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Ulrich Lehmann-Grube

Zur Bedeutung technologischer


Führerschaft im Wettbewerb
zwischen Unternehmen und
zwischen Nationen

Habilitationsschrift an der Universität Hamburg, 1999


Inhaltsverzeichnis

1 Technologische Führerschaft 1
1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Wettbewerb zwischen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.1 Statischer Technologiewettbewerb . . . . . . . . . . . . 5
1.2.2 Dynamischer Technologiewettbewerb . . . . . . . . . . 7
1.3 Wettbewerb zwischen Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.3.1 Die productivity-slowdown-Diskussion in den USA . . . 13
1.3.2 Konvergenz oder Überholprozeß - Möglichkeiten einer
Überprüfung im Rahmen neoklassischer Wachstums-
theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.4 Technologiepolitische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2 Statischer Qualitätswettbewerb 24
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.2 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.3 Preiswettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.4 Einstu…ger Preis- Qualitätswettbewerb . . . . . . . . . . . . . 32
2.5 Strategische Qualitätswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.5.1 Der strategische E¤ekt der Qualitätswahl . . . . . . . . 34
2.5.2 Gleichgewicht bei simultaner Qualitätswahl . . . . . . . 36
2.5.3 Das Gleichgewicht bei sequentieller Qualitätswahl . . . 41
2.6 Markteintrittsabschreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.7 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.7.1 Variable Kosten der Qualität . . . . . . . . . . . . . . 49

i
INHALTSVERZEICHNIS ii

2.7.2 Nicht lineare Nachfragestrukturen . . . . . . . . . . . . 50


2.7.3 Oligopolistischer Wettbewerb. . . . . . . . . . . . . . . 53
2.7.4 Dynamischer Qualitätswettbewerb . . . . . . . . . . . 54
2.7.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

A Mathematischer Anhang zu Kapitel 2 56


Der mathematische Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Beweis von Satz 2.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Beweis von Satz 2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Beweis von Satz 2.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Verwendete De…nitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

3 Dynamischer Technologiewettbewerb 67
3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.2 Eine grundlegende Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.2.1 Die allgemeine Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.2.2 Teilspielperfekte Gleichgewichte . . . . . . . . . . . . . 75
3.2.3 Eintritt in einen neuen Markt . . . . . . . . . . . . . . 79
3.3 Dynamische Produktinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
3.3.1 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
3.3.2 Anwendung von Theorem 1 . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.3.3 Der statische Grenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.4 Dynamische Prozeßinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
3.4.1 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
3.4.2 Anwendung von Theorem 1 . . . . . . . . . . . . . . . 94
3.5 Diskussion und innovationspolitische Folgerungen . . . . . . . 97
3.5.1 Zur Bedeutung von second-mover-Vorteilen . . . . . . 97
3.5.2 Technologiepolitische Folgerungen . . . . . . . . . . . . 98

B Mathematischer Anhang zu Kapitel 3 101


Beweis von Theorem 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Beweis von Korollar 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Beweis von Lemma 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Beweis von Lemma 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
INHALTSVERZEICHNIS iii

Numerik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

4 Außenhandel 109
4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.2 Technologiewahl im geschlossenen Land . . . . . . . . . . . . . 113
4.2.1 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
4.2.2 Gleichgewichtige Technologiewahl . . . . . . . . . . . . 115
4.2.3 Ein Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
4.3 Technologiewahl mit Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . 120
4.4 Handelsstrategische Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . 123
4.5 Schlußfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

C Mathematischer Anhang zu Kapitel 4 128


Beweis von Satz 4.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Beweis von Satz 4.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Beweis von Satz 4.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

5 Kapitalmobilität 130
5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
5.2 Die Produktionsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
5.2.1 Externe E¤ekte durch learning by investing . . . . . . 131
5.2.2 Abschreibungsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
5.2.3 Eine vintage-Produktionsfunktion mit externem E¤ekt 137
5.3 Ein grundlegendes Resultat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Voraussetzungen für ”Abschreibungsraten”-Theorem . 142
Aussagen des ”Abschreibungsraten”-Theorems . . . . . 143
5.4 Die Intuition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
5.5 Perfekte Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
5.5.1 Ausgangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
5.5.2 Das Entscheidungsproblem internationaler Investoren . 150
5.5.3 Ein möglicher Wechsel internationaler technologischer
Führerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
5.6 Kapitalmobilität mit Anpassungskosten . . . . . . . . . . . . . 154
5.6.1 Ein Wachstumsmodell mit Installationskosten . . . . . 155
INHALTSVERZEICHNIS iv

5.6.2 Ein dynamischer Aufholprozeß gegenüber einer steady-


state-Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Das Di¤erentialgleichungssystem . . . . . . . . . . . . 158
Überholprozesse bei schwingendem Konvergenzverhalten161
Überholprozeß und kritische Abschreibungsraten . . . . 165
5.6.3 ”Ausmaß” des Überholprozesses . . . . . . . . . . . . . 168
5.7 Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

D Mathematischer Anhang zu Kapitel 5 175


Theorem 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Beweis von Satz 5.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Der steady state im Modell mit Anpassungskosten . . . 182
Beweis von Satz 5.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
Verzeichnis der im Text verwendeten Symbole - in der
Reihenfolge ihrer Verwendung im Text . . . . 185

6 Schlußbemerkungen 191

Literaturverzeichnis 195
Kapitel 1

Zur Bedeutung technologischer


Führerschaft

1.1 Einleitung
Die Diskussion über die Bedeutung technologischer Führerschaft für den Er-
folg von Unternehmen einerseits sowie für Wachstum, Wohlstand und Be-
schäftigung von Nationen und Regionen andererseits ist eines der beherr-
schenden ökonomischen Themen der letzten 10-15 Jahre. Die vorliegende Ar-
beit liefert Beiträge einerseits für die mikroökonomische Theorie des Verhal-
tens von Unternehmen im technologischen Wettbewerb, als auch andererseits
auf der makroökonomischen Ebene für eine Theorie der relativen technolo-
gischen Entwicklung von Volkswirtschaften. Dabei lassen sich die mikroöko-
nomischen Beiträge sowohl der Betriebswirtschaftslehre als auch der Volks-
wirtschaftslehre zuordnen. Für die Betriebswirtschaftslehre erö¤nen sich aus
der mikroökonomischen Analyse normative Erkenntnisgewinne für das Inno-
vationsmanagement, wenn es gelingt, bei der Analyse technologischen Wett-
bewerbs Handlungsalternativen aufzuzeigen, die als Gleichgewichtslösungen
Bestand haben. Für die Volkswirtschaftslehre ist die Analyse technologi-
schen Wettbewerbs zuerst ein Beitrag zum Verständnis des Verhaltens von
Unternehmen. Solche positive Theoriebildung ist letztlich Voraussetzung für
die wohlfahrtstheoretische Beurteilung von Marktergebnissen auf unvollkom-

1
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 2

menen Märkten. Zum anderen lassen sich aus mikroökonomisch fundierten


unternehmerischen Erfolgsstrategien gegebenenfalls auch wirtschaftspoliti-
sche Handlungsempfehlungen, also ein normativer Theoriebeitrag ableiten.
Die makroökonomischen Analysen der Arbeit sind dagegen allein Beiträge
zur positiven Theoriebildung der Volkswirtschaftslehre. Es ist dabei nicht
das Ziel, wirtschaftspolitische Handlungsalternativen abzuleiten, sondern die
Prognostizierbarkeit von langfristigen Entwicklungstendenzen international
verbundener Volkswirtschaften zu verbessern.
Der Titel dieser Arbeit könnte zu der Erwartung Anlaß geben, hier
würden die wesentlichen Aspekte des Themas im Rahmen eines integrier-
ten Mikro-Makro-Ansatzes behandelt.1 Dieser Erwartung wird nicht ent-
sprochen. Es ist im Gegenteil Anliegen dieser Arbeit zu demonstrieren,
daß die Analyse der Bedeutung technologischer Führerschaft für den Wett-
bewerb zwischen Unternehmen grundsätzlich andere Fragestellungen impli-
ziert und auch andere Analysemethoden erfordert als für die Analyse der
Entwicklung relativer technologischen Positionen ganzer Volkswirtschaften.
Angesichts der ausgeprägten Tendenz der letzten 15 Jahre, die von Seiten
der industrieökonomischen Forschung betriebenen mikroökonomischen Ana-
lysen von Unternehmen und Märkten auf nationalökonomische Modelle zur
Außenhandels- und zur Wachstumstheorie zu übertragen, mag diese Sicht-
weise überraschen.2
Gegen den Versuch, das Thema dieser Arbeit im Rahmen eines integrier-
ten Ansatzes zu behandeln, spricht zum einen, daß aus mikroökonomischer
Sicht das Erkenntnisziel ein grundsätzlich anderes ist als aus einer makro-
ökonomischen Perspektive. Aus mikroökonomischer Sicht ist Heterogenität
sowohl von Handlungsalternativen als auch von möglichen Ergebnissen eine
begrüßenswerte Modelleigenschaft. Das gilt im Hinblick auf positive Theo-
riebildung der Volkswirtschaftslehre, weil damit der Vielfalt von Unterneh-
mensentscheidungen in der beobachteten Realität Rechnung getragen werden
1
Diese Bezeichnung verwendet Stadler (1993) in einer Arbeit zu verschiedenen Model-
lierungen des Innovationsprozesses.
2
In diesem Zusammenhang richtungsweisend waren die Arbeiten von Brander und
Spencer (1981, 1983) sowie von Grossman und Helpman (1991).
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 3

kann. Das gilt ebenso für das Ableiten normativer unternehmenspolitischer


Handlungsempfehlungen, die nur denkbar sind, wenn sich im Rahmen des
verwendeten Modells Handlungs- und Ergebnisalternativen aufzeigen lassen.
Deshalb ist ein partialanalytisches Duopolmodell zur Abbildung von tech-
nologischen Entscheidungen von Unternehmen aus mikroökonomischer Sicht
insbesondere dann von Interesse, wenn es im Ergebnis multiple Gleichgewich-
te mit asymmetrischer Strategie- und Gewinnverteilung aufweist und wenn
das Ergebnis in sensibler Weise beispielsweise davon abhängig ist, welches
Unternehmen als erstes handelt oder wie schnell das andere Unternehmen
darauf reagieren kann.
Für Fragestellungen im makroökonomischen Kontext sind solche Model-
le dagegen ungeeignet, da sie sich eben aufgrund ihrer Uneindeutigkeiten
und Sensitivität nicht in ein allgemeines Gleichgewichtsmodell einbetten las-
sen. Umgekehrt sind die im makroökonomischen Kontext verwendeten mi-
kroökonomischen Bausteine zur Darstellung von unternehmerischen Innova-
tionsentscheidungen aus mikroökonomischer Sicht uninteressant, da sie der
beobachteten Vielfalt von Unternehmensentscheidungen im technologischen
Wettbewerb nicht gerecht werden und im Gleichgewicht keine Handlungsal-
ternativen o¤enlassen. Man könnte etwas überspitzt formulieren: Ein aus
mikroökonomischer Sicht interessantes Modell ist notwendigerweise für Fra-
gen im makroökonomischen Kontext ungeeignet und vice versa.
Gegen einen einheitlichen Modellierungsansatz spricht zudem, daß die
zentralen Fragen technologischer Führerschaft aus mikroökonomischer Sicht
einerseits und aus makroökonomischer Sicht andererseits grundsätzlich ver-
schieden sind. Aus mikroökonomischer Sicht sind einzelne mit Gewinnmaxi-
mierungsabsicht ausgestattete Unternehmen Untersuchungsgegenstand. Des-
halb ist die Kardinalfrage technologischen Wettbewerbs zwischen Unterneh-
men natürlicherweise die, welche Strategien im Gleichgewicht den höchsten
Gewinn versprechen und ob insbesondere der Technologieführer regelmäßig
einen höheren Gewinn erzielen wird als der Technologiefolger. Dabei soll-
te die Rollenverteilung der Unternehmen als Technologieführer oder -folger
nicht von vornherein festgelegt sein, da das Modell in diesem Fall nicht die ge-
forderten Handlungsalternativen aufzeigen würde. Der geeignete Modellrah-
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 4

men zur Beantwortung dieser Frage wird durch die partialanalytischen aber
spieltheoretisch fundierten Oligopolmodelle der modernen Industrieökonomie
gebildet.
Unternehmen können ihre Rolle im technologischen Wettbewerb inner-
halb weniger Jahre durch bewußt getro¤ene Entscheidungen wie die Adop-
tion einer neuen Technologie, den Erwerb von Patentrechten, die Einstel-
lung wichtiger Know-how-Träger oder auch durch das Aufkaufen innovati-
ver kleinerer Unternehmen wesentlich verändern. Die relative technologische
Entwicklung von Nationen oder Regionen läst sich dagegen nur im Rah-
men langfristiger Wachstumsprozesse darstellen. Dabei treten die betre¤en-
den Ökonomien nicht als aktiv Handelnde auf; es kommt vielmehr darauf
an, die Mechanik von Wachstumsprozessen verbundener Volkswirtschaften
im Hinblick auf mögliche Überholprozesse zu untersuchen. Diese Sichtweise
des Wettbewerbs zwischen Nationen mag puristisch anmuten. Eine Inter-
pretation, die stattdessen auch kollektive nationale Anstrengungen, wie bei
kriegerischen Auseinandersetzungen, beinhaltet, entzieht sich dagegen weit-
gehend den Möglichkeiten wirtschaftswissenschaftlicher Analyse und ist des-
halb nicht Thema dieser Arbeit.
Eine Möglichkeit, die mikroökonomische mit der makroökonomischen Fra-
gestellung zu verbinden, ist die, die relative Gewinnposition von heimischen
Unternehmen gegenüber ausländischen Unternehmen auf oligopolistischen
Weltmärkten mit der relativen Wohlfahrtsposition der betre¤enden Nationen
gleichzusetzen. Dann lassen sich insbesondere handelspolitische, aber auch
technologie- und industriepolitische Fragestellungen im partialanalytischen
Modellrahmen der Industrieökonomie behandeln. Obwohl die Fragwürdig-
keit dieser Vorgehensweise o¤ensichtlich ist, werden auch in dieser Arbeit die
Ergebnisse der industrieökonomischen Analyse auf ihre Anwendbarkeit zur
Beantwortung möglicher technologiepolitischer Fragestellungen hin überprüft
- mit allerdings schwachen Ergebnissen. Eine ernsthafte makroökonomische
Analyse, wie sie hier zur Analyse eines möglichen endogenen Wechsels inter-
nationaler technologischer Führerschaft herangezogen wird, kann durch sol-
che handelstrategisch interpretierten Modellen der Industrieökonomie nicht
ersetzt werden.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 5

In diesem ersten Kapitel wird zunächst ein Überblick über die Ergebnisse
der Arbeit gegeben sowie eine Motivation der Fragestellung und eine Einord-
nung der Ergebnisse in einen wissenschaftlichen Diskussionszusammenhang
vorgenommen (Abschnitte 1.2-1.3). Es folgt eine Diskussion der Ergebnisse
im Hinblick auf mögliche technologiepolitische Folgerungen (Abschnitt 1.4).
Die folgenden vier Kapitel 2-5 enthalten die analytischen Beiträge dieser Ar-
beit. Jedes Kapitel ist so konzipiert, daß es eigenständig lesbar ist. In einer
Schlußbetrachtung werden letztendlich die Ergebnisse der Untersuchung kurz
zusammengefaßt und mögliche Erweiterungen diskutiert.

1.2 Die Rolle technologischer Führerschaft


im Wettbewerb zwischen Unternehmen
Der Begri¤ der technologischen Führerschaft kann sich im Wettbewerb zwi-
schen Unternehmen auf drei Dimensionen beziehen: Die der Kostenführer-
schaft, die der Di¤erenzierungs- oder Qualitätsführerschaft und die der zeit-
lichen Führerschaft. Man vergleiche dazu die ein‡ußreiche Arbeit von Porter
(1985 Kapitel 3-5). Unternehmen können entweder Investitionen tätigen,
um in einen Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf Schnelligkeit, Kostenfüh-
rerschaft oder Qualitätsführerschaft zu gelangen, oder sie können versuchen,
eines oder zwei der drei Ziele auf Kosten der jeweils anderen zu ereichen.

1.2.1 Statischer Technologiewettbewerb


Bildet man solche Wettbewerbskonstellationen in statischer spieltheoreti-
scher Formulierung ab, dann können im Ergebnis strukturelle Asymmetrien
auftreten, einerseits im Hinblick auf die gewählten Gleichgewichtsstrategi-
en und andererseits im Hinblick auf die im Gleichgewicht von den Unter-
nehmen erzielten Gewinne oder Renditen. Beispielsweise könnte man eine
Konstellation untersuchen, in der zwei Unternehmen simultan ihre Kosten-
Qualitätskombination wählen und höhere Qualität mit höheren Stückkosten,
beziehungsweise niedrigere Stückkosten mit niedrigerer Qualität ”bezahlen”.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 6

Oder man könnte den Fall untersuchen, in dem die Unternehmen zunächst
Investitionsanstrengungen zum Beispiel in Form von Aufwendungen für For-
schung und Entwicklung (FuE) unternehmen, um den anschließenden Pro-
duktwettbewerb mit niedrigeren Stückkosten oder höherer Qualität bestrei-
ten zu können. In statischer Formulierung ist zunächst ohne eine nähere Ana-
lyse in keinem Fall ausgemacht, welches Unternehmen mit welcher Gleichge-
wichtsstrategie den höheren Gewinn erzielen wird. Es ist grundsätzlich eben-
so denkbar, daß das Hochqualitäts- / Hochkostenunternehmen im Gleichge-
wicht den höheren Gewinn erzielt, wie umgekehrt das Niedrigqualitäts- /
Niedrigkostenunternehmen. Es könnte einerseits dasjenige Unternehmen hö-
here Gewinne erzielen, das im Gleichgewicht höhere FuE-Ausgaben zur Ko-
stensenkung oder zu Qualitätssteigerung tätigt - der Technologieführer - , wie
auch umgekehrt das Unternehmen mit den niedrigeren FuE-Ausgaben, der
Technologiefolger. Selbstverständlich ist auch der Fall denkbar, in dem beide
Unternehmen im Gleichgewicht gleichhohe FuE-Anstrengungen unternehmen
und damit auch gleiche Gewinne erzielen.
Falls aus solchen Wettbewerbskonstellationen asymmetrische Gewinnpo-
sitionen resultieren, dann ergibt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht die in-
teressante normative Frage, wie ein Unternehmen in die vorteilhaftere Gleich-
gewichtsposition gelangen kann. Für die theoretische Volkswirtschaftslehre
erö¤nen sich Erklärungsansätze für die Frage, warum Unternehmen mit un-
terschiedlichen Gleichgewichtsstrategien systematische Unterschiede in ihrer
Erfolgsquote aufweisen. Und schließlich erö¤nen sich wirtschaftspolitische
Perspektiven für eine Regierung, die im Hinblick auf eine strategisch aus-
gerichtete nationale Technologiepolitik versucht, dem jeweiligen heimische
Unternehmen die günstigere Gleichgewichtsposition zu verscha¤en. Denk-
bar wären zum Beispiel hohe nationale Mindestqualitätsstandards mit dem
Ziel einzusetzen, die jeweiligen heimischen Unternehmen in die Hochquali-
tätsposition zu bringen, vorausgesetzt, diese Gleichgewichtsposition ist die
pro…tablere.
Im Kapitel 2 dieser Arbeit wird im Rahmen einer statischen Modellierung
von den dargestellten möglichen Dimensionen des technologischen Wettbe-
werbs die der Qualitätswahl untersucht. Die grundlegende Frage ist die,
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 7

ob das Unternehmen, das im Gleichgewicht die höheren FuE-Ausgaben zur


Qualitätsverbesserung aufwendet, den höheren Gewinn erzielt. Man wür-
de zunächst, wie auch der Verfasser, erwarten, daß sich eine allgemeingültige
Antwort auf diese Frage nicht geben läßt. Insbesondere würde man erwarten,
daß das Ergebnis von der FuE-Kostenstruktur und von den Nachfragebedin-
gungen abhängt. Diese Vermutung erweist sich überraschender Weise nur
als bedingt richtig. Insbesondere dann, wenn die Unternehmen ihre FuE-
beziehungsweise ihre Qualitätsentscheidung nacheinander tre¤en, zeigt sich
ein grundlegender Vorteil für das Hochqualitätsunternehmen. Das Ergebnis
ist zum einen für die Volkswirtschaftslehre von Bedeutung als Beitrag zur
positiven Theoriebildung über das Verhaltens von Unternehmen im Innova-
tionswettbewerb. Aus der aufgezeigten ausgeprägten Tendenz zu asymme-
trischen Gleichgewichtsergebnissen folgt im Hinblick auf normative betriebs-
wirtschaftliche Fragestellungen zum anderen, daß Qualitätsentscheidungen
von Unternehmen nicht allein aufgrund innerbetrieblichen Optimierungskal-
küls sondern insbesondere auch mit Blick auf die Konkurrenzsituation des
Unternehmens getro¤en werden sollten. Mit anderen Worten, die Produkt-
qualitätsentscheidung eines Unternehmens hat eine ausgesprochen strategi-
sche Komponente. Dieses Ergebnis gilt zunächst nur im statischen Kon-
text. Es stellt sich die Frage, inwieweit solche Asymmetrien technologischen
oligopolistischen Wettbewerbs im Rahmen einer dynamischen Modellierung
Bestand haben.

1.2.2 Dynamischer Technologiewettbewerb


Stehen Unternehmen in einem zeitlichen Technologiewettbewerb, dann ist
der Begri¤ der technologischen Führerschaft nicht mehr eindeutig. Häu…g
wird der Innovationsfolger erst dann dem Innovationsführer in den Markt
folgen, wenn er über eine überlegene Technologie verfügt. Die Rolle des
Technologieführers hat der Innovationsführer dann nur bis zum Markteintritt
des Folgerunternehmens inne.
Porter (1985) hält die Frage, ob das Einschlagen einer Innovationsführer-
oder einer Innovationsfolgerstrategie vielversprechender ist, für nicht ent-
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 8

schieden. Der von ihm aufgestellten Liste für die jeweiligen Vor- und Nach-
teile ist kaum etwas hinzuzufügen. Als Vorreitervorteile führt Porter (1985,
Kapitel 5) an:

² Ansehen - Imagevorteile.

² Die Möglichkeit die pro…tabelste Marktposition zu besetzen.

² Ausnutzen von Umstellungskosten auf Abnehmerseite - Stammkund-


schaft.

² Lernkurvene¤ekte.

² Sichern knapper Ressourcen.

² Standardisierungsvorteile.

² Patentschutz.

² Frühe hohe Gewinne durch Abschöpfen hoher Zahlungsbereitschaften.

Diesen Vorteilen stehen aber, nach Porters Einschätzung, ebenso gewich-


tige Nachteile gegenüber, die sich ein Folgerunternehmen erspart, die also
gleichzeitig Folgervorteile sind:

² Hohe Pionierkosten durch Genehmigungsverfahren oder Markterschlie-


ßung auf Abnehmer- und Vorleistungsseite.

² Unsicherheit auf der Nachfrage- und der Technologieseite.

² Die Notwendigkeit, sich auf eine frühe Technologiegeneration festlegen


zu müssen.

² Die Möglichkeit kostengünstiger Nachahmung durch Folgerunterneh-


men.

Trotz dieser eher skeptischen Einschätzung Porters war die zentrale Be-
deutung der Pionierrolle für den ökonomischen Erfolg von Unternehmen bis
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 9

etwa Mitte der 90-er Jahre ein sowohl in der deutschen Betriebswirtschafts-
lehre als auch in der amerikanischen Managementliteratur weithin akzeptier-
tes Strukturmerkmal technologischen Wettbewerbs zwischen Unternehmen
(siehe dazu die Überblicksartikel von Kerin et al. (1992) sowie Lieberman
und Montgomery (1988) zu …rst-mover Vorteilen). Schlagwörter wie speed
management oder …rst to market strategies in populären Managementstrate-
giebüchern aber auch wissenschaftliche Untersuchungen über die Innovations-
geschwindigkeit in verschiedenen Ländern zeugen davon. Mans…eld (1988a,b)
führte solche Untersuchungen für den Vergleich zwischen Japan und den Ver-
einigten Staaten durch. Albach et al. (1991) taten gleiches für Deutschland.
Diese Sichtweise wurde durch eine Reihe empirischer Untersuchungen ge-
stützt. Robinson et al. (1994) geben einen Überblick über diese Studien, die
einen Vorteil des Pionierunternehmens nachzuweisen bemüht sind. In einer
vielbeachteten Studie greifen Tellis und Golder (1996) diese Überzeugung an.
Sie beziehen die bis dahin nicht berücksichtigten fehlgeschlagenen Pioniere
in ihre Untersuchung mit ein und kommen zu einem gegenteiligen Ergeb-
nis: Im Durchschnitt scheinen nicht die Innovationsführer sondern die ersten
Innovationsfolger die ökonomisch erfolgreicheren Unternehmen gewesen zu
sein.
Der sich nun auch in der deutschen Betriebswirtschaftslehre anbahnende
Gesinnungswechsel (vergleiche die Arbeit von Clement et al. (1998)), wur-
de von der theoretischen industrieökonomischen Literatur schon zehn Jahre
zuvor vollzogen. In einem Beitrag fundamentaler Bedeutung weisen Fuden-
berg und Tirole (1985) nach, daß bei symmetrischer Ausgangslage der Un-
ternehmen, ein Vorteil des zuerst agierenden Unternehmens - ein …rst-mover
advantage - kein Ergebnis eines teilspielperfekten Gleichgewichts sein kann,
solange die Unternehmen nicht in der Lage sind, eine glaubhafte Selbstver-
p‡ichtung für zukünftiges Handeln abzugeben. Dieses Ergebnisses läßt sich
intuitiv recht einfach erklären: Solange das zuerst agierende Unternehmen
einen Vorteil gegenüber dem nachziehenden Unternehmen erzielt, hat letz-
teres einen Anreiz, dem ersten Unternehmen zuvorzukommen. Erst wenn
das erste Unternehmen einen so ungünstig frühen Zeitpunkt wählt, so daß
das zweite Unternehmen keinen Anreiz mehr hat, ihm zuvorzukommen, stellt
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 10

sich ein Gleichgewicht ein. Man spricht von einem preemption-Gleichgewicht.


Die beiden Unternehmen innovieren zu unterschiedlichen Zeitpunkten, erzie-
len aber beide die gleichen Gewinne. Die Leistung von Fudenberg und Tirole
besteht in der konsequenten formalen Umsetzung dieser Intuition und insbe-
sondere darin, ein teilspielperfektes Gleichgewicht für solche Wettbewerbssi-
tuationen nachgewiesen zu haben. Das Ergebnis gilt immer für symmetrische
Ausgangssituationen also für die jeweils erste Innovationsentscheidung, und
damit auch dann, wenn die Unternehmen später noch mehrfach Entschei-
dungen tre¤en, die von der ersten Innovationsentscheidung abhängig sind
und die dann unter asymmetrischen Bedingungen getro¤en werden. Die Ein-
schränkung, daß dieses Ergebnis keine Gültigkeit hat, wenn Unternehmen
in der Lage sind, glaubhafte Selbstverp‡ichtungen für zukünftiges Handeln
abzugeben - man würde dann von precommitment-Gleichgewichten sprechen
- , berührt die Bedeutung des Ergebnisses nicht grundlegend, denn dieser
Fall ist einem statischen Wettbewerbsspiel äquivalent und würde somit der
dynamischen Natur technologischen Wettbewerbs nicht gerecht.
Für die Suche nach strukturellen Asymmetrien technologischen Wettbe-
werbs ist dieses Ergebnis höchst einschneidend. Der Innovationsführer kann
aus grundsätzlichen Überlegungen heraus im Gleichgewicht eines dynami-
schen technologischen Wettbewerbsspiels keinen höheren Gewinn erzielen als
der Innovationsfolger. Es bleibt also nur noch zu prüfen, ob eventuell der In-
novationsfolger einen höheren Gewinn erzielen kann als der Innovationsfüh-
rer. Grundsätzlich ist es selbstverständlich möglich, daß die Nachteile einer
Vorreiterrolle die Vorteile überwiegen, wie Porter überzeugend darlegt. Im
Unterschied zu möglichen …rst-mover-Vorteilen des Innovationsführers blei-
ben solche second-mover-Vorteile des Innovationsfolgers in Gleichgewichten
dynamischen Wettbewerbs erhalten. Man spricht dann von einer waiting-
game-Struktur im Unterschied zur race-Struktur in der ein potentieller …rst-
mover-Vorteil vorliegt (vergleiche zum Beispiel bei Dasgupta (1988) sowie die
Diskussion der einschlägigen Literatur im einleitenden Abschnitt von Kapi-
tel 3). Der entscheidende Unterschied ist der, daß die Glaubwürdigkeit einer
pro…tablen second-mover- oder Warte-Strategie vom anderen Unternehmen
nicht in Frage gestellt werden kann.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 11

Wenn solche durch die überwiegenden Nachteile einer Vorreiterrolle aus-


gelösten waiting-game-Strukturen ein Phänomen wären, das beispielsweise
in nur 20% aller Fälle zu einem second-mover-Vorteil führen würde, dann
müßte sich das in empirischen Untersuchungen in einem signi…kanten durch-
schnittlichen Vorteil der Folgerunternehmen niederschlagen. Das ist mögli-
cherweise die eigentliche Ursache für die Ergebnisse von Tellis und Golder.
Die entscheidende Frage, der in dieser Arbeit aus theoretischer Sicht im Ka-
pitel 3 nachgegangen wird, ist nun die, als wie relevant solche waiting-game-
Strukturen eingeschätzt werden sollten. Dabei wird zunächst eine allgemein
anwendbare Methode entwickelt, mit der in verschiedenen Modellen dyna-
mischer Technologiewahl das Zustandekommen von second-mover-Vorteilen
überprüft werden kann. Die Anwendung dieser Methode auf zwei Standard-
modelle dynamischer Produkt- und Prozeßinnovation unter Sicherheit zeigt,
daß waiting-game-Strukturen und damit second-mover-Vorteile anscheinend
ein überraschend relevantes Phänomen sind. Sozusagen als Nebenprodukt
taucht der in statischer Modellierung des 2. Kapitels gezeigte Hochqua-
litätsvorteil in der im Kapitel 3 durchgeführten dynamischen Analyse als
second-mover-Vorteil wieder auf.3
Neben der unternehmenspolitischen Schlußfolgerung, daß ”second-to-
market-Strategien” eine möglicherweise im Durchschnitt erfolgversprechen-
dere Handlungsalternative zu den üblichen ”…rst-to-market-Strategien” dar-
stellen, ergibt sich auch die Frage nach technologiepolitischen Handlungs-
möglichkeiten: Wie kann einem deutschen Unternehmen gegebenenfalls die
günstigere Warteposition im Gleichgewicht gesichert werden. Anscheinend
gibt es in Deutschland eine Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften und ge-
wachsenen Strukturen, die dazu geeignet sind, daß von deutschen Unterneh-
men seitens internationaler Konkurrenz eine abwartende Haltung beim Ein-
satz neuester Technologien erwartet werden kann. Beispielsweise verzögern
im internationalen Vergleich lange Genehmigungsverfahren und die weitrei-
chenden Einspruchsrechte von Bürgern den Einsatz neuer Technologien in
3
Die Einbeziehung von Unsicherheit im Sinne der von Porter aufgeführten Vorreiter-
nachteile wirkt sich natürlicherweise zugunsten von waiting-game-Strukturen und second-
mover-Vorteilen aus. Hoppe (1997) hat diesen Zusammenhang eingehend untersucht.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 12

Deutschland. Auch die häu…g beklagte mangelnde Risikobereitschaft deut-


scher Unternehmen könnte sich positiv auf die Gleichgewichtspositionierung
deutscher Unternehmen auswirken und so eine überraschende Rechtfertigung
erfahren.
Die Interpretation von Ergebnissen notgedrungen stark vereinfachender
partialanalytischer Modelle soll hier aber nicht mit einer möglicherweise ket-
zerisch anmutenden Argumentation überstrapaziert werden. Es sollte aber
deutlich werden, daß eine Technologiepolitik im Sinne einer Förderung oder
Beschleunigung des Innovationsverhaltens deutscher Unternehmen aus han-
delsstrategischer Motivation heraus kaum gerechtfertigt werden kann.

1.3 Die Rolle technologischer Führerschaft


im Wettbewerb zwischen Nationen
Über die Bedeutung des Begri¤s der technologischen Führerschaft besteht im
Zusammenhang mit der Analyse internationaler Wettbewerbsfähigkeit weit-
gehend Einigkeit. So schreibt Porter in seinem Competitive Advantage of
Nations (1990, Seite 6) tre¤end:

² ”The only meaningful concept of competitiveness at the national level


is national productivity.”

Die Arbeiten von Jorgenson (1995) belegen überzeugend, daß zwar für die
Entwicklung kurz- und mittelfristiger Schwankungen internationaler Wettbe-
werbsfähigkeit die Analyse von purchasing power parities von entscheidender
Bedeutung ist, daß aber langfristig die Entwicklung der totalen Faktorpro-
duktivität die relative Wettbewerbsfähigkeit von Ökonomien treibt. In diese
Richtung geht Krugmans Äußerung (1994, Seite 9):

² ”Productivity isn’t everything, but in the long run its almost every-
thing.”

Beide Autoren meinen die Produktivität sowohl im Hinblick auf eingesetz-


te Arbeitsstunden als auch im Hinblick auf eingesetztes Kapital. Sie meinen
also das, was üblicherweise als totale Faktorproduktivität bezeichnet wird.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 13

1.3.1 Die productivity-slowdown-Diskussion in den


USA
In den Vereinigten Staaten wie in allen großen OECD-Ökonomien beobachte-
te man in den 70-er und 80-er Jahren einen deutlichen Rückgang der Wachs-
tumsraten totaler Faktorproduktivität. Das löste insbesondere in den USA
eine breite ö¤entliche, politische und wissenschaftliche Debatte über mögliche
Gründe und Perspektiven dieser Entwicklung aus. Dabei ging es zum einen
darum, den akuten Rückgang der Wachstumsraten in den 70-er Jahren zu er-
klären, der fast alle OECD-Staaten betraf.4 Zum anderen wurde speziell für
die USA diskutiert, ob der sich schon in den 60-er Jahren abzeichnende Trend
relativ niedriger Wachstumsraten totaler Faktorproduktivität im Vergleich zu
den Wachstumsraten in anderen OECD-Ländern langfristig zu einem Ver-
lust US-amerikanischer technologischer Führerschaft führen wird. Der von
der US-Regierung in Auftrag gegebene Report von Baumol und seinen Ko-
autoren (1989) ”Productivity and American Leadership” ist eindruckvolles
Zeugnis dieser Diskussion und für die aus deutscher Sicht beneidenswert enge
Verbindung zwischen ö¤entlich/politischer - und wissenschaftlicher Diskus-
sion in den Vereinigten Staaten. Als das zentrale Thema dieser Diskussion
kristallisierte sich die Frage heraus, ob der relative Rückgang der Produktivi-
tätswachstumsraten als Resultat konventioneller neoklassischer Konvergenz
erklärt werden kann, oder ob andere grundlegende Fehlentwicklungen An-
laß zu der Sorge geben, daß der US-amerikanischen Ökonomie eine ähnliche
langanhaltende Periode technologischer und wirtschaftlicher Stagnation be-
vorsteht wie Großbritannien seit dem 2. Weltkrieg. Die wissenschaftliche
Debatte im Hinblick auf die USA kann heute als zugunsten der Konvergenz-
4
Naheliegenderweise wurde in diesem Zusammehang intensiv die Frage diskutiert, ob
nicht vielleicht allein schon die Erhöhung der Energiepreise für den außergewöhnlichen
Rückgang der Wachstumsraten in den 70-er Jahren verantwortlich waren. Diese Sichtwei-
se wurde beispielsweise von Jorgensen (1988) im Gegensatz zu Denison (1984) vertreten.
Die productivity-slowdown-Debatte lieferte auch den Ausgangspunkt für die von Aschau-
er (1988, 1989) ausgelöste internationale Debatte über Produktivitätse¤ekte ö¤entlicher
Infrastruktur. Siehe dazu die kritischen Überblicksartikel von Gramlich (1994) sowie von
Pfähler et al. (1996).
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 14

Theoretiker entschieden betrachtet werden.5 Diese Sichtweise wird unter-


stützt durch empirische Untersuchungen, die belegen, daß der Aufholprozeß
der japanischen und der deutschen Volkswirtschaft gegenüber den USA seit
Anfang der 80-er Jahre zum Erliegen gekommen ist. Jorgenson (1995, Seite
xvii) faßt seine Forschungsergebnisse folgendermaßen zusammen:6

² ”However, the research presented in this volume shows that relative


productivity levels have been fairly stable since around 1980 and that
Japan and Germany have emerged as productivity laggards, relative
to the US., with productivity somewhere between 85-90 percent of the
US. level.”

Dieser Trend zur ”Entwarnung” steht im bemerkenswerten Gegensatz zu


Äußerungen prominenter US-Wissenschaftler von Anfang der 90-er Jahre,
die durchaus einen Verlust amerikanischer technologischer Führerschaft für
möglich und zum Teil schon für vollzogen hielten (Scherer (1992), Nelson und
Wright (1992)). Es sollte auch betont werden, daß die Entwarnungen von
Seiten empirischer Arbeiten nur für die USA Geltung hatten. Dagegen …n-
den sich in den angegebenen empirischen Untersuchungen deutliche Hinweise
darauf, daß Deutschland tatsächlich im Laufe der 70-er und 80-er Jahren in
vielen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes von Japan im Hinblick auf
totale Faktorproduktivität überholt worden ist.
Mit den Anzeichen einer Entwarnung in den USA nimmt die ö¤ent-
lich/politische als auch die wissenschaftliche Diskussion seit Beginn der 90-er
Jahre eine Wendung. Das Interesse gilt zunehmend den schnell aufholen-
den südostasiatischen Wirtschaftswunder-Ökonomien und der Frage, ob diese
mittel- bis langfristig in der Lage sind, die technologische und ökonomische
5
Die grundlegenden empirischen Arbeiten zur Konvergenz im Rahmen neoklassischer
Wachstumsmodelle sind vor allem mit den Namen Barro und Sala-i-Martin verknüpft.
Siehe dazu u.a. in ihrem Beitrag mit dem sinnfälligen Titel Convergence (1991) sowie in
ihrem ein‡ußreichen Buch Economic Growth (1995a).
6
Man vergleiche dazu auch die groß angelegte Studie von McKinsey Global Institute
(1993) ”Manufacturing Productivity”, in der im Rahmen von Fallstudien die führende
Produktivitäts-Position der US-Wirtschaft gegenüber der japanischen und deutschen für
8 Sektoren des verarbeitenden Gewerbes aufgezeigt wird.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 15

Abbildung 1.1:

Führungsposition der etablierten Industrienationen in Frage zu stellen. Der


Stil der ö¤entlichen Diskussion, wie sie in dem in Abbildung 1.1 wiederge-
gebenen Titelblatt des Economist vom Oktober 1994 versinnbildlicht wird,
macht deutlich, daß letztlich Konvergenz kein Thema ist, das wirklich das
ö¤entliche wie politische Interesse wachhält. Dieses Interesse wird genährt
von der Angst vor einer durch einen Überholprozeß ausgelösten langfristi-
gen Marginalisierung. Das zeigt auch das breite Echo auf den Beitrag von
Krugman (1994b) in Foreign A¤airs. In diesem Beitrag stuft Krugman das
”Wirtschaftswunder” Südostasien als Mythos ein. Er stützt dabei sein Ur-
teil auf eine empirische Arbeit von Young (1995), der keine Hinweise für
substantielles Wachstum der totalen Faktorproduktivität in diesen Ländern
ausmachen konnte. Die hohen dortigen Wachstumsraten seien demnach ganz
überwiegend Input-induziert, und es drohe mithin kein Überholprozeß son-
dern nur Konvergenz.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 16

1.3.2 Konvergenz oder Überholprozeß - Möglichkeiten


einer Überprüfung im Rahmen neoklassischer
Wachstumstheorie
Angesichts dieser Diskussion muß es als ein wesentlicher Nachteil der neoklas-
sischen Wachstumstheorie angesehen werden, daß mögliche Überholprozesse
sich nicht endogen allein aus geschichtlichen Unterschieden der Kapitalakku-
mulation erklären lassen. Anders ausgedrückt: Zwei Länder, deren Wachs-
tumsdynamik von gleichen grundlegenden Parametern getrieben wird, kon-
vergieren in einem neoklassischen Wachstumsmodell in den gleichen steady
state, wobei die relative technologische und ökonomische Position der beiden
Länder immer bestehen bleibt. Man kann aber letztlich die Frage nach mögli-
chen Überholprozessen nicht anhand eines Modells überprüfen, das endogene
Zyklen nicht zuläßt. Das veranlaßte Brezis et al. (1993), den Versuch zu un-
ternehmen, endogen Zyklen in einem nicht neoklassischen Modell durch Ag-
glomerationse¤ekte in Verbindung mit internationaler Handelsver‡echtung
zu erklären.7 Sie kamen damit der ö¤entlichen Erwartung entgegen, daß
Überholprozesse durch die Globalisierung der Weltwirtschaft wahrscheinli-
cher oder überhaupt erst möglich gemacht werden. Tatsächlich wird aber
im Kapitel 4 dieser Arbeit gezeigt, daß Außenhandel im Rahmen der Argu-
mentation von Brezis et al. nicht die Ursache von Überholprozessen ist. Es
7
Zwei weitere Versuche, zu Überholprozessen im Rahmen von nicht neoklassischen Mo-
dellen zu gelangen, stammen von Barro und Sala-i-Martin (1995b), sowie von Motta et
al. (1995). Dabei kann es im Modell von Barro und Sala-i-Martin nur dann zu einem
Überholprozess kommen, wenn die ehemals rückständige Region über die grundsätzlich
besseren Voraussetzungen für eine dauerhafte technologische Führerschaft verfügt. Motta
et al. modellieren statischen Qualitätswettbewerb zwischen dem Hochqualitätsunterneh-
men eines reichen Landes und dem Niedrigqualitätsunternehmen eines armen Landes und
zeigen, daß zwei Gleichgewichte existieren können. In einem der beiden Gleichgewichte
bleiben die Qualitätspositionen erhalten, im anderen kommt es zum Wechsel der Quali-
tätspositionen. Motta et al. stufen dabei das ”leapfrogging-Gleichgewicht” als das weniger
wahrscheinliche Ergebnis des Modells ein. Motta et al. interpretieren ihre Ergebnisse in
der üblichen - und fragwürdigen Weise auch im Hinblick auf ein mögliches leapfrogging
der durch die beiden Unternehmen repräsentierten Länder.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 17

zeigt sich im Gegenteil, daß Außenhandel eher für eine Verfestigung der rela-
tiven technologischen und ökonomischen Positionen verantwortlich gemacht
werden kann.
Im Kapitel 5 dieser Arbeit wird die Rolle von Kapitalmobilität als wei-
tere mögliche Ursache von endogenen Überholprozessen untersucht. Es ist
erstaunlich, daß Versuche in dieser Richtung nach Kenntnis des Verfassers
bislang noch nicht unternommen wurden. So fordern beispielsweise Krug-
man und Venables (1995, Seite 876):

² ”Yet much of the political debate over integration focuses on the alleged
impacts of capital movement rather than (or along with) trade ‡ows.
Thus a natural step would be to add capital movements.”

Ein möglicher Grund für diese o¤ensichtliche Lücke in der Literatur ist
wohl darin zu sehen, daß Kapitalmobilität im Zusammenhang mit Wachs-
tumsprozessen erst dann interessant wird, wenn man nicht den steady state
selbst, sondern den Weg in den steady state untersucht. Die Analyse solcher
transitional dynamics gilt aber gemeinhin als unhandlich.
Im 5. Kapitel dieser Arbeit wird dagegen gezeigt, daß es auch bei der
Analyse solcher transitional dynamics durchaus möglich ist, sowohl zu qua-
litativen Ergebnissen als auch zu empirisch testbaren Hypothesen zu gelan-
gen. Die Grundidee ist die Integration eines durch Investitionen ausgelösten
externen E¤ekts in das Solow-Modell zur Kapitalakkumulation bei kapital-
gebundenem technischen Fortschritt (Solow (1959)). Dieser externe E¤ekt
akkumuliert sich als Wissenskapitalstock, der ausschließlich in dem Land öf-
fentlich verfügbar ist und somit die jeweilige totale Faktorproduktivität nur
dort positiv beein‡ußt, wo die Investitionen durchgeführt wurden. Im Rah-
men von zwei unterschiedlichen Kapitalmobilitätsmodellen können anschlie-
ßend Überholprozesse beziehungsweise Zyklen internationaler technologischer
Führerschaft nachgewiesen werden. Es kann allerdings nur dann zu Überhol-
prozessen bzw. Zyklen kommen, falls sich der ö¤entliche Wissenskapitalstock
schneller abschreibt als der private Kapitalstock.
Dieses Ergebnis ist insofern attraktiv, als es die Intuition bestätigt, ein
hochentwickeltes Land könne den Anschluß an die internationale technologi-
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 18

sche Entwicklung verlieren, wenn Neuinvestitionen überwiegend im Ausland


getätigt werden. Hochentwickelte Industrienationen verfügen typischerweise
über einen großen Bestand ö¤entlich verfügbaren Wissens sowie über eine
ausgefeilte institutionelle Infrastruktur, um dieses Wissen allgemein verfüg-
bar zu machen. Universitätsinstitute der Ingenieurwissenschaften oder Insti-
tutionen wie das deutsche Berufsbildungssystem sind Beispiel dafür. Die Idee
des im Kapitel 5 modellierten ”learning by investing” besteht darin, daß der
Aufbau eines solchen Kapitalstocks eng mit den in der jeweiligen Ökonomie
getätigten Neuinvestitionen verbunden ist. Wird nun über einen längeren
Zeitraum wenig im hochentwickelten Land investiert, dann schreibt sich die-
ser Wissenskapitalstock einmal durch menschliche Vergeßlichkeit sowie durch
das Verschwinden von nicht mehr benötigten Institutionen ab. Zum anderen
verliert früher erworbenes Wissen an Wert, weil es neuen technologischen
Gegebenheiten nicht angepaßt ist. Verliert demgegenüber der private Kapi-
talstock nur relativ langsam an Wert, dann bleibt die Arbeitsproduktivität
respektive das Lohnniveau im hochentwickelten Land über einen langen Zeit-
raum hoch und damit die Pro…tabilität von Neuinvestitionen niedrig. Wenn
schließlich Kapitalmobilität zu einem Ausgleich der Grenzproduktivität von
Kapital in beiden Ländern geführt hat, so daß Neuinvestitionen auch im
ehemals hochentwickelten Land wieder pro…tabel werden, dann verfügt ein
ehemals unterentwickeltes Land über einen moderneren und auch insgesamt
produktiveren Wissenskapitalstock. Es ist zum Überholprozeß gekommen.
Die Sorge über ein solches Szenario ist es vermutlich, die das gespannte
ö¤entliche und politische Interesse in den westlichen Industrienationen an
dem schnellen und durch die aktuelle Asienkrise voraussichtlich nur kurzzei-
tig unterbrochenen Aufholprozeß der südostasiatischen Ökonomien wachhält.
Dabei sollten aber zwei wesentliche Aspekte beachtet werden:

1. Die bislang vorliegenden empirischen Arbeiten zur Schätzung von Ab-


schreibungsraten lassen keinen eindeutigen Schluß darüber zu, daß
die Abschreibungsrate des ö¤entlichen Wissenskapitalstocks tatsäch-
lich höher ist als die des privaten Kapitalstocks. Ist diese Bedingung
aber nicht erfüllt, dann bleibt eine technologische Führungsposition
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 19

auch mit Kapitalmobilität dauerhaft erhalten, was im 3. Abschnitt des


5. Kapitels in einem Theorem hoher Allgemeingültigkeit nachgewiesen
werden kann.

2. Mögliche Überholprozesse führen im Rahmen der hier vorgenomme-


nen Modellierung in keinem Fall zu einer Marginalisierung der ehemals
hochentwickelten Länder. Vielmehr zeigt die Analyse im 6. Abschnitt
des 5. Kapitel, daß mögliche Zyklen technologischer Führerschaft für
plausible Parameterkonstellationen stark gedämpft sind.

1.4 Technologiepolitische Einordnung


Die Motivation für den Verfasser zur Bearbeitung des Themas dieser Arbeit
ging wesentlich von der hohen Bedeutung aus, die technologiepolitische The-
men in der ö¤entlichen und politischen Diskussion während der letzten 10-15
Jahre gespielt haben. In Deutschland gibt es Ende der 90-er Jahre keine Par-
tei mehr, in deren Parteiprogramm nicht ausführlich zur Technologiepolitik
Stellung genommen wird. Zumindest jede deutsche Großstadt verfügt über
ein meist beim Wirtschaftsdezernat angesiedeltes Referat zur Förderung von
Hochtechnologieunternehmen. Die Erforschung unternehmerischer Innovati-
onsaktivität steht im Mittelpunkt ö¤entlichen, politischen und wissenschaft-
lichen Interesses. Ausdruck für dieses Interesse sind langfristig von staatli-
cher Seite …nanzierte Forschungsprojekte wie das ”ZEW-Innovations-Panel”
oder der vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Technologie herausgegebene Delphi-Bericht (1993) zum Innovationsverhalten
deutscher Unternehmen. Ausgelöst wurde der Technologiepolitikboom durch
die Diskussion um die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unter-
nehmen ab Anfang der 80-er Jahre. Die technologische Leistungsfähigkeit
oder die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen wird seit Ende der 80-
er Jahre als eine, wenn nicht die wesentliche Determinante internationaler
Wettbewerbsfähigkeit angesehen. Die Gutachten des Sachverständigenrats
der Bundesregierung zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage seit
den 80-er Jahren waren in dieser Hinsicht richtungsweisend. Man vergleiche
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 20

dazu zum Beispiel die Ausführungen in Pfähler und Lorz (1994). Albach
(1990, Seite 97), als einer der Wortführer in der Diskussion über den Zusam-
menhangs zwischen unternehmerischer Innovationstätigkeit und nationaler
Wettbewerbsfähigkeit, spricht von ”Innovationen als Fetisch und Notwendig-
keit”. Und im Vorwort des letzten Bundesforschungsberichts schreibt Mini-
ster Rüttgers: ”Der relative Rückgang der FuE-Aufwendungen in Deutsch-
land ist ein Alarmsignal.” und meint damit insbesondere ein Alarmsignal für
die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Selbstverständlich ist das erstarkte ö¤entliche und politische Interesse
an unternehmerischer Tätigkeit in Deutschland grundsätzlich zu begrüßen.
Wenn allerdings der Staat in erheblichem Umfang Mittel verwendet, um die
Innovationstätigkeit der Unternehmen zu erforschen und zu fördern, dann
verlangt das eine ökonomische Rechtfertigung. Denn die personellen, …nanzi-
ellen und insbesondere die politischen Ressourcen stehen in Nutzungskonkur-
renz zu originären staatlichen Aufgaben, wie die Verbesserung der rechtlichen
und steuerlichen Rahmenbedingungen, Aus- und Umbau der Bildungsinfra-
struktur, Finanzierung von Grundlagenforschung und Erhalt der materiellen
Basisinfrastruktur, um einige der wichtigsten zu nennen. Es gibt grundsätz-
lich vier mögliche Gründe, die das ö¤entliche, politische und wissenschaft-
liche Interesse am Innovationsverhalten deutscher Unternehmen sowie letzt-
lich eine aktive staatliche Technologiepolitik zur Verbesserung internationaler
Wettbewerbsfähigkeit aus ökonomischer Sicht rechtfertigen können:

1. Innovationsaktivität deutscher Unternehmen könnte kollektive Markt-


macht auf den Weltmärkten begründen. Mit einer geeigneten
Aufwertungs- und/oder Zollpolitik könnten nationale Monopolrenten
gegenüber dem Weltmarkt abgeschöpft werden, auch wenn die natio-
nalen Unternehmen untereinander im Wettbewerb stehen.

2. Möglicherweise stellt hohe Innovationsfähigkeit und -neigung den öko-


nomischen Erfolg der betre¤enden Unternehmen im internationalen oli-
gopolistischen Wettbewerb sicher. Dann könnte eine Regierung ver-
sucht sein, die Innovationsaktivitäten heimischer Unternehmen zu för-
dern, um diese in eine vorteilhaftere Gleichgewichtsposition im inter-
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 21

nationalen Wettbewerb zu bringen. Man würde dann in Analogie zur


strategischen Außenhandelspolitik von rent-shifting-Verhalten der Re-
gierung sprechen.

3. Möglicherweise innovieren deutsche Unternehmen weniger als gesamt-


gesellschaftlich erwünscht, entweder weil Marktmacht gegenüber den
heimischen Konsumenten zu suboptimalen Innovationsanreizen führt,
oder weil sie mögliche, durch die eigene Innovationsaktivität ausgelö-
ste positive externe E¤ekte auf die Produktionsmöglichkeiten anderer
deutscher Unternehmen nicht berücksichtigen.

4. Möglicherweise ist nachlassende Innovationsaktivität und insbesondere


der Verlust nationaler technologischer Führerschaft ein Frühindikator
für ein langfristiges Zurückfallen in die technologische und ökonomische
Zweitklassigkeit. Oder, wie Scherer (1992, Seite 7) schreibt:

² ”Failure to maintain the technological pace,..., can undermine a


nation’s ability to implement future advances, inducing a vicious
spiral of industrial stagnation like that experienced by Great Bri-
tain during much of the twentieth century.”

