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Ist das Dorf Brienz-Brinzauls Bergsturz

gefährdet?

Autor(en): Krähenbühl, Ruedi / Nänni, Christoph

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Swiss bulletin für angewandte Geologie = Swiss bulletin pour la


géologie appliquée = Swiss bulletin per la geologia applicata =
Swiss bulletin for applied geology

Band (Jahr): 22 (2017)

Heft 2

PDF erstellt am: 05.05.2023

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-738126

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Swiss Bull, angew. Geol. Vol. 22/2, 2017 S. 33-47

Ist das Dorf Brienz-Brinzauls Bergsturz gefährdet?


Ruedi Krähenbühl1, Christoph Nänni2

Stichworte: Rutschung, Felssturz, Bergsturzgefährdung, Brienz, Graubünden

Zusammenfassung 1 Die Massenbewegung von Brienz


Das Dorf Brienz-Brinzauls in Graubünden, Schweiz,
liegt einer Grossrutschung auf und inmitten eines
Das Dorf Brienz/Brinzauls befindet sich
Bergsturzgebietes. Zurzeit verschiebt es sich mit
- 0,5 m/Jahr talwärts und von oberhalb donnern oberhalb von Tiefencastel auf einer erhöhten
periodisch Felsstürze von bis zu 150'000 m3 Volumen Geländeterrasse des Albulatals. Es liegt
in Richtung Dorf. Der letzte Bergsturz von
mehr als 2,5 Mio. m3 ist jung und ging 1878 neben inmitten einer >10 km2 umfassenden
dem Dorf nieder, 4 Jahre nach einem verheerenden Massenbewegung, die geographisch vom Albula-
Dorfbrand. tal im Süden und von der Lenzerheide im
Heute wird der aktive Sackungsrand oberhalb
Westen begrenzt wird.
Brienz mit den modernsten Mitteln überwacht.
Eine Gefährdung des Dorfes durch hochenergetische
Sturzblöcke besteht aufgrund von Erfahrungen Im Jahr 1878 ereignete sich östlich des
und von Modellierungen nicht. Die Frage ob Dorfrandes von Brienz eine Felssackung von
das Dorf durch einen erneuten Bergsturz bedroht
ist, wurde eingehend untersucht. Der Schlüssel zur - 2.5 Mio. m3, die in eine von Felssturz begleitete
Beantwortung dieser Frage lag in einer geomor- Rutschung überging. Auf der
phologischen Kartierung, die zusammen mit topographischen Landeskarte ist das Gebiet seither
langjährigen Messdaten die Bildung eines
geologischkinematischen Modells ermöglichte. Daraus konnten auf romanisch als «Igl Rutsch» bezeichnet.
verschiedene Szenarien von geodynamischen Der Sturz-, Schutt- und Rutschkegel stiess
Entwicklungen abgeleitet werden. Diese zeigen, bis auf die Höhe der untersten Häuser von
dass ein weiteres Bergsturzereignis in den nächsten
50 bis 100 Jahren wenig wahrscheinlich ist. Brienz vor (Fig. 5).

Bei den Übergängen in den Brienzer Rutsch


Abstract
The village of Brienz/ Brinzauls in Graubünden, treten massive Strassen Deformationen auf,
Switzerland, is situated at a big landslide. Today the welche jährlichen Unterhalt erfordern. An
village is dislocated with a velocity of - 0.5 m per den Häusern sind nur entlang eines diskret
year and from above rockslides up to 150'000 m3 fall verlaufenden Lineaments geringe Rissschäden
periodically in direction of Brienz. The last landslide
with a volume of > 2.5 Mio. m3 occurred recently in sowie eine leichte Verkippung des
1878. The border of the active rockfall zone is Kirchturmes sichtbar. Oberhalb der Geländeterrasse
monitored since several
years. The village is out of the
range of rockfall hazards, what is proved by experience von Brienz liegt ~ 500 m höher ein
and by modelling. The main question was, if Felsabbruchrand, von dem das Dorf seit mehr
there is a risk, that the village could be destroyed by als 100 Jahren von Fels- und Blocksturz
a massiv rockslope failure in this century. To answer
this question the key of the geological investigation
bedroht wird (Fig. 1).
was a geomorphological field mapping. Together Sowohl die Felssturz-, wie auch die
with long term geodesic measurements a reliable Rutschaktivitäten haben sich über die Zeit periodisch
geological and kinematic model could be established
and different scenarios of geodynamic evolution
verstärkt und wieder verlangsamt, sie
could be generated. Finally it was concluded haben sich räumlich verlagert und insbesondere
that a massive rockslope hazard in the area of die Felssturzaktivitäten fanden stets
Brienz is very unlikely in the next 50 to 100 years.
wieder Phasen der relativen Ruhe. Seit den
1
BauGrundRisk GmbH, Sennensteinstr. 5, 7000 Chur
letzten 15 Jahren scheinen sich die Aktivitäten
2 Tiefbauamt Graubünden, Leiter Geologie, Abteilung mit Felsabbrüchen bis zu 150 000 m3 und
Kunstbauten, Sägenstr. 78, 7000 Chur teilweise hohen Verschiebungsgeschwindig-

