 2,9

Spezifisch: Kriminalität gegen 1,8 0,4 2,5 2,7 1,2 1,6 1,5 1 1,6
muslimisch attribuierte Opfer*

Sonderthema: Rassismus* 1,8 2,2 3,6 0,9 1,6 0,8 1,5 2,1 1,9

Recht und Rechtsnormen 3,6 2,2 2,5 8,2 3,7 3,6 3,7 3,1 3,5

Immigration, Integration 5,2 9,1 6,9 9,1 16,7 17,1 7,4 14,6 10,4

Einwanderung, Flucht, Asyl 1,8 3 1,8 - 2,9 1,6 1,5 3,1 2

Integration und Zusammenleben 3,3 6,1 5,1 9,1 13,9 15,5 5,9 11,5 8,4

Wirtschaft und Arbeit 1,8 0,9 0,4 - 1,2 - - 3,1 0,9

Soziales 5,2 3,9 4,3 1,8 3,3 4,4 1,5 1 3,7

Bildung, Wissenschaft und Forschung 2,1 0,9 2,9 2,7 2 6,4 0,7 2,1 2,6

Kultur 5,8 6,5 4,3 2,7 6,1 5,6 4,4 12,5 5,7

Religion 2,4 2,6 2,5 5,5 3,7 6,8 1,5 2,1 3,4

Sonstige Themen 5,2 8,7 6,9 3,6 2,9 8 8,1 7,3 6,3

Gesamt 100 100 100 100 100 100 100 100 100

Quelle: Richter/Paasch-Colberg 2022: 32.

* Diese Themen wurden als spezifische Ausprägungen eines Themenfelds kodiert. Sie wurden nur dann kodiert, wenn diese konkrete Zuordnung
möglich war. Ansonsten wurde das übergeordnete Themenfeld kodiert, sodass die addierten Prozentzahlen der Themen nicht zwingend den
Prozentwert des Themenfelds ergeben. Lesehilfe: Das Themenfeld Innere Sicherheit wurde in 12 % aller Beiträge angesprochen, darunter waren
1,9 % Beiträge zu Rassismus.
** Eventuelle Abweichungen in den übergeordneten Zeilen und der Gesamt-Zeile sind Rundungsfehler.
180 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Tabelle 7.2: Themenbereiche, Themenfelder und ausgewählte Themen der Fernsehberichterstattung,


nach Sendern (in %, n = 339, auf erste Nachkomma-Stelle gerundet)**

Themenfeld ARD/Das Erste RTL Gesamt

n = 259 n = 80 n = 339

Konflikte (n = 275) 79,2 87,5 81,1

Terrorismus, (Bürger-)Krieg 78,4 86,3 80,2

Krisen, Unruhen, Protest 0,8 1,3 0,9

Internationales (n = 16) 6,2 - 4,7

Internationale Beziehungen 2,3 - 1,8

Staatsformen und Regime 3,9 - 2,9

Sicherheit und Recht (n = 19) 6,6 2,5 5,6

Innere Sicherheit 6,2 2,5 5,3

Kriminalität, Tötung, Gewalt (allg.)* 1,2 1,3 1,2

Amokläufe, Attentate, Anschläge* 1,5 - 1,2

Kriminalität gegen muslimisch-attr. Opfer* 2,7 1,3 2,4

Rassismus* 0,4 - 0,3

Rechts und Rechtsnormen 0,4 - 0,3

Immigration und Integration (n = 16) 6,2 - 4,7

Einwanderung, Flucht, Asyl 2,7 - 2,1

Integration und Zusammenleben 3,5 - 2,7

Wirtschaft und Arbeit (n = 0) -

Soziales (n = 5) 0,8 3,8 1,5

Familie, Frauen und Geschlecht 0,8 3,8 1,5

Bildung, Wissenschaft (n = 0) -

Kultur (n = 3) 1,2 - 0,9

Religion (n = 5) - 6,3 1,5

Islam* - 3,8 0,9

Christentum* - 1,3 0,3

Gesamt 100 100 100

Quelle: Richter/Paasch-Colberg 2022: 35.

* Diese Themen wurden als spezifische Ausprägungen eines Themenfelds kodiert. Sie wurden nur dann kodiert, wenn diese konkrete Zuordnung
möglich war. Ansonsten wurde das übergeordnete Themenfeld kodiert, sodass die addierten Prozentzahlen der Themen nicht zwingend den
Prozentwert des Themenfelds ergeben. Lesehilfe: Das Themenfeld Innere Sicherheit wurde in 5,3 % aller Beiträge angesprochen, darunter waren
0,3 % Beiträge zu Rassismus.
** Eventuelle Abweichungen in den übergeordneten Zeilen und der Gesamt-Zeile sind Rundungsfehler.
Medien 181

Tabelle 7.3: Beispiele für Konfliktthemen in der Presse

Mit Fokus auf Deutschland

Tagesschau (ARD), 14.04.2019, Verfassungsschutz-Präsident warnt vor Terroranschlägen in Deutschland

Guten Morgen Deutschland (RTL), 23.05.2019, Rückgang islamfeindlicher Straftaten in Deutschland

Punkt 12 (RTL), 10.05.2019, Hessische Justizministerin will bis zu 3 Jahre Haft für Eltern, die ihre Kinder
zur Teilnahme am Ramadan zwingen

Punkt 12 (RTL), 11.10.2021, Köln: Modellprojekt zum Muezzin-Ruf gestartet, Bewohner*innen werden um Meinung gefragt

RTL Direkt, 28.10.2021, Wohnungsdurchsuchung bei mutmaßlichen Islamisten

Guten Morgen Deutschland (RTL), 16.10.2014, Deutscher Islamist droht Kanzlerin Merkel

RTL Nachtjournal, 16.10.2014, Hooligans schließen sich zusammen und marschieren gegen Salafisten auf

ARD-Mittagsmagazin, 18.10.2021, Rassismus/Diskriminierung an deutschen Schulen & mangelndes Problembewusstsein

Tagesschau (ARD), 28.10.2021, Polizei durchsucht Wohnungen von fünf jungen Männern wegen Terrorverdachts mit Bezug zum IS

Menschen bei Maischberger (ARD), 08.04.2014, „Radikalisierung des Islam oder unbegründete
Hetze gegen den Islam?“

Mit Fokus auf andere Länder bzw. internationale Ereignisse:

Tagesschau (ARD), 14.04.19, Syrien: Schwieriger Wiederaufbau nach Befreiung vom IS in Syrien

Tagesschau (ARD), 27.04.19, Sri Lanka: Sicherheitslage nach einer erneuten Explosion mit 15 Toten weiter angespannt

RTL Aktuell, 18.06.19, Neuseeland: Mann verurteilt für Verbreiten eines Videos der Anschläge von Christchurch

Guten Morgen Deutschland (RTL), 15.10.14, USA/RUS: Länder tauschen für Kampf gegen
IS Geheimdienstdaten miteinander aus

RTL Aktuell, 17.10.14, Nigeria: Regierung schließt Waffenstillstand mit Boko Haram, 200 entführte
Schülerinnen sollen freikommen

heute (ARD/ZDF, im Morgenmagazin), 13.10.14, USA/Türkei/Syrien: Türkei stellt Stützpunkte für militärische Nutzung für den Kampf gegen
den IS zur Verfügung

Tagesthemen (ARD), 28.10.21, Afghanistan: Zahra Nabis Lebensrealität als Journalistin unter den Taliban

Quelle: eigene Darstellung nach Richter/Paasch-Colberg 2022.


182 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Tabelle 7.4: Beispiele für Konfliktthemen im Fernsehen

Mit Fokus auf Deutschland

Tagesschau (ARD), 14.04.2019, Verfassungsschutz-Präsident warnt vor Terroranschlägen in Deutschland

Guten Morgen Deutschland (RTL), 23.05.2019, Rückgang islamfeindlicher Straftaten in Deutschland

Punkt 12 (RTL), 10.05.2019, Hessische Justizministerin will bis zu 3 Jahre Haft für Eltern, die ihre Kinder zur Teilnahme am Ramadan zwingen

Punkt 12 (RTL), 11.10.2021, Köln: Modellprojekt zum Muezzin-Ruf gestartet, Bewohner*innen werden um Meinung gefragt

RTL Direkt, 28.10.2021, Wohnungsdurchsuchung bei mutmaßlichen Islamisten

Guten Morgen Deutschland (RTL), 16.10.2014, deutscher Islamist droht Kanzlerin Merkel

RTL Nachtjournal, 16.10.2014, Hooligans schließen sich zusammen und marschieren gegen Salafisten auf

Tagesschau(ARD), 28.10.2021, Polizei durchsucht Wohnungen von fünf jungen Männern wegen Terrorverdachts mit Bezug zum IS

Menschen bei Maischberger(ARD), 08.04.2014, Radikalisierung des Islam oder unbegründete Hetze gegen den Islam?

Mit Fokus auf andere Länder bzw. internationale Ereignisse:

Tagesschau (ARD), 14.04.19, Syrien: Schwieriger Wiederaufbau nach Befreiung vom IS in Syrien

Tagesschau (ARD), 27.04.19, Sri Lanka: Sicherheitslage nach einer erneuten Explosion mit 15 Toten weiter angespannt

RTL Aktuell, 18.06.19, Neuseeland: Mann verurteilt für Verbreiten eines Videos der Anschläge von Christchurch

Guten Morgen Deutschland (RTL), 15.10.14, USA/RUS: Länder tauschen für Kampf gegen IS Geheimdienstdaten miteinander aus

RTL Aktuell, 17.10.14, Nigeria: Regierung schließt Waffenstillstand mit Boko Haram, 200 entführte Schülerinnen sollen freikommen

heute (ARD/ZDF, Morgenmagazin), 13.10.14, USA/Türkei/Syrien: Türkei stellt Stützpunkte für militärische Nutzung für den Kampf gegen
den IS zur Verfügung

Tagesthemen (ARD), 28.10.21, Afghanistan: Zahra Nabis Lebensrealität als Journalistin unter den Taliban

Quelle: eigene Darstellung nach Richter/Paasch-Colberg 2022

Bettet man diese Ergebnisse in den bisherigen Medienbild in hohem Maße. Die langfristigen Ste-
Forschungsstand ein, so zeigt sich die langfristige reotype des Islams (frauenfeindlich, gewalttätig,
Kontinuität eines Gewalt- und Negativbilds des fanatisch) werden somit seit einigen Jahrzehnten
Islams. Die repräsentative Forschung für den Zeit- in den Nachrichtenmedien strukturell reprodu-
raum der letzten ca. 40 Jahre (seit der Iranischen ziert. Die Studie von Richter und Paasch-Colberg
Revolution 1978/79) verortete die Konfliktpers- kommt denn auch zu dem Ergebnis, dass eine ex­
pektive bei ca. 60 Prozent für die Presse und bei ca. trem eingeschränkte Themenagenda vorherrscht
80 Prozent für das Fernsehen (ARD und ZDF) (vgl. und dass gerade nicht-konfliktive Themen stärker
Unterkapitel ↗ 7.1.2), also bei Werten, die mit den beachtet werden müssen.
aktuellen Zahlen (57 % und 89 %) fast identisch
sind. Eine starke Zuspitzung des Islam- und Mus- Aus der Feinanalyse ergeben sich zwar einige
lim*innenbilds – immerhin einer Weltreligion – erstaunliche Gegenbeispiele, z. B. wenn die BILD
auf Gewalt und Konflikthemen lässt sich somit über Muslim*innen unter Notfallseelsorger*in-
als zeitge­nössische Konstante der deutschen Leit- nen berichtet. Diese Ausnahmen verändern aber
medien ermitteln. Neutrale reguläre oder sogar nicht die Grundstrukturen eines negativen Islam-
positive Diskursstränge fehlen dem deutschen bilds. Dabei sind Unterschiede zwischen den
Medien 183

Medientypen und -gattungen durchaus interes- Auch zwischen RTL und ARD lassen sich leichte
sant. Sowohl die BILD als auch die Chemnitzer Verschiebungen dieser Art feststellen, wobei der
Regionalzeitung Freie Presse liegen über dem öffentlich-rechtliche Sender Gewaltthemen mit
Mittelwert der Konfliktberichterstattung, was sieben Prozentpunkten weniger thematisiert als
bei der BILD als sensationsorientiertem Boule- der private Sender.
vardmedium nicht überrascht, das zu 26 Prozent
über Innere Sicherheit und ähnlich häufig über Die Studie zeigt zudem, dass ein erheblicher Anteil
Terrorismus, Kriminalität und den Antisemi- der islambezogenen Berichterstattung mittler-
tismus von Muslim*innen berichtet. Bei einer weile einen Deutschlandbezug aufweist. Dies
Regionalzeitung allerdings ist dies verwunder- bedeutet, dass der Islam immer weniger als Thema
lich, zumal andere Lokal- und Regionalmedien der Auslandsberichterstattung und immer stärker
leicht unter dem Durchschnittswert verbleiben, als inländisches Geschehen behandelt wird. Dies
und zwar sowohl in NRW als auch in Sachsen. heißt allerdings bei der starken Konfliktprägung
Gerade die Rheinische Post und die Sächsische des Bilds auch, dass Konflikte „mit dem Islam“
Zeitung sind mit ihren regionalen Schwerpunk- immer näher rücken und so Ängste bzw. Abwehr-
ten deutlich weniger konfliktorientiert geprägt. reaktionen weiter verstärken können.

Abbildung 7.1: Deutschlandbezug, nach Zeitungen und Fernsehsendern


(in %, n = 2.014 Artikel und Beiträge)

A B
SZ (n=330) 54 46
Welt (n=231) 64 36
taz (n=276) 47 53
BILD (n=110) 87 13
KSt (n=245) 69 31
RhP (n=251) 77 23
FP (n=136) 64 36
SäZ (n=96) 80 20
ARD/DasErste (n=259) 53 47
RTL (n=80) 83 17
Gesamt (n=2014) 64 36
0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %

A Ja B Nein

Quelle: Richter/Paasch-Colberg 2022: 42.

Die Akteur*innenanalyse der Studie schließlich Medien hin. Lediglich 14 Prozent (Zeitungen) bzw.
weist auf sehr problematische Repräsentanz- 26 Prozent (Fernsehen) der Akteur*innen kön-
verhältnisse von Muslim*innen in deutschen nen als explizit muslimisch markierte Personen
184 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

identifiziert werden.79 Die Studie folgert, „dass die oder als undefinierte Gruppen („Rohinya-Flücht-
Islam-Berichterstattung zumindest in der Presse linge“, „streng muslimische Frauen“ usw.) vor,
weitgehend ohne klar identifizierbare Muslim*in- was gemäß der Studie die Gefahr einer Homo­
nen auskommt“ (ebd.: 49). Fast noch bedeut­samer geni­sierung birgt (vgl. ebd.: 51). Muslim*innen
erscheint, dass Muslim*innen seltener als Nicht- treten in Medien auch öfter als Milizen oder
Muslim*innen aktive Sprecher*innenrollen Terrorist*innen in Erscheinung und viel seltener
zugewiesen bekommen. Es wird – auch bei The- als Mitglieder der Zivilgesellschaft, d. h. von
men wie Innere Sicherheit! – weit mehr über Vereinen, Institutionen oder NGOs (vgl. ebd.: 56).
als mit Muslim*innen gesprochen (vgl. ebd.: 55). Schließlich ist die Islamberichterstattung vorran-
Muslim*innen kommen zudem wesentlich öfter gig männlich geprägt (70,9 %, vgl. ebd.: 53).
als Nicht-Muslim*innen entweder als Individuen

Abbildung 7.2: Sprecher*innenrollen muslimisch attribuierter Akteur*innen gegenüber anderen


Akteur*innen in Print und Fernsehen (in %, n = 1.777 Akteur*innen)

70 %

64,4
60 %

53,7
50 %

40 %

30 %
33,3
27,7
20 %

10 % 12,9
A B
7,9
A B A B A B
0%
Keine Direkt zitiert Indirekt zitiert

A Keine Islam-Attribution (n=1524) B Islam-Attribution (n=253)

Quelle: Richter/Paasch-Colberg 2022: 55.

Auch wenn wir es bei der vorgelegten Studie und die sehr selektive Wahrnehmung von negativ
von Richter und Paasch-Colberg nicht mit behafteten Themen und Ereignissen weisen auf
einer qualitativen Inhaltsanalyse inklusive einer ein klar zugespitztes Gewalt- und Konfliktbild des
genauen Untersuchung von Stereotypen, Frames Islams. Hier zeigt sich eine langfristige Konti­nuität
und Diskursen zu tun haben, bietet sie den einer strukturell muslimfeindlichen deutschen
Vorteil einer repräsentativen Trendanalyse. Die Medienbeachtung als Reaktion auf die starke
bestätigte geringe Diversität der Islamagenda Politisierung des Islambilds seit der Iranischen

79 Indirekte Kennzeichnungen (z. B. die Erwähnung des Tragens eines Kopftuchs) konnten nicht kodiert werden.
Medien 185

Revolution 1978/79. Die Akteur*innenanalyse Sachverständigenrats für Integration und Migra-


kann so interpretiert werden, dass nicht nur das tion (SVR) signalisierte 2021, dass Migrant*innen
Global-, sondern auch das Menschenbild des zwar generell ein hohes Vertrauen in deutsche
Islams und von Muslim*innen betroffen ist. Mus- Medien besitzen, dass hierbei aber türkischstäm-
lim*innen treten allzu oft als Radikale in Erschei- mige Befragte, von denen viele Muslim*innen
nung, als nicht-integrierter und nicht-vernetzter sind, eine Ausnahme bilden. Die Mehrheit von
Bestandteil unserer Gesellschaft. In beiden Berei- ihnen vertraut deutschen Medien eher nicht bis
chen – bei Themen wie bei Akteur*innen – ist gar nicht (vgl. Tonassi/Wittlif 2021: 21). Dass ein
dringender Reformbedarf hin zu einer Diversifi­ enger Zusammenhang zwischen dem Islambild
zierung erkennbar. Einige Medien, insbesondere der Medien und Diskriminierungswahrnehmung,
einige Lokalzeitungen, scheinen diesen Prozess Vertrauensverlust und sogar sozialer Desintegra­
bereits begonnen zu haben. Andere hingegen, tion besteht, zeigt die Studie von Kontos (auch
insbesondere die großen Fernsehanstalten, ver- wenn die Betroffenen z. T. Gegenstrategien der
breiten seit Jahrzehnten ein weitgehend mono- kommunikativen Selbstermächtigung entwi-
lithisches, d. h. festgefügtes Islambild. ckeln, vgl. 2020, vgl. auch Unterkapitel ↗ 7.2.5).
Nicht hinreichend erforscht ist hingegen bislang
7.1.4 Wirkung von Muslimfeindlichkeit in die Frage, ob das negative Islambild auch eine
Massenmedien: Vertrauensverluste und direkte Brandstifter*innenwirkung auf muslim-
Demokratiegefahr feindliche Gewalttaten hat, wie dies mit Blick auf
generelle rassistisch motivierte Anschläge unter-
Im Vergleich zu den gut erforschten Medieninhal­ sucht worden ist (vgl. Brosius/Esser 1995). Münd-
ten sind Medienwirkungen bislang nur begrenzt liche Berichte, wonach es Anstiege der Zahl von
im Blick der Wissenschaft gewesen. Dies liegt zum Angrif­fen auf Muslim*innen nach bestimmten
einen an der generellen Schwierigkeit, Medien- Berichterstattungsereignissen gibt, weisen jedoch
wirkungen zu ermitteln, da Menschen stets sehr in eine entsprechende Richtung (vgl. UEM-Betrof-
unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt sind, z. B. fenenhearing 2021).
in Familie, Peergroups und in Ausbildungseinrich­
tungen. Diese beeinflussen sowohl Fremdbilder Während also Muslimfeindlichkeit in den Medien
als auch den Umgang mit Mediendiskursen. Auf das politische Vertrauen von Muslim*innen nega-
der Basis der aktuellen Forschung lassen sich zwei tiv beeinflussen kann, lässt sich die Wirkung des
Wirkdimensionen ermitteln: medialen Islambilds auf die nicht-muslimische
Mehrheit auf zwei Ebenen identifizieren:
a) Medienwirkungen auf die Minderheit
(Muslim*innen), • direkte Wirkungen auf Einstellungen und
b) Medienwirkungen auf die Mehrheit Meinungen zum Islam,
(Nicht-Muslim*innen). • indirekte Wirkungen auf den Demokratie­
prozess.
Was die erste Dimension der Wirkung auf Mus-
lim*innen angeht, zeigte eine qualitative Inter- Angesichts der Tatsache, dass der Islam auch in
viewstudie der Bundesregierung zur Medien- Meinungsumfragen die bei Weitem am negativs-
nutzung von Menschen türkischer Herkunft von ten bewertete Religion in Deutschland ist (vgl.
2002, dass diese sich z. T. durch die explizit nega- K. Hafez/Schmidt 2015: 18), weit vor Christentum,
tive Färbung des Orient- und Islambilds in deut- Judentum, Buddhismus und Hinduismus, ist ein
schen Medien diskriminiert fühlten (vgl. K. Hafez sehr negativer Einfluss der Massenmedien auf das
2002c: 71–75). Eine aktuelle Umfragestudie des Islambild der Bevölkerung hochwahrscheinlich.
186 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

In einer Wirkungsstudie konnten Müller et al. 2017 ‚Neuen Rechten‘, Compact, hat in einem Spezial-
dann tatsächlich nachweisen, dass die Wahrneh- heft „Islam. Gefahr für Europa“ 2016 das virulente
mung des Islams sehr stark von Medien beeinflusst Feindbild Islam der Mainstream-Medien insofern
wird. Einstellungen gegenüber Muslim*innen sind zugespitzt, als sie zum „Widerstand“ und zur Bil-
dann negativer, „wenn die Darstellung des Islam dung einer „Abwehrfront“ gegen die angebliche
(Islamwahrnehmung durch die Medien) negativ Islamisierung der deutschen Gesellschaft auf-
wahrgenommen wird“ (ebd.: 153). Schmidt zeigte ruft. Der Chefredakteur legt sogar eine „religiöse
2022 in einer qualitativen Interview­studie, wie sehr Wiederbesinnung“ wie in Russland nahe, um den
ein islambezogenes Medienwissen in Alltagsdis- Islam zu bekämpfen.
kurse über Muslim*innen eingeflochten ist und
dort – explizite sowie latente – antimuslimische Es lassen sich also Medienwirkungen bei Nicht-
Diskurspraktiken begünstigt. Muslim*innen mit erheblichen gesellschaftlichen
Konsequenzen konstatieren, von der Aktualisie-
Eine Reihe von Autor*innen hat neben solchen rung eines im Mainstream verankerten Feind-
direkten auch auf indirekte Medienwirkungen bilds in der breiten öffentlichen Meinung bis zur
hingewiesen, wobei vor allem der Zusammen- Nutzung und Radikalisierung eines Feindbilds
hang zwischen öffentlicher Muslimfeindlichkeit Islam in rechtspopulistischen und -extremisti-
und Demokratieverdrossenheit beschrieben wird. schen Kreisen. Damit gilt der Satz: Wer den
Demokratiegefährdung geht demnach nicht vor- (verfassungsfeindlichen) Rechtspopulismus/
rangig, wie vielfach behauptet, von ‚integrations- -extremismus bekämpfen will, muss Muslimfeind-
verweigernden‘ Minderheiten aus, sondern sie lichkeit bekämpfen, und wer Muslimfeindlichkeit
entsteht im Innenraum der Mehrheitsgesellschaft. bekämpfen will, muss das Islambild der Massen-
Benz wies 2012 bereits vor dem Entstehen der AfD medien deutlich diversifizieren.
auf die Gefahr einer politischen Ideologisierung
des Feindbilds Islam durch den Rechtsradikalis- 7.1.5 UEM-Hearing mit Journalist*innen zu
mus hin. Sponholz zeigte 2018 in einer aufwendi- Ursachen und Entstehungsbedingungen
gen empirischen Studie, wie die deutschen Presse von Muslimfeindlichkeit
die rassistischen Ansichten Thilo Sarrazins so
umfassend auf die Medienagenda setzte, dass sie Der Islamdiskurs deutscher Medien wirkt nicht
diese auch bei einer bisweilen kritischen Bericht- nur auf die Gesellschaft, sondern er entsteht
erstattung als legitimen Gesprächsbeitrag bewer- auch in einem gesellschaftlichen Kontext (vgl.
tete. K. Hafez wiederum machte 2020 deutlich, K. Hafez 2009). Die verschiedenen Diskursräume
dass die Massenmedien nicht nur ein Feindbild der Politik, Ökonomie und Lebenswelten folgen
Islam in die Gesellschaft tragen und Sarrazin zwar einer gewissen Eigenlogik (vgl. Halm 2008).
hoffähig machten, der heute von der Forschung Sie sind jedoch nicht hermetisch abgeschlossen,
als ein geistiger Ahnherr der AfD betrachtet wird. sondern beeinflussen sich wechselseitig. Die
Mit ihrer unverhältnismäßigen Konzentration auf Aktivitäten von Medien sind dabei in diverse
AfD und Pegida verhelfen sie bis heute politischen Kontexte eingebettet, zu denen neben den orga-
Bewegungen zu gesellschaftlicher Beachtung, nisierten Umweltsystemen (Politik, Ökonomie,
die Muslimfeindlichkeit ins Zentrum ihrer poli- NGOs, soziale Bewegungen usw.) auch heterogene
tischen Ideologie stellen und die in ihrer klaren Systemumwelten gehören („Kultur“, inklusive
Verfassungsfeindlichkeit an den Grundfesten der journalistischen Professionsethik, Sozialisa-
der liberalen Demokratie rütteln (vgl. 2020). Die tionseinflüsse auf die Journalist*innen usw.) (vgl.
gemäß Verfassungsschutz als „gesichert extre- Kunczik/Zipfel 2001). Alle Ebenen fließen in der
mistisch“ geltende Zeitschrift und Sprachrohr der Medienredaktion zusammen, die ein eigenstän-
Medien 187

diges organisiertes Sozialsystem ausprägt. Dabei durchgeführt, die in führenden überregionalen


sind allerdings die Inhalte des medialen Islam- Zeitungen und Wochenmedien ebenso wie in
diskurses deutlich besser erforscht als dessen öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstal-
redaktionelle Entstehungsbedingungen. Soge- ten tätig sind. Befragt wurden ausgewiesene und
nannte Kommunikator*innenstudien, die in das für ihre Islam-Expertise bekannte feste wie auch
Innenleben der Medien schauen, sind allgemein freie Redakteur*innen, für die der Islam vielfach
und besonders im Bereich der Islambildforschung seit Jahrzehnten ein berufliches Schwerpunkt-
eine Seltenheit und nie umfassend durchgeführt thema darstellt. Die Journalist*innen wurden
worden. in semi-strukturierten Tiefeninterviews einzeln
befragt. Diese deckten alle wesentlichen theoreti-
Vereinzelte Analysen basieren auf Hintergrund- schen Bereiche der Redaktionsforschung ab, d. h.
gesprächen mit deutschen Redakteur*innen Einflüsse von Eigentümer*innen, Verlagen und
über die Islamberichterstattung, mit dem Ergeb- Chef*innenredaktionen (sogenannte Konditional-
nis, dass die bekundete große Bereitschaft zur programme), Nachrichtenroutinen, Recherche-
diversen Berichterstattung mit der Realität der techniken und Informationsflüsse sowie soziale
außerordentlich negativen Berichterstattung Prozesse in Redaktionen und Aspekte der journa-
über den Islam im Konflikt steht (vgl. Rohe/ listischen Sozialisation und Ausbildung. Heraus-
Jaraba 2018). Studien zu migrantischen Diversi- gekommen ist ein faszinierender Einblick in die
tätsstrategien deutscher Medien sind häufiger Arbeitsweise der großen deutschen Medien, der
zu finden, münden aber ebenfalls überwiegend aufgrund konsequenter Anonymisierung sowohl
in ernüchternden Befunden. Anders als in der von Personen- als auch Institutionennamen als
anglo-amerikanischen Welt, so der Tenor, hört eine verdichtete Expertise von hochrangingen
man in Chef*innen­etagen deutscher Medien zwar Praktiker*innen gelten darf.
viel verbale Unterstützung für eine verbesserte
Repräsentanz durch Redakteur*innen mit Mig- Im Ergebnis zeigen sich durchaus einige Poten-
rationsgeschichte, aber es fehlen konkrete Hand- ziale und auch positive Veränderungen in deut-
lungskonzepte und Taten. Zwar steigt der Anteil schen Medien; vor allem jedoch werden die struk-
migrantischer Journalist*innen langsam, liegt turellen Defizite erkennbar, die Muslimfeind-
aber weit hinter dem Bevölkerungsdurchschnitt lichkeit in den Medien auf allen theoretischen
zurück. Vor allem aus mehrheitlich muslimischen Ebenen kennzeichnen. Diese weisen auf einen
Ländern hat es bis heute niemand in die geho- enormen Reformstau hin, ohne dessen planhafte
benen Führungspositionen geschafft (vgl. Neue Bewältigung das Öffentlichkeitsbild von Mus-
Deutsche Medienmacher*innen 2020). Trotz der lim*innen sich nicht nachhaltig wandeln dürfte.
Erforderlichkeit diverser Redaktionen muss ein-
schränkend festgehalten werden, dass eine ver- 7.1.5.1 Einflüsse von Medieneigentümer*innen
besserte Repräsentation von Muslim*innen noch und -leitungen: Das Feindbild verkauft
keine Garantie für ein differenzierteres Islambild sich gut
ist, da organisatorische Machtstrukturen und
gesellschaftliche Diskurse nach wie vor hegemo- Auf die Frage nach Islamstereotypen bzw. kultu-
niale Wirkungen entfalten können. Hierzu bedarf reller Offenheit gegenüber dem Islam wird den
es zukünftig dringend systematischer Forschung. eigenen Chefredakteur*innen von nahezu allen
befragten Redakteur*innen und Journalist*innen
Aufgrund der dürftigen Forschungslage hat der ein eher schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die indi-
UEM 2021 ein großes Hearing mit zehn Ver- viduelle Offenheit gegenüber kultureller Vielfalt
treter*innen großer deutscher Massenmedien ist demnach nicht höher als in der Gesamtbevöl-
188 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

kerung. Die Chef*innenetagen deutscher Medi- Die Frage, ob mit dem Aufstieg des Rechtspopu-
enhäuser repräsentieren aus Sicht der Befragten lismus – vertreten durch die AfD, Trump, Orban
einen „weißen“ Mainstream mit wenig Wissen usw. – sowie der sogenannten „Flüchtlingskrise“
über den Islam, was demnach häufig mit einer ab 2015 ein gewachsener populistischer Druck auf
gewissen Voreingenommenheit und Stereotypen Redaktionen und eine Diskursverschiebung nach
einhergeht. Die Reaktionspalette reiche dabei rechts verbunden seien, beantworten die meis-
von direkten Interventionen in die Publikation ten Journalist*innen im Hearing eingeschränkt
bereits vom Fachressort abgesegneter Artikel, die bejahend. In mehreren Interviews wird deutlich,
dann doch nicht veröffentlicht werden, weil ein*e dass deutsche Redaktionen Angst hatten oder
einflussreiche*r Redakteur*in dies ablehnt, bis noch haben, dass sie Leser*innen verlieren, weil
hin zu indirekten Einflüssen. Letztere erfolgten eine zu stark linksliberale Prägung in den Medien
etwa in Gestalt unaufgeforderter Vorträge über vorherrsche. Antizipiert wird der öffentliche
den Islam von Vorgesetzten, die über das Thema Vorwurf, dass Medien ihre Gatekeeper*innen-
wenig wissen – das niedrige Bildungsniveau der Funktion missbrauchten. „Überrumpelt von gut
Chef*innenetagen beim Thema Islam wird mehr- organisierten Populisten“ sei es heute im Jour-
fach als „erstaunlich“ bezeichnet. Die thematische nalismus weitgehend akzeptiert, gerade migranti-
Offenheit beim Islam auf Leitungsebene wird sche, muslimische Männer in rassistischer Weise
von den Befragten im Allgemeinen als zu gering als sexistisch zu markieren (Stichwort „Kölner
eingestuft, wenngleich es im Einzelfall durchaus Silvesternacht“, s. a. Fall in Kapitel ↗ 4). Rechts-
vorhanden sei. Es werden zudem Unterschiede extremist*innen wie Björn Höcke, der eigene
zwischen den Medien bemerkt, wobei etwa auch Schriften gegen den Islam veröffentlicht hat, ist
konservative Medien über Verständnis für reli- in großen deutschen Medien immer wieder ein
giöse Belange der Muslim*innen verfügen sollen. Forum geboten worden, kritisch zwar, aber doch
Im rechtskonservativen Spektrum erkennen die stark beachtend. In den Verlagshäusern und
Befragten eine gesteigerte Abwehr von muslimi- Medienorganisationen hat sich nach Ansicht eini-
scher Migration. Auch in liberalen Medien seien ger Befragter die Vorstellung verbreitet, „politische
Islamstereotype fest verankert. Korrektheit“ sei zu stark verbreitet, was nicht
zuletzt in öffentlich-rechtlichen Medien zu einer
Im Allgemeinen herrscht demnach im Manage- teils bewussten Kurskorrektur geführt habe. Diese
ment deutscher Leitmedien eine Angst vor, dass werde zwar als „multiperspektivischer“ Ansatz
„Volkes Stimme“, d. h. die in Umfragen nachge­ der Berichterstattung deklariert, bedeute aber im
wiesene Islamskepsis bzw. Muslimfeindlichkeit, Grunde, dass antidemokratische Stimmen in den
nicht adäquat abgebildet werde. Chef*innenre- Medien zunehmend repräsentiert und damit indi-
daktionen repräsentieren nach Ansicht der meis- rekt legitimiert würden.
ten Interviewten eine bürgerliche Muslimfeind-
lichkeit, wie sie auch in der Breite der Bevölke- Hierbei hat nach den Befragten ein organisierter
rung zu erkennen ist. Aufgeklärte Positionen, die rechter „Shitstorm“ unterstützend gewirkt. Aller-
den Bürger*innen gezielt plurales Wissen und dings wird auch gesagt, dass solche Diskursver-
politische und kulturelle Bildung vermitteln wol- schiebungen nach rechts auch von Wellenbewe-
len, um Islamfeindlichkeit zu begegnen, fänden gungen und Trends abhängen und in der Gegen-
sich dort kaum. Erst langsam und verstärkt durch wart zum Teil schon wieder abklingen. Zudem
die Black-Lives-Matter-Bewegung dringe die gebe es auch Gegentendenzen, vor allem durch
Erkenntnis ein, dass Diversität stärker beachtet die Black-Lives-Matter-Bewegung (vgl. Unter-
werden müsse – eine Tendenz, die jedoch von kapitel ↗ 7.1.5.2). Bemerkenswerter als der rechte
anderen Entwicklungen konterkariert werde. Druck sei demnach die Kontinuität der stereo-
Medien 189

typen Darstel­lungen von Muslim*innen, was sich Rezipierende sollen demnach in aller Regel nicht
insbesondere an der Bebilderung festmachen ließe, „überfordert“ bzw. abgeschreckt werden. Auf-
wo sich problematische Visiotype80 seit Jahrzehn- klärende Beiträge seien nur gelegentlich möglich.
ten kaum geändert hätten. Nach dschihadistischen Eine positive Diskurswende, so die implizite Bot-
Anschlägen gäbe es eine Tendenz, Muslim*innen schaft, würde Konsument*innen verschrecken.
als Gruppe kollektiv verantwortlich zu machen Diese Lehre gelte ausdrücklich auch für öffentlich-
und zu Terrorismuskritik aufzufordern (politische rechtliche Medien (nicht zuletzt für das Talkshow-
Statements, wie man sie von Christ*innen etwa im und Magazinsegment), deren Themenstruktur
Fall des Missbrauchsskandals der katholischen Kir- beim Islam nach wie vor auf Negativereignisse wie
che nie verlange). Insgesamt wird also eine rechte Terrorismus konzentriert sei.
Diskursverschiebung durch den Rechtspopulismus
durchaus wahrgenommen, allerdings auf einem Ökonomische Motive werden also gemäß den
ohnehin bereits hohen Niveau islamkritischer Befragten insgesamt nicht offen ausgesprochen,
und -feindlicher Berichterstattungskulturen. sind aber im journalistischen Alltag als latenter
Drang zur Resonanzerzeugung („Anbiederung
Zudem spielen auch ökonomische Motive, ein beim Publikum“) durch eine polarisierende und
„Feindbild Islam“ zu kolportieren, nach Wahrneh- skandalisierende Thematisierung des Islams
mung der Befragten eine durchaus große Rolle. präsent. Ein Interesse an Muslim*innen selbst
„Clickbaiting“ oder andere verwandte Techniken als Medienkonsument*innen macht sich augen-
zur Erhöhung der Aufmerksamkeit, etwa die scheinlich erst sehr langsam bemerkbar.
Formulierung reißerischer Titelgeschichten und
Überschriften, seien für den Journalismus bedeut- 7.1.5.2 Redaktionelle Routineprozesse /
sam. Zwar kann sich keine*r der Befragten an Nachrichtenfaktoren: Keine alternative
explizite Vorgaben erinnern, den Islam dezidiert Islamagenda
schlecht darzustellen, um Verkaufserfolge bei
vorurteilsbeladenen deutschen Rezipierenden Die Befragten stimmen weitgehend überein,
zu erzielen. Allerdings weiß die Ressortleitung dass die wesentlichen Kriterien, die ein Thema im
nach Aussage einiger Befragter durchaus, dass Bereich Islam zur Nachricht machen, nach wie
sich gerade negative Islamberichte „gut klicken“, vor von den klassischen Stereotypen wie Gewalt,
was dazu führe, dass eine starke Polarisierung des Fanatismus und Frauenunterdrückung geprägt
Themas Islam – durchaus nicht nur negativ, son- sind. Das „Kopftuch zieht“ demnach nach wie vor,
dern gelegentlich auch positiv – gewollt sei. Hinzu wobei es nicht so sehr darum geht, zu vermitteln,
käme, dass gerade aufstrebende Journalist*innen was Frauen denken und tun, sondern wie sie sich
wegen des niedrigen Niveaus der meisten Islambe- zum patriarchalischen Mainstream positionieren
richte keine besondere Rechercheleistung erbrin- (eine Bebilderung von Musliminnen ohne Kopf-
gen müssten. Meist reichten vage Kontaktschuld- tuch gilt nach wie vor als schwierig). Die Palette
thesen, Mutmaßungen und Skandalisierungen aus. der möglichen Nachrichtenfaktoren sei demnach
Anders sei dies beispielsweise beim Thema „rechts- sehr eingeschränkt, wenn man von dem Vorhan­
extreme Polizist*innen“, wo man sehr fundiert densein einer bewussten journalistischen Selek-
recherchieren müsse. tion überhaupt sprechen könne. Die meisten
Redaktionen besäßen nach Aussage der Journa-

80 Lobinger zufolge stellen Visiotype bzw. visuelle Stereotype „besondere Medienbilder“ dar, bei denen „nicht das Individuelle, sondern
das Klischeehafte […] in den Vordergrund gerückt wird“ (2009: 119). Sie kommen u. a. in der Bildberichterstattung klassischer Medien vor.
190 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

list*innen gar keine Islamagenda, sondern stuften der „Nachrichtenwerte“ – also journalistische
das Thema nach wie vor als randständig ein. Kriterien für die Auswahl von Themen – sehr eng
ist und eigene Redaktionspolitiken zum Islam
Die Befragten gaben zudem an, dass deutsche nicht existieren – ungeachtet der Tatsache, dass
Redaktionen generell vorsichtig seien, das Publi- Muslim*innen die größte religiöse Minderheit in
kum mit Neuigkeiten zu „überfordern“. Die Deutschland sind. Erfüllt werden dadurch weder
„islamische Welt“ aus einem nicht-stereotypen die Gestaltungsfreiheit der privaten noch die Viel-
Blickwinkel zu betrachten, falle offensichtlich faltsaufgaben des öffentlich-rechtlichen Medien-
schwer. Prominenz als Nachrichtenfaktor tauche sektors.
lediglich in negativster Form auf – etwa in Person
von Saddam Hussein, Osama bin Laden usw. Die rassistischen Anschläge von Hanau und
Soft News und unterhaltende Berichte über Mus- Christchurch oder die Black-Lives-Matter-Bewe-
lim*innen seien zudem unüblich. Statt eine echte gung haben nach Eindruck der Interviewten
Diskussionskultur zum Islam aktiv zu etablieren, das Bewusstsein für Probleme des Rassismus und
reagierten die Redaktionen in der Regel anlassbe- der Diversität in deutschen Redaktionen gestei­
zogen. Dabei orientierten sie sich entweder an gert – eher noch, als es die NSU-Morde oder die
der dpa-Tagesvorschau oder vermehrt auch an islamfeindlichen Taten des Utøya-Attentäters
sozialen Medien, was wiederum die negative Pola- vermochten. Durch die Präsidentschaft von
risierung der Berichterstattung noch verstärke. Trump oder den Parlamentseinzug der AfD sei in
Innermuslimischen Themen müsste nach dem deutschen Redaktionen die Erkenntnis gereift,
Dafürhalten der Praktiker*innen mehr Raum dass geistige Brandstifter*innen wie Sarrazin die
gegeben werden: individuellen, lebensweltlichen Demokratie bedrohen könnten. Hier kann nach
Praktiken statt einer „Lust am Perversen“ etwa in Eindruck der Befragten jedoch nicht von einem
Form einer überbordenden ISIS-Berichterstattung. geradlinigen Prozess der Aufklärung gesprochen
werden, da zum einen der Rechtspopulismus
Der journalistische Kniff, alternative Themen zugleich mediale Diskurse nach rechts verschoben
über die Verkehrung von Stereotypen herzustel- habe (Stichwort „Kölner Silvesternacht“, s. o.).
len – z. B. „die Aufsteigerin, die es geschafft hat“ –, Zum anderen wird nach Dafürhalten vieler Inter-
sei zwar gelegentlich wirksam, bediene aber im viewpartner*innen Muslimfeindlichkeit kaum
Grunde dieselben rassistischen Stereotype. Nicht als Rassismus verstanden, da Vorurteile gegen-
das Neue, so wurde im Hearing angemerkt, sei über dem Islam tief säßen und dieser oft pauschal
im Journalismus gewollt, sondern die ewigen als antiemanzipatorisch wahrgenommen werde.
Varianten des sattsam Bekannten. Der Raum für Zwar verzeichnet man im Umfeld der Neuen
alternative Themenstellungen existiere durch- Deutschen Medienmacher*innen eine gesteigerte
aus – gerade Onlineredaktionen seien dafür oft Resonanz von interessierten Redakteur*innen,
offener als Printredaktionen. Er ist nach dem die diverser berichten wollen. Rassismus werde
Eindruck der Interviewten aber eher klein. Es gilt jedoch tendenziell immer noch ausschließlich als
als schwierig, jenseits der politischen Konflikt- Problem Schwarzer Menschen betrachtet, andere
themen und etablierten Lebenswelthemen wie Bevölkerungsgruppen würden selten damit in
Ramadan oder Fasten postmigrantische Themen Verbindung gebracht.
zu etablieren, die z. B. das gemäß den Befragten
oft erstaunliche zivilgesellschaftliche Engage-
ment von Muslim*innen zeigen. Eine wesentliche
Erkenntnis des Hearings ist auch hier, dass im
deutschen Mainstream-Journalismus die Palette
Medien 191

7.1.5.3 Informationsfluss und Recherche: CNN etc. als Quelle zu etablieren, scheiterten
Unzureichende Quellen meist. Kenntnisse außereuropäischer Sprachen
seien beim Gros des deutschen Journalismus –
Die wesentliche Erkenntnis dieses Befragungteils sogar bei Auslandskorrespondent*innen – in der
war, dass es zwei verschiedene Journalist*innen- Regel nicht vorhanden. Soziale Medien gelten
typen zu geben scheint, von denen die Mehrheit zum Teil als Umwegkanal für ausländische Quel-
über keinen Zugang zum muslimischen Teil len, was aber die Frage der Verlässlichkeit und
der deutschen Gesellschaft verfügt – ihre Bericht- Seriosität (Stichwort „Fake News“) aufwerfe.
erstattung basiert auf den journalistischen Quellenzugänge müssen nach den Ergebnissen
Stan­dardquellen wie Nachrichtenagenturen, des Hearings insgesamt als völlig unzureichend
Presse­konferenzen, Suchmaschinen und einem bezeichnet werden. Der Informations- und
begrenzten Arsenal vermeintlicher Expert*innen Nachrichtenfluss mit Blick auf den Islam und
(s. u.). Eine Minderheit der Befragten hingegen die sogenannte „islamische Welt“ muss dringend
habe sich auf dieses Feld spezialisiert, verwende umfassend reformiert werden.
(islam-)wissenschaftliche Quellen und kombi-
niere diese mit persönlichen Netzwerken und Ausgiebig erörtert wurden die Ursachen für die
direkten Gesprächspartner*innenschaften in prominente Rolle sogenannter ‚Expert*innen‘ (z. B.
mus­limischen Milieus. Für den Großteil deutscher Thilo Sarrazin, Necla Kelek, Alice Schwarzer), die
Journalist*innen werden hingegen Aussagen in den Medien zwar in besonderer Weise präsent
getroffen wie „niemand geht zu den Muslim*in- sind, in der etablierten Wissenschaft jedoch kaum
nen, weil man dort niemanden kennt“, „man Anerkennung finden, da sie oft faktisch unhalt-
fragt lieber die Ethnologin aus Frankfurt, weil der bare und pauschale Urteile fällen (vgl. Schneiders
Islam als etwas Fremdes eingestuft wird“, „viele 2009; K. Hafez 2013b: 249–262). Dies hat aus Sicht
Redakteur*innen leben in ihrer eigenen Bubble“ der befragten Journalist*innen unter anderem
oder „die Quelle ist dann auch schon mal der den pragmatischen Grund, dass sich diese „Ready-
Gemüsehändler – das warʼs dann aber auch schon made-experts“ vielfach einfacher erreichen ließen.
mit dem großen Kulturkontakt“. Ihre Botschaften seien zudem leichter zugäng-
lich und kämen somit den knappen Zeitbudgets
Viele Themen im Bereich Islam werden nach Aus- von Medienmacher*innen entgegen. Die ent-
kunft der Befragten aufgebauscht, da sie häufig sprechenden Personen seien zudem in deutschen
in den Communitys gar nicht so bedeutsam seien. Redaktionen sehr gut vernetzt, hätten persön-
Der Mangel an Kontakt, der meist aus Kontakt- liche Beziehungen zu Redakteur*innen und
scheu bzw. sozialer Distanzierung seitens vieler seien anders als die z. T. medienscheuen Wissen-
Journalist*innen großer Medien rühre, trage so schaftler*innen, die kontroverse Debatten oder
zur Verfestigung von Stereotypen und zur thema- gar Talkshow-Auftritte mieden, leicht verfügbar.
tischen Negativfixierung bei. Die immer gleichen Zudem wird erwähnt, dass die Theatralisierung
Bilder würden reproduziert. Journalist*innen von Islamthemen zur allgemeinen Tendenz einer
mit einem funktionierenden Netzwerk gebe es Boulevardisierung der Medien passe.
im Unterschied zu Ländern wie dem Vereinigten
Königreich oder den USA aber noch sehr selten. Soziologisch gedacht verkörperten jene vermeint-
lichen Expert*innen als Außenseiter*innen der
Medien aus der islamischen Welt werden nach Intellektuellenszene ein antiautoritäres Element.
Beobachtung von Befragten kaum genutzt. Auch wenn sie ihre Erkenntnisse und Erfahrun-
Kritisiert wird der deutschlandzentrierte Blick. gen aus Sicht der Wissenschaft viel zu stark ver-
Versuche, Medien wie Al-Jazeera English neben allgemeinern, sehen sie sich selbst zu Unrecht
192 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

ausgegrenzt und sind der Überzeugung, dass die Teil auch bereits auf Redaktionssitzungen erörtert.
akademische Elite sie „mundtot“ machen wolle Ob sich für Muslim*innen dadurch bessere Reprä­
(was insofern paradox ist, als viele dieser Mei- sentationschancen ergäben, sei fraglich, da ihre
nungsführer*innen selbst Teil der Elite sind, z. B. oft themenspezifischeren Diskurse sich nicht mit
Sarrazin als ehemaliger Minister). Es geht also den Aufmerksamkeitsregeln der Medien deckten.
unter Umständen eher um eine Revolte gegen Gerade Facebook (und wohl auch Instagram)
Wissenschaftlichkeit als Norm. Dies wiederum schafften es – bis auf wenige Ausnahmen wie die
macht sie aus Sicht der Befragten zu Held*innen #MeToo-Bewegung – eher selten in die politische
eines stark mit Islamstereotypen belasteten Teils Öffentlichkeit. Alternative Themen seien auch auf
der Bevölkerung, der sich durch das Sprachrohr Twitter schwer zu setzen. Ein wirklicher Ersatz des
stereotyp argumentierender Expert*innen quasi Zugangs für den Journalismus zu muslimischen
selbst zu Expert*innen aufwertet, nach dem Milieus seien soziale Medien daher nach dem
Motto: Expert*in ist, wer mein rassistisches Wis- Eindruck der Befragten nicht (vgl. auch Unter-
sen bestätigt („Endlich sagt es mal wer“). Anders kapitel ↗ 7.2.5). Die Risiken der sozialen Medien
gelagert sind hingegen Fälle, in denen sich, wie als Quelle für den Journalismus wurden offen
im Fall Navid Kermani, auch in der Wissenschaft benannt: Desinformation, Themenverzerrung, Dif-
anerkannte und nicht-islamfeindliche Intellek- famierung, Skandalisierung und offene Islamfeind-
tuelle in den Medien etablieren. Dies wird zum lichkeit, die auch auf Twitter sehr verbreitet seien.
einen mit dem besonderen Talent solcher Perso­
nen und zum anderen mit Mechanismen des 7.1.5.4 Soziale Prozesse und Verhandlungen in
„Tokenism“81 (zur Abwehr von Rassismusvorwür- Redaktionen: Fehlende professionelle
fen) und der „native informance“82 (Inszenierung Repräsentation
von Authentizität) erklärt. Aus kommunikations-
wissenschaftlicher Sicht geht es insgesamt nicht Soziale Verhandlungsprozesse in Redaktionen
um ein Expert*innentum zur Verbesserung der sind theoretisch bedeutsam, um Nachrichten-
Informationslage des Journalismus, sondern es routinen in einer sich verändernden Umwelt
scheinen „Meinungskartelle“ zu existieren, die ständig anzupassen. Der Islam wird nahezu von
wissenschaftliche Objektivitätsmaßstäbe ignorie- allen Beteiligten des Hearings als immer noch
ren und eine Boulevardisierung des Journalismus exotisches Thema in deutschen Redaktionen
beim Thema Islam in Kauf nehmen. bezeichnet, zu dem es wenig offenen Austausch
gibt. Die betreffenden Redakteur*innen und
Ein zunehmender Einfluss von sozialen Medien freien Mitarbeitenden betrachten sich in der
auf den Redaktionsalltag wird von nahezu allen Regel als Einzelkämpfer*innen. Stillschwei­gender
Beteiligten des Hearings bestätigt. Insbesondere Gruppendruck kann demnach zum Nichterschei-
populäre Twitter-Hashtags garantierten nach nen von Beiträgen führen und die innere Mei-
Aussagen von Befragten hohe Reichweiten und nungsfreiheit einschränken. Vorherrschend sei
erweiterten potenziell die Teilhabe nicht-etablier­ aber eine Art indifferente Toleranz: Viele Redak-
ter Akteur*innen an öffentlichen Debatten. Ent- teur*innen hätten Angst, sich falsch oder rassis-
wicklungen in sozialen Medien würden zum tisch zu äußern. Die Fachkolleg*innen hätten

81 Tokenism meint eine Zuschreibungspraxis, in der Personen aufgrund eines hervorgehobenen Merkmals (z. B. ‚Muslimischsein‘) einer
gesellschaftlichen Minderheit zugeordnet und in der Folge als Repräsentant*innen dieser Minderheit angesehen werden (vgl. u. a. Kanter
1977). Der Einbezug jener „Repräsentant*innen“, etwa in mediale Debatten, kann mit Tschöpe als „symbolische Geste“ verstanden werden,
um „Kritik an diskriminierenden oder ausgrenzenden Verhältnissen abzuwehren“ (2006: 256).
82 Mit der Figur des „native informant“ beschreibt Spivak (1999) die Zuweisung der Rolle eines bzw. einer „einheimischen Informant*in“,
die bzw. der als vermeintlich authentische Stimme angesehen und zur Aufrechterhaltung hegemonialer Diskursstrukturen vereinnahmt wird.
Medien 193

daher kaum Sparringspartner*innen zum Dialog, klima oder eine journalistische Kultur nachhaltig
was ihnen allerdings auch thematische Freiräume zu verändern. Die entsprechenden Personen
verschaffe. sehen sich, wie gesagt, als Einzelkämpfer*innen,
die auch grundlegende Perspektivwechsel beim
In Krisenzeiten (v. a. nach Terroranschlägen) Thema Islam immer wieder neu erkämpfen müss-
übernähmen zudem andere Kolleg*innen die ten. Ihr Expert*innenstatus werde innerhalb
Interpretationshoheit und prägten das (dann oft der Redaktionen oft nur so lange anerkannt, wie
wenig differenzierende) publizistische Meinungs- sie eine kritische Haltung gegenüber dem Islam
klima. In diesem Zusammenhang äußert ein*e verträten. Ihre Neutralität werde hingegen in
Befragte*r: „Bei Mesut Özil werden nationalisti- Zweifel gezogen, wenn dies nicht geschehe.
sche Haltungen kritisiert, die Manuel Neuer pro- Deutschland sei hier noch weit hinter Ländern
blemlos zugestanden werden.“ Um die angebliche wie den USA zurück, wo etwa bei der New York
Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden, fände Times explizit Muslim*innen angestellt seien,
einigen Redakteur*innen zufolge in den letzten um die Gesellschaft besser zu repräsentieren. Bei
Jahren eine schleichende Diskursverschiebung den wenigen Muslim*innen in deutschen Medien
nach rechts statt, die islamfeindliche Positionen führe dies zu einem subtilen, aber gleichwohl
in Redaktionen hoffähiger mache. starken inhaltlichen Anpassungsdruck durch die
Dominanzkultur und einer Repräsentation mit
Eine der zentralen Fragen des Einflusses sozialer nur sehr begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten,
Prozesse in Redaktionen auf Muslimfeindlichkeit wo jeder relativierende Beitrag sofort durch einen
liegt in der Repräsentation von Muslim*innen Gegenbeitrag konterkariert werde.
in der Arbeitswelt, da ihre individuellen Hinter-
gründe und Erfahrungen zu einer Pluralisierung Vereinzelt wird von massiven, häufiger von subti-
des Islambilds beitragen können. Der Zusam- len Diskriminierungserfahrungen berichtet, und
menhang zwischen religiös-ethnischer Reprä- zwar nicht nur von muslimischen, sondern auch
sentanz von muslimischen oder migrantischen von nicht-muslimischen Journalist*innen, die
Journalist*innen in Redaktionen und Islam- sensibel über Islamthemen schreiben. Von einem
berichterstattung ist theoretisch schwierig. Die besonderen Bewährungsdruck ist hier die Rede
Repräsentanz in Redaktionen ist keineswegs mit und von Hinweisen nach Einstellungsgesprächen,
einer formalen Wissenskompetenz über den die „Zeit sei noch nicht reif“ für sie. In Redakti-
Islam oder die islamische Welt identisch. Außer- onskonferenzen werden Beiträge mit dem Stigma,
dem sollten solche Redakteur*innen nicht auf es handele sich um „umstrittene“ Personen oder
bestimmte Inhalte (pro oder contra Islam etc.) Sichtweisen, abgelehnt – was sonst geradezu ein
festgelegt werden. Dies würde eine Spiegelung Anreiz für einen konfliktorientierten Journalis-
rassistischer Mechanismen bedeuten. Ungeachtet mus sei, mehr zu publizieren. Beim Thema Islam
dieser Vorbehalte stellten die Journalist*innen herrschten in den Redaktionen oft stereotype
des Hearings einmütig fest, dass Muslim*innen Vorurteile vor, die die regulären Nachrichtenfak­
im deutschen Journalismus unterrepräsentiert toren zum Teil außer Kraft setzten. Nicht wenige
seien und notfalls migrationsbezogene Quoten Befragte erhalten von Rezipierenden Morddro-
eine Veränderung herbeiführen müssen. hungen, würden als Verräter*innen oder ander-
weitig obszön beschimpft.
Kernpunkt ist hier, dass zwar eine wachsende
Zahl von Muslim*innen journalistisch tätig werde,
aber die „kritische Masse“ noch lange nicht
erreicht sei, die erforderlich sei, um ein Redaktions­
194 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

7.1.5.5 Berufliche Sozialisation / Ausbildung: Medienethik (Faktencheck, Objektivität usw.)


Keine kultursensible Qualifikation reichten aber kaum aus, um die ethische Dimen-
sion der Islamfeindlichkeit zu verstehen. Die Vor-
Es herrschte im Hearing der Eindruck vor, dass stellung von Neutralität im Journalismus führe
zwar die wissenschaftliche Qualifikation im z. B. sehr leicht zu einer passiven Haltung gegen-
Journalismus allgemein zunehme, dass aber eine über Populist*innen, die so als gleichberechtige
spezifische wissenschaftliche Islamexpertise Stimmen in der Öffentlichkeit geadelt würden.
selten vorhanden sei. Ein Kompetenzausweis Selten werde hingegen ein kultursensibler, kos-
sei demnach im Feld der Islamberichterstattung mopolitischer Journalismus erwogen, wie er
kaum erforderlich, es reiche ein generelles in Ziffer 10 des deutschen Pressekodex angelegt
Interesse, oft gepaart mit der Zuweisung einer ist. Dieser untersagt es, Weltanschauungen (auch
„Herkunftskompetenz“ (weil man einen bestimm­ Religionen) pauschal zu schmähen (vgl. Fallbei-
ten Namen hat usw.). Negative Aspekte dieser spiel zu Islamkarikaturen in Kapitel ↗ 4). Eine
Situation werden benannt: Verbesserung ethischer Handlungspraxen wird
allenfalls im Feld der ethnisch-religiösen Mar-
• die „Enteignung“ wissenschaftlicher Begriffe kierung und Diskriminierung von kriminellen
wie „politischer Islam“, die in der Forschung Täter*innen (Pressekodex, Ziffer 12, vgl. Presserat
für politische Strömungen verwendet werde, 2023) beobachtet.
im medialen Diskurs aber auf alle möglichen
Organisationen und gesellschaftliche Zusam­
menhänge übertragen werde, 7.2 Muslimfeindlichkeit im
• „Helikopterjournalismus“, wobei Journalist*in- deutschsprachigen Internet
nen dann kurzfristig im Nahen Osten einge-
setzt würden, ohne die Hintergründe dort zu Das folgende Unterkapitel widmet sich dem
kennen, was zu Verzerrungen in der Bericht- Gegenstand der Muslimfeindlichkeit im deutsch-
erstattung führe. sprachigen Internet, konzentriert sich hierbei
allerdings auf die sozialen Medien wie Twitter,
In der Berufsausbildung, etwa in Journalist*innen- Facebook, Instagram und YouTube, die von kom-
schulen, werde zwar nach Eindruck der Befragten merziellen Betreiber*innen angeboten werden.
mehr auf eine diverse Zusammensetzung der Nur am Rande untersucht, da für die Forschung
Absolvent*innen geachtet; eine stärkere kultu- nur schwer zugänglich, werden Instant-Messen-
relle Kompetenzschulung mit Blick auf den Islam ger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram. Andere
mache sich aber nicht bemerkbar. Über die Neuen Teile der digitalen Welt wie z. B. rechtsradikale
Deutschen Medienmacher*innen, den Medien- Onlinepublikationen (Politically Incorrect usw.)
dienst Integration etc., werde zunehmend eine kann der UEM aus forschungsökonomischen
spezifische Weiterbildung nachgefragt, allerdings Gründen nicht zusätzlich untersuchen, obwohl
eher in einem generellen Kontext von Migration sie vielfältige Formen der Muslimfeindlichkeit
und Einwanderung als mit direktem Islambezug. beinhalten.

Im Hearing der Journalist*innen herrschte Rassismus in den sozialen Medien ist heute ein
medienübergreifend die Ansicht vor, dass die großes Forschungsthema, weil sich die einstma-
Räume für eine ethische Selbstreflexion im lige Utopie einer Verbesserung des Kommunika-
Berufsalltag eher klein seien. Zwar würden die tionszugangs für große Teile der Bevölkerung, die
Grundregeln des Journalismus durchaus einge- in den Massenmedien nicht immer hinreichend
halten. Diese klassischen Tugenden der liberalen repräsentiert werden, mittlerweile teilweise in
Medien 195

ihr Gegenteil verwandelt hat, nämlich in die Dys- Soziale Medien verfügen anders als Massen-
topie einer auch mithilfe sozialer Medien radika- medien nur sehr begrenzt über geordnete Text-
lisierten und polarisierten Gesellschaft. Dennoch strukturen. Hier gibt es eher selten festgelegte
will der folgende Bericht nicht nur die negativen Ressorts wie „Politik“, „Wirtschaft“ usw. wie in
Aspekte sozialer Medien beleuchten, sondern Zeitungen oder klar markierte Artikeleinheiten
diese auch als Plattform der Selbstdarstellung von sowie ausgewiesene Quellen. Soziale Netzwerke
Muslim*innen in den Vordergrund rücken: Auf sind vielmehr geprägt von dem, was man als
ihnen treten sie mit sich wie mit anderen Teilen „Zwischentexte“ bezeichnen kann, wobei existie-
der Gesellschaft in Austausch und partizipieren rende Texte aus anderen Teilen des Netzes (auch
auf diese Weise an der Öffentlichkeit. und gerade aus der „Presse im Netz“) weitergelei-
tet und kommentiert werden. Zudem existieren
Nach einer kurzen theoretischen Einführung unabhängige Kommentare, die als „Threads“ (also
sowie einem Überblick über den bisherigen For- digitale Gesprächsverläufe) interaktiv verbunden
schungsstand werden zwei vom UEM in Auftrag sind. Internetexpert*innen wie Lanier haben
gegebene Studien vorgestellt und bewertet. Eine immer wieder auf die Qualitätsverluste dieser oft
große Data-Mining-Studie der Johannes Guten- schnell zusammengestellten Textkolportagen hin-
berg-Universität Mainz hat Muslim­­feindlichkeit gewiesen (vgl. 2010). Dennoch ist es möglich, auch
in den deutschsprachigen sozialen Medien die Texte sozialer Medien zu analysieren, indem
flächen­deckend untersucht. Eine ergänzende man die Begriffswelten, Kanäle und Netzwerke
qualitative Inhaltsanalyse der Universität Erfurt und die Wertigkeit von Aussagen über trainierte
nimmt die digitale Gegenöffentlichkeit von Mus- Algorithmen und automatisierte In­haltsanalysen
lim*innen in den Blick. vermisst. In der Kommunika­tionsforschung wer-
den die traditionellen mit den automatisierten
7.2.1 Muslimfeindlicher Hass im Internet: Formen der Inhaltsanalyse heute immer besser
Eine theoretische Einführung verzahnt (vgl. Scharkow 2011). Letztere sind kein
Ersatz für die vertiefende qualitative Inhaltsanalyse,
Ethnische und religiöse Minderheiten, Frauen, sondern können als Gegenstück zu den großen
Personen der LGBTQIA+-Bewegung und andere quantitativen Forschungsprojekten der Massen-
soziale Gruppen werden heutzutage im Internet medien betrachtet werden (vgl. Unterkapitel
massiv angegriffen. Diese auch als „cheap talk“- ↗ 7.1.2 und ↗ 7.1.3). Automatisierte Inhaltsana-
Effekt gekennzeichnete Entwicklung ist die Kehr- lysen dienen mithin einer repräsentativen Erfas-
seite der Medaille der durch das digitale Internet sung von grundlegenden Tendenzen im Diskurs,
deutlich verringerten Kommunikationskosten (vgl. im vorliegenden Fall mit Blick auf die muslim-
Chadwick 2006: 121). Varianten der sogenannten feindliche Prägung der sozialen Medien.
„Inzivilität“ im Internet reichen von Unfreund-
lichkeit und Stereotypen bis hin zu offenem Hass Was den strukturellen theoretischen Unterbau
und Aufrufen zur Gewalt, die in den Bereich der angeht, so gibt es nur wenige Arbeiten, die dies
Volksverhetzung fallen. Die Literatur nennt heute mit Blick auf Fragen der Hassrede im Internet
„religiösen Hatespeech“ als eines der wesentlichen erörtern. Es lassen sich aber grob drei Erklärungs-
Phänomene von Inzivilität und kennzeichnet den ansätze unterscheiden: ein politologischer, ein
Islam als die weltweit am meisten davon betrof- soziologischer und ein kommunikationswissen­
fene Religion (vgl. Castaño-Pulgarín et al. 2021). schaftlicher (vgl. K. Hafez 2017). Aus politikwissen­
schaftlicher Sicht versuchen vor allem rechts-
Aus theoretischer Sicht lassen sich erneut Inhalts- populistische und -extremistische Akteur*innen,
und Strukturtheorien voneinander unterscheiden. sich über soziale Medien zu vernetzen und
196 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Protest- und Umsturzbewegungen für rassistische räume zur Radikalisierung, gesellschaftlichen


Ideologien zu formieren. Aus soziologischer Spaltung und insgesamt für eine Abkehr vom
Sicht suchen Menschen im Internet nach neuen gesamtgesellschaftlichen Gespräch genutzt wer-
Gemeinschaften, was oft eine ethnische, natio- den – die offen muslimfeindlichen Hassreden
nalistische bzw. religiöse Re-Tribalisierung und auf rechtsextremen Plattformen wie 4Chan sind
Abgrenzung fördert (vgl. James 2006). Dies kann nur ein Beispiel dafür (vgl. Unterkapitel ↗ 7.2.2
zudem als ein Ursachenfaktor in der Verstärkung und ↗ 7.2.3). Insgesamt muss mit Blick auf virtu­
von Feindlichkeit zwischen Gruppen betrachtet elle Diskurse von einem parallelen Bestehen
werden. Aus kommunikationswissenschaftlicher verschiedener Teil- und Gegenöffentlichkeiten
Perspektive ist die inhaltliche Qualität und auch ausgegangen werden (vgl. Drüeke 2012: 232). Statt
die Dialogfähigkeit von Kommunikation im eines singulären Debattenraums wird hier die
Netz vielfach kritisiert worden, da der digitalen Forderung nach multiethnischen – und multi-
‚Schwarmintelligenz‘ Fakten- und Theoriesicher- perspektivischen – Öffentlichkeiten (vgl. Husband
heit fehlt, eine sinnvolle Redaktion nicht statt- 2000) im guten wie im schlechten Sinne eingelöst.
findet und überdies die Anonymisierung zu
gefährlichen Enthemmungen führt. Gerade was 7.2.2 Forschungsstand: Muslimfeindlichkeit
den letzten Aspekt angeht, ist das Netz heute ein im Internet: Der entsicherte Diskurs
geradezu rechtsfreier Raum, Volksverhetzung
und andere Rechtsverstöße werden noch wenig Der Forschungsstand zu Muslimfeindlichkeit in
geahndet, auch wenn die Bundesregierung hier deutschsprachigen sozialen Medien ist als relativ
mit neuen Gesetzen und Maßnahmen gegenzu- dürftig zu beschreiben. Die meisten Beiträge,
steuern versucht und eine Co-Regulierung des die sich mit dem Thema im Internet beschäftigt
Netzes (unter Beteiligung der Zivilgesellschaft) haben, basieren auf anekdotischer und bestenfalls
wichtig wäre (vgl. K. Hafez 2017: 327–331). als explorativ zu bezeichnender empirischer Basis.
Sie haben sich vielfach nicht auf soziale Medien
Da Diskurse im Internet und in den sozialen im Sinne sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter
Medien auch unter den möglichen Bedingungen oder Instagram konzentriert, sondern richten ihr
von Hegemonialität und einem Überhang rassisti- Augenmerk vor allem auf die Analyse von Blogs
scher Diskurse komplex bleiben, spielt in theore- wie Politically Incorrect (PI) (vgl. Gerhold 2009;
tischer Hinsicht das Thema der Gegenöffentlich- Schiffer 2009; Müller 2008).
keit eine bedeutsame Rolle. Vertreter*innen einer
feministischen Politiktheorie beschreiben sie Eine der ersten regulären Studien stammt von
als gesellschaftlichen Diskursraum, in dem die Engelmann et al. und beschäftigt sich mit muslimi-
traditionelle Trennung von privaten und öffent- schen Weblogs, wobei sie eine Spaltung des Netzes
lichen Themen überwunden werden kann (vgl. in eine größere islamophobe und eine kleinere,
Fraser 1994). Marginalisierte Stimmen, deren The- sehr heterogene islamophile Blogosphäre erken-
men bislang als gesellschaftlich irrelevant galten nen (vgl. 2010). In einer Studie der Amadeu Anto-
und so in der öffentlichen Debatte unsichtbar nio Stiftung aus dem Jahr 2017 wurden wesent-
blieben, haben v. a. in virtuellen Gegen- und Teil- liche Narrative in rechtsradikalen Blogs (wie PI)
öffentlichkeiten die Möglichkeit der Teilhabe und und sozialen Medien von organisierten Akteuren
Vernetzung. Deren positive Folgen werden v. a. (Pegida, AfD, die Identitäre Bewegung etc.) auf sys-
unter den Schlagwörtern des Empowerments und tematisch qualitativer Basis untersucht: mit dem
der Aushandlung von Identität und Zugehörigkeit erwartbaren Ergebnis, dass der Islam hier ein zen-
beschrieben (vgl. Klaus/Lünenborg 2012). Gleich- trales Feindbild ist. Rechtsradikale warnen massiv
zeitig besteht die Gefahr, dass virtuelle Diskurs- vor einer Islamisierung der deutschen Gesellschaft,
Medien 197

wobei sie Muslim*innen für zahlreiche Probleme Miller, Smith und Dale identifizierten Konjunk­
(Flucht, soziale Schieflagen usw.) verantwortlich turen islamophober Diskurse auf Twitter
machen (vgl. Baldauf et al. 2017). (vgl. 2016). Sie stellen fest, dass antimuslimische
Twitter-Beiträge immer dann besonders stark
Allen Analysen und Studien gemein ist die zunehmen, wenn kurz zuvor über dschihadistisch
Erkenntnis, dass Muslimfeindlichkeit im Inter- motivierte Übergriffe berichtet wurde. Mitunter
net drastischer ausfällt als in den Massenme- reichen aber auch Gewalttaten ohne erkennbaren
dien, also manifeste Feindbilder und explizite, Islambezug, um antimuslimische Hassrede zu ver-
pauschale menschenverachtende Rassismen stärken, indem entsprechende Zusammenhänge
verbreitet sind, vielfach gekoppelt an aggressive schlichtweg behauptet werden. Obwohl die Studie
Tonarten und sogar Handlungsaufforderungen lediglich englischsprachige Tweets berücksichtigt,
bis hin zur Gewalt. Während manifeste verbale erwies sich Deutschland – neben dem Vereinigten
Stereotype also in den Massenmedien (Presse, Königreich, den Niederlanden und Frankreich –
Fernsehen und Radio) generell weniger verwen- als einer der europäischen Hotspots für antimus-
det werden und diese Institutionen scheinbar limische Onlinehetze.
politisch korrekt agieren (während ihre Themen-
struktur usw. in Wahrheit Stereotype weiterhin Recht bald schon setzten international auch
bedient, wie wir gesehen haben), hat sich eine Überlegungen zu größeren Data-Mining-Studien
aggressive Feindbildlogik weithin ins Netz ver- zur Muslimfeindlichkeit ein, die auch latente
lagert und ist dort sozial radikalisiert und nicht Muslimfeindlichkeit erfassen. Methodisch sind
selten auch rechtlich entsichert worden. diese allerdings noch so anspruchsvoll, dass
sie bis heute Zukunftsmusik geblieben sind (vgl.
In der internationalen Forschung sind in den Vidgen/Yasseri 2020). Angesichts der Forschungs-
letzten Jahren u. a. in den USA, dem Vereinigten lage ist es zudem kein Wunder, dass systematische
Königreich oder Skandinavien die sich rasch Studien über den deutschsprachigen Raum eher
entwickelnden sozialen Netzwerke auf Muslim- von außen hereingetragen worden sind, da die
feindlichkeit hin untersucht worden (vgl. u. a. zuständige Informationswissenschaft in Deutsch-
Evolvi 2017; 2018, Giglietto/Lee 2017; Hirvonen land sich für das Thema bislang nicht interessiert
2013; Horsti 2017; Yusha’u 2015; Zempi/Awan hat. Vor allem deutsche Forschende am Institute
2016). Demnach bilden vor allem extremistische for Strategic Dialogue (ISD) in London haben sich
Kanäle und Plattformen muslimfeindliche Echo­­ hier verdient gemacht, indem sie Muslimfeind-
kammern aus. Zudem sind auch große Publi- lichkeit zwar nicht ins Zentrum ihres Interesses
kumskanäle untersucht worden. Im Tenor zeigt stellen, sie aber in Studien zum digitalen Rechts-
sich eine klare Tendenz zur Hassrede gegen Mus- extremismus miterforschen.
lim*innen. Soziale Medien tragen nach dem Stand
der internationalen Forschung zur Gruppenpola­ Die wohl bekannteste Studie des ISD über
risierung bei und betreiben z. T. gezielt eine Ver- deutschsprachige Diskurse, in der erstmalig auch
unglimpfung muslimischer Politiker*innen. Auch moderne Methoden des automatisierten Data-
virtuell geteilte Bildwelten dienen demnach als Mining angewendet wurden, bezieht Muslim-
Demarkation zwischen In-/Outgroups. Dabei wird feindlichkeit als ein wesentliches Thema ein (vgl.
gerade Twitter als Spiegel einer überwiegend mus- Guhl/Ebner/Rau 2020). Von den untersuchten
limfeindlichen Gesellschaft betrachtet, während islamrelevanten Posts haben mehr als die Hälfte
bei YouTube und Instagram offensichtlich auch
einige positive Tendenzen zu verzeichnen sind.
198 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

„muslimfeindliche Klischees verwendet, den sante Beobachtungen an, taugen als Instrumente
Islam als Bedrohung für die europäische Kultur einer wissenschaftlichen Beweisführung aber nur
dargestellt, diskriminierendes Verhalten gegen- bedingt. Dieses Defizit soll mit einem neuen For-
über Muslimen gerechtfertigt und den Islam schungsprojekt behoben werden.
als monolithische, statische, fremdartige und
minderwertige Religion beschrieben“ (ebd.: 33). 7.2.3 UEM-Data-Mining-Studie:
„Toxische Diskursräume“
Die Studie erkannte auch ein gewisses Potenzial,
dass rechtextreme Influencer*innen in gro- Der UEM hat eine Studie zur großflächigen Erfor­
ßen Publikumsnetzen gezielt Follower*innen schung von Muslimfeindlichkeit in deutschen
gewinnen, und empfahl der Politik daher – trotz sozialen Medien bei Prof. Dr. Pascal Jürgens,
eines grundsätzlichen Aufrufs zur Wahrung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Abteilung
Meinungsfreiheit im Internet – die Prüfung „risi- Computational Communication Science, in Auf-
kobasierte[r] Regelungsansätze“ (z. B. eine Sorg- trag gegeben (vgl. 2022). Ausgangspunkt war die
faltspflicht der Plattformbetreiber*innen) (ebd.: Diagnose einer Forschungslücke. Muslimfeind-
13). Der Zugang von rechtsextremen politischen lichkeit wird demnach im deutschsprachigen
Akteur*innen zur breiten Öffentlichkeit lässt sich Raum vor allem in der Studie von Guhl, Ebner
demnach notfalls auch durch die Sperrung von und Rau (2020) beim Institute for Strategic Dia-
Accounts erheblich eingrenzen. logue (ISD) identifiziert. In mancher Hinsicht ist
diese jedoch nicht befriedigend, da sie
Einige Studien haben sich auch mit muslimischer
Selbstrepräsentation im Internet beschäftigt, 1. sich auf rechtsextreme Akteur*innen konzent-
darunter die größere Studie von Engelmann et riert und nicht die Breite der gesellschaftlichen
al. über die „Muslimische Blogosphäre“ (2010) Mediennutzung abdeckt,
und Eckert und Chadhas Abhandlung von 2013 2. v. a. Dienste wie Gab, 4Chan, Discord und das
über das gleiche Thema. Die Forschung zur mus- russische Netzwerk Vkontakte untersucht,
limischen Präsenz in deutschsprachigen sozialen die in radikalen Kreisen, nicht aber bei durch-
Medien muss dennoch als defizitär bezeichnet schnittlichen Nutzer*innen verbreitet sind,
werden. 3. nur sehr kleine Stichproben enthält und
4. Extremismus wie Rassismus im Allgemeinen
Im Fazit lässt der Forschungsstand trotz aller untersucht, nicht aber Muslimfeindlichkeit im
Begrenztheit eine erhebliche Problematik von Speziellen (vgl. ebd.: 7).
Muslimfeindlichkeit als zentrales Feindbild rechts-
radikaler bzw. -extremistischer Onlinediskurse Auch ein weiterer Studienversuch des ISD
erkennen. Muslimfeindlichkeit hat allerdings bis- gemeinsam mit dem Institut für Demokratie
lang noch zu wenig im Zentrum vor allem der und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena greift hier zu
automatisierten Forschung (Data Mining) gestan- kurz (vgl. Fielitz et al. 2018). Hier werden zwar
den, um repräsentative und differenzierte Aussa- richtigerweise die strukturelle Ähnlichkeit und
gen zu tätigen. Vor allem die sozialpsychologische Wechselwirkungen der Feindbilder von radikalen
Vorurteilsforschung hat sich in Deutschland bis- Islamist*innen und Rechtsradikalen herausge-
lang mit Muslimfeindlichkeit in sozialen Medien arbeitet (vgl. Unterkapitel ↗ 7.2.4). Die Vorstellung
beschäftigt; diese verfügt aber naturgemäß nicht einer sich wechselweise verstärkenden Radikali-
über den geeigneten methodischen Zugriff auf die tät von politischen Gruppen ist aber zu begrenzt,
riesigen und stetig wachsenden Datenmengen. um Muslimfeindlichkeit im Internet zu verstehen
Entsprechende Beiträge stellen zwar interes- sowie die Tatsache, dass diese ein gesamtgesell-
Medien 199

schaftliches Phänomen ist. Muslimfeindlichkeit Die Verteilung der Beiträge über die untersuchten
entsteht keineswegs primär an den radikalen Kanäle verhält sich wie folgt:
Rändern. Sie ist ein Problem der gesellschaft-
lichen Mitte in Deutschland, die auf den Islamis- Tabelle 7.5: Stichprobe in Plattformen*
mus seit der Iranischen Revolution mit einer
breiten und vielfach generellen Abwehrhaltung Plattform n
gegenüber dem Islam und Muslim*innen reagiert
Twitter 265.757
hat. Dies belegen Studien zur öffentlichen Mei-
nung und zum Bild der Massenmedien (vgl. u. a. Facebook-Kommentare 129.383
K. Hafez/Schmidt 2015 sowie Unterkapitel ↗ 7.1). YouTube 128.774
Telegram 42.784
Die vom UEM beauftragte Studie steht hier auf
einer deutlich breiteren Datengrundlage. Sie Facebook-Posts 13.501
umfasst alle nicht durch Zugangsbeschränkungen Instagram 4.251
begrenzten großen sozialen Netze und hat dort
2021 Stichproben gesammelt (vgl. Jürgens 2022: Facebook-Werbung 496
10–15). Die Untersuchung unternimmt den 4Chan 94
Versuch, ein umfassendes Bild der verschiedenen
Quelle: Jürgens 2022: 15.
Formen von Muslimfeindlichkeit im Netz zu
erzeugen, das sich nicht nur auf radikale Gesin­ * Es wurden folgende Daten erhoben: Facebook (Posts, Kommen-
nungen konzentriert. tare, Werbung), Twitter (Tweets), 4Chan (Posts und Kommentare),
YouTube (Kommentare), Telegram (Nachrichten) sowie Instagram
(Posts).
Die Stichprobe ist über die Mainstream-Platt-
formen unterschiedlich verteilt, v. a. weil häufig Die inhaltliche Auswertung der Beiträge erfolgt
Zugangsbeschränkungen vorhanden sind und auf der Basis von zehn Themensträngen und einer
eigentlich nur Twitter allgemein zugänglich ist. allgemeinen Wertigkeitsanalyse, d. h. der Zuord-
Facebook etwa ist nur dort erforschbar, wo ent- nung der Texte zu eher positiven oder eher nega-
sprechende Gruppen – z. B. politische Parteien – tiven Bewertungstendenzen. Die Themen werden
ihre Debatten öffentlich machen. In der Unter- dabei mittels eines Deep-Learning-Verfahrens
suchung wurden insgesamt 585.040 Posts, Tweets namens BerTopic geclustert (vgl. ebd.: 19). Identi-
und Kommentare mit Islambezug in deutsch- fizierte Themenstränge und finale Stichproben-
sprachigen sozialen Netzwerken ermittelt. Bezogen größen:
auf das gesamte deutsche soziale Netz (mit einem
Rohdatensatz von 112.421.736 Beiträgen) bezieht
sich damit ca. 1 Prozent der Kommunikate auf
den Islam oder seine Varianten (Muslim*innen
usw.) (vgl. ebd.: 16). Die gewählte Methode erlaubt
folglich ein „umfassendes Abbild der gesamten
deutschsprachigen Inhalte mit Bezug zum Islam“
(ebd.: 11).
200 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Tabelle 7.6: Prävalenz von Kernthemen Im Ergebnis zeigt sich, dass die Bewertung des
Islams in den deutschsprachigen sozialen Medien
Thema n ganz überwiegend negativ ist (vgl. Werte unter 0
in ↗ Abb. 7.3). Trotz dieses generellen Trends
(Kein Kernthema identifiziert) 506.132
zeigen sich gewisse plattformtypische und the-
1 Islam in Deutschland 13.149 mentypische Unterschiede bei der Valenzzuord-
2 Palästina 12.234 nung. Facebook, 4Chan, Telegram und Twitter ver-
breiten ganz überwiegend negative Sichtweisen
3 Rückzug aus Afghanistan 8.411
auf den Islam und Muslim*innen, mit Ausnahme
4 Antisemitismus 8.368 des Themas „religiöse Feste“, das außer beim
5 Religiöse Feste 7.915 rechtsradikalen Netzwerk 4Chan überall posi-
tiv konnotiert ist. Auch in anderen Netzwerken
6 Frauen und Kopftuch 7.659 sind Muslim*innen jedoch nicht vor verbalen
7 Außenpolitik 6.190 Angriffen geschützt, da auch hier Stereotype und
„aggressive Unterstellungen“ (Jürgens 2022: 82)
8 Islamistische Anschläge 5.440
erkennbar sind. Instagram zeigt bei allen Themen
9 Türkei 5.085 eine positive Tendenz; YouTube-Kommentierun-
10 Islamisierung in Deutschland 4.457 gen sind immerhin bei den Themen „religiöse
Feste“ und „Islam in Deutschland“ positiv, wobei
Quelle: Jürgens 2022: 20. unter anderem die Bewertung des Kopftuchs
eine Rolle spielt. Wie noch zu zeigen sein wird
Positive und negative Bewertungstendenzen (vgl. Unterkapitel ↗ 7.2.5), beruhen die positiven
eines Themenstrangs wurden über ein trainiertes Bewertungen bei Instagram vor allem auf der dort
neuronales Netzwerk auf Basis eines deutschspra- stattfindenden Selbstdarstellung von Muslim*in-
chigen Transformermodells namens Distilbert nen. Wie in den theoretischen Hinführungen
Base German Cased erstellt. Der zuständige bereits erörtert, strahlt diese jedoch oft nicht in
Algorithmus operierte dabei über vier Epochen die Breite der Gesellschaft ab, sondern verbleibt
mit einer Validierung von 500 Stichproben (vgl. in den virtuellen muslimischen Gemeinschaften.
ebd.: 17). Diese Methode der automatisierten
Inhaltsanalyse erreicht die Verlässlichkeit mensch­
licher Kodierer*innen, also etwa die der Studie
von Richter und Paasch-Colberg zu Themen-
strukturen in Massenmedien (vgl. Unterkapitel
↗ 7.1.3). Qualitative Inhaltsanalysen können, wie
im Unterkapitel ↗ 7.2.5 zu zeigen sein wird, nur
kleine Textmengen untersuchen. Eine automati-
sierte computergestützte Analyse des gesamten
deutschen Netzes, die etwa die Unterscheidung
zwischen expliziten und impliziten Stereotypen
(Muslim*innen sind böse vs. Muslim*innen sind
anders usw.) berücksichtigt, ist derzeit nur für
radikale Websites durchführbar und muss weiter-
hin entwickelt werden (vgl. Vidgen/Yasseri 2020).
Die vorliegende Studie misst daher Muslimfeind-
lichkeit auch nur in ihren expliziten Formen.
Medien 201

Abbildung 7.3: Valenz der Themen innerhalb von Plattformen (Säulen nach unten zeigen eine
negative Bewertung)

1 Islam in Deutschland 2 Palästina 3 Rückzug aus Afghanistan


6

-2

-4
A B C D E F G H A B C D E F G H A B C D E F G H

4 Antisemitismus 5 Religiöse Feste 6 Frauen und Kopftuch


6

-2

-4
A B C D E F G H A B C D E F G H A B C D E F G H

7 Außenpolitik 8 Islamistische Anschläge 9 Türkei


6

-2

-4
A B C D E F G H A B C D E F G H A B C D E F G H

10 Islamisierung in Deutschland N/A Plattform


6
A 4Chan
4 B Facebook-Kommentare
C Facebook-Posts
2
D Facebook-Werbung
0 E Instagram
F Telegram
-2
G Twitter

-4 H YouTube
A B C D E F G H A B C D E F G H

Quelle: Jürgens 2022: 24.


