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Triumph des Herzens

LÄUTERUNG DURCH DIE LIEBE GOTTES

PDF - Familie Mariens


20. Jg. (V) 2012
Nr. 114
In einer großen Schule der Liebe
Liebe Freunde und Wohltäter, liebe Leser!
Schon lange liegt es uns am Herzen, mit Euch
über das Thema „Fegefeuer“ nachzudenken. Dies ist allein schon
deshalb von Bedeutung, weil die sogenannten „Letzten Dinge“ -
Tod, Himmel, Hölle, Fegefeuer - früher oder später jeden
von uns persönlich betreffen.

Papst Benedikt XVI., Fronleichnamsfest 2012

Nicht im Himmel - Nicht in der Hölle


W er erreicht bereits auf Erden vollkom-
men das Ziel der menschlichen Berufung und
D as Fegefeuer ist demnach kein „jensei-
tiges Straflager“, sondern ein Geschenk von
ist durch und durch heilig und somit reif für den Gottes Barmherzigkeit. Überaus dankbar gehen
Himmel? Und wer stürzt sich im Augenblick des die sogenannten „Armen Seelen“ dort in eine
Todes, bei der persönlichen Begegnung mit Je- Schule der Liebe, der Umkehr - wie Kranke,
sus, freiwillig ganz weg vom liebenden Herrn? die im Hinblick auf sichere Heilung froh über
„Weder das eine noch das andere ist nach eine schmerzhafte Operation sind. Sie erkennen
unserer Erfahrung der Normalfall mensch- im Lichte Gottes voll Schmerz die Wahrheit:
licher Existenz“, sagt Benedikt XVI. in seiner ihren großen Mangel an Liebe. Das Fegefeuer
Enzyklika „Spe salvi“. „Bei den allermeisten ist nun ihr brennender Reueschmerz über ihre
- so dürfen wir annehmen - bleibt ein letz- Sünden und Unterlassungen, ihre verzehrende
tes und innerstes Offenstehen für die Wahr- Sehnsucht nach Gott, die wie „Heimweh nach
heit, für die Liebe, für Gott im Tiefsten ihres dem Himmel“ ist. Sie sind im wahrsten Sinne
Wesens gegenwärtig … Aber im Schmerz des Wortes arm, weil sie aus sich heraus nichts
dieser Begegnung, in der uns das Unrei- mehr für sich selbst tun können. Sie sind ganz
ne und Kranke unseres Daseins offenbar angewiesen auf unsere Gnadenhilfe, durch die
wird, ist Rettung. Sein Blick, die Berührung sie geläutert, gereinigt und immer mehr von Lie-
Seines Herzens heilt uns in einer gewissen be erfüllt und geheiligt werden. Dies ließ die hl.
schmerzlichen Verwandlung ‚wie durch Feu- Kirchenlehrerin Katharina von Siena ausrufen:
er hindurch‘. Aber es ist ein seliger Schmerz, „O, wie wunderbar muss doch der Himmel
in dem die heilige Macht Seiner Liebe uns sein, dass Gott eine so vollkommene Reini-
brennend durchdringt.“ gung der Seelen vornimmt!“

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L iebe Freunde, das Thema Fegefeuer um-
fasst eine solch immense geistige Weite, dass
Mögen uns die verschiedenen Beiträge über
das Fegefeuer berühren und werden auch wir
sich diese unmöglich auf wenigen Seiten ein- zu eifrigen Helfern der Armen Seelen! Denn
fangen lässt. Deshalb werdet Ihr in zwei Aus- der Erlöser will nicht nur auf Erden, in der
gabenunserer Zeitschrift darüber lesen können, Streitenden Kirche, unser miterlösendes
wobei wir vor allem Heilige verschiedener Mitwirken, sondern über die Schwelle des Todes
Jahrhunderte zu Wort kommen lassen möchten. hinaus vertraut Er uns die Aufgabe an, Seine
Auf vielfältige Weise setzten sie sich stellver- Erlösergnaden in der Leidenden Kirche bei den
tretend für die Armen Seelen ein, damit sich Armen Seelen fruchtbar werden zu lassen. Sie
diese leichter und schneller dem Erbarmen sind für jede noch so kleine Liebestat, jedes Opfer
Gottes öffnen konnten. Sie pflegten geradezu und Gebet dankbar und werden sich ihrerseits als
vertrauten Umgang mit dieser uns heute oft so beste Freunde erweisen, wenn wir sie anrufen.
fremden Welt. So erlauben wir uns an dieser Stelle, auch unsere
Die sel. Eugénie Smet (1825-1871) gründete nichtkatholischen Leser, die das Glaubensgut
sogar einen Orden, die Helferinnen der Ar- der jenseitigen Läuterung nicht mit uns teilen,
men Seelen, deren erstes Anliegen es ist, sich herzlich einzuladen, vertrauensvoll zu beten:
für die Leidenden im Fegefeuer hinzugeben. „Herr, wende meine Liebe und mein Gebet
Darüber aber mehr im Februar 2013. jenen zu, die beides am meisten brauchen!“

„Wie durch Feuer hindurch “


I n der Heiligen Schrift, im Alten Testament
weist schon im Frühjudentum das Handeln
wir euch vorausgegangen sind“, steht z. B. in
der römischen Calixtus-Katakombe auf einer der
von Judas Makkabäus darauf hin, dass man zahlreichen Inschriften.
den Verstorbenen durch Gebet zu Hilfe kam
(2 Makk 12,42-44). „Die entsprechende Ergreifend schön überliefert uns der hl.
Praxis“, so schreibt Benedikt XVI., „ist Kirchenvater Augustinus Anfang des 5. Jh., wie
ganz selbstverständlich von den Christen seine Mutter, die hl. Monika, ihn im Sterben bat:
übernommen worden und der Ost- und
Westkirche gemeinsam.“ „Begrabt meinen Leib, wo immer er sich
Im Neuen Testament spricht Jesus von der gerade befindet … aber gedenket meiner
Sündenvergebung in der „zukünftigen Welt“ am Altar des Herrn!“ Und er berichtet in
(Mt 12,32), was sich nach Augustinus und Papst seinen berühmten „Bekenntnissen“: „Es lag
Gregor dem Großen auf das Fegefeuer bezieht. ihr nichts an einem prunkvollen Begräbnis
Und Paulus schreibt im 1. Korintherbrief, dass … sie wünschte sich kein auserlesenes
das Werk eines jeden geprüft und die Person Grabdenkmal … nur das eine, dass ihrer an
selbst „wie durch Feuer hindurch“ gerettet Deinem Altar, o Gott, gedacht würde … auf
wird (1 Kor 3,13-15). dem das Opfer dargebracht wird, das den
In der kirchlichen Tradition bezeugen bereits Schuldschein auslöscht … Du, mein Herr
aus der nachapostolischen Zeit Märtyrerakte und Gott, gib es Deinen Dienern ein … dass,
und Katakomben-Grabinschriften der ersten drei wer immer diese Zeilen liest, an Deinem
Jahrhunderte, dass der Verstorbenen gedacht Altar Deiner Dienerin Monika gedenken
wurde. „Denkt in euren Gebeten an uns, die möge.“

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I m Laufe der folgenden Jahrhunderte suchten
besonders Klöster untereinander Kontakt, um
gegenseitig für verstorbene Mitbrüder und
-schwestern beten zu lassen.

Unsere Liebe reicht ins Jenseits hinüber


D er Heilige Vater schreibt weiter in
seiner Enzyklika „Spe salvi“: „Dass Liebe
Liebesreue und sogar selbstverschuldete Leiden
und Schmerzen, die wir aufopfern.
ins Jenseits hinüberreichen kann, dass ein Ganz in diesem Sinn lehrte der Engel in Fatima
beiderseitiges Geben und Nehmen möglich die drei Hirtenkinder folgendes Gebet zu beten:
ist, in dem wir einander über die Grenze „O mein Gott, ich glaube an Dich, ich hoffe
des Todes hinweg zugetan bleiben, ist eine auf Dich, ich liebe Dich, ich bete Dich an.
Grundüberzeugung der Christenheit durch Ich bitte Dich um Verzeihung für jene, die
alle Jahrhunderte hindurch gewesen und nicht an Dich glauben, Dich nicht anbeten,
bleibt eine tröstliche Erfahrung auch heute nicht auf Dich hoffen und Dich nicht
… Keiner lebt allein. Keiner sündigt allein. lieben.“ Auch der temperamentvollen Turiner
Keiner wird allein gerettet. In mein Leben Klarissen-Kapuzinerin Sr. Consolata Betrone
reicht immerfort das Leben anderer hinein: erklärt Jesus, dass ihr sogenannter „Liebesakt“ -
in dem, was ich denke, rede, tue, wirke. Und das Stoßgebet „Jesus, Maria, ich liebe Euch;
umgekehrt reicht mein Leben in dasjenige rettet Seelen!“ - alle einschließt, Lebende und
anderer hinein: im Bösen wie im Guten.“ Verstorbene. Jesus ermutigte sie und auch uns

K raft der Einheit und Lebensgemeinschaft


über den Tod hinaus kann unsere Liebe also
immer wieder: „Verliere keine Zeit, jeder
Liebesakt ist eine Seele! Bedenke, dass jeder
Liebesakt über die ewige Seligkeit einer
tatsächlich stellvertretend etwas tun, was den Seele entscheiden kann! Achte also darauf,
Armen Seelen von Gott angerechnet wird, so kein einziges ‚Jesus, Maria, ich liebe Euch;
als hätten sie selbst es getan. Eigentlich können rettet Seelen!‘ zu unterlassen, das tausend
wir ihnen alles zuströmen lassen, auch unsere Flüche sühnt!“

Päpste erschließen Quellen der Hilfe


V or, während und nach den beiden Welt-
kriegen, als im 20. Jh. Millionen Tote zu be-
gewonnen werden kann, wenn die Gläubigen die
Sakramente empfangen und in einer Kirche für
klagen waren, von denen der Großteil auf den die Anliegen des Heiligen Vaters beten.
Schlachtfeldern, in Konzentrationslagern oder Papst Benedikt XV. (1914-1922), in dessen
bombardierten Städten völlig unvorbereitet Amtszeit die Russische Oktoberrevolution,
starb, gewährten die Päpste ganz neue Möglich- der gesamte Erste Weltkrieg und die schwe-
keiten, den Armen Seelen zu helfen. re Kirchenverfolgung in Mexiko fielen, ver-
So erließ der „Eucharistiepapst“ Pius X. (1903- fügte ebenfalls in einem Schreiben, dass am
1914) kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges Allerseelentag jeder Priester für die Verstor-
ein Dekret, das besagt, dass am Allerseelentag benen dreimal das Hl. Messopfer feiern dürfe.
für die Armen Seelen ein vollkommener Ablass Es lag dem Heiligen Vater diesbezüglich sehr

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am Herzen, „dass alle Priester des Erd- „Feldzug des Gebetes“ und vorallem durch das
kreises … gerne und eifrig von diesem ein- Hl. Messopfer Erleichterung zu verschaffen,
zigartigen Privileg … Gebrauch machen“. weil wir „rings um uns beobachten, wie bei
den meisten Menschen das Andenken an die
Sein Nachfolger, Papst Pius XI. (1922-1939), Toten allmählich verblasst … oder sich am
dessen Pontifikat durch seinen Widerstand ge- Grab in äußeren Liebesbezeugungen er-
gen die totalitäre, antichristliche Bewegung schöpft, die zwar gut sind, aber mehr die
des Kommunismus charakterisiert war, bat ein- Hinterbliebenen trösten als den Leidenden
dringlich, den Verstorbenen durch einen wahren im Fegefeuer nützen“.