Die zuerst angeführte mögliche Begründung für ein ökonomisch motivier-


tes ö¤entliches und politisches Interesse an der relativen technologischen Po-
sition heimischer Unternehmen - das Monopolmachtargument, hat eine lange
Tradition. So schreibt Marshall (1920) in seinen ”Principles of Economics”
im Zusammenhang mit der Herausforderung englischer technologischer Vor-
herrschaft durch Deutschland und die Vereinigten Staaten im ausgehenden
19. Jahrhundert über den Verlust englischer Monopolmacht auf internationa-
len Märkten (Kapitel 12, ”General In‡uences of Economic Progress”, 668¤).
Scherer (1992) zieht eine Parallele zur Situation der Vereinigten Staaten,
die in den 70-er und 80-er Jahren dieses Jahrhunderts ihre technologische
Vormachtstellung und damit die in den 50-er und 60-er Jahren ausgeübte in-
ternationale Monopolmacht eingebüßt haben. Krugman und Obstfeld (1988,
Seiten 237f) zeigen, daß es sich für ein großes Land, also für ein Land mit in-
ternationaler Marktmacht typischerweise lohnt, Zölle zur Verbesserung seiner
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 22

terms of trade einzuführen.8 Eine Aufwertungspolitik kann in der gleichen


Weise interpretiert werden. Allerdings muß das betre¤ende Land über die
internationalen machtpolitischen Mittel verfügen, um entweder Wechselkurse
festschreiben - oder um Zölle erheben zu können, ohne Vergeltungsmaßnah-
men anderer Länder erwarten zu müssen. Für England im 19. Jahrhundert
und für die Vereinigten Staaten in den 50-er - 60-er Jahren waren diese Vor-
aussetzungen vermutlich erfüllt. Für ein in die europäische Währungsunion
eingebettetes Deutschland sind diese Bedingungen aber sicherlich nicht er-
füllt. Es verbleiben noch die übrigen drei möglichen ökonomischen Gründe
für eine aktive staatliche Technologiepolitik.
Für das handelsstrategische zweite Argument wäre zu fragen: Gibt es ei-
ne systematische Tendenz dafür, daß ein Unternehmen, das im Wettbewerb
früher innoviert und/oder höhere FuE-Aufwendungen tätigt als die Konkur-
renz, auch höhere Gewinne erzielt? Audretsch (1993) belegt seine Zweifel an
einer solchen systematischen Tendenz mit Daten aus den Vereinigten Staa-
ten. Er vermutet eher einen Vorteil für das erste nachfolgende Unternehmen
- entgegen der bis in die Mitte der 90-er Jahre vorherrschende Meinung, die
Pionierrolle sei für den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens entschei-
dend. Diese Frage ist selbstverständlich nicht nur im technologiepolitischen
Kontext sondern auch für die betriebswirtschaftliche Forschung von großer
Bedeutung und wird dort inzwischen auch in Deutschland heftig diskutiert
(vergleiche die Arbeit von Clement et al. (1998)). Die Kapitel 2 und 3 sind
dieser Frage gewidmet.
Unzureichende Innovationsanreize - das dritte Argument - sind im Zu-
sammenhang mit der Diskussion internationaler Wettbewerbsfähigkeit ins-
besondere dann von Interesse, wenn sie aus durch Innovationsaktivität aus-
gelösten externen E¤ekten resultieren, die sich im wesentlichen nur für die
Produktionsmöglichkeiten anderer deutscher Unternehmen positiv bemerk-
bar machen. Man würde dann von technologischen spillover-E¤ekten spre-
chen, deren Wirkung innerhalb nationaler Grenzen bleibt. Krugman und
8
Das von Krugman und Obstfeld verwendete Beispiel bezieht sich auf einen Importzoll,
um die Nachfragemacht der heimischen Konsumenten ausnutzen zu können. Die Wirkung
eines Exportzolles, um nationale Angebotsmacht ausnutzen zu können, ist die gleiche.
KAPITEL 1. TECHNOLOGISCHE FÜHRERSCHAFT 23

Obstfeld (1998, Seite 269) beurteilen solche technologischen spillover als das
insgesamt überzeugendste Argument für eine nationale Industrie- respektive
Technologiepolitik.
Sind solche national wirksamen externen E¤ekte relevant, wie es von Ro-
mer (1986) in Anlehnung an Arrow (1962) in seltener Einmütigkeit mit den
keynesianisch orientierten Wachstumstheoretikern um Kaldor (1957 und mit
Mirrless 1962), als auch mit den Entwicklungstheoretikern um Myrdal (1957)
vertreten wird, dann läßt sich allein daraus schon ein Argument für staatli-
ches Eingreifen ableiten. Vorher wäre selbstverständlich zu fragen, ob dem
möglichen Nutzen eines staatlichen Eingri¤ nicht mindestens ebenso hohe Ko-
sten entgegenstehen. Im Hinblick auf die Analyse relativer technologischer
Entwicklung von Volkswirtschaften sind national wirksame externe E¤ekte
insbesondere dann von Interesse, wenn sie zur dauerhaften Divergenz von
Volkswirtschaften führen, wie von den Entwicklungstheoretikern um Myr-
dal und Hirschman mit dem Blickwinkel unterentwickelter Volkswirtschaften
befürchtet, oder wenn sie zu langfristigen und ausgeprägten Zyklen relativer
internationaler technologischer und ökonomischer Positionen führen. Im letz-
ten, und aus deutscher Sicht relevanten Fall, stellt sich die von Scherer (1992)
gestellte Frage nach einem möglicherweise langfristig zu prognostizierenden
Teufelskreis der Stagnation, wenn ein Land erst einmal damit begonnen hat,
etwas von seiner ehemals führenden technologischen Position einzubüßen.
Nachlassende Innovationstätigkeit deutscher Unternehmen könnte dann tat-
sächlich als ein Frühindikator für langfristig drohende Stagnation angesehen
werden - das vierte Argument. Diese Fragen werden in den Kapiteln 4-5
dieser Arbeit behandelt.
Kapitel 2

Statischer Qualitätswettbewerb
im Duopol - Der Vorteil des
Hochqualitätsanbieters1

2.1 Einleitung
In diesem Kapitel wird im Rahmen eines statischen Modells zur Qualitäts-
wahl untersucht, ob das Unternehmen, das im Gleichgewicht die höhere Qua-
lität wählt, auch dann regelmäßig einen höheren Gewinn erzielt als der Nied-
rigqualitätsanbieter2 , wenn höhere Qualität mittels vorgelagerter und teurer
FuE-Tätigkeit produziert werden muß.
Es gilt als eines der etablierten Ergebnisse der industrieökonomischen Li-
1
Die hier präsentierten Ergebnisse basieren wesentlich auf einer Forschungsarbeit, die
1995 abgeschlossen wurde und inzwischen im RAND Journal of Economics verö¤entlicht
wurde - Lehmann-Grube (1997a). Der Abschnitt über Markteintrittsabschreckung geht
auf eine gemeinsame Forschungsarbeit mit Wilhelm Pfähler zurück - Pfähler und Lehmann-
Grube (1995).
2
Ein möglicher Kon‡ikt zwischen Gewinnmaximierungsziel und vom Kapitalmarkt ge-
forderter Rendite wird hier nicht thematisiert. Damit wird, wie in vielen industrieökono-
mischen Arbeiten, implizit angenommen, daß die Charakteristika des Absatzmarktes und
der verfügbaren Technologie eine Rendite ermöglichen, die über der vom Kapitalmarkt
geforderten liegt.

24
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 25

teratur zur vertikalen Produktdi¤erenzierung, daß der Hochqualitätsanbieter


einen höheren Gewinn erzielt als der Niedrigqualitätsanbieter. Das ist nicht
unbedingt ein überraschendes Resultat, angesichts der Tatsache, daß in den
meisten Modellen zur vertikalen Produktdi¤erenzierung die Kosten für die
höhere Qualität entweder Null sind (Shaked und Sutton (1982); Tirole (1988);
Choi und Shin (1992); Donnenfeld und Weber (1992 und 1995)) oder zumin-
dest als klein und mit abnehmenden Grenzkosten modelliert werden (Shaked
und Sutton (1983)). Tatsächlich sollte man selbstverständlich annehmen,
daß die Kosten zur Qualitätsverbesserung hoch sind und einen steigenden
Grenzkostenverlauf aufweisen. Es stellt sich die naheliegende Frage, ob der
Hochqualitätsvorteil in diesem Fall erhalten bleibt. Einige Autoren haben
solche Qualitätskosten in ihren Modellen verwendet (Ronnen (1991); Motta
(1993) und Boom (1995)). Die Frage eines möglichen Hochqualitätsvorteils
wurde von diesen Autoren allerdings nicht untersucht.
In diesem Kapitel wird in einer direkten Verallgemeinerung der üblicher-
weise verwendeten Modellierung von vertikaler Produktdi¤erenzierung ge-
zeigt, daß der Hochqualitätsvorteil auch bei einem in der Qualität konvexen
Kostenverlauf erhalten bleibt. Dieses Ergebnis ist allgemeiner als das, wel-
ches Aoki und Prusa (1997) in einer unabhängig und parallel entstandenden
Arbeit für den Spezialfall einer quadratischen Kostenfunktion erzielen, da
der Nachweis eines Hochqualitätsvorteils für jede konvexe Kostenfunktion
erbracht wird. Der Nachweis erfolgt in einem Modell, in dem zwei Unter-
nehmen zunächst in einer vorgelagerten Stufe des Wettbewerbsspiels ihre
Qualitäten unter Aufbringung von FuE-Kosten wählen, bevor anschließend
in einem simultanen Preiswettbewerb mit di¤erenzierten Gütern die erzielten
Erlöse festgelegt werden.
Das Resultat ist sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus Sicht ei-
ner handelsstrategisch ausgerichteten Technologiepolitik von Bedeutung. Die
in betriebswirtschaftlicher Literatur häu…g hervorgehobene Bedeutung des
innerbetrieblichen Qualitätsmanagements (siehe beispielsweise die zweibän-
dige von Preßmar (1995) zu diesem Thema herausgegebene Aufsatzsamm-
lung) erhält eine zusätzliche Rechtfertigung. Produktqualität sollte im Lichte
der hier präsentierten Ergebnisse als wesentliche wettbewerbsstrategische Va-
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 26

riable angesehen werden. Aus Sicht einer nationalen Technologiepolitik stellt


sich die Frage, wie heimische Unternehmen in die pro…tablere Hochquali-
tätsposition gelangen können. Eine naheliegende Möglichkeit sind nationale
Mindestqualitätsstandards, wie etwa die DIN-Vorschriften in Deutschland.
Solche Standards, deren Wohlfahrtse¤ekte beispielsweise von Ronnen (1991)
und Boom (1995) untersucht wurden, erhalten auf diese Weise eine neue
handelsstrategische Interpretation.
Im folgenden Abschnitt wird das von Ronnen spezi…zierte Grundmodell
präsentiert. In Abschnitt 3 wird die bereits von Ronnen sowie Choi und Shin
(1992) erarbeitete Gleichgewichtslösung des Preiswettbewerbsspiel bei gege-
benen Qualitäten erläutert. Es folgt in Abschnitt 4 die Analyse eines Wett-
bewerbsspiels, in dem beide Unternehmen gleichzeitig Qualität und Preise
anpassen können. Es wird gezeigt, daß die Unternehmen typischerweise auch
dann Gewinne erzielen können, wenn sie auch ihre Qualität jederzeit anpas-
sen können. Im Abschnitt 5 wird der für die Ergebnisse dieses Kapitels we-
sentliche Fall der strategischen Qualitätswahl analysiert. Die Unternehmen
wählen in einer vorgelagerten Stufe entweder gleichzeitig oder nacheinander
ihre Qualitäten. Es zeigt sich, daß beide Unternehmen ihre Qualitätswahl
zur Produktdi¤erenzierung nutzen, um den Preiswettbewerb abzuschwächen.
Die resultierende Produktdi¤erenzierung als auch die Gewinne der Unter-
nehmen sind höher als im vorher analysierten Fall, in dem die Unternehmen
jederzeit ihre Qualitäten neu anpassen konnten. Das wichtigste Ergebnis
ist aber sowohl für simultane als auch für sequentielle strategische Quali-
tätswahl, daß dasjenige Unternehmen, welches im Gleichgewicht die höhere
Qualität wählt, einen höheren Gewinn erzielt als das Niedrigqualitätsunter-
nehmen, unabhängig davon, wie teuer es ist, die Qualität zu verbessern. Im
Abschnitt 6 werden Strategien zur Markteintrittsabschreckung untersucht.
Es wird gezeigt, daß das von Donnenfeld und Weber (1995) vorgeschlagene
strategische Absenken der Qualität zwecks Markteintrittsabschreckung nur
eine geringe Relevanz hat. Schließlich werden im letzten und 7. Abschnitt
mögliche Verallgemeinerungen des Modells diskutiert. Es wird argumentiert,
daß die Analyse einer dynamischen Version des Modells unabdingbar ist.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 27

2.2 Das Modell3


Die grundlegende Idee, duopolistischen Wettbewerb mit qualitativ di¤eren-
zierten Gütern zu analysieren, geht auf Shaked und Sutton (1982) zurück.
Meines Wissens führte Tirole (1988) als erster die naheliegende Annahme
ein, daß der Nutzen der Konsumenten additiv separabel in dem betre¤enden
Gut, gewichtet mit einem Qualitätsindex einerseits und dem Numerairegut
andererseits ist. Genauso verfahren auch Eaton und Lipsey (1989) in ihrem
Beitrag im Handbook of Industrial Organization. Diese Annahme ist ange-
messen, wenn es sich bei dem fraglichen Gut um ein solches handelt, dessen
Ausgabenanteil am Gesamtbudget der Konsumenten klein ist. Diese An-
nahme ist insbesondere auch dann angemessen, wenn gewinnmaximierende
Unternehmen das fragliche Gut als Zwischenprodukt nachfragen. Es stellt
also für die meisten realistischen Marktszenarien die richtige Annahme dar.
Shaked und Sutton wählten stattdessen die Annahme, daß die Nutzenfunk-
tion multiplikativ separabel ist. Eine solche Annahme ist für große Güter-
gruppen angemessen, wie Nahrungsmittel, Wohnraum o.ä. Für die Analyse
von Märkten für solche Gütergruppen ist aber der in der industrieökonomi-
schen Literatur übliche partialanalytische Ansatz ungeeignet. Im folgenden
beschränkt sich die Analyse deshalb auf den Fall additiver Separabilität.
Die Angebotsseite besteht aus zwei Firmen, Firma a und Firma b, die je-
weils ein Gut anbieten. Die von den Firmen angebotenen Güter unterschei-
den sich ausschließlich durch einen von den Konsumenten subjektiv wahr-
genommenen Qualitätsparameter si . Ohne Beschränkung der Allgemeinheit
wird die niedrigere Qualität mit einem Index 1, die höhere mit dem Index 2
bezeichnet. Es gilt also s1 · s2 . Dabei wird häu…g die Bezeichnung Firma 1
und Firma 2 verwendet, um den Niedrig- respektive den Hochqualitätsanbie-
ter zu bezeichnen, obwohl die Rolle, die die Firmen im Qualitätswettbewerb
schließlich einnehmen werden, zunächst nicht festgelegt ist. Die Kosten der
3
Wie in industrieökonomischen Arbeiten üblich, werden auch hier zunächst sehr re-
striktive Annahmen getro¤en, um die Analyse handhabbar zu machen. Der Abschnitt 2.7,
weiter unten in diesem Kapitel, widmet sich der Frage, in wie weit die Ergebnisse kritisch
von diesen Annahmen abhängen.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 28

Qualität F (si ) sind unabhängig vom Output und verhalten sich konvex zur
gewählten Qualität. Es gilt also F 0 ¸ 0; F 00 > 0. Um in jedem Fall eine innere
Lösung zu gewährleisten, wird zudem angenommen, daß F (0) = 0; F 0 (0) = 0
sowie lims!1 F 0 (s) = 1.4 Die variablen Produktionskosten seien unabhän-
gig von der Qualität und werden zur Vereinfachung auf Null gesetzt.5
Die Modellierung der Nachfrageseite geht auf Tirole zurück. Es wird die
Ausformulierung von Ronnen (1991) und Choi und Shin (1992) verwendet.
N Konsumenten kaufen höchstens eine Einheit des fraglichen Gutes bei einer
der beiden Firmen. Die Konsumenten unterscheiden sich hinsichtlich eines
Geschmacksparameters q und erzielen einen Nettonutzen beim Kauf einer
Qualität si zum Preis pi von

U q (si ; pi ) = si q ¡ pi (2.1)

Ein Konsument mit dem Parameter q kauft eine Einheit des Gutes, falls für
mindestens eine der beiden angebotenen Qualitäten gilt U q (si ; pi ) ¸ 0. Der
Konsument kauft bei der Firma, die ihm das beste Preis- Leistungsverhältnis
bietet, d.h. bei dem er den höheren Nettonutzen erzielt. Der Geschmackspa-
rameter q ist über dem Bereich [0; q¹] gleichverteilt. Physikalische sowie Geld-
einheiten können ohne Beschränkung der Allgemeinheit so gewählt werden,
daß sich sowohl N als auch q¹ auf Eins normieren lassen.
Eine sinnfällige Interpretation dieser Annahmen ist die folgende: (1) Es
läßt sich ein Qualitätsindex …nden, so daß sich die Zahlungsbereitschaft aller
Konsumenten proportional zu diesem Index verhält. (2) Die Zahlungsbereit-
schaft der Konsumenten für eine Einheit des Gutes mit der Qualität si ist
zwischen 0 und si gleichverteilt. Das Modell entspricht also dem üblichen
linearen Nachfragemodell.6
4
Diese Annahme geht auf Ronnen (1991) zurück. Tatsächlich reicht es aus anzunehmen,
1
daß F 0 (0) < 16 und lims!1 F 0 (s) > 14 . Weicht man von diesen Bedingungen ab, lassen
sich Fragen der Eintrittsabschreckung analysieren.
5
Die Einführung von qualitätsunabhängigen und konstanten Stückkosten ändert die
Ergebnisse nicht wesentlich. Sie führen aber zu einer erheblich umständlicheren mathe-
matischen Formulierung. Zum relevanten Problem qualitätsabhängiger Stückkosten wird
weiter unten ausführlich Stellung genommen.
6
Im Gegensatz zur hier verwendeten Spezi…kation von Ronnen und Choi und Shin wird
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 29

2.3 Preiswettbewerb
Im heterogenen Preiswettbewerb sind die Qualitäten, die die Unternehmen
anzubieten wünschen, exogen vorgegeben. Unternehmen 2 biete annahmege-
mäß die höhere Qualität an und Unternehmen 1 die niedrigere Qualität . Da
sich die Qualitäten voneinander unterscheiden, können sich am Markt unter-
schiedliche Preise halten - im Gegensatz zum homogenen Preiswettbewerb.
Abbildung 2.1 verdeutlicht, wie sich die Nachfrage auf die beiden Unterneh-
men bei unterschiedlichen Preisen und unterschiedlichen Qualitäten verteilt.
Der Konsument, der indi¤erent ist zwischen dem Kauf bei Unternehmen 1
und Unternehmen 2, wird durch folgende Gleichung bestimmt:

d ´ s1 q ind ¡ p1 = s2 q ind ¡ p2
,
p2 ¡ p1
q ind = (2.2)
s2 ¡ s1
Der Konsument, der indi¤erent ist zwischen Kauf beim Niedrigqualitätsun-
ternehmen 1 und Nichtkauf, bestimmt sich mit:
p1
s1 q 0 ¡ p1 = 0 , q 0 = (2.3)
s1
Die Nachfrage für das Hochqualitätsunternehmen respektive das Niedrigqua-
litätsunternehmen sind demnach:
Z qind
p2 ¡ p1 p1
x1 = f (q)dq = ¡ (2.4)
q0 s2 ¡ s1 s1
Z 1
p2 ¡ p1
x2 = f(q)dq = 1 ¡ (2.5)
q ind s2 ¡ s1
wobei hier mit f(q) die Dichtefunktion der Konsumentenpräferenzen bezeich-
net ist. Die angenommene Gleichverteilung (f (q) = 1) impliziert die Terme
auf der rechten Seite dieser beiden Gleichungen.
in älteren Modellen zur Analyse vertikaler Produktdi¤erenzierung die Annahme getro¤en,
die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten habe eine positive Untergrenze, die so gewählt
sein muß, daß im Gleichgewicht der gesamte Markt bedient wird (Shaked und Sutton
(1982); Tirole (1988); Eaton und Lipsey (1989)). Die dadurch implizierte Unstetigkeits-
stelle der Nachfrage wird hier vermieden.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 30

p(si ,x)

p2 s2 (1 - x)

s1 (1 - x)

p1

0 x
x2 qind x1 Nicht-Käufer 1
p2 - p1 p2 - p1 p1 p1
1 - s2 - s1 s 2 - s1 - s1 s1

Abbildung 2.1:

Jedes Unternehmen setzt seinen Preis in Abhängigkeit von einem ge-


gebenen Preis des Konkurrenten so, daß sein Gewinn maximiert wird -
man spricht in diesem Fall von simultanem Bertrand-Preiswettbewerb. Da
die Qualitäten bereits produziert sind, haben eventuelle Qualitätskosten im
Preiswettbewerb den Charakter von ”sunk cost”, d.h. sie beein‡ussen nicht
mehr die preispolitischen Entscheidungen der Unternehmen. Zudem werden
variable Kosten der Produktion nicht berücksichtigt, so daß zum Zeitpunkt
des Preiswettbewerbs aus dem Gewinn- ein Erlösmaximierungsproblem für
die Unternehmen wird. Unter Verwendung der Nachfragefunktionen lautet
es wie folgt:
µ ¶
p2 ¡ p1 p1
max p1 ¡
p1 s2 ¡ s1 s1
µ ¶
p2 ¡ p1
max p2 1 ¡
p2 s2 ¡ s1
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 31

Es ergeben sich die in Abbildung 2.2 dargestellten steigenden Preisreaktions-


geraden
1 s1
pR
1 (p2 ) = p2
2 s2
1
pR
2 (p1 ) = (p1 + s2 ¡ s1 )
2
Im Schnittpunkt der Preisreaktionsgeraden liegt das Bertrand-Nash-
Gleichgewicht des Preiswettbewerbs. Beide Unternehmen wählen den Preis,
der die jeweils beste Reaktion auf den Preis des Konkurrenten darstellt. Die-
ses Gleichgewicht ist unter den gegebenen Prämissen durch folgende Preise,
Mengen und Erlöse (Ei¤ ) charakterisiert:
s2 ¡ s1
p¤1 = s1 (2.6)
4s2 ¡ s1
s2 ¡ s1
p¤2 = 2s2 > 2p¤1 (2.7)
4s2 ¡ s1
s2
x¤1 = (2.8)
4s2 ¡ s1
s2
x¤2 = 2 = 2x¤1 (2.9)
4s2 ¡ s1
s2 ¡ s1
E1¤ = s1 s2 (2.10)
4s2 ¡ s1
s2 ¡ s1
E2¤ = 4s22 (2.11)
4s2 ¡ s1
Ohne vertikale Produktdi¤erenzierung (d.h. bei minimaler Di¤erenzie-
rung bzw. s1 = s2 ) sinken die Preise beider Anbieter auf die Grenzkosten
(von Null), und die Unternehmen erzielen beide keine Erlöse und somit na-
türlich keine Gewinne - das sogenannte Bertrand-Paradox im Preiswettbe-
werb des homogenen Oligopols. Mit vertikaler Produktdi¤erenzierung wird
dagegen das Unterbieten bis zur Erlös-/Gewinnlosigkeit verhindert, und die
Unternehmen erzielen im Bertrand-Nash-Gleichgewicht Erlöse/Gewinne.
O¤ensichtlich sind die Preise und Mengen (bzw. Marktanteile) und da-
mit auch die Erlöse des Hochqualitätsführers höher als die des Niedrigqua-
litätsanbieters. Ohne Berücksichtigung von Qualitätskosten lohnt es sich in
diesem Modell also, die Qualitätsführerschaft innezuhaben und das Segment
der höheren Qualität zu besetzen.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 32

p2

R1 (p2 )

R2 (p1 )

pB
2
1 s
2

p1
pB
1

Abbildung 2.2:

2.4 Einstu…ger Preis- Qualitätswettbewerb


Um die Bedeutung der Qualitätswahl als strategische Variable deutlich zu
machen, soll zunächst analysiert werden, ob die Unternehmen im Gleichge-
wicht Gewinne erzielen können, wenn sie Preise und Qualitäten gleichzeitig
jederzeit anpassen können. Die Gewinne der Unternehmen als Funktion in
Abhängigkeit von Preisen und Qualitäten lauten:
µ ¶
p2 ¡ p1 p1
¼ 1 (p1 ; p2 ; s1 ; s2 ) = p1 ¡ ¡ F (s1 ) (2.12)
s2 ¡ s1 s1
µ ¶
p2 ¡ p1
¼ 2 (p1 ; p2 ; s1 ; s2 ) = p2 1 ¡ ¡ F (s2 ) (2.13)
s2 ¡ s1
Notwendige Bedingung für ein Gleichgewicht in reinen Strategien ist die Er-
füllung der Bedingungen erster Ordnung für die jeweils zwei Variablen, auf
die die beiden Unternehmen Ein‡uß haben. Es muß also gelten:

@¼ 1 =@p1 = @¼ 1 =@s1 = @¼ 2 =@p2 = @¼ 2 =@s2 = 0 (2.14)


KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 33

oder äquivalent:
s2 ¡ s1
p1 = s1 (2.15)
4s2 ¡ s1
s2 ¡ s1
p2 = 2s2 (2.16)
4s2 ¡ s1
s2 p2 + p1 s2 (s2 ¡ 2s1 )
F 0 (s1 ) = p1 1 (2.17)
(s2 ¡ s1 )2 s21
p2 ¡ p1
F 0 (s2 ) = p2 (2.18)
(s2 ¡ s1 )2

O¤ensichtlich erfüllt p1 = p2 = s1 = s2 = 0 diese vier Bedingungen. Es


stellt sich aber die Frage, ob es noch andere mögliche Gleichgewichte gibt,
für die gilt: s2 > s1 > 0. Da annahmegemäß der Kostenverlauf der Qualität
konvex ist, muß gelten F 0 (s2 ) > F 0 (s1 ), also:

p2 ¡ p1 s21 p2 + p1 s2 (s2 ¡ 2s1 )


p2 ¡ p1 >0
(s2 ¡ s1 )2 (s2 ¡ s1 )2 s21

Einsetzen der Bedingungen für p1 und p2 (Gleichungen 2.15 und 2.16) ergibt
nach einigen Umformungen:
3s2 ¡ 2s1
s2 >0
(4s2 ¡ s1 )2

Diese Bedingung ist immer erfüllt. Im Allgemeinen wird man demnach erwar-
ten können, daß die Unternehmen auch im einstu…gen Preis- Qualitätswett-
bewerb Gewinne erzielen. Das wird durch das folgende Beispiel bestätigt.
Sei F (si ) = 1=2 s2i . Die Grenzkosten entsprechen dann gerade der gewähl-
ten Qualität. Mit dieser Annahme läßt sich das Gleichungssystem (2.15) bis
(2.18) explizit lösen, und man erhält Gleichgewichtsqualitäten von
1 ³ p ´
s¤1 = 76 ¡ 24 2
578
2 ³ p ´
s¤2 = 26 + 7 2
289
und positive Gewinne für beide Unternehmen.
Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, weil es sich darin von Model-
len, die keine Kosten der Qualität berücksichtigen, wesentlich unterscheidet.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 34

Ohne Qualitätskosten wählen im Gleichgewicht beide Unternehmen jeweils


die maximal mögliche Qualität, und kein Unternehmen erzielt positive Ge-
winne. Die Unternehmen können also von höheren Kosten der Qualität pro-
…tieren. Ein scheinbar paradoxes Ergebnis.7

2.5 Strategische Qualitätswahl


2.5.1 Der strategische E¤ekt der Qualitätswahl
Bestehen Qualitätskosten im wesentlichen aus Aufwendungen für Forschung
und Entwicklung eines Produktes und lassen sich die einmal gewählten Ei-
genschaften des Produktes nachträglich nicht mehr oder nur mit hohem Auf-
wand ändern, weil damit beispielsweise die teure Umstellung von Produkti-
onsprozessen erforderlich ist, dann macht es Sinn, die Qualitäts- Preiswahl
von Unternehmen als zweistu…ges Entscheidungsproblem zu behandeln. Die
Unternehmen sollten dann auf der ersten Stufe ihre Qualität strategisch wäh-
len, das heißt unter Berücksichtigung der Folgewirkungen für das Gleichge-
wichtsergebnis des nachfolgenden Preiswettbewerbs. Dieses zweistu…ge Ent-
scheidungsproblem läßt sich zunächst für das Niedrigqualitätsunternehmen
folgendermaßen formalisieren:8
d¼ 1 @¼ 1 dp¤1 @¼ 1 dp¤2 @¼ 1 ds2 @¼ 1
= + + + =0 (2.19)
ds1 @p1 ds1 @p2 ds1 @s2 ds1 @s1
| {z } | {z } | {z } |{z}
0 strategischer Folger- direkter
E¤ekt E¤ekt E¤ekt
¡ +;0 ?

wobei jeweils unter den geschweiften Klammern das Vorzeichen des entspre-
chenden Teilterms angegeben ist. Der erste Teilterm ist Null, da das Unter-
nehmen jedenfalls weiß, daß es in der zweiten, der Preisstufe des Wettbewerbs
7
Im Zusammenhang mit Werbekosten weist Tirole in Anlehnung an eine Arbeit von
Grossman und Shapiro (1984) auf einen ebensolchen scheinbar paradoxen Zusammenhang
hin. Im Zusammenhang mit Qualitätskosten ist mir ein ähnliches Ergebnis nicht bekannt.
8
Die hier verwendete Verknüpfung von ökonomischer Intuition und formaler Analyse
wurde von Fudenberg und Tirole (1984) im Zusammenhang mit der Analyse von Werbe-
aufwendungen eingeführt und …ndet auch bei Tirole (1988) Verwendung.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 35

unabhängig von den gewählten Qualitäten seinen Preis in optimaler Weise


wählen wird. Das heißt, @¼ 1 =@p1 = 0 gilt in jedem Fall.9 Der zweite Teil-
term ist negativ, da der Gleichgewichtspreis des Hochqualitätsanbieters ne-
gativ von der Qualitätswahl des Niedrigqualitätsanbieters beein‡ußt wird.10
Man nennt diesen E¤ekt den strategischen E¤ekt der Produktdi¤erenzie-
rung. Der dritte Teilterm ist Null, wenn das Konkurrenzunternehmen die
eigene Qualitätswahl nicht beobachten kann. Andernfalls, das heißt, wenn
das Niedrigqualitätsunternehmen seine Qualität zuerst wählt, wird das Kon-
kurrenzunternehmen mit einer seinerseits entsprechend angepaßten Qualität
reagieren. Es ergibt sich dann ein zweiter strategischer E¤ekt mit positi-
vem Vorzeichen, wie weiter unten gezeigt wird. Über das Vorzeichen des
vierten Teilterms ist zunächst nichts bekannt. Ohne Berücksichtigung von
strategischen E¤ekten wählt das Unternehmen seine Qualität so, daß dieser
sogenannte direkte E¤ekt gerade Null wird (siehe oben Gleichung (2.17)). Ist
der dritte Term Null, dann läßt sich aus dem eindeutig negativen strategi-
schen E¤ekt schließen, daß @¼ 1 =@s1 positiv sein muß. Anderenfalls kann der
Gesamtausdruck d¼ 1 =ds1 nicht Null werden.
Für das Hochqualitätsunternehmen ergibt sich eine ähnliche Argumen-
tation. Wiederum läßt sich der Di¤erentialquotient d¼ 2 =ds2 in Teile¤ekte
zerlegen.
d¼ 2 @¼ 2 dp¤2 @¼ 2 dp¤1 @¼ 2 ds1 @¼ 2
= + + + =0 (2.20)
ds2 @p2 ds2 @p1 ds2 @s1 ds2 @s2
| {z } | {z } | {z } |{z}
0 strategischer Folger- direkter
E¤ekt E¤ekt E¤ekt
+ ¡;0 ?

Im Fall des Hochqualitätsanbieters haben die beiden indirekten E¤ekte ge-


genüber dem Fall des Niedrigqualitätsanbieters entgegengesetzte Vorzeichen.
Eine Erhöhung der Produktqualität bedeutet hier ein ”mehr” an Produktdif-
ferenzierung und wirkt sich folgerichtig positiv auf den Gleichgewichtspreis
des Niedrigqualitätsanbieters aus.11 Der Folger-E¤ekt ist dagegen negativ,
wie weiter unten gezeigt wird, oder Null, falls das andere Unternehmen die
9
Das ist eine Anwendung des sogenannten Enveloppen-Theorems.
10
@p¤2 =@s1 = @ (2s2 [s2 ¡ s1 ] = [4s2 ¡ s1 ]) =@s1 = ¡6s22 = (4s2 ¡ s1 )2 .
11
@p¤1 =@s2 = @ (s1 (s2 ¡ s1 ) = (4s2 ¡ s1 )) =@s2 = 3s21 = (4s2 ¡ s1 )2 .
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 36

eigene Qualitätswahl nicht beobachten kann. In letzterem Fall läßt sich wie-
derum auf das Vorzeichen des direkten E¤ektes schließen. Es muß negativ
sein, damit der Gesamtausdruck Null werden kann.
Aus dieser Analyse läßt sich die folgende Schlußfolgerung ziehen:

1. Bei jeweils gegebener Qualität des Konkurrenten wählt der Niedrigqua-


litätsanbieter eine niedrigere und der Hochqualitätsanbieter eine höhere
Qualität als im einstu…gen Wettbewerb.

2. Beide Unternehmen erzielen höhere Gewinne als im einstu…gen Wett-


bewerb.12

Die erste Behauptung folgt direkt aus den eben angestellten Überlegun-
gen: Wenn eine bestimmte Qualität des Kontrahenten gegeben ist, so muß für
das Niedrigqualitätsunternehmen im zweistu…gen Wettbewerb d¼ 1 =ds1 = 0
und damit aufgrund des strategischen E¤ektes @¼ 1 =@s1 > 0 gelten. Im ein-
stu…gen Wettbewerb muß bei gleicher gegebener Qualität des Konkurrenten
dagegen @¼ i =@si = 0 erfüllt sein. Das kann nur erfüllt sein, wenn das Niedrig-
qualitätsunternehmen im zweistu…gen Wettbewerb eine niedrigere Qualität
als im einstu…gen Wettbewerb wählt. Für das Hochqualitätsunternehmen
gilt aufgrund des negativen strategischen E¤ektes die umgekehrte Argumen-
tation. Da beide Unternehmen von der jeweils niedrigeren respektive höheren
Qualität des anderen über den strategischen E¤ekt auf die Gleichgewichts-
preise pro…tieren, erzielen beide Unternehmen höhere Gewinne als im einstu-
…gen Wettbewerb.

2.5.2 Gleichgewicht bei simultaner Qualitätswahl


Falls die Firmen ihre Qualitätswahl simultan tre¤en, sie die Wahl des Kon-
trahenten also nicht beobachten können, entspricht die Struktur des Modells
genau der von Ronnen (1991) gewählten Formulierung. Die Unternehmen
12
Diese Behauptung gilt nur, wenn ein Gleichgewicht in reinen Strategien jeweils sowohl
für das einstu…ge- als auch für das zweistu…ge Wettbewerbsspiel existiert.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 37

wählen ihre jeweiligen Qualitäten so, daß ihre sogenannte reduzierte Erlös-
funktion abzüglich der Qualitätskosten maximal wird. Die reduzierten Er-
lösfunktionen ergeben sich einfach durch Einsetzen der Gleichgewichtspreise
und -mengen in die jeweilige Erlösfunktion
s2 ¡ s1
R1 (s1 ; s2 ) = E1 (s1 ; s2 ; p¤1 (s1 ; s2 ); p¤1 (s1 ; s2 )) = s1 s2 (2.21)
4s2 ¡ s1
s2 ¡ s1
R2 (s1 ; s2 ) = E2 (s1 ; s2 ; p¤1 (s1 ; s2 ); p¤1 (s1 ; s2 )) = 4s22 (2.22)
4s2 ¡ s1
Notwendige Bedingungen für ein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien für
die Qualitätswahl sind:

@R1 (s¤1 ; s¤2 ) ¤


2 4s2 ¡ 7s1
¤
= s¤2 = F 0 (s¤1 ) (2.23)
@s1 (4s¤2 ¡ s¤1 )3
¤2 ¤2
@R2 (s¤1 ; s¤2 ) ¤ ¤
¤ 4s2 ¡ 3s2 s1 + 2s1
= 4s2 = F 0 (s¤2 ) (2.24)
@s2 (4s¤2 ¡ s¤1 )3

Choi und Shin (1992) haben die Frage der gleichgewichtigen Qualitäts-
wahl für den Fall analysiert, in dem Qualität nichts kostet. Wie man sofort
sieht, steigt der Gewinn des Hochqualitätsanbieters in diesem Fall unbe-
schränkt mit steigender Qualität. Man löst dieses Problem in Anlehnung
an Shaked und Sutton, indem man annimmt, es gebe eine Maximalquali-
tät smax . In der hier gewählten Formulierung bedeutet das, F (s) = 0 für
s < smax und F (s) = 1 für s > smax , mit F 00 (smax ) = 1. O¤ensichtlich
gibt es für die Qualitätswahl der Unternehmen in diesem Fall zwei asymme-
trische Nashgleichgewichte in reinen Strategien. Wenn Unternehmen a die
Maximalqualität wählt, dann ist die beste Anwort von Unternehmen b , die
optimale Niedrigqualität s¤1 = 4=7smax zu wählen (siehe (2.23)). Das zweite
Nash-Gleichgewicht erhält man einfach durch Vertauschen der Rollen von
Unternehmen a und b. Das Wettbewerbsspiel hat also ein bis auf Umbe-
zeichnung eindeutiges Nash-Gleichgewicht. Das Bemerkenswerte an diesem
Ergebnis ist, daß eine Firma freiwillig, d.h. obwohl Qualität nichts kostet,
eine relativ niedrige Qualität wählt.13 Im Gegensatz zu den älteren weniger
13
Die etwas willkürlich anmutende Zahl 4=7 resultiert aus der linearen Struktur des
Modells sowie den vorgenommenen Normierungen.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 38

plausiblen Modellspezi…kationen wählt die Niedrigqualitäts…rma aber nicht


eine irgendwie festgelegte Minimalqualität, sondern eine innere Lösung.
Falls dagegen höhere Qualität mit höheren Fixkosten verbunden ist, ist
nicht mehr gewährleistet, daß in jedem Fall Gleichgewichte in reinen Stra-
tegien existieren. Zwar läßt sich beweisen, daß das Gleichungssystem (2.23)
und (2.24) genau eine Lösung hat (siehe dazu bei Ronnen (1991) oder den
expliziten Beweis von Lemma 1 im Anhang). Die Existenz einer eindeuti-
gen Lösung des Gleichungssystems (2.23) und (2.24) ist aber keine hinrei-
chende Bedingung für ein Nash-Gleichgewicht. Es wäre denkbar, daß das
Niedrigqualitätsunternehmen den Hochqualitätsanbieter überspringt. Kann
es dabei als Hochqualitätsunternehmen, gegeben die Qualitätswahl s¤2 des
anderen Unternehmens, einen höheren Gewinn erzielen als als Niedrigquali-
tätsanbieter bei der Kombination s¤1 ; s¤2 , dann ist s¤1 ; s¤2 kein Gleichgewicht.
Es existiert dann kein Gleichgewicht in reinen Strategien, da s¤1 ; s¤2 die ein-
zige Lösung des Gleichungssystems (2.23) und (2.24) ist. Umgekehrt wäre
es auch denkbar, daß das Hochqualitätsunternehmen einen Anreiz hat, die
Rolle des Niedrigqualitätsunternehmens einzunehmen.14 Dieser Sachverhalt
wird im folgenden Satz zusammengefaßt:

Satz 2.1 Das zweistu…ge Wettbewerbsspiel mit simultaner Qualitätswahl


auf der ersten Stufe hat ein bis auf Umbezeichnung eindeutiges Nash-
Gleichgewicht in reinen Strategien (s¤1 ,s¤2 ), wenn kein s > s¤1 und kein s
existiert so daß:

R2 (s¤2 ; s) ¡ F (s) > R1 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ F (s¤1 ) (2.25)

beziehungsweise

R1 (s; s¤2 ) ¡ F (s) > R2 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ F (s¤2 ) (2.26)


14
Für den Fall quadratischer Qualitätskosten F (s) = 1=2s2 zeigt Motta (1993), daß sich
ein solcher beschriebener Rollentausch nicht lohnt, daß also ein Gleichgewicht in reinen
Strategien existiert. Es lassen sich aber auch leicht Gegenbeispiele …nden. Ronnen (1991)
behauptet, die Bedingung F 000 ¸ 0 wäre hinreichend für die Existenz eines Gleichgewichts
in reinen Strategien. Mir erscheint es allerdings wenig sinnvoll, da kaum interpretierbar,
den Verlauf der Kostenfunktion in dieser Weise zu beschränken.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 39

anderenfalls hat das zweistu…ge Wettbewerbsspiel mit simultaner Qualitäts-


wahl kein Gleichgewicht in reinen Strategien.

Dieses Gleichgewicht, falls es existiert, ist folgendermaßen charakterisiert:


Ein Unternehmen (entweder Unternehmen a oder Unternehmen b) wählt auf
der ersten Stufe des Wettbewerbs die hohe Qualität s¤2 und erzielt hohe Ge-
winne auf der zweiten Stufe im Preiswettbewerb, bei gleichzeitig hohen Qua-
litätskosten der ersten Stufe. Die beste Antwort des anderen Unternehmens
(entweder b oder a) ist, darauf mit der niedrigeren Qualität s¤1 zu reagieren
und bei niedrigeren Kosten der Qualitätswahl niedrigere Erlöse im Preiswett-
bewerb zu erzielen. Es stellt sich die naheliegende Frage, welche Gleichge-
wichtsposition die pro…tablere ist. Überraschenderweise läßt sich diese Frage
eindeutig beantworten:

Satz 2.2 Falls im zweistu…gen Wettbewerbsspiel mit simultaner Qualitäts-


wahl ein Gleichgewicht in reinen Strategien existiert, erzielt das Unterneh-
men, das die hohe Gleichgewichtsqualität s¤2 wählt, einen höheren Gewinn als
das Unternehmen, das die niedrige Gleichgewichtsqualität s¤1 wählt.

Der Beweis be…ndet sich im Anhang. Aoki und Prusa (1997) haben paral-
lel ein gleichlautendes Ergebnis für den Fall einer quadratischer Kostenfunk-
tion erarbeitet.15 Bemerkenswert erscheint der Umstand, daß der Vorteil des
Hochqualitätsanbieters unabhängig vom Kostenverlauf ist, sofern die Kon-
stenfunktion konvex ist. Die Intuition für dieses allgemeine Ergebnis läßt
sich an Abbildung 2.3 erläutern.
Die Kurve R1 (s1 ; s¤2 ) beschreibt den Verlauf der Erlösfunktion des Nied-
rigqualitätsanbieters in Abhängigkeit von seiner Qualität, während die Qua-
lität des anderen Unternehmens auf dem Gleichgewichtswert s¤2 festgehalten
wird. Umgekehrt beschreibt die Kurve R2 (s¤1 ; s2 ) den Verlauf der Erlösfunkti-
on des Hochqualitätsanbieters in Abhängigkeit von seiner Qualität, während
die Qualität des anderen Unternehmens auf dem Gleichgewichtsniveau s¤1
festgehalten wird. Die Kurve F (s) ist eine beliebige konvexe Kostenfunk-
tion der Qualität. O¤ensichtlich muß im Gleichgewicht die Steigung von
15
Das Problem läßt sich in diesem Fall einfach numerisch lösen.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 40

R *1 (s1 , s *2 )
R *2 (s* , s2 ) F(s)
R *2 (s*1 , s2 ) 1

F(s)

G(s)
C

D
R *1 (s1 , s *2 )

s *1 s *2 s1 , s 2

Abbildung 2.3:

F (:) dort gleich der Steigung der R1 (s1 ; s¤2 )-Kurve sein, wo s1 = s¤1 . Ge-
nauso muß die Steigung der R2 (s¤1 ; s2 )-Kurve gleich der Steigung von F (:)
sein, dort wo s2 = s¤2 . Desweiteren muß R1 (s1 ; s¤2 ) am Punkt s1 = s¤2 Null
werden, während R2 (s¤1 ; s2 ) = 0 am Punkt s2 = s¤1 gelten muß. Der zen-
trale Ansatzpunkt für den Beweis ist die Konstruktion einer ”worst case”-
Kostenkurve. Diese muß tangential zur F (:)-Kurve am Punkt s¤2 verlaufen
und sollte für den Niedrigqualitätsunternehmer, also an der Stelle s¤1 mög-
lichst klein werden, ohne daß dadurch die Konvexitätseigenschaft verletzt
wird. O¤ensichtlich ist die in der Abbildung dargestellte Gerade G(s) eine
solche ”worst case”-Kostenkurve. Im Beweis wird gezeigt, daß der Abstand
zwischen A und B nicht größer sein kann als der Abstand zwischen C und
D, d.h. R1 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ G(s¤1 ) · R2 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ G(s¤2 ). Aus der Annahme (stren-
ger) Konvexität der tatsächlichen Kostenkurve F (s) folgt unmittelbar, daß
F (s¤1 ) > G(s¤1 ), womit R1 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ F (s¤1 ) < R2 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ F (s¤2 ) und damit der
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 41

Hochqualitätsvorteil sichergestellt ist.

2.5.3 Das Gleichgewicht bei sequentieller Qualitäts-


wahl
Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, daß bei simultaner Qualitätswahl auf
der ersten Stufe des Wettbewerbsspiels entweder kein Gleichgewicht in reinen
Strategien existiert (es existiert dann immer noch ein Gleichgewicht in ge-
mischten Strategien mit gleichen Gewinnen für beide Unternehmen), oder es
existiert ein Gleichgewicht, in dem dasjenige Unternehmen, dem es gelingt,
die Hochqualitätsposition einzunehmen, einen Vorteil gegenüber dem Nied-
rigqualitätsunternehmen hat. In jedem Fall haben die Unternehmen einen
Anreiz, mit ihrer Qualitätsentscheidung dem Konkurrenten zuvorzukommen,
entweder um den Hochqualitätsvorteil zu realisieren oder um ein Gleichge-
wicht in gemischten Strategien mit niedrigeren Gewinnen für beide Unter-
nehmen zu verhindern. Zudem läßt sich die Qualitätswahl des Konkurrenten
typischerweise gut beobachten. Die sequentielle Wahl von Qualitäten auf der
ersten Stufe des Wettbewerbsspiels erscheint deshalb als das realitätsnähere
Szenario.
Die Wettbewerbssituation ist in diesem Fall die folgende. Ein Unter-
nehmen (a oder b) ist zufällig dasjenige, welches zuerst seine Qualität wäh-
len kann. Das andere Unternehmen beobachtet zunächst die Qualität des
”Qualitäts-Stackelberg-Führers” und tritt anschließend mit der Qualität in
den Markt ein, die die beste Antwort auf die Qualität des Qualitätsführers
darstellt. Anschließend beobachtet der Qualitätsführers die Qualitätswahl
des ”Qualitäts-Stackelberg-Folgers”. Abschließend …ndet der übliche Preis-
wettbewerb mit heterogenen Gütern statt. Eine mögliche plausible Geschich-
te für die beschriebene asymmetrische Ausgangssituation ist die, in der ein
Unternehmen für ein völlig neues Gut einen pro…tablen Markt entdeckt. So-
bald es mit einer bestimmten Qualität in diesen Markt eintritt, erfährt auch
der Konkurrent von diesem Markt und tritt ebenfalls umgehend zu.
Zunächst einmal ist nicht von vornherein klar, ob der ”Stackelberg-
Führer” in jedem Fall mit der höheren Qualität in den Markt eintritt als der
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 42

Folger. Tatsächlich soll das erst noch bewiesen werden. Um das Entschei-
dungsproblem des ”Stackelberg-Führers” analysieren zu können, werden die
beiden folgenden De…nitionen verwendet: Sei s1 = h(s2 ) die optimale Nied-
rigqualitätsantwort des Folgers falls der Führer s2 gewählt hat. Sei ferner
s2 = k(s1 ) die optimale Hochqualitätsantwort des Folgers falls der Führer s1
gewählt hat. In Lemma 1 und Korollar 1 (im Anhang) wird gezeigt, daß h(:)
und k(:) wohlde…nierte Funktionen sind und daß h0 > 0 und k 0 > 0 gilt.
Wenn das Unternehmen, das seine Qualität zuerst wählt, der Qualitäts-
führer, erwartet, daß der Folger mit seiner besten Niedrigqualitätsantwort
reagiert, dann wählt es die beste Hochqualitätsvorgabe sL2 . sL2 muß die fol-
gende Gleichung erfüllen:
dR2 (h(sL2 ); sL2 ) @R2 @R2
= + h0 = F 0 (sL2 )
ds2 @s2 @s1
à !
L L
@R2 2s2 + h(s2 )
, + h0 (sL2 ) ¡4(sL2 )2 0 L
3 = F (s2 ) (2.27)
@s2 L L
(4s2 ¡ h(s2 ))
| {z }
Folgere¤ekt < 0

An der Tatsache, daß der Folgere¤ekt negativ ist, erkennt man, daß ein
Stackelberg-Führer eine niedrigere Qualität anbieten wird als der Hochqua-
litätsführer im zweistu…gen Wettbewerbsspiel mit simultaner Qualitätswahl,
wenn er erwartet, daß der Folger mit seiner besten Niedrigqualitätsantwort
reagiert.
Wenn andererseits der Qualitätsführer erwartet, daß der Folger mit sei-
ner besten Hochqualitätsantwort reagiert, dann wählt der Führer die beste
Niedrigqualitätsvorgabe sL1 , und sL1 muß die folgende Gleichung erfüllen:
à !
L L
@R1 2k(s 1 ) + s1
+ k 0 (sL1 ) s21 = F 0 (sL1 ) (2.28)
@s1 L L 3
(4k(s1 ) ¡ s1 )
| {z }
Folgere¤ekt > 0

Damit gilt der folgende Satz, der im Anhang bewiesen wird:

Satz 2.3 sL2 < s¤2 und sL1 > s¤1 .

Die Schwierigkeit, im sequentiellen Qualitätswettbewerb nachzuweisen,


daß der Qualitätsführer tatsächlich eine höhere Qualität anbieten und gleich-
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 43

zeitig einen höheren Gewinn erzielen wird als der Folger, besteht aus drei
Teilen:
(1) Es muß nachgewiesen werden, daß der Gewinn des Qualitätsführers
bei Wahl von sL2 größer ist als bei der Wahl von sL1 falls der Folger mit h(sL2 )
beziehungsweise mit k(sL1 ) in erwarteter Weise reagiert. Da der Gewinn des
Hochqualitätsunternehmens bei der Qualitätskombination (s1 = h(sL2 ); sL2 )
jedenfalls höher und der Gewinn des Niedrigqualitätsanbieters jedenfalls
niedriger ist als bei der Kombination (s¤1 ; s¤2 ) des simultanen Qualitätsspiels
und dafür schon ein Hochqualitätsvorteil nachgewiesen werden konnte, wäre
dann auch gewährleistet, daß der Hochqualitätsführer einen höheren Gewinn
erzielt als der Niedrigqualitätsfolger.
(2) Es ist aber möglich, daß die beste Antwort des Folgers auf sL2 des
Qualitätsführers nicht in der Wahl von h(sL2 ), der besten Niedrigqualitäts-
antwort, sondern in der Wahl von k(sL2 ) > sL2 , der besten Hochqualitätsant-
wort besteht. Man spricht dann von der Gefahr des Qualitäts-leapfrogging.
Dieses Problem konnte, wie im vorherigen Abschnitt erläutert, abhängig vom
Verlauf der Qualitätskosten bereits bei simultaner Qualitätswahl auftreten.
Im sequentiellen Qualitätswettbewerb wird dieses Problem häu…ger auftre-
ten, da sL2 < s¤2 und der Gewinn des Niedrigqualitätsanbieters niedriger ist.
Qualitäts-leapfrogging wird im sequentiellen Wettbewerbsspiel also lohnen-
der und leichter für das Niedrigqualitätsunternehmen. In einem solchen Fall
muß der Qualitätsführer eine Qualität s^ wählen, die den Folger gerade indif-
ferent zwischen Hoch- beziehungsweise Niedrigqualitätszutritt stellt. s^ ist so
de…niert, daß die folgende Gleichung erfüllt ist:
s); s^) ¡ F (h(^
R1 (h(^ s)) = R2 (^ s)) ¡ F (k(^
s; k(^ s)) (2.29)
Wenn der Qualitätsführer sicherstellen will, daß er der Hochqualitätsanbieter
ist, dann muß er eine Qualität sx2 wählen, für die gilt: sx2 = max(sL2 ; s^).
(3) Es muß sichergestellt sein, daß der Qualitätsführer immer ein Interesse
daran hat, Qualitäts-leapfrogging zu verhindern, und daß er sich damit immer
besser stellt als der Folger. Es muß also gelten:
R2 (h(sx2 ); sx2 ) ¡ F (h(sx2 )) > R1 (sL1 ; k(sL1 )) ¡ F (sL1 ) (2.30)
R2 (h(sx2 ); sx2 ) ¡ F (h(sx2 )) > R1 (h(sx2 ); sx2 ) ¡ F (h(sx2 )) (2.31)
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 44

R *1 (s1 , sF2 ) ~
R *2 (s1 , s2 )
R *2 ~ ,s )
(s 1 2

R *2 (sL1 , s 2 ) C F(s)

F(s)
G(s)
R *2 (sL1 , s 2 )

R *1 (s1 , sF2 )
A

~
s1 s L1 s F2 s 1 , s2
B

Abbildung 2.4:

Die Argumentationsweise, die schließlich zum Beweis des Hochqualitäts-


vorteils auch im sequentiellen Spiel führt, läßt sich an den beiden Abbil-
dungen 2.4 und 2.5 intuitiv verdeutlichen. Man betrachte zunächst Abbil-
dung 2.4. Ähnlich wie in Abbildung 2.3 im vorherigen Abschnitt, beschreibt
die Kurve R1 (s1 ; sF2 ) den Erlösverlauf des Niedrigqualitätsanbieters bei va-
riabler Niedrigqualität, während in dieser Abbildung die hohe Qualität bei
sF2 ´ k(sL1 ) …xiert ist, also auf die beste Antwort des Folgers bei optima-
ler Niedrigqualitätsvorgabe des Qualitätsführers. Bei der Kurve R2 (~ s1 ; s2 )
ist s2 variabel während die Niedrigqualität auf s~1 ´ h(sF2 ) …xiert ist, also
auf die beste Niedrigqualitätsantwort auf sF2 , der …xierten Hochqualität der
zuvor beschriebenen Kurve. Schließlich ist bei der Kurve R2 (sL1 ; s2 ) wieder-
um s2 variabel während die Niedrigqualität auf dem Niveau der optimalen
Niedrigqualitätsvorgabe des Qualitätsführers, sL1 , festgehalten wird.
F (s) ist wieder eine beliebige Qualitätskostenkurve. Die Steigung dieser
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 45

R *1 (s1 , ^s)
R *2 (s^ 1 , s 2 )
R *2 ^ ,s )
(s F(s)
1 2
^ ,s )
R *2 (s 2

F(s)
^ ,s )
R *2 (s 2

R *1 (s1 , ^s)

s^1 s^ s^2 s1 , s2

Abbildung 2.5:

Kostenkurve muß gleich der Steigung der R1 (s1 ; sF2 )-Kurve am Punkt s1 = s~1 ,
da s~1 ´ h(sF2 ) die beste Niedrigqualitätsantwort auf sF2 ist. Zudem muß die
Steigung der Kostenkurve gleich der Steigung der R2 (sL1 ; s2 )-Kurve am Punkt
s2 = sF2 sein, da sF2 ´ k(sL1 ). Diese Eigenschaften reichen aus, um beweisen
zu können, daß der Abstand zwischen A und B nicht größer sein kann als der
Abstand zwischen C und D. Aus der Konvexität von F (:) folgt dann wie-
derum, daß der Qualitätsführer sich mit der Wahl von sF2 strikt besser stellt
als mit der Wahl von sL1 . Da sL2 < s¤2 < sF2 jedenfalls gilt, wird der Quali-
tätsführer von sF2 in Richtung einer höheren Qualität nur dann abweichen,
wenn er damit Qualitäts-leapfrogging verhindert, also wenn s^ > sF2 . Um
nun für s^ > sF2 beweisen zu können, daß sich das Verhindern von Qualitäts-
leapfrogging in jedem Fall lohnt, …nden zwei Argumente Verwendung. Man
beachte in Abbildung 2.4 zunächst, daß der Gewinn des Niedrigqualitätsfol-
gers mit s~1 = h(sF2 ) bei Vorgabe des Qualitätsführers von sF2 größer ist als
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 46

der Gewinn, den der Qualitätsführer erzielen könnte, falls er sL1 vorgibt und
der Folger optimal mit sF2 reagiert. Weiterhin gilt, daß der Folger von einer
hohen ”leapfrogging-Verhinderungsqualität” s^ pro…tiert. Damit gilt für alle
s^ > sF2 :

R1 (^
s1 ; s^)¡F (^
s1 ) > R1 (~ s1 ) > R1 (s¤1 ; sF2 )¡F (s¤1 ) > R1 (sL1 ; sF2 )¡F (sL1 )
s1 ; sF2 )¡F (~

Man betrachte nun Abbildung 2.5. Per de…nitionem gilt für s^, s^1 ´ h(^
s) und
s^2 ´ k(^ s; s^2 ) ¡ F (^
s): R2 (^ s2 ) = R1 (^ s1 ; s^) ¡ F (^
s1 ). Es bleibt zu zeigen, daß
s1 ; s^) ¡ F (^
R2 (^ s) > R2 (^ s; s^2 ) ¡ F (^
s2 ). Da R2 (^ s1 ; s2 ) jedenfalls über R2 (^
s; s2 )
liegt, reicht es zu zeigen, daß der Abstand dieser beiden Kurven zur Kosten-
kurve F immer kleiner wird für wachsende s^. Das wiederum ist gewährleistet
für alle s^ > s¤2 .16
Damit ist sichergestellt, daß der Qualitätsführer in jedem Fall eine höhere
Qualität wählt als der Folger. Der Beweis, daß er dabei in jedem Fall einen
höheren Gewinn erzielt als der Folger, erfordert die Anwendung einer recht
langen Ungleichungskette (siehe Schritt 2 im Beweis von Proposition 4 im
Anhang), die schließlich in den Schluß mündet, daß

s1 ; s^) ¡ F (^
R2 (^ s1 ) falls s^ > s¤2
s1 ; s^) ¡ F (^
s) > R1 (^

Wobei die linke Seite dem Gewinn des Qualitätsführers und die rechte dem
des Folgers entspricht, falls tatsächlich s^ > s¤2 . Der Qualitätsführer wird von
s¤2 , der hohen Gleichgewichtsqualität des simultanen Qualitätswettbewerbs,
nur dann nach unten abweichen, wenn sich das für ihn lohnt. Gleichzei-
tig sinkt dadurch der Gewinn des Niedrigqualitätsfolgers. Es wurde aber in
Satz 2.2 bereits bewiesen, daß bei simultaner Qualitätswahl ein Hochqua-
litätsvorteil besteht. Damit besteht dieser jedenfalls auch im sequentiellen
Qualitätswettbewerb.
Das Ergebnis dieser etwas schwierigen Argumentation wird im folgenden
Satz festgehalten.

