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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Proseminararbeit
Stefan Bucher

Gregorianischer Choral in der


Gemeinschaft der Mönche

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Vorwort

Es war im Oktober 1995, als ich im Zisterzienserkloster Abtei Hauterive, bei Posieux, Frei-
burg, zum ersten Mal das Chorgebet der Mönche hörte. Nicht nur, dass ich mich in eine lange
vergangene Zeit zurückversetzt fühlte, nicht nur, dass mich die Lebendigkeit dieser Tradition
faszinierte, und nicht nur, dass ich vom herzlichen Lachen der Mönche willkommen geheissen
wurde, machte mein Interesse für das klösterliche Leben und seinen Gesang aus. Vor allem
fühlte ich mich durch die Musik des Gregorianischen Chorals herausgefordert, in mich selbst
hineinzuhorchen und zu entdecken, was in mir verborgen sei. Es war ein tief spirituelles Erleb-
nis, das meinen Glauben an das Leben und an den Schöpfer des Lebens weitgehend veränderte.
Die vorliegende Arbeit geht den drei Fragen nach, die sich mir bei meinem ersten Gregori-
anikerlebnis stellten: Wo liegt der Ursprung dieser Musik? Wie spielt sich der Chorgesang im
Kloster ab? Mit welchen religiösen Gefühlen nimmt der einzelne Mönch am Chorgebet teil?
Anhand dieser Fragen gliedere ich die Arbeit in drei Kapitel: 1. Die Entwicklung des Gregori-
anischen Chorals; 2. Gregorianischer Choral im Kloster; 3. Der einzelne Mönch im Chor der
Brüder.
Wollte ich der Arbeit einen prägnanten Sinnspruch voranstellen, fände ich in den Schriften
der Wüstenväter und der Mystikerinnen und Mystiker sicher eine aussagestarke Sentenz. Ich
greife jedoch nicht auf die alten Texte zurück. Einen treffenden Spruch las ich in der Werbung
einer Getränkefirma. Was in der Reklame – mit den Worten Gottfried Kellers – über das Mi-
neralwasser gesagt wird, gilt auch für den Gregorianischen Choral:
«Alles Grosse und Edle ist einfacher Art.»
Während der Zeit, in der ich mich mit dem Gregorianischen Choral beschäftigte, gab es vie-
le Menschen, die mir Informationen vermittelten oder mit denen ich meine Gedanken austau-
schen konnte. Ihnen allen gilt an dieser Stelle mein Dank. Ich möchte speziell erwähnen: Pa-
ter Hermann-Joseph, O.Cist., Chorleiter und Gästepater der Abtei Hauterive, und Pater Roman
Hofer, OSB, Chorleiter des Klosters Engelberg und Musiklehrer an der Stiftsschule Engelberg –
Danke für die Gespräche! Niklaus Strässle – Danke für die Bücher, für die Korrekturen und für
den Hinweis zur Verwendung des Gedankenstrichs! Simon Bosshard und Herbert Zogg– Danke
fürs Lesen und für die stilistischen Anregungen!

Stefan Bucher

Zürich, 22. Mai 2000


Bettina zum Geburtstag

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Inhalt

Gregorianischer Choral in der


Gemeinschaft der Mönche

Einleitung 3

Kapitel 1: Entwicklung des Gregorianischen Chorals 4


1.1 Entstehung eines einheitlichen Repertoirs – 7. Jahrhundert 4
1.2 Anfänge – frühchristliche Zeit 5
1.3 Blütezeit – 9.–11. Jahrhundert 6
1.4 Weiterentwicklung der Kirchenmusik 7
1.5 Restauration im 19. Jahrhundert 9

Kapitel 2: Gregorianischer Choral im Kloster 10


2.1 Gemäss der Benedikts-Regel 10
2.2 Das Stundengebet 10
2.2.1 Psalmengesang 12
2.2.2 Psalmodie 12

Kapitel 3: Der einzelne Mönch im Chor der Brüder 14


3.1 Der Mönch in der Gemeinschaft 14
3.1.1 Einheit von Innen und Aussen 14
3.1.2 Vom Einzelnen zur Gemeinschaft 14
3.1.3 Tradition und Wandel 15
3.2 Das einsame und das gemeinschaftliche Gebet 16
3.2.1 Persönliches Gebet 16
3.2.2 Chorgebet 17

Schlusswort 18

Anhang: Literatur- und Quellenverzeichnis 19

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Einleitung

In drei Schritten nähert sich die Arbeit dem Geheimnis des Gregorianischen Chorals in der
Gemeinschaft der Mönche: Im ersten Kapitel wird ein historischer Überblick über die Ent-
wicklung des Gregorianischen Chorals gegeben. Im Zweiten Kapitel steht der Gesang in der
Praxis des Stundengebets nach der benediktinischen Tradition im Zentrum der Betrachtungen.
Im dritten Kapitel wird ein Blick auf die Entstehung des Mönchtums geworfen und aufgezeigt,
in welchem Verhältnis der einzelne Mönch zur Gemeinschaft steht. Ausgangspunkt ist die
Frage, wie sich das persönliche Gebet des Mönchs mit dem Chorgebet in der Klostergemein-
schaft verbindet.
Zu Beginn der Arbeit wird die Entstehung des Gregorianischen Chorals erläutert. Seine
Wurzeln sind in den Lesegesängen der jüdischen Synagoge zu finden. Über die Kirche des
Ostens kommt der Psalmengesang nach Rom. Im Namen von Papst Gregor dem Grossen ver-
breitet sich der Gregorianische Choral in ganz Europa. Für die Pflege der Gesänge sorgen
meist die Klöster. Die Mönchsregel von Benedikt von Nursia schreibt die Ordnung des Psalm-
engesangs im klösterlichen Stundengebet vor. Inspiriert von der Weisheit der ägyptischen
Mönchsväter, übernehmen die Benediktiner eine Lebensform im Ausgleich von Gebet und
Arbeit. Wie die Untersuchung zeigen wird, schöpft der Gregorianische Choral noch heute aus
diesen spirituellen Quellen. Die Benediktsregel bildet in der vorliegenden Arbeit den roten Fa-
den in der Beschreibung der klösterlichen Gesangspraxis. Dieses Vorgehen garantiert eine
konzentrierte Untersuchung einer – der benediktinischen – Tradition und eine klare Abgren-
zung gegenüber anderen Ausprägungen.
Nicht berücksichtigt in dieser Arbeit ist der Bereich der Semiologie, der Erforschung der
Neumennotation, und das ganze Gebiet der musikalischen Interpretation der gregorianischen
Gesänge. Es ist dem Autor bewusst, dass es – wie es der Einsiedler Choralmagister Pater Ro-
man Bannwart sagt – «mit dem ‹Verstehen› dieser Musik nicht getan ist: Choral will gesungen
werden, und zwar mit einer gesunden Stimme wie bei jeder anderen Gesangsgattung. Erst im
Selbstvollzug öffnet sich dem Einzelnen das Geheimnis der Gregorianik.» (Bannwart, 1992, S.
114) Da das eigene Singen aber ohnehin in einem Chor geübt werden müsste und nicht einem
geschriebenen Text entnommen werden kann, liegt der Verzicht auf den Themenbereich der
musikalischen Interpretation nahe. Die Aufforderung, selbst zu singen, bleibt indes.
Die Arbeit nimmt sich nicht Detailfragen der wissenschaftlichen Gregorianikdiskussion an.
Viel eher legt sie grundsätzliche Überlegungen zum Thema dar. Im dritten Teil weicht die Ar-
gumentation von der allgemeinen Betrachtung ab und stellt die monastische Tradition im
Lichte der Kulturwissenschaft dar.
Was in der Arbeit über Mönche und Brüder gesagt wird, gilt in den meisten Fällen auch für
Nonnen und Schwestern. Da die Fachsprache meist die männliche Form pflegt, wurde dies
auch in der vorliegenden Arbeit beibehalten. Selbstverständlich ist die Choraltradition auch in
Frauenklöstern von grosser Bedeutung. Tatsächlich wird in vielen Frauenklöstern das Stun-
dengebet mit grösserer Sorgfalt gepflegt als in Männerklöstern.
In dieser Arbeit gibt es keine Heiligen. Namen von Personen, die von der katholischen
Kirche heilig gesprochen wurden, erscheinen ohne die Bezeichnung «Heilig» bzw. «hl.». Für
eine Betrachtung im Sinne dieser Arbeit ist die Nennung nicht von Bedeutung.
Die zitierten Quellen geben oft die Sichtweise katholischer Geistlicher von innerhalb und
ausserhalb des Klosters wieder. Verwiesen wird hauptsächlich auf das Grundlagenwerk
«Gregorianischer Choral» von Luigi Agustoni. Bei der Interpretation der Benediktsregel wird
dem Kommentar von Georg Holzherr gefolgt. Die Literatur- sowie Quellenangaben sind im
Anhang zusammengefasst. Die Abkürzungen und Zitate von Bibelstellen sind der Einheits-
übersetzung der Heiligen Schrift entnommen.