33
keiten der Rutschung bis 0,7 m/Jahr erhöht für die Prozesse Block- bis grossen Felssturz
zu haben. Entsprechend wurden in der letzten vor. Das Dorf liegt bisher ausserhalb von
Zeit verschiedene, geologische Felssturzkegeln (Fig. 4). Die Kantonsstrasse
Abklärungen vorgenommen, universitäre Studien von Lenz nach Brienz ist von Blocksturz und
[1] sowie diverse messtechnische Murgang betroffen, sie musste bei Ereignissen
Untersuchungen durchgeführt. Anhand von öfters gesperrt werden und Planungen
installierten Überwachungseinrichtungen ist heute für eine Strassenverlegung sind im Gange.
ein Frühwarndienst für den Ereignisfall Die im Zuge der zugenommenen Felssturzaktivitäten

eines grossen Felssturzes eingerichtet. veranlassten, geologischen


Abklärungen gaben Anlass zur Befürchtung, dass

oberhalb des Dorfes Brienz ein Bergsturzpotenzial


2 Zentrale Frage der Bergsturzgefährdung vorliegt, d.h. dass mit Absturzkubaturen
über einer 1 Mio. m3 gerechnet werden
muss. Bei derart grossen Volumina muss mit
Die Gefahren- und Risikoabklärungen für die einer anderen Dynamik als bei Felssturz
Zubringerstrasse und das Dorf Brienz liegen gerechnet werden. Felssturz bis - 200*000 m3

Piz Linard
Felsabbruchgebiete
•"l.nnUch/L«'n>.

Plang
Turigns

Crappa Naira

Fig. 1: Brienz liegt auf einer


Grossrutschung, welche die
oberhalb liegende, bewaldete
Brienzer Rutsch
Felsrippe destabilisiert, was in
den Gebieten Caltgeras und
Davains zu aktivem Felssturz
führt.

Fig. 2: Das aktive Abbruchgebiet


oberhalb von Brienz mit
den geologischen Einheiten
der Felswand.

34
hat bisher lediglich hochenergetischen - Was für eine Kinematik ist in diesem
Blocksturz von bis zu 60 m3 in die Nähe des System zu erwarten und wie wird sie sich
Dorfes gebracht. Bei erheblich grösseren im Laufe der Zeit entwickeln (Prozessverständnis)?
Felsmassen werden zunehmend Fliessprozesse
massgebend und die Sturzprozesse treten - Sind die geologisch-kinematischen
in den Hintergrund. «Fliessende» Schuttkegel Randbedingungen überhaupt gegeben, welche
haben eine erheblich weitere Reichweite Bergsturz ähnliche Ereignisse in diesem
und das Dorf Brienz kann gegebenenfalls Jahrhundert zulassen?
von einem solchen erfasst werden. Wo die - Welche geologischen Randbedingungen
Grenze von Felssturz Kubaturen zwischen haben diese Massenbewegung verursacht
200'000 m3 und der per Definition «Bergsturz- und wo stehen wir heute in ihrer
grösse» von 1 Mio. m3 liegt, d.h. wo Fliessprozesse zeitlichen Entwicklung (geologische

massgebend werden, ist unbekannt. Modellhypothese)?


Die zentrale Fragestellung war somit,
besteht für das Dorf Brienz eine nachvollziehbare
Bergsturzgefährdung? Um diese 3 Bisherige Abklärungen, bauliche
Frage innerhalb einer komplexen Massenbewegung Massnahmen und Ereignisse
beantworten zu können, waren
folgende Fragen zu klären: Die wichtigsten Fakten in der chronologischen

Übersicht bis 2015 [2]:


- Welcher Zusammenhang besteht
zwischen der Grossrutschung Brienz und - Die jüngste Felssackung «Igl Rutsch» von
dem Felssturzgebiet? 1878 wurde von Albert Heim 1881 und

Legende:
Ostalpin (Silvretta-Decke (LHGS.MS); Ela-Decke (RHS); Languard-Decke (AD))
| | liasschiefer
| 1
Dolomitischer Liaskalk bei Eelfort
1 | Raibierschichten
| | Alteindolomit
LHCS | | Prosantoschichten
1 |
Aribergdolomit

| Arlbergkalk
Kristallin (RHS)
Südpenninikum (Aroser Zone (ASZ))
1
Allgäuschiefer
1

Nordpenninikum (NPF)
1 | Flysch
Mittelpennikum (Schamser Decken (SD))
1*. *. *. *| Brekzie von Tiefencastel
| |
Nivaigl-Serie
| |
Gips von Tiefencastel

1.
| 1
Kalk mit Hornfels. Uas
Bunte Tonschiefer. Trias
| |
Vorwiegend Tonschiefer und brekziöse Schiefer
iy-irii'-?.''
Quartär
| Flussablagerungen
| Eachschutt
-I Gehängeschutt
*| Grober Gehängeschutt
| Albulamoräne
| Landwassermorane
Tektonische Grenzen
1—1—' Abschiebung
*—*—* Überschiebung
Überschiebung (vermutet)

Fig. 3: Geologische Karte [1] modifiziert nach Brauchli & Glaser (1921) sowie Frey und Ott (1952) [8].