202 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Die Zeitverlaufsanalyse (vgl. ↗ Abb. 7.4) zeigt negativer Bewertungen, die – mit Ausnahme von
bei den meisten islambezogenen Themen eine Instagram und im Ansatz auch von YouTube – nur
erstaunliche Beharrlichkeit und massive Präsenz selten positive Ausschläge zeigen.

Abbildung 7.4: Valenz von Themen im Zeitverlauf

1 Islam in Deutschland 2 Palästina


6

-3

3 Rückzug aus Afghanistan 4 Antisemitismus


6

-3

5 Religiöse Feste 6 Frauen und Kopftuch


6

-3

7 Außenpolitik 8 Islamistische Anschläge


6

-3

9 Türkei 10 Islamisierung in Deutschland


6

-3

Januar April Juli Oktober Januar


N/A 2021 2021 2021 2021 2022
6

-3

Januar April Juli Oktober Januar


2021 2021 2021 2021 2022

Quelle: Jürgens 2022: 22.


Medien 203

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das „Toxische Diskursräume führen vermutlich nicht
Negativbild des Islams in den meisten sozialen nur zu direkten Effekten für die teilnehmenden
Netzwerken im deutschsprachigen Raum empi- Nutzenden, sondern schrecken auch von
risch eng mit einer aggressiven Haltung gegen- zukünftigen Beteiligungen ab. Eine so selbst-
über Politik und Medien zusammenhängt: verstärkende Selbstselektion könnte erstens die
Entstehung der identifizierten und weitgehend
„Der Islam wird in sozialen Medien — das hat die homogen islamfeindlichen Kommunikations-
Analyse der zehn Kernthemen gezeigt — weitest- umgebungen erklären. Sollten sich Internet-
gehend in negativen Narrativen erwähnt. Über nutzende tatsächlich aufgrund von negati-
weite Strecken hinweg sind die in der Literatur ven Reaktionen von Diskussionen in sozialen
dokumentierten Stereotype explizit oder implizit Medien abwenden, würde diese Tendenz das
präsent. So finden sich zahlreiche Fälle, in denen integrative Potential des Internets nachhaltig
der Islam und Muslime pauschal als gewalttätig, schwächen.“ (Ebd.: 85)
terroristisch, intolerant, frauenfeindlich und
antisemitisch bezeichnet werden. Ängste vor 7.2.4 Wirkung von Muslimfeindlichkeit im
kultureller Überfremdung, einem Bevölkerungs- Netz: Brandstifter*innen der Gewalt?
austausch und wirtschaftlichen Nachteilen
für Nicht-Muslime führen nicht nur zu direkter Bei Massenmedien geht dieser Bericht von zwei
Ablehnung, sondern werden auch im inner- Wirkdimensionen aus: Diskriminierungserfah-
deutschen Diskurs in Wut auf Akteure aus Politik rung und Verlust sozialer Zugehörigkeit mit Blick
und Medien übersetzt.“ (Ebd.: 82) auf die muslimische Minderheit sowie Demo-
kratiegefährdung und Rechtsradikali­sierung der
Jürgens folgert zudem, dass das Islambild in sozia- nicht-muslimischen Bevölkerungsmehrheit.
len Medien stark vom internationalen Geschehen Bei sozialen Medien kommt noch eine weitere
geprägt wird, also von Konflikten, die „weder von Ebene hinzu, sodass wir über mindestens drei
deutschen Muslimen ausgelöst sind noch gelöst Wirk­dimensionen sprechen können:
werden können“ (ebd.: 83). Die starke Verbindung
von internationalem Geschehen und nationa- a) soziale Netzwirkungen auf die Minderheit
ler Minderheit wird als „fatal“ bezeichnet, weil (Muslim*innen),
dadurch ein von Ereignissen außerhalb Deutsch- b) soziale Netzwirkungen auf die Mehrheit
lands geprägtes Bild von Muslim*innen vor- (Nicht-Muslim*innen),
herrscht (vgl. ebd.). Auch die inlandsbezogenen c) soziale Netzwerk-Wechselwirkungen zwischen
Themen wie die Rolle von Frauen, das Tragen radikalen Gruppen.
eines Kopftuchs, antisemitische Einstellungen
unter Muslim*innen oder die Haltung zum Beginnt man mit dem ersten Punkt, so gilt für
Terror­ismus gelten als „besonders stark von Stereo­ die sozialen Medien wie schon für Massen-
typisierungen betroffen“ (ebd.: 84). medien, dass das ausgeprägte Negativbild des
Islams und von Muslim*innen in weiten Teilen
Die integrative Wirkung des Internets wird insge- der deutschsprachigen Mainstream-Netzwerke
samt in der Gesamtschau der Ergebnisse infrage geeignet ist, über den Umweg einer gesteigerten
gestellt: Diskriminierungswahrnehmung gesellschaftli-
che Zugehörigkeit und Vertrauen zu schwächen,
gesellschaftliche Polarisierung zu verstärken
sowie die Absonderung der Muslim*innen vom
Rest der Gesellschaft zu befördern. Dies legt die
204 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

UEM-Studie von Jürgens nahe, der über diese Muslim*innen versorgen. Um diesen Gruppen
hinaus weitergehende Wirkstudien vorschlägt beizutreten, bedarf es schon einer gewissen mus-
(vgl. 2022: 5). Die Möglichkeit besteht auch, dass limfeindlichen Anfangsmotivation, was dazu
Muslimfeindlichkeit im Netz die Gegenradikali- führt, dass sich vielfach vor allem diejenigen hier
sierung von muslimischen Jugendlichen verstärkt. austauschen, die ohnehin zu Muslimfeindlichkeit
Jugendschutz.net geht in einer Handreichung neigen. Dies erklärt wiederum, warum die Statis-
davon aus, dass antimuslimische Hasskommen- tiken zur Muslimfeindlichkeit in der öffentlichen
tare ihrerseits islamistische Onlinepropaganda Meinung relativ konstant (hoch) sind und sich
motivieren (vgl. 2021: 4–5). Solche Handreichun- durch das Vorhandensein sozialer Medien nicht
gen erreichen jedoch nicht das Niveau empiri- sprunghaft vergrößert haben. Auch auf den von
scher Wirkungsstudien, sodass Jürgensʼ Hinweis Jürgens untersuchten großen Plattformen exis-
auf Forschungsdefizite ernst zu nehmen ist. tiert also eine Vielzahl von Kanälen, die radikal
muslimfeindliche von gemäßigten sowie rassis-
Auch die zweite Wirkdimensionen verläuft muskritischen Nutzer*innen trennen – durchaus
zunächst ähnlich wie bei den Massenmedien ähnlich den existierenden ideologischen Filtern
und lässt eine Verstärkung sowohl muslimfeind- bei der Pressenutzung (vgl. Donsbach 1991).
licher als auch rechtsradikaler Einstellungen ver-
muten. Hinsichtlich der möglichen Verstärkung Das Hauptproblem der Wirkung sozialer Medien
von muslimfeindlichen Einstellungen in der auf die nicht-muslimische Bevölkerung mag
Breite der Bevölkerung muss zunächst einmal woanders liegen, nämlich im Bereich der Verstär­
festgestellt werden, dass sich diese seit Jahrzehn- kung rassistischer Sprechakte und Gewalttaten.
ten weitgehend parallel zum Islambild der Mas- Es ist heute Konsens in der Kommunikationswis-
senmedien bewegen – die Entwicklung sozialer senschaft, das Internet wie auch Medien insge-
Medien hat muslimfeindliche Einstellungen samt nicht zum alleinigen Auslöser von Gewalt
weder verursacht noch statistisch verstärkt. Mus- zu erklären. Andere politische, soziale und nicht
limfeindlichkeit ist eben kein Produkt moderner zuletzt psychische Faktoren müssen zwingend
„Hassmedien“, sondern sie ist ein gesamtgesell- hinzukommen. Die Forschung darüber, wie
schaftliches Gesche­hen, das trotz aller mögli- Medien- und Gesellschaftswirkung in verschiede-
chen Schwankun­gen und Varianzen eine große nen Feldern des Extremismus zusammenhängen,
historische Konti­nuität aufweist. ist noch immer „bruchstückhaft“ (Knipping-
Sorokin/Stumpf/Koch 2016: 45). Keiner weiteren
Dies bedeutet allerdings nicht, dass soziale Forschung bedarf allerdings die Tatsache, dass
Medien auf der Einstellungsebene wirkungslos schon geringste Prozentsätze an Täter*innen
wären, da Bilder und Texte radikaler Gruppen ausreichen, um den muslimfeindlichen Diskurs
sich viel einfacher in der Bevölkerung verteilen sozialer Medien als Aufruf zur Gewalt und Nach-
können als über die Massenmedien. In sozialen ahmung zu interpretieren und kapitale Verbre-
Medien entsteht dadurch tatsächlich eine neu- chen zu begehen. Die oben eingeführte Studie
artige – und explosive – Mischung von publi- des ISD von Guhl, Ebner und Rau warnt explizit
zierenden Akteur*innen, die im Wesentlichen vor der Brandstifter*innenwirkung von sozialen
konstante Bildwelten des Islams als frauenfeind- Medieninhalten, die „ganze Bevölkerungsteile als
lich, gewaltsam usw. weiter ausschmücken und Bedrohung darstellen“ und dadurch ein „Gefühl
zuspitzen. Im Internet existieren zudem Filter- dringenden Handlungsbedarfs“ erzeugten:
blasen bzw. Echokammern, in denen Mitglieder
bestimmter Chatgruppen sich selektiv nur mit
negativen Nachrichten über den Islam und
Medien 205

„Wie wir in den Manifesten der letzten rechts- bliert und es ist festzustellen, dass selbst simpelste
extremen Attentäter in Pittsburgh, Christchurch, Ereignisse und Handlungen von rechten Kreisen
Poway, El Paso und Halle gesehen haben, kön- angetriebene „digitale Infernos“ auslösen können.
nen Theorien wie die vom ‚großen Austausch‘ [...] Eine Videokonferenz des CDU-Bundestagsabge-
zu gewalttätigem Extremismus und Terrorismus ordneten Norbert Röttgen mit muslimischen
führen, auch ohne aktiv zu Gewalt aufzurufen.“ Stipendiat*innen im Jahr 2021 beispielsweise zog
(2020: 10, s. a. 47) einen rechten Shitstorm nach sich. Dazu sagte
Röttgen: „Es ist unglaublich, mit welchem Hass
Hinzuzufügen wäre, dass auch der norwegische junge Menschen aufgrund ihres Glaubens über-
Attentäter von Utøya zahlreiche ideologische zogen werden“ (Hille 2021). Beliebige Beispiele
Anleihen beim muslimfeindlichen Portal Politi- dieser Art könnten aufgelistet werden. Auch der
cally Incorrect getätigt hat und sich dort zu einem 2020 berufene Sonderbeauftragte des Europarats
Massenmord inspiriert sah (vgl. Haimerl 2011; für Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit,
Häusler 2014). In dieser Situation muss es also Daniel Höltgen, hat bereits vor bedrohlichen
als wirklich bedenklich gelten, wenn der von Jür- Angriffen auf islamische Verbände gewarnt (vgl.
gens nachgewiesene Diskurs über die angebliche Strack 2021). Shooman hat diese 2014 in Form
‚Islamisierung‘ der deutschen Gesellschaft und von Leser*innenbriefen an islamische Verbände
andere Bedrohungsszenarien auf Mainstream- nachgewiesen. Rechtsextreme verbale Gewalt im
Plattformen wie Twitter und Facebook überall und Internet als Reaktion auf islambezogene Ereig-
massiv präsent ist. Bei Weitem nicht jede extreme nisse jeder Art sind heute eher die Regel als die
Kommunikation führt zu gewaltsamen Hand- Ausnahme.
lungen – aber es darf als gesichert gelten, dass es
wohl keine Attentäter*innen mehr gibt, die die Des Weiteren stellt die Studie lediglich „inhalts-
sozialen Medien nicht nutzen. Die ISD-Studie hat bezogene“ Wirkungen fest (vgl. Strack 2021). Der
sehr deutlich darauf hingewiesen, dass darüber „ereignisbezogene“ Zusammenhang zwischen
nachgedacht werden muss, gerade den rechts- sozialen Medien und rassistischen Gewalttaten –
extremen Kern solcher Kommunikate von den von Moscheeschändung, Prügel bis hin zu Mord
Mainstream-Plattformen zu entfernen (vgl. Guhl/ (vgl. Unterkapitel ↗ 3.2) – ist selt­samerweise nie
Ebner/Rau 2020: 40). systematisch erforscht worden. Es fehlt also das
letzte Glied in den Wirkungsstudien. Auch wenn
Der bisherige Forschungsstand zur Wirkung von die Aussagen von Extremtäter*innen heute klar
sozialen Medien weist weitere Lücken auf. Fielitz zeigen, dass soziale Medien ihre Taten befördern,
et al. haben im Auftrag der Amadeu Antonio ist die Wirkung dieser Medien auf andere Formen
Stiftung zwar nachgewiesen, dass nach jedem muslimfeindlicher Alltagsgewalt noch nicht
islamistischen Anschlag die Zahl rechtsextremer abschließend erforscht. Sind soziale Medien wirk-
Hasspostings rapide ansteigt (vgl. 2018: 47–49). lich die entscheidenden Treiber der wachsenden
Zur Studie müssen allerdings einige kritische Alltagsgewalt gegen Muslim*innen? Oder wäre
Anmerkungen gemacht werden. Zunächst werden diese auch ohne die moderne Kommunikations-
terroristische Anlässe sehr einseitig als Ausgangs- technologie heute verbreitet, was wiederum zu
punkt der Wirkungsuntersuchung gewählt. Zwar der Frage führen müsste, welche anderen, mögli-
ist es richtig, dass der moderne Fundamentalis- cherweise wichtigeren Wirkfaktoren es noch gibt
mus vor allem der Iranischen Revolution 1978/79 (organisierte rechtsextreme Peergruppen, direkte
ein Weckruf für Muslimfeindlichkeit in deutsch- interpersonale Gruppenkommunikation usw.)?
sprachigen Medien gewesen ist. Mittlerweile ist Plausibel ist sicher, dass viele Faktoren eine Rolle
der Islam-Topos aber seit mehr als 40 Jahren eta- spielen, darunter auch soziale Medien, die wohl
206 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

noch mehr als die Massenmedien kleine gewalt- Chats allerdings nicht nachweisen (vgl. Fielitz
bereite Kreise zu muslimfeindlichen Taten anlei- et al. 2018: 42). Rechte Akteur*innen machen also
ten. Zugleich aber bewegt sich muslimfeind­liche eine Übermacht im deutschsprachigen Netz aus –
Gewalt spätestens seit 9/11 auf einem gewissen eine Tendenz zu einem Kampf extremer Ideo-
Sockelniveau und steigt nicht explosionsartig und logien, der sich auch international nachweisen
parallel mit sozialen Medien, die seit ca. 2005 die lässt (vgl. Bob 2012). Radikale Gruppen wechsel-
Welt erobert haben. Auf der Basis der momenta- wirken untereinander und sie nutzen soziale
nen Daten lässt sich demnach sagen, dass Muslim- Netzwerke, um Nachwuchs für ihre Anliegen zu
feindlichkeit im Netz auf jeden Fall im Einzelfall rekrutieren. Dieser Zweig der Internetforschung
von Extremtäter*innen Gewalttaten befeuert, dass gehört zu den ältesten überhaupt und entwickelte
aber der Zusammenhang mit niedrigschwelligen sich lange vor der Erfindung sozialer Medien
Taten noch nicht hinreichend geklärt scheint. (vgl. u. a. Weimann 2007).

Eine Besonderheit des Internets und der sozialen Jugendschutz.net betonte in einer Broschüre 2021
Medien ist zudem zu berücksichtigen, die wir als die Gefahren von Inhalten, die von extremisti-
dritte Wirkungsdimension beschreiben wollen. schen Organisationen auf regulären Plattformen
Soziale Medien entfalten eine stärker interaktive wie Instagram, YouTube oder Telegram gepostet
Dynamik als Massenmedien. Zwar ist die frühere werden. Jugendliche werden hier, häufig ohne
Unterscheidung zwischen den Massenmedien es zu merken, über unverfängliche Themen
als sogenannte Push-Medien, die Produkte fertig auf extremistische Seiten geleitet. Wie genau
zum Konsum anbieten, und dem Internet als muslimfeindliche Inhalte auf sozialen Medien
Pull-Medium, wo sich Nutzer*innen Informationen genutzt werden, um Jugendliche für rechts-
selbst suchen müssen und mit anderen kommu- extreme Organisationen und konkrete Gewalt-
nizieren können, zunehmend belanglos. Auch taten zu rekrutieren, ist allerdings noch nicht
die Angebote der Massenmedien lassen sich über hinreichend untersucht worden. Wahrscheinlich
digitale Plattformen und Mediatheken heute zeit- werden sie in öffentlich zugängliche Chats gelockt,
lich wie inhaltlich individuell zusammenstellen. um später dann – bei ‚Eignung‘ – in geschlossene
Allerdings bleibt ein zentraler Unterschied zwi- virtuelle Gemeinschaften einbezogen zu werden,
schen sozialen Medien und Massenmedien inso- die schließlich auch zu realen Treffen zur Verab­
fern bestehen, als erstere wesentlich stärker inter- redung krimineller Handlungen führen können.
aktiv ausgerichtet sind, Bürger*innen also als Solche Mechanismen kennt man von islamisti-
in der Mischform des Prod-Users zugleich selbst schen Rekrutierungen und sie werden sicher auch
produzieren und fremde Inhalte nutzen können. in der rechtsextremen Szene bestehen.
Diese Unterscheidung wiederum befördert die
Zersplitterung der sozialen Medien in kleine und Gegenmaßnahmen zur destruktiven sozialen
kleinste Öffentlichkeiten – von den halböffent- Wirkung von sozialen Medien im Bereich ver-
lichen Räumen, die nicht einmal für die Forschung baler wie realer Gewalt operieren oft in einer
zugänglich sind, einmal ganz abgesehen. rechtlichen Grauzone, müssen aber zweifelsohne
systematisch überdacht werden. Simone Rafael
Die kommunikative Komplexität steigert auch unterscheidet zwei verschiedene mögliche
die Komplexität der Medienwirkungen – und Handlungsebenen und vier Handlungsformen
treibt mitunter absurde Blüten. So intervenieren (vgl. 2017):
muslimfeindliche Kommentator*innen heute
direkt in islamistische Gruppenchats. Umgekehrt
lassen sich islamistische Akteur*innen in rechten
Medien 207

Strafrechtliche Handlungsebene: wortung auf Plattformbetreiber abgewälzt werde,


dass aber die Bundesländer sehr unterschied-
a) Anzeigen bei Verdacht auf Hassrede bei lich agieren. Zivilgesellschaftliche Akteur*innen
dafür unabhängigen Meldestellen wie werden z. B. nur in Bayern, Sachsen und Sachsen-
www.internet-beschwerdestelle.de oder Anhalt mitfinanziert. In Thüringen und Branden-
www.jugendschutz.net/hotline, burg gibt es hingegen keine Bildungsangebote
b) Meldung von Hasspostings bei den Plattform- in dem Bereich (vgl. Patz/Quent/Salheiser 2021:
unternehmen selbst, denen das Netzwerk- 71–72). In fast allen Ländern, so die Studie, sei das
durchsetzungsgesetz eine Prüfung innerhalb Thema im Schullehrplan, aber nur in wenigen
von 24 Stunden vorschreibt. gebe es gezielte Weiterbildungen für die Polizei.
In manchen Ländern kann man bis heute keine
Nicht-strafrechtliche Handlungsebene: Onlineanzeigen erstatten (vgl. ebd.: 74). Die juris-
tische Aufar­beitung ist ebenfalls unterschiedlich,
a) Ausschluss von noch nicht strafbaren Formen in manchen Bundesländern gibt es Beauftragte, in
der Hassrede, wobei Plattformbetreiber hier anderen nicht (vgl. ebd.: 76). Hinzuzufügen wäre,
häufig zögerlich sind, um nicht das Recht auf dass viele kleine radikale Communitys, die nicht
Meinungsfreiheit zu verletzten, auf den großen Plattformen aktiv sind, unbehel-
b) Counter-Speech-Techniken: Nachfragen, ligt zu bleiben scheinen.
Quellen anfordern, Gegenreden.
7.2.5 UEM-Studie zu Instagram:
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass alle Gegenöffentlichkeiten zur
Ebenen zur zukünftigen Bekämpfung nicht nur Muslimfeindlichkeit
von Muslimfeindlichkeit in sozialen Medien, son-
dern zur Verhinderung von schlimmsten realen Wie bereits die Studie von Jürgens verdeutlicht,
Folgen im Blick behalten werden müssen. Das weisen soziale Medien unterschiedliche Dynami-
bessere Erkennen von muslimfeindlichen Straf­ ken mit Blick auf Muslimfeindlichkeit auf.
taten seitens Behörden und Polizei (vgl. Unterka- Während z. B. auf Facebook, Twitter und Telegram
pitel ↗ 8.1.3.4) und in der Gesellschaft als Ganzes überwiegend eine stark ausgeprägte Negativ- und
ist hierbei bedeutsam, um durch das Internet Feindbildagenda des Islams und der Muslim*innen
motivierte Straftaten effektiv bekämpfen zu kön- existiert, ist dies bei Instagram (und in Ansätzen
nen. Es reicht nicht aus, wenn der Staat an dieser auch bei YouTube) deutlich weniger der Fall.
Stelle nur auf das Handeln von Einzelnen ver- Gerade Instagram mit dem Schwerpunkt auf Foto-
weist, die Straftaten zur Anzeige bringen sollen, und Video-Sharing scheint beim Thema Islam
ohne selbst in systematischer Form tätig zu werden. und Muslim*innen die Ausnahme von der Regel
einer vielfach auf negative Ereignisse und Themen
Eine Studie von Patz, Quent und Salheiser vom fixierten Medienöffentlichkeit zu sein.
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in
Jena hat deutlich gezeigt, dass die im Netzdurch- Angesichts der Vielzahl von Instagram-Posts ist
leitungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen in der es nahezu unmöglich, eine detaillierte Analyse
Praxis vielfach nicht konsequent durchgesetzt aller dort tätigen Akteur*innen vorzunehmen.
werden. Zu den Kritikpunkten gehört u. a., dass Auffällig ist jedoch, dass Muslim*innen selbst in
der Bund zwar eine neue Zentralstelle beim Bun- diesem sozialen Netzwerk hochaktiv sind und die
deskriminalamt geschaffen hat, die Meldewege positive Bewertung des Mediums daher weniger
für Beschwerden aber noch immer kompliziert einer außergewöhnlichen Fremd- als vielmehr
sind. Die Studie moniert zudem, dass viel Verant- einer positiveren Selbsteinschätzung entspricht.
208 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Inwieweit hier der vielfach benutzte Begriff der zum Zwecke einer Korrektur des massenmedialen
„muslimischen Community“ berechtigt ist, sei Feindbilds Islam zu sprechen – im Sinne eines
dahingestellt, da die Accounts und Posts zunächst „Intermedia Agenda-Setting“ (Vonbun/Kleinen-
als Äußerungen von Einzelpersonen zu verstehen von Königslöw/Schönbach 2016) –, ist es daher
sind und die Existenz einer virtuellen Gemein- wahrscheinlich noch zu früh.
schaft der Muslim*innen, die untereinander
vernetzt sind und sich austauschen, keineswegs Der UEM hat gleichwohl eine Nachuntersuchung
vorausgesetzt werden kann. Legitim erscheint zu muslimischen Aktivitäten auf Instagram bei
es jedoch, diesen Bereich als muslimische Gegen- von Tessa von Richthofen, Antonia Hafner und
öffentlichkeit zu bezeichnen. Während muslimi- Kirsten Wünsche vom Seminar für Medien- und
sche Repräsentationen in den Mainstreammedien Kommunikationswissenschaft der Universität
noch unterentwickelt sind, wie die aktuelle Erfurt in Auftrag gegeben (vgl. 2022). Ziel der
Studie von Richter und Paasch-Colberg zeigt (vgl. Studie ist es nicht, Wirkungen auf die Medien-
Unterkapitel ↗ 7.1.3), entstehen im Internet und öffentlichkeit zu untersuchen, sondern Qualität
insbesondere in sozialen Medien neue Kommu- und Potenziale der muslimischen Teilöffentlich-
nikationsräume für Mitglieder marginalisierter keit zu ergründen. Dabei stehen nicht beliebige
Gruppen. Aspekte im Zentrum, sondern die konkrete
Frage, wie die Akteur*innen als unter Umständen
Es ist äußerst schwierig zu untersuchen, inwieweit selbst Betroffene Muslimfeindlichkeit themati-
die gesteigerte Repräsentanz dann auch eine sieren und sich zu ihr verhalten. Instagram wird
echte Teilhabe an öffentlichen Debatten darstellt, als Plattform ausgewählt, weil hier eine hohe
da die Resonanz und Reichweite dieser Teilöffent­ Anzahl von Selbstrepräsentationen und positi-
lichkeit nicht zwangsläufig über einen engen ven Wendungen des Islambilds zu erwarten sind.
Kreis von Nutzer*innen hinausgehen muss. Da soziale Medien und insbesondere Instagram
Gemäß Abadi (2017) gibt es bis heute zumindest vor allem von jüngeren Menschen genutzt wer-
keinen Nachweis für eine nachhaltige Beeinflus- den – die stärkste Nutzung liegt in der Gruppe
sung der Massenmedien (Presse, Fernsehen und der 25- bis 34-Jährigen, gefolgt von den 18- bis
Radio) durch eine virtuell aktive muslimische 24-Jährigen (vgl. Statista 2022) –, ist dieser Teil der
Minderheit. Zugleich haben allerdings die Inter­ Bevölkerung auch erwartbar überrepräsentiert.
views mit führenden Journalist*innen in Deutsch­ Hinzu kommt gemäß von Richthofen, Hafner und
land deutlich gemacht, dass soziale Medien eine Wünsche, dass Instagram sich in den letzten Jah-
neue Quelle für sie darstellen (vgl. Unterkapitel ren in der Black-Lives-Matter-Bewegung und bei
↗ 7.1.5.3). Dabei ist jedoch auch deutlich geworden, anderen politischen Protesten hervorgetan hat,
dass v. a. Twitter deutlicher im Zentrum des jour- sodass hier ein aktivistischer und an politischer
nalistischen Schaffens steht als Facebook und Ins- Teilhabe interessierter Ausschnitt der Zielgruppe
tagram. So gilt erneut, dass aus der Existenz einer untersucht werden kann (vgl. 2022: 6). Zu den Leit-
muslimischen Gegenöffentlichkeit auf Instagram fragen der Studie zählen: Wer sind die Akteur*in-
nicht automatisch auf eine größere Meinungs- nen muslimischer Gegenöffentlichkeiten? Welche
macht in der breiten Öffentlichkeit geschlossen Themen werden von ihnen behandelt? Welche
werden darf. Es ist angebracht, die muslimische Argumentationen (Frames) gegenüber Muslim-
Präsenz auf Instagram zunächst einmal als einen feindlichkeit und Antimuslimischem Rassismus
„virtuellen Salon“ zu bezeichnen, der Zukunfts- werden verwendet? Und wie nehmen die
potenziale birgt. Um über eine Verknüpfung von Akteur*innen die Möglichkei­ten und Risiken
Instagram, wo Muslim*innen sich massiv zu Wort von Instagram wahr? (vgl. ebd.: 7).
melden, und der großen Medienöffentlichkeit
Medien 209

Methodisch basiert die qualitative Inhaltsanalyse Die thematische Netzwerkanalyse der aus-
auf mehreren Teilschritten: einer Akteur*innen-, gewählten Posts zeigt sehr deutlich, dass weder
Themen- und Framing-Analyse, gefolgt von einer religiös-theologische Themen noch eine Affi-
begrenzten Zahl von Interviews mit auf Instagram nität zum politischen Islam die muslimische
aktiven Personen, die sich selbst als muslimisch Gegenöffentlichkeit auf Instagram prägen (dies
identifizieren. Bilder werden im Kontext der Fra- gilt für diesen Ausschnitt muslimischer Insta-
ming-Analyse in reduzierter Form (z. B. personi- gram-Akteur*innen und schließt nicht alle auf
fiziert, gegenständlich, abstrakt) mitverarbeitet. dieser Plattform aktiven Muslim*innen ein). Im
Durch eine ethnografische Stichprobengene­ Vordergrund stehen vielmehr generelle politische
rierung über einen Zeitraum von acht Monaten Meinungen und Handlungen mit Blick auf die
werden im Schneeballprinzip 41 wichtige deutsche Gesellschaft, die allerdings durchaus
Akteur*in­nen identifiziert. Die Themenanalyse religiös konnotiert sein können. Die fünf häufigs-
stützt sich auf eine systematische Auswertung der ten Themen der untersuchten Instagram-Nut-
jeweils zehn beliebtesten Posts dieser Personen zer*innen sind Aktivismus, Muslimfeindlichkeit/
(n = 410). Es folgt eine Feinanalyse der Frames der- Antimuslimischer Rassismus, Rassismus im All-
jenigen Posts, die sich mit Muslimfeindlichkeit gemeinen, religiös-konnotierte Kleidung und
beschäftigen, sodass insgesamt neben einem brei- Berufsleben (vgl. ebd.: 15). Bezeichnend ist gemäß
ten Überblick über Themensetzungen eine ver- der Studie, dass diese Themen sowohl getrennt
tiefte Fallanalyse zum Thema Muslimfeindlichkeit als auch vernetzt auftreten können, wobei z. B.
möglich wird. Vier Interviews von jeweils 30 bis die Verbindung zwischen religiöser Kleidung und
60 Minuten Länge ergänzen den Methodenmix. Muslimfeindlichkeit, Aktivismus und Rassismus
stark gemacht wird, ebenso wie die thematische
Im Ergebnis der Akteur*innenanalyse zeigt sich Verbindung aus religiöser Kleidung und Berufsle-
gemäß von Richthofen, Hafner und Wünsche, ben (vgl. ↗ Abb. 7.5). Antimuslimischer Rassismus
dass Personen aus journalistischen, künstlerischen wird in dieser Instagram-Öffentlichkeit also u. a.
sowie geistes-/sozialwissenschaftlichen Ausbil- in professionellen Zusammenhängen verhandelt,
dungs- oder Berufskontexten in der Stichprobe wobei etwa das Kopftuch oder andere Formen
stärker repräsentiert sind als z. B. Personen aus religiöser Kleidung eine Schlüsselrolle spielen.
naturwissenschaftlichen Kontexten. Zwar ist die
Studie in einem statistischen Sinne nicht reprä-
sentativ (vgl. ebd.: 6), aber die Autor*innen stellen
die legitime Frage, ob „manche Personengruppen
eine größere Affinität zu öffentlichen Positionie-
rungen in sozialen Medien aufweisen als andere“
(ebd.: 13). Da die 41 untersuchten Akteur*innen
nach den Kriterien ihrer Bedeutung und Reich-
weite ausgewählt wurden, ist zu vermuten, dass
dieser soziale Bildungs-Bias, der möglicherweise
zugleich ein Mittelschichten-Bias ist, die Tendenz
fördert, sich zu Muslimfeindlichkeit und zu ande-
ren gesellschaftlich relevanten Themen zu äußern
und mit diesen Äußerungen auch Gehör zu fin-
den. Dieser Bias muss selbstverständlich nicht
durchgehend bei muslimischen Akteur*innen auf
Instagram vorhanden sein.
210 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abbildung 7.5: Thematische Netzwerkanalyse

Berufsleben
Repräsentation Antimuslimischer
Empowerment Rassismus
Sport
Religiös konnotierte Genozide
Kochrezepte
Kleidung

Alltag
Feminismus Persönliche
Angriffe
Politik
Aktivismus
Sexismus
Resonanz Deutschland
Politik Ausland
Bildung und
Pädagogik Veganismus
Koranexegese Gesellschaftliche Behördenkritik
Diskurse Queerness
Innerislamische Medienkritik
Diskurse Corona-Pandemie
Anschlag
Hanau 2020
Religiöse Werbung
Praxis Rassismus
Konversion Gesundheit Deutsche Rechtsextremismus
Einwanderungsgesellschaft
Sexuelle Bildung
Persönliches Selbstdarstellung
Mode
Humor Urlaub
Soziales Umfeld

Quelle: von Richthofen/Hafner/Wünsche 2022: 15.

Interpretiert man diese Daten vor dem Hinter- sentiert, darf daher als widerlegt gelten, da diese
grund der Studie von Richter und Paasch-Colberg, zumindest auf sozialen Medien aktiv und erreich-
die ermittelt haben, dass Muslim*innen als aktive bar sind. Die Vorstellung von Muslim*innen als
Sprecher*innen in deutschen Massenmedien einer introvertierten Gemeinschaft oder gar iso-
deutlich unterrepräsentiert sind (vgl. Unterkapitel lierten ‚Parallelgesellschaft‘ mit primär religiösen
↗ 7.1.3), so zeigt sich auf Instagram ganz deutlich Anliegen erweist sich damit als stark einseitig.
eine Gruppe öffentlichkeitsaffiner Muslim*innen,
die sich gezielt zu politischen Themen äußern. Das Muslim*innen machen gemäß der Studie unter
in öffentlichen Debatten und im Journalismus von Richthofen, Hafner und Wünsche gezielt
häufig geäußerte Argument, Muslim*innen böten auf Diskriminierungserfahrungen aufmerksam.
sich der Öffentlichkeit als Gesprächspartner*innen Besondere Beachtung erfährt im Untersuchungs-
zu wenig an und seien auch deshalb unterreprä- zeittraum das sogenannte Neutralitätsgesetz,83

83 Vgl. Deutscher Bundestag (2021): Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Erscheinungsbilds
von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften. Drucksache 19/26839. Online abrufbar:
https://dserver.bundestag.de/btd/19/268/1926839.pdf [08.05.2023].
Medien 211

das im Mai 2021 verabschiedet wurde. In diesem 2. Aktivismus-/Solidarisierungs-Frame:


Zusammenhang wurden Befürchtungen über Angehörige der Mehrheitsgesellschaft werden
eine Einschränkung des Kopftuchtragens am zum Engagement gegen Muslimfeindlichkeit
Arbeitsplatz laut. Die Unterdrückung von Frauen aufgefordert.
mit Kopftuch, so der Tenor auf Instagram, erfolge 3. Selbstwirksamkeits-/Empowerment-Frame:
nicht durch muslimische Männer, sondern durch Dieser Frame handelt von Strategien und
die deutsche Gesellschaft, die dessen Verwendung Maßnahmen zur Steigerung von Autonomie
einschränke (vgl. von Richthofen/Hafner/Wünsche bzw. Selbstbestimmung von Muslim*innen,
2022: 16). Ebenfalls thematisch bedeutsam war richtet sich anders als der Aktivismus-/Solida-
der rassistisch motivierte Anschlag von Hanau risierungs-Frame aber nicht an die Mehrheits-
am 19. Februar 2020, bei dem der Täter zehn Men- gesellschaft, sondern an Muslim*innen selbst.
schen und sich selbst tötete, was auf Instagram 4. Diskriminierungs-/Marginalisierungs-
Forderungen nach politischen Konsequenzen Frame: Hierunter wurden Aussagen und
sowie Kritik an der Medienberichterstattung laut Erfahrungen gruppiert, die z. B. von Bedro­
werden ließ (vgl. ebd.). hung, Beeinträchtigung oder Unsichtbar-
keit und Ausgrenzung muslimischen Lebens
An diesen beiden Beispielen lässt sich erkennen, in Deutschland handeln, darunter auch die
dass der Diskurs der muslimischen Gegenöffent­ Mehrfachdiskriminierung v. a. muslimischer
lichkeit vielfach konkrete Ereignisse (Neutralitäts- Frauen aufgrund von Glauben, Ethnizität,
gesetz, Hanau usw.) zum Anlass nimmt, langfristig Geschlecht und Kleidung/Aussehen.
eingeführte strukturelle Themen (Berufsleben, 5. Bildungs-/Sensibilisierungs-Frame: Anders
Integration, Muslimfeindlichkeit usw.) zu erörtern. als beim Aktivismus-/Solidarisierungs-Frame
Diese Themenöffentlichkeiten sind also durchaus werden hier nicht diffus mehr Aktivitäten
fokussierter als manche ereignisorientierte gefordert, sondern konkrete Aspekte und
Medien­berichterstattung, wo z. B. Rassismus als Erfahrungen der Bildungsarbeit gegen
Querschnittsthema selbst bei Ereignissen wie Muslimfeindlichkeit besprochen.
den NSU-Morden kaum berücksichtigt wurde 6. Gegendarstellungs-Frame: Hier bündeln sich
(vgl. Beierle et al. 2020: u. a. 141–143). Gegenargumente und Widerlegungen zum
Thema Muslimfeindlichkeit.
Die Framing-Analyse der Instagram-Studie, die 7. System-/Strukturdimensions-Frame: In
auf die Deutungen und Interpretationen der diesem Bereich versammeln sich Diskussionen
Nutzer*innen abzielt, ergibt sieben verschiedene über grundlegende Probleme der Diskrimi­
Haupt- mit jeweiligen Unterframes (von nierung, die nicht nur durch rassistische Ein-
Richthofen/Hafner/Wünsche 2020: 20–23): stellungen, sondern ebenso durch strukturelle
Routinen in Medien, Behörden, Bildungs-
1. Doppelmoral-Frame: In verschiedenen institutionen, Politik, Gesellschaft und
Sachkontexten werden Beschwerden darüber Geschichtsbild auftreten.
getätigt, dass an Muslim*innen deutlich
höhere Ansprüche gestellt würden als an Die unterschiedlichen Frames lassen sich Hand-
andere Menschen bzw. Muslim*innen lungsdimensionen zuordnen, die die Autorinnen
ungleich bewertet würden, was wiederum der Studie als „Sichtbarmachung“, „Aufklärung“
Diskriminierung verursachen könne. und „Aktivierung“ bezeichnen:
212 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abbildung 7.6: Dimensionen der Framing-Analyse (F steht für Frame)

Sichtbarmachung Aktivierung Aufklärung

• F4 Diskriminierung/ • F2 Aktivismus/ • F1 Doppelmoral


Marginalisierung Solidarisierung • F5 Gegendarstellung
• F7 System- und • F3 Selbstwirksamkeit/ • F6 Bildung/
Strukturdimensionen Empowerment Sensibilisierung

Quelle: von Richthofen/Hafner/Wünsche 2022: 23.

Es wird deutlich, dass muslimische Artikulationen 7.3 Christliche Medien


in sozialen Medien nicht nur voranschreiten,
sondern dass ein wachsendes Selbstbewusstsein Mit Blick auf das spezifische Segment der christ-
erkennbar wird. Auf der Basis der Studienergeb- lichen Medien stellt sich dem UEM die Frage,
nisse zeigt sich zudem sehr klar, dass es sich bei inwiefern auch diese an der allgemein anhalten-
muslimischer Repräsentation nicht nur um virtu- den einseitigen Negativtendenz medialer wie
elle Selbstdarstellungen, sondern um gesellschaft- öffentlicher Islamdiskurse teilhaben. Einerseits
liche Teilhabeangebote handelt. Diese richten liegt die Annahme nahe, dass die insgesamt eher
sich sowohl an die virtuelle Gemeinschaft der dialogische Haltung der christlichen Kirchen (vgl.
im Internet aktiven Muslim*innen als auch an Unterkapitel ↗ 9.4.1.1) zu weniger stereotypen
die Mehrheitsgesellschaft, da nicht nur kritisiert, Themenagenden, weniger negativen Frames und
sondern auch zu Veränderungen aufgefordert zu insgesamt religions- und diversitätssensibleren
wird. Im Sinne der Öffentlichkeitstheorie von medialen Darstellungen führen müssten. Ande-
Husband wird hier nicht mehr nur ein „right to rerseits ist zu prüfen, inwiefern sich im breiten
communicate“, sondern immer stärker auch ein Spektrum dessen, was als ‚christliche Medien‘
„right to be understood“ (vgl. 1996) in Anspruch bezeichnet wird, auch besonders abgrenzende
genommen. Muslim*innen auf Instagram streben und abwertende Islambilder und -diskurse wie-
zumindest beim Thema Muslimfeindlichkeit und derfinden und wie diese hinsichtlich ihrer For-
im Rahmen der Stichprobe nach gesellschaftlicher men und Funktionen einzuordnen sind. Um hier
Resonanz und wollen die öffentliche Debatte zu einer Einschätzung zu gelangen, wurde eine
aktiv mitprägen, da sie diese als vielfach tenden- explorative qualitative Studie zum Thema „Islam-
ziös und versiegelt wahrnehmen. Die Integration feindlichkeit in christlichen Medien“ in Auftrag
dieser Stimmen und ihre stärkere Berücksichti- gegeben, die angesichts fehlender Forschungen in
gung, die auch von den Fachredakteur*innen im diesem Feld erste Einschätzungen ermöglichen soll.
UEM-Hearing vielfach angemahnt worden ist, Gezielt wurden hierbei ausschließlich Negativdar-
sich aber in den heutigen Strukturen der Medien stellungen untersucht. Beauftragt wurde die Religi-
kaum realisieren lässt (vgl. Unterkapitel ↗ 7.1.5.3), onswissenschaftlerin Prof. Dr. Gritt Klinkhammer
wird dringend angeraten. (Universität Bremen), die ihre Pilotstudie anhand
ausgewählter Onlinemedien gemeinsam mit Jacob
Chilinski und Rosa Lütge erstellte.
Medien 213

7.3.1 UEM-Studie zu christlichen Einordnend fasst die Studie u. a. zum sogenann-


Onlinemedien ten „rechten“ Christentum den Forschungsstand
zusammen, der in Bezug auf eine Anfälligkeit
Die Studie Klinkhammer/Chilinski/Lütge (2023) von Kirchenmitgliedern für rechtextreme oder
fasst hierbei Formen impliziter und expliziter muslimfeindliche Haltungen keine nennenswerte
Islam- und Muslimfeindlichkeit entsprechend Abweichung im Vergleich zum Durchschnitt der
einschlägiger Definitionen (z. B. von Attia 2009; Bevölkerung ergibt, aber doch zeigt, „dass das
Shooman 2014) als Antimuslimischen Rassismus christliche Spektrum insgesamt von Ambivalenz
(AMR) auf. Insgesamt wurden 1.156 Artikel aus und Unsicherheit gegenüber Islam und Mus-
21 ausgesuchten Medien im Zeitraum April 2015 lim*innen geprägt ist“; auch könne sich innerhalb
bis Mai 2022 für das Sample der Studie untersucht „christlicher, islamfeindlicher Netzwerke“ eine
(vgl. Klinkhammer/Chilinski/Lütge 2023: 12, 80–86; theologische Aufladung von Islamfeindlichkeit
Tabelle 1 im Anhang). Die Medien sollten ein brei- vollziehen, die dann eine „Scharnier- und Ver-
tes Meinungsspektrum innerhalb der Konfessio- mittlungsfunktion zur gesellschaftlichen Mitte“
nen abbilden; hierbei wurden reine Printmedien einnehme (ebd.: 9).
ebenso ausgeschlossen wie soziale Medien. Evan-
gelische Onlinemedien: chrismon, CHRISTSEIN Wenngleich positive oder differenzierte Darstel-
HEUTE, EiNS, Evangelisch.de, evangelische aspekte, lungen von Islam oder Muslim*innen in christli-
Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg, chen Medien nicht Gegenstand der Untersuchung
IDEA, indeon, PRO das christliche Medienmagazin, waren, nimmt die Studie in einem knappen Exkurs
unterwegs. Katholische Medien: DOMRADIO, (vgl. ebd.: 68–71) auch hierauf Bezug. Ausgewogene
feinschwarz.net, Der Fels, katholisch.de, Die Neue Berichte, die normalisierend wirkten, finden sich
Ordnung, pax_zeit, Salzkörner, Tag des Herrn, z. T. in denselben Medien, die zugleich durchaus
Die Tagespost. Kontrastive Medien: diesseits.de, auch einseitige oder abwertende Beiträge veröffent-
Jüdische Allgemeine. lichten: Ein solches Nebeneinander kennzeichne,
so die Studie, in unterschiedlichem Maße vor
Einzelne Texte wurden hierbei einer Feinanalyse allem die Mainstream-Medien wie evangelisch.de,
unterzogen. Gefragt wurde, ob sich die islam- und katholisch.de oder DOMRADIO (vgl. ebd.: 71),
muslimfeindlichen Formen in diesen Medien von wobei Darstellungen von alltäglichen Lebenswel-
anderen antimuslimischen Deutungsmustern ten von Muslim*innen selten seien (vgl. ebd.: 78).
unterscheiden, welche Islambilder aus religiösen
Abgrenzungen resultieren, und inwiefern sie 7.3.2 Zu den Ergebnissen der UEM-Studie
Abwertungen enthalten. Untersucht wurden Posi-
tionen und Vorstellungen zum Islam und zu Mus- Dass auch christliche Medien in sehr unterschied-
lim*innen in christlichen Medien einschließlich licher Intensität an einseitigen medialen Islam-
ihrer Konstruktionsweise und (institutionellen diskursen partizipieren bzw. diese zum Teil auch
wie konfessionellen) Kontexte, um zu prüfen, ob mit hervorbringen, ist mit der vorgelegten Studie
und inwiefern christliche Medien spezifische anti- grundsätzlich belegt. Zweifelsohne ist AMR in
muslimische Bilder produzieren. Die qualitative christlichen Onlinemedien durchaus sowohl the-
Herangehensweise schloss insgesamt die Suche matisch als auch strukturell – z. B. durch fehlende
nach Zusammenhängen zwischen sozialen, gesell- muslimische Stimmen oder deren Auswahl – zu
schaftlichen oder politischen Bedingungen und finden. Islam- und Muslimfeindlichkeit unter-
Kontexten und den Konstruktionen von negati- schieden sich in den untersuchten christlichen
ven Islambildern in den ausgesuchten Medien ein Medien nicht grundsätzlich von vorhandenen
(vgl. ebd.: 1–4). antimuslimischen Mustern. So findet sich z. B.
214 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

auch hier das besondere Betonen der Überlegen­ wahlweise bekannte Verbandsvertreter*innen,
heit einer ‚christlichen Leitkultur‘, die mit einer islamische Theolog*innen oder sogenannte ‚libe-
‚islamischen Kultur‘ schwer zu vermitteln sei. rale Muslim*innen‘. Für kritische Sichtweisen
Demgegenüber werden mit dem Islam Terror, über den ‚konservativen Islam‘ werden sodann
Unterdrückung und Demokratiefeindlichkeit in bevorzugt Muslim*innen der Initiative Säkularer
Verbindung gebracht. Islam als Referenz angeführt. Medien wie IDEA,
Die Neue Ordnung oder Tag des Herrn ließen Mus-
Wenngleich sich die ausgewählten Medien insge- lim*innen hingegen gar nicht zu Wort kommen,
samt höchst unterschiedlich mit dem Islam bzw. sondern statt ihrer Nicht-Muslim*innen (z. B.
den muslimischen Gläubigen befassen und sich Politiker*innen, christliche Religionsvertreter*in-
sowohl hinsichtlich der thematischen Zuschnitte nen oder sogenannte ‚Islamexpert*innen‘; vgl.
und ihrer Varianz als auch in der Intensität ihrer ebd: 17–18). Demnach gilt es auch in christlichen
Aussagen unterscheiden, demonstriert die Studie Medien, die Vielfalt muslimischer Positionen und
auch eine klare Anschlussfähigkeit von Main- alltäglicher Lebenswelten deutlich stärker einzu-
stream-Medien zu islamfeindlichen oder rechten binden. Dem Rat der Studie, eine diesbezügliche
Deutungsmustern: Normalisierung „über eine weniger problem­
fixierte, mehr lösungsorientierte Berichterstattung
„In Bezug auf eine wohl intendierte Produktion und journalistische Befassung mit dem Islam als
von islamfeindlichen, rassistischen bis hin zu Religion und den Muslim*innen als Akteur*in-
verschwörungstheoretischen Artikeln sind solche nen“ (ebd.: 79) zu erzielen, ist zuzustimmen. Um
aus Der Fels, Die Neue Ordnung und Die Tages- jedoch z. B. konfessionelle Differenzen innerhalb
post zu erwähnen [...]. Es zeigte sich zudem, dass der christlichen Medien zu konturieren oder um
weitere christliche Onlinemedien unter der Viel- einzelne thematische Diskurse sorgfältig und ver-
falt ihrer Artikel auch solche mit deutlich islam- tiefter zu erfassen, sind zweifelsohne weitere Ana-
feindlichen Narrativen aufweisen, ohne darauf lysen notwendig, die eine breitere Medienauswahl
aber einseitig festgelegt bzw. als Medium in Gänze erlauben sowie deren ausführliche Typisierung
als islamfeindlich typisiert werden zu können umfassend darlegen. Zudem fehlt ein repräsen-
(z. B. katholisch.de, IDEA, PRO, DOMRADIO). tatives Gesamtbild, das Auskunft über ‚die‘ Islam-
Darin bestätigt sich die These, dass AMR nicht wahrnehmung und Darstellung von Muslim*in-
allein ein Phänomen am ‚rechten Rand‘ sondern nen innerhalb des breiten Spektrums christlicher
auch in Mainstream-Diskursen wirkt bzw. anti- Medien gibt. Diese könnten die Einordnungen in
muslimische Deutungsmuster hier – wenn auch das jeweilige (kirchen-)politische Spektrum noch
meist subtiler – weitergetragen oder produziert stärker berücksichtigen oder die konfessionelle
werden.“ (Ebd.: 75–76) Breite und Binnendifferenz umfassender abbil-
den. Denn über die beiden sogenannten ‚Groß-
Die christlichen Medien seien zudem, so betont kirchen‘ hinaus wären zudem die vielfältigen
die Studie weiter, vielfach sehr selbstreferenziell Publikationsorgane weiterer Kirchen, Milieus und
und ließen eine kritisch reflexive Perspektive auf Gruppen in Deutschland (z. B. orthodoxer Kirchen,
eigene Privilegien oder Konfliktbeteiligungen Migrationsgemeinden, transnationaler Missions-
ebenso vermissen wie eine (breite) Einbeziehung bewegungen bis hin zu christlicher Religionsfor-
muslimischer Perspektiven und Stimmen (vgl. mationen jenseits der Kirchlichkeit) für weitere
ebd.: 77). Bezüglich der muslimischen Perspek- Erkenntnisse lohnend. Auch der Bereich kirchlich-
tiven und Sprecher*innen sei auffällig, dass christlicher Social-Media-Foren und digitaler
Muslim*innen, die keine besondere öffentliche Communitys ist mit Blick auf AMR bisher nicht
Rolle innehaben, nicht zu Wort kämen, sondern systematisch erforscht.
Medien 215

In den von Klinkhammer, Chilinski und Lütge Auch in Bezug auf die anderen genannten Themen
ausgewählten christlichen Medien zeigt sich zeigt die Studie, dass maßgeblich die im Zitat
eine „islamfeindliche Schieflage“ (ebd.: 18), wie sie genannten drei Medien rassistische Muster ver-
medial insgesamt in Bezug auf das Thema Islam wenden, wobei insbesondere Die Neue Ordnung
und Muslim*innen gilt. So werden diese auch hier in sehr eindeutiger Weise auch Verschwörungs-
im Kontext von Extremismus, Terrorismus sowie narrative verbreitet (vgl. ebd.: 23). Wiederkeh-
Migration und (Des-)Integration thematisiert. rendes Motiv innerhalb der vermeintlichen
Darüber hinaus würden allerdings auch religiöse Bedrohungslage ist hier der „Verlust der eigenen
Themen (Gottesbild, interreligiöser Dialog, Reli- europäisch-christlichen Identität“ (ebd.: 25) und
gionsfreiheit, islamisch-religiöse Ereignisse oder die daher notwendige Verteidigung Europas vor
christliche Elemente im Islam) behandelt (vgl. dem Islam; hierbei wird der Versuch unternom-
ebd.: 19). Hierbei zeigt sich insgesamt eine breite men, die eigene Rolle als konservativ auszuweisen
Varianz der Beurteilungen: „So reichen die Dar- und sich damit vom rechten Lager abzugrenzen.
stellungen eines muslimischen Gottesbildes von Behauptungen über vermeintliche ‚Sprechver-
einer expliziten Abwertung bis zu einem Motiv bote‘, wie der Topos, dass der ‚Islamismus‘ kaum
der Geschwisterlichkeit von Islam und Christen- thematisiert und die davon ausgehenden Gefah-
tum“ (ebd: 18). Zu notieren ist zudem, dass einige ren für die Gesellschaft bagatellisiert würden,
der untersuchten christlichen Onlinemedien finden sich wiederum in sehr expliziter Form in
islambezogene Thematiken fast gar nicht aufgrei- Die Neue Ordnung und Der Fels. Diese Themen
fen (vgl. ebd.: 18). Die Studie demonstriert zudem sind anschlussfähig mit der bekannten Unterstel-
an mehreren Stellen, dass sich auch durch indi- lung einer ‚gesteuerten Presse‘ bzw. das Konstrukt
rektes Sprechen muslimfeindliche Kritik trans- einer Tabuisierung von Themen durch eine links-
portiert und nennt hierzu das unkommentierte grüne Deutungshoheit. Wiederum zeigt sich, dass
Wiedergeben von muslimfeindlichen Statements, religiös begründeter Extremismus unter Mus-
das Untermauern der eigenen Argumente unter lim*innen bzw. ‚politischer Islam‘ ein dominantes
Berufung auf Studien Dritter oder das suggestive Thema in der Berichterstattung über Muslim*in-
Fragen in Interviews (vgl. ebd.: 19). Beiträge über nen und Islam sind (vgl. ebd.).
Themen, die explizit antimuslimisch entfaltet
werden, untersucht die Studie (vgl. ebd.: Kap. 2.2 Dieser Topos wird auch in Beiträgen anderer
Themen der Islamfeindlichkeit) zunächst unter Medien (IDEA, DOMRADIO) in indirekten Weisen
der Überschrift „Gefahr der Islamisierung“ (vgl. aufgegriffen (vgl. ebd.: 29). Zudem werden in
ebd.: Kap. 2.2.1). Hierbei hat sich gezeigt, den Zeitschriften Der Fels, Die Tagespost und Die
Neue Ordnung Vertreter*innen der Volkskirchen
„dass es von den untersuchten Medien ins- kritisiert, die sich für interreligiöse Dialoge oder
besondere Die Neue Ordnung, Der Fels und Die für Flüchtlingshilfe einsetzen. „Dies seien keine
Tagespost sind, die sehr offen das Bild vertreten, christlichen Handlungen aus Nächstenliebe, son-
dass europäische Gesellschaften islamisiert wer- dern sie seien von politischer Ideologie getrieben
den. Ihre Berichterstattung ist von einer Wahr- und förderten die vorgeblich drohende Islamisie-
nehmung geprägt, die Islam weitestgehend als rung des Abendlandes“ (ebd.: 30).
Bedrohung für den ‚Westen‘ und das Christen-
tum ausmacht.“ (Ebd.: 21) Insgesamt wird in einer bestimmten Sektion
(rechts-)konservativer christlichen Medien (Die
Neue Ordnung, Die Tagespost, Der Fels) sehr offen
vor einer Islamisierung gewarnt, insbesondere im
Kontext von Migration; hierbei werden radikale
216 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Verschwörungstheorien wie die des sogenannten schend, Vielfalt im Islam hingegen wird ebenso
großen Austauschs verbreitet, wobei gegensätz- ignoriert, „wie die Möglichkeit, dass Identitätska-
lichen binären Codes (christlich, westlich, europä- tegorien auch außerhalb von Religion eine Rolle
isch versus islamisch, arabisch und muslimisch) spielen könnten“ (ebd.: 49). Zudem wird vielfach
gefolgt wird: der Islam als Integrationshindernis gesehen, hin-
gegen ein ‚deutscher‘, ‚vernünftiger‘, ‚liberaler‘ oder
„In der prognostizierten ‚Degenerierung‘ der gar ‚säkularer‘ Islam als integrierbar (vgl. ebd.).
Gesellschaft durch ‚Vermischung‘ zeigen sich
Mechanismen des kulturalistischen Rassismus. Hinsichtlich der zum Ausdruck kommenden
Teilweise werden diese Themen in impliziterer islam- und muslimfeindlichen Aussagen ist ein
Form auch in anderen Medien verhandelt und besonderes Augenmerk auf die doppelte Schar-
sind so anschlussfähig an Narrative, die Islam nierfunktion rechtspopulistisch argumentieren-
als Bedrohung für westliche Gesellschaften oder der christlicher Medien zu legen, die zum einen
sogar eine Islamisierung ausmachen.“ (Ebd.: 31) in rechte Milieus vernetzt sind, zum anderen
aber auf das Mainstream-Milieu einwirken, wie
Prozesse des Otherings spielen auch in christ- die Studie zeigt. Das Einwirken auf Mainstream-
lichen Medien eine Rolle, wie die Studie im Medien erfolgt hier z. B. durch kommentar- oder
Abschnitt „Der Islam als das rückschrittliche kritiklose Übernahme, Zusammenfassung oder
Andere“ darlegt, der wiederum explizit muslim- Zitate aus anderen, einseitig islamfeindlich
feindliche Themen kompiliert (vgl. ebd.: Kap. schreibenden Medien bzw. indirekt durch das
2.2.2). Hierbei fungiere die eigene religiöse Tra- verstärkende Aufgreifen von deren Themen (vgl.
dition meist als positives Gegenbild. Es zeigt sich ebd.: 19). Die diesbezüglichen Querbindungen in
erneut eine deutliche Stufung innerhalb der den Blick zu nehmen, aber auch konkrete Perso-
untersuchten Medien: nengruppe oder jeweilige Foren zu identifizieren,
wie dies z. B. im Kontext des rechtskonservativen
„Während Der Fels und Die Neue Ordnung „Forums deutscher Katholiken“ anfänglich auch
Abwertungen sehr explizit äußern und kom- wissenschaftlich erfolgt ist, würde hier weitere
plette Artikel auf islamfeindlichen Narrativen Aufschlüsse über die Konstruktionen und Funk-
aufbauen lassen, findet das sonst oft subtiler tionen entsprechender Negativbilder geben. Eine
statt. Die untersuchten Medien unterscheiden umfassende Medienanalyse in Bezug auf spezi-
sich in der Häufigkeit und Dominanz, in der fische Netzwerke könnte hier dazu beitragen, die
dieses Bild auftaucht sehr stark. In den meis- fließenden Grenzen rechtspopulistischer Gesin-
ten evangelischen Medien gibt es eine Ten- nungen zwischen spezifischen christlichen und
denz, ‚liberale‘ Muslim*innen/einen ‚libera- politischen Gruppen wissenschaftlich valider
len‘ Islam als positiv darzustellen und implizit aufzuzeigen, als dies bisher erfolgt ist. Durch das
oder explizit ‚andere‘ Muslim*innen dann als Fokussieren einzelner Personen oder journalisti-
unterdrückerisch, unfrei oder im Gegensatz zu sche Arbeiten (vgl. Wirsching 2019; Bednarz 2018)
Menschenrechten stehend.“ (Ebd.: 35) ist dies nicht gewährleistet; ebenso wenig durch
einzelne Aufsätze zur Frage, wie konservative,
Entsprechend zeigt die Analyse, dass der Islam religiöse Themen und christliche Aktivist*innen
immer wieder als rückständig oder undemokra- sich mit einem rechtspopulistischen Diskurs ver-
tisch dargestellt wird, wie sich z. B. in der Thema- binden konnten (vgl. Althoff 2018), oder theolo-
tisierung der „Unterdrückung und rechtlichen gisch perspektivierte Veröffentlichungen (vgl. vor
Situation von Frauen“ zeigt. Verallgemeinernde allem Strube 2015; BAGKR: 2022]. Diese schaffen
Bilder einer einheitlichen Religion sind vorherr-
Medien 217

gleichwohl sehr wichtige Grundlegungen für 7.4 Fazit


diesbezügliche Medienanalysen.
Eine repräsentative Studie des UEM hat gezeigt,
Interessant ist zudem die Ambivalenz, die die dass der Islam und Muslim*innen in den großen
Studie hier in Bezug auf die Frage der Religions- deutschen Medien – Presse wie Fernsehen, lokal
freiheit aufzeigt: Einerseits wird betont, dass diese wie national – immer noch vor allem in negativen
geachtet werden müsse und religiöse Symbole Themenkontexten in Erscheinung treten. Ein
öffentlich sichtbar sein sollten, wohingegen das Negativbild des Islams und der Muslim*innen
Kopftuch z. B. „bei IDEA und PRO häufig als Teil ist, trotz Abweichungen einzelner Medien, in
des ‚politischen Islam‘ und von Unterdrückung der Regel bei Zeitungen stark und im Fernsehen
gesehen [wird]“ (Klinkhammer/Chilinski/Lütge sogar extrem stark ausgeprägt. Während von
2023: 38). So stehen zuweilen in demselben Muslim*innen ausgeübte Gewalt und auf reli-
Medium (z. B. DOMRADIO) Beiträge nebenein- giöse Faktoren verengte Debatten um ‚Integration‘
ander, die sich für und gegen Kopftuchverbote stark im Fokus der Medien stehen, ist gegen
aussprechen. Die Studie legt ferner dar, dass die Muslim*innen gerichtete und in der Regel rechts-
untersuchten Medien von einer christlichen extremistische Gewalt nur ein Randthema. Lang-
Perspektive geleitet sind, die vielfach vereinseiti- fristige Stereotype des Islams (frauenfeindlich,
gend wirkt und sachliche Schieflagen produziert. gewalttätig, fanatisch usw.) werden bis in die
Eigene christliche Privilegien bleiben unhinter- Gegenwart in den Nachrichtenmedien thema-
fragt (vgl. ebd.: 50): Z. B. wird der eigene Friedens- tisch reproduziert. Es fehlt eine Diversifizierung
beitrag hier stärker herausgestellt, das Thema der Themenpalette, die konstruktive Aspekte der
Christenverfolgung teilweise stark instrumenta- Lebensrealität stärker einbezieht. Muslim*innen
lisiert oder es besteht eine Blindheit dafür, auch treten in Massenmedien – anders als in sozialen
selbst in strukturellem Rassismus verwoben zu Medien (s. unten) – zudem nach wie vor kaum als
sein. Die in der Studie aufgeworfene Frage, inwie- Sprecher*innen in Erscheinung und werden in
fern eine christlich-religiöse Sicht islamfeindliche hohem Maße objektifiziert. Die Analyse textlicher
Ab- und Ausgrenzungen noch verstärkt, wäre und visueller Darstellungen konnte vom UEM
ebenfalls zu vertiefen. Denn umgekehrt ist es in nicht aktualisiert werden; der Forschungsstand
Bezug auf die islam- und muslimfeindlichen Aus- weist jedoch auch hier auf gravierende Probleme
sagen rechter Gruppen reichlich paradox, dass einer einseitigen Darstellungsweise.
gerade das Religiöse in einer sich weitgehend
säkular verstehenden Gesellschaft, die in religiösen Ursachen für Verzerrungen im Medienbild sind
Fragen indifferent ist, als Kriterium der Differenz in einem anonymisierten Hearing mit führenden
und Ausgrenzung benannt wird (vgl. Kampling deutschen Redakteur*innen ermittelt worden.
2012: 163; Althoff 2018; Bitzl/Kurze 2021). Im Ergebnis zeigen sich durchaus einige Potenziale
und auch positive Veränderungen in deutschen
Medien, besonders aber ein großer Reformstau.
Zu den Problemen zählen:
218 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

• Eine begrenzte Sensibilisierung der Chef­ Trotz gewisser Forschungslücken im Bereich der
redaktionen für Muslimfeindlichkeit Medienwirkung weist der bisherige Forschungs-
• Ein starker Einfluss kommerzieller Motive stand darauf hin, dass das verbreitete Negativbild
• Zugenommener populistischer Druck auf der Medien muslimfeindliche Einstellungen in
Redaktionen der Bevölkerung konsolidiert oder sogar verstärkt.
• Begrenzter Zugriff auf muslimische Quellen Das einseitig negative Islambild kann zu Ver-
sowohl im In- als auch im Ausland trauensverlusten bei Muslim*innen wie auch zur
• Eine starke Stellung umstrittener ‚Islam­ Förderung rechtsextremer Gewalthandlungen
expert*innen‘ als Autor*innen führen.
• Eine noch immer begrenzte muslimische
Diversität in deutschen Nachrichtenredaktionen Muslimfeindlichkeit fällt im Internet sprachlich
• Mängel in der journalistischen Ethik und wie inhaltlich noch drastischer aus als in den
Ausbildung Massenmedien. Der UEM veranlasste die bislang
größte Data-Mining-Studie im deutschsprachi-
Auch christliche Medien haben in sehr unter- gen Netz zu Muslimfeindlichkeit. Diese warnt vor
schiedlicher Intensität an einseitigen medialen einer starken Tendenz großer Plattformen wie
Islamdiskursen teil. Entsprechend ist Antimusli- Twitter, 4Chan, Telegram und Facebook, die Reli-
mischer Rassismus hier durchaus sowohl thema- gion des Islams sowie Muslim*innen als pauschal
tisch als auch strukturell zu finden. Islam- und gewalttätig, terroristisch, intolerant, frauenfeind-
Muslimfeindlichkeit unterschieden sich, wo sie lich und antisemitisch zu charakterisieren und
innerhalb dieser Medien auftreten, nicht grund- verschwörungstheoretische Ideen (z. B. über einen
sätzlich von vorhandenen antimuslimischen drohenden Bevölkerungsaustausch) zu kolpor-
Mustern. Ausgewogene Berichte finden sich z. T. tieren. Deutsche soziale Medien bilden demnach
in denselben Medien, die gleichzeitig einseitige einen „toxischen Diskursraum“, dessen rassis-
oder abwertende Beiträge veröffentlichen. Ins- tische Sprechakte pogromartige Gewalt wie in
gesamt fehlen jedoch Darstellungen von alltäg- Hanau befördern können. Der Zusammenhang zu
lichen Lebenswelten von Muslim*innen. Ob und niedrigschwelliger Gewalt (gegen Moscheen, im
inwiefern eine christlich-religiöse Sicht muslim- Alltag) muss besser untersucht werden.
feindliche Ab- und Ausgrenzungen noch ver-
stärken kann, wäre zu vertiefen. Eine umfassende Positiv ist zu vermerken, dass vor allem Instagram
Medienanalyse in Bezug auf spezifische Netz- und auch YouTube-Kommentare einen gewissen
werke könnte hier dazu beitragen, die fließenden Raum für eine muslimische Gegenöffentlichkeit
Grenzen rechtspopulistischer Gesinnungen zwi- gerade für junge Menschen schaffen. Im Vorder-
schen spezifischen christlichen und politischen grund stehen hierbei nicht religiöse Themen, son-
Gruppen wissenschaftlich aufzuzeigen. dern Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit und
Alltagsfragen. Es entsteht ein wachsendes und
bislang wenig genutztes Reservoir an Gesprächs-
partner*innen für den Journalismus.
Medien 219

7.5 Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

› die Diversifizierung der Themenpalette der politischen Nachrichten sowie eine Stärkung lebenswelt-
licher Themen, um die einseitig konfliktorientierte Berichterstattung über den Islam zu überwinden
und die Sichtbarkeit muslimischer Akteur*innen nachhaltig zu verbessern.

› eine Erweiterung des Medienframings und eine stärkere Einbeziehung von Muslim*innen (inkl.
Vertreter*innen der LGBTQIA+-Community) als Sprecher*innen in den Mediendiskurs, um kulturalis­
tische Deutungen zu vermeiden und eine vielfältige Darstellung muslimischen Lebens zu erreichen.

› eine vollständige Neubestimmung des Bildjournalismus zur Überwindung visueller Stereotype.

› eine verbesserte Medienkompetenzschulung durch Bildungseinrichtungen, um das Interesse an der


Vielfalt des Islams im nicht-muslimischen Publikum zu steigern und das Medienvertrauen muslimischer
Leser*innen in deutsche Medien zu stärken.

› eine größere Aufmerksamkeit der Forschung für die Beziehung zwischen muslimfeindlichen
Medieninhalten und rechtsextremer (und z. T. auch islamistischer) Radikalisierung.

› eine grundlegende Reform der Produktionsstrukturen im Journalismus, auf Leitungsebene der


Medien und in der professionellen Selbstkontrolle (inkl. Mediengewerkschaften und -verbänden),
um Medienschaffende und -organisationen nachhaltig zu sensibilisieren.

› eine verbesserte ethische Verankerung des Themas Rassismus im Pressekodex des Deutschen
Presserats (Erwähnung von Muslimfeindlichkeit in § 12) und die Stärkung islambezogener Kompetenzen
in der Aus- und Weiterbildung von Journalist*innen.

› eine bessere Berücksichtigung von fremdsprachlichen Quellen aus muslimischen Ländern, um die
gesellschaftlichen Entwicklungen dort besser zu verstehen.

› eine stärkere Wahrnehmung sozialer Medien als potenzielle Quellen authentischer und faktengeprüfter
muslimischer Themen und Sichtweisen.

› eine zunehmende Repräsentation von Personen mit muslimischen Identitätsbezügen bzw. rassismus-
sensiblen Kompetenzen auf mittlerer und höherer journalistischer Ebene (Nachdenken über
Quotenregelungen).

› eine Realisierung der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Vielfalt der Rundfunkgremien (gemäß


Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 25. März 2014 und 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom
18. Juni 2015) zur muslimischen Selbstrepräsentation in den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen
Anstalten, möglichst mit Religionsvertreter*innen von Verbänden sowie der weiteren muslimischen
Zivilgesellschaft.
220 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

› eine auf rechtlicher Ebene angesiedelte Sensibilisierung und Medienkompetenzschulung von


Behörden für muslimfeindliche Straftaten im Netz (Netzwerkdurchsetzungsgesetz), gegebenenfalls
auch die Sperrung von Accounts von rechtsextremen Akteur*innen sowie den Ausbau von behörd-
lichen Strukturen zur Strafverfolgung.

› die bessere Identifikation von muslimfeindlichen Inhalten durch Plattformbetreiber auch durch
stärkere Beteiligung von Betroffenen (Co-Regulierung) und die eigenständige Löschung von
strafrechtlich relevanten muslimfeindlichen Inhalten (z. B. Volksverhetzung, Gewaltaufrufen).

› den auf nicht-rechtlicher Ebene angesiedelten staatlichen Ausbau der rassismuspräventiven


Medienkompetenzvermittlung im Bildungsbereich, u. a. durch Medienzentren der Bundesländer in
Kooperation mit speziellen Mediator*innen, Fact-Checking-Organisationen und -plattformen usw.

› die Sensibilisierung der Plattformbetreiber für nicht-strafrechtlich relevante muslimfeindliche Inhalte,


um diese durch Kennzeichnung sichtbar zu machen – unter Umständen durch Entwicklung eines
Labels für muslimfeindliche Inhalte im Netz.