Sie halfen ihnen in den Himmel


Z u allen Zeiten gab es - bestens bezeugt -
Heilige und heiligmäßige Menschen, die sich als
die Seelen im Fegefeuer und am Tag für die
Bekehrung der Sünder.“
wahre Freunde und Vertraute der Armen Seelen Auch zu Therese von Konnersreuth (1898-
erwiesen haben. Die im Fegefeuer leidenden 1962) kamen in der Nacht immer wieder und
Seelen durften ihnen erscheinen und ihre Hilfe besonders am 2. November viele Arme Seelen,
erbitten, um nach erlangter Hilfe zu danken und die sie in ihrer originellen, urwüchsigen Art
sich ihrerseits als hilfreiche Freunde zu erweisen. „Bettelkatzln“ nannte. Ohne jede Furcht und
So sagte der hl. Pfarrer von Ars: „Wenn man voll Mitleid half sie ihnen durch das Aufopfern
wüsste, welche Macht diese guten Seelen ihrer Leiden und Schmerzen.
über das Herz Gottes haben und welche So sehr gedachte Therese ihrer, dass sie fünf
Gnade man durch ihre Fürbitte bekommen Tage vor ihrem Sterben, am 13. September
kann, wären sie nicht so verlassen. Wenn wir 1962, wie als Vermächtnis ihrem Bruder auftrug:
von Gott wahren Reueschmerz über unsere „Ferdl, vergiss mir ja die Verstorbenen, die
Sünden erlangen wollen, wenden wir uns am Armen Seelen nicht! Bete jeden Tag für sie!
besten an die Armen Seelen, die seit Jahren Aber du sollst nicht nur beten, sondern auch
… ihre Sünden bereuen … Man muss viel deine täglichen Sorgen für sie aufopfern.
für sie beten, damit sie viel für uns beten! Wir tun viel zu wenig für die Verstorbenen.
Wenn wir uns den Himmel sichern wollen, Sie brauchen unsere Hilfe, aber sie wollen
so müssen wir einen großen Eifer für die nichts umsonst. Sie sind sehr dankbar …
Armen Seelen besitzen! Das Gebet für ihre und helfen uns dafür in verschiedener Weise.
Befreiung aus dem Fegefeuer ist nach dem Behalte diese meine Bitte nicht für dich, sage
Gebet für die Bekehrung der Sünder Gott sie vielmehr allen Menschen, mit denen du je
am wohlgefälligsten. So leide ich nachts für zusammenkommst!“

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Die Mutter der Barmherzigkeit führt sie
in den Himmel ein
B ei der pfälzischen Mystikerin Barbara
Pfister (1867-1909) war der freundschaftliche
öffnete sich, und der Heiland kam ihr mit
Seinen leuchtenden Wunden entgegen. An der
Umgang mit den Armen Seelen so ausgeprägt, Oberin erstrahlten ebenfalls die Wundmale,
dass sie mit ihnen ebenso vertraut umging und sie ging mit ihnen wie in die verklärten
wie mit den Lebenden. Oft besuchte sie in Wundmale des Heilands ein.“
Begleitung ihres Schutzengels das Fegefeuer
und berichtete darüber: „Wo ich stehe und
gehe, immer höre ich das Rufen: ‚Herr,
erbarme Dich meiner!‘ Und in gleicher
I n der vorweihnachtlichen Zeit wurde der
Mystikerin symbolisch für den Zustand der
Weise flehte dann die Gottesmutter bei der Armen Seelen ein unüberschaubares Ackerfeld
Hl. Messe für die Armen Seelen. Überhaupt voll Gestrüpp und Dornen gezeigt, worauf für
sind es, wenn ich das so sagen darf, die Barbara ihre mühevolle, nicht enden wollende
schönsten Augenblicke im Fegefeuer, wenn „Advents-Arbeit“ begann. Unter Kälte und
die Gottesmutter erscheint, um wieder eine Schweiß, Erschöpfung und anderen Sühneleiden
oder mehrere geläuterte Seelen abzuholen übernahm sie die Nöte der Seelen im Fegefeuer,
und in den Himmel zu führen.“ bis sie kurz vor Christi Geburt erleichtert sagen
konnte: „Gott sei Dank, jetzt bin ich mit Maria
Als Barbara Pfister einmal erlebte, dass eine im und Josef auf dem Weg nach Betlehem. Alles,
Ruf der Heiligkeit stehende, ja sogar stigmatisierte alles liegt hinter mir, die Advents-Arbeit ist
Oberin wegen unbegründeter Strenge einer fertig.“ Und zu Weihnachten durften mehr
Mitschwester gegenüber einer längeren Zeit Seelen in den Himmel eingehen als an allen
der Läuterung im Fegefeuer bedurfte, wunderte anderen Tagen des Jahres.
man sich sehr darüber. Barbara aber erklärte:
„Das ist nicht lange und nicht kurz. Diese Ähnliche „Weihnachtsgnaden“ für die Armen
Zeitbegriffe gibt es im Fegefeuer nicht, denn Seelen erlebten unabhängig voneinander zwei
dort herrscht die Ewigkeit.“ Schließlich durfte deutsche Mystikerinnen, die sel. Christina von
Barbara am Ende einer Hl. Messe das Eingehen Stommeln (1242-1312) und Prinzessin Eugenie
dieser Seele in den Himmel schauen, nachdem von der Leyen (1867-1929). In Medjugorje
sie für sie gebetet und gelitten hatte: „Beim ‚Ite, bestätigte dies sogar die Gottesmutter während
Missa est!‘ sang die Seele ein Halleluja, so ihrer Erscheinung am 10. Januar 1983: „Die
himmlisch schön, dass mir die Worte fehlen, meisten Seelen verlassen das Fegefeuer nicht
es zu beschreiben. Sie erhob sich, der Himmel an Allerseelen, sondern an Weihnachten.“

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Katharina von Genua
Katharina von Genua (1447-1510) gehört zu jenen großen Mystikerinnen
des Mittelalters, denen Gott ganz neues Licht über Seine Liebe geschenkt hat.
Sie trägt zu Recht den Titel „Theologin des Fegefeuers“.
Denn was Gott sie über diesen Zustand der Reinigung erleben ließ,
stand ganz im Gegensatz zu den damals geläufigen Vorstellungen des Fegefeuers
als ein Ort im Inneren der Erde, in den die Seele hinunterstürzt,
um dort als Strafe für ihre begangenen Sünden
in schrecklichen Feuerqualen zu leiden.

A m 15. April 1447 wurde in der berühm-


ten Adelsfamilie der Fieschi das fünfte Kind,
leidenden Herrn am Kreuz entzündete in ihr
schon als Kind ein großes Verlangen, Jesus zu
Katharina, geboren. Ein halbes Jahr vor ihrer trösten und Ihm ihre Liebe zu zeigen, so dass
Geburt verstarb ihr Vater, der Vizekönig von sie überall nach Möglichkeiten suchte, Opfer
Neapel war. Trotzdem konnte Mutter Francesca zu bringen. Mit 13 Jahren äußerte sie bereits
ihren Kindern eine ausgezeichnete Erziehung entschlossen den Wunsch, in das Kloster „San-
und Bildung im Milieu des Hochadels von ta Maria delle Grazie“ einzutreten, in dem ihre
Genua ermöglichen. Katharina wird als ein ältere Schwester Limbania schon seit einigen
„ganz besonders edles, überaus zartes und Jahren als Schwester nach der Ordensregel des
schönes“ Mädchen beschrieben, was vor al- hl. Augustinus lebte. Obwohl Katharina für ihr
lem auch für ihre Seele galt. Der Anblick des Alter sehr reif war, fand sie keine Aufnahme.

Eine zutiefst unglückliche Ehe


I hr Wunsch, ins Kloster zu gehen, zerbrach
vollständig, als die 16-jährige Katharina Fieschi
lebte, verschleuderte Giuliano nicht nur sein,
sondern auch ihr beachtliches Vermögen.
den jungen Giuliano Adorno heiraten musste, Obwohl Katharina viel für ihren Gemahl
um auf diese Weise einen freundschaftlichen betete und alle Leiden für seine Bekehrung
Zusammenschluss der zwei im Streit liegenden aufopferte, änderte er seinen Lebensstil nicht. Im
Familien Fieschi und Adorno zu besiegeln. Am Gegenteil, er verfiel noch dazu dem Würfel- und
13. Januar 1463 fand die prunkvolle Hochzeit Kartenspiel und der Leidenschaft für die Frauen.
statt, doch bald schon erwies sich Giuliano als Nach fünf Jahren Ehe hatte die 21-jährige
gewalttätiger, lasterhafter Ehemann, der zum Katharina keine Hoffnung mehr auf eine bessere
Zeitpunkt der Vermählung bereits mehrere Zukunft. Sie fiel in tiefe Traurigkeit und magerte
uneheliche Kinder hatte. So begannen für derart ab, dass nicht einmal ihre Freundinnen
die gebildete und tiefgläubige Katharina sie wiedererkannten. In ihrer Verzweiflung
schreckliche Ehejahre. Während sie einsam und gab Katharina schließlich dem Drängen ihrer
vernachlässigt im Palast der Familie Adorno Verwandten und Freunde nach, sich abzulenken

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und sich dem bunten Treiben der damaligen mich an der Sünde als Sünde ergötzte und
High Society zuzuwenden. Es dauerte nicht mich dessen sogar rühmte.“ Trotz allem
lange, bis sie sich ganz in den Vergnügungen fand Katharina keinen Augenblick den inneren
der Welt verlor, so dass sie in ihrem „geistlichen Frieden. Später gestand sie, dass sie in diesen
Dialog“ über diese Zeit schrieb: „Ich war fünf Jahren des weltzugewandten Lebens
schließlich so weit gekommen, dass ich keinen wirklich glücklichen Tag verlebt hat.