Satz 2.4 Der sequentielle Qualitätswettbewerbs hat immer ein eindeutiges


Gleichgewicht mit folgendem Ergebnis: Das Unternehmen, das zuerst seine
16
Die hinreichenden Konkavitätseigenschaften für dieses Argument sind im Korollar 1
im Anhang zusammengefaßt.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 47

Qualität wählt, entscheidet sich für die höhere Qualität und erzielt einen
höheren Gewinn als das Unternehmen, das als zweites seine Qualität wählt.

Der Beweis be…ndet sich im Anhang.

2.6 Markteintrittsabschreckung
Auch wenn der Hochqualitätsführer im sequentiellen Qualitätswettbewerb
jedenfalls einen höheren Gewinn erzielt als der Niedrigqualitätsfolger, wür-
de er es selbstverständlich vorziehen, wenn der Folger erst gar nicht in den
Markt zutrete. Falls beispielsweise Qualität bis hin zu einer Maximalqualität
nichts kostet, erzielt der Qualitätsführer einen Gewinn von 7=48 ¢ smax falls
der Kontrahent zutritt und einen Gewinn von 1=4 ¢ smax falls der Konkurrent
den Marktzutritt unterläßt. Es liegt nahe zu fragen, ob der Qualitätsführer
den Konkurrenten durch geeignete Qualitätswahl vom Zutritt abschrecken
kann. Die Frage wurde von Donnenfeld und Weber (1995) untersucht. Sie
kommen in einem ähnlichem Model, allerdings ohne Berücksichtigung von
Qualitätskosten, zu dem Ergebnis, daß im sequentiellen Qualitätsspiel das
zuerst wählende Unternehmen einen Anreiz haben kann, zwecks Marktab-
schreckung eine niedrigere Qualität zu wählen als ohne Marktabschreckungs-
überlegung. Sie sprechen von limit qualities.
Die Diskussion im vorigen Abschnitt hat gezeigt, daß der Qualitätsfüh-
rer in jedem Fall bemüht sein muß, ein Qualitäts-leapfrogging, das heißt den
Zutritt des Folgers im Hochqualitätsbereich zu verhindern. Er wird in je-
dem Fall s2 ¸ max(^s; sL2 ) wählen müssen. Nur wenn s^ < sL2 ist Marktab-
schreckung grundsätzlich möglich. Natürlich läßt sich der Kontrahent nur
dann vom Marktzutritt abschrecken, wenn der Zutritt etwas kostet. Die
Marktzutrittskosten des Folgers sollen mit C F bezeichnet werden. Falls der
Gewinn des Folgers (unter Berücksichtigung von Zutrittskosten) bei einer
Qualitätswahl des Führers von sL2 negativ ist, ist der Marktzutritt blockiert,
und das Problem einer Abschreckungsqualität stellt sich nicht. Falls der Ge-
winn des Folgers (wieder unter Berücksichtigung von Zutrittskosten) aber
auch dann positiv bleibt, wenn der Qualitätsführer s^ wählt, dann läßt sich
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 48

der Marktzutritt nicht abschrecken. Damit ist die folgende Aussage schon
bewiesen:

Satz 2.5 Qualität kann zur Marktabschreckung genutzt werden, wenn und
nur wenn die folgende Bedingung erfüllt ist:

R1 (h(sL2 ); sL2 ) ¡ F (h(sL2 )) > C F > R1 (h(^


s); s^) ¡ F (h(^
s))

Im folgenden soll argumentiert werden, daß diese Bedingung im Regelfall


äußerst ”eng” ist. Dafür soll für den Fall kostenloser Qualität die kritische
Qualität s^ bestimmt werden, mit der ein Qualitäts-leapfrogging gerade ver-
hindert wird. Im Fall kostenloser Qualität wählt der Niedrigqualitätsfolger
immer eine Qualität s^1 = 4=7 ¢ s^ und erzielt dabei einen Gewinn von 1=48 ¢ s^.
Der Hochqualitätsfolger wählt dagegen immer die Maximalqualität und er-
2
zielt einen Gewinn von 4smax [smax ¡ s^]=[4smax ¡ s^]2 . Es soll das Verhältnis
s^=smax bestimmt werden. Dafür muß die folgende Gleichung gelöst werden:

1 1 ¡ s^=smax
s^=smax = 4
48 (4 ¡ s^=smax )2
)
s^
max
= 0:9539
s
Das heißt, der Qualitätsführer darf seine Qualität um maximal knapp 5%
unter die Maximalqualität senken, sonst tritt der Folger mit einer hohen,
der Maximalqualität, zu.17 Der Qualitätsführer kann damit den Gewinn
des Folgers um knapp 5% nach unten drücken. Die Zutrittskosten C F des
Folgers müssen genau in diesem 5%-Bereich liegen, damit der Qualitätsführer
mit Aussicht auf Erfolg zum Abschreckungsinstrument limit quality greifen
kann.
q p
17
Die exakte Lösung ist: s^=smax = 8=3 ¡ A + 20=9 ¢ A¡1 , wobei A ´ 3
334=27 + 2 41.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 49

2.7 Der Hochqualitätsvorteil - Diskussion


der Allgemeingültigkeit
Der Vorteil des Hochqualitätsunternehmens ist ein stabiles Resultat in dem
hier verwendeten Modell. Es stellt sich die Frage, ob dieser Vorteil auch bei
allgemeineren Modellformulierungen erhalten bleibt und somit als ein struk-
turelles Resultat strategischen Qualitätswettbewerbs angesehen werden kann.
Das bislang verwendete Modell stützt sich auf vier grundlegende Annahmen:
(1) Variable Qualitätskosten werden vernachlässigt. (2) Die Nachfrage ist li-
near. (3) Es wird nur der Duopolfall betrachtet. (4) Das Modell ist statisch.
In diesem Abschnitt werden mögliche Auswirkungen diskutiert, die sich aus
Abweichungen von diesen Grundannahmen ergeben können.

2.7.1 Variable Kosten der Qualität


Analysiert man strategische E¤ekte der Qualitätswahl, das heißt den Ein‡uß
der Qualitätswahl einer vorgelagerten Stufe auf den nachgelagerten Preis-
wettbewerb, dann ist die Fokussierung auf …xe Kosten der Qualitätsver-
besserung gerechtfertigt. Für diesen zweistu…gen Charakter des Wettbe-
werbsspiels ist es von entscheidender Bedeutung, daß die Unternehmen ih-
re Qualität während des nachgelagerten Preiswettbewerbs nicht mehr än-
dern können. Die Modellierung von …xen Qualitätskosten, die den Cha-
rakter von Investitionen haben, ist für die Modellierung eines zweistu…gen
Wettbewerbsspiels deshalb die natürliche Annahme. Resultieren die Ko-
sten von Qualitätsverbesserungen dagegen im wesentlichen aus einem An-
stieg der variablen Produktionskosten, entfällt dieses wesentliche Argument
zugunsten der Modellierung des Qualitäts- Preiswettbewerbs als zweistu…-
ges Wettbewerbsspiel. Es würde sich dann anbieten, den Wettbewerb im
Rahmen eines simultanen einstu…gen Spiels zu analysieren. Seien c(si )
die Stückkosten in Abhängigkeit von der jeweiligen Qualität. Dann las-
sen sich die notwendigen Bedingungen für ein Nash-Gleichgewicht im si-
multanen einstu…gen Preis/Qualitätswettbewerb folgendermaßen formulieren
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 50

(@¼ 1 =@p1 = @¼ 1 =@s1 = @¼ 2 =@p2 = @¼ 2 =@s2 = 0):


s1 p2 ¡ 2p1 s2 + s2 c (s1 )
= 0
(s2 ¡ s1 ) s1
s2 ¡ s1 ¡ 2p2 + p1 + c (s2 )
= 0
s ¡ s1
µ ¶ µ 2 ¶
p2 ¡ p1 p1 p2 ¡ p1 p1
¡c0 (s1 ) ¡ + (p1 ¡ c (s1 )) 2 + 2 = 0
s2 ¡ s1 s1 (s2 ¡ s1 ) s1
µ ¶
0 p2 ¡ p1 p2 ¡ p1
¡c (s2 ) 1 ¡ + (p2 ¡ c (s2 )) = 0
s2 ¡ s1 (s2 ¡ s1 )2
Wie im Fall des simultanen einstu…gen Preis- Qualitätswettbewerbs mit …-
xen Kosten der Qualität, der weiter oben untersucht wurde, lassen sich auch
hier Konstenfunktionen c(s) …nden, so daß es auch hier zu einem asymme-
trischen Gleichgewicht kommt, in dem beide Unternehmen positive Gewinne
erzielen.18 Dabei kann es sowohl zu einem Vorteil für das Hoch- wie auch für
das Niedrigqualitätsunternehmen kommen. Der in diesem Kapitel behandelte
Hochqualitätsvorteil hängt also wesentlich davon ab, daß die Qualitätskosten
als Fixkosten vor Aufnahme der Produktion anfallen

2.7.2 Nicht lineare Nachfragestrukturen


Die Annahme, daß die Konsumentenpräferenzen gleichverteilt sind und damit
die Annahme einer linearen Nachfragekurve für beide Qualitäten, ist natür-
lich eine wesentliche Einschränkung der Allgemeingültigkeit und wurde nur
zur Vereinfachung vorgenommen. Um eine Vorstellung darüber zu erlangen,
ob der Hochqualitätsvorteil des strategischen Qualitätswettbewerbs streng
von der linearen Nachfragestruktur abhängt, soll zunächst untersucht wer-
den, wie ”eng” der Hochqualitätsvorteil bei linearer Nachfragestruktur und
beliebiger konvexer Qualitätskostenfunktion ist.19 Dabei muß zwischen dem
simultanen und dem sequentiellen Wettbewerbsspiel unterschieden werden.
18
Die in Lehmann-Grube (1997a) geäußerte Vermutung, simultaner einstu…ger Wettbe-
werb mit variablen Qualitätskosten würde zu einem Bertrand-Preiswettbewerb mit Null-
Gewinnen führen, ist also unzutre¤end.
19
Völlig unabhängig von der Nachfragestruktur kann es im übrigen ohne Qualitäts-
kosten trivialerweise kein Gleichgewicht in reinen Strategien ohne einen Hochqualitäts-
vorteil geben. Man zeigt das mit einem einfachen Widerspruchsbeweis: Angenommen
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 51

Es soll zunächst der Fall simultaner Qualitätswahl betrachtet werden. In


Anlehnung an die oben skizzierte (und im Anhang ausformulierte) Beweis-
führung bietet es sich an, eine ”worst-case” Kostenkurve zu konstruieren.
Es zeigt sich, daß die Kostenkurve, die aus dem Blickwinkel des Hochqua-
litätsvorteils im simultanen Qualitätsspiels den schlechtesten Fall darstellt,
folgendermaßen zu konstruieren ist: G(s) = max(0; b (s ¡ a)) (siehe Abbil-
dung 2.6). Wobei natürlich gelten soll, daß das Niedrigqualitätsunternehmen
keine Kosten trägt, also s¤1 = a und auch in keiner Weise von der Kosten-
funktion tangiert sein soll. Es gelte also zusätzlich im Gleichgewicht, daß
@R1 =@s1 = 0. Daraus folgt, daß s¤1 = 4=7 ¢ s¤2 und mithin s¤2 = 7=4 ¢ a. Die
Steigung der Kostenkurve muß im Gleichgewicht natürlich der Steigung der
reduzierten Erlöskurve R2 entsprechen:
µ ¶ ¡ 7 ¢2 ¡ ¢
7 4 4 a ¡ 3 74 a a + 2a2 7
b=4 a ¡7 ¢ =
4 (4 4 a ¡ a)3 24

Man kann die Gewinne der beiden Unternehmen in diesem Fall leicht errech-
nen und erhält:
1 7 7
¼1 = ¼2 = ¢ a= a
48 4 192
Die Gewinne von Hoch- und Niedrigqualitätsunternehmen sind also in die-
sem Extremfall gleich. Zwar verletzt die hier verwendete Kostenkurve die
Annahme strenger Konvexität. Aber es läßt sich natürlich eine streng kon-
vexe Kurve …nden, die dieser sehr nahe kommt und die somit zu Gewinnen
führt, die fast gleich sind. Der Hochqualitätsvorteil im simultanen Spiel ist
also ein ”enges” Resultat. Es mag deshalb auch nicht überraschen, daß es
möglich ist, nicht lineare Nachfragekurven zu …nden, bei denen es in Ver-
bindung mit einer entsprechend konstruierten Kostenkurve auch zu einem
Niedrigqualitätsvorteil kommen kann.
Für das sequentielle Wettbewerbsspiel lassen sich analoge Überlegungen
anstellen. In diesem Fall kann aber die Kombination (s1 = a; s2 = 7=4 ¢ a)
s¤1 < s¤2 ; p¤1 < p¤2 sei ein Gleichgewicht mit ¼¤1 ¸ ¼¤2 . Dann kann Unternehmen 2 durch
einseitiges Abweichen auf den Preis p2 = p¤1 seinen Gewinn erhöhen. Denn es gilt:
¼ 2jp2 =p¤1 > ¼¤1 ¸ ¼¤2 . Ein Widerspruch zur Annahme, es handele sich um ein Gleichgewicht.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 52

R *1 (s1 , s*2 )

R *2 (s*1 , s 2 ) G(s)
G (s)

R *2 (s* , s 2 ) 24
1

R *1 (s1 , s *2 )

s *1 = a s *2 =
7
4 a s1 , s 2

Abbildung 2.6:

kein Gleichgewicht sein. Denn das Unternehmen, das als erstes seine Qua-
lität wählen darf, würde den Folgere¤ekt ausnutzen. D.h. es würde eine
niedrigere Qualität als s2 = 7=4 ¢ a wählen, und das Folgerunternehmen
würde nach unten abweichen, d.h. mit einer niedrigeren Qualität als s1 = a
antworten. Das Hochqualitäts-Führerunternehmen erzielt dadurch einen grö-
ßeren und das Niedrigqualitäts-Folgerunternehmen einen kleineren Gewinn.
Diese Überlegung macht schon deutlich, daß der Hochqualitätsvorteil bei
sequentieller Qualitätswahl ein stärkeres Resultat als bei simultaner Quali-
tätswahl ist. Und tatsächlich zeigt die etwas kompliziertere Konstruktion
der ”worst case”-Kostenkurve für den Fall sequentieller Qualitätswahl, daß
der Hochqualitätsvorteil bei sequentieller Qualitätswahl kein ”enges” Re-
sultat ist. Das Hochqualitäts-Führerunternehmen erzielt einen mindestens
doppelt so hohen Gewinn, wie das Niedrigqualitäts-Folgerunternehmen und
auch einen mindestens doppelt so hohen Gewinn, wie es als Niedrigqualitäts-
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 53

Führerunternehmen erzielen könnte.


Es ist kaum anzunehmen, daß sich eine Nachfragestruktur …nden läßt,
die diesen starken Hochqualitätsvorteil bei sequentieller Qualitätswahl in
einen Niedrigqualitätsvorteil umdrehen kann. Denn die Nachfragekurve müß-
te schon so stark zuungunsten der Hochqualitätskonsumenten oder so stark
zugunsten der Niedrigqualitätskonsumenten verschoben sein, daß es sich für
das Hochqualitätsunternehmen lohnen würde, im Preiswettbewerb in den
Bereich der Niedrigqualitätskonsumenten einzudringen. Es existiert dann im
Preiswettbewerb entweder kein Gleichgewicht in reinen Strategien oder bei-
de Unternehmen agieren im gleichen Marktsegment mit einem resultierenden
Hochqualitätsvorteil.

2.7.3 Oligopolistischer Wettbewerb.


Donnenfeld und Weber (1992) haben in einem Qualitätswahlmodell ohne
Berücksichtigung von Qualitätskosten gezeigt, daß bei Marktzutritt von drei
Unternehmen dasjenige Unternehmen, das als letztes in den Markt eintritt,
mit einer Qualität zutreten wird, die zwischen den beiden bereits etablierten
Qualitäten liegt. Das Unternehmen, das als erstes zugetreten ist, erzielt
genau wie im Duopol die höchsten Gewinne. Aber das Unternehmen, das als
zweites in den Markt zutritt, kann nicht verhindern, daß es zum Schluß als
das Unternehmen mit der niedrigsten Qualität auch die kleinsten Gewinne
von allen drei Unternehmen erzielt. Wie in der vorliegenden Analyse legt
die Reihenfolge der gewählten Qualitäten auch die Reihenfolge hinsichtlich
der erzielten Gleichgewichtsgewinne fest.20 Es zeigt sich darüber hinaus im
Modell von Donnenfeld und Weber ein etwas überraschender Vorteil eines
nachziehenden, nämlich des zuletzt wählenden Unternehmens gegenüber dem
ersten Folger. Es wäre interessant nachzuprüfen, ob diese Struktur auch bei
Berücksichtigung von Qualitätskosten erhalten bleibt.
20
Das war bei einer Modellierung ohne Qualitätskosten auch zu erwarten.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 54

2.7.4 Dynamischer Qualitätswettbewerb


Die schwerwiegendste Beschränkung des hier verwendeten Modells ist sicher-
lich die statische Formulierung. Insbesondere bei sequentieller Qualitätswahl
erscheint die Annahme, daß das zuerst seine Qualität wählende Unternehmen
problemlos mit der höheren Qualität in den Markt eintreten kann, vielen rea-
len Wettbewerbssituationen unangemessen zu sein. Gerade dann, wenn Qua-
litätskosten im wesentlichen aus Kosten für Forschung und Produktentwick-
lung bestehen, sollte man eher erwarten, daß das später zutretende Unterneh-
men mit einem ausgereifteren Produkt in den Markt eintritt. Es wird dann
höhere Entwicklungskosten getragen haben, aber auch mit einem besseren
Produkt den Preiswettbewerb bestreiten können. Bei dynamischer Modellie-
rung des Produktentwicklungsprozesses wird also das zuerst seine Qualität
wählende Unternehmen automatisch das Niedrigqualitätsunternehmen ist.
Die Frage, welches Unternehmen den höheren Gewinn erzielen wird, wenn
das Niedrigqualitätsunternehmen der Qualitäts-Stackelberg-Führer ist, läßt
sich auch bei statischer Formulierung nicht einfach beantworten. Es wir-
ken jetzt der Hochqualitätsvorteil und der Folgere¤ekt gegeneinander. Man
kann auch für diesen Fall eine Kostenkurve konstruieren, die den Gewinn des
Niedrigqualitätsführers möglichst groß im Verhältnis zum Gewinn des Hoch-
qualitätsfolgers werden läßt. Es läßt sich auf diese Weise relativ leicht eine
Situation konstruieren, die in einen Vorteil für den Niedrigqualitätsführer
mündet. Allerdings bleibt es immer noch wesentlich einfacher, formal eine
Kostenfunktion zu …nden, die in einen Vorteil für das nachziehende Hochqua-
litätsunternehmen mündet.21 Trotzdem kann nicht erwartet werden, daß im
dynamischen Technologiewettbewerb ein Hochqualitätsvorteil als strukturge-
bendes Merkmal erhalten bleibt. Denn zusätzlich zur beschriebenen Möglich-
keit eines Niedrigqualitätsvorteils schon bei statischer Formulierung wird das
21
Verlaufen die Qualitätskosten beispielsweise quadratisch, F (s) = ¸s2 , wobei ¸ eine
beliebige Konstante ist, dann erzielt das Folgerunternehmen mit der höheren Qualität im
statischen Gleichgewicht mit sequentieller Qualitätswahl einen Gewinn, der etwa 16 mal
so groß ist wie der des zuerst seine Qualität wählenden Niedrigqualitätsunternehmens.
Dagegen führt die ”worst-case” Konstruktion zu einem Vorteil des zuerst wählenden Nied-
rigqualitätsunternehmens von nur etwa 5%.
KAPITEL 2. STATISCHER QUALITÄTSWETTBEWERB 55

zuerst ziehende Niedrigqualitätsunternehmen im dynamischem Wettbewerb


den Vorteil haben, wenigstens für eine gewisse Zeit eine Monopolstellung
innezuhaben.

2.7.5 Fazit
Wählen Unternehmen ihre Produktqualitäten und ihre Preise gleichzeitig,
d.h. lassen sich Qualitäten ähnlich schnell anpassen wie Preise, dann läßt
sich auch im Rahmen der hier verwendeten einfachen Modellierung keine
Aussage darüber tre¤en, ob die resultierenden Gleichgewichte eher zu einem
Vorteil für das Hochqualitätsunternehmen oder für das Niedrigqualitätsun-
ternehmen führen. Wählen die Unternehmen ihre Qualitäten strategisch, d.h.
in einer dem Preiswettbewerb vorgelagerten Stufe, dann läßt sich ein Vorteil
für das Hochqualitätsunternehmen nachweisen, der unabhängig vom Verlauf
der Qualitätskosten ist. Tre¤en die Unternehmen ihre Qualitätsentscheidung
auf der ersten Stufe simultan, dann hängt dieses Ergebnis von der verwen-
deten linearen Nachfragestruktur ab und ist auf Situationen beschränkt, in
denen ein Gleichgewicht in reinen Strategien existiert. Bei sequentieller Qua-
litätswahl gilt dieses Ergebnis in verstärkter Form. Es existiert dann immer
ein Gleichgewicht in reinen Strategien mit einem Vorteil für das zuerst sei-
ne Qualität wählende Unternehmen, das im Gleichgewichtsergebnis immer
auch das Hochqualitätsunternehmen ist. Darüber hinaus ist der Hochquali-
tätsvorteil des sequentiellen Qualitätswettbewerbs vermutlich nicht von der
verwendeten linearen Nachfrage abhängig.
Beschränkt man sich auf die Analyse strategischer und sequentieller Qua-
litätswahl, dann kann im statischen Wettbewerb von einem strukturellen
Hochqualitätsvorteil gesprochen werden. Im dynamischen Wettbewerb wird
dagegen das zuerst wählende Unternehmen typischerweise automatisch das
Niedrigqualitätsunternehmen sein, und es ist dann eine o¤ene Frage, ob es im
Regelfall zu einem Vorteil für das nachziehende Hochqualitäts- oder für das
zuerst ziehende Niedrigqualitätsunternehmen kommen wird. Dieser Frage
wird im folgenden Kapitel nachgegangen.
Anhang A

Mathematischer Anhang zu
Kapitel 2

Es werden zunächst die vier Resultate - Lemmata 1-3 sowie Korollar 1 - be-
wiesen, die den mathematischen Kern der Analyse des Hochqualitätsvorteils
ausmachen. Diese Resultate sowie die zugehörigen Beweise sind so konzipiert,
daß sie unabhängig vom oberen inhaltlichen Teil gelesen und insbesondere
nachgeprüft werden können. Zum Verständnis der anschließend dargestell-
ten Beweise der Sätze, die inhaltlich den Kern dieses Kapitels ausmachen, ist
dagegen naturgemäß eine inhaltliche Auseinandersetzung erforderlich. Ab-
schließend wird ein Überblick über die in den Beweisen verwendeten De…ni-
tionen gegeben.

Der mathematische Kern

Lemma 1 Sei F : R+ ! R+ eine zweimal stetig di¤erenzierbare Funktion


mit: F 0 (0) = 0; F 00 (s) > 0 für alle s 2 R+ und lims!1 F 0 (s) = 1. Sei ferner
D = f(s1 ; s2 ) 2 R2 j s2 ¸ s1 ¸ 0; (s1 ; s2 ) 6= (0; 0)g. Und seien schließlich
f; g : D ! R, mit f (s1 ; s2 ) ´ s22 [4s2 ¡7s1 ]=[(4s2 ¡s1 )3 ]¡F 0 (s1 ) und g(s1 ; s2 ) ´
4s2 [4s22 ¡ 3s2 s1 + 2s21 ]=[(4s2 ¡ s1 )3 ] ¡ F 0 (s2 ).
Dann existiert ein eindeutiges Paar (s¤1 ; s¤2 ), das die beiden Gleichungen
f = 0 und g = 0 löst. Zudem gilt 0 < s¤1 < s¤2 < 1.

56
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 57

Beweis: f und g sind stetig di¤erenzierbar über ganz D. Es werden


zunächst die partiellen Ableitungen von f und g untersucht:
28s2 + 7s1 00
fs1 = ¡2s2 4 ¡ F (s1 ) < 0
(4s2 ¡ s1 )
8s2 + 7s1
fs2 = 2s1 s2 >0
(4s2 ¡ s1 )4
5s2 + s1
gs1 = 8s2 s1 >0
(4s2 ¡ s1 )4
2 5s2 + s1 00
gs2 = ¡8s1 4 ¡ F (s2 ) < 0
(4s2 ¡ s1 )
Die Vorzeichen der partiellen Ableitungen sind eindeutig. Man beachte nun:
f (0; s2 ) > 0 und f(4=7 ¢ s2 ; s2 ) < 0 gilt für alle s2 > 0.*) Das stellt sicher
(Zwischenwertsatz), daß mindesten ein s1 für jedes s2 > 0 existiert, so daß
f = 0. Zudem ist f streng monoton fallend im ersten Argument (fs1 < 0),
so daß genau ein solches s1 für jedes positive s2 existiert. Damit existiert
eine eindeutige Funktion h(s2 ) für die gilt: f (h(s2 ); s2 ) = 0 für alle s2 >
0. Aufgrund des Theorems über implizite Funktionen ist diese Funktion
in der Umgebung jedes Punktes stetig di¤erenzierbar. In Verbindung mit
der Eindeutigkeit der Funktion h(s2 ) folgt daraus, daß h insgesamt stetig
f
di¤erenzierbar ist, mit h0 (s2 ) = ¡ fss2 (h(s2 ); s2 ) für alle s2 > 0.
1
g¹(s2 ) ´ g(h(s2 ); s2 ) ist eine stetig di¤erenzierbare Funktion. Es wird nun
gezeigt, daß g¹(s2 ) = 0 eine eindeutige positive Lösung hat. Man beachte
zunächst, daß lims2 !0 g(0; s2 ) = 14 . Also existiert eine kleine positive Zahl ",
so daß g(0; ") > 0. Zudem ist g steigend im ersten Argument, und h(") > 0.
Also gilt: g¹(") = g(h("); ") > g(0; ") > 0. Andererseits ist lims2 !1 g¹(s2 ) ·
7
lims2 !1 g(4=7 ¢ s2 ; s2 ) = 24 ¡ lims2 !1 F 0 (s2 ) und damit negativ. Damit hat
g¹(s2 ) mindestens eine positive und endliche Nullstelle (Zwischenwertsatz).
Für die Eindeutigkeit der Nullstelle wird gezeigt, daß g¹0 (s2 ) < 0 für alle
s2 > 0. Es gilt:

g¹0 (s2 ) = gs1 (h(s2 ); s2 ) ¢ h0 (s2 ) + gs2 (h(s2 ); s2 ) < 0


,
fs2 gs
¡ (h(s2 ); s2 ) < ¡ 2 (h(s2 ); s2 )
fs1 g s1
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 58

,
h(s2 ) ¢ A F 00 (s2 ) + h(s2 ) ¢ B
<
F 00 (h(s2 )) + s2 ¢ A s2 ¢ B
(
h(s2 ) ¢ A h(s2 ) F 00 (s2 ) + h(s2 ) ¢ B
00
< <
F (h(s2 )) + s2 ¢ A s2 s2 ¢ B

wobei A ´ 2s2 [8s2 + 7h(s2 )]=[(4s2 ¡ h(s2 ))4 ] und B ´ 8h(s2 )[5s2 +
h(s2 )]=[(4s2 ¡ h(s2 ))4 ]. Die letzten beiden Ungleichungen sind sicher erfüllt,
da A; B und F 00 positiv sind. Damit ist die Existenz einer eindeutigen posi-
tiven Lösung der Gleichung g¹0 (s2 ) = 0 bewiesen. Diese Lösung wird mit s¤2
bezeichnet. Zudem wird die Bezeichnung verwendet: s¤1 ´ h(s¤2 ). Dann gilt
für das eindeutige endliche Paar (s¤1 ; s¤2 ): f(s¤1 ; s¤2 ) = 0 = g(s¤1 ; s¤2 ). Zudem
gilt 0 < s¤1 < s¤2 , wegen *) auf vorheriger Seite. Q.E.D.
Das folgende Korollar dient vor allem der Übersetzung der Ergebnisse des
Lemmas auf die oben im Text verwendete Notation.

Korollar 1 Unter den Voraussetzungen und unter Verwendung der De…ni-


tionen des vorangegangen Lemmas gilt:

1. Es existiert eine stetig di¤erenzierbare Funktion h : fs2 js2 > 0g !


f]0; s2 [g, so daß f (h(s2 ); s2 ) = 0. Zudem gilt h0 (s2 ) > 0.

2. Es existiert eine Zahl s > s¤1 mit g(s; s) = 0 sowie eine stetig dif-
ferenzierbare Funktion k : fs1 j0 < s1 · sg ! f[s1 ; 1[g, so daß
g(s1 ; k(s1 )) = 0 für alle s1 im De…nitionsbereich von k. Es gilt
k(s1 ) > s1 und k 0 (s1 ) > 0 für alle s1 < s, sowie k(s) = s.
s1 s2 (s2 ¡s1 ) 4s22 (s2 ¡s1 )
3. R1 ; R2 : D ! R+ , mit R1 (s1 ; s2 ) = (4s2 ¡s1 )2
und R2 (s1 ; s2 ) ´ (4s2 ¡s1 )2
sind stetig di¤erenzierbare Funktionen.
@R1 (s1 ;s2 )
4. @s1 js2 =k(s1 )
< F 0 (s1 ) für alle s1 für die gilt, s¤1 < s1 · s.

@R2 (s1 ;s2 )


5. @s2 js1 =h(s2 )
< F 0 (s2 ) für alle s2 > s¤2 .

dR1 (s1 ;k(s1 )) @R1 (s1 ;s2 )


6. ds1
> @s1 js2 =k(s1 )
für alle s1 für die gilt, 0 < s1 · s.
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 59

dR2 (h(s2 );s2 ) @R2 (s1 ;s2 )


7. ds2
< @s2 js1 =h(s2 )
für alle s2 > 0.

Beweis: Aussage 1 wurde bereits im vorangegangenen Lemma bewiesen.


Zu Aussage 2: Für alle s1 , für die gilt, g(s1 ; s1 ) > 0, existiert je ein s2 , so
daß g = 0 (wegen lims!1 F (s) = 1 und der Eindeutigkeit der Vorzeichen
der partiellen Ableitungen gs1 und gs2 ). Das Randverhalten von F sichert
zudem die Existenz von s mit g(s; s) = 0. Wiederum die Eindeutigkeit der
Vorzeichen von gs1 und gs2 sichert, daß g(s1 ; s1 ) > 0 für alle s1 < s. Im
vorangegangenen Lemma wurde gezeigt, daß s¤2 die Gleichung g(s¤1 ; s2 ) = 0
eindeutig löst, mit s¤2 > s¤1 . Also gilt s¤1 < s. Aussage 3 folgt sofort aus
der De…nition des Bereichs D im vorangegangenen Lemma. Man beachte,
daß @R1 =@s1 = f (s1 ; s2 ) + F (s1 ) und @R2 =@s2 = g(s1 ; s2 ) + F (s2 ), wobei
f und g die im vorangegangenen Lemma beschriebenen Funktionen sind.
Damit folgen die Aussagen 4-7 sofort aus den beschriebenen Eigenschaften
der Funktionen f; g; h; k sowie der Lösung (s¤1 ; s¤1 ).Q.E.D.

Lemma 2 Seien a; z zwei Zahlen sowie F eine wie in Lemma 1 de-


…nierte Funktion, dann gilt: aus (0 < a · 4=7) ^ (z > 0) ^
([4 (4 ¡ 3a + 2a2 )]=[(4 ¡ a)3 ] = F 0 (z)) folgt:

1¡a 1¡a
4z 2
¡ F (z) > az ¡ F (az) (A.1)
(4 ¡ a) (4 ¡ a)2

Beweis: Die folgenden De…nitionen erweisen sich als hilfreich: b ´


4(4¡3a+2a2 )
(4¡a)3
, A ´ bz ¡F (z), und schließlich G(s) = bs¡A. Nun muß bewiesen
werden:
1¡a 1¡a
4z 2
¡ G(z) ¸ az ¡ G(az): (A.2)
(4 ¡ a) (4 ¡ a)2
Aus der Verwendung der De…nitionen ergibt sich:
1¡a 1¡a
, 4z 2
¡ zb + A ¸ az ¡ baz + A
(4 ¡ a) (4 ¡ a)2
1¡a 4 (4 ¡ 3a + 2a2 )
, (4 ¡ a) ¡ (1 ¡ a) ¸ 0
(4 ¡ a)2 (4 ¡ a)3
4 ¡ 7a
, (1 ¡ a) a ¸ 0:
(4 ¡ a)3
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 60

Die letzte Ungleichung ist jedenfalls erfüllt, da angenommen wurde, daß 4 ¡


7a ¸ 0. Also gilt tatsächlich:
1¡a 1¡a 1¡a
4z ¡ F (z) = 4z ¡ G(z) ¸ az ¡ G(az).
(4 ¡ a)2 (4 ¡ a)2 (4 ¡ a)2

Die Funktion G(:) ist so konstruiert, daß sie tangential zu F (:) am Punkt z
verläuft. Aus der angenommenen Konvexität von F (:) folgt, daß F (az) >
G(az) für az < z. Mithin gilt, daß:
1¡a 1¡a 1¡a
4z (4¡a) 2 ¡ F (z) ¸ az (4¡a)2 ¡ G(az) > az (4¡a)2 ¡ F (az) wie im Lemma

behauptet. Q.E.D.

Lemma 3 Seien a; a
^; z drei Zahlen sowie F eine wie in Lemma 1 de…nierte
Funktion F , dann gilt: Aus (0 < a^ · 4=7) ^ (^a < a < 1) ^ (z > 0) ^
([4 (4 ¡ 3a + 2a2 )]=[(4 ¡ a)3 ] = F 0 (z)) folgt:

1¡a ^ 1¡a
4z ¡ F (z) > az ¡ F (az)
^)2
(4 ¡ a (4 ¡ a)2

Beweis: In diesem Fall erweisen sich die folgenden De…nitionen als hilf-
2
reich: b ´ 4 4¡3a+2a
(4¡a)3
= F 0 (z), A ´ bz ¡ F (z) und schließlich: G(s) = bs ¡ A.
Zunächst soll bewiesen werden:
1 ¡ a^ 1¡a
4z 2
¡ G(z) ¸ az ¡ G(az) (A.3)
(4 ¡ a^) (4 ¡ a)2
1¡a ^ 1¡a 4 ¡ 3a + 2a2
, 4 ¡a ¸ 4 (1 ¡ a) (A.4)
^)2
(4 ¡ a (4 ¡ a)2 (4 ¡ a)3
| {z } | {z } | {z }
fallend in a
^ Minimum bei a= 47 fallend in a

a) Sei a ¸ 47 , dann:
Elementare Berechnungen zeigen, daß die einzelnen Terme von (A.4) mo-
noton im angegebenen Bereich sind. Damit läßt sich leicht zeigen,
7 1¡^
a
£ ¤
daß: 48 · 4 (4¡^a)2
^ 2 0; 47 , (beachte, a
8a ^ · 47 wurde vorausgesetzt)
1 1¡a
£4 ¤
und: ¡ 48 · ¡a (4¡a) 2 8a 2 7
;1 ,
4¡3a+2a2
£ ¤
und schließlich: 8 ¸ 4 (4¡a)3 (1 ¡ a) 8 a 2 47 ; 1 :
1

7 1
Da zudem 48 ¡ 48 = 18 , ist die Ungleichung (A.4) erfüllt für a ¸ 47 .
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 61

4
b) Sei nun a < 7
, Dann ist Ungleichung (A.4) sicherlich erfüllt, wenn
^:
a=a
4¡a 4 ¡ 3a + 2a2 4
2
> 4 3
,a< .
(4 ¡ a) (4 ¡ a) 7
Mithin wurde für alle 0 < a
^ < a < 1 gezeigt, daß (A.3) erfüllt ist:

1¡a ^ 1¡a
4z 2
¡ G(z) ¸ az ¡ G(az)
(4 ¡ a
^) (4 ¡ a)2

Die Funktion G(:) ist wiederum so konstruiert, daß sie tangential zu F (:)
am Punkt z verläuft. Also F (z) = G(z). Aus der Konvexität von F (:) folgt
daß F (az) > G(az) für az < z. Also:

1¡a ^ 1¡a 1¡a


4z 2
¡ F (z) ¸ az 2
¡ G(az) > az ¡ F (az)
(4 ¡ a
^) (4 ¡ a) (4 ¡ a)2

wie im Lemma behauptet. Q.E.D.

Beweis von Satz 2.2

Man de…niert a und z mit 0 < a < 1 und 0 < z so daß az ´ s¤1 < s¤2 ´ z.
Die notwendigen Bedingungen für ein Nash-Gleichgewicht in reinen Strate-
gien (Gleichungen (2.23) und (2.24)) lassen sich unter Verwendung dieser
De…nitionen folgendermaßen umformulieren:

@R1 (s¤1 ; s¤2 ) 4 ¡ 7a


¡ F 0 (s¤1 ) = 0
3 ¡ F (az) = 0 (A.5)
@s1 (4 ¡ a)
¤ ¤
@R2 (s1 ; s2 ) 4 (4 ¡ 3a + 2a2 )
¡ F 0 (s¤2 ) = ¡ F 0 (z) = 0 (A.6)
@s2 (4 ¡ a)3

Dann folgt aus Lemma 2, daß


1¡a 1¡a
4z 2
¡ F (z) > az ¡ F (az)
(4 ¡ a) (4 ¡ a)2
, R2 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ F (s¤2 ) > R1 (s¤1 ; s¤2 ) ¡ F (s¤1 )

Mithin ist bewiesen, daß das Hochqualitätsunternehmen den höheren Gewinn


erzielt. Q.E.D.
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 62

Beweis von Satz 2.3

Die Aussagen 6 und 7 des Korollars stellen sicher, daß tatsächlich sL1 > s¤1 als
Lösung von Gleichung (2.28) und sL2 < s¤2 als Lösung für Gleichung (2.27) gel-
ten muß, falls sL1 im De…nitionsbereich von k sowie sL2 im De…nitionsbereich
von h existiert. Man beachte nun, daß die Gewinne beider Unternehmen für
das Paar (s¤1 ; s¤2 ) positiv sind, während lims2 !0 R2 (h(s2 ); s2 ) = R1 (s; k(s))
= 0. Damit ist eine innere Lösung für die Gleichungen (2.28) und (2.27)
gewährleistet. Q.E.D.

Beweis von Satz 2.4

Das Unternehmen, das seine Qualität zuerst wählt, hat zwei Optionen: Es
kann die beste Niedrigqualität oder die beste Hochqualität wählen.
Die beste Niedrigqualität sei mit sL1 bezeichnet. Bezeichne ferner sF2 ´
k(sL1 ) die beste Hochqualitätsantwort auf sL1 . Beachte, daß sL1 die notwendige
Bedingung für ein Maximum des Niedrigqualitätsführers (2.28) erfüllen muß.
Der höchste Gewinn, den der Qualitätsführer erreichen kann, wenn er die
niedrige Qualität wählt, wird mit ¦Llow ´ R1 (sL1 ; sF2 ) ¡ F (sL1 ) bezeichnet.
Man beachte, daß sL1 > s¤1 und sF2 > s¤2 (aus Satz 2.3), wobei das Paar
(s¤1 ; s¤2 ) die Lösung der Gleichungen (A.5) und (A.6) ist.
Die beste Hochqualitätswahl des Qualitätsführers ist komplizierter. Ei-
nerseits kann er diejenige Qualität wählen, die die beste Vorgabe darstellt
unter der Voraussetzung, daß der Folger mit seiner besten Niedrigqualität
darauf reagiert. Diese Qualität sei mit sL2 bezeichnet, wobei die beste Nied-
rigqualitätsantwort des Folgers sF1 ´ h(sL2 ) ist. sL2 erfüllt die Bedingung
(2.27). Anderseits kann der Qualitätsführer gezwungen sein, eine Qualität
zu wählen, die den Folger davon abhält, ihn mit einer höheren Qualität zu
überholen. Das Qualitätsniveau, das ein solches Qualitäts-leapfrogging ge-
rade verhindert wird mit s^ bezeichnet, wobei s^1 ´ h(^
s) die optimale Nied-
rigqualitätsreaktion und s^2 ´ k(^
s) die optimale Hochqualitätsreaktion des
Folgers auf diese Qualität s^ ist. s^, s^1 und s^2 werden aus der folgenden Glei-
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 63

chung bestimmt:

s1 ; s^) ¡ F (^
R1 (^ s; s^2 ) ¡ F (^
s1 ) = R2 (^ s2 ) (A.7)

Eine nähere Überprüfung von R1 und R2 ergibt in Verbindung mit Lemma 1


und Korollar 1, daß s^, s^1 und s^2 eindeutig sind. Die beste Hochqualitätsvor-
gabe des Qualitätsführers, die sicherstellt, daß er tatsächlich das Hochqua-
litätsunternehmen wird, soll mit sx2 und die beste Niedrigqualitätsantwort
des Folgers darauf mit sx1 ´ h(sx2 ) bezeichnet werden. O¤ensichtlich muß sx2
die Bedingung sx2 ¸ max(^ s; sL2 ) erfüllen. Die entsprechenden Gewinne des
Qualitätsführers werden mit ¦Lhigh ´ R2 (sx1 ; sx2 ) ¡ F (sx2 ) und die des Folgers
mit ¦Flow ´ R1 (sx1 ; sx2 ) ¡ F (sx1 ) bezeichnet.
Es ist nun zu zeigen, daß ¦Llow < ¦Lhigh und daß ¦Flow < ¦Lhigh, was impli-
ziert, daß der Qualitätsführer sich tatsächlich dafür entscheidet, das Hoch-
qualitätsunternehmen zu sein und daß er damit einen höheren Gewinn erzielt
als das Folgerunternehmen. Der Beweis dazu erfolgt in drei Schritten. Im
ersten Schritt wird, unter Verwendung von Lemma 3, gezeigt, daß der Qua-
litätsführer höhere Gewinne erzielt, falls er sF2 statt sL1 wählt. Das stellt
sicher, daß der Qualitätsführer sx2 · sF2 statt sL1 wählt falls s^ · sF2 . Im
zweiten Schritt wird gezeigt, daß der Qualitätsführer höhere Gewinne erzielt
indem er s^ statt sL1 wählt, falls s^ > sF2 . Diese beiden Schritte implizieren,
daß ¦Llow < ¦Lhigh . Schließlich wird im einem dritten Schritt bewiesen, daß
¦Flow < ¦Lhigh .
s1 ; sF2 ) ¡ F (sF2 ) > R1 (sL1 ; sF2 ) ¡ F (sL1 ),
Schritt 1. Es wird gezeigt, daß R2 (~
wobei s~1 = h(sF2 ) die beste Antwort des Folgers bezeichnet, falls der Quali-
tätsführer sF2 wählt. sF2 = k(sL1 ) ist die beste Antwort des Folgers, falls der
Qualitätsführer sL1 wählt. Zunächst wird ausgenutzt, daß sL1 die Bedingung
(2.28) erfüllen muß:
à !
@R1 (sL1 ; k(sL1 )) 2 2s F
2 + sL
1
+ k 0 (sL1 ) sL1 = F 0 (sL1 )
@s1 F L 3
(4s2 ¡ s1 )
@R1 (sL1 ; k(sL1 ))
) > F 0 (sL1 )
@s1
aus Satz 2.3 folgt, s~1 < sL1 . Jetzt werden die folgenden De…nitionen verwen-
det: z ´ sF2 > az ´ sL1 > a ^z ´ s~1 , mit 0 < a
^ < a und z > 0. Unter Verwen-
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 64

dung dieser De…nitionen, lassen sich die beiden Bedingungen erster Ordnung
des Folgers bei optimaler Hochqualitätsreaktion auf sL1 beziehungsweise bei
optimaler Niedrigqualitätsreaktion auf sF2 folgendermaßen umformulieren:
4 ¡ 3a + 2a2
4 = F 0 (z)
(4 ¡ a)3
4 ¡ 7^a
= F 0 (^az) > 0
^)3
(4 ¡ a
Damit folgt aus Lemma 3:
1¡a ^ 1¡a
4z 2
¡ F (z) > az ¡ F (az)
(4 ¡ a ^) (4 ¡ a)2
s1 ; sF2 ) ¡ F (sF2 ) > R1 (sL1 ; sF2 ) ¡ F (sL1 )
, R2 (~

wie behauptet.
Schritt 2. Es wird gezeigt, daß R2 (^ s) > R1 (sL1 ; sF2 ) ¡ F (sL1 ) falls
s1 ; s^) ¡ F (^
s^ > sF2 . Zunächst folgt aus s^1 < s^ und der Tatsache, daß R2 fallend im ersten
Argument ist: R2 (^ s1 ; s^2 ) ¡ F (^ s; s^2 ) ¡ F (^
s2 ) > R2 (^ s2 ). Aus Korollar 1 folgt
unmittelbar daß: @R2 (h(s2 ); s2 )=@s2 < F 0 (s2 ) für alle s2 > s¤2 . Dann folgt aus
s¤2 < sF2 < s^, aus der Konkavität von R2 in bezug auf das zweite Argument
und aus der Konvexität von F (:); daß R2 (^ s1 ; s^) ¡ F (^s) > R2 (^ s1 ; s^2 ) ¡ F (^s2 ).
Mithin folgt: R2 (^
s1 ; s^) ¡ F (^ s; s^2 ) ¡ F (^
s) > R2 (^ s1 ; s^) ¡ F (^
s2 ) = R1 (^ s1 ) (aus
der De…nition von s^1 ; s^; s^2 ). Es bleibt zu zeigen, daß:

s1 ) > R1 (sL1 ; sF2 ) ¡ F (sL1 )


s1 ; s^) ¡ F (^
R1 (^

Das folgt aber aus: (1) R1 ist steigend im zweiten Argument, (2) s^ > sF2 per
Annahme in diesem Beweisschritt, und (3) weil s^1 die beste Antwort auf s^ auf
der linken Seite der Ungleichung ist, während sL1 nicht die beste Antwort auf
sF2 auf der rechten Seite der Ungleichung ist. Mithin gilt R2 (^
s1 ; s^) ¡ F (^
s) >
L F L F
R1 (s1 ; s2 ) ¡ F (s1 ) falls s^ > s2 wie behauptet.
Schritt 3. Schritt 1 und 2 stellen sicher, daß der Qualitätsführer sx2 ¸
max(sF2 ; s^) wählt statt sL1 . Sei sx1 darauf die beste Antwort des Folgers. Es
ist nun zu zeigen, daß ¦Lhigh ´ R2 (sx1 ; sx2 ) ¡ F (sx2 ) > R1 (sx1 ; sx2 ) ¡ F (sx1 ) ´
¦Flow . Es gelte zunächst s¤2 < s^. Der Qualitätsführer wird dann in jedem
Fall die kleinste mögliche Qualität wählen, die Qualitäts-leapfrogging noch
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 65

verhindert, daß heißt sx2 = s^, weil dR2 (h(s2 ); s2 )=ds2 < @R2 (h(s2 ); s2 )=@s2 <
F 0 (s2 ) für alle s2 > s¤2 (aus Korollar 1). Es wurde bereits im Schritt 2 gezeigt,
daß R2 (^ s1 ; s^) ¡ F (^ s; s^2 ) ¡ F (^
s) > R2 (^ s1 ) = ¦Flow für alle
s1 ; s^) ¡ F (^
s2 ) = R1 (^
s^ > s¤2 . Sei nun s^ · s¤2 . Aus Satz 2.2 ist bereits bekannt, daß für jedes Paar
(s¤1 ; s¤2 ) das Hochqualitätsunternehmen einen höheren Gewinn erzielt als das
Niedrigqualitätsunternehmen. Wenn der Qualitätsführer also sx2 = s¤2 wählt,
erzielt er den höheren Gewinn. Er wird sx2 < s¤2 nur wählen, falls sein Gewinn
sich dadurch erhöht. Andererseits fallen dadurch die Gewinne des Folgers.
Mithin gilt im Fall s^ · s¤2 wie im Fall s^ > s¤2 , daß der Qualitätsführer höhere
Gewinne erzielt als der Folger. Q.E.D.

Verwendete De…nitionen

De…nition A.1 Das Paar (s¤1 < s¤2 ) ist die einzige Lösung der Gleichungen
(2.23) und (2.24) - siehe Satz 2.1:
@R1 (s¤1 ; s¤2 ) ¤
¤ 4s2 ¡ 7s1
¤
0 ¤
= s2 ¤ 3 = F (s1 )
@s1 ¤
(4s2 ¡ s1 )
¤ ¤ 2
@R2 (s1 ; s2 ) 4s¤ ¡ 3s2 s¤1 + 2s¤1
= 4s¤2 2 3 = F 0 (s¤2 )
@s2 ¤ ¤
(4s2 ¡ s1 )
De…nition A.2 s1 = h(s2 ) mit h0 > 0 ist die einzige Lösung der Gleichung
(2.23) für ein gegebenes s2 > 0 (Lemma 1 und Korollar 1).

De…nition A.3 s2 = k(s1 ) mit k 0 > 0 ist die einzige Lösung der Gleichung
(2.24) für ein gegebenes s1 2]0; s], wobei s = k(s) > s¤1 . (Lemma 1 und
Korollar 1).

De…nition A.4 Das Paar (sL1 ; sF2 = k(sL1 )) ist die Lösung des Problems:

max R1 (s1 ; k(s1 )) ¡ F (s1 )


s1

Aus Satz 2.3 folgt: s¤1 < sL1 < s und s¤2 < sF2 .

De…nition A.5 Das Paar (sF1 = h(sL2 ); sL2 ) ist die Lösung des Problems:

max R2 (h(s2 ); s2 ) ¡ F (s2 )


s2

Aus Satz 2.3 folgt: sF1 < s¤1 und 0 < sL2 < s¤2 .
ANHANG A. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 2 66

De…nition A.6 ¦Llow ´ R1 (sL1 ; sF2 ) ¡ F (sL1 ).

De…nition A.7 Die drei Werte (^


s1 = h(^ s)) sind die einzige
s) < s^ < s^2 = k(^
Lösung der Gleichung (2.29):

s1 ; s^) ¡ F (^
R1 (^ s; s^2 ) ¡ F (^
s1 ) = R2 (^ s2 )

De…nition A.8 Das Paar (sx1 = h(sx2 ); sx2 ) ist die Lösung des Problems

max R2 (h(s2 ); s2 ) ¡ F (s2 ) s.t. s2 ¸ s^


s2

De…nition A.9 ¦Lhigh ´ R2 (sx1 ; sx2 ) ¡ F (sx2 ).

De…nition A.10 ¦Flow ´ R1 (sx1 ; sx2 ) ¡ F (sx1 ).

De…nition A.11 s~1 ´ h(sF2 ).


Kapitel 3

Dynamischer
Technologiewettbewerb - Der
Vorteil des nachziehenden
Unternehmens1

3.1 Einleitung
In diesem Kapitel wird untersucht, unter welchen Bedingungen es im dynami-
schen Technologiewettbewerb zwischen zwei Unternehmen im Gleichgewicht
zu einem Vorteil für den Innovationsfolger kommt.
Fudenberg und Tirole (1985) weisen in einer bahnbrechenden Arbeit nach,
daß ein möglicher …rst-mover Vorteil in dynamischen Spielen typischerweise
keinen Bestand hat. Sogenanntes preemption führt zu dem Ergebnis, daß
es in teilspielperfekten Gleichgewichten zum Gewinnausgleich der am Adop-
tionswettbewerb beteiligten Unternehmen kommen wird (rent equalization),
auch wenn die Unternehmen nicht gleichzeitig die neue Technologie einfüh-
1
Dieses Kapitel basiert wesentlich auf einer Forschungszusammenarbeit mit Frau Hei-
drun Hoppe. Dabei lag der Beitrag des Verfassers hauptsächlich in der Formulierung der
allgemeingültigen Methode und deren numerische Umsetzung (Abschnitt 3.2 und Anhang)
sowie auf deren Anwendung auf den dynamischen Qualitätswettbewerb (Abschnitt 3.3).