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Kapitel 1

Entwicklung des Gregorianischen Chorals


Um zu verstehen, wie sich das einsame Gebet und das gemeinsame Singen im Chor der Mön-
che miteinander verbinden, gilt es erstmals, den Begriff des Gregorianischen Chorals zu klä-
ren. Die Bezeichnung ist eng mit dem Namen Gregors des Grossen verbunden. Deshalb begin-
nen wir unsere Betrachtung über die Geschichte des Gregorianischen Chorals im 6. Jahrhun-
dert, der Zeit des Pontifikats Gregors. Im zweiten Abschnitt des Kapitels gehen wir zu den
Anfängen der christlichen Kirche zurück. Der dritte Abschnitt gilt der Betrachtung der Zeit
nach Gregor, der Blütezeit des Gregorianischen Chorals. Es folgt im vierten Teil ein kurzer
Hinweis auf den Untergang des einstimmigen Chorals und die Entwicklung der Kirchenmusik
von der Renaissance bis zur Klassik. Zum Abschluss des ersten Kapitels wird die Restauration
des Gregorianischen Chorals im 19. Jahrhundert besprochen.

1.1 Entstehung eines einheitlichen Repertoires – 7. Jahrhundert


Papst Gregor I. (540–608, Papst seit 590) wird allgemein die grosse Leistung zugeschrieben,
die Kirchengesänge, die zur damaligen Zeit im ganzen westeuropäischen Raum gepflegt wur-
den, gesammelt und in einem Werk vereint zu haben1. Die Sammlung liturgischer Gesänge, die
in diesem Kanon zusammengefasst wurde, wird als Gregorianischer Choral bezeichnet. Dieser
wurde zum einheitlichen Ritus der römisch-katholischen Kirche. Musikalisch wird der Grego-
rianische Choral durch seine Einstimmigkeit charakterisiert. Die Melodien bestehen aus klei-
nen Tonintervallen und werden in einem verhältnismässig ruhigen, getragenen Tempo gesun-
gen.
Es ist wissenschaftlich allerdings unwahrscheinlich, dass es tatsächlich Gregor ist, der mass-
geblich für die musikalischen Vereinigung der lokalen Stile zum neuen römischen Choral ver-
antwortlich war. Viel eher fand die Umformung des altrömischen Ritus zum Gregorianischen
Choral während des Pontifikats des Papstes Vitalian (657–672) statt. Früheste Dokumente
belegen Textsammlungen aus dem 8. Jahrhundert. Das Werk Gregors wurde jedoch Gegen-
stand von Legenden und Mythen. So überlieferte schon Gregors Biograph Johannes das Bild,
«wie er auf dem päpstlichen Thron sitzt und seinem Schreiber die Melodien diktiert, die eine
auf seiner Schulter sitzende himmlische Taube ihm ins Ohr flüstert» (in: Robertson/Stevens,
1965, S.183). Sicher ist, dass unter Gregor die römische Kirche einen Aufschwung erlebte.
Missionare reisten bis in die entlegensten Winkel Europas und predigten Gregors Rezepte für
Kirche und Verwaltung. Zusammen mit der nun vereinheitlichten liturgischen Praxis behaup-
tete sich der römische Ritus gegenüber den folkloristischen Prägungen der Regionen.
Ob nun Gregor oder Vitalian, Tatsache ist, dass sich die Erneuerer keiner Notenschrift zur
Aufzeichnung der Melodien bedient haben konnten. Die ersten Notationszeichen, die Neu-
men, entstanden rund 200 Jahre nachdem die Sammlung der liturgischen Gesänge abgeschlos-
sen war. Über die Neumen schreibt Godehard Joppich: «Die ältesten [musikalischen] Auf-
zeichnungen jener Gesänge, die wir Gregorianischen Choral nennen, stammen aus dem ersten
Viertel des 10. Jahrhunderts. Die benutzten Zeichen geben keine genaue Tonhöhe an. Sie ha-
ben offensichtlich die Bewegungen dessen zum Ursprung, der mit seinen Gesten die auswendig
singende Kantorengruppe leitete, welcher der Vortrag dieser Texte anvertraut war. Die auf
Pergament übertragenen Dirigierbewegungen wurden deshalb Neumen genannt (griechisch:
neuma = Geste, Wink).» (Joppich, 1996, S. 33)
1 Unterschieden werden der mozarabische Stil, der auf der Iberi-
schen Halbinsel gepflegt wurde, der gallikanische Stil aus Frank-
reich, der ambrosianische Stil der Kirchen Mailands, der altrömi-
sche Stil aus Rom und der keltische Stil der Britischen Inseln
und Teilen Deutschlands.

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1.2 Anfänge – frühchristliche Zeit


Die Geschichte des einstimmigen Kirchengesangs hat ihren Ursprung einige hundert Jahre vor
Gregors Zeit: im Gesang der jüdischen Synagoge. Die Hauptteile der Liturgie aus der Zeit nach
dem babylonischen Exil finden sich auch in der christlichen Urkirche: Lesung aus den heiligen
Schriften, Psalmgebet, Predigt, Gebet und Schlusssegen. Psalmen, Gebete und Lesungen wur-
den in einer Art erhöhtem Sprechgesang vorgetragen. Diese sogenannte Kantillation2 ist eine
einfache melodische Sprechweise. Sie basiert auf einem einzigen Ton und variiert je nach Be-
tonung des zugrundeliegenden Textes um wenige Tonschritte. Das Kantillieren entsprach den
akustischen Anforderungen der Synagogen. In den grossen Räumen ging undeutliches Lesen
unter. Die Melodie machte die Worte besser verständlich und «hob sie über die Alltagssprache
hinaus» (Hofer, 1990, S. 14). Heute sagen Sprachforscher, dass nur lautes Sprechen die guten
Inhalte vermittle. Der Klang war ausserdem entscheidend für das Memorieren der Gesangs-
und Gebetstexte.
Die Christen führten die Gesangstradition der Synagoge anfangs kaum verändert fort. Die
meisten Neubekehrten waren früher Juden und mit den Gottesdienstordnungen vertraut. Der
Versammlungsort der Christen waren Privathäuser. Aufschluss über den frühchristlichen Ge-
brauch von Musik geben die Briefe des Apostels Paulus. Da heisst es beispielsweise: «Lasst in
eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt
aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!» (Eph 5,19)
Neben dem Wortgottesdienst – bestehend aus oben erwähnter Lesung, Psalmgebet, Predigt,
Gebet und Schlusssegen – war das Abendmahl zentraler Bestandteil der frühchristlichen Litur-
gie. Sein Vorbild ist das jüdische Pessachmahl. Das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern war
ebenfalls eine solche Feier. In der christlichen Kirche wurde daraus die Eucharistiefeier – der
eigentliche christliche Gottesdienst.3 Wortgottesdienst und Eucharistie verschmolzen seit
dem 4. Jahrhundert und bildeten schliesslich die Messe.
Bis zum 3. Jahrhundert bestand keine Instanz, die über Art und Weise der christlichen Ri-
ten entschied. Es waren orts- und gruppenspezifische Bedürfnisse und Voraussetzungen, die die
Form der Gottesdienste prägten. Erst nachträglich wurden liturgische Gewohnheiten verein-
heitlicht und festgeschrieben. Überhaupt waren die christlichen Gemeinden in Palästina,
Kleinasien, Griechenland und Rom auf sich allein gestellt. Weil sie von den römischen
Machthabern verfolgt wurden, blieben die Christen oft im Untergrund. In der Welt sahen sie
sich den dämonischen Mächten der heidnischen Götter ausgesetzt. Das änderte sich mit der
Anerkennung der christlichen Religion durch den römischen Kaiser Konstantin (Toleranz-
edikt von Mailand 313). Jetzt hielten die Christen regionale Zusammenkünfte ab und verein-
barten feste Normen. Bischöfe nahmen zunehmend Positionen im politischen Machtgefüge
ein. Das Konzil von Nicäa (325) besiegelte das Glaubensbekenntnis (Credo) und die Einheit
der Kirche im Römischen Reich.
Trotz der proklamierten Einheit machte sich aber immer stärker die Trennung zwischen
Ost und West bemerkbar. Der Streit zwischen Byzanz und Rom war auch ein Streit zwischen
griechischer und lateinischer Sprache. Kaiser Konstantin machte Konstantinopel zur Reichs-
hauptstadt. Rom verlor an Glanz, war es doch die Heimat des heidnischen Götterkults. Der
Osten, als Wiege der christlichen Kultur, besass bereits die bedeutenderen Repräsentationsbau-
ten. In den Gemeinden Kleinasiens und Griechenlands wurden die Paulus-Briefe in der griechi-
schen Originalsprache rezitiert. Die Ostkirche war auch bei der musikalischen Entwicklung
tonangebend. Sie hatte die Wechselgesänge der Synagogen weiter gepflegt. Der wechselchöri-
2 Ein Spezialfall der Kantillation ist die Psalmodie. Mehr zur klö-
sterlichen Praxis der Psalmodie im Stundengebet im Kapitel 2.2
3 Rupert Berger zu den Teilen der Eucharistiefeier: «Die von Chri-
stus gestiftete Feier hat zwei Hauptteile: Das Hochgebet und die
Kommunion. Vor diese beiden Teile tritt ein Vorbereitungsteil, der
von wesentlich geringerer Bedeutung ist. Das neue Messbuch
nennt diesen Teil ‹Gabenbereitung›; früher nannte man ihn
‹Offertorium›.» (Berger, 1993, S. 125).