„ Nicht mehr die Welt und keine Sünde mehr! “


D ie 26-jährige Katharina, noch immer kin-
derlos, verarmt, in einer zerrütteten Beziehung
konnte aber nur um Aufschub der Beichte bitten.
Sie hatte ihr Leben seit ihrem Fall geschaut und
lebend, mit einer Zukunft ohne Perspektive, erkannt, mit wie viel Liebe der Herr sie hatte
stürzte erneut in eine tiefe Depression. Konnte an Sich ziehen wollen und welche Leiden ihr
sie ihre Stimmungen anfangs noch überspielen, sündhaftes Leben Ihm bereitet hatte.
steigerten sie sich bald so sehr, dass es ihr un-
möglich wurde, weiterhin dieses oberflächliche,
weltliche Leben zu führen. In äußerster Nieder-
geschlagenheit begab sie sich am Vorabend des
D iese Erkenntnis bewirkte in Katharina
tiefe Reue und entzündete gleichzeitig ihre
Festes des hl. Benedikt, am 20. März 1473, in Gottesliebe in nie gekanntem Ausmaß. In dem
eine ihm geweihte Kirche. Sie bat den Heiligen tiefen Schmerz, ihren so liebenswürdigen Gott
um die Gnade, drei Monate krank im Bett liegen beleidigt zu haben, rief sie aus: „O meine Liebe,
zu müssen, damit sie so von allem Weltlichen nicht mehr die Welt und keine Sünde mehr!“
Abstand gewinnen könne. Am folgenden Tag Diese Worte wurden von nun an das Motto ihres
besuchte Katharina ihre Schwester Limbania im Lebens.
Kloster „Santa Maria delle Grazie“, die ihr den Das Liebesfeuer wandelte Katharina innerlich
Rat gab, doch zur Hl. Beichte zu gehen. völlig um. Ohne gebeichtet zu haben, ging
sie nach Hause und weinte bitterlich. Noch
Ohne zu ahnen, dass die Stunde ihrer Bekehrung lange blieb die Gnade der Reue in ihrer Seele
gekommen war, suchte die verzweifelte Katha- gegenwärtig.
rina einen Beichtvater auf. Noch ehe sie mit der
Hl. Beichte beginnen konnte, traf sie plötzlich
ein Liebesstrahl der Gnade Gottes, so dass sie in
Ekstase fiel und kein Wort mehr sagen konnte.
K urze Zeit später hatte sie eine Vision. Sie
schaute den leidenden Herrn, das Kreuz auf den
Der Priester im Beichtstuhl wartete, denn er Schultern und aus allen Seinen Wunden blutend.
glaubte, sein Beichtkind bereite sich vor. Die Jesus blickte Katharina liebevoll an und sprach
Zeit verstrich, und als er wegen einer dringenden zu ihr: „Siehst du dieses Blut? Es ist ganz und
Angelegenheit gesucht wurde, versprach er gar aus Liebe zu dir und zur Sühne für deine
der schweigenden Katharina seine baldige Sünden vergossen worden!“ Tief erschüttert
Rückkehr und ging. Zurück im Beichtstuhl, fand legte sie daraufhin eine Generalbeichte ab und
er sie immer noch wortlos in derselben Haltung. empfing am folgenden Tag die Hl. Kommunion,
Als der Pater sie zu sprechen aufforderte, kehrte die ihr von nun an zur täglichen unerlässlichen
Katharina mit Mühe aus ihrer Ekstase zurück, Kraftquelle wurde.

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Jahre der Buße und der Nächstenliebe
I n den folgenden vier Jahren lebte Katharina,
gedrängt von der Liebe zu Jesus, ein Leben der
bringen. Bald wurde man auf sie aufmerksam
und bat sie deshalb, die Pflege in dem bekannten
Buße. Sie wollte ihre Sünde sühnen und empfand Krankenhaus Pammatone zu übernehmen. Nach
eine solche Abscheu gegenüber dem Bösen, dass einigen Jahren des demütigen Dienens wurde
sie sich viele Entsagungen auferlegte. Auf diese sie zur Direktorin des Krankenhauses ernannt.
Weise begann sie sich von allem Egoismus zu Sie hatte nicht nur für das gesamte Personal
lösen, bis sie tiefglücklich sagen konnte: „Ich Sorge zu tragen, sondern trug auch die Last der
meine, nichts mehr zu haben, nur noch finanziellen Angelegenheiten des Hauses, das
Liebe!“ mehrere Hundert Kranke beherbergte.
Von dieser glühenden Gottesliebe erfüllt, drängte Ihr Ehemann Giuliano, der durch seine
es Katharina, sie auch anderen weiterzugeben. Verschwendungssucht mittlerweile einen
Deshalb schloss sie sich im Alter von 30 völligen finanziellen Zusammenbruch erlitten
Jahren der „Gemeinschaft der Damen von hatte, begann sich durch die Gebete und Opfer
der Barmherzigkeit“ an. Mit diesen Adeligen seiner Gattin langsam zu bekehren. Nach vielen
widmete sie sich hingebungsvoll den Armen leidvollen Jahren wurde er schließlich für
und Kranken und scheute sich nicht, in den seine 50-jährige Frau zum treuen Helfer in der
schmutzigsten Gassen Genuas den von Würmern Krankenpflege und stimmte zu, den Rest des
zerfressenen Kranken Linderung und Trost zu Lebens eine Josefsehe mit ihr zu führen.

Wie Mutter Teresa im 20. Jh. opferte sich die hl. Katharina von Genua jahrzehntelang für Arme, Kranke und
Sterbende auf. Einmal beklagte sie sich bei Jesus: „Du befiehlst mir, ich solle den Nächsten lieben, und ich
kann doch nur Dich allein lieben und kann doch nichts neben Dir zulassen.“ Da erwiderte ihr der Herr: „Wer
Mich liebt, der liebt auch alles, was Ich liebe. Es genügt, dass du stets bereit bist, für das Wohl des Nächsten,
für seinen Leib und seine Seele zu tun, was nötig ist. Diese Liebe ist frei von sinnlicher Anhänglichkeit, weil
der Nächste dabei nicht in sich, sondern in Gott geliebt wird.“

D ie karitative Tätigkeit hielt Katharina


nicht davon ab, eine große Beterin zu sein. Gott
N eun Jahre vor ihrem Heimgang befie-
len die Heilige rätselhafte, sehr schmerzhafte
schenkte ihr mehr als 20 Jahre lang in vielen Krankheitszustände, die die besten Ärzte der
Ekstasen Licht über die Geheimnisse Seiner damaligen Zeit weder erklären noch behandeln
Liebe. Das Liebesfeuer, das in ihr brannte, konnten. Bis ihre Kräfte aufgebraucht waren,
wurde für sie zum Martyrium, aber gleichzeitig kümmerte sie sich unermüdlich um die Kran-
gab es ihr einen unnachahmbaren Eifer, Gutes zu ken. Als sie dann in den letzten beiden Lebens-
tun und in jenen, die sie kannte, die Gottesliebe jahren ans Bett gefesselt war, hatte sie nur noch
zu entzünden. Sie erlebte dieses Feuer derart, den Wunsch, mit Gott aufs Innigste vereint zu
dass man manches Mal sah, wie Flammen aus sein. Am 15. September 1510 entschlief die
ihrem Körper drangen. Wenn man in diesen große „Theologin des Fegefeuers“ im Alter von
Zuständen ihre Hände ins Wasser tauchte, 63 Jahren mit den Worten: „In Deine Hände,
begann es zu kochen. Sie selbst empfand, wie Herr, empfehle ich meinen Geist!“
diese Liebe ihr Herz derart aufzehrte, dass sie Katharina von Genua wurde 1737 von Papst
davon überzeugt war, man würde nach ihrem Clemens XII. heiliggesprochen. In der
Tode ihr Herz gänzlich in Asche verzehrt finden. Heiligsprechungsakte heißt es:

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„Die Lehre unserer Heiligen ist rein von einem wunderschönen Glasschrein in der Kirche
Irrtum … und ganz seraphisch.” Der S. Caterina und Santissima Annunziata in Genua
unverweste Leib der Heiligen ist heute noch in zu verehren.

Die Lehre über das Fegefeuer


I n ihrem berühmten „Traktakt über das
Fegefeuer“ beschreibt Katharina, was die
Verständnis von diesem Ort der Reinigung, wie
z. B. der hl. Kirchenlehrer Franz von Sales. Auch
Seele nach dem Übergang vom diesseitigen ins als Papst Benedikt XVI. bei der Generalaudienz
jenseitige Leben erfährt und wie sie geläutert vom 12. Januar 2011 über Katharina von Genua
wird, um zur vollen Gottesvereinigung zu sprach, hob er die große Bedeutung ihrer Mystik
gelangen. Katharina erlebte über Jahre hinweg in für die Theologie hervor: „Liebe Freunde, die
ihrem eigenen Inneren den Läuterungsprozess, Heiligen erlangen in ihrer Vereinigung mit
den die Armen Seelen durchmachen. Diese Gott ein so tiefes ‚Wissen‘ über die göttlichen
mystische Erfahrung, die auch ihre eigene Geheimnisse ... dass sie den Theologen
Seele zur reinen, selbstlosen Gottesliebe führte, Hilfe leisten können bei ihrem Bemühen
machte sie fähig, das Wesen des Fegefeuers zu um ‚Einsicht‘ in die Glaubensgeheimnisse,
verstehen und zu beschreiben. Viele Theologen wie etwa, was die Frage des Fegefeuers
erhielten durch ihre Schriften ein ganz neues betrifft.“

Das Fegefeuer - ein Ort der barmherzigen Liebe Gottes


F ür Katharina ist das Fegefeuer kein äuße-
res Feuer, wohl aber ein inneres, das Feuer der
die persönliche Sünde, so nimmt sie
noch mehr ab. Je mehr diese Sehn-
Gottesliebe. „Sie begriff mittels dieses Lie- sucht aber in der Seele abnimmt, de-
besfeuers in ihrer Seele, wie es um die See- sto schlechter wird sie, weil Gott sich ihr
len der Gläubigen am Ort des Fegefeuers entsprechend weniger mitteilen kann.“
steht, die von jenem ‚Rost‘ der Sünde, von Katharina schaut, wie die Seele beim Heimgang
dem sie in diesem Erdenleben noch nicht der Güte und Reinheit Gottes begegnet. In die-
gereinigt worden sind, geläutert werden.“ ser göttlichen Liebe erkennt sie wie in einem
In ihrem Traktat erklärt Katharina: „Die fun- Spiegel sich selbst, ihre Sünde, ihre Mängel
damentale Ursache aller Schmerzen und bis hin zur kleinsten Unvollkommenheit. Ist
Leiden ist die Sünde, die Erbsünde und die die Seele im Stand der Gnade, das bedeutet,
persönliche Sünde. Gott hat die Seele rein, fähig, die Barmherzigkeit Gottes anzunehmen,
lauter und frei von jeder Sünde und mit einer so bereut sie ihre Sünden und entscheidet sich
beseligenden Sehnsucht auf Ihn hin erschaf- mit ihrem ganzen Willen, nie mehr zu sündi-
fen. Diese Sehnsucht wird durch die Erb- gen. Durch diese vollkommene Reue kann Gott
sünde vermindert. Kommt dazu dann noch die Seele von ihrer Sündenschuld befreien.