› die nachhaltige finanzielle Förderung durch Bundes- und Landesregierungen von zivilgesellschaft-
lichen Akteuren bei der Medienkompetenzschulung von Polizei, Behörden, Bürger*innen.
Politik 221

8 Politik

Das politische System hat in der Gesellschaft eine • Gutachten: „Islam und deutsche Familienge-
Schlüsselstellung inne. Die Staatsgewalten der richtsbarkeit“ (Ludwig-Maximilians-Universität
Legislative, Exekutive und Judikative greifen nicht München),
nur durch Gesetzgebung, politische Steuerung • Gutachten: „Rechtliche Aspekte des Umgangs
und Rechtsprechung in alle anderen Lebensberei- mit religiös konnotierter Kleidung, insbe-
che ein. Auf der Ebene der symbolischen Politik sondere dem Kopftuch“ (Europa-Universität
setzen die Äußerungen von Politiker*innen auch Flensburg).
in hohem Maße den Ton einer Gesellschaft. Poli-
tische Problemstellungen, Thesen und Begriffs-
schöpfungen haben einen gehörigen Einfluss auf 8.1 Muslimfeindlichkeit in der
die Agenda anderer Teilsysteme, zum Beispiel auf Exekutive
die Medien und auf das Bildungssystem. Muslim-
feindliche Einstellungen von Politiker*innen und Der deutsche Staat hat sich bei der Herstellung
Struktureller Rassismus in den politischen Insti­ effektiver Neutralität gegenüber Muslim*innen
tutionen haben daher weit über das politische in den letzten Jahrzehnten durchaus positiv ent-
System hinausreichende Konsequenzen. wickelt: Die Einführung des Islamunterrichts an
Schulen und als theologisches Lehrfach an Uni-
Das nachfolgende Kapitel unternimmt den Ver- versitäten, die Einrichtung von Dialogformaten
such, einen Überblick über bestehende Forschung wie der Deutschen Islam Konferenz (DIK) und
zu Muslimfeindlichkeit in politischen Führungs- sogar verschiedenen Beratungsstellen für Anti-
ämtern, Ministerien und Behörden, politischen muslimischen Rassismus sowie das politische
Parteien, dem Bundestag, in politischen Bewegun- Bekenntnis verschiedener Staatsgliederungen
gen wie auch im Rechtswesen zu geben. Zudem zum Islam als „Teil von Deutschland“ sind wich-
sind eigene Studien und Gutachten in Auftrag tige Schritte in diese Richtung. Zugleich besteht
gegeben sowie Hearings durchgeführt worden, aber eine Widersprüchlichkeit in den Äußerun-
um Forschungslücken zu schließen: gen und Handlungen der politischen Führung
sowie in den Sicherheits-, Polizei- und anderen
• Hearing mit deutschen Forschenden im Behörden (vgl. K. Hafez 2013b: 58–72). Verschie-
Bereich Muslimfeindlichkeit in der Exekutive, dene Studien des Bundesamts für Migration
• Hearing mit Prof. Dr. Werner Schiffauer (ehem. und Flüchtlinge (BAMF) wie auch des Instituts
Universität Frankfurt (Oder) und langjähriger für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in
Vorsitzender des Rats für Migration e. V.), Jena lassen erkennen, dass zwar das subjektive
• Hearing mit BMI-Abteilung Öffentliche Gefühl der Verbundenheit von Muslim*innen
Sicherheit (ÖS) / Arbeitsgruppe ÖS II 2 Inter­ mit Deutschland recht hoch ist und Diskriminie-
nationaler Terrorismus und Extremismus, rungserfahrungen der Menschen in Deutschland
• Studie zu deutschen Parteien und Bundes- in den Bereichen von Behörden seltener sind als
tagsdebatten „Islam und Antimuslimischer in den Bereichen Medien, Dienstleistungen und
Rassismus in Parteiensystem und Bundestag: Freizeit. Dennoch gibt es auch bei Erfahrungen
Eine diskursanalytische Studie des offiziellen mit der Exekutive Unterschiede und das Ver-
Diskurses zwischen 2015–2021“ (Universität trauen von Muslim*innen in Landesregierungen
Erfurt), und Gerichte z. B. ist höher als in die Polizei (vgl.
• Hearing mit juristischen Expert*innen, Pfündel/Stichs/Tanis 2021).
222 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Deutsche staatliche Institutionen sind bislang sind aber keineswegs konfliktfrei. Die liberale
nur unzureichend auf Muslimfeindlichkeit hin Rechtsstaatsidee formuliert die grundsätzliche
untersucht worden. Da der UEM, der bereits 2020 Gerechtigkeitsstruktur der europäischen Demo-
ins Leben gerufen wurde und später in den Maß- kratie, die auch von der Mehrheitsdemokratie
nahmenkatalog des Kabinettsausschusses der respektiert werden muss, sodass sich eine „Tyran-
Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsex- nei der Mehrheit“ im Sinne einer fundamentalis-
tremismus und Rassismus 2020 integriert wurde, tischen Ausrichtung des Staatswesens in Richtung
nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügte, sah eines ideologischen, ethnischen oder religiösen
er sich nicht in der Lage, eigene Forschungspro- Privilegs verbietet (vgl. K. Hafez 2013b: 19–54).
jekte zum möglichen Institutionellen Rassismus
der staatlichen Exekutive durchzuführen, hat Neutralität und Diskriminierungsfreiheit des
aber durch Hearings und auf anderen Wegen in Staats gegenüber Angehörigen unterschiedlicher
engem Kontakt mit anderen Forschenden in die- Religionsgemeinschaften sind dabei in der poli-
sem Bereich gestanden und den Forschungsstand tischen Philosophie des Säkularismus verankert,
zudem eigenständig aufgearbeitet. Das nachste- der allerdings in den europäischen Staaten wie
hende Kapitel bemüht sich um einen Überblick, auch weltweit unterschiedlich ausgestaltet ist. Das
der allerdings unvollständig bleiben muss, da Kernprinzip des Säkularismus in Deutschland ist
nicht für alle Institutionen ein Forschungsstand dabei nicht, wie häufig angenommen, die strikte
zur Muslimfeindlichkeit existiert. Aus diesem „Trennung von Staat und Religion“, sondern die
Grund ist etwa die Bundeswehr nicht Gegenstand religiöse Neutralität des Staats und die Gleich-
dieser Analyse, da es keine relevanten Untersu- behandlung der Religionen (vgl. Bielefeldt 2003),
chungen in diesem Feld gibt. was auch z. B. Kooperationsbeziehungen zwischen
Staat und Religionsgemeinschaften ermöglicht,
8.1.1 Säkularismus und Institutioneller solange alle Religionsgemeinschaften einbezogen
Rassismus: Eine theoretische werden und die individuelle Religionsfreiheit
Einführung zu Muslimfeindlichkeit gewahrt wird. In den letzten Jahrzehnten sind
im liberal-demokratischen Staat allerdings Zweifel an der praktischen Realisierung
des Ideals der „Farbenblindheit“ europäischer
Das politische System der Bundesrepublik Staaten aufgekommen, deren politischen Führun-
Deutschland basiert auf den Prinzipien der libe- gen, Ministerien und Behörden diskriminierende
ralen Demokratie. Die unveränderlichen und Handlungen gegenüber Muslim*innen durch aus-
unteilbaren Menschenrechte, die im deutschen grenzende Äußerungen von Politiker*innen oder
Grundgesetz verankert sind, bilden die Grundlage Aktivitäten von Sicherheitsbehörden, Polizei oder
des liberalen Rechtsstaats, der seinen Bürger*in- anderen Ämtern vorgeworfen worden sind (vgl.
nen gleiche Rechte einräumt (vgl. auch Kapitel K. Hafez 2013b: 54–72; Nielsen 2004).
↗ 8.3 sowie Kapitel ↗ 9). Diskriminierungsfreiheit
gegenüber Angehörigen unterschiedlicher Reli- In der Rassismusforschung werden derartige
gionsgemeinschaften und ein Bekenntnis gegen Ungleichverhältnisse vielfach unter den Stich-
Muslimfeindlichkeit, wie sie der UEM in Kapitel worten Struktureller Rassismus oder Institutio-
↗ 2 definiert hat, bilden also eine zentrale Grund- neller Rassismus behandelt (vgl. Gomolla/Radtke
lage des politischen Systems. Das zweite bedeut- 2007). Während Struktureller Rassismus sich auf
same Prinzip ist das der demokratischen Souve- die Normen und Regularien und Institutionel-
ränität sowie der damit verknüpften Gewalten- ler Rassismus auf die Praktiken und Routinen
teilung. Beide Grundsätze – liberaler Rechtsstaat von Institutionen und Organisationen bezieht,
und majoritäre Demokratie – gehören zusammen, geht man in beiden Bereichen davon aus, dass
Politik 223

Menschen nicht nur durch individuellen Rassis- Weltorganisation die Existenz des Institutionellen
mus diskriminiert werden, sondern dass sie auch Rassismus in Behörden leugneten (vgl. OHCHR
durch wenig reflektierte oder gar unbewusste 2021). Unterstützt werden solche Forderungen
gesellschaftliche Strukturen, Praktiken und Rou- auch vom Deutschen Institut für Menschenrechte
tinen, die vielfach historisch tradiert werden, (vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte 2021).
ausgegrenzt, benachteiligt und dehumanisiert Zum Gedenktag der Anschläge von Hanau stellt
werden können. Die in der Gesellschaft imagi- die bekannte Rechtsanwältin der NSU-Opfer Seda
nierte homogene Nation spielt hier eine zentrale Başay-Yıldız fest, es werde in Deutschland nach wie
Rolle, da Vorstellungen von (Nicht-)Zugehörig- vor in rassistischen Strukturen ermittelt (vgl. 2022).
keit über den verfassungsrechtlichen Rahmen Einige Tage später verkündete die Integrations-
gleicher Rechte hinaus Einstellungen und Hand- beauftragte der neuen Bundesregierung, Struk-
lungen beeinflussen können. Überreste des turellen Rassismus im öffentlichen Dienst stärker
historischen rassistisch segregierenden Staats aufarbeiten zu wollen (vgl. Alabali-Radovan 2022).
lassen sich demnach auch im modernen National-
staat vielfach noch finden (vgl. Hund 2014). Institutioneller Rassismus kann im staatlichen
Bereich in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck
Bereits ein Jahr vor dem öffentlichen Bekannt- kommen:
werden der NSU-Morde in Deutschland, die zu
zahlreichen Untersuchungsausschüssen zur Auf- 1. durch rassistische Einstellungen und Hand-
klärung von Behördenversagen führten, hatte lungspraxen der in den Institutionen operie-
der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen renden Akteur*innen (intentional),
angemahnt, dass Deutschland ungeachtet der 2. durch die Aufrechterhaltung oder Einführung
Einführung eines Allgemeinen Antidiskrimi- diskriminierender Handlungspraktiken (meist
nierungsgesetzes („Allgemeines Gleichbehand- nicht-intentional),
lungsgesetz“/AGG) Rassismus nicht mit Rechts­ 3. durch Passivität, also die Nicht-Beseitigung
extremismus gleichsetzen dürfe und ihn auch bestehender rassistischer Einstellungen, Hand-
in Institutionen bekämpfen müsse (vgl. Muigai lungen oder Praktiken (vgl. McKenzie 2017).
2010). In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass
das AGG in § 3 Absatz 1 zwar den Begriff der Institutioneller Rassismus kann sich zudem auf
„mittelbaren Benachteiligung“ durch scheinbar verschiedenen Ebenen äußern, die miteinander
neutrale Prozesse einführt – die aber faktisch dis- wechselwirken:
kriminierend wirken –, diesen Tatbestand aber
nicht genauer ausführt und ein Einklagen dieser 1. in der politischen Führung gewählter poli-
Missstände daher kaum möglich ist. Im Jahr 2017 tischer Amtsträger*innen und der oberen
monierten die Vereinten Nationen, in Deutsch- Ministerialbürokratie (politisches Steuerungs-
land existiere Institutioneller Rassismus und die problem),
deutsche Polizei betreibe Racial Profiling, also 2. in den Handlungen, Leitbildern, Zugangs-
ein vorurteilsgetriebenes Kontrollverhalten (vgl. bedingungen und Repräsentationsverhält-
Bowtromiuk 2017). Ein Jahr zuvor hatte Amnesty nissen der autonomen Institutionen selbst
International die deutschen Sicherheitsbehörden (Hierarchieproblem),
in ähnlicher Weise kritisiert (vgl. Bosch 2020). 3. im informellen Raum der Sprech- und Hand-
2021 beschloss der Kabinettsauschuss Maßnahmen lungspraxen, Routinen und Wissensbestände
zur Bekämpfung von Rassismus. Zeitgleich erneu- der Institutionen selbst, z. B. sogenannte „can-
erten die Vereinten Nationen die Kritik an den teen culture“, „cop culture“ (institutionelles
Staaten der Welt, deren Institutionen aus Sicht der Kulturproblem) (vgl. Holroyd 2015).
224 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Die ersten beiden Ebenen spiegeln formale Füh- negativ ausfallen, haben sich deutsche Politi-
rungsprobleme, reichen aber für die Analyse des ker*innen in hohen Führungsämtern immer
Institutionellen Rassismus nicht aus, da soge- wieder positiv und inklusiv über den Islam geäu-
nannte Brückendiskurse zwischen konservativen ßert. Allerdings ist das Bild keineswegs einheitlich,
und rechtsradikalen Haltungen (z. B. „Der Islam dialog- und anerkennungsorientierte Haltungen
gehört nicht zur deutschen Nation“, „Muslime wechseln sich mit pauschalen Zurückweisungen
sind fremd und eine Bedrohung“) in Institutio- und Äußerungen ab, die den Islam als fremd
nen verbreitet sein können. Auf diese Art können und nicht dazugehörig markieren. Transnatio-
informelle Diskurse dominant werden und die nale Organisationen wie die EU-Kommission in
berufliche Sozialisation der Behördenmitglie­der Brüssel oder die OSZE haben immer wieder auf
sowie damit auch die Handlungspraxen gegen- mangelnde Partizipation und Strukturellen Ras-
über Muslim*innen negativ beeinflussen – und sismus mit Blick auf Muslim*innen in den Mit-
zwar auch ohne dass es sich um expliziten gliedsstaaten hingewiesen (vgl. Silvestri 2007). Ein
Rassismus handelt oder eine gezielte Unterwan- stabiler, parteiübergreifender inklusiver Konsens
derung von Institutionen durch rechtsradikale der politischen Kultur fehlt in der Bundesrepublik
Akteur*innen bestehen muss (vgl. Naumann Deutschland jedoch bislang.
2021; Thompsen 2020).
Die Redebeiträge verschiedener deutscher
Wichtig ist auch, dass behördliches Handeln und Bundes­präsidenten und Bundeskanzler*innen
gesellschaftliche Einstellungen wechselwirken zum Islam zeigen, dass deutsche Regierungen
können, was bedeutet, dass die interne Institutio- zunehmend bereit sind, eine Art Wächterfunktion
nenpraxis nicht nur den Alltag der direkt betrof- gegen gesell­schaftliche Diskriminierung von
fenen Muslim*innen beeinflusst, sondern über Muslim*innen zu übernehmen. Lange galt das
verschiedene Kanäle und durch das öffentliche Diktum der früheren Bundeskanzler Helmut Kohl
Auftreten der Institutionen auch die Medien und und Helmut Schmidt, wonach die islamische Welt
die weitere Gesellschaft erreicht. Der Staat tritt dezidiert nicht Teil Europas sei (vgl. Sarısakaloğlu
hier in seiner Rolle als „primary definer“, d. h. als 2019). Seit Bundespräsident Roman Herzog aller-
für die Öffentlichkeit inhaltlich prägende Instanz dings Mitte der 1990er-Jahre der Orientalistin
von Muslimfeindlichkeit und Rassismus, auf (vgl. Annemarie Schimmel zur Seite sprang, die bezich-
Sabel/Karadeniz 2022). Struktureller und Institu- tigt wurde, eine Gegnerin des durch Iran verfolg-
tioneller Rassismus sind daher Schlüsselfaktoren ten Autors Salman Rushdie zu sein (vgl. Herzog
zum Verständnis der Muslimfeindlichkeit in 1997), lässt sich eine Tradition islamfreundlicher
Deutschland. oder sogar islaminklusiver Reden erkennen. Auch
Herzogs Nachfolger Johannes Rau pflegte den
8.1.2 Politische Führungsämter Dialog mit dem Islam (vgl. Rau 2003). Während
Gerhard Schröder sich 2004 als Kind seiner Zeit
8.1.2.1 Bundespräsidenten, Bundeskanzler*innen noch der Formel von einem „Dialog mit dem
und Minister*innen: Gehört der Islam zu Islam“ anschloss, nahm Bundespräsident Christan
Deutschland? Wulff 2010 mit der Aussage „Der Islam gehört zu
Deutschland“84 und als Reaktion auf die Sarrazin-
Während demoskopische Umfragen und Studien Kontroverse eine Akzentverschiebung zur vollen
zur Muslimfeindlichkeit seit Jahrzehnten sehr Anerkennung des Islams vor. Angela Merkel schloss

84 Wulff, Christian (2010): „Vielfalt schätzen – Zusammenhalt fördern“. Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit, 3. Oktober. Online
abrufbar: https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Christian-Wulff/Reden/2010/10/20101003_Rede.html [02.03.2023].
Politik 225

sich dieser ursprünglich von Wolfgang Schäuble auf die Einstellung der Behördenmitarbeitende
anlässlich der Deutschen Islam Konferenz 2006 abfärben und diskriminierende Praxen in den
geprägten und von Wulff prominent gemachten Institutionen begünstigen kann. Ein definitives,
Formulierung an – nicht allerdings ohne den an Wulff orientiertes Bekenntnis des Staats
Hinweis hinzuzufügen, die multikulturelle würde hier Klarheit schaffen.
Gesellschaft sei gescheitert (vgl. Schrader 2010).
8.1.2.2 Sicherheitsbehörden: Muslim*innen
Hier deutet sich bereits an, dass in der politischen als Sicherheitsrisiko
Führung keine Einhelligkeit mit Blick auf eine
Wächterhaltung gegenüber dem Islam existiert. Es existieren nur wenige Studien zur empirischen
Bundespräsident Horst Köhler schwächte Erforschung des Institutionellen Rassismus in
Schäubles Bekenntnis ab, indem er von „mus- Deutschland, ganz zu schweigen von Muslim-
limischem Leben als Teil des deutschen Alltags“ feindlichkeit. Dennoch haben erfahrene Wissen-
sprach (vgl. Köhler 2006). Wulffs Nachfolger schaftler*innen durch dichte Beschreibungen
Joachim Gauck distanzierte sich sogar von des- ihrer Eindrücke im Kontakt mit BMI und Ver-
sen Rede und bezeichnete danach Muslim*innen fassungsschutz die übertriebene, intransparente,
als Teil des deutschen Staats (vgl. Detjen 2016) – stigmatisierende und bisweilen diskriminierende
was implizit erneut den deutschen Kultur- und Verdachtspolitik des deutschen Staats kritisiert.
Nationen­be­griff vom Islam abgrenzte. Frank
Walter Steinmeier kehrte im Prinzip zu Wulff Kai Hafez hat nach den Attentaten von 9/11 auf
zurück, schränkte dann aber rhetorisch ein, indem Veranstaltungen des Verfassungsschutzes in Sachsen
er fragte, welcher Teil des Islams zu Deutschland und NRW auf die Notwendigkeit hingewiesen,
gehöre (vgl. Steinmeier 2019). stärker zwischen legalen politischen Islamorgani-
sationen und Terrorismus zu unterscheiden. Vor
Auf der ministeriellen Ebene vernebelt sich das allem nach Razzien in muslimischen Gemeinden,
Bild, wobei sowohl konservative als auch sozial- die zumeist ergebnislos bleiben, solle dies der
demokratische Innenminister mit Ausnahme Öffentlichkeit klar vermittelt werden, um einen
Schäubles dem Islam bis in die Gegenwart eher staatlichen Generalverdacht gegen den Islam in
distanziert gegenüberstehen und ihn vielfach Deutschland zu vermeiden, welcher Islamfeind-
explizit nicht als Teil Deutschlands bezeichnet lichkeit anheizt (vgl. K. Hafez 2003: 27; 2015). Im
haben. Die parteiübergreifende Verunsicherung Umfeld von Razzien sensibler öffentlich zu kom-
lässt sich auch in anderen europäischen Ländern, munizieren, um unnötige Rufschädigungen der
z. B. in Großbritannien, beobachten (vgl. Allen muslimischen Gemeinden zu vermeiden, wird
2019). Ein exklusiv „christlich-jüdischer“ Nationen- auch in jüngeren Studien mit Blick auf Polizei
begriff, den man als differenzorientiert und und andere Behörden gefordert (vgl. u. a. Klevesath
damit als latent rassistisch bezeichnen kann, ist et al. 2022: 4). Attia, Keskinkılıç und Okcu (2021)
damit in der politischen Führung Deutschlands haben durch (nicht-repräsentative) Gruppen-
trotz aller Fortschritte der Anerkennung noch interviews mit Muslim*innen die Betroffenen-
immer salonfähig. Gerade an der Spitze staatlicher perspektive auf die staatliche Sicherheitspolitik
Institutionen wird eine Form der Ausgrenzung geschärft: Die Interviewten berichten davon, auf
betrieben, die man in theoretischer Hinsicht als offener Straße als vermeintliche Terrorist*innen
partielles politisches Steuerungsversagen kenn- angefeindet und in Bildungseinrichtungen, im
zeichnen muss, da auf der Ebene der symboli- Beruf, auf dem Wohnungsmarkt und im Gesund-
schen Politik eine politische (Diskurs-)Kultur heitssystem diskriminiert zu werden. Der Staat
am Leben erhalten und nicht tabuisiert wird, die wird dafür wegen seiner Fokussierung auf den
226 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Islam als Sicherheitsrisiko und die Intransparenz Personen, die z. B. im Rahmen von Veranstaltun-
des staatlichen Handelns verantwortlich gemacht. gen in Kontakt mit islamistischen Organisationen
Muslim*innen würden demnach bestenfalls als kommen, von Sicherheitsbehörden oft selbst
Sicherheitspartner*innen akzeptiert, ihre Loyalität als islamistisch oder islamismusaffin eingestuft
als Bürger*innen werde ständig infrage gestellt, würden. Vielfach komme es zu einer Ablehnung
ihr gesellschaftliches Engagement ignoriert, der Anstellung von Muslim*innen (im öffentli-
ebenso wie ihr eigenes Schutzinteresse im Ange- chen Dienst), die vorschnell, wenig evidenzbasiert
sicht einer verbreiteten Muslimfeindlichkeit und auf der Basis von Gerüchten als Sicherheits-
(vgl. ebd.: 173). risiken eingestuft würden, sowie zur Streichung
von Finanzmitteln für die Zivilgesellschaft. Den
Die umfangreichste Analyse der Islampolitik des Umgang mit der Muslimischen Jugend (MJD)
BMI stammt von Prof. Dr. Werner Schiffauer, dem z. B. bezeichnet Schiffauer als widersprüchlich,
langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Rats für da diese als verlängerter Arm der Muslimbrüder
Migration, der die vier BMI-Abteilungen Sicher- gelte, aber mit jüdischen Organisationen koope-
heit (v. a. Verfassungsschutz), Migration, Deutsche riert habe, was dem Vorwurf eines generellen
Islam Konferenz (DIK) und die Forschungsstelle Antisemitismus zuwiderlaufe. In der Gründung
des BAMF untersucht (der UEM ist noch nicht der DIK durch Schäuble sieht der Autor einen
Teil seiner Analyse).85 Kern seiner Expertise ist die bemerkenswerten Perspektivwechsel von einem
Feststellung, dass im BMI ein Deutungskampf durch Integrations- und Sicherheitsdenken
zwischen einer dominanten Sicherheits- und beherrschten Umgang des BMI mit Muslim*in-
Verdachtspolitik auf der einen Seite und, seit nen hin zu Dialog- und Zusammenhaltsdenken.
Gründung der DIK 2006, einer eher zweitrangigen Allerdings wurde gemäß dem Autor die DIK in
Dialogpolitik auf der anderen Seite herrscht. Kon- der Praxis stark vom Sicherheitsdiskurs und ihre
kret kritisiert er, dass in den Verfassungsschutzbe- Agenda zudem oft einseitig vom Ministerium
richten des Bundes immer wieder ca. 30.000 Mit- geprägt.
glieder islamistischer Organisationen auftauchen.
Diese Organisationen stehen unter Beobachtung, Eine Sicherheitsfixierung ist ebenso kritisch zu
weil sie als verfassungsfeindlich gelten, obwohl sehen wie ein genereller Liberalisierungs- und
sie sich offiziell zur deutschen Verfassung beken- Normalisierungsansatz mit Blick auf den Islamis-
nen (v. a. Millî Görüş, IGMG, IGD, DMG). Zwar mus. Das Problem ist nicht, dass das BMI und
räumt der Autor ein, dass die Organisationen Sicherheitsbehörden neben ihrer Aufgabe der
sich zugleich auf die islamische Scharia beziehen, Integration und Anerkennung der Muslim*in-
weist aber darauf hin, dass sie dennoch legal sind, nen ihre Aufgaben der Beobachtung und Gefah-
und sieht die Haltung von Mitgliedern nicht als renabwehr extremistischer Kräfte wahrnehmen.
identisch mit den Vereinszielen. Die Vereinigun- Die Gefahrenabwehr ist in der Tat Teil der wehr-
gen entfalten demnach sogar eine integrative Wir- haften liberalen Demokratie (vgl. K. Hafez 2013b:
kung, da sie zum Teil als Auffangbecken für ehema- 54–72). Im Sinne des Schutzes der Demokratie ist
lige Mitglieder dschihadistischer Gruppen dienen, es legitim, dass der Verfassungsschutz islamisti-
sodass ein Generalverdacht nicht legitim ist. sche Organisationen beobachtet, wenn diese zwar
legal sind und sich formal zur Verfassung beken-
Weitere Kritik wird in Schiffauers Expertise an nen, aber dennoch im informellen Raum Grund
der sogenannten Kontaktschuld geübt, wonach zur Annahme geben, dass eine von den offiziellen

85 Hearing mit Prof. Dr. Werner Schiffauer (ehemals Universität Frankfurt (Oder) und langjähriger Vorsitzender des Rats für Migration e. V.)
am 10. März 2021.
Politik 227

Verbandszielen abweichende Agenda verfolgt fassungsschutz getrennt ist, bleibt die anerken-
wird, die sich zum Sicherheitsrisiko ausweiten nungstheoretische Seite des politischen Handelns
könnte. Hier zeigen sich durchaus Parallelen zur (DIK) überwiegend symbolisch. Das Sicherheits-
begründeten und sinnvollen Beobachtung der dispositiv hingegen ist weitaus relevanter für den
AfD. Auch wenn sich religiöse Minderheitenorga­ Alltag von Muslim*innen, prägt ihre Biografien
nisationen und politische Parteien nicht ohne und torpediert vielfach die Integrationschancen
Weiteres vergleichen lassen, muss die Demokratie von integrationsbereiten Menschen. Zwar sind
wehrhaft bleiben. Eine pauschale Normalisierung muslimfeindliche Einstellungen von Mitarbei-
des legalen politischen Islams verbietet sich aus tenden der Sicherheitsbehörden bislang nicht
dieser Sicht. Allerdings bedarf es einer rechtsstaat- erforscht. Die dem UEM bekannten Fälle der
lich einwandfreien Aufklärung und Bewertung Nicht-Anstellung von Muslim*innen im öffent-
der Fakten, nicht zuletzt bei der Abgrenzung zu lichen Dienst erfolgen aber nicht immer auf der
traditionellen Haltungen ohne politischen oder Basis erwiesener Straftaten, sondern aufgrund
sozialen Herrschaftsanspruch (vgl. Rohe 2022c: 5-7). von Kriterien des Bundesamts für Verfassungs-
schutz (BfV) oder der entsprechenden Landes-
Das normalisierende Credo Schiffauers in Bezug ämter, deren Definition, Gültigkeit und Evidenz-
auf die Integrationsrolle des Islamismus ist basierung transparent diskutiert werden muss,
bedenkenswert, man kann die Rolle dieser Bewe­ wenn man nicht Gefahr laufen will, dass im Zuge
gungen jedoch nicht auf ihre Integrationsfunk­ der beabsichtigten Gefahrenabwehr eine unbe-
tion beschränken. Die in den letzten Jahren absichtigte institutionelle Diskriminierung durch
gewachsenen autoritären Unterströmungen, z. B. unangemessene Überprüfungsprozesse erfolgt.
der Muslimbruderschaft (vgl. Ranko 2014) oder Die Verdienste der DIK etwa im Bereich der isla-
der türkischen AKP-nahen deutschen Organisa- mischen Theolog*innenausbildung sowie bei
tionen, dürfen nicht außer Acht gelassen werden, Staatsverträgen sollen allerdings nicht in Abrede
und auch der Salafismus weist in Deutschland gestellt werden.
vielfach eine intolerante Prägung auf (vgl. Rohe/
Jaraba 2018: 75–79). Der Normalisierungsansatz Schiffauer geht – ähnlich wie Attia, Keskinkılıç
Schiffauers gegenüber legalen islamistischen und Okcu (2021) – davon aus, dass die heutige
Organisationen muss auch vor dem Hintergrund Praxis des Verfassungsschutzes im Umgang mit
der ausstehenden Ergebnisse des Expertenkreises Muslim*innen sich oft nicht an den Gleichheits-
zum Politischen Islamismus und möglicherweise grundsätzen der Verfassung orientiert, sondern an
in einer gewissen Parallele zur zukünftigen ungeklärten Sicherheitsmotiven,86 die dazu ten-
Bewertung der gleichfalls radikalen AfD neu dieren, ein institutionell rassistisches Programm
justiert werden (vgl. Unterkapitel ↗ 8.2.2.2.1). abzubilden. Vertreter*innen der BMI-Abteilung
Öffentliche Sicherheit äußerten im Gegensatz
Den oben genannten Kritiker*innen ist aller- hierzu in einem Gespräch mit dem UEM, dass die
dings beizupflichten, dass die heutige Praxis des reine Mitgliedschaft von Muslim*innen in einer
Umgangs mit dem organisierten Islam dringend „legalistischen islamischen Organisation“ diese
überdacht werden muss. Eine pauschale Ver- Person keineswegs für öffentliche Finanzzuwen-
dachts- und Verurteilungskultur verbietet sich dungen oder gar eine Anstellung im öffentlichen
ebenso wie eine generelle Normalisierung solcher Dienst disqualifiziere. Die Verfassungsschutzämter
Organisationen. Mit der Auslagerung der DIK seien vielmehr um Einzelprüfungen bemüht,
in eine eigene Abteilung, die formal vom Ver- wobei nicht die Mitgliedschaft, sondern vielmehr

86 Hearing des UEM mit Prof. Dr. Werner Schiffauer am 10. März 2021.
228 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

der Rang als Führungskader bzw. „Äußerungen“ lichen Exklusionsmaßnahmen belegt werden,
einer Person bewertet würden.87 Erschwerend da der Staat zur Neutralität verpflichtet ist (für
komme hinzu, dass die unter Beobachtung stehen- gesellschaftliche Tendenzbetriebe wie Religions-
den islamistischen Organisationen vielfach keine gemeinschaften oder Parteien gelten hier unter
Mitgliederlisten führten und insofern oft lediglich Umständen andere Regeln). Auch hier bietet sich
eine bestimmte „Nähe“ einer Person zu solchen eine Parallele zur AfD an, welche in Teilen unter
Organisationen eingeschätzt werden könne. Beobachtung des Verfassungsschutzes steht und
wo viele Mitglieder nach wie vor als Beamt*in-
Hier ist ein Wandel im Leitbild des BMI und des nen usw. tätig sind, für die eine Einzelfallprüfung
Verfassungsschutzes dringend erforderlich. Eine sinnvoll erscheint. Das Institut für Menschen-
stärkere Unterscheidung zwischen einer eventuell rechte schlägt im Falle der AfD eine gestaffelte
notwendigen Beobachtung von islamistischen Herangehensweise in der Frage vor, ob Mitglieder
Organisationen und deren einzelnen Mitglie- dieser im Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit
dern ist dringend gefordert. Nicht nur müssen stehenden, aber legalen Partei Beamt*innen
die Beurteilungskriterien für einzelne Mitglieder werden oder bleiben dürfen. Dies wäre demnach
präzisiert und öffentlich transparent gemacht weder bei a) einem aktiven Auftreten eines Partei-
werden. Die Organisationen sind auch vielfach mitglieds (Parteiämter, offensive Werbung usw.)
Sammelbecken ganz unterschiedlicher Persön- noch bei b) einer passiven Mitgliedschaft möglich,
lichkeiten. Um eine Beobachtung extremistischer kann aber c) in solchen Fällen ermöglicht werden,
Bestrebungen im Sinne der „wehrhaften Demo- wo sich ein Mitglied offen gegen die verfassungs-
kratie“ zu gewährleiten, die die Komplexität der und menschenrechtsfeindlichen Aspekte der
Organisationen anerkennt und das Recht des*der Partei ausspricht. Ein entsprechender Sicherheits­
Einzelnen auf den verfassungsgemäßen Schutz vorbehalt gegenüber muslimischen Mitgliedern
der Freiheits- und Entwicklungsrechte wahrt, legaler islamistischer Organisationen sollte ana-
bedarf es einer intensiven, auch öffentlichen log zu diesem Vorschlag erfolgen. Spezifische
Reflexion über die oben genannten Profilbildun- Bekenntnisformen oder Vereinbarungen sind
gen mit Blick auf Einzelpersonen. denkbar und erforderlich, will man sich nicht
strukturell rassistischer Praktiken schuldig machen.
Weltbilder unterschiedlicher Couleur sind das
Signum der freiheitlichen Demokratie und durch In Bezug auf den Vorwurf der sogenannten „Kon-
das Grundgesetz gedeckt, darunter auch missio- taktschuld“ ist es wichtig, dass der bloße Kontakt
narische oder sogar rassistische, solange diese mit Mitgliedern islamistischer Organisationen,
nicht mit einer konkreten politischen Agenda etwa auf Veranstaltungen Dritter – zumal wenn
des Umsturzes, der politischen Unterwanderung, dieser Kontakt unbeabsichtigt erfolgt –, nicht
mit Gewalthandlungen oder Volksverhetzung als Gefährdung eingestuft werden kann. Vertre-
verbunden sind. Organisationen mögen in die- ter*innen der BMI-Abteilung Öffentliche Sicher-
sem Kontext vom Verfassungsschutz beobachtet heit haben gegenüber dem UEM geäußert, dass
werden, einzelne Muslim*innen hingehen dürfen dies seitens der zuständigen Abteilungen auch gar
selbst als Mitglieder solcher Organisationen nicht nicht beabsichtigt ist und entsprechende Skanda-
durch unklare oder nicht klar evidenzbasierte lisierungen in Medien auch gar nicht im Sinne des
Kriterien mit Berufsverboten oder anderen staat- BMI seien, da dies die ebenfalls betriebenen Dera-

87 Hearing des UEM mit Vertreter*innen der BMI-Abteilung Öffentliche Sicherheit (ÖS) / Arbeitsgruppe ÖS II 2 Internationaler
Terrorismus und Extremismus, Berlin, 24. Juni 2022.
Politik 229

dikalisierungsprogramme der Bundesregierung mit Einwanderungsgeschichte“.89 Sie hob die Ziele


gefährde.88 Im Gespräch mit dem UEM wurde in der Bundesregierung hervor, Muslimfeindlich-
Aussicht gestellt, dass die Kommunikationspolitik keit entschlossen zu bekämpfen, die Teilhabe der
des BMI, etwa im Kontext der jährlichen Vorstel- Muslime und der muslimischen Gemeinden zu
lung des Verfassungsschutzberichts, überdacht verbessern und Fortschritte bei der Imam-Ausbil-
werden müsse. Die Unterscheidungen zwischen dung zu erzielen. Besonders bedeutsam war die
a) gewaltbereiten und nicht-gewaltaffinen isla- Kernaussage „Die Islamkonferenz ist keine Sicher-
mistischen Organisationen und b) verfassungs- heitskonferenz“ (ebd.), Muslim*innen dürften
feindlichen Zielen von Organisationen und nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Die
Einzelpersonen in diesen Organisationen sollten wichtigen Fragen von Prävention und Bekämpfung
deutlicher öffentlich markiert werden. Zudem des Islamismus würden bewusst als eigenständiger
müsste Feindlichkeit gegenüber Muslim*innen Sicherheitsdialog ausgelagert.
als zentralem Feindbild des Rechtradikalismus/-
extremismus, die bislang kaum Erwähnung im 8.1.2.3 Auswärtiges Amt: Antistereotyper
Verfassungsschutzbericht findet, viel stärker Lernprozess?
berücksichtigt und ebenfalls öffentlich kommu-
niziert werden. Institutioneller Rassismus im Auswärtigen Amt
(AA) ist bislang noch nicht im Rahmen empiri-
Durch solche Maßnahmen würden BMI und scher sozialwissenschaftlicher Studien untersucht
Verfassungsschutz stärker als bislang Institutio- worden. Allerdings liegen vereinzelt sowohl sozio-
nen für alle in Deutschland lebenden Menschen psychologische als auch historische Arbeiten vor,
werden. Die dringenden Appelle internationaler die zumindest den Zeitraum 1970 bis 2000 erfas-
Organisationen zur Beseitigung des Institutio- sen. Aktuellere Vorgänge können nicht untersucht
nellen Rassismus müssen gehört werden. Die werden, da die jahrzehntelangen Sperrfristen
Entwicklung einer noch stärkeren Entfremdung diplomatischer Akten dies nichts anders zulassen.
des Staats von deutschen Muslim*innen und vom
organisierten (politischen) Islam, bei der dieser Grundsätzlich besteht der Eindruck, dass die
ausschließlich als Sicherheitsrisiko definiert wird, Wahrnehmungsprozesse im AA anderer Natur
ohne dass seine Integrationsleistungen anerkannt sind als im BMI, da ‚das muslimische Subjekt‘ der
werden, ist zu vermeiden. deutschen Außenpolitik nicht wie im Feld der
Innenpolitik vor allem im Kontext der Migrati-
Zu begrüßen ist, dass bei der Auftaktveranstaltung ons- und Sicherungspolitik entgegentritt, sondern
der Deutschen Islam Konferenz die Bundesminis- internationale Beziehungen auf dem Prinzip der
terin des Inneren und für Heimat, Nancy Faeser, gleichrangigen Kommunikationspartnerschaft
eine in dieser Deutlichkeit neue Akzentuierung zwischen den Vertreter*innen souveräner Staaten
der Probleme der Muslimfeindlichkeit vorgenom- basieren. Dies hat dazu geführt, dass diplomati-
men hat. Unter den in Deutschland von Rassis- sche Kontakte von der Wissenschaft bisweilen als
mus betroffenen Menschen gelte dies für Mus- Korrektiv zu der in Deutschland existierenden
lim*innen oftmals doppelt, „als Angehörige der Muslimfeindlichkeit gewertet werden (vgl. Hippler
islamischen Religion und oft auch als Menschen 2000). Im Auswärtigen Dienst mögen Mitarbei-

88 Hearing des UEM mit Vertreter*innen der BMI-Abteilung Öffentliche Sicherheit (ÖS) / Arbeitsgruppe ÖS II 2 Internationaler
Terrorismus und Extremismus, Berlin, 24. Juni 2022.
89 Faeser, Nancy (2022): Auftaktveranstaltung der Deutschen Islam Konferenz: Rede der Bundesministerin des Inneren und für Heimat
Nancy Faeser, 7. Dezember. Online abrufbar: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/reden/DE/2022/faeser-deutscheislamkonferenz2022.html
[07.02.2023].
230 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

ter*innen durchaus individuell Vorurteile hegen, Investition in Thinktanks mit Orient- und Islam-
die institutionellen Routinen des diplomatischen kompetenz ging und geht in der thematischen
Austauschs sind aber auf direkte Interaktion mit Breite und Professionalisierung deutlich über die
muslimischen Repräsentant*innen der jeweiligen Islamforschung des BMI am BAMF hinaus und
Länder ausgelegt. kann unter Umständen auch als Vorbild für die
Innenpolitik gelten.
Allerdings ist auch die Arbeit des AA nicht immer
frei von muslimfeindlichen Tendenzen und Während sich das AA damit gezielt um eine Ver-
fragwürdigen Dialogpraxen gewesen, welche wissenschaftlichung der Islampolitik bemühte,
stellenweise gewisse Parallelen zur Innenpolitik lassen sich zugleich ähnliche strukturelle Pro-
aufweisen und zeigen, dass Außen- und Innen- zesse wie im BMI beobachten. So nahm etwa der
politik heute wechselwirken – sogenannte außenpolitische „Dialog mit der islamischen Welt“
„linkage politics“ (vgl. Rosenau 1967). Exemplarisch im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik seit der
sei hier auf drei Problemfelder hingewiesen, die Revolution in Iran – und damit Jahrzehnte vor
im Folgenden weiter ausgeführt werden: den Dialogäußerungen deutscher Bundespräsi-
denten (vgl. Unterkapitel ↗ 8.1.2.1 etc.) – Fahrt auf.
• die Genese muslimfeindlicher Einstellungen Dieses Feld war und ist allerdings nur beschränkt
im diplomatischen Dienst, als echter Dialog zwischen der Bundesregierung
• die Praxis des „Dialogs der Kulturen“ im AA, und anderen Staaten zu betrachten, da die zustän-
• die Visa- und Sicherheitspolitik des AA. digen Referate oft ein Eigenleben führen und ihre
Kompetenzen kaum mit anderen Abteilungen
Das AA hat in den letzten Jahrzehnten einen Lern- (z. B. Planungsstab, Ministerien) vernetzt sind,
prozess im Umgang mit dem Politischen Islam sodass es sich oft eher um politisches Marketing
durchlaufen. Eine Analyse diplomatischer Akten als um einen echten Dialog mit Muslim*innen
der Jahre 1970 bis 2000 hat deutlich gezeigt, dass auf Augenhöhe handelt (vgl. K. Hafez/Grüne
gerade im Zuge der Re-Islamisierung nach der 2021: 144–146). Zudem wird auch im AA oft noch
Iranischen Revolution von 1978/79 deutsche immer ein homogener Kulturbegriff verwendet,
Botschafter*innen und die Führungsetage des AA der dazu tendiert, ‚Islam‘ und ‚Muslim*innen‘
sich zum Teil überfordert zeigten und Vorurteile, auf sogenannte hochreligiöse Praxen zu redu-
Ressentiments und Unwissen über den Islam in zieren, statt die Vielfalt religiöser und kultureller
die internen Analysen Einzug hielten (Islamis- Erscheinungen und hybride Wechselwirkungen
mus als identisch mit Mittelalter, Vormoderne, mit anderen Kulturräumen zu berücksichtigen
Scharia als generelle Praxis der Handamputation, (vgl. Ernst 2015). Dieses kulturelle Differenzden-
Steinigung usw.), wobei allerdings individuelle ken ist teilidentisch mit Muslimfeindlichkeit, weil
Unterschiede zwischen Akteur*innen erkenn- Stereotype, auch wenn sie wertneutral verwendet
bar wurden (vgl. Konrad 2022). Das AA reagierte werden, einer Form des „Otherings“ darstellen.
zudem rasch mit der finanziellen Unterstützung Als schließlich 2020 ein vom AA gestarteter Ver-
des Ausbaus der deutschen gegenwartsbezoge- such, eine muslimische Religionsvertreterin –
nen Orientwissenschaft, etwa beim ehemaligen die Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime
Deutschen Orient-Institut in Hamburg, heute Teil in Deutschland (ZMD) – als Vertreterin für den
des German Institute for Global and Area Studies Islam in ein „Team Religion und Außenpolitik“
(GIGA-Institut), oder bei der Stiftung Wissen- zu integrieren, nach öffentlicher Kritik (Welche
schaft und Politik (SWP) in Berlin; in der DDR gab Haltung hatte sie zum Antisemitismus und zum
es vergleichbare Entwicklungen in Ost-Berlin Islamismus? usw.) wieder auf Eis gelegt wurde
und Leipzig (vgl. K. Hafez 1995). Diese gezielte (vgl. Tagesspiegel 2020), zeigte sich einerseits die
Politik 231

Angreifbarkeit des traditionellen Islambilds des 8.1.3 Polizei


AA. Mit dem ZMD war ein konservativ-traditio-
nalistischer Repräsentant des deutschen Islams 8.1.3.1 Forschungsstand: Wirklich defizitär?
gewählt worden. Zugleich offenbarte sich aber
auch eine Anfälligkeit des AA für diskriminierende Die Polizei ist der Bereich der Exekutive, zu dem
Praktiken und öffentliche Skandalisierung im bereits heute vergleichsweise viele empirische
Kontext eines völlig unklaren Islamismusbegriffs. Studien vorliegen. Zwar besteht in der Öffentlich-
keit nicht ganz zu Unrecht der Eindruck, dass
Dies macht sich endgültig im Feld der Visapolitik der Institutionelle Rassismus bei der Polizei
deutscher Botschaften bemerkbar, die ein klas- noch zu wenig erforscht sei (vgl. a. Kopke 2021).
sisches Schnittfeld zwischen Außen- und Innen- Zwischen Lehr- und Forschungseinrichtungen,
politik darstellt. Mit der seit Ende 2001 erfolgten Polizeigewerkschaften und anderen führenden
Einführung und späteren Verlängerung und Ent- Akteuren ist mittlerweile allerdings eine polizei-
fristung des Terrorismusbekämpfungsgesetztes interne Debatte über die Notwendigkeit und Art
hat sich die Verdachtskultur des Verfassungs- der Durchführung von Rassismusforschung in
schutzes gegenüber Islamist*innen potenziell zu der Polizei entbrannt, wobei die kritischen Kreise
einer diskriminierenden Praxis für einreisewillige der Polizei selbst einen breiten Ansatz fordern,
Muslim*innen ausgeweitet, da hier besonders der die Institution als Ganzes einbezieht.90 Spezi-
hohe Prüfhürden zu existieren scheinen (vgl. ein- fische Studien zur Muslimfeindlichkeit der Polizei
führend Molthagen 2015: 46). liegen bisher nur selten vor. Die beiden mittler-
weile begonnenen größeren Studien zu Gewalt
Über die aktuellen Erscheinungsformen sowohl im Alltag vom Polizeibeamt*innen der Deutschen
von den Lernprozessen als auch diskriminieren- Hochschule der Polizei im Auftrag des BMI (Moti-
den Praktiken des AA gegenüber Islam und vation, Einstellung und Gewalt im Alltag von
Muslim*innen lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt Polizeivollzugsbeamten – MEGAVO, s. Schiemann
kein abschließender Befund erstellen, da bislang 2021) und der Universität Bochum (Körper­
weder ein Einblick in die diplomatischen Akten verletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen –
der Zeit nach den dschihadistischen Attentaten KViAPol91) beispielsweise enthalten nur sehr
vom September 2001 noch etwa in interne Kom- begrenzt Module zur Muslimfeindlichkeit. Aller-
munikationsprozesse des AA und des Migrations- dings haben Forschende im letzten Jahrzehnt
regimes möglich gewesen ist. Auf die Dringlich- verschiedentlich Zugang zur Polizei erhalten,
keit der Intensivierung dieser Forschung sei an sodass die empirische Lage hier insgesamt besser
dieser Stelle nachdrücklich hingewiesen. ist als ihr Ruf.

In Studien zur Diskriminierungswahrnehmung,


etwa dem Langzeitprojekt zur KViAPol, geben
62 Prozent der befragten BPoC92 an, sich in Gewalt-
situationen diskriminiert gefühlt zu haben. In

90 Vernetzungstreffen und Hintergrundgespräch des UEM mit Polizeiforschenden und Mitarbeitenden von Polizeihochschulen.
91 Dem UEM liegt eine schriftliche Stellungnahme der Forschungs- und Beratungsstelle Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS),
Dunkelfeldforschung Bundeskriminalamt vor, dass Muslimfeindlichkeit nicht Teil des Viktimisierungssurveys ist.
92 PoC ist die Abkürzung für People of Color (Singular: Person of Color) und eine Selbstbezeichnung von Menschen, die aufgrund von
Fremdzuschreibungen vielfältigen Formen von Rassismus ausgesetzt sind. Der Begriff beschreibt einen gemeinsamen Erfahrungshorizont
von Menschen und nicht (primär) ihre Hautfarbe.
BPoC (Black and People of Color) ist eine Erweiterung, um Schwarze Menschen ausdrücklich mit einzuschließen.
232 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

qualitativen Interviews offenbarten sich zum Teil bei der Polizei, dass Kategorien wie „Islam“, „Liba-
verheerende rassistische Haltungen („[N-Wort] nesen“ usw. zu den Ordnungskriterien der Polizei-
klatschen“, „Türken jagen“), wobei die Autor*in- arbeit gehören, die Erwartungs- und Handlungs-
nen betonen, dass es sich hier nicht um Einzelfälle, sicherheit vermeintlich herstellen, dabei aber
sondern um ein Produkt der organisatorischen im Grunde rassistisches ‚Wissen‘ reproduzieren
Binnenkultur und Sozialisation des Polizeiappa­ (vgl. Graevskaia/Menke/Rumpel 2022). Polizei-
rats handelt (vgl. Abdul-Rahman et al. 2020). Auch arbeit kann gerade mit Blick auf Menschen, die
andere, in polizeiwissenschaftlichen Fachzeit- als arabisch, türkisch oder als Migrant*in wahrge-
schriften veröffentlichte Studien bestätigen, dass nommen werden, von Vorurteilen und Vorannah-
gerade Migrant*innen aus der Türkei, westasia- men überlagert werden, die sich aus Erlebnissen
tischen oder afrikanischen Staaten von Racial während der Polizeiarbeit oder aus Erzählungen
Profiling betroffen sind, und führen an, dass die im Kontext der Berufserfahrung Dritter speisen
entsprechenden Quoten dieser durch das Polizei- und verdichten. Die Vorstellung von sich in ihren
gesetz erlaubten, den Institutionellen Rassismus Wertvorstellungen vollständig ausschließenden
allerdings begünstigenden Praxis zu den höchsten ‚Kulturkreisen‘ und importierten ‚Machokulturen‘
in ganz Europa zählen (vgl. Dieckmann 2019: 25). ist dabei sehr verbreitet (Rechtsradikale oder
Selbst an der Akademie der Polizei in Hamburg andere Kriminelle werden in das Bild der Eigen-
räumen Wissenschaftler*innen ein, dass die Arbeit gruppe hingegen nicht eingepreist, sie wird,
der Polizei nicht nur im Einzelfall, sondern „regel- anders als die Fremdgruppe, differenziert und
mäßig diskriminierende Aspekte“ beinhalte nicht subtil rassistisch betrachtet) (vgl. Schroth/
(Behr 2018: 60). Fereidooni 2021).

8.1.3.2 Einstellungen: Kulturalistische Reviere Auch wenn eine Quantifizierung schwerfällt, geht
man heute in der Forschung nicht mehr davon
Zur Erinnerung: Studien zum Institutionellen aus, dass es sich bei stereotypen oder rassistischen
Rassismus unterscheiden zwischen mehreren Weltbildern in der Polizei um Einzelfälle handelt
Ebenen der Rassismusforschung. Zunächst sind (vgl. Hunold/Wegner 2020). Einer hessischen
manifeste von latenten (impliziten) rassistischen Polizeistudie zu Folge sehen 27,6 Prozent der
Einstellungen zu trennen, die wiederum Teil befragten Polizist*innen mit ansonsten hohen
gefestigter rechtsextremistischer Ideologien sein Zuspruchsraten für Fragen der Toleranz die
können, es aber nicht müssen. Derartige Einstel- „Gefahr, dass Deutschland ein islamisches Land
lungen als Ganzes wiederum sind von rassistischen wird“ (vgl. Hessisches Ministerium des Innern und
Praktiken zu unterscheiden, die sich in Institutio- für Sport 2020). Hierbei handelt es sich um ein
nen auf der Basis des dortigen Erfahrungswissens sehr weitgehendes antimuslimisches Feindbild,
herausbilden können, ohne unbedingt auf rassis­ das dem muslimischen Anderen eine expansive
tischen Einstellungen einzelner Mitglieder der Kraft zuweist, die zugleich als Gefahr und damit
Organisation basieren zu müssen. Mit anderen als etwas Negatives und Abzuwehrendes wahr-
Worten: Rassismus führt nicht immer (wenn auch genommen wird. Das Problem wird sogar noch
oft) zu Diskriminierung und Diskriminierung ist größer, wenn man die 35,8 Prozent hinzuzählt, die
nicht immer (wenn auch oft) das Resultat rassisti- „eher nicht“ zustimmen, dabei aber eine gewisse
scher Einstellungen. Unsicherheit zeigen.

Konzentriert man sich zunächst auf die Ebene der Der mögliche Hinweis, die Zahlen lägen nicht
Einstellungen, so zeigt eine jüngere qualitative höher als im Rest der deutschen Bevölkerung, ist
Interviewstudie zum Institutionellen Rassismus kein Grund zur Entwarnung, denn die Studie zeigt
Politik 233

die hohe Anfälligkeit der Polizei für muslimfeind- kulturalistische Abgrenzung und Zurückweisung
liche Motive. Angesichts des auf Neutralität aus- bei den persönlichen Einstellungen sowie ent-
gerichteten Verfassungsauftrags dieser Institution sprechende professionelle Ordnungskategorien bei
ist eine weitgehende Vorurteilslosigkeit gefordert. der Revierarbeit. Kulturalismus und Muslimfeind-
Institutionelle Reformen und Schulungen sind lichkeit sind damit als Einstellungen in der deut-
dringend geboten (siehe unten). schen Polizei hochgradig präsent, was die Autorin
der damaligen Studie, Heidi Mescher, bereits 2008,
Bereits eine große Studie93 zur Islamfeindlich- mehr als zehn Jahre vor der Ermordung von
keit in der deutschen Polizei aus dem Jahr 2008 George Floyd in den USA und den islamfeindlichen
hat gezeigt, dass etwa ein Drittel der Befragten Taten wie Hanau, zu dem Appell bewegte, die
sich angesichts der vielen Muslim*innen oft Weiterbildung zu reformieren (siehe unten).
„fremd im eigenen Land“ fühlte und forderte,
dass „muslimische Immigration nach Deutsch- 8.1.3.3 Handlungspraxen: Resignativer
land gestoppt“ werden sollte (vgl. Mescher 2008: Islamskeptizismus
149) – beides und vor allem die letzte, in ihrer
Substanz rechtswidrige Anschauung sind ein- Institutioneller Rassismus wird von Bosch als
deutige Brückendiskurse zwischen konservativen „der blinde Fleck der deutschen Polizeiforschung“
und rechtsextremen Denkweisen. Zwar machen bezeichnet (vgl. 2020; 2016). Broschüren der
die Autor*innen geltend, dass hiermit ein Groß- Polizei über „arabische Familienclans“ werden
teil (zwei Drittel) der Polizist*innen eben nicht als bisweilen kritiklos intern verteilt; obwohl fami-
rechtsextrem einzustufen sei und die Verteilung liäre und nationale Bande ein Zeichen vieler
im Durchschnitt der deutschen Bevölkerung mafiöser Strukturen auf der Welt sind, werden
liege (vgl. Krott/Krott/Zeitner 2018: 180), räumen bei Araber*innen leichtfertig kulturalistische
zugleich aber ein, dass dies eine optimistische und patriarchalische Klischees bedient, um das
Einschätzung sei und zudem die Dunkelziffer professionelle Feld zur markieren. Solche Phäno-
muslimfeindlicher Einstellungen bei Bereinigung mene belegen, dass es nicht nur um individuelle
der durch Befragungseffekte hervorgerufenen Einstellungen geht, sondern ein grundsätzliches
erwünschten Antworten höher ausfallen könne. Problem in den Führungsetagen der Polizeiorga-
Eine eher negative Deutung wird denn auch nisation besteht (vgl. Bosch 2020).
durch den zweiten Befragungsschritt erhärtet, bei
dem zwei Drittel angaben, weder in muslimisch Muslimfeindliche Einstellungen scheinen zudem
geprägten Nachbarschaften wohnen noch in ent- mit der beruflichen Kontakthäufigkeit zusam-
sprechenden Geschäften einkaufen zu wollen, menzuhängen (vgl. Kemme/Essien/Stelter 2020).
was die Studie als besorgniserregendes Distan- Die Studie von Mescher (2008) hatte bereits
zierungsverhalten eines großen Teils der Polizei gezeigt, dass Kontakthäufigkeit und auch Zufrie-
deutet (vgl. Mescher 2008: 149). denheit mit dem Polizeiberuf umgekehrt mit
Muslimfeindlichkeit korrelieren und ihren nega-
Die Studienergebnisse sind sehr besorgniserregend, tiven Ausdruck in fremdenfeindlichen Haltungen
denn sie zeugen von tiefsitzenden, verbreiteten haben können: „[T]he Muslim community are
und bisweilen mehrheitlichen Vorurteilstrukturen vulnerable to becoming recipients of [sceptical,
in der deutschen Polizei. Nach den vorliegenden cynical, dismissive and negative] sentiments“
Daten ist es zwar das Selbstbild der Polizei, nicht (ebd.: 153). Eine jüngere Studie von Krott, Krott
rassistisch zu sein, aber es gibt klare Hinweise auf und Zeitner, die im Wesentlichen das Beispiel

93 Es wurden 727 Fragebögen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und NRW mit Unterstützung der Landesinnenministerien ausgewertet.
234 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Muslimfeindlichkeit für rassistische Einstel- schnitt (vgl. Mediendienst Integration 2021).


lungen bei jungen Polizeianwärter*innen und Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der Landes-
praktizierenden Polizist*innen im Längsverlauf polizei, Ausnahmen bilden hier etwa Berlin und
untersucht, zeigt, wie die Kontakthypothese der Sachsen-Anhalt. Diversität ist kein Allheilmittel,
Sozialpsychologie im Polizeidienst ad absurdum da auch ein Migrationshintergrund Polizist*innen
geführt wird: Während viele Menschen im All- nicht vor Vorurteilen schützen muss, wie etwa
tag oder in anderen Berufen durch regelmäßige der SPIEGEL-Bestseller „Deutschland im Blaulicht“
Kontakte mit Muslim*innen zu einem differen- von Kambouri (2015) zeigt, der ein sehr negatives
zierten Islambild neigen (vgl. K. Hafez/Schmidt und pauschales Islambild verbreitet, in dem alle
2015: 51–59), ist dies bei Polizist*innen nicht der Muslim*innen streng religiös und ritualisiert sind,
Fall, weil offensichtlich die große Zahl der Ver- Musliminnen generell unterdrückt werden, mus-
dachts- oder Kriminalfälle genau den umgekehr- limische Männer respektlos sind und Deutschland
ten Effekt eines beschleunigten Zynismus und toleranter als islamische Länder mit religiösen
einer muslimfeindlichen „cop culture“ befördert Minderheiten umgeht.
(vgl. Krott/Krott/Zeitner 2018: 180). Negative Kon-
taktpraxis und Verdachtsroutinen, möglicherweise Behr schlägt daher vor, die Polizei müsse sich
zusätzlich angeheizt durch die nachgewiesenen „intensiver mit den Lebenswelten der polizeilichen
muslimfeindlichen Einstellungen eines Teils der Klientel befassen“, etwa in Form „mehrmonatiger
Kolleg*innen, verdichten sich zu einem „resignati- Betriebspraktika in polizeifremden (sozialen)
ven Islamskeptizismus“94 im Polizeiapparat. Einrichtungen“ (Behr 2018: 63). Leenen, Groß und
Grosch (2002) regen an, gleichzeitig Interaktions-
Eine Reihe von Autor*innen stellt mittlerweile und Diversitätskonzepte zu entwickeln, um kul-
in Frage, ob reguläre interkulturelle Schulungen tursensible und rassismuskritische Kompetenzen
(über den Islam, muslimisches Leben usw.) an zu steigern (vgl. ebd.: 105).
diesen Schieflagen etwas ändern können, und es
wird stattdessen vorgeschlagen, den Kontakt zwi- 8.1.3.4 Muslimfeindliche Straftaten:
schen Polizei und Muslim*innen „außerhalb der Kooperation verbessern
üblichen Polizeiroutinen“ zu stärken (vgl. Mescher
2008: 153; Atali-Timmer 2021; vgl. a. weiterfüh- Resignative und abwertende Einstellungen und
rend die Ausführungen in Kapitel ↗ 6). Ein weite- Handlungspraktiken der Polizei können die Auf-
res Mittel ist sicherlich eine Diversitätssteigerung arbeitung muslimfeindlicher Straftaten beeinflus-
durch mehr Muslim*innen im Polizeidienst sen. Die Zahl der registrierten antimuslimischen
selbst, um die Kontaktbilanz zu verbessern – dies Straftaten liegt derzeit in Deutschland etwa bei
wird aber zum Teil ebenso skeptisch gesehen 1.000 im Jahr, halb so viel wie im Bereich des Anti-
wie reguläre wissensorientierte Weiterbildungen semitismus, aber dennoch besorgniserregend,
(vgl. Mescher 2008: 153). zumal darunter auch viele Körperverletzungen
vor allem durch rechtsradikale Gewalt zu ver-
Der Anteil junger Polizistin*innen mit Migra- zeichnen sind (BMI/BKA 2021:7). Im Bericht zur
tionshintergrund steigt gemäß dem Mediendienst weltweiten Lage der Menschenrechte des U.S.
Integration aufgrund spezifischer Werbung lang- State Departments wird 2021 eine Zunahme von
sam an; dennoch liegt er bei der Bundespolizei antisemitischen und muslimfeindlichen Straf-
mit ca. 3,4 Prozent weit unter dem Bevölkerungs-

94 In Anlehnung an die Formulierung „resignativer Fremdenskeptizismus“ von Andrea Groß, Akademie der Polizei Hamburg,
UEM-Hearing 30. September 2021.
Politik 235

taten in Deutschland hervorgehoben (vgl. U.S. spricht, vor allem, wenn religiöse Symbole wie das
Department of State 2021). Kopftuch sichtbar werden (vgl. ebd.: 10). Auch eine
Studie des European Network Against Racism
Gemäß einer Studie der OSZE/ODIHR gehört (2019) weist darauf hin, dass sich das Bewusstsein
Deutschland zu ca. 16 OSZE-Staaten, die über- der Polizei in Europa für muslimfeindliche Straf-
haupt Statistiken zu muslimfeindlichen Gewalt- taten sowie die Intersektionalität von Straftaten
taten besitzen (vgl. OSZE/BDIMR 2021: 64). Dies (z. B. gegenüber muslimischen Frauen) erst lang-
ist sehr zu begrüßen. Allerdings ist davon auszu­ sam entwickelt. Derartige Vorschläge der inter-
gehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. nationalen Organisationen sind mit besonderem
Das ODIHR fordert daher auch von Mitglieds­ Nachdruck zu unterstützen.
staaten wie Deutschland eine „Sensibilisierung
der Polizeibehörden“, die bei Straftaten das mus- 8.1.4 Andere Behörden
limfeindliche Vorurteilsmotiv besser erfassen
sollen (ebd.: X), vor allem dann, wenn antimusli- Zu weiteren administrativen Teilen der vollzie-
mische Bemerkungen gemacht werden, die auf henden Staatsgewalt gibt es kaum aktuelle
das Tatmotiv hinweisen können (vgl. ebd.: 15). Studien zu Institutionellem Rassismus im Allge-
Als Ursachen, warum sich die Polizei damit bis- meinen oder zu Antimuslimischem Rassismus
lang oft schwertut, nennt der Bericht: „unzu- im Besonderen.
reichende Ressourcen, inadäquate Definitionen
von Hassverbrechen, Mangel an Spezialeinheiten, Die existierenden Studien zu Institutionellem
rassistische Voreingenommenheit und begrenzte Rassismus in Ämtern und Behörden setzen
rassische/ethnische Vielfalt innerhalb des Straf- sich mit der Situation von Migrant*innen und
justizsystems“ (ebd.: 48). geflüchteten Menschen auseinander und unter-
suchen vornehmlich die Bereiche der Arbeits-
Das ODIHR wendet sich gegen Passivität und vermittlung, der Ausländerbehörden und der
Untätigkeit als Formen der Diskriminierung sozialstaatlichen Einrichtungen wie dem Gesund-
(vgl. ebd.: 3). Tatsächlich kann das Nicht-Erfassen heitswesen (vgl. exemplarisch Beigang et al. 2017;
von Straftaten als eine Form des Institutionellen Bröse 2017; Brussig/Frings/Kirsch 2019; Hemker/
Rassismus gewertet werden, da dieser, wie theo- Rink 2017; Huke 2020; Kaas/Manger 2012; Knuth
retisch ausgeführt, auch die systematische Hand- 2010; Salikutluk/Giesecke/Kroh 2020; Graevskaia/
lungsverweigerung einer Institution gegenüber Menke/Rumpel 2022 fassen zudem in einer
rassistischen Praktiken umfasst. Pilotstudie der Universität Duisburg-Essen aktu-
elle Forschungsergebnisse zu Institutionellem
Die Organisation schlägt zudem verbesserte Rassismus in den Bereichen Gesundheitswesen,
Präventionsarbeit in Kooperation mit der Polizei Arbeitsverwaltung und Polizei zusammen). Eine
vor, unter anderem durch eine bessere Zusam- systematische Forschung, inwieweit sich Anti-
menarbeit mit muslimischen Gemeinden, für muslimischer Rassismus in behördlichem Han-
muslimfeindliche Hassverbrechen Bewusstsein deln manifestiert, existiert nicht. Die Datenlage
schaffende Maßnahmen, einen verbesserten ist somit sehr schlecht, durch empirische Daten
Informationsaustausch und erhöhte Polizeiprä- gestützte Aussagen zu dem Feld lassen sich kaum
senz dort, wo Muslim*innen vor allem an Feier- tätigen.
tagen zusammenkommen (vgl. ebd.: IX, 53, 66–67).
Im Bericht wird auch erwähnt, dass jede*r dritte Allgemein nehmen Behörden mit staatlicher
Muslim*in in Europa von Diskriminierung durch Autorität die Aufgaben der öffentlichen Verwal­
die Polizei etwa in Form von Polizeikontrollen tung wahr. Als öffentliche Einrichtungen der
236 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Daseinsvorsorge besteht ihre Aufgabe darin, Bür- nierungsmerkmale (z. B. abwertende Einstellungs-
ger*innen soziale Sicherheit zu gewährleisten und muster gegenüber Arbeitslosen) und Rassismen
ihnen gegenüber zuverlässige Dienstleistungen (z. B. Vorurteile gegenüber Menschen mit Flucht-
zu erbringen. Allerdings können bestehende, ver- erfahrung) zu erfassen.
meintlich neutral wirkende gesetzliche Regelun-
gen ebenso wie institutionelle Zuständig­keiten, (Antimuslimisch-)Rassistische Einstellungen
organisatorische Abläufe und auch behörden- und Aussagen sind weit verbreitet und kommen
interne Praktiken und Diskurse gesellschaftliche grundsätzlich überall vor, so auch in Behörden
Ein- und Ausschlüsse hervorrufen und struk- (vgl. Beigang et al. 2017: 257). Als Strukturmerk-
turell diskriminierend wirken (vgl. Hall 2001b; mal auf Ebene der Mitarbeiter*innenschaft
Rommelspacher 2009; Terkessidis 2004). Solche konstatieren Graevskaia, Menke und Rumpel
„Diskriminierungsrisiken, die in Institutionen (2022), dass in behördlichem Kontext stellenweise
und Organisationen angelegt sind, wirken subtil“ Handlungsunsicherheiten gegenüber und Über-
(Brussig/Frings/Kirsch 2019: 278) und sind aus forderungen im Kontakt mit geflüchteten Men-
dem System heraus schwer wahrnehmbar, da sie schen und Migrant*innen auftreten (vgl. ebd.: 6).
als kultivierter „institutioneller Habitus“ Normali- Um solche Unsicherheiten zu überwinden, wird
tät darstellen und Geltungsanspruch haben (vgl. bisweilen schematisch auf bestehende rassisti-
Jäger/Kauffmann 2002). Eine kritische Reflexion sche Wissensbestände (vgl. Terkessidis 1998) der
(eigener) institutioneller Zuständigkeiten, Ver- Dominanzgesellschaft (vgl. Rommelspacher 1995)
fahrensweisen und Diskurse ist entsprechend zurückgegriffen. So wird etwa Menschen aus ara-
herausfordernd, insbesondere, wenn sie rechtlich bischen Herkunftsländern eine homogene Kultur
begründet oder institutionell nahegelegt werden, zugesprochen, über die sie dann zu entschlüsseln
sodass die Modalitäten ihres Wirkens beharrlich versucht werden, oder geflüchtete Familien wer-
sein können (vgl. Hall 2001b: 165). den als „arabische Großfamilie“ wahrgenommen,
mit der der Umgang erst erlernt werden müsse
Dass Diskriminierungen, die im Namen des Staats (vgl. Graevskaia/Menke/Rumpel 2022: 11). Gegen-
erfolgen, entschieden und mit großer Anstren- über „arabischen Frauen“ finden Rückgriffe auf
gung begegnet werden muss, ist jedoch unzweifel- sexistisch-rassifizierende Zuschreibungen statt,
haft. Der Staat ist in der Bringschuld, sein eigenes die sie als ungebildet und in „rückständig-orien-
Handeln unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten talischen“ Geschlechterrollen verhaftet verorten
zu legitimieren. Wenn diskriminierende Effekte und ihnen Kompetenzen und Fähigkeiten abspre-
identifiziert werden, muss diesen nachgegangen chen (vgl. ebd.: 9). Unter solchen Vorzeichen zielen
werden, auch wenn zunächst im Einzelnen die dann beispielsweise behördliche Maßnahmen
konkreten diskriminierenden Mechanismen nicht nicht auf Teilhabe, sondern auf die Bewältigung
ersichtlich oder direkt nachvollziehbar sind. Eine eines „traditionellen weiblichen Alltags“ ab, in
solche Anspruchshaltung muss staatlichem Han- welchem Frauen höchstens prekäre Positionen
deln inhärent sein. zugestanden werden (vgl. ebd.: 12). Beigang et al.
(vgl. 2017: 258) zeigen zudem auf, dass ein ver-
Die Forschungslücke zu Antimuslimischem Ras- meintlicher Migrationshintergrund ausschlagge-
sismus ist offenkundig. Es ist jedoch nicht auszu- bend für Verfahrensbarrieren sein und Benachtei-
schließen, dass bisher identifizierte institutionelle ligungen nach sich ziehen kann. So werden etwa
Diskriminierungsmechanismen aus den vorlie- Ermessensspielräume zum Nachteil genutzt oder
genden Untersuchungen in Teilen übertragbar aufgrund von Misstrauen zusätzliche Nachweise
sind. Allerdings besteht eine Herausforderung eingefordert (vgl. ebd.: 264).
darin, die Überlagerung verschiedener Diskrimi-
Politik 237

Gesellschaftlich etablierte rassistische ‚Wissens­ zu entwickeln und sich adäquat auf die vielfältige
bestände‘ werden zugleich durch eine diskrimi- bundesdeutsche Gesellschaft auszurichten (vgl.
nierende Praxis gestützt. Einzelne Erfahrungs- Graevskaia/Menke/Rumpel 2022: 13).
werte im Umgang mit Migrant*innen oder als
solche wahrgenommenen Personen werden in Die vorliegenden Befunde beziehen sich, wie
verein­fachender und verallgemeinernder Form eingangs formuliert, nicht konkret auf Antimus-
als pseudo-fundierte Deutung mündlich weiter- limischen Rassismus. Bestehende Studien zeigen
gegeben. Als mutmaßliches Erfahrungswissen jedoch, dass Behördenmitarbeitende gegenüber
dienen sie dann einer vorgeblichen Objektivie- Migrant*innen und als solche wahrgenommenen
rung kulturalisierender Praxen und zur Legi- Personen unsicher sind und ihnen kulturalisierend
timation von benachteiligendem behördlichen begegnen. Da diese Handlungsunsicherheiten vor
Handeln (vgl. Bukow/Cudak 2017: 390; Graevskaia/ allem dann auftreten, wenn Personengruppen
Menke/Rumpel. 2022: 10–11). Ein sich auf solche phänotypisch als anders wahrgenommen werden
Weise stützendes System legt nicht nur eine oder besonders klischeehafte Bilder und Vorurteile
kulturalisierende Deutung des Erlebten nahe, es über sie existieren, kann angenommen werden,
bildet auch die Grundlage für die Identifikation dass es sich in Bezug auf Muslim*innen oder als
angeblicher Wissens- und Bedarfslücken im solche wahrgenommene Personen ähnlich verhält.
Umgang mit dem vorgeblich über seine Kultur zu Die Konstruktion von Muslim*innen als Gruppe,
entschlüsselnden Gegenüber. Nicht selten resultie- eine ihnen unterstellte homogene Kultur, ein dar-
ren hieraus wiederum spezifische Weiterbildungen aus abgeleitetes Verhalten und die gesellschaftliche
zu den vermeintlichen kulturellen Hintergründen Grenzziehung und hierarchisierende Polarisierung
der als einer Problemgruppe zugehörig identifi- zwischen einem „natio-ethno-kulturell“ (Mecheril
zierten Menschen (vgl. Graevskaia/Menke/Rumpel 2003) kodierten ‚Wir‘ und Muslim*innen als
2022: 11). ‚Andere‘ ist vielfach nachgezeichnet worden (vgl.
u. a. Attia 2009). Da wir annehmen können, dass
Die Vorstellung, dass der Zugang zum Gegenüber gesellschaftliche Verhältnisse sich auch in Institu-
vornehmlich über spezifisches kulturelles Wissen tionen artikulieren (vgl. Karakayalı/Tsianos 2004),
erfolgt (vgl. auch Unterkapitel ↗ 6.5.1.1), führt ist auch von antimuslimisch-rassistischem insti-
auch zu dem Umstand, dass Mitarbeitende mit tutionellen Wirken in Behörden auszugehen. Ein-
eigener oder familiärer Migrationsbiografie als zelne Fälle und Untersuchungen geben zumindest
vermeintliche Expert*innen für ganze Gruppen, Anlass zur Annahme, dass es sich um ein struktu-
wie z. B. der der geflüchteten Menschen, gelten rell verbreitetes Phänomen handeln könnte. Ent-
und als solche gezielt eingesetzt werden. Mit sprechende Studien sollten dem nachgehen, um
der Zuschreibung solchen Sonderwissens an fundierte Einschätzungen vornehmen zu können,
einzelne, als migrantisch wahrgenommene Mit- insbesondere, da Behörden gegenüber Bürger*in-
arbeitende tritt einerseits die Bedeutung fach- nen eine herausragende repräsentative und auch
spezifischen Ressortwissens zurück. Einzelnen machtvolle Stellung haben.
(mitunter fachfremden) Mitarbeitenden wird
zudem unverhältnismäßige Entscheidungsgewalt
zugesprochen. Damit kann zugleich auch eine 8.2 Muslimfeindlichkeit
Überforderung einhergehen, und die Betroffenen in der Legislative
werden ungeachtet ihrer fachlichen Präferenzen
in eine Migrations- und Kulturnische abgedrängt. Muslimfeindlichkeit kann auch in der Legislative
Zugleich wird dadurch auch die Institution als des politischen Systems in Erscheinung treten.
Ganzes aus der Verantwortung genommen, sich Die Legislative ist die zentrale steuernde Gewalt
238 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

der liberalen Demokratie und ihre durch Wahlen rechten (vgl. Wisser 2021: 31–33; Kymlicka 1995).
legitimierten Akteur*innen repräsentieren den Anders als bei sonstigen Minderheiteninteressen
demokratischen Bevölkerungswillen. Allerdings ist gehören politische Positionen, die den Schutz von
die Beziehung zwischen der Wahldemokratie und ethnischen und religiösen Minderheiten betreffen,
Rassismus bzw. der Diskriminierung von Min­ als sogenannte „ungewählte Konsequenzen“
der­heiten vielfach unklar, da Abgeordnete und („unchosen consequences“; vgl. Dworkin 2011)
politische Parteien nicht immer lupenrein verfas- zum Kern von Menschenrechtspolitik. Der Bun-
sungskonforme Anschauungen vertreten. Politische destag wäre aus dieser Sicht in der Pflicht, nicht
Äußerungen, Programme und Parlamentsdebat- nur rassistische Positionen als verfassungsfeind-
ten zeichnen sich daher auch durch eine gewisse lich zu kennzeichnen, sondern a) die Belange und
Offenheit aus, die die Freiheit des politischen Dis- b) die personelle Repräsentation von Angehörigen
kurses garantiert, jedoch auch zu muslimfeindli- von ethnischen und religiösen Minderheiten zu
chen Äußerungen führen kann. Für die politische gewährleisten.
Kultur eines Landes und für das Meinungsklima
ist die Ideen- und Debattenkultur seiner Volks­ Ob ein Partizipationsanspruch auf der Ebene
vertreter*innen außerordentlich bedeutsam. der politischen Parteien in gleicher Weise wie in
Parlamenten besteht, ist nicht einfach zu beant-
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der worten. Parteien sind nicht identisch mit ihren
Frage, ob Muslimfeindlichkeit in Parteiprogram- Mandatsträger*innen, sie können in weiten Teilen
men (Bund und Länder), im Bundestag (Debatten) der Zivilgesellschaft zugerechnet werden. Für sie
und in rechtsextremen politischen Bewegungen gilt ein erweiterter Spielraum von Positionen, da
in Erscheinung tritt. Basis für die Bewertung sie nicht automatisch dem Staat und seinen Insti­
der Frage durch den UEM sind der aktuelle For- tutionen zugerechnet werden dürfen, sondern
schungsstand, eigene Auftragsforschung (Univer- Pluralität abbilden, die sich nur an den Grenzen
sität Erfurt) und eigene weitergehende Analysen. des Legalen zu orientieren hat. Dies bedeutet,
dass sie auch verfassungsfremde Ziele verfolgen
8.2.1 Rassismus, Verfassungsfeindlichkeit können, solange sie diese in einem gewaltfreien
und wehrhafte Parteiendemokratie: und legalen Rahmen vertreten. Eine freiheitliche
Eine theoretische Einführung Verfassung würde obsolet, wenn sie ihren Kriti-
ker*innen keinen Raum mehr gäbe.
Auch in diesem Feld geht es aus theoretischer Sicht
vor allem um Fragen des Strukturellen und Insti- Trotz ihres Charakters als Tendenzbetriebe
tutionellen Rassismus bzw. Diskriminierung. Der unterliegen Parteien einem Parteiengesetz, das
UEM untersucht hier also nicht nur muslimfeind- sie als besondere Organisationen kennzeichnet,
liche Einstellungen, Aussagen und Programme im weil sie als Vorfeldorganisationen der Parla-
politischen Raum, sondern bewertet auch, ob die mente staatsnahe Aufgaben übernehmen. Aus
Akteur*innen konkrete Maßnahmen ergreifen, der Mitte der Parteien werden die Mitglieder der
um Teilhabe von Muslim*innen an der deutschen Bundes- und Landesparlamente sowie die poli-
Wahldemokratie zu ermöglichen. Zu berücksich- tischen Beamt*innen der Ministerien rekrutiert.
tigen ist, dass der Deutsche Bundestag und die in Parteien genießen zudem eine herausgehobene
ihm vertretenen politischen Parteien in der libe- Stellung bei der politischen Meinungsbildung
ralen Demokratie unterschiedliche Funktionen und Politik­formulierung (Interessenaggregation),
innehaben. Politische Partizipation ist gemäß den was wiederum dazu führt, dass der Staat die in
Vereinten Nationen ein Menschenrecht und eng den Parlamenten vertretenen Parteien kofinan-
verbunden mit der Förderung von Minderheiten- ziert (politische Stiftungen, Steuerbegünstigung
Politik 239

usw.). Aus dieser staatsnahen Funktion ergibt Definitionen von Integration als Anpassung an
sich ein Konflikt dergestalt, dass einerseits auch eine ‚Leitkultur‘ oder Ähnliches. In der liberalen
verfassungsfeindliche Positionen im Parteien- Demokratie ist eine Integration nur in wenigen
raum geduldet werden müssen, sich zugleich aber Bereichen zwingend erforderlich, etwa bei den
andere Parteien im Rahmen der sogenannten politischen Grundwerten der Verfassungs- bzw.
„wehrhaften“ oder „streitbaren“ liberalen Demo- Rechtsstaatstreue (vgl. Meyer 2003: 162) oder
kratie von diesen Positionen abgrenzen müssen. bei der ökonomischen Solidarität wie zum Bei-
Denn das auf dem Grundgesetz basierende poli- spiel dem Zahlen von Steuern (vgl. Young 2000:
tische System würde ins Wanken geraten, wenn 221–228). Alle anderen Forderungen an Mus-
eine Mehrzahl der Parteien die (antirassistischen lim*innen sind politisch möglich, begrenzen aber
usw.) Grundlagen der Verfassung ablehnen würde. den Raum der Entfaltung von ethnischen und
Die wehrhafte Demokratie genießt Verfassungs- religiösen Minderheiten und sprengen den säku-
rang (vgl. a. Beck 2021). laren Rahmen der liberalen Demokratie durch
quasi-fundamentalistische Nationenbegriffe. Füh-
In diesem Sinne ist Institutioneller Rassismus rende Theoretiker*innen wie Young gehen davon
in Parteien und Parlamenten wegen des ver- aus, dass die Repräsentation von Minderheiten-
fassungsgemäß größeren Ermessensspielraums gruppen im herkömmlichen – vom Mehrheits-
schwieriger zu definieren als in der Exekutive – prinzip dominierten – institutionellen Gefüge der
im Sinne der wehrhaften Demokratie ist die Defi­ Demokratie zu systematischer Diskriminierung
nition aber keineswegs beliebig –, und eine anti- führt (ebd.: 141–148). Institutionelle Diskrimi-
rassistische und diversitätsorientierte Politik ist nierung wäre demnach ein oft unbeabsichtigtes
eine Bringschuld des legislativen Teilsystems. Nebenprodukt einer repräsentativen Demo-
Die Unterscheidung zwischen Antirassismus und kratie, sofern sie keine aktive antirassistische und
Diversitätspolitik ist insofern bedeutsam, als zugleich diversitätsorientierte Politik betreibt.
sie mit der Unterscheidung zwischen manifestem
und Strukturellem/Institutionellem Rassismus Für die Repräsentation muslimischer Interessen
einhergeht. Wie bereits im Kapitel zur Exekutive in deutschen Parlamenten und Parteien sieht es
festgestellt, geht es beim Institutionellen Rassis- grundsätzlich ungünstig aus. Sie sind mit etwa
mus nicht nur um die Artikulation von rassisti- 6,5 Prozent Bevölkerungsanteil in einer deutlichen
schen Positionen, sondern auch um unbeabsich- Minderheitenposition. Natürlich muss berück-
tigte Diskriminierungspraktiken oder auch das sichtigt werden – und dies wird auch noch zu
politische Nicht-Handeln, also zum Beispiel um diskutieren sein –, dass viele Muslim*innen ihre
Passivität angesichts eines blockierten Partizi- Interessen nicht als Muslim*innen in der Politik
pationszugangs von ethnischen bzw. religiösen artikulieren wollen. Dennoch bleibt als Grund-
Minderheiten. Rassismus und Antirassismus sind problem bestehen: Während Grund- und Men-
also keine separaten Facetten des Lebens, sondern schenrechte Muslim*innen bestimmte Freiheiten
hängen eng mit Fragen der Assimilations-, Inte­ gewähren, die prinzipiell über Gerichte einklagbar
grations-, Diversitäts- oder Anerkennungspolitik sind, können sie politische Positionen aufgrund
im politischen Raum zusammen. der nicht-muslimischen Hegemonie nicht selbst-
ständig durchsetzen, sondern sind auf Mithilfe
Eine antirassistische Assimilationspolitik mag der etablierten Parteien angewiesen (vgl. K. Hafez
zwar Muslim*innen als gleichwertige Individuen 2013b: 72–93). Man muss nicht so weit gehen,
vor dem deutschen Recht anerkennen, räumt gesonderte Repräsentationsrechte für solche Min-
ihren gruppenbezogenen Interessen aber wenig derheiten zu verlangen (vgl. Kymlicka 1995), aber
Raum ein. Ähnlich verhält es sich mit engen der politische Einsatz für ethnische und religiöse
240 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Minderheiten sowie deren aktive Repräsentation erschwerten aus seiner Sicht CDU und CSU die
und Teilhabe müssen in einer repräsentativen Partizipation von Migrant*innen bereits auf der
Demokratie zur Regel werden, will man institu- Ebene der staatsbürgerlichen Rahmengesetz-
tionelle Diskriminierung bekämpfen. gebung, zum Beispiel bei Themen wie doppelter
Staatsbürgerschaft oder Einbürgerung.
Daraus ergeben sich für das folgende Kapitel zwei
zentrale Leitfragen: F. Hafez bezeichnete noch in einer Veröffentli-
chung aus dem Jahr 2012, die neben Parlaments-
• Werden in der politischen Kommunikation diskursen auch Parteiprogramme berücksichtigte,
im Bundestag oder in den Programmen der CDU und CSU als weitgehend islamfeindlich
dort vertretenen Parteien muslimfeindliche geprägt: Der Islam werde nur mit negativen
Positionen vertreten – oder wird im Gegenteil The­men wie zum Beispiel Terrorismus in Verbin­
Muslimfeindlichkeit als politisches wie gesell- dung gebracht, das Verständnis des Islams sei
schaftliches Problem erkannt und durch kon- stereotyp und auch die Deutsche Islam Konferenz
sequente Maßnahmen bekämpft? von einem „asymmetrischen Diskursverhältnis“
• Werden muslimische politische Anliegen im gekennzeichnet (2012: 73). Die FDP wird von
Rahmen einer Diversitätspolitik berücksich- dem Autor als Juniorpartnerin einer islamfeind-
tigt und sind Muslim*innen im Bundestag lichen Politik gesehen, wohingegen die SPD aus
und in den politischen Parteien ausreichend der Opposition heraus vor allem das Problem der
repräsentiert – oder verhindern dies integra- Muslimfeindlichkeit betone und Bündnis 90/Die
tionspolitische Leitbilder und Diskurse und es Grünen den Islam sogar in ein gemeinsames (mul-
lassen sich Hinweise auf eine institutionelle tikulturelles) „Wir“ einschlössen (vgl. ebd.: 73–74).
Diskriminierung in der Legislative finden?
K. Hafez betonte ein Jahr später, dass Wolfgang
8.2.2 Politische Parteien Schäuble, Christian Wulff und Angela Merkel eine
Akzentverschiebung der CDU zur „liberalen Mitte“
8.2.2.1 Forschungsstand: Antipopulistischer und zu einem multikulturellen Konsens betrieben,
Konsens oder Diskursverschiebung die gleichwohl im politisch-kulturellen Gefüge
nach rechts? des konservativen politischen Lagers noch nicht
vollständig verarbeitet worden sei, da hier Vorstel-
Mirbach stellte im Jahr 2008 bei einer Analyse lungen einer christlich-jüdisch-abendländischen
der politischen Programme eine zunehmende Leitkultur überwögen (vgl. 2013: 132–134). Der
Beachtung von Muslim*innen fest, wobei Bünd- Autor betrachtet also anders als F. Hafez das Ver-
nis 90/Die Grünen und Die Linke sich hier eher hältnis der CDU zum Islam eher als widersprüch-
hervortaten als CDU und CSU, die sich stärker auf lich denn als durchgehend muslimfeindlich. Nur
das „Fordern“ als auf das „Fördern“ konzentrierten durch die langsame Verschiebung des deutschen
und dabei auf eine Anpassung an eine deutsche Konservatismus unter Merkel/Schäuble zum
„Leitkultur“ abzielten (vgl. 2008: 240–241). Wäh- Multikulturalismus lässt sich aus seiner Sicht auch
rend Mirbach Bündnis 90/Die Grünen als Vor- erklären, dass im rechten Politikspektrum in ganz
bild im Bereich der Antidiskriminierungspolitik Europa zunehmend ein Vakuum entstand, das in
betrachtet, weil sie bereits im Bundestagswahl- der Folge von neopopulistischen Parteien gefüllt
kampf 2005 – also lange vor dem Aufkommen wurde.
von AfD, Pegida usw. – einen Schwerpunkt auf
die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Anti- Dreß (2018) kam mit anderen Formulierungen
semitismus und Rassismus setzten (vgl. ebd.: 121), zu durchaus ähnlichen Befunden wie K. Hafez,
Politik 241