35
1902 von C. Berry mit Kartierungen - 1982 erstellte man oberhalb des
untersucht. Schulhauses
von Brienz einen
- 1906 wurden im Rutschgebiet Brienz und Steinschlagschutzdamm.

hinter dem Felsabbruchrand auf den Mai- - 1986 wurde eine Gefahrenkarte erstellt
ensäss Propissi Oberflächendrainagen und diese 2008 überarbeitet.
erstellt und diese 1977 erneuert. - 1972 - 2004 erfolgten detaillierte Vermessungen
- 1921 begann man mit der Vermessung im Brienzer Rutsch.
einzelner Triangulationspunkte. - 1999 erfolgten erste, geologische
- Erste geologische Abklärungen zur Er- Ursachenabklärungen der Massenbewegung.
gründung der Massenbewegung erfolgten - 1999 wurde entlang der Kantonsstrasse
in den Jahren 1957 durch E. Strasser und ein Murgangauffangdamm erstellt und der
1971 durch E. Weber. Steinschlagschutzdamm oberhalb Brienz
- 1960 - 1973 wurde die Vermessung im wurde erweitert.
Felsabbruchgebiet intensiviert. - 2001/2002 Felssturz im Gebiet Caltgeras
- 1975 zerstörte ein Felssturz den Schutzwald von 150*000 m3.
oberhalb von Brienz.

Fig. Blick vom Felsabbruchrand


U-.

im Arlbergdolomit hinunter
in die Schuttkegel des
Ablagerungsgebietes. Der
bewaldete Teil links im Bild ist
der «Bergsturz» Igl Rutsch.
Die Felssackung und
Rutschung wälzte sich 1902 - 1907
mit 1 m/Tag talwärts.

Fig. 5: Die ab 1878 aktive


Felssackung Igl Rutsch, deren
Schuttkegel sich am östlichen
Dorfrand bis über die untersten
Häuser erstreckte und
heute noch mit 100 mm/Jahr
aktiv ist [9],

36
- Ab 2009 erfolgten im ganzen Gebiet de, wurde eine Masterarbeit der ETHZ
systematisch GPS Vermessungen. ausgeführt [1], Das Ziel war einerseits die für

- Ab 2011 begann man nach mehreren die Instabilitäten verantwortlichen geologisch,


Sturzereignissenund erhöhten felsmechanischen Prozesse zu verstehen
Verschiebungsgeschwindigkeiten mit einer und anderseits wurde versucht, das
kontinuierlichen Überwachung des Gebiet in Zonen mit unterschiedlichem
Felsabbruchgebietes mittels Tachymeter Absturzpotenzial zu gliedern.
Vermessungen und einer Life Kamera.
- Ab 2010 wurden intensive, geologische Die vorgenommene, geomorphologische
Abklärungen zu verschiedenen Fragestellungen Kartierung wurde ausserhalb des Studiengebietes
der Massenbewegung und der der ETHZ begonnen und auf einer
Gefahrensituation vorgenommen. Fläche von ~ 10 km2 ausgedehnt. Nachdem der

- 2015 dehnte sich das Abbruchgebiet mit Brienzer Rutsch kartiert war, begann man
Felsstürzen von lOO'OOO m3 im Frühjahr das Felsgebiet oberhalb bis hinauf zum Piz
und 30'000 m3 im Herbst weiter nach Linard auf knapp 2'800 m Höhe hinauf zu
Südwesten in das Gebiet von Creplas aus. kartieren.wurden möglichst klar bestimmbare,
Es
einfache Kriterien erfasst [2]. Grundsätzlich
wurde zwischen «aktiven» und «alten»
U Vorgehenskonzept Strukturen unterschieden. Aktive Strukturen
waren solche, wo Verschiebungen der letzten
Es wurde folgendes Vorgehen gewählt: 1 bis 2 Jahre
eindeutig festgestellt werden
konnten (frischer Versatz oder Riss in
- Geomorphologische Kartierung der Strassen, Feld- und Waldwegen, aufgerissene
Rutschung und des Felsgebietes oberhalb Vegetationsdecke, aktive Erosion). Alle übrigen
von Brienz. Ergänzung der bestehenden, oder zweifelhaften, an der Oberfläche
geologischen Kartengrundlagen, erkennbaren Lineamente wurden als «alte»
konsequente Aufnahme der Felstrennflächen Strukturen erfasst.
sowie der Wasseraufstösse und der Ver-
nässungen. Hinsichtlich der Kinematik wurde zwischen
- Interpretation dieser Daten mit dem Ziel, Zug- und Stauchstrukturen differenziert. Die
die Grossrutschung in einzelne Schollen Zugstrukturen unterteilte man in solche mit
zu unterteilen. einer überwiegend horizontalen
- Kinematische Interpretation, in welche (Spalten, Risse, Nacken-
Verschiebungskomponente
Richtung sich die Schollen aufgrund der tälchen, lang erstreckte Mulden) und solche
geologischen und physikalischen mit einem zusätzlich ausgeprägten, vertikalen
Randbedingungen verschieben müssen. Versatz (Abrisskanten, Geländestufen,
- Überprüfung der kinematischen Interpretation Erosionskanten). Die Bewegungsrichtung
mit den Verschiebungsmessungen. der Versätze wurde erfasst (Fig. 6).
- Miteinbezug weiterer geologischer Daten,
um eine geologische Modellhypothese Für die Gliederung des Brienzer Rutsches in
erarbeiten zu können. verschiedene Gleitschollen sind die kartierten
Versatzrichtungen, die laterale Ausdehnung
4.1 Geomorphologische Kartierung sowie die räumliche Dichte der «aktiven»
Strukturen berücksichtigt worden. Die
Im Kerngebiet des Felssturzgebietes, d.h. im Abgrenzung der oberhalb der Rutschung
Gebiet der Felsabbruchfront Caltgeras sowie auftretenden Fels Schollen erfolgte anhand
dem dahinter liegenden, von bis zu 15 m der «alten» Strukturen, da es kaum «aktive»
weit geöffneten Spalten durchsetzten Gelän¬ gab.