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Die Reinigung der Seele im Fegefeuer
N un muss die Seele nur noch vom „Rost
und der Hässlichkeit, wie sie durch die Sünde
minimale Unvollkommenheit von der Größe
eines winzigen Splitters an sich hätte, sich
verursacht wurden, gereinigt werden“. Dazu so schnell als möglich in tausend Höllen
dient die Zeit im Fegefeuer. Katharina beschreibt stürzen würde, um ja nicht mit diesem ganz
das in einem Bild: „Wie sich bei einem minimalen Makel in Seiner Gegenwart zu
zugedeckten Gegenstand, der in der Sonne erscheinen. Da sie aber sieht, dass das
liegt, die Strahlen der Sonne nicht auswirken Fegefeuer dazu bestimmt ist, diese Makel
können, so ähnlich ist es mit dem Rost der zu beheben, stürzt sie sich dort hinein und
Sünde. Er ist gleichsam die Decke, mit der empfindet es als große Barmherzigkeit, sich
die Seelen im Fegefeuer zugedeckt sind. Je auf diese Weise von dem in ihr vorhandenen
mehr der Rost der Sünde durch das Feuer Hindernis befreien zu können.“
verzehrt wird, desto mehr kann die Seele der
Bestrahlung durch die wahre Sonne, die Gott
ist, entsprechen.“ K atharina erkennt, wie die Seelen im
Fegefeuer zwei Zustände intensiv erleben:

I n ihrem Sehnen, sich mit Gott vollkommen


vereinigen zu können, wählt die Seele freiwillig
„Einerseits tragen sie gerne ihre
schmerzlichen Leiden. Ja, es scheint ihnen
sogar, Gott erweise ihnen dadurch große
und in Dankbarkeit den Ort der Läuterung, um Barmherzigkeit im Vergleich zu dem, was sie
vollständig gereinigt zu werden. „Ich sehe, verdient hätten, und sie möchten nicht auf ein
wie vonseiten Gottes das Paradies kein einziges Quantum an Leiden verzichten, weil
verschlossenes Tor mehr hat, denn wer sie klar erkennen, dass sie es gerechterweise
eintreten will, kann auch eintreten. Gott verdienen.“ Andererseits erleben die Armen
ist ja lauter Barmherzigkeit und steht mit Seelen die Liebe Gottes, die in sie überströmt
Seinen uns entgegengestreckten Armen da, und ihnen Zufriedenheit verleiht. „So haben
um uns in Seine Herrlichkeit aufzunehmen. die Seelen in der Läuterung des Fegefeuers
Aber ich sehe auch, dass Gott in Seinem zugleich allergrößte Zufriedenheit und
Wesen von solcher Reinheit und Lauterkeit allergrößte Leiden, wobei das eine das
ist, dass die Seele, die auch nur eine andere nicht aufhebt.“

Geläutert zu purem Gold


D ie Reinigung der Seele durch das Feuer
der göttlichen Liebe vergleicht Katharina mit
Hitze steigern magst.“ Katharina erlebt auch,
wie alles Leiden und alle Läuterung im Fege-
dem Prozess, Gold zu gewinnen: „Je mehr feuer von der Liebe ausgeht: „Die Seele sieht
man Gold einschmilzt, umso edler wird es. im göttlichen Licht, wie Gott nie aufhört, sie
Wenn das Gold bis zu 24 Karat gereinigt ist, an Sich zu ziehen und sie liebevoll zu ihrer
wird es durch das Feuer nicht mehr weiter gänzlichen Vollendung zu führen, und das
verzehrt, so sehr du das Feuer auch in seiner mit so viel Sorge und Umsicht, und alles nur

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aus lauterer Liebe. Gleichzeitig aber zeigt Die Erkenntnis all dieser Dinge ist es, die jene
ihr Gott auch in Seinem Licht, welches Hin- schmerzliche Qual erzeugt, die die Seelen im
dernis sich noch in ihr befindet, auf Grund Fegefeuer erleiden.
dessen sie noch nicht dieser Anziehungskraft
der einigenden Liebe Gottes, die Er ihr zu-
wendet, folgen kann. Die Seele erkennt, was
es für sie bedeutet, noch zurückgehalten zu
G ott aber zieht die Seele beständig an
Sich und entflammt sie immer mehr und lässt
werden und das göttliche Licht noch nicht darin nicht nach, bis Er sie zu jener ursprüng-
schauen zu können, hat aber zugleich eine lichen lauteren Reinheit gebracht hat, in der
unsagbare Sehnsucht, sich ohne Hindernis sie geschaffen worden ist.“ Nun kann die Seele
von dieser einigenden Liebe anziehen zu in die vollkommene Vereinigung mit Gott, in den
lassen. Himmel, eingehen.

Seid voll Trost und Hoffnung


Oft wandten sich verzweifelte Menschen, wenn sie einen auf tragische Weise
Verstorbenen für ewig verloren glaubten, hilfesuchend an den hl. Pfarrer von Ars.
Durch seine innere Verbindung mit den Armen Seelen wusste Johannes Maria
Vianney auch das Verborgene und konnte so viele Hinterbliebene trösten.

Vergessene Blumensträuße
D urch Baronin Alix von Belvey, eine Ver-
traute des hl. Pfarrers von Ars, ist uns folgende
starb - verstockt, wie jeder glaubte, und ohne das
Sakrament der Hl. Krankensalbung.
Begebenheit überliefert: Seine untröstliche Ehefrau wurde vor Kummer
„Eine fromme Dame betete viel für die Bekeh- darüber krank, und man fürchtete sogar um ih-
rung ihres nicht praktizierenden Mannes, zumal ren Verstand. In diesem elenden Zustand kam
er an einer weit fortgeschrittenen Herzkrankheit sie nach Ars, wo ihr Johannes Maria Vianney,
litt, an der er jederzeit sterben konnte. Inmitten ohne sie zu kennen, gleich beim ersten Zusam-
ihrer Sorgen war es für diese Dame stets eine mentreffen zurief: ‚Haben Sie denn die Blu-
Freude, die Muttergottesstatue ihres Hauses mit mensträuße für die Gottesmutter ganz ver-
Blumen zu schmücken. Ihr Mann, der überhaupt gessen?!‘
nichts vom Glauben hielt, pflückte ihr gern bun- Diese Frage des Heiligen versetzte die Dame
te Sträuße, obwohl er genau wusste, wozu sie in höchstes Erstaunen, schenkte ihr gleichzeitig
diese verwenden würde. Immer wieder brachte Trost und gab ihr den inneren Frieden zurück.
er seiner Ehefrau die allerschönsten Blumen für Sie hatte verstanden und war voll Gewissheit:
ihre Marienstatue, bis er eines Tages tatsächlich ihrem Manne waren die kleinen Liebestaten zur
eines unvorhergesehenen, plötzlichen Todes Rettung seiner Seele geworden.“

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„Ich hoffe, Gott vergibt ihm! “
E in anderes Ereignis aus dem Leben des
hl. Priesterpatrons Johannes Maria Vianney
hoffe, dass Gott ihm vergibt! Bitte, Herr
Bischof, können Sie mir helfen, wie ich mit
verwendete Weihbischof Andreas Laun aus dieser Situation besser umzugehen lerne?
Salzburg im Februar 2012, um eine besorgte Ich brauche jemanden, der mir hilft!‘
Frau zu trösten, die ihn um Hilfe gebeten hatte.
Seine Antwort veröffentlichte der Weihbischof
und Moraltheologe auch als Hilfe für andere
über Internet:
D ie Schreiberin wandte sich an mich, weil
ich einmal im Fernsehen erzählt hatte, dass auch
„Vor kurzem erhielt ich eine E-Mail mit mein Bruder vor jetzt schon vielen Jahren durch
folgender Bitte: ‚Mein geliebter Bruder hat einen Sprung aus dem vierten Stock gestorben
sich selbst das Leben genommen! Er sprang ist! Ich weiß noch genau, wo in der Wiener In-
in seiner Firma aus dem Fenster und war nenstadt es passiert ist und wie ich bei meinem
auf der Stelle tot. Mich belastet der Tod toten Bruder gestanden bin, bis sein Leichnam
meines Bruders sehr! Da ich einen starken abgeholt wurde! Als Betroffener weiß ich auch,
Glauben habe, bete ich zwar jeden Tag zu wie eigenartig anders und andauernder der
unserem barmherzigen Gott, dass Er ihm Schmerz ist, wenn man einen geliebten Men-
diese Tat verzeihen möge! Aber kann ein schen so, durch Selbstmord, verliert, anders als
Selbstmörder gleich zu Gott kommen, oder wenn jemand durch Krankheit oder aufgrund sei-
wird er dafür bestraft? Hoffentlich hat er ner Jahre von uns geht! Da viele Menschen Be-
durch diesen Tod seine ersehnte Ruhe und troffene sind, möchte ich, auch über das Internet
seinen Frieden gefunden! Er war in seinem … antworten. Dazu fällt mir eine Erfahrung des
Leben ein herzensguter Mensch, und ich Pfarrers von Ars ein.“

„Er ist gerettet.“


„E ines Tages begab sich M. Guillaumet,
der langjährige Obere des Ordens von der
Der Geistliche übernahm es also, der Trauernden
am Wallfahrtsort Führer zu sein, um sie dem
Unbefleckten Empfängnis, von Saint-Dizier Heiligen zuzuführen. Als die Elf-Uhr-Katechese
nach Ars. In seinem Abteil war nur die Rede zu Ende ging, waren P. Guillaumet und die
von all den Wundern, die in dem heiligen Dorf schwarzverschleierte Dame auf dem Platz
geschahen. Der Name Johannes Maria Vianney zwischen Kirche und Pfarrhaus. Dort brauchten
war in aller Munde. Neben dem Ordenspriester sie nicht lange zu warten, bis der Heilige, noch
saß eine Dame in Trauer und hörte schweigend mit dem Chorrock bekleidet, erschien. Er ging
zu. Erst als die Pilger in Ars ausstiegen, wandte langsam, gesenkten Hauptes. Plötzlich blieb
sie sich an P. Guillaumet und bat: ‚Hochwürden, er vor der Dame in Trauer stehen, die mit der
erlauben Sie, dass ich Ihnen nach Ars Menge niedergekniet war. Er neigte sich zu ihr
folge. Denn bei mir ist es ganz egal, wohin und flüsterte ihr ins Ohr: ‚Er ist gerettet.‘ In
ich mich begebe. Ich reise ja nur, um mich höchstem Maße überrascht richtete sie sich
abzulenken.‘ auf. Und nochmals sagte der Pfarrer von Ars

13
bestimmt: ‚Er ist gerettet.‘ Eine Geste des hatte die Zeit nach der bewegenden Begegnung
Unglaubens war die ganze Antwort der Fremden. mit Johannes Vianney im Gebet zugebracht. Ihr
Da fügte er, ein drittes Mal, jedes Wort betonend, Gesichtsausdruck war nicht mehr der gleiche.
hinzu: ‚Ich sage Ihnen: Er ist gerettet. Er ist Sie hatte den Frieden wiedergefunden. Vor der
im Fegefeuer, und man muss für ihn beten. Abreise suchte sie P. Guillaumet auf, dankte
Zwischen dem Brückengeländer und dem ihm für seine Hilfe und sagte: ‚Ich verlasse
Wasser hatte er noch so viel Zeit, einen Akt Ars und kehre geheilt nach Hause zurück.
der Reue zu erwecken. Die Gottesmutter hat Die Ärzte hatten mich der Gesundheit
ihm diese Gnade geschenkt. Erinnern Sie wegen auf Reisen geschickt. Aber in
sich an den Marienmonat. Sie hatten im Mai Wirklichkeit nagte in mir furchtbar ein
immer eine Marienstatue in Ihrem Zimmer Schmerz der Verzweiflung beim Gedanken
stehen, und Ihr Mann ließ es geschehen. an den tragischen Tod meines Mannes. Er
war ungläubig, und ich hatte doch so ganz

O bwohl glaubenslos, vereinte er sich


sogar manchmal mit Ihrem Gebet. Das
in der Hoffnung gelebt, ihn Gott zuzuführen.
Dazu war keine Zeit mehr. Er hatte sich
freiwillig das Leben genommen, und ich
hat ihm die Reue und ein letztes Erbarmen konnte ihn nur für ewig verloren halten. Nie
erwirkt.‘ mehr würden wir uns wiedersehen, glaubte
P. Guillaumet neben der Witwe vernahm zwar ich! Und nun haben Sie selbst gehört, wie
das Gesagte deutlich, verstand aber von alldem der Pfarrer von Ars sagte: ‚Er ist gerettet.‘
nichts. Erst am nächsten Tag sollte er die Ich werde ihn also im Himmel wiedersehen!
Zusammenhänge erfahren. Die Dame in Trauer Hochwürden, ich bin geheilt!‘“

Die Urteile des barmherzigen Gottes sind ganz anders!