wenngleich auf der Basis eines begrenzteren inte- dienergebnisse auf Basis der Definition des UEM
grationstheoretischen Vorlaufs, der nicht primär für Muslimfeindlichkeit sowie unter Berück-
nach Partizipation (Mirbach) oder Anerkennung sichtigung zusätzlicher Quellen und Tatbestände.
und Antidiskriminierung (K. Hafez) fragte, son- Inhaltlich geht es dabei im Kern um die Frage,
dern den Aspekt der gesellschaftlichen Einglie- ob sich durch den Rechtspopulismus der AfD ein
derung von Muslim*innen in den Vordergrund antipopulistischer Gegen-Konsens oder aber –
rückte (vgl. ebd.: 508–511). Der Autor unterschei- im Gegenteil – islamfeindliche Brückendiskurse
det bei den bürgerlichen Parteien zwischen einem zwischen den bürgerlichen Parteien und der AfD
dynamisch-skeptischen Ansatz von CDU/CSU und somit eine Diskursverschiebung „nach rechts“
und einem dynamisch-optimistischen von SPD, herausbildet.
FDP und Bündnis 90/Die Grünen. CDU und CSU
werden auch hier als Parteien eingestuft, die hohe 8.2.2.2.1 Alternative für Deutschland (AfD):
assimilatorische Hürden errichten und eine weit- Manifeste Muslimfeindlichkeit
gehende kulturelle Homogenität anstreben. Dreßʼ
Analyse einer gewissen Dynamik der Islampolitik Mustafa hat unter anderem den Zugehörig­
der deutschen Parteien führt zu dem Ergebnis, keitsdiskurs, z. B. „Der Islam gehört (nicht) zu
dass sich die Programmatiken deutscher Parteien Deutschland“ etc., in sieben Bundes- und Landes-
im Spannungsfeld zwischen Muslimfeindlichkeit programmen der AfD im Zeitraum 2015 bis 2021
und Multikulturalismus bewegen (ebd.: 512). untersucht (Mustafa 2022: 38-54, 203-208). An ins-
gesamt 17 Fundstellen wird der Islam in verschie-
8.2.2.2 Eine aktuelle UEM-Studie: denen Varianten als nicht zu Deutschland gehörig
Muslimfeindlichkeit in Partei- bezeichnet, was in der konkreten Ausprägung als
programmen und im Bundestag Zeichen von latenter („gehört nicht zu“) wie auch
manifester („gehört nicht zu, weil generell negativ“)
Da die genannten Studien allesamt vor der Grün- Muslimfeindlichkeit gewertet werden kann und
dung und Etablierung der AfD durchgeführt wur- ein Handlungsprogramm zur geplanten Ein-
den, hat der UEM bei der Universität Erfurt eine schränkung der muslimischen Religionsfreiheit
aktuelle Studie des Islambilds deutscher Parteien erkennen lässt, wie die nachstehende Auflistung
und des Bundestags in Auftrag gegeben. Durch­ exemplarisch zeigt:
geführt wurde diese vom Politikwissenschaftler
Dr. Imad Mustafa, Universität Erfurt (2022). Metho­ • Der Islam gehöre nicht zu unserer/unserem
disch werden im Zeitraum 2015 bis 2021 insge- „Identität“, „Geschichte“, „Selbstverständnis“
samt 36 von 150 Bundes- und Landesprogram- (Sachsen-Anhalt 2016).
men der im Bundestag vertretenen Parteien sowie • Der Islam gehöre „nicht zu Deutschland“
45 signifikante Bundestagsdebatten diskursana- (Bund 2017, Baden-Württemberg 2016, 2021,
lytisch ausgewertet. Vor allem die Einbeziehung Niedersachen 2017, Sachsen-Anhalt 2021).
aller Bundesprogramme erlaubt eine dezidierte • Der „orthodoxe Islam“ sei mit dem säkularen
Trendanalyse. Die folgende Darstellung beruht in Rechtsstaat nicht vereinbar (Bayern 2018).
hohem Maße auf empirischen und analytischen • Der Islam stehe im „Konflikt mit der freiheit-
Befunden dieser vom UEM in Auftrag gegebenen lich-demokratischen Grundordnung“, der
Untersuchung, bettet diese allerdings in den Religionsfreiheit der Muslim*innen sollen
weiteren Forschungsstand ein. Zudem ergänzt Grenzen gesetzt werden (grenzenlose Satire-
und bewertet sie die empirische Lage eigenständig kritik, Verbote des Baus von Moscheen durch
unter Rückgriff auf den Forschungsstand, die teil- verfassungsfeindliche Vereine, ausländischer
weise auch abweichende Interpretation der Stu- Finanzierung von Moscheen, des Islamunter-
242 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

richts an Schulen, orientalischer Bauweisen, des sätze der säkularen Demokratie verstößt, sind
Muezzin-Rufs, des Halal-Essens in Kantinen, allesamt erfüllt.
der Unterdrückung von Frauen [Bund 2017,
Thüringen 2019, Sachsen-Anhalt 2021]), der Immerhin wird Muslim*innen keine im engeren
„Verstümmelung von Neugeborenen“ (Sachsen- Sinne genetische Minderwertigkeit unterstellt, da
Anhalt 2021). einzelne Muslim*innen bei Aufgabe einer eigenen
• Die ständig wachsende Zahl der Muslim*innen religiös-kulturellen Orientierung als assimilations-
in Deutschland sei eine „große Gefahr“ (Bund fähig angesehen werden, was im Antisemitismus
2017, Saarland 2017). des Nationalsozialismus nicht der Fall war. Inso-
• Die Ausbreitung des Islams sei eine „Gefähr- fern ist fraglich, ob die von Mustafa definierte
dung des inneren Friedens“ und „unserer völkisch-nationalistische Orientierung (ebd.: 38,
kulturellen Identität“ (Bayern 2018, ähnlich 45, 54) tatsächlich in voller Ausprägung auf die
Hessen 2018). Gesamtpartei AfD zutrifft. Mustafa spricht aller-
• Muslim*innen seien nicht integrationsbereit, dings zu Recht von einer sprachlichen Nähe zum
kämen aus „kulturfremden Regionen“, deren faschistischen Jargon vergangener Zeiten, die sich
Werte mit „unseren europäischen Werten nicht zuletzt in mitteldeutschen Landesprogram-
nicht vereinbar“ seien (Thüringen 2019). men erkennen lässt (z. B. „bevölkerungspolitische
• Den islamischen Ländern mangele es an Tole- Umschichtung“, „kulturfremd“, Thüringen 2019)
ranz gegenüber „anderen Weltanschauungen“ (vgl. Kailitz 2021: 12–13). In Thüringen, geprägt
(Brandenburg 2019). von Björn Höcke, machen Parteiprogramme auch
Anspielungen auf die rassistische Reinheitsideo-
Insgesamt entsteht in den Parteiprogrammen der logie des „Ethnopluralismus“ (vgl. K. Hafez 2019),
AfD das Bild einer vollständig entwickelten mus- die in klar rechtsextremistischen Kreisen verbrei-
limfeindlichen Ideologie, die alle Bundes- und tet ist (vgl. a. Kapitel ↗ 8.2.5). Für den Zweck des
Landesprogramme durchzieht und trotz einiger UEM muss die Frage der völkischen Ausrichtung
seltener Differenzierungen95 eine pauschale Dis- zunächst ungeklärt bleiben, es ist aber aus den
tanzierung, Abwertung und Dämonisierung des heutigen Programmen der Partei offensichtlich,
Islams vornimmt. Überzeugend ist die Analyse dass es sich bei der Muslimfeindlichkeit der AfD
von Mustafa, wonach die Islamprogrammatik in jedem Fall um einen voll entwickelten kultura­
der AfD in ihrer Gesamtheit gegen das säkulare listischen „Rassismus ohne Rassen“ handelt. Klar
Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes verstößt, zu erkennen ist zudem die von Schneider, Pickel
dass sich antimuslimische Narrative „wie ein roter und Öztürk (2021) ermittelte Funktion von Reli-
Faden durch alle Programme der AfD“ ziehen und gion und Muslimfeindlichkeit als esoterisches
mit ideologischen Begriffen wie „Umvolkung“ Band und Diskursangebot der AfD an die gesell-
unterlegt werden (ebd.: 44–50). Dimensionen der schaftliche Mitte.
Muslimfeindlichkeit wie eine pauschale Abwer-
tung einer Religion bzw. religiösen Gruppe, die In seinem Gutachten zur Frage der Verfassungs-
Konstruktion eines generellen Bedrohungsbilds feindlichkeit der AfD spricht das Bundesamt für
und des damit einhergehenden kategorischen Verfassungsschutz 2019 zwar davon, dass deren
kulturellen Ausschlusses, der gegen die Grund- Programmatik „noch keine hinreichend verdich-
teten tatsächlichen Anhaltspunkte, aber durchaus

95 Das Bundesprogramm 2017 sowie die Landesprogramme in Bayern 2018 und Baden-Württemberg 2021 konzedieren, dass viele
„Muslime“ „rechtstreu“, „integriert“ oder „geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft“ seien; das Bundesprogramm 2021 erklärt an
einer Stelle, nicht der Islam als Ganzes, sondern nur „soweit der Islam einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion“ erhebe,
sei unverträglich.
Politik 243

verdächtige Informationssplitter enthalte, die auf stehen und offen gegen Grundwerte der Verfas-
eine Ausrichtung gegen die freiheitliche demo- sung ausgerichtet sind (vgl. A.-K. Müller 2021).
kratische Grundordnung […] hindeuten könnten.“
(Meister/Biselli/Reuter 2019) In einer eigenen 8.2.2.2.2 Christlich Demokratische Union (CDU) /
Passage zur Islamfeindlichkeit heißt es dann aber Christlich Soziale Union (CSU):
wesentlich deutlicher, dass sich der Verdacht Ambivalente Haltung
erhärtet habe, „dass die politische Islam-Agenda
der AfD-Organisationseinheiten letztlich auf eine Die Islampolitik der CDU und CSU96 entwickelt
Beeinträchtigung des Rechts auf Religionsfreiheit sich spätestens seit der Ära Angela Merkel lang-
hinausläuft bzw. dieses Recht untergräbt und sam in Richtung der Anerkennung einer kulturel-
somit einen Anhaltspunkt für eine verfassungs- len Mitgliedschaft, hielt aber zugleich lange an der
feindliche Bestrebung darstellt“ (ebd.). assimilatorischen Vorstellung der Anpassung an
eine vorgeblich christlich-jüdische Prägung und
Im Lichte des Gutachtens des Verfassungsschutzes Leitkultur fest (vgl. Mirbach 2008: S. 84, 109). Die
sowie der eigenen obigen Analyse kann der UEM Parteien betonen wie keine außer ihnen das Recht
nicht umhin, in der Islampolitik der AfD klar auf Religionsfreiheit, scheinen diese Freiheit aber
intendierte, deutliche und gravierende Bestre- vor allem als Individualrechte der Privatsphäre
bungen zur Einschränkung muslimischer Reli- zu interpretieren. Im gesellschaftlichen Raum
gionsfreiheit zu erkennen. Muslimfeindlichkeit wird die Teilhabe von Muslim*innen deutlich
lässt sich nicht nur in einzelnen Äußerungen erschwert. Um nur zwei Beispiele zu nennen:
von Parteimitgliedern und Mandatsträger*innen, Die Anerkennung von Religionsgemeinschaften
sondern an zentralen Stellen in Bundes- und soll nach strengen, christlich-kirchlich gepräg-
Landesprogrammen nachweisen. Beide Aspekte ten Rechtsmaßstäben erfolgen, auch wenn diese
zusammen – manifeste Muslimfeindlichkeit und schwer auf den Islam übertragbar sind; die Inte-
antifreiheitliches Programm – erhärten den gration des Islams in Schulcurricula konservativ
Tatbestand und nicht nur den Verdacht, dass die regierter Bundesländer hinkt vielfach hinterher
Islampolitik der AfD tatsächlich verfassungsfeind- (vgl. K. Hafez 2013b: 263–283). Wie weit sind die
lich ist und über ein klar artikuliertes Programm konservativen Parteien auf ihrem Weg der Aner-
gravierender Einschränkungen von Grundrech- kennung des Islams gelangt?
ten für Muslim*innen verfügt, das sich gegen die
Menschenwürde wendet. Warum der Verfassungs- Anders als bei der AfD gibt es bei CDU und CSU
schutz hier trotz der auch sichtbaren Evidenz weder in den Bundesprogrammen 2017 und 2021
vor dem letzten Schritt der Bescheinigung einer noch in anderen Landesprogrammen Formulie-
Verfassungsfeindlichkeit der AfD zurückschreckt, rungen, die den Islam explizit aus dem Kultur-
erschließt sich nicht. Muslimfeindlichkeit und kontext ausschließen („gehört nicht zu …“) (vgl.
antimuslimische Programmatik sind nicht nur in Mustafa 2022: 54–72, 208–211). Im Gegenteil,
dem vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechts- Terror und Gewalt werden als Missbrauch des
extremistisch“ eingestuften sogenannten „Flügel“ Islams gekennzeichnet. In Deutschland lebende
der Partei nachweisbar, sondern in der Breite der Muslim*innen tragen, so heißt es, mit ihren Ideen
heutigen Bundes- und Landesprogramme der und ihrer Arbeit zum Erfolg Deutschlands bei.
Partei, die für deren grundsätzliche Ausrichtung Islamfeindlichkeit werde nicht geduldet: „Wer

96 CDU und CSU haben gemeinsame Programme zu den Bundestagswahlen 2017 und 2021 vorgelegt, die von Mustafa analysiert
worden sind; bei den Landesprogrammen wurde nur die größere Schwesterpartei CDU berücksichtigt.
244 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

in Deutschland lebt, ist Teil unserer Gesellschaft“ usw.) Verbrechen auch im Namen der Religion
(Bund 2021). begangen werden, wird nicht berücksichtigt;
positive Aspekte des muslimischen Lebens in
Erkennbar werden hier allerdings zwei Dinge, die Deutschland finden kaum Eingang. Der Islam
für die Frage der Muslimfeindlichkeit relevant sind: wird damit deutlich negativer behandelt als
andere Religionen.
• Das Bekenntnis zum Islam als Teil von
Deutschland wird sprachlich und konzeptu- Die empirische Lage ist vor dem Hintergrund des
ell in Varianten abgeschwächt, was auf eine Forschungsstands dahingehend zu interpretie-
unterschwellige Tendenz der Nicht-Inklusion ren, dass CDU und CSU sich in einem Schwebe-
und latente (differentialistische) Muslimfeind- zustand befinden, in welchem die in der Partei
lichkeit hindeuten kann („ist anders als …“). in der Ära Merkel begonnene Anerkennung des
Konservative Programme schließen den Islams (Deutsche Islam Konferenz usw., Unterka-
Islam und die Muslim*innen – anders als die pitel ↗ 8.1.2.1 etc. und ↗ 8.1.2.2) zwar dazu geführt
AfD – an keiner Stelle explizit aus (dies tun hat, dass eine klare rassistische Abgrenzung wie
also allenfalls Einzelstimmen in den Parteien). bei der AfD vermieden und sogar Islamfeind-
Erkennbar ist allerdings, dass auch die von lichkeit als gesellschaftliches Problem benannt
Schäuble, Merkel und Wulff öffentlich geprägte wird. Zugleich aber wird die kulturelle Teilhabe
Formel, der „Islam gehöre zu Deutschland“, des Islams programmatisch noch nicht vollzogen,
keinen Eingang in die Parteiprogramme gefun­ sondern es finden latente kulturalistische Abgren-
den hat. Stattdessen finden sich hier sprach- zungen statt (Deutschland sei christlich-jüdisch,
liche Abschwächungen („Dialog mit den hier aber nicht explizit islamisch geprägt usw.), die auf
lebenden Muslimen“, Bund 2017; „Wer in verschiedenen Ebenen die Definition von latenter
Deutschland lebt, ist Teil unserer Gesellschaft“, Muslimfeindlichkeit bzw. Nicht-Inklusion (Insti-
Bund 2021). tutioneller Rassismus) erfüllen.
• Es existieren zudem in den Programmen zahl-
reiche sicherheitspolitische Brückendiskurse 8.2.2.2.3 Freie Demokratische Partei (FDP):
zum Rechtspopulismus durch die massive Schwankende Einstellung
Betonung negativer Tendenzen des Islams, z. B.
wenn Islamismus, Dschihadismus, Clankrimi- Folgt man der Studie von Mustafa, so spielt kultu-
nalität und organisierte Kriminalität in einem rell-religiöse Zugehörigkeit bei der FDP – anders
Atemzug erwähnt werden. Das Programm als bei konservativen und rechtspopulistischen
Baden-Württembergs von 2016 etwa formu- Parteien – kaum eine Rolle (vgl. ebd.: 72–81, 211).
liert zwar neben einem christlich-abendlän- Die Partei äußert sich in nur drei der sechs unter-
dischen Bekenntnis auch eine Offenheit für suchten Programmen zum Islam, und zwar aus-
Impulse anderer Kulturen, bietet aber zugleich schließlich in Landesprogrammen, nicht auf Bun-
ausschließlich negative Kontextualisierung für desebene. Der Islam, so heißt es dort, sei zu einem
den Islam an (IS-Terrorismus, Dschihadismus, „gesellschaftlich relevanten Glaubensbekenntnis“
„Burkaverbot“) (vgl. Mustafa 2022: 69). Im CDU- geworden und man setze sich für flächendecken-
Programm von NRW 2017 wird durch die den Islamunterricht in Schulen auf Deutsch und
Erwähnung von Silvesternacht, Breitscheid- unter deutscher Schulaufsicht ein (Niedersachsen
platz, No-go-Areas usw. ein „umfassendes 2017, NRW 2017). In Schleswig-Holstein wird der
Angstbild“ (Mustafa) gezeichnet (vgl. ebd.: 60). Islam neben Christentum und Judentum als eine
Dass ebenso in anderen religiös-kulturellen „sehr relevante Religion“ darstellt (SH 2017).
Räumen (Christentum, Hinduismus, Judentum
Politik 245

Im Bundesprogramm 2017 wird zwar kein Zuge- begriff. Durch die recht einseitige Betonung von
hörigkeitscredo für den Islam formuliert, was Gefahrenpotenzialen entsteht allerdings eine
jedoch wegen der generell strikten säkularen diskursstrukturelle Feindlichkeit. Zudem ist ver-
Haltung der Partei im Grunde nachvollziehbar ist. wunderlich, dass Hinweise auf Islamfeindlichkeit
Immerhin wird Islamfeindlichkeit aber als gesell- aus dem Bundesprogramm 2017 im Jahr 2021
schaftliches Problem (in einem Atemzug mit Anti- wieder verschwinden. Dies ist umso erstaunlicher,
semitismus) erwähnt (Bund 2017) (vgl. Mustafa wenn man sich vergegenwärtigt, dass in diese Zeit
2022: 80) – ein Hinweis, der allerdings vier Jahre Attentate wie die von Hanau oder Christchurch
später wieder verschwindet (während der auf den fielen, Muslim*innen also zunehmend unter
Antisemitismus bleibt!) (Bund 2021). In Bundes- Verfolgung in westlich geprägten Gesellschaften
wie auch Landesprogrammen wird das Gefahren- litten, was zu einer solidarischen Haltung in einer
szenario Islam ausgeschmückt, wenn auch deut- rechtsstaatlich-liberalen Partei führen müsste.
lich weniger als bei der AfD und auch noch bei Die starke Betonung von Gefahren des Islams bei
der CDU, aber die Bedrohung durch Islamismus gleichzeitiger Passivität gegenüber Islamfeind­
und Terror wird wiederholt erwähnt, Zwangs- lichkeit erzeugt eine Unausgewogenheit, die
verschleierung abgelehnt, Prävention in Schulen durchaus als Element von Institutionellem Rassis-
angemahnt (Bund 2017). In Niedersachsen etwa mus bezeichnet werden kann. Auch wenn die FDP
wendet man sich gegen „falsch verstandene Tole- 2019 eine Anfrage im Bundestag zur Prävention
ranz“ bei den Sicherheitsbehörden und setzt sich von Muslimfeindlichkeit an Schulen einbrachte,97
für konsequentes Vorgehen gegen Extremismus ist zumindest im Rahmen der Parteiprogramme
ein; Burqa und Niqab werden an Schulen abge- kein wirkliches Engagement gegen Rassismus,
lehnt (2017), ebenso Integrationsverweigerung sondern eine schwankende Haltung in diesem
und Paralleljustiz (Rheinland-Pfalz 2016). Die Bereich erkennbar.
FDP nennt auch positive Aspekte des Islams, sie
will z. B. progressive und liberale Muslim*innen 8.2.2.2.4 Sozialdemokratische Partei Deutschlands
stärken, die weniger in muslimischen Verbänden (SPD): Anerkennung mit Fragezeichen
organisiert seien. Dies verbindet sie allerdings mit
dem Hinweis, Glaubensgemeinschaften sollten Die SPD hat sich über viele Jahre an eine explizite
weniger aus dem Ausland gesteuert werden. Anerkennung des Islams als Teil von Deutschland
herangetastet (vgl. Mustafa 2022: 81–94, 211–213).
Insgesamt ist bei der Islamprogrammatik der Gemäß dem Hamburger Programm von 2015 ver-
FDP im Vergleich zu den konservativen Parteien dienen Muslim*innen und alevitische Gemeinden
eine weitere Entwicklung in Richtung politischer „Respekt und Anerkennung wie andere Religions-
Mitte zu erkennen. Sieht man vom (wohl ideo- gemeinschaften“. Die SPD in Baden-Württemberg
logisch bedingten) Fehlen eines positiven kultu- bekennt 2016: „Menschen muslimischen Glaubens
rellen Anerkennungscredos („Der Islam gehört zu sind Teil unserer Gesellschaft.“ Schließlich heißt
Deutschland“) ab, so ist bei der Partei weder eine es im Bundestagswahlprogramm 2017: „Muslime
manifeste (AfD) noch eine latent-subtile (CDU) und Islam sind Teil unseres Landes“. In Nordrhein-
Muslimfeindlichkeit zu erkennen. Das liberale Westfalen bekennt die SPD 2017: Der „islamische
Selbstverständnis beruht vornehmlich auf den Glaube […] gehört zu NRW“ (ähnlich Hessen 2018).
Verfassungsgrundlagen und das liberale Leitbild
enthält keinen kulturell geprägten Nationen-

97 Deutscher Bundestag (2019): Kleine Anfrage. Prävention von Islam- und Muslimfeindlichkeit an Schulen. Online abrufbar:
https://dserver.bundestag.de/btd/19/148/1914897.pdf. [24.04.2023].
246 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

In den Jahren danach wird die Klarheit dieser gibt Rückschritte bei der Anerkennung des Islams
Bekenntnisse wieder eingeschränkt. Die SPD in im Vergleich der Bundesprogramme 2017 und
Rheinland-Pfalz spricht 2021 nur noch von einer 2021. Ob dieser Wechsel des Sprachgebrauchs
„Anerkennung und Teilhabe von Musliminnen und bei der SPD (Islam/Muslim*innen) oder auch
Muslimen“ statt des Islams, auch wenn immerhin der Wegfall der Erwähnung des Problems der
das Problem der Islamfeindlichkeit benannt wird Muslimfeindlichkeit bei der FDP eine Diskurs-
(ähnlich Hessen 2018). Das Bundestagswahlpro- verschiebung nach rechts – möglicherweise sogar
gramm 2021 erwähnt zwar „Anerkennung und motiviert durch eine zunehmend populistische
Teilhabe von Musliminnen und Muslimen“ und Sichtweise nach der sogenannten „Flüchtlings-
erstmals auf Bundesebene Islamfeindlichkeit krise“ und dem Einzug der AfD in den Bundes-
als gesellschaftliches Problem; allerdings wird tag 2017 – ist, ließe sich nur mit weitergehenden
der Islam nicht mehr wie 2017 als „zugehörig“ Tiefeninterviews ermitteln. In den Programmen
bezeichnet. selbst zeigt sich aber, dass die Anerkennung des
Islams weder theoretisch noch praktisch konso-
Die SPD-Landesprogramme vermerken einen lidiert ist und dass auch beim Bekenntnis zum
Einsatz für den islamischen Religionsunterricht Kampf gegen Muslimfeindlichkeit noch Unklar-
an Schulen (Baden-Württemberg 2016, Hessen heit herrscht. Einige Landesgliederungen der SPD
2018, Rheinland-Pfalz 2021) und für die Gleich- sind im Kampf gegen Muslimfeindlichkeit gera-
stellung des Islams vor dem Religionsverfassungs- dezu verwirrend aufgestellt: In Brandenburg 2019
recht (Bund 2017). Gelegentlich, wenngleich nicht wird statt Islam- oder Muslimfeindlichkeit „Anti-
so gehäuft wie bei CDU und CSU und sicher nicht islamismus“ in einem Atemzug mit Antisemitis-
vergleichbar mit der AfD, werden negative Facetten mus und Antiziganismus erwähnt (vgl. Mustafa
der muslimischen Realität wie „Parallelstrukturen“ 2022: 86). Die dem Grunde nach angelegte Aner-
(Baden-Württemberg 2016), Islamismuspräven- kennung des Islams und der Islamfeindlichkeit
tion an Schulen (Rheinland-Pfalz 2016) und der bleibt also insgesamt mit Fragezeichen behaftet.
Kampf gegen Salafismus erwähnt (NRW 2017).
8.2.2.2.5 Bündnis 90/Die Grünen:
Das Rechts-Links-Spektrum ist offensichtlich Nachlassende Solidarität
maßgeblich für die Haltung der Parteien zum
Islam und zur Muslimfeindlichkeit. Je weiter man Den Wunsch nach einem klaren Bekenntnis zum
im Spektrum nach links voranschreitet, umso Islam als Teil von Deutschland, gekoppelt mit
klarer scheint sich das Bekenntnis zum Islam / einem klaren Programm zur Bekämpfung von
zu Muslim*innen und gegen Muslimfeindlichkeit Muslimfeindlichkeit und zur Gleichstellung des
abzubilden. Die SPD ist hier mit der Formel des Islams (bei durchaus klarer Abgrenzung gegen-
Bundesprogramms von 2017, „der Islam und die über bestimmten Formen des politischen Islams),
Muslim*innen gehörten zu Deutschland“, wieder erfüllt zunächst einmal das Programm von Bünd-
einen Schritt weiter mit der kulturellen Anerken- nis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl von 2017 –
nung als die FDP. bevor auch hier das Programm von 2021 erneut
kritische Fragen aufwirft (vgl. Mustafa 2022:
Von einer differenzierten Antidiskriminierungs- 94–11, 213–216). 2017 wird – ähnlich wie auch bei
programmatik lässt sich bei der SPD mit den FDP und SPD, also den heutigen Koalitionären der
wenigen Hinweisen auf Gleichstellung und Reli- „Ampelkoalition“ – festgestellt, dass der Islam wie
gionsunterricht allerdings noch nicht sprechen. alle anderen Religionen und Weltanschauungen
Zudem ist, ähnlich wie bei der FDP, noch keine zu Deutschland gehöre. Von den kulturalistischen
konsolidierte Programmatik zu erkennen und es (CDU/CSU) oder klar muslimfeindlichen (AfD)
Politik 247

Setzungen der konservativen oder rechtspopulis- gefördert werden sollen, und zeigt sich solidarisch
tischen Parteien ist hier nichts mehr zu erkennen. mit Kritiker*innen von „fundamentalistisch-
Man orientiert sich an der säkularen Verfassung politischen Kräften“. Zwar ist der Hinweis auf
als Metawert. Muslimische Gemeinden werden den progressiven Islam, ähnlich wie bei der FDP,
als willkommener Teil der offenen Gesellschaft durchaus als positive Assoziation zu werten.
bezeichnet. Körperschaftsstatus und Anerken- Anstelle einer offenen Gleichstellung im Rahmen
nung als Religionsgemeinschaften werden in Aus- der deutschen Gesetze wird hier allerdings plötz-
sicht gestellt, wenn auch nicht für Organisationen lich ein ideologischer Vorbehalt eingeführt, der
wie DITIB, den Islamrat oder den Zentralrat der leicht gegen den orthodox-konservativen Islam
Muslime, die nicht theologisch unterscheidbar ausgelegt werden kann, zumal der Begriff des
seien, wie es das deutsche Recht vorsehe, sondern Fundamentalismus unklar bleibt.
national-ethnischen Tendenzen zugeordnet wür-
den und von außen beinflussbar erschienen. Noch schwerer wiegt, dass Antimuslimischer
Rassismus oder Muslimfeindlichkeit gar nicht
Antimuslimischer Rassismus wird von Bündnis mehr erwähnt werden, was insofern verwunder-
90/Die Grünen 2017 klar benannt, die Partei wen- lich ist, als zwischen 2017 und 2021 Attentate
det sich auch ausdrücklich gegen strukturelle Dis- wie das von Hanau lagen und man von Bündnis
kriminierung. Islamismus, Salafismus und Rechts- 90/Die Grünen mit ihrer langen Geschichte des
extremismus soll präventiv begegnet werden, aber Multikulturalismus eine klare Haltung erwarten
es existieren hier deutlich weniger negative Asso- dürfte – welche allerdings ausbleibt. Während
ziationen als etwa bei rechtspopulistischen und die SPD endlich Islamfeindlichkeit als Problem
konservativen Parteien. Bei Bündnis 90/Die Grünen anerkennt, streichen FDP und Grüne sie aus ihren
dominiert 2017 ein Credo der Anerkennung Bundesprogrammen, was als Zeichen einer nach-
des Islams und des Kampfes gegen Strukturellen lassenden Solidarität im Kampf gegen Rassismus
Rassismus – vielleicht ist es das vorbildlichste gewertet werden muss.
Programm im ganzen Untersuchungsset. Das
Programm der Partei in Nordrhein-Westfalen von Bei den Parteien der heutigen Ampelkoalition
2017 entspricht diesem Tenor, kündigt zudem noch ist also bei allen Unklarheiten und mangelnden
eine muslimische Seelsorge in Krankenhäusern an. Differenzierungen der Programme eine Geschichte
der Positionierung für die Anerkennung des
Andere Landesprogramme hingegen bleiben weit- Islams und gegen Islamfeindlichkeit zu erkennen,
gehend unspezifisch in ihrer Ausrichtung (z. B. die sich prinzipiell von konservativen und rechts-
Bayern 2018). Im Bundeswahlprogramm 2021 populistischen Parteien unterscheidet. Zugleich
zeichnet sich dann sogar eine Rückentwicklung findet in deren Parteiprogrammen in den letzten
ab: Nicht mehr der Islam gehöre demnach zu Jahren in gegenläufiger Weise eine partielle Ent-
Deutschland, sondern das „muslimische Leben“, solidarisierung und Diskursverschiebung statt,
was insofern problematisch ist, als diese Über- und dies trotz steigender Bedrohungen für Mus-
nahme einer im konservativen Lager erfundenen lim*innen, die heute sogar in Berichten des ame-
Sprachvariante erneut die gleichberechtigte kul- rikanischen Außenministeriums explizit benannt
turelle Anerkennung des Islams in Frage stellt. werden (vgl. Unterkapitel ↗ 8.1.3.4). Anstelle der
Das Programm spricht die Bedrohung muslimi- von Bündnis 90/Die Grünen lange Jahre als ein-
scher Einrichtungen an, ebenso die weiterhin ziger Partei erkannten Muslimfeindlichkeit bleibt
geplante Gleichstellung islamischer Religions- nur noch eine vage Kampfansage an den Rechts-
gemeinschaften, betont aber auch, dass vor allem extremismus übrig, was insofern problematisch
progressive, liberale muslimische Vertretungen ist, als a) die konkrete gegen Muslim*innen
248 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

gerichtete Form des Rassismus verschwiegen hingegen verzichtet, was dann auch bedeutet,
wird (was beim Antisemitismus undenkbar dass Diversitätspolitik, die z. B. von Bündnis 90/
wäre) und b) Rassismus nicht nur ein Problem Die Grünen stark betont wird, hier keine Gestalt
des Extremismus ist, sondern in der Mitte der annimmt und die Gesellschaftsanalyse weitge-
deutschen Gesellschaft entsteht. Erst im Koali- hend auf universelle sozio-ökonomische, pazi-
tionsvertrag zwischen SPD, FDP und Bündnis fistische u. ä. Kriterien beschränkt bleibt. Der
90/Die Grünen Ende 2021 findet Muslimfeind- antirassistische Ansatz ist allerdings konsequent
lichkeit dann erneut an einer Stelle Erwähnung durchdekliniert: Der Islam wird, anders als in
(vgl. den Koalitionsvertrag von SPD/Die Grünen/ anderen politischen Programmen, kaum in nega-
FDP 2021: 95) – die Verankerung in den Partei- tiven Kontexten (Terrorismus, Islamismus usw.)
programmen dieser Parteien muss allerdings im verortet; im Gegenteil wird die westliche Mitver-
Auge behalten werden. antwortung für den Terror des IS betont (Bund
2017). Islamkritik wird als häufige Strategie der
8.2.2.2.6 Die Linke: Pragmatischer Antirassismus Muslimfeindlichkeit betrachtet, die Bekleidungs-
freiheit von Muslim*innen wird betont, Angriffe
Die Partei Die Linke wartet in Bezug auf Muslim- auf Moscheen werden verurteilt und sogar „staat-
feindlichkeit mit einem ganz eigenen Profil auf, lich gestützte Feiertage“ von Jüdinnen und Juden
das sich von allen anderen Parteien unterscheidet und Muslim*innen angeregt (Bund 2017) – was
(vgl. Mustafa 2022: 115–128). Es lässt sich wohl am an dieser Stelle über Antirassismus hinausgeht
ehesten als eine aufgelockerte Form des antiras- und eine praktische Form der kulturell-religiösen
sistischen Laizismus kennzeichnen und spiegelt Anerkennung darstellt.
sich in den Bundeswahlprogrammen 2017 und
2021 deutlich wider. Auch wenn eine Trennung Der denkbare Einwand, Die Linke setze durch
von Staat und Kirchen/Religionsgemeinschaften radikal-laizistische Anschauungen einen linken
kein Leitthema linker Programmatik ist, so ist Fundamentalismus durch, den An-Na’im als west-
doch auffällig, dass die Partei – anders als CDU/ liches Gegenstück zum islamistischen Fundamen-
CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen – talismus kennzeichnet (vgl. 2009), wäre hier sicher
kein Zugehörigkeitsbekenntnis abliefert, weder verfehlt. Zwar kann man ein gewisses Versäumnis
gegenüber dem Islam noch Muslim*innen. einer positiven Anerkennung muslimischer Zuge-
Zugleich zeugen die für den UEM untersuchten hörigkeit kritisieren. Kultur („cultural citizens-
Bundes- und Landesprogramme von einem star- hip“) wird nicht zum zentralen Merkmal erho-
ken antirassistischen Credo, das systematisch ben. Es geht der Partei aber erkennbar um eine
auch Strukturellen und Institutionellen Rassis- pragmatische Form postnationalistischer Politik,
mus einschließt, sich z. B. gegen Racial Profiling die nicht nur niemanden ausgrenzen soll und
wendet und in der Gegenwart auch – das war sich abstrakt gegen „Rassismus“ wendet, sondern
nicht immer so – „Islamfeindlichkeit“ und „Anti- konkret Islamfeindlichkeit adressiert und, anders
muslimischen Rassismus“ (mit wechselnden als eigentlich alle anderen Parteien, nicht durch
Begrifflichkeiten) konkret neben anderen Formen ein Übergewicht negativer Diskursstrukturen
des Rassismus (wie Antisemitismus und Antiziga- Muslimfeindlichkeit durch die Hintertür wieder
nismus) benennt. einführt. Die Bundesprogramme sind in diesem
Kontext sicher stärker entwickelt als die meisten
Muslim*innen werden hier also stark und sehr Länderprogramme, die allerdings einen ähnlichen
konsequent in ihrer Rolle als potenzielle Opfer Tenor besitzen (z. B. Berlin 2016, Saarland 2017,
von Rassismus wahrgenommen. Auf ihre positive Thüringen 2019, Baden-Württemberg 2021). Der
Anerkennung als Teil einer deutschen Kultur wird Nachteil des laizistischen Ansatzes bleibt aller-
Politik 249

dings, dass die religionspolitischen Vorstellungen Zeitraum von 1994 bis kurz vor der sogenannten
(z. B. Anerkennung von muslimischen Religions- ‚Flüchtlingskrise‘ 2014 ab. Halm verzeichnete bei
gemeinschaften bzw. Körperschaften) unterent­ einem Vergleich von Bundestagsdebatten der
wickelter als bei manchen anderen Parteien bleiben. Jahre 2000/1 und 2003/4 eine Diskursverschie-
bung in Richtung einer zunehmenden Wahr-
8.2.2.2.7 Credo: Polarisierung zwischen nehmung einer vom Islam ausgehenden Gefahr
Muslimfeindlichkeit und Anerkennung (Terrorismus) auf Kosten einer Betonung von
Dialog und Gleichwertigkeit (vgl. Stiftung Zent-
Wie in der nachstehenden Analyse des UEM rum für Türkeistudien und Integrationsforschung
erkennbar wird, ist die AfD die einzige Partei im 2006: 18). Klug bestätigte 2010 zwar den Befund
Bundestag mit einem manifesten muslimfeind- einer Verschiebung hin zur Krisenwahrnehmung
lichen Programm. Bei der CDU/CSU lässt sich eine des Islams (vgl. 2010: 86), räumte aber zugleich
latente Muslimfeindlichkeit durch die inkonse- einen respektvollen Umgang mit dem Islam ein,
quente Anerkennung des Islams als Teil der deut- der sich markant von Mediendiskursen unter-
schen Nation bzw. Kultur erkennen. Alle anderen schied (vgl. ebd.: 155). Der Bundestag entfaltete
Parteien verzichten auf solche Konstrukte, bleiben also im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts
allerdings auf der Ebene der diskursiven Verortung offensichtlich eine eigene Diskurslogik, die weit-
des Islams als Feindbild (Terrorismus usw.) sowie hin ohne manifest-negative Muslimfeindlichkeit
der passiven und oft unstrukturierten Haltung – auskam. Allerdings ließ sich latente Muslimfeind-
in den letzten Jahren zudem seltsamerweise mit lichkeit etwa durch die „kulturalistische Kopplung
nachlassender Solidarität – hinter einer konse- von Herkunft und religiöser Überzeugung“ auch
quenten Bekämpfung des Institutionellen Rassis­ damals bereits in der CDU/CSU erkennen, was,
mus zurück. Diese ist einzig bei der Partei Die so die Autorin, geeignet war, in der Bevölkerung
Linke ausgeprägt, welche allerdings Schwächen vorhandenen Ressentiments weiter Vorschub zu
bei der religiösen Gleichstellung erkennen lässt. leisten (vgl. ebd.: 162–163).
Von einer Diskursverschiebung nach rechts durch
den Einzug der AfD kann jedoch zumindest in Fritzsche kam sechs Jahre später in einer Unter­
den Parteiprogrammen nicht pauschal gesprochen suchung der Debatten zu den Lagerberichten
werden, eher von einer langsam voranschreiten- des Bundestags im Zeitraum 1994 bis 2014 – also
den Anerkennung. Bei der Bekämpfung von bis unmittelbar vor der sogenannten „Flücht-
Muslimfeindlichkeit und der Anerkennung des lingskrise“ von 2015 – zu recht uneinheitlichen
Islams ist im Gegenteil ein weitgehender Anti-AfD- Befunden (vgl. 2016). Die Studie bestätigte, dass
Konsens erkennbar. Im Gesamtbild mit der AfD der Bundestag weiter in der Intensität seiner
ergibt sich seit deren Einzug allerdings zugleich Debatten hinter anderen, offen muslimfeindlichen
eine stärkere Polarisierung zwischen Muslimfeind­ Teilen der Öffentlichkeit zurückblieb. Fritzsche
lichkeit und Antirassismus bzw. Anerkennung. verzeichnete bei den verstärkt auftretenden
„Der-Islam-gehört-zu-Deutschland“-Debatten
8.2.3 Der Deutsche Bundestag ein ähnliches Bild, wie es sich auch in den oben
analysierten Parteiprogrammen zeigte: gewisse
8.2.3.1 Forschungsstand seit 9/11: „Neue Vorbehalte bei CDU/CSU, aber ein „klares Ja“ beim
Sachlichkeit“, alte Abgrenzungen Rest der im Bundestag vertretenen Parteienland-
schaft (vgl. ebd.: 69). Auch im Zuge der Sarrazin-
Zu Islamrezeption und Muslimfeindlichkeit im Debatte überwog im Bundestag die Kritik an den
Deutschen Bundestag liegt eine Reihe wissen- diffamierenden, ausgrenzenden und biologisti-
schaftlicher Studien vor. Sie decken in etwa den schen Argumenten des Buchautors (vgl. ebd.: 72).
250 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Unmittelbar vor der Formierung der AfD meinte im Gegenteil sogar einen rechtspopulistischen
die Autorin im deutschen Parlament sogar eine Ansteckungseffekt (engl. „contagion effect“) auf
„neue Sachlichkeit“ im Umgang mit dem Islam die deutsche Demokratie – mit dem Resultat einer
wahrzunehmen (vgl. ebd.: 72–74). Im Widerspruch Diskursverschiebung nach rechts? Der UEM hat
hierzu stand in der Untersuchung allerdings der erneut die Universität Erfurt mit einer entspre-
Befund einer immer stärkeren kulturellen Aufla- chenden Diskursanalyse der Bundestagskommu-
dung und Wertefokussierung des Integrationsbe- nikation beauftragt (Mustafa 2022). Die zentralen
griffs, in dem Fritzsche ein „ausgrenzendes Poten- empirischen Ergebnisse der Studie werden nach-
tial“ und eine stete Erweiterung des „Sagbaren stehend zusammengefasst und durch den UEM
hinsichtlich antimuslimischer Aussagen“ (ebd.: 75) eigenständig bewertet.
entdeckte, da sich Werte jenseits von Rechtstreue
in einer freien Gesellschaft sehr diffus ausgestal- 8.2.3.2 Allgemeine Analyse: Sicherheits-
ten und kaum glaubhaft als Grenzmarkierung fokussierung der Islamdebatte
eigneten. Während sich also Vertreter*innen aller
Parteien oft „vehement gegen Verallgemeinerun- 45 islamrelevante Debatten des Deutschen Bundes­
gen“ (ebd.: 79) wehrten, waren in manchen politi- tags im Zeitraum 2015 bis 2021 wurden zunächst
schen Spektren übertriebene Wir-Konstruktionen quantitativ in Form einer Themenfrequenzana-
und latente Abgrenzungen gegenüber Muslim*in- lyse bewertet, wobei nur solche Debatten in das
nen durchaus vorhanden. Sample einbezogen wurden, bei denen der Islam
im Vordergrund stand (vgl. ebd.: 142–145). 21
Die bisherige Untersuchung von Muslimfeind- Debatten zielten auf den Aspekt des externen Ter-
lichkeit im Bundestag seit 2015 ist unvollständig. rorismus, vor allem auf den ISIS, zehn weitere auf
Die seit 2017 im Bundestag befindliche AfD-Bun- den innerdeutschen Extremismus, sechs auf Leit-
destagsfraktion ist ein Auffangbecken für rechts- kultur und Integration, vier beschäftigten sich mit
extreme Mitbürger*innen geworden, was zu einer der Frage der Zugehörigkeit und nur eine einzige
Beeinträchtigung des parlamentarischen Arbeits- mit Islamfeindlichkeit bzw. Antimuslimischem
alltags durch Belästigungen und Einschüchte- Rassismus. Dem Autor der Studie, Imad Mustafa,
rungen geführt hat (vgl. Botsch 2021). Klar scheint ist beizupflichten, dass sich insgesamt eine starke
auch, dass mit der AfD eine aggressive Muslim- Sicherheitsfokussierung (vgl. ebd.: 143) und eine
feindlichkeit eingekehrt ist, deren zentraler Bedro- „Problemzentrierung des Islamdiskurses“ (ebd.:
hungs- und Verschwörungsmythos einer angeb- 145) des Bundestags erkennen lässt.
lichen Islamisierung durch die totalitäre Ideologie
des Islams immer wieder von Abgeordneten vor- Auf Basis dieser Analyse ist festzustellen, dass der
getragen wird, wobei in manchen Reden sogar Bundestag bei der Erörterung ureigener Anliegen
die ohnehin bereits radikalen Partei­programme von Muslim*innen in Deutschland – Muslim-
noch weiter zugespitzt worden sind (vgl. Schiebel feindlichkeit, Zugehörigkeit usw. – zwar Fort-
2019: 121–137, 127–129, 133–134). Die Verfas- schritte gemacht hat, das Sicherheitsnarrativ
sungsfeindlichkeit der AfD wird am Beispiel der als primäres Anliegen der Mehrheitsgesellschaft
Muslimfeindlichkeit auch im Parlament mehr als aber deutlich überwiegt. Es bleibt zu erwägen, ob
deutlich. man hier von einer Repräsentanzlücke sprechen
möchte. Hinzu kommt, dass Bundestagsdebat-
Wissenschaftlich bislang nicht ausreichend unter- ten den Islam vielfach vor allem anlassbezogen
sucht worden ist zudem, wie die anderen Parteien erörtern, sodass nicht nur jedes Sicherheitsereig-
auf diese Provokationen reagiert haben. Gibt es nis (Terror in Nahost usw.) die sozialstrukturellen
antirassistische Widerstände gegen die AfD oder Anliegen von Muslim*innen (Rassismus usw.)
Politik 251

zu überlagern scheint, sondern auch diskursive zwar assimilatorisch, aber nicht in einem manife-
Anlässe (Sarrazin, Seehofer usw.) vielfach als Takt- sten Sinne rassistisch denken. Merkel stellte sich,
geber erscheinen. Der Bundestag zeigt damit sehr wie Mustafa betont, „geradezu schützend“ vor die
deutlich, dass er sich bei der Islamagenda weniger Muslim*innen und betonte, dass sich Deutschland
an wissenschaftlichen Forschungsständen oder vom Terrorismus nicht spalten ließe (ebd.: 148).
an eigenen Politikbelangen als vielmehr an popu- Diese Position zeigte sich überfraktionell ähnlich
lären Meinungslagen orientiert. Auch hier wäre auch bei der SPD (Oppermann) und bei Bündnis
die Frage zu erörtern, inwieweit es sich dabei um 90/Die Grünen (Hofreiter) – die Verteidigung der
eine notwendige Offenheit gegenüber der Öffent- Muslim*innen gegen den pauschalen Gewalt­
lichkeit oder aber um einen populistischen Reflex vorwurf erwies sich insgesamt als nachdrücklich
handelt, dem durch eine stärkere Eigensteuerung und klar (vgl. ebd.: 152–157).
der Politik entgegengewirkt werden müsste. In
jedem Fall ist die Selektivität des Diskurses für die Die Debatte ist von hoher politischer Bedeutung,
Frage der Muslimfeindlichkeit von Bedeutung, denn sie zeigt, dass die CDU/CSU-Fraktion im
weil eine zu starke Konzentration auf Terrorismus Bundestag zu einer Inklusion der Muslim*innen
und Integrationsprobleme durch eine selektive in ein gemeinsames ‚Wir‘ – in diesem Fall die
Themensetzung ein entsprechend negatives Schicksalsgemeinschaft gegen den Terror – bereit
Islambild forciert, auch ohne dass Pauschalurteile war und sich die neue politische Kultur der Deut-
über den Islam abgeben würden (sog. Agenda-Set- schen Islam Konferenz auch im Krisenfall als
ting, vgl. a. Kapitel ↗ 7). stabil erweisen konnte. Mustafas Hinweis, die
CDU sei auch in dieser Debatte nicht frei von
8.2.3.3 Exemplarische Debatte 2015 / kulturalistischen Bedrohungsszenarien gewesen
Charlie Hebdo: Zögerliche Wir-Inklusion (ebd.: 150), etwa wenn sie nach der Mitverantwor-
tung der islamischen Geistlichkeit fragte, ist dabei
Während der Bundestag bei der Wahl seiner durchaus ernst zu nehmen. Allerdings ist Kritik
Islamthemen allgemeinen Stimmungen zu folgen am realen theologischen Diskurs des Islams kei-
statt eigenständige Themen zu setzen scheint, neswegs automatisch als Muslimfeindlichkeit zu
erweist er sich in der Meinungsbildung selbst – werten, denn auch in anderen Religionen – etwa
zumindest vor dem Einzug der AfD im Jahr 2017 – bei Fällen des Kindesmissbrauchs in der katho-
als erstaunlich autonom und widerstandsfähig. lischen Kirche – werden solche Forderungen zu
Mustafa merkt in seiner Analyse der Debatte über Recht gestellt. Die stärker politische und sozio-
den islamistischen Anschlag auf die französische logisch fundierte Kritik der Partei Die Linke (Gysi)
Satirezeitschrift Charlie Hebdo (8. Januar 2015)98 (ebd.: 150–152) an der durch den illegalen Krieg
an, dass das deutsche Parlament auch in dieser in Irak 2003 sichtbaren Mitverantwortung des
politisch aufgeladenen Situation zwar den Terro- Westens für den Terror ist als wichtige Diskurs-
rismus scharf verurteilte, aber zugleich betonte, ergänzung zur kulturell basierten Kritik der CDU/
dass vor allem Muslim*innen selbst weltweit CSU zu sehen. Hier zeigte sich eine realpolitische
Opfer solcher Anschläge würden (vgl. 2022: 147). Terrorismusanalyse, die Bündnis 90/Die Grü-
Nicht zuletzt führende Politiker*innen der CDU nen (Hofreiter) durch den wesentlichen Hinweis
(Merkel, Lammert) wandten sich gegen eine pau- ergänzten, dass die Einwanderungsgesellschaft
schale Verurteilung des Islams. Konservative Poli- im Bereich der Radikalisierung von Jugendlichen
tiker*innen zeigten in dieser Situation, dass sie ebenfalls ihre Versäumnisse und Verantwortung

98 Deutscher Bundestag (2015): Stenographischer Bericht: 79. Sitzung. Online abrufbar: https://dserver.bundestag.de/btp/18/18079.pdf.
[24.04.2023].
252 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

erkennen müsse. Dabei wurden Rassismus und Gewalt-, Rückständigkeits-, Rechtlosigkeits- und
übertriebene sicherheitspolitische Ausgrenzung Antisemitismusvorwürfe hatten dabei offen­
nach dem 11. September klar benannt – was wie- sichtlich mehrere Funktionen: Sie dienten einer
derum eine Kritik an der CDU/CSU war, die in der- Entlastung der eigenen Schuldverarbeitung mit
selben Debatte (CSU, Hasselfeldt) schärfere Sicher- Blick auf den Holocaust ebenso wie der Kon­
heitsmaßnahmen forderte, Muslim*innen also fast struktion eines neuen rassistisch-ideologischen
ausschließlich als Gefährder*innen verstand. Brückendiskurses der angeblichen ‚Islamisierung‘
und ‚Überfremdung‘ zur Mitte der Gesellschaft,
Dieser sicherheitspolitische Reflex ohne jede Sen- da hier, so die AfD, die Ablehnung des Islams tief
sibilität für die rassistischen und weltpolitischen verbreitet sei. Blickt man isoliert auf die AfD, so
Ursachenkontexte des Terrors ist ein Hinweis hat mit der Wahl 2017 ein dezidiert rassistisches,
darauf, dass 2015, bereits vor dem Einzug der die Grundwerte des Grundgesetzes verletzendes
AfD, im Deutschen Bundestag trotz aller Klarheit politisches Programm in den Deutschen Bundes-
der antirassistischen Positionierung zumindest tag Einzug gehalten, wie es in dieser Klarheit nach
in Reihen der Regierungsparteien abgrenzende 1945 wohl bei keiner anderen dort vertretenen
Sicherheitsinteressen stärker wogen als konkre- Partei existiert hat.
tes antirassistisches Handeln, was ein Anzeichen
für Institutionellen bzw. Strukturellen Rassismus Ganz generell lässt sich allerdings feststellen, dass –
(durch Passivität) ist. von wenigen Ausnahmen abgesehen – die ande-
ren Parteien nicht über die Brücke des Rassismus
8.2.3.4 Exemplarische Debatten 2018 und 2021 / gingen, sondern im Gegenteil neue Sagbarkeiten
Streit mit der AfD: Rassistische Tabubrüche auch im Sinne eines klaren ethischen Antiras-
sismus zum Vorschein kamen, weswegen man
Mustafa (2022) untersucht mehrere Debatten insgesamt von einer Polarisierung des Diskurses
aus den Jahren 2018 und 2021, die auf Antrag der bei klarem Übergewicht eines antirassistischen
AfD im Deutschen Bundestag geführt wurden Konsenses sprechen kann. Anstelle einer Diskurs­
und die beispielhaft Veränderungen im Diskurs verschiebung nach rechts wurden durch die
durch den Einzug der rechtspopulistischen Partei meisten Abgeordneten Bollwerke gegen die AfD
aufzeigen. 2018 provozierte die AfD kurz nach errichtet. Zahlreiche Abgeordnete, u. a. von der
den rassistischen Vorgängen in Chemnitz durch CDU/CSU (de Vries, Sensburg, Hoffmann), FDP
eine Debatte unter dem Titel „Unvereinbarkeit (Martens, Teuteberg), SPD (Brunner, Castellucci),
von Islam, Scharia und Rechtsstaat“99 eine auch Die Grünen (Polat), Die Linke (Straetmanns,
in Ton und Umgang heftige Auseinandersetzung Buchholz), kritisierten zum Teil sehr emotional,
über den Islam. Die AfD (Curio) bezeichnete Islam auf jeden Fall in gebotener Klarheit nicht nur
und Koran als Ideologie, die keine Religion sei die Verfassungsfeindlichkeit des Islambilds der
und daher nicht zu Deutschland gehöre („Merkel AfD, sondern auch die rassistischen Grundlagen
gehört nicht länger nicht zu Deutschland“; ebd.: solcher Anschauungen (vgl. ebd.: 179–182).
178). Diese manifeste Muslimfeindlichkeit war ein
rassistischer Tabubruch, bei dem keinerlei Unter- Dabei wurde allerdings auch deutlich, dass bei
scheidungsfähigkeit mehr zu erkennen war und der CDU/CSU Parlamentarier*innen zu Worte
der damit schon damals dem radikalen Wahl- kamen, die trotz ihrer Gegenrede zur AfD auch
kampfprogramm der AfD von 2021 entsprach. auf Brückendiskurse eingingen, sich zum Teil als

99 Deutscher Bundestag (2018): Stenographischer Bericht: 55. Sitzung. S. 5890. Online abrufbar:
https://dserver.bundestag.de/btp/19/19055.pdf#P.5890. [24.04.2023].
Politik 253

„gar nicht von Ihnen [Baumann, AfD] entfernt zu und bezeichneten die AfD als integrationsfeind-
sein“ (de Vries) bezeichneten (vgl. ebd.: 122): Hier liche Verfassungsfeinde (vgl. ebd.: 172–173). Eine
sprach deutlich eine andere Generation als noch erweiterte Sagbarkeit in progressiver Richtung
2015 mit Lammert und Merkel. Der Ambivalenz zeigte sich auch bei Die Linke (Jelpke), die sogar
einer solchen Sicht bei der CDU/CSU stand bei klarer als im Programm ihrer Partei bekannte:
den anderen Parteien allerdings eine wehrhafte „Der Islam gehört zu Deutschland“ (ebd.: 173).
Klarheit gegenüber, wobei dort wiederum Mus-
limfeindlichkeit als ein Problem des rechten 8.2.3.5 Credo: Verbaler Antirassismus, Passivität
Rands wahrgenommen zu werden drohte, eine und Institutioneller Rassismus des
nachhaltige Kritik an der politischen Mitte und Deutschen Bundestags
deren muslimfeindlichen Einstellungen aber
kaum stattfand. Derzeit ist keine Ursache dafür erkennbar, von
einer „Diskursverschiebung nach rechts“ nach
In einer weiteren Debatte 2021100 konstruierte Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag zu
die AfD (Baumann) erneut unverblümt einen sprechen. Vielmehr lässt sich eine stärkere Polari-
fundamentalen Gegensatz von Islam und west­ sierung der Sagbarkeiten in Richtung Rassismus
lichen Werten und den Vorwurf gegen die „Alt- (AfD) sowie Antirassismus (alle anderen) ähnlich
parteien“, sie würden einer multikulturellen Ideo- wie in den Parteiprogrammen auch in Bundes-
logie von Zwangsehen, Genitalverstümmelung, tagsdebatten erkennen. Muslimfeindlichkeit in
Kinderehen und Clankriminalität huldigen (vgl. Deutschland wird heute vom deutschen Bundes-
ebd.: 158–161). Erneut zeigte sich in den Aus- tag trotz und vielleicht gerade wegen der rassis-
führungen der CDU/CSU (de Vries, Wendt) die tischen Plenarauftritte der AfD deutlicher denn
unklare Abgrenzung von der AfD, da zwar, mit je verurteilt. Insofern stellt sich die Frage, ob die
einer gewissen Berechtigung, mögliche Gefahren AfD der Demokratie nicht sogar einen Dienst zur
durch den islamischen Extremismus betont wur- Stärkung der liberalen Demokratie erwiesen hat,
den, zugleich aber auch reguläre Strukturen des indem sie einen ethischen Konsens der anderen
Islams und strengreligiöse Verhaltensweisen eines Partei begünstigt hat. Allerdings zeigen sich ein-
orthodox-konservativen Teils der Muslim*innen schränkend auch gefährliche Brückendiskurse
bruchlos in die Argumentation mit einbezogen in Reihen von CDU/CSU. Die meisten anderen
wurden (vgl. ebd.: 161–165). Andere Parteien wie Parteien verhalten sich zwar rhetorisch und sym-
die FDP (Kuhle, Teuteberg) äußerten sich auch bolpolitisch klarer antirassistisch, bleiben aber in
2021 pro Einwanderungsgesellschaft oder positio­ Teilen noch zu passiv, wenn es um die konkrete
nierten sich wie die SPD klar und zum Teil sehr Beseitigung von institutioneller und gesellschaft-
kraftvoll gegen Rassismus und für die gleichbe- licher Diskriminierung geht.
rechtigte Anerkennung von Muslim*innen (Lindh,
Castellucci) (vgl. ebd.: 165–171). Dies unter­streicht, Exemplarisch lassen sich die unterschiedlichen
dass der Einzug der AfD als Gegenreaktion bei Ansätze der Parteien an der bislang einzigen
den meisten anderen Parteien auch den Antirassis­ Debatte im Deutschen Bundestag aufzeigen, die
mus im Parlament geschärft hat. Bündnis 90/Die sich – nach einem Entschließungsantrag von Die
Grünen (Mihalic) drehten den Spieß sogar um Linke „Antimuslimischer Rassismus und Diskri-

100 Deutscher Bundestag (2021): Stenographischer Bericht: 233. Sitzung. S. 29961. Online abrufbar:
https://dserver.bundestag.de/btp/19/19233.pdf#P.29961. [24.04.2023].
254 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

minierung von Muslimen in Deutschland“101 – lichen, warum trotz aller Frontstellung gegen
im Januar 2021 zentral mit dem Thema Muslim- die AfD nicht von einem vollständigen Konsens
feindlichkeit beschäftigt hat.102 Die Linke macht gegen Rassismus und Muslimfeindlichkeit im
in ihrem Antrag deutlich, dass in Deutschland Deutschen Bundestag gesprochen werden kann.105
Gewalt gegen Muslim*innen und ihre Einrich- Die CDU/CSU (de Vries) wandte sich gegen Mus-
tungen mittlerweile täglich geschehe und sich limfeindlichkeit, lehnte dafür aber (ebenso wie die
die Zahl solcher Vorfälle seit Jahren auf einem AfD) die Bezeichnung „Antimuslimischer Rassis-
„erschreckend hohen Niveau“ bewege.103 Nach den mus“ als angeblich konstruierten Begriff ab. Eine
Anschlägen von Hanau und Halle forderte die Erfassung der Daten zu muslimfeindlicher Gewalt
Partei daher zahlreiche Maßnahmen zur Verbes- reiche aus, die dringend notwendigen Reformen
serung der Lage, unter anderem die Abschaffung im Bereich des Institutionellen Rassismus gerade
des Racial Profiling und der verdachtsunabhän- bei Sicherheitsbehörden wurden abgelehnt. Die
gigen Polizeikontrollen: „Im Verfassungsschutz- SPD (Lindh) betonte in einem starken emotiona-
Bericht taucht das Wort Islamismus 137-mal auf. len Appell, man müsse „heraus aus einer Kultur
Das Wort Islamfeindlichkeit nur einmal im Vor- der Unterstellung und des Verdachts“ und die
wort.“104 Auch im Alltag sei Diskriminierung ins- Repräsentanz von Muslim*innen verbessern –
besondere muslimischer Frauen mit Kopftuch an stimmte dann jedoch gegen den Antrag. Die FDP
der Tagesordnung. Der Bundestag müsse daher (Strasser) wollte durchaus Präventionsangebote
die Diskriminierung „durch staatliche Organe“ zur Sensibilisierung von Polizei und Beamt*in-
beenden und „Instrumente“ zur Beendigung der nen stärken, aber keine angeblichen Vorurteile
Diskriminierung in anderen Gesellschaftsberei- gegenüber den Sicherheits- und Polizeibehörden
chen schaffen. Gefordert wurden unter anderem unterstützen. Bündnis 90/Die Grünen (Polat)
ein Bundesantidiskriminierungsgesetz, eine beschränkten sich weitgehend auf die Forderung
Beschwerdestelle der Polizei, ein Verbot anlass- nach einer Reform des AGG – weitere Initiativen
loser Kontrollen, eine Dokumentationspflicht zur Beseitigung des Institutionellen Rassismus
von Polizeikontrollen, die Liberalisierung reli- und der Muslimfeindlichkeit im Alltag standen
giöser Bekleidungsvorschriften, eine Reform des dort nicht auf der Agenda.
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG),
verstärkte Prävention im Rahmen des Bundes- Insgesamt existiert also trotz aller rhetorischen
programms „Demokratie leben!“, Polizeischutz für Fortschritte allenfalls ein ethischer und symbol­
muslimische Einrichtungen und eine Gleichstel- politischer Konsens (jenseits der AfD) zur Aner­
lung der muslimischen Seelsorge. kennung des Islams und der Probleme der
Muslim­feindlichkeit in Deutschland, nicht aber
Der Entschließungsantrag wurde schließlich mit für eine Antidiskriminierungspolitik, die vor
den Stimmen der AfD, CDU/CSU, SPD und FDP allem Institutionellen Rassismus in staatlichen
abgelehnt, während sich Bündnis 90/Die Grünen Behörden konsequent beseitigt. Forderungen zur
enthielten. Die Argumente der Parteien verdeut- Verbesserung der Polizeiarbeit beispielsweise, wie

101 Deutscher Bundestag (2021): Entschließungsantrag. Antimuslimischer Rassismus und Diskriminierung von Muslimen in
Deutschland. Online abrufbar: https://dserver.bundestag.de/btd/19/257/1925778.pdf. [24.04.2023].
102 Deutscher Bundestag (2021): Stenographischer Bericht: 204. Sitzung. S. 25722. Online abrufbar: https://dserver.bundestag.de/
btp/19/19204.pdf#P.25722. [24.04.2023]. In der Studie von Mustafa ist diese Debatte aus formalen Gründen ausgespart, da sich der Autor
bei seiner Fallauswahl an den Kategorien Sicherheitsdiskurs, Integration und Un-/Zugehörigkeit orientiert.
103 Vgl. Deutscher Bundestag (2021): Entschließungsantrag. Antimuslimischer Rassismus und Diskriminierung von Muslimen in
Deutschland. Online abrufbar: https://dserver.bundestag.de/btd/19/257/1925778.pdf. [24.04.2023].
104 Ebenda: 2.
105 Vgl. Debattenprotokoll unter: https://dserver.bundestag.de/btp/19/19204.pdf#P.25722 (Fußnote 102).
Politik 255

sie ODIHR formuliert hat (vgl. Unterkapitel Verhältniswahlrecht sich hier positiver auswirken
↗ 8.1.3.4), werden im Bundestag noch nicht ein- als das Mehrheitswahlrecht in den USA (ebd.: 79–93).
mal erörtert. Das deutsche politische System weist Probleme existieren allerdings auch in Deutsch-
durch diese Passivität und unterlassene Hilfe- land und auch bei Parteien wie Bündnis 90/
leistung noch immer Züge eines Institutionellen Die Grünen, die sich nicht ganz zu Unrecht als
Rassismus auf, die in einer antirassistischen politi- Pionierinnen auf den Gebieten der Antirassis-
schen Kultur dringend beseitigt werden müssten. mus- und Diversitätspolitik sehen. Die damalige
Publizistin und heutige Antidiskriminierungs-
8.2.4 Muslimische Repräsentanz in beauftragte Ferda Ataman kritisierte auf dem
deutschen Parteien und im Bundestag Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen 2019 deren
Grundsatzprogramm als das einer „weißen Partei,
Zum Institutionellen Rassismus zählt auch die die Ausländer mag“ (Riese 2019). In dem 2020
Verhinderung des Zugangs und der Partizipation verabschiedeten Vielfaltstatut der Partei wiede-
von Minderheiten im politischen System und rum wird Muslimfeindlichkeit gar nicht erwähnt.
anderen Organisationen. Muslimfeindlichkeit ist Die Absichtserklärung, beispielsweise Präsidien
daher nicht auf negative Einstellungen gegenüber vielfältig besetzen zu wollen, ist aber ohne die
dem Islam oder gar auf aktive diskriminierende Nennung von ethnisch-religiösen oder anderen
Handlungen beschränkt. Die „Freiheit von“ und sozialen Kategorien gar nicht transparent nach-
die „Freiheit zu“ sind hier zwei Seiten derselben vollziehbar und setzt sich damit – zumindest
Medaille der Freiheitsrechte. Die Ermöglichung ohne weitere Begründung – dem Vorwurf aus, ein
aktiver Repräsentation und Partizipation bis hin Alibi zu sein, das weit entfernt ist von einer realen
zu Quotenregelungen ist daher ein wichtiger Quotenpolitik.106
Bestandteil der Debatte über Selbstbestimmungs-
rechte von Minderheiten. Bei der Umsetzung der Auch im Deutschen Bundestag stammen derzeit
Prinzipien der Partizipation allerdings existieren 8,2 Prozent der Abgeordneten aus Einwanderer-
theoretische Meinungsunterschiede, ob etwa familien, gegenüber einem Bevölkerungsanteil
von 26 Prozent, wobei Die Linke mit 28,2 Prozent
a) ethnisch-religiöse Kategorien statt antirassisti- den höchsten Migrant*innenanteil hat und CDU/
scher nicht tatsächlich Rassismus verstärkend CSU mit 4,1 Prozent den geringsten (Spitz et al.
wirken (Bedorf 2010: „verkennende Anerken- 2021). Hier zeigt sich, dass sich bei den Haltungen
nung“), der Parteien zum Islam nicht nur ein relativ klar
b) eine Mehrheit verpflichtet ist, besondere Min- gestuftes ideologisches Spektrum im Rechts-
derheitenrechte einzuräumen, oder ob um der Links-Schema erkennen lässt – je weiter rechts im
Rechtsgleichheit willen Partizipation gewisser- politischen Spektrum, desto stärker ausgeprägt
maßen naturwüchsig auch unter den Bedin- sind direkte oder indirekte Formen der Muslim-
gungen von Hegemonie erreicht werden soll feindlichkeit –, sondern dass sich auch andere
(vgl. K. Hafez 2013b: 25–35). Dimensionen des Institutionellen Rassismus wie
die Ermöglichung oder Verhinderung von poli-
Praktisch schreitet in westlichen politischen Sys- tischer Partizipation ebenso klar in dieses klassi-
temen die Teilhabe von Muslim*innen langsam sche Schema fügen. Die generelle Forderung nach
voran, wobei die europäische Vielparteienland- verbesserter Repräsentanz in allen deutschen
schaft sowie das in vielen Ländern existierende Parteien bleibt bestehen.