67
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 68

ren. Dasgupta (1988) und später auch Fudenberg und Tirole (1991) weisen
darauf hin, daß andererseits ein möglicher second-mover Vorteil sehr wohl
Ergebnis eines teilspielperfekten Gleichgewichts in dynamischen Spielen sein
kann. Dasgupta führt für Innovationsspiele die grundlegende Unterscheidung
zwischen einer race-Struktur mit Gewinnausgleich im Gleichgewicht und ei-
ner waiting game-Struktur mit einem second-mover Vorteil ein.
Zuerst wurden waiting games aufgrund möglicher second-mover Vorteile
von Riley (1979 und. 1980) in der Biologie für die Erklärung von Verhal-
tensmustern im Überlebenskampf entwickelt. Eine analoge Anwendung für
den Überlebenskampf bzw. die Austrittsreihenfolge von Unternehmen aus
schrumpfenden Märkten …ndet sich bei Ghemawat und Nalebu¤ (1986).
In der empirischen Forschung wird die Frage, ob es im Innovationswett-
bewerb zu …rst- oder second-mover Vorteilen kommt, derzeit heftig disku-
tiert. In einer vielbeachteten Studie greifen Tellis und Golder (1996) das bis
dahin weithin akzeptierte Ergebnis anderer empirischer Studien an, die im
Durchschnitt einen Vorteil der Pionierunternehmen festgestellt hatten. Einen
Überblick zu diesen Studien geben Robinson et al. (1994).
Die sich daraus ergebende grundlegende theoretische Frage, unter welchen
Voraussetzungen, im technologischen Wettbewerb mit einem second-mover
Vorteil zu rechnen ist, wurde dagegen bislang im Rahmen industrieökono-
mischer Modelle kaum untersucht. Beispielsweise ist bei Dasgupta (1988)
der mögliche second-mover Vorteil exogen gegeben. Dutta et al. (1995) er-
kennen dieses Problem. Dennoch gilt ihr Augenmerk im wesentlichen der
Frage, welches der beteiligten Unternehmen gegebenenfalls in den Genuß der
vorteilhaften Gleichgewichtsposition kommt. Die ebenfalls angestrebte En-
dogenisierung eines second-mover Vorteils gelingt ihnen dagegen nicht.
Im vorangegangenen Kapitel konnte eine stabile Asymmetrie in einem
statischen Modell zur Technologiewahl von Unternehmen aufgezeigt werden.
Das Hochqualitätsunternehmen erzielt im Gleichgewicht auch dann einen hö-
heren Gewinn als das Niedrigqualitätsunternehmen, wenn es für die bessere
Qualität höhere Entwicklungskosten aufbringen muß. Es stellt sich die na-
heliegende Frage, ob diese Asymmetrie auch im Rahmen eines dynamischen
Spiels erhalten bleibt. Im Hinblick auf das grundlegende Ergebnis von Fu-
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 69

denberg und Tirole ist zu klären, ob ein dynamisches Qualitätsspiel eine


preemption- oder eine waiting game-Struktur hat, jeweils mit dem Hoch-
qualitätsanbieter als nachziehendem Spieler. Natürlich ist die Frage, ob das
nachziehende Unternehmen im Gleichgewicht einen Wettbewerbsvorteil ge-
genüber dem zuerst ziehenden Unternehmen erreicht, nicht nur im Rahmen
von Modellen zur Qualitätswahl von Unternehmen interessant. Investieren
Unternehmen beispielsweise auf einer vorgelagerten Stufe in Forschung und
Entwicklung, um ihre variablen Stückkosten im nachgelagerten Mengenwett-
bewerb zu senken, ergibt sich eine ganz ähnliche Struktur wie im dynamischen
Qualitätswettbewerb.
Der Zweck dieses Kapitels ist es deshalb zunächst, eine allgemein anwend-
bare Methode zu entwickeln, die es erlaubt, die Frage nach dem Zustande-
kommen von sogenannten second-mover advantages für eine große Klasse dy-
namischer Technologiewahlmodellen zu beantworten. Eine solche Methode
wird im folgenden Abschnitt entwickelt. Anschließend wird diese Metho-
de auf dynamische Erweiterungen zweier Standardmodelle technologischen
Wettbewerbs angewendet.
Die entwickelte Methode …ndet zunächst bei einem dynamischen Modell
strategischer Qualitätswahl Anwendung. Die verwendete Modellspezi…ka-
tion ist eine direkte dynamische Verallgemeinerung des im letzten Kapitel
verwendeten Modells statischer Qualitätswahl. Zwei Unternehmen entschei-
den darüber, wann sie in einen neuen Markt eintreten. Während sie mit dem
Markteintritt warten, wenden sie Mittel zur Forschung und Entwicklung auf,
um die Qualität des Produktes zu verbessern. Sobald ein Unternehmen zu-
getreten ist, liegt die Qualität des Produktes fest. Ein Unternehmen, das
früher als der Konkurrent mit seinem Produkt in den Markt eintritt, wird
deshalb sicher von dem Zeitpunkt, zu dem das Konkurrenzunternehmen zu-
tritt, in der Niedrigqualitätsposition sein. Andererseits wird es bis zu diesem
Zeitpunkt Monopolgewinne erzielen können. Die Anwendung der entwickel-
ten Methode zeigt ein klares Ergebnis: Falls Forschung und Entwicklung
wenig direkte Kosten verursachen, und somit die Kosten eines verzögerten
Marktzutritts im wesentlichen aus Opportunitätskosten in Form entgange-
ner Monopol- oder Duopolgewinne bestehen, weist das Wettbewerbsspiel eine
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 70

race-Struktur auf, und beide Unternehmen erzielen im Gleichgewicht ex ante


gleich hohe Gewinne. Sind dagegen die direkten Kosten für Forschung und
Entwicklung der Produktqualität hoch, dann weist das Wettbewerbsspiel ei-
ne waiting game-Struktur auf, und das nachziehende Unternehmen erzielt im
Gleichgewicht ex ante mit seiner höheren Qualität einen höheren Gewinn.
Anschließend wird die entwickelte Methode auf eine dynamische Versi-
on des klassischen Prozeßinnovationsproblems angewendet.2 Zwei Unterneh-
men entscheiden, wann sie mit welchen variablen Stückkosten in einen neuen
Markt eintreten. Solange die Unternehmen noch nicht zugetreten sind, wen-
den sie Mittel für Forschung und Entwicklung auf, um ihre variablen Kosten
zu senken. Sobald ein Unternehmen zugetreten ist, liegen die variablen Ko-
sten dieses Unternehmens fest. Ein Unternehmen, das früh in den Markt
eintritt, wird einerseits Monopolgewinne erzielen bis zum Marktzutritt des
Konkurrenzunternehmens. Es wird aber andererseits ab diesem Zeitpunkt
mit höheren Stückkosten als der Konkurrent in der ungünstigeren Position
während des duopolistischen Mengenwettbewerbs sein. Die Anwendung der
entwickelten Methode führt zu einem eindeutigen Ergebnis: Solange eine in-
nere Lösung sichergestellt ist, d.h. solange kein Unternehmen sofort und
beide Unternehmen in endlicher Zeit zutreten, weist das Wettbewerbsspiel
eine waiting game-Struktur auf, in der das nachziehende Unternehmen im
Gleichgewicht einen höheren Gewinn erzielt als das zuerst ziehende Unter-
nehmen. Dieser second-mover advantage steigt mit den FuE-Kosten und fällt
mit der Rate des technologischen Fortschritts.
Die hier verwendete Modellierung von technologischem Wettbewerb
weicht in einem wesentlichen Punkt von der traditionellen Modellierung ab.
2
Seit Arrow (1962) kann der einfache Prozeßinnovationswettbewerb als Referenzfall der
Innovationstheorie angesehen werden: Die Unternehmen entscheiden zunächst über den
Umfang ihrer FuE-Aufwendungen und damit über ihre Grenzkosten. Die Unternehmen
berücksichtigen dabei, daß niedrigere Grenzkosten im anschließenden Produktwettbewerb
einen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Häu…g wird dabei angenommen, auf der letzten Stufe
des Wettbewerbsspiels …nde Mengenwettbewerb statt. In diesem Zusammenhang analy-
siert beispielsweise Nordhaus (1969) Fragen zur optimalen Patentlaufzeit, Dasgupta und
Stiglitz (1980) Fragen zur endogenen Marktstruktur und Reinganum (1981) Fragen der
Di¤usion vorhandener Technologien.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 71

Üblicherweise wird technologischer Wettbewerb als ein Wettrennen von Un-


ternehmen um eine patentierbare Technologie modelliert. Dabei steht der
Wert des Patents im Regelfall von vornherein fest, und die Unternehmen
wenden FuE-Mittel auf, um der Konkurrenz zuvorzukommen. Da nur ein
Unternehmen das Patent anmelden kann, bezeichnet man solche Situatio-
nen als ”the winner takes it all”-Wettbewerb. Die Mehrzahl der bekann-
ten theoretischen Arbeiten zum Innovationswettbewerb analysieren Wettbe-
werbsspiele, die eine solche Struktur aufweisen - u.a. Loury (1979), Lee und
Wilde (1980), Gilbert und Newbery (1982), Fudenberg et al. (1983), Harris
und Vickers (1985). Auch in den von Reinganum (1981) sowie von Fudenberg
und Tirole (1985) entwickelten Modellen zu Analyse von nicht patentierba-
ren Innovationen - man spricht dann vom Adoptionswettbewerb, liegt die
technologische Qualität der erreichbaren Innovation von vorherein fest. Wie-
derum wenden die Unternehmen um so mehr FuE-Mittel auf, je früher sie
mit der neuen Technologie in den Markt eintreten wollen. Im Gegensatz
dazu legen die Unternehmen in der hier verwendeten Modellierung wie auch
bei Dutta et al. (1995) die technologische Qualität der Innovation erst im
Zeitverlauf fest. Ein früherer Marktzutritt bedeutet dabei unausweichlich die
Verwendung einer schlechteren Technologie. Gleichzeitig führt eine längere
Entwicklungszeit zwar zu einer besseren Technologie aber auch insgesamt
zu höheren FuE-Aufwendungen. Ein solches Szenario erscheint für die mei-
sten technologischen Wettbewerbssituationen die realistischere Annahme zu
sein, was auch durch empirische Arbeiten beispielsweise von Lilien und Yoon
(1990) Bestätigung …ndet.

3.2 Eine grundlegende Methode zum Nach-


weis von second-mover Vorteilen
3.2.1 Die allgemeine Struktur
Zwei Unternehmen, bezeichnet mit a und b, be…nden sich zu einem Zeitpunkt
t0 = 0 im technologischen Wettbewerb miteinander. Die Wettbewerbssitua-
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 72

tion ist folgendermaßen charakterisiert: Beide Unternehmen wählen je einen


Zeitpunkt ta und tb , d.h. den Zeitpunkt ihrer Innovation oder Adoption. Die
Nettoauszahlungen der beiden Unternehmen hängen von diesen Zeitpunkten
ab: ¼ a (ta ; tb ) und ¼ b (ta ; tb ), und werden als Barwerte relativ zum Ausgangs-
zeitpunkt t0 gemessen. Beide Firmen können den Innovationszeitpunkt ihres
Konkurrenten sofort, d.h. sobald dieser seinen Innovationszeitpunkt festge-
legt hat, ohne Zeitverlust beobachten.
Mit t1 < t2 seien ein früher, respektive ein späterer Innovationszeitpunkt
bezeichnet. Falls ein Unternehmen i (i = a; b) den früheren Zeitpunkt t1
wählt und das andere Unternehmen j (j 6= i) den späteren Zeitpunkt t2 , dann
wird das Unternehmen i als der Innovationsführer und Unternehmen j als der
Innovationsfolger bezeichnet. Es wird angenommen, die Ausgangssituation
sei symmetrisch im folgenden Sinne:

¼ a (t1 ; t2 ) = ¼ b (t2 ; t1 ) ´ V (t1 ; t2 ) (3.1)


die Nettoauszahlung des Innovationsführers
¼ a (t2 ; t1 ) = ¼ b (t2 ; t1 ) ´ V (t2 ; t1 ) (3.2)
die Nettoauszahlung des Innovationsfolgers

Das heißt, falls die Unternehmen ihre Innovationszeitpunkte austauschen,


tauschen sie auch ihre Nettoauszahlungen. Falls beide Unternehmen den
gleichen Innovationszeitpunkt wählen, d.h. falls ta = tb , wird angenommen,
daß zunächst nur ein Unternehmen, jedes mit gleicher Wahrscheinlichkeit,
auch gezwungen ist, tatsächlich zu diesem Zeitpunkt zu innovieren. Dieses
Unternehmen ist damit der Innovationsführer. Das andere Unternehmen darf
seine Innovationsentscheidung noch einmal überdenken. Es kann sich dann
entweder dazu entscheiden, zum gleichen Zeitpunkt wie der Innovationsführer
zu innovieren - beide Unternehmen erhalten dann die gleiche Nettoauszah-
lung -, oder es kann im Wissen um den Innovationszeitpunkt des anderen
Unternehmens seine Innovation auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Man verhindert auf diese Weise, daß die Unternehmen unabsichtlich
gleichzeitig innovieren. Auch wenn der Innovationsfolger den gleichen In-
novationszeitpunkt wählt wie der Innovationsführer - sogenanntes joint ad-
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 73

option -, folgt er mit seiner Entscheidung nach, d.h. er reagiert auf den
beobachteten Innovationszeitpunkt des Konkurrenten. Als Beispiel in dis-
kreter Zeit seien Computer-Messen angeführt, die es den Computer…rmen
nur einige Male im Jahr erlauben, die Einführung einer neuen Technologie
publik zu machen. Falls zwei Unternehmen die Einführung einer neuen Tech-
nologie auf der selben Messe publik machen wollen, wird ein Unternehmen
zufällig seine Pressekonferenz vor dem anderen Unternehmen abhalten. Das
andere Unternehmen erfährt von dem Ergebnis der Pressekonferenz und kann
danach entscheiden, ob es seine ebenfalls geplante Pressekonferenz nicht ab-
sagen und damit seinen Innovationszeitpunkt auf einen späteren Messetermin
verschieben möchte.3
Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die Analyse von teil-
spielperfekten Gleichgewichten in reinen Strategien.

De…nition 3.1 Eine reine Strategie von Unternehmen i bezeichnet die Ab-
bildung aller Punkte in der Zeit t 2 [0; 1] auf die Menge der möglichen
Handlungen {Innovation, Nicht-Innovation}, gegeben die bisherige Wettbe-
werbsgeschichte, d.h. gegeben den Innovationszeitpunkt des Konkurrenzun-
ternehmens falls dieses schon adoptiert hat.
Ein teilspielperfektes Gleichgewicht in reinen Strategien bezeichnet eine
Strategiekombination, bei der die Strategie des einen Unternehmens zu jedem
Zeitpunkt jeweils wechselseitig die beste Antwort auf die Strategie des anderen
Unternehmens ist.

Um die Notation zu vereinfachen, wird, wenn keine Gefahr der Verwechs-


lung besteht, im folgenden t statt t1 für den Innovationszeitpunkt des In-
novationsführers geschrieben. Sobald der Innovationsführer seinen Innovati-
onszeitpunkt t festgelegt hat, besteht das Entscheidungsproblem des Inno-
vationsfolgers darin, seine beste Antwort darauf festzulegen: R(t). Es wird
3
Man erhält dieses Ergebnis in kontinuierlicher Zeit auch endogen, wenn die Unter-
nehmen wie bei Fudenberg und Tirole (1985) in einer "-Umgebung in gemischten Strate-
gien spielen. Die Unternehmen werden dann niemals zufällig gleichzeitig innovieren. Zu
Problemen der Modellierung von Spielen in kontinuierlicher Zeit bei reiner Strategiewahl
vergleiche bei Simon und Stichcombe (1989).
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 74

angenommen, daß R(:) eine für alle t ¸ 0 wohlde…nierte Funktion mit positi-
vem Wertebereich ist. Diese Annahme ermöglicht es, die Nettoauszahlungen
sowohl des Innovationsführers - L(t) - als auch die des Innovationsfolgers -
F (t) - als Funktion des Innovationszeitpunktes des Innovationsführers - t -
zu beschreiben:4

L(t) ´ V (t; R(t)) (3.3)


F (t) ´ V (R(t); t) mit F 0 · 0 (3.4)

Das heißt, die Analyse wird auf die Fälle beschränkt, in denen die Netto-
auszahlung des Innovationsfolgers eine nicht-steigende Funktion des Innova-
tionszeitpunktes des Führers ist.5 Zur Vereinfachung wird angenommen, daß
beide Unternehmen versuchen, die Rolle des Innovationsführers zu überneh-
men falls sie indi¤erent zwischen der Führer- und der Folgerrolle sind. Falls
L(t) = L(t^) und F (¿ ) > L(¿ ) für t · ¿ · t^, wird darüber hinaus angenom-
men, daß t nicht als der Innovationszeitpunkt des Innovationsführers gewählt
wird, da eine Innovation zum Zeitpunkt t von einer Adoption zum Zeitpunkt
t^ schwach dominiert wird. Die folgende De…nition bezeichnet die Menge mög-
licher Schnittpunkte der Funktionen L(t) und F (t). Man beachte, daß diese
Menge auch leer sein kann.

De…nition 3.2 t0 = ftjL(t) = F (t)g

Um für jeden Zeitpunkt t den jeweils nächsten Schnittpunkt zu bezeich-


nen, falls ein solcher existiert, wird die folgende Bezeichnung verwendet:
(
0
min ft0 jt0 ¸ tg wenn ft0 jt0 ¸ tg 6= ?
De…nition 3.3 tmin (t) ´
1 anderenfalls
4
Hier wird die in der Literatur übliche Notation verwendet, F (:) hat deshalb in diesem
Kapitel eine andere Bedeutung als im vorangegangenen.
5
In den weiter unten analysierten konkreten Wettbewerbsmodellen ist diese Annahme
immer erfüllt. Eine Verallgemeinerung der hier vorgeschlagenen grundlegenden Methode
zur Veri…zierung von second-mover-Vorteilen auf Fälle, in denen die Folgerkurve teilweise
steigend im Innovationszeitpunkt des Führers ist, wäre zwar möglich. Das Wettbewerbs-
spiel würde dann allerdings mehrere Gleichgewichte aufweisen, was insbesondere den No-
tationsaufwand erheblich vergrößern würde.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 75

Um schließlich den Zeitpunkt zu bezeichnen, bei dem die L(:)-Kurve


ihr Maximum zwischen dem jeweils aktuellen Zeitpunkt t bis zum nächsten
Schnittpunkt erreicht, wird die folgende Notation verwendet:
n o
De…nition 3.4 t (t) ´ max arg max¿ 2[t;t0 (t)] L (¿ )
min
wobei t¹1 ´ t (0) das Maximum der L(:)-Kurve zwischen dem Ausgangs-
zeitpunkt t0 = 0 und dem ersten Schnittpunkt von L(:)- und F (:)-Kurve
bezeichnet.

3.2.2 Teilspielperfekte Gleichgewichte


Letztendlich soll die Frage beantwortet werden, unter welchen Bedingungen
es in dem so beschriebenen Wettbewerbsspiel zu teilspielperfekten Gleichge-
wichten kommt, in denen das zuletzt seinen Innovationszeitpunkt wählende
Unternehmen einen höheren Gewinn erzielt als das zuerst wählende Unter-
nehmen. Das folgende Theorem ist eine Verallgemeinerung eines Ergebnisses
von Dutta et al. (1995, [Proposition 1]), die eine Modellspezi…kation gewählt
haben, bei der die L-Kurve nur ein lokales Maximum aufweist. Die Bedin-
gungen, die Dutta et al. verwenden, um zu garantieren, daß die L-Kurve nur
ein Maximum aufweist, sind so restriktiv, daß es anscheinend nicht möglich
ist, ein konkretes Technologiewahlmodell zu …nden, das einen second-mover-
Vorteil aufweist.6 Auch für die weiter unten analysierten Anwendungen läßt
sich nicht sicherstellen, daß die L-Kurve nur ein Maximum hat. Es wurde
deshalb eine Formulierung gewählt, die diese Anforderung an die Gestalt der
L-Kurve nicht stellt. Es zeigt sich, daß es für die Zwecke dieser Analyse
6
Für das einzige von den Autoren angeführte konkrete Technologiewahlmodell läßt sich
zeigen, daß dort entgegen der Behauptung von Dutta und seinen Koautoren ein second-
mover -Vorteil nicht auftreten kann. Sie verwenden die ältere, nicht-stetige Nachfragespe-
zi…kation mit vollständiger Markträumung. Sie behaupten, einen second-mover -Vorteil
gefunden zu haben, wenn der Parameter, der vollständige Markträumung sicherstellt, hin-
reichend klein ist. Dabei entgeht ihnen, daß für Parameterwerte, die klein genug sind,
um einen second-mover -Vorteil zu gewährleisten, der Markt im Gleichgewicht eben nicht
mehr vollständig bedient wird. Die Autoren haben damit unabsichtlich nachgewiesen, daß
in einem Modell mit vollständiger Markträumung und FuE-Kosten von Null kein second-
mover -Vorteil existiert.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 76

ausreichend ist anzunehmen, daß sowohl die L- als auch die F -Kurve stetig
sind und daß die F -Kurve nicht steigt und schließlich echt fällt.

Theorem 1 Angenommen ¼ a ; ¼ b : R2+ ! R+ und R : R+ ! R+ sind


stetige Funktionen, und (i) F (t) ist nicht steigend, (ii) L(0) < F (0), (iii) 9
t1 ; T 2 ]0; 1[ mit t1 · T , so daß L(t1 ) > F (T ). Dann hat das beschriebene
Wettbewerbsspiel ein teilspielperfektes Gleichgewicht in reinen Strategien in
dem folgenden Strategiepaar:
Beide Unternehmen wählen für alle t < t¹1 ”Nicht-Innovation”, gegeben
daß kein Unternehmen bereits zuvor adoptiert hat. Für alle t ¸ t1 und gege-
ben es hat bislang noch keine Innovation stattgefunden, wählt Unternehmen
i:

² ”Innovation” falls L (t) ¸ F (t) oder (L (t) < F (t) und t = t (t)), oder

² ”Nicht-Innovation” falls (L (t) < F (t) und t 6= t (t)),

und Unternehmen j wählt

² ”Innovation” falls L (t) ¸ F (t) ; oder

² ”Nicht-Innovation” falls L (t) < F (t).

Falls ein Unternehmen zu einem beliebigen Zeitpunkt t bereits zu ¿ < t


innoviert hat, dann innoviert das andere Unternehmen zum Zeitpunkt R(¿ ).
Das Gleichgewicht führt zu gleichen Nettoauszahlungen für beide Unter-
nehmen, falls L(t¹1 ) = F (t¹1 ), sowie anderenfalls zu einem Vorteil für das
Unternehmen, daß als zweites innoviert. Darüber hinaus gibt es keine weite-
ren nicht dominierten teilspielperfekten Gleichgewichte mit Nettoauszahlun-
gen L 6= L(t¹1 ) oder F 6= F (t¹1 ).

Der Beweis …ndet sich im Anhang.


Abbildung 3.1 vermittelt eine intuitive Vorstellung vom Aussagegehalt
des Theorems. In der Abbildung werden zwei verschiedenen Fälle beschrie-
ben. In dem Fall, in dem die F -Kurve eine durchgezogene Linie ist, ist das
Wettbewerbsspiel ein Wettrennen um einen möglichen …rst-mover-Vorteil.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 77

Abbildung 3.1:

Im Gleichgewicht wählt der Innovationsführer den Zeitpunkt t¹1 = T und


beide Unternehmen erhalten die gleiche Nettoauszahlung. Würden beide
Unternehmen über den Zeitpunkt t¹1 hinaus warten, könnte sich ein Unter-
nehmen immer besser stellen, indem es dem anderen Unternehmen gerade
zuvorkommt. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, daß kein Unter-
nehmen von vornherein in seiner Rolle als Innovationsführer oder als Innova-
tionsfolger festgelegt ist. Kündigt beispielsweise Unternehmen i an, es werde
jedenfalls zum Zeitpunkt t^, dem globalen Maximum der L-Kurve, innovie-
ren, in der Ho¤nung, daß Unternehmen j mit R(t^) antwortet, dann kann das
Unternehmen j etwas früher, zum Zeitpunkt t^ ¡ "; innovieren und selbst die
Rolle des Innovationsführers übernehmen, weil es weiß, daß Unternehmen i
dann eben nicht wie angekündigt zum Zeitpunkt t^ innoviert, sondern statt-
dessen seine Pläne revidieren und zum Zeitpunkt R(t^ ¡ ") innovieren wird.
Anders ausgedrückt: Die Ankündigung einer Innovation zum Zeitpunkt t^
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 78

stellt keine glaubwürdige Strategie dar.


Andererseits zeichnet sich das Wettbewerbsspiel im Fall der gestrichel-
ten F -Kurve durch eine waiting game-Struktur aus. Ein Unternehmen wählt
die Strategie ”ich innoviere erst, wenn das andere Unternehmen innoviert hat
und wähle dann meine beste Anwort”. Die beste Antwort des anderen Unter-
nehmen auf diese Strategie ist es, tatsächlich zum Zeitpunkt t¹1 zu innovieren,
obwohl es damit eine niedrigere Nettoauszahlung erhält als bei Rollentausch.
Die Strategie, einfach zu warten und damit die Position des Folgers einzuneh-
men, beinhaltet keine unglaubwürdige Strategie. Das andere Unternehmen
kann eben nicht wie im Fall des Wettrennens um einen möglichen Vorteil des
Innovationsführers einen Rollenwechsel erzwingen.
Der Vorteil der im Theorem verwendeten Formulierung ist der, daß man
den Verlauf der L-Kurve nur bis zu einem Zeitpunkt T betrachten muß. T
ist der Zeitpunkt, zu dem die F -Kurve das Niveau des bis dahin erreichten
Maximums der L-Kurve erreicht hat: F (T ) = maxfL(t)jt · T g - mit t¹1 = T
im Fall eines Wettrennens und t¹1 < T im Fall eines waiting games. Das
Theorem stellt sicher, daß der Verlauf der L-Kurve jenseits von T irrelevant
für das Gleichgewichtsergebnis des Wettbewerbsspiels ist.
Die kritische Annahme im Theorem ist, daß die beste Antwort des In-
novationsfolgers eine stetige Funktion im Innovationszeitpunkt des Innova-
tionsführers ist. Wäre diese Annahme nicht gewährleistet, dann wäre die
L-Kurve nicht mehr stetig. Würde sich eine solche Unstetigkeitsstelle gerade
dort be…nden, wo sich die L- und die F -Kurve eigentlich schneiden sollten,
dann ist nicht mehr klar wo sich das Gleichgewicht be…ndet. Grundsätzlich
können zwei Umstände zu einer unstetigen Folger-Antwort führen: Erstens
könnte es sein, daß die Nettoauszahlungsfunktion des Innovationsfolgers in
seinem eigenen Innovationszeitpunkt mehr als ein lokales Maximum aufweist.
Der Innovationsfolger wählt natürlich immer sein globales Maximum. Dann
ist es möglich, daß für kleine Veränderungen des Innovationszeitpunktes des
Führers die beste Antwort des Folgers von einem lokalen Maximum zu einem
andern springt. Die zweite mögliche Quelle für eine unstetige Folgerreaktion
könnte durch Eintrittsabschreckung entstehen. Angenommen der Folger ent-
scheidet sich, gegeben einen bestimmten Innovationszeitpunkt des Führers
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 79

t; gar nicht zuzutreten, während er für Innovationszeitpunkte des Führers


vor diesem kritischen Wert jeweils in endlicher Zeit zutritt. Dann ergeben
sich für den Innovationsführer strategische Optionen, die mit dem hier ent-
wickelten Instrumentarium nicht ohne weiteres analysiert werden können. Im
folgenden Unterabschnitt wird eine nähere Spezi…kation des technologischen
Wettbewerbs vorgenommen, die dazu führt, daß (i) die Nettoauszahlung des
Folgers, als Funktion des eigenen Innovationszeitpunkts, nur ein Maximum
aufweist, (ii) Eintrittsabschreckung nicht möglich ist, und (iii) die F -Kurve
nicht steigend im Innovationszeitpunkt des Führers ist.

3.2.3 Eintritt in einen neuen Markt


Die beiden fraglichen Unternehmen planen den Zutritt in einen neuen Markt.
Die Bedeutung dieser Annahme liegt darin, daß die hier modellierten Ent-
scheidungen der Unternehmen keinen Ein‡uß hinsichtlich ihrer Position auf
anderen Märkten haben soll. Insbesondere beein‡ußt somit der Marktzutritt
des Konkurrenten nicht die aktuelle Gewinnsituation eines Unternehmens vor
seinem eigenen Marktzutritt. Die beiden Unternehmen wenden jeweils so-
lange FuE-Mittel auf, wie sie noch nicht zugetreten sind. Nach Marktzutritt
…ndet keine weitere Produktentwicklung statt. Zu jedem Zeitpunkt entschei-
det ein Unternehmen, ob es den Forschungs- und Entwicklungsprozeß stoppt
und mit der aktuell verfügbaren Technologie dem Markt zutreten soll, oder
ob es seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen fortsetzen möch-
te, um später mit einer besseren Technologie zutreten zu können. Mögliche
einmalige Fixkosten des Marktzutritts werden vernachlässigt. Ein Unterneh-
men, das seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen einstellt, wird
also immer dann in den Markt eintreten, wenn es nicht negative zukünftige
Deckungsbeiträge erwartet. Die Forschungstechnologie ist deterministisch,
d.h. zu jedem Zeitpunkt gibt es ein bekanntes technologisches Niveau, das
die Unternehmen mit Sicherheit erreichen, wenn sie ihre Forschungs- und Ent-
wicklungsanstrengungen bis zu diesem Zeitpunkt fortsetzen. Darüber hinaus
können die Unternehmen die technologische Entwicklung nicht beschleunigen.
Insbesondere können sie nicht mit erhöhten FuE-Aufwendungen die Rate des
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 80

technologischen Fortschritts beein‡ussen. Die FuE-Kosten die dem Unter-


nehmen dabei pro Periode entstehen, um der technologischen Entwicklung
zu folgen, sind vielmehr exogen gegeben und werden mit k(t) bezeichnet.
Diese Annahme stellt das radikale Gegenstück zur sonst üblichen Formu-
lierung dar, bei der das erreichbare technologische Niveau von vornherein
festliegt, und die Unternehmen mit ihren FuE-Aufwendungen allein darüber
entscheiden, wann dieses Niveau erreicht wird (siehe auch die Ausführungen
im ersten Abschnitt dieses Kapitels). Der auf den Gegenwartszeitpunkt 0 ab-
diskontierte Barwert aller FuE-Aufwendungen bis zum Zeitpunkt t beträgt
damit:
Z t
K(t) = e¡r¿ k(¿ )d¿
0

Das Unternehmen, das zuerst in den Markt eintritt, der Innovationsfüh-


rer, erzielt von diesem Zeitpunkt t1 an einen Monopolgewinn pro Periode von
Rm (t1 ) bis zum Zeitpunkt t2 , zu dem das zweite Unternehmen, der Innova-
tionsfolger, in den Markt eintritt. Anschließend erzielen beide Unternehmen
im duopolistischen Wettbewerb pro Periode einen Gewinn von R1 (t1 ; t2 ) bzw.
R2 (t1 ; t2 ).7 Die resultierenden Barwerte der Nettoauszahlungen haben damit
die folgenden Form:
Z t2 Z 1
¡r¿
¼ 1 (t1 ; t2 ) = e Rm (t1 )d¿ + e¡r¿ R1 (t1 ; t2 )d¿ ¡ K(t1 )
t1 t2
(3.5)
Z 1
¼ 2 (t1 ; t2 ) = e¡r¿ R2 (t1 ; t2 )d¿ ¡ K(t2 ) (3.6)
t2
mit t1 · t2

wobei wiederum zu beachten ist, daß die Rollenverteilung der beiden Un-
ternehmen nicht von vornherein festgelegt ist. D.h. sowohl Unternehmen a
als auch Unternehmen b können die Rolle des Innovationsführers bzw. des
Innovationsfolgers übernehmen.
O¤ensichtlich spielt die Möglichkeit der Markteintrittsabschreckung in
dieser Modellspezi…kation keine Rolle. Zu jedem Zeitpunkt sind die bislang
7
Rm ; R1 ; R2 und k sind ‡ow-Größen.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 81

aufgewendeten FuE-Mittel versunkene Kosten und damit nicht mehr ent-


scheidungsrelevant. Mithin ist der Marktzutritt zu jedem Zeitpunkt e¤ektiv
kostenlos. Zudem kann kein Unternehmen als Innovationsführer seinen Ri-
valen in eine letztendlich verlustbringende Situation hineinzwingen, da auch
der Rivale zu jedem Zeitpunkt die Rolle des Innovationsführers übernehmen
kann.
Im folgenden Korollar wird behauptet, daß die Reaktionsfunktion des
Innovationsfolgers R(t1 ) eine stetige Funktion im Innovationszeitpunkt des
Führers ist, wenn die Kosten- und Gewinn-Flow-Funktionen k(:) und R2 (:)
bestimmten Restriktionen genügen. Darüber hinaus wird behauptet, daß
die Nettoauszahlung des Innovationsfolgers bei Verwendung seiner besten
Antwort eine nicht steigende Funktion im Innovationszeitpunkt des Führers
ist und schließlich einen nicht positiven Wert erreicht, wenn die Innovation
durch den Führer sehr spät erfolgt. Diese Behauptungen werden im Anhang
bewiesen.

Korollar 2 Angenommen ¼ 2 hat die in Gleichung (3.6) spezi…zierte Form,


wobei k : R+ ! R+ und R2 : f(t1 ; t2 )jt2 ¸ t1 ¸ 0g ! R+ steti-
ge Funktionen sind, die die folgenden Restriktionen erfüllen: (i) k 0 ¸ 0,
¡ ¢
(ii) @R2 =@t2 > 0, (iii) @R2 =@t1 · 0, (iv) 1r ¢ @R2 =@t2 ¡ R2 ¡ k jt2 =T 0 >
¡1 ¢
r
¢ @R2 =@t2 ¡ R2 ¡ k jt2 =T 00 für alle T 0 < T 00 . Dann existiert eine stetige
Funktion R : R+ ! R+ ; so daß die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

1. R(t1 ) = arg maxt2 ¸t1 ¼ 2 (t1 ; t2 ).


d
2. ¼ (t ; R(t1 ))
dt1 2 1
· 0.

3. Falls zwei Zahlen t; A 2 ]0; 1[ existieren, so daß L (t) > A und F (t) >
A, dann existieren drei Zahlen t1 ; T; B 2 ]0; 1[ mit t1 · T , so daß
L(t1 ) > B, F (t1 ) > B und F (T ) < B.

Dieses Korollar stellt sicher, daß die Bedingungen des Theorems erfüllt
sind, wenn die zugrundeliegenden Kosten- und Gewinn-Flow-Funktionen die
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 82

angegebenen Restriktionen erfüllen. Damit bietet sich eine einfache Metho-


de an, um zu überprüfen, ob ein dynamisches Modell technologischen Wett-
bewerbs im Gleichgewicht zu einem second-mover-Vorteil führen wird oder
nicht:

1. Man prüfe, ob die Restriktionen des Korollars erfüllt sind.

2. Man berechne die Funktionen L(t) und F (t) ausgehend von t0 =


0 bis zu einem Zeitpunkt T , der durch die Bedingung t¹1 =
© ª
max arg maxt2[0;T ] L(t) · T so daß L(t¹1 ) ¸ F (T ) de…niert ist.

3. Man prüfe, ob T der erste Schnittpunkt von L- und F -Kurve ist, also
ob T = t01 gilt. Falls T = t01 erzielen beide Unternehmen im Gleich-
gewicht gleich hohe Nettoauszahlungen. Anderenfalls erzielt der Inno-
vationsfolger höhere Nettoauszahlungen als der Innovationsführer - ein
second-mover-Vorteil:

Für numerische Anwendungen dieser Methode ist es von entscheidender


Bedeutung, daß man nach möglichen Schnittpunkten der L- und F -Kurven
nur bis zum Punkt T suchen muß, wobei das Korollar sicherstellt, daß dieser
Punkt in endlicher Zeit erreicht wird. Mögliche Schnittpunkte, die rechts
von T liegen, sind für das Gleichgewichtsergebnis irrelevant, da die F -Kurve
nicht-steigend ist und mithin der Innovationsführer in jedem Fall t¹1 wählt.
In den folgenden beiden Abschnitten wird diese Methode angewendet,
um im Zusammenhang mit zwei unterschiedlichen Modellen dynamischer
Technologiewahl zu prüfen, unter welchen Bedingungen es zu second-mover-
Vorteilen kommt.

3.3 Dynamische Produktinnovation


Das in diesem Abschnitt analysierte Modell ist eine dynamische Version des
von Ronnen (1991) und Choi und Shin (1992) spezi…zierten Rahmens zur
Darstellung vertikaler Produktdi¤erenzierung, wie sie schon im Kapitel 2
verwendet wurde.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 83

3.3.1 Das Modell


In jeder Periode ist die Nachfrageseite, wie im vorherigen Kapitel, charakte-
risiert durch eine lineare unit-demand-Kurve, die sich proportional zu einem
Qualitätsindex s verhält. Wiederum können ohne Beschränkung der All-
gemeingültigkeit die physikalischen Einheiten des Gutes sowie die für das
Numéraire-Gut Geld so gewählt werden, daß die inverse Nachfragekurve pro
Periode für eine gegebene Qualität s die folgende Form hat:

p(x) = s(1 ¡ x) (3.7)

wobei x die verkaufte Menge bezeichnet.


Auf der Angebotsseite agieren höchstens zwei Unternehmen. Stückkosten
sind unabhängig von der Qualität und werden zur Vereinfachung auf Null
gesetzt. Die zum aktuellen Zeitpunkt beste erreichbare Qualität st entwickelt
sich annahmegemäß exogen und linear über die Zeit:

st = ®t (3.8)

wobei der Parameter ® > 0 als Maß für die Geschwindigkeit des techni-
schen Fortschritts angesehen werden kann. Die Unternehmen können an
dieser technologischen Entwicklung teilhaben, wenn sie bis zum jeweiligen
Zeitpunkt FuE-Mittel aufgewendet haben. Der Barwert der Summe aller
FuE-Aufwendungen beträgt bis zum Zeitpunkt t:
Z t
K(t) = e¡r¿ ®¸¿ d¿ (3.9)
0

wobei angenommen wird, daß die FuE-Aufwendungen pro Periode, k(s ^ t ),


^
die Bedingungen k(0) = 0 sowie k^0 = ¸. ¸ ist eine beliebige nicht-negative
Konstante. Das heißt die pro Periode aufzuwendenden FuE-Mittel werden
im allgemeinen mit dem Stand der erreichten Technologie steigen, wobei die
Möglichkeit, daß die FuE-Kosten Null sind, als Randfall zugelassen wird.
^ t ), die ‡ow-Kosten der FuE-Aktivität, als Funktion der zum
Hier wird k(s
jeweiligen Zeitpunkt bereits erreichten Qualität bezeichnet. In der Beschrei-
bung der grundlegenden Methodik im Abschnitt 3.2, insbesondere im Korol-
lar 2, wird dagegen k(t) als Funktion in der Zeit verwendet. O¤ensichtlich gilt
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 84

^ t ), so daß die beschriebene Methodik ohne weiteres


k(t) = ®¸t = ¸st = k(s
Anwendung …nden kann.
Solange sich nur ein Unternehmen auf dem Markt be…ndet, wählt dieses
den Monopolpreis und erzielt einen Gewinnstrom pro Periode von:
1
Rm (tm ) = ®tm (3.10)
4
Sobald sich zwei Unternehmen im Markt be…nden, sorgt Preiswettbewerb
dafür, daß die beiden Unternehmen in jeder Periode einen Gewinnstrom von
R1 und R2 erzielen; wobei einfach die Konvention verwendet wird, daß das
Unternehmen mit dem Index 1 dasjenige mit der schlechteren Qualität ist,
also s1 · s2 , bzw. t1 · t2 . Die Gewinnströme für gegebene Qualitäten
entsprechen damit den reduzierten Erlösfunktionen von Kapitel 2 und haben
die Form:
t2 ¡ t1
R1 (t1 ; t2 ) = ®t1 t2 (3.11)
(4t2 ¡ t1 )2
t2 ¡ t1
R2 (t1 ; t2 ) = 4®t22 (3.12)
(4t2 ¡ t1 )2
Die Struktur des dynamischen Wettbewerbs entspricht der Spezi…kation
des vorherigen Abschnitts. Beide Unternehmen tre¤en zu jedem Zeitpunkt
eine Entscheidung darüber, ob sie mit der aktuell verfügbaren Technologie
in den Markt eintreten oder ob sie mit dem Marktzutritt noch warten sol-
len, um unter Aufwendung von zusätzliche FuE-Mitteln zu einem späteren
Zeitpunkt mit einer besseren Technologie zuzutreten. Die Entscheidungen
der Unternehmen hängt davon ab, welchen Stand die Technologie bis dahin
erreicht hat und ob, wann und mit welcher Qualität der Konkurrent bereits
in den Markt zugetreten ist. Das Unternehmen, das zuerst zum Zeitpunkt
tm = t1 in den Markt eintritt, der Innovationsführer, erzielt Monopolgewinne
bis zu dem Zeitpunkt t2 , zu dem das andere Unternehmen, der Innovations-
folger, zutritt. Ab diesem Zeitpunkt be…ndet es sich für immer in der un-
günstigeren Situation des Niedrigqualitätsunternehmens im duopolistischen
Preiswettbewerb mit vertikal di¤erenzierten Gütern, da annahmegemäß die
einmal gewählten Qualitäten nicht mehr verändert werden können. Die Net-
toauszahlungen von Innovationsführer und -folger haben die oben geforderte
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 85

Form (siehe Gleichungen (3.5) und (3.6)):


Z t2 Z 1
¡r¿
¼1 (t1 ; t2 ) = Rm (t1 )e d¿ + R1 (t1 ; t2 )e¡r¿ d¿ ¡ K(t1 )
t1 t2
(3.13)
Z 1
¼2 (t1 ; t2 ) = R2 (t1 ; t2 )e¡r¿ d¿ ¡ K(t2 ) (3.14)
t2

3.3.2 Anwendung von Theorem 1


Um im vorliegenden Modell nachzuprüfen, unter welchen Umständen second-
mover-Vorteile im Gleichgewicht zu erwarten sind, wird die oben beschrie-
bene Methode verwendet. Der erste Schritt besteht darin nachzuweisen, daß
Theorem 1 hier angewendet werden kann. Im folgenden Lemma wird diese
Behauptung aufgestellt. Der Beweis …ndet sich im Anhang. Man beach-
te zunächst, das die Parameter ® und r in Qualitäts- bzw. Geldeinheiten
pro Zeiteinheit gemessen werden. Ohne Verlust an Allgemeingültigkeit kann
man die Einheiten, in denen Zeit gemessen wird, so wählen, daß r gleich
Eins wird. Darüber hinaus können die Einheiten für den Qualitätsindex s so
gewählt werden, daß auch ® gleich Eins wird.8 Damit hängt ein möglicher
second-mover-Vorteil nur noch vom Kostenparameter ¸ ab.

Lemma 4 Das beschriebene Wettbewerbsspiel zur dynamischen Wahl von


Produktqualitäten erfüllt die Bedingungen von Theorem 1 und Korollar 2.
Das heißt, für alle ¸ ¸ 0 existiert ein eindeutiges teilspielperfektes Gleich-
gewichtsergebnis in reinen Strategien, so daß die oben beschriebene Methode
zum Au¢nden von second-mover-Vorteilen Anwendung …nden kann.

Im zweiten Schritt der beschriebenen Methode werden die beiden relevan-


ten Kurven L(t1 ); F (t1 ) berechnet. Dazu ist es hilfreich, die Reaktionsfunk-
8
Da ¸ in Geldeinheiten gemessen wird, könnte man versucht sein, durch geeignete Wahl
der Geldeinheiten auch diesen Parameter auf eins zu normieren. Das ist aber unzulässig,
da oben Geldeinheiten schon einmal so normiert wurden, daß die lineare Nachfrage die
Form p = s(1 ¡ x) hat.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 86

tion R(t1 ) in expliziter Form vorliegen zu haben.9 Man beachte zunächst,


daß R2 (t1 ; t2 ) = 0. Mithin impliziert ein unmittelbares Folgen des zwei-
ten Unternehmens auf den Innovationszeitpunkt des Führers nicht-positive
Gewinne für beide Unternehmen. Das kann kein Ergebnis eines nicht domi-
nierten teilspielperfekten Gleichgewichts sein, da nach Theorem 1 ein Gleich-
gewicht existiert mit strikt positiven Gewinnen für beide Unternehmen und
da keine weiteren nicht dominierten teilspielperfekten Gleichgewichte mit an-
deren Nettoauszahlungen existieren. Folglich wird der Innovationsführer im
Gleichgewicht immer eine solche Qualität wählen, so daß die beste Antwort
des Innovationsfolgers eine innere Lösung ist - t1 < R(t1 ) < 1. Für eine
innere Lösung des Innovationsfolgers muß gelten:
@¼ 2 @R2 ¡t2
=0, e ¡ R2 ¢ e¡t2 ¡ ¸s2 e¡t2 = 0
@t2 @t2
,
¸ (4t2 ¡ t1 )3 + 16t32 ¡ 4t22 (5t1 + 4) + 4t2 t1 (t1 + 3) ¡ 8t21 = 0

Korollar 2 stellt sicher, daß die Nettoauszahlung des Folgers als Funktion
des eigenen Innovationszeitpunktes ein eindeutiges lokales und globales Ma-
ximum hat. Es kann deshalb nur eine reell-wertige Lösung dieser kubischen
Gleichung in t2 geben, bei der t2 > t1 . Um eine explizite Form der Reak-
tionsfunktion R(t1 ) zu erhalten, verwendet man einfach die Standardlösung
einer kubischen Gleichung und dabei diejenige Lösung, die eine reell-wertige
Lösung mit t2 > t1 ergibt. Substituiert man dieses Ergebnis in die Netto-
auszahlungsfunktionen ¼ i (t1 ; R(t1 )), erhält man stetige aber ausgesprochen
unhandliche Funktionen L(t1 ) und F (t1 ), die sich eindeutig einer analytischen
Analyse entziehen.
Es sollte nicht überraschen, daß man bei der Lösung mehrstu…ger dyna-
mischer Wettbewerbsspiele schon bei einfacher Modellierung schnell an die
Grenzen des analytisch Machbaren stößt. Im Gegensatz zu Situationen, in
denen die beteiligten Agenten ihre Maximierungsprobleme simultan lösen,
9
Das Vorliegen einer expliziten Form der Reaktionsfunktion des Innovationsfolgers ist
keine notwendige Bedingung für die Umsetzung von Theorem 1. Zur E¢zienz einer numeri-
schen Umsetzung, falls R(t1 ) nicht in expliziter Form vorliegt, vergleiche die Ausführungen
im Anhang zu den verwendeten numerischen Algorithmen.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 87

lassen sich verschachtelte Maximierungsprobleme, wie das hier vorliegende,


im Regelfall nur noch numerisch lösen. Und die tatsächliche Berechnung einer
Gleichgewichtslösung ist hier unabdingbar, da für diese Lösung das Niveau
der erreichten Nettoauszahlungen verglichen werden soll. Es ist aber gerade
die Stärke der oben beschriebenen Methode, daß sie sich auch auf Probleme
anwenden läßt, die sich nur noch numerisch handhaben lassen. Ausgehend
von t0 = 0 und unter Verwendung hinreichend kleiner Schritte für t1 , berech-
net man einfach die Funktionen L(t1 ) und F (t1 ). Der entscheidende Punkt
ist die Verwendung der richtigen Stop-Bedingung in dem entsprechenden nu-
merischen Algorithmus. Der Algorithmus stoppt falls ein Punkt T erreicht
ist, bei dem die F -Kurve unter das bis dahin erreichte Maximum der L-Kurve
fällt:

F (T + ") < L(t¹1 ); mit t¹1 = arg max L(t)


t2[0;T ]
und " ist die verwendete Schrittgröße

Falls t¹1 < T ist ein second-mover-Vorteil nachgewiesen. Falls dagegen T = t¹1
erzielen beide Unternehmen im teilspielperfekten Gleichgewicht die gleichen
Nettoauszahlungen. Wendet man einen solchen Algorithmus für verschiedene
Parameterwerte von ¸ an, dann ergibt sich das folgende Resultat.10

Satz 3.1 In dem beschriebenen Wettbewerbsspiel dynamischer Qualitätswahl


^ > 0, so daß für alle ¸ < ¸
existiert ein eindeutiger Wert ¸ ^ beide Unterneh-
men im Gleichgewicht gleich hohe Nettoauszahlungen erhalten, während für
^ der Innovationsfolger im Gleichgewicht eine höhere Nettoauszah-
alle ¸ > ¸
lung als der Innovationsführer erhält.

In Abbildung 3.2 ist das Verhältnis der Gleichgewichtsgewinne


L(t¹1 )=F (t¹1 ) für verschiedene Parameter ¸ abgetragen. Es folgt, daß
das Wettbewerbsspiel immer dann die Struktur eines Wettrennens um
die potentiell pro…tablere Position des Innovationsführers hat, wenn FuE-
Kostenabwägungen von untergeordneter Bedeutung sind. Das heißt, falls das
Verhalten der Unternehmen im wesentlichen durch den trade o¤ bestimmt
10
Der verwendete Algorithmus wird im Anhang beschrieben.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 88

L/F

0,5

0,0626
0 λ 0,25 0,5 λ
gleiche second-mover-Vorteil
Nettoaus-
zahlungen

Abbildung 3.2:

wird, einerseits eine temporäre Monopolstellung inne zu haben und anderer-


seits während des duopolistischen Wettbewerbs in der ungünstigen Niedrig-
qualitätsposition zu sein, dann kommt es zum Ausgleich der Nettoauszahlun-
gen. Dagegen hat das Wettbewerbsspiel die Struktur eines waiting-games mit
einem resultierenden second-mover- respektive Hochqualitätsvorteil, wenn
das Verhalten der Unternehmen im wesentlichen von FuE-Kostenabwägungen
bestimmt wird.
Das Ergebnis, daß höhere FuE-Kosten sich anscheinend relativ vorteilhaft
für das Hochqualitätsfolgerunternehmen auswirken, ist auf den ersten Blick
überraschend. Schließlich muß der Innovationsfolger die höheren FuE-Kosten
pro Periode über eine längeren Zeitraum hin bezahlen. Aber abgesehen von
diesem direkten Kostene¤ekt gibt es zwei indirekte E¤ekte, die von einer
Erhöhung der FuE-Kosten pro Periode ausgelöst werden: Zum einen inno-
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 89

viert das Führungsunternehmen früher mit einem positiven E¤ekt auf die
Erlöse des Hochqualitätsfolgers (@R2 =@s1 < 0), und zum anderen innoviert
auch der Hochqualitätsfolger früher, was sich negativ sowohl auf die Länge
der Monopolperiode als auch auf die Höhe der Duopolerlöse des Niedrigqua-
litätsführers auswirkt. Augenscheinlich übertre¤en diese beiden indirekten
E¤ekte in ihrer Wirkung den direkten Kostene¤ekt.

3.3.3 Der statische Grenzfall


Die soeben erzielten Ergebnisse korrespondieren mit denen des vorherigen
Kapitels, in dem ein Hochqualitätsvorteil in einem statischen Wettbewerbs-
spiel zur Qualitätswahl ausgemacht werden konnte. Um diesen Zusammen-
hang zu verdeutlichen, betrachte man die Nettoauszahlungen der Unter-
nehmen im hier analysierten dynamischen Wettbewerbsspiel. (Gleichungen
(3.13) und (3.14)). Wenn ¸ groß wird, wird der Abstand zwischen t1 und
t2 und damit die Zeit, in der der Innovationsführer seine Monopolstellung
ausnutzen kann, klein. Die Gleichungen reduzieren sich auf ihre äquivalente
statische Form:
¼ ^ 1 (s1 ; s2 ) ¡ ¸ s2
^ 1 (s1 ; s2 ) = R (3.15)
2 1
¼ ^ 2 (s1 ; s2 ) ¡ ¸ s2
^ 2 (s1 ; s2 ) = R (3.16)
2 2
wobei die gewählten Qualitäten si statt ti als Variablen verwendet werden.
Das sind genau die Nettoauszahlungen, wie sie von Aoki und Prusa (1997)
verwendet werden. Als Grenzfall des dynamischen Modells muß dabei im
Unterschied zu Aoki und Prusa angenommen werden, daß das Niedrigquali-
tätsunternehmen automatisch dasjenige Unternehmen ist, das seine Qualität
als erstes wählt. Die dynamische Interpretation für diesen statischen Grenz-
fall ist die, daß FuE-Wettbewerb schnell vonstatten geht, während der an-
schließende Wettbewerb auf dem Produktmarkt relativ lange andauert. Das
Maximierungsproblem des Niedrigqualitätsführers lautet:
^ 1 )) ¡ ¸ s21
^ 1 (s1 ; R(s
max R
s1 2
^ 1 ) = arg max R
mit R(s ^ 2 (s1 ; s2 ) ¡ ¸ s2
s2 2 2
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 90

Das Problem läßt sich leicht numerisch lösen, und man erhält unabhängig
vom Parameter ¸ ein Verhältnis der Nettoauszahlungen der beiden Unter-
nehmen von approximativ 0.0626. Der Hochqualitätsfolger erzielt also eine
etwa 16 mal so hohe Nettoauszahlung wie der Niedrigqualitätsführer. Wie
erwartet, stimmt dieser Wert mit dem im dynamischen Wettbewerbsspiel für
große ¸ ermittelten Gewinnverhältnis überein (siehe Abbildung 3.2).
Bislang stand die Interpretation, daß hohe FuE-Kosten für das Zustan-
dekommen von second-mover-Vorteilen verantwortlich sind, unter dem Vor-
behalt, daß sie nur für die sehr spezielle, hier verwendete Kostenfunktion
Gültigkeit hatte. Aber die Anwendung der Ergebnisse des vorherigen Ka-
pitels zur statischen Analyse des Qualitätswettbewerbs legt die Vermutung
nahe, daß hohe FuE-Kosten auch bei allgemeinerer Formulierung für das Zu-
standekommen von second-mover-Vorteilen verantwortlich sind:

Satz 3.2 Angenommen, im statischen Grenzfall des dynamischen Wettbe-


^
werbsspiels seien die FuE-Kosten, K(s), eine steigende konvexe Funktion in
^ 0
der gewählten Qualität, mit K (0) = 0 und der Grenzwert lims!1 K ^ ist hin-
reichend groß. Dann erzielt der Hochqualitätsfolger einen höheren Gewinn
^ 1 =@s1 ¸ 0 erfüllt ist.
als der Niedrigqualitätsfolger falls im Gleichgewicht @ R

Im Anhang des vorherigen Kapitels (Beweis von Lemma 2) wird gezeigt,


^ 1 =@s1 ¸ 0 eine hinreichende Bedingung für die Existenz eine Hoch-
daß @ R
qualitätsvorteils ist.11
11
@R^ 1 =@s1 ¸ 0 stellt hier tatsächlich eine zusätzliche Restriktion dar. Denn der Nied-
rigqualitätsführer wird s1 im Gleichgewicht so wählen, daß dR ^ 1 =@s1 +ds2 =ds1 ¢
^ 1 =ds1 = @ R
^ ^ 0 _ ^ ^ 0
@ R1 =@s2 = K (s1 ) erfüllt ist. Mithin ist @ R1 =@s1 kleiner als K (s1 ) und kann sogar nega-
tiv werden. Um die recht unrealistisch anmutende Situation zu vermeiden, in der das erste
Unternehmen seine Qualität senken möchte, sobald das zweite Unternehmen seine Wahl
getro¤en hat, läßt sich leicht ein modi…ziertes dreistu…ges Wettbewerbsspiel konstruieren,
in dem die angegebene Restriktion automatisch erfüllt wird: Die Unternehmen legen auf
einer vorgelagerten Stufe sequentiell ihr technologisches Potential fest und entscheiden an-
schließend simultan über die Qualitäten, die letztendlich im Preiswettbewerb verwendet
werden.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 91

3.4 Dynamische Prozeßinnovation


3.4.1 Das Modell
Die Nachfrageseite des Modells ist wiederum durch eine lineare inverse unit-
demand-Kurve charakterisiert. Wie zuvor lassen sich physikalische Einheiten
des Gutes und des Numéraires so wählen, daß die inverse Nachfrage pro
Periode die Form hat:
p(x) = 1 ¡ x (3.17)

Wiederum gibt es höchstens zwei Unternehmen, a und b, die das Gut


anbieten. Die Produktionskosten von Unternehmen i (i = a; b) belaufen sich
auf Ci = ci xi , wobei ci die konstanten Stückkosten und xi die pro Periode von
Unternehmen i produzierte Menge ist. Solange ein Unternehmen Monopolist
auf dem Markt ist, erzielt es Monopolgewinne von

^ m = 1 (1 ¡ ci )2
R (3.18)
4
Sobald beide Unternehmen in den Markt eingetreten sind, ergeben sich
die Duopolgewinne aus dem Nash-Gleichgewicht im simultanen Cournot-
Mengenwettbewerb:

^ i = 1 (1 ¡ 2ci + cj )2 mit i; j = fa; bg


R (3.19)
9
wobei auch hier die Konvention verwendet wird, daß das Unternehmen, das
zuerst zutritt, den Index 1 und das zweite Unternehmen den Index 2 erhält.
Wiederum ist aber die Rollenverteilung der beiden Unternehmen a und b
nicht von vornherein festgelegt.
Zum Anfangszeitpunkt t0 = 0 sind beide Unternehmen in der Lage, das
fragliche Gut zu Stückkosten von 0 < c0 < 1 herzustellen. Beide Unter-
nehmen können ihre Stückkosten senken, indem sie unter Aufwendung von
FuE-Mitteln dem aktuellen technischen Fortschritt folgen. Das niedrigste zu
einem Zeitpunkt t erreichbare Kostenniveau wird mit ct und fällt exponentiell
in der Zeit:
ct = c0 e¡®t (3.20)
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 92

wobei ® die Rate des technologischen Fortschritts repräsentiert.12 Die Summe


der abdiskontierten FuE-Kosten bis zum Zeitpunkt t ergeben sich wie im
vorherigen Abschnitt aus den FuE-Kosten pro Periode:
Z t
¡ ¢
K (t) = k^ ct e¡r¿ d¿ (3.21)
0

Wobei die FuE-Kosten pro Periode, k^ (ct ), abhängig vom erreichten technolo-
gischen Niveau, also abhängig vom aktuellen Kostenniveau ct , sind. Um eine
innere Lösung im dynamischen Wettbewerb zu garantieren, wird angenom-
^ 0 ) klein genug ist, um eine innere Lösung
men, daß c0 groß genug bzw. daß k(c
sicherzustellen, d.h. das Ausgangskostenniveau ist hoch genug und/oder die
FuE-Kosten pro Periode in der Ausgangssituation sind klein genug, so daß
sofortiger Marktzutritt beider Unternehmen mit dem Ausgangskostenniveau
c0 ausgeschlossen ist, d.h. es werden jedenfalls nicht beide Unternehmen so-
fort die Produktentwicklung einstellen. Natürlich sollen die FuE-Kosten pro
Periode mit dem Stand der Technologie zumindest nicht sinken. Es soll also
gelten: k^ 0 · 0.
Die Struktur des Wettbewerbsspiels entspricht derjenigen des vorherigen
Abschnitts. Beide Unternehmen tre¤en zu jedem Zeitpunkt eine Entschei-
dung darüber, ob sie mit der aktuell verfügbaren Technologie in den Markt
eintreten oder ob sie mit dem Marktzutritt noch warten sollen, um unter
Aufwendung von zusätzliche FuE-Mitteln zu einem späteren Zeitpunkt mit
einer besseren Technologie zutreten zu können. Die Entscheidungen der Un-
ternehmen hängt davon ab, welchen Stand die Technologie bis dahin erreicht
hat und ob, wann und mit welchem Kostenniveau der Konkurrent bereits in
den Markt eingetreten ist. Das Unternehmen, das zuerst zum Zeitpunkt t1
in den Markt eintritt, der Innovationsführer, erzielt Monopolgewinne bis zu
dem Zeitpunkt t2 , zu dem das andere Unternehmen, der Innovationsfolger,
zutritt. Ab diesem Zeitpunkt be…ndet es sich für immer in der ungünstige-
ren Situation des Unternehmens mit den höheren Grenzkosten im duopolisti-
12
Im Unterschied zum Modell dynamischer Produktinnovation macht es hier keinen Sinn,
einen in der Zeit linearen technologischen Verlauf zu unterstellen. Grenzkosten haben eine
natürliche Untergrenze (von Null). Für Produktqualitäten gibt es dagegen keine natürliche
Obergrenze, was einen linearen technologischen Verlauf dort angemessen erscheinen läßt.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 93

schen Cournot-Mengenwettbewerb, da annahmegemäß das einmal gewählte


Grenzkostenniveau nicht mehr verändert werden kann.
Im Unterschied zum Modell dynamischer Qualitätswahl müssen hier für
die Zeit nach dem Marktzutritt des zweiten Unternehmens zwei Fälle unter-
schieden werden. Entweder der Innovationsfolger tritt mit einem Grenzko-
stenniveau zu, so daß der Innovationsführer völlig aus dem Markt verdrängt
wird, d.h. die Innovation des Folgerunternehmens ist drastisch. Der Innova-
tionsfolger hat ab dann für immer die Monopolstellung inne. Oder die Inno-
vation des Folgerunternehmens ist nicht drastisch, so daß beide Unternehmen
sich für immer in einem Cournot-Mengenwettbewerb mit unterschiedlichen
Grenzkosten be…nden. Man bezeichne mit ci ´ c0 e¡®ti , i = f1; 2g das Niveau
der Grenzkosten von Innovationsführer respektive -folger. Es gilt jedenfalls
c2 · c1 . Falls zusätzlich gilt: c2 < 2c1 ¡ 1 ist die Innovation des Folger-
unternehmens drastisch. Anderenfalls ist sie nicht drastisch. Der Innovati-
onszeitpunkt des Folgerunternehmens, bei der das Grenzkostenniveau gerade
drastisch wird, soll mit tm
2 bezeichnet werden. Wobei gilt:
µ ¶
m 1 2c1 ¡ 1
t2 ´ ¡ ln (3.22)
® c0

Damit lassen sich die Perioden-Gewinne für Innovationsführer und -folger im


Duopol als Funktion der jeweiligen Innovationszeitpunkte schreiben:
(
0 für t2 > tm
2
R1 (t1 ; t2 ) = 1 ¡®t1 ¡®t2 2
9
(1 ¡ 2c0 e + c0 e ) für t2 · tm2
(
1 ¡®t2 2 m
4
(1 ¡ c0 e ) für t2 > t2
R2 (t1 ; t2 ) = 1 ¡®t2 ¡®t1 2
9
(1 ¡ 2c0 e + c0 e ) für t2 · tm2

Diese Funktionen Ri sind stetige Funktionen mit jeweils einem Knick an der
Stelle t2 = tm
2 . O¤ensichtlich lassen sich auch die FuE-Kosten pro Zeitein-
^ ti ), i = f1; 2g sowie
heit als Funktion in der Zeit schreiben, mit k(ti ) = k(c
^ t1 ). Damit entspricht die Struktur der Nettoauszahlungen der
Rm (t1 ) = R(c
im Theorem 1 geforderten Form - Gleichungen (3.5) und (3.6):
Z t2 Z 1
¡r¿
¼ 1 (t1 ; t2 ) = Rm (t1 )e d¿ + R1 (t1 ; t2 ) e¡r¿ d¿ ¡ K (t1 )
t1 t2
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 94

(3.23)
Z 1
¼ 2 (t1 ; t2 ) = R2 (t1 ; t2 ) e¡r¿ d¿ ¡ K (t2 ) (3.24)
t2

3.4.2 Anwendung von Theorem 1


Wie im vorangegangenen Abschnitt besteht der erste Schritt zur Prüfung von
second-mover-Vorteilen darin nachzuweisen, daß Theorem 1 und Korollar 2
hier angewendet werden können. Im folgenden Lemma wird diese Behaup-
tung aufgestellt. Der Beweis …ndet sich im Anhang.