D er Salzburger Weihbischof schrieb weiter:
„Man wird einwenden: ‚Ja, das war eben der
vermuten, letzte Sicherheit haben wir aber nicht
einmal bei ihm. Gott ist der Richter, und nur ER!
Pfarrer von Ars, der so reden konnte. Aber Wir haben keinen Einblick in Seine Urteile, und
Sie, Bischof Laun, sind nicht der hl. Pfarrer die Schau des hl. Pfarrers war eine Ausnahme!
von Ars! Und überhaupt, was ist mit den Ganz sicher aber ist: Sein Urteil ist gerecht, und es
vielen, vielen anderen Fällen, die es gibt?‘ ist immer verbunden mit Seiner Barmherzigkeit!
Richtig, aber ich kann doch viel, viel Tröstliches Aber … mir erging es bei meinem Bruder
sagen: Gott bemüht Sich bis zur letzten Sekunde genauso wie der Schreiberin des zitierten
eines Menschenlebens, diesen Menschen zu Briefes: Ich dachte nach über die guten, die
retten, und sei es in der letzten Sekunde seines besonders guten Taten meines Bruders und
Lebens. Sicher ist: Bei jeder Art von Selbstmord sagte mir: ‚Das alles ist bei Gott sicher nicht
will Gott demjenigen, der dazu bereit ist, in vergessen, und niemand von uns ‚verdient‘
letzter Sekunde vergeben und zurufen: ‚Bald den Himmel. Der Himmel ist immer nur
wirst du bei Mir im Paradies sein!‘ ein Geschenk an einen sündigen Menschen
… das wir ‚nur‘ anzunehmen haben! Jesus
Als Grenzfall kann es natürlich auch Menschen wusste auch um die Not meines Bruders
geben, die sich wie der linke Schächer am Kreuz und dass er, so bin ich fest überzeugt, mit
verhalten und mit Gott auch jetzt nichts zu tun seiner Tat … Seinem Erlöser nicht ein Nein
haben wollen. Bei einem Mann wie Hitler, der der Ablehnung entgegenschreien wollte. So
sich erschoss, kann man eine solche Weigerung war es wohl sicher nicht gemeint! Ist mein

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Bruder im Fegefeuer? Kann schon sein, Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit
vermutlich ja, aber das Fegefeuer ist ja in die todsündige Tat auch wirklich Todsünde ist!
seinem Wesen viel mehr Gnade als Strafe, Nicht mit einem Wort, aber mit all diesen
eine Gnade, die ihm nur hilft, ganz rein Worten: Ich kann meiner Briefschreiberin
zu werden - den geretteten Selbstmördern nicht sagen, wie Gott ihren Bruder beurteilt,
ebenso hilft wie wohl fast allen Menschen, aber viel Hoffnung kann ich ihr geben … für
wenn sie gestorben sein werden!‘ ihren Bruder und für meinen Bruder und für
viele andere Brüder und Schwestern, die sich
Aber haben wir nicht gelernt, dass jeder Mord das Leben genommen haben und noch nehmen
und darum auch der Selbstmord eine Todsünde werden! Ob von der Brücke oder anders, auch
ist? Ja, und das Gelernte ist wahr. Aber ebenso hier gilt: Gottes Wege sind nicht unsere Wege,
haben wir gelernt: Gott allein weiß um den aber Seine Wege sind immer Wege des Heiles,
Einzelfall Bescheid; und was uns, äußerlich und Er redet jedem Menschen bis zuletzt zu,
gesehen, eine Todsünde zu sein scheint, diese Seine Wege zu gehen, um auf ihnen zu
kann in Wirklichkeit, und daher auch im Ihm zu gelangen - mit Ihm im Paradies zu
Urteil Gottes, etwas ganz anderes sein! Denn sein - wenn nicht schon heute, dann eben sehr
nicht jede begangene Todsünde erfüllt alle bald!“

Die Armenseelenmutter
Maria Simma
Die Österreicherin Maria Simma (1915-2004) aus dem Ort Sonntag
im großen Walsertal/Vorarlberg trägt zwar nicht den Ehrentitel
„Theologin des Fegefeuers“, aber auch sie hatte die Berufung, einzigartige
Erkenntnisse über die jenseitige Welt der Armen Seelen zu bekommen und
weiterzuvermitteln. „Ich habe nur die Volksschule während acht Jahren besucht“,
sagte die zeitlebens sehr demütige Maria Simma einmal. „Aber durch meine
Beziehung zu den Armen Seelen habe ich vieles gelernt … Einen eigentlichen Grund,
warum die Armen Seelen gerade zu mir kommen, kenne ich nicht.
Es gäbe viel frömmere Menschen, als ich es bin … aber Gottes Wege lassen sich nicht
ergründen … Für mich wäre es ja viel leichter, alles verborgen zu halten,
als an die Öffentlichkeit zu bringen und für die Sache einzutreten,
weil man von so vielen nicht verstanden und verachtet wird, oft sogar von Priestern.“
Dennoch blieb Maria Simma ihrem anspruchsvollen Dienst
an den Armen Seelen über 60 Jahre lang treu.

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Suche nach dem rechten Weg
M aria Simma wuchs in einer
kinderreichen Familie auf, die so arm war, dass
N ach acht Jahren der Suche dachte die
inzwischen 25-Jährige: „‚Jetzt ist Hopfen
ihre Geschwister schon früh als Hilfsarbeiter und Malz verloren. Nun habe ich den Weg
und Kindermädchen zu fremden Leuten kamen. doch nicht finden können, den Gott mir
Sie selbst, sehr gläubig veranlagt, fühlte sich vorgezeichnet hat.‘ Das machte mir längere
gedrängt, Gott ein besonderes Opfer zu bringen: Zeit seelisch sehr zu schaffen. Weil ich aber
„Darum betete ich schon als Schulkind, auf schon von Kindheit an eine große Liebe zu den
meinem weiten Weg, um die Milch zu holen: Armen Seelen hatte und auch meine Mutter viel
‚Lieber Gott, Du kannst alles. Mach, wenn auf sie hielt und uns immer wieder einschärfte:
ich an der einen oder anderen Heuscheune ‚Wenn ihr ein großes Anliegen habt, dann
vorbeigehe, dass ein Zettel drinnen liegt, geht zu den Armen Seelen, das sind die
auf dem draufsteht, was ich tun soll.‘ dankbarsten Helfer‘, tat ich dies.“
Immer wieder ging ich in die Scheunen, um Maria versprach der Gottesmutter Jung-
diesen Zettel zu finden, aber stets vergeblich. fräulichkeit und vollzog - auch im Na-
Langsam wurde ich ungeduldig und sagte men der Armen Seelen - die Marienweihe
zum lieben Gott: ‚Weißt’, ich bin dann nach dem hl. Ludwig Maria von Montfort.
nicht schuld, wenn ich diesen Weg nicht Äußerlich lebte sie sehr bescheiden, übernahm
finde, den Du für mich bestimmt hast.‘ die Kirchenreinigung in Sonntag, half freiwillig
Als ich aus der Schule entlassen wurde, mit, die Kinder auf die Hl. Beichte und die Hl.
dachte ich mit 17 Jahren: ‚Jetzt gehst’ halt Erstkommunion vorzubereiten, und sorgte für
ins Kloster, vielleicht will das der liebe ihren Vater bis zu seinem Tod. Ab 1947 wohnte
Gott.‘“ Aufgrund ihrer schwachen Gesundheit sie ganz allein und führte als Zusatzerwerb eine
blieb es bei drei vergeblichen Versuchen. Kleingärtnerei.

Die erste Arme Seele darf sich zeigen


E s war im Jahr 1940, als die 25-jährige
Maria Simma eines Nachts in ihrem Schlaf-
ihn wieder hin und her laufen. ‚Ich bin doch
wach, warum kann ich ihn nicht packen?‘,
zimmer einen fremden Mann sah, der lang- dachte ich, stand nochmals auf und schritt lang-
sam hin und her ging. „Ich habe mich nicht so sam auf ihn zu. Als ich ihn greifen wollte, griff
leicht gefürchtet“, sagte sie später, „eher wäre ich wieder ins Leere. Er war einfach nicht mehr
ich jemandem ins Gesicht gesprungen, als dass da. Jetzt wurde es mir unheimlich. Ich legte
ich Angst gehabt hätte. So fuhr ich ihn barsch mich zurück ins Bett, es war gegen 4.00 Uhr
an: ‚Wie kommst du herein, was hast du da in der Früh. Er kam nicht wieder, aber ich fand
verloren?‘ Er tat, als ob er nichts gehört hätte, keinen Schlaf mehr. Anderntags, nach der Hl.
und bewegte sich weiter hin und her. ‚Wer bist Messe, ging ich zu meinem Seelenführer und
du?‘, fragte ich, und als ich wiederum keine erzählte ihm alles. ‚Wenn wieder so etwas
Antwort erhielt, sprang ich aus dem Bett, um vorkommt‘, belehrte er mich, ‚so fragst du
ihn zu fassen. Aber meine Hand griff in die Luft nicht: Wer bist du?, sondern: Was willst du
… Ich ging ins Bett zurück und sah und hörte von mir?‘

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In der nächsten Nacht kam der gleiche Mann So begann das besondere Armen-Seelen-
wie in der Vornacht, und ich fragte ihn: ‚Was Apostolat von Maria Simma. In den folgenden
willst du von mir?‘ Jetzt antwortete er: ‚Drei 13 Jahren kamen meist im Armen-Seelen-Monat
Hll. Messen lass mir lesen, dann bin ich er- November vereinzelt Seelen zu ihr, denen sie
löst!‘ Da wusste ich: ‚Das muss eine Arme Seele mit Erlaubnis ihres Seelenführers helfen durfte.
sein!‘ Und mein Beichtvater bestätigte es mir.“ Nie wies sie eine Seele ab.