37
U.2 Kinematische Untersuchungen schen, der topographischen sowie der
Interaktionen zwischen den Schollen und der

Die kinematischen Abklärungen, in welche daraus resultierenden Freiheitsgrade,


Richtung sich die einzelnen Schollen theoretisch ermittelt. Dies ausgehend von dem

verschieben, wurden aufgrund der geologi¬ entlang des Albulabachs verlaufenden Auf-

Sackunq/ Rutschunq
aktiv alt (schwach aktiv?)
Spalte, Rinne,
Nackental, Zugzone
-i- -f Anriss mit Versatz
Anriss, wenig Versatz
Sackungsabbruch,
Erosionsböschung
T T
Bacherosionskante/
Rutschaufstoss
w v»/ Stauchwulst

Gewässer
Murgangrinne
JD Quelle
—Vernässung
Fig. 6: Geomorphologische Kartierung mit «aktiven» und «alten» Strukturen der Massenbewegung,
hinterlegt mit der Reliefschattierung aus dem DTM [3]. Die alten Strukturen erstrecken sich weit über das
aktive Rutsch- und Felssturzgebiet hinaus (Rechteck Studienperimeter Masterarbeit A. Ludwig [1]).

38
stosses der Rutschung und weiter progressiv sches eine flache Geländeterrasse bildet.
hangaufwärts, über das Rutschgebiet Das eigentliche Abrissgebiet lässt sich
hinaus bis in die dahinter folgenden aufgrund der geomorphologisch «aktiven»
Felsformationen hinein (Fig. 7). Danach wurden die Strukturen eindeutig unterhalb der
vorhandenen, geodätischen Daten inmitten des mit Blockschutt
Felsabbrüche

ausgewertet und die Verschiebungsvektoren mit bedeckten, steilen Abhanges von Caltgeras
den theoretisch ermittelten Verschiebungsrichtungen bestimmen. Geologisch gesehen verläuft der
der Schollen verglichen. Abrissrand entlang der Raibier Schichten
(Fig. 2, 3). Die Wände der unteren Felsrippe
von Creplas befinden sich noch innerhalb
5 Ergebnisse der Untersuchungen der Rutschung (Fig. 1).

5.1 Geomorphologische Kartierung Oberhalb des Brienzer Rutsches lässt sich


das Felsgebiet in weitere Schollen unterteilen.
Sowohl im Brienzer Rutsch, wie auch im Von den kartierten Zug- und
Sackungselementen dominieren im
Felsabbruchgebiet traten neben den «alten», Felsgebiet NW-SE,
auch die meisten, «aktiven», geomorphologi- NE-SW verlaufende Strukturen (Fig. 7). Die
schen Strukturen auf. Ausserhalb des Richtung dieser Strukturen stimmt weitgehend
Abbruch- und des Entfestigungsgebietes mit der Richtung der Hauptklüfte der
wurden nur noch vereinzelt «aktive» Strukturen verschiedenen Gesteine überein. Oft folgen
angetroffen (Fig. 6). Die «alten» Strukturen ihnen im Gelände ein Schachbrettmuster von
verschwanden mit zunehmendem Kar- weit geöffneten, tiefen Spalten und dies noch
tierungsperimeter nicht und schliesslich weit ausserhalb des aktiven Felsabbruchgebietes.
befand man sich oberhalb von Lenz-Lantsch Am häufigsten erscheinen diese
im Westen oder Crappa Naira im Osten und Spaltenmuster in den spröden Arlbergdolomiten
noch immer waren ausgeprägte, alte Strukturen und sie können sich im Gelände als ein
von Massenbewegungen vorhanden. gefährliches Labyrinth erweisen (Fig. 8).