106 Bündnis 90/Die Grünen (2020): Statut für eine vielfältige Partei. 18. Dezember. Online abrufbar:
https://cms.gruene.de/uploads/documents/20210122_Vielfaltsstatut.pdf [07.02.2022].
256 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

8.2.5 Muslimfeindlichkeit in rechtsextremen muslimfeindlichen Bewegungen wie Pegida. Sie


politischen Bewegungen (Pegida u. a.) stellt zu Recht fest, dass die gegenwärtige Muslim-
feindlichkeit in Deutschland eben nicht an den
Während der Bericht des Unabhängigen Exper- extremistischen Rändern entsteht, sondern dass
tenkreises Antisemitismus (UEA) des BMI den sie in der gesellschaftlichen Mitte selbst – bei
etablierten Parteien relativ wenig, rechtsradikalen Medien, Politik usw. – ständig reproduziert wird
und -extremistischen Bewegungen hingegen sehr (vgl. Schenke et al. 2018: 278–279). Bürgerliche
große Aufmerksamkeit widmet, verhält sich dies Muslimfeindlichkeit hat ältere Wurzeln als der
im hier vorgelegten Bericht genau umgekehrt: moderne Rechtsextremismus. Repräsentative
Die wesentlichen Parteien des Bundestags und demoskopische Untersuchungen in Deutschland
der Landtage stehen hier im Vordergrund, die reichen mindestens bis in die Mitte der 1990er-
extreme Rechte und der modernisierte rechts- Jahre zurück und weisen auf eine historisch ver-
populistische Flügel spielen eine untergeordnete ankerte Tradition eines in Deutschland verbreite-
Rolle. Die Ursachen für diese Verschiebung liegen ten pauschalen Negativbilds des Islams hin
vor allem darin, dass Antisemitismus zwar im eta- (vgl. K. Hafez 2013b: 106–162).
blierten Raum der Parteien noch in Einzelfällen
nachweisbar ist und bei einzelnen Akteur*innen Was das Islambild rechtsradikaler bzw. rechts-
immer wieder zum Vorschein kommt, aus der extremistischer Bewegungen angeht, hat Röther
politischen Programmatik aber weitgehend ver- (2017) die wohl bislang umfassendste Studie
drängt worden ist, während die Frage der Zuge- erstellt. Zur islamfeindlichen Szene zählt er Bewe-
hörigkeit und der kulturellen und politischen Ver- gungen wie Pegida, die Pro-Bewegungen (Pro
träglichkeit von Islam und Demokratie hochgradig Köln, Pro NRW, Pro Deutschland usw.), die Iden-
umstritten erscheint und deshalb besonderer titäre Bewegung, die Hooligans gegen Salafisten
Aufmerksamkeit bedarf. In der extremen Rechten (HoGeSa), Pax Europa oder die Bürgerrechtspartei
wiederum ist Muslimfeindlichkeit ein zentrales für mehr Freiheit und Demokratie – Die Freiheit
Motiv. Der muslimfeindliche Charakter solcher (bis 2016). Als Bindeglied der meisten Bewegun-
rechtsextremen Bewegungen wie Pegida ist heute gen fungiert die Website Politically Incorrect (PI)
sogar amtlich: Das Sächsische Landesamt für Ver- mit ihrer massiv islamfeindlichen Präsenz (vgl.
fassungsschutz macht neben anderen Aspekten Unterkapitel ↗ 7.2). All diese Bewegungen hegen
dezidiert die Muslimfeindlichkeit der Bewegung nicht nur ein pauschal negatives Bild des Islams,
für deren Einstufung als „extremistisch“ verant- sondern vertreten auch verbotsorientierte Positi-
wortlich.107 Der UEM hat sich allerdings wegen der onen ähnlich den Positionen der AfD (Verbot von
relativen Klarheit des Zusammenhangs Rechts- Moscheebauten usw.). Muslimfeindliche Massen-
extremismus/Muslimfeindlichkeit und aufgrund mörder wie der Norweger Anders Breivik waren
der begrenzten Zeit- und Finanzkapazitäten mit diesen Kreisen zumindest ideell eng verbun-
dieses Gremiums dagegen entschieden, diesen den, wobei Breivik PI stark rezipiert, in seinem
Bereich durch eigenständige Forschungsprojekte Pamphlet zitiert und aufgrund dieser Wechsel-
weiter auszuleuchten. wirkungen mit dem deutschen Extremismus auch
nur bedingt als ‚Einzeltäter‘ einzustufen ist.
Mehr als die Inhalte der Islambilder rechtsextre-
mer Bewegungen interessiert die Forschung daher Mit diesen extremistischen deutschen Netz-
heute der gesellschaftliche Resonanzboden von werken zum Teil verbunden sind Rechtsextreme,

107 Sächsische Staatskanzlei (2021): Landesamt für Verfassungsschutz stuft Pegida zur erwiesenen extremistischen Bestrebung ein.
Online abrufbar: https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/251181 [24.04.2023].
Politik 257

für die der Islam das feindliche Fremde verkör- Problemlagen im bislang noch nicht erforschten
pert und die sich gegen eine Einwanderung von Bereich des Familienrechts (Unterkapitel ↗ 8.3.2)
Muslim*innen richten, daneben aber durchaus dargelegt und eingeordnet. Im letzten Abschnitt
auch Sympathien für die identitären Kämpfe (Unterkapitel ↗ 8.3.3.) wird am Beispiel der soge-
radikaler Islamist*innen hegen. Nach Ansicht nannten „Paralleljustiz“ erläutert, wie sich Mus-
von Salzborn (2017) ist die rechtsextreme Szene limfeindlichkeit auch bei der Behandlung real
in Deutschland mit Blick auf den Islam gespalten existierender Probleme zeigen kann.
in einen Flügel, der, wie die NPD, zum Teil sogar
mit radikalen islamistischen Gruppen kooperiert 8.3.1 Vertrauen als Grundlage des
und sich durch einen „glühenden Antisemitismus“ Rechtsstaats
auszeichnet, und einen anderen Flügel, der im
Wesentlichen aus (den von Röther untersuchten) Ein auf Menschenrechten basierender Staat lebt
Bewegungen (Pegida und anderen) besteht und nicht nur von überzeugenden Rechtsinhalten,
eindeutige und „plumpe antiislamische Vorurteile“ sondern vor allem von seiner Glaubwürdigkeit
hegt (ebd.: 87–88). Manfred Kleine-Hartlage oder und Erfahrbarkeit im Alltag (vgl. Venice Commis-
Ellen Kositza werden als intellektuelle Figuren im sion 2011: 3, 9–13; 2016: 11–27; Tamanaha 2004:
Bereich dieser „Sezession“ genannt (ebd.: 90–91). 21). Vertrauen in ein gemeinsames Fundament
Weiß (2017) zählt in ähnlicher Interpretation rechtlicher Gleichbehandlung ist entscheidend
auch den Historiker Ernst Nolte hinzu (vgl. ebd.: für sozialen Zusammenhalt (vgl. Zick/Küpper 2021:
221–227). Diese Faszination für den Islam spielt 48; Council of Europe 2004: §§ 9–16). Vertrauen in
allerdings im großen Teil der muslimfeindlichen Systeme beruht nicht nur auf kognitiven, sondern
deutschen Rechtsextremist*innen eine sehr unter- auch auf affektiven Elementen (vgl. Lewis/Weigert
geordnete Rolle und ist eher als intellektuelles 1985: 974). Insofern ist es durchaus alarmierend,
Phänomen eines international vernetzten Rechts- dass nach repräsentativen Daten innerhalb der
extremismus zu betrachten. Angesichts des mas- EU (FRA 2017: 12, 25-26) Muslim*innen der zwei-
siven, pauschalen, rassistischen Islambilds in ten Einwanderungsgeneration weniger Vertrauen
dieser Szene ist die Strömung der ‚Islamistenbe- in Rechtsstaatlichkeit („rule of law“) haben als die-
wunderer‘ marginal und eher eine Fußnote in den jenigen der ersten Generation.
neurechten Bewegungen Deutschlands.
Systemvertrauen wird maßgeblich durch rechts-
staatlich organisierte Institutionen bewirkt. Zum
8.3 Muslimfeindlichkeit Kernbestand des Rechtsstaats zählen die Bindung
in der Judikative der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20
Abs. 3 GG) und die Garantie effektiven Rechts-
Dieses Unterkapitel behandelt konkrete Anfor- schutzes (Art. 19 GG). Möglichste Objektivität und
derungen an eine gleichberechtigte, diskrimi­ Neutralität sowie Gleichbehandlung sind Kernele-
nierungsfreie Anwendung des Rechts im Alltags­ mente der Rechtsanwendung (vgl. auch Unterka-
leben der muslimischen Bevölkerung. Nur so pitel ↗ 9.1). Eine verwirklichte Gleichbehandlung
kann das erforderliche Vertrauen in den Rechts- respektiert Vielfalt als zentrales Element gesell-
staat geschaffen werden. Zunächst werden die schaftlicher Partizipation (vgl. Foblets/Alidadi
Grundlagen der Vertrauensbildung und die 2013: 9). Die Wahrung dieser rechtsstaatlichen
vorhandenen Defizite geschildert (Unterkapitel Grundsätze entspricht auch dem Berufsethos und
↗ 8.3.1). Danach werden die Ergebnisse zweier dem Selbstverständnis der Justizangehörigen. In
Untersuchungen des UEM zu Diskriminierungs- der Praxis maßgeblich werden insbesondere die
erfahrungen im Justizbereich und zu spezifischen Ausfüllung weit gefasster und damit in hohem
258 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Maße auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe sowie Erweiterung der in § 5 a Abs. 3 S. 3 Deutsches


die Abwägung inhaltlich kollidierender Rechte Richtergesetz (DRiG) genannten Inhalte des
entsprechend diesen Grundsätzen. Grundstudiums (Auseinandersetzung mit dem
nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht
Spätestens hier kommt auch der „Faktor Mensch“ der SED-Diktatur) um Muslimfeindlichkeit und
ins Spiel. Was ist zu beachten, um die Ansprüche andere Formen Gruppenbezogener Menschen-
des Rechtsstaats auch für Bevölkerungsgruppen feindlichkeit als konsequente Ergänzung dieser
durchzusetzen, deren Religion weithin pauschal Inhalte geboten.
unter Verdacht steht und denen gegenüber in
breiten Teilen der Bevölkerung Misstrauen ent- Eine Durchleuchtung aller Rechtsbereiche war
gegengebracht wird (vgl. Kapitel ↗ 3 und ↗ 7)? im Rahmen der Arbeiten des UEM nicht möglich.
Insofern ist eine gleichberechtigte Teilhabe von Deshalb wurden vertieft zwei Bereiche heraus-
Muslim*innen im Justizalltag auch ein Lackmus- gegriffen, die für das Alltagsleben von Muslim*in-
test für Rechtsstaatlichkeit generell. Solche Teil- nen von besonderer Bedeutung sind: Die bislang
habe wird nicht erst in den sehr seltenen Fällen noch nicht erforschte religionsspezifische Anwen-
offenkundiger Muslimfeindlichkeit / rassistischer dung des Familienrechts sowie der Umgang mit
Ablehnung von Migrant*innen in der Justiz108 sichtbarer Religiosität, vor allem im Hinblick auf
verhindert. Auch dort, wo aus mangelnder Infor- das von vielen Musliminnen getragene Kopftuch.
mation109 über die Lebensverhältnisse oder die Im Rahmen der Tätigkeit des UEM wurden im
Religion der Beteiligten Missverständnisse oder Nachgang zu einem Hearing zwei einschlägige
latente Vorverständnisse bestehen, kann Ver- Studien erstellt, deren Erkenntnisse hier einfließen.
trauen in gleichberechtigte Teilhabe im Rahmen Anzusprechen war zudem die Debatte um soge-
des Rechtsstaats verloren gehen. Deshalb sind nannte „Paralleljustiz“ im Strafrechtsbereich, die
auch Aspekte in den Blick zu nehmen, die nicht sich fast ausschließlich auf Muslim*innen bezieht.
als Muslimfeindlichkeit gedeutet werden können, Im Übrigen wird auf die vorhandene Fülle ein-
die aber doch die genannten Wirkungen erzielen schlägiger Literatur z. B. zu den sehr komplexen
können. Dies ist im Übrigen auch ein genuines Fragen der institutionellen Selbstorganisation
Anliegen der Justiz, was sich an einschlägigen und Kooperation zwischen Staat und Religions-
Fortbildungsveranstaltungen zeigt. gemeinschaften (vgl. Muckel/Tillmanns 2008:
234–272; Coumont 2008: 440–581; de Wall 2014:
Solche Veranstaltungen erreichen jedoch, ebenso 189–223; Muckel et al. 2018; Rohe 2018: 216–223;
wie auch einzelne einschlägige Elemente in der N. Müller 2021) verwiesen, deren Aufarbeitung
juristischen Ausbildung, außerhalb des inhalt- den Rahmen des hier zu Leistenden gesprengt
lichen Kernbereichs nur einen geringen Teil der hätte (zu einschlägigen Grundsatzfragen vgl.
(künftigen) Justizangehörigen. Andererseits ist Unterkapitel ↗ 9.1).
die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit wie
auch von anderen Formen Gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit, z. B. Antisemitismus
und Antiziganismus, eine Querschnittsmaterie,
die alle Rechtsbereiche betrifft. Deshalb ist die

108 Vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juli 2021 – 2 BvR 890/20 -, Rn. 1–25. Online abrufbar:
http://www.bverfg.de/e/rk20210701_2bvr089020.html [02.02.2023]. Der Beschluss behandelte die Befangenheit eines Richters im Rahmen
der Verfassungsbeschwerde eines afghanischen Asylbewerbers.
109 Regelrecht hilflos wirkt der Rekurs auf Wikipedia-Einträge, die wissenschaftlichen Anforderungen häufig nicht im Ansatz genügen
(vgl. Samour/Gülyesil 2021: 3–4; Dutta/Aiwanger 2023: Tz. 88).
Politik 259

8.3.2 Herausforderungen der Rechtspraxis zur möglicher Folgen ist die Behandlung eines
Vermeidung von Muslimfeindlichkeit Vertreters der Staatsanwaltschaft mit familiären
Wurzeln in einem islamisch geprägten asiatischen
8.3.2.1 Anspruch und Realität Land, der den Gerichtssaal noch ohne Robe
betreten hatte. Als er dort auf die Staatsanwalts-
Die Justiz pflegt nach ihrem Selbstverständnis ein bank zusteuerte, wurde er vom Richter auf die
hohes professionelles Ethos der Gesetzesbindung Anklagebank verwiesen. In solchen Zusammen-
in Neutralität und Objektivität. Bewusste Verlet- hängen zeigen sich intersektionale Problemlagen
zungen dieses Ethos sind sehr selten. Unterhalb einer Mischung ethnischer, religiöser und sozialer
dieser Schwelle sind zwei mögliche Problem- Zuschreibungen und Wahrnehmungen (vgl. Kapi-
bereiche erkennbar. Zum einen ist das geltende tel ↗ 5), welche die Notwendigkeit eines selbstre-
Recht zwar säkular, und auch die Gesetzgebung flexiven Zugangs zur Rechtsanwendung aufzeigen.
ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmä- Dazu zählt auch eine Sensibilisierung in der Kom-
ßige Ordnung gebunden. Dadurch wird ein klarer munikationskultur (vgl. Yalçın 2011). Aber auch
Rechtsrahmen für gleichberechtigte Teilhabe Beispiele für „Good Practice“ sind hervorzuheben.
geschaffen. Jedoch sind einige Rechtsbereiche So hat das Bundesverfassungsgericht111 in einer
faktisch immer noch von christlichen Kulturvor- Entscheidung zum Schächten implizit deutlich
stellungen mitgeprägt, auch im Familienrecht gemacht, dass die muslimische Bevölkerung in
und im Religionsverfassungsrecht (vgl. Dilcher/ Deutschland als Teil der Gesellschaft dieses Lands
Staff 1984). Gleichberechtigte Teilhabe erfordert zu gelten hat, die ihre Glaubensüberzeugungen
keineswegs einen grundsätzlichen Bruch mit der selbst definiert und nicht dem Diktum auslän-
rechtskulturellen Tradition, aber doch eine Aus- discher Autoritäten unterliegt (vgl. ausführlicher
legung bestehender Normen im Sinne solcher Rohe 2002; kritisch zu anderen Aspekten Payandeh
Teilhabe. Das deutsche Religionsverfassungsrecht 2021: 3–4). Insgesamt zeigt sich in der deutschen
kennt keinen christlichen Kulturvorbehalt, und Rechtsprechung in den letzten Dekaden ent­
die Grundrechte schützen Angehörige von Mehr- sprechend der demografischen Entwicklung
heit und Minderheiten gleichermaßen. Wie aber eine deutliche Tendenz dahingehend, den Islam
wirkt dies in der Rechtspraxis? und muslimisches Leben als Inlandsphänomen
wahrzunehmen. Allerdings sind noch deutliche
In der Justiz ist ein starker Wille erkennbar, das Unsicherheiten erkennbar.
Recht in gerechter Weise im Alltag anzuwenden,
auch unter nicht selten erschwerten Arbeits- 8.3.2.2 Familienrecht: Religionsneutral?
bedingungen wie personeller Unterbesetzung,
mangelndem effizienten Zugang zu relevanten Im Justizbereich kommt die Zugehörigkeit von
Informationen und veralteter Ausstattung.110 Ein Menschen zur Religion des Islams oder die Staats-
Problempotenzial liegt vor allem in unbewussten angehörigkeit eines Staats, in dem islamisch
Vorverständnissen („unconscious biases“; vgl. geprägtes Recht gilt, auf unterschiedlichen
schon Esser 1970). Soziale und religiös-weltan- recht­lichen Ebenen zum Tragen (vgl. Rohe 2014:
schauliche Diversität ist gerade im juristischen 272–292; Rohe 2022b: 345–390). Zum einen steht
Bereich immer noch stark unterentwickelt (vgl. Muslim*innen die im Grundgesetz garantierte
Grünberger u. a. 2021). Ein prägnantes Beispiel Religionsfreiheit sowohl im Verhältnis zu staat-

110 Dieser Eindruck fußt auf langjährigen Erfahrungen in Fortbildungen für Richter*innen und Staatsanwält*innen.
111 BVerfG Urteil v. 15. Januar 2002 (1 BvR 1783/99), abrufbar unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/
Entscheidungen/DE/2002/01/rs20020115_1bvr178399.html [10.12.2022].
260 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

lichen Institutionen als auch in erheblichem Justizalltag befassen. Erkenntnisse darüber sind
Umfang in privaten Rechtsbeziehungen (insbe- aber von erheblicher Bedeutung, weil auch und
sondere im Arbeitsrecht) zu (vgl. Kapitel ↗ 9.1). gerade im Hinblick auf eine Bevölkerungsgruppe,
Darüber hinaus kann oder muss nach den in deren Religion oft pauschal als rückständig und
Deutschland geltenden Regeln des Internatio- nicht zum Land passend beschrieben wird (zu
nalen Privat­rechts (IPR) in Fällen grenzüber- ver­breiteten antimuslimischen Einstellungen
schreitender Privatrechtsbeziehungen – z. B. bei vgl. Friedrichs/Storz 2022: 9–30 sowie Kapitel ↗ 3
der Eheschließung Beteiligter mit ausländischer und ↗ 7), eine möglichst neutrale und objektive
Staatsangehörigkeit – ausländisches Recht Anwendung des Rechts das notwendige Vertrauen
angewandt werden. Damit wird dem Umstand in den Rechtsstaat erhalten kann. Das deckt sich
Rechnung betragen, dass in solchen Fällen aus- mit dem genuinen Anspruch der Justiz im Rechts-
ländisches Recht sachnäher sein kann als das staat, die im Fall von rechtmäßigen Entscheidun-
inländische Sachrecht (vgl. Kegel/Schurig 2004: gen zugunsten muslimischer Beteiligter immer
131–148). Eine Grenze zieht allerdings der soge- wieder massiv angegriffen wird.
nannte „Ordre Public“,112 wenn nämlich das Ergeb-
nis des eigentlich anwend­baren ausländischen Der UEM hat im Jahr 2021 eine schriftliche Befra-
Rechts im Einzelfall nicht mit grundlegenden gung und ein mündliches Hearing mit juristischen
inländischen Rechtsvorstellungen vereinbar Expert*innen durchgeführt.113 Im Anschluss wurde
wäre (zu Einzelheiten im Hinblick auf islamisch im Jahr 2022 durch den UEM eine erstmalige
geprägte Normen vgl. Rohe 2022a: 355–372; explorative Studie zum Thema „Islam und deut-
Rohe 2022b: 46–50; Dutta/Aiwanger 2023: Tz. sche Familiengerichtsbarkeit“ in Auftrag gegeben
54–55). Auch bei der zunehmenden Zahl inlands- (Dutta/Aiwanger 2023). Ihr Gegenstand ist die
bezogener Privatrechtsbeziehungen (vgl. Rohe Frage, auf welchen Ebenen der Entscheidungsfin­
2022a: 373–379; Rohe 2022b: 50–54) können im dung die tatsächliche oder vermutete Zugehörig-
Rahmen der vom Gesetz weit gefassten Gestal- keit von Verfahrensbeteiligten eine Rolle spielt
tungsfreiheit religiös-rechtliche oder ethische und inwieweit sich Anhaltspunkte dafür ergeben,
Vorstellungen einbezogen werden, z. B. bei der dass deutsche Familiengerichte gegenüber musli-
Gestaltung von Eheverträgen. Ferner kann die mischen Beteiligten oder bestimmten Glaubensin-
Reli­gionszugehörigkeit Beteiligter bei familien- halten des Islams eine skeptische oder ablehnende
rechtlichen Entscheidungen bedeutsam werden, Haltung einnehmen, sodass eine Benachteiligung
etwa in Fragen der religiösen Erziehung von wegen der Religionszugehörigkeit im Raum
Kindern, die bis zur Religionsmündigkeit grund- steht. Die Untersuchung stützt sich auf eine
sätzlich den Erziehungsberechtigten obliegt, und qualitative Analyse einschlägiger Rechtsprechung
allgemeiner bei Ausübung des Sorgerechts. In (515 Ent­scheidungen)114 sowie auf offene, leit­
diesem Zusammenhang lagen in Deutschland fadenge­stützte Expert*inneninterviews mit zwölf
bislang keine Studien vor, die sich im Schwer- Anwält*innen (Dutta/Aiwanger 2023: Tz. 21–53).
punkt mit der Umsetzung dieser Grundlagen im

112 Dieser aus dem Französischen stammende Begriff, der die Grenzen der Anwendbarkeit ausländischen Rechts festlegt, wird auch
im deutschen Recht verwendet (z. B. in Artikel 6 EGBGB).
113 Namen und Expertisen der Beteiligten siehe u. a. ↗ Externe Expertisen. Die Erhebung repräsentativer Daten war im Rahmen
der Arbeit des UEM nicht möglich, aber auch nicht erforderlich. Immerhin liegen hier die bislang umfangreichsten spezifischen
Untersuchungen von themenspezifischen Gerichtsentscheidungen vor. Die zutage getretenen inhaltlichen Schwerpunkte lassen
mögliche Problemfelder und Lösungsansätze (Good-Practice-Beispiele) erkennen.
114 Eine Analyse der in aller Regel lege artis abgefassten Entscheidungsgründe allein lässt die Identifikation einer islamskeptischen
oder -feindlichen Position nur sehr eingeschränkt zu. Deshalb werden auch Sprache und Logik der Entscheidungsbegründung
diskursanalytisch in den Blick genommen (Dutta/Aiwanger 2023: Tz. 21–25; 37–38).
Politik 261

Im Hinblick auf die Anwendung islamisch sondern zunächst nur als unzureichende Fallbe-
geprägter Rechtsnormen im Bereich des IPR wird arbeitung, wie sie auch in der gerichtlichen Praxis
die Einbettung der Rechtsprechung in die allge- vorkommen kann.
meinen politischen Umstände der jeweiligen Zeit
deutlich (vgl. Yassari 2021: 1). Insgesamt ist fest- Ferner zeigen sich Unsicherheiten bei der Aufklä-
zustellen, dass derartige Normen in den wenigen rung familiärer Gegebenheiten (Dutta/Aiwanger
praktischen Fällen meist sorgfältig und erkennbar 2023: Tz. 288–291), oder es werden im Justizbe-
vorurteilsfrei angewandt werden (Heiderhoff reich Textbausteine zur allgemeinen Verwendung
2021: 1; Rohe 2022a: 370; Rohe 2022b: 51, 54; angeboten, die in manchen Fällen nur für christ-
Dutta/Aiwanger 2023: Tz. 274–284). Allerdings liche Beteiligte sinnvoll sein können, z. B. bei der
gibt es Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Bil- Festlegung von Umgangszeiten mit Kindern unter
dungsveranstaltungen mit Justizangehörigen Berücksichtigung christlicher Feiertage (Dutta/
auf nationaler und europäischer Ebene, wonach Aiwanger 2023: Tz. 286). Weiterer Untersuchungen
Informationsdefizite im Hinblick auf die Inhalte bedarf die Feststellung (Dutta/Aiwanger 2023:
islamisch geprägter staatlicher Normen bestehen, Tz. 58–61), dass in manchen Entscheidungen die
die aufgrund von Vorschriften des in Deutschland islamische Religionszugehörigkeit Verfahrens-
geltenden IPR anzuwenden sind (vgl. auch Collo beteiligter ausdrücklich benannt wird, ohne dass
2021a; Dutta/Aiwanger 2023: Tz. 79–92). Wenn dies in irgendeiner Weise in die ausformulierte
Gerichte sich auf „das islamische Recht“ statt auf rechtliche Bewertung einfließt. In solchen Fällen
die jeweils konkret anzuwendenden staatlichen könnten möglicherweise ablehnende Vorver-
Normen beziehen, wird damit die außerordent- ständnisse die Entscheidung beeinflusst haben,
lich ausgeprägte Binnenvielfalt islamisch gepräg- auch wenn sich dies nicht im Entscheidungstext
ter Rechtsvorstellungen übersehen (vgl. Rohe niederschlägt. Auch dadurch kann eine struktu-
2022a: 167–206, 355–372; Yassari 2021: 5). relle Benachteiligung muslimischer Verfahrens-
beteiligter bewirkt werden.
Auch die „Übersetzung“ islamrechtlich geprägter
Rechtsinstitute, wie der „Brautgabe“ im Zusam- Sehr deutlich wird zudem die Notwendigkeit, der
menhang mit muslimischen Eheschließungen, Justiz einen effizienten Zugang zu Informationen
in Kategorien des anwendbaren deutschen Rechts über rechtsrelevante Aspekte und Institutionen
gelingt nicht durchweg (vgl. Dutta/Aiwanger islamrechtlicher und -religiöser Prägung zugäng-
2023: Tz. 93–121). Dies betrifft auch diejenigen lich zu machen, z. B. durch die Einrichtung ent-
Falllagen, in denen im Ausland islamrechtlich sprechender Datenbanken sowie im Wege von
begründete Vereinbarungen ihren inhaltlichen Fortbildungen (vgl. auch Dutta/Aiwanger 2023:
Sinn verlieren bzw. ändern. Das ist der Fall, wenn Tz. 88–92; 294).
sich die rechtlichen Rahmenbedingungen auf-
grund der Verlagerung des Lebensmittelpunkts Weitergehend werden in gerichtlichen Entschei-
nach Deutschland grundlegend ändern, z. B. bei dungen aber auch pauschale Vorbehalte gegen
Vereinbarungen über nachehelichen Unterhalt ‚den Islam‘ oder pauschalisierende, stereotype
(vgl. Rohe 2016: 82). Letztlich wird dann das aus- Aussagen zur „typisch islamischen Ehe“, zur
ländische Recht möglicherweise unzutreffend „Stellung der Frau in der islamischen Familie“, zur
angewandt. Gelegentlich ist zudem die inhaltliche Herkunft eines Beteiligten „aus dem islamischen
Klärung rechtlich relevanter religionsbezogener Kulturkreis“, zu „mohammedanischen Moral-
Vorgänge oder Normen oberflächlich (vgl. Dutta/ vorstellungen“ oder zu Erziehungsvorstellungen
Aiwanger 2023: Tz. 88–91; 287). All dies ist nicht ohne Eingehen auf die konkreten Individuen und
ohne Weiteres als muslimfeindlich zu bewerten, ihre nicht ohne Weiteres aus ihrer Religionszuge­
262 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

hörigkeit ableitbaren Handlungsmotive formuliert islamrechtlichen Vorstellungen geprägten Rechts-


(vgl. Collo 2021b: 1; Yassari 2021: 2, 4–5; Dutta/ ordnung erheblich verbessern kann, wenn auch
Aiwanger 2023: Tz. 122–151; 209–211; 286). Dabei keine Gleichberechtigung erzielt wird (Dutta/
zeigt sich eine Diskrepanz zwischen einerseits Aiwanger 2023: Tz. 229–230). Die Grundproble-
einer Brandmarkung islamisch begründeter matik solcher Entscheidungen besteht darin, dass
Praktiken und andererseits vergleichbaren inlän- berechtigte abstrakte Regelungen wie die Gleich-
dischen bzw. bei anderen Bevölkerungsgruppen behandlung der Geschlechter im konkreten Fall
auftretenden Problemlagen. Dies kritisiert auch so gehandhabt werden, dass die betroffene Frau
der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung zur dadurch benachteiligt wird (vgl. Rohe 2022b: 49).
islamrechtlichen Brautgabe115 (vgl. Rohe 2022b:
53). So kann ‚der Islam‘ pauschalisiert zur Pro- Noch weiter gehen einzelne Entscheidungen,
jektionsfläche für bestimmte Vorstellungen und in denen eine pauschale Ablehnung islamisch
Ängste werden (vgl. Yassari 2021: 2). begründeter Vereinbarungen, z. B. anlässlich von
Eheschließungen, ohne Rückbindung an die gel-
Solches kann sich in den bei Dutta/Aiwanger tenden gesetzlichen Regelungen formuliert wird.
(2023: Tz. 282–284) dokumentierten Einzelfällen116 So hatte sich ein Senat des OLG Frankfurt a. M.117
beispielsweise darin niederschlagen, dass von mit einer Brautgabe-Vereinbarung (Finanzierung
einem Rechtsanwalt mit türkisch klingendem einer Pilgerfahrt nach Mekka durch den Ehe-
Namen ohne Weiteres erwartet wird, dass er mann) anlässlich einer religiösen Eheschließung
die Wertvorstellungen eines muslimischen Ver- zu befassen. In rechtlich vertretbarer Weise (vgl.
fahrensbeteiligten teilt und diese dem Gericht Dutta/Aiwanger 2023: Tz. 27) ging er davon aus,
vermitteln kann, dass – der Einschätzung eines dass eine solche Vereinbarung in Analogie zu ver-
Anwalts nach – bei kopftuchtragenden Anwäl- gleichbaren, im Bürgerlichen Gesetzbuch geregel-
tinnen in besonderer Weise auf Fehler im recht- ten Vereinbarungen der notariellen Beurkundung
lichen Vorbringen geachtet wird oder dass bei bedürfe, die hier nicht erfolgt war. Dann aber
Gerichten und Jugendämtern muslimischen fügte der Senat allgemeine, nicht mehr entschei-
männlichen Verfahrensbeteiligten pauschal ein dungserhebliche Aussagen über die fehlende
dominantes Verhalten oder erhöhte Gewaltbereit- „Modernität“ einer solchen Brautgabe-Vereinba-
schaft unterstellt wird, ohne dies offen zu kom- rung hinzu.118 Abweichend von der Einschätzung
munizieren. eines anderen Senats desselben Gerichts (vgl.
Dutta/Aiwanger 2023: Tz. 102) kommt der Senat
Problematisch sind aber auch solche Gerichtsent- zu der Auffassung, dass eine Brautgabe-Vereinba-
scheidungen, die genderungleiche Rechtsgestal- rung dem System des deutschen Rechts fremd sei
tung in Eheverträgen pauschal verwerfen, ohne zu und deshalb nicht rechtförmig durchgesetzt wer-
berücksichtigen, dass diese Rechtsgestaltung die den könne (bloße sogenannte „Naturalobligation“,
Rechtslage der Ehefrau in einer von traditionellen wie z. B. auch Schulden aus legalem Spiel oder

115 BGH Beschluss v. 18.03.2020 (XII ZB 380/19), NJW 2020, 2024, 2028.
116 Die explorative Studie von Dutta/Aiwanger (2023) erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Die Bewertung als „Einzelfall“
ist dem Umstand geschuldet, dass keine breite Erkenntnisbasis gegeben ist. Sie enthält also keine Aussage darüber, ob und inwieweit ein
Dunkelfeld gegeben ist. Immerhin kommen die Verfasser der Studie zu dem Schluss, dass auch die Familiengerichtsbarkeit als Teil der
Gesellschaft nicht frei von weiter verbreiteten Vorurteilen ist, was nahelegt, dass auch hier Informations- und Sensibilisierungsbedarf
besteht.
117 OLG Frankfurt a. M. Beschluss v. 26. 04. 2019 (8 UF 192/17). Online abrufbar: www.hefam.de/urteile/8UF19217.html [07. 03. 2023].
118 Ebenda: „Die Trennung von Staat und Religion rechtfertigt in diesen Fällen ohne prägenden Auslandsbezug, weil die Morgengabe als
Institut nicht mit dem Grundverständnis der Ehe in der modernen Gesellschaft übereinstimmt, dass der staatliche Durchsetzungszwang
nicht für derartige Vereinbarungen zur Verfügung steht.“
Politik 263

Wetten). „Modernität“ ist indes keine rechtlich Ein Beispiel für letzteres ist ein Gerichtsurteil, in
relevante Kategorie für die Frage, ob Privatleute dem die islamische Religionszugehörigkeit eines
sich freiwillig und rechtlich bindend zu bestimm- Elternteils im Vergleich zur christlichen Religion­s­
ten Leistungen verpflichten können. Würden die zugehörigkeit des anderen Elternteils pauschal als
Grundsätze dieser Entscheidung verallgemeinert, nachteilig für die Integration des Kindes gewertet
so würden alle privatrechtlichen Vereinbarungen wurde (vgl. Yassari 2021: 3). Ein versierter Praktiker
mit religiöser Motivation ihre rechtliche Durch- stellt hierzu Folgendes fest:
setzbarkeit verlieren. Dieses Verständnis von
Säkularität findet sich indes im geltenden Verfas- „Weitgehend ungeklärt ist hierbei der Stellen-
sungsrecht nicht wieder. wert der ‚Integration‘ in der Erziehung, die nach
Auffassung des Verfassers […] nicht ignoriert,
Der Bundesgerichtshof119 hat diese Entscheidung aber auch nicht überbewertet werden darf. Den
denn auch korrigiert und deutlich darauf hin- Spagat zwischen notwendiger gesellschaft-
gewiesen, dass auch hierzulande die Aufteilung licher Eingliederung und dem Zugeständnis von
von Erwerbs- und Familienarbeit oftmals weiter- Religionsfreiheit und Elternrecht zu meistern,
hin geschlechtsspezifischen Mustern folgt und bedingt ein gewisses Einfühlungsvermögen des
sich das sich daraus ergebende wirtschaftliche Rechtsanwenders in Akkulturationsmechanis-
Ungleichgewicht zwischen den Eheleuten über- men, von denen er für gewöhnlich nicht selbst
wiegend zulasten von Frauen auswirkt. Auch betroffen ist. Der anzuwendende Maßstab wird
deshalb sei eine zusätzliche finanzielle Absiche- in der Regel von den Gerichten erkannt und
rung der Ehefrau nach Beendigung der Ehe (dies umgesetzt, wenngleich die Anforderungen an
ist der primäre Zweck der Brautgabe in dieser Integrationsaspekte bei der Erziehung gelegent-
Form) nicht mit einem modernen Eheverständnis lich überspannt werden.“ (Collo 2021b: 1–2)
unvereinbar. Dieser Hinweis ist besonders bedeut-
sam, wirkt er doch einer verbreiteten Tendenz Nach alledem zeigt sich ein Bild, wonach sich
entgegen, Gleichstellungsfragen in unbegründeter zumeist das juristische Ethos einer vorurteils-
Selbstüberhöhung ausschließlich und pauschal freien, sorgfältigen und gleichberechtigten
auf ‚die Anderen‘ (Othering) zu projizieren (vgl. Anwendung des Rechts in den zu treffenden Ent-
auch Kapitel ↗ 2). scheidungen niederschlägt. Allerdings bestehen
offenkundige Informationsdefizite und Unsi-
Praktisch noch bedeutsamer werden Verfahren, in cherheiten im Hinblick auf rechtlich relevante
denen sehr interpretationsbedürftige rechtliche Aspekte muslimischen Lebens und islamisch
Schlüsselbegriffe wie das „Kindeswohl“ etwa bei geprägter Normen. Des Weiteren sind in der
Sorgerechtsentscheidungen inhaltlich auszufül- Familiengerichtsbarkeit nach den Feststellungen
len sind. Die höchstrichterliche Rechtsprechung der Studienverfasser Dutta und Aiwanger (vgl.
und ein erheblicher Teil der instanzgerichtlichen 2023: Tz. 281–284) bisweilen Pauschalisierungen
Entscheidungen messen der Religionszugehörig- und Vorurteile vorzufinden, wie sie auch in der
keit grundsätzlich keine Bedeutung für die Kon- Gesamtgesellschaft aufscheinen.
kretisierung des Kindeswohls bei; anderes gilt zu
Recht dann, wenn im konkreten Fall spezifische An dieser Stelle gewinnt die Betroffenenperspek-
religiöse Haltungen von Beteiligten das Kindes- tive entscheidende Bedeutung: Das Vertrauen
wohl gefährden. Allerdings finden sich auch in den Rechtsstaat wird bereits dann gefährdet,
Entscheidungen mit abweichenden Ansätzen. wenn sich bei Verfahrensbeteiligten und inner-

119 BGH Beschluss v. 18.03.2020 (XII ZB 380/19), NJW 2020, 2024, 2028.
264 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

halb von Minderheitenmilieus aufgrund tatsäch- All dies kann zu einem Vertrauensverlust in die
licher Vorkommnisse der Eindruck verfestigt, dass Justiz führen und damit bei familiären Konflikten
sie im Justizalltag nicht generell vorurteilsfreie den Zugang zu den wichtigen staatlichen Hilfs­
Gleichbehandlung erfahren. Dutta/Aiwanger in­sti­tutionen erschweren. In diesem Zusammen-
stellen hierzu fest: „Dass ihre islamische Lebens- hang mag zwar auch eine außergerichtliche
weise vor deutschen Behörden oder Gerichten Konfliktbearbeitung im Rahmen des geltenden
mit fundamentalistischem Gedankengut in eins Rechts möglich sein. In jedem Fall aber muss der
gesetzt wird, scheint eine verbreitete Befürchtung Zugang zur staatlichen Justizgewährung als
unter Muslimen zu sein.“ (Ebd.: Tz. 264) Als Ergeb- niedrigschwellige Option erhalten und gestärkt
nis ihrer Befragungen findet sich die Feststellung: werden, auch um Beteiligte nicht in teils rechts-
„Beteiligte mit islamischem Hintergrund, zu deren staatlich problematische Mechanismen der
Lasten ein Gericht entscheidet, sehen in Vorurtei- Konfliktbearbeitung abzudrängen (vgl. hierzu
len jedoch einen Erklärungsansatz für ihr Unter- ausführlich Rohe 2020).
liegen.“ (Ebd.: Tz. 284) Die Verfasser leiten daraus
Folgendes ab: Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es angesichts
erkennbar gewordener Pauschalisierungen und
„Besorgniserregend sind Anhaltspunkte dafür, Abwertungen sowie der bestehenden inhaltlichen
dass bei Verfahrensbeteiligten mit islamischer Unsicherheiten einer grundlegenden Sensibili-
Religionszugehörigkeit subjektiv der Eindruck sierung aller Rechtsanwender*innen für die hier
entsteht, Vorurteilen seitens der Familien- erörterten Anliegen und Probleme bedarf, die
gerichte ausgesetzt zu sein; insoweit finden sich in allen Rechtsbereichen niederschlagen
sich Hinweise darauf, dass Verfahrensbeteiligte können. Dies wird auch häufig bei einschlägigen
eine Islamskepsis oder sogar Islamfeindlich- Fortbildungsveranstaltungen angemahnt. Eine
keit des Gerichts antizipieren, indem sie ihren effiziente Umsetzung ist nur dann möglich, wenn
womöglich entscheidungserheblichen isla­ sie bereits im juristischen Grundstudium ansetzt
mischen Hintergrund verschweigen oder und fächerübergreifend berücksichtigt wird. Auch
verfälschen. Solchen Verzerrungseffekten wäre deshalb empfiehlt sich die obengenannte Ergän-
durch Aufklärung zu begegnen, die effektiv vom zung des DRiG.
Familiengericht selbst ausgehen sollte, wobei
schon kleine Gesten im persönlichen Umgang 8.3.2.3 Religionsfreiheit und sichtbare Religiosität
zum kulturellen Miteinander beitragen können.“
(Ebd.: Tz. 294) Gerichtsentscheidungen über Einschränkungen
der Religionsfreiheit sind vergleichsweise selten.
Diese Einschätzung wird durch Erkenntnisse aus Ein erheblicher Anteil solcher Entscheidungen
Praktiker*innenfortbildungen bestätigt, wonach entfällt seit Anfang der 2000er-Jahre auf islamisch-
manche muslimischen Verfahrensbeteiligten religiöse Praxen, insbesondere auf das Tragen des
gezielt nicht-muslimische Anwält*innen beauf- Kopftuchs. Selbstverständlich kann es nur um
tragen, um einer vermuteten Schlechterbehand- das freiwillige Tragen gehen. Die Ausübung von
lung entgegenzuwirken. Allerdings sind muslimi- Zwang ist als muslimfeindlich zu bewerten und
sche Vertreter*innen aus der Anwaltschaft dieser muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zum
Vermutung wiederholt deutlich entgegengetreten Schutz davon Betroffener und auch durch ent-
und haben sie, insbesondere im Hinblick auf tür- sprechende inhaltliche Aufklärung bekämpft
kischstämmige Beteiligte, auf mediale Negativ- werden. Beides darf aber nicht vermengt werden
propaganda in vielen türkischsprachigen Medien (vgl. Mangold 2022: 4).
zurückgeführt (vgl. ebd.: Tz. 266).
Politik 265

In der öffentlichen Debatte wird das Kopftuch häu- Diskriminierung. Zudem fällt auf, dass im Gegen-
fig pauschal als „Flagge des Islamismus“ oder als satz dazu sichtbare religiöse Bezüge bei Männern
Zeichen der Unterdrückung von Frauen gebrand- kaum thematisiert werden – so werden Frauen
markt (vgl. Rohe 2018: 207–216, 295–297). Kopftuch- an mit Männern gleichberechtigtem Agieren
tragende Musliminnen zählen zu den am stärksten gehindert (vgl. Mangold 2022: 5). Auf den Aspekt
diskriminierten Bevölkerungsgruppen (vgl. Unter- der unzulässigen praktischen Gender-Ungleich-
kapitel ↗ 5.6.2.7; Studien Weichselbaumer 2016). heit in scheinbar neutralen Gesetzesformulie-
Insofern sind neutrale, objektive Entscheidungen rungen weist das Bundesverfassungsgericht (vgl.
bei der Abwägung zwischen Religionsfreiheit und BVerfGE 138, 296 (353) Rn. 143) deutlich hin.
gegenläufigen Rechten und staatlichen Interessen
von besonderer Bedeutung. Das religionsfreund- Die Entwicklungen in Legislative und Justiz seit
liche deutsche Religionsverfassungsrecht verrin- den Attentaten von 9/11 vollziehen eine symbol-
gert das Konfliktpotenzial z. B. im Vergleich zum hafte (vgl. Mangold 2022: 13) Debatte mit, in wel-
religionsskeptisch-laizistischen Recht Frankreichs cher wie erwähnt das von Kopftuchtragen häufig
deutlich. In vielen Sphären des Alltagslebens sind pauschal als rechtsstaatsinkompatibles Zeichen der
nach deutschem Recht Einschränkungen unzu­ Unterdrückung von Frauen gedeutet wurde, ohne
lässig, etwa im Hinblick auf kopftuchtragende die Motivation der Tragenden und die sehr viel-
Schüler*innen (vgl. Campenhausen/de Wall 2022: schichtige innermuslimische Debatte zu beachten.
87; Rohe 2018: 209–210). So bieten die staatenüber­ Institutionen eines säkularen Rechtsstaats müssen
greifenden Regelungen der Europäischen Men- sich indes einer inhaltlichen Positionierung in
schenrechtskonvention und des EU-Rechts nur religiösen Debatten enthalten (vgl. Mangold 2022:
Mindeststandards, während weitergehende natio- 6). Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Ent-
nale Rechtstraditionen beibehalten werden kön- scheidung von 2015 entgegen solchen Pauschali-
nen (vgl. Mangold 2022: 7). sierungen (vgl. BVerfGE 138, 296 (348 –349) Rn. 129)
sachorientierte Grundlagen für die Handhabung
Bestehende Konflikte betreffen im Schwerpunkt des Rechts in wichtigen Bereichen des Staatdiens-
das Kopftuchtragen im Staatsdienst (Lehrkräfte, tes geschaffen und damit auch seine weniger ein-
Justizangehörige etc.) sowie bei der Arbeit in deutige Leitentscheidung aus dem Jahr 2003 (vgl.
Privatunternehmen. Bundesverfassungs- und BVerfGE 108, 282) teilweise korrigiert. Es stellt klar,
Bundesarbeitsgericht haben in diesem Zusam- dass eine nur „abstrakte“ Gefahr für den Schul-
menhang der Religionsfreiheit von Muslim*innen frieden keine Einschränkung des Tragens eines aus
hohes Gewicht beigemessen. Gewisse Einschrän- religiösen Gründen getragenen Kopftuchs legi-
kungen im Arbeitsrecht können sich nunmehr timiert (vgl. BVerfGE 138, 296 (341–342) Rn. 129).
aus der stärker laizistisch orientierten Recht- Prägnant formuliert das Gericht:
sprechung des EuGH ergeben (Heinig 2022: 6,
19–20; Mangold 2022: 9–10, 23–25; kritisch auch „Wenn vereinzelt in der Literatur geltend gemacht
Walter/Tremml 2022: 366 –376). Bemerkenswert wird, im Tragen eines islamischen Kopftuchs
ist es, dass sich ein erheblicher Teil der einschlä- sei vom objektiven Betrachterhorizont her
gigen Rechtsprechung in Deutschland (und auch ein Zeichen für die Befürwortung einer auch
der Gesetzgebung) auf gut ausgebildete Frauen umfassenden rechtlichen Ungleichbehandlung
bezieht, die angesehene berufliche Positionen von Mann und Frau zu sehen und deshalb
im Staatsdienst anstreben. Insofern geht es auch stelle es auch die Eignung der Trägerin für
um grundsätzliche Fragen der Ermöglichung pädagogische Berufe infrage […], so verbietet
oder Verhinderung von Teilhabe (vgl. Mangold sich eine derart pauschale Schlussfolgerung“
2022: 1–2) sowie um die Gefahr intersektionaler (BVerfGE 138, 296 (341–342) Rn. 114).
266 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Deshalb, so weiter, bedürfe es für rechtmäßige Für das private Arbeitsrecht gilt die Besonder-
Einschränkungen einer hinreichend konkreten heit, dass die Grundrechte nur in eingeschränk-
Störung oder Gefährdung des Schulfriedens im ter Form wirken können („mittelbare Wirkung“,
Einzelfall. Heinig 2022: 12; vgl. Mangold 2022: 10 –11, 22).
Anders als der Staat haben auch Arbeitgeber*in-
Im Hinblick auf Justizangehörige kann das Argu- nen Grundrechte und können auf dieser Grund-
ment äußerlich erkennbarer Neutralität von lage ihre geschützten Interessen geltend machen
Amtsträger*innen als staatliche Repräsentant*in- (vgl. ausführlich Hoevels 2003). Im konkreten
nen zum Tragen kommen (vgl. Campenhausen/ Zusammenhang sind häufig innerbetriebliche
de Wall 2022: 88). Das Bundesverfassungsgericht „Neutralitätsvorschriften“ Gegenstand der Kontro-
hebt hierbei auf die „Optimierung“ (BVerfGE 153, verse. Hierbei wird nicht selten geltend gemacht,
1, 4. Leitsatz) des gesellschaftlichen Vertrauens in dass das Unternehmen selbst „kein Problem“ mit
die Justiz insgesamt ab. Demnach kann deshalb dem Tragen des Kopftuchs habe, dies jedoch bei
ein gesetzliches Kopftuchverbot für Rechtsre- der Kundschaft anzunehmen oder zu befürchten
ferendar*innen angeordnet werden, soweit sie sei (vgl. Liebscher 2021: 7 –8; Mangold 2022: 25).
„als Repräsentanten des Staates wahrgenommen Derartigen Argumenten kann mit den speziel-
werden oder wahrgenommen werden können“ len Vorschriften des Antidiskriminierungsrechts
(BVerfGE 153, 1, 1. Leitsatz). In der Abwägung zwi- (Allgemeines Gleichstellungsgesetz/AGG) ent-
schen der auch für Staatsbedienstete geltenden gegengetreten werden. Zu beachten ist, dass mög-
Religionsfreiheit und dem Ziel der allgemeinen licherweise in Teilen der Bevölkerung vorhandene
Vertrauensoptimierung billigt das Gericht dem Vorurteile und Diversitätsfeindschaft nicht zum
Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative hin- Problem der davon Betroffenen gemacht werden
sichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und dürfen (vgl. Mangold 2022: 25). In einer hierzu
Entwicklungen zu, die für eine Einschränkung der eingeholten Expertise (vgl. Liebscher 2021) ent-
Religionsfreiheit maßgeblich sind (vgl. BVerfGE fällt der größte Teil der insgesamt aufgefundenen
153, 1, 7. Leitsatz; kritisch Mangold 2022: 16–17 Entscheidungen (19 von 26) zu Islam und AGG
und Payandeh 2021: 5–6). Hier zeigen sich mittel­ wiederum auf das Tragen des Kopftuchs (vgl.
bare Auswirkungen der pauschalisierenden allge- Kapitel ↗ 4). Insgesamt kommt die Expertin zu
meinen Debatte über das muslimische Kopftuch, dem überzeugenden Schluss, dass „der allergrößte
dass z. B. in Gerichten im Vereinigten Königreich Teil der analysierten Entscheidungen von einer
die auch dort verlangte Neutralität nicht zu überaus respektvollen und differenzierten Dar-
beeinträchtigen scheint (vgl. BBC News 2020; zur stellung des islamischen religiösen Bekenntnisses
Problematik Mangold 2022: 19–22). Im Ergebnis und der damit verbundenen Praktiken geprägt
werden so professionell ausgebildete Muslim*in- ist“ (Liebscher 2021: 9). Wichtig werden damit vor
nen, die aus religiöser Überzeugung ein Kopftuch allem der effiziente Zugang bzw. die Unterstüt-
tragen, von wichtigen Berufsfeldern ausgeschlos- zung Betroffener in justiziablen Fällen sowie eine
sen, welche andererseits allen muslimischen effiziente Sensibilisierung von Entscheidungsträ-
Männern offenstehen, auch solchen, die einer ger*innen im betrieblichen Alltag. Gleichermaßen
traditionellen Religionspraxis folgen. Insgesamt wichtig ist die Einbeziehung der Expertise der
wird die herausragende Bedeutung einer an den Betroffenen.
Fakten und individuellen Haltungen orientierte
zivilgesellschaftliche und institutionelle Debatte Überdeutlich werden Verbindungen zwischen
auch für den Justizbetrieb deutlich. Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus in
Debattenbeiträgen zur fachgerecht durchgeführ-
ten Beschneidung von Knaben aus religiösen
Politik 267

Gründen (vgl. Beulke/Dießner 2012: 338 –346; Unterkapitel ↗ 4.7) wurde auch das sehr unscharf
Bielefeldt 2012a: 63–71; s. a. Kapitel ↗ 3). Hier hat beschrie­bene Phänomen einer angeblich islamisch
der Gesetzgeber sehr schnell durch eine Klarstel- grundierten, negativ konnotierten „Paralleljustiz“
lung in § 1631 d BGB auf ein singuläres fragwür- eingeführt (vgl. Wagner 2011). Die Zuordnung zur
diges Urteil reagiert. Religion der Beteiligten (vgl. Ghadban 2020: 124)
ist allerdings im Hinblick auf Straftaten außerhalb
Überschneidungen zwischen Muslimfeindlich- familienbezogener Konflikte sachlich weitestge-
keit und Antisemitismus zeigen sich auch in einer hend verfehlt (vgl. Rohe 2019: 17–19; Rohe 2020:
wenig reflektierten Beurteilung des Handschlags 45–46, 64–67; Elliesie/Rigoni 2022: 12, 15–18).
bei der Begrüßung als scheinbar wesentliches Auch Straftaten im Familienkontext, z. B. wegen
Element der Integration („Einordnung in die ‚Ehrverletzungen‘ oder als Folge innerfamiliär
deutschen Lebensverhältnisse“, § 10 Absatz StAG; abgelehnter Beziehungen, sind typischerweise
vgl. Payandeh 2021: 1; Samour/Gülyesil 2021: 2–3). Folge patriarchalischer, von einer Schamkultur121
Andere Begrüßungsgesten als der Handschlag geprägten Familienstrukturen mit starken inter-
sind international sehr weit verbreitet. Sowohl im nen Loyalitätserwartungen unabhängig von der
orthodoxen Judentum als auch in manchen mus- Religionszugehörigkeit (vgl. Rohe 2020: 64–67;
limischen Milieus wird der Handschlag als Geste Collo 2021a). Aus einer rechtsstaatsorientierten,
einer unzulässigen Annäherung zwischen den problembezogenen Sicht existieren tatsächlich
Geschlechtern gedeutet. Die Bewertung der Ver- Phänomene einer rechtsstaatswidrigen Konflikt-
weigerung als frauenfeindlich ist schon deshalb bearbeitung außerhalb staatlicher Institutionen.
verfehlt, weil auch Frauen, welche diese Überzeu- Allerdings gibt es Beispiele rechtlich neutraler
gung teilen, Männern nicht die Hand geben. Die oder sogar erwünschter außergerichtlicher Kon-
Betroffenen erklären ihr Verhalten als Zeichen fliktbearbeitung, soweit sie in Freiwilligkeit, neu-
des Respekts, nicht der Ablehnung. Man mag über tral, professionell und in den Grenzen des gelten-
die Hintergründe dieser Auffassung kontrovers den Rechts betrieben wird. Negativ konnotierte
diskutieren. Die Ablehnung einer Einbürgerung „Paralleljustiz“ zeichnet sich dadurch aus, dass sie
z. B. von jüdischen oder muslimischen Personen gerade diese Anforderungen nicht erfüllt. Der-
allein aus diesem Grund120 erscheint jedoch sach- artiges findet sich auch in muslimischen Milieus
lich verfehlt und unverhältnismäßig. Künftig (vgl. Rohe/Jaraba 2015; Elliesie/Rigoni 2022). Im
würde eine generelle Negativbewertung der Ver- Zusammenhang mit Eheangelegenheiten spielt
weigerung im Übrigen geradezu absurd, wenn die muslimische Religionszugehörigkeit dann
auszuloten wäre, ob dies aus hygienischen oder auch in vielen Fällen eine erhebliche Rolle (vgl.
aber aus religiösen Gründen geschieht. Jaraba 2019: 1; 2020: 26–47). Konkret bestehende
Probleme müssen also klar und zielorientiert
8.3.3 Muslimfeindliche Aspekte der angegangen werden, und der rechtsstaatliche
rechtspolitischen Debatte um „Parallel- Schutzauftrag gebietet die Gewährleistung effi­
justiz“ und „Parallelgesellschaften“ zienter Zugänge zu seinen Institutionen gerade
für vulnerable Angehörige repressiver Milieus
Im Zusammenhang mit der öffentlichen Debatte (vgl. Shachar 2001: 45). Als muslimfeindlich ist
um sogenannte „Clankriminalität“ (vgl. hierzu es jedoch zu bewerten, wenn außergerichtliche

120 So VGH Baden-Württemberg NJW 2021, 487. Der Kläger hatte glaubhaft gemacht, dass er mit der Verweigerung nur einer Bitte
seiner Frau nachkomme, welcher das Gericht salafistische Neigungen zuschreibt. Die Forderung, der Kläger hätte sich in diesem Fall über
das Anliegen seiner Frau hinwegsetzen müssen, ist schwer nachvollziehbar.
121 Im Gegensatz zur in Deutschland verbreiteten ‚Schuldkultur‘ werden innerfamiliäre Konflikte und deren Bearbeitung als ‚reine
Privatsache‘ angesehen, das Öffentlichwerden bewirkt einen ‚Gesichtsverlust‘ für die gesamte Familie (vgl. Rohe 2020: 64–67, 77–81).
268 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Konfliktbearbeitung unter religiösen Vorzeichen Muslimfeindlich ist nicht die Benennung konkre-
bei Muslim*innen pauschal verdächtigt wird, ter Problemlagen, sondern eine pauschalisierende
während vergleichbare Mechanismen anderer Zuschreibung von rechtsstaatswidrigen Verhal-
Religionsgemeinschaften (zu Recht) nicht in tensweisen zur Religion der Beteiligten, ohne die
Verdacht gezogen werden, oder wenn der Islam oft andersgelagerten Hauptursachen zu betrach-
faktenfern pauschal als nicht-rechtsstaatskompa- ten. Dasselbe gilt für Doppelstandards, wenn
tibel verleumdet wird. Das bayerische Landesamt kein problemorientierter Zugang gewählt wird,
für Verfassungsschutz hat hierfür die Kategorie sondern nur muslimische Milieus herausgegriffen
der verfassungsrelevanten Islamfeindlichkeit und stigmatisiert werden ohne Rücksicht darauf,
eingeführt (Bayerisches Staatsministerium des dass gleichgelagerte Probleme auch in ähnlich
Innern, für Sport und Integration 2021: 264–269). gelagerten anderen Milieus anderer Religionszu-
gehörigkeiten oder Weltanschauungen bestehen.
Vergleichbares gilt für die noch unpräzisere und
oft auf schmaler Faktenbasis geführte Debatte In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die
über sogenannte „Parallelgesellschaften“. Auch Kopftuchdebatte und ihre Auswirkungen hin-
hiervon werden teilweise real existierende sozio- zuweisen. Zudem darf nicht übersehen werden,
ökonomische oder soziokulturelle Problemlagen dass rechtlich problematische Einschränkungen
erfasst, die in der Tat weiteren Handlungsbedarf der Religionsfreiheit in vielen Fällen123 nicht zur
erkennen lassen. Als muslimfeindlich ist es jedoch gerichtlichen Klärung führen, weil die Betrof-
zu bewerten, wenn bestehende Probleme ohne fenen dazu nicht die Kraft oder die Ressourcen
belastbare Faktenbasis der Religionszugehörig- aufbringen. Deshalb ist auf die jeweiligen indivi­
keit Betroffener zugeschrieben werden, oder duellen Verständnisse und Haltungen der Trä-
wenn einzelne inhaltlich aus guten Gründen in ger*innen zu achten. Die Berufung auf scheinbar
den Blick genommene Personen oder Personen- überlegenes Wissen (das Kopftuch ist „objektiv
gruppen in unverhältnismäßiger Weise oder nur das Banner des radikalen Islams“, auch wenn die
noch sensationsorientiert angeprangert werden. Tragenden das nicht so sehen; so Schröder 2021:
In diesem Zusammenhang scheinen auch sozio- 95) ist nicht mit rechtsstaatlichen Anforderun-
ökonomische und sozialpsychologische122 Struk- gen und zivilgesellschaftlicher Debattenkultur
turprobleme auf, wenn ein problematisches Maß in Einklang zu bringen, auch nicht aufgrund
an sozialer Fragmentierung allein in bestimmten einer scheinbar emanzipatorischen, ‚progressiven‘
ethnisch oder religiös-kulturell identifizierten Motivation (vgl. den entsprechenden Hinweis
(post-)migrantischen Milieus verortet wird und auf eine beispielhafte Gerichtsentscheidung bei
vergleichbare Problemlagen in anderen Gruppen Liebscher 2021: 6). Ein vorurteilsbeladener
ignoriert werden. Nicht zuletzt ist hier auf die ver- Umgang im Alltag schließt rechtsstaatlich gebo-
gleichsweise schmale öffentliche Debatte über die tene und menschlich faire Teilhabe aus. Wenn
Folgen der Gentrifizierung von Städten und der etwa einer kopftuchtragenden Lehrerin von
Einrichtung von „gated communities“ für beson- Kolleg*innen in scheinbar wohlmeinender
ders Wohlhabende hinzuweisen. Haltung ungefragt Basisinformationen über die
Lehrtätigkeit erteilt werden (vgl. Rohe 2017: 76)
oder der Gesprächspartner einer Lehrerin das

122 Hier ist auf den Umstand hinzuweisen, dass die muslimische Bevölkerung aus historischen Gründen im Durchschnitt
sozioökonomisch unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung angesiedelt ist (Pfündel et al. 2021, S. 135–153) und dass die Kultur
unterprivilegierter Bevölkerungsgruppen nach sozialpsychologischen Erkenntnissen häufig pauschal abgewertet wird.
123 Erkenntnisse aus langjährigen Erfahrungen des UEM im Gespräch mit muslimischen Betroffenen.
Politik 269

‚Kompliment‘ ausspricht, nach einiger Gesprächs- limfeindliche Motive hindeuten. Die Erkennung,
dauer habe er das Kopftuch überhaupt nicht Erfassung und Bekämpfung von muslimfeind-
mehr wahrgenommen, können solche Lehrkräfte lichen Straftaten erfolgt hingegen nicht optimal.
entmutigt werden. Einschlägige Erfahrungen Was andere deutsche Behörden betrifft, ist Mus-
können weitere Personen vom Lehramtsstudium limfeindlichkeit kaum erforscht.
abschrecken. Noch stärker in diese Richtung wirkt
der völlige Ausschluss kopftuchtragender Musli- Für die Legislative gilt, dass Parteien zwar recht-
minnen aus der richterlichen Tätigkeit (vgl. auch lich ein erweiterter Meinungsspielraum zusteht,
Unterkapitel ↗ 9.1.2). die Demokratie insgesamt aber wehrhaft anti-
rassistisch sein muss. Nach einer umfassenden
Aktualisierung des Forschungsstands kommt
8.4 Fazit der UEM zu dem Ergebnis, dass die AfD die ein-
zige Partei im Deutschen Bundestag mit einem
Das deutsche politische System basiert auf den manifest muslimfeindlichen Programm ist. Bei
Grundsätzen der liberalen Demokratie, die die der CDU/CSU und auch gelegentlich bei anderen
Neutralität des Staats und Diskriminierungsfrei- Parteien lassen sich zwar latente Formen durch
heit im staatlichen Raum verlangt. In der Praxis verminderte Anerkennung und ein Konfliktbild
des Handelns der Exekutive zeigt sich in den des Islams erkennen. Alle Parteien außer der AfD
letzten Jahrzehnten jedoch eine gewisse Wider- erkennen jedoch mittlerweile das Problem der
sprüchlichkeit bei Äußerungen und Handlungen Muslimfeindlichkeit, wenngleich unklare Formu­
der politischen Führung sowie der Sicherheits-, lierungen, Schwankungen der Programmatik
Polizei- und anderen Behörden mit Blick auf und eine mangelnde Differenzierung der Agenda
Muslim*innen. Auf der Ebene deutscher politi- erkennbar werden. Ein klares Bekenntnis zur
scher Führungsämter (Bundespräsidenten u. a.) verbesserten Repräsentation von Muslim*innen
lassen sich bis heute neben inkludierenden auch als größter Minderheit in Deutschland in Parteien
pauschal exkludierende Bemerkungen erkennen, und Ämtern fehlt.
die den Islam explizit nicht als „Teil Deutschlands“
einstufen, was im Kontext der latenten Muslim- Im Bundestag zeigt sich auch nach Einzug der
feindlichkeit diskutiert werden muss. AfD keine Diskursverschiebung nach rechts und
auch – von einzelnen Ausnahmen abgesehen –
Der deutsche Staat hat mit der Schaffung der kein Ansteckungseffekt, sondern eine klare anti-
Deutschen Islam Konferenz zwar einen wichtigen rassistische Abgrenzung der anderen Parteien
Schritt in Richtung Anerkennung des Islams und gegenüber der AfD. Deren Präsenz hat allerdings
der Muslim*innen unternommen. Dem steht aber zu einer neuen Polarisierung und zu neuen Sag-
eine zu starke Fokussierung auf Muslim*innen als barkeiten im Parlament geführt, in dem von der
Verdachtsfälle und Sicherheitsrisiken statt auch AfD muslimfeindliche Positionen im Zentrum
als Opfer von Rassismus entgegen. Zu den Proble- der deutschen Demokratie geäußert werden. Es
men zählen u. a. die zu geringe Beachtung rechts- lässt sich bei anderen Parteien zudem eine starke
extremer Muslimfeind­lichkeit in Verfassungs- Sicherheitsfokussierung der Islamdebatte erken-
schutzberichten und intransparente Regelungen nen, während dringend notwendige Reformen im
der Ablehnung von Muslim*innen im Übertritt Bereich des Strukturellen Rassismus (z. B. Refor-
in den öffentlichen Dienst. Entgegen dem öffent- men der Behörden) nicht erörtert oder beschlos-
lichen Eindruck liegen belastbare Studien über sen werden.
Muslimfeindlichkeit im Polizeiapparat bereits vor,
die auf eine hohe Anfälligkeit der Polizei für mus-
270 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Die Justiz pflegt nach ihrem Selbstverständnis bzw. Unsicherheiten im Hinblick auf muslimische
ein hohes professionelles Ethos der Gesetzesbin- Belange. Soziale und religiös-weltanschauliche
dung in Neutralität und Objektivität. Bewusste Diversität ist gerade im juristischen Bereich
Verletzungen dieses Ethos sind sehr selten; in immer noch stark unterentwickelt. Insbesondere
der Regel wird das geltende Recht sorgfältig und der weitreichende Ausschluss kopftuchtragender
unparteiisch angewendet. Ein Problempotenzial Frauen auf der Basis unzureichender Tatsachen-
liegt vor allem in unbewussten Vorverständnissen bestimmung ist schädlich. Insgesamt bedarf es
(„unconscious biases“), negativen Pauschalisie- einer grundlegenden Ergänzung der juristischen
rungen, Fehlzuschreibungen von nicht religions- Ausbildung sowie einschlägiger Fortbildungs-
bedingten Problemen und Fehlinformationen maßnahmen zu Information und Sensibilisierung.

8.5 Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

› die Formulierung klarer und transparenter rechtlicher und verwaltungsinterner Regelungen für die
konsequente rechtliche Gleichbehandlung von Muslim*innen und muslimischen Organisationen,
auf die sich einzelne Entscheider*innen in ihrer Alltagspraxis stützen und berufen können.

› die Etablierung von rassismuskritischen, diversitäts- und religionssensiblen Fort- und Weiterbildungen
für Mitarbeitende von staatlichen Einrichtungen, wie z. B. Behörden, Verwaltungen, Polizei- und
Sicherheitsbehörden, Feuerwehr und Justiz(-vollzug), um insbesondere für Muslimfeindlichkeit und
institutionelle Formen von Rassismus zu sensibilisieren. Wichtig dabei ist auch das Erlernen von
Strategien für einen proaktiven Umgang mit Muslimfeindlichkeit, z. B. bei muslimfeindlichen Aktivi-
täten im Zusammenhang mit Moscheebauten. Dazu gehören Supervisionsangebote für Mitarbeitende,
um „negatives Erfahrungswissen“ reflektieren zu können und muslimfeindliche Stereotype abzubauen.

› eine Strategie der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung von gleichberechtigter Teilhabe und
Repräsentation von Personen mit muslimischen Identitätsbezügen in allen staatlichen Einrichtungen
und Handlungsstrukturen (Behörden, Parteien, politischen Institutionen, Justiz). Der Staat sollte eine
Vorbildfunktion einnehmen und dieser mit bindenden Zielvorgaben, Öffentlichkeitsarbeit, gezielten
Kampagnen und Karrierefördermaßen, wie z. B. der Implementierung von Mentoring-Maßnahmen,
gerecht werden.

› die Stigmatisierung und Benachteiligung von muslimischen Frauen mit Kopftuch im öffentlichen
Raum zu beenden. Kopftuchtragende Frauen sollten grundsätzlich das Recht haben, alle öffentlichen
Ämter in Justiz und Verwaltung auszuüben.

› die Einführung bzw. Erweiterung von Regelungen zu effizientem Rechtsschutz und mehr Transparenz
bei Fragen der Anstellung im öffentlichen Dienst (z. B. in Verdachtsfällen des Extremismus), um beruf-
liche Diskriminierung zu vermeiden.
Politik 271

› die Aufnahme verfassungsschutzrelevanter Muslimfeindlichkeit als eigenständige Kategorie in den


Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder.

› allen demokratischen Parteien, in politischen Debatten (bei der Erörterung politischer Sachverhalte
und gesellschaftlicher Problemlagen) auf muslimfeindliche und rassistische Zuschreibungen und
Stereotype zu verzichten. Die Politik sollte ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und differenziert-
sachlich und verantwortungsvoll über Muslim*innen sprechen (symbolische Politik).

› allen demokratischen Parteien, die Abgrenzungspolitik gegenüber der muslimfeindlichen Partei AfD
aufrechtzuerhalten.

› die rechtssichere Verhinderung der Finanzierung parteinaher Einrichtungen von Parteien, die
Muslimfeindlichkeit oder andere Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit propagieren.

› die Anpassung des Berliner Neutralitätsgesetzes an die Grundsätze der im Grundgesetz festgelegten
Religionsverfassung (Urteile Bundesarbeitsgericht, Abweisung Beschwerde Berlin durch BVerfG am
17. Januar 2023).

› eine ergänzende Neufassung von § 5a (3) des Deutschen Richtergesetzes in die Ausbildung der Rich-
ter*innen: „Die Vermittlung der Pflichtfächer erfolgt auch in Auseinandersetzung mit dem national-
sozialistischen Unrecht, dem Unrecht der SED-Diktatur sowie mit Antisemitismus, Antiziganismus,
Muslimfeindlichkeit und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.“ Ergänzend
empfehlen wir die Etablierung von rassismuskritischen, diversitäts- und religionssensiblen Fort- und
Weiterbildungen für verschiedene Berufsgruppen in Justiz und Justizvollzug (z. B. durch die Richter-
akademien in Trier und Wustrau).

› die Erstellung einer Datenbank o. ä. effizient zugänglicher Informationstools über rechtsrelevante


muslimische Anliegen (z. B. Eheverträge, Religionsgebote) und ihre rechtsstaatlich erforderliche
Berücksichtigung für die Justiz. Eine solche, an das Bundesjustizministerium angekoppelte, Datenbank
auf Bundesebene kann möglicherweise mit Datenbanken zu Diskriminierungsfragen koordiniert
werden (und perspektivisch auch auf EU-Ebene erweitert werden).

› die Dokumentation von Rechtsfolgen von Gesetzen (etwa zum „Erscheinungsbild von Beamt*innen“)
und die Evaluation von Gesetzen im Hinblick auf ihre diskriminierende Wirkung mit Rücksicht auf
alle Diversitätsdimensionen durch unabhängige Expert*innen.

› die Förderung der Einführung von Landesantidiskriminierungsgesetzen und bundesweiten Verbands-


klagerechten.
272 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

9 Religionspolitik

Die heutigen Regelungen des Religionsverfas- die Positionierungen zu islampolitischen Fragen


sungsrechts in Deutschland gehen im Wesent- der im Bundestag vertretenen Parteien verdeut-
lichen auf die 1919 erlassene Weimarer Reichsver- licht die lediglich anlassbezogene Erörterung
fassung zurück, in der sich die religiöse Landschaft von religionsrechtlichen Fragen im Auf und Ab
in Deutschland fundamental anders als heute tagespolitischer Ereignisse und Debatten. Weiter-
darstellte. Diese staatskirchenrechtlichen Regelun- hin verdeutlicht wird diese Lückenhaftigkeit der
gen wurden nach Gründung der Bundesrepublik Befassung mit islamrechtlichen Fragen anhand
Deutschland im Jahr 1949 ohne nennenswerte der mit den religionspolitischen Sprecher*innen
Änderungen in das Grundgesetz in einer Zeit der Parteien geführten Interviews. Bewegen
übernommen, in der noch fast jede*r Bürger*in sich die Erörterungen von CDU/CSU, FDP, SPD,
Mitglied einer der beiden christlichen Kirchen war. Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke zum
Die Erarbeitung von den heutigen Verhältnissen Thema Islam dabei innerhalb des demokratischen
angemessenen Regelungen der individuellen und Spektrums, wird dieser Grundkonsens mit dem
kollektiven Religionsfreiheit für alle und einer stim- Eintritt der AfD in den Bundestag und ihren zahl-
mig-systematischen Religionspolitik in Deutsch- reichen pauschal-verunglimpfenden islam- und
land wurde in den vergangenen Jahren vielfach muslimfeindlichen Äußerungen aufgekündigt.
angemahnt, bleibt jedoch weiterhin ein Manko. Einen ergänzenden, die gesellschaftliche Wirk-
In einigen Fällen genügt eine verlässliche Ausle- lichkeit in den Blick nehmenden Akzent setzt
gung im Sinne gleichberechtigter Teilhabe für alle, abschließend in diesem Kapitel eine Darstellung
in anderen ist der Gesetzgeber gefordert. der Bedeutung und der praktischen Gestaltung
des interreligiösen Dialogs zwischen Christ*innen,
Heute ist nicht nur durch eine zunehmend voran- Jüdinnen und Juden und Muslim*innen.
schreitende Säkularisierung eine veränderte Situ-
ation eingetreten, für die zurückgehende Zahlen
von Mitgliedern der katholischen und evangeli- 9.1 Das deutsche Religions­
schen Kirche sichtbares Kennzeichen sind; auch verfassungsrecht: Garant
eine stärkere Pluralisierung mit Aufsplitterung
der religiösen Landschaft mit deutlicherer Sicht-
für Minderheitenrechte
barkeit von anderen Religionsgemeinschaften, auch in der Praxis?
insbesondere des Islams, prägen das Bild. Zwar
werden in politischen Gremien, insbesondere 9.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für
im deutschen Bundestag, häufig anlassbezogene muslimisches Leben in Deutschland
Debatten zum Thema Islam geführt, weiterhin
fehlt jedoch eine systematische Ausgestaltung des Die Religionsfreiheit ist wie andere Grundrechte
Religionsverfassungsrechts, die der gesellschaft- ein Kernelement der deutschen Rechtsordnung.
lichen Wirklichkeit und den Teilhaberechten aller Sie hat zugleich übergreifende, international
gerecht werden würde. geltende menschenrechtliche Grundlagen (vgl.
nur Bielefeldt/Wiener 2020: 17–21). Gleichberech-
Um die Defizite dieser Sachlage zu veranschau- tigung der Religionen und Weltanschauungen
lichen, wird hier zunächst ein Überblick über die sowie staatliche Neutralität gegenüber Religionen
Genese des heutigen Religionsverfassungsrechts sind Kernelemente des säkularen Rechtsstaats.
gegeben. Der sich anschließende Überblick über Wo diese Rechte im Hinblick auf muslimische
Religionspolitik 273

Personen (individuelle Religionsfreiheit) oder betreffende Entscheidungen nicht ohne Weiteres


Organisationen (kollektive Religionsfreiheit) nicht auf die Rechtslage in Deutschland übertragbar.
gewahrt werden, ist bewusste oder strukturelle Die Religionsoffenheit zeigt sich in einer koope-
Muslimfeindlichkeit zu konstatieren. Wird das rativen Öffnung des Staats gegenüber Religionen
geltende Recht nicht gewahrt, so kann sich dies und Weltanschauungen (ebd.: 4). So ist Religion
zudem negativ auf das Vertrauen in Rechtsstaat- wichtiger Bestandteil universitärer Forschung
lichkeit generell und damit auf den gesellschaft- und Lehre wie auch originärer Gegenstand des
lichen Zusammenhalt insgesamt auswirken. In bekenntnisorientierten Religionsunterrichts in
diesem Zusammenhang ist es ein Warnzeichen, den öffentlichen Schulen der meisten westdeut-
dass gemäß einer repräsentativen Umfrage in der schen Bundesländer. Mit alledem sind grundsätz-
EU aus dem Jahr 2017 muslimische Angehörige lich günstige Rahmenbedingungen für gleichbe-
der zweiten Einwanderer*innengeneration im rechtigte Teilhabe auch für diejenigen geschaffen,
Durchschnitt weniger Vertrauen in die Rechts- die noch nicht über eine etablierte religiöse
staatlichkeit aufweisen als diejenigen der ersten Infrastruktur verfügen. Allerdings bestehen inner-
Generation (vgl. FRA 2017: 12, 25-26). halb Deutschlands Unterschiede im Bereich der
religionsrechtlichen Länderkompetenzen; Bremen
Das deutsche Religionsverfassungsrecht folgt und die ostdeutschen Bundesländer haben eine
einem Modell religionsoffener Säkularität, wie es vergleichsweise stärkere Trennung etabliert.
sich z. B. aus Artikeln 4, 7 Abs. 3 und 140 GG ergibt Insgesamt kommt es jedoch darauf an, dass die
(ausführlich Heinig 2022). Es schützt gleicher- religionsverfassungsrechtlichen Grundsätze auch
maßen die individuelle und kollektive Religions- in der Alltagspraxis umgesetzt werden.
freiheit. Diese gilt für alle Menschen im Land,
nicht nur für deutsche Staatsangehörige. Religion Kernelemente des Religionsverfassungsrechts
darf im öffentlichen Raum sichtbar werden, dort sind staatliche Neutralität (z. B. Verbot einer
auch beworben werden und sich in die politische Staatskirche) und Gleichbehandlung aller Reli-
Debatte einmischen. Der Satz, Religion sei reine gionen und Weltanschauungen. Das Neutrali-
Privatsache, ist zwar in dem Sinne zutreffend, tätsgebot wird vor allem vor dem Hintergrund
dass nur Menschen eine religiöse Überzeugung jahrhundertelanger, konfessionell begründeter
haben können. Er entspricht jedoch nicht der in Verfolgung und Kriege in Europa verständlich.
Europa und insbesondere in Deutschland gelten- Es ermöglicht eine über bloße Toleranz hinausge-
den Rechtslage, die Religionsfreiheit eben auch im hende Gleichberechtigung und garantiert damit
öffentlichen Raum gewährt (vgl. auch Unterkapi- wirkliche Religionsfreiheit. Konkret bedeutet dies,
tel ↗ 8.3.2.3). dass der Staat und seine Institutionen sich nicht
in innerreligiöse Debatten um die ‚richtige‘
Religionsfreiheit wird in Deutschland nicht wie in Haltung oder Auslegung einmischen dürfen. Das
streng laizistischen Systemen tendenziell als mög- gilt für das christliche Amtsverständnis ebenso
liche Bedrohung des staatlichen Machtanspruchs wie für jüdische oder muslimische Religions-
wahrgenommen, sondern als mögliche positive rituale. Die Durchsetzung rechtlicher Ansprüche
Ressource für das Zusammenleben und gemein- religiöser Menschen oder Organisationen bedeu-
nützige Sinnstiftung. Sie reicht deshalb weiter als tet folgerichtig keine inhaltliche Solidarisierung.
der von Artikel 9 der Europäischen Menschen- Wiederholte Behauptungen, der Staat ‚hofiere‘
rechtskonvention gewährte Schutz, welcher den konservative Organisationen oder bevorzuge
Mitgliedstaaten je nach Grundausrichtung breite deren Einstellungen, zeugen von mangelnder
Gestaltungspielräume einräumt (vgl. Heinig 2022: 7). Kenntnis des geltenden Rechts.
Deshalb sind z. B. das laizistische Frankreich
274 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Das Religionsverfassungsrecht kennt auch keinen meinschaft124 nach wie vor sachlich begründbar
„christlichen Kulturvorbehalt“ und einen daraus geboten sind und welche sich alleine aus den
abgeleiteten Sonderstatus christlicher Organisa- Gegebenheiten der etablierten christlichen Orga-
tionen (vgl. Droege 2022: 94–95; Walter/Tremml nisationskulturen ergeben haben, ohne zwingend
2022: 383–384). Allerdings sind das deutsche Reli- erforderlich zu sein. Hier stellen sich sehr kom-
gionsverfassungsrecht und seine Konkretisierun- plexe, oft noch wenig durchdrungene Einzel-
gen historisch gewachsen und spiegeln die christ- fragen des weitgehend föderal umzusetzenden
liche Tradition des Landes, insbesondere bei der Religionsverfassungsrechts, deren Behandlung
Institutionenbildung und der darauf aufbauenden den Rahmen dieses Berichts deutlich überschrei-
Kooperation mit dem Staat (vgl. Heinig 2022: 2, ten würde. Es muss jedoch der Grundsatz beachtet
16–22), aber auch bei der Festlegung gesetzlicher werden, dass Freiheitsrechte, zu denen auch die
Feiertage oder im traditionellen Verständnis von Religionsfreiheit zählt, nur auf der Grundlage
Ehe und Familie. Insofern ist das geltende Recht von Kriterien beschränkt werden dürfen, die
nicht „wirkungsneutral“ (Heinig 2022: 5; vgl. auch den Erfordernissen gelebter Gleichbehandlung
Bielefeldt/Wiener 2020: 87; Rubin 2022), z. B. bei den und Teilhabe entsprechen, und im Einzelfall
Anforderungen an die Institutionalisierung, die nur auf der Basis hinreichend belegbarer Fak-
nicht der Tradition aller Religionen entsprechen. ten. Beispielsweise darf die für eine Kooperation
zwischen muslimischen Organisationen und
Kein Widerspruch zum Neutralitätsgebot und staatlichen Behörden beim Religionsunterricht
damit auch nicht muslimfeindlich ist jedoch die in öffentlichen Schulen gemäß Art. 7 Abs. 3 GG
fortwährende Bedeutung des Christentums als erforderliche Prüfung der rechtlichen Voraus-
die in Deutschland vorwiegend kulturprägende setzungen nicht durch verallgemeinernde, nicht
Religion. In dieser Funktion darf sie z. B. auch im hinreichend faktengesicherte Behauptungen und
Schulunterricht hervorgehoben werden. Ebenfalls Vermutungen ersetzt werden.
kein Verstoß gegen das Neutralitäts- und Gleich-
behandlungsgebot sind auch die fortwirkenden Eine Fülle von wichtigen Bereichen ist im Hin-
staatskirchenrechtlichen Verträge und Konkordate. blick auf muslimische Belange noch wenig oder
Entsprechende Verträge mit jüdischen und mus- wenig konsistent geklärt (vgl. Heinig 2022: 22).
limischen Vertragspartner*innen wurden bereits Das betrifft etwa die Bereiche religiöser Selbstent-
abgeschlossen und sollten bei Vorliegen der recht- faltung im Rahmen schulischer Bildung, die Eta-
lichen Voraussetzungen erweitert werden. Die blierung einer muslimischen Seelsorge in staatli-
Anliegen von Minderheitsreligionen müssen ange- chen Einrichtungen, Möglichkeiten und Grenzen
messen gewürdigt werden, z. B. durch Festlegung gleichberechtigter Teilhabe in öffentlichen Gre-
geschützter Feiertage im Bildungs- und Arbeits- mien und an staatlichen Finanzzuschüssen sowie
bereich (vgl. ausführlich Muckel 2008; de Wall andere finanzrelevante Bereiche, bis hin zu den
2014: 194–223; Walter 2014: 224–236). Im Bereich Befugnissen von Sicherheitsbehörden im Kontext
der Selbstorganisation darf keine „Verkirchlichung“ organisierter Religion (vgl. Aufzählung und Nach-
über die für eine Kooperation erforderlichen sach- weise bei Heinig 2022: 2–24). Hierbei ist insbeson-
lichen Mindestvoraussetzungen verlangt werden dere auch auf die Gleichbehandlung mit anderen
(de Wall 2014: 190–193). Religionsgemeinschaften zu achten, sobald die
von den Organisationen selbst zu schaffenden
Insofern ist zu überprüfen, welche Vorausset- rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.
zungen für die Anerkennung als Religionsge- Hierbei ist auch zu beachten, dass die mangelnde

124 Oder Religionsgesellschaft – die Begriffe werden in Rechtsvorschriften synonym verwendet.


Religionspolitik 275

Wirkungsneutralität des bestehenden Rechts im Skepsis gegenüber ‚dem Islam‘ (vgl. Kapitel ↗ 3)
Hinblick auf sich erst in jüngerer Zeit organisie- als Hebel für weiterreichende Forderungen nach
rende Religionen staatliche Passivität verbietet, einem grundlegenden Systemwechsel in Richtung
soweit sie zu einer vermeidbaren Verfestigung Laizismus. Selbstverständlich sind solche Debat-
ungleicher Verhältnisse führt. ten legitim. Es sollte aber stets deutlich gemacht
werden, dass ein derartiger Systemwechsel erst
Generell hilfreich erscheinen nach alledem durch die zuständigen Gesetzgebungsorgane
rechtspolitische Initiativen in strukturierter Form, beschlossen werden müsste. Daraus ergibt sich
wie sie beispielsweise auf der Basis der Deutschen auch ein gesamtgesellschaftlicher Informations-
Islam Konferenz entwickelt werden konnten. und Bildungsauftrag sowie die Notwendigkeit,
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der Gesetze im Einklang mit diesen verfassungsrecht-
Austausch von Informationen, welche den recht- lichen Grundlagen zu formulieren. Dagegen ver-
lichen Anliegen staatlicher Behörden wie auch stößt § 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes, soweit
dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsge- daraus ein pauschales Verbot des Tragens religiös
meinschaften und ihrer gleichberechtigten Teil- konnotierter Kleidung ohne Rücksicht auf eine
habe gerecht werden. Konkretere Empfehlungen konkrete Gefahr für den Schulfrieden abgeleitet
lassen sich angesichts der Vielgestalt der jeweils wird.125 Rechtsstaatliche Klarheit und Vertrauens-
einschlägigen rechtlichen Regelungen nicht würdigkeit erfordern hierbei eine verfassungsge-
formulieren. So kann es einerseits muslimische mäße Neuformulierung; die bloße Einschränkung
Anliegen fördern, im Wege von rechtlich zuläs- durch eine verfassungskonforme Auslegung
sigen Modellversuchen und „Zwischenlösungen“ würde dem nicht hinreichend gerecht.
die Umsetzung wichtiger muslimischer Anliegen
zu beschleunigen, z. B. im Hinblick auf den Reli- 9.1.2 Reichweite und Grenzen der
gionsunterricht in öffentlichen Schulen. Ande- Religionsfreiheit
rerseits werden solche rechtlichen „Provisorien“
auch skeptisch gesehen, weil damit die Gefahr Das Grundrecht der Religionsfreiheit hat meh-
einer Verstetigung unterhalb der Schwelle des von rere Dimensionen. Es schützt gegen unzulässige
der Verfassung vorgesehenen „Standardmodells“ staatliche Eingriffe (Freiheitsrecht), erlegt dem
verbunden sein kann. Einzufordern ist aber in Staat Schutzpflichten auf und strahlt auch auf
jedem Falle die stärkere Beachtung religionspoli- die gesamte Rechtsordnung aus, z. B. im Arbeits-
tischer Anliegen auf den dafür zuständigen staat- recht (vgl. Heinig 2022: 12; zur Diskriminierung
lichen Ebenen; hier zeigen sich deutliche Unter- von Muslim*innen auf dem Arbeitsmarkt vgl.
schiede zwischen einzelnen Bundesländern. Kapitel ↗ 5). Ist also eine bestimmte Handlung
oder Position als religiös zu qualifizieren, so fällt
Insgesamt zeigt sich in der rechtspolitischen sie zunächst in den Schutzbereich der in Deutsch-
und medialen Debatte über solche Fragen eine land sehr weit gefassten Religionsfreiheit. Auch
zunehmende Tendenz, entgegen der herrschen- Minderheitenpositionen innerhalb der Religionen
den Rechtslage religiöses Leben stärker aus dem sind geschützt, sofern sie religiöser Natur sind;
öffentlichen Raum zu verbannen (zum einschlä- dies auch dann, wenn sie in manchen Teilen der
gigen Berliner Neutralitätsgesetz vgl. Unterkapitel Gesamtgesellschaft anstößig wirken (vgl. Heinig
↗ 8.3). Manche Stimmen nutzen die verbreitete 2022: 14). Die Religionsfreiheit dient gerade auch

125 Siehe dazu die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. August 2020 (8 AZR 62/19) mit verfassungskonformer Auslegung
des Gesetzes und Gewährung von Schadensersatz einer Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sowie die
Zurückweisung der dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht am 17. Januar 2023 (1 BVR 1661/21).
276 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

dem Schutz von Minderheiten und sie ist wie Zugleich ist bei der Gesetzgebung stets auf die
andere Grundrechte selbst ein Menschenrecht. religionsfreundliche Neutralität der Verfassung
Sie muss sich gerade im Hinblick auf in der öffent- zu achten. Das Bundesarbeits- sowie das Bun-
lichen Wahrnehmung verbreitet stigmatisierte desverfassungsgericht haben wie erwähnt deut-
Bevölkerungsgruppen wie Muslim*innen bewäh- lich gemacht, dass sachlich nicht begründbare
ren (vgl. Unterkapitel ↗ 9.1.3 sowie Kapitel ↗ 3, ↗ 5 Einschränkungen der Religionsfreiheit auf der
und ↗ 7). Grundlage überzogener, laizistisch orientierter
Neutralitätsvorstellungen nicht mit dem gelten-
Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass die Reli- den Verfassungsrecht vereinbar sind. In diesem
gionsfreiheit mit kollidierenden Grundrechten Zusammenhang erscheint es zudem dringlich
in Einklang zu bringen ist (praktische Konkordanz) erforderlich, den pauschalen, die vielschichtigen
bzw. bei der kollektiven Religionsfreiheit gesetz- Bedeutungen des Kopftuchs ignorierenden Aus-
lich formulierte Grenzen kennt. Gegensätzliche schluss von kopftuchtragenden Musliminnen aus
Interessen müssen dann im jeweiligen konkreten öffentlichen Ämtern (z. B. in der Justiz) zu been-
Einzelfall im Sinne der Verhältnismäßigkeit den. Dieser Ausschluss stigmatisiert die Betroffe-
gegeneinander abgewogen werden (zur Fülle von nen ohne Not und setzt sie zugleich intersektio-
Einzelfragen und ihrer rechtlichen Beurteilung vgl. nellen Benachteiligungen aus (als Muslim*innen
mit zahlreichen Nachweisen Rohe 2018: 194–243). und Frauen) (vgl. Mangold 2022: 12–22). Soweit
hierbei ein gesetzgeberischer Ermessensspielraum
Gerade bei der Konkretisierung gesetzlicher Vor- besteht, sollte er im Sinne einer gender- und
gaben im Einzelfall zeigt sich allerdings, wie sehr diversitätsgerechten Politik zugunsten engagier-
auch staatliche Institutionen von Vorverständ- ter Staatsbürger*innen genutzt werden.
nissen geleitet werden, etwa in unterschiedlichen
Entscheidungen zur Zulässigkeit von Beschrän- 9.1.3 Gefährdung der Religionsfreiheit für
kungen religiös konnotierter Kleidung von Musli- Muslim*innen durch gesellschaftliche
minnen bei der Berufsausübung (vgl. Heinig 2022: Vorbehalte
8; hierzu ausführlicher Unterkapitel ↗ 8.3.2.3).
In diesem Zusammenhang bestehen erhebliche Eine Fülle von Gerichtsentscheidungen zuguns-
Befürchtungen im Hinblick auf die Auslegung der ten muslimischer Verfahrensbeteiligter zeigt, dass
sehr abstrakt formulierten Neuregelungen in den die Institutionen des Rechtsstaats ihre Anliegen
§§ 61 Bundesbeamtengesetz und 34 Beamtensta- ernst nehmen. Dies ist besonders dringlich in
tusgesetzG (vgl. Gärditz/Abdulsalam 2021; Wiese Zeiten, in denen Gerichtspräsident*innen und
2021), in die sachfremde Erwägungen und Vorver- andere Jurist*innen davon berichten, dass sie in
ständnisse einfließen könnten. Umso wichtiger solchen Fällen nicht selten abfällige und beleidi-
ist die interne Sensibilisierung gegen unbewusste gende Zuschriften erhalten, teils sogar mit Klar-
Vorentscheidungen. Religionsrechtspolitik und namen. Die Grundlagen des säkularen Rechts-
Justiz sind insoweit gleichermaßen aufgerufen, staats scheinen nicht durchweg in das allgemeine
die Grundlagen der Religionsfreiheit in aus- Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen zu sein
schließlich faktenorientierter und rechtskonfor- (vgl. die umfangreichen Nachweise in Kapitel ↗ 3).
mer Weise auch gegen verbreitete Vorurteile zu Exemplarisch belegt schon eine ältere repräsenta-
verteidigen, wie dies in einer ganzen Reihe von tive Umfrage in Deutschland aus dem Jahre 2010
grundlegenden Entscheidungen auch erfolgt ist (vgl. Decker et al. 2010: 134; Kap. 3 Dokumenta-
(vgl. auch Unterkapitel ↗ 8.3.2). tion des Ausmaßes von Muslimfeindlichkeit), dass
58,4 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung
(in Ostdeutschland 75,7 %) der Auffassung waren,
Religionspolitik 277

man solle die religiösen Rechte der Muslim*innen haben einen dem Kirchturm vergleichbaren
spürbar beschränken. Eine neue repräsentative Erkennungscharakter, was entsprechend rechtlich
Studie zeigt, dass immer noch ein erheblicher zu würdigen ist (vgl. Rohe 2018: 198–199 mit
Anteil der Bevölkerung (ca. 44 %) pauschal die zahlreichen Nachweisen). Entgegen verbreiteten
Einschränkung „des islamischen Glaubens in Vorstellungen gibt es auch kein Recht der Bevöl-
Deutschland und die staatliche Beobachtung kerungsmehrheit auf einen religiös-kulturellen
islamische[r] Gemeinschaften in Deutschland“ Milieuschutz, auch wenn Teile der nicht-muslimi-
(Fridrichs/Storz 2022: 12–13) befürwortet und schen Bevölkerung z. B. ein Minarett als „fremd“
sich damit unbewusst oder bewusst muslimfeind- empfinden. Forderungen, die Errichtung von
lich positioniert. Moscheen von örtlichen Abstimmungen abhängig
zu machen, stehen in klarem Gegensatz zur deut-
Damit korrespondieren unreflektierte Fehldeu- schen Verfassungsordnung und zur Europäischen
tungen in einer Studie u. a. der Alice Schwarzer Menschenrechtskonvention. Auch demokratische
Stiftung (vgl. Köcher 2021), die zu dem Schluss Mehrheiten sind nicht berechtigt, Minderheiten
gelangt, dass für die große Mehrheit der Befrag- ihre verfassungsmäßigen Rechte zu nehmen, erst
ten (65 %) die Religionsfreiheit nicht zur Debatte recht nicht wegen diffuser ‚Überfremdungsängste‘
stehe. Tatsächlich steht diese abstrakte Bejahung oder Befürchtungen, das eigene, einer Moschee
der Religionsfreiheit im inhaltlichen Widerspruch benachbarte Grundstück könne an Wert verlieren.
zu konkreten Antworten, welche die Religions- Wenn im Einzelfall eine extremistische Organisa-
freiheit von Muslim*innen gerade nicht respek- tion eine Moschee zu rechtswidrigen Aktivitäten
tieren (z. B. bei religiös konnotierter Kleidung oder nutzt, kann und muss darauf mit vereinsrecht-
hinsichtlich eines generellen Verbots des Einsat- lichen Verboten und Beschlagnahmen reagiert
zes von Imamen aus dem Ausland; zur Kopftuch- werden. Rechtlich unbeachtlich ist auch das häu-
debatte Mangold 2022: 12–22; zuletzt Hecker 2022 fig gegen Moscheebauten vorgebrachte Argument
sowie Unterkapitel ↗ 4.1 und Kapitel ↗ 5). Dies der Gegenseitigkeit nach dem Muster ‚Kirche in
als „differenzierten Blick auf MuslimInnen“ und Mekka gegen Moschee in Deutschland‘. Zum einen
„scharfe Ablehnung des politischen Islam“ (Köcher würde damit eine Sippenhaft für Muslim*innen
2021) zu würdigen, verkehrt die Ergebnisse in ihr im Land begründet, die nicht für den in der Tat
Gegenteil. beklagenswerten Stand der Religionsfreiheit in
vielen islamisch geprägten Staaten verantwortlich
Vor diesem Hintergrund sind einige Klarstellun- sind. Zum anderen würden die rechtsstaatlichen
gen am Beispiel besonders umstrittener Themen Grundsätze Deutschlands insoweit aufgegeben.
erforderlich. Zum einen gibt es immer wieder
Konflikte um Moscheebauten (vgl. Schmitt 2003; Zum anderen wurde auch die Debatte um die
Beinhauer-Köhler/Leggewie: 117–180; zum nach den Regeln der medizinischen Kunst ausge-
Gebetsruf vgl. Unterkapitel ↗ 4.5), die über die führte religiös-rituelle Beschneidung von Knaben
Aktivitäten explizit islam- und verfassungsfeind- (vgl. hierzu Unterkapitel ↗ 4.2) teilweise ohne
licher Gruppen hinausgehen.126 Die einschlägigen Beachtung der religionsverfassungsrechtlichen
gesetzlichen Bau- und Immissionsschutzvor- Grundlagen geführt (vgl. Beulke/Dießner 2012;
schriften müssen im Lichte der Religionsfreiheit Bielefeldt 2012a und b sowie die Nachweise bei
ausgelegt werden. So genießen Moscheen wie Heinig 2022: 23). Muslimfeindlich und zugleich
Kirchenbauten als religiöse Einrichtungen antisemitisch wird hierbei eine Argumentation,
besonderen baurechtlichen Schutz. Minarette die das Kindeswohl in scheinbaren Gegensatz

126 Vgl. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration 2022: 264–269.
278 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

zur Religionsfreiheit stellt und letztere pauschal von Extremist*innen geförderte Verständnis
abwertet. Tatsächlich geht es aus rechtlicher Sicht von Säkularität als „Religionsfeindlichkeit“ (vgl.
nicht um einen Konflikt zwischen Religionsfrei- Bielefeldt 2003: 59–65). Allerdings wird die Reali-
heit und Kindeswohl, sondern um die Frage, wer sierung durch Fehlinformationen über die Reich-
das Kindeswohl inhaltlich zu definieren befugt weite der Religionsfreiheit auch für Minderheiten
ist. Das Grundgesetz weist diese Befugnis in erster sowie verbreitete pauschalisierende Vorurteile
Linie den Eltern zu (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). Auch beeinträchtigt, wobei sich Überschneidungen zwi-
die Sozialisation in einer religiösen Gemeinschaft schen Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus
kann nach der maßgeblichen Einschätzung der zeigen. Dem entgegenzutreten ist Aufgabe staat-
Eltern dem Wohl des Kindes dienen. licher Institutionen und der Gesamtgesellschaft.