Maria Simma blieb ihr Leben lang eine einfache, bodenständige Christin, der von Gott die Kardinaltugend der
Tapferkeit geschenkt wurde, welche sie im Umgang mit den Seelen im Fegefeuer sehr brauchte. Ein sechs Seiten
umfassendes psychologisches Gutachten, das im Auftrag eines Theologieprofessors aus Innsbruckvon Dr. Ewald
Böhm erstellt wurde, bestätigt, dass bei Maria Simma von Hysterie und Psychopathie keine Rede sein kann.

„Würdest du für mich leiden? “


Z u Allerheiligen 1953 baten die Armen
Seelen die zurückgezogen lebende Mystikerin
plötzlich wieder aufhörten, wie z. B. das Gefühl,
für eine im Glauben erkaltete, laue Seele
um Hilfe durch Leiden, und sie sagte ja. Ganz stundenlang in lähmender Kälte wie zwischen
verschieden in Gestalt und Auftreten, meist Eisblöcken liegen zu müssen. „Oft muss ich
in ihrer Werktagskleidung, machten sich die nur fünf Minuten leiden“, sagte Maria, und
Armen Seelen nun Tag und Nacht bei ihrer doch schienen ihr die Schmerzen fünf Tage zu
geistigen Wohltäterin bemerkbar. Manche waren dauern.
plötzlich sichtbar wie Lebende da, andere kamen
unklar wie im Nebel oder gar als erschreckende
Gestalten mit verzweifeltem Ausdruck. Je mehr
ihnen durch Marias Sühneleiden geholfen
„E rst im Himmel werden wir erfahren,
was wir durch unser geduldiges Leiden in
wurde, umso freundlicher wurden sie. Manche Verbindung mit den Leiden Christi alles
durften in ihrem Dialekt ihre Bitten vorbringen, erreicht haben. Die wirksamste Art, die
andere, aus fremden Ländern und Kulturen, Leiden aufzuopfern, besteht darin, dass wir
flehten in gebrochenem Deutsch, mit fremdem alles der Gottesmutter übergeben, dass sie
Akzent. Maria Simma nahm alle Leiden an, Gnaden zuwenden kann, wem sie will. Denn
die ihr meist angekündigt wurden und dann sie weiß, wo es am notwendigsten ist.“

17
Im Namen der Armen Seelen
Aufträge weiterleiten
E in Jahr später, im Sommer 1954, begann
für Maria Simma eine neue Art der Hilfeleistung:
Das wäre doch viel einfacher, als wenn ich es
melden muss. Da kam eine Seele und gab mir
„Jede Nacht kamen Arme Seelen. Mitunter einen scharfen Verweis: ‚Versündige dich nicht
sagten sie auch, wer sie sind, wie sie gegen Gottes Auftrag. Er teilt Seine Gnaden
heißen, wann und wo sie gestorben sind. Sie aus, wem Er will. Nie wirst du die Macht
gaben mir Aufträge, dieses oder jenes den bekommen, einer anderen Person eine Arme
Angehörigen zu melden. Dadurch drang die Seele zu schicken.‘“
ganze Sache langsam an die Öffentlichkeit,
was mir sehr unlieb war.“ Verständlicherweise Pfarrer Matt schrieb in seinem Bericht an den
kostete es sie Überwindung, den ihr meist Bischof: „Ich habe die Meldungen größtenteils
vollkommen unbekannten Hinterbliebenen zu an die Pfarrämter zur Überprüfung und
schreiben, um sie im Namen ihrer Verstorbenen Weitergabe gesandt.“ Viele Rückantworten
z. B. aufzufordern, für die Missionen zu spenden, bezeugen, dass Maria Simmas Angaben über die
was sie leider während ihres Lebens nie getan ihr völlig unbekannten Fälle exakt stimmten.
hatten, oder eine verborgene Geldschuld zu
begleichen; Ungerechtigkeiten zu bereinigen; Häufig baten Seelen im Läuterungszustand
fremdes Eigentum zurückzuerstatten; Rufmord auch um Gebet, wobei die Armenseelenmutter
oder Verleumdung aufzuklären oder eine Hl. auch andere zur Mithilfe ersuchen durfte, z.B.
Messe für die Arme Seele feiern zu lassen und für Priesterseelen beteten Priester. Immer mehr
stellvertretend für sie daran teilzunehmen und Ratsuchende wollten Aufschluss über ihre
liebevoll zu kommunizieren. Verstorbenen haben, so dass ein Briefträger sich
In einer Aufzeichnung vom 21. November 1954 später erinnerte, Frau Simma habe oft bis zu
schrieb Maria Simma: „Ich dachte schon oft 50 Briefe am Tag erhalten. Im Sommer kamen
daran, wie ich einer anderen Person eine Arme zudem bis zu acht Reisebusse aus Österreich,
Seele zuschicken könnte, und fragte, warum sie Deutschland, Belgien, Frankreich und der
sich nicht bei ihren Angehörigen direkt meldete. Schweiz.

Alfons Matt, der vorbildliche, recht nüchterne Ortspfarrer von Sonntag, glaubte an das Charisma von Maria
Simma und förderte es von Anfang an. Als Seelenführer begleitete er sie jahrzehntelang und schrieb 1954 in
seinem detaillierten offiziellen Bericht an Weihbischof Franz Tschann in Feldkirch: „Was Maria Simma im
Verkehr mit den Armen Seelen erlebte und von ihnen erfahren hat … was sie in schwersten Leidensstunden
zu unserem Trost geschaut hat … vermittelt wertvolle Einblicke in die jenseitige Welt … und steht in vollem
Einklang mit der Glaubenslehre über das Fegefeuer.“

18
Lauscher am Schlafzimmerfenster
N atürlich gab es auch genug Zweifler,
die alles für einen Schwindel hielten. Darunter
was geschehen war, und sie daraufhin fragte,
warum die Jugedlichen die Armen Seelen nicht
waren auch einige Burschen aus der Umgebung, wahrgenommen hatten, wurde ihr erklärt:
die 1954 zwei Nächte nacheinander aus
Neugier eine Leiter an das Holzhaus von Maria „Die Burschen sind noch am Leben.“ -
Simma lehnten und bis zum offenstehenden „Aber ich bin doch auch noch am Leben
Schlafzimmerfenster hochstiegen. Sie wurden und höre euch trotzdem“, wandte sie ein. „Du
Augen- und Ohrenzeugen, wie die Belauschte gehörst zu uns … Der Weg zu dir ist hell“,
mit den Armen Seelen sprach und sich Notizen gab die Arme Seele zu verstehen. „Du hast
machte, wie sie stöhnte und weinte und nach dich durch die Weihe in besonderer Weise
einem Taschentuch suchte. Obwohl die jungen der Mutter der Barmherzigkeit geschenkt,
Männer die Armen Seelen weder hörten noch und sie hat dich uns übergeben. Darum ist
sahen, machten sie sich von nun an nie wieder der Weg zu dir für so viele Seelen hell. Du
über die Armenseelenmutter lustig. tust gut daran, uns aus Liebe und Mitleid
Als Maria dann von einer Armen Seele erfuhr, bereitwillig anzunehmen.“

Wie das Verteilen von Goldstücken


E inmal sagte Maria Simma: „Es ist eine
Grausamkeit, die Schätze der Kirche nicht für
hinzuweisen, wie einfach man den Armen Seelen
doch Erleichterung verschaffen und ihnen zum
die Armen Seelen zu benützen. Oder ist es etwa Himmel verhelfen kann - besonders durch das
nicht grausam, wenn du vor einem Berg von Hl. Messopfer, das durch nichts ersetzt werden
Goldstücken stehst und die Möglichkeit hast, kann; durch miterlösende Leiden jeder Art, ob
davon zu nehmen, soviel du willst, um einem körperlich, psychisch oder seelisch, die man für
schwer Notleidenden davon zu geben, der selbst sie in Liebe aufopfert; durch den Rosenkranz,
nichts davon nehmen kann, und du machst dir den Kreuzweg oder eine Wallfahrt; durch jede
nicht die Mühe, deine Hand auszustrecken, um Tat aufmerksamer Liebe, wie z. B. das Entzünden
zu geben?“ einer geweihten Kerze am Grab oder das
Aus diesem Grund wurde Maria Simma nie Sprengen von Weihwasser; durch eine Spende für
müde, bei ihren zahlreichen Vorträgen darauf die Mission.

19
Erlebnisse mit Armen Seelen
L assen wir nun Maria Simma über einige
eindrückliche Erfahrungen mit Armen Seelen
schon über hundert Jahre alt.‘ Als ich sie
freundlich grüßte, sagte sie: ‚Warum grüßen
berichten, die sie im Laufe der Jahre machte: Sie mich? Mich grüßt niemand mehr!‘ Ich trö-
„Einmal kam ein Bauer zu mir und klagte: ‚Ich stete sie: ‚Sie sind doch des Grußes wert wie
baue zurzeit einen Stall. Jedes Mal, wenn die jeder andere auch!‘ Da fing sie zu klagen an:
Mauer eine gewisse Höhe erreicht hat, fällt ‚Niemand denkt so über mich. Kein Mensch
sie zusammen. Wir haben alles untersucht gibt mir etwas zu essen, und ich muss auf der
und keinen Fehler gefunden. Da muss etwas Straße schlafen.‘ - ‚Das gibt es doch nicht‘,
Unnatürliches am Werke sein, was sollen wir dachte ich, ‚sie ist halt nicht mehr ganz klar
tun?‘ Ich fragte ihn: ‚Hast du vielleicht einen im Kopf.‘ Ich versuchte ihr zu erklären, dass das
Verstorbenen, der etwas gegen dich hatte nicht stimmen könne. ‚Aber ganz gewiss!‘, er-
oder dir vielleicht feindlich gesinnt war?‘ widerte sie. Ich überlegte: ‚Wenn sie lästig ist,
Er entgegnete: ‚Ja, so jemanden gibt es. Ich müsste man sie nicht lange haben, weil sie
habe gleich gedacht, das kann nur der sein, ja schon so alt ist‘, und lud sie ein, bei mir zu
der lässt mir auch drüben noch keine Ruhe.‘ essen und zu schlafen. ‚Ja, bitte, aber ich kann
- ‚Der wünscht nur‘, sagte ich, ‚dass du ihm nichts bezahlen!‘ - ‚Das macht nichts, aber
verzeihst, und sonst gar nichts!‘ - ‚Was, Sie müssen es nehmen, wie ich’s hab’. Ich
dem soll ich verzeihen, der mir im Leben so bin nicht eingerichtet auf Gäste. Aber besser
schwer geschadet hat, dass er dann in den noch so, als auf der Straße schlafen.‘ Darauf
Himmel fliegen kann? Nein, nein, der soll dankte sie erleichtert: ‚Vergelt‘s Gott. Jetzt bin
seine Sache nur abbüßen!‘ Ich musste ihn be- ich erlöst!‘, und verschwand.
schwichtigen: ‚Deshalb fliegt er nicht in den
Himmel. Er muss schon büßen, aber er er- Bis dahin hatte ich gar nicht bemerkt, dass es
trägt es dann leichter. Er wird dir keine Ruhe sich um eine Arme Seele handelte. Offenbar hat-
lassen, bis du ihm von Herzen verzeihst.‘ te sie im Leben jemanden abgewiesen, obwohl
Weil er das nicht einsah, fragte ich ihn: ‚Was be- sie verpflichtet gewesen wäre zu helfen.“ Maria
test du denn im Vaterunser: Vergib uns un- Simma konnte also durch ihre angebotene Lie-
sere Schuld, wie auch wir vergeben unseren bestat genau jene Lieblosigkeit wiedergutma-
Schuldigern - da sagst du ja praktisch zu chen, wofür die Arme Seele einer Läuterung im
Gott: Du darfst mir nicht verzeihen, weil ich Fegefeuer bedurft hatte.
dem Nächsten auch nicht verzeihe!‘ - ‚Ja, das
ist mir erst jetzt so richtig klar geworden‘, Das folgende Beispiel zeigt, wie eine scheinbar
musste er gestehen. Und so rang er sich schließ- unbedeutend kleine Liebestat für die Ewigkeit
lich durch: ‚In Gottes Namen will ich verzei- entscheidend sein kann: „‚Was willst du mit
hen, damit mir der Herrgott auch vergibt!‘“ diesem Putzkübel in der Hand?‘, fragte ich