Am nordwestlichen Abrissrand der Brienzer In der ganzen Massenbewegung konnten vier


Rutschung traten Scharen von «alten» und ältere Bergstürze ausgeschieden werden.
von «aktiven» Strukturen nebeneinander auf, Alle sind von den Strukturen der Rutsch- und
die in leicht unterschiedliche Richtungen Felsschollen durchdrungen (Fig. 7).
verliefen, und wo kaum eine Aktivierung der
«alten» durch neue Strukturen zu erkennen 5.2 Schollenkinematik
war. Flier musste sich offenbar der
Bewegungssinn der Rutschung im Laufe der Zeit Der Vergleich der theoretisch ermittelten
geändert haben, so dass sich die jüngeren Verschiebungsrichtungen der einzelnen
Strukturen entsprechend dem neuen Rutsch- und Felsschollen ergab eine gute
Spannungsfeld des Untergrundes anders ausrichteten. Übereinstimmung mit den Verschiebungsvektoren
Die Langzeitvermessung bestätigte der Vermessungen (Fig. 7).
dies, indem sich die Bewegungsrichtungen
der Rutsch Schollen in den letzten 150 Jahren Die wenigen Fixpunkte ausserhalb des aktiven

von SSW nach SSE verändert haben (Fig. 11). Rutsches zeigen, dass die ganze
Massenbewegungbis hinauf ins oberste Anriss
Der Brienzer Rutsch kann in 6 grosse Schollen Gebiet unterhalb des Piz Linard im Zuge
unterteilt werden. Das Dorf Brienz befindet eines Talzuschubes mit <10 mm/Jahr
sich inmitten einer Grossscholle, die talwärts kriecht [6]. Das Dorf Brienz verschiebt
unter dem Abrissrand des Brienzer Rut¬ sich im langjährigen Mittel mit 100 mm/Jahr,

39
Legende
Trennflächen (F: Flysch;
rot: Schieferung, grün: Klüfte
i 1
Felsabbruch Gebiet
C I Bergsturz Ablagerung
Q Wasser Aufstoss

Interpretation Schollen
Brienzer Rutsch
—- Ausserhalb Rutsch
Interpretation Kinematik
Verschiebungsrichtung der
O Schollen (von rot hohe bis
D^> grau geringe Verschiebung)
Vektoren Geodäsie
—^ GPS (2009-2013, [4])
—(1972-2004,(4]) ;
chputsch&h

Propissj,
\Saur$

Davains

Vazerol

_Brienz.

Surava

Kartenlegende
Albula Bach
•— RhB
Tiefencastel — Kantonsstrasse
Q Ortschaft
• Kriche

I I I
\i Is ° \£
Fig. 7: Abgrenzung von aktiven Schollen des Brienzer Rutsch und deren Fortsetzung im Felsgebiet oberhalb.
Wasser Aufstösse folgen meist den Schollengrenzen. Entsprechend der kinematischen Freiheitsgrade
der einzelnen Schollen sowie der geologischen Disposition wurden ihre Bewegungsrichtungen theoretisch
ermittelt (Signaturen Feldaufnahmen gem. Fig. 6).

40
Ess®
Fig. 8: a) Nackentälchen im Arlbergkalk von Culmatsch, ~ 2200 m ü.M.; b] Grossspalte und c) Toppling im
Arlbergdolomit oberhalb Caltgeras, ~ 1700 m ü.M.; d) hochenergetischer Blocksturz während Felssturz
Ereignis 2011 [Bild A. Huwiler); e) aktiver Abrissrand im NW des Brienzer Rutsches mit mehreren 10er
MeterVersatz, - 1300 m ü.M.; f] Übergang derselben Struktur zu diskreter Scherbewegung.

41
der übrige Brienzer Rutsch mit 100 bis 200 5.3 Modellbasis der Massenbewegung
mm/Jahr. Das exponierte Felsabbruchgebiet
war in den letzten Jahren Verschiebungsraten Die Untersuchungen brachten eine komplex
bis zu ~ 2 m/Jahr ausgesetzt [5]. In Richtung aufgebaute Massenbewegung zu Tage. Ihr
der Albula verlangsamen sie sich. Ursprung ist in der Talgeschichte, d.h. im
Kreuzungsbereich des Albulatals, mit seiner
Die westlich gelegenen Schollen des Brienzer Fortsetzung in der Schinschlucht und dem
Rutsches zeigen die höchsten höher gelegenen Oberhalbstein, mit der
Verschiebungsraten. destabilisieren die zum
Sie Fortsetzung in der Lenzerheide, zu suchen.
westlichen Rutschrand abfallende, noch Die in verschiedenen Phasen ablaufende
bewaldete Felsrippe, was entlang ihrer Tiefenerosion der Talgletscher und die
beiden Flanken die Felssturzaktivitäten bei Calt- nacheiszeitliche Erosion durch die Haupt- sowie der

geras und Davains in den letzten Jahren Seitenbäche, prägte in den letzten Jahrtausenden
erhöhte (Fig. 1). die Massenbewegung.

