Sie sind auf Seite 1von 1

Schreiben als Lebenshilfe

Soll es eine Lebenshilfe sein, sich mit Texten zu befassen oder sich in die Lyrik zu vertiefen? Literatur
soll Gefängnisinsassen helfen? Das scheint abwegig zu sein. Der Artikel „Lyrik für Gestrauchelte“ von
Armin Himmrath, der am 17. Januar 2015 auf der Nachrichten-Website „Spiegel Online veröffentlicht
wurde, handelt von der Schriftstellerin Miriam Günter. Sie versucht, Jugendliche, die sich mit Prosa
und Lyrik noch nicht auseinandergesetzt haben, sowie Personen im Gefängnis Literatur beizubringen.
Dabei geht es nicht nur um das Lesen von Texten sondern auch darum, dass die Betroffenen selbst
Prosa oder Lyrik verfassen lernen. Man gewinnt durch den Artikel den Eindruck, dass Miriam Günter
eine Art therapeutisches Ziel mit dieser Arbeit verfolgt.

Viele Menschen meinen, die Gefangenen sollten lieber ein Handwerk lernen, damit sie direkt nach
der Freilassung leicht einen Beruf bekommen, der es ermöglicht, ohne Kriminalität und mit Stabilität
zu überleben. Aber wie sollte Miriam Günter das anbieten? Sie ist Schriftstellerin und will sich sozial
engagieren. Hätte sie dafür extra mühselig 3 Jahre eine Tischlerlehre machen sollen? Sie findet es
besser, ihr eigenes Handwerk zu nutzen. Es funktioniert, die Jugendlichen zeigen Interesse an ihrer
Arbeit und sie hat sogar Sponsoren gefunden, die das Projekt finanziell unterstützen und
ermöglichen, dass es freiwillig stattfinden kann.

Manche gehen so weit, dass sie denken, Jugendliche in Gefängnissen hätten keine Begabung zum
Schreiben, sonst wären sie nicht kriminell geworden. So ein Argument ist in jeder Hinsicht ein
Vorurteil und man weiß nicht was hinter den schlimmen Straftaten steckt. Die Betroffenen haben
vielleicht noch nicht die Möglichkeit bekommen, sich schriftlich auszudrücken. Wenn sie aus sozial
schwachen Verhältnissen kommen, ist die Schule nicht gefördert worden und die Lehrer haben ihnen
nicht richtig beigebracht, wie man Literatur liest oder schreibt.

Außerdem spielt Kreativität und Disziplin beim Schreiben eine Rolle. Man muss sich etwas
ausdenken, Worte dafür finden und den Text so lange verbessern, bis er gut klingt. Bei lyrischen
Texten muss man die richtigen Ausdrücke nutzen und an einem interessanten Versmaß arbeiten. Das
fördert die Ausdauer und durch Disziplin kommt man zu besseren Ergebnissen. Für das Berufsleben
ist Disziplin eine der wichtigsten Voraussetzungen. Über die freiwillige Arbeit an Texten wird auch die
Selbstdisziplin verbessert.

Zuletzt wäre noch zu erwähnen, dass Jugendliche mit Schwierigkeiten oder straffällige Personen auch
deshalb Probleme haben könnten, weil sie ihre eigene Sichtweise nicht ausdrücken oder bewusst
wahrnehmen können. Durch die Hilfe von Miriam Günter lernen sie das. Dadurch gewinnen sie
Selbstbewusstsein und lernen auch mit Problemen anders umzugehen. Es ist daher möglicherweise
tatsächlich eine Therapie, die eigene Geschichte in Worte zu fassen. Die Texte bewirken eine
Erlösung vom Hamsterrad der quälenden Gedanken.

Es ist also keineswegs abwegig, dass Jugendliche mit Schwierigkeiten das Schreiben von Literatur
lernen. Miriam Günter hat mit ihrem Handwerk eine neue Form der Jugendarbeit entwickelt und ist
damit auf großes Interesse gestoßen. Es hat sich herausgestellt, dass auch Menschen, die vorher
keinen Kontakt zu Literatur hatten, das Schreiben erlernen können. Weiters fördert die literarische
Arbeit die Kreativität und Disziplin und es ist auch eine Art von Therapie, denn die Worte bieten ein
Ventil für innere Konflikte und Probleme. Eine solche Arbeit, wie sie von der Schriftstellerin
entwickelt wurde, sollte gefördert weiterverbreitet werden. Literarische Arbeit kann auch in
Nachbarschaftszentren durchgeführt werden. Dafür braucht es auch nicht immer eine
Schriftstellerin, um eine solche Initiative zu entwickeln.

Das könnte Ihnen auch gefallen