Lemma 5 Das beschriebene Wettbewerbsspiel zur dynamischen Prozeßinno-


vation erfüllt die Bedingungen von Theorem 1 und Korollar 2, falls c0 ·
[1 + ®]=[1 + 3®].

Für die Anwendung von Theorem 1 bzw. Korollar 2 ist es erforderlich,


daß das Ausgangsniveau der Grenzkosten nicht zu groß ist. Die Bedingung
c0 · [1+®]=[1+3®] stellt sicher (siehe den Beweis im Anhang), daß die Netto-
auszahlungsfunktion des Innovationsfolgers ¼ 2 nur ein lokales Maximum in t2
hat. Die Reaktionsfunktion R(t1 ) ist somit stetig. Es zeigt sich, daß im Fall
kostenloser technologischer Entwicklung die Stetigkeit von R(t1 ) unabhängig
von c0 gewährleistet ist. Die angegebene Bedingung für c0 ist also strenger als
erforderlich. Sie ist aber hinreichend für alle möglichen FuE-Kostenverläufe,
die der Bedingung k^ 0 (ct ) · 0 genügen.
Im zweiten Schritt der beschriebenen Methode müssen wiederum die bei-
den relevanten Kurven L(t1 ); F (t1 ) berechnet werden. Im Gegensatz zum
Modell dynamischer Produktinnovation ist es aber in diesem Fall im allge-
meinen nicht möglich, eine explizite Form für die Reaktionsfunktion R(t1 )
des Innovationsfolgers zu …nden. Das gelingt nur, wenn die Rate des techni-
schen Fortschritts ® gleich der Zeitpräferenzrate r ist. Eine Normierung von
® verbietet sich aber in diesem Modell - im Gegensatz zum vorherigen Ab-
schnitt. Zwar ist es auch hier möglich, die Zeitpräferenzrate r ohne Verlust
an Allgemeingültigkeit auf Eins zu normieren. Im Modell zur Produktinnova-
tion konnten zusätzlich die Einheiten, in denen der Qualitätsindex gemessen
wurde, so gewählt werden, daß eine Normierung der Rate des technologischen
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 95

Fortschritts ® möglich war. Im hier betrachteten Modell zur Prozeßinnovati-


on werden die Einheiten der relevanten Variablen ci dagegen in Geldeinheiten
gemessen, die bereits eine Normierung erfahren haben. Eine Normierung der
Rate des technischen Fortschritts ist deshalb hier nicht möglich. Anders aus-
gedrückt: Die Ergebnisse dieses Abschnitts hängen tatsächlich von der Höhe
der Rate des technischen Fortschritts ® relativ zur Zeitpräferenzrate r ab.
Für ® 6= r läßt sich R(t1 ) nur mehr auf numerischem Wege bestimmen.
Die Frage ist natürlich, ob dann die Berechnung der Kurven L(t1 ); F (t1 )
noch praktikabel, das heißt e¢zient umsetzbar ist. Schließlich muß für jedes
t1 zunächst die beste Antwort des Innovationsfolgers iterativ bestimmt wer-
den. Im Anhang wird ein Algorithmus beschrieben, der dieses Problem auf
sehr e¢ziente Weise löst. Dabei kann entscheidend ausgenutzt werden, daß
die Nettoauszahlungsfunktion des Innovationsfolgers sicher nur ein lokales
Maximum im eigenen Innovationszeitpunkt t2 hat.
Für eine numerische Umsetzung muß selbstverständlich die FuE-
Kostenfunktion spezi…ziert werden. Da die Technologie zur Kostensenkung
als in der Zeit exponentiell fallend angenommen wurde, erscheint es hier an-
gebracht zu sein, als einfachen Referenzfall anzunehmen, daß ein konstanter
Betrag ¸ pro Periode aufzuwenden ist.13 Auf diese Weise steigen hier ebenso
wie im Kontext von Produktinnovation die Kosten einer weiteren technolo-
gischen Verbesserung mit dem Stand der Technologie an. Unter Anwendung
eines Algorithmus, der dem im vorherigen Abschnitt benutzten sehr ähnlich
ist (siehe Anhang), ergibt sich das folgende Resultat:

Satz 3.3 Falls die FuE-Kosten pro Periode konstant ¸ betragen, mit ¸ ¸ 0,
falls c0 · [1 + ®]=[1 + 3®] und falls nicht beide Unternehmen zum Zeitpunkt
t = 0 innovieren, erzielt der Innovationsfolger eine höhere Nettoauszahlung
als der Innovationsführer.

In Abbildung 3.3 ist das Verhältnis der Gleichgewichtsgewinne


¹
L(t1 )=F (t¹1 ) für verschiedene Kostenparameter ¸ und verschiedene Raten
13
Beispielsweise verwendet auch Reinganum (1992) eine solche FuE-Kostenfunktion im
Zusammenhang mit Prozeßinnovation.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 96

α
α

Abbildung 3.3:

technologischen Fortschritts ® abgetragen. Dabei wurden die Kurven je-


weils nur für solche Kostenparameter ¸ gezeichnet, bei denen beide Unter-
nehmen einen von Null verschiedenen Innovationszeitpunkt wählen. Man
erkennt, daß sich auch hier, wie schon im Kontext von Produktinnovation,
höhere FuE-Kosten pro Zeiteinheit relativ zugunsten des Innovationsfolgers
auswirken. Allerdings gilt dieser monotone Zusammenhang nur, solange auch
der Innovationsführer eine innere Lösung wählt. Wenn die FuE-Kosten pro
Zeiteinheit sehr hoch werden, wählt zunächst der Innovationsführer sofor-
tige Innovation bei t = 0. Für weiter steigende FuE-Kosten konvergiert
die Lösung naturgemäß zur sofortigen Innovation beider Unternehmen mit
einem Ausgleich der Nettoauszahlungen. Die Beobachtung, daß höhere FuE-
Kosten sich bei einer inneren Lösung zugunsten eines second-mover-Vorteils
auswirken, ist wiederum etwas überraschend, angesichts der Tatsache, daß
der Innovationsfolger höhere FuE-Kosten pro Zeiteinheit über einen längeren
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 97

Zeitraum zahlt als der Innovationsführer. O¤ensichtlich wird dieser direkte


Kostene¤ekt durch zwei indirekte E¤ekte überkompensiert: Sowohl Innova-
tionsführer als auch -folger innovieren bei höheren FuE-Kosten früher. Der
frühere Innovationszeitpunkt des Folgers wirkt sich negativ auf die Länge des
Zeitraums aus, in dem der Innovationsführer Monopolgewinne erzielen kann.
Zudem wirkt sich die frühere Innovation und damit die höheren Grenzkosten
des Führers positiv auf die Duopolgewinne des Innovationsfolgers aus.
Im Unterschied zum Fall dynamischer Produktinnovation kommt es hier
auch dann zu einem second-mover-Vorteil, wenn Forschung und Entwicklung
kostenlos ist. Für diesen Unterschied läßt sich folgende intuitive Begründung
angeben: Der durch den vom Folger gewählten Innovationszeitpunkt ausgelö-
ste indirekte E¤ekt auf die Duopolgewinne des Innovationsführers hat in den
beiden Modellen ein unterschiedliches Vorzeichen. Während sich ein durch
fehlende FuE-Kosten später Innovationszeitpunkt des Folgers im Kontext
dynamischer Produktinnovation positiv auf die Duopolgewinne des Innovati-
onsführers auswirkt, ist dieser E¤ekt im hier betrachteten Fall dynamischer
Prozeßinnovation negativ - je niedriger die Grenzkosten des Innovationsfol-
gers, um so niedriger sind die Duopolgewinne des Innovationsführers.

3.5 Diskussion und innovationspolitische Fol-


gerungen
3.5.1 Zur Bedeutung von second-mover-Vorteilen
Die hier analysierten Technologiewahlmodelle zeichnen sich durch zwei Eigen-
schaften aus: (1) Es sind gewissermaßen die Standardfälle zur industrieöko-
nomischen Modellierung von Produkt- und Prozeßinnovation in ihrer jeweili-
gen dynamischen Version. (2) Es war a priori nicht möglich, eine Voraussage
über das Zustandekommen von second-mover-Vorteilen zu tre¤en. Das heißt,
die verwendeten Modelle enthielten keinen erkennbaren Bias zugunsten oder
zuungunsten eines second-mover-Vorteils. Darüberhinaus gibt es eine ganze
Reihe von Aspekten technologischen Wettbewerbs, die einen eindeutigen Bias
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 98

in die eine oder andere Richtung aufweisen und die deshalb hier nicht behan-
delt wurden. Beispielsweise würde die Berücksichtigung unvollständigen Pa-
tentschutzes beziehungsweise unvollständiger Geheimhaltungsmöglichkeiten
der Unternehmen die relativen Innovationskosten des Folgerunternehmens
senken und so die Ergebnisse zugunsten eines second-mover-Vorteils verschie-
ben (Dasgupta (1988)). In ähnlicher Weise würde die Modellierung von Unsi-
cherheit in Verbindung mit informational spillover-E¤ekten in Richtung von
second-mover-Vorteilen wirken (Jensen (1992), Hoppe (1998)). Andererseits
wirken Netzwerk- und Kompatibilitätse¤ekte in die andere Richtung, also
zugunsten einer race-Struktur des technologischen Wettbewerbs. Es wird
deshalb hier nicht etwa behauptet, second-mover-Vorteile seien im Regelfall
das Ergebnis dynamischen technologischen Wettbewerbs. Die vorliegende
Analyse von einfachen Referenzmodellen sollte aber deutlich gemacht ha-
ben, daß second-mover-Vorteile im Gegensatz zu …rst-mover-Vorteilen als
ein bedeutendes Phänomen technologischen Wettbewerbs angesehen werden
können.

3.5.2 Technologiepolitische Folgerungen


Angesichts der Erkenntnis, daß der second-mover-Vorteil ein relevantes Phä-
nomen im technologischen Wettbewerb ist, könnte eine handelsstrategisch
ausgerichtete Technologiepolitik bemüht sein, heimischen Unternehmen die
günstigere Gleichgewichtsposition des Innovationsfolgers zu sichern. Dafür
bietet es sich im Zusammenhang mit der Modellierung dynamischen Qua-
litätswettbewerbs zunächst einmal an, im Einzelfall mit einem nationalen
Mindestqualitätsstandard zu verhindern, daß ein deutsches Unternehmen zu
einem …rst-mover werden kann.14 Der Vorteil einer solchen politischen Maß-
nahme liegt einmal darin, daß die exakte Höhe des Standards nicht kritisch
ist. Es reicht, einen Standard so zu wählen, daß die beste Antwort für das Un-
ternehmen eines anderen Landes die Einnahme der …rst-mover-Position ist.
Zum anderen bestünde die beste Antwort der Regierung des anderen Lan-
14
Handelsstrategisch ausgerichtete ex ante-Standardisierung wird im anderen Zusam-
menhang von Jensen und Thursby (1996) untersucht.
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 99

des auf solche Mindeststandards, keinen Mindeststandard festzulegen und


sich somit mit der nachteiligen …rst-mover-Position der eigenen Unterneh-
men abzu…nden. Es könnte also diejenige Regierung, die als erste eine solche
Standardisierungspolitik verfolgt, dauerhaft eine vorteilhafte Position ein-
nehmen. Solche Mindeststandards könnten sich zudem dauerhaft auf die
Reputation deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten auswirken. Wis-
sen alle potentiellen Wettbewerber, daß deutsche Unternehmen im Zweifel
mit einer recht hohen Qualität in den Markt eintreten, dann werden sie im
Regelfall die second-mover-Position einnehmen können.
Der fundamentale Nachteil dieser Maßnahme besteht darin, daß sie sich
nachteilig für die heimischen Unternehmen auswirkt, falls das Wettbewerbs-
spiel nicht durch eine waiting-game- sondern durch eine race-Struktur ge-
kennzeichnet ist - eine Situation, die, wie gezeigt, auch im hier modellierten
dynamischen Qualitätswettbewerb eintreten kann. Ein ausländisches Unter-
nehmen würde kein preemption durch einen deutschen Konkurrenten befürch-
ten müssen. Es würde mithin später innovieren, mit, jedenfalls im Rahmen
der hier verwendeten Modellierung, negativen Folgen für das deutsche Un-
ternehmen.
Eine weitere Möglichkeit dem heimischen Unternehmen im Zweifelsfall
die Folgerposition zu sichern, ergibt sich aus der Anwendung einer Arbeit
von van Damme (1989), wie bereits von Dutta et al. (1995) vorgeschla-
gen. Danach kann es von Vorteil für ein Unternehmen sein, höhere Innovati-
onskosten oder eine insgesamt niedrigere Innovationsgeschwindigkeit als die
Konkurrenz zu haben, wenn sich dadurch das Maximum der korrespondie-
renden Leader-Nettoauszahlungskurve (die im zweiten Abschnitt eingeführte
L-Kurve) nach links relativ zu der des Konkurrenten verschiebt. Ein Unter-
nehmen, daß seinen besten Leader-Zeitpunkt verstreichen läßt, kann damit
dem anderen Unternehmen signalisieren, daß es die Folgerrolle einzunehmen
gewillt ist. Dutta et al. argumentieren, daß in diesem Fall die Konkurrenz im
Zweifel seinen besten Leader-Zeitpunkt wählen wird. Das Unternehmen mit
der insgesamt schlechteren Innovationstechnologie könnte so die pro…tablere
Position im Wettbewerb einnehmen.
Man könnte nun im Detail verschiedene technologiepolitische Maßnahmen
KAPITEL 3. DYNAMISCHER TECHNOLOGIEWETTBEWERB 100

diskutieren, die geeignet wären, die L-Kurve der heimischen Unternehmen ge-
genüber der ausländischen Konkurrenz nach links zu verschieben. Es ließen
sich so sicherlich eine Reihe höchst kontraintuitiver politischer Empfehlun-
gen abgeben. Mir erscheint diese Argumentation jedoch eher eine Kuriosität
aus der industrieökonomischen Modellierungswelt zu sein, als eine Grundla-
ge für ernsthafte Politikberatung. Die technologiepolitische Schlußfolgerung
die aus dieser Analyse gezogen werden kann, sollte daher eher die sein, daß
für eine Beschleunigung des Innovationsverhaltens heimischer Unternehmen
zumindest keine handelsstrategischen Begründungen gesucht werden sollten.
Anhang B

Mathematischer Anhang zu
Kapitel 3

Beweis von Theorem 1

Man zeigt zunächst, daß die beschriebenen Strategien ein teilspielperfektes


Gleichgewicht darstellen und zu dem behaupteten Ergebnis führen. Anschlie-
ßend wird gezeigt, daß das Gleichgewichtsergebnis eindeutig ist.
1. Existenz: Durch Bedingung (ii) ist sichergestellt, daß kein Unter-
nehmen vor t¹1 innoviert. Andererseits stellt die Bedingung (iii) sicher, daß
Unternehmen i, gegeben die Strategie von j, letztendlich innovieren wird.
Man betrachte nun die Teilspiele, die von t ¸ t¹1 an beginnen.
Falls L(t) ¸ F (t), erhalten beide Unternehmen, gegeben die beschrie-
benen Strategien, Auszahlungen von 1=2 [L (t) + F (t)], während mit jeder
möglichen Abweichung höchstens eine Auszahlung von F (t) erreicht werden
kann, wobei F (t) · 1=2 [L (t) + F (t)].
Man beachte nun, daß t¹(t) als der (bei Uneindeutigkeit späteste) Zeit-
punkt de…niert ist, zu dem die L (t)-Kurve ihr Maximum auf dem Bereich
[t; t0min (t)] erreicht. Falls L (t) < F (t) und L(t (t)) < F (t (t)), ergeben die
angegebenen Strategien Auszahlungen von L(t (t)) für Unternehmen i sowie
F (t (t)) für Unternehmen j, während jede mögliche Abweichung bestenfalls
£ ¤
L(t (t)) für i, gegeben die Strategie von j, und 1=2 L(t (t)) + F (t (t)) für j,
£ ¤
gegeben die Strategie von i, wobei 1=2 L(t (t)) + F (t (t)) < F (t (t)).

101
ANHANG B. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 3 102

Falls L (t) < F (t) und L(t (t)) = F (t (t)), ergeben die beschriebe-
£ ¤
nen Strategien Auszahlungen von 1=2 L(t (t)) + F (t (t)) für beide Unter-
nehmen. Mit jeder möglichen einseitigen Abweichung kann ein Unterneh-
men höchstens eine Auszahlung von F (t (t)) erreichen, wobei F (t (t)) =
£ ¤
1=2 L(t (t)) + F (t (t)) .
Es folgt, daß die angegebenen Strategien in jedem Teilspiel beste Antwor-
ten aufeinander sind und somit, wie behauptet, ein teilspielperfektes Gleich-
gewicht sind. O¤ensichtlich wählt Unternehmen i im Gleichgewicht den Zeit-
¡ ¢
punkt t1 und Unternehmen j wählt R t1 . Man beachte, daß Existenz und
Eindeutigkeit von t1 durch Annahme bzw. durch Konstruktion sichergestellt
ist. Beide Unternehmen erhalten im Gleichgewicht gleiche Auszahlungen,
falls t1 = t01 , während Unternehmen j, der Innovationsfolger eine höhere
Auszahlungen erhält als Unternehmen i falls t1 < t01 .
2. Eindeutigkeit des Gleichgewichtsergebnisses: O¤ensichtlich sind die
angegebenen Strategien teilspielperfekte Gleichgewichte für i = a; j = b und
umgekehrt für i = b; j = a sowie für Umbezeichnungen der Unternehmen in
allen Teilspielen, die zu Zeitpunkten t0 starten, da L (t0 ) = F (t0 ). O¤ensicht-
lich bleibt das Gleichgewichtsergebnis durch Umbezeichnungen in Teilspielen,
die von t > t¹1 starten, unberührt, da der Innovationsführer im angegebenen
Gleichgewicht ohnehin zum Zeitpunkt t¹1 innoviert.
Es bleibt zu zeigen, daß gemeinsames Abweichen von den angegebenen
Strategien nur ein nicht dominiertes Gleichgewicht sein kann, wenn in sol-
chen Gleichgewichten L = L(t¹1 ) und F = F (t¹1 ) gilt. Dafür beachte man
zunächst, daß aufgrund der De…nition von t¹1 für t < t¹1 die Ungleichung
L(t) · L(t¹1 ) erfüllt sein muß. Falls diese Ungleichung strikt erfüllt ist, kann
es kein Gleichgewicht sein, wenn beide Unternehmen vor t¹1 innovieren, da
sich dann ein Unternehmen strikt verbessern könnte, indem es bis t¹1 wartet.
Falls es andererseits einen Zeitpunkt t^ < t¹1 gibt, so daß L(t^) = L(t¹1 ), dann
könnte auch t^ in einem teilspielperfekten Gleichgewicht vom Innovationsfüh-
rer gewählt werden, wobei entgegen der Behauptung F (t) 6= F (t¹1 ) gelten
könnte. Aber eine solche Strategie des Innovationsführers wäre durch die
angegebene Strategie, die Warten bis zum Zeitpunkt t¹1 beinhaltet, schwach
dominiert. Es folgt, daß die nicht dominierten Kandidaten für eine Wahl des
ANHANG B. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 3 103

Innovationsführers im Gleichgewicht t ¸ t¹1 erfüllen müssen. Da aber erstens


die Auszahlung des Innovationsfolgers nicht-steigend in der Wahl des Inno-
vationsführers ist, und zweitens der Innovationsfolger immer den Anreiz hat,
dem Innovationsführer zuvorzukommen falls L(t) > F (t), muß F (t) = F (t¹1 )
und L(t) = L(t¹1 ) in allen nicht dominierten Gleichgewichten erfüllt sein.
Q.E.D.

Beweis von Korollar 2

Die notwendige Bedingung für ein Maximum von ¼ 2 ist


µ ¶
@¼ 2 ¡t2 r 1 @R2
=e ¢ ¡ R2 (t1 ; t2 ) ¡ k (t2 ) ¡ ¹ = 0
@t2 r @t2
wobei ¹ · 0 der zur Restriktion t2 ¸ t1 gehörige Multiplikator ist. ¹ ist Null
falls t2 > t1 . Es sei zunächst angenommen, daß R2 zweimal di¤erenzierbar
in t2 ist. Die zweite Ableitung bezüglich t2 ist dann
µ ¶
@ 2¼2 @¼ 2 ¡t2 r 1 @ 2 R2 @R2 0
= ¡r ¢ +e ¢ ¢ ¡ ¡k .
@t22 @t2 r @t22 @t2
Durch Annahme (iv) im Korollar ist sichergestellt, daß diese strikt negativ
ist, solange @¼ 2 =@t2 ¸ 0. Mithin kann ¼ 2 kein inneres lokales Minimum
(für t2 > t1 ) aufweisen. Falls R2 nicht zweimal di¤erenzierbar an einem
Punkt s sein sollte, ist durch Annahme (i) immer noch sichergestellt, daß
kein lokales Minimum für t2 > t1 existiert. Es folgt, daß ¼ 2 entweder von
t1 an fällt, womit R(t1 ) = t1 gelten würde, oder, da ¼ 2 sicher beschränkt
ist, daß es ein eindeutiges inneres Maximum für ¼ 2 gibt. Da ¼ 2 stetig in
beiden Argumenten ist, muß R(t1 ) = arg maxt2 ¸t1 ¼ 2 ebenfalls eine steti-
ge Funktion sein (Behauptung 1 im Korollar). Behauptung 2 folgt aus
Annahme (iii) da @¼ 2 =@t1 = 1=r ¢ e¡rt2 ¢ @R2 =@t1 · 0 für alle t1 und t2
gilt.1 Schließlich folgt aus Annahme (iv) und der Regel von L’Hôpital daß
R1
limt!1 ¼ 2 = ¡ 0 e¡r¿ k(¿ )d¿ · 0. Damit ist auch die dritte Behauptung
bewiesen. Q.E.D.
1
Sei f (x; y) eine beliebige Funktion und x1 = arg max f(x; y1 ) und x2 =
arg max f (x; y2 ) mit y1 < y2 . Dann gilt f (x2 ; y1 ) · f (x1 ; y1 ). Wenn zudem @f @y · 0
überall gilt, dann gilt f (x2 ; y2 ) · f(x2 ; y1 ) und mithin f (x2 ; y2 ) · f(x1 ; y1 ).
ANHANG B. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 3 104

Beweis von Lemma 4

Man prüft zunächst, ob die Annahmen für Korollar 2 erfüllt sind.


(i) O¤ensichtlich sind die F&E-Kosten pro Zeiteinheit k eine stetige Funk-
tion R+ ! R+ die k 0 ¸ 0 erfüllt.. Der Duopolerlös (pro Zeiteinheit) des
Hochqualitätsunternehmens (des Innovationsfolgers) ist eine stetige Funk-
tion mit nicht-negativem Wertebereich, die die Annahmen (ii) bis (iv) des
Korollars erfüllen:
£ ¤
(ii) @R2 =@t2 = 4t2 [4t22 ¡ 3t2 t1 + 2t21 ] = (4t2 ¡ t1 )3 > 0,
£ ¤
(iii) @R2 =@t1 = ¡4t22 [2t2 + t1 ] = (4t2 ¡ t1 )3 < 0,
£ ¤
(iv) @ 2 R2 =@t22 = ¡8t2 [5t2 + t1 ] = (4t2 ¡ t1 )4 . Mithin gilt [1=r] ¢
2 2 0
@ R2 =@t2 ¡ @R2 =@t2 < k ¸ 0 Und Annahme (iv) ist erfüllt.
Es folgt aus Korollar 2, daß die beste Antwort der Innovationsfolgers eine
stetige Funktion des Innovationszeitpunktes des Führers ist und daß F (t1 )
eine nicht steigende Funktion ist. Es bleibt zu zeigen, daß die Annahmen (ii)
und (iii) von Theorem 1 erfüllt sind.
(ii) O¤ensichtlich ist L(0) = 0 während F (0) strikt positiv ist, da k(0) = 0
und @R2 =@t2jt1 =t2 =0 echt größer Null ist.
(iii) Mit dem gleichen Argument und da zudem @R1 =@t1jt1 =0;t2 >0 strikt
größer Null ist, existieren Zahlen 0 < t; A < 1 so daß L(t) > A und F (t) >
A. Es folgt aus (der bewiesenen) Behauptung 3 von Korollar 2, daß (iii) von
Theorem 1 erfüllt ist.
Q.E.D.

Beweis von Lemma 5

Die Duopolgewinne (pro Zeiteinheit) des Innovationsfolgers sind gegeben


2
durch R2 (t1 ; t2 ) = 1=9 ¢ (1 ¡ 2c0 e¡®t2 + c0 e¡®t1 ) für t2 · tm 2 und durch
¡®t2 2 m m m
Rm (t2 ) = 1=4 ¢ (1 ¡ c0 e ) für t2 > t2 . Da Rm (t2 ) = R2 (t1 ; t2 ), sind diese
Duopolgewinne eine stetige Funktion im eigenen Innovationszeitpunkt mit
einem Knick bei t2 = tm
2 . Es wird zunächst geprüft, ob die Annahmen (i) bis
(iv) von Korollar 2 erfüllt sind.
(i) Die F&E-Kosten k sind eine stetige Funktion R+ ! R+ , mit k 0 ¸ 0.
ANHANG B. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 3 105

(ii) Für t2 · tm ^
2 gilt @R2 =@t2 = @ R2 =@c2 ¢ (¡®c0 e
¡®t2
) > 0, während für
t2 > tm ^ ¡®t2
2 , @Rm =@t2 = @ Rm =@c2 ¢ (¡®c0 e ) > 0 erfüllt ist.
^
(iii) Für t2 · t2 gilt @R2 =@t1 = @ R2 =@c1 ¢ (¡®c0 e¡®t1 ) < 0, während für
m

t2 > tm2 , @Rm =@t1 = 0 erfüllt ist.


(iv) Für t2 < tm2 ist R2 zweimal di¤erenzierbar. Es reicht dann zu zeigen,
daß:
@ 2 R2 @R2
¡ ·0. (B.1)
@t22 @t2
Einsetzen von c2 = c0 e¡®t2 , der Funktion für die technologische Entwicklung,
ergibt nach einigen Umformungen:
4
¡ c0 ®e¡®t2 (® (1 ¡ 4c2 + c1 ) + (1 ¡ 2c2 + c1 )) · 0 . (B.2)
9
Mithin ist (B.1) erfüllt, falls
® (1 ¡ 4c2 + c1 ) + (1 ¡ 2c2 + c1 ) ¸ 0 . (B.3)
Es gilt:
® (1 ¡ 4c2 + c1 ) + (1 ¡ 2c2 + c1 )
¸ ® (1 ¡ 4c1 + c1 ) + (1 ¡ 2c1 + c1 )
= ® + 1 ¡ c1 (3® + 1)
®+1
¸ ® + 1 ¡ c0 (3® + 1) ¸ 0 ( c0 ·
3® + 1
Damit folgt, daß die angegebene Obergrenze für c0 hinreichend für eine An-
wendung von Theorem 1 bzw. Korollar 2 ist, solange t2 < tm m
2 . Für t2 > t2 ,
®+1
kann in analoger Weise gezeigt werden, daß (iv) erfüllt ist, falls c0 · 2®+1 ,
eine schwächere Bedingung als die angegebene.
Da die Duopolgewinne des Innovationsfolgers nicht stetig di¤erenzierbar
an der Stelle t2 = tm
2 sind, muß nun noch gezeigt werden, daß die linksseitige
Ableitung an dieser Stelle größer ist als die rechtsseitige.
@R2 =@t2 jtm
2
¡ @Rm =@t2 jtm
2
¸0
4 m 1 m
= (1 ¡ 2 (2c1 ¡ 1) + c1 ) ®c0 e¡®t2 ¡ (1 ¡ c2 ) ®c0 e¡®t2 ¸ 0
9 2
da t2 = tm2 , c2 = 2c1 ¡ 1
,
1 ¡ c1 ¸ 0 was sicherlich erfüllt ist.
ANHANG B. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 3 106

Es folgt, daß auch Annahme (iv) des Korollars erfüllt sind. Es bleibt zu
prüfen, ob die Annahmen (ii) und (iii) des Theorems erfüllt sind:
(ii) Für t1 = t2 = 0; gilt ¼ 1 = ¼ 2 . Die Annahmen an k^ und da
@R2 =@t2jt1 =t2 =0 strikt größer Null ist, stellt sicher, daß L (0) < F (0).
(iii) Genauso folgt aus den Annahmen an k^ und da auch @R1 =@t1jt1 =0;t2 >0
strikt größer Null ist, daß Zahlen 0 < t; A < 1 existieren so daß L(t) > A
und F (t) > A. Es folgt aus (der bewiesenen) Behauptung 3 von Korollar 2,
daß (iii) von Theorem 1 erfüllt ist.
Q.E.D.

Numerik

Die konkrete Umsetzung der entwickelten Methode zum Au¢nden von


second-mover-Vorteilen in Form eines numerischen Algorithmus hat im Fall
von Produkt- wie im Fall von Prozeßinnovation eine sehr ähnliche Struktur:

² Parameterinitialisierung(¸;größte Schrittlänge, kleinste Schrittlänge,


(c0 ; ®));

² Variableninitialisierung(t1 , t2 , beste Antwort_t2 , aktuelles_L;


aktuelles_F , aktuelles Maximum_L, aktuelles Argmax_t1 );

² Hauptschleife

– Berechnung der besten Antwort (s.u.)


– besteAntwort_t2 := t2 ;
– aktuelles_F := F ;
– aktuelles_L :=FührerAuszahlung(t1 ;besteAntwort_t2 );
– falls aktuellesMaximum_L <aktuelles_L
¤ aktuellesMaximum_L :=aktuelles_L;
¤ aktuellesArgmax_t1 := t1 ;
– falls aktuelles_F <aktuellesMaximum_L
¤ Groß_T_gefunden:=wahr;
ANHANG B. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 3 107

¤ Groß_T:= t1 ;

– anderenfalls t1 := t1 +kleinsteSchrittlänge;

² Ende Hauptschleife falls Groß_T_gefunden;

Da über die Gestalt der L-Kurve außer Stetigkeit im allgemeinen nichts


bekannt ist, wurden innerhalb der Hauptschleife keine Bemühungen unter-
nommen, die verwendete Schrittlänge zu optimieren. Es wurde in dieser
äußeren Schleife durchgehend eine Schrittlänge verwendet, die eine Größen-
ordnung von 10¡5 ¡ 10¡6 im Verhältnis zur den erreichten Gleichgewichts-
werten hatte. Eine solche ”brute force”-Methode läßt sich natürlich für die
innere beste-Anwort-Schleife nicht mit vertretbarem Aufwand an Rechner-
zeit realisieren. Für den Produktinnovationsfall stand eine explizite Form
zur Bestimmung der besten Anwort zur Verfügung. Dagegen mußte im Pro-
zeßinnovationsfall die beste Anwort iterativ bestimmt werden. Die folgende
Routine erfordert etwa M -mal die Berechnung der Folgerauszahlung bis das
Maximum erreicht ist. Dabei ergibt sich M aus der Formel:
ln kleinsteSchrittlänge ¡ ln größteSchrittlänge
M =4£
ln 2
M lag damit immer deutlich unter 100. Die skizierte Routine läßt sich na-
türlich nur anwenden, wenn sichergestellt ist, daß die Auszahlungsfunktion
des Folgers genau ein Maximum hat.

² t2 := t1 ;

² F :=Folgerauszahlung(t1 ; t2 );

² Ableitung:=Folgerauszahlung(t1 ; t2 +kleinsteSchrittlänge)¡F ;

² falls Ableitung> 0

– aktuelleSchrittlänge:=größteSchrittlänge;
– besteAntwortSchleife
¤ falls Ableitung> 0
ANHANG B. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 3 108

¢ t2 := t2 +aktuelleSchrittlänge;
¢ F :=Folgerauszahlung(t1 ; t2 );
¢ Ableitung:=Folgerauszahlung(t1 ; t2 +kleinsteSchrittlänge)¡F ;
¤ anderenfalls
¢ t2 := t2 ¡aktuelleSchrittlänge;
¢ aktuelleSchrittlänge:=aktuelleSchrittlänge=2,
¢ Ableitung:= +1;

– Ende besteAnwortSchleife falls aktuelleSchrittlänge<kleinsteSchrittlänge


– besteantwort_t2 := t2 ;
– aktuelles_F := F ;

² anderenfalls (leer)

Mit dem so beschriebenen Algorithmus ergaben sich bei einer


TurboPascal-Implementierung auf einem (Sub)-Standard-PC Laufzeiten für
eine Parameterkonstellation von 0,5 bis 5 Minuten.
Kapitel 4

Außenhandel und
internationale technologische
Führerschaft

4.1 Einleitung
Auf der Grundlage eines Beitrags von Brezis et al. (1993) wird in diesem
Kapitel der Frage nachgegangen, ob Außenhandel in Verbindung mit natio-
nal wirksamen Agglomerationsvorteilen zu Zyklen nationaler technologischer
Führerschaft führen kann.
Wirtschaftliche Aktivität verschiedener Unternehmen eines Sektor lösen
häu…g positive externe E¤ekte auf die Produktivität anderer Unternehmen
desselben Sektors aus. Solche Agglomerationse¤ekte können auf verschiede-
ne Weise ihren Niederschlag …nden: (1) Die jeweils …rmeninterne Ausbildung
von Facharbeitern scha¤t einen quali…zierten Arbeitskräftepool, der von allen
Firmen gemeinsam genutzt werden kann. Man vergleiche dazu bei Krugman
(1991, Kapitel 2), der Agglomerationse¤ekte auf der Grundlage von soge-
nanntem ”labor-market pooling” analysiert. (2) Gemeinsam nutzbare spezi-
…sche Infrastruktureinrichtungen können nur …nanziert werden, wenn sie von
vielen Firmen gleichzeitig nachgefragt werden (”scale economies”). (3) Ein
Netzwerk hochspezialisierter Zulieferer kann sich nur etablieren, wenn deren

109
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 110

Produkte von vielen Unternehmen des betre¤enden Sektors nachgefragt wer-


den. Man spricht in diesem Zusammenhang von ”forward-” und ”backward
linkages”.1 (4) Das Wissen jeder einzelnen Firma ist zum Teil anderen Fir-
men frei zugänglich. Dieser sogenannte ”spillover pool” ist um so größer, je
mehr Unternehmen diesen ”pool” beliefern.
Die Ausbildung von Agglomerationse¤ekten wird durch technologische
Nähe der beteiligten Unternehmen verstärkt oder überhaupt erst ermöglicht.
Beispielsweise weist Ja¤ee (1986) in einer empirischen Arbeit nach, daß die
Fähigkeit von Unternehmen von einem spillover pool zu pro…tieren, wesent-
lich von der technologischen Nähe der Unternehmen zueinander abhängt.
Eine solche Nähe kann vom Staat durch explizite Standardisierung wie das
Festsetzen von DIN-Normen oder verbindlicher Ausbildungsstandards we-
sentlich gefördert werden. Die Festlegung auf einen bestimmten Standard
führt aber im Regelfall zu einem zumindest teilweisen Verzicht auf die Imple-
mentierung der jeweils neuesten Technologie. So bedeutet beispielsweise die
Festlegung auf ISDN als digitalen Übertragungsstandard durch umfangrei-
chen Infrastrukturinvestitionen in Deutschland den Verzicht auf die Nutzung
inzwischen verfügbarer, schnellerer Übertragungstechniken. Auch die Eini-
gung auf einen Standard bei der neuen Digital Versality Disc (DVD) wird die
Unternehmen der Unterhaltungsindustrie für längere Zeit auf eine Technik
festlegen, die schon in absehbarer Zeit aus rein technischer Sicht als überholt
angesehen werden kann. Um Standardisierungsvorteile realisieren zu können,
sind solche Nachteile im Regelfall unausweichlich.2 Aber auch bei einer we-
niger technischen Sichtweise von Standards als gesellschaftliche Normen und
1
Murphy et al. (1989) liefern eine Formalisierung dieses auf die Vertreter der Entwick-
lungstheorie um Hirschman (1958) und Myrdal (1957) zurückgehenden Gedankengutes.
Krugman und Venables (1995) zeigen, welchen Ein‡uß Transportkosten auf das Zustan-
dekommen solcher E¤ekte haben können.
2
Es gibt eine umfangreiche industrieökonomische Literatur zur Standardisierung. Ver-
gleiche dazu die von Holler und Thisse (1996) herausgegebenen Sonderausgabe des Eu-
ropean Journal of Political Economy, sowie insbesondere darin den Überblicksartikel von
Matutes und Regibeau (1996). Das Phänomen, daß eine frühzeitige Festlegung auf einen
Produktstandard den Verzicht auf die Implementierung neuester Technologien bedeutet,
wird beispielsweise bei Katz und Shapiro (1992) modelliert.
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 111

Verhaltensregeln, wie bei Adam (1996), stehen den Vorteilen von Standards
auch Nachteile in Form eines Verlusts an Flexibilität gegenüber.
Agglomerationse¤ekte sind in ihrer Wirkung im Regelfall regional oder
auch national begrenzt. Die Bedeutung der geographischen Dimension von
Agglomerationsvorteilen wird insbesondere bei Krugman (1991) thematisiert.
Ein Unternehmen, das auf der Grundlage national wirksamer Agglomerati-
onse¤ekte auf Basis einer älteren Technologie ein hohes Produktivitätsniveau
erreicht hat, wird möglicherweise einen relativ geringen Anreiz haben, eine
neue Technologie zu adoptieren, für die noch keine national akkumulierten
externen E¤ekte zur Verfügung stehen. Ein Unternehmen aus einem Land,
das auf Basis der alten Technologie keine oder nur geringe Agglomerations-
vorteile bietet, wird dagegen eventuell eher bereit sein, die neueste Tech-
nologie zu implementieren, die sich langfristig als überlegen erweisen kann.
Daraus ergeben sich interessante Ansatzpunkte zur schlüssigen Modellierung
von endogenen Überholprozessen, bei denen ein Land mit der ehemals überle-
genen Technologie regelmäßig von dem ehemals technologisch rückständigen
Land als internationaler technologischer Führer abgelöst wird. Das ist die
Grundidee des Beitrags von Brezis, Krugman und Tsiddon (1993) mit dem
sinnfälligen Titel ”Leapfrogging in International Competition: A Theory of
Cycles in National Technological Leadership”.
Die Autoren analysieren mögliche Zyklen nationaler technologischer Füh-
rerschaft im Rahmen eines einfachen Außenhandelsmodells mit zwei Ländern,
wobei der Eindruck entsteht, für das Zustandekommen von Zyklen sei die in-
ternationale Ver‡echtung verantwortlich. Tatsächlich ist das Gegenteil rich-
tig, wie die nähere Analyse in diesem Kapitel zeigt. Vergleicht man die Pro-
duktivitätsentwicklung zweier geschlossener Länder, so kommt es tatsächlich
regelmäßig zu einem Wechsel technologischer Führerschaft. Das gilt dagegen
nicht mehr, wenn die betre¤enden Länder über freien Außenhandel miteinan-
der verbunden sind. Abhängig von der Parameterkonstellation kann es dann
zu einer dauerhaften Festschreibung der relativen technologischen Positionen
kommen - das Land, das einmal eine führende Position erreicht hat, behält
diese auf unabsehbare Zeit. Außenhandel führt also im Rahmen der hier und
von Brezis et al. verwendeten Modellierung eher zu einer Verfestigung der
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 112

internationalen technologischen Rangfolge. Der Grund für dieses Ergebnis


ist in den E¤ekten internationaler Spezialisierung zu sehen - sie wirken sich
immer zugunsten des aktuellen Produktivitätsführers aus.
Wenn ein Wechsel technologischer Führerschaft trotz Außenhandels mög-
lich wäre, stellt sich die Frage, ob eine handelsstrategisch ausgerichtete Stan-
dardisierungspolitik im Land des aktuellen Technologieführers einen abseh-
baren Überholprozess verhindern kann. Es zeigt sich, daß die Beantwor-
tung dieser Frage entscheidend davon abhängt, ob einmal aufgebaute Ag-
glomerationse¤ekte für ein einzelnes Unternehmen erhalten bleiben, wenn
die Mehrzahl der anderen Unternehmen einen neuen technologischen Stan-
dard verfolgt. Die einführende Diskussion über das Zustandekommen von
Agglomerationsvorteilen auf der Grundlage von externen E¤ekten legt die
Vermutung nahe, daß solche externen E¤ekte sehr schnell ihren Wert für
ein einzelnes Unternehmen verlieren können, wenn die technologische Nähe
anderer Unternehmen fehlt. Dadurch würden sich die Möglichkeiten einer
strategisch ausgerichteten Standardisierungspolitik im Land des aktuellen
Technologieführers erheblich erweitern, während solche Möglichkeiten dem
Technologiefolger fehlen. Schlußendlich kann das Land, dessen Unternehmen
aktuell die internationale technologische Führerschaft innehaben, diese durch
eine geeignete Standardisierungspolitik auf Dauer verteidigen.
In einem neueren Beitrag untersuchen Brezis und Tssidon (1998) die Aus-
wirkungen von Kapitalmobilität auf die relativen technologische Positition
verbundener Ökonomien. Dieser Frage widmet sich im Rahmen eines neo-
klassischen Wachstumsmodells auch Kapitel 5 dieser Arbeit. Der für die
Analyse dieses Kapitals entscheidende Gesichtspunkt, die Technologiewahl
zwischen zwei alternativen Optionen, wird allerdings weder in Brezis und
Tssidon (1998) noch im Kapitel 5 dieser Arbeit thematisiert.
Im folgenden Abschnitt 4.2 wird die grundlegende Frage der Technolo-
giewahl zunächst im Rahmen einer geschlossenen Ökonomie formalisiert. Im
Abschnitt 4.3 werden die Auswirkungen von internationalem Handel analy-
siert. Aspekte möglicher strategischer Handelspolitik werden in Abschnitt
4.4 dargestellt. Schlußfolgerungen und mögliche Erweiterungen werden im
Abschnitt 4.5 diskutiert.
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 113

4.2 Agglomerationse¤ekte und Technologie-


wahl im geschlossenen Land
4.2.1 Das Modell
In einem geschlossenen Land werden zwei Gruppen von Gütern hergestellt -
Nahrungsmittel und Rohsto¤e, X, einerseits sowie Güter des verarbeitenden
Gewerbes, Y , andererseits. Das Augenmerk liegt auf der Entwicklung der
Produktionstechnologie des Y -Sektors. Deshalb wird zur Vereinfachung an-
genommen, daß sich die aggregierte Produktionstechnologie des X-Sektors
im Zeitverlauf nicht verändert: X = F (LX ), wobei mit LX der Vektor der
privat eingesetzten Faktoren bezeichnet wird. Im Y -Sektor stehen zu jedem
Zeitpunkt zwei Produktionsfunktionen zur Verfügung. Eine etablierte A-
Technologie sowie eine auf neuesten Erkenntnissen beruhende B-Technologie.
Falls zum Zeitpunkt t alle Unternehmen des Y -Sektors mit der B-Technologie
produzieren, ist die aggregierte Produktionsfunktion dieses Sektors:

Y = B(t) ¢ F (LY ) (4.1)

wobei widerum mit LY der Vektor der in diesem Sektor privat eingesetz-
ten Faktoren bezeichnet wird. B repräsentiert den exogenen technologischen
_
Fortschritt, mit strikt positiver Wachstumsrate, B=B > 0. Alternativ können
die Unternehmen des Y -Sektors mit einer etablierten Technologie produzie-
ren. Diese Technologie hat die aggregierte Produktionsfunktion

Y = Ai (t) ¢ F (LY ) ´ B(ti ) ¢ Ji (t)´ ¢ F (LY (t)) (4.2)

für t > ti . Ji ist das aggregierte und allen Unternehmen verfügbare technolo-
gische Wissen, das der Y -Sektor auf der Basis einer Technologie der Genera-
tion i erworben hat. ´ > 0 ist die Produktionselastizität des akkumulierten
Wissens. Die formale De…nition von Ji (t) erfolgt im übernächsten Absatz.
Aufgrund vollständigen Wettbewerbs und freien Marktzutritts in beiden
Sektoren wird zu konstanten Skalenerträgen in Bezug auf die privat ein-
gesetzten Faktoren produziert, und alle Unternehmen erzielen Nullgewinne.
Darüberhinaus werden die Unternehmen in beiden Sektoren private Faktoren
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 114

jeweils im gleichen Verhältnis einsetzen. Man kann deshalb den Vektor der
privaten Faktoren als Skalar, d.h. als einen Index privater Inputs au¤assen.
Nutzenmaximierende Haushalte kaufen X und Y und bieten unelastisch eine
in der Zeit konstante Menge des Indexes privater Faktoren an. Diese Menge
wird ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit auf 1 normiert. Es herrscht
vollständiger Wettbewerb auch auf den Produktmärkten. Demnach gilt zu
jedem Zeitpunkt:
LX (t) + LY (t) = 1 (4.3)

Der externe Wissenskapitalstock Ji (t) wird annahmegemäß durch die


Menge privater Faktoren akkumuliert, die mit dieser Technologie seit ihrer
Einführung zum Zeitpunkt ti verwendet worden sind. Es wird die folgende
formale Spezi…kation gewählt:
Z t
Ji (t) = 1 + LY A (¿ ) d¿ (4.4)
ti

Wobei LY A (¿ ) die Menge der zum Zeitpunkt ¿ in der Ai -Technologie einge-


setzten privaten Faktoren ist. Die grundlegende Idee ist die, daß die Akkumu-
lationstechnologie Ai (t) = B(ti )Ji (t)´ aus zwei Elementen besteht. Einerseits
repräsentiert das aus der Wissensakkumulation des Sektors resultierende dy-
namische Element Ji (t) die Vorteile einer Standardisierung. Andererseits
stellt das statische Element B(ti ) die Verbindung zu einer alten Technologie
und damit die Nachteile von Standardisierung dar.
Die Modellspezi…kation unterscheidet sich in zwei Punkten von der, die
Brezis et al. (1993) verwenden. (1) Exogener technische Fortschritt wird
in Brezis et al. in Form diskontinuierlicher technologischer Schocks model-
liert. Die Frage, ob es zu Überholvorgängen kommt, hängt dann wesentlich
davon ab, wie stark diese Schocks sind. Da es zudem für jeden Zyklus ei-
nes passenden technologischen Schocks bedarf, kann kaum von endogenen
technologischen Zyklen gesprochen werden. Mit der Modellierung exogenen
technischen Fortschritts in Form einer in der Zeit stetigen Funktion B(t)
ist es dagegen möglich, das Auftreten von regelmäßigen endogenen Zyklen
aufzuzeigen. Eine stetige Formulierung ist zudem die, die im Rahmen von
aggregierten Wachstumsmodellen üblicherweise getro¤en wird und die dar-
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 115

über hinaus die Darstellung von konkreten Beispielen wesentlich erleichtert.


(2) In Brezis et al. ergibt sich der Wissenkapitalstock, der mit einer eta-
blierten Technologie erworben wird, aus der aggregierten Menge, die mit der
etablierten Technologie produziert wird, während dieser Wissenskapitalstock
hier eine Funktion des aggregierten Faktorinputs ist. Bemüht man sich um
konkrete Beispiele, stellt man schnell fest, daß mit der Annahme von Brezis
et al. kaum sichergestellt werden kann, daß die mit einer Akkumulations-
technologie Ai erzielbaren Produktivitätsfortschritte letztendlich beschränkt
sind. Eine Struktur der Ai -Technologie, die das sicherstellt, ist aber zwin-
gend erforderlich, um Zyklen nachweisen zu können. Diesen Schwierigkeiten
geht man aus dem Weg, wenn man wie hier annimmt, die Akkumulations-
technologie hänge von der aggregierten Inputmenge ab. Die Annahme paßt
darüberhinaus besser zu der grundlegenden ”learning by doing”-Idee, die hier
Verwendung …ndet.

4.2.2 Gleichgewichtige Technologiewahl


Grundsätzlich erfordert die angemessene Art und Weise, Technologiewahl
von Unternehen abzubilden, die Modellierung von Investitionsentscheidun-
gen gewinnmaximierender Unternehmen unter perfekter Voraussicht. Eine
solche Modellierung wäre sicherlich unabhängig von der leapfrogging-Frage
auch im Rahmen eines Wachstumsmodells für eine geschlossene Ökonomie
ein lohnendes Unterfangen. Allerdings sind die mathemathischen Schwie-
rigkeiten schon im einfachsten Ein-Produkt-Fall erheblich. Berücksichtigt
man die zusätzlichen Schwierigkeiten, die im Rahmen eines für die Model-
lierung von ”leapfrogging” erforderlichen Zwei-Güter- Zwei-Länder-Modells
unvermeidlich sind, dann erscheint es für die Zwecke dieses Kapitels ange-
messen zu sein, die technologischen Entscheidungen von Unternehmen nicht
vollständig zu endogenisieren, sondern etwas heuristisch mit Hilfe von plau-
siblen Annahmen zu formulieren. Die folgende Annahme bildet dabei die
Basis für die anschließende formale Argumentation:

1. Falls Ai (t) > B(t) zu einem Zeitpunkt t > ti gilt, dann produzie-
ren zu diesem Zeitpunkt alle Unternehmen des Y -Sektors mit der Ai -
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 116

Technologie.

2. Falls Ai (t) < B(t) zu einem Zeitrpunkt t > ti gilt, dann produzie-
ren zu diesem Zeitpunkt alle Unternehmen des Y -Sektors mit der B-
Technologie.

Nun wird der Fall betrachtet, in dem zu einem gegebenen Zeitpunkt t


gelte Ai (t) > B(t), so daß alle Unternehmen des Y -Sektors mit der zu diesem
Zeitpunkt verfügbaren Akkumulationstechnologie produzieren. Die Frage,
die sich dann stellt, ist, ob die Akkumulationstechnologie in endlicher Zeit
abgelöst wird. Diese Frage wird im folgenden Satz beantwortet:

Satz 4.1 Falls Ai (t) > B(t) zu einem beliebigen Zeitpunkt t > ti gilt und
_
zusätzlich B=B ¸ ¸ sowie Annahme 4.2.2 für jeden Zeitpunkt Geltung hat,
wobei ¸ eine positive Konstante ist, dann existiert ein endlicher Zeitpunkt
tj > t so daß Ai (tj ) = B(tj ).

Der Beweis …ndet sich im Anhang. Die entscheidende Frage ist nun, wel-
che Technologie die Unternehmen des Y -Sektors wählen werden, wenn zum
Zeitpunkt tj zwei Technologien mit gleicher Produktivität zur Verfügung ste-
hen. Ein einzelnes Unternehmen hat grundsätzlich drei Alternativen: (1) Das
Unternehmen kann fortfahren, mit der alten Technologie zu produzieren. (2)
Es kann einen Technologiewechel vornehmen und ab dem Zeitpunkt tj mit der
neuen Akkumulationstechnologie Aj produzieren und damit ab diesem Zeit-
punkt zum Aufbau eines neuen Wissenskapitalstocks beitragen. (3) Oder es
kann ab dem Zeitpunkt tj mit der jeweils neuesten B-Technologie produzie-
ren, das heißt es würde nicht zum Aufbau eines Wissenskapitalstocks beitra-
gen. Im folgenden Satz wird gezeigt, daß (1) die erste Alternative nicht mit
Annahme 4.2.2 vereinbar ist. (2) Die zweite Alternative ist vereinbar mit An-
nahme 4.2.2, falls der aggregierte Input privater Faktoren im Y -Sektor hoch
ist und falls die Mehrzahl der anderen Unternehmen des Y -Sektors ebenfalls
diese Alternative wählen. (3) Die dritte Alternative ist immer vereinbar mit
4.2.2, falls alle anderen Unternehmen des Y -Sektors auch diese Alternative
wählen.
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 117

Satz 4.2 Falls, mit tj > ti , Ai (tj ) = B(tj ) und Ai (t) > B(t) für alle
t 2]ti ; tj [ und A_ i (tj ) 6= B(t
_ j ) und falls Annahme 4.2.2 erfüllt ist, dann gilt
zu einem Zeitpunkt tj + ", daß alle Unternehmen des Y -Sektors mit der
_ j )=B(tj ), daß alle Unter-
B-technology produzieren, oder, falls ´ ¢ LY ¸ B(t
nehmen des Y -Sektors mit der neuen Aj -technology produzieren, wobei " eine
beliebig kleine positive Zahl ist.