Im Aufstossbereich des Brienzer Rutsches Die Übertiefungen des Gebirgsreliefs von


erodiert der Albulabach seit Jahrtausenden. mehr als 1500 m bewirkten graduelle sowie
Wie die Vermessung zeigt, liegt die Albula auf kurzfristig rasch ändernde Gebirgsentspan-
dem Rutschaufstoss und gleitet mit [4], nungen. Die in den Felsmassen in der
(Fig 9). Die heutige Erosionstätigkeit der zeitlichen Abfolge ändernden Spannungsfelder

Albula ist stark eingeschränkt und kann nicht und die entstandenen Freiheitsgrade
als der primäre Motor der Massenbewegung bestimmten zusammen mit dem geologischen
angesehen werden. Aus geometrischen Gebirgsaufbau die Art der Entfesti-
Gründen ist für die Rutschung ein Tiefgang gungsprozesse, wie Kriechen, Versacken,
von 100 bis 200 m anzunehmen (Fig. 10). Die Gleiten, Kippen und Sturz. Das heisst alle
untersten Rutschschollen verfügen beim Auf- diese Prozesse treten innerhalb der
stoss zur Albula über die grössten Freiheitsgrade. Massenbewegung nebeneinander auf.

Davon ausgehend werden die bergsei-


tig nachfolgenden Schollen entlastet, was Als Hypothese ist davon auszugehen, dass
progressiv hangaufwärts einen Dominoeffekt die massgebende Gebirgsentfestigung mit
bewirkt. D.h. die einzelnen Schollen sind einem in Richtung SE zum Albulatal hin
ständig ändernden Zug- und Stauchbewegungen verlaufenden Talzuschub begann. Dies als der
unterworfen (Fig. 9). So können noch in Albula Gletscher ab dem Niveau von
weit hinter dem Abbruchrand liegenden ~ 1400 m ü.M. die in Richtung E - SE
Felsschollen, auf ~ 1800 m ü.M. bei Schautschen, einfallenden Flysch Gesteine frei zu legen begann.

in ihren Zugzonen «aktive» Strukturen festgestellt Damit konnten mehrere 100 m tiefe Gleit-
werden. und Sackungsprozesse, begleitet von
Die Verschiebungsgeschwindigkeiten der Bergstürzen entstehen (Fig. 10). Da das Einfallen

Massenbewegung scheinen aufgrund der des Flysch schief zum Albulatal verläuft, war
ersten Daten von den jährlichen nur ein beschränktes Gleiten unter
Niederschlagsmengen abhängig zu sein [2]. Die Zwängungen möglich.

Datenlage ist jedoch noch bescheiden, um


dies zu bestätigen. Die Wasseraufstösse treten Mit der späteren Übertiefung der Schin
überwiegend konzentriert entlang der Schlucht setzte wahrscheinlich ab dem
Schollenränder auf (Fig. 7). Durch den Niveau 1100 m bis 800 m ü.M. eine SW
erwähnten Dominoeffekt öffnen sich in den gerichtete Gebirgsentspannung ein.
lokalen Zugzonen bevorzugte Wege für den Aufgrund der lithologischen und strukturellen
Wasserfluss. Disposition konnten sich in Richtung Schin

42
keine Gleitflächen ausbilden. Die Entspannung laufende Spalten und Graben Bildungen [2],
bewirkte entlang der sich öffnenden Durch das nach SW und SE tiefgründige
Klüfte tiefgründige, in Richtung NW-SE ver¬ Auseinanderdriften des durch die Tiefenerosion

Legende
Schollen (Interpretation)
Zugzone
Stauchzone
Verschiebung (von rot, Schautschen
rasch bis grau, langsam)
Schollen Grenzen
in Brienzer Rutsch
in Felsformationen
'Propissi Saurai
aktive Strukturen (Kartierung)
////
J *,
Zug
Stauchung
Y»,

Prèpjssi Soy
Raibier Schichten

Davains

Creplas

Vazeroj.

Surava

Karlenlegende
Albuin Bach
Eisenbahn
Tlefencastel — Kantonsstrassen
O Ortschaft
# Kriche

il il ll
Fig. 9: Kinematische Interaktionen zwischen den talwärts gleitenden Schollen des Brienzer Rutsches mit
stets sich verändernden Zug- und Stauchzonen und den «aktiven» Auswirkungen bis in die Felsschollen
von Propissi und Schautschen auf - 1800 m ü.M.

A3
im Gelände vorspringenden Gebirgsblockes generierte in der Massenbewegung komplex
des Piz Linard wurden Zwängungen gelöst, überlagerte Oberflächenstrukturen, deren
was die nach Süden gerichtete Felssackung Interpretationen im Feld schwierig bleiben.
von Brienz ermöglichte. Aufgrund der Iitho-
logischen Verhältnisse kann der Ursprungsort
des Plateaus von Brienz ~ 350 m höher, 6 Antworten zu den zentralen Fragen
auf der Höhe von Plang Turigns angenommen
werden (Fig. 1). Sie löste sich Die direkte Beeinflussung der heutigen
wahrscheinlich vor mehreren tausend Jahren Sturzaktivitäten durch die Brienzer
entlang der, infolge des Topplings inzwischen Rutschung hat sich bestätigt. Die Rutschung
steil stehenden Raibier Schicht ab, genauso entlastet den Fuss der dahinter liegenden,
wie dies im östlichen Randgebiet die junge überhöhten Felsmassen, begünstigt
Felssackung Igl Rutsch tat (Fig. 9). oberflächennah das Toppling und führt im tieferen

Untergrund zu kleinräumig verlaufenden


Seit 1900 drehen die Verschiebungen im
~ Bruch- und Gleitprozessen, welche sich
Brienzer Rutsch von SSW in Richtung SSE entlang von Schollengrenzen konzentrieren.