W ie sehr eine stellvertretende gute Tat


oder Tugend, die man übt, den Verstorbenen
eine Frau, die mir begegnete und die ich nicht
als Arme Seele erkannte: ‚Das ist mein Him-
melsschlüssel!‘, antwortete sie strahlend. ‚Ich
helfen kann, erfuhr Maria Simma augenschein- habe im Leben nicht viel gebetet, ging selten
lich, als sie im Jahr 1954 an einem Nachmittag in die Kirche, aber ein einziges Mal habe ich
um halb drei Uhr auf dem Weg in die Nachbar- einer armen, alten Frau vor Weihnachten das
gemeinde Marul war. Mitten im Wald begegnete ganze Haus kostenlos durchgeputzt. Das war
ihr eine alte Frau. „Ich dachte: ‚Die ist sicher meine Rettung.‘“

20
Ich muss ein neues Leben anfangen
„U nvergesslich war mir die Begegnung
mit jenem Priester, dessen rechte Hand schwarz
Als ich seine Frage bejahte, fing er an zu toben,
das gäbe es doch nicht, das sei nur Gelderpresserei
war“, sagte Maria Simma. „Ich erkundigte mich und Schwindel. ‚Welches ungerecht behaltene
nach der Ursache, und der Priester gestand mir: Gut sollen wir zurückgeben?‘, wollte er nun
‚Ich hätte mehr segnen sollen! Sag das jedem doch konkret wissen. ‚Das weiß ich nicht,
Priester, dem du begegnest. Sie sollen mehr ich bekam nur den Auftrag, Ihre Familie zu
segnen, denn sie können viel Segen verbreiten ersuchen, sie soll das ungerecht behaltene
und viel Böses abwenden.‘“ Als Maria Simma Gut zurückerstatten; welches, müsst ihr selbst
einmal einer Familie schreiben musste, sie solle wissen‘, erwiderte ich. Er wusste tatsächlich sehr
ungerecht behaltenes Gut zurückgeben, erhielt genau Bescheid!
sie sogleich Besuch: „Schon vom Hausgang her
hörte ich jemanden schimpfen. Ich öffnete die Seinen Reden entnahm ich, dass es mit seinem
Zimmertür, um nachzuschauen. Ein Mann stand christlichen Glauben nicht mehr weit her war,
draußen, der sofort verächtlich fragte: ‚Wo ist denn er wetterte gegen Papst, Kirche und Religion.
denn da die Armen-Seelen-Phantasiererei?‘ Doch nachdem ich ihm alles ruhig erklärt hatte,
- ‚Nur hereinspaziert‘, entgegnete ich ihm, wurde er ruhiger und sagte: ‚Wenn die Sache so
‚von einer Armen-Seelen-Phantasiererei ist ist, muss ich ein neues Leben anfangen. Ich
hier keine Rede.‘ Nun ging er schnurstracks auf traute keinem Priester mehr, aber jetzt muss
sein Ziel los: ‚Ist Ihnen Herr E. erschienen?‘ ich wieder an Gott glauben, denn Sie hätten
Mein aufgebrachter Besucher war nämlich niemals wissen können, dass auf unserem
einer von den Angehörigen, denen ich im Anwesen ein ungerecht behaltenes Gut ist.
Auftrag von Herrn E. melden musste, sie sollen Das wussten nicht einmal alle Mitglieder
ungerecht behaltenes Gut wieder zurückgeben. unserer Familie!‘“

Die Liebe geht über alles


L ieblosigkeit in jeder Form, vor allem aber
jahrelange Unversöhnlichkeit kann der Armen
„E in Mann schrieb mir in einem Brief,
seine Frau sei vor einem Jahr gestorben.
Seele im Jenseits ein schweres Fegefeuer ver- Seither klopfe es jede Nacht im Zimmer; ob ich
ursachen. Maria Simma erfuhr schaudernd, wie nicht einmal kommen und nachforschen könne,
wahr dies ist, als eine Seele in schwerer Läute- was los sei. Ich fuhr hin und sagte dem Mann,
rung sich ihr einmal in Tiergestalt zeigte. dass sich seine Frau vielleicht noch nicht
melden dürfe. Das müssten wir der Vorsehung
Hier muss gleich gesagt werden: Selbstver- überlassen. Dann schlief ich in besagtem
ständlich verwandelt sich ein Sünder nach dem Zimmer. Ungefähr um 23.30 Uhr fing es an zu
Tod nicht in ein Tier. Nur sein tierisch-laster- poltern. Sogleich fragte ich: ‚Was willst du,
hafter Seelenzustand, in dem er sich befindet, was soll ich dir tun?‘, sah aber niemanden
spiegelt sich symbolisch in der abstoßenden, und erhielt auch keine Antwort. ‚Diese Frau
beängstigenden Erscheinung wider. darf sich halt noch nicht melden‘, dachte

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ich. Doch nach ungefähr fünf Minuten hörte bald wieder gut wird! Verzeihen wir so rasch
ich furchtbares Getrampel. Ein großes Tier als möglich! Die Liebe geht über alles. Die Lie-
kam daher. So etwas hatte ich bisher noch be deckt eine Menge Sünden zu, das kann nicht
nie erlebt. Es war ein Nilpferd. Ich sprengte genug gesagt werden.“
sogleich Weihwasser und fragte: ‚Wie kann
ich dir helfen?‘ Wieder erhielt ich keine
Antwort. Es war unheimlich. Nun kam der
böse Feind in Gestalt einer grauenerregenden
D azu ein Armen-Seelen-Erlebnis von Ma-
ria Simma: „Es war 1954 bei der großen Lawi-
Riesenschlange, die das Tier umschlang, um es nenkatastrophe. Ein 20-jähriger Bursche, der in
zu erwürgen. einem lawinensicheren Haus wohnte, hörte in
Plötzlich verschwand alles. Ich machte mir der Nacht Hilfeschreie. Er stand sofort auf und
große Sorgen und überlegte: ‚Die Frau wird wollte hinaus. Aber seine Mutter hielt ihn zu-
doch nicht verloren sein!‘ Kurze Zeit später rück: ‚Jetzt sollen andere auch einmal hel-
kam eine Arme Seele in Menschengestalt, wie fen. Wenn die Lawinen derart krachen, ist
sie immer zu mir kommen; sie tröstete mich es draußen viel zu gefährlich.‘ Ihr Sohn ließ
und schenkte mir Klarheit: ‚Hab keine Angst, sich jedoch nicht aufhalten. Er stürzte den Hil-
die Frau ist nicht verloren, aber sie hat das ferufenden entgegen, geriet aber selbst in eine
schwerste Fegefeuer, das es gibt.‘ Die Arme Lawine und starb. Schon nach zwei Nächten
Seele erklärte mir auch warum. Diese Frau habe kam er zu mir und bat, für ihn drei Hll. Messen
während Jahrzehnten mit einer anderen Frau in lesen zu lassen. Seine Angehörigen wunderten
Feindschaft gelebt und sei schuld gewesen, dass sich, dass er so rasch erlöst werden sollte, denn
diese Feindschaft entstanden sei. Mehr noch: er war religiös nicht besonders eifrig gewesen.
ihre Feindin habe oft Frieden machen wollen, Mir aber hatte der Bursche anvertraut: ‚Weil
aber sie habe es ausgeschlagen; selbst in der To- ich im Dienst der Nächstenliebe gestorben
deskrankheit habe sie das Versöhnungsangebot bin, war mir Gott so gnädig. Ich hätte nie
der anderen schroff zurückgewiesen, so dass sie mehr im Leben eine so glückliche Sterbe-
schließlich unversöhnt starb! Hier sehen wir: stunde gehabt.‘ Ja, erst in der Ewigkeit wird
Auch wenn es im Leben oft zu Streitereien man merken, wie gut es der liebe Gott mit uns
kommt, sollen wir doch dafür sorgen, dass alles meint.“

Quelle: Maria Simma, Meine Erlebnisse mit Armen Seelen,


Fe-Medienverlag/Christiana Verlag

In jahrzehntelangem vertrautem Umgang


mit den Armen Seelen hatte Maria Simma erkannt:
„Keine Seele im Fegefeuer würde in diese dunkle Welt zurückkehren wollen,
in der wir leben . .Weil die Seele weiß, dass sie gerettet ist und
das wahre Leben vor ihr liegt. Sie will den Läuterungsprozess,
so wie das Gold sich im Feuer von den Schlacken befreien will.“
Maria Simma

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Wallfahrtskapelle der Mutter der Barmherzigkeit
für die Armen Seelen
E ine Arme Seele durfte Maria Simma
mitteilen, die Gottesmutter wünsche in Sonntag
So entstand die Kapelle am gewünschten
Ort. Als sie fertig war, teilte die Gottesmutter
den Bau einer Kapelle, so groß, dass darin das Maria Simma erneut durch eine Arme Seele
Hl. Messopfer gefeiert werden kann. Zudem mit, am Kapellchen solle ein Bild angebracht
gab sie der Armenseelenmutter genau den werden, das sie als Mutter der Barmherzigkeit
zukünftigen Standort an, nämlich dort, wo sich für die Armen Seelen darstelle. „Ich bat die
seinerzeit ein Marienbildstöcklein befunden Gottesmutter um einen guten Maler“,
hatte, das jedoch von einer Lawine weggerissen sagte Maria Simma. „Kurz darauf kam der
worden war. polnische Jesuit P. Stanislaus Skudrzyk
SJ zu mir. Als ich ihm mein Anliegen
Die Eigentümer hatten daraufhin versprochen, unterbreitete, erklärte er mir, er kenne in
den Grund, auf dem das Bildstöcklein stand, Krakau einen guten Maler, Prof. Adolf
einmal kostenlos als Bauplatz für eine Kapelle Hyla, der imstande wäre, das Bild schön
zur Verfügung zu stellen. Davon allerdings zu gestalten. Der polnische Jesuitenpater
hatte Maria Simma nicht die geringste Ahnung, … nahm nun alles persönlich in die Hand,
ganz im Gegensatz zum Ortspfarrer Matt. auch die Finanzierung des Bildes, dessen
„Ich informierte meinen Seelenführer“, Transport von Krakau via London nach
berichtete sie, „und er nahm die Sache sofort Sonntag ohne Störung verlief. “
ernst, weil ihm bekannt war, dass an jener
Stelle früher tatsächlich ein Bildstöcklein Im Marienmonat Mai 1959 wurde die
gestanden war, was ich persönlich gar nicht Kapelle eingeweiht. Seither steht sie als
wusste. Daran konnten sich nur noch die Wallfahrtskapelle und als Gedenkstätte für die
alten Leute erinnern.“ Armen Seelen allen Pilgern offen.