Freilich hat die Einschätzungsprärogative der


Eltern Grenzen: Schwerwiegende Eingriffe sind 9.2 UEM-Studie: „Die
nicht gedeckt; hier aktualisiert sich der staatliche Islam­politik der im
Wächterauftrag des Grundgesetzes (Art. 6 Abs. 2
S. 2 GG). Deshalb sind die Formen der Genitalver­
Deutschen Bundestag
stümmelung an Mädchen und Frauen, die ins- vertretenen Parteien.
besondere in Teilen Afrikas unter Christ*innen, Entwicklungen, Positionen
Muslim*innen und Angehörigen anderer Reli- und Konfliktlinien“
gionen verbreitet sind, in jedem Falle strafbar.
Um derart schwerwiegende Eingriffe geht es hier Islampolitische Themen sind regelmäßig Dis-
indes gerade nicht. Deshalb war es folgerichtig, kussionsgegenstand im Bundestag unter den dort
dass der Bundestag Ende 2012 durch die Neu- vertretenen Parteien, zum einen, indem aktuelle
regelung in § 1631d BGB die Rechtslage präzisiert gesellschaftspolitische Ereignisse erörtert und
und die entstandene Verunsicherung weitgehend kommentiert werden, zum anderen unabhängig
beseitigt hat (vgl. Schulze 2017). davon, wenn es in Rede- oder Schriftbeiträgen
um die Festlegung allgemeiner Richtlinien der
Insgesamt bietet das deutsche Recht günstige (Parteien-)Politik geht.127
Voraussetzungen für religiöses Leben und gleich-
berechtigte Teilhabe für alle Religionsangehörigen Alle im Bundestag vertretenen Parteien behan-
und -organisationen. Weitreichende Freiheiten deln religionspolitische Themen mit Islambezug,
und Formen der Kooperation in religionsoffener was sich in Bundestagsdebatten, aber auch in
Säkularität (im Gegensatz zu antiliberalen, kultura­ den entsprechenden Parteiprogrammen nieder-
listischen und staatsideologischen Säkularitäts- schlägt.128 Parlamentsdebatten sind von der Ent-
konzepten, vgl. Bielefeldt 2003: 15–58) widerlegen scheidungsfindung zu aktuellen Fragen geprägt,
das bei manchen Muslim*innen anzutreffende, gehen aber zumeist auch auf Grundsatzfragen

127 Diese Darstellung folgt der im Auftrag des UEM von Malte Dreß erstellten Studie „Die Islampolitik der im Deutschen Bundestag
vertretenen Parteien. Entwicklungen, Positionen und Konfliktlinien“ aus dem Jahr 2022. Sie beruht auf seiner Dissertation „Die politischen
Parteien in der deutschen Islamdebatte“ (vgl. 2018), die auf den Zeitraum ab 1961 rekurriert, als die ersten türkischen Arbeitnehmer
angeworben wurden. Dass die Dissertation erst im letzten Teil ausführlich auf die Äußerungen der AfD zum Thema Islam(-politik)
eingeht, liegt daran, dass die AfD 2018 noch nicht im Bundestag vertreten war, ihre Haltung zu Islamfragen also erst am Ende der
wissenschaftlichen Arbeit Eingang fand.
128 Dieses Unterkapitel ergänzt das Unterkapitel ↗ 8.2. Es behandelt nicht die Frage des Verhältnisses der Politik zur Religion bzw.
die Haltung der Politik zu Integrationsfragen an sich, sondern einige spezifische Fragen zur Religionsausübung und bildet aufgrund
der Entwicklungen der vergangenen 60 Jahre einen gewissen Wandel in der Diskussionslage der im Bundestag vertretenen politischen
Parteien ab.
Religionspolitik 279

ein. Manche Aussagen, wie die Muslim*innen der parteipolitischen Debatten und Positionie-
pauschal herabsetzenden Islamthesen eines Thilo rungen analog zum gesellschaftlichen Wandel
Sarrazins oder die Aussage des ehemaligen Bun- feststellbar.
despräsidenten Christian Wulff am Tag der Deut-
schen Einheit 2010, dass der Islam zu Deutschland Das Bewusstsein für muslimfeindliche Aussagen
gehöre, sorgten ebenso für länger anhaltende und Haltungen zu religionspolitischen Themen
Debatten wie Großereignisse, etwa die Übergriffe ist im Gleichklang mit entsprechenden gesell-
auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht schaftlichen Debatten auch bei den im Bundes-
2015/16 oder die Zuwanderung zahlreicher tag vertretenen Parteien – außer der AfD – in der
Geflüchteter aus islamisch geprägten Staaten in jüngsten Vergangenheit größer geworden. Die
den Jahren 2015 und 2016. Tatsache der gesellschaftlichen Vielfalt und damit
auch der unterschiedlichen öffentlichen Aus-
Bei der Auswertung der im Bundestag einge- drucksformen von Kultur, Weltanschauung und
brachten Diskussionsbeiträge und der Partei­ Religion wird heute weitaus mehr als Selbstver-
programme der vertretenen Parteien wird deut- ständlichkeit betrachtet als in vergangenen Jahr-
lich, dass Themen, die anlassbezogen diskutiert zehnten. Versuche, dieser Vielfalt auch politisch
werden (wie etwa im Zuge der Planung eines und religionsrechtlich gerecht zu werden, sind
größeren Moscheebaus), nach einer gewissen Zeit längst Teil von Bundestagsdebatten und Verlaut-
wieder abflauen und in den Hintergrund treten, barungen der Parteien geworden. Allerdings wird
z. T. ohne dass eine bestimmte Sachfrage wie das Feld der Religionspolitik von den Parteien ins-
die grundsätzliche Haltung einer Partei zum gesamt wenig berücksichtigt, was seiner Bedeu-
Moscheebau abschließend beantwortet wird. tung nicht gerecht wird. Zahlreiche religions-
politische Fragestellungen mit Hinblick auf eine
Einige Themen begleiten die Bundestagsdebatten gleichberechtigte Behandlung aller Religions-
seit Jahren immer wieder, wie etwa die Frage der gemeinschaften sind bisher nur unzureichend
Kooperation mit den islamischen Verbänden, die bearbeitet worden (vgl. Unterkapitel ↗ 9.1.1).
flächendeckende Einführung eines islamischen
Religionsunterrichts oder die Kopfbedeckung 9.2.1 Die Haltung der demokratischen
für im Staatsdienst stehende Beamt*innen. Nicht Parteien im Vergleich
selten kommt anlässlich neuer Ereignisse wie
einer gerichtlichen Klage seitens Betroffener Die Vergleichbarkeit der Positionierungen der
dieselbe Thematik später erneut auf; dann treten Bundestagsparteien zu Islamthemen wird hier
im Spiegel internationaler Politik oder nationaler anhand einiger weniger Themen erreicht, zu
Sicherheitspolitik andere Aspekte in den Vorder- denen die Verlautbarungen der Parteien aus den
grund und auch die Wahrnehmung der Thematik vergangenen 20 Jahren erfasst werden konnten:
in der Gesellschaft wandelt sich. Von daher ist bei die Debatte um ein Kopftuchverbot für verbeam-
der Bewertung der einzelnen Aussagen zur Islam- tete muslimische Lehrer*innen, die Einrichtung
politik der Bundestagsparteien stets zu beachten, von Gebetsräumen für das rituelle Gebet, die Ein-
wann und in welchem Kontext eine bestimmte führung eines islamischen Religionsunterrichts,
Aussage getroffen wurde: Einzelne Äußerungen die Etablierung von Fakultäten für Islamische
sind in ihrer Verschiedenheit, auch innerhalb ein Theologie an Universitäten und der Moschee-
und derselben Partei, nicht selten Reaktionen auf und Minarettbau.
politische Ereignisse und werden später, aus dem
Abstand, neu bewertet. Insgesamt ist ein Wandel
280 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Im Unterschied zu diesen Themen wurde die und deshalb keine Scharia-Normen eingeführt
Debatte um die Anwendung von Scharia-Nor- wissen, so werden damit Forderungen zurückge-
men129 in Deutschland als nicht faktengestützte wiesen, die von muslimischer Seite jenseits einzel-
Scheindebatte initiiert. In muslimfeindlicher ner Extremist*innen gar nicht erhoben werden.
Weise wird dabei unterstellt, dass es ein Anlie- Derlei undifferenziert geführte Scheindebatten
gen der muslimischen Bevölkerung sei, derartige sind als muslimfeindlich einzustufen, soweit sie
Normen im Gegensatz zum deutschen Recht ein Bedrohungsszenario ohne Faktengrundlage
einzuführen. Tatsächlich hat die Deutsche Islam konstruieren. Es ist unbedingt erforderlich, der-
Konferenz in einem mit den muslimischen Betei- artige Themen nicht in populistischer Weise zu
ligten einvernehmlich erarbeiteten Papier (vgl. instrumentalisieren, sondern Diskussionen nur
BMI 2015: 18–20, bei Dreß 2022: 17–18) zutreffend auf zutreffender Faktengrundlage zu führen.
festgestellt, dass die Anwendung von Scharia-Nor-
men nur im Rahmen des geltenden deutschen Es wird deutlich, dass die CDU/CSU-Fraktion zu
Rechts in Betracht kommt. Weitergehende, dem den einzelnen Themen zwischen einer islam-
zuwiderlaufende Bestrebungen sind selbstver- politisch skeptischen Haltung und einer Unter-
ständlich abzulehnen und Gegenstand der Arbeit stützung der genannten Anliegen changiert: Sie
der Sicherheitsbehörden. nimmt eine skeptische Haltung gegenüber der
Frage der Kopfbedeckung für muslimische Leh-
Religiöse Vorschriften fallen danach grundsätz- rer*innen, der Einrichtung öffentlicher Räume
lich in den Anwendungsbereich der verfassungs- für das rituelle Gebet an Schulen und der Einfüh-
mäßigen Religionsfreiheit (vgl. Rohe 2022a: rung eines islamischen Religionsunterrichts ein.
343–354). Ausländische Rechtsnormen können Dieser wird allerdings prinzipiell befürwortet; die
nur im Bereich internationaler Privatrechtsbezie- Diskussion dreht sich eher um die Frage, wer zur
hungen Anwendung finden; es ist das deutsche Erteilung des Unterrichts berechtigt ist. Skepsis
Recht selbst, das die Anwendung solcher Vor- besteht hier vor allem in Bezug auf die Zugehörig-
schriften bei größerer Sachnähe vorsieht, und keit der für den Religionsunterricht berechtigten
nur sofern sie nicht im Anwendungsergebnis Lehrkräfte zu bestimmten islamischen Organisa-
grundlegenden deutschen Rechtsvorstellungen tionen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter-
(dem Ordre Public) widersprechen. Zudem kön- stützt prinzipiell die Etablierung von Fakultäten
nen Scharia-Normen bei der privaten Rechts- für Islamische Theologie an Universitäten. Diese
gestaltung im sogenannten dispositiven Sach- Haltung ist allerdings eher integrationspolitisch
recht (vor allem dem Vertragsrecht einschließlich motiviert und entspringt weniger der Befürwor-
von Eheverträgen sowie dem Erbrecht) Eingang tung einer Gleichberechtigung der Religionen.
finden, in den allgemeinen Grenzen der Gesetze Beim Moscheebau vertritt die CDU/CSU-Fraktion
und der guten Sitten (§§ 134, 138 BGB) (vgl. Rohe mit der prinzipiellen Befürwortung des Rechts auf
2022a: 373–379). Wenn also dennoch wiederholt den Moscheebau gleichzeitig die Forderung nach
in der religionspolitischen Debatte ausgeführt Rücksichtnahme auf die Anliegen von Anwoh-
wird, man wolle das deutsche Recht verteidigen ner*innen130 und die Transparenz der Finan-

129 Das Normensystem der Scharia umfasst nicht nur Öffentliches, Straf- und Zivilrecht, sondern etwa auch Speise-, Kleidungs-
sowie Ritualvorschriften, welche die Ausübung der Religion regeln. Das Scharia-Recht ist kein kodifiziertes Gesetzbuch, sondern eine
Sammlung von Vorschriften, Verboten, Werten und Normen sowie von den Quellen und Methoden der Normeninterpretation, die durch
Rechtsgelehrte bis heute unterschiedlich interpretiert und von Land zu Land – im Bereich von Rechtsvorschriften heute als staatliches
Recht – unterschiedlich angewandt werden.
130 Diese Forderung muss aus rechtlicher Sicht differenziert werden: Es gibt rechtlich geschützte Anliegen, die selbstverständlich zu
berücksichtigen sind, aber auch eigennützige (z. B. befürchteter Wertverlust des eigenen Grundstücks) ohne rechtliche Relevanz, deren
Berücksichtigung die Grundrechte der interessierten Muslim*innen verletzten würde.
Religionspolitik 281

zierung der einzelnen Projekte, bezieht aber in rung von Fakultäten für Islamische Theologie und
diesen eher skeptischen Ansatz anerkennend den die Einrichtung des islamischen Religionsunter-
kulturellen Wandel als Realität mit ein. richts, ist aber bei beiden Themen skeptisch in
Bezug auf die Mitwirkung der Islamverbände und
Bei der SPD-Fraktion ist keine einheitliche Linie der DITIB.
in der islampolitischen Positionierung auszuma-
chen, es bestehen erhebliche Unterschiede in der Die Linke beurteilt das Kopftuchverbot und den
Haltung zu Islamthemen. Einige Fragen werden islamischen Religionsunterricht prinzipiell skep-
parteipolitisch kaum erörtert. Bei der Frage des tisch; den Religionsunterricht möchte sie allen-
Kopftuchs für verbeamtete Lehrer*innen über- falls unter dem Aspekt der Gleichberechtigung
wiegt eine optimistische und damit offene Hal- der Religionen befürworten. Eine offen-optimis-
tung als Bejahung der freien Wahl des kulturellen tische Haltung vertritt sie in Bezug auf Gebets-
und religiösen Bekenntnisses; eine Ausnahme räume, den Moscheebau und die Etablierung Isla-
stellt hier die Berliner SPD dar, die die Erlaubnis misch-Theologischer Fakultäten.
zum Kopftuchtragen für beamtete Lehrer*innen
strikt ablehnt. In der Frage der Einrichtung von Die Mehrheit der parteipolitischen Stellungnah-
Gebetsräumen überwiegt eine skeptische Haltung. men in Debattenbeiträgen wie Parteiprogram-
Bei der Einführung des islamischen Religions- men sind als offen-optimistisch zu betrachten,
unterrichts, der hauptsächlich aus Gründen einer auch wenn in der Religionspolitik weiterhin
religionspolitischen Gleichberechtigung befür- etliche offene Rechtsfragen und Leerstellen in
wortet wird, ist die offen-befürwortende Ausrich­ der politischen Umsetzung bestehen, so etwa
tung ebenso vorherrschend wie bei der Etablie- bei der Institutionalisierung des muslimischen
rung von Lehrstühlen für Islamische Theologie Lebens im Rahmen der kollektiven Freiheit, z. B.
und bei Moscheebauprojekten. bei der Einführung des Religionsunterrichts oder
bei der neutralen Anwendung des Rechts im
Auch innerhalb der FDP variieren die Positionen Zusammenhang mit Moscheebauten. Eine grund-
zu islampolitischen Themen erheblich. Daher ist sätzlich bejahende Haltung zu Vielfalt und dem
die Haltung zum Kopftuch muslimischer verbe- Wunsch nach Gleichbehandlung aller Religionen
amteter Lehrer*innen nicht eindeutig zu bestim- ist erkennbar und überwiegt heute. Debatten
men. In der Frage der Einrichtung von Gebetsräu­ zu integrationspolitischen Themen finden zwar
men, der Etablierung der Fakultäten für Islamische immer wieder statt. Dennoch sind Bundestagsde-
Theologie sowie beim Moscheebau vertritt die batten über Islam und Muslim*innen in Deutsch-
FDP eine optimistisch-offene Haltung, nicht ohne land insgesamt unter dieser Überschrift nicht
gleichzeitig vor islamistischen Netzwerken in zu subsumieren. Ebenso wird der Islam als solcher
Moscheen zu warnen. Beim islamischen Religions- nicht als Integrationshindernis ausgemacht.
unterricht existieren unterschiedliche Positio-
nierungen innerhalb der Partei mit einer Tendenz Allerdings zeigt die CDU/CSU-Fraktion zu Teilen
zum Skeptizismus. eine deutlicher skeptische Haltung, insofern sie
den Islam stärker als die anderen Parteien unter
Die Partei Bündnis 90/Die Grünen zeigt in Bezug der Fragestellung der gesellschaftlichen und
auf die Frage der Kopfbedeckung für beamtete politischen Integration betrachtet und mehr als
Lehrer*innen sowie den Moscheebau eine offen- andere Parteien von der Bedeutung und Trag-
optimistische Haltung, die das Recht auf den weite kultureller Komponenten im Zusammenle-
freien Ausdruck der kulturellen Identität hervor- ben von Menschen unterschiedlicher Prägungen
hebt. Ebenso befürwortet die Partei die Etablie- ausgeht. Auch die Frage der freien Entfaltung der
282 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

verschiedenen Kulturen wird hier vermehrt unter Auch wurde nach der Äußerung Wulffs 2010, dass
der Überschrift einer ‚christlich-jüdisch-abend- der Islam zu Deutschland gehöre, von der FDP
ländischen Leitkultur‘ thematisiert. Die Fraktion unterstrichen, dass auch der Islam für die kul-
mahnt des Öfteren eine kritisch-konstruktive turelle Identität Deutschlands prägend war (vgl.
Debatte zu Islamthemen an, ruft allerdings nicht Lindner 2010). 2013 äußerte die FDP in ihrem
zu Abgrenzung auf oder äußert sich islamfeind- integrationspolitischen Positionspapier, dass der
lich. Bemerkenswert ist, dass auch die SPD in den Islam zu einer „religiösen Tradition“ geworden
1980er-Jahren zu erbringende Integrationsleistun- sei, „die unsere Freiheit mitträgt“.134
gen thematisierte, die sie allerdings von Seiten der
Zuwanderer*innen wie von Seiten der Aufnah- Auch Bündnis 90/Die Grünen forderten ab 2004
megesellschaft einforderte und von einer „Multi- eine gleichberechtigte Zugehörigkeit von Mus-
Kulti-Seligkeit“ (Schily 2004: 2) warnte. lim*innen und eine Anerkennung des Islams als
gleichberechtigte Religion135 sowie eine „Politik
9.2.2 Tendenzen zu offener Haltung der Anerkennung“.136 Die Partei mahnte eine
„emanzipative Integrationspolitik“ der Teilhabe
Manche Parteiäußerungen zu islampolitischen und Chancengleichheit im Sinne einer „multi-
Themen muten aus heutiger Sicht wenig kennt- kulturellen Demokratie“137 an. Heute erklärt sie,
nisreich, unnötig warnend oder abgrenzend an. dass sie auf die Bekämpfung von „Islamfeind-
Es muss aber der damalige Stand der Diskussion lichkeit“,138 „antimuslimischem Rassismus“139 und
berücksichtigt werden, der sich in den einzel- „Muslim*innenfeindlichkeit“140 ausgerichtet sei.
nen Diskussionsbeiträgen widerspiegelt. Zudem Die Partei thematisiert die besondere Betroffen-
finden sich auch ausgesprochen offene Verlaut- heit von Muslim*innen und islamischen Einrich-
barungen wie etwa der von der SPD in ihrem tungen „von struktureller Diskriminierung sowie
Parteiprogramm 2021 formulierte Entschluss, von gewalttätigen Übergriffen“.141 Für Die Grünen
die „Islamfeindlichkeit“131 bekämpfen zu wollen. gehört der Islam zu Deutschland; eine rechtliche
Schon 1980 forderte die FDP in ihrem Wahlpro- Gleichstellung, die durch Staatsverträge mit isla-
gramm erstmals, „Ausländer [...] in ihrer kultu- mischen Religionsgemeinschaften abgesichert
rellen Eigenart gleichberechtigt“132 anzuerkennen werden soll, ist für sie unbedingt notwendig.
sowie „geeignete Maßnahmen zur Erhaltung der Dabei sollen islamische Religionsgemeinschaften
kulturellen Identität zu unterstützen“.133 Vertragspartner werden, „die in keiner strukturel-
len Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder
politischen Bewegung und deren oder dessen

131 Vgl. SPD (2021): Aus Respekt vor deiner Zukunft. Das Zukunftsprogramm der SPD.
132 FDP (1990): Bundesparteitag Freiburg 7.6.1980, Wahlprogramm der Freien Demokratischen Partei für die Bundestagswahlen am
5.10.1980. In: Das Programm der Liberalen. Zehn Jahre Programmarbeit der F.D.P. 1980 bis 1990, red. v. Hans-Jürgen Beerfeltz.
Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung: Liberale in Programm und Praxis. Baden-Baden. S. 12–85, hier 21.
133 Ebd. S. 67.
134 Ebd.
135 Vgl. Bündnis 90/Die Grünen (2004): Multikulturelle Demokratie gestalten. Beschluss des Parteirats vom 21. November 2004. Berlin.
136 Ebd.
137 Bündnis 90/Die Grünen (2006): Integration statt Ausgrenzung – die Multikulturelle Demokratie durch eine Politik der Anerkennung
verwirklichen. Beschluss des 1. Ordentlichen Länderrats 2006. Mainz, 11.3.2006.
138 Bündnis 90/Die Grünen (2017): Zukunft wird aus Mut gemacht. Bundestagswahlprogramm 2017. S. 119.
139 Ebd. S. 117.
140 Bündnis 90/Die Grünen (2020): „…zu achten und zu schützen“. Veränderung schafft Halt. Grundsatzprogramm. Berlin. Abschnitt 193.
141 Bündnis 90/Die Grünen (2021): Deutschland. Alles ist drin. Bundestagswahlprogramm 2021. S. 172–173.
Religionspolitik 283

jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich reli- beobachtet werden. Bei allen Parteien ist – teil-
giös selbst bestimmen“.142 weise unter Nennung bestimmter Bedingungen –
auch eine deutliche Anerkennungsbereitschaft in
Die Linke spricht sich ausdrücklich für eine För- Hinblick auf sich wandelnde soziale Verhältnisse
derung von kulturellen und religiösen Minder- erkennbar, ebenso die konstruktive Suche nach
heiten und deren Recht auf freie Entfaltung der Lösungen zur Beantwortung strittiger Fragen und
eigenen kulturellen Identitäten aus. Sie betrachtet sinnvollen Regelungen kultureller und religiöser
kulturellen Pluralismus prinzipiell als Bereiche- Vielfalt.
rung und stellt – besonders die damalige PDS –
häufige Diskriminierungen von Muslim*innen in Diesen Konsens kündigt die AfD durch ihre
der Politik, auf dem Arbeitsmarkt, dem Bildungs- weitgehende Ablehnung der Zuerkennung von
sektor und bei Behörden heraus; sie möchte die Gleichheitsrechten für den Islam und Muslim*in-
Anliegen von Muslim*innen aktiv vertreten. Für nen und eine nicht im Mindesten differenzierte
Die Linke bedeutet eine Zurücksetzung von Mus- Haltung zu islampolitischen Themen auf. Bei der
lim*innen, die aus Sicht der Partei häufig unter AfD-Fraktion finden sich ausgesprochen abgren-
dem Generalverdacht des Terrorismus stehen, zend-rassistische, verunglimpfende, verallgemei-
aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen eine nernde islam- und muslimfeindliche Positionen.
„ernsthafte Gefahr für ein friedliches und demo- Die AfD verhält sich zur Frage der Kopfbedeckung
kratisches Miteinander“;143 daher ist die politische beamteter Lehrer*innen, der Einrichtung von
Gleichstellung unerlässlich.144 Eine zentrale For- Räumen für das rituelle Gebet, des islamischen
derung der Partei betrifft den Kampf gegen „anti- Religionsunterrichts, der Etablierung von Lehr-
muslimischen Rassismus“ und Islamfeindlichkeit, stühlen der Islamischen Theologie an Universi-
die für Die Linke eine Form von „Menschenfeind- täten und zum Moscheebau nicht nur dezidiert
lichkeit“145 darstellen. Der eigene Einsatz dagegen ablehnend, es ist auch bei ihrer Positionierung –
ist Teil des „gelebten Antifaschismus“.146 im Gegensatz zu dem bei den anderen Parteien
oft differenziert ausgetragenen Für und Wider –
9.2.3 Tendenzen zu Abgrenzung kein Abwägen und kein Nachvollziehen berech-
und zu Muslimfeindlichkeit tigter Anliegen der Gleichbehandlung erkenn-
bar. Zum Teil bestimmen Unterstellungen und
Insgesamt besteht eine weitgehende Einigkeit Falschaussagen die Debatte, wie z. B. der Bezug
in Bezug auf eine dynamische Grundhaltung zu auf die „200 gewaltverherrlichenden Suren im
Islamthemen. Bei allen erwähnten Themen und Koran“147 oder die Behauptung einer grundsätzli-
bisher behandelten Parteien kann eine gewisse chen Ausrichtung des Islams und der Muslim*in-
Bandbreite zwischen Skepsis und einer teilweise nen auf politische Dominanz und Übernahme
mit Einschränkungen versehenen Offenheit des Staats. Es sind hier keine Verlautbarungen

142 Bündnis 90/Die Grünen (2020): „…zu achten und zu schützen“. Veränderung schafft Halt. Grundsatzprogramm. Berlin. Abschnitt 193.
143 PDS (2003): Programm der Partei des Demokratischen Sozialismus. Beschluss der 2. Tagung des 8. Parteitages der PDS am 25./26.
Oktober 2003 in Chemnitz. S. 29. Online abrufbar: https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/ADS/PDS-Parteiprogramm_2003.pdf
[06.06.2023].
144 Vgl. ebd. S. 7.
145 Die Linke (2012): Programm der Partei DIE LINKE. Beschluss des Parteitages der Partei DIE LINKE vom 21. bis 23. Oktober 2011 in
Erfurt. Berlin. S. 51. Online abrufbar: https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/ADS/DIE_LINKE-Parteiprogramm_2011.pdf
[13.02.2023].
146 Ebd. S. 7.
147 AfD (2017): Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag
am 24. September 2017. S. 45. Online abrufbar: https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2017/06/2017-06-01_AfD-
Bundestagswahlprogramm_Onlinefassung.pdf [23.03.2023].
284 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

offen-anerkennender Natur auszumachen; ein 9.3 UEM-Hearing mit


toleranter, moderater oder unpolitischer Islam Religionsbeauftragten
existiert aus Sicht der AfD nicht, er sei Illusion.
Der Islam gefährde als solcher den gesellschaft-
der im Bundestag
lichen Frieden und untergrabe die Rechts- und vertretenen Parteien151
Werteordnung Europas.148 Europa befinde sich
daher inmitten eines Kulturkampfs. Im Rahmen eines digital veranstalteten Hearings
wurden den im Frühjahr 2021 amtierenden Reli-
Die Partei wendet sich nicht nur gegen die Gleich- gionsbeauftragten der im Bundestag vertretenen
behandlung von Muslim*innen, sondern betrach- Parteien Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU, Die
tet sie als grundsätzlich nicht integrierbar und Linke, FDP und AfD152 zehn identische Fragen zur
nicht in der Lage, friedlich mit anderen Religions- Islampolitik ihrer Partei vorgelegt. Die Interviews
gemeinschaften zusammenzuleben. Der Islam mündeten jeweils in eine offene Gesprächsrunde.
und Europa sind aus Sicht der Partei unmittelbare
Gegensätze. Offen bekennt sich der „Flügel“149 zum Ziel der Interviews war es, einen Eindruck von
„Plan einer schrittweisen Ausweisung von Musli- der innerparteilichen Gesprächslage zum Thema
men aus Europa“: „Wir sagen ‚Ja!‘ zur friedlichen Islam und Muslim*innen in Deutschland zu
De-Islamisierung Europas“ (BMI 2021: 95–96). erhalten und zu erfahren, inwiefern sich die ein-
zelnen Parteien mit der Thematik der Muslim-
Einen gewissen Höhepunkt erreichte die immer feindlichkeit befassen. Es wurden allen religions-
wieder aggressiv formulierte Muslimfeindlich- politischen Sprecher*innen der Parteien folgende
keit mit der Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Fragen vorgelegt:
Alice Weidel, als sie 2018 im Bundestag äußerte:
„Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierte Messer- 1. Bitte umreißen Sie in groben Zügen die Islam-
männer und sonstige Taugenichtse werden unse- politik Ihrer Partei, insbesondere zum Thema
ren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und Teilhabe und religiöse Gleichstellung von
vor allem den Sozialstaat nicht sichern“.150 Hier Muslim*innen mit anderen Religionsgemein-
mischen sich Vorurteile und undifferenzierte Kri- schaften. Spielt aus Ihrer Sicht Muslimfeind-
tik an der Religion des Islams und Muslim*innen lichkeit bei der Diskussion über Teilhabe und
mit einer ideologisch definierten pauschalen Her- Gleichstellung von Muslim*innen mit anderen
absetzung, Verunglimpfung und offenen Islam- Religionsgemeinschaften eine Rolle?
und Muslimfeindlichkeit. 2. Welche Bedeutung wird in Ihrer Partei dem
Phänomen der Muslimfeindlichkeit bei-
gemessen und richtet Ihre Partei ihre Politik
an diesem Phänomen aus?
3. Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen für
Muslimfeindlichkeit und in welchem politi-
schen Spektrum verorten Sie Muslimfeind-
lichkeit?

148 Vgl. AfD (2019): Europawahl 2019, Kapitel 8.5. Islam – Gefahr für Europa.
149 So die damalige Bezeichnung des völkisch-nationalistischen, rechtsextremen Teils der Partei der AfD.
150 Deutscher Bundestag (2018): Plenarprotokoll 19/32. 16. Mai. S. 2972.
151 Die Hearings wurden am 31.05 und am 01.06.2021 per Zoom abgehalten.
152 Leider gelang es nicht, mit dem Religionsbeauftragten der SPD-Fraktion ein digitales Gespräch zu vereinbaren, es erfolgte jedoch
eine schriftliche Stellungnahme.
Religionspolitik 285

4. Wird Muslimfeindlichkeit als gesondertes rechtliche Forderung; Die Grünen stünden in


Phänomen im Kontext der Tätigkeiten Ihrer einem regelmäßigen, bisweilen kontroversen
Partei thematisiert (z. B. im Parteiprogramm, Dialog mit Religionsgemeinschaften zu unter-
im Bildungsprogramm der parteinahen Stif- schiedlichen Fragen. Ihre Partei suche wie keine
tung o. ä.) oder wird sie mit anderen Bereichen andere nach Möglichkeiten einer Gleichstellung
zusammengefasst (Rassismus, Rechtsextremis- des Islams mit anderen Religionsgemeinschaften,
mus, Antisemitismus)? etwa in Hinblick auf theologische Fakultäten, die
5. Können Sie Beispiele für antimuslimische Wohlfahrtspflege, den Religionsunterricht oder
Vorfälle nennen, die innerhalb Ihrer Partei staatliche finanzielle Unterstützung.
diskutiert wurden? Wie wurde darauf reagiert?
6. Werden in Ihrer Partei Grenzen zwischen Auch mit dem Phänomen der Muslimfeindlich-
seriöser Kritik und antimuslimischen Vor- keit setze man sich in der Partei zunehmend
urteilen diskutiert? Falls ja: Wo wird die auseinander. Zur Eindämmung des Antimuslimi-
Grenze gezogen? schen Rassismus sei eine Reform des Allgemeinen
7. Existieren in Ihrer Partei zum Thema Muslim- Gleichbehandlungsgesetzes unerlässlich sowie
feindlichkeit Netzwerke oder Kooperationen ein niedrigschwelliger Zugang zu qualifizierten,
mit anderen Parteien, pädagogischen Einrich­ unabhängigen Beratungsangeboten und eine
tungen oder wissenschaftlichen Instituten? personell wie finanziell gut ausgestattete Antidis-
8. Bestehen Kontakte zu Parteiinitiativen im kriminierungsstelle des Bundes. Hervorzuheben
europäischen Ausland, die sich mit dem Thema sei, dass die Partei als erste in Deutschland ein
Muslimfeindlichkeit („islamophobia“) aus- Statut zur bestehenden Vielfalt sowie die Ein-
einandersetzen? Werden Debatten im Euro­ setzung eines*r vielfaltspolitischen Sprecher*in
päischen Parlament zum Thema rezipiert? im Bundesvorstand der Partei beschlossen habe.
9. Kommen in Ihrer Partei subtile Formen von Selbstkritisch müsse aber gesagt werden, dass die
Muslimfeindlichkeit zur Sprache, also unter- Spitze der Partei nicht die Diversität der Gesell-
schwellige Zuschreibungen jenseits von straf- schaft abbilde.
baren Handlungen?
10. Welche Maßnahmen werden in Ihrer Partei Die Partei zeige klare Kante, wenn pauschale Aus-
ergriffen, um präventiv gegen Muslimfeind- sagen über Muslim*innen getroffen oder ihnen
lichkeit vorzugehen? Was würden Sie selbst bestimme Merkmale zugeschrieben würden.
Ihrer Partei zur nachhaltigen Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit sei hierzulande historisch
Muslimfeindlichkeit empfehlen?153 gewachsen. Sie werde durch Unwissenheit sowie
durch Fremdzuschreibungen transportiert und
9.3.1 Bündnis 90/Die Grünen finde auch Ausdruck in der Mitte der Gesellschaft.
Insbesondere populistische Kräfte und Rechts-
Filiz Polat, Sprecherin für Migrations- und Inte- radikale würden dies für ihre Zwecke ausnutzen.
grationspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis In der Partei werde Muslimfeindlichkeit als eigen-
90/Die Grünen, betont im Gespräch, dass Ver- ständiges Phänomen behandelt und die Grenze
treter*innen aller Religionen Gleichberechtigung zwischen seriöser Kritik und antimuslimischen
und Gleichbehandlung zustehe. Dies sei nicht nur Vorurteilen auf verschiedenen Parteiebenen
eine politische, sondern auch eine verfassungs- diskutiert. Es bestehe ein sensibler Austausch

153 Vgl. UEM-Fragen an die Religionsbeauftragten der Bundestagsfraktionen: Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus:
Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen. 2017. 149f. Online abrufbar: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/
DE/publikationen/themen/heimat-integration/expertenkreis-antisemitismus/expertenbericht-antisemitismus-in-deutschland.pdf?__
blob=publicationFile&v=11 [09.03.2023].
286 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

mit islamischen Dachverbänden und Moschee­ Offene Muslimfeindlichkeit ginge vor allem
gemeinden; besonders seitens der „Säkularen von der „extremen Rechten“ aus, Religionsfeind-
Grünen“ sei man hierzu im kritischen Dialog. lichkeit insgesamt gebe es aber auch bei der
Selbstverständlich würden auch subtile Formen „extremen Linken“. Die Ursachen hierfür seien
von Muslimfeindlichkeit diskutiert und das vielschichtig und lägen etwa in einer Verknüp-
Thema werde auch auf verschiedenen europäi- fung von „Auslän­der­feindlichkeit und Rassismus“,
schen Ebenen thematisiert. terroristischen Taten, die aufgrund fundamenta-
listisch ausgeprägten Glaubens ausgeübt würden,
Im anschließenden Gespräch äußert Filiz Polat sowie in den Konflikten rund um die Aufnahme
den Wunsch, dass die Partei das Thema Rassismus von Geflüchteten. Auch das berechtigterweise
künftig gleichrangig mit dem Thema Klimaschutz zunehmend selbstbewusste öffentliche Auftreten
behandele, schließlich gehe von Rassismus eine von Muslim*innen stoße auf Widerstand von
ähnlich große Bedrohung wie von der Klima- intoleranten Kräften.
katastrophe aus. Es sei begrüßenswert, dass in
jüngster Zeit das Thema Islam zunehmend vom Die Union begegne antimuslimischen Vorfällen
Thema Migration entkoppelt werde, was auch durch Solidaritätsbekundungen mit den Ange-
im Neuzuschnitt der einzelnen Ressorts und griffenen sowie eine stärkere, sichtbarere Integra­
Zuständigkeiten der Partei sichtbar werde. tion von Muslim*innen in verschiedene Ämter
und Positionen. Darüber hinaus werde in Auf-
9.3.2 CDU/CSU klärung und die Pflege von über Deutschland
hinausgehenden Netzwerken investiert, um das
Laut Hermann Gröhe, Beauftragter für Kirchen- Thema etwa auch auf europäischer Ebene zu
und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU- verankern.
Bundestagsfraktion, entwickelte sich das
Bewusstsein für Muslimfeindlichkeit in der CDU Die Grenze zwischen seriöser Kritik und antimus-
im Gleichschritt mit der zunehmenden Bericht- limischen Vorurteilen sei insbesondere anlässlich
erstattung über muslimfeindliche Äußerungen des jüngsten Unions-Positionspapiers gegen den
und Straftaten. Zuvor habe sich die Partei vor- „politischen Islamismus“154 diskutiert worden.
nehmlich mit „Integrationspolitik“ beschäftigt. Dort sei der Begriff „politischer Islam“ nicht wei-
Die Union werde aber aufgrund ihrer eigenen ter verwendet worden, um einen Generalverdacht
religiösen Verwurzelung von Muslim*innen als zu vermeiden. Trotz dieser achtsamen Begriffswahl
verständnisvolle Ansprechpartnerin wahrge­ müsse es möglich sein – ähnlich wie beim Phä-
nommen. Die Wertschätzung der Union für die nomen des Rechtsextremismus –, verhärtete und
Anliegen religiöser Gemeinschaften und ihre radikale Positionen genau zu beobachten und zu
Rolle im öffentlichen Leben zeige sich etwa im benennen, noch bevor solches intolerante Verhal-
Engagement der Union gegen Antisemitismus ten zu Gewalttaten führe. Klar sei, dass Religionen
und für den besonderen Schutz jüdischen Lebens auch politisch seien, da sie die Lebenswirklich-
in Deutschland, in den letzten Jahren aber eben keit der Menschen mitgestalteten. Die Religionen
auch zunehmend für den Schutz muslimischen müssten sich selbstkritisch prüfen, wenn sie für
Lebens. Gewalt und Terror missbraucht würden. So müsste
man sich etwa eingestehen, dass der christliche

154 Die freiheitliche Gesellschaft bewahren, den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern, den Politischen Islamismus bekämpfen.
Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 20.04.2021: https://www.cducsu.de/sites/default/files/2021-04/PP%20
Politischer%20Islamismus.pdf [30.11.2022].
Religionspolitik 287

Antijudaismus eine Wurzel des deutschen Antise- werde dabei oft verkannt, dass unter dem Vorwand
mitismus sei. Ebenso müssten sich Muslim*innen der Religionskritik rassistische Ressentiments
die Frage gefallen lassen, warum sich eine terro- transportiert würden. Die Grenze zwischen seriö-
ristische Minderheit auf den Islam berufen könne. ser Kritik und antimuslimischen Vorurteilen liege
dort, wo generalisierende, negative Aussagen
Im anschließenden Gespräch betont Hermann über den Islam oder über Muslim*innen getroffen
Gröhe, dass Religionsfeindlichkeit inakzeptabel würden. Zwar könne Religion im Allgemeinen
sei, auch wenn sie in den säkular geprägten west- und Konkreten kritisiert werden, sie dürfe aber
lichen Ländern insgesamt stark ausgeprägt sei. nicht dazu gebraucht werden, einzelnen Religions-
Dagegen sollten jene mit einer positiven Haltung gemeinschaften Rechte vorzuenthalten. Dessen
zu Religion und zum interreligiösen Dialog sowie ungeachtet sollten Muslim*innen ihre Religion mit
zum multireligiösen Miteinander gemeinsam all ihren Widersprüchlichkeiten und Problemati-
vorgehen. ken (wie alle anderen Religionsgemeinschaften) in
der Mitte der Gesellschaft ausüben können.
9.3.3 Die Linke
Antimuslimischer Rassismus sei kein reines Pro­
Die religionspolitische Sprecherin der Bundes- blem der äußeren Rechten, sondern des gesamten
tagsfraktion Die Linke, Christine Buchholz, betont Parteien- und Gesellschaftsspektrums. Das Thema
zu Beginn des Gesprächs ihr starkes persönliches des Antimuslimischen Rassismus werde inner-
Engagement für die Gleichberechtigung aller Reli- halb der Partei seit über zehn Jahren als eigen-
gionsgemeinschaften, was u. a. die Forderung zur ständiges Phänomen behandelt und im Partei-
Aufhebung des Kopftuchverbots für Beamtinnen programm neben anderen Formen von Rassismus
miteinschließe. Die Diskussion um Muslim*in- explizit benannt. Auf muslimfeindliche Vorfälle
nen, den Islam und dessen Gleichstellung mit den (Anschläge, Ungleichbehandlung von muslimi-
anderen Religionsgemeinschaften sei hochgradig schen Gemeinden) werde mit Solidaritätsbe-
von Antimuslimischem Rassismus sowie Muslim- kundungen und vereinzelt auch mit Solidaritäts-
und Islamfeindlichkeit durchzogen. So würden besuchen sowie mit der Aufrechterhaltung einer
etwa in politischen Reden – auch im Bundestag – „Erinnerungskultur“ reagiert.
muslimfeindliche Stereotype bedient. Allerdings
sei sie anlässlich der Diskussionen zur großen Im anschließenden Gespräch wird hinzugefügt,
Anfrage der Linken „Antimuslimischer Rassismus dass Die Linke es wichtig fände, Forschung zu
und Diskriminierung von Muslimen in Deutsch- Antimuslimischem Rassismus und antirassisti-
land“155 positiv überrascht gewesen, denn hier sche Geschichtsforschung flächendeckend auszu-
hätten die meisten Redner*innen klar Stellung bauen, nicht zuletzt, da eine systematische rassis-
gegen Muslimfeindlichkeit bezogen. muskritische Vermittlung von Wissen notwendig
sei. Die Linke fordere zudem, dass der Bundestag
Der Rassismus habe sich seit den 1990er-Jahren Antimuslimischen Rassismus ächtet – so wie er
verändert: Davor habe er sich gegen die Herkunft, auch Antisemitismus und Antiziganismus geäch-
danach verstärkt gegen den Islam gerichtet. Wenn tet hat –, jede Form staatlicher Diskriminierung
in der Mitte der Gesellschaft vertreten werde, und religiöser Ungleichbehandlung beendet sowie
dass man wohl doch Religionskritik äußern dürfe, den Diskriminierungsschutz umfassend verbessert.

155 Große Anfrage der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Antimuslimischer Rassismus und Diskriminierung von Muslimen in
Deutschland“. Online abrufbar: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw02-de-antimuslimischer-rassismus-814234
[30.11.2022].
288 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

9.3.4 Freie Demokratische Partei (FDP) feindlichkeit. Als Folge davon würden Muslim*in-
nen unter Generalverdacht gestellt.
Laut Benjamin Strasser, religionspolitischer
Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, spiegelt Die FDP-Leitfrage laute, was der Staat für die
sich in der Religionsfreiheit die Ausübung von Gewährleistung einer offenen, pluralistischen
Grund- und Freiheitsrechten, die jedoch in einem Gesellschaft tun könne. Auch wenn der Staat
Spannungsverhältnis zu anderen Grundrechten einerseits den Schutz von Muslim*innen garan-
stehen könnten. Der Staat habe hier eine Gewähr- tieren müsse, sei Religionskritik andererseits
leistungspflicht: Muslim*innen müssten dabei durchaus wichtig und richtig, insofern sie keine
unterstützt werden, ihre Religion ausüben zu rassistische Komponente enthalte. Ein Schutz vor
können. Die Weiterentwicklung des Religionsver- Kritik könne auch falsche Loyalität sein: Schließ-
fassungsrechts sowie die Einbindung der musli- lich würde die stärkste Kritik an Missständen
mischen Gemeinden in selbiges scheitere jedoch innerhalb der Religionsgemeinschaft von Mus-
nicht zuletzt an der mangelnden Organisiertheit lim*innen selbst geäußert.
der muslimischen Gemeinschaft.
Die Partei wünsche sich gut organisierte muslimi-
Muslimfeindlichkeit spiele in der deutschen sche Ansprechpartner*innen, die weit in die mus-
Gesellschaft und Politik eine kleinere Rolle als limische Community hineinwirken, sodass die
der Antisemitismus. Dennoch sei das Thema Politik etwa bei Deradikalisierungsmaßnahmen
Alltagsrassismus und Diskriminierung aufgrund oder Debatten um den muslimischen Religions-
der Zugehörigkeit zu einer Religion, aber auch unterricht mit diesen Ansprechpartner*innen
aufgrund anderer Merkmale, durchaus Thema in zusammenarbeiten könne.
der Partei.
Im anschließenden Gespräch wurde deutlich,
Die FDP sei grundsätzlich zurückhaltend mit der dass die FDP bisher keine explizite Agenda gegen
Forderung nach neuen Gesetzen oder Verboten. Muslimfeindlichkeit hat. Allerdings vertrete sie
Vielmehr sei nach Auffassung der FDP eine stär- gegenüber gesetzgeberischen Regularien eine
kere gesellschaftliche Sensibilisierung für Mus- skeptische Haltung und setze daher stattdessen
limfeindlichkeit notwendig. Hierfür sei der Auf- auf eine gesellschaftliche Auseinandersetzung
und Ausbau nachhaltiger Strukturen gemeinsam mit dem Phänomen der Muslimfeindlichkeit, so
mit organisierten Ansprechpartner*innen der Strasser abschließend.
muslimischen Gemeinschaft notwendig.
9.3.5 Sozialdemokratische Partei
Muslimfeindlichkeit finde sich vor allem im Deutschlands (SPD)
rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spek­
trum mit seinem völkischen Weltbild. Zur genau- Prof. Dr. Lars Castellucci, Beauftragter für Kirchen-
eren Ausleuchtung der Ursachen für Muslim- und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundes-
feindlichkeit sei eine Erforschung des Dunkelfelds tagsfraktion, beantwortete die Fragen des UEM
notwendig. Bisherige Studien würden allerdings schriftlich. Die Stellungnahme hebt hervor, dass
belegen, dass Rassismus und „Fremdenfeind- muslimische Glaubensgemeinschaften in das Reli-
lichkeit“ überall dort entstünden, wo man keine gionsverfassungsrecht inkludiert werden sollen.
Berührungspunkte miteinander habe. Der feh- Zu Teilen sei bedauerlicherweise die politische
lende Bezug zu Muslim*innen führe selbst in der Ansprechbarkeit von Muslim*innen nicht so gut
Mitte der Gesellschaft, verstärkt etwa durch ter- organisiert wie bei anderen Glaubensgemeinschaf-
roristische Angriffe, zu unterschwelliger Muslim- ten. Dadurch würden Verhandlungen erschwert.
Religionspolitik 289

Die SPD-Bundestagsfraktion trete Islamfeind- mitglieder sollten keine pauschale Islamkritik


lichkeit mit aller Entschiedenheit entgegen, denn äußern oder Muslim*innen diffamieren.
der Islam gehöre zu Deutschland. Um mit musli-
mischen Bürger*innen ins Gespräch zu kommen, Die Einwanderungspolitik müsse drastisch ver-
habe man 2017 die erste Islamkonferenz der SPD- schärft werden, da muslimische Geflüchtete
Bundestagsfraktion ins Leben gerufen und 2020 nicht „unsere Werte“ teilten und damit erhebliche
in Fortsetzung zur zweiten Islamkonferenz in den Konflikte, ja chaotische Verhältnisse heraufbe-
Deutschen Bundestag eingeladen. Rassismen und schworen würden. Klar sei auch, dass der Islam
Menschenfeindlichkeit seien Phänomene, die sich in Deutschland nicht die gleiche Stellung wie
in der Mitte der Gesellschaft verfestigen würden das Christentum beanspruchen dürfe. Allenfalls
und leider quer durch alle Schichten Verbreitung könne es eine Gleichberechtigung von Mus-
fänden. Zum Abbau des Phänomens seien zielgrup- lim*innen geben, die legal und rechtstreu in
penspezifische Präventionsangebote notwendig. Deutschland leben.

Das Demokratiefördergesetz solle so schnell wie Innerhalb der Partei der AfD werde das Phäno­
möglich auf den Weg gebracht werden, denn die men Muslimfeindlichkeit nicht behandelt; der
Erfahrung zeige, dass die Kooperation mit der Begriff Antimuslimischer Rassismus werde
Zivilgesellschaft auf allen Ebenen verstetigt und abgelehnt. Die Ursachen für Muslimfeindlichkeit
vertieft werden müsse, um Muslimfeindlichkeit werden bei Muslim*innen selbst verortet, etwa
und Antisemitismus erfolgreich bekämpfen zu im martialischen Auftreten junger muslimischer
können. Männer oder in terroristischen Anschlägen. Die
AfD unterstütze daher muslimische Islamkriti-
Wichtig sei auch die dauerhafte Finanzierung von ker*innen, die viel zu selten gehört würden und
Projekten und Bildungsmaßnahmen. Für einen vor einem naiven Multikulturalismus warnten.
wirksamen Schutz vor Diskriminierung sei die
Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins nötig. Angriffe auf (muslimische) Geflüchtete oder
Deshalb möchte die SPD eine*n unabhängige*n Moscheen bereiteten weniger Sorgen als die
Beauftragte*n der Bundesregierung für Antiras- Angriffe auf jüdische Mitmenschen, die es nicht
sismus berufen. Schlussendlich bedürfe es einer mehr wagen würden, in Deutschland öffentlich
Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsge- Kippa zu tragen.
setzes, um Schutzlücken zu schließen.
Im anschließenden Gespräch wurde bezweifelt,
9.3.6 Alternative für Deutschland (AfD) dass es unterschiedliche Strömungen innerhalb
des Islams gebe. Die AfD-Bundestagsfraktion
Volker Münz, kirchenpolitischer Sprecher der habe zwar Mitarbeitende mit Migrationshinter-
AfD-Bundestagsfraktion, erkennt in der religiösen grund, aber niemand muslimischen Glaubens.
Prägung Deutschlands eine wesentliche Grund-
lage seiner Kultur. Die Begriffe „Muslimfeindlich- 9.3.7 Zusammenfassung und Bewertung
keit“ oder „Islamophobie“ seien ungeeignet, da sie
berechtige Kritik am Islam lediglich tabuisierten. Alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Aus-
Religionskritik sei aber eine Grundlage der west- nahme der AfD befassen sich mit verschiedenen
lichen Zivilisation, die auch islamisch geprägte Formen der Muslimfeindlichkeit, ihren Ursachen
Länder noch durchlaufen müssten. Allerdings sowie Maßnahmen ihrer Zurückdrängung und
habe die AfD parteiinterne Leitlinien zu zulässiger möchten das Religionsverfassungsrecht in Bezug
Islamkritik und ihren Grenzen festgelegt. Partei- auf die muslimische Glaubensgemeinschaft zur
290 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Anwendung gebracht sehen. Dieses Anliegen wird neue Dynamiken verzeichnen (s. Unterkapitel
innerhalb der einzelnen Parteien unterschiedlich ↗ 9.4.1.2), die es näher wahrzunehmen lohnt.
stark vertreten: Es finden sich Forderungen nach
Gleichstellung der muslimischen Glaubensge- 9.4.1 Islam und Muslim*innen in inter­
meinschaft mit den christlichen Kirchen ebenso religiösen und gesellschaftlichen
wie kritische Meinungen in Bezug auf das Wirken Begegnungsformaten
politisch-islamistischer Kräfte und auf proble-
matische Entwicklungen im Zusammenhang mit Muslimische Personen, Gruppen und Institutio-
nicht bewältigter Zuwanderung; ein Konsens, aus nen sind schon seit Langem in vielfältigen Zusam-
dem einzig die AfD ausschert, die sich mit der menhängen als Akteur*innen interreligiöser
Thematik der Muslimfeindlichkeit aus grundsätz- Begegnung sichtbar, aktiv und etabliert. Seit vie-
lichen Erwägungen heraus nicht beschäftigt. len Jahrzehnten sind zahlreiche lokale Gruppen,
aber auch überregionale Verbände, Dialoginitia-
tiven und Bündnisse etabliert und gesellschafts-
9.4 Bedeutung interreligiöser politisch sichtbar. Hier spielen in zunehmendem
Verständigung Maße auch digitale Foren eine Rolle. Zudem leis-
ten muslimische und andere Einzelpersonen aus
Interreligiöse Dialoge haben zum Ziel, zur Ver- Gesellschaft, Wissenschaft und Politik wichtige
ständigung zwischen Religionsgemeinschaften Vermittlungsarbeit hinsichtlich der gesamtge-
beizutragen, und können den Abbau von Miss- sellschaftlichen und öffentlichen Wahrnehmung
verständnissen, Vorurteilen und wechselseitiger und Einbeziehung des Islams in Deutschland.
Geringschätzung befördern. In Deutschland sind Im Folgenden sollen einige der bundesweiten
insbesondere Dialogformate zwischen jüdischen, interreligiösen Plattformen und christlich-musli-
christlichen und muslimischen Institutionen bzw. mischen Dialogformate benannt werden, deren
Gläubigen etabliert. Während in den vergangenen Anliegen es ist, zu gesellschaftspolitischen Fragen
Jahrzehnten vor allem die christlichen Kirchen beizutragen. Hierbei kann weder ihre jeweilige
zunächst ein weit ausdifferenziertes Feld jüdisch- Genese nachgezeichnet noch eine Vollständigkeit
christlicher Begegnung initiierten und sich ver- der Beispiele beansprucht werden. Vielmehr
stärkt seit den 2000er-Jahren auch christlich-mus- möge schlaglichtartig deutlich werden, inwiefern
limischer Begegnung widmeten, entstanden in das breite Feld der (inter-)religiösen Formate mit
jüngerer Zeit zunehmend auch kirchenunabhän- gesellschaftspolitischen Fragen und ihren Rah-
gige Religionsforen. Die interreligiösen Spezifika menbedingungen interagiert.
spiegeln sich nicht nur in den Anliegen, Inhalten
und Aktionsformen der jeweiligen Beteiligten, 9.4.1.1 Christlich-muslimischer Dialog
sondern auch in ihren Rahmenbedingungen.
Entsprechend wird auch das Thema Islam- und Der Dialog zwischen Christ*innen und Mus-
Muslimfeindlichkeit auf sehr unterschiedliche lim*innen in seinen vielgestaltigen Dimensionen
Weise expliziert. Hierbei spielt die Frage der spe- ist hierzulande sehr etabliert. Er hat sich insbe-
zifischen Wahrnehmung ‚des Islams‘ und ‚der sondere in den vergangenen beiden Jahrzehnten
Muslim*innen‘ in Deutschland in interreligiösen intensiviert, positiv weiterentwickelt und breit
Zusammenhängen eine bedeutende Rolle, ins- ausdifferenziert. Sein Feld umfasst über dezidierte
besondere seitens der christlichen Konfessionen christlich-muslimische Initiativen und institutio-
(s. Unter­kapitel ↗ 9.4.1.1). Zudem lassen sich im nalisierte fachwissenschaftliche Diskurse hinaus
Bereich der jüdisch-muslimischen Beziehungen eine Vielzahl an Begegnungsformaten, lokalen
Bündnissen und Ebenen des Austauschs. Neben
Religionspolitik 291

religiösen, theologischen und spirituellen Fragen die allgemein an einseitigen Negativtendenzen


wechselseitiger Wahrnehmung widmet er sich öffentlicher Islamdiskurse teilhaben (vgl. auch
auch (gemeinsamen) gesellschaftlichen Themen Kapitel ↗ 7).
und versucht, dem guten Miteinander zu dienen.
Deutlich zeigte sich dies am immensen Anstieg
Die Etablierung dieses Dialogs zeigt sich kirchlicher­ des Interesses am Islam und den christlich-musli-
seits z. B. deutlich durch die Beschäftigung von mischen Beziehungen durch die Ereignisse des
Beauftragten für Islamfragen in fast allen Landes- 11. September 2001. Diese stellten auch für die
kirchen bzw. Bistümern. Seit vielen Jahrzehnten Ausrichtung der interreligiösen Arbeit in Inhalt
bestehen darüber hinaus Dialogeinrichtungen, und Form eine Zäsur dar, sahen sich muslimi-
wie katholischerseits die christlich-islamische sche Dialogpartner*innen doch seither verstärkt
Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) kritischen Anfragen, neuen Rechtfertigungs-
als Einrichtung der Deutschen Bischofskonferenz zwängen und zunehmenden Anfeindungen oder
oder evangelischerseits die EKD-Konferenz Kirche Verdächtigungen gegenüber. Diese Entwicklung
und Islam. Auch der entsprechend umfangreiche überlagerte auch Diskussionen über religions-
interreligiöse Themenbereich in den katholischen dialogische Inhalte, modifizierte das Spektrum
und evangelischen Akademien, die durch ihre interreligiösen Begegnungslernens stark und
Fachtagungen und Publikationen zentrale Orte verabschiedete auch in interreligiösen Fragezu-
christlich-muslimischer Gespräche sind, zeigt die sammenhängen vielerorts das frühere Ideal einer
breite Verankerung institutionalisierter kirchlich- Multikulti-Gesellschaft. Als exemplarisch für die
muslimischer Dialoge. Wenngleich die Kirchen Veränderung der gesellschaftlichen Debattenlage,
hier bis heute vielfach initiativ wirken und auf- die den christlich-muslimischen Dialog fortan
grund ihrer Verfasstheit die entsprechenden Struk- rahmten, kann die Kontroverse um das Diktum
turen gewährleisten können, innerhalb derer „Der Islam gehört zu Deutschland“ (Islamiq 2020)
muslimische Partner*innen sehr aktiv teilhaben, gelten. Unterschiedliche Akzentsetzungen in
gibt es auch muslimischerseits zahlreiche Dialog- Richtung Abgrenzung oder Verständigung zeigen
initiativen, z. B. die Dialogbeauftragten einzelner sich auch in der EKD. Das EDK-Dokument „Klar-
Verbände, jeweilige Veranstaltungsformate und heit und gute Nachbarschaft“ (2006) enthält
Institutionalisierungsbemühungen. Daneben umfangreiche staatspolitische Passagen mit einer
existieren christlich-muslimische Dialogzusam- deutlichen Tendenz zur Abgrenzung und ver-
menschlüsse, von denen die bundesweit aktive gleichsweise wenige Inhalte zu theologischen und
Christlich-Islamische Gesellschaft, die bereits seit interreligiösen Themen (kritisch hierzu Kuschel
1982 besteht, hervorzuheben ist. 2007: 45–64). Aussagen wie „Ihr Herz werden
Christen jedoch schwerlich an einen Gott hängen
In jüngerer Zeit sieht sich der christlich-musli- können, wie ihn der Koran beschreibt und wie
mische Dialog insgesamt mit neuen gesellschaft- ihn Muslime verehren“ wurden von manchen als
lichen Anfragen, politischen Herausforderungen befremdlich und als verletzend empfunden (vgl.
und verdichteter Infragestellung konfrontiert. ebd.). In späteren, stärker auf Verständigung aus-
Eine entsprechend wahrzunehmende Dialogskep- gerichteten Dokumenten wurde hingegen betont,
sis wirkt auf seine bisher gewachsenen Inhalte dass die muslimische Bevölkerung hierzulande
und Formen zurück. So sind auch innerhalb der nicht „nach Maßgabe der Erscheinungsformen
christlich-muslimischen Dialogfelder jene ver- des Islams in außereuropäischen Ländern“ (Rat
engenden Sichtachsen anzutreffen, innerhalb der EKD 2015: 67) beurteilt werden dürfe, so in
derer „Islamthemen“ als Teil der Integrations- der EKD-Schrift „Christlicher Glaube und religiöse
und Migrationsdebatte subsumiert werden oder Vielfalt in evangelischer Perspektive“ von 2015,
292 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

die sich in positiver Grundhaltung wie auch in lichkeit ihr religiöses Selbstverständnis darzulegen.
theologischer Präzision der religiösen Vielfalt Der seit 1997 etablierte „Tag der Offenen Moschee“
unseres Landes zuwendet. Dort wird der Plura- (T.O.M.)156 kann gleichwohl keinesfalls allein als
lismus der Religionen und Weltanschauungen Reaktion darauf, sondern muss vielmehr als
bejaht, wenn unterstrichen wird, Andersgläubige eine eigenständige muslimische Dialoginitiative
seien „Mitbewohner eines gemeinsamen Raums, gewertet werden. Dazu laden jedes Jahr am Tag
Mitbürger einer gemeinsamen Polis und von Got- der Deutschen Einheit die Moscheegemeinden in
tes Wort Mitangesprochene“ (ebd.: 19). Im selben vielen Städten zur Begegnung ein. Vielseitig sind
Jahr verabschiedete die EKD gemeinsam mit dem die Angebote zum Gespräch und zur Information,
Koordinationsrat der Muslime (KRM) einen auf wie sich z. B. 2019 erneut unter der Überschrift
realistisches Verständnis angelegten „Dialograt- „Menschen machen Heimat/en“ zeigte; groß ist
geber zur Förderung der Begegnung zwischen stets der Zuspruch der Öffentlichkeit, den die
Christen und Muslimen in Deutschland“. Auch jeweiligen Veranstaltungen finden. Hieran lässt
die Veränderungen der Debattenlage, die sich seit sich ablesen: Das gesamtgesellschaftliche Inte­
2015 durch die kriegsbedingte Aufnahme vieler resse am Islam ist derzeit noch immer stark und
syrischer Menschen in Deutschland ergaben, höchst unterschiedlich motiviert, muslimische
hatten – jenseits faktischer Veränderungen inner- Vereine, Gruppierungen und Akteur*innen reagie-
halb des hiesigen Islams – starken Einfluss auf die ren vielfach sehr aktiv darauf (vgl. Middelbeck-
christlich-muslimischen Beziehungen (Middelbeck- Varwick 2020: 16). Der T.O.M. entstand zunächst
Varwick 2018: 178). Eine auf Migration und Inte- als Initiative des Zentralrats der Muslime in
gration verengte Perspektive auf Muslim*innen Deutschland (ZMD) und steht seit 2007 unter der
sowie als muslimisch wahrgenommene Personen Leitung des KRM.
bewirkte auch entsprechende gesellschaftliche
Themenverschiebungen, die wiederum auch Grundsätzlich ist jedoch zu beobachten, dass
die Bereiche des Religionsdialogs beeinflussten. innerhalb der christlich-muslimischen Dialogfelder
Als Reaktion auf die Zunahme islam- und muslim- die einstigen Asymmetrien in den letzten Jahren
feindlicher Haltungen entstanden so beispiels- deutlich abgenommen haben (vgl. Middel­beck-
weise auch kirchliche Positionierungen. 2019 hat Varwick 2019: 280). Während vor allem kirchliche
z. B. die Deutsche Bischofskonferenz die Arbeits- Akteure in früheren Jahren – gelegentlich recht
hilfe mit dem Titel „Dem Populismus widerstehen“ paternalistisch – eine Art „Anwaltschaft“ für
zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Muslim*innen übernommen haben, d. h. sich
Tendenzen veröffentlicht, in der das Thema Islam beispielsweise für Gebetsräume, Moscheebauten
und Islamfeindlichkeit eigens berücksichtigt oder islamischen Religionsunterricht einsetzten,
wird. 2020 gab der Gesprächskreis Christen und wird inzwischen gemeinhin von einer gleich-
Muslime beim Zentralkomitee der deutschen berechtigten Partnerschaft ausgegangen. Dies
Katholiken (ZdK) die Erklärung „Nein zu Hass und belegt z. B. die Übernahme zahlreicher gemein-
Hetze. Christen und Muslime gemeinsam gegen samer gesellschaftlicher Aufgaben. Die hier als
Islamfeindlichkeit“ heraus. gemeinsame Verantwortung identifizierten und
bearbeiteten Felder reichen von der Telefon-,
Vielfach sahen sich muslimische Gruppen und Notfall-, Klinik-, Gefängnis- oder Militärseel-
Vereine auch schon in der Vergangenheit mit der sorge bis hin zum Klimaschutz, von caritativer
Erwartung konfrontiert, einer christlich geprägten Arbeit bis zu ethischen Fragen, die Grenzfälle
Mehrheitsgesellschaft bzw. einer säkularen Öffent- mensch­lichen Lebens (Lebensanfang, Lebensende,

156 https://tom.igmg.org/
Religionspolitik 293

schwere Krankheit) betreffen. Der Dialog über 9.4.1.2 Jüdisch-muslimischer Dialog


theologische Fragen ist insofern in doppelter Hin-
sicht über ein wechselseitiges Kennenlernen von Der jüdisch-muslimische Dialog war in den ver-
religiösen Grundannahmen der je anderen Traditi- gangenen Jahren immer häufiger im Zentrum
onen weit hinausgewachsen, zum einen hinsicht- des öffentlichen Interesses. Es entstanden neue
lich seiner ethisch-gesellschaftlichen und politi- Projekte und Initiativen mit dem Ziel, Brücken
schen Dimen­sion, zum anderen hinsichtlich seiner und Bündnisse zwischen Jüdinnen und Juden
wissenschaftlichen Weiterentwicklung, die diese und Muslim*innen zu schaffen. Ein Grund hier-
Prozesse ebenfalls spiegelt (vgl. Kapitel ↗ 6; Orth für sind Spannungen im Zusammenhang mit
2014; Middelbeck-Varwick 2020: 17–18). Daneben dem Nahostkonflikt, der auch hierzulande in den
bleibt eine wechselseitige religionskundliche Ori- jeweiligen Communitys immer deutlicher sein
entierung ein notwendiger, elemen­tarer Baustein Echo findet.
der christlich-muslimischen Dialog­praxis, den
es zu gewährleisten gilt. Um die gesellschaftliche Zunächst einmal benötigt es einen Blick auf die
Bedeutung des christlich-muslimischen Dialogs Rahmenbedingungen des jüdisch-muslimischen
präziser zu erheben, bräuchte es weiterführende Dialogs: Beide Religionsgemeinschaften gehören
aktuelle Studien, die die Frage danach, was interre- zu den religiösen Minderheiten in Deutschland –
ligiöse Dialoge leisten können, detaillierter unter- jedoch sind Muslim*innen die größte und Jüdinnen
suchen (zuletzt Klinkhammer 2011). Zu analysie- und Juden eine der kleinsten Minderheiten­gruppen.
ren wäre in Bezug auf die Frage nach Antimusli- Es leben schätzungsweise 225.000 Jüdinnen und
mischem Rassismus zudem, inwiefern auch diese Juden und 5,3 Millionen Muslim*innen in Deut­sch­
Dialoge, z. B. durch bestimmte The­men­agenden land.157 Wenn es also um die Umsetzung von
oder ungleiche Repräsentation, indirekt zu einsei- Projektideen geht, ist die Suche nach institutio-
tigen Wahrnehmungen beitragen oder Stereotype nellen Dialogpartnern schon aufgrund der Zahlen
und dichotome Zuschreibungen repro­duzieren. auf der jüdischen Seite schwieriger als auf der
Abschließend sei im Sinne der verfertigten Skizze muslimischen – in eine Formel gebracht, stehen
ein weiteres Beispiel für die insgesamt positiven einer*m in Deutschland lebenden Jüdin oder
Entwicklungen auf dem Feld angefügt: die immer Juden etwa 23 Muslim*innen gegenüber. Ein
stärkere Etablierung einer „Iftar-Tradition“ im weiterer Unterschied betrifft die Organisation der
Fastenmonat Ramadan. War das allabendliche beiden Religionsgemeinschaften. So ist etwa die
Fastenbrechen in früherer Zeit eine ausschließ- Hälfte der hier lebenden Jüdinnen und Juden
lich muslimische Angelegenheit, so verändert sich Mitglied von Jüdischen Gemeinden. Insgesamt gibt
dies zunehmend: Nicht nur mus­limische Gläubige es ca. 130 Gemeinden, die große Mehrheit (105)
laden in ihren privaten oder institutionellen Kon- ist unter dem Dach des Zentralrats der Juden (ZdJ)
texten dazu ein, sondern inzwischen auch zahl- organisiert, weitere 25 Gemeinden und Gruppen
reiche öffentliche oder kirchliche Einrichtungen gehören der liberalen Union progressiver Juden in
etablieren hier eine für Deutschland neue inter- Deutschland (UpJ) an (von denen wiederum viele
religiöse Praxis. zugleich ZdJ-Mitglieder sind). Dagegen gibt es
2.350 Moscheegemeinden und von den über fünf
Millionen Muslim*innen ist die deutliche Mehr-
heit kein Mitglied einer dieser Gemeinden; fast
40 Prozent kennen darüber hinaus nicht einmal

157 Zahlen über Jüdinnen und Juden: https://mediendienst-integration.de/gruppen/judentum.html;


Zahlen über Muslim*innen: https://mediendienst-integration.de/gruppen/islam-und-muslime.html [beide 02.03.2023].
294 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

die hiesigen islamischen Verbände (vgl. Pfündel/ Jonker 2020: 37–51): So trafen sich beispielsweise
Stichs/Tanis 2021: 105). Hier wird eine zentrale muslimische und jüdische Frauen im „Roten
Herausforderung in der Umsetzung von institu- Club“, um die Beziehungen der Geschlechter zu
tionellen jüdisch-muslimischen Dialogprojekten diskutieren (vgl. Leister 2020).
deutlich: die Zielgruppenerreichung. Für jüdische
Beteiligte fehlt daher oft die Übersicht, welcher Diese Begegnungen sind – unter Jüdinnen und
muslimische Verband als Dialogpartner infrage Juden wie unter Muslim*innen – weitestgehend
kommt. Den zwei jüdischen Verbänden steht eine unbekannt. Nach dem Holocaust fanden sich in
Vielzahl von ganz unterschiedlich organisierten der Bundesrepublik Muslim*innen wie Jüdinnen
und strukturierten Verbänden auf muslimischer und Juden zunächst insbesondere als Ziel von
Seite gegenüber – neben Einzelpersonen und rechtsextremer Gewalt zusammen. Dies formu­
muslimischen Organisationen, die nicht die lierte 1997 der damalige Vorsitzende des ZdJ
Funktion eines Verbands bzw. offiziellen Vertre- Ignatz Bubis, als er sagte, dass das Gemeinsame
tungsorgans innehaben. von Jüdinnen und Juden wie auch Muslim*innen
ihr „Fremdsein in der deutschen Gesellschaft“
Der jüdisch-muslimische Dialog in Deutschland (1999) sei – und für mehr Dialog untereinander
steht noch in den Anfängen und ist im Vergleich appellierte. Inspiriert von seinem Appell lud
mit dem christlich-islamischen und -jüdischen im Januar 1999 das Deutsche Orient-Institut in
Dialog deutlich jünger. Der Beginn einer sol- Hamburg unter anderem den ZdJ und den ZMD
chen Begegnung ist schwer zu terminieren. Erste zur Tagung „Juden und Muslime in Deutschland –
Zeugnisse sind daher vor allem Geschichten von gemeinsam fremd?“ ein. Auf dieser Tagung, einer
bestimmten Einzelpersonen, die häufig Gegen- der ersten institutionalisierten Begegnungen,
stand in Dialoggesprächen sind. Eine solche ging es vor allem um das Verbindende und nicht
Geschichte ist beispielsweise die des ägyptischen um das Trennende, wie es häufig in der Politik
Arztes Muhammad Helmy, der in den 1920er- betont worden war, insbesondere unter Berufung
Jahren für sein Medizinstudium nach Berlin kam auf den Nahostkonflikt (vgl. K. Hafez/Steinbach
und 1933 Oberarzt wurde. Bekannt ist er unter 1999).
anderem dafür, dass er mehreren Jüdinnen und
Juden beim Untertauchen vor den Nationalsozia- Und doch waren die jüdisch-muslimischen
list*innen half (vgl. Avidan 2017). Der Chefredak- Beziehungen seit Beginn der Zweiten Intifada im
teur der ersten deutschsprachigen muslimischen Herbst 2000 vor allem durch den Nahostkonflikt
Zeitung Moslemische Revue (1924–1940) war der geprägt. Innerhalb des migrantisch-muslimischen
deutsch-jüdische Schriftsteller Hugo Hamid Milieus ist die Solidarität mit den Palästinen-
Marcus, der Anfang der 1920er-Jahre zum Islam ser*innen weit verbreitet. In der Vergangenheit
konvertierte und gleichzeitig Mitglied in der führte allerdings eine unreflektierte Solidarität zu
Jüdischen Gemeinde blieb. Er war Vorsitzender judenfeindlichen Vorfällen, wie beispielsweise die
der 1930 gegründeten „Deutsch-Muslimischen antisemitischen Demonstrationen im Mai 2021
Gemeinschaft“, die im Zuge der Eröffnung der im Zuge einer erneuten Eskalation des Nahost-
heute ältesten (bis heute bestehenden) Moschee konflikts. So kam es u. a. in Gelsenkirchen, Bonn
in Berlin-Wilmersdorf entstand (vgl. Baer 2020: 4). und Berlin zu antisemitischen Protesten, unter
Gerade im damaligen, migrantisch geprägten anderem vor deutschen Synagogen (vgl. Mendel
Stadtteil Wilmersdorf lebten Muslim*innen aus 2021). Zeitgleich präsentierten sich die Vertre-
Ägypten, Persien und Indien mit russischen und tungsorgane beider Religionsgemeinschaften
deutschen Jüdinnen und Juden zusammen und parteiisch und folgten groben Vereinfachungen
organisierten sich in unterschiedlicher Weise (vgl. hinsichtlich ihrer Einordnungen des Konflikts:
Religionspolitik 295

Der KDM erklärte die Israelis kurzerhand zu den täten erkunden und gemeinsames Empowerment
Schuldigen für die Eskalation, während der ZdJ ermöglichen. Diese beiden Beispiele für institu-
am gleichen Tag verkündete, die Verantwortung tionalisierte Formate sind aufgrund ihrer regel-
liege „ganz klar“ auf Seiten der Hamas.158 mäßigen Zusammenkünfte besonders nachhaltig.
Ein weiteres Projekt ist das im Jahr 2019 von der
Ein Beispiel für eine gelungene jüdisch-muslimi- Integrationsbeauftragten der Bundesregierung
sche Zusammenarbeit im gemeinsamen Anliegen initiierte Projekt „Schalom-Aleikum“. Der erklärte
stellt die Beschneidungsdebatte im Jahr 2012 dar eigene Anspruch, jüdisch-muslimischen Dialog
(s. ausführlich Unterkapitel ↗ 4.2). Als Jüdinnen auf Augenhöhe zu schaffen, steht hier im Wider-
und Juden und Muslim*innen ein gesetzliches spruch zur Struktur des Projekts: Die Planung
Beschneidungsverbot fürchteten, empfanden sich und Durchführung liegt alleine auf der Seite des
beide gesellschaftlich stark ausgegrenzt, wie eine ZdJ ohne Beteiligung eines muslimischen Partners.
Oxford-Studie zeigte. Beide Minderheitengrup-
pen fühlten ihre „eigenen Traditionen von der Eine gewisse Wirkung entfalten auch andere
Mehrheitsgesellschaft als fremdartig und primitiv Formate, die insbesondere in der Presse große
abgewertet“ (Öktem 2013: IX). Die anfängliche Resonanz finden, z. B. der Besuch einer Moschee
Solidarisierung scheiterte allerdings schnell ange- des ehemaligen Präsidenten des ZdJ, Dieter
sichts des israelisch-palästinensischen Konflikts. Graumann, im Jahr 2014. Er unterstützte damit
den Aktionstag „Muslime stehen auf gegen Hass
In den vergangenen Jahren sind mehrere Dialog- und Unrecht“, den der KRM als Zeichen gegen
und Kooperationsformate entstanden, von denen Terrorismus bundesweit mit Mahnwachen und
einige hier beispielhaft erwähnt werden. Im Jahr Kundgebungen veranstaltete. Graumann betonte
2013 begann die Salaam-Schalom Initiative in die Solidarität der Jüdinnen und Juden mit
Berlin-Neukölln mit diversen Aktionen und Pro- Muslim*innen und versicherte, die „Stimmen
jekten für einen muslimisch-jüdischen Dialog zu erheben, wenn muslimische Menschen hier
unabhängig von Moscheen, Verbänden und Zen­ diskriminiert werden“ (Graumann 2014). Auch
tral­gemeinden. Die Initiative organisierte regel- Veranstaltungen für das gemeinsame Erinnern
mäßig offene Gesprächsrunden, Podiumsdiskussio­ an den Holocaust zählen zu Formaten, die den
nen mit Muslim*innen und Jüdinnen und Juden. Dialog stärken wollen – so beispielsweise 2018 im
Im Folgejahr 2014 entstand der „Jüdisch-Musli­ Rahmen einer gemeinsamen Reise von Jüdinnen,
mische Gesprächskreis“ der W. Michael Blumenthal Juden und Muslim*innen in das ehemalige KZ
Akademie des Jüdischen Museums Berlin, in Auschwitz-Birkenau. Dort bestärkte der Vorsit-
dem sich Jüdinnen und Juden und Muslim*innen zende des ZMD, Aiman Mazyek, dass sich deut-
aus Wissenschaft, Kultur und Politik für eine sche Muslim*innen auch verantwortlich fühlen,
stärkere Vernetzung regelmäßig treffen. Anfang damit sich eine Katastrophe wie der Holocaust
2019 gründeten zwei Begabtenförderwerke – das nicht wiederhole.
jüdische Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk und
das muslimische Avicenna-Studienwerk – den Nicht nur die Beschneidungsdebatte 2012, son-
jüdisch-muslimischen Thinktank Karov-Qareeb, dern allen voran die vergangenen rechtsextremen
in dem junge Jüdinnen und Juden und Mus- Anschläge in Halle 2019 und Hanau 2020 machen
lim*innen zusammenarbeiten, ihre Lebensreali- deutlich, dass beide Minderheiten gemeinsame

158 Presseerklärung des KDM online abrufbar: http://koordinationsrat.de/offener-brief-anlaesslich-der-erneuten-eskalation-des-


israelisch-palaestinensischen-konfliktes; Presseerklärung des ZdJ online abrufbar: https://www.zentralratderjuden.de/aktuelle-meldung/
artikel/news/presseerklaerung-zur-lage-in-israel/ [beide 02.03.2023].
296 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Interessen haben und vor ähnlichen Bedrohun- Religions for Peace ist eine 1970 gegründete Nicht-
gen stehen. Schon Bubis erklärte, dass „der Neo- regierungsorganisation und wirkt in interreligiö-
nazismus heute zur Solidarität zwingt“ (1999). ser Zusammenarbeit für Frieden weltweit. Auch
Auch der aktuelle Präsident des ZdJ, Josef Schuster, die deutsche Sektion ist um dieses Ziel bemüht,
macht die gemeinsame Gefahr sowohl seitens wenn es ihr z. B. darum geht, die inter- und intra-
rechtsextremer Gruppen als auch der AfD häufig religiöse Vielfalt sichtbar zu machen, zwischen
zum Thema. So warnte er kurz nach dem Einzug verschiedenen Glaubenstraditionen zu vermitteln
der AfD in den Bundestag, dass sie zwar aktuell und Fragen der Gerechtigkeit und des Klima-
vorwiegend gegen die muslimische Minderheit schutzes aufzugreifen.
Stimmung mache. „Wenn das Thema Muslime
nicht mehr interessant sein sollte und es wäre Die Räte der Religionen in Deutschland traten
zudem politisch wie gesellschaftlich opportun, im Jahr 2018 zu ihrem ersten Bundeskongress
dann könnte es sehr wohl andere Minderheiten zusammen, an dem Vertreter*innen von 30 inter-
treffen. Dazu zähle ich auch Juden“ (2017b). religiösen Dialoggremien aus ebenso vielen Kom-
munen bzw. Landkreisen teilnahmen. Wichtiger
Die Zahlen der antisemitischen und antimus- als der Kongress ist jedoch die konkrete Arbeit, die
limischen Vorfälle steigen, weshalb es trotz der die jeweiligen Räte der Religionen vor Ort leisten
vielen Herausforderungen für Jüdinnen und und die es seit Langem in zahlreichen, meist
Juden wie Muslim*innen notwendig scheint, die größeren Städten wie Frankfurt a. M., Köln oder
gemeinsamen Interessen sichtbar zu machen und Berlin gibt. Sie haben dort zum Ziel, den Dialog
Kräfte im Kampf gegen Rassismus und Antisemi- zwischen den Religionsgemeinschaften und der
tismus zu bündeln (zum Verhältnis von Muslim- Stadtgesellschaft zu fördern und auch aus einer
feindlichkeit und Antisemitismus s. Kapitel ↗ 2). religiösen Sicht Stellung zu gesellschaftlichen und
Nachhaltige und auf Augenhöhe ausgerichtete politischen Themen zu nehmen.
Dialog- und Begegnungsformate könnten einen
wichtigen Beitrag leisten. „Weißt du, wer ich bin?“ ist ein interreligiöses Pro-
jekt für friedliches Zusammenleben in Deutsch-
9.4.1.3 Bundesweite interreligiöse Bündnisse land, an dem verschiedene jüdische, christliche
und lokale Aktionen und muslimische Verbände und Zusammen-
schlüsse als Träger beteiligt sind und das seit 2004
Die bundesweite „Interkulturelle Woche“ findet in mehreren Projektphasen vom BMI gefördert
seit 1975 auf Initiative der christlichen Kirchen wird. Es unterstützt lokale inter- und multireligi-
statt. Sie widmet sich aktuellen Themen wie z. B. öse Zusammenarbeit dezentral durch finanzielle
gelebter Vielfalt, Rassismus und Diskriminierung, Zuschüsse, wodurch der konstruktive Beitrag, den
Hatespeech, Rechtspopulismus wie -extremis- Religionen zur Integration und einem friedlichen
mus und stellt immer wieder „Good Practices“ vor. Zusammenleben leisten können, unterstützt
Getragen wird die Aktionswoche von Kirchen, werden soll.
Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerk-
schaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Als eigenständiges Gremium der Religionsge-
Vereinen, Bildungsträger*innen, Migrant*innen- meinschaften in Deutschland gründete sich 1998
organisationen, Religionsgemeinschaften und der bundesweite Runde Tisch der Religionen,
Initiativgruppen in jährlich etwa 600 Städten und um die Mitverantwortung der Religionen für
Gemeinden. das gesellschaftliche Zusammenleben zu zeigen.
Thematisiert wurden seither u. a. migrations-
und klimapolitische sowie menschenrechtliche
Religionspolitik 297

Themen; ein Schwerpunkt der Arbeit des Runden licherer Sichtbarkeit sowie einem Zuwachs von
Tisches ist hierbei die Gestaltung des „Tages der anderen Religionsgemeinschaften, insbesondere
Religionen“. des Islams, prägen das Bild.