[6], Möglicherweise wirkt sich das E bis SE


Einfallen des die Gleitzonen beinhaltenden, Weil sich das Dorf Brienz inmitten einer
felsmechanisch duktilen Flysch stärker aus. grossen Rutschscholle befindet, deren Gleitzone
Eine Folge davon ist die in jüngster Zeit mit grosser Wahrscheinlichkeit in einer
beobachtete, starke Versatzzunahme am Tiefe von 150 bis 200 m liegt, blieben die
nordwestlichen Abrissrand der Brienzer Häuser und die Infrastruktur auch bei hohen
Rutschung (Fig. 8). Ob dies zu einer Verschiebungsraten von derzeit knapp
anhaltenden Zunahme der Verschiebungsgeschwindigkeiten 0,5 m/Jahr vor gössen Schäden bisher
führt, ist fraglich. verschont.

Diese mehrphasige, in verschiedene Die im Laufe der Zeit entlang des verstürzenden
Richtungen verlaufende Gebirgsentfestigung Sackungsrandes wandernden Felssturz-

NNW Profil D SSE


Legende
Geologie alt aktiv Geomorphologie
r Geologische Einheit ï f Sackungs-, Abbruchrand
müM Signatur / Disposition T t Spalte /TJackental
83 Berg-, Felssturzablagerung > 1 Stauchwulst
Abkürzungen:
NS Nivail Serie R Raibierschichten
2200 F AD Arlberg Dolomit
Flysch
AS Allgäuschiefer AK Arlberg Kalk
2100
Interpretation
alte Sackungs-, Bruch Schollen aktiv infolge
Strukturen entlang: Brienzer Rutsch
— • — Albula Hauptscholle
— - Schin Sekundär Scholle?
Gleit-, Scherzone? wenig aktiv?
—Gleiten? Gleiten aktiv

1100

1000

£2L

Fig. 10: NNW-SSE verlaufendes, geologisches Profil D mit den mehrere 100 m tief bis in den nach E - SE
einfaltenden Flysch hinunter reichenden Graben-, Sackungs- und Rutschstrukturen [2],

44
aktivitäten sind derzeit in den Allgäuschiefern Raibier Schichten über geringe Druck- und
und im Flysch von Creplas aktiv. Dies damit auch Zugfestigkeiten verfügen, bilden
weil die darunter liegenden Rutsch Schollen sie bevorzugt die Ablösehorizonte von Fels-
die grössten Verschiebungen aufweisen und sackungen, wie eben auch jener der Gross-
damit die bewaldete Felsrippe zunehmend sackung von Brienz (Fig. 9). Durch den grossen
entlasten. Höhenversatz der Sackung kommt es zu
einem «portionenweisen» Verstürzen des
Sturzaktivitäten, welche eine Dynamik eines verkippenden Sackungsrandes.
Bergsturzes erreichen, erscheinen in den
nächsten 50 bis 100 Jahren als Ein weiterer, wesentlicher Grund für eine
unwahrscheinlich. Dies weil oberhalb von Brienz die derzeit geringe Bergsturzgefährdung folgt
geologischen Verhältnisse keine grossräumi- daraus, dass sich die geodynamischen
gen Gleitprozesse zulassen. Die von früheren Randbedingungen langfristig stark verändern
Arbeiten postulierte, in talwärts müssen, damit Bergsturzszenarien eintreten
einfallenden Raibier Schichten können (Fig. 11).
angenommene,
ausgedehnte Gleitzone hat sich nicht Auf dem heutigen Stand der Kenntnisse ist
bewahrheitet. Vielmehr stehen die Raibier das Szenario «West» am wahrscheinlichsten.
Schichten infolge des Topplings in einem Ein infolge zunehmender Rutschaktivitäten
steilen Kontakt zu den Allgäuschiefer und der westlichen Schollen von Brienz
dem Arlbergdolomit. Da die Gesteine der anhaltendes Verstürzen der Felsrippe zwischen

Vergangenheit Kinematik
(1850-1950) (2000-2015)
Vektoren $ Schollen
Fixpunkte [6] Verschiebung
cd Sackung (von rot, rasch zu
Rutsch grau, langsam)

J
Szenario „West'
— neue aktive
Rutschungen
cd neu Sackung,
Bergsturz

\S

Fig. 11 Veränderung der Schollenkinematik von der Vergangenheit zu der Gegenwart bis in die Zukunft mit
Abschätzung der zu erwartenden, geodynamischen Bergsturzszenarien. Das anhaltende Lösen von
Zwängungen durch die SE (grüner Pfeil: Albula) und die SW (braun: Schin) gerichtete Gebirgsentlastung begünstigt
die nach Süden driftenden Schollen des Brienzer Rutsches (rosa). Ersteres hat sich heute als langsamer,
kriechender Prozess erwiesen. Daher kann das von den verschiedenen Szenarien ausgehende
Bergsturzrisiko für Brienz in den nächsten 50 bis 100 Jahren als gering erwartet werden.