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ge Psalmgesang – das antiphonische Singen – breitete sich von hier allmählich im gesamten
Römischen Reich aus.
Die musikalische Gestaltung der frühchristlichen Gottesdienste grenzte sich klar von der
weltlichen Volksmusik ab. Die Lieder der Heiden – oft von Instrumenten begleitet – machten
die Seele krank, warnten die Kirchenväter. Die «gekünstelte Musik» ziehe einen zu unreinen
Gefühlen hin, ja, sie verleite zu «bacchantischer Raserei und Verrücktheit» (Clemens von
Alexandria, gest. 215, in: Robertson/Stevens, 1965, S.181). Für einige Kirchenoberen gingen
selbst die reicher ausgestalteten Melodien der geistlichen Gesänge zu weit. Als rein galt vor-
wiegend die syllabische Singweise. Eine Note entspricht hier einer Textsilbe. Im Gegensatz
dazu schmückt die melismatische Melodiegestaltung einzelne Silben mit mehreren Noten aus
– ursprünglich vor allem die Schlusssilbe im Alleluja-Jubilus. Die Melismatik ist «eine Melo-
die, die bedeutet, dass das Herz hervorbringt, was es in Worten nicht aussprechen kann»
(Augustinus, 354–430, in: Hofer, 1990, S. 15).

1.3 Blütezeit – 9.–11. Jahrhundert


Nach der Trennung des Imperium Romanum in das Ost- und das Westreich (nach dem Tod
Theodosius' I. 395) lösten sich auch die kirchlichen Bindungen. Rom wurde wieder zur Haupt-
stadt des Westreichs und zum Mittelpunkt einer neuen liturgischen Bewegung. Von Rom aus
verbreitete sich ab der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts der vom Papst vereinheitlichte
Gregorianische Choral (vgl. oben, Kapitel 1.1) – auch dank der Missionsarbeit der karolinger
Kaiser Pippin und Karls des Grossen. In allen Teilen Europas entstanden Singschulen nach
dem Vorbild der römischen Schola Cantorum. Die Schola führte in den Kirchen zu einer Pro-
fessionalisierung des Gesangs. Nicht mehr hauptsächlich die versammelten Gläubigen pflegten
den Gesang, sondern die gelernten Musiker. Grund dafür war das immer grösser werdende Re-
pertoire an Gesängen und die immer feinere und raffiniertere Ausgestaltung der Melodien.
Neben den Psalmgesang kam eine grosse Anzahl von Hymnen dazu. Die Hymnendichtung
entwickelte sich ab dem 4. Jahrhundert zu einer reichen literarischen Gattung. Die Hymnen
sind Dichtungen mit ausserbiblischen Texten, strophisch und metrisch geformt. «Der Hym-
nus wird eine Art Gemeindelied mit tiefem, stark dichterischem Text, aber eingängiger, fast
volkstümlicher Melodie.» (Hofer, 1990, S. 15)
Die Dichtkunst brachte ab dem 9. Jahrhundert eine weitere Gesangsgattung hervor. Es sind
dies die Tropen. Es waren die fränkischen Sänger, denen die Annahme des Gregorianischen
Chorals Mühe bereitete. Vor allem die melismatischen Gesänge – aus dem Mittelmeerraum
stammend – waren den Franken nicht geläufig. «Was man in Rom einfach wusste und konnte,
musste nördlich der Alpen mit viel Fleiss gelernt werden.» (Hofer, 1990, S. 16) Kreative und
dichterisch begabte Mönche fingen an, die melismatischen Melodieteile mit neuen Texten
auszufüllen und so syllabisch umzuformen.
Die am weitesten verbreitete Form des gregorianischen Tropus sind die Sequenzen. Be-
kannt für sein dichterisches Schaffen ist der St. Galler Mönch Notker Balbulus (der «Stam-
mler», 840–912). Der Bibliothekar soll Schwierigkeiten beim Auswendiglernen der langen
Melodien des Alleluja-Jubilus gehabt haben. Eine Lösung für dieses Problem sah Notker in den
Manuskripten aus einem zerstörten französischen Kloster, die ihm ein geflüchteter Priester
mitbrachte. Dort wurden die Melismen des Alleluja mit Versen unterlegt. Dem Mönch gefiel
die Idee, denn er erkannte, dass auf diese Weise die Melodien besser behalten werden konnten.
Bei seinen ersten Versuchen mit selbst erfundenen Texten musste Notker von seinem Lehr-
meister Iso auf die genaue Einhaltung der syllabischen Gestaltung hingewiesen werden: näm-
lich, dass «jede Melodienote eine eigene Silbe zugeteilt erhalten müsse» (in: Robertson/Ste-
vens, 1965, S.206).
Die Tropen und Sequenzen boten der Schola und einzelnen Solisten die Möglichkeit, ihr
musikalisches Können in der Öffentlichkeit vorzutragen. Erstmals in der Kirchenmusik tra-

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ten Musiker somit als künstlerisch tätige Persönlichkeiten in Erscheinung. Allzulange hatte
diese Kunstform allerdings nicht Bestand. Im 12. und 13. Jahrhundert wurden die Tropen aus
der Sammlung der Messgesänge gestrichen. Das Konzil von Trient (1545) nahm schliesslich
nur gerade vier Sequenzen ins römische Gesangsbuch auf. Später kam eine fünfte dazu.
Zeugnis der Blütezeit des Gregorianischen Chorals sind die prachtvoll gestalteten Hand-
schriften und Gesangsbücher des 10. und 11. Jahrhunderts. Ein solches bedeutungsvolles Ex-
emplar aus der Schweiz ist der Codex 121 aus Einsiedeln. An ihm lässt sich beispielhaft auf-
zeigen, wie kunstvoll der Gregorianische Choral im Mittelalter gepflegt wurde. Der «Codex
121 Einsiedeln» entstand in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in der Einsiedler Schreib-
werkstatt. Es handelt sich um das älteste vollständig erhaltene, neumierte Messantiphonar.
«Die künstlerische Qualität der Textschrift und der Formenreichtum der Initialen geben dem
Codex 121 eine hervorragende Stellung unter den alten Musikhandschriften.» (Lang, 1992, S.
4) In der 600 Seiten starken Handschrift sind Messgesänge («Antiphonale Missarum») und
Sequenzen («Liber Ymnorum») enthalten, unter ihnen 40 Texte von Notker Balbulus. Die
Musik ist in der alten Neumenform der St. Galler Tradition notiert, die keine Notenintervalle
darstellt. Bestimmt war das kleine Buch (10,5 x 15,5 cm) als persönliches Exemplar für den
Einsiedler Abt Gregor (964–996). Als Leiter der Chorschola diente ihm das Musikhandbuch
als Nachschlagewerk und Gedächtnisstütze. Besonders hervorgehoben werden Dichtungen zu
Ehren des Einsiedler Kirchenpatrons Mauritius. Sein Name ist mit schwarzen und goldenen
Grossbuchstaben verziert.

1.4 Weiterentwicklung der Kirchenmusik


Was in diesem Abschnitt beschrieben wird, ist nicht mehr zum Gregorianischen Choral zu
zählen. Die musikalische Entwicklung führte zu einer Dekadenz in der Praxis des einstimmi-
gen Choralgesangs. In der Folge entstanden aber musikalische Formen, die wegweisend für die
abendländische Kunstmusik waren. In Kürze wird auf die Weiterentwicklung vom späten Mit-
telalter bis zur Klassik hingewiesen.
Während die musikalische Aufzeichnung der liturgischen Musik im 9. Jahrhundert mit Hil-
fe von Neumen noch keine genauen Tonhöhen erraten liess, entwickelte sich um das Jahr
1000 eine Tonschrift mit Liniensystem zur Angabe von Tonintervallen. Unter den Noten-
schriften mit Linien setzte sich in Deutschland die gotische Hufnagelnotation, in Frankreich
die Quadratschrift durch. In St. Gallen bestand die linienlose Akzentnotation noch bis zum
15. Jahrhundert parallel zur Punktnotation mit Linien. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts wurde
erstmals die Rhythmusnotation möglich. «Im späten Mittelalter entwickelte sich die direkte
Beziehung zwischen Notenschrift und Komposition. (…) Musik wurde schriftlich konstru-
iert.» (Elschek, 1998, S. 261) «Diese Überproduktion im neuen Stil und das Aufblühen der
Polyphonie (Mehrstimmigkeit) haben die gregorianische Monodie nach und nach erdrückt.
Die Interpretation des Gregorianischen Chorals verfällt immer mehr, schliesslich nimmt man
von ihm kaum noch Notiz.» (Agustoni, 1993, S. 217) Die gregorianischen Melodien bildeten
bald nur noch den Tenor (Unterstimme, auch Cantus firmus), über den Zusatzstimmen im-
provisiert wurden. Ergebnis dieser Entwicklung war die Auflösung der ursprünglichen Einheit
zwischen der Melodie und ihrem Text. Die Worte waren nur noch notwendiges Vehikel, da-
mit die Musik überhaupt klingen konnte. «Der natürliche Fluss der Sprache ging verloren und
bald auch die einst so wichtige Textverständlichkeit.» (Hofer, 1990, S. 17) Darin sahen – und
sehen – Kirchenmusiker, vor allem im Kloster, einen entscheidenden Verlust. Denn liturgi-
sche Musik hat immer eine Funktion: die Verkündigung des Wortes Gottes. «Mehrstimmig-
keit macht nur einen Sinn, wenn dadurch die Einstimmigkeit verdeutlicht und ausgeweitet
wird.» (Hofer, 1990, S. 51)
Die musikalische Entwicklung ging zunächst aber in schnellem Tempo weiter, ohne Rück-
sicht auf liturgische Bedenken. Die französische Motette der Notre-Dame-Epoche des 12.