Die Annahme vollständigen Wettbewerbs impliziert, daß jedes einzelne


Unternehmen von vernachlässigbar kleiner Größe ist. Somit kann ein ein-
zelnes Unternehmen allein keinerlei Wissen akkumulieren, so daß Annahme
4.2.2 nicht sicherstellt, daß die Unternehmen jemals Wissen akkumulieren.
Die Wahl der jeweils neuesten B-Technologie ist immer vereinbar mit An-
nahme 4.2.2. Andererseits erscheint es plausibel, anzunehmen, daß durch
staatliche Intervention oder durch Verhandlungen der Unternehmen unter-
einander in der Lage sein werden, ihr Verhalten zu koordinieren, solange An-
nahme 4.2.2 nicht verletzt wird. Es wird deshalb im folgenden eine weitere
Annahme verwendet:
Falls, mit tj > ti , Ai (tj ) = B(tj ) und Ai (t) > B(t) für alle t 2]ti ; tj [ gilt,
dann werden alle Unternehmen des Y -Sektors zum Zeitpunkt tj + " mit der
neuen Aj -Technologie produzieren, falls

_ j )=B(tj )
´ ¢ LY ¸ B(t (4.5)

anderenfalls werden alle Unternehmen zum Zeitpunkt tj + " mit der B-


Technologie produzieren.
Die Bedingung (4.5) hat eine einleuchtende Interpretation. In Zeiten
_
hoher Wachstumsraten des externen technologischen Fortschritts (B=B ist
groß) oder wenn das Akkumulationspotential des Y -Sektors der Ökonomie,
gemessen in ´ ¢ LY kleine ist, werden die Unternehmen nicht in der Lage
sein, ihre technologischen Entscheidungen so zu koordinieren, daß ein neuer
Standard gebildet werden kann.3
3
Die Schwierigkeiten der Unternehmen der Unterhaltungsindustrie, den DVD-Standard
trotz rasanten technischen Fortschritts in diesem Bereich zu etablieren, ist ein illustratives
Beispiel für diesen Zusammenhang.
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 118

4.2.3 Ein Beispiel


Um an einem konkreten Beispiel das Zustandekommen technologischer Zy-
klen demonstrieren zu können, muß die Nutzenfunktion der nachfragenden
Haushalte sowie der exogene technische Fortschritt näher spezi…ziert werden.
Die Präferenzen eines repräsentativen Haushaltes soll durch eine einfache
Cobb-Douglas-Nutzenfunktion charakterisiert werden:

U(X; Y ) = Y ¯ X 1¡¯ mit 0 < ¯ < 1 (4.6)

Bezüglich des exogenen technischen Fortschritts wird die übliche Annahme


einer konstanten Wachstumsrate getro¤en:

B(t) = e¸t mit ¸ > 0 (4.7)

Damit läßt sich das dynamische Verhalten der Ökonomie vollständig be-
schreiben. Zu jedem Zeitpunkt sorgt das Nachfrageverhalten der nutzen-
maximierenden Haushalte, das gewinnmaximierendes Verhalten der Unter-
nehmen, die Nullgewinn-Bedingung sowie der vollständige Wettbewerb auf
dem Faktor- und den Gütermärkten dafür, daß das Verhältnis der Produk-
tionswerte beider Sektoren gleich dem Verhältnis der Elastizitäten der Nut-
zenfunktion ist. Mithin gilt aufgrund der Normierung des insgesamt zur
Verfügung stehenden Arbeitsangebots auf 1:

LY = ¯ und LX = 1 ¡ ¯ (4.8)

Angenommen ab einem Zeitpunkt ti produzieren alle Unternehmen des


Y -Sektors mit der Akkumulationstechnologie Ai , dann gilt:
µ Z t ¶´
Y (t) = exp (¸ti ) ¢ 1 + ¯ d¿ ¢ F (¯)
ti
= exp (¸ti ) ¢ (1 + ¯(t ¡ ti ))´ ¢ F (¯) (4.9)

Ein Technologiewechsel …ndet zum Zeitpunkt tj statt, wobei tj die folgende


Gleichung erfüllt:

exp (¸ti ) ¢ (1 + ¯(tj ¡ ti ))´ = exp (¸tj )


,
´ ¢ ln (1 + ¯(tj ¡ ti )) = ¸ (tj ¡ ti ) (4.10)
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 119

ln A j-b

ln A (t)
ln B (t)
ln A j-a λ t = ln B

ln A i-b

ln A i-a

a b a b
ti ti tj tj t

Abbildung 4.1:

O¤ensichtlich ist die linke Seite dieser letzten Gleichung eine konkave Funk-
tion in tj , während die rechte Seite linear in tj steigt. Damit ist sicherge-
stellt, daß Gleichung (4.10) genau eine strikt positive Lösung für die Di¤e-
renz (tj ¡ ti ) hat, falls ¯ ¢ ´ > ¸. Für die beispielhafte Parameterkonstellation
¯ = 5=9 und ¸=´ = 1=10 beträgt die Di¤erenz etwa 28:1 Jahre.
In Abbildung 4.1 sind die regelmäßigen Akkumulationszyklen des Y -
Sektors in logarithmischem Maßstab abgebildet. Betrachtet man die Pro-
duktivitätsentwicklung der Y -Sektoren zweier geschlossener Ökonomien die
zwar Zugang zur gleichen exogenen technologischen Entwicklung B(t), die
aber eine etwas zueinander verschobene Akkumulationsgeschichte haben (die
gestrichelte Akkumulationslinien in Abbildung 4.1 gehören zu einem, die
durchgezogenen zu einem anderen Land), dann kommt es tatsächlich zu re-
gelmäßigen Zyklen nationaler technologischer Führerschaft. Die Zyklen der
beiden Ökonomien lassen sich im Wortsinne als leapfrogging bezeichnen: Wie
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 120

zwei Frösche überholen sich die beiden Länder in voneinander unabhängigen


Sprüngen respektive Akkumulationszyklen.

4.3 Technologiewahl mit Außenhandel


Die Frage ist nun, ob internationaler Handel die technologischen Zyklen von
zwei Länderen verstärken oder abschwächen werden. In diesem Abschnitt
wird die beispielhafte Spezi…kation des letzten Unterabschnitts verwendet.
Das geschiet allein, um die Argumentation zu vereinfachen und um das we-
sentliche Ergebnis herauszustellen. Es wird o¤ensichtlich werden, daß das
qualitative Ergebnis - Freihandel schwächt die Tendenz zum leapfrogging -
von dieser Vereinfachung nicht beeinträchtigt wird.
Die Welt bestehe nun aus zwei Ländern, a und b, die sich nur aufgrund
ihrer Akkumulationsgeschichte unterscheiden. Das heißt, die Präferenzen der
Haushalte, die verfügbare Menge privater Faktoren, die Produktionsfunktion
des X-Sektors sowie der exogene technische Fortschritt B(t) ist in beiden
Ländern gleich. Es sei aber angenommen, im Y -Sektor von Land a bestehe
zu einem gegebenen Zeitpunkt ein Produktivitätsvorsprung gegenüber Land
b. Das impliziert, daß der Y -Sektor zumindest des Landes a mit einer Akku-
mulationstechnologie produziert. Internationaler Handel bezüglich X und Y
sei vollkommen unbeschränkt, während die privaten Faktoren als auch das
im jeweiligen Land akkumulierte Wissenskapital vollständig immobil ist.
Unter Bedingungen perfekten Freihandels bildet sich ein Spezialisierungs-
muster heraus.4 Abhängig von den Präferenzen der Haushalte und von der
Produktivitätsdi¤erenz in den Y -Sektoren der beiden Ökonomien wird es
entweder zu einer Spezialisierung auf die Produktion des wichtigeren Gutes
(wichtiger im Sinne von Konsumentenpräferenzen) in dem Land kommen,
das einen komperativen Vorteil bei der Produktion dieses Gutes hat, wäh-
rend das andere Land beide Güter herstellt. Oder es spezialisieren sich beide
Länder jeweils auf die Produktion des Gutes für das sie einen komperativen
4
Die angegebenen Ergebnisse zur Spezialisierung bei Freihandel sind Grundlagenergeb-
nisse der Außenhandelstheorie und lassen sich in jedem einschlägigem Lehrbuch nachlesen.
Auf eine Herleitung wird deshalb hier verzichtet.
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 121

Vorteil besitzen. Natürlich soll wie bei Brezis et al. angenommen werden,
daß der Y -Sektor der wichtigere ist, das heißt, der Ausgabenanteil der Kon-
sumenten für Güter des Y -Sektors ist immer größer als der für Güter des
X-Sektors:5
1
¯> (4.11)
2
In diesem Fall spezialisiert sich der Produktivitätsführer, Land a, auf die
Produktion von Y . Ist der Produktivitätsvorsprung von Land a nicht sehr
groß, dann produziert Land b beide Güter. Ist der Produktivitätsvorsprung
groß, dann spezialisiert sich auch Land b - und zwar auf die Produktion von
X. In beiden Fällen ist das Lohn- und das Konsumniveau im Land a höher
als im Land b.
Um zu untersuchen, unter welchen Umständen es zu internationalen
Überholprozessen kommt, reicht es aus, einen Zeitpunkt t¤ zu betrachten,
zu dem Land b den Produktivitätsvorsprung von Land a gerade aufgeholt
hat. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verteilung der Ressourcen in beiden Län-
dern:

LaY ¹=1
= L (4.12)
LaX = 0 (4.13)
¯ (Pb + Pa ) ¡ Pa
LbY = max( ; 0) (4.14)
Pb
¯ (Pb + Pa ) ¡ Pa
LbX = min(1 ¡ ; 1) (4.15)
Pb
Dabei ist der entscheidende Punkt der, daß Land a auch dann noch einen
wesentlich größeren Anteil seiner privaten Faktoren auf die Produktion imY -
Sektor verwendet als Land b, wenn der Produktivitätsvorsprung vernachläs-
sigbar klein geworden ist. Menge des
indest soll aber gelten, daß " nicht Null ist. Das heißt, es wird rea-
listischerweise angenommen, daß die internationale Faktorreallokation zum
Zeitpunkt t¤ noch nicht stattgefunden hat. Falls also Pa (t¤ ) = Pb (t¤ ) und
5
Anderenfalls sind Lohn- und Konsumniveau in beiden Länderen immer ausge-
glichen. Das heißt, das technologisch führende Land pro…tiert nicht von seinem
Produktivitätsvorsprung.
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 122

Pa (t¤ ¡ ") > Pb (t¤ ¡ ") dann wird zum Zeitpunkt t¤ noch nach dem alten
Spezialisierungsmuster produziert:

¹=1
LaY (t¤ ) = L (4.16)
LaX (t¤ ) = 0 (4.17)
LbY (t¤ ) = 2¯ ¡ 1 (4.18)
LbX (t¤ ) = 2(1 ¡ ¯) (4.19)

Diese Annahme führt natürlich dazu, daß Land b nur überholen kann,
wenn es zum Zeitpunkt t¤ mit einer Akkumulationstechnologie produziert.
Anderenfalls wird zum Zeitpunkt t¤ ein neuer Akkumulationszyklus für den
alten Produktivitätsführer verfügbar. Der alte Produktivitätsführer behält
diese Führungsposition dann auch während des neuen Zyklus, da er mit dem
höheren Akkumulationspotential ausgestattet ist. Gegenüber dem Fall zweier
geschlossener Länder be…ndet sich das Land mit dem niedrigeren Produkti-
vitätsniveau jetzt in einer ungünstigeren Situation, was die Akkumulations-
möglichkeiten angeht. Die Unternehmen des Y -Sektors im Land b akkumu-
_
lieren zu einem Zeitpunkt tj falls LbY (tj ) > [1=®] ¢ B=B (vergleiche Gleichung
(??)). Im Fall ohne Außenhandel gilt immer LbY (tj ) = ¯. Dagegen ist im Fall
mit Außenhandel LbY (tj ) jedenfalls kleiner als 2¯ ¡ 1; und es gilt: 2¯ ¡ 1 < ¯,
da ¯ annahmegemäß kleiner als Eins ist. Liegt die Wachstumsrate des exo-
genen technischen Fortschritts zu einem Zeitpunkt tj zwischen 2¯ ¡ 1 und
¯ dann würde der Y -Sektor von Land b im Fall ohne Außenhandel akkumu-
lieren, nicht dagegen im Fall mit Außenhandel. Ist die Wachstumsrate des
exogenen technischen Fortschritts immer größer als 2¯ ¡ 1, dann wird das
Land mit dem niedrigeren Produktivitätsniveau niemals akkumulieren und
somit immer das Land mit dem niedrigeren Produktivitätsniveau bleiben.
Ist dagegen die Wachstumsrate des exogenen technischen Fortschritts immer
echt kleiner als 2¯ ¡ 1, dann wird das Land mit dem niedrigeren Produkti-
vitätsniveau in endlicher Zeit zum Produktivitätsführer.
Für den Fall einer konstanten Wachstumsrate des exogenen technischen
Fortschritts läßt sich das dynamische Verhalten der beiden Länder kompakt
beschreiben:
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 123

Satz 4.3 Wächst der exogene technische Fortschritt mit konstanter Rate ¸,
und ist die Elastizität der Nutzenfunktion des repräsentativen Haushalts kon-
stant ¯ > 1=2, dann gilt:

1. Falls 1 < ¸=® dann kommt es in keinem Land zur Akkumulation im


Y -Sektor.

2. Falls 2¯ ¡ 1 · ¸=® < 1 dann bleibt das Land, das mit einem technolo-
gischen Vorsprung in die Freihandelssituation gestartet ist, für immer
der Technologieführer. Dieses Land bleibt für immer auf die Produktion
von Y spezialisiert und nutzt alle ¢ Jahre eine neue Technologie, auf
deren Grundlage die Unternehmen seines Y -Sektors akkumulieren. ¢
ist die einzige positive Lösung der Gleichung ln (1 + ¢) = ¢ ¢ ¸=®. Im
Vergleich zum Fall einer geschlossenen Ökonomie …nden die technolo-
gischen Zyklen in längeren Abständen statt.

3. Falls 2¯ ¡ 1 ¡ D = ¸=®, wobei D eine beliebige positive Zahl ist, dann


…ndet in regelmäßigen Abständen ein Wechsel der technologischen Füh-
rerschaft statt. Die Zeitspanne von einem Wechsel nationaler techno-
logischer Führerschaft zum nächsten ist kürzer als ¢, wobei wiederum
¢ die einzige positive Lösung der Gleichung ln (1 + ¢) = ¢ ¢ ¸=® ist.

Nur die letzte Aussage folgt nicht unmittelbar aus den Gleichungen (??)
und (4.10) und bedarf daher der Erläuterung. Der entsprechende Beweis
…ndet sich im Anhang.

4.4 Handelsstrategische Standardisierung


Die staatlichen Vertreter des aktuellen Technologieführers könnten erwägen,
das Überholen durch die Unternehmen des Y -Sektors von Land b dadurch zu
verhindern, daß sie einen kollektiven Technologiewechsel der Unternehmen
des Y -Sektors in ihrem Land erzwingen, bevor im Land b ein neuer Akku-
mulationszyklus beginnt. Zwar erscheint es denkbar, daß durch einen staat-
lichen Eingri¤ zunächst alle Unternehmen mit der staatlich angeordneten
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 124

Technologie produzieren. Erweist sich aber die alte Akkumulationstechnolo-


gie über längere Zeit als überlegen, werden zunächst einzelne und schließlich
alle Unternehmen zur alten Technologie zurückkehren, wenn der Staat nicht
dauerhaft Zwangsmaßnahmen ergreift. Diese Überlegungen lassen sich fol-
gendermaßen formalisieren.
Die bislang verwendete Spezi…zierung einer Akkumulationstechnologie
war: µ Z t ¶®
Ai (t) = B(ti ) ¢ 1 + LY (¿ ) d¿
ti

Ist zu einem beliebigen Zeitpunkt tj das mit der aktuellen Akkumulations-


technologie erreichbare Produktivitätsniveau Ai (tj ) echt größer als das mit
der neuesten Technologie erreichbare Niveau B(tj ), dann gilt auch für ein
beliebig kleines ":
à Z tj Z tj +" !®
Ai (tj + ") = B(ti ) ¢ 1 + LY (¿ ) d¿ + (0)d¿ = Ai (tj )
ti tj
à Z !®
tj +"
> Aj (tj + ") = B(tj ) ¢ 1+ LY (¿ ) d¿ ' B(tj )
tj

Das heißt, ein einmaliges ”Anstoßen” des Staates reicht nicht aus, um einen
kollektiven Technologiewechsel herbeizuführen. Das liegt daran, daß die alte
Akkumulationstechnologie vollständig erhalten bleibt, auch wenn alle Unter-
nehmen zwischen tj und tj + " mit einer neuen Technologie produzieren. Das
ist aber möglicherweise eine unrealistische Annahme, gerade wenn man an
Netze¤ekte als mögliche Grundlage von Agglomerationsvorteilen denkt. Eine
alternative Formulierung der Akkumulationstechnologie wäre:
µ Z t ¶®
Ai (t) = B(ti ) ¢ 1 + LY (t) ¢ LY (¿ ) d¿ (4.20)
ti

Damit wären die akkumulierten externen E¤ekte um so besser nutzbar, je


mehr Unternehmen tatsächlich zum aktuellen Zeitpunkt mit dieser Technolo-
gie produzieren. In diesem Fall reicht ein einmaliger staatlicher Anstoß aus,
um die Unternehmen des Y -Sektors zu einem kollektiven Technologiewechsel
zu veranlassen. Denn, falls alle Unternehmen zwischen tj und tj + " mit einer
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 125

neuen Technologie produzieren, gilt:

Ai (t + ") = B(ti ) < Aj (tj + ") ' B(tj )

und eine Rückkehr zur alten Technologie lohnt sich nicht mehr.6
Die Regierung des etablierten Technologieführers könnte nun tatsächlich
immer jeweils ”kurz” bevor sich Akkumulation für den Technologiefolger
lohnt, diesem zuvor kommen, indem sie einen Technologiewechsel der hei-
mischen Unternehmen des Y-Sektors anstößt. Dagegen hat die Regierung
des Technologiefolgers keine Möglichkeit, in ihrem Y-Sektor einen Technolo-
giewechsel auf ähnliche Weise anzustoßen. Solange das Produktionsniveau
und damit das Akkumulationspotential niedrig ist, ist die Produktion mit
der aktuellen B(t)-Technologie für jedes einzelne Unternehmen vorteilhaft,
auch wenn alle anderen Unternehmen einen Akkumulationszyklus starten.
Mit anderen Worten: Auch mit der Ai (t)-Technologie muß die zu (??) ana-
¢
_ j ) erfüllt sein, damit ein Akkumulationszyklus
loge Bedingung Aj (t) > B(t
starten kann.
Zwar kann die Regierung des etablierten Technologieführers im Fall der
Ai (t)-Technologie die technologische Führerschaft des heimischen Y -Sektors
auf Dauer sichern. Es ist aber nicht klar, ob sich eine solche strategische
Standardisierungspolitik auch im Sinne einer Maximierung der nationalen
Wohlfahrt lohnt. Eine Analyse dieser Frage wird hier nicht vorgenommen.

4.5 Schlußfolgerung
Das hier verwendete in hohem Maße stilisierte Modell ist sicher nicht geeig-
net, konkrete wirtschaftspolitische Empfehlungen zu rechtfertigen. Es kam
6
In diskreter Zeit könnte man auch formulieren, daß es zu jedem Zeitpunkt zu dem
Ai (t) > B(t) zwei Nash-Gleichgewichte im Verhalten der Unternehmen gibt. Entweder
alle Unternehmen produzieren zum Zeitpunkt t + ¢ weiter mit der alten besseren Techno-
logie, oder alle Unternehmen produzieren mit der neuen Technologie. Ein Unternehmen,
das auf der alten Technologie verharrt, während alle anderen Unternehmen einen Techno-
logiewechsel durchführen, würde dann einen Verlust erleiden, weil es zum Zeitpunkt t + ¢
mit einer unterlegenen Technologie produziert.
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 126

hier, wie auch bei Brezis et al. (1993), allein darauf an, im Rahmen einer mög-
lichst einfachen aber konsistenten formalen Argumentationsweise, die mög-
liche Sinnhaftigkeit eines verbreiteten intuitiven Arguments nachzuzeichnen.
Die intuitive Vorstellung, daß die mangelnde Bereitschaft von heimischen
Unternehmen, neueste Technik zu verwenden, ein wesentlicher Grund dafür
sein könnte, daß eine etablierte Industrienation ihre ökonomische bevorzug-
te Stellung in der Welt verlieren wird, war lange Zeit eine insbesondere in
Deutschland weit verbreitete Befürchtung. Diese Intuition läßt sich bereits
im Rahmen eines einfachen Modells nachzeichnen: Wenn im wesentlichen
akkumulierte ”learning by doing”-E¤ekte für den technologischen Vorsprung
heimischer Unternehmen verantwortlich sind, dann ist die Bereitschaft die-
ser Modell-Unternehmen, eine neue Technologie zu übernehmen, tatsächlich
gegenüber Unternehmen aus Ländern mit weniger etablierten Produktions-
standards relativ schwach ausgeprägt. Es kann deshalb tatsächlich zu den
befürchteten Zyklen technologischer Führerschaft kommen. Die Analyse der
inneren Logik dieses Modells zeigt aber, daß Außenhandel möglichen Über-
holprozessen entgegenwirkt. Zwei Argumente waren dafür wesentlich: 1) Die
Verwendung neuester Technologie in einer ”newcomer”-Ökonomie bedeutet
noch nicht, daß dort auch ein neuer Standard gesetzt wird; und erst das
Setzen eines neuen Standards ermöglicht die Ausbildung von akkumulierten
”learning by doing”-E¤ekten. 2) Die starke Weltmarktstellung der etablier-
ten Industrienation bestärkt dort den Anreiz, tatsächlich einen neuen Stan-
dard zu setzen, wenn sich die Verwendung neuester Technologie schließlich
auch dort lohnt.
Die Ergebnisse der Analyse dieses Kapitels lassen sich folgendermaßen
zusammenfassen:

1. Die Nutzung von Agglomerationsvorteilen durch Standardisierung der


national verwendeten Produktionstechnik kann zu Zyklen internatio-
naler technologischer Führerschaft führen.

2. Sind die betre¤enden Länder durch Freihandel miteinander verbunden,


werden Zyklen technologischer Führerschaft unwahrscheinlicher. Frei-
handel führt mithin im Rahmen der hier verwendeten Modellierung zu
KAPITEL 4. AUSSENHANDEL 127

einer Verfestigung relativer technologischer Positionen von Ökonomien.

3. Bei geeigneter Modellierung der Akkumulationstechnologie erö¤nen


sich für die Regierung des technologisch führenden Landes Möglichkei-
ten strategischer Standardisierungspolitik, die diesem Land dauerhaft
die Position des Technologieführers sichern kann.

4. Die von Brezis et al. (1993) angeregte und hier für den Fall stetigen
technologischen Fortschritts ausformulierte Modellierung von Agglome-
rationse¤ekten ermöglicht es, den entscheidenden trade o¤ nationaler
Standardisierungspolitik zu analysieren, nämlich die Akkumulation auf
der Basis einer etablierten/standardisierten Technologie mit zeitweisem
Verzicht auf exogenen Fortschritt versus Nutzung des jeweils neuesten
technologischen Stands.

Es wäre sicherlich lohnend, diesen letzten Punkt unabhängig von Fra-


gen internationaler technologischer Führerschaft einer näheren Untersuchung
zu unterziehen. Dabei sollte insbesondere das Entscheidungsproblem der
Unternehmen zwischen Standardisierung-/Akkumulationstechnologie einer-
seits und exogener B(t)-Technologie andererseits als explizites Investitions-
entscheidungsproblem modelliert werden. Die Entscheidung eines einzelnen
Unternehmens hängt dann von Erwartungen hinsichtlich zukünftiger techno-
logischer Entscheidungen anderer Unternehmen ab. Für die Technologiepoli-
tik eines Landes stellt sich dann zunächst unabhängig von Fragen internatio-
naler technologischer Führerschaft die interessante normative Frage, durch
welche Maßnahmen eine Akkumulation zum geeigneten Zeitpunkt herbeige-
führt werden kann.
Anhang C

Mathematischer Anhang zu
Kapitel 4

Beweis von Satz 4.1

Man betrachte die Wachstumsrate der Ai -Technologie zum Zeitpunkt t:

A_ i LAY (t) LY (t) 1


=´¢ ·´¢ ·´¢ (C.1)
Ai Ji (t) Ji (t) Ji (t)

Falls nun entgegen der Aussage des Satzes Ai > B für immer gelten würde,
dann folgt limt!1 Ji = 1 und mithin limt!1 A_ i =Ai = 0. Andererseits ist
_
B=B strikt positiv. Also würde B in endlicher Zeit größer als Ai werden -
Ein Widerspruch. Q.E.D.

Beweis von Satz 4.2

Es gilt voraussetzungsgemäß A_ i (tj ) < B(t


_ j ) sowie Ai (tj ) = B(tj ). Daraus
folgt Ai (tj + ") < B(tj + "), so daß kein Unternehmen mit der alten Ai -
Technologie zum Zeitpunkt tj + " produziert. Mit dem gleichen Argument
gilt, Unternehmen des Y -Sektors werden nur dann zum Zeitpunkt tj + " mit
der Aj -Technologie produzieren, wenn A_ j (tj ) ¸ B(t
_ j ) gilt. Da Jj (tj ) = 1,
_ j )=B(tj ). Q.E.D.
kann das nur erfüllt sein, falls ´ ¢ LY ¸ B(t

128
ANHANG C. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 4 129

Beweis von Satz 4.4

Die Aussagen 1) und 2) von Satz 4.4 folgen sofort aus den Gleichungen (??)
und (4.10). Für den Nachweis von Aussage 3) bezeichne man den Zeitpunkt,
zu dem für Land a, dem alten Technologieführer, ein neuer Technologiezy-
klus zur Verfügung stehen würde, mit t^a , wobei Pa (t^a ) = B(t^a ). Es muß
gezeigt werden, daß Land b vor t^a mit einem Akkumulationszyklus beginnt.
Es muß also ein tbj geben, so daß LbY (tbj ) > ¸=®. Zwei Zahlen " und "0 seien
so de…niert, daß tbj ´ t^a ¡ " und LbY = 2¯ ¡ 1 ¡ "0 . Es muß gezeigt werden,
daß LbY (t^a ¡ ") = 2¯ ¡ 1 ¡ "0 > 2¯ ¡ 1 ¡ D = ¸=® ist. Da "0 beliebig klein
wird, wenn " beliebig klein wird, läßt sich diese Ungleichung für beliebig
kleine " immer sicherstellen. Damit …ndet ein Ausgleich der Produktivitä-
ten der Y -Sektoren zu einem Zeitpunkt t¤ vor t^a statt. Aufgrund der oben
getro¤enen Annahme haben sich damit die Güterströme zum Zeitpunkt t^a
bereits umgedreht, und es hat ein Wechsel internationaler technologischer
Führerschaft stattgefunden. Mit dem gleichen Argument ist sichergestellt,
daß ein neuer Wechsel nationaler technologischer Führerschaft statt…ndet,
bevor nunmehr für Land b ein neuer Technologiezyklus zur Verfügung steht.
Diesen Zeitpunkt bezeichnet man mit t^b , wobei t^b die Gleichung erfüllt:
à Z t^b !
¡ ¢
ln 1 + LbY (¿ )d¿ = t^b ¡ tbj ¢ ¸=®
tbj

Da LbY (¿ ) · 1 und diese Ungleichung zeitweise auch strikt gilt, ist sicherge-
stellt, daß Ã !
Z t^b ¡ ¡ ¢¢
ln 1 + LbY (¿ )d¿ < ln 1 + t^b ¡ tbj
tbj

Damit ist die Di¤erenz (t^b ¡ tbj ) kleiner als ¢, das die Gleichung ln (1 + ¢) =
¢ ¢ ¸=® erfüllt. Da ein Wechsel der technologischen Führerschaft von Land
a auf Land b später als tbj und ein erneuter Wechsel von Land b nach Land a
früher als t^b statt…ndet, ist die Behauptung bewiesen. Q.E.D.
Kapitel 5

Kapitalmobilität und
internationale technologische
Führerschaft

5.1 Einleitung
In diesem Kapitel wird untersucht, ob sich Überholprozesse im Rahmen ei-
nes neoklassischen Wachstumsmodells erklären lassen, wenn Kapitalmobili-
tät den Aufholprozeß unterentwickelter Ökonomien beschleunigt und zudem
Neuinvestitionen die totale Faktorproduktivität positiv beein‡ussen.
Es wird das vintage-Akkumulationsmodell von Solow (1959) verwendet.
In Anlehnung an die theoretischen Arbeiten von Arrow (1962) und Ro-
mer (1986) sowie an die empirischen Ergebnisse von De Long und Summers
(1991), wird ein durch Neuinvestitionen ausgelöster ”schwacher” externer Ef-
fekt in das Solow-Modell integriert. Dieser externe E¤ekt wird ausschließlich
in dem Land, in dem die Investitionen getätigt werden, zu einem ö¤ent-
lich verfügbaren Wissenskapitalstock akkumuliert. Der modellierte externe
E¤ekt ist schwach in dem Sinne, daß die grundlegenden Eigenschaften ei-
nes neoklassischen Wachstumsmodells erhalten bleiben. Insbesondere ist die
Inada-Bedingung abnehmender Grenzproduktivität der insgesamt akkumu-
lierbaren Faktoren erfüllt. Im Rahmen von zwei verschiedenen Modellen von

130
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 131

internationaler Kapitalmobilität wird gezeigt, daß es zu endogenen Überhol-


prozessen beziehungsweise zu Zyklen internationaler technologischer Führer-
schaft kommen kann, falls die e¤ektive Abschreibungsrate des ö¤entlichen
Wissenskapitalstocks größer ist als die des privaten Kapitalstocks.
Das Kapitel ist folgendermaßen aufgebaut. Im nächsten Abschnitt wird
das um einen externen E¤ekt erweiterte Solow-Modell zur Akkumulation ka-
pitalgebundenen Fortschritts vorgestellt. Im 3. und 4. Abschnitt dieses
Kapitels wird zunächst ein allgemeingültiges Theorem über die Bedeutung
von Abschreibungsraten für das Zustandekommen von Überholprozessen bei
Kapitalmobilität formuliert, im Anhang bewiesen und auf intuitivem Niveau
erläutert. Dieses Theorem …ndet Verwendung bei der Analyse von zwei expli-
ziten Modellen zur internationalen Kapitalakkumulation in den Abschnitten
5.5 und 5.6. Eine Diskussion der Ergebnisse im 7. Abschnitt beschließt das
Kapitel.

5.2 Die Produktionsstruktur


Für die Analyse in diesem Kapitel sind zwei Elemente bestimmend: Externe
E¤ekte im Sinne von Arrow (1962) beziehungsweise Romer (1986), die von
privaten Investitionen ausgelöst werden und, zum anderen, die Beobachtung,
daß Unterschiede in den Abschreibungsraten des ö¤entlichen Wissenskapi-
talstocks und des privaten Kapitalstocks einer Ökonomie für mögliche Über-
holprozesse von entscheidender Bedeutung sind. Bevor in diesem Abschnitt
das verwendete Referenzmodell - ein putty-putty-Jahrgangsmodell nach Solow
(1959) - vorgestellt wird, sollen zunächst die beiden wesentlichen Struktur-
elemente - externe E¤ekte und Abschreibungsraten - näher erläutert werden.

5.2.1 Externe E¤ekte durch learning by investing


Romer führte 1986 in Anlehnung an Arrow (1962) eine Produktionsstruktur
in die Wachstumstheorie ein, bei der der Output eines repräsentativen Un-
ternehmens nicht nur vom eigenen Kapitaleinsatz sondern zusätzlich vom ge-
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 132

samten pro-Kopf-Kapitaleinsatz in der Ökonomie abhängig ist.1 Bezeichnet


man im Rahmen einer Cobb-Douglas-Spezi…zierung die Produktionselastizi-
tät des von jedem einzelnen Unternehmen i eingesetzten Kapitals mit ®, sowie
die des insgesamt eingesetzten pro-Kopf-Kapitals mit ´ und summiert über
alle Unternehmen, dann erhält man eine aggregierte Produktionsfunktion der
P
Form: Y = i Yi = N ¢A¢(K=L)´ ¢Ki® L1¡®
i = A¢K´+® L1¡®¡´ , wobei N die An-
zahl der Unternehmen, K ´ N ¢ Ki den insgesamt eingesetzten Kapitalstock,
L ´ N ¢Li die Arbeitsbevölkerung und A den technologischen Stand der Öko-
nomie bezeichnet. Bezeichnet man mit Y und K die Pro-Kopf-Größen von
Output und Kapitaleinsatz der Ökonomie, dann erhält man: Y = A ¢ K ´+® .2
Die Annahme, daß die unternehmensspezi…sche Produktionsfunktion posi-
tiv vom insgesamt in der Ökonomie eingesetzten Kapitalstock abhängt, wird
bei Romer wie schon bei Arrow mit Wissens-spillover durch Investitionstätig-
keit begründet. Das heißt, jedes Unternehmen speist mit seinen Investitionen
einen spillover pool, der allen Unternehmen in gleicher Weise zur Verfügung
steht. Romer konnte nachweisen, daß eine Ökonomie, die durch diese Pro-
duktionstechnologie gekennzeichnet ist, im steady state positive und endliche
Wachstumsraten aufweisen kann, auch wenn A konstant ist. Dabei ist die
wichtigste Voraussetzung für das Zustandekommen solch endogenen Wach-
tums die Parameterrestriktion ® + ´ = 1. Man spricht in diesem Fall von
einem A ¢ K-Modell (vergleiche bei Barro und Sala-i-Martin (1995a, Kapitel
4)).
Romer untermauerte die Bedeutung externer E¤ekte, die durch Kapi-
talakkumulation ausgelöst werden, durch empirische Untersuchungen, die
einen sehr hohen Gesamtkoe¢zient von Kapital nahelegen (1987a). Mankiw
1
Die Modellierung Romers unterscheidet sich von der Arrows (1962), in seinem be-
rühmten learning by doing-Artikel. Arrows Formulierung erweist sich für die Zwecke dieses
Beitrags als weniger gut handhabbar. Zu einer Diskussion der Eigenschaften der aggre-
gierten Produktionsfunktion bei Arrow vergleiche den Beitrag von d’Autume und Michel
(1993).
2
Man beachte, daß in diesem Kapitel durchgängig und unüblicherweise Großbuchstaben
für pro-Kopf-Größen verwendet werden, um Verwechslungen mit kleinbuchstabigen ”pro-
Maschine”-Funktionen und mit Indizes zu vermeiden. Für nicht-pro-Kopf-Größen wird
eine geschwungene Schreibweise verwendet.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 133

et al. (1992) bezweifelten allerdings, daß dafür im wesentlichen externe E¤ek-


te verantwortlich gemacht werden können, vielmehr beinhalte der von Romer
beobachtete hohe Kapitalkoe¢zient zu einem erheblichen Teil Humankapital.
Anderseits weisen die von De Long und Summers (1991) aufgezeigten großen
Unterschiede in den Ertragsraten von Investitionen unterschiedlichen Typs
in unterschiedlichen Sektoren darauf hin, daß insbesondere Ausrüstungsinve-
stitionen FuE-intensiver Sektoren erhebliche spillover-E¤ekte auslösen. An-
gesichts der nicht eindeutigen empirischen Ergebnisse der growth accoun-
ting-Literatur scheint es angebracht, mit der folgenden Annahme in die
vorliegende Untersuchung zu starten:

² Von privaten Investitionen ausgelöste externe E¤ekte sind ein relevan-


tes Phänomen. Externe E¤ekte reichen aber auch bei Verwendung
eines umfassenden Kapitalbegri¤s (inklusive Humankapital) nicht aus,
um endogenes Wachstum zu erklären:3

0<´ <1¡®

Damit weist die angegebene Produktionsstruktur abnehmende Skalener-


träge in den akkumulierbaren Faktoren auf, die Inada-Bedingungen sind er-
füllt, und es kann ohne arbeitsvermehrenden technischen Fortschritt kein
langfristiges Wachstum geben. Endogenes Wachstum setzt dann die expli-
zite Modellierung des FuE-Sektors einer Ökonomie voraus, wie bei Romer
(1987b, 1990) und in den Modellen von Grossman und Helpman (1991). In
jüngeren Arbeiten zur endogenen Wachstumstheorie ist deshalb die einfache
Romer-sche Modellierung externer E¤ekte durch learning by investing et-
was aus der Mode gekommen.4 Dagegen werden bei den auf Grossman und
3
Diese Au¤assung wird inzwischen auch von Romer (1993) vertreten.
4
Funke und Strulik (1998) analysieren ein Wachstumsmodell, das die drei nach ihrer
Au¤assung wichtigsten Bestandteile moderner Wachstumstheorie enthält: Akkumulation
physischen Kapitals im Sinne von Solow (1956) und Swan (1956) bzw. Cass (1965) und Ko-
opmans (1965); Humankapitalakkumulation im Sinne von Uzawa (1965) und Lucas (1988)
sowie FuE-basiertes Wachstum im Sinne von Romer (1990) und Grossman und Helpman
(1991). Der Ausgangspunkt der neuen endogenen Wachstumstheorie, die einfachen exter-
nen E¤ekte aus Kapitalakkumulation, werden in ihrem Modell nicht behandelt, zählen also
nach ihrer Au¤assung nicht zu den wesentlichen Bausteinen moderner Wachstumstheorie.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 134

Helpman zurückgehenden FuE-Modellen regelmäßig - und im übrigen von


der growth accounting-Literatur unwidersprochen - starke externe E¤ekte im
FuE-Sektor angenommen, so daß endogenes Wachstum möglich wird. In
dieser Arbeit wird trotzdem der altmodische aus neoklassischer Kapitalak-
kumulation resultierende externe E¤ekt analysiert. Auf eine explizite Mo-
dellierung des FuE-Sektors mit den möglicherweise auch dort auftretenden
externen E¤ekten wird dagegen verzichtet. Für diese Vorgehensweise spre-
chen zwei Gründe:

1. In dieser Arbeit soll der Ein‡uß von Kapitalmobilität auf die relati-
ve Entwicklung der totalen Faktorproduktivität von kapitalexportie-
renden - und kapitalimportierenden Ländern untersucht werden. Es
kommt deshalb auf externe E¤ekte an, die in ihrer Wirkung innerhalb
nationaler Grenzen bleiben. Es spricht viel dagegen, daß externe Ef-
fekte des FuE-Sektors diese Eigenschaft aufweisen. Zum einen wird für
externe E¤ekte des FuE-Sektors typischerweise angenommen, daß sie
im erheblichem Maße auf face to face-Kontakten beruhen, was einen
räumlich und sektoral engen Wirkungsbereich impliziert. Man spricht
in diesem Zusammenhang von Marshallian externalities.5 Zum ande-
ren sind die Wissensträger, die den spillover pool einer Agglomerati-
on speisen und davon pro…tieren, auch international hoch mobil. So
wird einerseits in silicon valley für Unternehmen aus der ganzen Welt
geforscht. Andererseits kann sich beispielsweise ein koreanischer Au-
tokonzern den Entwicklungschef eines deutschen Sportwagenherstellers
”einkaufen”. Was dabei nicht eingekauft werden kann, ist eine hoch-
quali…zierte Arbeiterschaft, die diese Quali…kation durch langjährige
Erfahrungen mit neuesten Fertigungstechnologien erworben hat. Mit
anderen Worten: Die für den FuE-Sektor typischen Externalitäten in
Form nicht appropriierbaren Wissens stellen keine national gebundene
5
Zur Bedeutung solcher externer E¤ekte für das Wachstum von Städten beziehungs-
weise von Agglomerationsräumen vergleiche zum Beispiel bei Glaeser et al. (1992). Eine
sehr illustrative Beschreibung solcher E¤ekte bietet der Economist (1997) in einem survey
über silicon valley.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 135

Ressource dar. Im Gegensatz dazu ‡ießen die Vorteile von Quali…zie-


rungsmaßnahmen, die innerhalb von Unternehmen im Zusammenhang
mit Neuinvestitionen durchgeführt werden, einer zumindest auf inter-
nationaler Ebene weitgehend immobilen Arbeiterschaft zu - diese Form
von Externalitäten können also als national gebundene Ressource auf-
gefaßt werden.

2. Die Berücksichtigung von ”schwachen”, durch Kapitalakkumulation


ausgelösten externen E¤ekten ändert den grundlegenden neoklassischen
Charakter der Modellierung nicht. Das ist im Hinblick auf grundle-
gende und empirisch überprüfbare Fragestellungen, wie die hier be-
handelte, ein wesentlicher Vorteil. Denn trotz des großen Ein‡usses,
den neue endogene Wachstumsmodelle für die Theoriebildung erlangt
haben, sprechen die empirischen Arbeiten überwiegend eine deutliche
Sprache zugunsten der älteren neoklassischen Wachstumstheorie.6

5.2.2 Abschreibungsraten
In Romers Formulierung geht der gesamte private Kapitalstock einer Ökono-
mie unverändert als externer E¤ekt mit einer Skalenelastizität von ´ in die
Produktionsfunktion ein. Als Begründung für solche externen E¤ekte werden
dagegen ‡ow-Größen verwendet, also Investitionen oder Produktionsmengen.
Im Zusammenhang mit learning by investing würde man in einfachster Form
schreiben:
E(¿ ) = c ¢ I(¿ ) (5.1)

Das heißt, der zum Zeitpunkt ¿ ausgelöste externe E¤ekt E(¿ ) verhält sich
proportional zum Investitionsvolumen, I(¿ ) dieses Zeitpunkts, wobei c eine
beliebige positive Konstante ist.7 Um aus dieser ‡ow-Größe einen externen
6
Man vergleiche dazu die Arbeiten unter vielen anderem von Mankiw et al. (1992),
Barro und Sala-i-Martin (1995a, Kapitel 10-12) und Greenwood et al. (1997). Grundsätz-
liche theoretische Bedenken gegen verschiedene Ansätze der endogenen Wachstumstheorie
äußern Gries et al. (1994).
7
I(¿ ) sind die realen Investitionsbescha¤ungskosten zum Investitionszeitpunkt ¿. Unter
den üblichen neoklassischen Bedingungen - vollständiger Wettbewerb sowie lineare Homo-
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 136

Wissenskapitalstock im Sinne der Formulierung von Romer zu erhalten, sollte


man naheliegender Weise schreiben:8
Z t
1 ^
J(t) = eÁ(¿ ¡t) e¸¿ E (¿ ) d¿ (5.2)
L(t) ¡1

wobei Á > 0 die reine ”mentale” Verfallsrate des externen Wissenskapital-


^
stocks, also menschliche Vergeßlichkeit repräsentiert. Der Faktor e¸¿ , mit
^ > 0, trägt dem Umstand Rechnung, daß neuere Erfahrungen im Regel-
¸
fall mehr wert sind als Erfahrungen mit der Installation älterer Maschinen.
Wenn diese Abschreibungsraten denen des privaten Kapitalstocks entspre-
chen, dann würde gelten: J = cK, wobei K der pro-Kopf-Kapitalstock ist.
In diesem Fall entspräche die Formulierung der Produktionsstruktur von Ro-
mer. Aber natürlich besteht kein Grund zu der Annahme, daß sich Wissen
und physisches Kapital in der gleichen Weise abschreiben. Ein erster educated
guess legt nahe, daß sich Wissen aufgrund ”mentalen” Verfalls und aufgrund
von Neuigkeitse¤ekten schneller abschreibt als physisches Kapital. Diese Ein-
schätzung wird anscheinend gestützt durch empirische Untersuchungen von
Nadiri und Prucha (1996) und Pakes und Schakerman (1986), die Abschrei-
bungsraten von FuE-Kapital geschätzt haben, die wesentlich über den Ab-
schreibungsraten physischen Kapitals liegen, wie sie beispielsweise von Ep-
stein und Denny (1980) sowie Nadiri und Prucha (1996) ermittelt wurden.
Insbesondere die Arbeit von Nadiri und Prucha ist hier von Interesse, da sie
die beiden Abschreibungsraten simultan ermitteln. Dabei schätzen sie die
Abschreibungsrate des physischen Kapitalstocks auf 6% und die des FuE-
Kapitalstocks auf 12%. Diese Ergebnisse könnten als Hinweis gelten, daß
Wissen natürlicherweise ein recht leicht verderbliches Gut ist. Allerdings ist
bei dieser Interpretation Vorsicht geboten, denn Nadiri und Prucha schätzen
Abschreibungsraten für den privaten Marktwert des FuE-Kapitalstocks, der
sich möglicherweise aufgrund unzureichender Schutzmechanismen für priva-
genität der Produktionsfunktion hinsichtlich der privaten Faktoren - sind Bescha¤ungs-
und Herstellungskosten gleich.
8
Die Variablen ¿ und t bezeichnen beide jeweils reale Zeit. Es bietet sich an, ein
griechisches ¿ statt dem lateinischen t zu verwenden, um den Jahrgang einer Maschine zu
bezeichnen.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 137

tes Wissen relativ schnell abschreibt. Die Abschreibungsrate des ö¤entlichen


Wissenskapitalstocks könnte wesentlich niedriger sein. Ob sich also ein durch
learning by investing aufgebauter ö¤entlicher Wissenskapitalstock schneller
abschreibt als der private Kapitalstock einer Ökonomie, ist eine bislang noch
nicht hinreichend geklärte empirische Frage.
Die Bedeutung von Abschreibungsraten für unterschiedliche Kapital-
stöcke wird in theoretischen Wachstumsmodellen häu…g vernachlässigt. So
wird in den meisten Arbeiten, die Humankapital und physisches Kapital
modellieren, zur Vereinfachung von gleichen Abschreibungsraten beider Ka-
pitalstöcke ausgegangen (u.a. Barro und Sala-i-Martin (1995a, Kapitel 5),
Mulligan und Sala-i-Martin (1993), Funke und Strulik (1998)). Dagegen
wird in empirischen Arbeiten regelmäßig erhebliche Mühe darauf verwen-
det, die ”richtigen” Abschreibungsraten zu verwenden, wenn der Aufbau ver-
schiedener Kapitalstöcke durch beobachtbare Investitionen im Rahmen von
Zeitreihen- oder Panel-Schätzungen Bestandteil des ökonometrischen Schätz-
modells ist (siehe dazu bei Bönte (1998) im Hinblick auf die Unterscheidung
von physischem und FuE-Kapitalstock, Greenwood et al. (1997) im Hinblick
auf die Unterscheidung von Bau- und Ausrüstungsinvestitionen sowie bei
Hofmann (1996) im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen ö¤entlichem
Infrastruktur- und privatem Kapitalstock).

5.2.3 Eine vintage-Produktionsfunktion mit externem


E¤ekt
In diesem Kapitel kommt es wesentlich darauf an, wie Kapitalstöcke durch
Investitionen, technischen Fortschritt und Abschreibung auf- und abgebaut
werden. Es sollte deshalb ein Modell verwendet werden, das diesen Auf-
und Abbau von Kapitalstöcken realistisch darstellen kann. Das heißt, es
sollte ein Jahrgangsmodell der Kapitalakkumulation verwendet werden. Das
einfachste dieser vintage-Modelle wurde 1959 von Solow eingeführt. Es ist
ein sogenanntes putty-putty-Modell, bei dem die Arbeitsintensität für be-
reits installierte Maschinen jederzeit geändert werden kann. Dieses Modell
wird hier verwendet. Der einzige Unterschied zum Originalmodell von So-
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 138

low besteht hier darin, daß ein externer E¤ekt in die Produktionsstruktur
eingebaut wird. Dieser externe E¤ekt wird durch Neuinvestitionen ausgelöst
und ist im Unterschied zum exogenen technischen Fortschritt, der hier wie
bei Solow kapitalgebunden ist, nicht embodied. Das heißt, das frei verfügba-
re Wissenskapital beein‡ußt die Produktionsmöglichkeiten aller installierten
Maschinen positiv. Diese Annahme wird der Idee frei verfügbaren Wissens
am besten gerecht. Darüberhinaus erweist sich das Modell auf diese Weise
als gut handhabbar.
Putty-putty-Jahrgangsmodelle werden oft als weniger realistisch angese-
hen als sogenannte putty-clay-Modelle, bei denen die grundlegende Annah-
me getro¤en wird, die Faktoreinsatzverhältnis von installierten Maschinen
sei während der gesamten Nutzungsdauer …x. Es ist aber übliche Praxis
in vielen Industrien, ältere, weniger e¢ziente Maschinen nur zu benutzen,
um Nachfragespitzen zu bedienen. Diese Verfahrensweise läßt sich im Sinne
von putty-putty-Modellen mit variablem Faktoreinsatz interpretieren. Es ist
mithin eine o¤ene Frage, ob putty-putty- oder putty-clay-Modelle tatsächlich
realitätsnäher sind. In jüngeren empirischen Studien hat das hier verwendete
vintage-Modell von Solow eine Renaissance erfahren. Siehe dazu die Arbei-
ten von Greenwood et al. (1997); sowie Hulten (1992). Einen Überblick über
grundlegende theoretische und ältere empirische Arbeiten zum kapitalgebun-
den Fortschritt enthält Klodt (1985).
Der grundlegende Baustein des Solow-Modells ist die Cobb-Douglas Pro-
duktionsfunktion, y(¿ ; t), einer Maschine des Jahrgangs ¿ zum Zeitpunkt t.9

y (¿ ; t) = B(t) ¢ e¸¿ 1® l(¿ ; t)1¡® (5.3)

wobei

B(t) ´ nicht kapitalgebundener Fortschritt


9
Die Bezeichnung ”Maschine eines Jahrgangs...” wird in Jahrgangsmodellen zur Ka-
pitalakkumulation nur zur Veranschaulichung verwendet. Tatsächlich ist natürlich nicht
eine Maschine im physischem Sinne gemeint, sondern ein einheitliches Investitionsvolumen
zu Bescha¤ungskosten. Dabei kann die verwendete Einheit beispielsweise 1 Millionen DM
zu Preisen von 1985 sein.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 139

l(¿ ; t) ´ Arbeitsinput für eine Maschine des Jahrgangs ¿ zum Zeitpunkt t


¸ ´ Wachstumsrate des kapitalgebundenen technische Fortschritts
® ´ Produktionselastizität von Kapital

Das wesentliche Merkmal einer putty-putty-Technologie ist die Möglich-


keit, den Arbeitsinput für jede Maschine zu jedem Zeitpunkt so anzupassen,
daß die Grenzproduktivität von Arbeit zu jedem Zeitpunkt dem aktuell gül-
tigen Lohnsatz w(t) entspricht. Es gilt also:
y(¿ ; t)
w(t) = (1 ¡ ®) (5.4)
l(¿ ; t)
Zu jedem Zeitpunkt wird das insgesamt verfügbare Arbeitsangebot L(t) aus-
geschöpft: Z t
L(t) = e¡±¿ I(¿ ) ¢ l(¿ ; t)d¿ (5.5)
¡1
wobei I(¿ ) die Anzahl der zum Zeitpunkt ¿ installierten Maschinen und
± > 0 deren physische Verfallsrate ist. Unter Verwendung der drei Gleichun-
gen (5.3,5.4,5.5) läßt sich analog zur Vorgehensweise von Solow ein neuer
Ausdruck für y(¿ ; t) …nden:
µ ¶1¡®
L(t) ¸
y (¿ ; t) = B(t) e®¿ (5.6)
K(t)
Rt
Wobei K(t) = e¡±t ¡1 e¾¿ I(¿ )d¿ der Marktwert des gesamten Kapitalstocks
der Ökonomie ist. Für die Rate ¾ unter dem Integral gilt: ¾ = ± + ¸=®.10 In
dieser Arbeit wird diese Rate ¾ als e¤ektive Abschreibungsrate des privaten
Kapitalstocks bezeichnet. Der Vintage-E¤ekt, das heißt die höhere Produkti-
vität von neuen Maschinen, geht mit ¸=® in diese e¤ektive Abschreibungsrate
ein.
Multipliziert man diesen Ausdruck jeweils mit der Anzahl der zum Zeit-
punkt t noch aktiven Maschinen, summiert über alle Jahrgänge auf und di-
vidiert durch L(t), die Arbeitsbevölkerung der Ökonomie, dann erhält man
eine aggregierte pro-Kopf-Produktionsfunktion:

Y = B(t)K(t)® (5.7)
10
Man vergleiche zur Herleitung mit dem Originalartikel von Solow (1959).
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 140
Z t
¡±t I(¿ )
mit K = e e¾¿ d¿ (5.8)
¡1 L(t)
¸
¾ = ±+ (5.9)
®
wobei K der Marktwert des privaten physischen Kapitalstocks pro Kopf Ar-
beitsbevölkerung ist.
Der Dreh- und Angelpunkt für die Analyse in diesem Kapitel ist die Ent-
wicklung der totalen Faktorproduktivität B(t). Wie oben ausführlich erläu-
tert, wird angenommen, daß Neuinvestitionen einen externen E¤ekt auslösen,
der die aggregierten Produktionsmöglichkeiten einer Ökonomie und damit
B(t) positiv beein‡ußt. Dieser externe E¤ekt E(¿ ) verhält sich proportional
zur Anzahl der gerade investierten Maschinen: E(¿ ) = cI(¿ ), wobei c ei-
ne beliebige positive Konstante ist, die im folgenden ohne Beschränkung der
Allgemeinheit auf Eins normiert wird. Dieser externe E¤ekt akkumuliert sich
über die Zeit und bildet zu jedem Zeitpunkt t einen Stock frei verfügbaren
Wissenskapitals J(t) in der Ökonomie. Der Aufbau von J wurde bereits im
vorangegangenen Abschnitt beschrieben und erfolgte in analoger Weise zum
Aufbau des privaten Kapitalstocks K:11
Z
1 ¡Át t °¿
J(t) = e e E (¿ ) d¿ (5.10)
L(t) ¡1

Á ist die reine Verfallsrate des externen Wissenskapitals, sie repräsentiert die
mentale Abschreibungsrate oder die Rate menschlicher Vergeßlichkeit. An-
dererseits ist ° die e¤ektive Abschreibungsrate, die einen Neuigkeits- oder
Vintage-E¤ekt beinhaltet. Parallel zur Annahme ¾ > ± beim privaten Ka-
^ > Á die Tatsache,
pitalstock K berücksichtigt hier die Annahme ° = Á + ¸
daß Wissen, das im Zusammenhang mit der Installation neuerer Maschinen
erworben wird, im Regelfall einen höheren ökonomischen Wert haben wird,
als das mit der Installation älterer Maschinen erworbene Wissen.
11
Externe E¤ekte können sich in etwas unschönen Größene¤ekten bemerkbar machen,
wie zum Beispiel bei Arrow, so daß ein, im Sinne eines insgesamt größeren Arbeitsange-
bots, größeres Land stärker von den externen E¤ekten pro…tiert als ein kleineres Land.
Von solchen E¤ekten soll hier abstrahiert werden. Denkt man beispielsweise an exter-
ne E¤ekte, die durch unternehmensinterne Ausbildung ausgelöst werden, dann ist eine
pro-Kopf-Formulierung, wie hier verwendet, sicherlich angebracht.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 141

Das Wissenskapital J(t) ist eine Komponente der totalen Faktorproduk-


tivität der Ökonomie mit der folgenden Spezi…kation:

B(t) = A(t)J(t)´ (5.11)

Wobei in A(t) die Komponenten technischen Fortschritts zusammengefaßt


werden, die nicht kapitalgebunden sind und auch nicht in den beschriebenen
externen E¤ekten bestehen. Damit erhält man für ein Land i eine Cobb-
Douglas Produktionstechnologie, die in den folgenden Abschnitten als Refe-
renzmodell dient:

Yi = F (Ki (t); Ji (t); t) = A(t)Ji (t)´ Ki (t)® (5.12)


Z t
¡Át
mit Ji (t) = e e°¿ Ii (¿ )d¿
¡1
Z t
Ki (t) = e¡±t e¾¿ Ii (¿ )d¿
¡1
Ii (¿ )
Ii (¿ ) ´
Li (t)

Das heißt, die pro-Kopf-Produktionstechnologien verschiedener Länder un-


terscheiden sich zu jedem Zeitpunkt ausschließlich aufgrund der Geschichte
ihrer pro-Kopf-Kapitalakkumulation, den Investitionspfaden Ii (¿ ).