Diese lose Reihung mehr oder weniger institu- Das deutsche Religionsverfassungsrecht ist reli-
tionalisierter interreligiöser Initiativen übersieht gionsoffen und bietet grundsätzlich eine gute
weder, dass es unzählige weitere lokale Initiati- Basis für gleichberechtigte Teilhabe. Das schlägt
ven gibt, noch dass bundesweite interreligiöse sich auch in einer Fülle gerichtlicher Entschei-
(Aktions-)Bündnisse meist aufgrund jeweiliger dungen zugunsten muslimischer Beteiligter nieder.
konkreter Anlässe auch zu Protesten, Gebeten Allerdings bildet seine Umsetzung in wichtigen
oder sonstigen Veranstaltungen zusammenfinden. Bereichen wie Schulwesen, Seelsorge oder finan-
Hierbei erweisen sich vielfach auch die mittels zieller Unterstützung sozialer Aktivitäten die
der genannten Formate etablierten Netzwerke gewandelten Verhältnisse nicht ab. Zudem schla-
und Strukturen als hilfreich. Auch kann die gen sich in manchen Bereichen, insbesondere im
gesellschaftliche Bedeutung multireligiöser Hinblick auf den Umgang mit religiös konnotier-
Gebetshäuser und Räume, die teils in öffentlichen ter Kleidung (Kopftuch), Vorverständnisse nieder,
Einrichtungen (u. a. Flughäfen, Krankenhäuser, die zu sachlich nicht hinreichend begründbaren
Universitäten und dem Bundestag), teils auf Ini- Einschränkungen der Teilhabe an öffentlichen
tiative interreligiöser Zusammenschlüsse (House Ämtern führen. Ferner besteht in weiten Teilen
of One, Haus der Religionen in Hannover) ent- der Bevölkerung ein erkennbarer Informations-
standen, hier nicht näher ausgelotet werden (vgl. bedarf über die Bedeutung der Religionsfreiheit
hierzu Nagel 2021; Schröder 2016; Reinbold 2011). als Grundrecht auch für Minderheiten. Die feh-
lende Erarbeitung von den heutigen Verhältnis-
sen angemessenen Regelungen der individuellen
9.5 Fazit und kollektiven Religionsfreiheit für alle und
das Fehlen einer stimmig-systematischen Reli-
Die heutigen Regelungen des Religionsverfas- gionspolitik in Deutschland, die der gesellschaft-
sungsrechts in Deutschland gehen im Wesent- lichen Wirklichkeit und den Teilhaberechten aller
lichen auf die im Jahr 1919 erlassene Weimarer gerecht werden würde, sind weiterhin ein Manko.
Reichsverfassung zurück, in der sich die religiöse
Landschaft in Deutschland mit ihrer damaligen Auch aufgrund dieses Mankos werden im Bun-
Dominanz der beiden christlichen Großkirchen destag mehr anlassbezogene als grundsätzliche
fundamental anders als heute darstellte. Diese Debatten zum Thema Islam geführt. Der Über-
staatskirchenrechtlichen Regelungen wurden blick über die Positionierungen zu islampoli-
nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland tischen Fragen der im Bundestag vertretenen
im Jahr 1949 ohne nennenswerte Änderungen in Parteien verdeutlicht diese Ad-hoc-Erörterungen
das Grundgesetz übernommen. grundsätzlicher religionsrechtlicher Fragen im
Auf und Ab tagespolitischer Ereignisse. Weiter-
Heute ist nicht nur durch eine zunehmend vor- hin verdeutlicht wird diese Lückenhaftigkeit der
anschreitende Säkularisierung eine veränderte Befassung mit islambezogenen Fragen anhand
Situation eingetreten, für die die zurückgehenden von mit den religionspolitischen Sprecher*innen
Zahlen von Kirchenmitgliedern der katholischen der Parteien geführten Interviews. Bei allen Einzel-
und evangelischen Kirche ein sichtbares Zeichen fragen rund um das Thema Islam in Deutschland
sind. Auch eine stärkere Pluralisierung, mit Auf- und in allen demokratischen Parteien wird eine
splitterung der religiösen Landschaft und deut- gewisse Bandbreite zwischen Skepsis und – teil-
298 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

weise mit Einschränkungen versehener – Offenheit und Juden sowie Muslim*innen. Der interreligi-
gegenüber den Anliegen von Muslim*innen deut- öse Dialog in seinen vielgestaltigen Dimensionen
lich. Bei allen Parteien wird zudem – teilweise ist hierzulande sehr etabliert. Er hat sich insbe-
unter Nennung bestimmter Bedingungen – eine sondere in den vergangenen beiden Jahrzehnten
deutliche Anerkennungsbereitschaft in Hinblick intensiviert, weiterentwickelt und breit ausdiffe-
auf sich wandelnde soziale Verhältnisse erkennbar renziert. Er umfasst neben interreligiösen Initia­
sowie eine konstruktive Suche nach Lösungen zur tiven und fachwissenschaftlichen Einrichtungen
Beantwortung strittiger Fragen und zur Entwick- eine Vielzahl an Formaten und Ebenen der Begeg-
lung sinnvoller Regelungen für eine kulturelle nung und des Austauschs. Islambezogene Reli-
und religiöse Vielfalt. Einzig bei der AfD-Fraktion gionspolitik sollte daher nicht auf Integrations-
finden sich ausgesprochen abgrenzend-rassis- politik beschränkt sein oder durch gut gemeinte
tische, verunglimpfende und verallgemeinernde Förderprogramme einseitige Wahrnehmungen
islam- und muslimfeindliche Positionen. von muslimischen Gläubigen reproduzieren. Es
gilt, weiterhin Programme zu entwickeln, durch
Den Schluss des Kapitels bildet eine Darstellung die religiöse Pluralität anerkannt, religiöse Vielfalt
der unterschiedlichen Plattformen, der Bedeu- dargestellt und insbesondere muslimische Diver-
tung und der praktischen Gestaltung des interre- sität wahrgenommen werden kann.
ligiösen Dialogs zwischen Christ*innen, Jüdinnen

9.6 Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

› zur Herstellung von Rechtssicherheit im Alltag und zur Entlastung von Entscheidungsträger*innen
die Konkretisierung stark interpretationsbedürftiger gesetzlicher Regelungen (z. B. zur Bekleidung
bei Ausübung öffentlicher Ämter) in Verwaltungsrichtlinien mit klaren Vorgaben für den Umgang mit
religiösen Anliegen auch von Minderheiten.

› zur Behebung erheblicher Unsicherheiten im Umgang mit der Religionspraxis in Schulen (z. B. Fasten
von Schüler*innen; Unterrichtsbefreiungen) die Erstellung bundesweit einheitlicher Handreichungen,
die religiöse Anliegen ernst nehmen und in einen angemessenen Ausgleich mit sachlich begründeten
Erfordernissen des Schulalltags und des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags bringen, z. B. im
Hinblick auf Sportveranstaltungen oder Terminierung von Prüfungen außerhalb von hohen Feiertagen.

› für die Arbeitswelt die Erstellung konkreter Handreichungen für den Umgang mit religiösen Anliegen
(z. B. religiös konnotierter Bekleidung) und religionssensible Urlaubsregelungen, die sich an den
religionsoffenen Maßstäben des deutschen Verfassungsrechts orientieren. Für die EU-Ebene sollte
darauf hingewirkt werden, dass die mitgliedstaatlichen Regelungen respektiert und nicht durch
eine religionsfeindliche Tendenz unterlaufen werden. Zudem ist die Unterstützung des*r Sonder­
beauftragten des Europarats zur Bekämpfung von Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit durch
die Bundesregierung wünschenswert.
Religionspolitik 299

› nachhaltige Anstrengungen zum Zweck der gleichberechtigten Teilhabe muslimischer Akteur*in-


nen bei der staatlichen Förderung im kulturellen und sozialen Bereich auf Bundes-, Landes- und
Kommunalebene (z. B. Jugend- und Wohlfahrtsverbände, Pflege). In diesem Bereich ist auch eine ver-
lässliche Finanzierung hauptamtlicher Akteur*innen und nachhaltig wirkender Strukturen erforder-
lich. Dies kann durch Einbeziehung in bestehende Strukturen gefördert werden, aber auch durch den
Abschluss nachhaltig wirkender Verträge mit geeigneten Akteur*innen. Zudem empfiehlt sich die
Weiterentwicklung klar konturierter Übergangslösungen zur Deckung dringender Bedarfe, etwa im
Bereich der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten.

› die konsequente Wahrung der religionsoffenen deutschen Verfassungsordnung. Deshalb sind sachlich
nicht zu rechtfertigende staatliche Eingriffe in die Religionsfreiheit und die Verdrängung der Religions-
ausübung aus dem öffentlichen Raum zu verhindern.

› eine langfristig angelegte Gestaltung einer Religionspolitik entsprechend der religionsoffenen Ver-
fassung, die der Vielfalt der Religionen in Deutschland gerecht wird.

› differenzierte, faktenorientierte und rechtsstaatlich integrierte politische Debatten zu islamrelevanten


Themen auch abseits von Diskussionen über tagesaktuelle Ereignisse. Dabei ist die verstärkte Ein-
beziehung von Fachleuten zur Vorbereitung von parteipolitischen Äußerungen in Debattenbeiträgen
und Parteiprogrammen zu empfehlen.

› die regelmäßige Abhaltung von Symposien unter Mitwirkung relevanter Akteur*innen zu religions-
politischen Themen und die Veröffentlichung von Sachinformationen, um Ängste und Befürchtungen
im Vorfeld auffangen zu können.

› die Einrichtung einer fraktionsübergreifenden parlamentarischen Arbeitsgruppe, die sich mit Formen
und Ereignissen von Muslimfeindlichkeit befasst.

› die Förderung des interreligiösen Dialogs, des Austauschs und der Begegnung zwischen Akteur*innen
des muslimischen Lebens in Deutschland und politischen Vertreter*innen.

› die Initiierung und den Ausbau von Begegnungs- und Dialogprojekten auf Augenhöhe zwischen
muslimischen und jüdischen Vertreter*innen ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaften.

› die Schaffung geschützter Räume für das jüdisch-muslimische Gespräch zu den Themen des israelisch-
palästinensischen Konflikts.
300 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

10 Kultur

Während das Islambild in den traditionellen Mas- • sowie aus einem Hearing mit Vertreter*in-
senmedien seit etwa drei Jahrzehnten regelmäßig nen der deutschen Museums- und Ausstel-
untersucht wird, sind entsprechende Diskurse im lungslandschaft sowie wissenschaftlichen
hoch- und populärkulturellen Sektor noch wei- Expert*innen aus dem Themenfeld „Islam im
testgehend unerforscht. Zwar geraten seit Anfang Museum“.
der 2000er-Jahre filmische Darstellungen musli-
mischer Lebensweisen zunehmend in den Fokus
film- und medienwissenschaftlicher Analysen. 10.1 Muslimfeindlichkeit im
Allerdings sind diese primär an der Frage interes- deutschen Film
siert, wie im deutschsprachigen Film Migration
und migrantische Lebensentwürfe verhandelt Mediale Darstellungen des Islams und muslimi-
werden. Filmische Repräsentationen des Islams scher Lebensweisen beschränken sich nicht auf
rücken erst in jüngeren Untersuchungen in den journalistische Formate. Neben dem klassischen
For­schungsfokus – begleitet von einem allgemein Nachrichtenjournalismus sind es v. a. Unterhal-
zunehmenden Interesse am Islam und dessen tungsmedien wie Film und Fernsehen, in denen
öffentlich-gesell­schaftlicher Teilhabe. Die wis- islambezogene Narrative ein breites Publikum
senschaftliche Betrachtung der Kultursektoren erreichen. Dabei bieten gerade fiktionale Stoffe
Theater und Museum sind hingegen bei Fragen die Chance, hegemonialen Erzähl- und Deutungs-
nach der Darstellung des Islams und der struktu- mustern von der vermeintlichen Andersheit
rellen Teilhabe muslimischer Kulturschaffender des Islams zu widersprechen und so differen-
von nur sehr wenigen Pio­nierarbeiten geprägt. zierte Gegendiskurse zu stiften (vgl. K. Hafez/
Einzelne Forschende bemühen sich um systema- Schmidt 2020). Jüngste Forschungen belegen
tische Bestandsaufnahmen, allerdings bleibt es jedoch, dass auch im populärkulturellen Medien-
zumeist bei – durchaus aufschlussreichen – Ein- sektor konfliktorientierte Darstellungsweisen
zelfallanalysen. Die Sichtbarkeit des Islams in von Muslim*innen und muslimisch markierten
deutschen Theatern und Museen bleibt aus diesen Migrant*innen überwiegen. Der UEM hat zur
Gründen bis heute eine empirisch ungesättigte Untersuchung dieses Teilbereichs öffentlicher
Forschungsfrage. Islamdiskurse die erste umfassende Analyse zur
Darstellung muslimischer Lebensweisen in Film
Der UEM hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, und Fernsehen in Auftrag gegeben. Durchge-
eigene Forschungsprojekte in Auftrag zu geben führt von Prof. Dr. Ömer Alkin zeigt sie deutlich,
bzw. aktuelle Forschungsexpertisen und Ein- wie antimuslimische Stereotype – etwa von der
sichten von Praktiker*innen einzuholen. Für den Gewaltaffinität des Islams oder der kulturellen
Gesellschaftsbereich Kultur bestehen diese aus Fremdheit muslimischer Menschen – auch in die
Plots und Figurenzeichnungen deutschsprachiger
• einer umfassenden Filmanalyse deutschspra- Spielfilme Einzug halten.
chiger Spielfilme und Unterhaltungsserien im
Themenfeld Islam (Hochschule Niederrhein),
• einem Gutachten, das einen Überblick zu
islambezogenen Theaterproduktionen in
Deutschland liefert (University of Toronto)
Kultur 301

Dieses Kapitel widmet sich zunächst einer theore­ und so an der „Ausgestaltung einer gemeinsamen
tischen Einordnung unterhaltungsmedialer Welt der Zuschauer“ (ebd.: 350) mitwirken. Zudem
Diskurse. Im Mittelpunkt steht die Frage nach stellen sie wichtige gesellschaftliche Teilhabe-
den gesellschaftskritischen Potenzialen filmi- und Identifikationsangebote bereit und liefern –
scher Darstellungen. Inwiefern sind es gerade die eingewoben in ihre Figuren und Handlungen –
fiktio­nalen Erzählungen des Films, die antimus- leicht zugängliche Orientierungshilfen für die
limische Narrative entlarven und unterwandern politische Realität (vgl. Klaus/Lünenborg 2004;
können? Oder handelt es sich hier nicht eher um Dörner 1999). Für die Frage nach dem öffentlichen
ein Genre, das aufgrund seiner Marktorientie- Bild des Islams stellen sie einen zentralen Unter-
rung und Produktionsstrukturen proble­matische suchungsgegenstand dar, da auch sie Fragen von
Islamstereotype stabilisiert und im kulturellen gesellschaftlicher Zugehörigkeit und vermeint-
Gedächtnis verankert? Anschließend erfolgt ein licher Fremdheit verhandeln.
kurzer Überblick über das Forschungsfeld „Islam
im Film“, wobei hier schnell klar wird: Analysen, Der wissenschaftlichen Betrachtung filmischer
die sich auf islambezogene Darstellungen in Darstellungen stehen dabei verschiedene Erklä­
deutschsprachigen Unterhaltungsmedien kon- rungsansätze und Forschungsperspektiven zur
zentrieren, waren bislang nur vereinzelt und Verfügung. So versteht die Kommunikations-
fallstudienartig verfügbar. Besser untersucht wissenschaft Filme und Serien als Interaktions-
sind thematisch angrenzende Forschungen zur medien:
filmischen Verhandlung von Migration und
Flucht. Der Hauptteil des Kapitels wendet sich „Sie kommunizieren mit dem Publikum, wobei
den Erkenntnissen Alkins zur Repräsentation ihre Gestaltungsmittel und Techniken die
des Islams in deutschsprachigen Spielfilmen und kognitiven und emotionalen Aktivitäten der
(Fernseh-)Serien zu. Leitend ist dabei die Frage Zuschauer vorstrukturieren“ (Mikos 2008: 15).
nach thematischen Parallelen zwischen den
klassischen Nachrichtengenres (vgl. Unterkapitel Gleichzeitig sind es die Zuschauer*innen, die
↗ 7.1) und der Islamdarstellung im Film sowie vor dem Hintergrund ihrer Wissens- und Erfah­
nach den rassismuskritischen Potenzialen fiktio- rungshorizonte filmische Erzählungen aktiv
naler Erzählungen über die Religion des Islams entschlüsseln. Im Spannungsfeld zwischen den
und muslimische Lebensweisen. Strukturen der Filmproduktion, dem eigentlichen
Filminhalt und den Verstehens- und Deutungs-
10.1.1 Unterhaltungsmedien: Rassismuskritik aktivitäten des Publikums entwickeln Filme ihre
vs. Reproduktion antimuslimischer vielfältigen Bedeutungen (vgl. Hall 2001a). Dabei
Stereotype spielt für die Frage, wie Zuschauer*innen mit fil-
mischen Islamdarstellungen umgehen, v. a. deren
Filme und TV-Serien existieren nicht jenseits eigene Verortung in gesellschaftliche Wissensbe-
gesellschaftspolitischer Diskurse, auch wenn ihre ständen über den Islam und Muslim*innen eine
Inhalte zumeist auf Fiktionen beruhen. In ihnen Rolle (vgl. Unterkapitel ↗ 3.1).
entfalten sich Gesellschaftsbilder und Wirklich-
keitsvorstellungen, die an die Lebenswelten ihrer Kontrovers diskutiert wird seit Jahren, ob Spiel-
Zuschauer*innen anschließen, weshalb man filme gesellschaftsverändernde Impulse setzen
sie auch als „Vermittler“ und „Archive gesell­ oder eher – gerade, wenn es sich um kommerzielle
schaftlichen Wissens“ (Keppler/Peltzer 2018: 349) Produktionen handelt – zum Erhalt bestehender
bezeichnet. Sie prägen das öffentliche Bewusst- Verhältnisse beitragen. Verkürzt gesagt stehen sich
sein, indem sie Normen und Werte verhandeln, dabei Kulturkritiker*innen und -optimist*innen
302 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

gegenüber. So erkennen Vertreter*innen der gelesen werden, hängt maßgeblich von den (ras-
Frankfurter Schule159 im frühen Kino ein kul- sismuskritischen) Wissensquellen der Zuschau-
turelles Massenmedium, das von „gesellschaft- er*innen ab. Dabei ist laut Dörner (1999) grund-
lichen Widersprüchen“ (Hecken 2007: 44) und sätzlich davon auszugehen, dass Filme aufgrund
Missständen ablenke, statt zu ihrer kritischen ihrer reduzierten Komplexität über eine „Orien-
Bearbeitung anzuregen. Unterhaltung stellt für sie tierungsfreundlichkeit“ verfügen, d. h. sie bieten
eine Art des geistigen Stillstands dar, da das Publi- sich als vertrauensvolle Realitätsentwürfe ihren
kum nicht selbst denke, sondern sich ausschließ- Zuschauer*innen besonders an.
lich „in den ausgefahrenen Assoziationsgeleisen“
(Adorno/Horkheimer 1988: 145) der Filmpro- „Politikbilder, Deutungsmuster, Wahrnehmungs-
dukte bewege. Verschiedene kritische Stimmen folien der Unterhaltungskultur sind deshalb ein
aus dem Feld der Cultural Studies grenzen sich so wichtiges Moment von politischer Kultur, weil
von diesem Verständnis populärer Kultur deutlich sie Mediennutzern in angenehmen, entspannten
ab. Sie verstehen Unterhaltungsmedien als Ange- und von Alltagslasten befreiten Situationen
bote und Ressourcen, die die Zuschauer*innen eingängige Schemata zur Wahrnehmung, Deu-
entweder annehmen, modifizieren oder ablehnen tung und Sinngebung von politischer Reali-
können (vgl. Fiske 1989). Statt das Publikum auf tät vermitteln. […] Man fühlt sich wohl, glaubt
die Ordnung des Bestehen­den einzuschwören, sich in einer von pragmatischen Zwecken und
dienten sie vielmehr dazu, „die eigene Position zu politischen Ideologien losgelösten Situation zu
stärken, sich zu emanzipieren und Manipulations- befinden und nimmt daher die angebotenen
versuchen zu widerstehen“ (Kramp 2015: 209). Deutungsmuster bereitwillig auf.“ (Ebd.: 20–21)
Inwie­fern dies tatsächlich der Fall ist, bleibt v. a.
umstritten, weil auch populärkulturelle Diskurse Insgesamt bleibt die Frage nach dem Verhältnis
ausschließen – was mit Blick auf die Unsichtbar- von affirmativen und kritisch-widerständigen
keit von People of Color in filmischen Narrationen Potenzialen filmischer Populärkultur zumindest
wiederholt bestätigt wurde (vgl. u. a. Vielfalt im in der Theoriedebatte ungeklärt (vgl. Thomas
Film 2020). 2012). Antworten liefern empirische Untersu­
chungen, die sich dem konkreten Filmmaterial
In Deutschland gelten Spielfilme landläufig als zuwenden und dieses auf seine Deutungsange­
Form der Unterhaltung (vgl. Hieber/Winter 2020: 2). bote hin befragen. Das nachfolgende Unterkapitel
Dass Unterhaltungsmedien dabei von erheblicher stellt einige zentrale Filmstudien im Schnittfeld
politischer Bedeutung sind, zeigen Untersuchun­ Film – Migration – Islam vor und dient damit
gen zur Aneignung orientalistischer Narrative als Überblick zum bisherigen Wissensstand im
aus Märchenbüchern, Fernseh- und Kinofilmen Forschungsfeld „Islam im Film“.
(vgl. Attia 2009: 101). So stellt Attia fest, dass in die
Alltagserzählungen nicht-muslimischer Personen 10.1.2 Forschungen zu Migration und Islam
immer wieder Verweise auf Spielfilme wie Nicht im Film: ‚Der Andere‘ auf der Leinwand
ohne meine Tochter, 40 qm Deutschland und
Yasemin eingeflochten sind. Filme, die den Islam Nur wenige Studien haben sich bislang der Ana­
thematisieren, können folglich als indirekte lyse filmischer Islamdarstellungen gewidmet.
Erfahrungsquellen dienen – inwiefern sie kritisch Zu den umfassendsten Arbeiten gehört Shaheens

159 Der Begriff bezeichnet die Mitglieder des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, das 1923 gegründet wurde und maßgeblich
für die Entwicklung einer „Kritischen Theorie“ steht. Diese will verändernd auf Gesellschaft einwirken, ihr liegt „an der Aufdeckung von
Unrecht, an Emanzipation“ (Ottmann 2012: 67).
Kultur 303

„Reel Bad Arabs“ (2003), auf der auch eine gleich- chalen Verhaltensweisen ihrer männlichen Ange-
namige Filmdokumentation basiert. Daneben hörigen ausgeliefert sind. Produktionen wie
gibt es jüngere Analysen zur Darstellung von Shirins Hochzeit (1975), 40 qm Deutschland
Muslim*innen im US-Fernsehen vor und nach (1986), Abschied vom falschen Paradies (1988)
9/11 (vgl. u. a. Alsultany 2016; Aguayo 2009) sowie und Yasemin (1988) erzählen Geschichten von
breiter gefasste Studien zum Orientalis­mus im Zwangsehe, Vergewaltigung, Gefangenschaft, Ent-
Film (vgl. Bernstein/Studlar 1997). Wir wollen uns führung und Mord. In ihrer Analyse dieser Filme
diesen Arbeiten im zweiten Teil dieses Kapitels legt Göktürk die für rassistische Diskurse typischen
zuwenden, da ihr Fokus auf englischsprachigen Machtverhältnisse zwischen den dargestellten
Filmproduktionen liegt. Hier interessiert zunächst, Frauenschicksalen und den Erwartungshaltun-
was über Spielfilme und Unterhaltungsserien im gen des Publikums frei: „Die Befreiung der armen
deutschsprachigen Raum bekannt ist. Ein Blick Türkin aus Gefangenschaft, Unterdrückung […] ist
in die entsprechende Forschungsliteratur macht eine populäre Phantasie, die dem Überlegenheits-
schnell klar: Während zum Islambild bislang nur gefühl des deutschen Publikums entspringt“ (ebd.:
exemplarische Fallstudien vorliegen, ist weitaus 336). Das im Publikum hervorgerufene Mitleid
mehr zum Thema Migration geschrieben worden. diene dabei „in erster Linie der eigenen Selbstbe-
Dabei hängen filmische Diskurse über Islam und stätigung“. Shohat bezeichnet dieses Phänomen als
Migration in Deutschland inhaltlich eng zusam- „gendered Western gaze“ (1997: 20) – als filmischen
men (vgl. Alkin 2022: 4). Das nachfolgende Unter- Blick, der sexistische und rassistische Diskurse
kapitel widmet sich daher zunächst einem kurzen untrennbar miteinander verknüpft. Indem die
Überblick zur filmischen Darstellung migran­ türkische Frau pauschal als Opfer inszeniert wird,
tischer Lebens­welten. Deutlich wird: Migration entsteht im Publikum ein Gefühl kultureller Über-
im deutschsprachigen Film zeigt sich v. a. als legenheit. Ein ähnliches Interesse an der Darstel-
Frauenschicksal in klaustrophobischen Räumen, lung türkischer Frauenschicksale zeigt sich auch in
als emanzipatives Identitätsspiel oder als Culture- journalistischen Formaten dieser Jahre, in denen
Clash-Komödie. Türkinnen als isoliert, bildungsfern, orientierungs-
los und schwer integrierbar proträtiert wurden (vgl.
10.1.2.1 Migration im Film: Frauenschicksale, Toker 1996: 38–41).
Identitätsfragen, kulturelle
(Un-)Vereinbarkeit In den 1990er-Jahren gelingt es dann zunehmend,
das „Betroffenheitskino“ des frühen Migrations-
Diese thematischen Schwerpunktsetzungen las- films hinter sich zu lassen. Einige Arbeiten sprechen
sen sich mehr oder weniger chronologisch in die sogar von einem „Paradigmenwechsel“, der sich
deutsche Filmgeschichte einordnen. So beschreibt durch die zunehmende Präsenz deutsch-türkischer
Göktürk 2000 in einer Übersicht des deutschen Filmautor*innen und ihren Geschichten „vom
Migrationskinos, wie sich die gesellschaftliche kulturellen Verschmelzen“ (Seeßlen 2000: 24–25;
Präsenz türkischer Gastarbeiter*innen auch auf vgl. a. Schäffler 2007: 30–31) auszeichne. Obwohl
die Auswahl der geförderten Filmstoffe auswirkte. Debatten um Integration und ‚deutsche Leit-
Türkinnen traten dabei zunächst nur im Opfer- kultur‘ die politische Öffentlichkeit dominierten,
modus in Erscheinung, das frühe Migrationskino fangen jene Filme an, sich des kulturalistischen
imaginierte sie als Leidtragende in klaustropho­ Blicks der deutschen Gesellschaft auf türkische
bischen Räumen. Einige der erfolgreichsten Migrant*innen zu entledigen (vgl. Göktürk 2017:
Filme der 1970er- und 1980er-Jahre handeln von 168). So handelt Ich Chef, Du Turnschuh (1998)
einge­sperrten, unterdrückten und von schweren des türkisch-deutschen Filmemachers Hussein
Schicksalen gezeichneten Frauen, die den patriar- Kutlucan vom Aufeinandertreffen verschiedener
304 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Migrant*innengenerationen und deren emanzi­ eine besondere Konjunktur erlebten, stehen


pativem Identitätsspiel mit kulturellen und sie keinesfalls stellvertretend für den modernen
ethnischen Zuschreibungen. Paradigmatisch für Migrationsfilm. Jüngere Produktionen wie
dieses Thema stehen auch die Filme Fatih Akıns. Shahada (2010), Almanya (2011), Oray (2019) und
Schon sein Spielfilmdebüt Kurz und Schmerzlos Futur Drei (2020) thematisieren, z. T. ebenfalls
(1998), das im Thriller-Genre angesiedelt ist, lebt mit humoristischen Mitteln, dynamische Selbst-
von komplexen Charakteren und entscheidet bilder, hybride Identitäten sowie antimi­grantische
sich gezielt gegen einen problematisierenden und -muslimische Stereotype der Mehrheitsge-
Blick auf Migration. Statt Entfremdung und sellschaft. Sie grenzen sich deutlich ab von klaren
Integra­tionsforderungen zu thematisieren, verwei­ ethnischen bzw. religiösen Zuordnungen und
gern sich seine Figuren einer klaren natio-kultu- liefern damit punktuelle Gegenimpulse zu einem
rellen Zuordnung (vgl. Schreckenberg 2006: 338; immer noch hochgradig problemorientierten
Brunow 2011). Akıns Filme lösen sich von der Islambild im Film (vgl. Unterkapitel ↗ 10.1.3).
Vereinnahmung durch hegemoniale Fremdheits-
zuschreibungen. Seine Geschichten handeln von 10.1.2.2 Islam im Film: Langlebige Feindbilder
postmigrantischen Lebensrealitäten, von Selbst- im Hollywoodkino
bestimmung und kulturellen Gleichzeitigkeiten.
Auch in seinem erfolgreichsten Film Gegen die Der Religion des Islams wurde im deutschen
Wand (2004) geht es um individuelle Lebens­ Migrationskino lange Zeit keine explizite Beach-
entwürfe und Wandlungsprozesse – stereotype tung geschenkt (vgl. Hamdorf 2014: 113), wenn
Rollen werden hier allenfalls strategisch über- auch davon auszugehen ist, dass sie etwa in der
nommen (vgl. Neubauer 2011: 229). Darstellung türkischstämmiger Migrant*innen
stets implizit mitverhandelt wurde. Für den
Ab den 2000er-Jahren tritt in der deutschen Film- deutschsprachigen Raum liegen folglich kaum
landschaft ein neues Genre in Erscheinung, das Untersuchungen mit Islam-Fokus vor. Ganz
kulturelle und religiöse Identitäten thematisiert: anders in der englischsprachigen Film- und
die Culture-Clash-Komödie. Dessen wohl populär­ste Medienwissenschaft: Hier stellt Shaheens (2003)
Vertreterin ist die ARD-Vorabendserie Türkisch umfassende Studie zur Repräsentation arabischer
für Anfänger (2006–2008). Daneben lassen sich und muslimischer Filmfiguren immer noch das
Filme wie Kebab Connection (2005), Meine herausragende Standardwerk dar. In einem Essay
verrückte türkische Hochzeit (2006) und fasst er einige seiner wichtigsten Beobachtun-
Evet, ich will! (2008) benennen. Culture-Clash- gen zusammen, die auf mehr als 800 Spielfilmen
Komödien werden in der Forschungsliteratur als sowie mehreren Hundert Unterhaltungssendun-
Inszenierungen „interkultureller Liebesbeziehun­ gen, Dokumentationen und TV-Nachrichten
gen“ gehandelt, die „ihren Witz aus dem Auf- beruhen (vgl. ebd.: 23): Anhand diverser Beispiele
einanderprallen und Gegeneinanderausspielen weist er nach, wie sich das Hollywood-Kino seit
divergierender kultureller Gewohnheiten und seinen Anfängen auf die Darstellung muslimisch-
insbesondere Moralvorstellungen“ (Gutjahr 2010: arabi­scher Figuren als unzivilisierte, ungepflegte
236) beziehen. Dabei gehen die Meinungen, ob Fremde eingeschworen hat – in krassem Kontrast
diese sich eignen, Stereotype offenzulegen und zum Aussehen und Verhalten seiner weißen,
abzubauen (vgl. Domaratius 2009: 207; Valentin westlichen Protagonist*innen. In frühen Filmen
2014: 110), oder ob sie diese durch starre Figuren- wie Der Scheich (1921) oder Der Sohn des
zeichnungen eher noch verstärken (vgl. Wellgraf Scheichs (1926) wurden männliche Muslime als
2008), weit auseinander. Auch wenn Culture- bösartige, brutale und promiskuitive Wüsten­
Clash-Komödien am Beginn des 21. Jahrhunderts herrscher porträtiert, während sie sich im Kino
Kultur 305

der 1970- und 1980er-Jahre zu habgierigen, scher Figuren klären könnten, hat der UEM dafür
fundamentalistischen und frauenfeindlichen eigens eine empirische Studie in Auftrag gegeben.
Attentätern wandelten. Filme wie Auf der Jagd
nach dem Juwel vom Nil (1985) oder Frantic 10.1.3 UEM-Film-Studie: Das Negativbild des
(1988) stehen paradig­matisch für jenen neueren klassischen Journalismus setzt sich fort
Figurentypus des islamistischen Terroristen (vgl.
ebd.: 25–26). Auch in den 1990er-Jahren hellte In seiner Studie „Repräsentationen des Islams
sich das Islambild im Hollywood-Kino nicht auf: in deutschsprachigen Spielfilmen und (Fernseh-)
Produktionen wie Nicht ohne meine Tochter Serien zwischen 2001 und 2021“ arbeitet der
(1990) oder Die Mumie (1999) zeigen muslimische Medien- und Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Ömer
Frauen als ungebildete, verschleierte und unter- Alkin (Hochschule Niederrhein) die Themen-
drückte Kreaturen; männliche Muslime werden schwerpunkte sowie die visuellen und handlungs-
als brutal, hinterhältig und lüstern dargestellt (vgl. spezifischen Stereotype über den Islam und Mus-
ebd.: 26–27). Shaheen zeigt auf, wie umfassend lim*innen auf Basis eines umfangreichen Daten-
stereotyp US-amerikanische Filmproduktionen korpus heraus. Bevor die Ergebnisse nachfolgend
dieser Jahre waren: Selbst der Disney-Klassiker dargestellt werden, gilt es zunächst, die metho­
Aladdin (1992) kommt nicht ohne eine orienta­ dische Vorgehensweise Alkins zu skizzieren.
listische Liedzeile über die Heimat des Zeichen-
trickhelden aus: „It’s barbaric, but hey, it’s home“ Die Erstellung des Datenkorpus basiert auf einer
(ebd.: 29). Der ‚Orient‘ wird hier ganz im Sinne Recherche in verschiedenen digitalen Filmdaten-
Saids zum Objekt und Spektakel degradiert, der banken:160 Gesucht wurde nach Langspielfilmen
als Hintergrundfolie westlicher Fantasien und (über 60 Minuten) und TV-Serien von 2001 bis
Heldengeschichten fungiert (vgl. Shohat/Stam einschließlich 2021 mit Produktionsort Deutsch-
2003: 148). land, Österreich oder Schweiz. Inhaltliche Such-
kriterien waren die Stichworte „Islam“, „Moslem“,
Neben Shaheen machen auch jüngere Untersu­ „Moschee“, „Muslim*“ sowie „muslimisch*“, wobei
chungen deutlich, dass trotz einer Diversifi­zie­ bei den letzten beiden auch Worterweiterungen
rung muslimischer Filmfiguren – so werden und -beugungen wie „Musliminnen“ oder „mus-
in neueren Filmproduktionen wie Homeland limische“ berücksichtigt wurden. Zudem wurde
(2011–2020) und Argo (2012) Muslim*innen auch anhand von Filmzusammenfassungen (Synopsen)
als loyale US-Bürger*innen oder Opfer antimus­ geprüft, ob plotrelevante Figuren als „muslimisch“
li­mischer Hasskriminalität gezeigt – Film­narrative identifiziert werden bzw. zentrale Handlungsver-
vorherrschen, die den alten Feindsymboliken eng läufe auf die Religion des Islams verweisen.161 Der
verbunden bleiben (vgl. Alsultany 2016). Untersuchungszeitraum wurde gewählt, da nach
den Anschlägen auf das World Trade Center am
Wie stellt sich dies nun in deutschsprachigen 11. September 2001 eine zunehmende filmische
Filmproduktionen dar? Da es zu dieser Frage Verhandlung des Islams im Kontext religiöser
bislang keine Untersuchungen gibt, die auf einem bzw. politischer Radikalisierung angenommen
umfassenden Datensample basierend die Frage wurde – was sich in den Ergebnissen allerdings
nach der filmischen Repräsentation muslimi- nur ansatzweise bestätigt (vgl. Alkin 2022: 26).

160 Tittelbach.tv, crew-united.com, filmportal.de, tv-spielfilm.de, imdb.com. Zudem wurden Filmfestivals mit türkisch-deutschem
Migrationsbezug nach Neuerscheinungen im Untersuchungszeitraum durchsucht.
161 Es wurden mithin nur Filme berücksichtigt, die in den Filmzusammenfassungen explizit auf den Islam verweisen. Filme, die ihren
Figuren ausschließlich nationale Identitäten (z. B. arabisch, türkisch) zuordnen, wurden nicht ins Sample aufgenommen (vgl. Alkin 2022: 12).
306 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Nach verschiedenen formalen und inhaltlichen hin untersucht wurde (vgl. ebd.: 2). Der Autor
Filterschritten162 wurde ein Datenkorpus von ins- kommt dabei zu aufschlussreichen Ergebnissen:
gesamt 83 Film- und Serienproduktionen erstellt. Schaut man zunächst auf die Zahl von Spielfilm-
und Serienproduktionen im Untersuchungs­
Alkins Studie basiert auf einer Triangulation von zeitraum, zeigen sich interessante Konjunkturen
quantitativen und qualitativen Analyseschritten, (vgl. Abb. 10.1). Erkennbar sind drei Ausschläge
wobei das Filmmaterial einerseits mittels „close um die Jahre 2010, 2014 sowie 2017, in denen im
reading“-Verfahren auf seine Inhalte und Deu­ Vergleich zu den unmittelbaren Vor- und Folge-
tungsangebote sowie mittels „distant reading“ jahren viele Filmproduktionen starteten.163
auf seine strukturellen Produktionsbedingungen

Abbildung 10.1: Zahl der Film- und Serienproduk­tionen mit explizitem Islambezug, 2001–2021

Jahr Zahl 14
2002 1
2003 1
12
2004 3
2005 2
2006 1
10
2007 3
2008 3
2009 2
8
2010 6
2011 1
2012 4 6
2013 5
2014 6
2015 4 4
2016 8
2017 12
2018 11 2
2019 5
2020 4
2021 1 0
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
02

03

04

05

06

07

08

09

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

Gesamtzahl 83
20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

20

Quelle: Alkin 2022: 15.

Alkin bietet hierzu verschiedene Interpretatio- „Die Jahre nach den Anschlägen [vom] 11. Sep-
nen an. Die Frage, inwiefern sich im gezeigten tember 2001, die für die diskursive Konstruktion
Filmoutput eine fiktionale Nachverhandlung der des Islams und von Muslim:innen als eine Kehrt-
Anschläge vom 11. September 2001 zeigt, beant- wende betrachtet [werden], [haben] nicht dazu
wortet er zunächst abschlägig: geführt, dass die Verhandlung zu Themen des
Islams oder Muslimen ein besonders hohes
Ausmaß angenommen hat.“ (Alkin 2022: 14)

162 Nicht berücksichtigt wurden nicht-deutschsprachige Produktionen sowie dokumentarische Formate. Die Synopsen wurden auf
Figuren- und Handlungsebene nach expliziten Islambezügen durchsucht.
163 Da laut Autor von einer Produktionszeit von mindestens ein bis vier Jahren auszugehen ist, reagieren Filmdiskurse, wenn überhaupt,
immer mit einer gewissen Verzögerung auf aktuelle soziopolitische Ereignisse und Entwicklungen. Methodisch wurde sich dafür
entschieden, die Produktionsanfangszeiten der Filme und Serien festzuhalten (vgl. Alkin 2022: 15).
Kultur 307

Berücksichtige man jedoch die z. T. mehrjährigen „Es lässt sich also die These konstatieren, dass
Produktionszeiten, könnten die Jahre nach 2001 ab den 2015er Jahren muslimische Kulturen
auch als „Latenzphase“ verstanden werden, in im deutschsprachigen Raum und damit ihre
der entsprechende Filme bereits produziert, aber Themen in filmmedialen Kommunikations-
noch nicht ausgestrahlt würden. Alkin vermutet zusammenhängen verstärkt als Handlungs-
zudem eine besondere Zurückhaltung aufseiten motiv auftreten“ (ebd.: 16).
der deutschen Fernsehredaktionen in diesen
Jahren, sich dem Terrorismus-Thema fiktional Dabei habe u. a. auch das Narrativ „des Schläfers“
zu nähern. So habe es erst 2004 den vom SWR (ebd.) – die Vorstellung stiller dschihadistischer
koproduzierten Film Schläfer (2004) gegeben, Akteur*innen, die jederzeit aktiviert werden und
andere themenverwandte Filme wie September Anschläge in Deutschland verüben könnten –
(2002) und Zelle (2007) seien unabhängig, d. h. filmisch an Bedeutung gewonnen. In dieser Beob-
ohne die Beteiligung von Fernsehredaktionen, achtung zeigt sich die oben theoretisch einge­
entstanden (vgl. ebd.: 15). Hierin zeigt sich eine führte Eigenschaft populärkultureller Medien,
leichte zeitliche Nachrangigkeit populärkultu- gesellschaftspolitische Diskurse aufzugreifen und
reller gegenüber journalistischen Islamdiskursen, zu verarbeiten. Statt der landläufigen Behauptung,
die ja strukturell auf eine tagesaktuelle Bericht- Spielfilme seien „nur Unterhaltung“ und damit
erstattung – zumindest in den Nachrichten- politisch irrelevant, bestätigt sich in den Ergebnis-
formaten – ausgerichtet sind. Mit Blick auf die sen Alkins, dass sich gesellschaftliche Wandlungs-
gesellschaftliche Reichweite filmischer Islamdar- prozesse – wie sie etwa im Zusammenhang mit
stellungen bieten diese jedoch gerade durch ihr Migrationsbewegungen entstehen können – auch
späteres Erscheinen die Chance, problematische in fiktionalen Medien niederschlagen. Diese wer-
Wahrnehmung erneut aufzugrei­fen und so lang- den damit zu einer weiteren Plattform für gesell-
fristig im kollektiven Gedächtnis zu verankern. schaftliche Selbst- und Fremdwahrneh­mungen,
was sie als Untersuchungsgegenstand sozial- und
Vergleicht man die beiden Untersuchungsdekaden medienwissenschaftlicher Betrachtun­gen überaus
miteinander, zeigt sich, dass sich die Zahl der relevant macht.
Filme und Serien mit Islambezug nahezu verdrei­
facht hat: Zwischen 2001 und 2011 wurden Schaut man nun genauer auf die Themen der
23 Sendungen produziert, zwischen 2012 und untersuchten Filme, so macht Alkins Studie
2021 ganze 60. Dennoch lassen sich daraus keine deutlich, wie sehr auch fiktionale Stoffe einer
Schlüsse über die Bedeutung des Themas in der konfliktzentrierten Wahrnehmung des Islams
deutschsprachigen Unterhaltungslandschaft zie- verhaftet sind. Mittels Themenclusterung wird
hen, da hierfür Vergleichsdaten zum generellen, deutlich, welche Inhalte die Sendungen verhan­
themenübergreifenden Output hinzugezogen deln (vgl. ↗ Abb. 10.2).
werden müssten. Nichtsdestotrotz zeigen sich laut
Alkin einige Parallelen zu gesellschaftlichen Ent-
wicklungen. So sei davon auszugehen, dass mit
den Migrationsbewegungen aus mehrheitlich
muslimischen Ländern ab 2015 auch zunehmend
filmische Bezugnahmen entstanden seien:
308 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abbildung 10.2: Verteilung der Filme auf die ermittelten Themencluster, 2001–2021

Anzahl der Filme/Serien, die thematisch einen Hauptbezug haben zu … (2001–2021)

Identitätskrise
Islam vs. Moderne
5
Konversion ohne
Anschlagsabsicht
5
Unterdrückung
der Frau im Islam
6
Anschläge vom
11. September 2001
10
Ausländischer
Kriegszusammenhang
16

Culture Clash 19
Terroristischer Anschlag
Inland, Radikalisierung
22

0 Gesamtzahl der Filme


5 = 83 10 15 20 25

Quelle: Alkin 2022: 22.

Hier zeigt sich, dass knapp 90 Prozent der unter- kulturelle Passfähigkeit. Der mediale Diskurs ist
suchten Filme einen thematischen Negativbezug damit überwiegend auf Konflikt- und Ausnahme-
zum Islam aufweisen: Mehr als die Hälfte beschäf­ themen verengt.
tigt sich mit Krisen- und Konfliktthemen im In-
und Ausland (insg. 48 Produktionen über Terror- Eine Kategorisierung der Filme nach Genres
anschläge und Radikalisierung, Kriege im Ausland bestätigt den Negativfokus des Untersuchungs-
sowie 9/11), ein weiteres Drittel widmet sich Kul- materials: Mehr als die Hälfte sind Dramen
turdifferenzen und dem Thema Frauenunter- (50,6 %), ein knappes Drittel Kriminalfilme bzw.
drückung im Islam (insg. 25 Produk­tionen). Beim Thriller (31,3 %) und
Thema „Culture Clash“ ergibt Alkins qualitative
Analyse, dass die Thematisierung des Islams „als „nur etwa 18 % der Filme verhandeln das Thema
religiös-kulturelle[s] Phänomen“ zumeist in ‚Islam‘ überhaupt komödiantisch und lassen
gegensätzlicher Beziehung zu „christlichen wie sich so als möglicherweise pro-islamische
jüdischen Kulturzuschreibungen“ (Alkin 2022: Versöhnungsgeschichten religiös-kultureller
25) erfolgt, wobei der Islam dabei als kulturell Differenzen lesen“ (ebd.: 24).
unvereinbar konstruiert werde. In diesen Ergeb-
nissen lässt sich eine Fortsetzung konfliktorien- Da die Genres Krimi und Drama mit überwiegend
tierter Ausnahmethematiken erkennen, wie negativen Spannungsgefühlen verknüpft seien,
sie auch für die Islamberichterstattung traditionel- die sich mitunter erst am Ende des Films kathar-
ler Medien charakteristisch sind (vgl. Kapitel ↗ 7). tisch auflösten, hätten die Filme laut Alkin ein
Statt das große Spektrum muslimischer Lebens- gewisses Potenzial, den Islam als Konfliktthema
welten auf dem Bildschirm sichtbar zu machen in die Wahrnehmungen der Zuschauer*innen
und auch Alltagsthemen zu verhandeln, konzen- einzuschreiben. Dies ist umso wahrscheinlicher,
trieren sich sowohl fiktionale als auch journa- als es sich bei den untersuchten Sendungen
listische Darstellungen des Islams auf Themen- um reichweitenstarke Produktionen mit einem
kontexte rund um Gewalt, Konflikte und fehlende Marktanteil von etwa 10 bis 20 Prozent han-
Kultur 309

delt (vgl. ebd.: 21). In diesem Umstand liegt eine Ähnlichkeiten zwischen populärkulturellen und
gewisse Gefahr, dass sich die auf filminhaltlicher journalistischen Islamdarstellungen. Beide schei-
Ebene angesiedelten Kulturalismen über den nen auf denselben stereotypen Bilderkanon
Islam (‚die passen nicht zu uns‘) auf Zuschauer*in- zurückzugreifen – die gesichtslose Burkaträgerin
nenseite fortsetzen. Zwar sind aus theoretischer und der bärtige Dschihadist werden so zu kollek-
Sicht verschiedene Lesarten eines Films möglich tiven Ikonen, die tief in die gesellschaftliche Vor-
und es sind letztlich die Zuschauer*innen selbst, stellungswelt über den Islam und Muslim*innen
die zwischen Erzählstoff und eigenen Interpretati- hineinragen.
onen Bedeutungen herstellen. Die Verbindung aus
problematischen Inhalten und konfliktzentrierten Alkins Untersuchung liegt die Frage zugrunde,
Genres (Krimi, Thriller, Drama) legt jedoch die inwiefern fiktionale Islamdarstellungen durch
Übernahme des Erzählten durch die Zuschauer*in- nachrichtenmediale Diskurse geprägt sind. Dies
nen besonders nahe. lässt sich mit Blick auf seine Ergebnisse bestätigen:

Aufgrund der besonderen Medialität des Films, „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Spielfilme
die auch das fiktional Dargestellte als realistisch sowie fiktionale Serien anderen rassistischen
erscheinen lässt – audiovisuelle Zeichen sind Dynamiken der Medienwelten zuspielen. Bild-
den realweltlichen Objekten besonders ähnlich –, kulturelle Dynamiken, die aus andersmedialen
betrachtet die Studie abschließend auch einige Zusammenhängen bekannt sind, werden auf-
hervorstechende visuelle Strategien und Stereo- gegriffen und fortgeführt. Die Repräsentation
type. Dabei arbeitet Alkin heraus, dass etwa Droh- von Muslim:innen ist mit emotionalen Erfah­
nenbilder über Städten im Kontext sogenannter rungen verknüpft, die vermehrt mit Gefühlen der
„Anschlagskrimis“ eine besondere Bedrohungs- Anspannung und Angst verknüpft sind.“ (Ebd.: 35)
angst erzeugten. Diese sei diskursiv verknüpft
mit dem oben bereits beschriebenen Narrativ des Der Autor weist dabei an verschiedenen Stellen
dschihadistischen „Schläfers“, der sich überall seiner Studie auf analytische Limitierungen hin:
verstecken und jederzeit aktiviert werden kann. zum einen, dass sich die Bedeutungen der Filme
Weitere visuelle Elemente sind muslimische nicht abschließend bestimmen ließen, da sie
Kopfbedeckungen, die nicht nur zur Markierung letztlich in der Interaktion mit den Zuschauenden
muslimischer Frauen eingesetzt würden (kaum entstünden und von deren Lesarten abhingen
ein Film komme ohne sie aus), sondern auch (s. o.); zum anderen, dass aufgrund der Auswahl­
zur filmischen Identifikation von „Ghettos“ und kriterien nicht alle Filme berücksichtigt werden
„Ausländervierteln“: Das Kopftuch werde dabei konnten, die Islam-Repräsentationen beinhalte­
zum visuellen Mittel für „städtische Orte der Aus- ten und mithin kein lückenloser Datenkorpus
grenzung“ (ebd.: 30–31). Moscheen erschienen zugrunde liege. Schließlich sei auch darauf hin-
zudem als bedrohliche Räume, die durch eine gewiesen, dass in einer Untersuchung von Filmen
Inszenierung in grünlichem Licht an Folterkeller mit Islambezug ein solcher auch explizit vorliegen
moderner Horrorfilme erinnerten. Diese Bild- müsse. Filmfiguren, die nicht in irgendeiner Weise
ästhetik weist Ähnlichkeiten mit Islam-Covern muslimisch markiert seien, fielen automatisch
auf, wie sie wiederholt auf großen deutschen aus dem Betrachtungsfokus des Untersuchenden
Nachrichtenmagazinen erschie­nen sind: Grimmig heraus. Dies stelle insofern ein Problem dar, als
dreinblickende Dschihadisten mit langen Bärten, mögliche filmische Normalisierungen von Mus-
gewaltbereite Anhängerschaften, Maschinen­ lim*innen als selbstverständliche Gesellschafts-
pistolen, anonyme Burkaträgerinnen, dunkle mitglieder nur sehr schwer untersucht werden
Bildhintergründe. Auch hier zeigen sich auffällige könnten (vgl. Alkin 2022: 7–10, 12, 26–30).
310 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Trotz der berechtigten Methodenreflexion des Zu den wesentlichen Ursachen für dieses Phäno-
Autors zeigt sich in der Zusammenschau der Stu- men zählt, dass auch der hochkulturelle Bildungs-
dienergebnisse ein düsteres Bild der filmischen kanon in Deutschland eurozentrisch geprägt
Präsenz des Islams. Eine auf Problemthemen sein kann. Dabei sind die Bühnentraditionen mit
verengte Themenpalette, ein Übergewicht kon- Blick auf das Islambild bis in die Gegenwart selten
fliktzentrierter Genres und eine Bildästhetik, die ernsthaft reflektiert worden. Erste, in den letzten
bekannte Ikonen aus dem Bildjournalismus Jahren stattfindende Debatten über Strukturellen
aufgreift, setzen der – grundsätzlich positiven – Rassismus an deutschen Theatern zeigen, dass
Tatsache, dass der Islam zunehmend zum Thema vertiefte Analysen in diesem Feld überfällig sind.
filmischer Erzählungen avanciert, einiges an Zugleich gibt es Hinweise darauf, dass das Theater
Negativgewicht entgegen. Insgesamt unterschei­ sich bereits auf dem Weg einer grundlegenden
det sich das Islambild der Unterhaltungsmedien Erneuerung befindet und vereinzelt als Ort eines
wenig von dem des klassischen Journalismus – neuen „postmigrantischen“ Ansatzes fungiert (vgl.
und das trotz ihres enormen Potenzials, neue und Haakh 2021). Können vom Theater gesellschaft-
innovative Geschichten zu erzählen. liche Anstöße für eine Reform muslimfeindlicher
Wahrnehmungstraditionen ausgehen, die über-
kommene Repräsentationen in Frage stellen?
10.2 Muslimfeindlichkeit im Kann das Theater der Gegenwart und Zukunft
deutschen Theater sogar zu einer Avantgarde der kulturellen Erneue-
rung werden?
Mehr als 70 Prozent der Besucher*innen von
Theatern und Opernhäusern können laut aktu- Der UEM verfügt nur über sehr begrenzte Mittel,
ellen Erhebungen einen formalen akademischen dieses innovative Feld aufzuarbeiten. Aus diesem
Abschluss vorweisen, knapp 60 Prozent sind dabei Grund sieht er sich weder personell noch finan-
weiblich (vgl. Kliment 2016). Wenngleich man sich ziell in der Lage, eine umfassende Erforschung des
über die genaue Abgrenzung von Populär- und Islambilds auf deutschen Bühnen zu leisten. Das
Hochkultur trefflich streiten kann, scheint die folgende Unterkapitel unternimmt dennoch den
soziale Zusammensetzung des Theaterpublikums Versuch, einen ersten Einblick in zeitgenössische
eine eindeutige Sprache zu sprechen. Dies hat zur Entwicklungen unter Zuhilfenahme von Erfah-
Folge, dass das Theater als anscheinend gesell- rungsberichten von Praktiker*innen und theater-
schaftliche „Nischenveranstaltung“ – anders als wissenschaftlichen Studien zu geben. Zudem
andere Bereiche der Populärkultur wie etwa Film wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das
und Fernsehen – bislang kaum im Fokus der Ras- sowohl Stadt- und Staatstheater, freie Theater als
sismusforschung lag (vgl. Sharifi 2022: 3). Der For- auch Kinder- und Jugendtheater in Deutschland
schungsstand zum Thema Muslimfeindlichkeit einer Überblicksanalyse unterzieht und das den
auf deutschen Bühnen ist damit deutlich begrenz- nachstehenden Text in hohem Maße informiert:
ter als in den meisten anderen vom UEM unter-
suchten Feldern (vgl. u. a. Haakh 2021; Sharifi • Gutachten „Theater und Islam: Die Repräsen-
2016; Meyer 2016). Dies ist umso erstaunlicher, als tation des Islams und von Muslim*innen im
die mögliche Annahme, formal höher gebildete deutschen Theater“ (University of Toronto).
Menschen seien weniger rassistisch, zumindest im
Bereich der Muslimfeindlichkeit nicht begründet
ist: Auch in gebildeteren Milieus sind antimus­
limische Einstellungen deutlich ausgeprägt (vgl.
K. Hafez/Schmidt 2015: 59–61).
Kultur 311

10.2.1 Eine theoretische Einordnung der untersucht und damit auch die Mechanismen in
Analyseergebnisse den Blick genommen werden, die – bewusst oder
unbewusst – Muslimfeindlichkeit (re-)produzieren,
Im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen ist eine solche Tiefenanalyse angesichts des noch
steht die Frage, in welchen Themenbereichen der defizitären Forschungsstands im Bereich Theater
Islam und Muslim*innen auf deutschen Bühnen nicht möglich gewesen. Damit ist die folgende
verhandelt werden. Es geht damit um eine erste Analyse auch nicht als ein Beitrag zu den sehr
Einschätzung der thematischen Sichtbarkeit des intensiv geführten Debatten über Rassismus hin-
Islams im deutschen Theater. Der theoretische ter den Kulissen von Theatern zu verstehen, die
Zugang zum Problem der Muslimfeindlichkeit im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung ent-
ist damit jedoch auf vielfältige Weise begrenzt, standen sind. Im Jahr 2021 kam es etwa zum Streit
weil weder alle Aspekte des „Bühnentextes“ noch über die geplante Düsseldorfer Inszenierung von
Aspekte des Strukturellen Rassismus berücksich- „Dantons Tod“, wobei die rassistischen Erfahrun-
tigt werden können. gen von Schauspieler*innen während der Proben
im Vordergrund standen (vgl. Slevogt 2021).
In diesem Kontext ist an die verschiedenen Ebe-
nen rassistischer Äußerungen zu erinnern, die Grundsätzlich ist es sehr wohl möglich, dass sich
sich prinzipiell nicht nur in stereotypen und durch die Routinen einer z. T. grenzüberschreiten-
abwertenden Generalaussagen („alle Muslim*in- den und doch streng hierarchisch organisierten
nen sind …“, „Der Islam ist …“), sondern auch in Schauspieltätigkeit rassistische Praktiken tradie-
Begriffen, Symbolen und verhandelten Thema- ren – ebenso wie dies im Felde des Sexismus der
tiken – also eher in den narrativen Strukturen Fall ist. Man kann auch nicht behaupten, dass in
eines Diskurses als in Einzelaussagen – bemerkbar einem Land wie Deutschland die Zusammen-
machen können (vgl. Kapitel ↗ 2). Diese feinere setzung der Theatermachenden die Diversität der
Ebene der Aussagenanalyse – also die Art, wie Bevölkerung automatisch abbildet – auch wenn es
etwas und nicht was dargestellt wird – verlangt hierzu weiterführender Untersuchungen bedarf.
nach Tiefenanalysen von Bühnentexten, die Dabei ist die Frage der (Selbst-)Repräsentation
derzeit noch kaum vorhanden sind. Derartige auf der Bühne auch dann zu stellen, wenn man
Untersuchungen sind schwierig, da Dramen berücksichtigt, dass künstlerische Rollenüber-
und ihre Texte in ihrer komplexen Aussagekraft nahmen ganz andere Möglichkeiten erzeugen, als
untersucht werden müssten, was z. B. auch iro- sie etwa im Feld der Politik gegeben sind, wo trotz
nische Brechungen und gezielte Provokationen aller Gefahren einer künstlichen Ethnisierung
zum Zwecke der Freilegung stereotyper Muster durch Quoten etc. die Selbstrepräsentation von
beinhalten würde. Ob ein Theaterstück also gän- Migrant*innen und Minoritäten ein erklärtes Ziel
gige Stereotype reproduziert oder aber ethnische sein muss.
Zuschreibungsmuster enttarnt und neu verhan-
delt (vgl. Voss 2017), kann die folgende Analyse In einer ersten Bilanzierung wird es nachfolgend
nicht beantworten. Auch komplexe Akteur*in- um „hegemoniale Narrative“ sowie kritische
nenkonstellationen und Dramenfiguren bleiben Gegendiskurse gehen, wie sie von Dr. Azadeh
unberührt. Sharifi in ihrem für den UEM gefertigten Gutach-
ten vorgelegt werden (2022: 5). Im Mittelpunkt
Auf eine zweite theoretische Einschränkung steht dabei die Frage nach den vorherrschenden
ist ebenfalls hinzuweisen. Während in anderen Themensetzungen beim Thema Islam sowie
Teilen des vorliegenden Berichts der Aspekt des nach den sich seit einigen Jahrzehnten heraus-
Strukturellen und Institutionellen Rassismus bildenden diversitätsorientierten Strömungen auf
312 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

deutschen Bühnen, die üblicherweise unter dem renzzuschreibungen (‚wir‘ vs. ‚die Muslim*innen‘)
Begriff des postmigrantischen Theaters zusam- finden nicht außerhalb konkreter Theaterpraxis
mengefasst werden (vgl. Haakh 2021). statt. Vielmehr muss die Konstruktion und Insze-
nierung „muslimisierter Körper“ auf deutschen
10.2.2 Islam und Muslim*innen Bühnen (Haakh 2021) als Verhandlungsfläche
auf deutschen Bühnen gesellschaftlicher Wir-Narrative und damit ver-
bundener kulturpolitischer Debatten verstanden
Die zeitliche Perspektive der vorliegenden Ana- werden (vgl. Sharifi 2022: 6). Dabei wandelte
lyse und des beauftragten Gutachtens setzt zu sich die stereotype Darstellung muslimischer
Beginn der 1960er-Jahre ein, insbesondere mit Menschen auf deutschen Bühnen erst in den
dem Anwerbeabkommen zwischen Deutschland letzten Jahren zu einer differenzierteren Ausein-
und der Türkei, denn auch Künstler*innen und andersetzung mit dem Islam und muslimischen
Kulturschaffende sind damals nach Deutschland Lebenswelten. Dies hat unter anderem damit zu
gezogen (vgl. Sharifi 2022: 4). Trotz institutioneller tun, dass im deutschen Theaterbetrieb – obwohl
Diskriminierung durch mangelnde gesellschaft- immer noch von „exklusiven Zugangsmechanis-
liche Anerkennung und fehlende Zugänge zu men“ geprägt – die „Partizipation von Angehö-
Produktions- und Präsentationsorten fanden jene rigen weniger privilegierter oder als minoritär
die Möglichkeit, Theater zu spielen und Theater- konstruierter, marginalisierter Gruppen deutlich“
häuser wie das Arkadaş Theater in Köln (inzwi- zunimmt (Haakh 2021: 14).
schen geschlossen) oder das Tiyatrom in Berlin zu
gründen (vgl. ebd.). Nichtsdestotrotz waren mus- 10.2.2.1 Stadt- und Staatstheater
limische Künstler*innen sowie diejenigen, die als
solche wahrgenommen wurden, bis in die 1980er- Eine Statistik zur Zahl muslimischer Künstler*in-
Jahre mehrheitlich auf stumme Nebenrollen und nen in deutschen Theatern existiert nicht. Den-
Statist*innen-Aufgaben beschränkt (vgl. ebd.: 6). noch legt die Recherche einiger Websites „öffent-
lich getragener Theater“ (Deutscher Bühnenver-
Erst mit der Neueröffnung des Berliner Theaters ein o. J.) nahe, dass jene in deutschen Stadt- und
Ballhaus Naunynstraße im Jahre 2008 wurde eine Staatstheatern noch immer unterrepräsentiert
breitere gesellschaftliche Wertschätzung der künst- sind (vgl. Sharifi 2022: 9). Auch die Veranstal-
lerischen Arbeit von migrantischen Künstler*in- tungsreihe „Islam im Theater – Theater im Islam“
nen maßgeblich eingeleitet (vgl. ebd.: 5). Dass mus- des Staatstheaters Mannheim164 setzt an diesem
limische Theaterschaffende etwa ab dem Jahr 2000 Umstand an:
auf den Bühnen sichtbarer wurden, hängt dabei
mit übergreifenden gesellschaftlichen Prozessen „Mit Blick auf die ca. 5–6 % Muslim*innen
zusammen, wie der politischen Anerkennung, hierzulande lässt sich feststellen, dass diese
dass Deutschland eine Migrationsgesellschaft ist, auf deutschen Theaterbühnen nur selten als
und der beginnenden Auseinandersetzung mit zugehöriger Teil der Gesellschaft vorkommen
der deutschen Kolonialvergangenheit, sowie mit oder in historischen Stoffen meist in stereotyper
dem sozialen Aufstieg muslimischer Menschen in Weise repräsentiert werden.“ (Nationaltheater
leitende Positionen deutscher Theater. Mannheim 2022)

Diskurse über religiöse Zugehörigkeit und häufig Der Islam scheint auf deutschen Theaterbühnen
mit ihnen einhergehende kulturalistische Diffe- noch immer v. a. als „Lücke im Spielplan“ (Schopp