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und 13. Jahrhunderts erweiterte den gregorianischen Cantus firmus um drei bis vier Oberstim-
men – mit anderen Texten und oft in verschiedenen Sprachen. Später übernahmen auch welt-
liche Gesänge die Unterstimme. Die Entstehung der Motette fiel zeitlich mit dem Bau der
Kathedralen zusammen. Architektur wie Komposition erreichten eine neue Stufe der kunst-
vollen Ausschmückung.
Die Ars Nova-Epoche im 14. Jahrhundert brachte Verfeinerungen in der rhythmischen
Gestaltung der Gesänge. Immer wichtiger wurde die poetische Dichtung, die immer öfter die
alten liturgischen Texte ersetzte. «Zum ersten Mal wurde nicht der liturgische, sondern der
weltliche Bereich für die Hauptereignisse in der Musik bestimmend.» (Musch, 1993, S. 28)
Gegen die drohende Verweltlichung der Kirchenmusik wurden immer mehr Stimmen laut.
Papst Johannes XXII. lehnte Auswüchse ab und hob in seiner Constitutio «Docta Sanctorum
Patrum» (1324/25) den Sinn der liturgischen Musik hervor: Die Musik des Gottesdienstes
sollte gegenüber der weltlichen Musik ihre alte Art bewahren. Dennoch wurden ab Mitte des
14. Jahrhunderts auch die Gesänge des Messordinariums vollständig mehrstimmig in der Kir-
che vorgetragen.
In der Renaissance waren es die Komponisten der franko-flämischen Schule (auch Nieder-
ländische Schule), die die europäische Musikgeschichte prägten. Die Musik galt jetzt als selb-
ständige Kunstgattung. Um 1540 wurde in der sogenannten durchimitierten Motette der Can-
tus firmus abgelöst. Durch die Technik der Simultankomposition war es möglich geworden,
die Stimmen mit Hilfe eines durchgehenden Themenmaterials melodisch und rhythmisch ein-
ander anzugleichen.
Das Konzil von Trient (1545–63), das sich mit seinen Lehrentscheidungen gegen die Re-
formation abgrenzte, befasste sich auch mit Fragen der Kirchenmusik. Anlass für die Diskus-
sion waren die mangelnde Textverständlichkeit. Es galt zu entscheiden, ob mehrstimmige
Musik ganz aus den Gotteshäusern zu verbannen sei. Um zu einem fundierten Ergebnis zu ge-
langen, liessen sich die Konzilväter verschiedene Werke vorführen. Weil sich eine Mehrzahl
an der Polyphonie erfreute, entschied sich das Konzil schliesslich für die mehrstimmige Mu-
sik im Gottesdienst. Eine Legende sagt, dass es der römische Komponist Giovanni Pierluigi da
Palestrina (1525–1594) war, der mit seinen Messkompositionen die Konzilväter für die
Mehrstimmigkeit gewinnen konnte. So ging er als «Retter der Kirchenmusik» (in der Oper
«Palestrina» von Hans Pfitzner) in die Geschichte ein. Im verabschiedeten Dekret von Tri-
ent heisst es: «Aus den Kirchen sind diejenigen Musikarten zu verbannen, die (…) etwas Zü-
gelloses oder unreines enthalten, damit das Haus Gottes wahrhaft als Haus des Gebetes gehal-
ten und genannt werden kann.» (in: Musch, 1993, S. 35)
In der klassischen Vokalpolyphonie aus der Schule Palestrinas nahm die Textverständlich-
keit in der Folge des Trienter Konzils wieder zu. Dieser Stil fand grosse Anerkennung in der
Kirche. Er nahm später hinter dem Gregorianischen Choral die zweite Stelle in der von der
Kirche zugelassenen liturgischen Musik ein.
In der Barockzeit erlebte die Musik stilistische Erweiterungen durch neue Formen und Gat-
tungen und vor allem durch die rasante Entwicklung des Instrumentebaus. Die Musik in der
Kirche wurde ebenso prunkvoll ausgestaltet wie die Hofmusik. In der Klassik des 18. Jahrhun-
derts sprengte die Kirchenmusik dem liturgischen Rahmen des Gottesdienstes ganz. «Die sin-
fonische Kirchenmusik dient zur religiösen Erbauung eines Konzertpublikums, das in erster
Linie Fan eines betreffenden Komponisten ist und erst in zweiter Linie den Gottesdienst
sucht» (Hofer, 1990, S. 23).
An dieser Stelle kann auf die Entwicklung der deutschsprachigen Kirchenmusik, insbeson-
dere des reformierten Kirchenliedes, nicht eingegangen werden. Die Aufmerksamkeit der Be-
trachtung soll sich im letzten Teil des ersten Kapitels auf die Restauration des Gregoriani-
schen Chorals ab dem 19. Jahrhundert richten.

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

1.5 Restauration im 19. Jahrhundert


Schon Ende des 16. Jahrhunderts brachten Reformbestrebungen eine Neuauflage der gregori-
anischen Messgesänge hervor. Die gregorianischen Melodien in der «Editio Medicaea» (1614
in der medicaeischen Druckerei Roms hergestellt) wurden durch Auslassen oder Versetzen von
Melismen allerdings stark verfälscht und verstümmelt (Agustoni, 1993, S. 217). Erst Mitte
des 19. Jahrhunderts begann in der französischen Benediktinerabtei von Solesmes ein neuer
Aufbruch zur Rückkehr zu den Ursprüngen des Gregorianischen Chorals. In der ersten Phase
der Restauration ging es vor allem darum, möglichst schnell der Aufforderung Papst Pius' X.
nachzukommen, den Gregorianischen Choral in seiner Vollständigkeit und Reinheit wieder
herzustellen («Motu Proprio», 1903). Dabei mussten mitunter Kompromisse eingegangen
werden, nicht zuletzt darum, weil die neue Gregorianikforschung noch jung war und noch
nicht über geeignete Methoden verfügte. Der Solesmes-Mönch Dom Mocquereau (gest. 1930)
gilt als Begründer der Gregorianischen Paläographie. Mit Hilfe der Fotografie wurden alte
Handschriften reproduziert. So konnten sie genauestens analysiert und erforscht werden.
Dom Pothier (gest. 1923), ebenfalls Solesmes-Mönch, ist der Herausgeber mehrerer bedeu-
tender Sammlungen von Messgesängen. Beide Mönche bemühten sich darum, eine Theorie
für die rhythmische Interpretation der gregorianischen Gesänge zu finden. Im zweiten Ab-
schnitt der Restauration des Gregorianischen Chorals wurden die melodischen und typografi-
schen Aufzeichnungen verfeinert. Eine neue Wissenschaft, die Gregorianische Semiologie,
befasste sich nun mit der Vielfalt der Neumenzeichen. Sie erforschte die innere Logik der
vom Schreiber gewählten Schriftzeichen. «Die Gregorianische Semiologie ist ein kritischer
und methodologisch klar durchdachter Forschungszweig; daher sind ihre Ergebnisse keine Hy-
pothesen mehr, sondern wissenschaftlich gesichert.» (Agustoni, 1993, S. 231)
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965), das der Landessprache im Gottes-
dienst grösseren Raum zuwies, wurde im deutschsprachigen Raum die Erarbeitung einer neuen
deutschen Gregorianik in Angriff genommen. Führend bei der Reform des Kirchengesangs war
das Benediktinerkloster Münsterschwarzach. 1981 erschien das «Monastische Stundenbuch»
mit deutschsprachigen Gesängen für das Stundengebet. 1996 folgte das «Benediktinische An-
tiphonale». Die deutschen Übersetzungen der liturgischen Texte mussten so bearbeitet wer-
den, dass sie zu den gregorianischen Melodien singbar wurden. «Andererseits darf man auch
nicht die alten Psalmtöne, um sie dem deutschen Text gefügig zu machen, so stark verändern
und verfremden, so dass sie um ihr eigentliches Strukturgefüge gebracht werden.» (Hofer,
1996, S. 22)
Die Restauration des Gregorianischen Chorals geschah vorwiegend in den Klöstern des Be-
nediktinerordens. Das Bemühen der Mönche um die Wiederherstellung des ursprünglichen
Gregorianischen Chorals ist im Wunsch begründet, einen Gesang des Lobs und der Meditation
pflegen zu können. Der Gregorianische Choral ist kultische Musik. In seinem Zentrum steht
das Wort Gottes, das verinnerlicht oder nach aussen verkündet werden soll. Entscheidend für
die monastische Liturgiepraxis ist das «besinnlich-beschauliche Gepräge» (Füglister, 1996, S.
5) des Gregorianischen Chorals. Eigenschaft des Gregorianischen Chorals ist es deshalb nicht,
dass die musikalische Ausschmückung im Vordergrund steht, auch nicht die Absicht, die Zuhö-
rer affektiv zu bewegen.