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Ein Heiligtum für die
Armen Seelen
Die imposante Basilika „Unsere Liebe Frau von Montligeon“ entstand an einem
abgelegenen Ort in der Normandie auf Initiative des französischen Landpfarrers
Paul Joseph Buguet (1843-1918) und gilt heute als Weltgebetszentrum für die Armen
Seelen. Es ist Sitz eines internationalen Sühnewerkes, in dem seit über 120 Jahren
zahllose Menschen mit Maria vereint für die Seelen im Fegefeuer beten,
namentlich für die vergessensten unter ihnen.

A lles begann damit, dass Abbé Paul


Buguet im August 1878 in das ärmste und
diese Seelen mir viele Gnaden erwirkten.“
1884 keimte in ihm eine erstaunliche Idee, wie er
vergessenste Dorf der Diözese Séez versetzt seine beiden großen Anliegen verbinden konnte:
wurde, nach La Chapelle-Montligeon. Neben „Für die verlassenen Seelen beten zu lassen,
der Glaubenserneuerung der Pfarrei hatte er zwei sie durch das Hl. Messopfer, das die höchste
Herzensanliegen: der Armut seiner Pfarrkinder Sühne in sich schließt, aus ihren Qualen zu
durch Arbeit Abhilfe zu schaffen und das Los befreien, und, im Gegenzug, mit ihrer Hilfe
der Verstorbenen! Schon zwei Jahre vor seiner Mittel und Wege zu finden, damit die Arbeiter
Versetzung hatte er sich innerlich gedrängt leben können. Dies war in meinem Geist wie
gefühlt, ein Werk zur Hilfe für die Armen Seelen ein ‚Tauschgeschäft‘ … wie eine gegenseitige
zu gründen. Als kurz darauf sein Bruder August Befreiung.“ Als Bestätigung erhielt Abbé
von einer herabstürzenden Kirchenglocke Buguet ein außerordentliches Zeichen: Im Mai
erschlagen wurde, ließ ihm die Frage nach dem 1884 bat ihn eine ihm unbekannte Dame, etwa
Schicksal der Armen Seelen keine Ruhe mehr, 50 Jahre alt und bescheiden gekleidet, eine Hl.
bis er verstand: „Ich muss für die Befreiung Messe in ihrer Intention zu feiern. Acht Tage
dieser Seelen arbeiten ... Um die Leiden später, als er das Hl. Messopfer wie zugesagt
im Fegefeuer zu mildern, sollen wir hier zelebrierte, sah er sie hinten in der Kirche wieder:
auf Erden Sühne leisten. Man kann vom nun bekleidet mit einem himmelblauen Gewand,
Aufstehen bis zum Schlafengehen alles für ihren Kopf mit einem langen, weißen Schleier
dieses Anliegen aufopfern: alle Betrübnisse, bedeckt, der bis zum Gürtel reichte. „Wer war
Sorgen.“ Unermüdlich rief der seeleneifrige das?“, fragte er sich. Die Dame betete lange vor
Priester von da an in seinen Predigten dazu auf, dem Marienaltar, dann bedankte sie sich beim
für die Verstorbenen zu beten, und blieb vor allem Abbé „für seine Nächstenliebe, mit der er an
einer Intuition treu: „Schon lange habe ich die jedem Montag die Hl. Messe für die ärmste
Hl. Messe am Montag für die ärmste Seele des Seele zelebriere“. Wie seltsam, niemand außer
Fegefeuers gefeiert und dabei bemerkt, dass ihm hatte doch bis dahin davon gewusst!

Geprüfte Menschen, die unter dem Verlust ihrer Lieben leiden, zieht es bis heute zu „Unserer Lieben Frau von Montli-
geon“. Ihrer Obhut ist das gesamte Sühne- und Gebetswerk für die Armen Seelen anvertraut, und durch ihre mütterliche
Gegenwart wurde das neugotische Heiligtum der Armen Seelen zu einem Ort des Trostes und der Hoffnung und zum
Zentrum einer sehr lebendigen, weltweiten Gebetsfamilie. Auch Priester, Schwestern und eigens ausgebildete Laien üben
bei der Basilika einen wichtigen Liebesdienst aus, indem sie den Pilgern in ihrem Schmerz beistehen, ihnen zuhören und
Trost zusprechen. Darauf legte schon seinerzeit Pfarrer Buguet großen Wert.

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Ein marianisches Sühnewerk
U nter dem tiefen Eindruck dieses Besuches
schrieb Pfarrer Buguet einfache Statuten und bat
Nach nur drei Jahren war das Werk
erstaunlicherweise in ganz Frankreich und darüber
seinen Bischof um die Erlaubnis, das beabsichtig- hinaus bekannt. Abbé Buguet verstand jedoch,
te Werk mit dem Ziel zu gründen, „unter der dass es nicht nur ein Sekretariat und eine geregelte
Schirmherrschaft von ‚Maria der Befreierin‘ Wallfahrtsseelsorge brauchte, sondern vor allem
Hll. Messen für die Verstorbenen zelebrieren eine größere Kirche. Mit festem Vertrauen auf
zu lassen“. Ein Sou, heute vergleichbar einer Gottes Vorsehung und die Fürsprache der Armen
Fünfcentmünze, als Jahresbeitrag für die Seelen machte er sich an die Planung eines
Mitgliedschaft genügte, denn es sollte ein Werk großen Heiligtums, das am Dorfrand mitten in
der Armen für die Armen sein. „Nun gut“, meinte den Feldern entstehen sollte. Um für das Projekt
Bischof Trégaro zu Abbé Buguet, nachdem er im die nötigen Mittel zu sammeln, reiste er durch
Oktober 1884 die Statuten unterzeichnet hatte, Europa und sogar nach Nordamerika.
„wenn Sie auch keinen Erfolg haben werden,
so doch das Verdienst; und wenn Gott will, 1895 - es hatten sich bereits drei Millionen
wird nichts Ihr Werk aufhalten können.“ Mitglieder eingeschrieben - erhob Papst Leo
XIII. das Werk weltweit zum Mutterwerk aller

M it kirchlichem Segen begann also


Pfarrer Buguet das Werk in der Marienkapelle
Vereinigungen, die sich der Seelen im Fegefeuer
annahmen! In aller Welt wurden nun im Sinne des
Sühnewerks von Montligeon jährlich Tausende
der alten Dorfkirche St. Pierre und ließ dort eine von Hll. Messen für die Armen Seelen zelebriert.
Statue der „Muttergottes von der Befreiung“ auf- 1916 konnte das Werk endlich in die neue Kirche
stellen. Nachdem seine Pfarrkinder bald alle in „Unsere Liebe Frau von der Befreiung“ umsiedeln.
das Sühnewerk eingeschrieben waren, zog der Doch schon im folgenden Jahr erkrankte Pfarrer
eifrige Pfarrer von Dorf zu Dorf quer durch die Buguet ernsthaft und starb im Juni 1918. Sein Leib
Diözese, um die Gläubigen mit Liebe und Mit- fand in der Krypta der Basilika in La Chapelle-
leid für die Vergessenen im Fegefeuer zu ent- Montligeon die letzte Ruhestätte.
zünden. Auch in den Nachbardiözesen warb
er darum, sich für einen Sou in das Verzeichnis
der Vereinigung aufnehmen zu lassen. Um aber
die Beitrittsformulare, Bilder und ein Informati-
D ie Päpste zeigten für das außergewöhnliche
Wirken des französischen Landpfarrers großes
onsblatt zur Verbreitung des Werkes drucken zu Interesse. Auch Giuseppe Roncalli, der spätere
können, wurde bald eine kleine Druckerei not- Papst Johannes XXIII., war als Apostolischer
wendig, und so brachte die Sorge um die Armen Visitator für Bulgarien seit 1929 Mitglied der
Seelen den Pfarrkindern sogar Arbeitsplätze. Bruderschaft.

Wie eine riesige unsichtbare Pfarrgemeinde


D as Sühnewerk von Montligeon versteht
sich heute als weltumspannende Gebets- und
nur Kontinente, sondern auch Lebende und Ver-
storbene verbindet. „Jeder“, so Abbé Buguet,
Solidaritätsgemeinschaft für die Verstorbenen, „kann unserer Vereinigung angehören.“
eine „Bruderschaft ohne Grenzen“, die nicht Wer zu Lebzeiten Mitglied wird, bekundet

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damit die Bereitschaft, sich durch Gebet, ein Wirksamkeit des eucharistischen Opfers.
Leben aus dem Glauben und auch persönlichen Das erstaunliche Sühnewerk entstand zu einem
Einsatz in der Kirche für die Lebenden und Zeitpunkt, als die Kirche in ihrer Sorge um die
Toten der Bruderschaft einzusetzen. Zugleich Armen Seelen sehr nachgelassen hatte. Pfarrer
hat er selbst Anteil am Gnadenstrom des Buguet starb 1918, ein Jahr nachdem die Got-
weltweiten Gebetes und des Hl. Messopfers, tesmutter in Fatima gelehrt hatte, für jene zu
das täglich für die Lebenden und Toten des beten, „die der Barmherzigkeit am meisten
Werkes auf allen Kontinenten zelebriert wird. bedürfen“, und wenige Monate vor dem Ende
Die eigentliche Kraft des von Abbé Buguet des Ersten Weltkrieges, in dem 15 Millionen
gegründeten Werkes liegt im Glauben an die Menschen, oft unvorbereitet, den Tod fanden.

Die Mitgliedschaft geht natürlich über den Tod hinaus. Deshalb umfasst das Register von
Montligeon heute die Namen von rund zehn Millionen verzeichneten Lebenden und Toten.
Wer sich in dieses Sühnewerk einschreiben möchte, kann weitere Informationen unter folgender
Adresse erhalten: Sanctuaire Notre-Dame de Montligeon, 61400 La Chapelle-Montligeon,
Tel: 0033/(0)233851700; Fax: 0033/(0)233851715; Internet: www.montligeon.org

„ Meine Hand trägt dich “,


sagt uns der Herr.
„Wo auch immer du fallen magst -
du wirst in Meine Hände fallen,
und Ich werde sogar an der Pforte des Todes da sein.
Wohin dich keiner mehr begleiten kann
und wohin du nichts mitnehmen kannst,
dort warte Ich auf dich,
um für dich die Finsternis in Licht
zu verwandeln.“
Papst Benedikt XVI. beim Angelus an Allerseelen 2008

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