164 In Kooperation mit der Muslimischen Akademie Heidelberg.


Kultur 313

2022) in Erscheinung zu treten. Die existierenden Hans Neuensfelsʼ „Idomeneo“-Inszenierung von


islambezogenen Theaterdiskurse werden zudem Wolfgang Amadeus Mozart (2003) an der Deut-
überwiegend von nicht-muslimischen Akteur*in- schen Oper Berlin kann hier, auch aus der Sicht
nen gestaltet (vgl. Sharifi 2022: 9). Belegt ist, dass von Sharifi (vgl. 2022: 9–10), als ein Wendepunkt
antimuslimische Narrative, wie das der ‚Islamisie- in der öffentlichen Wahrnehmung islamstereo-
rung‘, in gewisser Regelmäßigkeit auf deutschen typer Theaterstücke betrachtet werden. Das Stück,
Theaterbühnen verhandelt werden. So etwa in in dem die abgeschlagenen Köpfe der Propheten
verschiedenen Theateradaptionen des Romans Mohammed und Jesus sowie Buddha und Poseidon
„Unterwerfung“ von Michel Houellebecq, in dem gezeigt wurden, sowie die sich anschließende
die Angst vor dem Wiedererstarken faschistischer öffentliche Debatte um dessen Absetzung erzeug-
Parteien sowie vor einer „Islamisierung Europas“ ten große mediale Aufmerksamkeit. Nachdem die
fiktiv bearbeitet wird (vgl. ebd.: 15). Kritiker*innen Intendantin der Deutschen Oper vom damaligen
der Inszenierungen bemängeln, dass in ihnen eine Berliner Innensenator vor einer „ernstzuneh-
klare Abgrenzung zwischen dem Eigenen und mende[n] Bedrohung“ durch dschihadistische
dem Fremden reproduziert wird (vgl. Disselhorst Akteur*innen gewarnt wurde, entschied sie, die
2016). Sharifi beanstandet zudem das Fehlen einer Produktion abzusetzen (Friedrich 2006). In der
kritischen Auseinandersetzung anschließenden Debatte wurde der Vorwurf laut,
dies gefährde „bürgerliche Freiheiten“, insbeson­
„mit den problematischen Setzungen der dere das Recht auf Kunstfreiheit (ebd.). Eine
Romanvorlage […], von denen vor allem die selbstkritische Auseinandersetzung mit Antimus-
Konstruktion des ‚Abendlandes‘ als intellektuell limischem Rassismus fand hingegen nicht statt
‚überlegenes‘ Projekt zur (post[-])kolonialen (vgl. Sharifi 2022: 10).
Rechtfertigung jahrhundertelanger Ausbeu­
tungsverhältnisse und die Entmenschlichung der Der Skandal um „Idomeneo“ verstärkte nicht nur
rassifizierten Anderen zu thematisieren wären“ kurzfristig neue Entwicklungen im freien Theater
(2022: 16). (s. u.), sondern trug langfristig auch zu positiven
Veränderungen an Stadt- und Staatstheatern bei.
Dabei ist die theatralische Bearbeitung des ‚Isla- So wurde Shermin Langhoff 2013 Intendantin
misierungs‘-Narrativs grundsätzlich legitim und am Berliner Maxim-Gorki-Theater, womit eine
kann Teil einer zulässigen Islamkritik sein, die „andere Form der Selbstrepräsentation von Mus-
allerdings nicht mit Muslimfeindlichkeit ver- lim*innen und muslimisierten Theaterschaffen-
wechselt werden sollte (vgl. Unterkapitel ↗ 2.6). den“ begann (ebd.: 11). Dies habe zudem auch an
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die künstleri- anderen Theatern, auf Podien und in Diskussions-
sche Bezugnahme auf das „Feindbild Islam“, wie reihen zu einer selbstreflektierteren und kriti-
es im Rahmen von Mediendiskursen unter ande- scheren Auseinandersetzung mit der Repräsen-
rem durch eine Engführung auf islambezogene tation des Islams und von Muslim*innen geführt.
Konfliktthemen entsteht (vgl. Kapitel ↗ 7), nicht Eines der Ergebnisse dieser Entwicklung sei die
einer offenen und unvoreingenommenen Annä- Zusammenarbeit verschiedener Theater mit dem
herung an das Thema Islam widerspricht. Wenn Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“, aus
sich Theaterproduktionen überwiegend an einer dem mehrere Theaterstücke über die Morde der
konfliktären Islamagenda orientieren, laufen sie rechtsterroristischen Vereinigung Nationalsozia­
Gefahr, die Kriterien diskursstruktureller Rassis- listischer Untergrund (NSU) hervorgingen: so
men zu erfüllen (vgl. Kapitel ↗ 2). etwa „Die Lücke“ (2014) von Nuran David Calis am
Schauspiel Köln, „Urteile“ (2014) von Azar Mortazavi,
Christine Umpfenbach und Tunay Önder am
314 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Residenztheater München oder „Fahrräder könn- Zaimoğlu und Günter Senkel Premiere feierte.
ten eine Rolle spielen“ (2012) von Sasha Marianna Das Stück besteht aus Monologen, die die Autoren
Salzmann und Deniz Utlu am Ballhaus Naunyn- auf Basis von Interviews mit jungen Musliminnen
straße (vgl. ebd.: 11–12). entwickelten (vgl. Ballhaus Naunynstraße 2023).
Die Figuren tragen keine Namen, sondern unter-
Darüber hinaus sind jüngere Mozart-Inszenierun- scheiden sich durch ihre nationale Zugehörigkeit
gen mitunter deutlich rassismussensibler. So ver- sowie in der Art des Auslebens ihrer Religiosität,
wendete Luk Perceval in seinem Stück „Die Ent- wobei ihr Glaube freiwillig und Teil eines Eman-
führung aus dem Serail“ (2022) den Roman „Der zipationsprozesses sei (vgl. Sharifi 2022: 19). Dabei
wundersame Mandarin“ von Aslı Erdoğan, um würden neben elterlichen und gesellschaftlichen
sich kritisch mit rassifizierenden Zuschreibungen Vorstellungen auch innermuslimische Perspek­
und den ursprünglich orientalistischen Figuren- tiven kritisiert. Zugleich finde eine kritische
zeichnungen auseinanderzusetzen (vgl. ebd.: 12; Abgrenzung gegenüber der ‚westlichen Welt‘
Rothschild 2022). statt. Insgesamt werden die Protagonistinnen zu
Persönlichkeiten, die mit patriarchalen Normen
Trotz jener positiven Entwicklungen ebbt die brechen und sich damit dem Bild der unterwür­
Debatte darüber, welche Inszenierungen einer figen Muslimin entziehen (vgl. ebd.: 20).
vielfältigen Migrationsgesellschaft angemessen
sind, bis heute nicht ab. So bezeichnete die dama- Weitere Beispiele für das Anstoßen rassismuskri-
lige Direktorin des Berliner Ensembles den Pro- tischer Diskurse im Bereich der freien Szene sind
test gegen eine Veranstaltung mit Thilo Sarrazin das Theaterzentrum Kampnagel in Hamburg und
im Jahr 2014 als „Meinungsterror“ (vgl. Nachtkri- das Theaterkollektiv Markus&Markus. Ersteres
tik 2014). Das Recht auf Kunst- und Meinungsfrei- regte durch verschiedene Aktionen für illegali-
heit wird hier in ähnlich ausschließlicher Weise sierte, geflüchtete Menschen in Hamburg einen
gegenüber den Diskriminierungserfahrungen Diskurs über eine solidarische Gestaltung des
muslimischer Personen verteidigt, wie dies etwa öffentlichen Raums an (vgl. Theater der Zeit 2016).
im Falle der sogenannten Mohammed-Karikatu- Markus&Markus thematisierten 2018 in ihrer Per-
ren erfolgte (vgl. Unterkapitel ↗ 4.6). Verschiedene formance „Zwischen den Säulen“ ihre zweijährige
Interventionen, auch seitens muslimischer und Recherchearbeit zum Thema Islam, wobei sowohl
muslimisch wahrgenommener Theaterschaffen- die eigene christliche Sozialisation als auch das
der, machten auf diesen Umstand aufmerksam Konvertieren zum Islam verhandelt wurde. Dazu
(vgl. Sharifi 2022: 11). Sharifi: „Die Performance ist ein differenzierter
Versuch, stereotype Bilder und Vorstellungen
10.2.2.2 Freie Theater sowie antimuslimische[n] Rassismus aus einer
weißen Perspektive zu hinterfragen und die eigene
Insgesamt findet in der freien Szene eine weitaus Un-Wissenheit sichtbar zu machen.“ (2022: 13)
differenziertere Auseinandersetzung mit dem
Islam und muslimischer Repräsentation statt 10.2.2.3 Kinder- und Jugendtheater
als in Stadt- oder Staatstheatern. Sharifi zufolge
hätten freie Produktionshäuser deutlich früher Das Kinder- und Jugendtheater ist aufgrund
„eine stärkere Diversität von Künstler*innen und seiner Zielgruppe vergleichsweise früh mit dem
Theatermachenden zugelassen“ (2022: 12). Ein Themenkomplex Islam und Muslim*innen in
Beispiel sei das Festival „Beyond Belonging“, das Berührung gekommen (vgl. ebd.). Sein junges
2006 erstmals stattfand und auf dem das Thea- Publikum repräsentiert die postmigrantische
terstück „Schwarze Jungfrauen“ von Feridun Realität Deutschlands stärker als andere Alters-
Kultur 315

gruppen. So hatten im Jahr 2021 in Deutschland Ein Beispiel ist das Berliner Kooperationsnetz-
40,4 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren einen werk TUSCH, das zwischen Schulen und Theatern
„Migrationshintergrund“ (vgl. Statistisches Bun- vermittelt und dabei Schüler*innen als aktive
desamt 2022: 39). Es könne also davon ausgegan- Theatermacher*innen ansprechen und einbinden
gen werden, „dass beinahe die Hälfte des jungen will (vgl. Tusch Berlin o. J.).
Publikums Migration als Teil der eigenen Biogra-
phie mitbring[e]“ (Sharifi 2022: 13). Darunter seien Zudem findet auch im Kinder- und Jugendtheater
viele Kinder und Jugendliche, die muslimischen eine Auseinandersetzung mit dem ‚Islamisierungs‘-
Glaubens sind oder als muslimisch wahrgenom- Narrativ statt, etwa in Stücken wie „Inside IS“ von
men werden. Yüksel Yolcu (2016) oder „Dschihadista“ (2018) von
Nicole Oder. Fraglich bleibt jedoch, ob diese The-
Zu den Theaterstücken, die sich gezielt mit stereo- mensetzung der kulturellen Bildung eines jungen
typen Narrativen über den Islam beschäftigen Publikums dient oder eher die Angst der mehr-
und sich dabei an eine junge Zielgruppe wenden, heitlich nicht-muslimischen deutschen Theater-
zählt etwa „Keiner hat mich gefragt“ (2011) von macher*innen vor der Radikalisierung junger mus-
Asma Zaher, Ahmed Shah und Esther Jurkiewicz. limischer bzw. als muslimisch wahrgenommener
Das Stück, das 2011 auch auf das Theatertreffen Menschen veranschaulicht (vgl. Sharifi 2022: 16).
der Jugend eingeladen war, erzählt von der Lebens-
realität einer jungen Muslimin und behandelt Trotz dieser Fortschreibung problemorientierter
Islamthemen im Kinder- und Jugendtheater lässt
„Themen wie Zwangsheirat, gesellschaftliche sich im Bereich der Theaterpädagogik eine klare
Strukturen, Diskriminierung an Frauen mit Kopf- Diskursverschiebung erkennen, in der macht-
tuch und Fragen der Integration in Deutschland und diskriminierungskritische Perspektiven
sowie den alltäglichen Rassismus gegenüber Aus- in den Mittelpunkt rücken (vgl. Falk/Schüler/
länder/-innen, insbesondere denjenigen, die einen Zinsmaier 2022). Sharifi nennt hier etwa das
muslimischen Hintergrund haben“ (Bundeswett- Theatertreffen der Jugend, das sich in seinem Pro-
bewerb der Berliner Festspiele 2012: 17). gramm 2022 „mit Themen wie gesellschaftlichen
Ungleichheiten, Diskriminierung von Minder­
Auch dem Regisseur Tuğsal Moğul geht es im heiten, Klassismus, Sexismus, Migration oder
Recherchestück „Deutsche Konvertiten“ (2016) um ungleichen Zugangschancen auseinandergesetzt“
eine differenzierte Darstellung religiöser Identi- hat (Berliner Festspiele 2022).
täten. In ihm werden Konvertit*innen auf eine
Weise dargestellt, die mit dem Bild radikaler Fana- 10.2.2.4 Postmigrantisches Theater
tiker*innen bricht und andere Perspektiven auf-
zeigt (vgl. Sharifi 2022: 17). Damit hält Moğul den Das Ballhaus Naunynstraße (seit 2008) und das
bis dahin überwiegend negativ gefärbten Debatten Maxim Gorki Theater (seit 2013), beide in Berlin,
über Konvertit*innen eine lebensnahe und unauf- bieten mit dem „selbstgewählten Label des
geregte Erzählung entgegen und regt zu mehr ‚postmigrantischen Theater‘“ wichtige Räume für
gegenseitiger Toleranz an (vgl. Westphal 2016). muslimische Künstler*innen, in denen Selbst-
ermächtigung, differenzierte Darstellungsmög-
Neben Theaterstücken, die sich an Kinder- und lichkeiten und somit Widerstand gegen hegemo-
Jugendliche richten, gibt es eine Reihe theater- niale Diskurse und darauf basierende Ausgren-
pädagogischer Initiativen, denen es um die kul- zungen ermöglicht werden (vgl. Sharifi 2022: 17;
turelle Teilhabe junger Menschen mit vielfältigen s. a. Hall 1997). Der Begriff des Postmigrantischen
kulturellen und religiösen Identitätsbezügen geht. beschreibt dabei einen gesellschaftlichen Zustand,
316 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

in dem Migration und damit einhergehende (vgl. Haakh 2021: 101). Heute gilt es als frühes
gesellschaftliche Wandlungsprozesse (politisch) Werk des postmigrantischen Theaters.
anerkannt sowie
Ein weiteres zentrales Stück ist die Produktion
„Strukturen, Institutionen und politische Kul- „Verrücktes Blut“ von Jens Hillje und Nurkan
turen nachholend (also postmigrantisch) an die Erpulat (2010), die ebenfalls am Ballhaus Naunyn-
erkannte Migrationsrealität angepasst werden, straße aufgeführt wurde. Sharifi zufolge erhält
was mehr Durchlässigkeit und soziale Aufstiege, dieses Stück seine besondere Bedeutung nicht nur
aber auch Abwehrreaktionen und Verteilungs- durch die Entlarvung stereotyper Darstellungen
kämpfe zur Folge hat“ (Foroutan 2015, Herv.i.O.). migrantischer Schüler*innen und die Verpflich-
tung eines Ensembles, das sich aus People of Color
Im Ballhaus Naunynstraße steht das Label ‚post- zusammensetzt (vgl. 2022: 21). Zusätzlich habe
migrantisch‘ für einen Bruch mit überlieferten es interventionistisch gewirkt, da es Debatten
antimigrantischen und antimuslimischen Diskur- über die rassismusaffinen Erwartungshaltungen
sen. Shermin Langhoff, von 2008 bis 2013 künst- des Publikums („white gaze“) auslöste – in Thea-
lerische Leiterin des Hauses, geht es darum, die terbesprechungen wurde den Schauspieler*innen
„Geschichten und Perspektiven derer, die selbst eine zu große Nähe zu den verkörperten Figuren
nicht mehr migriert sind, diesen Migrationshin- unterstellt und ihnen so „die Professionalität ihres
tergrund aber als persönliches Wissen und kollek- Spiels abgesprochen“ (ebd.).
tive Erinnerung mitbringen,“ sichtbar zu machen
(vgl. Langhoff 2011). Neben dem Ballhaus Naunynstraße gilt das
Maxim Gorki Theater heute als eines der postmi-
Für Haakh (2021), die maßgebliche Inszenierun- grantischen Theaterhäuser schlechthin. Mit dem
gen des Ballhauses analysierte, stehen diese nicht „Exil Ensemble“ wurde 2015 eine Theaterplattform
nur für eine „inhaltliche Auseinandersetzung“ ins Leben gerufen, die im Exil lebenden Künst-
mit dem Thema Deutschland als Einwanderungs- ler*innen ein dauerhaftes Engagement bietet
gesellschaft. Vielmehr gelinge es dem Theater und mit Produktionen wie „Winterreise“ (2017)
(mit dem Effekt einer zunehmend bundesweiten die Perspektiven von Neuberliner*innen auf die
Wahrnehmung in Feuilleton, Wissenschaft und deutsche Gesellschaft aufzeigt (vgl. Gorki Theater
unter Aktivist*innen), „geläufige Exklusions- o. J.). Im Gorki werden Räume für differenzierte
mechanismen und etablierte Sehgewohnheiten Debatten eröffnet, wie auch die von Max Czollek
auf[zubrechen]“ (ebd.: 18). Das Ballhaus verschaffe 2020 initiierten „Tage der jüdisch-muslimischen
dabei postmigrantischen Künstler*innen Zugang Leitkultur“ deutlich machen, bei denen muslimi-
zur Theaterbühne und flechte zudem eine inter- sche und jüdische Kulturschaffende zusammen-
sektionale Perspektive in die gegenwärtige Thea- kommen, um zum Reizbegriff der „Leitkultur“
terarbeit ein. „Gegen- und Neuerzählungen“ zu produzieren
(vgl. Sharifi 2022: 18).
So wurde etwa das Theaterstück „Schwarze Jung-
frauen“, von Feridun Zaimoglu und Günther Im Zuge des postmigrantischen Theaters eben-
Senkel geschrieben und von Langhoff beauftragt falls zu erwähnen ist das amerikanische Stück
und kuratiert, unter anderem im Ballhaus Naunyn­ „Disgraced“ (dt. „Geächtet“, 2013) von Ayad Akhtar,
straße aufgeführt. Mit seiner Thematisierung das unter anderem am Residenztheater München
weiblicher muslimischer Religiosität (vgl. Unter- aufgeführt wurde und das Leben eines beruflich
kapitel ↗ 10.2.2.2) erhielt es überregionale Auf- erfolgreichen, islamischen Pakistaners in New
merksamkeit in und außerhalb der freien Szene York nach 9/11 thematisiert. Theaterkritiker*in-
Kultur 317

nen heben den Umstand hervor, dass im Stück die Neben Nachrichten, Film und Theater sind es
„schwelende[n] Vorurteile“ sowie der bürgerliche auch Museen und Galerien, die das gesellschaft-
„Rassismus“ gegenüber Muslim*innen verhandelt liche Wissen hierzu erheblich mitprägen. Inner-
werden (vgl. Hallmayer 2016). Sharifi zufolge zählt halb der aktuellen Museumsforschung ist man
es zu den wichtigsten Theaterstücken, die Anti- sich der sozialen Verantwortung musealer
muslimischen Rassismus behandeln (vgl. 2022: 21). Ausstellungs- und Vermittlungsarbeit durchaus
bewusst: So fragen Kamel und Gerbich nach der
Trotz der Beobachtung einschlägiger Expert*in- Rolle von Museen, wenn „Pauschalisierungen
nen, wonach der Islam auf deutschen Bühnen und antimuslimische Rassismen allgegenwärtig
immer noch vorrangig in Problemkontexten sind“ (2014a: 11). Und Weber erinnert an deren
thematisiert wird, trägt die Arbeit postmigranti- Aufgabe, existierende Wissenslücken über den
scher Projekte und muslimischer Künstler*innen Islam zu schließen und stereotype Selbst- und
dazu bei, islambezogene Stücke zu nuancieren. Fremdwahrnehmungen zu hinterfragen (vgl. 2018:
Da Theaterkunst und -praxis keinesfalls von 239–241). Museen nehmen als Orte kultureller
der gesellschaftlichen Realität entkoppelt sind, Bildung also am öffentlichen Diskurs über den
sondern in enger Wechselwirkung zu aktuellen Islam teil. Der UEM hat es sich daher zur Aufgabe
Debatten und sozialen Wandlungsprozessen gemacht, auch sie einmal genauer zu betrachten.
stehen, ist die differenzierte Repräsentation und Im Mittelpunkt steht dabei nicht nur die Frage,
aktive Teilhabe muslimischer Künstler*innen von welche Islambilder in deutschen Museen und
besonderer Bedeutung. Neben jüngerer Öffnungs- Galerien transportiert werden. Vielmehr wird
und Diversifizierungstendenzen im Bereich der auch danach gefragt, welche Themenauswahl und
Stadt- und Staatstheater sind es v. a. die freie Perspektiven vertreten sind. Auf welche Strategien
Szene sowie (hier) insbesondere das postmigranti- setzen welche Akteur*innen in der kulturellen
sche Theater, die sich um die Sichtbarmachung Bildungs- und Vermittlungsarbeit? Inwiefern sind
vielfältiger kultureller, religiöser, sozialer etc. Muslim*innen als Kunst- und Kulturschaffende
Perspektiven verdient machen. Auch wenn es, laut in den Ausstellungshäusern repräsentiert? Und
Sharifi, noch immer an nachhaltigen und breit wie wird dort mit den vielfältigen Bedürfnissen
angelegten rassismuskritischen Debatten inner- einer pluralen Zivilgesellschaft (Besucher*innen)
halb der deutschen Theaterlandschaft fehlt – und umgegangen?
auch einschlägige Forschungen allenfalls punktu-
ell vorliegen –, können die genannten Stücke und Um zu diesen Fragen praxisnahe sowie wissen-
Initiativen als wichtige Impulse für einen erfor- schaftlich fundierte Antworten zu erhalten, hat
derlichen Wandel des deutschen Theaters hin zu der UEM zwei Hearings durchgeführt, an denen
einem Ort vielfältiger, gesellschaftskritischer und insgesamt neun Expert*innen aus dem Bereich
inklusiver Debatten gelten. der deutschen Museumsforschung und -praxis
teilnahmen (vgl. Übersicht der Expert*innen
↗ Externe Expertisen). Entlang eines Interview-
10.3 Muslimfeindlichkeit leitfadens wurden im Gespräch aktuelle Pro­
im deutschen ble­me mit Blick auf Muslimfeindlichkeit in der
deutschen Museumslandschaft erörtert, wobei
Ausstellungswesen immer wieder auch positive Entwicklungen und
Vorreiterprojekte angesprochen wurden. Um eine
Bilder und Vorstellungen über die Religion des systematische Vorgehensweise zu gewährleisten,
Islams und Muslim*innen erreichen die deutsche richteten sich die Fragen auf die Analyseebenen
Öffentlichkeit nicht nur über Mediendiskurse. Produktion – Inhalt – Rezeption der Museumsar­beit.
318 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Zudem wurden neben Status-quo-Beschreibun- steht. Sie erwirbt, bewahrt, beforscht, präsentiert
gen auch Ursachenanalysen sowie mögliche bzw. und vermittelt das materielle und immaterielle
bereits realisierte Verbesserungsmaßnahmen Erbe der Menschheit und deren Umwelt zum
erfragt. Statt anhand einer eigens für den UEM Zweck von Studien, der Bildung und des Genus-
durchge­führten Studie (wie für das Unterkapitel ses.“ (ICOM 2020)
↗ 10.1.3) konnten mithilfe der Hearings Einblicke
ins Themenfeld „Islam im Museum“ aus der Sicht Museen sind also Orte der kulturellen Bildung
einschlägiger Expert*innen gewonnen werden. und der Erholung, die für alle offen sein und in
Einen weiteren Vorteil des Hearings stellt seine denen sich die Kulturprodukte aller wiederfinden
diskursive Form dar: Bei Unklarheiten und detail- sollten. Verschiedene Ansätze aus dem Feld
lierterem Interesse konnte unmittelbar nach- der Neuen Museologien setzen sich kritisch mit
gefragt und zu weiteren Ausführungen angeregt diesem Anspruch auseinander. Mit Blick auf
werden. Zudem gingen die Expert*innen z. T. gesellschaftliche Ausschluss- und Marginalisie­
direkt miteinander ins Gespräch, wodurch inhalt- rungsprozesse hinterfragen sie, welches Wissen
liche Ergänzungen, tiefergehende Analysen sowie in Museen ausgestellt wird, welche Weltwahr­
vielfältige Perspektiven auf Museumsarbeit mög- nehmungen dabei entstehen und wie bzw. ob
lich und sichtbar wurden. marginalisierte Gruppen dabei repräsentiert sind
(vgl. Kamel/Gerbich 2014b: 23). Auch die Offen-
Im nachfolgenden Kapitel werden die Ergeb- heit von Museen steht zunehmend auf dem
nisse der Hearings entlang der oben genannten Prüfstand, denn noch immer gelten Museen
Analyseebenen dargestellt. Vorab werden einige weit­hin als Institutionen der Hochkultur, die
ausgewählte aktuelle Debatten aus dem Feld der für einige Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer
jüngeren Museumsforschung – der Neuen Museo- sozialen Herkunft, ihres Geschlechts, ihres Bil­
logien (vgl. Kamel/Gerbich 2014b: 23) – skizziert. dungshintergrunds oder einer einge­schränkten
Hierdurch wird in aller Kürze auf die gesellschaft- Gesundheit nicht ohne Weiteres zugänglich sind.
lichen Funktionen von Museen, die Problematik Besucher*innenumfragen bestätigen, dass Muse­
der Konzepte „islamische Kunst“ und „islamische umsbesuche im Wesentlichen einer Bildungselite
Kultur“ sowie auf ein zeitgemäßes Verständnis vorbehalten sind; für viele Menschen sind sie mit
von Besucher*innen als aktive Bedeutungsstif- finanziellen Hürden verbunden (vgl. ebd.: 32–33).
ter*innen (vgl. Hein 2011) hingewiesen. Die gegenwärtige Musemsforschung nimmt
derartige Barrieren gezielt ins Visier: Während
10.3.1 Gegenwärtige Debatten in der Museums­ „Themen wie Gleichberechtigung, Vielfalt, soziale
forschung: Museen als Orte für alle Gerechtigkeit und Menschenrechte“ noch vor
wenigen Jahren relativ unbedeutend waren, sind
Welche soziale Aufgabe haben Museen? Wie sie heute „ins Zentrum“ (Sandell/Nightingale
positionieren sie sich in einer religiös und kul- 2014: 96) der Museumsarbeit gerückt.
turell pluralen Gesellschaft? Und inwiefern hin-
terfragen sie ihre Rolle in der Gestaltung eines Aus museumshistorischer Perspektive ist belegt,
gesellschaftlichen Wissens über den Islam und dass die Darstellung ‚islamischer Kunst‘ und
Muslim*innen? Laut Internationalem Museums- ‚Kulturen‘ von inhaltlichen Limitierungen, orien-
rat (ICOM) ist ein Museum talistischen Fremdwahrnehmungen und kolonia-
len Bestrebungen geprägt war (vgl. Kamel 2014:
„eine dauerhafte Einrichtung, die keinen Gewinn 40–41). Wie auch die Hearings belegen, sind
erzielen will, öffentlich zugänglich ist und im ‚islamische‘ Kunstsammlungen davon mitunter
Dienst der Gesellschaft und deren Entwicklung noch heute betroffen. Grund dafür ist ein kultu­
Kultur 319

ralistisches Ordnungsprinzip, das bei der Auswahl Bedeutung. Für die Frage, was in eine Museums-
der Exponate und ihren Präsentationsformen schau aufgenommen wird, wie die Inhalte präsen­
zum Einsatz kommt: Im Gespräch wird dies als tiert werden und wer sich wie davon angespro-
„Mapping“ der Welt in separate ‚Kulturkreise‘ chen fühlt, liefert eine solche Perspektive neue
bezeichnet – eine pseudowissenschaftliche Karto- Impulse. Hier gilt es, „unterschiedliche Öffentlich­
grafierung aus dem 19. Jahrhundert, die europäi- keiten von Anfang an am Prozess der Ausstel-
sche Vorstellungen von ‚uns‘ und ‚den Anderen‘ lungsentwicklung zu beteiligen“ (ebd.) und so
bis heute prägt. Bei der Religion des Islams komme das Publikum gezielt in Prozesse des Kuratierens
noch hinzu, dass sie zumeist als eigene Weltregion miteinzubeziehen (vgl. Bystron/Zessnik 2014:
(„islamische Welt“) dargestellt werde, statt wie 322–323).
andere Religionen auch an allen Orten vertreten
zu sein. All diese Debatten zeigen an, dass sich die heutige
Museumslandschaft im Wandel befindet. An sie
Schon die Begriffe „islamische Kunst“ und „islami- werden Anforderungen gestellt, die sie mit der
sche Kultur“ sind laut den Expert*innen dabei von sozialen Wirklichkeit pluraler Gesellschaften kon-
Vereinfachungen und inhaltlichen Grenzziehun- frontieren, wobei bisherige Sammlungs-, Darstel-
gen gekennzeichnet. Obwohl weithin verwendet, lungs- und Vermittlungspraxen auf den Prüfstand
verweisen Kritiker*innen auf diverse Probleme geraten. Die theoretische Auseinandersetzung, so
dieser Kategorien: etwa die Reduzierung von Kul- lässt sich konstatieren, ist also durchaus progressiv.
tur auf Religion, die Beschränkung kultureller Pra- Wie sieht es jedoch mit der Museumspraxis aus?
xen auf bestimmte Orte und Zeiten, die Fixierung
auf mehrheitlich muslimische Regionen und die 10.3.2 UEM-Hearing mit Expert*innen:
Nichtbeachtung moderner, islamisch inspirierter Perspektiven auf die deutsche
Kulturproduktionen (vgl. Shaw 2012: 10). Zudem Museumslandschaft
geraten mit dieser Fokussierung auch die Beiträge
jüdischer, christlicher und anderer Kulturschaf- Die oben zusammengetragenen Überlegungen
fender aus dem Blick. Auch wenn es mittlerweile bilden selbstverständlich nur einige wenige
vereinzelt Museen gibt, die sich eines weiteren Schlaglichter einer mittlerweile überaus produk-
Verständnisses von „islamischer Kultur“ bedienen tiven museumswissenschaftlichen Debatte ab. Für
und etwa auch moderne Kunstformen wie Hip- die (spezifisch islamorientierten) Hearing-Ergeb-
Hop darstellen (vgl. Grinell 2014: 200–202), über- nisse stellen sie einen (allgemeinen) theoretischen
wiegen noch immer Ausstellungen, die den Islam Rahmen dar. Deren Darstellung orientiert sich
als vergangen, statisch oder fremd porträtieren. an den folgenden drei Leitfragen: Welche Islam-
bilder kursieren in der deutschen Museumsland-
Neben Fragen zur Repräsentation und Zugäng- schaft (Inhalt)? Wie ist die Museumsarbeit an
lichkeit erfährt auch die Rolle der Besucher*innen deren Gestaltung beteiligt (Produktion)? Und auf
einen Wandel in der museumswissenschaftlichen welche Publikumserwartungen und -bedürfnisse
und -praktischen Betrachtung. So gelten diese treffen sie (Rezeption)? Die Hearings liefern hierzu
nicht mehr als passive Konsument*innen für sich aufschlussreiche Antworten, die jedoch nicht als
sprechender Objekte, sondern als aktive „Bedeu- repräsentative Daten missverstanden werden
tungsmacher*innen“ (Kamel/Gerbich 2014b: 24). sollten: Vielmehr stellen sie professionelle Einzel-
Erst durch ihre Betrachtung und Auseinanderset- beobachtungen dar.
zung mit den Exponaten, die sich je nach lebens-
weltlichem Hintergrund anders und individuell
gestaltet, gewinnen die Ausstel­lungsinhalte an
320 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

10.3.2.1 Inhaltsebene: Fehlende Diversität und Fortschreibung bekannter antimuslimischer


kulturalistische Verkürzungen Kulturalismen erkennen, wie sie im Topos der
unterdrückten Muslimin oder der exotischen
Die Religion des Islams wird in deutschen Museen, Orientalin zum Ausdruck kommen. Die Synony-
laut einhelliger Meinung der konsultierten misierung muslimischer und migrantischer Iden-
Expert*innen, immer noch überwiegend auf titäten trägt zudem implizit zur symbolischen
problematische Weise dargestellt. In der Aus- Ausklammerung von Muslim*innen aus dem
wertung des Hearings lassen sich drei zentrale Narrativ der deutschen Nation bei.
Repräsentationsproblematiken identifizieren:
Eine mangelhafte Sichtbarkeit islamischer Diver-
1. die stereotype Darstellung islamischer sität wurde auf unterschiedlichen Ebenen der
Religionspraxen und muslimischer Museumslandschaft ausgemacht: So sprachen
Lebensweisen, verschiedene Expert*innen davon, dass sich die
2. die mangelhafte Sichtbarkeit islamischer Darstellung religiöser Praxen – wenn überhaupt –
Diversität und auf den sunnitischen Islam sowie den Nahen und
3. die implizite Nahelegung, beim Islam handele Mittleren Osten konzentriere. Andere theologi-
es sich um eine fremde, geschlossene Welt. sche Strömungen, Regionen und ihre Tradi­tionen
erhielten deutlich weniger Aufmerk­samkeit; Län-
Stereotype zeigen sich hier sowohl auf negative der mit erheblichen muslimischen Mehrheiten,
als auch auf positive Weise: So wurden von ver- wie etwa Indonesien, seien bis auf wenige interna-
schiedenen Expert*innen exotisierende und tionale Ausnahmen (etwa das Amsterdamer Tro-
problemorientierte Darstellungen muslimischer penmuseum) kaum repräsentiert. In Deutschland
Kleidungspraxen angesprochen, die das Narrativ werde der Islam hauptsächlich im Kontext von
der unterdrückten Muslimin perpetuierten oder Migration oder in islamischen Kunstsammlungen
Haremsassoziationen hervorriefen. Positive Ste- dargestellt. Einige Expert*innen beobachteten
reotype zeigten sich etwa in Darstellungen einer zudem eine Marginalisierung des Islams in Reli-
vermeintlich typisch muslimisch-migrantischen gionssammlungen, in denen ihm vergleichsweise
Alltagskultur; als Beispiel wurde hierfür der wenig Platz eingeräumt werde. Andere stellten gar
Döner als Ausstellungsobjekt genannt. Die The- das nahezu vollständige Fehlen von Ausstellungs-
men Islam und Migration würden so auf proble- häusern für die Darstellung religiöser Praktiken
matische Weise miteinander verschränkt, wobei fest und plädierten für die Etablierung religions-
die landläufige Vorstellung, Muslim*innen seien kundlicher Museen. Darüber hinaus fehlte es
per se auch Migrant*innen, vorausgesetzt und an postkolonialen Perspektiven, die dazu beitra­
implizit bestätigt wird. Kulturelle Praxen werden gen könnten, islambezogene kolonialistische
zudem mit einer religiösen Zugehörigkeit verbun- Zuschrei­bungen zu dekonstruieren sowie daraus
den, simplifiziert und als fremd markiert, da im resul­tierende (frühere) Sammlungspraktiken zu
Objekt des Döners die mehrheitsgesellschaftliche hin­terfragen. Zwar gebe es inzwischen veränderte
Perspektive auf Muslim*innen bzw. Migrant*in- Sichtweisen bspw. auf die Ausstellungspraxis der
nen dominiert. Über dieses Beispiel hinaus berich- sogenannten „Afrikanischen Kunst“, für islamisch
tet ein Experte von orientalistischen Stereo­typen affiliierte Exponate sowie postkoloniale Kunst-
in museumspädagogischen Lernmaterialien, in und Kulturproduktionen seien diese aber noch
denen Kindern die ‚islamische Welt‘ durch Illus­ kaum vorhanden. Dass gegenwärtige muslimi-
trationen von Wüsten und Kamelen, herrschaft- sche Künstler*innen in ihrer religiösen Identität
lichen Moscheen und ‚orientalischen‘ Rezepten seitens der Ausstellungsmacher*innen mitunter
nahegebracht werden soll. Hierin lässt sich eine kaum wahrgenommen würden, wie eine Expertin
Kultur 321

berichtet, verstärkt diese Problematik zusätzlich. lich. Dies gilt bis hin zu der Tatsache, dass Identi-
In diesen Aussagen zeigt sich ein ganzes Potpourri täten nicht als wandelbar und komplex, sondern
diskursiver Probleme mit Blick auf den Islam. als statisch, exklusiv und klar verortbar erfahren
So sind die fehlende Sichtbarkeit mus­limischer werden: ‚ihr Muslime‘ versus ‚wir Europäer‘.
Akteur*innen, mangelnde Informationen über
die Heterogenität im Islam, eine unzureichende Eine Betrachtung der Expert*innenaussagen mit
Repräsentation postkolonialer bzw. postmigranti- Blick auf die Inhalte islambezogener Ausstellun­
scher Perspektiven und die Verkürzung muslimi- gen macht klar: Orientalistische Fremdzuschrei­
scher Identitäten auf ihre Religionszugehörigkeit bungen, qualitative Limitierungen und stereotype
bekannte diskursstruktu­relle Mängel, wie sie uns Bilder prägen das deutsche Ausstellungswesen
aus Analysen klassischer Medienberichte bekannt beim Thema Islam bis heute. Zwar bemühen sich
sind (vgl. Kapitel ↗ 7). Folgt man den Aussagen diverse Akteur*innen im Feld, den Blick zu erwei-
der Expert*innen, setzen sich diese zumindest tern und etwa grenzübergreifende Kulturver-
in Teilen der musealen Hochkultur fort. Gleich- flechtungen deutlich zu machen. Allerdings sorgt
zeitig werden aber auch positive Entwicklungen die (implizite) Vorstellung vom – und Darstellung
wahrgenom­men sowie Bemühungen, strukturelle des – Islam als geschlossene Kultur und vergan-
Zwänge zu überwinden (s. u.) und neue Darstel- gene Zivilisation bis heute dafür, dass sich ein
lungsweisen zu finden. kulturalistisches Othering im Museum festsetzt.

Die orientalistische Vorstellung, beim Islam 10.3.2.2 Produktionsebene: Strukturmängel


handele es sich um eine ‚fremde, geschlossene Welt‘, befördern stereotype Darstellungen
die ‚der europäischen Kultur‘ diametral entgegen-
stünde, findet sich laut Expert*innenmeinung Erkenntnisse zu den Produktionsbedingungen,
auch heute noch in deutschen Museen. Dies habe unter denen heute Museumsarbeit stattfindet,
v. a. historische Gründe, da islamische Kunst- und lassen sich in drei Kategorien unterteilen: die
Kultursammlungen im Kontext kolonialistischer Seite der Künstler*innen, des Museumspersonals
Bestrebungen und kulturalistischer Mythen ent- und der Museumsstrukturen.
standen, denen zufolge die Welt in klar abgrenz-
bare Kulturräume unterteilt werden könne. Die- Muslimische Künstler*innen sind, laut Aussage
ses „Mapping der Welt“ aus dem 19. Jahrhundert, verschiedener Expert*innen, mit einer doppelten
so eine Expert*innenaussage, finde seine Fortset- Herausforderung konfrontiert: So gebe es die
zung in heutigen musealen Präsentationsformen. Tendenz, ihnen eine muslimische Identität zuzu-
Diese seien von „geschlossenen Narrativen“ inspi­ schreiben bzw. sie auf das Label des Muslimischen
riert, die für kulturelle, religiöse und ethnische festzulegen. Ihre Kunst wird damit nicht nur auf
Querverbindungen und Austauschbeziehungen ein spezifisches Kunstgenre beschränkt und so
zwischen Europa, Afrika, Asien und dem soge- als dezidiert „islamische Kunst“ ausgewiesen. Sie
nannten ‚Orient‘ blind seien. Im Ergebnis würden werden gleichzeitig auch mit einer Repräsen­
essentialistische Vorstellungen von getrennten tationsbürde belegt, da von ihnen erwartet wird,
Welten und Kulturen bestärkt und kulturrassis- für mehr als nur ihre individuellen Werke zu
tische Figuren – wie der „homo islamicus“ – auf- stehen: Sie stehen unausgesprochen für die isla-
rechterhalten. Ein solches Prinzip der Trennung mische Kunst der Gegenwart an sich (vgl. Mercer
und Vereinheitlichung erschwere die Wahrneh- 1994 zum Konzept „burden of representation“).
mung transregionaler Verflechtungen, die es schon Laut einer*eines Expert*in wollten sich viele
immer gab und die unter aktuellen Globalisie­ junge Künstler*innen von dieser Zuschreibung
rungsbedingungen noch zunehmen, ganz erheb- freimachen und lieber unter dem Label der
322 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Gegenwartskunst laufen. Dies erweitere nicht Identität im Kontext von Ausstellungen und
nur das Bedeutungsfeld, in dem ihre Kunstwerke kulturellen Kooperationsprojekten offenzulegen.
ange­siedelt sind und interpretiert werden, son- Anders als bei den oben genannten Gegenwarts-
dern auch – ganz praktisch – ihre Ausstellungs- künstler*innen ist es hier nicht die limitierte
möglichkeiten und damit ihre Sichtbarkeit. Hierin Sichtbarkeit, die einer Entscheidung gegen die
zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Benennung der religiösen Identität zugrunde liegt,
Selbstwahrnehmung der Künstler*innen und den sondern eine dezidierte Sorge um das persönliche
Fremdzuschreibungen durch museumspraktische Wohl. Laut einer*s Expert*in betrachten einige
Kategorisierungen. Offenbar existieren enorme Kunstschaffende das Museum nicht als „safe
Beharrungskräfte, durch die Muslim*innen auch space“, in dem sie sich unbefangen und unein-
im Ausstellungswesen „muslimisiert“,165 d. h. auf geschränkt präsentieren könnten. Dies führe
ihre religiöse Identität beschränkt werden. mitunter dazu, dass Kooperationen mit jungen
muslimischen Künstler*innen schwer umsetz-
Diese Tatsache bekommt zusätzliche Ambivalenz bar seien, da es nur sehr zögerlich zu Teilnahmen
durch die Beobachtung einer*eines der Expert*in- käme. Hierin zeigen sich konkrete Folgen einer
nen, der- bzw. demzufolge es einen florierenden gesamtgesellschaftlich präsenten Muslimfeind-
internationalen Kunstmarkt gebe, auf dem z. B. lichkeit, die auf Betroffene verunsichernd wirkt
moderne Kalligrafien hoch gehandelt würden. und sie mitunter in ihren persönlichen Entwick-
Unter dem etwas saloppen, informellen Label lungsperspektiven beschränkt.
der „Kopftuchkunst“ produzieren junge Künst-
ler*innen für ein zah­lungskräftiges Publikum Mit Blick auf das Museumspersonal ließen sich
gefällige Kunstwerke und tragen so – indirekt und ebenfalls diverse aufschlussreiche Einsichten
unabsichtlich – zur Stereotypisierung moderner gewinnen. So wiesen die Expert*innen wiederholt
islamischer Kunst bei. Statt auf die Darstellung und nachdrücklich auf zwei strukturelle Miss-
komplexer kultureller, religiöser, regionaler Ein- stände hin: zum einen auf ein geringes Wissen
flüsse zu setzen, denen sie als Künstler*innen über den Islam und muslimische Lebenswelten
einer globalisierten Welt ausgesetzt seien, und in Teilen des bestehenden Museumspersonals,
damit gängige Stereotype aufzubrechen, finde zum anderen auf einen eklatanten Mangel an
bei ihnen eine Rückwendung zum Populären wissenschaftlich geschultem Musemspersonal
und Erwartbaren statt. Es zeigt sich hier, wie sehr – insbesondere solchem mit persönlicher bzw.
der Geschmack eines finanzstarken Publikums professioneller Islamexpertise. Mitarbeitende
zum Erhalt tradierter Klischees beitragen kann. mit diversen Identitätsbezügen fehlten auf allen
Für die Analyse und Bewertung des deutschen Organisationsebenen, was sich nicht nur negativ
Kunstmarkts ist dies ein wichtiger Faktor, da hier auf die Ausstellungsinhalte und Präsentations-
die Potenziale kleiner, unabhängiger Galerien weisen auswirke, sondern auch den Zugang zu
deutlich werden: Statt auf einen stereotypen muslimischen Communitys als potenziellen
Mainstreamge­schmack zu setzen, bieten sie Kulturschaffenden, Museumsmitwirkenden und
Räume für innovative und potenziell kritisch- Ausstellungsbesucher*innen erschwere. Perso-
widerständige Kunst. nen mit Kontakten zu Vereinen, Gemeinden und
Nachbarschaften könnten hier wertvolle Netz-
Eine dritte Beobachtung aus dem Kreis der werke knüpfen und Impulse setzen. Zu diesem
Expert*innen betrifft die Bereitschaft junger Zweck brauche es dringend mehr finanzielle
muslimischer Künstler*innen, ihre religiöse Mittel, sodass eine nachhaltige und diverse Per-

165 Siehe zum Begriff „Muslimisierung“ Amirpur (2011).


Kultur 323

sonalpolitik umgesetzt sowie kultur- und rassis- bezug stelle mitunter eine erhebliche Heraus-
mussensible Weiterbildungsangebote entwickelt forderung dar. Während der historische Schwer-
werden könnten. Bezieht man auch diese Aussa- punkt dazu führe, dass islambezogene Kultur-
gen auf die eingangs vorgestellte Definition von produktionen als abgeschlossen und unmodern
Muslimfeindlichkeit, so lassen sich sowohl das erschienen und damit ein orientalistisches
mangelnde Islamwissen in Teilen des bestehen- Othering begünstigten, liefen auch Gegenwarts-
den Museumspersonals als auch das Fehlen von repräsentationen Gefahr, religiöse und kulturelle
Diversität auf Mitarbeiter*innenebene als struk- Praxen von Muslim*innen zu essentialisieren.
turelle Ausformungen von Muslimfeindlichkeit Das oben genannte Döner-Beispiel steht sinnbild-
erkennen. Mit Blick auf die Handlungsempfeh- lich für dieses Problem. Ein*e andere*r Expert*in
lungen ist hier ein dringender Nachsteuerungs- führt an – und diese Beobachtung betrifft reli­
bedarf vorhanden. gionskundliche Sammlungen im Allgemeinen –,
dass die museale Repräsentation religiöser Pra-
Zudem wurde von einer Expert*innenstimme xen in einem erheblichen Spannungsverhältnis
berichtet, dass gerade in kleineren Museen und zur realweltlichen Ausübung von Religion und
Häusern in Regionen, wo die AfD in den Stadt- Glauben stehe. Während das eine mit transzen-
und Landesparlamenten sitzt, eine gewisse Berüh- dentalen Seinszuständen einherginge, führe die
rungsangst mit dem Thema Islam vorherrsche. Überführung ins Museum zu einer Rationalisie-
Diese Art der Zurückhaltung gehe nicht immer rung und Vergegenständlichung. Statt Religion
auf ein mangelndes Wissen über die Religion auf spirituelle oder emotionale Weise zu erfahren,
zurück, sondern resultiere auch aus der Angst wie es ihr ursprünglicher Zweck sei, gerate sie im
vor rechten Übergriffen. Die Veranstaltungsreihe Museum zu einem Betrachtungsobjekt, was nicht
„Making Museums Matter“ habe diese Problematik selten auch zu einer persönlichen Entfremdung
erkannt und mache auf die Herausforderungen der Besucher*innen führe.
für Kulturinstitutionen aufmerksam, die sich „auf
dem rechten Radar“ befinden. Die Bandbreite Insgesamt zeigt sich in den Expert*innenaussagen
rechter Übergriffe und Störaktionen, wie sie von auf Produktionsebene, dass man es hier sowohl
der*dem Expert*in berichtet wurden, ist beacht- mit strukturellen Mängeln (Fehlen nachhaltiger
lich: Sie reicht von eingeworfenen Autoscheiben Strukturen und eines fachkundigen Personals,
über rechte Protestspaziergänge, gekürzte Aus- mangelnde Diversität unter Mitarbeitenden) als
stellungsetats bis hin zu entlassenen Museums- auch mit Othering-Prozessen („Muslimisierung“
direktor*innen. Es bedürfe, so die Expert*innen- muslimischer Künstler*innen, vgl. Unterkapitel
stimme, eines sicheren und stabilen politischen ↗ 2.3) zu tun hat. Beide führen nicht nur dazu,
Rückhalts gerade für Museen, die mit Ausstellun- dass sich Islamstereotype in der Museumsland-
gen über gesell­schaftliche Vielfalt im weitesten schaft erhalten, sondern sie schränken betroffene
Sinne die Aufmerksamkeit rechter Akteur*innen Kulturschaf­fende in ihren persönlichen Entwick-
erregten. lungsmöglichkeiten auch spürbar ein.

Neben den oben genannten Problemen gibt es 10.3.2.3 Rezeptionsebene: Fehlende


aufseiten der Museumsmacher*innen auch struk­ Repräsentation und Partizipation
turelle Herausforderungen, die mit der Institution
des Museums im Allgemeinen und mit islami- Wie eingangs vorangestellt, stellt die Einbindung
schen Kunstsammlungen im Besonderen zu tun verschiedener gesellschaftlicher Öffentlichkeiten
haben. So seien letztere immer noch vornehmlich eine besondere Aufgabe für die heutige Museums-
auf Vergangenes ausgerichtet, der Gegenwarts­ arbeit dar. Die Schilderungen der Expert*innen
324 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

liefern auch hierzu praxisnahe Einblicke, mit wel- Mit Blick auf die Rezeptionsebene lässt sich also
chen konkreten Herausforderungen dies verbun- konstatieren: Museen sehen sich mit Erwartungs-
den ist. Analytisch unterscheiden lassen sich diese haltungen ihres Publikums konfrontiert, in denen
zum einen nach mehrheitsgesellschaftlichen es nicht selten (implizit oder unbewusst) um
Erwartungen und zum anderen nach den Bedar- die Bestätigung verbreiteter Islamstereotype geht
fen marginalisierter Bevölkerungsgruppen. (z. B. Unterdrückung der Frau). Da auch sie auf
hohe Besucher*innenzahlen angewiesen sind,
Was mehrheitsgesellschaftliche Erwartungen liegt hierin ein gewisser Zugzwang, eben diesen
betrifft, so sprechen verschiedene Expert*innen Publikumsgeschmack nicht zu stark zu irritie-
von einem problematischen Zusammenspiel von ren. Gleichzeitig – und hierin liegt sicher eine
öffentlich verbreiteten Islamstereotypen und den der großen Herausforderungen für die heutige
Interpretationen der Besucher*innen. Es entstün- Museumsarbeit – fordert es der gesellschaftliche
den hier mitunter unglückliche Reproduktions- Anspruch an sie, alle Bevölkerungsgruppen anzu-
effekte, wenn nicht-muslimische Besucher*innen sprechen und sichtbar zu machen. Auch wenn
z. B. in der Darstellung unterdrückter Muslimin- es in diesem Bereich einige Vorreiterprojekte gibt,
nen die eigenen Stereotype bestätigt sähen. Dies erfüllen die deutschen Museen diese Repräsen-
führe nicht nur zu einer kulturellen Distanzie- tations- und Teilhabeleistung offenbar nur in
rung (‚die‘ sind anders als ‚wir‘), sondern auch zu Ansätzen.
unkritischen Selbstvergewisserungen, wonach
ungleiche Geschlechterverhältnisse nur ‚bei denen‘, 10.3.2.4 Notwendige Innovationen: Welche
aber nicht ‚bei uns‘ existierten. Der normative Bedarfe gibt es und wo finden sich
Anspruch der Museen als Orte der Begegnung, der rassismuskritische Ansätze?
kulturellen Bildung und Teilhabe, löst sich auf-
grund dieses Effekts kaum ein. Er wird mitunter Die Gespräche mit den Museumsexpert*innen
sogar konterkariert. verliefen überaus lösungsorientiert. Immer wieder
kam konkret zur Sprache, wie sich existierende
Ein noch grundlegenderes Problem sehen einige Missstände und Problematiken beheben ließen,
Expert*innen zudem in der fehlenden Repräsenta- was es von staatlicher Seite an Unterstützungen
tion und Teilhabe marginalisierter Bevölkerungs- brauche und wie die Museumsschaffenden mit
gruppen. Besucherumfragen und Austauschrun- bereits laufenden Projekten dazu beitragen,
den mit Betroffenen hätten gezeigt, dass viele die genannten Herausforderungen aktiv zu begegnen.
Frage umtreibe: „Warum komme ich nicht vor?
Warum bin ich nicht abgebildet?“ Dies schließt an Zu den existierenden Maßnahmen zählen etwa
die oben bereits genannte Beobachtung an, dass Kooperations- und Partizipationsprojekte des
islamische Glaubens- und Kulturpraxen in ihrer Museums für Islamische Kunst in Berlin. Im
Diversität und Bandbreite unterrepräsentiert sind. Rah­men des Projekts „Multaka: Treffpunkt
Auch die fehlende Zugänglichkeit mit Blick auf Museum“ agieren Geflüchtete aus Syrien und
finanzielle, sprachliche und sozialräumliche Barri- dem Irak als Museums-Guides und entdecken
eren erschwere es, die plurale Gesellschaft in Gänze zusammen mit ihren (z. T. ebenfalls geflüchteten)
anzusprechen und ins Museum zu holen. Letzteres Besucher*innengruppen kulturelle und histori-
betreffe die Tatsache, dass gerade große und nam- sche Zusammenhänge zwischen ihren ‚alten‘ und
hafte Museen häufig an Orten stehen, die von ‚neuen‘ Heimaten. Vom selben Museum wurden
marginalisierten Bevölkerungsgruppen kaum fre- im Rahmen des Pilotprojekts „Kulturgeschichten“
quentiert werden: prominente Promenaden, teure schulische Lehr- und Lernmaterialien entwickelt,
Stadtzentren oder touristische Sightseeing-Spots. die Lehrkräfte dabei unterstützen, das Islamwissen
Kultur 325

in den Schulen zu vertiefen sowie inklusiver und Organisationsebenen des Museums, insbe-
anschaulicher zu gestalten. Auch hier geht es sondere dort, wo wesentliche Entscheidungen
darum, historische Verbindungen und kulturelle getroffen werden.
Gemeinsamkeiten zu erkennen und damit der • Wissenstransfer zwischen Forschung und
verbreiteten Wahrnehmung des Islams ‚als Ande- Praxis: Viele der interviewten Expert*innen
res‘ früh entgegenzuwirken. sind sich der bestehenden Diskrepanz zwi-
schen wissenschaftlichen Erkenntnissen und
Im Rahmen anderer Initiativen werden gezielt der Museumspraxis durchaus bewusst – und
Moscheegemeinden und Imame als Kooperations­ wollen diese verringern. Hierzu müssten einer-
partner*innen in die Museumsarbeit eingebun­den, seits Austauschforen und wissenschaftliche
um einen gegenseitigen Wissenstransfer zu ermög- Begleitungen intensiviert werden, andererseits
lichen. Zusammen mit Museums- und Sozial- gelte es, realistische Anforderungen an die
wissenschaftler*innen werden zudem innovative Musemsarbeit zu formulieren.
Darstellungs- und Vermittlungsformen für Aus- • Mehr Forschung im museumsdidaktischen
stellungen erprobt, um auch hier die Erfahrung Bereich: Gerade die Vermittlung von Ausstel-
kultureller Verflechtungen sichtbar zu machen. lungsinhalten an verschiedene Zielgruppen
stellt eine Aufgabe von besonderer gesell-
Die erforderlichen Maßnahmen, wie sie von den schaftlicher Tragweite dar. Wie diese erfolg-
Expert*innen benannt wurden, sind vielfältig. reich gelingen kann, was aktuellen Ansätzen
fehlt und inwiefern auch rassismuskritische
• Themenspezifische Fördermittel: Es bedarf Perspektiven hier hilfreich sind und einge-
einer nachhaltigen Förderung sowohl beste­ flochten werden könnten, sollten zukünftige
hender Einrichtungen als auch zukünftiger Forschungen gezielt untersuchen.
Initiativen, um wissenschaftliches Fachperso-
nal langfristig anstellen, Kooperations-, Parti- In den Entwicklungsbedarfen der Expert*innen
zipations- und Weiterbildungsprojekte reali- lassen sich wichtige Impulse für die Formulierung
sieren und die Museumsarbeit auch in sozial eigener Handlungsempfehlungen durch den
benachteiligte Stadtgebiete transportieren zu UEM erkennen. Letztere nehmen jedoch eine
können. distanziertere Perspektive ein und betrachten
• Förderung der freien Szene: Ein besonderes das Feld musealer Hochkultur vor dem Hinter-
Potenzial für die Präsentation komplexer grund der eingangs entwickelten Definition von
Identitäts- und Zugehörigkeitsthemen liegt Muslimfeindlichkeit. Legt man diese zugrunde,
laut Expert*innen in Ausstellungsräumen so zeigen sich Handlungsbedarfe sowohl auf
der freien Szene. Diese seien häufig inhaltlich struktureller (Diversifizierung von Personal und
flexibler und weniger vom Anspruch hoher Museumstypen) als auch auf diskursiver (gesell-
Besucher*innenzahlen geprägt als die großen schaftlich verbreitete Islamstereotype, die in die
Häuser. Die freie Szene bedarf insgesamt einer Erwartungshaltungen des Museumspublikums
stärkeren gesellschaftlichen Wahrnehmung einsinken) und individueller Ebene (zielgruppen-
und – ebenfalls – einer verlässlichen staatli- gerechte Museumspädagogik sowie Anerkennung
chen Förderung. hybrider Identitäten auf Seiten muslimischer
• Diversifizierung des Museumspersonals: Um Künstler*innen). Die nachfolgend formulierten
die Ausstellungsinhalte pluraler und weniger Handlungsempfehlungen orientieren sich an
stereotyp zu gestalten sowie Repräsentations- diesen Ebenen von Muslimfeindlichkeit.
und Teilhabebedarfen gerecht zu werden,
bedarf es eines diverseren Personals auf allen
326 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

10.4 Fazit Bühne immer noch eine Seltenheit. Nachhaltig


positiv wirken sich hingegen die Entstehung eines
Muslimfeindlichkeit erweist sich als Problem postmigran­tischen Theaters aus sowie die dezi-
in verschiedenen Bereichen der Kultur. So zeigt diert rassismuskritischen und diversitätsorientier-
eine umfassende Analyse der Islamdarstellung ten Produktionen, die überwiegend in der freien
im deutschsprachigen Film, dass knapp 90 Pro- Theaterszene angesiedelt sind. Sie tragen dazu bei,
zent der untersuchten Filme einen thematischen muslimische bzw. als muslimisch wahrgenom-
Negativbezug aufweisen. Im Mittelpunkt stehen mene Theaterschaffende sowie positiv besetzte
Geschichten über Terroranschläge, Radikalisie- Islamthemen auf deutschen Bühnen präsenter zu
rung, Kriege und Frauenunterdrückung, womit machen.
sich die filmische Themenpalette des Islams auf
wenige Konflikt- und Krisenthemen verengt. Ein Im Bereich des Museums erlaubt ein vom UEM
Übergewicht problemorientierter Filmgenres durchgeführtes Hearing tiefgehende Einsichten
(Drama, Thriller, Krimi) und die verbreitete zum Phänomen Muslimfeindlichkeit. Die einge-
Verwendung visueller Islamstereotype (kopf- ladenen Expert*innen schildern diverse Heraus­
tuchtragende Frauen als filmischer Hinweis auf forderungen sowohl auf inhaltlicher als auch auf
„Ghettos“) tragen zur Darstellung des Islams als struktureller Ebene. So tragen unter anderem
bedrohlich, repressiv und nicht-zugehörig bei. museumshistorische Entwicklungen dazu bei,
Die Vielfalt muslimischer Lebensentwürfe und dass der Islam bis heute überwiegend als fern,
-geschichten bleibt in deutschsprachigen Film- fremd und ‚kulturräumlich begrenzt‘ präsentiert
produktionen weitestgehend unsichtbar. Dies ist wird. Gegenwartsdarstellungen werden zudem
besonders bedauerlich, da der Islam in jüngster häufig von (wohlmeinenden) Klischees und Ste-
Zeit zunehmend Thema filmischer Stoffe wurde. reotypen dominiert. Obwohl diverse innovative
Statt das Potenzial fiktionaler Unterhaltungs- Projekte existieren, die insbesondere die Gemein-
medien zu nutzen, um neue und alltagsnahe samkeiten und Wechselbeziehungen zwischen
Geschichten zu erzählen und damit auch der Islam und ‚westlicher‘ Welt hervorheben, scheint
konfliktorientierten Nachrichtenagenda etwas es im Museumsbereich noch viel Raum für posi-
entgegenzusetzen, wird letztere im Filmbereich tive – und v. a. strukturell nachhaltige – Entwick­
vielmehr fortgeschrieben und verfestigt. lungen zu geben. So mangelt es etwa an Fachper-
sonal mit Islamexpertise sowie an einer generell
Die Präsenz islambezogener Themen auf deut- diver­sitätsorientierten Personalpolitik. Zudem
schen Theaterbühnen lässt eine ähnliche Proble­ werden als muslimisch wahrgenommene Kunst-
matik erahnen. Auch wenn die Forschungslage schaffende nicht selten kulturalisiert und so auf
hier ausgesprochen lückenhaft ist, konnte der eine ‚islamische Kunst‘ festgeschrieben. Insgesamt
UEM mittels eines einschlägigen Gutachtens erste bedarf es auch hier einer größeren Bereitschaft,
Hinweise auf inhaltliche Schwerpunktsetzungen sich mit den eigenen (häufig stereotypen) Islam-
erhalten. So ist etwa das ‚Islamisierungs‘-Narrativ vorstellungen kritisch auseinanderzusetzen und
in verschiedenen Theaterproduktionen aufge- dies auch in den musealen Raum zu transportieren.
griffen worden, wobei statt einer sachorientierten
Islamkritik kulturalistische Stereotype fortge-
schrieben wurden. Beobachter*innen des Felds
beklagen zudem schon seit Längerem eine im
Allgemeinen fehlende Sichtbarkeit des Islams.
Auch Theaterschaffende mit muslimischen Iden-
titätsbezügen sind sowohl vor als auch hinter der
Kultur 327

10.5 Handlungsempfehlungen

Der UEM empfiehlt:

› der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eine umfassende Diversitätsstrategie,
um die demografische und kulturelle Vielfalt von Menschen mit muslimischen Identitätsbezügen zu
adressieren.

› für den Kultursektor Film die finanzielle Förderung von Filmproduktionen, die die Vielfältigkeit
muslimischer Lebensrealitäten abbilden, um überwiegend konfliktorientierte Islamdarstellungen im
Film zu überwinden.

› einen sensiblen und rassismuskritischen Umgang mit visuellen Markern (z. B. Kopfbedeckungen,
religiös konnotierter Kleidung), die häufig zur Identifikation von Islam und Muslim*innen im Film
eingesetzt werden.

› rassismuskritische Weiterbildungsangebote für eine nachhaltige Sensibilisierung der Medien-


schaffenden auf allen Ebenen der Filmproduktion, die dabei helfen können, stereotype Darstellungen
im Film zu reduzieren.

› eine nachhaltige Förderung von Personen mit muslimischen Identitätsbezügen in der Filmindustrie,
insbesondere in Führungs- und Leitungspositionen, um für eine Diversifizierung unter den Film-
schaffenden zu sorgen.

› die Förderung weiterer Forschungen zur visuellen Darstellung muslimischer Lebenswelten, um etwa
auch Erkenntnisse zu ähnlichen Problematiken im Bereich der Literatur, der Alltagskultur oder
Kindermedien zu erhalten.

› für den Kultursektor Theater die Förderung von Produktionen, die die Vielfalt muslimischer Lebens-
welten auf deutschen Bühnen thematisieren.

› den Ausbau der finanziellen Förderung einer diversitätsorientierten Organisationsentwicklung von


Theatern mit dem Ziel des Engagements von Personen mit muslimischen Identitätsbezügen auf allen
Ebenen des Theaterbetriebs.

› die Förderung grundlegender Forschungen zu den Ursachen, Formen und Bedingungen von
Diskri­minierungen von Künstler*innen mit muslimischen Identitätsbezügen in allen Bereichen der
deutschen Theaterlandschaft (sowie den Ausbau entsprechender Monitoring-Strategien).

› für den Kultursektor Museum gezielte Öffnungsprozesse in der Darstellung muslimischer Lebens-
welten, um verbreitete Stereotype in islambezogenen Kunst- und Kulturausstellungen zu vermeiden.
Zudem empfiehlt sich das Sichtbarmachen kulturübergreifender Interaktionen („islamisch-westlicher
Dialog“) und von Gemeinsamkeiten in solchen Ausstellungen.
328 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

› das Vermeiden kulturalistischer Zuschreibungen an Künstler*innen mit muslimischen Identitätsbezügen.


Es gilt, die Bandbreite ihrer Kunst sichtbar zu machen.

› die gezielte Einbindung muslimischer Communitys in den Prozess der Ausstellungsgestaltung, um


eine bessere Repräsentation des Islams bzw. muslimischer Lebenswelten auf Ausstellungsebene zu
erreichen.

› rassismuskritische und kultursensible Weiterbildungsangebote, die dabei helfen können, stereotype


Darstellungen und kulturalistische Vermittlungsansätze im Museum und in der Museumspädagogik
zu reduzieren und Museumsschaffende nachhaltig zu sensibilisieren.

› die Diversifizierung des Museumspersonals durch eine zunehmende Repräsentation von Personen
mit muslimischen Identitätsbezügen bzw. rassismussensiblen Kompetenzen auf allen Ebenen des
Museumsbetriebs, insbesondere in Führungs- und Leitungspositionen.

› die Förderung von Museen und Ausstellungsräumen in Regionen, in denen muslimfeindliche


Einstellungen besonders stark verbreitet sind, sowie entsprechende Schutzkonzepte.
Literaturverzeichnis 329

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388 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Verzeichnisse

Tabellenverzeichnis
Tabelle 3.1: Bundesweite Studienreihen mit Daten zu muslimfeindlichen Einstellungen .......................... 45
Tabelle 3.2: Facetten von Muslimfeindlichkeit ......................................................................................................... 47
Tabelle 3.3: Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund von 2017 bis 2021 laut PMK-Statistik ............ 65
Tabelle 3.4: Islamfeindliche Straftaten 2019 mit dem Angriffsziel religiöse Einrichtungen,
Symbole oder Repräsentant*innen ....................................................................................................... 66
Tabelle 3.5: Beratungsanfragen an die ADS Bund aufgrund von Diskriminierung
wegen muslimischer Religion nach Lebensbereichen ..................................................................... 72
Tabelle 5.1: Soziodemografische Merkmale und Religiosität bei Personen,
die unterschiedlich von Muslimfeindlichkeit betroffen sind ...................................................... 122
Tabelle 7.1: Themenbereiche, Themenfelder und ausgewählte Themen nach Zeitungen ........................ 179
Tabelle 7.2: Themenbereiche, Themenfelder und ausgewählte Themen der
Fernsehberichterstattung, nach Sendern .......................................................................................... 180
Tabelle 7.3: Beispiele für Konfliktthemen in der Presse ...................................................................................... 181
Tabelle 7.4: Beispiele für Konfliktthemen im Fernsehen .................................................................................... 182
Tabelle 7.5: Stichprobe in Plattformen .................................................................................................................... 199
Tabelle 7.6: Prävalenz von Kernthemen .................................................................................................................. 200
Verzeichnisse 389

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1: Wirkungsmodell Muslimfeindlichkeit: Gesellschaftliche Mechanismen und
Auswirkungen ...................................................................................................................................... 20
Abbildung 3.1: Zustimmung zu der Aussage „Durch die vielen Muslime fühle ich mich manchmal
wie ein Fremder im eigenen Land“ in verschiedenen Studien 2003–2022 .......................... 48
Abbildung 3.2: Ablehnung einer/s muslimischen Bürgermeisterin/Bürgermeisters
in der eigenen Gemeinde .................................................................................................................. 49
Abbildung 3.3: Pauschale Ablehnung des Islams im Zeitvergleich .................................................................... 50
Abbildung 3.4: Zustimmung zu „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland
untersagt werden“ ............................................................................................................................... 53
Abbildung 3.5: Forderung nach Einschränkung der Religionsfreiheit für Muslim*innen ......................... 54
Abbildung 3.6: Islam- und muslimfeindliche Einstellungen im europäischen Vergleich ........................... 55
Abbildung 3.7: Bedrohungswahrnehmung des Islams nach Altersgruppen ................................................... 59
Abbildung 3.8: Die vier Dimensionen der PMK-Statistik ..................................................................................... 67
Abbildung 3.9: Übergriffe auf Moscheen .................................................................................................................. 70
Abbildung 3.10: Beratungsanfragen an die ADS Bund aufgrund von Diskriminierung
wegen muslimischer Religion ......................................................................................................... 71
Abbildung 5.1: Diskriminierungserlebnisse im Alltag von Personen mit Migrationshintergrund
aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland nach Häufigkeit ................................... 116
Abbildung 5.2: Persönliche Erfahrungen mit Muslimfeindlichkeit ................................................................ 120
Abbildung 5.3: Umgangsstrategien, nach Häufigkeit persönlich erfahrener Muslimfeindlichkeit ....... 124
Abbildung 5.4: Kenntnis von Beratungsangeboten für Betroffene von Muslimfeindlichkeit,
nach Häufigkeit persönlicher muslimfeindlicher Erfahrung .............................................. 125
Abbildung 7.1: Deutschlandbezug, nach Zeitungen und Fernsehsendern ................................................... 183
Abbildung 7.2: Sprecher*innenrollen muslimisch attribuierter Akteur*innen gegenüber
anderen Akteur*innen in Print und Fernsehen ...................................................................... 184
Abbildung 7.3: Valenz der Themen innerhalb von Plattformen ...................................................................... 201
Abbildung 7.4: Valenz von Themen im Zeitverlauf ............................................................................................. 202
Abbildung 7.5: Thematische Netzwerkanalyse ..................................................................................................... 210
Abbildung 7.6: Dimensionen der Framing-Analyse ............................................................................................ 212
Abbildung 10.1: Zahl der Film- und Serienproduk­tionen mit explizitem Islambezug, 2001–2021 ......... 306
Abbildung 10.2: Verteilung der Filme auf die ermittelten Themencluster, 2001–2021 ............................... 308
390 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Abkürzungsverzeichnis
AA Auswärtiges Amt
ADAS Anlaufstelle Diskriminierungsschutz an Schulen
ADS Bund Antidiskriminierungsstelle des Bundes
ADS DITIB Antidiskriminierungsstelle des DITIB
AfD Alternative für Deutschland
AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (auch „Antidiskriminierungsgesetz“)
ALLBUS Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften
AmF Aktionsbündnis muslimischer Frauen e. V.
AMR Antimuslimischer Rassismus
BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
BAMF-FZ Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl
des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BfV Bundesamt für Verfassungsschutz
BKA Bundeskriminalamt
BKM Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BMI Bundesministerium des Innern und für Heimat
BpB Bundeszentrale für politische Bildung
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
CDU Christlich Demokratische Union
CSU Christlich-Soziale Union
DeZIM Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung
DHPol Deutsche Hochschule der Polizei
DIK Deutsche Islam Konferenz
DITIB Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.
DJI Deutsches Jugendinstitut
EKD Evangelische Kirche in Deutschland
EMRK Europäische Menschenrechtskonvention
ETF Evangelisch-Theologische Fakultät Löwen
EU Europäische Union
FAIR FAIR International – Federation Against Injustice and Racism e. V.
FAU Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
FDP Freie Demokratische Partei
FES Friedrich-Ebert-Stiftung
GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
GMF Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
ICOM Internationaler Museumsrat
IDA-NRW Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit Nordrhein-Westfalen
IDZ Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft
IGS Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands e. V.
IKD Institut für Konflikt- und Gewaltforschung
Verzeichnisse 391

IKG Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung


IOM International Organization for Migration (Internationale Organisation für Migration)
IPR Internationales Privatrecht
IRU Islamischer Religionsunterricht
ISD Institute for Strategic Dialogue
ISIS Islamischer Staat im Irak und in Syrien
KMI Kontaktbeamte für muslimische Institutionen
KRM Koordinationsrat der Muslime
LKA Landeskriminalamt
MuTeS Muslimisches SeelsorgeTelefon Berlin e. V.
NGO Non-Governmental Organization (Nichtregierungsorganisation)
NRW Nordrhein-Westfalen
NSU Nationalsozialistischer Untergrund
ODIHR Office for Democratic Institutions and Human Rights
(Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte)
OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
PMK Politisch motivierte Kriminalität
RAHMA Muslimisches Zentrum für Mädchen, Frauen und Familie e. V.
SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
SVR Sachverständigenrat für Integration und Migration
TGD Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.
TOM Tag der offenen Moschee
UEA Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus
UEM Unabhängiger Expertenkreis Muslimfeindlichkeit
UpJ Union progressiver Juden in Deutschland
VBRG Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
ZdJ Zentralrat der Juden
ZfA Zentrum für Antisemitismusforschung
ZMD Zentralrat der Muslime in Deutschland
ZMSBw Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
392 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Externe Expertisen:
Studien, Gutachten und Hearings

Studien und Gutachten Islam und antimuslimischer Rassismus in


Parteien­system und Bundestag: Eine diskurs­
Der UEM hat folgende Studien zu bislang analytische Studie des offiziellen Diskurses
unerforschten Bereichen an ausgewiesene zwischen 2015–2021
Expert*innen vergeben sowie Expertisen und Universität Erfurt / Dr. Imad Mustafa (2022)
Gutachten eingeholt:
Islam und deutsche Familiengerichtsbarkeit
Ludwig-Maximilians-Universität München /
Analyse der Islam-Berichterstattung in deutschen Prof. Dr. Anatol Dutta, Felix Aiwanger (2023)
Medien
Freie Universität Berlin / Prof. Dr. Carola Richter, Islamfeindlichkeit in christlichen Medien. Eine
Dr. Sünje Paasch-Colberg, unter Mitarbeit von qualitative Studie zu antimuslimischem Rassismus
Dr. Katharina Nötzold (2022) in ausgewählten christlichen Onlinemedien
Universität Bremen / Prof. Dr. Gritt Klinkhammer,
Begriffswelten von Islamfeindlichkeit in Jacob Chilinski, Rosa Lütge (2023)
deutschen sozialen Medien
Johannes Gutenberg-Universität Mainz / Muslimische Erfahrungen und Wahrnehmung
Prof. Dr. Pascal Jürgens der Muslim- und Islamfeindlichkeit in der
(mittlerweile Universität Trier) (2022) Gesellschaft. Eine Mixed-Methods-Studie
Institut für interdisziplinäre Konflikt- und
Die Islampolitik der im Deutschen Bundestag Gewaltforschung (IKG) / Universität Bielefeld:
vertretenen Parteien. Entwicklungen, Positionen, Prof. Dr. Andreas Zick, Zeynep Demir, Marco Eden
Konfliktlinien Goethe-Universität Frankfurt am Main /
Dr. Malte Dreß (2022) Vertr.-Prof. Dr. Meltem Kulaçatan, Prof. Dr. Harry
Harun Behr, Berna Rumpold, Selin Aydın (2023)
Ebenen der Muslimfeindlichkeit und des
antimuslimischen Rassismus am Beispiel der Social Media-Selbst(re)präsentation von
Regelungen religiös konnotierter Kleidung Muslim*innen in Deutschland. Akteur*innen,
Aktionsbündnis muslimischer Frauen e. V. / Themen und Positionierungen zu muslim­
Gabriele Boos-Niazy (2022) feindlichen Diskursen
Universität Erfurt / Tessa von Richthofen,
Fallstudie: Auswirkungen von Moscheeangriffen Antonia Hafner, Kirsten Wünsche (2022)
auf Gemeindemitglieder
FAIR international, Federation against Injustice Schulbücher und Muslimfeindlichkeit: Zur
and Racism e. V. / Büşra Gök Akca, Murat Gümüş, Darstellung von Musliminnen und Muslimen
Meryem Küçükhüseyin, Orgun Özcan (2023) in aktuellen deutschen Lehrplänen und
Schulbüchern
Georg-Eckert-Institut / Jan Düsterhöft,
Prof. Dr. Riem Spielhaus, Radwa Shalaby (2023)
Externe Expertisen: Studien, Gutachten und Hearings 393

Rechtliche Aspekte des Umgangs mit religiös Hearing der Religionsbeauftragten der Bundes-
konnotierter Kleidung, insbesondere dem tagsparteien zu Muslim- und Islamfeindlichkeit
Kopftuch und Antimuslimischem Rassismus
Europa-Universität Flensburg / 31. Mai und 1. Juni 2021
Prof. Dr. Anna Katharina Mangold (2022) (in alphabetischer Reihenfolge des Nachnamens)
• Christine Buchholz für die Linke
Rechtliche Rahmenbedingungen für die • Prof. Dr. Lars Castellucci für die SPD schriftlich
Entfaltung muslimischen Lebens in der • Hermann Gröhe für die CDU/CSU
Bundesrepublik Deutschland • Volker Münz für die AfD
Georg-August-Universität Göttingen / • Benjamin Strasser für die FDP
Prof. Dr. Hans Michael Heinig (2022) • Filiz Polat für Bündnis 90/Die Grünen

Repräsentationen des Islams in deutschsprachigen Hearing Betroffenenperspektive: Beratungs­


Spielfilmen und (Fernseh-)Serien zwischen stellen, Jugendverbände, muslimische Verbände
2001 und 2021 24. und 25. Juni 2021
Hochschule Niederrhein / Prof. Dr. Ömer Alkın, Hearing I
Projektassistenz: Sarah Schwaibold (2022) • Ahmadiyya-Muslim-Jamaat Deutschland e. V.
• Islamische Gemeinschaft der schiitischen
Theater und Islam – Studie zur Repräsentation Gemeinden Deutschlands e. V. (IGS)
des Islams und von Muslim*innen im deutschen • Koordinationsrat der Muslime e. V. (KRM)
Theater • DITIB – Türkisch-Islamische Union der Anstalt
University of Toronto / Dr. Azadeh Sharifi (2022) für Religion e. V.
• Terno Drom e. V.
Wahrnehmung über muslimische Schülerinnen • Türkische Gemeinde in Deutschland e. V. (TGD)
und Schüler in der Schule
Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Inte­ Hearing II
grationsforschung – Institut an der Universität • Aktionsbündnis muslimischer Frauen e. V. (AmF)
Duisburg-Essen / Cem Serkan Yalçın (2022) • Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an
Schulen (ADAS) bei LIFE – Bildung, Umwelt,
Chancengleichheit e. V.
Hearings • Fachstelle #MehralsQueer bei Queeres
Netzwerk NRW e. V.
Im Rahmen von Hearings und Vernetzungs- • FAIR International – Federation Against
treffen hat der UEM ferner unterschiedliche Injustice and Racism e. V.
Perspektiven aus Politik, NGOs und Zivil- • Muslimisches SeelsorgeTelefon Berlin
gesellschaft eingeholt. Die Gespräche führte (MuTeS) e. V.
der UEM aufgrund der Pandemie online über • RAHMA – Muslimisches Zentrum für
Videokonferenzdienste. Mädchen, Frauen und Familie e. V.

Hearing III
• Alhambra Gesellschaft e. V.
• Avicenna Studienwerk e. V.
• Inssan e. V.
• Juma e. V.
• Mosaik e. V.
394 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

• Regionale Arbeitsstellen für Bildung, • Sabine Horn


Integration und Demokratie (RAA) e. V. Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol)
• Muslimisches Bildungswerk für Demokratie • Maren Wegener
und Bildung e. V. Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol)

Hearing mit deutschen Forscher*innen im Hearing mit juristischen Expert*innen


Bereich Muslimfeindlichkeit in der Exekutive 7. Oktober 2021
30. September und 1. Oktober 2021 Zum Workshop Expertise eingereicht:
• Dr. Fatoş Atali-Timmer • Dr. Alexander Collo
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Richter am AG Magdeburg / Justizministerium
• Prof. Dr. Martin Elbe Sachsen-Anhalt
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwis- → Collo, Alexander (2021): Was passiert im
senschaften der Bundeswehr (ZMSBw) familiengerichtlichen Verfahren, wenn
• Prof. Dr. phil. Oliver Decker „der Islam“ thematisiert wird?
Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- • Prof. Dr. Anatol Dutta
und Demokratieforschung an der Universität Ludwig-Maximilians-Universität München
Leipzig → Dutta, Anatol (2021): „Der Islam“ in der
• Dr. Janine Dieckmann Familiengerichtspraxis und in der
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Personenstandspraxis
(IDZ) • Prof. Dr. Bettina Heiderhoff
• Prof. Dr. Eva Groß Universität Münster
Hochschule in der Akademie der Polizei → Heiderhoff, Bettina (2021): Umgang mit
Hamburg „dem Islam“ in Gerichtsverfahren – Stellung-
• Dr. Cihan Sinanoğlu nahme zur familiengerichtlichen Praxis
Deutsches Zentrum für Integrations- und • Dr. Doris Liebscher
Migrationsforschung (DeZIM) Juristin, Berlin
• Dr. Anja Stichs → Liebscher, Doris (2021): Zum Umgang mit
Forschungszentrum Migration, Integration „dem Islam“ in der deutschen Rechtsspre-
und Asyl des Bundesamts für Migration chung. Islam und Gleichbehandlungsgesetz
und Flüchtlinge (BAMF-FZ) • Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Muckel
• Dr. Martin Thüne Universität zu Köln
Thüringer Fachhochschule für öffentliche → Muckel, Stefan (2021): Stellungnahme zum
Verwaltung, Fachbereich Polizei Umgang mit dem Islam in Gerichtsverfahren
• Prof. Dr. Gert Pickel • Prof. Dr. Mehrdad Payandeh
Universität Leipzig Bucerius Law School Hamburg
• Prof. Dr. Andreas Zick → Payandeh, Mehrdad (2021): Islam und
Institut für interdisziplinäre Konflikt- und muslimische Religionszugehörigkeit im
Gewaltforschung (IKG) an der Universität Gerichtsverfahren
Bielefeld • Dr. Nahed Samour in Zusammenarbeit mit
• Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum Mehmet Osman Gülyesil
Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) Humboldt-Universität zu Berlin
an der TU Berlin → Samour, Nahed/Mehmet Osman Gülyesil
• Dr. Maria Alexopoulou (2021): Der Islam in der Gerichtspraxis
Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA)
an der TU Berlin
Externe Expertisen: Studien, Gutachten und Hearings 395

• Prof. Dr. Nadjma Yassari • Dr. Jonas Tinius


Max-Planck-Institut für ausländisches und Universität des Saarlandes
internationales Privatrecht Hamburg • Prof. Dr. Melanie Ulz
→ Yassari, Nadjma (2021): Unveröffentlichte Universität Regensburg
Stellungnahme zur Anfrage des UEM • Ismahan Wayah
Neue deutscher Museumsmacher*innen
Hearing mit CLAIM • Prof. Dr. Stefan Weber
12. November 2021 Museum für Islamische Kunst, Berlin
Gesprächspartnerin:
Rima Hanano, Leiterin CLAIM Hearing mit BMI-Abteilung Öffentliche
Sicherheit (ÖS) / Arbeitsgruppe ÖS II 2
Hearing mit deutschen Journalist*innen zu Internationaler Terrorismus und Extremismus
den Ursachen der Islamberichterstattung 24. Juni 2022
21. und 28. Januar 2022 Vertreter*innen der Arbeitsgruppe ÖS II 2
Das Hearing erfolgte anonymisiert.
Hearing mit Bundeskriminalamt zu den
Hearing mit Prof. Dr. Werner Schiffauer (ehem. Erfassungskriterien „Politisch Motivierter
Universität Frankfurt (Oder) und langjähriger Kriminalität“
Vorsitzender des Rats für Migration e. V.) 8. September 2022
10. März. 2022 Vertreter*innen der Abteilung Polizeilicher
Staatsschutz sowie der Forschungsstelle
Hearing mit Meryem Küçükhüseyin und Terrorismus/Extremismus
Büşra Gök Akca für brandeilig und fair e. V.:
Vorabpräsentation der Studie: Hintergründe zu Hearing mit Dr. Seyran Bostancı
Moscheeangriffen im Jahr 2018. Report no. 1. (Deutsches Zentrum für Integrations- und
17. März 2022 Migrations­forschung, DeZIM) zum Thema
„Antimuslimischer Rassismus in Kitas“
Hearing mit Vertreter*innen der deutschen 13. September 2022
Museums- und Ausstellungslandschaft sowie
wissenschaftlichen Expert*innen aus dem
Themenfeld „Islam im Museum“
24. März und 1. April 2022
• Prof. Dr. Bärbel Beinhauer-Köhler
Philipps-Universität Marburg
• Christine Gerbich
Centre for Anthropological Research on Museums
and Heritage, Humboldt-Universität zu Berlin
• Sandrine Micossé-Aikins
Diversity Arts Culture, Stiftung für Kulturelle
Weiterbildung und Kulturberatung, Berlin
• Dr. Anahita Mittertrainer
Museum Fünf Kontinente, München
• Prof. Wendy Shaw
Freie Universität Berlin
396 Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit

Impressum
Herausgeber
Bundesministerium
des Innern und für Heimat,
11014 Berlin
Internet: www.bmi.bund.de

Stand
Juni 2023

Druck
Bonifatius GmbH Druck | Buch | Verlag, 33100 Paderborn

Gestaltung
familie redlich AG – Agentur für Marken und Kommunikation
KOMPAKTMEDIEN – Agentur für Kommunikation GmbH

Vervielfältigung
Alle Rechte vorbehalten

Bildnachweise
Titel: Adobe Stock / goldnetz
Vorwort: Bundesministerium des Innern und für Heimat

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Artikelnummer: BMI23006

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