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Davains und Caltgeras, schwächt den Gelände nur noch als über weite Strecken
bestehenden «Stützpfeiler» der Felsmassen des verfolgbare, geringfügige Einsenkungen
Gebietes Propissi, Schautschen. Sollten die erkennbar.
im Westen zwischen Tiefencastel und
Vazerol bisher kaum aktiven, hohe Zwängungen Ebenso sind die in demselben Lineament
verursachenden Randschollen VI und linear wechselnden, kinematischen
V2 mobilisiert werden, kann ein Bergsturzszenario Prozessphänomene, wie ein mit einem starken

im ungünstigsten Fall sogar in relativ Versatz ausgebildeter Abrissrand der innert


kurzer Zeit eintreten (1-2 Jahrzehnte?). Ein weniger 10er Meter zu einer auf gleichem
solches worst case Szenario ist langfristig, Geländeniveau verlaufenden Scherung und
messtechnisch einfach zu überprüfen und in der Fortsetzung zu einem durch
unter Beobachtung zu halten. Stauchung gebildeten Aufstoss wechselt, in den

Kartengrundlagen nicht oder kaum erkennbar


Um dieses geologisch-kinematische Modell (Fig. 8). Dies sind aber oft wesentliche
und damit verbunden auch die gestellte Beobachtungen für das Erarbeiten und für
hinsichtlich der Bergsturzgefährdung
Prognose das Verstehen eines geologischen Modells.
von Brienz weiter zu festigen, sind aufwendige Anderseits hilft das DGM die Strukturen von
Untersuchungen, wie Geophysik und einem im Feld unzugänglichen Gelände zu
instrumentierte Sondierbohrungen ergänzen und schafft einen guten Überblick
unumgänglich. aus der Distanz. So wurde die NW - SE
verlaufende Grabenbildung Propissi - Pigni erst
im DGM erkannt.
7 Stellenwert von Feldarbeiten

Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass für das


Erarbeiten eines plausiblen, geologischen
Modells die Feld-Beobachtungen und
-Aufnahmen den zentralen Teil der Daten und

Informationen liefern. Die Bestätigung deren


Interpretationen durch messtechnische
Ergebnisse vermag das geologische Modell
als Basis für alle weiteren Tätigkeiten, wie
kostspielige, detaillierte Baugrundabklärungen,
Massnahmenplanungen und
Projektierungsarbeiten zu festigen.

Verfügbare Flilfsmittel, wie Luftbilder und


Reliefschattierungen von digitalen
Geländemodellen (DGM) stellen in dieser frühen

Phase eine wesentliche Hilfe dar. Sie vermögen


die Feldarbeit aber keineswegs zu
ersetzten. So müssen viele der im DGM
erkennbaren Strukturen im Feld verifiziert
werden. Feine Lineamente sind im DGM oft
nicht erkennbar. Beispielsweise können
mehrere Meter breite Spalten bei zunehmender
Moränenüberdeckung innerhalb von
wenigen Metern verschwinden und sind im

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Literatur
[1] Ludwig A. 2011: Kinematische Analyse der
Hanginstabilität von Brienz/ Brinzauls GR. -
Masterarbeit ETH Zürich
[2] BauGrundRisk GmbH 2014: Geologische
Abklärungen im Rutsch- und Bergsturzgebiet
Brienz. - Geologisches Gutachten
[3] Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden
2013: Digitales Geländemodell, DTMAV Gebiet
Brienz
[4] HMQ Ingenieure AG 2013: 49. Folgemessung
GPS Messungen Fels-sturzgebiet Caltgeras,
Gemeinde Brienz/ Brinzauls
[5] HMQ und CSD Ingenieure AG 2014: Daten
Tachymeter Messungen 2011 - 2014
Felssturzgebiet Creplas/ Caltgeras, Gemeinde
Brienz/Brinzauls
[6] Amt für Landwirtschaft und Geoinformatik
Graubünden 2014: Vermessungsdaten
Fixpunkte Lenz bis Surava 1921 - 2004 und Karte
der Rutschpunkte
[7] Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie
Meteo Schweiz 2014: Niederschlagsdaten Station
Tiefencastel Jahressummen 1961 - 2005
und Monatssummen 2007 - 2014
[8] Schweizerische Geologische Kommission 1926:
Geologische Karte von Mittelbünden 1:25'000,,
Blatt E: Piz Michèl, Frei, Ott, Brauchli, Glaser,
Cadisch, Cornelius, Staub, Wilhelm
[9] ETH Zürich Bildarchiv: Fotos der Sackung/
Rutschung Igl Rutsch

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