5.3 Ein grundlegendes Resultat


Bevor in den Abschnitten 5 und 6 dieses Kapitels im Rahmen von zwei expli-
ziten Modellen zur Kapitalmobilität untersucht wird, unter welchen Bedin-
gungen ein ehemals reiches und technologisch führendes Land seine führende
Position an ein aufholendes Land zumindest zeitweise abgeben wird, bevor
also die Möglichkeiten für das Zustandekommen von Überholprozessen oder
Zyklen technologischer Führerschaft im einzelnen ausgelotet werden, soll zu-
nächst gezeigt werden, daß Abschreibungsraten dabei eine entscheidende Rol-
le spielen. Das in diesem Abschnitt vorgestellte Theorem über die Bedeutung
von Abschreibungsraten für das Zustandekommen von Überholprozessen ist
sehr viel allgemeingültiger als die weiter unten behandelten Modelle. Zum
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 142

einen muß die aggregierte Produktionsfunktion nicht die dort verwendete


Cobb-Douglas-Form haben. Zum anderen muß auch die konkrete Art und
Weise, wie internationale Kapitalmobilität letztlich zu einer Angleichung der
Produktionsverhältnisse in verschiedenen Ländern führt, nicht bekannt sein.
Es sollen nur folgende Grundvoraussetzungen gelten:

Voraussetzungen für ”Abschreibungsraten”-Theorem

1. Zwei Länder oder Regionen verfügen über die gleiche aggregierte pro-
Kopf-Produktionstechnologie

@2F @ 2F
Yi = F (Ki (t); Ji (t); t) mit < 0 und >0
@K 2 @K@J
Das heißt, die Grenzproduktivität des privaten Kapitals fällt in K und
steigt in J. Zudem wird angenommen, daß die Grenzproduktivität von
privatem Kapital fällt, wenn K und J um den gleichen Prozentsatz
steigen.

2. Die beiden Kapitalstöcke sind wie bislang de…niert: Ki =


R t R t
e¡±t ¡1 e¾x Ii (x)dx und Ji = e¡Át ¡1 e°x Ii (x)dx. Das heißt, die Pro-
duktionsmöglichkeiten beide Länder unterscheiden sich ausschließlich
durch die Entwicklung ihrer Kapitalakkumulation - durch ihren pro-
Kopf-Investitionspfad Ii (t).

3. Die Ausgangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 sind:

(a) J1 (t) > J2 (t) und K1 (t) > K2 (t) für alle t · t0 . Das bedeutet,
Land 1 ist zum Zeitpunkt t0 das höher entwickelte Land.12
@F @F
(b) @K
(K2 ; J2 ; t0 ) > @K
(K1 ; J1 ; t0 ) - die Grenzproduktivität von pri-
vatem Kapital ist zum Ausgangszeitpunkt t0 im weniger entwickel-
ten Land höher als im hochentwickelten Land.
12
Die ”Rollenverteilung” der beiden Länder ist hier im Gegensatz zu der der Unterneh-
men in den Kapiteln 2 und 3 von vornherein festgelegt. Es kann deshalb hier die übliche
Bezeichnung, Land 1 und Land 2 statt a; b verwendet werden.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 143

Aussagen des ”Abschreibungsraten”-Theorems

Bei der Formulierung dieses Theorems wie auch bei dessen Anwendung wei-
ter unten in diesem Kapitel spielt der Begri¤ der Grenzproduktivität von
privatem Kapital @F=@K eine entscheidende Rolle. Die ökonomische Inter-
pretation dieses mathematischen Ausdrucks, wie man sie aus der statischen
Produktionstheorie kennt, ist nicht mehr ohne weiteres möglich in einer dy-
namischen Welt, in der Unternehmen Investitionsentscheidungen tre¤en, die
widerum externe E¤ekte auslösen. Deshalb sind an dieser Stelle einige Erläu-
terungen zur Interpretation dieses Ausdrucks angebracht: (1) Der Ausdruck
@F
@K
ist mathematisch wohl de…niert, unabhängig davon, ob es
(K(t); J(t); t)
ökonomisch möglich ist, K zu verändern, und J konstant zu halten. Das
gilt auch dann, wenn etwa bei gleichen Abschreibungsraten, wie bei Ro-
mer (1986), immer gelten würde: J = K.13 (2) Falls die Unternehmen der
betrachteten Ökonomie zu jedem Zeitpunkt den Kapitalstock ihres Unter-
nehmens frei wählen können, dann ist die ökonomische Interpretation von
@F
@K
einfach, wenn man F als die Produktionsfunktion eines repräsentativen
Unternehmens au¤aßt und gleichzeitig, indem man die Anzahl der Unterneh-
men auf 1 normiert, als die Produktionsfunktion der gesamten Ökonomie.
(3) Wenn Unternehmen, wie in den Abschnitten 5.5-5.6 dieses Kapitels, den
Kapitalstock ihres Unternehmens nicht jederzeit frei wählen können, son-
@F
dern Investitionsentscheidungen tre¤en müssen, dann hat der Ausdruck @K
nur noch eine virtuelle Interpretation. Die Verwendung dieses Ausdrucks ist
trotzdem sinnvoll, weil sich an diesen, in Analogie zur statischen Produkti-
onstheorie, sinnvolle Annahmen stellen lassen. Zudem zeigt sich, daß sich die
relative Entwicklung der betrachteten Ökonomien in den Abschnitten 5.5-5.6
mit Hilfe dieses Ausdrucks gut charakterisieren läßt.
Das Theorem soll Aussagen darüber ermöglichen, unter welchen Voraus-
setzungen es zu Überholprozessen kommen kann, ohne konkrete Annahmen
über die Investitionspfade I(x) und I2 (x), das heißt über die Art und Weise
13
Im Allgemeinen kann man J(t) nicht als Funktion von K(t) schreiben, denn es gibt
viele verschiedene Investitionspfade I(x) die zum gleichen K(t) aber zu unterschiedlichen
J(t) führen.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 144

tre¤en zu müssen, wie das verfügbare Kapital sich auf die beiden betrach-
teten Ökonomien im Zeitverlauf verteilt. Dabei wird die folgende De…nition
eines Überholprozesses verwendet:

² Es ist zu einem Überholprozess gekommen, wenn zum Zeitpunkt t0 gilt:


J1 (t0 ) > J2 (t0 ), wenn also die Totale Faktorproduktivität der Ökonomie
1 größer als die der Ökonomie 2 ist, und wenn sich diese Verhältnisse
zu irgendeinem späteren Zeitpunkt umgedreht haben.

Unter den soeben beschriebenen Voraussetzungen lassen sich die folgen-


den Aussagen beweisen:

1. Falls ° < ¾, dann kommt es bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ka-
pitalgrenzproduktivität in beiden Ländern ausgeglichen ist, zu keinem
Überholprozess. Das gilt auch dann, wenn dieser Zeitpunkt nicht in
endlicher Zeit erreicht wird.

2. Wenn die beiden Abschreibungsraten ° und ¾ gleich sind, und wenn


es in endlicher Zeit zu einem Ausgleich der Kapitalgrenzproduktivität
in beiden Ländern kommt (wie im ersten Kapitalmobilitätsmodell von
Abschnitt 5.5), dann sind zu diesem Zeitpunkt auch die totale Faktor-
produktivität und die Arbeitsproduktivität ausgeglichen.

3. Wenn ° größer ist als ¾, wenn zudem sicher gestellt ist, daß zusätzliche
Investitionen die Grenzproduktivität von Kapital negativ beein‡ussen,
und wenn es schließlich in endlicher Zeit zum Ausgleich der Kapitalpro-
duktivität in beiden Ländern kommt, dann ist es bis dahin zu einem
Überholprozeß gekommen.

Das eigentliche Theorem ist recht technisch formuliert, um eine mathe-


matische Überprüfung unabhängig von inhaltlicher Interpretation zu ermög-
lichen. Das Theorem …ndet sich deshalb samt des zugehörigen Beweises im
Anhang.
Die stärkste Aussage des Theorems ist sicherlich die, daß ° > ¾ not-
wendige Bedingung für Überholprozesse ist. Damit läßt sich beispielsweise
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 145

im Abschnitt über Kapitalmobilität mit Anpassungskosten beweisen, daß das


dort behandelte recht komplexe dynamische System nur schwingen kann, also
Zyklen technologischer Führerschaft generiert, wenn diese Bedingung erfüllt
ist. Diese Notwendigkeitsbedingung läßt sich darüberhinaus auf verschiedene
andere mögliche Varianten zur Modellierung von Kapitalmobilität anwenden.
Dagegen ist die im Theorem bewiesene hinreichende Bedingung für das Zu-
standekommen von Überholprozessen nur anwendbar, wenn sichergestellt ist,
daß Kapitalmobilität die Grenzproduktivität von Kapital in beiden Ländern
in endlicher Zeit ausgleicht. Im ersten analysierten Modell zur Kapitalmo-
bilität ohne Anpassungskosten ist das gewährleistet, im Modell mit Anpas-
sungskosten dagegen nicht. Dort muß explizit analysiert werden, wie groß
der Unterschied der relevanten Abschreibungsraten sein muß, damit es zum
Überholprozeß kommt.

5.4 Wechsel technologischer Führerschaft -


die Intuition
Die Intuition für die zentrale Rolle, die Abschreibungsraten für das Zustande-
kommen von Überholprozessen spielen, wird anhand Abbildungen (5.1-5.3)
dargestellt. Dabei beziehen sich gestrichelte Linien auf das Land 2, das zum
Überholprozess ansetzt, und durchgezogene Linien auf den alten Technolo-
gieführer, Land 1. Die kräftigeren Linien im oberen Bereich der drei Abbil-
dungen beschreiben die Entwicklung der Kapitalgrenzproduktivität im Land
1 beziehungsweise im Land 2. Die zwei Linien im unteren Bereich der Ab-
bildungen beschreiben die Entwicklung des privaten Kapitalstocks in beiden
Ländern, Ki , während die zwei Linien im mittleren Bereich der Abbildungen
die zeitliche Entwicklung der totalen Faktorproduktivität in beiden Ländern
beschreiben, T F Pi . Ein relativ höheres Niveau totaler Faktorproduktivität
im Land i bedeutet bei gleicher Ausstattung mit privatem Kapital eine höhere
Grenzproduktivität von Kapital. Umgekehrt geht eine relativ bessere Aus-
stattung mit privatem Kapital bei gleicher totaler Faktorproduktivität mit
einer niedrigeren Grenzproduktivität von Kapital einher. Es wurde angenom-
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 146

Ausgleichsszenario
γ =σ
MPC 2

MPC1

TFP1

TFP2

K1

K2

t0 tˆ = t * t

Abbildung 5.1:

men, daß Land 1 zum Zeitpunkt t0 über mehr privates wie ö¤entliches Kapital
verfügt, und daß der im Hinblick auf die Grenzproduktivität negative E¤ekt
privaten Kapitals den positiven E¤ekt einer höheren totalen Faktorprodukti-
vität überkompensiert - es gilt also zum Zeitpunkt M P C1 (t0 ) < M P C2 (t0 ).
Zum Zeitpunkt t¤ gilt dagegen M P C1 (t¤ ) = M P C2 (t¤ ).
Man betrachte nun zunächst das ”Überholszenario” in Abbildung 5.2 im
Vergleich mit dem ”Ausgleichsszenario” von Abbildung 5.1. Schreiben sich
ö¤entlicher und privater Kapitalstock e¤ektiv mit der gleichen Rate ab, dann
ist das Niveau der unterschiedlichen Kapitalstöcke in beiden Ländern notwen-
digerweise ausgeglichen, wenn die Grenzproduktivität von Kapital in beiden
Ländern zum Zeitpunkt t¤ gleich ist. Die höhere e¤ektive Abschreibungs-
rate des ö¤entlichen Kapitalstocks, im Vergleich zu der des privaten Kapi-
talstocks, bedeutet, daß der Neuigkeitsgrad installierter Maschinen für die
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 147

Überholszenario
γ >σ
MPC 2

MPC1

TFP1

TFP2

K1

K2

t0 ~ tˆ
t t* t

Abbildung 5.2:

Zusammensetzung des ö¤entlichen Kapitalstocks wichtiger ist als für die des
privaten Kapitalstocks. Damit bewegt sich im ”Überholszenario” der akku-
mulierte externe Wissenskapitalstock beider Länder schneller aufeinander zu
als der jeweilige private Kapitalstock. Es kommt deshalb zu einem frühe-
ren Zeitpunkt, in t~ zum Ausgleich der totalen Faktorproduktivität in beiden
Ländern als zum Ausgleich der privaten Kapitalstöcke, in t^. Zu diesem ”-
Überholzeitpunkt” t~ ist die Grenzproduktivität von privatem Kapital immer
noch im Land 2 größer als im Land 1. Es wird also weiterhin mehr im Land 2
investiert als im Land 1, mit positivem E¤ekt auf die totale Faktorprodukti-
vität des ehemals weniger entwickelten Landes. Hat schließlich Land 2 einen
ebenso großen privaten Kapitalstock akkumuliert wie Land 1, dann ist immer
noch die Grenzproduktivität von privatem Kapital im Land 2 größer. Es wird
weiterhin dort investiert, bis schließlich insgesamt abnehmende Grenzerträge
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 148

Persistenzszenario
γ <σ
MPC 2

MPC1

TFP1

TFP2

K1

K2

t0 t* t

Abbildung 5.3:

beider Kapitalarten zum Ausgleich der Kapitalgrenzproduktivitäten führen


- zum Zeitpunkt t¤ .
Das ist möglicherweise das Albtraumszenario schlechthin aus Sicht der
reichen westlichen Welt. Der entscheidende Punkt ist der, daß zum ”Über-
holzeitpunkt” t~ Land 1 immer noch über einen großen private Kapitalstock
verfügt, so daß die Arbeitsproduktivität und damit auch der Lohnsatz höher
ist als im überholenden Land 2 - Neuinvestitionen sind damit dort immer
noch nicht lohnend. Es muß aber betont werden, daß die Argumentation
genau umgekehrt verläuft, wenn sich der private Kapitalstock schneller ab-
schreibt als der ö¤entliche - das ”Persistenzszenario” technologischer Füh-
rerschaft in Abbildung 5.3. Dann gleichen sich die privaten Kapitalstöcke
schneller an als die ö¤entlichen, so daß das technologisch führende Land sei-
ne technologische Führerschaft behält. Darüber hinaus kann zunächst nichts
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 149

über das Ausmaß eines möglichen Überholvorgangs ausgesagt werden, das


heißt darüber, wie groß gegebenenfalls der Produktivitätsvorsprung des ehe-
mals weniger entwickelten Landes im Verlaufe der Entwicklung maximal sein
wird.

5.5 Überholprozesse bei perfekter Mobilität


von Neuinvestitionen
5.5.1 Ausgangsbedingungen
Im folgenden wird die relative Entwicklung zweier Länder analysiert, die
sich allein durch die Geschichte ihrer Kapitalakkumulation unterscheiden und
über eine im Abschnitt 2 beschriebene Cobb-Douglas-Produktionstechnologie
verfügen (siehe das Referenzmodell (5.12)). Es wird angenommen, daß beide
Länder bis zum Zeitpunkt t0 geschlossene Ökonomien waren. Im Land 1
wurde in der Vergangenheit mehr investiert als im Land 2, so daß:

K1 (t) > K2 (t) für alle t · t0


J1 (t) > J2 (t) für alle t · t0

Das heißt, Land 1 hat in der Vergangenheit einen höheren privaten als auch
einen höheren ö¤entlichen Wissenkapitalstock akkumuliert und ist folglich
der Produktivitätsführer im Hinblick auf totale Faktorproduktivität als auch
im Hinblick auf Arbeitsproduktivität. Es wird aber angenommen, daß ins-
gesamt abnehmende Grenzproduktivitäten von Kapital dazu führen, daß die
Grenzproduktivität für privates Kapital im weniger entwickelten Land höher
ist als im hochentwickelten:14
@F (K1 (t0 ); J1 (t0 ); t0 ) @F (K2 (t0 ); J2 (t0 ); t0 )
<
@K @K
14
Die Annahme, daß Land 1 in der Vergangenheit immer mehr investiert hat als Land 2,
ist keine hinreichende Bedingung für höhere Kapitalgrenzproduktivitäten im Land 2. Sehr
unterschiedliche Abschreibungsraten für privates und ö¤entliches Kapital in Verbindung
mit einer sehr asymmetrischen zeitlichen Struktur der Investitionen in der Vergangenheit,
könnten auch für eine höhere Kapitalgrenzproduktivität im ”reichen” Land 1 sorgen.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 150

,
J1 (t0 ) J2 (t0 ) 1¡®
¯
< ¯
with ¯ ´ >1 (5.13)
K1 (t0 ) K2 (t0 ) ´

5.5.2 Das Entscheidungsproblem internationaler Inve-


storen
Es wird realistischerweise angenommen, daß der Kapitalüberschuß im Land
1 nicht einfach transferiert werden kann. Ein Ausgleich internationaler Ka-
pitalproduktivitäten kann nur über Neuinvestitionen erfolgen. Ab dem Zeit-
punkt t0 entscheidet der internationale Kapitalmarkt, wo Neuinvestitionen
durchgeführt werden. Die Frage, wo Neuinvestitionen getätigt werden, ent-
scheidet sich anhand des Barwerts, der sich mit einer Investition in einem
der beiden Länder erzielen läßt. Der Barwert der sich mit der Installation
einer Maschine zum Investitionszeitpunkt ¿ im Land i erzielen läßt, ist:
Z +1
¼ i (¿ ) = e¡r(t¡¿ ) e¡±(t¡¿ ) ®yi (¿ ; t)dt (5.14)
¿

wobei zur Vereinfachung angenommen wird, der Zinssatz r sei konstant in


der Zeit. Setzt man den oben hergeleiteten Term für yi (¿ ; t) (5.6) ein, so
erhält man nach einigen Umformungen:

Z +1
(r+¾)¿
¼ i (¿ ) = e e¡(±+r)t M P Ci (t)dt (5.15)
¿
@F (Ki (t); Ji (t); t)
M P Ci (t) =
@K
Ji (t)´
= A(t)® (5.16)
Ki (t)1¡®
In der Barwertfunktion ¼i (¿ ) (5.15) ist nur die Grenzproduktivität von priva-
tem Kapital, @Fi =@K, länderspezi…sch. Allerdings hängt damit der Barwert
einer aktuellen Investition von der gesamten Geschichte als auch von der
gesamten Zukunft der durch Ii getriebenen Kapitalakkumulation ab. Ein
Investor, der darüber entscheiden muß, in welchem Land eine Investition
lohnender ist, muß also Erwartungen über die zukünftige Entwicklung der
Kapitalakkumulation in jedem Land bilden. Natürlich wird angenommen,
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 151

daß ab dem Zeitpunkt t0 Investitionen dort getätigt werden, wo der erwarte-


te Barwert am höchsten ist.
Man bezeichne nun mit g(¿ ) = I1 (¿ ) + I2 (¿ ) die Summe der Investitionen
in beiden Ländern, wobei angenommen wird, daß g(:) eine stetige Funktion
mit positivem Wertebereich ist. Für Investitionspfade (I1 ; I2 ), die die Er-
wartungen gewinnmaximierender Investoren erfüllen (perfect foresight) muß
gelten:

I1 (¿ ) = 0 und I2 (¿ ) = g(¿ ) > 0 falls ¼ 1 (¿ ) < ¼ 2 (¿ ) (5.17)


I1 (¿ ) = g(¿ ) > 0 und I2 (¿ ) = 0 falls ¼ 1 (¿ ) > ¼ 2 (¿ ) (5.18)
I1 (¿ ) > 0 und I2 (¿ ) > 0 nur wenn ¼ 1 (¿ ) = ¼ 2 (¿ ) (5.19)

Das bedeutet, zu jedem Zeitpunkt sind echt positive Investitionen in einem


Land nur vereinbar mit perfect foresight, wenn der Barwert einer Investiti-
on in dem betre¤enden Land zu diesem Zeitpunkt mindestens so groß ist,
wie der einer Investition im anderen Land. Ein Paar von Investitionspfa-
den, die diese Eigenschaft erfüllen, wird gleichgewichtiger Investitionspfad
genannt. Die Frage ist nun, welche Aussagen sich über einen gleichgewich-
tigen Investitionspfad in Abhängigkeit von der Entwicklung der relativen
Kapitalgrenzproduktivitäten tre¤en lassen. Es ist naheliegend zu vermuten,
daß ein gleichgewichtiger Investitionspfad folgendermaßen aussieht: Ab dem
Zeitpunkt der ”Grenzö¤nung” werden ausschließlich Neuinvestitionen in dem
Land getätigt, in dem die Grenzproduktivität von privatem Kapital höher
ist. Die Kapitalgrenzproduktivitäten sollten dann irgendwann ausgeglichen
sein, und man sollte erwarten, daß sich ab diesem Zeitpunkt Neuinvestitio-
nen derart auf beide Länder verteilen, daß die Kapitalgrenzproduktivitäten
ausgeglichen bleiben.
Damit ein Investitionspfad mit diesen Eigenschaften ein gleichgewichtiger
Investitionspfad sein kann, muß sichergestellt sein, daß verstärkte Neuinve-
stitionen im Land mit der höheren Grenzproduktivität von Kapital zu einem
Rückgang der Kapitalproduktivität führen. Anderenfalls würden auf Dauer
alle Neuinvestitionen in Land 2 getätigt. Man betrachte deshalb die zeitliche
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 152

Entwicklung der Grenzproduktivität von Kapital im Land i:


à !
d ¾t °t
dt
M P Ci _ e (1 ¡ ®) e ´
= A=A+(1¡®)±¡´Á + ¡ Rt + Rt £Ii
M P Ci e¾x Ii (x)dx e°x Ii (x)dx
¡1 ¡1
| {z }
Investitionsef f ekt
(5.20)
Der Teilterm in runden Klammern auf der rechten Seite der Gleichung, der
Investitionse¤ekt, bestimmt, ob positive Neuinvestitionen die Grenzprodukti-
vität von Kapital vermindern. Im folgenden Lemma wird gezeigt, daß dieser
E¤ekt tatsächlich negativ ist, wenn (1 ¡ ®) > ´ und wenn die Di¤erenz
zwischen ° und ¾ nicht zu groß ist.

Lemma 1 Falls (1 ¡ ®) > ´ und falls ° · ¾ + " für " positiv und beliebig
klein, dann ist der Investitionse¤ekt negativ:
à !
e¾t (1 ¡ ®) e°t ´
¡ Rt + Rt <0
¡1
e¾x Ii (x)dx ¡1
e°x Ii (x)dx
Beweis: Die behauptete Ungleichung ist o¤ensichtlich erfüllt für ° = ¾.
Rt
Zudem ist die Ableitung eines Kapitalstocks e¡°t ¡1 e°x Ii (x)dx in bezug auf
seine Abschreibungsrate ° negativ, also gilt die Ungleichung für alle ° · ¾+".
Q.E.D.
Damit läßt sich das folgende Resultat beweisen:

Satz 5.1 Falls die Grenzproduktivität von privatem Kapital im Land 2 zum
Zeitpunkt t0 höher ist als im Land 1, dann gilt für alle t > t0 :

1. I1 (t) = 0 bis die Kapitalgrenzproduktivität in beiden Ländern gleich ist.

2. Falls die Grenzproduktivität von privatem Kapital beider Länder in end-


licher Zeit ausgeglichen sind, zu einem Zeitpunkt t¤ > t0 dann ist die
Grenzproduktivität ab diesem Zeitpunkt für immer in beiden Ländern
gleich.

3. Es existiert ein endliches t¤ falls (i) (1 ¡ ®) > ´ (ii) die Di¤erenz


zwischen ° und ¾ nicht zu groß ist und falls (iii) die Wachstumsrate
des gesamten Investitionsvolumens g nicht negativ ist.

Der Beweis …ndet sich im Anhang.


KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 153

5.5.3 Ein möglicher Wechsel internationaler technolo-


gischer Führerschaft
Im Hinblick auf möglicherweise von Kapitalmobilität ausgelöste Überholpro-
zesse stellt sich nun die Frage, ob zum Zeitpunkt t¤ ; zu dem die Grenzproduk-
tivität von privatem Kapital in beiden Ländern zum ersten Mal ausgeglichen
ist, die Totale Faktorproduktivität im Land 2 höher ist als im Land 1. Zum
Zeitpunkt t¤ gilt:
Z t0
J1¤ = e¡Át
e°¿ I1 (¿ )d¿
¡1
µZ t0 Z t¤ ¶
J2¤ = e¡Át °¿
e I2 (¿ )d¿ + °¿
e g(¿ )d¿
¡1 t0
Z t0
K1¤ = e¡±t
e¾¿ I1 (¿ )d¿
¡1
µZt0 Z t¤ ¶
K2¤ = e¡±t ¾¿
e I2 (¿ )d¿ + ¾¿
e g(¿ )d¿
¡1 t0

sowie:
J1¤ ´ J2¤ ´
M P C1 (t¤ ) = A(t¤ )® = A(t¤
)® = M P C2 (t¤ )
K1¤1¡® K2¤1¡®
,
R t0 Ã R t0 !(1¡®)=´
¡1
e°¿ I1 (¿ )d¿ ¡1
e¾¿ I1 (¿ )d¿
R t0 R ¤ = R t0 R ¤ (5.21)
e°¿ I (¿ )d¿ + t e°¿ g(¿ )d¿ e¾¿ I (¿ )d¿ + t e¾¿ g(¿ )d¿
¡1 2 t0 ¡1 2 t0

Falls ° = ¾, das heißt, falls die e¤ektiven Abschreibungsraten des privaten


und des ö¤entlichen Kapitalstocks gleich sind, dann stimmen jeweils Zähler
und der Nenner auf beiden Seiten der letzten Gleichung überein. Damit
folgt aus (1 ¡ ®) 6= ´, daß J1¤ = J2¤ und K1¤ = K2¤ gelten muß. Damit ist der
folgende Satz schon bewiesen:

Satz 5.2 Sind die e¤ektiven Abschreibungsraten des privaten und des ö¤ent-
lichen Kapitalstocks gleich, und gilt (1 ¡ ®) > ´, dann kommt es niemals zu
einem Überholprozeß.

Falls also die aggregierte Produktionsfunktion insgesamt abnehmende


Grenzerträge aufweist, kann es nur zu einem Überholprozess kommen, wenn
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 154

die e¤ektiven Abschreibungsraten für privates und für ö¤entliches Kapital


ungleich sind. Das heißt, daß das Vorliegen von durch Neuinvestitionen
ausgelösten externen E¤ekten allein nicht zu Überholprozessen führen kann.
Oder anders ausgedrückt, die Stärke des externen E¤ektes, gemessen in der
Größe der Produktionselastizität des akkumulierten externen E¤ektes ist in
diesem Kapitalmobilitätsmodell für das Zustandekommen von Überholpro-
zessen nicht entscheidend. Im Hinblick auf die Frage, in welcher Hinsicht
die e¤ektiven Abschreibungsraten unterschiedlich sein müssen, damit es zu
einem Überholprozess kommt, gilt der folgende Satz:

Satz 5.3 Gilt (1 ¡ ®) > ´ und sind die e¤ektiven Abschreibungsraten des
privaten und des ö¤entlichen Kapitalstocks nicht zu unterschiedlich, dann ist
die totale Faktorproduktivität sowie die Arbeitsproduktivität zum Zeitpunkt t¤
im Land 2 höher als im Land 1, wenn ° > ¾. Dagegen bleibt Land 1 bis zum
Zeitpunkt t¤ das technologisch führende Land, wenn ° < ¾.

Dieser Satz folgt unmittelbar unter Anwendung des im Abschnitt 3 darge-


stellten Theorems (zu dessen mathematischer Formulierung siehe im Anhang
dieses Kapitels).

5.6 Kapitalmobilität mit Anpassungskosten


Die Modellierung von Kapitalmobilität im letzten Abschnitt war insofern
unrealistisch, als impliziert wurde, daß bis zum Ausgleich der Grenzproduk-
tivität von privatem Kapital in beiden Ländern keinerlei Neuinvestitionen im
hochentwickelten Land getätigt werden. Es gibt eine ganze Reihe möglicher
Ursachen für weniger perfekte Kapitalmobilität. So analysieren Cohen und
Sachs (1986) die Auswirkungen unzureichender nationaler Kreditwürdigkeit.
Danach wird eine nationale Regierung dann die Rückzahlung seiner interna-
tionalen Schulden verweigern, wenn sich das betre¤ende Land bei dauerhafter
Abkopplung vom internationalen Kreditmarkt besser stellt, als bei Rückzah-
lung der Schulden. Internationale Kreditgeber antizipieren dieses Verhalten,
so daß eine natürliche Verschuldungsgrenze für jedes Land entsteht. Der
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 155

naheliegende Ausweg aus einem solchen Problem besteht in Direktinvesti-


tionen, bei denen die internationalen Investoren das Eigentum am Kapital
des unterentwickelten Landes erwerben. Allerdings sollte man dann erwar-
ten, daß internationale Investoren ausschließlich Eigentum an physischem
Kapital erwerben können. Barro et al. (1995) analysieren diesen Fall, bei
dem Humankapital nicht international beleihbar ist. Kapitalmobilität führt
dann zu einer Beschleunigung des Aufholprozesses weniger weit entwickel-
ter Volkswirtschaften. Es kann aber ohne externe E¤ekte nicht zu einem
Überholprozeß kommen.

5.6.1 Ein Wachstumsmodell mit Installationskosten


Eine andere und naheliegende Möglichkeit, den Prozeß internationaler Ka-
pitalreallokation zu ”glätten”, d.h. zu verlangsamen, besteht in der Einfüh-
rung von Installationskosten, wie sie auch von Cohen und Sachs verwendet
wurden. Eine explizite Analyse des dynamischen Verhaltens führen Barro
und Sala-i-Martin (1995a, Kapitel 3.5.) durch. Allerdings wird dabei weder
ein ö¤entlicher Wissenskapitalstocks noch Kapitalgebundenheit technischen
Fortschritts berücksichtigt. Die Kosten der Installation von I Maschinen sind
dann:
C I = I ¢ (1 + £) (5.22)

wobei £ eine steigende Funktion in I=K ist, dem Verhältnis der zu instal-
lierenden Maschinen zum vorhandenen Kapitalstock eines repräsentativem
Unternehmen in dem betre¤enden Land. Tatsächlich sollte man annehmen,
daß dieser Zusammenhang für Investitionen und Kapitalstöcke gilt, die je-
weils in E¢zienzeinheiten gemessen werden. K ist der private ökonomische
Wert des Kapitalstocks (siehe bei Solow (1959)), in dem E¢zienzsteigerungen
berücksichtigt sind, während I in Einheiten gemessen wird, die mit der Zeit
aufgrund der Tatsache an Wert verlieren, daß neuere Maschinen leistungsfä-
higer sind als alte. £ sollte sich also als steigende Funktion von e(¾¡±)t ¢ I=K
schreiben lassen. Die Installationskosten für eine in E¢zienzeinheiten gemes-
sene Anzahl von Maschinen ist also um so höher, je kleiner der vorhandene
Kapitalstock des repräsentativen Unternehmens in dem betre¤enden Land
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 156

ist. Dieser Zusammenhang wurde, allerdings ohne Berücksichtigung externer


E¤ekte, in den Arbeiten von Hayashi (1982) sowie Abel und Blanchard (1983)
zur neoklassischen Interpretation von Tobin’s q, dem empirisch beobachtba-
ren Verhältnis von Marktwert zu Buchwert von Unternehmen, verwendet.
Ein Unternehmen, das über einen repräsentativen Durchschnitt aller in
der Ökonomie installierten Maschinenjahrgänge verfügt, hat zu einem belie-
bigen Zeitpunkt t0 das folgende Maximierungsproblem zu lösen:
Z 1
© ª
max V (t0 ) = e¡¹r(t) Y ¡ w ¡ I(1 + £(e(¾¡±)t ¢ I=K)) dt
I(t) t0
mit K_ = Ie(¾¡±)t ¡ ±K
K(t0 ) = K0
J(t0 ) = J0
Rt
Wobei r¹(t) ´ 1t t0 r(x)dx der zwischen t0 und t akkumulierte Abzinsungs-
faktor ist. Notwendige Bedingung für ein Maximum von V (t0 ) ist die Maxi-
mierung der Hamiltonian zu jedem Zeitpunkt:
© ¡ ¢ª
H = e¡¹r(t) Y ¡ wL ¡ I(1 + £) + q Ie(¾¡±)t ¡ ±K

wobei q(t) der Schattenpreis der Beschränkung für K_ zum jeweiligen Zeit-
punkt ist. Mit den Bedingungen erster Ordnung: @H=@I = 0 und q_ =
qr ¡ er¹(t) @H=@K und den Beschränkungen für K_ und J_ ergibt sich das Glei-
chungssystem:15

qe(¾¡±)t = (1 + £ + I ¢ 1=K ¢ £0
¡ ¢
q_ = q (r + ±) ¡ MP C ¡ I£0 ¢ e(¾¡±)t ¢ (¡I=K 2 )
K_ = Ie(¾¡±)t ¡ ±K
J_ = Ie(°¡Á)t ¡ ÁJ (5.23)

Man beachte, daß die Unternehmen den Ein‡uß, den sie mit ihren Inve-
stitionen auf den Ö¤entlichen Kapitalstock ausüben, nicht berücksichtigen.
15
Man beachte, daß die Lösung des Maximierungsproblem hinsichtlich des Arbeitseinsat-
zes schon gelöst wurde und die verwendete Produktionsfunktion implizit de…nierte - siehe
den Abschnitt über die vintage-Produktionsfunktion.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 157

D.h. die Beschränkung für J_ wird zwar das dynamische Verhalten der Öko-
nomie beein‡ussen, aber nicht das Maximierungsverhalten und damit die
Hamiltonian der Firmen.
In einem geschlossenen Land, in dem Haushaltsdynastien, denen das Pro-
duktivvermögen der Ökonomie gehört, mit unendlichem Zeithorizont in übli-
cher Weise ihr intertemporales Nutzenmaximierungsproblem lösen, bestimmt
sich die zeitliche Entwicklung des Zinssatzes r(t) endogen. Aus:
Z 1 µ 1¡µ ¶
C ¡ 1 ¡½t
max e dt
C(t) t0 1¡µ
folgt:
C_ = C ¢ (r ¡ ½) =µ
wobei ½ die Zeitpräferenzrate der Haushalte und µ die inverse intertemporale
Substitutionselastizität des Konsums ist. Unter Berücksichtigung der Res-
sourcenbeschränkung Y = I + C und mit e(¾¡±)t ¢ I=K = µ¡1 lassen sich die
Funktionen I(t) und C(t) eliminieren, und man erhält ein kompliziertes ex-
plizites Di¤erentialgleichungssystem in den Variablen K(t); J(t) und q(t). Es
läßt sich zeigen, daß dieses System einen eindeutigen steady state besitzt, so
¡ ¢
daß die beiden Transversalitätsbedingungen (limt!1 q(t) ¢ K(t) ¢ e¡(¹r(t)¡g)t
¡ ¢
= limt!1 K(t) ¢ e¡¹r(t)t = 0) als hinreichende Bedingungen für eine Lösung
des Nutzen- und des Gewinnmaximierungsproblems erfüllt sind.

5.6.2 Ein dynamischer Aufholprozeß gegenüber einer


steady-state-Welt
Um zu untersuchen, ob ein weniger entwickeltes Land ein ehemals höher ent-
wickeltes Land im Verlauf des Aufholprozesses überholt, wäre es erforderlich,
für beide Länder je ein Di¤erentialgleichungssystem in Ji ; Ki ; qi aufzustel-
len. Zusätzlich müßte aus intertemporaler Nutzenmaximierung der Haushal-
te das dynamische Verhalten des in beiden Ländern einheitlichen Zinssatzes
bestimmt werden. Es würde dann ein Di¤erentialgleichungssystem aus sie-
ben Gleichungen in ebensovielen Variablen gelöst werden müssen. Hier wird
dagegen ein einfacherer Weg eingeschlagen. Es wird das Aufholverhalten ei-
nes weniger entwickelten Landes im Vergleich zu einer ”steady-state-Welt”
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 158

untersucht. Diese Vereinfachung, wie sie auch von Barro und Sala-i-Martin
(1995a, Kapitel 3.5) vorgenommen wird, hat zwei Vorteile. Zum einen muß
nur noch das Di¤erentialgleichungssystem eines Landes untersucht werden
und zum anderen kann angenommen werden, daß der international gültige
Zinssatz während des Aufholprozesses konstant bleibt.
Es scheint möglicherweise angebracht anzunehmen, daß sich die westli-
chen Industrienationen über längere Zeit in ihrem Wachstumsprozeß ihren
steady state Wachstumsraten weitgehend angenähert hatten, während die
Länder Südostasiens noch relativ weit von ihrem steady state entfernt waren.
Problematisch ist aber die Annahme, daß der Kapitalbedarf der aufholenden
Länder keinen Ein‡uß auf das weltweite Zinsniveau hat. Tatsächlich sollte
man annehmen, daß der hohe Kapitalbedarf Südostasiens dafür sorgt, daß
sich die westlichen Industrienationen von ihrem steady state entfernen, weil
weniger investiert wird als für das Aufrechterhalten des steady state not-
wendig wäre. Ein Aufholprozeß würde bei Berücksichtigung solcher E¤ekte
beschleunigt und auch Überholprozesse würden in der 7-Gleichungsvariante
eher auftreten als in der hier untersuchten 3-Gleichungsvariante.

Das Di¤erentialgleichungssystem

Um das Gleichungssystem (5.23) vollständig und gegebenenfalls auch nu-


merisch, quantitativ beschreiben zu können, soll angenommen werden, die
aggregierte Produktionsfunktion habe die oben angegebene Cobb-Douglas-
Form mit 1 ¡ ® > ´ und der externe, nicht kapitalgebundene Fortschritt
A(t) wachse immer mit der konstanten steady-state-Rate x. Darüberhinaus
soll die Investitionskostenfunktion £, wiederum in Anlehnung an Barro und
Sala-i-Martin, folgendermaßen spezi…ziert werden:
I
£ = 1=2 ¢ b ¢ e(¾¡±)t ¢ (5.24)
K
Dann läßt sich das Gleichungssystem (5.23) in Variablen ausdrücken, die im
steady state konstant sind (siehe dazu im Anhang):
:
^ PC + 1
q^ = q^ (r + ¾) ¡ (M q ¡ 1)2 )
¢ (^
2b
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 159
:
^ = K((^
K ^ q ¡ 1=b) ¡ (g + ¾))
:
J^ = K(^
^ q ¡ 1)=b ¡ (g + °)J^ (5.25)
^ 0) = K
K(t ^0
^ 0 ) = J^0
J(t

wobei g die steady-state-Wachstumsrate des Outputs bezeichnet. Es gilt:


g = [x + ® (¾ ¡ ±) + ´ (° ¡ Á)]=[1 ¡ ® ¡ ´] (siehe dazu im Anhang). Zudem
werden die folgenden De…nitionen verwendet:

I^ ´ Ie¡gt
^ ´ Ke¡(g+¾¡±)t
K
J^ ´ Je¡(g+°¡Á)t
q^ ´ qe¡(¾¡±)t
^ P C ´ ®J^´ K
M ^ ®¡1

Im steady state sind die drei Di¤erentialgleichungen mit Null erfüllt. Da-
mit lassen sich die steady state Werte für die drei Variablen bestimmen:

q^¤ = 1 + (¾ + g)b
µ ¶
^ ¤ ¾ + g ´=(1¡®¡´) ³ ^ ´1=(1¡®¡´)
K = ®=M P C ¤
g+°
µ ¶(1¡®)=(1¡®¡´) ³ ´1=(1¡®¡´)
^¤ ¾+g ^ C¤
J = ®=MP
g+°
^ C ¤ = (2¾ + ¾ 2 b + 2r + 2r¾b + 2rgb ¡ bg 2 )=2
MP

Das Di¤erentialgleichungssystem hat einen Freiheitsgrad, da der Anfangs-


wert für q nicht bekannt ist. Um die Transversalitätsbedingung für das dy-
namische Gewinnmaximierungsproblem der Unternehmen zu erfüllen, muß
q(t0 ) so gewählt werden, daß das System in den steady state konvergiert.
Umgekehrt wird es für verschiedene Ausgangssituation K(t0 ); J(t0 ) verschie-
dene stabile Pfade in den steady state geben. Alle diese Pfade de…nieren eine
zweidimensionale stabile Mannigfaltigkeit. Es kann also erwartet werden, daß
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 160

die charakteristische Matrix des linearisierten Di¤erentialgleichungssystems


im steady state zwei negative Eigenwerte haben wird. Die charakteristische
Matrix des linearisierten Di¤erentialgleichungssystems ist:
0 @ : : : 1 0 1
q^ @@K^ q^ @@J^ q^
@ q^ : r ¡ g (1 ¡ ®)M ^ ¤ ¡´ M
^ P C ¤ =K ^ P C ¤ =J^¤
B : : C B C
B @ K ^ @ K ^ @ K ^ C =@ 0 K^ ¤ =b 0 A
@ @ q^ : @ K : @ J : A
^ ^
@ ^ ^ ¤
K =b ¾ + g ¡(g + °)
@ q^
J @@K^ J^ @@J^ J^ ¤ ^ ¤ ^¤
j^
q ;K ;J

Das charakteristische Polynom dieser Matrix hat die Form X 3 + a1 X 2 +


a2 X +a3 , wobei a1 ; a2 und a3 Konstanten sind, die sich aus den Komponenten
der Matrix zusammensetzen. Solange die Diskriminante der Ableitung die-
ses Polynoms (3a2 ¡ a21 ) nicht gerade Null ist, hat dieses Polynom im Raum
der komplexen Zahlen genau drei Lösungen - die Eigenwerte der Matrix.
Die zugehörigen Eigenvektoren der Matrix v1 ; v2 ; v3 sind linear unabhängige
Lösungen des linearisierten Di¤erentialgleichungssystems, und jede Lösung
dieses linearen Systems läßt sich als Linearkombination dieser drei Vektoren
darstellen. Für alle sattelpunktstabilen Lösungen des linearisierten Systems
darf ein Lösungsvektor keine echt positive Komponente enthalten, da das
System sonst für t ! 1 nicht konvergiert. Die sattelpunktstabilen Lösun-
gen des linearisierten Systems werden also als Linearkombination allein der
Eigenvektoren dargestellt, die zu den Lösungen mit negativem real-Teil des
charakteristischen Polynoms gehören.16
Falls nun die negativen Eigenwerte einen verschwindenden imaginären
Teil haben, dann konvergiert das System ohne Schwingungen in den steady
state, und es bietet sich die folgende Vorgehensweise an, um zu überprüfen,
ob das aufholende Land auf dem Weg in den steady state die ”steady-state-
Welt” überholt: Die negativen Eigenvektoren spannen eine Ebene auf, die
die stabile Mannigfaltigkeit im steady state berührt. Zu jedem stabilen Pfad,
das heißt zu jeder möglichen Ausgangssituation K(t0 ); J(t0 ) gehört ein Vek-
tor in der linearisierten Ebene, der diesen Pfad im steady state tangiert.
Jeder dieser Vektoren läßt sich als Linearkombination der zu den negativen
16
Zu diesen mathematischen Grundlagen vergleiche man die Darstellung beispielsweise
bei Königsberger (1992, 170¤) sowie bei Bronstein und Semendjajew (1981, 123¤).
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 161

Eigenwerten gehörenden Eigenvektoren der angegebenen Matrix darstellen.


Ist das Steigungsverhältnis zweier Variablen im steady state bekannt, dann
ist ein stabiler Pfad und damit ein zugehöriger tangentialer Vektor festgelegt.
Ein Land mit einem Investitionsnachholbedarf startet mit einem höherem
als dem steady state Wert für q^. q^ wird also auf dem Weg in den steady state
fallen. Dagegen wird J^ zunächst steigen. Überschreitet J^ auf dem Weg in
den steady state den steady state Wert J^¤ , dann ist es zu einem Überholpro-
zeß gekommen, und J^ wird schließlich wieder auf den steady state Wert J^¤
fallen. Damit ist es in jedem Fall zu einem Überholprozeß gekommen, falls
^ q > 0 im steady state gilt. Falls dJ=d^
dJ=d^ ^ q = 0 so ist ein Vektor, und damit
der zugehörige stabile Pfad festgelegt. Man kann nun untersuchen, woher
dieser stabile Pfad gekommen ist, das heißt, welche Ausgangssituationen zu
diesem Pfad gehören können. Führt man dieses Verfahren für verschiedene
^ q = 0 im
Parameterwerte ¾; °; r; g; b; ®; ´ durch, zeigt sich, daß, falls dJ=d^
steady state gilt, und zudem ° nur wenig größer ist als ¾, dann implizieren
mögliche Ausgangsituationen ein Verhältnis von J(t ^ 0 ), daß kleiner ist
^ 0 )=K(t
als das steady-state-Verhältnis J^¤ =K
^ ¤ . Das heißt, falls es gerade nicht zu
einem Überholprozeß kommt und falls die e¤ektive Abschreibungsrate des
ö¤entlichen Kapitalstocks unwesentlich größer ist als die des privaten Ka-
pitalstocks, dann muß das aufholende Land mit einem relativ ungünstigen
Verhältnis von ö¤entlichem zu privatem Kapitalstock gestartet sein.

Überholprozesse bei schwingendem Konvergenzverhalten

Wird die Di¤erenz zwischen ° und ¾ dagegen größer, dann hat die cha-
rakteristische Matrix zwei komplexe Eigenwerte mit negativem realen Teil
- das System schwingt und es kommt dann in jedem Fall in endlicher Zeit
^ C-
zu einem Überholprozeß. In Abbildung 5.4 ist ein solcher Fall im q^; MP
:
Raum dargestellt. Die eingezeichnete q^= 0-Linie ergibt sich aus der Relation
^ P C = q^(r +¾) ¡ (^
M q ¡ 1)2 =2b (siehe die erste Gleichung des Systems (5.25)).
Der steady-state-Wert q^¤ liegt im linken Schnittpunkt dieser Linie mit der
Wagerechten M ^ PC = M ^ P C ¤ . In der Nähe des steady state verhält sich
das zu analysierende Di¤erentialgleichungssystem (5.25) wie das linearisierte
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 162

MPC q<0

MPC*

q=0
q>0

q* q

Abbildung 5.4:

System, das heißt, es schwingt regelmäßig und gedämpft. Man beachte, daß
alle stabilen Pfade deshalb in der Nähe des steady state den in Abbildung
5.4 dargestellten Verlauf nehmen müssen. Damit ist sichergestellt, daß es zu
jedem Pfad, der in den steady state konvergiert, einen Zeitpunkt t0 gibt, so
:
daß M ^ PC > M ^ P C ¤ ; q^ > q^¤ ; q^< 0; d M^ P C < 0 an dieser Stelle gilt. Daraus
dt
folgt, daß ein stabiler Pfad, ausgehend von t0 den steady-state-Wert MP ^ C¤
:
erst erreichen kann, wenn vorher q^ < q^¤ oder q^> 0 gegolten hat.
Man betrachte nun in den Abbildungen 5.5 und 5.6 das Verhalten des
:
Systems im J; ^ q^-Raum. Die q^= 0-Linien ergeben sich aus der Relation J^ =
:
^ (1¡®)=´ ( 1 (^
K ^ 0-Linien aus der Relation
q ¡ 1)2 =2b))1=´ , die J=
q (r + ¾) ¡ (^
®
J^ = K(^
^ q ¡ 1)=[b(g + °)] (siehe die dritte Gleichung des Systems (5.25)).
: :
Die durchgezogenen q^= 0- beziehungsweise J= ^ 0-Linien in Abbildung 5.5
gehören zu einem Wert von K^ <K ^ ¤ , die in Abbildung 5.6 zu einem Wert von
K^ >K ^ ¤ . Die gestrichelten Linien sind jeweils die zum steady-state-Wert K

: :
gehörigen q^= 0- und J= ^ 0-Linien. Da d (K ^ (1¡®)=´ ) > d K
^ = 1 für 1¡® > ´
^
dK ^
dK
gilt, ist sichergestellt, daß der Schnittpunkt der durchgezogenen Linien für
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 163

J
k=0 J=0

J*

q=0

q* q

Abbildung 5.5:

K^ <K ^ ¤ links unterhalb und für K^ <K ^ ¤ rechts oberhalb des Schnittpunkts
:
^
der gestrichelten Linien liegt. Dagegen ist die senkrechte K= 0-Linie (aus der
ersten Gleichung des Systems (5.25)) unabhängig von K. ^ Zu jedem stabilen
:
Pfad muß ^ <K
es demnach ein t0 geben, so daß q^ > q^¤ , K ^ ¤ , J^ < J^¤ , q^< 0,
: :
^ 0, J>
K> ^ 0 an dieser Stelle gilt.
: :
Solange ^ 0, und der Schnittpunkt der q^= 0-
nun q^ > q^¤ ist auch K>
:
^ 0-Linie bewegt sich nach rechts oben in Richtung steady state
mit der J=
(Abbildung 5.5). Es kommt nicht zu einem Überholprozess, wenn der stabile
: :
^ 0-Linie von
Pfad von rechts unten und der Schnittpunkt aus q^= 0- und J=
links unten gemeinsam in den steady state konvergieren. Es kann auch ohne
Schwingungen zu einem Überholprozess kommen. In diesem Fall konvergiert
der stabile Pfad von rechts oben und der Schnittpunkt weiterhin von links
unten in den steady state. Damit der stabile
:
Pfad von rechts oben kommen
^ 0-Linie durchschritten haben.
kann, muß er selbstverständlich zuvor die J=
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 164

J
J=0
k=0

q =0
J*

q* q

Abbildung 5.6:

In Abbildung 5.6 ist der Fall schwingenden Verhaltens dargestellt. K ^ hat


den steady-state-Wert überschritten, bevor der stabile
:
Pfad den steady state
:
erreicht hat. Der Schnittpunkt aus q^= 0- und J=^ 0-Linie liegt demzufolge
rechts oberhalb vom steady-state-Schnittpunkt. K ^ muß nun wieder abgebaut
werden, d.h. der stabile Pfad muß die q^¤ -Linie überschreiten, und es kommt
^ und J.
zu Zyklen in q^; K ^
Diese Beobachtungen werden im folgenden Satz zusammengefaßt.

Satz 5.4 Falls die Eigenwerte der charakteristischen Matrix des Di¤erenti-
algleichungssystems (5.25) komplexe Zahlen mit nicht verschwindendem ima-
ginären Teil sind, d.h. falls das System im Raum der reellen Zahlen schwingt,
dann existiert zu jedem stabilen Pfad in der Nähe des steady state ein Zeit-
punkt t0 , so daß an dieser Stelle folgendes gilt:
: :
1. M^ PC > M
^ P C ¤, d ^
MPC ^ <K
< 0, q^ > q^¤ , K ^ ¤ , J^ < J^¤ , q^< 0, K>
^ 0,
: dt
^ 0
J>
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 165
:
^ erreicht, ausgehend von t0 , den steady state Wert J^¤ bevor J=
2. J(t) ^ 0
gilt.
:
3. Der Zeitpunkt zu dem, ausgehend von t0 , zum ersten Mal J=^ 0 erreicht
:
wird, liegt früher als der, zu dem erstmals q^= 0 gilt und auch früher
als der, zu dem erstmals q^ < q^¤ gilt.

4. Jeder stabile Pfad erreicht den steady-state-Wert J^¤ bevor M


^ PC =
M^ P C ¤ erstmals gilt.

Damit gilt auch der nächste Satz:

Satz 5.5 Das System kann nur schwingen, wenn ° > ¾.

Der Beweis …ndet sich im Anhang

Überholprozeß und kritische Abschreibungsraten

Die entscheidende Frage ist nun, wie groß die Di¤erenz zwischen ° und ¾ sein
muß, damit das System schwingt. Die Frage, ob das Di¤erentialgleichungs-
system in der Nähe des steady state schwingt, ist gleichbedeutend mit der
Frage, ob das charakteristische Polynom der Matrix nur eine rein reellwertige
Nullstelle hat. Entscheidend ist demnach das Vorzeichen der Diskriminante
des charakteristischen Polynoms:

D = a21 a22 ¡ 4a32 ¡ 4a1 a3 ¡ 27a23 + 18a1 a2 a3

D = f(¾; °; r; g; b; ®; ´) ist eine Funktion in allen verwendeten Parametern.


Damit läßt sich für beliebige Parameter ¾; r; g; b; ®; ´ ein kritischer Wert für
Q ´ °=¾ …nden, so daß f (¾; °; r; g; b; ®; ´) = 0 - das System schwingt dann
gerade eben nicht. Für die Parameter lassen sich Schätzwerte verwenden, wie
sie üblicherweise in empirischen Arbeiten verwendet werden oder in empiri-
schen Arbeiten ermittelt wurden. Es wurden die folgende Parameter-Werte
verwendet.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 166

² ¾ = 0:06 Die häu…g verwendete Standardabschreibungsrate ± für phy-


sisches Kapital ist 0.05. 0:01 wurde als E¤ekt des kapitalgebundenen
Fortschritts hinzuaddiert. Ein höherer Wert für ¾ führt schon bei klei-
nerer Relation Q = °=¾ zu einem schwingenden Verhalten des Systems.

² r = 0:05 ist ein Standardwert für den Realzins im steady state. Ein hö-
herer steady-state-Realzins führt erst bei größerem Q zu einem schwin-
genden Verhalten des Systems.

² g = 0:02 entspricht in etwa der langfristigen, durchschnittlichen Wachs-


tumsrate der Vereinigten Staaten und kann hier als proxy für die
steady-state-Wachstumsrate genommen werden. Eine höhere steady-
state-Wachstumsrate führt erst bei größerem Q zu einem schwingenden
Verhalten des Systems.

² ® = 0:5. Faßt man den privaten Kapitalstock eng als physisches Ka-
pital auf, dann wäre ein Wert von etwa ® = 0:4 als typischer Einkom-
mensanteil der Kapitaleinkünfte am Volkseinkommen angezeigt. Insge-
samt sollte ® aber den Einkommensanteil aller privat akkumulierbaren
Faktoren messen, womit ein größerer Wert als 0.4 sicherlich angebracht
ist. Barro und Sala-i-Martin vertreten in ihren empirischen Arbeiten
die Ansicht, ® sollte wesentlich größer als 0.5 sein. Sie begründen Wer-
te von 0.75 und höher mit dem Hinweis darauf, daß anderenfalls die
berechnete Konvergenzgeschwindigkeit von Volkswirtschaften zu groß
ist, um sich mit ihren empirischen Ergebnissen in Einklang bringen
zu lassen. Andererseits berücksichtigen Barro und Sala-i-Martin keine
akkumulierbaren externen E¤ekte. Ein Wert von 0.5, wie hier verwen-
det, scheint deshalb ein vernünftiger Kompromiß zu sein. Ein höherer
Wert für ® führt schon bei kleinerer Relation Q zu einem schwingenden
Verhalten des Systems.

² ´ = 0:25 oder 0:125. Die kritische Relation Q = °=¾ reagiert erwar-


tungsgemäß sensibel auf Variationen von ´. Höhere ´-Werte führen
schon bei kleinerem Q zu Schwingungen und damit zu einem Überhol-
prozeß. Die vielbeachtete empirische Arbeit von De Long und Summers
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 167

(1991) zu den positiven Wachstumse¤ekten von Ausrüstungsinvestitio-


nen zeigt, daß es in verschiedenen Sektoren erhebliche Unterschiede
zwischen privater und ö¤entlicher Grenzproduktivität von Investitio-
nen gibt. Sind externe E¤ekte, wie die hier verwendeten, dafür ver-
antwortlich, lassen sich auch im Durchschnitt aller Sektoren recht hohe
Werte für ´ rechtfertigen.17

² q^¤ = 1:1; 1:2; 1:3; 1:4. Der Parameter b impliziert den steady-state-Wert
von q^. Über Tobin’s q, als dem Verhältnis von Marktwert zu Buchwert
von Unternehmen liegen empirische Arbeiten vor, zum Beispiel die von
Blanchard et al. (1993). Die hier dokumentierten Ergebnisse beziehen
sich auf Werte von q^¤ , die den Bereich der Ergebnisse dieser Studie
abdecken.