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Kapitel 2

Gregorianischer Choral im Kloster


Nachdem im vorherigen Kapitel die Entwicklung des Gregorianischen Chorals dargestellt wur-
de, befasst sich dieses Kapitel mit der Praxis der gregorianischen Gesänge im Kloster. Im er-
sten Abschnitt soll aufgezeigt werden, welche Bedeutung die Pflege des Chorgebets in der be-
nediktinischen Mönchsregel hat. Im zweiten Abschnitt geht es dann um das klösterliche
Stundengebet, das Officium Divinum, in der benediktinischen Tradition. Im Unterkapitel
2.2.1 wird zunächst die Bedeutung der Psalmen im Stundengebet erläutert. Unter 2.2.2 soll auf
die musikalische Form der Psalmodie eingegangen werden.
Der zweite wichtige Hauptteil des Gregorianischen Repertoires neben dem Stundengebet
sind die Gesänge der Messe. Sie können an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden. Das
Schwergewicht der Arbeit soll auf der Gesangspraxis des Klosters liegen. Selbstverständlich
wird die Messe auch im Kloster gefeiert. Eine Untersuchung der Messe drängt sich hier aber
nicht auf, weil sie ihre grösste Bedeutung als Gottesdienstordnung vor allem in den Kirchen
ausserhalb der Klöster hat und somit nicht als klösterliche Gesangspraxis anzusehen ist.

2.1 Gemäss der Benediktsregel


Wie schon im Kapitel 1.5 erläutert, waren es Benediktinermönche, die sich Mitte des 19.
Jahrhunderts an die Restauration der alten Gesänge des Gregorianischen Chorals machten. Die
Verbundenheit der Benediktiner mit der klösterlichen Gesangstradition geht zurück auf ihre
Ordensregel. Benedikt von Nursia (ca. 480–547)4 gibt in seiner «Regula Benedicti» (RB) die
Beschreibung eines spirituellen Lebens nach dem Vorbild der Bibel, besonders der Bergpredigt
(Mt 5,1–7,29). Im Zentrum jedes christlichen Lebens – nicht nur des Mönchslebens – steht
die Meditation der heiligen Texte und das Gebet. Ausgangspunkt der Gebetspraxis im Chri-
stenleben sind die Worte Jesu und der Apostel, wonach die Gläubigen «allezeit beten» sollen
(Lk 18,1; 1 Thess 5,17). In der Klosterregel wird also das – gesungene – Gebet in die Ordnung
des Lebens gestellt und festgeschrieben.
Schon monastische Ordnungen vor der Regel Benedikts schreiben gemeinsame Gebetszei-
ten der Mönche vor. Die RB legt besonders viel Gewicht auf die genaue Ordnung der Liturgie
und somit des Chorgebets. Die Kapitel 8 bis 20 der 73 Kapitel umfassenden Regel widmen
sich dem Gebet und dem Psalmgesang. Darin enthalten ist eine vollständige Offiziumsord-
nung, die älteste dieser Art in der Geschichte der abendländischen Kirche.
Das Officium Divinum («Pflichtprogramm»)5, das Stundengebet der Psalmen, ist also das
Fundament des klösterlichen Gebetslebens. Im Folgenden soll sein Ablauf in der Tradition der
Benediktsregel erklärt werden.

2.2 Das Stundengebet


In Kapitel 16 seiner Mönchsregel kommt Benedikt auf das Stundengebet am Tag zu sprechen.
Er stützt sich auf das Buch der Psalmen (Ps 119,164), wenn es heisst: «Entsprechend dem
Wort des Propheten: ‹Siebenmal am Tag singe ich dein Lob›.» (RB 16,1) Benedikt fährt fort:
«Diese geheiligte Siebenzahl wird von uns dann erfüllt, wenn wir unseren schuldigen Dienst
leisten zur Zeit von Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet.» (RB 16,2) Dies
sind die sieben Gebetszeiten am Tag. Hinzu kommen die Gebetszeiten in der Nacht. Benedikt
4 Georg Holzherr legt in seinem Kommentar zur Benediktsregel –
den Feststellungen E. Mannings folgend – dar, dass die traditio-
nelle Datierung von Benedikts Geburt und Tod zu früh angesetzt
sei (Holzherr, 1993, S. 22).
5 Officium Divinum (lat.): Gottesdienst. Officium=Pflicht, Dienst,
Amt. Neben dem deutschen Wort «Stundengebet» ist auch
«Tagzeitenliturgie» oder «Stundenliturgie» gebräuchlich.

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

schreibt: «Und bei Nacht stehen wir auf, um IHN zu preisen.» (RB 16,5. Benedikt zitiert
Psalm 119,62) Gemeint sind hier die Vigilien (Nachtwachen).
Diese Gebetszeiten (Horen) bestimmen den Tagesablauf im Kloster. Die Laudes – das Mor-
gengebet – wird um ca. 4.30 Uhr gefeiert, bei Sonnenaufgang. Die Namen der Gebetszeiten
Prim, Terz, Sext, Non stehen für die Stunde des Tages, zu der sie gefeiert werden. Die erste
Stunde (Prim) entspricht 6 Uhr morgens, die dritte Stunde (Terz) ist 9 Uhr, die sechste Stun-
de (Sext) 12 Uhr und die neunte Stunde (Non) 15 Uhr. Um 17 Uhr steht die Vesper – das
Abendgebet – auf dem Programm. Mit dem Gebet der Komplet um 19.30 Uhr beschliessen die
Mönche ihre Tagesaktivitäten. Die genauen Uhrzeiten der Gebete sind je nach Kloster und
nach Jahreszeit unterschiedlich. Wer aber beispielsweise um die Mittagszeit an einem Kloster
vorbeikommt, hat gute Chancen, die Mönche in der Klosterkirche beim Chorgebet anzutref-
fen.
Der gesamte Tagesablauf des Klosters steht also im Zeichen der Gebetszeiten. So ist auch
der natürliche Lauf der Sonne ein häufiges Motiv in den Texten der Gesänge. Vor allem in
den Hymnen rufen die Klosterbrüder morgens das Licht Gottes an, abends bitten sie für einen
ruhigen gesegneten Schlaf. Im Hymnus der Mittwochs-Vesper, entnommen dem Stundenbuch
«Die Feier des Chorgebets» des Zisterzienserordens (Zisterzienserkloster Langwaden, 1996. S.
181), heisst es:
«Und wenn das tiefe Dunkel der Nacht den Tag geschlossen, kenne der Glaube keine
Finsternis, und die Nacht leuchte im Glaubenslichte.
(…) Frei von schlüpfrigem Sinne möge von Dir träumen des Herzens Grund, damit uns
nicht durch die List des neidischen Feindes Entsetzen wecke aus der Ruhe.»

Diese Textpassage zeigt deutlich, wie die Gesänge untrennbar mit dem Leben der Menschen
im Kloster verbunden sind. Hoffnung, Freude, Angst und Sorgen bringen die Mönche in den
gemeinsamen Gebetszeiten vor Gott. Dies ist Teil des Gottesdienstes, für den diese Menschen
leben. Die Mönche erkennen sich in der Beziehung zu ihrem Gott und bringen ihrem
«Schöpfer Lob dar, wegen seiner gerechten Entscheide» (RB 16,5).
Schaut man den Aufbau der einzelnen Gebetsstunden an, fällt auf, dass sie je nach den
Grundsätzen des Wortgottesdienstes aufgebaut sind. «Ihr Mittelpunkt ist die Schriftlesung;
darauf antworten Antwortgesänge; den Abschluss bilden Fürbitten und Gebete. Voraus gehen
drei Psalmen, die wechselweise (antiphonal) gesungen werden» (Berger, 1993, S. 159).
Der Psalmengesang macht den grössten Teil des Stundengebets aus. Entsprechend der Re-
gel Benedikts sind alle 150 Psalmen in einer Woche durchzubeten (RB 18,25). Die Verteilung
der Psalmen schreibt Benedikt so vor: In der Laudes, der Komplet und in den kleinen Horen
Prim, Terz, Sext und Non werden je drei Psalmen gesungen. In der Vesper sind es vier. In den
Vigilien werden pro Nacht zwölf Psalmen gesungen. Benedikt weicht teilweise vom Brauch
ab, die Psalmen in der Reihenfolge des biblischen Buches zu singen. Gewisse Psalmen werden
für bestimmte Gebetszeiten ausgewählt und bekommen so eine feste Deutung durch ihre Stel-
lung in der Liturgie. Auch bei Reformen des Stundengebets – insbesondere bei der Schaffung
eines deutschen Antiphonales – war die Verteilung der Psalmen auf die Wochentage und Ta-
geszeiten von besonderer Bedeutung. Benedikt selbst räumt jedem Kloster für diese Aufgabe
eine gewisse Freiheit ein, wenn er sagt: «Sollte diese Psalmenverteilung jemandem missfallen,
treffe er eine andere Ordnung, wie er sie für besser hält.» (RB 18,22)
Zu den Psalmen hinzu kommt eine grosse Anzahl von Antiphonen. Im «Benediktinischen
Antiphonale» umfasst das Repertoire an die 1400 solcher Begleitverse zu den Psalmen.
Funktion der Antiphone ist es einerseits, den Chor auf die Tonart des folgenden Psalms ein-
zustimmen. Zweitens fasst die Antiphon den Sinngehalt des Psalms zusammen. Die Aussagen
der biblischen Worte sollen dadurch verstärkt werden. Die Antiphone bilden so einen Rahmen
um die Psalmen.