Die folgende Tabelle dokumentiert die Ergebnisse für die angegebenen


Parameter-Werte:

Q = °=¾ q^¤ = 1:1 q^¤ = 1:2 q^¤ = 1:3 q^¤ = 1:4


´ = 0:125 136% 115% 105:4% 101:2%
´ = 0:25 110% 101:8% ' 100% 101:5%

Die Ergebnisse zeigen, daß der Unterschied zwischen den e¤ektiven Ab-
schreibungsraten für realistische Parameterkonstellationen nicht sehr groß
sein muß, damit es zu einem Überholprozeß kommt. Interessanterweise ver-
hält sich die für das Zustandekommen von Schwingungen kritische Relation
Q nicht monoton bei Variationen von q^¤ . Für unrealistisch kleine Werte
(<1.1), wie für unrealistisch große (>1.4) Werte von q^¤ muß diese Relation
groß sein. Für mittlere Werte (1.2-1.3) ist die kritische Relation dagegen
klein. Das heißt, es kommt schon bei kleiner Di¤erenz zwischen ° und ¾ zu
Schwingungen und damit zu Überholprozessen. Eine intuitive Begründung
für dieses Ergebnis ist die folgende: Sind die Anpassungskosten sehr groß (der
implizierte Wert für q^¤ ist groß), dann wird internationale Kapitalmobilität
17
Eine andere mögliche Erklärung für die empirischen Ergebnisse von DeLong und Sum-
mers sind Unterschiede im Monopolisierungsgrad der verschiedenen Sektoren. Darauf weist
zum Beispiel Romer (1993) hin.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 168

praktisch unterbunden und das betre¤ende Land konvergiert ohne Zyklen


und ohne Überholprozesse wie ein geschlossenes Land in seinen steady state.
Sind die Anpassungskosten dagegen sehr niedrig (^q ¤ ist klein), dann sorgt
der Zu‡uß von internationalem Kapital so schnell für einen Ausgleich der
Kapitalgrenzproduktivitäten, das sich der E¤ekt unterschiedlicher Abschrei-
bungsraten nicht lange genug auswirken kann. Es kommt dann auch bei einer
signi…kant höheren Abschreibungsrate des ö¤entlichen Kapitalstocks nicht
unbedingt zum Überholprozeß. Die Frage, ob es zum Überholprozeß kommt,
hängt dann von der Relation von ö¤entlichem zu privatem Kapitalstock in
der Ausgangssituation ab.
Die hier angegebenen kritischen Werte für die Relation °=¾ sind hinrei-
chende Bedingungen für das Zustandekommen eines Überholprozesses. Es
kann, wie weiter oben erläutert, auch dann zum Überholen kommen, wenn
diese Relation kleiner als die hier angegebenen Q-Werte ist, und das System
nicht schwingt. Allerdings muß ° zumindest größer als ¾ sein, damit es zu
einem Überholprozeß kommen kann (vergleiche Satz 5.5). In einem solchen
^ C in endlicher Zeit das steady-state-Niveau
Fall erreichen weder q^ noch MP
der übrigen Welt. Es kommt dann auf die Ausgangssituation an, das heißt
auf die Frage, wie günstig oder ungünstig die Relation von ö¤entlichem zu
privatem Kapitalstock in der Ausgangssituation war. Eine weitergehende nu-
merische Analyse dieses Zusammenhangs wird hier unterlassen, weil damit
für realistische Parameterkonstellationen nur ein kleiner Bereich der Relation
°=¾ beleuchtet würde, nämlich der zwischen Q und 1.

5.6.3 ”Ausmaß” des Überholprozesses


Um eine Vorstellung darüber zu erlangen, um wieviel das aufholende Land
schließlich die steady-state-Welt im Hinblick auf totale Faktorproduktivität
oder im Hinblick auf Arbeitsproduktivität überholt, muß das Di¤erentialglei-
chungssystem explizit gelöst werden. Man löst dabei das System von steady
state ausgehend ”rückwärts”. Für einen stabilen Pfad in der Nähe des steady
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 169

state muß approximativ das folgende Gleichungssystem erfüllt sein:


0 1
¢q
B C
@ ¢K A = ¸1 v1 + ¸2 v2 (5.26)
¢J
^ J^ von ihren steady-state-Werten
wobei ¢i Abweichungen der Variablen q^; K;
bezeichnen. v1 und v2 sind die beiden negativen Eigenvektoren des lineari-
sierten Systems, und ¸1 und ¸2 sind beliebige Konstanten. Falls das System
schwingt, sind die Komponenten von v1 ; v2 sowie die Konstanten ¸1 ; ¸2 kom-
plexe Zahlen mit nicht verschwindendem imaginärem Teil. Gibt man kleine
(reellwertige) steady-state-Abweichungen ¢K ; ¢J vor, dann hat dieses Glei-
chungssystem eine eindeutige reellwertige Lösung für ¢q , und man löst das
folgende Anfangswertproblem numerisch zwischen 0 und t0 < 0:18

^ C + 1 ¢ (^
:
q^ = q^ (r + ¾) ¡ (MP q ¡ 1)2 )
2b
:
^ = K((^
K ^ q ¡ 1=b) ¡ (g + ¾))
:
J^ = K(^
^ q ¡ 1)=b ¡ (g + °)J^ (5.27)
q^(0) = q^¤ + ¢q
^
K(0) = K^ ¤ + ¢K
^
J(0) = J^¤ + ¢J

Durch systematisches Variieren der Anfangsbedingungen ¢K und ¢J er-


hält man auf diese Weise alle stabile Pfade des Systems (siehe Abbildung
5.7).
Die Darstellung in Abbildung 5.7 erfolgt im Raum von steady-state-
^ K
relativen Variablen - also k ´ K= ^ ¤ und j ´ J=^ J^¤ . Die kräftige Linie
18
Die von Mulligan (1991) und Mulligan und Sala-i-Martin (1993) für solche Endwert-
probleme vorgestellte sogenannte time elimination method läßt sich dagegen für schwin-
gende Systeme nicht anwenden. Da die hier dargestellte Vorgehensweise in jedem Fall
funktioniert, stellt sich die Frage, welchen Sinn die time elimination method hat. Diese
Frage stellen sich auch Brunner und Strulik (1997) und kommen ebenso zu der Erkennt-
nis, daß diese zum Beispiel auch bei Barro und Sala-i-Martin (1995a) im mathematischen
Anhang ihres ein‡ußreichen Lehrbuchs zur Wachstumstheorie propagierte Methode keinen
erkennbaren Nutzen hat.
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 170

stabile Pfade im j,k-Raum - der 'fast'-Romer-Fall

1.4

1.2

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.2

0.8
j

0.6

0.4

0.2

0
k

Abbildung 5.7:

repräsentiert einen stabilen Pfad für ¢K = "=K ^ ¤ und ¢J = "=J^¤ , wobei "
eine beliebige kleine Zahl ist. Das bedeutet, die kräftige Linie wird von ei-
nem Punkt auf der gestrichelten j = k-Linie von Abbildung 5.7 in der Nähe
des steady state gestartet - bei j = k = 1 + ". Nachdem der stabile Pfad
einen kompletten Zyklus durchlaufen hat, schneidet er erneut die gestrichelte
j = k-Linie - bei j = k = 1 + "0 , wobei " und "0 das gleiche Vorzeichen haben
und j"j < j"0 j. Um alle stabilen Pfade abzudecken, variiert man ¢K = a=K ^¤
und ¢J = a=J^¤ mit j"j · jaj · j"0 j. Jede Kombination j; k, die inner-
halb dieses so abgegrenzten Feldes der stabilen Pfade liegt, ist eine mögliche
Anfangsbedingung in der ”realen” Welt, in der die Zeit natürlich vorwärts,
das heißt in Richtung steady state läuft. Zu jeder dieser Anfangsbedingungen
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 171

q ¤ , so daß das Di¤erentialgleichungssystem ent-


gehört ein Anfangswert für q^=^
lang des jeweiligen eingezeichneten Pfades in den steady state geführt wird.
Zu Kombinationen k; j die außerhalb des eingezeichneten Feldes liegen, ge-
hören Pfade, die die implizite nicht-Negativitätsbedingung für Investitionen
verletzen.
In Abbildung 5.7 wird das Feld der stabilen Pfade für die Parameter-
konstellation ® = 0:8, ´ = 0:19, r = 0:04, g = 0:02, ¾ = 0:06, ° = 0:09,
b = 0:04 (und damit q^¤ = 1: 032) abgebildet. Diese Parameterkonstellation
entspricht mit ® + ´ = 0:99 annähernd dem Romer-Fall - ® + ´ = 1. Das
System schwingt in diesem Fall stark, das heißt, die Schwingungen sind re-
lativ wenig gedämpft. Startet man beispielsweise mit einer Ausgangswerten
^ 0 ) = 0:4 ¢ J^¤ und K(t
von J(t ^ 0 ) = 0:4 ¢ K
^ ¤ , das heißt, das aufholende Land
verfügt zum Zeitpunkt t0 , zu dem es Zugang zum Kapitalmarkt der ”steady-
state-Welt” erhält, über jeweils 40% des privaten - und des ö¤entlichen Wis-
senskapitalstocks der ”steady-state-Welt”, dann erreicht das aufholende Land
bereits nach etwa 15 Jahren ein Niveau Totaler Faktorproduktivität wie auch
Arbeitsproduktivität, das um etwa 35% über dem Niveau der ”steady-state-
Welt” liegt. Ein solches Szenario ist natürlich in hohem Maße unrealistisch.
Dieser ”fast-Romer-Fall” wurde hier nur zur Illustrationszwecken verwendet.
Ein wenig realistischer erscheint die folgende Parameterkonstellation:
® = 0:5, ´ = 0:25, r = 0:04, g = :02, ¾ = 0:06, ° = 0:09, b = 2 (und
^ 0 ) = 0:10 ¢ J^¤ und
damit q^¤ = 1: 166) sowie als Ausgangssituation: J(t
^ 0 ) = 0:10 ¢ K
K(t ^ ¤ . Es wird also der Aufholprozeß eines Landes simuliert,
das zunächst sehr weit vom steady state entfernt ist. Die Struktur des akku-
mulierten Kapitals, das heißt das Verhältnis von J^ zu K
^ entspricht wiederum
dem der steady-state-Welt. Der Unterschied zwischen den beiden relevanten
Abschreibungsraten ¾ und ° ist recht groß. Es kommt also in jedem Fall zu
Zyklen technologischer Führerschaft. Es zeigt sich, daß ein Ausgangswert von
etwa q^(t0 ) = 1:76 ¢ q^¤ das System in den steady state führt. Dabei kommt
es bereits nach etwa 20 Jahren zum Überholprozeß im Hinblick auf totale
Faktorproduktivität. Nach weiteren 10 Jahren verfügt das ehemals unterent-
wickelte Land auch über eine höhere Arbeitsproduktivität und damit über
ein höheres Lohnniveau als die steady-state-Welt. Erst nach etwa 40 Jahren
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 172

ist die Grenzproduktivität von Kapital im auf-, bzw.- überholenden Land


genauso niedrig wie in der steady-state-Welt. Das ehemals unterentwickelte
Land verliert seinen nach 20 Jahren errungenen technologischen Vorsprung
erst nach insgesamt etwa 80 Jahren. Es kommt dann zu weiteren langfri-
stigen Zyklen relativer technologischer Positionen. Der maximal erreichte
Vorsprung im Hinblick auf totale Faktorproduktivität ist mit 104% nach et-
wa 28 Jahren recht klein. Die Zyklen sind also stark gedämpft. Wählt man
einen höheren Wert für b, so daß sich der Anpassungsprozeß verlangsamt,
sind die Zyklen noch stärker gedämpft. Es kommt dann zu einem Vorsprung
im Hinblick auf totale Faktorproduktivität von nur etwa 102%. Gleiches gilt
für eine Ausgangssituation die weniger weit vom steady state entfernt ist.
Die umfangreichen numerischen Analysen, die hier nicht weiter dokumen-
tiert werden, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das hier beschriebene
Modell führt bei realistischen Parameterkonstellationen zu Zyklen interna-
tionaler technologischer Führerschaft. Der technologische Vorsprung, der
dabei von einem überholenden Land erreicht wird, ist aber klein, wenn auch
nachhaltig. Jedenfalls kann von der ”Gefahr” einer Marginalisierung der
etablierten Länder nicht gesprochen werden.

5.7 Schlußfolgerungen
Kapitalmobilität kann in Verbindung mit durch Neuinvestitionen ausgelösten
externen E¤ekten zu endogenen Überholprozessen führen, so daß ein ehemals
technologisch führendes Land allein aufgrund dieser Tatsche seine Führungs-
position an ein ehemals unterentwickeltes Land verliert. Solche Überholpro-
zesse lassen sich im Rahmen von fast perfekt neoklassischen Wachstumsmo-
dellen nachweisen, in denen insbesondere die Inada-Bedingung abnehmender
Grenzproduktivität der akkumulierbaren Faktoren erfüllt ist. Damit vergrö-
ßert sich die Erklärungsbandbreite neoklassischer Wachstumstheorie, so daß
auch Fälle wie die langanhaltende Stagnation Englands im Rahmen solcher
Modelle erfaßt werden können.
Notwendige Bedingung für das Zustandekommen von Überholprozessen
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 173

sind Unterschiede in den e¤ektiven Abschreibungsraten für den privaten und


den ö¤entlichen Kapitalstock. Es kann nur dann zu Überholprozessen oder
Zyklen technologischer Führerschaft kommen, wenn der Neuigkeitsgrad von
erworbenem Wissen für die Produktivität des ö¤entlichen Wissenskapital-
stocks wichtiger ist als der Neuigkeitsgrad von privaten Investitionen, für die
Produktivität des privaten Wissenskapitalstocks. Es existieren einige Stu-
dien, die sowohl die Abschreibungsrate des physischen Kapitalstocks (unter
anderem Epstein und Denny (1980) sowie Nadiri und Prucha (1996)), als
auch Abschreibungsraten des privaten FuE-Kapitalstocks geschätzt haben
(Pakes und Schakerman (1986) sowie wiederum Nadiri und Prucha (1996)).
Ob diese Ergebnisse als Hinweis gelten können, daß Neuigkeit für die Zu-
sammensetzung eines ö¤entlichen Wissenskapitalstocks bedeutender ist als
für die Zusammensetzung eines privaten Kapitalstocks, kann allerdings hier
nicht abschließend beurteilt werden. Die Frage, ob es im Regelfall im Zu-
sammenhang mit Aufholprozessen bei Kapitalmobilität auch zu Überholpro-
zessen kommen wird, ist mithin eine empirisch noch zu klärende Frage.
In diesem Kapitel spielt Kapitalmobilität die entscheidende Rolle für den
langfristigen Ausgleich international unterschiedlicher Faktorproduktivitä-
ten. Nach dem Theorem von Heckscher und Ohlin zum Ausgleich interna-
tionaler Faktorpreise durch Handel mit Gütern, die unterschiedliche Fakto-
rintensitäten bei der Produktion erfordern, kann ein solcher Ausgleich auch
ohne Kapitalmobilität statt…nden. Dieses zentrale Resultat neoklassischer
Außenhandelstheorie kann aber als empirisch widerlegt betrachtet werden.
Zu einem Einstieg in neuere empirische Ergebnisse sowie zu möglichen Er-
klärungen für diesen scheinbaren Widerspruch von Theorie und Empirie ver-
gleiche die Arbeiten von Tre‡er (1993 und. 1995) sowie von Davis et al.
(1997).
In diesem Kapitel wurde ein Modell zur Erklärung von Überholprozessen
beziehungsweise Zyklen technologischer Führerschaft verwendet, das einem
konventionellen neoklassischen Wachstumsmodell möglichst nahe sein sollte.
Das macht einerseits die Stärke der Argumentation aus, ist aber möglicher-
weise auch ein Schwachpunkt. Wissen wurde hier als akkumulierbare Größe
modelliert, die die totale Faktorproduktivität allein des betre¤enden Lan-
KAPITEL 5. KAPITALMOBILITÄT 174

des verbessert. Modelliert man dagegen externes Wissen als einen Faktor,
der im Rahmen von Kapitalmobilität gleichsam mittransferiert wird, das
heißt, faßt man den Unterschied nationaler totaler Faktorproduktivität als
idea gap und nicht als object gap (Romer (1993)) oder als technology gap
im Sinne von Fagerberg (1987) auf, dann kann es möglicherweise leichter zu
Überholprozessen kommen, als in dem hier verwendeten Modell. Wird durch
Direktinvestitionen ein wesentlicher Teil des in den hoch entwickelten Län-
dern akkumulierten Wissenskapitals unmittelbar im unterentwickelten Land
installiert, dann kann es unabhängig von der relativen Größe von Abschrei-
bungsraten zu einem recht schnellen Ausgleich totaler Faktorproduktivität
kommen. Die ehemals unterentwickelten Länder würden dann immer noch
über einen relativ kleinen privaten Kapitalstock und damit über eine höhere
Grenzproduktivität von privatem Kapital verfügen, so daß weiterhin über
einen längeren Zeitraum Investitionen hauptsächlich dort getätigt würden.
Das Niveau ö¤entlichen Wissens würde dort weiter steigen. Dieser Wissens-
vorsprung der ehemals unterentwickelten Länder könnte erst wieder in die
ehemalig technologisch führenden Länder zurück‡ießen, wenn sich Direktin-
vestitionen auch dort wieder lohnen.
Anhang D

Mathematischer Anhang zu
Kapitel 5

Theorem 2 (Abschreibungstheorem)
Voraussetzungen:
a) Gegeben zwei stückweise stetige und beschränkte Funktionen (i = 1; 2)
Ii : R ! R+ .
b) Vier Funktionen (i = 1; 2) Ki ; Ji : R ! R+ sind gegeben durch: Ki (t) ´
Rt Rt
e¡±t ¡1 e¾xIi (x)dx und Ji (t) ´ e¡Át ¡1 e°x Ii (x)dx wobei ±; ¾; Á; ° echt po-
sitive endliche Zahlen sind. Die Integrale existieren wegen a).
c) Die Funktion f : R2+ £ R ! R+ ist stetig di¤erenzierbar, streng monoton
fallend im ersten und streng monoton steigend im zweiten Argument. Zudem
fällt f, wenn das erste und das zweite Argument um den gleichen Faktor
steigen.
d) Die Funktion g : R ! R ist gegeben durch: g(t) ´ f (K1 (t); J1 (t); t)
¡f (K2 (t); J2 (t); t).
e) Es existiere ein t0 < 1, so daß [(J1 (x) > J2 (x)) ^ (K1 (x) > K2 (x)) für
alle x · t0 ] ^ (g(t0 ) < 0).
f ) Sei t¤ ´ minft > t0 jg(t) = 0g. Sei t¤ ´ 1, falls g für t > t0 keine
Nullstelle hat.

175
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 176

Unter den Voraussetzungen a-f gilt:

1. Falls ¾ > ° folgt:


8t 2 [t0 ; t¤ ]; t 6= 1: J1 (t) > J2 (t) ^ (K1 (t) > K2 (t)).

2. Falls ¾ = ° folgt für alle t > t0 :


[g(t) = 0 , (J1 (t) = J2 (t)) ^ (K1 (t) = K2 (t))].

3. Falls ¾ < ° und die zusätzlichen Voraussetzungen (i) und (ii) gelten,
wobei
(i) die Parameter ±; ¾; Á; ° und die Funktion f sind derart,
daß ³für alle I1 ; I2 , ´die Voraussetzung a) und b) erfüllen, gilt:
@ _ i (t); Ji (t); t) · 0 für alle t,1 und
f(K
@Ii (t)

(ii) t¤ ist endlich,


dann folgt:
9t~ < t¤ so daß J1 (t~) < J2 (t~).

Beweis:
Aussage 1:
Man zeigt die Negation der Aussage, nämlich:
[9 t~ 2 [t0 ; t¤ ], t~ 6= 1, so daß J1 (t~) · J2 (t~) _ K1 (t~) · K2 (t~)] ) ¾ · °.
Sei also ein solches t~ gegeben, und sei es ohne Beschränkung der Allgemein-
heit das kleinste mit dieser Eigenschaft - Zeile #1.
Man beachte bei Zeile #1, daß stetige Funktionen stets eine kleinste Nullstelle
haben, falls eine solche existiert.
Ferner gilt für alle t 2 [t0 ; t~]:
g(t) · 0, K1 (t) ¸ K2 (t) und J1 (t) ¸ J2 (t) - Zeile #2.
Zeile #2 gilt wegen der ”oder”-Bedingung der zu zeigenden Negation und
weil t~ das kleinste t ist, das die Negation erfüllt.
³ ´
1
Man beachte, daß @
@Ii (t) f_(Ki (t); Ji (t); t) = @f
@K (Ki (t); Ji (t); t) ¢ e(¾¡±)t +
@f (°¡Á)t
@J (Ki (t); Ji (t); t) ¢ e
Dieser Term ist beispielsweise immer dann für alle I1 ; I2 nega-
.
tiv, wenn f homogen in den ersten beiden Argumenten ist und die Di¤erenz zwischen °
und ¾ klein ist.
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 177

Wegen K1 (t0 ) > K2 (t0 ); J1 (t0 ) > J2 (t0 ) und der Stetigkeit von Ki und Ji ,
muß gelten:
K1 (t~) = K2 (t~) _ J1 (t~) = J2 (t~).
Sei zunächst K1 (t~) = K2 (t~).
f ist monoton steigend im zweiten Argument, also folgt wegen J1 (t~) ¸ J2 (t~):
g(t~) = f(K1 (t~); J1 (t~); t~) ¡ f (K2 (t~); J2 (t~); t~) ¸ 0, also mit Voraussetzung f)
g(t~) = 0. Dann folgt wiederum aus der strengen Monotonie von f :
J1 (t~) = J2 (t~).
Sei nun J1 (t~) = J2 (t~). Weiterhin gilt, wegen Zeile #2, K1 (t~) ¸ K2 (t~), aber
K1 (t~) > K2 (t~) ist nun wieder zugelassen.
Es wird nun gezeigt, daß: ¾ · °.
Dafür de…niert man zwei Funktionen ¢° (t) und ¢¾ (t) für alle t · t~:

¢° (t) ´ eÁt (J1 (t) ¡ J2 (t))


Z t
= e°x (I1 (x) ¡ I2 (x))dx
¡1
±t
¢¾ (t) ´ e (K1 (t) ¡ K2 (t))
Z t
= e¾x (I1 (x) ¡ I2 (x))dx
¡1

Für die unten folgende Rechnung werden einige einfache Folgerungen (F1-F7)
aus dieser De…nition verwendet:
F1: ¢° (t~) = 0 (wegen J1 (t~) = J2 (t~)).
F2: ¢° (t) > 0 für alle t < t~
- wegen J1 (t) > J2 (t) für alle t < t~, siehe Zeile #1.
F3: ¢¾ (t~) ¸ 0 - wegen K1 (t~) ¸ K2 (t~).
F4: ¢° (x) ist eine Stammfunktion von e°x (I1 (x) ¡ I2 (x)).
R t~
F5: C~ ´ ¡1 e(¾¡°)x¢° (x)dx > 0 - wegen F2.
F6: limx!¡1 [(e(¾¡°)x ¡ 1)¢° (x)] existiert und ist 0, falls ¾ > °
- da I1 und I2 beschränkte Funktionen sind.
F7: e¾x ¡ e°x = (e(¾¡°)x ¡ 1)e°x .
Es gilt nun:
0 · ¢¾ (t~) ¡ ¢° (t~) (wegen F1 und F3).
R t~
= ¡1 (e¾x ¡ e°x )(I1 (x) ¡ I2 (x))dx
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 178
R t~
= ¡1
(e(¾¡°)x ¡ 1)e°x (I1 (x) ¡ I2 (x))dx (wegen F7)
(¾¡°)t~
¡ ¢
= (e ¡ 1)¢° (t~) ¡ limx!¡1 (e(¾¡°)x ¡ 1)¢° (x) ¡ (¾ ¡ °) ¢ C~
(partielle Integration und wegen F4 und F5)
~ falls ¾ > ° (wegen F1 und F6)
= ¡(¾ ¡ °) ¢ C,
)¾·°
Damit ist Aussage 1. bewiesen.
Aussage 2:
Man beachte zunächst, daß aus Voraussetzung c) folgt:
8Ki ; Ji ; t existiert ein r < 0 so daß f (Ki ; Ji ; t) = Kir f (1; KJii ; t).2
Falls ¾ = °, gilt: Ji (t) = e(±¡Á)t Ki (t). Damit ist g(t) = 0 äquivalent zu:

K1 (t)r ¢ f (1; e(±¡Á)t ; t) = K2 (t)r ¢ f(1; e(±¡Á)t ; t)

µ ¶r ,
K1 (t)
= 1
K2 (t)

mit r < 0. Es folgt sofort, daß K1 (t) = K2 (t). Auf die gleiche Weise zeigt
man, daß J1 (t) = J2 (t).
Der (-Teil der Implikation folgt trivialerweise aus der De…nition von g (siehe
Voraussetzung d)).
Aussage 3:
Man zeigt die Negation der Aussage, nämlich:
Falls J1 (t) ¸ J2 (t) für alle t · t¤ und (i) und (ii), dann folgt ¾ ¸ °.
Gelte nun also J1 (t) ¸ J2 (t) für alle t · t¤ und (i) und (ii), dann gilt auch
K1 (t) ¸ K2 (t) für alle t · t¤ .
Es werden die für den Beweis von Aussage 1. de…nierten Funktionen ¢° (t)
und ¢¾ (t) für t 2] ¡ 1; 1[ verwendet.
Man beachte nun folgendes: Die Funktionen I1 und I2 bestimmen in ihrem
Verlauf von ¡1 bis t¤ das Verhalten der verwendeten Funktionen Ki (t),
Ji (t), f(Ki (t); Ji (t); t) und g(t). Alle Aussagen des Theorems beziehen sich
auf t · t¤ . Da die Funktionen I1 und I2 nicht stetig sein müssen, und die
zusätzliche Voraussetzung (i) ausdrücklich keine Voraussetzung an I1 ; I2 ist,
2
Falls ein konstantes r für alle Ki ; Ji ; t existiert, dann heißt f homogen vom Grade r
in den ersten beiden Argumenten. Diese Bedingung wird hier aber nicht benötigt.
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 179

kann für t > t¤ ohne Beschränkung der Allgemeinheit Beliebiges über I1 ; I2


angenommen werden. Die Idee für den folgenden Beweisschritt liegt darin
zu zeigen, daß unter den gegebenen Voraussetzungen immer eine Fortsetzung
der Funktionen I1 ; I2 für t ¸ t¤ existiert, so daß ¢¾ eine kleinste Nullstelle
hat. Das heißt, es existiert ein endliches t^ ¸ t¤ , so daß:
(1) ¢¾ (t^) = 0 ^ [¢¾ (t) > 0 für alle t < t^] oder äquivalent
K1 (t^) = K2 (t^) ^ [K1 (t) > K2 (t) für alle t < t^]
(2) g(t) ¸ 0 für alle t mit t¤ · t · t^
Mit (1) und (2) und [J1 (t) ¸ J2 (t) für alle t · t¤ ] gilt dann:
(3) J1 (t) ¸ J2 (t) für alle t · t^ oder äquivalent
¢° (t) ¸ 0 für alle t · t^
Man beachte nun, daß aus (1) und (3) folgt: ¾ ¸ °. Denn man zeigt analog
^ falls ¾ < °,
zum Beweis von Aussage 1., daß ¢¾ (t^) ¡ ¢° (t^) = ¡(¾ ¡ °) ¢ C,
R t^ (°¡¾)x
wobei diesmal C^ ´ ¡1
e ¢¾ (x)dx > 0 und im Vergleich zur Rechnung
im Beweis von Aussage 1. die Rollen von ¢° und ¢¾ miteinander vertauscht
werden. Da nun ¢¾ (t^) ¡ ¢° (t^) · 0 gilt - wegen (1) und (3), gilt ¾ ¸ °, wenn
(1) und (2) gesichert sind.
Es wird nun also ein Paar (I1 (t); I2 (t)) mit t > t¤ gesucht, so daß (1)
und (2) erfüllt sind. Der Fall K1 (t¤ ) = K2 (t¤ ) und damit t^ = t¤ ist tri-
vial. Sei also K1 (t¤ ) > K2 (t¤ ). Es ist leicht, ein Paar zu …nden, so daß
Rt
(1) erfüllt ist: ¢¾ (t) = ¡1 e¾x(I1 (x) ¡ I2 (x))dx. Wählt man I1 (x) klein
und I2 (x) groß, dann gibt es sicherlich ein endliches t^, so daß schließlich
¢¾ (t^) = 0. Es gilt: g(t
_ ¤ ) ¸ 0 (wegen Voraussetzung e) und f)). Zudem
wurde für diese Aussage in der zusätzlichen Voraussetzung (i) angenommen,
daß f_(Ki (t); Ji (t); t) in Ii (t) nicht steigt. Also ist es immer möglich, mit
hinreichend kleinem I1 (t) und hinreichend großem I2 (t) für t > t¤ dafür zu
sorgen, daß g(t)
_ _ 1 (t); J1 (t); t) ¡ f(K
= f(K _ 2 (t); J2 (t); t) ¸ 0 und daß somit
auch (2) gilt.
Damit ist auch Aussage 3) bewiesen. Q.E.D.
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 180

Beweis von Satz 5.1

Zunächst wird gezeigt, daß die beiden Di¤erenzen M P C1 ¡M P C2 und ¼ 1 ¡¼ 2


immer das gleiche Vorzeichen haben müssen. Dafür wird ein Widerspruchs-
beweis geführt. Man nehme also an, M P C1 < M P C2 und ¼ 1 > ¼ 2 gelte
zu irgend einem Zeitpunkt. Die Di¤erenz I1 ¡ I2 wird im allgemeinen nicht
stetig sein, so daß M P C1 ¡ M P C2 nicht di¤erenzierbar sein muß, wenn
¼ 1 = ¼2 (siehe (5.17) bis (5.19)). Dagegen ist die Di¤erenz ¼ 1 ¡ ¼ 2 immer
di¤erenzierbar (siehe (5.15)) und es gilt:
d
(¼ 1 ¡ ¼ 2 ) = (° + ¾)(¼ 1 ¡ ¼ 2 ) ¡ e(¾¡±)t (M P C1 ¡ M P C2 )
dt
Damit gilt, daß, falls M P C1 < M P C2 und ¼ 1 > ¼2 , dann muß d¿d (¼ 1 ¡ ¼ 2 )
positiv sein und mithin bleibt die Di¤erenz ¼ 1 ¡ ¼ 2 positiv solange M P C1 <
M P C2 . Solange ¼ 1 > ¼ 2 gilt, …nden keine Neuinvestitionen im Land 2 statt.
Es folgt (siehe (5.20)):
d ³ ´
(MP C1 ¡ MP C2 ) = (M P C1 ¡ M P C2 ) £ A=A _ + (1 ¡ ®)± ¡ ´Á
dt
+M P C1 £ g £ Investitionsef f ekt

Es wurde angenommen, daß der Investitionse¤ekt negativ ist, also muß


d
dt
(M P C1 ¡ M P C2 ) negativ sein, sobald die Di¤erenz zwischen M P C1 und
M P C2 klein wird. Mithin kann M P C1 ¡ M P C2 nicht positiv werden, solan-
ge ¼1 > ¼ 2 . Aber falls M P C1 < M P C2 für immer gilt, sind Neuinvestitionen
im Land 2 pro…tabler als im Land 1 und mithin ¼ 1 < ¼ 2 - ein Widerspruch.
Man zeigt in analoger Weise einen Widerspruch falls M P C1 > M P C2 und
¼ 1 < ¼ 2 oder falls MP C1 = M P C2 und ¼ 1 6= ¼2 oder falls M P C1 6= M P C2
und ¼1 = ¼ 2 . Damit ist bewiesen, daß die beiden Di¤erenzen M P C1 ¡M P C2
und ¼ 1 ¡ ¼ 2 immer das gleiche Vorzeichen haben müssen, wie zu Anfang des
Beweises behauptet. Mithin gilt, solange M P C1 < M P C2 folgt ¼ 1 < ¼ 2 und
I1 = 0 sowie I2 = g. Damit ist die Erste Aussage des Satzes bewiesen.
Zum Beweis der zweiten Aussage nehme man an, es existiere ein endlicher
Zeitpunkt t¤ , zudem die Grenzproduktivität von Kapital in beiden Ländern
gleich ist. Es wird widerum ein Widerspruchsbeweis geführt. Angenommen
es existiere ein Zeitpunkt t^ > t¤ , so daß M P C1 > M P C2 . Die Di¤erenz
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 181

M P C1 ¡ M P C2 ist stetig und zudem stetig di¤erenzierbar solange ¼ 1 6= ¼ 2 .


Also muß es einen Zeitpunkt t^0 geben, so daß die Ableitung d (M P C1 ¡
dt
M P C2 ) positiv und die Di¤erenz M P C1 ¡M P C2 beliebig klein ist. M P C1 ¡
M P C2 hat das gleiche Vorzeichen wie die Di¤erenz ¼ 1 ¡ ¼ 2 . Damit gilt
I1 = g und I2 = 0, und der negative Investitionse¤ekt bestimmt Vorzeichen
der Ableitung dtd (M P C1 ¡ M P C2 ) < 0 - ein Widerspruch. In analoger Weise
zeigt man, daß die Di¤erenz MP C1 ¡ M P C2 nicht negativ sein kann für
Zeitpunkte nach t¤ . Damit ist die zweite Aussage des Satzes bewiesen.
Um schließlich die dritte Aussage zu beweisen, wird wieder im Gegenteil
angenommen, es existiere kein endlicher Zeitpunkt t¤ . Die Grenzprodukti-
vität von Kapital ist dann dauerhaft im Land 2 höher als im Land 1, und
Investitionen wären auf Dauer pro…tabler in Land 2. Die Grenzproduktivität
M P C1 würde dann mit einer Rate von A=A_ + (1 ¡ ®)± ¡ ´Á wachsen, wäh-
rend die Wachstumsrate von M P C2 kleiner wäre. Die Di¤erenz der beiden
Wachstumsraten ist der Investitionse¤ekt multipliziert mit dem Gesamtinve-
stitionsvolumen g. Es reicht zu zeigen, daß diese Di¤erenz nicht Null wird,
wenn t gegen unendlich geht. Falls ° = ¾, reduziert sich diese Di¤erenz zu:

(´ ¡ (1 ¡ ®)) e°t £ g
g £ Investitionsef fekt = R t0 Rt
¡1
e°x I2 (x)dx + t0 e°x g(x)dx

der Zähler konvergiert zu ¡1. Falls der Nenner gegen +1 konvergiert, gilt:

(´ ¡ (1 ¡ ®)) e°t £ g
lim Rt = ¡ (° + g=g)
_ ((1 ¡ ®) ¡ ´)
t!1 e°x I (x)dx
¡1 i

und dieser Ausdruck ist nach Voraussetzungen (i)-(iii) des Satzes echt nega-
tiv. O¤ensichtlich ist dann dieser Ausdruck für ° in einer Umgebung von
¾ negativ. Damit würde die Kapitalgrenzproduktivität von Land 1 immer
echt schneller wachsen als die von Land 2. Die Grenzproduktivitäten müssen
sich also in endlicher Zeit ausgleichen. Damit ist auch die dritte Aussage des
Satzes bewiesen. Q.E.D.
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 182

Der steady state im Modell mit Anpassungskosten

Es ist sinnvoll, das dynamische Verhalten des Systems in Variablen zu be-


schreiben, die im steady state konstant sind. Legt man die oben spezi…zier-
te Cobb-Douglas-Produktionstechnologie zu Grunde (siehe Gleichung (5.7)),
dann ergibt sich für die Wachstumsrate des Outputs:

Y_ A_ K_ J_
= +® +´ (D.1)
Y A K J
Im steady state wachsen alle Variablen mit konstanter Rate. Nun werden
die folgenden Bezeichnungen für diese konstanten Wachstumsraten einge-
führt: x ´ A=A,_ _
¸K ´ K=K, ¸J ´ J=J,_ _
¸I ´ I=I und schließlich
g ´ Y_ =Y . Es gilt K_ = exp((¾ ¡ ±)t) ¢ I ¡ ±K, und mithin im steady state:
I = (¸K + ±) K exp(¡(¾ ¡ ±)t) es folgt: ¸K = ¸I + (¾ ¡ ±). In analoger Weise
folgt aus J_ = exp((° ¡ Á)t) ¢ I ¡ ÁJ, ein entsprechender Ausdruck für die
steady-state-Wachstumsrate des ö¤entlichen Kapitalstocks: ¸J = ¸I +(°¡Á).
Selbstverständlich muß die Wachstumsrate der Ausgaben für Investitio-
_ + £) + I £]=[I(1
nen gleich der Wachstumsrate des Outputs sein. Also [I(1 _ +
£)] = g. Da
(¾¡±)t ³³ ´ ´
_ = £0 ¢ e
£ (¾ ¡ ±)I + I_ K ¡ KI
_ =0
K2
wegen ¸K = ¸I + (¾ ¡ ±)

folgt: ¸I = g. Mit diesem Ergebnis lassen sich die Wachstumsraten des


privaten und des ö¤entlichen Kapitalstocks bestimmen:

K_
= ¸K = g + ¾ ¡ ± (D.2)
K
J_
= ¸J = g + ° ¡ Á (D.3)
J
Setzt man dieses Ergebnis in die Gleichung für die Wachstumsrate des Out-
puts ein (D.1), so erhält man die Gleichung:

g = x + ® (g + (¾ ¡ ±)) + ´ (g + (° ¡ Á))
x + ® (¾ ¡ ±) + ´ (° ¡ Á)
, g= (D.4)
1¡®¡´
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 183

Damit lassen sich Variablen de…nieren, die im steady state konstant sind:

I^ ´ Ie¡gt
^ ´ Ke¡(g+¾¡±)t
K
J^ ´ Je¡(g+°¡Á)t
q^ ´ qe(¾¡±)t
^ C ´ ®J^´ K
MP ^ ®¡1 = e¡(´(g+°¡Á)+®(g+¾¡±))t e+(g+¾¡±)t ®J ´ K ®¡1

= e¡(g¡x)t e+(g+¾¡±)t ®J ´ K ®¡1 = e(¾¡±)t M P C

Verwendet man nun die Spezi…zierung der Anpassungskosten: £ = 1=2 ¢ b ¢


e(¾¡±)t ¢ I=K, läßt sich aus dem Ausdruck für q im Gleichungssystem (5.23)
ein Ausdruck für das Investitionsvolumen gewinnen:
q^ = 1 + £ + I£0 e(¾¡±)t =K
¡ ¢
= 1 + 1=2 ¢ b ¢ e(¾¡±)t ¢ I=K + I 2b e(¾¡±)t =K
= 1 + b ¢ e(¾¡±)t ¢ I=K
^ gt
Ie I^
= 1 + b ¢ e(¾¡±)t ¢ Ke
^ (g+¾¡±)t = 1 + b K
^

egt I^ I^
q^ = 1 + b ¢ e(¾¡±)t ¢ = 1+b
^ (g+¾¡±)t
Ke K^
) I^ = K
^ (^
q ¡ 1) =b

Setzt man diesen Ausdruck in die drei Di¤erentialgleichungen von (5.23) ein
und berücksichtigt die angegebenen De…nitionen dann läßt sich das System
^ J^ über-
(5.23) in ein Di¤erentialgleichungssystem in den drei Variablen q^; K;
führen:3
µ ¶
:
^ 1 2
q^ = q^ (r + ¾) ¡ M P C + ¢ (^
q ¡ 1)
2b
:
^ = K
K ^ ((^
q ¡ 1)=b) ¡ (g + ¾))
:
J^ = K(^
^ q ¡ 1)=b ¡ (g + °)J^
:
3
Gleichung für q^ ergibt sich durch:
Die
:
q^= (¾ ¡ ±)qe(¾¡±)t + qe
_ (¾¡±)t
¡ ¡ ¢¢
= (¾ ¡ ±)qe(¾¡±)t + e³³
(¾¡±)t
q (r + ±) ¡ M P C ¡ I£0 ¢ e(¾¡±)t ¢ (¡I=K ´´
2
)
gt ^
= (r + ¾)^q ¡ e(¾¡±)t e¡(¾¡±)t MP ^ C + b ¢ e(¾¡±)t ¢ ( e K(^ q¡1)=b 2
)
2 ^ (g+¾¡±)t
Ke
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 184

Beweis von Satz 5.5

Es soll das grundlegende Abschreibungs-Theorem angewendet werden. Falls


das System schwingt, dann kommt es, ausgehend von einem beliebigen t0 , in
endlicher Zeit zu einem Überholprozeß im Sinne von Aussage 1 des Theorems
- siehe Satz 5.4. Aus dem Theorem folgt, daß falls J1 > J2 für alle t · t0 , dann
ist ° > ¾ dafür eine notwendige Voraussetzung. Land 1 ist hier die steady-
state-Welt, also J1 = e(g+°¡Á)t J^¤ , während J2 = e(g+°¡Á)t J.
^ Damit ist J1 >
J2 an der Stelle t0 erfüllt. Es lassen sich nun aber immer Investitionspfade
I1 (¿ ), I2 (¿ ) mit ¿ < t0 …nden, so daß J1 > J2 auch für alle t < t0 gilt. Das
Di¤erentialgleichungssystem (5.25) ist für diese Investitionspfade für t < t0
nicht mehr notwendigerweise erfüllt. Das Theorem gilt aber für beliebige
Investitionspfade. Damit sind die Voraussetzungen des Theorems erfüllt.
Q.E.D.
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 185

Verzeichnis der im Text verwendeten Symbole - in der Reihenfolge


ihrer Verwendung im Text
Abschnitt 5.2.1
Y reales Bruttoinlandsprodukt einer Ökonomie
Yi reale Bruttowertschöpfung eines repräsentativen Unter-
nehmens der Ökonomie
N Anzahl der Unternehmen der Ökonomie
A technologischer Stand der Ökonomie
K gesamter privater Kapitalstock der Ökonomie (Markt-
wert in konstanten Preisen)
Ki privater Kapitalstock eines repräsentativen
Unternehmens
L Arbeitsbevölkerung in der Ökonomie
Li Arbeitseinsatz in einem repräsentativem Unternehmen
® Produktionselastizität des privaten, unternehmenseige-
nen Kapitalstock für die Produktion eines repräsentati-
ven Unternehmens
´ Produktionselastizität des Gesamtökonomie-
Kapitalstocks für die Produktion eines repräsentativen
Unternehmens
1¡® Produktionselastizität von Arbeit
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 186

Abschnitt 5.2.2
I(¿ ) Investitionsvolumen der Ökonomie zum Zeitpunkt ¿
(Flow-Größe, reale Bescha¤ungskosten)
E(¿ ) Zum Zeitpunkt ¿ ausgelöster externer E¤ekt (Flow-
Größe, proportional zu I(¿ ))
c positive Proportionalitätskonstante (wird später auf 1
normiert)
J(t) ö¤entlicher Wissenskapitalstock, aggregierter externer
E¤ekt (pro Kopf, zum Zeitpunkt t)
L(t) Arbeitsbevölkerung der Ökonomie (zum Zeitpunkt t)
(¿ ¡ t) Di¤erenz zwischen Investitions- und Beobachtungszeit-
punkt (negativ)
Á mentale Verfallsrate des ö¤entlichen Wissenskapital-
stocks J
^
e¸¿ Neuigkeits- oder Vintage-E¤ekt beim Aufbau des öf-
^ ¸ 0)
fentlichen Wissenskapitalstocks (¸
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 187

Abschnitt 5.2.3
y(¿ ; t) Wertschöpfung zum Zeitpunkt t unter Nutzung einer
zum Zeitpunkt ¿ getätigten Investition bzw. installier-
ten Maschine einheitlicher Größe
B(t) nicht-kapitalgebundener technologischer Fortschritt
¸ Wachstumsrate des kapitalgebundenen technologischen
Fortschritts (positiv)
® Produktionselastizität von Kapital
l(¿ ; t) Arbeitseinsatz an einer zum Zeitpunkt ¿ installierten
Maschine zum Zeitpunkt t
w(t) Lohnsatz zum Zeitpunkt t (entspricht der Grenzproduk-
tivität von Arbeit auf allen Maschinen)
L(t) verfügbares Arbeitsangebot der Ökonomie zum Zeit-
punkt t
I(¿ ) Investitionsvolumen bzw. Anzahl installierter Maschi-
nen zum Zeitpunkt ¿
± physische Verfallsrate installierter Maschinen
K(t) der Marktwert des privaten Kapitalstocks
¾ ”e¤ektive” Abschreibungsrate des privaten Kapital-
stocks, d.h. inklusive Vintage-E¤ekt (¾ = ± + ¸=®)
Y pro-Kopf-Wertschöpfung
K(t) Marktwert pro Kopf des privaten Kapitalstocks
° ”e¤ektive” Abschreibungsrate des ö¤entlichen Wissens-
^
kapitalstocks, d.h. inklusive Vintage-E¤ekt (° = Á + ¸)
´ Produktionselastizität des ö¤entlichen Wissenskapital-
stocks J
A(t) exogener nicht kapitalgebundener technologischer
Fortschritt
i Index für ein Land oder eine Region
Ii (t) Investitionsvolumen zum Zeitpunkt t im Land i
F (Ki ; Ji ; t) pro-Kopf-Produktionsfunktion im Land i
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 188

Abschnitt 5.3
t0 Ausgangssituation in der Land 1 über einen höheren pri-
vaten wie ö¤entlichen Kapitalstock aber über eine nied-
rigere Grenzproduktivität von privatem Kapital verfügt

Abschnitt 5.4
T F Pi Totale Faktorproduktivität im Land i (T F P1 R
T F P2 , J1 R J2 )
M P Ci Grenzproduktivität von privatem Kapital im Land i
(M P C1 (t0 ) < M P C2 (t0 ))
t¤ Zeitpunkt zu dem erstmals seit t0 gilt: M P C1 (t¤ ) =
M P C2 (t¤ )
t~ Zeitpunkt zu dem erstmals gilt: T F P1 (t~) = T F P2 (t~)
t^ Zeitpunkt zu dem erstmals gilt: K1 (t^) = K2 (t^)

Abschnitt 5.5
¯ ´ (1 ¡ ®)=´ > 1
¼i (¿ ) Barwert einer im Land i zum Zeitpunkt ¿ getätigten
Investition
r Zinssatz (in diesem Abschnitt als konstant
angenommen)
g(¿ ) Summe der Investitionen in beiden Ländern (g(¿ ) ´
I1 (¿ ) + I2 (¿ ))
_
A=A Wachstumsrate des exogenen technologischen
Fortschritts
" eine positive beliebig kleine Zahl
Ki¤ ´ Ki (t¤ )
Ji¤ ´ Ji (t¤ )
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 189

Abschnitt 5.6.1
CI ´ I(1 + £) Gesamtkosten der Installation von I
Maschinen
£ eine steigende Funktion in e(¾¡±)t ¢ I=K
(¾¡±)t
e ¢I Anzahl der zum Zeitpunkt t installierten Maschinen,
gemessen in E¢zienzeinheiten
V (t0 ) Barwert eines Investitionsplans I(t) zum Zeitpunkt t0
Rt
r¹(t) ´ 1t t0 r(x)dx zwischen t0 und t akkumulierter
Abzinsungsfaktor
w Lohnsatz
q Schattenpreis der Beschränkung K_ = Ie(¾¡±)t ¡ ±K
C Konsum der repräsentativen Haushaltsdynastie der
Ökonomie
½ Zeitpräferenzrate dieses Haushalts
µ inverse intertemporale Substitutionselastizität des
Konsums
ANHANG D. MATHEMATISCHER ANHANG ZU KAPITEL 5 190

Abschnitt 5.6.2
x _
´ A=A konstante Wachstumsrate des exogenen techno-
logischen Fortschritts
£ = 1=2 ¢ b ¢ e(¾¡±)t ¢ KI Spezi…kation der Investitionskosten
b eine Konstante als Maß für die Bedeutung von
Investitionskosten
g steady-state-Wachstumsrate des Outputs der Ökonomie
(eine Konstante)
I^ ´ Ie¡gt (konvergiert zu einer Konstanten im steady
state)
^
K ´ Ke¡(g+¾¡±)t (konvergiert zu einer Konstanten im
steady state)
J^ ´ Je¡(g+°¡Á)t (konvergiert zu einer Konstanten im stea-
dy state)
q^ ´ qe¡(¾¡±)t (konvergiert zu einer Konstanten im steady
state)
^ PC
M ´ ®J^´ K
^ ®¡1 (konvergiert zu einer Konstanten im steady
state)
¤ ^¤ ^¤^ C
q^ ; K ; J ; MP ¤
stead-state-Werte dieser Variablen
D Diskriminante des charakteristischen Polynoms der
charakteristischen Matrix des Di¤erentialgleichungssy-
stems im steady state
D läßt sich als Funktion aller verwendeten Konstanten
schreiben
Q ´ °=¾, so daß D = 0

Abschnitt 5.6.3
¢q ; ¢K ; ¢J ^ J^ von ihren
kleine Abweichungen der Variablen q^; K;
steady-state-Werten auf einem stabilen Pfad
k ^ K
´ K= ^¤
j ^ J^¤
´ J=
Kapitel 6

Schlußbemerkungen

Die Analysen von Kapitel 2 und 3 dieser Arbeit haben deutlich gemacht, daß
die Modellierung technologischer Entscheidungen von Unternehmen, die sich
im oligopolistischen Wettbewerb be…nden, ein lohnendes Unterfangen ist. In
statischer wie dynamischer Modellierung zeigt sich bei symmetrischer Aus-
gangslage der Unternehmen eine ausgeprägte Tendenz zu asymmetrischen
Gleichgewichtsergebnissen sowohl im Hinblick auf die Strategiewahl der Un-
ternehmen als auch im Hinblick auf die relative Gewinnverteilung. Die Mo-
delle decken damit teils überraschende Handlungsalternativen für unterneh-
merische Entscheidungen auf. Die Tatsache, daß diese Handlungsalternativen
im Gleichgewicht der betrachteten Modelle Bestand haben, läßt ein wesent-
liches Dilemma normativer betriebswirtschaftlicher Theorie nicht auftreten:
Der Erfolg einer überdurchschnittlich pro…tablen Gleichgewichtsstrategie ist
auch dann noch gewährleistet, wenn auch der Konkurrent das entsprechende
Managementstrategiebuch gelesen hat. Die beste Antwort auf eine pro…table
Hochqualitäts- / second-mover-Strategie ist es eben, die weniger pro…table
…rst-mover-Position einzunehmen. Dagegen ist die beste Antwort auf ei-
ne möglicherweise noch pro…tablere …rst-to-market-Strategie, solange noch
schnellere …rst-to-market-Strategien zu entwickeln, bis sich daraus kein Vor-
teil mehr gegenüber einer second-to-market-Strategie bietet.
Aus Sicht positiver Theorie zur Erklärung des Verhaltens von Unterneh-
men im Wettbewerb ermöglichen die beiden ersten Analysekapitel dieser Ar-

191
KAPITEL 6. SCHLUSSBEMERKUNGEN 192

beit einen Blickwinkel, der scheinbare Widersprüche zwischen beobachtetem


Verhalten und Erfolg von Unternehmen aufheben könnte. So wird insbeson-
dere deutschen Unternehmen häu…g vorgeworfen, sie würden neueste Tech-
niken erst relativ spät für neue Produkte oder neue Produktionsverfahren
adoptieren, wofür im Regelfall nicht nur die Unternehmen sondern auch eine
allgemeine Technikfeindlichkeit von Bevölkerung und Behörden verantwort-
lich gemacht wird. Gleichzeit ist aber keine Tendenz erkennbar, daß sich
diese Zurückhaltung systematisch negativ auf den ökonomischen Erfolg deut-
scher Unternehmen auf den Weltmärkten auswirkt. Das könnte ein Hinweis
darauf sein, daß deutsche Unternehmen im internationalen technologischen
Wettbewerb eine Reputation in dem Sinne aufgebaut haben, daß sie häu…g
die im Zweifel pro…tablere second-mover-Position einnehmen. Aus techno-
logiepolitischer Sicht sollte daraus der Schluß gezogen werden, daß Förde-
rungsprogramme mit ausgesprochener Ausrichtung auf die Beschleunigung
der Innovationsdynamik deutscher Unternehmen ein zumindest fragwürdiges
Unterfangen ist.
Selbstverständlich konnten hier nicht alle interessanten Gleichgewichtsa-
symmetrien aufgedeckt werden, die im technologischen Wettbewerb zwischen
Unternehmen auftreten können. Vielmehr bieten sich eine ganze Reihe von
ähnlich gelagerten Fragen für eine nähere Analyse an. Dabei könnte sinn-
vollerweise, wie auch in dieser Arbeit, zunächst im Rahmen statischer Mo-
dellierung untersucht werden, ob sich ausgeprägte Asymmetrien nicht nur
im Qualitäts- vs. Kostenwettbewerb einstellen, wie im Kapitel 2 analysiert,
sondern beispielsweise auch im Qualitäts- vs. Positionswettbewerb oder im
Positions- vs. Kostenwettbewerb, um nur einige Alternativen zu nennen. Es
stellt sich anschließend die Frage nach der angemessenen Dynamisierung des
Modells, um schließlich, möglicherweise unter Verwendung der im 3. Kapitel
vorgestellten Methodik, zu überprüfen, ob aufgedeckte Asymmetrien einer
dynamischen Betrachtung standhalten, ob sie sich also als second-mover-
Vorteil darstellen lassen.
Auch die Analyse zur technologischen Führerschaft von Nationen in den
Kapiteln 4 und 5 läßt noch wesentliche Fragen o¤en. Hier wurde in erster
Linie das als Kardinalfrage eingeschätzte Problem untersucht, unter welchen
KAPITEL 6. SCHLUSSBEMERKUNGEN 193

Bedingungen es zwischen o¤enen marktwirtschaftlich organisierten Ökono-


mien zu Überholprozessen allein aufgrund der zugrunde liegenden Wachs-
tumsmechanik kommen kann. Mögliche wirtschaftspolitische Implikationen
wurden dabei nur am Rande behandelt und Wohlfahrtse¤ekte ganz vernach-
lässigt. Als Ausgleich für dieses De…zit konnte in den beiden letzten Kapiteln
ein Erkenntnisfortschritt in einem wichtigen Bereich nationalökonomischer
Theorie präsentiert werden. Während Außenhandel im Zusammenhang mit
durch learning by doing ausgelösten Akkumulationsvorteilen grundsätzlich zu
einer Verfestigung der relativen technologischen und ökonomischen Postionen
von wirtschaftlichen Regionen führt (Kapitel 4), kann Kapitalmobilität im
Rahmen neoklassischer Wachstumsdynamik mit durch learning by investing
ausgelösten externen E¤ekten zu Überholprozessen und Zyklen internationa-
ler technologischer und ökonomischer Führerschaft führen. Damit wird die
mögliche Erklärungsbandbreite neoklassischer Wachstumsmodelle erweitert.
Ob es tatsächlich zu solchen endogenen Überholprozessen kommt, hängt zum
einen von der Stärke der externen E¤ekte ab und zum anderen von der Frage,
ob der aus diesen externen E¤ekten akkumulierte ö¤entliche Wissenskapital-
stock schneller an Wert verliert als der private Kapitalstock einer Ökonomie.
Beides sind Fragen, die letztlich noch der empirischen Überprüfung bedürfen.
Wie eingangs angekündigt, zeigt diese Arbeit, daß Untersuchungen zur
Bedeutung technologischer Führerschaft von Unternehmen einerseits und von
Nationen andererseits weder im Hinblick auf die zentralen Fragestellungen
noch im Hinblick auf die sinnvollerweise zu verwendenden Methoden viel
miteinander zu tun haben. Es stellt sich damit abschließend die Frage,
warum diese beiden Themen im Rahmen einer Arbeit untersucht worden
sind. Als Begründung soll zum einen auf die häu…g und von prominenter
Seite geäußerte Überzeugung verwiesen werden, daß die technologische und
ökonomische Position heimischer Unternehmen auf den Weltmärkten not-
wendigerweise einen engen Zusammenhang mit der internationalen techno-
logischen und ökonomischen Position der betre¤enden Ökonomie ausweise.1
1
Es sei hier auf die Arbeiten von Albach, Scherer sowie von Nelson und Wright
verwiesen.
KAPITEL 6. SCHLUSSBEMERKUNGEN 194

Einer solchen Einschätzung, die auch zu fehlgeleitetem technologiepolitischen


Aktionismus verleiten kann, wird am überzeugendsten mit einer Arbeit ent-
gegengetreten, in der beide Themenbereiche behandelt werden. Zum anderen
sollte nicht verhehlt werden, daß auch der Verfasser zunächst die Ho¤nung
hatte, die zentralen Fragestellungen der beiden Themenbereiche ließen sich
sinnvoll verbinden und möglicherweise im Rahmen einheitlicher oder doch
zumindest verwandter Methodik analysieren. Die hier geäußerte Einschät-
zung über die unterschiedliche Bedeutung technologischer Führerschaft im
Wettbewerb zwischen Unternehmen und zwischen Nationen ist eine im Laufe
der Untersuchung gewachsene Überzeugung.
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