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Ebenfalls vor, zwischen oder nach den Psalmen wird die sogenannte «kleine Doxologie» –
das Gloria Patri – gesungen.6 Es ist eine kurze Lobpreisung auf den Vater, den Sohn und den
Heiligen Geist. Das Singen des «Ehre sei» ist schon vor Benedikt die Regel.
Neben den Psalmen spielen noch andere Bibeltexte eine wichtige Rolle in der Stundenlitur-
gie. Es sind dies die Cantica. Cantica sind Loblieder aus dem Alten und Neuen Testament. Die
wichtigsten neutestamentlichen Cantica sind das Benedictus (Lobgesang des Zacharias, Lk
1,68–79), das Magnificat (Lobgesang der Maria, Lk 1,46–55) und das Nunc Dimittis (Lied
des Simeon, Lk 2,29–32). Gemäss der Benediktsregel haben die Cantica ihren festen Platz in
der Laudes und der Vesper.

2.2.1 Psalmengesang
Wie in Kapitel 1.2 gezeigt, waren die Psalmen schon in der jüdischen Synagoge wichtiger Be-
standteil des Kults. Unter den Büchern des Alten Testaments nimmt das Buch der Psalmen,
der Psalter, eine vorrangige Stellung ein. Als Zitate haben die Psalmen auch im christlichen
Neuen Testament einen grossen Stellenwert. «Etwa ein Drittel aller Zitate und Anspielungen
auf alttestamentliche Texte im Neuen Testament beziehen sich auf die Psalmen.» (Löning,
1998, S. 296) Auch in der frühen Kirche fanden die Psalmen eine breite Aufnahme. Im
christlichen Verständnis sind die Psalmen «Stimme der Kirche», gar «Stimme Christi». «Die
Kirche hat mit den Psalmen auf die in Christus erfüllte Offenbarung geantwortet.»
(Einheitsübersetzung, 1985, S. 615) Die Theologie unterscheidet verschiedene Psalm-Gattun-
gen: Loblieder (Hymnen), Danklieder, Klagelieder eines Einzelnen und des Volkes, Bittpsal-
men, Wallfahrtslieder (Zionslieder), Königslieder, Weisheitslieder, messianische Psalmen. «In
den Psalmen klingt die ganze Skala menschlicher Grundstimmungen auf, so dass sich der Beter
mit den Menschen, mit der Kirche, mit Christus solidarisieren kann.» (Holzherr, 1993, S.
159)
Betrachten wir die Verwendung der Psalmen in der christlichen Liturgie, lässt sich ein
Wandel vom Psalm als Lesetext zum Psalm als Gebetstext beobachten. «Als Text der Heili-
gen Schrift dienten sie [die Psalmen] den Mönchen zur lectio (Lesung), auf die sie mit einem
Gebet (oratio) antworteten. Damit waren aber die Psalmen selbst noch nicht Gebet.» (Lentes,
1998, S. 324) Der Benedikt-Forscher Adalbert de Vogüé macht ein verändertes Psalmver-
ständnis in der Regel Benedikts aus: «Als schliesslich der Brauch sich durchsetzte, den Psalm
chorweise, Vers für Vers zu singen, erinnerte nichts mehr daran, dass der Psalm ursprünglich
dazu bestimmt war, von den Anwesenden gehört zu werden und zum nachfolgenden Gebet an-
zuregen.» (A. de Vogüé, 1986, S. 178) Durch die festgeschriebene Verwendung im Stundenge-
bet brachten es die Psalmen auch als Gebetstexte für den privaten Gebrauch zu grosser Ver-
breitung. «Der Liturgie, nicht seiner Zugehörigkeit zum Kanon der biblischen Bücher, ver-
dankt der Psalter seine vielfältige Rezeption.» (Lentes, 1998, S. 331) Das Geheimnis des Er-
folgs der Psalmen lässt sich auch damit erklären, dass sie in ihrer poetischen Form Lieder
sind, die zum Singen geschrieben wurden.

2.2.2 Psalmodie
Eine spezifische poetische Eigenschaft der Psalmen ist in der hebräischen Sprache begründet.
Die zwei aufeinander folgenden Zeilen eines Psalmverses stehen meist in einer gedanklichen
Beziehung zu einander7. Sinngehalt und Bildhaftigkeit der Aussage der ersten Zeile werden in
der zweiten Zeile wiederholt, verstärkt oder variiert. «Diese poetische Struktur fand auch im
Gregorianischen Choral grösstmögliche Berücksichtigung.» (Agustoni, 1993, S. 280) Von ihr
6 Sie wird so bezeichnet im Unterschied zur «grossen Doxologie» –
dem Gloria in excelsis Deo der Messe.
7 Parallelismus membrorum (Parallelismus der Versglieder). Paral-
lelismus: [grch.] Rhetorik: als rhetor. Figur gleich oder sehr ähnlich
gebaute, aufeinander folgende und sich in ihrem Sinn bestärkende
Sätze oder Verse (© 1999 Bibliographisches Institut & F.A. Brock-
haus AG).

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

abgeleitet ist die antiphonale Gesangsweise, das wechselseitige Singen der Versteile zwischen
zwei Chorhälften.
Grösste Bedeutung beim Singen von Psalmen kommt dem Verhältnis zwischen Wort und
Ton zu. In der Psalmodie bekommt das Psalmwort einen «Ton», den Psalmton. Er stellt das
Melodieschema dar, nachdem der Text musikalisch ausgestaltet wird. Wichtigstes Element
des Psalmtons ist der Rezitativton (Tenor), auf dessen Grundlage der Psalm vorgetragen wird.
Zu Beginn des Psalmes steht die Intonation. Sie ist eine Melodieformel, die vom vorstehen-
den Antiphon zum Rezitativton des Psalms überleitet. In der Mitte des Psalmverses sorgt die
Mittelkadenz, am Ende die Schlusskadenz für die melodische Ausgestaltung. Die Psalmtöne
sind nach den acht Kirchentonarten (Modi) eingeteilt.
In ihrer musikalischen Form liegt die Psalmodie nahe an der Kantillation (vgl. Kapitel
1.2). Im Unterschied zur Kantillation steht bei der Psalmodie aber nicht die «darstellende-
vortragende» Funktion im Mittelpunkt. Viel eher will die Offiziums-Psalmodie in der einfa-
chen Melodiegestaltung Verinnerlichung und Meditation fördern.

Auch wenn der Psalmengesang in der klösterlichen Tagzeitenliturgie das Absolvieren eines
aufgetragenen Pensums darstellt, trägt genau dies zum Umfeld bei, das den Mönch in seinem
Gebet trägt und fördert. Benedikt erinnert in seiner Regel daran, dass beim Chorgebet der gan-
ze Mensch vor Gott und den Engeln steht. «Bedenken wir also, wie wir uns verhalten sollen
unter den Augen Gottes und seiner Engel, und stehen wir beim Singen der Psalmen so, dass
unser Denken und unser Herz im Einklang mit unserer Stimme sind.» (RB 19,6–7) Grosse Be-
deutung bekommt damit der spirituelle Aspekt des Choralgesangs in der klösterlichen Traditi-
on. Ihren je ganz persönlichen Zugang zum Geheimnis des Gregorianischen Chorals haben die
Gregorianikforscher gefunden, die selbst Mönch oder Priester sind. Immer wieder weisen sie
darauf hin, dass der Gregorianische Choral und überhaupt die Liturgie der Kirche nur als gan-
zer Mensch erfasst werden kann. Eine Sammlung von Zitaten verdeutlicht diesen Punkt:
Pater Roman Hofer: «Der eigentliche Sinn von Liturgie liegt dort, wo sie Gottesdienst und
Alltagsleben umspannt als ein für beide gemeinsamer Lebensstil.» (Hofer, 1990, S. 9)
Don Luigi Agustoni: «Er [der Gregorianische Choral] besitzt wahre religiöse Tiefe. Das be-
ruht nicht nur darauf, dass er religiösen Riten wie denen der Liturgie Ausdruck verleiht (…),
sondern auch darauf, dass das gesungene Wort durch intensive Gotteserfahrung zur Reife ge-
kommen ist.» (Agustoni, 1993, S. 206)
Pater Roman Bannwart: «In diesem Sinne führt der Choral (…) zur Erfahrung der körper-
lich-seelischen Zusammenhänge durch die menschliche Stimme.» (Bannwart, 1992, S. 114)

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Kapitel 3

Der einzelne Mönch im Chor der Brüder


Der Mensch im Spannungsfeld zwischen dem persönlichen Vor-Gott-Stehen und dem Einge-
bundensein in die Ordnung der Gemeinschaft ist Thema dieses Kapitels. Lebendig wird der
Gregorianische Choral in der liturgischen Ordnung nur im Mönch selbst, der ihn – in der Ge-
meinschaft der Mitbrüder – praktiziert. Deshalb gilt die Betrachtung im ersten Abschnitt die-
ses Kapitels dem Leben der Mönche in der klösterlichen Gemeinschaft. Es soll aufgezeigt
werden, in welcher Umgebung sich der Mönch in seiner Übung des geistig-geistlichen Lebens
befindet und wie das Zusammenspiel zwischen ihm und der Gruppe vor sich geht. Im zweiten
Teil soll untersucht werden, welche Bedeutung der Meditation und dem Gebet im Persönlichen
und im Gemeinschaftlichen zukommt.

3.1 Der Mönch in der Gemeinschaft


Das Chorgebet bringt die Einheit mit Gott, mit sich selbst und mit der Gemeinschaft der Mit-
brüder zum Ausdruck. «Besonders gut eignen sich die gregorianischen Gesänge für das Beten in
der Gemeinschaft. Gerade ihre Einstimmigkeit vermag das Gefühl der Zusammengehörigkeit
und Einmütigkeit zu vermitteln und zu fördern.» (Agustoni, 1993, S. 206) Wie wir gesehen
haben, bilden die Gebetszeiten das Gerüst für den klösterlichen Tagesablauf. Die Regel gibt
dem äusserlichen Leben eine Ordnung, und sie hilft auch dem inneren Leben, eine Ordnung zu
finden.

3.1.1 Einheit von Innen und Aussen


Bekannt ist der benediktinische Leitspruch «ora et labora», der das Innen und das Aussen des
Mönchsleben auf eine kurze Formel bringt. Das Ora steht für das Innere des Mönchs, für das
Gebet. Das Labora für das Äussere, die praktische Arbeit. Beide zusammen bilden einen Le-
bensstil, der einen gesunden Ausgleich der geistigen und körperlichen Kräfte ermöglicht.
Noch deutlicher wird die Beschreibung des Mönchslebens, wenn wir die folgenden Werte be-
trachten, unter die sich der Mönch, der in ein Kloster eintritt, nach der benediktinischen
Tradition stellt: Opus dei, Oboedientia, Obprobria (Gottesdienst, Gehorsam, Verdemütigun-
gen). In diesen drei O ist das Verhältnis des einzelnen Mönchs zum Leben in der klösterlichen
Gemeinschaft – auch im Chorgebet – zusammengefasst. «Im Opus Dei ist alles enthalten, was
die Beziehung des Mönchs zu Gott ausmacht, also das Ora im Sinne des gemeinsamen und
persönlichen Gebets, der Lesung, des Studiums, der Meditation, der Gottesdienstvorbereitung.
Die Oboedientia regelt das Leben in der Gemeinschaft, bedingt ein unaufhaltsames Hören aller
nach oben, nach unten, auf die Seite hin. Die Obprobria schliesslich beziehen sich auf die Ar-
beit, also das Labora, besonders auf die Handarbeit oder die unangenehmen Arbeiten.»
(Müller, 1997, S. 86)
Im Kloster kommt es also auf drei Dinge an: Auf die persönliche Reifung durch Lesung,
Gebet und Meditation, auf die konkrete Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens und auf die
Erfüllung der aufgetragenen Arbeit. Die letztgenannte Aufgabe müssen wir nicht weiter beob-
achten. In der weiteren Betrachtung geht es um die persönliche Andacht und um die Gemein-
schaft.

3.1.2 Vom Einzelnen zur Gemeinschaft


Oft erscheint es als Widerspruch, wenn sich der Mönch auf der einen Seite mit Gebet und Me-
ditation von der Welt absondern und Askese üben will und sich auf der anderen Seite in die
Struktur des Klosters stellt, der gegenüber er zum Gehorsam verpflichtet ist. In der Askese
sucht der Mönch das «Ausseralltägliche» (Max Weber, in: Schmelzer, 1979, S. 124), das

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Weltfremde; im Gehorsam gegenüber der Gemeinschaft bindet er sich an Alltägliches, Weltli-


ches.
Schauen wir uns die Geschichte des Mönchtums an, so sehen wir, dass am Anfang dieser
Bewegung tatsächlich das Absondern von der Welt stand. Die Anachoreten zogen sich ab dem
3. Jahrhundert in die Einsamkeit der ägyptischen und syrischen Wüste zurück, um den Dämo-
nen der Welt zu entfliehen. Stattdessen sahen sie sich in der Askese den Dämonen in ihrem
Innern gegenübergestellt. «Der Anachoret kämpft nicht mehr gegen die Welt; er kämpft ge-
gen die Dämonie seines körperhaften Selbst.» (Mühlenberg, 1991, S. 80) Mit dem Sieg gegen
die Dämonen macht sich der Asket frei für die Nächstenliebe. In der Entwicklung der
Mönchsbewegung schliessen sich die Asketen mehr und mehr zu Kolonien zusammen. Neulin-
ge wollen sich von den greisen «Wüstenvätern» in der Askese unterweisen lassen. Der Vater
begleitet seine «Söhne» auf ihrem spirituellen Weg zu Demut und Liebe. Der Mönchsvater
Pachomius verfasst als erster eine Klosterregel. «Durch genossenschaftlichen Gehorsam wird
die Praxis der Demut institutionalisiert.» (Mühlenberg, 1991, S. 81) Durch die Regel wird die
äussere Ordnung gefestigt. Die steigende Zahl von Mönchen und die vorgeschriebene Arbeit
verschafft den Klöstern auch wirtschaftliche Bedeutung. In der späteren Geschichte nimmt
die Formalisierung der Klöster zu. Weltliche Herrscher unterstellen die Klöster ihren eigenen
Rechtsansprüchen. Die römische Kirche integriert die Klöster ins Kirchensystem.
Historisch betrachtet, liesse sich also eine Verschiebung vom Innen zum Aussen feststel-
len. «Der fuga mundi (Weltflucht) folgt eine creatio mundi, die Errichtung des Klosters.»
(Malfèr, 1997, S. 151) Diese Bewegung weist indessen auf den dynamischen Prozess des Wer-
dens von Kultur hin: Die gelebte Spiritualität der Mönche prägt das gemeinsame Miteinander.
Aus der Reifung durch die Askese ergibt sich eine Kulturform der Liebe, der Demut und des
Gehorsams. Kulturwissenschaftler sind zur Ansicht gelangt, dass die einzelne Person und ihr
Umfeld miteinander im Austausch stehen und so Kultur prägen. «Personalität und Gemein-
schaft sind komplementäre Pole eines kulturellen Lebens. Sie konstituieren sich wechselsei-
tig.» (Lang, 1995) Dies ist selbstverständlich der Fall, wenn die Einheit von Innen und Aus-
sen intakt ist.

3.1.3 Tradition und Wandel


Um die Betrachtung des kulturellen Wachsens der Mönchsgemeinschaft noch weiter auszuge-
stalten, soll der Argumentation des Kulturpsychologen Alfred Lang, Universität Bern, gefolgt
werden. Lang will in seinen Arbeiten aus dem «dualistischen Holzwege-Dschungel» des westli-
chen Weltbildes ausbrechen. Seine «semiotische Ökologie untersucht Lebewesen als werdende
Strukturen in ihrer Umwelt als evolvierendes dynamisches System». «Personalität und Kul-
turalität sind Aspekte ein- und desselben geschichtlichen Prozesses der Bildung von mehr oder
weniger überdauernden Strukturbildungen.» (Lang, 1995) Tradition und Wandel in der Ge-
meinschaft sind aus der «Systemdynamik selbst und angesichts von wechselnden ökologi-
schen, ökonomischen, nachbarschaftlichen und kommunikativen Rahmenbedingungen» abzu-
leiten. Über die Beständigkeit von Traditionen kann festgestellt werden: «Die stabilisierenden
Momente menschlicher Geschichtlichkeit sind (…) im beharrenden Umgang mit kulturellen
Errungenschaften zu sehen, die sich in vielfacher Adoption und Repetition von Innovationen
einerseits und ihrer Abwehr anderseits herausbildet.» Auf der anderen Seite steht der Wandel:
«Die den kulturellen Wandel bestimmenden Momente gehen wesentlich von Individuen als
Personen aus, sind jedoch für ihr Wirken von der Aufnahme durch andere abhängig. Kulturel-
le Traditionen sind auf innovative Individuen und reflektierende Personen angewiesen.»
Reformen und Neuerungen ergeben sich innerhalb des Mönchtums immer dort, wo die Ein-
heit von Innen und Aussen von Einzelnen als gestört empfunden wird, und wo diese Indivi-
duen sich dagegen stark machen. Am Beispiel des Reformators Martin Luther (1483–1546)
soll dies kurz gezeigt werden.

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Der Augustinermönch Luther wendet sich vehement gegen die sein Leben bestimmende Tra-
dition, gegen Klosterordnung und Sakramente. Er sucht die Unmittelbarkeit Gottes in der Bi-
bel: «So wie er – zunächst für sich – mit seiner Bibellektüre und später – für andere – mit sei-
ner Bibelübersetzung das distanzierende Element der Tradition beiseite schiebt und den
‹unverfälschten› Zugang zum ‹einzig wahren Wort›, zum unmittelbar gegebenen ‹Wort Got-
tes› herstellt, so zerstört er mit der Reduzierung der Sakramente auf Taufe und Abendmahl
den Zyklus der rituell geordneten und sakralisierten Lebensstationen.» (Soeffner, 1995, S. 36)
Luther wehrt sich damit gegen die äussere Form der Tradition, die so dominant geworden ist,
dass er sich daran gehindert sieht, als Mensch direkt mit Gott in Verbindung zu gelangen. Lu-
ther will die Gotteserfahrung wieder ins Innere jedes Menschen zurückverlegen. Luthers indi-
viduelle Impulse haben schliesslich eine bedeutende Auswirkung: «Der ‹äusseren› Kirche als
sakrale Institution sind damit aus protestantischer Sicht nicht nur Legitimation und Macht
entzogen, sondern auch – was entscheidender ist: ihr Einfluss auf die alltägliche Lebenspra-
xis.» (Soeffner, 1995, S. 44) Luther schafft eine neue Ordnung für die (protestantische) Kir-
che, die die bisherige Ordnung ablöst.

Diese Darlegung will deutlich machen, dass der Einzelne und die Gemeinschaft nicht duali-
stisch voneinander getrennte Positionen sind. In der Tradition und im Wandel des Mönch-
tums stehen beide in einem dynamischen Verhältnis zueinander. Die Mönchsgemeinschaft
findet gerade durch das Miteinander zu ihrer kulturellen Ausprägung. Die Regel Benedikts hebt
durch die Anweisung zum Gottesdienst und zum Gehorsam die Einheit vom Einzelnen und der
Gemeinschaft hervor.

3.2 Das einsame und das gemeinschaftliche Gebet


Ein anderer Neuerer des Mönchtums war der amerikanische Trappistenmönch Thomas Mer-
ton (1915–1968). Auch er stellt die individuelle Übung der Askese und der Demut gegenüber
der äusseren Tradition in den Vordergrund. «Das blosse Lernen und Ausüben monastischer Ri-
tuale und Gebräuche macht noch keine wirkliche geistliche Disziplin aus, obwohl sie durchaus
eine geeignete Grundlage für eine geistliche Schulung schaffen können. Aber die wahre Diszi-
plin ist innerlich und persönlich.» (Merton, 1965, S. 142)
Obwohl die Benediktsregel die asketische Übung zu Gunsten der Arbeit abschwächt, bleibt
die Überlieferung der Spiritualität, wie sie die «alten Väter» pflegten, bestimmend für das
ideale Mönchsleben. Auch Benedikt stützt sich bei der Formulierung seiner Regel auf die
Lehren der Mönchsväter: «Die ‹Lebensbeschreibungen der Väter› werden von Benedikt emp-
fohlen und klingen bei ihm selber oft an.» (Holzherr, 1993, S. 16) In der Tradition der Klö-
ster, die sich an die RB halten, lebten die Lehren weiter und prägten so das abendländische
Mönchtum.
In der Askese sucht der Mönch seine eigene Tiefe und die Gegenwart Gottes. Durch die
geistliche Reifung gelangt er zu einer grösseren Freiheit seines Menschseins. Zentral ist dabei
die Meditation.

3.2.2 Persönliches Gebet


Zum persönlichen Opus Dei gehört das Lesen der Heiligen Schrift (lectio divina) und das Ge-
bet (oratio) – vor allem der Psalmen. Die spirituellen Übungen, die der Mönch für sich allein
(in der Zelle) erfüllt, werden schon in der frühmonastischen Literatur mit «meditatio» be-
zeichnet. Die Meditation der Heiligen Schrift soll den Mönch «zu einer Lebenspraxis führen,
die mit dem Wort der Schrift in Übereinstimmung steht» (Puzicha, 1997, S. 55). In der Me-
ditation spricht der Mönch die Texte leise vor sich her. Man spricht auch von der
«ruminatio», des «Wiederkäuens» der Schriftworte. Im unaufhörlichen Aussprechen und Re-
zitieren erfüllt der Mönch die Forderung, «allezeit» zu beten (vgl. Kapitel 2.1). «Die Medita-
tion ist die ständige Erinnerung an die Gegenwart Gottes mitten im Leben und mitten im

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Alltag.» (Puzicha, 1997, S. 56) Während sich der Mönch in der Meditation Bibelworte zusp-
richt, hört er in der Kontemplation auf die Antwort Gottes. Kontemplation ist eine «liebende
Aufmerksamkeit» (Johannes von Kreuz, in: Jäger, 1985, S. 7) des Beters gegenüber Gott. Es
ist ein Stillwerden, das zur inneren Erkenntnis des Menschen in der Verbundenheit mit Gott
führt. Darin reift die Demut. «Demut und Ehrfurcht» sind sodann auch für Benedikt die
Grundbedingungen für wahres Beten (RB 20).

3.2.3 Chorgebet
«Das äussere Tun ist um des inneren Mysteriums willen da.» (Hofer, 1990, S. 13) So wieder-
holen sich im gemeinsamen Chorgebet auch die Teile des persönlichen Gebets: Psalmeng-
esang, stilles Hören und kurzes spontanes Beten. Das Chorgebet bildet keinen Höhepunkt im
unablässigen Beten des Mönchs. Besonderen Charakter bekommt es aber dadurch, dass es ein
Gemeinschaftsgebet ist. Der einzelne Mönch sieht sich mit seinen Mitbrüdern verbunden und
«darüber hinaus mit der ganzen Schöpfung. Dass sich die Zeiten des Gebets nach dem Rhyth-
mus des natürlichen Lichts richten, ist ein deutliches Zeichen dieser kosmischen Verbunden-
heit» (Holzherr, 1993, S.152). Sie kommt musikalisch in der Einstimmigkeit und im
«besinnlich-beschauliche Gepräge» des Gregorianischen Chorals zum Ausdruck. Die Mönche
pflegen diese Musik, weil sie offenbar gepürt haben, «dass die gregorianischen Melodien (…)
für ihren Auftrag, täglich zu gewissen Stunden Gott singend zu verherrlichen, geeignet sind»
(Bannwart, 1992, S. 111). Das gemeinsame Singen fördert zudem sowohl das andauernde Me-
ditieren der Bibelworte als auch «den inneren Zusammenklang» (Agustoni, 1993, S. 205) in
der Gemeinschaft der Brüder.

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Schlusswort

Entsprechend dem Titel – «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche» – wur-
den in dieser Arbeit die Hintergründe das monastischen Chorgesangs beschrieben. Die Be-
schreibung orientierte sich über weite Strecken an der Tradition der Benediktsregel. Aus die-
sem Grund können hier zum Schluss noch einmal – heutige – Benediktinermönche zu Wort
kommen. Auf ihrer Internetseite8 beschreiben die Mönche der Abtei Münsterschwarzach
(Deutschland) ihre Aufgaben so:
«Uns Benediktinern ist wichtig auf unserem Weg: Das Gebet – Gemeinsamer Psalmenge-
sang, Feierliche Gottesdienste, Feier des Kirchenjahres; Meditation – Stille, Hören, Üben;
Die Arbeit – In den klostereigenen Werkstätten, Seelsorge, Schule, Jugendarbeit, Mission,
Verantwortung für die Welt; Gemeinschaft – Im Gespräch, Im Feiern, Sich gegenseitig un
terstützen, Gemeinsam Zukunft gestalten, Kreativ sein, Versöhnung lernen».
Mit diesen Worten wird noch einmal zusammengefasst, was das «orden-tliche Leben» des
Mönchs ausmacht. Der Gregorianische Choral steht in der Aufzählung als «gemeinsamer
Psalmengesang» wohl nicht zufällig an vorderster Stelle. Als Teil des «Schatzes der Kirchen-
musik» soll er in der katholische Kirche weiterhin «den ersten Platz einnehmen» (Liturgie-
konstitution, Zweites Vatikanisches Konzil). Das II. Vaticanum sprach sich ebenfalls – mit
Blick auf die Ökumene – für einen neuen Zugang zu den Quellen des östlichen Mönchtums
und der monastischen Spiritualität aus. Das soll für alle Christen wie auch für die Mönche
selbst gelten. «Es geht um eine neue (bzw. ursprünglich-authentische) Sicht der Wirklichkeit
des Mönchtums.» (Puzicha, 1997, S. 52) Der Gregorianische Choral kann als identitätstiften-
de Stütze des Mönchtums herangezogen werden. Er ist das äussere Anzeichen der monasti-
schen Kult(ur)form, die ihren inneren Gehalt aus der spirituellen Erfahrung der einzelnen
Mönche schöpft, und die sich aus der frühen christlichen Kirche, über das Mönchtum ausge-
staltet und bis in unsere Zeit bewahrt hat.
Die Hauptaussage der Arbeit, wie sie vor allem im dritten Kapitel dargelegt wird, lässt sich
hier folgendermassen zusammenfassen: Die wesentliche Bedeutung sowohl des Gregoriani-
schen Chorals wie des Mönchslebens kann nur erschlossen werden, wenn die einsame Einkehr
und das gemeinschaftliche Miteinander als einheitliche Lebensform verstanden wird. Diese
Lebensform, zu der die Benediktsregel anleiten will, bietet das Umfeld, in dem der Einzelne
durch die Übung von Demut und Liebe zu einem friedlichen Zusammenlaben mit seinen Mit-
menschen findet, und das in einem gesunden Ausgleich von körperlichen und geistigen Kräf-
ten.

8 http://www.abtei-muensterschwarzach.de/Abtei/Wichtig.htm

18
Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Anhang

Literatur- und Quellenverzeichnis

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Stefan Bucher, Proseminararbeit, «Gregorianischer Choral in der Gemeinschaft der Mönche»

Taschenbücher 1046: Heidelberg, Wiesbaden: Quelle und Mayer, 1991


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(Hg.): Lebendiges Kloster. Festschrift für Abt Georg Holzherr. Freiburg: Paulusverlag, 1997
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